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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 75 Abt. A: Abhandlungen zum Römischen Recht und zur Antiken Rechtsgeschichte
Aus der Werkstatt römischer Juristen Vorträge der Europäisch-Ostasiatischen Tagung 2013 in Fukuoka Herausgegeben von Ulrich Manthe Shigeo Nishimura Mariko Igimi
Duncker & Humblot · Berlin
Aus der Werkstatt römischer Juristen
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.
Neue Folge · Band 75 Abt. A: Abhandlungen zum Römischen Recht und zur Antiken Rechtsgeschichte
Aus der Werkstatt römischer Juristen Vorträge der Europäisch-Ostasiatischen Tagung 2013 in Fukuoka
Herausgegeben von Ulrich Manthe Shigeo Nishimura Mariko Igimi
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Den Römern ist es mit ihrem Recht gelungen, die grundlegenden Regeln für das Zusammenleben der Menschen zu schaffen. Die Tagung „Römisch rechtliches Kolloquium – Interpretation und Umfeld historischer Quellen des römischen Rechts“ fand vom 25. bis 27. März 2013 in den Räumen der Technischen Universität Fukuoka (Fukuoka Institute of Technology – Fu kuoka Kogyo Daigaku) statt und verfolgte den Zweck, durch vertiefende und auf mehreren Ebenen durchgeführte Exegesen der römischen Quellen texte das Besondere des römischen Rechtes weiter zu ergründen. Da römisches Recht die Grundlage des modernen Zivilrechts in mehreren Staaten sowohl in Mitteleuropa als auch in Ostasien bildet, schlugen die Vorträge eine Brücke zwischen römischem Recht und modernem Zivilrecht. Shigeo Nishimura hatte Romanisten aus drei ostasiatischen und sieben euro päischen Ländern versammelt; so entstand eine zweite Brücke zwischen Ostasien und Europa. An der Tagung nahmen jüngere und ältere Wissen schaftler teil – dies war die dritte Brücke zwischen Jung und Alt. Dieser Band enthält die Vorträge in deutscher oder englischer Sprache. Die sprachliche Fassung wurde, wenn überhaupt erforderlich, von Ulrich Manthe angepasst, wobei ihn die europäischen Kollegen – nicht nur die Teilnehmer der Tagung, sondern auch manche andere – bereitwillig unter stützten; hierfür sei allen herzlich gedankt! Mariko Igimi stellte das Quel lenregister her. Unser herzlicher Dank gilt dem Herausgeber der Freiburger Rechts geschichtlichen Abhandlungen, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kaiser, und dem großzügigen Verleger, Herrn Dr. Florian Simon, für die Aufnahme in diese Reihe. Die Autoren hoffen, mit diesem Band einen bescheidenen Beitrag zur Erkenntnis der Bedeutung der Wissenschaft vom römischen Recht als Grundlage jeder Rechtswissenschaft in Ost und West geleistet zu haben. Februar 2016
Ulrich Manthe, Passau Shigeo Nishimura, Fukuoka Mariko Igimi, Fukuoka
Inhaltsverzeichnis Frits Brandsma Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern seit der lex Iulia de adulteriis? Einige Bemerkungen zu D. 24,2,9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Byoung Jo Choe Zur Debatte um den Rutiliana-Fall (Paul. D. 4,4,38 pr.). Wie soll man einen Text lesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Thomas Finkenauer Das entgeltliche Mandat im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Seiji Fukuda Der Inhalt des Bürgschaftsauftrags: eine Meinungsverschie denheit über D. 17,1,38 Marcell. 1 resp. im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Jean-François Gerkens Fernand De Visscher als Archäologe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Tomoyoshi Hayashi “I ask and he gave his opinion” (quaero, respondit) – Some Reflections on the Forms of Legal Questions and Responses in D. 17,1,59 and on their Background . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Mariko Igimi Occupatio im Alltag der Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Makoto Ishikawa Minpo § 719 und das römische Recht. Eine Anwendungsmöglichkeit auf den Nebentäterfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Sebastian Lohsse Vertragliche Haftungsverschärfung beim depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Ulrich Manthe Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Carla Masi Doria Der Redner Albucius Silus und ein „merkwürdiger“ Prozess wegen Mor des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Wataru Miyasaka D. 23,3,67 Proculus 7 epistulae: Ein angemessener Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
8 Inhaltsverzeichnis Hikaru Mori D. 30,86,4: Ursprung der superficies als ius in re aliena? . . . . . . . . . . . . . . 277 Shigeo Nishimura Eine raffinierte Falllösung zur condictio indebiti: Scaev. D.12,6,67,4 . . . . . . 291 Martin Pennitz Die rechtliche Funktion von Asylstätten in Rom zur Zeit der Republik und des frühen Prinzipats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Pascal Pichonnaz Die Begrenzung des Schadens: „circa ipsam rem“ und D. 19,1,21,3: Einige diachronische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Daisuke Shinomori Testamentum porcelli: Ein von Sklaven errichtetes Testament? . . . . . . . . . . 353 Boudewijn Sirks Zum Schadensersatzanspruch bei der Lex Aquilia anhand von D. 9,2,54 und 55 und eine Bemerkung zu D. 9,2,56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Akira Sugao Usurae ultra alterum tantum: Welche Zinsen sind zum duplum des Kapitals gerechnet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Yoshihiro Tabata Sachmängelhaftung und Nichterfüllungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Minoru Tanaka Semel heres semper heres: Kommentare der Humanisten zu D. 4,4,7,10 und D. 28,5,89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Norio Tanaka Zum Verzicht auf das Widerrufsrecht bei der Schenkung von Todes wegen 447 Kazunori Uemura Zur Normstruktur des Edictum aedilium curulium. Exegese von D. 21,1,14,9 und D. 21,1,28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Shiro Yanata The Burden on the Share of Common Property after Dividing Common Property . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Lihong Zhang Studies on Actio in Factum Civilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern seit der lex Iulia de adulteriis? Einige Bemerkungen zu D. 24,2,9 Von Frits Brandsma I. Die freie römische Ehe war nach herrschender Meinung eine völlig form freie Angelegenheit. Sie wurde geschlossen durch Konsens und ge schieden durch Dissens; so lautet es in den Hand- und Lehrbüchern. Sie war eine faktische Angelegenheit, mit der das Recht zwar nur eine Rechtsfolge verbunden habe, aber deren Zustandekommen und Beendigung freie Sache der Ehepartner sei. Zur Ehescheidung brauchte man nur zu sagen: „Packe deine Sachen und verschwinde“, und die Ehe war getrennt. Schulz sagt zur Ehescheidung in sei nen Prinzipien zum Beispiel: „Ein moderner Ehe scheidungsprozeß würde [dem Römer] schamlos dünken … So wenig als möglich Recht! lautet auf diesem Gebiet seine Parole.“1 Das war alles ganz anders bei der manus-Ehe. Dort gab es Formen im Überfluss. Der confarreatio folgte die diffarreatio und der coemptio folgte die remancipatio. War es aber keine manus-Ehe, dann war Frei heit die Parole und keine Form vorgeschrieben, so jedenfalls die herrschende Meinung.2 Dennoch gibt es einen Text, der für die Ehescheidung eine Form vorsieht.3 Diese Form wird aber von den meisten Autoren, die Levy folgen, auf die manus-Ehe bezo gen, so zum Beispiel auch in der neuen deutschen Übersetzung des Corpus Iuris.4 Neuerdings gibt es aber auch eine andere Meinung. Sie wurde 2006 von Astolfi in seinem Werk über das matrimonium im klassischen römi schen Recht vertreten.5 Er nimmt den Text, welcher sogleich folgt, ernst. 1 Fritz
Schulz, Prinzipien des römischen Rechts, Berlin 1934, 15. Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 201420, § 58.46– 48; Gabriela Eisenring, Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, Wien 2002, 182; Heinrich Honsell / Theo Mayer-Maly / Walter Selb, Römisches Recht, Berlin 1987, § 144 IV; Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, § 77 III 3. 3 D. 24,2,9. 4 Ernst Levy, Der Hergang der römischen Ehescheidung, Weimar 1925; Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung IV, Rolf Knütel u. a., Heidelberg 2005, Fn. 2 ad D. 24,1,35. 5 Riccardo Astolfi, Il matrimonio nel diritto romano classico, Padova 2006, § 54. Siehe dazu die Anzeige von Jakob Fortunat Stagl in SZ 125 (2008) 897 ff., 900. Vgl. jedoch auch schon Josef Huber, Der Ehekonsens im römischen Recht, Rom 2 Z. B.
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Frits Brandsma
Was er dabei nicht beachtet, sind die byzantinischen Zeugnisse.6 Das bedeu tet, dass es nun Zeit ist, den Text und die byzantinischen Zeugnisse zu diesem Text einmal anzuschauen. II. Der Text ist einem Werke Paulus’ über die Lex Iulia de adulteriis entnommen: D. 24,2,9 Paul. 2 de adulteriis Nullum divortium ratum est nisi septem civibus Romanis puberi bus adhibitis praeter libertum eius qui divortium fa ciet. Libertum ac cipie mus etiam eum, qui a patre avo proavo et ceteris susum versum manumissus sit.
Eine Scheidung ist nur wirksam, wenn sieben mündige römische Bürger hinzu gezogen wurden, ausgenommen Frei gelassene desjenigen, der die Scheidung erklärt. Unter einem Freigelassenen verstehen wir auch denjenigen, der vom Vater, Großvater, Urgroßvater oder von den übrigen Ver wand ten in aufstei gender Linie freigelassen wurde.
Es heißt nullum divortium „keine Scheidung“. Divortium geschah durch repudium7 und repudium verlangte sieben Zeugen. Die Byzantiner bestätigen das Bestehen eines Formbedürfnisses, jeden falls für das justinianische Recht. Dorotheos, zum Beispiel, übersetzt wie folgt: Schol. 1 ad Bas. 28,7,15 (D. 24,2,9), BS 1878,15–18 Toà aÙtoà. OÙd7 8n þepoÚdion œrrw Desselben. Eine bloße Verstoßung ist tai m¾ par¦ ˜pt¦ martÚ rwn Øpo nicht gültig, wenn sie nicht von sieben grafÒmenon politîn `Rwma…wn kaˆ Zeugen unterschrieben ist, die römische ™f»bwn Ôntwn cwrˆv ¢peleuqšrou Bürger und mündig und nicht Freigelas toà pšm pon tov tÕ þepoÚdion, e‡te sene desjenigen sind, der die Verstoßung aÙtÕv aÙtÕn ºleuqšrwsen e‡te Ð schickt, sei es dass er selbst ihn frei pat¾r aÙtoà À p£ppov À prÒpappov gelassen hat, sei es sein Vater oder À ›terÒv tiv tîn ¢n iÒntwn aÙtoà À Groß vater oder Ur großva ter oder ein katiÒntwn. anderer seiner Vorfahren oder Abkömm linge.
Nach Levy, Der Hergang der römischen Ehescheidung (1925), nimmt die herrschende Meinung jedoch an, Paulus habe nicht das gesagt, was Justinian ihn sagen lässt. 1977, 152 ff., 158 f. Siehe vor Levy z. B. Rudolf Leonhard, Divortium, in: RE Band V,1 (1903) 1244, mit Lit. 6 Auch nicht in Riccardo Astolfi, Studi sul matrimonio nel diritto romano postclas sico e giustinianeo, Napoli 2012. 7 Vgl. die bei Olis Robleda, Il divorzio in Roma prima di Costantino, in: ANRW II 14, Berlin 1982, 347–390, 349 genannten Autoren. Anders Lucien Claes, La terminologie du divorce dans les textes juridiques latins et les constitutions grecques de Justinien, in: Scrinium Lovaniense 1961 (Mélanges historiques Étienne van Cau wenbergh) 167 ff., 175 ff.
Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern?11
III. Levy meint, die Worte am Anfang „Nullum divortium ratum est“ seien interpoliert worden, und er will stattdessen lesen: Uxorem coemptione in ma num receptam neque remancipatam maritus ex lege non dimittit.8 Also nicht: „Eine Scheidung ist nur wirksam …“, sondern „Eine Ehefrau, die durch Brautkauf in die Ehegewalt aufgenommen und nicht wieder man zipiert worden ist, entlässt der Ehemann dem Gesetz übereinstimmend nur …“. Dass ist etwas ganz anderes. Es gehe im Paulus-Text ursprünglich nicht um eine allge meine Form der Ehescheidung. Die Lex Iulia de adulteriis habe eine besondere Form nur für den Fall eingeführt, dass eine Entlassung aus der Ehegewalt durch remancipatio nicht gelingen konnte, weil die durch coemptio geheiratete Ehefrau durch ihre Abwesenheit sich dieser remancipatio entzog. Diese besondere Form sei notwendig gewesen, um dem Ehe mann die Möglichkeit zu geben, seine ehebrecherische Frau aus der manus zu entlassen und so die Ehe zu beenden, in welchem Falle er nicht wegen Kuppelei (lenocinium) beschuldigt werden konnte. Spätere Autoren haben, auch wenn sie dieser Ansicht nicht im allgemei nen folgen wollten und den Text an sich für paulinisch hielten, doch jeden falls diese Form auf die strafrechtlichen Konsequenzen der Lex Iulia de adulteriis beschränken wollen.9 Ist es aber wahrscheinlich, dass Justinian auf diese Weise eine Form der Ehescheidung einführte? Denn das wäre die Folge, wenn Levy recht hätte. Vielleicht lohnt sich die Mühe, diesen schon viel erörterten Text noch ein mal zu besprechen. Der Text bereitet uns verschiedene Schwierigkeiten. Hauptfrage ist selbst verständlich, ob der Text nur justinianisches Recht wiedergibt oder bereits von Paulus herrührt. Eine andere Frage ist, was praeter libertum zu bedeu ten hat und was wir mit diesem Freigelassenen anfangen: gehört er zu den Zeugen oder nicht? IV. Beginnen wir mit der Hauptfrage. Der Text ist der einzige, der uns die Formalitäten der Ehescheidung nach klassischem römischem Recht mit teilt. Levy betont dies neben den Umstand, dass das Paulus-Fragment sei nem Buch über Ehebruch entnommen ist.10 Der Text soll daher auf irgend eine Weise mit der Lex Iulia de adulteriis in Verbindung stehen und keine allgemeine Form der Ehescheidung betreffen. Der Paulus-Text ist aber nicht 8 Levy
(o. Fn. 4) 46. Schirmer, Die formlose Scheidung nach der lex Julia de adulteriis, in: Zeit schrift für Rechtsgeschichte 11 (1873) 355 ff., 369, und die bei Robleda (o. Fn. 7) 380 genannten Autoren; z. B. Percy Ellwood Corbett, The Roman Law of Marriage, Oxford 1930, 233 f. R. Yaron, Divortium inter absentes, TR 31 (1963) 54 ff., 59, fügt zwischen nullum und divortium ein: . 10 Levy (o. Fn. 4) 25 ff.; 31 ff. 9 Vgl.
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der einzige, der von Formalitäten spricht. Es gibt auch noch andere Texte die das Bestehen von Formalitäten voraussetzen. Es sind die Folgenden. Erstens gibt es einen Gaius-Text:11 D. 48,5,44 Gai. 3 ad leg. duodec. tab. S i e x l e g e r e p u d i u m m i s su m n o n s i t e t i d c i r c o m u li e r a d h u c nupta esse vid e a t u r, tamen si quis eam uxorem duxerit, adulter non erit.
We n n e i n e Ve r s t o ß u n g n i c h t nach dem Gesetz versandt wor den ist und daher die Frau als noch v e rh e i r a t e t b et r a c h t e t w i r d , ist jemand, wenn er sie zur Frau nimmt, dennoch kein Ehebrecher.
Dieser Text erledigt sich für Levy, weil er, laut Inskription, nur das Zwölftafelgesetz betroffen habe.12 Wäre es aber doch denkbar, dass Gaius in seinem Buch über das Zwölftafelgesetz nicht nur die Bestim mungen dieses Gesetzes behandelt, sondern auch spätere Entwicklungen besprochen hat, die diese Bestimmungen betreffen, wie die Lex Iulia de adulteriis? Dorotheos jedenfalls hat den Text mit der Form des Paulus-Fragments in Verbindung gebracht: Schol. 1 ad Bas. 60,37,43 (D. 48,5,44), BS 3719,26–3720,1 Wenn der Mann eine Verstoßung sendet, ’E¦n pšmy6 m7n þepoÚdion Ð ¢n»r, aber diese nicht nach dem Gesetz sendet m¾ kat¦ tÕn nÒmon d7 pšmy6 (tucÕn (denn beispielsweise unterzeichnen kei g¦r oÙc Øpšgrayan z / m£rturev) kaˆ di¦ toàto œti tù nÒm0 nom…zetai ne sieben Zeugen) und deswegen diesel Ûpandrov e1nai ¹ gun¾ aÛth ka… tiv be Frau noch als mit dem Mann verhei ›te rov gamet¾n taÚthn ¢g£gh tai, ratet zu sein betrachtet wird und jemand oÙk œstin oátov moicÒv. anderes sie zur Ehefrau nimmt, ist dieser [Mann] kein Ehebrecher.
Das sagt zwar, wie ich weiß, nichts über die Klassizität der Form aus; wenn man aber aus anderen Gründen an nehmen dürfte, dass die sieben Zeugen nicht auf Geheiß Justinians interpoliert worden sind, gibt dann die ser Text doch einen Hinweis darauf, dass es diese Form gab? V. Zwei weitere Texte sind Ulpian entnommen. Der erste nennt sogar die Lex Iulia de adulteriis: D. 38,11,1,1 Ulp. 47 ad ed. Item Iulia de adulteriis, n i s i c e r t o m o d o d i v o r t i u m f a c tu m s i t , pro infecto habet.
Ebenso hält die [Lex] Iulia über Ehe bruch eine Ehescheidung für nichtig, wenn sie nicht in einer be stimmten Form vollzogen wor den ist.
11 Vgl. zu diesem Text z. B. Carlo Venturini, Divorzio informale e ‚crimen adul terii‘ (Per una riconsiderazione di D. 48.5.44[43]), IVRA 41 (1990) 25 ff. 12 Levy (o. Fn. 4) 19 ff.
Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern?13
Er ist vielleicht die deutlichste Anweisung für das Bestehen einer Bestim mung in der Lex Iulia de adulteriis, die eine Form der Ehescheidung vor schrieb. Levy hat diesen Text, von dem ich hier nur den letzten Teil wiederge geben habe, aus sprachlichen und sachlichen Gründe kritisiert und fast vollständig zu einer nachulpianischen Paraphrase erklärt. Zu diesem letzten Satz des Fragments bemerkt er, dass „das notwendige Objekt“ fehle; dass „habere pro im Aktiv einzig an dieser Stelle vorkommt“ und dass infectus im Sinne von „‚endgültig ungeschehen, nichtig‘ in der Rechtssprache nach klassisch ist“.13 Das Letztere sagt er, nachdem er die übrigen vier Digesten texte, die infectus im Sinne von „nichtig“ haben, allesamt für interpoliert erklärt und das Gleiche mit vier Codex-Stellen gemacht hat. Auch hier gebe ich die byzantinischen Zeugnisse, ohne behaupten zu wollen, dass sie die Klassizität des Textes beweisen. Erstens gibt es die Übersetzung des Dorotheos: Schol. 1 ad Bas. 45,5,1 (D. 38,11,1), BS 2724,19–21 'All¦ kaˆ Ð 'IoÚliov deadulternis Aber auch die Lex Iulia de adulteriis nÒmov dÁlon trÒpon þe poud…wn hat eine deutliche Art und Weise von ßungen erdacht; und wenn die ™penÒhsen: kaˆ ™¦n par¦ tÕ eƒrh Versto mšnon tù nÒm0 pemfqÍ tÕ þepoÚdion, Verstoßung gegen das im Gesetz Ge oÙk œrrwtai mšn, ¢ll’ Ð g£mov sagte versandt wurde, ist sie nicht gül sunšsthken … tig, sondern die Ehe bleibt bestehen…
Dorotheos drückt sich etwas genauer als Ulpian aus. Er sagt, dass gerade die Lex Iulia de adulteriis eine Form der Scheidungserklärung erdacht hat, und zwar eine deutliche Form. Das brauchte er so nicht zu sagen. Hätte er es auf diese Weise formuliert, wenn er wusste, dass er log? Er war ja einer der Mitarbeiter Justinians, oder besser gesagt Tribonians, bei der Zusam menstellung der Digesten.14 Hätte Justinian unseren Haupttext verfälschen lassen, dann wäre es Dorotheos bekannt gewesen. Wozu sollte er denn hier ohne Not – denn der Digesten-Text sagt nicht ausdrücklich, dass die Form aus der Lex Iulia entlehnt ist – diese Mitteilung machen, wenn sie nicht wahr wäre. Neben Dorotheos gibt es auch noch den sogenannten jüngeren Anony mos – so genannt, weil wir nicht wissen, wer er ist – oder Enantiophanes der sich zu Wort meldet.15 Er verweist einmal auf das Paulus-Fragment, D. 24,2,9, das die Form enthält, und einmal auf das Gaius-Fragment, D. 48,5,44 – oder 43 wie er sagt –, das wir soeben besprochen haben. 13 Levy 14 Vgl.
(o. Fn. 4) 22. z. B. Frits Brandsma, Dorotheus and his Digest translation, Groningen
1996, 3 ff. 15 Vgl. z. B. Nico van der Wal / Jan H. A. Lokin, Historiae iuris graeco-romani delineatio, Groningen 1985, 63 ff.
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Frits Brandsma
Schol. 5 ad Bas. 45,5,1 (D. 38,11,1), BS 2725,1–2 5. Desselben. Wie Verstoßung wirksam 5. Toà aÙtoà. Pîv g…netai ™rrwmšnwv geschieht, lernst du in Buch 24, Titel 2, þepoÚdion, œgnwv bib. kd / . tit. b / . dig. lex 9. q / . Schol. 6 ad Bas. 45,5,1 (D. 38,11,1), BS 2725,3–4 6. Toà aÙtoà. Kaˆ ™n tù mg / . dig. toà 6. Desselben. Und in der 43. lex des e / . tit. toà mh / . bib. fhs…n, Óti ™¦n 5. Titels des 48. Buchs sagt man, dass par¦ tÕn nÒmon pemfqÍ þepoÚdion, wenn eine Verstoßung gegen das Gesetz oÙ dialÚetai m7n Ð g£mov … versandt wird, die Ehe nicht aufgelöst wird …
Levy sagt, dass die Byzantiner selbstverständlich die Fragmente der justini anischen Gesetze systematisch auslegen mussten. Das stimmt, aber bedeutet noch nicht, dass diese Verweisungen nicht auch historisch korrekt sein können. Wenn man einmal überzeugt ist, dass Justinian die Form in das Paulus-Fragment hineininterpoliert hat, dann stimmen all diese Argumente. Wenn man aber nicht davon überzeugt ist, dann sagen sie nichts. VI. Der letzte Text aus den Digesten, in welchem auf eine Form der Ehescheidung verwiesen wird, ist auch von Ulpian. Es ist: D. 24,1,35 Ulp. 34 ad ed. Si non secundum legitimam ob s e rv a t i on e m d i v o r t i u m f a c t u m s i t , donationes post tale divortium fac tae nullius mo menti sunt, cum n o n v i d e a t u r s ol u t u m m a t r i m on i u m .
Ist die Scheidung nicht gemäß d e r g es e t zl i c h e n B e s t i m m u n g 16 er f o l g t , so sind Schenkungen nach einer solchen Scheidung nichtig, weil d i e E h e e r s i c h t l i c h n i c h t a u f g e l ö s t w o r d e n i s t .
Hier tadelt Levy insbesondere die Verwendung von observatio im Sinne der zu befolgenden Vorschrift und spricht dem Ulpian den Tatbestand des Fragments ab.17 16
VII. Neben diesen Digestentexten gibt es eine literarische Verweisung, die auf die Form deuten könnte. Es ist ein Text von Sueton, der erzählt, dass Augustus divortiis modum imposuit.18 Dennoch wird modum eher auf Beschränkung oder Beschränkungen deuten. Die Übersetzung von Stahr und Krenkel zum Beispiel gibt: „er schränkte die Ehescheidungen ein“19, und andere Übersetzungen oder Kommentare gehen auch von dieser Bedeutung 16 Die neue deutsche Übersetzung der Digesten hat hier eine Fußnote, die auf D. 24,2,9 (und D. 48,5,44) verweist und sagt, dass hiermit wohl die manus-Ehe gemeint ist: „vermutlich zur Manusehe“. 17 Levy (o. Fn. 4) 23 ff. 18 Suet. Aug. 34,2. 19 Adolf Stahr / Werner Krenkel, Sueton: Werke, Berlin u. Weimar 1985, 81.
Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern?15
aus.20 Modum kann auch auf die Form hindeuten, aber dann würde man vielleicht etwas über die Form dazu erwarten. Wie einige Kommentatoren sagen, ist es merkwürdig, dass Augustus mit seinem Gesetz fast kaum die Ehescheidungen beschränkt hat – es sei denn die Ehe zwischen einem Pat ron und seiner freigelassenen Sklavin – und sie in einigen Fällen gerade beförderte.21 Das sagt aber nichts über die Bedeutung, in der Sueton das Wort gebrauchte, und einige andere Stellen Suetons weisen doch eher auf die Bedeutung von Beschränkungen hin.22 VIII. Es gibt jedoch auch einen Text im Corpus Iuris, der dem Bestehen dieser Form der Ehescheidung zu widersprechen scheint. Es ist C. 5,17,6 (Diokletian und Maximian 294): Licet repudii libellus non fuerit traditus vel cognitus marito, dissolvitur matrimo nium.
Auch wenn ein Scheidebrief nicht dem Ehe mann übergeben oder bekannt ge macht worden ist, wird die Ehe aufge löst.
Hier ist keine Rede von Zeugen. Nur der Scheidebrief wird erwähnt. Dennoch ist die Ehe geschieden. Das könnte heißen, dass die Übergabe oder Bekanntmachung eines Scheidebriefes für die Ehescheidung nicht wesent lich ist. Was aber ist dann entscheidend? Die Erstellung des Briefes viel leicht oder doch die Erklärung der Scheidung vor sieben Zeugen? Jedenfalls erklärt Diokletian hier, dass die Ehescheidung, wie sie auch stattfinde, nicht zur Kenntnis des Ehepart ners gebracht werden musste, um wirksam zu sein.23 Was aber auf eine bestimmte Form hinweist, ist, dass der Scheidebrief dem Ehepartner – wenn ich das so generell lesen darf – nicht zur Kenntnis ge bracht werden musste. Das Eintreten der Ehescheidung muss also die Folge von etwas anderes gewesen sein. Kann das nicht die Erklärung, das repudium, vor sieben Zeugen gewesen sein? Es wird Sie nicht überraschen, dass Levy den Text für unecht hält. Er hat dazu sprachliche und sachliche Gründe. Was die sprachlichen Gründe anbe 20 Vgl. z. B. die kommentierte Ausgabe von Evelyn S. Shuckburg, Cambridge 1896 (Ndr. New York 1979), 79; Susan Treggiari, Roman marriage: „iusti coniuges“ from the time of Cicero to the time of Ulpian, Oxford 1991, 453 Fn. 81; die Über setzung von Donna W. Hurley, The Caesars, Indianapolis 2011, 71 (‚and limited divorce‘). 21 Vgl. Jane F. Gardner, Women in Roman law & society, Bloomington 1986, 85; Treggiari (o. Fn. 19) 453; Levy (o. Fn. 4) 48 f. 22 Suet. Aug. 27,2; 35,1; 40,3. Vgl. auch Liv. 21,44,5; 42,62,4. 23 Vgl. D. 24,2,4 und Pietro Bonfante, Corso di diritto romano I, Roma 1925, 246.
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langt, beanstandet er insbesondere den Satzteil cognitus marito.24 Das hätte „in genauer Sprache“, wie z. B. die von Cicero, marito traditus vel ab eo cognitus oder vel cognitus factus marito sein sollen. Die Formulierung mit dem Dativ neben dem participium perfecti an Stelle des Ablativs mit a gibt es zwar, so gesteht er, in der nichtjuristischen Literatur – er nennt neun Tacitus-Stellen –, aber in der juristischen Literatur finde man sie nicht bis auf Justinian, so Levy. Einige vorjustinianische Stellen hält er darum für verfälscht. Aber ist Tacitus denn wirklich ein schlechterer Beleg als Cicero, und ist die Tatsache, wenn es tatsächlich eine ist, dass die vorjustinianischen juristischen Quellen diese Formulierung nicht verwenden, schlüssig, wenn es literarische Belege gibt? Sachlich findet Levy diesen Satz „ebenso bedenklich wie unrömisch“.25 Er postuliert die Empfangsbedürftigkeit der Scheidungserklärung. Er wollte in diesem Text nichts von einer Form wissen, die nicht zur Kenntnis des Ehepartners gebracht werden brauchte. Denn das hätte in Diokletians Zeit alter nur auf eine Ehe ohne manus bezogen werden können, und das kam ihm nicht recht gelegen. So solle es um etwas anderes gehen, d. h. nach Streichung der Kenntnis des Ehemannes gehe es nur um die Frage, ob ein Scheidebrief vor handen (und übergeben) sein solle. Diokletian habe also bestimmen wollen, dass die schrift liche Scheidung nicht erforderlich sei, und erscheine „wiederum als der Verfechter des Römerrechtes“. „Wiederum hat er Anlass, einer (hier durch den Griechen Phoebus geltend gemachten) hellenistischen Anschauung entgegenzutreten, die ohne libellus repudii eine Scheidung nicht anerkennen will. Wie de rum sieht sich das Reichsrecht durch das Volksrecht bedroht, aber das Reichsrecht selbst tritt noch einmal klar in Erscheinung: Der Scheidebrief ist weder ein essentiale noch auch nur ein naturale divortii.“26 Den Byzantiner können wir hier leider nicht das Wort geben, denn dieser Codex-Text ist nicht in die Basiliken übernommen worden. Es gibt nur ei nen Verweis auf diesen Text bei Stephanus.27 Der Digesten-Text, den Ste phanus kom mentiert, betrifft die Ehe zwischen einem Patron und seiner freigelassenen Sklavin. Diese Ehe konnte nicht durch die liberta geschieden worden. Stephanus erklärt das wie folgt:
24 Levy
(o. Fn. 4) 63 ff. (o. Fn. 4) 63 ff. 26 Levy (o. Fn. 4) 65. 27 Vgl. zu Stephanus z. B. Van der Wal / Lokin (o. Fn. 15) 41 f.; Hylkje de Jong, Stephanus en zijn Digestenonderwijs, Groningen 2008. 25 Levy
Gab es eine Form der Ehescheidung bei den Römern?17
Schol. 6 ad Bas. 28,4,21 (D. 23,2,45), BS Toàto „dikÒn ™sti pronÒmion toà p£trwnov: ™pˆ g¦r tîn m¾ prÕv tÕn p£trwna g£mwn aÙt¾ mÒnh toà þe poud…ou ¹ pomp¾ lÚei tÕn g£mon, k¨n m»pw dš xhtai tÕ ¸epoÚdion ™ke‹nov ú kaˆ ™pšmfqh, æv ¢n»nektai sa fîv ™n tù e / . bib. toà Kwd. ØpÕ tÕn iz / . toà bib. tit. diat. v / .
1826,6–9 (ad D. 23,2,45,5) Das ist ein spezielles Vorrecht des Pat rons; denn in den Ehen, [die] nicht mit dem Patron [geschlossen sind], löst al lein die Absendung selbst der Versto ßung die Ehe auf, auch wenn derjenige, an den die Ver stoßung gesandt wurde, sie noch nicht empfangen hat, wie deut lich berichtet wird in dem 5. Buch des Codex, in dem 17. Titel des Bu ches, constitutio 6.
Stephanus also hat den Text so verstanden, wie Levy ihn nicht haben will. Ist der Text aber, so wie er lautet, so verrückt? Kann es sein, dass die Ehescheidung von einer Formalität abhängig ist, die einseitig erfüllt werden kann? Das wäre der Fall, wenn die Verstoßung, das repudium, an eine Form gebun den ist, die verwirklicht werden kann, ohne dass der andere Ehe partner dabei anwesend sein muss. Gerade so eine Form gibt es in unserem Paulus-Text. Es sind die sieben Zeugen, vor denen die Scheidungserklärung abgelegt werden soll. Aber was ist es denn mit dem Scheidebrief, den Diokletian nennt, oder den Unterzeichnung durch die sieben Zeugen, die Dorotheos nennt? Diok letian, das müssen wir Levy gestehen, sagt nirgends, dass das Abfassen eines Schei debrie fes ein Erfordernis für eine Ehescheidung ist. Kann es daher doch sein, dass er nur als Beweis einer erfolgten Verstoßung gebraucht wird? Das gleiche gilt vielleicht für die Unterzeichnung durch die sieben Zeugen. Sieben Zeugen sind ja schön, aber eine schriftliche Erklärung von sieben Zeugen ist in der Praxis nützlicher, oder etwa nicht? Wird also nicht der Scheidebrief von Diokletian die Erklärung von sieben Zeugen enthalten haben, dass ein repudium erfolgt ist? In dieser Hinsicht sei auch noch hingewiesen auf C. 5,17,8 pr., worin Theododius II. und Valentinian III. im Jahre 449 n. Chr. bestimmen: matrimonia … contracta non nisi misso repudio dissolvi, dass geschlossene Ehen nur durch eine abgesandte Scheidungserklärung aufgelöst werden können.28 Levy u. a. erblicken hierin die Einführung des Scheidebriefes als notwendi ge Form.29 Hier heißt es übrigens nicht libellus repudii wie bei Diokletian,30 aber die Ab sen dung einer Erklärung wird man wohl als in schriftlicher Form auffassen müssen, obwohl es möglich bleibt, dass das Absenden einer 28 =
Nov. Theod. 12 pr. Vgl. hierzu z. B. Huber (o. Fn. 5) 152 ff., 159 f. (o. Fn. 4) 104 ff. Vgl. z. B. Honsell / Mayer-Maly / Selb (o. Fn. 2) 400
29 Levy
Fn. 18. 30 Die einzige Stelle im gesamten Corpus Iuris mit libellus repudii, laut Levy (o. Fn. 4) 129.
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Scheidungserklärung mittels Boten gemeint ist, d. h. mittels eines Freigelas senen. Sehr klar ist die Anordnung nicht.31 Jedenfalls benutzte die Praxis im Osten die Schriftform, wie Levy gezeigt hat,32 und diese könnte kraft Ge wohnheit33 oder Anordnung dispositiv statt deklaratorisch geworden sein: von Beweis zu notwendiger Form. Wird man Dorotheos nicht so verstehen müssen, dass die Erklärung vor sie ben Zeugen in seiner Zeit praktisch gesehen fast immer schriftlich festge legt wurde oder immer schriftlich festgelegt werden musste, selbstverständ lich mit den Unterzeichnungen der sieben Zeugen? Darin kann man auch einen Hin weis für die Echtheit des Paulus-Textes sehen; denn würde darin von Justinian eine neue Form hineingelegt, dann wäre das doch die richtige? Er hätte dann doch die schriftliche Form interpo liert, die offenbar notwendig oder laut seinen Zeitgenossen in der Praxis üblich war. Ich kann mir also vorstellen, dass in Justinians Zeit das Recht ein von sieben Zeugen unterzeichnetes Dokument verlangte, während das nicht in dem Paulus-Text stand und auch nicht in der Lex Iulia de adulteriis. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass Justinian eine neue Form in den Text hineingelegt hat, aber die Schriftform vergessen wurde, oder dass einer der Beteiligten an der Kodifikationsarbeit die völlig neue Bestimmung falsch verstanden hat. IX. Noch allgemeiner verstehe ich nicht, wozu ein Kaiser, wenn er ein Gesetz eines Vorgängers abschaffen oder ändern wollte, dass nicht tun wür de, wie es in seiner Befugnis lag, nämlich durch kaiserliches Gesetz – und was ein Kaiser wie Justinian nicht selten getan hat34 –, sondern zu diesem Zweck den Text des Geset zes, oder die Wiedergabe desselben, fälschen ließe?35 Denn das ist es, was Justinian hätte tun lassen, wenn Levy mit seiner Interpolations-Vermutung recht hätte. Wenn an dem Text gerüttelt wurde, dann vielleicht vor Justinian, aber nicht von Justinian, so denke ich. Man hat zu wählen. Keines lässt sich genau beweisen. Levy war sehr findig und hat ein gut begründetes Buch geschrieben. Man kann aber auch, wie ich meine, an dem Text festhalten. Was soll man dann bevorzugen? 31 Die Empfangsbedürftigkeit der Erklärung kann man m. E. aus dieser Anord nung nicht folgern. 32 Levy (o. Fn. 4) 113 f., 127 f. (zu den Byzantinern). 33 Levy (o. Fn. 4) 117 f. 34 Vgl. zur Ehescheidung Nov. 22 [536], 117 [542] und 134 [556]. Zu alldem Nico van der Wal, Manuale Novellarum Justiniani: aperçu systématique du contenu des Novelles de Justinien, Groningen 19982, no. 546 ff. 35 Vgl. Jan H. A. Lokin, The End of an Epoch: Epilegomena to a Century of Interpolation Criticism, in: Collatio Iuris Romani. Études dédiées à Hans Ankum I, Hrsg. R. Feenstra u. a., Amsterdam 1995, 261 ff.
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Meiner Meinung nach gab es diese Form, und das Bestehen der Form soll man bei Lesung anderer Texte als bekannt erachten. X. Wenn wir vorläufig von dem Bestehen eines Formerfordernisses im Paulus-Text ausgehen dürfen, dann müssen wir noch einmal hinsehen, wel che Form genau der Text für eine Ehescheidung verlangt. Es heißt in dem Text: „praeter libertum eius qui divortium faciet.“
Wie soll man das praeter verstehen? Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Entweder heißt praeter, dass neben den sieben Zeugen noch ein Freigelas sener des sich Scheidenden hinzutreten soll,36 oder es heißt, dass von den sieben Zeugen ein Freigelassener des sich Scheidenden ausgeschlossen sein soll.37 Beide Möglichkeiten haben im Laufe der Zeit ihre Bevorzuger ge habt. Die Deutung, nach der am Geschehen ein Freigelassener des sich Scheidenden beteiligt sein soll, ist zum Beispiel verwendet worden, um diesen einen Scheidebrief überbringen zu lassen und so den Paulus-Text in Übereinstimmung mit Diokletians Bestimmung zu bringen.38 Dennoch er scheint diese Deutung etwas weniger auf der Hand zu liegen als die exklu sive Deutung. Einleuchtend ist, dass hier die neue Übersetzungen der Digesten verschie dene Wege gehen. Die niederländische Übersetzung von Spruit u. a. beteiligt den Freigelassenen am Geschehen:39 „Geen scheiding is geldig, tenzij ten overstaan van zeven volwassen Romeinse burgers, e n d a a r e n b o v e n n o g e e n v r i j g e l a t e n e v a n d e g e n e d i e w i l s c h e id e n .“
Das heißt auf deutsch „und außerdem noch von einem Freigelassenen desjenigen, der scheiden will“. Die englische Übersetzung von Watson u. a. macht das Gleiche: 36 Vgl. in diesem Sinne Rudolf Leonhard, Institutionen des Römischen Rechts: ein Lehrbuch, Leipzig 1894, 206 Fn. 6. 37 Vgl. z. B. Rudolf Schlesinger, Ueber die Form der Ehescheidung bei den Rö mern seit der lex Julia de adulteriis, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte Bd V (1866) 193 ff., 198, und die bei Leonhard (o. Fn. 36) genannten Autoren. Adolf Friedrich Rudorff, Römische Rechtsgeschichte I, Leipzig 1857, § 36 Fn. 16, spricht nur von „7 römischen Bürgern als Zeugen“. 38 Karl Wächter, Ueber Ehescheidungen bei den Römern, Stuttgart 1822, 161, ließ Augustus vorschreiben, „der Scheidende müsse durch einen Freigelassenen dem Andern seine Absicht, sich zu scheiden, erklären lassen, und zwar in Gegenwart von sieben Zeugen“. Vgl. auch Georg Friedrich Puchta / Paul Krüger, Cursus der Institu tionen 2, Leipzig 189310, § 291. 39 Jop E. Spruit / Robert Feenstra / Karel E.M. Bongenaar (Herausg.), Corpus Iuris Civilis, Tekst en Vertaling III, Zutphen 1996.
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„A divorce is invalid unless it takes place in the presence of seven Roman citizens of full age a s w e l l a s t h e f r e e d m a n o f t h e p e r s o n s s e e k i n g d i v o r c e .“
Hier ist es „der“ Freigelassene geworden, und man spricht im Plural von Per so nen, die sich scheiden lassen wollen. Ich glaube nicht, dass diese Übersetzung sehr genau ist.40 Die neue deutsche Übersetzung geht den anderen Weg: „Eine Scheidung ist nur wirksam, wenn sieben mündige römische Bürger hinzugezogen wurden, ausgenommen Freigelassene desjenigen, der die Scheidung erklärt.“
Man hat sogar „die“ Freigelassenen generell ausgenommen, was im Lateinischen sehr gut mit dem Singular ausgedrückt werden kann. Die deut sche Übersetzung verweist auf einen Text aus der Pauli sententiae (5,15,3). Es heißt dort, dass Freigelassene keine guten Zeugen sind in Sachen, die ihre Patrone und deren Familienmitglieder betreffen – so wird man wohl lesen dürfen – und als solche ausgeschlossen werden sollen.41 Adversus se invicem parentes et liberi, itemque liberti nec volentes ad testimo nium admittendi sunt …
Eltern und Kinder dürfen, selbst wenn sie wollen, nicht zugelassen werden, gegen einander Zeugnis abzulegen, und Freigelassene ebensowenig …
Ich halte mich also an die deutsche Übersetzung, muss ich gestehen. Hier sind weiterhin die byzantinischen Zeugnisse wieder nützlich. Erstens gibt es Dorotheos, dessen Text wir schon gelesen haben, aber nochmals lesen werden. Schol. 1 ad Bas. 28,7,15 (D. 24,2,9), BS 1878,15–18 Toà aÙtoà. OÙd7 8n þepoÚdion œrrw Desselben. Eine bloße Verstoßung ist tai m¾ par¦ ˜pt¦ mar tÚ rwn nicht gültig, wenn sie nicht von sieben ØpografÒmenon politîn `Rwma…wn Zeugen unterschrieben ist, die römische kaˆ ™f»bwn Ôntwn cwrˆv ¢peleuqšrou Bürger und mündig und nicht Freigelas toà pšm pontov tÕ þepoÚdion, e‡te sene desjenigen sind, der die Verstoßung aÙtÕv aÙtÕn ºleuqšrwsen e‡te Ð schickt, sei es dass er selbst ihn frei pat¾r aÙtoà À p£ppov À prÒpappov gelassen hat, sei es sein Vater oder À ›terÒv tiv tîn ¢n iÒntwn aÙtoà À Groß vater oder Ur großva ter oder ein katiÒntwn. anderer seiner Vorfahren oder Abkömm linge.
Er übersetzt mit cwrˆv, was eher noch als praeter exklusive Bedeutung zu haben scheint. Diese Deutung wird durch das Weglassen des Artikels 40 Alan Watson (Hrsg.), The Digest of Justinian, Philadelphia 1985. Übrigens ist „other relative“ auch keine sehr genaue Übersetzung von ceteris susum versum am Ende des Fragments. 41 Vgl. auch noch Paul. Sent. 1,12,3.
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beim Freigelas senen unterstützt. Es heißt also generell „ohne einen Freigelassenen“. Es scheint, dass Dorotheos den generellen Ausschluss von Freigelassenen noch betonen wollte, und zwar dadurch, dass er den Kreis derer, deren Freigelassene ausgeschlossen sein sollen, durch die Deszenden ten verbreiterte. Er schloss also alle Freigelassenen von Verwandten aus. Ob er hier das Richtige getroffen hat, wage ich zu bezweifeln.42 Neben Dorotheos gibt es noch den Basilikentext des älteren Anonymos.43 Dieser ist sogar noch deutlicher: Bas. 28,7,15 (D. 24,2,9), BT 1369,10–13 OÙk œrrwtai diazÚgion, e„ m¾ pros lhf qîsin ˜pt¦ m£rturev `Rwma‹oi œfh boi, ™n oŒv oÙk œstin ¢p eleÚ qe rov toà poioàn tov tÒ diazÚgion À toà p£ trov aÙ toà À toà p£ppou À prop£ppou À tîn ¥llwn ¢niÒntwn À katiÒntwn ¢peleÚqerov.44
Nicht gültig ist eine Ehescheidung, wenn nicht sieben mündige Römer als Zeugen dazu genommen sind, w o r u n ter kein Freig e l a s s e n e r i s t desje nigen, der die Ehe scheidung betreibt, oder ein Freige lasse ner seines Vaters oder Großvaters oder Urgroßvaters oder von anderen As zenden ten oder De szendenten.
Damit ist nicht gesagt, dass derjenige, der sich scheiden lassen will, kei nen seiner Freigelassenen gebrauchen dürfte, um seine Erklärung an den anderen Ehepartner überbringen zu lassen, zum Beispiel mit einem von den Zeugen unterzeichneten Scheidebrief.45 Der Freigelassene soll nur nicht Zeuge sein.46 44
Es gibt auch noch ein interlineares Scholion, das sehr deutlich ist: Schol. 2 ad Bas. 28,7,15 (D. 24,2,9), BS 1878,19 M£rturev dhlonÒti: oÙc Øpo gr£ fei Offenbar Zeugen; denn ein Freigelasse g¦r ¢peleÚqerov. ner unterzeichnet nicht.
Das Scholion ist im Manuskript über ™n o1v (BT 1369,11) geschrieben worden. Ob es aber zu dem Basilikentext geschrieben worden ist, bezweif aber Watson u. a. (o. Fn. 40). zu ihm Van der Wal / Lokin (o. Fn. 15) 47 f. 44 Die Deszendenten kehren hier zurück: also (wie bei Dorotheos) kein Freigelassener von Verwandten. Vgl. zum Einfluß von Dorotheos auf dem älteren Anonymos, Van der Wal / Lokin (o. Fn. 15) 48. 45 Vgl. Percy Ellwood Corbett, The Augustan Divorce, in: Law Quarterly Review 45 (1929) 178 ff., 185. 46 Vgl. in diesem Sinne auch Corbett (o. Fn. 45) 179. So schon Accursius, gl. libertum, der m. E. aber von Barnabas Brissonius, Ad legem Iuliam de adulteriis liber singularis, in: Selectarum ex iure civili antiquitatum libri IV, Paris 1594, 282, und Dionysius Gothofredus ad D. 24,2,9, in: Corpus Juris Civilis Romani t. 2, z. B. Neapel 1828, 336, falsch verstanden wird und deshalb zu Unrecht gelobt (Gothofredus) oder getadelt (Brisssonius) wird. 42 Vgl. 43 Vgl.
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le ich. Im Basilikentext heißt es schon ‚Zeugen‘, und es ist schon klar, dass ein Freigelassener nicht dazu gehört, also wozu sollte man das dann noch einmal erklären? So bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass das Scholion ursprünglich den Digestentext erklärte. Es könnte also ein Scho lion zu praeter sein und auch dem sechsten Jahrhundert entstammen.47 Ich glaube also, wie gesagt, dass es diese Form gab, dass Augustus sie eingeführt hat und dass Paulus sie in seinem Werk über die Lex Iulia de adulteriis beschrieben hat.
47 Ein anderes, etwas späteres, Zeugnis der Form gibt Isidor von Sevilla, Etymolo giae 9,7,24 (ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911): Repudium est quod sub testimonio testium vel praesenti vel absenti mittitur. („Eine Verstossung ist, was unter Zeugnis von Zeugen einem Anwesenden oder einem Abwesenden zugesandt wird.“).
Zur Debatte um den Rutiliana-Fall (Paul. D. 4,4,38 pr.). Wie soll man einen Text lesen?* Von Byoung Jo Choe I. Vorbemerkungen Es gibt in den Digesten, welche die Meinungen der römischen Juristen am bes ten hor ten, keine Stelle, die eine schöne Frau oder ein hübsches Mädchen in einer Weise erwähnt, die für eine rechtliche Entscheidung be deutsam wäre. Das lateinische Wort, das typisch für die Schönheit steht, nämlich pulcher, ist, soweit ich es überblicke, nur ein einziges Mal benutzt worden, um die oratio pro Quinto Ligario Ciceros zu loben.1 Sonst wurde in diesem Bedeutungsfeld venustas verwendet, und zwar auch nur ein Mal. Aber dieses Wort bezieht sich nicht direkt auf eine Frau, sondern auf die Schmuckstücke der Frau, die zur Verschönerung der Frauen bestimmt sind.2 Wie dem auch sei, viele Studenten des römischen Rechts kennen die Ge schichte von Dornröschen, der „sleeping beauty“, im Zusammenhang mit der Besitzergreifung. Diese Geschichte, die zweifellos nach dem berühmten Märchen modelliert ist (bloß ohne aufweckende Küsse), stellt natürlich in der farblosen juristischen Vorlesung ein Hilfsmittel dar, das die Aufmerk samkeit der Studenten auf sich ziehen soll. Dieses Hilfsmittel deutet ‚dormiens‘, die schlafende Person, im römischen Original3 mit gutem Willen in ‚eine schlafende schöne Frau‘ um.4 Die durch weg arme ästheti sche Be * Dieser Aufsatz ist die verbesserte deutsche Fassung meines ursprünglich in koreanischer Sprache publizierten Aufsatzes „Is the Emperor touched and moved by her beauty? – An Exegesis: Paul. D.4.4.38.pr –“, in: Korean Journal of Legal His tory, No. 45 (October, 2010) 5–48. Die Referenzliteratur, die in der Bibliographie aufgeführt ist, wird in den Fußnoten nur mit dem Verfassernamen zitiert. Für die sprachliche Verbesserung wie für manche sachliche Klärung bin ich Herrn Professor Dr. Ulrich Manthe zu tiefstem Dank verpflichtet. 1 D. 1,2,2,46 Pomp. sing. enchir.: … exstat eius (sc. Ciceronis) oratio satis pulcherrima, quae inscribitur pro Quinto Ligario. … 2 D. 34,2,26 Paul. 11 ad Sab.: … Similiter ornamentorum esse constat, quibus uti mulieres venustatis et ornatus causa coeperunt, … 3 D. 41,2,1,3 Paul. 54 ad ed.: … Furiosus, et pupillus sine tutoris auctoritate, non potest incipere possidere, quia affectionem tenendi non habent, licet maxime corpore suo rem contingant, sicuti si quis dormienti aliquid in manu ponat. …
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standsaufnahme geht wohl darauf zurück, dass die Juristen, vor allem die römischen Juristen als Urtyp der Juristen, vom Habitus her alle Erschei nungen auf ihre elementarsten Kerne reduzieren.5 Dessen ungeachtet ist in der lan gen Tradition der Jurispru denz ab und zu von einer Schönen die Rede, die Generationen der Juristen begleitet hat. In den späten 70er Jahren haben zwei renommierte deutsche Romanisten, Detlef Liebs und Berthold Kupisch, über die Schönheit einer Frau gestritten.6 Den Anlass gaben die Anmerkungen der Glossatoren. Wie war es denn eigentlich? Hier will ich u. a. die Debatte beider Romanisten Revue passieren lassen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsmethode. 4
II. Die Digestenstelle D. 4,4,38 pr. Paul. 1 decr. Aemilius Larianus ab Ovinio fun dum Rutilianum lege commis soria emerat data parte pecuniae, ita ut si intra duos menses ab emptione reliqui pretii partem dimidiam non solvisset, inemptus es set, item si intra alios duos men ses reliquum pretium non numerasset, similiter esset inemptus.
[Sachverhalt] [Vertragsinhalt] Aemilianus Larianus (L) hatte von Ovi nius (O) das rutilianische Grundstück unter Auflösungsvorbehalt [für den Verkäufer] und Zahlung eines Teils des Kaufpreises mit der Maßgabe gekauft, dass, wenn er inner halb von zwei Monaten nach Kaufabschluss die [erste] Hälfte des restlichen Kaufpreises nicht zahlen würde, das Grund stück als nicht gekauft angesehen werden sollte; dass ferner, wenn er innerhalb von zwei weiteren Monaten den rest li chen Kauf preis nicht zahlen würde, das Grund stück gleichfalls als nicht gekauft angesehen werden sollte. [Verlauf nach dem Vertrag]
4 Die sehr interessante Arbeit von Peter, die sich der Frage nach dem Gebrauch von genus masculinum und femininum in römischen Rechtstexten widmet (853 ff.), behandelt aber das Partizip Präsens in D. 41,2,1,3 nicht. 5 Vgl. dazu Radbruch Nr. 599 (S. 123): „Der juristische Stil ist richtiges Weglas sen des Unwesentlichen.“ Mit anderen Worten Radbruch Nr. 584 (S. 120 f.): „Die Jurisprudenz sieht die individuellen Menschen in ihren konkreten Schicksalen nur durch die Brille des gesetzlichen Allgemeinbegriffs, nur wie durch einen dicken Schleier, der lediglich die gröbsten Umrisse zu sehen gestattet – durch die Binde der Themis.“ Und Radbruch Nr. 586 (S. 121): „Das rechtliche Denken verlangt, daß man sich mit dem konkretesten Leben und doch wiederum nur mit seinen abstrak testen Umrissen be schäf tige.“ Folglich Radbruch Nr. 553 (S. 116): „Es mag dem Juristen widerfahren, daß er sich eines Tages bewußt wird, das reiche Farbenspiel der Welt für die dürftige Siebenzahl der Grundfarben dahingegeben zu haben.“ 6 Detlef Liebs, Der Sieg der schönen Rutiliana. Lex commissoria displicebat, in: Festschrift für Max Kaser zum 70. Geburtstag (1976) 373–389 und Berthold Kupisch, Rutiliana pupilla – schön oder energisch? (Paul. D. 4,4,38 pr.), ZRG RA 94 (1977) 247–266.
Zur Debatte um den Rutiliana-Fall (Paul. D. 4,4,38 pr.)25
intra priores duos menses Lariano defuncto Rutiliana pupil laris aetatis successerat, cuius tutores in solutione cessaverunt. ven ditor denuntiatio nibus tuto ri bus saepe datis post an num ean dem possessionem Claudio Telemacho vendiderat.
pupilla in integrum restitui deside rabat: victa tam apud praetorem quam apud praefectum urbi provocaverat.
putabam bene iudicatum, quod pater eius, non ipsa contraxerat:
imperator autem motus est, quod dies committendi in tempus pupillae incidisset eaque effecisset, ne parere tur legi venditionis.
dicebam posse magis ea rati one restitui eam, quod venditor de nuntiando post diem, quo pla cue rat esse commissum, et pretium petendo recessisse a lege sua videretur: non me moveri quod dies postea tran sisset, non magis quam si creditor pignus distraxis set, post mortem de bitoris die solutionis finita.
Innerhalb der ersten beiden Monate folgte dem verstorbenen Larianus (L) die un mündige Rutiliana (R) als Erbin nach; deren Vormünder unterließen die Zahlung. Nach einem Jahr verkaufte der Verkäu fer (O), der die Vormünder oft gemahnt hat te, dasselbe Grundstück an Claudius Telemachus (T). [Prozessverlauf] Das Mündel (R) verlangte, in den vori gen Stand wiedereingesetzt zu werden. Nachdem Rutiliana (R) vor dem Prätor wie vor dem Stadtpräfekten verloren hatte, leg te sie [beim Kaiser] Berufung ein. [Rechtliche Ansichten] «Paulus» Ich war der Meinung, es sei richtig ent schieden worden, weil ihr Vater (L), nicht sie selbst (R) den Kaufvertrag abgeschlos sen hatte. «Der Kaiser» Den Kaiser [Caracalla]7 bewog jedoch, dass der Verfallstag in die Zeit [nach dem Erbschaftserwerb] des Mündels gefallen war und dass es, als sie (R) unter der Vor mundschaft stand, dazu gekommen war, dass der Verkaufsabrede deswegen nicht Folge geleistet wurde. «Paulus» Ich sagte, Rutiliana (R) könne eher mit der Begründung wiedereingesetzt werden, dass der Verkäufer (O) dadurch, dass er noch nach dem Tag, an dem der Grund stückskauf verabredungsgemäß aufgelöst werden sollte, [die Vormünder] gemahnt und den [restlichen] Kaufpreis verlangt hatte, ersichtlich von der zu seinen Guns ten vereinbarten Vertragsabrede [des Auf lösungsvorbehalts] abgegangen sei. In dieser Ansicht mache mich nicht wankend, dass die [Zahlungs-]Frist erst später [nach dem Tode des Käufers] abgelaufen sei,
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7 Wer dieser Kaiser war, darüber divergieren die Meinungen. Für Caracalla wie hier Kupisch 249 Fn. 8; Cuiacius ad h. l., p. 1030 B; hingegen für Septimius Severus Liebs 373, 376. Auch Kupisch schließt diese Möglichkeit nicht aus.
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quia tamen lex commissoria displice bat ei, pronuntiavit in integrum restitu endam. movit etiam illud imperato rem, quod priores tutores, qui non resti tui desiderassent, suspecti pronuntiati erant.
ebensowenig wie in dem Fall, dass der Gläubiger ein Pfand verkauft hatte, ob wohl die Zahlungsfrist erst nach dem Tode des Schuldners abgelaufen war. «Der Kaiser» Weil jedoch der Kaiser den Auflö sungs vorbehalt missbilligte, entschied er, Ru ti lia na (R) sei in den vorigen Stand wiedereinzusetzen. Den Kaiser hat auch der Umstand bewogen, dass die früheren Vormünder für vertrauens unwürdig erklärt worden waren, weil sie keine Wiedereinsetzung verlangt hat ten.8
III. Die Auslegung der Stelle 1. War Rutiliana schön? Die Behauptung, dass das Mädchen Rutiliana schön gewesen sei, stammt von einem Bologneser Juristen Odofredus († 1265) aus dem 13. Jahrhun dert. Später überlieferte sein Schüler Vivianus Tuscus diesen Hinweis weiter in seiner Glosse zu dieser Stelle (u. IV.). Ist es wahr, dass es schön war? 8
2. Der Sachverhalt Liebs und Kupisch unterscheiden sich vor allem in der Antwort auf die Fra ge, was Rutili ana (R) als Erbin9 des Larianus (L) durch die Wieder einsetzung in den vorigen Stand bezweckt habe. Zu dieser Frage hat man u. a. drei Alternativen in Betracht gezogen:10 – gegen Ovinius (O) a) die Befreiung vom Kaufvertrag (vertreten von Kupisch); 8 Die Übersetzung folgt im Großen und Ganzen der von Okko Behrends et al. ge mein schaftlich übersetzten und herausgegebenen neuen deutschen Digesten übersetzung, Corpus Iuris Civilis, Band II (1995) 402. Auch für die anderen Diges tenstellen habe ich mich derselben gemeinschaftlichen Übersetzung ohne weitere Angaben bedient. 9 Hulot ad h. l. (p. 303) bietet am Seitenrande eine Überschrift „Si adversus so lutionem ex contractu defuncti omissam, an filiusfamilias minor post emancipatio nem restituatur“. Es ist doch klar, dass ‚emancipatio‘ hier fehl am Platz ist. 10 Peters 79. Liebs 377 f. prüft außerdem, ob R gegenüber O einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend gemacht hätte, und verneint zu Recht. Diese Alterna tive braucht man von vornherein nicht eigens zu berücksichtigen.
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b) die Beseitigung der Versäumung der Preiszahlung, um den Kaufver trag erfüllen zu können (vertreten von Liebs); – gegen Telemachus (T) c) die Restitution des Eigentums an dem Grundstück. (1) Zu c): Für diese Hypothese muss man voraussetzen, dass die Vormünder der R freiwillig das Eigentum an T, sei es über O oder direkt, übertragen haben. Da es sich beim Auflösungsvorbehalt praktisch um einen Eigentumsvorbe halt handelt,11 hat R anscheinend kein Eigentum an dem Grundstück, das sie an T übertragen könnte. Ferner ist ex silentio nicht davon auszugehen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie, die trotz der wiederholten Mahnungen (denuntiationibus tutoribus saepe datis) nicht gezahlt haben, nach dem Kaufvertrag zwischen O und T freiwillig das Eigentum an T übertragen und wieder verlangen, es an R zu restituieren.12 Natürlich kommt alles auf die jeweiligen Tatumstände an; nur haben wir keine gute Chance, sie zu erkennen. Wenn wir uns eine Fallkonstellation, in der der Besitz von O an L und dann von R als Erbin des L an O oder T über geht, leich ter vorstellen wollten, könnte beispielsweise eine Fallkon stellation, in der O an L ein precarium gewährt hat,13 oder eine Fallkons tellation, in der O und L außerdem eine locatio conductio abgeschlossen haben,14 in Frage.15 Es ist doch ausgeschlossen, dass Paulus dem Fall einen solchen Umstand von großer Bedeutung schweigend zugrunde legte. 11 Kunkel / Honsell 320 f.; bereits Stryk, 293 f. In der älteren Literatur gab es An sich ten, die die fragliche lex commissoria zu Unrecht wie eine in diem addictio behandelten und damit meinten, dass der Käufer mit der Besitzübergabe stets auch das Eigentum erwerbe (z. B. Leyser 503). 12 So aber Burdese, Festschrift Schulz I 82 Anm. 1 (zit. nach Peters 79 f.). 13 D. 43,26,20 Ulp. 2 resp.: Ea, quae distracta sunt, ut precario penes emptorem essent, quoad pretium universum persolveretur: si per emptorem stetit, quo minus persolveretur, venditorem posse consequi. C. 4,54,3 Imp. Alexander Severus: Qui ea lege praedium vendidit, ut, nisi reliquum pretium intra certum tempus restitutum esset, ad se reverteretur, si non precariam possessionem tradidit, rei vindicationem non habet, sed actionem ex venditio. 14 D. 19,2,20,2 Paul. 34 ad ed: Interdum locator non obligatur, conductor obligatur, veluti cum emptor fundum conducit, donec pretium ei solvat. D. 19,2,21 Iav 11 epist.: Cum venderem fundum, convenit, ut, donec pecunia omnis persolveretur, certa mercede emptor fundum conductum haberet: an soluta pecunia merces accepta fieri debeat? Respondit: bona fides exigit, ut quod convenit fiat: sed non amplius praestat is venditori, quam pro portione eius temporis, quo pecunia numerata non esset. D. 19,2,22 pr. Paul. 34 ad ed.: Item si pretio non soluto inempta res facta sit, tunc ex locato erit actio. 15 Vgl. Kunkel / Honsell 320 Fn. 11.
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Dagegen spricht ferner, dass gegen T, von dessen Gutgläubigkeit auszuge hen ist, wenn andere Hinweise fehlen, keine restitutio in integrum durchge setzt werden darf, wenn er auch das Grundstück besitzt.16 Liebs geht ohne Begründung von der Bösgläubigkeit des T aus17 und ist doch der Ansicht, es scheine ausgeschlossen zu sein, dass R das Gut noch zurückverlangen kann, wenn T es einmal erworben hat. Liebs zitiert manche Stellen für die Ausnahme von der Regel, dass die in integrum restitutio sich gegen den Geschäftspartner des Minderjährigen richtet,18 prüft doch nicht, ob es sich bei unserem Fall um eine solche Ausnahme handelt oder nicht. (2) Zu a) und b). Die Ansicht, dass der Restitutionsgegner O sei, ist deshalb wohl zwingend, weil sowohl Paulus () als auch der Kaiser (, ) nichts anderes als die lex commissoria in Betracht ziehen.19 Aber die Ansicht a), die von Kupisch vertreten ist, meint, dass R sich von dem Kaufvertrag überhaupt lösen wolle, während die Ansicht b), für die sich Liebs einsetzt, meint, R wolle sich seine Stellung als Käufer absichern. Der Hauptgrund, aus dem Kupisch eine solche Ansicht vertritt, liegt darin, dass der bereits bezahlte Preisteil aufgrund der lex commissoria dem Verkäufer verfallen sei (s. u.). Allein mir scheint, dass seine Ansicht nicht einer natürlichen Lesung des Texts entspricht,20 denn der Restitutionsgegner O wollte auch vom Kaufvertrag loskommen, und daher muss R nicht über die Instanzen auf der Restitution bestehen. Seine Deutung beruht auf lebensfremden Voraussetzungen und ist daher sehr künstlich.21 In der Tat ist diese Ansicht bisher allein von ihm vertreten worden. 16 D. 4,4,13,1 Ulp. 11 ad ed.: Interdum autem restitutio et in rem datur minori, id est adversus rei eius possessorem, licet cum eo non sit contractum. Ut puta rem a minore emisti et alii vendidisti: potest desiderare interdum adversus possessorem restitui, ne rem suam perdat vel re sua careat, et hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio. Pomponius quoque libro vicensimo octavo scribit Labeonem existimasse, si minor viginti quinque annis fundum vendidit et tradidit, si emptor rursus eum alienavit, si quidem emptor sequens scit rem ita gestam, restitutionem adversus eum faciendam: si ignoravit et prior emptor solvendo esset, non esse faciendam: sin vero non esset solvendo, aequius esse minori succurri etiam adversus ignorantem, quamvis bona fide emptor est. D. 4,4,14 Paul. 11 ad ed.: Plane quamdiu is qui a minore rem accepit aut heres eius idoneus sit, nihil novi constituendum est in eum, qui rem bona fide emerit, idque et Pomponius scribit. 17 Liebs 378: „T wußte ja wohl Bescheid über das vorige Schicksal des Land guts.“ 18 Liebs 377 Fn. 13. 19 So auch Liebs 377 Fn. 14; Peters 79 f. 20 So bereits Cuiacius ad h. l., p. 1029 D: „ut liceat sibi post diem oblato pretio solvere potestatem legis commissoriae“; Peters 80. Nach Peters sind auch Beseler, Sanfilippo, Cervenca und Wieacker derselben Meinung.
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a) Der Inhalt des Kaufvertrags zwischen O – L O hat L, dem Vater der R, das Rutilianische Grundstück (fundus Rutilia nus),22 dessen erster Eigentümer Rutilius hieß, verkauft. Die Preiszahlung sollte in drei Raten erfolgen. Beim Vertragsabschluss ist ein Teil davon sofort, dann die Hälfte des restlichen Preises in zwei Monaten und die zweite Hälfte in vier Monaten zu zahlen. Dabei ist vereinbart worden, im Falle, dass eine termingerechte Ratenzahlung unterbleibe, den Kaufgegen stand als inemptus anzusehen (Auflösungsvorbehalt). Dass diese lex commissoria nicht als auflösende Bedingung, die beim Bedingungseintritt auto matisch auflösend wirkt, beabsichtigt worden ist, zeigt das Verhalten des Vertragspartners O nach der Versäumung der Preiszahlung. Die Verabredung ist nicht als condicio gemeint, sondern als conventio,23 die erst dann wirk sam wird, wenn der Verkäufer es will ().24 Aufgrund des weiteren Verhal tens der Parteien (besonders der ohne Weiteres durchgeführte Verkauf an T erst nach einem Jahr) und aus dem Schweigen des Schreibers über die er heblichen Einzelheiten darf man natürlicherweise anneh men, dass Besitz und Eigentum des an L verkauften Grundstücks auch nach dem Verkauf beim Verkäufer O geblieben sind.25 Dann handelt es sich bei diesem Auflö sungsvorbehalt wortwörtlich um eine lex contractus, nach der der Verkauf 21
21 Peters
79: „in der Literatur nicht vertreten.“ Darstellung Kupischs von dem Landgut (253 Fn. 26), der einerseits aus der Tatsache, dass das Grundstück den gleichen Namen wie Rutiliana trägt, ein Affek tionsinteresse des Vaters L vermutet, andererseits aus der (von Kupisch wahrgenom menen) nüchternen Haltung der R gegenüber diesem fundus vermu tet, ist nicht besonders hilfreich. Nach Liebs 374 u. Fn. 5 gehört das Landgut zur Gegend des heutigen Rutigliano südlich Bari. 23 D. 41,4,2,3 Paul. 54 ad ed.: Sabinus, si sic empta sit, ut, nisi pecunia intra diem certum soluta esset, inempta res fieret, non usucapturum nisi persoluta pecunia. Sed videamus, utrum condicio sit hoc an conventio: si conventio est, magis resolvetur quam implebitur. Choe 629. 24 D. 18,3,6 pr. Scaev. 2 resp.: De lege commissoria interrogatus ita respondit, si per emptorem factum sit, quo minus legi pareretur, et ea lege uti venditor velit, fundos inemptos fore … D. 18,5,10,1 Scaev. 7 dig.: … postea venditor eam legem inseruit, ut, si ex die pecunia omnis soluta non esset et venditor ea praedia venisse nollet, invendita essent: … Choe 621; 630. Insofern ist die Inkonsequenz der von Haruki 476 f. hergestellten japani schen Übersetzung derselben Klausel, zum einen 解除約款 („Auflösungsvorbehalt“), zum anderen 解除條件附賣買 („Verkauf unter einer auflösen den Bedingung“), sehr problematisch. 25 Wieacker, Lex commissoria 61 soll hier einen Manzipationsverbehalt angenom men haben (zit. nach Flume 157 Fn. 127). Flume 157 u. Fn. 124 versteht die lex commissoria dahingehend, dass auch bei einer beweglichen Sache mit der Besitzüber gabe kein Eigentumsübergang erfolgt. 22 Die
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als Schuldverhältnis, wenn es der Verkäufer beim Ausbleiben der Zahlung des restlichen Preises will, von Anfang an als nicht abgeschlossen gilt. Die Probleme, die erst nach der traditio der Sache von O an R zum Tragen kommen können, wie die der Fruchtziehung26 oder der sonstigen accessiones,27 stellen sich daher auch nicht. Verfällt die erste Preisteilzahlung beim Wirksamwerden der lex commisso ria dem Verkäufer, wie Kupisch meint? Es hängt von der Vereinbarung der Par teien ab. Wenn die Zahlung etwa als arrha gemeint sein sollte, fragt sich, ob sie verfällt. Allein ex silentio ist davon nicht auszugehen, denn arrha ist kein natürliches, sondern ein akzidentales Element eines Rechts geschäfts.28 Dafür sprechen auch die dreiteiligen Raten, die allem Anschein nach gleichmäßig zu sein scheinen.29 Wenn es ein Arrhalgeschäft gegeben hätte, hätte O davon Gebrauch machen und leichter vom Vertrag loskom men können und nicht mehr nach vier Monaten noch weitere acht Monate mahnend zu verbrin gen ge braucht. Es ist denn auch ratsam, ex silentio keine positive Aussage von einer arrha zu entnehmen. Dann ist bei unserem Fall davon auszugehen, dass der Käufer L seine erste Zahlung zurückbe kommen soll,30 also besser gestellt ist als derjenige, der sich unter einer Verfallsabrede verpflichtet hat (lex commissoria), der zufolge der Verkäufer 26 Vgl. D. 18,3,5 Ner. 5 membr.: Lege fundo vendito dicta, ut, si intra certum tempus pretium solutum non sit, res inempta sit, de fructibus, quos interim emptor percepisset, hoc agi intellegendum est, ut emptor interim eos sibi suo quoque iure perciperet: sed si fundus revenisset, Aristo existimabat venditori de his iudicium in emptorem dandum esse, quia nihil penes eum residere oporteret ex re, in qua fidem fefellisset. 27 Vgl. D. 18,3,6 pr.-1 Scaev. 2 resp. De lege commissoria interrogatus ita respondit, si per emptorem factum sit, quo minus legi pareretur, et ea lege uti venditor velit, fundos inemptos fore et id, quod arrae vel alio nomine datum esset, apud venditorem remansurum. (1) Idem respondit, si ex lege inempti sint fundi, nec id, quod accessurum dictum est, emptori deberi. 28 Wenn es um eine arrha geht, dann wird ausdrücklich davon gesprochen; z. B. D. 18,3,8 Scaev. 7 dig.: Mulier fundos Gaio Seio vendidit et acceptis arrae nomine certis pecuniis statuta sunt tempora solutioni reliquae pecuniae: quibus si non paruisset emptor, pactus est, ut arram perderet et inemptae villae essententiarum die statuto emptor testatus est se pecuniam omnem reliquam paratum fuisse exsolvere (et sacculum cum pecunia signatorum signis obsignavit), defuisse autem venditricem, posteriore autem die nomine fisci testato conventum emptorem, ne ante mulieri pecuniam exsolveret, quam fisco satisfaceret. Quaesitum est, an fundi non sint in ea causa, ut a vendi tri ce vindicari debeant ex conventione venditoris. Respondit secundum ea quae proponerentur non commisisse in legem venditionis emptorem. 29 Eine Zahlung in drei Raten scheint in Rom beim Grundstücksverkehr durchaus üblich gewesen zu sein. Vgl. D. 18,1,6,1; D. 13,7,8,3; D. 30,19 pr.; D. 30,30 pr.; D. 30,49,1 u. 3; D. 33,1,3 pr. u. 5; D. 35,3,54 pr.; D. 35,2,32,3; D. 40,7,3,13–14; D. 45,1,140,1; UE 6,1; C. 5,13,1,7–7a (a. 530); auch D. 23,4,19. 30 So auch Liebs 386 u. Fn. 47.
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die Teilzahlung bei sich behält. Man muss beim Wortgebrauch vorsichtig sein, weil diese auch lex commissoria hieß. Diese Vertragsklausel, die vor dem Zahlungstermin vereinbart worden ist, wird, wenn auch in der Klassik erlaubt,31 seit Konstantin verboten.32 Ku pisch verkennt diese Tatsache.33 Seine diesbezüglichen Erklärungen basieren auf falschen Voraussetzungen und helfen daher nicht weiter. Solche falschen Deutungen führen zur An nahme, R wollte eine Beseitigung der Versäumung der Preiszahlung (s. o.). Sein sonderbares Verständnis um die Verantwortung der Vormünder der R geht auch auf diese Annahme zurück (s. u.). b) Der Sachverlauf nach dem Vertrag Vor dem zweiten Zahlungstermin verstarb L und hinterließ R als Allein erbin. Zur Zahlung des Kaufpreises, die R als Erbin zu erfüllen hat, mahn te O ihre Vormünder,34 die als auctores der sui iuris gewordenen unmündi gen R fungieren sollten, wiederholt (saepe). Eine Mahnung nicht gegenüber R, sondern gegenüber den Tutoren ist sachgerecht, weil die pupilla allein dazu nicht fähig ist.35 Aber eine Mahnung ist eigentlich nicht nötig, weil es genügt, die Zahlung nicht termingerecht anzubieten.36 O versuchte trotzdem mehrfach, den Vertrag aufrechtzuerhalten, aber vergebens. Darauf verkaufte O nach einem Jahr das Grundstück an einen Dritten T und löste sich damit von dem Vertrag mit R ().37 In diesem Fall kann der Verkäufer vom ers ten Käufer die Differenz der beiden Kaufpreise verlangen. D. 18,3,4,3 Ulp. 32 ad ed. In commissoriam etiam hoc solet conve nire, ut, si venditor eundem fundum venderet, quanto minoris vendiderit, id a priore emptore exigat: erit itaque adver sus eum ex vendito actio.
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Bei einem Auflösungsvorbehalt pflegt auch vereinbart zu werden, dass der Verkäufer bei einem späteren Verkauf desselben Land guts den Mindererlös von dem frühe ren Käufer verlangen könne. Und daher ist gegen diesen die Klage aus dem Kaufvertrag gegeben.
I 470 u. Fn. 6–7. = C. Th. 3,2,1 (a. 326); Kaser II 320 u. Fn. 11–12. 33 Kupisch 253 f; 260 ff.; 263 f.; kritisch dazu auch Liebs (a) 492 Fn. 53. 34 Liebs 375 sagt, sie seien zwei. Aber die genaue Zahl lässt sich nicht feststellen. So auch Kupisch 248 Fn. 5. 35 Solazzi 543 u. Fn. 123. 36 D.18,3,4,4 Ulp. 32 ad ed.: Marcellus libro vicensimo dubitat, commissoria utrum tunc locum habet, si interpellatus non solvat, an vero si non optulerit. Et magis arbitror offerre eum debere, si vult se legis commissoriae potestate solvere: quod si non habet cui offerat, posse esse securum. 37 Cuiacius ad h. l., p. 1029: „quasi lege commissoria“. 32 C. 8,34,3
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Es lässt sich nicht feststellen, ob dieser Umstand für den Schutz der R eine Rolle gespielt hat. Aus dem Schweigen ist es eher zu verneinen. Die tutores der R haben auch gegen den zweiten Verkauf nichts getan. c) Der Verlauf der Prozesse Nun stellte R, die sowohl zur Zeit der Klagerhebung () wie auch zur Zeit des kaiserlichen Urteils () immer noch unter Vormundschaft stand,38 Anträ ge auf in integrum restitutio bei den zuständigen Amtspersonen.39 Der praetor urbanus in der ersten Instanz40 und auch der praefectus urbi in der zwei ten Instanz41 wiesen die Anträge ab.42 Der Grund wird nicht angegeben, ist aber von der zustimmenden Erklärung des Paulus () problemlos festzustel len: R hat zwar als Erbin alle Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag auf sich zu nehmen, hat aber dennoch, da sie keine Vertragspartei ist, keine Legi timation, einen Antrag auf die in integrum restitutio betreffs des Kaufvertrags zu stellen (s. u.). Aber R, die ihre Stellung als Käuferin wiederherstellen wollte, legte beim Kaiser Berufung ein (). Der Bericht am Ende der Stelle (), dass die früheren Vormünder für vertrauensunwürdig (suspecti) erklärt worden waren, teilt nicht mit, aus welchem Grund diese Erklärung erfolgt ist. Daher wissen wir nicht, ob sie wegen der fraglichen Zahlungsversäumung oder der abgewiesenen Prozessführungen oder anderer Verfehlungen aus der Vormundschaft beseitigt worden sind.43 Es scheint doch plausibler zu sein, dass der zweite Grund eher tragend ist, wenn man bedenkt, dass der Kaiser auch diesen Grund mitberücksichtigt hat. 3. Die Debatte beim Kaiser Der Fall wurde nun dem consilium principis44 vorlegt.45 Paulus, der auch zum consilium gehörte,46 berichtet über den Fall in seinem Buch über die 38 Vgl. ‚priores tutores‘ (). Da gibt es im Übrigen keinen Hinweis auf eine tutela mulieris. Im Übrigen konnte die in integrum restitutio im klassischen römi schen Recht bis zu einem annus utilis (‚legitimum tempus‘) nach der Volljährigkeit beantragt werden (D. 4,4,19 Ulp. 13 ad ed.). 39 Die Anträge sind rechtmäßig, so auch Liebs 378 f. 40 Kaser / Hackl 465 Fn. 44; 505 Fn. 25. 41 Kaser / Hackl 465 Fn. 42. 42 Zum Instanzenzug s. Coriat 286 f.; 305 u. Fn. 58. 43 Vgl. zum tutor suspectus Inst. Iust. 1,26; Kaser I 363 f.; Kunkel / Honsell 422 f. 44 Vgl. Wieacker 65 f.; Mousourakis 247 f.; Schulz 118; Kaser / Hackl 449 u. Fn. 33–34; Litewski 91 u. Fn. 298–299. 45 Coriat 330 f.; 434 u. Fn. 482–487. 46 Kunkel 244 Fn. 503; Maschi 675; Coriat 213.
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Dekrete;47 wie üblich, zog er die Meinungen anderer Juristen nicht hinzu,48 sondern setzte sich, damals a cognitionibus,49 nur mit dem Kaiser auseinan der. a) Die ursprüngliche Stellungnahme des Paulus Paulus sagt apodiktisch, die Unterinstanzen hätten richtig entschieden (). Seine Argumentation geht dahin: Was den Kaufvertrag anbetrifft, hat R zwar die Rechte und Pflichten von L geerbt; R ist dennoch nicht selbst die Vertragspartei (non ipsa contraxerat), so dass es an den Voraussetzun gen der durch das prätorische Edikt gewährleisteten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangelt. Dies kann man hieran erkennen: Ed. X. De in integrum restitutionibus § 4150 De minoribus viginti quinque an nis: Über die Mündigen, die jünger als fünf und zwanzig Jahre sind: Wenn vorge Quod cum minore quam viginti quinque annis natu ges tum esse dicetur, uti tragen wird, dass mit einem Mündigen, quaeque res erit, animadv ertam. der jünger als fünfundzwanzig Jahre ist, ein Geschäft vorgenommen worden ist, werde ich prüfen, wie sich die Sa che jew eils verhält.
Zur Erlangung der in integrum restitutio brauchte man zu beweisen: a) dass mit dem An tragsteller ein Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist (quod … gestum esse dicetur); b) dass er bei der Geschäftsvornahme min derjährig war (cum minore quam viginti quinque annis natu); c) dass ein Schaden, sei es damnum emergens oder lucrum cessans, entstanden ist; und d) dass die Benachteiligung offensichtlich (manifesta circumscriptio) ist.51 D. h. die Restitution wird im Fall von Nachstellungen infolge der Übervor 47 Maschi
677 f.; Liebs (b) § 423 W.79 (S. 172) m. w. Lit. z. B. D. 29,2,97 Paul. 3 decr.; D. 49,14,50 Paul. 3 decr. Es gibt im Übri gen auch Fälle, wo der Kaiser selbst die von ihm herangezogenen Juristen einzeln oder pauschal nennt: z .B. D. 37,14,17 pr. Ulp. 11 ad leg. Iul. et Pap. (Proculus, Volusius Maecianus, alii amici nostri iuris periti, plures iuris auctores, Salvius Iulianus). 49 Honoré 19 u. Fn. 129. 50 D. 4,4,1,1 Ulp. 11 ad ed.; Riccobono (ed.) 345. 51 D. 4,4,24,1 Paul. 1 sent.: Non semper autem ea, quae cum minoribus geruntur, rescindenda sunt, sed ad bonum et aequum redigenda sunt. Ne magno incommodo huius aetatis homines adficiantur nemine cum his contrahente et quodammodo com mercio eis interdicetur. Itaque nisi aut manifesta circumscriptio sit aut tam neglegen ter in ea causa versati sunt, praetor interponere se non debet. D. 4,4,1 pr. Ulp. 11 ad ed.: Hoc edictum praetor naturalem aequitatem secutus proposuit, quo tutelam minorum suscepit. Nam cum inter omnes constet fragile esse et infirmum huiusmodi aetatium consilium et multis captionibus suppositum, multo48 Vgl.
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teilungen wegen unbedachten Leichtsinns (inconsulta facilitas) oder Unbe dachtsamkeit des Al ters (aetatis lubricum) ge währt, nicht jedoch im Fall von schicksalhaften Zufäl len (fatum, casus).52 Der Erbfall gehört zu den letzteren.53 Daher ist die Ansicht, dass es an Voraussetzungen mangelt, die überzeugendste, die deswegen auch von den Unterinstanzen geteilt wurde (s. o.). Sie war denn auch die h. M. Das zeigt deutlich der Reichsjurist C. Cervidius Scaevola in D. 18,5,10 pr., die bisher außer Acht gelassen worden ist. 54
D. 18,5,10 pr. Scaev. 7 dig. Seius a Lucio Titio emit fundum lege dicta, ut, si ad diem pecuniam non sol visset, res inempta fieret. Seius parte pretii praesenti die soluta, defuncto venditore, filiis eius pupillaris aetatis et ipse tutor cum aliis datus, neque con tutori bus pretium secundum legem nu meravit nec rationibus tutelae ret tulit: quaesitum est, an irrita emptio facta es set. respondit secundum ea quae propo nerentur inemptam54 videri.
Seius hat von Lucius Titius ein Grund stück mit der Bestimmung gekauft, dass dann, wenn der Kaufpreis nicht termin gerecht gezahlt werde, ‚die Sache nicht gekauft sein solle‘. Nachdem Seius ei nen Teil des Kaufpreises sofort gezahlt hatte und der Verkäufer gestorben war, wurde für die Söhne des Verkäufers, die sich im Mündelalter befanden, mit ande ren auch Seius selbst zum Vormund bestellt; Seius zahlte aber weder den
rum insidiis expositum: auxilium eis praetor hoc edicto pollicitus est et adversus captiones opitulationem. 52 D. 4,4,11,4–5 Ulp. 11 ad ed.: (4) Item non restituetur, qui sobrie rem suam administrans occasione damni non inconsulte accidentis, sed fato velit restitui: nec enim eventus damni restitutionem indulget, sed inconsulta facilitas. Et ita Pomponius libro vicensimo octavo scripsit. Unde Marcellus apud Iulianum notat, si minor sibi servum neces sa rium comparaverit, mox decesserit, non debere eum restitui: neque enim captus est emendo sibi rem pernecessariam, licet mortalem. (5) Si locupleti heres extitit et subito hereditas lapsa sit (puta praedia fuerunt quae chasmate perierunt, insulae exu stae sunt, servi fugerunt aut decesserunt): Iulianus quidem libro quadragensimo sexto sic loquitur, quasi possit minor in integrum restitui. Marcellus autem apud Iulianum notat ces sare in integrum restitutionem: neque enim aetatis lubrico captus est adeundo locupletem hereditatem, et quod fato contingit, cuivis patri familias quamvis diligentissimo possit contingere. Sed haec res adferre potest restitutionem minori, si adiit hereditatem, in qua res erant multae mortales vel praedia urbana, aes autem alienum grave, quod non prospexit posse evenire, ut demoriantur mancipia, praedia ruant, vel quod non cito distraxerit haec, quae multis casibus obnoxia sunt. 53 So auch Glück 551 und Fn. 5; Voet ad h. l. Fn. 30 (S. 209): „Sed ratio suffici ens nulla est, cur aliud hoc, quam praecedenti in casu definiendum foret: nisi in eo se laesum minor docuerit, quod inconsulta aetatis facilitate pacta talia conventioni suae apponi passus sit, quae majorennis alius, firmatiore per aetatem judicio usus, non fuisset eo modo admissurus.“ 54 5 Behrends et al. III 500 Fn. 1 schlägt mit Mommsen statt inemptam ‚inemptum‘ vor. Dabei wird wohl an fundum gedacht. Aber das Wort kann sich ohne Wei teres auf res beziehen.
Zur Debatte um den Rutiliana-Fall (Paul. D. 4,4,38 pr.)35 Mitvormündern den Kauf preis entspre chend der Vertragsbestim mung noch trug er den Betrag [als Schuldposten] in die von ihm geführte Vormundschafts abrechnung ein. Es wurde die Frage gestellt, ob der Kauf unwirksam gewor den sei. Ich habe gutachtlich entschie den, nach dem, was vorgetragen wurde, müsse das Grundstück als ‚nicht ge kauft‘ angesehen werden.
Der Käufer Seius ist zum Vormund der Miterben des Verkäufers Lucius Titius bestellt worden. Das impliziert eine Situation eines Interessenkonflik tes, aber Scaevola geht doch anscheinend davon aus, dass man durch die Mitvormundschaft die Situation bereinigen kann. Der Fall gleicht unserem Fall. Hier sind die Mündel anders als R nicht Schuldner, sondern Gläubiger, die aber wie R durch einen der Mitvormünder benachteiligt werden. Dass Seius als Käufer (und Schuldner) die Zahlung versäumte, bedeutet zugleich, dass er als Vormund der Miterben (und Gläubiger) die Zahlung nicht for dern wollte. Da die Söhne des Lucius Titius die Gläubigerstellung durch den Erb fall er worben und nicht selbst den Vertrag abgeschlossen haben, steht Scaevola zufolge, obwohl sie infolge des Verhal tens des Seius offenkun dig benachteiligt worden sind, eine in integrum restitu tio als Rechtsmittel nicht zur Verfügung. Darauf deutet auch die klare Äußerung in Bas. 19,5,10 pr. (Scheltema BT II 933,2–3 = Heimbach II p. 279) hin: ¢nagÒraston g…netai tÕ pr©gma (inempta fit res). Das ist sehr bemer kenswert, weil in diesem Fall, in dem Seius nicht nur ein tutor, sondern auch zur selben Zeit selbst debitor ist, der Schuldner selbst die Erfüllung des Vertrags verhindert hat, so dass die pupilli umso mehr schützenswert erscheinen. Mithin vertreten die Unterinstanzen und Paulus die damals h. M. b) Die Position des Kaisers Die Logik des Kaisers ist ganz anders.55 Er sieht Probleme nicht so sehr in den rechtlichen Voraussetzungen des Edictum de in integrum restitutionibus oder in der erbrechtlichen Logik56 als vielmehr in der lex commissoria selbst (). Er hält ferner die Tatsache für erwägenswert, dass R, die als impubes stets zu schützen ist, erst nach dem Erbfall zur Schuldnerin gewor 55 Überliefert sind noch weitere Fälle, wo die Meinungen des Paulus und des Kaisers unterschiedlich sind, z. B. D. 14,5,8; D. 29,2,97; D. 32,27,1; D. 36,1,76,1; Coriat 562 f. 56 Es ist nicht annehmbar, aus diesem Grund die Teile quia tamen ~ rel. ( und ) zu tilgen (so z. B. Sanfilippo, Pauli decretorum libri tres, 1938, 22 f., 29; zit. nach Peters). Dagegen richtig Peters 79 u. Fn. 25.
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den und die Nach teile ihr erst dann entstanden sind ().57 Dafür sind schließlich die Vor mün der verant wortlich, die die Zahlung des restlichen Preises versäumt haben () und den zweiten Verkauf an T haben geschehen lassen (). Wenn sie des we gen verurteilt worden wären (vgl. ), wäre ihre Verantwortung umso klarer. Der Kaiser geht allem Anschein nach von Anfang an davon aus, R sei die Restitution zu gewähren. Diese Ansicht berücksichtigt nicht alle Beziehungen der betroffenen Parteien gebührend, sondern dem Kaiser liegen einseitig die Schutzwürdigkeit des Mündels und die Verantwortung der in die Pflicht zu nehmenden Vormünder im Sinn.58 Daran könnte man vielleicht eine laienhafte Einstellung erkennen. In diesem Zusammenhang bietet Kupisch eine ganz andere Interpretation an.59 Nach ihm bedeutet eaque effecisset, ne pareretur legi venditoris (), dass R bewirkt habe, dass die Tutoren nicht gezahlt hätten. R habe die in integrum restitutio beantragt, um sich von dem väterlichen Vertrag zu be freien. R habe versucht, soweit es ihr möglich gewesen sei, sozusagen auf eigene Faust die in integrum restitutio zu verwirklichen, indem sie die Zahlung des restlichen Kaufpreises verhindert habe. Auf den Kaiser habe die Tatkraft des Mädchens, das noch keine zwölf Jahre alt gewesen sei, als es den Tutoren sei nen Willen aufgezwungen habe, ihren Eindruck nicht verfehlt. Obwohl eine solche Behauptung, die freilich entgegen den bishe rigen Auslegungen, die ohne eine Klarstellung von ea nur den Gesamtsinn des Satzes paraphrasiert haben, zwar eine richtige Deutung von ea (ea = R) enthält, ist sie jedoch durchaus unverständlich, weil sie die öffentliche De batte im kaiserlichen Rat ad absurdum führt. Warum hätte denn R durch die Instanzen hindurch nach der in integrum restitutio trach ten sollen, wenn schon die Nichtzahlung des Kaufpreises genügte, um vom Vertrag loszukom men? Wie kann man die Verurteilung der Tutoren wegen des unterlassenen Antrages auf die in integrum restitutio erklären, wenn es wirklich dem Willen der R entsprochen hätte, die Kaufpreiszahlung zu verhindern? Ange sichts aller Um stände, beson ders in Anbe tracht der Tatsa che, dass das Grundstück an T übertragen worden ist, ist es natürlich zu unterstellen, dass R bei aller Versäumung der Preiszahlung dennoch an dem Erwerb nach wie vor interessiert war und daher die in integrum restitutio beantragt hat, und zwar im vollen Bewusstsein ihrer Minderjährigkeit und mit der Absicht, sie 57 Brunnemann ad h. l. Fn. 2 (p. 221): „quia dies committendi incidit in tempora minorennis“. 58 D. 26,1,1 pr.-1 Paul. 38 ad ed. = Inst. Iust. 1,13,1–2: Tutela est, ut Servius definit, vis ac potestas in capite libero ad tuendum eum, qui propter aetatem sua sponte se defendere nequit, iure civili data ac permissa. (1) Tutores autem sunt qui eam vim ac potestatem habent, exque re ipsa nomen ceperunt: itaque appellantur tutores quasi tuitores atque defensores, sicut aeditui dicuntur qui aedes tuentur. 59 Kupisch 258 f.
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zu ihren Gunsten zu nutzen. Dann besagt der Passus eaque effecisset, ne parere tur legi venditionis, dass die Nichtbei behaltung der vertraglichen Bestimmung auf ‚ea = R‘ zurückgeht. Deshalb habe ich übersetzt: „dass es, als sie (R) unter der Vormundschaft stand, dazu gekommen war, dass der Verkaufsabrede deswegen nicht Folge geleistet wurde“.60 Denn es ist nicht sie selbst, die entschie den hat, sondern die Tutoren ha ben nicht ge zahlt, obwohl sie dazu verpflichtet waren. Diese Unterlassung ist wohl der Grund für deren Verurteilung gewesen. Kupisch deutet den letzten Satz auch sehr künstlich.61 Die Tutoren hätten pflichtwidrig gehandelt, entweder weil sie für R den Restitutionsprozess geführt hätten oder weil sie die Klage des Mündels genehmigt hätten. Solche Handlungen als pflichtwidrig zu anzuse hen, ist nur schwer zu verstehen. Sodann sieht er den Grund der Amtsenthe bung infolge der pflichtwidrigen Führung der Vormundschaft darin, dass sie in zwei Instanzen unterlegen hätten. Dann widerspricht Kupisch mit seiner früheren Deutung. Denn das Unterliegen ist auf R’s Veranlassung geschehen und stellt daher kein pupillum fraudare dar.62 Wie ist dann die kaiserliche Entscheidung, die, Kupisch zufolge, das Unterliegen in Betracht ziehend die in integrum restitutio gewährt habe, zu verstehen? Kupisch meint, dass die in integrum restitutio als Konsequenz die Rehabilitierung der Tutoren, die im Zusammenhang mit dem von dem Kaiser missbilligten Vertrag in Verruf geraten seien, haben musste.63 Ku pisch denkt, der Kaiser sei gegen Paulus, eben weil der Jurist nicht daran gedacht habe.64 Die Tatsache, dass Paulus gerade davon nichts sagt, besagt das Gegenteil. Die Auslegung Kupischs ist zweifelhaft. c) Die Reaktion von Paulus aa) Die nachträgliche Rechtfertigung der kaiserlichen Entscheidung Interessant ist die Reaktion des Paulus auf die starke kaiserliche Position. Er äußert sich in der Weise, die das kaiserliche decretum zwar widerwillig, aber doch in letzter Minute rechtfertigend begründet.65 Er sei der Meinung, auch Peters 78. Er paraphrasiert den Fall mit dem Worten „nur deshalb“. 261 f. 62 Cicero pro Q. Roscio comoedo 6,16: Si qua sunt privata iudicia sum mae exi stimationis, et paene dicam capitis, tria haec sunt, fiduciae, tutelae, societatis. Aeque enim perfidiosum et nefarium est, fidem frangere, quae continet vitam: et pupil lum fraudare, qui in tutelam pervenit: et socium fallere, qui se in negotio coniunxit. 63 Schon dagegen Brunnemann, ad. h. l. Fn. 2 (p. 221): „fraus tutorum, qui remo ti sunt“. 64 Kupisch 264. 65 Cannata 147 u. Fn. 9. 60 So
61 Kupisch
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die kaiserli che Begründung trage die Entscheidung nicht. Den triftigen Grund habe man woanders zu suchen.66 Wenn schon, dann müsse man sich erst recht (ea ratione … quod ~) darauf beziehen, dass O noch nach dem Zahlungstermin Mahnungen auf die Preiszahlung wiederholte. Ein solches Verhalten ist als Verzicht auf die lex commissoria zu deuten ().67 Diese Argumentation des Paulus als Jurist, der die lex contractus als vollgültig beibehal ten will, ge fällt dem Kai ser, der geradezu die Argumentation in Frage stellt, nicht. Dicebam deutet wohl auf die Hartnäckigkeit des Paulus hin,68 dem der Fall vermutlich als ein Machtspruch erscheint. Dies will aber nicht besagen, dass es sich um einen Willkürspruch handelt. In der Regel unterstützt der Gedanke der aequitas bzw. humanitas eine solche Entschei dung, die erst nach der Konsultation der Juristen gefällt wird. Von Severus Alexander etwa heißt es, er habe zur Beschlussfassung über die Konstituti onen nie weniger als zwanzig Juristen und fünfzig andere Mitglieder zuge zogen. Die Abstimmung führte nicht zu einem bindenden Votum der Mehr heit, sondern der Kaiser entschied allein auch gegen die Ansicht des consilium.69 Anders hätte es Mark Aurel gehandhabt, der so verfahren wäre, eher der Mehrheitsmeinung zu folgen, als die Mehrheit seiner einzigen Meinung folgen zu lassen.70 Das consilium selbst schließt in aller Regel die Mög lichkeit der Willkürentscheidung aus. Es ist aber aufschlussreich, dass die Basiliken diese Stelle zusammenfassend nur mit der Ansicht des Paulus wiedergeben.71 Bas. 10,4,38 pr. Scheltema BT II 558,6–14 = Heimbach I 512 f.) ’Agor£sav ØpÕ ™mprÒqesmon Óron ™ndayileuomšnou toà crÒ nou ™te leÚthsa ™pˆ ¢n»b0 klh ronÒm0, kaˆ m¾ katab£l lontov aÙtoà tÕ loipÕn toà ti m» matov met¦ t¾n proqes m…an diamartur…aiv Ð pr£thv ™cr»sato prÕv tÕn ™p…tropon kaˆ m¾ kata ba lÒntov aÙtoà diapšpraken ˜tšr0 tÕ pr©gma. Ka lîv Ð ¥nhbov ¢pokaq…-
Nachdem ich ein Grundstück unter Auf lösungsvorbehalt gekauft hatte, war ich vor dem Auflösungstermin gestorben und hatte einen unmündigen Erben hin terlassen. Und weil der Mündel den restlichen Preis nicht zahlte, mahnte der Ver käufer nach dem ab gelaufenen Ter min dessen Tutor unter Hin zuziehung von Zeugen zur Zah lung, und weil er
66 Archi 1853 meint auch, dass die kaiserliche Entscheidung der geltenden Rechtslogik widerspricht. 67 Brunnemann ad h. l. Fn. 2 (p. 221): „Recessum a commissoria lege videtur, per petitionem pretii.“ 68 Vgl. Rubenbauer et al. 243 f. (§ 212). 69 Krüger 117 u. Fn. 108. 70 Krüger 117 Fn. 109 (SHA vita Marci 22,4: aequius est, ut ego tot talium amicorum consilium sequar, quam ut tot tales amici meam unius voluntatem sequantur.). 71 In dem Punkt folgt Brunnemann ad h. l. Fn. 3 ff. (p. 221) kurioserweise durch weg der Ansicht des Kaisers.
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statai: diamarturÒmenov g¦r met¦ t¾n pro qesm…an Ð pr£thv ¢p e‹pe tÍ pro qesm…*: e„ g¦r m¾ toàto œpra xe, kalîv ¨n aÙtÍ ™kš crh to, ésper Ð danei st¾v ka lîv tÕ ™nšcuron pi pr£s kei tÁv pro qesm…av tÁv ka tabolÁv met¦ q£naton toà creèstou plhroumšnhv.
dann auch nicht zahlte, verkaufte er ei nem an deren die Sache. Der Mündel wird zu Recht restituiert. Weil nämlich der Ver käufer nach dem abge laufenen Termin gemahnt hat, hat er auf den Auf lösungsvorbehalt verzichtet. Denn wenn er dies nicht getan hätte, hätte er von dieser Vertragsbestimmung zu Recht Ge brauch ma chen kön nen, wie der Gäubiger auch zu Recht das Pfand ver äußert, wenn der Zah lungstermin nach dem Tod des Schuldners abgelaufen ist.
Auf der anderen Seite folgt Harmenopulos im Hinblick auf das pignus (t¦ ™nšcura) der gleichen Ansicht wie die Basiliken. Hexabiblos 1,12,40 Heimbach 148 ’Apokaq…stantai oƒ ¼ttonev tîn ke´. ™tîn kat¦ tîn pra qšn twn aÙtîn ™necÚrwn par¦ tîn „d…wn daneistîn, e„ m¾ ¥ra Ð toÚtwn pat¾r t¦ ™nšcura to‹v daneista‹v œdwke, kaˆ oÙk aÙto….
Die Mündigen, die jünger als fünfund zwanzig Jahre sind, werden in ihren von den Gläubigern veräußerten Pfändern restitu iert, es sei denn dass der Vater, nicht sie selbst den Gäubigern die Pfän der gegeben hat.
Das zeigt auch, dass das byzantinische Recht nicht der kaiserlichen Autorität, sondern eher der Rechtslehre der Juristen folgt. In diesem Zusammenhang behauptet Kupisch, der Satz posse magis ea ratione restitui eam sei im Hinblick auf die Diskrepanz der Grundkonzep tionen des Paulus und des Kaisers als „R kann vielmehr auf diese Weise restituiert werden etc.“ zu verstehen. „So gesehen hält Paulus durchaus an seiner Ablehnung der in integrum restitutio fest.“ Auch die darauffolgende Bemerkung Kupischs ist sonderbar: „Was er vorbringt, ist in Wirklichkeit der Vorschlag einer anderen Möglichkeit der Restitution; restituere muss ja hier nicht technisch, im Sinne der in integrum restitutio gebraucht sein.“72 Jedoch ist dieser Auslegung nicht zu folgen. Ferner sagt Kupisch, es sei unsinnig anzunehmen, dass R Schutz gegen Frist ver säumnis wegen Minderjährigkeit suche, weil dann das zuvor von Paulus vorgebrachte Argument, dass L und nicht R kontrahiert habe, für die In terpreta tion ganz fallen zu lassen sei. Er möchte eher den Akzent bei Paulus auf postea legen. Paulus bleibe so seinem Ausgangsargument, nicht R habe den Vertrag geschlossen, treu.73
72 Kupisch 73 Kupisch
251 f. 256 f.
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Allerdings ist diese Auslegung von Kupisch doch sehr verwickelt und verfahren. Denn Paulus hat nie sein erstes Argument aufgegeben. Daher hat er ebensowenig behauptet, der R sei die in integrum restitutio als Schutz gegen Frist versäumnis wegen Minderjährigkeit zu gewähren. Außerdem bezieht sich postea nicht auf das erste Argument (‚keine Legitimation‘), sondern auf das zweite (‚Fristablauf‘). Kupisch hat auch dann eingeräumt: „Riskante Rechtslagen, die ein Minderjähriger erbt, sind als solche von der in integrum restitutio propter aetatem ausgeschlossen. Das ist, wenn ich mich nicht irre, die Auffassung (nicht nur) des Paulus.“ Um sie drehe sich die Kontroverse zwischen ihm und dem Kaiser. Es ist aber fraglich, ob die hiesige Rechtslage als eine riskante zu qualifizieren ist. Dass es sich bei der Erbin um eine impubes handelt, rechtfertigt eine solche Annahme nicht von selbst (s. o.). bb) W ie ist das Verhalten des O, nach der Zahlungsfrist oft zu mahnen, zu verstehen? (1) Die Argumentation des Paulus stellt einige Probleme, wenn wir auch vom Verzicht des O auf die lex commissoria durch konkludente Handlun gen74 ausgehen. Ist der Verzicht vorerst nicht endgültig, dann kann er durch gegenteilige Handlungen (in unserem Fall durch den Verkauf an T) wider rufen (variare) werden. Dann verliert die Argumentation des Paulus ihre Kraft. Ist sie end gül tig, dann wird die Stellung des Käufers fest, und R braucht rein logisch gesehen keine Restitution.75 Vielmehr hat R den Ver trag zu erfüllen. Die Behauptung, wegen des Verzichts sei die Restitution zu gewähren, ist also fragwürdig. Aber nach der h. M. in der spätklassischen Zeit um Paulus muss man beim Verfall der lex commissoria sofort76 zwi schen dem Verfall und der Preiszahlung entscheiden; die Wahl ist endgültig und nicht widerrufbar.77 Eine Annahme von Teilzahlungen78 oder ein Ver
74 So auch Peters 78 („konkludent“); bereits Fehius ad h. l. casus (Vivianus), col. 534: „tacite“. 75 Kupisch 250. 76 D. 18,3,4,2 Ulp. 32 ad ed.: Eleganter Papinianus libro tertio responsorum scribit, statim atque commissa lex est statuere venditorem debere, utrum commissoriam velit exercere an potius pretium petere, … 77 D. 18,3,4,2 Ulp. 32 ad ed.: Eleganter Papinianus libro tertio responsorum scribit, … nec posse, si commissoriam elegit, postea variare. 78 D. 18,3,6,2 Scaev. 2 resp.: Post diem lege commissoria comprehensum venditor partem reliquae pecuniae accepit. Respondit, si post statutum diem reliquae pecuniae venditor legem dictam non exercuisset et partem reliqui debiti accepisset, videri recessum a commissoria.
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langen danach79 gilt als Verzicht auf die lex commissoria. Ein außergericht liches Verlangen genügt wohl, weil der Grund für die Unwiderrufbarkeit der Wahl im Schutz des beim Käu fer durch die Wahl ge bildeten Vertrauens liegt. Für unseren Fall, in dem O Mahnungen auf Preiszahlung wiederholte, ist vernünftigerweise vom Verzicht auf die lex commissoria auszugehen. Dann argumentiert Paulus an scheinend nach der gel ten den Rechts lehre. Demgegenüber hält Cuiacius ein klagweises Verlangen von Zahlungen für notwendig und meint, Paulus, der ohne Klage einen Ver zicht annimmt, biete nicht den richtigen (idonea), sondern nur noch einen scheinbar plausibleren Grund an.80 Fürs Erste könnte er sich u. a. auf Fr. Vat. 3: Venditor, qui legem commissoriam exercere noluit, ob residuum pretium iudicio uenditi recte agit, quo secuto legi renuntiatum uidetur (vgl. D. 18,3,7) be rufen. Allein es kann dieser Stelle, die iudicio agere dann als Verzicht auf die lex commissoria deutet, nicht entnommen werden, dass erst nach dem iudicio agere der Verzicht auf die lex commissoria als geschehen angesehen wird. Ferner ist der Kreditwürdigkeit der vermutlich aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts stammenden Fragmenta Vaticana für die Klassik Rech nung zu tragen.81 Hätte Paulus ferner die kaiserliche Entscheidung im Ergebnis doch ernsthaft stützen wollen, so hätte er nicht derart unangemes sen argumentieren müssen. Mir scheint, dass der juristische Humanist aus dem 16. Jahrhundert die Ansicht des Paulus verfehlt. Die Frage ist nun also: Wie kann man den Fall verstehen, wenn man vom Verzicht auf die lex commissoria ausgeht? Peters meint, es sei legitim und gebe der Stellungnahme des Paulus einen vernünftigen Sinn, wenn man an nehme, dass – vermutlich durch ein Abschreiberversehen – vor restitui ein non ausgefallen sei,82 dass nämlich Paulus mit dem Hinweis auf die Mah nungen des Ver käu fers, also für eine Abweisung des Antrags, plädierte. Paulus sei ent gegen dem Kaiser der Ansicht, dass die Restitution nicht vonnöten sei. Jedoch scheint auch diese Auslegung des Peters mit seinen folgenden, sicher richtigen Deutungen von der Argumentation des Paulus nicht zusammenzupassen. Peters prüft noch, ob eine Ergänzung des Frag ments in dem Sinne, dass Mahnungen nach dem Zahlungstermin zwar ge meinhin als Verzicht auf den Rücktritt gewertet würden, aber dass dieser 79 D. 18,3,7 Herm. 2 iur. ep.: Post diem commissoriae legi praestitutum si venditor pretium petat, legi commissoriae renuntiatum videtur, nec variare et ad hanc redire potest. C. 4,54,4 Imp. Alexander Severus: Commissoriae venditionis legem exercere non potest, qui post praestitutum pretii solvendi diem non vindicationem rei eligere, sed usurarum pretii petitionem sequi maluit. 80 Cuiacius ad h. l., p.1030 E: „nam si petiit extra iudicium, ei licuit variare“. 81 Wenger 543 f. 82 Peters 80 f.
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Grundsatz hier wegen der Länge der verstrichenen Zeit den Verkäufer un billig belasten würde und deshalb nicht anzuwenden sei, sinnvoll und daher gleichfalls vertretbar erscheine. Bei einer derartigen Ergänzung wäre jeden falls eine in integrum restitutio noch denkbar. Allein er neigt dazu, dies zu verneinen („weniger sinnvoll“)83, und zwar inso fern auch richtig, zumal dies dem römischen Recht widerspricht, wie be reits geprüft worden ist. Diese Überlegung ist allerdings entgegen dem Früheren ein Versuch, den Text ohne eine Emendation durch ein hineinzulesen des non aufzufassen. Seine Vorgehensweise aber, in der Textarbeit bei der Feststellung der Text unterlage nicht konsequent, sondern je nach der Absicht in utramque partem, einmal mit und ein andermal ohne ein hinzuzufügendes non, zu argu mentieren, ist in methodologischer Hinsicht eine unerwünschte. Peters begeht ferner einen logischen Fehler dadurch, dass er die Tatvor gän ge nicht in der Zeitfolge, sondern in einer umgekehrten Reihenfolge betrachtet. Er prüft nämlich zuerst die Reaktion des Paulus auf den Kaiser und erst danach die eigentliche Ansicht des Paulus als „eine Alternativität der Begründung“.84 In diesen Fehler gerät ein Gelehrter, der sich mit dem Text nur als mit einer in der räumlichen Dimension als Ganzes wahrnehm bare Größe be fasst, wenn er dar über die Zeitdimension der sprachlichen Durchführung in der Lebenswelt vergisst. Peters zeigt schließlich mit seiner abschließen den Be mer kung für den Kaiser Verständnis, dass nämlich der Kaiser es angesichts der besonderen Umstände des Falles vorziehe, R einen sicheren Schutz durch die restitutio in integrum zu gewähren.85 Er sagt aber nicht, worum es sich in concreto bei diesen besonderen Umständen handelt. (2) Es bleibt daher zu klären, aus welchem Grund Paulus bei der Annah me eines Verzichts auf die lex commissoria durch O doch die Restitution für R bejaht. Liebs zufolge befinden sich die Restitutionsparteien ja noch – wenn auch in oberster Instanz – im Prozessstadium in iure, in dem die Gewährung passender Rechtsbehelfe, je nachdem actio oder exceptio, nach Billigkeitsprüfung geschieht.86 Paulus, der zwar seine Entscheidung entspre chend dem kaiserlichen Dekret geändert hat, aber doch auf seiner Rechtslo gik, der Schutz der R könne sich nicht auf ihre Minderjährigkeit stützen, besteht, weiß denn auch genau, was er sagt. In diesem Zusammenhang meint Kupisch, obwohl er die Position des Paulus richtig aufgefasst hat, dass die Auslegung des Paulus der R die actio empti verschaffe, mit der R, so Kupisch, nichts anzufangen wisse, da sie 83 Peters
81 Fn. 30. 81. 85 Peters 82. 86 Liebs 380 f. wie die heute h. L. (Kaser / Hackl 423 u. Fn. 10–11). 84 Peters
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doch vom ganzen Kauf nichts wissen und die Anzahlung zurückhaben wol le. Er meint andererseits, die actio empti könne nur zur schlichten Liquida tion des Ver trags verhelfen, mit anderen Worten: zur litis aestimatio in Höhe der von R’s Vater erbrachten Anzahlung.87 Diese Auslegung, die, wie bereits oben erwähnt, auf einer falschen Voraussetzung hinsichtlich R ba siert, ist auch nicht anzunehmen. 4. Der Status des Kaisers a) Die Stellungnahme des Paulus Der Kaiser zeigt sich für die juristische Logik nicht interessiert.88 Die juristischen Fachmänner folgern typischerweise vom Tatbestand (input) zur Rechtsfolge (output). Bei der Prüfung des Tatbestands nehmen die Juristen einzelne Voraussetzungen unter die Lupe. Umgekehrt verfährt der Kaiser als juristischer Laie. Die Argumen,tation des Paulus, der nach der Debatte mit dem Kaiser dessen Entscheidung zu folgen und sie dazu noch ungewollt zu begründen hat, zeigt auch eine solche abduktive Vorgehensweise. Die Ent scheidung steht bis auf Weiteres vorab fest, dann folgt die rechtfertigende Begründung. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, einen Blick auf den Status des Kaisers als souveräner Rechtssetzer zu werfen. Bekanntlich ist er der Setzer und Ausleger des Rechts in einem.89 Wenn seine Stellung auch sehr stark ist, wie der Fall der Heirat des Claudius mit Agrippina (49 n. Chr.) zeigt,90 so ist es aber in der Realität für ihn nicht leicht, sich von der Tradition willkürlich abzukehren. In unserem Fall gibt Paulus, der sich bewusst getreu seiner Rechtslogik einsetzt, schließlich doch der Autorität des Kaisers nach. Paulus bringt aber entschie den zur Sprache, dass das kaiserliche Dekret 87 Kupisch
259 f. ist diese Haltung nicht unbedingt eine typische. Ein Gegenbeispiel bietet Inst. Iust. 2,25 pr. an: Ante Augusti tempora constat ius codicillorum non fuisse, sed primus Lucius Lentulus, ex cuius persona etiam fideicommissa coeperunt, codicillos introduxit. … dicitur Augustus convocasse prudentes, inter quos Trebatium quoque, cuius tunc auctoritas maxima erat, et quaesisse, an possit hoc recipi nec absonans a iuris ratione codicillorum usus esset: et Trebatium suasisse Augusto, … Allgemein zur Problematik Cannata 145 ff. 89 Pabst, bes. 98 f. 90 Lebendiger ist die Darstellung eines literarischen Schriftstellers (Suet. Claudius 26,3; bes. lesenswert Tacit. ann. 12,5 f.) als die nüchterne Darstellung des Juristen (Kunkel / Honsell 389 u. Fn. 18): Gai. 1.62: Fratris filiam uxorem ducere licet: idque primum in usum uenit, cum diuus Claudius Agrippinam, fratris sui filiam, uxorem du xisset: sororis uero filiam uxorem ducere non licet. et haec ita principalibus constitutionibus significantur. 88 Freilich
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nicht der allgemeinen Rechtslogik entspricht, und stellt damit seine Profes sionalität unter Beweis.91 Der Gegenmeinung gegen seine neue Konstruktion als Verzicht auf den Rück tritt entgegnet er weiterführend. Die Gegenansicht meint, in diesem Fall sei der Zahlungstermin erst nach dem Tod des Käufers, d. h. erst nach dem Erbfall gekommen (). Die weitere Argumentation läuft wohl wie folgt: Anders als in dem Fall, in dem der Zahlungstermin bereits vor dem Tod des Käufers gekommen und die lex commissoria wegen der Nichtzah lung (vor dem Erbfall) schon wirksam geworden sei, sei es hier nötig, die Erbin in Anspruch zu nehmen, d. h. sie zu mahnen und von ihr die Zahlung zu fordern. Es sei daher falsch, die Mahnungen von O schlicht als Verzicht auf einen Rücktritt zu fingieren. Auf der anderen Seite sei R dabei als Ge genpartei minderjährig. Alles in allem: Sie sei in ihrem Antrag auf die in integrum restitutio zu schützen. Die Antwort des Paulus folgt dem typischen Modus der Argumentation der römischen Juristen, indem ein leichter verständlicher Vergleichsfall herangezogen wird („wenn schon ~, erst dann ~“; Schluss a fortiori). Der Vergleichsfall lautet: Der Gläubiger verkauft ein Pfand, weil die Zahlungs frist nach dem Tode des Schuldners abgelaufen ist (),92 ohne dass der erbende pupillus erfüllt. Das Gemeinsame beider Fälle ist die Tatsache, dass nach dem Ablauf des Zahlungstermins ohne Erfüllung durch den pupillus als Erbe ihm ein Nachteil aus einer aufgrund des Vertrags zwischen dem Erblasser und dem Gläubiger vom Gläubiger getroffenen Verfügung ent steht. Paulus stellt damit klar, dass sich die in integrum restitutio als Schutz mittel für den pupillus nur auf die captio, die den von ihm selbst abge schlossenen Vertrag betrifft, be zieht,93 nicht auf eine Nichterfüllung der Schuld, die er unabhängig davon aus einem anderen Grund wie ex hereditate wie hier und dort schuldet (). Erst dann prüft der Prätor nach dem Edikt zum Schutz der Minderjähri gen:94 uti quae que res erit (s. o.). Das berücksichtigen die römischen Juristen nach dem Maßstab von bonum et aequum, damit den Personen dieses Alters nicht dadurch, dass niemand mit ihnen Geschäfte macht, erhebli che Nachteile entste hen und ihnen der Rechts verkehr nicht gewissermaßen untersagt ist. Wenn deshalb die 91 Zur Tatsache, dass die Juristen in der Severerzeit den Kaisern „in un rapporto quasi paritetico“ assistierten, während die sich mit der Bürokratisierung einsetzende Tendenz seit Diokletian die Struktur der römischen Jurisprudenz fundamental änder te, vgl. Bretone 42 u. Fn. 103. 92 So C. 2,28,2 pr. Impp. Diocletianus et Maximianus (a. 294): Rem, quam a patre vestro quondam creditor eius obligatam sibi distraxit, per aetatem vestram postulantium revocari desiderium non habet rationem. 93 Wacke 212. 94 Selb 261 ff.
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Benachteiligung nicht offensichtlich ist oder die Minderjährigen sich in der betreffenden Sache nicht sehr nachlässig verhalten haben, darf der Prätor nicht einschreiten.95 Sie verstehen ihn dahinge hend, dass der Prätor nur nach Voruntersuchung (causa cognita) beurteilt.96 O, der mit R beim Vertragsschluss überhaupt nichts zu tun gehabt hat, kommt für diese Überle gung nicht in Frage. Es ist auch nicht ver nünftig, wenn der Erb fall auf Seiten des L dem O irgendwie schadet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die lex commissoria geradezu für einen solchen Fall vorgesehen ist, um das eventuell durch nachfolgende Änderungen der Verhältnisse entstehende Ri siko zu vermeiden. b) Das kaiserliche decretum Der Kaiser denkt, gerade diese lex commissoria dürfe dem pupillus nicht zum Nachteil gereichen.97 Seine Entscheidung, die in der ordentlichen Urteilsform des decretum gefällt worden ist,98 beinhaltet eine starke rechts politische Zweckabsicht, dem pupillus einen stärkeren Schutz zu gewähren. Man streitet aber darüber, ob der Kaiser die lex commissoria als solche allgemein in Frage gestellt oder nur dann, wenn sie gerade wie in diesem Fall in einer Fallkonstellation in Frage kommt, in der nach seiner Meinung eine rechtspolitische Zweckmäßigkeit, die éine Partei, die minderjährig ist, eben deswegen zu schützen, zur Geltung kommen soll. Peters ist für die erstere Ansicht,99 indem er gegen Sanfilippo, der für die letztere Ansicht 95 D. 4,4,24,1 Paul. 1 sent.: Non semper autem ea, quae cum minoribus geruntur, rescindenda sunt, sed ad bonum et aequum redigenda sunt. Ne magno incommodo huius aetatis homines adficiantur nemine cum his contrahente et quodammodo com mercio eis interdicetur. Itaque nisi aut manifesta circumscriptio sit aut tam neglegen ter in ea causa versati sunt, praetor interponere se non debet. 96 D. 4,4,11,3 Ulp. 11 ad ed.: Sciendum est autem non passim minoribus subveniri, sed causa cognita, si capti esse proponantur. D. 4,4,44 Ulp. 5 op.: Non omnia, quae minores annis viginti quinque gerunt, irrita sunt, sed ea tantum, quae causa cognita eiusmodi deprehensa sunt, vel ab aliis circumventi vel sua facilitate decepti aut quod habuerunt amiserunt, aut quod adquirere emolumentum potuerunt omiserint, aut se oneri quod non suscipere licuit obligaverunt. C. 2,21,3 Impp. Diocletianus et Maximianus (a.293): Si curatorem habens minor quinque et viginti annis post pupillarem aetatem res venum dedisti, hunc contractum servari non oportet, cum non absimilis ei habeatur minor curatorem habens, cui a praetore curatore dato bonis interdictum est. Si vero sine curatore constitutus con tractum fecisti, implorare in integrum restitutionem, si necdum tempora praefinita excesserint, causa cognita non prohiberis. 97 Brunnemann, ad h. l. Fn. 2 (p. 221): „durities legis commissoriae in proposito“. 98 Kaser / Hackl 449 Fn. 35. 99 Peters 79 u. Fn. 23.
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ist,100 spricht. Allein das dürfte zu weit zu gehen.101 Denn die lex commissoria ist gerade von den fraglichen Kaisern ohne Weiteres anerkannt, wenn kein Minderjähriger an dem betreffenden Rechtsgeschäft beteiligt ist: 102 103
D. 18,3,4 pr. Ulp. 32 ad ed. Si fundus lege commissoria venie rit, hoc est ut, nisi intra certum diem preti um sit exsolutum, inemptus fieret, vide amus, quemadmodum venditor agat tam de fun do quam de his, quae ex fundo percepta sint, itemque si deterior fundus effectus sit facto emptoris. Et quidem finita est emptio: sed iam decisa quaes tio est ex vendito actionem competere, ut rescriptis imperatoris Antonini et divi Severi declaratur.
Wird ein Grundstück unter Auflösungs vorbehalt verkauft, das heißt, dass dann, wenn der Kaufpreis nicht innerhalb der bestimmten Frist gezahlt worden ist, das Grund stück nicht gekauft sein soll, so müssen wir prüfen, mit welchen Klagen der Ver käufer hinsichtlich des Grund stücks selbst wie auch hinsichtlich der Früchte, die aus dem Grundstück gewonnen worden sind, vorgehen kann sowie in dem Fall, dass das Grundstück durch eine Handlung des Käu fers ver schlechtert wor den ist. Und der Kauf [als Austauschver hältnis] besteht zwar nicht mehr. Aber die Streitfrage ist schon dahin entschieden worden, dass dem Ver käu fer gleichwohl die Klage aus Verkauf zusteht,102 wie in Reskrip ten des Kai sers Antoninus [Cara calla] und des vergöttlichten Kaisers Septimius Severus dargelegt ist.103
Es kommt nicht von ungefähr, dass das kaiserliche decretum dem gelten den Recht nicht entspricht.104 Das hat Cuiacius sehr deutlich ausgedrückt: „A Principe posse“.105 Im Übrigen weist Liebs darauf hin, dass Septimius Severus von seiner Krönung an eine solche Schutzpolitik getrieben hat.106 In der Tat hat er in seiner im Jahre 195 im Senat gehaltenen oratio zum Schutz des pupillus den Tutoren und Kuratoren verboten, ländliche und stadtnahe Grundstücke zu ver äußern.107 Im Fall der R geht es nicht um 100 Sanfilippo,
Pauli decretorum libri tres, 1938, 28 (zit. nach Peters). bereits Cuiacius, ad h. l., p. 1030 C, der jedoch meint, Paulus verstehe den Kaiser als die erstere Ansicht vertretend, also gegen den Auflösungsvorbehalt „in universum“. 102 Vgl. D. 18,1,6,1; C. 4,54,3 sowie D. 19,5,12; C. 4,54,2 (a. 222). 103 Vgl. D. 18,2,16. 104 Cuiacius ad h. l., p. 1030 C: „contra rationem iuris“; p. 1030 E: „nec enim id iuris ratio patitur“. 105 Cuiacius ad h. l., p. 1030 E. 106 Liebs 385. 107 D. 27,9,1 pr.-2 Ulp. 35 ad ed.: (pr.) Imperatoris Severi oratione prohibiti sunt tutores et curatores praedia rustica vel suburbana distrahere. (1) Quae oratio in senatu recitata est Tertullo et Clemente consulibus idibus Iuniis (13. 6. 195 n. Chr.) 101 So
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einen Verkauf, sondern um einen Kauf, aber der Kaiser sieht für beide Fäl le anscheinend ‚besonders riskante Verträge‘ vor sich (s. o.) und sanktioniert im gleichen Geist dementsprechend. Allerdings ist seine Sanktion für unse ren Fall nicht frei vom Verdacht einer übermäßigen clementia, zumal R sich ihre Stellung als Schuldnerin und Gläubigerin durch Erbfall erworben hat. Kupisch meint einerseits, wie bereits erwähnt, die Restitution beinhalte den Rücktritt des Kaufvertrags. Er betont andererseits, sie sei keine in integrum restitutio im strikt technischen Sinne.108 Dazu ist bereits kritisch Stellung genommen worden (s. o.). IV. Schlussbemerkungen Es ist ausgemacht, dass die Römer über die Schönheit der R kein Wort verlieren. Vielmehr sprechen davon nach einem Millenium mittelalterliche Italiener. Ihr Verständnis dieser Stelle steht gleichwohl, wie bei Liebs und hier, auf der langen Auslegungstradition, anders die sonderbare Auslegung Kupischs.109 Wie sind die italienischen Rechtslehrer denn plötzlich dazu gekommen, von der ‚Schönen‘ zu sprechen? Dazu hatten vermutlich folgen de Über le gun gen ver anlasst: Die kaiserliche Entscheidung, die entgegen dem geltenden Recht erging, müsse einen besonderen Grund gehabt haben. Es lasse sich doch anscheinend kein juristisch triftiger Grund finden; aber trotzdem sei der Kaiser dazu bewogen worden. Wenn es etwas gebe, das den princeps, einen Mann, zu bewegen imstande sei, so sei dies sehr wahr scheinlich die Schönheit der Frau. Ergo: R müsse schön gewesen sein. Gerade das sagt Odofredus:110 Odofredus, Interpretatio in undecim primos pandectarum libros, Lugduni 1550, fol. 180 v.111 Sed si boninus (= Ovinius) pretium non petiit: quaeritur quis melius dicebat ut-
Aber wenn O den Preis nicht gefordert hat: Es lässt sich fragen, wer besser
et sunt verba eius huiusmodi: (2) „Praeterea, patres conscripti, interdicam tutoribus et curatoribus, ne praedia rustica vel suburbana distrahant, nisi ut id fieret, parentes testamento vel codicilllis caverint. Quod si forte aes alienum tantum erit, ut ex rebus ceteris non possit exsolvi, tunc praetor urbanus vir clarissimus adeatur, qui pro sua religione aestimet, quae possunt alienari obligarive debeant, manente pupillo actione, si postea potuerit probari obreptum esse praetori. Si communis res erit et socius ad divisionem provocet, aut si creditor, qui pignori agrum a parente pupilli acceperit, ius exsequetur, nihil novandum censeo.“ 108 Kupisch 260. 109 Kupisch 264 stellt dies auch fest. 110 Er ist Schüler von Jacobus Balduini, als advocatus tätig und als Professor berühmt und reich geworden (gestorben am 3. 12. 1265); vgl. zu ihm Savigny 356 ff. 111 Zit. nach Kupisch 265.
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rum Paulus vel im pe rator. et hoc casu melius dixit Paulus . . . sed imperator dicebat pupillam restituendam: quia pactum legis commissoriae est odiosum. Item quod placuit forte imperatori: quia erat puella facie decora.
sprach, ob Paulus oder der Kaiser. Und in diesem Fall hat Paulus besser gespro chen. … Aber der Kaiser sagte, die pupilla sei in den vorigen Stand wieder einzusetzen: weil der Auflösungsvor behalt anstößig sei. Ebenso hat es dem Kaiser gefallen, dass das Mädchen an Angesicht schön war.
Der Text der von mir herangezogenen Edition der glossierten Digesten lautet:112 Fehius, ad h. l. casus (Vivianus113), col. 534 Imperator vidit puellam formosam, ideo Der Kaiser sah, dass das Mädchen valde fuit motus, & partem suam114 fo schön war, so dass er stark bewegt wur vebat, unde tres rationes assignat quare de und dessen Seite begünstigte. Er be ista puella sit re sti tuenda. Prima ratio stimmt daher drei Gründe, warum jenes talis est: quia tempus illud, in quo puel Mädchen in den vorigen Stand wieder la fuit laesa, cucurrit tempore minoris einzusetzen sei. Der erste Grund ist aetatis. Secunda ratio est: quia lex com folgender: weil der Zeit punkt, in wel missoria est odiosa: unde non debet huic chem dem Mädchen ge schadet worden puellae ob stare. Tertia ratio est: quia ist, während der Zeit der Min der isti tutores sunt suspecti, eo quod ita se jährigkeit lief. Der zweite Grund ist: male circa factum istud habuerunt: unde weil der Auflösungsvorbehalt anstößig prae sumitur hoc facto eorum eos frau ist, so dass er diesem Mädchen nicht im dem commisisse. unde istis ratio nibus Wege stehen darf. Der dritte Grund ist: motus est im perator, ut eam re stituat. weil jene Vormünder Vertrauensunwür plus ta men dicit Paulus: quia potissi dige sind, indem sie sich so schlecht mam rationem imperator tradidit oblivi verhalten haben, dass es vermutet wird, oni. Nam ex quo venditor post tempus dass sie durch dieses ihr Verhalten einen lapsum pretium petiit, videtur legi com Frevel be gangen haben. Daher wurde mis soriae renun tiasse. & sic quatuor der Kaiser mit jenen Gründen dazu be rationes sunt, quae faciebant pro illa; & wogen, es in den vorigen Stand wieder quae dam quae non est in litera: forte einzusetzen. Doch sagt Paulus mehr: quia pulchra erat. & hoc dicit (scil. weil der Kaiser den stärksten Grund der Odofredus).115 Vergessenheit überant wortet hat. Denn daraus, dass der Verkäufer nach dem verstrichenen Termin den Preis verlangt hat, scheint er auf den Auflösungsvorbe halt verzichtet zu haben. Und so gibt es vier Gründe, die für das Mädchen wirk114 115
112 Der Text der Lugduni publizierten Edition von 1552, die Kupisch 247 Fn. 1 u. 58 benutzt hat, ist gleich. 113 Das Hauptwerk des Vivianus Tuscus (vgl. zur Person Savigny 339 f.) bestand darin, das Corpus Iuris Civilis mit den casus zu versehen (vgl. dazu Savigny 344 ff.). 114 Suam statt eius zeigt mittelalterliche Latinität. Vgl. Habel / Gröbel, s. v. suus, S. 394. Liebs 373 u. Fn. 1 zitiert den Satz auch in gleicher Form. 115 Diese Ergänzung leitet Kupisch 266 zu Recht aus dem Lehrer-Schüler-Verhält nis zwischen ihm und Vivianus ab.
Zur Debatte um den Rutiliana-Fall (Paul. D. 4,4,38 pr.)49 ten. Und noch einen gewis sen Grund, der nicht in der Schrift enthal ten ist: vielleicht weil sie schön war. Und dies sagt er (scil. Odofredus).
Es ist ohne Zweifel Odofredus, der die ‚schöne Rutiliana‘ erfunden hat. Da zu Kupisch: „mittels derer [scil. dieser Erfindung] er gleichsam zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen trachtete: Phantasie und Aufmerksam keit seiner Hörer anzuregen und ihnen eine Erklärungshilfe besonders anschaulicher Art zu bieten.“116 Es ist interessant, dass die Schönheit hier eben die Schönheit des Angesichts (facie decora) darstellt. Es ist auch aus gemacht, dass R, wenn sie nicht schon eine Herrin gegenüber ihren Vor mündern war, doch derart über Tat kraft verfügte, dass sie sich bis zur letzten Instanz vor dem Kaiser durch setzte. Die Bezeichnung ‚energisch‘ (Kupisch) ist nicht übertrieben, aber der wahre Grund für ihren Sieg ist anscheinend nicht ihre Tatkraft, sondern das Wohlwollen des Kaisers gegen über der Minderjährigen. Dessen ungeachtet mündet die Geschichte in eine Sackgasse, die nie ad fontes führt. Da erinnere man sich an die sehr kritischen Bemerkungen Savignys zur Person des Odofredus, dessen blumiger Epitaph wie folgt lautet:117 Clauditur hic mundi sensus juris que profundi Lux, foedus pacis, Doctorum flos Odof redus, …
Begraben ist hier der Welt Intelligenz und des tiefen Rechts Licht, Bund des Friedens, der Doktoren Blume Odofredus, …
Allein Savigny bewertet seinen Stil fast vernichtend: Zum einen ist von „ei ner ganz besonders barbarischen Sprache“ die Rede;118 zum anderen werde im Vergleich zu Azo „eine so breite Erklärung über den Text ausge gossen, dass die Schüler für eigenes Denken keinen Raum behalten, den Text selbst aber ganz aus dem Gesichte verlieren“.119 „Hier scheint die Fülle der Worte blos dazu bestimmt, den Mangel an Gedanken, oder die Unfähigkeit zu ihrer angemessenen Bezeichnung, zu ersetzen, und so geht selbst das Wenige, was darin von eigenen Ansichten der Verfasser noch etwa versteckt seyn mag, dem Leser fast immer verloren.“120 Es ist dann auch nicht sonderlich, dass sich von ein zelnen Schülern des Odofredus keine Nachricht erhalten hat.121 Es ist fast ein Paradoxon, dass er, wie Sa 116 Kupisch 117 Savigny 118 Savigny 119 Savigny
120 Savigny 121 Savigny
265. 356. 364. 355. 354. 360.
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vigny bemerkt, häufig die Langeweile, die aus seiner Art der Behandlung ihm selbst und den Zuhörern entstehen mochte, durch ein ge streute Ge schichten wie die der Rutiliana zu verhindern suchte, und dass diese der Arbeit selbst meist völlig fremden Geschichten das Einzige sind, was uns noch immer seine Schriften brauchbar, ja unentbehrlich macht.122 Dann scheint es, dass es Gründe genug gibt, Kupischs positivere Beurteilung ru hig noch kritischer zu bedenken. Gleichzeitig aber haben wir auch Gründe genug, uns erleichtert zu fühlen, wenn wir daran denken, dass sich die römischen Juristen – anders als die mittelalterlichen, die ohne Grund ihren Einbildungen freien Lauf ließen und auto ritätsgläubig Lehrmeinungen anderer ohne Kritik wiederholten – im Feld des Rechts verantwortungsbewusst getreu der Rechtslogik sachlich betätigten. Es ist eine fast banale Weisheit, dass man sich beim Judizieren angesichts einer Person vor einer Voreingenommenheit oder einem Vorur teil, sei es wegen einer Machtstellung oder der Schönheit, die in aller Regel sexuelle Anzie hungs kraft impliziert, hüten muss. Das haben bereits bei spielsweise der chi ne si sche Alt meister Guanzi (nach der Tradition mit Guanzhong, gest. 645 v. Chr., identisch) wie auch das Alte Testament (Dt. 1,17; cf. 16,19) klar zum Ausdruck gebracht. 123
管子, 任法 美者以巧言令色 請其主,主因離 法而聽之,此所 謂美而淫之也。 治世則不然, 不 知親疏遠近貴賤 美惡, 以度量斷 之。
Guanzi Kap. 45,8: Renfa („Sich auf rechtliche Erwä gungen stützen“)123 Wenn eine schöne Frau mit schönklingen den Worten und überfreundlichem Gesicht um die Gunst des Herrschers bittet und der Herrscher sich darum vom Recht abkehrt und ihren Bitten Gehör schenkt, so bedeu tet dies, mit Schönheit zu sittenlosem Verhalten zu verführen. In einer gut regierten Zeit verhält man sich aber nicht in die ser Weise; vielmehr nimmt der Herr scher den Unter schied zwischen Vertrautem und Nichtvertrautem, zwischen Fernem und Nahem, zwischen Wert vol lem und Wertlosem und zwi schen Schönem und Hässlichem gar nicht zur Kenntnis und entscheidet allein aufgrund rechtlicher Erwägungen.
Deuteronomium 1,7 OÙk ™pignès6 prÒswpon ™n kr…sei. 審鞠之時 勿以貌取人。
122 Savigny
366.
123 李勉註譯,管子今註今譯
下冊 (臺灣商務印書館,中華民國79年9月2版) Li Mian zhuyi, Guanzi jinzhu jinyi, xiace (Taiwan Shangwuyinshuguan, Zhonghua Minguo 79 nian 9 yue 2 ban) [„Li Mian, Kommentator und Übersetzer, Guanzi neu kommentiert und neu übersetzt, Band II (Taiwan Commercial Press, 2. Aufl. Sept. 1990)“] S. 739.
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Vous n’aurez point égard à l’apparence des personnes dans vos jugements. Non guardate in faccia alle persone nel giudicare. Kennt vor Gericht kein Ansehen der Person! Ihr dürft beim Rechtsprechen die Person nicht ansehen. 審判的時候 不可看人的外貌。
Ein solches öffentliches Forum wie das consilium principis ist, wenn es auch nicht stets richtige Entscheidungen gewährleistet, doch imstande zu klären, wer die Verantwortung für die eventuellen Verfehlungen zu tragen hat. Das gilt auch für unseren Fall.124 Bibliographie Archi, Gian Gualberto, Indirizzi e problemi del sistema contrattuale nella legisla zione da Costantino a Giustiniano, in: Scritti di Diritto romano in onore di C. Ferrini (1943) = idem, Scritti di Diritto romano III (1981) 1779 ff. Behrends, Okko / Knütel, Rolf / Kupisch, Berthold / Seiler, Hans Hermann (Übers. / Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung II. Digesten 1–10, 1995; III. Digesten 11–20, 1999 Bretone, Mario, Techniche e Ideologie dei Giuristi Romani, 19822 Brunnemann, Johannes (1608–1672), Commentarius in Pandectas, Witteber gae & Berolini 17015 Cannata, C. A., Histoire de la jurisprudence européenne, I. La jurispru dence ro maine, 1989 124 Die benutzten Versionen sind in der Reihenfolge: Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX
interpretes, edidit Alfred Rahlfs, Duo volumina in uno, Deutsche Bibelgesellschaft: Stuttgart 1935, 1979, 285. 救主耶穌降世一千九百十二年,舊新約聖經,文理串珠 (上海大美國聖經會 1912). Jiaozhu Yesu jiangshi 1912 nian, Jiu Xin Yue Shengjing, Wenli Chuanzhu (Shanghai Da Meiguo Shengjinghui 1912) [„1912tes Jahr des Erdenweges des Herrn Jesus, Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes, Übersetzung in klassisches Chinesisch mit Verweisen zu Parallelstellen (Shanghai, Große Bibelgesellschaft von Amerika 1912)“] 155. Louis Segond (trad.), La Sainte Bible (édition revue avec références, Alliance Biblique Universelle: Seoul 1986) 190. La Sacra Bibbia, traduzione dai testi originali, Edizioni Paoline, Pia Società San Paolo: Roma 1968, 203. Die Bibel. Altes und Neues Testament, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelan stalt GmbH: Stuttgart 1980, 168. Hermann Menge (Übers.), Die heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, Deutsche Bibelgesellschaft: Stuttgart 1949 / 84 232. 聖經 Shengjing [„Bibel“] • Holy Bible, King James Version• 新標點和合本,香 港聖經公會: 香港 Xin biaodian heheben, Xianggang Shengjing Gonghui, Xiang gang [„Har moniebibel mit neuer Zeichensetzung, Hongkon ger Bi bel gesellschaft: Hongkong“] 1992, Fourth Printing 1994, 275.
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Das entgeltliche Mandat im römischen Recht Von Thomas Finkenauer I. Die Entgeltlichkeit des Mandats in den neueren Rechtsordnungen Gerade der deutsche Jurist hat wegen § 662 BGB den Eindruck, dass das Man dat gewissermaßen wesensmäßig unentgeltlich sei. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man in ein beliebiges Lehrwerk oder Handbuch zum römischen Recht blickt: mandatum nisi gratuitum nullum, wie Paulus es in D. 17,1,1,4 ausdrückt1. Dass das BGB in dieser Frage dem römischen Recht folgt, ist kein Zufall. Hatte § 586 des ersten Entwurfs dem Auftraggeber noch die Mög lichkeit ge geben, sich zu einer Vergütung zu verpflichten2, kehrte der zweite Entwurf aus systematischen Gründen zum römischen Vorbild und damit zum unentgeltlichen Mandat zurück3. Der in der zweiten Kommis sion erfolgreiche Antragstel ler Jacubezky begründete diese Rück kehr da mit, dass es sich beim entgeltli chen Mandat in Wirklichkeit um einen Dienst- oder Werkvertrag handele und eine solche Einordnung entgegen vielfacher Kritik auch keine „Herabwürdigung der selbständigen Geistesar 1 Siehe etwa Henry John Roby, Roman Private Law, Bd. II, Cambridge 1902, 116 f.; Édouard Cuq, Manuel des institutions juridiques des Romains, Paris 1917, 490; Max Kaser, Das Römische Privatrecht. Erster Abschnitt: Das Altrömische, das Vorklassische und Klassische Recht, München 19712, 577; Mario Talamanca, Istitu zioni di diritto romano, Milano 1990, 604; Jan Dirk Harke, Römisches Recht, 2008, § 9 Rn. 33; Giuseppe Provera, Mandato (negozio giuridico) ED 25 (1975) 311–321, hier 314; aber auch Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foun dations of the Civilian Tradition, Cape Town 1990 (ND Oxford 1996), 415, 418 („gratuitousness … a matter of form rather than of substance“). 2 Dazu die Motive der ersten Kommission in: Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Hrsg. Benno Mugdan, Bd. II, Ber lin 1899 (ND 1979), 294; Siegbert Lammel, in: Historisch-Kritischer Kommentar zum BGB, Schuldrecht, Besonderer Teil, Teilbd. 2, Tübingen 2013, §§ 662–675 Rn. 8, 10. 3 Horst Heinrich Jakobs / Werner Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetz buchs in systematischer Zusammenstellung, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, Berlin / New York 1983, 44.
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beit“ bedeute4. Hintergrund dieses Einwands war die soziale Höherbewer tung bestimmter Berufe, der sog. operae liberales von Rechts anwälten, Ärzten, Lehrern etc., die sich dagegen verwahrten, als von den Weisungen eines Dienstberechtigten abhängig zu gelten5. Die Aufrechterhaltung des Unentgeltlichkeitsprinzips in § 662 BGB erkaufte sich das BGB frei lich mit einer weiteren Bestimmung, nach der auf einen Dienst- und Werkver trag, der zugleich eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat, die wichtigsten Vorschriften des Auftragsrechts Anwendung finden, insbesondere die Her ausgabepflicht des Beauf tragten sowie die Vor schuss- und Aufwen dungs ersatzpflicht des Auftraggebers (§ 675 Abs. 1 BGB). Einfacher machen es sich die meisten europäischen Rechtsordnungen. Schon die naturrechtlichen Kodifikationen kennen ein entgeltliches Man dat. Nach §§ 74 ff. I,13 ALR kann der Beauftragte („Bevollmächtigte“) eine nicht vereinbarte „Belohnung“ fordern, wenn sie vom Gesetz vorge sehen ist oder das Geschäft zu seinem Gewerbe gehört. Ansonsten ist die Frage einer „Belohnung“ der Parteivereinbarung überlassen. Auch § 1004 ABGB kennt die ausdrückli che oder stillschweigende Vereinbarung einer „Belohnung“ für den Geschäftsbesorger. Nach Art. 1986 Code civil und in seinem Gefolge Artt. 1737, 1739 Codice civile 1865 ist das Mandat unent geltlich, es sei denn, Entgeltlichkeit wäre vereinbart. In diesem Sinne ent scheiden auch Art. 689 Dres dener Ent wurf, Art. 274 hessischer Entwurf, Art. 688 bayrischer Entwurf Theil II und Art. 394 Abs. 3 Schweizer Obli gationenrecht, aber etwa auch § 648 Abs. 2 jap. BGB6 oder Art. 7:405 Bur gerlijk Wetboek. § 1299 sächsisches BGB stellt eine widerlegliche Vermu tung gegen das Vorliegen eines Auftrags auf, wenn eine Gebühr verlangt wird. Ausdrücklich heben Art. 688 bayr. Entwurf Theil II ebenso wie die Mo tive zum hessi schen Entwurf, zum Code civil7 und Kübels Vorentwurf zum BGB hervor, dass die Vereinbarung einer Vergütung nicht zu einer 4 Karl Jakubezky, Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetz buches für das Deutsche Reich, München 1892, 135 zu § 559, 141 zu § 586 des ersten Entwurfs. Zu Jacubezky Thomas Finkenauer, Karl Jacubezky und das BGB, ZRG GA 130 (2014) 325–362. 5 Siehe nur Heinrich Dernburg, Pandekten, Bd. II, Berlin 1886, § 115 nach Note 9; Protokolle der 2. Kommission bei Mugdan II (o. Fn. 2) 897 f.; Reinhard Zimmermann, Der Auftrag im römisch-holländi schen Recht, in: Mélanges Felix Wubbe, Fribourg 1993, 587–611, hier 592 ff. 6 Dazu Toshio Hironaka, Das Recht des mandatum und sein Einfluss auf das gegenwärtige Recht verschiedener Länder, in: Mandatum und Verwandtes, Hrsgg. Dieter Nörr / Shigeo Nishimura, Berlin u. a. 1993, 3–11, hier 10. 7 Dazu François Dumont, La gratuité du mandat en droit romain, in: Studi in onore di Arangio-Ruiz, Bd. II, Napoli 1953, 307–322, hier 322.
Das entgeltliche Mandat im römischen Recht57
Wesensänderung des Mandats führe, die Unentgeltlichkeit kein essentiale, sondern allenfalls ein naturale sei, nämlich dann, wenn es sich um einen Freundschaftsdienst handele8. Zumindest die gemeinrechtliche Praxis, aber auch „nicht wenige Rechtslehrer“ kann Kübel für die Ablehnung der Unent geltlichkeit als konstitutives Merkmal des Mandatsbegriffes anführen9. Am weitesten geht Art. 1709 Codice Civile 1942, der sogar die Vermutung der Entgeltlichkeit aufstellt10. Dieser kurze Überblick zeigt, dass in neuerer Zeit die Zulässigkeit eines entgeltlichen Auftrags oder wenigstens eines entsprechenden Rechtsinstituts wie der entgeltlichen Geschäftsbesorgung einhellig bejaht wird. Offenbar sollen es die Parteien in der Hand haben zu bestimmen, ob der Beauftragte neben einem Lohn, der ihm nach Dienst- oder Werkvertragsrecht zustehen würde, auch seine Aufwendungen ersetzt erhalten soll. Während nach Dienst- und Werk vertrags recht mit dem Lohn die Auf wendungen bereits abgegolten sind, lässt der entgeltliche Auftrag die Kombination aus Lohn und Aufwendungsersatz zu. Soll ten solche Bedürfnisse in der römischen Klassik nicht bestanden oder die römischen Juristen sie gar unter dem eher doktrinären Hinweis auf das Wesen des Mandats zurückgewiesen haben? War also wirklich in Rom „nichts zu sehen“ von einem entgeltlichen Man dat11?
8 Franz P. v. Kübel, in: Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse, Hrsg. Werner Schubert, Bd. II, Berlin / New York 1980, 802, 805 m. w. Nachw. 9 v. Kübel (o. Fn. 8) 807, 809; Motive (o. Fn. 2) 294: Unentgeltlichkeit „kein wesentliches Requisit“. – Übrigens entscheidet auch das römisch-holländische Recht in diesem Sinne, vgl. Zimmermann (o. Fn. 5) 594. 10 Dazu Giovanna Coppola, Dalla gratuità alla presunzione di onerosità. Con si derazioni sul contratto di mandato alla luce di recenti studi, in: Teoria e storia del diritto privato, Rivista internazionale online 3 (2010) 1–112, hier 91. Ähnlich auch Art. IV.D.-2:102 (I) DCFR und Art. 2:102 Abs. 1 PEL, wenn der Beauftragte ein Unternehmer ist. 11 So Alfons Bürge, Salarium und ähnliche Leistungsentgelte beim mandatum, in: Nörr / Nishimura (o. Fn. 6) 319–338, hier 337; zust. Andreas Wacke, Die Anerken nung der Medizin als ars liberalis und der Honoraranspruch des Arztes, ZRG RA 113 (1996) 382–421, hier 406 mit Fn. 112.
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II. Mandatum nullum nisi gratuitum 1. Das Mandat hat seine Ursprünge in officium und amicitia, wie uns Paulus lehrt12: D. 17,1,1,4 Paul. 32 ad ed. Mandatum nisi gratuitum nullum est: nam originem ex officio atque amicitia trahit, contrarium ergo est officio mer ces: interveniente enim pe cunia res ad locationem et conductionem potius res picit.
Ein Auftrag, der nicht unentgeltlich ist, ist kein Auftrag; denn der Auftrag hat seinen Ursprung in Pflichtgefühl und Freundschaft; mit Freundschaftspflicht aber ist Lohn unvereinbar. Kommt näm lich Geld ins Spiel, so stellt das Rechts verhältnis eher einen Dienst- oder Werkvertrag dar.
Auftragsverhältnisse stehen anfänglich, vom Gedanken der fides be herrscht, außerhalb des Rechts13. Der Verweis auf das officium deutet wohl in erster Linie auf das Verhältnis zwischen Freilasser und Freigelassenem14, der häufig als Prokurator und damit als Beauftragter des Freilassers auf tritt15. Mit amicitia sind dagegen die vielfältigen Freundschaftsbeziehungen angesprochen, die gerade in der römischen Oberschicht ein Netz von wech selseitigen „Verpflichtungen“ und von Gaben und Gegengaben schufen16. Allerdings gab es durch aus auch Freundschaftsverhältnisse in den Unter schichten und amici inferiores17. 2. Auf der Verachtung der Lohnarbeit beruht die Unterscheidung zwi schen operae liberales und operae illiberales, die bis in die Zeit der Verab 12 Siehe schon Cicero, S. Rosc. 111. Daneben kennen D. 3,5,30 pr.; 17,1,26,8; 18,1,35,3; 28,5,47 die Beauftragung eines Freundes oder durch einen Freund; das officium beto nen demgegenüber D. 17,1,27,2; eod. 36,2; eod. 56,2; C. 2,12,10 und 18. 13 Siehe auch Alfons Bürge, Römisches Privatrecht, Darmstadt 1999, 129. 14 Coppola (o. Fn. 10) 17; vgl. vor allem Pap. D. 3,5,30 pr. (liberto vel amico mandavit). 15 Siehe dazu statt vieler Hermann Gottlieb Heumann / Emil Seckel, Heumanns Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Jena 19149, s. v. procurator a); zur Mandatsklage (wenigstens ab der Zeit Julians) Fabian Klinck, Zur Bedeutung des Wortes procurator in den Quellen des klassischen Rechts, ZRG RA 124 (2007) 25–52, hier 32 ff., 51. 16 Dieter Nörr, Mandatum, fides, amicitia, in: ders. / Nishimura (o. Fn. 6) 13–37, hier 13; Bürge (o. Fn. 11) 320. 17 Nörr (o. Fn. 16) 21; Giovanna Coppola Bisazza, Brevi riflessioni sulla gratuità del mandato, in: Studi in onore di Antonino Metro, Bd. I, Milano 2009, 483–510, hier 488; Thomas Schneeberger, Der Einfluss des Entgelts auf die rechtliche Stellung des Beauftragten, Bern 1992, 12 f. Informativ zu verschiedenen Erscheinungsformen der amicitia Tobias Rundel, Mandatum zwischen utilitas und amicitia. Perspektiven zur Mandatarhaftung im klassischen römischen Recht, Münster 2005, 164 ff.
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schiedung des BGB wirkmächtig bleiben sollte. Entgeltliche Tätigkeit wird als Selbstversklavung verachtet18, der wirklich freie Mann erbringt seine Dienste als beneficia19 und freut sich allenfalls über eine spätere Anerken nung in gleich welcher Form. Er wird (aus der Sicht des Auftraggebers) nur mea gratia, nicht um seinetwillen tätig und verlangt daher nur Ersatz seiner Aufwendungen, Gewinn möchte er aus seiner Tätigkeit nicht ziehen. Wer dagegen mit seiner Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen muss, kann sich eine solch wohltätige Haltung nicht leisten. Er ist darauf angewie sen, sich gegen eine Entloh nung (merces) in einer locatio conductio in Form eines Dienst- oder Werkvertrags zu verdingen. 3. Die Unentgeltlichkeit eines Mandats wird in einigen Texten explizit angeführt. Manche sprechen daher geradezu von einem „Unentgeltlichkeits axiom“20. Meist geschieht dies zur Abgrenzung von der locatio conductio: Gai. inst. 3,162 In summa sciendum (est, si faciendum) aliquid gratis dederim, quo nomine si mercedem statuissem, locatio et conduc tio contraheretur, mandati esse actionem, veluti si fulloni polienda curan dave vestimenta dederim aut sarcinatori sarci enda.
D. 19,5,22 Gai. 10 ad ed. provinc. Si tibi polienda sarciendave vestimenta dederim, si quidem gratis hanc operam te suscipiente, mandati est obligatio, si vero mercede data aut constituta, loca tionis conductionisque negotium geritur. quod si neque gratis hanc operam susce peris neque protinus aut data aut consti tuta sit merces, sed eo animo negotium gestum fuerit, ut postea tantum mercedis nomine daretur, quantum inter nos statu tum sit, placet quasi de novo negotio in factum dandum esse iudi cium, id est praescriptis verbis.
Schließlich muss man wissen, dass eine Klage wegen Auftrags anwendbar ist, wenn ich irgend etwas umsonst (zu tun) vergeben habe, was, falls ich deswegen einen Lohn festgesetzt hätte, den Ab schluss eines Werk vertrags bedeutet hätte, zum Beispiel, wenn ich Klei dungsstücke einem Walker zum Stärken oder Reinigen (übergeben hätte) oder einem Schneider zum Flicken. Ich habe dir Kleidung zum Reinigen oder zum Ausbessern gegeben. Hast du diese Arbeit unentgeltlich übernommen, so be steht eine Verpflichtung aus Auf trag. Ist aber eine Vergütung ge zahlt oder bestimmt worden, dann wurde ein werkvertragliches Rechtsgeschäft vorge nommen. Hast du jedoch diese Arbeit nicht unentgeltlich übernommen und ist auch nicht sogleich ein Entgelt gezahlt oder bestimmt, sondern das Geschäft in der Absicht vorgenommen worden, dass später so viel als Vergütung gezahlt werde, auf wieviel wir uns einigen wür-
etwa Cicero, off. 1,42,150 (merces auctoramentum servitutis). nat. 1,122; leg. 1,18,48; inv. 2,115, s. auch S. Rosc. 111; Seneca, benef. 4,1,2; 4,25,3. 20 Siehe nur Coppola (o. Fn. 10) 33; dies. (o. Fn. 17) 495; ähnlich Alan Watson, Contract of Mandate in Roman Law, Oxford 1961, 102. 18 Siehe
19 Cicero,
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Thomas Finkenauer den, so ist an erkanntermaßen wie bei einem neuartigen Geschäft eine auf den Sachverhalt abgestellte Klage, das heißt eine Klage mit vorgeschalteten Formel worten, zu gewähren.
Gaius macht ganz klar: Reinigen oder Flicken sind dann Gegenstand ei nes Werkvertrags, wenn von vornherein ein Entgelt bezahlt oder doch we nigstens der Höhe nach bestimmt wurde. War dagegen Unentgeltlichkeit vereinbart, kommt nur ein Auftrag in Betracht. War zwar Entgeltlichkeit ausgemacht, jedoch das Entgelt noch nicht in seiner Höhe bestimmt, gibt er eine actio in factum21. Auch die Spätklassik behält die genannte Unterschei dung bei: Hatte je mand gegen Entgelt seine Dienste verdingt, etwa als Schiffskapitän, bestand ein Dienstvertrag; war Unentgeltlichkeit vereinbart, ein Auftrag22. Noch Justinian lehrt die Unterscheidung: Inst. 3,26,13 In summa sciendum est mandatum, nisi gratuitum sit, in aliam for mam negotii cadere: nam mer cede con stituta incipit locatio et conductio esse et ut generali ter dixerimus: quibus casibus sine mer ce de sus cepto officio mandati aut de positi contrahitur negotium, his casibus interveniente mercede locatio et conduc tio contrahi intellegitur. et ideo si fulloni polienda curandave vestimenta dederis aut sarcinatori sarcienda nulla mercede constituta neque pro missa, mandati competit actio.
Schließlich muss man wissen, dass ein Auftrag, wenn er nicht unentgeltlich ist, un ter den Tat bestand eines anderen Rechts ge schäfts fällt. Denn durch Ver einbarung eines Entgelts wird der Ver trag ein Dienst- oder Werkvertrag. Oder um es allgemein zu sa gen: In allen Fällen, in denen durch die un ent gelt liche Übernahme einer Pflicht ein Auf trags- oder Verwahrungsvertrag begrün det wird, sieht man, wenn ein Entgelt vereinbart wird, einen Dienst- oder Werkvertrag zustande kommen. Und deswegen ist eine Auf trags klage gege ben, wenn du Klei der ohne Ver ein ba rung oder Verspre chen eines Ent gelts einem Kleiderreiniger zum Stärken oder Reinigen oder einem Schnei der zum Ausbessern gibst.
Da sich locatio conductio und mandatum nicht mehr in der Frage des mög li chen Ver tragsgegenstandes unterschieden, sondern das Mandat auch „niedere“ Dienste umfassen konnte, bestand offenbar das Bedürfnis nach einem griffigen Unterschei dungskriterium zwischen den beiden Kon sen 21 Siehe auch Gai. 3,142 f. Die ebenfalls genannte actio praescriptis verbis hält Dumont (o. Fn. 7) 312 für nachklassisch. 22 Siehe Ulp. D. 14,1,1,18; Paul. D. 14,1,5 pr.
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sualverträgen; dieses lieferte die Unentgeltlichkeit23. Auch zur Abgrenzung zu Kauf und Gesellschaft konnte das Kriterium beitragen, wie Ulpian / Juli an D. 19,5,13,1 zeigt: neque mandatum, quia non est gratuitum. Selbst das Bereicherungsverbot stützt Javolen, unser ältester Text zur Problematik, auf den Unentgeltlichkeitsgrundsatz, wenn er meint, der Beauftragte dürfe sich keinen Vorteil verschaffen24. Zweifel am Unentgeltlichkeitsdogma kommen freilich mit folgendem Ul piantext: D. 17,1,6 pr. Ulp. 31 ad ed. Si remunerandi gratia honor intervenit, erit mandati actio.
Kommt es, um den Beauftragten zu belohnen, zu einer Ehrengabe, so bleibt es bei der Auftragsklage.
Man hat den Text, dessen Zusammenhang nicht mehr sicher zu rekonstruie ren ist, auf die actio mandati contraria bezogen25. Dann wäre er ein Beleg dafür, dass ein honorarium auf dem ordentlichen Klageweg einklagbar war26. Herrschend ist dagegen heute die Lesart, dass eine bereits gezahlte Belohnung Ansprüche aus dem Mandat nicht ausschließt27. Während man che dabei nur an die actio mandati directa denken28, lassen andere die Klagerichtung zu Recht offen und sehen, wie auch Ulpian selbst, allgemein das iudicium mandati angesprochen29. Die herrschende Deutung verdankt sich dem Bestreben, ein Entgelt aus dem iudicium mandati möglichst her auszuhalten. Immerhin kann sie aber auf eine Vielzahl von Textbelegen verweisen, nach denen nur das außerordentliche Verfahren für die Hono 23 Jean Macqueron, Le travail des hommes libres dans l’antiquité romaine, Aixen-Provence 19582, 168; Schneeberger (o. Fn. 17) 32. 24 D. 17,1,36,1 Iav. 7 ex Cass. … sed nec lucrum tibi ex hac causa adquirere debes, cum mandatum gratuitum esse debet …; dazu Rundel (o. Fn. 17) 87; s. zudem Ulp. D. 19,5,13 pr.; Paul. D. 17,1,20 pr. 25 Károly Visky, Geistige Arbeit und die „artes liberales“ in den Quellen des römischen Rechts, Budapest 1977, 59 in Fn. 62; Sebastiano Tafaro, Regula e ius aequum in D.50.17.23, Bari 1984, 278. 26 Diese Deutung setzt zusätzlich voraus, dass intervenire hier nur das Verspre chen einer Belohnung meint, vgl. Dumont (o. Fn. 7) 319. 27 Watson (o. Fn. 20) 110 f.; Coppola (o. Fn. 10) 35; dies. (o. Fn. 17) 496; Rundel (o. Fn. 17) 103; Salvo Randazzo, Mandare. Radici della doverosità e percor si con sen sualistici nell’evoluzione del mandato romano, Milano 2005, 204. Für Überarbeitung jedoch Vincenzo Arangio-Ruiz, Il mandato in diritto romano, ND Napoli 1965, 118. 28 So Walter Erdmann, Freie Berufe und Arbeitsverträge in Rom, ZRG RA 66 (1948) 567–571, hier 569; Dumont (o. Fn. 7) 319; Kaser I (o. Fn. 1) 577 in Fn. 3; Wacke (o. Fn. 11) 406 in Fn. 112. 29 Bürge (o. Fn. 11) 320.
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rarklage zuständig war30. Für den Erweis einer Entgeltlichkeit des Mandats und einer Entgeltklage im ordentli chen Verfahren ist der Text sicher zu undeutlich. Schwieriger liegt es mit dem schon zitierten Paulustext D. 17,1,1,4 in fine: interveniente enim pecunia res ad locationem et conductionem potius respicit, ist Geld im Spiel, kommt „eher“ eine locatio conductio in Be tracht31. Die vorsichtige Ausdrucksweise des Paulus steht in einem merk würdigen Gegensatz zum Eingang des Texts, in welchem er ein entgeltliches Mandat glatt als inexistent erachtet. Dürfen wir die Eingangsworte nur als Grundsatz auffassen, von dem abzuweichen Paulus, je nach den beteiligten Interessen, dann erlaubt, wenn trotz Entgeltlichkeit eine locatio conductio ausnahmsweise unpassend ist? Der noch ausführlich zu besprechende Text D. 17,1,26,8 stammt aus demselben Buch wie D. 17,1,1,4 und behandelt ausdrück lich den Anspruch auf eine merces bei einem Mandat. Für den Moment genügt die Feststellung, dass Paulus mit dem Schluss des Texts den Geltungsanspruch des Textanfangs jedenfalls erheblich relativiert32. 4. Durch die „Verrechtlichung“ der Freundschaftsverhältnisse mit der actio mandati directa des Auftraggebers, mit der dieser auf Durchführung des Geschäfts und Herausgabe des aus der Auftragsdurchführung Erlangten klagen konnte, und mit der auf Aufwendungsersatz gerichteten actio mandati contraria des Beauftragten entsteht Rechtszwang. Nur die Übernahme eines Mandats ist noch Sache des freien Willens, danach aber besteht necessitas: voluntatis est enim suscipere mandatum, necessitatis consummare (Paulus D. 13,6,17,3). Wo bisher die fides regierte, werden nun die gegen seitigen Rechte und Pflichten der Parteien nach der bona fides beurteilt33. 30 Siehe
unten S. 65 ff. Formulierung potius respicit ist nur hier anzutreffen. 32 So auch Dumont (o. Fn. 7) 309; Jaques Michel, La gratuité en droit romain, Bruxelles 1962, 186 (der aber deshalb an einen späteren Bearbeiter glaubt). Dagegen meint Watson (o. Fn. 20) 106, mit potius habe Paulus seine Zweifel daran ausge drückt, ob im Falle der Entgeltlichkeit tatsächlich die locatio conductio Anwendung finde und nicht vielleicht auch eine actio in factum (ähnlich Roberto Fiori, La definizione della ‚locatio conductio‘, Napoli 1999, 265 in Fn. 15). Hiergegen spricht, dass eine solche Klage nicht genannt ist, sondern vielmehr das Mandat und Paulus dieses nur von der locatio conductio abgrenzt. – Ohne Beweiskraft für Entgeltlich keit sind dagegen die Worte in summa in Gai. 3,162; denn es bedeutet nur „schließ lich“ und nicht etwa nur „grundsätzlich“ (zutr. Watson, a. a. O.; Fiori, a. a. O., 263 in Fn. 11; anders aber Dumont, o. Fn. 7, 309). 33 Nörr (o. Fn. 16) 14; mit guten Gründen skeptisch gegenüber Nörrs Juridifizie rungsthese Rundel (o. Fn. 17) 188 ff., insoweit damit ein bewusster Transfer zwi schen Ethik und Recht, eine Institutionalisierung, angesprochen ist; dazu sogleich im Text. 31 Die
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Wieviel übrigens nach einem iudicium mandati noch von einer Freundschaft übrig war, kann man sich denken. 5. Nach Schaffung des iudicium mandati, das von der Erfüllung bloß sittlicher Pflichten unabhängig ist, übernahmen nicht mehr nur Prokuratoren oder die Ausübenden der operae liberales – Ärzte, Architekten, Feldmesser oder etwa Advokaten – Aufträge34, sondern auch Walker oder Schneider35, Schiffskapitäne36 oder Handwerker37. Auch operae illiberales konnten da mit Gegenstand eines Mandats sein, so dass es in klassischer Zeit von der Tätigkeit her keinen grundsätzlichen Unterschied mehr zur locatio conductio gab38. Eine weitere „Grenzverwischung“ folgte aus der zunehmenden Professionalisierung der operae liberales39. Die meisten Ärzte, Architekten, Feldmesser und Rechtsanwälte waren darauf angewiesen, sich ihren Lebens unterhalt zu verdienen, zumal sie häufig Freigelassene waren und also kei neswegs den oberen Gesellschaftsschichten angehörten40. Nannte man die Vergütung, um ihren freiwilligen Charakter zu verdeutlichen, auch honorarium41, so konnte dies kaum darüber hinwegtäuschen, dass die genannten Vertragsverhältnisse wenigstens in der Praxis entgeltlich waren. 34 Wacke (o. Fn. 11) 409 f., 412 f., ordnet den Arztvertrag freilich als Werkver trag ein. Wegen des von vornherein meist unbestimmten Honoraranspruchs habe man jedoch rechtliche Abhilfe mit einer Klagemöglichkeit extra ordinem geschaffen. Es habe also ein Dualismus von locatio conductio operis und dem Verfahren extra ordinem bestanden. Für Mandat beim Arztvertrag: Karl-Heinz Below, Der Arzt im römischen Recht, München 1953, 96–98. 35 Gai. 3,162; Gai. D. 19,5,22. 36 Ulp. D. 14,1,1,18. 37 Paul. D. 17,1,26,8. 38 Erdmann (o. Fn. 28) 568; Hannu Tapani Klami, Mandatum and Labour in Roman Law, ZRG RA 106 (1989) 575–586, hier 585 f.; s. auch Nörr (o. Fn. 16) 24. 39 Dazu Inge Kroppenberg, Amicitia und römisches Delegations- und Auftrags recht, ZRG RA 126 (2009) 304; Zimmermann (o. Fn. 5) 589. 40 Zu den Ärzten: Below (Fn. 34), 7 (krit. aber Fridolf Kudlien, Die Stellung des Arztes in der römischen Gesellschaft, Stuttgart 1986, 91). – Zu den Feldmessern: Theodor Loewenfeld, Inästimabilität und Honorirung der artes liberales nach römi schem Recht, in: Festgabe zum Doktorjubiläum Dr. Johann Julius Wilhelm von Planck, München 1887 (ND Aalen 1982), 363–467, hier 451, 455; Heinrich Siber, Operae liberales, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts 88 (1939 / 40), 161–198, hier 176. – Zu den Architekten: Ludwig Friedländer, Darstel lungen aus der Sittengeschichte Roms, Bd. III, Leipzig 1923, 107; Visky (o. Fn. 25) 152. – Die Advokaten stammten aus allen Schichten, also auch aus ganz einfachen Verhältnissen, bisweilen waren auch sie Freigelassene, vgl. Tacitus, dial. 6 und 8; ann. 11,7: „In der Toga arbeitet sich das Volk empor“; s. auch Hans Wieling, Advo katen im spätantiken Rom, in: Atti dell’Accademia Romanistica Costantiniana, XI Convegno Internazionale, Napoli 1996, 419–463, hier 435. 41 Dazu sogleich III.
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Ulpian D. 17,1,10,7 zeigt denn auch die Unterschiede zwischen Mandat und Freund schaftsverhältnis deutlich auf42: Derjenige, der nicht mit dem Willen aufgetreten ist, als Prokurator zu handeln, sondern „nur“ mit einer affectio amicalis, haftet nicht aus der actio mandati, sondern allenfalls mit der actio de dolo. In klassischer Zeit lassen sich also Mandats- und Freundschaftspflichten keinesfalls identifizieren, der Ulpiantext zeigt viel mehr die Angleichung des Mandats an entgeltliche Dienstverhältnisse43. Es ist eher eine Geschmacksfrage, ob man wegen des Ulpiantexts meint, der Spät klassiker sei darum be müht ge wesen, der amicitia einen rechtsfreien Raum zurückzugewinnen44, oder ob man gerade wegen dieses Texts eine vorherige vollständige Juridifizierung der Freundschaftspflichten als über schießend ablehnt45. Jeden falls zeigt Ulpian deutlich, dass wir in klassi scher Zeit nicht mit der amicitia als Tatbe stands merkmal eines Mandats rechnen dürfen; konstitutiv für ein Mandat ist allein der Konsens46. Mehr behauptet auch Paulus D. 17,1,1,4 mit seiner Reminiszenz an die Ursprünge des Mandats nicht. 6. Die Nachklassik verzichtet auf das Merkmal der Unentgeltlichkeit, wie sowohl GE 2,9,18–20 als auch Isidor, etym. 5,24,20 zeigen47. Zweifelhaft ist es frei lich, wegen Inst. 3,26,13 von einer Rückkehr Justinians zum unentgeltlichen klassischen Mandat zu sprechen48. Es handelt sich bei den Institutionen nur um ein (notgedrungen) holzschnittartiges, weil einführen des Lehrbuch, das die differenzierte Kasuistik der Digesten keineswegs er setzen sollte.
42 D. 17,1,10,7 Ulp. 31 ad ed. Si quis ea, quae procurator suus et servi gerebant, ita demum rata esse mandavit, si interventu Sempronii gesta essent, et male pecunia credita sit, Sempronium, qui nihil dolo fecit, non teneri. et est verum eum, qui non animo procuratoris intervenit, sed affectionem amicalem promisit in monendis procuratoribus et actoribus et in regendis consilio, mandati non teneri, sed si quid dolo fecerit, non mandati, sed magis de dolo teneri. 43 Siehe dazu Nörr (o. Fn. 16) 23; ders., Ethik und Recht im Widerstreit? Be merkungen zu Paul. (29 ad ed.) D. 13,6,17,3; in: Ars boni et aequi. Festschrift für Wolfgang Waldstein zum 65. Geburtstag, Hrsgg. Martin Josef Schermaier / Zoltán Végh, Stuttgart 1993, 267–284, hier 268, 281. 44 So Nörr (o. Fn. 43) 281. 45 So Rundel (o. Fn. 17) 188 ff., 193. 46 Richtig Rundel (o. Fn. 17) 201; Schneeberger (o. Fn. 17) 15. Daran ändert auch Paulus‘ Definition von Freundschaft in D. 50,16,223,1 nichts; anders Zimmermann (o. Fn. 5) 589. 47 Siehe auch Max Kaser, Das Römische Privatrecht. Zweiter Abschnitt: Die nachklassischen Entwicklungen, München 19752, 416. 48 So aber Kaser (o. Fn. 47) 406; Schneeberger (o. Fn. 17) 39.
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III. Die Entwicklung von honorarium und salarium 1. Geldzahlungen an die Lehrer der artes liberales, die Ärzte, Architek ten, Gerichtsbeistände und Feldmesser konnten auch mit einer locatio conductio vereinbart werden, was jedoch aus den genannten Gründen gegen das Her kom men verstieß und daher unüblich war. Man wurde in diesen „Künsten“49 vielmehr meist aufgrund eines Mandats tätig, ließ sich jedoch eine „Ehren gabe“ (honor) oder Belohnung (remuneratio50) versprechen51. Diese Art der Vergütung stand nicht wie die merces in einem Gegenseitig keitsverhältnis zur Ge schäftsbesorgung, sondern gehorchte der Idee einer spontanen, freiwilligen Zahlung52. Honorare an Gerichtsbeistände wurden schon in der Republik ge zahlt; man darf wegen der lex Cincia von 204 v. Chr. sogar davon ausgehen, dass bereits in dieser Zeit hohe Summen geleistet wurden53. Hatte der Auftraggeber eine Zahlung versprochen, so konnte der Beauf tragte das Geld nicht im ordentlichen Klageweg einklagen, sondern nur extra ordinem54. War die Höhe der Vergütung eines Rechtsbeistands nicht bestimmt worden, durfte der Richter innerhalb der bestehenden gesetzlichen Höchstgrenzen das Honorar festsetzen55. 2. Mit letzter Trennschärfe haben die Römer honorarium und das in den Di gesten viel häufigere salarium nicht unterschieden, bisweilen ist auch einfach nur von pecunia oder sogar merces die Rede56. Während offenbar 49 Cicero, off. 1,42,151, der zu ihnen die Tätigkeiten zählt, die prudentia maior oder non mediocris utilitas voraussetzen. 50 Pap. D. 17,1,7. 51 Zum Honoraranspruch der Ärzte s. aber auch Wacke (o. Fn. 34). 52 Bürge (o. Fn. 11) 330, 332, 336; Giovanna Coppola, Cultura e potere, Milano 1994, 243. 53 Tacitus, ann. 11,5–7; Schneeberger (o. Fn. 17) 30. Zur lex Cincia Marianne Elster, Die Gesetze der mittleren römischen Republik, Darmstadt 2003, 257 ff. Clau dius etabliert sodann eine Höchstgrenze für Anwaltshonorare von 10.000 HS, welche noch genau den 100 aurei entsprechen, die Septimius Severus und Caracalla festset zen; dazu Rundel (o. Fn. 17) 114 f.; Wieling (o. Fn. 40) 440 ff. 54 Pap. D. 17,1,7; Ulp. D. 50,13,1 pr.; Sev. / Ant. C. 4,35,1. 55 Ulp. D. 50,13,1,10. Allerdings folgt kein Vergütungsanspruch aus einer incerta pollicitatio, wie Pap. D. 17,1,56,3 und Diocl. / Max. C. 4,35,17 zeigen; dazu Rundel (o. Fn. 17) 108 (hier habe es an einer Voraussetzung für eine wirksame und dann auch klagbare pollicitatio gefehlt, etwa an einer Anzahlung). 56 Kaser I (o. Fn. 1) 569, gebraucht honorarium und salarium synonym. Zur Verwendung von merces anstelle von honorarium s. etwa D. 50,13,1; 11,6,1,1; dazu Rundel (o. Fn. 17) 96 ff. Ähnlich auch das Höchstpreisedikt für die Honorare von Anwälten; dazu A. Bernard, La Rémunération des Professions Libérales en Droit Ro main Classique, Paris 1936, 94 f. Tacitus lässt einen Prozessvertreter pecunia,
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das Honorar eher für die operae liberales Verwendung fand, war das salarium wohl die in Geld ausgedrückte Unterhaltsleistung des Patrons gegen über seinem Freigelassenen, der für ihn als Prokurator und damit Mandatar tätig wurde57. Mit einem salarium wird daher in der Regel eine gewisse Dauerhaftigkeit ausgedrückt58. 3. Es lässt sich ohne weiteres vertreten, dass mit den Honorarzahlungen das Mandat letztlich in vielen Fällen entgeltlich wurde59. Wegen der verfahrens mä ßi gen Trennung zwischen den im ordentlichen Verfahren zu verfolgenden Man datsansprüchen und dem extra ordinem einzuklagenden Honoraranspruch ist aber wohl die Auffassung herrschend, das Mandat sei letztlich, wenn auch nur pro forma, „rein“ und unentgeltlich geblieben60. Da dies weniger eine inhaltliche als terminologische Frage ist, mag sie hier auf sich beruhen. 4. Interessant ist aber die häufig vernachlässigte Frage, warum die römi schen Juristen den Honoraranspruch in einem separaten Verfahren durchge setzt haben. Man liest, auf diese Weise hätten die Römer das Herkommen bewahren können61, in der genannten Funktionsteilung zeige sich die Intensität ihres aktionenrechtlichen Denkens62. Andere sprechen offen von „Pose“63 oder einem terminologischen Manöver64. Für die Vergütung ärzt licher Tätigkeit wird überdies darauf abgehoben, dass das Verfahren extra pretium, praemium und dergl. verdienen (Tacitus, ann. 11,5–7; 13,5; 13,42). Von merces ist z. B. auch in D. 39,5,19,1 (Prozessvertreter), D. 9,3,7 (Arzt), D. 27,2,4 und 39,5,27 (Lehrer) die Rede. Zur Vergütung der Ärzte oben in Fn. 51. 57 Dumont (o. Fn. 7) 314; Arangio-Ruiz (o. Fn. 25), 115; Rundel (o. Fn. 17) 96. Nicht zu vergessen ist das salarium in der Kaiserzeit an Soldaten und Verwaltungs beamte, s. Bürge (o. Fn. 11) 333; Rundel (o. Fn. 17) 101. – Zur Eigenschaft des Prokurators als Mandatar oben Fn. 15. 58 Rundel (o. Fn. 17) 96. Ebd. in Fn. 377 überzeugend gegen die These Bürges (Bürge, o. Fn. 11, 324, 327; ders., o. Fn. 13, 131 in Fn. 66), salarium habe jedem Römer deutlich gemacht, dass es sich um eine Tätigkeit für eine staatliche Stelle, mit einer Nähe zu staatlichen Interessen oder unter staatlicher Kontrolle gehandelt haben müsse. Mit Rundel halte ich die These wegen der Anwaltshonorare, die doch letztlich privat tätig waren, für kaum haltbar. 59 So Heinrich Siber, Römisches Recht in Grundzügen für die Vorlesung, Darm stadt 19282 (ND 1968), 190; Dumont (o. Fn. 7) 314; Hironaka (o. Fn. 6) 6; Randazzo (o. Fn. 27) 191 ff., 206 ff.; Rundel (o. Fn. 17) 114, 116. 60 So Paul Jörs / Wolfgang Kunkel, Römisches Recht, Berlin u. a. 19493, 225; Michel (o. Fn. 32) 197; Zimmermann (o. Fn. 5) 590. 61 Coppola (o. Fn. 17) 495; Schneeberger (o. Fn. 17) 33. 62 Rundel (o. Fn. 17) 87. 63 Zimmermann (o. Fn. 5) 590; Detlef Liebs, Römisches Recht, Göttingen 20046, 254: „Wahrung des Scheins“. 64 Bürge (o. Fn. 13) 131.
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ordinem die im Zivilrecht bestehende Lücke geschlossen habe65. Schließlich wird die Notwen digkeit einer Klage im außerordentlichen Verfahren als Privilegierung der betroffenen Berufsstände angesprochen66. Aber soll man wirklich glauben, dass die so praktisch denkenden römi schen Juristen nur aus Gründen der ihnen zugegebenermaßen wichtigen Tradition, um der Reinheit ihres aktionenrechtlichen Denkens willen oder gar nur terminologischer Bedenken wegen eine Honorarklage im iudicium mandati ausgeschlossen haben? Sie hatten jedenfalls keine Schwierigkeiten, dem Beauftrag ten Er satz der durch die Geschäfts besorgung veranlassten Schäden als Aufwendungsersatz zuzugestehen67, den wei ten Spielraum nutzend, den das bonae fidei iudicium gewährte. Warum sollte das bonae fidei iudicium nicht auch zur Schließung einer Lücke benutzt werden und einen für notwendig erachteten Honoraranspruch gewähren können? Die These der Privilegierungsabsicht erscheint gleichfalls nicht besonders ein leuchtend; denn gehörten Architekten, Feldmesser und Ärzte doch, anders als heute, häufig als Freigelassene, Soldaten, Unteroffiziere und dergl. un teren Schichten an68. Es soll hier daher eine andere, handfestere Erklärung versucht werden. Bekanntlich ist das iudicium mandati eine auf eine Gesamtabrechnung zie lende Klage; Ansprüche und Gegenansprüche werden saldiert, der Beklagte nur in den Saldo verurteilt69. Hätte der Honoraranspruch im ordentlichen Verfahren geltend gemacht werden können, wäre er zum Abzugsposten in einem Gesamtsaldo geworden, wenn der Auftraggeber aus der actio mandati directa gegen den Beauftragten vorgegangen wäre, auf ordnungsgemäße Durchführung des Geschäfts geklagt oder das durch die Geschäftsbesorgung Erlangte herausverlangt hätte. War die Honorarforderung höher als der klä gerische An spruch, hätte die Saldierung eine Verurteilung des Beklagten verhindert. Die Verurteilung aus der actio mandati directa hatte freilich infamierende Wirkung70. Die ange strebte Infamie wäre daher in vielen Fällen ausgeblieben. Ein solches Ergebnis wurde durch die verfahrensmäßi ge Aufspaltung der Klagen verhindert. Diese diente, wenn unsere Erklärung nicht fehlgeht, dem Zweck, den mit der Infamie androhung verbundenen 65 Wacke (o. Fn. 11) 416 f.; Manfred Just, Der Honoraranspruch des „medicus ingenuus“, in: Sodalitas Guarino, Bd. VI, Napoli 1984, 3057–3075, hier 3061, 3063 f. 66 Okko Behrends, Die Rechtsformen des römischen Handwerks, in: Das Hand werk in vor- und frühge schichtlicher Zeit, Hrsgg. Herbert Jankuhn u. a., Teil 1, Göttingen 1981, 141–203, hier 151. 67 Paul. D. 17,1,26,6 f.; Kaser I (o. Fn. 1) 580. 68 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 40. 69 Ulp. D. 17,1,10,9; Kaser I (o. Fn. 1) 579. 70 Vgl. Cicero, S. Rosc. 111, 113; Gai. 4,182; Iul. D. 3,2,1; Fritz Schwarz, Die Konträrklagen, ZRG RA 71 (1954) 111–220, hier 209; Kaser I (o. Fn. 1) 579.
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Druck auf die in den artes liberales Tätigen aufrechtzuerhalten und so die ordnungsgemäße Durchfüh rung des ein mal über nomme nen Geschäfts si cherzustellen, eines Geschäfts, für das Cicero u. a. die allgemeine utilitas ins Felde führte71. IV. Paulus D. 17,1,26,8 Untersucht werden soll im Folgenden, ob uns Justinian nicht gerade mit D. 17,1,26,8 den Beleg für ein ausnahmsweise entgeltliches Mandat, und zwar schon für das klassische römische Recht, überliefert und uns damit einen Ausweg aus dem als „Dilemma“ bezeichneten Unentgeltlichkeitsdog ma gewiesen hat72. In dem Text zitiert Paulus offenbar zustimmend73 den Zeitgenossen Labeos, Fabius Mela74. D. 17,1,26,8 Paul. 32 ad ed. Faber mandatu amici sui emit ser vum decem et fabricam docuit, deinde vendi dit eum viginti, quos mandati iudicio coactus est sol ve re: mox quasi homo non erat sa nus, emptori damnatus est: Mela ait non praestaturum id ei manda torem, nisi posteaquam emisset si ne dolo malo eius hoc vitium ha bere co eperit servus. sed si iussu man datoris eum docuerit, contra fore: tunc enim et mercedem et cibaria consecuturum, nisi si ut gratis doceret rogatus sit.
Ein Handwerker hat einen Sklaven für zehn im Auftrag seines Freundes ge kauft und ihn sein Handwerk gelehrt. Dann hat er ihn für zwanzig verkauft, die er aufgrund einer von dem Freund erhobenen Auftragsklage herausgeben musste. Bald darauf ist er, weil der Sklave nicht gesund war, auf die Klage des Käufers hin [auf Rückzahlung] ver urteilt worden. Mela sagt, der Auftrag geber brauche ihm nicht dafür einzuste hen, es sei denn, dieser Mangel sei dem Sklaven erst entstanden, nach dem der Beauftragte, ohne dass be wusste Treu widrigkeit von seiner Seite im Spiele war, ihn gekauft hatte. Habe er ihn aber auf Weisung des Auftraggebers hin aus ge bildet, so sei das Gegenteil rich tig. Dann werde er nämlich auch Lehr geld und Unterhalt erlangen, sofern er nicht gebeten worden war, ihn kostenlos aus zubilden.
off. 1,42,151. die Formulierung von Dietmar Schanbacher, Zur Interpretation von Paul. 32 ad ed. D. 17,1,26,8, TR 65 (1997) 41–55, hier 54 in Fn. 83. 73 Dieter Nörr, Zur Klausel „neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur“ in Lex Irnitana C. 84 IX B 9–10, in: Festschrift T. Hiro naka, Tokyo 2006, 114–92, hier 99. 74 Zu ihm Wolfgang Kunkel, Die Römischen Juristen, Köln u. a. 19672 (ND 2001), 116. 71 Cicero, 72 So
Das entgeltliche Mandat im römischen Recht69
1. Sachverhalt, Entscheidung und Problem Zumeist galt dem ersten Teil bis sed si das Hauptaugenmerk, seltener seinem zweiten. Faber – ein Schmied, Zimmermann, Maurer, Bauhandwer ker oder, wie für Mela in D. 13,6,5,7 belegt, Steinmetz75 – erhält von amicus den Auftrag, einen Sklaven zu kaufen. Der Kaufpreis beträgt 10.000 HS, die ihm amicus entweder vorstreckt oder sofort begleicht76. Faber bil det den Sklaven sodann in seinem Handwerk aus und verkauft ihn anschlie ßend weiter für 20.000 HS. Diese Summe muss faber an amicus, der gegen ihn die actio mandati erhoben hat, herausgeben. Zu einem Urteil kommt es in diesem Prozess jedoch nicht, vielmehr verhindert faber durch rechtzeitige Erfüllung die aus einer solchen Verurteilung folgende Infamie77. Aufgrund eines Mangels des Sklaven wird faber zugunsten seines Abkäufers in einer nicht näher bezeichneten Klage – wahrscheinlich ist dies wegen der Nen nung des Kaufpreises von 20.000 HS die actio redhibitoria78 – verurteilt. Nach Mela muss amicus die zurückgezahlten 20.000 HS faber mit der actio mandati contraria nur dann prästieren, wenn der Sklave nach dem Kauf krank geworden ist und dies nicht auf dem dolus malus des faber beruhte79. 75 Ein faber arbeitet in hartem Material, Metall, Holz oder Stein, gelegentlich auch Glas; ohne näheren Zusatz ist meist ein Bauhandwerker gemeint, vgl. Kornemann, Art. fabri, RE VI, 2 (1909), Sp. 1888–1925, hier 1888, 1892; s. auch Behrends (o. Fn. 66) 142. 76 Für jenes Schanbacher (o. Fn. 72) 42, für dieses Michel (o. Fn. 32) 184. Dass der faber das Kaufgeld bereits erhalten hat, kann deshalb als gesichert angesehen werden, weil er anschließend die 20.000 HS, die er aus dem Weiterkauf erzielt, vollständig, ohne Abzug von 10.000 HS, an amicus herausgeben muss. Eine solche vom Text nicht erwähnte Zahlung des Kaufgeldes ist plausibler als die von Franz Haymann, Zu l 26 § 8 D 17, 1, ZRG RA (1932) 342–351, hier 343, angenommene Textstörung. 77 Coactus est solvere ist nicht condemnatus est solvere, worauf Schanbacher (o. Fn. 72) 47, zu Recht hinweist; zustimmend Coppola (o. Fn. 10) 57 in Fn. 80; anders Watson (o. Fn. 20) 108. Die fehlende Verurteilung folgt aus dem Umstand, dass Mela im Fortgang des Fragments die Überlegung anstellt, ob faber den ihm aus der Verurteilung im Sachmängelprozess entstandenen Schaden gegenüber amicus in An schlag brin gen kann. Wäre im Prozess mit amicus bereits eine (auf Gesamt abrechnung zielende) Verurteilung erfolgt, würde die Rechtskraft dieses Urteils eine actio mandati contraria des faber ausschließen, vgl. Schanbacher (o. Fn. 72) 47. 78 So auch Nörr (o. Fn. 73) 100; Schanbacher (o. Fn. 72) 45. Andere denken wegen der Erwähnung der Krankheit des Sklaven (non erat sanus) an eine Stipula tionsklage (Haymann, o. Fn. 76, 346; Hannu Tapani Klami, Teneor mandati, Turku 1976, 38; Geoffrey MacCormack, The liability of the mandatary, Labeo 18 (1972) 156–172, hier 166) oder auch an die actio quanti minoris (Michel, o. Fn. 32, 184). 79 Zur umstrittenen Frage des Haftungsmaßstabs Haymann (o. Fn. 76) 343 f.; Schanbacher (o. Fn. 72) 49 ff.; Rundel (o. Fn. 17) 58, 62; Watson (o. Fn. 20) 108; Rolf Knütel, Rez. Leon Ter Beek, Do lus, Nijmegen 1999, ZRG RA 119 (2002) 651–653, hier 652.
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Hatte faber dagegen einen (womöglich unerkannt) kranken Sklaven gekauft oder hatte er den Mangel selbst vorsätzlich während der Ausbildung herbei geführt, so erhält er von amicus keinen Ersatz80. Wegen eines anfänglichen Fehlers kann faber bei seinem Verkäufer Regress nehmen, falls eine Sach mängelklage gegen ihn aufgrund der Länge der Handwerkslehre noch nicht verfristet ist. Im zweiten Teil des Fragments differenziert der Jurist erneut: Das „Gegen teil“ (contra fore) sei der Fall, wenn die Ausbildung auf Geheiß von amicus erfolgt sei. Dann erhalte faber nämlich et mercedem et cibaria, also eine Ent lohnung sowie Ersatz der Lebenshaltungskosten des Sklaven81, es sei denn, er hätte eine unentgeltliche Ausbildung zugesagt. Schon Cujaz bezieht contra fore entgegen dem ersten (unrichtigen) An schein nicht auf die von Mela unmittelbar zuvor diskutierte Haftungsfrage82: Denn dann hinge die Pflicht von amicus, faber die 20.000 HS zu erstatten, davon ab, ob dieser den Sklaven im Auftrag von amicus ausgebildet hatte oder nicht83. Ein Lehrauftrag ändert jedoch nichts daran, dass amicus nur unter be stimmten, von Mela dargelegten Um ständen zur Erstattung der 20.000 HS ver pflichtet sein kann84. Die „gegenteilige“ Ent scheidung im zweiten Teil lässt sich daher entweder allgemein auf die Haftung von amicus beziehen85 – welche ja mit non praestaturum im ersten Teil grundsätz lich abgelehnt wird – oder auf die im ersten Teil abgelehnte Verpflichtung des amicus zur Erstattung von merces et cibaria86. „Gegenteilig“ entscheidet der Jurist den zweiten Fall also deshalb, weil faber im zweiten Teil nicht zur Herausgabe der vollen 20.000 HS an amicus gezwungen ist, sondern seinerseits in der auf eine Gesamtabrechnung zielenden actio mandati (we nigstens) die beiden genannten Posten merces et cibaria abzie hen darf. Mela behandelt damit die Frage, ob faber über den im ersten Teil dis kutierten Schadensersatz hinaus Anspruch auf merces et cibaria zu gewäh 80 Ausführlich
49 ff.
und überzeugend zu dieser Differenzierung Schanbacher (o. Fn. 72)
81 So Erich Sachers, Zur Lehre von der Haftung des Mandatars im klassischen römischen Recht, ZRG RA 59 (1939) 432–497, hier 445 in Fn. 1. 82 Jaques Cujas, In librum 32 Pauli ad edictum, Opera omnia, Bd. V, Neapel 1758, 476 D; Schanbacher (o. Fn. 72) 52 f.; Haymann (o. Fn. 76) 347. 83 Zutreffend spricht Salvatore Riccobono, Dal diritto romano classico al diritto moderno, in: Annali Palermo 3 / 4 (1917) 165–730, hier 345, von einer „assurdità patente“. 84 Richtig Schanbacher (o. Fn. 72) 53; Haymann (o. Fn. 76) 342; Klami (o. Fn. 78) 40. 85 So Schanbacher (o. Fn. 72) 53. 86 So Dumont (o. Fn. 7) 316. Ebd. in Fn. 31 die m. E. nicht notwendige Annahme eines Abschreibefehlers, durch den die Stellung der Sätze geändert worden sei.
Das entgeltliche Mandat im römischen Recht71
ren ist, wenn ein Lehrauftrag bestand87. Ein Indiz in diese Richtung gibt et vor merces, welches hier wie ein etiam verstanden werden darf88. Man hat zudem aus dem zweiten Teil gefolgert, dass im ersten ein Ausbil dungsauf trag gerade nicht bestanden habe89. Dies erscheint freilich nicht zwingend. Für die Frage des Schadensersatzes ist der Ausbildungsauftrag nämlich gleichgültig, er wird erst relevant für den im zweiten Teil disku tierten Lohn und Aufwendungsersatz. Mela wird also mit seiner in dieser Hinsicht undeutlichen Formulierung – mandatu amici sui emit servum decem et fabricam docuit – den Ausbildungsauftrag im ersten Teil bewusst offen gelassen haben, weil seine Existenz wahrscheinlich nicht geklärt war und für den ersten Teil keine Rolle spielte90. Erklärungsbedürftig ist allein die Gewährung eines Vergütungsanspruchs, wenn faber den Sklaven iussu mandatoris ausbildete91. Die vielfachen, 87 Unzutreffend ist die Annahme, faber müsse auch ohne Ausbildungsauftrag die cibaria ersetzt erhalten, da amicus die aus der Ausbildung folgende Wertsteigerung des Sklaven erhalte (Haymann, o. Fn. 76, 347; Riccobono, o. Fn. 83, 345; Michel, o. Fn. 32, 185). Wenn faber seinen Auftrag eigenmächtig überschreitet, hat er sich dies selbst zuzuschreiben; zutr. Schanbacher (o. Fn. 72) 53: Der Sklave wäre dann herauszugeben, nicht auszubilden gewesen, weshalb man amicus kaum für verpflich tet halten konnte, die Vertragsverletzung auch noch zu finanzieren! 88 So auch Rundel (o. Fn. 17) 56. 89 Klami (o. Fn. 78) 40; Michel (o. Fn. 32) 184; Nörr (o. Fn. 73) 102; Randazzo (o. Fn. 27) 215; Rundel (o. Fn. 17) 55; Johannes Michael Rainer, Zur Bedeutung des Mandates im Baurecht, in: Nörr / Nishimura (o. Fn. 6) 375–385, hier 379. Bei Haymann (o. Fn. 76) 350, die Annahme einer Interpolation, weil ein Handwerker, der nur einkaufen, nicht aber ausbilden soll, ein „seltsamer Geselle“ sei, den er nur einem byzantinischen Schulmeister, nicht einem klassischen Praktiker zutraut (zust. Sachers, o. Fn. 81, 445 in Fn. 1). 90 So erklärt sich dann auch der Fortgang des Fragments mit sed si iussu; wie hier Schanbacher (o. Fn. 72) 43 f., 52. Für das Bestehen eines Ausbildungsauftrags auch im ersten Teil Wiesław Litewski, La responsabilité du mandataire, Index 12 (1983–84), 106–139, hier 108. – Ob schließlich auch ein Verkaufsauftrag vorgelegen hat, ist streitig. Die besseren Gründe sprechen dagegen: deinde trennt den Verkauf syntaktisch deutlich von Kauf und Ausbildung, und die Herausgabepflicht von faber bezüglich der 20.000 HS im Rahmen der actio mandati erklärt sich zwanglos damit, dass der Mandatar dem Mandanten Ersatz für den eigenmächtig verkauften Sklaven leisten muss, vgl. D. 17,1,8,10; eod. 20 pr.; Schanbacher (o. Fn. 72) 43; Heinrich Honsell, Quod interest im bonae-fidei iudicium, München 1969, 150; dagegen für einen Verkaufsauftrag: Schol. 37 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 753 = Heimbach II, 109, Nr. 16); Haymann (o. Fn. 76) 350; Michel (o. Fn. 32) 184; Bürge (o. Fn. 11) 320 in Fn. 7; Rainer (o. Fn. 89) 379; Sachers (o. Fn. 81) 445 in Fn. 1; Dumont (o. Fn. 7) 315; Litewski, a. a. O. 91 Max Kaser, Rez. A. Watson, Contract of mandate in Roman law, 1961, TR 30 (1962) 262–272, hier 267 in Fn. 23: „rätselhaft“. Bemerkenswerterweise wird unser Text häufig von den das „Unentgeltlich keitsdogma“ behandelnden Autoren
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sogar noch in neuester Zeit geäußerten Interpolationsvermutungen92 dürfen als Kapitulation vor dem Text verworfen werden93. Sie nehmen dem zwei ten Teil die Pointe; denn dass ein Auftrag geber zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet ist, die sein Auftrag veranlasst (cibaria)94, ist selbstverständlich und bedarf nicht der Anführung eines Frühklassikers. Vor allem aber ist das Ziel einer Interpolation nicht zu erkennen, wo doch Jus tinians Kompilatoren nicht nur in den Digesten, sondern auch in Inst. 3,26,13 das mandatum gratuitum überliefert haben95. Von vornherein wenig überzeugend ist der Versuch, merces in D. 17,1,26,8 als honorarium oder salarium zu deuten96. Auf diese Weise wäre der Stel le die Brisanz genom men, das ordentliche Verfahren nicht mit einer Entgeltforde rung belastet. Es ist ja auch durchaus festzustellen, dass die Römer die verschiedenen Entgeltbezeichnungen weder in den juristischen noch in den literarischen Quellen präzise auseinanderhielten97. Hier muss es aber bei der von Varro bezeugten Bedeutung von merces im Sinne eines misqÒv sein Bewenden haben98. Denn abgesehen davon, dass eine „Ehren gabe“ schwerlich mit der Hand werkertätigkeit zu vereinbaren ist, ist nir gends belegt, dass ein Honorar oder salarium auch im ordentlichen Verfah ren hätte eingeklagt werden kön nen, von dem in D. 17,1,26,8 aber die Rede ist99. übersehen, s. etwa Arangio-Ruiz (o. Fn. 25) 114 ff.; Provera (o. Fn. 1) 314 f.; auch Bürge (o. Fn. 11) 320 in Fn. 7, sortiert ihn vorweg als für seine Frage irrelevant aus. 92 Haymann (o. Fn. 76) 348 f. („Zumutung“); Gerhard v. Beseler, Romanistische Bausteine, in: Studi Aldo Albertoni, Bd. I, Milano 1935, 437 f.: „unbefugt hinzuphan tasiert“; Henri Hulot, in: Hulot / Berthelot, Les cinquante livres du Digeste ou les Pandectes de l’Empereur Justinien, Metz / Paris 1804 (ND 1979), Bd. II, 479 („récompensé de ses soins (!) et des frais de nourritures“); Riccobono (o. Fn. 83) 344 f. mit Fn. 2; Sachers (o. Fn. 81) 445 in Fn. 1; Bernard (o. Fn. 56) 40 in Fn. 157 (41); Dieter Medicus, Rez. Watson, Contract of mandate in Roman law, 1961, Gno mon 35 (1963) 200–204, hier 202 in Fn. 4. Coppola (o. Fn. 17) 507 ff.; dies. (o. Fn. 10) 55, 61 f., erklärt die Stelle vor dem Hintergrund des Eindringens christlichen Gedankenguts in die justinianische Gesetzgebung, welches die Lohnarbeit im Ge gensatz zur früher herrschenden stoischen Lehre hochschätzt und die Entlohnung von Arbeit fordert. 93 Für echt halten den Anspruch auf die merces Dumont (o. Fn. 7) 318 mit Fn. 32; Watson (o. Fn. 20) 107; wohl auch Nörr (o. Fn. 73) 100. 94 Cibaria dürfen hier nicht als Einschränkung des Aufwendungsersatzanspruchs verstanden werden, sondern als pars pro toto möglicher ersetzbarer Aufwendungen. 95 Ähnlich Watson (o. Fn. 20) 107. 96 Randazzo (o. Fn. 27) 214, liest salarium; anders zu Recht Leo v. Petražycki, Die Lehre vom Einkommen, Berlin 1893, Bd. II, 355. 97 Siehe S. 65 f.; Klami (o. Fn. 38) 580. 98 Varro, ling. 5,178: Si quid datum pro opera aut opere, merces, a merendo. 99 Richtig v. Petražycki (o. Fn. 96) 356.
Das entgeltliche Mandat im römischen Recht73
2. Merces als Ersatz des Ausbildungsaufwands? Könnte man den Anspruch auf die merces als Aufwendungsersatzanspruch des faber interpretieren, stünde auch der letzte Teil des Fragments im Ein klang mit dem hergebrachten Mandatsrecht100. Es verwundert daher nicht, dass schon die Basiliken versucht haben, mit einem Hinweis auf den Aufwendungsersatz eine Erklärung zu geben101. Um welche anerkannte Art einer Aufwendung es sich bei einer Ausbildung handeln soll, erläutern sie jedoch nicht. Dies wäre jedoch erforderlich, bevor man die cibaria etwa als notwendige, die merces als nützliche Aufwendung klassifiziert, wie dies Riccobono tut102. Hier käme allein die Arbeitskraft des faber in Betracht, die er auf die Lehre „aufgewendet“ hat, statt in derselben Zeit Werkverträge mit Dritten abzuschließen und daraus mercedes zu verdienen. Es handelt sich in dieser Sicht also um eine merces quae ei propter mandatum abest103. Diese Erklärung überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Für die Qualifika tion der Arbeitskraft als Aufwendung müsste sie ein Vermögensgut mit Substanzwert sein. Sie hat aber keinen Substanzwert wie eine Sache, kann prinzipiell wiederhergestellt werden, hat keinen Nutzungswert, und auch der Zeit verlust (Freizeit) kann nicht kommerzialisiert werden104. Man könnte die aufgewendete Arbeitszeit auch unter dem Aspekt entgangenen Gewinns, als Vermögenseinbuße, begreifen wollen. Denn auch im Auftragsrecht kön nen ja bekanntlich solche Schäden ersetzt werden, die die Erledigung des Geschäfts mit sich brachte105, und auch das lucrum cessans kann grundsätz 100 Von vornherein ausscheiden muss die Deutung der merces als das Kaufgeld, mit dem faber den Sklaven vor der Ausbildung gekauft hatte. Denn auch im ersten Teil des Fragments hat faber einen solchen Aufwendungsersatzanspruch (der übri gens schon befriedigt wurde, vgl. oben in Fn. 76), so dass seine Hervorhebung im zweiten Teil, der ja zu einem anderen Ergebnis gelangt, nicht plausibel wäre. 101 Schol. 15 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 750 = Heimbach II, 109, Nr. 20): t¦ perˆ t¾n tšcnhn dapan»mata; Anonymos, Schol. 16 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 750 = Heimbach II, 109, Nr. 21) verweist auf D. 13,7,25, wo von dem Ersatz für Ausbildungsaufwand die Rede ist; Schol. 39 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 753 = Heimbach II, 109 f., Nr. 21): ¢diast…ktwv perˆ tîn dapanîn. Wie die Basiliken auch Riccobono (o. Fn. 83) 345; Rainer (o. Fn. 89) 380. 102 Mit der Folge, die merces aus dem Aufwendungsersatz als interpoliert auszu scheiden (Riccobono, o. Fn. 83, 345). Zu Recht kritisch Haymann (o. Fn. 76) 348 in Fn. 6. 103 So v. Petražycki (o. Fn. 96) 357; Dumont (o. Fn. 7) 317 f.; dagegen Paul So kolowski, Die Lehre von der Specification, ZRG RA 17 (1896) 252–311, hier 286 mit Fn. 2. 104 Treffend Florian Loyal, Die „entgeltliche“ Geschäftsführung ohne Auftrag, 2011, 94 ff. 105 Siehe die Nachw. in Fn. 67.
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lich verlangt werden106. Aber ganz abgesehen von der Frage des Beweises eines solchen entgangenen Geschäfts, spricht nichts für eine schadensrecht liche Betrachtung: Keine andere Quelle kennt eine Entschädigung für auf gewendete Arbeitszeit107. Vor allem aber würde man durch den Ersatz sol cher Opportuni täts- oder Ver zichtskosten dem faber im Rahmen eines Mandats letztlich dasjenige Entgelt gewähren, das er mit einem Werkvertrag erzielt hätte. Dass damit die Unterschiede zur locatio conductio verwischt würden108, ist nur ein systematisches und darum vielleicht nicht stichhalti ges Argument. Dass aber auf diese Weise ein Entgeltanspruch ohne entspre chende Vereinbarung in jedes Mandat hineingelesen werden könnte109, zeigt, dass es sich hier um ein konstruktives, den Parteiinteressen nicht gerecht werdendes Manöver handelt. 3. Merces als Entlohnung des Sklavenlehrlings? Bürge erklärt, gestützt auf die gräko-ägyptische Vertragspraxis, den An spruch auf die merces in D. 17,1,26,8 ebenfalls als Teil eines ganz regulären Aufwendungsersatzes im Mandatsrecht. So wie faber dem Lehrling cibaria für seine Arbeitsleistung geleistet habe110, habe er ihm auch eine Vergütung gezahlt. Faber könne daher von amicus für die vom Sklaven empfangenen cibaria et merces Aufwendungsersatz verlangen111. Die Deutung Bürges erfordert zunächst, auf die antiken Unterrichtsverträge näher einzugehen. a) Unterrichtsverträge wurden entweder von einem sui iuris für sich selbst112 oder vom Gewalthaber – Vater, Vormund oder dominus – mit dem 106 D. 46,8,13
116 ff.
pr.; Kaser I (o. Fn. 1) 501. Zum geltenden Recht Loyal (o. Fn. 104)
107 Man könnte an sie etwa auch bei der Tätigkeit eines Vormunds denken. Das sieht auch v. Petražycki (o. Fn. 96) 359, der deshalb vom „embryonalen Zustand“ des von ihm vorgeschlagenen Impensenersatzes spricht. 108 So Watson (o. Fn. 20) 106. 109 Konsequent meint v. Petražycki (o. Fn. 96) 358, faber erleide, wenn er sich zur unentgeltlichen Lehre bereit erkläre (nisi-Satz), einen Verlust. 110 Dazu Alfons Bürge, Cibaria. Indiz für die Sonderstellung des römischen Arbeitneh mers?, in: Ars boni et aequi. Festschrift für Wolfgang Waldstein zum 65. Geburtstag, Hrsgg. Martin Josef Schermaier / Zoltán Végh, Stuttgart 1993, 63–78, hier 70, 73. 111 Bürge (o. Fn. 11) 320; ders. (o. Fn. 110) 75; zust. Rundel (o. Fn. 17) 76; Ri chard Gamauf, Kindersklaven in klassischen römischen Rechtsquellen, in: Kinder sklaven – Sklavenkinder. Schicksale zwischen Zuneigung und Ausbeutung in der Antike und im interkulturellen Vergleich, Hrsg. Heinz Heinen, Stuttgart 2012, 232–260, hier 242. 112 Siehe etwa P. Oxy. Inv. [27] 3 B / 41 G (7–9); dazu Roger S. Bagnall, Three Papyri From Oxyrhynchus, BASP 5 (1968) 135–150.
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Lehrherrn abgeschlossen. Über die rechtliche Ausgestaltung dieser Verträge erfahren wir in den Digesten wenig. Wir wissen aber gerade von den gräkoägyptischen Ur kunden, dass die Aus bildungsverträge höchst vielgestaltig waren. b) Lehrverträge sind nach den Digesten Werkverträge, der Gewaltunter worfene wird zu seiner Ausbildung weggegeben wie ein Stein zu seinem Schliff113. Das zeigen einerseits die Texte D. 9,2,5,3 und D. 19,2,13,4, in denen Ulpian / Julian dem Vater des übermäßig gezüchtigten Schusterlehr lings eine Klage ex locato gewähren, andererseits Ulp. D. 19,2,13,3, wo der Lehrherr (conductor) den auszubildenden Sklaven ins Ausland mitnimmt, der dort Feinden in die Hände fällt und daher umkommt. Von einem Lehr geld, also einer Bezahlung des Lehrherrn, gehen Ulpian in D. 36,2,12,5 (merces disciplinarum) und Pau lus in D. 19,1,43 und vor allem in D. 19,1,45,1 aus, wo der seinen Sklaven evinzie rende Eigentümer dem Besitzer zunächst mercedes et impensas zu ersetzen hat114. Dagegen sind Unterrichtsverträge sehr häufig Mandate. So erhalten die Lehrer der studia liberalia, Rhetoren oder Grammatiker z. B., ihre Vergütung extra ordinem, sie ist also keine aus einer locatio conductio folgende merces115. Die An stellung eines Lehrers, etwa durch einen Privaten oder eine Gemeinde, er folgt im Wege eines Dienstvertrags116. c) Erheblich bunter wird das Bild, wenn man die zahlreichen gräkoägyptischen Ausbildungsverträge in den Blick nimmt117. Hier finden sich detaillierte und höchst unter schiedliche Regelungen zu Ausbildungslän 113 Fritz Sturm, Le contrat d’apprentissage dans l’Antiquité, in: Festschrift für Hubert Niederländer zum 70. Geburtstag, Hrsgg. Erik Jayme u. a., Heidelberg 1991, 127–139, 136 f.; Claude Alzon, Réflexions sur l’histoire de la locatio-conductio, RH 41 (1965) 553–591, hier 581; Kaser I (o. Fn. 1) 570, s. allerdings auch 569 mit Fn. 60, wo von einem Dienstvertrag ausgegangen wird; Bürge (o. Fn. 13) 148; Dieter Nörr, Zur sozialen und rechtlichen Bewertung der freien Arbeit in Rom, ZRG RA 82 (1965) 67–105, hier 95. Für denkbar hält Francesco M. de Robertis, I rap porti di lavoro nel diritto romano, Milano 1946, 197, neben einem Werk- auch einen Dienstvertrag, mit dem der Gewalthaber den Lehrling oder dieser sich selbst beim Lehrherrn verdingt; für einen Dienstvertrag in D. 19,2,13,3 auch Klaus Luig, in: Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, Corpus Iuris Civilis, Bd. III, Heidelberg 1999, 561. Für Interpolation der locatio conductio operis (anstelle einer mancipatio fiduciae causa) Stanislao Cugia, Profili del Tirocinio Industriale, Napoli 1922, 105, freilich ohne überzeugende Begründung. 114 Zum Vorstehenden auch Bürge (o. Fn. 11) 320. 115 Vgl. nur Ulp. D. 50,13,1 pr., wo freilich merces synonym zu honorarium gebraucht wird. 116 Siehe etwa Plinius d. J., ep. 4,13,3, wo der Lehrer ausdrücklich als locator bezeichnet wird; dazu Coppola (o. Fn. 52) 173. 117 Marco Bergamasco, Le didaskalika… nella ricerca attuale, Aegyptus 75 (1995) 95–167, hier 96 ff., 162 ff., zählt 42 Verträge.
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ge118, Aufenthaltsort des Lehrlings während der Lehre (beim Gewalthaber oder beim Lehrherrn), Zahl der Arbeitsstunden incl. Feiertagen und Ernäh rung sowie Bekleidung des Lehrlings und etwa Schadensersatz für Fehlta ge. Ein bestimmtes Al ter war für Lehrlinge nicht vorgeschrieben119; der Lehrerfolg wurde von einer Kommission überprüft, so dass ein Misserfolg dazu führen konnte, dass eine neue Lehre auf Kosten des Lehrherrn not wendig wurde120. Für die in unserem Zusammenhang wichtige Frage, ob der Lehrherr oder der Lehrling eine Vergütung erhielt, unterscheiden sich die ägyptischen Ver träge erheblich. Im Unterschied zu den Zeugnissen aus Babylon, nach denen weder eine Vergütung an den Lehrherrn noch an den Lehrling geflossen ist121, und zu denen des Mittelalters, die in aller Regel ein didactrum an den Lehr herrn vorse hen und bisweilen sogar einen Vergütungsanspruch des Lehrlings ausdrücklich verbieten122, hat man in Ägypten offenbar die vom Lehrling geleistete Arbeit, von der der Lehrherr unmittelbaren Nutzen hatte, grundsätzlich höher bewertet als den Wert der Ausbildung. Jedenfalls sieht die Mehr zahl der Verträge eine Entlohnung des Lehrlings selbst123 oder seines Gewalthabers124 vor. Sie kann in einem Pauschbetrag bestehen, in Raten zu zahlen oder auch, gestaffelt mit der fortschreitenden Unabhängig keit des Lehrlings im Beruf, zunehmen125. Wenn freilich der Wert der Aus bildung höher als die Arbeitsleistung veranschlagt wurde, wie es etwa im Falle der Ausbildung im Flötenspiel oder auch in der Kurzschrift der Fall war, erhielt die Vergütung der Lehrherr126. Der privatautonomen Vereinba rung waren hier offenbar keine Grenzen gesetzt. 118 Die Lehre als Weber kann acht Monate, zwei Jahre (P. Oxy. Hels. 29), aber auch fünf Jahre dauern (dazu Joachim Hengstl, Private Arbeitsverhältnisse freier Personen in den hellenistischen Papyri bis Diokletian, Bonn 1972, 89 in Fn. 50 m. w. Nachw.); die Lehre zum Wollkämmer kann gleichfalls bis zu fünf Jahren dauern (P. Oxy. XLI 2977), die Ausbildung in der Tachygraphie erfordert dagegen nur zwei Jahre (P. Oxy. IV 724). 119 Sturm (o. Fn. 113) 130. 120 Johannes Herrmann, Vertragsinhalt und Rechtsnatur der DIDASKALIKAI, JJP 11–12 (1958, 119–139, hier 120 f.; Hengstl (o. Fn. 118) 91. 121 M. San Nicolò, Der neubabylonische Lehrvertrag in rechtsvergleichender Be trachtung, München 1950; Sturm (o. Fn. 113) 131, 133. 122 Theo Mayer-Maly, Aus der Rechtsgeschichte des Lehrlingswesens, in: Fest schrift für Hans Schmitz zum 70. Geburtstag, Bd. I, Hrsgg. Theo Mayer-Maly u. a., Wien / München 1967, 161–177, hier 169, 171. 123 Siehe etwa P. Oxy. Inv. [27] 3 B / 41 G (7–9), wo der Lehrling ein sich selbst verdin gender Freier ist; PSI X 1110 verso, wo der Lehrling ebenfalls ein Freier (Sohn) ist; s. zudem die Nachw. in Fn. 130. 124 Z. B. P. Mich. inv. 5191a; P. Heid. IV 327; P. Mich. II 121 recto II, 8; P. Oxy. XXXI 2586. 125 Siehe zu den verschiedenen Gestaltungen Bergamasco (o. Fn. 117) 144 ff.
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d) So elegant sich Bürges Erklärung mit den Grundsätzen des Mandats rechts in Einklang bringen lässt und den „Stein des Anstoßes“ beseitigt, so wenig überzeu gend ist sie. Zunächst sollte man sich davor hüten, die Verhältnisse in Ägypten ohne weiteres auf Rom zu übertragen127; womög lich handelte es sich bei den gräko-hellenistischen Verträgen nicht einmal um Konsensualverträge128. Zudem zeigen ja gerade die Digesten, dass der Lehrherr ein Entgelt – eine merces wegen eines Werkvertrags129 – erhielt, von einer Entlohnung des Lehrlings ist nirgends die Rede. Vor allem aber ist die aus den Papyri folgende Entlohnung des Lehrlings gar nicht so be weiskräftig, wie Bürge annimmt: Wenn eine Vergütung an Sklavenlehrlinge gezahlt wird, so kommt das Entgelt letztlich dem Eigentümer des Sklaven zugute; das zeigt der Wortlaut von P. Mich. inv. 5191a. Wo dies nicht aus drücklich geregelt ist, ist das zu vermuten130. Denn wieso sollte der Eigen tümer nicht jederzeit Zugriff auf das dem Lehrling bezahlte Entgelt nehmen können? Überdies gibt es keinen einzigen Papyrus, nach dem der eigene (!) Sklave des Lehrherrn von diesem Geld erhalten würde. Genau dies wäre aber in D. 17,1,26,8 der Fall. 126
Bürges Lösung begegnet aber auch konstruktiven Problemen. Erstens: Die Geldzahlung an einen Lehrling zur Kompensation seines Arbeitseinsat zes ist nur sinnvoll, wenn das Geld letztlich an den (freien) Lehrling selbst oder einen dritten Eigentümer fließt. Eine Zahlung an den Sklaven im Fal le von D. 17,1,26,8 würde dagegen gar keine Veränderung der Eigentums lage mit sich bringen. Vielmehr würde faber als Eigentümer gewissermaßen nur den Verwahrungsort seines eigenen Geldes verändern. Zweitens: Wenn faber dem Sklaven vor seinem Weiterverkauf das Geld wieder abnimmt, hätte er im Ergebnis in dieser Hinsicht keine Aufwendungen. Wenn faber dagegen den Sklaven mit dessen Lohn weiterverkauft, so muss auch der Kaufpreis entspre chend höher ausfallen; den erlangten Kaufpreis müsste faber aber amicus mit der actio mandati herausgeben und würde dagegen als Abzugsposten die gezahlte merces in Anschlag bringen. All dies wäre Oxy. IV 724; Herrmann (o. Fn. 120) 122 f.; Hengstl (o. Fn. 118) 85. auch Macqueron (o. Fn. 23) 209 f.; Herrmann (o. Fn. 120) 133. 128 Für einen Realvertrag: Sturm (o. Fn. 113) 137; Herrmann (o. Fn. 120) 134; für eine locatio conductio rei (bei gewaltabhängigem Lehrling) und operarum (bei gewalt freiem Lehrling), wenn der Lehrling Geld verdient, sowie für eine locatio conductio operarum, wenn der Meister entlohnt wird, dagegen Adolf Berger, Die Strafklauseln in den Papyrusurkunden, 1911, 168 f.; für eine locatio conductio operis Cugia (o. Fn. 113) 22 ff.; für eine m…sqwsiv eigener Art Herrmann (o. Fn. 120) 136. Auch eine Paramone wird diskutiert. 129 Oben S. 75. 130 Zweifelnd Schanbacher (o. Fn. 72) 55 in Fn. 86. Eine Entlohnung erhält der Sklave in P. Oxy. XLI 2977; P. Mich. V 346a und PSI III 241. In P. Oxy. XIV 1647 ist offen, ob die Sklavin oder die Eigentümerin den Lohn erhält. 126 P.
127 Siehe
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höchst umständlich und wirtschaftlich völlig sinnlos. Drittens: Bürges Deu tung führte in letzter Konsequenz dazu, dass faber von amicus Ersatz für gerade denjenigen Betrag ver langt, der ihm selbst durch die Auszahlung an seinen Sklaven „zugeflossen“ ist. Will man hier tatsächlich von einem solchen „Zufluss“ ausgehen (und nicht nur von einer Änderung des Verwahrungsortes des Geldes), dürfte amicus mit der actio mandati gerade diesen Zufluss abschöpfen, für einen auf Rückzahlung gerichteten Gegen anspruch des faber wäre dann aber kein Raum131. 4. Merces als Entgelt aus einer locatio conductio? Schon seit den Basiliken wurde verschiedentlich vorgeschlagen, die merces als reguläres Entgelt aus einer locatio conductio anzusehen und so die Klage des letzten Teils von D. 17,1,26,8 von dem iudicium mandati zu entkoppeln132. So wurde die merces als diejenige Vergütung erachtet, die der Lehrherr aus einer Vermietung des Lehrlings erzielt habe, der im Laufe seiner Lehrzeit zur vollwertigen Arbeitskraft geworden sei133. Das scheitert jedoch daran, dass consequi nicht „behalten“, sondern „erhalten“ bedeu tet134, faber hat die merces also noch gar nicht. Eine zweite Erklärung be stünde darin, die Klage auf die merces als gegen einen Dritten gerichtet zu begreifen, der den Sklaven gemietet hat (actio locati). Den so vorausgesetz ten Dritten kennt der Text indes nicht135. Schließlich hat man eine actio conducti des faber gegen amicus vorgeschlagen136: Das Verlangen nach ei ner Ausbildung sei amicus erst später in den Sinn gekommen, mit dem iussum mandatoris sei daher mit dem Einverständnis von faber ein separa ter Vertragsabschluss, eine locatio conductio, zustande gekommen. Auch diese Vermutung entbehrt jeder Stütze im Text137. Es könnte zwar durchaus sein, dass amicus zugleich auch locator ist, der Kontext verweist jedoch auch Schanbacher (o. Fn. 72) 54 f. NomofÚlax (Xiphilinos), Schol. 38 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 753 = Heimbach II, 109, Nr. 21). 133 Klami (o. Fn. 78) 42 f. 134 Heumann / Seckel (o. Fn. 15) s. v. consequi 3); zutr. Schanbacher (o. Fn. 72) 54 in Fn. 83. 135 Rainer (o. Fn. 89) 380 in Fn. 15; Rundel (o. Fn. 17) 56. 136 So schon `O NomofÚlax (Xiphilinos), Schol. 38 zu Bas. 14,1,26 (Scheltema B II, 753 = Heimbach II, 109, Nr. 21); möglicherweise auch Schol. 37 (Scheltema B II, 753 = Heimbach II, 108 f., Nr. 16): ™pˆ to‹v tÁv didaskal…av misqo‹v; Watson (o. Fn. 20) 108; Coppola (o. Fn. 17) 510; Fiori (o. Fn. 32) 269. 137 Zutr. Haymann (o. Fn. 76) 349; Medicus (o. Fn. 92) 202; Dumont, Iura 13 (1962) 344; Rundel (o. Fn. 17) 56. Gleiches gilt übrigens auch von der von Watson (o. Fn. 20) 108, ins Spiel gebrachten actio in factum, die zwar Gai. D. 19,5,22 kennt (oben S. 59 f.), nicht aber unser Text. 131 Kritisch 132 `O
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eindeutig auf das iudicium mandati (vgl. contra fore, tunc enim). Vor allem aber spricht auch der nisi-rogatus-Satz gegen eine actio conducti: denn rogare wird im Zusammenhang mit einem Mandat verwendet138, niemals aber mit einer locatio conductio. 5. Ein entgeltliches Ausbildungsmandat? a) Entgeltlichkeit aufgrund eines pactum adiectum? In der Vereinbarung eines Entgelts für den Lehrherrn muss man nach alledem ein pactum adiectum in continenti sehen. Im unmittelbaren zeitli chen Zusammenhang mit dem vom zweiten Teil des Textes vorausgesetzten Ausbildungsmandat (iussu mandatoris) haben also amicus und faber die Entgeltlichkeit der Lehre vereinbart139. Dass ein solches pactum (ausnahms weise) klagbar ist, folgt aus Ulpian D. 2,14,7,5. Tatsächlich lässt sich zur Erhärtung der These vom pactum adiectum Afrikan / Julian D. 17,1,34 pr. anführen, wo die Zulässigkeit eines Vereinba rungsdarlehens behandelt wird. Ein Prokurator hatte eingetriebenes Geld als Darlehen einbehalten und sich gegenüber dem Mandator mit einer Zinszah lung einverstanden erklärt. Julian sieht den Prokurator aus der actio mandati als verpflichtet an, den vereinbarten Zins zu zahlen: usuras, de quibus convenerit … igitur dicendum actione mandati obligatum fore procuratorem. Die Zahlung eines vereinbarten Zinses ist etwas anderes als die mit der Mandatsklage übliche Abschöpfung der Vorteile, die der beauftragte Pro kurator aus dem Geld zog. In Paulus D. 19,5,5,4 haben wir überdies einen Beleg dafür, dass ein Mandat mit Hilfe eines pactum „seine Natur über schreiten“, von sei nen natür li chen Regeln abweichen kann140: et potest mandatum ex pacto etiam naturam suam excedere. Als Beispiele werden die Verschärfung des Haf tungs maßstabs des Beauftragten – Übernahme der custodia-Haftung – sowie die Begrenzung des möglichen Höchstaufwands des Beauftragten genannt141. Aus beiden Texten folgt, dass das Mandat, wie andere bonae fidei iudicia auch, Nebenabreden zugänglich war, und zwar selbst solchen, die seine Natur änderten. Es ist daher bloßes Gerede, wenn man gegen die Möglichkeit eines 138 Vgl. z. B. D. 17,1,1,2; eod. 22,2; eod. 22,9; eod. 33. Zu Unrecht für eine Interpolation des nisi-Satzes Franz P. Bremer, Iurisprudentiae Antehadrianae quae supersunt, Leipzig 1898, Bd. II / 1, 295. 139 So schon Schanbacher (o. Fn. 72) 54. 140 So die Übersetzung von Karlheinz Misera, in: Behrends / Knütel / Kupisch / Sei ler, Bd. III, Heidelberg 1999, 598. 141 Siehe auch Paul. D. 17,1,5 pr.-1.
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entgeltlichen Mandats die Vertragstypik ins Feld führt, die ein „einfaches“ pactum nicht habe antasten können142. Mit einem „einfachen“ pactum konnte man sehr viel erreichen, selbst eine dinglich wirkende Hypothek begründen! D. 17,1,26,8 sagt allerdings nichts von einem pactum, sondern führt nur ein iussum mandatoris an. Aber wie anders als mit Hilfe einer ausdrückli chen Abrede hätten die Parteien das Entgelt für die Lehre verabreden sol len? Ein stillschweigendes pactum wäre nur denkbar, wenn wir von einem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbezifferten Entgelt ausgin gen. Da Paulus indessen nirgends die Frage der nachträglichen Festsetzung der Entgelthöhe problematisiert143, spricht dafür nichts. Dass der Jurist nur das iussum nennt, geschieht, um den Unterschied zum ersten Teil zu beto nen, wo der Lehr auftrag noch keine Rolle spielte. Sowohl für den nach diesem iussum zustande gekommenen Auftrag wie auch für die begleitende Entgeltabspra che ist das Einver ständnis von faber vorausgesetzt144. Das pactum machte den Auftrag entgeltlich. Die Entgeltabrede war mit Gewiss heit ausdrücklich erfolgt; denn wenn man von der üblichen Unentgeltlich keit abweichen wollte, musste man dies sagen. Der letzte Halbsatz ab nisi macht deutlich, dass man selbstverständlich auch um unentgeltliche Lehre bitten konnte145. Zu erwarten war das natürlich nicht, regelmäßig dürfte ein Handwerker eine Entlohnung gewünscht haben146. Unverständlich ist es allerdings, wieso Schanbacher das Unentgeltlichkeits prinzip durch eine solche Abrede nicht angetastet sieht147. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Frage der Entgeltlichkeit der Parteivereinbarung zugäng lich war, war die Unentgeltlichkeit für ein Mandat nicht mehr konstitutiv. Dessen Natur wurde zwar, um mit Paulus zu sprechen, „überschritten“ – amici be sor gen Ge schäfte füreinander regel mäßig unentgeltlich –, an der Wirksamkeit einer solchen Abrede bestanden aber keine Zweifel. Bevor wir allerdings die Zulässigkeit eines entgeltlichen Mandats auch im römischen Recht annehmen wollen, sind die Vorzüge und Nachteile einer solchen Ver tragswahl und die möglichen vertraglichen Alternativen zu betrachten und die Einwände gegen eine solche vermeintliche contradictio in adiecto zu prüfen. 142 Coppola
(o. Fn. 10) 61 in Fn. 85. Gegensatz etwa zu Gai. D. 19,5,22. 144 Schanbacher (o. Fn. 72) 54 in Fn. 75. 145 Ein sachlicher Grund für eine Interpolation besteht nicht (anders Fridolin Eisele (Bei träge zur Erkenntnis der Digesteninterpolationen, ZRG RA 10 (1889) 296–322, hier 306); zutr. Klami (o. Fn. 78) 43. 146 Schanbacher (o. Fn. 72) 55. Eine Beweislastverteilung wird mit dem Satz übrigens nicht ausgedrückt, eher ein empirischer Befund. Wurde also ein Handwer ker um eine Ausbildung gebeten, musste er Entgeltlichkeit vereinbaren. 147 Schanbacher (o. Fn. 72) 54. 143 Im
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b) Der geeignete Vertragstypus aa) Die möglichen Parteiinteressen Grundsätzlich könnte man bei dem Vertrag zwischen faber und amicus – es handelt sich um einen praktischen Fall148 – an einen Werk- oder Dienstvertrag, aber auch an eine Gesellschaft oder an ein Mandat denken. Wie schon gezeigt, kam für einen Ausbildungsvertrag zumeist die locatio conductio in Form des Werkvertrags in Betracht. Einen Werkvertrag konn ten die Parteien hier indessen schon deshalb nicht abschließen, weil er stets voraussetzt, dass der Besteller die Sache dem Unternehmer zum Zwecke der Herstellung des Werks überlässt149. Hier hatte faber den Sklaven nach sei nem Kauf übereignet erhalten; es spricht nichts dafür, dass amicus Eigentü mer wurde. In Betracht kam deshalb ein Werklieferungsvertrag, bei dem der „Ausgangsstoff“ des Werks dem Unternehmer gehört150 und der nach herr schender römischer Meinung entweder wie ein Kauf- oder Werkvertrag zu behandeln war151. Die Einordnung des Vertrags als Kauf scheitert hier dar an, dass auf grund des vorhe rigen Einkaufsmandats ohnehin schon eine Übereignungspflicht von faber an amicus im Wege der Herausgabe nach dem iudicium mandati bestand und der „Ausgangsstoff“, also der Sklave, derselbe geblieben ist152. Daher wäre zu überle gen, ob den Parteien ein Werklieferungsvertrag mit Anwendung des Werkvertragsrechts interessenge recht erscheinen konnte. Wollte faber sein Kalkulationsrisiko verringern, war er daran interessiert, neben der vereinbarten merces auch Aufwendungsersatz für den Unterhalt des Sklaven zu er halten. Es konnten während der nicht kurzen Lehrzeit unvorher sehbare Aufwendun gen nötig werden, etwa Arztkosten anfallen. Ein Aufwen dungsersatzanspruch stellte sicher, dass er zumindest seine Auslagen würde ersetzt erhalten. War dagegen die merces zu niedrig kal kuliert, machte er ein schlechtes Geschäft. Wir haben jedoch keinen Beleg in den Quellen, dass neben der bei einer locatio conductio vereinbarten merces ein Aufwendungsersatz gezahlt werden konnte. Für den Werkver trag besitzen wir nur das Zeugnis in Paulus D. 44,4,14, wonach der besit 148 Schanbacher (o. Fn. 72) 41. Es ist das einzige Mandat an einen faber in un seren Quellen. 149 Gai. 3,147; D. 18,1,20; 19,2,2,1; eod. 22,1; Kaser I (o. Fn. 1) 563; Behrends (o. Fn. 66) 193. 150 Theo Mayer-Maly, Locatio conductio, Wien 1956, 74 m. w. Nachw.; Kaser I (o. Fn. 1) 548. 151 D. 18,1,65; Kaser I (o. Fn. 1) 548. 152 Vgl. die Kriterien in D. 18,1,65.
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zende Werkunternehmer gegenüber der rei vindicatio des Bestellers die exceptio doli geltend machen kann, um Ersatz zu erlangen. Das aber ist gerade kein vertraglicher Anspruch153 und wäre in unserem Fall übrigens auch nicht zielführend, weil faber selbst Eigen tü mer des Skla ven war. Auch neben einem Dienstvertrag ist ein eigenständiger Aufwendungsersatz anspruch nicht überliefert154. Im Gegenteil zeigt Paulus D. 19,2,22,2, dass ein Vertrag dann als Dienstvertrag einzuordnen war, wenn der Unterneh mer für die Herstellung des Werks seine Aufwendungen zunächst selbst zu tragen hatte. Nur beim Mandat kennen wir einen Beleg für die Kom bi nation aus Entgelt und Aufwendungsersatz: Ulpian D. 17,1,10,9. Hiernach erhielt ein salariarius zusätzlich seine Aufwendungen ersetzt, wenn nichts anderes vereinbart war155. Gegen die Anwendung des Werkvertragsrechts könnte aber gerade bei einer Lehre die Notwendigkeit der Erreichung des vereinbarten Erfolgs ge sprochen haben156. Möglich war, dass der Sklave ungeschickter war, als faber bei seinem Einkauf vorhersehen konnte, möglich war auch, dass die Lehre wegen Krankheit oder Tod nicht erfolgreich beendet werden konnte. Denn selbst wenn amicus und faber Abschlagszahlungen während der Leh re vereinbart hatten, wie wir sie aus den Papyri kennen, hätte faber bei einem Misserfolg das gesamte bereits gezahlte Entgelt zurückzahlen müs sen157. Ein weiteres Interesse von faber konnte darin bestehen, die Haftung bei einer Flucht des Sklaven zu vermeiden. Den Werkunternehmer traf die 153 Wie hier auch Mayer-Maly (o. Fn. 150) 170 f. – In D. 19,2,55,1 und eod. 61 pr. wird zwar die actio conducti auf Impensenersatz gewährt, es handelt sich aber in beiden Fällen um einen Pachtvertrag. 154 Man hat für eine dakische Urkunde über die Arbeit in einem Bergwerk gegen über dem in CIL III 2, 948, X (Karl Georg Bruns, Fontes Iuris Romani Antiqui, Tübingen 19097, Nr. 165, 1) überlieferten Wortlaut eine Besserlesung versucht, um so einen Anspruch auf merces sowie auf cibaria nachzuweisen (so etwa Macqueron, o. Fn. 23, 205). Allein, eine erneute Prüfung ergab, dass der überlieferte Wortlaut liberisque (statt cibarisque) richtig ist; vgl. Kaser I (o. Fn. 1) 570; Robert Röhle, Das Problem der Gefahrtragung im Bereich des römischen Dienst- und Werkvertra ges, SD 34 (1968) 183–222, hier 188 ff. 155 … puto hos quoque sumptus reputare eum oportere, nisi si salariarius fuit et hoc convenit, ut sumptus de suo faceret …, hoc est de salario; dazu Bürge (o. Fn. 11) 320; Susanne Heinemeyer, Der Freikauf des Sklaven mit eigenem Geld, Berlin 2013, 218. 156 Dazu Iav. D. 19,2,51,1; 50,16,5,1; Kaser I (o. Fn. 1) 570; Mayer-Maly (o. Fn. 150) 184; Wolfgang Ernst, periculum conductoris. Eine gleichlaufende Gefahrtragungsregel bei den Verträgen der locatio conductio, in: Festschrift für Her mann Lange zum 70. Geburtstag, Hrsgg. Dieter Medicus u. a., Stuttgart u. a. 1992, 59–97, hier 83. 157 Iav. D. 19,2,51,1.
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custodia-Haftung, einen Mandatar grundsätzlich nicht158. Bei Vereinbarung eines entgeltlichen Mandats darf man jedoch vom Bestehen der custodiaHaftung ausgehen; denn hier war wegen des Entgelts das Eigeninteresse des Mandatars so groß, dass wir analog den überlieferten Fällen seine custodiaHaftung bejahen müssen159. Hierin dürfte sich das entgeltliche Mandat also kaum vom Werkvertrag unterschieden haben. Grundsätzlich kam für unser Lehrverhältnis auch ein Dienstvertrag in Be tracht160. Faber hätte wenn nicht sich selbst, so doch seine Arbeitskraft verdingt (operas suas locare). Das hätte für ihn den Vorteil gehabt, dass er seine merces auch verdient hätte, wenn der Erfolg seiner Lehrtätigkeit aus geblieben wäre161. Wie schon dargelegt, hätte er aber bei einer Entgeltver einbarung das Kalkulationsrisiko wegen des Unterhalts des Sklaven getra gen. Entscheidend gegen einen Dienstvertrag, für den die wenigen quellen mäßigen Belege zum großen Teil diffamierte Berufe wie Gladia toren, Schauspieler und dergl. betreffen162, spricht vor allem die Notwendigkeit für den Dienstverpflichteten, ganze Tag werke abzuleisten163, und dessen not wendige Eingliederung in die Arbeits- und Organisationssphäre des Dienst berechtigten164: Dieser hatte nicht nur ein Weisungsrecht (das, in geminder tem Umfang auch beim Mandat be stand), sondern auch ein Zeitbestim mungsrecht165. Die Abhängigkeit von amicus wäre für faber also größer 158 Ulp. D. 17,1,8,10: Haftung des Mandatars wegen Flucht nur bei dolus und culpa; Macqueron (o. Fn. 23) 168; Schanbacher (o. Fn. 72) 49; vgl. für den Werk vertrag Gai. 3,205; D. 19,2,13,3; Kaser I (o. Fn. 1) 571. 159 Vgl. zur custodia-Haftung bei Entgeltlichkeit: Gai. 3,205 (fullo, sarcinator), 3,206 (commodatarius); D. 4,9,5 pr. (nauta, caupo, stabularius); 19,2,60,6.9 (locator horrei); 18,6,1,1 (Verkäufer nach Vertragsschluss). Bei der Sklavenflucht unterschei det man danach, ob der Sklave überwachungsbedürftig erschien oder nicht, vgl. D. 6,1,21; 50,17,23; Max Kaser, Die actio furti des Verkäufers, ZRG RA 96 (1979) 89–128, hier 110; ohne diese Differenzierung D. 13,6,18 pr. Zu Recht überträgt Dieter Nörr, Die Entwicklung des Utilitätsgedankens im römischen Haftungsrecht, ZRG RA 73 (1956) 68–119, hier 73 in Fn. 19, die Notwendigkeit, für custodia einzustehen, auch auf das entgeltliche (!) depositum. 160 Auszuschließen ist hier aber eine Verdingung des Sklaven durch amicus. Denn dann hätte dieser, nicht faber, einen Entgeltanspruch erworben. Außerdem war faber Eigentümer des Sklaven, nicht amicus. 161 Dazu Kaser I (o. Fn. 1) 570; Ernst (o. Fn. 156) 84. 162 D. 3,1,1,6; 3,2,3; 7,1,26; 38,1,37 pr.; coll. 4,3,2; 9,2,2. – D. 19,2,19,9 betrifft die Dienste als Schreiber, D. 14,1,1,18 den Vertrag zwischen Reeder und Kapitän; Bruns (o. Fn. 154) Nr. 165, 1–3 die Anstellung von Bergleuten. Siehe auch Nörr (o. Fn. 113) 91; Bürge (o. Fn. 13) 144. 163 Wacke (o. Fn. 11) 409 f. m. w. Nachw. 164 Eine regelrechte Statusminderung wird damit wohl nicht verbunden gewesen sein, s. Nörr (o. Fn. 113) 101. 165 Behrends (o. Fn. 66) 194, 200.
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gewesen als bei einem Mandat. Für faber bestand kein Grund, seine ganze Arbeitskraft zu verdingen, da er den Sklaven nebenher bei seiner (sonsti gen) Arbeit in seiner eigenen Werkstatt ausbilden konnte166. Die Arbeit in seinem eigenen Unternehmen stand seiner Eingliederung bei amicus entge gen. Faber und amicus hätten auch eine societas vereinbaren können. Dann hätte faber an der Wertsteigerung des Sklaven zwar grundsätzlich in glei cher Höhe wie amicus partizipiert167. Das wäre aber auch eine Erfolgsprä mie gewesen, keine vom Erfolg unabhängige Vergütung. Hierauf wollte sich faber offenbar nicht einlassen. Ein unentgeltliches Mandat hätte faber zwar sowohl die Erfolgshaftung als auch die custodia-Haftung genommen, er hätte dann aber seine Zeit auf den Sklaven unent geltlich aufgewendet, wie es der letzte Halbsatz von D. 17,1,26,8 voraussetzt. Abgesehen davon, dass ein Handwerker wahrschein lich nicht die Gewohnheit hatte, für seine Tätigkeit kein Geld zu verlangen, hätte ein unent geltliches Mandat auch noch zu der unerfreulichen Folge geführt, dass faber an amicus alle Vorteile hätte herausgeben müssen, die er aus der (zunehmend selbständigeren) Arbeit des Sklaven zog168. Halten wir fest: Ein entgeltliches Mandat, also die Kombination aus Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch, konnte genau den Interessen von faber entsprechen, einerseits erfolgsunabhängig vergütet zu werden, andererseits das Kalkulationsrisiko möglichst gering zu halten und zudem seine berufliche Unabhängigkeit zu wahren. bb) Systematische Einwände? Man könnte gegen das entgeltliche Mandat einwenden, es sei uns weder von Gaius noch von Justinian in seinen Institutionen überliefert169. Da es sich in beiden Fällen um ein Anfängerlehrbuch handelt, wird man darin aber nicht die letzten Feinheiten des Rechts erwarten wollen. Gerade der Um stand, dass uns Justinian die Entgelt lichkeit nicht in seinen Institutionen nennt, spricht gegen eine Interpolation von D. 17,1,26,8; eine Rechtsände rung ist hier nicht zu konstatieren. In diesem Zusammenhang wird auch das Argument geäußert, unser Text stamme aus demselben 32. Buch des Edikts letzteren Aspekt Behrends (o. Fn. 66) 151. etwa Paul. D. 17,2,71 pr., wo die Gesellschaft zum Zwecke des Unter richts vereinbart wird. 168 Entgegen Klami (o. Fn. 78) 43, war es keineswegs selbstverständlich, dass faber diese Vorteile behalten durfte; im Grundsatz galt ja das Bereicherungsverbot für den Mandatar, s. oben S. 61. 169 Siehe etwa Coppola (o. Fn. 17) 501. 166 Zum
167 Siehe
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kommentars wie D. 17,1,1,4, wo Paulus das „Unentgeltlichkeitsaxiom“ ge äußert habe170. Das ist je doch zu kurz gegriffen: Es sind ja Justinians Kompilatoren, die uns die scheinbar unvereinbaren Texte als aus demselben Buch stammend überliefern. Der „Wider spruch“ kann also von Justinian, aber auch von Paulus selbst stammen. Bedenkt man überdies den vorsichtig formulierten Ausgang von D. 17,1,1,4, wo sich Paulus selbst von dem „Un entgeltlichkeitsaxiom“ distanziert, so kann man darin geradezu eine Öffnung des Juristen hin zu einer gegenteiligen Entscheidung sehen, die er uns in seinem bald folgenden Fragment D. 17,1,26,8 mitteilt. Weitere Einwände könnte man aus dem Mandatsrecht selbst entwickeln. Ein Mandat muss, aus der Sicht des Auftraggebers, mea gratia vereinbart werden. Ein ausschließlich tua gratia bestehendes Mandat ist ein unverbind licher Rat171. Beim entgeltlichen Mandat haben jedoch beide Parteien ein Eigeninte resse, wenn auch dasjenige des Beauftragten untergeordnet sein dürfte, weil der Auftraggeber schließlich alles aus der Geschäftsbesorgung Erlangte erhält172. Auch aus Paulus D. 17,1,3 pr.173 lässt sich ein Gegenar gument nicht ableiten. Die einigermaßen dunkle Stelle behauptet, die Rechtslage des Auf traggebers könne durch den Auftrag niemals ver schlechtert werden. Das trifft evident dann nicht zu, wenn der Auftraggeber dem Beauftragten Aufwendungen zu ersetzen hat, er aber wegen Untergangs der herauszu gebenden Sache nichts mehr erhalten kann. In D. 17,1,26,8 kommt hinzu, dass der Auftraggeber den Kaufpreis erhält, der wegen der Ausbildung doppelt so hoch liegt wie sein ursprünglicher Einsatz. Ein nächstes Gegenargument könnte man der Verfahrensordnung entneh men wollen. Es handelt sich bei D. 17,1,26,8 um den einzigen Text, der ein Entgelt vorsieht, das im iudicium mandati geltend zu machen ist; alle übrigen Texte gehen von einem Verfahren extra ordinem aus174. Diese Funktionsteilung – Mandatsklage für den Aufwendungsersatz, außerordent liche Klage für das Entgelt – ist hier aufgehoben. Daran ist freilich kein Anstoß zu nehmen: Wenn unsere oben geäußerte Vermutung richtig ist, nämlich dass es handfeste Gründe gab, warum man bei bestimmten als für die Gesellschaft wichtig erachteten Berufen das iudicium mandati nicht mit einer Entgeltklage belasten wollte175, dann bestand kein Grund, eine solche 170 Coppola
(o. Fn. 17) 507. I (o. Fn. 1) 578. 172 Vgl. auch Randazzo (o. Fn. 27) 193, 197; Schneeberger (o. Fn. 17) 22. 173 D. 17,1,3 pr. Paul. 32 ad ed. Praeterea in causa mandati etiam illud vertitur, ut interim nec melior causa mandantis fieri possit, interdum melior, deterior vero numquam. 174 Siehe oben S. 65. 175 Oben S. 67 f. 171 Kaser
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Entgeltklage vom Mandatsprozess fernzuhalten, wenn es sich lediglich um die Tätigkeit eines Handwerkers handelte. Hier konnte eine uneingeschränk te Aufrechterhaltung der Infamiefolgen nicht beabsichtigt sein. Ein Hand werker erhielt ja auch im Rahmen der locatio conductio seinen Lohn, ohne dass er mit Infamie bedroht gewesen wäre. Dass die Parteien wegen der Risikoverteilung hier ausnahmsweise ein Mandat vereinbart hatten, rechtfer tigte seine Schlechterstellung durch eine Verweisung in das Verfahren extra ordinem nicht. Bei Handwerkern, artifices und opifices176, war die cognitio extra ordinem nicht statthaft177. Der letzte und gewichtigste Einwand ist das römische Obligationensystem selbst, das vom Prinzip der Typenbindung beherrscht war178. Dieses System ermöglichte es, die Vertragstypen untereinander abzugrenzen, wie wir es ge rade für das unentgeltliche Mandat beobachten konnten179. Allerdings bedeutet Typengebundenheit ja lediglich, dass die Parteien keine Obligation schaffen durften, für die es bisher keine actio gab. Gerade dies war aber bei einem ent geltli chen Mandat nicht der Fall. Vielmehr konnte die merces ohne weiteres mit der actio mandati contraria eingeklagt werden. Ihre Be rücksichtigung in einem bonae fidei iudicium kann genausowenig wunder nehmen wie die Be rücksichti gung von durch die Auftragsdurchführung verursachten Schäden des Beauftragten als Aufwendungen180. Die Möglich keit leichterer Abgrenzung der Vertragstypen war zwar gerade für den ersten Zugriff auf die Lösung eines Falles ein schätzenswerter Vorteil, sie war aber kein Selbstzweck. Die Gefährlichkeit einer rein begrifflichen oder systema tischen Entscheidung war den römischen Juristen nur allzu bekannt181. Im Falle des Mandats konnten sie ohne weiteres ein Entgelt als geschul det ansehen, enthielt doch die Klageformel keinen Hinweis auf die Unentgelt lichkeit des Mandats182. Unsere Interessenbewertung (oben aa) zeigte, dass durchaus Fälle denkbar sind, in denen das unentgeltliche Mandat ebensowenig interessengerecht war wie die entgeltliche locatio conductio. Das galt in der Antike ebenso wie in Behrends (o. Fn. 66) 142. Ulp. D. 50,13,1,7 Ulp. 8 de omn. trib. Sed ceterarum artium opificibus sive artificibus, quae sunt extra litteras vel notas positae, nequaquam extra ordinem ius dicere praeses debebit. 178 Kaser I (o. Fn. 1) 484. 179 Siehe nur Gai. 3,162; Gai. D. 19,5,22; Paul. D. 17,1,1,4. Siehe auch Macqueron (o. Fn. 23) 166. 180 Siehe die Nachw. in Fn. 67. 181 Siehe nur Paul. D. 50,17,1 und Iav. D. 50,17,202. 182 Vgl. Otto Lenel, Das Edictum perpetuum. Ein Versuch zu seiner Wiederherstel lung, Leipzig 19273, 295 ff.; Kaser I (o. Fn. 1) 579. 176 Dazu 177 Vgl.
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den modernen Rechtsordnungen183. Es ist nicht zu erkennen, warum die römischen Juristen die Privatautonomie dort eingeschränkt haben sollten, wo die Gewährung einer schon längst anerkannten Klage – der actio mandati contraria – den Parteiinteressen am ehesten gerecht werden konnte. Bemerkenswert ist schließlich, dass unser Text eine Parallele im Recht der Verwahrung findet184. Das depositum war ebenfalls grundsätzlich unentgelt lich, und auch dieses haben die römischen Juristen mittels des Unentgeltlichkeitskriteriums zum Werkvertrag abgegrenzt185. Aber auch hier existiert mit Ulpian D. 13,6,5,2 ein Text, der von einer entgeltlichen Ver wahrung ausgeht, die allerdings zu einer verschärften Haftung des Verwah rers führt: D. 13,6,5,2 Ulp. 28 ad ed. … et quidem in contractibus in terdum dolum solum, interdum et culpam praes tamus: dolum in de posito: nam quia nulla utilitas eius versatur apud quem deponitur, merito dolus praestatur solus: nisi forte et merces accessit (tunc enim, ut est et constitutum186, etiam culpa exhibetur) … 186
… Wir haften nämlich bei Verträgen bis weilen nur für Vorsatz, bisweilen auch für Fahrlässigkeit. Für Vorsatz bei der Verwahrung; denn weil der Verwah rer kei nerlei Nutzen hat, haftet er zu Recht nur für Vorsatz, falls nicht etwa ein Entgelt hinzukommt (dann nämlich ist, wie auch durch kaiserliche Konstitu tion bestimmt ist, Fahrlässigkeit zu ver treten) …
Der Text ist häufig verdächtigt worden, aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen187. Die sprachliche Kritik an der mangelnden Klassizität des nisi183 Zu
ihnen oben S. 55 ff. und Verwahrung sind strukturell vergleichbar, so zu Recht auch Coppola (o. Fn. 17) 489. 185 Ulp. D. 4,9,3,1; 16,3,1,8; Inst. 3,26,13. 186 Zu einer möglichen Konstitution aus der Severerzeit Nörr (o. Fn. 159) 73 in Fn. 20. 187 Siehe den Index itp. sowie etwa Carlo Alberto Maschi, La categoria dei con tratti reali, Milano 1973, 312, 315, 376; Antonino Metro, La plurisecolare vicenda del deposito retribuito, in: Studi in onore di Remo Martini, Bd. II, Milano 2009, 789–808, hier 796; Kaser I (o. Fn. 1) 534 und 535 in Fn. 2; ders. II (o. Fn. 47) 372 in Fn. 28; mit vulgarrechtlicher Überarbeitung rechnen Ernst Levy, Weströmisches Vulgarrecht. Das Obligationenrecht, Weimar 1956, 173 ff.; Wiesław Litewski, Rez. Maschi, La categoria dei contratti reali, Milano 1973, SD 41 (1975) 433–444, hier 442; ders., Rez. Sebastiano Tafaro, Regula e ius antiquum in D.50.17.23, Bari 1984, ZRG RA 105 (1988) 865–878, hier 873, und Carlo Augusto Cannata, Sul problema della responsabilità nel diritto privato romano, IURA 44 (1993) 1–83, hier 62; Matteo de Bernardi, A proposito della pretesa contrapposizione concettuale tra „dolus“ e „bona fides“ nel linguaggio dei giuristi, in: Atti del seminario sulla problematica contrattuale in diritto romano, Bd. II, Milano 1990, 129–171, hier 152; ähnlich Maria Luisa Navarra, Note in tema di „utilitas“: Modestino e coll. 10, 2, Labeo 50 184 Mandat
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Satzes ist heute keines Kommentars mehr würdig188, der sachliche Hinweis auf die sonst unmögliche Abgrenzung zur locatio conductio ebenso wie beim Mandat kein hinreichender Grund, Entgeltlichkeit zu verwerfen. Eine Inter polation ist zudem wegen des die Unentgeltlichkeit der Verwahrung überlie fernden Texts Inst. 3,26,13 auszuschließen. Das von Ulpian angeführte Prin zip – Haftungsverschärfung bei Entgeltlichkeit – ist allerdings so einleuch tend, dass es einem klassischen Juristen ohne weiteres zuzutrauen ist189. Auch aus anderen Texten kennen wir Entgeltabreden bei der Verwahrung190. Und wie schon beim Mandat besitzen wir auch für den Verwahrungsvertrag einen Text, nach welchem ein pactum adiectum, mit dem eine Haftungsverschär fung vereinbart wird, nicht gegen die Rechtsnatur des Vertrags verstößt191. Für eine Umdeutung des in D. 13,6,5,2 genannten Verwahrungsvertrags in eine locatio conductio ist daher kein Raum192. Im Ergebnis beweisen beide Texte, Paulus D. 17,1,26,8 und Ulpian D. 13,6,5,2, wechselseitig die Echtheit einer Entgeltabrede. Stichhaltige Gründe gegen die Zulässigkeit eines entgelt lichen Mandats lassen sich daher nicht finden. Weil ein Interpolationsgrund nicht angegeben werden kann193, ist von seiner Echtheit auszugehen. (2004) 84–134, hier 102 in Fn. 62 (103); unentschieden Hannu Tapani Klami, Mutua magis videtur quam deposita, Hel sinki 1969, 166; Ugo Brasiello, Rez. Giuseppe Gandolfi, Il deposito nella problematica della giurisprudenza romana, Milano 1976, SD 43 (1977) 574–582, hier 580; Max Kaser, Besitzpfand und ‚besitzloses‘ Pfand, SD 45 (1979) 1–92, hier 72 in Fn. 248. 188 Siehe etwa René Robaye, L’obligation de garde, Bruxelles 1987, 39 in Fn. 27, 44, der eine solche Konstruktion über 44 mal bei Ulpian zählt; Michel (o. Fn. 32) 64, findet nisi forte sogar 88 mal bei Ulpian; de Bernardi (o. Fn. 187) 149. 189 Siehe schon Nörr (o. Fn. 159) 73 in Fn. 19; wie hier für Echtheit Andreas Wacke, Rechts fragen der römischen Lagerhausvermietung, Labeo 26 (1980) 299– 324, hier 320 mit Fn. 92; Geoffrey MacCormack, Culpa, SDHI 38 (1972) 123–188, hier 164; Riccardo Cardilli, L’obbligazione di „praestare“ e la responsabilità cont rattuale in diritto romano, Milano 1995, 476; wohl auch Georg Klingenberg, „Con stitutum est“ in D. 47,2,14,4, RIDA 66 (1999) 243–314, hier 293. 190 Zinsabreden bei der Geldverwahrung: Scaev. D. 16,3,28; Pap. D. 16,3,24; zu ihrer Klassizität Kaser I (o. Fn. 1) 536. Von einem pretium depositionis non quasi mercedem accepi ist in Ulp. D. 47,8,2,23 die Rede, welche Stelle selbst Fiori (o. Fn. 32) 275, für spätklassisch hält. Ebenfalls von einer eigennützigen Verwahrung und einer damit einhergehenden Haftungsverschärfung spricht Ulpian D. 16,3,1,35 (si se quis deposito obtulit); dazu Lohsse in diesem Band S. 187 ff. 191 Ulp. / Pomp. D. 2,14,7,15 Ulp. 4 ad ed. … pactionem valere nec quasi contra iuris formam factam non esse servandam. Zu Paul. D. 19,5,5,4 oben S. 79. 192 Anders Michel (o. Fn. 32) 64: locatio conductio operis, mit der Bewachung geschuldet sei; Giuseppe Gandolfi, Il deposito nella problematica della giurispruden za romana, Milano 1976, 146–148; Fiori (o. Fn. 32) 275; dagegen zu Recht Metro (o. Fn. 187) 795, mit dem Hinweis, dass von der locatio conductio erst im letzten Satz die Rede ist. 193 Dazu schon oben S. 72.
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cc) Mela oder Paulus? Man wird mit letzter Sicherheit nicht klären können, ob der zweite Teil von dem Frühklassiker Mela oder dem Spätklassiker Paulus stammt194. Für eine spätere Einordnung spricht der Umstand, dass auch die klageweise Durchsetzung einer Honorarforderung erst in spätklassischen Texten aner kannt wird195. Andererseits gibt es keine Rechtfertigung, contra fore und consecuturum nicht auf Mela ait zu beziehen. Ohne Grund ist daher nicht von einer Textstörung auszugehen, sondern von einem (Mela zustimmen den) Referat des Paulus; schließ lich bestanden die Gründe für die Wahl eines entgeltlichen Mandats auch in der frühen Klassik. V. Schluss Wie die (früh-)neuzeitlichen Kodifikationen unterscheiden bereits die klassi schen rö mischen Juristen zwischen der Natur und dem Wesen des Mandats196: Seiner Natur nach ist es unentgeltlich, konstitutiv war die Un entgeltlichkeit aber nicht197. Das drücken sie so nicht aus, folgt aber aus einer Zusammenschau der beiden Paulustexte D. 19,5,5,4 und D. 17,1,26,8. Das entgeltliche Mandat ist eine Entdeckung der Römer. Am Beispiel von Paulus D. 17,1,1,4 und D. 17,1,26,8 lässt sich die Arbeits weise der römischen Juristen zeigen. Rechtsregeln haben eine mnemotechnische Funktion, sie erinnern den Rechtsanwender an bestimmte Problem- und Interessenlagen und ihre Lösung. In unserem Fall ermöglicht die Rechtsregel mandatum nullum nisi gratuitum198 namentlich die schema tische Abgrenzung zur ebenfalls die Geschäftsbesorgung für einen anderen umfassenden locatio conductio199. Dabei bleiben die Juristen jedoch nicht stehen. Vielmehr überprüfen sie in einem zweiten Schritt, ob die gefundene Einordnung den Interessen der Parteien entspricht. Es versteht sich, dass nur besondere Gründe – in D. 17,1,26,8 der Wunsch, Aufwendungsersatz und erfolgsunabhängiges Entgelt zu kombinieren – die Einordnung rückgängig machen können. Wenn man so will, erhöht eine Rechtsregel den Begrün 194 Für ersteres Schanbacher (o. Fn. 72) 52 in Fn. 67, für letzteres Dumont (o. Fn. 7) 316 in Fn. 31; Klami (o. Fn. 78) 43. 195 Siehe die Nachw. in Fn. 54. 196 Zu den Kodifikationen oben S. 55 ff. 197 Siehe bereits Loewenfeld (Fn. 40), 380. 198 Siehe etwa L. De Mauri, Regulae Juris, Milano 193611, 145; Detlef Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, München 19986, M 22. 199 Siehe für das Mandat die Nachw. oben in Fn. 179, für die Verwahrung oben in Fn. 185.
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dungsaufwand. Das Beson dere an den uns überlieferten klassischen Ent scheidungen liegt darin, dass nur sel ten diese Begründung genannt wird. Meist, und so auch in unserem Text, gehen die römi schen Juristen still schweigend von der Regel ab, wenn sie nicht passt200. Das quod actum genießt, zumal im bonae fidei iudicium, den Vorrang vor der starren Regel anwendung201.
200 Inwieweit dies auch den justinianischen Textkürzungen zu verdanken ist, ist Spekulation. 201 Vgl. auch D. 50,17,1.
Der Inhalt des Bürgschaftsauftrags: eine Meinungsverschiedenheit über D. 17,1,38 Marcell. 1 resp. im Mittelalter Von Seiji Fukuda I. Einführung 1. Zweck des Bürgschaftsauftrags: Kreditverschaffung Durch die Annahme eines Bürgschaftsauftrags verpflichtet der Bürge sich dazu, zugunsten des Hauptschuld ners den Bürgschaftsvertrag mit dem Gläubiger abzuschließen. Seine Verpflichtung dauert aber noch an. Nach dem er den Bürgschaftsvertrag abgeschlossen hat, muss er noch die Bürg schaftsschuld tragen. Wenn er also am Tage nach dem Bürgschaftsvertrag die Auftragsbeendigung ohne berechtigten Grund behaupten würde, könnte er aus seiner vertrags widrigen Behauptung keinen Anspruch gegen den Hauptschuldner erlangen. Der Zweck des Bürgschaftsauftrags besteht darin, dem Hauptschuld ner einen dauernden Kredit zu verschaffen. In diesem Punkt kann eine Ähn lichkeit zwi schen dem Bürgschafts auftrag und dem Darlehensvertrag gefunden werden. Hat der Bürge aber mit dem Hauptschuldner eine Bedingung für seinen Be freiungsanspruch vereinbart, so kann er seine Befreiung (oder seine Schadloshaltung) vom Hauptschuldner dann verlangen, wenn die vereinbar te Bedingung eintritt. Denn der Bürge hat sich beim Auftrag dazu verpflich tet, den Kredit nur bis dahin zu verschaffen. Hier muss die Sonderabrede über den Befreiungsanspruch die Kündigungsabrede des Bürgschaftsauftrags enthalten. Sonst, wenn die Verpflichtung, die Bürgschaftsschuld zu tragen, noch gültig wäre, stünde ihm kein Befreiungsanspruch zu. Daher enthält die Geltendmachung des Befreiungsanspruchs notwendigerweise die Ausübung der Kündigung. Der Zweck dieses Anspruchs ist, die nach der Auftragsbeendi gung bleibende Bürgschaftsschuld abzurechnen. Wenngleich beim Auftrag keine Sonderabrede getroffen worden ist, steht dem Bürgen der gesetzliche Befreiungsanspruch zu, soweit seine Voraus setzun gen gegeben sind. Hier können wir die Frage stellen, ob der ge setzliche Moment für den Befreiungsanspruch eine Art von Bedingung oder eine Zeitbestimmung ist. Nach deutschem Recht kann der Auftrag grund
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sätzlich endlos dauern; um den Bürgschaftsauftrag abzubrechen, bedarf es des Eintritts einer Bedingung wie z. B. Verzug des Hauptschuld ners. Die andere Ansicht, dass die Kreditverschaffung immer eine Zeitbestimmung enthält, wurde im japani schen Recht zum Ausgang genommen. Woraus entsteht dann diese Verschie denheit? Wir können in der Dis kussion des 15. Jahrhundert einen Anlass dafür finden. Das ist unser Problem. 2. Bedingung oder Zeitbestimmung als der Beendigungsmoment des Auftrags Um die problematische Lage zu begreifen, überblicken wir zuerst die positivrechtlichen Umstände. Eine Auslegungsregel im japanischen Recht1, das dem französischen Recht2 nachfolgt, verbindet den Beendigungsmo ment des Auftrags mit der Fälligkeit der Schuld. Aufgrund dieser Regel ist es ange nom men, dass der Bürge beim Auftrag nur die Gefahr, dass der Hauptschuldner bei Fälligkeit zahlungsunfähig sei, auf sich genommen hat; die Gefahr, dass der Haupt schuldner danach sein Vermögen ver liere, ist dagegen vom Bürgen nicht aufgenommen.3 Daher kann der Bürge hoffen, den Bürg schafts auftrag irgendwann zu vollenden. Wir können hier eine Theorie erkennen, nach welcher der Bürgschaftsauftrag notwendigerweise die Zeitbestimmung enthält. Diese Regel stammt ursprünglich von Jean Domat4 (1625–1696), aber wir können die gleiche Regel auch im Allgemeinen Landrecht für die preußi schen Staaten5 (1794) finden. 1 Artikel 460 Nr. 2 und 3 des MINPO: „Hat sich der Bürge im Auftrag des Hauptschuldners verbürgt, so kann er in den folgenden Fällen von diesem im Voraus die Schadloshaltung verlangen: … 2. wenn die Schuld fällig ist. Dabei kann keine Einrede aufgrund des Aufschubs, den der Gläubiger nach dem Abschluss des Bürgschaftsvertrags dem Hauptschuldner gewährt, sich dem Bürgen entgegenstellen; 3. wenn zehn Jahre seit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrags abgelaufen sind, vorausgesetzt, dass die Leistungszeit der Hauptschuld unbestimmt ist, und dass so gar die Leistungszeit festzusetzen unmöglich ist, falls diese Zeit die späteste ist.“ 2 Art. 2309 no 4 et no 5 des Code civil: „La caution, même avant d’avoir payé, peut agir contre le débiteur, pour être par lui indemnisée: … 4. Lorsque la dette est devenue exigible par l’échéance du terme sous lequel elle avait été contractée; 5. Au bout de dix années, lorsque l’obligation principale n’a point de terme fixe d’échéance, à moins que l’obligation principale, telle qu’une tutelle, ne soit pas de nature à pouvoir être éteinte avant un temps déterminé.“ 3 Philippe Simler, Cautionnement – Garanties autonomes – garanties indemni taires, Paris 20084 nº 627. 4 Siehe unten Fn. 56.
Der Inhalt des Bürgschaftsauftrags93
Doch schlägt das BGB6 einen anderen Weg ein. Wenngleich die Schuld schon fällig ist, hat der Bürge noch keinen Befreiungsanspruch; um seiner Befreiung willen muss er abwarten, bis der Hauptschuldner mit der Erfül lung in Verzug gerät. Diese Voraussetzung für den Befreiungsanspruch, die gleichzeitig ein Kündigungsgrund des Auftrags ist, hat nicht die Natur einer Zeit be stim mung, vielmehr diejenige einer Bedin gung. Denn der Verzug kann erst durch die Mahnung des Gläubigers, welche für die beiden Partei en des Auftrags ein ungewisser Umstand ist, eintreten, es sei denn, dass die Fälligkeit der Schuld nach dem Kalender bestimmt sei. 5
Dahinter verbirgt sich ein Grundsatz, dass der Bürgschaftsauftrag endlos dauern kann. Wenn z. B. der Schuldner nach der Fälligkeit keine Mahnung vom Gläubiger erhält, kann der Bürge vom Hauptschuldner nichts verlan gen, und er muss die Schuld bis zu deren Erlöschen tragen. Oder wenn der Gläu biger vor der Fälligkeit stundet und die Stundung öfter wiederholt, gerät der Hauptschuldner nicht in Verzug; darum kann die Verpflichtung des Bürgen endlos dauern. Hier gibt es keine Möglichkeit, durch ergänzende Vertragsauslegung notwendigerweise irgendeine Vereinbarung über die Zeitbestimmung zu finden. Also können wir in rechtsvergleichender Hinsicht bemerken, dass der Ge setzgeber sich gleichzeitig sowohl über die Voraussetzung des Befreiungs anspruchs als auch über den Auftragsinhalt entscheidet. Im letzten wichtige ren Punkt ist die japanische Haltung eine ganz andere als die deutsche. Wenn gleich keine ausdrückliche Vereinbarung über die Zeitbestimmung getroffen ist, wird der Bürgschaftsauftrag darum noch immer als ein zeitlich eingeschränkter Vertrag betrachtet, weil der Hauptschuldner den vom Bür gen ver schafften Kredit nur bis zur Fälligkeit genießen kann.7 Daher vollendet sich der Auftrag grundsätzlich sofort, wenn die Schuld fällig ist. 5 § 356 des ALR (1794), I. Teil, Titel 14., 3. Abschnitt: „Nach verflossener Zahlungszeit kann der Bürge auf Befreiung von der Bürgschaft gegen den Haupt schuldner klagen.“ Dagegen fordert § 1470 sächsisches BGB (1863) als einen Moment des Befreiungs anspruchs den Verzug des Hauptschuldners. 6 § 775 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB: „Hat sich der Bürge im Auftrag des Haupt schuldners verbürgt oder stehen ihm nach den Vorschriften über die Geschäftsfüh rung ohne Auftrag wegen der Übernahme der Bürgschaft die Rechte eines Beauf tragten gegen den Hauptschuldner zu, so kann er von diesem Befreiung von der Bürgschaft verlangen: … 3. wenn der Hauptschuldner mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeit im Verzug ist, 4. wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erwirkt hat.“ 7 Die gesetzliche Vorschrift, welche bei Fälligkeit den Befreiungsanspruch ge währt, setzt die Lage voraus, dass beim Auftrag die Fälligkeit der Schuld noch nicht
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Außerdem hat der Hauptschuldner, der seine fällige Schuld nicht bezahlt, mehr oder weniger eine Schwierigkeit, und normalerweise steht ihm kein Geld zur Verfügung. Hier entsteht dem Bürgen ein rechtmäßiger Grund zur Be fürch tung, dass der Hauptschuldner sein Vermögen zukünftig verliere. Wenn der Bürge in seiner subjektiven Hinsicht die Befürchtung als wichtig einschätzt, hat er schon einen genügenden Grund, die Verlängerung der Kre ditverschaffung zu verweigern. Wenn dagegen der Bürgschaftsauftrag nur eine Bedingung enthält, muss man einen anderen Faktor zum Kündigungsrecht als die Parteiabsicht be obachten. Denn es ist hier angenommen, dass der Auftrag endlos fortdauert, soweit die Schuld noch bleibt. Um sich die Auftragsabbrechung vorzustel len, ist die besondere Veränderung der beim Vertrag vorausgesetzten Um stände unentbehrlich.8 „Nur unvorhergesehene, ohne sein Zutun nachträg lich eingetretene Umstände, die die Stellung des Bürgen gefährden, sollen dem Bürgen einen An spruch auf Entbindung von der auftragsgemäß übernommenen Verpflichtung geben.“9 Im deutschen Recht gibt es einen großen Unterschied zwischen der Stel lung des Bürgen und derjenigen des Darlehensgebers; während man festge legt hat, dass die im Darlehen vereinbarte Kreditverschaffung notwendiger weise irgendwann endet, ist es beim Bürgschaftsauftrag anders. Es kommt hinzu, dass der Be freiungs anspruch noch tatsächlich fast unwirksam ist, weil dieser nur in den Fällen entsteht, wo der Hauptschuldner nicht mehr zahlungsfähig ist. Aus wel chem rechtshistorischen Kontext stammt diese Theorie, die vom Bürgen aufgenommene Verpflichtung als so lange dauernd zu betrachten?
eingetreten ist. Daher kann man, wenn beim Auftrag die Hauptschuld schon fällig ist, den Umstand, dass die Fälligkeit gekommen ist, nicht als einen berechtigten Grund für den Anspruch ansehen. Sonst könnte der Hauptschuldner keinen vertrag lichen Vorteil genießen. In diesem Fall ist die Vereinbarung über eine andere Zeit bestimmung durch ergänzende Vertragsauslegung zu entnehmen. 8 Nach der herrschenden Meinung im deutschen Recht ist die Regelung in § 775 Abs. 1 Nr. 4 (o. Fn. 6) einerseits auf die Fälle anwendbar, in denen der Bürge entweder durch einen Vollstreckungsbefehl oder durch einen vorläufig für vollstreck bar erklärten Schiedsspruch zur Zahlung gezwungen ist. Andererseits wird es abge lehnt, darüber hinaus den Anwendungsbereich auszudehnen. Aus dem Grund, dass die Mitwirkung des Bürgen seine Schutzwürdigkeit verhindert, kann er keinen Be freiungsanspruch erheben, wenngleich der Gläubiger den vollstreckbaren Titel, wie den Vergleich oder die vollstreckbare Urkunde, hat. Staudinger / Norbert Horn, Kom mentar zum BGB, Berlin 199713, § 775 Rn. 1; RGRK / Robert Fischer, Das Bürger liche Gesetzbuch, Berlin 196011, § 775 Rn. 1. 9 RGRK / Fischer (o. Fn. 8) § 775 Rn. 1.
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3. Hauptthema Man nehme an, mit Zustimmung des Bürgen sei eine notarielle Urkunde er richtet wor den, und er habe sich dazu ver pflichtet, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung seitens des Gläubigers für den Fall der Nichterfüllung der Schuld zu unterwerfen. Steht ihm der Befreiungsanspruch sofort nach Fälligkeit zu? Baldus de Ubaldis (ca. 1327–1400) bejahte diese Frage, aber sein Schüler Paulus de Castro (ca. 1360–1441) verneinte sie. Wir können in dieser Meinungsverschiedenheit einen Ursprung finden, der den Anlass für die jenige im moder nen Recht gegeben hat. Im Folgenden betrachten wir zuerst die grundlegende Lehre im Spätmittelalter, und dann behandeln wir unser Hauptthema: die Meinungsverschiedenheit in der Renaissancezeit. II. Grundlage 1. Justinianische Quellen Wir haben verschiedene Fragmente, wo die Auftragsgegenklage dem noch nicht zahlenden Bürgen erlaubt ist.10 Darunter sind die wichtigen D. 17,1,38 und C. 4,35,10. D. 17,1,38 Marcell. 1 resp.11 Lucius Titius Publio Maevio filio naturali domum communem per misit non donationis causa creditori filii obligare: postea Maevio de functo relicta pupilla tutores eius iudicem aduersus Titium acceperunt et Titius de mutuis pe titionibus: quaero, an domus pars, quam Titius obligandam filio suo accommodauit, a r b i t r a t u i u d i c i s liberari debeat. Marcel lus re spondit, an et quando debeat liberari, ex persona debitoris item que ex eo quod inter contra hentes actum esset ac tempore, quo res de qua quaereretur obligata fu isset, i u d i c e m a e s t im a t ur u m : est enim earum specierum iudicialis quaestio, per quam res expediatur, (1) non absimilis illa, quae frequentissime agitari solet, fideius10 Siehe
Lucius Titius hat Publius Maevius, sei nem leiblichen Sohn, ohne Schenkungs absicht gestattet, ein ihnen gemeinsam gehörendes Haus einem Gläubiger des Sohnes zu ver pfänden. Später, nachdem Maevius verstor ben war und eine unmün dige Toch ter hin terlassen hatte, ließen sich deren Vormünder gegen Titius und ebenfalls Ti tius [ge gen die Tochter] wegen der wechselseitigen Ansprüche auf einen Prozess ein. Ich frage, ob der Anteil am Haus, den zu verpfänden Ti tius sei nem Sohn gestattet hatte, n a c h dem pflichtgem äßen Erm essen des R i c h t e r s [aufgrund der Auftragsgegen klage] von der Pfandhaftung befreit werden muss. Marcellus hat gutachtlich entschieden, ob und wann der Anteil zu befreien sei, m ü s s e d e r R i c h te r aus der Sicht des Schuldners b e u r t e i l e n und ferner nach dem, was von den Vertragsparteien verein-
die unten in Fn. 13 angeführten Fragmente. nach Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Her mann Seiler, Corpus Iuris Civilis III, Heidelberg 1999, 387 f. 11 Übersetzung
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sor an et prius quam soluat age re possit, ut liberetur. n e c t a men s e m p e r e x s p e c ta n d u m e s t , ut soluat aut iudi cio accepto con demnetur, si diu in solutione reus cessabit aut certe bona sua dis sipabit, praesertim si domi pecu niam fideiussor non habebit, qua nume rata creditori mandati actione reum conueniat.
bart wor den sei, sowie unter Berück sichtigung des Zeitpunkts, zu dem die frag liche Sache ver pfändet worden war: Für solche Fälle gibt es nämlich die richterliche Untersuchung, durch die die Angelegenheit erledigt wird, (1) nicht unähnlich jener An gelegenheit, die man sehr häufig zu untersu chen pflegt, ob nämlich der Bürge auch schon, ehe er zahlen muss, [gegen den Hauptschuldner] auf Befreiung von der Bürgschaft klagen kann. U n d e s i s t n i c h t e t w a i m m e r a b z u w a r t e n , bis er zahlt oder nach Einlassung auf die Klage verurteilt wird, beispiels weise wenn sich abzeichnet, dass der Schuldner mit der Er füllung lange säu mig bleibt und voraus sichtlich sein Vermögen verschleudert, zumal dann, wenn der Bürge zurzeit kein Geld im Hause hat, mit dem er den Gläu biger so gleich auszahlen könnte, um den Schuldner dann mit der Auftragsklage [noch rechtzeitig auf Auf wendungs ersatz] belangen zu kön nen.
C. 4,35,10 Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Papio.12 [a. 293] Si pro ea contra quam supplicas fi deiussor seu mandator interces sisti et neque condemnatus es neque bo na eam dilapi dare postea coepisse comprobare possis, ut iustam metu endi causam praebeat, neque ab ini tio ita te obligationem suscepisse, ut eam possis et ante solutionem con venire, nulla iuris ratione, antequam satis creditori pro ea feceris, eam ad solutionem urgueri certum est. fideiusso rem vero seu mandatorem exceptione munitum et iniuria iudi cis damnatum et appellatione contra bo nam fidem minime usum non pos se mandati agere mani festum est.
Wenn du für die Frau, gegen welche deine Bittschrift gerichtet ist, als Bürge oder Auf traggeber eingetreten bist und weder ver urteilt worden bist noch beweisen kannst, dass sie später ihr Vermögen so zu ver schwenden begonnen hat, dass dir dadurch ein rechtmäßiger Grund zur Be fürch tung entstand, noch dass du von Anfang an die Verbindlich keit unter der Bestimmung, sie auch vor geleisteter Bezahlung belangen zu können, übernommen hast, so ist gewiss, dass sie aus keinem Rechtsgrunde zur Zah lung angehalten werden kann, bevor du den Gläubiger ihretwegen be friedigt hast. Ge wiss ist auch, dass ein Bürge oder Auftrag geber, der durch eine Einrede geschützt ist und vom Richter rechtswidrig verurteilt worden ist, dage gen aber gegen Treu und Glauben keine Berufung eingelegt hat, nicht aus dem Auftrag klagen kann.
12 Die Übersetzung in die deutsche Sprache basiert grundsätzlich auf Carl Eduard Otto / Bruno Schilling / Carl Friedrich Ferdinand Sintenis, Das Corpus Juris Civilis V, Leipzig 1832, 626.
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Unsere zwei Fragmente zeigen die Regel, dass es der Zahlung des Bürgen oder mindestens seiner Verurteilung13 bedarf, um seine Auftragsgegenklage zu erheben; dass ihm aber unter Umständen die Klage zustehen kann, auch wenn es eine solche Zahlung oder Verurteilung nicht gibt. Als solche Fälle zählte Marcellus in § 1 auf: 1. wenn der Hauptschuldner mit der Erfüllung lange säumig bleibt; 2. wenn der Hauptschuldner voraussichtlich sein Ver mögen verschleudert hat. Die Kaiser Diocletianus und Maximianus fügten den weiteren Fall an, den Marcellus in pr. nur auf die Teilungsklage be zieht14: 3. wenn der Bürge irgendeine Bedingung oder Zeitbestimmung für den Befreiungsanspruch mit dem Hauptschuldner vereinbart hat. In solchen Fällen kann der Bürge mit der Auftragsgegenklage nicht den Aufwendungsersatz, sondern nur seine Befreiung von der Bürgschaftsschuld verlangen, weil die Ausführung des Bürgschaftsauftrags ihm keine Aufwen dungen gebracht hat.15 Das Problem, ob und wann seine Klage als zulässig angesehen ist, ist dem Ermessen des Richters überlassen. In Bezug auf den Vorteil des Befreiungsanspruchs zeigte uns Marcellus etwas Wichtiges: Unter Umständen ist dieser Anspruch für den Bürgen vor teilhafter als der Rückgriffsanspruch. Wenn zwar das Vermögen des Bürgen zur Zahlung ausreicht, er aber kein Bargeld zur Verfügung hat, so kann er durch den Befreiungsanspruch die Verfügung über sein Vermögen vermei den. Die modernen Romanisten betrachten diesen Umstand als eine selbst ständige Vor aus set zung zur Auftragsgegenklage, aber bezeichnen diesen Umstand dann als „läppische“ Ausnahme, weil die besondere Schutzwürdig keit des Bürgen sich nicht nur auf diesen Umstand begründen kann.16 Doch 13 Es scheint, dass Marcellus die Verurteilung des Bürgen mit dessen Zahlung gleich stellt (vgl. dazu D. 17,1,11 Pomp. 3 ex Plaut.; D. 46,1,45 Scaev. 6 dig.; C. 4,35,6 Gordian.), es sei denn, dass der Bürge durch Widerrechtlichkeit des Rich ters verurteilt werde, vgl. D. 46,1,67 Paul. 3 ad Nerat. Aber Accursius unterscheidet nicht zwischen diesem Fall und den drei anderen, die im Text genannt sind. Außerdem fügt er aufgrund von D. 17,1,56,1 Papin. 3 resp. einen weiteren Fall hinzu, bei dem der Bürge das dem Gläubiger angebotene Geld hinterlegt hat. Also zählt Accursius als Sonderfälle insgesamt fünf auf. Glossa in Digestum vetus, Lyon 1627, ad D. 17,1,38 Vb. Condemnetur. 14 Die Ausdrücke wie iudicium accipere und mutuis petitionis in D. 17,1,38 pr. deuten auf die actio communi dividundo hin. Carsten Zülch, Der liber singularis responsorum des Ulpius Marcellus, Berlin 2001, 77. 15 Vgl. Shigeo Nishimura, Die Berücksichtigung der Basiliken durch Mommsen bei der Edition von D. 17,1 am Beispiel D. 17,1,38 (Marcellus l. sing. Resp.) in: Mandatum und Verwandtes, Hrsg. Dieter Nörr / Nishimura, Berlin 1993, 102 Fn. 7. 16 Vgl. Zülch (o. Fn. 14) 82 f. und die dort zitierte Literatur. Zülch betont die in § 1 angeführten Fallgestaltungen, bei denen der Befreiungsanpruch nicht von der richterlichen Untersuchung abhängt. Dagegen Detlef Liebs, Literatur, ZRG RA 120 (2003) 243–262, 250 f.
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weist der Satz – wie nec tamen sem per exspectandum est, ut …, si… – darauf hin, dass gleichzeitig sowohl die in dessen erster Hälfte erwähnten Umstände des Hauptschuldners als auch der zuletzt erwähnte Umstand des Bürgen vom Richter zu berücksichtigen sind. Jeder einseitige Umstand ist also nur ein Bestandteil, und die Auftragsgegenklage kann sich nur auf die beiderseitigen Umstände begründen. Der Umstand, dass es dem Bürgen am Bargeld zur Zahlung fehlt, wurde mindestens von den Kommentatoren nicht als ein selbstständiger Klagemoment betrachtet. 2. Grundsatz Baldus überliefert uns einen Gedanken, der damals breite Unterstützung17 gewann. Wir können seine Lehre in zwei Punkte einteilen: Grundsatz und Ausnahmeregel. Erstens betrachtete Baldus den Bürgschaftsauftrag darum als endlos dauernd, weil er die Theorie übernahm, dass der Hauptschuldner beim Vertrag dem Bürgen nicht nur den Abschluss des Bürgschaftsvertrags, son dern auch die dem Gläubiger zu leistende Zahlung aufgetragen habe. Die Vollendung des Auftrags sei eine Voraussetzung für die Auftragsgegen klage; bevor der Bürge den Gläubiger befriedige, werde der Auftrag nicht vollendet. Diese herrschende Meinung war schon von Azo († ca. 1229) unterstützt worden.18 Aber eindrucksvoll schlugen die Franzosen (Rechtsschule von Orléans) die Gegenmeinung vor19: Wenngleich die verpfändete Sache vom Gläubi ger verkauft worden ist, soll nach ihrer Fragestellung der Bürge gegen über dem Haupt schuldner nicht auf Schadensersatz wegen seiner Nichtzahlung haften. Würde man sich allerdings vorstellen, dass der Bürge beim Auftrag die Verpflichtung, die Schuld zu zahlen, übernommen hätte, so könnte ihm aufgrund dieses Auftrags die Schadensersatzpflicht auferlegt 17 Z. B. Paulus de Castro, Commentaria in primam Codicis partem, Venedig 1568, ad C. 4,35,10 num. 3 Vb. Item qui mandatum accepit. 18 Azo, Summa Codicis, Lyon 1596, ad C. 4,35 num. 27 Vb. Contraria autem actio. Accursius (ca. 1182–ca. 1263), der ihm folgte, stellte der mittelbaren Stellvertre tung beim Grundstückskauf den Bürgschaftsauftrag gegenüber, und glaubte, dass bei jenem Fall der Auftragnehmer keinen Zahlungsauftrag erhält. Glossa in Codicem, Lyon 1627, ad C. 4,35,10 Vb. Feceris: „Item qui mandatum accepit de fideiubendo, videtur accipere & de soluendo: vt D. 12,6,47. At qui de emendo fundo mandatum acceperit, non videtur accipere de soluendo.“ 19 Jacobus de Ravanis (ca. 1230–ca. 1296), Lectura super Codice, Paris 1519 (Nachdruck Bologna 1967), ad C. 4,35,10 Vb. Fideiussor; Petrus de Bellapertica († 1308), Commentaria in Digestum nouum, Frankfurt 1571, ad D. 46,1,45 num. 3, 4 et 5.
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werden20. Der Faktor, der dem Bürgschaftsauftrag die Eigentümlichkeit als lang dauernder Vertrag bringt, soll nicht der Zahlungsauftrag, sondern die Parteiabsicht sein. Dagegen antwortete Baldus, dass der Bürge nicht auf Schadensersatz haftet. Denn der Schaden, den der Hauptschuldner durch den Verkauf der verpfändeten Sache erlitten hat, wurde vielmehr durch seine eigene grobe Fahrlässigkeit hervorgebracht.21 Baldus, ad C. 4,35,10 num. 4 Vb. Respondeo quia et num. 6Vb. Tu dic.22 [4.] Ich antworte, dass er [der Bürge] auf [4.] Respondeo quia ille non agit Grund des Vertrags nicht klagen kann, w e i l ex contractu, q u i a n o n d u m i m er das aufgetragene Geschäft noch pleuit m a n d at u m , vt n i c h t v o l l e n d e t h a t , wie D. 19,1,13,8 [D. 19,1,13,8]. … quia recepit man sagt. … Weil [der Bürge] den Auftrag zur datum de fideiubendo, per conse Bürg schaft übernahm, scheint es, dass er quens videtur recepisse de soluendo, not wen digerweise [gleichzeitig auch] zur vt [D. 12,6,47 & C. 2,20,1]. ergo Zah lung beauftragt wurde, wie D. 12,6,47 antequam soluat susceptum manda und ad C. 2,20,1 sagen. Also hat er, bevor tum non impleuit, vnde non agit. er [den Gläubiger] befriedigt, das auf sich F a l l i t i n c e r t i s c a si b u s , i n genommene Geschäft nicht vollendet; darum q u i b u s d i s p e ns a t i u e a dm i t t i kann er nicht klagen. [Aber dieser Grund tur ad agend um propter na satz] w i r d nach der Glossa23 und Jacobus t ur a l e m a e q u it a t e m , ne gra uetur propter factum rei, secundum Butrigarius24 i n b e s t i m m te n F ä l len gl. & Iac. But. … u nw i r k s a m , w o e r i n A b w äg u n g d e r U m s t ä n d e z u r K l a g e z u g e l a s s e n 2324
20 Vgl. Petrus de Bellapertica (o. Fn. 19) num. 4: „Cavete, prima ratio falsa est, quia si mandat vt fideiubeat, non mandat vt soluat, quia sic, si non solueret, agere contra me ad interesse, & hoc non potest.“ 21 Die andere Begründung wurde von Bartholomaeus Salicetus (ca. 1330–1412) gezeigt. Nach ihm dehnt der Auftrag sich nicht darauf aus, dass der Bürge eher, bevor die verpfändete Sache verkauft wäre, zahlen sollte. Denn es scheint, der Hauptschuld ner habe mit dem Gläubiger die Vereinbarung getroffen, dass dieser die verpfändete Sache verkaufen könne, ohne vom Bürgen seine Zahlung zu verlangen. Also be schränkte Salicetus hier den Anwendungsbereich des Zahlungsauftrags. Darum soll sich der nicht zahlende Bürge bis zum Zeitpunkt, in dem der Gläubiger seine Rechte ausübt, zur Kreditverschaffung verpflichten. Siehe auch unten Fn. 44. Salicetus, Commentaria ad I. II. III. et IIII. lib. Codicis, Lyon 1560, ad C. 4,35,10 num. 8 Vb. Ad rationem: „Sed responsio quam supra dedi magis placet videlicet quod mandatum se non extendat ut prius soluat quam patiatur vendi pignora cum et ipse reus tacite videtur conuenisse cum creditore ut secundum legem pignora possit vendere non exacto fideiussore.“ 22 Baldus, Commentaria in IIII. et V. Codicis librum, Venedig 1615. 23 Siehe o. Fn. 18. 24 Jacobus Butrigarius (ca. 1273–ca. 1248), Lectura super Codice, Paris 1516 (Nachdruck Bologna 1973), ad C. 4,35,10 Vb. Nota primo.
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[6.] Tu dic quod mandatum de fide iubendo habet annexum taci tum manda tum de soluendo. hinc est quod si testator mandat fide iu beri per heredem, haeres sol uens non repetit vt [D. 7,5,8]. & t am e n cum hoc stat, quod si fidei ussor non soluit, non tene tur reo, quia reus est in pa ri, imo in maiori culpa, & n e g l i g e n t ia, dum ad eum p e r t i n e t p r i nc i p a l it e r n e g o tium.
wird, und zwar wegen der naturge m ä ß e n B i l li g k e i t , sodass er durch die Handlung des Hauptschuldners nicht belas tet wird. … [6.] Es ist so aufzufassen, dass der Bürg schafts auftrag den stillschweigend hin zugefügten Zahlungsauftrag zum Inhalt hat. Daher, wenn nun ein Testator [der einem Dritten einen Nießbrauch an Geld vermacht, gleichzeitig] eine Bürgschaftsleistung durch einen Erben in Auftrag gibt, [so dass das Zurückforderungsrecht gegen den Vermächtnis neh mer für den anderen Mit erben gesichert ist], so hat jener Erbe kein Rückgriffsrecht [gegen den Vermächtnis nehmer durch die Auftragsgegenklage], ob wohl er [seine Miterben] ausgezahlt hat, wie D. 7,5,8 sagt. We n n e s a b e r d a n n f e s t s t e h t , d a s s d e r B ü r g e n u n n i c h t g e z a h l t h a t , s o h a f t e t e r g e g e n ü b e r d e m H a u p t sc h u l d ner nicht, weil d e r H a u p t s chuldner ihm gleich s t e h t , s o g a r i n g r ö ß e re r S c h u l d und Fahrlässigkeit, weil dieses G e s c h ä f t s i c h e i g e n t li c h a u f j e n e n b ez i e h t .
3. Ausnahmefälle Nach Baldus kann der Bürge die Auftragsgegenklage ausnahmsweise erhe ben, wenngleich er noch nicht gezahlt hat.25 Die Ungewöhnlichkeit dieser Re gel lässt sich aus dem Grundsatz folgerichtig ableiten und war auch in der Glossa erklärt worden. Aber es gab im 13. Jh. und im 14. Jh. eine Meinungsverschiedenheit darüber, inwieweit die Sonderfälle sich aus dehnen. Accursius hatte die Sonderfälle der römischen Quellen nur übertra gen, ohne eine Ausdehnung derselben zu versuchen.26 25 Baldus
(o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 4 (o. II 2). darin wich Accursius von den Quellen ab, indem er den ersten Fall so las: si fideiussor diu stetit in obligatione (statt: reus diu cessavit). Girtanner bemerk te in dieser Umschreibung eine inhaltliche Veränderung. Das Gewicht liege, sagte er, also nicht mehr auf dem ungebührlichen Verzug des Hauptschuldners, sondern darauf, dass der Bürge schon sehr lange am Schuldverhältnis festgebunden sei, wenngleich die Schuld noch nicht fällig sei. Vgl. Wilhelm Girtanner, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte 1. Abt., 2. Buch, Jena 1850, 219. 26 Nur
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Seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. wurde dieses Hilfsmittel dem Bürgen in noch mehreren Fällen zugespro chen. So fügte Guilelmus Duranti (ca. 1230–1296) die folgenden zwei Fälle hinzu: wenn zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen wegen des Hauptschuldners Feindschaft auf Leib und Leben entsteht; und, wenn der Bürge zum Studium ins Aus land gehen will.27 Wir kön nen eine solche Ausdeh nungstendenz auch im Werk von Bartolus de Saxoferrato (ca. 1313–1357) finden, wo ein weiterer Fall hinzugefügt wurde: wenn der Bürge die gerichtli che Verpflichtung versicherte.28 Baldus gab seine Stellungnahme zu dieser Tendenz an sich nicht ab29, aber seine positive Position war elastisch. Er legte den Grund zur unge wöhnlichen Klage auf die naturgemäße Billigkeit, sodass diese Klage nur unter Abwägung aller Umstände erlaubt wird.30 Nach seiner Ansicht steht einerseits diese Klage dem Bürgen nicht notwendigerweise zu, obwohl der Bürge gegenüber dem Gläubiger verurteilt wird. Diese Klage wird also nicht begründet, soweit die Berufung des Bürgen die Wirkung der Verurtei lung aufschiebt, es sei denn, dass diese Berufung offenbar täuschend ist.31 Wenn andererseits beim Schluss der mündlichen Verhandlung die künftige Aber die Veränderung ist nur scheinbar. Accursius, der insgesamt fünf Sonderfäl le aufzählte (o. Fn. 13), stellte nur das Subjekt des Satzes auf den Bürgen um, so dass er die ersten drei Fälle davon in Einklang brachte. Siehe Glossa (o. Fn. 13) ad D. 17,1,38 Vb. Condemnetur. Auch nach Baldus steht, wenn der Dritte den verkauften Gegenstand noch nicht mit der Vindikationsklage vom Käufer verlangt, die Auftragsgegenklage dem Bür gen, der dem Käufer die Gewährleistung des Rechtsmangels zugesichert hat, noch nicht zu, obwohl der Bürge sehr lange an das Schuldverhältnis festgebunden ist. Denn seine Schuld ist noch nicht wirksam, solange der Dritte vom Käufer nichts verlangt. Baldus, Commentaria in secundam Digesti veteris partem, Venedig 1615, ad D. 17,1,38 Additio num. a Vb. Pignus, & fideiussor sagte klar: „Et not. quod non dicitur fideiussor diu stetisse in obligatione, nisi prius obligatione commissa: nam ante non potest dici in solutione cessatum.“ Vgl. auch Baldus (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 8 Vb. Sed hic quaero numquid. So auch Paulus (o. Fn. 17) ad C. 4,35,10 num. 2 Vb. No. non posse. 27 Duranti, Speculum iudiciale, Venedig 1585, Pars 4 De iudiciis § 3 Specialia Vb. Quid si fideiussor. 28 Bartolus, Commentaria in secundam Digesti veteris partem, Lyon 1581, ad D. 17,1,38, Vb. In fine gl. Zum Inhalt der Haftung vom gerichtlichen Bürgen im 12.–13. Jhdt., vgl. Harry Dondorp, Die Haftung des fideiussor iudicio sisti bei den Glossatoren, RIDA 53 (2006) 221–236, 226 ff. 29 Baldus erlaubte von den Fällen der ausdehnenden Anwendung nur den gerichtlichen Bürgen. Baldus (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 7 Vb. Modo venio et (o. Fn. 26) ad D. 17,1,38 Nova Additio num. 5 Vb. Sed an condemnato. 30 Baldus (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 4 (o. II 2). 31 Baldus (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 14 Vb. Sexto quaero.
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Verurteilung bestimmt vorausgesehen werden kann, so steht die Klage auch dem noch nicht verurteilten Bürgen zu.32 Noch weiter ist es (bezüglich des Inhalts des Adverbs „diu“ im Marcellus-Fragment) nicht gerecht, die Frist beispielsweise auf 10 Jahre festzuset zen, son dern das Problem, ob der Hauptschuldner mit der Erfüllung schon lange säumig bleibe, ist nach dem Ermessen des Richters abzuschätzen.33 Außerdem entnahm Baldus der naturgemäßen Billigkeit die stillschwei gende Vereinbarung über diese Klage zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen in dem Fall, in dem dieser auch für die Vertragsstrafe haftet.34 Denn es ist wegen des Schuldnerverzugs zu befürchten, dass die Summe der Vertragsstrafe sich vermehrt. Nach Baldus ist es unangemessen, dass der Bürge von der Handlung des Schuldners in eine höhere Befürchtung hinein gerät. Seine Einstellung war also genügend flexibel, sodass man hier eine Formulierung, die die ein zelnen Tatsachen außer Acht lässt, nicht finden kann. In diesem Zusammenhang kann man seine positive Meinung für den notariellen Bürgen völlig verstehen. Paulus de Castro hinterließ keine genügenden Ausführungen, sodass wir seinen Standpunkt nicht klar erkennen können. Aber die Meinungen, denen er folgte, zeigten eine positive Haltung gegenüber der Ausdehnung. Sali cetus erlaubte dem gerichtlichen Bürgen diese Klage.35 Johannes de Imo la36 (ca. 1367–1436) und Angelus Aretius de Gambilionibus37 († 1441) gewähr ten diese Kla ge noch weitergehend dem das Studium im Ausland planenden Bürgen und dem mit dem Hauptschuldner in Feindschaft liegen den Bürgen. Die Kommentatoren liebten die Tendenz, diese Klage auszu dehnen. 32 Baldus
(o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 14 Vb. Septimo quaero. (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 18 Vb. Decimo quaero. 34 Baldus (o. Fn. 22) ad C. 4,35,10 num. 12 Vb. Quinto quaero et num. 13 Vb. & dicit hic [12.] „Quinto quaero, si non est condemnatus, nec quasi condemna tus, tamen est periculum ratione dilationis, ne incurrat poenam, an interim agere poterit quod liberetur. & videtur quod sic p r o p t e r n a t u r a l e m a e q u i t a t e m , ne facto rei incidat in maius periculum, incideret enim pro certo in poenam, vt no. [D. 46,1,65]. quod verum credo, quia hoc ex bona fide inest, vnde t a c i t e v i d e t u r a c t u m i n t e r e u m , & f i d e i u s s o re m . [13.] & dicit hic Nico. de Mat. quod vbicumque in instrumento apponitur dies, statim post diem fideiussor potest agere, per [D. 17,1,45,3] quod non credo verum, nec est lege cautum.“ 35 Salicetus (o. Fn. 21) ad C. 4,35,10 num. 6 Vb. Oppo. tertio et num. 8 Vb. Ex praedictis. 36 De Imola, Commentaria in librum tertium Decretalium, Venedig 1500, ad X. 3,22,5 Vb. Sextum casum. 37 Angelus, Lectura super Institutionibus, Venedig 1499, ad Inst. 3,20,6 Vb. Septimus casus. 33 Baldus
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Aber diese positive Haltung ist auch mit der negativen Meinung gegen den notariellen Bürgen vereinbar; denn sowohl der Plan zum Studium im Ausland als auch die Feindschaft zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen sind die Tatsachen, welche erst nach dem Abschluss des Bürg schaftsvertrags ein tre ten. Auch im Fall der gerichtlichen Bürgschaft war der Hauptschuldner bei seiner Bürgschaftsbestellung noch nicht verurteilt worden, und es war nicht sicher, ob er nachher verurteilt würde. Daher kann die Gefahr, dass wegen der Verurtei lung des Hauptschuldners der Gläubiger sofort das Vollstreckungsverfahren gegen den gerichtlichen Bür gen beantragen kann, als eine später eingetretene Tatsache betrachtet wer den.38 Aber wie betrachteten die Kommentatoren unter dieser Ausdeh nungstendenz das neue Problem, dem die Juristen in der klassischen Zeit nicht gegenüber gestanden hatten? III. Meinungsverschiedenheit zwischen Baldus und Paulus 1. Baldus Nach dem neuen Verfahren, das im Stadtrecht von Florenz in der ersten Hälfte des 13. Jh. eingeführt wurde, benötigte der Gläubiger kein Erkenntnis ver fahren, wenn er eine vollstreckbare Urkunde, instrumentum guaren tigiatum, hatte.39 Seitdem konnte dieser Gläubiger sofort nach der Fälligkeit das Vollstreckungsverfahren beantragen. Die Juristen in der Renaissancezeit behandelten das Problem, ob der Bürge, der gegenüber dem Gläubiger seine Bürgschaftserklärung durch die vollstreckbare Urkunde bestätigt hatte, so fort nach der Fälligkeit die Auftragsgegenklage erheben könnte. Bartolus40 und Baldus stellten den notariellen Bürgen mit dem Verurteil ten aus dem Grund gleich, dass die beiden Bürgen der sofortigen Vollstre ckung ausgesetzt sind. Nach Baldus kann die Klage sich schon auf diese zwingende Gefahr begründen. 38 Aber die Kommentatoren zeigten uns keine klare Theorie an, sondern sie deute ten nur auf die Begründung hin, den fideiussorem iudicii mit dem fideiussori contractus nicht gleichstellen zu können. Salicetus (o. Fn. 21) ad C. 4,35,10 num. 8 Vb. Ex praedictis. 39 Zur Entstehungsgeschichte siehe Hans Karl Briegleb, Ueber executorische Urkunden und Executiv-Prozess, 2. Aufl. 1. Teil, Stuttgart 1845, 36 ff. 40 Bartolus, Commentaria in secundam Digesti noui partem, Lyon 1555, ad D. 46,1,45: „quando fideiussor obligat se per instrumentum confessionatum vel guarenti gi atum, quod habet paratam executionem sicut sententia ex forma statuti quod statim possit agere.“
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Baldus, ad C. 4,35,10 num. 11 Vb. Quarto quaero.41 Quarto quaero, dicitur hic de fideiussore In C. 4,35,10 wird über den verurteilten damnato, sed quod si sit talis casus, in Bürgen gesprochen, aber ich behandle quo non sit necessaria condemnatio ex viertens nun den Fall, wo die Verurteilung forma statuti, vt quia est obligatus per für den Gläubiger deshalb aufgrund des instrumentum guarentigiae? Respondit Gesetzes unnötig sei, z. B. weil der Bürge tunc p o s t m o d i c u m t e m p u s agere sich durch eine vollstreckbare Urkunde poterit, quia ex ecu tio est parata. facit verpflichtet hat. Nach der Antwort kann quod no. Cy. in similis [ad C. 3,36,13]. er in solchem Fall n a c h g e r i n g e m Z e i ta bl a u f klagen, weil die Vollstre ckung gegenüber ihm vorbereitet worden ist. Das bemerkt Cinus ad C. 3,36,1342.
2. Paulus de Castro Aber die zeitgenössischen Juristen, zu denen auch der Schüler des Baldus gehörte, übernahmen die Gegenmeinung.43 Diese Meinung richtete sich auf den Auf tragsinhalt, und dadurch beschränkte sie den An wendungsbereich der Klage auf den Fall, in dem die Vollstreckung gegenüber dem notariellen Bürgen wirklich begonnen hat.44 Nach dieser Meinung hat der Bürge die Vollstreckbarkeit der notariellen Urkunde völlig verstanden, und unter die sem Umstand hat er beim Bürgschafts auftrag dem Hauptschuldner den Vorteil versprochen, den Kredit zu verschaffen. Aufgrund dieses Verspre chens soll es ihm ferner verboten werden, den Schuldner zur Zahlung oder zur Suche eines anderen Bürgen zu zwingen, während der Gläubiger sich in Schweigen hüllt. Wenn der Gläubiger noch nicht die Vollstreckung an ihm einleitet, so kann er die Auftragsgegenklage nicht erheben, ohne gegen sein Versprechen zu verstoßen. 42
41 o.
Fn. 22. behandelte die Gesellschaftsklage im Fall, bei dem der beklagte Gesell schafter sich wegen des gesellschaftlichen Handelsgeschäfts dem Dritten verpflichtet hat. Hier kann der Beklagte sich gegenüber dem Kläger das gesellschaftliche Vermögen vorbehalten, um dem Drittgläubiger die Schuld zu zahlen, soweit der Beklagte wegen dieser Schuld schon verurteilt ist. Der Beklagte, der sich durch das instrumentum guarentigiatum verpflichtet hat, steht, nach Cinus, dem Verurteilten aus dem Grund gleich, dass dieses instrumentum vollstreckbar ist. Cinus de Pistoia (ca. 1270–1336), Commen taria in Codicem, Frankfurt a. M. 1578 (Nachdruck Torino 1964), ad C. 3,36,13 num. 2. 43 Salicetus (o. Fn. 21) ad C. 4,35,10 num. 8 Vb. Sed dubitari potest de octauo; Angelus (o. Fn. 37) Inst. 3,20,6 Vb. Octauum casum. 44 Salicetus (o. Fn. 43) Vb. Sed dubitari potest de octauo: „Ego dubito quia considerato modo in quod intercessio et confessio ac etiam praeceptum fuerit simul et quasi in instanti et voluntariae ex quadam tacita conuentione quod non sic post modicum tempus possit agere. alias fideiussio non videtur prodesse reo contra ea quae hic no. glo. et dixi in praece. contra. vnde videretur expectandum quod contra eum [fideiussorem] peteretur executio instrumenti cogitabis.“ 42 Cinus
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Paulus, ad D. 46,1,4545 Fideiussor condemnatus etiam an tequam soluat, agere potest vt libe retur, vel indemnis conseruetur. hoc dicit. casus est iste. si autem non esset condemnatus, tunc antequam soluat agere non posset, nisi diu stetisset in obligatione: quod dic vt [D. 17,1,38 & C. 4,35,10]: quia videtur dedisse fidem de soluendo, vt [D. 12,6,47]. & sic antequam soluat non est functus officio suo. dicit tamen hic Bart. quod si esset obligatus per instrumentum, quod ex forma statuti haberet executio nem paratam, sicut sententia, quod tunc esset idem quod hic. quod Ange. reprobat, & bene, quoniam a prin cipio sciebat posse in cipi ab executione, & nih i l o m i n u s f i d e m d e d i t d e s o l u e n d o : vnde deciperetur debi tor si statim ab eo posset mo le stari ipso adhuc a creditore non mo lestato: ideo dicit eum non posse agere, nisi diu steterit in tali ob ligatione. 46
Der verurteilte Bürge kann auch vor seiner Zahlung wegen seiner Befreiung oder Schad loshaltung klagen. Das sagt D. 46,1,45, wo dieser Fall behandelt wird: Wäre der Bürge dagegen nicht verurteilt worden, so könnte er vor seiner Zahlung nicht anders klagen, als wenn er an seine Verpflichtung schon lange gebunden wäre. Das ist anzunehmen, wie D. 17,1,38 und C. 4,35,10 sagen, weil es scheint, dass er seine Zahlung verspro chen hat, wie D. 12,6,47 sagt. Daher erfüllt er seine Pflicht noch nicht, bevor er [den Gläubiger] befriedigt. Aber hier sagt Barto lus: Wenn sich nun der Bürge [gegenüber dem Gläubi ger] durch eine Urkunde ver pflich tet habe, die auf grund des Geset zes ebenso wie nach einer Verurteilung voll streckbar sei, so sei dieselbe Folgerung an wendbar. Angelus Aretius46 missbilligt diese Mei nung mit Recht. Denn d e r B ü r g e kannte von Anfang an den Um s t a n d , d a s s d a s Vo l ls t r ec k u n g s verfahren [ohne das Erk e n n t n i s verfahren] sofort eing e leitet wer d e n k a n n ; n i c h t sd e s t ow en ig e r v e r s p r a c h e r d e m H a u p t s c h u l d n e r s e i n e Z a h l u n g . Wenn daher der Hauptschuldner vom Bürgen belastet werden könnte, obwohl der Bürge bis dahin vom [toleranten] Gläu biger nicht be lastet wäre, so würde der Hauptschuldner betrogen. Daher sagt man, dass er nicht anders klagen kann, als wenn er an seine Schuld lange gebunden ist.
3. Bemerkung Wenn man im modernen Recht die Position übernähme, den An wen dungsbereich der Auftragsgegenklage zu erweitern, so könnte man dadurch die Er weite rungsmöglichkeit eröffnen, eine stillschweigende Vereinbarung über die Klage anzunehmen. Aber für die Juristen in der Renaissancezeit war eine solche Vertragsauslegung sowohl unpraktisch als auch unnötig, es sei denn, dass sie irgendeinen besonderen Anhalt in den konkreten Umstän 45 Paulus de Castro, Commentaria in secundam Digesti noui partem, Venedig 1568. 46 Siehe o. Fn. 43.
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den gefunden hatten.47 Der für sie handhabbare Begriff war vielmehr das Ermessen des Rich ters, dem Marcellus dieses Problem überlassen hatte; wenn sie darauf den Blick richte ten, so konn ten sie den Bereich dieser Klage erweitern. Bezüglich der notariellen Bürgschaft beschränkte Baldus mit dem Aus druck post modicum tempus die Klagemöglichkeit auf den Fall, in dem mindestens die Fälligkeit der Schuld schon bevorsteht.48 Sonst brauchte der Bürge nicht die Vollstreckung zu fürchten. Der konkrete Zeitpunkt, in wel chem der Bürge we gen sei ner Befreiung klagen kann, soll je nach den Umständen unterschiedlich sein, aber die Klage steht ihm jedenfalls in ir gendeinem Zeitpunkt zu. Der Hauptschuldner kann bis dahin den vertrag lichen Vorteil aufgrund des Auf trags erhalten. In diesem Punkt bedachte Baldus das Interesse des Hauptschuldners genügend, deshalb konnte er an dererseits auch die danach mögliche Befürchtung des Bürgen betonen. Dagegen legte Paulus das Gewicht darauf, dass der Bürge schon bei der Bürgschaft die Möglichkeit der sofortigen Vollstreckung verstanden hatte. Also stellte er als Parteiwillen fest, dass der Bürge sich zeitlich unbeschränkt dazu verpflichtet, dem Hauptschuldner den Kredit zu verschaffen; diese Ver tragsauslegung wurde theoretisch vom Begriff des Zahlungsauftrages darge stellt. Hier verstand er den Zahlungsauftrag in anderem Sinn als Baldus. Das aufgetragene Geschäft wird allein durch den Abschluss des Bürgschaftsvertrags noch nicht vollendet, sodass der Bürge die Bürgschafts schuld tragen muss. Das begründete sich damals mit der Theorie, dass der Bürge beim Auftrag die Last auf sich genommen hat, nicht nur den Bürg schaftsvertrag abzuschließen, sondern auch den Gläubiger zu befriedigen. Diese Zahlungsauf tragstheo rie bedeutete ursprünglich die Dauerhaftigkeit des Bürgschaftsauftrags.49 Dass Paulus darin die Endlosigkeit bemerkte, ist nicht anormal, vielmehr glaubwürdig.50 Dann, wenn man den Zahlungsauf trag in diesem Sinn zum Ausgang nimmt, so kann man aus dem Auftrag folgern, dass nur ein unvorhergesehener, nachträglich eingetretener Umstand diese Klage ohne Vertragsverletzung ermöglicht. 47 Nicolaus Matarellus (ca. 1240–ca. 1310) hatte behauptet, dass, wenn die Fäl ligkeit der Hauptschuld in der nicht vollstreckbaren Vertragsurkunde der Bürgschaft aufgezeigt ist, der Bürge sofort nach dieser Fälligkeit die Auftragsgegenklage erhe ben konnte. Dagegen betrachtete Baldus diesen Umstand als unzureichend, um die stillschweigende Vereinbarung über die Klage zu erkennen. Siehe o. Fn. 34. 48 Aber Bartolus genehmigt die sofortige Klage des Bürgen und zeigt dort keine Beschränkung. Bartolus (o. Fn. 40) ad D. 46,1,45. Siehe auch Baldus (o. Fn. 26) ad D. 17,1,38 Nova Additio num. 3 Vb. An iudex. 49 Siehe o. II 2. 50 Siehe o. Fn. 21.
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Doch ist das nicht der einzige Weg. Wenn der Parteiwille nicht eindeutig festgestellt werden kann, ist anzunehmen, dass der Bürge nur die geringere Last auf sich genommen hat, weil der Bürge vom Hauptschuldner meistens kein Entgelt erhalten hat. Dass der Bürge die Absicht gehabt hat, für das Kreditgeschäft des Hauptschuldners endlos zu sorgen, ist dazu auch bei ver nünftiger Auslegung nicht denkbar. Baldus hatte wahrscheinlich solche Ge danken, weil er den Grund dieser ungewöhnlichen Klage im natürli chen Rechtsgefühl fand (naturalis aequitas).51 Zwar stimmte Baldus bezüglich des Grundsatzes nicht der Gegenmeinung aus Orléans zu, sondern der Zahlungsauftragstheorie. Aber er sagte nur, dass die Kritik aus Orléans an dieser herkömmlichen Theorie unrichtig sei.52 Er beschäftigte sich nicht mit dem Problem, ob diese Theorie der Gegenmei nung vorzuziehen sei, sondern nur mit dem Problem, ob diese Theorie ge nügende Anwendbarkeit habe. Daher behielt er sich die Möglichkeit vor, diese Theorie zurückhaltend anzuwenden. Also kann man die Einstellung des Baldus wie folgt be trachten: Während er einerseits die Zahlungsauf tragstheorie unterstützte, hatte er andererseits einige Bedenken, diese Theo rie weiter auszudehnen. IV. Schlusswort Diese Meinungsverschiedenheit wurde noch von der nächsten Generation wiederholt, in der die Mehrheit den Standpunkt des Baldus vertrat.53 Diese Meinung wurde in Frankreich weiterentwickelt. Anton Faber (1557–1624) stellte also den notariellen Bürgen mit dem Verurteilten gleich.54 Darüber hinaus eröffnete er die Klagemöglichkeit im Fall, bei dem es scheint, der Gläubiger nehme den Bürgen sofort in Anspruch. Dabei gestaltete Faber den Inhalt des Zahlungsauftrags um, sodass der Bürge für ermächtigt gehalten wird, über das Vermögen des Hauptschuldners zur Zahlung zu verfügen. Er leitete aus dem Zahlungsauftrag nicht die Last des Bürgen ab, sondern die Schutzpflicht des Hauptschuldners dafür, dass der Bürge keine Vollstreckung gegen sich zu befürchten braucht.55 51 Siehe
o. II 3. o. II 2. 53 Vgl. Augustinus Barbosa (1590–1649), Collectanea doctorum, Lyon 1716, t. 2 lib. 2 tit. 22 cap. 5 (ad X. 3,22,5) num. 10. 54 Anton Faber, Codex Fabrianus, Genf 1628, lib. 4 tit. 26 def. 26. 55 Nach Faber scheint es, dass der Bürge den Zahlungsauftrag vom Schuldner erhalten hat, und dass er folgerichtig sowohl den Auftrag zu allen Handlungen, ohne welche er nicht zahlen kann, als auch den Auftrag, das Vermögen des Schuldners zu verkaufen, erhalten hat, sodass der Erlös aus dem Verkauf nicht ihm, welchem bis dahin nichts weggenommen ist, sondern dem Gläubiger geleistet wird. 52 Siehe
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Hier hatte Faber die letzten Vorbereitungen dafür abgeschlossen, dass Jean Domat die Fälligkeit der Schuld als einen Klagemoment betrachten konnte. Nach Domat kann, obwohl der Gläubiger sich in Schweigen hüllt, der Bürge gegen den Hauptschuldner klagen, soweit die Schuld fällig ist.56 Diese neue Theorie ist in den Code civil aufgenommen worden. Wir können andererseits den Einfluss des Paulus de Castro auf das deut sche Recht finden. Die Zahlungsauftragstheorie blieb noch in der 1. Kommis sion zum I. Entwurf BGB übrig.57 Diese Theorie ist heutzutage zwar von der herrschenden Meinung abgelehnt,58 aber deren herkömmlicher Rahmen ist noch nicht gesprengt. „D 17.1.38.1 Marcell sing resp war einer der maßgeb lichen Texte, dem die gemeinrechtliche Praxis den Befreiungsanspruch des Bürgen und seine Voraussetzungen entnahm; ihr ist über § 944 des Dresdener Entwurfs die Regelung des BGB in § 775 Abs. 1 verpflichtet.“59 Unter dieser gesetzlichen Voraussetzung betrachtet die herrschende Meinung den Bürg schaftsauftrag grundsätzlich als endlos dauernd;60 daher beschränkt sie den Faber (o. Fn. 54) def. 24 nota 4: „Quasi videatur fideiussor mandatum habere a debitore ad soluendum, & consequenter ad ea omnia facienda, sine quibus non pos sit soluere, ac proinde ad bona ipsius debitoris vendenda, vt ex pretio satisfiat non fideiussori ipsi, cui nihil adhuc abest, sed creditori.“ 56 Domat, Les loix civiles dans leur ordre naturel, Paris 1691, liv. 3 tit. 4 sect. 3 art. 3: „Si le principal obligé est en demeure de payer le créancier au terme, le Fide jusseur peut le poursuivre après le terme échû pour l’y obliger, quoy que le créancier ne demander rien. Et si l’indemnité du Fidejusseur étoit en péril, il pour roit même agir avant le terme pour sa sûreté. Ainsi, lorsque le débiteur dissipe ses biens, ou qu’ils sont saisis, le Fidejusseur peut s’opposer, & faire les autres diligen ces que les circonstances du péril rendront necessaires (D. 17,1,38,1).“ 57 Motive Bd. 2, 675 in: Die gesammten Materialien zum BGB für das Deutsche Reich, II, Hrsg. Benno Mugdan, Berlin 1899 (Nachdruck: Stockstadt a. M. 2005), 377. Vgl. H. Hasenbalg, Die Bürgschaft des gemeinen Rechts, Düsseldorf 1870, 694 ff. 58 Vgl. Andreas von Tuhr, Actio de in rem verso, Freiburg i. Br. 1895 (Nach druck: Aalen 1970), 61; Rothenberg, Zur Lehre vom Regress des Bürgen gegen den Hauptschuldner mit Rücksicht auf die §§ 676, 677 des Entwurfes eines BGB für das Deutsche Reich nebst Ergänzungsvorschlägen, Gruchot 33 (1889) 364–383, 370 f.; Planck / Fr. Oegg, Kommentar zum BGB II. Bd. 2. Hälfte, Berlin 19284 (Nachdruck: Goldbach 2000), § 775 Anm. 1 a; Heinrich Kremer, Die Mitbürgschaft, Strassburg 1902, 115 Fn. 1 u. 4; Kurt Vogel, Das Recht auf Befreiung von der Bürgschaft nach § 775 BGB, Köln 1937, 15 f. Siehe schon Girtanner (o. Fn. 26) 2. Abt. 2. Buch, 529 ff. 59 Zülch (o. Fn. 14) 82 Fn. 170. 60 Wenn, zum Beispiel, die Dauer der zu leistenden Bürgschaft sich aus der Höhe des Darlehens und der periodischen Tilgungsraten errechnet werden kann, so kann man durch ergänzende Auslegung den Auftrag so betrachten, dass der Bürge sich nur für eine bestimmte, den ihm bekannt gegebenen Darlehensbedingungen entsprechende Zeit zur Bürgschaftsübernahme verpflichtet hat. Aber es bedarf ir gendeines Anhaltspunktes zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen, um die
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Anwendungsbereich des Befreiungsanspruchs auf den Fall, wo durch einen berechtig ten Sondergrund die Auf tragsbeendi gung gerechtfertigt werden kann.
stillschweigende Vereinbarung anzunehmen. Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27. Jan. 1970, WM 1970, 647; Viktor Stötter, Das Vertragsverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Auftragsbürgen, insbe sondere seine Beendigung durch Kündigung aus wichtigem Grunde, MDR 24 (1970) 545–549, 546 f. zu II 3; Soergel / Hans Peter Pecher, Bürgerliches Gesetzbuch 5 / 1, Stuttgart 200712, Rn. 17.
Fernand De Visscher als Archäologe Von Jean-François Gerkens In seiner Einladung hat Professor Nishimura darauf hingewiesen, wie wichtig die „Société Fernand De Visscher“ ist. Als Thema schlug er vor, dass wir uns auf nicht-juristische Quellen konzentrieren sollten, und so kam ich auf das Thema „Fernand De Visscher als Archäologe“. Natürlich war Fernand De Visscher zuerst ein großer Romanist, der in seinen Forschungen immer die verschiedensten Quellen nutzte:1 juristische Quellen, literarische Quellen, epigrafische Quellen, archivistische Quellen – aber auch archäologische Quellen. Fernand De Visscher hat auch seine romanistischen Kenntnisse dadurch verbessert, dass er zu einem leidenschaftlichen Archäologen wurde! Diese – vielleicht weniger bekannte – Seite des großen Wissenschaftlers möchte ich zum Mittelpunkt dieses Beitrages machen. I. Fernand De Visscher 1. Einige Worte zur Person Fernand De Visscher wurde am 14.10.1885 in Gent, im flämischen Bel gien, in einer wohlhabenden Familie Intellektueller geboren.2 Sein um ein Jahr äl terer Bruder Charles3 machte ebenfalls eine brillante Karriere im Bereich des internationalen Rechts. Sehr früh verloren Charles und Fernand ihre Mutter,4 als Fernand nur 17 Monate alt war, und ca. 10 Jahre später starb ihr Vater. Nach dem Tod der Eltern kümmerte sich ein Priester, Abbé 1 Siehe z. B. schon: Franz De Ruyt, L’initiative et les débuts des fouilles belges à Alba Fucens en 1949, in: ALBA FVCENS 1. Rapports et études, Hrsg. J. Mertens, Bruxelles-Rome 1969, 7. 2 René Dekkers, Discours prononcé par Monsieur René Dekkers au nom du Comité exécutif, in: Mélanges Fernand De Visscher IV (=RIDA 1950) 517–522. 3 Charles de Visscher wurde am 02.08.1884 in Gent geboren, und starb am 02.01.1973 in Brüssel. Siehe: Walter Ganshof van der Mersch, Notice sur Charles de Visscher, Membre de l’Académie, in: Annuaire de l’Académie Royale de Bel gique 1981, 114–166. 4 Augusta Fiévé starb am 17.04.1887. Siehe: Dekkers (o. Fn. 2) 517.
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Watté, um die zwei Waisenkinder. Beide studierten mit größtem Erfolg Jura an der Universität Gent.5 1912 heiratete Fernand Lucie Jourdain und wurde im selben Jahr Rechts anwalt in Brüssel. 1914 erhielt er den Lehrstuhl für römisches Recht in Gent, aber der Erste Weltkrieg hinderte ihn leider daran, diesen Lehrstuhl effektiv zu übernehmen. Einen Großteil des Krieges verbrachte er mit seiner Familie in Oxford, wo er seine Arbeiten über die Noxalität vertiefte. Bis 1930 blieb er Professor für römisches Recht in Gent, wo er zwischen 1927 und 1929 ebenfalls das Amt des Dekans bekleidete. Somit folgte er seinem Bruder Charles, der 1924 zum Dekan gewählt wurde. Wie man feststellt, waren sich beide Brüder sehr nahe in allem, was sie unternahmen. Der Parallelismus ihrer Karrieren – und Leben überhaupt – ist kaum zu glauben! Beide absolvierten das gleiche Studium mit ähnlichem Erfolg und wurden mit den gleichen Preisen ausgezeichnet. Beide teilten ihre Leidenschaft für internationales Recht und wurden sowohl Professor als auch Dekan an der Universität Gent. Sie heirateten ungefähr zur selben Zeit und bekamen beide jeweils 5 Söhne und 3 Töchter.6 Nach ihrer Auswande rung nach Brüssel wohnten sie in derselben Straße und unterrichteten beide an der Universität Leuven – eine solche Ähnlichkeit ist schon sehr verblüf fend. Wahrscheinlich spielte die Tatsache, dass sie sehr früh Waisen wurden, eine große Rolle, aber ein derartiger Parallelismus verdient es, erwähnt zu werden, zumal viele gegenwärtige Juristen für den Nachnamen „De Vis scher“ nur einen Vornamen kennen – und dieser ist dann entweder Charles oder Fernand, je nachdem, ob man Romanist oder Internationalist ist. 1930 verließen Charles und Fernand die Universität Gent für die Univer sität Leuven.7 Da nach kam der Zweite Weltkrieg, und das Haus von Fernand De Visscher wurde zu einem Treffpunkt für Patrioten, wo sich die Professoren der verschiedenen Universitäten Belgiens gerne trafen. So wur 5 Beide haben für ihre Endarbeit im Zivilrecht einen Preis gewonnen. Charles ge wann den sehr wichtigen „Concours universitaire“ 1908 (Dekkers [o. Fn. 2] S. 518) und Fernand 1913 (Diese Endarbeit wurde später veröffentlicht: Fernand De Visscher, La vente des choses futures et la théorie du risque contractuel. Étude de droit romain, suivie d’un examen de la jurisprudence moderne, Bruxelles-BerlinParis 1914, 112 Seiten.). 6 Siehe Dekkers (o. Fn. 2) 519. 7 Fernand kam erst 1936 nach Leuven, nachdem er an den Katholischen Fakul täten von Lille unterrichtet hatte. Formell sind beide der Universität Gent verbunden geblieben, von der Charles 1954 und Fernand 1956 emeritiert wurden (Franz De Ruyt, Fernand De Visscher, in: Nouvelle biographie nationale 2, Académie Royale de Belgique, Bruxelles 1990, 133).
Fernand De Visscher als Archäologe113
de auch die „So ciété d’Histoire des Droits de l’Antiquité“ – die spätere SIHDA – während des Krieges geboren. 2. Die Ausgrabungen von Fernand De Visscher in Alba Fucens Kurz nach dem Krieg, 1946, wurde Fernand De Visscher zum Direktor der Academia Belgica in Rom (Belgische Akademie) ernannt. Dieses Insti tut, welches die belgischen Forscher in Rom beherbergt, wurde kurz vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Es war jedoch Fernand De Visscher, der es zu einem brillanten Gelehrsamkeitszentrum gemacht hat.8 Als er diesen Posten in Rom annahm, war es sicherlich nicht im Sinne einer persönlichen Urlaubszeit, sondern viel eher, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Seine ausgezeichneten Beziehungen zu den italienischen Archäologen spiel ten hier eine wichtige Rolle. Während die Vereinigten Staaten eine Konzes sion in Cosa bekamen und Frankreich eine in Bolsena, wurde Belgien und Fernand De Visscher das Recht zu Ausgrabungen in Alba Fucens zugewie sen. Damals war diese Stätte kaum bekannt, da außer der imposanten Stadt mauer nichts mehr sichtbar war. Selbst für einen großen Wissenschaftler wie Fernand De Visscher war es nicht einfach, Archäologe zu werden. Als ihm die Stätte von Alba Fucens an vertraut wurde, wollte er sich nicht alleine an dieses Abenteuer wagen, son dern zog sofort hochangesehene Archäologen zu Rate.9 Am schwierigsten war es, in dieser Nachkriegszeit die nötige Finanzierung für die Ausgrabun gen zu finden. Ohne jegliche öffentliche Unterstützung musste Fernand De Visscher private Gönner suchen, worunter nicht zuletzt sein Schwager Paul Jourdain10 war, der Direktor der Zeitung „La Libre Belgique“. Alba Fucens liegt in der Mitte der italienischen Halbinsel, im westlichen Teil der Abruzzen, 8 Kilometer von Avezzano entfernt auf 1000 Meter Hö he. Während der Antike galt Alba Fucens mit seiner imposanten Stadtmau er als wichtige Festung und wurde durch Cicero als uneinnehmbar, mächtig und von romtreuen Einwohnern besiedelt beschrieben.11 8 Siehe Franz De Ruyt, Notice sur Fernand De Visscher, Membre de l’Académie, in: Annuaire de l’Académie royale de Belgique 1985, 109. 9 Siehe Sigfried De Laet, Préface, in: ALBA FVCENS 1. Rapports et études, Hrsg. J. Mertens, Bruxelles-Rome 1969, 5. 10 Franz De Ruyt, L’initiative (o. Fn. 1) 8. 11 Cic. Phil. III.15: Cumque legio Martia Albae constiterit, in municipio fidelissimo et fortissimo, seseque ad senatus auctoritatem populique Romani libertatem contulerit (…); Phil. IV.2: (…) Albae constiterunt, in urbe opportuna, munita, propinqua, fortissimorum virorum, fidelissimorum civium atque optimorum. (…).
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Im XIX. Jahrhundert beschrieb Carlo Promis Alba Fucens als ein elendes kleines Dorf12 mit hohen Stadtmauern und einigen Monumenten in seiner Mitte. 1915 wurde die moderne Stadt Alba durch ein heftiges Erdbeben zer stört. Die Arbeiten für den Bau neuer Häuser brachten Überreste der alten Stadt ans Ta geslicht, darunter auch einige Mosaïke.13 Während des Zweiten Weltkrieges, 1943, nahm der Ort seine frühere strategische Rolle wieder für kurze Zeit ein, als der Generalfeldmarschall Albert Kesselring dort einen Kommandoposten installierte.14 Aber was uns jetzt interessiert, ist, dass der Ort ab Anfang 1949 endlich von Archäologen systematisch ausgegraben wurde. Als Fernand De Visscher zum ersten Mal die Führung solcher Ausgrabun gen übernahm, war er schon 63 Jahre alt! Er schrieb sogar, dass er selber ein bisschen verwirrt sei, in dieses archäologische Unternehmen miteinbezogen zu sein.15 Er entdeckte die Stätte am 26. Februar 1949 und war unmittelbar fasziniert von dieser neuen Tätigkeit, die ihn erwartete. Die ersten Bohrungen begannen im April 1949, und die Leidenschaft Fernand De Visschers für die Ausgrabungen in Alba Fucens nahm während der 15 letzten Jahre seines Le bens nicht mehr ab. Es muss jedoch erwähnt werden, dass die Lebensbedin gungen am Fundort besonders unbequem waren, doch dafür war der Ort am Fuße des Monte Velino äußerst malerisch und bezaubernd. Die ersten Bohrungen waren vielversprechend, aber die Mannschaft von Fernand De Visscher wurde sehr schnell mit einem neuen Problem konfron tiert: Die Erlaubnis der italienischen Behörden galt nur für Bohrungen und sah vor, dass die Archäologen dem Bauern das Feld in seinem ursprüng lichen Zustand zurückgaben. Man musste dem Bauern schon eine ganze Maisernte abkaufen. In Wirk lichkeit war das Feld jedoch mit Erdhaufen bestreut. Thermen, Tempel, Forum, Basilika usw. All diese Gebäude warte ten nur darauf ausgegraben zu werden. Die italienischen Behörden waren wohl derart positiv beeindruckt, dass die Felder vergessen wurden und nur die archäologische Stätte übrigblieb. Wenngleich der Enthusiasmus des Archäologen De Visscher niemals schwächer wurde, so muss man einräumen, dass sein römisches Abenteuer 12 Carlo Promis, Le antichità di Alba Fucense negli Equi misurate e illustrate dall’architetto C.P., Roma 1836, 83: „Ora Alba è ridotta ad un miserabile villaggio di circa 150 abitanti contadini e pastori“. 13 Franz De Ruyt, L’initiative (o. Fn. 1) 9; Adele Campanelli, La petite Rome des Abruz zes. 50 années de re cherche belgo-italiennes à Alba Fucens. Sulmona 2007, 16. 14 Franz De Ruyt, L’initiative (o. Fn. 1) 9: „un peu ahuri de (se) trouver lancé dans cette entreprise archéologique“. 15 Dies schrieb er an Franz De Ruyt [Franz De Ruyt, L’initiative (o. Fn. 1) 9].
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nicht einfach war; insbesondere als Direktor der Academia Belgica wurde er mit bestimmten Problemen konfrontiert. In Wahrheit war Fernand De Visscher kein großer Manager. Er war ein von Grund auf ehrlicher Mensch und erwartete dasselbe Verhalten von sei nen Mitarbeitern. Einige Angestellte der Academia Belgica begingen jedoch schwere Unterschlagungen, und als Fernand De Visscher sie daraufhin entlas sen woll te, wobei er seinen Posten als Direktor aufs Spiel setzte, nahm der Verwaltungsrat in Brüssel entgegen allen Erwartungen den Rück tritt Fernand De Visschers an. Leider wurde der Ernst der Lage erst viel später in Brüssel erkannt, als es für eine andere Lösung schon zu spät war. Dieser peinliche Vor fall führte letztlich dazu, dass die Ausgrabungen in Alba Fucens von den Aktivitäten der Academia Belgica getrennt wurden. Von nun an wurde die archäologische Stätte für Fernand De Visscher eine persönliche Angelegenheit. 1949 war auch aus einem anderen Grund ein schwieriges Jahr für Fern and De Visscher: Fast hätte er durch eine Netzhautablösung die Sicht ver loren. Damals führte solch eine Diagnose meist zu vollkommener Blindheit. Dank seiner internationalen Kontakte konnte Fernand De Visscher jedoch ein Flugzeug (1949!) nach Zürich nehmen, wo er durch einen der wenigen Chirurgen, die ihn operieren konnten, behandelt wurde und dadurch glück licherweise seine Sehkraft wieder gewann. Im Dezember 1949 wurde entschieden, die Ausgrabungen in Alba Fucens weiterzuführen. Jetzt, da die Bohrungen das hohe Potenzial der Stätte ge zeigt hatten, wurden sowohl die Mannschaft als auch die Mittel verstärkt. Fernand De Visscher blieb der Mentor der erweiterten archäologischen Mannschaft bis zu seinem Tode am 15. Dezember 1964. II. Alba Fucens 1. Die Geschichte Alba Fucens Die Gründung Alba Fucens geht auf die Periode der Geschichte Roms zu rück, in welcher Rom un bedingt das Zentrum Italiens erobern wollte. 304 v. Chr. schloss Rom einen Friedensvertrag mit den Samniten und un terwarf die Aequer, die Marser, die Marruciner und die Paeligner. Um Zentralitalien abzusichern, gründete Rom im Jahre 303 v. Chr. die militäri sche Kolonie Alba Fucens (unter dem Konsulat von L. Genucius und Ser. Cornelius). Diese Stadt war die wich tigste militärische Kolonie, die die römische Republik je gegrün det hat. Sie besaß den Status einer lateini schen Kolonie sowie eine eigene Staats bürger schaft. Sie hatte auch eine
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komplette Autonomie und bekam – anfangs zumindest – das Recht, Mün zen zu prägen.16 Alba Fucens stand auf der Seite von Rom, insbesondere während der durch Rom geführten Kriege im 3. Jhdt. v. Chr., so zum Beispiel im Krieg gegen Sen tinum, der durch Rom und seine Bundesgenos sen 295 v. Chr. gewonnen wurde. Die wichtigste militärische Episode um Alba Fucens spielte sich jedoch während des zweiten Punischen Krieges ab. Während Hannibal die Stadt Rom mit seiner imposanten Elefantenarmee bedrohte, bat Rom seine Kolo nien um Hilfe. Alba Fucens war die einzige Kolonie, die dieser Bitte posi tiv nachkam und 2000 Männer nach Rom schickte. Diese Männer wurden von Rom gerüstet und verteidigten erfolgreich die Stadtmauern, was dazu führte, dass Hannibal verzweifelte und sich Richtung Süden zurückzog. Rom war jedoch undankbar gegenüber seinen Kolonien und hat sie regel recht ausbluten lassen. Im 2. Jhdt. v. Chr. war Alba Fucens nur noch eine ehemalige Festung die einen Großteil ihres Nutzens verloren hatte und gleichzeitig zu einer Art Verbannungsort für entthronte Könige, wie Syphax17 (König von Westnu midien), Perseus18 (König von Makedonien) und Bituitus19 (König der Arverner) geworden war. Im 1. Jhdt. v. Chr. rebellierten die Bundesgenossen gegen die Stadt Rom, die in dieser Zeit schwere Niederlagen erleiden muss te. Alba Fucens bewies wiederum seine Treue zu Rom, musste jedoch nach einer langen Belagerung kapitulieren. Im Jahre 90 v. Chr. zeigten die Bun desgenossen erste Schwächeanzeichen und Rom konnte seine treue Kolonie wieder befreien. In den darauffolgenden Jahren gedieh Alba Fucens zu einer sehr wohl habenden Stadt und wurde zum municipium cum suffragio er hoben, wodurch die Einwohner Albas die römische Staatsbürgerschaft und die Stadt eine große Autonomie erlangten. Alba Fucens hat während des Krieges sehr gelitten, und das Stadtzentrum bedurfte wichtiger Reno vierungsarbeiten. Die öffentlichen Plätze sowie die privaten Häuser wurden jetzt reichlich mit eleganten Kunstwerken, Mosaiken und Fresken dekoriert. 16 Joseph Mertens, Etude topographique d’Alba Fucens, in: J. Mertens, ALBA FVCENS 1. Rapports et études. Bruxelles-Rome 1969, 37–38. 17 Im zweiten Punischen Krieg war Syphax zuerst ein Verbündeter Roms. Er wechselte aber die Seite und wurde als Gefangener nach Rom gebracht. 18 Perseus, Sohn von Philipp V. aus Makedonien, wurde nach der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.) zwischen Makedonien und Rom festgenommen. 19 Bituitus verlor 121 v. Chr. gegen Rom. Er wurde jedoch erst dann gefangen genommen, als er als Botschafter zum römischen Senat kam. Da die Römer nicht be son ders stolz über diese verräterische Tat waren, Bituitus jedoch gleichzeitig fürchteten, wurde er in Alba Fucens in Gefangenschaft gehalten.
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Insbesondere fällt die Vielfalt der verschiedenen Marmore auf, die gebraucht wurden. Der Niedergang Alba Fucens wird im 3. Jhdt. n. Chr. sichtbar. Die Anwe senheit von konstantinischen Geldmünzen zeugte im 4. Jhdt. noch von ei nigen Geschäftstätigkeiten. Zur gleichen Zeit – oder kurz danach – scheint es jedoch auch, dass manche Viertel der Stadt schon verlassen wurden. Zum letzten Mal wird die antike Stadt Alba in den Chroniken bei Prokopios von Caesarea erwähnt. Dieser schreibt, dass in Justinians Zeit eine der Kaiser lichen Armeen 573 in Alba Fucens überwintert habe. Während des Mittel alters blieb nur noch ein kleines Dorf namens Alba Vecchia mit wenigen Häu sern übrig, die das Schloss Orsini umringten. Dieses Schloss wurde 1915 von einem Erdbeben komplett zerstört, und als Fernand De Visscher mit seiner Mannschaft nach Alba Fucens kam, waren nur noch einige not dürftige Häuser übriggeblieben. 2. Die Elefanten von Alba Fucens Wie bereits erwähnt, waren die Lebensbedingungen in Alba Fucens nicht besonders einfach: eine Lage in 1000 Meter Höhe und weder fließendes Wasser noch Strom oder Sanitäranlagen! Nichtsdestoweniger besagen alle Zeugenaussagen, dass das Ehepaar De Visscher stets lächelnd und kommuni kativ enthusiastisch geblieben ist. Heutzutage steht außer Zweifel, dass die von Fernand De Visscher begonne nen Ausgrabungen in Alba Fucens ein großer Erfolg waren. Es wurden u. a. das Forum, eine Basilika, Thermen, elegante Villen, ein Thea ter, ein großes Amphitheater sowie ein wichtiges Herakles-Heiligtum (mit der Statue des Herakles Epitrapezios) ans Tageslicht gebracht. Diese Aus grabungen waren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen sowie mehre rer Ausstellungen in Rom und in Brüssel. Als Dank für seinen wichtigen Anteil an diesen Ausgrabungen erhielt Fernand De Visscher 1964, einige Monate vor seinem Tod, die seltene Auszeichnung „cultore di Roma“. Zu den archäologischen Funden der Mannschaft von Fernand De Visscher in Alba Fucens gehören zwei große Kalksteine. Diese wurden 1951 ausgegra ben und, obwohl sie ziemlich weit voneinander entfernt lagen, gehörten sie zweifellos zueinander. Fernand De Visscher war der Meinung, dass sie die Seitenstücke einer kleinen Bank gewesen sein könnten.20 Auf jedem dieser zwei Blöcke findet man das Vorderteil eines Elefanten. Diese 20 Diese zwei Blöcke wurden auf 55 Meter Abstand, an den NW- und SW-Ecken der Basilika Alba Fucens ge funden. Siehe: Fernand De Visscher, Une histoire d’éléphants, in: L’Antiquité Classique 29 (1960) 51.
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Elefanten beein drucken zwar nicht durch ihre künstlerischen Qualitäten, aber brachten Fernand De Visscher dazu, darüber nachzudenken, wie solch eine frühe Darstellung von Elefanten (die Skulpturen stammen, laut Fernand De Visscher, aus dem 2. Jhdt. v. Chr.) in den Abruzzen möglich gewesen ist. Die Größe der Ohren zeigt eindeutig, dass es sich um afrikanische und nicht um asiatische Elefanten handelt. Daher stellte Fernand De Visscher sich die Frage, wo und wann die Siedler Albas zum ersten Mal diesen Ty pus Elefanten gesehen haben konnten.21 Gaius schreibt, dass die alten Römer die Existenz der Elefanten nicht kannten und dass sie sogar keinen Namen für diese Tiere hatten: Gaius 2,16 At ferae bestiae nec mancipi sunt, velut ursi leones, item ea animalia quae fere bestiarum numero sunt, velut elephanti et cameli. Et ideo ad rem non pertinet, quod haec animalia etiam collo dorsove do mari solent: n a m n e n o m e n quidem eorum animalium i l l o t e m p o r e f u i t , quo consti tuebatur quasdam res mancipi esse, quasdam nec mancipi.
Wilde Tiere sind aber Nicht-Manzipiumsa chen, wie zum Beispiel Bären oder Löwen, ferner diejenigen Tiere, die im Großen und Ganzen zu den wilden Tieren zählen, wie zum Beispiel Elefanten und Kamele. Und daher tut es nichts zur Sache, dass diese Tiere üblicherweise auch zum Ziehen oder Tragen gezähmt werden, d e n n z u j e n e r Z e i t , als man festsetzte, dass manche Sa chen Manzipiumsachen und manche Sachen Nicht-Manzipium sachen seien, g a b e s nicht einmal einen Namen für diese Ti e r e . 22
Es stimmt natürlich, dass die Unterscheidung von res mancipi und res nec mancipi eine sehr alte ist. Für die Römer fand die erste Begegnung mit Ele fanten erst viel später statt, und zwar bei Hera kleia 280 v. Chr. Dort schlug Pyrrhus, der König von Epirus, die Römer mit seiner mit Elefanten verstärkten Armee. Da sie nicht wussten, wie sie diese Dickhäuter nennen sollten, nannten die Römer sie lukanische Ochsen.23 Für Fernand De Vis 22
21 Idem, 52: „où et quand les colons d’Albe ont-ils vu les premiers spécimens de cette variété d’éléphants?“. 22 Übersetzung von Ulrich Manthe, Gaius Institutiones. Die Institutionen von Gaius. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Ulrich Manthe, Darmstadt 2004, 119. 23 Diese Geschichte wird von Plinius dem Älteren erzählt, in seiner Naturge schichte (77 n. Chr.), 8,6,1: Elephantos Italia primum vidit Pyrrhi regis bello, et boves Lucas appellavit in Lucanis visos anno urbis CCCCLXXII, Roma autem in triumpho VII annis ad superiorem numerum additis, eadem plurimos anno DII victoria L. Metelli pontificis in Sicilia de Poenis captos. CXLII fuere aut, ut quidam, CXL, travecti ratibus quas doliorum consertis ordinibus inposuerat. „Elefanten sah man in Italien zuerst während des Krieges mit König Pyrrhus im 472. Jahr der Stadt [282 v. Chr.], und man nannte sie Lukanische Rinder, weil man sie zuerst in Luka nien gesehen hatte; man sah sie aber in Rom sieben Jahre später bei einem Triumph.
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scher besteht jedoch kein Zweifel, dass Pyrrhus’ Elefanten asiatische waren. Hierzu stützt er sich auf ein Elefantenbild, das sich in der Villa Giulia, in unmittelbarer Nähe der Academia Belgica, in Rom befindet. Dieses wurde im 3. Jhdt. v. Chr. auf einen Teller gemalt: der sogenannte Capena-Teller.24 Auf diesem Teller befindet sich ein Elefant der Pyrrhusarmee, dessen Ohren ziemlich klein sind. Die Zuweisung zur Pyrrhusarmee beruht – laut Fernand De Visscher – darauf, dass der Elefant einen kleinen Turm mit Kriegern auf seinem Rücken trägt, den die Karthager nicht gebraucht haben.25 Er ist außerdem der Meinung, dass die hel lenistischen Führer ihre asiatischen Elefanten in Syrien gekauft haben.
Ebendort sah man im Jahre 502 [275 v. Chr.] ziemlich viele, die bei dem Sieg des Pontifex L. Metellus über die Karthager in Sizilien gefangen worden waren. Es waren 142 oder, wie einige sagen, 140, die auf Flößen herübergefahren waren, die man auf aneinandergefügte Fassreihen legte.“ 24 Zu diesem Teller, der sich im Museo Nazionale di Villa Giulia (inv. 23949) befindet, zitiert Fernand De Visscher Giulio Quirino Giglioli, Corpus vasorum antiquorum, Italia, Museo nazionale di Villa Giulia in Roma, Fasc. 3, IV B q (Cerami ca di provenienza Etrusco-Laziale con decorazione sovrapposta; B. Piatti). Dieser schreibt: „Il piatto è vernicato di nero e ha una ricca decorazione all’interno. Sull’orlo linee, rosette gialle, foglie di vite, bianche con corimbi gialli, poi fascia rosso vilacea: tutto tra varie linee concentriche bianche e gialle. Nell’interno su una linea che rappresenta il terreno è la rappresentazione di un elefante di guerra, di color giallo con ritocchi bianchi, seguito da un piccolo. Sull’elefante, che è di tipo asiatico, è una torre di guerra posata su una gualdrappa rossa con sottogualdrappa bianca e tenuta ferma con tre cinghie bianche. Nella torre stessa, che appare di le gno e di color bianco ed è merlata e difesa da un grande scudo circolare giallo, che doveva esser metallico, sono due guerrieri di color bruno, armati di lancia e scudo e con elmo in capo. Sul collo dell’animale è il conducente, di color bruno, con elmo a berretto frigio e con il caratteristico pungolo ad arpione. La interessante rappre sentazione, che, dai particolari, specialmente quello del piccolo elefante, appare chiaramente colta dall’artista italico dal vero; si riferisce evidentemente alla guerra di Pirro in Italia (280–270); data che convienne perfettamente e conferma la crono logia di questa classe di ceramica. Nella parte superiore il piatto ha due fori per poterlo appendere. Diam. 0,295 alt. 0,57. Trovato negli scavi diretti da G.Q.Giglioli nel gennaio-febbraio 1913 a Capena, Necropoli delle Macchie nel Comune di Lep rignano, Tomba a camera n.CCXXXIII.“ Ähnlich auch: Ales sandro Della Seta, Museo di Villa Giulia, Rom 1918, 348–349, n. 23949. 25 Zu diesen Türmen, auf den Rücken der Elefanten, S.: Michael B. Charles, African Forest Elephants and Turrets in the Ancient World, in: Phoenix 62 / 3–4 (2008) 338–362; Arturo Sánchez Sanz, Los elefantes de guerra en los ejercitos de la Antigüedad, in: Arqueo UCA 1 (2011) 55–56. Für manche Autoren könnten jedoch auch Hannibals Elefanten solche Türme getragen haben: Philip Rance, Hannibal, Elephants and turrets in Suda Θ 438 [Polybius Fr. 162b] – an unindentified fragment of Diodorus, in: The Classical Quarterly 59 (2009) 91–110; Michael B. Charles, Carthage and the Indian Elephant, in: L’Antiquité Classique 83 (2014) 119.
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Abb. 1: Capena-Teller (G.Q.Giglioli, Corpus vasorum antiquorum)26
Ungefähr 30 Jahre später, während des 1. Punischen Krieges, kamen die Römer zum ersten Mal mit afrikanischen Elefanten in Kontakt. Fernand De Visscher glaubt jedoch nicht, dass dieser Krieg einem Handwerker aus Alba ausreichend präzise Erinnerungen gelassen hat, um diese Skulpturen herzu stellen. Eine weitere Hypothese könnte sein, dass die Römer im Amphitheater Elefanten für ihre Spiele – die venationes27 – einsetzten. Jedoch wurde das Amphitheater in Alba Fucens erst viel später gebaut, und zwar in Erinne rung an Q. Naevius Macro.28 der Prätorianerpräfekt unter Tiberius war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es schon vorher ein älteres Amphi theater gegeben haben könnte, ist die Wahrscheinlichkeit doch eher gering, dass eine kleine Stadt wie Alba Fucens ein so teures Tier wie einen Elefan 26 Giulio Quirino Giglioli, Corpus vasorum antiquorum, Italia, Museo nazionale di Villa Giulia in Roma, Fasc. 3, IV B q (Tavola 5). 27 Fernand De Visscher hat eine Inschrift über die venationes legitimae im Amphitheater von Alba Fucens gefunden: Siehe Fernand De Visscher (o. Fn. 20) 53 Fn. 6. 28 Eine Inschrift. die sich über den Nordeingang des Amphitheaters befindet, errinert daran, dass dieses Amphitheater auf Grund des Testaments von Q. Naevius Macro erbaut wurde; so Fernand De Visscher (o. Fn. 20) 53 Fn. 7.
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ten für Spiele hätte opfern können. Die Graffiti, die man in Alba Fucens entdeckt hat, zeigen etwa einen Löwen und vielleicht einen Bären. Aber die sehr große Anzahl von Wildschweineckzähnen, die gefunden wurden, weist eher darauf hin, dass das Wildschwein das gewöhnliche Wild der Venationes war. Infolgedessen glaubte Fernand De Visscher, dass die Inspiration des Steinhauers eher im 2. Punischen Krieg zu suchen sei. Als Hannibal mit seinen Elefanten durch Italien marschierte, waren dies mit Sicherheit afri kanische Elefanten. Karthagische Münzen aus dem Jahre 220 v. Chr. zeigen eindeutig, dass zu jener Zeit dieser Typus von Elefanten in Karthago einge setzt wurde. Man findet zur gleichen Zeit sowohl asiatische als auch afri kanische Elefanten; aber was für Fernand De Visscher in diesem Zusammen hang zählte, war die Anwesenheit afrikanischer Elefanten. Die Tatsache, dass die ersten afrikanischen Elefanten zusammen mit Hanni bals Armee italienischen Boden betreten haben, heißt jedoch noch nicht, dass unser Künstler aus Alba Fucens die Gelegenheit hatte, sie zu sehen. Fernand De Visscher war jedoch der Meinung, dass er sie wahrscheinlich wohl gesehen hat. Nachdem die römische Armee am 2. August 216 in Can nae in Apulien eine bittere Niederlage erleiden musste, geriet Hannibals Armee lang sam in Schwierigkeiten. Die Karthager herrschten über den südlichen Teil der italienischen Halbinsel, aber die Römer wollten Kampa nien zurückerobern und belagerten die Stadt Capua. Hannibal wollte Capua wieder befreien, aber es gelang ihm nicht, und hier halfen ihm auch die Elefanten nicht. Nach die ser Niederlage beschloss Hannibal, gegen Rom anzurücken, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die Römer die Belage rung von Capua aufgeben würden. Vielleicht fühlte sich Hannibal aber auch zu sehr nach Süden gedrängt und wollte einfach eine Bresche in die römi sche Front schlagen. Auf keinen Fall aber wollte er sich im Süden einschlie ßen lassen und marschierte daher auf Rom zu – aber über welchen Weg? Hier verfügen wir über zwei Versionen, die von Titus Livius und die von Polybios. Titus Livius erzählt, dass Hannibals Armee versucht habe, den schnellsten Weg nach Rom zu nehmen, also die Via Latina. Zur gleichen Zeit soll die römische Armee (unter Befehl von Q. Fulvius) versucht haben, sie über die Via Appia zu überholen.29 Die Wahl der Via Latina scheint jedoch vollkom 29 Titus Livius 26,8,9–11: [9] Hoc senatus consulto Capuam perlato Q. Fulvius proconsul, cui collega ex volnere aegro redeundum Romam erat, e tribus exercitibus milite electo ad quindecim milia peditum mille equites Volturnum traducit. [10] Inde cum Hannibalem Latina via iturum satis comperisset, ipse per Appiae municipia quaeque propter eam viam sunt, Setiam, Coram, Lavinium praemisit, [11] ut com-
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men unrealistisch, denn die karthagische Armee hätte somit eine große An zahl romtreuer Städte durchqueren müssen. In Polybios’ Version30 marschiert Hannibals Armee über Samnium, in Zentralitalien, nach Rom. Leider lässt Polybios dann plötzlich die Karthager im Norden Roms auftauchen, ohne zu erklären, wie sie dort angekommen sind. Diese Lücke wird aber von Titus Livius selbst gefüllt,31 der auch die andere Version kannte. Als Han meatus paratos et in urbibus haberent et ex agris deviis in viam proferrent, praesidiaque in urbes contraherent ut sua cuique res publica in manu esset. „[9] Nachdem dieser Senatsbeschluss nach Capua übermittelt worden war, wählte der Proconsul Q. Fulvius, der, da sein Kollege noch an einer Verwundung litt, nach Rom zurückkeh ren musste, aus drei Heeren ungefähr 15 000 Fußsoldaten und 1000 Reiter aus und führte sie über den Volturnus. [10] Von hier sandte er selbst, weil er schon mit ei niger Gewissheit er fah ren hatte, dass Hannibal über die Via Latina marschieren werde, Boten in die bei der Via Appia und in der Nähe dieser Straße gelegenen Ortschaften, nämlich nach Setia, Cora und Lavinium; [11] man sollte Verpflegung herbeischaffen und sowohl in den Städten be reithalten als auch aus abgelegenen Gegenden Lebensmittel an die Straße schaffen, ferner in den Städten Mannschaften zusammenziehen, damit jedes Gemeinwesen die Lage fest in der Hand habe.“ 30 Polybios 9,5,7–9: ’Ann…bav d7 met¦ pšmpthn ¹mšran tÁv parous…av, deip no poihs£menov kaˆ katalipën t£ pu r£ kaiÒmena, toiaÚthn ™po…hse t¾n ¢nazug¾n éste mhdšna sune‹nai tîn polem…wn tÕ sumba‹non, crhs£menov d7 ta‹v po re… aiv di¦ tÁv Saun…tidov ™nergo‹v kaˆ sunecšsi kaˆ toÝv perˆ t¾n odÕn tÒpouv a„eˆ ta‹v propore…aiv ™xereunèmenov kaˆ prokatalamb£nwn, œti tîn ™n tÍ `Rèm6 ta‹v diano…aiv perˆ t¾n KapÚhn kaˆ ta‹v ™keˆ pr£xeiv Ôntwn œlaqe diab¦v tÕn ’An…wna potamÕn kaˆ sunegg…sav, éste m¾ ple‹on tettar£konta stad…wn ¢po scën tÁv Rèmhv poi» sasqai t¾n parembol»n. „Nachdem Hannibal fünf Tage verweilt hatte, ließ er nach dem Abendessen aufbre chen; er ließ die Feuer weiterbrennen und gestaltete den Abmarsch so, dass niemand von den Feinden bemerkte, was geschah. In angestrengten und ununterbrochenen Märschen durchquerte er das samnitische Gebiet, indem er stets durch seine Vor huten die Gegenden entlang der Straße erkunden und besetzen ließ. Während die Leute in Rom in ihren Gedanken noch immer mit Capua und den dortigen Ereignis sen beschäftigt waren, hatte er unbemerkt bereits den Anio überquert und war so nahe gekommen, dass er nicht mehr als 40 Stadien von Rom entfernt sein Lager aufschlug.“ 31 Titus Livius 26,11,10–13: [10] Coelius Romam euntem ab Ereto deuertisse eo Hannibalem tradit, iterque eius ab Reate Cutiliisque et ab Amiterno orditur: [11] ex Campania in Samnium, inde in Paelignos peruenisse, praeterque oppidum Sulmonem in Marrucinos transisse; inde Albensi agro in Marsos, hinc Amiternum Forulosque uicum uenisse. [12] neque ibi error est quod tanti que exercitus uestigia intra tam breuis aeui memoriam potuerint confundi – isse enim ea constat –: [13] tantum id interest ueneritne eo itinere ad urbem an ab urbe in Campaniam redierit. „[10] Coelius berichtet, dass Hannibal auf seinem Weg nach Rom nach dort von Eretum seitwärts zog und sein Marsch habe in Reate, Cutiliae und Amiternum begonnen; [11] von Kampanien sei er nach Samnium, von dort ins Ge biet der Päligner gelangt und an der Stadt Sulmo vorbei zu den Marrucinern gezo gen; von dort sei er durch das Gebiet von Alba zu den Marsern, von hier nach Amiternum und zum Dorf Foruli gekommen. [12] Die Ungewissheit rührt aber nicht
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nibal sich entschloss, Capua in Richtung Samnium zu verlassen, durchquer te er Regionen, die den Römern traditionell feindlich waren: die der Paeli gner (Paeligni) und der Marruciner (Marrucini). Dann kehrte er wieder zurück und durchschritt den Ager Albensis der Marser (Marsi), bevor er in Richtung Norden, bis Amiternum bei Aquila, weitermarschierte. Anschlie ßend zog er wieder in Richtung Westen bis Rieti und dann nach Süden, durch das Tibertal, bis Ere tum. Das ist auch der Zeit punkt, in dem ein Teil von Hannibals Armee das Heiligtum Lucus Feroniae plünderte. Dieser zweite – alles andere als gradlinige – Weg zeigt uns ganz deutlich, dass das Ziel der Karthager nie ein Angriff auf Rom war, sondern viel eher die Römer dazu zwingen sollte, die Belagerung von Capua aufzugeben, indem sie ihre Armeen nach Rom zurückriefen. Aber die Belagerung von Capua wurde einfach fortgesetzt. Beide Geschichtsschreiber32 sind sich wieder in der Annahme einig, dass sich die römische und die karthagische Armee am Fluss Anio gegenüber daher, dass sich die Spuren eines so bedeutenden Armee innerhalb so kurzer Zeit in der Erinnerung der Menschen etwas verwischt hätten – dass er dort marschierte, steht nämlich fest. [13] Man ist sich nur darüber nicht einig, ob er auf diesem Weg zur Hauptstadt marschierte oder von der Haupt stadt Rom aus nach Kampanien zurückkehrte.“ 32 Siehe auch: Appian, Hannibal 38–39, 162–169: Kaˆ Ð m7n oÛtw parabÒlwv diesèzeto, ’Ann…bav d7 tÁv cre…av yeusqeˆv ™f’ ¿n ™v LeukanoÝv metekšklhto, ¢n šstrefen ™v KapÚhn, mšga poioÚmenov m¾ periide‹n pÒlin meg£lhn kaˆ eÜ kairon ØpÕ `Rwma…oiv genomšnhn. Prosbalën d7 tù periteic…smati kaˆ mhd7n dunhqe…v, mhd’ ™pinoîn Ópwv ¨n ™v t¾n pÒlin ™spšmyeien À s‹ton À strat…an, oÙdenÕv oÙd’ ¢p’ ™ke…nwn aÙtù sumbale‹n dunamšnou di¦ t¾n ™pite…cisin p£nt6 peri lam b£ nousan, ™pˆ t¾n `Rèmhn ºpe…geto pantˆ tù stratù, punqanÒmenov m7n k¢ke…nouv ØpÕ limoà pišzesqai, ™lp…zwn d7 toÝv strathgoÝv aÙtîn ¢pÕ Ka pÚhv ¢na st» sein, À aÙtÒv ti KapÚhv me‹zon ™rg£sesqai. SuntÒn0 dš spoudÍ dielqën œqnh poll¦ kaˆ polšmia, tîn m7n oÙ dunhqšntwn aÙtÕn ™pisce‹n, tîn d7 oÙd7 ™v pe‹ran ™lqe‹n Øpost£ntwn, ¢pÕ dÚo kaˆ tri£konta stad…wn tÁv `Rèmhv ™stratopšdeusen ™pˆ toà ’AniÁ nov potamoà. [39] Kaˆ ¹ pÒliv ™qorub»qh qÒrubon oŒon oÙ prÒteron, o„ke‹on m7n oÙd7n œcontev ƒkanÒn (Ö g¦r e1con, ™n Kampan…* tÒte Ãn), polem…ou d7 stratoà tosoàde sf…sin ™pist£ntov ¥fnw, kaˆ strathgoà di’ ¢re t¾n kaˆ eÙtuc…an ¢m£cou. “Omwv d7 ™k tîn parÒntwn oƒ m7n dun£menoi fšrein Ópla t¦v pÚlav ™fÚlasson, oƒ d7 gšrontev ™v tÕ te‹cov ¢nep»dwn, gÚnaia d7 kaˆ paid…a l…qouv kaˆ bšlh paršferon. Oƒ d7 ™k tîn ¢grîn sunšqeon ™v tÕ ¥stu drÒm0. BoÁv d7 pammigoàv kaˆ qr»nwn kaˆ eÙcîn kaˆ parakeleÚsewn prÕv ¢ll»louv p£nta mest¦ Ãn. E„sˆ d’ aÙtîn o‰ t¾n gšfuran t¾n ™pˆ toà ’AniÁ nov ek dramÒntev œkopton. MikrÕn dš ti pol…cnion `Rwma‹o… pote ™pi teic… zontev A„ka no‹v ”Albhn ¢pÕ tÁv aØtîn mhtropÒlewv ™k£lesan: sÝn crÒ n0 d’ ™pi sÚ ron tev À dia fqe…rontev, À ™v t¾n ’Albanîn sÚgkrisin, ’Albhsšav aÙtoÝv kaloàsin. ToÚ twn tÒte tîn ’Albhsšwn ™v `Rèmhn disc…lioi drÒm0 di šqeon, toà kindÚnou meta sce‹n, kaˆ 9ma ¢fiknoànto kaˆ æpl…zonto kaˆ t¦v pÚ lav ™froÚroun. TosÍde pro qum…* bracÝ pol…cnion ™k tosînde ¢poi
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standen: die Römer auf dem linken Ufer, die Karthager auf dem rechten. Die Römer schützten sich, indem sie die Brücke über dem Anio vernichte ten. Die Lage der jeweiligen Armeen beweist, dass Hannibal unmöglich die Via Latina genommen haben kann, denn in diesem Fall hätte er auf dem anderen Ufer sein müssen. Die Folge davon ist also, dass die Elefantenarmee den Ager Albensis durchquert hat. Dies wird allerdings auch von Titus Livius angenommen, nur zweifelt er daran, ob es auf dem Hinweg nach oder auf dem Rückweg von Rom geschah.33 Für Fernand De Visscher wurde der Künstler der Elefantenskulptur aus Alba Fucens vom Durchmarsch der Karthagerarmee auf ihrem Weg nach Rom inspiriert. kiîn ™cr»sato mÒnh, oŒÒn ti kaˆ ’Aqh na…oiv ™v Maraqîna mikr¦ pÒliv ¹ Pla taišwn œdrame toà tÒte kindÚnou me ta sce‹n. „[38] Von der Aufgabe ent täuscht, für die er nach Lukanien gerufen worden war, rettete sich Hannibal derart kühn; er wandte sich nach Capua und hielt es für sehr wichtig, eine so große und unter der römischen Herrschaft so bedeutend gewordene Stadt nicht zu vernachläs sigen. Er griff die Stadt mauern an, vermochte aber nichts und fand auch keine Möglichkeit, Lebensmittel oder Soldaten in die Stadt hineinzubringen; und da nie mand mit ihm zusammentreffen konnte, da die Stadtmauer alles einschloss, mar schierte er mit seinem gesamten Heer nach Rom. Er hatte erfahren, dass jene vom Hunger gequält wurden, und hoffte, ihre Feldherren von Capua wegzuziehen oder selbst etwas Besseres als die Belagerung von Capua fertigzubringen. In angestrengter Geschwindigkeit marschierte er durch das Gebiet vieler feindlicher Völker, von de nen die einen ihn nicht aufhalten konnten, die anderen es aber nicht wagten, es auf eine Schlacht ankommen zu lassen. 32 Stadien von Rom entfernt, schlug er sein Lager am Fluss Anio auf. [39] Die Stadt geriet in eine nie zuvor erfahrene Aufre gung. Sie hatten keine geeigneten Truppen, denn die, die sie hatten, standen damals in Kampanien. Ihnen standen plötzlich ein so großes feindliches Heer und ein durch Fähigkeit und Glück unbesiegbarer Feldherr entgegen. Gleichwohl schützten dieje nigen der Anwesenden, die Waffen tragen konnten, die Tore, die alten Männer klet terten auf die Mau ern, die Frauen und Kinder trugen Steine und Wurfge schosse herbei. Die Leute von den Feldern rannten in schnellem Lauf in die Stadt. Man hörte nur noch, dass alle durcheinander schrien, jammerten, beteten und sich gegen seitig Mut machten. Einige rannten heraus und zerstörten die Brücke über den Anio. Einst hatten die Römer bei den Aequern ein kleines Städtchen befestigt, welches sie nach ihrer einstigen Mutterstadt Alba nannten; mit der Zeit nannten sich die Bewoh ner Albenser – sei es aus Nachlässigkeit der Aussprache oder infolge sprachlicher Entstellung, sei es, um sich von den Albanern zu unterscheiden. Von diesen Alben sern rannten damals 2000 in schnellem Lauf nach Rom, um die Gefahr zu teilen; sobald sie ankamen, bewaffneten sie sich und bewachten die Tore. Eine kleine Stadt war die einzige von so vielen Kolonien, die solchen Mut zeigte, wie auch die klei ne Stadt Plataia den Athenern nach Marathon zu Hilfe geeilt war, um die Gefahr zu teilen.“ 33 Titus Livius 26,11,13: „tantum id interest ueneritne eo itinere ad urbem an ab urbe in Campaniam redierit.“
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Diese Skulpturen sind also zugleich ein weiteres Argument gegen die Via-Latina-Hypothese des Titus Livius. Antonio Guarino34 reagierte sehr skeptisch gegen diesen Schluss. Er ist nämlich der Meinung, dass die Elefanten des Pyrrhus nicht unbedingt asia tische waren. Die asiatischen Elefanten kommen nämlich aus dem entfernten Indien. Tatsächlich hat Alexander der Große 200 indische Elefanten nach Ägypten importiert. Hat auch Pyrrhus seine Elefanten aus Indien mitge bracht? Oder waren es Abkömmlinge der Elefanten Alexanders? Guarino glaubt nicht an diese Möglichkeiten. Er meint eher, da Pyrrhus enge Be ziehungen zu Ptolemäus hatte, dass er afrikanische Elefanten aus Ägypten verwendet habe. Die Pharaonen hatten tatsächlich Elefanten des afrikani schen Typus. Nach Guarino bestand Pyrrhus’ Armee sowohl aus afrikani schen als auch aus asiatischen Elefanten. Den Elefanten des Capena-Tellers findet Guarino nicht realistisch genug, um annehmen zu können, dass die Armee des Pyrrhus aus asiatischen Elefanten bestand. Er meint, dass der abgebildete Elefant zwar kleine Ohren, aber zu lange Stoßzähne habe, um daraus definitive Schlüsse zu ziehen. Guarino ist auch der Meinung, dass der Turm auf dem Rücken des Elefanten nichts bedeute. Was die Elefanten aus Alba Fucens angeht, meint Guarino, dass sie keinem lebendigen Modell entsprächen, son dern eher auf sum marischen Beschrei bun gen oder Geld münzen, auf denen afrikanische Elefanten abgebildet waren, beruhten. Fernand De Visscher beantwortet diesen Skeptizismus durch einen zwei ten Artikel.35 Er erklärt, dass Pyrrhus 281 v. Chr. in Taranto angelegt hat und dass das Elefantendressurzentrum an den Ufern des Roten Meeres erst 280 v. Chr. in Ptolemais Theron gegründet wurde. Er bestreitet auch Guari nos Analyse des Capena-Tellers. Für ihn entsprechen die Stoßzähne denen eines asiatischen Elefanten. Der „Turm“, der die Soldaten auf dem Rücken des Elefanten schützt, ist im Orient üblich. Man findet solche Türme zum Beispiel in der Armee des indischen Königs Poros in der Schlacht am Hy daspes 326 v. Chr. Auf dem karthagischen Elefanten hingegen sind solche „Türme“ nicht abgebildet. Somit ist der Elefant auf dem Capena-Teller aller Wahrscheinlichkeit nach ein Elefant der Pyrrhusarmee. Was die von Hannibal benutzten Elefanten angeht, so vergegenwärtigt De Visscher, dass es sich um eine Unterart afrikanischer Elefanten handelte: Laxodonta africana cyclotis oder Waldelefant. Diese Waldelefanten sind ein wenig kleiner als die anderen afrikanischen Elefanten. Sie halten ihren Kopf tiefer und ihren Rüssel fast senkrecht in der Nähe ihrer Knie. 34 Antonio
Guarino, Letture, in: Labeo 7 (1961) 265–266. De Visscher, Encore les éléphants d’Annibal, in: L’Antiquité clas sique 31 (1962) 234–235. 35 Fernand
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Fernand De Visscher bekräftigt also seinen früheren Schluss, indem er ihn verschärft. Die durch den Künstler Albas geschnitzten Elefanten waren wahrscheinlich Waldelefanten der Armee Hannibals, die den Ager Albensis 211 v. Chr. durchquert haben. Was könnte man heute dieser Diskussion zwischen De Visscher und Gua rino hinzufügen? Als Klassiker über die Elefanten im Alten Rom zählt heute noch das Buch von Howard Hayes Scullard: „The Elephant in the Greek and Roman World“ (1974). Für den Capena-Teller stimmt Scullard De Visscher zu: Der auf diesem Teller gemalte Elefant gehört der Pyrrhusarmee an.36 Pyrrhus hat 280 v. Chr. das Adriatische Meer mit 25 000 Soldaten und 20 asiatischen Elefanten überquert.37 Interessant ist auch, dass in der Antike der asiatische Elefant als der größere galt. Die damals bekannten afrikanischen Elefanten waren nämlich Waldelefanten und keine Steppenelefanten.38 Die Elefanten der Karthager waren solche Waldelefanten, die aus Maurita nien oder aus Numidien kamen. Hannibal hatte zwar auch einige wenige asia tische Elefanten, aber die große Mehrzahl seiner Herde bestand aus afrikanischen Waldelefanten.39 Die Karthager waren in der Lage, diese Ele fanten mit Schiffen nach Sizilien zu bringen.40 Während des 1. Punischen Krieges hatten sie schon 50 Elefanten in Agrigentum eingesetzt.41 Die Rö mer haben zu dieser Gelegenheit auch einige dieser Elefanten in Beschlag nehmen können.42 Diese wurden dann von den Römern über den MessinaKanal verfrachtet. Wir wissen nicht genau, was aus diesen Elefanten gewor den ist.43 Fest steht jedoch, dass die Römer schon zu dieser Zeit die Gele genheit hatten, einen Elefanten zu sehen. Als Hannibal seinen Marsch durch die Alpen für den 2. Punischen Krieg antrat, nahm er anscheinend 37 Elefanten mit44 und keiner dieser Elefanten scheint vor der Ankunft in Italien verloren gegangen zu sein.45 Erst nach 36 Howard Hayes Scullard, The Elephant in the Greek and Roman World, Cam bridge 1974, 105. 37 Scullard (o. Fn. 36) 102–103. 38 Scullard (o. Fn. 36) 60–63. 39 Scullard (o. Fn. 36) 148; Charles, Carthage (o. Fn. 25). 40 Polybios, Geschichte 1,18. 41 Scullard (o. Fn. 36) 149. 42 Polybios, Geschichte 1,19; Diodor, Biblioteca historica 23,8. 43 Scullard (o. Fn. 36) 151–152. 44 So Polybios (Geschichte 3,342), der diese Anzahl im Kontext der RhoneÜberquerung angibt. 45 Scullard (o. Fn. 36) 159.
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den ersten Schlachten verlor Hannibals Armee fast alle Elefanten. Aller dings scheinen diese Verluste eher auf die Kälte zurückzuführen zu sein.46 Der ein zige überle bende Elefant wurde von Hannibal selbst geritten.47 Karthago schickte jedoch Verstärkung und darunter auch eine unbekannte Anzahl Ele fanten, die Hannibal in der kalabrischen Hafenstadt Locri in Empfang nahm.48 Während der Belage rung von Capua, im Jahre 211 v. Chr., scheint Hannibal, laut Livius,49 über 33 Elefanten verfügt zu haben. Derselbe Livius50 schreibt jedoch ebenfalls von einer spanischen Kohorte mit nur 3 Elefanten. Wenn diese zwei Behauptungen nicht unbedingt im Widerspruch stehen, ist Scullard der Meinung, dass 33 Elefanten eine Über treibung darstellen.51 Über die Route, der Hannibals Armee nach Rom folgte, sind sich Scul lard und De Visscher einig: Sie durchquerte Alba Fucens.52 Ebenso glaubt Scullard De Visscher, wenn dieser schreibt, dass die in Alba Fucens gefun denen Elefanten ein Zeugnis dieser Durchquerung sind.53 Persönlich bin ich der Meinung, dass De Visscher und Scullard überzeugend gezeigt haben, dass Hannibals Armee den Ager Albensis mit afrikanischen Waldelefanten durchquert hat. Ob die zwei Elefantenstatuen wirklich eine Erinnerung daran sind, scheint mir weniger sicher, wenn auch nicht unmöglich. Um eine persönliche Meinung zu gewinnen, unternahm ich eine Reise nach Alba Fucens. Die archäologische Stätte ist äußerst schön. Leider weiß zur Zeit offenbar niemand, wo diese Skulpturen sich befinden. Die Archäologen von Alba Fucens wissen es auf jeden Fall nicht. Wir haben eine gute Anzahl Fotos dieser Elefanten. Wenn ich mich jedoch nicht irre, scheinen die jüngsten Fotos diese von Joseph Mertens zu sein. Sie stammen aus den Jahren 1971 und 1978 und befinden sich in Anhang zur Festschrift,54 die Joseph Mertens gewidmet wurde. Fernand De Visscher hat sie wie folgt beschrieben: „La sculpture est sommaire et d’une rudesse 46 Scullard
(o. Fn. 36) 161. Geschichte 3,379. 48 Titus Livius 23,41,10. Scullard (o. Fn. 36) 163 ist der Meinung, dass die Tat sa che wahrschein lich dadurch bekräftigt ist, dass zu dieser Zeit eine neue capu anische Silber münze geprägt wurde, auf der ein afrikanischer Elefant dargestellt wird. Der englische Autor sieht es als eine Bestätigung der Wichtigkeit dieser An kunft neuer Elefanten für die Karthagische Armee. 49 Titus Livius 26,5,3. 50 Titus Livius 26,5,11. 51 Scullard (o. Fn. 36) 162–163. 52 Scullard (o. Fn. 36) 163. 53 Scullard (o. Fn. 36) 163–164. 54 Jean-Charles Balty (Hrsg.), Belgica et Italica. Joseph Mertens: une vie pour l’archéologie. Alba in excelso locata saxo… Obscura incultis Herdonia ab agris. 47 Polybios,
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Abb. 2: Die Elefanten von Alba Fucens (Fotoarchiv von Joseph Mertens: Oben: Foto I-1247, Aug.1978; Unten: Foto I-1141, Aug.1971)
expressive, caractéristique de l’art archaïque. Mais le détail le plus frappant de ces curieuses représentations est dans l’énormité des oreilles qui ornent les têtes des deux pachydermes. Il n’est point nécessaire d’être naturaliste pour savoir que c’est là un trait absolument distinctif de l’éléphant d’Afrique. Et dès lors, en supposant que l’on puisse attribuer à nos sculptures une date suffisamment ancienne, telle que le IIe s. avant notre ère, dès lors dis-je, se pose un curieux problème: où et quand les colons d’Albe ont-ils vu les premiers spécimens de cette variété d’éléphants?“ Atti del Convegno in memoria di Joseph Mertens. Academia Belgica, 4–6 dicembre 2008, Bruxelles-Roma 2012.
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Fernand De Visscher geht also von der Annahme aus, dass diese Skulp turen so summarisch sind, dass sie möglicherweise im 2. Jhdt. v. Chr. aus gehauen wurden. Aber eigentlich ist dies nur eine unüberprüfbare Annahme. Diese Ele fanten sind einfach einzigartig und können mit keiner anderen ähnlichen Skulptur verglichen werden. Somit sind sie auch nicht einfach zu datieren. Außerdem könnte man sich auch andere Inspirationsquellen als Hannibals Elefanten vorstellen. So könnten zum Beispiel die Elefanten, die die Römer während des ers ten puni schen Krieges ge fangen haben, ein mögliches Modell gewesen sein.55 Eine weitere interessante Hypothese, die heute anscheinend unter den Ar chäologen Alba Fucens56 bevor zugt wird, ist diejenige, die aus einer In schrift aus der naheliegenden Stadt Avezzano gezogen wird. Es handelt sich hier um eine Kalksäule, die eine Widmung von afrikanischen Soldaten an Herkules trägt.57 Diese Soldaten waren wahrscheinlich Veteranen des Quin tus Cecilius Metellus Pius, General von Sulla, von dem wir wissen, dass er afrikanische Soldaten rekrutierte. Sulla teilte seinen Veteranen auch in Alba Fucens verschiedene Grundstücke zu. So haben also aus Afrika stammende Soldaten in Alba Fucens gelebt. Möglicherweise ist auch dies der Zusam menhang zwischen Alba Fucens und den afrikanischen Waldelefanten. Generell muss man annehmen, dass, wenn diese Skulpturen nicht aus dem 2. Jhdt. v. Chr. stammen, sondern erst später ausgehauen wurden, die potenziellen Inspirationsquellen mit der Zeit immer zahlreicher werden. Zuletzt möchte ich noch kurz betonen, dass man heute einen wichtigen Unterschied zwischen beiden afrikanischen Elefantenarten macht. Wie oben schon mitgeteilt, meinte man in der Antike, dass der asiatische Elefant grösser als der afrikanische sei. Man kannte damals in Europa und in Asien nur den Waldelefanten (Loxodonta cyclotis). Der Steppenelefant (Loxodonta 55 Siehe
o. Fn. 42. Hypothese wurde mir von den Archäologinnen Emanuela Ceccaroni und Claire De Ruyt vorgeschlagen. Claire De Ruyt ist auch die Tochter von Franz De Ruyt, eines Archäologen, der in Alba Fucens zusammen mit Fernand De Vis scher und Joseph Mertens gearbeitet hat. Sie schrieb mir, dass diese Hypothese schon länger von ihrem Vater bevorzugt wurde. 57 CIL IX, 3907; I2, 1815. Cesare Letta, Schede delle epigrafi esposte, in: L’Aia dei musei. Le parole della pietra, Hrsg. Flavia de Sanctis, Rossella Del Monaco, Antonella Saragosa, Daniela Villa, Avezzano 2012, 36: Herculei d(onum) [d(ederunt)] milites Africa[nis] [C]aecilianis. Mag(ister) curavit C(aius) Saltorius C(ai) f(ilius). 56 Diese
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africana) war für sie lange fremd. Man ist lange davon ausgegangen, dass die Waldelefanten nur eine Unterart der afrikanischen Elefanten waren. In zwischen haben genetische Untersuchungen aber gezeigt, dass die Waldele fanten sich genetisch wesentlich von den Steppenelefanten absondern.58
58 Alfred L. Roca, Nicholas Georgiadis, Jill Pecon-Slattery, Stephen J. O’Brien, Genetic Evidence for Two Species of Elephant in Africa, in: Science 8 / 24 / 2001, Vol. 293, Issue 5534.
“I ask and he gave his opinion” (quaero, respondit) – Some Reflections on the Forms of Legal Questions and Responses in D. 17,1,59 and on their Background By Tomoyoshi Hayashi I. Who is the “I” who asks? – D. 17,1,59 (Paulus libro quarto responsorum) as the starting point of enquiry 1. D. 17,1,59 – Text and translation I had a chance to analyze the following source in the course of my study on mandatum. In this article, I want to focus on the way the questions are presented and responses are issued, while treating of the substance of the jurist’s argument itself only briefly. It reads as follows. D. 17,1,59 Paul. 4 resp.1 Si mandatu Titii Calpurnius pecu niam quam Titius credebat stipu latus esset non donandi animo, mandati iudicio eum ab herede Titii posse conueniri, ut actiones suas praestet: idem est et si exacta est a Calpurnio pecunia. (1) P a u l u s r e s p o n d i t fide ius sorem, qui rem pignoris iure ob ligatam a creditore emit, mandati iudicio conuentum ab herede debi toris oblato omni debito restituere cum fructibus cogendum neque ha ben dum similem extraneo emp tori, cum in omni contractu bonam fidem praestare debeat.
Should Calpurnius, on Titius’s mandate, have stipulated for money which Titius was lending with no intention of making a gift, [it is agreed that] he can be sued by Titius’s heir in an action on mandate to oblige him to assign his actions; and the position is the same if the money was exacted by Calpur nius. Paul gave the opinion that a verbal guaran tor, who bought from the creditor an article subject to a right of pledge, [if] he is sued in an action on mandate by the debtor’s heir, who has offered to repay all that is owed, must be compelled to restore it along with the fruits; nor ought he to be regarded as in the same position as a third-party buyer, since he must show good faith in the whole contract.
1 The text of Theodor Mommsen (ed.), Digesta Iustiniani Augusti (Editio maior) I–II, Berlin 1868–1870, is quoted as to Digesta.
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(2) P a u l u s r e s p o n d i t die adiecto in mandato, intra quem praestaturum se Lucius Titius scrip sit, non esse impedimento, quo minus etiam post eum diem conueniri mandati iudicio possit. (3) P a u l u s r e s p o n d i t unum ex mandatoribus in solidum eligi posse, etiamsi non sit concessum in man dato: post condemnationem autem in duorum personam collatam nec essario ex causa iudicati singulos pro parte dimidia conueniri posse et debere. (4) Creditor pignus uendidit: q u a e r o , an, si euicta sit possessio emp tori, regressum creditor ad man datorem habere possit et an intersit, creditoris iure uendiderit an com muni iure promiserit. P a u lus re s p o n d i t , si creditor ex pre tio pignorum debitum con se cutus non sit, mandatorem liberum non uideri. ex hoc responso appa ret, si euic tionis no mine non tene atur, pro ficere eam rem ad liberationem. (5) ‘Ille illi salutem. Mando tibi, ut Blaesio Seuero adfini meo octoginta credas sub pignore illo et illo: in quam pecuniam et quidquid usurar um nomine accesserit in demnem rationem tuam me esse ex causa mandati in eum diem, quoad uixerit Blaesius Seuerus, praestatu rum.’ postea saepe con uentus mandator non respondit: q u a e r o , an morte debitoris liberatus sit. P a u l u s r e s p o n d i t mandati obligationem perpetuam esse, licet in mandato adiectum uideatur indemnem ratio nem tuam me esse ex causa man dati in eum diem, quoad uixerit Blaesius Seuerus, praestaturum. (6) P a u l u s r e s p o n d i t non uideri mandati condicioni paritum, cum in mandato adiectum sit, ut idonea cautio a debitore exigere tur, si neque fideiussor neque pignora ac cepta sint. [spacing by the author]
Paul gave the opinion that the insertion in a mandate of a date within which Lucius Tit ius wrote that he would fulfill his promise is not a bar to his being sued in an action on mandate even after that date. Paul gave the opinion that one of [several] mandators could be chosen [as liable] for the whole, even if this was not [specifically] agreed in the mandate; however, after judg ment had been given against the persons of the two [mandators], it followed by reason of the judgment delivered that each could and should be sued for a half share. A creditor sold a pledge. If the buyer has been evicted from possession, can the credi tor have recourse to the mandator? And does it make any difference whether he sells by the right of a creditor or promises it under the general law? Paul gave the opinion that if the creditor has failed to recover the [whole] debt from the sale price of the pledges, the mandator does not seem to be released. It is clear from this opinion that if he is not liable on account of the eviction, the article [sold off] can serve to release him. “ ‘A’ to ‘B’, greetings. I charge you to lend my relation Blaesius Severus eighty under such-and-such pledges; for which money, and anything which is added under the heading of interest, I shall be surety that your account is secure from loss by reason of the mandate for so long as Blaesius Severus shall live.” Subsequently, after be ing repeatedly summoned, the mandator failed to give a reply. Has he been released by the death of the debtor? Paul gave the opinion that the obligation of the mandate was perpetual, even though there may ap pear to be added in the mandate: “I shall be surety that your account is secure from loss for so long as Blaesius Severus shall live.” Paul gave the opinion that there did not ap pear to have been compliance with the terms of mandate if, when it was [specifical ly] added in the mandate that suitable security should be demanded of the debtor, neither a verbal guarantor nor pledges were taken.2
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2. The external character of the fragment Before proceeding to the main theme, I give a brief survey of the frag ment it self. It bears the rubrica “Paulus libro quarto responsorum” and Lenel conjectures the title of the volume to be “Si certum petetur”.3 It is composed of 7 paragraphs (pr.-6). Paragraph 6 reports a general statement on the demand for real or personal surety by Paulus in the form of an opin ion of his. The others present concrete cases and introduce the opinions of Paulus to establish the rights and responsibilities attributable to the inter ested parties. The general theme of these paragraphs is, apparently, the rela tion between the contract of mandate and real surety or personal surety in the form of a mandator or fideiussor. This conjecture is supported by the general and conclusive statement in paragraph 6. 2
3. The interested parties and presupposed cases I shall deal here with the actual cases by showing the apparently inter ested parties and presupposing the unmentioned ones.4 (pr.) In this paragraph, Titius, Titius’ heir, and Calpurnius figure as inter ested parties; I would suppose further an unmentioned debtor (to be called hereafter “debtor”). Titius lent money to a debtor. Titius gave a mandate to Calpurnius to obligate the debtor to repay the lent money to Calpurnius in the form of stipulation, thus making Calpurnius stipulator. This mandate was not given with the intention of Titius to make the pay ment of the money by the debtor a gift to Calpurnius. Titius died and his heir can sue Calpurnius to assign his actiones acquired as stipulator to him. This scheme is identical to the case where Calpurnius really had collected the money from the debtor: then Calpurnius should hand it over to Titius’ heir. I think 2 Alan Watson, The Digest of Justinian – Revised English Language Edition, Philadelphia 1998 (hereafter Watson 2nd ed.), II 38. 3 Otto Lenel, Palingenesia Iuris Civilis I–II, Leipzig 1889 (hereafter Lenel, Pal.), I 1227. 4 I abstain from quoting specifically, but I also consulted the following transla tions including their footnotes, the glosses, and especially the casus of the Glossa. In this paper I endeavoured to reconstruct in detail the cases at the expense of re dundancy, rather than present a literal translation of the texts. The interested parties are shown at the beginning of the transaction of each paragraph. Translations by Carl Eduard Otto u. a., Das Corpus Juris Civilis, Leipzig 1831 (hereafter Otto, CJC), II, 304–306; Okko Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis Text und Übersetzung, Heidelberg 1999 (hereafter Behrends, CIC), III, 398 f.; Glossa: Corpus iuris civilis iustinianei / studio et opera Ioannis Fehi, 1627 (Repr. Osnabrück 1965) I, pp. 1651– 1653.
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that Calpurnius may have refused the demand of Titius’ heir, arguing that the mandate was dissolved by Titius’s death.5 But Paulus concludes that Calpurnius is obliged to assign the actiones, which had originally been ac quired by Calpurnius on the ground of mandate, to Titius’ heir. (§ 1) In the first case of this paragraph where the exercise of the credi tor’s right to the pledge is at question, the surety and buyer of the pledge, the creditor and seller of the pledge, and the heir to the debtor figure. The debtor remains unmentioned but should be supposed. In the second case where a normal sale is assumed, a third-party uninvolved buyer figures in place of the surety. Paulus gave the following opinion. The surety bought from the creditor a pledge which had been offered by the debtor. The debt or’s heir offered to pay the entire debt to the creditor. If the sale had been done according to the creditor’s right as pigneraticus creditor, the heir can force the buyer to return the pledge with revenues. However, this scheme cannot be applied to the case where the sale was with a third-party buyer. This is because good faith is to be observed in this contract. I think there is some room for conjecture that mandate had intervened between the debt or and the fideiussor and the dissolution of the mandate by the death of the debtor in the first case. But Paulus concluded that the the heir’s claim for restoring the pledge at the hand of the fideiussor, an interested party for the creditor and the debtor’s heir, was justifiable. (§ 2) In this paragraph, only Lucius Titius appears as a debtor who has to pay within a limited period. Whether he is a mandator or a mandatary is not specified but either of them is possible. A creditor should be assumed. Paulus has as follows replied. A date, within which Lucius Titius wrote he himself should pay, has been inserted into to the mandate. Even after the passage of the date, it cannot be an obstacle to sue him according to the iudicium of the mandate. (§ 3) In this paragraph, several mandators of a so called mandatum qualificatum figure. The creditor is not mentioned but should be supposed. Paulus replied as follows. There were several mandators. Even if it had not been specified who among them was to pay the full amount, the unmen tioned creditor can choose from them the one who should pay the whole sum owed. On the other hand, after the sentence had been issued against two persons jointly, each of them can be and should be charged for just half the sum owed. In this case, the difference with the case of several fideiussores who were given the benefit of division by the epistula Divi Hadriani is pointed out in the modern translations.6 5 I.
3,26,10. CJC II 305, n. 91; Behrends, CIC III 398, n. 3.
6 Otto,
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(§ 4) In this paragraph, the creditor and seller of the pledge, the buyer of this, and a mandator regarding the mandatum qualificatum figure. The true owner of the pledge remains unmentioned but should be assumed. In this case, a creditor sold a pledge to a buyer, the true owner appeared and de prived the buyer of his possession. The creditor also had a mandator as quasi surety for the obligation underlying the pledge. Evidently, the creditor had given the loan in compliance with a mandate and furthermore he had required a pledge of the debtor. I ask whether the creditor could pursue the mandator due to the malfeasance as the result of the deprivation of posses sion. It was also asked whether it made a difference in case the creditor had sold it according to his right on pledge or had promised according to the common law of sale, e. g. double payment in case of eviction.7 Paulus re plied as follows. If the creditor failed to recover the debt (for which the mandator was involved) from the price of the pledge, the mandator was not considered to be free from his liability. From the response of Paulus it seems following that unless the creditor and seller is held responsible for the eviction, the pledge can provide for the release of the mandator from his liability. (§ 5) In this paragraph, the mandator concerning the mandatum qualifica tum who wrote a letter, the creditor tu as addressee of the letter, Blaesius Severus as the principal debtor apparently appears. There is no need to as sume an unmentioned person. This case is introduced by the text of a letter addressed to the money lender and creditor by the mandator as quasi sure ty. By writing it, the mandator requests the lender to lend money to the amount of 80 to the debtor Blaesius Severus, his relative, and the mandator offers security for this. He takes on him to pay for the money and interest in case of Blaesius Severus’s failure to pay in order to maintain the account of the lender unimpaired. According to the mandate as phrased in the letter this was as long as Blaesius Severus was alive. Having received this letter, the lender repeatedly requested the mandator to pay but the mandator would not respond to the request until the day of Blaesius Severus’ death. It is asked if the mandator is freed from his liability by the death of the debtor, Blaesius Severus. Paulus replied as follows. The obligation of mandate is perpetual despite the addition of the clause to assume the responsibility as mandator only until the last day when Blaesius Severus was alive. My considerations on the substance of the presupposed cases and the opinions of Paulus end so far. Now I turn to the mode of presenting cases and problems as well as that of quoting responses of Roman jurists.
7 Otto,
CJC II 305, n. 93; Behrends, CIC III 399: „nach allgemeinem Kaufrecht“.
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4. The mode of presenting the question and giving the opinion in the fragment – who is ego? The principium of this fragment does not specify that the argument con tained is Paulus, but the other 6 paragraphs evidently quote the opinions of Paulus with the expression Paulus respondit. What attracts my curiosity is the way in which the questions are posed in the 4th and the 5th paragraph. Here, the expression “quaero” is used. Who is the ego who poses the ques tion when it is Paulus himself, who gives the opinions in the writings of Paulus? No wording like quaeror (“I am asked”) or quaesitus sum is used. If this work is to be ultimately attributed to Paulus, quaesitus sum (“I have been asked”) and respondi should be logically an appropriate pair to pose a question and case and to give a response. Using the third person instead of the first one in pre senting one’s authoritative answers or doctrines is easier to understand, even if it is the author himself who writes them as his own. In this case, it is Paulus, a jurist in charge of giving responses and not ego (“I”), who issued the answer. I shall later consider why the tense is perfect. Then, why quaero is repeatedly used to present a question and case? Who is ego? II. The original setting of giving responses – jurists, clients and pupils 1. Legal consultation and legal education in the republican and principate Rome I would like to present three logically possible persons who may be the subject of quaero. But before examining these possibilities, I want to take a glance at the original settings in which juristic answers were given and at the people who were around the jurist. Since the days of the mid Republi can period, dat ing back for more than 400 years from the late classical period when Paulus worked, authoritative jurists had been giving responses to persons in need of legal knowledge, whether they were magistrates or citizens.8 For example, Marcus Tullius Cicero vividly illustrates the way jurists were consulted by citizens in the daily life of Rome in the late sec ond century B. C.9 Jurists would have given responses to their clients prob ably orally in most cases according to Cicero. Were only jurists and clients present at the consulting scene? Probably also young jurists in spe would 8 Wolfgang Kunkel / Martin Schermaier, Römische Rechtsgeschichte, Köln 200514 (hereafter Kunkel / Schermaier), 126–128. 9 For example Cicero de off. 2,65; de oratore 1,48,212.
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59137
have been attending their teacher and would have watched and listened how he worked by giving responses to his clients.10 A jurist of the Principate, Sextus Pomponius, gave the name auditores (hearers) to the pupils of Servi us Sulpicius Rufus, a leading jurist of late Republican Rome.11 This naming suggests a relationship with a teacher. They must have listened to his opin ions in the course of training. But we should also take note that we are facing the text of Paulus, who belongs to the late classical period of Roman legal science and who worked in the early A. D. third century.12 By this period, the genre of Institutiones had been established in the A. D. second century as educational material and opinions of great jurists were often collected and written down in the form of liber responsorum or libri responsorum. So, the oral character of giving opinions may have decreased in Paulus’ times and young law stu dents may have studied their teacher’s doctrine, as well as that of other great predecessors, mainly through books. 2. Three possible subjects of “quaero” Having made a very sketchy overview on the responding activity and legal education, I would like to present three logical possibilities as to the subject of quaero. The first is the client in need of a legal opinion (hereafter I call this the “client hypothesis” for convenience). The second is his pupil (hereafter the “pupil hypothesis”). The question may have been directly posed to the jurist by his pupils and he may have answered it directly. Or, the dialogue be tween teacher and pupil may have been reconstructed in the posterior edito rial process. The third possibility is that the jurist himself constructed ques tion and reply (hereafter the “jurist hypothesis”). The client hypothesis is the most probable considering the purpose and nature of the response activity. As to the pupil hypothesis, the dialogue be tween teacher and pupil, whether real or fictional, is a convenient way to develop a doctrine. I think that it is found regardless of disciplines, periods and places. Many philosophical, religious, or other arguments were unfold ed in the form of question and answer and students would have found it 10 On the informal and personal character of Roman legal education in the Republican period and its possible continuity in the Principate period as well as on the attendance of young law pupils at their master’s professional activity, see Kathleen M. T. Atkinson, The Education of the Lawyer in Ancient Rome, South African Law Journal 31 (1970) 37 f., 45–49, 52 et passim. 11 D. 1,2,2,44 Pomp. sing. enchir. 12 Kunkel / Schermaier 161 f.
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easy in this genre of writing to discern the issue. Referring to Plato and Confucius may lead us astray from our argumentation. But the like of the title of a book as 師弟問答 Shitei-Mondō “The Dialogue between teacher and pupil” can be found in several cultural traditions. The jurist hypothesis is also probable because asking oneself is a very common way to develop one’s own argument. Many reflections were formulated in the form of ask ing oneself. In Japanese, there is an expression 自問自答 (Jimon-Jitō), which means asking to oneself and replying to oneself. It is a convenient way to sharpen and propel one’s ar gument and is found re gard less of periods, disciplines and places. So as to examine these three possibilities, I would like to make a survey in two steps. Both times the work was done primarily according to the quoted texts in Lenel’s reconstruction of the authors.13 Firstly, I checked the fragments of Pauli libri responsorum with particular attention to the form in which questions and answers were presented and I also tried to find the general characters and tendencies. Secondly, I browsed through the texts of all ten ju rists’ libri responsorum in Lenel to put the work of Paulus in chronological and comparative context. III. The form and character of asking and giving responses in Pauli libri responsorum – inquirer, tense, responder and addressee In this chapter, I want to analyze the way of questioning and responding. As focal points of analysis in this chapter and the next one, I paid particular attention to four points. That is, subject (Who asked and who responded?), tense (When was it asked and responded?), mode / form of expression (how was it asked and responded?) and addressee (To whom was the question and the response given?). The classified results for this chapter are given in Table 1. Let us begin with the form of asking. As is evident from the Table 1, in the 154 fragments collected by Lenel, 54 contain at least one quaero form to make questions. 18 contain at least one qaesitum est (“it has been asked”) form and 3 contain one quaeritur (“he or it is asked”) form.14 As to quaesitum est, the subject is clearly a question or a matter and not a jurist. But the expression quaeritur allows two interpretations. That is, “the jurist is asked” or “the question is asked”. Quaero is rather dominant in the work 13 Lenel,
Pal. can be found in Nr. 1446 (D. 50,1,21, Lenel, Pal. I 1224), Nr. 1458 (D. 5,1,49, Lenel, Pal. I 1226), Nr. 1594 (D. 48,5,41, Lenel, Pal. I 1250). 14 Quaeritur
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59139
of Paulus compared with quaesitum est or quaeritur expressions. I would like you to wait for the moment for my final judgment on the connotation of quaero. At any late, the question is issued by ego and the process of dialogue appears to be going on with the present tense, active voice and the indicative mood. On the other hand, quaesitum est suggests an objective existence of the question. It has already been put forward and exists now as a result. This would be the connotation of the use of passive voice, per fect tense and indicative mood. Again, the subject of quaeritur can be the jurist or a question. This expression also suggests the ongoing process of dialogue but the questions and answers seem to exist objectively with some distance from the author who writes down the text.15 As to responding, 115 fragments contain at least one respondit, or Paulus respondit forms to introduce the response.16 12 fragments contain at least one respondi (“I have responded”) form. No other variations could be found in the work of Paulus. If I can make some observations on this re sult, I would say that responses of jurists are issued in an objective and absolute way. Whether the issuer is ego or is (he), they must come into existence abso lutely and go on existing objectively and unchanged with authorities. The fuzzy proc ess during the argumentation, if any, should have been settled previously to make them appear as fixed. The above may be the connotation of the use of the active, perfect tense and the indicative mood. Then I turn to the problem of the combination of forms of asking and responding. quaero with (Paulus) respondit occurs 48 times and is the most frequent. Then quaesitum est with (Paulus) respondit occurs 14 times, quaero with respondi 7 times, quaesitum est with respondi twice, quaeritur with (Paulus) respondit occurs 3 times.17 The combination of quaero and respondi, that is, “I ask and answer” (Jimon-Jitō type), surely exists. Various combinations of ego, is and impersonal passive expression among the ques tioner and responder seems to be possible in his work. Indeed, a frequent switch among the subject of questions and answers is conspicuous as to some fragments. For example, the combination of quaero and respondi ap pears and respondit expression without question is repeated twice, then the combination of quaero and respondi follows in Nr. 1547.18 I introduce just 15 No combination of quaeritur and respondi could be found in the work of Paulus. 16 Whether the jurist’s name was added or not is not considered in this article. As to the Nr. 1553 (D. 31,86 pr., Lenel, Pal. I 1242), I take the text literally as Paulus respondi. I refer to the notes given by Mommsen to the text. 17 An apparent discrepancy derives from the fact that Nr. 1594 (D. 48,5,41, Lenel, Pal. I 1250) contains both quaesitum est and quaeritur. 18 Lenel, Pal. I 1241, D. 29,1,40.
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one more example. The combination of quaero and Paulus respondit ap pears once and a single respondi appears once, then the same combination of quaero and Paulus respondit is repeated twice in Nr. 1562.19 IV. The tradition of libri responsorum – the chronology of Pauli libri responsorum and a comparison with the other libri responsorum works In this chapter, I want to make a comparison of the work of Paulus with those works with the same title liber or libri responsorum (book(s) of responses) and situate it in the chronological formation and development of this genre of works. Lenel reconstructs the books of 10 jurists.20 That is, Iulius Aquila (here after Aquila),21 M. Antistius Labeo (hereafter Labeo),22 Ulpius Marcellus (hereafter Marcellus),23 Herennius Modestinus (hereafter Modestinus),24 L. Neratius Pris cus (hereafter Neratius),25 Aemilius Papinianus (hereafter 26 Papinianus), Paulus,27 Masurius Sabinus (hereafter Sabinus),28 Q. Cervidi us Scaevola (hereafter Scaevola),29 Domitius Ulpianus (hereafter Ulpianus).30 They can be arranged chronologically as follows:31 Labeo, Sabinus, Nera tius, Marcellus, Scaevola, Papinianus, Paulus, Ulpianus, Aquila, Modesti 19 Lenel,
Pal. I 1244 f., D. 31,87. order is as appears in Lenel. Though some other jurists are reported to have left responses (one even with the title of the collection), Lenel does not give independent titles to the sources. e. g. Aulus Ofilius (Lenel, Pal. I 799 f.), Papirius Fronto (Lenel, Pal. I 947 Papirius Fronto libro tertio responsorum ait, D. 50,16,220, Nr. 1 Call. 2 quaest.). The expression (the jurist) respondit can be found as early as the late republican period i. e. among the sources attributed to Servius Sulpicius Rufus (e. g. Lenel, Pal. II 324). But the expressions related to respondere (to answer) is not attested as to Quintus Mucius Scaevola Pontifex (Lenel, Pal. I 757–764), who is earlier than Servius Sulpicius Rufus. 21 Lenel, Pal. I. 501 f. 22 Lenel, Pal. I 536 f. 23 Lenel, Pal. I 634–638. 24 Lenel, Pal. I 740–755. 25 Lenel, Pal. I 775–777. 26 Lenel, Pal. I 881–946. 27 Lenel, Pal. I 1223–1251. 28 Lenel, Pal. II 189. 29 Lenel, Pal. II 287–316. 30 Lenel, Pal. II 1016–1019. 31 I follow Bretone’s chronological table (Mario Bretone, Manuali Laterza Storia del diritto romano, Bari, 20018, 428–434). 20 The
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59141
nus. They cover the span roughly from the late first century B. C. to the mid A. D. third century. Paulus is a pupil of Scaevola and belongs to the late classical period jurists.32 So he belongs to the relatively late group. The classified result of the browsing of the texts is shown in Table 2.33 As to the works of Aquila, Labeo and Sabinus, less than 2 fragments are collected. As to the work of Neratius, only 10 extant fragments derive from his work in total. Respondit appears only twice among them and I could find few clues to its character. So, it is hard to deal with the work of these four jurists. Then, how about the other 6 works? I would like to begin by showing the general character of each work, which are sometimes very conspicuous. As to Marcellus, every fragment of Marcellus, 16 in total, has the combination of quaero and Marcellus re spondit, without any exception.34 So, the combination of ego and is is not the invention of Paulus. As to Papinianus, few idiomatical words to set questions are used despite the outstanding volume of the extant source.35 Mostly, the question is set by words of Papinianus himself in the form of a case and the answers are given as a monologue of his. 50 fragments show the insertion of respondi. There are 4 anomalous forms of expression of responding in Papinianus’s work, two of which are responsum est (“it has been responded”). The other two are euphemistic uses of the word respondere, i. e. respondendum est (“it should be responded”) or respondendum erit (“it would have to be responded”), which are found only with Papini anus.36 These exceptions are really few compared to all the works of all jurists; the strong tendency to give responses with the expression respondi or respondit is thoroughly dominant. I must add that many fragments are kept in the form of indirect references to Papinianus’ work. In sum, the work of Papinianus occupies a unique place among the works of this genre. As to Ulpianus, the extant sources of his libri responsorum is impressively 32 Kunkel / Schermaier
161. to the volume of the texts, I had to confine the scope of research to the typical 4 forms of asking and responding. Accordingly, the classified sum is not shown as to their combinations. For precise limitations of the research, please refer to the notes given to Table 2. Important anomalous forms of expression are quoted individually for the subsequent argument. 34 Lenel, Pal. I 634–638. 35 Nr. 692 (Lenel, Pal. I 936 f., D. 10,2,35 = Vat. 258); Nr. 702 (Lenel, Pal. I 939, D. 39,6,42 pr.). 36 The anomalous expressions, i. e. those other than the respondi or respondit in the work of Papinianus are as follows: Out of four expressions, two have an eu pheministic connotation. respondendum erit (Nr. 599 Lenel, Pal. I 917, D. 31,77,1); respondendum est (Nr. 620 Lenel, Pal. I 925, D. 36,1,60,3) responsum est (Nr. 733 Lenel, Pal. I 943; Vat. 333; Nr. 571 Lenel, Pal. I 911, D. 31,76,2). 33 Due
142
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scanty considering the absolute great volume of all the works which he left behind. Addressees of the responses are often specified by name in his work.37 As to Modestinus, the combination of quaero and (Herennius Mode stinus) respondit is dominant throughout the source. But the passive or im personal asking, that is, quaeritur, quaerebatur could be found in 8 frag ments, as well as responses with respondi in 3 fragments.38 Switches of subject within a fragment did occur also. As to Scaevola, every form of asking and respond ing as well as all combination of form and switches between subjects can be found.39 There was also a considerable number of anomalous and rare expressions.40 To summarize my general observations, the quaero form of expression is found among Marcellus, Modestinus, Pau lus and Scaevola, the combination of quaero and (the jurist) respondit among all four jurists, that of quaero and respondi among Paulus and Scaevola only. Switches between the subjects are seen with Scaevola, Pau lus and Modestinus. Then I would like to give my opinion as to who is the author of quaero. In doing so, I focus my attention on the above mentioned four points re garding the questioning and responding (by whom, when, how, to whom), that is, the personal, educational and social context of asking and respond ing. Of the three hypotheses proposed as to the subject of quaero, I would like to suggest the “author hypothesis” as the most probable one. This is because I found one phrase consultus quaero (“having been consulted, I 37 9 fragments of Ulpianus show the addressee as follows: The titles are not speci fied except “Maximinus” and “Maxima” (Nr. 2388 Lenel, Pal. II 1016, D. 17,2,73), “Fes tus” (Nr. 2392 Lenel, Pal. II 1016, D. 22,3,30), “Iunianius” (Nr. 2398 Lenel, Pal. II 1017, D. 32,68), “Callippus” and “Fronto” (Nr. 2402 Lenel, Pal. II 1017, D. 46,3,45), “Valerianus” (Nr. 2403 Lenel, Pal. II 1017, D. 46,5,10), “Charidemus” (Nr. 2405 Lenel, Pal. II 1018, D. 50,12,5), “Mactorius Sabinus” (Nr. 2409 Lenel, Pal. II 1018, D. 22,3,31), “Aurelius Felix” (Nr. 2414 Lenel, Pal. 1018, Vat. 44), “Imperator Alexander” (Nr. 2420 Lenel, Pal. 1019, C. 8,37,4). 38 No expression quaesitum est could be found. For example, the passive form ques tion can be observed at the following source, a switch between the subject within a fragment can be found there as well. Nr. 295 (Lenel, Pal. I 743, D. 20,1,26). For the expression respondi, see Nr. 282 (Lenel, Pal. I 741, D. 50,1,36), Nr. 288 (Lenel, Pal. I 742, D. 3,5,26) and Nr. 291 (Lenel, Pal. I 743, D. 5,2,11). Quaerebant (“they were asking”) is a rare anomaly throughout all 10 jurists’ sources and sug gests that interested parties, brothers and fiduciaries of the fideicommissum of the deceased, directly made questions (Nr. 331 Lenel, Pal. I 753, D. 22,3,15). 39 Just as an example, see the long passage of Nr. 258 (Lenel, Pal. II 297–300) for variety and switch of subject. But only respondi can be found as an expression of responding. 40 Quaesiit (“he has asked”) is rare and may be anomalous, see Nr. 221 (Lenel, Pal. II 289, D. 10,2,39). Interrogatus ita respondit (“having been inquired, he has answered as follows”) at Nr. 237 (Lenel, II, 293, D. 18,3,6) is unique.
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59143
pose the following question”) in the work of Scaevola. Though this is noth ing but one evidence, it gives a support in settling my own conclusion. Naturally, it is possible to infer that ego in this source is Scaevola’s pupil who intervened the client and the jurist. But it is more probable that ego is the jurist himself considering the frequent switch among the subject of ask ing in this fragment.41 D. 34,1,13,2 Scaev. 4 resp. Item c o n s u l t u s de tali scriptura ‘et tecum sint semper uolo’: q u a e r o , cum manumissi ab herede cum eo morati diu sint, sed ob grauiorem seruitutem ab eo discesserint, an alimenta his debe antur, quae negat se praestare, nisi uice seruitutis is uteretur. r e spon d i t secundum ea quae proponerentur deberi. [spacing by the author]
Likewise, being consulted about a phrase such as the following, “and I wish them to reside with you for all time,” I ask, when [slaves] manumitted by the heir have re mained with him for a long period but have left him on account of a rather oppressive servitude, whether there is owed to them the aliment that he refuses to provide unless he were to have the use of them in place of slaves. [Scaevola] has given it as his opin ion that according to the facts as alleged it is due to them.42
In most of the extant fragments of all jurists the names of the persons ques tioning are not mentioned. They may have been omitted at the time of draft ing or deleted in the course of the posterior editing process. But some have in any case survived and show that some questions were directly made by clients, that is, interested parties or magistrates. We can see it in the form of a dialogue or in the specification of the questioner. Addressees of the re sponses are also specified by name or accompanied by a title in some cases. 42
Indeed, legal responses were not just abstract words on law and society meant to circulate only within the community of jurist teacher and pupils in the Roman legal tradition. They were definitively issued in response to consultations of clients in need of legal advice. The extant books of respons es seem not to be a mere accumulation of questions which arose in the daily adminis tra tion of offi cials, or in the daily life of citizens, as well as of answers, directly given to them to satisfy their direct needs. Again, direct enquiries from clients are definitively attestable in various forms, with the exception of the quaero form of expression.43 I would like to make some sug 41 The combination of quaero and respondi precedes within the same fragment (D. 34,1,13 pr. Scaevola 4 quaest.). 42 Watson 2nd ed, III, p.144. 43 One of the responses by Papinianus was reported to be addressed to the prae tor Iunianius (Papinianus Nr. 499 Lenel, Pal. I 898, D. 23,4,2). An interested party, that is a buyer of an estate from the deceased person’s wife who was nominated as heir, appears as a questioner (Scaevola Nr. 278 Lenel, Pal. I 307, D. 31,89,7). The expression Paulus respondit … postea consultus … respondit (“Paulus responded.
144
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gestions with regard to the possible function of the jurists in filtering or mod ifying, applied in at least some cases by the jurists to mere consultations by clients. My suggestion is that the expression quaero is used when the mere consultations were received by the jurist and then modified to form an ap propriate question, in order to lead to a legal response, while various prem ises were adjusted to form a good case for the case collection.44 How about legal education? Was not ego a pupil? In the course of perus ing the texts, no indication of a jurist’s pupil as inquirer could be found in any work. But in a note of Paulus on the work of Scaevola Paulus is iden tified, specified by his name, and Scaevola’s responses were cited by Pau lus.45 First, this suggests that the work of Paulus’ master was carefully read and examined in a written form by him. Then, we must take note of the fact that Paulus was supposed to be beside his master and to have absorbed his art and skill through oral communication, which is attested by his affectionate and nostalgic men tion of Scaevola’s legal opinions. That is, Scaevola noster aiebat (“our Scaevola used to say that”), haec et Scaevolae nostro placuerunt (“our Scaevola also took these opinions”).46 So I have to modify the conjecture I presented above and I should emphasize the con siderable importance of an oral education and discussion in Paulus’ times, despite the increase of legal literature. But the col lections of responses themselves would not have been formulated as a dialogue between teacher and pupil. If they would have been made in such a way, traces of the pupils would have been left like in the notes by Paulus. So far as we can see in the extant texts of the libri responsorum, the responses of a jurist were is sued by himself as absolute and objective words, primarily directed to the client (please note that nine of Ulpianus’ fragments are ad dressed to individuals), then collected and edited in a written form, and were shared by the jurists belonging to the later generations as such.47 Then he was consulted and replied as below”) suggests a dialogue between the client and the jurist during the consultation process (Nr. 1548 Lenel, Pal. II 1241, D. 28,2,25). 44 My conjecture may be strengthened by the repetition of the combination be tween quaero and Marcellus respondit without any exception (Lenel, Pal. I 634–638). 45 For instance Scaevola Nr. 257 (Lenel, Pal. II 297, D. 5,2,13); Nr. 265 (Lenel, Pal. II 301, D. 33,4,16). 46 For instance Nr. 318 (Lenel, Pal. II 317, D. 2,14,27,2), Nr. 318 (Lenel, Pal. II 317, D. 4,4,24,2) As to the works of Scaevola whose titles are not known, Lenel collects numerous sources and they are suggesting Paulus’ piety and affection to Scaevola, including the adverb eleganter (“beautifully”) (Lenel, Pal. II 317–322). 47 The anomalous expression, rescripsit (“he has written”) in Scaevola’s response suggests that some responses may have been given in a written form in Scaevola’s days (Scaevola, Nr. 295 Lenel, Pal. I 313, D. 42,1,44). As to this source, also see Mommsen’s suggestion for correction respondit.
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59145
V. Conclusion – the jurist as possible inquirer and responder On basis of the argument developed in this article, I may conclude as follows. The subject of quaero is very probably the jurist himself who set the question basing his argument on the actual consultation. As to the word ing of the responses, they were given mostly in an absolute and objective wording by the jurist himself, whether with the expression respondi (“I have responded”) or respondit (“he has responded”). One can also infer the original authority given to the legal responses from this grammatical form. For the under stand ing of how legal arguments within the community of jurists were formed, further research on the other categories of works such as Digesta, Disputationes, or ot her types of monographs is required. Also, the legal authority and effect of the jurists’ responses have been left as a task for the future. Table 1 The forms of asking and responding in the book of responses of Paulus Types of dialogues or monologues
Nr.
Source
Lenel, Pal. I page
(1) quaero + (Paulus) respondit
1450
D. 3,2,21
1225
1453
D. 2,8,14
1225
1468
D. 8,3,37
1227
1470
D. 10,2,38
1227
1474
D. 16,3,26
1227 f.
1475
D. 22,1,12
1228
1476
D. 20,6,11
1228
1478
D. 44,7,29
1229
1480
D. 17,1,59 pr.-1
1229
1485
D. 19,2,54
1230 f.
1492
D. 21,1,58; 22,3,4
1232
1493
D. 21,2,11
1232
1494
D. 16,3,27
1232 f.
(To be continued on the next page)
146
Tomoyoshi Hayashi
Table 1 (Continued) Types of dialogues or monologues
Nr.
Source
Lenel, Pal. I page
1495
D. 21,2,73
1233
1498
D. 24,1,57
1233
1500
Vat. 94 = D. 24,3,49,1
1233 f.
1501
D. 33,4,11
1234
1503
Vat. 96
1234
1507
Vat. 100
1234
1509
Vat. 102
1234 f.
1513
Vat. 106
1235
1514
D. 23,3,72
1235
1518
Vat. 111
1235 f.
1522
Vat. 116
1236
1523
Vat. 117
1236
1528
D. 26,2,32
1237
1531
D. 26,7,46
1237 f.
1539
D. 46,3,100
1239 f.
1545
D. 37,10,13
1240
1546
D. 38,2,47
1240 f.
1547
D. 29,1,40,1–2
1241
1548
D. 28,2,25
1241 f.
1550
D. 28,6,45,1
1242
1553
D. 31,86,1
1242 f.
1555
D. 33,1,12
1243
1556
D. 33,2,28
1243
1562
D. 31,87 pr.
1244
1565
D. 34,2,35
1246
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59147 Types of dialogues or monologues
(2) quaero + respondi
(3) quaesitum est + respondi
Nr.
Source
Lenel, Pal. I page
1572
D. 40,1,23
1247
1573
D. 40,12,38,3
1247
1574
D. 40,4,53
1247
1575
D. 40,5,40
1247 f.
1577
D. 45,1,134
1248
1580
D. 16,1,29
1248 f.
1581
D. 44,3,12
1249
1583
D. 29,5,22
1249
1587
D. 29,2,92
1249
1590
D. 41,7,8
1250
1533
D. 27,1,36,1
1238 f.
1547
D. 29,1,40 pr.; D. 29,1,40,2
1241
1550
D. 28,6,45 pr.
1242
1552
D. 28,6,46
1242
1553
D. 31,86 pr.
1242
1554
D. 32,92
1243
1562
D. 31,87,1
1244
1449
D. 2,4,16
1224 f.
1499
D. 24,3,49 pr.
1233
(To be continued on the next page)
148
Tomoyoshi Hayashi
Table 1 (Continued) (4) quaesitum est or quaeritur + (Paulus) respondit
(5) (Paulus) respondit only
1446
D. 50,1,21
1224
1452
D. 48,16,5
1225
1455
D. 5,2,21
1225
1458
D. 5,1,49
1226
1481
D, 20,1,29
1230
1482
D. 20,3,4
1230
1513
Vat. 107
1235
1520
Vat. 114
1236
1531
D. 26,7,46
1237 f.
1537
D. 26,1,12
1239
1557
Vat. 69
1243
1560
D. 22,1,14,1
1244
1564
D. 34,1,12
1245
1566
D. 35,1,84
1246
1573
D. 40,12,38,2
1247
1594
D. 48,5,41
1250
1447
D. 50,5,9
1224
1448
D. 50,7,9
1224
1456
D. 38,2,46
1226
1457
D. 3,3,69
1226
1460
D. 22,4,3
1226
1461
D. 48,10,16
1226
1462
D. 42,1,42
1226
1463
D. 49,8,2
1226
1464
D. 50,7,10
1226
1465
D. 44,2,31
1226
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59149 1466
D. 44,4,14
1226
1479
D. 46,3,99
1229
1483
D. 20,6,12
1230
1484
D. 46,2,30
1230
1486
Coll. 10,9
1231
1488
D. 19,1,47
1231 f.
1497
D. 23,2,65
1233
1502
Vat. 95
1234
1504
Vat. 97
1234
1505
Vat. 98
1234
1506
Vat. 99
1234
1508
Vat. 101
1234
1510
Vat. 103
1235
1511
Vat. 104
1235
1512
Vat. 105
1235
1515
Vat. 108
1235
1516
Vat. 109
1235
1517
Vat. 110
1235
1519
Vat. 112
1236
1524
Vat. 118
1236
1527
D. 22,3,5
1237
1535
D. 27,7,8
1239
1536
D. 27,9,14
1239
1540
D. 50,16,221
1240
1541
D. 37,1,15
1240
1543
D. 37,6,11
1240
1549
D. 35,1,83
1242
1551
D. 29,2,90
1242
(To be continued on the next page)
150
Tomoyoshi Hayashi
Table 1 (Continued)
(6) respondi only
(7) indirect reference to the book with the title
1558
D. 33,7,19,1
1244
1559
D. 40,5,39
1243
1568
D. 35,2,24
1246
1569
D. 36,1,50
1246
1570
D, 36,1,63
1246
1576
D. 29,2,91
1248
1579
D. 46,3,101
1248
1582
D. 22,1,15
1249
1584
D. 34,9,19
1249
1585
D. 42,1,43
1249
1586
D. 49,8,3
1249
1588
D. 1,5,11
1250
1593
D. 34,5,4
1250
1467
D. 8,2,40
1227
1538
D. 26,6,3
1239
1558
D. 33,7,19 pr.
1244
1596
D. 34,2,37
1251
1530
D. 26,6,2,5
1237
Notes: * Every fragment was counted as one regardless of its size. The appearance of same expressions twice or more within a fragment was counted as only once. * When different types of expressions appeared within a fragment, they were re corded repeatedly. * When any expression of question appeared in a fragment and responses appear in an apparently isolated or remote way, they are not recorded at (5) nor (6), regard less of the order of appearance. For convenience, answers are sup posed to be addressed to the questions given within the fragment. As to No. 1553, I understand the text “Paulus respondit” literally despite the doubt noted by Mommsen.
Legal Questions and Responses in D. 17,1,59151 Table 2 An overview of the 10 works
Jurist’s name
number A: B: C: of quaero quaesitum respondi frag est etc.※ ments
D: respondit ※※
A+D
A+C
Indirect quota tion
Aquila
2
0
0
0
1
0
0
0
Labeo
1
0
0
0
0
0
0
1
Marcellus
16
16
0
0
16
16
0
0
Modestinus
66
37
8
3
61
37
0
0
Neratius
30
0
1
0
2
0
0
9
Papinianus
363
0
2
50
3
0
0
46
Paulus
154
54
20
15
114
48
6
1
Sabinus
1
0
0
0
0
0
0
1
Scaevola
102
45
53
35
61
29
19
5
Ulpianus
34
0
0
2
8
0
0
2
※ = Any passive form, e. g. quaesitum est, quaeritur, quaerebatur etc. is counted. ※※ = Both with and without the jurist’s name.
Occupatio im Alltag der Römer* Von Mariko Igimi I. Einleitung Hinter den Rechtsregeln verbirgt sich das Leben der Menschen. Das ist vor allem der Fall, wenn das Leben auf grundlegenden Instituten wie dem Eigentumserwerb beruht. Heute ist „Res nullius cedit primo occupanti“ ei nes der bekanntesten juristischen Sprichwörter. Es begründet das Institut occupatio nicht nur in den Rechtsordnungen des Civil Law1, sondern auch im Common Law2. Aber war es auch für die Römer eine allgemeine und abstrakte Regel? Welches alltägliche Problem betraf diese Regel? In diesem Beitrag soll versucht werden, die täglichen Erfahrungen der Römer hinter dem Rechtsinstitut occupatio darzustellen. II. Skizze der Digestenstellen zur occupatio 1. Occupatio wird als erste Art des Eigentumserwerbs nach dem ius gen tium erörtert. Man könnte annehmen, dass das Rechtsinstitut occupatio be reits von alters her existierte, weil es in D. 41,1,1 pr. ausdrücklich heißt, dass das ius gentium älter sei (als das ius civile), da es zugleich mit den Menschen entstanden sei. D. 41,1,1 pr. Gai. 2 rer. cott. sive aur.3 An einigen Sachen erlangt man das Eigen Quarundam rerum dominium nan tum nach Völkergemeinrecht, welches kraft ciscimur iure gentium, quod ratione naturali inter omnes homi nes per natürlicher Vernunft bei allen Völkern * Bei Frau Prof. Dr. Ulrike Babusiaux, die mich immer so gut versteht, und ihren Mit arbeitern bedanke ich mich herzlich für die freundliche, sorgfältige und er staunlich schnelle Korrektur dieses Aufsatzes. Großen Dank schulde ich auch Frau Prof. Dr. Tiziana J. Chiusi, bei der ich als Humboldt-Stipendiatin Frau Babusiaux kennenlernen durfte. 1 Siehe nur BGB § 958; MINPO (jap. ZGB) § 239. 2 Bryan A Garner (ed. in Chief), Black’s Law Dictionary, St. Paul, Minn. 20099, 1184 bezieht sich allerdings auf wilde Tiere. 3 Übersetzungen in diesem Aufsatz nach Okko Behrends et al., Corpus Iuris Ci vilis, Text und Übersetzung, Heidelberg 1990 ff. Otto Lenel, Palingenesia iuris ciui lis I / II, Leipzig 1889 (Ndr. Aalen 2000), Gai. Nr. 491.
154
Mariko Igimi
aeque servatur, qua run dam iure civili, id est iure proprio civitatis nos trae. Et quia antiquius ius gentium cum ipso genere humano proditum est, opus est, ut de hoc prius referendum sit.
gleichmäßig beobachtet wird; an andern nach bür gerli chem Recht, d. h. dem Sonder recht unseres Staates. Und weil das Völkergemein recht, als das ältere, mit dem menschlichen Geschlechte selbst entstanden ist, so ist es notwendig, von ihm zuerst zu handeln.
Danach spricht Gaius von der occupatio. Dabei ist es wichtig zu beach ten, was Objekt der occupatio sein kann. D. 41,1,1,1 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Omnia igitur animalia, quae terra mari caelo capiuntur, id est ferae bestiae et volucres pisces, ca pien tium fiunt: D. 41,1,2 Flor. 6 Inst.4 vel quae ex his apud nos sunt edita.
Alle Tiere, welche auf dem Land, im Meer und in der Luft gefangen werden, d. h. die wil den Tiere, die Vögel und die Fi sche, werden Eigentum derer, die sie fangen; oder die von ihnen bei uns erzeugte Nach zucht.
Zunächst gilt das Prinzip der „res nullius“. Beim Erwerb des Eigentums ist es nicht wichtig, „wo etwas gefangen wurde“, sondern „wer etwas ge fangen hat“. D. 41,1,3 pr.-1 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Quod enim nullius est, id ra tione Was nämlich niemandem gehört, wird kraft naturali occupanti conceditur. natürlicher Vernunft dem zugestanden, der sich seiner bemächtigt. Nec interest quod ad feras bestias et Was die wilden Tiere und Vögel betrifft, so volucres, utrum in suo fundo quis ist es gleich, ob jemand sie auf seinem eige que capiat an in alieno. Plane qui in nen Grundstück fängt oder auf einem frem alienum fundum ingreditur venandi den. Frei lich kann jemand, der zum Jagen aucu pandive gratia, potest a domi oder Vogelstellen ein fremdes Grund stück betritt, von dessen Eigentümer, wenn dieser no, si is providerit, iure prohiberi ne Vor sorge getroffen hat, recht mä ßig am ingrederetur. Betreten gehindert werden.
Andererseits verliert man das Eigentum, wenn man die custodia an der ge fan genen Sache verloren hat, und die Sache wieder ein potenzieller Gegenstand einer weiteren occupatio wird. D. 41,1,3,2 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Quidquid autem eorum ceperi mus, eo usque nostrum esse intellegi tur, donec nostra custo dia coerce tur: cum vero evaserit custodiam nos tram et in natura lem libertatem se 4 Lenel
(o. Fn. 3), Flor. Nr. 6.
Was immer wir von diesen Tieren gefangen haben, wird so lange als uns gehö rend angese hen, als es sich in unserm Ge wahr sam befindet; so bald es sich aber unserm Gewahr sam entzogen und die natürli che
Occupatio im Alltag der Römer
receperit, nostrum esse desinit et rursus occupantis fit:
155
Frei heit wiedergewonnen hat, hört es auf, uns zu gehören und fällt wiederum ins Ei gentum eines, der sich seiner bemächtigt.
Was bedeutet aber, custodia zu verlieren? D. 41,1,5 pr. beantwortet diese Frage. D. 41,1,5 pr. Gai. 2 rer. cott. sive aur. Naturalem autem libertatem recipere intellegitur, cum vel oculos nostros effugerit vel ita sit in con spectu nostro, ut difficilis sit eius persecu tio.
Dass es die natürliche Freiheit wie der ge winne, wird dann ange nom men, wenn es aus unserem Gesichtsfeld entflohen ist oder sich derart noch im Gesichtsfeld befin det, dass seine Verfolgung schwierig ist.
D. 41,1,5,1 ist dagegen eher mit dem Erwerb des Eigentums verbunden; das Fragment stellt und beantwortet nämlich die Frage: Wird ein wildes Tier, das so schwer verwundet ist, dass es ohne weiteres gefangen werden kann, sofort uns gehören? D. 41,1,5,1 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Illud quaesitum est, an fera bestia, quae ita vulnerata sit, ut capi possit, statim nostra esse intellegatur. Tre batio placuit statim nostram esse et eo usque nostram videri, donec eam persequamur, quod si desierimus eam persequi, desinere nostram esse et rursus fieri occupantis: itaque si per hoc tempus, quo eam persequi mur, alius eam ceperit eo animo, ut ipse lucrifaceret, furtum videri nobis eum commisisse. Plerique non aliter putaverunt eam nostram esse, quam si eam ceperimus, quia multa acci dere possunt, ut eam non capiamus: quod verius est.
Dies wurde diskutiert, ob ein wildes Tier, das so verwundet ist, dass es gefangen wer den kann, sofort als uns gehörig betrachtet werde? Tre batius nahm an, es werde so gleich unser Eigentum, und zwar werde es so lange als uns gehö rend be trach tet, wie wir es verfolgen; sobald wir aber seine Ver folgung aufgäben, höre es auf, uns zu gehö ren und falle wiederum ins Eigentum eines, der sich seiner bemäch tigt; wenn jemand anderes es, solange wir es verfolgen, in der Ab sicht gefangen hat, den Ge winn selbst zu machen, nehme man daher an, uns ge genüber sei ein Diebstahl ge schehen. Die meisten haben aber als Regel angenommen, dass es uns nur dann gehöre, wenn wir es gefangen ha ben, weil noch viel geschehen kann, dass wir es nicht fangen; das ist rich tiger.
2. Dann behandelt D. 41,1,5,2–4 die occupatio von Bienen. D. 41,1,5,2 Gai. 2 rer. cott. sive aur.
156
Mariko Igimi
Apium quoque natura fera est: ita que quae in arbore nostra consede rint, ante quam a nobis alveo con cludantur, non magis nostrae esse intelleguntur quam volucres, quae in nostra arbore nidum fecerint. ideo si alius eas incluserit, earum dominus erit.
Auch die Bienen haben eine wilde Natur; diejeni gen, welche sich auf unserm Baum nieder gelassen haben, werden daher, bevor sie in einen Korb einschlossen worden sind, ebenso wenig als uns gehörend angesehen, wie die Vögel, welche auf unserem Baume ein Nest ge baut haben. Schließt sie daher ein anderer ein, so wird er ihr Eigentümer sein.
Das Fragment geht davon aus, dass Bienen ihrer Natur nach wild seien. Deshalb gehörten sie niemandem, solange sie nicht in einem Korb einge schlossen worden seien. Das aber bedeute, dass jeder ein potenzieller Fänger der Bienen sein könne und aus diesem Grund ihr Eigentümer werden könne. Dasselbe gilt auch für die Honigwaben. D. 41,1,5,3 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Favos quoque si quos hae fecerint, sine furto quilibet possidere potest: sed ut supra quoque diximus, qui in alienum fundum ingreditur, potest a domino, si is providerit, iure prohi beri ne ingrederetur.
Auch die Honigwaben, wenn die Bienen solche gemacht haben, kann jeder in Besitz nehmen, ohne einen Diebstahl zu begehen; aber derjenige, welcher fremden Boden be tritt, kann, wie wir schon gesagt haben, vom Eigentümer, wenn dieser Vorsorge getroffen hat, rechtmäßig am Betreten gehindert wer den.
Jeder kann aus fremden Bäumen Honigwaben herausnehmen, ohne einen Diebstahl zu begehen. Dies bedeutet, dass die Honigwabe Gegenstand der occupatio sein kann, obwohl sie eigentlich kein wildes Tier, sondern ledig lich ein Produkt wilder Tiere ist. Das Recht auf das Land oder die Bäume spielt keine Rolle, solange der Eigentümer den Eintritt auf sein Land nicht ausdrücklich verbietet. Zum Verlust des Eigentums über die Bienen schreibt Gaius: D. 41,1,5,4 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Examen, quod ex alveo nostro evo laverit, eo usque nostrum esse intel legitur, donec in con spectu nostro est nec difficilis eius persecutio est: alioquin occupantis fit.
Der Schwarm, der aus unserm Stock aus fliegt, wird solange als uns gehörend ange sehen, wie er sich in un serm Ge sichts feld befindet und seine Verfolgung nicht schwie rig ist; sonst fällt er in das Eigentum eines, der sich seiner bemächtigt.
Die Bienen bleiben im Eigentum des Okkupanten, solange er sie in seiner custodia behält. Wenn die Bienen einen Schwarm bilden und aus dem Stock herausfliegen, betrachtet man sie so lange noch als in custodia befindlich, wie ihr Eigentümer sie verfolgen kann. Wenn aber der Schwarm aus dem Blickfeld des Verfolgers entflieht oder wenn es dem Verfolger schwerfällt,
Occupatio im Alltag der Römer
157
ihn zu verfolgen, dann gewinnen die Bienen ihre natürlichen Eigenschaften als wilde Tiere zurück. In D. 41,1,5,2–4 sehen wir mithin fast identische Regelungen wie für die occupatio im Allgemeinen. Sowohl der Erwerb als auch der Verlust des Eigentums könnten bei Bienen möglicherweise den allgemeinen Regeln der occupatio folgen. Es sieht hier so aus, als ob die Regeln bloß für diesen Fall wiederholt worden wären. 3. Der Text des Gaius geht nun über zu den wilden Tieren, die „aus- und wieder einzufliegen pflegen“. Dabei werden erneut die Bienen als Beispiel solcher Tiere genannt. D. 41,1,5,5 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Pavonum et columbarum fera natura est nec ad rem pertinet, quod ex con suetu dine avolare et revolare solent: nam et apes idem faciunt, quarum constat feram esse naturam: cervos quoque ita quidam mansue tos habent, ut in silvas eant et re deant, quorum et ip so rum feram esse natu ram nemo ne gat. In his autem ani malibus, quae con sue tudine abire et redire solent, talis regula comprobata est, ut eo usque nostra esse intellegantur, donec re vertendi ani mum ha beant, quod si desierint revertendi animum ha bere, desi nant nostra esse et fiant occupan tium. Intelleguntur autem desisse revertendi animum habere tunc, cum revertendi consuetudinem deseruerint.
Die Natur der Pfauen und Tauben ist wild; und es tut nichts zur Sache, dass sie nach ihrer Gewohn heit aus- und wieder einzu fliegen pflegen. Denn auch die Bienen tun dasselbe, bei denen ja feststeht, dass sie von wilder Natur sind. Man hat ja auch so zah me Hirsche, dass sie in die Wälder gehen und zurückkehren, deren Natur niemand als wild leug net. Bei denjenigen Tieren aber, welche ihrer Gewohnheit nach wegzugehen und wiederzukommen pflegen, hat man aber die fol gende Re gel ange nom men, dass sie solange als uns gehörend betrachtet werden, wie sie den Willen zur Rückkehr behalten, dass sie aber aufhören, uns zu gehören und in das Eigentum eines, der sich ihrer be mächtigt, fal len, wenn sie den Rück kehr willen ver lieren. Dass sie den Rück kehr willen verlieren, nimmt man dann an, wenn sie die Gewohnheit dazu verloren haben.
Pfauen und Tauben wurden in Rom allgemein gezüchtet.5 Dennoch hat die Zucht ihre angeborene Natur als wilde Tiere nicht geändert. Daraus, dass die Bienen in diesem Text als ein Topos solcher Tiere erwähnt werden, kann man annehmen, dass die Römer die Bienen ohne weiteres als „wild“ befunden haben. Bienen, Pfaue, Tauben und gegebenenfalls auch Hirsche bleiben im Eigentum des ersten Okkupanten, solange sie die Gewohnheit, zurückzukeh ren, nicht verlieren. Somit sind sie keine res nullius, selbst wenn sie zeitweilig aus dem Blickfeld des Eigentümers verschwunden sind. Daher können sie nicht von einem weiteren Okkupanten in Besitz genom men werden. 5 H. Cancik / H. Schneider (Hrsg.), Der Neue Pauly – Enzyklopädie der Antike, Stuttgart 1996–2003, Bd. 9, 689; Bd. 12 / 1, 45 f.
158
Mariko Igimi
Unter den Vögeln gibt es aber wilde und zahme. Die wilden Vögel sind zwar Gegenstand der occupatio, aber die zahmen verbleiben im Eigentum, so dass der Zugriff auf sie einen Diebstahl darstellt. D. 41,1,5,6 Gai. 2 rer. cott. sive aur. Gallinarum et anserum non est fera natura: palam est enim alias esse feras gallinas et alios feros anseres. Itaque si quolibet modo anseres mei et gallinae meae tur bati turba taeve adeo longius evolaverint, ut ignore mus ubi sint, tamen nihilo minus in nostro do minio te nentur. Qua de causa furti nobis tenebitur, qui quid eorum lucrandi animo adprehende rit.
Die Natur der Gänse und Hühner ist nicht wild, denn es ist allgemein bekannt, dass die wilden Hühner und Gänse andere Tiere sind. Wenn daher meine Gänse und Hühner auf gestört auf belie bige Weise auch noch so weit geflogen sind, dass man gar nicht weiß, wo sie sind, so bleiben sie dennoch in unse rem Eigentum. Wer daher eines von ihnen in habsüchtiger Absicht ergriffen hat, der haftet uns wegen Diebstahls.
Die Erörterung des Gaius leitet anschließend über zu den Sachen, die von Fein den weggenommen wurden, darunter auch Menschen, die von Natur aus frei sind, aber auch Objekte des Eigentums sein können, solange sie unter der custodia des Feindes sind. Letzteres soll an dieser Stelle aber außerhalb unserer Betrachtung bleiben. III. Das Bedürfnis der Theorie über occupatio aus dem Leben der Römer 1. Nach David Daube soll das Fragment D. 41,1,5,5, das sich mit Bienen, Tauben, Pfauen und Hirschen beschäftigt, eine historische Entwicklung be zeugen, der zufolge der Begriff des Besitzes bzw. der custodia des Eigen tümers allmählich erweitert wurde.6 Dabei erscheint dem Autor der Unter schied der Natur und der Gewohnheiten zwischen Tauben und Bienen ent scheidend. Die Bienen seien wild, während die Tauben „Haustiere“ seien, weil sie durch die Züchtung die Gewohnheit der Rückkehr gewönnen. Deshalb meine Proculus, dass zwar die fliegenden Tauben noch dem Eigen tümer gehörten, dass aber dagegen die Bienen res nullius seien. Erst nach Celsus seien auch die Tauben als wild anerkannt worden, wobei die Tiere mit der Gewohn heit, „hin- und herzugehen“ im Besitz des Eigentümers blieben, so lange sie „den Willen zur Rückkehr“ behielten. Hier sei, so Daube, wichtig, dass der Besitz des Eigentümers sich ausdehne, selbst wenn die Tiere einigermaßen frei seien. Die Frage, wann ein Tier „in den wilden Zustand“ zurückkehre, sei sekundär. Gaius aber beschäftige sich noch wei ter mit der „sekundären“ Frage. 6 David Daube, Doves and Bees, in: Droit de L’Antiquité et Sociologie Juri dique. Mélanges Henri Lévy-Bruhl, Paris 1959, 63 ff.
Occupatio im Alltag der Römer
159
Daube begründet den Meinungsunterschied zwischen Proculus und Celsus mit folgendem Text: Mos. et Rom. Legum Collatio 12,7,10 Item Cel sus libro XXVII digesto rum scribit: si, cum apes meae ad tuas advolas sent, tu eas exusse ris, quos dam negare conpe tere legis Aqui liae ac tionem, in ter quos et Procu lum, quasi apes domini mei non fuerint. sed id falsum esse Cel sus ait, cum apes revenire soleant et fructui mi hi sint. sed Pro culus eo move tur, quod nec man suetae nec ita clausae fuerint. ipse autem Cel sus ait nihil inter has et co lum bas interesse, quae, si manum refugiunt, domi tamen fugiunt.
Ulp. 18 ad ed.7 Ebenso schreibt Celsus im 22. Buch seiner Digesten: Manche Juristen meinen, die Kla ge aus der Lex Aqui lia stehe in dem Fall nicht zu, dass du meine Bienen ver brannt hast, als sie zu deinen geflogen waren; zu diesen Juristen gehört auch Proculus, als ob die Bienen nicht in meinem Eigentum gewe sen seien. Aber Celsus sagt, das sei falsch, da Bienen nach ihrer Ge wohnheit zurück kehren und mir zur Frucht ziehung dienen. Aber Proculus wird dadurch zu seiner An sicht geführt, dass sie weder gezähmt noch eingeschlossen waren. Sogar Celsus sagt aber, es gebe keinen Unterschied zwischen diesen Bienen und den Tauben, welche dann, wenn sie aus der Hand fortfliegen, nach Hause fliehen.
Nach diesem Text vom Ende des 4. Jhdts. ist Proculus der Meinung, dass nur ein solches Tier dem Eigentümer gehöre, das gezähmt oder eingeschlos sen sei. Dagegen meint Celsus, dass auch die Tiere, die zurückkehren und dadurch den Menschen Gewinn bringen, im Eigentum stünden, und deshalb ihre Verbrennung Haftung nach der actio Aquilia hervorbringe. Die gezähm ten Tiere könnten daher „Haustiere“ genannt werden, die eingeschlossenen dagegen „erjagte wilde Tiere“. Aber Celsus erkennt zwischen diesen beiden Kategorien eine dritte Kategorie der Tiere an, die sowohl Bienen auch als Tauben einschließe. 2. a) Wenn man als Vergleich die oben skizzierten Digestentexte aus der Perspektive des Gegenstandes der occupatio betrachtet, beschäftigen sich die Texte D. 41,1,1,1 bis D. 41,1,5,1 mit den Jagdtieren, während D. 41,1,5,2 bis D. 41,1,5,5 die Tiere behandeln, die zwar wild sind, aber die Gewohnheit der Rückkehr haben. Schließlich handelt D. 41,1,5,6 von den Haustieren. Wenn ein Römer ein wildes Tier, einen Vogel oder einen Fisch, in Besitz nimmt, fängt er es vermutlich normalerweise zum Zweck des Jagens bzw. Fischens.8 Die Jagdtiere und die Fische werden gleich nach dem Fangen ge schlachtet und gegessen oder es wird ihnen das Fell abgezogen. Das Überle ben des Jagdtieres bedeutet, dass der Jäger fehlerhaft gehandelt hat, so dass 7 Zur Mos. et Rom. Legum Collatio s. nur: Wolfgang Kunkel / Martin Schermaier, Römische Rechtsgeschichte, Köln 200113, 192; Ulrich Manthe, in diesem Band S. 197 ff. 8 Max Kaser, Occupatio, RE, Suppl. 7, 682. Siehe auch Plin. min. ep. 1,6.
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er kein Eigentümer werden kann. Der erste Teil von D. 41,1,3,2 „das Gefan gene wird so lange als unser betrachtet, als es sich in unserem Gewahrsam befindet“ kann nur verstanden werden, wenn man beispielsweise den Fall vor Augen hat, dass zunächst der Jäger ein wildes Tier gefangen hat, es aber dann dem Tier vor der Tötung gelungen ist, sich zu befreien. Die Frage, die in D. 41,1,5,1 gestellt wird, „an fera bestia, quae ita vulnerata sit, ut capi possit, statim nostra esse intellegatur“, unterstellt eine Jagd, bei welcher das gefangene Tier regelmäßig getötet wird. Der Zeitraum, in dem die in Besitz genommenen Tiere wieder okkupierbar werden können, also die Regel aus D. 41,1,3,2 „sobald es sich aber unserem Gewahrsam entzogen und die natür liche Freiheit wiedergewonnen hat, hört es auf, unser zu sein, und wird wie der dem, der sich seiner bemächtigt, zugehörig“ angewendet wird, beschränkt sich nur auf das Fangen bis zur Tötung. b) Hingegen gibt es solche wilden Tiere, die zwar wild sind, aber lebend gefangen wurden und dem Eigentümer gehören, dem sie einen Vorteil durch ihre lebendigen Tätigkeiten bringen. Auf solche Tiere soll ebenfalls die Okkupationsregel, das heißt, dass sie mit dem Verlassen des Blickfeldes des Eigentümers okkupationsfähig sind, angewendet werden (D. 41,1,5,2–4). Al lerdings wäre es unvernünftig, wenn sie gleich wieder Gegenstand einer wei teren Okkupation werden könnten, sobald sie nicht mehr im Blickfeld des Eigentümers sind, obwohl sie gegebenenfalls – wie die Bienen – noch mit Blumennektar zurückkehren können. Gerade deshalb bleiben die Tiere dieser Kategorie im Besitz der Eigentümer, solange sie den „animus revertendi“ bzw. die „consuetudo revertendi“ beibehalten (D. 41,1,5,5). Die Bienen die nen als ein typisches Beispiel solcher Tiere. Daher trägt jener Okkupant kei ne Haf tung, der ein wildes Bienennest aus einem fremden Grundstück herausgenommen hat9 (D. 41,1,3,2: favos quoque si quos hae fecerint, sine furto quilibet possidere potest), während ein Verbrennen der Bienen, die noch animus revertendi haben, die aquilianische actio hervorbringt (D. 9,2,27,12: Si, cum apes meae ad tuas advolassent, tu eas exusseris, legis Aquiliae actionem competere Celsus ait.10). c) Andrerseits sind die Hühner und Gänse nicht wild. Tiere aus dieser Grup pe bleiben im dominium des Eigentümers, selbst wenn sie soweit weggeflogen sind, dass der Eigentümer nicht mehr weiß, wo sie sind. Wenn deshalb ein Dritter die nicht wilden, aber vom Eigentümer weit entfernten Tiere fängt, haftet er wegen furtum (D. 41,1,5,6). d) Auch die Digestentexte erkennen mithin die dritte Kategorie des Cel sus an, nämlich die der „Tiere, die zurückkehren und dadurch den Menschen 9 Siehe
auch Paul. 9 ad Sab. D. 47,2,26 pr. (Lenel, o. Fn. 3, Paul. Nr. 1794). auch Ulp. 9 disp. D. 9,2,49 pr. (Lenel, o. Fn. 3, Ulp. Nr. 166).
10 Siehe
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Gewinn bringen“. Unter den wilden Tieren erkennen sie also die auch nach der Besitzergreifung weiterlebenden Tiere neben denjenigen an, die gejagt werden und geringe Überlebungschancen haben. Andrerseits müssen die Jagdtiere, wie Proculus meint, eingeschlossen sein, um dem Eigentümer zu gehören. Der Zustand der Eingeschlossenheit endet, „wenn es aus unsern Augen entflohen, oder dergestalt sich befindet, dass seine Verfolgung schwer fällt (D. 41,1,5 pr.)“. Dasselbe gilt auch für die Bienenschwärme (D. 41,1,5,4). Die Erkennt nis des „animus revertendi“ durch Celsus und Gaius dürfte aus der Nutzung der wilden weiterlebenden Tiere hervorge bracht worden sein, bei denen die Eingeschlossenheit modifiziert werden musste. Dies zeigt wohl nicht eine allgemeine Verbreiterung des Besitzkreises des Eigentümers bei den wilden Tieren, sondern lediglich eine Anerkennung der „lebenden“ wilden Tiere. Man könnte, mit Daube, aus dem Meinungsstreit zwischen Proculus und Celsus auch eine theoretische Entwicklung der Fra ge der Erweiterung des Besitzkreises von wilden Tieren ableiten. Allerdings muss für die Römer die Frage viel wichtiger gewesen sein, wann genau sie Besitz ergrei fen durften. In einer Gesellschaft, in der Jagd und Fischen wichtig waren, muss es von großem Interesse sein, ob der Jäger bzw. Fi scher sogleich Eigentümer der gefangenen Tiere, Vögel und Fische, werden konnte oder wann er mit der actio Aquilia haftete. Für diejenigen wilden Tiere, welche die Gewohnheit haben, zurückzukehren, bedarf es gerade zu dieser Frage einer Distinktion, weil diese Tiere nach dem Fangen weiterle ben. Die oben skizzierten Digestenstellen betrachten die Okkupation aus der Perspektive dieser Interessenlage der Römer. 3. a) Die Digestenstellen zitieren hier hauptsächlich aus den res cottidia nae, die wahrscheinlich nachklassisch sind und nicht von Gaius stammen.11 Dennoch dürften diese Stellen grundsätzlich mit der Meinung von Gaius übereinstimmen, weil seine „Institutionen“ gleiche Regelungen wie jene in D. 41,1,1,1; 3 pr.; 3,2; 5 pr.; 5,5; 5,7 enthalten.12 Gai. inst. 2,66–69 66. Nec tamen ea tantum, quae tradi tione nostra fiunt, naturali no bis ratione adqui runtur, sed etiam quae occupando ideo adepti erimus, quia antea nullius essent, qualia sunt omnia, quae terra mari caelo capiuntur.
11 Kunkel 12 Daube
66. Doch erwerben wir nicht nur solche Sachen kraft natürlicher Vernunft, die durch Besitzüber tragung in unser Eigen tum über gehen, sondern auch solche, die wir deshalb durch Aneignung erlangen werden, weil sie vorher niemandem ge hörten, wie es alle sind, die auf der Erde, im Meer oder im Himmel gefangen werden.
(o. Fn. 7) 134. (o. Fn. 6) 65; Kaser (o. Fn. 8) 683.
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67. Itaque si feram bestiam aut vo lucrem aut piscem ceperimus, simul atque captum fuerit hoc animal, statim nostrum fit, et eo usque nos trum esse intellegitur, donec nostra custodia coerceatur; cum vero cus todiam nostram evaserit et in natu ralem se libertatem receperit, rursus occu pan tis fit, quia nostrum esse desinit: naturalem autem libertatem recipere videtur, cum aut oculos nostros eva serit, aut licet in cons pectu sit nostro, difficilis tamen eius persecutio sit. 68. In iis autem animalibus, quae ex consuetudine abire et redire solent, veluti columbis et apibus, item cer vis, qui in silvas ire et redire solent, talem habemus regulam traditam, ut si revertendi animum habere desie rint, etiam nostra esse desinant et fiant occupantium: revertendi autem animum videntur desinere habere, cum revertendi consuetudinem dese ruerint. 69. Ea quoque, quae ex hostibus capiuntur, naturali ratione nostra fi unt.
67. Wenn wir also ein wildes Tier, einen Vogel oder einen Fisch gefangen haben, so gehört uns dieses Tier sofort, sobald es ge fangen ist, und bleibt begreiflicherweise so lange unser Eigentum, wie es durch unsere Bewachung fest gehalten wird. So bald es freilich unserer Bewa chung ent flo hen ist und sich wieder in die natürli che Freiheit begeben hat, wird es wiederum Eigentum desjenigen, der es sich aneignet, weil es aus unserem Eigen tum ausge schie den ist; und zwar nimmt man an, dass es die natürliche Freiheit wiedererlangt, sobald es entweder unseren Blicken entschwunden ist oder zwar noch von uns gese hen wird, aber nur mit Schwierigkeiten verfolgt werden kann. 68. Hinsichtlich solcher Tiere aber, welche regelmä ßig die Gewohnheit haben, wegzu gehen und zurückzukehren (beispielsweise Tauben und Bienen, ferner Hirsche, die gewöhnlich in die Wälder gehen und zurück keh ren), haben wir folgende überlie ferte Rechtsregel: Wenn sie ihren Rückkehrwillen verloren haben, so scheiden sie auch aus un serem Eigentum aus und werden Eigentum derjenigen, die sich ihrer bemächtigen; man nimmt an, dass sie dann ihren Rückkehrwil len verloren haben, wenn sie die Gewohn heit, zurückzukehren, aufgegeben haben. 69. Auch das, was den Feinden als Beute wegge nommen wird, geht kraft natürli cher Vernunft in unser Eigentum über.
In den institutiones beschäftigt sich Gaius ab inst. 2,67 mit den wilden Tieren, wobei er am Ende schreibt, dass die wilden Tiere ihre naturalis libertas wiedergewinnen, wenn sie aus unserem Blickfeld weggeflogen sind oder es uns schwer geworden ist, ihnen zu folgen. Darauf folgt in Gai. inst. 2,68, dass die wilden Tiere, wie Tauben und Bienen, die nach Gewohnheit hin- und zurückgehen, erst mit dem Verlust des animus revertendi aufhören, unser zu sein, und wieder ein Gegenstand der Okkupation werden; dies sei eine „regula tradita“. Hieraus wird erkennbar, dass Gaius eine Sonderkate gorie der wilden Tiere anerkennt, deren Eigentum nicht mit dem Verlust der Sicht oder mit der Schwie rigkeit der Verfolgung, sondern erst mit dem Verlust des tierischen Willens, zurückzukehren, eintritt. b) Dagegen meint Daube, dass die „regula tradita“ eine alte Ansicht sei und nur bei den gezähmten Tieren gelte.13 Die Ansicht von Gaius mag aus 13 Daube,
(o. Fn. 6) 66.
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der Sicht Daubes als „alt“ empfunden worden sein, weil Gaius sich immer noch mit der Beendigung des Eigentums beschäftigt, obwohl Celsus, nach Daube, das dominium des Eigentümers bereits erarbeitet habe. Allerdings scheint Gaius kaum Interesse an einer allgemeinen theoretischen Ausdeh nung des Besitzbegriffes gehabt zu haben. Wenn ein Unterschied zwischen Celsus und Gaius bestehen sollte, so dürfte dies nicht eine Frage von alt oder neu, sondern eine Frage der Perspektive sein. Also betrachtet Gaius die Sonderkategorie der wil den Tiere aus der Perspektive der Praxis der Jagd und des Fischens und untersucht, wann das Eigentum wegfällt, wäh rend Celsus dagegen aus der Per spektive der Theo rie des Eigentums spricht. c) Es ist auch unverständlich, dass Daube behauptet, dass sich die Stelle nur auf die gezähmten Tiere beziehe. Ein typisches Beispiel seien Tauben, die durch die Zucht die Gewohnheit, zurückzukehren, gewön nen und gleichsam wie Schafe und Gänse unter dem Besitz der Menschen lebten. Allerdings wer den sie, weil sie Haustiere sind, niemals Gegenstand der Okkupation, selbst wenn sie die consuetudo revertendi verloren haben.14 Vielmehr mussten Bienen, Tauben und Hirsche im Kontext der Besitzergrei fung erwähnt werden, gerade weil sie wild sind. Ferner schreibt Daube, dass der Ausdruck animus revertendi nur bei den Tauben gelte und nicht bei den Bienen. Er schreibt: „Originally doves and peacocks accustomed to return are capable of being owned because they are tamed animals, like geese; bees are not yet included. What the regula means to convey is that an animal of this kind becomes open to occupatio again if it loses its tameness – naively described as attachment to the place, animus revertendi. The criterion does not really suit bees at all. An individual bee does not, like a dove, adopt or give up animus revertendi. From birth to death it sticks to its hive.“15 Nun sehen wir, ob seine Betrachtung der Bienen der römischen Imkerei entspricht. IV. Bienenzucht und occupatio 1. a) Die Quellen der römischen Imkerei beschränken sich auf literari sche.16 14 Ulp. 19 ad ed. D. 41,1,44 (Lenel, o. Fn. 3, Ulp. Nr. 632) Zum Text s. Renzo Lambertini, „Erepta a bestiis“ e occupazione, Labeo 30 (1984) 191 f. 15 Daube (o. Fn. 6) 72. 16 Anders als in Ägypten bezeugt keine Zeichnung die Bienenzucht in Rom. Ein griechischer Bienenkorb, der oft aus Terracotta war, kann auch als archäologischer Fund überliefert werden, während der römische hauptsächlich aus Pflanzen gemacht
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Um ein Bienennest zu fangen, soll man nach Columella im Wald am Wasser die Bienen beobachten, wie oft sie kommen und gehen, wodurch man eine Vermutung gewinnen soll, ob das Nest in der Nähe ist oder nicht. Dann soll man die einzelnen Bienen fangen, eine nach der anderen losflie gen lassen und ihnen folgen, bis das Nest gefunden worden ist. Wenn das Nest sich im Loch eines Baums befindet, dann soll man die oberen und unteren Teile abschneiden und das Nest mit einem sauberen Stoff umwi ckeln; so entstehe ein neuer Bie nenkorb. Wenn aber das Nest in einer Höhle gebildet ist, dann soll man die Bienen mit Rauch austreiben, dadurch einen Schwarm bilden lassen, dass man auf Metall schlägt, und den Schwarm schließlich in einen Korb einschließen.17 Ein Bienenkorb wurde aus Korkeichen, Rindenstöcken, Steckenkraut, Weidenkorb, Holz, Tongefäß, Mist oder Ziegeln hergestellt.18 Er wurde auch manchmal aus durchsichtigem Stein oder Tierhorn eingerichtet.19 Die Auto ren müssen die Fälle nicht nur aus der Stadt Rom, sondern überall aus dem Großraum Roms zusammengestellt haben, weil es weniger wahrscheinlich ist, dass Bienenbehälter aus Ton, Korkeichen oder Steckenkraut in der Stadt Rom verwendet wurden.20 Honigwaben können wohl auch in dieser Weise gefunden werden und aus dem Bienennest gesammelt werden. b) Wenn die Bienenpopulation in einem Nest zu groß geworden ist, dann muss man einen Teile des Bienenvolks aus dem alten Nest aussiedeln. Besonders begrüßt Varro das Schwärmen und sagt „cum adnatae prospere sunt multae ac progenium ut coloniam emittere volunt“21. Dabei bilden die Bienen eine Traube, bis sie einen richtigen Ort für das neue Nest gefunden haben. Die Imker sollen bei dieser Gelegenheit den Schwarm fangen und in einen neuen Korb einschließen. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass der Schwarm wegfliegt, wenn es dem Imker nicht gelungen ist, den Schwarm in einen neuen Korb einzuschließen; daher versuchten andere Autoren lie ber, einen Schwarm zu vermeiden.22 wurde und deshalb nicht haltbar war. Eva Crane, The Archaeology of Beekeeping (London 1983) 203. 17 Columella de re rust. 9,8. 18 Varro de re rust. 3,16,15; Vergil. geo. 4,33 ff.; Columella de re rust. 9,6,1; Plin. mai. nat. hist. 21,14(47),80. 19 Plin. mai. nat. hist. 11,16(16),49. 20 Eva Crane, The World History of Beekeeping and Honey Hunting, London 1999, 203. 21 Varro de re rust. 3,16,29. Siehe auch Vergil. geo. 4,21 ff.; 67 ff.; 185 ff. 22 Columella de re rust. 9,11,1–5; 9,14,2–5; Plin. mai. nat. hist. 11,17(17),54.
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c) Wenn man die oben geschilderte Imkerei vor Augen hat, dann macht die „Wiederholung“ der scheinbar bekannten Regeln über die occupatio doch Sinn: Anders nämlich als die wilden Tiere ist das Bienennest bzw. die Honigwabe an sich kein wildes Tier, das dem Eigentümer im eigentlichen Sinne „gehören“ könnte. Diese Ansicht wurde in diesem Texte ausdrücklich verneint. Die occupatio kann erst eingreifen, wenn die Sache in custodia genommen wurde. Das bedeutet bei den Bienen, wie wir sahen, sie in einen Korb einzuschließen. Wenn der Schwarm den occupans verlässt und nicht mehr verfolgt werden kann oder aus dem Blickfeld gerät, dann verliert dieser die custodia und gleichzeitig das Eigentum. Der Schwarm wird von diesem Moment an wieder okkupationsbereit. 2. Unter den römischen Autoren warnt Varro, dass das Bienenvolk sein Nest verlasse, wenn der Imker sie falsch behandle.23 Dieses Verhalten ist den europäi schen Honigbienen allerdings fremd.24 Dagegen verlassen die Bienen, die im Süden leben, ihr Nest, nachdem sie den gespeicherten Ho nig, Eier und Larven gefressen haben, wenn sie nicht genug Honig in der Nähe sammeln können oder wenn das Nest ihnen wegen Hitze, Regen oder aus sonstigen Gründen nicht mehr gefällt.25 Diese Eigenschaften von Bie nen müssen auch in den Augen der römischen Juristen so ausgesehen haben, als ob die Bienen ihren Willen, wiederzukehren, verloren hätten. Anders als bei den Jagdtieren profitieren die Menschen von Bienen, so lange sie unter der custodia des Eigentümers bleiben. Gerade deswegen musste der Jurist genau das Hin-und-Zurückgehen vom endgülti gen Ab schied unterscheiden. Dazu diente der Begriff des Willens der Tiere. V. Fischerei und occupatio 1. Ein Beispiel der Anwendung der occupatio kann man auch in der plautinischen Komödie „Rudens“ sehen. Ein junger Mann hat sich in eine scheinbare Sklavin verliebt, weshalb er sie von ihrem Zuhälter kaufte. Allerdings entfloh der Zuhälter durchs Meer zu sammen mit seinen Sklavinnen, wobei sie sich aber alle von einem Schiff 23 Varro
de re rust. 3,16,21. 28. 33. japanische Honigbiene ist eine Honigbienenart, die mit diesem Verhalten am nördlichsten leben. Sie haben angeblich mehr Überlebungskraft, so dass sie sich trauen können, das alte Nest zu verlassen: Masami Sasaki, Nihon mitsu-bachi – hokugen’-no apis cerana („Japanische Honigbienen – apis cerana in der nördlichen Grenze“), Kaiyu-Sha 1999, 42. Siehe auch Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetz buches für das Deutsche Reich, amtliche Ausgabe, 1888, Ndr. 1893, Bd. 3, 373. 25 Eva Crane, Bees and Beekeeping: Science, Practice and World Resources, Ithaca 1990, 96. 24 Die
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bruch retten mussten. Die Liebhaberin, die in Cyrene zum Zuhälter zu gehören scheint, ist eigentlich ein freies Mädchen, also die Tochter eines alten Mannes, der am Meer lebt. Der Beweis dafür ist nun, zusammen mit dem Koffer des Zuhälters, auch im Meer untergegangen. Zufällig aber findet Gripus, ein Skla ve des Vaters, den Koffer in einem Fischernetz. Trachalio, ein Haussklave des jungen Mannes, sieht dies und beginnt, um den Koffer zu streiten. Plaut. Rudens 4,3,953–99726 (953) GRIPUS Do fidem tibi, fidus ero, quisquis es. TRACHALIO Audi.
furtum ego vidi qui faciebat:
(955) noram dominum, id cui fiebat. post ad furem egomet devenio
feroque ei condicionem hoc pacto:
(958a) „ego istuc furtum scio cui factumst;
(958b) nunc mihi si vis dare dimidium,
(959a) indicium domino non faciam.“
(959b) is mihi nihil etiam respondit. (960a) quid inde aequom est dari mihi? dimidium
(960b) volo ut dicas. GR. Immo hercle etiam amplius,
(961a) nam nisi dat, domino dicundum
(961b) censeo. TR. Tuo consilio faciam.
nunc advorte animum: namque hoc omne
attinet ad te. GR. Quid factumst? TR. Vidulum istum cuiust novi ego hominem iam pridem. GR. Quid est? TR. Et quo pacto periit. GR. At ego, quo pacto inventust scio. (965) et qui invenit, hominem novi et dominus qui nunc est, scio. nihilo pol pluris tua hoc quam quanti illud refert mea: ego illum novi, cuius nunc est: tu illum, cuius antehac fuit. hunc homo feret a me nemo, ne tu te speres potis. TR. Non ferat, si dominus veniat? GR. Dominus huic, ne frustra sis,
(970) nisi ego, nemo natust, hunc qui cepi in venatu meo.
GRIPUS Du hast mein Wort: Wer du auch bist, ich verrate nichts. TRACHALIO So höre denn: ich sah mit an, wie einer stahl; (955) Der Herr, den er bestahl, war mir bekannt. Ich ging Drauf zu dem Dieb und schlug ihm die Bedingung vor: „Der Mann, den du bestohlen, ist mir wohlbe kannt; Gibst du die Hälfte mir, so zeig’ ich’s ihm nicht an.“ Er gab mir keine Antwort. (960) Was gebührt nun mir Davon? Die Hälfte, nicht wahr? GR. Wahrlich, noch viel mehr! Denn gibt er nichts, so zeigst du wohl dem Herrn es an. TR. Ganz wie du rätst, will ich es tun. Nun merke wohl: Das alles geht dich selber an. GR. Was ist denn geschehen? TR. Den Besitzer dieses Koffers kenne ich schon lange. GR. Was denn? TR. Und auch die Art, wie er verloren ging. GR. Doch ich weiß, wie er gefunden wurde. Ich kenn’ auch den, (965) Der ihn gefunden und jetzt im Besitze hat. Das geht fürwahr dich gerad so wenig an, Wie jenes mich. Ich kenne den, der jetzt ihn hat, Du den, der ihn zuvor gehabt. Kein Mensch bekommt Von mir ihn jemals wieder; hoffe nicht zu früh! TR. Bekommt ihn nicht? Auch wenn der Herr kommt? GR. Einen Herrn, Bemüh’ dich nicht umsonst, gibt’s in der ganzen Welt
26 Text: T. Maccius Plautus, Rudens, Hrsg. Andreas Thierfelder, Heidelberg 19622. Übersetzung: Willhelm Binder, Stuttgart 1864 ff., neubearbeitet durch Walther Ludwig, in: Plautus / Terenz, Antike Komödien, 1969 (Ndr. Zürich 1974), 873–875.
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TR. Itane vero? GR. Ecquem esse dices in mari piscem meum?
quos cum capio, siquidem cepi, mei sunt; habeo pro meis,
nec manu adseruntur, neque illinc partem quisquam postulat.
in foro palam omnes vendo pro meis venalibus.
(975) mare quidem commune certost omnibus. TR. Adsentio: qui minus hunc communem, quaeso, mihi esse oportet vidulum?
in mari inventust communi. GR. Esne impudenter impudens?
nam si istuc ius sit quod memoras, piscatores perierint.
quippe quom extemplo in macellum pisces prolati sient,
(980) nemo emat, suam quisque partem piscium poscant sibi, dicant, in mari communi captos. TR. Quid ais, impudens?
ausu’s etiam comparare vidulum cum piscibus?
eadem tandem res videtur? GR. In manu non est mea:
ubi demisi rete atque hamum, quidquid haesit, extraho.
(985) meum quod rete atque hami nancti sunt, meum potissimumst. TR. Immo hercle haud est, siquidem quod vas excepisti. GR. Philosophe.
TR. Sed tu enumquam piscatorem vidisti, venefice,
vidulum piscem cepisse aut protulisse ullum in forum?
non enim tu hic quidem occupabis omnis quaestus quos voles:
(990) et vitorem et piscatorem te esse, impure, postulas. vel te mihi monstrare oportet piscis qui sit vidulus,
(992) vel quod in mari non natumst neque habet squamas, ne feras.
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(970) Dafür nicht, außer mir; mein ist er durch den Fang. TR. Meinst du? GR. Glaubst du, der Fisch, solang’ im Meer er schwimmt, Sei mein? Nur die ich fange – fang ich überhaupt –, Gehören mir, die sind mein Eigentum. Kein Mensch Macht Anspruch darauf, niemand begehrt sein Teil davon; Auf offenem Markt verkaufe ich als meine Ware sie; (975) Das Meer ist allgemeines Gut. TR. Dem stimm’ ich bei; Und drum gehört nicht minder auch der Koffer mir Und dir gemeinsam, fand man ihn im Meere doch: Er ist Gemeingut! GR. Ha, du unverschämter Kerl! Bestünde das, wie du mir’s hingestellt, zu Recht, Die Fischer gingen all zugrund’; denn stünden sie Mit ihren Fischen auf dem Markt, da würde doch (980) Kein Mensch mehr kaufen, jeder spräche seinen Teil Von Fischen an: gefangen seien sie, sagte man, Im Meere, das Gemeingut ist. TR. Wie unverschämt! Bist du so frech, den Koffer mit den Fischen zu Vergleichen? Scheint das eines und dasselbe dir? GR. Das ist nicht meine Sache. Wenn Netz und Angel ich Auswerfe, zieh ich dran heraus, was hängen bleibt; (985) Was Netz und Angel fangen, gehört mir ganz allein. TR. Nein, nein, wenn ein Gerät du fängst, so ist’s nicht dein. GR. Du Sophist! TR. Aber sahst du einen Fischer je, Du Galgenstrick, der einen Koffer fing als Fisch Und ihn zu Markte trug? Du kannst ja doch dich nicht Mit jedem Gewerbe befassen, wie du willst. (990) Du willst ein Fischer und zugleich ein Koffermacher sein. Entweder mußt du dartun, was ein Koffer für Ein Fisch ist, oder, was im Meer nicht geboren ist Und keine Schuppen hat, da liegenlassen!
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2. Die Altphilologen versuchen seit längerem, den langen Streit zwischen den beiden Sklaven zu erklären. Da der Fischer selbst sagt „neque ego istas vestras leges urbanas scio“, ist die herrschende Erklärung, dass er auf einen Unter schied der Rechtsvorstellungen zwischen einem städtischen Sklaven und einem ländlichen Sklaven anspielt.27 Man versuchte sogar, eine Paral lele zu „Moby Dick“ zu begründen.28 Allerdings könnte man den Streit gerade dadurch erklären, dass man untersucht, welche Rechtskenntnis die beiden Sklaven über occupatio hatten und warum der Streit gerade deshalb für die römischen Zuschauer lustig war. 3. Wenn der Haussklave sagt, dass ihm bekannt sei, wer der Eigentümer des Koffers sei und wie er verlo ren ging, antwortet der Fischer Gripus: „Doch ich weiß, wie er gefunden wurde. Ich kenn’ auch den, der ihn ge funden und jetzt im Besitze hat. Das geht fürwahr dich gerad so wenig an, wie jenes mich. Ich kenne den, der jetzt ihn hat, du den, der ihn zuvor gehabt. Kein Mensch bekommt von mir ihn jemals wieder; hoffe nicht zu früh!“. Dann auch „Einen Herrn gibt’s in der ganzen Welt dafür nicht, außer mir.“ Dies entspricht genau den Regeln in D. 41,1,1,1 und D. 41,1,3,2: Die Sa chen, die im Meer gefangen wor den sind, gehören dem Okkupanten. Wenn er aber den Besitz verliert, werden die Sachen wieder „okkupations fähig“, so dass der Nächste, der sie fängt, Eigentümer wird. Gripus begründet sein Eigentum durch seine Tätigkeit, also mit der Fischerei. „Glaubst du, der Fisch, solang’ im Meer er schwimmt, sei mein? Nur die ich fange … gehören mir, sie sind mein Eigentum. Kein Mensch macht Anspruch darauf, niemand begehrt sein Teil davon; …“ Die Fischer fangen die Fische täglich und verkaufen sie als Eigentümer infolge occupatio auf dem Markt. 4. Das Lustige bei dieser Szene ist aber, dass der schlaue Haussklave eine ganz andere Vorstellung vom Eigentumserwerb hatte. Der Haussklave Trachalio nämlich wirft zuerst dem Fischer vor, dass er einen Diebstahl begehe. Wenn aber Gripus, wie oben, sich mit der occupatio zu rechtfertigen versucht, betont der Haussklave den Unterschied zwi schen dem Koffer und dem Fisch mit den Worten: „Wie unverschämt! Bist du so frech, den Koffer mit den Fischen zu vergleichen? Scheint das eines und dasselbe dir?“ Da der Fischer immer noch darauf fixiert ist, wie der nur Adele Scafuro, The Forensic Stage, Cambridge 1997, 191. Konstan, Roman Comedy, Ithaca / London 1983, 73 ff. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden literarischen Werken liegt darin, dass einer der beiden Hauptdarsteller ein Fischer ist. Es erklärt die Lustigkeit der Hauptszene von der Komödie „Rudens“ sehr wenig. 27 Siehe
28 David
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Koffer gefangen worden ist, erweitert der Haussklave sein Argument, indem er sagt: „Aber sahst du einen Fischer je, du Galgenstrick, der einen Koffer fing als Fisch und ihn zu Markte trug?“, dann: „Entweder musst du dartun, was ein Koffer für ein Fisch ist, oder, was im Meer nicht geboren ist und keine Schuppen hat, da liegen lassen!“ Der Gedanke hinter diesen Worten könnte man im oben bereits skizzier ten D. 41,1,5,6 sehen. Der Text zeigt deutlich, dass es auch unter den Vö geln Ty pen gibt, wie die Gänse und Hühner, die nicht Gegenstand der Okkupation werden können. Sie bleiben immer im Besitz des Eigentümers, selbst wenn sie „auch noch soweit geflogen sind, dass man gar nicht weiß, wo sie sind“. Sie sind die gezähmten „Haus“-Vögel, die nicht wild sind. Nur die wilden Vögel dürfen in Besitz genommen werden. 5. Wie unterscheidet man weiter die „wilden“ und „nicht wilden“ Tiere? Die Hühner waren bereits vor der Zeit in Südostasien gezähmt worden, zu der sie in den Mittelmeerraum gebracht wurden. Deshalb gab es in Rom keine „wil den“ Hühner im zoologischen Sinne. Allerdings be zeugt Varro „gallinae rusticae“, die ähnlich wie „afrikanische Hühner“ seien und in der Stadt kaum mehr zu finden seien.29 Das „afrikanische Huhn“ dürfte Gui nea-Geflügel gewe sen sein, das vollkommen anderes als ein gezähmtes „Haus“-Huhn aussieht.30 Auch Gänse wurden sehr früh gezähmt. Daneben existierten in Europa Enten, Schneehühner und wilde Gänse, die „anseres ferae“ genannt wer den.31 Alle diese Vogelsorten sehen deutlich anders aus als „Haus“-Gänse. 6. Dagegen kann man die wilden Bienen und die „Hausbienen“ nicht unterscheiden. Columella und Plinius maior beschreiben geeignete und un geeignete Sorten der Bienen für Imkerei; man kann aber überhaupt keine Einheit ziehen. Rund, lang, schwarz, goldfarben, mit dichtem oder weniger dichtem Haarkleid – sie konnten sowohl wild als auch im Eigentum des Imkers sein.32 Heute ist die am weitesten verbreitete Art der Honigbienen apis mellifera, die in Europa und in Afrika heimisch ist. Diese Art kann weiter je nach der Region in 24 Rassen untergliedert werden, wovon zehn Rassen im Raum des römischen Reichs hei misch sind.33 Sie haben ver 29 Varro
de re rust. 3,9,16. G. W. Glare (ed.), Oxford Latin Dictionary, Oxford 1982, 753. 31 Plin. mai. nat. hist. 10,22(29),56. S. J. Hanzàk, The Pictorial Encyclopedia of Birds, London 1967, 197 u. 200. 32 Columella de re rust. 9,3; Plin. mai. nat. hist. 11,18(19),59. Siehe auch Aris toteles hist. anim. 5,22. 33 Apis mellifera ligustica, apis mellifera carnica, apis mellifera cecropia, apis mellifera caucasica, apis mellifera mellifera, apis mellifera iberica, apis mellifera 30 P.
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schiedene Größen und Farben. Das bedeutet, dass, wenn sie einmal entflo gen sind, der nächste Okkupant nicht wissen kann, ob die Bienen jemandem gehören oder nicht. 7. Also wollte Trachalio sagen, dass der Koffer „nicht wild“ ist, weil er vom wilden Fisch auf einen Blick unterschieden werden kann und deshalb nicht okkupierbar ist. Nicht nur bei den Sachen, die im Himmel gefangen werden, sondern auch bei denen, die im Meer gefangen werden, muss der Unterschied zwischen wilden und zahmen gelten. Wenn ein Koffer wild sein sollte, hätte Gripus ihn okkupiert und wäre sein Eigentümer geworden. Allerdings wusste Trachalio, dass dies nicht der Fall ist. Der Koffer ist kein Fisch und auch kein wildes Tier. Die Zuschauer des „Rudens“ konnten die Verwirrung von Gripus vom Standpunkt eines allwissenden Beobachters belachen, weil Gripus die feine Differenzierung des Gegenstandes der Ok kupation nicht verstanden hatte. VI. Zusammenfassung Aus den Digestenstellen von D. 41,1,1,1 bis D. 41,1,5,6, welche die occupatio diskutieren, könnte man zwei Kategorien der Tiere, nämlich wil de und nicht wilde, herausarbeiten. Die wilden Tiere werden durch occupatio zum Eigentum, wenn sie gefangen worden sind, und bleiben es so lange, wie sie unter custodia des Eigentümers sind. Wenn sie aber aus der custodia des Eigentümers fliehen, werden sie zum Gegenstand einer nächs ten occupatio. Die „nicht wilden“ Tiere können dagegen niemals okkupiert werden, selbst wenn sie ganz aus dem Blickfeld des Eigentümers ver schwunden sind, so dass ein Frem der, wenn er sie fängt, wegen furtum haften muss. Der Unterschied zwischen den beiden Kategorien war beson ders wichtig für die Jäger und die Fischer. Unter den wilden Tieren gibt es aber noch Subkategorien. Die eine ist die der Jagdtiere und die andere die der Tiere mit der Gewohnheit der Rück kehr. Der Topos der letzten Subkategorie ist die Biene, deren occupatio ausführlich und der römischen Imkerei entsprechend geregelt worden ist. Die Tiere mit der Gewohnheit der Rückkehr werden wieder okkupierbar, wenn sie den animus revertendi verloren haben. Den Willen der Bienen erkennt auch Varro an. Die Anerkennung dieser Subkategorie mag eine Erweiterung der custodia des Eigen tü mers bedeuten. Allerdings war den Römern wohl wichtiger, ab welchem Zeitpunkt die Bienen wieder okkupier bar werden. cypria, apis mellifera siciliana, apis mellifera lamarckii, apis mellifera intermissa. Crane (o. Fn. 25) 7 f.
Occupatio im Alltag der Römer
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Der Streit zwischen einem Fischer und einem Haussklaven in der plautini schen Komödie „Rudens“ kann erst aus der Regelung der occupatio verstan den werden. Der Fischer wollte sein Eigentum damit begründen, dass er den Koffer aus dem Meer „gefangen“ habe. Allerdings wusste der Fischer nicht, dass es Sachen gibt, die nicht okkupiert werden können. Die Römer erklä ren die Tiere für wild, die sowohl in der freien Wildnis als auch in eingeschlossenem Zustand gleich aussehen (wie die Bienen), wohl weil man nicht wissen kann, ob sie jemandem gehören oder nicht. Anderseits sind die Tiere, bei denen die wilden von den gezähmten leicht unterschieden werden können (wie die Hühner und die Gänse), nicht Gegenstände der Okkupa tionen. Sie sind für immer „Haustiere“. „Res nullius occupanti cedit.“ Das Prinzip scheint nur eine übermäßige Generalisierung zu sein. Das Rechtsinstitut wurde vielmehr für die Tätigkei ten des Jägers, Fischers und Imkers entwickelt.
Minpo § 719 und das römische Recht Eine Anwendungsmöglichkeit auf den Nebentäterfall Von Makoto Ishikawa I. Einleitung Am Anfang stellen wir einen Fall vor: Autofahrer A hat fahrlässig den Radfahrer C verletzt; C wurde daraufhin in ein Krankenhaus gebracht. Wenn ihn der Arzt B richtig behandelt hätte, dann wäre C wahrscheinlich nicht ums Leben gekommen; aber C starb tatsächlich aufgrund der Fahrlässigkeit des B.
Diese Abhandlung1 bezieht sich darauf, wie man diesen Fall beurteilen soll, insbesondere hinsichtlich der Haftung des ersten Täters A. II. Japanisches Recht Wir haben im Minpo (Japanisches Zivilgesetzbuch) die folgende Vor schrift als Grundsatznorm für die unerlaubte Handlung: § 709: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Recht oder das rechtlich zu schützende Interesse2 eines anderen verletzt, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Scha dens verpflichtet.
Es gibt im Minpo auch die folgende Vorschrift über die durch mehrere gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung: § 719 Abs. 1: Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung bei einer anderen Person einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. 1 Ich habe den Inhalt dieser Abhandlung schon auf Japanisch geschrieben: Makoto Ishikawa, Minpo 719 Jo No Rekishiteki Haikei To Ronrikozo („Der historische Hintergrund und die logische Struktur von Minpo § 719“), in: Doitsuho No Keiju To Gend ai Nihonho („Die Rezeption des Deutschen Rechts und das Japanische Recht der Gegenwart“), 2009, Nihon Hyoronsha, 583 ff. 2 Die Worte „das rechtlich zu schützende Interesse“ sind im Jahre 2004 nach der bisherigen Rechtsprechung eingefügt worden. Sie ändern aber im Wesentlichen nichts am Sinne der Vorschrift.
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Makoto Ishikawa
Einer der Gesetzesverfasser (es waren drei Personen) meinte, dass das Wort „gemeinschaftlich“ genau so ausgelegt werden solle wie bei der Mit täterschaft im Strafrecht.3 Danach kann Minpo § 719 Abs. 1 auf unseren Fall nicht angewendet werden. Möglicherweise ist diese Ansicht von der unten erwähnten Auslegung des § 830 Abs. 1 des BGB sehr stark beeinflusst wor den. Dagegen urteilte der JOG (Japanische Oberste Gerichtshof), dass die Hand lungen von A und B „gemeinschaftlich“, d. h. nicht im subjektiven, sondern im objektiven Sinn, den Todesschaden bei C verursacht haben und beide Hand lun gen in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem Schaden stehen, und wandte Minpo § 719 Abs. 1 auf unseren Fall an.4 Das Urteil befolgte nämlich nicht die Ansicht des Gesetzesverfassers (Ume), sondern die frühere Rechtsprechung,5 und zwar bei folgendem Fall: Eine staatliche Fabrik A leitete Schmutzwasser in einen Fluss ein und verursachte mit anderem Ab wasser einer Stadt B einen Schaden für die Bauern C. Daraufhin entschied der JOG, dass, wenn die Handlungen von A und B selbständig den Tatbestand des Minpo § 709 erfüllten, das Schmutz wasser von A einen adäqua ten Kausal zusammen hang mit dem Schaden habe. Die frühere Rechtsprechung nahm also nach der damaligen herrschen den Lehre6 die so ge nannte Äquivalenz theo rie7 an und wandte Minpo § 719 Abs. 1 auf diesen Fall an. 3 Kenjiro Ume, Minpo Yogi („Lehrbuch des Zivilrechts“) III, 1908, Yuhikaku, 906. Hier zeigt er ein Beispiel, dass mehrere „gemeinschaftlich“, das heißt als „Mittäter“, ein Gebäude zerstören. Doch sagte der andere Gesetzesverfasser, Nobushige Hozumi, bei der Diskussion der Kompilation, dass ein Konspirationswille der mehreren Täter nicht notwendig sei. Houten Chosakai Giji Sokkiroku („Protokoll der Gesetzeskom pilation“) V, 1984, Shoji Homu Kenkyūkai, 393. 4 JOG, 13. März 2001, Minshu 55, 2, 328. Der Fall war: Der 6-jährige C wur de durch den Autofahrer A so verletzt, dass er ums Leben gekommen wäre, wenn er liegen gelassen worden, aber wenn ihn der Arzt B richtig behandelt hätte, wäre sein Leben mit höherer Wahrscheinlichkeit gerettet worden. Doch ist C aufgrund von Fahrlässigkeit des B gestorben. Über die Problematik dieses Urteils siehe z. B. Kunihiko Yoshida, Hanrei Hyoron („Urteilsrezension“) 516, 2002, 158. 5 JOG, 23. April 1968, Minshu 22, 4, 964. Das ist ein Urteil, welches bei uns sehr berühmt als San-nogawa Jiken („Fall vom Fluss San-no“) ist. Aber es gibt auch noch frühere Präjudizien: Daishin-in (der oberste Gerichtshof vor dem 2. Weltkrieg), 24. Juli 1924, Minshu 3, 376 und Daishin-in, 20. Dezember 1935, Minshu 14, 2064. Hier ist im allgemeinen gezeigt werden, das Wort „gemeinschaftlich“ im § 719 Abs. 1 solle als eine objektive Mitwirkung der Täter verstanden werden und der subjektive Konspirationswille der Täter sei nicht notwendig. 6 Ichiro Kato, Fuhokoi („Deliktsrecht“), vermehrte Aufl. 1974, Yuhikaku, 208. 7 Daishin-in, 22. Mai 1926, Minshu 5, 386 ist auch bei uns sehr be rühmtes Urteil als Fukimaru Jiken („Fall vom Schiff Fukimaru“), das die Äquivalenztheorie annahm.
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In der Literatur sprachen sich einige Autoren, vor allem die Praktiker, für die Ansicht der Rechtsprechung, andere aber dagegen aus. Wer dem Urteil zustimmt, hält hauptsächlich aus einem praktischen Grund die Angemessen heit des Ergebnisses (Vorteil für das Opfer) für wichtig, während Autoren, die sich dagegen aussprechen, einen theoretischen Grund für entscheidend einschätzen:8 Dass es nämlich in diesem Fall nicht um die „gemeinschaftli che“ unerlaubte Handlung gehe, son dern allein um eine Konkurrenz der zwei unerlaub ten Hand lungen des A und des B. Nach der Meinung der Rechtsprechung fehle die in Minpo § 719 Abs. 1 geforderte Identität, denn wenn die Vorschrift nur dann anwendbar sei, wann die Handlungen von A und B „selbständig“ den Tatbestand des § 709 erfüllten, könnte § 719 Abs. 1 unnötig sein.9 Diese Ansicht, die sich gegen die Rechtsprechung wendet, wird heute von mehr Autoren unterstützt. III. Deutsches Recht Das BGB hat die folgende Vorschrift, die das japanische Zivilgesetzbuch rezipiert hat: BGB § 830 Abs. 1: Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene uner laubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwort lich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Betei ligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
Ferner findet sich im BGB die folgende Vorschrift, die das japanische Zivilgesetzbuch nicht aufgenommen hat: BGB § 840 Abs. 1: Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.
Im deutschen Recht kann zwar § 830 Abs. 1 auf unseren Fall nicht ange wendet werden, denn das Wort „gemeinschaftlich“ ist im Sinne der straf rechtlichen „Mittäter“ zu verstehen. Aber § 840 Abs. 1 kann deshalb auf den Fall anwendbar sein, weil A und B als so genannte „Nebentäter“ angesehen werden können.10 Dass interessanterweise das japanische Zivilgesetzbuch keine Vorschrift wie BGB § 840 Abs. 1 hat, ist uns sehr wichtig. Darauf kommen wir noch einmal am Ende zurück. 8 Siehe Nobuhisa Segawa, Kyodohuhokoirontenkai No Jianruikei To Ronri („Der Falltypus und die Logik in der Entwicklung der Mittäterschaftstheorie“), in: Minpogak uniokeru Ho To Seisaku („Das Recht und die Politik in der Zivilrechts lehre“), 2007, Yuhikaku, 657 ff. Siehe auch Yoshida (o. Fn. 4). 9 Yoshio Hirai, Saiken Kakuron II Fuhokoi („Besonderer Teil des Schuldrechts II: Deliktsrecht“), 1992, Kobundo, 191 f. 10 Über BGB §§ 830 und 840 siehe z. B. Dieter Medicus, Bürgerliches Recht, 13. Aufl., Köln, Berlin, Bonn und München 1986, 474 ff. Rn. 789 ff.
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IV. Römisches Recht 1. Julians Meinung Zunächst betrachten wir die berühmte Stelle Julians. D. 9,2,51 (Iul. 86 dig.) Ita vulneratus est servus, ut eo ictu certum esset moriturum: medio de inde tempore heres institutus est et postea ab alio ictus decessit: quaero, an cum utroque de occiso lege Aquilia agi possit. respondit: occi disse dicitur vulgo quidem, qui mortis causam quolibet modo prae buit: sed lege Aquilia is demum te neri visus est, qui adhibita vi et quasi manu causam mortis prae buisset, tracta videlicet inter pretatione vocis a caedendo et a caede. rursus Aquilia lege teneri existimati sunt non solum qui ita vulnerassent, ut confestim vita pri varent, sed etiam hi, qourum ex vulnere certum esset aliquem vita excessurum. igitur si quis servo mor tiferum vulnus inflixerit eun demque alius ex intervallo ita per cusserit, ut maturius interficeretur, quam ex priore vulnere mo ri tu rus fuerat, statuendum est utrum que eorum lege Aquilia teneri.
(1) Idque est consequens auctoritati veterum, qui, cum a pluribus idem servus ita vulneratus esset, ut non appareret cuius ictu perisset, omnes lege Aquilia teneri iudicaverunt. (2) Aestimatio autem perempti non eadem in utriusque persona fiet: nam qui prior vulneravit, tan tum praestabit, quanto in anno proximo
Julian im 86. Buch seiner Digesten Ein Sklave wurde derart verletzt, dass sicher war, er werde infolge des Schlages sterben. In der Zwischenzeit wurde er dann als Erbe eingesetzt, und später starb er in folge des Schlages eines Dritten. Ich frage an, ob ge gen beide nach der Lex Aquilia wegen Tö tung geklagt werden könne. Julian erteilte folgendes Gutachten: Zwar hat nach allge meinem Sprachverständnis getötet, wer auf irgendeine belie bige Art die Todesursache gesetzt hat. Aber es ist anerkannt, dass nach der Lex Aqui lia nur haf tet, wer unter [unmittelbarer] Anwendung von Gewalt und sozusagen eigenhändig die Ursache für den Tod gesetzt hat, wobei offensichtlich diese Auslegung des Wortes occidere „töten“ von caedere „erschlagen“ und caedes „Tot schlag“ herge leitet wurde. Anderseits hat man angenommen, dass nach der Lex Aqui lia [wegen Totschlags] nicht nur haftet, wer in einer Weise verletzt hat, dass er das Opfer sofort ums Leben bringt, sondern auch wer je mandem eine Verwun dung zugefügt hat, an der dieser mit Si cherheit sterben wird. Hat daher jemand einem Sklaven eine töd liche Wunde bei gebracht und ein an derer densel ben nach einiger Zeit durch einen Schlag so verwundet, dass er früher gestor ben ist, als er infolge der ersten Verletzung gestorben wäre, so ist dahin zu entscheiden, dass jeder von beiden [wegen Todschlags] nach der Lex Aquilia haftet. 1. Dies entspricht auch der Lehrmeinung der alten Juristen, die in dem Fall, dass derselbe Sklave von mehreren derart verletzt wurde, dass nicht geklärt werden konnte, durch wessen Schlag er umge kommen war, ent schieden haben, dass alle [wegen Totschlags] nach der Lex Aquilia haften. 2. Aber die Schadensberechnung wegen des getöteten Sklaven wird für die beiden Per sonen nicht dieselbe sein. Denn wer als erster den Sklaven verletzt hat, hat den Be-
Minpo § 719 und das römische Recht homo plurimi fuerit repetitis ex die vulneris trecentum se xaginta quin que diebus, posterior in id tenebitur, quanti homo plurimi venire poterit in anno proximo, quo vita excessit, in quo pre tium quoque hereditatis erit. eiusdem ergo servi occisi no mine alius maiorem, alius minorem aesti ma tionem praestabit, nec mi rum, cum uterque eorum ex diversa causa et diversis tempori bus oc ci disse hominem intellegatur. quod si quis absurde a nobis haec constitui putaverit, cogitet longe absurdius constitui neutrum lege Aquilia tene ri aut alterum potius, cum neque impunita maleficia esse oporteat nec facile con stitui pos sit, uter potius lege teneatur. multa autem iure civi li contra ra tio nem disputandi pro utilitate com muni recepta esse innumera bi libus rebus probari po test: unum interim posuisse conten tus ero. cum plures trabem alienam furandi causa sustulerint, quam sin guli ferre non possent, furti actione omnes teneri existimantur, quamvis subtili ratione dici possit ne minem eorum teneri, quia neminem verum sit eam sustulisse.
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trag zu leisten, den der Sklave im letzten Jahr maximal wert war, wobei vom Tag der Ver letzung dreihundertfünfundsechzig Tage zu rückgerechnet werden. Der zweite hat den Betrag zu leisten, für den der Sklave im letz ten Jahr ― vom Todestage zurückgerechnet ― maximal hätte verkauft werden können; darin ist auch der Wert der Erbschaft enthal ten. Daher muss wegen der Tötung desselben Sklaven der eine einen höheren, der andere einen geringeren Schätzwert leisten. Dies ist auch nicht erstaunlich, sobald man erkennt, dass jeder von beiden durch Setzung einer unterschiedlichen Todesursache und zu einer anderen Zeit den Sklaven getötet hat. Sollte dennoch jemand meinen, dies werde von uns in widersinniger Weise so ent schieden, so möge er überlegen, dass es noch weit wider sinniger wäre, wenn keiner von beiden nach der Lex Aquilia haftet oder doch nur einer. Denn weder dürfen Übeltaten ungestraft blei ben noch kann leicht ent schieden werden, welcher von beiden eher nach der Lex Aqui lia haften soll. Und dass im Zivilrecht vieles gegen die Logik der rechtlichen Argumenta tion zu gunsten des allgemeinen Wohls an erkannt worden ist, kann anhand unzähliger Beispiele dargetan werden. Ich begnüge mich vorderhand damit, einen (einzigen) Fall dar zulegen. Wenn meh rere zusam men einen fremden Balken, den sie einzeln nicht tragen konnten, in Diebstahlsabsicht fortgeschleppt haben, haften sie, wie man annimmt, alle mit der Diebstahlsklage, ob wohl streng logisch behauptet werden könnte, keiner von ihnen hafte, da es wahr ist, dass keiner den Balken fortgeschleppt hat.11
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2. Widersprüche in den Quellen Die Stelle scheint mit anderen Quellen im Widerspruch zu stehen, einer seits mit der Meinung von Celsus, anderseits mit der Meinung von Julian selbst. 11 Übersetzung nach Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Hermann Seiler, Corpus Juris Civilis, Text und Übersetzung II, Digesten 1–10, 1995, Heidelberg, 764 ff.; Ergänzung in runden Klammern vom Autor.
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Ulpian zitiert Celsus in der folgenden Stelle: D. 9,2,11,3 (Ulp. 18 ed.) Celsus scribit, si alius mortifero vulnere percusserit, alius postea ex animaverit, priorem quidem non te neri quasi occiderit, sed quasi vul neraverit, quia ex alio vulnere periit, posteriorem teneri, quia oc cidit. quod et Marcello videtur et est pro babilius.
Ulpian im 18. Buch zum Edikt Celsus schreibt: Hat der eine dem Sklaven eine tödliche Verletzung zugefügt, der an dere ihn darauf getötet, so haftet der erste zwar nicht, weil er getötet, sondern weil er verletzt hat, da der Sklave an der anderen Verletzung gestorben ist; der zweite aber haftet, weil er getötet hat. Dies scheint auch Marcellus richtig und ist auch einleuchten der.12
Ausdrücklich verneint Celsus hier die Haftung des ersten Täters wegen des Totschlags und bejaht nur die wegen der Verletzung. 12
Ulpian führt auch die Ansicht Julians in der folgenden Stelle an: D. 9,2,15,1 (Ulp. 18 ed.) Si servus vulneratus mortifere postea ruina vel naufragio vel alio ictu maturius perierit, de occiso agi non posse, sed quasi de vulne rato, sed si manumissus vel alienatus ex vulnere periit, quasi de occiso agi posse Iulianus ait. haec ita tam va rie, quia verum est eum a te oc cisum tunc cum vulnerabas, quod mortuo eo demum apparuit: at in superiore non est passa ruina appa rere, an sit occisus. sed si vul neratum mortifere liberum et he redem esse iusseris, deinde de cesserit, heredem eius agere Aquilia non posse.
Ulpian im 18. Buch zum Edikt Ist ein tödlich verletzter Sklave später durch Gebäudeeinsturz, Schiffbruch oder irgend einen anderen Unglücksfall schnel ler zu Tode gekommen, so kann, wie Julian sagt, nicht wegen der Tötung des Sklaven, son dern nur wegen der Verletzung geklagt werden; ist er aber nach Freilassung oder Veräußerung an der Verletzung gestorben, so kann man wegen Tötung klagen. Diese [letzten] Fälle werden deswegen so abwei chend entschieden, weil es richtig ist, dass er von dir getötet wurde, indem du ihn da mals verletzt hast; dies klärte sich je doch erst durch seinen Tod. Im ersten Fall ver hinderte der Gebäudeeinsturz die Klä rung, ob [infolge der Tödlichkeit der Verletzung] eine Tötung vorlag. Hast du aber den töd lich verletzten Sklaven testamentarisch frei gelassen und zu deinem Erben einge setzt und ist dieser hierauf [nach dem Erb fall] gestorben, so kann sein Erbe nicht nach der Lex Aquilia klagen.13
Hier sagt Julian sonderbarerweise, der erste Täter sollte wegen der Verlet zung haften, während er im fr. 51 wegen des Totschlags hafte. 13
12 Übersetzung 13 Übersetzung
nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 739 f. nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 741 f.
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3. Auflösung der Widersprüche Von alters her hat man versucht, den Widerspruch zwischen dem fr. 51 und dem fr. 11,3 oder dem fr. 15,1 aufzulösen.14 Accursius hatte im Kommentar zum fr. 51 folgendes gesagt:15 Nec est contra s. eo. l. huic. § si servus & l. idem Mela, § Celsus. vbi dicit primum vt de vulnerato teneri, licet esset vulnus mortife rum: quia non erat certum ex eo vulnere moriturum.
[Das fr. 51] steht mit dem fr. 15,1 und dem fr. 11,3 nicht im Wider spruch. Hier [in fr. 15,1 und in fr. 11,3] ist gesagt, der erste Töter sollte wegen der Verletzung haften, wenn auch [der Sklave] tödlich geschlagen worden wäre, weil es unsi cher war, dass [der Sklave] durch seinen Schlag starb.
Vivianus setzte die Ansicht des Accursius voraus und sagte Folgendes im „casus“ zu fr. 11,3:16 Aliquis servum ad mortem vulne rauit: & incertum erat an mori de beret, vel non: & alius eundem seruum interfecit. quaeritur quis te neatur? et resp. qui interfecit, te netur: prior non, nisi de vulnere.
Jemand hat einen Sklaven tödlich verletzt. Es war unsicher, ob der Sklave ums Leben kam oder nicht. Der andere hat denselben Sklaven getötet. Frage: Wer haftet [wegen des Totschlags]? Antwort: Wer getötet hat, haftet. Der erste haftet nicht [wegen des Totschlags], sondern wegen der Verletzung.
Die Glossatoren meinten nämlich, dass der erste Schlag in fr. 51 stärker sei als der in fr. 11,3. In der Zeit des Gemeinen Recht meinte dagegen z. B. von Vangerow, in fr. 11,3 führe der zweite Schlag selbständig zum Todes des Sklaven, wäh rend in fr. 51 der zweite Schlag nur deswegen tödlich sei, weil der erste Schlag bereits den Sklaven tödlich geschwächt habe.17 Nach von Vangerow ist also der zweite Schlag in fr. 11,3 stärker als der in fr. 51. Diese Versuche, den Widerspruch zwischen fr. 51 und fr. 11,3 aufzuhe ben, sind zwar sehr interessant, aber wir können nicht zustimmen. Denn in den Quellen ist nirgends gesagt worden, der erste Schlag sei in fr. 51 stärker 14 Über die Auslegungsgeschichte des Fr. 51 und die Versuche, den Widerspruch aufzulösen, siehe Karl-Heinz Schindler, Ein Streit zwischen Julian und Celsus, Zum Problem der überholenden Kausalität, ZRG RA 74, 1957, 205 ff. Und heute siehe auch Martin Gebauer, Hypothetische Kausarität und Haftungsgrund, 2007, 17 ff. 15 Corpvs Ivris Civilis Ivstinianei Cum Commentariis Accursii, Tom I, 1627, Lugduni (Ndr. 1965, Osnabrück), 1049. 16 Corpvs Ivris Civilis Ivstinianei (o. Fn. 15) 1022. 17 Karl Adolf von Vangerow, Lehrbuch der Pandekten III, 1869, 587 (§ 681, Fn. 2).
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als der in fr. 11,3 oder der zweite Schlag in fr. 11,3 sei stärker als der in fr. 51. Wir müssen die Versuche für nicht aus den Quellen herleitbar halten. Anderseits nahm die so genannte Interpolationsforschung im 20. Jahrhun dert an, dass fr. 51 im Wesentlichen interpoliert sei. Beseler z. B. behaupte te dabei die folgenden Interpolationen:18 Ita vulneratus est servus, ut eo ictu certum esset moriturum: medio deinde tempo re heres institutus est et postea ab alio ictus decessit: quaero, an cum utroque de occiso lege Aquilia agi possit. respondit: occidisse dicitur vulgo quidem, qui mortis causam quolibet modo praebuit: sed lege Aquilia is demum teneri visus est, qui adhibita vi et quasi manu causam mortis praebuisset, tracta videlicet interpre tatione vocis a cae dendo et a caede. rursus [Aquilia lege] teneri existimati sunt non solum qui ita vulnerassent, ut confestim vita privarent, sed etiam hi, quorum ex vulnere certum esset aliquem vita excessurum. [igitur] si quis servo mortiferum vulnus inflixerit eundemque alius ex intervallo ita per cusserit, ut maturius interficeretur, quam ex priore vulnere moriturus fuerat, [statuendum est utrumque eorum lege Aquilia teneri. Idque est consequens auctoritati veterum, qui, cum a pluribus idem ser vus ita vulneratus esset, ut non appa reret cuius ictu perisset, omnes lege Aquilia teneri iudicaverunt]. Aestimatio autem perempti non eadem in utriusque persona fiet: nam qui prior vulneravit, tantum prae stabit, [quanto in anno proximo] homo [plurimi] fuerit repetitis ex die vulneris [trecentum sexaginta quinque] diebus, posterior in id tenebitur, quanti homo plurimi [venire poterit] in anno proximo, quo vita excessit, in quo pretium quoque hereditatis erit. [eiusdem ergo servi oc cisi nomine alius maiorem, alius minorem aestimationem praestabit, nec mirum, cum uterque eorum ex diversa causa et diversis temporibus occidisse hominem intellegatur. quod si quis absurde a nobis haec constitui putaverit, cogitet longe absurdius con stitui neu trum lege Aquilia teneri aut alterum potius, cum neque impunita maleficia esse oporteat nec facile constitui possit, uter potius lege tene atur.] multa autem iure civili contra rationem disputandi pro utilitate communi recepta esse innumerabilibus rebus probari potest: unum interim posuisse conten tus ero. cum plures trabem alienam furandi causa sustulerint, quam singuli ferre non possent, furti actione omnes teneri existimantur, quamvis [subtili ratione dici possit neminem eorum teneri, quia] neminem verum sit eam sustulisse.
Schindler meinte hingegen, fr. 51 sei echt.19 In der Interpolations for schung ist seine Meinung zwar nicht unterstützt worden.20 Aber heute kann 18 Gerhard
193 f.
19 Schindler
Beseler, Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen IV, 1920,
(o. Fn. 14) 209 ff. z. B. David Pugsley, Causation and Confessions in the Lex Aquilia, TR 38, 1970, 163 ff.; Ulrich von Lübtow, Untersuchungen zur lex Aquilia de damnno iniuria dato, 1971, 51 ff. 20 Siehe
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man nicht den Widerspruch in den Quellen auf die Kompilatoren abwälzen, und eine extreme Interpolationsbehauptung, wie die Beselers, wird abge lehnt. Vielmehr müssen wir uns nach Schindler21 vorstellen, dass es über die Haftung des ersten Täters eine Kontroverse zwischen Julian und Celsus gab: Julian bejahte die Haftung wegen des Totschlags, aber Celsus verneint sie und bejahte nur die Haftung wegen der Verletzung.22 Wie soll man nun den Widerspruch zwischen dem fr. 51 und dem fr. 15,1 auflösen? Dazu hat Ankum in der letzten Zeit eine neue Auslegung des fr. 15,1 vorgeschlagen.23 Danach solle man unterscheiden, ob der Sklave entweder durch Gebäudeeinsturz oder ob durch Schiffbruch oder irgendeinen anderen Unglücksfall gestorben sei (1), und er emendiert den Text dergestalt, dass [,] vor sed si manumissus vel alienatus durch auszuwechseln (2) und vor Iulianus ait einzufügen sei (3). Ankum versteht den Text nämlich so, dass der Satz de occiso agi non posse, sed quasi de vulnerato die Mei nung Ulpians selbst zeige und dass Julian nur sage, si manumissus vel alienatus ex vulnere periit, quasi de occiso agi posse. Während seine Auslegung der Stelle sehr scharfsinnig ist, dürf ten der erste und der dritte Vorschlag wahrscheinlich überflüssig sein.24 Denn die Stelle kann, wie unten gezeigt, gut verstanden werden, auch wenn man die textkritischen Vorschläge nicht annimmt. Aber dabei entsteht ein Problem: Ist es möglich, dass der Infinitiv-Satz de occiso agi non posse, sed quasi de vulnerato die Meinung der Verfassers Ulpian zeigt? Nach Ankum sind solche Beispiele nicht selten. Von diesen betrachten wir hier nur eine Stelle:25
21 Hans Ankum, Das Probleme der „überholenden Kausalität“ bei der Anwen dung der lex Aquilia im klassischen römischen Recht, in: De iustitia et iure, Fest gabe für Ulrich von Lübtow zum 80. Geburtstag, 1980, 331, hat die Ansicht Schind lers unterstützt, das Fr. 51 sei echt. 22 Ankum (o. Fn. 21) 335, 337 f. und Dieter Nörr, Causa Mortis, Auf den Spuren einer Redeanwendung, 1986, 181 ff., haben selbstverständlich vorausgesetzt, dass es darüber eine Kontroverse zwischen Julian und Celsus gab. Schon Cujacius hat auch gesagt, dass man „sine calumnia“ den Widerspruch aufheben könne und dass Julian die Meinung seines Zeitgenossen Celsus gekannt habe und ahbe gegen ihn argumentieren wollen (Jacobii Cujacii Opera III, 1873, 1433). 23 Ankum (o. Fn. 21) 325 f. 24 Nörr (o. Fn. 22) 182, Fn. 95. 25 Über andere Beispiele siehe Ankum (o. Fn. 21) 353, Fn. 87, 88, 89.
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D. 9,2,27,30 (Ulp. 18 ed.) Si cum maritus uxori margaritas extricatas dedisset in usu eaque in vito vel inscio viro perforasset, ut pertusis in linea uteretur, teneri eam lege Aquilia, sive divertit sive nupta est adhuc.
Ulpian im 18. Buch zum Edikt Hat ein Ehemann seiner Frau noch unauf gereihte Naturperlen zum Gebrauch über lassen und ließ sie sie gegen den Willen oder ohne Wissen des Mannes durchbohren, um sie als Kette aufgefädelt zu benutzen, so haftet sie nach der Lex Aquilia ohne Unter schied, ob sie geschieden oder noch verhei ratet ist.26
Daher können wir das fr. 15,1 im Folgenden verstehen und dadurch den Widerspruch zwischen fr. 51 und fr. 15,1 auflösen: 26
Ist ein tödlich verletzter Sklave später durch Gebäudeeinsturz, Schiffbruch oder ir gend einen anderen Unglücksfall schneller zu Tode gekommen, so kann nicht wegen der Tötung des Sklaven, sondern nur wegen der Verletzung geklagt wer den; ist er aber nach Freilassung oder Veräußerung an der Verletzung gestorben, w i e J u l i a n s a g t , so kann man wegen Tötung klagen. Diese [letzten] Fälle werden deswegen so abweichend entschieden, weil es richtig ist, dass er von dir getötet wurde, indem du ihn da mals verletzt hast; dies klärte sich jedoch erst durch seinen Tod. Im ersten Fall verhinderte der Gebäudeeinsturz die Klärung, ob [infolge der Tödlichkeit der Verletzung] eine Tötung vorlag. Hast du aber den tödlich verletzten Sklaven testamentarisch freigelassen und zu deinem Erben ein gesetzt und ist dieser hierauf [nach dem Erbfall] gestorben, so kann sein Erbe nicht nach der Lex Aquilia klagen.27
4. Sonstige Quellen Ferner findet man noch die folgenden Stellen über die Mittäter schaft, nämlich über den Totschlag durch zwei Täter: 28
D. 9,2,11,1 (Ulp. 18 ed.) Si alius tenuit, alius interemit, is qui tenuit, quasi causam mortis prae buit, in factum actione tenetur.
Ulpian im 18. Buch zum Edikt Hat der eine den Sklaven festgehalten und der andere ihn getötet, so haftet, wer fest gehalten hat, mit einer auf den Sachverhalt zugeschnittenen Klage, weil er die Ursache für den Tod gesetzt hat.28
26 Übersetzung nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 751. Hier ist ge nau der Infinitiv-Satz teneri eam lege Aquilia als die Meinung des Verfassers (Ulpian) auf Deutsch übersetzt. 27 Ich folge im Wesentlichen Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 741 f., und ändere die Stelle „wie Julian sagt“. 28 Übersetzung nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 739.
Minpo § 719 und das römische Recht
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Und über die nicht tödliche Verletzung durch den ersten Täter: D. 9,2,30,4 (Paul. 22 ed.) Si vulneratus fuerit servus non mor tifere, neglegentia autem perierit, de vulnerato actio erit, non de occiso.
PAULUS im 22. Buch zum Edikt Wurde ein Sklave nicht lebensgefährlich verletzt, ist er aber durch Nachlässigkeit gestorben, so ist die Klage wegen Verlet zung, nicht wegen Tötung gegeben.29
Über den Fall, wie in fr. 51,1, bei dem sich nicht ermitteln lässt, wer der Täter ist: 29
D. 9,2,11,4 (Ulp. 18 ed.) Si plures trabem deiecerint et homi nem oppresserint, aeque ve te ribus placet omnes lege Aquilia teneri.
ULPIAN im 18. Buch zum Edikt Haben mehrere einen Balken herunter geworfen und dadurch einen Sklaven er schlagen, so haften nach Meinung der alten Juristen ebenfalls alle nach der Lex Aqui lia.30
V. Schluss Zum Schluss stellen wir die Haftung des ersten Täters A zusammenfas send dar: 30
(1) Wenn A und B als „Mittäter“ angesehen werden, dann ist A für den aus dem Tod des C entstehenden Schaden nach jedem Recht verantwortlich, also nach dem japanischen Minpo § 719 Abs. 1 und nach BGB § 830 Abs. 1, ebenso wie im römischen Recht (fr. 11,1). Das ist klar. (2) Es ist auch klar, dass A und B nach Minpo § 719 Abs. 1 S. 2, nach BGB § 830 Abs. 1 S. 2 und nach römischem Recht (fr. 51,1 u. fr. 11,4) haften, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von ihnen den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. (3) Sind A und B so genannte „Nebentäter“, so ist A für den Schaden nach BGB § 840 Abs. 1 BGB verantwortlich. Nach römischem Recht ist A nicht für den Schaden de occiso verantwort lich, wenn es sich um einen vulneratus non mortifere handelt, sondern nur de vulnerato (fr. 30,4). Wenn es sich aber um mortifere handelt, dann gibt es eine Kontroverse zwischen Julian und Celsus: Julian bejaht die Haftung de occiso (fr. 51 pr.) aber Celsus bejaht nur die Haftung de vulnerato, nicht de occiso (fr. 11,3). Dass Marcellus und Ulpian der Meinung des Celsus sind, wird aus drück lich mitge teilt (fr. 11,3). Dagegen folgt Paulus wahr 29 Übersetzung
30 Übersetzung
nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 756. nach Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 11) 740.
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Makoto Ishikawa
scheinlich der Mei nung Julians: In fr. 30,4 sagt er, si vulneratus fuerit servus non mortifere, neglegentia (z. B. also vom Eigentümer des Sklaven) autem perierit, de vulnerato actio erit, non de occiso. Aber si vulneratus fuerit servus mortifere, dann würde er um gekehrt sagen, de occiso actio erit, non de vulnerato.31 Das können wir also aus dem so genannten Argu mentum ex contrario erschließen. Vermutlich war die Meinung von Celsus die herrschende. Denn Celsus führt mit wenigen Argumentationen zu einer einfachen Lösung (fr. 11,3), aber Julian diskutiert als Herausforderer mit sehr vielen Worten (fr. 51,1–2). Wie sollen wir nun bei uns urteilen? Wie schon gesehen, haben wir keine Vorschrift wie BGB § 840 Abs. 1. Der Meinung unseres Gesetzesverfassers (Ume) nach kann man Minpo § 719 darauf nicht anwenden, weil A und B keine Mittäter sind. Anderseits hat die Recht spre chung die Vorschrift darauf angewendet. Ich glaube – wenn man die Meinung Julians übernimmt –, dass Minpo § 719 anwendbar ist, aber nur auf den Fall mortifere. Wir schauen unseren Fall noch einmal an. Hier wäre C, wenn er richtig behandelt worden wäre, wahrscheinlich nicht ums Leben gekommen. Das ist nicht der Fall mortifere, sondern non mortifere. Julian würde sagen, Minpo § 719 sollte auf unseren Fall nicht angewendet werden.
31 Ankum
(o. Fn. 21) 356.
Vertragliche Haftungsverschärfung beim depositum Von Sebastian Lohsse I. Grundlagen und Fragestellung Der Verwahrer haftet regelmäßig nur für dolus. Belegt wird das schon durch die ältere, honorarrechtliche Klageformel der actio depositi, die in factum konzipiert ist und auf rem dolo malo redditam non esse abstellt; für die jüngere, in ius konzipierte zivilrechtliche Version ergibt sich derselbe Haftungsmaßstab durch Auslegung1. In der Sache entspricht diese Beschrän kung der Haftung auf dolus dem Utilitätsprinzip2; sie rechtfertigt sich daraus, dass der Verwahrer grundsätzlich uneigennützig handelt. Das zieht zwangs läufig die Frage nach sich, inwieweit die Parteien einer abweichenden Inter essenlage durch vertragliche Vereinbarung begegnen und die Haftung über dolus hinaus verschärfen konnten. Man möchte annehmen, dass die Juristen schon im Rahmen der honorarrechtlichen Klage Raum für die Berücksichti gung haftungsverschärfender Abreden fanden3. Jedenfalls aber hat man sol chen Abreden die Anerkennung im Rahmen der zivilrechtlichen Version der actio depositi nicht verweigert. Mit Einführung dieser Formel war die Haf tung des Verwahrers von ihrer ursprünglichen deliktischen Grundlage gelöst und konnte nunmehr ohne weiteres als vertragliche begriffen werden. Vor allem aber gab diese Formel dem Richter vor, sich bei seiner Entscheidung an der bona fides zu orientieren (quidquid dare facere oportet ex fide bona); damit bot sich ein idealer Anknüpfungspunkt, um haftungsverschärfenden Nebenabreden Rechnung zu tragen. Zahlreiche Quellen erklären haftungsver schärfende Abreden dementsprechend ausdrücklich für zulässig4, und auch in 1 Siehe zunächst Gai. 3,207; Ulp. 29 ad Sab. D. 50,17,23, Diocl. Coll. 10,5; ferner die in den folgenden Fn. genannten Quellen. 2 Vgl. Ulp. 28 ad ed. D. 13,6,5,2; Gai. 3,207 mit 206. – Zu den grundlegenden Zusammenhängen s. nur Dieter Nörr, Die Entwicklung des Utilitätsgedankens im römischen Haftungsrecht, ZRG RA 73 (1956) 68–119, 75 ff. und 115. 3 Gegen die Anerkennung haftungsverschärfender Abreden insoweit aber Wiesław Litewski, Depositary’s Liability in Roman Law, AG 190 (2) (1976) 3–78, 74 ff.; zurückhaltend auch schon Gino Segrè, Sul deposito irregulare in diritto roma no, Bull. 19 (1907) 197–234, 202 f. 4 Neraz 7 membr. D. 17,1,39 (Vereinbarung der Haftung für periculum); Pap. 27 quaest. D. 45,2,9,1 (culpa); Ulp.( / Pomp.) 4 ad ed. D. 2,14,7,15 (omne pericu-
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der modernen Romanistik ist ihre Berücksichtigungsfähigkeit wenigstens für die jüngere, in ius konzipierte Formel nicht bestritten. Über die Frage, welche Reichweite vertraglicher Haftungsverschärfungen die römischen Juristen für zulässig gehalten haben, hat man demgegenüber bis heute keine Einigkeit erzielen können. Gelegentlich begegnet man im Schrifttum der Auffassung, zulässig gewesen sei nur die Vereinbarung einer Haftung für culpa5; zumeist aber nimmt man an – so namentlich Kaser, Li tewski und MacCormack – auch die custodia-Haftung sei tauglicher Gegenstand haftungsverschärfender Abreden gewesen6. Die vor allem in älteren Werken vertretene Ansicht, man habe die Haftung vertraglich noch darüber hinaus sogar auf jeden Zufall erstrecken können7, hat dagegen nur vereinzelt Zustimmung gefunden.
lum); Ulp. 28 ad ed. D. 13,6,5,2 (et culpa et periculum); Ulp. 30 ad ed. D. 16,3,1,6 (culpa) und 35 (periculum); Ulp. 56 ad ed. D. 47,8,2,23 (culpa); Diocl. Coll. 10,5 (ohne Bezug auf einen konkret vereinbarten Haftungsmaßstab); ferner mit ausdrück lichem Bezug zum depositum irregulare Ulp. 34 ad Sab. D. 12,1,4 pr.; Ulp. 26 ad ed. D. 12,1,11 pr. 5 So etwa jüngst Tobias Rundel, Mandatum zwischen utilitas und amicitia. Perspektiven zur Mandatarhaftung im klassischen römischen Recht, Münster 2005, 131. 6 Vincenzo Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale in diritto romano, Napoli 19332, 116; Erich Sachers, Die Verschuldenshaftung des Depositars, in: Festschrift Paul Koschaker, II. Band, Weimar 1939, 80–112, 95 ff.; Paul Krückmann, Custodia, ZRG RA 64 (1944) 1–56, 52 f. (mit dems., Versicherungshaftung im römischen Recht, ZRG RA 63 [1943] 1–53, 49); Max Kaser, Das römische Privatrecht, 1. Ab schnitt, München 19712, 535 Fn. 10 (§ 126 I 2), Litewski (o. Fn. 3) 69 ff.; ders., Rezension zu Tafaro (u. Fn. 7), ZRG RA 105 (1988) 865–878, 874; Geoffrey MacCormack, Periculum, ZRG RA 96 (1979) 129–172, 156 f.; ders., Custodia and Culpa, ZRG RA 89 (1972) 149–219, 217; ders., Culpa, SDHI 38 (1972) 123–188, 138 f.; René Robaye, L’obligation de garde. Essai sur la responsabilité contractuelle en droit romain, Bruxelles 1987, 39 ff.; ebenso wohl auch Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, Cape Town 1990, 208 und nunmehr Attila Pókecs Kovàcs, Merces und pretium depositionis, in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, Hrsg. Holger Altmeppen u. a., Heidelberg 2009, 873–886, 878 f. – Unentschlossen bleibt Hannu Tapani Klami, Mutua magis videtur quam deposita, Helsinki 1969, 148, 166; ganz offen lässt die Frage Tom Walter, Die Funktionen der actio depositi, Berlin 2012, 158 mit Fn. 129. 7 Gino Segrè, Sull’età dei giudizii di buona fede di commodato e di pegno, in: ders., Scritti vari di diritto romano, Torino 1952, 61–113, 78 Fn. 32 (aber mit Interpolationsannahme); Carlo Longo, Corso di diritto romano, Il deposito, Milano 1946, 44 ff.; Joachim Rosenthal, „Custodia“ und Aktivlegitimation zur Actio furti, ZRG RA 68 (1951) 217–265, 228 f.; aus jüngerer Zeit s. immerhin Sebastiano Tafaro, Regula e ius antiquum in D. 50.17.23, Bari 1984, 242 ff.; Wolfgang Kunkel (Begr.) / Heinrich Honsell (Bearb.), Römisches Recht, Berlin u. a. 19874, 302 (§ 113 I); Riccardo Cardilli, L’obbligazione di „praestare“ e la responsabilità contrattuale
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II. Ulpian 30 ad ed. D. 16,3,1,35 und der sich aufdrängende Verwahrer Im Zentrum der Diskussion um die zulässige Reichweite vertraglicher Haftungsverschärfungen steht ein Text aus Ulpians Ediktskommentar: Ulp. 30 ad ed. D. 16,3,1,358 Saepe evenit, ut res deposita vel nummi periculo sint eius, apud quem deponuntur: ut puta si hoc nominatim convenit. sed et si se quis deposito obtulit, idem Iulianus scribit periculo se depositi illigasse, ita tamen, ut non solum dolum, sed etiam culpam et custodiam praestet, non tamen casus fortuitos.
Es kommt häufig vor, dass die hinter legte Sache oder Geldstücke auf Gefahr desjeni gen gehen, bei dem sie hinter legt werden, etwa wenn das ausdrücklich vereinbart wird. Aber auch wenn sich jemand zur Verwah rung aufgedrängt hat, schreibt Julian, habe er die Gefahr des hinterlegten Gegenstandes auf sich genommen, jedoch nur so, dass er nicht nur für Vorsatz, son dern auch für Fahrlässig keit und Bewa chung einstehen müsse, nicht jedoch für Zufall.
Dreh- und Angelpunkt der Kontroverse ist der vielschichtige Begriff des periculum. Im Gegensatz zum modernen Gefahrbegriff, mit dem regelmäßig die Gefahr zufälligen Untergangs angesprochen ist, meint periculum bei den klassischen Juristen gerade nicht notwendig – ja nicht einmal typi scher weise – das periculum casus fortuiti oder das periculum vis maioris. Seine Bedeutungsvielfalt reicht vielmehr von der eigentlichen Zufallsgefahr über das periculum custodiae bis zum periculum culpae; teils begegnet periculum ganz untechnisch im Sinne eines zu befürchtenden Nachteils. Mit Recht hat deshalb schon Friedrich Mommsen festgehalten, periculum für sich ge nommen lasse „keinen Schluß auf die Veranlassung des Schadens“ zu9. Spricht Ulpian nur von der Übernahme des periculum, so lässt das im Aus gangspunkt also jede mögliche Deutung zu; das gilt gleichermaßen für alle anderen Quellen, in denen nur undifferenziert von der Möglichkeit die Rede ist, vertraglich die Haftung für periculum zu übernehmen10. Die eingangs erwähnten Auffassungen, zulässig gewesen sei eine Haftungsverschärfung nur für custodia oder sogar nur für culpa, sind deshalb nicht von vornherein von der Hand zu weisen. in diritto romano, Milano 1995, 475 ff.; Martin Pennitz, Das periculum rei venditae, Wien u. a. 2000, 66 ff. 8 Übersetzung in Anlehnung an (aber s. Fn. 12) Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Hermann Seiler (Hrsg.) [Rolf Knütel], Corpus Iuris Ci vilis. Text und Übersetzung, Bd. III (D. 11–20), Heidelberg 1999, 337. 9 Friedrich Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, 1. Abth.: Die Unmög lichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Verhältnisse, Braunschweig 1853, 238; ausführlich MacCormack (o. Fn. 6), ZRG RA 96 (1979) 129 ff. 10 Nachweise in Fn. 4.
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Nähere Aufklärung in der Frage, in welchem Sinne Ulpian hier von periculum gesprochen haben könnte, verspricht allerdings die Entscheidung Julians, von der Ulpian im zweiten Teil des Textes berichtet. Danach soll ein Verwahrer, der sich deposito obtulit, auch für custodia, nicht aber für vis maior einzustehen haben. Unklar ist freilich zunächst, was ein deposito se offerens ist. Klami denkt an einen Verwahrer, der eigenmächtig, ohne Kenntnis des Hinterlegers „verwahrt“ hat11, doch ist das kaum plausibel. Zum einen könnte dann schwerlich von depositum die Rede sein; zum anderen würde man bei unerlaubtem eigen mächtigem Handeln eher Zu fallshaftung als eine Einstandspflicht nur für custodia erwarten. Umgekehrt steht es mit der verbreiteten Position, derzufolge offere nur zum Ausdruck bringen soll, dass der Depositar die Verwahrung freiwillig angeboten ha be12. Das geht nicht weit genug, weil das bloße Anbieten uneigennützigen Handelns nicht rechtfertigen kann, die Haftung des Verwahrers zu ver schärfen13 – erst recht nicht bis hin zur custodia, wenn man bedenkt, dass Ulpian zufolge selbst derjenige Verwahrer, der entgeltlich tätig wird, nicht für custodia, sondern nur für culpa einzustehen hat14. Am ehesten wird der deposito se offerens deshalb dem liti se offerens vergleichbar sein, der gegenüber dem Vindikationskläger wider besseres Wissen behauptet, Besit zer der Sache zu sein. Überträgt man dieses Gebaren des liti se offerens auf die Situation des Verwahrers, so muss es um einen Verwahrer gehen, der zwar mit Kenntnis des Hinterlegers verwahrte, der sich aber nicht nur bloß angeboten, sondern aus eigennützigen Gründen aufgedrängt hatte15 11 Klami
(o. Fn. 6) 149 f. diesem Sinne etwa Alfredo de Medio, Caso fortuito e forza maggiore in diritto romano, Bull. 20 (1908) 157–209, 205; Giovanni Rotondi, La misura della responsabilità nell’ actio depositi, in: ders., Scritti giuridici, Bd. II, Pavia 1922, 91–136, 118; Krückmann (o. Fn. 6) 53; Longo (o. Fn. 7) 47; Robaye (o. Fn. 6) 44 f. mit Fn. 46; Pennitz (o. Fn. 7) 66; Pókecz Kovács (o. Fn. 6) 879 (im Anschluss an András Földi, A másért való felelősség a római jogban, jogelméleti és összehason lító polgári jogi kitekintéssel, Budapest 2004, 249 – mir nicht zugänglich); Walter (o. Fn. 6) 158 mit Fn. 131; ebenso schließlich die Übersetzungen von Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler [Knütel] (o. Fn. 8) und Johannes Spruit / Robert Feenstra / Karel Everard Maria Bongenaar (Hrsg.) [Schuurmans / Spruit], Corpus Iuris Civilis. Text en Vertaling, Bd. III (D. 11–24), s-Gravenhage 1996, 327. Offen bleibt die Frage bei MacCormack (o. Fn. 6) ZRG RA 96 (1979) 155 mit Fn. 123. 13 Mit Recht betont das schon Franz Haymann, Textkritische Studien zum römi schen Obligationenrecht, ZRG RA 40 (1919) 167–350, 178 Fn. 1; nur ist entgegen Haymann daraus kein Schluss auf Überarbeitung des Textes zu ziehen; so wenig wie Julian wird auch ein späterer Bearbeiter ein Motiv gehabt haben, „dem ohne Entgelt handelnden Depositar bloß darum das periculum custodiae [aufzuerlegen], weil er sich zu solchem Freundesdienst erboten hat“. 14 Ulp. 28 ad ed. D. 13,6,5,2. 15 Eigennutz zieht schon Seckel in Betracht (in: Hermann Gottlieb Heumann / Emil Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Graz 195810, s. v. custo12 In
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und den der Hinterleger ohne diese Aufdrängung nicht als Verwahrer in Betracht gezogen hätte. Erst eine solche Aufdrängung erklärt den Haf tungsmaßstab, den Julian zugrunde legt. Von uneigennütziger Tätigkeit in fremdem Interesse, aus der sich die gewöhnliche Beschränkung der Haf tung auf dolus rechtfertigt, kann dann nicht mehr die Rede sein. Also muss auch die Haftung weiter reichen. Dass sie genau bis ein schließlich zur custodia reicht, ergibt sich aus der Eigennützigkeit: Hat der Verwahrer das depositum bei sich aus eigennützigen Gründen veranlasst, so rückt ihn das, auch wenn er die Sache nicht gebrauchen darf, in die Nähe eines Entlei hers und rechtfertigt also die Anwendung eben des Haftungsmaßstabes, der auch für den Entleiher gilt. Wenn also schon derjenige, der sich als Verwahrer aufdrängte, für custodia haftete, dann muss auch die verabredete Haftungsverschärfung jedenfalls die Einstandspflicht für custodia (und nicht etwa nur für culpa) umfasst haben. Entgegen der eingangs erwähnten verbreiteten Auffassung kann sie sich darin aber nicht erschöpft haben, sondern muss sich auch auf vis maior erstreckt ha ben. Dafür spricht schon, dass die Einschränkung non tamen casus fortuitos am Schluss des Textes offenbar nur auf den Fall des deposito se offerens bezogen ist. Betont der Jurist diese Einschränkung, so doch wohl gerade deshalb, weil sie im Fall der eingangs erwähnten Haftungsver schärfung nicht gelten sollte. Das ist zwar auch dem Schrifttum teilweise nicht verborgen geblieben, doch hat man ausgerechnet den Zusatz non tamen casus fortuitos deshalb früher für das Ergebnis justinianischer Überar beitung des Textes gehalten16. Erst die Kompilatoren hätten zum Ausdruck bringen wollen, dass in den beiden Fällen unterschiedliche Haftungsmaßstä be zu beachten seien. Im klassischen Recht habe man in beiden Konstella tionen nur für custodia gehaftet17 – oder der Verwahrer habe, wie immerhin manche angenommen haben, in beiden Fällen auch für vis maior einstehen ren Standpunkt aus erscheint eine müssen18. Vom einen wie vom ande Überarbeitung des Textes aber nicht plausibel: Dass beim deposito se offerens im Gegensatz zur vereinbarten Haftungs übernahme ein sachlicher Grund besteht, die Haftung gerade nur bis zur custodia reichen zu lassen, kann den Klassikern kaum entgangen sein. Ulpian wird demnach so zu verstehen sein, dass grundsätzlich vereinbart werden konnte, auch für vis dia 1 a gg); ebenso Rosenthal (o. Fn. 7) 228; s. ferner Sachers (o. Fn. 6) 96 („An regung zur Deponierung durch ein diesbezügliches Anerbieten“). 16 Sachers (o. Fn. 6) 96 Fn. 63; s. auch ebda. 94 Fn. 49 mit Nachweisen zu weiteren Interpolationsannahmen. 17 Sachers (o. Fn. 6) 95. 18 Longo (o. Fn. 7) 47; Francesco de Robertis, La responsabilità contrattuale nel sistema della grande compilazione, Band I, Bari 1983, 470 Fn. 82, Band II, Bari 1982, 722 Fn. 85.
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maior zu haften, dass aber der deposito se offerens im Einklang mit Julians Auffassung nur für custodia unter Ausschluss höherer Gewalt einzustehen hatte19. III. Ulpian 4 ad ed. D. 2,14,7,15 und die Vereinbarung der Haftung für omne periculum Auch jenseits von Ulpian D. 16,3,1,35 gibt es genügend weitere Hinwei se, dass die klassischen Juristen für zulässig gehalten haben, eine Einstands pflicht des Verwahrers bis einschließlich für vis maior zu vereinbaren. So berichtet Neraz 7 membr. D. 17,1,39, es sei schon nach Auffassung von Aristo und Celsus möglich gewesen, eine Sache zu hinterlegen oder zum Gegenstand eines Auftrages zu machen und dabei die Abrede zu treffen, dass die Sache auf Gefahr des Verwahrers oder Auftragnehmers gehe (ut res periculo eius sit qui depositum vel mandatum suscepit). Dem wird man schwerlich entnehmen können, Haftungserweiterungen seien nur in einge schränktem Umfang möglich gewesen; ungeachtet der vielschichtigen Be deutungen von periculum spricht die Pauschalität der Aussage gegen solche Einschränkungen. Das Gleiche gilt für den Hinweis auf die Möglichkeit der Haftungsübernahme für et culpa et periculum bei Ulp. 28 ad ed. D. 13,6,5,2. Anzuführen ist aber vor allem ein weiterer Text aus Ulpians Ediktskommen tar: Ulp. 4 ad ed. D. 2,14,7,1520 Sed et si quis paciscatur, ne deposi ti agat, secundum Pomponium valet pactum. item si quis pactus sit, ut ex causa depositi omne peri culum prae stet, Pomponius ait pactionem valere nec quasi contra iuris formam factam non esse servandam.
Aber auch wenn jemand vereinbart, nicht aus dem Verwahrungsvertrag zu klagen, ist diese Abrede nach Pomponius gültig. Eben so ist, wenn jemand vereinbart hat, dass er im Rahmen des Verwahrungsverhältnisses für alle Gefahr einstehe, diese Abrede, wie Pomponius sagt, gültig, und ihr ist nicht, etwa weil sie dem Klagewort laut wider spreche, die Anerkennung zu versagen.
Sieht das pactum eine Einstandspflicht für omne periculum vor, so liegt schon wegen omne die Annahme am nächsten, dass auch für vis maior einzustehen sein sollte. Zum Teil hat man freilich wiederum auch die Echt heit dieses Textes verdächtigt, sei es wegen der doppelten Negation, sei es 19 Ebenso differenzieren im Ergebnis Rosenthal (o. Fn. 7) 228 f.; Cardilli (o. Fn. 7) 475 ff. sowie (aus der Perspektive des Prozessrisikos statt verschiedener periculum-Begriffe) Pennitz (o. Fn. 7) 68. 20 Übersetzung in Anlehnung an Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (Hrsg.) [Christoph Krampe], Corpus Iuris Civilis (o. Fn. 8), Bd. II (D. 1–10), Heidelberg 1995, S. 231.
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wegen der Bezugnahme auf iuris forma21, die bei den Klassikern allenfalls gelegentlich begegnet22. Doch wird man deshalb kaum annehmen dürfen, Pomponius habe dem pactum die Anerkennung ursprünglich versagt und erst die Kompilatoren hätten die Entscheidung in ihr Gegenteil verkehrt. Zu erwarten wäre doch jedenfalls, dass Pomponius die Übernahme des periculum wenigstens als Übernahme der Einstandspflicht für culpa oder custodia aufrechterhalten hätte. Ein so weitreichender Texteingriff ist also kaum plausibel. Entgegenzu treten bleibt danach aber noch der Auffassung, periculum sei auch hier nur auf custodia zu beziehen. Als Einwand dagegen ist nicht allein omne ins Feld zu führen. Entscheidender noch ist eine entsprechende Vertragsklausel, die uns in den griechischen Papyri Ägyptens zur römischen Zeit begegnet. Auf sie hat in unserem Zusammenhang erstmals Segrè hingewiesen23, doch hat noch Klami, obwohl er die Parallele aufgegriffen hat, die These vertre ten, die Bedeutung der periculum-Haftung sei im Einzelfall kaum zu klären, „ohne dass man … Zuflucht zur Spekulation nimmt“24. Bei näherem Hin sehen erscheint das allerdings allzu zurückhaltend. IV. Haftungsverschärfungen bei der παρα(κατα)ϑήκη Es geht um die Klausel ¢k…ndunon pantÕv kindÚnou („frei von jeder Gefahr“), mit der bei der griechischen para(kata)q»kh vereinbart wurde, dass der Verwahrer die Gefahr übernahm. Selbstredend lassen sich, auch wenn die Parallele der Formulierung zu omne periculum auf der Hand liegt, nicht ohne weiteres Rückschlüsse vom griechischen auf das römische Recht ziehen – und ohnehin wird auch zu der griechischen Klausel viel fach angenommen, sie habe nur die Einstandspflicht für niedere Zufälle vorgesehen, also wiederum nur den auch von der custodia-Haftung erfass ten Bereich betroffen25. Allerdings ist für die griechische Klausel die Be 21 Gemeint sein wird der Klagewortlaut, s. Walter (o. Fn. 6) 96 f. (auch zur Gegenansicht). 22 Für Unechtheit deshalb noch Litewski (o. Fn. 3) 73 m. w. N.; zu den verschiede nen Bedenken gegen die Echtheit des Textes insgesamt ausführlich Klami (o. Fn. 6) 156 ff. 23 Segrè (o. Fn. 3) 203 ff. 24 Vgl. Klami (o. Fn. 6) 161 ff. 25 So etwa Ludwig Mitteis, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, 2. Band, 1. Hälfte, Leipzig / Berlin 1912, 198; Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, Wien 1953, 785 Fn. 552; Klaus Kastner, Die zivilrechtliche Ver wahrung des gräko-ägyptischen Obligationenrechts im Lichte der Papyri, Diss. Erlangen-Nürn berg 1962, 36; Hans-Jürgen Geschwinder, Die Gefahrtragung nach Gefahrenbeherrschung im Recht der Papyri, Diss. Köln 1971, 44 f.
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schränkung auf den Bereich der custodia-Haftung in Anbetracht der Quel lenlage noch unwahrscheinlicher als für das pactum über omne periculum. Um das zu erkennen, muss man sich nur den Anwendungsbereich dieser Klausel in den griechischen Urkunden vor Augen führen. Das verdeutlicht zugleich, inwieweit sich womöglich doch Parallelen zum römischen Recht ergeben. Typischerweise begegnet uns die Klausel ¢k…ndunon pantÕv kindÚnou nicht im Anwendungsbereich des eigentlichen Verwahrungsvertrages, son dern bei der irregulären para(kata)q»kh, bei der der Verwahrer die hin terlegte Sache verbrauchen und an ihrer Stelle eine andere Sache zurückge ben durfte26; Hauptanwendungsfall ist die Überlassung von Geld. Ein typi sches Beispiel bietet eine griechisch-ägyptische Urkunde aus dem Jahr 82 n. Chr.: P. Ath. 28 (16.10.82)27 ”Etouv ›ktou AÙtokr£torov Ka…sarov Domitianoà Sebastoà mhnÕv ’Apella…ou ™nneaka…deka … ™n Qeadelfe…ai … `Omologe‹ D…dumov DidÚmou … PetermoÚqi Posidwn…ou … œcein par’ aÙtoà ¢rgur…(ou) dracm¦v Ñgdo» konta paraq»khn ¢k…ndu non pantÕv kindÚnou, ½n kaˆ ¢po kata st»sin tÕn D…dumon tîi PetermoÚqi Ðphn…ka ™¦n aƒrÁtai Ð PetermoÚqiv ¥neu p£shv Øperqšsewv kaˆ eØrhsiolog(…av). ’E¦n d7 m¾ apo dîi kaq’ 9 œgr(aptai) ¢poteis£tw pa racrÁma paraq»khn di plÁn kaˆ t¦ bl£bh ¢koloÚqwv tîi tîn paraqhkîn nomîi geinom(šnhv) tîi Pe ter moÚqi tÁv pr£ xewv œk
Im sechsten Jahr des Herrschers Cae sar Domitian Sebastos [= Augustus], am 19. des Monats Apellaios … in Theadelphia … Didymos, Sohn des Didymos, … kommt mit Petermuthis, Sohn des Posidonios, … über ein, dass er von ihm 80 Silberdrachmen als Paratheke frei von jeder Gefahr hat, die Didymos dem Petermuthis ohne jede Verzöge rung und Ausrede zurückgeben wird, wann auch immer Petermuthis das wünscht. Wenn er [die Summe] aber entge gen der schriftlichen Vereinba rung nicht zurückgeben sollte, soll er gemäß dem Recht der Paratheken sogleich die doppelte Para theke zahlen und den Schaden ersetzen, und dem Petermuthis steht die Vollstreckung an Didymos und in dessen gesamtes Vermögen wie aufgrund einer Klage zu.
26 Siehe sogl. im Text, ferner fast alle Urkunden, die zum depositum wieder gegeben sind bei Ludwig Mitteis / Ulrich Wilcken, Grundzüge [Fn. 25], 2. Band. 2. Hälfte, Leipzig / Berlin 1912, Nr. 330 ff.: BGU III 856 (106 n. Chr.); P. Lond. II 298 (S. 206) (124 n. Chr.); BGU III 729 (144 n. Chr.); P. Lond. II 310 (S. 208) (146 n. Chr.); BGU III 702 (151 n. Chr.); CPR I 29 (184 n. Chr.); P. Lond. III 943 (S. 175) (227 n. Chr.) (Übers. bei Walter [Fn. 6] 396 Fn. 959); P. Oxy I 71 (303 n. Chr.) (= Mitteis / Wilcken II / 2 Nr. 62). – Die Frage, inwieweit wir es in diesen Urkunden mit einer Verschleierung von Mitgiften zu tun haben, kann hier außen vor bleiben; s. dazu Kübler, Bernhard, Griechische Tatbestände in den Werken der kasuistischen Literatur, ZRG RA 29 (1908) 194 ff.; Kühnert, Hanno, Zum Kreditgeschäft in den hellenistischen Papyri Ägyptens bis Diokletian, Diss. Freiburg i. Br. 1965, 127 mit Fn. 5 und weiteren Nachw. in Fn. 4. 27 Wiedergegeben mit Übers. auch bei Kühnert (o. Fn. 26) 121 f.; Wolf-Detlev Roth, Untersuchungen zur Kredit-Paraq»kh im römischen Ägypten, Diss. Marburg 1970, 2 ff.
Vertragliche Haftungsverschärfung beim depositum193
te toà DidÚmou kaˆ Øpa(rcÒn twn) aÙtoà kaq£per ™k d…(khv).
™k tîn p£ntwn
Selbst wenn wie hier nicht ausdrücklich verabredet war, der Verwahrer könne das Geld in eigenen Angelegenheiten verwenden, lag es bei der Überlassung von Geld schon aus praktischen Gründen nahe, dass der Ver wahrer seiner Verpflichtung zur Rückgewähr nicht nur durch gegenständli che, sondern auch durch wertmäßige Rückgewähr des erhaltenen Betrages nachkommen konnte. Davon abgesehen zeigt die rechtsgeschäftliche Gestal tung der Verträge, wie sie uns hier, aber auch in den anderen, insofern weitgehend entsprechenden Urkunden überliefert ist, dass es in der Sache mehr um Kreditgewährung im Interesse des Verwahrers als um Verwahrung im Interesse des Hinterlegers ging28. Nur so lässt sich verstehen, weshalb die Verträge durchweg darauf ausgerichtet sind, dem Hinterleger einen un bedingten, über die gewöhnliche Rückgewährpflicht eines Verwahrers hin ausgehenden Rückgewähranspruch zu sichern, den Verwahrer also stärker als bei der regelmäßigen Verwahrung in die Pflicht zu nehmen. Jenseits der ¢k…ndunon-Klausel geschieht das beispielsweise durch die häufige, hier al lerdings fehlende Vereinbarung, das Geld sei ¢nupÒlogon pantÕv ØpolÒ gou zurückzuzahlen. Ob damit ein Verbot der Aufrechnung mit Gegenan sprüchen29 oder gene reller eine Pflicht zu einredefreier Rückzahlung be gründet werden sollte, ist zwar bis heute unsicher30; jedenfalls aber geht es um eine Erweiterung der Rechtsposition des Hinterlegers. Vor allem jedoch begegnen wir Klauseln, die zugleich erklären, weshalb die Parteien sich, obwohl es in der Sache um Kreditgewährung ging, einer para(kata)q»kh bedienten, statt sich auf einen regelrechten Darlehensvertrag, ein d£neion31, zu einigen. Auch wenn die para(kata)q»kh im Gegensatz zum d£neion typischerweise unverzinslich war32, lag es für den Darlehensgeber aus zwei Grün den nahe, den Abschluss einer (irregulären) para(kata)q»kh dem eines d£neion vorzuziehen. Zum einen wird in den Urkunden wie im so 28 Treffend Roth (o. Fn. 27) 6 ff. gegen Kastner (o. Fn. 25); ein Interesse des Hinterlegers vermutet auch Ulrich Wollentin, `O k…ndunov in den Papyri, Diss. Köln 1961, 55. 29 So Stephan Brassloff, Zur Geschichte des römischen Compensationsrechtes, ZRG RA 21 (1900) 362–384, 367 ff.; s. aber die beachtlichen Bedenken von Segrè (o. Fn. 3) 205 Fn. 1; trotz dieser Bedenken weitgehend zustimmend Kübler (o. Fn. 26) 197 Fn. 1. 30 Siehe Kühnert (o. Fn. 26) 129 f. m. w. N. 31 Zu dessen Anforderungen und Rechtsfolgen ausführlich Kühnert (o. Fn. 26) 11 ff. und Hans-Albert Rupprecht, Untersuchungen zum Darlehen im Recht der graeco-ägyptischen Papyri der Ptolemäerzeit, München 1967. 32 Wenger (o. Fn. 25) 802; Kühnert (o. Fn. 26) 126; Roth (o. Fn. 27) 16 ff.
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Sebastian Lohsse
eben wiedergegebenen Fall regelmäßig auf den nÒmov tîn parakataqh kîn Bezug genommen. Über dessen Rechtsfolgen sind wir ebenfalls nicht sicher unterrichtet, doch wird dazu die auch hier angesprochene Folge ge zählt haben, dass sich die Schuld des Verwahrers im Fall des Zahlungsver zuges ohne weiteres verdoppelte33. Nicht minder günstig war für den Dar lehensgeber zum anderen, dass der Darlehensbetrag im Fall der para(kata) q»kh jederzeit ohne weiteres zu rückgefordert werden konnte,34 während man beim regelrechten Darlehen auf den vereinbarten Rückgabetermin fest gelegt war35. Auch dieses sofortige Rückforderungsrecht erwähnt die Ur kunde im Fall des Didymos ausdrücklich. Legt diese Gestaltung nahe, dass wir es durchgehend mit Fällen irregulä rer Verwahrung zum Zwecke der Kreditgewährung zu tun haben, so leuch tet un mittelbar ein, weshalb sich in den Urkunden regelmäßig auch die ¢k…n dunon pantÕv kindÚnou-Klausel findet. Anders als im Fall der eigentlichen Verwahrung wird der „Verwahrer“ bei der Darlehensgewährung gerade nicht uneigen nüt zig im Interesse des Hinterlegers tätig. Vielmehr verfolgt er eigene Interessen, so dass es gerechtfertigt ist, ihn auch über den bei der eigentlichen Verwahrung einschlägigen Haftungsmaßstab hinaus zu belasten. Aus dem Zweck der Kreditgewährung ergibt sich darüber hinaus aber zugleich auch, wie weit die Haftung des „Verwahrers“ nach der ¢k…ndunon pantÕv kindÚnou-Klausel gereicht haben muss. Da beim Darlehen nicht die hingegebene Sache selbst zurückzugeben ist, sondern von vornhe rein nur eine generi sche Rückerstat tungspflicht in Betracht kommt, kann selbst der zufällige Untergang den Darlehensnehmer nicht entlasten. Findet sich die ¢k…ndunon pantÕv kindÚnou-Klausel vornehmlich in Fällen, in denen es sich der Sache nach um Darlehen handelt, so muss sie also gerade den Zweck verfolgt haben, dem „Verwahrer“ alle Gefahren bis einschließ lich zur höheren Gewalt aufzu erle gen36; die vielfach angenommene Be schränkung auf eine bloße custodia-Haftung kann vor diesem Hintergrund nicht sachgerecht erscheinen.
33 Ausdrücklich ausgesprochen ist diese Folge auch in SB VI 9291 (93 n. Chr.); P. Lond. II 298 (S. 206) (124 n. Chr.) und BGU III 729 (144 n. Chr.); vgl. schon Kübler (o. Fn. 26) 198 und Wenger (o. Fn. 25) 802; ferner Kastner (o. Fn. 25) 64 ff.; Kühnert (o. Fn. 26) 135 f.; Roth (o. Fn. 27) 57 ff. 34 Siehe wiederum bereits Wenger (o. Fn. 25) 802; ferner Kastner (o. Fn. 25) 64 ff.; Kühnert (o. Fn. 26) 131 f.; Roth (o. Fn. 27) 15 f. 35 Anschauungsmaterial bei Kühnert (o. Fn. 26) 54 ff.; Rupprecht (o. Fn. 31) 68 ff. 36 So im Ergebnis auch Raphael Taubenschlag, The Law of Greco-Roman Egypt in the Light of the Papyri, Warszawa 19552, 316 mit Fn. 4; Wollentin (o. Fn. 28) 54 ff.; Kühnert (o. Fn. 26) 128 f.; Roth (o. Fn. 27) 9.
Vertragliche Haftungsverschärfung beim depositum195
V. Schlussfolgerungen Auch im römischen Recht war die irreguläre Verwahrung bekanntlich möglich. Das Problem, bereits vertraglich sicherstellen zu müssen, dass der Verwahrer unbedingt auf Rückzahlung des entsprechenden Geldbetrages haf tete, wenn er das in Verwahrung gegebene Geld verbraucht hatte, stellte sich bestenfalls nicht in gleicher Schärfe. Nimmt man an, dass die actio depositi bei der irregulären Verwahrung ohnehin durch die condictio abgelöst war, sobald der Verwahrer das in Verwahrung gegebene Geld für sich verwendet hatte37, so war ab diesem Zeitpunkt auch der beschränkte Haftungsmaßstab des Verwahrungsvertrages nicht mehr einschlägig. Was im hellenistischen Rechtsraum stets gesondert zu vereinbaren war, be durfte in Rom aber jedenfalls für den Zeitraum vor dem Verbrauch des Gel des einer eigenen Vereinbarung38. Wer sicherstellen wollte, sein Geld, das er dem Verwahrer in Form einer irregulären Verwahrung überlassen hatte, auch vor dem Verbrauch des Geldes durch den Verwahrer in jedem Fall wiederzu erhalten, der musste sicherstellen, dass der Verwahrer sich nicht auf einen etwaigen zufälligen Untergang des Geldes berufen konnte. Er musste also für die Verschärfung des gewöhnlichen Haftungsmaßstabes wenigstens für den Zeitraum bis zum Verbrauch des Geldes sorgen. Eben dazu wird die Verein barung der Haftung für omne periculum gedient haben. Die beiden Klauseln des griechischen und des römischen Rechts sind also nicht nur parallel formuliert, sondern dürften auch vergleichbare Anwendungsbereiche gehabt haben. Nicht weiter verwunderlich ist deshalb, dass Ulpian D. 16,3,1,35 von der häufigen Verwendung der Klausel spricht (saepe evenit). Vor allem aber verwundert nicht, dass seine Erörterungen nicht nur im Zusammenhang mit der Verwahrung solchen Geldes stehen, dessen Gebrauch der Hinterleger dem Verwahrer erlaubt hat, ohne das Geld von vornherein als eigentliches Darlehen zu geben (fr. 1,34), sondern über dies ausdrücklich auf res deposita vel nummi Bezug nehmen. Dass „non si capisce perchè, dopo la menzione della res deposita, siano ricordati a parte i nummi“, wie Arangio-Ruiz bemerkt hat39, wird man also schwerlich be haupten können – und nach alldem wird man auch nicht ernsthaft daran zweifeln können, dass es im römischen Recht zulässig war, dem Verwahrer mittels pactum auch die Haftung für Zufall aufzuerlegen.
37 Vgl. Ulp. 2 ad ed. D. 12,1,10 mit Ulp. 26 ad ed. D. 12,1,9,9; s. ferner Ulp. 30 ad ed. D. 16,3,1,34; ausführlich Klami (o. Fn. 6) 167 ff.; aber s. Fn. 38. 38 Kein Gegenargument ergibt sich aus Ulp. 24 ad ed. D. 12,1,9,9, weil hier (und wohl auch in D. 12,1,10) ein regelrechtes Darlehen vorliegt. 39 Arangio-Ruiz (o. Fn. 6) 116.
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage* Von Ulrich Manthe I. Die Collatio 1. Die Handschriften der Collatio Im Jahre 1573 gab Pithou eine Handschrift aus dem 9. Jhdt. (B = Codex Berolinensis 269) heraus, in welcher ein römischer Rechtstext namens Lex Dei quam praecepit Dominus ad Moysen1 erhalten war.2 1574 erhielt das Buch den Namen Mosaicarum et Romanarum Legum Collatio;3 dieser Titel hat sich eingebürgert. Im Jahre 1822 wurden zwei weitere Handschriften ge funden: V = Codex Vercellensis 122 und W = Codex Vindobonensis 2160.4 * Für
mehrere sehr hilfreiche Hinweise danke ich Wolfgang Kaiser / Freiburg i. Br. Titel vgl. Ulrich Manthe, Dubletten im Text der Collatio als Spuren der Redaktionstätigkeit, in: Römische Jurisprudenz – Dogmatik, Überlieferung, Rezep tion. Festschrift für Detlef Liebs zum 75. Geburtstag, Hrsg. Karlheinz Muscheler, Berlin 2011, 395–412, 395 Fn. 1. Eine ähnliche Formulierung benutzte Hieronymus, Vulgata Num. 27,11: sicut praecepit Dominus Mosi; in coll. 16,1,8 (aus Num. 27,11) heißt es vorhieronymianisch: secundum quae constituit Dominus Moysi. Dominus gibt hebr. JHWH „der Ewige“ wieder. 2 Fragmenta qvaedam Papiniani, Pavli, Vlpiani, Gaii, Mode stini, aliorumque veterum Iuris auctorum libris ex integris ipsorum libris ante Iuſtiniani Imp. tempora collecta, & cum Moysis legibus collata. Eiusdem Imp. Ivsti niani Nouellæ Conſtitutiones iii. Ivliani Anteceſſoris cp. Dictatū des Conſiliariis. Eivsdem Ivliani Collectio de contutoribus. Omnia nunc primum in lucem edita. Ex bibliotheca P. Pit hoei ic. cuius etiam Notæ adiectæ ſunt. Lutetiæ, Ex officina Roberti Stephani. M. D. LXXIII. cvm privilegio regis et senatvs. 3 Mosaycarum et romanarum legum collatio, ex integris Papiniani, Pauli, Vlpiani, Gaij, Modeſtini, aliorumque veterum Iuris auctorum libris ante tempora Iuſtiniani Imp. deſumpta. Eiusdem Imp. Ivstiniani Nouellæ Conſtitutiones iii. Ivliani Anteceſſoris cp. Dictatum de Conſiliarijs. Eivsdem Ivliani Collectio de con tutoribus. Ex bibliotheca P. Pithoei ic. cuius etiam Notæ emendatiores adiectæ ſunt. Baſileæ, per Thomam Gvarinvm, anno M. D. LXXIIII. Guarinus druckte mehrere größere Ergänzungen zur Erstausgabe ab, die möglicherweise von Pithou stammen, aber jedenfalls ohne dessen Wissen gedruckt wurden (z. B. p. 100 f. eine längere Ergänzung der 1573 p. 93 noch kurzen Note zu coll. 11,7,4 est autem differentia). Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch der neue Titel auf Pithou zurückgeht. 4 Beschreibung der Handschriften: Wolfgang Kaiser, Die Epitome Iuliani, Frank furt / M. 2004, 39–102 (B, saec. IX in.), 122–146 (V, saec. XI1), 153–165 (W, saec. 1 Zum
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Ulrich Manthe
Die Collatio wurde am Ende des 4. Jhdts. niedergeschrieben; sie wurde von keinem römischen Schriftsteller zitiert. Paul Mikat hat (sehr vorsich tig) vermutet, im 6. Jhdt. sei der Text der Collatio in Frankreich bekannt gewesen; dafür gibt es aber keine überzeugenden Anhaltspunkte.5 Die ers te mögliche Spur einer Benutzung der Collatio erscheint erst im 8. Jhdt.: Die Redaktoren der Lex Baiuvariorum (740) hatten vielleicht eine Colla tio-Handschrift vor sich.6 Sicher ist nur, dass die Handschrift B Anfang des 9. Jhdts. geschrieben wurde und dass Hincmar, der Bischof von Reims, im Jahre 860 aus der Collatio zitierte.7 Das Manuskript mag vier Jahrhun derte lang in einem Schrank gelegen haben und wurde erst im Archetyp (a) der vorhandenen Hand schrif ten B, V und W abgeschrieben. Der Ar chetyp a ist nicht er halten und kann nur aus B, V und W rekonstru iert werden. Fritz Schulz8 stellte anhand von ge meinsamen und trennenden Fehlern der Handschriften überzeugend fest, dass B eine Abschrift von a ist, wäh rend V und W aus einer Abschrift von a, dem Hyparchetyp b, kopierten.
IX3 / 4). Kritische Ausgaben: Fridericus Blume, Lex Dei sive Mosaicarum et Roma narum legum collatio, Bonnae 1833 (ed. maior); ders., Lex Dei sive incerti scripto ris Mosaicarum et Romanarum legum collatio, in: Corpus Iuris Romani Anteiusti niani, curaverunt E. Böckingus, A. Bethmann-Hollwegius, E. Puggaeus, Bonnae 1835–1844, 307–386 (ed. minor); Ph. Eduardus Huschke, Iurisprudentiae anteiusti nianae quae supersunt, Lipsiae 18611, 528–590 = 18865, 645–705; Theodor Mommsen, in: Paulus Krueger / Theodorus Mommsen / Guilelmus Studemund, Collectio li brorum iuris anteiustiniani III, Berolini 1890, 107–198; M. Hyamson, Mosaicarum et Romanarum le gum col latio, London 1913; Bernardus Kuebler, Iurisprudentiae anteiustinianae reliquiae II 2, Lipsiae 1927, 325–394; Robert M. Frakes, Compiling the Collatio Legum Mosaica rum et Romana rum in Late Antiquity, Ox ford 2011, 157–201. 5 Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 396–398. 6 Frakes (o. Fn. 2) 39; Manthe, Rez. von Frakes, ZRG, RA 130 (2013) 614– 623, 616. 7 Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 398 Fn. 18. 8 Fritz Schulz, The Manuscripts of the Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, in: Symbolae ad jus et historiam pertinentes Julio Christiano van Oven dedi catae, Hrsg. Martin David u. a., Leiden 1946, 313–332 [auch in BIDR 55–6 „postbellum“ = NS. 14–5 (1951) 49–69].
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage199
2. Tōrā und römisches Recht Die Collatio gliedert sich in 16 Titel mit stets gleicher Struktur: Der Verfasser verband jeweils ein Gebot des jüdischen9 Gesetzes – der Tōrā10, nämlich der 5 Bücher Mose – mit Fragmenten aus römi schen Juristen schriften und aus Gesetzen römischer Kaiser, so z. B. Titel 6 De incestis nuptiis: 6,1 Moyses dicit … [= LXX Lev. 20,11–12] 6,2 Ulpianus libro regularum singulari sub titulo de nuptiis … [Ulp. ep. 5,6–7] 6,3 Paulus libro sententiarum secundo sub titulo de nuptiis … [PS 2,19,3–5] 6,4 Gregorianus libro quinto sub titulo de nuptiis … [Cod. Greg. tit. De nuptiis, Collectio III p. 239] 6,5 Hermogenianus sub titulo de nuptis … [Cod. Herm. tit. De nuptiis, Collectio III p. 243] 6,5a Hanc quoque constitutionem Gregorianus titulo de nuptiis inseruit, quae est tricesima et secunda, aliis tamen et die , id est …11 [Cod. Greg. tit. De nuptiis, Collectio III p. 239] 9 Vereinfachte Transliteration der hebr. Konsonantenzeichen: ’ b g d h w z h t j k l m n s ‘ p s q r ś š t; der Vokalzeichen: a (= Qamäs) ă (= Pătăh) ä e i o u, bei scriptio plena (Vokalzeichen + h j w ’) mit Makron (ā usw.); Šewa mobile und hatep-Vokale: e a ă ä; die Spirantisierung der litterae bgdkpt ist nicht bezeichnet. 10 Das Tōrā-Zitat steht jeweils im 1. Fragment eines Titels, ferner coll. 1,5; 6,7. Kleinere eigene Aussagen des Verfassers finden sich außer in 6,5a; 6,7 pr. (siehe zu Fn. 12) noch in 5,3: Hoc quidem iuris est: mentem tamen legis Moysi imperatoris Theodosii constitutio ad plenum secuta cognoscitur. Item Theodosi[an]us: … „Dies ist zwar geltendes Recht; man erkennt aber, dass die Konstitution des Kaisers Theo dosius dem Geist des mosaischen Ge set zes vollkommen folgt. Ebenso Theodo sius: …“ – 7,1 pr.: Quod si duodecim tabulae nocturnum furem autem, si se audeat telo defendere, interfici iubent, scitote, iuris consulti, quia Moyses prius hoc statuit, sicut lectio manifestat. „Wenn aber die Zwölf Tafeln befehlen, den Dieb zur Nacht auf jeden Fall, den Dieb am Tage aber dann zu töten, wenn er sich mit einer Waffe zu verteidigen wagt, so wisset, ihr Rechtsgelehrten, dass Moses dies früher festgesetzt hat, wie der Text beweist.“ Der Text stammt bis iubent fast wörtlich aus Quint. inst. or. 5,14,18 oder dessen Vorlage Cic. pro Mil. 3,9: Quod si duodecim tabulae nocturnum furem quoquo modo, diurnum autem, si se telo defenderet, interfici impune iubent. – 14,3,6: Sciendum tamen est ex novellis constitutionibus capitali sententia plagiatores pro atrocitate facti puniendos: quamvis et Paulus relatis supra speciebus crucis et metalli huiusmodi reis inrogaverit poenam. „Man muss wissen, dass die Menschenräuber nach den neuen Gesetzen wegen der Grausamkeit der Tat mit dem Tode bestraft werden müs sen, ob gleich Paulus in den oben berichteten Fällen (coll. 14,2) die Kreuzes- und Bergwerkstrafe verlangt hat.“ 11 „Auch diese Konstitution fügte Gregorianus im Titel ‚Eheschließungen‘ als 32. Konstitution ein, freilich mit anderem Tag , nämlich: …“ Der Ver fasser weist darauf hin, dass coll. 6,5 auch schon im Codex Gregorianus enthalten war.
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6,6 Papinianus libro singulari de adulteris … [Lenel, Palingenesia Pap. fr. 22] 6,7 pr. Idem dicitur in eos, qui incestas nuptias contraxerunt. Maledicti tamen sunt omnes incesti per legem, cum adhuc rudibus populis ex divino nutu condita isdem a d s t i p u l a n t i b u s sanciretur. Et utique omnes maledicti puniti sunt, quos divina et humana sententia consona voce damnavit. Lex divina sic dicit:12 (1) Maledic tus, inquit, dixit Moyses, qui concubuerit cum uxore patris sui: et dicit omnis populus: fiat, fiat.13 [LXX Deut. 27,20] (2) Maledictus … [LXX Deut. 27,22] (3) Maledic tus … [LXX Deut. 27,23a Codex B14] (4) Maledictus … [LXX Deut. 27,23a Codex A14] (5) Maledictus … [~ LXX Lev. 18,12] (6) Maledictus … [~ LXX Lev. 18,13] (7) Maledictus … [LXX Deut. 27,23b Codex B14] (8) Male dictus … [~ LXX Lev. 18,16] (9) Maledictus … [LXX Deut. 27,21]
Auf Lev. 20,11–12 folgen Texte von Ulpian und Paulus und aus den Codices Gregorianus und Hermogenianus sowie ein Fragment Papinians. Es schließt sich ein weiterer Tōrā-Text an,15 den der Colla tio-Verfasser mit eigenen Worten einleitet (coll. 6,7; hierzu u. III 1 b). Die Titel 1 – 9, 11 und 13 – 15 behandeln das Strafrecht, Titel 10 und 16 Verwahrungsvertrag und gesetzliches Erbrecht, Titel 12 Strafrecht und Scha dens ersatz recht bei Brandstiftung. Da das Werk nur zweieinhalb zivilrechtliche Titel hat, hat man (wohl zu Recht) vermutet, dass die Colla tio nicht abge schlos sen wor den ist.16 Das jüngste zitierte Gesetz ist C. Theod. 9,7,6 = coll. 5,3, welches 392 n. Chr. publiziert wurde. Man darf daher annehmen, dass die Collatio 392 n. Chr. oder nur wenig später ver fasst wurde.17
12 „Dasselbe wird hinsichtlich derer gesagt, die inzestuöse Ehen geschlossen haben. Es sind aber alle Inzesttäter durch das Gesetz verflucht worden, als es [scil. das Gesetz] für die bis dahin unkultivierten Völker durch göttlichen Willen errichtet und mit Rechtskraft versehen wurde, weil sie dem Gesetz b e i t r a t e n . Und es sind jedenfalls alle Verfluchten bestraft worden, die der göttliche und menschliche Ur teilsspruch einstimmig verurteilte. Das göttliche Gesetz spricht so:“ Zu adstipulantibus vgl. u. III 1 b. 13 „Verflucht, sagt es (sprach Mose), wer der Frau seines Vaters beigelegen hat; und das ganze Volk spricht: Amen! Amen!“ 14 Zu coll. 6,7,3. 4. 7 siehe Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 406–410. 15 Die Verfluchungen stammen zum Teil aus dem „sichemitischen Dodekalog“ (Deut. 27,15–26) und wurden durch Verfluchungen, die ohne biblisches Vorbild aus den Verbotsnormen in Lev. 18,12–13 gebildet wurden, ergänzt. Zu Deut. 27,15–26 vgl. Manthe, Colla tio 6,7 pr. isdem abstipulantibus, in: Ars Iuris, Festschrift für Okko Beh rends zum 70. Geburtstag, Hrsg. M. Avenarius u. a., Göttingen 2009, 351–370, 361–364. 16 Detlef Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.), Berlin 1987, 172; Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 412. U. Fn. 30. 17 Liebs, Jurisprudenz (o. Fn. 16) 165–170.
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage201
II. Zur Textkritik 1. Frühromanische Wortformen: coll. 1,11,2 B, V und W sind ziemlich fehlerhaft.18 Wo die Fehler übereinstimmen, gehen sie schon auf den Archetyp a zurück. Wenn man a aus den Hand schriften rekonstruiert, so ergibt sich, dass sein Schreiber unsicher in der lateinischen Grammatik war und manche Wörter nicht verstand.19 An wenigen Stellen glaubt man, Spuren der frühromanischen Sprache zu entdecken, so in coll. 1,11,2: 20
cod. B … gladiuſ luppi filiuſ in conuiuio dum ſago lactatur culpam manu euariſti ita mele acceptuſ fuerit ut poſt diem quintum moreretur adque adparebat nulla Inimicitia cum ebariſti fuiſſ& nec cupiditatiſ culpā quoercendum crededit ut ceteri eiuſdem etatiſ iuueneſ emenda rentur
cod. V … claudiuſ luppi filiuſ in conuiuio dum ſago iettitur culpa mari ębariſti ita melea acceptuſ fuerit ut poſt diem quintum moreretur adque apparebat nullā inimicitiam abariſti fuiſſe ne cupiditatiſ culpam cohercendū credidi ut ceteri eiuſdem eatiſ iuueneſ e20
cod. W … claudiuſ lupi filiuſ in conuiuio dū ſago ietitur culpam a mario euariſti Ita melle accoeptuſ fuerit ut poſt diem v cōmoraretur atq(ue) apparebat nullā inimicitiam euariſti fuiſſ& nec cupiditatiſ culpa coercendum credidit ut ceteri eiuſdem etatiſ iuueneſ emendare tur
ed. Mommsen … Claudius Lupi filius in conuiuio, dum sago iactatur, culpa Mari Euaristi ita male acceptus fuerit, ut post diem quintum moreretur. atque adparebat nullam inimicitiam cum Euaristo ei fuisse. tamen cupiditatis culpa coercendum credidi, ut ceteri eiusdem aetatis iuuenes emenda rentur.21
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18 Die Schreiber ließen z. B. die Akkusativendung -m weg (coll. 1,8 richtig legem VW, falsch lege B) oder fügten sie unrichtig an (coll. 1,1,4 richtig manu V, falsch manum BW). Die Wortgrenzen wurden nicht beachtet (1,4,1 richtig mortisue W, falsch mortis suae BVa, mortis sue Vb). Mit manchen Wörtern konnten die Schreiber gar nichts anfangen (1,6,3 epafroditus [em. Blume]: ipsa funditus B, ipsa froditus V, ipsa fronditus W (im Neuen Testament gibt es einen Epaphroditus, Phil. 2,25; 4,18; aber der Schreiber von a war wohl nicht bibelfest); 1,7,2 ictus: iocus B, uotus V, botos W; 12,7,7 neratius (em. Iacobus Cuiacius, codicis theodosia ni libri XVI. … LicinI Ruffini Collatio legum Iudaicarum & Romanarum. … avrelinæ allobrogvm … Anno m. d. lxxxvi, p. 159): muneris B, munerari VW. 19 Z. B. coll. 1,11,4: iustam: iustitiam BVW; 4,2,5 patrem: pater BVW; 4,11,1 est: esse BVW; 8,7,3 non denuntiandum: denudandum BVW. 20 In V folgt auf e eine Lücke. 21 „Claudius, Sohn des Lupus, wurde bei einem Gelage, während er mit einem Soldatenmantel hochgeworfen wurde, durch Verschulden des Marius Evaristus so
202
Ulrich Manthe
(1) In coll. 1,11,2 steht in den Ausgaben iactatur „er wird hochgewor fen“. Die Handschriften haben: B lactatur, V iettitur, W ietitur. In V und W steht e an Stelle des lateinischen Wurzelvokals a, und die Kon so nantenverbindung ct ist zu tt bzw. t geworden. Da V und W denselben Fehler haben, dürfte in der gemeinsamen Vorlage von V und W, dem Hyp archetyp b, iettitur gestanden ha ben. Das ist genau die frühromani sche Form, die sich aus den modernen romanischen Wörtern franz. jeter, ital. gettare u. a. erschließen lässt;22 der Schreiber von b hat das lateinische Wort zwar verstanden, aber in die zu seiner Zeit existierende romanische Lautform umgesetzt. Hingegen glaubte der Schreiber von B, in seiner Vor lage (a) l für i (I longa?) zu erkennen: iactatur > lactatur; er dachte viel leicht an lactare „jemanden an sich locken“, was im Zusammenhang auch, obwohl gezwungen, passen könnte. Da in b das anlautende i, in B der Rest des Wortes erhalten ist, muss der Archetyp a iactatur gehabt haben. Iac tatur ist richtig und stand daher auch im Original. (2) Male acceptus „er wurde schlecht aufgefangen“: Statt male schrieben B: mele, V: melea, W: melle. Es ist möglich, dass der Schreiber des Arche typs an altital. mellea, französisch mêlée „Kampfgedränge“23 gedacht hat. (3) Credidi „ich glaubte“: B crededit und W credidit haben das Verbum in der 3. Person, nur V credidi in der (richtigen) 1. Person. In a dürfte daher die 3. Per son ge standen haben, da B (aus a) und W (aus b) den Fehler gemeinsam aufweisen; V hat richtig verbessert. B crededit bietet die frühromanische Lautform: Der lateinische Perfekttyp véndidi ist im Früh romanischen mit Akzentverschiebung zu vendédi ge worden, ital. vendéi, span. vendí, franz. vendís.24 Für a ist daher credidit anzusetzen, für das Original der Collatio muss man credidi konstruieren. schlecht aufgefangen, dass er nach fünf Tagen starb. Und es war zwar klar, dass keine Feindschaft zwischen ihm und Evaristus bestand; dennoch glaubte ich, dass er für seine schuldhafte Kampflust zu bestrafen sei, damit auch andere junge Männer desselben Alters gebessert würden.“ Zum Indikativ Präsens nach dum vgl. Anton Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik, München 1972, 613. Zum verschobenen Perfekt (acceptus fuerit statt acceptus sit) vgl. Hein L. W. Nelson / Ulrich Manthe, Gai Institutiones III 182–225, Berlin 2007, 144 f. 22 Hans Rheinfelder, Altfranzösische Grammatik I, München 19684, §§ 402, 588e; Wilhelm Meyer-Lübke, Romanisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 19353, Nr. 4568. 23 Meyer-Lübke (o. Fn. 22) Nr. 5606: altital. mellea aus der Vor form von franz. mêlée (aus altfranz. *meslee aus vulgärlat. *misclata) entlehnt. Das Wort gehört zu vulgärlat. misculare „mischen“, vgl. Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Literatur des Mittelalters II, München 2000, 305 (§ 57.8); 393 (§ 108.2); Rheinfelder (o. Fn. 22) I § 647. 24 Rheinfelder (o. Fn. 22) II, München 1967, §§ 412, 493; Heinrich Lausberg, Romanische Sprachwissenschaft III, Berlin 1972, §§ 892–895; Stotz (o. Fn. 23) III,
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage203
2. Falsche Auflösung von Randglossen: coll. 12,7,7 Interessanter sind aber die größeren Textstörungen, die nur durch Interpre tation des Textes aufgedeckt und emendiert werden können. Betrachten wir das Fragment Ulp. 18 ad ed. über die Haftung des Land pächters für seinen Ofensklaven. Der Text ist in D. 9,2,27,9 überliefert: Ein Sklave soll den Ofen eines Landpächters (colonus) bewachen; er schläft ein, und das Landhaus brennt ab. Der Pächter haftet gegenüber dem Verpächter für die Fahrlässigkeit seines Sklaven aus der actio locati. Jetzt wird der Fall variiert: Was aber, wenn ein Sklave den Ofen sorgfältig angezündet hat, ein anderer Sklave aber mit der Bewachung beauftragt worden ist und nicht sorgfältig aufgepasst hat? Wer hat den Brand verschuldet? Der erste Sklave hat nicht fahrlässig gehandelt, der zweite Sklave hat nicht aktiv gehandelt. In der Variante behandelt Ulpian nicht die Frage nach der Haftung aus der actio locati, sondern wendet sich der Haftung aus der actio legis Aquiliae zu und unterscheidet auch hier die beiden Fälle. Im Ergebnis haftet der Herr der Sklaven. Der Text ist auch in coll. 12,7,7 überliefert, und zwar mit einem Pa rallelfall: Ein Arzt hat sorg fältig ope riert, aber bei der Nach sorge selbst fahrlässig gehandelt oder einen anderen mit der Nachsorge beauftragt, der dann fahrlässig handelte. Ulpian hatte sowohl den Sklavenfall als auch den Arztfall behandelt, die Justinianer haben den Arztfall herausgekürzt. So gibt uns die Col la tio den ursprünglichen Text Ulpians und erweist die Inter polation. Am Anfang des Fragments findet sich eine erhebliche Textstörung: coll. 12,7,7 ed. Mommsen Si forte seruus, qui idem conductor est, coloni ad fornacem obdormisset et uilla fuerit exusta … Wenn zufällig der Sklave, der iden tisch mit dem Pächter ist, eines Landpächters beim Ofen einge schlafen war und das Landhaus abgebrannt ist …
Dig. 9,2,27,9 Si fornicarius servus coloni ad for nacem obdormisset et villa fuerit exusta … Wenn der Ofensklave eines Land päch ters beim Ofen eingeschlafen war und das Land haus abgebrannt ist …
Hier ist der Text der Collatio abgedruckt, den Mommsen in seiner Aus gabe bietet. Betrachtet man aber die drei Codices B, V und W, so zeigen sich die Textstörungen: München 1996, 347 (§ 302.2). Ebenso ist coll. 11,1,1 uindederit B (wieder die früh romanische Form) für uendiderit (so richtig W) zu beurteilen; der Schreiber von V schrieb hier uenundauerit – er erinnerte sich vielleicht an coll. 8,7,3 uenundandum oder hatte bereits 11,1,2 uenundetur gesehen.
204
Ulrich Manthe
Codex B
Codex V
Codex W
ſi forte ſeruuſ quę idem conductoreſ coloni ad forna cem obdormiſſent & uilla fuerit exuſta
ſi forte ſeruuſ que idem conductoreſ coloni ad fornacē obdormiſſent & uilla fuerit exuſta
ſi forte ſeruuſ q(ue) eidem conductoreſ colonia ad fornacem obdormiſſent & uilla fuerit exuſta
Archetyp a von BVW Si forte ſeruuſ quae idem conductoreſ coloni ad fornacem obdormiſſent & uilla fuerit exuſta
Mommsen verbesserte a seruus quae idem conductores coloni in seruus, qui idem conductor est, coloni. Was aber soll das heißen? Im Original stand seruus coloni „ein Sklave des colonus“; jemand schrieb an den Rand (oder zwischen die Zeilen) der Handschrift: qui idem conductor est „der identisch mit dem Pächter ist“ und meinte damit natürlich den colonus. Der Schreiber des Archetyps setzte irrtümlich diese Glosse (die er vielleicht beim Diktat als quae idem conductores hörte?) in den Text nach seruus statt nach coloni. Falsche Einfügungen von Glossen in den Text kommen häufig vor, und man wundert sich, dass Mommsen das nicht berücksichtigt hat.25 Der Originaltext, von dem der Schreiber von a abgeschrieben hat, muss daher gelautet haben: Archetyp a von BWV Si forte seruus quae idem conductores coloni ad fornacem obdormissent et uilla fuerit exusta
Urhandschrift der Collatio Si forte seruus coloni qui idem conductor est ad fornacem obdormisset et uilla fuerit exusta
3. Die Bibeltexte Die Bibeltexte geben nicht die lateinische Übersetzung des Hieronymus, die sog. Vulgata, wieder; denn diese war zur Zeit der Abfassung der Colla tio noch gar nicht vollendet. Vielmehr nahm der Collator seine Bibeltexte aus der sog. Vetus Latina („Alte lateinische Übersetzung“)26. Es ist trotz verschiedener Versuche nur zum Teil gelungen, die Vetus-Latina-Vorlagen des Collatio-Verfassers zu bestimmen.27 Nach allgemeiner Ansicht sind die 25 Manthe,
Rez. von Frakes (o. Fn. 4) 622 Fn. 67 f. Ausdruck „Vetus Latina“ bezeichnet kein zusammenhängendes Werk, son dern eine Vielzahl von verschie denen lateinischen Bibelübersetzungen, die in Gebrauch waren, vgl. Ernst Würthwein, Der Text des Alten Testaments, Stuttgart 19885, 102–105. 27 Mommsen, Collectio III 131–134; Hyamson (o. Fn. 4) 153–158; Nicolaas Smits, Mosaicarum et Romanarum legum collatio, Proefschrift Groningen 1934, Haarlem 1934, 44–71; Fritz Schulz, Die biblischen Texte in der Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, SDHI 2 (1936) 20–43; Eltjo Schrage, La date de la ‚Collatio legum 26 Der
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage205
biblischen Texte der Collatio und ihre Vorlagen Übersetzungen der griechi schen Übersetzung des Alten Testamentes, der Septuaginta (LXX). Es finden sich aber auch Bibeltexte in der Collatio, die vielleicht den hebräischen Text voraussetzen: 28
coll. 15,1,1 Moyses dicit: Non inveniatur in te, qui lustret filium tuum aut filiam tuam, nec divinus, apud quem sortes tollas,
LXX Deut. 18,10–11
non inveniatur in te (10) OÙc eØreq»setai ™n soˆ perikaqa…rwn tÕn u„Õn aÙtoà À t¾n qugatšra aÙtoà ™n pur…, manteuÒmenov mante…an, auguriator klhdonizÒmenov
nec consentias venenariis inpostoribus, qui dicunt, quid con ceptum habeat mulier, quoniam fabulae seduc toriae sunt, nec intendas prodigia, nec interroges mortuos. coll. 15,1,1 Mose sagt Es soll bei dir nicht gefunden werden, wer deinen Sohn oder deine Tochter reinigt, noch ein Weissager, bei dem du Losorakel aufhebst,
coll. 15,1,2
kaˆ o„wnizÒmenov, farmakÒv,
28 nec inspector avium nec maleficus
(11) ™pae…dwn ™paoid»n, aut incantator ™ggastr…muqov nec pythonem habens in ventrem kaˆ teratoskÒpov, nec haruspex ™perwtîn toÝv nekroÚv. nec interrogator mor tuorum [nec portenta inspiciens]. LXX Deut. 18,10–11 coll. 15,1,2 Es wird nicht gefunden werden bei dir einer, der seinen Sohn oder seine Tochter in Feuer reinigt, einer, der Weissagung weissagt,
Es soll bei dir nicht gefunden werden,
einer, der aus Zeichen wahrsagt, und einer, der aus dem Vogelflug wahrsagt,
noch ein Vogelschauer
ein Wahrsager
Mosaicarum et Romanarum‘, étudiée d’après les citations bibliques, in: Mélanges Felix Wubbe, Fribourg / Suisse 1993, Hrsg. J. A. Ankum u. a., 401–417, 409–415. 28 Die Übersetzung von klhdonizÒmenov steht in coll. 15,1,2 am Ende; sie ist wohl erst nach der Übersetzung des übrigen Textes nachgetragen worden. Coll. 15,1,1 hat klhdonizÒmenov kaˆ o„wnizÒmenov gar nicht übersetzt, was zeigt, dass coll. 15,1,2 eine gegenüber 15,1,1 verbesserte Übersetzung ist.
206 und du sollst nicht den giftmischenden Betrügern zustimmen, die sagen, was eine Frau im Bauch trägt, da das ja verführerische Märchen sind, noch sollst du auf Vorzeichen achten, noch sollst du die Toten befragen.
Ulrich Manthe ein Giftmischer,
noch ein Hexenmeister
(11) einer, der ein Zauberlied singt, ein Bauchredner
oder ein Zauberliedsänger
und ein Vorzeichen schauer, einer, der die Toten befragt.
noch ein Leberschauer
noch, wer einen Python im Bauche hat,
noch ein Totenbefrager [noch einer, der Vor zeichen beschaut].
Für Deut. 18,10–11 bietet die Collatio nicht nur eine Übersetzung, son dern zwei: coll. 15,1,1 und coll. 15,1,2. Mommsen wies die zweite Über setzung einem „Interpolator“ zu, also jeman dem, der nach dem Collator, also zwischen 400 und 800 n. Chr., den Text bearbeitete. Eine genaue Ana lyse dieses Textes ergibt aber, dass die beiden Übersetzungen nicht einfach dem LXX-Text folgen, sondern diesen aus jüdischer Sicht interpretieren. Einem „Interpolator“ kann man diese gelehrte Arbeit nicht zuschreiben – er müsste ein Kenner früher israelitischer Verhältnisse gewesen sein, den man im frühen Mittelalter vergeblich suchen würde. Vielmehr war der Verfasser der Übersetzungen (oder waren es zwei verschiedene Personen?) ein jüdisch gebildeter Gelehrter der Antike. Die erste Übersetzung (coll. 15,1,1) folgt mit nec divinus, apud quem sortes tollas „noch ein Weis sa ger, bei dem du Losorakel aufhebst“ dem hebräischen Text von Deut. 18,10, der von den heb räi schen Los orakeln spricht. In der Septuaginta werden die Losorakel nicht erwähnt; der Überset zer muss den hebräischen Text gekannt haben.29 Coll. 15,1,1 qui dicunt, quid conceptum habeat mulier „die sagen, was eine Frau im Bauch trägt“ gibt griech. ™ggastr…muqov „Bauchredner“ falsch als „einer, der sagt, was im Bauch ist“ wieder. Coll. 15,1,2 nec pythonem habens in ventrem „wer einen Python im Bauch hat“ zeigt, dass der Übersetzer dieser Wörter erkannt hat, dass ™ggastr…muqov „Bauchredner“ bedeutet. Python ist ein im frühen Christentum üblicher Ausdruck für „Bauchredner“.30 29 Deut. 18,10 hebr. qosem qesamīm „wer Losorakel für die Losorakelwahrsa gung benutzt“. Vgl. u. zu Fn. 54 zu der Möglichkeit einer lateinischen Bibelüberset zung unmittelbar aus dem Hebräischen. 30 Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 411. LXX ™ggastr…muqov „Bauchredner“ gibt hebr. šo’el ’ōb „wer den Schlauch befragt“ (Deut. 18,11) wieder. Hebr. ’ōb ist ein
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage207
Coll. 15,1,1 quoniam fabulae seductoriae sunt „da das ja verführerische Märchen sind“ hat keinen Anhalt im Septuaginta-Text und kann daher auch nicht aus einer Vetus-Latina-Übersetzung der LXX stammen. Der Text spielt aber auf die Sibyllinischen Orakel an; diese Orakel sind zum Teil (beson ders Buch 3) eine jüdische Kompilation aus dem 1. Jhdt. n. Chr. Dort (or. Sib. 3,226) heißt es im selben Zusammenhang: oÙ mÚqwn mwrîn ¢p£tav ™ggasterimÚqwn „(sie sor gen sich) nicht um Täuschungen der törichten Märchen der Bauchredner“.31 Quoniam fabulae seductoriae sunt ist keine christli che Über setzung, sondern eine Erläuterung aus jüdischem Hin ter grund. Der Übersetzer von coll. 15,1,1 muss mehr Kenntnisse über das israeliti sche Zauberwesen gehabt haben, als er aus dem Text der Septuaginta erfah ren konnte. In coll. 15,1,2 berichtigte die zweite Übersetzung coll. 15,1,1 nach dem Septuagintatext. Der Verfasser der Collatio hatte beide altlateini schen Überset zungen vor sich und konn te sich nicht gleich ent scheiden, welche die bessere war; daher nahm er vorläufig beide in sein Manuskript auf. In coll. 15,1,2 ließ er die Wörter weg, die keiner Verbesserung bedurf ten („wer deinen Sohn oder deine Tochter reinigt“). Das spricht dafür, dass das Manuskript noch nicht vollendet war.32 An einer anderen Stelle könnte der Übersetzer des Bibeltextes vielleicht Kenntnis von der Auslegung der Stelle durch die zeitgenössischen Rabbinen gehabt haben:
„Schlauch“ und ein „Totengeist“; wie die Wahrsagung vor sich ging, ist nicht ganz klar. Nach Naftali Herz Tur-Sinai (= Harry Torczyner, 1886–1973), Die Heilige Schrift ins Deutsche übertragen, Neuhausen-Stuttgart 19952, 331, ist der šo’el ’ōb ein „Balgredner“, also jemand, der mithilfe eines (in der Achselhöhle?) verborge nen Schlauches Geräusche (vgl. Is. 8,19) erzeugt. Mischna, Sanhedrin VII 7 „und der Herr des ’ōb, das ist der Python, und derjenige, der aus seiner Achselhöhle spricht,“ (übers. Krauß) scheint darauf hinzudeuten, dass Bauchredner (Python) und Achselhöhlenredner voneinander verschieden sind, so Samuel Krauß, Die Mischna, Sanhedrin, Makkōt, Gie ßen 1933 (Gie ßener Mischna IV 4–5), 230 mit weiteren Nachweisen. Freilich haben manche Mischna-Handschriften kein „und“ nach „Py thon“, vgl. Krauß 230, 394 zu Sanhedrin VII 7. Kein „und“ haben Hanōk ’Albeq, Šišē sidrē Mišnā („Die 6 Ordnungen der Mišnā“) IV, Tel Aviv 1988, 193,4; Dietrich Correns, Die Mischna ins Deutsche übertragen, Wiesbaden 2005, 518 („und der Totenbe schwörer, das ist der, der eine [sic!] Python aus seiner Achselhöhle reden läßt“). 31 Manthe, Fs. Liebs (o. Fn. 1) 411 f. Zu den Oracula Sibyllina vgl. Günter Stemberger, Non-Rabbinic Literature, in: Judaism in Late Antiquity I: The Literary and Archaelogical Sources, Leiden 1995, 13–39, 24. 32 O. zu Fn. 16.
208
Ulrich Manthe
coll. 2,1,2: Et si surgens ambulave rit homo f o r t i s in baculo, sine crimine erit ille, qui eum percusserat.33
Und wenn der (verletzte) Mensch sich erho ben hat und a l s S t a r k e r mithilfe eines Stockes umherging, so wird der, der ihn niedergeschlagen hat, ohne Verbrechen sein.
In den Handschriften steht fortis; alle Editoren verbessern nach dem Text der Septuaginta (œxw) foris. Auch im hebräischen Text steht bahūs „außer halb des Hauses, im Freien“34; fortis für foris scheint daher ein Schreibfeh ler des Archetyps zu sein. Allerdings hat bereits Volterra darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass jüdische Rabbinen den hebräischen Ausdruck ‘almiš‘antō „mithilfe seines Stockes“ als „mit eigener Kraft“ interpretierten,35 für die Beibehaltung von fortis spreche. In der Tat legte Jišma‘ēl ben ’Elīša‘, der um die Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. lebte,36 die Worte „mithilfe seines Stockes“ allegorisch aus: Der Ausdruck zeige an, dass der Verletzte seine volle Gesundheit wiedererlangt habe.37 Und im Targum des Onqelos – einer Übersetzung der Tōrā ins Aramäische zum Gebrauch in den Synagogen38 – 33
33 LXX Deut. 21,19: ™an ™xanast¦v Ð ¥nqrwpov peripat»s6 œxw ™pˆ þ£bdou, ¢qùov œstai Ð pat£xav. „Wenn der Mensch sich erhoben hat und draußen mit hilfe eines Stockes umhergeht, wird der, der ihn niederge schlagen hat, schuldlos sein.“ 34 Ex. 21,19: „Wenn er aufsteht und im Freien mithilfe seines Stockes umhergeht, ist der Schläger frei.“ 35 Edoardo Volterra, Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, Roma 1930, 3–123 (Ndr. in: Volterra, Scritti giuridici IV, Napoli 1993, 19–139), 60. Volterra verwies nur auf Hyamson (o. Fn. 4) 64 Anm., der aber keine Quelle angab. 36 Hermann L. Strack / Günter Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 19827, 78: zur Person; 238: zur Mekīltā des Jišma‘ēl ben ’Elīša‘, einem rabbinischen Kommentar zu Exodus, dessen Kern auf Jišma‘ēl zurückgeht; hierzu auch Günter Stemberger, Midrasch. Vom Umgang der Rabbinen mit der Bibel, Mün chen 1989, 33; ders., Mekhilta de-Rabbi Jishma‘el. Ein früher Midrasch zum Buch Exodus, Berlin 2010, 439 f.; Gary G. Porton, Rabbinic Mid rash, in: Judaism (o. Fn. 29) 217–236, 228–230; Jacob Neusner, Mekhilta according to Rabbi Ishma el, Atlanta, 1988, 24 f. mit Fn. 9 (die Mekīltā wird meist in die Spätantike oder auch später datiert; Neusner hält auch eine frühere Datierung für möglich). 37 Mekīltā 7,6 zu Ex. 21,19; Stemberger, Mekhilta (o. Fn. 36) 332 übersetzt (nach MS Oxford Bodleian Library 151,2, Stemberger 446, 451): „Wenn er später wieder aufstehen und herumgehen kann. Ich könnte mei nen, im Haus. Doch die Schrift lehrt: draußen. Ich könnte meinen, auch wenn er hinfällig ist. Doch die Schrift lehrt: wenn er später wieder aufstehen und draußen an seiner Stütze herumgehen kann: in voller Gesundheit.“ Vgl. Jakob Winter / August Wünsche, Mekhilta. Ein tannaiti scher Midrasch zu Exodus, Leipzig 1909, 260; Hermann L. Strack / Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, München 1926, 391; Wilhelm Bacher, Die Agada der Tannaiten I, Straßburg 19032, 239. 38 Gustaf Dalman, Grammatik des jüdisch-palästinischen Aramäisch, Leipzig 19052, 11 f.; Günter Stemberger, Geschichte der jüdischen Literatur, München 1977, 81; Paul V. M. Flesher, The Targum, in: Judaism (o. Fn. 31) 40–63, 45 f., 62; Uwe
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage209
heißt es: „Wenn er aufsteht und draußen mithilfe seiner Stärke umhergeht.“39 Der Ver fas ser des Targums benutzte ein Wort spiel mit den aramäi schen Wörtern bebarā „draußen“ und ‘ăl būrjeh „mithilfe seiner Stärke“ und gab hebr. ‘al-miš‘antō „mit hilfe seines Stockes“ als „mit hilfe sei ner Stärke“ wieder. Ist es denkbar, dass der Übersetzer von coll. 2,1,2 von dieser Ausle gung gewusst hat? Dann hätte er allerdings nicht œxw „draußen“, sondern ™pˆ þ£bdou „mithilfe seines Stockes“ (wie der Targum) mit fortis „als Star ker“ wiedergegeben sollen; in baculo blieb aber erhalten. III. Wer war der Verfasser der Collatio? 1. Christ oder Jude? a) Die bisherigen Ansichten Es kommen drei Möglichkeiten in Frage: (1) Der Verfasser kann kaum ein Heide gewesen sein, der den christlichen Juristen (scitote iurisconsulti) darlegen wollte, dass das heidnische römische Recht besser legitimiert als das christliche Recht sei. Wer sich auf Moses beruft, ist kein Heide: coll. 7,1 pr.40 Scitote, iuris consulti, quia Moy ses prius hoc statuit, sicut lectio mani festat.
Wisset, ihr Rechtsgelehrten, dass Moses dies früher festgesetzt hat, wie der Text beweist.
(2) Er könnte ein Christ gewesen sein, der den (noch vorhandenen) heidnischen Juristen zeigte, dass das Gesetz des Alten Testamentes älter als das römische Recht sei. Das ist die überwiegende Ansicht,41 und man hat verschiedene antike Autoren als Verfasser vorgeschlagen, nämlich: Licinius Rufinus (Cujaz42), Rufinus von Aquileia (Huschke43), Ambrosius (Ru Gleßmer, Ein leitung in die Targume zum Pentateuch, Tübingen 1995, 84–94, 93 (beide datieren den Targum in die ersten Jahrzehnte des 2. Jhdts. n. Chr.). 39 Alexander Sperber, The Bible in Aramaic I. The Pentateuch according to Targum Onqelos, Leiden 1959, 124; englische Übersetzung in: Bernhard Grossfeld, The Targum Onqelos to Exodus (The Aramaic Bible 7, Hrsg. Kevin Cathcart u. a.), Wilmington, Delaware 1988, 60. 40 O. Fn. 10; unten III 2. 41 Zuletzt Frakes (o. Fn. 4) 129–140. 42 Iacobus Cujacius, Recitationes solemmnes ad libros I ad XXII Quaestionum Pauli, in: Cuiacius, Opera omnia V, Mutinae 1777, 1071 ad D. 40,13,4 Paul. 12 quaest.: „Is [scil. L. Rufinus Jurisconsultus] vero est L. Rufinus, qui contulit leges Dei cum legibus pop. Rom. Fuit enim Christianus, et illa collatio, quae non ita
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Ulrich Manthe
dorff44, Hohenlohe45) oder gar Hieronymus (Conrat46).47 Alle diese konkre ten Identifizierun gen erwie sen sich als zu wenig begründet. Wer den Verfasser für einen Christen hält, muss ihn weiter als Anonymus betrach ten. 43
Gegen die These, der Verfasser der Collatio sei Christ gewesen, spricht, dass er (mit Aus nahme von Ex. 20,16[13]48 = coll. 9,1) nicht die Zehn Gebote zitierte, die den Christen geläufig waren, sondern andere Stellen aus dem Alten Testament, die für Christen des 4. Jhdts. nicht mehr erheblich waren. Die Auswahl war in einer Hinsicht sehr gezielt. In der Tōrā werden insgesamt 27 Handlungen mit den Worten hebr. mōt jūmăt „er muss gewiss getötet werden“ (mortem moriatur) bedroht.49 Davon übernahm der Verfas ser 16 Tatbestände.50 dudum edita est a Petro Pithoeo, habet in quadam bibliotheca Germaniae praefixum nomen Licinii Rufini.“ 43 Philipp Eduard Huschke, Alter und Verfasser der legum Mosaicarum et Romanarum collatio, ZgeschRW 13 (1846) 1–49, 25–31. Dagegen H. E. Dirksen, Über die Col latio Legum Mosaicarum et Romanarum, in: H. E. Dirksen, Hin terlassene Schriften II, Hrsg. Friedrich Daniel Sanio, Leipzig 1871 (urspr. 1846), 128 f. 44 Rudorff, Über den Ursprung und die Bestimmung der Lex Dei oder Mosaica rum et Romanarum legum colla tio, Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1868, Berlin 1869, 265–296 u. 618, 276–294 u. 618. 45 Constantin Hohenlohe, Ursprung und Zweck der Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, Wien 1935, 10–24; ders., Einfluß des Christentums auf das Corpus juris civilis, Wien 1937, 67–78. 46 Max Conrat, Hieronymus und die Collatio legum Mosaica rum et Romanorum [sic!], Hermes 35 (1900) 344–347. 47 Überblick und weitere Hinweise bei Hein L. W. Nelson, Überlieferung, Auf bau und Stil von Gai Institutiones, Leiden 1981, 109 f. Fn. 9; Schrage (o. Fn. 25) 401–403. 48 Zur unterschiedlichen Verszählung vgl. Emanuel Tov, Der Text der Heb rä i schen Bibel, Stuttgart 1997, 4. 49 Zur „mōt jūmăt-Reihe“ vgl. Georg Fohrer, Geschichte der israelitischen Re ligion, Freiburg 1992 (urspr. 1968) 189. Stellen bei Gerhard Lisowsky, Konkordanz zum hebräischen Alten Testament, Stuttgart o. J.2 [1966], 769; Wilhelm Gesenius / Frants Buhl, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testa ment, Leipzig 191015, 405, jeweils sv. mōt (Hophal). Nicht zu dieser Reihe gehört coll. 7,1,2 = Ex. 22,2. 50 3 Tatbestände sind keine Normen, sondern Einzelanordnungen und kommen nicht in Betracht: Gn. 26,11; Ex. 19,12; Num. 15,35. Von den verbleibenden 24 Strafnormen wurden 7 wörtlich mit mortem moriatur in die Collatio übernommen: Ex. 21,16 (LXX Ex. 21,17) = coll. 14,1; Lev. 20,10 = coll. 4,1; Lev. 20,11 = coll. 6,1,1; Lev. 20,12 = coll. 6,1,2; Num. 35,16 = coll. 1,1,1; Num. 35,17 = coll. 1,1,2; Num. 35,20–21 = coll. 1,1,3–4.
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage211
Aus dem Befund in den Handschriften ergibt sich, dass der Collator mortem moriatur schrieb; der Akkusativ entspricht dem hebräischen Infini tivus absolutus51 und nicht dem griechischen Dativ (die LXX hat qan£t0 qanatoÚsqw (qanatoÚsqwsan) „mit dem Tode soll er (sollen sie) getö tet werden“). Momm sens mortem ist richtig, morte (nach der LXX verbessert)52 ist text kri tisch nicht haltbar. Wäre die Vetus-Latina-Vorlage des Collators der LXX gefolgt, so wäre morte moriatur zu erwarten; mortem zeigt daher möglicherweise an, dass die Vorlage aus dem Hebräischen übersetzte. Quispel hat gute Gründe dafür ange führt, dass jüdi sche Ge mein den in Nord afrika mangels griechischer Sprach kenntnisse das Alte Testament unmittelbar aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzten.53 Ist es denkbar, dass der Collator einen solchen afrikanischen Vetus-LatinaText hatte?54 (3) Edoardo Volterra vertrat 1930 die These, der Verfasser der Collatio sei Jude gewesen; er konnte hierfür manche Indizien anführen.55 Die neue re Literatur lehnte die Vermutung Volterras meist ab;56 die Ablehnung war frei lich nur reaktiv, indem die einzelnen Argu mente Volterras ledig lich entkräftet wurden, ohne dass man die jüdischen Quellen noch einmal ge nauer betrachtet hätte. b) Isdem abstipulantibus In der Tat hatte Volterra Recht. Er sah allerdings das stärkste Argument für seine These nicht, nämlich einen Satz der Collatio, der bisher nie richtig ediert wurde: coll. 6,7 pr. Alle Heraus geber druckten das Wort adsti Weitere 9 Normen finden sich ohne wörtliche Übernahme in der Collatio: Ex. 21,12 ~ coll. 1,1; Ex. 22,18 ~ coll. 6,7,9; Lev. 20,2 ~ coll. 15,1,1; Lev. 20,13 ~ coll. 5,1; Lev. 20,15 ~ coll. 6,7,9; Lev. 20,16 ~ coll. 6,7,9; Lev. 20,27 ~ coll. 15,1,1–2; Lev. 24,17 ~ coll. 1,1; Num. 35,31 ~ coll. 1,1. Nicht übernommen wurden nur 8 Normen: Ex. 21,15; Ex. 21,17 (LXX Ex. 21,16); Ex. 31,14; Ex. 31,15; Lev. 20,9; Lev. 24,16; Lev. 27,29; Num. 35,18. 51 Vgl. Paul Joüon, Grammaire de l’hébreu biblique, Rome, 19652, §§ 123d (Akkusativ des inneren Objektes), 123e (verstärkende Bejahung). 52 Frakes (o. Fn. 4) 157 Fn. 4 und pass. 53 Gilles Quispel, African Christianity be fore Minucius Felix and Tertullian, in: Actus. Studies in Honour of H. L. W. Nelson, edd. J. den Boeft u. a., Utrecht 1982, 257–335, 261–262. 54 Vgl. o. Fn. 29 zum Losorakel. 55 Volterra (o. Fn. 35) pass.; Überblick bei Manthe, Fs. Behrends (o. Fn. 15) 354–355. 56 Zuletzt Frakes (o. Fn. 4) 140. Für jüdische Herkunft traten ein: Giorgio Barone-Adesi, L’età della Lex Dei, Napoli 1992; Francesco Lucrezi, L’uccisione dello schiavo in diritto ebraico e romano. Studi sulla „Collatio“ I, Torino 2001, 37–45.
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Ulrich Manthe
pulantibus „weil sie dem Gesetz beitraten“ ab57 und verstanden den Text so, dass die noch unkultivierten Völker das Gesetz des Sinai annahmen; ge meint seien mit den „Völkern“ die Israeliten.58 Freilich muss man sich fra gen, wieso es mehrere Völker (populi) sind – Israel war doch nur ein ein ziges Volk. In allen drei Codices B, V und W steht aber nicht adstipulantibus, son dern abstipulantibus „obwohl sie die Tōrā ablehnten“. Da abstipulari in der ge sam ten lateinischen Literatur nicht belegt ist, emen dierte man ge dankenlos59 zu adstipulantibus. Wir müssen aber die Textüberlieferung ab stipulantibus ernst nehmen, denn der Text ergibt einen guten Sinn, wenn man die jüdische Tradition60 betrachtet: In der Tōrā – den Fünf Büchern Mo se – sind 613 göttli che Gebote enthalten, die schrittweise gegeben wurden. Zunächst gab der Ewige dem ersten Menschen Adam (und damit allen Men schen) ein einziges Ge bot: Er verbot den Götzendienst. Nach der Sintflut gab er allen Völ kern (auch den Nichtju den), die alle von Noah abstammen, sieben Gebote: das Gebot zur Rechtspflege und die Ver bote der Gotteslästerung, des Götzendienstes, der Unzucht, des Blutvergie ßens, des Raubes und des Genus ses eines Glie des von einem leben den Tiere. Die Heidenvölker haben die sieben noahidischen Gebote zwar auf sich ge nommen, sie aber nicht gehal ten. Später bot der Ewige allen 70 Völkern (Gen. 10) sein Gesetz, die Tōrā an, und zwar zweimal, sowohl in der Wüste am Sinai als auch nach der Überschreitung des Jordans. Aber die Völker nahmen die Tōrā nicht an. Sie hatten jedoch Kenntnis vom Angebot der Tōrā und wurden dadurch gewarnt; darum sind sie verflucht (maledicti). Nur Israel schloss den Bund mit dem Ewigen und nahm die Tōrā an. Die rudes populi (Plural) sind daher nicht das eine Volk der Israeliten, sondern die vielen unkultivierten61 Heidenvölker, die das Gesetz ablehnten. Seit dem 2. Jhdt. n. Chr. waren die Christen davon überzeugt, dass das Neue Testament die Tōrā überwunden hatte; deshalb war es für einen christ lichen Verfasser nicht mehr erheblich, dass die Tōrā nur von Israel ange 57 Seit Pithou 1573 (o. Fn. 2); die Ausgabe von 1574 (vgl. o. Fn. 3) verbesserte allerdings wieder zu abstipulantibus, was die späteren Editoren nicht berücksichtig ten. 58 Zuletzt Frakes (o. Fn. 4) 217; vgl. Manthe, Rez. Frakes (o. Fn. 4) 619. 59 Nur Huschke (o. Fn. 4) zur Stelle diskutierte das textkritische Problem, blieb aber doch bei adstipulantibus; vgl. Manthe, Fs. Behrends (o. Fn. 15) 365 f. 60 Näheres bei Manthe, Fs. Behrends (o. Fn. 15) 356–367. 61 Rudis „unkultiviert“ übersetzt den mischna-hebräischen und aramäischen Aus druck būr, womit diejenigen gemeint sind, die die Tōrā nicht kennen, vgl. Manthe, Fs. Behrends (o. Fn. 15) 366.
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage213
nommen und von den Heiden abgelehnt wurde. Ein Christ würde sich jetzt nicht mehr auf Annahme oder Ablehnung der Tōrā und auf die in coll. 6,7 aufgenommenen Verfluchungen aus Deut. 27,15–26 beru fen.62 Den Text coll. 6,7 pr. kann nur jemand geschrieben haben, der in der jüdischen Tradi tion stand und wusste, dass die Heidenvölker die Tōrā abgelehnt hatten. Daher muss der Verfasser der Collatio ein Jude gewesen sein. Also lautet der Text von coll. 6,7 pr. richtig: Idem dicitur in eos, qui incestas nuptias contraxerunt. Maledicti ta men sunt omnes incesti per legem, cum adhuc ru dibus populis ex divino nutu condita isdem a b sti p u l a n t i b u s sanciretur. Et uti que om nes maledicti puniti sunt, quos divina et humana sententia consona voce damnavit. Lex divina sic dicit:
Dasselbe wird hinsichtlich derer gesagt, die inzestuöse Ehen geschlossen haben. Es sind aber alle Inzesttäter durch die Tōrā verflucht worden, als sie [scil. die Tōrā] für die bis dahin unkultivierten Völker durch göttlichen Willen errichtet und mit Rechtskraft verse hen wurde, obwohl sie die Tōrā a b l e h n t e n . Und es sind jedenfalls alle Verfluchten be straft worden, die der göttliche und mensch liche Urteils spruch ein stimmig verurteilte. Die göttliche Tōrā spricht so:
2. Der Ambrosiaster63 Jetzt können wir die Frage, wer der Verfasser gewesen sein könnte, neu betrachten. Martin Schanz (1904) und Joseph Wittig (1906)64 schlugen für den Collatio-Verfasser den „Ambrosiaster“ vor. Dieser war ein für uns anonymer Verfasser eines gelehrten Kommentars zu den Paulusbriefen des Neuen Tes ta mentes und einer Sammlung von Quästionen; er schrieb um 366–386 n. Chr.65 Das Mittelalter schrieb den Pauluskommentar dem Am brosius und die Quästionen dem Augustinus zu; Erasmus von Rotterdam 62 Manthe,
Fs. Behrends (o. Fn. 15) 369. bei Manthe, Wurde die Collatio vom Ambrosiaster Isaak geschrieben? in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, Hrsg. H. Altmeppen u. a., Hei delberg 2009, 737–754. 64 Martin Schanz, Geschichte der römischen Literatur IV 1, München 19142, 361 (schon 19041 nach Wittig 61 Fn. 4); Joseph Wittig, Der Ambrosiaster „Hilarius“. Ein Beitrag zur Geschichte des Papstes Damasus I., Kirchengeschichtliche Abhandlungen 4 (1906) 1–66, 59 ff. 65 Ausgaben: Ambrosiastri qui dicitur commentarius in epistulas Paulinas, rec. Henricus Iosephus Vogels, CSEL 81 I–III, Vindobonae 1966 / 8 / 9; älter: Ps.-Ambro sius, Commentaria in XIII epistolas Beati Pauli, Migne, Patrologia Latina (PL) 17, 1845, 45–508 (Ndr. der Maurinerausgabe von 1686–1690). – Pseudo-Augustini quaestiones Veteris et Novi Testamenti CXXVII, rec. Alexander Souter, CSEL 50, Vindobonae 1908; älter: Ps.-Augustinus, Quaestiones Veteris et Novi Testamenti, PL 35, 1845, 2213–2416 (Ndr. der Maurinerausgabe von 1679–1700). 63 Näheres
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erkannte, dass der Pauluskommentator nicht Ambrosius gewesen sein kann, und jetzt nennt man den unbekannten Verfasser den „Ambrosiaster“.66 Der Ambrosiaster wiederum war wahrscheinlich67 ein gewisser Isaak. Wir wollen zunächst die Argumente nennen, die für die Identität des Collatio-Verfassers mit dem Ambrosiaster sprechen, und dann auf die Frage eingehen, ob der Ambrosiaster mit Isaak identisch war. Wenn sich beides als wahrscheinlich ergibt, dürfen wir Isaak oder wenigstens den Ambrosias ter als Verfasser der Collatio vermuten. In coll. 15,3 steht das Edikt Diokletians gegen die Manichäer. Dieses Edikt ist nicht in den Codex Iustinianus aufgenommen worden (es war den Justinianern natürlich aus dem Codex Gregorianus bekannt); Diokletian hatte die Christen verfolgt, und ein religionsrechtliches Edikt von ihm konn te im christlichen Codex Iustinianus nicht mehr verwendet werden. Außer in der Collatio ist das Edikt nur beim Ambrosiaster68 bezeugt. Der Ambro siaster war juristisch gebildet; er erwähnte das Zwölftafelgesetz, das Sena tusconsultum Vel lae an um, eine Juristenstelle zur Fünf lings geburt und ein Gesetz des Julian Apostata. Er trat für faire Verfahrensprinzipien im Straf prozess ein.69 Der Ambrosiaster kannte die jüdische Tradition. Unter den wichtigeren Kirchenschriftstellern des 4. Jhdts. war der Ambrosiaster – na türlich außer Hieronymus – der einzige, der sich für die jüdischen Ursprünge des Christentums in teressierte. Häufig übte er Kritik am Juden tum, doch stets freundlich und abgewogen; mehrfach hob er hervor, dass die Juden in manchen Dingen den Christen überlegen seien. Er kannte die adamitischen und noahidischen Gebote und das Gesetz des Sinai (o. III 1 b). Die Heiden haben zwar die Tōrā abgelehnt; die Tōrā gilt aber nach der Ansicht des Ambrosiasters auch nach der Ankunft des Messias weiter.70 Das ist genau der Gedankengang, den wir in coll. 6,7 pr. finden: Die Ablehnung der Tōrā hat zur Verfluchung der Heiden geführt, und das ist für den Collatio-Ver fasser immer noch wichtig. All dies spricht dafür, dass der Ambrosiaster nicht nur am Judentum sehr inte ressiert, son dern jü disch soziali siert war. Das bedeutet nicht, dass er Jude war, als er den Kommentar zu den Paulusbriefen und die Quästionen schrieb; es ist möglich, dass er zum Christentum konvertiert war, aber seine jüdischen Wurzeln nicht vergessen und verdrängt hatte. Altaner / Alfred Stuiber, Patrologie, Freiburg 19938, 389 f. zuerst G. Morin, L’Ambrosiaster et le juif converti Isaac, contemporain du Pape Damase, Revue d’histoire et de littérature religieuses 4 (1899) 97–121. 68 Ambst. comm. ad 2 Tim. 3,6–7, CSEL 81 III, 312,4–24. 69 Quellen bei Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 63) 741–742. 70 Quellen bei Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 63) 744–746. 66 Berthold 67 So
Die Collatio: Inhalt, Textkritik und Verfasserfrage215
Der Ambrosiaster hob hervor, dass die Tōrā älter war als das heidnische Recht. Das scitote iurisconsulti coll. 7,1 pr. (o. III 1 a) hat eine Parallele beim Ambrosiaster: Ambst. quaestio 114,30 Qua igitur ratione pagani Legem suam ante dicunt fuisse quam nostram?
Aus welchem Grund also behaupten die Heiden, dass ihr Gesetz schon früher als unseres existiert habe?
Der Ambrosiaster nannte genau die Delikte, die in der Collatio behandelt werden: Ambst. comm. ad Gal. 2,1–2: … nescirent homicidium [coll. 1] non esse facien dum; quippe cum adulteros [coll. 4] et homicidas [coll. 1–2] et fal sos testes [coll. 8] et fures [coll. 7] et maleficos [coll. 15] et ceterorum malo rum admissores puniant leges Romanae?
… wissen sie nicht, dass man keinen Mord begehen darf, weil ja die römi schen Ge setze die Ehebrecher und die Mör der und die falschen Zeugen und die Diebe und die Giftmischer und die Täter der übrigen Übeltaten bestrafen?
Es lassen sich noch manche sachliche Übereinstimmungen zwischen dem Collatio-Verfasser und dem Ambrosiaster finden.71 Der Verfasser der Collatio (der Ambrosiaster?) ist anonym geblieben; nur Augustinus schrieb einen Satz des Ambrosiasters einem gewissen Hilarius zu.72 Wenn man ihn mit einem der kirchlichen Schriftsteller seiner Zeit iden tifizieren will, so kommt nur ein Autor in Frage, dessen Gedankengut sich mit dem des Collatio-Verfassers deckt. Das könnte der Ambrosiaster gewesen sein. 3. Isaak a) Isaak und Hieronymus Isaak war ein getaufter Jude, der eine Abhandlung über die Dreieinigkeit verfasste; die Schrift ist erhalten.73 Er war Rechtsanwalt, der im Auftrag des 71 Manthe,
Fs. Knütel (o. Fn. 63) 743–744. contra duas epistulas Pelagianorum 4,4,7, PL 44, 1865, 614: Nam et sic sanctus Hilarius intellexit, quod scriptum est: „in quo omnes peccaverunt“; ait enim: „In quo“, id est in Adam, „omnes peccaverunt.“ Deinde addidit: Manifestum in Adam omnes peccasse quasi in massa. Ipse enim per peccatum corruptus, omnes, quos genuit, nati sunt sub peccato. Vgl. Ambst. ad Rom. 5,12, CSEL 81 I, 165,9–10. 11–13: „In quo“, id est in Adam, „omnes peccaverunt.“ … Manifestum est itaque omnes in Adam peccasse quasi in massa; ipse enim per peccatum corruptus, quos genuit, omnes nati sunt sub peccato. Siehe u. zu Fn. 90. 73 Gennad. de viris illustribus 26, PL 58, 1847, 1075–1076; Ausgaben: Migne, Patrologia Graeca (PG) 33, 1857, 1541–1546; Hans Zeuschner, Studien zur Fides 72 Augustin.
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Gegenpapstes Ursinus den Papst Damasus (366–386) in einem Kapitalpro zess anklagte; der Prozess fand zwischen 370 und 376 statt. Damasus wur de freigesprochen, und Isaak wurde nach Spanien verbannt. Dort kehrte er vor 378 zum Judentum zurück.74 Mehr ist über Isaak nicht bekannt, aber es gibt einige Stellen bei Hierony mus, die man auf Isaak beziehen kann. In seinem Werk De viris illustribus („Berühmte Männer“)75 zählte Hieronymus alle Kirchenschriftsteller auf – Isaak und seine Abhandlung über die Dreieinigkeit wurden aber verschwie gen. Hieronymus ließ sich ferner sehr unfreundlich über einen Vortrag aus, den ein konvertierter Jude in Rom über die Vorfahren von Jesus gehalten habe; dieser zum Christen getaufte Jude sei aber im Herzen Jude geblieben, und der Vor tragende habe auch eine ganz falsche These vertreten. Man nimmt meist an, dass der Jude, der „vorgab, an Christum zu glauben“,76 der konvertierte Isaak war, der ja später zum Judentum zurückkehrte.77 b) Der Ambrosiaster und Hieronymus Diese Notiz des Hieronymus weist zugleich auf den Ambrosiaster hin, der dasselbe Problem behandelte und auch eine andere Ansicht als Hieronymus vertrat.78 Auch ihn behandelte Hieronymus, als ob es ihn nicht gäbe. Niemals nannte er den Namen des Ambrosiasters, obwohl er seine Werke kannte. Papst Damasus stellte 384 n. Chr. mehrere Fragen an Hieronymus.79 Die Fra gen entstammen zum Teil wört lich den Wer ken des Ambrosiasters. Isaatis, Kirchengeschichtliche Abhandlungen 8 (1909) 97–148, 110–114; Alexander Souter, Fides Isatis ex Iudaeo: A New Edition, The Journal of Theological Studies 31 (1929) 1–8. 74 Epistula concilii Romani ad Gratianum et Valentinianum Impp. in: Iacobus Gothofredus, Hrsg. Ritter, Co dex Theodo sianus VI 2 App. pag. XVIII = PL 13, 1845, 580–581; Coll. Avellana 13,5 Gratianus et Valentinianus Augg. Aquilino vica rio, in: Collectio Avellana, rec. Otto Guenther, CSEL 35, 1895, 33 = Gothofredus, C. Theod. VI 2 App. pag. XIX; PL 13, 584–585; Haenel, Corpus legum, 1857, pag. 226b, ao. 378. Vgl. Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 63) 748 f. 75 Hier. de vir. ill., PL 23, 18451, 601–720 (= 18832, 631–760). 76 Hier. comm. ad Tit. 3,9, PL 26, 18451, 595D (= 18842, 631B): audivi ego quemdam de Hebraeis, qui se Romae in Christum credidisse simulabat. 77 Wittig, Ambrosiaster (o. Fn. 64) 4 ff.; Willibald Schwierholz, „Hilarii in epis tola ad Romanos librum I.“ (Katalog der Bibliothek von Bobbio, Nr. 94). Ein Bei trag zur Ambrosiasterfrage, Kirchengeschichtliche Abhandlungen 8 (1909) 57–96, 94; Schanz IV 12 (o. Fn. 64) 357. 78 Ambst. quaest. 56, CSEL 50, 101–103; anders Hier. comm. ad Mt. 1,16, PL 26, 18451, 23B ( = 18842, 23C-24A). 79 Hier. ep. 35, Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae I, rec. Isidorus Hilberg, CSEL 54, Vindobonae 1910, 265–267.
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Hieronymus80 beantwortete sie eilig,81 ohne den Namen des Ambrosiasters zu erwähnen. In einem Brief aus dem Jahre 39882 kritisierte Hieronymus eine, wie er sagte, „anonyme“ Schrift über den Priester Melchisedek, eine Figur aus dem Alten Testament.83 Diese Schrift stammt vom Ambrosiaster.84 Hieronymus verschwieg in De viris illustribus auch die Bücher des Ambro siasters und behauptete sogar, in lateinischer Sprache gebe es bisher keinen Kommentar zum Galaterbrief;85 den Kommentar des Ambro siasters zum Galaterbrief86 muss er aber gekannt haben. Schließlich wehrte sich Hierony mus gegen die (vom Ambrosiaster87 vertretene) Ansicht, Codices der Vetus Latina seien den griechischen Codices zuweilen überlegen.88 IV. Ambrosiaster = Isaak = Collatio-Verfasser? Hieronymus nannte gewöhnlich die Namen seiner Gegner, nur in diesen Fällen unterdrückte er beharrlich den Namen des Angegriffenen, nämlich des Isaak und des Ambrosiasters. Das für Hieronymus ungewöhnliche Ver halten kann man damit erklären, dass die beiden Ungenannten ein und die selbe Per son wa ren, Isaak also der Ambrosiaster war. Wenn er wirklich Isaak meinte, so nannte er den Namen deshalb nicht, weil Isaak vom Glau ben abgefallen war und daher als tot galt.89 Es spricht daher manches für die Identität des Ambrosiasters und des Isaak, wenngleich keine end gül tige Ent schei dung getroffen werden kann: Hieronymus griff einen anonymen Konvertiten an; das passt zugleich auf Isaak und auf den Ambrosiaster. Ferner könnte sich so erklären, dass Au gustinus aus dem Werk des Ambrosiasters zitierte, aber den Verfasser als Hilarius „der Lächler“ bezeichnete.90 Der hebräische Name Isaak bedeutet: „er lacht“;91 Hilarius könnte der Taufname des Isaak gewesen sein. 80 Hier.
ep. 36, CSEL 54, 268–285. ep. 36,1,1 confestim accito notario, CSEL 54, 268,5. 82 Hier. ep. 73,1, Hieronymi Epistulae II, rec. Hilberg, CSEL 55, Vindobonae 1912, 13–23. 83 Gen. 14,18–20; Ps. 110,4; Hebr. 5,6. 10; 6,20; 7,1–13. 84 Ambst. quaest. 109, CSEL 50, 257–268. 85 Hier. comm. ad Gal., prologus, PL 26, 18451, 308A ( = 18842, 332B). 86 Ambst. comm. ad Gal., CSEL 81 III, 1–68. 87 Ambst. comm. ad 1 Cor. 13,3, CSEL 81 II, 147,3; Ambst. comm. ad Rom. 5,14, CSEL 81 I, 177,10–25. 88 Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 63) 751 zu Fn. 95. 89 Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 63) 753 Fn. 108. 90 Siehe o. zu Fn. 68. 91 Gen. 21,3. 6: Jishaq zu hebr. shq „lachen“. Der Ambrosiaster selbst wies auf die Etymologie hin, comm. ad Rom. 1,1, CSEL 81 I, 8,9–13. 81 Hier
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Uns interessiert aber, wer der Verfasser der Collatio war. Es könnte der Ambrosi aster gewesen sein. Der Collatio-Verfasser war jedenfalls Jude, vielleicht getauft; sein Gedankengut deckt sich mit dem des Ambrosiasters. Dann aber könnte er auch mit Isaak identisch sein. Dagegen könnte die zeitliche Ein ord nung sprechen: Der Ambrosiaster schrieb seinen Kommentar zu den Pau lus brie fen unter Papst Da masus (366–386); Isaak, der wahrscheinlich mit dem Ambrosiaster identisch ist, war schon 378 zum Judentum zurückgekehrt. Die Collatio zitiert aber ein Gesetz von 392. Dennoch ist es möglich: Isaaks Gegner Hiero nymus lebte seit 385 in Palästina; der andere Gegner Papst Damasus starb 386. Isaak könnte nach seiner Rückkehr zum Judentum wieder nach Rom zurückgekehrt sein und dort seine Lex Dei verfasst haben. Die schon über 100 Jahre alte Hypothese der Identität des Collatio-Verfas sers mit dem Ambrosiaster92 verdient es, wieder diskutiert zu werden.
92 o. Fn. 60. Zustimmende Stimmen bei Manthe, Fs. Knütel (o. Fn. 59) 739 Fn. 20.
Der Redner Albucius Silus und ein „merkwürdiger“ Prozess wegen Mordes Von Carla Masi Doria I. Einleitung Die Organisatoren dieser wichtigen Tagung, die Kollegen Shigeo Ni shimura und Mariko Igimi, bei denen ich mich auf das herzlichste bedanken möchte, haben uns eingeladen, um gemeinsam über das römische Recht zu diskutieren. Eine Disziplin, der sie, ganz offenbar, in besonderer und lo benswerter Weise anhängen; dabei haben sie uns wichtige methodische Hinweise eröffnet, insbe son dere, indem sie den Rednern die Möglichkeit und Nützlichkeit eröffnet ha ben, sich auch mit jenen Quellen aus einanderzusetzen, die nicht unbedingt im alltäglichen Arbeitsprozess eines Romanisten aufscheinen. Während wir uns in der Tat täglich mit jenen Texten und Rechtsproblemen beschäftigen, die in der deutschen Sprache im weitesten Sinne im Rahmen einer Digesten exegese Be handlung finden, wobei in diesem Zusammenhang nicht nur die eigentlichen Digestentexte zu verstehen sind, sondern im weiteren Sinn die technisch-juristische Literatur auch außerhalb der Digesten Justinians, so ist doch die Hinwen dung zu einem Verständnis weiterer Texte aus dem Bereiche der Geschichtsschreiber, Dichter, Redner und so fort eine gerade verpflichtende Aufgabe des Roma nisten, der das Recht der Römer im historischen Sinne verstehen möchte.1 Im Übrigen haben die Kollegen Nishimura und Igimi als Ziel dieser Zusam menkunft einen Dialog mit dem Text vorgeschlagen und haben dabei ver sucht, sämtliche Gesichtspunkte, und seien sie auch noch so gering, auf dem Wege einer aufmerksamen hermeneutischen Vorgehensweise ins rechte Licht zu rücken.
1 Bezüglich eines Überblicks zur romanistischen Quellenkunde (mit besonderer Be rücksichtigung der nicht juristischen Quellen) vgl. Franz Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I, München 1988, 83 ff.
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II. De grammaticis et rhetoribus von Sueton als Quelle für eine juristische Analyse Auf Grundlage dieser Voraussetzungen habe ich beschlossen, ein Gebiet zu erforschen, das auf der Gesamtlektüre eines besonderen Werkes fußt, eines Werkes, das von den Rechtshistorikern nicht allzu sehr geschätzt wird, das aber eine Reihe sehr interessanter, spannender rechtlicher Hinweise enthält. Es handelt sich um De grammaticis et rhetoribus2 des Gaius Sue tonius Tran quillus, des berühmten Ge schichtsschreibers der 12 Caesaren, einer Persönlichkeit von Bedeutung aus den Eliten der Ritterschaft, aktiv bis zum Prinzipat des Hadrian. Der betreffende Text besteht aus einer Samm lung biogra phischer Bil der, die für die Geschichte der literarischen und rhetorischen Kultur von ganz besonderer Bedeutung sind. Mein besonderes Interesse entstand vor allem in Folge einer durchaus beachtlichen Reihe von Hinweisen auf Freigelassene3 (wie bekannt, entstammten viele der Gramma tiker und der Schriftsteller zur Rhetorik sowohl in der Republik wie auch im frühen Prinzipat dem Stand der Freigelassenen)4, welche mit nicht we nigen Zeugnissen nicht zuletzt aus dem Bereiche des Rechts das Leben von ehemaligen Sklaven erhellen, die einen gewissen Bekanntheits grad und 2 „… das einzige einigermaßen vollständig erhaltene Buch aus De viris illustribus …“, so Peter Lebrecht Schmidt, in: Reinhart Herzog / Peter Lebrecht Schmidt, Handbuch der lateinischen Literatur der Antike IV, München 1997, 38, wo sich eine knappe Ein füh rung zum Werk selbst befindet. Siehe auch Marc Baratin, Le De Grammaticis et Rhetoribus de Suétone: un texte polémique?, Histoire Épistémologie Langage 20 / 2 (1998) 81–90. 3 Was meine Untersuchungen zu diesen Fragen anbelangt, vgl. Die Societas Rutiliana und die Ursprünge der prätorischen Erbfolge der Freigelassenen, ZRG RA 106 (1989) 358–403; Civitas operae obsequium. Tre studi sulla condizione giuridica dei liberti, Napoli 1993; Zum Bürgerrecht der Freigelassenen, in: Ars boni et aequi. Fest schrift W. Waldstein, Stuttgart 1993, 231–260; Inpudicitia, officium e operae libertorum, ZRG RA 110 (1993) 77–102; Bona libertorum. Regimi giuridici e real tà sociali, Napoli 1996; Libertinitas e successione gentilizia, Index 27 (1999) 251– 300; Matrimoni e „tresche“ libertine. Qualche osservazione sul rapporto patrono-li berta, in: Marriage: Ideal – Law – Practice. Proceedings of a Conference held in Memory of H. Kupiszewski, edd. Z. Służewska & J. Urbanik, Warsaw 2005, 123– 140; Patronos y libertos: perspectivas jurídicas y realidades sociales. Movilidad de la riqueza y derecho sucesorio, in http: / / docubib.uc3m.es / WORKINGPAPERS / IECSPA / iescpA050808.pdf − Lucio Anneo Séneca, Instituto de Estudios Clásicos sobre la Sociedad y la Política (2005); Un’ipotesi sulla ‚Masuri rubrica‘ di Pers. ‚Sat.‘ 5.90, Index 34 (2006) 427–438 [= in fil…a. Scritti per G. Franciosi III, Na poli 2007,1689–1699]; ‚Operae et dies‘ freigelassener Sklavinnen in Erwartung des 50. Lebensjahres, in: ‚Vis ac potestas legum‘. ‚Liber amicorum‘ Zoltán Végh, Hrsg. J. M. Rainer, Frankfurt am Main 2010, 75–91; Libertorum bona ad patronos pertineant: su Calp. Flacc. decl. exc. 14, Index 40 (2012) 313–325. 4 Johannes Christes, Sklaven und Freigelassene als Grammatiker und Philolo gen im antiken Rom, Wiesbaden 1979.
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auch Ansehen in ihrer Disziplin erwor ben hatten, wie wohl nicht we nige unter ihnen im Verlaufe ihres Lebens erneut einen Abstieg in die Armut erdulden mussten. Die Bedeutung dieses kleinen Werks des Sueton, das im Übrigen unvollständig in einer nicht einfachen textlichen Überlieferung er halten ist, wurde in Bezug auf die römische Sozial ge schichte schon vor einigen Jahrzehnten in der nützlichen Monographie von Johannes Christes über „Sklaven und Freigelassene als Grammatiker und Philologen im alten Rom“ her vorgeho ben, aber in diesem Buch wurden die juristischen Ge sichtspunkte natürlich nicht in den Vordergrund gestellt. Und dennoch: Aus De grammaticis et rhetoribus gewinnt man nicht wenige Einblicke bezüg lich der Freilassungen, bezüglich des auch käuflichen Erwerbs der Freiheit, bezüglich der Aussetzung von Kindern und bezüglich der Rolle von nutritores und educatores und auch im Weiteren interessante Hinweise zum täglichen Leben im Milieu von Sklaven und Freigelassenen, die bedeutende juristische Aspekte erkennen lassen. Man findet auch Hinweise zu Juristen, insbesondere zwei bedeutsame Zitate des Juristen Ateius Capito5. In diesem Werk, das als winziger Ausschnitt eines viel größeren und im Wesentlichen für uns verlorenen gegangen Werks Sue tons De viris illustribus zu be trachten ist, fehlen im Übrigen nicht Zeugnisse hinsichtlich des römischen Prozesses, sowohl im Zivil- wie auch in Strafsachen, geradezu als Ergebnis des engen Zusammenhanges zwischen ars rhetorica und Gerichts red nerkunst. So muss es denn Verwunderung erwecken, dass die beiden monu mentalen Werke des 20. Jhdts. über die romanistische Quellenkunde, und zwar „Die Quellen“ Wen gers6 und der erste Teil der „Rechts geschichte“ Wieackers, dieses Werks Suetons mit keinem Wort erwähnen. III. Die Wechselfälle um Gaius Albucius Ich möchte aber hier an diesem Ort nicht über die Freigelassenen spre chen, sondern über die besonderen Umstände eines berühmten Redners, der in der 2. Hälfte des 1. Jhdts. v. Chr. unter den Triumvirn und im frühen Prinzipat tätig war, nämlich Gaius Albucius Silus. Aus dem kleinen Werk Suetons kann man mehrere überaus interessante Tatsachen sub specie iuris entnehmen, welche sich mit jenen Aussagen sinnvollerweise in Verbindung 5 Auch wenn seit den Zeiten von Paul Jörs, der nach wie vor grundlegend ist, was das biobibliographische Profil von Capito anbelangt, nicht alle Fragmente die ses auguste ischen Juristen Berücksichtigung finden: s. v. Ateius, RE 2, Stuttgart 1896, 1907, 1909; vgl. später Władysław Strzelecki, in: C. Atei Capitonis fragmenta, Lipsiae 1967, bes. xxii. 6 Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, Wien 1953; Wieacker (o. Fn. 1).
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bringen lassen, die wir über ihn aus anderen Quellen kennen.7 Aber bezüg lich eines ganz besonderen Punktes ist De rhetoribus von Sueton ein wahr lich besonders einzigartiges Zeugnis, und zwar bezüglich eines Kriminal prozesses, in welchem Albucius als Verteidiger des Angeklagten fungierte und welcher bemerkens werte Besonder heiten und Merkwür digkeiten auf weist, die bisher von der Geschichtsschreibung kaum ins rechte Licht ge rückt wurden, die aber meiner Ansicht nach von besonderer Bedeutung sind, und zwar auch im Zusammen hang mit einer Neu bewertung der überaus schwierigen Ursprünge der außer ordentlichen cognitiones (chronologisch fand der Fall, wie wir sehen werden, aller Wahrscheinlichkeit nach, in den Jahren 16 oder 14 v. Chr. statt). IV. Der Text Es folgt nun der Text, den man sich stets vor Augen halten sollte: Suet. De gramm. et rhet. 30. [1] C. Albucius Silus, Novariensis, cum aedilitate in patria fungeretur, cum forte ius diceret, ab iis contra quos pronuntiabat pedibus e tribunali detractus est. Quod indigne ferens statim contendit ad portam et inde Romam, receptusque in Planci oratoris contubernium, cui declamaturo mos erat prius aliquem qui ante diceret exorare, suscepit eas partes atque ita implevit ut Planco silentium imponeret, non audenti in com parationem se demittere. [2] Sed ex eo clarus propria auditoria instituit, solitus proposita controversia sedens incipere et calore demum provectus consurgere ac perorare. Declamabat aut genere vario, modo splendide atque adornate, tum – ne usque quaque scholasticus existimaretur – circumcise ac sor dide et tantum non trivi a libus verbis. [3] Egit et causas, verum rarius, dum amplissimam quamque sectatur nec alium in ulla locum quam perorandi. [4] Po stea renuntiavit foro partim pudore partim metu; nam cum in lite quadam centumvirali adversario, quem ut impium erga parentes incessebat, iusiurandum quasi per figuram sic obtulisset – ‚Iura per patris matrisque cineres, qui inconditi iacent!‘ et alia in hunc modum – arri piente eo condi cionem nec iudicibus aspernanti bus, non sine magna sua invidia nego tium afflixit. [5] Et rursus in cognitione caedis Mediolani apud L. Pisonem proconsulem defendens reum, cum cohiberent lictores nimias laudantium voces et ita excanduisset ut – deplorato Ita liae statu, quasi iterum in formam provinciae redigeretur – M. insuper Brutum, cuius statua in conspectu erat, invocaret legum ac libertatis auctorem et vindicem, paene poe nas luit. [6] Iam autem senior ob vitium vomi cae Novariam rediit, convocataque plebe, causis propter quas mori destinasset diu ac more contionantis redditis, abstinuit cibo.8 7 Bezüglich des Namens, der Persönlichkeit, seiner Lebensumstände und des Stils dieses Rhetors vgl. zumindest Ferdinand Gustav Lindner, De C. Albucio Silo commentatio, Vratislaviae 1861; Paul von Rohden, s. v. Albucius, 3, RE 1, Stuttgart 1894, 1331; Wolfgang-Dieter Lebek, Zur Vita des Albucius Silus bei Sueton, Hermes 94 (1966) 360 ff.; Annamaria Assereto, Gaio Albucio Silo, Genova 1967.
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Die Vorstellung der Persönlichkeit ist in der kleinen Abhandlung Suetons durch den vom Stil bedingten Aufbau geprägt, der darin besteht, dass Name, Herkunft (origo) und status beschrieben werden. Wahrscheinlich stimmt die ser Rhythmus mit einem uns jedoch unbekannten Vorbild überein. Gerade von Sueton (und zwar ausschließlich von ihm)9 erfahren wir das praenomen des Rhetors Gaius, während das cognomen Silus auch in der Chronica des heiligen Hieronymus10 mit geringerer Präzision als Silo überliefert wird. 8
V. Die Heimat Novaria Sowohl der Geschichtsschreiber am Beginn des 2. Jhdts. wie auch der späte christliche Polygraph kehren somit den Ursprung hervor: Novariensis. Albucius gehörte somit einer transpadanischen Gemeinde,11 Novaria, „firmissima transpadanae regionis municipia“ (Tac. hist. 1,70), keltischen Ur sprungs an,12 die das volle römische Bürgerrecht zwischen dem Jahr 49 und dem Jahr 42 v. Chr. erhalten hatte, möglicherweise durch die durchaus nicht unproblematische lex Rubria13 – die Frage selbst bleibt recht diffizil – 8 Die hier verwendete Sueton-Ausgabe ist jene mit einem ausführlichen Kom mentar von Robert Kaster, Suetonius, De grammaticis et rhetoribus, Oxford 1995. Der Text ist auf S. 36; die englische Übersetzung auf S. 37, der Kommentar auf S. 313 ff. 9 Vgl. Kaster (o. Fn. 8) 313. 10 Hier. ad Olym. 193, in: Jacques Paul Migne, PL. XXVII, 1846, 440. Bezüglich des Cognomens: Lindner (o. Fn. 7) 4 f.; Kaster (o. Fn. 8) 314. 11 Bezüglich der Ursprünge, der Geschichte und des rechtlichen Status von No varia vgl. Theodor Mommsen, in CIL. V / 2 p. 719; Hans Philipp, s. v. Novaria, 1, RE 17 / 1, Stuttgart 1936, 1135 f.; Gaetano De Sanctis, Storia dei Romani. La con quista del primato in Italia II, Firenze 19602, 151 f. 12 Nicht Ligurer, wie Cato annahm, Plin. n. h. 3,124 und genauer: Novaria ex Vertamocoris, Vocontiorum hodieque pago, non, ut Cato existimat, Ligurum …; die Vertamocoren waren genau genommen Voconzier; vgl. De Sanctis (o. Fn. 11) 151 f. Das Fragment Catos ist Nr. 37 des zweiten Buches der Origines nach der jüngsten Ausgabe der Schriften Catos Paolo Cugusi / Maria Teresa Sblendorio Cugusi, Opera II, Milano 2001, 330. 13 Ein komplexes, schwieriges und mit Fallstricken versehenes Thema, so die Meinung von Antonio Guarino, Ricordo di Santi Di Paola, SDHI 46 (1980) 625 [= Pagine di diritto romano II, Napoli 1993, 117], ist jenes der sogenannten lex Rubria: grundsätzlich (und abgesehen von einer Reihe von Untersuchungen, die auf verschie dene Probleme fokussiert waren, besonders im Bereiche des Privat- und Prozessrechtes und von den verschiedenen Capita hervorgerufen wurden) vgl. Martin W. Frederiksen, The Lex Rubria: Reconsiderations, JRS 54 (1964) 129 ff.; Giovanni Negri, In margine alla Lex Rubria de Gallia Cisalpina, in: Studi in onore di E. Nasalli Rocca, Piacenza 1971, 414 ff.; Franciscus J. Bruna, Lex Rubria. Caesars Regelung für die richterlichen Kom peten zen der Munizipalmagistrate in Gallia Cisalpina, Leiden 1972, mit den Besprechungen von Giuseppina Sacconi, RISG 16
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und zwar als Munizipium,14 das der tribus Claudia15 zugewiesen wurde. Dieser Übergang von einem Zustand, der noch stark das Untertänigkeitsver hältnis auf provinzialer Ebene von Rom kannte, zum Erwerb des plenum ius der civitas16 wird, wie wir sehen werden, eines der zentralen Themen derjenigen Ereignisse darstellen, mit denen wir uns näher beschäftigen werden. Albucius musste in seiner Ursprungsgemeinde zur städtischen Elite ge zählt haben. Dies geht klarerweise aus der Ausübung der Ädilität hervor, die zwar in jenem Umfeld innerhalb der Magistratur der quattuorviri zwar die niederste Stufe bedeutete, aber immerhin die Aufnahme in das oberste Kollegialorgan bedeutete, versehen mit bemerkenswerten Kompetenzen und Funktionen. Aus Novaria fehlen keineswegs Zeugnisse von Ädilen, die in diesem Munizipium offiziell als römische IIIIviri aedilicia potestate genannt wurden, im Übrigen eine in den italischen Gemeinden17 häufige Bezeich nung. Aus der in Frage kommenden Quelle mag es sonderbar erscheinen, dass die iurisdictio von einer Person ausgeübt wurde, die nicht an der Spit ze der Gemeinde stand, aber es ist bekannt, dass gerade diese Magistrate wahrscheinlich in Anlehnung an das Vorbild der kurulischen Ädilen in Rom, die in der Tat eine Art institutionelles Modell darstellten,18 jurisdiktionelle Gewalt ausübten, und zwar im Zusammenhang mit ihrer Oberaufsicht über die Märkte, wiewohl diese Juris dik tion einer Wertober grenze unterliegen musste. Diesbezüglich kann man mit Nutzen die lex coloniae Genetivae (1972) 359 f. und Adrian N. Sherwin-White, JRS 64 (1974) 236 ff.; Michael H. Crawford (ed.), Roman Statutes I, London 1996, 461 ff., Nr. 28; Umberto Laffi, La lex Rubria de Gallia Cisalpina, Athenaeum 64 (1986) 5 ff. [= Studi di storia roma na e di diritto, Roma 2001, 237, mit einer wichtigen ergänzenden Nachschrift: 2 ff.]. 14 Die Zeugnisse betreffend das municipium befinden sich in Tac. hist. 1,70; CIL. V 6520. 15 CIL. V 6513, 6521, 6549, 6556. 16 Vgl. Giorgio Luraschi, Foedus Ius Latii Civitas. Aspetti costituzionali della romanizzazione, Padova 1979, diesbezüglich vgl. zumindest die Deutung von Luigi Labruna, Romanizzazione, foedera, egemonia, Index 12 (1983–84) 299 ff. [= Admini cula, Napoli 19953, 19 ff.]; Umberto Laffi, La provincia della Gallia cisalpina, Athe naeum 80 (1992) 5 ff. [= Studi di storia romana e di diritto (o. Fn. 13) 209 ff.]. 17 CIL. V 6520, 6596, 6623. – Bezüglich der Funktionen und Kompetenzen der IIIIviri vgl. Walter Langhammer, Rechtliche und soziale Stellung der Magistratus municipales und der Decuriones, Wiesbaden 1973, 62 ff.; 149 ff. 18 Bezüglich Struktur und Funktionen der ädilizischen Magistratur in den lokalen Gemeinschaften vgl. noch zum Beispiel Ettore De Ruggiero, s. v. Aedilis, in Diz. Ep. Ant. Rom. I, Roma 1895, 228 ff., 241 ff., vergleiche auch zum Beispiel, Feliciano Serrao, Impresa, mercato, diritto. Riflessioni minime, Sem. Compl. 12 (2000) spec. 328 ff. [= in: Elio Lo Cascio (Hrsg.), Mercati permanenti e mercati periodici nel mondo romano. Atti degli incontri capresi di storia dell’economia antica (Capri 13–15 ottobre 1997), Bari 2000, 62 ff.].
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Iuliae19 betrachten und jetzt auch die lex Irnitana20, die manch interessantes Detail zeigen: Lex Irn. 19,13 ff. … Eisque aedilibus quique postea hac lege creati erunt, de is rebus / et inter eos, de quibus et inter quos dumvirorum iurisdictio erit, at / [H]S (sestertia) *∞* (mille)21 iurisdictio iudicis reciperatorumque datio addictio [it]a ut h(ac) l(ege) / [l]icebit, esto.
Die lex municipalis von Irni, einer Gemeinde latinischen Rechts in der spanischen Provinz Baetica könnte – so eine weit verbreitete Meinung der Historiker – auf einem einheitlichen Modell, einer lex municipalis beruhen, die für die italischen Munizipien von Augustus geschaffen worden wäre und auf die im Konkreten der flavische Gesetzgeber eingegangen sei.22 Das Gesetz zählt im Kapitel 19 eine Reihe von Kompetenzen der munizipalen Ädilen auf, deren Amt in diesem Zusammenhang demjenigen der duumviri untergeordnet ist. Die Aufgaben sind jene typischen der ädilizischen Magis tratur: cura annonae und cura urbis (natürlich den lokalen Gegebenheiten angepasst). Es fehlt die cura ludorum, die wahrscheinlich als Aufgabenbe reich den duumviri iure dicundo zufiel. Es erscheint außerordentlich aussa gekräftig, wie im Text der Inschrift die Bestimmungen bezüglich der ädili zischen Jurisdiktion mit jener der duumviri übereinzustimmen scheint, sei es was den Inhalt anbelangt (man vergleiche auch das Kapitel 84), sei es, was den Wert anbelangt (Streitigkeiten im Ausmaß von 1000 oder weniger Sesterzen),23 mit der Ausnahme der einvernehmlichen Derogation zugunsten 19 Zum
Kapitel 94. der lex Irnitana wichtige Hinweise unter anderen in Francesca Lamberti, Tabulae Irnitanae. Municipalità e „ius Romanorum“, Napoli 1993, 1 f. (u. Fn. 1 ff.), in jüngster Zeit vgl. auch Francesca Lamberti, La ‚maggiore età‘ della ‚lex Irnitana‘. Un bilancio di diciotto anni di studi, Min. Ep. et Pap. 3 / 3 (2000) 242 ff., mit Bibliographie auf S. 252 f.; Joseph Georg Wolf, Einführung, in: Wolf (Hrg., eing. und übers.), Die Lex Irnitana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien, Darmstadt 2011, 13 ff. 21 Wolf (o. Fn. 20) 46, liest in der Zeile 19,15: „hs CC: sestertium ducenti“; zu diesem Punkt vgl. dens., Iurisdictio Irnitana, SDHI 66 (2000) 29–61, 54 ff., jetzt in: Lex Irnitana. Gesammelte Aufsätze, Berlin 2012, 33 ff. mit weiterführender Literatur Ders., Gerichtsbarkeit in Irni, in: Festschrift für R. Stürner, Tübingen 2012, jetzt in derselben Schriftensammlung (S. 274). 22 Zu dieser Frage weiterhin anstelle aller anderen: Lamberti, La ‚maggiore età‘ (o. Fn. 20) 252 f. 23 Bezüglich der Grenzwerte in der Rechtssprechung nach der Höhe vgl. zuletzt, Armando Torrent, ‚Lex Irnitana‘: ‚cognitio‘ de los magistrados locales en interdic tos, y limitaciόn a su competencia por cuantía, Anuario Fac. de Dereito da Univ. da Coruña 12 (2008) 987 ff. [= Teoria e Storia del Diritto Privato 1 (2008), vgl. http: / / www.teoriaestoriadeldirittoprivato.com / media / rivista / 2008 / contributi /2008_Contri buti_Torrent_Lex Irnitana.pdf.]. 20 Bezüglich
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der duumviri (die nur für die Fälle des praeiudicium libertatis nicht galt). Sollte das Schema des Munizipalgesetzes aus flavischer Zeit in diesem Punkt mit dem Recht der caesarisch augusteischen Zeit übereinstimmen, so würde das bedeuten, dass die Jurisdiktion der Ädi len von Novaria nicht jene einer Bagatellgerichtsbarkeit entsprochen habe, wie dies noch Momm sen angenommen hatte,24 sondern vielmehr einer ordentlichen Jurisdiktion der Gemeinde wiewohl in Gemeinschaft mit den quattuorviri, die im eigent lichen Sinne iure dicundo25 genannt wurden. VI. Das Ende der Jurisdiktion des Albucius Auf einen besonderen Moment der Jurisdiktion des Albucius beharrt Sueton (§ 1), nachdem er auf dessen Amt eingegangen war, und die Titulatur einfach mit dem Hinweis auf die aedilitas simplifiziert hatte, indem er eine Begeben heit erzählt, die irgendwo zwischen Ernst und Spaß anzusiedeln ist: … cum aedilitate in patria fungeretur cum forte ius diceret ab iis contra quos pronuntiabat pedibus e tribunali detractus est. In diesem Zusammenhang heißt der Begriff patria klarerweise die lokale Gemeinde in Gegenüberstellung zu Rom. Es ist von Interesse an dieser Stelle, wie die besondere Genauigkeit be tont wird: Der Ausdruck aedilitate fungi bedeutet im technischen Sinne26 die Ausübung der städtischen Magistratur. Ius dicere hat exakt die Bedeutung der Ausübung der Jurisdiktion, die, wie wir gesehen haben, mit diesem Amt verbunden war. Das erhöhte Tribu nal repräsentiert den offiziellen Ort der Jurisdiktion. Neben diesem Zeugnis für No vara haben wir ein weiteres aussagekräftiges, beispielsweise das tribunal der rechtsprechenden Amtsträger von Verona, erhalten auf einer Inschrift.27 Pronuntiare im Allgemeinen kann, wie dies sehr gut von Wolf gang Kunkel her vor ge hoben wurde, „je nach dem mit pro- verbundenen Sinne sowohl ‚voraussagen‘, ‚ankündigen‘ als auch ‚aussprechen‘, ‚erklä ren‘ heißen“. In der Tat „in der erstgenannten Bedeutung ist das Wort ob wohl häufig auf Magistrate bezogen für die Darstellung der amtlichen Ter minologie ohne besonderes Inte resse“, aber „bei der zweiten klingt eine 24 Nach Theodor Mommsen, Die Stadtrechte der lateinischen Gemeinden Salpen sa und Malaca, Abhand. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 3 (1855) 442 [= Gesammelte Schrif ten I. Juristische Schriften 1, Berlin 1905, 335], war die Kompetenz der Ädilen eine Restkompetenz, da sie nur die sogenannten Bagatellsachen betraf. 25 Vgl. Lamberti, Tabulae Irnitanae (o. Fn. 20) 66 f. 26 Über die Bedeutung des „fungi“ in Bezug auf die Ausübung der Magistratur: Natale Rampazzo, Quasi prae tor non fuerit. Studi sulle elezioni magistratuali in Roma repubblicana tra regola ed eccezione, Napoli 2008, 458 ff. 27 CIL. V 3401. Vgl. Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, 361 Fn. 4.
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Nuance des förmlichen Sprechens mit, die pronuntiare zur Bezeichnung für gewisse rechtserhebliche Verlautbarungen des Magistrats tauglich machte. … so erkennt man, dass das Wort zwar nicht ausschließlich, aber doch in der Hauptsache für die Kundgabe kognitionaler Entscheidungen verwendet wird und zwar vornehmlich wiederum sol cher Ent scheidun gen, die oder nach kollegialem Beschluss mehrerer Magistrate verkündet wurden“28. In diesem Fall bedeutet das Verb pronuntiare die Phase der Entscheidung wäh rend der Rechtsprechung, die eine gewaltsame Reaktion der Unterlegenen gegenüber den Magistraten auslöst. In der Geschichte der Stadt Rom sind die Fälle eines gewalttätigen Angriffes auf Träger der öffentlichen Gewalt, ja selbst auf rechtsprechende Amtsträger keineswegs selten. Man kann sogar behaupten, wenn man eine äußerst bekannte Seite der bella civilia Appians29 erneut liest, dass der Angriff auf die Staatsmacht und auf einzelne Magist rate eine Art Paradigma für die Interpretation der Krise der Republik dar stellte oder auch, wenn man es so se hen möchte, der langen römischen Revolution.30 Allgemein bekannt führten derartige Angriffe in den kri tischsten und blutigsten Augenblicken der Geschichte bis zum Mord an den Inhabern öffentlicher Gewalt und auch an denjenigen Amtsträgern, die die Gerichtsbarkeit ausübten, wie es die bekannte Begebenheit des Prätors Asel lio lehrt, der auf der Flucht aus dem Forum sich in eine taberna geflüchtet hatte, wo er ermordet wurde.31 Auch im Falle des Albucius ist das Verhält nis zwischen der Urbs und jener Vielfalt von kleineren Gemeinden, die das Bindeglied zu den weiten Territorien des Reichs bildeten, geradezu propor tional dargestellt werden: Die Szene der Bürger von Novara, die den armen Ädilen an den Füßen packen und ihn vom offiziellen Sitz des Ausübens der Jurisdiktion, dem tribunal, das im merhin das Ebenbild des prätorischen Tribunals von Rom war,32 herunterzerren, kann zum einen in geradezu 28 Wolfgang Kunkel / Roland Wittmann, Staatsordnung und Staatspraxis der römi schen Republik II. Die Magistratur, München 1995, 181. 29 App. bell. civ. 1,2,5. 30 Zur „römischen Revolution“, beginnend mit dem Klassiker von Ronald Syme, The Roman Revolution, Oxford 1939 − aber auch zurückgehend zumindest bis auf die Vorstellungen von Mommsen, vgl. Labruna, Marco Emilio Lepido e la sua ri volta, Napoli 2000, 20 f., 157 ff. 31 In diesem Falle waren es Gläubiger, die durch seine Maßnahmen zugunsten der Schuld ner verärgert waren und aufgehetzt vom Volkstribun L. Cassius (Val. Max. 9,7,4) Asellius ermordeten, während er Castor und Pollux ein Opfer darbrach te, vgl. Liv. per. 74: in foro occisus est. Vgl. Thomas Robert Shannon Broughton, MRR. II, New York 1952, 33; Emilio Gabba, Appiani Bellorum civilium liber primus, Firenze 1967, 158 ff.; Christoph Meinhard Bulst, Cinnanum Tempus: A Reas sessment of the ‚Dominatio Cinnae‘, Historia 13 / 3 (1964) 331 f.; Jean Andreau, Banking and Business in the Roman World, Cambridge 1999, 91 ff. 32 Zum Verhältnis zwischen lokalem Tribunal und prätorischem Vorbild: Mommsen, Römisches Strafrecht (o. Fn. 27) 361 und Fn. 4.
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dramatischer Weise als schwere Beleidigung und Beschimpfung der Staats gewalt angese hen wer den und zum anderen als ein lächerliches Treiben, wenn der Amtsträger zwar herumgeschleift, aber nicht auf den Tode ange griffen wird. Man muss diesem Punkt einen besonderen Aspekt der Persön lichkeit des Albucius vorziehen, der von Seneca dem Älte ren überlie fert wird, der ihn persönlich kennengelernt hatte und auch die Gelegenheit ge habt hatte, ihn mehrmals anzuhören, wobei er ein Charakterbild lieferte, auf das wir zurückkommen werden. Von diesem wird unser Albucius als homo summae probitatis in Erinnerung gerufen, der nicht in der Lage gewesen sei, ein Unrecht anzutun, aber auch nicht, eines zu erleiden.33 VII. In Rom Die Empörung über den Affront, der in der Tat offensichtlich eine iniuria darstellte, eine Beleidigung seiner Würde (im Übrigen noch zu Lasten eines bedeutenden Bürgers in Ausübung seiner besonderen Amtspflichten als Ma gist rat), sollte für lange Zeit Silus (indigne ferens) von seiner Vaterstadt Nova ria fernhalten. Offenbar konnte (oder wollte) das Hilfspersonal, das auch der munizipale Ädil je denfalls zur Verfügung hatte (und das ganz speziell auch mit polizeilichen Aufgaben34 ausgestattet war), nicht zum Schutze des Ma gist ra tes eingreifen. Die Empörung sollte Albucius nach Rom führen zum Zentrum des Reiches, wo er offenbar über Beziehungen verfügte und wo er nach dem Text Suetons vom Plancus dem Redner emp fangen wurde. Die Identifizierung dieser Persönlichkeit ist nicht schwer: Es handelt sich um den bekannten Lucius Munatius Plancus, seinerzeit Legat Cesars in Gallien, Spanien und Afrika sowie Konsul des Jahres 42 v. Chr. Nachdem er 8 Jahre mit Antonius zusammengearbeitet hatte (und zwar nach der Schlacht von Perugia), verbündet er sich im Jahre 32 mit Octavian und es sollte gerade er in der berühmten Senatssitzung des Januars 27 v. Chr. die Ehrenbezeichnung Augustus für den Prinzeps vorschlagen.35 Es war dies der Beweis seiner Beredtheit und natürlich auch seiner Autorität. Als Plancus orator (in genau derselben Weise, wie dies in der behandelten Stelle Sueton tut) rufen ihn Asconius, Plinius der Ältere und Hieronymus (der seinerseits 33 Sen. Rhet. contr. 7 praef. 7. … erat enim homo summae probitatis, qui nec facere iniuriam nec pati sciret. 34 Bezüglich der Zuordnung von öffentlichen Sklaven des Munizipiums an die Ädilen: Lex Urs. 62. Beschreibung ihrer Polizeitätigkeit jetzt bei: Christopher J. Fuhrmann, Policing the Roman Empire. Soldiers, Administration and Public Order, Oxford 2012, 61 ff., mit weiteren Verweisen und Hinweisen auf Quellen und Litera tur. 35 Suet. Aug. 7,2; vgl. Aug. Res gestae 34. Zur Person, für alle, Rudolf Hanslik, s. v. Munatius, 30, RE 16 / 1, Stuttgart 1933, 545 ff.
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Sue ton zi tiert, aber aus dem verlorengegangenen Werk De oratoribus in Erinnerung).36 Diese Bezeichnung musste also durchaus üblich für ihn ge wesen sein, und um schrieb so mit genau die Per sönlichkeit selbst (im Besonderen in der Schrift Suetons). Die Abwesenheit des Plancus aus Rom bis zum Jahre 32 ist hilfreich, um die Ankunft des Albucius in der Haupt stadt zu bestimmen. Im Übri gen zeigt die überaus wichtige Rolle dieses Konsulars im Entourage des Prinzeps das Ausmaß an Kontakten und Bezie hungen, das unsere Hauptperson in Rom hatte. Hier führte Albucius seine Ausbildung zu Ende, welche im Übrigen bereits als fortgeschritten bezeich net werden muss. Die Gallia Cisalpina war zur Zeit, wie man auch De grammaticis et rhetoribus von Sueton entneh men kann, eine Schmiede literari schen und rhetorischen Wis sens und Kön nens. Die Bezie hung zu Plancus war so eng, dass sie als contubernium bezeichnet wurde (hier als enge Beziehung des Lernens des ge meinsamen Ar beitens und vielleicht auch des Zusammenlebens,37 was aber natürlich nichts mit einem eheähnli chen Zusammenleben zu tun hat, wie man es der juristischen Sprache ent nehmen könnte, wenn man an die Verbindungen von Sklaven untereinander denkt). Er übertraf Plancus an Fähigkeiten und so wuchs sein Ruf als clarus rhetor. Noch bei Hieronymus38 wird er mit diesem Ehrenprädikat erwähnt (und clarus ist auch die Bestimmung, die ihm von Sueton am Beginn des Paragraphen zwei zuerkannt wird). Nach dem Zeugnis der Ehrerbietung von Quintilian39 war er non obscurus professor atque auctor. Seneca der Ältere (contr. 10 praef. 13) stellt ihn in die Reihe der vier größten Redner, die er selbst gehört hatte: primum tetradeum quod faciam, quaeritis? Latronis, Fusci, Albuci, Gallionis. Natürlich kann man nicht an dieser Stelle punktgenau die verschiedenen Zeugnisse bezüglich der Biographie des Albucius Silus vorstellen.40 Neben den Hinweisen, die sich aus dem Abriss Suetons ergeben, ist von besonderer Nützlichkeit zu diesem Zweck – und auch um seinen Stil als Redner und seinen Charakter zu rekonstruieren –, die praefatio zum 7. Buch der Contro36 Ascon. 32 Cl.; Plin. n. h. 7,55; Hier. ad Olym. 189, in: Migne, PL. XXVII (o. Fn. 10) 435 f. 37 Nach Kaster (o. Fn. 8) 317: „The phrase receptus in … contubernium, if ac curate, implies either that the two men had formed a connection before”. Über den sprachlichen Gebrauch von contubernium innerhalb des Werkes von Sueton vgl. de gramm. et rhet. 7,1; div. Aug. 89,1; Tib. 14,4; 56,1. 38 Hier. ad Olym. 193, in: Migne, PL. XXVII (o. Fn. 10) 440. 39 Quint. Inst. or. 2,15,36: Albutius non obscurus professor atque auctor ‚scientiam bene dicendi‘ esse consentit, sed exceptionibus peccat adiciendo ‚circa civiles quaestiones et credibiliter‘ quarum utrique iam responsum est. 40 Über die römische Zeit von Albucius auf der Grundlage der Vita Suetons, vgl. Lebek (o. Fn. 6) 360 ff.
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versiae von Seneca dem Älteren. In Rom widmete sich Albucius mit Erfolg der Lehre der Rednerkunst, auditoria propria instituit (Suet. § 2). Auf der anderen Seite egit et causas (§ 3). Zu didaktischen Zwecken zog er künstli che Inszenierungen vor, seltener jedoch widmete er sich der Praxis in der Gerichtstätigkeit, aber, wie es scheint, auf einem sehr hohen Niveau, wobei er sich die Auswahl der Fälle vorbehielt und ausschließlich die abschließende peroratio hielt, wobei er somit den anderen Mitgliedern des Kollegiums den Beginn der Rede, die narratio, und die argumentatio überließ. Sowohl hinsichtlich seines Charakters, aber auch bezüglich des großen Ruhms, den Albucius in der Schule und vor Gericht erworben hatte, ist es aussagekräftig, dass er ausschließlich den letzten Teil der Rede halten woll te (™p…logov = peroratio), in welchem, unter Wiederaufnahme der bereits erwähnten Dinge (enumeratio und rerum repetitio), mehr als in den anderen Teilen sämtliche Töne der Gefühle (ratio posita in affectibus) sowohl bei den Zuhörern wie auch bei den Richtern angesprochen wurden, wobei auf feststehende loci zurückgegriffen wurde, die in der Regel geeignet waren, Abscheu, Bestürzung und Erbarmen hervorzurufen. Wie wir sehen werden, war gerade die Verwendung einer rhetorischen Figur, die geeignet erschien, Entrüstung hervorzurufen, eine der Mitursachen für das Ende seiner Lauf bahn als Redner. Er entfernte sich in der Tat vom Gericht wegen des un günstigen Ausgangs zweier wichtiger Prozesse, in einem Fall ein Zivilpro zess, im anderen ein Strafprozess. Sein Ver zicht, renuntiatio, beruhte so Sueton (§ 4), … partim pudore, partim metu. Auch diese Elemente enthüllen einen Teil seines Charakters, seiner Psychologie. Diesen beiden wichtigen Ereignissen müssen wir nun unsere Aufmerksamkeit zuwenden. VIII. Ein unglückliches Verfahren vor dem Zentumviralgericht Der Biograph scheint ein chronologisches Schema darzustellen. Der erste unglückliche Prozess, der Zivilprozess, ist ziemlich bekannt (ausführliches Zeugnis wird auch bei Seneca dem Redner, wiederum im 7. Buch seiner Controversiae (contr. 7 praef. 6–7) überliefert und auch Quintilian erinnert an ihn, als geradezu allgemein bekannte Geschichte, in der Institutio oratoria, 9,2,95). Es reicht hier, ihn kurz zusammenzufassen. Es handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Erbstreit, der vor dem Gericht der Zentumviren41 durchge führt wurde. Der Gegenstand musste ungefähr 41 Besonders hat sich mit der Praxis der Centumviralprozesse unter Hinzuziehung unseres Falles beschäftigt Serena Querzoli, I testamenta e gli officia pietatis. Tribu nale centumvirale, potere imperiale e giuristi tra Augusto e i Severi, Napoli 2000, 31 ff. Zum Thema vgl. auch Lorenzo Gagliardi, Decemviri e centumviri: origini e
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folgendermaßen gewesen sein (die Quellen freilich bestätigen dies nicht mit letzter Sicherheit): Höchstwahrscheinlich hatte ein Vater seinen Sohn ent erbt, er hielt ihn offenbar unwürdig, ihm nachzufolgen, oder aber, obwohl er ihn zum Erben eingesetzt hat, hat er ihm nur einen geringen Teil der Erbmasse hinterlassen. Dieser hatte sodann das Testament unter dem Hin weis auf Bruch des officium pietatis angefochten. Eine derartige Anfechtung musste schon in den letzten Jahrzehnten des 1. Jhdts. v. Chr. möglich gewe sen sein.42 Während der Diskussion vor den centumviri, also in der Phase apud iudicem, verteidigte Albucius den oder die testamentarischen Erben (oder auch die Vermächtnisnehmer), die in den Genuss der Erbschaft anstel le des Sohnes (des Klägers) gekommen waren, der seinerseits die Inoffiziosi tät des Testamentes behauptete. Das Verhältnis der Aussagen Suetons und Senecas (letztere eingehender und detailreicher) ist von besonderem Interesse,43 eröffnet es uns doch wei te Auszüge, geradezu ein Protokoll (mit offensichtlichen Abweichungen, die von der unterschiedlichen Überlieferung abhängen), der Auseinandersetzung zwischen Albucius und dem gegnerischen Rechtsvertreter Lucius Arruntius. Prosopographische Hinweise beruhen in diesem Falle nicht auf Sueton son dern auf Seneca, der möglicherweise wegen der größeren zeitlichen Nähe und wegen des Umstandes, dass er höchstwahrscheinlich Augenzeuge des Prozesses ge worden war und diesen unmittelbar aus seinem Gedächtnis überliefern konnte, je denfalls den klaren Worten des Verfahrens, die von den Parteien ausgesprochen wurden, näher ist: Sen. contr. 7 praef. 6–7 [6] Raro Albucio respondebat fortuna, semper opinio: quamvis paenituisset audis se, libebat audire. Tristis, sollicitus declamator et qui de dictione sua timeret, etiam cum dixisset; usque eo nullum tempus securum illi erat. Haec illum sollici competenze, Milano 2002, speziell 204 ff., mit Bibliographie auf S. 205 Fn. 221; Mi chele A. Fino, L’origine della transactio. Pluralità di prospettive nella riflessione dei giuristi antoniniani, Milano 2004, 139 Fn. 31 (bezüglich der Monographie von Fino vgl. die kritische Lektüre von Ferdinando Zuccotti, Vivagni V, RDR 5 [2005] 1 ff.; Vgl. dens., Vivagni VI, RDR 6 [2006] 1 ff.); zuletzt: Daniela Di Ottavio, Ricerche in tema di querela inofficiosi testamenti I. Le origini, Napoli 2012. 42 Der Begriff der Inoffiziosität des Testamentes sei bereits im ersten Jhdt. v. Chr. bekannt gewesen, so: Luigi Di Lella, Querela inofficiosi testamenti. Contri buto allo studio della successione necessaria, Napoli 1972, 13. Vgl. auch: Mario Talamanca, Istituzioni di diritto romano, Milano 1990, 768; Querzoli (o. Fn. 41) 21; Gagliardi (o. Fn. 41) 122. 43 Gerade Seneca könnte eine der Quellen Suetons gewesen sein − Lebek (o. Fn. 7) 361 und Fn. 2, oder vielleicht eine Epitome von Seneca, die am Beginn des 2. Jhdts. n. Chr. im Umlauf war, „at least one other source“, so Kaster (o. Fn. 8) 313 f.; bei Sueton kann man freilich Hinzufügungen und Überarbeitungen von bedeutender Kon sistenz feststellen.
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tudo fuga vit a foro et tantum unius figurae crudelis eventus: nam in quodam iudicio centumvirali, cum diceretur iuris iurandi condicio aliqua delata ab adver sario, induxit eiusmodi figuram, qua illi omnia crimina regereret: [7] ‚placet‘ in quit ‚tibi rem iure iurando transigi? Iura, sed ego ius iurandum dabo: iura per patris cineres, qui inconditi sunt, iura per patris memoriam‘. Et executus est locum. Quo perfecto surrexit L. Arruntius ex diverso et ait: ‚accipimus condicio nem. Iurabit‘. Clamabat Albucius: ‚non detuli condicionem, schema dixi‘. Arrun tius instabat; centumviri rebus iam ultimis properabant. Albucius clamabat: ‚ista ratione schemata de rerum natura tolluntur!‘. Arruntius aiebat: ‚tollantur; poteri mus sine illis vivere‘. Summa rei haec fuit: centumviri dixerunt dare ipsos secun dum adversarium Albucii, si iuraret. Ille iuravit. Albucius non tulit hanc contume liam, sed iratus calumniam sibi imposuit: numquam amplius in foro dixit.
Was die Identität des Arruntius anbelangt, so gibt es keine einhellige Mei nung. Mir scheint, dass es sich aus chronologischen Gründen um die be kannte po litische Persönlichkeit, Konsul des Jahres 22 v. Chr., handeln müsste, eher als um dessen Sohn, der den Konsulat im Jahr 6 nach Christus bekleidete. Auf jeden Fall scheint es, dass der Prozess auf der einen Seite von einem derjenigen Redner geführt wurde, der in der Stadt den größten Erfolg genoss, und auf der anderen Seite von einem der Hauptakteure des politischen Lebens, der aus dem engen Umfeld des Prinzeps entstammte: so musste es sich jedenfalls um ein Verfahren von erheblicher Bedeutung han deln. In diesem Fall entpuppte sich eine raffinierte rhetorische Figur, die von Si lus vorgeschlagen wurde, zu einer Falle, in welche ihn Arruntius mit großem Geschick tappen ließ, und zwar, indem er einen für die Entschei dung rele vanten Eid einforderte, und indem er durchaus rhetorisch dem Gegner die Frage stellte, ob er denn bereit sei, auf eine Formel zu schwö ren, von der er annahm, dass sie nicht die Zustimmung der gegnerischen Seite finden würde. Dabei sollte er den Schwur auf den verstorbenen Vater stützen, auf seine Asche, die noch der Bestattung harrte: Völlig unerwarte terweise wurde ihm von Arruntius geantwortet, accipimus condicionem, was dazu führen müsste, dass der von ihm Vertretene des Prozesses verlustig gehen musste. Albucius versuchte den Richtern zu er klären, dass er in Wahrheit nicht den Eid eingefordert hatte, sondern dass er vielmehr nur ein rhetorisches Schema entwickelt hatte. Da aber die centumviri von der lange währenden Diskussion ermüdet waren, nutzten sie den Fehltritt des Rhetors, den er als Redner begangen hatte, und nahmen den Eid an, der selbstver ständlich letztendlich den Fall entschied. Un ser Redner war somit Op fer seiner stilistischen Virtuosität geworden, seines eigenen Talentes, die Ge müter zu bewegen und rhetorische Figuren in außerordentlicher Weise zu beherrschen, wie der Redner Seneca in Erinnerung ruft: splendor orationis, quantus nescio an in ullo alio fuerit (contr. 7 praef. 2), adfectus efficaciter movit, figurabat egregie (contr. 7 praef. 3).
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Die darauf folgende psychologische Verfassung des Silus war, so Sueton, einer der Gründe dafür, dass er den Gerichten fern blieb: Wenn er auch nicht stets einen günstigen Ausgang des Prozesses erwirkt hatte, so war ihm doch stets die allgemeine Meinung44 treu geblieben, wohl der größte Erfolg für einen Redner. Dies fand aber bei jenem Anlass nicht statt, wobei er angefeindet wurde, und seine Sicherheit in Frage gestellt wurde. An diesem Punkt angelangt, gilt es über die Unterschiede der Schriften des Biographen, nämlich Suetons, und jener Senecas nachzudenken, und zwar bezüglich des Rückzuges von Albucius aus seiner Rednertätigkeit, eine Fragestellung, die auch nicht unbeträchtlich chronologische Folgen nach sich zieht. IX. Pudor, metus und ein Hinweis auf die Chronologie der Prozesse des Albucius Um die Koordinaten des Rückzugs unseres Redners aus den Gerichten genauer festlegen zu können, darf man nicht aus den Augen verlieren, dass Senecas Beobachtungspunkt jener von Rom ist, der großen städtischen Pro zesse, wie eben auch jener Zentrumviralprozess einer gewesen war, der so sehr die berufliche Weichenstellung des Albucius prägte. Seine Darstellung von Rednern und Rhetoren entstammt dem Arsenal eines sagenhaften Ge dächtnisses45 und hat, die Gerichtstätigkeit der Stadt (darüber hinaus auch die Schulen, die auditoria, wo die künstlichen Rednerübungen stattfanden) zur Szene. Dort überall hatte Seneca seine Vorbilder beobachten können, seit seiner Ankunft in Rom im Jahre 43 v. Chr. (somit kurz nach dem Tod des großen Ciceros). Dorthin hatte er seine Söhne geführt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an einer Kultur zu laben, die größtenteils dieje nige der Gerichtsredner war. Im Mittelpunkt der Bühne steht der von der sollicitudo und jenem traurigen Er eignis der rhetorischen Figur, die als tatsächliche Übertragung des Eides gewertet wurde, hervorgerufene Bruch und die darauffolgende Flucht in eine schulmäßige Rhetorik, geradezu eine Hausrhetorik, die von der wahren völlig getrennt war (wiewohl Quelle des großen persönlichen Erfolgs des Vortragenden). Kehren wir zu Sueton zurück, um in jeder Hinsicht den Bezug auf den pudor46 zu verstehen. Diese Scham wird auf die Niederlage im forum Romanum bezo gen. Albucius war sich trotz einer ordentli chen Portion an 44 Sen. Rhet. contr. 7 praef. 6. Raro Albucio respondebat fortuna, semper opinio: quamvis paenituisset audisse, libebat audire. 45 Vgl. auch Otto Rossbach, s. v. Annaeus, 16, RE 1, Stuttgart 1894, 2237. 46 Bezüglich pudor verweise ich auf Cosimo Cascione, Antichi modelli familiari e prassi corrente in età protoimperiale, in: Francesco Milazzo (Hrsg.), Ubi tu Gaius. Modelli familiari, pratiche sociali e diritti delle persone nell’età del principato, Atti Copanello 2008, Milano 2014, 23 ff.
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Selbstkritik47 seiner Fähigkeiten und seiner rednerischen Talente bewusst. Aus diesem Grunde bedeutet ein derartiger Misserfolg ein Schachmatt und die Entscheidung, sich aus der Tätigkeit des Rechtsvertreters und Gerichts redners zu verabschieden. Aber in jenem Teil der Schrift finden sich neben dem pudor auch der metus.48 In der Stelle Suetons ist es also nicht nur die Scham, die ihn bewog, die Aufgabe des Advokaten aufzugeben, zur Scham hinzu gesellt sich als auslö sendes Motiv auch die Angst, ein Schrecken. Metus wird in der Terminologie dazu verwendet, um die Folgen der Dro hungen einer Gewaltanwendung zu beschreiben, somit in irgendeiner Form, was wir als moralische Gewalt bezeichnen. Kein metus entstand natürlich aufgrund des Misserfolges im Zentumviralverfahren. Dort finden sich Nie dergeschlagenheit und Scham we gen des Misserfol ges, sei es gegen über dem Klienten, sei es gegenüber dem Publikum, aber nicht Einschüchterung. Überlegungen zum metus als Grund für die Aufgabe der Aktivitäten als Redner seitens des Albucius werfen meines Erachtens nach erneut das Prob lem der Chronologie bezüglich des Erbschaftsprozesses und des Strafpro zesses von Mailand auf. Wolfgang-Dieter Lebek, überaus vom Text Senecas bestimmt, vertritt die Meinung, dass Albucius allerletzter Prozess jener vor dem Zentumviralgericht gewesen sei,49 und erkennt auf diese Weise das Verbindungsglied et rursus, welches die beiden Prozesse im suetonischen Werk verbindet,50 als bar jeden chronologischen Wertes. Ich glaube dahingegen, dass dieses rursus − gerade im Sinne einer „weichen“ Wortbe stimmung des Adverbs − nichts anderes bedeuten kann, als dass der Mai länder Prozess später als der römische statt gefunden hat. Albucius hatte also bereits im Agon der Redner einen schweren Schlag einstecken müssen, als er, aus welchem Grund auch immer, den wir nicht kennen können, zu einer für einen berühmten Redner der Hauptstadt ungewöhnlichen Verteidi gung gerufen wurde: ein Prozess wegen einer Bluttat im fernen Mailand. Gewiss, Seneca gibt uns keine Nachrichten bezüglich dieser weiteren, aber für ihn zweitrangigen Prozessrede; aber es waren eben nicht jene Gerichts fälle, die von den Rhetoren geschätzt wurden, und aus diesem Grund ist es ziemlich schwierig, unmittelbare Zeugnisse zu erhalten. Einen Augenblick sollten wir die letzte Schnellmeldung, die uns von Sueton hinsichtlich der in Mediolanum erfolgten cognitio (§ 5) überliefert wird, voranstellen. Albu 47 Was
sich in aller Deutlichkeit gerade am Text Senecas nachvollziehen lässt. juristische Semantik von metus ist natürlich vielfach untersucht worden: es reicht der Verweis auf Antonio Guarino, Diritto privato romano, Napoli 200112, 389 f., mit weiterführender Literatur in Fn. 24.6.1 (vgl. die dort zitierte Literatur) aus. Siehe nun: Emanuela Calore, Actio quod metus causa. Tutela della vittima e azione in rem scripta, Milano 2011. 49 Lebek (o. Fn. 7) 362 ff., und die dort angeführte Literatur. 50 Vgl. Kaster (o. Fn. 8) 322 f. 48 Die
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cius wurde bedroht, er riskierte fast eine Strafe wegen seines Verhaltens vor dem Tribunal des Prokonsuls. Daher also der metus, die Furcht, die Angst vor einer möglicherweise sogar körperlichen Folge für seinen rhetorischen Einsatz. Und das ist auch das Motiv komplementär zur Schande, die in der Schrift des Sueton die auf Seneca zurückgehenden Nachrichten ergänzt und sie detailreicher er scheinen lässt. Die Ver vollständigung er folgt auf dem Wege eines symmetrischen Verhältnisses zwischen pudor und dem Zentum viralprozess auf der einen Seite und metus und dem Prozess wegen caedes auf der anderen Seite, wobei auch ein chronologisches Verhältnis zwischen den beiden Ereignissen festge halten wird, insbe sondere weil das zweite Ereignis Seneca unbe kannt blieb oder ihm wegen der geographischen Abgelegenheit gegenüber Rom als unwesentlich, ja geradezu farblos erschei nen musste. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sueton seine präzisen Infor mationen über das Ereignis aus einer cisalpinischen Quelle schöpfte. Man weiß, wie sehr Persönlichkeiten und Schrifttum aus jenem Teil der römi schen Welt für die Rekonstruktion der vitae von Grammatikern und Rheto ren bedeutsam waren. X. Der Prozess wegen caedes in Mailand Wir müssen also jetzt eingehender den anderen Fall (enthalten in § 5 der Biographie) in Betracht ziehen. Er wurde von den Historikern, vor allem den Ro manisten, weit weniger diskutiert und ist nur durch den kurzen biographischen Abschnitt Suetons bekannt (es gibt in der Tat keine weiteren Hin weise dar über). Dieser Fall soll uns nun zu einigem Kopfzerbrechen verhelfen. Wie be reits angeklun gen, handelte es sich diesmal um einen Strafprozess, um einen „merkwürdigen“ Prozess, so Theodor Mommsen.51 Albucius war, wie bereits gesagt wurde, besonders selektiv bezüglich jener Fälle, die er zu begleiten sich entschloss (in der Tat nahm er an nicht mehr als fünf oder sechs Verhandlungen im Jahr teil),52 aber, in der besten repu blikanischen Tradition, scheint er keinerlei Vorzüge gegenüber dem einen oder anderen Bereiche des Rechts gehabt zu haben. Das Umfeld dieses zweiten Prozesses erscheint völlig unterschiedlich ge gen über dem Zentum viral prozess. Wenn wir uns im Erbschaftsfall, der offenbar chronologisch früher stattgefunden hatte, in Rom befinden, und vor einem besonders auf Tradition bedachten Gericht (ich möchte daran erin nern, dass in den Zentumviralprozessen auch noch nach der lex Iulia iudi51 Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht II / 1, Leipzig 18873, Nachdr. Basel 1952, 238 Fn. 1. 52 Suet. De gramm. et rhet. 30,3. Egit et causas, verum rarius, dum amplissimam quamque sectatur nec alium in ulla locum quam perorandi.
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ciorum privatorum die alte Vor ge hensweise der legis actiones praktiziert wurde), so fand der Strafpro zess, der uns hier interessiert, und zwar als letzte Verhandlung unseres Silus, dagegen in Mailand statt, und zwar unter der Voraussetzung einer besonderen Art der Prozessführung. Die alte Stadt keltischen Ursprungs, die bereits von den Römern in der ersten Phase ihrer transpadanischen Expansion zu Zeiten des zweiten Puni schen Krie ges dem römischen Machtbereich einge gliedert worden war, hatte, nachdem sie bereits mit dem latinischen Recht ausgestattet worden war, vor einiger Zeit das volle Bürgerrecht erhalten, gemeinsam mit den anderen cisalpinen Städten: ein Ort somit, nicht weit, kaum 33 Meilen, wie es ausdrücklich im Itinerarium Antonini53 heißt, und wohl nicht sehr ver schieden von der Heimatstadt des Albucius, Novaria, auch wenn Mailand sich bereits auf dem Wege befand, eine bemerkenswerte Stadt zu werden, wie gerade zur Zeit des Augustus der griechische Geograph Strabon ver merkte (5,1,6). XI. Die Frage des materiellen Rechts In diesem anderen Prozess verteidigte Silus,54 der herbeigeeilt war, den reus, den Angeklagten. Wir verfü gen über keine genauen Angaben zum Hergang des Verbrechens. Es scheint aber zu sein, dass es sich um eine herausragende Bluttat gehandelt habe. Die Terminologie mit dem Hinweis auf caedes scheint nämlich nicht auf einen einfachen Mord hinzuweisen, sondern vielmehr auf ein Blutbad, auf ein Gemetzel, einen vielfachen und besonders grauenvollen und gottlosen Mord: jedenfalls ein Verbrechen von besonderer Schwere und Breitenwirkung. Auch die Teilnahme des bekann ten Redners an einem auch geographisch von Rom so weit entfernt stattfin denden Prozess stellt natürlich ein weiteres Element zugunsten dieser Inter pretation dar. Weitere Bestätigungen dafür kann man gewinnen, wenn man, und sei es nur en passant, die übli che Aus drucks weise des typischen Sprachgebrauchs von Sue ton beobachtet. An mehre ren Stellen wird der Mord an Caesar mit caedes überliefert (Suet. div. Iul. 81,1; 81,3; Claud. 41,2), die Adjektivierung crudelissima findet sich in Suet. Cal. 30,3, die Verbindung mit parricidia in Suet. Tib. 66,1 und in Ner. 33,1. So wurde auch das Verbrechen bezeichnet, das von einem gewissen Lu cius Clau
53 It. Ant. 344,6, 350,6: Novaria stellt die erste Etappe dar, wenn man von Mai land kommt (danach gelangt man nach Vercellae nach weiteren 16 Meilen). 54 Denn wir wissen nicht, ob er von Rom oder von Novaria gerufen wurde, wohin er bereits als Senior zurückgekehrt war und wo ihn dann die Krankheit ereil te: § 6 Iam autem senior ob vitium vomicae Novariam redit …
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dius55 begangen worden war, und das wegen seiner besonderen Grausamkeit alle Mitglieder der gens Claudia bewogen hat, dieses praenomen innerhalb ihrer gens nicht mehr zu verwenden, wobei ein Verbot auferlegt wurde, das sogar für Jahrhunderte beachtet wurde. Es ist kein Zufall, dass, wenn man den Blick über Sueton hinaus richtet, das Massaker der Via Appia, in welchem Clodius und dreißig seiner Skla ven56 niedergemetzelt wurden, immer wieder als caedes57 bezeichnet wird, und dass das Wort im rhetorischen Schrifttum als Synonym für Mord, manchmal mit einem besonders negativen Beigeschmack, verwendet wird.58 Und es ist auch kein Zufall, dass dieser Begriff jener ist, der sich am häu figsten in der dekla matorischen Literatur wiederfindet, um den Mord zu bezeichnen, und zwar an Stellen, die, abhängig vom Kontext und der be sonderen literarischen Typologie, eindeutig von besonderer Nachdrücklich keit geprägt sind, um die Schwere der Verbrechen hervorzukehren. XII. Erläuterungen des Prozesses. Problem des Ortes und der Bezug zur cognitio Was nun das materielle Recht anbelangt, so lohnt es sich nicht mehr, weitere Spekulationen anzustellen. Wie bereits erwähnt, verfügen wir nur über den dürftigen Hinweis bei Sueton, und mir scheint, man kann über die bereits vor genommene terminologische Erläuterung nicht darüber hinaus gelangen. Aber der wichtigste Aspekt, der auch beim Romanisten eine be sondere Neugierde hervorruft, ist jener des Verfahrens, der klarerweise in Verbindung mit der Bestimmung des Verbrechens steht. Die erste Frage ist jene, warum der Prozess in Mailand stattfand und nicht in Rom.59 Es er scheint völlig außergewöhnlich, dass ein offensichtlich komplexes Verfah 55 Suet.
Tib. 1,2. Gemetzel der Via Appia vgl. zumindest Florence Dupont, L’affaire Mi lon. Meurtre sur la voie Appienne, Paris 1987; erst vor kurzem, aber auch kürzer Luca Fezzi, Il tribuno Clodio, Roma-Bari 2008, bes. 104 f. 57 Beispielsweise vgl. Gell. 16,8,2. Zur Bedeutung von caedes vgl. Mommsen, Römi sches Strafrecht (o. Fn. 27) 612 ff. bezüglich einer Übersicht zum Mord: Bernardo Santalucia, Diritto e processo penale nell’antica Roma, Milano 19982, 129 ff., 145 ff., 262 ff. Bezüglich der mit der Ermordung Caesars verbundenen Rechtsfragen vgl. zumindest Roberto Fiori, Homo sacer. Dinamica politico-costitu zionale di una sanzione giuridico-religiosa, Napoli 1996, 451 ff. 58 Wie der Fall eines Ehemannes, der seine schwangere Frau in Folge eines Ehe bruchs ermordet, in Ps.-Quintil. decl. min. 277 oder jener eines möglichen Vatermörders in Ps.-Quintil. decl. min. 314. 59 Ein kurzer Überblick über die Problematik des Prozessortes bei: Laffi (o. Fn. 16) 21 [= Studi di storia romana e di diritto (o. Fn. 13) 231]. 56 Zum
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ren, möglicherweise auch äußerst bedenklich wegen der schwerwiegenden Vorwürfe, nicht vor einem ordentli chen Ge richt abgehandelt wurde, und zwar vor der quaestio de sicariis, wie man es erwarten hätte müssen. Ein anderer Punkt betrifft die Einordnung des Verfahrens: cognitio ist ein sehr weiter Begriff, hat aber auch einen ganz präzisen technischen Inhalt, auch bei Sueton, wie wir sofort sehen werden. In Kürze unter Wiederauf nahme der Untersuchungen von Lemosse, die von Giovanni Pugliese60 verbessernde Ergänzung fanden, kann man als erstes sagen, dass die Ver wendung der cognitio besonders typisch hinsichtlich von Strafprozessen ist. Während nämlich der Begriff bezüglich des Zivilprozesses nicht über All gemeines in der Beschreibung hinausgeht, und sich somit auch auf Fälle bezieht, die im Rahmen des ordo iudiciorum privatorum behandelt wurden, so sprach man äußerst selten von cognitio im Rahmen der iudicia publica, während die „procedimenti extra ordinem furono indicati come cognitiones, si può dire, fin dall’inizio“.61 Wenn dies vor allem für den kaiserlichen und senatorischen Prozess62 gilt, so fehlt es nicht an bemerkenswerten Aussa gen hinsichtlich der Jurisdikti ons ge walt von Provinzgouverneuren63 (ich kann mich hier nicht mit den Quellen bezüglich der praefecti urbi und praetorio auseinandersetzen).64 In diesem Zusammenhang ist das Zeugnis Suetons früh und besonders aussagekräftig. Man vergesse nicht, dass der Biograph der Caesaren einer der ersten war, der mit dem Konstrukt cognitio verbunden mit dem Genitiv des Verbrechens sich auf jene Tatbestände be zog, die mit einem außerordentlichen Pro zess geahndet wurden (cognitio falsi findet man in Suet. Claud. 9,265).
60 Bezüglich der cognitio empfiehlt es sich, mit den Untersuchungen von Maxime Lemosse, Cognitio: étude sur le rôle du juge dans l’instruction du procès civil antique, Paris 1944, Roma 1971, zu beginnen; diese Untersuchungen wurden in je nen Punkten, die hier eine Rolle spielen, übernommen von Giovanni Pugliese, s. v. Cognitio, NNDI III, Torino 1959, 430 ff. [= Scritti giuridici scelti I. Diritto romano, Napoli 1985, 279 ff.]. Zu den Grundzügen des Strafprozesses vgl. anstelle aller an deren: Santalucia (o. Fn. 57) 189 ff. 61 Pugliese (o. Fn. 60) 435. 62 Vgl. Quintil. inst. or. 3,10,1, mit einem ausdrücklichen Vergleich zwischen iudicia publica auf der einen Seite und Gerichtshöfen des Kaisers und des Senats auf der anderen Seite; 7,2,20; Plin. iun. epist. 2,11,4; 4,22,1; D. 42,4,13 Papin. 14 resp. 63 Siehe Plin. iun. epist. 10,96; D. 48,5,16[15],4 Ulp. 2 de adult.; D. 47,19,2 pr. Ulp. 9 de off. proc.; D. 48,16,1,8 Marcian. lib. sing. ad sc. Turpill. 64 Man vergleiche aber zumindest Coll. 14,2,2; 14,3,2. 65 … etiam cognitio falsi testamenti recepta est, in quo et ipse signaverat.
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XIII. Hypothesen. Die munizipale und militärische Jurisdiktion Auf dass wir das nur kurz vom Biographen erwähnte Verfahren richtig einzuordnen vermögen, müssen wir mit großer Aufmerksamkeit die von den Histo rikern vorgeschlagenen Deutungsversuche analysieren. Der erste stammt von Jochen Bleicken66 und besteht aus dem Epilog seines bedeu tenden Buches über Senatsgericht und Kaisergericht. Der deutsche Histori ker behandelt den Fall in einem Appendix bezüglich der Existenz von Munizipalquaestionen, die nach dem Vorbild jener in Rom bestehender und für Strafsachen zuständiger entwickelt wurden. Nach einer kurzen Beschrei bung der Umstände und einer Deutung auf der Grundlage der inquisitori schen Begriffe, auf die wir zurückkommen müssen, schlägt Bleicken vor, dass Piso der Vorsitzende einer munizipalen quaestio gewesen sei, der, wie der Prätor in Rom, die Prozesse vor Geschworenen durchführte. In diesem Falle wäre also die von Sueton verwen dete Terminolo gie bezüglich der cognitio technisch falsch. Andererseits habe die Reaktion des Albucius dazu geführt, die brutale Prozessführung seitens des Prokonsuls in den Vorder grund zu stellen.67 66 Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht: eine Studie zur Entwicklung des Prozessrechtes im frühen Prinzipat, Göttingen 1962, 188: „Auf die munizipalen Ge schworenenhöfe Italiens scheint auch noch eine Stelle bei Sueton hinzuweisen. Der Redner C. Albucius Silus geriet danach mit C. Calpurnius Piso in Streit, als dieser, von Augustus als (ausserordentlicher) prokonsularischer Statthalter nach Gallia Cisalpina gesandt, eine cognitio caedis in Mediolanum abhielt. Albucius verteidigte den Angeklagten. Als während seines Plädoyers gewisse Zeichen der Zustimmung aus dem Publikum von den Liktoren des Proconsuls eigedämmt wurden, geriet er in Zorn und beklagte laut die veränderte Lage Italiens, das gleichsam wieder Provinz geworden sei (nämlich dadurch, dass in Gallia Cisalpina von Augustus ein Prokon sul eingesetzt worden war), und er rief M. Brutus als legum et libertatis auctor et vindex an. Wenn Piso wirklich, wie Sueton durch den Ausdruck cognitio nahelegt, ein inquisitorisches Gericht über einen Bewohner der Gallia Cisalpina aufgestellt hatte, dann waren in der Tat die Bürger der Transpadana gleichsam in den Status der Peregrinen herabgedrückt, über die der Statthalter nach Belieben verfahren konnte, und mit Recht beruft sich Albucius dagegen auf das Palladium der römi schen Freiheit, auf die Provokation, und das heisst: das Geschworenengericht. Das Verhalten des Piso wäre einem flagranten Rechtsbruch gleichgekommen; er hätte den Römer behandelt wie den peregrinen Provinzialen. Dagegen ruft Albucius die libertas an: Die Transpadana hatte seit Caesar das Bürgerrecht, und es war seitdem für Kapitalverbrechen dort nicht mehr der Statthalter zuständig, sondern die quae stio, sei es nun die der Munizipien oder auch (wie z. B. für politische Fälle) die Roms. Es ist aber auch denkbar, dass der Vorfall sich vor einem munizipalen Ge schworenenhof abgespielt hat, dem Piso nur – wie der Prätor in Rom – vorsass“. 67 Bleicken (o. Fn. 66) 188: „Allerdings hätte dann Sueton in seinem kurzen Referat ungenau cognitio für das richtige quaestio gebraucht. Wenn es sich so ver halten hat, geht der Tadel des Albucius gegen die brutale Art der Verhandlungsfüh
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Wie bekannt, hat sich auch Wolfgang Kunkel in seinem großartigen Werk bezüglich der Erneuerung der Geschichte des römischen Strafrechts, begonnen mit den glänzenden Untersuchungen des Jahres 1962, für die Existenz einer munizipalen Strafgerichtsbarkeit ausgesprochen,68 freilich unter Betonung des Fehlens einschlägiger Zeugnisse. Gerade diesbezüglich musste er sich mit der Stelle Suetons aus einandersetzen. „Nur fehlt es dafür an positiven Beweisen. Unergiebig ist in dieser Hinsicht leider die bei Suet. De gramm. et rhet. 30 (6) überlieferte Nachricht über einen Mordprozeß, den zur Zeit des Augustus ein (außerordentlicher) Prokonsul der Cisalpina, L. Calpurnius Piso, in Mailand durchgeführt hat. Ein G ericht, dem der Prokonsul vorsaß, kann kein Munizipalgericht gewesen sein …; es war eben das Statthaltergericht. Wir haben auch keinen Anlaß anzuneh men, daß die Verhandlung des Mordfalles vor diesem Gericht als Rechts bruch, d. h. als unerlaubter Eingriff in die munizipale Zuständigkeit ange sehen worden ist. Denn der Protest des Anwalts Albucius richtete sich nach Sueton eben nicht gegen die Zuständigkeit des Statthalters, sondern gegen dessen sitzungspolizeiliche Maßnamen. Selbst wenn aber das Statthaltergericht zuständig war, bedeutet dies noch nicht, daß in Mediola num damals kein munizipales Strafgericht bestanden hat. Es ist denkbar, daß der Angeklagte als Soldat oder comes des Statthalters der munizipalen Justiz nicht un terstand, oder daß der Statthalter als solcher befugt war, Anklagen anzunehmen, über die anderfalls vor den munizipalen Gerichten verhandelt worden wäre.“ Auch wenn die Stellungnahme des großen deutschen Romanisten eindeu tig ausfällt, so unterstreicht doch Kunkel zu Recht, dass der Bericht des Suetons, wiewohl er einen Strafprozess, der in einem Munizipium stattfand, schilderte, nicht mit einem lokalen Gericht in Einklang zu bringen ist, und das auch nicht in derjenigen Zusammensetzung, die den Vorsitz des Prokon suls erforderte. Es kann kein Zweifel bestehen, dass es sich um ein Statt haltergericht handelte. Es ist auch wahr, dass der Auslöser des Protestes des Albucius die Gewalttätigkeit der Liktoren gewesen war, aber es ist klar, dass diese geradezu als Symbol der Macht des Prokonsuls gewertet werden musste. Die Ablehnung betrifft somit den greifbaren Ausdruck eines imperium, das hinsichtlich des rechtlichen status des Territoriums, in welchem rung, durch die der Geschworenenprozess gleichsam auf das Niveau einer diskre tionären cognitio herabgedrückt worden wäre“. 68 Ausgewogene Überlegungen zur Ausübung der Strafgerichtsbarkeit auf loka ler Ebene mit einer ein gehenden Überprüfung der Quellenlage findet man in: Bernardo Santalucia, Osservazioni sulla giustizia penale nei municipia, in: Luigi Capogrossi Colognesi / Emilio Gabba (Hrsg.), Gli statuti municipali, Pavia 2006, 551 ff., der sich freilich kritisch bezüglich der Möglichkeit von Kapitalprozessen auf munizipaler Ebene ausspricht.
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es ausgeübt wurde, als exorbitant empfunden wurde. Und es handelt sich natürlich nicht um eine Verletzung der Kompetenzen des lokalen Gerichts, wie Kunkel zwar mit Bedauern, aber ohne jeden Zweifel annahm.69 Auch der Hinweis auf einen militärischen Prozess (gegen einen Soldaten oder einen comes des Prokonsuls) erscheint nicht überzeugend. Die Tat des Ver brechens selbst, caedes, scheint keine spezifisch militärische, wie beispiels weise die Desertion gewesen zu sein. Die Position des Angeklagten, wenn es sich um einen Soldaten gehandelt hätte, könnte nicht die Abtretung der Kompetenzen von Rom in einer quaestio nach Mailand in einer cognitio rechtferti gen. Der einzige Umstand, den man als bedeutsam bezeich nen kann, ist jener der Ausübung einer sehr weit gespann ten Machtfülle von Seiten des Prokonsuls in einem Territorium, das zwar formell Italien war, aber das in Wirklich keit so behan delt wurde, als unterliege es noch den Auswirkungen eines imperium provinciale. Dies könnte die heftigen Protes te des Albucius ausgelöst haben. Ich glaube weiters nicht, dass es sich, wie sehr vor sichtig Laffi70 vorgeschlagen hat, um einen Prozess gegen einen Peregrinen gehandelt haben konnte. In diesem Falle hätte sich ein Redner vom Niveau eines Albucius wohl kaum dazu bewegen lassen. XIV. Der Prokonsulat des Piso Wir müssen uns nun einem ganz besonderem Aspekt des Mailänder Verfah rens zuwenden, und zwar der Tatsache, dass die cognitio (zu dieser spezifi schen Begrifflichkeit, die keinesfalls als neutral zu bezeichnen ist, werden wir zurückkommen müssen) vor dem Prokonsul abgehalten wurde, Träger eines imperium, aber in einem Territorium, das juristisch bereits seit gerau mer Zeit Italia71 und keine Provinz mehr ist. Der Vorsitzende Prokonsul wird mit seinem Namen ausdrücklich von Sueton genannt. Es handelt sich um Lucius72 Calpurnius Piso, eine überaus bekannte Persönlichkeit in den ersten 69 Wolfgang Kunkel, s. v. Quaestio, RE 24, Stuttgart 1963, 781 [= Kleine Schrif ten. Zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte, Wei mar 1974, 105]. 70 Laffi (o. Fn. 16) 21 [= Studi di storia romana e di diritto (o. Fn. 13) 231]. 71 Zur Entwicklung des juristischen Begriffs Italia vgl. Pierangelo Catalano, Appunti sopra il più antico concetto giuridico di Italia, Atti Acc. Torino (1961–1962) 1 ff.; dens., Aspetti spaziali del sistema giuridico-religioso romano. Mundus, tem plum, urbs, ager, Latium, Italia, ANRW II / 16.1, Berlin-New York 1978, 440 ff.; Loretana De Libero, Italia, Klio 76 (1994) 303 ff.; Giuseppe Massa, La formazione del concetto d’Italia. Tradizioni politiche e storiografiche nell’età precedente la ‘ri voluzione romana’, Como 1996. 72 Nicht Gaius wie bei Bleicken (o. Fn. 66) 188 (ich glaube aber wegen eines bloßen materiellen Irrtums).
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Zeiten des Prinzipats,73 auf das Engste, aufgrund verwandtschaftlicher Ban de, mit Julius Caesar verbunden. Er war nämlich der wesentlich jüngere Bru der der Calpurnia, Tochter des Censors Cesoninus und Frau des Diktators. Geboren im Jahr 48 v. Chr., entstammte er einer Familie der Nobilität, aus deren Reihen auch Konsule hervorgegangen waren, und hatte seine schnelle Laufbahn im Kursus der Magistrate gerade in den Jahren der endgültigen Konsolidierung der Macht des Octavian Augustus begonnen. Wie es üblich war für Persönlichkeiten dieses Ranges, erlangte er den Konsulat suo anno im Jahre 15 v. Chr.74 zusammen mit Marcus Livius Drusus Libo. Seine Kar riere sollte eine glänzende werden: Er wurde pontifex und blieb für lange Zeit bis zum Prinzipat des Tiberius praefectus urbi. Sein großartiges bronzenes Antlitz (keineswegs zufällig von Ronald Syme auf dem Umschlag seines Bu ches „The Augustan Aristocracy“ abgebildet) wurde in der villa der Pisonen in Herkulaneum gefunden, vielleicht besser bekannt als die villa der Papyri, in welcher sich eben seine reiche Bibliothek befand. Das in Transpadanien ausgeübte Prokonsulat könnte im Zusammenhang mit jenen Kriegen stehen, die Augustus gegen die alpinen Bevölkerungen zwischen 25 und 14 v. Chr. geführt hat. Er verfügte höchstwahrscheinlich über Verwandt schaften und Klientelen in der Cisalpina. Seine väterliche Groß mutter (die Mut ter des Censors Cesoninus) stammte in der Tat aus Placentia (Ascon. 2 ff. Cl.), ein Umstand, der von den Historikern bislang nicht berück sichtigt wurde, der aber durchaus eine Rolle ge spielt haben mag, bezüglich der Betrauung mit dem imperium in jener Region zu einem ‚brisanten‘ Zeitpunkt. Freilich könnte der Prokonsulat entweder unmittelbar vor dem Konsulat bekleidet worden sein oder unmittelbar danach.75 Diese Ereignisse fanden statt innerhalb einer Zeitspanne zwischen 16 und 14 v. Chr., wobei man freilich nicht das Jahr 15 in Betracht ziehen darf, jenes des ordentlichen Konsulats, das selbstverständlich inkompatibel mit der Ausübung der Funk tion des Prokonsuls war. Für Syme könnte das Datum in der Tat das Jahr 73 Er widmet ihm ein Kapitel, das besonders wichtig hinsichtlich der Wiederherstel lung des prosopographi schen Profils und der Karriere ist, Ronald Syme, L’aristocrazia augustea, Oxford 1989, it. Übers. Milano 1993, 488 ff. 74 Die Identifikation bereits bei Mommsen, Römisches Staatsrecht II / 13 (o. Fn. 51) 238 Fn. 1. 75 Nach der Meinung einiger: John Scheid, Les frères arvales: recrutement et origine sociale sous les empereurs julio-claudiens, Paris 1975, 78, vgl. Colin Michael Wells, The German Policy of Augustus: an Examination of the Archaeological Evidence, Oxford 1972, 66 Fn. 4, könnte man ihn mit jenem Piso identifizieren, der, wenn man eine Nachricht bei Orosius (6,21,22) Folge leistet, gegen die Vindelicer ausgesandt worden war, während sich Augustus in Gallien befand und, nachdem er sie unterworfen hatte, als Sieger zum Prinzeps zurückkehrte, der sich zur Zeit in Lugdunum befand. Aber vgl. Syme (o. Fn. 73) bes. 495 f.
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16 sein, aber doch besser das Jahr 14.76 Tatsache ist, dass wir uns bezüglich der in Frage stehenden Chronologie bereits jenseits der Promulgierung der augustei schen Prozessgesetze befinden. Das bedeutet, dass der in Frage kommende Prozess stattfand, als der ordo iudiciorum publicorum schon in Kraft war, und daher musste ein römischer Bürger normalerweise, wenn er Verbrechen begangen hatte, in Rom vor den quaestiones gerichtet werden. XV. Der status der Gallia Transpadana Wir müssen uns nun mit dem status, dem verfassungsmäßigen Zustand, der Gallia transpadana in jenem besonderen historischen Augenblick auseinan dersetzen, und zwar im Bezug auf jene Macht kompetenzen, die tatsächlich von Piso ausgeübt wurden. Eine einfache, oder vielleicht zu einfache, Be standsauf nahme ist jene, die von Mommsen vorgeschlagen wurde.77 Die Befug nisse bezüg lich der Aus übung der Jurisdiktion seien demnach von Augustus selbst an Piso übertragen worden, wie es bereits in dieser frühen Phase des Prinzipats möglich gewesen sei, wahrscheinlich „von Fall zu Fall“. Diese Lösung erscheint freilich von keiner Quelle Be stätigung zu finden, und man versteht nicht, warum ein Prokonsul mit be sonderen Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf militärische Operationen im alpinen Bereich, nun auch die Kriminaljurisdiktion auf italischem Gebiet hätte ausüben sollen.78 Zu behaupten, dass Transpadanien während der spä ten augusteischen Zeit, wenn auch nur vorübergehend, von einem Prokonsul regiert werden hätte sollen, kann nur auf einen Schluss aus unserem Text79 beruhen: Da es einen Prokonsul gibt, gibt es eben auch eine Provinz. Ich würde aber vielmehr hervorheben, dass gerade zu diesem Punkt die Bemer kung des Albucius von entscheidender Bedeutung ist: Aus seinen Worten der Empörung gegenüber der Vorgehens weise der Liktoren und folg lich auch gegenüber jener des Prokonsuls, versteht man dagegen, dass das Ge biet jedenfalls und in jeder Hinsicht als Italien verstanden werden musste.80 Nur die missbräuchliche Machtausübung (man beachte das Adverb iterum, 76 Syme
(o. Fn. 73) bes. 491. der Meinung von Mommsen, Römisches Strafrecht (o. Fn. 27) 243 und Fn. 4, handelte es sich im Falle des Piso um eine Abtretung des ius gladii, was auch zur Abtretung des imperium merum führte, wie es bereits seit der augusteischen Zeit zu Gunsten einzelner Statthalter erfolgt war. 78 Nach Mommsen, Römisches Staatsrecht II / 23 (o. Fn. 51) 1075 und Fn. 3, würde es sich um Militärposten handeln, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit am Beginn des Prinzipats bis zum 3. Jhdt. dienten. 79 Mommsen, Römisches Staatsrecht II / 13 (o. Fn. 51) 238 Fn. 1. 80 Im Allgemeinen zur Romanisierung der padanischen Provinzen: Luraschi, (o. Fn. 16); Laffi (o. Fn. 16) 5 ff. [= Studi di storia romana e di diritto (o. Fn. 13) 77 Nach
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das vom Redner geradezu als Zeitmaschine verwendet wird) hatte das Ge biet in einen Zustand zurückversetzt, der zwar formell nicht jener einer Provinz ist (man beachte in diesem Zusammenhang das geradezu strategisch verwendete Adverb quasi81), aber das in der Tat in die Nähe einer Provinz gerückt wird, quasi in formam provinciae. Ich würde also mei nen, nicht dass die Gallia cisalpina wiederum auf den Zustand einer Provinz herabge drückt worden sei, aber dass es sich um italisches Gebiet handelt, in wel chem militärische Ver bände unter dem Ober kommando eines Pro kon suls stationiert waren. Dieser übte seine Machtbefugnisse in sehr weiter Form aus, wahrscheinlich in miss bräuchlicher Weise, wie es im Übrigen nicht selten während der ersten Jahre des Prinzipats vorkam. XVI. Eine Hypothese bezüglich des Ursprungs der außerordentlichen cognitiones An dieser Stelle müssen wir die Tragweite des Begriffs cognitio erneut durch leuchten. Die roma nistische Geschichtsschreibung hat seit geraumer Zeit hervorgehoben, wie seit dem Beginn des Prinzipats Augustus der ordo iudiciorum publicorum, wie er durch die lex Iulia festgesetzt worden war, sich gera dezu in antagonistischer Form einem neuen Strafprozess gegen über sah, der im Übrigen mit den verfassungsmäßigen Veränderungen jener Jahre durchaus im Einklang stand. Jene Gerichtshöfe, in denen das Urteil privaten Bürgern oblag, standen in der Tat nicht mehr im Einklang mit möglichen für die Inte ressen des Princeps nützlichen Interventionen. Im Übrigen trug eine Reihe technischer Mängel zum Niedergang der quae stiones bei (die Schwierigkeit etwa, Tatbestände, die nicht von einem be stimmten Gesetz vorgesehen waren, zu bekämpfen, die Problematik bezüg lich einer Mehrheit von Personen und Verbrechen, die Unmöglichkeit, die Strafe je nach subjektiven und objektiven Umständen in verschiedener Höhe festzusetzen), die im Weiteren in zunehmendem Ausmaße an Bedeu tung zugunsten von Verfahren verloren, die nicht mehr die Teilnahme von Geschworenen vorsahen, und in welchen der gesamte Ablauf dem Princeps oder einer von ihm delegierten Person zukam. Mit einer gewissen begriff lichen Vergewaltigung wird diese neue Organisation als cognitio extra ordinem bezeichnet, die, wie allgemein bekannt ist, durchaus Parallelen im 209 ff.], wo man im § 4 besondere Überlegungen zum Prozess, der in Mailand statt fand, findet. 81 Zur Verwendung von quasi im juristischen Kontext: Carla Masi Doria, Per l’interpretazione di quasi magistratus in D. 1.16.7.2 (Ulp. 2 de off. proc.), in: Studi per G. Nicosia V, Milano 2007, 239 ff., dann Rampazzo (o. Fn. 26) 411 f. Fn. 207, mit ausführlichen Hinweisen zur Literatur.
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Bereiche des Zivilprozesses findet. Das Verhältnis zwischen ordo und extra ordinem ist kei neswegs stabil in den Quellen und nimmt ver schiedene Bedeutungen an, je nachdem um welches literarische Genus es sich han delte, abhängig auch weiters von den Gegenständen der Beobachtung. Im Bereiche einer technisch-juristi schen Aus drucksweise nimmt der Begriff der Außer ordentlichkeit verschiedene Bedeutungsfelder ein, welche erst durch die Mühen der zeitgenössischen Historiker systematisch rekonstruiert wur den, und die erst daher in ihrer Einheitlich keit verstanden werden konnten, beginnend mit vereinheitlichenden Strömungen, die man freilich erst in relativ späten Quellen nachlesen kann, insbesondere im Vergleich zu einer ursprünglichen, durchaus vielfältigen Praxis.82 Dabei traten offen kundige Schwierigkeiten bei der Interpretation der Texte auf83 sowie sys tematische Probleme, wie jenes, das wir alle kennen, und das in besonders einprägsamer Weise von Orestano hervorgehoben wurde, der die cognitio extra ordinem der Romanisten schlicht und einfach als Chimäre bezeichnet hat (im Wesentlichen auch nicht in den Quellen auffindbar), wobei er die durchaus weitgeschichtete historische Di mension der cognitiones vertei digte.84 82 Über den Ursprung der extraordinariae cognitiones vgl. Giuseppe Ignazio Luz zatto, In tema di origine del processo „extra ordinem“ (Lineamenti critici e ricostrut tivi), in: Studi in onore di E. Volterra II, Milano 1971, bes. 744, mit Fn. 222; ders., Il problema d’origine del processo extra ordinem I. Premesse di metodo. I cosiddet ti rimedi pretori, Bologna 1965; Ignazio Buti, La cognitio extra ordinem: da Augus to a Diocleziano, in ANRW II / 14, Berlin / New York 1982, 30 ff. Wichtig die mög liche Rekonstruktion von Artur Steinwenter, Studien zum römischen Versäumnisver fahren, München 1914, bes. 6, 11, 106 betreffend den ordentlichen Prozess, 130 ff. über die späte Organisation des Prozesses extra ordinem auf der Grundlage verschie denster Entwicklungen in der Praxis; vgl. dens., Die Anfänge des Libellprozesses, SDHI 1 (1935) 138 ff.; dens., Zur Gliederung des Verfahrens im Libellprozess, in: Festschrift L. Wenger I, München 1944, 180 ff., weitreichende Hinweise bezüglich der Quellen und Literatur in Max Kaser / Karl Hackl, Das römische Zivilprozess recht, München 19962, 435 ff. (mit Fn. 1 ff.). 83 Ich denke beispielsweise an die extraordinaria iurisdictio von C. 8,40[41],14, eine Konstitution von Gordian aus 239: Mandati actio personalis est. Quae si nomine fideiussoris vel adversus debitorem seu heredes eius competit, praeses provinciae quae deberi compererit reddi iubebit. 1. Pignora etenim, quae reo stipulandi nexa fuerunt, ita demum ad vos transeunt, si facta nominis redemptione solutio celebrata est vobisque mandatae sunt actiones. 2. Quod si factum est, ea quoque vobis persequentibus adversus possessores extraordinariam iurisdictionem idem vir clarissimus impertiet. a. 239 pp. iii non. Iul. Gordiano a. et Aviola conss. Vgl. Kaser / Hackl (o. Fn. 82) 436 Fn. 5. 84 Bezüglich der Deutung von Riccardo Orestano vgl. seinen treffenden Beitrag: La „cognitio extra ordinem“: una chimera, SDHI 46 (1980) 236 ff., weiters in: „Di ritto“. Incontri e scontri, Bologna 1981, 469 ff. [= Scritti III, Napoli 1998, 1829 ff.]; vgl. jetzt Xesús Pérez López, La delegación de jurisdicción en el derecho romano, Madrid 2010, 345 ff.
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Die Theorien zum Ursprung der außerordentlichen Verfahren sind verschiedenartig. Sie wurden in Wirklichkeit vor allem hinsichtlich des zi vilistischen Teiles entwickelt. Substantiell gibt es drei Hauptströmungen: Die erste, die vor allem auf Gaetano Scherillo85 zurückzuführen ist, sieht keine substantielle Diskontinuität, aber vielmehr eine langsame Entwicklung vom ordo zum extra ordinem; eine weitere, die den Ursprung in den Pro zessen in den Provinzen sieht (es ist dies die von Lemosse zum Ausdruck gebrachte Hypothese,86 die bereits in seinem schönen Buch zur cognitio feststand), sowie eine weitere, die mit großem Engagement von Luzzatto87 vorgebracht wurde, und welche einen veritablen Bruch zum Vorangegange nen erkennt und diesen Bruch auf die Zuerkennung außerordentlicher Kom petenzen auf den Princeps sieht. Diese Strömung sieht in der historischen Verfassungsentwicklung die Grundlagen der Veränderung und nicht in rein juristischen Abläufen. Aber auch in diesem besonderen Bereich gibt es eine Reihe von Problemen, insbesondere was die Grundlagen und die Rechtfer tigung der Jurisdiktionsgewalt des Princeps an belangt: Für die einen ist diese Gewalt auf die allgemeine Machtfülle als Magistrat zurückzuführen, oder aber auf das Plebiszit, das Oktavian im Jahre 30 v. Chr. zusammen mit der tribunicia potestas auf Lebenszeit, auch die Kompetenz des ἔκκλητον δικάζειν (vermutlich „auf Nachfrage zu richten“) zuerkannte oder aber in folge einer Bestimmung der lex de imperio. Es ist mir ein Bedürfnis, an dieser Stelle die Meinung von Tullio Spagnuolo Vigorita88 in Erinnerung zu rufen, einem außerordentlich teuren Freund, der viel zu früh uns verlassen hat, der die Verbindung der Jurisdiktionsgewalt des Augustus „nei suoi amplissimi poteri magistratuali, dai nomi repubblicani, ma rimodellati già nel travaglio delle guerre civili“ gesehen hatte. Die Frage ist natürlich überaus komplex und schwierig, und man kann sie auch nicht in diesem Beitrag einer endgültigen Lösung zuführen. Ich glaube aber, dass die Stelle von Sueton, die wir hier untersuchen, doch einige nicht nebensächliche Hinweise zum Zweck einer passenderen Neubewertung des Problems der Ursprünge der außerordentlichen cognitiones im frühen Prinzi pat bieten kann. Wenn auch das Beispiel des Valerius Volesus, der Prokon sul Asiens zwischen 11 und 13 n. Chr. (auch er im Übrigen aus adeligem republi kani schem Geschlecht), der in einem einzigen Tage mit dem Beil 85 Scherillo,
Introduzione alla cognitio extra ordinem, Milano 1960, passim. Lemosse (o. Fn. 60). 87 Ich beziehe mich auf beide Arbeiten dieses Gelehrten o. Fn. 82. 88 Die Komplexität der Ursprünge der cognitiones wird besonders deutlich hervorgehoben von Tullio Spagnuolo Vigorita, Le nuove leggi. Un seminario sugli inizi dell’attività normativa imperiale, Napoli 1992, 96; vgl. auch dens., La repub blica restaurata e il prestigio di Augusto. Diversioni sulle origini della cognitio im periale, in: Studi per G. Nicosia VII, Milano 2007, 521 ff. 86 Vgl.
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dreihundert Personen enthaupten ließ,89 zweifellos als extrem zu bewerten ist (in der Tat wurde dem ehemaligen Magistrat, der den Konsulat im Jahre 5 bekleidet hatte, vor dem Senat der Prozess gemacht), so musste doch die repressive Praxis der Prokonsulen nachhaltigen Einfluss auf die Darstellung der Strafjurisdiktion haben und nicht zuletzt auch auf ihre Neuausrichtung hinsichtlich der Inquisition und Kognition. Der Übergang von einem Modell zum anderen ist kein unmittelbarer. Es ist das Ergebnis von weitläufigen Durchmischungen und von ver schiedenen Überzeugungen bezüglich der Ausdehnung der Machtbefugnisse in der Praxis. XVII. Ein Element, das kaum Beachtung findet: die laudationes Vielleicht enthält der Text noch einen weiteren kleinen Hinweis, der uns weitere Überlegungen hinsichtlich des Prozesses ermöglicht, und uns eine Ge meinsam keit eröffnen konnte, unter den beiden Ausgangsmustern, die quaestio und die cognitio. Die Leser der Suetonstelle deuten üblicherweise den Hinweis auf nimiae laudantium voces als maßlosen Ausdruck der Zu stimmung betreffend das Wirken des Albucius. Repression von Seiten der Liktoren sei ein poli zeilicher Übergriff gegenüber einem allzu lebhaften Publikum gewesen. Aber all das habe ohne Wenn und Aber den Kompeten zen des Magistrates oder Promagistrates, der dem Gerichtshof vorsaß, ent sprochen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Liktoren der Ausdruck selbst der Jurisdiktionsgewalt der römischen Magistrate gewesen sind (zu mindest unter gewissen Gesichtspunkten). Die Reaktion des Albucius auf eine derartige Vor gehens weise sei aus die sem Grunde als übertrieben zu bezeichnen und daher zu tadeln gewesen. Ich glaube aber vielmehr, dass gerade dieser Punkt sich auf eine rein technische Frage bezieht, und zwar auf die laudationes, die nichts anderes wa ren als die Interventionen von wichtigen und geschätzten Bürgern, die damit ihre Unterstützung dem An geklagten gegenüber zum Ausdruck brachten und insbesondere seine mora lische Integrität unterstrichen.90 Die von Sueton verwendete Terminologie 89 Zum Fall des Valerio Voleso, zuletzt: Cosimo Cascione, ‚Lege agere‘ e ‚poena capitis‘: qualche spunto ricostruttivo, in: Iuris vincula. Studi in onore di M. Tala manca I, Napoli 2001, 530 f. [= Studi di diritto pubblico romano, Napoli 2010, 78 f.]. 90 Anstelle aller Übrigen zu den laudationes Santalucia (o. Fn. 57) 175; jetzt, im Besonderen, Władysław Mossakowski, ‚Laudatores‘ w procesie rzymskim, Zeszyty Prawnicze 1 (2001) 167 ff., mit einer Zusammenfassung in deutscher Sprache auf S. 175. Bezüglich der lictores als lebende Symbole (und Zeichen von Gewaltmaß nahmen) der Kommandogewalt (und somit der Jurisdiktionsgewalt der römischen Magistrate) vgl. Cascione (o. Fn. 89) 511 [= Studi di diritto pubblico romano (o. Fn. 89) 59 f.].
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ermöglicht gewiss diese Deutung. Üblicherweise fanden derartige Belobi gungen des Beschuldigten mündlich statt (aber sie konnten auch schriftlich vorgebracht werden: in diesem Falle wurden sie im Zuge der Verteidigungs rede vorgetragen). Die Tatsache, dass Cicero der Auffassung war, dass es unpassend sei, weniger als zehn laudatores vorzustellen, und dass Pompeius, um ihren allzu großen Ein fluss auf die Geschworenen versammlun gen zu verringern, ihren Einsatz beschränkt hatte (mit einem Gesetz aus dem Jahre 52 v. Chr., das er selbst freilich als erster brach), zeigt gut den Druck, den derartige Bestrebungen einer Seite auf das richtende Organ haben konnten, im Übrigen typisch für die Prozesse vor den quaestiones. Wenn nun der Prokonsul ein Einschreiten der Liktoren angeordnet hatte, um die laudatores in ihre Schranken zu verweisen, so rechtfertigt dies in vollem Ausmaß das Einschreiten des Verteidigers und im Übrigen auch seinen Hinweis auf die Freiheit, die libertas. XVIII. Die Statue des Brutus und die gefährliche Anrufung der Freiheit Der entscheidende Satz, der Clou, den Albucius im Zuge des Prozesses in Mailand zum Besten gab, und zwar jener Satz bezüglich der deploratio des status Italiae, im Besonderen der Gallia Cisalpina91, wurde durch eine Anru fung des Brutus zu Ende geführt, vor dessen Statue er stand. Wir wissen aus einer Anekdote, die Augustus betrifft,92 dass in Mailand ein Denkmal errichtet wor den war, zu Ehren des Caesarmörders, welches höchstwahrscheinlich während seiner Statthalterschaft in der Cisalpina 46– 45 v. Chr. zu datieren ist. Gewiss hat sich Albucius auf ihn bezogen, wohl in einem Überschwang an republikanischer93 und damit anti-augusteischer Gesinnung, was zur Ursache seines metus werden sollte, die letztlich dazu führte, dass er auf die Tätigkeit im forum verzichtete. Und trotzdem scheint in der Schrift des Sueton die Per sön lichkeit des Brutus auf das Engste verschränkt zu sein mit jener des anderen Brutus, und zwar des Konsuls des ersten Jahres der Republik. Wenn in der Tat beiden Persönlichkeiten der Begriff libertatis vindex zuerkannt werden kann (der Ältere gegen die 91 Der Begriff ‚Italia‘ würde, wie auch an anderer Stelle, auch von unserem Mittels mann als Transpadanien verstanden werden, Syme (o. Fn. 73) 491 Fn. 13 (S. 507); vgl. Kaster (o. Fn. 8) 324. 92 Plutarch. comp. Dion. et Brut. 5. 93 Bezüglich der Quellen zum „Republikanismus“ in augusteischer Zeit in der padanischen Region: Gianfranco Tibiletti, Città appassionate nell’Italia settentriona le Augustea, Athenaeum, bes. Heft (1976) 13 [= Storie locali dell’Italia romana, Pavia 1978, 131]; Luraschi (o. Fn. 16) 391 Fn. 58 (mit weiterer Bibliographie).
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tyrannis der etruskischen Könige, der zweite gegen den Diktator Caesar94), so kann ein weiterer Begriff auctor, und zwar im Hinblick auf die Geset ze, wohl nicht auf den Marcus Brutus, den jüngeren, bezo gen werden, sondern ausschließlich auf den Lucius, der im Jahre 509 v. Chr. eine bemerkenswerte Gesetzgebung eingeleitet hatte.95 Die Periphrase, wie wir sie im Text vorfinden (und wie sie sich vielleicht in der Quelle des Sueton vorfand), birgt eine gewaltige rhetorische Wirkung in sich, da sie in der Tat „a blend of common phrases“ darstellt, und sich gleichzeitig mit einem starken Bild auf den Vorkämpfer von „laws und liberty“96 bezieht. Und auf diese Weise wird es zu einem mächtigen Hinweis „auf das Palladium der römischen Freiheit, auf die Provokation, und das heißt das Geschworenen gericht. Das Verhalten des Piso wäre einem flagranten Rechtsbruch gleich gekommen, er hätte die Römer behandelt, wie den peregrinen Provinzia len“, wie dies von Bleicken hervorgeho ben wurde. Selbstverständlich ist das verletzte „Geschworenengericht“ nicht jenes des Munizipiums, wie es Bleicken angenommen hatte,97 aber vielmehr jenes der Stadt, der römi
94 Es ist interessant, bezüglich der Symbolkraft, dass gerade der Caesarmörder im Jahre 54 Münzen hatte prägen lassen, mit dem Bildnis seines Vorfahren auf der einen Seite und der libertas auf der anderen Seite, vgl. Michael H. Crawford, Roman Republican Coinage I (Repr. London / Cambridge 1983) 455 f. 95 Bezüglich der iunischen Gesetzgebung der Jahre 510–509 v. Chr.: Giovanni Rotondi, Leges publicae populi Romani, Milano 1912, 189; Dieter Flach, Die Ge setze der frühen römischen Republik. Text und Kommentar, in Zusammenarbeit mit Stephan von der Lahr, Darmstadt 1994, 50 ff. (wo man auch verschiedene kritische Ansätze und weiterführende Literatur finden kann). 96 So Kaster (o. Fn. 8) 324. 97 Bleicken (o. Fn. 62) 188. Die Geschichtsschreibung zur libertas im politischverfas sungsmäßigen Sinne der Römer ist weitaus bedeutsamer; man vergleiche zumindest Guglielmo Nocera, Aspetti teorici della costituzione repubblicana romana, RISG n. s. 15 / 2 (1940) 121 ff.; Chaim Wirszubski, Libertas. Il concetto politico di libertà a Roma tra Repubblica e Impero, Cambridge 1950, it. Übers. Bari 1957; Giuliano Crifò, Su alcuni aspetti della libertà in Roma, AG. 23 (1958) 3 ff.; Joseph Hellegouarc’h, Le vocabulaire latin des relations et des partis poli tiques sous la République, Paris 1963, 542 ff.; Francesco De Martino, Storia della costituzione romana III, Napoli 19732, 138 ff.; Jochen Bleicken, Staatliche Ordnung und Freiheit in der Römischen Republik, Kall münz 1972, mit der Besprechung von Giuliano Crifò, Staatliche Ordnung und Freiheit, ZRG RA 92 (1975) 239 ff.; vgl. auch dens., Libertà e uguaglianza in Roma antica, Roma 1996; Carlo Venturini, ‚Libertas‘ e ‚dominatio‘ nell’epoca di Sallustio e nella pubblicistica dei ‚populares‘, in: Studi E. Graziani, Pisa 1973, 436 ff.; Claude Nicolet, Il mestiere di cittadino nell’antica Roma, Paris 1976, it. Übers. Roma 1980, 404 ff., bes. 408; Juan Iglesias-Redondo, En torno a la libertas, in: Estudios J. Iglesias III, Madrid 1988, 1441 ff.; Emmanuel Lyasse, La notion de libertas dans le discours politique romain, d’Auguste à Trajan, Ktema 28 (2003) 63 ff.; Cosimo Cascione, Nota mi nima su ‚libertas‘ e ‚imperia legum‘: Tacito, Livio, Aristotele, L’era di Antigone 6 (2012) 47 ff.
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schen quaestiones, der einzigen Erben in jener Zeit des antiken Prozesses, Sinnbild der Freiheit. XIX. Eine in Kauf genommene Strafe und der philosophische Tod eines Redners In der Schrift Suetons wird auf das Risiko hingewiesen, das Albucius als Folge seines Hinweises auf Brutus vor dessen Statue eingegangen sei. Zum anderen wurde unser Redner natürlich mit keiner Strafe belegt. Wir müssen uns, wenn auch nur kurz, folgende Frage stellen: Welche Strafe hätte denn gegen Albucius verhängt werden können? Man könnte denken an die maie stas, im Sinne einer Beleidigung des Princeps, somit seiner verfassungsmäßi gen Stellung. Aber dies wäre in den Jahren 16–14 v. Chr. wohl eine verfrüh te formelle Konsequenz gewesen. Die Terminologie poena erscheint auch in diesem Sinne durchaus technisch, aber zur gleichen Zeit ist ihr semantischer Wert natürlich ein besonders weitläufiger, und in den Quellen fehlen auch nicht Beispiele einer Verwendung des Begriffes jenseits einer juristischen Spezifizierung und Präzisierung. Der Zusammenhang ist nicht gerade nütz lich: Der Hinweis ist im Übrigen außerordentlich kurz, und es gab, wie es scheint, auch keinerlei Konsequenzen zu Lasten des Albucius, aber es geht nur um eine Ge fahr, der er ausgesetzt gewesen war. Man könnte daran denken, dass die Überlieferung möglicherweise das Unbehagen des Prokon suls gegenüber der ungebührlichen Äußerung des Silus vermerken wollte: eine Verle genheit, vielleicht auch ein Unbehagen, das den Prokonsul zu einer mit Zwangsmaßnahmen verbundenen Reaktion hätte verleiten können (somit eine poena in diesem Sinne). Eine derartige Reaktion hätte mögli cherweise von den Liktoren selbst kommen können, die ja durch ihre Vor gehensweise den Ausruf des Redners hervorgerufen hatten (in diesem Falle glaube ich, hätten die Liktoren wohl mit einer gewissen Befriedigung die Reaktion ausgeführt). Aber wie wir ja bereits in Betracht ziehen konnten, wurde un ser Redner nicht physisch angegriffen, aber er hatte Angst vor einem derartigen Übergriff, auch wenn dieser nur angedroht worden war (metus). Im Alter und, wie uns Sueton in Erinnerung ruft, von einer Krankheit (vitium vomicae) gezeichnet, zog sich Albucius in seine Heimatstadt zurück, gewiss nicht um Beziehungen, die er sicher aufrecht erhalten hatte, nach wie vor zu nutzen. Über diese Rückkehr ist nur ein einziges Bild überliefert, das uns die Persönlichkeit eines Philosophen vielmehr als jene eines Rhe tors zeigt, und dazu beiträgt, den Charakter des Albucius besser zu verste hen. Er versammelte um sich das Volk von Novara − aus dem Wortlaut des Textes könnte man geradezu an eine förmliche Einberufung denken –, und more contionantis − auf die Weise eines Redners, dem es oblag, eine contio
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durchzuführen, eine informelle, vorbe reitende Volksversammlung, in wel cher das Volk noch nicht die Möglichkeit hatte, zur Abstimmung zu schrei ten −, beschrieb er die Gründe für seine Absicht, den Tod zu suchen,98 in dem er jede Nahrungsaufnahme verweigerte (iam autem senior ob vitium vomicae Novariam rediit, convocata que plebe, causis propter quas mori destinasset diu ac more contionantis redditis, abstinuit cibo). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die beiden für ihn traurigen prozessualen Ereignisse und die Verachtung sowie die Angst, die sie her vorge rufen hatten, dazu beigetragen haben (zusammen mit der Krankheit), seinen Ekel vor dem Leben zu bestimmen, sein taedium vitae. Die Wechselfälle seines Lebens sind Zeugnis von Merkwürdigkeiten sub specie iuris, von dem Augenblick an, als er als junger Munizipalmagistrat mit Gewalt seiner Jurisdiktion enthoben wurde, bis zum Zeitpunkt, als er als berühmter Rhetor und Gerichtsredner von großer Erfahrung seine Vertei digung in einem wirklich sonderbaren Strafprozess in Mailand ausüben musste. „Anoma lies and vari ants will not arouse disquiet, unless among some adepts of constitutional law“. Diese sind die Worte eines großen His torikers, den wir mehrmals im Verlaufe unseres Vortrages erwähnt haben, Sir Ronald Syme,99 und zwar gerade im Hinblick auf jenen Fall, in wel chem unser Albucius beteiligt war, und zwar die cognitio des Lucius Piso. Aber vielleicht führen nicht die unterschiedlichen Entwicklungen und Ano malien zur inneren Unruhe, aber zur Neugierde und zum Wunsch des Er 98 Bezüglich des Selbstmordes im antiken Rom, eine Auswahl aus einer umfassenden Literatur, insbesondere was die philosophischen Gründe und die juris tischen Aspekte anbelangt: Karl August Geiger, Der Selbstmord im klassischen Al tertum. Historisch-kritische Abhandlung, Augsburg 1888; Albert Bayet, Le suicide et la morale, Paris 1922; André Vandenbossche, Recherches sur le suicide en droit romain, Annuaire de l’institut de philologie et d’histoire orientales et slaves 12 (1952) 471 ff. [= Mélanges H. Grégoire IV, Bruxelles 1952, 471 ff.]; Jean-Claude Genin, Réflexions sur l’originalité juridique de la répression du suicide en droit romain, in: Mélanges offerts au professeur L. Falletti, Paris 1971, 233 ff.; Andreas Wacke, Der Selbstmord im römischen Recht und in der Rechtsentwicklung, ZRG RA 97 (1980) 26 ff. [= in: Unius poena – Metus multo rum. Abhandlungen zum rö mischen Strafrecht, Napoli 2008, 63 ff.; eine verkürzte italienische Fassung mit dem Titel: Il suicidio nel diritto romano e nella storia del diritto, befindet sich in: Studi in onore di C. Sanfilippo III, Milano 1983, 679 ff.]; Paul Veyne, Suicide, fisc, escla vage, capital et droit romain, Latomus 40 (1981) 217 ff. [= it. Übers. Suicidio, fisco, schiavitù, capitale e diritto romano, in: La società romana, Roma-Bari 1990, 71 ff.]; Yolande Grisé, Le suicide dans la Rome antique, Paris 1982; Massimo Brutti, Il potere, il suicidio, la virtù. Appunti sulla ‚Consolatio ad Marciam‘ e sulla forma zione intellettuale di Seneca, in Seminari di storia e di diritto, Milano 1995, 65 ff.; Arrigo Diego Manfredini, Il suicidio. Studi di diritto romano, Torino 2008; Rosa Mentxaka, El suicidio de los militares en época de Adriano, Index 38 (2010) 113 ff. 99 Syme (o. Fn. 73) 332, in der Ausgabe von 1989.
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kennens. Es geht nicht darum, auf jeden Fall ein perfektes, symmetrisches System zu konstruieren, mit einer glänzenden Dogmatik, sondern vielmehr zu verstehen, wie die Organisation der Gerichtsbarkeit in der Realität im historischen Ablauf in der Praxis funktionierte.
D. 23,3,67 Proculus 7 epistulae: Ein angemessener Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums im römischen Recht Von Wataru Miyasaka I. Einleitung Seit der Glossatorenzeit werden fünf Elemente als Voraussetzungen der usucapio genannt, nämlich „res habilis, titulus (oder causa), fides, possessio, tempus“. Hinsichtlich dieser Voraussetzungen ist die Diskussion um das Verhältnis zwischen titulus (oder causa) und fides endlos und dauert heute noch an. Be sonders im Zentrum der Diskussion stehen schon lange die folgenden unterschiedlichen Ansichten unter den Autoren:1 (1) titulus (oder causa) ist der fides2 untergeordnet; (2) fides ist dem titulus (oder der causa)3 untergeordnet; (3) titulus (oder causa) und fides sind voneinander unabhän gige Voraussetzungen.4 In den letzten Jah ren hat Pool5 eine Lösung in zweien seiner Aufsätze und in mehreren Kongressvorträgen vorgeschlagen, nämlich: „Pro-Titel sind zu deuten“ nicht als Erwerbsgrund, sondern „als zusammenfassende Besitzqualifikationen, die Ersitzungsbesitz charakteri sieren“,6 also dass „für die Ersitzung des klassischen römischen Rechts … 1 Eric Pool, Zur Bedeutung und Stellung der ‚causa‘ im System klassischer Ersitzungsvoraussetzungen, in: Roman Law as Formative of Modern Legal Systems (Ius Ro ma num et orbis iurisprudentiae universalis). Studies in honorem Wieslaw Litewski, vol. II, Krakau 2003, 37–60, 54; Horst Heinrich Jakobs, Error falsae cau sae, in: Fest schrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Hrsg. Horst Heinrich Jakobs u. a., Köln 1978, Bd. 1, 43–99, 43–47. 2 Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Berlin 1840 (Ndr. Aalen 1981), Bd. 3, 369–372. 3 Z. B. Julius Christiaan van Oven, Iusta causa usucapiendi, TR 16 (1939) 434–456, 437. 4 Z. B. Pietro Bonfante, Corso di diritto romano, Vol. II, La proprietà, Parte II, Ndr. Milano 1968, 334. 5 Pool (o. Fn. 1) 59–60. Vgl. auch dens., „Die (iusta) causa, die der Besitzer nennen und dartun muss“: Erwerbsgrund (emptio) oder Besitztitel (pro emptore)?, in: Libellus ad Thomasium. Essays in Roman Law, Roman-Dutch Law and Legal History in Honour of Philip J. Thomas, Pretoria / South Africa 2010, 314–334. 6 Pool (o. Fn. 1) 41.
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nur drei voneinander unabhängige Voraussetzungen gelten“, nämlich quali fizierter Besitz (possessio pro), ersitzbare Sache (res habilis) und ein- oder zweijährige Fortdauer des Be sitzes (annum vel biennium), und dass Er werbsgrund (causa), fehlerloser Besitz (sine vitio) und bona fides als von einander dogmatisch unabhängige Besitzvoraussetzungen des qualifizierten Besitzes diesem untergeordnet sind. Damit hat die Lehre von den Voraus setzungen der usucapio eine neue Dimension gewonnen, doch scheint es für Pool selbst noch eine offene Frage zu sein, wie man die usucapio pro suo und das Putativtitelproblem erklären soll.7 Seit den Forschungen von Mayer-Maly8 zur usucapio aufgrund eines Puta tivti tels wird im Allgemeinen die Ansicht akzeptiert, dass es Meinungsgegensätze unter den klassischen Juristen in Bezug auf die Mög lichkeit der usucapio pro suo im Fall einer vermeintlich wirksamen Ehe gab.9 Man hat es in diesem Kontext bisher so verstanden, dass einerseits Proculus im Fragment D. 23,3,67 die usucapio pro suo aufgrund des Puta tivtitels im Fall der vermeintlich wirksamen Ehe bejaht, während anderer seits Cassius im Fragment D. 41,9,1,4 die usucapio selbst verneint und Ulpianus diese Meinung unter stützt.10 Die einge hende Analyse des Frag ments D. 23,3,67 in diesem kurzem Aufsatz wird aber klären, dass Proculus dort nicht nur auf die usucapio pro suo, sondern auch auf die usucapio pro dote zu sprechen kommt. Das wird ein schlüssiges Verständnis von Frag ment D. 23,3,67 und Fragment D. 41,9,1,2–4 ermöglichen. Ferner gibt uns diese Interpretation einen Anhalt zur Erklärung der Bedeutung von possessio pro suo und usucapio pro suo im klassischen Recht. II. D. 23,3,67 Proculus 7 epistulae (a) Proculus Nepoti suo salutem.11 ancilla quae nupsit dotisque nomine pecuniam viro tradidit, sive sciat se ancillam esse sive ignoret, non poterit eam pecuniam 7 Pool
(o. Fn. 1) 37. Mayer-Maly, Das Putativtitelproblem bei der usucapio, Graz / Köln 1962. 9 Mayer-Maly (o. Fn. 8) 30. 10 Mayer-Maly (o. Fn. 8) 50–52. 11 In Bezug auf die Wendung Proculus Nepoti suo salutem geht die große Edi tion von Mommsen von Nepoti aus, und Sandro Schipani, Iustiniani Augusti Diges ta seu Pandectae, Milano 2005, der sich daran orientiert, übersetzt sie mit a Nepote il suo saluto. Johannes Emil Spruit, Robert Feenstra, Karel E.M. Bongenaar, Cor pus iuris civilis: tekst en vertaling, v. 3. Digesten 11–24, Zutphen 1996, bezieht sich dagegen auf nepoti und übersetzt: aan zijn kleinzoon. Und die englische Überset zung von Alan Watson, The Digest of Justinian, Philadelphia 1985 hat auch to his grandson. Zusätzlich zu D. 23,3,67, lassen D. 50,16,125 Proc. 5 epist. (Nepos Proculo suo salutem … Proculus … ) und D. 31,47 Proc. 6 epist. (Sempronius Proculus 8 Theo
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums255 viri facere eaque nihilo minus mansit eius cuius fuerat antequam eo nomine viro traderetur, nisi forte usucapta est. (b) nec postea quam apud eundem virum libera facta est, eius pecuniae causam mutare potuit. itaque nec facto quidem divortio aut dotis iure aut per condictionem repetere recte potest, sed is cuius pecunia est recte vindicat eam. (c) quod si vir eam pecuniam pro suo possidendo usucepit, scilicet quia existimavit mulierem liberam esse, propius est, ut existimem eum lucrifecisse, utique si, antequam matrimonium esse inciperet, usucepit. (d) et in eadem opinione sum, si quid ex ea pecunia paravit, antequam ea dos fieret, ita, ut nec possideat eam nec dolo fecerit, quo minus eam possideret.
Lenel12 stellt D. 23,3,67 bei Rekonstruktion des 7. Buches der Briefe zwi schen D. 12,6,53 und D. 46,3,84. Sowohl D. 12,6,53, als auch D. 46,3,84 behandeln eine ähnliche Frage wie D. 23,3,67, ob nämlich ein Geldeigentümer das Geld, das sein Sklave dem Dritten gegeben hat, her ausverlangen kann. Bezüglich der Eigenart der Epistulae-Werke sagt Krampe, „dass die Epi stulae keine Briefsammlung, sondern ein Werk in Briefform sind, der Brief mithin nur die literarische Form der Darstellung ist“.13 Und er behauptet, dass die Fälle von D. 50,16,125 und D. 31,47 nicht praktische Probleme, sondern theoretische Erörterungen seien und Proculus eine Methode eines „Lehrer-Schüler-Dialogs“ auf die Erörterungen anwende.14 Es gibt aber ein Fragment, in dem eine solche Methode nicht zum Tragen kommt, nämlich D. 23,3,67. In Bezug auf die Dialogform besteht ein deut licher Unterschied zwischen D. 50,16,125 und D. 31,47. In D. 50,16,125 entsprechen die Frage des Nepos und die Antwort des Proculus vielleicht ihren tatsächlichen Aussagen, während in D. 31,47 Proculus eine Frage des Nepos zitiert und sie beantwortet. Meiner Meinung nach ist D. 23,3,67 ein Fragment, das sowohl einen wirklichen Fall enthält als auch einen angemessenen Lehrstoff in Bezug auf die Über tragung des Eigentums im römischen Recht beinhaltet.15 Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich das Fragment auslegen. Zu diesem Zweck teile ich das Fragment in vier Teile: Der erste Teil (a) reicht vom Anfang bis zu forte usucapta est, der zweite (b) von nec postea quam bis zu recte Nepoti suo salutem … quaeris … Proculus respondit …) vermuten, dass Proculus mit einem Mann namens Nepos in Briefwechsel bezüglich des Rechtsstreites gestan den ist. Meiner Meinung nach ist die erste Ansicht daher überzeugend. 12 Otto Lenel, Palingenesia iuris civilis, vol. II, Graz 1960, 164–165. 13 Christoph Krampe, Proculi Epistulae: Eine frühklassische Juristenschrift, Karlsruhe 1970, 15–16. 14 Krampe (o. Fn. 13) 28–30. 15 Andreas Wacke, Die Zahlung mit fremdem Geld, BIDR 79 (1976) 49–144, 135–136.
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vindicat eam, der dritte (c) von quod si vir bis zu esse inciperet, usucepit und der vierte (d) von et in eadem bis zum Ende.16 1. Der erste Teil Eine Sklavin hat einen Freien geheiratet und ihm Geld als Mitgift über geben. Die übergabe (traditio) des Geldes verschaffte dem Ehemann kein Eigentum; das Eigentum verblieb bei seinem bisherigen Eigentümer. Im römischen Recht gehört Geld zu den res nec mancipi. Um Eigentum an res nec mancipi durch traditio zu übertragen, bedarf es zweier Voraussetzungen, einerseits der Verfügungsberechtigung, andererseits eines rechtfertigen den Kausal geschäfts zur Eigentumsübertragung (iusta causa traditionis)17, nach den Institutionen von Gaius 2,19–20. Warum konnte in diesem Fall dem Ehemann kein Eigentum am Geld übertragen werden? Es gibt drei Möglichkeiten: (1) Es fehlte der Sklavin an der Verfü gungsberechtigung über das Geld (es haben nämlich weder der Herr noch ein Dritter ihre Zustimmung erteilt noch gehörte das Geld zu ihrem peculium). (2) Man sah die Mitgiftbestellung der Sklavin an den Ehe mann nicht als iusta causa traditionis an. (3) Es lag weder diese noch jene Voraussetzung vor. Meiner Meinung nach ist es schwer vorstellbar, dass es der Sklavin an der Verfügungsberechtigung bezüglich des Geldes gefehlt hat. Wie Proculus andeutet, erwarb der Ehemann mit der übergabe des Geldes die possessio und die Ersitzungsfrist begann. Wenn die Sklavin dem Ehemann das Geld ihres Herrn oder eines Dritten ohne Verfügungsberechtigung überge ben hätte, wäre das Geld als res furtiva behandelt worden, und er könnte es nicht ersitzen.18 16 Wacke (o. Fn. 15) 134–135, teilt es in fünf Teile. Er teilt meinen zweiten Teil hinter „potuit“ ferner in zwei Teile auf. 17 Zur iusta causa traditionis in der klassischen Zeit, Max Kaser, Iusta causa traditionis, BIDR 64 (1961) 61–97, 63–65. 18 Z. B. D. 41,3,4,8–9 Paul. 54 ad ed.; D. 47,2,57,3 Iul. 22 dig. Zum Verbot der usucapio gestohlener Sachen unter der lex Atinia: Giovanni Nicosia, Acquisto del possesso „per procuratorem“ e „reversio in potestatem domini“ delle „res furtivae“, IVRA 11 (1960) 189–201; Bernardo Albanese, Contributo alla storia dell’interpreta zione della „lex Atinia“, Labeo 12 (1966) 18–65; J. A. C. Thomas, The theftuous pledgor and the Lex Atinia, in: Studi Scherillo, Bd. 1, Milano 1972, 395–404; Marina Frunzio Giancoli, La „lex Atinia de rebus subreptis“: Un’ipotesi sulla datazio ne, LABEO 43 (1997) 259–271; Hans Ankum, L’application de la loi Atinia aux cas de furtum pignoris et de furtum fiduciae, in: Auctoritas. Mélanges offerts a Olivier Guillot, Paris 2006, 17–27; Petr Bělovský, Usucapio of stolen things and slave child ren, RIDA 49 (2002) 57–99; Torsten Göhlert, Der Erwerb unterschlagener bzw.
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums257
Wir sollten folglich vermuten, dass in diesem Fall das Eigentum am Geld dem Ehemann nicht übertragen wurde, weil es dieser traditio an einer iusta causa traditionis fehlte. Um die Mitgiftbestellung als iusta causa traditionis anzu sehen, bedarf es einer wirksamen Ehe (iustum matrimonium) als Voraussetzung.19 Eine Heirat zwischen einer Sklavin und einem Freien be wirkt aber keine wirksame Ehe. Daher konnte das Eigentum am Geld nicht dem Ehemann übertragen werden, sondern verblieb bei seinem bisherigen Eigentümer. Der Eigentümer konnte jederzeit die rei vindicatio gegen den Ehemann einleiten und die Rückgabe des Geldes verlangen.20 2. Der zweite Teil Danach wurde die Sklavin freigelassen. Zwischen der Freigelassenen und dem Freien begann eine wirksame Ehe. Trotzdem konnte sie auf die Rechts lage bezüglich des Geldes keinen Einfluss ausüben. Das Geld wurde nicht Mitgift für diese Ehe, und der Ehemann wurde auch nicht Eigentümer des Geldes, weil nach wie vor eine iusta causa traditionis fehlte. Denn während die Möglichkeit einer wirksamen Ehe als Voraussetzung der Mitgiftbestellung vor der traditio des Geldes bestehen muss, hatte die freigelassene Ehefrau dem Ehemann das Geld schon vor der Freilassung und der Entstehung der wirksamen Ehe übergeben. Daher hat die Ehefrau nach einer Ehescheidung keinen Anspruch auf Rück zahlung des Geldes, nämlich weder die actio rei uxoriae noch die condictio. 3. Der dritte Teil Die Rechtslage ändert sich hingegen, wenn der Ehemann das Geld ein Jahr besitzt und die usucapio pro suo vollendet hat. Proculus lässt hier die Ersitzung aufgrund des so genannten Putativtitels zu, denn er verlangt le diglich, dass der Ehemann seine Ehefrau bei der Mitgiftbestellung für frei und die Mitgiftbestellung somit für wirksam gehalten hat. Und es ist für Proculus angemessen (propius est, ut existimem)21, dass der Ehemann das gestohlener Sachen vom Nicht be rech tigten, Berlin 2007; Maria Virginia Sanna, L’usucapione del partus ancillae furtivae, SDHI 74 (2008) 397–438. 19 Kaser (o. Fn. 17) 84; Wacke (o. Fn. 15) 135. 20 Zur vindicatio nummorum, Max Kaser, Das Geld im römischen Sachenrecht, TR 29 (1961) 169–229, 173–183, Wacke (o. Fn. 15) 91–113. 21 Der Ausdruck „propius est, ut“ war ein bei den Früh- und Hochklassikern beliebter Ausdruck: D. 50,16,125 Proc. 5 epist.; D. 12,1,32 Cels. 5 dig.; D. 19,1,38,2 Cels. 8 dig.; D. 15,3,18 Nerat. 7 membr.; D. 19,1,31 pr. Nerat. 3 membr.; D. 24,1,44
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Geld für sich endgültig behält (eum lucrifecisse)22, wenn er die usucapio pro suo vollendet hat, be vor die Ehe durch die Freilassung der Sklavin wirksam wird. Hervorzuheben ist der Sinn des Wortes lucrifacere in diesem Zusammen hang. Das Wort bedeutet im Allgemeinen „etwas gewinnen“ oder „mit etwas sich bereichern“. In zahlreichen mit furtum in Zusammenhang stehenden Fragmenten findet sich der Ausdruck lucri faciendi causa.23 Mit Beziehung auf die dos hat das Wort dagegen die Bedeutung, dass der Ehemann dann, wenn die Ehe im Regelfall mit dem Tod der Ehefrau endet, von einer Rück gabe der Mitgift befreit ist.24 Im Fall von D. 23,3,67 ist eine solche Situa tion also aufgetre ten, wenn der Ehe mann die usucapio pro suo vor der Entstehung der Ehe vollendet. Das hat eine doppelte Bedeutung. Der Ehe mann hat vom bisherigen Geldeigentümer nichts mehr zu befürchten, denn dieser hat mit seinem Eigentum auch die rei vindicatio verloren. Aber auch die Ehefrau hat im Fall der Ehescheidung keinen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes, weil der Ehemann das Eigentum am Geld bereits vor der wirk samen Ehe als Voraussetzung einer Mitgiftbestellung erworben hat und das Geld nicht Mitgift geworden ist.25 Kann aber der Ehemann das Geld für sich endgültig nur dann behalten, wenn er es ersessen hat, bevor die Ehe durch die Freilassung der Sklavin wirksam geworden ist, oder gibt es auch sonstige Möglichkeiten? Denn die Worte utique si sind doppelsinnig. In Bezug auf das Stichwort utique im Handlexikon von Heumann / Seckel sind die Fragmente, die die Worte utique si enthalten, als Beispiele der Nummer 1) mit der Bedeutung „schlechter Nerat. 5 membr.; D. 28,5,55 Nerat. 1 membr.; D. 30,124 Nerat. 5 membr.; D. 41,1,14,1 Nerat. 5 membr.; D. 17,1,36,2 Iav. 7 ex Cass.; D. 36,1,24 Iul. 39 dig.; D. 43,16,1,35 Ulp. 69 ad ed. („scribit Iulianus“); D. 34,2,21 pr. Pomp. 6 ad Sab.; D. 41,3,29 Pomp. 22 ad Sab.; D. 43,26,5 Pomp. 29 ad Sab.; D. 45,1,140 pr. Paul. 3 ad Ner. Gerhard von Beseler, Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen, ZRG RA 66 (1948) 265–393, 351, bietet uns schon eine umfassende Liste von Di gestenstellen mit dem Ausdruck „prope est, ut“ an, dieser war aber ein nicht nur bei den Hochklassikern wie Africanus (D. 16,1,19,4 4 quaest.; D. 46,3,38,3 7 quaest.), sondern auch bei den Spätklassikern wie Marcellus (D. 40,5,9 15 dig.) oder Papini anus (D. 35,1,71,3 17 quaest.; D. 39,6,41 2 resp.; D. 45,1,118 pr. 27 quaest.; D. 46,3,95,11 28 quaest.) beliebter Ausdruck. 22 Wacke (o. Fn. 15) 139. 23 D. 41,1,5,1 Gai. 2 rer. cott.; D. 47,2,55,1 Gai. 13 ad ed. prov.; D. 47,2,1,3 Paul. 39 ad ed.; D. 47,7,8,2 Paul. 39 ad ed.; D. 41,3,4,10 Paul. 54 ad ed.; D. 47,2,66 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul.; D. 47,2,43,4 Ulp. 41 ad Sab.; D. 19,5,14,2 Ulp. 41 ad Sab. 24 D. 24,3,10,1 Pomp. 15 ad Sab.; D. 11,7,29 pr. Gai. 19 ad ed. prov.; D. 35,2,6 Venul. 13 stipul. 25 Wacke (o. Fn. 15) 139.
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dings, allerdings, jedenfalls“ zitiert, andere aber unter Nummer 2) verweisen auf „lediglich, nur“. Die Ansichten der Autoren gehen darüber auseinander, wie wir die Worte utique si in unserem Text auffassen sollen. Sie werden von Mayer-Maly und Krampe als „nur wenn“ aufgefasst. Der Ehemann könne also das Geld für sich endgültig so lange behalten, bis die wirksame Ehe entstehe; die noch laufende usucapio pro suo werde freilich zum Zeitpunkt der Entstehung der wirksamen Ehe unterbrochen; danach komme nur eine usucapio pro dote in Frage; die usucapio pro dote beginne aber nicht, weil es an der Mitgiftbe stellung als iusta causa fehle; der Ehemann bleibe nach wie vor von der rei vindicatio des Geld eigentümers bedroht. Mit dieser An sicht ist es aber schwer zu erklären, warum Proculus die Variante behandelt hat, dass der Ehemann das Geld bereits ausgeben hat, bevor es zur Mitgift gehörte. Bei Mayer-Maly gilt deswe gen diese Stelle von antequam bis zum Ende als interpoliert.26 Bauer27 hingegen scheint die Worte utique si als „jedenfalls wenn“ auf gefasst zu haben. Ihrer Meinung nach könne der Ehemann das Geld für sich endgültig behalten, auch nachdem die wirksame Ehe entstehe; zum Zeit punkt der Entstehung der wirksamen Ehe breche seine laufende usucapio nicht ab; vollende der Ehemann erst nach diesem Zeitpunkt die Ersitzungs frist, so komme die usucapio pro dote zustande, und das Geld werde Mit gift; der Ehemann sei danach nicht mehr der rei vindicatio des Geldeigen tümers ausgesetzt. Sei es aber, dass man die Worte utique si als „nur wenn“ verstünde, sei es, dass man sie als „jedenfalls wenn“ verstünde, man muss nachweisen, ob es in den Quellen ein solches Beispiel gibt oder nicht. Insofern fehlt es beiden Ansichten an solch einer Bestätigung, sie sind nicht plausibel. In den Digesten gibt es 45 Fragmente, die die Worte utique si enthal ten.28 Während wir fast in allen Fragmenten die Worte utique si als „je denfalls wenn“ auffassen können, kann man sie in wenigen Fragmenten mit „nur wenn“ wiedergeben. Ein Beispiel für die Möglichkeit, die Worte utique si mit „nur wenn“ zu übersetzen, ist D. 5,3,25,2 Ulp. 15 ad ed., wie sich mittels der neuen überset zung von Be hrends / Knütel / Kupisch / Seiler belegen lässt.29 In der alten Di ges tenübersetzung von Otto / Schil 26 Mayer-Maly
(o. Fn. 8) 50–51; Krampe (o. Fn. 13) 73. Bauer, Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht und die Ersitzung im BGB, Berlin 1988, 149–150. 28 Vgl. die Tabelle am Ende dieses Beitrags. 29 Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Herman Seiler, Corpus Iuris Civilis, Bd. II, Heidelberg 1995, 529 f. 27 Karen
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ling / Sintenis30 stellt die Stelle kein eindeutiges Beispiel dafür dar. Daher verdient diese Stelle nähere Betrachtung. D. 5,3,25,2 Ulp. 15 ad ed. Quod ait senatus: „eos qui bona invasissent, quae scirent ad se non pertinere, etiam si ante litem con testatam fecerint quo minus possi derent, perinde condemnan dos qua si possiderent“, ita intelle gen dum est, ut et dolus praeteritus in petitionem hereditatis deduceretur: sed et culpa. et ideo ab eo qui ab alio non exegit vel a semet ipso, si tempore esset liberatus, peti he re ditatem posse: hoc utique si exige re potuit.
Wenn der Senat sagt: „Es sollen diejenigen, die sich in den Besitz eines Nachlasses ge setzt haben, obwohl sie wussten, dass er ihnen nicht zukomme, auch wenn sie vor Pro zessbegründung vorsätzlich den Besitz auf gegeben haben, doch verurteilt werden, als ob sie besäßen“, dann ist dies so zu ver stehen, dass auch eine schon der vergangenen Zeit angehörige Arglist bei der Erb schaftsklage berücksichtigt wird; aber auch Fahrlässigkeit. Und daher kann auch gegen denjenigen, der von einem anderen oder von sich selbst eine Forderung nicht eingezogen hat, die Erbschafts klage erho ben wer den, wenn durch Zeitablauf Befreiung eingetreten ist; dies jedoch nur, wenn er die Forderung einziehen konnte.
D. 5,3,25,2 behandelt die hereditatis petitio. Die hereditatis petitio richtet sich im alten Recht nur gegen denjenigen, der alle oder einzelne Erbschafts gegenstände besitzt. In der Hochklassik aber vollzieht sich eine entschei dende Lockerung des Besitzerfordernisses. Vor allem nach dem senatus consultum Iuventianum (129 n. Chr.) kann die Erbschaftsklage auch gegen denjenigen, so als ob er noch besäße, erhoben werden, der vor der litis contestatio in Kennt nis, dass die Erbschaft ihm nicht zusteht, die Erb schaftsgegenstände besessen und deren Besitz arglistig aufgegeben hat. Im Fragment D. 5,3,25,2 hat Ulpianus die Formel des senatus consultum Iuventianum so verstanden, dass die hereditatis petitio gegen denjenigen Erbschaftsbesitzer zusteht, der, arglistig oder fahrlässig, eine Forderung von einem Erbschaftsschuldner oder von sich selbst31 nicht eingezogen hat und dann durch Zeitablauf ihn oder sich von der Forderung befreit wer den32 ließ. Ulpianus hat also versucht, den Anwendungsbereich des senatus consultum Iuventianum zu erweitern. 30 Carl Eduard Otto / Bruno Schilling / Carl Friedrich Ferdinand Sintenis, Das Corpus iuris civilis, Leipzig 1831–1839 (Reprint. Aalen 1984–1985). 31 Z. B. ein Schuldner, der zum Geschäftsführer für seinen Gläubiger wird (D. 3,5,37 Tryph. 2 disp.; D. 3,5,5,14 Ulp. 10 ad ed.), oder ein Fidejussionsbürge, der zum Vormund für den Sohn des Gläubigers wird (in: D. 46,1,69 Tryph. 9 disp.). 32 Wenn die Frist abläuft, die in beiderseitiger Einigung oder gesetzlich festge legt ist, ist der Schuldner von seiner Pflicht befreit (D. 46,8,25,1 Afr. 6 quaest.; D. 46,1,37 Paul. 17 ad Plaut.; D. 3,5,7 pr. Ulp. 10 ad ed.; D. 17,1,29,6 Ulp. 7 disp.).
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums261
Nach dem Fragment D. 5,3,25,3 Ulp. 15 ad ed. war die Formel ursprüng lich gegen praedones, das heißt Räuber, als Beklagte der auf grund des Senats be schlus ses er teilten Erbschaftsklage gerichtet. Nach Ulpianus sind Räuber diejeni gen, die den Nachlass eigenmächtig in Besitz genommen haben, obwohl sie keinen Rechtsgrund zum Besitz hatten. Ein praedo aber, wie Ulpia nus auch im Frag ment D. 5,3,31,4 Ulp. 15 ad ed. sagt, kann eigent lich vom Erbschafts schuld ner keine Forderung eingezo gen haben, weil er keine actio hat. Dergleichen Erbschaftsbesitzer sollten also von dem erweiterten Anwendungsbereich des senatus consultum Iuventianum ausge nommen werden. Folglich hat Ulpianus im Fragment D. 5,3,25,2 die Haf tung des Erbschafts besitzers für seine Unterlassung der Ein ziehung einer Forderung auf den Fall beschränkt, dass er die Forderung überhaupt einzie hen konnte.33 In gleicher Weise äußerte er im Frag ment D. 5,3,25,4 die Meinung, dass die Erbschaftsklage gegen den Erbschaftsbesitzer nur dann erhoben werden kann, wenn er die Früchte zwar ein ziehen konn te, aber nicht eingezogen hat.34 Würde man die Worte utique si hier als „jedenfalls wenn“ auffassen, so könnte der Erbschaftsbesitzer verantwortlich sein, auch wenn er keine Forde rung einziehen kann. Dies widerspricht der Ausle gung des senatus consultum Iuventianum durch Ulpianus. Daher können die Worte utique si im Frag ment D. 5,3,25,2 im Sinne von „nur wenn“ ver standen werden. Außerdem finden sich in Basilikenscholien die Worte mÒnon e„, die „nur wenn“ bedeuten.35 Ist die usucapio also vor der Entstehung der Ehe nicht vollendet, kann dann der Ehemann das Geld für sich endgültig behalten (was bedeutet, dass 33 Nach dem Fragment D. 3,5,5,14 Ulp. 10 ad ed. muss ein Schuldner, der eine Forderung von sich selbst hätte einziehen sollen, dies aber unterlassen hat, allerdings haften und gibt es keine Beschränkung auf den Fall, dass er die Forderung über haupt einziehen konnte. 34 Warum soll der Erbschaftsbesitzer, obwohl er nicht der Gläubi ger ist, dafür verantwortlich sein, dass er die Einziehung einer Forderung unterlassen hat? In ei nem ähnlichen Fall kann ein Geschäftsführer dafür verantwortlich sein, wenn er von einem Schuldner eine Forderung nicht einzieht und der Schuldner durch Zeitablauf befreit wird, es sei denn, dass er die Forderung nicht einziehen kann. Nach dem Fragment D. 3,5,7 pr. Ulp. 10 ad ed. muss z. B. ein Geschäftsführer dafür Gewähr leisten, dass sein Geschäftsherr nachträglich zustimmt, dass der Geschäftsführer eine Forderung einzieht. Ist es aber schwierig für ihn, die Gewähr zu leisten, so ist er nicht verantwortlich, weil er die Forderung nicht einziehen kann. Es könnte noch geklärt werden, worin der Zu sam men hang zwischen dem Erb schaftsbesitzer und dem Geschäftsführer in Bezug auf die Verantwortung für seine Unterlassung einer Forderungseinziehung zu klären, besteht. 35 Herman Jan Scheltema / Nicolaas van der Wal, Basilicorum libri LX, vol. B V, Groningen 1961, 2056 Zeile 4.
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er von der Her ausgabeverpflichtung des als Mitgift übergebenen Geldes befreit ist) oder nicht? Nach der Meinung von Mayer-Maly und Krampe behält der Ehemann das Geld nicht endgültig für sich, wenn die usucapio bis zu der Eheschließung nicht vollendet ist. Wie Bauer bestätigt, behält der Ehemann das Geld selbst dann nicht end gültig für sich, wenn wir annehmen, dass die usucapio pro dote nach der Entstehung der Ehe beginnt, weil er, bis zum Ablauf der usucapio pro dote, der rei vindicatio des Geldeigentümers ausgesetzt ist, aber auch nach der Vollendung der usucapio pro dote der Herausforderung von Seiten der Ehe frau zur Zeit der Ehescheidung unterliegt.36 Daraus geht hervor, dass er das Geld für sich endgültig nur dann behält, wenn die usucapio pro suo vor der Entstehung der Ehe abgelaufen ist. Folglich haben die Worte utique si hier „nur wenn“ zu bedeuten. Die Frage, ob der Ehemann noch nach der Eheschließung ersitzen kann, ist allerdings immer noch eine Überlegung wert. Mayer-Maly und Krampe behaupten, in Fragment D. 23,3,67 könne das Eigentum am Geld wegen des Mangels der Mitgiftbestellung nicht durch traditio übertragen werden, somit auch die usucapio pro dote nicht abgelau fen sein.37 Die Autoren scheinen anzunehmen, dass in Bezug auf die Eigentumsübertragung durch traditio die Mitgiftbestellung als iusta causa (streng genommen: mögliches matrimonium als Voraussetzung der wirksa men Mitgiftbestellung) dem Besitzerwerb vorangehen muss, weswegen auch in Bezug auf den Eigen tumserwerb durch usucapio die Mitgiftbestellung dem Besitzerwerb vorangehen muss. Diese Ansicht ist aber zweifelhaft in Beziehung auf die Voraussetzung, dass das Gleiche, was für die iusta causa traditionis gilt, für den pro-Titel der usucapio gilt.38 Dagegen stimmt Bauer zwar in Bezug auf die Eigentumsübertragung durch traditio mit der gegenteiligen Ansicht überein, in Bezug auf den Eigentumserwerb durch usucapio aber nicht. Nach ihrer Meinung kann man zum Eigentümer mit der usucapio pro dote werden, auch wenn die wirk same Ehe zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs noch nicht entstanden ist, aber später zustande kommt. Bauer berücksichtigt die Worte ante quam ea dos fieret, d. h. „als es (das Geld) noch nicht Mitgift geworden ist“, und begrün 36 Bauer
(o. Fn. 27) 149–150. (o. Fn. 8) 50–51; Krampe (o. Fn. 13) 73. 38 Z. B. Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, Berlin 19783, 127, Fn. 9. Vgl. auch Kaser (o. Fn. 17) 81–86, der diesen Punkt zwar vorsichtig in Erwägung zieht, schließlich aber bejaht. Dagegen übt Pool (o. Fn. 1) an dieser Voraussetzung Kritik. 37 Mayer-Maly
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums263
det die Auffassung damit, dass das Geld Mitgift wird, wenn der Ehemann die Ersitzung erst nach der Eheschließung vollendet.39 Um ferner die Behauptung, dass der Ehemann im Fall von D. 23,3,67 die Ersitzung noch nach Entstehung der Ehe vollenden kann, auf einen anderen Beweis zu stützen, betrachten wir die Fragmente D. 41,9,1,2–4, in denen die usucapio pro suo und pro dote des als Mitgift gegebenen Geldes behan delt werden. D. 41,9,1,2–4 Ulp. 31 ad Sab. (2) Et primum de tempore videa mus, quando pro dote quis usuca pere possit, utrum post tempora nuptiarum an vero et ante nuptias. est quaestio volgata, an sponsus possit (hoc est qui nondum maritus est) rem pro dote usucapere. et Iuli anus inquit, si sponsa sponso ea mente tradiderit res, ut non ante ei us fieri vellet, quam nuptiae secutae sint, usu quoque capio ces sabit: si tamen non evidenter id actum fuerit, credendum esse id agi Iulianus ait, ut statim res eius fiant et, si alienae sint, usucapi possint: quae sententia mihi probabilis videtur. ante nuptias autem non pro dote usucapit, sed pro suo. (3) Constante autem matrimonio pro dote usucapio inter eos locum habet, inter quos est matrimonium: ceterum si cesset matrimo nium, Cassius ait cessare usucapi onem, quia et dos nulla sit. (4) Idem scribit et si putavit ma ritus esse sibi matrimonium, cum non esset, usucapere eum non pos se, quia nulla dos sit: quae sententia habet rationem.
(2) Zuerst wollen wir die Zeit betrachten, wann jemand etwas als Mitgift ersitzen kann, ob er es nach der Eheschließung oder schon vorher kann. Es ist eine bekannte Frage, ob der Verlobte, d. h. der noch nicht Verheiratete, etwas als Mitgift ersitzen kön ne? Und Iulianus sagt: Wenn eine Verlobte ihrem Verlobten Sachen in der Absicht über geben habe, dass sie wolle, die Sachen sol len nicht in sein Eigentum übergehen, bevor die Hochzeit erfolgt ist, dass dann auch die Ersitzung aufhören werde; wenn dies jedoch nicht offenbar so war, so, sagt Iulianus, müsse man annehmen, es sei Absicht, dass die Sachen sofort in sein Eigentum überge hen sollen, und wenn es fremde seien, so können sie ersessen werden; diese Meinung scheint mir bil li gens wert. Vor der Entste hung der wirk samen Ehe ersitzt er jedoch nicht als Mitgift, sondern für sich. (3) Während des Bestehens der Ehe findet aber die Ersitzung als Mitgift zwischen de nen statt, die verheiratet sind. Wenn es aber an einer Ehe fehlt, so, sagt Cassius, fällt auch die Ersitzung weg, weil es dann auch an einer Mitgift fehlt. (4) Derselbe schreibt, dass, wenn auch ein Ehemann im Glauben war, er lebe in einer Ehe, während dies nicht der Fall war, er nicht ersitzen könne, weil es an einer Mit gift fehlt; diese Meinung ist vernünftig.
In gleicher Weise wie in D. 23,3,67 ist es auch in D. 41,9,1,2–4 der Fall, dass vor der Entstehung der wirksamen Ehe eine Frau einem Mann Sachen als Mitgift übergeben hat.40 Der Unterschied liegt darin, dass im Fall von 39 Bauer
(o. Fn. 27) 149–150. (o. Fn. 8) 52.
40 Mayer-Maly
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D. 41,9,1,2–3 eine Mitgiftbestellung schon vom Zeitpunkt der traditio der Sachen an möglich ist und diese dem Verlobten sofort gehören, es sei denn, dass die Verlobte die Eigentumsübertragung der Sachen bis zur Entstehung der Ehe verschiebt, während im Fall von D. 23,3,67 erst zum Zeitpunkt der Entstehung der wirksamen Ehe auch die Mitgiftbestellung erfolgt und das Eigentum an den Sachen mit der traditio nicht übertragen wird, weil die wirksame Ehe als Voraussetzung der Mitgiftbestellung der traditio des Gel des vorangehen muss. Im Fragment D. 41,9,1,4 verneinte Cassius zwar die usucapio, und Ulpi anus unterstützte dessen Meinung.41 Es erscheint aber selt sam, dass die Begründung des Cassius darauf abzielt, dass „es an einer Mitgift fehlt“. Auf gleiche Weise begründet Cassius seine Meinung im Fragment D. 41,9,1,3: Dort bejaht er, dass die usucapio pro dote zwischen denen stattfindet, die miteinander in der Ehe leben, und dort bekräftigt er, dass die usucapio pro dote wegfällt, wenn es an einer Ehe fehlt. Das entspricht auch der am Ende des Fragments D. 41,9,1,2 von Ulpianus stammenden Präzisierung, dass vor der Entstehung der wirksamen Ehe der Ehemann nicht pro dote, sondern pro suo ersitzt. Erfasst man daher die Auffassungen von Cassius und Ulpianus zur usu capio pro suo und pro dote in den Fragmenten D. 41,9,1,2–4 in ihrem Gesamtzusammenhang, ist es klar, dass vor der Entstehung der wirksamen Ehe die usucapio pro suo in Betracht zu ziehen ist, während nach der wirk samen Eheschließung die usucapio pro dote stattfindet, auch wenn die wirksame Ehe als Voraussetzung der Mitgiftbestellung nicht der traditio des Geldes vorangegangen ist. Und man kann vermuten, dass in Bezug auf die gültige usucapio pro suo von aufgrund eines Putativtitels als Mitgift über ge benen Sachen jeden falls kein Mei nungsgegensatz zwischen Pro culus, Cassius und Ulpianus zu finden ist.42 Beim Fall D. 23,3,67 kann der Ehemann folglich nach der Entstehung der wirksamen Ehe pro dote ersitzen, weshalb in diesem Punkt die Ansicht von Bauer angemessen erscheint.43
41 Mayer-Maly
(o. Fn. 8) 52–53. der Frage, ob die usucapio pro suo im Allgemeinen nur für den Fall des Putativtitels anerkannt wurde, worauf ich später eingehen will, kann man sagen, dass Ulpianus als ein spätklassischer Jurist, z. B. im Fall D. 41,9,1,2–3, ein anderes Verständnis als frühere Juristen hatte. 43 Da Proculus, wie schon gesehen, sagte, dass der Ehemann vor der Entstehung der wirksamen Ehe pro suo ersitzen kann, ging er, im Unterschied zur Behauptung Kasers (o. Fn. 17) 91, davon aus, dass die dotis datio eine gültige Ehe jedenfalls voraussetzt. 42 Bezüglich
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums265
4. Der vierte Teil Proculus sagte, er sei derselben Meinung, wenn der Ehemann mit dem Geld etwas gekauft hat, als es noch nicht Mitgift geworden war (antequam ea dos fieret). Was bedeutet „derselben Meinung“? Nach der Auffassung von einigen bisherigen Autoren44 hat Proculus hier auch gemeint, dass der Ehemann das Geld endgültig für sich behält (eum lucrifacere). Das ist aber wieder zu prüfen, weil unsere Untersuchung ergeben hat, dass der Ehemann nach der Entstehung der wirksamen Ehe pro dote ersitzen kann. Zuerst konzentrieren wir uns auf die Auslegung der Worte antequam ea dos fieret. Man kann die Worte antequam ea dos fieret in dem Sinn ausle gen: „bevor der Ehemann die usucapio pro dote des Geldes vollendet und es damit als Mitgift erwirbt“. Erstens gibt es keine Möglichkeit, das Eigen tum am Geld durch traditio zu übertragen und das Geld Mitgift werden zu lassen, weil eine Mitgiftbestellung als iusta causa traditionis, bei der die wirksame Ehe ja deren Voraussetzung bildet, einer traditio des Geldes hät te vorangehen müssen. Zweitens behält es der Ehemann nach Vollendung der usucapio pro dote nicht endgültig für sich, weil er, wie schon gesehen, dabei der Rückforderung der Ehefrau nach einer Ehescheidung ausgesetzt ist, selbst wenn er etwas für das Geld bekommen hat.45 Man kann folglich diesen Teil als doppeldeutig ansehen. Erstens: Das Geld ist als Kaufpreis gezahlt worden, bevor die usucapio pro suo vor der 44 Krampe
(o. Fn. 13) 73; Bauer (o. Fn. 27) 150. (o. Fn. 27) 150–151 sagt das auch so, aber ihre Erklärung ist ungenü gend. D. 23,3,54 Gai. ad ed. praet. urb. tit. de praediat. hat uns die Regel vom Surrogat kurz zusammengefasst. Die Glosse macht einen Unterschied zwischen dem Fall, dass der Ehemann das Geschäft nach dem Willen der Ehefrau tätigt, und dem Fall, dass er es gegen ihren Willen macht, und sagt, dass im ersten Fall die gekauf te Sache Mitgift wird, aber im letzten Fall nicht. Der Unterschied ist aber nicht überzeugend. Eine der von der Glosse zitierten Quellen für den ersten Fall, D. 23,3,32 Pomp. 16 ad Sab., geht vom Fall aus, dass die als Preis gezahlten Mün zen zur Mitgift gehören. Und in einer anderen Quelle, D. 23,3,26 Mod. 1 reg., wird nur eine Regel erklärt, wonach es während der Ehe möglich ist, den Mitgiftgegen stand gegen einen anderen, ob Geld gegen Sache, ob Sache gegen Geld, zu tau schen, soweit es der Ehefrau nützlich ist. Mit Rücksicht auf das Fragment D. 23,3,25 Paul. 7 ad Sab. dürfte sich das aber darauf beziehen, dass ein Mitgiftbesteller selber den Mitgift gegen stand gegen einen anderen tauschen will. Ferner verkündeten in einer der von der Glosse zitierten Quellen für den letzteren Fall, C. 5,12,12, zwar die Kaiser Diocletianus und Maximianus, dass ein vom Ehemann mit Mitgiftgeld gekauftes Grundstück nicht der Ehefrau gehört. Die Kaiser ordneten aber an, dass der Provinzialstatthalter vom Ehemann höchstens eine der Mitgift entsprechende Geldsumme an die Ehefrau zurückerstatten lasse. 45 Bauer
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Entstehung der Ehe abgelaufen ist. Zweitens: Weder ist die usucapio pro suo vor der Eheschließung abgelaufen noch die usucapio pro dote, und das Geld ist ausgegeben worden, bevor es Mitgift geworden ist. Mit anderen Worten: es ist also jeweils der Fall, dass man fremdes Geld als Kaufpreis gezahlt hat.46 Hat der Käufer im Allgemeinen fremdes Geld als Kaufpreis gezahlt, so kann der Geldeigentümer es mit der rei vindicatio vom Käufer, der also die possessio des Geldes verloren hat, nur dann herausverlangen, wenn dieser arglistig gehandelt hat.47 Ansonsten scheint der Käufer dabei endgültig befreit, und einige Juristen dürften einer solchen Ansicht gewesen sein. Meines Erachtens vertritt aber Proculus hier eine andere Auffassung. Der Geldeigentümer kann das Geld aber mit der rei vindicatio vom Ver käufer herausverlangen, bis es sich beim Verkäufer mit dessen Geld ver mischt. Bei einer sol chen Eviktion kann der Verkäufer seinerseits den Käufer zur Eviktions haf tung heranziehen, und somit behält der Käufer nichts endgültig für sich. Vermischt sich das bezahlte Geld beim Verkäufer mit dessen Geld, so kann es der Geldeigentümer zwar nicht mit rei vindicatio herausverlangen. Er kann jedoch eine dem Kaufpreis entsprechende Summe mittels actio furti oder condictio vom Käufer zurückfordern, so dass der Käufer nichts endgültig für sich behält.48 Nach den vorstehenden Erwägungen bedeutet die „Meinung“ offen sichtlich, dass der Ehemann das Geld nur dann endgültig für sich behält, wenn er die usucapio pro suo vor der Entstehung der Ehe vollendet (eum lucrifecisse, utique si, antequam matrimonium esse inciperet, usucepit).49 In diesem Teil handelt es sich ja auch um die condictio, die daher folge richtig ein gemeinsames Thema bei Proculus 7 epistulae ist.
46 Wacke
(o. Fn. 15) 140–142. (o. Fn. 15) 140. 48 D. 46,3,78 Jav. 11 ex Cass. Zur Vermischung des Geldes, Johannes Georg Fuchs, Iusta causa traditionis in der romanistischen Wissenschaft, Basel 1952, 186–218; Kaser (o. Fn. 20) 183–216; Wacke (o. Fn. 15) 113–124. Die Rechtskonst ruktion, dass der Geldeigentümer eigenes Geld mit der rei vindicatio herausverlan gen kann, solange das Geld vorhanden ist (exstare), er es da gegen nur mit der condictio rückfordern kann, wenn es verbraucht wurde (consumere), ist in den Di gesten häufig zu finden. Nach Meinung von Fuchs heißt consumere, dass das Geld des Eigentümers sich beim Empfänger mit seinem Geld untrennbar vermischt. Kaser hat sich gegen die Ansicht von Fuchs ausgesprochen und erklärt consumere damit, dass der Empfänger das Geld ausgibt. Wacke hat die Meinung von Fuchs unterstützt und sich gegen Kaser ausgesprochen. 49 Krampe (o. Fn. 13) 73 und Bauer (o. Fn. 27) 150 sind dagegen der Ansicht, dass auch in diesem Fall der Ehemann das Geld endgültig für sich behält. 47 Wacke
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5. Nur ein Lehrstoff, oder? Ist D. 23,3,67 nur ein Lehrstoff nach der Methode eines „Lehrer-SchülerDialogs“, wie es Krampe bezeichnet, oder auch ein Fragment, das darüber hinaus einen wirklichen Fall enthält? Krampe hat erklärt, dass in mehreren Stellen der epistulae die distinctio der Sachverhaltsgliederung dient und un sere Stelle sich in einen Grundfall und in eine Variante dieses Grundfalls gliedert.50 Für den Grundfall wird die Grenzlinie, ob der Ehemann das Geld pro suo ersitzen kann oder nicht, zwischen dem zweiten Teil und dem drit ten Teil gezogen. Der Unterschied ist aber nicht so groß, wie Krampe es sagt, weil der Ehemann das Geld nur dann endgültig für sich behält, wenn er die usucapio pro suo vor der Ent stehung der Ehe vollendet. Es wäre passend, den Unter schied größer zu ma chen, wenn unsere Stelle nur ein Lehrstoff wäre. Daraus ist zu schließen, dass D. 23,3,67 sowohl ein wirkli cher Fall als auch ein angemessener Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums im römischen Recht ist. III. Die Bedeutung von possessio pro suo im klassischen Recht Was bedeutet possessio pro suo für die Klassiker? Pool hat sich schon viele Jahre lang mit dieser Frage beschäftigt. Ich stimme seiner An sicht grundsätzlich zu, besonders im folgenden Punkt: „Pro-Titel sind zu deuten als zusammenfassende Besitzqualifikationen, die Ersitzungsbesitz charakteri sieren.“51 Er hat dort aber die regelmäßige Ersitzung angesprochen und damit das Puta tivtitel problem ausgeklammert, also möchte ich hier kurz darauf eingehen.52 Meiner Meinung nach unterscheidet sich die Antwort der Frühklassiker auf diese Frage von jener der Spätklassiker. 1. Die frühklassische Zeit Nach der Auffassung der Frühklassiker besitzen (possidere) pro suo diejenigen, die den Glauben daran haben (existimare), dass sie Besitz auf grund eines echten Umstandes (vera causa) erwerben, der Besitzerlangung mittels traditio usw. rechtfertigt, und sie ersitzen (usucapere) pro suo, es sei denn, es gibt einen Ausschließungsgrund der usucapio, z. B. res furtiva. Es ergibt sich aus dem Fragment D. 23,3,67, dass Proculus dieser Ansicht war. C. Cassius Longinus, der Konsul im Jahre 30 n. Chr. war und sich zur 50 Krampe
(o. Fn. 13) 62. (o. Fn. 1) 41. 52 Pool (o. Fn. 1) 37. 51 Pool
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etwa gleichen Zeit wie Proculus auch als Jurist betätigt hat,53 verneinte zwar, wie wir schon bei Fragment D. 41,9,1,3–4 sahen, die usucapio pro dote, nicht aber die usucapio pro suo. Neratius Priscus, der zur Rechtsschule der Proculianer gehört, sagte im Fragment D. 41,10,5 pr-1 Nerat. 5 membr., dass einer possessio pro suo nichts entgegen stehe, falls ein solcher Glaube auf billigenswertem Irrtum (probabilis error) beruhen sollte.54 Es hat sich ergeben, dass zur frühklassischen Zeit dieje nigen pro suo besitzen und ersitzen, die den Glauben daran in einzelnen und wirklichen Fällen haben, d. h. wenn sie in billigenswertem Irrtum (probabilis error) sind, dass sie den Besitz aufgrund eines echten Umstandes erwerben. Auf der anderen Seite bedeutet das aber, dass die Frühklassiker über die dog matische Stimmigkeit zwischen possessio pro suo und possessio pro emptore usw. noch nicht bis ins Detail diskutiert haben. Mit anderen Worten: sie haben die possessio pro suo im Vergleich mit der possessio pro emptore usw. noch nicht, wie es Pool55 behauptet, an den allgemeinen und subsidi ären Platz gesetzt. 2. Die hochklassische Zeit Die Hochklassiker, Pomponius, Celsus und Iulianus, diskutierten bereits über das Verhältnis zwischen possessio pro suo und possessio pro emptore usw. im Detail und äußerten unterschiedliche Ansichten darüber. Im Fragment D. 41,10,3 Pomp. 22 ad Sab. stimmte Pomponius der An sicht von Neratius zu, und er versuchte im Fragment D. 41,10,4 pr.-2 Pomp. 32 ad Sab., sie auf einen besonderen Fall anzuwenden. Hierbei handelt es sich um das Fragment D. 41,10,4,1. D. 41,10,4,1 Pomp. 32 ad Sab. Si pater cum filiis bona quae habe bat partitus sit ex ea causa post mortem patris ea teneant, quod inter eos conveniret, ut ea divisio rata esset: usucapio his procedet pro suo in his rebus, quae alienae in bonis patris inveniuntur.
Hat der Vater mit seinen Söhnen das Ver mögen, das er besaß, geteilt, und besitzen die Söhne nach dem Tod des Vaters das jenige deswegen, weil sie sich untereinander geeinigt haben, dass die Teilung gültig sein solle, so findet die Ersitzung pro suo in Be zug auf diejenigen Gegen stände statt, wel che als fremde unter dem Nach lass des Vaters gefunden werden.
53 Otto Lenel (o. Fn. 12), vol. II, 122, Nr. 113. Proculus war der Nachfol ger des M. Cocceius Nerva, der im Jahre 33 n. Chr. Selbstmord beging (Tac. ann. 6,26). 54 Vgl. auch D. 41,4,11 Afr. 7 quaest. 55 Pool (o. Fn. 1) 46.
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums269
Nach der Meinung von Servius im Fragment D. 41,5,2,2 Iul. 44 dig. kann der Sohn, welcher von seinem Vater zum Erben eingesetzt ist, eine ihm vom Vater geschenkte Sache zum Anteil, der den Miterben gebührt, pro herede nicht ersitzen, weil die possessio des Sohnes naturalis ist. Pomponius hat aber anders als Servius gedacht. Er war der Ansicht, dass die usucapio pro suo den Söhnen dann zusteht, wenn sie übereingekommen sind, dass eine solche Tei lung im Hinblick auf die Schenkung bei Lebzeiten des Vaters gültig ist, weil man annehmen kann, dass sie geglaubt haben, Besitz auf grund eines echten Umstandes zu erwerben, und pro suo besitzen. Hier kommt die Ansicht von Celsus in Frage, der sich zur etwa gleichen Zeit wie Neratius betätigt hat, wie Fragment D. 41,3,27 Ulp. 31 ad Sab. belegt. D. 41,3,27 Ulp. 31 ad Sab. Celsus libro trigensimo quarto errare eos ait, qui existimarent, cuius rei quisque bona fide adeptus sit possessionem, pro suo usucapere eum posse nihil referre, emerit nec ne, donatum sit nec ne, si modo emptum uel donatum sibi existimave rit, quia neque pro legato neque pro donato neque pro dote usucapio valeat, si nulla donatio, nulla dos, nullum legatum sit, idem et in litis aestimatione placet, ut, nisi vere quis litis aestimationem subierit, usucapere non possit.
Es wird in der Glosse56 und bei Autoren57 angenommen, dass Celsus die usucapio pro suo aufgrund des Putativtitels grundsätzlich verneint hat. Eine solche These scheint durch das folgende Textverständnis möglich zu wer den, dass sich das Verb (existimarent) auf die Infinitiv-Phrase (pro suo usucapere eum posse) bezieht und Celsus damit gesagt hat, dass die Leute, d. h. Juris ten wie Proculus und Neratius, sich irren (eos errare), die die usucapio pro suo aufgrund eines Putativtitels bejahen. Wir müssen aber die Inskription des Fragments beachten. Das Buch Ulp. 31 ad Sab. beschäftigt sich mit der dos. Lenel ordnete das Fragment als letztes Stück eines einheitlichen Fragments hinter die Teilfragmente D. 41,9,1,2–4 ein, die wir schon oben in Erwägung gezogen haben.58 Es ist bereits klar, dass in diesen Fragmenten Cassius und Ulpianus Möglich keiten der gültigen usucapio pro suo von aufgrund eines Putativtitels als Mitgift übergebenen Sachen vorausgesetzt haben. In diesem Kontext ist es schwer verständlich, dass Ulpianus die Ansicht von Celsus, der die usucapio pro suo aufgrund des Putativtitels verneint hatte, zitierte. Meiner Meinung nach bestätigte Celsus hier die usucapio pro suo. Die Hypothese beruht auf 56 Corpus iuris civilis cum commentariis Accursii, studio et opera Ioannis Fehi, Lyon l627 (Ndr. Frankfurt am Main 2006), Digestum Novum 470. 57 Mayer-Maly (o. Fn. 8) 30–37; Jakobs (o. Fn. 1) 73–79; Bauer (o. Fn. 27) 61–62, 121–122. 58 Otto Lenel (o. Fn. 12), vol. II, 1136, Nr. 2758.
270
Wataru Miyasaka
dem Textverständnis, wonach das Verb (ait) sich auf die drei InfinitivPhrasen (errare, posse und referre) bezieht: Celsus habe gesagt, „dass die jenigen im Irrtum sind, die sich etwas einreden, und dass derjenige pro suo ersitzen kann, wer auch immer Besitz seiner Sache im guten Glauben er worben hat (errare eos, qui existimarent, cuius rei quisque bona fide adeptus sit possessionem, pro suo usucapere eum posse)“. Sie befän den sich zwar im Irrtum, aber dieser Irrtum sei zulässig; daher besäßen sie pro suo und einer usucapio pro suo stehe nichts entgegen. Dabei komme es bei der usucapio pro suo nicht darauf an (nihil referre), ob sie tatsächlich gekauft oder geschenkt haben. Denn obwohl usucapio pro legato, pro donato oder pro dote nicht in Frage kämen, wenn es keine Schenkung, keine Mitgift oder kein Vermächtnis gibt, gelte dennoch die usucapio pro suo. Das treffe auf den zuletzt genannten Fall der litis aestimatio zu. Die Glosse denkt, dass Celsus hier die usucapio pro suo verneint habe. Meiner Meinung nach ist aber die usucapio, die Celsus hier verneint hat, sehr wahrscheinlich nicht die usucapio pro suo, sondern die usucapio pro emptore, weil der anhand der litis aestimatio erworbene Besitz possessio pro emptore ist.59 Ist dieser Schluss überzeugend, so kann man vermuten, dass ein Mei nungsgegensatz zwischen den Frühklassikern und Hochklassikern in Bezug auf die Zulässigkeit der usucapio pro suo nicht zu finden ist. Und Celsus scheint schon einen Anlass zur dogmatischen Stimmigkeit zwischen possessio pro suo und possessio pro emptore usw. gegeben zu haben. Soweit ich weiß, gibt es kein Fragment in den Digesten, in welchem Iulianus selbst ausdrücklich die usucapio pro suo erwähnt hat, doch hat er, wie wir im Fragment D. 41,9,1,3–4 schon gesehen haben, auch nicht ge leugnet, dass diejenigen, die glauben, den Be sitz auf grund eines echten Umstandes zu erwerben, pro suo besitzen und ersitzen. Im Fragment D. 23,3,67 steht die usucapio pro suo dem Ehemann zu, weil er den Glauben daran hat, dass die Ehefrau frei und somit die Ehe schließung wirksam gewesen sei, mit anderen Worten, dass er Besitz auf grund eines echten Umstandes, d. h. causa dotis, erworben hat, und damit pro suo besitzt. Im Fragment D. 41,9,1,2 hingegen hat der Verlobte gewusst, dass die Ehe noch nicht zustande kommt. Steht das einer usucapio pro suo entgegen oder nicht? Iulianus sagt, die usucapio hört nur dann auf, wenn die Verlobte ihm die Sachen so übergeben hat, dass sie ausdrücklich will, dass die Sachen nicht in sein Eigentum übergehen sollen, bevor die Hochzeit erfolgt ist. Umge kehrt gesagt, kann man daher annehmen, dass sie ihm die Sachen zukom 59 Vgl. D. 41,4,1 Gai. 6 ad ed. prov.; D. 41,4,2,21 Paul. 54 ad ed.; D. 41,4,3 Ulp. 75 ad ed.
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums271
men lassen will, solange sie nicht deutlich das Gegenteil sagt, auch wenn die Ehe noch nicht zustandekommt. Daher kann man auch sagen, dass der Verlobte im Allgemeinen glaubt, den Besitz aufgrund eines echten Umstan des zu erwerben, auch wenn er weiß, die Ehe ist noch nicht zustandegekom men, und so besitzt er pro suo. Iulianus bezeichnet aber nicht die beim Verlobten vollendete Ersitzung als pro suo; deshalb ergänzt Ulpianus „ersitzt er jedoch nicht als Mitgift, son dern für sich (non pro dote usucapit, sed pro suo)“. Auch im Fragment D. 41,4,11 Afr. 7 quaest. bezeichnet Iulianus die usucapio eines Käufers, der einen gerechten Grund für seinen Irrtum (iustam causam eius erroris) hat, dass er den Besitz aufgrund eines seinem Sklaven oder procurator aufgegebenen, aber tat sächlich nicht durchgeführten Kaufs erworben hat, nicht ausdrücklich als pro suo.60 Man musste auf die spätklassische Zeit für die Durchsetzung der dogmatischen Stimmig keit zwischen possessio pro suo und possessio pro emptore usw. warten. 3. Die spätklassische Zeit Die Spätklassiker scheinen sich mit dem Problem der dogmatischen Stim migkeit zu beschäftigen. In den Fragmenten D. 41,10,2 und D. 41,2,3,21 Paul. 54 ad ed. hat Paulus die possessio pro suo mit dem sogenannten „natürlichen Eigen tumserwerb“ in Zusammenhang gebracht und den An wendungsbereich der possessio pro suo aus Anlass der Besitzerlangung ohne traditio, z. B. bei occupatio, selbst auf die Besitzerlangung an einem Kind einer durch Erbfolge erworbenen oder gekauften Sklavin und an der Frucht einer gekauften oder geschenkten Sache erweitert.61 60 Bauer (o. Fn. 27) 69–80 äußert im Vergleich mit den Fragmenten D. 41,4,9 und D. 41,4,10 die Ansicht, dass die Beispielsfälle in D. 41,4,11 von einem nach klassischen Bearbeiter stammen. Der Schluss ist aber nicht zwingend. Bauers Mei nung nach gestattet Iulianus es, dass der dominus, der die gestohlene oder geraubte ancilla aufgrund einer Freilassungsvereinbarung von seinem Sklaven erhalten hat, das Kind der ancilla „als Käufer (quasi emptor)“ ersitzen kann, weil Iulianus die Vereinbarung als quasi-Kauf zwischen Herrn und Sklaven ansieht, und der irrtümli che Glaube des dominus, sein Sklave habe eine Sache gekauft, für Iulianus keine ausreichende Ersitzungsgrundlage war. Die Bedeutung der Worte quasi emptor usucapere in der Fragmenten D. 41,4,9 und D. 41,4,10 kommt aber nicht immer der Bedeutung der Worte pro emptore usucapere im Fragment D. 41,4,11 gleich. Anders als im Fragment D. 41,4,11 redet der dominus in der Fragmenten D. 41,4,9 und D. 41,4,10 sich nicht ein, dass er etwas kauft. 61 Laurens Winkel, Usucapio pro suo and Classification of the causae usucapio nis by the Roman Jurists, in: New Perspectives in the Roman Law of Property, Essays for Barry Nicholas Hrsg. Peter Birks, Oxford 1989, 215–221, 218 hat schon darauf hingewiesen.
272
Wataru Miyasaka
Ferner haben Paulus im Fragment D. 41,2,3,4 und Ulpianus im Fragment D. 41,10,1 pr-1 erörtert, dass man dieselbe Sache aus vielen Gründen besit zen kann, und zwar derjenige, der pro emptore besitzt, auch pro suo besitzen kann.62 Da mit haben sie die possessio pro suo – im Vergleich mit der possessio pro emptore usw. – an einen allgemeinen und subsidiären Platz gesetzt.63 Diese Einstellung der Spätklassiker, die auf dogmatische Stim migkeit Gewicht legte, kann einen Ansichtsunterschied zwischen den Frühklassikern und den Spätklassikern besser erklären. IV. Ergebnis Erstens: D. 23,3,67 ist sowohl ein wirklicher Fall als auch ein angemes sener Lehrstoff. Dem Fall gemäß können wir die Regeln in Bezug auf die Übertragung oder den Erwerb des Eigentums an Geld im römischen Recht bestätigen. Es ist sehr wichtig, dass eine Ehe, die erst nach der Übergabe des Geldes als Mitgift wirksam entsteht, keine iusta causa traditionis als Grund der Eigen tumsübertragung durch traditio darstellen kann, es aber zum Eigentumserwerb durch usucapio pro dote kommen kann.64 Zweitens: Betrachtet man die Auffassungen von Cassius und Ulpianus zur usucapio pro suo und pro dote in den Fragmenten D. 41,9,1,2–4 in ihrem Gesamtzusammenhang, so lehnen die Juristen nicht die usucapio pro suo, sondern nur jene pro dote ab, wenn eine wirksame Ehe als Voraussetzung einer wirksamen Mitgiftbestellung zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs noch 62 Winkel (o. Fn. 61) 217 sagt, dass Paulus eine andere Ansicht als Ulpianus gehabt hat, da er sich im Fragment D. 41,2,3,4 dahingehend äußert: „ita et posside re ex una dumtaxat causa possumus“ d. h. „(…, so auch) können wir nur aufgrund einer einziger causa besitzen“. Meiner Meinung nach hat Paulus das genaue Gegen teil der Meinung von Winkel gesagt, weil das Verneinungswort nec das Hilfsverb possumus hier modifiziert. 63 Man kann annehmen, dass sich mit dieser Veränderung der Bedeutung der possessio die Funktion der usucapio geändert hat. Neratius sagte im Fragment D. 41,10,5 pr., dass die usucapio pro suo einige Rechtsstreitigkeiten zu einem Ende bringt (ut aliquis litium finis esset). Die Glosse verstand diese Funktion der usucapio als exceptio. Zur früh- und hochklassischen Zeit scheint die Behauptung der usucapio von Seiten des Besitzers die Funktion einer exceptio gegen die rei vindicatio des Eigentümers zu haben. Zur spätklassischen Zeit dagegen war usucapio, zusammen mit mancipatio und traditio, ein Grund des Eigentumserwerbs auf der Basis des Eigenbesitzes, und noch dazu kam ihr ein materiellrechtlicher Cha rakter zu, der auch die rei vindicatio begrün den konnte. Vgl. ferner D. 5,3,19,1 Paulus 20 ad ed. 64 Der Grund für diese Unterscheidung scheint darin zu liegen, dass die traditio den Besitzerwerb mit sich bringt, während die usucapio dann aus der Besitzfortset zung folgt; es ist aber notwendig, dieses Problem noch weiter zu vertiefen.
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums273
nicht entstanden ist. Daraus kann man folgern, dass ein Meinungsgegensatz in Bezug auf usucapio pro suo und pro dote jedenfalls zwischen Proculus, Cassius und Ulpianus nicht besteht. Drittens: Es unterscheidet sich die Bedeutung von possessio pro suo in frühklassischer Zeit von jener in spätklassischer Zeit. In frühklassischer Zeit besitzen und ersitzen ausschließlich diejenigen pro suo, die den Glauben daran in einzelnen und wirklichen Fällen haben, d. h. die sich in billigens wertem Irrtum (probabilis error) befinden, dass sie Besitz aufgrund eines echten Umstandes erworben haben. In hochklassischer Zeit diskutierten die Juristen über das Verhältnis zwischen possessio pro suo und possessio pro emptore usw. im Detail und äußerten unterschiedliche Ansichten darüber. In spät klassi scher Zeit dage gen setzten die Juris ten possessio pro suo – im Vergleich mit possessio pro emptore usw. – an einen allgemeinen und sub sidiären Platz und brach ten die possessio pro suo mit dem soge nannten „natürlichen Eigentumserwerb“ in Zusammenhang. Und folglich kann man sagen, dass man die possessio pro suo als einen Besitz, der unserem Begriff „Eigenbesitz“ ähnlich ist, charakterisiert hat. Tabelle von utique si Digesta
Name
Bücher
Otto / Schilling / Sintenis
Behrends / Knütel / Kupitsch / Seiler
23,3,67
Proc.
7 epist.
jeden Falls, wenn
jedenfalls wenn
2,2,3,1
Ulp.
3 ad ed.
versteht sich, wenn jedenfalls dann, wenn
3,5,34,3
Scaev.
1 quaest.
vorausgesetzt, dass
jedenfalls wenn
4,2,8,1
Paul.
11 ad ed.
zum Beispiel
besonders wenn
4,4,47,1
Scaev.
1 resp.
nämlich wenn
jedenfalls dann, wenn
4,8,16,1
Paul.
13 ad ed.
nämlich wenn
jedenfalls wenn
5,2,22,2
Tryph.
17 disp.
vorausgesetzt nämlich, dass
jedenfalls dann, wenn
5,3,25,2
Ulp.
15 ad ed.
vorausgesetzt, dass
jedoch nur, wenn
5,3,49
Pap.
3 quaest.
vorausgesetzt, dass
jedenfalls dann, wenn
5,3,50,1
Pap.
6 quaest.
wenn … nämlich
jedenfalls wenn
(Fortsetzung nächste Seite)
274
Wataru Miyasaka
Tabelle (Fortsetzung) Digesta
Name
Bücher
Otto / Schilling / Sintenis
Behrends / Knütel / Kupitsch / Seiler
6,1,6
Paul.
6 ad ed.
besonders wenn
jedenfalls dann, wenn
9,4,26,5
Paul.
18 ad ed.
wenigstens wenn
jedenfalls wenn
12,1,41
Afr.
8 quaest.
zumal wenn
jedenfalls wenn
15,1,56
Paul.
2 ad Nerat.
immer, wenn
jedenfalls … wenn
17,2,81
Pap.
9 quaest.
wenn … nur
jedenfalls dann nicht, wenn
19,1,42
Paul.
2 quaest.
zum Beispiel
jedenfalls dann, wenn
21,2,71
Paul.
16 quaest.
jeden Falls, wenn
jedenfalls dann, wenn
22,1,24 pr.
Paul.
37 ad ed.
jeden Falls, wenn
jedenfalls dann, wenn
22,1,37
Ulp.
10 ad ed.
jeden Falls, wenn
jedenfalls dann, wenn
23,3,44,1
Iul.
16 dig.
wenn aber
jedenfalls wenn
29,2,42 pr.
Ulp.
4 disp.
undeutlich
wenn
29,4,1,9
Ulp.
50 ad ed.
undeutlich
jedenfalls sofern
30,39,7
Ulp.
21 ad Sab.
vorausgesetzt, dass
jedenfalls wenn
31,24
Ulp.
2 fid.
zumal da
zumal da, wenn
32,38,6
Scaev.
19 dig.
jeden Falls, wenn
jedenfalls wenn
33,10,9,2
Pap.
7 resp.
besonders wenn
jedenfalls dann, wenn
35,1,112,3
Pomp.
12 ep.
besonders wenn
35,1,82
Call.
2 quaest.
nicht etwa
36,1,28,1
Iul.
40 dig.
sobald nur
36,1,57,2
Pap.
20 quaest.
wenn … nämlich
38,4,1 pr.
Ulp.
14 ad Sab.
jedoch (wenn)
D. 23,3,67: Ein Lehrstoff in Bezug auf die Übertragung des Eigentums275 Digesta
Name
Bücher
Otto / Schilling / Sintenis
39,2,34
Paul.
10 ad Sab.
vorausgesetzt, dass
41,1,7,12
Gai.
2 rer. cott.
vorausgesetzt jedoch, dass
41,1,9,1
Gai.
2 rer. cott.
sobald
41,1,9,2
Gai.
2 rer. cott.
wenn nämlich
41,3,4,8
Paul.
54 ad ed.
vorausgesetzt jedoch, dass
42,5,6,1
Paul.
58 ad ed.
wenn … nur
42,6,2
Pap.
25 quaest.
vorausgesetzt, dass
44,4,4,31
Ulp.
76 ad ed.
vorausgesetzt, dass
46,2,34 pr.
Gaius
3 de verb. oblig.
jeden Falls, wenn
46,3,39
Afr.
8 quaest.
jeden Falls, wenn
46,8,22,6
Iul.
56 dig.
jeden Falls, wenn
48,15,6,1
Call.
6 de cognit.
besonders wenn
48,19,28,10
Call.
6 de cognit.
nämlich wenn
48,5,39,7
Pap.
36 quaest.
vorausgesetzt, dass
49,15,12,11
Tryph.
4 disp.
allerdings und zwar gleichviel, ob
49,16,14,1
Paul.
de poen. mil.
jedoch wenn
Behrends / Knütel / Kupitsch / Seiler
D. 30,86,4: Ursprung der superficies als ius in re aliena? Von Hikaru Mori I. Einleitung Seit republikanischer Zeit besteht der bekannte Grundsatz superficies solo cedit.1 Wenn auf fremdem Boden ein Bauwerk errichtet wird, fällt es aufgrund dieses Grundsatzes dem Eigentümer des Bodens zu. In klassischer Zeit aber bildet sich allmählich eine Ausnahme zu diesem Grundsatz heraus, wonach ein Bauwerk, unabhängig von dem Grund, als selbständiger Vermögensbe standteil anerkannt wird, obwohl es dem Eigentümer des Grundes gehört.2 Diese Ausnahme wird jedoch in Stellen, die aus der Zeit vor Julian stammen, nicht erwähnt.3 Wir wollen deshalb vorläufig sagen, dass die Entwicklung der superficies als ius in re aliena frühestens in der Zeit Julians begonnen hat.4 1 Der früheste Jurist, der ihn in den Digesten erwähnt, ist Labeo. Nach Ulpian (D. 43,17,3,7) sagt er: semper enim superficiem solo cedere. Siehe auch die Allega tion von Pomponius in D. 41,1,28. Zu D. 43,17,3,7 s. Heinrich Vogt, Das Erbbau recht des klassi schen römischen Rechts, Marburg 1950, 37; Jens Peter Meincke, Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971) 136–183, 165; J. Michael Rainer, Super ficies und Stock werk eigen tum im klassischen römischen Rechts, ZRG RA 106 (1989) 327–357, 353. – Der Grundsatz besteht die gesamte klassische Zeit hindurch (Gai. 2,73; Ulp. D. 9,2,50). Zur Altersfrage s. Max Kaser, Das Römische Privat recht. Erster Abschnitt: Das Altrömische, das Vorklassische und Klassische Recht, München 19712, 138; ders., Die natürlichen Eigentumserwerbsarten im altrömischen Recht, ZRG RA 65 (1947) 239; Meincke, a. a. O., 180 ff. 2 D. 39,2,39,2 Pomp. 21 ad Sab.; D. 43,18,2 Gai. 25 ad ed. prov.; D. 13,7,16,2 Paul. 29 ad ed.; D. 20,4,15 Paul. 68 ad ed.; D. 39,2,18,4 Paul. 48 ad ed.; D. 39,2,9,4 Ulp. 53 ad ed.; D. 43,18,1,1 Ulp. 70 ad ed. 3 Rainer (o. Fn. 1) 345 sagt „Doch kann diese Entwicklung aus unseren Quellen frühestens ab Julian in Ansätzen verfolgt werden.“ Wenn die Juristen vor Julian, Labeo (D. 43,17,3,7 Ulp. 69 ad ed.), Sabinus (D. 39,2,15,12 Ulp. 53 ad ed.), Cas sius (D. 43,17,3,5 Ulp. 69 ad ed.) und Iavolenus (D. 8,3,13 pr. Iav. 10 ex Cass.; D. 31,79 Pap. 11 resp.; D. 41,3,23 pr. Iav. 9 epist.) superficies benutzen, bedeutet das immer irgendeine Sache, die fest und dauerhaft mit dem Boden verbunden ist. 4 Nach Vogt kann ein dingliches Recht an fremdem Boden nur bestehen, wenn öf fent li cher städtischer Grund gemietet und darauf ein Gebäude von dem Mieter gebaut wird. An privatem Grund könne das Recht nicht bestehen. Aber seine These stützt sich auf die Voraussetzung, dass die Kompilatoren der Digesten in diesem
278
Hikaru Mori
Es gibt in den Digesten drei Stellen, in denen Julian das Wort superficies be nutzt, nämlich in D. 30,81,3,5 D. 39,2,9,46 und D. 30,86,4. Im Fall D. 30,81,3 bedeutet es ein Landhaus, und Julian erörtert das Rechtsverhält nis des Gebäudes zusammen mit dem Grund, auf dem es steht.7 Dagegen tritt in D. 39,2,9,4 eine Person auf, die lediglich an einer superficiaria insula berechtigt ist.8 Allerdings ist es sehr fragwürdig, ob sie jenseits ihrer bloß schuldrecht li chen Be rechtigung auch ein dingliches Recht hat. Im Unterschied zu den beiden genannten Texten wird D. 30,86,4 in der moder nen Forschung als diejenige Stelle angesehen, in der das Wort superficies im Sinne eines Rechtes benutzt wird,9 und anerkannt, dass der Text inter poliert ist.10 Nach Meinung von M. Rainer kann diese Stelle auch eine nachklassische Überarbeitung erfahren haben.11 Absicht dieses Aufsatzes ist es, zunächst den ganzen Kontext des Frag ments zu untersuchen und diesem Kontext gemäß die Bedeutung der Stelle Bereich zahlreiche Stellen überarbeitet haben. Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 200317, 185 und Kaser (o. Fn. 1) 456 zweifeln nicht, dass ein Gebäuderecht an Privatland schon in klassischer Zeit vorkam. 5 D. 30,81,3 Iul. 32 dig. Qui fundum excepto aedificio legat, appellatione aedificii aut superficiem significat aut solum quoque, cui aedificium superpositum est. si de sola superficie exceperit, nihilo minus iure legati totus fundus vindicabitur, sed exceptione doli mali posita consequetur heres id, ut sibi habitare in villa liceat: in quo inerit, ut iter quoque et actum in ea habeat. si vero solum quoque exceptum fuerit, fundus excepta villa vindicari debebit et servitus ipso iure villae debebitur, non secus ac si duorum fundorum dominus alterum legaverit ita, ut alteri serviret. sed inclinandum est testatorem etiam de solo cogitasse, sine quo aedificium stare non potest. 6 D. 39,2,9,4 Ulp. 53 ad ed. Quaesitum est, si solum sit alterius, superficies alterius, superficiarius utrum repromittere damni infecti an satisdare debeat. et Iulianus scribit, quotiens superficiaria insula vitiosa est, dominum et de soli et de aedificii vitio repromittere aut eum, ad quem superficies pertinet, de utroque satisdare: quod si uterque cesset, vicinum in possessionem mittendum. 7 Rainer (o. Fn. 1) 343. 8 J. Michael Rainer, Bau- und nachbarrechtliche Bestimmungen im klassischen römischen Recht, Graz 1987, 101 Fn. 4; Rainer (o. Fn. 1) 338 f.; Vogt (o. Fn. 1) 37; Meincke (o. Fn. 1) 166. 9 Martin Zimmermann, Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, Berlin 2001, 146 Fn. 538 führt D. 30,86,4 als ein Beispiel für einen Fall auf, in dem „dem Erblasser selbst das Recht zustand“. 10 Vogt (o. Fn. 1) 26; Ernst Levy, West Roman Vulgar Law. The Law of Proper ty, Philadelphia 1951, 80; Elmar Bund, Begriff und Einteilung der Servituten im römischen Recht, ZRG RA 73 (1956) 155–219, 205 f.; Giuseppe Grosso, Le servitù prediali nel diritto romano, Torino 1969, 9; B. Biondi, Le servitù prediali nel diritto romano, Milano 1969, 81; Max Kaser, Das Römische Privatrecht. Zweiter Abschnitt: Die nachklassischen Entwicklungen, München 19752, 307. 11 Rainer (o. Fn. 1) 342 f.
D. 30,86,4: Ursprung der superficies als ius in re aliena?279
D. 30,86,4 zu erklären. Die Paragraphen von D. 30,86 wurden in der modernen Romanistik zwar vielfach untersucht, jedoch werden sie nicht in ihrer Ge samtheit, sondern jeder Paragraph wird nur einzeln betrachtet.12 Sodann möchten wir den großen hochklassischen Juristen in die Geschichte der Entstehung und Ausbildung des Erbbaurechts einordnen. II. Text, Herkunft und Gliederung des Fragments D. 30,86 D. 30,86 stammt aus dem 34. Buch von Julians Digesta.13 Das Werk besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil (lib. 1–58) ist ein Ediktskommentar und folgt der Ordnung des edictum perpetuum, während der zweite Teil (lib. 59–90) leges und senatusconsulta behandelt.14 Vom 32. Buch an macht Julian das Vermächtnis zum Thema, zunächst handelt er über das legatum per vindicationem, dann vom 33. Buch an über das legatum per damnationem. Vom 35. Buch an erörtert er das Vermächtnis eines ususfructus. Was das Thema des 34. Buch ist, lässt Lenel unbestimmt.15 D. 30,86 Iul. 34 dig. (pr.) Si tibi homo, quem pignori dederas, legatus ab alio fuerit, ac tionem ex testamento habebis ad versus heredem, ut pignus luatur. (1) Si testamento Stichus ab uno herede legatus fuerit Maevio et ei dem codicillis idem Stichus ab om nibus heredibus et antequam codi cilli aperirentur Maevius litis aesti mationem consecutus fuerit, ipso iure vindicari ex codicillis non po test, quia testator semel legatum ad eum pervenire voluit.
(pr.) Wenn dir der Sklave, den du zum Pfand gegeben hattest, von einem Dritten vermacht wurde, hast du gegen den Erben die Vermächtnisklage darauf, dass das Pfand abgelöst wird. (1) Ist der Sklave Stichus dem Maevius durch Testament zu Lasten eines Erben ver macht worden, wurde ihm Stichus auch durch Kodizill zu Lasten aller Erben ver macht und hat Maevius, ehe das Kodizill eröffnet wurde, den Streitwert [des Stichus] erlangt, so kann er schon nach Zivil recht den Sklaven nicht mehr aufgrund des Kodi zills vindizieren, weil der Erblasser ihm das Vermächtnis nur einmal zukom men lassen wollte.
12 Zwischen den Fällen von D. 30,86 pr. und D. 30,86,4 kann man auf den ers ten Blick Ähnlichkeit erkennen. Siehe z. B. Pasquale Voci, Diritto Ereditario Roma no, Bd. II, Milano 1963, 257 Fn. 29. 13 Über die Digesta Julians s. Elmar Bund, Salvius Iulianus, Leben und Werk, in: Auf stieg und Niedergang der römischen Welt, II-15, Berlin 1976, 408–454, 431 ff.; Otto Lenel, Palingenesia iuris civilis, Bd. II, Leipzig 1889, Sp. 318 ff.; Fritz Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, Weimar 1961, 290 f. 14 Lenel (o. Fn. 13) Sp. 318 Fn. 2. 15 Lenel (o. Fn. 13) Sp. 406 Fn. 2: „qua ratione hoc libro tractatae inter se fuer int colligatae, in incerto relinquo.“
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(2) Cum servus legatur, et ipsius servi status et omnium, quae per sonam eius attingunt, in suspenso est. nam si legatarius reppulerit a se legatum, numquam eius fuisse vide bitur: si non reppulerit, ex die aditae hereditatis eius intellegetur. secun dum hanc regulam et de iure eorum, quae per traditionem servus accepe rit aut stipulatus fuerit, deque his, quae legata ei vel do nata fuerunt, statuetur, ut vel heredis vel legatarii servus singula gessisse existimetur.
(3) Si fundus ab omnibus heredibus legatus sit, qui unius heredis esset, is quidem cuius fundus esset non amplius quam partem suam praesta bit, ceteri in reliquas partes tene buntur. (4) Valet legatum, si superficies le gata sit ei, cuius in solo fuerit, licet is dominus soli sit: nam conseque tur, ut hac servitute liberetur et su perficiem lucrifaciat.
(2) Wenn ein Sklave vermacht wird, ist so wohl die Rechtsstellung dieses Sklaven als auch die von allem, was seine Person an geht, in der Schwebe. Denn wenn der Ver mächtnisnehmer das Vermächtnis ausschlägt, ist anzunehmen, dass der Sklave ihm nie mals gehört hatte. Schlägt er nicht aus, ist davon auszugehen, dass er ihm vom Tag des Erbschaftsantritts an gehörte. Nach dieser Rechtsregel wird auch über das Recht an den Sachen, die der Sklave durch Übergabe erhalten hat oder die er sich hat versprechen lassen, entschieden und über das, was ihm vermacht oder geschenkt wurde, so dass an genommen wird, er habe entweder als Skla ve des Erben oder des Vermächtnisnehmers die einzelnen Erwerbshandlungen vorgenom men. (3) Ist ein Grundstück, das einem Erben gehört, zu Lasten aller Erben vermacht wor den, so braucht der, dem das Grund stück gehört, nur seinen Anteil zu leisten; die an deren haften auf die übrigen Anteile. (4) Ein Vermächtnis ist wirksam, wenn ein aufgrund Erbbaurechts errichtetes Gebäude demjenigen vermacht wurde, auf dessen Grund und Boden es steht, obgleich er Ei gentümer des Bodens ist. Denn er kann [aufgrund des Vermächtnisses] erreichen, dass er von dieser Dienstbarkeit befreit wird und das Gebäude dazu erwirbt.16
Das Fragment ist traditionell in fünf Paragraphen gegliedert. Aber m. E. sind hier in der Hauptsache drei Fälle behandelt, in denen jemand dem Vermächtnisnehmer dessen eigene Sache vermacht, nämlich die Fälle des pr. und der §§ 1 und 4. Die Fälle der §§ 2 und 3 werden eingeschoben, um die rechtliche Behandlung des § 1 durch Analogie zu erklären. 16
Wenn jemand dem Vermächtnisnehmer dessen eigene Sache vermacht, so ist das Vermächtnis nach Justinian unwirksam, weil das, was jemandem gehört, nicht noch einmal sein Eigentum werden kann.17 Dass der Grund satz seit der klassischen Zeit besteht, ergibt sich aus verschiedenen Quel 16 Vorläufig sei hier auch für § 4 die Übersetzung von Rolf Knütel, in: Rolf Knü tel / Berthold Kupisch / Thomas Rüfner / Hans Hermann Seiler, Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung, Band V, Heidelberg 2012, 309 f., zugrunde gelegt. 17 Inst. 2,20,10.
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len.18 Bei den drei Fällen von D. 30,86 hält Julian das Vermächtnis jedoch trotzdem für wirksam. III. Fall 1: D. 30,86 pr. Ein Schuldner hat seinem Gläubiger seinen Sklaven als Pfandsache gege ben. Ein Dritter hat danach ein Testament verfasst, in dem er dem Schuldner den verpfändeten Sklaven vermacht. Auf den ersten Blick scheint das Ver mächtnis unwirksam, weil der vermachte Gegenstand dem Schuldner, näm lich Vermächtnisnehmer, bereits gehört. Dennoch hält Julian das Vermächt nis für wirksam. Nach Julian kann der Schuldner (d. h. legatarius) mit der actio ex testamento verlangen, ut pignus luatur. Der Ausdruck pignus luere bedeutet „Einlösung eines Pfandes, d. h. Befreiung desselben vom Pfand nexus durch Bezahlung der Schuld“.19 Deshalb soll der heres, der zur Leis tung des Ver mächtnisses verpflich tet ist, gegenüber dem Gläubiger die Schuld des Vermächtnisnehmers begleichen. In D. 34,3,1,120 entscheidet Julian wie folgt: Wenn der Gläubiger, der die Pfandsache besitzt, durch ein Vermächtnis dazu verpflichtet ist, sie dem Schuldner zurückzugeben, dann muss er sie einfach nur zurückgeben und nicht auch noch die Schuld erlassen. Zunächst ist kurz zu erklären, ob die se Stelle mit D. 30, 86 pr. zu vereinbaren ist. Wenn die Pfandsache ihrem Eigen tümer ver macht wird, ist es Julian wichtig zu erreichen, dass der Vermächtnisnehmer sie wieder besitzt.21 Er ist nämlich der Auffassung, dass der Wille des Testators, der durch das Testament verwirklicht werden soll, auf eine Rückgabe der Pfandsache gerichtet ist. Wenn der mit dem Ver mächtnis Belastete der Gläubiger ist, kann er sie ohne weiteres zurückgeben. Dagegen kann ein Dritter, der dazu in einem Vermächtnis verpflichtet ist, sie selbst natürlich nicht zurückgeben, aber sie auch nicht erwerben, weil der Gläubiger sie nicht veräußern darf. Wenn aber der Dritte die Schuld 18 D. 34,7,1,2 Cels. 35 dig.; D. 30,84,8 Iul. 33 dig.; D. 31,66,6 Pap. 17 quaest.; D. 30,41,2 Ulp. 21 ad Sab.; D. 34,3,1 pr. Ulp. 21 ad Sab.; s. auch C. 6,37,13. Über die actio in personam im Allgemeinen s. Gai. 4,4; M. Zimmermann (o. Fn. 9) 145 ff.; Kaser (o. Fn. 1) 749 Fn. 42; Giuseppe Grosso, I legati nel diritto romano, Torino 1962, 260 ff.; Voci (o. Fn. 12) 256. 19 Heumann / Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Graz 197111, s. v. luere 2. Dass Julian das Wort luitio in diesem Sinne benutzt, erklärt sich aus D. 34,3,1,1 Ulp. 34 ad ed. 20 D. 34,3,1,1 Ulp. 21 ad Sab. Iulianus scripsit, si res pignori data legetur debitori a creditore, valere legatum habereque eum actionem, ut pignus recipiat, priusquam pecuniam solvat. 21 Siehe zur Frage, ob dadurch auch die Schuld erlischt, Max Kaser, Studien zum römischen Pfandrecht, Napoli 1982, 135 Fn. 135.
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bezahlt, wird der Schuldner dadurch von seiner Schuld befreit.22 Dann kann der Schuldner mit der actio pigneraticia die Pfandsache erlangen.23 IV. Fall 2: D. 30,86,1–3 Ein Erblasser hat in seinem Testament angeordnet, dass einer seiner Er ben dem Maevius einen Sklaven namens Stichus geben soll. Durch das Testament (nämlich durch ein legatum per damnationem)24 wird der Erbe verpflichtet, ihm den Sklaven zu übereignen. Dann hat der Erblasser sogar ein Kodizill angefer tigt und darin durch ein legatum per vindicationem erneut demselben Maevius denselben Sklaven vermacht. Dass das zweite Vermächtnis in dem Kodizill durch ein legatum per vindicationem ange ordnet ist, wird deutlich durch den Satz: ipso iure vindicari ex codicillis.25 Zunächst ist die Frage aufzuwerfen, warum sich Julian mit diesem Fall hier auseinandersetzen musste. Aber wenn man sich an den in Gai. 2,19526 überlie ferten Streit zwischen Sabinianern und Prokulianern über den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung durch legatum per vindicationem erinnert,27 dürfte die Frage leicht zu lösen sein. Nach Meinung der Sabini aner erwirbt der Vermächtnisnehmer sofort nach dem Erbschaftsantritt (hereditatis aditio) die vermachte Sache, „selbst wenn er nicht wisse“, so sagt 22 D. 3,5,38 Gai. 3 de verb. oblig.; D. 46,3,53 Gai. 5 ad ed. prov.; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, Cape Town 1990 (Ndr. 1996), 752; Kaser (o. Fn. 1) 636. 23 D. 13,7,9,3 Ulp. 28 ad ed. 24 Grosso (o. Fn. 18) 110; Mario Talamanca, Revoca testamentaria e „translatio legati“, in: Studi in onore di Emilio Betti, Bd. IV, Milano 1962, 179–348, 199 ff. Dass es sich hier um ein legatum per damnationem handelt, erhellt aus dem Kontext von Julians Digesta und aus den Worten ab uno herede legare. Das Eigentum einer Sache, die ursprünglich dem Erblasser gehörte, kann nicht durch einen von mehreren vorhandenen Erben übertragen werden. 25 Grosso (o. Fn. 18) 110; Talamanca (o. Fn. 24) 200. 26 Gai. 2,195 In eo solo dissentiunt prudentes, quod Sabinus quidem et Cassius ceterique nostri praeceptores, quod ita legatum sit, statim post aditam hereditatem putant fieri legatarii, etiamsi ignoret sibi legatum esse, sed postea quam scierit et spreuerit legatum, proinde esse atque si legatum non esset; Nerua uero et Proculus ceterique illius scholae auctores non aliter putant rem legatarii fieri, quam si uoluerit eam ad se pertinere: sed hodie ex diui Pii Antonini constitutione hoc magis iure uti uidemur, quod Proculo placuit; nam cum legatus fuisset Latinus per uindicationem coloniae, „Deliberent“, inquit, „decuriones, an ad se uelint pertinere, proinde ac si uni legatus esset“. 27 Moriz Wlassak, Vindikation und Vindikationslegat, ZRG RA 31 (1910) 196– 321, 196 ff.; Silvio Romano, Sull’acquisto del legato „per vindicationem“, Padova 1933, 1 ff.; Hans Kreller, Rez. zu Romano, ZRG RA 58 (1938) 334–349, 334 ff.; Grosso (o. Fn. 18) 361 ff.; Kaser (o. Fn. 1) 753; Kaser / Knütel (o. Fn. 4) 448.
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Gaius „dass ihm ein Vermächtnis hinterlassen worden sei. Wenn er davon erfahren und auf das Vermächtnis verzichtet habe, sei die Rechtslage so, als ob ihm nichts vermacht worden sei.“ Nach Meinung der Prokulianer fällt die Sache „nur dann ins Eigentum des Vermächtnisnehmers, wenn er wolle, dass sie ihm gehöre.“ Ob er rückwirkend ab dem Erbschaftantritt Eigentü mer wird, wenn er will, ist unklar. Gaius teilt uns auch mit, dass sich heute aufgrund einer Konstitution des verewigten Kaisers Pius die proku lianische Ansicht durchgesetzt hat. Iavolenus D. 31,4028 teilt uns die Haltung eines sabinianischen Juristen über die Thematik mit. Der Jurist berichtet von folgendem Fall: Ich habe zwei Sklaven (A und B). Ein Testator hat meinen beiden Sklaven zusammen eine Sache vermacht. Ich schlage das Legat namens des A aus. Aber in Bezug auf B schweige ich, d. h. ich schlage das Vermächtnis weder aus, noch nehme ich es an. In diesem Fall entscheidet Iavolenus, ein Jurist, der zu den Sabinianern gehört, dass die ganze Sache mir zusteht. Als Grund gibt der Jurist an, dass ich den Anteil des einen Sklaven (des A) durch den anderen Sklaven (des B) er werbe, als ob das Vermächtnis mir und dem Sklaven B ausgesetzt worden wäre. Die Stelle zeigt deutlich, dass für Iavo lenus die Erklärung der Annahme nicht erforderlich ist, um den vermachten Gegenstand zu erlangen. Zur Auffassung der Prokulianer haben wir noch eine Stelle, die sich auf unsere Thematik bezieht, nämlich Neratius D. 47,2,65.29 Ein Erblasser hat den Titius als Erben eingesetzt und dem Seius einen Sklaven dinglich ver macht. Bevor Titius die Erbschaft antritt, hat der vermachte Sklave dem Titius ir gend eine Sache gestohlen. Nach dem Erbschaftsantritt verlangt Seius den Sklaven. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob Titius mit der Noxalklage gegen Seius kla gen kann. Neratius antwortet bejahend. Nach Neratius gehört der Sklave nicht Titius, als der Diebstahl verübt wird. Und Titius werde auch dann nicht rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erbschafts antritts Eigentümer des Sklaven, wenn er die Erbschaft antritt. Das Eigen tum am Sklaven gehe direkt vom Erb lasser auf den Vermächtnisnehmer 28 D. 31,40 Iav. 1 epist. Si duobus servis meis eadem res legata est et alterius servi nomine ad me eam pertinere nolo, totum ad me pertinebit, quia partem alterius servi per alterum servum adquiro, perinde ac si meo et alterius servo esset legatum. Über diese Stelle Romano (o. Fn. 27) 19. 29 D. 47,2,65 Ner. 1 membr. A Titio herede homo Seio legatus ante aditam heredita tem Titio furtum fecit. si adita hereditate Seius legatum ad se pertinere voluerit, furti eius servi nomine aget cum eo Titius, quia neque tunc, cum faceret furtum, eius fuit, et (ut maxime quis existimet, si servus esse coeperit eius, cui furtum fecerat, tolli furti actionem, ut nec si alienatus sit, agi possit eo nomine) ne post aditam quidem hereditatem Titii factus est, quia ea, quae legantur, recta via ab eo qui legavit ad eum cui legata sunt transeunt. Über diese Stelle Romano (o. Fn. 27) 19 f.
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über. Hier benutzt der Jurist die Worte recta via. Diese Ausdrucksweise kann man noch in einigen anderen Stellen finden (Ulp. D. 7,9,9 pr.; Proc. D. 12,6,53; Pap. D. 31,80, D. 36,1,57). Aber nirgends versteht man darunter eine Rückwirkung. Recta via bedeutet nichts anderes, als dass das Eigentum am Sklaven direkt, d. h. ohne Vermittlung der Erben, vom Erblasser an den Vermächtnisnehmer übergeht. Die Ansicht der Sabinianer kann man in zwei Aussagen zusammenfassen: (1) Der Vermächtnisnehmer erlangt sofort nach dem Erbschaftsantritt das Eigentum an dem vermachten Gegenstand. Er braucht deshalb seinen dahin gehenden Willen nicht zu erklären. (2) Nur wenn er das Vermächtnis aus schlägt, wird er behandelt, als habe er mit dem Erbschaftsantritt kein Eigen tum erlangt. Diese Willenserklärung wirkt rückwirkend. Die Ansicht der Prokulianer kann man ebenfalls in zwei Aussagen zusammenfassen: (1) Der vermachte Gegenstand gehört bis zur Willenserklärung des Vermächtnisneh mers niemandem. Die Sache ist res nullius. (2) Erst mit der Willenserklä rung, entweder das Vermächtnis auszuschlagen oder anzunehmen, erhält der Vermächtnisnehmer oder der Erbe das Eigentum. Die Willenserklärung hat keine Rückwirkung. Wenn man den Fall in D. 30,86,1 nach sabinianischer Lehre behandelt, wird Maevius sofort nach der hereditatis aditio Eigentümer des Sklaven, obwohl niemand davon weiß, bevor das Kodizill eröffnet wird, dass der Testator mit einem legatum per vindicationem dem Maevius den Sklaven vermacht hat. Das ist der Grund, warum Julian diesen Fall hier behandelt. Auch hier wird also einem Vermächtnisnehmer die eigene Sache ver macht. Julian hält das erste Vermächtnis für wirksam und lehnt es ab, dass Maevius durch das zweite Ver mächt nis den Sklaven erlangt. Aber man fragt, warum Julian das erste für wirk sam hält. Die Antwort Julians auf diese Frage ergibt sich aus dem nächsten Paragraphen. In D. 30,86,230 stellt sich die Frage, wem die durch den vermachten Sklaven nach der hereditatis aditio bis zur repudiatio (oder non repudiatio) erworbe nen Sachen zustehen, ob dem legatarius oder dem Erben. Julian sagt, dass die Lage in der Schwebe (in suspenso) ist, bis der Lega tar endgültig entscheidet, das Le gat auszuschlagen oder anzunehmen. Wenn der Legatar das Legat des Sklaven ausschlägt, gehören die von die sem erworbenen Sachen rückwirkend dem Erben. Wenn er dagegen nicht ausschlägt, gehören sie schon seit der hereditatis aditio dem Vermächtnis nehmer.31 30 Dazu Wlassak (o. Fn. 27) 236 ff.; Romano (o. Fn. 27) 20 ff.; Kreller (o. Fn. 27) 338; Grosso (o. Fn. 18) 364 ff.; Kaser (o. Fn. 1) 753. 31 D. 30,81,6 Iul. 32 dig. Si Titius, cui Stichus legatus fuerat, antequam sciret ad se legatum pertinere, decesserit et eundem Seio legaverit et heres Titii legatum
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Wenn man diese Lehre auf den Fall in D. 30,86,1 anwendet, muss man sagen, dass bis zur Eröffnung des Kodizills die Lage des Stichus in der Schwebe (in suspenso) ist, und deshalb ist die Tatsache, dass der Legatar schon das Eigen tum durch legatum per vindicationem erhalten hat, kein Hindernis dafür, das erste Vermächtnis für wirksam zu halten. Hier ist die Frage aufzuwerfen, warum Julian das zweite Vermächtnis nicht für wirksam hält. Wenn er die Lehre der Sabinianer befolgt hätte, müsste er es für wirksam halten, weil der Vermächtnisnehmer eine Ausschlagung nicht erklärt hat. Oder er müsste mindestens etwas dazu sagen, warum das zweite Vermächtnis trotzdem unwirksam ist. Seine Aussage: quia testator semel legatum ad eum pervenire voluit, gibt dafür keine Begründung. Die Worte be deuten nur, dass der Vermächtnisnehmer nicht noch einmal die Annahme des Vermächtnisses wirksam erklären kann. Sein Schweigen kann man nur dann verstehen, wenn man voraussetzt, dass auch nach Julians Meinung erst mit der Annahmeerklärung der Vermächtnisnehmer das Eigentum erlangt. Und wir möchten die Aufmerksamkeit noch auf einen weiteren Punkt lenken. Wie schon Kreller bemerkt hat,32 entsprechen die Worte Julians: si non reppulerit, ex die aditae hereditatis eius intellegetur, der sabinianischen Lehre nicht. Wenn Julian die sabinianische Lehre befolgt hätte, wäre eine solche Aussage nicht erforderlich gewesen. Wenn auch dem Vermächtnisnehmer der Anspruch aufgrund des zweiten Vermächtnisses versagt wird, bedeutet das nicht, dass das zweite Vermächt nis völlig unwirksam ist. Nach Julians Meinung ist es nämlich unter den Erben wirksam. Denn es hatte ja ein Erbe den gesamten Wert des Sklaven bezahlt, obwohl nach dem zweiten Vermächtnis alle Erben nach ihrem Erb teil belastet werden sollten. Um das zu verdeutlichen, greift Julian den Fall des § 3 auf. Papinian behandelt in D. 31,66,5 genau den gleichen Fall wie D. 30,86,1.33 Auch er hält das erste Vermächtnis für wirksam und verweigert dem Ver mächt nisnehmer, das Eigentum aufgrund des zweiten Vermächtnisses zu beanspruchen. Auch Ulpian behandelt einen fast gleichen Fall in D. 30,44,1.34 Er ist ebenfalls nicht der Auffassung, dass der Vermächtnisnehmer schon in non repudiaverit, Stichum Seius vindicabit. Dazu Wlassak (o. Fn. 27) 246 ff.; Romano (o. Fn. 27) 32 ff. 32 Kreller (o. Fn. 27) 338. 33 D. 31,66,5 Pap. 17 quaest. Eum, qui ab uno ex heredibus, qui solus oneratus fuerat, litis aestimationem legatae rei abstulit, postea codicillis apertis ab omnibus heredibus eiusdem rei relictae dixi dominium non quaerere: eum enim, qui pluribus speciebus iuris uteretur, non saepius eandem rem eidem legare, sed loqui saepius. 34 D. 30,44,1 Ulp. 22 ad Sab. Si quis rem, sibi legatam ignorans adhuc, legaverit, postea cognoverit et voluerit ad se pertinere, legatum valebit, quia, ubi legatarius non repudiavit, retro ipsius fuisse videtur, ex quo hereditas adita est: si vero
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der Zwischenzeit (nämlich von der hereditatis aditio bis zur repudiatio oder non repudiatio) Eigentümer wird. Nach Ulpian erhält er erst mit seiner Wil lens erklä rung rückwirkend das Eigentum.35 Deswegen besteht für Ulpian gar kein Hindernis, das erste Vermächtnis für wirksam zu halten. Die herrschende Meinung unter den Spätklassikern in der Frage des Legats erwerbs ist m. E. die folgende: Nach dem Tod und bis zum Erb schaftsantritt (hereditatis aditio) bleibt das Rechtsverhältnis der Erbschaft in der Schwebe. Mit dem Erbschaftsantritt (hereditas aditio) wird der Erbe Eigentümer der einzelnen Erbschaftssachen außer den vermachten Sachen. Ihr Schicksal bleibt weiterhin in der Schwebe bis zur Willenserklärung des Vermächtnisnehmers. Wenn er das Vermächtnis ausschlägt, wird der Erbe rückwirkend ab dem Erbschaftsantritt Eigentümer der Sache. Wenn er es dagegen annimmt, wird er rückwirkend ab dem Erbschaftsantritt Eigentü mer. Diese Auffassung wurde von Julian begründet. repudiaverit, retro videtur res repudiata fuisse heredis. Zum Text Romano (o. Fn. 27) 77 ff.; Grosso (o. Fn. 18) 373. 35 Vorausgesetzt, dass Ulpian nicht der sabinianischen Lehre gefolgt ist, kann man D. 9,2,13,3 Ulp. 32 ad ed. ohne Emendation deuten: Si servus legatus post aditam hereditatem sit occisus, competere legis Aquiliae actionem legatario, si non post mortem servi adgnovit legatum: quod si repudiavit, consequens esse ait Iulianus dicere heredi competere. Die Dinge liegen ganz einfach. Ein vermachter Sklave wird nach dem Erbschaftsantritt getötet. Für diesen Fall nennt Ulpian zwei Varian ten. Bei einer Variante hat der Vermächtnisnehmer seinen Annahmewillen erst nach dem Tod äußert. Bei der anderen hat er das Legat ausgeschlagen. Ulpian erklärt nicht deutlich, ob die Ausschlagung vor dem Tod erklärt ist. Die Schwierigkeit der Stelle liegt darin, wie man die Worte: si non post mortem, verstehen soll. Mommsen zweifelt an der Echtheit des Wortes non, obwohl man es deutlich im codex Floren tinus und in den Basiliken erkennen kann. Bei Haloander steht es dagegen nicht. Dennoch lässt sich die Stelle m. E. ohne Emendation verstehen, wenn man voraus setzt, dass Ulpian die These der Prokulianer übernommen hat. Nach den Prokulia nern erhält, wie dargelegt, der Vermächtnisnehmer erst mit der Annahmeerklärung das Eigentum an der vermachten Sache. Wenn die Sache vor der Willenserklärung vernichtet wird, wird das Vermächtnis ohne weiteres unwirksam. Weil der Gegen stand vor Wirksamwerden des Vermächtnisses zerstört ist, kann er seinen Willen, das Vermächtnis anzunehmen, nicht mehr wirksam erklären. Dass Ulpian voraussetzt, dass der Vermächtnisnehmer erst mit der Erklärung der An nahme das Eigen tum bekommt, zeigt noch deutlicher D. 30,44,1 Ulp. 22 ad Sab. Gegen diese Deutung lassen sich zwei Einwände formulieren. In der zweiten Variante des Texts sagt Ul pian nicht, wann der Ausschlagungswille erklärt wird. Aber man kann ohne weiteres unterstellen, dass Ulpian stillschweigend von einem Zeitpunkt vor dem Tod des Sklaven ausgegangen ist. Ein zweites Hindernis ist der Text D. 9,2,34 Marc. 21 dig. Dort zeigt sich, dass der Vermächtnisnehmer auch nach dem Tod des vermachten Sklaven die Willenserklärung abgeben kann. Aber man kann auch dieses Hindernis beseitigen, wenn man hier Marcellus als Vertreter der sabinianischen Lehre versteht, obwohl ihn Pomponius nicht als Sabinianer kennt. Vgl. im übrigen zu D. 9,2,13,3 Wlassak (o. Fn. 27) 298 ff.; Romano (o. Fn. 27) 85 ff.
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V. Fall 3: D. 30,86,4 Dem Verständnis des Sachverhaltes des § 4 stehen zwei Hindernisse im Weg, nämlich die synonym gebrauchten Wörter servitus und superficies. In der modernen Romanistik wird die Echtheit von hac servitute in D. 30,86,4 mitunter bezweifelt.36 Beim heutigen Stand der Forschung ist es aber unhaltbar, eine Überarbeitung in nachklassischer Zeit oder eine justinianische Interpolation zu vermuten. Weil die nachklassischen Quellen das Wort superficies gar nicht benutzen,37 kann man sagen, dass das nach klassische Recht am Erbbaurecht nur geringes Interesse hatte. Zwei Deutungen sind hier möglich: Nach der ersten setzt Julian die Exis tenz eines neuen Rechts voraus, das einem ususfructus in gewisser Weise ähnlich ist. Nach anderer Deutung bleibt Julian dagegen noch im Rahmen der herkömmlichen Dogmatik. Mit dem Wort servitus sind normalerweise die iura praediorum rusticorum oder urbanorum gemeint.38 Aber die klassischen Juristen nennen auch den usus fructus bisweilen servitus.39 Deswegen wäre es möglich, dass Julian da mit hier auf ein dem ususfructus ähnliches Recht verweist. Ein Nießbrauch ist jedoch im Grundsatz nicht vererblich40 und kann deshalb auch nicht im Wege des Vermächt nis ses übertragen werden. Es ist zwar 36 Vogt
(o. Fn. 1) 26; Bund (o. Fn. 10) 205; Kaser (o. Fn. 10) 307 Fn. 10. (o. Fn. 10) 49, 80. 38 D. 1,8,1,1 Gai. 2 inst. […] eodem numero sunt et iura praediorum urbanorum et rusticorum, quae etiam servitutes vocantur. Siehe auch Gai. inst. 2,14. – Schon Alfenus (D. 8,5,17,2 Alf. 2 dig.) und Labeo (D. 8,1,19 Lab. 4 post. a Iav. epit.); D. 8,3,10 (Paul. 49 ad ed.) benutzen das Wort in diesem Sinne, Julian gleichfalls (D. 7,1,15,7 Ulp. 18 ad Sab.; D. 7,6,5,1 Ulp. 17 ad ed. et passim). 39 Nach Cosima Möller, Die Servituten, Göttingen 2010, 34 ist der Begriff servitus in der spätklassischen Zeit erweitert und so auch der ususfructus darunter verstanden worden. Sie nennt nur Marcian (D. 8,1,1 Marc. 3 reg.), aber auch bei Papinian (D. 8,5,6,4 Ulp. 17 ad ed.; D. 31,66,6 Pap. 17 quaest.), Paulus (D. 7,4,27 Paul. 1 manual.; D. 35,2,1,9 Paul. l.s. ad l. Falcid.; D. 50,16,25 pr. Paul. 21 ad ed.) und Maecian (D. 49,17,18,3 Maec. 1 fideic.) kann man diese Terminologie entde cken. Im Unterschied dazu benutzt Ulpian das Wort ausschließlich im Sinne einer Grunddienstbarkeit (D. 4,2,9,7 Ulp. 11 ad ed.; D. 11,7,8,4 Ulp. 25 ad ed.; D. 13,3,1 pr. Ulp. 27 ad ed.; D. 42,8,3,1 Ulp. 66 ad ed.; D. 43,3,1,8 Ulp. 67 ad ed.; D. 43,24,15,8 Ulp. 71 ad ed.; D. 48,5,28,8 Ulp. 3 de adult.). D. 8,5,6,4 Ulp. 17 ad ed. (de ceteris servitutibus excepto usu fructu) ist gleichfalls keine Ausnahme, weil Ulpian hier Papinian zitiert. Es lässt sich jedenfalls keine Stelle anführen, wo Julian mit servitus einen ususfructus oder usus meinte. 40 Nach Thomas Finkenauer, Vererblichkeit und Drittwirkungen der Stipulation im klassischen römischen Recht, Tübingen 2010, 139 ff.; ders., „Diversi sint fructus“ – ein vererblicher Nießbrauch in der römischen Spätklassik, in: Inter cives necnon peregrinos. Essays in honour of Boudewijn Sirks, Göttingen 2014, 241 ff., 37 Levy
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nicht völlig ausgeschlossen, dass Julian hier ein neues nicht höchstpersön liches Recht, das einem Nießbrauch ähnelt, aber mit dem Tod des Berech tigten nicht erlischt, anerkannt hat. Diese Deutung scheint mir aber unwahr scheinlich, weil wir kein Indiz dafür haben, dass irgendein Jurist vor Julian mit dem Wort superficies ein solches Recht gemeint hätte.41 Zudem beach tet sie nicht hinreichend den Kontext des gesamten Fragments. D. 30,86 behandelt nicht dingliche Rechte, ihre Übertra gung oder ihr Erlöschen, sondern nur das Legat an einen Vermächtnisnehmer. Aufgrund des Zitats in D. 30,71,542 lässt sich zwar mit Sicherheit sagen, dass Julian im Hinblick auf einen ager vectigalis ein ius aliquod erwähnt. Aber der Kontext von D. 30,86 ist ein anderer als derjenige von D. 30,71,5. Insgesamt ist die Deutung der servitus als dingliches Recht daher wenig überzeugend. Werfen wir nun einen Blick auf die genannte zweite Deutung. Auch wenn man denkt, dass Julian noch im herkömmlichen Rahmen bleibt, d. h. dass ihm eine superficies als ius in re aliena fremd ist, lässt sich ohne weiteres sagen, dass er im Fall des D. 30,86,4 die superficies für einen testamenta risch ver fügbaren Gegenstand hält. Mit der superficies ist dann nur ein Pachtverhältnis gemeint,43 das der Testator mit dem Eigentümer eingegan gen war und nun zum Gegenstand seines Vermächtnisses an den Eigentümer macht. Die Position des Pächters ist grundsätzlich vererblich, wie vor kurzer Zeit du Plessis gezeigt hat,44 und kann deshalb auch zum Gegenstand eines Legats gemacht werden. Hieraus lässt sich schließen, dass die Rechtsfolge des Vermächtnisses ein fach das Erlöschen oder die Auflösung des Pachtverhältnisses ist. Diese Sachlage ist derjenigen des in D. 30,86 pr. berichteten Falles sehr ähnlich. Es bleibt freilich noch zu klären, wie man hac servitute in § 4 übersetzen soll. Unter servitus versteht man normalerweise eine Grunddienstbarkeit, oder in spät klassischer Zeit gelegentlich auch einen usus fructus.45 Die servitus in D. 30,86,4 lässt sich jedoch mit diesen beiden klassischen Be war es in spätklassischer Zeit allerdings möglich, durch eine stipulatio uti frui licere einen vererblichen Nießbrauch zu bestellen. 41 Siehe oben Fn. 3. 42 D. 30,71,5 Ulp. 51 ad ed. Si fundus municipum vectigalis ipsis municipibus sit legatus, an legatum consistat petique possit, videamus. et Iulianus libro trigensimo octavo digestorum scribit, quamvis fundus vectigalis municipum sit, attamen quia aliquod ius in eo is qui legavit habet, valere legatum. – Rainer (o. Fn. 1) 343 erkennt eine Ähnlichkeit der Entscheidungen in D. 30,71,5 Ulp. 51 ad ed. und in D. 30,86,4. 43 Vgl. D. 43,18,2 Gai. 25 ad ed. prov. 44 Paul J. du Plessis, The Hereditability of Locatio Conductio, in: Beyond Dog matics. Law and Society in the Roman World, Edinburgh 2007, 139–153, 139 ff. 45 Siehe o. Fn. 39.
D. 30,86,4: Ursprung der superficies als ius in re aliena?289
deutungen nicht in Verbindung bringen. Vielmehr ist das Wort untechnisch als „Belastung“46 zu begreifen. Zuletzt noch ein Wort zur Bedeutung von superficiem lucrifaciat. Das Verb lucrifacere bedeutet nicht den Erwerb des Eigentums oder eines ding lichen Rechts, sondern den Erwerb irgendeines Vermögensvorteils.47 Es lassen sich auch keine Beispiele finden, in denen es mit irgendwelchen dingli chen Rech ten (z. B. einem ususfructus oder iura praediorum) ver knüpft ist. Es lässt sich daher kaum von der Hand weisen, dass hier superficies lediglich das Gebäude auf dem Grundstück bedeutet. D. 30,86,4 sollte also folgendermaßen übersetzt werden: „Ein Vermächtnis ist wirksam, wenn ein Gebäude demjenigen vermacht wurde, auf dessen Grund und Boden es steht, obgleich er Eigentümer des Bodens ist. Denn er kann [aufgrund des Vermächtnisses] erreichen, dass er von dieser Belastung befreit wird und das Gebäude dazu erwirbt.“
VI. Schluss In allen drei Fällen von D. 30,86 ist der Eigentümer irgendwie belastet, aber er wird von der Belastung durch ein legatum per damnationem befreit. Darin liegt eine Gemeinsamkeit der Fälle. Unserer Meinung nach kann man aufgrund von D. 30,86,4 nicht sagen, dass Julian unter superficies ein dingliches Recht verstanden oder die superficies schon als ius in re aliena anerkannt hätte. Wenn eine solche Auf fassung in anderen Texten Julians nicht entdeckt werden kann, lässt sich mit Sicherheit feststellen, dass das Erbbaurecht erst nach seiner Zeit anerkannt wurde.
46 Rainer 47 Gai.
(o. Fn. 1) 343. 2,56; D. 47,2,66 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul.; D. 41,1,5,1 Gai. 2 rer. cott.
Eine raffinierte Falllösung zur condictio indebiti: Scaev. D. 12,6,67,41 Von Shigeo Nishimura I. Einleitung Ein Exzerpt aus dem fünften Buch der Digesten des Scaevola, das den Digestentitel D. 12,6 (De condictione indebiti) beschließt (D. 12,6,67), ist in der Literatur nur wenig erörtert.2 Hier soll der letzte Paragraph des Frag ments (§ 4) näher untersucht werden, der die in integrum restitutio eines minor bei einem verzinslichen Darlehen behandelt. D. 12,6,67,4 (ed. mai. 1, S. 369, 9–18)3 Lucius Titius hat dem Gaius Seius, der jün Lucius Titius Gaio Seio minori annis viginti quinque pecuniam ger als fünfundzwanzig Jahre war, einen be certam credidit et ab eo aliquantum stimmten Geldbetrag als Darlehen gege ben 1 Vorarbeiten zu dem Manuskript entstanden im Jahre 2004 im Rahmen eines Forschungsaufenthalts bei Laurens Winkel in Rotterdam. Nach Diskussionen auf der SIHDA September 2004 (Bielefeld), in der Kyoto-Arbeitgemeinschaft für römisches Recht März 2008 (Kyoto) und dem Fukuoka-Colloquium März 2013 (Fukuoka) wurde es wesentlich erweitert. Ich bedanke mich herzlich bei Laurens Winkel und allen Diskutanten. Wolfgang Kaiser (Freiburg) danke ich für die sprachliche Durch sicht des Manuskripts. 2 Th. Schimmelpfeng, Hommel Redivivus oder Nachweisung der bei den vorzüglichsten älteren und neueren Civilisten vorkommenden Erklärungen einzelner Stellen des Corpus Juris Civilis, Bd. 1, 1858, 350 verweist auf: „Duaren. in h. tit. Cod. et Dig. c. 11 opp. p. 917. Hotom. Obs. V. c. 24“. Die Erläuterung durch Du arenus findet sich in D. Francisci Duareni celeberrimi omnia quae quidem hactenus edita fuerunt opera, Francoforti 1607, Cap, 11, S. 916a-917a, 917a; zu Hotman s. unten Fn. 12. Cujas scheint die Stelle nicht zu behandeln, s. zu D. 12,6,67,4 Dominico Albanese, Promptuarium universorum operum Jacobi Cujacii, Bd. 1, Modena 1795, 141, 3. Spalte. S. Solazzi, La minore età nel diritto romano, 1912, 6 und 8 zitiert lediglich D. 12,6,67,4 in einer Aufzählung von Digestenstellen über Darlehens aufnahme und Schuldenzahlung durch Minderjährige (ohne sachliche Erörterung). Der Index interpolationum verzeichnet die Stelle nicht, s. Bd. 1, 1929, 189 sowie Suppl 1929. Auch die neueste Abhandlung zur in integrum restitutio von Fr. Musumeci, Protezione pretoria dei minori di 25 anni e ius controversum in età imperiale, 2013 bietet für die Stelle keine neueren Literaturhinweise. 3 Die Übersetzung folgt O. Behrends / R. Knütel / B. Kupisch / H. H. Seiler, Cor pus juris civilis. Text und Übersetzung, Bd. 3: Digesten 11–20, 1999, 134.
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usurarum nomine accepit, et Gaii Seii minoris heres adversus Publi um Maevium a praeside provinciae in integrum restitutus est, ne debi tum hereditarium solveret, et nec quicquam de usuris eiusdem sortis, quae Seius minor an nis viginti quinque exsolveret, repetendis trac tatum apud praesidem aut ab eo est pronuntiatum: quaero, an usuras, quas Gaius Sei us minor annis viginti quinque quoad viveret creditori exsolveret, heres eius repetere possit. respondit secundum ea quae pro pone rentur condici id, quod usu rarum nomine defunctus sol visset, non posse. item quaero, si existimes repeti non posse, an ex alio debito heres reti nere eas possit. respondit ne hoc quidem.
und von ihm einiges an Zinsen erhal ten. Dann ist der Erbe des minderjährig verstor benen Gaius Seius vom Provinz statthalter gegen Publius Maevius in den vorigen Stand wiedereingesetzt worden, so dass er die er erbte Schuld nicht zu erfüllen brauchte. Es wurde jedoch nichts über die Rückforderung der Zinsen für dieses Kapital, die Seius als Minderjähriger unter fünfundzwanzig Jahren gezahlt hatte, vor dem Statthalter verhandelt oder von diesem entschieden. Ich frage, ob nunmehr der Erbe die Zinsen zurückverlangen könne, die Gaius Seius als Minderjähriger unter fünfundzwanzig Jahren4 zu seinen Lebenszeiten an den Gläubi ger gezahlt hatte. Scaevola hat gutachtlich entschieden, nach dem, was vorgetragen wurde, könne das, was der Verstorbene als Zinsen gezahlt ha be, nicht kondiziert weden. Ferner frage ich, wenn du meinst, sie können nicht zurückverlangt werden, ob der Erbe sie dann gegenüber einer anderen Forderung zurückbehalten könne. Scaevola hat gutachtlich ent schieden, nicht einmal das sei zulässig.
Die traditionelle Auslegung, die bis ins Hochmittelalter zurückreicht,5 ver steht D. 12,6,67,4 folgendermaßen: Ein Minderjähriger hat eine be stimmte Geldsumme als Darlehen erhalten und dafür zu seinen Lebzeiten dem Darlehensgeber regelmäßig Zinsen gezahlt.6 Nach seinem Tod hat sein Erbe beim Provinzstatthalter mit Erfolg um eine in integrum restitutio we gen Minderjährigkeit nachgesucht. Die Zinsen waren allerdings nicht Ge genstand der Verhandlung vor dem Statthalter und kamen in dessen Urteil nicht vor. Der Erbe ist daher zwar von der Darlehensschuld befreit, kann aber weder die Zinsen beim Darlehensgeber kondizieren (1. Frage) noch die Begleichung einer ande ren Forderung gegenüber dem Darlehensgeber in Höhe der gezahlten Zinsen verweigern (2. Frage). Der Entscheidung Scae volas liegt die Erwägung zugrunde, dass die Hingabe des Kapitals und die Zahlung der Zinsen zwei getrennte juristische Sachverhalte bilden. Daher beschränkt sich die Entscheidung des Statthalters über die in integrum restitutio auf das Kapital und erfasst nicht auch die Zinsen. 4
bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 3) 134. Fn. 7, 11. 6 Die Frage, ob der Darlehensgeber das Alter seines Schuldners und damit das Risiko einer in integrum restitutio des minor gekannt hat, thematisiert Scaevola nicht. 4 Fehlt
5 S. unten
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Daraus ergibt sich, dass der Erbe des minor zwar wegen der entrichteten Zinsen beim Statthalter erfolgreich einen Antrag für eine weitere in integrum restitutio stellen kann, ihm aber keine retentio gegen sonstige Ansprü che des Darlehensgebers zusteht, sofern nicht der Statthalter in einem neuen decretum auch eine in integrum restitutio bezüglich der Zinsen angeordnet hat. Bereits Bartolus sah die Entscheidung Scaevolas als Aussage über das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensache bei einer in integrum restitutio an.7 Warum Scaevola das Problem von Haupt- und Nebensache bei der in integrum restitutio gerade bei der condictio behandeln sollte, wird allerdings nicht thematisiert. Diese Konstruktion scheint auf den ersten Blick überzeugend. Anders als beim bonae fidei iudicium, bei dem der Richter die Zinsen festsetzen kann, werden beim Darlehen Zinsen mit einer besonderen stipulatio versprochen und können sogar selbständig eingeklagt werden. Wenn das Dekret über die in integrum restitutio im Hinblick auf das Darlehen die bezahlten Zinsen nicht erwähnt, kann im Hinblick auf sie als einer selbständigen Vereinba rung erneut eine in integrum restitutio beantragt werden. Dagegen könnte man einwenden, dass bekanntlich Zinsen in der Praxis zumeist ohne beson dere stipulatio bezahlt wurden8, und es daher nicht sachgerecht wäre, die Zinsen, die nicht auf einer stipulatio beruhen, von der in integrum restitutio für das Kapital auszunehmen. Über den Umfang der Wirkung einer in integrum restitutio bieten die Quel len wenig Informationen. Bei Verträgen mit einem wechselseitigen Leistungsaustausch führt die in integrum restitutio des minor zu einer bei 7 Bartoli Commentaria (u. Fn. 28) zu Lucius Titius: Restitutio concessa super principali, ad accessorium non extenditur. Item quod per in integrum restitutionem quis posset consequi, ea nondum petita et obtenta non potest in compensationem deduci; Sfortius Oddus (Sforza Oddi; 1540–1611), De restitutione in integrum, Ve netiis 1584, Pars I, quaest. XLV, § 25 (S. 411a): Limitatur (die Rückgewähr gezoge ner Früchte bei der in integrum restitutio) tertio ut non procedat nisi iste (!) fructus petantur in libello, et iudex in sententia illos restituendos exprimat specialiter, alias enim tacite in condemnatione non venirent, quando restitutio in integrum a iudice vivo facienda venit, prout regulariter accidit …; G. C. Burchardi, Die Lehre von der Wiedereinsezung in den vorigen Stand, 1831, 558–559: „Mit der Hauptsache muß man auch die Früchte und Accessionen herausgaben, so wie für Beschädigung der zu restituierenden Sache leisten, wobei in Ermangelung näherer Bestimmungen die für die Vindication geltenden Grundsätze in Anwendung zu bringen sind, was auch dadurch bestätigt wird, daß der Beklagte in bösem Glauben hier wie bei der Vindi cation sogar für die fructus percipiendos haftet, und daß auch hier gezogene Nut zungen nur soweit zu restituieren sind, als darauf ausdrücklich erkannt worden ist [Fn. 20].“ In Fn. 20 ist auf D. 12,6,67,4 verwiesen. 8 S. P. Gröschler, Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und her ku lanensischen Urkundenfunden, 1997, S. 156–176.
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derseitigen Rückgewähr der Leistungen.9 Unterschiedlich beurteilt die mo derne Literatur, ob Zinsen als Früchte anzusehen sind.10 Im folgenden soll D. 12,6,67,4 genauer analysiert werden. Folgende Punkte sind prima facie auffällig: Zunächst ist der Wechsel in den Namen der auftre tenden Personen bemerkenswert. Zu Beginn des Paragrafen er scheint der Darlehensgeber als Lucius Titius. Der spätere Antragsgegner der in integrum restitutio wegen Minderjährigkeit sollte denselben Namen tra gen. Doch er wird hier ohne weitere Erklärung als Publius Maevius be zeichnet. Diese Diskrepanz suchte bereits Accursius alternativ damit zu er klären, dass es sich entweder um dieselbe Person handle, die mehrere Namen besitze, oder der Namenswechsel auf einer Erbfolge auf Gläubigerseite be ruhe oder ein procurator aufgetreten sei.11 Hotman sieht Publius Maevius als Verwechslung oder Textverderbnis für Lucius Titius an.12 9 Paul. D. 4,4,24,4 (1 sent.): Restitutio autem ita facienda est, ut unusquisque integrum ius suum recipiat. itaque si in vendendo fundo circumscriptus restituetur, iubeat praetor emptorem fundum cum fructibus reddere et pretium recipere, nisi si tunc dederit, cum eum perditurum non ignoraret: sicuti facit in ea pecunia, quae ei consumpturo creditur, sed parcius in venditione, quia aes alienum ei solvitur, quod facere necesse est, credere autem non est necesse. nam et si origo contractus ita constitit, ut infirmanda sit, si tamen necesse fuit pretium solvi, non omnimodo emptor damno adficiendus est; Sev. C. 2,47(48),1 (s. a.): Qui restituitur in integrum, sicut in damno morari non debet, ita nec in lucro: et ideo quidquid ad eum pervenit vel ex emptione vel ex venditione vel ex alio contractu, hoc debet restituere. 1. Sed et si intercessor minor viginti quinque annis intervenit, in veterem debitorem debet restitui actio. 2. Sed et cum adiit minor hereditatem et restituitur, mox quidquid ad eum ex hereditate pervenit, debet praestare. 3. Verum et si quid dolo eius factum est, hoc eum praestare convenit. 10 Zum Fruchtbegriff s. M. Kaser, RPR I, 384, G. Astuti, ED 11 (1962), 9 f. s. v. cosa. 11 S. Accursius, Glosse Publium zu D. 12,6,67,4: Publium id est Lucium Titium, quadrinomius enim erat, vel dic quod hic erat heres creditoris vel procurator. So der Text in dem Digestum vetus, Venetiis, De Tortis, 1488 [Nachdruck 1969], fol. 212vb. Die früheste Druckausgabe des Digestum vetus, die in Perugia 1476 erschien, liest hingegen am Ende procuratoris statt procurator. Danach würde es sich um den Erben des Gläubigers oder des Prokurators handeln. Denselben Text wie die Ausgabe Peru gia 1476 bietet auch der Druck des Digestum vetus des Jahres 1627, Sp. 1335. Richtig ist die Lesung procurator in der Venezianer Ausgabe: D. 12,6,67,4 erwähnt keinen procurator, demnach ist kann auch kein Erbe eines Prokurators auftreten. Vielmehr kann nach Accursius Publius Maevius entweder ein weiterer Name von Lucius Titius sein oder Publius Maevius ist der Erbe des Lucius Titius oder Publius Maevius tritt als procurator des Lucius Titius auf. Die verschiedenen Versionen der Glosse zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur die verbreitete Ausgabe des Jahres 1627 zu benutzen. Inwieweit die Lesung procuratoris statt procurator schon in den Handschriften der Glossa ordinaria verbreitet ist, kann hier nicht weiter verfolgt werden. 12 S. Francisci Hotomani iurisconsulti observationum liber quinctus (sic!), Basi leae 1577, S. 44–45, Cap. 13 (Aliorum aliquot locorum emendationes), am Anfang:
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Bei der Auslegung eines Fragments, das mehrere Paragrafen umfasst, be steht heute allgemein die Tendenz, die Paragrafen eines Fragments als abge schlossene Sinnabschnitte zu betrachten und jeden Paragraf ohne Berücksich tigung des Zusammenhangs aus sich heraus zu verstehen. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass die spätantiken Digestenhandschriften eine verbindliche und einheitliche Paragrafeneinteilung besaßen. Paragrafenzei chen sind für eine Digestenhandschrift unmittelbar in den Pommersfeldener Fragmenten belegt, allerdings ohne Nummerierung.13 Mittelbar belegen Scholien zu den Basiliken, die aus dem Rechtsunterricht der Antecessoren stammen, dass im justinianischen Rechtsunterricht Digestenexemplare mit nummerierten Fragmenten und Paragrafen Verwendung fanden.14 Ein Fort wirken dieser Einteilung in das lateinische Mittelalter lässt sich aber nicht feststellen, die hoch mittel alterlichen Juristen namen selbständig Paragra pheneinteilungen vor, die dann in die frühen Drucke übergingen. Während eine Zählung der Fragmente im Jahre 1509 und 1510 in den Lyoneser Ausgaben von De Benedictis und Fradin auftritt,15 scheint sich die Para graphenzählung erstmals in der editio Taurelliana des Jahres 1553 zu fin den.16 Die Zählung ist daher konventionell und unterliegt Schwankungen in den Editionen. Dementsprechend kann die Konzentration auf einen Paragra fen den Verlust des Blicks auf die gesamte Argumentation des römischen Juristen nach sich ziehen.17 Die Paragrafen einteilung für D. 12,6,67, die Primus est in l. ult. § ult. D. de condic. ind. ubi Pvblivm Maevivm mendose legitur, pro L. Titium. de quo proposita quaestio fuerat (= Francisci Hotomani iurisconsulti observationum in ius civile libri IX, Genevae 1589, S. 116, Cap. 24). Unter den modernen Übersetzungen ist die spanische Übersetung von A. D’Ors, El digesto de Justiniano, Bd. I, 1968, 506 zu nennen: „contra Publio Mevio (digo Lucio Ticio)“. 13 S. P. Pommersfelden 3, fol. 3r / 19 zu D. 45,1,38,10 (ed. mai. 2, S. 655,30), fol. 3r / 21 zu D. 45,1,38,11 (S. 655,31); fol. 4r / 2 zu D. 38,1,1 (S. 656,4), fol. 4r / 15 zu D. 45,1,38,20 Mitte (is qui pupilli tutelam …; S. 656,7). Das letzte Beispiel zeigt, dass die spätantiken Einteilungen nicht mit den modernen übereinstimmen müssen. 14 S. nur als Beispiele BS 2,19–18 zu D. 1,1,1 (Bas. 2,1,1): T… dhlo‹ tÕ e„pe‹n ¢nagwg», e‡rhtai [[tÕ e„pe‹n]] bib. la/. tit. a/. dig. kaˆ qšm. teleut.; BS 5,23–24 zu D. 1,3,14 (Bas. 2,1,24): Toà 'AnwnÚmou. Bib. n/. tit. iz/. dig. rma/. kaˆ xba/. (65) kaˆ bib. mh/. tit. d/. dig. z/. (§ 3) kaˆ bib. lq/. tit. b/. dig. ig/. qšm. m/. (§ 36); BS 126,9–10 zu D. 3,3,45 (Bas. 8,2,45): Kaˆ shme…wsai, Óti oÙ p£ntwv d…dwsin ™ggÚav Ð defšnswr. 'An£gnwqi dig. mv/. qšm. g/. kaˆ dig. nb/. BS 1120,13–15 zu D. 15,1,11 (Bas. 18,5,11): 'En tù ka/. (25) dig. toà a/. tit. toà z/. bib. qšm. [v/. lšgei tÕn oÙsoufrouktou£rion] oÙk „scurîv tù doÚl0 t¦v „d…av Ñpšrav misqoàn oÜte tù BONA FIDE douleÚonti. 15 S. dazu W. Kaiser, Art. Digesten (Überlieferung), in: DNP 13, 1999, 845–852, 848. 16 S. Kaiser (o. Fn. 15), 850. 17 Insbesondere ergänzen sich die Erörterungen bei Scaevola gelegentlich, so etwa bei D. 20,1,34, oder D. 20,4,21. Zu Paul. D. 12,6,65,5–8. s. meinen Beitrag, Condictio indebiti bei operae liberti und operae servi – Versuch einer Exegese von
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den heutigen Ausgaben zugrundeliegt, findet sich bereits in der Torelliaus gabe.18 Daher möchte ich mich bemühen, jeden Paragrafen aus dem gesamten Kontext des Fragments heraus zu verstehen. Im folgenden kommt zuerst den Grundsatz der condictio indebiti zur Sprache, das Hauptthema des Ti tels, sodann der Inhalt von principium und § 1 sowie der Fall der Schuldüber nahme in den §§ 2–3, darauf die Rolle des Publius Maevius und die Forde rungsabtretung in § 4, anschließend das Verfahren der in integrum restitutio nach der Forderungsabtretung und am Ende das Problem des Vorwurfs der Nachlässigkeit gegen eine Partei bzw. den Statthalter. II. Der Grundsatz der condictio indebiti19 1. Die condictio indebiti entsteht dann, wenn das Schuldverhältnis objek tiv nicht besteht.20 In dieser Konstellation gibt es a) das (fehlende) Schuldverhält nis zwischen dem Gläubiger einerseits und dem Schuldner andererseits, b) den leistenden Schuldner und späteren Kläger und c) den Gläubiger als Empfänger und Beklagten.21 Der Schuldner ist zugleich der Zahlende und der Kläger, der Gläubiger zugleich der Empfänger und der Beklagte. Wenn diese Identität einmal fehlt, gibt es auch die condictio indebiti nicht mehr, anders gesagt, wenn der Kläger nicht der Zahlende oder der Beklagte nicht der Empfänger ist, scheitert die condictio indebiti sofort. 2. Die Qualifikation als Zahlender oder Empfänger ist daher von entschei dender Bedeutung. Diese Qualifikation ist nach rechtlichen Gesichtspunkten Paulus D. 12,6,65,8, in: Th. Finkenauer (Hrsg.), Sklaverei und Freilassung im römi schen Recht, Symposium für Hans Josef Wieling zum 70. Geburtstag, 2006, 189– 200. 18 S. Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta ex Florentinis Pandectis repraesentati, Florentiae 1553, 329–330. 19 Für die Diskussion dieses Abschnitts bedanke ich mich herzlich bei Hiroshi Ko dama (Kyoto). Zur Struktur der condictio indebiti s. auch S. E. Wunner, Der Begriff causa und der Tatbestand der condictio indebiti, Romanitas 9, 1970, 459– 483. 20 Das Schuldverhältnis kann schon vor der Leistung fehlen, aber auch erst nachträglich wegfallen. Im ersten Fall ist weiter zu unterscheiden, ob dem Leisten den die fehlende Verpflichtung bekannt war oder nicht. 21 Die Leistung auf eine existierende Verbindlichkeit, aber an den falschen Gläubiger, sowie die Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld behandelt Paulus 17 Plaut. in D. 12,6,65,9. Hier handelt es sich um eine Variante der condictio indebiti. In dem Fall, in dem das Schuldverhältnis objektiv besteht, zahlt entweder der wahre Schuldner an einen vermeintlichen Gläubiger oder der vermeintliche Schuld ner an den wahren Gläubiger. S. P. F. Girard (et F. Senn), Manuel élémentaire de droit romain, 8. Aufl. 1929, 656.
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vorzuneh men. Entscheidend hierfür ist die Beziehung der Person zum betreffenden Vermögen. Das, was geleistet wird, lässt sich als Qualifikation des geleisteten Objekts ansehen. Jedoch kann es zugleich als Qualifikation des Zahlenden bzw. Empfängers anzusehen sein. Der Zahlende erhält erst dann diese Eigenschaft, wenn die Zahlung aus seinem Vermögen oder dem Vermögen, über das er die Verwaltungsbefugnis besitzt, herrührt, der Emp fänger dann, wenn das Empfangene in sein Vermögen oder das Vermögen, über das er die Verwaltungsbefugnis besitzt, gelangt.22 3. Im römischen Recht richtet sich die condictio indebiti nur gegen den Empfänger der Leistung, nicht gegen den Bereicherten, wie Mod. 3 reg. D. 12,6,49 klarstellt.23 Das Problem der Qualifikation des Zahlenden oder des Empfängers und das der Identität dieser Personen mit dem Kläger bzw. dem Beklagten bildet eine Kernfrage der condictio indebiti.24 III. Der erste Teil des Fragments (principium und § 1) D. 12,6,67 pr.-1 Stichus testamento eius, quem domi num suum arbitrabatur, li ber tate accepta, si decem annis ex die mortis annuos decem here dibus praestitisset, per octo annos praefi25
Stichus hatte aus dem Testament dessen, den er für seinen Eigentümer hielt, die Freiheit unter der Bedingung erhalten, dass er zehn Jahre lange gerechnet vom Todestag an25 je zehn an die Erben zahlen werde. Acht Jahre
22 Es wird daher gelegentlich diskutiert, ob das Geld aus einer anderen Quelle bezahlt wurde, so etwa Paul. D. 42,5,6,2: quid ergo, si aliunde pupillus solverit?; Afr. D. 47,2,62(61),9. 23 D. 12,6,49: His solis pecunia condicitur, quibus quoquo modo soluta est, non quibus proficit. Auch Diocl. C. 4,2,15 (a. 294) und C. 4,10,13 (a. 294) bestätigen den Grundsatz. 24 Vielleicht könnte man einwenden, dass die obige Darstellung zu einseitig auf die Sicht der beteiligten Personen („Zahlender“ „Empfänger“) abstellt. Es wäre wün schenswert, eine noch genauere Erklärung des Grundsatzes der condictio indebiti aus den beiden zentralen Gesichtspunkten, den beteiligten Personen und dem Ver mögen, zu versuchen. 25 So bereits K. Otto / B. Schilling / K. Sintenis (Hrsg.), Das Corpus iuris civilis in´s Deutsche übersetzt von einem Verein Rechtsgelehrter, Bd. 2, 1831, 77 (vom Tage des Todes [des Herrn] an); A. D’Ors, El Digesto de Justiniano, Bd. 1, 1968, 506 (a partir de la muerte del testador); A. Söllner, Irrtümlich als Sklaven gehaltene freie Menschen und Sklaven in unsicheren Eigentumsverhältnissen (CRRS 9), 2000, 69; S. Schipani / L. Lantella (Hrsg.), Iustiniani Augusti Digesta seu Pandectae. Di gesti o Pandette dell’imperatore Giustiniano. Testo e traduzione, Bd. 3: 12–19, 2007, 75 (dal giorno della morte ). Unzutreffend hingegen Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler (o. Fn. 3) 134: am Todestag.
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nitam quantita tem ut iussus erat dedit, postmodum se inge nuum comperit nec reliquorum annorum dedit et pronuntiatus est ingenuus: quaesitum est, an pecuniam, quam heredibus dedit, ut indebitam datam repetere et qua actione possit. respondit, si eam pecuniam dedit, quae neque ex operis suis neque ex re eius, cui bona fide serviebat, quaesita sit, posse repeti. (1) Tutor creditori pupilli sui plus quam debebatur exsovit et tutelae iudicio pupillo non imputavit: quaero an repetitionem adversus creditorem haberet. respondit habere.
lang zahlte er gemäß der testamentarischen Anordnung den festgesetzten Betrag: danach erfuhr er, dass er freigeboren26 war, zahlte für die restlichen Jahre nicht mehr und wur de im Freiheitsprozesses für freigeboren er klärt. Es wurde gefragt, ob er das Geld, das er an die Erben gezahlt hatte, als nicht geschuldet Geleistetes zurückverlangen könne und mit welcher Klage. Scaevola hat gutachtlich entschieden, wenn er Geld gezahlt habe, das weder aus eigener Arbeit erworben worden sei noch aus dem Vermögen dessen, dem er als einem gut gläubigen Besitzer gedient hatte, stamme, so könne es zurückverlangt werden. (1) Ein Vormund hat dem Gläubiger seines Mündels mehr geleistet als geschuldet war und hat dies bei der Vormundschaftsklage dem Mündel nicht in Rechnung gestellt. Ich frage, ob er einen Anspruch auf Rück zahlung gegen den Gläubiger hat. Scaevola hat gutachtlich entschieden, er ha be einen Anspruch.
1. Das principium behandelt die Rückforderbarkeit von Geld, das ein Scheinsklave aufgrund einer testamentarischen Anordnung des Scheineigen tümers an den Erben in jährlichen Intervallen für seine Freilassung gezahlt hat. Auch andere Stellen diskutieren das Problem, inwieweit ein Scheinsklave den „Preis für seine Freilassung“ vom Scheineigentümer zurückverlangen kann.27 26
Das geleistete Geld kann nach Scaevola der Scheinsklave dann nicht zu rückfordern, wenn das Geld aus dem Vermögen des vermeintlichen Eigentü mers oder aus der Arbeit für ihn als (Schein-)Sklave herrührt. Wenn der Scheinsklave mit Geld aus dem Vermögen seines vermeintlichen Eigentü mers eine Schuld bezahlt, dann ist dies so anzusehen, als hätte er das Geld als Unfreier gezahlt. Eine condictio indebiti zur Rückforderung des „Preises für Freiheit“, welchen ein Scheinsklave bezahlt hat, setzt voraus, dass der Scheinsklave die Zahlungen aus anderweitigen Mitteln erbracht hat. 2. Der Zahlende bzw. der Zahlungsempfänger muss nicht der Inhaber des Vermögens sein, aus dem geleistet wird, sondern auch ein „Vertreter“ (z. B. 26 Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler
(o. Fn. 3) 134: „ein freigeborener Römer“. auch Ulp. D. 12,4,3,5 und D. 17,1,8,5; dazu R. Knütel, Das Mandatum zum Freikauf, in: Mandatum und Verwandtes, hrg. von D. Nörr / Sh. Nishimura, 1993, 353–374, 356 ff. 27 S.
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Vormund) kann leisten. Wenn die Tätigkeit des Vertreters endet oder sich nachträglich ändert, stellt sich die Frage nach dem richtigen Kläger oder Beklagten bei der condictio indebiti, da diese nur dem Inhaber des Vermö gens bzw. seinem rechtmäßigen Verwalter zusteht. § 1 erörtert den Fall, dass sich die Qualifikation des Zahlenden später verändert. Der Vormund hat dem Gläubiger des Mündels aus dem Vermögen des Mündels mehr gezahlt als geschuldet war. Bei unveränderter Sachlage steht die condictio indebiti dem Mündel selbst zu, um die Überzahlung wieder seinem eigenen Vermögen zuzuführen, wie Pap. D. 12,6,57 pr. zeigt. Denn die condictio indebiti wegen Überzahlung aus dem Vermögen des Mündels steht dem gegenwärtigen Verwalter des Vermögens zu, d. h. dem jetzt erwachsenen Mündel selbst. Jedoch hat der Vormund bei seiner Rech nungslegung nach dem Ende seines Amts den überzahlten Betrag nicht dem Mündel in Rechnung gestellt. Mit der Rechnungslegung steht fest, dass die Überzahlung nicht aus dem Mündelvermögen, sondern aus dem persön lichen Vermögen des Vormunds erfolgt ist. Das bedeutet, dass die Zahlung an den Gläubiger des Mündels jetzt nicht mehr als vom Vormund geleistet zu qualifizieren ist. Die tatsächlich leistende Person hat ihre Qualifikation nachträglich verändert. IV. Die Schuldübernahme beim Kauf eines überschuldeten Vermögens (§§ 2–3) D. 12,6,67,2–3 (2) Titius cum multos creditores haberet, in quibus et Seium, bona sua privatim facta venditione Mae vio concessit, ut satis credito ribus faceret: sed Maevius solvit pecu niam Seio tamquam debitam, quae iam a Titio fuerat soluta: quaesitum est, cum postea reppe riantur apochae apud Titium debito rem partim solutae pecu niae, cui magis repetitio pecuniae indebitae solutae competit, Titio debitori an Maevio, qui in rem suam procurator factus est. respondit secundum ea quae pro ponerentur ei, qui postea solvisset.
(2) Titius, der zahlreiche Gäubiger hatte, darunter auch Seius, überließ es nach priva ter Veräußerung seines Vermögens an Mae vius diesem, die Gläubiger zu befrie digen. Maevius aber zahlte, als wäre es noch ge schuldet, an Seius Geld, das Titius schon gezahlt hatte. Es wurde gefragt, ob für den Fall, dass spä ter beim Schuldner Titius Quittungen über Teilzahlungen gefunden wurden, die Rück forderung der nicht geschuldeten Geld beträge eher dem Schuldner Titius zu stehe oder dem Maevius, der zum Prozessvertreter in eigener Sache bestellt worden war. Scaevola hat gutachtlich entschieden, nach dem, was vorgetragen wurde, stehe die Rückforderung demjenigen zu, der später gezahlt habe.
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(3) Derselbe hat gefragt, ob eine Abrede, welche bei Rechnungsabschlüssen gewöhn lich in folgender Fassung hinzugefügt wird: „Aus diesem Vertrag besteht unter den Par teien kein Streit mehr“, eine Rückforderung hindere. respondit nihil proponi, cur impe Scaevola hat gutachtlich entschieden, es sei diret. nichts vorgetragen, weshalb die Abrede dies hindern sollte.
(3) Idem quaesiit, an pactum, quod in pariationibus adscribi so let in hunc modum „ex hoc con trac tu nulla inter se controversiam amplius esse“ impedit repetitionem.
1. Bisher pflegt man § 2 und § 3 getrennt zu behandeln. Schon Bartolus verstand § 2 als einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes „bei einer doppelten Bezahlung steht die condictio indebiti demjenigen zu, der später bezahlt hat“.28 § 3 soll hingegen die Frage behandeln, wie das pactum richtigerweise auszulegen ist. Freilich überrascht es, dass im Rahmen einer Erörterung der condictio indebiti die Auslegung eines pactum zur Sprache kommt. In Bas. 24,6,67 sind beide Paragrafen vereint, § 3 wird auf den Fall bezogen, den § 2 schildert.29 2. Wie bereits B. Frese bemerkt hat, deutet „idem quaesiit“ bei Scaevola auf die Fortsetzung desselben Sachverhalts.30 Danach wäre § 3 die Fortset zung von § 2. W. Kunkel hat richtig gesehen, dass § 2 eine Schuldübernahme zugrunde liegt, bei der der Schuldübernehmer als procurator in rem suam auftritt.31 28 S. Bartoli commentaria in secundam Digesti veteris partem, Venetiis 1473, zu Titius: Duobus idem debitum solventibus, ultimo solventi repetitio conceditur. hoc dicit. 29 S. Bas. 24,6,67,2–3: Crewstîn tiv ple…osin, ™n oŒv k¢mo…, ™xecèrhsš soi t¦ pr£gmata aÙtoà ™pˆ tù plhrîsai toÝv daneist£v, kaˆ dšdwk£v moi ½dh labÒnti par¦ toà creèstou oÙc Ð creèsthv, ¢ll¦ sÝ t¾n perˆ toà m¾ ke cre wsthmšnou ¢gwg¾n œceiv, m¾ kwluÒmenov ™k tîn kat¦ sun»qeian grafomšnwn ™n ta‹v apode…xesi tÕ mh dem…an ¢mfisbºthsin ™k toà sunall£gmatov Øpolele‹fqai (BT 1173, 22–27). Zu Bas. 24,6,67 sind keine Scholien erhalten, s. BS 1758. S. im übrigen zum Verhältnis zwischen Digesten und Basiliken meinen Beitrag: Die Berücksichtung der Basiliken durch Mommsen bei der Edition von D. 17,1 am Beispiel von D. 17,1,38 (Marcellus 1. sing. resp.), in: Mandatum und Verwandtes (o. Fn. 27), 101–109. 30 B. Frese, Zur Lehre von Quittung, ZRG RA 18 (1897) 241–284, 262 Anm. 2. Zu den fünf Stellen aus den Digesten von Scaevola, die Frese anführt, lässt sich noch für idem quaesiit D. 34,3,28,11.12 (Lenel Nr. 57), D. 36,1,80,3.9 (Lenel Nr. 90) hinzufügen, zudem für item quaesitum D. 33,2,32,9 (Lenel Nr. 47) und D. 33,8,23,3 (Lenel Nr. 49) sowie für item quaero D. 40,7,40,4.5.6 (Lenel Nr. 107). 31 P. Jörs / W. Kunkel, Römisches Privatrecht, 2. Aufl. 1935, 207 (§ 128). Noch nicht erkannt in dem bahnbrechenden Buch von B. Delbrück, Die Übernahme frem der Schul den nach gemeinen und preussischen Rechte, 1853, und in der ersten
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Wenn man beide Beobachtungen kombiniert, dann geht es in der Varian te, die § 3 erörtert, darum, ob der Schuldübernehmer, der ein zweites Mal leistet, dem Gläubiger ein pactum zwischen ihm und dem alten Schuldner, das beiderseitige Ansprüche für erledigt erklärt, entgegenhalten kann.32 3. Bei den bisherigen Auslegungen bleibt die Frage ungeklärt, warum der Gläubi ger nicht die erneute Zahlung des Maevius bis zur Höhe der ihm zustehenden Forderungen behalten kann. Daneben ist eine Erklärung dafür nötig, warum der alte Schuldner (Titius) und der Vermögenskäufer (Maevi us) dem Gläubiger (Seius) den gleichen Betrag als Teilzahlung leisteten. Dies ist umso befremdlicher, als ein vorheriger Informationsaustausch über geleistete Zahlungen zwischen Altschuldner und Vermögenskäufer im Fall jedenfalls nicht naheliegt. Die Gründe für die doppelte Zahlung desselben Betrages thematisiert Scaevola nicht, ebensowenig die neuere Literatur. 4. Eine Erklärung dafür, warum sich der Gläubiger auf Teilzahlungen eingelassen hat, ist nicht zu finden. Frese denkt an einen teilweisen Erlass aufgrund von Schenkung oder Vergleich.33 Es besteht jedoch eine weitere Möglichkeit für die Teilzahlungen. Im römi schen Recht gibt es bei Überschuldung die Möglichkeit eines Konkursverfahrens mit der missio in bona und der venditio bonorum oder eines Gesamtvergleichs unter Hinzuziehung des Prätors. Jedoch ist auch ein Vermögensverkauf privato consilio in Iul. D. 42,7,5 bezeugt. Dort wählen die Gläubiger nach der cessio des Vermögens durch den Schuldner aus ihrer Mitte einen Verwalter, der das Schuldnervermögen verkauft. Zwei weitere, von Scaevola stammende Stellen, D. 2,14,44 und D. 26,7,59, erwähnen je weils den Fall des sogenannten de facto-Gesamtvergleichs durch einen Vormund über überschuldetes Erbschaftsvermögen seines Mündels. Der private Gesamtvergleich34 ist deshalb für die Gläubiger interessant, weil er im Gegensatz zu dem Konkursverfahren bzw. dem Gesamtvergleich Auflage von Jörs. S. jetzt z. B. Kaser, RPR I, 655. A. 27. Hier muss die Frage of fenbleiben, ob man für die klassische Zeit statt eines procurator einen cognitor annehmen sollte, wie dies z. B. F. Serrao, Il procurator, 1947, 69 f. meint. 32 Es ist freilich möglich, dass es sich um ein pactum mit dem neuen Schuldner handelt. Wegen der parallelen Struktur mit § 4 scheint aber die im Text vertretene Auffassung vorzugswürdig. 33 Frese (o. Fn 30) 263. 34 In den Quellen findet man ab und zu den Fall des privaten Verkaufes einer überschuldeten Erbschaft. Es ist dem Erben im Hinblick auf das Andenken des Erb lassers oft wichtig, einen Konkurs wegen Überschuldung der Erbschaft zu vermei den. Dasselbe gilt auch bei einer Überschuldung des Vermögens. Es gibt dafür sehr wenige Quellen, denen auch, anders als dem Konkursverfahren, wenig Beachtung geschenkt wird. S. S. Solazzi, Il concorso dei creditori nel diritto romano, Bd. 4, 1943, 9. Im Übrigen ist für concessit in § 2 interessant, dass Gai. D. 28,1,8,1 con-
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unter Hinzuziehung des Prätors schneller und kostengünstiger ist.35 Dabei ist es denkbar, dass ein Dritter, der nicht zu den Gläubigern gehört, das Vermögen übernimmt.36 Der Gesamtvergleich kommt in Fragmenten Scaevolas häufiger vor.37 5. Der Sachverhalt in den §§ 2–3 wäre dann folgendermaßen zu rekonstruieren: Jemand (Titius) hatte ein überschuldetes Vermögen. Er hat zuerst ver sucht, sich mit seinen Gläubigern durch Teilzahlungen zu vergleichen. Einer seiner Gläubiger, Seius, hat sich unter Rücksicht auf die unsichere Situation seines Schuldners mit Teilzahlungen zufriedengegeben und sich unter Ver zicht auf weitere Ansprüche mit dem Schuldner verglichen. Inzwischen bemerkte Titius, dass er zu entsprechenden Vergleichen mit allen Gläubigern nicht in der Lage ist. Um ein Konkursverfahren mit der Folge der Infamie zu vermeiden, hat er sein gesamtes Vermögen unter der Bedingung der Schuldübernahme privat an einen Dritten (Maevius) verkauft und ihm das Vermögen übergeben (concessit). Da dem Maevius die Teilzahlungen von Titius an Seius nicht mitgeteilt wurden, hat Maevius an Seius die Quote bezahlt. Erst danach waren die Rechnungen beim alten Schuldner zugäng lich geworden. Da das Vermögen des Titius schon überschuldet war, bedeutet die Schuld übernahme (ut satis creditoribus faceret) nicht die volle Bezahlung der Schulden, sondern nur die Übernahme der Rolle des Beklagten als procurator in rem suam. cedo für die Überlassung des überschuldeten Vermögens eines Straftäters, über den die aqua et igni interdictio verhängt wurde, an dessen Gläubiger benutzt (si non lucrosa, creditoribus concedentur). 35 Der Vorteil ist den beteiligten Personen klar. Die Gläubiger können damit schneller ihre Forderung mit derselben (mehr oder weniger hohen) Quote erhalten. Der Schuldner kann mit dem Verkauf des überschuldeten Vermögens seine Ehrlosig keit vermeiden und zugleich den (wenn auch geringen, doch vorhandenen) Kaufpreis bekommen. Der Käufer des Vermögens kann mit dem riskanten Geschäft möglicher weise hohen Gewinn erzielen. Es besteht freilich die Gefahr, dass es wegen fehlen der öffentlicher Kontrollen zur Übervorteilung einer Partei kommt. 36 Hier ist von einer fraus des Schuldners nicht die Rede. Dazu, dass bei Überschuldung eine fraus des Schuldners nicht selten gewesen sein dürfte, s. W. Pakter, The Mystery of cessio bonorum, Index 22, 1992, 323–342. Der vorlie gende Fall dürfte sich aber auf die Fragen der condictio indebiti konzentrieren. 37 S. nur die Nachweise bei B. Brissonius, De formulis et solemnibus Populi Romani verbis, Paris 1583, 549–650: Von insgesamt acht Beispielen stammen fünf aus Scaevola. In der Ausgabe von Brissonius, De formulis, die 1754 in Leipzig er schien, finden sich die Ausführungen in Cap. 199 unter der Rubrik Pacti heredum cum creditoribus, ut certa parte contenti essent (S. 555).
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6. Die gestellte Frage, cui magis repetitio pecuniae indebitae solutae competit, Titio debitori an Maevio, qui in rem suam procurator factus est wird aus der Qualifikation des „Zahlenden“ bzw. des „Empfängers“, d. h. aus den Quellen der Leistung und deren gegenwärtigem Inhaber (bzw. Ver walter) des Vermögens beantwortet. Vor dem Vermögensverkauf hat Titius den Seius aus seinem Vermögen bezahlt. Mit dem Verkauf verliert er sein Vermögen. Maevius hat aus dem gekauften Vermögen an Seius eine Teil zahlung erbracht. Er ist jetzt Verwalter des Vermögens, welches jedem an deren Gläubiger haften soll. Beide Teilzahlungen stammen aus demselben (de facto) Haftungsvermö gen. Da jeder Gläubiger nur anteilig befriedigt werden soll, soll Seius eine der beiden Zahlungen dem gegenwärtigen Ver walter des Haftungsvermögens, Maevius, zurückgeben. 7. Ebenso wie ut satis creditoribus faceret keine vollständige Bezahlung impliziert, bedeutet nullam inter se controversiam amplius esse nicht den vollständigen Ausschluss aller Streitigkeiten, sondern nur eine Begrenzung des Streits. In diesem Sinne dient § 2 als Begründung für § 3. In § 3 ist im Übrigen zugleich stillschweigend vorausgesetzt, dass bei der Schuldübernahme das pactum zwischen Gläubiger und altem Schuldner (mit dem hier angenommenen Inhalt, dass nur eine Teilleistung zu erbringen ist) dem Gläubiger von dem neuen Schuldner entgegengehalten werden kann. 8. Scaevola geht davon aus, dass sich die erste Teilzahlung des Schuld ners und die zweite Teilzahlung des Vermögenskäufers auf denselben Betrag be laufen. Nach dem Sachverhalt war Maevius offenbar über vorgängige Zahlun gen nicht informiert. Wenn der Betrag der beiden Teilzahlungen voneinander abgewichen wäre, wäre die Lösung sehr kompliziert geworden. Scaevola möchte wohl zwecks Vermeidung unnötiger Komplikationen einen einfachen Sachverhalt zugrunde legen. Unser Fragment ist als Übungsauf gabe für fortgeschrittene Hörer / Leser Scaevolas gedacht.38 9. Am Ende dieses Abschnitts seien noch die Basiliken erwähnt. Der Basilikentext, der wohl auf der Paraphrase des (älteren) Anonymus beruht,39 erwähnt die Teilzahlungen nicht mehr.40 Damit ging der juristische Kern der 38 Auch Paul. D. 4,4,32 möchte ich als Schulbeispiel betrachten, s. meinen Bei trag: Ein vergessenes Beispiel für die Haftung der Kuratoren des Minderjährigen: D. 4,4,32 (Paul. 1 quaest.), in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, hrsgg. H. Altmeppen / I. Reichard / M. J. Schermaier, 2009, 813–832. 39 C. W. E. Heimbach, Basilicorum libri LX, Bd. 6: Prolegomena et Manuale Basilicorum, Leipzig 1870, 54–55; zum älteren Anonymus s. P. Pieler, Byzantini sche Rechtsliteratur, in: H. Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der By zantiner, Bd. 2 (HdA 12,5,2), 1978, 341–480, 423. 40 Zur Arbeitsweise des älteren Anonymus s. nur die Bemerkungen bei W. Kaiser, Die Lücken in D. 48,20 und D. 48,22, in: I. Reichard / M. Armgardt / F. Klinck (Hrsg.), Festschrift für Christoph Krampe zum 70. Geburtstag, 2013, 147–172, 159.
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Darstellung in § 2 verloren. Um diesem Teil eine Bedeutung zu geben, ha ben die Herausgeber der Basiliken beide Paragrafen (§ 2 und § 3) mit einem Semikolon verbunden.41 Dies führt allerdings zu einem veränderten Inhalt.42 V. „Publius Maevius“ bei Scaevola 1. In der Literatur besteht durchaus Interesse an den Namen, die die Juristen in einzelnen Digestenfragmenten verwenden.43 Wenig Interesse finden jedoch die sogenannten Blankettnamen, z. B. Titius, Seius oder Mae vius. Im Hinblick auf die Interpretation der vorliegenden Stelle seien hier einige Beobachtungen zur Verwendung von Publius Maevius bei Scaevola eingeschoben. In den Fragmenten des Scaevola sind häufig die Akteure mit ihren Gentil namen genannt. Scaevola benutzt sehr oft Titius, Seius oder Maevius, und zwar in Regel in dieser Reihenfolge.44 Ab und zu erscheinen auch zwei oder drei Mitglieder einer Familie (Seii, Maevii). Zu dem Gentilnamen45 wird manchmal ein Pränomen hinzugefügt. z. B. Lucius Titius, Gaius Seius, Publius Maevius. Andere Verbindungen wie z. B. Gaius Maevius (D. 36,1,80[78],12) Publius Sempronius (D. 32,37,2) sind sel ten. In dem doppelten Gentilnamen Maevius Sempronius in D. 4,8,43 dürfte Maevius eine Verderbnis für Marcus (vielleicht auch Manlius) sein. Es liegt nahe, dass der Jurist bei der Erörterung eines Falls, der sich über mehrere (moderne) Paragraphen erstreckt, dieselbe Person mit demselben Namen bezeichnet.46 Daher ist es erlaubt, Personen mit demselben Namen 41 S. nur
BT 1173, 25. C. W. E. Heimbach, Basilicorum libri LX, Bd. 3: Lib. XXIV.–XXXVIII. conti nens, 1843, 40 Anm. bb heißt es „sic recte interpungit Iensius Notit Basil. p. LXIII. Fabr. sic: œceiv. M¾ kwluÒmenov“ [Trennung beider Paragrafen mit einem Punkt]. 43 Z. B. s. H. D. Spengler, D. 34,3,28,4 und D. 34,3,31,2 / 3, ZRG RA 110 (1993) 641–647. Die Bedeutung der Namen für die Digestenauslegung betont auch R Knütel, Das Ende einer Entdeckungsreise, TR 80 (2012) 547–553, 548 f. 44 Hinzukommen Sempronius oder Septicius. 45 Die nomina gentilicia Titius, Seius und Maevius / Mevius sind inschriftlich gut bezeugt, s. die Nachweise in der Heidelberger epigraphischen Datenbank (http: / / edhwww.adw.uni-heidelberg.de / home?lang=de). 46 Wenn ein langes Fragment verschiedene Fälle behandelt, denen unterschiedli che Testamente oder sonstige Dokumente zugrundeliegen, sind einheitliche Namen der Akteure nicht zu erwarten, wie etwa in Scaev. 6 dig. D. 17,1,62 oder 22 dig. D. 32,41. In beiden Fragmenten erscheinen verschiedene Personen mit dem Namen Publius Maevius. 42 Bei
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als identisch anzusehen, wenn dies nicht durch andere Gründe ausgeschlos sen wird. Ein Beispiel bietet D. 36,1,80(78),2–3 (21 dig.): Dort sind Mae vius und Seius jeweils dieselben Personen. Daher könnten in D. 12, 6, 67 Titius und Maevius, die § 2 nennt, auch in § 4 wiederkehren. Allerdings ist in § 4, anders als in § 2, der Name zwei teilig: Lucius Titius und Publius Maevius. Das könnte dahingehend zu in terpretieren sein, dass Scaevola bewusst Vornamen hinzugefügt hat, um die Personen in § 4 von denjenigen in § 2 (Titius, Maevius), zu unterscheiden. Das ist sicher für Seius zutreffend, da Seius in § 2 Gläubiger des überschul deten Schuldners, Gaius Seius in § 4 hingegen minderjähriger Darlehens nehmer ist. Jedoch ist etwa auch bei Papinian D. 39,6,42 dieselbe Person zuerst Titius, sodann Lucius Titius genannt. Daher ist es zumindest möglich, dass Titius und Maevius in § 2 mit Lucius Titius und Publius Maevius in § 4 identisch sind.47 Man hat in den §§ 2–3 den Fall des privaten Kaufes eines überschuldeten Vermö gens durch einen Liquidationsfachmann gesehen, während § 4 ein juristische Problem behandelt, das während der Durchsetzung einer Forde rung gegen einen minderjährigen Schuldner (bzw. seinen Erben) entstehen kann. Im Übrigen führen diese Erkenntnisse über die Benutzung der Namen für Scaev. D. 33,1,13 zu einer Auslegung, welche bisher zwar nicht behauptet ist, aber mit einer byzantinischen Quelle übereinstimmt.48 47 Vielleicht ist für Scaevola die Bezeichnung von Darlehensgeber und Darlehensneh mer Lucius Titus und Gaius Seius gewöhnlich. Wenn Scaevola den minderjährigen Schuldner mit einem anderen Namen, z. B. Sempronius, bezeichnet hätte, könnte er den Fall ohne Hinzufügung eines Personennamens darstellen und die späteren Missverständnisse vermeiden. 48 Scaev. 4 resp. D. 33,1,13 pr.: Maevia nepotem ex Maevio puberem heredem instituit et Lucio Titio ita legavit: „Lucio Titio viro bono, cuius obsequio gratias ago, dari volo annuos quamdiu vivat aureos decem, si rebus nepotis mei interveniat omnemque administrationem rerum nepotis mei ad sollicitudinem suam revocaverit.“ quaero, cum Lucius Titius aliquo tempore Maevii negotia gesserit et per eum non stet, quominus gerat, Publius autem Maevius nollet eum administrare, an fideicommisum praestari debeat. respondi, si non propter fraudem aliamve quam iustam causam improbandae operae causa remotus esset a negotiis, quam administrare secundum defuncti voluntatem vellet, percepturum legatum. Hier wird der Vater des Enkels zuerst als Maevius, dann als Publius Maevius bezeichnet. Nach anderer Auffassung ist Publius Maevius das Enkelkind. Im Tipou keitos 44,4,13 zu Bas. 45,4,13 (M. Kritou tou Patzh Tipoukeitov. Librorum LX Basilicorum summarium, edd. St. Hörmann / E. Seidl, Bd. 4, 1955, 159) ist Publius Maevius als Vater verstanden, wie Mommsen, Editio maior 2, 104, 21 anmerkt (vgl. auch C. W. E. Heimbach, Basilicorum libri LX: Bd.4: Lib. XXXIX.–XLVIII. conti nens, 1846, 391 zu Bas. 44,4,13).
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2. Mit der Gleichsetzung von Maevius und Publius Maevius geht es in § 4 um einen Fall, in dem der Schuldner nach Forderungsabtretung dem neuen Gläubiger Einwendungen entgegenhält. Das Problem wird dadurch illustriert, dass eine in integrum restitutio gegenüber dem Zessionar behaup tet wird. Zugleich kommt das Problem zur Sprache, wie der Darlehens schuldner (bzw. sein Erbe) gegenüber dem neuen Gläubiger Einwendungen aus Zinsforderung, die das Dekret des Statthalters nicht erwähnt, gegen den alten Gläubiger geltend machen kann. 3. Für das Verständnis von § 4 bieten die Basiliken keine Hilfe, da dort der Text keine Namen mehr aufweist. Scholien zu der Stelle fehlen.49 VI. Das Verfahren einer in integrum restitutio nach Forderungsabtretung in § 4 1. Der Prätor oder der Provinzstatthalter trifft bei einem Antrag über eine restitutio in integrum eines minor wegen einer Darlehensgewährung causa cognita seine Entscheidung in Form eines decretum.50 Damit wird das Darle hensverhältnis aufgehoben und beide Seiten, d. h. der minderjährige Schuldner (bzw. sein Erbe) und der Darlehensgeber, sollen die jeweils emp fangenen Leistungen zurückgeben. Für den Schuldner ist dies die erhaltene Darlehenssumme, allerdings wegen seiner Minderjährigkeit nur insoweit, als er noch bereichert ist. Der Gläubiger ist dagegen verpflichtet, die vom minor gezahlten Zinsen sowie die mit diesem Geld anderweitig erzielten oder erzielbaren Zinsen zu erstatten.51 Der Ausdruck nec quicquam de usuris eiusdem sortis repetendis tractatum apud praesidem aut ab eo est pronuntiatum deutet darauf hin, dass, die Lösung des Falles anders wäre, wenn über die Zinsen vor dem Statthalter verhandelt worden wäre und / oder er sie in seinem decretum erwähnt hätte. Gothofredus folgert in den notae zur dritten Auflage seiner Digestenausgabe 49 S. Bas. 24,6,67,4: 'Epˆ tÒkoiv dane…sav nš0 ™p… tinav ™niautoÝv œlabon tÒkon, kaˆ teleut»santov toà nšou Ð klhronÒmov aÙtoà ¢pekatšsth ™pˆ tù m¾ katabale‹n tÕ kef£laion: perˆ d7 tîn katablhqšntwn tÒkwn oÙd7n ™zht»qh oÙd7 ™yhf…sqh. OÙk ¢paite‹ me aÙtoÝv Ð klhronÒmov oÜte log…zetai e„v ›teron cršov (BT 1173,27–31). 50 Zum Verfahren der in integrum restitutio s. M. Kaser / K. Hackl, RZ 421 ff. Den Antrag auf eine in integrum restitutio kann auch der Erbe des Minderjährigen stellen, s. Ulp. D. 4,1,6 und D. 4,4,18,5. 51 Nach dem Grundsatz der restitutio in integrum hat der zur Rückgewähr eines Geldbetrags verpflichtete Vertragspartner des minor sowohl die gezogenen Zinsen als auch die nicht gezogenen, aber erzielbaren Zinsen herauszugeben, s. Gai. D. 4,4,27,1.
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hieraus, dass der Statthalter die Rückzahlung nicht ohne vorherige Erörte rung mit den Parteien anordnen kann.52 Das umstrittene Problem, ob die Zinsen als fructus anzusehen sind oder nicht, oder die Frage, ob Kapital und Zinsen getrennt zu behandeln sind, scheint für den vorliegenden Fall keine Bedeutung zu besitzen. Denn es handelt sich nicht um einem Fall, in dem eine Entscheidung über das Ka pital getroffen wird, aber die Zinsen nicht erwähnt sind, sondern um einen Fall, in dem die Hauptpflicht des Gläubigers nicht genannt ist. Die erhalte nen Zinsen selbst sind Gegenstand der Rückgabepflicht des Gläubigers. Es geht nicht um Früchte, die aus der geleisteten Sache gezogen wurden. 2. Nach PS 1,7,353 kann bei der in integrum restitutio für eine und die selbe Streitsache nur ein Dekret erlassen werden. Im Hinblick auf den An spruch, den das Dekret nicht erwähnt, wäre es nötig, dem Dekret eine Ausschlusswirkung zuzuerkennen.54 Wie beim Urteil im Zivilprozess, kann sich daraus die Frage ergeben, ob der im Dekret nicht erwähnte Anspruch noch weiter besteht.55 Es wäre theoretisch denkbar, dass der Anspruch als obligatio naturalis fortdauert, so wie diskutiert wird, ob nach einem Fehl urteil doch eine obligatio naturalis vorliegen kann.56 Wenn es so wäre, könnte die Partei das im Dekret nicht erwähnte Recht nicht mehr gerichtlich 52 S. D. Gothofredus, Corpus iuris civilis cum notis, Bd. 1, 3. Auflage, Paris 1602, Sp. 386, nota l: Iudex nihil ex suo officio in iudicio restitutionis in integrum supplere potest. Diese Note fehlt noch in der ersten Ausgabe des Corpus iuris civi lis mit den Noten des Gothofredus, die 1583 in Lyon erschien (s. Corpus iuris civi lis, Bd. 1, Lyon 1583, Sp. 446), ebenso noch in der zweiten Auflage des Jahres 1590 (hier benutzt in der Quartausgabe, die 1594 in Genf gedruckt wurde, dort Sp. 445). Zu den verschiedenen Auflagen der Corpus iuris civilis-Ausgaben des Gothofredus mit eigenen Noten s. E. Spangenberg, Einleitung in das römisch-justinianeische Rechtsbuch, 1817, 840–843. Wegen der Verwendung des Wortes aut in § 4 ist ein anderes Verständnis theore tisch nicht ausgeschlossen, der Statthalter könnte ohne Antrag der Parteien aus eige ner Initiative die Rückgabe befehlen. Die im Text vertretene Auffassung liegt aber näher. 53 PS 1,7,3: Integri restitutio plus quam semel non est decernanda: ideoque causa cognita decernitur. 54 Nach Philip. C. 2,43(44),3 (a. 244) ist ein erneuter Antrag auf in integrum restitutio nur dann möglich, wenn neue Restitutionsgründe vorgetragen werden. Ge gen die Entscheidung des Prätors kann man appellieren, wie Paul. D. 4,4,38 pr zeigt. 55 Wenn ein compromissum vorläge, wäre es anders, s. Scaev. D. 4,8,43. 56 Das Problem der sogenannten obligatio naturalis aus einem im Urteil zu Un recht aberkannten Anspruch wird vielfach diskutiert, da es in Quellen keine direkte Aussage hierzu gibt, z. B. M. Kaser, RPR I, 481, F. Girard (o. Fn. 21) 683 und A. 5 (kritisch im Hinblick auf die herrschende Meinung mit Hinweis auf Paul. D. 12,6,60). S. auch M. Talamanca, ED 29, 65 s. v. obligatio. Ein im Urteil nicht erwähnter Anspruch könnte aber anders zu beurteilen sein.
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verfolgen, aber gegenüber Forde rungen der anderen Partei im Wege der retentio (bzw. als Aufrechnung) geltend machen. 3. Nach Ulp. D. 3,3,39,657 hat im Falle einer Vertretung im Verfahren der in integrum restitutio der Prokurator desjenigen, der eine Sache von einem minor gekauft hat, dem Verkäufer eine satisdatio zu leisten,58 d. h. eine Sicher heit für die Rückgabe der geleisteten Sache bei einer möglichen Pflicht zur Restitution.59 4. Bei der Forderungsabtretung soll die Stellung des Schuldners nicht verschlechtert werden. Er kann seine Einwendungen auch gegen den neuen Gläu biger vorbringen. Daher kann sich der Erbe gegenüber dem neuen Gläubiger (Maevius) auf die in integrum restitutio berufen. Möglicherweise hat im Fall von D. 12,1,67,4 erst die Rückforderung des Darlehens durch den Vermögenskäufer (Maevius) den Erben des minor veranlasst, eine in integrum restitutio zu beantragen, um auf diese Weise von der Zahlungs pflicht frei zu werden. Über das Verfahren einer in integrum restitutio nach einer Forderungs abtretung ist wenig bekannt. Hier wird davon ausgegangen, dass Maevius der Antragsgegner ist. Man kann vielleicht vermuten, dass bei der in integrum restitutio nach Forderungsabtretung dem Zedenten (Titius) als An tragsgegner der Zessionar (Maevius) als procurator in rem suam beispringt.60 Dann soll der procurator in rem suam, entsprechend dem oben gezeigten Bei spiel, am Anfang des Verfahrens eine cautio für die Rückgabe der empfangenen Sache leisten. Dementsprechend befiehlt der Prätor / Statthalter ihm die Rückgabe der erhaltenen Zinsen. 57 Ulp. D. 3,3,39,6: Est et casus, quo quis eiusdem actionis nomine et de rato caveat et iudicatum solvi. ut puta postulata est cognitio de in integrum restitutione, cum minor circumscriptus in venditione diceretur: alterius procurator existit: debet cavere hic procurator et ratam rem dominium habiturum, ne forte dominus reversus velit quid petere, item iudicatum solvi, ut si quid forte propter hanc restitutionem in integrum praestari adulescenti debeat, hoc praestetur. et haec ita Pomponius libro vicensimo quinto ad edictum scribit. 58 Im Übrigen haftet der Vertretene bei der satisdatio seines procurator nach Inst. 4,11,4 als Bürge. Hier kann die Frage offenbleiben, ob er schon in klassischer Zeit dabei sein Vermögen für eine Hypothek anbieten musste. 59 Wenn ein procurator beim Verfahren der in integrum restitutio auftritt, wäre es denkbar, dass der Vertretene selbst keine in integrum restitutio mehr betreiben kann. Im Übrigen geht man mindestens in spätklassischer Zeit davon aus, dass die litis contestatio mit dem Vertreter das Klagerecht des Vertretenen konsumiert. S. W.-D. Gehrich, Kognitur und Prokuratur in rem suam als Zessionsformen des klas sischen römischen Rechts, 1963, 74 ff. 60 Das Auftreten des Maevius als procurator in rem suam könnte sich auch da raus ergeben, dass er, wie in § 2 dargestellt, es übernommen hat, die Verbindlichkei ten des Abtretenden zu erfüllen.
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5. Bei dem Fall von D. 12,6,67,4 waren wegen fehlenden Tatsachenvor trags des Erben des minor im Dekret des Statthalters die Zinsen, die der minor an den alten Gläubiger gezahlt hatte, nicht erwähnt. Der Betrag verbleibt daher beim alten Gläubiger. Eine condictio indebiti gegen den neuen Gläubiger ist nicht möglich, weil nach dem Grundsatz der condictio indebiti nicht der neue Gläubiger, sondern der alte Gläubiger als Empfänger der Zinsen anzusehen ist. Daher scheint die Antwort von Scaevola verständ lich, dass die condictio indebiti gegen Maevius zu verneinen ist.61 6. Nach der Ablehnung der condictio indebiti wird weiter gefragt, ob der Erbe des minderjährigen Schuldners zumindest gegenüber Forderungen des Antragsgegners die als Zinsen gezahlte Summe zurückbehalten kann (eam retinere).62, 63 Man kann dies deshalb erwägen, weil den Darlehensgeber selbst trotz unterbliebener Erwähnung der Zinsen im Dekret eine obligatio naturalis gegenüber dem Darlehensnehmer (bzw. seinen Erben) treffen könnte.64 Daher könnte der Erbe des minor gegen die Forderungen des neuen Gläubigers auf grund der obligatio naturalis gegenüber dem alten Gläubiger eine retentio (bzw. Aufrechnung) geltend machen.65 Wenn man den verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt einbezieht, dass der alte Gläubiger (Titius) im Prozess durch den neuen Gläubiger (Maevius) vertreten ist, wird die Frage noch schwieriger. Wenn auch dem Erben des minderjährigen Darlehensschuldners gegen den neuen Gläubiger keine retentio zusteht, könnte er doch gegen Maevius, nicht als Zessionar, sondern als Vertreter des Titius, des alten Gläubigers, erfolgreich eine retentio be haupten 61 Offen bleibt das Problem, das D. 12,6,67,4 nicht anspricht, ob der Erbe des Minderjährigen gegen den alten Gläubiger wegen der empfangenen Zinsen vorgehen kann. Bei Unterliegen des Zessionars als procurator in rem suam kann der Zessionar ge gen den Zedenten aufgrund des Vertrages über die Forderungsabtretung Ersatz verlangen, s. Kaser / Hackl S. 216 A. 60 a. E. Diese Vermutung bestätigt noch der Fall des Weiterverkaufs der Sache bei Eviktion in Gai. 4 ed. prov. D. 4,4,15. 62 Mod. 6 resp. D. 26,7,32,4 behandelt einen Fall, bei dem die Rückgabe des Vorteils nicht im Dekret erwähnt ist. 63 Es gibt für bonae fidei iudicia einige Belege, wonach Zinsen nicht verlangt werden können, wenn im Urteil davon keine Rede ist, so Alex. C. 4,32,13 (bonae fidei iudicium), Gord. C. 4,34,4 (depositum). Im vorliegenden Fall geht es aber um ein Darlehen und konkret um die Rückzahlung der geleisteten Zinsen. 64 Dabei bleibt das Problem offen, ob der zurückzuzahlende Betrag (und zu gleich derjenige der retentio) wie bei den anderen Gläubigern quotenmäßig zu redu zieren ist. 65 Die retentio kann natürlich nicht nur aufgrund einer obligatio naturalis, son dern auch aus anderen Gründen entstehen, s. etwa Iul. 39 dig. D. 12,6,33.
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Um so mehr scheint die verneinende Antwort von Scaevola rätselhaft. Um die Ablehnung der retentio zu begründen, ist die herrschende Meinung dazu gezwungen, Kapital und Zinsen getrennt zu behandeln (s. oben S. 292). VII. Einwände bei Forderungsabtretung und Schuldübernahme 1. Im Vorhergehenden wurde die Konstruktion dargestellt, mit der Scae vola die Einwände des Schuldners bei Schuldübernahme bzw. Forderungs abtretung systematisch erklärt. Im Anschluss an W. Kunkel und B. Frese wurde der Fall der §§ 2–3 als Schuldübernahme herausgearbeitet. Andererseits stellt sich aufgrund der Art und Weise der Benutzung der Blankettnamen bei Scaevola der Fall in § 4 als Forderungsabtretung bei einem Vermögenskauf dar. In beiden Fäl len geht es um die Einwände des Schuldners gegen seinen Gläubiger beim Subjektswechsel (und zwar wegen Vermögensverkaufs). 2. Scaevola hebt in § 4 ausdrücklich hervor, dass der Schuldner nach For de rungsabtretung seinen Einwand, welcher aus dem Darlehensvertrag entstanden ist, d. h. Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit, gegen den neuen Gläubiger geltend macht. Damit zeigt er, dass Einwände des Schuld ners auch bei Forderungsabtretung grundsätzlich möglich sind. Er verlangt dafür keine weitere Voraussetzungen. 3. Dagegen ist die Lage beim Fall der §§ 2–3 nicht so deutlich, sondern erschließt sich erst durch eine vergleichende Betrachtung mit § 4. Der alte Schuldner hatte mit seinem Gläubiger ein pactum geschlossen. Der neue Schuldner kann den Einwand aus diesem pactum, das vor der Schuldüber nahme vereinbart wurde, gegenüber dem Gläubiger geltend machen. Aus diesem Grund kann er seine Zahlung an den Gläubiger als Zahlung auf eine Forderung, der eine exceptio entgegensteht, mit der condictio indebiti zurückverlangen. Wenn dem so ist (anders die bisherige Meinung), dann sollte man den Fall nicht als Problem der Rückzahlung einer späteren Zah lung bei Doppelzahlung heraus verstehen. 4. Zuletzt zu dem schwierigen Kernproblem des Einwands der bezahlten Zinsen gegenüber dem Zessionar. Wenn der Statthalter auf Antrag des mi nor / seines Erben auch den alten Gläubiger in das Verfahren der in integrum restitutio einbezogen und ihm eine Kautionsleistung auferlegt hätte, könnten die vom Minderjährigen gezahlten Zinsen vom alten Gläubiger an den Er ben des Min derjährigen zurückgelangen. Bei unserem Fall im § 4 wurde aber ohne Teilnahme des alten Gläubigers und ohne Erwähnung der gezahl ten Zinsen das decretum über die in integrum restitutio erlassen.
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Es ist in der modernen Literatur nicht klar, wie das decretum gegenüber dem alten Gläubiger wirkt. Jedoch könnte es sein, dass der Anspruch gegen den alten Gläubiger, den das decretum, das zwischen dem procurator und dem Schuldner erging, nicht erwähnt, wegen der Ausschlusswirkung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Es ist außerdem eine sehr interessante Frage, mit welchem Rechtsmittel die gezahlten Zinsen vom alten Gläubiger gefordert werden kann. Diese Frage bleibt unerörtert. Denn es ist dem Schuldner mit guten Grunde nur daran gelegen, den Einwand, der sich aus den gezahlten Zinsen herleitet, gegenüber dem neuen Gläubiger geltend zu machen. Der Anspruch gegen den alten Gläubiger ist ohne wirtschaftlichen Wert, weil der alte Gläubiger nach dem Vermögensverkauf nicht mehr über eigene Mittel verfügt. Dann scheint es ganz richtig und zugleich wichtig, dass der Schuldner (bzw. sein Erbe) gegen anderweitige Forderungen des neuen Gläubigers den Rückzahlungsanspruch gegen den alten Gläubiger einwenden kann. Dieses Ergeb nis erscheint konsequent aufgrund der dargestellten Struktur der Forderungsabtretung. Aus diesem Grund weist die Anfrage auf die Möglich keit eines retinere hin. Diese Möglichkeit lässt sich nicht verneinen. Zwar ist dies nicht ausdrücklich im Text gesagt, aber es liegt nahe, dass Scaevo la auch derselben Meinung war. Um so mehr scheint seine verneinende lakonische Antwort zur retentio rätselhaft. Um diesen Zweifel zu lösen, ist auf die Frage einer möglichen Nachlässigkeit einer Partei bzw. des Statthalters einzugehen. VIII. „Nachlässigkeit“ einer Partei oder des Statthalters? 1. Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich eine Frage: Ist denn dem Erben des minor oder dem Statthalter wegen ihrer Nachlässigkeit bei der Rechtsverfolgung bzw. Pflichterfüllung ein Vorwurf machen? Denn, wenn der Erbe des minor beim Verfahren der in integrum restitutio rechtzeitig die vom Minderjährigen bezahlten Zinsen erwähnt hätte, hätte der Statthalter deren Rückzahlung in sein decretum aufnehmen können. Die Frage wird aber in D. 12,6,67 nicht erörtert. Man soll bei einer so raffiniert konstruierten Falllösung wie bei Scaevola vorsichtig sein. Der Text erwähnt eine Nachlässigkeit (z. B. neglexit) nicht. Es ist durchaus möglich, dass Scaevola sich einen Fall vorstellt, in dem der Erbe des minor bzw. der Statthalter auch bei Anwendung entsprechender Sorgfalt nicht hätte anders handeln können. 2. D. 12,6,67 beginnt im principium mit einem Fall zur Herkunft des geleisteten Geldes. Daher lässt sich vermuten, dass es auch in § 4 um die
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Herkunft der bezahlten Zinsen geht, anders gesagt, um die Qualifikation des Zahlenden. Man sollte nicht vergessen, dass das gesamte Fragment als Übungsaufga be konstruiert ist. Scaevola scheint davon auszugehen, dass der Minderjäh rige seine „zeitlebens“ (quoad viveret) bezahlten Zinsen aus dem Kapital, das er vom Darlehensgeber erhalten hat, geleistet hat. Bei einem Minder jährigen bedeutet das Wort „zeitlebens“ nicht mehrere Jahre. Er kann z. B. ein Darlehen erhalten, hieraus dann monatlich seine Zinsen pünktlich ge zahlt haben und sodann nach zwei bis drei Jahren gestorben sein, wobei das Darlehen zum Todeszeitpunkt bereits verbraucht war. Wenn man bei einem solchen Fall über die „Rückgabe“ der bezahlten Zinsen verhandelt hätte, wäre dies befremdlich. Der Minderjährige hat zwar bezahlt, aber wirtschaft lich gesehen nicht „aus seinem Vermögen“. Dann kann man ihn nicht als Zahlenden qualifizieren. Wenn es so wäre, ist das Problem der condictio indebiti (und einer obligatio naturalis und der retentio bzw. Aufrechnung) im Hinblick auf den alten Gläubiger völlig verschwunden. Dann sollte man, wie Scaevola, die Möglichkeit einer retentio verneinen. Bei dieser Konst ruktion ist ein Vorwurf gegen den Erben des minor oder den Statthalter nicht möglich. Vielleicht möchte man gegen die dargestellte Konstruktion einwenden, dass in der Darstellung bei Scaevola eine Zahlung der Zinsen aus der Darlehenssumme selbst nicht erwähnt ist. Allerdings besitzt ein minderjäh riger Darlehensnehmer in der Regel kein weiteres Vermögen für seine Le benshaltung. Daher ist die Annahme zulässig, dass die Zinsen aus dem Kapital entrichtet wurden.66 Im Übrigen bleibt dann die Haltung von Scaevola gegenüber der hoch interessanten Frage offen, ob der Anspruch auf Rückzahlung der Zinsen, den das Dekret über die in integrum restitutio nicht erwähnt, als naturalis obligatio bestehen bleibt. IX. Zusammenfassung 1. Scaev. D. 12,6,67,4 wurde bislang als Aussage über den Umfang der Wirkung einer in integrum restitutio über das Kapital und der dafür geleiste ten Zinsen verstanden. Diese Auslegung konnte wegen der wenigen Informationen über das Verfahren der in integrum restitutio und der unsi cheren Behandlung von Zinsen im Hinblick auf den Frucht-Begriff nicht in Frage gestellt werden. Mit der Beobachtung zur Benutzung der Blankettna 66 Man soll daneben beachten, dass der Anfragende gegen die anscheinend „rätselhafte“ Antwort von Scaevola keinen weiteren Widerspruch erhebt.
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men ist die Stelle aber jetzt als Fall einer in integrum restitutio eines min derjährigen Darlehensnehmers nach Forderungsabtretung erklärbar. Zugleich ergibt sich daraus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen den Zessi onar als procurator in rem suam gestellt wurde. Da eine condictio indebiti nur gegen den Empfänger der Zahlung entsteht, ist es zwar verständlich, dass der neue Gläubiger, Maevius, nicht als richtiger Beklagter der condictio indebiti zu qualifizieren ist. Jedoch bleibt die Frage offen, warum die anschließend gestellte Frage nach der Möglichkeit einer retentio so einfach verneint werden kann, und ob den Erben des minor bzw. den Statthalter der Vorwurf der Nachlässigkeit trifft. Um dies zu klären, ist eine Gesamtbe trachtung des Fragments nötig. 2. Zu Beginn des Fragments (pr. und § 1) ist dargestellt, dass bei der condictio indebiti die Qualifikation als Zahlender bzw. Zahlungsempfänger entscheidend ist. Seit W. Kunkel war der Fall in § 2 als Schuldübernahme anerkannt. Die Verbindung des § 3 mit § 2 durch idem quaesiit, die B. Fre se herausstellte, führt zum Problem der Wirkung eines pactum gegenüber dem neuen Schuldner bei einer Schuldübernahme. Zudem ist nunmehr klar, dass es sich in den §§ 2–3 um eine Quotenbezahlung an Gläubiger bei ei nem de facto Gesamtvergleich über ein überschuldetes Vermögen handelt. Der gegenwärtige Verwalter des Haftungsvermögens kann mit der condictio indebiti das über die Quote hinaus bezahlte Geld zurückbekommen. Die Quotenzahlung des Schuldners vor dem Verkauf des überschuldeten Vermö gens und die Quotenzahlung des neuen Schuldners nach dem Kauf dieses Vermögens werden hier als der Höhe nach gleich dargestellt, um die Erklä rung bei diesem Übungsfall nicht zu verkomplizieren. 3. Mit der in integrum restitutio zur Aufhebung des Darlehensverhältnis ses sollten die beiderseitigen Leistungen gegenseitig zurückzugewähren sein. Es blieben jedoch (wegen fehlenden Vortrags der antragstellenden Partei) im Dekret des Statthalters die vom minderjährigen Schuldner bezahl ten Zinsen unerwähnt. Daraus könnte die Frage entstehen, ob wegen einer fortbestehenden Pflicht zur Rückzahlung der Zinsen in Gestalt einer naturalis obligatio gegen den alten Schuldner eine retentio möglich ist. Es könnten bei einer Forderungsabtretung dem Schuldner die Einwendungen gegen den alten Gläubiger auch gegenüber dem neuen Gläubiger zustehen. Der neue Gläubiger hat beim Ankauf des überschuldeten Vermögens die Übernahme der Schulden versprochen und handelt als procurator in rem suam. Dann wäre es rätselhaft, weshalb Scaevola eine retentio so einfach verneint. 4. Wie das principium zeigt, ist die condictio indebiti dann nicht mög lich, wenn die gezahlte Summe in Wirklichkeit nicht aus dem Vermögen des Klägers herrührt. Auch bei § 4 wäre aufgrund der besonderen Vermögensver
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hältnisse eines minor möglich, dass die bezahlten Zinsen aus der Darlehens summe herrühren. Damit könnten die obigen Zweifel wegen der Ablehnung einer retentio überwunden werden, zugleich wäre der Vorwurf der Nachläs sigkeit gegenüber einer Partei und dem Statthalter unbegründet. Andererseits wäre dann die Meinung Scaevolas über das Schicksals des im Dekret des Statthalters nicht erwähnten Anspruchs nicht erkennbar. Die hier vertretene Auslegung ist freilich nicht zwingend, scheint aber plausibler als die herr schende Meinung, die zwischen Kapital und Zinsen trennt. 5. Wenn es so wäre, hätte die Digestenkommission die Absicht Scaevolas richtig verstanden. Daher fügte sie am Ende des Titels das Fragment quasi als Abschluss für die Materie der condictio indebiti hinzu. Jedoch scheint schon beim älteren Anonymus das richtige Verständnis des so kompliziert kon struier ten Fragments verlorengegangen zu sein. Der Verkauf eines überschuldeten Vermögens und die Änderung der Namen erscheinen nicht in seiner Paraphrase. Im westlichen Hochmittelalter und danach bleibt das Fragment trotz einiger Kontroversen weitestgehend unerörtert. Wenn man die vorstehenden Ausführungen als eine mögliche Auslegung von D. 12,6,67,4 bzw. als Anregungen zu einer Beschäftigung mit einem vernachlässigten Fragment betrachten würde, wäre das Ziel dieser exegeti schen Arbeit schon erreicht.
Die rechtliche Funktion von Asylstätten in Rom zur Zeit der Republik und des frühen Prinzipats Von Martin Pennitz I. Einleitung: Ansatzpunkte in der Lehre Obwohl römische Entscheidungsträger seit der jüngeren Republik – zur Wahrung außenpolitischer Interessen im griechischen Osten – regelmäßig auf das Instrument der Asylanerkennung von Heiligtümern oder städtischer Distrikte zurückgreifen,1 steht die römische Öffentlichkeit dem hellenisti schen Asylwesen offenbar doch äußerst skeptisch gegenüber: So hält etwa Tacitus grundsätzlich fest, dass ein Rechtsinstitut2, das Flüchtlingen den dauernden Aufenthalt in Tempeln ermöglicht, notgedrungen zu Missbrauch und Tumul ten führt: Denn auf diese Weise könnten sich ja Sklaven den eigenen Herren, Schuldner ihren Gläubigern und sogar Schwerverbrecher einer gerechten Strafe entziehen: Tac. ann. 3,60,1.3 … crebrescebat enim Graecas per urbes licentia atque impunitas asyla statuendi; complebantur templa pes-
… Von Seiten griechischer Städte verstärkte sich nämlich die leicht fertige und maßlose Sitte, Tempelasyle in Anspruch zu nehmen.
1 Vgl. dazu Richard Gamauf, Ad statuam licet confugere. Untersuchungen zum Asylrecht im römischen Prinzipat, Frankfurt / Main 1999, 155–158; Martin Dreher, Das Asyl als integrativer Faktor der römischen Gesellschafts- und Staatsordnung, in: Identità e valori. Fattori di aggregazione e fattori di crisi nell’esperienza politica antica, Hrsg. Alberto Barzanò u. a., Roma 2001, 129–138, 131 f. 2 In diesem Kontext findet sich dann bei Tac., ann. 4,14,1 – bezogen auf wei tere griechische Gesandtschaften im Jahr 23 n. Chr. – der Hinweis auf das vetustum asyli ius; ähnlich auch die Formulierung ius moremque asylorum bei Suet., Tib. 37,2. Siehe dazu Martin Dreher, Rom und die griechischen Asyle zur Zeit des Ti berius, in: Symposion 2001. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechts geschichte, Hrsg. Robert Wallace u. a., Wien 2005, 263–282, 278. 3 Im Jahr 22 n. Chr. kommt es dann – wie Tacitus in weiterer Folge ausführt – unter Kaiser Tiberius zur Überprüfung, welche Heiligtümer in den Provinzen Asia, Zypern und Kreta den Status von anerkannten Asylstätten für sich beanspruchen dürfen; vgl. dazu Gamauf (o. Fn. 1) 159 ff., bes. 163 f. sowie Dreher (o. Fn. 2) 263 ff., bes. 264–267, der davon ausgeht, dass die im Zitat zum Ausdruck kommen de Haltung des Geschichtsschreibers wohl „von vielen seiner Zeitgenossen geteilt“ wird (ebd., 265 f.).
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simis servitiorum; eodem subsidio obaerati adversum creditores sus pec tique capitalium criminum re ceptabantur, nec ullum satis validum imperium erat coercendis seditioni bus populi flagitia hominum ut cae rimonias deum protegentis.
Die Heiligtümer füllten sich mit übelsten Sklaven. Auf dieselbe Weise fanden Schuld ner vor ihren Gläubigern Zuflucht und Leu te Aufnahme, die im Verdacht von Kapital verbrechen standen. Und keine Obrigkeit war je stark genug, Tu multe im Volk zu zügeln, wenn dieses die Untaten der Men schen schützt, als wären es heilige Handlun gen zu Ehren der Götter.
Gestützt auf vergleichbare Aussagen in den Quellen4 wurde es dann ab dem 19. Jahrhundert unter dem bestimmenden Einfluss von Theodor Mommsen zur herrschenden Lehre,5 dass – wie es Leopold Wenger prägnant zusammenfasst – „Rom der Institution (des Asylrechts) von je ablehnend oder doch fremd gegenüber steht. … Die Sitte der Flucht zur Kaiserstatue oder das Vorhalten eines Kaiserbildes ist eine neue Art des A(sylrechts), wogegen die Juristen ankämpfen. …“.6 4 Die bei Tacitus erwähnte Trias von Schutzsuchenden findet sich ebenso bei Plut., Rom. 9,3, der sich dabei auf das Asyl des Romulus bezieht, was dann bei Iuv., sat. 8,272–275 – natürlich mit der ihm eigenen Ironie – zur Charakterisierung ab infami gentem deducis asylo führt; zu den Belegen schon Martin Dreher, Die Asyl stätte des Romulus – eine griechische Institution im frühen Rom?, in: Symposion 1997. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte, Hrsg. Eva Cantarella u. a., Wien 2001, 235–252, 248 ff. u. Fn. 50 u. 70. Zu Dio 47,19,2–3 s. weiter unten bei Fn. 26 f. 5 Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, 458 f. (unter gleichzeitigem Hinweis auf Dio 47,19): „Den Tempelfrieden, die besondere Unver letzlichkeit des Gotteshauses und alles dessen, was in demselben sich befindet, kennt das römische Strafrecht, …; aber die Ausdehnung dieser ¢sul…a auf den Schutz der Person vor der Strafgewalt, die Unzulässigkeit der Verhaftung eines An geschuldigten, so lange er in dem Heiligthum verweilt, ist ein durch die dauernde Rechtsunsicherheit der griechischen Politien hervorgerufener Missbrauch, von dem die römische Republik sich frei gehalten hat“, wobei sich letztere Aussage dann auf Tac., ann. 3,36 und Plaut. Rud. 722 stützt; zu Mommsen s. insbes. Gamauf (o. Fn. 1) 1 ff. sowie Dreher (o. Fn. 4) 236 f. u. Fn. 4. In diesem Sinn auch Heinz Bellen, Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich, Wiesbaden 1971, 65 f.: „Wenn der Weg der Asylieverleihung an römische Tempel [sc. im Imperium Romanum zu Zeiten der Republik] … nicht eingeschlagen wurde, so lag das daran, dass das Asyl als solches, d. h. die Tatsache, dass es allen offenstand und somit Schuldigen die Möglichkeit bot, sich ihrer Strafe zu entziehen, dem Rechtsgefühl der Römer wider strebte“; ferner Gerard Freyburger, Le droit d’asile à Rome, Les études classiques 60 (1992) 139–151, 150: „En tant que tel, le droit d’asile est un usage hellénique …, mais se heurta toujours à un vive résistance de la part des autorités romaines. Cette résistance était certainement due à l’esprit juridique des Romains …“; ebenso Christian Traulsen, Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutz funktion des Heiligen von König Salomo bis zum Codex Theodosianus, Tübingen 2004, 249 f. 6 Leopold Wenger, s. v. Asylrecht, RAC 1 (1950), Sp. 836–844, 836 ff., 839 f., mit dem Resümee: „Die Römer drängen das A(sylrecht) [sc. …, auf das sie in den hellenistischen Provinzen überall trafen,] zurück, ohne es zu beseitigen“.
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Gerade bei letzterer Aussage stützt sich Wenger jedoch bezeichnenderwei se auf eine den Sinn verkehrende Interpolationen-Annahme.7 Insofern wei sen neuere Arbeiten – man darf insbesondere auf Beiträge des Althistorikers Martin Dreher und auf die Bücher von Richard Gamauf sowie Jochen Derlien verweisen – überzeugend nach, dass sich im Prinzipat eine völlig neue, rechtlich wie gesellschaftlich anerkannte Spielart des Asylrechts ent wickelt.8 Wie sich dem Ulpianbeleg D. 1,12,1,1 entnehmen lässt, finden nämlich Sklaven,9 die unmenschlich behandelt werden, nunmehr Zuflucht bei den Kaiserstatuen und erhalten auf diese Weise ein Beschwerderecht vor dem Gerichtshof des praefectus urbi in Rom: D. 1,12,1,1 Ulp. lib. sing. de off. praef. urb.10 Der Stadtpräfekt gewährt Sklaven, die bei Servos qui ad statuas confugerint, (Kaiser-)Statuen Zuflucht gesucht haben, vel sua pecunia emptos ut manu oder die mit ihrem eigenen Geld gekauft mittantur, de dominis querentes wurden, um freigelassen zu werden, recht (scil. praefectus urbi) audiet. liches Gehör, wenn sie sich über ihre Eigen tümer beschweren.
Wird ein dominus dort für schuldig befunden, konnte es – freilich nur als ultima ratio11 – zum Zwangsverkauf kommen, d. h. der betroffene Skla ven hatte so die Chance auf einen neuen und – hoffentlich ! – besseren Herrn.12 Nur der genaue Beginn dieser Entwicklung wird in den Quellen nicht exakt überliefert: Aus meiner Sicht spricht Einiges dafür, dass sich 7 Siehe insbes. die Bezugnahme bei Wenger (o. Fn. 2) Sp. 840 auf Ulp. D. 48,19,28,7: Ad statuas confugere vel imagines principum [in iniuriam alterius] prohibitum est …; vgl. zum Beleg dann unten bei Fn. 87 ff. 8 Vgl. z. B. Dreher (o. Fn. 1) 133 ff.; Gamauf (o. Fn. 1), Teil II (9 ff.), bes. 47 ff.; Dreher, Rez. Richard Gamauf, Ad statuam licet confugere (1999), ZRG RA 118 (2001) 491–496, bes. 494 f.; Jochen Derlien, Asyl. Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten in der griechisch-römischen Antike, Mar burg 2003, 229 ff., bes. 230; 233. 9 Vgl. zur Frage, ob die Statuenflucht auch für freie Personen Rechtswirkungen entfaltet, Gamauf (o. Fn. 1) 137 ff., bes. 151 f. Gemäß Dreher (o. Fn. 1) 135; 137 han delt es sich vor allem deshalb um „sklavenspezifische Regelungen“, weil die Un freien eben „keine rechtsfähigen Personen“ sind, doch heiße das nicht, dass „Freie von der Asylstätte ausgeschlossen gewesen wären“. 10 Dazu ergänzend D. 1,12,1,8 Ulp. lib. sing. de off. praef. urb.: Quod autem dictum est, ut servos de dominis querentes praefectus audiat, sic accipiemus non accusantes dominos (hoc enim nequaquam servo permittendum est nisi ex causis receptis) sed si verecunde expostulent, si saevitiam, si duritiam, si famem, qua eos premant, si obscenitatem, in qua eos compulerint vel compellant, apud praefectum urbi exponant. hoc quoque officium praefecto urbi a divo Severo datum est, ut mancipia tueatur ne prostituantur. 11 Das betont zu Recht Gamauf (o. Fn. 1) 195. 12 Dazu Gamauf (o. Fn. 1) 56 ff.
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diese sog. Statuenflucht ca. ab der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. etab liert.13 Völlig umstritten ist es in der heutigen Lehre allerdings, ob sich das Kaiserrecht hier auf Vorläufer, also auf ein funktionierendes, gesellschaftlich anerkanntes Asylwesen in der Republik berufen konnte:14 Dreher stellt dazu rigo ros fest, dass Flüchtlinge sicherlich de facto, also in Notsituationen Schutz suchten, doch war ein solches Verhalten in Rom weder gesellschaft lich noch rechtlich anerkannt.15 13 Die Frage ist kontrovers, wie der sorgfältige Literaturüberblick bei Gamauf (o. Fn. 1) 52–54 verdeutlicht. Für die Mitte des 1. Jh. n. Chr. spricht m. E., dass bei D. 48,19,28,7 Callist. 6 cogn. i. f. (arg. ne autem ad statuas vel imagines quis con fugiat, senatus censuit: …) auf einen Senatsbeschluss verwiesen wird, der ein gene relles Verbot der Statuenflucht vorsieht und sich insofern mit dem Bericht bei Tac., ann. 3,36 deckt, wo auf Vorfälle unter der Regierung von Tiberius (21 n. Chr.) ein gegangen wird, die Anlass zu einem solchen senatus consultum gegeben haben dürf ten. Demgegenüber hebt dann Sen., clem. 1,18,2 besonders hervor, dass es den Skla ven erlaubt ist, bei Kaiserstatuen Zuflucht zu suchen (arg. servis ad statuam licet confugere; cum in servum omnia liceant, est aliquid, quod in hominem licere commune ius animantium vetet.); vgl. ferner Sen., benef. 3,22,1. Geht man zudem davon aus, dass sich das officium des praefectus urbi erst nach und nach unter den ersten principes ausgebildet haben wird, lässt sich Senecas Formulierung wohl dahingehend verstehen, dass hier auf Betrauungen durch einen der Vorgänger Neros Bezug genom men wird. Das wird dafür sprechen, dass unter Kaiser Caligula oder – noch wahr scheinlicher – unter Claudius das generelle Verbot einer Zufluchtnahme zu Kaisersta tuen zu Gunsten von Sklaven durchbrochen wird; s. in diesem Kontext zu Kaiser Claudius auch weiter unten bei Fn. 29. Für eine solche zeitliche Einordnung spricht sich etwa auch Wilfried Nippel, Aufruhr und „Polizei“ in der römischen Republik, Stuttgart 1988, 165 f.; 271 Fn. 50 aus, während Bellen (o. Fn. 5) 66–68 u. Fn. 479 auf Tiberius verweist, unter dem die Präfektur zum ständigen Amt wird; so auch Gamauf (o. Fn. 1) 195 f. Vgl. zuvor schon Gamauf, Ad statuas confugere in der frühen römi schen Kaiserzeit, in: Das antike Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Hrsg. Martin Dreher, Köln u. a. 2003, 177–202, 199, der eine „Institutionalisierung“ des confugere ad statuam zeitlich auf 15 bis 21 n. Chr. eingrenzt. Die Statuenflucht dürfte jedoch zuerst wohl nur von freien Personen (miss bräuchlich) in Anspruch genommen worden sein; vgl. auch Dreher (o. Fn. 8) 494, wonach „sich Sklaven erst in der Nachahmung von Freien die Kaiserbilder zunutze machten“. Wiederum anders sieht etwa Derlien (o. Fn. 8) 258 f. i. V. m. 235; 248 im Zeugnis von Sen. clem., 1,18,2 erst den Beginn einer Entwicklung, die sich dann im Kaiserrecht des 2. Jh. n. Chr. ausdifferenziert; ähnlich auch Dieter Nörr, C. Cassius Longinus: Der Jurist als Rhetor (Bemerkungen zu Tacitus, ann. 14.42–45) [1983], in: ders., Historiae iuris antiqui: Gesammelte Schriften, Bd. III, Goldbach 2003, 1585– 1620, 1586 u. Fn. 4, der diesbezüglich auf „die Zeit der Severer“ verweist. 14 Vgl. zur Fragestellung schon Jean Ch. Dumont, Servus. Rome et l’esclavage sous la République, Rome, 1987, 137: „Le droit d’asile pour l’esclave … existe à Rome sous l’Empire … Le problème est ici, encore une fois, de savoir si l’Empire a innové ou, au contraire, confirmé une tradition“. 15 Dreher (o. Fn. 4) 236 ff., bes. 242 f., wo abschließend festgehalten wird: „Es mag also auch im republikanischen Rom so gewesen sein, daß sich Menschen in
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In eine ähnliche Richtung geht auch die zuletzt vertretene Argumentation von Lucia Fanizza: Es habe zwar keinerlei Asylrecht gegeben, doch sei zu vermuten, dass die Rechtsverfolgung in manchen Fällen und für begrenzte Zeit ausgesetzt wird. Eine solche Reaktion auf die Asylflucht sei jedoch im völlig freien Ermessen der römischen Behörden gestanden.16 Ein anderer Teil der Lehre geht hier hingegen von einem historischen Wandel aus: Gamauf und vor ihm schon Giuliano Crifò oder auch Gerard Freyburger nehmen an, dass im archai schen Rom ein Tempelasyl nach griechischen Vorbild existiert hat, doch komme es schon bald außer Ge brauch, es erweist sich gleichsam als totes Recht: Denn den Schutz freier Bürger übernehmen danach die Volkstribunen, und zwar weitaus effektiver; hingegen habe man bei Sklaven zu bedenken, dass ihre humane Behandlung erst im Prinzipat zum politisch relevanten Thema werde.17 Ergänzen lässt sich diesbezüglich noch die Auffassung von Jean Dumont, wonach einer Asylflucht von Unfreien unter Berücksichtigung ihrer sozialen Realität so wieso keinerlei Bedeutung zugekommen wäre: Denn letztlich könnten Skla ven auf diesem Weg ja nur ihren Zwangsverkauf erreichen, nicht aber die Angst- oder Notsituationen sozusagen instinktiv in den göttlichen Schutz von Hei ligtümern, den oft einzigen öffentlich zugänglichen Orten, begaben. Wirkliche Asyl stätten aber“ und insofern „der Anspruch auf Schutz vor Verfolgung in einem Hei ligtum exi s tierte(n) also, um nochein mal eindeutig Stellung innerhalb der For schungsdiskussion zu beziehen, weder im allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein, noch in der Rechtsordnung“. Siehe ferner Dreher (o. Fn. 1) 129 f. 16 Lucia Fanizza, Asilo, diritto d’asilo. Romolo, Cesare, Tiberio, Index 40 (2012) 605–616, 613 f.: „Penso ad ogni modo che qui, piú che di un diritto si tratti d’altro, e cioè della protezione temporanea utilizzata dai supplicanti come limite all’attività giudi ziaria, coercitiva, dominicale esercitabile nei loro confronti. … Si trattava piuttosto di una sospensione di fatto, ma ad essere sospeso era il diritto di punire o di giudicare. Una sospensione limitata nel tempo e condizionata al riconoscimen to che l’autorità repressiva volesse dare, di volta in volta, a situazioni di questo genere“. 17 Vgl. insbes. Gamauf (o. Fn. 1) 191 f. u. Fn. 89 i. V. m. 13 f., der sich dabei auf „frührepublikanische Tempelasyle am Aventin“ bezieht, aber die Möglichkeit offen lässt, dass diese Asylstätten „weiterhin eine gewisse Bedeutung für Sklaven behiel ten“, die von ihren domini misshandelt werden; ferner Giuliano Crifò, s. v. „Asilo (diritto di) – a) Premessa storica – 1) Diritti antichi“, ED 3 (1958) 191–197, 194, der für die spätere Republik neben dem Volkstribunat auch auf das „diritto all’inviolabilità della casa“ und das „istituto dell’esilio … come autentici diritti del la personalità“ verweist (ebd., 195 f.); für Freyburger (o. Fn. 5) 139; 150 ist das im archaischen Rom existierende Asyl hingegen der rein religiösen Sphäre zuzuordnen; Freyburger, Le dieu Veiovis et l’asile accordé a Rome aux suppliants, in: Das anti ke Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Hrsg. Martin Dreher, Köln u. a. 2003, 161–175, 172 f. hält dann ergänzend für die spätere Entwicklung fest: „Rome a donc privilégié la supplication auprès des per sonnes par rapport à celle auprès des lieux sacrés“.
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Freiheit,18 und insofern wäre es bei einem derart schwachen und unsicheren Schutz kaum ratsam gewesen, die eigenen Herren öffentlich zu brüskieren. Angesichts dieses Meinungsstands stellen sich m. E. vor allem zwei Fra gen, denen im Anschluss nachgegangen werden soll: Gibt es einerseits über haupt Hinweise auf Asylstätten, bei denen Flüchtlinge davon ausgehen konn ten, Aufnahme zu finden, und denen deshalb auch soziale Relevanz zuzu schreiben ist. Und lässt sich der Asylflucht andererseits eine gesellschaftliche oder gar rechtliche Funktion zuordnen,19 die einen hinreichenden Grund da für bilden könnte, dass sie von Juristen bzw. von politischen Machtträgern anerkannt oder zumindest geduldet wird. Wie die zitierten, sehr vorsichtigen Äußerungen in der Lehre bereits erkennen lassen, finden sich zu diesem Themenkomplex nur wenige Quellen, doch dürften sich aus zwei Texten oder – genauer gesagt – aus zwei Textgruppen doch Indizien und darauf zu stützende Schlussfolgerungen für unsere Fragestellung ergeben. II. „Fluchtneigung“ aufgrund einer Zuflucht bei Asylstätten? Eingangs bietet es sich an, den einzigen klassischen Juristentext genauer zu betrachten, in dem überhaupt das Wort Asyl vorkommt. In D. 21,1,17,12 nimmt der Spätklassiker Ulpian nämlich auf eine Streit-Frage Bezug (arg. quaeritur), die bereits bei Labeo, also zur Zeit von princeps Augustus, und erneut bei Cae lius Sabinus, einem Juristen unter Nero und Vespasian, diskutiert wird:20 D. 21,1,17,12 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul. Apud Labeonem et Caelium quae Bei Labeo und Caelius Sabinus wird die ritur, si quis in asylum con fugerit Streitfrage behandelt, ob der jenige ein aut eo se conferat, quo solent venire „fluchtgeneigter Sklave“ ist, der im Asyl qui se venales postulant, an fugiti Zuflucht gesucht hat oder sich dahin begibt, wohin Sklaven üblicherweise kom men, vus sit: wenn sie für sich in Anspruch nehmen (da rauf hinweisen), „verkäuflich“ zu sein.21 18 Dumont (o. Fn. 14) 137 ff., bes. 141 f. mit der Schlussfolgerung: „La portée pratique du droit d’asile est minime“ (ebd., 143); das betont auch Ingomar Weiler, Die Be endigung des Sklavenstatus im Altertum. Ein Beitrag zur vergleichenden Sozialgeschichte, Stuttgart 2003, 269. 19 Vgl. zur Fragestellung insbes. auch Dreher (o. Fn. 1) 129 f., der dem Thema Asyl in republikanischer Zeit dann zumindest insoweit eine „integrative“ Funktion zuschreibt, als die im 3. Jh. v. Chr. entstandene Gründungslegende Roms – allerdings „ohne wirkliche Anknüpfungspunkte in der eigenen Geschichte“ – um das „sagen hafte Romulusasyl“ angereichert wird: Es handle sich dabei also um die „Adaption einer griechischen Institution …, um die eigene Stadt einmal mehr in die griechische Tradition einzubinden“. Dazu dann eingehend Dreher (o. Fn. 4) 244 ff. 20 Zur Einordnung der beiden frühklassischen Juristen neuerdings etwa Detlef Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian, München 2010, 21 f.; 26.
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ego puto non esse eum fugitivum, qui id facit quod publice facere li cere arbitratur. ne eum quidem, qui ad statuam Caesaris confugit, fugiti vum arbitror: non enim fugiendi animo hoc facit. idem puto et in eum, qui in asylum vel quod aliud confugit, quia non fugiendi animo hoc facit: si tamen ante fugit et postea se contu lit, non ideo magis fugitivus esse desinit.
Ich glaube, dass derjenige kein „fluchtge neigter Sklave“ ist, der das macht, was (aus) öffentlich(-rechtlicher Sicht) zu tun für er laubt angesehen wird. Nicht einmal den, der bei einer Kaiserstatue Zuflucht sucht, er achte ich als „fluchtgeneigt“: Denn er macht das nicht in der Absicht zu fliehen. Dasselbe nehme ich auch bezüglich desjenigen an, der im Asyl oder bei einer entsprechenden Stätte Zuflucht sucht, weil er das nicht in der Absicht zu fliehen tut. Wenn er jedoch zuerst geflohen ist und sich danach dorthin begibt, än dert sich deshalb nichts daran, dass es sich um einen „flucht geneigten Sklaven“ handelt.
Schon bei den Frühklassikern stellte sich also das Problem, ob ein Zu flucht suchender Sklave als servus fugitivus einzustufen ist. Eine solche Beurteilung würde natürlich seinen Wert und dementsprechend den Preis bei einem allfäl ligen Weiterverkauf am Markt erheblich verrin gern.22 In diesem Zusammenhang ist es nun von Interesse, dass eine Zufluchtnahme sowohl „im Asyl“ (in asylum) in Betracht gezogen wird, als auch an sonstigen Orten, wo Sklaven üblicherweise für sich in Anspruch nehmen, dass sie venales, also „verkäuflich“ sind.23 Nach überwiegender Lehre be zieht sich zumindest die erste Formu lie rung auf Asylstätten in den 21
21 Anders etwa die „Interpretation“ der deutschen Übersetzung, Corpus Iuris Ci vilis – Text und Übersetzung IV. Digesten 21–27, Hrsg. Rolf Knütel u. a., Heidelberg 2005, 13: „Bei Labeo und Caelius Sabinus wird gefragt, ob ‚Sklave, der zur Flucht neigt‘ sei, wer sich zu einer Stätte des Asyls geflüchtet hat oder sich dorthin begibt, wohin [von ihren Eigentümern] mißhandelte Sklaven zu gehen pflegen, die [beim Magistrat] um ihren Verkauf nachsuchen“. 22 Vgl. dann bezüglich der sog. Statuenflucht explizit D. 21,1,19,1 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul.: Plane si dixerit aleatorem non esse, furem non esse, ad statuam numquam confugisse, oportet eum id praestare; dazu auch Gamauf (o. Fn. 1) 74 f. u. Fn. 137. 23 Von der bisherigen romanistischen Lehre wird die Formulierung se venales postulare allerdings in anderem Sinn gedeutet; dazu unten bei Fn. 38. Für die hier vertretene Ansicht lässt sich aber – zumindest für die Bedeutung von venales – auch die bekannte Labeo-Ulpian-Entscheidung D. 19,5,20 pr. Ulp. 32 ad ed. anführen, in der auf „verkäufliche Pferde“ Bezug genommen wird: Apud Labeonem quaeritur, si tibi equos venales experiendos dedero, ut, si in triduo displicuissent, redderes, tuque desultor in his cucurreris et viceris, deinde emere nolueris, an sit adversus te ex vendito actio. et puto verius esse praescriptis verbis agendum: nam inter nos hoc actum, ut experimentum gratuitum acciperes, non ut etiam certares. Wenn Andreas Wacke, Dig. 19,5,20 pr.: Ein Siegespreis auf fremden Pferden. Zur Gewinn-Abliefe rungspflicht beim Kauf auf Probe, ZRG RA 119 (2002) 359–379, 360 hier zu Recht davon ausgeht: „Die Höhe des Kaufpreises hatte der Händler vermutlich bereits
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Ostprovinzen,24 doch fehlt hierfür jeder Anhalt im Text:25 Umso auffallen der erscheint daher der Hinweis bei Cassius Dio, wonach es zu Lebzeiten Labeos – anders als in den vorangegangenen Jahrhunderten – in der Tat einen römischen Tempel mit Asylrecht gab, näm lich das Heroon von C. Julius Caesar am Forum. Nach einem Menschen ansturm wurde das Heiligtum allerdings später ummauert und unzugänglich gemacht – mit anderen Worten: eine typisch römische Lösung. Dio 47,19,2–3.26 … ¢phgÒreusan d7 mhdšna ™v tÕ ¹rùon aÙtoà katafugÒnta ™p’ ¢de…* m»te ¢ndrhlate‹sqai m»te sul©sqai, Óper oÙdenˆ oÙd7 tîn qeîn, pl¾n tîn ™pˆ toà `RwmÚ lou genomšnwn, ™dedèkesan. ka…toi kaˆ ™ke‹no tÕ cwr…on ÑnÒma ti t¾n ¢sul…an, met¦ t¾n tîn ¢ndrîn ¥qroisin, ¥neu toà œr gou aÙtÁv œscen: oÛtw g¦r periefr£cqh éste mhdšna œti tÕ par£pan ™s el qe‹n ™v aÙtÕ dun hqÁnai.
… Sie (die Triumvirn) verboten, dass ir gendwer, der zwecks Straflosigkeit in (Cae sars) Heroon (am Forum) Zuflucht gesucht hat, hinausgejagt oder gewaltsam weggezerrt werden dürfe, eine Auszeichnung, die man nicht einmal einem der Götter, außer jenen, die schon in den Tagen des Romulus verehrt wurden, zugebilligt hatte. Gleichwohl hatte auch jener Platz nur dem Namen nach die Unverletz lichkeit, nach dem An drang (der An samm lung) von Menschen besaß er sie nämlich ohne tatsächliche Wirkung: Denn er wurde ringsum so eingezäunt, so dass nie mand mehr überhaupt in ihn hineinkommen konnte.27
Aber auch im Hinblick auf die anderen, bei Labeo erwähnten Zuflucht stätten finden sich entsprechende Belege. So wird etwa bei Festus der Dia 27
bestimmt“, so wird seine dahin gehende Vermutung m. E. bereits durch das Wort venales impliziert; zu diesem Aspekt dann noch genauer unten bei Fn. 68. 24 Vgl. insbes. Gamauf (o. Fn. 1) 70; 71 bzw. Weiler (o. Fn. 18) 269 u. Fn. 266. Zudem ziehen Georg Klingenberg, Servus fugitivus (CRRS X.6), Stuttgart 2005, 87 f. u. Fn. 315 und Leonhard Schumacher, Stellung des Sklaven im Sakralrecht CRRS VI), Stuttgart 2006, 38 f. in Betracht, dass mit den an zweiter Stelle erwähn ten Zufluchtstätten auf die Statuenflucht Bezug genommen sein könnte. Bellen (o. Fn. 5) 67 u. Fn. 474 und Derlien (o. Fn. 8) 231; 328 f. denken bei letzteren dann grundsätzlich an die Amtssitze des praefectus urbi sowie der Provinzstatthalter. 25 Die inscriptio der Stelle könnte sogar das Gegenargument liefern, dass sich die Juristendiskussion ja auf die Marktgerichtsbarkeit in Rom bezieht, doch wendet Ga mauf (o. Fn. 1) 69 dagegen ein, es bestehe in den senatorischen Provinzen ein paralle les Edikt und zudem könnte es hier um Sklaven gehen, die aus den Ostprovinzen stammen und dort Zuflucht gesucht haben, dann aber in Rom verkauft werden. 26 Mit den einleitenden „sie“ (in der Übersetzung) bezieht sich Cassius Dio ge mäß 47,18,1 auf die Triumvirn; zur Errichtung des Tempels am Forum Romanum s. auch Dio 47,18,4. Vgl. ferner Traulsen (o. Fn. 5) 250. 27 Zu völlig anderen Ergebnissen kommt hingegen Derlien (o. Fn. 8) 189 ff. auf grund einer Übersetzung, die u. a. den Sinn des letzten Textteils so wiedergibt: „…. Jedoch hatte jener Ort den Namen der Asylie, gemäß der Versammlung der Männer, ohne deren Funktion: so sehr nämlich war er umfriedet, dass überhaupt
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na-Tempel am Aventin als Ort erwähnt, zu dem sich offenbar häufig „flüch tige Sklaven“ begeben: Fest. p. 460 / 467 L., s. v. servorum dies (Festus). Als Festtag der Sklaven wird gewöhnlich Servorum dies festus vulgo ex der 13. August angenommen, weil an die istimatur Idus Aug., quod eo die sem Tag (der König) Servius Tullius den Serv. Tullius, natus servus eadem Tempel der Diana am Aventin ein geweiht Dianae dedicaverit in Aventino, cui hat, dessen Schutzpatrone Hirsche sind; aus us tutelae sint cervi; a quo celeritate diesem Grund bezeichnet man wegen ihrer fugitivos vocent cervos. Schnelligkeit „flüchtige Skla ven“ als Hir sche.
Und auch bei Nonius Marcellus wird unter Hinweis auf Varro und Sextus Aelius überliefert,28 dass der Ceres-Tempel am Fuß des Aventin für Flücht linge offen steht, die dort immerhin Brot erhalten: Non. de compendiosa doctrina I, p. 63 Pandere: Varro existimat ea causa dici, quod qui ope indigerent et ad asylum Cereris confu gissent panis daretur: pandere ergo quasi panem dare: et quod numquam fanum tali bus clauderetur: de Vita Populi Ro mani lib. I: ‚hanc deam Aelius putat esse Cererem; sed quod in asylum qui confugisset panis daretur, esse nomen fictum a pane dando, pandere, quod est aperire‘.
L. (= p. 44 M.), s. v. pandere. Das Wort „pan-dere“: glaubt Varro, werde aus dem Grund verwendet, weil an dieje nigen, die des Beistands bedurften und die beim Asyl der Göttin Ceres Zuflucht ge sucht hatten, Brot (pan-is) gegeben wurde (dare-tur): „pandere“ bedeutet daher sozu sagen „Brot geben“. Und weil das Heilig tum solchen Personen niemals verschlossen wird, im Werk (Varros) „de vita populi Ro mani“, im ersten Buch: „Aelius glaubt, dass es sich bei dieser Göttin um Ceres handelt; aber weil an diejenigen, die zum Asyl Zu flucht gesucht hatten, Brot gegeben wurde, dass dieses Wort von ‚Brot-geben‘ her gebil det wurde, ‚pan-dere‘, was zugleich (das Heiligtum) öffnen bedeutet“.
Bezieht man die soeben zitierten Texte zum Asyltempel Caesars und zu den aventinischen Heiligtümern29 also auf die bei Ulpian angesprochene niemand mehr hinein gehen konnte“. Allerdings müsste die Bezugnahme auf den Senatsbeschluss („Versammlung der Männer“), wenn schon auf diese Weise, im Text wohl mit tÕ tîn ¢ndrîn ¥qroisma und nicht mit ¹ tîn ¢ndrîn ¥qroisiv um schrieben werden. 28 Eine eingehende Beschäftigung mit den Texten von Festus und Nonius Mar cellus sowie den beiden Tempeln findet sich bei Gamauf (o. Fn. 1) 189 f. sowie bei Derlien (o. Fn. 8) 180 f. u. Fn. 139; 183 f. 29 Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass der Aventin mit seinen beiden (plebejischen) Heiligtümern – wie Gamauf (o. Fn. 1) 187 f. u. Fn. 58 bzw. Derlien (o. Fn. 8) 179 ff. zu Recht hervorheben – außerhalb des pomerium liegt; vgl. Sen., dial. 10,13,8 (= brev. vit. 13,8) und Gell. 13,14,3–4. Das änderte sich erst unter
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quaestio, dann spricht das Wort solent im ersten Satz von D. 21,1,17,12 m. E. bereits für eine existierende Asylpraxis in Rom. Ein weiterer Einwand gegen die Relevanz des Ulpiantextes geht nun dahin, er wäre von den Kompilatoren stark gekürzt worden und lasse daher nur bezogen auf die spätklassische Zeit einigermaßen sichere Schlüsse zu,30 da die Auffassungen von Labeo und Caelius gar nicht berücksichtigt sind.31 Aber auch das erscheint zweifelhaft, wenn man die Entscheidung in ihrem Gesamtzusammenhang liest: Zur besseren Verständlichkeit ist der Paragraph D. 21,1,17,12 deshalb eingangs in drei Absätze gegliedert worden. Dabei fällt sofort auf, dass sich Ulpian in Absatz 2 zustimmend zu einer Lehrmei nung äußert, die sich dann gar nicht mit seiner eigenen, in Absatz 3 über lieferten Auffassung deckt: Meines Ermessens bezieht sich Ulpian also in Absatz 2 zuerst auf die Meinung Labeos, wenn er ausführt, ein Sklave sei jedenfalls dann kein servus fugitivus, wenn die Zuflucht im öffentlichrechtlichen Sinn als erlaubt anzusehen ist. Genau das passt zu dem – zu Labeos Lebzeiten für Diskussion sorgenden – Asylrecht des Caesar-Tem pels.32 Und unmittelbar im Anschluss grenzt sich Ulpian dann von einer Kaiser Claudius, wie Gell. 13,14,7 belegt: Sed de Aventino monte praetermittendum non putavi, quod non pridem ego in Elydis, grammatici veteris, commentario offendi, in quo scriptum erat Aventinum antea, sicuti diximus, extra pomerium exclusum, post auctore divo Claudio receptum et intra pomerii fines observatum. Geht man also davon aus, dass aus römischer Sicht Asylstätten innerhalb des pomerium nicht geduldet waren, sei es nun aus politischer oder sakraler Tradition, so könnte die Erweiterung des pomerium unter Claudius einen nachvollziehbaren Anlass geboten haben, nun vom generellen Verbot der Statuenflucht abzugehen (s. schon oben bei Fn. 13). Durch die Schaffung einer Beschwerdeinstanz für Sklaven wäre damit zu gleich auf jene Konstellationen Rücksicht genommen worden, die zuvor üblicher weise Anlass zu einer Zuflucht bei den aventinischen Tempeln gegeben hatten. 30 So Gamauf (o. Fn. 1) 66 u. Fn. 100. 31 Dementsprechend divergieren auch die Auffassungen in der Lehre, welchen Standpunkt Labeo und Caelius eingenommen haben könnten: Gamauf (o. Fn. 1) 66; 72 f. geht davon aus, dass beide Frühklassiker die „Fluchtneigung“ bejaht hätten; ebenso Arrigo D. Manfredini, „Ad ecclesiam confugere“, „ad statuas confugere“ nell’età di Teodosio I, AARC 6 (1986) 39–58, 52 und Klingenberg (o. Fn. 24) 88 u. Fn. 318; nach Derlien (o. Fn. 8) 230 f. Fn. 4 und Schumacher (o. Fn. 24) 39 folgt Ulpian der Lösung Labeos, während Caelius Sabinus davon abweicht; wieder anders Peter Garnsey, Ideas of Slavery from Aristotle to Augustine, Cambridge 1996, 95, der vermutet, dass Ulpian im Einklang mit den Auffassungen der frühklassischen Juristen entschieden hat. 32 Siehe oben bei Fn. 26 f. Insofern wäre eine Inanspruchnahme sonstiger, bloß gesellschaftlich anerkannter Asylstätten – im Sinn Labeos – wohl nicht geeignet, die „Fluchtneigung“ zu verneinen, während nach Ulpian in beiden Fällen das subjektive Kriterium des animus fugiendi zu verneinen ist (s. unten bei Fn. 35). Anders versteht hingegen Gamauf (o. Fn. 1) 196 die Formulierung quod publice facere licere arbitra tur, wenn er hieraus folgert, dass ein „confugere ad statuas nicht als rechtliches
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anderen Aussage ab, die offenbar von Caelius stammt: Denn es geht darin um die Statuenflucht, die bei Labeo wohl noch kein Thema war,33 mit Si cherheit aber zur Zeit von Kaiser Nero und damit von Caelius: Ulpian be tont nämlich, dass nicht einmal derjenige Sklave, der bei einer Kaiserstatue Schutz sucht, als servus fugitivus anzusehen sei. Caelius Sabinus war hier freilich anderer Meinung, wie es der anschlie ßende § 13 des Ulpianfragments verdeutlicht. Denn der Frühklassiker spricht be reits dann von einem servus fugitivus, wenn der Eigentümer seinen unmittelbaren Zugriff auf den sich wegbegebenden Sklaven verloren hat:34 D. 21,1,17,13 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul. Ebenso schreibt Caelius Sabinus, es sei zu Item Caelius scribit placere eum quoque fugitivum esse, qui eo se treffend, auch denjenigen für einen „flucht conferat, unde eum dominus reci geneigten Sklaven“ anzusehen, der sich an perare non possit, multoque magis einen Ort begibt, von wo ihn sein Eigentü illum fugitivum esse, qui eo se mer nicht zurückerlangen kann, umso mehr conferat, unde abduci non possit. sei daher derjenige ein „flucht geneigter Sklave“, der sich dorthin begibt, von wo er nicht abgeführt werden kann.
Wie sich dem Beleg entnehmen lässt, kann es natürlich de facto zum Verlust der Zugriffs möglichkeit kommen, wenn der Herr beispielsweise keine Kenntnis davon hat, wo sich sein Sklave versteckt hält; aber es kann eben – wie Caelius unterstreicht – ebenso der Fall sein, dass es dem Eigen tümer de iure nicht offen steht, einen wieder aufgefundenen Sklaven abzu führen (arg. abduci non possit). Mit letzteren Worten wird jedenfalls auch der Fall einer Statuenflucht erfasst, weil nunmehr zuerst ein Verfahren vor dem praefectus urbi stattfinden muss, bevor der dominus die potestas über seinen Sklaven wiedererlangen kann. Auf ganz andere Weise begründet hingegen Ulpian seine eigene Entschei dung in Absatz 3 von D. 21,1,17,12:35 Ulpian stellt nämlich nicht darauf ab, Problem analysiert wurde“; davon ist offenbar auch die deutsche Übersetzung (s. oben bei Fn. 21) beeinflusst. Aber einmal abgesehen davon wird diese Argumenta tion bei Gamauf (o. Fn. 1) 72 und Derlien (o. Fn. 8) 232 sowieso dem Spätklassiker Ulpian zugeschrieben. 33 Siehe oben bei Fn. 13. 34 Bereits dann ist also gemäß Ulp. D. 21,1,17,1 von einem discedere ea mente ne ad dominum redeat im Sinn von Caelius Sabinus auszugehen, da die Dauer des Sich-Ent ziehens für den Frühklassiker hierbei keine Rolle spielt; vgl. auch die §§ 17,8–9 des Ulpianfragments sowie die beiden folgenden Fn. 35 In diesem Zusammenhang fügt Gamauf (o. Fn. 1) 66 f. unter Hinweis auf D. 21,1,17,1 ff. an, dass Ulpians „deliktsrechtliches Verständnis … keine Neuerung bildete, sondern der [sc. gemäß D. 21,1,17,1 (arg. ea mente)] schon von Caelius Sabi nus gegebenen Definition entsprach“; insofern sei die abweichende Meinung Ulpians „aus zwischenzeitlichen Rechtsänderungen“ abzuleiten (ebd., 71 f.). Damit
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ob ein Aufenthalt in der Asylstätte schon von vornherein von der Rechts ordnung anerkannt ist, wie das beim Tempelasyl der Fall ist. Und ebenso wenig kommt es ihm darauf an, ob der Eigentümer den jederzeitigen Zugriff auf seinen Sklaven hat. Vielmehr liegt nur dann eine „Flucht“ im Sinn des Edikts der kurulischen Ädilen vor, wenn der animus fugiendi des servus zu bejahen ist, wenn der Sklave also die Absicht hatte, sich seinem Herrn „einfach so“ zu entziehen, ohne dass ein rechtlich oder auch sozial aner kanntes Motiv für eine zeitweilige „Freiheit von der potestas des dominus“ vorliegt.36 Neben Notsituationen37 stellt also auch der Fall einer Statuen flucht ein respektables Motiv dar, weil der Sklave ja ein ihm zugebilligtes Verfahren in Gang setzen will, noch dazu unter Einbindung seines Herrn; und dementsprechend kommt es auch gar nicht darauf an, ob sich die Inan spruchnahme eines confugere ad statuam letztendlich als gerechtfertigt er weist oder nicht. Nur wenn der Unfreie von vornherein einen Fluchtversuch unternimmt und erst später (notgedrungen) irgendeine Asylstätte aufsucht, dann ist er – wie Ulpian abschließend ausführt – bereits als servus fugitivus einzustufen; hieran soll und kann sich dann auch nachträglich nichts mehr ändern. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Ulpiantext indirekt so wohl auf die Lehre von Labeo als auch auf die Gegenansicht des Caelius eingeht; der Spätklassiker überliefert insoweit völlig konsequent, worum es in der von ihm selbst „einleitend“ erwähnten quaestio geht. Für unsere wird m. E. allerdings – einmal abgesehen vom unzweifelhaften Bestehen der Statu enflucht zur Zeit Neros – das weite vel quod aliud confugit bei Ulpian noch nicht hinreichend erklärt; vgl. auch Derlien (o. Fn. 8) 231. Im Übrigen ist es zwar unbe stritten, dass seit der Frühklas sik sowohl subjektive als auch objektive Kriterien herangezogen werden, um das fugae causa (extra domum manere) im Sinn der Ausgangsdefinition von Ofilius näher zu bestimmen (D. 21,1,17 pr.: Quid sit fugitivus, definit Ofilius: fugitivus est, qui extra domini domum fugae causa, quo se a domino celaret, mansit); vgl. dazu etwa Klingenberg (o. Fn. 24) 1, 83 ff. Doch zei gen die im Ulpianfragment D. 21,1,17 über lieferten Auffassungen der früh- und hochklassischen Juristen bei der Ausformung und Anwendung dieser Kriterien eben Divergenzen, die in den abschließenden §§ 12 f., also anhand der quaestio hinsicht lich einer Asyl-„Flucht“, besonders deutlich hervortreten und hier zu unterschied lichen Lösungen führen können. 36 Die Inanspruchnahme einer solchen libertatis cuiusdam species reicht für Caelius in derartigen Fällen hingegen bereits aus, um den Sklaven zu einem fugitivus zu machen; vgl. D. 21,1,17,10 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul.: Idem [sc. Caelius] recte ait liberta tis cuiusdam speciem esse fugisse, hoc est potestate dominica in praesenti liberatum esse. 37 Dieser Ansatz geht bereits auf den Hochklassiker Vivian zurück, wie D. 21,1,17,3 Ulp. 1 ad ed. aedil. curul. belegt: Item apud Vivianum relatum est fugitivum fere ab affectu animi intellegendum esse, non utique a fuga: nam eum qui hostem aut latronem, incendium ruinamve fugeret, quamvis fugisse verum est, non tamen fugitivum esse. …
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Fragestellung ist dabei von Relevanz, dass Labeo hier offenbar auf eine gängige Asylpraxis in Rom anspielt. Die Worte se venales postulare, die in unserer Übersetzung von § 12 vorsichtig mit „darauf hinweisen, dass man verkäuflich ist“ wiedergegeben werden, sind von der bisherigen Lehre so verstanden worden, dass die Sklaven am Asylort ihren Verkauf „fordern“:38 Aber ein solcher Zwangsverkauf, wie er aufgrund der Statuenflucht vorge sehen ist, und zwar als ultima ratio, war bei Labeo wohl noch kein Thema. Und jeder nicht-hoheit liche Ver kauf gegen den Willen des Eigentümers wäre aus römischer Sicht doch furtum, also ein zu ahndendes Unrecht ge wesen, was wohl gegen eine solche Auslegung spricht. III. Hinweise auf die römische Praxis im „Rudens“ von Plautus? Neben dem Ulpianbeleg verdienen in unserem Kontext auch einige Tex te aus einer Plautus-Komödie Beachtung: Denn im Verlauf des Stückes „Ru dens“, auf Deutsch mit „Seil“ oder „Schiffstau“ wiederzugeben, su chen zwei junge Frauen Zuflucht beim Altar eines Tempels. Dass die neu ere Forschung diese Komödie dennoch völlig unbeachtet lässt,39 wird bei Martin Dreher in einer Fußnote kurz bekräftigt: Plautus stütze sich dabei ja auf ein griechisches Werk, nämlich ein Stück von Diphilos, das uns freilich nicht erhalten ist;40 zudem spiele die Handlung in Kyrene, also an der nord-afrikanischen Küste, die zur Zeit von Plautus noch nicht Teil des römischen Imperiums ist;41 und dementsprechend belege die hier darge stellte Zufluchtnahme beim Altar einzig und allein, dass das römische Pu blikum eine oberflächliche Kenntnis vom griechischen Tempelasyl gehabt habe.42 Diese Argumente verlieren freilich einiges an Überzeugungskraft, wenn man sich etwas genauer auf die Details dieser Komödie einlässt: Natürlich 38 Siehe z. B. Bellen (o. Fn. 5) 66 f.; 70 f.; Gamauf (o. Fn. 1) 71; Derlien (o. Fn. 8) 231 oder auch die deutsche Übersetzung (oben bei Fn. 21). 39 Immerhin findet sich schon bei Mommsen (s. oben bei Fn. 5) ein Hinweis auf dieses Stück, auch wenn die Argumentation dort nicht besonders überzeugend er scheint. 40 Vgl. Jan F. Gaertner, Das antike Recht und die griechisch-römische Neue Komödie: Untersuchungen zu Plautus und seinen griechischen Vorbildern, Teil II (phil. Habil. Leipzig 2011, noch unveröffentlicht), 433 u. Fn. 1607 bzw. allg. Manfred Fuhrmann, Geschichte der römischen Literatur, Stuttgart 1999, 85; 87. 41 Denn die Cyrenaica fällt erst 96 v. Chr. durch Testament des Ptolemaios Api on an Rom und wird dann 74 v. Chr. in eine Provinz umgewandelt, die zusammen mit Creta verwaltet wird. 42 Vgl. Dreher (o. Fn. 4) 237 Fn. 7; s. auch Gaertner (o. Fn. 40) 436 u. Fn. 1619.
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lassen sich bei Plautus darüber hinaus eine Vielzahl von Hinweisen auf das römische Recht ausmachen, so wird auf die in ius vocatio Bezug genom men, der Prozess findet dann vor recuperatores statt,43 und der Dichter spielt etwa auf die exceptio legis Laetoriae an,44 doch all das könnte auch terminologisches Beiwerk sein. Aber es ist jedenfalls auffallend, dass Plau tus bereits im Prolog nur ganz vorsichtig sagt, Diphilos wollte, dass der Name der Stadt Kyrene sei. Plaut. Rud. 32 f. Arcturus. Primumdum huic esse nomen urbi Diphilus / Cyrenas vo luit. …
Zuerst der Name dieser Stadt: Diphilus wollte, dass er Kyrene sei. …
Und in der Tat ist die (Hafen-)Stadt, auf die Plautus im Rudens Bezug nimmt, schon rein geographisch gesehen ein reines Phantasieprodukt, denn Kyrene liegt 15 km landeinwärts am Rand der Wüste.45 Die Bedeutung dieser plautinischen Bemerkung wird jedoch bald darauf offengelegt, denn spätestens ab dem ersten Akt wissen die Zuschauer, dass die Handlung ei gentlich in Rom spielt: Dort gibt nämlich ein frecher Sklave dem jungen Helden den Rat, nicht beim Venus-Tempel auf ein versprochenes Opfermahl zu warten, sondern sich lieber zum Heiligtum der Ceres aufzumachen, denn dort bekomme er wenigstens Brot: 43 Dazu eingehender Martin Pennitz, Zum Prozess wegen des Verkaufs einer vermeintlichen Sklavin. Plautus’ Rudens als römischrechtliche Quelle?, in: Kultur(en). Formen des Alltäglichen in der Antike. Festschrift für Ingomar Weiler zum 75. Geb., Hrsg. Peter Mauritsch u. a., Graz 2013, 567–584, 577 f.; 580. 44 Plaut. Rud. 1380–1382: Cedo quicum habeam iudicem, / ni dolo malo instipulatus sis nive etiamdum siem / quinque et viginti annos natus; vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, 276 u. Fn. 22 bzw. Max Kaser / Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, München 19962, 71 f. Fn. 15. 45 Von einer „plautinischen Phantasiestadt“ spricht auch Eckard Lefèvre, Plautus’ Rudens, Tübingen 2006, 17 f. (unter Hinweis auf Plin., nat. 5.32), doch führt das dort zur erstaunlichen Schlussfolgerung, dass ein solches Missgeschick zwar dem Römer Plautus durchaus zuzutrauen sei, aber keinesfalls seiner griechischen Vorlage, weshalb die Handlung des griechischen „Originals“ – trotz des expliziten Hinweises bei Plaut. Rud. 32 f. – entweder in Apollonia, dem Hafen Kyrenes, oder gar an der Küste bei Athen gespielt haben müsse. Aber gegen diese Sichtweise spricht m. E., dass die Römer schon zur Zeit von Plautus – zumindest über Capua – intensive Handelsbeziehungen mit Kyrene unterhalten, weshalb sich der Dichter gerade nicht auf eine denkbare geographische Unwissenheit seines Publikums verlassen kann, zu dem sicher auch weitgereiste Händler und Kaufleute gehören. Das wird auch im Stück selbst deutlich, wenn in Plaut. Rud. 629–631 ein in Kyrene ansässiger Bauer unter Anspielung auf die bevorstehende Silphium-Ernte, worauf ja Kyrenes sprich wörtlicher Reichtum beruht, so angesprochen wird: Teque oro et quaeso, si speras tibi / hoc anno multum futurum sirpe et laserpicium / eamque eventuram exagogam Capuam salvam et sospitem, …
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Plaut. Rud. 145 f. Sceparnio. Cererem te meliust quam Venerem sectarier: / amori haec cu rat; tritico curat Ceres.
Du solltest lieber zur Ceres als zur Venus laufen: Diese sorgt für Liebe, Ceres aber für Nahrung.
Das zielt auf den bereits erwähnten Tempel der Ceres am Fuß des Aven tin ab,46 und dazu könnte gut passen, dass das vom Ceres-Tempel schnell erreichbare Forum boarium unmittel bar beim Flusshafen Roms, also vor den Toren der Stadt und in nächster Nähe der Tiberinsel liegt: Dieser portus Tiberinus gewinnt gerade um die Zeit von Plautus, noch während des Zweiten Punischen Krieges, große Bedeutung als Umschlagplatz für Handelswaren,47 wo durch die in Hafen nähe spielende Handlung des Rudens reale Konturen erhält. Und natürlich beruht ein wesentlicher Teil der Komik des plautinischen Stückes nicht zuletzt darauf, dass der Dichter hier ganz generell römische Verhältnisse aufs Korn nimmt. Um allerdings die Vorbedingungen für die uns interessierende Asylflucht zu verstehen, er scheint es angebracht, in aller gebotenen Kürze auf den Inhalt des Stücks einzugehen: Der jugendliche Held, ein Athener namens Plesidippus, verliebt sich in das Mädchen (puella) Palaestra, die als kleines Kind aus ihrem Geburtsort Athen geraubt wurde. Sie ist vom Zuhälter Labrax, einem Bürger Kyrenes (also Roms)48 und zugleich leno des Stücks,49 46 Siehe oben bei Fn. 28. Der Tempel war im Übrigen – vgl. dazu Wolfgang Kunkel / Roland Wittmann, Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik. II: Die Magistratur, München 1995, 475 u. Fn. 11; 480 u. Fn. 25 – Versammlungsort und Archiv der Ädilen, was wiederum die Anspielung bei Plaut. Rud. 373 f. noch plastischer werden lässt: Novi, Neptunus ita solet, quamvis fastidiosus / Aedilis est: si quae improbae sunt merces, iactat omnis. 47 Vgl. nur Frank Kolb, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 20022, 151–154 u. 208–211. 48 Die von Teilen der Literatur – etwa Friedrich Marx, Plautus Rudens. Text und Kommentar, Amsterdam 1959, 218 (zu v. 1282) – vertretene These, dass der leno selbst als Fremder in Kyrene lebt, stützt sich nur auf einen einzigen, nicht besonders aussagekräftigen Vers (Plaut. Rud. 41: … is eam huc Cyrenas leno advexit virginem). Demgegenüber lassen sich andere Passagen anführen, die das Gegenteil nahe legen: Denn u. a. nimmt Labrax in Kyrene einen hospes aus Sizilien auf (v. 49; 491; 883), ferner wird er, nachdem er sich nach Sizilien abzusetzen versucht, als ExilFlüchtling bezeich net (v. 324–326; 859), und außerdem verdeutlicht auch Plaut. Rud. 789 f., dass er Bürger der urbs ist; denn an dieser Stelle droht der leno einem Athener namens Daemones mit folgenden Worten: Verum senex, si te umquam in urbe offendero, / numquam hercle quisquam me lenonem dixerit, / si te non ludos pessimos dimisero. 49 Vgl. grundlegend Rolf F. Hartkamp, Von leno zu ruffiano. Die Darstellung und Funktion der Figur des Kupplers in der römischen Palliata und in der italieni schen Renaissancekomödie, Tübingen 2004, 108 ff.; 114 ff. sowie 12 u. Fn. 12 zur Bezeichnung „Zuhälter“.
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gekauft und hierher gebracht worden; nun soll ihre Ausbildung zur Prosti tuierten zum Abschluss kommen. Für das Verständnis des weiteren Gesche hens ist dabei ein Umstand essentiell, dem m. E. in der neueren PlautusForschung nicht ausreichend Rechnung getragen wird,50 nämlich dass sich die junge Frau ihrer freien Geburt völlig bewusst ist: Plaut. Rud. 217 f. Palaestra. Libera ego prognata fui maxume, nequiquam fui. / nunc qui minus servio, quam si serva forem nata?
Ganz und gar wurde ich als Freie gezeugt, doch vergeblich wurde ich es. Denn diene ich jetzt etwa weniger, als wäre ich als Skla vin geboren?
Allerdings hat sie als Fremde hier in Kyrene gegen den einheimischen leno de facto keine Chance.51 Nun aber einigt sich der verliebte junge Mann mit dem leno auf einen Kaufpreis, eine hohe Anzahlung erfolgt und die Übergabe der virgo soll am nächsten Tag beim Venus-Tempel stattfin den. Doch Labrax bringt noch in der Nacht das gesamte Vermögen sowie alle seine Sklavinnen auf ein Schiff und legt sofort ab, um in Sizilien eine neue Existenz zu beginnen. Ein heftiger Sturm zieht auf, das Schiff kentert und nun passiert dreierlei: Zuerst gelangen Palaestra und eine Gefährtin in einem Beiboot ans Ufer, später erreicht auch der leno schwimmend das Land und schlussendlich wird sogar sein Koffer von einem Fischer an Land gezogen: In diesem befinden sich nicht nur das Gold des Zuhälters, ein schließlich der entgegengenommen arra,52 sondern auch die Schmuckstü cke, mit denen die junge Frau ihre freie Abstammung beweisen kann, was letztlich zum glücklichen Ausgang der Komödie, nämlich zur Auffindung ihrer Eltern sowie zur anschließenden Hochzeit mit Plesidippus führt. Aber bevor es dazu kommt, suchen die beiden Frauen vor dem herannahen den leno Zuflucht beim Altar der Venus, was Plautus nicht etwa mit „Asyl“, sondern – wie schon bei Ulp. D. 21,1,17,1253 – mit confugere (ad aram) um schreibt.54 Doch bedeutsamer als derartige terminologische Erwägungen55 er scheint ein Streitgespräch, das sich zwischen Labrax und einem Athener na mens Daemones abspielt, der in der Nachbarschaft des Tempels lebt: 50 Vgl. etwa zuletzt Lefèbre (o. Fn. 45) 21 ff., der meint, dass „das Motiv von Palaestras Freiheit in extremer Weise konfus eingesetzt“ sei. 51 Zur Bedeutung dieses Umstandes für den anschließenden Prozessverlauf vgl. Pennitz (o. Fn. 43) 572; 576 f. 52 Dazu genauer Pennitz (o. Fn. 43) 572–575. 53 Siehe oben bei Fn. 21. 54 Plaut. Rud. 454–456: ampelisca. Sed quid ego cesso fugere in fanum ac dicere haec / Palaestrae, in aram ut confugiamus prius / quam huc scelestus leno veniat nosque hic opprimat? Vgl. auch Dumont (o. Fn. 14) 139 u Fn. 267. 55 Siehe schon oben bei Fn. 44 und allg. dazu Pennitz (o. Fn. 43) 568–570.
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Plaut. Rud. 723–725. Labrax. Mihi non liceat meas ancil las Veneris de ara abducere? / daemo nes. Non licet: est lex apud nos. Labrax. Mihi cum vestris legibus / com merci: equi dem istas iam ambas educam foras.
Ich sollte meine Sklavinnen nicht vom Altar der Venus abführen dürfen? --- Nein! Denn so ist’s bei uns Gesetz. --- Mit euren Geset zen hab‘ ich nichts zu schaffen; in der Tat führ‘ ich diese beiden nun fort.
Als Labrax nämlich die beiden Sklavinnen unter Berufung auf sein Eigentum vom Altar abführen will (arg. abducere56), entgegnet der ExilAthener, das sei apud nos nicht zulässig. Kurz und bündig kontert darauf der leno, ihn würden vostrae leges weder betreffen noch interessieren. Eine solche Äußerung wäre bei einem Einwohner des hellenistischen Kyrene völ lig unverständlich, denn auch dort ist die Institution des Tempel-Asyls eta bliert.57 Aber aus der Perspektive eines römischen Sklaveneigentümers er gibt eine solche Aussage durchaus Sinn. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Plautus – ebenso wie schon zuvor der Frühklassiker Labeo in D. 21,1,17,1258 – auf die in Rom beste hende Asylpraxis anspielt; auf ein Asylrecht im griechisch-hellenistischen Sinn kann man sich in der Republik freilich nicht berufen. Aber warum sucht Palaestra dann überhaupt Zuflucht beim Tempel? Hier fällt auf, dass für sie bereits ein Kaufpreis festgesetzt ist, was zumindest entfernt an den Begriff serva venalis bei Labeo erinnert.59 Denn durch den Verkauf an den jungen Mann entgeht die virgo jedenfalls der Zwangs-Prostitution und hat zugleich gute Chancen, ihre Freiheit zu erlangen. Und zu diesem Thema passt dann auch, dass Plautus die Figur des servus venalis explizit nennt und charakterisiert: Dass ein solcher zumeist offenbar größten Bedarf hat, Geld für sich einzunehmen, wird anhand einer Szene deutlich, in der er von einem weiteren Schiffbrüchigen um trockene Kleidung gebeten wird: Plaut. Rud. 581–585. Sceparnio. Tibi ego numquam quicquam credam, nisi si accepto pignore. / tu vel suda vel peri algu, vel tu aegrota vel vale. / … / Char mides. Iamne abis? venalis illic ductitavit, quisquis est; / non est misericors. 56 Zu
Dir gebe ich gar nichts auf Kredit, außer ich erhalte ein Pfand. Schwitz doch oder komm um vor Kälte, sei krank oder wohl auf. … [Geht ab.] --- Gehst du schon weg? [Für sich:] So ein „Sklave mit festgelegtem (Kauf-) Preis“ betrügt (rafft alles an sich), wer auch immer jener da ist: Der kennt kein Mitleid.
diesem technischen Wortgebrauch bereits oben bei Fn. 34. nur Traulsen (o. Fn. 5) 186 ff., bes. 199. Nur bezogen auf den Stand punkt des Daemones lässt sich also mit Gaertner (o. Fn. 40) 452 sagen, die Szene setze „das griechische Rechtsinstitut des Tempelasyls voraus“. 58 Arg. solent; dazu oben bei Fn. 29. 59 Siehe oben bei Fn. 23 u. 38. 57 Vgl.
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IV. Gesellschaftlich akzeptierte Fälle einer Zuflucht Plautus konfrontiert sein Publikum also mit einer Situation, in der die Zuflucht zur Asylstätte für die versklavte, junge Frau jedenfalls Sinn macht: Ge mäß unserer Ausgangsfrage ist nun zu überlegen, ob diese Asylflucht auch eine Duldung von Seiten der Juristen bzw. der politischen Obrigkeit rechtfertigen könnte. Juristisch gesehen spricht Plautus hier den Fall des / r homo liber / a serviens an.60 Um die eigene, freie Abstammung zu beweisen, bedarf es des Freiheitsprozesses (status quaestio) sowie eines adsertor, also eines Prozess-Beistandes. Ein Gaiustext belegt schon für die Zeit der Repu blik, dass man sowohl den vermeintlichen Sklaven als auch den adsertor – im Sinn des favor libertatis – rechtlich begünstigt:61 Gai. inst. 4,14. … si de libertate hominis con troversia erat, etiamsi pretiosissimus homo esset, tamen ut l assibus sacramento contende retur, eadem lege cautum est favore scilicet liber tatis, ne onerarentur adsertores.
… Sollte es aber zum Rechtsstreit über die Freiheit eines Menschen kommen, wurde aufgrund der Bestim mungen desselben (sc. XII-Tafel-)Gesetzes nur mit 50 As als Wett einsatz prozessiert, selbst wenn der Mensch (als Sklave) sehr wertvoll war, natürlich im Sinn der Begünsti gung der Freiheit, damit nämlich die Freiheitsbei stände nicht (über mäßig) belastet werden.
Aber das soziale Problem liegt natürlich darin, überhaupt einen adsertor zu finden, noch dazu gegen den Willen des dominus; die neuere Lehre denkt hier insbesondere an eine moralische Pflicht der römischen Bürger,62 aber sehr oft wird die Zuflucht zum Asyl für einen homo liber serviens wohl der einzige Weg sein, um überhaupt auf das eigene Schicksal aufmerksam zu machen. Ähnliches gilt hinsichtlich eines bekannten Rechtssatzes, der gemäß Ul pian bereits vom Vorklassiker Servius Sulpicius Rufus auf die sog. statuliberi angewendet wird:63 60 Vgl. allg. Alfred Söllner, Irrtümlich als Sklaven gehaltene freie Menschen und Sklaven in unsicheren Eigentumsverhältnissen – homines liberi et servi alieni bona fide serviens (CRRS IX), Stuttgart 2000, z. B. 24 f. 61 Siehe dazu nur Miriam Indra, Status quaestio. Studien zum Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht, Berlin 2011, 123 ff., bes. 132 f.; 167 f.; sowie allg. Kaser / Hackl (o. Fn. 44) 101 u. Fn. 74 f.; 103 u. Fn. 92 f. 62 Siehe schon Max Kaser, Rez. Gennaro Franciosi, Il processo di libertà in diritto romano (1961), ZRG RA 79 (1962) 391–398, 397 sowie Indra (o. Fn. 61) 127 f. Fn. 36; 167 u. Fn. 294 unter gleichzeitigem Hinweis auf Kaser / Hackl (o. Fn. 44) 218 (§ 29 VI); ferner Salvatore Sciortino, Studi sulle liti di libertà nel dirit to Romano, Torino 2009, 108; 111–113. Das ist insbesondere bei einer eingebrachten vindicatio in servitutem durchaus plausibel, bei der vindicatio in libertatem hingegen weitaus weniger naheliegend, einmal ganz abgesehen davon, dass uns diesbezüglich jegliche Quellenzeugnisse fehlen.
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D. 40,7,3,2 Ulp. 27 ad Sab. … idem Servius probat et si in eo moram faciat heres, quod nolit ex igere a debitoribus: nam (sc. statu liberum) perventurum ad libertatem ait. mihi quoque videtur verum quod Servius ait. 63
… dasselbe hält Servius für richtig, selbst wenn sich der Erbe nur insofern in Verzug befindet, als er von den Schuldnern (des Bedingt-Freien das Geld) nicht einfordern will; denn er sagt, dass er (der Bedingt-Freie dadurch) die Freiheit erlangt. Auch mir er scheint die Entscheidung von Servius richtig.
Bei diesen „Bedingt-Freien“ handelt es sich um Sklaven, die vom Herrn testamentarisch unter einer Bedingung freigelassen werden – zumeist sollen sie dem Erben eine bestimmte Geldsumme zahlen: Verhindert der Erbe nun diese Leistung, so wird fingiert, die Bedingung sei erfüllt und der Sklave frei.64 Aber wie soll man diese Freiheit geltend machen, wenn der neue Herr schon die Zahlung erfolgreich sabotiert hat? Des Weiteren erinnert das Wort venalis an die Praxis der sog. pactio libertatis, die ebenfalls in die Republik zurückreicht, wie ein bei Alfenus Varus überlieferter Fall bezeugt:65 D. 40,1,6 Alf. 4 dig. Servus pecuniam ob libertatem pac tus erat et eam domino dederat: …
Ein Sklave hatte einen Geldbetrag für seine Freiheit vereinbart und diesen dem Herrn übergeben: …
Der Herr vereinbart hier mit dem eigenen Sklaven einen Preis, um den ein Freikauf erfolgen kann. Das Problem liegt freilich darin, dass der do63 Vgl. dazu auch Martin Pennitz, Veterum dubietate quiescente nobis placuit … (Iustinianus C. 6.46.6). Indizien für eine frühklassische Juristenkontroverse zu den statuliberi, in: Fides, humanitas, ius. Studii Luigi Labruna, vol. VI, Napoli 2007, 4073–4101, 4085–4087 u. Fn. 38 ff.; ders., ‚Statuliber‘ und ‚favor libertati‘, Index 38 (2010) 253–260, 256 f. u. Fn. 14 f. 64 Siehe auch D. 40,7,3 pr.-1 Ulp. 27 ad Sab.: Statuliberos condicioni parere oportet, si nemo eos impediat et sit condicio possibilis. / Sed si in heredis persona iussus sit parere condicioni, quid dici debeat? si quidem paruit condicioni, statim liber est etiam invito herede. quod si non patitur heres pareri (puta offert decem, quae dare iussus erat), procul dubio liber est, quia per heredem stare videtur, quo minus condicionem impleat. 65 Der Herr hatte seinem Sklaven dann allerdings nicht schon zu Lebzeiten die Freiheit zukommen lassen, sondern erst mittels manumissio testamentaria unter Ver mächtnis des peculium. Der Vorklassiker hatte daher zu entscheiden, ob dem libertus auch die an den Herrn bezahlte Summe auszuhändigen ist; s. dazu den Fortgang des Belegs D. 40,1,6: … dominus prius quam eum manumitteret, mortuus erat testamento que liberum esse iusserat et ei peculium suum legaverat. consulebat, quam pecuniam domino dedisset ob libertatem, an eam sibi heredes patroni reddere deberent necne. respondit, si eam pecuniam dominus, posteaquam accepisset, in suae pecuniae rationem habuisset, statim desisse eius peculii esse: sed si interea, dum eum manumitteret, acceptum servo rettulisset, videri peculii fuisse et debere heredes eam pecuniam manumisso reddere.
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minus zwar eine moralische Bindung ein geht, aber rechtlich nicht ver pflichtet wird.66 Auch unter solchen Umständen könnte ein Skla ve also gezwungen sein, mit dem er sparten Geld in Händen bei einer Asylstätte Zuflucht zu suchen, um unter Zuziehung eines Dritten – etwa eines Pries ters oder Volkstribunen67 – mit seinem unwilligen Herrn in Verhandlungen zu treten; in diesem Sinn lässt sich jedenfalls der bei Labeo anzutreffende Sprachgebrauch vom se venales postulare gut erklären, weil sich Sklaven hier ja auf das Argument stützen können („für sich in Anspruch nehmen“), dass für sie vom Herrn selbst ein (Kauf-)Preis in ent sprechender Höhe festgesetzt wurde.68 Oder ein Sklave entscheidet sich, weil er seinem dominus von vornherein nicht traut, für einen anderen Weg, nämlich die sog. redemptio servi suis nummis, auf die etwa der Spätklassiker Marcian Bezug nimmt:69 D. 40,1,5 pr. Marc. 2 inst. Si quis dicat se suis nummis emp tum, potest consistere cum domino suo, cuius in fidem confu git, et queri, quod ab eo non manumittatur, … ex sacris constitu tionibus divo rum fratrum. …
Wenn jemand behauptet, mit eigenem Geld gekauft zu sein, kann er gegen seinen Herrn klagen, bei dessen Treue er Zuflucht gesucht hat, und sich beschweren, dass er von ihm nicht freigelassen wurde … auf grund der Konstitutionen der vergöttlichten Brüder. …
66 Vgl. dazu etwa Okko Behrends, Prinzipat und Sklavenrecht. Zu den geistigen Grund la gen der augusteischen Verfassungsschöpfung, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, Hrsg. Ulrich Immenga, Göttingen 1980, 53–88, 57 u. Fn. 13; Nörr (o. Fn. 44) 1585 f.; Rolf Knütel, Das Mandat zum Freikauf, in: Mandatum und Verwandtes. Beiträge zum römischen und modernen Recht, Hrsg. Dieter Nörr / Shi geo Nishimura, Berlin u. a. 1993, 353–374, 354 f. oder Thomas Finkenauer, Anmer kungen zur redemptio servi suis nummis, in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geb., Heidelberg 2009, 345–357, 345. 67 Vgl. in anderem Zusammenhang etwa Sen., contr. 3,9: Aeger dominus petit a servo, ut sibi venenum daret; non dedit. cavit testamento, ut ab heredibus crucifigeretur. appellat servus tribunos. Dass aber die Volkstribune ihr ius auxilii gerade auch auf solche Fälle erstreckt haben werden, liegt nahe, da Sklaven, die auf diesem Weg zur Freiheit gelangen, zur ihrer politischen Klientel gehören; vgl. etwa Dumont (o. Fn. 14) 141 u. Fn. 280 und sogar für die Frühzeit Endre Ferenczy, L’adsertor libertatis nell’etá della repubblica romana arcaica, in: Studi in me moria di Guido Donatuti, vol. I, Milano 1973, 387–394, 392 f., aber skeptisch Gamauf (o. Fn. 1) 13 u. Fn. 16. Ferner zur Bedeutung des ius auxilii für die cognitio extra ordinem (s. dazu unten bei Fn. 82) Kunkel / Wittmann (o. Fn. 46) 587 ff., 592. 68 Siehe schon oben bei Fn. 21 f.; 38; sowie 59. 69 Siehe dazu ferner D. 40,1,4 pr. Ulp. 6 disp. (Is qui suis nummis emitur epistula divo rum fratrum ad Urbium Maximum in eam condicionem redigitur, ut libertatem adipiscatur) sowie die anschließenden Paragraphen des Fragments. Dazu zuletzt Susanne Heinemeyer, Der Freikauf des Sklaven mit eigenem Geld – Redemptio suis nummis, Berlin 2013, insbes. 281 ff., 283 f.
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Der Sklave beauftragt hier also einen Mittelsmann, der ihn mit dem ange spar ten oder erwirt schafteten Geld kaufen und dann freilassen soll;70 da der ursprüngliche dominus auch in dieser Fallkonstellation von vornherein mit dem Verkauf zu einem bestimmten Preis einverstanden war, lässt sich wie derum von einem servus venalis sprechen.71 Doch ändert das nichts daran, dass der Mittelsmann, der nun durch Kauf zum neuen dominus wird, sich gleichfalls als unredlich erweisen könnte; eine Konstitution, die unter den Kaisern Mark Aurel und Lucius Verus zum Schutz solcher Sklaven72 ergeht, deutet an, wie virulent und regelungsbedürftig das Problem gewesen sein dürfte. Im Übrigen fällt auf, dass sowohl in der Marcian-Entscheidung als auch im bereits erwähnten Ulpianbeleg D. 1,12,1,173 bei dieser Frage stellung ganz offensichtlich eine gedankliche Verknüpfung mit dem Termi nus confugere, also mit dem Thema der Zufluchtnahme, nahe liegt. V. Das Asylwesen aus römischer Sicht Die bei Labeo, Festus und Varro erwähnten Zufluchtstätten,74 die damit einhergehenden Plautus-Passagen75 sowie die zum Begriff servus venalis 70 Vgl. dazu – neben den oben in Fn. 66 genannten Beiträgen – noch William W. Buckland, The Roman Law of Slavery. The Condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian, Cambridge 1908, 636–640, bes. 637 u. Fn. 2; Gerhard Horsmann, Die divi fratres und die redemptio servi suis nummis (Zu den Motiven der epistula ad Urbium Maximum, Dig. 40,1,4), Historia 35 (1986) 308– 321, 316, der zu Recht von einem „schon länger existierenden Rechtsgeschäft“ ausgeht, sowie Thomas Finkenauer, Die Rechtsetzung Mark Aurels zur Sklaverei, Stuttgart 2010, 44–50. 71 Sehr berücksichtigenswert erscheinen die Überlegungen bei Finkenauer (o. Fn. 70) 49 f. zu möglichen, wohlmeinenden Motiven für diese „Freilassungsform“, doch stellt die Einigung mit einem misstrauischen Sklaven, an der der dominus angesichts des vom Sklaven zu erwirtschaftenden Mehr-Werts (in Form des festge setzten, „ho hen“ Kauf preises) ebenfalls ein vitales Interesse hat, m. E. doch eine weitere plausible Verbindung zur pactio libertatis her. 72 Natürlich erhebt sich diesbezüglich die Frage, warum nur die redemptio suis nummis, nicht jedoch die pactio libertatis kaiserrechtlich geregelt wird. Aber der Unter schied wird m. E. deutlich, wenn man sich die Position des Beklagten vor Augen hält: Die Kaiser wollen keineswegs in das Verhältnis zwischen dem Sklaven und seinem (ursprünglichen) dominus eingreifen, der die Bedingungen für eine all fällige „Freilas sung“ eines wirtschaft lich (nachweislich) tüchtigen servus festlegt; das gilt allerdings nicht für den Käufer bei einer redemptio suis nummis, der gleich sam als „Trittbrettfahrer“ – ohne vermögenswerte Belastung – den Sklaven freilas sen soll und das nun treuwidrig (und zugleich gegen die Intentionen des Ex-dominus) verweigert; s. dazu – als arg. e contr. – auch D. 40,1,4,2–3 Ulp. 6 disp. 73 Vgl. oben bei Fn. 10. 74 Oben bei Fn. 21 u. 28 f. 75 Siehe oben bei Fn. 54 ff.
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passenden Juristen-Aussagen76 legen also – aufgrund unserer bisherigen Überlegun gen – folgendes Resümee nahe: Bereits im Lauf der Republik bildet sich ein eigen ständiges, römisches Asylwesen aus, dem jedenfalls soziale Relevanz zukommt. Von einem Tempelasyl im griechisch-hellenisti schen Sinn unterscheidet es sich bereits in seiner Zielsetzung, weil es gera de nicht darum geht, Flüchtlinge aller Art auf Dauer vor Verfolgung zu schützen.77 Dementspre chend stellt das Asyl recht im Caesar-Tempel nur eine kurzfristig geduldete Ausnahme von dieser Regel dar.78 Vielmehr soll Schutzsuchenden in Rom der Zugang zu einem Verfahren ermöglicht und insofern Öffentlichkeit hergestellt werden, wenn ein so zent rales Rechtsgut wie die Freiheit einer Person auf dem Spiel steht: Das kann sich auf den Freiheitsprozess selbst beziehen, wenn sich der Flüchtling auf eine Rechtsposition beruft und zu deren Durchsetzung einen adsertor be nötigt, oder auf ein Vermittlungsverfahren,79 wenn der Sklave – aufgrund einer abgeschlossenen pactio libertatis – das moralisch gebotene Verhalten seines dominus einfordert.80 Die Asylflucht stellt insofern eine Reaktion auf sozialen Zwang und Hindernisse gesellschaftlicher Natur in einem äußerst sensiblen Bereich dar und kann deshalb als wichtiges „Ventil“ im System der römischen Sklaverei dienen.81 Angesichts dieser Funktion, Lücken im 76 Oben
bei Fn. 63 ff. z. B. auch Fanizza (o. Fn. 16) 614 („protezione temporanea“) oder Dreher (o. Fn. 2) 265, der – bezogen auf die römischen Provinzen zur Kaiserzeit – zu Recht betont, dass sich Flüchtlinge in dieser Epoche „zweifellos nur vorübergehend … in einem Asyl aufhalten“ können. 78 Oben bei Fn. 26 f. 79 Damit ist eine der zentralen Funktionen des antiken Asylwesens angesprochen, die selbstverständlich auch die griechisch-hellenistische Institution prägt; vgl. dazu Martin Dreher, Das Asyl in der Antike von seinen griechischen Ursprüngen bis zur christlichen Spätantike, Tyche 11 (1996) 79–96., 87 oder Gamauf (o. Fn. 1) 163. 80 In späterer Zeit fällt es offenbar sogar unter das officium der zuständigen Beamten, den dominus dazu zu „ermahnen“, diese moralische Pflicht einzuhalten, allerdings nur nach einer allfälligen Annahme des hierzu bestimmten Geldes und weiterhin salva reverentia; vgl. C. 4,6,9 Diocl. / Maxim. (Bibulo, a. 294): Si liber constitutus, ut filiae tuae manumittantur, aliquid dedisti, causa non secuta de hoc tibi restituendo condictio competit. nam si quid servus de peculio domino dederit, contra eum nullam actionem habere potest: sed dominum, qui semel accipere pecuniam pro libertate passus est, aditus rector provinciae hortabitur salva reverentia (favore scilicet libertatis) placito suo stare; s. dazu auch Finkenauer (o. Fn. 66) 345 u Fn. 5, der diesbezüglich zu Recht annimmt: „Jedoch ist einzuräumen, dass eine solche ‚Ermahnung‘ seitens des Provinzstatthalters in der Regel seine Wirkung nicht verfehlt haben wird“. Zudem ergibt sich aus D. 45,1,104 Iav. 11 ex Cass., dass eine im Rahmen der pactio libertatis erfolgte Geldzusage im klassischen Ju ristenrecht als Naturalobligation eingestuft wird, da ihre Sicherung mittels Bürgen bestellung zulässig erscheint; vgl. in ähnlichem Sinn auch D. 16,1,13 pr. Gai. 9 ad ed. prov. 77 Vgl.
Asylstätten in Rom zur Zeit der Republik und des frühen Prinzipats337
Rechts gefüge zu schließen, er scheint auch eine politische und juristische Akzeptanz der Asylpraxis durchaus plausibel. Das lässt sich auch durch die weitere Entwicklung untermauern: Ein solcher Zugang zum Verfahren wird nämlich unter den Kaisern im Wege der extraordinaria cognitio Schritt für Schritt „rechtlich“ verankert:82 Man den ke etwa an die partielle Prozessfähigkeit von Sklaven83 bei fidei-kommissa rischen Freilassungen,84 die dann auf statuliberi erweitert wird,85 oder an die bereits angesprochene, explizite Regelung der redemptio suis nummis.86 Und dieser Traditionslinie folgt letztlich auch die spätere Ausgestaltung der sog. Statuenflucht selbst: 81
D. 48,19,28,7 Call. 6 de cogn. Ad statuas confugere vel imagines principum in iniuriam alterius pro hibitum est.
Es ist verboten, bei Kaiserstatuen oder -bil dern Zuflucht zu suchen, wenn man dadurch einem anderen Unrecht zufügt.
81 Ähnlich wie auch die Freilassungspraxis selbst; vgl. nur Behrends (o. Fn. 66) 56: „Die Praxis der Freilassung war ein außerordentlich bedeutsames Ventil des Systems der Sklaverei.“ 82 Vgl. auch J. Michael Rainer, Zum Ursprung der extraordinaria cognitio, in: Ro man Law as Formative of Modern Legal Systems. Studies Wieslaw Litewski, Kraków 2003, 69–74, 69, wonach die extraordinaria cognitio „im wesentlichen Ausfluss der Jurisdiktionsgewalt des Princips war“, doch sei bei dieser Ausgangspo sition für den Beginn der Entwicklung eben hinzuzufügen, „dass gegen jeden Akt des Jurisdiktionsmagistrates ein Interzessionsrecht eines ranggleichen oder ranghö heren Magistraten sowie des Volkstri bunen vorgelegen hatte“; ferner zur Frage Kaser / Hackl (o. Fn. 44) 443 f. i. V. m. 459 (§ 66 V; § 68 II.9). 83 Siehe dazu insbes. D. 5,1,53 Herm.1 iuris epit.: Vix certis ex causis adversus dominos servis consistere permissum est: id est si qui suppressas tabulas testamenti dicant, in quibus libertatem sibi relictam adseverant. item artioris annonae populi romani, cen sus etiam et falsae monetae criminis reos dominos detegere servis permissum est. praeterea fideicommissam libertatem ab his petent: sed et si qui suis nummis redemptos se et non manumissos contra placiti fidem adseverent. liber etiam esse iussus si rationes reddiderit, arbitrum contra dominum rationibus excutiendis recte petet. sed et si quis fidem alicuius elegerit, ut nummis eius redimatur atque his solutis manumittatur, nec ille oblatam pecuniam suscipere velle dicat, contractus fidem detegendi servo potestas tributa est. 84 Vgl. allg. Kaser / Hackl (o. Fn. 44) 452 f. (§ 68 II.1); Behrends (o. Fn. 66) 57 f. bzw. zur Bewertung dieser Entwicklung Rolf Knütel, Rechtsfragen zu den Freilas sungs fideikommissen, in: Sklaverei und Freilassung im römischen Recht. Symposion Hans Wieling zum 70. Geb., Berlin u. a. 2006, 131–151, 150 f. 85 Zu D. 40,7,34,1 Pap. 1 quaest. (…apud eum qui de libertate cognoscit, an condicio sit impleta, constabit: cuius officio continebitur de mora considerare …) s. zuletzt Ulrike Babusiaux, Kommentare des Kaiserrechts in Papinians Quaestiones, ZRG RA 126 (2009) 156–186, bes. 170–174; dies., Papinians Quaestiones. Zur rhetorischen Methode eines spätklassischen Juristen, München 2011, 23 f. u. allg. Kaser / Hackl (o. Fn. 44) 453 u. Fn. 12. 86 Dazu schon oben bei Fn. 10 u. 69 ff.
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cum enim leges omnibus hominibus aequaliter securitatem tribuant, me rito visum est in iniuriam potius alterius quam sui defensionis gratia ad statuas vel imagines principum confugere: nisi si quis ex vinculis vel custodia detentus a potentioribus ad huiusmodi prae sidium confuge rit: his enim venia tribuenda est. ne autem ad statuas vel imagines quis confugiat, senatus censuit: eum que, qui imaginem Caesaris in invidiam alterius praetulisset, in vincula publica coerceri divus Pius rescripsit.
Weil nämlich die Gesetze allen Menschen in gleicher Weise Sicherheit gewähren, hat man zu Recht angenommen, dass die Zuflucht zu Kaiserstatuen oder -bildern eher zur Verlet zung des Rechts eines anderen als zur eige nen Verteidigung erfolgt: Es sei denn, je mand wurde von sozial Mächtige ren in Fesseln oder in Ge wahrsam gehalten und habe deshalb bei einem Schutz dieser Art Zuflucht gesucht. Solchen Personen muss nämlich Nachsicht zu Teil werden. Dass aber niemand zu Statuen und Bildern Zuflucht sucht, hat (ursprünglich) der Senat beschlossen. Und Kaiser Pius hat das Re skript er lassen, dass derjenige mit öf fentlicher Haft zu sanktionieren ist, der beim In sultieren eines anderen das kaiser liche Bildnis mit sich geführt hat.
Unter Hinweis auf einen Senatsbeschluss, der wohl unter Kaiser Tiberius er gangen ist und ursprünglich ein generelles Verbot der Statuenflucht vorgesehen hat,87 überliefert uns Callistratus hier, dass diese Art der Zu fluchtnahme in späterer Zeit – neben Sklaven – sogar freien Personen offen steht, wenn sie dem Zwang von sozial Mächtigen (von sog. potentiores) ausgesetzt sind.88 Entschei dend bleibt aber weiterhin, dass man nicht in iniuriam alterius handelt, dass es also nicht zum Rechtsmissbrauch kommt.89 87 Dieses generelle Verbot wird mit den bei Tac., ann. 3,36 geschilderten Ereignissen zusammenhängen; zum Geschehen ausführlich Gamauf (o. Fn. 1) 139–146. Allerdings dürfte in weiterer Folge – nach der hier vertretenen These wohl unter der Regierung von Kaiser Claudius; s. oben bei Fn. 13 u. 29 – das Verbot dann auf die Statuenflucht von Seiten freier Personen eingeschränkt worden sein. Dementsprechend beziehen sich die Ausführungen bei Callistratus dann nur noch auf die Frage, ob freie Personen bei Kaiserstatuen Zuflucht suchen dürfen; in diesem Sinn zu Recht Gamauf (o. Fn. 1) 150. 88 Mit dieser Einschränkung lässt sich Dreher (o. Fn. 79) 94 u. Fn. 64; ders. (o. Fn. 1) 136 f. zustimmen, dass das sog. Kaiserasyl nicht auf Sklaven beschränkt war. 89 Die auf freie Personen bezogene Abänderung des ursprünglichen Senats beschlusses (vgl. oben bei Fn. 87) entspricht in ihrer Tendenz also einem Reskript, das auf Kaiser Antoninus Pius zurückgeht. Zudem wird uns in D. 47,10,38 Scaev. 4 reg. ein weiteres senatus consultum überliefert, das offenbar ausschließlich auf die imagines principum bezogen ist: Senatus consulto cavetur, ne quis imaginem imperatoris in invidiam alterius portaret: et qui contra fecerit, in vincula publica mittetur. Aufgrund der in beiden Normen vorgesehenen Strafe der vincula publica lässt sich vielleicht vermuten, dass die in D. 48,19,28,7 erwähnte Kaiserkonstitution einen bereits bestehenden Senatsbeschluss zum Anlass nimmt, nun auch freien Personen den Zugang zur extraordinaria cognitio im Wege der Statuenflucht zu eröffnen. Anders freilich Gamauf (o. Fn. 1) 187 f., der davon ausgeht, „dass alle drei Belege [d. h. auch Tac. ann. 3,36] denselben Senatsbeschluss referieren und der Missbrauch des ‚portable asylum‘ bereits 21 n. Chr. mit der Haftstrafe bedroht war“.
Die Begrenzung des Schadens: „circa ipsam rem“ und D. 19,1,21,3: Einige diachronische Überlegungen Von Pascal Pichonnaz I. Einleitung Vor einigen Jahren musste das Schweizerische Bundesgericht einen jetzt schon berühmten Fall entscheiden, wo ein Verkäufer sechs MülleramazonenPapageien verkauft hatte. Nach rechtmäßiger Quarantäne wurden die Papa geien übergeben. Einer dieser Vögel war aber mit einem ansteckenden Virus infiziert, der mit Stress zur Erkrankung führt und für Vögel tödlich wirkt. Durch den Stallwechsel geriet der Amazonen-Papagei in eine Stresssituati on, die den Virus aktivierte. Dies hatte zur Folge, dass alle Vögel mit dem Virus infiziert wurden und starben. Die juristische Frage war dann, ob der Verkäufer den daraus entstandenen Schaden von etwa 2 Millionen US Dol lar zu ersetzen hatte, was das Oberste Schweizerische Gericht, das Bundes gericht, bejahte.1 Es zitierte unter anderem Pothier und den berühmten Fall einer kranken Kuh, die auch die ganze Herde ansteckte. Das hat mich auf die Frage der Begrenzung des Schadensersatzes geführt. Ich habe an der SIHDA in Liège diesen Fall und unter ande rem den Text von Ul pian D. 19,1,13 pr. analysiert.2 Bei dieser Untersuchung wurde ich immer neugieri ger bezüglich der Bedeutung der berühmten Präzi sierung des Schadens umfangs in der Unterscheidung zwischen circa rem ipsam und extra rem. Dieser Beitrag will also einige Aspekte dieser distinctio hervor heben. Ich werde sie vor allem an Hand des Kaufvertrages untersuchen; Eltjo Schrage hat sie kürzlich für die Miete analysiert.3 Ich habe mich auch nochmals damit beschäftigt in der Festschrift Laurens Winkel.4 1 BGE 133 / 2007 III 257; siehe für eine Analyse, Pascal Pichonnaz, Defective Goods and Consequential Losses, A Swiss Case and Some Reflexions on Limitation of Damages, RabelsZ 76 (2012) 819–835. 2 Pascal Pichonnaz, L’obligation de réparer issue du contrat: réflexions diachroniques à l’aune de l’art. 208 CO, RIDA (Revue Internationale des Droits de l’Antiquité) 70 (2011; erschienen 2012) 297–313. 3 Eltjo Schrage, Die verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters, in: Studies in Law and Economics (Studia PrawnoEkonomiczne) 83 (2011) 191–20. 4 Pascal Pichonnaz, Prévisibilité du dommage et damnum extra rem, in: R. van den Bergh / G. van Niekerk / P. Pichonnaz et al. (édit.), Meditationes de iure et histo
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Pascal Pichonnaz
II. Circa ipsam rem und extra rem im Kaufvertrag Die Unterscheidung zwischen circa ipsam rem und extra rem wurde vor al lem von den Glossatoren hervorgehoben. Die materiellen Kriterien der Differenzierung waren aber schon in den römischen Quellen zu lesen. Man kann sie in verschiedenen Hinsichten untersuchen, ich werde mich aber hier nur auf einige Aspekte konzentrieren, vor allem anhand von zwei Texten in Bezug auf das Verkaufsrecht. Der erste Text stammt aus einem Fragment von Paulus aus den Digesten Justinians. Er lautet wie folgt: D. 19,1,21,3 Paul. 33 ad edictum Cum per venditorem steterit, quo minus rem tradat, omnis utilitas emp toris in aestimationem venit, quae modo circa ipsam rem con sistit: neque enim si potuit ex vino puta negotiari et lucrum facere, id aestimandum est, non magis quam si triticum emerit et ob eam rem, quod non sit traditum, familia eius fame laboraverit: nam pretium tri tici, non servorum fame necatorum consequitur. […].
Wenn es am Verkäufer liegt, dass er die Sache nicht übergibt, wird das gesamte In teresse des Käufers geschätzt, sofern es sich nur auf die Sache selbst bezieht. Es ist nämlich nicht in die Schätzung einzubezie hen, wenn der Käufer mit dem Wein zum Beispiel hätte Handel treiben können, ge nauso wenig wenn er Getreide gekauft hat und seine Sklaven deswegen, weil es nicht übergeben worden ist, Hunger leiden [und nicht mehr ernährt werden können]; der Käu fer erlangt nämlich nur den Wert des Getreides, nicht den Wert der verhungerten Sklaven. […].5
Für Paulus ist also die Frage die folgende: Wie schätzt man den Schadens ersatz, das id quod interest, bei Nichterfüllung des Kaufvertrages? Paulus macht eine Unterscheidung zwischen dem Schaden circa ipsam rem und dem weiteren Schaden. 5
Der Schaden circa ipsam rem ist also der Schaden, der sich auf die Sache selbst bezieht und vielleicht auch derjenige, der sich in Bezug auf die Sache ergibt. Diesbezüglich muss der ganze Schaden ersetzt werden, was man so verstehen kann, dass die geschätzte Schadenssumme sicher den Ersatz der Sache ermöglichen soll, dies auch bei Wertschwankungen.6 ria, Essays in honour of Laurens Winkel, Fundamina 20 (2) 2014, Editio specialis, 702–718. 5 Übersetzung aus O. Behrends et al., Corpus iuris civilis. Text und Übersetzung III, Heidelberg 1999, 537. 6 Über diesen Text siehe u. a. Heinrich Honsell, Quod interest im bonae-fideiiudicium, Studien zum römischen Schadensersatzrecht, München 1969, 7 ff.; Dieter Medicus, Id quod interest, Studien zum römischen Recht des Schadensersatzes, Köln / Graz 1962, 35 ff.; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, Cape Town / Wetton / Johannesburg 1990, 830 f.
Die Begrenzung des Schadens: „circa ipsam rem“ und D. 19,1,21,3
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Muss aber auch der Schaden ersetzt werden, der eng mit der Sache verbunden ist, aber nicht unbedingt einen Schaden der Sache selbst konsti tuiert? Das könnte sein. In der englischen Übersetzung von Watson heißt es z. B. „every benefit to the buyer is taken into account provided that it stands in close connection with this matter“. Man könnte zum Beispiel an den Fall denken, in welchem zwei Pferde, die zusammengehören, gekauft wurden, und nur eines überge ben wurde. Der Käufer verliert dann nicht nur den Wert des nicht übergebenen Pferdes, sondern auch einen Teil des übergebe nen, weil man dieses nicht ohne weiteres mit einem anderen Pferd nutzen kann. Das Interesse kann den Sachwert übersteigen, wie es bei Ulpian auch ausdrücklich steht (D. 19,1,1 pr.): „Si res vendita non traditur, in id quod interest agitur, hoc est quod rem habere emptori: hoc autem interdum pretium egreditur, si pluris interest, quam res valet vel emptam est“ („Wird die verkaufte Sache nicht übergeben, so wird auf das Interesse geklagt, das heißt auf das Interesse, das der Käufer daran hat, die Sache [in seinem Besitz] zu haben. Das Interesse überschreitet bisweilen den Wert oder den Preis der Sache, wenn es höher ist als der Betrag, den die Sache wert ist oder für den sie gekauft ist“).7 Der ganze Nutzen soll in der Schätzung zum Tragen kommen: „omnis utilitas in aestimationem venit“, wie im angegebe nen Text von Paulus betont wird.8 Weitere Folgeschäden werden aber nicht in Betracht gezogen. Diese Be gren zung wurde von modernen Autoren mit der Begründung erklärt, die Ge winnmöglich keit sei nicht vorhersehbar;9 diese Betrachtungsweise ist wahrscheinlich von moderneren Überlegungen beeinflusst worden und ent spricht nicht unbedingt dem römischen Ursprung. Es bleibt aber, dass Schä den, die sich nicht auf die Sache selbst beziehen oder ggf. sehr eng mit 7 Übersetzung aus O. Behrends (et al.), Corpus iuris civilis. Text und Überset zung III, Heidelberg 1999, 515. Für die Eviktion, siehe auch D. 19,1,30,1 (Afr. 8 quaest: „quanti mea intersit meam esse factam“); für die Mängelhaftung siehe auch D. 21,2,31 (Ulp. 42 ad Sab.: „Hoc enim continere, quod interest horum quid esse vel horum quid non esse“); vgl. z. B. Niels Jansen, §§ 249–253, 255 BGB, in: Mat thias Schmoeckel / Joachim Rückert / Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kriti scher Kommentar zum BGB, Band II Schuldrecht: Allgemeiner Teil, 1. Teilband, Rdn. 8, 523; Martin Josef Schermaier, §§ 280–285. Schadensersatz wegen Pflicht verletzung, in: Matthias Schmoeckel / Joachim Rückert / Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band II Schuldrecht: Allgemei ner Teil, 1. Teilband, vor §§ 241–304 (2007), Rdn. 47 ff. ad §§ 280–285, 1225 ff. 8 Siehe auch für eine Erklärung, Martin Josef Schermaier, §§ 280–285 (Fn. 7), Rdn. 47 ad §§ 280–285. 9 Siehe z. B. Brigitte Keuk, Vermögensschaden und Interesse, Bonn 1972, 184 f. Martin Josef Schermaier, HKK §§ 280–285 (Fn. 7), Rdn. 47 ad §§ 280–285; anders aber Berthold Kupisch, Id quod interest bei Nichterfüllung und Verzug des Verkäufers, Tijd. 43 (1975) 8 ff.; auch Medicus (Fn. 6) 212 ff.; Honsell (Fn. 6), 7 ff.
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dieser verbunden sind, nicht in die Schätzung hineingenommen werden, wie z. B. der Ertrag, den der Käufer nicht erzielen konnte (ein sogenanntes lucrum cessans), weil er die Sache wegen Nichterfüllung nicht weiterverkaufen konnte, oder der Schaden, der in der Folge der Nichterfüllung bezüglich des weiteren Vermögens eingetreten wäre (damnum emergens). Weitere Texte sehen aber ausdrücklich vor, dass der entgangene Gewinn auch zu ersetzen sei. Es ist z. B. so in einem Paulus-Text (D. 46,8,13 pr. Paul. 76 ad ed.) der sich auf die Folgen der Nichteinhaltung einer stipulatio „ratam rem dominum habiturum“ bezieht: „Si commissa est stipulatio ratam rem dominum habiturum, in tantum competit, in quantum mea interfuit, id est quan tum mihi abest quantumque lucrari potui“10. Auch bei Eviktion scheint Neraz (D. 19,1,31 pr.-1) den entgangenen Gewinn zu gewähren (lucrum). Er gibt also nicht nur die Sache zurück („non solum arbitrio“), sondern ersetzt auch alle Gewinne und Auslagen die von der Eviktion aus fließen („omne lucrum ac dispendium te sequatur“).11 Im Gegensatz verbie tet Hermogenianus den entgangenen Gewinn zu ersetzen, der die Verzugs zinsen übersteigt (D. 18,6,20).12 Somit sieht man, dass die Entscheidung, ob entgangener Gewinn zu ersetzen ist oder nicht, von der konkreten Hypothe se abhängt.13 Man versteht also, dass das id quod interest auf einer Fall-zuFall-Analyse beruht.14 In D. 19,1,21,3 bezieht sich Paulus auf den Ursprung des Schadens, um die Unterscheidung zu treffen. Er sagt, dass die Nichterfüllung durch Ver schulden des Verkäufers „per venditorem steterit“ verursacht wird. Sein Text erinnert somit an einen anderen berühmten Text von Ulpian, der Julian zitiert (D. 19,1,13 pr.).15 Dieser [zweite] Text lautet wie folgt (wir haben ihn in drei Teile gegliedert): D. 19,1,13 pr. Ulp. 32 ad edictum Iulianus libro quinto decimo inter eum, qui sciens quid aut ignorans vendidit, differentiam facit in con demnatione ex empto: [a] ait enim,
Julian macht im 15. Buch [seiner Digesten] zwischen dem, der eine Sache in Kenntnis und dem, der sie in Unkenntnis [ihres Man gels] verkauft hat, einen Unterschied bei der
u. a. Medicus (Fn. 6) 266 f. pr.-1 (Ner. 3 membr.): Actiones autem eas non solum arbitrio, sed etiam periculo tuo tibi praestare debebo, ut omne lucrum ac dispendium te sequatur. (1) Et non solum quod ipse per eum adquisii praestare debeo, sed et id, quod emptor iam tunc sibi tradito servo adquisiturus fuisset; s. u. a. Honsell (Fn. 6), 18 f. 12 Siehe u. a. Honsell (Fn. 6), 168 f. 13 Über entgangenen Gewinn, s. allgemein K.-H. Below, Die Haftung für lucrum cessans im römischen Recht, München 1964. 14 Siehe vor allem Schermaier (Fn. 8), Rdn. 47, S. 1225; aber auch schon Medicus (Fn. 6), 294 ff.; Honsell (Fn. 6), 174 f.; Kupisch (Fn. 9) 1. 15 Siehe auch meine Ausführungen in Pichonnaz, Meditationes (Fn. 4) 706 f. 10 Siehe
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Die Begrenzung des Schadens: „circa ipsam rem“ und D. 19,1,21,3
qui pecus morbosum aut tignum vitiosum vendidit, si qui dem igno rans fecit, id tantum ex empto actio ne praestaturum, q u a n t o m i n o r i s e s s e m e m p tu rus, si id ita e s s e s c i ss e m : [b] si vero sciens reticuit et emptorem decepit, omnia detri menta, quae ex ea emptione emptor traxerit, praestaturum ei: [c] sive igitur aedes vitio tigni corrue runt, aedium aestimatio nem, sive pecora conta gione mor bosi pecoris perierunt, quod inter fuit [idonea venisse] 16 erit praestandum.
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Verurteilung aus Kauf. [a] Er sagt nämlich, dass derjenige, der ein krankes Stück Vieh oder einen mangelhaften Bal ken verkauft hat, dann, wenn er dies in Unkenntnis des Mangels getan hat, aufgrund der Klage aus Kauf lediglich den Betrag leisten müsse, den der Käufer weniger bezahlt h ä t t e , w e n n e r d i e B e sc h a f fenheit d e r S a c h e g e k a n n t h ä t t e ; [b] wenn der Verkäufer jedoch den Mangel wissent lich verschwiegen und den Käufer getäuscht hat, dann müsse er gegenüber dem Käufer für allen Schaden einstehen, den dieser aus diesem Kauf er leidet. [c] Stürzt daher das Haus auf grund des Man gels des Balkens ein, so ist für den Schätzwert des Hauses einzustehen; stirbt ein Vieh infolge der An ste ckung durch das kranke Stück Vieh, so muss der Verkäufer im Rahmen des Inte resses des Käufers da für einstehen, so als wäre dies nicht geschehen.17
Wie Paulus in seinem Text, interessiert sich auch Ulpian (der Julian zi tiert) für die Frage des Umfangs des Schadensersatzes, d. h. des id quod interest. Auch seine Überlegung bezieht sich auf den Kaufvertrag, wie es den Worten „condemnatione ex empto“ zu entnehmen ist. Der Unterschied liegt aber darin, dass er erfüllt wurde, aber die Sache einen Mangel hatte. Bei Paulus war eine Nichterfüllung vorhanden. Julian unterscheidet hier zwischen dem Verkäufer, der in Unkenntnis des Mangels geliefert hat, und der Lieferung einer mangelhaften Sache, wenn der Verkäufer den Mangel kennt. Bei Unkenntnis des Mangels [Teil a] soll der Verkäufer nur für die Fol gen sei nes Versprechens haften. Da er (in Qualität) weniger liefert als versprochen, soll er auch weniger Geld dafür bekommen. Julian hält deswe gen fest, dass die Schadensersatzpflicht im Rahmen einer Preisminderung zu gestalten sei.18 Es ist also eine ähnliche Sachlage wie bei der actio quanti minoris der Ädilen,19 die sich aber auf die actio empti bezieht.20 Mit 16 17
16 Siehe Manthe, Römisches Privatrecht, in: Einleitung in die lateinische Philolo gie, Hrsg. Fritz Graf, 1997, 459 f., der wie andere Autoren der Emendation Fränkels folgt; ich bin Kollegen Manthe für diesen wichtigen Hinweis dankbar. 17 Übersetzung aus O. Behrends (et al.), Corpus iuris civilis. Text und Überset zung III, Heidelberg 1999, 526, von uns leicht angepasst. 18 Pascal Pichonnaz, Droit romain: enseignement, méthode et contribution à la réflexion du juge, Index 39 (2011) 72. 19 Pichonnaz, Droit romain (Fn. 18) 72. 20 Pichonnaz, Droit romain (Fn. 18) 72.
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Kaser / Knütel und anderen Autoren21 sehen wir keine Gründe, an der Echt heit des Fragments zu zweifeln. Wie bei Paulus spielt also das Verschulden (hier Kenntnis des Mangels) eine Rolle für den Umfang der Schadensersatz pflicht bei der actio empti. Was aber wichtig ist – und nicht explizit gesagt wird – ist, dass der Verkäufer nicht für den Mangelfolgeschaden haftet, weil dieser in den zwei ten Teil fällt [Teil b]. In der Tat, wenn der Verkäufer den Mangel kennt und diesen nicht bekannt gibt, täuscht er den Käufer und trägt somit nicht nur ein Verschulden, sogar einen eigentlichen dolus. Er haftet dann in einem größeren Umfang, als wenn er dies im Rahmen des Versprochenen täte; der Verkäufer haftet für „alle Schäden, die der Käufer aus diesem Kauf erlei det“. Der Grund der Haftung muss also mehr im dolus gesehen werden als im Nichteinhalten des Versprechens.22 Deshalb geht auch die Haftung viel weiter als nur auf den vollen Wertersatz der Sache.23 Sie hängt gar nicht davon ab, ob der Preis hoch oder niedrig war. Man spricht also von einem Ersatz, der über die Sache hinausgeht. Im Mittelalter wird man dann von Interesse extra rem sprechen. Der letzte Teil [Teil c] gibt uns zwei Beispiele des Mangelfolgeschadens. Der Verkäufer muss also für die ganze Zerstörung des Hauses einstehen, auch wenn der gelieferte Balken nicht viel wert war. Gleicherweise muss der Verkäufer für den Wert des ganzen Viehs einstehen, obwohl er die Lie ferung von einem einzigen Stück Vieh versprochen hatte und dieses auch geliefert hat. Diese extremen Fälle zeigen, dass, wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache wissentlich geliefert hat, seine Haftung nicht auf sein Versprechen begrenzt wird; sie geht viel weiter, extra rem! Die Unterscheidung zwischen einer Haftung circa ipsam rem, d. h. be schränkt auf das Versprechen oder anders gesagt auf die versprochene Sache selbst („ipsa res“), und einer Haftung extra rem, d. h. über die Sache hinaus gehend, hängt, zumindest im Kaufvertrag, davon ab, ob der Verkäufer den Mangel kannte und ihm somit dolus vorgeworfen werden kann und ob er für die Nichterfüllung verantwortlich ist. In diesem letzteren Fall, also in der Paulus-Stelle, braucht der Verkäufer nicht vorsätzlich gehandelt zu ha ben („per eum steterit“), so anscheinend bei der mangelhaften Lieferung. Der Haftungsumfang scheint aber ähnlich zu sein. 21 Für alle anderen, Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 2008, §41.46; Nunzia Donadio, La tutela del compratore tra actiones aediliciae e actio empti, Milano 2007, 271. 22 Pascal Pichonnaz, L’obligation de réparer (Fn. 2) 297 ff., insbesondere S. 300. 23 Siehe für alle anderen, Medicus, Id quod interest (Fn. 6), 129 f.; Honsell, Quod interest (Fn. 6) 83 ff., vor allem 93.
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III. Eine verwirrende Beschränkung durch Justinian Die Unterscheidung zwischen circa ipsam rem und weiterem Schaden (vor allem dem entgangenen Gewinn) wurde zum Teil von einem Reskript Justinians verschleiert. In seiner berühmten Konstitution C. 7,47,1,1 aus dem Jahre 531 n. Chr. hat Justinian das id quod interest begrenzt: In Fällen qui certam habent quantita tem vel naturam, wie bei Verkauf, Verleih und allen (ähnlichen) Verträgen, hat er das ersatzfähige Interesse auf das duplum (das Doppelte) beschränkt. Im Folgenden geben wir nur den Anfang der Konstitution wieder:24 C. 7,47,1,1 (Iust. A. Iohanni pp., a. 531, kal. Sept.) Deswegen empfehlen wir, dass in allen Fäl Sancimus itaque in omnibus casi len, in denen die Menge oder die Natur be bus, qui certam habent quantitatem vel naturam, veluti in venditionibus stimmt ist, wie bei Kauf, Miete und in an et locationibus et omnibus contrac deren Verträgen, was d e m I n t e r e s s e tibus, quod h o c i n t e r e s t d u p l i entspricht, nicht über die doppelte quantitatem minime exce Menge gehen darf. d e r e […].
Diese Stelle ist interessant, da Schaden immer mit dem Objekt des Versprechens in Beziehung gesetzt wird, wenn man über die Schätzung und den Um fang des Schadens spricht. Für das id quod interest differenziert man plötzlich nicht mehr nach dem Ursprung des Schadens. Ob der Scha den durch dolus oder „einfachen“ Vertragsbruch herbeigeführt wird, der Ersatz ist auf das Dop pelte begrenzt. Auch bei dolus wird der Schaden durch das id quod interest ermittelt, wie man bei Ulpian / Julian lesen kann: „quod interfuit id non evenisse erit praestandum“. Es stellt sich somit die Frage, ob die Unterscheidung zwischen der Berech nung des Schadens circa ipsam rem und extra rem noch wirklich eine Folge hat, wenn sowieso der Schaden auf das Doppelte begrenzt wird. Es scheint also, dass Justinian den Ursprung des Schadens als Kriterium nicht mehr in Kauf nimmt. Wie wird dann das duplum ermittelt? Es gibt bei Justinian keine Antwort. Soll der Einkaufpreis (pretium conventionale), der Marktpreis (pretium com mune) oder der mögliche Verkaufspreis (pretium singulare) als Referenz genommen werden? Soll bei den Anhaltspunkten eine Unterscheidung ge macht werden, wenn der Schaden durch Vorsatz verursacht wurde? Das sieht man in der Konstitution auch nicht. Weil er die dolus-Frage nicht mehr erwähnt, bezieht sich Justinian nicht mehr auf diesen dolus als Grund für die Haftung, sondern nur noch direkt 24 Siehe
auch meine Ausführungen in Pichonnaz, Meditationes (Fn. 4), 707 f.
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auf das Versprechen (id quod interest). Durch diese an sich künstliche Be grenzung auf das Doppelte hat Justinian also die vorsichtige Unterschei dung, die durch Paulus und Ulpian herbeigeführt wurde, verwischt. IV. Einige Aspekte aus der mittelalterlichen Lehre Wie man weiß, wurde die Lehre über Schadensberechnung im Mittelalter stark von der Unterscheidung zwischen interesse circa rem und interesse extra rem geprägt. Die erste Generation von Glossatoren hat den Text von Ulpian / Julian (D. 19,1,21,3) aufgegriffen und über das Konzept des Schadensersatzes nachgedacht und glossiert. Es wird oft gesagt, dass Martinus derjenige ist, der diese Distinktion herbeigeführt hat.25 Eine Frage war unter anderen, wie man das Doppelte berechnen sollte. Die Glossatoren entwickelten mehrere Distinktionen. Placentinus († 1192) hat eine dreiteilige Unterscheidung verbreitet: tria pretia rerum, scilicet conventionale, commune et singulare.26 Diese war aber schon in den Casus Codicis des Guillelmus de Cabriano (die bekanntlich die Vorlesungen des Bulgarus de Bulgarinis [† ca. 1166] widerspiegeln) zu lesen, wie die Untersuchungen von Tammo Wallinga und Harry Dondorp gezeigt haben.27 Bulgarus schrieb nämlich: Notabis autem hec tria pretia rerum, scilicet conuentionale, commune et singulare; et nota quod quando agitur singulariter ad interesse et circa rem, non potest exce dere duplum quantitatis que queritur in communi interesse.28
D. 19,1,21,3 veranlasste aber auch zur Distinktion zwischen interesse circa ipsam rem und interesse extra rem. Diese finden wir auch in einer von ungefähr 1150 stammenden Distinctio, die in mehreren Handschriften über liefert worden ist und deren Anfangsworte lauten: Interesse quandoque circa rem, quandoque extra rem spectandum est, item quandoque loco rei, 25 Siehe für alle, Hermann U. Kantorowicz, Studies in the Glossators of the Roman Law: Newly Discovered Writings of the Twelfth Century, Cambridge 1938 (Neudruck mit Zusatz Peter Weimar, Aalen 1969) 90. Die Distinktion wurde auch von der Summa Trecensis 7,31,2 übernommen (von H. Fitting, Summa Codicis des Irnerius, Berlin 1894, 250 ff.). 26 Hermann Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten [Frankfurter wissenschaftliche Beiträge 19], Frank furt 1960, 126; Hans J. Wieling, Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum Gesetzbuch, Köln / Wien 1970, 30 f. 27 Harry Dondorp, Die Haftung des fideiussor iudicio sisti bei den Glossatoren, RIDA 53 (2006) 221–236. 28 Vgl. Tammo Wallinga, The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano [Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 182], Frankfurt am Main 2005, S. 548, ad C. 7,47,1.
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quandoque loco pene. Diese Distinktion wird heutzutage allgemein Martinus Gosia zugeschrieben29 und wurde dann von der Summa Trecensis übernommen.30 Eltjo Schrage hat kürzlich darüber in Details referiert.31 Hermann Dilcher hat die Auffassung verteidigt, dass nach mittelalterli cher Interpretation das interesse circa rem sich auf den unmittelbaren Scha den beschränkt.32 Es kommt aber wahrscheinlich der mittelalterlichen Interpretation näher, wenn wir sagen, dass der Ausdruck sich auf das Inte resse an der Übergabe der Sache bezieht.33 Martinus Gosia erläuterte die Worte circa ipsam rem in seiner distinctio:34 Circa rem id quod interest spectatur, ueluti si uinum uel equus minimo pretio distractus est, uerbi gratia .x. et postea maioris pretii, ueluti .l. efficiatur. Id omne pre standum est quoniam saltim hodie dandum est: si enim datum esset, id omne emp tor habiturus esset, ut in d. t. de acc. empt. et uend. l. Si sterilis ancilla [D. 19,1,21,3], ideoque omnes utili tates que circa rem consistunt dici mus esse prestandas.
Interesse circa rem bedeutet, dass wenn Wein oder ein Pferd gegen einen Minimal preis veräußert wird, zum Beispiel für 10, und später ein höherer Preis erzielt wird, z. B. 50, die Differenz zu ersetzen sei, weil mindestens letz terer Preis bezahlt werden soll. Wenn aber schon geliefert wurde, dann wird der Käufer alles behalten [D. 19,1,21,3]. Deswegen sollen auch die Zin sen bezahlt werden.
Im Gegensatz zu dem, was manchmal behauptet wird, betrifft der Aus druck interesse circa rem nicht nur den direkten Schaden,35 sondern das ganze Inte resse an der Übergabe der Sache. Die Zinsen sind dann auch Teil des Schadens circa rem.36 Der Ausdruck circa rem bezieht sich also auf den Wert der Sache selbst, aber in einem dynamischen Verhältnis, ohne das lucrum cessans, den entgangenen Gewinn, in Rechnung zu stellen. Im Gegenteil soll die Bemessung des extra rem weiter gehen. 29 Statt aller: Kantorowicz, Studies in the Glossators (Fn. 25) 90. Die Distink tion ist in Summa Trecensis 7,31,2 (ed. Fitting, Summa Codicis des Irnerius, Berlin 1894, 250 ff.) übernommen worden. 30 Summa Trecensis 7,31,2 (hg. v. Fitting, Summa Codicis (Fn.29)); dazu vor allem Wieling, Interesse und Privatstrafe (Fn. 26), 30 f.; auch Hermann Lange, Scha densersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie, Köln / Böhlau 1955, 18 f.; Martin Josef Schermaier, HKK §§ 280–285, Rdn. 51 ad §§ 280–285. 31 Eltjo Schrage, Die verschuldensunabhängige Haftung (Fn 3), 197 f. 32 Hermann Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten [Frankfurter wissenschaftliche Beiträge 19], Frank furt 1960, 126. 33 Eltjo Schrage, Die verschuldensunabhängige Haftung (Fn 3), 199. 34 Distinctio Interesse quandoque, Nr. 2 (ed. Fitting [Fn. 30] 251). 35 Dilcher, Die Theorie (Fn. 32) 126. 36 Anscheinend, contra Martin Josef Schermaier, HKK §§ 280–285, Rdn. 51 ad §§ 280–285, S. 1228 f.
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Ähnliches bezeugt auch Guillelmus de Cabriano in seinen Casus Codicis ad C. 7,41,1:37 Sed et si uinum uenditum non tra didisti, non quicquid ex uino potui lucrari mihi praestabis, puta si ui num potui uendere et de pretio no uam negotiationem inire et multa lucra facere; hec enim mihi non prestas set tantum quid circa rem meam interest, id est quanti potui uinum uendere, ut ff. de ac. empti Si sterilis [D. 19,1,21,3]. Si autem ex tra rem interesse petatur, quod tunc fit quando qui sciens pecus morbo sum uendidit vel tignum iniunctum uel uas uitio sum uendi dit seu locaue rit, tunc inte resse quia non circa rem uertitur ultra duplum por ri gitur: tunc enim tenetur uenditor seu locator ut prestet quantum inter sit empto ris seu con ductoris, ut ff. de act. empti Iuli. [D. 19,1,13] et l. Tenetur [D. 19,1,6] et ff. locati Set addes § i. [D. 19,2,19,1].
Wenn du verweigerst, mir den verkauf ten Wein zu liefern, dann haftest du nicht für den Gewinn, den ich möglicherweise hätte realisieren können, z. B. wenn ich den Wein hätte ver kaufen, mich auf neue Ver hand lungen einlassen und viel gewinnen können; das alles brauchst du mir nicht zu ersetzen, son dern nur mein inte resse circa rem, das heißt, den Betrag, zu dem ich den Wein hätte verkaufen kön nen [D. 19,1,21,3]. Wenn aber auch auf das interesse extra rem geklagt wird, was ge schieht, wenn jemand bewusst ein krankes Tier verkauft hat oder einen verbundenen Balken oder ein schad haftes Gefäß verkauft oder vermie tet hat, dann haftet er auf mehr als das interesse circa rem und der Schadensersatz wird auf das Doppelte erhöht, dann haftet nämlich der Verkäu fer oder Ver mieter für das inte resse extra rem des Käu fers oder Mie ters [D. 19,1,13; D. 19,1,6 und D. 19,2,19,1].
Wir haben hier die Grundzüge der Schadensberechnung, die Jahrhunder te lang die wissenschaftliche Diskussion im Bereich des ius commune do miniert haben, aufgezeigt: interesse circa rem steht dem interesse extra rem gegen über. Der Unterschied zwischen beiden Begriffen betrifft vor allem den Er folgsscha den, auch manchmal als entgangener Gewinn oder Mangelfolgeschaden bezeichnet. Er ist Teil des Schadens, wenn das Inter esse extra rem umfasst wird, aber im interesse circa rem nicht inbegriffen. Ein Verkäufer, der nicht liefert, haftet für das interesse circa rem; jener, der vorsätzlich einen kranken Sklaven (usw.) liefert, für das interesse extra rem. Soweit scheint es ziemlich eindeutig zu lesen zu sein, sowohl in der von Fitting publizierten Martinus Gosia zugeschriebenen Distinktion Interesse quandoque als auch in den von Guillelmus de Cabriano aufgeschrie benen Vorlesungen von Bulgarus. Es wäre interessant, der ganzen Entwicklung zu folgen, dies kann aber hier nicht gemacht werden.38 Wallinga (Fn. 28) S. 547–548. Josef Schermaier, HKK §§ 280–285, Rdn. 51 ff. ad §§ 280–285 und weitere Referenzen. 37 Ed.
38 Martin
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Ohne jetzt die ganze Entwicklung zu verfolgen, sieht man aber, dass die Anwendung der Begrenzung auf das Doppelte wieder beim Franzosen Robert-Joseph Pothier (1699–1772) auftaucht, jedoch in einer etwas anderen Konstellation.39 Pothier versucht zu zeigen, wie wichtig das Versprechen für die Schät zung des Schadens ist und vor allem hier für die Begrenzung des Schadens auf das Doppelte des Preises der Sache.40 Er beginnt mit der Betonung, dass die Begrenzung auf das Doppelte nur Sinn macht, wenn der Schaden sich auf die Sache selbst bezieht („par rap port à la chose seulement“), was im Mittelalter eben als interesse circa rem bezeichnet wurde. Sie soll aber nicht Anwendung finden, wenn der Schaden extrinsecus die anderen Vermögenswerte betrifft („n‘en peut recevoir à l‘égard de ceux que le créancier a soufferts extrinsecùs dans ses autres bi ens“). Der Grund dafür, sagt uns Pothier, sei, dass der Schadensersatz in diesem Fall nicht wegen der Sache, als Inhalt der ursprünglichen Verpflich tung, geschuldet ist. Er kann deshalb nicht an Hand des Wertes der Sache festgelegt werden („car ces dommages et intérêts n’étant pas dus pour raison de la chose qui a fait l’objet de l’obligation primitive, ne peuvent se régler sur la valeur de cette chose“), wenn explizit oder implizit für mehr gehaftet wird, wie im Fall des Verkaufs eines mangelhaften Weinfasses, aus dem dann der Wein ausläuft. Man nimmt hier an, dass ein Spezialist das Fass gebaut hat und somit implizit die Haftung für mehr als den Wert der Sache übernimmt. Der Schadensersatz soll also nicht anhand des Wertes der Sache bestimmt werden. 39 Robert-Joseph Pothier, Traité des obligations, Paris 1821, N 166 (145 f.); wir benutzen hier die Ausgabe 1821 aus der Œuvres complètes de Pothier (neue Aufla ge), Paris (P. Didot). 40 Robert-Joseph Pothier, Traité des obligations (Fn. 39), N 165: „Il est évident que la réduction des dommages [p. 144] et intérêts au double du prix de la chose qui a fait l’objet de l’obligation primitive, n’a d’application qu’à ceux qui sont dus par rapport à la chose seulement ; et qu’elle n’en peut recevoir à l’égard de ceux que le créancier a soufferts extrinsecùs dans ses autres biens, lorsque le débiteur s’y est expressément ou tacitement soumis: car ces dommages et intérêts n’étant pas dus pour raison de la chose qui a fait l’objet de l’obligation primitive, ne peuvent se régler sur la valeur de cette chose ; et ils montent quelquefois au décuple et plus de cette chose. Par exemple, les dommages et intérêts dont est tenu envers moi un tonnelier qui m’a vendu de mauvais tonneaux, résultant de la perte que j’ai faite du vin que j’y avais mis, peuvent monter à plus que le décuple de la valeur des ton neaux: car en me vendant en sa qualité de tonnelier les tonneaux, il s’est rendu responsable de leur bonté, et il s’est tacitement chargé du risque de la perte du vin, qui peut monter à dix ou vingt fois plus que le prix des tonneaux. Cette espèce de dommage ne concernant pas les tonneaux, mais le vin qu’on mettra dedans, ne doit pas se régler sur le prix des tonneaux. Molin., ibid., n. 49. […]“. Siehe auch unsere Ausführungen in Pichonnaz, Meditationes (Fn. 4) 711 ff.
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Diese Unterscheidung zwischen der Haftung für das Interesse circa rem und extra rem ruht also gemäß Pothier auf dem Versprechen. Entweder hat man nichts Besonderes versprochen, außer den Inhalt des Versprochenen zu leisten, dann haftet man nur für das Interesse circa rem, also für den Wert der Sache bis auf das Doppelte des Preises, oder man hat explizit oder implizit wegen seiner Eigenschaft als Sachkundiger versprochen für mehr einzustehen, dann haftet man auch für das Interesse extra rem, also für den Mangelfolgeschaden oder Folgeschaden, z. B. für den entgangenen Gewinn. Die Haftung circa rem ist also mit dem Versprechen verbunden, was dann für Pothier die Beschränkung auf das Doppelte des Preises erklären kann. Die Frage, ob der Schaden wissentlich oder durch Verschulden verursacht worden ist, scheint nicht mehr direkt zentral zu sein, solange eben das Versprechen die Haftungsgrundlage bildet. Anders verhält es sich jedoch, wenn ein dolus begangen wird. Da sieht Pothier eine Haftung für das Interesse extra rem. Er schreibt nämlich (n° 16641) das Folgende: „Die Prinzipien, die wir bis jetzt aufgestellt ha ben, finden keine Anwendung, wenn der Schaden durch Vorsatz (dolus) meines Schuldners verursacht worden ist. In diesem Falle wird der Schuld ner ohne weiteres für alle Schäden haften müssen, die ich wegen seines dolus erlitten habe, also nicht nur für den Schaden, den ich aus der Sache selbst erlitten habe, propter rem ipsam, sondern für alle anderen Schäden, die ich bei anderen Gütern erlitten habe, ohne dass man unterscheiden soll, ob der Schuldner sich dafür implizit eingesetzt hat; in der Tat, derjenige, der einen dolus begangen hat, haftet, velit, nolit, für den Ersatz aller Schä den, die durch seinen dolus verursacht worden sind.“ Er gibt dann ein Beispiel eines Viehhändlers, der beim Verkauf eines Viehstückes wusste, dass dieses von einer übertragbaren Krankheit infiziert 41 Robert-Joseph Pothier, Traité des obligations (Fn. 39), N 166: „Les principes que nous avons établis jusqu’à présent n’ont pas lieu lorsque c’est le dol de mon débiteur qui a donné lieu à mes dommages et intérêts. En ce cas le débiteur est tenu indistinctement de tous les dommages et intérêts que j’ai soufferts, auxquels son dol a donné lieu, non seulement de ceux que j’ai soufferts par rapport à la chose qui a fait l’objet du contrat, propter rem ipsam, mais de tous les dommages et intérêts que j’ai soufferts par rapport à mes autres biens, sans qu’il y ait lieu de distinguer et de discuter en ce cas si le débiteur doit être censé s’y être soumis: car celui qui commet un dol s’oblige, velit, nolit, à la réparation de tout le tort que ce dol causera ; Molin. ibid. n. 155. Par exemple, si un marchand m’a vendu une vache qu’il savait être infectée d’une maladie contagieuse, et qu’il m’ait dissimulé ce vice, cette dis simulation est un dol de sa part, qui le rend responsable du dommage [p. 146] que j’ai souffert, non seulement dans la vache même qu’il m’a vendue, et qui a fait l’objet de son obligation primitive; mais pareillement de ce que j’ai souffert dans tous mes autres bestiaux auxquels cette vache a com muniqué la conta gion; D. 19,1,13: car c’est le dol de ce marchand qui m’a causé tout ce dommage.“
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war. Der Verkauf mit Bewusstsein ist ein dolus, der dazu führt, den Ver käufer nicht nur für den Schaden des Viehes haften zu lassen, sondern auch für Schäden aller anderen Viehstücke, die angesteckt worden sind. Er zitiert dann die Digestenstelle, die wir kennen: D. 19,1,13. Mit Pothier wird also die Unterscheidung zwischen dem Anwendungsbe reich von circa ipsam rem und extra rem sehr klar. Wenn der Schaden aus der Nichteinhaltung des Versprechens resultiert, wird man nur das Interesse circa rem ersetzen, außer wenn man annehmen muss, dass der Schuldner mehr versprochen hat (also auch das Ersetzen extra rem). Dann soll man aber auch die Begrenzung Justinians auf das Doppelte des Vertragspreises anwenden. Wenn dagegen der dolus die Ursache ist und der Schaden somit nicht mehr in Bezie hung zu einem bestimmten Versprechen steht, dann haftet man selbstverständlich ohne Begrenzung, also extra rem, und ohne Begrenzung auf das Doppelte, wie Pothier es explizit betont.42 Die einzi ge Begrenzung kann sich daraus ergeben, wie stark ein Kausalzusammen hang zwischen Schaden und dolus ersichtlich ist. Das französische Zivilgesetzbuch (Code civil) hat dann auf diesen Gedan ken basierend das Interesse circa rem, als Ersatz des Schadens, das aus dem Versprechen selbst herauskommt, bejaht, wenn kein dolus vorliegt. Art. 1150 Code Civil beschränkt aber diese Haftung nicht auf das Dop pelte, sondern auf die Vorhersehbarkeit des Schadens. Die Vorhersehbarkeit wird aber in einen Zusammenhang mit dem Versprechen gesetzt43 und könnte als Weiterentwicklung des Interesses circa rem verstanden werden: „Le débiteur n’est tenu que des dommages et intérêts qui ont été prévus ou qu’on a pu prévoir lors du contrat, lorsque ce n’est point par son dol que l’obli gation n’est point exécu tée.“ Diese Frage der Vorher sehbarkeit ist spannend, kann aber hier nicht weiterverfolgt werden.44 Bei dolus regelt Art. 1151 Code Civil, dass der ganze Schaden ersetzt sein soll, aber nur wenn er die unmittelbare und direkte Folge der Nichter füllung der Vereinbarung ist: „Dans le cas même où l’inexécution de la convention résulte du dol du débiteur, les dommages et intérêts ne doivent comprendre à l’égard de la perte éprouvée par le créancier et du gain dont 42 Pascal
Pichonnaz, Droit romain (Fn. 18), 71. aber u. a. Philippe Malaurie / Laurent Aynès / Philippe Stoffel-Munck, Les obligations, 4. Aufl., Paris 2009, N 964 ff. 44 Siehe aber u. a. Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Les obligations (Fn. 43) N 964 ff. Siehe aber u. a. auch im Hinblick auf die CISG (Wiener Kaufrecht): Yeşim Atamer, Haftung des gewerblichen Verkäufers für Schäden durch mangelhafte Ware, RDS / ZSR 130 (2011) 449 ff., vor allem 475 f.; Florian Faust, Die Vorhersehbarkeit des Schadens gemäß Art. 74 Satz 2 UN-Kaufrecht (1996), mit einer ökonomischen Analyse 238; auch Pichonnaz, Meditationes (Fn. 4) 713 f. 43 Siehe
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il a été privé, que ce qui est une suite immédiate et directe de l’inexécution de la convention.“ V. Schlussfolgerung Gemäß dem berühmten Schmetterling-Effekt bewirkt jede Handlung eine sehr lange Kette von Folgen im ganzen Universum. Auch wenn man nicht so weit gehen muss, hat die Nicht- oder Schlechterfüllung eines Verspre chens Folgen, die sich auf verschiedene Sachen und Vermögenswerte ent falten können. Die römischen Juristen, und dann die mittelalterlichen Dok toren, haben immer wieder versucht eine gerechte Grenze zu ziehen, über welche man für seinen Vertragsbruch nicht mehr haftet. Die heikle Frage war aber immer, ob man anhand der Ursachen unterscheiden soll, wie dies Paulus und Ulpian getan haben, oder anhand des Schadens mit einer be stimmten Schadensersatzbegrenzung, wie es von Justinian vertreten wurde (auf das duplum). Im Mittelalter hat man versucht, mit der Opposition interesse circa rem und interesse extra rem eine klare Grenze zwischen den beiden Fallkonstella tionen zu ziehen. Wann man circa rem und wann man extra rem haftet, war aber nicht immer leicht zu entscheiden, wie man es auch noch bei Pothier im 18. Jahrhundert sehen kann. Heute wird die Vorhersehbarkeit als Grenze benutzt, dies nicht nur im fran zösischen Recht, sondern auch im englischen Recht, wie Hadley v. Baxendale45 es bezeugt, oder im UN Wiener Kaufrecht und in den Unidroit-Prinzipien. Die Pandektistik hat anhand des Prinzips des „adäquaten Kausalzusammen hangs“ versucht dieselbe Grenze zu ziehen. Dieser normative Entscheid ist aber nicht immer leicht zu fällen. Das Schweizerische Bundesgericht hat dies im Amazonen-Papageien Fall auch selber gemerkt, aber darüber habe ich schon anderswo berichtet.46
45 Hadley & Anor v Baxendale & Ors (23. Februar 1854), (1854) 9 Ex 341, 156 ER 145. 46 Siehe aber u. a. auch im Hinblick auf die CISG (Wiener Kaufrecht): Atamer, Haf tung (Fn. 44), 449 ff., vor allem 475 f.; Faust, Die Vorhersehbarkeit (Fn. 44), 238 ff.
Testamentum porcelli: Ein von Sklaven errichtetes Testament?* Von Daisuke Shinomori I. Das Testamentum porcelli, das Testament des Ferkels, ist ein Prosawerk von 300 Wörtern, die vulgärlateinischen Charakter haben. Unbekannt sind allerdings nicht nur der Autor, sondern auch Ort und Zeitpunkt der Entste hung. Auf grund sprachlicher, philologischer und juristischer Merkmale vermuten Philologen, dass man es in die Mitte des 4. Jahrhunderts datieren kann.1 Nach herrschender Meinung handelt es sich hierbei um die Parodie eines Testaments.2 Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden einige mo derne Ausgaben3 und Kommentare4 publiziert, auf deren Basis viele Aufsät ze aus verschiedenen Fachbereichen geschrieben wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Diskussionen über das Testamentum porcelli durch die Beiträge von zwei Romanisten5 rechtshistorisch bedeutende Fortschritte. * Herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Alfons Bürge für Beratungen und Hinweise. 1 Peter Lebrecht Schmidt, Testamentum porcelli, in: Reinhart Herzog / Peter Leb recht Schmidt (Hrsg.), Handbuch der Lateinischen Literatur der Antike, Bd. 5, Mün chen 1989, 257 = § 550.2. 2 Schmidt (o. Fn. 1) 257. 3 Moritz Haupt, Index lectionum quae auspiciis Regis Augustissimi Friderici Guilelmi Quarti in Vniversitate Litteraria Friderica Guilelma per semestre aestiuum, a d. XVI. m. Aprilis usque ad d. XV. m. Augusti a. MDCCCLX habebuntur, Berolini 1860, 3–9 [= ders., Opuscula, II, Lipsiae 1876, 175–183]; Franz Bücheler / Wilhelm Heraeus (ed.), Petronii Saturae et Liber Priapeorum, Berolini 19226, 268–269, 292; Alvaro D’Ors, Testamentum porcelli: introducción, texto, traducción y notas, Suple mentos de Estudios Clásicos, Serie de Textos, n. 3, Madrid 1953, 73–83; Léon Hermann, Le Testament du cochon, in: Studi in onore di Ugo Enrico Paoli, Firenze 1955, 385–391; Nikolaus A. Bott, Testamentum Porcelli: Text, Übersetzung und Kommentar, Zürich 1972; Bruno Mocci, Testamentum porcelli: Una problematica parodia tardolatina, Innsbruck 1981. 4 Haupt (o. Fn. 3); Bott (o. Fn. 3); Mocci (o. Fn. 3); Barry Baldwin, The Testamen tum porcelli, in: Studi in onore di Cesare Sanfilippo, I, Milano 1982, 39–52. 5 Alvaro D’Ors, El „Testamentum Porcelli“ y su interés para la historia jurídica, RIDA3, 2 (1955) 219–236; David Daube, Roman law: linguistic, social and phi losophical aspects, Edinburgh 1969, 78–81.
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Etwa 50 Jahre später davon wollen wir es von einem neuen Standpunkt aus überprüfen. II. Text6 und Übersetzung des Testamentum porcelli: Incipit testamentum porcelli. M. Grunnius Corocotta por cellus testamentum fe cit. quon iam manu mea scribere non potui, scribendum dictavi. Magirus cocus dixit: ‚veni huc, eversor domi, soliver tia tor, fugitive porcelle, et hodie tibi dirimo vitam‘. Corocotta porcellus dixit: ‚si qua feci, si 5 qua peccavi, si qua vascella pedibus meis confregi, rogo, domine coce, vitam peto, con cede roganti‘. Ma girus cocus dixit: ‚transi, puer, affer mihi de cocina cultrum, ut hunc porcellum faciam cruentum‘. porcellus comprehen ditur a famulis, ductus sub die XVI kal. lucerninas, ubi abundant cymae, 10 Clibanato et Piperato consulibus. et ut vidit se moriturum esse, horae spatium petiit et cocum rogavit ut testamentum facere posset. clamavit ad se suos parentes, ut de cibariis suis aliquid dimitteret eis. qui ait: ‚patri meo Verrino Lardino do lego dari glandis modios XXX, et matri meae Veturinae scrofae do lego dari Laconicae siliginis modios XL, et so rori meae Quirinae, in cuius votum interesse non potui, do lego dari hordei 15 modios XXX. et de meis visceribus dabo donabo sutoribus saetas, rixoribus capitinas, surdis auriculas, causidicis et verbosis linguam, bubulariis inte stina, isiciariis femora, mulieribus lumbulos, pueris vesicam, puellis cau dam, cinaedis musculos, cursoribus et venatoribus talos, latronibus ungulas. et nec nominando coco legato di mitto popiam et pistillum, quae mecum 20 attuleram: de Thebeste usque ad Tergeste liget sibi collum de reste. et volo mihi fieri monumentum ex litteris aureis scriptum: „M. Grunnius Corocotta por cel lus vixit annis DCCCC·XC·VIIII·S· quod si semis vixisset, mille annos implesset.“ optimi amatores mei vel consules vitae, rogo vos ut cum corpore meo bene faciatis, bene condiatis de bonis condimentis nuclei, pi 25 peris et mellis, ut nomen meum in sempiternum nominetur. mei domini vel consobrini mei, qui testamento meo interfuistis, iubete signari.‘ Lardio signavit. Ofellicus signavit. Cyminatus signavit. Lucanicus signavit. Tergillus signavit. Celsinus signavit. Nuptialicus signavit. 30 explicit testamentum porcelli sub die XVI kal. lucerninas Clibanato et Pi perato consulibus feliciter.7 7
Das Testament des Ferkels beginnt.
Das Ferkel, M. Grunnius Corocotta, machte sein Testament. Da ich mit meiner eige nen Hand nicht schreiben konnte, diktierte ich zur Niederschrift. Magirus, der Koch, sagte: „Komm hier, du der Zerstörer des Hauses, derjenige, der sich aus dem Staube macht, du das entlaufene Ferkel, und heute breche ich dein Le ben ab.“ Coro cotta, das Fer kel, sagte: „Wenn ich irgendetwas ge macht habe, 6 Bücheler / Heraeus 7 Clibanato
(o. Fn. 3) 268–269. et Piperato consulibus. / Feliciter. Bott (o. Fn. 3) 17.
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wenn ich irgendetwas angestellt habe, wenn ich irgendwelches Töpfchen mit meinen Füßen zerbrochen habe, ersuche ich Sie, mein Herr Koch, bitte ich um mein Leben. Erlauben Sie, bitte, es dem Ersuchenden.“ Magirus, der Koch, sagte: „Geh, Knabe, bring mir aus der Küche ein Messer, damit ich dieses Ferkel blutig mache.“ Das Ferkel wird von den Dienstboten ergriffen, und 16 Tage vor den Kalenden des Lu cerninus abgeführt, als die Kohlsprossen schossen, unter dem Konsulat von Pipera tus und Clibanatus. Und als es sah, dass es werde sterben müssen, bat es um den Zeitraum von einer Stunde und ersuchte den Koch darum, sein Testament errichten zu können. Es rief seine Eltern zu sich, um ihnen etwas von seinen Nahrungsmitteln zu hinterlassen. Es sagt: „Meinem Vater, Verrinus Lardinus, gebe und vermache ich 30 Hohlmaße Eicheln [und ich will, dass] sie gegeben werden (do lego dari[que volo])8; und meiner Mutter, der Sau, Veturina, gebe und vermache ich 40 Hohlmaße lakonischen Weizen [und ich will, dass] sie gegeben werden; und meiner Schwester, Quirina, an deren Hochzeit ich nicht habe teilnehmen können, gebe und vermache ich 30 Hohlmaße Gerste [und ich will, dass] sie gegeben werden. Und von meinem Körper werde ich geben und schenken (dabo donabo) den Schustern die Borsten, den Zänkern die capitina (?),9 den Tau ben die Ohren, den Advo katen und Sprüchema chern die Zunge, den Metzgern die Gedärme, den Wurstmachern die Schenkel, den Frauen die klei nen Lendenstücke, den Knaben die Blase, den Mäd chen den Schwanz, den Wüstlingen die Muskeln, den Läufern und Jägern die Knöchel, den Räubern die Hufe. Und dem verfluchten Koch hinterlasse ich als Vermächtnis (legato dimitto) den Löffel und den Stö ßel, die ich mit mir mitge bracht hatte: Von The beste bis Tergeste soll er sich den Hals mit dem Strick binden. Und ich will, dass mir ein Grabstein gesetzt wird mit goldenen Buchstaben: ‚M. Grunnius Corocotta, das Fer kel, hat 999 1 / 2 Jahre gelebt. Wenn es aber noch ein halbes Jahr gelebt hätte, hätte es 1000 Jahre erfüllt.‘ Meine besten Freunde oder Konsuln meines Lebens, ich ersu che euch dar um, dass ihr mei nen Kör per gut be han delt, dass ihr ihn mit guten Gewürzen – Nusskernen, Pfeffer und Honig – gut würzet, damit mein Name im merwährend genannt werde. Meine Herren oder meine Verwandten, die bei meinem Testament zugegen waren, unterzeichnet bitte.“ Lardio unterzeichnete. Ofellicus unterzeichnete. Cyminatus unterzeichnete. Lucani cus unterzeichnete. Tergillus unterzeichnete. Celsinus unterzeichnete. Nuptialicus unterzeichnete. Das Testament des Ferkels endet 16 Tage vor den Kalenden des Lucerninus, unter dem Konsulat von Clibanatus und Piperatus. Glückwünsche!10
do lego dari[que iubeo] (vgl. unten V. 2. e)). capitinas: Die Bedeutung dieser Wörter ist unsicher. Zu Versuchen einer Übersetzung vgl. Bott (o. Fn. 3) 18; D’Ors (o. Fn. 3) 81; Daube (o. Fn. 5) 80; Mocci (o. Fn. 3) 33; Jean-Jacques Aubert, Du lard ou du cochon?: Une lecture à rebrousse soies du Testamentum porcelli, in: Jürgen U. Kalms (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Aarhus 1999, 2000 Münster, 304. Zu philologischen Analysen vgl. Haupt (o. Fn. 3) 7 [= Opuscula 180–181]; D’Ors (o. Fn. 3) 81; Bott (o. Fn. 3) 35–36; Mocci (o. Fn. 3) 62–64; Baldwin (o. Fn. 4) 47–48. 10 Vgl. oben Fn. 7 und unten IV. 2. c). 8 Oder
9 rixoribus
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III. 1. Das Testamentum porcelli besteht inhaltlich aus zwei Teilen, abgese hen von den Formeln, die auf den Anfang und das Ende der Geschichte hinweisen, incipit – explicit (Z. 1 u. 30–31), und vom zweiten Paragraphen (Z. 2–3), der wesentlich im Testament enthalten ist (vgl. unten V. 2. a), b)). Im ersten Teil (Z. 1–12) werden die Vorgänge der Testamentserrichtung durch den Dialog zwischen Magirus und Corocotta erzählt. Der Zweite Teil (Z. 13–31) ist der Inhalt des Testamentes des Corocotta. Das Testament von Corocotta basiert im Wesenlichen auf römischen Testamentsrecht und römischer Testamentspraxis (vgl. unten V.). Wir kön nen daher vermuten, dass der Autor des Testamentum porcelli gute Kennt nisse über die Testamentspraxis hatte. Das Testament von Corocotta unter scheidet sich aber in einigen Punkten vom klassischen Manzipationstesta ment: (a) der Wortlaut der Erbeinsetzung fehlt; (b) es sind drei untypische Formeln testamentarischer Zuwendungen gebraucht: dreimal do lego dari (Z. 13, 14 u. 15), dabo donabo (Z. 16) und legato dimitto (Z. 20); (g) der Vater des Corocotta erhält eine tes tamentarische Zuwendung (Z. 13); (d) sieben Zeugen führten die Handlung des signare aus (Z. 28–29) usw. Es handelt sich also um die Natur des Testamentes des Corocotta im Zusam menhang mit dem Hauptthema des Testamentum porcelli, das hauptsächlich in erstem Teil geschildert ist. 2. a) Ein älterer Philologe nahm an, dass der Erbeinsetzungswortlaut nicht wegen mangelnder Rechtskenntnisse des Autors, sondern wegen einer Dummheit des Corocotta in seinem Testament fehlt.11 Er hielt das Testamen tum porcelli für einen obszönen und komischen Witz des dummen Ferkels. Diese Meinung wird durch die folgenden Überlieferungen von Hieronymus ergänzt. 12
Hieronymus, Contra Rufinum 1,17, pag. 473 Vall. Als ob nicht die Schar von Lockenköpfen in Quasi non cirratorum turba Mile den Schulen die milesischen Erzäh lun gen siarum in scholis figmenta decantet immer wieder herunterleiern würde und sein et testamentum suis Bessorum (= des Corocotta) Testament ihre Glie der cachinno membra concutiat atque mit schallendem Gelächter wie das der Bes inter scurrarum epulas nugae istius modi frequententur !12 ser schütteln würde und während der Mahl zeiten der Spaßvögel unnütze Dinge dieser Art häufig vorgebracht würden!
11 Haupt
(o. Fn. 3) 9 [= Opuscula 183]. Lardet (ed.), Contra Rufinum, S. Hieronymi Presbyteri Operam, Pars 3, Opera Polemica 1, Corpus Christianorum Series Latina 79, Turnholti 1982, 17. 12 Pierre
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Hieronymus, In Isaiam, lib. 12, praefatio, pag. 492 Vall. Es gibt keinen so stümperhaften Schriftstel Nullus tam imperitus scriptor est ler, der nicht einen zu ihm passenden Leser qui lectorem non inveniat similem fände, und weit zahlreicher sind die Leser sui, multoque pars maior est Mi der milesischen Erzählungen als die der lesias fabellas revolventium quam Bücher Platons. Denn jene bietet Spie le rei Platonis libros. in altero enim ludus und Unterhal tung, diese Schwie rig keit und et oblectatio est, in altero difficultas mit Bemühung verbundener Schweiß. Sogar et sudor mixtus labori. denique Ti Tullius (Cicero) bekennt, „Ti maeus“ nicht maeum de mun di har mo nia astro zu verstehen, der die Harmonie des Weltalls rumque cursu et nu meris disputan und den Lauf und die Zahl der Sterne erör tem ipse qui interpretatus est Tullius se non in tel legere con fitetur, testa tert, obwohl er ihn ja selbst übe rsetzt hat. mentum autem Grun nii Corocot tae Das Testament des Ferkels Grunnius Coro porcelli decantant in scholis puero cotta leiern aber immer wieder Scharen von rum agmina cachinnantium.13 Kindern mit schal lendem Ge lächter in den Schulen herunter.
Beide Texte entstanden am Anfang des 5. Jahrhunderts, und sie stimmen in folgenden zwei Punkten inhaltlich miteinander überein: das Testamentum por celli gehört dem gleichen Genre wie die milesischen Erzählungen an, die hier für populäre und erotische Unterhaltungsnovellen genannt werden;14 es brach te kleine Schulkinder zum großen Lachen. Nach einer Untersuchung verwen dete Hieronymus in seiner Werken oftmals den Name Grunnius verächtlich.15 13
b) Im Gegensatz zur oben genannten, naiven Meinung beschäftigten sich zwei Romanisten nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Testamentum porcelli. Alvaro D’Ors verstand auf Grund seiner textkritischen Arbeit16 das Testament von Corocotta als einen codicillus, vorausgesetzt, dass Corocotta als filius familias unter der Gewalt seines Vaters, Verrinus Lardinus, ange sehen wird.17 Aus dieser Ansicht erklärt sich aber nicht, warum Corocotta von Magirus geschlachtet werden musste. David Daube interpretierte es dagegen als Testament, das ein Soldat Co rocotta als filiusfamilias über sein peculium castrense errichtete, unter der gleichen Voraussetzung wie D’Ors, dass der noch lebende Vater, Verrinus Lardinus, pater familias war.18 Diese Ansicht kann juristisch begründen, dass im Testament von Corocotta der Erbeinsetzungswortlaut fehlt, weil der 13 Marcus Adriaen / Gérard Morin (ed.), Commentariorum in Esaiam, lib. XII– XVIII, S. Hieronymi Presbyteri Opera, Pars 1, Opera Exegetica 2A, Corpus Chri stianorum, Series Latina 73A, Turnholti 1963, 465. 14 Aly, RE XV, 2, 1932, 1580 (s. v. Milesia). 15 David S. Wiesen, St. Jerome as the Satirist: A Study in Christian Latin Thought and Letters, New York 1964, 229–230. 16 D’Ors (o. Fn. 3) 73–83. 17 D’Ors (o. Fn. 5) 224. 18 Daube (o. Fn. 5) 77–78.
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Testamentsformalismus beim Soldatentestament weitgehend gemildert wur de.19 Daube verstand erfolgreich die Natur des Testaments in Zusammen hang mit dem erstem Teil und schlug uns ein neues Bild des Testamentum porcelli vor. Seine Ansicht wird im Wesentlichen von Historikern unter stützt.20 Jedoch hege ich Zweifel an seiner Ansicht, ob Corocotta, der als Fahnenflüchtiger (desertor) die Todesstrafe erhalten hätte,21 testamentsfähig war. Es kommt hinzu, dass wir durch philologische Untersuchungen,22 die nach dem Jahr 1970 publiziert wurden, zu einem anderen Bild des Testa mentum porcelli gelangen können. Nach der Ansicht Daubes wird der Tod eines Soldaten Corocotta besonders in der Vordergrund gestellt und werden die Erbärmlichkeit des Kriegs und der Trauer der Soldaten betont. Seine Ansicht musste zwar zum Zeitgeist nach dem Zweiten Weltkrieg passen; mir scheint sie aber heutzutage zu pessimistisch zu sein. IV. 1. Das Testamentum porcelli ist voller komischer Situationen, komischer Personennamen, reicher Scherze und erotischer Ausdrücke. Hinter dem Witz und der Obszönität müssen aber die alltäglichen Realitäten der römischen Gesellschaft stehen. Wäre es nur eine komische, erotische Geschichte, so wäre es der Nachwelt nicht überliefert worden. Das Interesse am Testamentum porcelli ergibt sich aus dem Gefälle zwischen den Ausdrücken und der Wirklichkeit.23 2. Das Testamentum porcelli stellt ein Schicksal dar, in welchem das Ferkel Corocotta mit Gewissheit von einem Menschen geschlachtet werden soll. Daraus können wir die folgenden drei Kontexte herauslesen, in denen das Schwein in der römischen Gesellschaft steht. a) Schwein als Haustier:24 Das Schwein, das für die Römer eines der wich tigs ten Haustiere war, wurde im römi schen Reich überregional ver (o. Fn. 5) 77; Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, 680–681; ders., Das römische Privatrecht II, München 19752, 482. 20 Edward Champlin, The Testament of the Piglet, Phoenix, 41 (1987) 179–183; Aubert (o. Fn. 9) 315 ff. [= ders, ‚Du lard ou du cochon‘? The Testamentum porcel li as a Jewisch Anti-Christian Pamphlet, in: Jean-Jacques Aubert / Zsuzsanna Várhel zi (ed.), A Tall Order, Writing the Social History of the Ancient World, Mün chen / Leipzig 2005, 121 ff.]. 21 Fiebiger, RE V, 1, 1903, 249–250 (s. v. Desertor); Adolf Berger, Encyclopedic Dictionary of Roman Law, Philadelphia 1953, 433 (s. v. Deserere). 22 Vgl. unten IV. 2. b) und Fn. 37. 23 Reinhold F. Glei, DNP 9, 2000, 345–346 (s. v. Parodie). 24 Zur Grenze des Haustiersbegriffs vgl. Mariko Igimi, Occupatio im Alltag der Römer, in diesem Tagungsband, S. 153 ff. 19 Daube
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kauft.25 Das Schwein wurde typischerweise auf folgende zwei Art und Wei sen verwendet: einerseits war es als Schweinefleisch eines der wichtigen Nah rungsmittel der Menschen; andererseits wurde es als Opfertier den Göttern geopfert. Schweine als Haustiere werden zu allen Zeiten immer von Menschen ge schlachtet, gekocht und verspeist.26 Daher ist es notwendig, dass Magirus27 in dieser Geschichte der Koch28 war: Magirus cocus (Z. 4 u. 7), und dass Corocotta als Schwein von Magirus geschlachtet und gebraten wurde.29 Ein großer Teil der Römer aß allerdings selten Fleisch;30 sie hielten vielmehr Schweine braten für einen besonderen Festbraten.31 Das von Corocotta angeordnete Kochrezept (Z. 25–26) deutet also irgendeinen Festtag an. Es war für die Römer notwendig, an den Festtagen den Göttern Opfer zu bringen. Bei dem Tieropfer tötete der Opferdiener, cultrarius, ordnungsge mäß mit dem Opfermesser, culter, das Opfertier; darauf folgte die Eingeweideschau des Opfertiers. Bestimmte Teile (Organe) des Opfertiers, exta victimae, wur den den Göttern geopfert. Das Fleisch des Opfertiers wurde in der Küche neben dem Heilligtum gebraten oder gekocht und im Speiseraum, cenacula, von den Opferteilnehmern verspeist.32 Das Schwein ist eines der typischen Opfertiere.33 Dass Corocotta Opfertier ist, wird von dem Name Magirus angedeutet, denn das Wort Magirus, auf Altgriechisch m£geirov, bedeutete nicht nur Koch, sondern auch ursprünglich Schlachter, der das Opfermahl zurichtet.34 Culter, das Schlachtmesser, das Magirus in 25 Zum Vertriebssystem von Schweinefleisch zur nachklassischen Zeit vgl. A. H. M. Jones, The later Roman Empire 284–602, vol. 1, Oxford 1964, 702–704; Boudewijn Sirks, Food for Rome, Amsterdam 1991, 368–369; Peter Herz, DNP 4, 1996, 554–555 (s. v. Fleischkonsum). 26 Herz (o. Fn. 25) 554. 27 Karl Ernst Georges / Heirich Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 2, 758 (s. v. magirus). 28 Magirus, der den puer anführt (Z. 7), ist auch Chefkoch, archimagirus. Zu den inschriftlichen Belegen von archimagirus vgl. CIL VI 7458 = ILS 1798; CIL VI 8750. Vgl. Alois Winterling, Aula Caesaris, Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v. Chr. – 192 n. Chr.), München 1999, 101 u. 101109. 29 Bei Petron. 47,8–13 und 49,1–10 bereitet der Kochsklave von Trimalchio ein lebendiges Schwein zu. 30 Herz (o. Fn. 25) 554. 31 Orth, RE IIA, 1, 1921, 808 (s. v. Schwein); Joachim Marquardt / August Mau, Das Privatleben der Römer, Leipzig 18862, 429. 32 C. Robert III. Phillips, DNP 8, 1996, 1248–1249 (s. v. Opfer). 33 Orth (o. Fn. 31) 813–814; Helmuth Schneider, DNP 11, 1996, 293–294 (s. v. Schwein). 34 Latte, RE XIV, 1, 1928, 393–395 (s. v. μάγειρος); Hans Dohm, Mageiros: die Rolle des Kochs in der griechisch-römischen Komödie, München 1964, 2 ff.
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seiner Hand hatte, scheint also eines der Opfermesser35 zu sein. Das Testa mentum porcelli zeigt auch einen Aspekt der Opferparodie.36 b) Saturnalia und Schwein: Welche Festtage können wir von dem Testa mentum porcelli ablesen? Nach der neueren, herrschenden Meinung errich tete Corocotta sein Testament sub die XVI kal. lucerninas (Z. 9 u. 30), d. h. am 17. Dezember, dem ersten Tag der Saturnalia.37 Martialis dichtete in seinen Epigrammata, dass ein Schwein während des Saturnalienfestes ge schlachtet wurde38 und dass Wurst aus Schweinefleisch eines der Saturnalien geschenke war.39 Um das Saturnalienfest musste der Bedarf von Schweine fleisch im römischen Reich zunehmen, und mussten mehr Schweine als im Alltag geschlachtet werden. Die Situation, dass ein Schwein, das vor seinem Schlachter zu flüchten suchte, von diesem ergriffen wurde, scheint in diese Jahreszeit zu passen. Römer machten ihren Familien und Freunden gegen seitig Saturnaliengeschenke.40 Dies wird dadurch parodiert, dass Corocotta seine Körper teile an einzelne Men schengrup pen gibt (Z. 16–19).41 Der Ausdruck isiciariis femora (Z. 18) passt auf die oben genannte Überliefe rung Martials.42 c) Hochzeit und Schwein: Die Hochzeit ist meines Erachtens der andere Festtag, der im Testamentum porcelli angedeutet ist. Im zweiten Teil sind die folgenden Sachverhalte dargestellt: Obwohl die Hochzeit,43 votum, der 35 Iuv. 12, 84: ite igitur, pueri, linguis animisque faventes / sertaque delubris et farra inponite cultris / ac mollis ornate facos glaebamque virentem. Vgl. Phillips (o. Fn. 32) 1247–1248. 36 D’Ors (o. Fn. 3) 80. 37 Italo Mariotti, Kalendae Lucerninae, Rivista di cultura classica e medioevale 20 (1978) 1021–1025. Vgl. auch Mocci (o. Fn. 3) 4–8; Champlin (o. Fn. 20) 176; Siegmar Döpp, Saturnalien und lateinische Literatur, in: ders. (Hg.), Karnevaleske Phänomene in antiken und nachantiken Kulturen und Literaturen, Trier 1993, 149– 150; Schmidt (o. Fn. 1) 257; Jerzy Linderski, Finis Porcelli, Rivista di cultura clas sica e medioevale 39 (1997) 105–107. 38 Mart. 14,71 (70): Porcus. / Iste tibi faciet bona Saturnalia porcus, / Inter spumantes ilice pastus apros. Vgl. Linderski (o. Fn. 37) 1054. 39 Mart. 14,72: Botulus. / Qui venit botulus mediae tibi tempore brumae, / Saturni septem venerat ante dies. 40 Nilsson, RE IIA, 1, 1921, 204–205 (s. v. Saturnalia); Götz Distelrath, DNP 11, 1996, 114 (s. v. Saturnalia). 41 Die Zuwendungen durch dabo donabo (Z. 16–19) haben eine gemeinsame Natur, nämlich dass Corocotta jedem das gibt, was jedem Bedachten fehlt. Diese gilt aber nicht für pueris vesicam (Z. 18). Nach einer neuen, überzeugenden Ansicht deutet pueris vesicam die karnevalistische Natur des Saturnalienfestes an. Vgl. Mocci (o. Fn. 3) 66. Diese Ansicht passt auch auf die Natur des Testamentum porcelli. Vgl. unten IV 6. 42 Vgl. oben Fn. 39. 43 Zur Belegstelle vgl. Apul. Flor. 4: … togam quoque parari et voto et funeri, … Vgl. Bott (Fn. 3) 34; Mocci (Fn. 3) 60. Heumann / Seckel, Handlexikon zu den
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Schwester Quirina binnen kurzem stattfindet, kann Corocotta daran nicht mehr teilnehmen (Z. 15); nur der letzte von sieben Zeugen hat einen Namen in Zusammenhang mit der Ehe: Nuptialicus (Z. 29);44 sobald dieser unter zeichnet hat, endet die Geschichte des Testamentum porcelli mit dem Ruf: feliciter (Z. 31), was die Hochzeitsteilnehmer nach der Eheschließung dem neuen Ehepaar zurufen.45 Daher können wir annehmen, dass das Testa mentum porcelli in sehr engen Bezie hungen mit einer Hochzeit steht46, dass Corocotta bei der Hochzeit der Quirina als Opfertier den Göttern ge opfert wird47 und dass sein Fleisch endlich von Magirus mit guten Gewür zen (Nusskernen, Pfeffer und Honig) gebraten (Z. 25–26) und als Hoch zeitsmahl von den Teilnehmern verspeist wird.48 3. Es handelt sich also um die Beziehungen zwischen den oben genann ten drei Kontexten und den Darstellungen des ersten Teils des Testamentum porcelli. Quellen des römischen Rechts, Jena 19079, 633 weist auf einige Belege von vota (Pl.) hin. 44 Lardio: abgeleitet von lardum (= Speck). Vgl. Bott (o. Fn. 3) 48; Baldwin (o. Fn. 4) 50. Ofellicus: abgeleitet von ofella (= ein Bissen Fleisch). Iuv. 11,144; Mart. 12,48,17; Apic. 7,4. Vgl. Haupt (o. Fn. 3) 8 [= Opuscula 182]; Bott (o. Fn. 3) 48. Cy minatus: cyminatus (= mit Kümmel gewürzt). Vgl. Bott (o. Fn. 3) 48. Lucanicus: Lu canicae (= Lukanerwürste). Apic. 2,4; Varro ling. 5,111. Vgl. Bott (o. Fn. 3) 48; Mocci (o. Fn. 3) 77. Tergillus: tergilla (= Schwarte). Apic. 4,3,4. Vgl. Haupt (o. Fn. 3) 9 [= Opuscula 182]; Mocci (o. Fn. 3) 77. Celsinus: abgeleitet von porcellum Celsinia num, das der Titelname von Apic. 8,7,12 ist. Vgl. Bott (o. Fn. 3) 49; Mocci (o. Fn. 3) 77. Zur lateinischen Textnummer von Apicius vgl. Mary Ella Milham (ed.), Apicii de cem libri qui dicuntur de re coquinaria et excerpta a vinidario conscripta, Leipzig 1969. Dagegen leitet sich nur Nuptialicus von nuptialis (= hochzeitlich) ab. Vgl. auch un ten Fn. 46. Inschriftliche Belege von Nuptialica als Personennamen in Africa Proconsularis: CIL VIII 12400: Papiria Nuptialica und CIL VIII 24037: Voltia Nuptialica. 45 Iuv. 2,119–120: signatae tabulae, dictum ‚feliciter‘, ingens / cena sedet, gremio iacuit nova nupta mariti. Vgl. Marquardt / Mau (o. Fn. 31) 52; Renate Oswald, DNP, 5, 1996, 655 (s. v. Hochzeitsbräuche und -ritual); The Oxford Classical Dictionary, 19963, 928 (s. v. marriage ceremonies). 46 Daube (o. Fn. 5) 813 wies auf den Zusammenhang zwischen Nuptialicus und Hochzeitkuchen mustaceus hin, der aus einer großen Menge Schmalz besteht. Vgl. Orth (o. Fn. 31) 809; Orth, RE XI, 2 (1922) 2092 (s. v. Kuchen). Es ist aber meines Erachtens nicht wichtig, dass der Stoff des mustaceus sich auf das Schwein bezieht, sondern dass der letzte Zeuge Nuptialicus in Verbindung mit dem Wort feliciter die Hochzeit andeutet, die eine der Bühnenausstattungen der Geschichte des Testamentum porcelli bildet. 47 Varro rust. 2,4,9–10: … nuptiarum initio antiqui reges ac sublimes viri in Etruria in coniunctione nuptiali nova nupta et novus maritus primum porcum inmolant. prisci quoque Latini, etiam Graeci in Italia idem factitasse videntur. … Vgl. Marquardt / Mau (o. Fn. 31) 52; Oswald (o.Fn. 45) 655. 48 Bott (o.Fn. 3) 34. Vgl. D’Ors (o. Fn. 3) 75; D’Ors (o. Fn. 5) 225.
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Im ersten Teil entfaltet sich der Dialog zwischen Magirus und Corocotta. Sie sind von Standpunkt eines Dritten aus durch dreimalige Wiederholungen von dixit (Z. 4, 5 u. 7) protokolliert worden;49 das Datum ist mit den Na men der Kon suln (Z. 10) angegeben. Diese Eigenschaften kommen aus folgenden Gründen aus dem prozessprotokollarischen Stil50 her:51 Die An rufung des Magirus durch Corocotta: domine coce (Z. 6), zeigt, dass Magi rus in irgendeinem Sinn ein Gewalthaber von Corocotta ist. Die Entschei dung von Magirus, Corocotta zu schlachten (Z. 8), begründet sich aus der Anrufung des Corocotta durch Magirus: eversor domi, solivertiator, fugitive porcelle (Z. 4–5). Die Flucht musste ein schwerer wiegender Grund als die Zerstörung des Hauses sein, weil die Tatsache der Flucht mit dem Vokativ fugitive wiederholt wird. Vom Ausdruck fugitive porcelle (Z. 4–5) kann man sehr leicht eine Assoziation zu servus fugitivus haben.52 Auf Grund der oben genannten Interpretationen können wir die folgende Hypothese aufstellen: Corocotta war ein Sklave von Magirus. Er flüchtete vor Magirus und zerstörte dabei ein Haus, das Magirus gehörte. Aber er wur de alsbald von Magirus ergriffen. Der Herr hatte das ius vitae necisque über Sklaven53 und es war ihm gestattet, einen servus fugitivus selbst zu töten.54 Magirus klagte Corocotta im Hausgericht55 (iudicium domesticum) wegen der Sklavenflucht an. Obwohl dieser um sein Leben bat, traf Magirus ihm gegenüber die Entscheidung zur Todesstrafe. Die cibaria (Z. 12), die Coro cotta testamentarisch verteilte, sind das, was dieser als monatliche Getreide ration56 oder als Gegenleistung für die Arbeitsleistung eines Sklaven57 emp 49 Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, 517. Wiederholung von dixit ist auch in Digesten belegt: D. 26,8,21 Scaev. 26 dig. 50 Zur Prozessprotokollierung vgl. Mommsen (o. Fn. 49) 512–520; Artur Steinwenter, Beiträge zum öffentlichen Urkundenwesen der Römer, Graz 1915, 5 ff.; Leopold Wenger, Institutionen des Römischen Zivilprozessrechts, München 1925, 290–291 u. 29063. Zu einem Beispiel des Protokolls der Gerichtsverhandlungen vgl. die Inschrift von Dmeir in Syrien (SEG XVII Nr. 759, 216 n. Chr.), Protokoll einer cognitio Caracallas. Hierzu neuerdings: Veronika Wankerl, Appello ad principem, München 2009, 203–226. 51 Schmidt (o. Fn. 1) 257. 52 Vgl. Mocci (Fn. 3) 45. 53 Gai. Inst. 1, 52.: … dominis in seruos uitae necisque potestatem esse … 54 Mommsen (o. Fn. 49) 17; Heinz Bellen, Studien zur Sklavenflucht im römi schen Kaiserreich, Wiesbaden 1971, 17; Georg Klingenberg, Servus Fugitivus, CRRS X-6, Stuttgart 2005, 8. 55 Mommsen (o. Fn. 49) 17–18; Gunter Wesener, RE Suppl. IX, 1962, 373–374 (s. v. iudicium domesticum). 56 Fiebiger, RE III, 2, 1899, 2535 (s. v. cibaria). 57 Alfons Bürge, Cibaria, Indiz für die soziale Stellung des römischen Arbeitneh mers?, in: Festschrift für Wolfgang Waldstein, Stuttgart 1993, 63 ff. Vgl. CIL VIII 22661.
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fing. Die tria nomina von M. Grunnius Corocotta58 (Z. 2) hindern meine oben genannte Auslegung nicht, weil jeder Personenname im Testamentum porcelli sehr scherzhaft ist. 4. a) Die Tatsache, dass Corocotta am ersten Tag des Saturnalienfestes testierte, ist von Bedeutung, wenn man ihn als Metapher für einen Sklaven anse hen. Denn eine der Eigentümlichkeiten der Saturnalia ist die allge meine Gleichheit zwischen Herren und Sklaven, wie wenn diese während des Festes freigelassen wären. Das soziale Verhältnis wurde umgekehrt, so dass z. B. die Herren ihren Sklaven aufwarteten.59 Aus dieser Sicht gestat tete der Herr Magirus dem Sklaven Corocotta aus Anlass des Festes außer ordentlicherweise, über sein peculium zu testieren. Ein Sklave kann zwar grundsätzlich nicht testieren;60 Plinius der Jüngere überliefert aber in sei nen Epistulae einen Fall, in welchem er seinen Sklaven testieren ließ. Plin. epist. 8,16,1–3 [1] Confecerunt me infirmitates meorum, mortes etiam, et quidem iuvenum. Solacia duo nequaquam paria tanto dolori, solacia tamen: unum facilitas manumittendi (vi deor enim non omnino immaturos perdidisse, quos iam liberos perdi di), alterum quod permitto ser vis quoque quasi testamenta facere, eaque ut legitima custo dio. [2] Mandant rogantque quod visum; pareo ut iussus. Dividunt donant relinquunt, dumtaxat intra domum; nam servis res publica quaedam et quasi civitas domus est. [3] Sed quamquam his solaciis acquies cam, debilitor et frangor eadem illa humanitate, quae me ut hoc ipsum permitterem induxit. …61
[1] Krankheiten, sogar Tode meiner (Skla ven), und zwar meiner jungen, haben mich erschöpft. Zwei Tröstungen habe ich, die dem Schmerz zwar nicht ebenbürtig, aber immer hin Tröstungen sind: zum einen lasse ich sie leicht frei (denn ich meine, die jeni gen gar nicht vor der Zeit verloren zu haben, die ich als schon Freigelassene verloren habe), zum anderen gestatte ich auch meinen Sklaven, eine Art von Testament (quasi testamenta) zu errichten, und ich schütze dieses, als ob es rechtmäßig wäre. [2] Sklaven geben mir Auf träge und bitten mich um das, was ihnen gut scheint; ich nehme es, als ob es mir befohlen wäre. Sie verteilen, schenken und hin ter lassen, allerdings nur in meinem Haus, weil das Haus für Sklaven ge wis sermaßen ein Staat und eine Art von Ge meinde ist. [3] Obwohl ich mich bei diesem Trost beruhige, macht mich diese selbe Menschenfreundlich keit, die mich dazu gebracht hat, das zu ge statten, schwach und entkräftet. …
58 Grunnius leitet sich von grunnio (= grunzen) ab. Vgl. Bott (Fn. 3) 20; Mocci (Fn. 3) 34–35. Corocotta ist für ein hyänenartiges Tier in Äthiopien (Plin. nat. 8,72; 8,107) und als Name eines iberischen Banditen (Dio Cass. 56,43,3) usw. belegt. Vgl. Bott (Fn. 3) 20–22; Mocci (Fn. 3) 34–37; Graham Anderson, The Cognomen of M. Grunnius Corocotta: A Dissertatiuncula on Roast Pig, American Journal of Philology 101 (1980) 57–58. Aus Africa Proconsularis findet sich ein Grabstein als inschrift licher Beleg von Corocotta, AE 1996, 1708: D(is) M(anibus) s(acrum) Maracutzilus Corocotta p(ius) v(ixit) a(nnos) V m(enses) V d(ies) II h(ic) s(itus) e(st). 59 Nilsson (Fn. 40) 205; Distelrath (Fn. 40) 114. 60 Kaser, RPR I 682; II 485.
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Im Jahr 107 n. Chr. teilte Plinius der Jüngere in seinem Brief an Paternus mit,62 dass er seinen kranken, jungen Sklaven gestattete, quasi testamenta zu errichten, und dass er diese nach dem Tod des Sklaven schützte. Plinius bezeichnete meines Erachtens das, was seine Sklaven hier taten, nicht als testamenta, sondern als quasi testamenta, und zwar aus dem Grunde, weil diese nicht nur rechtlich unwirksam, sondern auch faktisch nicht nach Testa mentsform gemacht wurden. Der Inhalt der quasi testamenta, d. h. mandant rogantque und dividunt donant relinquunt, ist nicht terminologisch, sondern umgangssprachlich und auch unklar. Nach einer Untersuchung sind mandare und rogare als Anordnungen der Bestattung oder der Grabmalserrichtung und dividere, donare und relinquere als die der Erbeinsetzung und der ver schiedenen Legatstypen anzusehen.63 Danach passen die einzelnen Klauseln der quasi testamenta meist zu denen des regulären testamentum. Jedoch unterschieden die quasi testamenta sich wenigstens in folgenden drei Aspek ten wesentlich vom testamentum. 61
(a) Die quasi testamenta waren von Anfang an unwirksam. Sie wurden von dem Herrn nur faktisch geschützt. (b) Der Herr selbst konnte daher durchaus entscheiden, wie er die quasi testamenta behandeln wollte. Er konnte sie völlig oder teilweise ignorieren oder erfüllen. Auch wenn sie Erbeinsetzungen enthielten,64 brauchte er den Eingesetzten das peculium des Sklaven nicht herauszugeben, geschwei ge denn zu gestatten, es zu verteilen. Er konnte nämlich selbst nach seinem Belieben einzelne Sachen, die zum peculium gehörten, verteilen, und zwar nur dann, wenn er es wollte. Plinius erfüllte nur wegen der ihm eigenen humanitas die quasi testamenta seiner Sklaven. (g) Insbesondere wollen wir die Aufmerksamkeit darauf richten, dass der kranke Sklave bei seiner Testierung schon dem Tod nahe war. Dies lässt vermuten, dass die quasi testamenta nicht so förmlich wie ein Manzipa tionstestament errichtet wurden, sondern dass sie sogar nur kleine Notizen waren, die er auf seinem Sterbebett selbst – sine iuris consulto – geschrie ben haben könnte. Aus dieser Sicht könnte ihr Inhalt so einfach und so 61 R. A. B. Mynors, C. Plini Caecili Secundi, Epistularum Libri Decem, Oxford 1963, 245. 62 A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny, Oxford 1966, 466–467. 63 J. W. Tellegen, The roman law of succession in the letters of Pliny the Younger I, Zutphen 1982, 147 u. 14714 u.15. 64 Die Lex collegii funeraticii Lanuvini hatte eine Klausel für den Fall, dass ein Sklave in seinem „Testament“ seinen Herrn als Erben einsetzte (FIRA III, Nr. 35, pag. II, Z. 1–2): neque d[o]minae neque creditori ex hoc collegio ulla petitio esto, nisi si quis testamento heres nomina[tu]s erit. Zur Beziehung zwischen dieser Vor schrift und Plin. epist. 8,16 vgl. Theodor Mommsen, De collegiis et sodaliciis Ro manorum, Kiel 1843, 10218; Tellegen (o. Fn. 63) 147–150.
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emotional gewe sen sein wie eine kleine Verteilung seines peculium als Andenken an seine Familie und seine Freunde. b) Wir können zwar den Inhalt des Testaments des Corocotta nicht genau mit dem der quasi testamenta in der Pliniusstelle vergleichen. Die beiden Testamente passen aber zueinander in den Punkten, dass ein Sklave, der dem Tod nahe ist, mit Erlaubnis des Herrn testiert und dass das Testament unwirksam ist. Ferner scheint mir der Inhalt des Testamentes des Corocotta überhaupt einfach, schlicht und freigebig zu sein, denn seine testamentari schen Zuwendungen zugunsten seiner Familie – dreimaliges do lego dari (Z. 13–16) an verschiedene Personengruppen: dabo donabo (Z. 16–19), und an seinen Herrn: legato dimitto (Z. 20–21) – sind zwar zahlreich, aber es wird keine komplizierte Bedingung beigefügt. Daraus kann man nicht able sen, dass Corocotta besondere Ränke schmiedete, während sein Groll gegen Magirus: nec nominando coco (Z. 20), deutlich ist. Die Anordnungen der Grabmalserrichtung (Z. 21–24) und der Bestattung (Z. 24–26) scheinen auf die quasi testamenta zu passen.65 Magirus könnte ohne große Mühe die Bitten von Corocotta erfüllen, soweit er es wollte. Wir können die Inhalte beider Testamente im Wesenlichen ähnlich verstehen. c) Die quasi testamenta wurden vermutlich von Sklaven selbst – ohne Mitwirkung eines Testamentsschreibers – geschrieben (vgl. oben IV. 4. a) g)). Dage gen ist dem Testament von Corocotta eigentümlich, dass der Tes ta ments schrei ber an der Errichtung der Testamentsurkunde mitwirkte: scribendum dictavi66 (Z. 3). Das Testament, das im zweitem Teil dargestellt wird, ist trotz der Worte qui ait (Z. 12) kein Protokoll einer mündlichen Äußerung von Corocotta, sondern stellt das dar, was der Testamentsschrei ber zu Testamentsformeln verarbeitet hat. Daher ist es überhaupt nach rö mischem Testamentsrecht und römischer Testamentspraxis errichtet. Warum wurde es trotz seiner eigentlichen Unwirksamkeit nach dem Testamentsfor mular geschrieben? Da das Sklaventestament nicht beispiellos in der klassi schen Periode war,67 muss es in der römischen Gesellschaft in irgendeinem Sinn nützlich gewesen sein. Wenn die Römer ein so genanntes testamentum für eine Art von formeller Urkunde hielten, müsste jeder Testator – sei es römischer Bürger, sei es Sklave – versuchen, das Testamentsformular ein zuhalten. Vielleicht könn ten sie auf den Tes taments formalismus vertraut haben, um über Sachen nach ihrer Tode zu verfügen. Durch den Gebrauch der Testamentsformel dürfte der Sklave seinem Herrn seine Ansicht in prak tischer Weise mitgeteilt haben können. Der Herr hätte vielleicht ein Skla 65 Vgl. oben IV. 4. a). Das Sklaventestament in der Lex collegii funeraticii Lanuvini (o. Fn. 64) betrifft die Bestattung des Sklaven. 66 Vgl. auch unten V. 2. b). 67 Vgl. oben. Fn. 64. Vgl. Tellegen (o. Fn. 63) 147.
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ventestament mit sieben Zeugen nicht vollkommen totschweigen können. In diesen Zusammenhang gehört meines Erachtens die Hin zu zie hung des Testamentsschreibers. 5. Corocotta, der 6 Monate alt war,68 hatte wahrscheinlich auf Grund sei ner Ge burt von einer Sklavin Veturina Sklavenstatus.69 Aus demselbem Grund wird seine Schwester Quirina70 auch eine Sklavin gewesen sein. Skla vinnen und Sklaven konnten weder untereinander noch mit Freien eine recht lich anerkannte Ehe schließen.71 Sie bildete aber in ihrem täglichen Leben eine faktische, dauernde Ehegemeinschaft (contubernium).72 Sie schlossen die Ehe durch Hochzeits fei ern in Anwesenheit ihres Herrn und seiner Familienmitglieder.73 Dann können wir annehmen, dass ein Opfertier – be sonders das Schwein – auch bei der Hochzeit der Sklaven den Göttern geop fert und danach als Hochzeitsmahl von Teilnehmern verspeist wurde. Diese Vermutung passt zum Schicksal des Corocotta (vgl. oben IV. 2. c)). Bekanntlich wurden Sklavinnen von ihren Herren ausgenutzt, um Skla vennachkommen zu reproduzieren und den Herrn sexuell zu befriedigen.74 Die Hochzeit einer Sklavin und ihres Mannes, an der ihr Herr teilnimmt, mag viel leicht die Befreiung von sexuellen Einschränkungen durch den Herrn bedeuten. 68 Der inschriftliche Wortlaut, den Corocotta wollte: … Corocotta porcellus vixit annis DCCCC · XC · VIIII · S · quod si semis vixisset, mille annos implesset (Z. 22– 24), ist ein Scherz, da Corocotta ein sechs Monate altes Ferkel war. Er konnte deswegen seinen Penis zugunsten Magirus vermachen (Z. 20, vgl. unten Fn. 98) weil er noch nicht kastriert war. Das passt zu der Überlieferung von Varro rust. 2,4,21: Castrantur verres commodissime anniculi, utique ne minores quam semestres … Vgl. Schneider (o. Fn. 33) 293. 69 Wolfgang Kunkel / Heinrich Honsel, Römisches Recht, Berlin / Heidelberg / New York 19864, 38819. 70 Quirina leitet sich einerseits von coir…nh ab. Vgl. Haupt (o. Fn. 3) 7 [= Opus cula 180]; Anderson (o. Fn. 58) 58. Bott (o. Fn. 3) 33 wies andererseits auf eine andere Ableitungsmöglichkeit hin: quiritare oder quirritare (= Naturlaut des Ebers), Georges / Georges (o. Fn. 27) 2174 (s. v. quirito oder quirrito). Ist die letzte Ablei tung eine obszöne Anspielung? 71 UE 5,5: Cum servis nullum est conubium; PS 2,19,6: Inter servos et liberos matrimonium contrahi non potest, contubernium potest. 72 Kaser RPR I 284 u. 315. Belegstellen aus Rechtsquellen und Grabinschriften bei Kunkel / Honsell (o. Fn. 69) 38819. 73 Hier. epist. 107,11,1 (ad Laetam de institutione filiae): … non intersit nuptiis servulorum nec familiae perstrepentis lusibus misceatur. Zum lateinischen Text vgl. Isidorus Hilberg (ed.), Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae II, Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 55, Lipsiae 1912, 302. Vgl. Marquardt / Mau (o. Fn. 31) 176–177. 74 Vgl. Bettina Eva Stumpp, Prostitution in der römischen Antike, Berlin 19982, 24–25.
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6. a) Das Testamentum porcelli zeigt einerseits den Aspekt des Schweins als Haustier in der römischen Gesell schaft. Das Schwein wird zwar von Menschen geschlachtet. Sein Tod verbindet aber sich mit dem Glücksgefühl der Römer, denn sie essen Schweinefleisch, um zu leben, und sie beten bei Festtagen – hier beim Saturnalienfest und bei der Hochzeit – dadurch zu den Göttern um ihre Glücklichkeit und ihr Wohlergehen, und sie opfern, um aus dem Schwein wahrzusagen und es als Festmahl zu essen. Mit dieser Sicht kann man die komischen und obszönen Elemente des Testamentum porcelli als sehr be deutungs voll ver stehen: Corocotta verteilt an viele Personengruppen einen Teil seines Körpers (Z. 16–19), um diese zu ermu tigen und um ihnen Lebenshoffnungen zu geben. Obszöne Scherze verbin den sich auch mit dem Gedeihen der Nachkommen. b) Das Testamentum porcelli verwendet andererseits das Schwein als Metapher für einen Sklaven. Hinter der komischen Ferkelgeschichte werden die Lebensumstände der Sklaven angedeutet: die Todesstrafe bei Sklaven flucht, die Gleichheit zwischen Sklaven und ihren Herrn im Saturnalienfest, die Hochzeit der Sklaven und die Testamentserrichtung durch einen Skla ven. Jedes Element (außer der Todesstrafe) gereicht den Sklaven zum Vor teil, weil es in jedem Sinn Befreiung aus ihren alltäglichen Schmerzen und Bindungen betrifft. Die Todesstrafe sollte meines Erachtens nicht so betont werden, um das Hauptthema des Testamentum porcelli zu verstehen, weil sie ihren Ursprung nur daraus hat, dass das Schwein ein Haustier ist und dass es auch nach dem Plan der erzählten Geschichte sterben muss. c) Das Ferkel Corocotta verlangt von Magirus seine Testamentserrichtung (Z. 11). Wenn es hierbei ohne Testamentsschreiber testieren würde, müsste sein Testament zu einem ganz zornigen, traurigen Brief an dem Herrn wer den. Woher stammt demgegenüber die Lustigkeit des Testamentum porcelli? Sie kommt meines Erachtens daraus, dass nicht nur ein Mensch, sondern sogar ein Haustier testiert, und dass das schmerzliche, letzte Wort des Skla ven vom Testa ments schreiber in eine Testamentsformel gekleidet worden ist. In diesen Sinnen kann man das Testamentum porcelli als eine Parodie eines Testa ments und als eine Satire gegen Testamentsrecht, -praxis und -praktiker verstehen. V. 1. Das Testament des Corocotta ist vom Schreiber in seiner Funktion als Testamentsschreiber im Wesentlichen nach römischem Testamentsrecht und römischer Testamentspraxis errichtet worden. Es kann deshalb ohne Weite res mit einem regulärem testamentum verglichen und juristi sch er örtert werden.
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2. Juristische Bemerkungen: a) … testamentum fecit (Z. 2): Der Wortlaut ist eine Formel, die nach der Testamentspraxis gewöhnlich zu Anfang des Testaments geschrieben wur de.75 b) scribendum dictavi (Z. 3): Der Wortlaut zeigt ausdrücklich, das ein Testamentsschreiber (testamentarius) bei der Testamentserrich tung mitge wirkt hat.76 Daher ist das Testament trotz der Worte: qui ait (Z. 12), kein mündliches, sondern ein schriftliches. Der Name des Testamentsschreibers wird nicht immer in der Testa mentsurkunde mitgeteilt.77 Das eigentlich unwirksame Sklaventesta ment muss zwar nicht von einem Testa ments schreiber errichtet werden, aber einen Testamentsschreiber hinzuzuziehen ist meines Erachtens auch für ein Sklaventestament von Vorteil (vgl. oben IV. 4. c)). Der scherzhafte Begründungssatz, warum ein Testamentsschreiber im Testamentum porcelli auftritt: quoniam manu mea scribere non potui (Z. 2–3), ist nicht eindeutig. Nach dem Kontext dieser komischen Geschich te kann das Ferkel Corocotta körperlich mit seinem Huf keinen Stift hal ten.78 Zugleich reflektiert der Satz die römische Realität, dass nicht alle Sklaven zu schreiben verstanden. Prak tisch dürfte es schwierig gewe sen sein, dass ein Sklave in seiner Todesstunde einen Testamentsschreiber her beirief. c) Fehlen der Erbeinsetzung (Z. 13): Bekanntlich muss das klassische Man zipationstestament eine Erbeinset zung enthalten.79 Das Fehlen der Erbeinsetzung übt aber keinen Einfluss auf die Wirkung des ohnehin un wirksamen Sklaventestaments aus. Vielmehr mag die Erbeinsetzung für die Verteilung des peculium durch den Herrn faktisch schädlich sein, abgesehen 75 Testamentum Antonii Silvani equitis [a. 142], FIRA III, Nr. 47, Z. 1–4; Testamentum C. Longini Castoris [a. 191 et 194], FIRA III, Nr. 50, Z. 3 (auf Grie chisch). Vgl. Mario Amelotti, Il testamento romano attraverso la prassi documentale I. Le forme classiche di testamento, Firenze 1966, 117. 76 D. 28,5,9,1 Ulp. 5 ad Sab: … sive ipse scripsit sive s c r i b e n d u m d i c t a v e r i t ; D. 29,1,40 pr. Paul. 11 resp.: Lucius Titius miles notario suo testamentum s c r i b e n d u m notis d i c t a v i t … 77 Z. B. Testamentum Antonii Silvani equitis, FIRA III, Nr. 47. Dagegen findet sich der Name des Testamentsschreibers im Testamentum P. Dasumii Tusci Nobilis viri [a. 108], FIRA III Nr. 48, Z. 123–124: [C]ampanus. Wolfgang Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, Weimar 1952, 147–150. Vgl. Amelotti (o. Fn. 75) 115 u. 1153; Bott (o. Fn. 3) 24. 78 Bott (o. Fn. 3) 24. Zur testamenti factio desjenigen, der seine Hände verloren hat, vgl. D. 28,1,10 Paul. 3 sentent.: Qui manus amisit testamentum facere potest, quamvis scribere non possit. Vgl. Mocci (o. Fn. 3) 39. 79 Gai. Inst. 2, 229: … testamenta vim ex institutione heredis accipiunt, et ob id velut caput et fundamentum intellegitur totius testamenti heredis institutio.
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davon, dass ein Sklave stets seinen Herrn als Erben einsetzt.80 Der Testa mentsschreiber des Corocotta vermied meines Erachtens vernünftigerweise, den überflüssigen Wortlaut in die Urkunde zu schreiben. d) Testamentarische Zuwendung zugunsten des Vaters Verrinus Lardinus (Z. 13): Die Testierfähigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass der Testator pater familias ist; ein filiusfamilias kann nur über sein peculium castrense testieren.81 Wenn Verrinus Lardinus daher ein pater familias ist, muss man Corocotta für einen Soldaten halten, damit dieser ein wirksames Testament errichten kann.82 Das Ferkel ist aber nach meiner Ansicht als Metapher für einen Sklaven zu verstehen (vgl. oben IV. 3.), der keine Verwandten hat.83 Dabei brauchen wir seine Testierfähigkeit nicht zu diskutieren. e) do lego dari (Z. 13, 14 u. 15): Mit diesem Wortlaut wandte Corocotta drei mal in seinem Testament seine Nahrungsmittel den Eltern und der Schwester zu. Wir finden einige ähnliche Belege, wenn einem Vindikationsle gat die Formel des Damnationslegats oder des Fideikommisses beigefügt wird:84 D. 33,7,12,43 Ulp. 20 ad Sab. Sed et ipse Papinianus eodem libro responsorum ait patrem mercatorem ac faeneratorem, qui duos filios to tidemque filias here des in stituerat, ita legasse: ‘Filiis mari bus domum meam instructam d o l e g o d a ri que iubeo.’ …
Aber auch Papinian selbst sagt in demselben Buch seiner Responsa: Ein Vater, Kaufmann und Wucherer, der zwei Söhne und ebenso viele Töchter als Erben eingesetzt hatte, hat folgenden Vermächtnis ausgesetzt: „Meinen Söhnen gebe und verma che ich mein möblier tes Haus und ich be fehle (meinen Erben), dass es ihnen gegeben wird.“ …
Der Vater vermachte seinen Söhnen, die zugleich im Testament als Erben einge setzt sind, sein möbliertes Haus als Prälegat. Der Wortlaut do lego darique iubeo kombiniert die Formel des Vindikationslegats: do lego,85 mit der des Damnationslegats: dari iubeo.86 80 Vgl. Lex collegii funeraticii Lanuvini, FIRA III, Nr. 35, pag. II, Z. 1–2 (o. Fn. 64). 81 UE 20, 10: Filius familiae testamentum facere non potest, quoniam nihil suum habet, ut testari de eo possit. Sed divus Augustus [Marcus] constituit, ut filius familiae miles de eo peculio, quod in castris adquisivit, testamentum facere possit. 82 Daube (o. Fn. 5) 77. 83 Reinhard Willvonseder, Eheähnliche Verbindungen und verwandtschaftliche Beziehungen, CRRS IV-1, Stuttgart 2010, 2. 84 Pasquale Voci, Diritto ereditario romano 2, Milano 19632, 588–589; Amelotti (o. Fn. 75) 132; Kaser, RPR I 745. 85 Gai. Inst. 2,193: Per vindicationem hoc modo legamus: Titio verbi gratia Hominem Stichum d o l e g o …. 86 Voci (o. Fn. 84) 5882; Amelotti (o. Fn. 75) 1322. Der Beleg dari iubeo in D. 24,1,56 Scaev. 3 quaest. betrifft eine Schenkung zwischen einem Mann und sei
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D. 34,4,30 pr. Scaev. 20 dig. Alumnae suae plura legaverat: quaedam ex his abstulit, quaedam ut praestarentur, ab herede suo petit, in quibus et viginti dari voluit his ver bis: ‘hoc amplius d o l e g o d a r i q u e v o l o viginti auri libras’ …
Jemand hat seiner Pflegetochter mehrere Vermächtnisse ausgesetzt: Einige davon wi derrief er, bei anderen bat er seinen Erben, sie zu leis ten. Unter anderem ver lang te er mit folgenden Wortlaut, dass 20 gege ben wer den: „Darüber hinaus gebe und ver mache ich 20 Pfund Gold und will ich, dass sie gegeben werden.“ …
Der Wortlaut do lego darique volo ist die Kombination der Formel des Vindikationslegats und der des Fideikommisses, dari volo.87 Er ist auch in einer Inschrift (vom Jahre 163 n. Chr. aus Balcino) belegt: CIL II 4514 = ILS 6957 = IRC IV 45 L(ucius) CAECILIVS … / … OPTA TVS … / QVI R(ei) P(ublicae) BARC(inonensium) ITA LEG(avit) D O L E G O / D A R I Q V E V O L O X (denariorum) VII D (septem milia quingentos) …88
Lucius Caecilius … Optatus …, der zuguns ten der Stadt Balcino vermacht hat: „Ich gebe und vermache 7500 Denare, und will, dass sie gegeben werden …“.
Lucius Caecilius Optatus, der verschiedene Ämter nacheinander bekleide te, z. B. dreimal duovir, Stadtrat von Balcino, war, vermachte der Stadt Bal cino 7500 Denare mit dem Wortlaut: do lego darique volo. Die Kombinationen von Formeln verschiedener Legatstypen gebrauchte man in der Testamentspraxis, um die endgültige Wirksamkeit des Legats zu si chern.89 Es ist erstaunlich, dass eine solche hochgradige Technik der Testamentserrichtung sich auch in Balcino verbreitete. Durch den Gebrauch des kombinierten Wortlautes neigten aber Testa mentsprakti ker dazu, das Interesse für den Unterschied der verschiedenen Legatstypen zu verlieren.90 Wenn sie sogar die Absicht der Kombinationen vergaßen, mochten sich do lego dari, d. h. nur ein Teil von do lego darique volo oder do lego darique iubeo wegen des Testamentsformalismus verbreiten;91 so vielleicht auch beim Schreiber des Testamentum porcelli. 88
ner Frau. Die Formel kombination von Vindikationslegat und Damnationslegat do lego damnasque esto ist im Testamentum P. Dasumii, FIRA III Nr. 48, Z. 47–50 u. Z. 125 belegt. 87 D. 30,96 pr. Iul. 39 dig.; D. 31,43 pr. Pomp. 3 ad Quint. Muc.; D. 31,88,6 Scaev. 3 resp.; D. 32,11,5 Ulp. 2. fideicomm. Vgl. Voci (o. Fn. 84) 5883; Amelotti (o. Fn. 75) 1323. 88 Georges Fabre / Marc Mayer / Isabel Rodà (ed.), Inscriptions romaines de Catalogne, IV. Barcino, Paris 1997, pp. 114–117, Pl. XXII–XXVII. 89 Amelotti (o. Fn. 75) 132; Kaser, RPR I 745. 90 Vgl. Alvaro D’Ors, Epgrafía jurídica de la España Romana, Madrid 1953, 421.
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f) dabo donabo (Z. 16): Einen Beleg für eine ganz gleiche Form (1. Pers. Sing. Fut. I von dare donare) habe ich nicht entdecken können.92 Eine Verfügung mit doppeltem Gebrauch von dare und donare wird normaler weise als Schenkung behandelt.93 Dabo donabo ist also als donatio mortis causa zu verstehen.94 Dies passt dazu, dass die Schenkung von Todes wegen im nachklassischen Recht dem Vermächtniss in vielen Zügen gleichgeordnet wird95 und dass die hier verfügten Zuwendungen eine Parodie eines Saturnaliengeschenks sind (vgl. oben IV 2 b). g) legato dimitto (Z. 20): Das Wort dimittere bedeutete schon in klassi schem Recht sicher „hinterlassen“.96 Es gibt einen Beleg für die Kombina tion von legare und dimittere in nachklassischen Rechtsquellen (aber mit Infinitiv Passiv): … res … per damnationem legato dimitti possunt.97 Wegen der Neigung zur Ausgleichung der Legatstypen kann man nicht bestimmen, unter welchen Le gatstyp die Verfügung legato dimitto fällt. Die Zu wen dungsgegenstände, d. h. popiam et pistillum (Z. 20), sind eine Metapher für den Penis,98 der in den Gegenständen von dabo donabo (Z. 16–19) nicht enthalten ist. h) volo mihi fieri monumentum (Z. 21–22): Viele Beispiele eines fidei commissum, welches eine Grabmalerrichtung vorschreibt, finden sich in 91
91 Natürlich bleibt noch die andere Möglichkeit, dass der Autor den grammatisch falschen Wortlaut als Scherz gebrauchte. 92 Zwei ähnliche Wortlaute finden sich in einer Papyrusurkunde und den Diges ten. Beides passt aber nicht auf dabo donabo im Testamentum porcelli. (a) P. Hamb. I 72 = Ch. L. A. IX 496, Z. 9–16: si quid ego … vi[v]us d e d i do na v i d e d e r [ o ] d o n a v e r [ o ] …, ratum esto ac si in hoc t[es]t[am]ento cau[tum] conprehensumve esset. Das ist eine Testamentsklausel zur Konfirmierung eines Kodizills, das früher oder später als diese Testamentserrichtung geschrieben wird. Vgl. Paul M. Meyer, Römischrechtliche Papyrusurkunden der Hamburger Stadtbibliothek, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, 35 (1918) 87–89. In der Tat ist es unmöglich, dass Corocotta noch ein Kodizill schreibt, weil er bald nach der Testamentserrichtung geschlachtet werden wird. (b) D. 32,33,1 Scaev. 15 dig.: ‘Uxori meae quidquid vivus d e d i d o n a v i usibus ve eius comparavi, concedi volo.’ … Wenn der Schenker (Mann) vor der Beschenk ten (Frau) stirbt, kann er in seinem Testament die (nichtige) Schenkung unter Ehe gatten als fideicommissum konfirmieren. Vgl. Kaser, RPR I 332. 93 Vgl. oben Fn. 92. 94 D’Ors (o. Fn. 3) 81. 95 Kaser, PRP II 469. 96 Gai. Inst. 2, 195: … etiamsi ignoret sibi l e g a t u m esse d i m i s s u m , … Vgl. Bott (o. Fn. 3) 40. 97 GE 2,5,3. 98 Thesaurus Linguae Latinae, Bd. X, 1, Fasc. XVII, Sp. 2691–2692 (s. v. Po pia); eod. Fasc. XIV Sp. 2216 (s. v. pistillus, pistillum), Z. 39–42; J. N. Adams, The Latin sexual vocabulary, London 1982, 22 ff.; Bott (o. Fn. 3) 40–41. Daube hält den Ausdruck für eine Metapher für Waffen, Daube (o. Fn. 5) 80 u. 805.
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Daisuke Shinomori
verschiedenen Quellen.99 Ein Beleg für einen ähnlichen Wortlaut findet sich in den Di gesten.100 Der Wortlaut des Grab steins: vixit annis (Z. 23), ist inschriftlich oft belegt.101 Der Herr Magirus trägt wahrscheinlich die Kosten für die Grabmalserrichtung, weil Corocotta nichts anderes angeordnet hat. j) rogo vos ut … nuclei, piperis et mellis (Z. 24–26): Das ist eine Parodie einer Bestattung. Das fideicommissum der Bestattung ist auch in den Diges ten oft belegt.102 Der Koch Magirus musste es natürlich übernehmen. In der Tat beauftragten die Armen, auch einschließlich von Sklaven, manchmal die collegia funeraticia für ihre Bestattung.103 k) Lardio signavit. … Nuptialicus signavit (Z. 28–29): Die sieben Zeugen sind wahrscheinlich auch Schweine.104 Siebenmaliges signavit (nicht „si gnavi“) zeigen, dass diese Sätze tatsächlich nicht in der Testamentsurkunde geschrieben wurden, sondern dass sie zur erzählten Geschichte gehören.105 Beim Manzipationstestament nach ius civile sind fünf Zeugen, ein libripens und ein familiae emptor erforderlich.106 Beim Testament von Coro cotta werden diese Personen gar nicht voneinander unterschieden, und es fehlt die Manzipationsklausel.107 In diesem Testament muss aber gar kein Manzipa tionsakt stattfin den. Es ist schwie rig festzustellen, nach welchem Recht dieses Siebenzeugentestament errichtet wurde. Auf Grund der Zeit der zwei Belege bei Hieronymus ist es einerseits durchaus klar, dass das Testamen99 Codicilli filii familias cuiusdam [a. 175] FIRA III, Nr. 56, Z. 6–7: Peto ut monumentum mihi facias dignum iuventuti meae. Bekanntlich gibt es ein Beispiel im Tes tament des Trimalchio, Petron. 71,5–12. Vgl. Bott (o. Fn. 3) 42; Mocci (o. Fn. 3) 70. 100 D. 35,1,27 Alfenus 5 dig.: … sed Publii Septimii Damae erat, ad quod exemplum sus picabatur eum qui testamentum fecerat m o n u m e n t u m s i b i f i e r i v ol u i s s e , … Vgl. auch D. 10,2,18,2 Ulp. 19 ed.; D. 35,1,40,5 Iav. 2 ex post. Lab. 101 Z. B. CIL VI 11746: … V(ixit) A(nnis) XVII M(ensibus) II D(iebus) II. Vgl. Lawrence Keppie, Understanding Roman inscriptions, London 2001, 107. 102 D. 31,88,1 Scaev. 3 resp.: ‚A t e p e t o , Ti t i , f i d e i q u e t u a e c o m m i t t o , u t i c u r a m c o n d e n d i c o r p o r i s m e i s u s c i p i a s , et pro hoc tot aureos e medio praecipito.‘ Ein Beispiel dafür, dass die Anordnung der Grabmalserrichtung und der Bestattung zugleich in einem Testament stattfand, ist auch D. 34,4,30,2 Scaev. 20 dig. 103 Vgl. Lex collegii funeraticii Lanuvini FIRA III, Nr. 35, pag. II, Z. 1–2 (o. Fn. 64). 104 Zur Bedeutungen jedes Namens vgl. Fn. 44. 105 Vgl. Testamentum Antonii Silvani, FIRA III, Nr. 47, pag. 8: Nemonius … signavi. 106 Gai. Inst. 2,104: Eaque res ita agitur: qui facit testamentum, adhibitis, sicut in ceteris mancipationibus, V testibus civibus Romanis puberibus et libripende, postquam tabulas testamenti scripserit, mancipat alicui dicis gratia familiam suam. … 107 Z. B. Testamentum Antonii Silvani, FIRA III, Nr. 47, Z. 38–39: Familiam pe cu niam que t(estamenti) f(aciendi) c(ausa) e(mit). Vgl. auch P. Hamb. I 72 = Ch. L. A. IX 496, Z. 18–19.
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tum porcelli jedenfalls vor dem Jahr 439 entstand, in welchem Jahr Kaiser Theodosius II. eine wichtige Konstitution erließ, die die ordentliche Testa mentsform auf das Sie ben zeugentestament be schränkte.108 Wahrscheinlich wurde das Testament von Corocotta nach der Konstitution des Kaisers Constantinus109 in der erste Hälfte des 4. Jahrhunderts errichtet. Wenn die „Sklaventestamentspraxis“ sich aber unter den Testamentspraktikern ausge breitet haben sollte, hätte die Konstitution nur einen mittelbaren Einfluss auf das Testament des Corocotta gehabt. VI. Das Testament von Corocotta war von Daube für ein Soldatentestament gehalten worden. Dagegen sehen wir es als ein von einem Sklaven errich tetes Testament an, der dem Tod nahe war. Den ersten Teil des Testamentum porcelli verstehen wir als die Parodie des Prozessprotokolls darüber, dass einem servus fugitivus im Hauszuchtverfahren durch seinen Herrn die To desstrafe auferlegt wurde. Das Sklaventestament ist rechtlich unwirksam. Das peculium des Sklaven gehört seinem Herrn, so dass der Sklave eigent lich nicht darüber verfügen kann. Trotzdem überliefert Plinius der Jüngere den Fall, dass er seinem kranken, sterbenden Sklaven gestattete zu testieren, und dass er die quasi testamenta seiner Sklaven erfüllte (Plin. epist. 8,16,1– 3). Faktisch schützte er rechtlich unwirksame quasi testamenta. Das Testament des Corocotta folgte hauptsächlich dem römischen Recht. Juristen interessieren sich für die Mitwirkung des Testamentsschreibers an seiner Errichtung. Wenn Sklaven in der Tat testierten, mussten Testaments schreiber dabei irgendeine Rolle spielen. Das Testament von Corocotta kön nen wir des halb als ein Beispiel der Testamentspraxis aus der Mitte des 4. Jahrhunderts verstehen, und es deutet zugleich auch eine Möglichkeit der „Sklaventestamentspraxis“ an. Das letzte Wort, das Corocotta zu seinem Testamentsschreiber mündlich sprach, erhält dadurch seine große Komik, dass Corocotta es in die Schab lone der Testamentsformel setzt. In diesem Sinn müssen wir das Testamentum porcelli auch als eine Testamentsparodie, d. h. eine Satire gegen die Testamentstechnik ansehen. 108 Nov. Theod. 16 = C. 6,23,21 Impp. Theod. et Valent. [a. 439]. Kaser, RPR II 479 und 47918. 109 Euseb. Vita Const. 4,26,5–6. Dazu vgl. C. 6,23,15 Imp. Const. [a. 320? 326? 339?]: Quoniam indignum est ob inanem observationem irritas fieri tabulas et iudicia mortuorum, placuit ademptis his, quorum imaginarius usus est, institutioni heredis verborum non esse necessariam observantiam, utrum imperatiuis et directis uerbis fiat an inflexa.
Zum Schadensersatzanspruch bei der Lex Aquilia anhand von D. 9,2,54 und 55 und eine Bemerkung zu D. 9,2,56 Von Boudewijn Sirks 1. Das Thema dieser Tagung ist die Exegese und ihre Schwierigkeiten, und dies zurecht: Die Exegese ist immer noch der Kern unserer Arbeit und, wie Gadamer sagt, der Kern des Verstehens. Das Problem stellt sich bei der Textüberlieferung, beim Autor, bei der Sprache, beim Hintergrund des Tex tes und beim Text selbst: Genre und Aufbau. So auch bei den Kommentaren zum Edikt und zu Sabinus, die oft wie Texte aussehen, die in der Vorlesung erklärt werden müssen, wie das später bei den Byzantinern wieder geschah. Das würde erklären, warum diese Texte oft so knapp und kryptisch sind. Zwei solche Texte sind D. 9,2,54 und 55, die hier besprochen werden; es folgt dann noch eine Bemerkung zu D. 9,2,56. 2. D. 9,2,54 handelt von einem Gläubiger, der das Tier, das ihm förmlich versprochen ist, verwundet oder tötet. Es wird unterschieden, ob dies vor oder nach Schuldnerverzug geschieht. 12
D. 9,2,54 Pap. 37 quaest. Legis Aquiliae debitori competit actio, cum reus stipulandi ante mo ram promissum animal vul ne ravit: idem est et si occiderit ani mal. Quod si post moram promissoris qui stipulatus fuerat occidit, debitor qui dem liberatur, le ge autem Aquilia hoc casu non recte experietur: nam creditor ipse sibi potius quam alii iniuriam fecisse videtur.
Die Klage nach der Lex Aquilia [Kapitel 3] steht noch dem Schuldner zu, wenn der Sti pulationsgläubiger das versprochene Tier1 vor Schuldnerverzug verletzt hat; ebenso ist es auch, wenn er das Tier getötet hat. Hat aber derjenige, der sich das Tier versprechen ließ, es nach Schuld ner verzug getötet, so wird der Schuldner zwar [von der Ver bindlichkeit] frei, nach der Lex Aquilia hingegen kann er in die sem Fall nicht zu Recht klagen. Denn wir nehmen an, dass der Gläubiger eher sich selbst als dem anderen einen rechtswidrigen Schaden zugefügt hat.2
1 Der Text lässt offensichtlich offen, ob es sich hier um einen quadrupes oder nicht handelt. Theoretisch sollte das einen Unterschied machen, weil im ersten Fall das erste Kapitel der Lex Aquilia zutrifft, sonst das dritte. Das Problem des Textes wird aber hiervon nicht berührt. 2 Das Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung, ed. O. Behrends u. A., Heidel berg 1999, II: Digesten 11–20, hat: „Denn der Gläubiger hat erkennbar eher sich
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Boudewijn Sirks
Die Crux ist der Satz nam creditor ipse sibi potius quam alii iniuriam fecisse videtur. Wie kann vom Gläubiger angenommen werden, dass er sich selbst iniuria zugefügt habe? Was die Glosse betrifft, so verweist sie bei D. 9,2,54 (zu sibi potius) auf D. 14,2,4,2 in fine und D. 24,3,18,1. Diese Hinweise leuchten nicht ein. Das Ende von D. 14,2,4,2 lautet: nam sicut ei qui perdiderit subvenitur, ita et ei subveniri oportet, qui deteriores propter iactum res habere coeperit. Vielleicht meinte die Glosse, dass hier ebenso die Sache weniger wert geworden war. Auch bei D. 24,3,18,1, wo es heißt, dass der Ehe mann, der ein Dotalgut vernichtet hat und insolvent wurde, trotzdem zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist die Verbindung nicht klar. Übrigens wird bei D. 9,2,54 nur ein Casus gegeben, wobei die erste Frage nicht einmal ausgearbeitet wird. Wir müssen annehmen, dass diese Texte die Glossatoren entweder nicht interessierten oder ihnen nicht verständlich waren. Es hat weiter kaum Literatur über diese Texte gegeben; die Meinung Cujas’ wird von Rei chard, der einen Überblick verschafft, er wähnt, aber abgelehnt.3 Erst mit Grueber, der sie 1886 in seinem Kommentar zu D. 9,2 behandelt hat, kommt Moderneres. Grueber stellt zuerst dar, dass der Gläu biger durch eine Handlung die Erfüllung der Verpflichtung vereitelt hat. Deswegen ist der Schuldner jetzt davon befreit (unter Hinweis auf I. 3,14,2; D. 44,7,1,4–6; 45,1,33; 45,1,37). Man würde erwarten, dass er jetzt keine aquilische Klage erheben kann; aber weil er mehr, als was der Getötete im Augenblick der Tötung wert war, damit bekommen könnte, hat er trotzdem ein Interesse daran. Dies gilt nur, solange er nicht in Verzug war. Denn hätte er rechtzeitig nach Mahnung durch den Gläubiger den Sklaven über eignet, wäre der Gläubiger Eigentümer gewesen und hätte mit dem Sklaven nach Belieben verfahren können (eine Ansicht, die schon von dem Byzan tiner Hagiotheodoros erörtet wurde).4 Deswegen sagt man, dass der Gläubi ger eher sich selbst als den Schuldner geschädigt hat. Grueber liest iniuria hier als ‚Schaden‘, was es auch in D. 43,8,2,10; 9,2,27,25; 9,2,30,1 und 9,2,37 pr. bedeutet.5 Seine Argumenta tion ist ohne wei tere Begrün dung nicht nachvollziehbar. Denn der Schuldner hat nicht über eignet, sondern war immer noch Eigentümer. Bei Reichard, der vor kurzem sehr ausführlich die Texte behandelt hat, findet man Grueber und spätere Autoren erwähnt. Interpolationsvermutun gen haben verhindert, dass man sich den Texten wirklich zuwendete. Rei selbst
als dem anderen einen rechtswidrigen Schaden zugefügt.“ Die Übersetzungen basieren auf dieser Ausgabe. 3 Ingo Reichard, Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, Köln / Weimar / Wien 1993, 120–121. 4 In einem Scholion zu Bas. 60,3,53, Nr. 4 (BS 3164,22–24). 5 Ernst Grueber, The Roman Law of Damage to Property, Oxford 1886, 175–176.
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chard unterließ dagegen eine Rekonstruktion, obgleich er auch meinte, dass der Text nicht so geschrieben worden sei, wie er uns jetzt überliefert ist. Es ist ihm klar, dass vor dem Verzug die Befreiung von der Stipulationsver pflichtung und eine aquilische Klage unabhängig voneinander eintreten und die aquilische Klage außerdem noch unabhängig vom Vermögensschaden. Reichard meint, dass die Verneinung der Klage nach Verzug nicht darauf beruhe, dass der Schuldner jetzt von seiner Verpflichtung frei ist. Das folge aus der Verbindung der bei den Fol gen: Erlöschen der Ver pflichtung und Verneinung der Haftung des Gläubigers. Er sieht bei Papinian als Begrün dung für das Letztere die fehlende Wi der rechtlich keit der Schadenszufü gung. Warum soll das so aufgefasst werden? Könnte der Grund sein, dass, wie beim Kauf unmittelbar nach dem Ver trags abschluss, der Promittent nach Verzug die Gefahr trug? Könnte hier der Gläubiger eine Art Anwart schaftsrecht haben? Aber Reichard verwirft den Gedanken. Der Schuldner ist immer noch Eigentümer, und der Gläubiger hat nur ein per sönliches Recht. Ebenso beließen die Römer nach Verzug das Risiko nicht beim Gläu biger. Er sieht auch in einer Verzugsbeendigung keine Lösung, sie sei eph emer. Diesen Erwägungen schließe ich mich an. Reichard stellt auf iniuria ab: nicht der Schaden, sondern die Nicht-Widerrechtlichkeit ist der Grund für die Ablehnung der Klage. Das beruht darauf, dass der Schuldner gleich zeitig in Verzug war: man könnte so an eine Art Kompensa tion denken. Dazu nimmt er an, der Schuldner habe bewusst nicht geleistet und so das Delikt überhaupt ermöglicht.6 Hätte der Schuldner getan, was er sollte, wäre der Sklave schon im Augenblick der Tötung im Eigentum des Gläu bigers gewesen (wie oben Hagiotheodoros); also kann er ihm nicht entge genhalten, sie sei widerrechtlich. War um haftet er dann nicht? Reichard meint, weil es der Gläubiger war, der die Erfüllung vereitelte und somit sich nicht auf ihr Ausbleiben berufen und sein Interesse in Geld verlangen kann.7 Seine Bemerkungen lassen aber Fragen offen. Wenn er die Verzugsbeendi gung nicht in Betracht nehmen will, weil sie eine vorübergehende Möglich keit ist, warum geht er dann davon aus, dass der Gläubiger Erfüllung ver eitelte? Das kann doch nur bedeuten, dass er die Verzugsbeendigung ver eitelte? Und warum sollte die Tötung nicht widerrechtlich sein, weil der Sklave sonst im Eigentum des Täters gewesen wäre, wenn er andererseits annimmt, dass der Sklave immerhin noch völlig im Eigentum des Schuld ners war? Hier gibt es Widersprüche. Und warum sollte der Schuldner be wusst nicht geleistet haben? Auch durch Nachlässigkeit leistet man nicht. 6 Reichard denkt wohl hierbei an den Maßstab des bewussten Handelns für die Klagen strengsten Rechtes, siehe Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, 506. 7 Reichard (o. Fn. 3) 120–130.
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Auch möchte man wissen, war um iniuria un bedingt ‚Widerrechtlichkeit‘ bedeute, wenn Grueber andere Stellen erwähnt, wo es Schaden bedeutet. Und was deutet darauf, dass der Schuldner vorsätzlich in Verzug kam? Somit ist es klar, dass dieser Text noch immer Fragen aufwirft. Gehen wir auf D. 9,2,54 ein: Wie ist die Lage, wenn das Tier vor Verzug getötet wird?8 Reichard geht davon aus, dass der Schuldner jetzt befreit ist, aber warum sollte er frei werden? Die Tötung des Tieres ist doch kein Fall von vis maior.9 Er bleibt verpflichtet und muss an Stelle des verstorbenen Tieres dessen Wert (die litis aestimatio) leisten. Dagegen kann er mit der actio legis Aquiliae den Höchstwert des Tieres im vergangenen Jahr fordern. Insoweit könnte es für ihn noch einen Mehrwert geben; grundsätzlich aber würde es in der Liquidierung einen Ausgleich geben. Wie ist die Lage nach Verzug? Jetzt haftet der Schuldner auch für vis maior und casus, seine Verbindlichkeit wird eine fortwährende: perpetuatio obligationis; die Lage ist, als wäre die litis contestatio schon eingetreten (D. 45,1,82,1).10 Damit wird das Tier zwar nicht eine res litigiosa, jedoch behan delt wie eine solche. Es bedeutet, dass sein Eigentümer in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist. Es darf nicht mehr verkauft werden und kann nicht durch einen eventuellen Käufer vindiziert wer den.11 Das Tier ist jetzt als res quasi litigiosa sozusagen für den Gläubiger reserviert, damit des sen Prozess lage nicht während des Prozesses verschlechtert werden kann, z. B. indem es verkauft wird und dadurch nicht mehr geliefert werden kann. Aber dann ist es auch möglich zu sagen, nam creditor ipse sibi potius quam alii iniuriam fe cisse videtur — „denn wir nehmen an, daß der Gläubiger eher sich selbst als dem anderen einen rechtswidrigen Schaden zugefügt hat.“ Er selbst hat sich diesen Schutz genommen und die Liefe rung unmöglich gemacht. Das videtur deutet auf die analoge Behandlung der Rechtsfolgen. Normalerweise sollte es dem Schuldner noch gestattet sein, seine Leis tung anzubieten und dadurch seinen Verzug zu beenden.12 Wie gesagt, gibt der Text keinen Anlass, zu denken, der Schuldner habe vorsätzlich die Nichtleistung bewirkt, und es ist auch nicht ersichtlich, dass es einen Un terschied macht, ob er vorsätzlich nicht leistete oder nachlässig war.13 Jetzt 8 Der
Fall von Verwundung führt zur selben Folgerung. (o. Fn. 6) 507. 10 Kaser (o. Fn. 6) 513–514. 11 Max Kaser / Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, München 1996, 298. 12 Kaser (o. Fn. 6) 516. 13 Kaser (o. Fn. 6) 511: auch beim Fall späterer Nachlässigkeit; und Papinian ist nachklassisch. 9 Kaser
Zum Schadensersatzanspruch bei der Lex Aquilia379
hat der Gläubiger den Untergang des Tieres, das seit dem Verzug zu seinen Gunsten aus der Dispositionsbefugnis des Schuldners wie eine res litigiosa ausgenommen war, herbeigeführt, und zwar ohne doloses Verhalten seitens des Schuldners. In einem solchen Falle wird der Schuldner befreit.14 Damit ist auch die Ablehnung der aquilischen Klage zu erklären. Das Tier konnte nicht mehr einem Dritten übertragen werden; der Schuldner hatte, solange diese Lage fortdauerte, nur noch ein Interesse am Tier, solange er es dem Gläubiger übergeben konnte, aber sobald der Gläubiger ihn von dieser Pflicht befreit, verliert er dieses Interesse und somit das Interesse an einer aquilischen Klage. Ebenso wird klar, warum D. 9,2,55 sagt, dass der Gläubiger vor Verzug als extraneus betrachtet wird. In jenem Falle treten diese Folgen nicht ein, der Gläubiger hat wie ein beliebiger Dritter noch nicht mehr als ein persön liches Recht am Sklaven. Was der Bedeutung von iniuria anbelangt, so liegt es in diesem Zusammenhang eher auf der Hand, die Interpretation als ‚Schaden‘ anzunehmen. Somit ist für diesen Text eine juristisch vertretbare Erklärung gegeben. Betrachten wir jetzt D. 9,2,55: 15
3. D. 9,2,55 Paul. 22 quaest. Stichum aut Pamphilum promisi Ti tio, cum Stichus esset decem mi lium, Pamphilus viginti: stipu lator Stichum ante moram occidit: quaesitum est de actione legis Aqui liae. Respondi: cum viliorem occi disse proponitur, in hunc tractatum nihilum differt ab extraneo creditor. Quanti igitur fiet aestimatio, utrum decem milium, quan ti fuit occisus, an quanti est, quem necesse habeo dare, id est quanti mea interest? Et quid di ce mus, si et Pamphilus de cesserit sine mora? Iam pretium Stichi minuetur, quoniam liberatus est pro missor? Et sufficiet fuisse pluris cum occideretur vel intra an num. Hac qui dem ratione etiam si post mortem Pamphili intra annum occidatur, pluris videbitur fuisse.
14 Kaser 15 Die
teilt.“
Ich habe dem Titius [wahlweise die Skla ven] Stichus oder Pamphilus versprochen, als Stichus einen Wert von zehntausend, Pamphilus einen von zwanzigtausend hatte. Der Stipulationsgläubiger tötete den Stichus vor Eintritt des Schuldnerverzugs. Man frag te wegen der Klage nach der Lex Aquilia an. Ich habe geantwortet:15 Da vorgetragen wird, daß der Gläubiger den weniger wert vollen Sklaven getötet hat, unterscheidet er sich nicht in diesem Zu sam menhang von einem Dritten. Wie hoch wird daher der Schätz wert veranschlagt wer den, mit zehn tausend, dem Wert des Getöteten, oder mit dem Betrag, den derjenige wert ist, den ich nun leisten muß, das heißt mit meinem Inte resse? Und was wer den wir sagen, wenn auch Pamphilus vor Eintritt des Schuldner verzugs umkam? Wird der Wert des Stichus geringer, weil der Schuld ner befreit ist? Aber es reicht aus, daß er jedenfalls zum Zeitpunkt der Tötung oder innerhalb des
(o. Fn. 6) 516, 517. deutsche Übersetzung (o. Fn. 2) hat: „Ich habe folgendes Gutachten er
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Boudewijn Sirks [zurückliegen den] Jahres mehr wert gewe sen ist. In der Tat ist aufgrund dieser Über legung Stichus sogar dann als wertvoller anzusehen, wenn er nach dem Tode des Pamphilus innerhalb eines Jahres ge tötet wird.
Die Kompilatoren haben das Fragment nach Frgm. 54 gesetzt. Mit Frgm. 54 fängt die Papinianus-Masse an, und Frgm. 55 folgt auf Frgm. 54. D. 9,2,56 stammt auch aus dieser Masse. Es scheint mir, dass jedenfalls Frgm. 54 und Frgm. 55 zusammenhängen: jedes Mal ist es ein Gläubiger, der seinem Schuldner Schaden zufügt, und jedes Mal besteht die Frage, ob er als Dritter belangt werden kann oder ob ein Spezialverhältnis dies ver hindert (und diesen Punkt wird auch in Frgm. 56 berührt; siehe am Ende). Was D. 9,2,55 betrifft, so verweist Grueber auf Frgm. 54 und stellt klar, dass nach dem Prinzip von Frgm. 54 eine Klage möglich ist. Die Frage ist nur, ob für zehn- oder für zwanzigtausend. Weil durch die Tötung die alter native Obligation in eine spezifische Obligation verwandelt wurde, muss der Schuldner Pamphilus herausgeben und somit dafür entschädigt werden. Die aquilische Klage wird ihn in die frühere finanzielle Lage zurückbringen. Die Variante, bei der auch Pamphilus nachher stirbt, ändert nichts daran, weil die Schätzung sich auf die Vergangenheit bezieht. Die folgende Vari ante wird in gleichem Sinne gelöst: In einem gewissen Augenblick waren beide Sklaven noch am Leben, und deswegen kommt auch hier der höhere Wert von Pamphilus in Betracht.16 Grueber geht nicht auf Paulus’ Bemer kung ein, dass der billigere Sklave getötet ist. Hat das dann keine Bedeu tung? Impallomeni hat sich 1959 kurz diesem Text im Rahmen einer Unter suchung der alternativen Obligation ge widmet.17 Rei chards Exegese von D. 9,2,55 bringt keine neue Gesichtspunkte. Zuerst Paulus’ Verbindung des Wertes des Sklaven mit der Haftung des Gläubigers. Die Bezeichnung als extraneus beinhaltet, wie wir in D. 9,2,54 sahen, dass kein Bezug auf das bestehende obligatorische Verhältnis zwi schen Gläubiger und Schuldner genommen wird. Dazu kommt, dass es noch keinen Verzug gab. Also muss Paulus sich elliptisch ausgedruckt haben und vilior und Haftung zusammengenommen haben. Aber dann müsste es einen Unterschied gemacht haben, ob der billigere (Stichus) oder teurere Sklave (Pamphilus) getötet worden war. Im Falle des billigeren Sklaven haftet der Gläubiger für dessen Wert, während der teurere Pamphilus jetzt geschuldet ist. Der Schuldner verliert 30 000 und bekommt Entschädigung für Stichus, aber in welcher Höhe? Dazu mache ich einen kleinen Exkurs. 16 Grueber
(o. Fn. 4) 176–179. Impallomeni, Sull’obbligo del debitore alla conservazione degli oggetti, SDHI 25 (1959) 58–59, 67 ff. 17 Giambattista
Zum Schadensersatzanspruch bei der Lex Aquilia381
4. In dieser Zeit gab es nämlich noch eine andere Bewertungsmethode, wie aus D. 9,2,21,2 hervor geht: et hoc iure utimur ut quod interest fiat aestimatio, und zwar indem man schätzt, an potius quanti interfuit nostra non esse occisum — „oder darnach, wie viel uns daran gelegen war, dass er nicht getötet worden sei?“ Es war anlässlich der Schätzung im Rahmen der Lex Aquilia, dass Ulpi an diese andere Methode erwähnte, die in seiner Zeit auch üblich war. Ich sage „auch“, denn es ist klar, dass beide Methoden, der Höchstwert des Körpers an sich, und die, wie wir heute sagen, Differenzmethode, neben einander existierten und dass man wählen durfte und zwar diejenige Metho de, die den höchsten Schadensersatz gab. Das war an sich nicht falsch, denn die Lex Aquilia beabsichtigte gerade, dass man plurimi bekam. In D. 9,2,23 arbeitet Ulpian die Folgen der zwei Schätzungsmethoden aus: der als Erbe eingesetzte Sklave, die Bedingung einer Freilassung, der Maler-Sklave, der seinen Daumen verliert (hier wird auch seine Kunst mittels der Differenz methode eingerechnet), und der betrügerische Manager-Sklave (wieder die Differenzmethode). Das klassische Beispiel des Mehrwerts ist die Erbeinset zung des Sklaven. Man könnte auch sagen, dass der Wert des Körpers des Sklaven auch die Differenz impli zierte. Das bestätigt Paulus auch in D. 9,2,22 pr., wo für einen getöteten Skla ven die Vertragsstrafe, die bei Nichtlieferung des Sklaven verfällt, als Schadensersatzwert genommen wird, oder der Mehrwert als Teil eines Ensembles. Dem scheint Paulus in D. 9,2,33 pr. zu widersprechen, wo er sagt, dass der Marktwert in Betracht genommen werden müsse. Aber es handelt sich hier um affectiones, also um immaterielle Werte. Die Differenz ist somit als Schätzung erlaubt. Ein Beispiel dieser Methode bietet Ulpian in D. 9,2,23,1, wo er eine Auf gabe Julians behandelt. Ein Sklave wurde testamentarisch freigelassen und zugleich zum Erben eingesetzt, dann getötet. Wir müssen annehmen, dass dies in der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der Eröffnung des Testaments geschah. Der nacheingesetzte Erbe möchte den Täter aquilia nisch verfolgen. Was ist sein Schaden? Der Wert an sich des Sklaven oder zusätzlich auch die Erbschaft? Julian verneinte das Letztere, weil der Skla ve diese nicht hätte erwerben können. Ulpian meint, dass auch sein Wert an sich nicht zu fordern sei, denn wäre er Erbe gewesen, wäre er auch frei gewesen. Diese Stelle ist schwierig. Sie ist insoweit für uns hier interessant, weil auch in D. 9,2,55 der Wert des getöteten Sklaven im Nachhinein be trachtet wird. Der jetzige Erbe hat die Erbschaft mit Rückwirkung angetre ten, er war im Augenblick der Tötung Eigentümer des Sklaven, also kann er dessen Wert fordern. Auch den Wert der Erbschaft? War der Sklaven nicht eingesetzt? Doch weil der Sklave nicht freigeworden ist, gibt es keine Erbschaft, die er dazu fordern kann. Weswegen sagt nun Ulpian, dass dies richtig sei, aber dass er auch nicht den Wert des Sklaven an sich fordern
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könne? Der Punkt ist, dass Ulpian hier die Differenzmethode anwendet und fragt, was es dem nacheingesetzten Erben wert gewesen sei, dass der Skla ve nicht getötet wäre? Und die Antwort lautet: Nichts, denn in jenem Falle wäre der Sklave freigelassen und somit unschätz bar, und er hätte nichts geerbt (quia si heres esset et liber esset). Die Crux liegt also in der nega tiven Formulierung. Im ersten Fall wird nach einer posi tiven Schätzung gefragt (wie hoch war an sich der höchste Wert im vergangenen Jahr?), im zweiten Fall nach einer negativen Schätzung (wie viel ist es wert, dass es nicht geschehen wäre?). Im letzteren Fall ist nicht vom Sklaven an sich noch vom Höchstwert im vorangegangenen Jahr die Rede; aber der Wert könnte aus anderem Grund höher sein als der Wert des Getöteten.18 5. Zurück zu Frgm. 55. Wie viel kann der Schuldner für Stichus fordern? Entweder dessen Wert gemäß dem Wortlaut des Kapitels 1 der Lex Aquilia, d. h. 10.000 plus eventuell dem Mehrwert im letztem Jahr, oder wie viel es dem Schuldner wert wäre, dass Stichus nicht getötet worden wäre. Das wären dann 20.000, weil das der Wert des Pamphilus ist. Aber wie wäre es gewesen, wenn der Gläubiger Pamphilus getötet hätte? Dann hätte Stichus gegeben und Pamphilus ersetzt werden müssen: entweder 20.000 plus even tuell etwas mehr nach dessen persönlichem Wert, oder wie viel es dem Schuldner wert gewesen wäre, wenn Pamphilus nicht getötet worden wäre. Das aber wären jetzt auch 20.000. Also ist es klar, warum Paulus diesen Fall nicht behandelt. Nur bei Tötung des Billigeren gibt es bei einer alter nativen Verpflichtung eine Frage des Ersatzes und, welche Formulierung vorteilhafter für den Geschädigten ist. Unterstellen wir einen Augenblick, dass der Schuldner schon in mora war. Dann wären beide Skla ven quasi res litigiosae gewesen. Hätte der Gläubiger dann nichtsdestoweniger bei Tötung des einen Sklaven einen Anspruch auf den anderen gehabt? Der Text lässt die Annahme zu, dass die Wahl beim Schuldner lag. Somit dürfen wir nicht annehmen, dass in einem solchen Fall der Gläubiger sich konkludent auf seine Wahl festgelegt hätte. Aber man darf annehmen, dass der Schuldner mit einer exceptio doli die Forderung des Gläubigers auf den anderen abwehren könnte, falls der Gläu biger nicht zugleich für den Getöteten Schadensersatz anbot.19 6. Hiernach spielt Paulus noch mit den Schadensersatzberechnungsmetho den. Er entwickelt den Fall weiter für neue Möglichkeiten. 18 Siehe für eine ausführliche Behandlung dieser Stelle meinen Aufsatz An inheritance lost and a fraudulent slave, in: Judge and Jurist. Essays in memory of Lord Rodger of Earlsferry, ed. A. Burrows, D. Johnston, R. Zimmermann, Oxford 2013, 265–276. 19 Siehe D. 4,3,1,8, wo der Gläubiger eine actio de dolo gegen den Drittschä diger erlangt.
Zum Schadensersatzanspruch bei der Lex Aquilia383
„Und was werden wir sagen, wenn auch Pamphilus vor Eintritt des Schuld ner verzugs umkam? Wird der Wert des Stichus geringer, weil der Schuldner befreit ist? Aber es reicht aus, daß er jedenfalls zum Zeitpunkt der Tötung oder innerhalb des [zurückliegenen] Jahres mehr wert gewesen ist. In der Tat ist aufgrund dieser Überlegung Stichus sogar dann als wert voller anzusehen, wenn er nach dem Tode des Pamphilus innerhalb eines Jahres getötet wird.“ Wäre Pamphilus auf natürliche Weise vor der Tötung von Stichus gestor ben, würde die Differenz theorie gerade einen geringeren Wert aufzeigen. Jetzt wäre der Schuldner entlastet (obgleich er jetzt den Verlust von Pam philus trägt), und der Schaden wäre 10 000. Aber Paulus kombiniert jetzt die Differenzberechnung mit dem Teil der Vorschrift der Lex Aquilia, nach welcher die Berechnung nicht nur den Wert an sich des Getöteten umfasst, sondern auch noch so viel, wie dieser am höchsten im vorangegangenen Jahr wert war. Er wendet diese rückwärtsgerichtete Berechnung auf die neuere Wertungsmethode an. Man darf also auch sagen: Wie viel wäre es mir, nicht nur jetzt, sondern auch im vorangegangenen Jahr, wert gewesen, wenn mein Tier / Sklave nicht getötet worden wäre? Wäre Pamphilus also innerhalb dieses Jahres gestorben, würde die Alternativschuld immerhin in Bezug genommen und somit wäre ein höherer Wert von Stichus gegeben. Umgekehrt gilt dann: Beide Todesfälle sollen nicht mehr als ein Jahr aus einanderliegen, um den Höchstwert, in dieser Weise berechnet, fordern zu dürfen. Damit hat Paulus die neue Schadensersatzberechnung in Überein stimmung mit dem Wortlaut der Lex Aquilia noch etwas erweitert. 7. Zuletzt D. 9,2,56 Paul. 2 sent.: Mulier si in rem viri damnum dede rit, pro tenore legis Aquiliae con venitur.
Wenn eine Frau einer Sache ihres Mannes Schaden zugefügt hat, wird sie in Überein stimmung mit der Lex Aquilia in Anspruch genommen werden
Warum sollte das fraglich sein, angenommen es handelt sich hier nicht um eine Frau in manu? War es auch hier eine Frage, ob sie als extranea betrachtet werden sollte? Laut Grueber wurde es bezweifelt, ob Ehegatten einander mit einer Pönalklage in Anspruch nehmen konnten; aber dies wur de, insoweit sie sachverfolgend war, allmählich zugelassen und akzeptiert. Grueber verweist hierbei auf D. 9,2,27,30.20 Aber m. E. spielt auch hier 20 Grueber (o. Fn. 4) 106–107, 179. Aber schon die Scholia zu diesem Text erwähnen dies: die aquilische Klage nur für das simplum di¦ q£lyin tîn gamîn oÙ dia plasi£zetai ™x ¢rn»sewv, „simplum zugunsten der Ehen, nicht wird es verdoppelt wegen Leugnung“; und e„v tÕ ¡ploàn, „für das Einfache“; in Bas. 60,3,55, Nr. 1 und 3 (BS 3166,2–3 und 10–11).
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die Frage eine Rolle, ob die Frau als extranea betrachtet werden kann oder ob man warten soll, bis sie geschieden ist, denn gerade das wird in den von Grueber erwähnten Texten angesprochen. Eine Scheidung lässt gegenseitige Klagen erst recht zu, und es ist unerheblich, ob diese pönal sind oder nicht. Und was, wenn die Frau eine Dotalsache beschädigt hatte? Dann, wie in Frgm. 54, würde es eine Sache betreffen, bei der für den Ehemann Verfü gungsbeschränkungen galten, es sei denn, dass es eine dos aestimata betraf. Die Frau hätte eher sich selbst als ihrem Mann einen Schaden zugefügt. Es scheint mir, dass die justinianischen Kompilatoren wegen dieser Möglich keit diesen Text gerade hier platziert haben. 8. Diese drei Texte zeigen die Herausforderungen bei der Exegese. Die Texte haben als Thema Haftung des Schädigers und Schadensersatzumfang. Es hat den Schein, als wäre dies kein Problem, weil der Geschädigte Eigen tümer ist und Kausalität und Widerrechtlichkeit feststehen. Dennoch ist die Lage komplizierter, weil eine Verpflichtung seitens des Geschädigten gegen über den Schädiger existiert, die sich auf das geschädigte Objekt bezieht. Dadurch stellt sich auch die Frage, ob die Verpflichtung untergegangen ist und ob der Schädiger passivlegitimiert ist. Frgm. 55 kompliziert diese Fra ge noch, indem es eine Alternativobligation einführt. Das genaue Lesen der Texte lässt eine juristische Lösung zu. Es gibt keinen Grund, Interpolationen zu un terstellen. Übrigens ist es im Falle, dass man Textkürzungen oder -änderungen unterstellt, wünschenswert anzugeben, wie und wo das dann geschah, damit solches nicht voreilig angenommen werde.
Usurae ultra alterum tantum: Welche Zinsen sind zum duplum des Kapitals gerechnet? Von Akira Sugao I. Einleitung Unter usurae ultra alterum tantum versteht man allgemein, dass der Zin senlauf aufhört, wenn die Summe der Zinsen den Kapitalbetrag erreicht.1 Hat der Schuldner zum Beispiel eine Hauptschuld von 100 Goldstücken, dann hört der Lauf der Zinsschuld mit 100 Goldstücken auf. Das heißt, dass der Maximalbetrag der Schuld insgesamt 200 Goldstücke sein darf. Die Festsetzung des Höchstzinssatzes stellt die am weitesten gehende Zinsbeschränkung dar. Im Jahre 51 v. Chr. wurden centesimae usurae – 12 Prozent pro Jahr – als Höchstzinssatz durch ein Senatus consultum bestimmt (Cic. ad Att. 5,21,13); dies wurde in der Kaiserzeit allgemein anerkannt.2 Wenn der Schuldner über die centesimae hinaus Zinsen bezahlt, kann er den Mehrbetrag auf das Kapital anrechnen und nach dessen Tilgung zurückfor dern (D. 12,6,26 pr.; D. 22,1,20; D. 22,1,29; C. 4,32,26,4).3 Wenn jedoch rückständige Zinsen wieder zinspflichtig gemacht werden könnten, brächte diese Festsetzung des Höchstzinssatzes keinen genügenden Erfolg – daher wurde das Verbot von usurae usurarum (Zinseszinsen) eingeführt. Zinses zins bedeutet die Verzin sung rück ständiger Zinsen (D. 12,6,26,1; C. 2,11(12),20); außerdem dehnte Kaiser Justinian den Verbotsrahmen auf die Verzinsung einer neuen Gesamtsumme aus, zu welcher Zinsen und Ka 1 Paul Jörs / Wolfgang Kunkel / Leopold Wenger, Römisches Recht, Berlin 19493, 181 ff.; Max Kaser, Das Römische Privatrecht (hiernach: RPR) I, München 19712, 497; Max Kaser, RPR II, München 19752, 341; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1990, 169 Fn. 87. 2 Gustav Billeter, Geschichte des Zinsfusses im griechisch-römischen Altertum bis auf Justinian, Leipzig 1898, 169 ff. 3 Billeter (o. Fn. 2) 157 ff.; Klingmüller, Fenus, RE 6, 1909, 2198; Kaser RPR I (o. Fn. 1) 497; Reinhard Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht oder Totalnichtigkeit?, Berlin 1979, 123 ff.; Ramón Herrera Bravo, „Usurae“ problemáti ca jurídica de los intereses en derecho romano, Jaén 1997, 55 f.; Koenraad Verboven, The Sulpicii from Puteoli and Usury in the Early Roman Empire, TR 71 (2003) 8.
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pital zusammengezo gen wurden (D. 12,6,26,1; D. 20,4,12,6; D. 22,1,29; D. 42,1,27; C. 2,11(12),20; C. 4,32,28; C. 7,54,3).4 Die Festsetzung des Höchstzinssatzes war als erste dieser drei Zinsbeschränkungen eingeführt worden, und später wurde das Verbot von usurae usurarum und usurae ultra alterum tantum in der klassischen Zeit eingeführt.5 Durch usurae ultra alterum tantum wird der Maximalbetrag von Zins schuld auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Während zwei der drei Zinsbeschränkungen, nämlich die Festsetzung des Höchstzinssatzes und das Verbot der Zinseszinsen, mithilfe der Zinsberechnung vorgenommen wer den, beschränkt usurae ultra alterum tantum die Gesamtsumme der Zins schuld. Deswegen wird usurae ultra alterum tantum als der letzte Schutz betrachtet, der den Gesamtschuldbetrag begrenzt. II. Fall Wir können in Nov. 121 den konkreten Fall der praktischen Anwendung von Usurae ultra alterum tantum finden. Nov. 121,1 Iust. Arsilio praesidi Tarsi Docuerunt enim Eu ’Ed…daxan g¦r EÙsšbiov sebius et Aphthonius kaˆ ’AfqÒniov tÕ ¹mš potentiam nostram, teron kr£tov œggonoi se nepotes De metrii Dhmhtr…ou genšsqai tec esse ex Palla dio De qšntev ØpÕ Palla d…ou metrii filio natos, toà Dhmhtr…ou pai dÒv, Demetrium autem ab ™poflÁsai d7 Dhm»trion Artemidoro debiti no ’Artemidèr0 pentakos…mine quin gentos au ouv crusoàv kat¦ dane… smatov prÒ fasin kaˆ reos mutuatum esse ™perwthqÁnai kaˆ tÒkon, et usuras quoque sti kaˆ œnag cov qe‹on por…pulatum, atque nuper se sacram sanctionem sasqai tÚpon tÕn bou impetrasse, quae si lÒmenon, e„ dipl£sion du plum debiti solu katebl»q6 tÕ Ôflh ma, mhdem…an e1nai kat’ tum sit, nullam ad aÙtîn e‡vpraxin kat¦ versus eos exactio toÝv ¹metšrouv nÒmouv: nem esse secundum toÝv d7 ’Artemidèrou leges nostras iuberet; toà daneistoà diadÒcouv Artemidori autem
Es haben nämlich Eusebius und Aphthonius Unsere Majestät unterrich tet, sie seien Enkel des Demetrius, und zwar Kinder des Palla dius, des Sohnes des De metrius; Demetrius habe aber dem Artemidorus 500 Gold stücke als Darlehen geschuldet und Zinsen ver sprochen, sie aber hätten neulich eine kaiserliche Verfügung erlangt, welche bestimme, dass, wenn das Doppelte der Schuld ge zahlt sei, ge mäß Unse ren Gesetzen keine Forde rung mehr ge gen sie vorhanden sei; die Rechts nachfolger des Gläubigers Artemido-
4 Leonhard, Anatocismus, RE 1, 2070. Vgl. dazu Zimmermann (o. Fn. 1) 169; Klaus Wille, Die Versur, Berlin 1984, 37; Bravo (o. Fn. 3) 55. Zudem Hans Peter Benöhr, Versura, ZRG RA 107 (1990) 216 ff. 5 Elemer Balogh, Adaptation of Law to Economic Conditions According to Roman Law, Milano 1951, 325; Bravo (o. Fn. 3) 52.
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’Ep…macÒn te kaˆ ’Ar t7mwna fÁsai yeÚ sa sqai aÙ toàv ™n tÍ qe» sei kaˆ m¾ de‹n tÁv ¹metšrav tuce‹n boh qe… av, oÙd7 g¦r pe plh rîsqai tÕ Ôflhma, ¢l l¦ mÒnouv „mq / kata beblÁsqai crusoàv. Pall£dion g¦r oƒ ƒkš tai fasˆ tÕn aÙtîn pa tšra 9ma PaÚl0 kaˆ Dh mhtr…0 tù aÙtoà patrˆ wxz / katabale‹n cru soàv, ’Artšmwna d7 kaˆ Priskian¾n toÝv ’Arte midèrou pa‹dav pro gÒnouv te ’Epim£cou kaˆ Artšmwnov fÁsai t¾n kat¦ mšrov kata bol¾n m¾ prov£yasqai toà ke fala…ou, ¢ll¦ p£nta e„v tÒkon log… zesqai boÚ lesqai (taà ta d7 kaˆ yÁfon toà tÁv ™parc…av ¥rcontov lšgein), kaˆ di¦ toàto ¢paitÁsai Pal l£dion ¢ntˆ tÁv protšrav tîn pentakos…wn nomism£twn danei akÁv suggrafÁv ˜tšran cru sîn ˜xakos…wn: ka ta bale‹n d7 kaˆ aÙto… fa si diafÒrwv Pal l£dion m7n ob / crusoàv, EÙsšbion d7 kaˆ ’Af qÒnion dška, æv ™nteàqen sun£gesqai t¾n tîn „mq / nomism£twn posÒthta: tÕn d7 tÁv Øpo qšsewv ¢kroas£menon, oÙk ™ntequmhmšnon m…an e1nai toà pan tÕv ™gkl»matov a„ t…an, m¾ provdšxasqai aÙ toÚv, ¢ll¦ boulh qÁnai ka tadik£sai aÙ toÝv toÝv ˜xakos… ouv crusoàv toà kefala…ou.
creditoris successores Epimachum et Arte monem dixisse, men titos se esse in precibus suis neque auxilio nost ro po tiri debere: neque enim debito satisfactum, sed solos non gentos quadraginta no vem au reos solutos esse. Palladium enim sup plices dicunt ipsorum patrem una cum Pau lo et Demetrio patre eius octingentos sexaginta septem aure os solvisse, Artemo nem vero et Priscianam Artemidori liberos, Epimachi et Ar temonis avos, dixisse solutionem per partes factam sortem non at tigisse, sed omnia in usuras computari vel le (idem autem sententiam quoque prae sidis pro vinciae dicere), et prop terea a Palladio pro priore quingentorum aureorum feneraticia cauti one alteram ses cento rum aureorum ex egisse; iam se ipsos quoque dicunt diver sis temporibus Palladium septuaginta duos, Euse bium et Aphthonium decem aure os solvisse, ut inde nongentorum quadra ginta novem au re orum summa confi ciatur; eum vero, qui de eo negotio cognovisset, cum non con siderasset unam esse totius accu sationis causam, se non admisisse, sed in sortem sescentorum aureorum condemnare voluisse.
rus, Epimachus und Arte mon, hätten aber gesagt, dass Eusebius und Aphtho nius in ihrer Bittschrift gelogen hätten, und Unsere Hilfe nicht hätten erlan gen dürfen, da ja nicht die gan ze Schuld berich tigt sei, sondern nur 949 Goldstücke bezahlt worden seien. Es habe nämlich, sagen die Bittsteller, Palladius, ihr Vater, mit dem Paulus und dem Demetrius, seinem Va ter, zusammen 867 Goldstü cke bezahlt. Artemon und Prisciana aber, die Kinder des Artemidorus, sowie die Großeltern des Epimachus und Artemon hätten gesagt, dass sie die Teil zahlung nicht auf das Kapital bezö gen, sondern alles auf die Zinsen rech nen wollten (dasselbe be sage aber auch das Urteil des Statthalters der Pro vinz); und deshalb sei dem Palladius statt des früheren Schuldscheines über das Darlehen von 500 Goldstücken ein anderer über 600 abver langt wor den. Es habe aber, sagen auch sie, Pal la dius zu verschiedenen Zeiten 72, Eusebius und Aphthonius aber 10 Goldstücke gezahlt, so dass sich da durch die Sum me von 949 Goldstü cken ergebe. Derjenige aber, welcher über den Rechtsfall erkannt habe, habe nicht in Erwägung gezogen, dass die ganze Anschuldigung einen einzigen Rechtsgrund habe, und habe sie nicht zu ge lassen, sondern sie in die 600 Goldstücke, als das Kapital, verurteilen wollen.
388 kaˆ Éthsan taÚthv ™k blhqÁnai tÁv ¢n£gkhv, kaˆ sullogizomšnou toà pantÕv Ñfl»matov tîn pentakos…wn cru sîn, e„ katab£loien toÝv pent» konta kaˆ ›na toÝv leipomšnouv e„v t¾n tîn cil…wn nomism£twn posÒ thta, toà te pantÕv Ñfl»matov ¢phll£cqai ¢na labe‹n te t¾n da neiak¾n suggraf¾n tîn c / crusîn.
Akira Sugao Itaque petierunt ut hac necessitate exuerentur, et computato toto debi to quingentorum aureo rum, si unum et quin quagin ta solverent qui reli qui essent ad mille solidorum quantitatem, et a toto debito libe rarentur et feneraticiam cautionem sescentorum aureorum reciperent.
Sie baten nun, dass sie von dieser Pflicht ent bunden würden und dass sie, wenn sie, die ganze Schuld zu 500 Goldstücken gerechnet, die 51 zahlten, welche noch an der Summe von 1000 Gold stücken fehlten, von der ganzen Schuld befreit würden und den Schuld schein über ein Darlehen von 600 Gold stücken zu rückerhielten.6
Diese Stelle enthält (1) ein Beispiel für die praktische Behandlung des Schuldscheins, (2) den konkreten Fall einer Zinszahlung und (3) das Problem, welche Zinsen ins duplum des Kapitalbetrags eingerechnet werden sollen. 6
Der Fall ist folgender: Demetrius schuldet dem Gläubiger Artemidorus aus einem Darlehen 500 Goldstücke und hat Zinsen versprochen. Eusebius und Aphthonius, Enkel des Demetrius, sagten aus, dass der Gläubiger keine Forderung mehr hätte, wenn das duplum der Schuld gezahlt wurde. Dage gen behaupteten Epimachus und Artemon, die Rechtsnachfolger des Artemidorus, dass die Schuldner noch nicht befreit seien, weil ihre Zahlung nur 949 Goldstücke betrage und noch nicht das duplum erreicht habe. Palladius, der Sohn des Demetrius, hatte 867 Goldstücke gemeinsam mit Paulus und Demetrius bezahlt, danach hatten Palladius 72 Goldstücke, Eusebius und Aphthonius 10 Goldstücke bezahlt. So hatten die Schuldner durch drei Ge nerationen hindurch bezahlt. Der Statthalter der Provinz Kilikia (Arsilius in Tarsus) hatte die Bitte des Gläubigers anerkannt und das Urteil gefällt, dass die gesamte Zahlung auf die Zinsen zu rechnen sei. Die Schuldner appellierten beim Kaiser Justinian und beantragten, dass sie dann, wenn sie die 51 Goldstücke zahlten, welche noch an der Summe von 1000 Goldstücken fehlten, von der ganzen Schuld befreit würden und auch den Schuldschein über 600 Goldstücke zurückerhielten. Es handelt sich um ein Darlehen, wobei zwei Schuldscheine, über 500 Gold stü cke und über 600 Goldstücke, ausgehändigt wurden. Es kam im Zusammenhang mit den zwei Schuldscheinen zu einem Streit darüber, wie viel von der Schuld noch bleibe. Übersetzung nach Schoell / Kroll, Novellae, Berolini 19124, pag. 591 s.; deutsche Übersetzung teilweise nach Carl Eduard Otto / Bruno Schilling / Carl Friedrich Ferdinand Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter VII, Leipzig 1833, 586–587. 6 Lateinische
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Nov. 121,2 a. 535 Tîn to…nun ¹metšrwn nÒ mwn mhd7n Øp7r tÕ di pl£sion katab£llesqai boulo mšnwn kaˆ taÚthn ™cÒn twn prÕv toÝv œm prosqen diafor¦n, Óti oƒ m7n †stwn mšcri toà di pla s…onov t¦ crša, e„ mhdem…a gšgone katabol», ¹mîn d7 kaˆ t¦v merik¦v katabol¦v lÚein t¦ Ñfl»mata dexa mšnwn, e‡per ¥cri toà diplas… onov gšnointo, qesp…zo men kat¦ toàto g…nesqai tÕn sullogis mÒn, kaˆ Óson ¨n e„v toÝv cil…ouv ™lle…poi cru soàv, toàto aÙtoÝv katab£llontav ¢na la be‹n kaˆ t¾n tîn c / nomism£twn daneiak¾n suggraf»n, évte m¾ pol lapl£sion ™k taÚthv tÁv a„t…av eØreqÁnai tÕ cršov ¢paitoÚmenon.
Itaque quoniam leges nostrae nihil supra du plum solvi volunt, eam que a prioribus discre pantiam ha bent, quod illae quidem de bita us que ad duplum sistebant, si nulla solutio facta es set, nos autem eas quoque so lutiones quae per par tes fiant debita solvere permi simus, si quidem usque ad du plum perveniant, sanci mus ut secundum hoc fiat com putatio, atque illi si quantum reliqui sit ad mille aureos sol vant etiam feneraticiam ses centorum aureorum cau tionem recipiant, ne ex hac cau sa eve niat ut multiplicatum debitum exigatur.
Da nun Unsere Gesetze nicht wollen, dass etwas über das Doppelte gezahlt werde, und sich nur darin von den früheren unter scheiden, dass die früheren Gesetze die Schulden, wenn sie das Dop pelte er reichen, auf hören ließen, wenn keine Zahlung mehr erfolgt ist, Wir aber zulas sen, dass auch die Teilzah lungen, welche bis zu dem Doppelten geschehen, die Schulden aufheben, so ver ord nen Wir, dass die Be rech nung demgemäß ge sche hen soll, und jene, wenn sie so viel zahlen, wie an den 1000 Gold stücken fehlt, auch den Schuldschein über ein Dar lehen von 600 Goldstücken zurückerhalten sollen, da mit nicht aus diesem Grun de die Schuld mehrfach eingeklagt werde.7
Nov. 121,2 zeigt die Entscheidung Justinians über den in Nov. 121,1 be richteten Streit, und zwar gemäß dem früheren Gesetz, welches dann, wenn die Schulden das duplum erreichen und keine Zahlung erfolgt ist, das An wachsen der Schuld aufhören lässt. Aber Justinian ließ auch zu, dass auch die Teilzahlungen, t¦v merik¦v katabol¦v „solutiones per partes“ und diafÒrwv „diversis temporibus“, zum duplum gerechnet werden.8 Man kann auf Grund der Entscheidung des Statthalters vermuten, dass vor Justinian die Teilzahlungen nicht zum duplum gerechnet werden konnten. 7
In Nov. 121 erscheinen zwei Schuldscheine. Der Satz kaˆ di¦ toàto ¢paitÁsai Pall£dion ¢ntˆ tÁv protšrav tîn pentakos…wn nomism£twn daneiakÁv suggrafÁv ˜tšran crusîn ˜xakos…wn „et propterea a Palla dio pro priore quingentorum aureorum feneraticia cautione alteram ses 7 Lateinische Übersetzung nach Schoell / Kroll (o. Fn. 6) pag. 592; deutsche Übersetzung teilweise nach Otto / Schilling / Sintenis (o. Fn. 6) 587–588. 8 Vgl. Balogh (o. Fn. 5) 325; Mariagrazia Bianchini, La disciplina degli interes si convenzionali nella legislazione giustinianea, in: Studi in onore di Arnaldo Bis cardi II, Milano 1982, 389–426, 397.
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centorum aureorum exegisse“ in Nov. 121,1 zeigt, dass zwei Schuldscheine, also über 500 und 600 Goldstücke, ausgehändigt wurden. Wir können den Hauptschuldbetrag als 500 Goldstücke daraus entnehmen, dass der Schuld schein über 600 Goldstü cke statt des früheren Schuldscheins über 500 Goldstücke ausgehändigt wurde und dass die Schuldsumme nur bis 1000 Goldstücke (e„v toÝv ci l…ouv … crusoàv ad mille aureos) anerkannt wurde. Deshalb hat der Schuldner nicht etwa eine Hauptschuld von 1100 Goldstücken aus zwei unterschiedlichen Darlehen. Der Statthalter erkannte, dass alle 867 Goldstücke auf die Zinsen gerech net werden. Der Schuldschein über 600 Goldstücke wurde später abverlangt. Dies mag bedeuten, dass die nach der Zahlung von 867 Goldstücken verbleibende Schuld noch etwa 600 Goldstücke betrug. Vermutlich wurde dem Gläubiger bei dem Darlehen von 500 Goldstücken der Schuldschein über 500 Goldstücke ausgehändigt. Danach vermehrten sich die rückständi gen Zinsen, weshalb Hauptschuld und Zinsschuld vereinigt wurden und der Schuldschein über 600 Goldstücke ausgehändigt wurde. Justinian erkannte die Bitte des Schuldners an: Die Hauptschuld beträgt 500 Goldstücke, und der Schuldner wird von seiner ganzen Schuld befreit, wenn er die 51 Goldstücke bezahlt, die noch an der Summe von 1000 Gold stücken fehlen. Jones zeigt, dass die Familie des Demetrius reich sei, weil er 500 Goldstü cke geschuldet habe und sein Sohn und sein Enkel 949 Goldstücke bezahlt hätten.9 Diese Meinung beruht vermutlich darauf, dass 949 Goldstücke eine große Geldsumme sind und der Schuldner ungefähr das duplum bezah len konnte. Es ist allerdings durchaus möglich, dass der Schuldner gerade im Fall von Nov. 121,1 das duplum unabhängig davon, ob seine Familie reich war, bezahlen konnte, nämlich durch fortdauernde Zinsbezahlung.10 Wir können aus Nov. 121 nicht den höchsten Zinssatz ablesen, aber wir kön nen ihn vermuten. Justinian erließ im Jahre 528 die Konsti tution C. 4,32,26,211, in der er den Höchstzinssatz veränderte. Nach 9 Arnold Hugh Martin Jones, The Later Roman Empire 284–602: A Social Economic and Administrative Survey II, Oxford 1986, 1310 Fn. 95. 10 Jones erwähnte zwar den Reichtum des Schuldners, aber nicht, dass der Schuldner noch 51 Goldstücke bezahlen musste und behauptete, dass er eine solche weitere Bezahlung freiwillig angeboten habe. 11 C. 4,32,26,2 Iust. a. 528: Ideoque iubemus illustribus quidem personis sive eas prae cedentibus minime licere ultra tertiam partem centesimae usurarum in quocumque contractu vili vel maximo stipulari: illos vero, qui ergasteriis praesunt vel aliquam licitam negotiationem gerunt, usque ad bessem centesimae suam stipulationem moderari: in traiecticiis autem contractibus vel specierum fenori dationibus usque ad centesimam tantummodo licere stipulari nec eam excedere, licet veteribus legibus hoc erat concessum: ceteros autem omnes homines dimidiam tantum-
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C. 4,32,27 pr.12 sind die Zinsen bei einer vor dem Erlass von C. 4,32,26,2 begründeten Schuld gemäß dem Inhalt der Stipulation, bei einer später be gründeten Schuld aber gemäß dem in C. 4,32,26,2 festgesetzten Zinssatz zu berechnen. Der in Nov. 121 entschiedene Fall wurde vor der Entscheidung Justinians aus dem Jahre 535 untersucht. Fer ner bedurfte es wohl eines angemessenen Zeitraumes, da mit 949 Goldstücke bezahlt wurden. Wenn dem so war, mochte das betreffende Rechtsgeschäft vor der Änderung des Zinssatzes, die im Jahre 528 verfügt wurde, abgeschlossen worden sein, so dass 12 Prozent pro Jahr als höchster Zinssatz verwendet wurden. Wenn der Schuldner die Zinsen innerhalb des gesetzlich erlaubten Zinssat zes bezahlt, aber nicht auf die Hauptschuld zahlt, dann dauert die Zinszah lung 8 Jahre und 4 Monate (bei 12 Prozent, bei 6 Prozent noch länger), bis der be zahlte Betrag das duplum erreicht. Dieser Zeitraum überzeugt uns tatsächlich, dass die Schuldner im Fall von Nov. 121,1 drei Generationen hindurch bezahlt haben. Siems führt ein Beispiel aus einem Brief des Sidonius Apollinaris an: „Im Laufe von 10 Jahren war die Schuld dann auf den doppelten Betrag des Kapitals aufgelaufen.“13 Wenn ein Jahreszins von 12 Prozent verein bart wird, erfordert es 8 Jahre und 4 Monate (100 Monate), bis die Zinssumme die Höhe des Kapitals erreicht. Im von Siems erwähnten Beispiel wurden also Zinsen unter dem gesetzlich erlaubten Zinssatz bezahlt. Nov. 138 Iust. Hermogeni magistro officiorum [ante Kal. Mai. a. 535] Die Konstitution Unserer Majestät, welche Manifestissima est nostri numinis die Einklagung einer Schuld auf den Betrag constitutio, quae usque ad dupli des Doppelten beschränkt, ist allbe kannt. quantitatem exactionem debiti con Wenn also einige von deinen Gläubigern das cludit. Si igitur creditores tui qui Doppelte [der Schuld] erhalten haben, ande dam in duplum acceperunt, alii ad huc minus consecuti sunt, hi quidem re aber noch nicht so viel erlangt haben, so qui in duplum ex usurarum quanti soll denen, welche das Doppelte der Schuld durch die Summe der Zinsen zu verschiede tate per diversa tem po ra consecuti sunt, nullam adversus te inquietudinen Zahlungszeiten erlangt haben, nicht gemodo centesimae usurarum posse stipulari et eam quantitatem usurarum etiam in aliis omnibus casibus nullo modo ampliari, in quibus citra stipulationem usurae exigi solent. 12 C. 4,32,27 pr. Iust. a. 529: De usuris, quarum modum iam statuimus, pravam quorundam interpretationem penitus removentes iubemus etiam eos, qui ante eandem sanctionem ampliores quam statutae sunt usuras stipulati sunt, ad modum eadem sanctione taxatum ex tempore lationis eius suas moderari actiones, illius scilicet temporis, quod ante eandem fluxit legem, pro tenore stipulationis usuras exacturos. 13 Sidon. Apoll. epist. 4,24,1 (MGH AA VIII pag. 74,25): per bilustre producta tempus modum sortis ad duplum adduxit. Harald Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992, 654.
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nem proponere con ce dantur, alii autem, si simili modo repleti fuer int, eo modo silere conpelluntur; et si debita sua consecuti fuerint, fene raticias cau tiones re cuperari, vel si reman serint, suis viribus vacare, si preces verae sunt, praesentis oraculi sanctione decernimus.
stattet werden, dich durch eine Klage zu beunruhigen, die übrigen aber werden, wenn sie auf gleiche Weise vollständig [das Dop pelte] erhalten haben werden, auf dieselbe Weise zu schweigen ge zwungen werden. Und Wir beschließen durch die Bestimmung des gegenwärtigen Reskripts, – wenn deine Bitten auf Wahrheit beruhen, – dass, wenn die Gläu biger die Bezahlung der Schulden erlangt haben, du die Scheine über diese verzinslichen Schulden wiedererlangen sollst oder diese, wenn sie bei den Gläubi gern verbleiben sind, ihre Kraft verlieren sollen.14
Justinian bestätigt das Verbot der usurae ultra alterum tantum und sagt danach, dass der Gläubiger die Zinsen nicht fordern kann, wenn er schon das duplum des Kapitals empfangen hat. Der Gläubiger kann die Zinsen nicht nur dann nicht fordern, wenn die Zinsen schon das duplum erreicht haben, sondern auch, wenn die Zinsen das duplum erst in Zukunft erreichen werden. Die bezahlten Zinsen bedeuten hier die per diversa tempora be zahlten Zinsen. Um dieses Prinzip strenger anzuwenden, verordnete Justini an Folgendes: Der Schuldner kann den Schuldschein zurückfordern, nach dem er die Zinsen bis zum duplum bezahlt hat; wenn der Schuldschein bei den Gläubigern verbleibt, wird er unwirksam. 14
Aufgrund dieser Konstitution, die über die Zurückforderung und Unwirk sam keit des Schuldschein nach Erreichen des duplum spricht, darf der Gläubiger vom Schuldner, der die Zinsen bis zum duplum bezahlt hat, die usurae ultra alterum tantum nicht mehr fordern. Man kann diesen Inhalt als das Prinzip des Verbotes der usurae ultra alterum tantum begreifen. Zur Zeit Justinians ist es klar, dass auch die teilweisen bezahlten Zinsen zum duplum gerechnet werden. Jedoch nach ™cÒntwn prÕv toÝv œmpros qen diafor¦n „a prioribus discrepantiam habent“ in Nov. 121,2 können wir vermuten, dass in der Zeit vor Justinian eine andere Zahlungsweise von usurae ultra alterum tantum als in der Zeit Justinians angewendet wurde. Daher stellt sich die Frage, welche Zinsen vor der Zeit Justinians zum duplum des Kapitals gerechnet wurden.
14 Übersetzung teilweise nach Otto / Schilling / Sintenis (o. Fn. 6) 695–696. Datie rung nach Schoell / Kroll (o. Fn. 6) pag. 806,18–19.
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III. Welche Zinsen sind ins duplum einzurechnen? Mitteis15 schrieb „Wichtig ist der allgemeine Grundsatz, dass die Summe der rückständigen Zinsen das Kapital nicht übersteigen darf. Dieses bekannt lich auch im römischen Recht angenommene Prinzip ist für Ägypten altes Landesrecht, auf den König Bokchoris (8. Jahrh.) zurückgehend, von wel chem Diodor. 1,79,2 erzählt.“ Diodor. 1,79,2 toÝv d7 met¦ suggarfÁv da ne…santav ™kèlue di¦ toà tÒkou tÕ kef£laion plšon poie‹n À dipl£sion.16
Wer ferner gegen Schuldschein Geld aus lieh, der durfte sein Kapital durch die Zin sen nicht höher als bis zur Verdoppe lung steigern.17
Zwar spricht Diodor. 1,79,2 über die usurae ultra alterum tantum, aber wir können hier das Wort, welches „rückständige Zinsen“ bedeutet, nicht finden. Warum entstand die Ansicht, dass nur die rückständigen Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet werden? Dazu erläutern auch die Lehrbücher des römischen Rechts,18 dass (1) die rückständigen Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet wurden, hauptsächlich auf Grund von D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10, und (2) später unter Justinian auch die bezahlten Zinsen dazu gerechnet wurden. Zwar entspricht dieses Verständnis der allgemeinen An nahme, aber es ist zweifelhaft, ob im klassischen Recht nur die rückständi 16 17
15 Ludwig Mitteis / Ulrich Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyrus kunde II 1, Leipzig / Berlin 1912, 118. 16 G. P. Goold ed., trans. Charles Henry Oldfather, Diodorus of Sicily: the Lib rary of History, Books I – II.34, London 1933 (Repr. 1998), 273. 17 Übersetzt von Adorf Wahrmund, Langenscheidtsche Bibliothek sämtlicher griechischen und römischen Klassiker in neueren deutschen Muster-Übersetzungen, Bd. XXIX: Diodor, Berlin, 127. 18 Bernhard Windscheid / Theodor Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, Frank furt 19069, 82: „Sobald die rückständigen Zinsen die Höhe des Kapitals erreicht haben, hört der fernere Zinsenlauf auf.“ und in Fn. 3: „Nach späteren Verfügungen Justinians soll der Zinsenlauf sogar dann aufhören, wenn die gezahlten Zinsen die Höhe des Kapitals erreicht haben, Nov. 121. 138 (l. 29. 30 C. 4,32, Nov. 160).“ Kaser, RPR I (o. Fn. 1) 497: „Zinseszinsen (usurae usurarum) werden nicht geschul det, ebensowenig rückständige Zinsen, soweit sie den Kapitalbetrag übersteigen.“ Kaser, RPR II (o. Fn. 1) 342: „Rückständige Zinsen konnten nach klassischem Recht nicht über den Kapitalbetrag hinaus anwachsen. Nunmehr läßt man – wenig sinnvoll – im Westen wie im Osten den Zinsenlauf auch dann aufhören, wenn die Summe der bezahlten Zinsen den Kapitalbetrag erreicht.“ Zimmermann (o. Fn. 1) 169 Fn. 87: „Neither, incidentally, could arrears of interest be charged to the extent that they ex ceeded the amount of the capital that had been borrowed: Ulp. D. 12,6,26,1 (‚supra duplum autem usurae‘); C. 4,32,10 (Ant.)“ … „In post-classical times the accrual of interest also ceased, rather strangely, when the amount of inte rest paid had reached the amount of the capital sum: Nov. 121,2; 138; 160 pr.“.
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gen Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet wurden und erst später unter Justinian auch die bezahlten Zinsen dazu gerechnet wurden. Es handelt sich um die Beziehung zwischen D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10, ferner zwischen dem erstem und dem zweitem Satz in C. 4,32,10. In Bezug auf das Problem, insbesondere auf die Frage, welche Zinsen in das duplum eingerechnet werden sollen, sind meines Erachtens vor allem zwei Quellen texte von Bedeutung: D. 12,6,26,1 von Ulpian und C. 4,32,10 von Antoni nus Caracalla. Beide Texte wurden in der fast gleichen Zeit geschrieben, aber sie unterscheiden sich nach ihrem Inhalt voneinander. Nach den Unter suchungen von Honoré wurde D. 12,6,26,1 im Jahre 213 geschrieben, und C. 4,32,10 wurde zwischen 30. Juli 213 und 22. Februar 217 geschrieben.19 D. 12,6,26 pr. Ulp. 26 ad ed. Si non sortem quis, sed usuras inde bitas solvit, repetere non poterit, si sortis debitae solvit: sed si supra legitimum modum solvit, divus Se verus rescripsit (quo iure utimur) repeti quidem non posse, sed sorti imputandum et, si postea sortem solvit, sortem quasi indebitam repe ti posse. proinde et si ante sors fue rit soluta, usurae su pra legitimum modum solutae quasi sors indebita repetuntur. quid si simul solverit? poterit dici et tunc repetitionem lo cum habere.
Leistet jemand nicht das Kapital, sondern nicht geschuldete Zinsen, so kann er diese nicht zurückverlangen, wenn er sie als Zin sen für geschuldetes Kapital geleistet hat. Doch wenn er über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus zahlt, kann, wie der vergött lichte Kaiser Septimius Severus auf Anfrage entschieden hat (und das ist gelten des Recht), zwar nicht Rückgewähr ver langt werden; doch ist die Zahlung auf das Kapi tal anzurechnen, und wenn er später das Kapital [ohne Abzug] zurückzahlt, kann es als [insoweit] nicht geschul detes Kapital zurückverlangt werden. Daher können, auch wenn das Kapital vorher zurückgezahlt wor den ist, die Zinsen, die über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hin aus ge leistet worden sind, wie nicht geschuldetes Kapital zurück verlangt wer den. Was soll gelten, wenn er [Zinsen und Ka pital] gleich zeitig geleistet hat? Man kann sagen, dass auch in diesem Fall eine Rückforderung stattfindet.20
In D. 12,6,26 pr., dem der Stelle D. 12,6,26,1 vorhergehenden Paragra phen, handelt es sich darum, dass (1) die nicht geschuldeten Zinsen nicht zurück ge fordert werden können und (2) Zinsen, die über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus geleistet worden sind, nicht zurückgefordert wer den können, (3) diese Zinsen aber, die auf das Kapital anzurechnen sind, 20
19 Tony Honoré, Emperors and Lawyers, Oxford 1981, 67–69; Tony Honoré, Ulpian, Oxford 1982, 148, 153. Vgl. Hermann Fitting, Alter und Folge der Schriften römischer Juristen von Hadrian bis Alexander, Halle 19082, 112. 20 Übersetzung teilweise nach Rolf Knütel u. a., Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung III, Heidelberg 1999, 115.
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zurückgefordert werden können, nachdem der Schuldner seine Schuld ge tilgt hat.21 D. 12,6,26,1 Ulp. 26 ad ed. Supra duplum autem usurae et usurarum usurae nec in stipulatum deduci nec exigi possunt et solutae repetuntur, quemadmodum futura rum usurarum usurae.
Zinsen, die den doppelten Betrag [des Kapi tals] übersteigen, sowie Zinseszinsen können jedoch weder zum Gegenstand einer Stipu lation gemacht noch eingeklagt werden, und wenn sie geleistet worden sind, können sie zurückverlangt werden wie Zinsen auf künf tige Zinsen.22
Diese Stelle spricht zugleich über die usurae ultra alterum tantum und die Zinses zinsen. Man kann eine Stipulation über usurae ultra alterum tantum nicht abschließen, und die darüber abgeschlossene Stipulation wird nicht wirksam. Der Gläubiger kann deshalb aus der Stipulation die usurae ultra alterum tantum nicht fordern. Man kann es im Zeitpunkt des Ab schlusses einer Stipu lation feststel len, ob die Zinssumme den doppelten Betrag der Hauptschuld übersteigen.23 22
Obwohl usurae ultra alterum tantum nicht zum Gegenstand einer Stipula tion gemacht werden können, kann der Schuldner, wenn er usurae ultra alterum tantum bezahlt hat, diese zurückfordern. Die Worte „solutae repetuntur“ setzen die Existenz von bezahlten Zinsen voraus. Deshalb sagt 21 Wir können eine ähnliche Theorie Art. 2 der alten Fassung des im Jahre
in der japanischen Rechtsprechung finden. 1873 erlassenen Risoku-Seigen-Ho (Zinsbe schränkungsgesetz) regelte, dass man die über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus erfolgte Bezahlung für gesetzlich ungültig halten solle. Die Rechtsprechung erkannte die Rückforderung nicht an, wenn der Schuldner eine solche Bezahlung freiwillig gemacht hatte. Auch nachdem das geltende Risoku-Seigen-Ho im Jahre 1954 erlassen wurde, ließ die Rechtsprechung zuerst die Rückforderung und die Anrechnung auf das Kapital der über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus freiwillig erbrachten Zahlungen nicht zu; z. B. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. Juni 1962, Saikosai Minshu (Entscheidungssammlungen des Obersten Gerichtshofes in Zivilsa chen) 16,7,1340. Jedoch zwei Jahre später bejahte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. November 1964, Saikosai Minshu 18,9,1868, die Anrechnung auf das Kapital. Ferner erkannte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. November 1968, Saikosai Minshu 22,12,2526, auf Grund der Anrechnung auf das Ka pital die Zurückforderung des Restes nach der Tilgung an. Art. 43 des Kashikingyo No Kiseito Ni Kansuru Horitsu (Regulierungsgesetz über die regis trierten geschäftlichen Darlehensgeber), das im Jahre 1983 erging, betrachtet es al lerdings mit den bestimmten Vorbehalt als gültige Zinszahlung, wenn der Schuldner über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus freiwillig bezahlt hat. 22 Knütel (o. Fn. 20) 115. 23 Laura Solidoro, „Ultra sortis summam usurae non exiguntur“, Labeo 28 (1982) 164–179, 170.
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diese Stelle, dass nicht nur die rückständigen Zinsen, sondern auch die bezahlten Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet werden sollen. Man versteht auf Grund von C. 4,32,10 gemeinhin usurae ultra alterum tantum als die rückständigen Zinsen im klassischen Recht. C. 4,32,10 Ant. A. Crato et Donato militi Zinsen, die von Zeit zu Zeit bezahlt worden Usurae per tempora solutae non sind, können vom Schuldner zur Be rech proficiunt ad dupli computationem. nung des doppelten Betrags nicht benutzt tunc enim ultra sortis summam usu werden. Denn dann können die Zinsen nicht rae non exiguntur, quotiens tempore über den Betrag des Kapitals hinaus gefor solutionis summa usurarum excedit eam computationem. dert werden, wenn die Summe der Zinsen zur Zeit der Zahlung diesen Betrag über steigt.24
Der erste Satz „Usurae per tempora solutae non proficiunt ad dupli computationem“ teilt mit, dass die bezahlten Zinsen nicht zum duplum des Kapitals gerechnet werden sollen. Nach dieser Stelle werden also nur die rückständigen Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet. Vermutlich wird auf Grund dieses ersten Satzes von C. 4,32,10 allgemein angenommen, dass nur die rückständigen Zinsen ins duplum eingerechnet werden. 24
C. 4,32,10 stellt dar, dass die bezahlten Zinsen keine Posten für die Berechnung der usurae ultra alterum tantum sind. Aber D. 12,6,26,1 er wähnt dies nicht.25 Vielmehr spricht Ulpian nur von „solutae repetuntur“. Die Zurückforderung setzt also voraus, dass der Schuldner schon die Zinsen bezahlt hat. Deshalb zeigt dieser Satz „solutae repetuntur“ Ulpians Gedan ken, dass die bezahlten Zinsen zum duplum des Kapitals gerechnet werden. Es scheint also widersprüchlich, dass C. 4,32,10 die bezahlten Zinsen keine Posten für die Berechnung der usurae ultra alterum tantum sind.26 Diesen anscheinenden Widerspruch zwischen D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10 erwähnt Cervenca27 auf Grund der zeitlichen Reihenfolge der beiden Stellen. Er meint, es bestünde trotz der unterschiedlichen Inhalte der beiden Stellen kein inhaltlicher Widerspruch: D. 12,6,26,1 stamme aus der Zeit von Cara calla, als Ulpian Assessor des Praefectus praetorio Papinian gewesen sei.28 24 Otto / Schilling / Sintenis (o. Fn. 6) V, Leipzig 1832, 614. Die Konstitution stammt möglicherweise aus dem Jahre 215, vgl. Krueger, Codex Iustinianus, Dub lin / Zürich 196714, 172 Fn. 6 zu C. 4,32,10 und Fn. 1 zu C. 4,32,7. 25 Vgl. Giuliano Cervenca, Sul divieto delle cd. «usurae supra duplum», Index 2, Napoli 1971, 291–312, 292. 26 Solidoro (o. Fn. 23) 170. 27 Cervenca (o. Fn. 25) 292. 28 Wolfgang Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, Wei mar 1952, 245 ff.
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Deshalb sei es zweifelhaft, ob Ulpian irrtümlich oder absichtlich eine andere oder sogar eine zum kaiserlichen Reskript widersprüchliche Meinung vertre ten konnte. Daher meint Cervenca, D. 12,6,26,1 sei früher als C. 4,32,10 ge schrieben und Caracalla habe die Strenge des Verbotes durch C. 4,32,10 gemildert.29 Nach Cervencas Meinung besteht also kein inhaltlicher Widerspruch zwi schen D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10. Nach D. 12,6,26,1 kann man das duplum des Kapitals als Zinsverbindlichkeit unabhängig davon feststellen, ob die Zinsen bezahlt worden sind oder nicht, denn die rückständigen Zinsen und die bezahlten Zinsen werden eingerechnet. Dagegen zeige C. 4,32,10, dass der Gläubiger vom Schuldner das duplum fordern könne, auch wenn der Schuldner die Zinsen bezahlt habe, sofern er die Hauptschuld nicht tilge. Deswegen seien die Posten für die Berechnung der usurae ultra alterum tantum verringert worden, wodurch der Anwendungsbereich dieses Verbotes verkleinert worden sei. Zwar gibt es, wie Cervenca meint, einen Unterschied zwischen D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10. Es wäre jedoch schwierig, zu behaupten, dass der Kaiser eine andere Meinung als der Assessor des Praefectus praetorio zur fast gleichen Zeit vertrat und eine kaiserliche Entscheidung (C. 4,32,10) gerade eine Milde rung des von sei nem eigenen Assessor des Praefectus praetorio erteilten Verbotes (D. 12,6,26,1) vorgesehen habe. Solidoro hat daher die Beziehung zwischen D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10 aus der Wirksamkeit der Stipulation und der Bezahlungsart der Zinsen betrachtet.30 Es handele sich in D. 12,6,26,1 um den Fall, dass man es im Zeitpunkt des Ab schlusses einer Stipulation schon klar feststellen könne, das die Zinsen das duplum übersteigen, während es sich in C. 4,32,10 um den Fall handele, dass man es in diesem Zeitpunkt nicht klar feststellen könne. Der erste Satz von C. 4,32,10 erwähnt die zu verschiedenen Zeiträumen bezahlten Zinsen, nämlich nicht solutae, sondern per tempora solutae. Nach dem zweitem Satz von C. 4,32,10 wird es beim tempus solutionis berechnet, ob die Zinsen die dupli computationem übersteigen. Die summa usurarum bedeutet deswegen den Betrag der durch lange Jahre aufgelaufenen Zinsen. Die zu verschiedenen Zeiträumen bezahlten Zinsen sind aus der Stipulation über rechtmäßige Zinsen bezahlt. Weil nach dem zweiten Satz von C. 4,32,10 die zu ver schiede nen Zeiträumen bezahlten Zinsen keine Posten für die 29 Cervenca (o. Fn. 25) 291. Zur Milderung durch C. 4,32,10: Christian Fried rich Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandekten XXI, Erlangen 1820, 105–106; Bravo (o. Fn. 3) 53. 30 Solidoro (o. Fn. 23) 176.
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Berechnung der usu rae ultra alterum tantum sind, konnte der Gläubiger diese als rechtmäßige Zinsen annehmen und behalten.31 Solidoros Meinung stimmt mit dem Inhalt von Nov. 121,2 überein, wo Justinian die Posten, die in die Berechnung des duplum eingingen, verän derte. Es ist aufgrund der Zahlungsart von Nov. 121,1 anzunehmen, dass die Teilzahlungen zum duplum gerechnet wurden. Dagegen stimmt die über das frühere Gesetz gemachte Erwähnung mit D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10 über ein. Wenn nämlich die Schuldsumme das duplum erreicht und keine Zahlung erfolgt ist, dann hört das Anwachsen der Schuldsumme auf, falls man fest stellen kann, dass die Zinsen das duplum im Zeitpunkt des Vertragabschluss übersteigen (D. 12,6,26,1). Usurae per tempora solutae sind in C. 4,32,10 keine Posten für die Berechnung des duplum, und diese werden als rechtmäßige Zinsen empfan gen, so dass die Zinsen das duplum um den bezahlten Zinsbetrag überstei gen. Wir können dann den Sinn des Satzes e„ mhdem…a gšgone katabol» „si nulla solutio facta esset“ in Nov. 121,2 begreifen. Mir scheint noch in C. 4,32,10 das Problem zu bestehen, dass die Verbin dung zwischen dem ersten Satz „Usurae per tempora solutae non proficiunt ad dupli computationem“ und dem zweiten Satz „tunc enim ultra sortis summam usurae non exiguntur, quotiens tempore solutionis summa usurarum excedit eam computationem“ nicht logisch ist. Man muss nach der bisherigen Meinung aus dem Inhalt des zweiten Satzes zu dem Schluss kommen, dass nur die rückständigen Zinsen ins duplum eingerechnet wer den, weil der erste Satz auf dem zweiten Satz beruht. Wenn aber Zinsen mehrmalig per tempora bezahlt wurden und danach die rückständigen Zin sen entstanden, kommt es zur Frage, ob sie gefordert werden können. Des halb ist die Forderungsmöglichkeit, die im zweiten Satz erwähnt wird, nicht die Begründung für den ersten Satz, in dem die zu verschiedenen Zeitpunk ten bezahlten Zinsen keine Posten für die Berechnung des duplum. Wenn wir das Wort „proficere“ als „fortschreiten“ begreifen,32 lautet der erste Satz von C. 4,32,10, dass die teilweise bezahlten Zinsen noch nicht das duplum erreichen. Der erste und der zweite Satz haben dann eine logi sche Verbin dung. Diese Meinung widerspricht jedoch der Nov. 121, wo Justinian die Regel für die Berechnung des duplum verändert hat.33 31 Solidoro
(o. Fn. 23) 176. Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch II, Hannover 197614, 1964; Hermann Gottlieb Heumann, neu bearbeitet von Emil Seckel, Heumanns Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Jena 19269, 466. Vgl. Charlton Thomas Lewis, Latin dictionary for schools, Oxford 1889, 817. 33 Bravo (o. Fn. 3) 55. 32 Karl
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Wenn wir das Wort „enim“ als „wirklich (in der Tat)“ begreifen,34 kön nen wir dieses logische Problem lösen. Die zu verschiedenen Zeitpunkten bezahlten Zinsen sind keine Posten für die Berechnung des duplum, weil man annehmen kann, dass die Zinsen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht gegen die Regel usurae ultra alterum tantum verstoßen. Der zweite Satz betrifft die praktische Anwendung des ersten Satzes. Die dupli computatio wird zum Fällig keits termin tempore solutionis angestellt, nicht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der Gläubiger kann usurae ultra alterum tantum nicht fordern, d. h. er kann die Zinsen nur bis zur Höhe von usurae ultra alterum tantum fordern. Also können die teilweise bezahlten Zinsen als rechtmäßige Zinsen empfan gen werden. Deshalb können die Zinsen, die von Zeit zu Zeit bezahlt wor den sind, vom Schuldner nicht ins duplum des Kapitals eingerechnet werden. Im Hinblick auf dieses Problem betrachten wir im Folgenden die Konstitutionen Justinians. Justinian verordnete C. 4,32,27 im Jahre 529: C. 4,32,27,1 Iust. A. Menae pp. a. 529 Cursum insuper usurarum ultra du plum minime procedere conce dimus, nec si pignora quaedam pro debito creditori data sint, quo rum occasione quaedam veteres leges et ultra duplum usuras exigi permit tebant.
Wir gestatten ferner keineswegs das Auf laufen der Zinsen über den doppelten Be trag, auch nicht, wenn dem Gläubiger einige Pfänder für die Schuld gegeben worden sind, bei welchem Anlass einige alte Gesetze die Zinsforderung auch über den doppelten Betrag gestatteten.35
Diese Konstitution entschied, dass man die Zinsbeschränkung „usurae ultra alterum tantum“ auch auf die Schuld, für die Pfänder gegeben worden sind, anwenden muss, und dass es den Fall gab, in dem der Gläubiger die usurae ultra alterum tantum nach veteres leges fordern konnte.36 Tafaro nimmt an, dass die veteres leges das Seedarlehen und die regionalen Ge wohnheiten betrafen.37 35
C. 4,32,27,2 Iust. A. Menae pp. a. 529 Welches Wir auch bei den Klagen nach Treu Quod et in bonae fidei iudiciis cete und Glauben und in allen andern Fällen, wo risque omnibus in quibus usurae Zinsen gefordert werden, beobachtet wissen exiguntur servari censemus. wollen.38 38
34 Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch I, Hannover 197614, 2420. 35 Übersetzung teilweise nach Otto / Schilling / Sintenis (o. Fn. 24) 619. 36 Vgl. Bianchini (o. Fn. 8) 397, 400 ff.; Bravo (o. Fn. 3) 54. 37 Sebastiano Tafaro, CI. 7.47.1: Giustiniano e limiti alla condanna del debito re, in: L’usura ieri ed oggi, Foggia 7–8 aprile 1995, Bari Cacucci 1997, 226 Fn. 22. 38 Übersetzung teilweise nach Otto / Schilling / Sintenis (o. Fn. 24) 619.
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Die Stelle dehnt den Anwendungsbereich der usurae ultra alterum tantum, der vorher auf die Zinsen ex stipulatio beschränkt war, auf die Zinsen für bonae fidei iudicia und usurae rei iudicatae aus.39 Justinian hat darin bestätigt, dass der Zinsenlauf niemals das duplum des Kapitals übersteige und weiterhin dieses Verbot auch auf durch Pfand gesicherte Schulden an gewendet werden solle. Fünf Jahre später40 wurde Nov. 121 erlassen. IV. Zusammenfassung In der klassischen Zeit wurde die Stipulation von usurae ultra alterum tantum nicht erlaubt, und nach dieser Regel konnte der Gläubiger sie nicht fordern. Es besteht aus D. 12,6,26,1 kein Zweifel an diesem Inhalt. Im Hin blick auf die Frage, welche Posten in die Berechnung des duplum eingehen, wird allgemein angenommen, dass nur die rückständigen Zinsen zum duplum gerech net wer den, nicht die be zahlten Zin sen. D. 12,6,26,1 und C. 4,32,10 haben einen unterschiedlichen, aber nicht widersprüchlichen In halt, und zwar aufgrund der Bezie hung zwi schen Ulp. D. 12,6,26,1 und Carac. C. 4,32,10. Nach Solidoros Ansicht meint D. 12,6,26,1 die Zinsen, die das duplum im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses klar übersteigen, wäh rend C. 4,32,10 die zu verschiedenen Zeiträumen bezahlten Zinsen meint, die das duplum im Zeitpunkt des Vertrags nicht klar übersteigen. Ich stimme dieser Meinung zu, aber es bleibt das Problem der logischen Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Satz in C. 4,32,10. Nach meiner Meinung verbindet „enim“ den zweiten Satz mit dem ersten Satz als Bekräftigung des ersten Satzes, nicht als Begründung. Nach der Rechnungsweise von C. 4,32,10 kann die Zinsschuld wieder zum duplum des Kapitals anwachsen, wenn der Schuldner die Zinsen in Teilbeträgen gezahlt hat. Denn die Zinsschuld wächst wieder an, sofern die Hauptschuld noch bleibt. Diese Behandlung hat nachteilige Folgen gegen über dem Schuldner, der zur Zahlungszeit billige Zinsen bezahlt hat. Daher spielt dieses Verbot nur eine beschränkte Rolle, weil man den Schuldbetrag nicht unbe dingt be gren zen konnte. Jedoch werden nach der Konstitution Justinians (Nov. 121) auch die teilweise bezahlten Zinsen zum duplum ge rechnet, womit das duplum des Kapitals mit der Berechnung aus dem Betrag der Hauptschuld ohne Weiteres festgestellt wird. Darum behauptete der Schuldner positiv in Nov. 121, durch die Zahlung der Restschuld frei zu werden. Dagegen versuchte der Gläubiger, das Verbot 39 Cervenca
(o. Fn. 25) 297; Bianchini (o. Fn. 8) 395; Tafaro (o. Fn. 37) 226–
40 Bianchini
(o. Fn. 8) 399.
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dadurch umzugehen, dass er den Schuldschein, der einen anderen Schuldbe trag als eigentliche Hauptschuld auswies, ausgehändigt hat. Dieses Problem mit dem Schuldschein entsteht aus der Eigenschaft des Verbots usurae ultra alterum tantum. Da nämlich alterum tantum den gleichen Betrag wie das Kapital bedeutet, ist die Summe abhängig vom Kapitalbetrag. Daher kann alterum tantum auch als gleicher Betrag des Kapitalbetrages an wachsen, wenn der Kapitalbetrag sich vermehrt. Wegen dieser Eigenschaft steht usurae ultra alterum tantum in Beziehung zum anatocismus, vor allem zum sog. anatocismus coniunctus. Wenn die Zin sen zum Ka pital hinzugerechnet werden, wird der Kapitalbetrag ver mehrt. So wäre das Verbot von usurae ultra alterum tauntum unvollständig, wenn der anatocismus coniunctus nicht verboten würde. Hierfür ist Iust. C. 4,32,28 sehr wichtig, weil diese Konstitution mit genügendem Erfolg die Zinsen beschränken kann.
Sachmängelhaftung und Nichterfüllungshaftung Von Yoshihiro Tabata I. Einführung Der Inhalt der Verpflichtung des Stückverkäufers ist ein grundlegendes Thema des modernen Schuldrechts. In Japan ist vor allem das Verhältnis zwischen der Leistungspflicht des Verkäufers und der Grundlage der Sach män gel haf tung, mit anderen Worten die Frage nach der Rechtsnatur der Sachmän gel haftung, bis heute heftig umstritten, und so war es auch in Deutschland bis zur Schuldrechts modernisierung von 2002. Gegenwärtig schreitet die Reformarbeit am japanischen Schuldrecht gerade fort, und das Kaufge währ leistungs recht ist ein Ge gen stand der Reform. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick über die Entwicklung des japanischen Streits über die Sachmängelhaftung, der vom deutschen Recht theoretisch sehr beeinflusst worden ist; es folgen Überlegungen zur Rechtsnatur der Sachmängelhaftung. Vor den Erwä gungen zum japa nischen Recht wird auch die Struktur der Haftung des Verkäufers für Sachmängelim deutschen und römischen Recht kurz betrachtet. II. Deutsches und römisches Recht 1. Deutsches Recht Die Regelungen und Streitpunkte des deutschen Kaufgewährleistungs rechts werden nur im Überblick dargestellt. Im deutschen BGB bis 2002 trug der Verkäufer zwar die Pflicht zur rechtsmangelfreien, aber nicht zur sachmangel freien Leistung (§ 433 f. BGB a. F.1). Wenn ein Rechtsmangel 1 § 433 BGB a. F.: (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechtes ist verpflichtet, dem Käufer das Recht zu verschaffen und, wenn das Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, die Sache zu übergeben. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kauf preis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. § 434 BGB a. F.: Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegen stand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können.
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vorlag, fanden nach § 440 BGB a. F. auch die allgemeinen Vorschriften der §§ 320–327 a. F. Anwendung, nicht aber beim Sachmangel. Bei einem Sach mangel haftete der Verkäufer lediglich nach §§ 459 ff. BGB a. F. Wenn die gelieferte Sache einen Mangel, wie in § 459 BGB a. F.2 bestimmt, hatte, konnte der Käufer Wande lung oder Min de rung verlangen (§ 462 BGB a. F.3). Hatte der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen oder fehl te der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes eine zugesicherte Eigenschaft, dann konnte der Käufer stattdessen Schadens ersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 463 BGB a. F.4). Für den Gattungs kauf galt § 480 BGB a. F.5, nach dem der Käufer statt der Wandelung oder der Minderung die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen konnte. Die Natur des Kaufgewährleistungsrechts war auch in Deutschland umstritten.6 Hauptsächlich wurden die sog. Gewährleistungstheorie7 und die sog. Nicht erfüllungstheorie8 vertreten. Für die deutsche Lehre war es charakteristisch, dass auch die meisten Vertreter der Nichterfüllungs theorie den Nachbesserungsanspruch des Stückkäufers ablehnten. Obwohl sie die Pflicht des Verkäufers zur sachmangelfreien Leistung und, wenn die 2 § 459 BGB a. F.: (1) Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür, dass sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht. (2) Der Ver käufer haftet auch dafür, dass die Sache zur Zeit des Überganges der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat. 3 § 462 BGB a. F.: Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den Vor schriften der §§ 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen. 4 § 463 BGB a. F.: Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes eine zuge sicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das gleiche gilt, wenn der Verkäu fer einen Fehler arglistig verschwiegen hat. 5 § 480 BGB a. F.: (1) Der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache kann statt der Wandelung oder der Minderung verlangen, dass ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Auf diesen Anspruch finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften der §§ 464 bis 466, des § 467 Satz 1 und der §§ 469, 470, 474 bis 479 entsprechende Anwendung. (2) Fehlt der Sache zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigen schaft oder hat der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen, so kann der Käu fer statt der Wandelung, der Minderung oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. 6 Staudinger / Heinrich Honsell, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München 1995, Vor § 459, Rn. 7 ff. 7 Z. B. Karl Larenz, Schuldrecht II / 1, München 1986, 66 ff. 8 Z. B. Soergel / Ulrich Huber, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführung und Nebengesetzen, Stuttgart 1991, Vor § 459, Rn. 169 ff.
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gelieferte Sache fehlerhaft ist, das Recht des Käufers zur Ablehnung sowohl der Annahme der Sache als auch der Kaufpreiszahlung bejahten, verneinten sie den Nachbesserungsanspruch des Käufers spätestens nach der Übergabe der Sache.9 Diese Kon struk tion scheint jedoch widersprüchlich.10 Denn wenn man anerkennt, dass die Soll-Beschaffenheit der Kaufsache vertrag lich frei bestimmt werden kann,11 scheint es folgerichtig, dass der Verkäufer auch verpflichtet ist, eine solche vertragsgemäße Sache zu liefern. Diese Kritik gilt auch für die japanische herrschende Meinung. Durch die deutsche Schuldrechtsreform wurde das Kaufgewährleistungs recht grundlegend geändert und ins allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert. Der Verkäufer hat nun dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 BGB). Danach ist es klar, dass die Nichterfüllungstheorie übernommen wurde.12 Die Lieferung der Sache, die einen vom § 434 BGB definierten Sachmangel hat, ist Pflichtverletzung, so dass der Käufer nach allen Voraussetzungen Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung, Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen kann (§ 437 BGB). Jetzt kann auch der Stückkäufer die Nacherfüllung verlangen (§ 439 BGB). Nacherfüllung ist andererseits auch das Recht des Verkäufers (§§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1, 441 Abs. 1 BGB). Der Käufer kann Schadensersatz statt der Leistung nicht nur verlangen, wenn der Verkäufer arglistig ist, sondern auch, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Übrigens wurde § 306 BGB a. F.13 aufgehoben, und die anfängliche Unmöglichkeit der Leistung steht der Wirksamkeit des Vertrags nicht mehr entgegen (§ 311a BGB). 2. Römisches Recht Im römischen Recht, das das deutsche Recht sehr beeinflusst hat, wuchs, wie man im Allgemeinen annimmt, die Gewährschaft des Verkäufers für Sachmängel aus mehreren Wurzeln zusammen.14 Eine Garantie dafür, dass 9 Hans Brox, Besonderes Schuldrecht, München 1999, Rn. 68. Huber (o. Fn. 8), Vor § 459, Rn. 174, 236, der schon die Einrede des nicht erfüllten Vertrags verneint. Werner Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, Darmstadt 1948 (Nd. 1975), 35 f, 41 unterscheidet Vertragsverletzung und Vertragpflichtverletzung. 10 Frank Peters, Kein gesetzlicher Nachbesserungsanspruch des Käufers?, JZ (1978) 92–98, 94. 11 Z. B. Flume (o. Fn. 9) 128. 12 Bamberger / Roth / Florian Faust, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München 2012, § 433, Rn. 2. 13 § 306 BGB a. F.: Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig. 14 Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 2008, Rn. 41.36.
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die Sache von bestimmten Fehlern frei sei oder dass sie bestimmte Eigen schaften habe, konnte seit alters durch stipulatio übernommen werden.15 Das ädilizische Edikt enthielt ein Sonderrecht für die Käufe von Sklaven und Zugtieren. In diesem Bereich stützte die Haftung sich auf eine ausdrückli che oder stillschweigende Garantie. Sie war deshalb vom Verschulden des Verkäufers unabhängig.16 Nach dem Edikt hatte der Käufer beim Sklaven kauf17 zwei Rechtsbehelfe: die actio redhibitoria (Wandelungsklage) und die actio quanti minoris (Minderungsklage). Dem Käufer stand die actio redhibi toria zu, wenn der Verkäufer kundmachungspflichtige Fehler18 wissentlich oder unwissentlich nicht kundgemacht hatte oder wenn er ausdrücklich be hauptet oder durch stipulatio zugesagt hatte, dass der Sklave von anderen Mängeln frei sei oder be son dere Eigenschaften habe, oder wenn er sich arglistig verhaltet hatte. Dem Käufer stand unter denselben Voraussetzungen alternativ die actio quanti minoris zu, wenn er die Sache lieber behalten wollte.19 Justinian erstreckte die ädilizische Haftung über die Käufe von Sklaven und Zugtieren hinaus auf alle Sachkäufe.20 Seit der späten Republik haftete der Verkäufer nach der actio empti unter bestimmten Voraussetzungen für die Sachmängel: zunächst wenn er einen ihm bekannten Fehler arglistig verschwiegen hatte, ferner wenn er zugesi chert (dictum) hatte, dass die Sache von Mängeln frei sei oder bestimmte Eigenschaften habe.21 Nach Labeo musste in jedem Fall gewährleistet wer den, dass ein Gefäß unbeschädigt ist, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart ist.22 Wenn der Verkäu fer dafür nicht haften wollte, musste er also die Haftung ausdrücklich ausschließen.23 Hieraus kann man folgern, dass die Parteien die Beschaffenheit, die die Kaufsache haben soll, damals frei be stimmten, und dass der Verkäufer deswegen haften musste, weil der Sache eine solche Beschaffenheit fehlte. Nach D. 19,1,13pr. unterschied Julian die Mängelhaftung des arglistigen Verkäufers und die des unwissenden Verkäufers. Ich will diese Quelle nur 15 Kaser / Knütel (o. Fn. 14) Rn. 41.37. Daraus haftet der Versprechende auf das Interesse des Käufers an der Richtigkeit dieser Zusagen. 16 Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, 466. 17 Das Jumentenedikt erlegte dem Verkäufer von Zugtieren die gleiche Haftung wie Sklavenverkauf auf (Kaser [o. Fn. 16] 467). 18 Vgl. D. 21,1,1,1. 19 Kaser (o. Fn. 16) 466 f. 20 Max Kaser, Das römische Privatrecht II, München 19752, 393. 21 Kaser (o. Fn. 16) 465 f.; Kaser / Knütel (o. Fn. 14) Rn. 41.45. 22 D. 19,1,6,4. 23 Reinhard Zimmermann, The law of obligations, Oxford 1996, 320. Vgl. auch § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
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kurz anführen, weil sie für das Verständnis der japanischen Diskussion von Bedeutung ist. D. 19,1,13pr. Ulpianus libro trigensimo secundo ad edictum24 Iulianus libro quinto decimo inter Julian macht im 15. Buch [seiner Digesten] eum, qui sciens quid aut ignorans zwischen dem, der eine Sache in Kenntnis vendidit, differentiam facit in con und dem, der sie in Unkenntnis [ihres Man demnatione ex empto: ait enim, qui gels] verkauft hat, einen Unterschied bei der pecus morbosum aut tignum vi Verurteilung aus Kauf. Er sagt nämlich, dass tiosum vendidit, si quidem ignorans derjenige, der ein krankes Stück Vieh oder fecit, id tantum ex empto ac tio ne einen mangelhaften Bal ken verkauft hat, praestaturum, quanto minoris essem dann, wenn er dies in Unkenntnis des Man empturus, si id ita esse scissem: si gels getan hat, aufgrund der Klage aus Kauf vero sciens reticuit et emp torem lediglich das leisten müsse, um wieviel we decepit, omnia detrimenta, quae ex niger ich ge kauft hätte, wenn ich die Be ea emptione emp tor tra xerit, prae schaffenheit der Sache gekannt hätte; wenn staturum ei: sive igitur aedes vitio er jedoch den Mangel wissentlich ver tigni corruerunt, aedi um aestima schwiegen und den Käufer getäuscht hat, tionem, sive pecora contagione dann müsse er dem Käufer für allen Scha morbosi pecoris perierunt, quod in den einstehen, den dieser aus diesem Kauf erleidet. Stürzt daher das Haus aufgrund des terfuit idonea venisse25 erit praes Mangels des Balkens ein, so ist für den tandum. Schätzwert des Hauses einzustehen; geht Vieh infolge von Ansteckung durch das kranke Stück Vieh ein, so ist für das Inter esse des Käufers daran einzustehen, dass dies nicht geschehen wäre.
Wichtig ist hier nicht, dass die Haftung des arglistigen Verkäufers wegen des Sachmangels entsteht, sondern, dass auch der unwissende Verkäufer für den Sachmangel haften muss und dass seine Haftung auf die Kaufpreisminde rung gerichtet ist. Selbst wenn keine Mangelfreiheit zugesichert ist und dem Verkäufer der Sachmangel auch unbekannt ist, kann der Käufer wenigstens die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Betrag, um den er die Sache dann gekauft hätte, wenn er die Beschaffenheit der Sache gekannt hätte, zurückfordern. Aus der Sicht des Verkäufers bedeutet dies, dass er den Anteil des Verkaufspreises, der dem Anteil des Sachmangels entspricht, nicht bekommen kann. Nach diesem Verständnis Julians ist, mo dern gesprochen, die Beschaffenheit der Sache offensichtlich in den Vertrag einbezogen.26 Ferner muss nach dieser Quelle der arglistige Verkäufer alle 25
24 Deutsche Übersetzung nach Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch /Hans Hermann Seiler, Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung III, Heidelberg 1999. 25 Nach Eduard Fraenkel, Julian-Ulpian über die Haftung des Verkäufers für die Be schaffenheit der Kaufsache, SZ 1924, 527–529, 529 ist „id non evenisse“ die richtige Fassung von „idonea venisse“. 26 Die Minderung bedeutet nämlich, dass der Käufer vom Vertrag teilweise be freit wird.
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Schäden des Käufers ersetzen. Dabei haftet er auf das Erfüllungsinteresse.27 Hinsichtlich des Beispiels vom angesteckten Vieh mag es sein, wie Flume sagt,28 dass es sachlich ohne Bedeutung ist, „idonea venisse“ durch „id non evenisse“ zu ersetzen; denn man kann jedenfalls meinen, dass der Käufer vom Verkäufer den Wert des angesteckten Viehs verlangen kann. Beim Beispiel des Balkens kann der Käufer nach diesem Text sogar den Schätz wert des Hauses verlangen.29 Diese Ansicht Julians war unter der strengen Trennung von actio empti vor dem Prätor (nur Schadensersatz bei dolus und custodia-Verletzung)30 und actio redhibitoria oder quanti minoris vor dem Ädil eine Sondermeinung des klassischen Juristen. Erst bei Justinian, der keinen Prätor mehr kannte, ist alles miteinander verschmolzen. Mit moder nen Augen könnte man allerdings einen merkwürdigen Schritt in die Rich tung erkennen, dass die Sachmängelhaftung als Leistungsstörung (Pflicht verletzung) eingeordnet wurde, wie beim geltenden BGB. Allerdings haben die Verfasser des BGB von 1900 dies nicht getan. Der Käufer konnte nach der actio empti nicht nur mindern, sondern auch dann wandeln, wenn er überhaupt nicht gekauft hätte.31 Darin liegt bereits eine Anpassung der actio empti an die ädilizische actio.32 III. Die Diskussion über Sachmängelhaftung in Japan 1. Die Bestimmungen des japanischen Zivilgesetzbuches Nach Art. 570 Minpo (jap. Zivilgesetzbuch = ZGB), der die Sachmängel haf tung des Verkäufers regelt, fin det Art. 566 dann analoge Anwendung, wenn die gekaufte Sache mangelhaft ist.33 Der Käufer, dem die mangel 27 Kaser (o. Fn. 16) 558 Fn. 39. A. A. Werner Flume, Zum römischen Kauf recht, SZ 1934, 328–335, 329. 28 Flume (o. Fn. 27) 329. 29 Das ist der sog. Mangelfolgeschaden. Kaser / Knütel (o. Fn. 14) Rn. 41.47 meint, dass § 463 BGB a. F. Julian folgte. 30 Kaser / Knütel (o. Fn. 14) Rn. 36.14 ff. 31 D. 19,1,1,3. 32 Kaser (o. Fn. 16) 465. 33 (Sachmängelhaftung des Verkäufers): Art. 570: Wenn die verkaufte Sache einen verborgenen Mangel hat, dann findet Artikel 566 analoge Anwendung, es sei denn, dass sie in einer Zwangsversteigerung verkauft wurde. (Rechtsmängelhaftung des Verkäufers beim Vorhandensein des Erbbaurechtes usw.): Art. 566: (1) Wenn der Kaufgegenstand mit einem Erbbaurecht, einem Erb pachtrecht, einer Grunddienstbarkeit, einem Zurückbehaltungsrecht oder einem Pfandrecht belastet ist und der Käufer dies nicht weiß und er deswegen den Zweck des Vertrages nicht er reichen kann, kann er vom Vertrag zurücktreten. Wenn er vom Vertrag nicht zurück tre ten kann, kann er nur Schadensersatz verlangen.
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hafte Sache geliefert wurde, kann also vom Vertrag zurücktreten, wenn er den Vertragszweck nicht erreichen kann; andernfalls kann er nur Schadens ersatz verlangen. Der Käufer muss Rücktritt oder / und Schadensersatz bin nen eines Jahres verlangen, nachdem er den verborgenen Mangel entdeckt hat. Art. 570 bestimmt jedoch nicht, was ein Sachmangel ist; es gibt auch weder eine Regelung für die Reparatur des Mangels beim Kauf noch eine Regelung für Minde rung beim Sach mangel.34 Heu tige Entscheidungen neigen jedoch dazu, tatsächlich die Minderung beim Sachmangel anzuer kennen.35 Nach der herr schenden Meinung und Rechtspre chung ist die Sachmängelhaftung eine verschuldensunabhängige Haftung.36 Der Verkäu fer haftet daher auch dann, wenn er die Lieferung einer mangelhaften Sache nicht zu vertreten hat. Nun bestimmt Art. 401 Abs. 1 Minpo die Sachbeschaffenheit des Gegen standes bei der Gattungsschuld: (Gattungsforderung): Artikel 401: (1) Wenn der Gegenstand der Forderung nur durch die Gattung bestimmt wurde, und seine Qualität durch die Natur des Rechtsgeschäftes oder den Parteiwillen nicht bestimmt werden kann, dann muss der Schuldner eine Sache von mittlerer Beschaffenheit liefern.
Danach ist es klar, dass der Gattungsverkäufer immer eine Sache liefern muss, die eine mittlere Beschaffenheit hat. Hingegen gibt es bei der Stück schuld keine entsprechende Regelung. Deshalb kann man diskutieren, wel che Beschaffenheit der Gegenstand des Stückkaufs haben muss. Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die Meinungen (2), die Ent wicklung des Theorienstreits (3) und die Bestimmungen des sog. Interimsent wurfs (4). Dann wird das Verhältnis zwischen Sachmängelhaftung und Pflichtverletzung untersucht.
(2) Die Bestimmung des vorstehenden Absatzes findet analoge Anwendung, wenn keine Grunddienstbarkeit zugunsten des Kaufgrundstücks, deren Existenz erwähnt wurde, besteht oder wenn eine eingetragene Vermietung besteht. (3) In den Fällen der beiden vorstehenden Absätze muss der Käufer innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen vom Vertrag zurücktreten oder Scha densersatz verlangen. 34 Nach Art. 563 Abs. 1 Minpo hat der Käufer einen Minderungsanspruch beim Rechtsmangel. 35 Z. B. OG Fukuoka v. 8.3.2003, Hanrei Jiho 2126, 70; OG Fukuoka v. 9.3.2006, Hanrei Times 1223, 205. 36 Sakae Wagatsuma, Saikenkakuron Chukan 1 (Besonderes Schuldrecht, Mittle rer Band 1), Yuhikaku 1957, 270.
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2. Die Arbeit an der Kodifikation des geltenden Minpo In Japan ist die Rechtsnatur des Kaufgewährleistungsrechts seit langem umstritten. Dieser Streit bezieht sich unter anderem auf die Frage, ob der Stückverkäufer verpflichtet ist, eine mangelfreie Sache zu liefern. Bevor der Inhalt dieses Streits verfolgt wird, ist es sinnvoll, eine Regelung der Sachmängelhaftung im alten Minpo zu betrachten, das vom französischen Juristen Gustave Boissonade verfasst wurde, aber niemals in Kraft gesetzt wurde, doch dem geltenden Minpo zugrunde lag. [Buch des Gütererwerbs, Art. 94]: Der Käufer kann dann die Aufhebung des Kau fes verlangen, wenn bei der ver kauften Sache unabhängig davon, ob sie eine beweg li che Sache oder eine unbewegliche Sache ist, beim Vertragsschluss ein unsichtbarer Mangel besteht, den der Käufer nicht kannte und dessen Reparatur nicht möglich ist, und der Mangel den natürlichen oder vereinbarten Gebrauch hindert oder den Gebrauch der Sache so hindert, dass der Käufer die Sache über haupt nicht gekauft hätte, wenn er den Mangel gekannt hätte.
Wie sich aus der Formulierung der Bestimmung ergibt, war die Un möglich keit der Mangelbeseitigung eine Voraussetzung für den Rücktritt nach dem Gewährleistungsrecht. Darüber hinaus war der damalige Gesetz geber der Meinung, dass er nicht nur den Anspruch des Käufers auf Man gelbeseitigung, sondern auch das Recht des Verkäufers zur Mangelbeseiti gung anerkennen wollte.37 Deshalb dürfte die Vereinbarung über sachman gelfreie Lieferung, in so weit Mangelbeseitigung möglich ist, nicht schon dann als Versprechen einer unmöglichen Leistung verstanden werden, wenn die Sache den Mangel schon beim Vertragsschluss hatte, obwohl Art. 322 des Buchs der Güter des alten Minp o regelte, dass eine Vereinbarung, die auf ungesetzliches oder unmögliches Tun oder Unterlassung zielt, nichtig den Minpo wurde die Erwähnung der ist.38 Bei der Abfassung des gelten Unmöglichkeit des Mangelreparatur in der Regelung der Sachmängelhaftung gestrichen. Der Verfasser führt zwei Gründe dafür an: Erstens entspreche es nicht dem Fall der Nichterreichung des Zweckes, wenn der Mangel repariert werden kann, weil dann der Käufer doch diese Sache häufig gekauft hätte. Zweitens sei es unpassend, den Rücktritt zu verbieten, wenn die Reparatur zwar möglich, aber zu aufwendig oder zu langfristig sei.39 Man kann sa 37 Eichi
Hoshino (Hrsg.), Boissonade-shi Kiko Saietsushusei Minposoan Chu Dai 3 Pen (Der Kommentar zum von Boissonade verfassten Entwurf des ZGB), Yushodoshuppan 2000, 867 f. 38 Das geltende Minpo hat keine Regelung über die Wirkung einer unmöglichen Vereinbarung. 39 Homudaijinkanboshihohoseichosabu (Hrsg.), Hotenchosakai Minpo Giji Sok kiroku, Band 4 (Stenogramm der Beratung des Zivilrechts), Shojihomuken kyukai 1984, S.75 f. shaku
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gen, dass die Fälle des zweiten Grundes die Fälle sind, in denen die Repa ratur tatsächlich unmöglich ist oder ihre Anerkennung sinnlos ist. Man darf deshalb annehmen, dass der Gesetzgeber nicht die Absicht hatte, den Fall der un möglichen Mangelbe seitigung von den Voraussetzungen für den Rücktritt nach dem Gewährleistungsrecht zu ausschließen. Kenjiro Ume, der Mitverfasser des geltenden Minpo ist, erklärt die Haftung des Verkäufers nach Art. 570 wie folgt: Wenn die Kaufsache mangelhaft sei, erleide der Käufer den Schaden. Denn habe das Recht, das der Käufer erworben habe, nicht den Wert, den der Käufer erwartet hatte. Der Verkäufer kenne die Sache, die er verkaufen will, besser als der Käufer. Deshalb müsse er den Käufer über den Mangel aufklären und sicherstellen, dass der Käufer die Absicht habe, diese (mangelhafte) Sache dennoch zu kaufen. Habe er dies nicht getan, so sei es nicht unbillig, es so anzusehen, als ob der Verkäufer das Nichtbestehen des Mangels zugesichert habe.40 3. Der Theorienstreit über die Rechtsnatur der Sachmängelhaftung a) Gerichtsentscheidungen zur Sachmängelhaftung Die Rechtsnatur der Sachmängelhaftung wird besonders in Zusammen hang mit der Frage diskutiert, ob man Art. 570 für den Gattungskauf anwen den kann. Es gibt zwei bekannte Entscheidungen zu dieser Frage: TurbinePumpefall41 und Lautsprecherfall42. Der Turbine-Pumpefall ist folgender Fall: Der Käufer kaufte vom Verkäufer einen Motor. Der Motor hatte einen Mangel in der Zündvorrichtung. Der Verkäufer versuchte die Reparatur des Motors, jedoch führte sie zu keinem Erfolg. Der Käufer trat nach Art. 570 vom Vertrag zurück und verlangte vom Verkäufer die Rückgabe des Kauf preises. Der Verkäufer behauptete, dass Art. 570 auf den Gattungskauf keine Anwendung finde. Der Rücktritt des Käufers wurde vom OGH anerkannt. Der OGH äußerte dabei, dass Art. 570, dessen Gegenstand zwar eigentlich Spezieskauf sei, auf den Gattungskauf allerdings doch Anwendung finde, und zwar erst dann, nachdem der Käufer die Kaufsache angenommen habe. Der Lautsprecherfall ist hingegen folgender Fall: Der Käufer, eine Funkge sellschaft, kaufte vom Verkäufer einen Lautsprecher für sein Werbegeschäft. Der Lautsprecher rauschte wegen eines Fehlers an der Steckdose. Der Ver käufer konnte den Fehler nicht reparieren. Der Käufer erklärte den Rücktritt entweder nach dem Gewährleistungsrecht oder nach dem allgemeinen Leis 40 Kenjiro Ume, Minpoyogi Kan No 3 Saikenhen (Bedeutung des Zivilrechts Band 3, Forderung), Hoseidaigaku 1910, 525. 41 Daishin’in v. 13.3.1925, Minshu 4, 217. 42 Saikosai v. 15.12.1961, Minshu 15, 11, 2852.
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tungsstörungsrecht, als der Verkäufer von ihm die Zahlung des Kaufpreises verlangte. Das Berufungsgericht erkannte den Rücktritt des Käufers nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht an. Der Verkäufer legte Revision ein, weil dieses Urteil der Entscheidung im Turbine-Pumpefall widerspre che. Der OGH wies aus folgendem Grund die Revision zurück: Abgesehen von einem solchem Fall, in dem der Käufer bei Kenntnis des Mangels die Lieferung der Sache als Erfüllung billige und dann den Verkäufer wegen Sachmängelhaftung in Anspruch nehme, habe der Käufer auch nach der Annahme der mangelhaften Sache das Recht auf die völlige Erfüllung (Aus tausch oder Nacherfüllung) und dann auf Scha dens ersatzoder Rücktritt nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, wenn der Verkäufer seine Schlecht leistung zu vertreten habe. Unter Annahme der recht lichen Kon struktion des Berufungsgerichts (Turbine-Pumpefall: Sachmängelhaftung; Laut sprecherfall: Haftung nach dem allgemeinen Leis tungsstörungs recht) erkannte der OGH jedenfalls in beiden Fällen den Rücktritt durch den Käu fer im Ergebnis an. Es gibt jedoch keinen Gattungskäufer, der bei Kenntnis des Mangels die Lieferung der Sache als Erfüllung anerkennt und dann den Verkäufer wegen Sachmängelhaftung in Anspruch nimmt. Denn die Rechts behelfe des Gewährleistungsrechts sind für den Käufer nachteiliger als die des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (z. B. kein Nacherfüllungsanspruch oder kürzere Verjährungsfrist). Deshalb gibt es kaum Fälle, in denen das Gewährleistungsrecht für den Gattungskauf sinnvoll ist.43 Die Auslegung zur Rechtsnatur der Sachmängelhaftung wird davon beein flusst, wie man den Sachmangel an sich versteht. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung44 wird der Sachmangel nach dem jeweiligen Vertrag beurteilt. Das heißt, dass der sog. subjektive Mangelbegriff angenom men wird. Die Rechtsprechung hat z. B. das Bestehen eines Sachmangels bejaht, wenn die Sache die der Probe entsprechende Beschaffenheit45 oder die zugesicherte Leistungsfähigkeit46 nicht enthält. Die nach dem Vertrag vorausge setzte Be schaffen heit wird dann, wenn keine aus drückliche Vereinbarung besteht, durch die Verkehrsanschauung ergänzt.47 Der Mangel wird also auch in diesem Fall subjektiv beurteilt. Im Folgenden wird die Entwicklung des Theorienstreits über die Sachmän gelhaftung kurz dargestellt. 43 Takashi
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Uchida, Minpo II Dai 2 Han (ZGB II, 2. Auflage), Yuhikaku 2011,
44 Wagatsuma
(o. Fn. 36) 272; Kaoru Yunoki, Urinushikashitanposekinin No Ken (Forschung über Sachmängelhaftung des Verkäufers), Yuhikaku 1963, 173 ff. 45 Daishin’in v. 24.5.1926 Minshu 5, 433. 46 Daishin’in v. 14.1.1933 Minshu 12, 1. 47 Saikosai v. 1.6.2010 Minshu 64, 4, 953.
kyu
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b) Zwei traditionelle Theorien Die früheste einflussreiche Meinung verstand, ähnlich wie der Gesetzge ber, die Sachmängelhaftung als Haftung, die als Folge der Pflichtverletzung entsteht.48 Man kann dagegen die Theorien über die Rechtsnatur des gelten den Gewährleistungsrechts grob in zwei Gruppen teilen, und beide Theorien sind von der deutschen Lehre sehr beeinflusst worden. Eine Meinung, die die traditionelle und noch die herrschende Meinung ist,49 betrachtet die Sachmängelhaftung des Verkäufers als die vom Gesetz bestimmte spezielle Haftung (Lehre von der gesetzlichen Haftung). Wenn die Sache bei Vertragsschluss schon mangelhaft sei, sei die Lieferung einer mangelfreien Speziessache unmöglich, und ein solcher Vertrag sei nichtig. Weil die Sachmängelhaftung voraussetze, dass der Kaufvertrag gültig ist, trage der Verkäufer keine solche Pflicht. Deshalb erfülle der Verkäufer sei ne Pflicht durch die Lie ferung dieser mangelhaften Sache gänzlich. Die Sachmängel haftung ent stehe, um das Äqui valenzverhältnis zwischen den Parteien, das durch den Mangel gestört wird, wiederherzustellen. Die Ver einbarung über die Sachbeschaffenheit beim Stückkauf sei nur eine Aussage über die individualisierte Sache, so dass diese Meinung die Vereinbarung über die (nicht existie rende) Sachbe schaf fenheit im Zusammen hang mit dem Motiv irrtum versteht.50 Diese Mei nung trennt den Erfolg, der beim Vorliegen des Mangels entsteht, vom Inhalt der vertraglichen Vereinbarung, obwohl sie ihre Verletzung als Sachmangel versteht. Weil diese Meinung verneint, dass die Lieferung einer mangelfreien Sache die Pflicht des Stück verkäufers sei, verneint sie auch, dass der Stückkäufer vom Verkäufer die Mangelreparatur verlangen könne. Außer dem beschränkt sie den Umfang des Schadensersatzes auf die Grenze des gestörten Äquivalenzverhältnisses. Ein Vertreter der Lehre von der ge setzli chen Haftung kriti siert, dass die Rechtsprechung die Regelungen über Sachmängelhaftung auch für den Gat tungskauf anwendet. Denn die Anwendung des Gewährleistungsrechts auf den Gattungskauf verstärke nicht den Schutz des Gattungs käufers.51 Die Recht sprechung nimmt ja an, dass die Sach mängelhaf tung eigent lich auf den Spezieskauf anzuwenden sei. Man kann aber sagen, dass die Lehre von der gesetzlichen Haftung, die die Sach beschaffenheit beim Stückkauf vom Vertragsinhalt ausschließen 48 Hideo Yokota, Saiken Kakuron (Schuldrecht, Besonderer Teil), Shimizushoten 1912, 339 f. 49 Wagatsuma (o. Fn. 36) 272; Yunoki (o. Fn. 44) 173 ff. 50 Diese Einstellung ist von Ernst Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, Leip zig 1879, sehr beeinflusst. 51 Wagatsuma (o. Fn. 36) 307 f.
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will, den Inhalt der Pflicht des Stückverkäufers zu eingeschränkt versteht. Es scheint keiner modernen Verkehrsanschauung mehr zu entsprechen, dass z. B. der Ver käufer eines Pkws die kaputte Bremse nur dann reparieren muss, wenn der verkaufte Pkw neu ist, und der Verkäufer eines gebrauchten Pkws dagegen keine Reparaturpflicht trägt. Es erscheint angemessener, dass auch der Stückverkäufer den Mangel reparieren muss, soweit die Reparatur möglich ist. Eine andere Meinung52, die zur Zeit einflussreich ist, nimmt deshalb auch beim Stückkauf die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache an und sieht die Regelungen über Sachmängelhaftung als Sonderre gelung des allgemeinen Leistungsstö rungs rechts (Lehre von der vertrag lichen Haftung) an.53 Das allgemeine Leistungsstörungsrecht finde Anwen dung, soweit es keiner Regelung des Gewährleistungsrechts widerspreche. Die Lieferung einer mangelhaften Sache sei Schlechterfüllung der Verkäu ferpflicht. Auch der Stückkäufer könne des halb Nachbesserung inso weit verlangen, als sie möglich sei. Der Käufer könne nach dieser Lehre zwar auch Ersatz des Erfüllungs interesses verlangen, je doch wird über dessen Voraussetzung gestritten. c) Jetzige Diskussion Neuerdings haben sich beide traditionelle Theorien einander angeglichen. Der Brennpunkt der Diskussion ist außerdem nicht mehr bei der Rechtsna tur der Sachmän gelhaftung geblieben. Vor allem werden das Verhältnis zwischen Erfüllungsanspruch und Schadensersatzanspruch und die Frage, ob für den Schadensersatz Verschulden nötig ist, diskutiert. Nach einer Meinung habe der Gedanke des strengrechtlichen Vertrages (contractus stricti juris) schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren sozialen und rechtlichen Boden verloren. In der Gegenwart, in der die Formfreiheit von Verträgen die Grundlage ist, könne man nicht bestreiten, dass die Struk tur der Lehre von der gesetzlichen Haftung, nach der die Ver einbarung über Attribut und Funktion der Sache vom Vertragsinhalt ausge schlossen wird, seltsam sei.54 Jedoch kritisiert diese Meinung auch 52 Die Lehre von der vertraglichen Haftung gründet sich auf die bahnbrechende Arbeit von Zentaro Kitagawa, Keiyakusekinin No Kenkyu (Forschung über ver tragliche Haftung), Yuhikaku 1963, der die deutschen Theorien (von z. B. Scholl meyer, Süß, Flume, Korintenberg usw.) ausführlich analysiert hat. 53 Eichi Hoshino, Minpo Gairon IV (Grundriss des ZGB IV), Yuhikaku 1986, 134; Zentaro Kitagawa, Saikensoron (Allgemeines Schuldrecht), Yuhikaku 2004, 123 ff. 54 Masanobu Kato, Gendaiminpogaku No Tenkai (Entwicklung der moder nen Zivilrechtswissenschaft), in Gendaiminpogaku no tenkai, Yuhikaku 1993 [zuerst in einem Aufsatz 1977], 395.
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die Lehre von der vertraglichen Haftung. Diese Lehre, die den Ersatz des Erfüllungsinteresses zum Ziel hat, habe nämlich die Balance verloren, weil die Sachmängelhaftung verschuldensunabhängige Haftung sei, während die allgemeine Nicht erfüllungs haftung ver schuldensabhängige Haftung sei.55 Aus diesem Grunde versteht sie die Sachmängelhaftung wie folgt: Wenn die Herstellung der vertraglich anfangs vorausgesetzten Beschaffenheit keines wegs (z. B. durch Reparatur) möglich sei, hafte der Verkäufer dann nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, wenn der Verkäufer den Mangel zu vertreten habe; sonst würde die Haftung des Verkäufers wegen der Be schaffenheit der Sache wegen Unmög lichkeit erlöschen.56 Dabei werde das gegenseitige Gleichgewicht zwischen beiden Parteien gewahrt. Deshalb erhalte der Käufer den Schadensersatzanspruch nach Gewährleistungsrecht, was Minderungsanspruch bedeute.57 Diese Mei nung versteht nämlich die Sachmängelhaftung parallel zur Gefahrtragung. Eine andere Meinung, die sich an die traditionelle herrschende Lehre von der gesetzlichen Haftung anlehnt, nimmt Folgendes an: Die Bejahung der Anwendung der Regelung über Sachmängelhaftung auf den Gattungs kauf sei das System einer Übergangszeit. Man habe nämlich die Theorie für den Gattungskauf, der ein neues rechtliches Phänomen sei, in der Zeit seiner Gestaltung von der Sachmängelhaftung, die eigentlich nur auf den Spezieskauf An wendung finde, geliehen und ausgedehnt. Ihre geschicht liche Aufgabe sei beendet, als die neue Theorie der Schlechterfüllung auf getreten sei. Jetzt müsse der Anwendungs bereich der Sachmängelhaftung auf ihren eigentlichen Be reich beschränkt wer den. Selbst wenn man die Sachmängelhaftung und die Nicht erfüllungshaftung vereinheitlicht habe, müsse man die Regelungen der Sachmängelhaftung (Rücktritt ohne Mah nung, Minderung) wegen der Eigenart der unvertretbaren Speziessache zu rücklassen.58 Es sei die richtige Auslegung des geltenden Minp o, dass die eigentliche Pflicht des Verkäufers einer unvertretbaren Speziessache grund sätzlich die Übereignung und die Besitzüber tra gung be inhal tet.59 Diese Meinung bejaht jedoch, dass die Beschaffenheit der Speziessache den In halt der Willenserklärung (und des Vertrags) bestimmen kann. Wenn die Lieferung einer mangelfreien Spezies sache Vertragsinhalt ist, werde die Nichterfüllung der Lieferung, das heißt die Lieferung einer mangelhaften 55 Kato
(o. Fn. 54) 397 f. (o. Fn. 54) 399. 57 Kato (o. Fn. 54) 400 f. 58 Sadamu Shitamori, Kashitanposekininron No Aratana Tenkai To Sono Kento (Neue Entwicklung der Lehre von der Sachmängelhaftung und ihre Überlegungen), Festschrift Prof. Masao Yamahata, Prof. Kiyoshi Igarashi und Prof. Shi geo Yabu Bd. 3, Shinzansha 1998, 187–244, 191. 59 Shitamori (o. Fn. 58) 193. 56 Kato
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Spezies sache, nach den allgemeinen Regeln der Schlecht erfüllung be handelt, wie beim Gattungskauf.60 Eine Meinung, die sich an die Lehre von der vertraglichen Haftung an lehnt, kritisiert die soeben genannte Meinung wie folgt: Wenn die Lehre der gesetzlichen Haftung, die vom Dogma des Spezieskaufs ausgeht, nach wel chem die Lieferung einer mangelhafter Sache eine mangelfreie Leistung ist, die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache beim Spezieskauf anneh men will, dann müsse sie dieses Dogma verneinen oder beschränken, um dem Spezieskäufer den Nacherfüllungsanspruch einzuräumen. Sonst sei die Einräumung dieses An spruchs beim Spezieskauf widersprüchlich. Die theoreti sche Voraus set zung des Nacherfül lungsanspruchs sei nämlich die Bejahung der kaufvertraglichen Leistungspflicht des Verkäufers, die man gelfreie Sache zu liefern.61 Nach allgemeinen Regeln habe der Gläubiger einen Anspruch auf Erfüllung. Daher könne der Schuldner von keiner Leis tungspflicht befreit werden, soweit sie möglich ist. Der Verkäufer trage also immer die Mangelbeseitigunspflicht, soweit die Reparatur möglich ist. Weil diese Auslegung zu einer unbilligen Härte gegenüber dem Verkäufer führen könne, müsse diese Pflicht des Ver käufers irgendwie begrenzt werden.62 Indem dieser Kritiker das fran zösi sche Recht anführt, behaup tet er, dass man die Reparaturpflicht als Naturalersatz, der eine mittlere Art zwischen der Naturalerfüllung und dem Schadensersatz sei, verstehen solle. Die Vor aussetzung dieser Repa raturpflicht sei es, dass die Re paratur möglich ist und dass die Reparaturkosten als Schadensersatzbetrag wegen Nichterfül lung der Pflicht zur Lieferung einer mangel freien Sache nicht unverhält nismäßig sind. Er behauptet außerdem, dass mit Ausnahme der Fälle der höheren Gewalt das Verschulden des Schuldners in der Tatsache liege, dass er nicht erfüllt habe, was er dem Gläu biger versprochen habe.63 Es gibt ferner sogar die Meinung, nach der der Schadensersatz wegen Nichterfül lung überhaupt nicht mit dem Ver schuldens prinzip zusammenhänge. Die Scha dens ersatzhaftung des Schuld ners werde bei den erfolgsbezoge nen Schul den vom Garantieprinzip im Ver gleich mit dem Inhalt der Schuld begründet.64 Befreiungsgrund des Schuldners sei dabei die höhere Gewalt und das überwiegende Vertretenmüssen des Gläubigers. 60 Shitamori
(o. Fn. 58) 200, 202 f. Morita, Keiyakusekinin No Kiseki Kozo (Die Struktur des Vertre tenmüssens bei der vertraglichen Haftung), Yuhikaku 2002 [zuerst in Aufsätzen 1990–1991, 1993], 242 f. 62 Morita (o. Fn. 61) 244 f. 63 Morita (o. Fn. 61) 55. 64 Yoshio Shiomi, Saiken Soron I Dai 2 Han (Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 2. Aufl.), Shinzansha 2003, 282. 61 Hiroki
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4. Schuldrechtsreform und Sachmängelhaftung In Japan schritt die Reformarbeit des Schuldrechts fort. Darüber wurde neu lich der „Interimsentwurf zur Reform des japanischen ZGB (Schuldverhältnisse)“65 veröffentlicht. Für die Sachmängelhaftung des Verkäufers wird Folgendes vorgeschlagen:66 Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer eine Sache zu liefern, die die vertragsgemäße Beschaffenheit hat. Also wird das Verständnis der herrschenden Meinung nicht übernom 65 Interimsentwurf: Minpo (saiken kankei) no kaisei ni kan sura chukan shian; Text in http: / / www.moj.go.jp / content / 000110383.pdf (11. 8. 2014). 66 Regelungen zur Sachmängelhaftung des Verkäufers, die mit dem Thema die ses Aufsatzes in Zusammenhang stehen, sind folgende: Nr. 35 Kauf: III. Die Pflichten des Verkäufers: (1) Der Verkäufer ist gegenüber dem Käufer verpflichtet, das Eigentum an der Sache zu übereignen. Der Verkäufer ist auch nach dem Inhalt des Kaufs verpflichtet, a) dem Käufer die Kaufsache zu übergeben, b) … (2) Die Sache, die der Verkäufer dem Käufer übergeben soll, muss in Art, Qua lität und Menge dem Sinn des Kaufvertrags entsprechen. (3) …, (4) … IV. Die Haftung des Verkäufers, der eine nicht dem Sinn des Vertrags entspre chende Sache geliefert hat: (1) Wenn die gelieferte Sache entgegen oben 3 (2) dem Sinn des Vertrags nicht entspricht, kann der Käufer nach dem Inhalt der Vertragsverletzung vom Verkäufer Nacherfüllung durch die Reparatur der Sache, die Lieferung fehlender Menge oder die Lieferung einer vertretbaren Sache verlangen, es sei denn, dass ein Begrenzungs grund für den Erfüllungsanspruch besteht. (2) Wenn die gelieferte Sache entgegen oben 3 (2) dem Sinn des Vertrags nicht entspricht, kann der Käufer vom Verkäufer nach dem allgemeinen Grundsatz der Nichterfüllung einer Schuld den Ersatz des Schadens, der durch die Nichterfüllung entstand, verlangen oder vom Vertrag wegen Nichterfüllung zurücktreten. (3) Wenn die Art der Nacherfülllung, die der Verkäufer anbietet, sich von der vom Käufer verlangten Art unterscheidet, gilt als Art der Nacherfüllung nur dann die vom Verkäufer gewählte Art, wenn die vom Verkäufer angebotene Art dem Sinn des Vertrags entspricht und dem Käufer keine unangemessene Last auferlegt. V. Preisminderungsanspruch des Käufers, dem eine nicht dem Sinn des Vertrags entsprechende Sache geliefert wurde: (1) Wenn die gelieferte Sache entgegen oben 3 (2) dem Sinn des Vertrags nicht entspricht, der Käufer unter Bestimmung einer angemessenen Frist den Verkäufer zur Nacherfüllung mahnt und der Verkäufer innerhalb dieser Frist nicht nacherfüllt, kann der Käufer durch Willenserklärung die Minderung des Kaufpreises nach dem Grad der Vertragsverletzung verlangen. (2) Eine Mahnung ist entbehrlich, wenn ein folgender Grund besteht: a) es be steht ein Begrenzungsgrund für den Anspruch, Nacherfüllung zu verlangen, b) … (3) Die Willenserklärung nach oben (1) hat keine Wirkung, wenn nicht gleichzei tig durch Willenserklärung auf das Recht auf Nacherfüllung (einschließlich des Rechtes auf Schadensersatz statt der Nacherfüllung) und auf Rücktritt vom Vertrag verzichtet wird.
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men. Entsprechend die ser Pflicht des Verkäufers kann der Käufer vom Verkäufer die Beseitigung des Mangels verlangen. Der Interimsentwurf nimmt von Neuem ausdrücklich auch die Re gelung über Minderungsan spruch des Käufers beim Sachmangel auf. Jedoch wird der Verkäufer unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Nach erfüllung befreit.67 Auch dann kann der Käufer Minderung verlangen. Also sind die Natur des Nacherfüllunganspruchs und die Natur des Minderungsanspruchs nicht iden tisch. Wenn der Verkäufer die Lieferung einer man gel haften Sa che, was Schlechterfüllung bedeutet, zu vertreten hat,68 kann der Käufer Schadens ersatz wegen Nichterfüllung verlangen. IV. Überlegungen zur Stellung der Sachmängelhaftung im Minpo Schließlich ist das Verhältnis zwischen Sachmängelhaftung und Nicht erfüllungshaftung zu bedenken. Dabei spielt der folgende Hintergrund aus dem deutschen und römischen Recht eine große Rolle: Zunächst ist es von Be deu tung, dass Deutschland schon in früher Zeit die Wichtigkeit des Sachmängelbegriffs beachtet hat. Eine Meinung verstand die Lieferung ei ner mangelhaften Sache wenigstens deshalb als Vertragsverletzung, weil der Sachmangel subjektiv bestimmt wird. Sie unterschied ferner zwischen Ver tragsverletzung und Vertragspflichtverletzung und hielt die Lieferung einer mangelhaften Sache nicht für eine Vertragspflichtverletzung. Diese Konst ruktion ist jedoch sonderbar. Die spätere Meinung nahm deshalb an, dass die Haftung des Verkäufers nach § 459 ff. BGB a. F. auf einer Pflichtverlet zung beruhe. Im BGB 2002 entsteht die Sachmängelhaftung gerade aus der Verletzung der Pflicht, eine mangelfreie Sache zu liefern. Dabei erhält auch der Spezieskäufer den Nacherfüllungsanspruch. Das ist die logische Konse quenz der Pflichtverlet zung. Der Verkäufer kann unter Umständen die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern (§ 439 Abs. 3 BGB). Was das römische Recht be trifft, hat sich die Sach mängelhaftung 67 Die vorgeschlagene Regelung über Begrenzungsgrund des Erfüllungsanspruchs ist folgende: Nr. 9 Erfüllungsanspruch usw.: II. Begrenzungsgrund des Erfüllungsanspruchs bei der vertraglichen Forderung: Der Gläubiger kann vom Schuldner keine Erfüllung verlangen, wenn bei einer vertraglichen Forderung (mit Ausnahme einer Geldforderung) einer der folgenden Gründe (Begrenzungsgrund des Erfüllungsanspruchs) besteht: a) die Erfüllung ist physisch unmöglich, b) der Aufwand steht in einem groben Missverhältnis zu dem Interesse, das der Gläu biger durch die Erfüllung erlangt, c) nach dem Sinn des betreffenden Vertrags scheint es unangemessen, vom Schuldner die Erfüllung der Schuld zu verlangen. 68 Vertretenmüssen des Verkäufers wird vermutet (Nr. 10 I (3)).
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zwar bei den Käufen von Sklaven und Zug tieren ent wickelt. Man wird dabei den Schutz des Käufer vor Täuschung beabsichtigt haben. Die Sach mängelhaftung war also ursprünglich eine spezielle Haftung, die die Ädilen ge rade dafür eingeführt haben. Die Sondermei nung Juli ans wollte die Rechtsbehelfe der ädilizischen actio in die actio empti integrieren. Hierin dürfte ein Anlass dafür liegen, dass man die Sachmängelhaftung und die Nicht erfüllungs haftung in einheitlichem Sinn verstehen kann. Be sonders wich tig ist, dass der Käufer nach der actio empti auch dann Minde rung verlangen kann, wenn der Verkäufer hinsichtlich des Sachmangels unwis send ist. Wenn man annimmt, dass die Parteien die Sollbeschaffenheit der Kaufsache frei bestimmen, kann man die Minderung wegen Sachmangels mit einem Teilrücktritt gleichstellen. Die heutigen Ansichten in Japan haben sich einander angeglichen, wie man aus der vorgehenden Darstellung erkennen kann. Einerseits bejaht nämlich die Lehre von der gesetzlichen Haftung die Nacherfüllungspflicht auch beim Spezieskauf; andererseits bejaht die Lehre von der vertraglichen Haftung die Notwendigkeit, diese Pflicht unter Umständen zu beschränken. Die theoretischen Konstruktionen beider Lehren sind aber nicht immer ohne Probleme. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Nacherfüllungsanspruchs für den Spezieskäufer überhaupt im Widerspruch zu der eigentlichen Voraussetzung jener Lehre steht. Noch wichtiger ist es, dass auch in Japan, wie in Deutschland, der Sachmangel nach der jeweili gen vertraglichen Vereinbarung beurteilt wird und dass diese Vereinbarung durch die Verkehrsanschauung er gänzt wird, wenn keine aus drückliche Vereinbarung besteht. In Japan ist die Wichtigkeit des Sachmangelbegriffs bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Wenn man den Sachmangel als Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung versteht, wäre aber es logischer, dass die Lieferung einer man gelhaf ten Sache eine Pflichtver letzung bedeutet, denn es bedarf im modernen Recht keiner speziellen Form, um irgendeine Pflicht zu begründen. Die Sachmängelhaftung entsteht nämlich zumindest als Er gebnis der Pflichtverletzung (Schlechterfüllung) des Verkäufers. Dabei ist die sofortige Gewährung eines Rücktrittsrechts ohne Mahnung problematisch, wenn die Mangelbeseitigung noch möglich ist. In der Tat ist beim Rücktritt wegen Verspätung eine vorherige Mahnung erforderlich (Art. 541 Minpo). Die Lieferung einer mangelfreien Sache ist auch beim Spezies kauf nicht immer unmöglich.69 Die Vorausset zung des Rücktritts nach Art. 570 Minpo, dass nämlich der Käufer den Vertragszweck 69 Japanische Forschung über das sog. impossibilium-Prinzip sowohl im römi schen Recht als im Gemeinen Recht: Tetsu Isomura, Impossibilium Nulla Obligatio Gensoku No Keisei To Hihanriron (Bildung des impossibilium nulla obliga tioPrinzips und seine Kritiklehre), Shihogaku No Shomondai 1 (Problematik der Pri vatrechtswissenschaft 1), Hrsg. Masaakira Katsumoto u. a., Yuhikaku 1955, 397–435.
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nicht erlangen kann, ist der Fall, in welchem die Reparatur des Mangels weder leicht noch billig ist.70 Man kann einen solchen Fall mit dem Fall, in dem die Lieferung einer mangelfreien Sache unmöglich ist, gleichstellen, weil bei der Beurteilung der Unmöglichkeit auch ökonomische Tatsachen berücksichtigt werden können.71 Wenn die Leistung unmöglich ist, ist keine Mahnung vor dem Rücktritt erforderlich (Art. 543 Minpo), weil sie sinnlos ist. Die Lieferung einer mangelfreien Sache ist auch beim Gattungs kauf nicht immer möglich. Die oben angeführten Entscheidungen zum Gat tungskauf haben gerade die Fälle behandelt, in denen die Mangelbeseitigung unmöglich war. Wenn die Mangelbeseitigung unmöglich ist, und der Käufer dennoch die mangelhafte Sache behalten will, soll der Verkäufer dem Käu fer unabhängig davon, ob Spezies- oder Gattungskauf vorliegt, zumindest den übermäßigen Preisanteil zurückgeben, selbst wenn der Verkäufer den Sachmangel nicht kennen konnte. Diese Folge ergibt sich aus der allgemei nen Lehre vom gegenseitigen Vertrag, welche das äquivalente Austausch verhältnis voraussetzt.72 Mit anderen Worten: Sie ist keine Folge, die sich nur aus der Gewährleistungsregelung ergeben kann. Dass die mangelfreie Lieferung der Sache nicht immer unmöglich ist, gilt auch für den Kauf ei ner unvertretbaren Speziessache. Die Unterscheidung zwischen Spezies- und Gattungskauf führt dazu, dass der Spezieskäufer vom Verkäufer keine Lie ferung einer anderen mangelfreien Sache verlangen kann. Sonst hätte die Vertretbarkeit der Speziessache keine spezielle Bedeutung.73 Deshalb ist es unnötig, dass man nur den Kauf der unvertretbaren Speziessache gesondert durch das Gewährleistungsrecht behandelt. Die Rechtsprechung bejaht die Anwendung des Gewährleistungsrechts auf den Gattungskauf. Wenn man annimmt, dass der Verkäufer (einschließlich des Speziesverkäu fers) die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache trägt, entsteht dem Käufer der Anspruch auf die Mangelbeseitigung, soweit sie möglich ist.74 Danach trat das impossibilium-Prinzip beim Kaufvertrag schon in klassischer Zeit allmählich in den Hintergrund, weil der Kaufvertrag ein bonae fidei iudicium war. 70 Wagatsuma (o. Fn. 36) 290. 71 Nach Daishin’in v. 30.3.1929 Minshu 8, 226 ist die Möglichkeit der Nacherfül lung nichts anderes als ein ökonomisches Problem. 72 Sakae Wagatsuma, Saikenkakuron Jokan (Besonderes Schuldrecht, Oberer Band), Yuhikaku 1954, 110. Weil Art. 534 Abs. 1 Minpo, nach dem der Gläubiger der Speziesschuld schon ab Vertragsschluss die Gefahr tragen muss, nicht angemes sen ist, wird nach h. M. die Zeit, ab der dieser Artikel Anwendung findet, verscho ben, vgl. Wagatsuma (Fn. 72) 102 f. 73 Dietrich Reinicke / Klaus Tiedtke, Kaufrecht, Köln 2009, Rn. 420 ff. 74 Jetzige Urteile neigen dazu, Ersatz der Reparaturkosten nach der Sach mängelhaf tung anzunehmen, wenn die Mangelbeseitigung möglich ist, z. B. DG Tokio v. 8.7.2008, Hanrei Times 2025, 54. Reparaturkosten sind gerade die Kosten,
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Dabei ist das Verschulden des Verkäufers, anders als beim Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, keine Voraussetzung.75 Es kann zwar sein, dass die Aufwendung der Mangelbeseitigung für den Verkäufer unzu mutbar ist. Dies Problem entsteht nicht nur beim Spezieskauf, sondern auch beim Gattungskauf. Eine Ansicht verwendet dabei den Begriff des Naturaler satzes, der dem japanischen Recht fremd ist, um die Haftung des Verkäufers zu begrenzen. Die Begrenzung darf jedoch auch ohne die Verwendung eines solchen fremden Begriffes möglich sein. Die Pflicht zur Mangelbeseitigung könnte nämlich dadurch begrenzt werden, dass man, wie bei § 275 Abs. 2 oder § 439 Abs. 3 BGB, einfach Überlegungen zur die Grenze der Leistungs pflicht anstellt.76 Auch der Interimsentwurf nimmt diese Art auf.77 Man könnte heute die Sachmängelhaftung und die Nichterfüllungshaftung einheitlich verstehen.78 Das Verschulden des Schuldners ist nicht immer Voraussetzung für die Haftungen, die bei der Nichterfüllung der Pflicht ent stehen.79 Es wäre überflüssig zu sagen, dass die Haftung wegen des Sachmangels eine gesetzliche spezielle Haftung sei. Ferner gibt es keinen Grund dafür, die theoretische Folgerichtigkeit der Vereinheitlichung zu be zweifeln und aus diesem Gesichtspunkt die Sachmängelhaftung nur an die Gefahrtragungslehre anzuknüpfen. Zwar ist es problematisch, wenn man der Meinung folgt, dass auch der schuldlose Verkäufer das Erfüllungsinteresse des Käufers erset zen muss. Diese Meinung ist aber keine notwendige Konsequenz der Lehre von der vertraglichen Haftung, und ich nehme sie gerade nicht auf.80 Es gibt bei der vereinheitlichten Auslegung kein Hin dernis mehr dafür, dass der Käufer vom Verkäufer den Ersatz des Erfül durch die der vom Verkäufer vertraglich übernommene Zustand der Sache hergestellt wird. 75 Verschulden ist keine Voraussetzung für den Erfüllungsanspruch an sich, Masamichi Okuda, Saikensoron Zohoban (Schuldrecht, Allgemeiner Teil), Yuyusha 1992, 130. 76 Siehe Fn. 71. 77 Nach Nr. 9.2 des Interimsentwurfs kann der Gläubiger vom Schuldner keine Erfüllung verlangen, wenn die Kosten der Erfüllung in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers stehen. 78 M. E. liegt die Bedeutung der Regelung über Sachmängelhaftung insbeson dere in der kürzeren Verjährungsfrist. Kürzere Verjährung wäre auch für den Gat tungskauf vernünftig. Im Minpo beginnt diese Frist, wenn der Käufer den Sachman gel entdeckt hat (Art. 566 Abs. 3 Minpo). 79 Die jetzigen einflussreichen Meinungen fordern kein Verschulden als Vorausset zung des Rücktritts, Koji Omi, Minpokogi V Keiyak uho (Vorlesung über das ZGB V, Vertragsrecht, Seibundo 2006, 79 f.). 80 Saburo Kurusu, Keiyakuho (Vertragsrecht), Yuhikaku 1974, 91 verlangt Ver schulden fur den Schadensersatz, der sich von der Minderung unterscheidet, wie hier.
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lungsinteresses nach der Regelung des allgemeinen Leistungstörungsrechts verlangen kann, wenn der Verkäufer die mangelhafte Leistung zu vertreten hat.81 Übrigens ginge es zu weit, die Übernahme der Leistungspflicht un mittelbar mit der Garantieübernahme gleichzustellen; denn die Schadenser satzhaftung kann sich weiter als die ursprünglich übernommene Leistungs pflicht erstrecken.82 So könnte man sagen, dass die Richtung des vor Kurzem veröffentlichten japanischen Interimsentwurfs der Schuldrechtsreform zutreffend ist, indem sie das Ge währ leistungsrecht ins allgemeine Leistungsstörungsrecht klar integriert.
81 Es ist zwar fraglich, ob der Käufer dann den Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangen kann, wenn die Mangelbeseitung schon beim Vertragsschluss unmöglich ist; denn nach dem allgemeinen Grundsatz richtet sich die Haftung aus culpa in contrahendo nur auf den Ersatz des Vertrauensinteresses. 82 Die Haftung für Schadensersatz wegen Nichterfüllung hat eine sanktionierende Na tur; deshalb werde das subjektive Vertretenmüssen des Täter verlangt, Omi (o. Fn. 79) 80.
Semel heres semper heres: Kommentare der Humanisten zu D. 4,4,7,10 und D. 28,5,89 Von Minoru Tanaka I. Einleitung Der bekannte Rechtssatz semel heres semper heres („einmal Erbe, immer Erbe“) ist zwar nach Max Kaser oder Antonio Guarino unrömisch.1 Aber die Literatur bestätigt ihn durch ein argumentum e contrario, nämlich durch die Aus nahme für das Soldatentestament.2 Dieser Satz entspricht der Denkweise der Römer, wor auf Mario Talamanca hinweist.3 Er wurde in der Tat schon im Mittelalter in Azos Brocardica als Regel des römischen Rechts aufgezählt4 und in einer Beratung von Bartolus als eine solche Regel verwendet.5 Detlef Liebs ver steht ihn nicht nur als Verbot der Einset zung für eine bestimmte Zeit, son dern auch als Ausschluss der Nacherbfolge im Testament.6 Auch Helmut Coing be ruft sich auf diese Regel in Bezug auf Ausschließung der Berufung mehrerer Erben in zeit licher Reihenfolge.7 Diese Regel gilt auch als Verbot einer auflösend be 1 Max Kaser, Das römische Privatrecht I, München 19712, 688; Antonio Guarino, Diritto privato romano, Napoli 200112, n. 28.4.2, 435; Fritz Schulz, Classical Roman Law, Oxford 1961, 261. 2 Z. B. Ulp. D. 29,1,15,4, vgl. z. B. Julius Weiske, Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten III, Leipzig 1841, 938 s. v. Erbeinsetzung. 3 Mario Talamanca, Istituzioni di diritto romano, Milano 1990, 727. 4 Azo, Brocardica, 1568 Neapoli, Corpus glossatorum iuris civilis IV. 3, Ndr. Augustae Taurinorum 1967, fol. 74vb-75ra und Aurea Brocardica seu Nota, et iuris Regulae (mit nummerierten Paragraphen), Venetiis 1610, rubrica XVI, col. 49, 16–19. Vgl. Bernardo Periñán, El Principio „Semel heres semper heres“ y la con fusión de las obligaciones en el Derecho Romano, Revista de Estudios HistóricoJurídicos XXVII, 2005, 123–139, wo auch die zwei hier behandelten Digestenstellen vorgestellt werden. 5 Additio zu Bartolus s. v. dicere nullum, Consilium XI, der einen interessan ten Be richt über die Praxis des mittelalterli chen Italiens hinsichtlich semel heres semper heres abgefasst hat. Bartolus, Consilia, quaestiones et tracta tus, Venetiis 1581, fol. 6r. 6 Detlef Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, München 20077, 217. 7 Theodor Kipp / Helmut Coing, Erbrecht. Ein Lehrbuch, 199014, 274.
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dingten Erbeinsetzung.8 Das japanische Minpo (Zivilgesetzbuch) kennt zwar wie der Code civil français keine Erbeinsetzung durch Testament, doch eine ähnliche Frage kann beim Universal vermächtnis gestellt werden (Minpo § 9909). Dafür behauptete Eikichi Kondo in der Tat ein ähnliches Verbot.10 Katsuji Yanagawa sprach ebenfalls von semel heres semper heres bei der Annahme und Ausschlagung der Erbschaft.11 Beide waren Schriftsteller von Lehr büchern des japanischen Erbrechts vor dem zwei ten Welt krieg, und zwar war jener stark vom deutschen, dieser vom französischen Erbrecht angeregt. Diese Problematik wurde in letzter Zeit in Japan kaum eingehend erläutert. Aber es liegt auf der Hand, dass der Rechtssatz in Japan rezipiert worden ist. Man könnte sogar sagen, dass Japan der Regel sehr treu bleibt, und zwar in dem Sinne, dass es weder Nacherb fall noch Fi deikommiss kennt, wenn man von der beschei denen Ausnahme des erst 2007 ein geführten § 91 des neuen Treuhandgesetzes absieht. Das Ziel des vorliegenden Beitra ges ist es zu untersuchen, worum es eigentlich in zwei Digestenstellen geht, auf die man sich öfter als Beleg für semel heres semper heres beruft, nämlich Ulp. D. 4,4,7,10 und Gai. D. 28,5,89, und nachzuvollziehen, wie diese Stellen interpretiert und ver standen worden sind, ohne dass ich so vermessen sein wollte, irgendeinen neuen Ausle gungs vor schlag zu machen. Die beiden Stellen sind in verschiedener Hinsicht sehr interessant. Es scheint mir, dass große Handbü cher der Pandektistik,12 wie z. B. die Pandekten von Dernburg, die schon in der Meiji-Zeit ins Japanische übersetzt worden sind13, oder Teile der von Max Kaser angeführten Literatur14 auf die beiden leges hinweisen, nur um 8 Nikolaus Benke / Franz-Stefan Meissel, Juristenlatein, 20022, s. v. Semel heres semper heres; Mirian Anderson / Esther Arroyo Amayuelas (ed.), The Law of Succes sion: Testamentary Freedom. European Perspectives, European Studies in Private Law (5), 2011, 52–54 (Esther Arroyo Amayuelas, Miriam Anderson), 82–83 (Esteve B. Capdevila). 9 Minpo § 990 (§ 1092 nach der Fassung von 1898) lautet: „Der Ge samt vermächtnisnehmer hat die gleichen Rechte und Pflichten wie der Erbe.“ 10 Eikichi Kondo, Minpo v. Sozoku Ho (Das bürgerliches Recht V. Erbrecht), Nihon Hyoron Sha 1937, 311. 11 Katsuji Yanagawa, Nihon shinzoku Ho Chukai Ge (Kommentare zum japani schen Erbrecht, Nihon Sozoku-ho Chukai, 2. Abschnitt), Gansho-do Shoten 1920, 8. 12 Karl Adolph von Vangerow, Lehrbuch der Pandekten II, Marburg / Leipzig 1876 (Doitsu Minpo Ron, Bd. 4, Tok yo Senmon Gakkou Shuppan Bu), § 434; Christian Friedrich Glück, Pandekten, Bd. 40–43, Erlangen 1838–1843, § 1441, 1465, 1498, 1499. 13 Heinrich Dernburg, Pandekten III, 19037, § 58, § 65. Vgl. auch H. Dernburg, Die allgemeinen Lehren des bürgerlichen Rechts des deutschen Reichs und Preu ßens, Halle 1902, 446, § 148 III. 14 Z. B. Rodolfo Ambrosino, Esercitazioni di ‚dommatica moderna‘ sul diritto ro mano (Risposte ai miei critici in tema di eredità), SDHI 17 (1951) 222–224; Cesa-
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die Regel zu bestätigen, aber ohne auf ihre causae und rationes einzugehen. Interessanterweise hat der große Windscheid in einer Fußnote bemerkt, dass die für die Regel angeführ ten Stellen eher den Römer eigene Probleme behandelten, wie z. B. den Unterschied zwischen ius civile und ius praetorium.15 Es soll hier gezeigt werden, dass zu diesen Stellen die Kommentie rungen von wichtigen Humanisten sehr hilf- und aufschlussreich sind und ein besseres Verständnis der Stellen ermöglichen. II. Zu Ulp. D. 4,4,7,10 1. Text und Fragen Zunächst soll D. 4,4,7,10 erläutert werden. Die lex lautet: D. 4,4,7,10 Ulp. 11 ad ed. Sed quod Papinianus libro secundo responsorum ait minori substitutum servum necessarium repudiante qui dem hereditatem minore necessari um fore et, si fuerit restitutus minor, liberum nihilo minus remanere: si autem prius minor adiit hereditatem, mox abs ten tus est, substitutum pu pillo ser vum cum libertate non posse heredem existere neque libe rum esse: non per omnia verum est. nam si non est solvendo hereditas, abs tinente se herede et di vus Pius rescripsit et imperator noster, et qui dem in extraneo pupillo locum fore
Aber Papinian sagt im 2. Buch seiner Rechts gutachten: Wenn für einen Minder jährigen ein Sklave, der Zwangserbe ist, als Ersatzerbe eingesetzt ist und der Min der jährige die Erbschaft ausschlägt, ist zwar der Sklave Zwangserbe und bleibt, wenn der Minderjährige in den vorigen Stand wieder eingesetzt wird, nichtsdesto weniger frei; wenn aber der Minderjährige die Erbschaft zunächst angetreten, bald wieder aus geschlagen hat, kann der als Ersatzerbe un ter gleichzeitiger Freilassung eingesetzte Sklave weder Erbe noch frei sein. Doch ist das nicht in allem richtig. Denn wenn die Erbschaft nicht zahlungs fähig ist und der
re Sanfilippo, Corso di diritto romano. Evoluzione storica della hereditas, Napoli 1946, 93–98. 15 Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts III, Frankfurt. a. M., 18917, 67, Fn. 18 ist interessant: „Dieß ist zwar in den Quellen nicht ausdrücklich gesagt, aber es folgt mit Sicherheit daraus, daß für das Soldatentestament das Ge gentheil als etwas Besonderes hervorgehoben wird …, und daß auch der Eintritt einer auflösenden Befris tung die bezeichnete Wirkung nicht hat …, wie es denn auch in anderer Beziehung für eine Unmöglichkeit erklärt wird, ut, qui semel heres exstitit, desinat heres esse, l. 89 D. de her. inst. 28. 5 [D. 28,5,89].“ Er hat aber schon in dieser Fußnote die richtige Bemerkung hinzugefügt: „Wenn man für den Satz: semel heres semper heres noch zwei andere Stellen anführt, l. 7 § 10 D. de min. 4. 4 [D. 4,4,7,10] und l. 3. § 2 D. de lib. et post. 28. 2 [D. 28,2,3,2], so liegt doch auf der Hand, daß die erste nur den Gegensatz zwischen dem Civil- und dem prätorischen Recht hervorgeben will, und daß die zweite es für unmöglich erklärt, die Erbschaft zu nehmen – nicht demjenigen, welcher seinerseits Erbe geworden ist, sondern – demjenigen, welcher durch das Erbewerden eines Anderen bereits von der Erbschaft ausgeschlossen ist.“
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necessario substituto. et quod ait li berum manere, tale est, quasi non et heres maneat, cum pupillus impetrat restitutionem posteaquam abstentus est: cum enim pu pillus he res non fiat, sed utiles actiones habeat, sine dubio heres manebit, qui semel ex titit.
Erbe ausschlägt, haben selbst [oder: gerade] im Hinblick auf einen Minderjähri gen, der Außenerbe ist, der vergöttlichte Kaiser An toninus Pius und auch unser Kai ser [Ca racalla] auf Anfrage entschieden, dass die Einsetzung des Zwangserben als Ersatzerbe wirksam wird. Und soweit Pa pi nian sagt, der Sklave bleibe frei, klingt das so, als ob er nicht auch Erbe bleibe, wenn der Minder jährige die Wiedereinsetzung erlangt, nach dem er ausgeschlagen hat. Weil nun aber der Minderjährige nicht [zivil recht lich] Erbe wird, sondern nur actiones utiles erhält, soll zweifellos auch weiter Erbe bleiben, wer einmal Erbe geworden ist.
Der Sachverhalt und die Rechtsfolge in dieser lex an sich sind nicht so schwer zu verstehen.16 Ulpian berichtet in seinem Kommentar zum Edikt die Lehre Papinians aus dem 2. Buch seiner Rechtsgutachten (responsa). Dieser Teil des 2. Buchs kann nur aus dieser Digestenstelle rekonstruiert werden, wie Cu jacius oder Lenel in ihrer Palingenese gezeigt haben.17 Papinian stellt in diesem responsum zwei Fälle vor. Der eine Fall lautet: Ein Hausvater hat einen Minderjährigen als seinen Er ben und seinen eigenen Skla ven als Ersatzerben eingesetzt.18 Der Minderjährige schlägt die Erbschaft aus (repudiante), und der Sklave wird Erbe als Zwangs ersatz erbe. Der Minderjährige muss ein hausfremder Außenerbe (extraneus heres) sein, weil er die Erbschaft ausschlagen kann. Papinian hat laut Bericht von Ulpian gutachtlich geäußert, der Sklave bleibe frei, falls der Minderjährige in den vorigen Stand wiedereingesetzt werde. Der andere Fall: Der Minderjährige hat die Erbschaft angetreten und sich nachher der väterlichen Erbschaft enthalten. Papinian bestätigt, dass es kei ne Möglichkeit für den Sklaven gibt, als Ersatzerbe Erbe zu werden, und dieser deswegen weder frei noch Erbe wird. Ulpian fügt eine kritische Bemerkung zu Papinian hinzu: Doch sei das, was Papinian sagt, nicht in allem richtig. Zunächst nennt Ulpian hinsichtlich des zweiten Falls die Reskripte des Kaisers Antoninus Pius (Kaiser 138–161) und des von ihm ‚unser‘ genannten Caracalla (Kaiser 198–217), die Voci, Diritto ereditario romano I, Milano 19672, p. 668, nota 5. Lenel, Palingenesia iuris civilis I, Graz 1960, col. 886, Pap. 415 unter dem Titel De restitutionibus. Zu Cujacius vgl. u. Fn. 29. 18 Zu den Formeln der Erbeinsetzung eines eigenen Sklaven mit Freilassung im Allgemeinen, vgl. Barnabas Brissonius, De formulis et solennibus populi Romani, Hallae et Lipsiae 1731, lib. 7. tit. 27, fol. 576a – fol. 576b. 16 Pasquale 17 Otto
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entschieden haben, dass der Sklave frei und Erbe blieb, falls die Erbschaft nicht zahlungsfähig war. Was den ersten Fall anbelangt, so behauptet Ulpian, dass der Sklave nicht nur frei, sondern auch Erbe bleibt. Er kritisiert Papinian, als ob dieser mein te, dass der Sklave nur frei bleibe, ohne die Erbschaft zu behalten. Ulpian ist hinge gen der Meinung, dass der Sklave auch Erbe bleibt und der Minderjährige durch Restitution nur actiones utiles bekommen kann, weil die Regel „heres manebit, qui semel extitit“ gilt. Ulpian setzt sich mit Papinian auf diese Weise wie in einem rhetorischen Chiasmus auseinander. Die Rechtslage des Freigelassenen ist nach Ulpian ganz klar, aber diese lex wirft Fragen auf. Eine Frage besteht darin, ob Papinian wirklich meinte, „der Sklave bleibe frei, aber nicht mehr als Erbe“, wo doch die Regel semel heres semper heres eine so evidente Regel für die Römer war. Oder anders formuliert: War es eigent lich möglich, dass Papinian derart relevante und wichtige kaiserliche Reskripte nicht gekannt hätte? Er muss mindestens das Reskript des vergött lichen Kaisers Pius, der natürlich vor der papinianischen Zeit ge herrscht hat, ge kannt haben, obwohl man nicht deutlich ausschließen kann, dass er von der Entscheidung Kaiser Caracallas nichts wusste.19 Eine weitere Streitfrage bezieht sich auf das Textverständnis und die Übersetzungsfrage. Man begegnet nämlich einem bemerkenswerten Unter schied zwischen den modernen Digestenübersetzungen für quidem in extraneo pupillo locum fore necessario substituto. In den Übertragungen in moderne Sprachen verstehen die französische Übersetzung, die ältere italienische, beide spanischen und die niederländi sche einerseits das Wort quidem als „selbst“ oder „auch“,20 während ande rerseits beide deutsche Übersetzungen, zwei englische und die neue italie 19 Zur Entstehung der Responsa B. 1–12 zwischen 206 und 211: Detlef Liebs, III. Juris pru denz, § 416. Aemilius Papinia nus, 121, in: Klaus Sallmann (Hrsg.), Die Literatur des Umbruchs. Von der römischen zur christlichen Literatur. 117 bis 284 n. Chr.; zur Behandlung des Kaiserrechts in Papinians Werken vgl. z. B. Ulrike Babusiaux, Kommentare des Kaiserrechts in Papinians Quaestiones, ZRG RA 26, 2009, 156–186. 20 Henri Hulot (trad.), Corps de droit civil romain, tom. 1, Metz et Paris 1803: „quand même il s’agiroit d’un pupille étranger“. Giovanni Vignali (a cura di), Cor po del diritto. Digesto, vol. 1, Napoli 1856: „anche a riguardo del pupillo estraneo“. Gracía del Corporal, Cuerpo del Derecho Civil Romano 1889: „aun ciertamente respecto á un pupilo extraño“. Alvaro d’Ors u. a. (trad.), El digesto de Justiniano, tom. 1, Pamplona 1968: „aunque se tratase ciertamente del pupilo que non era hijo del testador“. Johannes Emil Spruit u. a. (red.), Corpus iuris Civilis II, ’s-Gra ven hage 1994: „zelfs in het geval van een onder voogdij staand kind als buitenstaander“.
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nische es als „gerade“ oder „in der Tat“ verstehen.21 Jene Übersetzer müs sen angenommen haben, dass die einschlägige Regelung schon bei einem anderen Sachverhalt vorher bestätigt wurde. Diese haben quidem dagegen in der Weise ver standen, dass das Wort nur als ein bekräftendes oder erklärendes Adverb funktioniert. Woher kommt diese Über set zungsver schiedenheit, warum hat man die Stelle unterschiedlich verstanden? Übri gens kann das Wort quidem ge bräuchlich auch „selbst“ oder „auch“ be deuten.22 Im Folgenden soll die erste der Sachfragen hauptsächlich, die zweite vorläufig behandelt werden. Die erste Interpretation geht auf die mittelalterliche Glosse zurück. In der Glosse in extraneo pupillo zu D. 4,4,7,10 vermerkt Accursius, dass mehr Zweifel bestünden („ubi plus dubitabatur“)23, und deutet an, dass weniger Bedenken bestünden, wenn es um einen minderjährigen Hauserben (suus heres) ginge. Man kann daraus schließen, dass Accursius die einschlägige Stelle z. B. so überset zen würde: „selbst im Hinblick auf einen Min derjährigen, der Außen erbe ist“. Weder moderne Übersetzungen noch Accursius haben uns andere Stellen vorgestellt, die ihre Interpretation recht fertigen.
21 Karl Eduard Otto u. a. (Übers.), Das Corpus iuris civilis (Romani) I, Leipzig 1838: „und zwar in Betreff der Person eines fremden Unmündigen“. O. Behrends u. a. (Übers.), Corpus iuris civilis II, Heidelberg 1995: „gerade im Hin blick auf einen Minderjährigen, der Außenerbe ist“. Charles Henry Monro (trans.), The Di gest of Justin ian 1, Cam bridge 1904: „as a matter of fact of the case of a boy under fourteen being appointed heir who was a stranger to the family“. Alan Watson (ed.), The Digest of Jus tinian 1, Philadelphia 1998: „indeed in a case of a pupillus who is heres extraneus“. Sandro Schipani (a cura di), Iustiniani Augusti Digesta seu Pandectae I, Milano 2005: „invero, nei confronti di un pupillo erede estraneo“. 22 Wolfgang de Melo (ed. and trans.), Plautus I, London 2011, Bacchides, 111, 330–381: namque ita me di ament, ut Lycurgus mihi quidem videtur posse hic ad nequitiam adducier. Vgl. Aegidius Forcellinus, Totius latinitatis lexicon, Patavi 1830, s. v. quidem 8: „Pro etiam. Plaut. Bacch …“; J. E. Riddle (trans.), A Dictio nary of the Latin Language, I. J. G. Scheller, Lexicon Totius Latinitatis, Oxford 1835, s. v. quidem II: „Indeed, in explanations, when preceded by ac or et: oritur, et quidem aliquot diebus, Cic. divin. ii. 44; and indeed, i. e. namely: tres epistolae, et quidem uno die, Cic. Q. Fr. iii. 1. 3; … VI. Also, too; Q. Pomponium ille quidem, etiam P. Africanum referre in eundem numerum solent, Cic. Acad, iv. 5. post.“ 23 Gl. in extraneo pupillo zu D. 4,4,7,10: „ubi plus dubitabatur“.
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2. Pothier Eine von Robert-Joseph Pothier (1699–1772) angefügte Fußnote zu quidem in extraneo in seinen Pandectae in novum ordinem digestae fängt mit einem ähnlichen Satz wie dem der Glosse an:24 De extraneo pupillo magis dubitari poterat. Quum enim suus heres institutus est, et ipse servus substitutus; substitutio servi magis videtur facta sub hac conditio ne Si pu pil lus heres cum effectu non erit; si quidem pupillus necessario ipso iure futurus erat heres. At substitutio facta extraneo pupillo, videbatur evanesce re pu pillo here dita tem adeunte. Ta men, ne bona defuncti sub hasta vaenirent; etiam in extraneo pupillo instituto substitutionem necessarii servi Imperatores ita benigne interpretati sunt, ut huic locus esset si pupillus heres cum effectu non esset.
Pothiers Auslegung war folgende: Wenn ein Unmündiger Hauserbe ist, wird er als Zwangserbe (heres necessarius) sofort Erbe sein, und es wird kein Raum für einen Ersatzerben mehr bleiben. So muss man die Bedin gung zur Ersatzerbeinsetzung, um sie nicht sinnlos zu machen, folgerichtig so auslegen, wie wenn der eingesetzte Erbe den Erblasser nicht wirksam (cum effectu) beerbt. Er bezweifelt dabei kaum die Annahme, dass ein Er satzerbe infolge der Wiedereinsetzung des Erben in den vorigen Stand die Erbschaft antreten kann. Aber falls der Unmündige Außenerbe ist und wenn er einmal Erbe ist, wird die Substitution im Prinzip erlöschen. Aber auch wenn der Unmündige Außenerbe ist, haben die Kaiser in wohltätiger Inter pretation reskribiert, dass die Ersatzerbeinsetzung des Sklaven als Zwangs erbe gültig ist, falls der Unmün dige nicht wirk sam Erbe wird, um zu vermeiden, dass das Vermögen des Verstorbenen in dessen Namen verstei gert wird. Pothier unterscheidet die Auslegungen der Bedingung für die Ersatzerb einsetzung danach, ob der Unmündige Außenerbe oder Zwangserbe ist. Er zitiert leider weder Quellenbelege noch Literatur.25 3. Cujacius Es war Jacobus Cujacius (Jacques Cujas, 1520–1590), der unsere Stelle mit dem Hinweis auf andere Digestenstellen klar und glatt erklärt hat. Er erläuterte unsere lex in seinen Observationes et Emendationes (lib. 12. tit. 24 Robert-Joseph Pothier, Pandectae Iustinianae in novum ordinem digestae, Parisiis 1818, 211b, tom. 1. lib. 4. tit. 4. 63. Fn. 6. 25 Pothier schreibt auch zu D. 42,1,44 übrigens keine Bemerkung an den Rand, ob wohl die Stelle eine wichtige Rolle für die Interpreta tionsgeschichte von D. 4,4,7,10 spielt, wie gleich gezeigt werden wird.
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20)26 und bezog Scaev. D. 42,1,44 in seine besonderen Überlegungen ein. Die lex lautet: D. 42,1,44 Scaev. 5 resp. Ex contractu paterno actum est cum pupilla tutore auctore et condemnata est: postea tutores abstinuerunt eam bonis paternis et ita bona defuncti ad substitu tum vel ad coheredes pervenerunt: quae ritur, an hi ex causa iudicati te ne antur. rescripsit dandam in eos actionem, nisi culpa tutorum pupilla condemnata est.
Aus dem von dem Vater einer Unmündigen geschlossenen Vertrag wurde eine Klage gegen sie, deren Vormund mitwirkte, erho ben, und sie wurde verurteilt; nachher haben die Vormünder für sie den väterlichen Nach lass aus ge schlagen, und so fiel das Ver mögen der Verstorbenen an den Ersatzerben oder an die Miterben. Es fragt sich, ob diese auf Grund des Urteils haften? Er [Scaevola] hat geant wortet, dass die Klage gegen sie gewährt werden sollte, es sei denn, dass die Unmündige wegen Verschuldens der Vor münder verurteilt worden sei.
Cujacius differenziert sorgfältig zwischen dem Fall von D. 42,1,44 und dem von D. 4,4,7,10: In D. 42,1,44 schlug eine unmündige Tochter, die sich einmal in die väterliche Erbschaft eingemischt hatte, die Erbschaft direkt aus eigenem Recht aus, ohne prätorische Restitution zu beantragen. Dage gen ging es in D. 4,4,7,10 um einen hausfremden Außenerben, der die Erbschaft angenommen hatte und nachher infolge des Ausschlagens restitu iert wurde. Jene unmündige Zwangserbin wurde als Tochter sofort Erbin und mischte sich in die Erbschaft ihres Vaters ein. Danach, innerhalb der Überlegungszeit bereuend, übte sie ihr eige nes Ausschla gungsrecht aus, ohne die prätorische Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu fordern. Deshalb schließt in diesem Fall die Einmischung der Zwangserbin in die Erb schaftsangelegenheiten weder Ersatzerben noch An wachsungsrecht der Miterben automatisch aus.27 Daher können Ersatzerben oder Miterben Er ben werden.28 26 Jacobus Cujacius, Observationes et Emendationes, lib. 12. tit. 20, Opera omnia, tom. III, Neapoli 1758, col. 344–345. 27 Cujacius (o. Fn. 26) col. 344. 28 Cujacius unterscheidet anhand von Gai. D. 29,2,57 pr. eingehend in der Wei se, dass selbst eine mündige Hauserbin die Erbschaft ausschlagen kann, aber nur bevor sie sich noch nicht eingemischt hat, während eine unmündige Hauserbin es tun kann, auch nachdem sie sich in die Erbschaft eingemischt hat. Vgl. Cujacius (o. Fn. 26) col. 344. D. 29,2,57 pr. Gai. 23 ad ed. prov.: Necessariis heredibus non solum impuberibus, sed etiam puberibus abstinendi se ab hereditate proconsul potestatem facit, ut, quamvis creditoribus hereditariis iure civili teneantur, tamen in eos actio non detur, si velint derelinquere hereditatem. sed impuberibus quidem, etiamsi se immiscuerint hereditati, praestat abstinendi facultatem, puberibus autem ita, si se non immiscuerint.
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Nach der Interpretation des Cujacius geht es im zweiten Fall von D. 4,4,7,10 um einen Außenerben, der die prätorische restitutio erwirkt hat. Der Prätor kann zwar dem Erben die Vergünstigung geben, sich der Erb schaft zu enthalten (beneficium abstinendi), aber er ist weder in der Lage, die Regel semel heres semper heres zu beseitigen noch einen einmal ausge schiedenen Ersatz erben wieder zum Erben zu machen. Nur der princeps kann das tun. Die Rolle, die die zwei kaiserlichen Reskripte in D. 4,4,7,10 gespielt haben, kann in diesem Zusammenhang gut verstanden werden. Die Kaiser konnten, selbst im Fall, wo der Außenerbe sich der Erbschaft enthal ten hat, ausnahmsweise einen schon ausge schiedenen Ersatzerben wieder zum Erben machen, wenn die Erbschaft sich als zahlungsunfähig erwies, um die Ehrverletzung des Erblassers durch die venditio bonorum in dessen Namen zu vermeiden. Cujacius behandelt D. 4,4,7,10 auch in einem anderen Werk, einem palin ge neti schen Kommentar zu Papinians Responsa.29 Er erzählt den Fall dieser Stelle folgendermaßen: Der Minderjährige hat leichtsinnig die Erbschaft ausgeschlagen, aber die Re sti tution gefordert bzw. er wirkt, um die Erbschaft anzutre ten. Die der Erbschaft angehörigen Sachen sind dem mit gleichzeitiger Freilassung ein gesetz ten Er satzerben weggenommen geworden. Ulpian tadelt oder ver leumdet Papinian. Aber nach Deutung des Cujacius nimmt Ulpian an, dass Papinian etwas gedacht habe, was dieser nicht dachte: der einmal frei Ge wordene verliere keine Freiheit, wohl aber das Vermögen.30 Und Cujacius betont die Abnormität der zwei kaiserlichen Konstitutionen und betrachtet die Regel als ius commune, welches semel heres est in perpetuum heres behauptet.31 Der Prätor macht den Minder jährigen durch die Restitution zum bonorum possessor. Wenn der eingesetzte Erbe Erbe wird, fällt in der Regel die Ersatzerbschaft weg.32 Wenn der minderjährige eingesetzte Erbe die Erbschaft antritt, schließt er nicht nur den Ersatzerben, sondern auch ge setzliche Erben aus, und im vorliegenden Fall wird der Fiskus in das Vermögen als er benlose Erb schaft (vacantia) berufen.33 Nach diesen Er klärungen führt Cuiacius eine andere wichtige Stelle an, nämlich D. 38,9,2, wo der Nachlass an die Staatskasse gelangt, statt einem Blutsverwandten in tieferem Grad zuzufallen. 29 Cujacius, Commentaria in libro II responsorum Aemilii Papiniani ad §. Sed et quod Pap. L. VII. de minoribus [D. 4,4,7,10], Opera (o. Fn. 26) tom. IV, col. 914–915. 30 Cujacius (o. Fn. 29) col. 914. 31 Cujacius führt D. 28,6,43,3 und D. 28,5,89 als Belege an. 32 Cujacius führt seinen Beweis mit drei Codexstellen, nämlich C. 6,26,5, C. 6,37,6 und C. 6,42,13. 33 Cujacius (o. Fn. 29) col. 915.
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D. 38,9,2 Pap. 4 resp. Inferioris gradus cognatus benefi cium edicti successorii non habuit, cum prior ex propria parte posses sionem accepisset: nec ad rem per ti nuit, quod abstinendi facul tatem ob auxilium aetatis prior co gnatus acceperat. igitur fisco vacantia bona recte deferri placuit.
Ein Blutsverwandter absteigenden Grades hatte die Rechtswohltat des Nachrück-Edikts nicht genossen, weil ein vor gehen der Ver wandter den Besitz aus dem ihn betreffenden besonderen Teil er halten hatte. Und es hat damit nichts zu tun, dass der vorge hende Verwandte die Befugnis aufgrund seines Lebens alters erhalten hat te, die Erb schaft auszuschlagen. Darum hielt man es für rich tig, dass der Nachlass als erbenlos dem Fiskus anfiel.
Das sei ius commune. Aber falls die Erbschaft nicht zahlungsfähig sei, werde der Ersatzerbe in die Erbschaft mit gleichzeitiger Freilassung beru fen, damit man das Konkursverfahren im Namen des verstorbenen Herrn vermeiden und auf jenen abwälzen könne. Diese ratio legis der Reskripte wird von Späteren, z. B. bei Pothier, wie oben gesehen, oder bei Duarenus wiederholt werden. Die Berufung des Sklaven stütze sich hier nicht auf die Ersatzerbschaft, sondern auf das Reskript.34 Das Reskript bzw. der princeps könne diesen Sklaven zum Er ben machen, der mehr die Infamie als die Erbschaft erlangen müsse.35 4. Duarenus Franciscus Duarenus (François le Douaren, 1509–1559) widmet der Diskussion von D. 4,4,7,10 das Kapitel 10 des Kommentars zum Titel De vulgari et pupilari substitutione.36 Er erklärt, allgemein gesagt, D. 4,4,7,10 auf eine nicht besonders bemer kenswerte Weise37, aber erläutert das Verhältniss zwischen Papinian und Ulpian: Ulpian finde es fehlerhaft, dass Papinian nur sagt, der Sklave blei 34 Cujacius
(o. Fn. 29) col. 915. vergisst nicht, seine Erudition zu zeigen, und weist nicht nur auf die schließlich besprochene vorjustinianische Konstitution C. Th. 2,19,3 hin, sondern auch auf nichtjuristiche Quellen wie z. B. Ciceros Pro Quinctio. Die Konstitution spricht am Anfang von einem Sklaven als Zwangserben (o. Fn. 29) col. 915. C. Th. 2,19,3: Ser vus necessa rius heres instituendus est, quia non magis patrimonium, quam infa miam conse qui videtur. … Jacobus Gothofredus, Codex Theodosianus, tom. I, Lipsiae 1736, fol. 201. 36 Franciscus Duarenus, Commentarii in tit. De vulgari et pupillari substitutio ne, Opera, Lugduni 1584, fol.495a–546b. 37 Duarenus bemerkt unter Hinweis auf Inst. 3,9,2, dass nur ein Gesetz oder etwas Ähnliches jemanden zum Erben machen kann, aber nicht der Prätor, wie wir bei Cujacius gesehen haben. Selbst Bartolus in Kommentar zu D. 4,4,7,10 macht diese Bemerkung. Bartolus a Saxofferrato, Commentaria ad D. 4,4,7,10, Venetiis 35 Cujacius
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be frei, ohne die hereditas zu erwähnen. Ulpian nehme an, nach Papinians Ansicht sei der Minderjährige Erbe geworden und der Sklave sei nicht mehr Erbe, obwohl er frei bleibe. Der favor libertatis bewirke dies in der Tat, aber er behindere nicht die Restitution des Minderjährigen. Ulpian meine, der Freigelassene bleibe sowohl Erbe als auch frei, obwohl der Minderjäh rige eine actio utilis habe.38 Nachdem er auf die ratio legis der Reskripte, nämlich auf den Zweck, dass das Vermögen nicht im Namen des Testators, sondern in dem des Sklaven ver kauft werde und dass dem Verstorbenen keine Ehrverletzung zugefügt werde, hingewiesen hat, beruft Duarenus sich auf Inst. 1,6,1 und erklärt den Inhalt des Aelisch-Sentischen Gesetzes: es verbiete die Freilas sung der Sklaven zum Zweck der Gläubigerbenachteiligung, es sei denn, ein Sklave werde nur auf Grund des Testaments freigelassen, um die Ehrverlet zung des Erblassers zu vermeiden.39 Ulpian berichte den Fall, in dem der Ersatzerbe Sklave und die Erbschaft zahlungsunfähig ist. Der vorliegende Fall sei deswegen nicht auf einen anderen Sachverhalt in erweiternder Aus legung anzuwenden. Auch Duarenus schenkt, wie Cujacius, D. 42,1,44 seine Aufmerksamkeit und vermutet, dass auch in die sem Fall die Erbschaft überschuldet sein müsse, weil sonst der Vormund als guter Verwalter für die Unmündige nicht hätte ausschlagen dürfen.40 Damit stellt er die Ähnlichkeit zwischen den zwei Stellen klar. Er meint weiter, anders als Cujacius, dass D. 38,9,2 ein ungewöhnliches Recht enthalte, denn diese lex behandelt die Reihenfolge der Blutsverwandten und bevorzugt die Staatskasse. Man könne sich deswe gen nicht der Stelle als Beleg für die Meinung bedienen, dass die zahlungs fähige Erbschaft der Staatskasse zufalle, wenn der Erbe sie ausschlage. Das am Ende der lex stehende Verb „placuit“ wird nach Ansicht des Duarenus von Juristen verwendet, wenn sie keinen festen Grund finden können und sich schlicht auf irgend eine Autorität berufen.41 Dar über hinaus stamme diese lex aus Papinians Responsa. Die Rechtsgutachten gelten zwar wie ein 1585, fol. 132vb: „[2] Tertio nota quod beneficium praetoris non facit quem here dem directo. [3] Item nota quod qui semel heres, non desinit esse heres directo.“ 38 Duarenus (o. Fn. 36) col. 507–507b. Cap. X. De effectu substitutionis vulgaris. 39 Giovanni Rotondi, Leges publicae populi romani, Milano 1912 (Ndr. Hildes heim 1990), 455–456; Gai. 1,37, UE 1,15. R. Leonhard, s. v. Lex Aelia Sentia, in: Paulys Real-Encyclopädie 12, Stuttgart 1925, col. 2321–2322; Voci (o. Fn. 16) II, Milano 1963, 132 und 791. 40 Duarenus (o. Fn. 36) fol. 511b. 41 Duarenus (o. Fn. 36) col. 512a. Vgl. P. G. W. Glare (ed.), OLD, Oxford 2012, s. v. placeo, 5: „(esp. in pf. or historic tenses, often impersonally) b. of decisions by the Senates or other authorities.“ Heumann / Seckel, Handlexikon zu den Quellen des
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Gesetz, können aber nicht in gleicher Weise wie ius commune ausgedehnt werden.42 So schließt Duarenus D. 38,9,2 als Beleg für die Interpretation von D. 4,4,7,10 aus, und zwar mit der sorgfältigen Diffe ren zie rung der Natur der jeweiligen Quellen. Er beschränkt damit deutlich die Möglichkeit der Wirksamkeit der Ersatzerbschaft. Duarenus schreibt seine Auslegung von D. 4,4,7,10 auch im Rahmen des Kommentars zu C. 2,38: Er weist auf C. 6,26,5 hin, um den Grundsatz zu be stä ti gen, dass die Ersatzerbschaft für nicht Unmündige, also auch für nicht mehr unmündige Minderjährige ausfalle. C. 6,26,5 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Hadriano Nach dem Antritt der Erbschaft pflegen Er Post aditam hereditatem directae substitutiones non impuberibus filiis satzerbschaften zu erlöschen, mit Ausnahme factae expirare solent. derer, die für unmündige Söhne verfügt wurden. PP. X. k. Iun. ipsis IIII et III AA. cons. Bekanntgemacht am 23. Mai 290.
Duarenus weist darauf hin, dass die Kaiser am Ende „solent“ sagten, das darauf hindeute, dass es Fälle gebe, in denen die Ersatzerbschaft nicht erlö sche. D. 4,4,7,10 behan dele einen solchen Ausnahmsfall bei der zah lungsunfähigen Erbschaft. Duarenus ist der Meinung, dass im vorliegenden Fall über die Rechtsstel lung des Substituten eines Hauserben bei der überschuldeten Erbschaft ent schieden wurde, dass nämlich die Substitution gültig sei, weil man es so ansah, als ob die Erbschaft infolge der Restitution niemals angetreten wor den sei. Was der Erbe tat, das werde als Akt eines Nachlassverwalters an gesehen; dieser Akt sei des halb anfechtbar.43 Duaren hat zwar einmal geschrieben, dass der Prätor keine Erben machen könne, aber hier nahm er infolge der kaiserlichen Konstitution ohne weiteres eine solche Fiktion an. 5. Faber Anton Faber (Antoine Favre 1557–1624) beginnt das Buch 3, Titel 4 seines Hauptwerkes Conjecturae iuris civilis mit der Beobachtung, dass auf die Frage, ob die Ersatzerbschaft mit dem Antritt der Erbschaft des Erben völlig erlischt oder durch die Restitionen gültig wird, wahrscheinlich jede römischen Rechts, Graz 197111, s. v. placere: „… placebat, placuit (Ansicht, die sich durchgesetzt hat, jetzt unbestritten ist), von Aussprüchen der Juristen gesagt.“ 42 Duarenus (o. Fn. 36) col. 512b. 43 Duarenus, Commentarii in tit. XL. lib. II. Cod. Si ut omissam haereditatem vel bonorum possessionem, vel quid aliud acquirat [C. 2. 39], Opera (o. Fn. 36) col. 145a.
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Antwort, ja oder nein, gege ben werden kann.44 Faber selbst spricht sich zwar für die Gültigkeit der Ersatzerbschaft nach der Restitu tion aus. Er kritisiert freilich die grundlos ausdehnende Anwendung der kaiserlichen Reskripte in D. 4,4,7,10, weil diese lex ungewöhnliches Recht ist.45 Er kennt zwar sowohl C. 6,26,5, wo das Erlöschen der Substitution nach An tritt der Erbschaft festgestellt wird, als auch die Regel „einmal Erbe immer Erbe“ auf Grund von D. 28,5,89. Aber er abstrahiert einen neuen Begriff „nudum heredis nomen gerere“ hinsichtlich des Erben, der einmal die Erb schaft angetreten und danach ausge schlagen hat, um seine Mei nung zu rechtfertigen.46 Die von Faber gebrauchte Differenzierung zwischen Hauserbe und Außen erbe ist auch nicht besonders neu. Aber anders als Cujacius betont er den wahrscheinlichen Willen des Erblassers, die Substitution wirksam zu erhal ten, d. h. den Ersatzerben nach der Restitution dem Fiskus und sogar den gesetzlichen Erben vorzuziehen. Das rechtfertige die Wirkung der Ersatzerb schaft.47 Auch Faber weist auf D. 42,1,44 hin und sagt, dass die Ersatzerb schaft nicht in der Weise erlischt, dass sie auch nach der Ausschlagung nie wirksam wird, nachdem der Unmündige sich einmal in die Erbschaft einge mischt hat.48 In Bezug auf die lex D. 4,4,7,10, die seiner Meinung zu wi dersprechen scheint, bezeichnet er als einen Sonderfall, wenn der Ersatzerbe Sklave ist, der keine testamenti factio hat. Diese lex als Sonderregel sei dementsprechend nicht bei einer nor malen substitutio vulgaris anzuwen den.49 So hat Faber sein eigenes Prinzip aufgestellt.
44 Antonius Faber, Conjecturae iuris civilis, Coloniae allobrogum 1630, lib. 3. tit. 4. fol. 60a [pr.]. 45 Faber (o. Fn. 44) fol. 60a: „[1] Bartolus convalescere credidit … Qua excep tione Bartolus in suae sententiae confirmationem abutitur.“ 46 Er führt auch D. 29,2,57 als Argument an, was Cujacius schon getan hat, wie wir gesehen haben. Faber (o. Fn. 44) fol. 60b–61a [2]. Zu Cujacius, o. Fn. 28. 47 Faber (o. Fn. 44) fol. 61a [3]. 48 Faber (o. Fn. 44) fol. 61a [3]. 49 Faber erklärt weiter, wie folgt: Es bestehe ein Unterschied zwischen der gesetzli chen und testamentarischen Erbfolge. Auch D. 38,9,2 sei deswegen nicht anwendbar. Das Gesetz oder der Prätor könnte damit zufrieden sein, dass der einge setzte Erbe einmal die Erbschaft antritt, auch wenn dies nach der Restitution ohne Wirkung ist, während der Testator damit nicht zufrieden gestellt wird. Der Wille des Erblassers sei viel mehr, dass der Substi tute Erbe werde, falls der ersteingesetzte Erbe nur mit seinem Namen, d. h. ohne Auswirkung, Erbe bleibt. Faber teilt zwar die herrschende Meinung, aber er hebt als Argument den Willen des Erblassers her vor. Faber (o. Fn. 44) fol. 62a [11].
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6. Vinnius und Chesius a) Vinnius Arnoldus Vinnius (1588–1657) bringt in seinen Selectae quaestiones iuris unser Thema zur klaren Darstellung.50 Er unterscheidet zunächst die Bedin gung für den Ersatzerben „Si heres non erit“ bei einer substitutio vulgaris, je nachdem der Erbe Außenerbe, Hauserbe oder Zwangserbe ist. Umstritten sei die Bedingung bei der Ersatzerbschaft für einen Sohn als Hauserbe und damit Zwangs erbe. Vinnius analysiert die Bedingung „si heres esse non poterit“ beim Hauserben. Diese Kondition bedeute zweierlei: „wenn er vor dem Tod seines Vaters verstorben ist“ oder „wenn er die Erbschaft seines Vaters deswegen ausschlägt, weil er sich in das erbschaftliche Vermögen nicht einmischen will“. Vinnius ist der Meinung, dass, obwohl der Hauserbe ipso iure Erbe werde, nicht das schlichte Vorhandensein des Hauserben, sondern seine Einmischung in die Erbschaft die Berufung eines Ersatzerben verhindere. Damit kann er hinsichtlich des Hauserben äußern, dass römische Juristen bestritten, der Sohn, der sich der Erbschaft enthalte, sei in der Tat einmal Erbe.51 Das kann man gut mit der Unmündigen in D. 42,1,44, die sich mit der Einlassung auf die Klage in die Erbschaft eingemischt hat, in Harmonie bringen. b) Chesius Bartolomeus Chesius (Bartolomeo Chesi, 1605–1680) gibt auch eine Wi derlegung gegenüber dem Lösungsvorschlag des Cujacius und bietet eine bemerkenswerte Leistung der Interpretationsgeschichte.52 Er stellt grob die auf Grund von D. 42,1,44 von Cujacius (Observationes et emendationes, lib. 12, tit. 20) und von Faber (Conjecturae, lib. 3, tit. 4) vertretene Ansicht als herrschende vor, dass der Ersatzerbe als Zwangserbe die Erbschaft an trete, wenn der Hauserbe die Erbschaft ausgeschlagen habe. Er lehnt sie ab, indem er die Paraphrasis des Theophilus heranzieht.53 Er zitiert zwar keine 50 Arnoldus Vinnius, Selectae quaestiones iuris, Ludg. Bat. 1660, lib. 2. cap. 23, 407–412. 51 Vinnius (o. Fn. 50) col. 407. 52 Bartolomaeus Chesius, Interpretationes iuris lib. II, in: Iurisprudentia romana et attica, tom. II, Lugduni Batavorum 1739, lib.2.cap.21. Übrigens versucht Heinec cius eine Bibliografie von Chesius in der praefatio in dieser Iurisprudentia zu geben: [fol. I] „… De Bartolomeo Chesio, qui omnium paene biographorum notitiam fugit, nihil aliud compertum habeo, quam illum circa medium saeculum superius Pisis iura docuisset, vitam ad annum saltem MDCLXX produxisse, quippe qui quinquennio ante doctissimum illud Differentiarum opus in lucen edidit.“ 53 Chesius (o. Fn. 52) col. 449 [2].
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konkrete Stelle, aber es muss Inst. 2,16 pr. sein. Hier soll die Stelle auch mit einer lateinischen Fas sung der humanistischen Zeit, der von Fabrot, wiedergegeben werden.54 Paraphr. Theoph. 2,16 pr. … ¢ll’ ™pˆ m7n ™xwtikoà ™n pollo‹v qšmasi dÚnatai cèran labe‹n À Úpoka t£ s[t]asiv, oŒon, ™¦n Ð „nstitoàtov [insti tûtos] proteleut»s6 toà test£twrov [te státoros], À þepoudia teÚs6 [repudiateús6] t¾n klh ronom…an [À] ØpÕ a†resin gra fšn tov aÙtoà, ¢ton»s6 ¹ a†resiv. ™pˆ d7 toà uƒoà [™n] ˜nˆ mÒn0 qšmati cèra g…netai tÍ Øpokatas[t]£sei, oŒon ™¦n teleut»s6 Ð ØpexoÚsiov prÕ toà o„ke…ou pa trÕv [kaˆ toà] toà kaˆ dia qe mš nou. e„ g¦r [kaˆ] teleu t»s6 Ð pa t¾r prÕ toà pai dÒv, oÙ cèra g…netai tÍ Øpokatast£sei: ¢nafa… netai g¦r eÙqšwv klh ronÒ mov tù pa trˆ kaˆ oÙd7 e„ ¢bsti nateÚs6 [abstinateus6] ˜autÕn ¢pot…qetai tÕ ¢sèmaton Ônoma. tÕ g¦r ¢sèmaton Ônoma tÁv klhronom…av 9pax ™m pagšn tini dus cerîv ™f’ ›teron metšrcetai.
… Sed in extraneo quidem multis casibus accidit, ut substitutio lo cum habeat. Quod genus fuerit, si institutus ante testatorem decedat: [si] re pu diet, aut omit tat hereditatem: aut si sub conditione eo insti tuto con ditio non exi stat. In filio ve ro, uno dun ta xat casu locus fit substitutioni: videlicet, si filius familias ante pa trem testan tem de ce dat: Nam si pater ante filium decedat, substitutioni non fit locus: Ille enim statim patri heres existit, neque se abstinendo nomen heredis deponit. Nam here dis nomen semel alicui par tum, difficulter ad alium transfertur.
Theophilus äußert deutlich, dass die Ersatzerbschaft für einen Haussohn nur wirksam ist, wenn der eingesetzte Sohn vor dem Erblasser gestorben ist. Auch wenn der Testator unter der Bedingung, „falls der eingesetzte Erbe nicht Erbe wird“, auch den Fall, in dem der Erbe nicht „mit Wirkung (cum effectu)“ Erbe ist, versteht und er die Ersatzerbschaft nur dann ausschließen will, wenn der Erbe mit Wirkung Erbe wird, reicht nach der Meinung des Chesius der Wille des Erblassers nicht aus, den Ersatzerben zum Erben zu machen, weil der Testator seinen Willen nur im Rahmen der Rechtsordnung verwirklichen kann. Diese Meinung scheint der von Faber zu widerspre chen. Der Erbe, sei es der Hauserbe, der ipso iure Erbe wird, sei es der Außenerbe, der nur durch seine Willenserklärung Erbe wird, lässt mit sei nem einmaligen Erb schaftsantritt auf jeden Fall die Ersatzerbschaft erlö schen.55 Chesius zieht das Reskript C. 6,26,5 hinzu, auf das sich auch Du 54 Carolus Annival Fabrotus, QEOFILOU TOU ANTIKHNSWROS INSTI TOUTWN BIBLIA D, Parisiis 16572, 280–281. Vgl. die Editio princeps von Viglius Zuichemus, INSTITOUTA QEOFILOU ANTIKHNSWROS, Basileae 1534,108 (nur griechisch) und J. H. A. Lokin u. a. (ed. with a translation by A. F. Murison), Theo phili antecessoris paraphrasis institutionum, Groningen 2010, als die moderne kriti sche Ausgabe, 354,5–15; 355. Zur Geschichte der Editionen, xxxvii–xliii. 55 Chesius (o. Fn. 52) col. 450 [5] und [10].
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arenus berufen hatte. Und er liest D. 42,1,44 dazu, und zwar nimmt er den Sachverhalt des Textes in sehr subtiler Weise wie folgt an: Der Ersatzerbe ersetze hier nicht den Unmündigen, sondern den Miterben des unmündigen Außenerben. Der Anteil der Erb schaft komme dem Miterben durch An wachsungsrecht zu, wenn der Miterbe schon die Erbschaft angetreten habe, oder dem Ersatzerben des Miterben, wenn dieser ausgeschlagen habe. Mit dieser Auslegung des Textes kriti siert Che sius die herr schende Meinung, dass die substitutio des Hauserben wirksam sei. 7. De Retes und von Cocceji a) De Retes Wir begegnen einem weiteren Juristen, der sich mit der Auslegung von D. 4,4,7,10 beschäftigt, Josephus Fernandez de Retes, dessen Werk Inter pretationes iuris in Meermans Thesaurus kompiliert worden ist. Er kon zentriert sich im Buch 2, Titel 10 auf die zwei Reskripte der Kaiser Pius und Caracalla von D. 4,4,7,10.56 Er ist nicht davon überzeugt, dass Papinian so gewichtige Reskripte igno riert oder übersehen hätte. Er vermutet, dass der Rechtsbehelf des ersten Reskripts von Pius irgendwann außer Gebrauch gekommen sei, und dass Kaiser Caracalla dann mit seinem Reskript wieder dasselbe befohlen habe, was Kaiser Pius einst reskribiert hatte. Das zweite Reskript des Helioga balus oder des Alexander müsse erlassen worden sein, nachdem Papinian sein Gutachten abgegeben hatte und vom Kaiser durch das Beil hingerichtet worden war, wie Lampidius berichtet.57 De Retes erkennt auch den Unterschied zwischen dem unmündigen Haus erben, der mit seinem eigenen Recht, d. h. der abstinendi potestas, die Erb schaft ausschlägt, und dem Außenerben, der mit prätorischer Beihilfe aus schlägt, und zieht, wie Cujacius, D. 29,2,11 hinzu.58
56 Josephus Fernandez de Retes, Miscellaneus, cap. 10, Defensio Papiniani ab impugnatione Ulpiani, et observatio ad d. l. ait Praetor 7. §. Sed quod Papinianus [D. 4,4,7,10], in: Gerardus Meerman, Novus Thesaurus Iuris civilis et canonici, tom. VI, Hagae-Comitum 1752, fol. 49a-51b. 57 De Retes (o. Fn. 56) fol. 51a [6]. 58 De Retes (o. Fn. 56) col. 51a [8].
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b) von Cocceji Unter den späteren Juristen ist Samuel von Cocceji (1679–1755) unser letz ter Protagonist, der die Inter pretation des Cujacius mit Annahme der Überlegungsfrist aufnahm, obwohl er ihn nicht direkt zitierte.59 Er ist auch derjenige, der Papinian verteidigt. Der Fall, in dem Ulpian die Meinung des Papinian korrigiert hat, sei ein ungewöhnlicher Fall.60 Und Cocceji führt die Argumentation des Cujacius weiter und zieht daraus den Schluss, dass die Tochter, die sich innerhalb der Überlegungsfrist auf die Klage des Gläubi gers ein lässt, nicht als Erbin, sondern als Verwalterin der Erbschaft so handelt.61 Es hat sich nun ergeben, dass D. 42,1,44 hinter den unterschiedlichen Über setzungen von D. 4,4,7,10 steht. Es geht um die Frage, ob man D. 42,1,44 so verstehen kann, dass damit schon als Regel feststeht, dass der Ersatzerbe die Erb schaft antritt, wenn der Außenerbe die Erbschaft aus schlägt. Cujacius versucht, D. 42,1,44 mit der Regel semel heres semper heres in Harmonie zu bringen, und zwar mit der Annahme, dass in D. 42,1,44 das ius deliberandi statt der prätorischen Restitution ausgeübt worden sei. Diese Ansicht wurde von mehreren Juristen der späteren Generation aufge nommen. Die subtile Auslegung dieser lex durch Chesius führt dazu, dass die Substitution durch das Erbewerden des Hauserben erlischt, und das Wort „quidem“ in D. 4,4,7,10 nur „in der Tat“ oder so etwas Ähnliches bedeutet. Es ergibt nun sich, dass unser Ausgangspunkt – Pothiers Erklärung – Cuja cius folgt, aber gleichzeitig dem Theophilus treu ist: Pothier hat leider in seinen Pandectae in novum ordinem digestae keine Fußnote zu D. 42,1,44 zugefügt, wie es oben in Fn. 25 schon erwähnt wurde. In Bezug auf die Kritik von Ulpian an Papinan erlaubt unsere bisherige Beobachtung die Feststellung, dass Humanisten dazu neigten, Papinian im Verhältnis zu Ulpian in D. 4,4,7,10 zu verteidigen.62
59 Samuelis de Cocceji, Controversum iuris civilis, Pars. II, Lipsiae 1766, 285–289, lib. 28. tit. 6. quaestio 8, „Si heres minor, cui quis substitutus est, adiit quidem sed restitutus repudiavit, an substitutus succedat?“ 60 De Cocceji (o. Fn. 59) 286–287. 61 De Cocceji (o. Fn. 59) 288. 62 Zur Beurteilung Papinians durch Cujacius und moderne Romanisten vgl. vor allem Hans Ankum, Papinian, ein dunk ler Jurist?, Orbis Iuris Romani, 2, 1996, 13–21; zum Lob des Cujacius Minoru Tanaka, Bemerkungen zu Jacques Cujas’ (1522–1590) Vorlesungen zu Papinians Quaestiones, in: Tilman Repgen u. a. (Hrsg.), Der japanische Beitrag zur Rechtsgeschichte (im Druck).
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III. D. 28,5,89 1. Text und Fragen Wir wenden uns nun Gai. D. 28,5,89 zu. D. 28,5,89 Gai. sing. de cas. Ei qui solvendo non est aliquo casu evenit, ut et servus cum li bertate heres exsistat et praeterea alius he res adicia tur: veluti si ser vo cum libertate herede in stituto ita adiec tum sit: „si mihi Stichus heres erit, tunc Titius quoque heres esto“: nam Titius, antequam Sti chus ex testa mento he res exstite rit, heres esse non potest, cum autem semel heres exstiterit servus, non potest adiectus efficere, ut qui semel heres exstitit desinat heres esse.
In gewissen Fällen kommt es vor, dass ein zahlungsunfähiger Erblasser von einem zu gleich freigelassenen Sklaven beerbt wird und dass außerdem noch ein zusätzli cher Er be hinzutritt. Zum Beispiel, wenn [im Testament] zur Einsetzung eines Sklaven als Erbe bei gleichzeitiger Freilassung noch die Klausel hinzugefügt wird: „Wenn Stichus mein Erbe wird, dann soll auch Titius mein Erbe sein“. Denn Titius kann nicht Erbe werden, bevor Stichus aufgrund des Testa ments Erbe geworden ist; ist der Sklave aber einmal Erbe geworden, so kann der zusätzliche Erbe nicht bewirken, dass Sti chus, nachdem er einmal Erbe ge worden war, die Erbenstellung wieder verliert.
Auch diese Digestenstelle wird immer angeführt, um die Regel semel heres semper heres zu bestätigen, deren Sachverhalt und Rechtsfolge über haupt nicht kompliziert zu sein scheinen.63 Der Überschuldete setzt zu nächst seinen eigenen Sklaven als Zwangserben mit gleichzeitiger Freilas sung ein. Obwohl diese Frei lassung die Gläubiger des Erblassers beein trächtigt, kann nur dieser allein seinen Sklaven freilassen und ihn als Erben berufen. Dieser Herr hat außerdem noch einen weiteren Erben eingesetzt, und zwar unter der Voraussetzung: „wenn mein Sklave mein Erbe wird, dann …“ In diesem Testament kann nur der ersteingesetzte Sklave Erbe sein. Der Grund dafür liegt nach dem Text darin, dass man die Erbenstellung dieses Sklaven nicht beenden kann. Dieser Sklave wurde als Alleinerbe freigelassen, der zweite unter der Bedingung Eingesetzte kann hingegen nicht in der Lage sein, Erbe zu wer den. Auf den ersten Blick entspricht diese lex offensichtlich dem Prinzip, dass nur ein einziger Sklave freigelassen und Alleinerbe werden kann. Um so mehr liegt die Frage nahe, warum Gaius ein so offenkundiges Testament in seinem Werk erläutert hat, und zwar in seinem Einzelbuch über Rechts 63 Vgl. z. B. F. Scotti, Il testamento nel diritto romano. St. esegetici, Roma 2012, 544–545.
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fälle (de casibus), einer Literaturgattung, in der eher irgendein ungewöhn licher Fall behandelt werden sollte.64 Was in D. 28,5,89 ist eigentlich un gewöhnlich? Die Glossa adiiciatur zu dieser Stelle weist auf D. 28,5,58 als Kontrast und erklärt schon mit Recht die Voraussetzung in D. 28,5,59 „nur und erst dann, wenn der Sklave Erbe wird (demum et tunc primum cum servus erit heres)“ sowie die Unmöglichkeit, den unter dieser Bedingung eingesetzten Freien zum Erben zu machen.65 D. 28,5,58 Paul. 57 ad ed. Si is qui solvendo non est servum cum libertate heredem instituerit et liberum substituerit, ante in cipien dum erit a substituto: lex enim Aelia Sentia ita demum ei, qui in fraudem creditorum heres institutus est con servat libertatem, si nemo alius ex eo testamento heres esse potest.
Wenn jemand, der nicht zahlungsfähig ist, einen Sklaven bei gleichzeitiger Freilassung als Erben eingesetzt und für ihn einen Frei en als Ersatzerben bestimmt hat, muss man gleich mit dem Ersatzerben beginnen. Denn die Lex Aelia Sentia erhält einem Sklaven, der zum Nachteil der Gläubiger als Erbe eingesetzt ist, nur dann seine Freiheit, wenn kein anderer aufgrund des Testaments Erbe werden kann.
Hier ist der eingesetzte Erbe ein Sklave und der Ersatzerbe ist ein Freier. Der Freie muss dem Sklaven vorgezogen werden; somit tritt die umgekehrte Erbfolge ein. Paulus legt das Aelisch-Sentische Gesetz in der Weise aus, dass nach diesem Gesetz der Sklave selbst zur Benachteiligung der Gläubiger frei und Erbe sein kann, und zwar nur unter der Bedingung, dass niemand ande rer überhaupt, auch nicht ein an zweiter Stelle eingesetzter Erbe oder Ersatz erbe, Erbe sein kann (si nemo alius ex eo testamento heres esse potest). Der Vorzug des im zweiten Rang berufenen Freien scheint in diesem Kontext erhellt zu werden, weswegen man sich fragte, ob auch im Fall von D. 28,5,89 nicht der Sklave, sondern vielmehr der Freie Erbe werden konnte. 2. Cujacius Auch Cujacius erklärt D. 28,5,58 in seinen Recitationes solemnes66 als Bei spiel des Vorzugs des Ersatz erben infolge der Regelung des Aelisch64 Paul Krüger, Geschichte der Quellen und Litteratur des römischen Rechts, Mün chen und Leipzig 19122, 203, Fn. 16: Der liber de casibus stellt abnorme Rechtsfälle zusammen. 65 Gl. adiiciatur zu D. 28,5,89: „nisi demum et tunc primum cum servus erit heres. at illa locum habent, quando ab initio esset heres liber.“ 66 Cujacius, Recitationes solemnes in lib. LVII. Pauli ad edictum, ad L.LXX. de adquir. haered. [D. 29,2,70], ad §. Si vero ei [D. 28,5,58], Opera (o. Fn. 26), tom. V, col. 761–763.
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Sentischen Gesetzes. Die Bedingung „nur dann, wenn kein anderer aufgrund des Testamentes Erbe werden kann“ führt dazu, dass der Sklave weder frei noch Erbe werden kann, wenn eine andere Person, ganz gleich ob in späte rem Rang oder selbst als Ersatzerbe, im selben Testament eingesetzt gewor den ist.67 Aus dieser Erklärung des Cujacius ergibt sich, dass D. 28,5,89 von ande ren Fällen abweicht, d. h. diese lex vom Standpunkt der Römer zu den ungewöhnlichen Fällen gehört, nämlich insofern, als der im selben Testa ment als Erbe eingesetzte Freie hier von dem mit gleichzeitiger Freilassung als Erbe berufe nen Skla ven aus geschlossen wird, weil der Freie hier als Eingesetzter unter der Voraussetzung eingesetzt worden ist, dass der Sklave Erbe wird. 3. Faber Faber versucht in seinem Hauptwerk Conjecturae iuris civilis, D. 28,5,89 ausführlicher zu erklären, und zwar richtet er seine Aufmerksamkeit auf das Wort „tunc“ in dieser Stelle in „si mihi Stichus heres erit, tunc Titius quoque heres esto“:68 Wenn dieses Wort „tunc“ fehlen würde und es nur hieße „si mihi Stichus heres erit, Titius …“, so wäre, meint Faber, diese Bedingung sinnlos und würde der Ersatzerbe, ein Freier, als unbe dingt einge setzter Erbe gelten, wie wenn da stünde „Stichus soll mir Erbe sein. Titius soll mir Erbe sein.“ In diesem Fall müsste der Freie dem Titius vorgezogen werden; er schließe den Sklaven aus, weil der Sklave nur als testamentarischer Al leinerbe erben könnte. Faber zieht diesen Schluss in Analogie zu D. 12,6,18 und D. 46,2,9,1.69 Fabers Erklärung entspricht zwar Paraphr. Theoph. 2,16 pr., doch wies er darauf nicht hin.
67 Cujacius
(o. Fn. 66) col. 762. (o. Fn. 44) lib. 9. tit. 1. [15] col. 260a-260b. Als eine andere wichtige Funktion des Wortes „tunc“ wird auf die Rechtsformel des Aquilius Gallus für den Erblasserenkel in D. 28.2.29 pr. hingewisen. Mit tunc im zweiten si-Satz kann be zeichnet werden, dass der erste si-Satz die Voraussetzung des zweiten ist. Neben Faber, der auf das Wort „tunc“ in Conjecturae lib. 9. tit. 1 [14] [15] ausführlich eingeht, erklärt Johannes Altamiranus et Valesques, Commentarius ad XX. libros quaestionum Q. Scaevolae, in: Meermannus, Thesaurus iuris civilis et canonici, tom. II, Hagae-Comitum 1751, fol. 450a-463a, das Wort „tunc“ in Bezug auf D. 28,2,29 pr. kurz und treffend. Zu postumi Aquiliani, vgl. M. Kaser (o. Fn. 1) 684; Paul Frédéric Girard, Manuel élémentaire de droit romain, Paris 19298, 9082; F. Scotti (o. Fn. 63) 461–470. 69 Faber (o. Fn. 44) col. 260a–260b [15]. 68 Faber
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Faber behandelt D. 28,5,89 auch in seiner Iurisprudentiae Papinianae scientia, einem Werk mit einem so reizvollen Titel, das aber meist weder erforscht noch benutzt wird. Das Werk zeichnet sich als eine sehr klare und systema tische Darstellung von Digestenstellen nach dem Schema von Principium (Prinzip) und Illatio (Schluss) aus, die uns bessere Einsicht in einschlägige leges bringt. Es erläutert das Problem der Freilassung eines Sklaven auch zur Gläubigerbenachteiligung als Prinzip 3 im Buch 3, Titel 6 im Rah men der Frage: Unter welcher Vorausset zung kann man seinen Sklaven nicht freilassen?70 Faber führt zunächst Inst. 1,6,1 an, wo die ratio legis des Aelisch-Senti schen Gesetzes (lex Aelia Sentia) klar und deutlich dargestellt wird: Die zahlungsunfähige Erbschaft eines Römers wird im Namen seines Sklaven, der von ihm im Testament gleichzeitig freigelassen und zum Erben einge setzt wurde, verkauft, damit der Herr als Bürger keine Ehrverletzung erlei den muss.71 Das ist ein eindeutiges Prinzip.72 Faber begründet in Illatio I mit D. 28,5,43 überzeu gend,73 dass ein Sklave als Alleinerbe ausreichte, damit der Herr seine Ehre behalten konnte.74 Das berücksichtige die Abwä gung zwischen Ehrerhaltung und Gläubigerbenachteiligung.75 70 Antonius Faber, Iurisprudentiae Papinianae scientia, Coloniae Allobrogum 1631, 225–232, lib.1. tit. 6: „Quibus ex causis manumittere non lic. Principium III. de libertate danda cum hereditate uni servo, etiam in fraudem creditorum.“ 71 Faber (o. Fn. 70) 225. 72 Faber als Humanist vergisst nicht, unter Anführung einiger Digestenstellen die Mentalität oder das Ehrgefühl der Römer zu erwähnen: Weil für ehrenvolle Leu te das soziale Ansehen mit dem Leben gleichgestellt wurde, wurde es als viel ange messener betrachtet, auf dieses in Geld nicht bewertbare Ansehen Rücksicht zu nehmen als auf den in Geld bewertbaren kleineren Nachteil, den der Gläubiger in folge der Freilassung eines Sklaven erleidet. Faber (o. Fn. 70) 225–226. 73 D. 28,5,43 Iulian. 64 dig.: Qui solvendo non erat, duos Apollonios liberos heredesque esse iusserat. altero ante apertas tabulas testamenti mortuo non ineleganter defendi poterit eum qui supererit liberum et solum necessarium heredem fore. quod si uterque vivit, institutionem nullius esse momenti propter legem Aeliam Sentiam, quae amplius quam unum necessarium heredem fieri vetat. 74 Wenn zwei Sklaven gleichrangig eingesetzt werden und beide überleben, stehen sie sich gegenseitig im Wege (D. 28,5,44). Falls die Rangordnung unter meh reren Sklaven dagegen deutlich ist, wird nur der an der ersten Stelle berufene Skla ve frei; er erwirbt die Erbschaft (D. 28,5,61). Die neue deutsche Übersetzung weist in der Fußnote auf D. 28,5,56 hin. Dann erläutert Faber D. 28,5,56 und D. 28,5,58 unter Illatio II und III. Die Freilassung eines Sklaven, die eigentlich durch den Herrn auch als fideikommissarische Pflicht erfüllt werden muss, wird vorgezogen, obwohl dieser Sklave an der zweiten Stelle zum Erben eingesetzt wurde, weil er nicht zum Zweck der Gläubigerbenachteilung freigelassen wurde. Selbst der Ersatz erbe, ein Freier, wird dem im ersten Rang berufe nen Sklaven vorgezogen. Vgl. Faber (o. Fn. 70) 229: Illatio III. 75 Faber (o. Fn. 70) 231.
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In zweierlei Hinsicht betont Faber die Wichtigkeit der Freiheit in Rom: Er macht nämlich einerseits auf die ursprüngliche Testierfreiheit aufmerk sam. Eine Beschränkung der Testierfreiheit sei erst durch das Aelisch-Sen tische Gesetz eingeführt worden. Das Zwölftafelgesetz habe einem Herrn die Fähigkeit gewährt, allein aufgrund seines Willens seinen Sklaven durch Testament freizulassen.76 Faber konnte diese geschichtli che Ent wicklung beschrei ben, da er die vor justiniani schen Quel len bzw. Ulpiani Regulae 1,977 kannte. So kann er aus der historischen Entwicklung den Schluss ziehen, dass die Beschränkung auf die testamentarische Freilassung durch das Testament, die man erst durch das Aelisch-Sentische Gesetz eingeführt hat, als contra ius commune eng auszulegen ist.78 Er erläutert andererseits die Rechtsstellung eines an der ersten Stelle eingesetzten Sklaven, der zum Zweck der Gläubiger be nachteiligung freigelas sen wurde.79 Der Sklave kann erst frei und Erbe werden, wenn der Freie als Ersatzerbe die Erbschaft ausschlägt. Faber betrachtet den Sklaven als statuliber: Dieser Sklave, der gegen die lex Aelia Sentia freigelassen wurde, kann seine Freiheit völlig erwer ben, wenn die actio Pauliana ver jährt ist. Er gibt dabei als Grund dafür an, dass die Anfechtung der Freiheit odiosa sei;80 es geht dabei um den favor libertatis. Faber legt in zweierlei Hinsicht großen Wert auf die Freiheit. So dürfte die Freiheitsliebe ein Charakteristikum Fabers sein.81 76 Faber
(o. Fn. 70) 231. Notae ad Ulpiani tituli ex corpore XXIX, (o. Fn. 26) tom. I, col. 305. Als eine Ausgabe der humanistischen Zeit sei zitiert Georgius Henricus Ayrer, Jurisprudentia vetus ante iustinianea, Lipsiae 1737, 56434; UE 1,9, FIRA II, Florentiae 1940, 263: Ut testamento manumissi liberi sint, lex duodecim tabularum facit, quae confir mat [quod datum lega tum est] [ea quae testator de suis rebus disposuerit]. 78 Faber (o. Fn. 70) 231: Illatio III. 79 Faber weist auf D. 40,7,1,1 pr. hin. 80 Faber (o. Fn. 70) 231. Zu leges odiosae vgl. Jan Schröder, Auslegung von Ausnahmegesetzen in der frühen Neuzeit, in: Thomas Finkenauer u. a. (Hrsg.), Jan Schröder, Rechtswissenschaft in der Neuzeit, Ausgewählte Aufsätze 1976–2009, 129–142 (zuerst in: Karl-Hermann Kästner u. a. (Hrsg.), FS Martin Heckel zum 70. Geburtstag, Tübingen 1999, 615–629), was in japanischer Übersetzung veröf fentlicht werden wird (in Vorbereitung). 81 Die Hervorhebung der Freiheit bei Faber kann auch in seiner Erläuterung der condemnatio pecuniaria beobachtet werden; Faber, De erroribus pragmaticorum et interpretum iuris, quarta et postrema pars, Coloniae Allobrogum 1615, Decad 85 Error 4, 346. Er schreibt eindrucksvoller wie folgt: „Quare nec male quis dixerit necessitatem habere eundi Romam eum qui tibi promisit se pro te iturum Romam. Neque tamen ideo quisquam bene negauerit liberari eum posse ne pro te Romam ire cogatur praecise si quicquid ex ea causa interest tua, praestare malit. Nam nec flag ris et verberibus aut aliis tormentis etiamsi maxime id tibi liceret, assequi unquam posses ut Romam invitus iret si ire nollet, Nimirum tam liberum homini est natura ut velit aut nolit, quam necesse est ut homo sit, adeoque tametsi servus proponatur.“ 77 Cujacius,
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Schließlich analysiert er (unter Illatio IV) D. 28,5,89. Faber hält diese lex für einen neuen und von der Regel abweichenden Fall (novus et singularis casus). Er hält das Wort „tunc“ für wichtig, wie er in Conjecturae erklärt. Und der Satz semel heres semper heres spiele gewöhnlich eine Rolle dafür, dass ein einmal Erbe gewordener Sklave die Allein erbenstellung behalte. Diese Regel sei selbst durch ein Gesetz nicht aufzuheben.82 Was die Auslegung der Bedingung an sich in D. 28,5,89 anbelangt, so hatte schon die Glosse in der Tat „quia liber non est heres, nisi demum et tunc primum cum servus erit heres“ richtig erklärt, wie wir gesehen ha ben.83 Faber ver suchte aber, die auf den ersten Blick eindeutige ulpiani sche Stelle im Zusammenhang mit anderen Digestenstellen in sowohl histo risch als auch systematisch treffender Reihenfolge zu erklären, damit man die Frage beantworten kann, warum Ulpian dieses Testament mit bedingter Erbeinsetzung in seinem Werk über Sonderfälle erläutert hat.84 IV. Schlussbemerkungen Die zur Regel semel heres semper heres angeführten beiden Digestenstel len beschäftigen sich nicht damit, was moderne Lehrbücher bei dieser Regel zu erläutern pflegen. Die Humanisten bemühten sich, die Sachverhalte und Rechtsfolgen der einschlägigen leges präziser zu verstehen, das Hauptinter esse der jeweiligen Juristen richtiger zu erfassen und die Ergebnisse deut licher und aufschlussreicher zu präsentieren, anstatt sich damit zufrieden zu geben, nur verwendbare Regeln von allgemeinerer Geltung aus den Texten herauszuziehen. Die beiden Stellen führten Humanisten zu subtilen Fragen nach der Bedeutung von Ausdrücken wie „quidem in extraneo pupillo“ in D. 4,7,7,10 Ich habe darauf einmal hingewiesen. Minoru Tanaka, Thomasius, in: Kinsei Kindai Yoroppa No Hogakusha Tachi – Gratianus Kara Carl Schmitt Made (Europäische Juristen in der Neuzeit – von Gratian bis Karl Schmidt), Aritsune Katsuta u. a. (Hrsg.), Minerva Verlag 2008, Kap. 12, 202–203. 82 Faber (o. Fn. 70) 231–232: Illatio IV. Faber führt den Beweis dafür, dass nicht einmal ein Senatsbeschluss die Erbeinsetzung ändern kann, z. B. das Senatus consultum Trebellianum. 83 Vgl. o. Fn. 65. 84 Ein späterer deutscher Humanist, Johann Gottlieb Heineccius, versucht in seiner humanistischen Abhandlung, das Aelisch-Sentische Gesetz zu rekonstruieren. Er betont die Notwendigkeit der antiquarischen Kenntnisse, um die ratio legis rich tig zu verste hen, und zitiert z. B. Dionysios von Halicarnassos, ohne jedoch die Auslegungsdiskussion oder das Auslegungsresultat der Humanisten wiederzugeben: Johannes Gottlieb Heineccius, Antiquitatum romanarum iurisprudentiam illustranti um syntagma, Leovardiae et Franesquerae 1777, 82–86.
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oder „si …, tunc …“ in D. 28,5,89. Wie man den ersten Ausdruck „quidem …“ übersetzen soll, hängt traditionell davon ab, wie man D. 42,1,44 verstehen kann, nämlich ob diese Stelle als Beleg für die Gültigkeit der Substitution nach einem Hauserben dienen kann. Wenn man den zweiten Ausdruck ohne „tunc“ anders verstehen soll als mit „tunc“, so ist die Stelle eindeutiger als abweichendes Recht zu betrachten. Die Glossatoren waren zwar schon in der Lage, scharfsinnige Hinweise zu Digestenstellen zu geben. Es ist aber erst den Humanisten gelungen (abhängig davon, welcher von ihnen eine richtige Lösung der jeweili gen Fragen fand), Ausle gungsinstrumente zu entwickeln, wie den Dualismus zwischen ius civile und ius praetorium und zwischen ius commune und ius singulare oder die Differenzierung der Rechtsquellen- oder Literaturgattun gen, mit denen sich lakoni sche Mitteilungen der römischen Juristen ent schlüsseln und Erkenntnisse sowohl der Struktur als auch der Wertvorstel lungen des römischen Rechts vertiefen lassen. Diese reichen Früchte der Digestenauslegung dürften wertvoller und nachhaltiger für die zukünftige Dogmatik sein als einzelne Dogmen oder Regeln aus dem römischen Recht.85
85 Friedlich Carl von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, Berlin 1840, § 3, S. 6: „Die folgende Bemerkung könnte auch für das gemeine Recht in der Neuzeit gelten, obwohl dieses auch Verständniss des reinen römischen Rechts verfehlen könnte: Insbesondere wird aber Manches aufzunehmen seyn, was zu den gemeinsamen Grundlehren eines jeden positiven Rechts gehört, also dem Römischen Recht nicht gerade eigenthümlich ist. Für diese Aufnahme spricht nicht blos der bisherige Gebrauch, … sondern vorzüglich die Rücksicht, daß das Römische Recht durch seine Schicksale mehr als jedes andere positive Recht einen allgemeinen Cha racter ange nommen hat, welcher sich zu einer befriedigenden Behandlung jener Grundlehren vorzugsweise eignet.“
Zum Verzicht auf das Widerrufsrecht bei der Schenkung von Todes wegen Von Norio Tanaka I. Fragestellung Nach dem Minpo, dem japanischen ZGB, kann eine mündlich vereinbarte Schen kung widerrufen werden, solange die Leistung noch nicht bewirkt ist.1 Eine schriftlich vereinbarte Schenkung kann dagegen nicht mehr widerrufen werden. Es ist in Japan streitig, ob die schriftlich vereinbarte Schenkung von Todes wegen willkürlich widerrufen werden kann. Art. 554 (Schenkung von Todes wegen) Minpo lautet:2 „Auf Schenkungen, die durch den Tod des Schen kers aufschiebend bedingt sind, finden die für Vermächtnisse geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung.“ Nach der Rechtsprechung des OGH3 findet Art. 1022 (Widerruf des Testaments) 1 Art. 549 Minpo (Schenkung): „Die Schenkung wird wirksam, wenn eine Par tei den Willen erklärt, einen Teil ihres Vermögens der anderen Partei unentgeltlich zuzuwenden, und wenn die andere Partei annimmt.“ Art. 550 Minpo (Fehlen der Schriftform): „Eine nicht schriftlich vereinbarte Schenkung kann von beiden Parteien widerrufen werden, solange die Leistung noch nicht bewirkt ist.“ 2 Die Übersetzung des Minpo in diesem Aufsatz ist aus Akira Ishikawa / Ingo Leetsch, Das japanische BGB in deutscher Sprache, Köln u. a. 1985, zitiert. Im Jahr 2004 hat die Modernisierung der Schreibweise des Minpo stattgefunden, aber die Inhalte der hier zitierten Artikel wurden fast nicht geändert. 3 OGH, Urteil vom 25. Mai 1972, Minshu Bd. 26, Nr. 4, 805. In diesem Fall hat ein Ehemann seiner Frau eine Schenkung von Todes wegen schriftlich gemacht. Das Eheverhältnis ist aber schlecht geworden. Der Mann wollte nach Art. 754 Min po den Ver trag anfechten. Der OGH erkannte die Anfechtung nicht an, weil die Ehe schon schlecht geworden war und der Vertrag nicht „während der Ehe“ angefochten worden war. Der OGH erkannte aber den Widerruf nach Artt. 554, 1022 Minpo an. Das Minpo kennt keinen Widerruf wegen groben Undanks. Art. 754 Minpo (Anfechtung von Verträgen zwischen Ehegatten): „Ein zwischen Ehegatten abgeschlossener Vertrag kann unbeschadet der Rechte Dritter während der Ehe jederzeit von einem der Ehegatten angefochten werden.“ OGH, Urteil vom 24. Jan. 1983, Minshu Bd. 37, Nr. 1, 21 erkannte aber unter bestimmten Umständen die Schenkung von Todes wegen an, bei der der Schenker kein willkürliches Widerrufsrecht hat. In diesem Fall wurde die Schenkung von Todes wegen durch einen gerichtlichen Vergleich vereinbart.
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Minpo4 auf die Schen kung von Todes wegen entsprechende Anwendung, und der Schenker kann die Schenkung von Todes wegen jederzeit widerru fen, weil der letzte Wille des Schen kers berücksichtigt werden soll. Das Formbedürfnis gelte aber dabei nicht. Nach der Rechtsprechung kann der Schenker die Schenkung von Todes wegen, an ders als ein Vermächtnis, ohne bestimmte Form widerrufen. Einige Stimmen in der Literatur5 sind gegen das willkürliche Widerrufs recht des Schenkers, weil die Schenkung von Todes wegen ein Vertrag sei. Nach dieser Meinung soll eine Schenkung mit willkürlichem Widerrufsrecht und der Bedingung des Vorversterbens des Schenkers eine eigentliche Schen kung von Todes wegen sein. Diese eigentliche Schenkung von Todes wegen sei eine Art von Vermächtnis, und auf sie sollten alle für Vermächtnisse gel tenden Bestim mungen einschließlich des Formbedürfnisses entsprechende Anwendung finden.6 Der Schenker könne die eigentliche Schenkung von To des wegen nur als ein Vermächtnis machen und willkürlich widerrufen. Die Schenkung von Todes wegen im Sinn von Art. 554 Minpo sei dagegen nicht eine eigentliche Schenkung von Todes wegen, sondern eine Schenkung unter Lebenden, die erst beim Tode des Schenkers fällig oder durch das Vorverster ben des Schenkers bedingt sei. Der Schenker habe deshalb kein willkürliches Widerrufsrecht. Nach dieser Meinung kann die schriftlich vereinbarte Schen kung von Todes wegen nicht widerrufen werden. Ich möchte hier die Frage stellen, ob die Schenkung von Todes wegen eine Schenkung unter Lebenden ist, wenn der Schenker auf das willkürliche Wi derrufsrecht verzichtet. Nach Art. 1026 (Kein Verzicht auf Widerrufs 4 Art. 1022 Minpo (Widerruf durch Testament): „Ein Testament kann vom Erb lasser jederzeit durch Testament ganz oder teilweise widerrufen werden.“ 5 Kaoru Yunoki / Takio Takagi (Hrsg.), Shinban Chushaku Minpo (Kommentar zum Zivilrecht, Neue Auflage) Bd. 14, Yuhikaku 1996, 73 (K. Yunoki / Tadaki Ma tsukawa); Sakae Wagatsuma, Saiken Kakuron (Schuldrecht, Besonderer Teil), Chu-1, Iwanami Shoten 1968, 237. Nach dieser Meinung wird zwischen der Schenkung, deren Wirkung erst mit dem Tod des Schenkers eintritt, und der Schenkung, die im To desfall fällig oder durch den früheren Tod des Schenkers bedingt wird, unter schieden. Die erstere sei eine Art von Vermächtnis, während die letztere eine Schen kung unter Lebenden sei. Nach den Verfassern des geltenden Minpo seien die Vor schriften über die Schenkungen unter Lebenden (Art. 549 ff. Minpo) auf die Schen kung nicht anzuwenden, deren Wirkung erst mit dem Tod des Schenkers eintritt. Die Vorschriften über das Vermächtnis einschließlich des Formbedürfnisses seien auf sie anzuwenden. Vgl. Saburo Kurusu, Keiyakuho (Vertragsrecht), Yuhikaku 1983, 227. Die Ände rung von Art. 554 Minpo wurde heutzutage von Hosei Shingikai Minpo (Saikenkankei) Bukai („Untergruppe für Bürgerliches Recht [Obligationen] beim Gesetzgebenden Rat des Justizministeriums“) vorgeschlagen und diskutiert: http: / / www.moj.go.jp / content / 000053608.pdf. 6 Art. 960 Minpo (Formzwang): „Ein Testament kann nur in den in diesem Gesetz bestimmten Formen errichtet werden.“
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recht) Minpo kann der Erblasser auf das Recht zum Widerruf des Testaments nicht verzichten. Nach der oben genannten Meinung in der Literatur kann der Schenker auf das willkürliche Widerrufsrecht nicht verzichten, wenn die Schenkung von Todes wegen eine eigentliche Schenkung von Todes wegen, d. h. ein Art von Vermächtnis, ist. Wenn die Schenkung aber keine eigent liche Schenkung von Todes wegen ist, soll die Schenkung eine Schenkung unter Lebenden sein und der Schenker gar kein willkürliches Widerrufsrecht haben. Nach der Rechtsprechung des OGH kann dagegen der Schenker die Schenkung von Todes wegen willkürlich widerrufen. Es ist die Frage, ob die Schen kung von To des wegen nicht eine Schenkung unter Lebenden, sondern noch eine Schenkung von Todes wegen ist, auch wenn der Schen ker kein willkürli ches Widerrufsrecht hat. Was ist also der Unterschied zwischen einer Schen kung von Todes wegen und einer Schenkung unter Lebenden? II. Mortis causa donatio und Widerruf 1. Verzicht auf das willkürliche Widerrufsrecht Nach römischem Recht kann die donatio mortis causa in der Regel wi derrufen werden7. Die donatio mortis causa kann nach I. 2,7,1 unter drei Bedingungen vorgenommen werden: sin autem supervixisset qui donavit, reciperet, vel si eum donationis paenituisset, aut prior decesserit is cui donatum sit. Institutiones 2,7 (De donationibus), 18 Mortis causa donatio est, quae propter mortis fit suspicionem, cum quis ita donat, ut, si quid humanitus ei contigisset, haberet is qui acce pit: s i n a u t e m s up e rv i x i s s e t q u i d o n a v i t , r e ci peret, vel s i e u m d o n a t i o n i s p a e n i t u i s s e t , a u t p r i o r d e ce s se r i t i s cui do n a t u m s i t . hae mortis causa donationes ad exemplum
Eine Schenkung von Todes wegen ist eine solche, die in Erwartung des Todes erfolgt. Bei ihr schenkt jemand in der Weise, daß, falls ihn des Menschen Schicksal ereilt, der Empfänger das Geschenkte behalten soll, daß d e r S c h e n k e r e s a b e r z u r ü c k b e k o m m e n s o l l , f a l l s e r ü b e r l e b t o d e r falls ihn die Schenk ung reut oder d e r B e s c h e n k t e v o r i h m s t i r b t . Die se Schenkungen von Todes wegen sind
7 Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 2005, Rn. 79.4; D. 39,6,16; eod. 30; I. 2,7,1; Paul. sent. 3,7,2. Über die Klassizität des Reuerechts siehe David Rüger, Die donatio mortis causa im klassischen römischen Recht, Ber lin 2011, 221 ff. 8 Der Text und die Übersetzung sind aus Okko Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis, Die Institutionen, Heidelberg 1993, zitiert. In diesem Aufsatz wurden die Sperrungen von mir vorgenommen.
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legatorum redactae sunt per omnia. nam cum pruden tibus ambiguum fue rat, utrum do na tionis an legati instar eam opti nere opor teret, et utriusque causae quae dam habebat insignia et alii ad aliud genus eam retrahebant: a nobis constitutum est, ut per omnia fere legatis connume retur et sic pro cedat, quemadmo dum eam nostra formavit constitu tio. et in summa mortis causa dona tio est, cum magis se quis velit ha bere, quam eum cui donatur, magisque eum cui donat, quam he redem suum. sic et apud Homerum Telemachus donat Piraeo.
ganz nach dem Muster der Vermächtnisse geregelt worden. Denn da es den Rechtsge lehrten zweifelhaft war, ob man sie einer Schenkung oder einem Ver mächtnis gleich stellen müsse, und da sie Merkmale von bei den Rechtsverhält nissen aufwiesen und die einen sie dieser, die anderen sie jener Art zu ordneten, haben wir bestimmt, daß sie in fast jeder Hinsicht zu den Vermächtnissen gezählt werden und so ablaufen, wie unsere Kon stitution sie ausgestaltet hat. Kurz gesagt liegt eine Schenkung von Todes wegen dann vor, wenn jemand etwas lieber bei sich als bei dem Beschenkten hätte und lieber bei dem Beschenkten als bei seinem Erben. So schenkt auch bei Homer Telemach dem Piräus.
Nach Friedrich Carl von Savigny kann der Schenker auf das willkürliche Widerrufsrecht besonders verzichten.9 Dort sind die folgenden Stellen zi tiert: D. 39,6,13,1, eod. 35,4 und Nov. 87 praef. und caput 1. D. 39,6 (De mortis causa donationibus MARCELLUS notat: in (1)m o rt i s c a u s a (w) 11 donationibus etiam facti quaestiones sunt. nam et sic potest donari, ut omnimodo ex ea valetudi ne donatore mortuo res non redda tur: et ut reddatur, etiamsi prior ex eadem valetudine dona tor deces serit, si tamen mu tata vo lun tate restitui sibi voluerit. s e d e t s i c d o n a r i p o t e s t , u t n o n a l i te r
et capionibus),13,110 Iul. 17 dig. Marcellus bemerkt, dass es bei S c h e n k u n g e n v o n To d e s w e g e n auch auf tatsächliche Fragen ankommt. Denn auch so kann geschenkt werden, dass die Sache kei nesfalls zurückgegeben werden müsse, wenn der Schenker an jener Krankheit gestorben ist; und [auch so,] dass sie zurückgegeben werden müsse, auch wenn der Schenker als vor [dem Bedachten] an der selben Krank heit gestorben ist, jedoch nur dann, wenn er 11
9 Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts IV, Ber lin 1841, 241: „Ferner ist es Regel, daß in beiden angegeben Fällen der Geber den willkührlichen Widerruf bis zum Tode stillschweigend vorbehält. Aber auch dieser Vorbehalt ist nicht wesentlich, vielmehr kann auf diese Willkühr besonders verzich tet werden.“ Vgl. Izutaro Suehiro, Shiinzoyo Ni Tsuite (Zur Schenkung von Todes wegen), Hogaku Shinpo Bd. 26, 4 (1916), 30 f. 10 Der Text der Digestenstellen ist aus: Corpus Iuris Civilis I (Ed. ster.): Institutiones, recogn. Paulus Krueger, Digesta, recogn. Theodorus Mommsen, Bero lini 1872, zitiert, die Übersetzung folgt einigermaßen und modernisiert der Überset zung in: Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechts gelehrter und herausgegeben von Carl Ed. Otto u. a. IV, Leipzig 1832. 11 (1)mortis causa bzw. (2)mortis causa bedeutet, dass das Wort mortis causa zum ersten bzw. zweiten Mal in dieser Stelle vorkommt; mortis causa(w) und mortis causa(e) bedeutet, dass das jeweilige mortis causa im weiteren oder engeren Sinne gebraucht wird; beides soll dem Leser im weiteren Verlauf des Beitrages das Auf finden erleichtern. Siehe unten am Ende von Abschnitt II 2.
Zum Verzicht auf das Widerrufsrecht bei der Schenkung von Todes wegen451 r e d d a t u r, q u a m s i p r i o r i l l e q u i a c c e p e r i t d e c e s s e r i t . s i c q u o q u e p ot e s t d on a r i (2)m o r t i s c a u s a (w), u t n u l l o c a s u s i t e i u s r e p e t i ti o , id est nec si convaluerit quidem donator.
seinen Willen geändert und die Rückerstat tung an ihn gewollt hat. A b e r a u c h s o kann geschenkt werd e n , d a s s d i e S a c h e n u r d a n n z u r ück gegeben werden müsse, wenn der Empfän g e r z u e r s t g e st o r ben ist. So kann a u c h s o v o n To d e s w e g e n g e schenkt werden, dass in keinem F a l l e e i n R ü c kf o rd er u n g sr e c h t b e s t e h e n s o l l e , d. h. nicht einmal, wenn der Schenker wieder genesen ist.
D. 39,6,35,4 Paul. 6 ad leg. Iul. et Pap. (1) D i e S c h e n k u n g v o n To d e s w e g e n M o r t i s c a u s a (w) donatio fit geschieht auf vielfache Weise. Bald ohne multis modis: alias extra suspicio Vermutung irgendeiner Gefahr von einem nem ullius periculi a sano et in bona Gesunden und sich wohl Befindenden, der valetudine posito et cui ex humana nach dem Gang der Natur an den Tod denkt; sorte mortis cogitatio est: alias ex bald aus Furcht vor dem Tode wegen einer metu mortis aut ex praesenti pericu gegenwärtigen oder künftigen Gefahr: da zu lo aut ex futuro, si quidem terra Lande und zu Wasser, sowohl im Frieden als marique, tam in pace quam in bello im Kriege, sowohl zu Hause als beim Mili et tam domi quam militiae multis generibus mortis periculum metui tär auf viele Arten Todesgefahr befürchtet potest. nam et sic potest donari, ut werden kann. Denn auch so kann geschenkt omnimodo ex ea valetudine donato werden, dass, die Sache keinesfalls zurück re mortuo res non reddatur: et ut gegeben werden müsse, wenn der Schenker reddatur, et iamsi prior ex eadem an jener Krankheit gestorben ist; und [auch valetudine decesserit, si tamen mu so,] dass sie zu rück gegeben werden soll, auch wenn der Schenker vor [dem Be tata vo luntate restitui sibi voluerit. schenkten] an derselben Krankheit gestorben et sic donari potest, ut non ist, jedoch nur dann, wenn er seinen Willen a l i t e r r e d d a t u r, q u a m s i p r i geändert und die Rückerstattung an ihn ge or ille qui accepit de cesserit. sic quoque potest wollt hat. A b e r a u c h s o k a n n g e d o n a r i (2)m o rt i s c a u s a (w), u t schenkt wer den, dass die Sache n u l l o c a s u s i t r e p e t i t i o , id est n u r d a n n z ur ü c kg e g e b e n w e rd e n ne si convaluerit quidem donator. müsse, wenn der Empfäng er zuerst gestorben ist. So kann auch so von To d e s w e g e n g e schenkt werden, dass in kein e m F a l l e e i n R ü c k f o r d er u n g sr e c h t b es t eh e n s o l l e , d. h. nicht ein mal, wenn der Schen ker wieder genesen ist.
In den Stellen der Digesten heißt es: et sic donari potest, ut non aliter reddatur, quam si prior ille qui accepit decesserit. Die Schenkung wird hier nur unter einer Bedingung gemacht: „der Schenker soll den Gegenstand zurückbekommen, falls der Beschenkte vor ihm stirbt.“ Es gibt keine ande re Bedingung.
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Nov. 8712 Perˆ mÒrtiv kaàsa dwre©v ™k bou leutîn ginomšnhv. AÙtokr£twr ’IoustinianÕv AÜ goustov ’Iw£nn6 tù ™ndoxot£t0 ™p£rc0 tîn ¢natolikîn praitor…wn tÕ b / , ¢pÕ Øp£twn Ñrdinar…wn kaˆ patrik…0. (Proo…mion) T¦v tîn bouleutîn kakourg…av mhd7n dÚnasqai fšrein bl£bov tù dh mos…0, ¢ll’ ¢nti pr£t tein tÕn nÒmon ta‹v toi aÚtaiv boula‹v kat¦ p£nta boulÒmeqa trÒpon. œgnwmen g¦r, æv ™peid»per ¢pe…pomen toàv bouleuta‹v tÕn tîn dwreîn trÒpon oÙ sugcwroàntev aÙto‹v ktÁsin ¢k…nhton dwre‹sqai oÙd7 ™n diaq»k6 katalimp£nein peraitšrw tîn triîn oÙgkiîn, ¢ll¦ tÕ ™nnaoÚgkion p£ntwv tÍ boulÍ fu l£t tein, ™ke‹noi sofizÒ menoi tÕn nÒmon ™xeàron toi aÚtav tin¦v ka kour g…av kat¦ tÕn nÒ mon. e„ dÒtev g¦r, æv ¹me‹v eØrÒntev toÝv pa lai oÝv nomoqštav ¢mfi sbhtoàntav perˆ tÁv mÒrtiv kaàsa dw re©v, pÒteron dw re¦ À lhg£ton ™st…, kaˆ toÝv m7n ¢riq moàntev aÙ t¾n e„v dw re¦n tin¦v d7 e„v pres be‹on, t¦ par¦ tîn pleiÒnwn te kaˆ ¢r…stwn no moqš twn ™klš xantev lh g£ton aÙ t¾n e1nai pan telîv ¢p efhn£meqa, kaˆ m¾ pr£ xewv Øpo mnhm£twn de‹sqai, ¢ll’ ¥deian œcein poi e‹sqai aÙ t¾n kaˆ ™ntiqšnai aÙtÍ ka… ti nav Ó r o u v o Þ v ¨ n Ð d w r h s £ m e n o v b o u l h q Í , k a ˆ e „ t o à t o p r £ x a i e n , ¥ d e i a n œ c e i n ¢ p o t £ t t e s q a i k a ˆ a Ù t ù t ù d Ú n a s qai tÕn me t£ melon tÕn ™pˆ ta‹v t o ia Ú t a i v d wr e a ‹ v ¢ n ak al e ‹ sq a i kaˆ oÞv ¨n boulhqe‹en Órouv ™nt£ttein ta‹v mÒrtiv kaàsa dwrea‹v, kaq£per
Über die von Kurialen gemachte Schen kung von Todes wegen. Kaiser Justinian an Johannes, dem hoch ansehnlichen praefectus praetorio per Orientem zum zweiten Mal, dem ehe maligen consul ordinarius und patricius. (Einleitung) Wir wollen auf alle Weise, dass die Ränke der Kurialen dem öffent lichen Vermögen keinen Schaden bringen sollen, sondern dass das Gesetz solchen Absichten auf alle Weise entgegenarbeiten solle. Wir haben nämlich erfahren, dass (nachdem Wir den Kurialen die Schenkun gen unter sagt ha ben, indem Wir ihnen nicht gestatteten, eine unbewegliche Sa che zu verschenken oder in einem Testa ment über mehr als ein Viertel zu verfü gen, sondern drei Viertel auf jeden Fall der Kurie zu er halten), jene, das Gesetz um gehend, der artige Ränke gegen das Gesetz ausgedacht haben. Da sie nämlich wussten, dass Wir (da Wir fan den, dass die alten Gesetzgeber hinsicht lich der Schen kung von Todes wegen zweifel ten, ob sie eine Schen kung oder ob sie ein Ver mächtnis sei, und einige sie zu den Schenkungen, andere zu den Vermächtnis sen rechne ten) die Mei nung der meisten und bes ten Gesetzgeber aus gewählt und erklärt hatten, dass sie gänzlich ein Ver mächtnis sei und nicht der Errichtung von Urkunden bedürfe, sondern dass man die Erlaubnis habe, sie zu machen, u n d d e r S c h e n k e r i h r a u c h b e li e b i g e B e schränk u n g e n s e t ze n d ü r f e u n d dass er auch, wenn er dies getan habe, die Erlaubnis habe, auf ge nau die s e s R e c h t , e i n e s o l ch e S c h e n k u n g a u s R e u e z u w i d e r r u f e n , z u v e r z i c h t e n , und dass er den Schenkungen von Todes wegen beliebige Be schrän kungen set zen könne, wie der hochweise Julian bestimmt hatte, was Wir
12 Corpus Iuris Civilis III (Ed. ster.): Novel lae, recogn. Rudolfus Schoell, Bero lini 1895, 423–425; für die Herstellung des griechischen Textes und die Überprüfung der Übersetzung (die nur einigermaßen und modernisiert Otto u. a. (o. Fn. 10) VII, Leipzig 1833, folgt) bin ich dem Herausgeber Ulrich Manthe dankbar.
Zum Verzicht auf das Widerrufsrecht bei der Schenkung von Todes wegen453 ’IoulianÕv Ð so fètatov ™nomo qš thse, toà to Óper ¹me‹v ™n tù lq / bibl…ù tîn ¹metš rwn digšstwn ™gr£ yamen (9pan ta g¦r sun el£bomen, ™n bra ce‹ t£ te to‹v palaio‹v t£ te ¹m‹n dihgoreumšna): toàto to…nun e„dÒtev ò»qhsan13 crÁ nai kat¦ toàton tÕn trÒpon poie‹sqa… tinav mÒrtiv kaàsa dwre¦v kaˆ ™ nt i q šn a i s Ú m fwnon kat¦ tÕn nÒmon toà ¢n aire‹n ˜auto‹v tÕ dÚnas q a i t Õ n ™ p ˆ t Í d w r e ´ m e t £ m e l o n ¢ n ak al e ‹ sq a i , ¥llon d7 Óron aÙto‹v dokoànta prostiqš nai taÚ taiv ta‹v dwrea‹v, † n a aÙtÒqen ¢u to‹v dÁqen ™xÌ, p o ie ‹ sq a i d wr e¦ v t Á v ¢ n a k l »s e w v ™ l e uq šr a v kaˆ oÛtw t¦v ˜autîn ™lattoàn perious…av. (1) Ka…toige ™x ïn ½dh nenomo qe t»kamen p£shv a„t…av ¢n6rhmšnhv aÙto‹v toà plšon ti dÚnasqai toà tri ougk…ou À ™n diaq»k6 ka ta limp£nein À ka t¦ dwre¦v trÒ pon ™k poiÁsai, Ómwv †na œti kaˆ m©l lon ¢utîn t¾n ka kourg…an paÚ sw men, di¦ toàto kaˆ nàn qes p…zomen, mhdenˆ bou leutÊ mh d7 kat¦ mÒrtiv kaàsa dwre£n ™x e‹nai dwre‹sqa… ti, pl¾n À mÒnon kat¦ pro ga mia…av dwre©v trÒpon Øp7r sfîn aÙtîn À tîn o„ke…wn pa…dwn ginomšnhv, À kat¦ proikÕv prÒ fa sin kaq’ Óson ¹ ¹me tš ra lš gei di£ taxiv kaˆ qugatr£sin ™pi didÒnai gamoumšnaiv. ™pe…toige ¥llwv aÙ toàv m¾ dÚnasqai dw re‹s qai pr£gmata ¢k… nhta, ¢ll¦ taàta mšnein ¢eˆ par’ aÙto‹v ta‹v bouleutika‹v Øpoke…mena leitourg… aiv, mÒnhv au to‹v tÁv pr£ sewv sug kecwrhmšnhv, kaˆ taÚ thv kat¦ t¾n tÁv near©v ¹mîn dia t£ xewv
im neununddreissigsten Buche Unserer Digesten geschrieben haben (denn Wir haben alles kurz zusammengefasst, so wohl das von den Alten als auch von Uns Festgesetzte), da sie also dies wussten, so glaubten sie, irgendwelche Schenkungen von Todes wegen auf diese Weise zu ma chen und ü b e r e i ns t i mm e n d m i t d e m G es e t z e i n e B es t i mm u n g a nf ü g e n zu dürfen, durch welche sie sich s e l b s t d i e B e fu g n i s n ä h m e n , d i e S c h e n k u n g e n a u s R e u e z u w i d e r r u f e n , und eine an dere Be schrän kung nach ihrem Gutdünken diesen Schenkun gen bei fügen zu kön nen, s o d a s s e s i h n e n e r l aubt sei, die Schen k u n g e n d e m Wi d e r ru f z u e n t z i e h e n und so ihr Vermögen zu verringern. (1) Ob wohl nun zwar schon durch das, was Wir bestimmt haben, ihnen jede Gelegen heit, über mehr als ein Viertel entweder durch ein Testament zu verfügen oder mehr durch Schenkun gen zu ver äußern, genommen worden ist, so verord nen Wir doch, um noch mehr ihren Rän ken ein Ende zu machen, auch jetzt noch, dass es keinem Kurialen erlaubt ist, auch durch Schenkungen von Todes wegen et was zu verschen ken, es sei denn durch eine Schenkung vor ihrer eigenen oder ihrer Hauskinder Ehe oder durch eine Mit gift in dem Maße, wel ches Un sere Kon stitution be stimmt, auch durch eine Aussteuer für sich verheiratende Töchter. Auf andere Weise sol len sie nämlich unbe wegliche Sachen nicht verschenken kön nen, sondern die se sollen, als den Kurialenämtern verpflichtet, ihnen stets verblei ben, in dem ihnen nur deren Ver kauf gestattet sein soll, und zwar unter Beachtung Unserer neuen Konstitution; es sollen aber die Schen kun gen von Todes
(Fußnote)### 13
13 ò»qhsan cod. Marcianus gr. 179, Schoell p. 424a9] ò»qhmen cod. Lauren tianus plut. LXXX 4, Bas. 47,3,49 = BT VI 2157,19 Scheltema; aestimavimus Au thenticum = Schoell p. 424b8 (Auth. 87 legitur in uno codice: cod. Vindobonensi lat. iur. civ. 19).
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parat»rhsin, tîn mÒrtiv kaàsa dw reîn ™cousîn t¾n „d… an „scÚn, ka… du na mš nwn tîn ¥llwn tîn par¦ toÝv bouleut¦v poie‹sqai t¦v eƒrh mšnav mÒrtiv kaàsa dwre¦v e„v 9per ¨n bou lhqe‹en prÒs wpa kaˆ Órouv aÙta‹v ™ntiqšnai kaˆ ¢ p o t £ t t e s qai, e‡ ge toàto boul h qe‹en, tù me ta mšl0 tù perˆ toà s u mf è n o u t Á v ¢ n ak l » s e w v : mš nein mšn toi tÕ pr©gma kaˆ oÛ twv ™n to‹v mÒrtiv kaà sa d w r e © v Ó r o i v (toàto g¦r pros nomoqetoàmen), kaˆ t¦v toiaÚtav dwre¦v „s cu r£v te e1nai kaˆ be ba… av, Óper oÙ nàn prîton no mo qe toà men, ¢ll¦ tÕ nomoqe th q7n ½dh kaˆ nàn di’ ¹metšrav ermhneÚomšn te kaˆ bebaio àmen fwnÁv ™pˆ p£n twn tîn ¥llwn prosèpwn, d…ca mšntoi mÒnwn æv e‡rhtai bouleutîn, kaˆ toàto di¦ t¾n perˆ tÕ dhmÒsion spoud»n. (’Ep…logov) T¦ to…nun parast£nta ¹m‹n kaˆ tùde tù nÒm0 dhloÚmena ¹ s¾ ™ndoxÒthv ful£xai speus£tw, m£ lista p£n twn tÁv çfele…av toà dhmos…ou p©san prÒnoian tiqemšnh. Dat. xv. k. Iun. Septimo imp. dn. Iusti niani Aug. anno xiii. Apione v. c. cons.
wegen ihre eigentümliche Gültigkeit be halten, und andere, außer den Kurialen, sollen die genannten Schenkungen von Todes we gen jeder beliebigen Person machen, ihnen Beschränkungen beifü gen, und, w e n n s i e w o l le n , a u f R e u e h i ns i c h tl i c h d e r Wi d e r r u f u n g sb es t i mm u n g v e rz i c h t e n könn e n , d i e S a c h e a b e r a u c h dann in den Grenzen einer S c h e nk u n g v o n Tod e s w eg e n blei b e n (denn dies bestimmen Wir noch außerdem), und solche Schenkun gen Kraft und Gül tigkeit ha ben. Dies bestimmen Wir aber jetzt nicht das erste Mal, sondern Wir erklären auch jetzt und bestätigen das schon früher Verord nete durch Unsere Stimme in Bezug auf alle andere Perso nen, jedoch, wie ge sagt, mit alleini ger Aus nahme der Kurialen, und zwar aus Sorgsamkeit für das öffentliche Beste. (Schluss) Diesen Unse ren Willen und, was in die sem Gesetze aus ge sprochen ist, soll deine Hochansehnlichkeit zu be obachten be müht sein, vor allem gegenüber allen, die ihre ganze Fürsor ge auf das öffentliche Wohl richten. Gegeben den 18. Mai im 13. Jahre der Regierung des Kai sers Justinian, unter dem Konsu lat des hochansehn lichen Apion. (539)
In Nov. 87 praefatio heißt es: ™ntiqšnai aÙtÍ ka… tinav Órouv oÞv ¨n Ð dwrh s£ menov boulhqÍ, kaˆ e„ toà to pr£ xaien, ¥deian œcein ¢po t£t tes qai kaˆ aÙ tù tù dÚnas qai tÕn me t£ melon tÕn ™pˆ ta‹v toi aÚtaiv dwrea‹v ¢nakale‹sqai … kaˆ ™n tiqšnai sÚm fwnon kat¦ tÕn nÒmon toà ¢naire‹n ˜auto‹v tÕ dÚnasqai tÕn ™pˆ tÍ dwre´ met£melon ¢nakale‹sqai, … †na aÙtÒqen ¢u to‹v dÁqen ™xÌ, poi e‹s qai dw re ¦v tÁv ¢nakl»sewv ™leuqšrav „der Schenker ihr auch beliebige Beschrän kungen setzen dürfe und dass er auch, wenn er dies getan habe, die Erlaub nis habe, auf genau dieses Recht, eine solche Schenkung aus Reue zu wi derrufen, zu verzichten, … und übereinstimmend mit dem Gesetz eine Be stim mung an fügen zu dürfen, durch welche sie sich selbst die Be fug nis näh men, die Schen kun gen aus Reue zu wider ru fen, … so dass es ihnen erlaubt sei, die Schenkungen dem Widerruf zu entziehen“. In caput 1 heißt es: kaˆ ¢pot£ttesqai, e‡ ge toàto boulhqe‹en, tù metamšl0 tù perˆ
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toà sum fènou tÁv ¢na kl»sewv: mš nein mšn toi tÕ pr©gma kaˆ oÛ twv ™n to‹v mÒrtiv kaàsa dwre©v Óroiv „wenn sie wollen, auf Reue hinsicht lich der Widerrufungsbestimmung verzichten können, die Sache aber auch dann in den Grenzen einer Schenkung von Todes wegen bleiben“. Nach diesen Stellen kann der Schenker auf das willkürliche Widerrufs recht verzichten. Die Schenkung ist trotzdem noch eine Art von donatio mortis causa. 2. Verzicht auf alle Rückforderungsrechte In den oben genannten Stellen der Digesten (D. 39,6,13,1; eod. 35,4) heißt es: sic quoque potest donari mortis causa, ut nullo casu sit (eius) repetitio. Die Schenkung, die in keinem Fall widerrufen werden soll, ist hier immer noch eine donatio mortis causa. Es gibt aber Stellen der Digesten, die zu widersprechen scheinen: D. 39,6,27 Marci. 5 reg. U b i i t a d o n a t u r (1)m o r t i s c a u s a (w), u t n u l l o c a s u r e v o c e t u r, c a u s a d o n a n d i m a g i s e s t q u a m (2)m o r t i s c a us a (e) d o n a t i o : et ideo per inde ha be ri debet atque alia quaevis inter vivos donatio. ideoque inter viros et uxo res non valet et ideo nec Fal cidia locum habet quasi in (3)mortis causa(e) donatione.
We n n v o n To d e s w e g e n s o g e schenkt wird, dass in keinem Falle widerrufen werden dürfe, so ist dies mehr ein Rechtsverhältnis ei ner Schenkung als eine Schenk ung v o n To d e s w e g e n ; und daher muss eine solche Schenkung ebenso be trachtet werden wie jede andere Schenkung unter Lebenden. Deshalb hat sie auch zwischen Eheleuten kei ne Wirksamkeit; und darum wird auch die Lex Falcidia dabei nicht angewendet, wie wenn es eine Schenkung von Todes wegen wäre.
In D. 39,6,27 heißt es: Ubi ita donatur mortis causa, ut nullo casu revo cetur, causa donandi magis est quam mortis causa donatio. D. 39,6,35,2 Paul. 6 ad leg. Iul. et Pap. S e d (1)m o r t i s c a u s a (e)? d o n at i o A b e r d i e S c h e n k u n g v o n To d e s w e l o n g e d i f f e r t a b i l l a v e r a e t gen ist weit verschieden von jener a b s o l u t a d o n a ti o n e , q u a e i t a wahren und unbedingten Schen p r o f i c i s c i tu r, u t n u l lo c a s u k u n g , w e l c h e i n d e r A r t e n t st e h t , r e v o c e tu r. et ibi qui donat illum dass sie in keinem Falle widerru potius quam se habere mavult: at is, f e n w e r d e n d ü r f e . Dabei will der qui (2)mortis causa(e)? donat, se cogi Schenker, dass lieber der Beschenkte, als er selbst habe: aber derjenige, welcher von tat atque amore vitae recepisse poti Todes wegen schenkt, ist auf sich bedacht us quam dedisse mavult: et hoc est, und wünscht aus Liebe zum Leben lieber zu quare vulgo dicatur: ‚se potius ha behalten, als zu geben; und hierin liegt der bere vult, quam eum cui donat, il Grund der gewöhnlichen Redensart: „Er will lum deinde potius quam here dem lieber etwas selbst behalten, als dass der es suum‘.
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Norio Tanaka haben soll, dem er es schenkt: dann aber soll lieber dieser es haben als sein [des Schenkers] Erbe.“
In D. 39,6,35,2 heißt es: Sed mortis causa donatio longe differt ab illa vera et absoluta donatione, quae ita proficiscitur, ut nullo casu revocetur. Nach diesen beiden Stellen ist die donatio mortis causa, die in keinem Fall widerrufen werden kann (nullo casu revocetur), nicht die donatio mortis causa, sondern die donatio inter vivos. Marci. D. 39,6,27 und Paul. D. 39,6,35,2. Schenkung von Todes wegen o h n e a l l e R ü c k f o r d e r u n g s r e c h t e (nullo casu revocetur) donatio inter vivos Iul. / Marc. D. 39,6,13,1 und Paul. D. 39,6,35,4 Schenkung von Todes wegen o h n e a l l e R ü c k f o r d e r u n g s r e c h t e (nullo casu sit repetitio) donatio mortis causa
Nach Savigny sollen in der einen Gruppe (D. 39,6,27; eod. 35,2) die Fälle behandelt werden, in denen der Schenker auf das willkürliche Wider rufsrecht verzichtet und auch kein Rückforderungsrecht hat, wenn der Emp fänger vor dem Tod des Schenkers stirbt. Eine solche Schenkung sei nicht die donatio mortis causa. In D. 39,6,13,1 und eod. 35,4 sollen dagegen die Fälle behandelt werden, in denen der Schenker nur auf das willkührliche Widerrufsrecht ver zichtet, aber nicht auf das Rückforderungsrecht beim früheren Tod des Empfängers.14 Das allgemeine Wesen der donatio mortis causa sei, „dass sie nur gültig seyn soll, wenn der Geber vor dem Empfän ger, oder auch gleichzeitig mit demselben, sterben wird“.15 David Rüger hat neuerdings über diesen Versuch Savignys geschrieben: „Der Harmonisierungsversuch ist freilich nicht unanfechtbar. Abgesehen von der gewagten These, nullo casu bedeute in frr. 13,1 / 35,4 in Wirklich 14 Vgl. Savigny (o. Fn. 9) 241 Fn. (f): „Nur scheinbar widersprechend sagen L. 27 L. 35, § 2 de m. c. don., diese Art der Schenkung sey nicht verträglich mit der Bestimmung: ut nullo casu revocetur. Denn durch einen solchen Zusatz würde auch selbst die Rückforderung bey dem früheren Tode des Empfängers ausgeschlos sen seyn, welches mit der m. c. donatio allerdings unverträglich ist. Verträglich damit aber ist die Clausel: ut ex arbitrio donatoris non revocetur.“ 15 Savigny (o. Fn. 9) 241. Es ist unklar, warum das Vorversterben des Schenkers das allgemeine Wesen der Schenkung von Todes wegen ist.
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keit uno solo casu, läßt sich kaum der Einwand widerlegen, daß dadurch die bei Julian und Paulus genannte dritte und vierte Variante einer donatio mortis causa zusammenfielen.“16 „Überzeugender erscheint es, die divergierenden Ansichten als solche hin zunehmen und anzuerkennen, daß die Unsicherheiten bestanden, die Papini an in seiner vorsichtigen Formulierung in fr. 42,1 erkennen läßt.“17 Ich möchte in diesen Stellen zwischen der Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn (donatio mortis causa(w)) und der Schenkung von Todes wegen im engeren Sinn (donatio mortis causa(e)) unterscheiden. III. Bedeutung von mortis causa 1. D. 39,6,27 (Marcianus) In D. 39,6,27 macht der Schenker die Schenkung in der Weise, dass in keinem Fall ein Widerruf stattfinden solle (ut nullo casu revocetur). Wenn die erste genannte mortis causa juristisch eine Bedeutung hat,18 kann der Tod des Schenkers ein Anfangstermin sein. Die Schenkung ist zwar unbe dingt (nullo casu revocetur), aber wird im Todesfall fällig. Die erste genannte mortis causa ist die Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn. Die zweite und dritte genannte mortis causa ist die Schen 16 Rüger
(o. Fn. 7) 42 f. (o. Fn. 7) 43; D. 39,6,42,1 Idem (Papinianus) libro tertio decimo re sponsorum. Cum pater in extremis vitae constitutus emancipato filio quaedam s i n e u l l a c o n d i c i o n e re d h i b e n d i d o n a s s e t ac fratres et coheredes eius bonis con tribui donationes Falcidiae causa vellent, ius antiquum servandum esse respondi: non enim ad alia constitutionem pertinere, quam quae lege certa donarentur et morte insecuta quodammodo bonis auferrentur spe retinendi perempta: e u m a u t e m , q u i abso lute do n a re t , n o n t a m (1)m o r t i s c a u s a (e) q u a m m o rientem do n a re . „Als ein Va ter, am Ende des Lebens ste hend, seinem aus seiner Gewalt entlasse nen Sohne eini ges o h n e j e d e n Vo r b e h a l t d e r Z u r ü c k g a b e g e s c h e n k t h a t t e und die Brüder und Miterben die Schenkungen, des falzidischen Viertels wegen, zum Nachlass [des Vaters] schlagen wollten, so gab ich das Gutachten ab, dass man sich an das alte Recht halten müsse. Denn die Konstitution beziehe sich auf nichts weiter als auf solche Gegenstände, die unter einer gewissen Bedingung geschenkt würden und erst nach Eintritt des Todes gewissermaßen aufhörten, ein Ver mögensbestandteil zu sein, weil dann die Hoffnung auf Rückempfang verschwunden sei; d e r je n i g e a b e r, w e l c h e r u n b e d ingt schenk e, schenke nicht von To d e s w e g e n , s o n d e r n n u r i m A u g e n b l i c k d e s To d e s .“ 18 Man kann den Satz auch so verstehen, dass die erste genannte mortis causa nur ein Motiv für die Schenkung bezeichnet. Nach dieser Meinung haben die Wor te juristisch keine Bedeutung. Vgl. Pascal Simonius, Die Donatio Mortis Causa im klassischen römischen Recht, Basel 1958, 101 Fn. 1. 17 Rüger
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kung von Todes wegen im engeren Sinn. Nach dieser Stelle ist die Schen kung von Todes wegen, die in keinem Fall widerrufen werden soll, zwar eine Art von Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn, aber soll als Schenkung unter Lebenden (inter vivos) behandelt werden. 2. D. 39,6,35,2 (Paulus) In D. 39,6,35,2 ist es nicht klar, ob die vera et absoluta donatio den Tod des Schenkers berücksichtigt. Wenn die vera et absoluta donatio den Tod nicht berücksichtigt, also eine wahre Schenkung unter Lebenden ist, kann die donatio mortis causa in dieser Stelle die Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn bedeuten. Wenn die vera et absoluta donatio aber den Tod berücksichtigt, kann die donatio mortis causa in dieser Stelle die Schen kung von Todes wegen im engeren Sinn bedeuten. Wenn die vera et absoluta donatio eine wahre Schenkung unter Lebenden ist, braucht man nicht die Worte ut nullo casu revocetur in der Stelle besonders beizufügen. Ich glaube, dass die vera et absoluta donatio den Tod des Schenkers berück sichtigt und eine Art von Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn ist. 3. D. 39,6,13,1 (Iulianus / Marcellus) und eod. 35,4 (Paulus) In D. 39,6,13,1 und eod. 35,4 ist die Schenkung von Todes wegen, die in kei nem Fall widerrufen werden könne, die donatio mortis causa. Diese donatio mortis causa bezeichnet wohl die Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn. Unter den Schenkungen, die den Tod des Schenkers berücksichtigen, gibt es die Schenkung von Todes wegen im engeren Sinn und die Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn. Die letzte wird als donatio inter vivos (vera et absoluta donatio) behandelt. Die Schenkung von Todes wegen, die in keinem Fall widerrufen werden kann, und die unbedingte Schenkung, die im Todesfall fällig wird, sind die Schenkungen von Todes wegen im weite ren Sinn. IV. Notwendigkeit, zwischen donatio mortis causa und donatio inter vivos zu unterscheiden Die Schenkung von Todes wegen wird unter Lebenden gemacht. Sie ist eine durch den Tod des Schenkers vor dem Bedachten bedingte Schenkung oder eine Schenkung, die im Todesfall fällig ist. Welche von diesen Schen kungen als „eine Schenkung von Todes wegen“ behandelt wird, hängt davon ab, wie man „die Schenkung von Todes wegen“ definiert. Dabei ist es
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wichtig, wozu man zwischen der Schenkung von Todes wegen, der Schen kung unter Lebenden und dem Vermächtnis unterscheiden muss. Es muss eine Notwendigkeit bestehen, die Schenkung von Todes wegen und die Schenkung unter Lebenden zu unterscheiden und jene mit dem Vermächtnis gleich zu behandeln. Über den Grund, warum die Schenkung von Todes wegen nach dem römischen Recht mit dem Vermächtnis gleich behandelt wird, hat Rüger geschrieben: „Um die Aushöhlung des Nachlas ses durch Schenkungen zu vermeiden, werden erbrechtliche Beschränkungen zuneh mend auf die do natio mortis causa ausgedehnt.“19 Es ist auch ein Grund, was in C. 8,56(57),4 gezeigt ist: actis minime indigere neque exspectare publicarum personarum praesentiam et ea quae super huiusmodi monumentis solent adhiberi. Die Schenkung von Todes wegen fordert keine Formen, die für andere Schenkungen erforderlich sind. C. 8,56 (57) (De mortis causa donationibus),420 Imp. Iustinianus A. Iohanni pp. Kaiser Justinian an Johannes, praefectus praetorio Cum de mortis causa donatione du Da bei der Schenkung von Todes wegen Zweifel entstand, indem einige sie unter die bitabatur et alii quidem inter ultimas letztwilligen Verfügungen setzten und sie zu voluntates eam posuerunt et legatis den Vermächtnissen zählen zu müssen mein adgregandam esse cen sue runt, alii autem inter donatio nes quae inter ten, andere aber zu den Schenkungen unter vivos consistunt eam po suerunt, Lebenden rechneten, so verordnen Wir, nach dubietate eorum ex plo sa sancimus Aufhebung dieser Zwei fel, dass a l l e o m n e s m o r t i s c a u s a d o n a t i o S c h e n k u n g e n v o n To d e s w e g e n , sie mögen bei Gele gen heit des Todes des n e s , sive iuxta mortem facientis Schenkers gemacht wor den sein oder bei fuerint celebratae sive longiore co längerer Bedenkung des Todes erfolgt sein, gitatione mor tis sub secutae sunt, keineswegs eines gerichtlichen a c t i s m i n i m e i n d i g e r e n e q u e Protokolls bed ü r fen noch die Ge e xp e c t a r e p ub l i c a r u m p e r s o genwart ö ff e n tl i c h e r Personen n a r u m p r a e s entiam et ea n o c h s o n s t e t w a s e r f o r d e r n s o l l e n , quae su per huiusmodi mo w a s ü b e r U r k u n d en dieser Art be n u m e n t i s s o l e n t a d h i b e r i . sed ita res procedat, ut, si quinque testi obachtet zu werd e n p f l e g t . Son dern es soll hier so gehalten werden, dass, wenn bus praesentibus vel in scriptis vel 19 Rüger
(o. Fn. 7) 88, siehe auch 32 ff. Text ist aus Corpus Iuris Civilis I (Ed. maior): Co dex Iustinianus, re cogn. Paulus Krueger, Berolini 1877, zitiert, die Übersetzung folgt einigermaßen Otto u. a. (o. Fn. 10) VI, Leipzig 1832. In älteren Ausgaben (Georgius Augustus Spangenberg, Corpus Iuris Civilis II, Gottingae 1797; Aemilius Hermann, Corpus Juris Civilis II, Lipsiae 1844) heißt der Adressat „Iulianus pp.“ In der Tat war Iuli anus praef. praet. am 1. Sept. 530 (Lampadio et Oreste conss.), während der in allen Handschriften des Codex bezeugte Iohannes (Krueger, ed. mai. p. 805,29 app.) erst 531 praef. pr. war (vgl. Krueger, ed. mai., Appendix I p. *47, ao. 531). Krueger p. 806 Fn. 1 und Appendix I p. *47 (unter dem 1. 9. 531) schlug daher die Emen dation post consulatum Lampadii et Orestis (also 531) vor. 20 Der
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sine lit terarum suppositione aliquis vo luerit mortis causa donationem fa cere, et sine monu mentorum ac cessione res gesta maneat firmitate vallata et nullam calumniam ac cipiat neque propter hoc, quod gesta ei non accesse runt, inefficax es se atque inutillis videatur et omnes ef fectus sortiatur, quos ultimae habent liberalitates, nec ex quacumque parte absimiles esse intel legantur.
D. k. Sept. Constantinopoli Lam padi[o] et Orest[e] vv. cc. [conss.] [a. 530]
jemand eine Schenkung von Todes wegen in Gegenwart von fünf Zeugen oder schriftlich oder ohne Abfassung eines Schrift stücks machen will, die Sache, auch ohne dass schriftliche Urkunden darüber aufgenommen worden, mit voller Gültig keit ge schützt bleibt und keine Anfechtung dadurch erlei det, auch nicht durch das Unterbleiben einer dar über aufgenommenen Ur kunde für unwirksam und ungültig erscheint, vielmehr alle diejenigen Wirkungen hat, welche frei gebige letztwillige Verfügungen herbeifüh ren, und nirgends als von diesen verschieden angesehen werden soll. Gegeben zu Konstantinopel den 1. Septem ber [unter] dem Konsulat der hoch ansehnlichen Lampadius und Orestes (530)
Die anfangs vorgestellte Meinung in Japan, die der Rechtsprechung des OGH widerspricht, geht davon aus, dass die Schenkung von Todes wegen im enge ren Sinn (mit dem willkürlichen Widerrufsrecht) eine Art von Vermächtnis ist und die Schenkung von Todes wegen ohne das willkürliche Widerrufsrecht eine Schenkung unter Lebenden ist. Nach dem römischen Recht gibt es aber ein anderes Kriterium: Danach ist die Schenkung von Todes wegen ohne das willkürliche Widerrufsrecht immer noch ein Art von donatio mortis causa (Schenkung von Todes wegen) und keine Schenkung unter Lebenden. Das römische Recht kennt auch die Schenkung von Todes wegen im weiteren Sinn. Unter donatio mortis causa fällt nicht nur die Schenkung von Todes wegen ohne das willkürliche Recht, sondern auch die Schenkung von Todes wegen ohne alle Rückforderungsrechte. Die letztere wird mit der Schenkung unter Lebenden gleich behandelt.21
21 Dagegen vgl. Draft Common Frame of Reference IV. „Donations due or conditional on death (1) This Part* does not apply where: (a) performance of the obligation to transfer is due only (b) the transfer or obligation to transfer is subject to the
H.–1:105: on the donor’s death; suspensive condition of
the donor’s death; or (c) the transfer or obligation to transfer is made subject to the resolutive condition of the donee predeceasing the donor. (2) Paragraph (1) does not apply if the donor renders performance or waives the condition before the donor’s death.“ * Part H. Donation http: / / ec.europa.eu / justice / policies / civil / docs / dcfr_outline_edition_en.pdf
Zum Verzicht auf das Widerrufsrecht bei der Schenkung von Todes wegen461 Die Schenkung von Todes wegen mit dem willkürlichen Widerrufsrecht
ohne das willkürliche ohne alle Rückforde Widerrufsrecht rungsrechte
Einige Meinungen in Japan →
eine Art von Vermächtnis
Schenkung unter Lebenden
Römisches Recht →
donatio mortis causa(e)
donatio mortis causa(e)
donatio mortis causa(w) = „donatio inter vivos“
Die Schenkung, die den Tod des Schenkers berücksichtigt, ist dem Ver mächtnis ähnlich. Es ist natürlich, dass die Vorschriften über das Vermächt nis auf diese Schenkung entsprechende Anwendung finden. Der Begriff der „Schenkung von Todes wegen“ wurde vermutlich herausgearbeitet, damit ein Teil der Schenkungen unter Lebenden mit einem Vermächtnis gleich behandelt wird. Unter den Begriff der „Schenkung von Todes wegen“ fallen aber sehr verschie dene Schenkungen: die Schenkung mit willkürlichem Widerrufs recht, die Schen kung ohne willkürliches Widerrufsrecht, die Schenkung ohne alle Rückforderungsrechte usw. Der Umfang des Begriffs ist ungenau. Ich denke, dass der Begriff heutzutage nur eine Rolle spielt, wenn man ihn im weitesten Sinn benutzt. Es gibt wohl kein Bedürfnis, den Begriff der „Schenkung von Todes wegen“ weiter zu analysieren. Die Vorschriften über den Pflichtteil finden heute in Japan auch auf Schenkungen unter Lebenden Anwendung.22 Und man kann eine Schenkung auch ohne bestimmte Form machen.23 Hier braucht man anders als Rom nicht zwischen der Schenkung von Todes wegen in engerem Sinn, die mit dem Vermächtnis gleich behan delt wird, und der in weiterem Sinn, die mit der Schenkung unter Lebenden gleich behandelt wird, zu unterscheiden. Nach Art. 554 Minpo finden die Vorschriften über das Vermächtnis auf eine Schenkung von Todes wegen entsprechende Anwendung. Die entspre chende Anwendung hängt nach der Rechtsprechung des OGH davon ab, mit welchem Inhalt oder unter welchen Umständen die Schenkung von Todes 22 Art. 1030 (Berechnung von Schenkungen) Minpo: „Schenkungen werden nur dann nach der Bestimmung des Art. 1029 mit ihrem Wert in Ansatz gebracht, wenn sie innerhalb eines Jahres vor dem Erbfall gemacht worden sind. Mehr als ein Jahr vor dem Erbfall gemachte Schenkungen werden jedoch in Ansatz gebracht, wenn beide Parteien gewußt haben, daß durch die Schenkung ein Pflichtteilsberechtiger geschädigt werden würde.“ 23 Art. 550 Minpo (o. Fn. 1).
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Norio Tanaka
wegen gemacht wird.24 Der Begriff „Schenkung von Todes wegen“ bezeich net also Schenkungen, auf die die Vorschriften über das Vermächtnis ange wendet werden können. Nach der oben genannten Meinung in der Literatur ist der Begriff der „Schenkung von Todes wegen“ trotz Art. 554 Minpo unnötig. Die Schen kung von Todes wegen mit willkürlichem Widerrufsrecht sei eine Art von Vermächtnis. Die Schenkung von Todes wegen ohne willkürliches Wider rufsrecht sei eine Schenkung unter Le benden. Die Vorschriften über das Vermächtnis (z. B. Art. 991 Minp o25) sollen aber auf eine Schenkung, die den Tod des Schen kers berück sichtigt, ent spre chende Anwendung finden, auch wenn sie eine Schenkung ohne willkürliches Widerrufsrecht und ohne die Bedingung des Vorversterbens des Schenkers (eine Schenkung in weite rem Sinn) ist.26 Der Begriff der „Schenkung von Todes wegen“ kann hier Schenkungen unter Lebenden bezeichnen, auf die die Vorschriften über das Vermächtnis angewendet werden können.
24 OGH, Urteil vom 24. Jan. 1983 (o. Fn. 3). Hier findet Art. 1022 Minpo (o. Fn. 4) auf die Schenkung von Todes wegen keine entsprechende Anwendung. 25 Art. 991 Minpo (Anspruch des Vermächtnisnehmers auf Sicherheitsleistung): „Bis zur Fälligkeit des Vermächtnisses kann der Bedachte vom Beschwerten eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen; das gleiche gilt bei aufschiebend beding ten Vermächtnissen bis zum Eintritt der Bedingung.“ 26 Yunoki / Takagi (o. Fn. 5) 72 (Yunoki / Matsukawa).
Zur Normstruktur des Edictum aedilium curulium. Exegese von D. 21,1,14,9 und D. 21,1,28 Von Kazunori Uemura I. Einleitung Das Edikt der kurulischen Ädilen1 sieht vor, dass bei Kaufverträgen über Sklaven oder Zugtiere der Verkäufer bestimmte Mängel öffentlich anzuzei gen hat und für erklärte oder versprochene Eigenschaften einstehen muss,2 um die Käufer vor Betrügereien der Verkäufer zu schützen.3 Einige Quellen formulieren diese Pflichten des Verkäufers als Befehl der Ädilen.4 Wenn der Verkäufer einen Mangel nicht öffentlich und wahrheitsgemäß angezeigt hat oder sich entgegen der Erklärung oder dem Versprechen des Verkäufers eine Krankheit oder ein Mangel herausstellt, von dem der Käu fer nichts wusste,5 verheißen die Ädilen dem Käufer eine Klage6 gegen den 1 Zu neuerer Literatur über das Edikt der kurulischen Ädilen s. die Nachweise bei Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, München 201420, 254 Rn. 40. Zu den ku rulischen Ädilen s. Wolfgang Kunkel, Das römische Staatsrecht. Die Magistraturen (HdA 10,3,2,2), München 1995, 477–481; s. D. 1,2,2,27 (Pomp. l. s. enchir.); Cicero, De officiis 3,17,71; 2,16,57; Livius, Ab urbe condita 6,42,13 usw. 2 D. 21,1,1,1 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): … quodsi mancipium adversus ea venisset, sive adversus quod dictum promissumve fuerit cum veniret, fuisset, quod eius praestari oportere dicetur: emptori omnibusque ad quos ea res pertinet iudicium dabimus, ut id mancipium redhibeatur … 3 D. 21,1,1,2 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Causa huius edicti proponendi est, ut occurratur fallaciis vendentium et emptoribus succurratur, quicumque decepti a venditoribus fuerint … 4 D. 21,2,37,1 (Ulp. 32 ed.): … per edictum autem curulium etiam de servo cavere venditor i u b e t u r ; D. 21,1,32 (Gai. 2 ad aed. cur.): Itaque sicut superius venditor de morbo vitiove et ceteris quae ibi comprehensa sunt praedicere i u b e t u r, et praeterea in his causis non esse mancipium ut promittat p r a e c i p i t u r : ita et cum accedat alii rei homo, eadem et praedicere et promittere c o m p e l l i t u r … 5 D. 21,1,1,6 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Si intellegatur vitium morbusve mancipii (ut plerumque signis quibusdam solent demonstrare vitia), potest dici edictum cessare: hoc enim tantum intuendum est, ne emptor decipiatur. 6 Rekonstruktion der Formel im Anschluss an Lenel bei Dario Mantovani, Le formule del processo privato romano, Padova 19992, 113–114, Nr. 204.
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Ver käufer, mit der er entweder binnen sechs Monaten Wandelung oder binnen eines Jahres Minderung des Kaufpreises verlangen kann.7 Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer den Mangel selbst nicht kannte8 oder ihm der Umfang seiner Einstandspflicht nicht bewusst war.9 Doch kann der Käufer auf den Schutz des Edikts auch verzichten, wie D. 2,14,31 zeigt: D. 2,14,31 (Ulp. 1 ed. aed. cur.)10 Pacisci contra edictum aedi lium omnimodo licet, sive in ipso nego tio venditionis gerendo convenisset sive postea.
Eine Vereinbarung entgegen dem Edikt der Ädilen zu treffen, ist auf jeden Fall erlaubt, sei es, dass man die Übereinkunft unmittel bar bei Abschluss des Kaufgeschäfts getrof fen hat, sei es später.
Nach D. 2,14,31 ist es also den Parteien möglich, durch Vereinbarung von den Bestimmungen des Edikts der Ädilen abzuweichen. Das Edikt soll den Käufer vor Betrügereien des Verkäufers schützen. Es verbietet dem Käufer aber nicht, das Risiko von Mängeln freiwillig auf sich zu nehmen. Es stellt sich freilich die Frage, in welcher Form eine solche Vereinbarung prozessual für die Beteiligten durchsetzbar war. II. Vertraglicher Ausschluss der Gewährleistung für Mängel: D. 21,1,14,9 Ein konkretes Beispiel für eine Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer über die Gewährleistung für Mängel bietet D. 21,1,14,9.
7 D. 21,1,19,6 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Tempus autem redhibitionis sex menses utiles habet: si autem mancipium non redhibeatur, sed quanto minoris agitur, annus utilis est … 8 D. 21,1,1,2 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): … potuit enim ea nota habere venditor: neque enim interest emptoris, cur fallatur, ignorantia venditoris an calliditate. 9 Nach D. 21,1,1,1 gewähren die Ädilen auch bei arglistigem Verhalten des Verkäufers, das wohl nicht im Verschweigen eines Mangels oder der Zusicherung der Mangelfreiheit liegt, eine eigene Klage, s. dazu Max Kaser, Das römische Pri vatrecht, Bd. 1, München 19712, 560. 10 Übersetzung von Christoph Krampe in: Okko Behrends / Rolf Knütel / Berthold Kupisch / Hans Herrmann Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. Band 2: Digesten 1–10, Heidelberg 1995, 243.
Zur Normstruktur des Edictum aedilium curulium465
D. 21,1,14,9 (Ulp. 1 ed. aed. cur.)11 Si venditor nominatim exceperit de aliquo morbo et de cetero sanum esse dixerit aut promiserit, standum est eo quod convenit (remittentibus enim actiones suas non est regressus dandus), nisi sciens ven ditor mor bum consulto reticuit: tunc enim dandam esse de dolo malo replica tionem.
Wenn der Verkäufer die Haftung für eine bestimmte Krankheit ausdrücklich ausge schlossen und erklärt oder versprochen hat, dass er (der Sklave) im übrigen gesund sei, muss man an dem festhalten, was vereinbart ist (denn diejenigen, die sich ihrer Klag rechte begeben, dürfen auf sie nicht mehr zurückkommen), es sei denn, der Verkäufer hat die Krankheit wissentlich und mit Vor bedacht verschwiegen; dann nämlich ist die Gegeneinrede der Arglist zu erteilen.
Die Stelle stammt aus dem ersten Buch von Ulpians Kommentar zum Edikt der kurulischen Ädilen. Es handelt sich also um einen Sklavenkauf,12 der dem Edikt der Ädilen unterfällt. Die Parteien haben eine Vereinbarung getroffen, die eine Haftung des Verkäufers nach dem Edikt für eine be stimmte Krankheit des Sklaven ausschließt (venditor nominatim exceperit de aliquo morbo), z. B. für Schwindsucht.13 Der Verkäufer hat zudem er klärt oder versprochen, dass der Sklave im Übrigen gesund sei (de cetero sanum esse dixerit aut promiserit). Trotz der Vereinbarung macht der Käufer Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend. Nach dem Kontext der Stelle handelt es sich um die allgemeine Klage aus dem Edikt der kurulischen Ädilen. Der Käufer beruft sich darauf, dass der Sklave entgegen der Zusage des Verkäufers nicht ge sund ist. Angestrebt ist mit der Klage die Wandelung. Der Verkäufer kann sich aber auf den Haftungsausschluss berufen: Eine solche Vereinbarung, die die Haftung des Verkäufers gegenüber den Vorga ben des ädilizischen Edikts begrenzt, ist wirksam (standum est eo quod convenit). Denn wer einmal auf seine Klagrechte verzichtet, kann auf sie nicht mehr zurückkommen (remittentibus enim actiones suas non est regressus dandus). Den Haftungsausschluss kann der Verkäufer der Klage des Käufers als Ein rede ent gegensetzen,14 was sich implizit aus der im Text 11 Übersetzung in Anlehnung an Berthold Kupisch in: Rolf Knütel / Berthold Ku pisch / Hans Herrmann Seiler / Okko Behrends (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. Band 4: Digesten 21–27, Heidelberg 2005, 9–10; s. auch unten Fn. 15. 12 Das gesamte erste Buch von Ulpians Kommentar zum Edikt der kurulischen Ädilen handelt vom Sklaven als Kaufgegenstand, s. Otto Lenel, Palingenesia iuris civilis, Leipzig 1889 (Nachdruck Graz 1960), Bd. 2, 884–897. 13 In D. 21,1,1,7 (Ulp. 1 ed. aed. cur.) nennt Ulpian einige Beispiele für Krankheiten: Schwindsucht, Fieber, Blindheit usw. 14 Ausdrücklich als Einrede erscheinen in den Digesten die Berufung des Ver käufers auf den Ablauf der Klagefrist sowie auf die Kenntnis des Käufers vom Mangel (D. 21,1,48,1. 4; Pomp. 23 Sab.). Mit diesen Einreden macht der Verkäufer
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erwähnten replicatio doli des Käufers ergibt.15 Die Einrede ist erfolgreich, wenn die Gesundheit des Skla ven gerade wegen der ausgenommenen Krankheit beeinträchtigt ist (wovon die Stelle offenbar ausgeht). Die Vor aussetzungen der Einrede, d. h. den vertraglichen Ausschluss der Gewähr leistung für die Krankheit, hat der Verkäufer zu beweisen. Allerdings steht dem Käufer seinerseits eine Möglichkeit offen, die Ein rede und damit die Vereinbarung zu entkräften: Wenn der Verkäufer den ausge schlos se nen Mangel kannte, kann der Käufer die Gegeneinrede der Arglist geltend machen (dandam esse de dolo malo replicationem).16 Während in D. 21,1,14,9 Käufer und Verkäufer einvernehmlich die Haf tung des Verkäufers erleichtern, behandelt ein vielfach erörtertes Fragment den Fall, dass der Verkäufer gar keine Gewährleistung übernimmt, ohne dass eine Vereinbarung vorliegt. III. Keine Übernahme einer Mängelgewährleistung durch den Verkäufer: D. 21,1,28 1. Problemstellung In D. 21,1,14,9 hat der Verkäufer für den Sklaven eine eingeschränkte Ge währleistung übernommen. Welche Rechtsbehelfe stehen dem Käufer aber zu, wenn der Verkäufer gar keine Gewährleistung übernimmt? Für die Klage der kurulischen Ädilen ist die Erklärung oder das Versprechen des Verkäufers, dass der Sklave gesund ist, Voraussetzung. Der Kläger muss die Erklärung bzw. das Versprechen beweisen. Für den Fall, dass der Verkäufer die im Edikt der kurulischen Ädilen vorgeschriebenen Eigenschaften beim Kaufabschluss nicht öffentlich erklärt und verspricht, bildet D. 21,1,28 die einzige Quelle. D. 21,1,28 (Gai. 1 ed. aed. cur.)17 Si venditor de his quae edicto aedi lium continentur non ca veat, polli-
Für den Fall, dass der Verkäufer in Bezug auf das, was im Edikt der Ädilen enthalten
geltend, dass bereits eine Voraussetzung für eine Gewährleistungsklage fehlt, wäh rend in der vorliegenden Stelle die Einrede auf einer Vereinbarung beruht. 15 Siehe auch den erläuternden Einschub in der Übersetzung von Kupisch (o. Fn. 11): „… dann nämlich ist [gegen die Einrede des auf Wandelung verklagten Verkäufers] die Gegeneinrede der Arglist zu erteilen“; s. auch Max Kaser, Die Ju risdiktion der kurulischen Ädilen, in: Mélanges Philippe Meylan, Bd. 1: Droit Ro main, Lausanne 1963, 173–191, 178. 16 Vgl. auch D. 21,1,1,9: Der Käufer kannn den Verkäufer dann in Anspruch nehmen, wenn dieser von einem Mangel des Sklaven gewusst und diesen nicht of fenbart hat. 17 Übersetzung durch Kupisch in Corpus Iuris Civilis 4 (o. Fn. 11) 24.
Zur Normstruktur des Edictum aedilium curulium467
centur adversus eum redhibendi iu dicium intra duos menses vel quanti emptoris intersit intra sex menses.
ist, keine Sicherheit leistet, verheißen die Ädilen gegen ihn die Klage auf Wandelung bin nen zweier Monate oder die Klage auf das Inte res se des Käufers binnen sechs Monaten.
In D. 21,1,28 übernimmt der Verkäufer, anders als es das Edikt der kuruli schen Ädilen vorsieht, keine Haftung (durch Erklärung oder Versprechen) für bestimmte Eigenschaften eines Sklaven. Dem Käufer steht in diesem Fall eine Klage auf Wandelung innerhalb von zwei Monaten (redhibendi iudicium intra duos menses) oder die Klage auf das Interesse innerhalb von sechs Mo naten (vel quanti emptoris intersit intra sex menses) zu. Die Frist für die je weilige Klage ist deutlich kürzer als im Regelfall (sechs Monate – zwei Mo nate / ein Jahr – sechs Monate). Nicht erwähnt ist der Fall, dass der Verkäufer beim Abschluss des Kaufvertrages bestimmte Eigenschaften nicht öffentlich anzeigt. Nach dem Wortlaut des Textes ist offen, ob ein Mangel des Kaufge genstands für eine erfolgreiche Klage nötig ist oder nicht. Die Stelle wirft verschiedene Fragen auf. Zunächst ist das Verständnis von pollicentur unklar.18 Grammatisch liegt die dritte Person Plural, Indi kativ Präsens Aktiv vor. Für das Verständnis gibt es zwei Möglichkeiten. Einmal könnte pollicentur „versprechen (eine Stipulation abschließen)“ meinen. In D. 50,12,3 pr. (Ulp., 4 disp.) ist pollicitatio, das Substantiv von polliceor, von der Verein barung (pactum) unterschieden.19 Im dortigen Kontext bedeutet pollicitatio „ein seitiges Versprechen“. Und nach D. 21,1,19,2 (Ulp. 1 ed. aed. cur.)20 kann ein promissum im Sinne der Sachmängelgewährleistung auch in Form einer pollicitatio erfolgen. Dann wären Subjekt von pollicentur die Parteien des Kaufvertrages, nämlich der Käufer und der Verkäufer. Hiergegen spricht aber schon die Einseitigkeit der pollicitatio und zudem, dass die Konstruktion pollicentur adversus eum (sc. der Verkäufer) mit den Parteien als Subjekt nicht möglich erscheint. Zutreffend dürfte daher das Verständnis pollicentur im Sinne von „verhei ßen“ sein.21 Eine unmittelbare Parallele bietet D. 21,1,19,5: Dort ist polli 18 Zu polliceor s. Reineke, Art. polliceor, in: ThLL 10 I 16, Stuttgart 2007, 2545,11–2556,41. 19 D. 50,12,3 pr.: Pactum est duorum consensus atque conuentio, pollicitatio vero offerentis solius promissum … 20 D. 21,1,19,2 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Dictum a promisso sic discernitur: dictum accipimus, quod verbo tenus pronuntiatum est nudoque sermone finitur: promissum autem potest referri et ad nudam promissionem sive p o l l i c i t a t i o n e m vel ad spon sum. secundum quod incipiet is, qui de huiusmodi causa stipulanti spopondit, et ex stipulatu posse conveniri et redhibitoriis actionibus: non novum, nam et qui ex empto potest conveniri, idem etiam redhibitoriis actionibus conveniri potest. 21 So auch die Übersetzung von Kupisch (o. Fn. 11).
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centur explizit für die Klageverheißung der Ädilen gebraucht.22 Auch in den übrigen Fällen, in denen die Digesten pollicentur bezeugen, ist eine einsei tige Erklärung gemeint.23 In mehreren anderen Digestenstellen ist ein Ma gistrat im Singular Subjekt zu pollicetur.24 Verständnisschwierigkeiten bereitet auch, dass in D. 21,1,28 vom Inte resse des Käufers (quanti emptoris intersit) die Rede ist.25 Wenn der Verkäufer erklärt und verspricht, kann der Käufer die Rückabwicklung des Kaufes (redhibitio) oder die Minderung des Preises (quanti minoris) verlan gen. Dage gen kann der Käufer, wenn der Verkäufer nichts erklärt oder verspricht, die Rückabwicklung oder sein Interesse (quanti emptoris intersit) fordern. Ob quanti emptoris intersit mit quanti minoris gleichzusetzen ist, ist umstritten.26 Eine Klage auf das Interesse umfasst allgemein nicht nur die Erstattung des Min der werts des Kaufgegenstands, sondern auch den Ersatz gewisser mitteilbar verursachter Schäden.27 Daher kann die hier zu fordernde Betrag über denje nigen der Minde rungsklage hinausgehen. Für D. 21,1,28 ist es schwierig zu erklären, warum im Fall, dass der Verkäufer nicht erklärt oder verspricht, der mögliche Betrag der Forderung größer, die Klagefrist hingegen kürzer wird. Die Paraphrase des (älteren) Anonymus,28 die der Basilikentext überliefert, in Bas. 19,10,28 spricht nur von einer Minderung des Prei ses.29 Hiernach ist quanti emptoris intersit mit dem Minderwert der Kaufsache gleichzusetzen. Auch wenn quanti emptoris intersit die gleiche Bedeutung wie id quod interest hätte, wäre der Betrag des 22 D. 21,1,19,5 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Deinde aiunt a e d i l e s : „emptori omnibusque ad quos ea res pertinet i u d i c i u m d a b i m u s “. p o l l i c e n t u r emptori actionem et successoribus eius qui in uniuersum ius succedunt … 23 D. 50,12,1,5 (Ulp. l. s. de. off. curat. rei p.); D. 50,13,1,3 (Ulp. 8 de omn. trib.). 24 Z. B. praetor: D. 4,1,5 (Paul. 7 ad ed.); D. 4,2,14,1 (Ulp. 11 ad ed.); D. 4,3,1,4 (Ulp. 11 ad ed.) usw.; proconsul: in D. 4,2,19 (Gai. 4 ad ed. prov.); D. 4,3,26 (Gai. 4 ad ed. prov.) usw. 25 Bei einer Klage auf das Interesse wird normalerweise die Formulierung quod interest benutzt. 26 Dieter Medicus, Id quod interest, Köln 1962, 118–119. Siehe auch Mantovani, Le for mule (o. Fn. 6) 115–116: quanti emptoris intersit und id quod interest entsprechen sich. 27 Siehe Kaser, Das römische Privatrecht (o. Fn. 9) 558. 28 Hierzu s. nur Peter Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Herbert Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner, Bd. 2, München 1978, 341– 480, 423. 29 Siehe Bas. 19,10,28 (D. 21,1,28), BT 958,12–14: E„ m¾ Ð pr£thv ºsfal…sato perˆ tîn kefala…wn tÁv a„dilik…av, ™n£getai tÍ ¢nastrefomšn6 tÕ praq7n ¢gwgÍ e‡sw dÚo mhnîn À tÍ meioÚs6 tÕ t…mhma e‡sw 8x mhnîn. In der Ausgabe Heimbachs erscheint der Text als Bas. 19,10,25, s. Gustav Heimbach, Basilicorum libri LX, Bd. 2, Leipzig 1840, 307.
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Interesses von der Minderungsklage nicht so verschieden. Wenn der Käufer das Interesse verlangt, ist es nötig, dass der Kaufgegenstand mangelhaft ist, da andernfalls kein Minderwert vorliegt. Die Schätzung der Wertminderung aufgrund des Mangels ist, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, objektiv möglich. Die grundsätzliche Frage lautet jedoch, warum die Fristen für die Klagen kür zer werden, wenn der Verkäufer nichts erklärt oder verspricht. Die Verkürzung von Gewährleistungsfristen ist normalerweise für den Verkäufer vorteilhaft. 2. Zum möglichen Verständnis von D. 21,1,28 Das Verständnis von D. 21,1,28 ist umstritten. Im Folgenden soll auf drei Meinungen genauer eingegangen werden. a) Sanktion gegen den ungehorsamen Verkäufer? Die traditionell herrschende Meinung30 sieht in der verheißenen Klage eine Sanktion der Ädilen gegen den ungehorsamen Verkäufer. Das Vorliegen eines Sachmangels sei nicht nötig. Wenn der Verkäufer sich weigert, eine Erklärung oder ein Versprechen abzugeben, gewähren die Ädilen dem Käu fer eine besondere Klage. In dieser Weise wurde D. 21,1,28 bereits im Mittelalter verstanden, wie der Casus des Vivianus Tuscus hierzu zeigt.31 Diese Auffassung erscheint für die Wandelung nachvollziehbar. Hingegen bestehen große Schwierigkeiten bei der Klage auf quanti emptoris intersit, wenn kein Mangel erforderlich sein soll:32 Wonach soll sich das Interesse berechnen? Um diese Schwierigkeit zu vermeiden, behaupten manche Auto 30 Siehe dazu Giambattista Impallomeni, L’editto degli edili curuli, Padova 1955; Kaser, Die Jurisdiktion (o. Fn. 15) 173–191; ders., Das römische Privatrecht 1 (o. Fn. 9) 560. 31 Siehe den Casus von Vivianus zu D. 21,1,28: Si Titius vendidit mihi Stichum, de bet mihi promittere non fugitivum: et alia vitia abesse: et nisi promittat, ago redhibitoria, et intra duos menses: vel quanti interest, usque ad sex menses. Benutzt wurde die Ausgabe: Corpus Iuris Civilis Iustinianei cum commentariis Accurusii …, Bd. 1: Digestum vetus, Lyon 1627 (Nachdruck Osnabrück 1965), Sp. 1957. Zu Vi vianus s. Hermann Lange, Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1: Die Glossatoren, München 1997, 370 sowie Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 5, Heidelberg 18502, 339–340. 32 Siehe Berthold Kupisch, Römische Sachmängelhaftung: Ein Beispiel für die „Ökonomische Analyse des Rechts“?, TR 70 (2002) 21–54, 22.
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ren,33 dass bei der Klage auf das Interesse doch ein Mangel nötig sei. Doch bietet der Text von D. 21,1,28 für eine solche Differenzierung keine Anhaltspunkte. Daher scheint diese traditionelle Auffassung zum Verständnis von D. 21,1,28 nicht überzeugend. b) Zwang zum Abschluss einer prozessualen Stipulation? Ein neues Verständnis von D. 21,1,28 geht auf É. Jakab zurück.34 Nach Jakab ist pollicentur in D. 21,1,28 im Sinne von „(einseitig) verheißen“ zu verstehen, zugehöriges Subjekt sind die Ädilen.35 Dem Verkäufer sei von den Ädilen bloß eine Informationspflicht aufgedrängt worden. Die Ädilen zwingen also den Verkäufer nicht direkt zu einer Garantiestipulation beim Abschluss des Kaufvertrags. Setzte jedoch der Verkäufer beim Abschluss des Kaufvertrags den Käufer von bestimmten relevanten (im Edikt der ku rulischen Ädilen aufgezählten) Mängel nicht in Kenntnis, konnte der Käufer gegen ihn mit den ädilizischen Rechtsbehelfen vorgehen, sobald sich ein Mangel zeigte. Erst in dieser Phase werde die in Gai. D. 21,1,28 angespro chene stipulatio (Si venditor … non caveat) von Bedeutung. Der Käufer könne vom Verkäufer verlangen, zur Sicherung seiner Gewährleistungsan sprüche eine prozessuale stipulatio abzuschließen, die zur Prozesseinleitung vor den kurulischen Ädilen diene. Insoweit habe das Edikt bezüglich des Abschlusses einer Stipulation eine zwin gende Wir kung. Diese ädilizische stipulatio diene jedoch dazu, einen Zivilprozess vor den kurulischen Ädilen zu ermöglichen. Sie sei von der Garantiestipulation der Vertragspraxis kon sequent zu unterscheiden, weil der Abschluss jener unter den Parteien frei ausgehandelt worden sei. Aufgrund der prozessualen ädilizischen stipulatio kann der Käufer innerhalb von zwei Monaten auf Wandelung und innerhalb von sechs Monaten auf sein Interesse (?) klagen; die Fristen laufen ab Ab schluss die ser Stipulation (ungeachtet des ursprünglichen Zeitpunkts des Kaufabschlusses). Die neue, durch die stipulatio begründete Frist belastet den Verkäufer schwerer, als wenn er von Anfang an die nötige Erklärung oder das Versprechen gegeben hätte. Hierin liegt eine deutliche Sanktion 33 Siehe z. B. Heinrich Honsell, Quod interest in bonae-fidei-iudicium, München 1969, 69; ders., in: Heinrich Honsell / Theo Mayer-Maly / Walter Selb, Römisches Recht, Berlin 19874, 316 mit Fn. 18. 34 Éva Jakab, Praedicere und cavere beim Marktkauf. Sachmängel im griechi schen und römischen Recht, München 1997; Wolfgang Ernst, Neues zur Sachmän gelhaftung aufgrund des Ädilenedikts, in: ZRG RA 116 (1999) 208–221. Darstellung der Meinung Jakabs auch bei Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht (o. Fn. 1) 255– 256 Rn. 43. 35 Jakab, Praedicere (o. Fn. 34) 249.
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gegen den Ver käufer, der dem Edikt der kurulischen Ädi len nicht Folge leistet. Jakab illustriert die wichtige Rolle der kurulischen Ädilen für das Marktgeschehen sehr anschaulich mit anderweitigen Beispielen für Markt polizei aus dem Mittelmeerraum. Die Gerichtsbarkeit / Rechtsprechung der kurulischen Ädilen im Rahmen ihrer Marktaufsicht ist unabhängig von derjenigen des Prätors. Die kurulischen Ädilen haben eine eigene Kompe tenz, Prozesse wegen Sachmängeln durchzuführen. Aber weil ihre Gerichts barkeit eigentlich keine Grundlage im alten ius civile hatte, musste der Anspruch des Käufers mit einer speziellen prozessualen stipulatio begründet werden. Diese Meinung biete auch dafür eine Erklärung, warum gelegent lich die stipulationes aediliciae zu den stipulationes praetoriae gerechnet werden,36 was bislang kaum verständlich war. Freilich geht das Erfordernis einer Stipulation vor den Ädilen nur indirekt (non caveat) aus D. 21,1,28 hervor.37 c) Musterregelung für den Markt? Auch nach B. Kupisch38 bedeutet pollicentur in D. 21,1,28 „(einseitig) verheißen“ und Subjekt hierzu sind die Ädilen. Kupisch betont, dass die Par teien in ihren Vereinbarungen von dem Edikt der kurulischen Ädilen abweichen können. Der Verkäufer ist nicht zur Abgabe von Erklärung oder Versprechen gezwungen, vielmehr ist die Übernahme der Gewährleistung freiwillig. Hiernach kann der Käufer aufgrund des Edikts der Ädilen nur klagen, wenn die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben und tatsächlich ein Mangel vorliegt. Kupisch stützt sich hierbei vor allem auf eine Erläuterung des Ante cessor Ste phanus,39 die als Scholion zu 36 Siehe z. B. Inst. Iust. 3,18 pr.: stipulationum aliae iudiciales sunt, aliae p r a e t o r i a e , aliae conventionales, aliae communes tam praetoriae quam iudiciales. (2) Praetoriae, quae a mero praetoris officio proficiscuntur, veluti damni infecti uel legatorum. praetorias autem stipulationes sic exaudiri oportet, ut in his contineantur etiam a e d i l i c i a e : nam et hae ab iurisdictione veniunt. Siehe auch D. 45,1,5 pr. (Pomp. 26 Sab.). 37 Zur Kritik an der Beweisführung von Jakab s. Kupisch, Römische Sachmängelhaf tung (o. Fn. 32) 28–33; hierzu dann die Replik von Éva Jakab, Cavere und Haftung für Sachmängel. Zehn Argumente gegen Berthold Kupisch, in: Éva Jakab / Wolfgang Ernst (Hrsg.), Kaufen nach Römischem Recht, Berlin 2008, 123–137. 38 Kupisch, Römische Sachmängelhaftung (o. Fn. 32) 21–54, Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht (o. Fn. 1) 215–217. 39 Zu Stephanos s. nur Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur (o. Fn. 28) 421–422 sowie zuletzt Hylkje De Jong, Stephanus en zijn Digestenonderwijs, Den Haag 2008; hierzu die Rezension von F. Brandsma, ZRG RA 131 (2014) 520–525.
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Bas. 18,6,2 (D. 15,2,2), also in einem in sachlich anderem Kontext,40 erhal ten ist: Schol. ad Bas. 18,6,2, BS 1148,28–1149,7 Wenn jemand einen Sklaven verkauft, der ’E£n tiv o„kšthn pwl»s6 krup einen versteckten Mangel hat, steht dem tÕn œconta p£qov, ¡rmÒttei tù Käufer die ädilizische Wan delungsklage ºgorakÒti ¹ aedilicia redhib it or…a oder die Minderungs klage auf den Betrag quanti minoris, e„v Óson zu, um den der Käufer den Sklaven weniger ¼ttonov ¨n tÕn o„kšthn ºgÒ ra gekauft hätte, wenn er den Mangel gekannt sen, e„ d’ ¨n œgnw tÕ p£ qov Ð hätte. Und die Wandelungsklage wird nur ¢gorast»v. ’All’ ¹ m7n þedni bi innerhalb von sechs Monaten er hoben, die tor…a ™ntÕv v´. kaˆ mÒnwn kine‹ Minderungsklage innerhalb eines annus utitai mhnîn, ¹ d7 kou£nti mi nÒriv ™ntÕv ™niautoà oÙti l…ou, œnqa lis, dann selbstver ständlich nur, wenn der dhlonÒti ™pˆ to‹v tÁv a™dilik…av Verkäufer gegenüber dem Käufer für die kefala…oiv Ð pr£ thv tÕn Be stimmungen der ädilizi schen Klage Ge ¢gorast¾n ºsfal…sato. E„ g¦r währ übernommen hat. Wenn er keine Ge m¾ ºsfa l… sa to aÙtÒn, tÒte ¹ währ übernommen hat, dann wird die Wan m7n þednibitor…a ™ntÕv dÚo kaˆ delungsklage innerhalb von nur zwei Mo mÒnwn kine‹tai mhnîn, ¹ d7 naten erhoben, die Min derungsklage in kou£nti mi nÒriv ™n tÕv v´. mhnîn, nerhalb von sechs Monaten, wie Gaius im æv Ð G£2ov ™n tù kh´. dig. toà 28. digestum des genannten Buches und Ti e„rhmšnou bib. kaˆ tit. tîn ’An tels der libri singulares Antipapiniani tipapianoà monobib. toàtÒ fhsi. (D. 21,1,28) sagt. Dies aber nimm an für Toàto d7 aÙtÕ nÒhson, œnqa m¾ den Fall, dass der Verkäufer den Sklaven ¡plîv kaˆ ¢napodÒt0 pr£sei nicht „einfach“ und ohne Rückgaberecht tÕn o„ kš thn Ð pr£thv ™pèlhse. verkauft hat. Gegen den Verkäufer, der „ein ’Epˆ g¦r tù ¡plîv kaˆ ¢n apo fach“ und ohne Rückgabrecht verkauft hat, dÒ t0 pr£t6 oÙ cèra tÍ findet die ädilizische Klage keine An wen a™dili k…*, æv Ð PapianÕv ™n tù dung, wie Pa pinianus im 48. digestum in mh´. dig. toà aÙtoà bib. kaˆ tit. dem selben Buch und Titel (D. 21,1,48,8) fhs…n.41 sagt.
Stephanus schildert drei Konstellationen für den Fall, dass der Käufer nach Abschluss des Kaufvertrags einen verborgenen Mangel findet. 41
handelt von der actio de peculio annalis. lateinische Übersetzung bietet Karl Eduard Zachariae von Lingenthal, Supplementum editionis Basilicorum Heimbachianae, Leipzig 1848, 238: „Si quis servum vendiderit, qui vitium latens habeat, emtori competit actio aedilicia redhibi toria, vel quanti minoris servum emisset emtor, si vitium cognitum habuisset. Et redhibitoria quidem duntaxat intra sex menses agitur, quanto minoris autem intra annum utilem, si nimirum venditor emtori caverit de his, quae edicto aedilium con tinentur: etenim si ei non caverit, redhibitoria duntaxat intra duos menses, quanti minoris intra VI menses agitur, ut Gaius dig. 28 dicti lib. et tit. librorum singularium Antipapiniani (D. 21,1,28) dicit. Sed hoc sic accipe, si non simpliciter et ita, ne restitutio fieret, venditor servum vendiderit: nam adversus eum, qui simpliciter et ita, ne restitutio fiat, vendit, aediliciae actioni non est locus, ut Papinianus dicit dig. 48 eiusdem lib. et tit. (D. 21,1,48,8).“ 40 D. 15,2 41 Eine
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(1) Hat der Verkäufer die im Edikt der kurulischen Ädilen vorgesehene Gewähr übernommen, dann kann der Käufer innerhalb von sechs Monaten auf Wandelung und innerhalb eines Jahres auf Minderung klagen. (2) Hat der Verkäufer keine Gewähr übernommen, dann stehen dem Käu fer für die Klage auf Wandelung zwei Monate, für diejenige auf Minderung sechs Monate zur Verfügung. (3) Handelt es sich um eine simplaria venditio ohne Rückgaberecht, dann scheiden Rechtsbehelfe des Käufers aus. Für den zweiten Fall (D. 21,1,28) geht Stephanus nicht davon aus, dass zu sätzlich noch eine Stipulation nötig ist. Ein Mangel muss freilich vorliegen. Der dritte Fall entspricht D. 21,1,48,8 (Pomp.42 23 Sab.).43 Bei der venditio simplaria handelt es sich um einen Kauf mit sehr geringem Kaufpreis. Das Edikt der kurulischen Ädilen ist nach Kupisch nur eine Musterrege lung für Marktkäufe, die die Ädilen zur Verfügung stellen, um das Gleich gewicht der Leistungen zu erhalten, wie es in den drei soeben geschilderten Konstellationen zum Ausdruck kommt. Es gibt aber weder eine Pflicht des Verkäufers, eine Gewährleistung zu übernehmen, noch einen Zwang oder Sanktionen seitens der Ädilen für den Fall, dass eine solche Gewährleis tungsübernahme unterbleibt. Auch bei D. 21,1,28 liegt nach Kupisch der Grund für die Verkürzung der Klagefristen gegenüber dem Regelfall darin, dass das Gleichgewicht der Leistungen erhalten bleiben soll.44 Wenn der Verkäufer einen Sklaven ohne Übernahme der Gewährleistung verkauft, wird dessen Preis geringer sein. Dies rechtfertigt dann eine kürzere Frist für die Gewährleistungsrechte. Der Verkäufer kann daher, wenn er billig verkauft, ein dictum oder promissum verweigern. Nach dieser Meinung liegt den Gewährleistungsfristen einheitlich das Prinzip vom Gleichgewicht der Leistungen zugrunde. Dieser in sich schlüs sigen Konzeption schlossen sich auch andere Autoren an.45 Die Auffassung von Kupisch stützt sich in erster Linie auf das oben geschil derte Scholion des Stephanus zu Bas. 18,6,2. Freilich stammt das 42 Das
Scholion nennt unrichtig Papinian als Verfasser der Stelle. (Pomp. 23 Sab.): Simplariarum venditionum causa ne sit redhibitio, in usu est. 44 Kupisch macht folgende Gegenüberstellung: Garantiestipulation, höherer Preis, längere Gewährleistungsfristen – keine Garantiestipulation, niedrigerer Preis, kürzere Gewährleistungsfristen. 45 Kupisch folgen Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht (o. Fn. 1) 215–217. 43 D. 21,1,48,8
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Scholion aus dem Rechtsunterricht, es kann auch nur das persönliche Ver ständnis des Stephanus von der Stelle widerspiegeln.46 d) Eigene Stellungnahme Die erste geschilderte Meinung, nach der D. 21,1,28 keinen Mangel voraussetzt, dürfte nicht haltbar sein. Die zweite Auffassung hat die Schwie rigkeit, in die Stelle verschiedene Voraussetzungen hineinlesen zu müssen, die aus ihr selbst nicht hervorgehen. Die dritte Meinung bietet ein in sich schlüssiges Bild, hat freilich mit einem Scholion des Stephanus nur eine schwache, zudem anzweifelbare Quellenbasis. Wegen ihrer Stimmigkeit soll diese Auffassung hier dennoch zugrunde gelegt werden. IV. D. 21,1,14,9 und D. 21,1,28 Im Fall von D. 21,1,14,9 nimmt der Käufer den Verkäufer mit der allgemeinen Klage aus dem Edikt der kurulischen Ädilen in Anspruch. Der Verkäufer schloss die Gewähr für eine bestimmte Krankheit, etwa für Schwindsucht, aus, im Übrigen übernahm er die Gewährleistung für die Gesundheit des Sklaven. Der Käufer behauptet einen Mangel, der offenbar mit der Krankheit zusammenhängt. Auch für D. 21,1,28 ist, wie gezeigt, davon auszugehen, dass ein Mangel vorliegt. Man könnte überlegen, ob dann auch im Falle von D. 21,1,14,9 die Wandelungsklage nur binnen zweier Monate möglich ist, wie dies D. 21,1,28 vorsieht. Doch ist wohl der entscheidende Unterschied, dass in D. 21,1,14,9 ge rade die Gewähr für einen bestimmten Mangel ausgeschlossen wurde, während der Verkäufer ansonsten für die Gesundheit des Sklaven einstehen wollte (de cetero sanum esse dixerit aut promiserit). In D. 21,1,28 hat der Verkäufer gar keine Er klärung über die Gewährleistung abgegeben, d. h. diese weder übernommen noch ganz oder teilweise ausgeschlossen. Daher dürfte der Fall von D. 21,1,14,9 im Hinblick auf die Gewährleistungsfristen dem Normalfall zuzurechnen sein, d. h., die Frist für die Wandelungsklage würde sechs Monate betragen. V. Schlussbetrachtung Nach D. 21,1,14,9 können die Parteien die Sachmängelhaftung partiell (und dann wohl auch generell) ausschließen. Dies hat zur Folge, dass der Käufer we gen des fraglichen Mangels den Verkäufer nicht mehr in An 46 Siehe
dazu ausführlich Jakab, Cavere und Haftung (o. Fn. 37) 130.
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spruch nehmen kann. Der Verzicht auf die Gewährleistungsrechte ist eine selbständige Entscheidung des Käufers, der hierfür die Verantwortung über nimmt. (1) Das Edikt der kurulischen Ädilen befiehlt dem Verkäufer, bestimmte Eigenschaften des Sklaven anzuzeigen und dicta oder promissa abzugeben. Die Anordnungen des Edikts haben keine zwingende Wirkung; der Verkäu fer kann den Abschluss entsprechender Stipulationen auch verweigern. Das Edikt der kurulischen Ädilen konnte für diese Vorgehensweise nur ein Mus ter zur Verfügung stellen. Der Käufer verlangt zuerst vom Verkäufer eine Erklärung oder ein Versprechen über das Fehlen der im Edikt der kurulischen Ädilen erwähnten Mängel (z. B. die Inexistenz einer Schwindsucht des Sklaven). So kann er sich die Klage nach dem Edikt der kurulischen Ädilen sichern. Gibt der Käufer das Versprechen in Stipulationsform ab, dann kann der Käufer da neben auch aus der Stipulation vor dem Prätor klagen.47 In Rom kann die stipulatio auch gleich zei tig mit einem Konsensualvertrag abgeschlossen werden.48 Wenn entgegen der Erklä rung bzw. dem Versprechen des Ver käufers ein Mangel vorliegt, dann kann der Käufer vor den kurulischen Ädilen innerhalb von sechs Monaten auf Wandelung und innerhalb von ei nem Jahr auf Minderung klagen. Zudem steht ihm die allgemeine Kaufkla ge (actio empti) zur Verfügung.49 (2) Wenn der Verkäufer eine Erklärung oder ein Versprechen verweigert, kann der Käufer selbst das Risiko des Geschäfts erkennen. Er kann vom Ab schluss eines Kaufvertrages absehen, um eventuelle Betrügereien des Verkäufers zu vermeiden. Er kann aber auch über den Kaufpreis und die Vertragsbedingungen mit dem Verkäufer50 verhandeln. Obwohl der Käufer seitens des Verkäufers keine Erklärung bzw. kein Versprechen erhält, hat er zumindest das Recht, mit verkürzter Frist die Klage der kurulischen Ädilen 47 Siehe nur D. 21,1,19,2 (Ulp. 1 ed. aed. cur.): Dictum a promisso sic discernitur: dictum accipimus, quod verbo tenus pronuntiatum est nudoque sermone finitur: promissum autem potest referri et ad nudam promissionem sive pollicitationem vel ad sponsum. secundum quod incipietis, qui de huiusmodi causa stipulanti spopondit, et ex stipulatu posse conveniri et redhibitoriis actionibus: non novum, nam et qui ex empto potest conveniri, idem etiam redhibitoriis actionibus conveniri potest. 48 So erfolgt z. B. bei Varro, De re rust. 2,2,5–6 die stipulatio gleichzeitig mit dem Kauf vertrag über ein Schaf. An weiteren Beispielen s. nur für die societas D. 17,2,71 pr. (Paul. 3 epit. Alf. dig.), für die emptio D. 18,1,39,1 (Iul. 15 dig.), D. 18,7,7 (Papin. 10 quaest.) usw. 49 Siehe die vorangehende Fußnote. 50 Wenn der Sklave besondere Fähigkeiten besitzt, z. B. ein guter Maler ist, könnte der Preis trotzdem hoch sein, obwohl er vielleicht Krankheiten aufweist.
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(zwei Monate für die Wandelung; sechs Monate für das quanti eius intersit) geltend zu machen, wenn er einen verborgenen Mangel findet. Der Grund für die Verkür zung der Klagefrist dürfte im Prinzip der Erhaltung des Gleichgewichs von Leistung und Gegenleistung liegen (s. oben). Wenn der Käufer den Kaufvertrag ohne Gewährleistungsvereinbarung abschließt, gibt er den Schutz, den diese bietet, auf und akzeptiert einen schwächeren Rechtsschutz, der sich nur auf die Klage aus dem Edikt der Ädilen stützt. (3) Wenn der Verkäufer seine Inanspruchnahme wegen Gewährleistung ausschließen oder beschränken will, kann er versuchen, einen partiellen (für bestimmte Mängel) oder generellen Gewährleistungsausschluss durchzuset zen. Dann begibt sich der Käufer auch des Schutzes durch die Klage aus dem Edikt der kurulischen Ädilen. Da es sich bei dem Haftungsausschluss um eine Einrede zugunsten des Verkäufers handelt, hat dieser sie zu bewei sen. Der Haf tungsaus schluss kann seinerseits mit der Gegeneinrede der Arglist entkräftet werden, wenn der Verkäufer die ausgeschlossene Krank heit bei Abschluss des Kaufvertrags gekannt hat. Für die Klagefrist dürften hier die allgemeinen Fristen gelten, nicht die verkürzten Fristen von D. 21,1,28 (s. oben S. 468). Das Ziel des Edikts der kurulischen Ädilen, den Käufer vor Betrügereien des Verkäufers zu schützen, ist dementsprechend nach den Parteiinteressen abgestuft. Die römischen Juristen haben wechselseitige Betrügereien zwi schen den Parteien als selbstverständlich erachtet.51 Das Edikt der kuruli schen Ädilen hat versucht, dem Markt eine gerechte Ordnung zu bieten, indem es sowohl dem Schutz des Käufers als auch dessen autonomer Ent scheidung Rechnung zu tragen suchte.
51 Siehe z. B. D. 19,2,22,3 (Paul. 34 ad ed.): … quemadmodum in emendo et vendendo naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere, ita in locationibus quoque et conductionibus iuris est; D. 4,4,16,4 (Ulp. 11 ad ed.): idem Pomponius ait in pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire.
The Burden on the Share of Common Property after Dividing Common Property By Shiro Yanata I. Introduction It is said to be a Roman rule that the burden which one of the co-owners creates on his share still remains over the whole property after iudicium communi dividundo. This rule is pronounced by Gaius in D. 20,6,7,4 Gai. l. s. ad form. hypoth. D. 20,6,7,4 Gai. l. s. ad form. hypoth. Illud tenendum est, si quis com munis rei partem pro indiviso de derit hypothe cae, divisione facta cum socio non utique eam partem creditori obligatam esse, quae ei ob tingit qui pignori dedit, sed utrius que pars pro indiviso pro parte di midia manebit obligata.
It is held that if someone mortgages an un divided share of common property and the property is divided among the co-own ers, the mortgage ex tends not to the sepa rate share of the mortgagor but to an undivided half share of the whole.1
If one of the two co-owners pledged his undivided share, this would burden both parts of the divided property to the extent of half after the division. Nevertheless, this rule is challenged in modern legislation.2 1
According to the Roman rule, the divided piece of land belonging to the for mer co-owner, who has nothing to do with the pledge itself, will be under the pledge on the undivided share of half. Does this result cause no trouble in An cient Rome? Are Roman jurists really consistent? Actually, 1 Translated by Alan Watson, The Digest of Justinian. Translation edited by Alan Watson. Rev. English language ed., 1998. 2 In France, the articles of Code civile about this issue (especially art. 2414) have been revised in 2006. In Japan, this topic is rarely discussed. The Supreme Court judged this matter only one time in 1942, which judgment is maintained up to today (OGH S17.4.24 MINSHU21–8–447). Cf. Shiro Yanata, Kyouyubutsu bunkatsugo no motsibunjou no teitoken (Hypothèque inscrite sur les parts indivises après partage en nature), Kyudaihougaku 94 (2007 / 2) 117–162. In Germany, BGB §§ 1066 and 1258 treat this issue. The interpretation of these articles has been changed by BGHZ 52, 99. The matter in modern jurisdictions will be treated on another occasion.
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Trebatius is reported to have stated a contrary response to the case about ususfructus on the undivided share in D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. However, the other jurists did not follow the theory of Trebatius, as also can be seen in the sharp criticism by “ego” in the same text. This article is an exegetic analysis of D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. in which the response of Trebatius is reported. We will also analyze texts from the Digesta and Codex in which the Roman jurists tackle the problem deriving from the rule that the burden on the undivided share still remains on the divided piece of land belonging to the former co-owner after the division. II. D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. 1. Traditional construction of the text D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. Is qui fundum tecum communem habebat usum fructum fundi uxori legaverat: post mortem eius tecum heres arbitrum com muni dividundo petierat. Blaesus ait Trebatium res pondisse, si arbiter certis regionibus fundum divisisset, eius partis, quae tibi optigerit, usum fructum mulieri nulla ex parte deberi, sed eius, quod heredi optigisset, totius usum fruc tum eam habituram. ego hoc falsum puto: nam cum ante arbitrum com muni dividundo con iunctus pro in diviso ex parte dimidia totius fundi usus fructus mulieris fuisset, non potuisse arbitrum in ter alios iudi cando alterius ius mu tare: quod et receptum est. 3
A man who shared the ownership of a farm with you had legated the usufruct of the farm to his wife; after his death the heir had applied for an arbitrator for divid ing the common property. Blaesus says Treba tius replied that if the arbitrator divided the farm into fixed areas, the usu fruct of that part which fell to you is in no cir cum stances owed to the woman, but she should have the usufruct of the whole of that portion which fell to the heir. I think this is false; for since, before the arbitra tor’s divi sion, the woman had had the conjoined usufruct of a pro indiviso half share of the whole farm, the arbitrator had no power in deciding be tween other parties to change the rights of a third. This has been accepted.3
The case described in this text is as follows.
1. Maritus bequeathed to uxor (U) ususfructus of a parcel of land which he owned in common with another (A).4 by A. Watson (above nt. 1). can be created with reference to an undivided share of land (D. 7,1,5 Pap. 7 quaest.). Our text does not state what form of legacy was used. But it is interpreted to be a legacy per vindicationem, which is consistent with the rea soning of “ego” and the question which arose when B sought a division of the land by an actio communi dividundo and the arbiter made a division of the common 3 Translated
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2. After maritus’s death, heres (B) sought a division of the common pro perty. 3. Arbiter divided the common land into certae regiones. 4. Question: Does U now have ususfructus of the part of the land as signed to B or does she still have ususfructus of the whole land to the extent of a half? 5. Trebatius responded that U now has ususfructus of the part assigned to B. The part assigned to A, on the other hand, does not bare ususfructus at all. 6. “Ego” objected to Trebatius by stating “hoc falsum puto”. 7. “Ego” thinks that U has ususfructus of the whole land to the extent of a half. The case “is qui fundum tecum communem habebat usum fructum fundi uxori legaverat: post mortem eius tecum heres arbitrum communi dividundo petierat” originates probably from Labeo, epitomized by Iavolenus. Then, Labeo quotes “Blaesus”, who reports the response of Trebatius by stating “Blaesus ait Trebatium respondisse …” Against this opinion of Trebatius, La beo expresses his opposition arguing that the arbitra tor cannot change somebody else’s right. Iavolenus supports this last opinion of Labeo with a short comment “quod et receptum est”. 2. “Ego”s opposition to Trebatius This text clearly indicates a conflict of opinions between Trebatius and “ego”. There are some views to explain the basis of this disagreement, un derstanding “ego” as Labeo. Marrone explained that Trebatius was dealing with a case under the legis actio system and Labeo argued with reference to the formulary system.5 Some other studies attributed it to the difference in their respective conception of ususfructus.6 Gordon, having rejected all possibilities, proposed to reduce the conflict to a construction of the legacy.7 property into separate parts. Cf. Pampaloni, Il concetto classico dell’usufrutto BIDR 22 (1910) 109–154, 114. 5 Matteo Marrone, L’efficacia pregiudiziale della sentenza nel processo civile ro mano, Palermo 1955, 94 f. 6 Mario Bretone, La nozione romana di usufrutto I: Dalle origini a Diocleziano, Napoli, 1962, c. II, § 8; Christiane Kohlhaas, Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo, Pfaffenweiler 1986, 74. 7 “The situation is that a co-owner has left a usufruct of ‘the field’ which he holds in co-ownership. It does not appear that he specifically left a usufruct of his share of the field. It is then clear that if the legacy was per vindicationem and the
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Nevertheless, it might perhaps be possible to explain the basis of conflict without referring to the legis actio system and the formulary system or the conceptions of ususfructus. When the owner of a parcel of land gives ususfructus to another, the owner himself has ownership of it without usus and fructus which is called nuda proprietas.8 The reason why Trebatius came to a conclusion that U has ususfructus of the part assigned to B and the part assigned to A does not owe ususfructus at all after the division might perhaps be as follows. When one of two co-owners gives ususfructus to another, he himself has nuda proprietas of the half share, and the usufructuary has ususfructus on that share. In our case, before iudicium communi dividundo U had ususfructus on a half share of the whole land which is described as “pro indiviso ex parte dimidia totius fundi”. B had only nuda proprietas pro indiviso ex parte dimidia totius fundi before iudicium communi dividundo. After iudicium communi dividundo, B has nuda proprietas of a parcel of land as signed to B and A has entire proprietas on a parcel of land assigned to A. Therefore U has ususfructus on the parcel of B entirely. This idea seems to be convincing and practical.9 “Ego”, however, sharply criticizes Trebatius by saying “ego hoc falsum puto”, because “non potuisse arbitrum inter alios iudicando alterius ius mutare”, namely, the arbitrator has no power to change the right of the third party which is not concerned with the iudicium. This opinion may be estimated to be theoretical, and was followed by later Roman jurists. legatee claims a usufruct in the field without any restriction her claim should fail. Her claim should be so formulated as to restrict it to the share which the testator held – at least where the other co-owner is concerned. It does not, therefore, seem unreasonable to suggest that Trebatius took the broad, and from the point of view of the other co-owner – and, possibly, from the point of view of the usufructuary also – very practical view that the share which the testator held after the division must be taken to mean the divided share. The change or apparent change in the object of the usufructuary’s right could perhaps be justified by the view attested in relation to the ius accrescendi in usufruct – usus fructus cottidie constituitur et legatur, non, ut proprietas, eo solo tempore quo vindicatur. Labeo, however, perhaps because he sees the prejudice which Trebatius’s decision could cause to the usufruc tuary whose interest would not have come into consideration in making the division or, perhaps, simply because he takes a stricter view of the effect to be given to the testator’s will, points out that the division could not have altered the right given and gives the usufructuary a right in what the testator held at his death.” And he adds “to reduce a text to a question of construction is not the most satisfactory or satisfy ing of explanations but even a modest and practical explanation may deserve con sideration when the text itself is silent.”; W. M. Gordon, D. 33,2,31 – usufruct and common property, Studi in onore di G. Grosso IV (1971) 305–313, 312 f. 8 Gai. 2,30. 9 This result is consistent with the current construction of BGB § 1066 III.
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3. Who is “ego”? Our text has been constructed to indicate a conflict of opinions between Tre batius and his pupil La beo by interpreting “ego” as Labeo. But this interpretation will lead to an unpleasant conclusion that Labeo was disa greeing with, or even criticizing his own master intensely. If the passage “ego hoc falsum puto” can be understood to be written by Iavolenus, not by Labeo, such a conclusion could be avoided. Indeed, the expression “falsum puto” is never used by Labeo in the texts of the Digesta.10 We might have to realize the unsoundness of the interpretation that Labeo’s only use of “falsum puto” is brought about to accuse his own respected master. On the other hand, Iavolenus uses the expression “falsum puto” twice11, and “falsum est” once12 opposing Labeo’s opinion in his “libri ex posterioribus Labeonis” recorded in the Digesta. When we take it into considera tion that our text was quoted from Labeo’s “libri posteriorum a Iavoleno epitomatorum”, the last part, starting from “ego hoc falsum puto”, could perhaps be taken as a comment by Iavolenus. “Ego” could perhaps be not Labeo but Iavolenus.13 Let us now take a look at the traditional construction of the text. The first part “Is qui fundum tecum communem habebat usum fructum fundi uxori legaverat: post mortem eius tecum heres arbitrum communi dividundo petierat” indicates the case by Labeo, perhaps epitomized by Iavolenus. Then, Labeo quotes “Blaesus”, who reports the response of Trebatius by stating “Blaesus ait Trebatium respondisse …” Against this opinion of Trebatius, Labeo expresses his opposition arguing that the arbitra tor cannot change somebody else’s right. Iavolenus supports this last opinion of Labeo with a short comment “quod et receptum est.” Interpreting “ego” as being Iavolenus, on the other hand, our text is to be constructed as follows. The first part was from Labeo as epitomized by Iavolenus. Then, the reply of Trebatius is reported by Labeo as the com 10 Checking all the texts which are taken to have been written by Labeo according to Lenel’s Palingenesia. 11 D. 29,2,60 Iav. 1 ex post. Lab.; D. 47,10,44 Iav. 9 ex post. Lab. 12 D. 23,3,80 Iav. 6 ex post. Lab. 13 Santi Di Paola says: “Questo frammento, che non offre il fianco ad altri rilievi, fa tuttavia abbastanza chiaramente presumere che non sia in esso Labeone, sibbene Giavoleno a parlare. Ed invero, è assai difficilmente pensabile che Labeone, discepolo di Trebazio, abbia fatto ricorso, per riferire un’opinione di lui, ad una attestazione di altro giurista. La falsificazione non è consistita in alcuna alterazione testuale, ma nella traspo si zione del brano nei Labeonis libri, e quindi nella at tribuzione implicita della paternità di esso a Labeone.” (Santi di Paola, L’opera di Giavoleno Prisco sui “libri posteriores”, Bull. 49 / 50 (1947) 277–331, 312).
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ment of Blaesus. The jurist accusing Trebatius in the next part is Iavole nus. Moreover, “Blaesus” might perhaps be able to be understood not as a name of jurist who reports Labeo’s response, but as Labeo’s way of speak ing. Grammatically, the word “blaesus” could be understood as an adjective which modi fies the subject of ait. This interpretation would benefit the construction that the subject of ait is Labeo, according to which “(Labeo) blaesus ait Trebatium respondisse” should be read as “Labeo says hesita tively (stammeringly) that Trebatius responded that …”.14 Whether interpreting “blaesus” as a jurist’s name or an adjective, who quo ted the response of Tre batius is Labeo and who criticizes Trebatius could perhaps be interpreted as Iavolenus. This interpretation would, there fore, lead to a conclusion that Labeo was not against Trebatius. Against this construction, it might be argued that it is rather peculiar that an author who comments “quod et receptum est” notes “falsum puto” in the same text. Nevertheless, the assumption that both statements derive from the same writer could also be challenged, as “quod et receptum est” might be a comment not by Iavolenus but by the compilers of the Digesta.15 On the other hand, the authorship of such a comment could theoretically be attributed even to any jurists after Iavolenus until the compilation of the Digesta.16
14 “Blaesus” has been understood to be a person’s name (e. g. Marrone, above nt. 5; Bretone, above nt. 6; Gordon, above nt. 7; Kohlhaas, above nt. 6). According to Lenel’s Palingenesia, a person named Blaesus appears only once in the Digesta, i. e. here, though the family name of “Blaesus” is found in ancient Rome (W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der Römischen Juristen, 2. Aufl. Graz / Wien / Köln 1967, 115). 15 Pernice says: “Diese (= quod et receptum est) gehören entweder dem Javolen als eine kurze zustimmende Bemerkung oder den Compilatoren”, Alfred Pernice, Marcus Antistius Labeo I, Halle 1873, 72 nt. 18a. Santi di Paola (above nt. 13, 312) thinks that the sentence was Iavolenus’s com ment or inserted by the compilers of the Digesta: “La chiusa, quod et receptum est, non è stata forse scritta da Giavoleno, nè, forse, può credersi che l’abbiano scritta i compila tori. Ma, una volta ammesso ciò, rimane la possibilità che essa sia stata aggiunta in epoca postclassica-pregiustinianea.” Kohlhaas (above nt. 6, 75) has the opinion that „die Anmerkung von Javolen stammt“. 16 Iavolenus uses the expression “receptum est” only once in the Digesta in this very text. By the way, for example, Paulus uses the expression “receptum est” in D. 1,3,14 Paul. 54 ad ed.; D. 1,5,12 Paul. 19 resp.; D. 5,1,12,2 Paul. 17 ad ed.; D. 8,4,18 Paul. 1 manual.; D. 17,1,22,5 Paul. 32 ad ed.; D. 19,4,1,2 Paul. 32 ad ed.; D. 21,2,56,7
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The decision of Trebatius that the widow (U) has usufruct only on the part assigned to the heir (B) may be practical. “Ego” who criticized Treba tius saying “hoc falsum puto” should be interpreted as to be Iavolenus, not Labeo. Iavolenus says that the arbitrator has no power to change the right of the third party which has no concern with the iudicium. This opinion of Iavolenus was followed by later jurists and became pre vailing. However, this might not have been the case before him, since La beo does not necessarily oppose the opinion of Trebatius. III. Development of legal arguments 1. Opinion of Iavolenus as “ego” in D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. Why does Iavolenus or “ego” oppose Trebatius in D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit.? Iavolenus might have come up with the idea of ususfructus held in common by usufructuaries. His pupil Iulianus, says when a controversy occurs between usufructuaries, “aequissimum esse quasi communi dividundo iudicium dari vel stipulatione inter se eos cavere” in D. 7,1,13,3 Ulp. 18 ad Sab. It is reported that Celsus as well as Ulpianus approves Iulianus’s view in the same text. This suggests that there was not the same idea before, or at least it was not common. Iavolenus might have thought that when A and B own a parcel of land in common and U has ususfructus on the share of B, ususfructus of this parcel of land is shared by A and U, and nuda proprietas of this parcel of Paul. 2 ad ed. aedil. curul. (receptum esse); D. 41,2,1,14 Paul. 54 ad ed.; D. 41,2,32,2 Paul. 15 ad Sab. This sort of evidence is not conclusive but circumstantial. There is the same question in D. 18,1,79 Iav. 5 ex post. Lab.; D. 23,5,18,1 Iav. 6 ex post. Lab.; D. 35,1,40,3 Iav. 2 ex post. Lab., in which the comment “hoc iure utimur” or “eo iure utimur” etc. is added at the end of the text. The comment of Proculus “eoque iure utimur” is distinctly added at the end of the text in D. 29,2,62 pr. Iav. 1 ex post. Lab. For example, Paulus uses the expression “iure utimur” in D. 2,9,2 pr. Paul. 6 ad ed.; D. 2,11,10,1 Paul. 1 ad Plaut.; D. 2,14,27,1 Paul. 3 ad ed.; D. 15,1,47,3 Paul. 4 ad Plaut.; D. 28,2,7 Paul. 1 ad Sab.; D. 28,6,38,3 Paul. l. s. de secundis tabulis; D. 35,1,43 pr. Paul. 8 ad Plaut.; D. 35,1,44,10 Paul. 9 ad Plaut.; D. 35,2,49 pr. Paul. 12 ad Plaut. (Cassii sententia utimur); D. 36,1,41,1 Paul. 20 ad ed.; D. 42,1,21 Paul. 6 ad Plaut.; D. 46,3,86 Paul. 8 ad ed.; D. 47,2,21,9 Paul. 40 ad Sab. (et ita utimur) and so does Ulpianus many times. To construct our text, D. 18,1,79 Iav. 5 ex post. Lab. might serve as a reference, in which ‘ego’ as Iavolenus brings out his opinion against Labeo and Trebatius, and a comment of somebody “eoque iure utimur” is added.
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land is shared by A and B.17 In a iudicium between A and B, the arbiter is able to divide only the nuda proprietas shared between A and B. Therefore U still has ususfructus on both parcels of land pro indiviso ex parte dimidia after the iudicium communi dividundo, that is to say, ususfructus is still shared between A and U on both parcels of land, not only the one assigned to A, but also the one assigned to B.18 B has only nuda proprietas on the parcel assigned to B. Taking Iulianus’s opinion into consideration, the following construction might perhaps be possible; if A wants to solve a problem of ususfructus with U, a quasi communi dividundo iudicium between A and U is to be granted, or by means of stipulation, they should give mutual undertakings as to the way in which they will exercise their respective ususfructus. As I mentioned, it is said to be a Roman rule that the burden, that is to say, pignus or hypotheca as well as ususfructus, which one of the co-owners creates on his share still remains on the whole property after iudicium communi dividundo. Above-mentioned Gaius in D. 20,6,7,4 Gai. l. S. ad form. hypoth. also follows Iavolenus’s opinion. The result that the burden of the share remains on the whole land pro indiviso after the division seems to be considered as settled after Iavolenus. The result of this theory will lead to the problem, when one of the co-owners creates the pledge on his share and the dividing common property takes place, the divided piece of land belong ing to the former co-owner, who has nothing to do with the pledge itself, will be under the pledge. That is to say, his divided parcel of land is still under the pledge as well for an undivided half share. 2. Remedy The following texts have been compared with D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit. in the studies of the iudicium communi dividundo,19 in which ju rists tackle the problem that the burden which one of the co-owners created on his share remains on the whole property pro indiviso ex parte dimidia after dividing common property. 17 Pampaloni,
above nt. 4, p. 115. might think that ususfructus cannot be established on the land belonging to the same person who is going to get ususfructus because usus fructus est ius alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia (D. 7,1,1 Paul. 3 ad Vitell.). But this is not the case when property is owned in common or ususfructus of property is owned in common. The examples appear in D. 7,2,4 Iul. 35 dig.; D. 7,2,9 Afr. 5 quaest.; D. 33,2,19 Mod. l. s. de heuremat.; D. 33,2,26,1 Paul. 10 quaest. 19 Marrone, above nt. 5, p. 355, 366 nt. 689; Bretone, above nt. 6, p. 73 nt. 53; Gerhard Schlichting, Die Verfügungsbeschränkung des Verpfänders im klassischen römischen Recht, Karlsruhe 1973, 102–110; Kohlhaas, above nt. 6, p. 75 nt. 34. 18 One
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a) Iulianus The opinion of Iavolenus is followed by his pupil Iulianus whose opinion is reported in D. 10,3,6,8 Ulp. 19 ad ed. Iulianus proposes that while one of the co-owners pledged his undivided share, the pledged share of him should be valued lower in the iudicium communi dividundo. Ulpianus, who quoted Iulianus without comment in this text, perhaps might have the same opinion as Iulianus. D. 10,3,6,8 Ulp. 19 ad ed. Si fundus communis nobis sit, sed pignori datus a me, venit quidem in communi dividundo iudicio, sed ius pignoris creditori manebit etiamsi adiudicatus fuerit: nam et si pars socio tradita fuisset, inte grum ma neret. arbitrum autem communi di vidundo hoc minoris partem aesti mare debere, quod ex pacto vendere eam rem creditor potest, Iulianus ait.
If we own a common farm, but I have pledged my share, the farm is included in an action for dividing common property, but the creditor’s legal rights over the pledge will be unaffected even if the farm is the subject of an adjudication; for even if the share in question had been handed over to another partner, the creditor’s rights would remain unimpaired. But Julian says that the arbitrator appointed to divide common prop erty should reduce the valuation of the share in view of the fact that the creditor is able to sell it under the pact.20
A and B owned a parcel of land in common, and B granted B’s share to B’s creditor as a pignus. And then the division of common property takes place, according to which A takes the whole land as a result of adjudicatio, whereas B takes the money valued for B’s share. Iulianus said that the share pledged by one of the co-owners should be valued lower, namely, B should acquire less money than the value of B’s share without being pledged. The difference in value could be the amount of B’s debt. 20
The opinion of Iulianus seems to imply the opinion of his master Iavole nus, that the creditor’s right (pignus) would still remain unimpaired after the division. Iulianus’s reason for the lower valuation of the pledged share was that the creditor is still able to sell “eam rem” which should be inter preted as “pars pro indiviso pro parte dimidia” (D. 20,6,7,4 Gai. l. s. ad form. hypoth.). The aim of Iulianus’s decision that the share pledged by one of the coowners should be estimated lower might be to provide a remedy for the former co-owner, who has nothing to do with the pignus itself and perhaps will lose half the property by the effect of the pignus. But this remedy proposed by Iulianus seems to be insufficient, because the creditor is still 20 Translated
by A. Watson (above nt. 1).
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able to sue the debtor who lost his share and got less money by the iudicium communi dividundo. b) Papinianus Papinianus proposed another remedy in D. 20,4,3,2 Pap. 11 resp. D. 20,4,3,2 Pap. 11 resp. Post divisionem regionibus factam inter fratres convenit, ut, si frater agri portionem pro indiviso pignori datam a creditore suo non libe ras set, ex divisione quaesitae partis par tem dimidiam alter dis traheret. pignus intellegi con trac tum existi mavi, sed priorem secundo non esse potiorem, quoniam secundum pi gnus ad eam partem directum vi debatur, quam ultra partem suam frater non consen tiente socio non potuit obligare.
Brothers made a division of land into sepa rate areas and agreed that if one failed to pay off his creditor, the mortgagee of an undivided portion of the land, the other might sell half the area allotted to the first. I thought that a mortgage was created, but that the first creditor did not have priority over the second, since the second mortgage pertained to that part which one brother could not bind in excess of his own share without the consent of the other.21 3
While A and B had a parcel of land in common, B gave B’s share to B’s creditor as pignus. After having divided the land into two fixed areas, A and B agree that if B does not remove the pignus, A will be able to sell half of the land which belongs to B. 21
This text implies that the pignus still exists on both the parcels of land pro indiviso pro parte dimidia after the division, as we have seen in Gaius’s text. Papinianus states that the agreement implicates a pignus for A who would be insured against an eviction for the share which is still pledged after it belongs to him as a result of division and the pignus of B’s creditor does not have priority over A’s pignus which has been created on the undivided half share of B’s land which is not pledged to B’s creditor. Papinianus seems to aim at the same result as Trebatius’s response shown in D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit., that the former co-owner who has been responsible for the burden should solely be burdened after the divi sion. And the criticism of Iavolenus in the same text (non potuisse arbitrum inter alios iudicando alterius ius mutare) has been evaded in the decision of Papinianus. Though Papinianus’s decision can be said to be another kind of remedy for the former co-owner who has nothing to do with the burden, the decision is made in the case in which both of the co-owners A and B 21 Translated
by A. Watson (above nt. 1).
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agree that if B does not remove the pignus, A will be able to sell half of the land which belongs to B. c) Impp. Diocletianus et Maximianus A constitution of the Emperor Diocletianus introduces the remedy by actio praescriptis verbis for cases in which the agreement that Papinianus referred to has not been made. C. 3,38,7 Impp. Diocl. et Maxim. [a. 294] If your brothers have pledged their undi Si fratres vestri pro indiviso com vided share of a common land without your mune praedium citra vestram volun consent, and the land comes into your hands tatem obli gaverunt et hoc ad vos in accordance with a pactum divisionis, secundum pactum divisionis nulla without any mention having been made of pignoris facta mentione per venit, pignus, and the shares which have belonged evictis partibus, quae ante divisio to the other co-owners be fore the division nem sociorum fuerunt, in quibus and which solely have been pledg ed, are obligatio tantum constitit, ex stipu evicted, you can bring the action against latu, si intercessit, alio quin quanti your brothers ex stipulatu when stipulatio interest prae scriptis verbis contra was made; other wise you can sue for the fratres agere potestis. nam si fundi value of your interest by actio praescriptis scientes obligationem dominium verbis; but if you accepted the ownership of suscepistis, tantum evictionis pro the land being aware of pignus, you can missionem sollemnitate verborum proceed against your broth ers only when uel pacto promissam probantes eos you prove that the guarantee against evic conveniendi facultatem habetis. tion was made by a formal statement, or D. II Non. Dec. Nicomediae CC. promised by pactum. conss.
While A (vos) and B (fratres vestri) owned a parcel of land in common, B pledged B’s undivided share of a plot of land without A’s consent, and the land came into A’s hands in accordance with a pactum divisionis, without mentioning the pledge. Then, the pledged share was evicted. If stipulatio was made, A are able to sue B by actio ex stipulatu, if stipulatio was not made, A are able to sue B by actio praescriptis verbis. But if A knew about the pledge and accepted the ownership of the land, A are only able to sue B when A prove stipulatio or pactum for the eviction, of which an example is reported in the above mentioned text of Papinianus (D. 20,4,3,2 Pap. 11 resp.). This constitution seems to provide a further remedy, the actio praescriptis verbis to the innocent co-owner who had nothing to do with the debt. Trebatius’s opinion has not become prevailing as shown in the criticism of Iavolenus. Jurists after Iavolenus think that the burden which one of the co-owners has created on his share would still remain on the whole prop erty after the division. On the other hand, they continue to provide remedies for the co-owner who has nothing to do with the burden of the share.
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IV. Conclusion From our analysis, especially as a consequence of interpreting “ego” not as Labeo but as Iavolenus in D. 33,2,31 Lab. 2 post. a Iav. epit., we can see a course of development in chronological order. 1. Trebatius decides practically that the widow (U) has usufruct only of the part assigned to the heir (B). 2. Labeo did not oppose his master Trebatius. 3. Iavolenus opposed Trebatius theoretically. His opinion is that the bur den remains on both parcels of land pro indiviso to half the share of each, because the arbiter has no power to change the rights of the third party who is not concerned with the iudicium. 4. Iulianus further developed the opinion of his master Iavolenus and decided that the share of the debtor should be valued at a lower price. 5. Gaius stated a principle consistent with Iulianus. 6. Papinianus gave another remedy for the other co-owner, as it were, implied pignus for the case of eviction. 7. Ulpianus only quoted Iulianus without comment. 8. The remedy by actio praescriptis verbis is introduced by a constitution of the emperor Diocletianus. A chronological analysis of these texts might show a historical develop ment of the legal argument related to the iudicium communi dividundo in ancient Rome. We might be able to conclude that the result that the burden of the share remains on the whole land pro indiviso after the division is considered as settled at least after Iavolenus. However, this opinion does not seem to have prevailed in the early classical period as Labeo does not op pose the opinion of Trebatius. After Iavolenus, on the other hand, Roman jurists continued to provide remedies for the co-owner who has nothing to do with the burden of the share.
Studies on Actio in Factum Civilis By Lihong Zhang I. Introduction The expression “actio in factum civilis” is found in only three fragments in the whole Corpus iuris civilis, namely Pap. D. 19,5,1,1, Pap. D. 19,5,1,2 and Paul. D. 19,5,5,2. D. 19,5,1,1 Pap. 8 quaest. Domino mercium in magistrum na vis, si sit incertum, utrum na vem conduxerit an merces ve hen das lo caverit, civilem actionem in factum esse dandam Labeo scribit. D. 19,5,1,2 Pap. 8 quaest. Item si quis pretii explorandi gratia rem tradat, neque depositum neque commodatum erit, sed non exhibita fide in factum civilis subicitur actio.
Labeo writes that an actio in factum civilis should be given to the owner of cargo and against ship captain when it is unclear whether he hired the ship or leased out the transporting of cargo [as a job].1
1
D. 19,5,5,2 Paul. 5 quaest. At cum do ut facias, si tale sit fac tum, quod locari solet, puta ut tabu lam pingas, pecunia data lo ca tio erit, sicut superiore casu emptio: si rem do, non erit locatio, sed nas cetur vel civilis actio in hoc quod mea interest vel ad re pe ten dum condictio. Quod si tale est factum, quod locari non possit, puta ut ser vum manumittas, sive certum tem pus adiectum est, intra quod manu mittatur idque, cum potuisset manu mitti, vivo servo transierit, sive fini-
Likewise, if a man hands over his property to get an esitmate of its price, neither a de posit nor commodatum will result. But if the other party acts dishonestly, an actio in factum civilis civilis is substituted. But when I give in order that you do, if the act is a kind such as normally leased out, for example, that you paint a picture, there will be lease if money is given, just like the sale in the case above; while if I give an object, there will be no lease, but what will arise is either an actio civilis for my interest or a condictio to reclaim [the object]. But if the action is such that it cannot be leased out, for example, that you manumit a slave, a condictio for it [the object given] or an actio praescriptis ver bis can lie if a fixed time limit for manumis sion was attached
1 I adopt and cite, when possible, the translation in English of Corpus Juris Civilis, made by ed. A. Watson, The Digest of Justinian (English translation), Philadephia 19851.
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tum non fuit et tan tum temporis consumptum sit, ut potuerit debue ritque manumitti, condici ei potest vel praescriptis verbis agi: quod his quae diximus convenit. Sed si dedi tibi servum, ut servum tuum manu mitteres, et manumisisti et is quem dedi evictus est, si sciens dedi, de dolo in me dandam actionem Iulia nus scri bit, si igno rans, in factum civilem.
and this has expired while the slave lived, and so manumission would have been pos sible; and likewise, if it [the time limit] was undefined but so much time has passed that manumission can and should occur. This corresponds to what I said above. But if I gave you a slave in order that you manumit your slave, and you did manumit him but then through eviction you lost the slave I gave you, Julian writes that if I gave him knowingly, an action on fraud should be granted against me, and if unknowingly, an actio in factum civilis.
The actio in factum is considered a procedural means adopted by praetors from time to time to defend a legal situation worthy of being protected equo et bono, where a subjective right recognized by ius civile (more exactly by an actio civilis) cannot be found. Through the application of actiones in factum, the jurisdictional magistrates, chiefly the praetors, create the ius honorarium, which is in contradistinction to the ius civile, with the function of adiuvandi vel supplendi vel corrigenda iuris civilis gratia (Pap. D. 1,1,7,1). Generally speaking, the actio in factum is an action with formula in factum concepta, in opposition to an actio civilis, action by defini tion with formula in ius concepta. Following this traditional theory about the contradistinction between actio in factum and actio civilis, the terminol ogy “actio in factum civilis” seems bizarre and should be considered as the merger between ius honorarium and ius civile and an evident interpolation of Justinian compilers.2
2 This thought was largely widespread in the period of interpolationism: O. Gradenwitz, Interpolationen in den Pandekten, Berlin, 1887, 123–169; F. Kniep, Praesriptio und pactum, Jena 1891, 67 ff.; V. J. V. Porkrowsky, Die ‘Actio in factum’ des classischen Rechts, ZRG RA 16 (1895) 7 ff.; O. Lenel, Das Edictum perpetuum II, Leipzig 19072, 238; A. Audibert, Les different noms de l’actio praescriptis verbis, in: Mélanges Fitting I, 1908, 37 ff.; P. de Francisci, Synallagma I, Pavia 1913, 39; P. Meylan, Origine et nature de l’actio praescriptis verbis, Lausanne 1919, 54 ff.; P. Bonfante, Corso di diritto romano, Le obbligazioni, Roma 1918–1919, 86 ff. The same idea is followed also by some renowned experts of Roman Law after the decline of interpolationism, as e. g.: P. Voci, La dottrina del contratto nei gi uristi dell’età classica, in: Scritti in onore di C. Ferrini, Pavia / Milano 1946, 385 ff.; V. Arangio-Ruiz, La compravendita in diritto romano II, Napoli 1954, 482; A. Burdese, Sul concetto di contratto e i contratti innominati in Labeone, in: Atti del semi nario sulla problematica contrattuale in diritto romano (Milano 1987) I, Milano 1988, 15.
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However, the majority of today’s Roman law scholars3 are inclined to accept the classical paternity of this expression, asserting that actio in factum means only an action given by praetors by decree in case of impos sibility of the appli cation of either iudicium proditum or actio vulgaris (D. 19,5,1 pr.) but this term does not describe in which way its formula is conceived, which can be in factum concepta or by use of ficticia formula, even through the change of subjects. So, sometimes, the same action is equipped with doubly different formulae: formula in factum concepta or formula in ius (civile) con cepta, such as actio depositi and actio comodati (Gai. 4,47). As Betti convincingly proves, following the transformation of intentio in factum (si paret) in preliminary demonstratio with the related value (quod) and of condemnatio incerta (quanti … est, erit) in intentio incerta (quidquid … oportere ex fide bona), the ius honorarium (praetoria actione teneri) has been received by ius civile (oportere) and the iudicia bonae fidei aiming at pro tect ing innominate contracts “che meno si allontanano nella loro fat tispecie dalle fattispecie tipiche, insieme a tutte le azioni contrattuali tip iche, hanno l’origine intentio in factum concepta”4. In modern legal termi nology, the subjective rights are formed through law practice, in particular, by Rechtsprechung. This new position viewing actiones in factum as decret al actions in contrast with edictal actions and giving up the contradistinction between actiones in factum and actiones civiles, facilitates the consolidation of the opinion on the classicism of the term “actio in factum civilis” in D. 19,5,1,1 and D. 19,5,1,2.
3 Both iudicium proditum and actio vulgaris are called “usitata actionum nomina’’ (D. 19,5,1 pr.; D. 19,5,2) and form a general category of actiones directae, which are contradistincted from actiones utiles. For all, see: M. Kaser, Das Römische Privatrecht II, München 19752, 419–420; M. Talamanca, Istituzioni di diritto romano, Milano 1990, 317–319 and 627; Id., Processo civile (dir. rom.), ED 36, Milano 1987, 53; W. Selb, Formulare Analogien in “actiones utiles” und “actiones in factum” am Beispiel Julians, in: St. Biscardi, ed. F. Pastori, 3 (Milano 1982) 320 ff.; R. Fiori, Ea res agatur. I due modelli del processo formulare repubblicano, Milan 2003, 242; C. A. Cannata, L’actio in factum civilis, in: Scritti scelti di diritto romano, ed. L. Vacca [= IURA 57 (2008–2009)], Torino 2014, 24. 4 E. Betti, Sul valore dogmatico di “contrahere” in Gaio e sulla non-classicità della deominazione ‘quasi ex contractu obligatio’, BIDR (1912) 25, 7–8; Id., L’antitesi di iudicare (pronuntiatio) e damnare (condemnatio) nello svolgimento del processo romano, Rome 1915, 69 ff.; Id., Sulla formula del processo civile romano, Milano 1914, 42 ff. See also, W. Kunkel, Fides als schöpferisches Element im römi schen Schuldrecht, in: Festschrift P. Koschaker II, 1939, 8 ff.
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II. Analysis on Labeo’s actio in factum civilis in D. 19,5,1,1–2 1. Meaning and function of actio in factum civilis in D. 19,5,1,1 The question discussed in D. 19,5,1,1 concerns the uncertainty of configuring the case in discussion as locatio rei of vessel or locatio operis for the transportation of the goods. Precisely, it is questionable if the parties have concluded a contract of lease of vessel (or the cabin for the transpor tation of passengers or goods) or the hire of services related to the trans portation of the goods. In case of lease of vessel or cabin, the agreement should be qualified as locatio rei and the lessor shall pay the rent; in case of the transportation of goods, the contract should be viewed as a locatio operis and the lessee shall pay the rent. Both locatio rei and locatio operis fall into the general Roman category of locatio-conductio, so no matter what kind locatio-conductio the case actually concerns, it is certain that the claim of plaintiff (the owner of goods, dominus mercium) is based on ius civile and an actio civilis shall be granted. Nevertheless, due to the said different obligations of lessor and lessee in locatio rei and locatio operis, the erroneous choice of action between actio locati or actio conducti by the praetor in proceeding in iure will lead to the loss of lawsuit from the plaintiff’s side. As it is impossible to correctly qualify the case as locatio rei or locatio operis in litis contestatio, the prae tor inserts into the formula a praescriptio describing all circumstances re sulting in the uncertainty of object of locatio-conductio and invites the iudex to determine what has been actually leased and leaves him to decide in stage apud iudicem which action between actio locati and actio conducti is appropriate to be exercised.5 In this way, the plaintiff’s risk of losing the lawsuit, caused by the impossibility of the correct qualification of the case by the praetor in litis contestatio, can be avoided. The words “Labeo scribit” at the end of this fragment implies that also Labeo agrees with Papinian on granting an actio in factum civilis. As the jureconsults refer to locatio-conductio, an iudicium bonae fidei, the actio in factum civilis in D. 19,5,1,1 seems to contain an intentio incerta ex bona fide (quidquid dare facere oportet ex bona fide) here.6 As demonstrated by 5 F. Gallo, Synallagma e conventio nel contratto I, Torino 1992, 237; P. Groeschler, Actiones in factum, Berlin 2002, 19. 6 M. Talamanca, La tipicità dei contratti romani tra “conventio” e “stipulatio” fino a Labeone, in: Contractus e Pactum, tipicità e libertà negoziale nell’esperienza tardo-repubblicana, Atti del convegno di diritto romano e della presentazione della
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the word “dandam” in this fragment, this action was given in decretal way for a single case outside the sphere of application of any kind of iudicium proditum or actio vulgaris. Hence, this action is not only an actio civilis supporting a claim based on ius civile, but also an actio in factum in sense of a decretal action. 2. Exegetic analysis on Labeo’s actio in factum civilis in D. 19,5,1,2 The same interpretation of the meaning of actio in factum civilis can be applied also to D. 19,5,1,2. The pass refers to a question on how to determine the nature of the agree ment on the appraisal of the price of a thing. The person who has received the thing with a duty to estimate its price has the obligation to return it to the dans. For this reason, it is easy to compare the accipiens’s situation with that of depositee. However, this case pretii explorandi gratia rem tradat cannot be qualified as a deposit because the accipiens has the right to use the thing and also shall estimate its price upon the request of the dans. The agreement is not a commodatum because the accipiens assumes also the obligations to estimate the price. It is not exactly a mandate for the ap praisal of the price of the thing because likely the accipiens has right to use the given thing and hence this affair is not gratuitous for the dans.7 And consequently, the transaction has been likely conducted also in the interest of the accipiens and it constitutes a so-called mandatum a tua gratia, which is an invalid mandate. The agreement falls into the limited range of Roman typical contracts and is a mixture among deposit, commodatum and mandate. In any way, even if it is unclear as what kind of typical contract the case can be qualified, there must be a subjective right based on ius civile. So, an action with formula in ius concepta shall be granted. In the stage in iure, it is still impossible for the praetor to identify the real nature of this agreement within one of these three possible typical con tracts. The definitive conclusion can be reached only on the basis of the verification of the facts, which is within the competence of the iudex, but not that of praetor. For this reason, aiming at avoiding the plaintiff’s risk of nuova ri produzione della littera Florentina (Copanello 1–4 giugno 1988), Roma / Napoli 1990, 100 nt. 250; P. Groeschler (above nt. 5) 13; R. Fiori, Rise and Fall of the Spe cifi city of Contracts, in: Nova Ratione, Change of Paradigms in Roman Law, ed. B. Sirks, Wiesbaden, 2014, 37. 7 M. Talamanca (above nt. 6) 86, nt. 200.
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loss in litigation, which could be caused by the iudex construing the nature of the agreement differently from that described in litis contestatio, Papin ian, probably also Labeo, would advise the praetor to grant an action by decree (namely an actio in factum) and apply a praescriptio describing the relevant facts leading to the uncertainty on the qualification of agreement between deposit, commodatum and mandate.8 As a result, similarly, for the same reason in D. 19,5,1,1, an actio in factum civilis is granted by Labeo in D. 19,5,1,2. So, in summary, Labeo and Papinian’s actiones in factum civiles in D. 19,5,1–2 are granted in the event that there are some doubts on how to exactly qualify an agreement between the parties as a typical contract already recognized by ius civile and on how to grant a contractual actio civilis for its protection, although at the same time and for some good reasons, the inter ests of the parties seems worthy of be protected under ius civile. 3. The difference between Labeo’s actio in factum and his actio praescriptis verbis It can be easily found that in many fragments (D. 18,1,50, D. 18,1,79, D. 19,5,17,1, D. 19,5,19 pr., D. 19,5,20 pr., D. 19,5,20,2), in order to over come the difficulty on how to protect iure civile the so-called innominate contracts, which are the agreements impossible to be ascribed into the limited range of Roman typical contracts in any way, Labeo invents actio praescriptis verbis by inserting into its formula a praescriptio describing the relevant facts of lawsuit to be verified further by the iudex.9 For the purpose of resolv 8 R. Santoro, Il contratto nel pensiero di Labeone, AUPA 37 (1983) 97–98; F. Gallo (above nt. 5) I 237. 9 For this conclusion and the related analysis, see J. Kranjc, Die actio praescrip tis ver bis als Formelaufbauproblem, ZRG RA 107 (1989) 434 ff.; M. Talamanca (above nt. 6) 80 ff.; M. Artner, Agere praescriptis verbis, Berlin 2002, 75 ff.; F. Gallo (above nt. 5) I 193 ff.; Lihong Zhang, Contratti innominati nel diritto ro mano, Milano 2007, 85–123. For long time, many scholars think that Labeo even creates a new general concept of contract in D. 50,16,19 to provide a theoretical support for the application of actio praescriptis verbis. For recent publications, see T. Dalla Massara, Alle origini della causa del contratto, Padova 2004, 114 ff.; C. A. Cannata, La nozione di con tratto nella giurisprudenza romana dell’epoca classica, in Scritti scelti di diritto ro mano (= Autour du droit des contrats. Contributions de droit romain en l’honneur de F. Wubbe, ed. P. Pichonnaz, Genève, 2009), ed. L. Vacca, Torino 2014, III, 12; Id., Labeone, Aristone e il sinallagma, in: Scritti scelti di diritto romano (= IURA 58 [2010]) 65 ff. and 111. In our opinion, this Labeo’s concept of contract means the reciprocity of the obligations (but not that of performance) and must be interpreted only as one of the sources of obligatio civilis arising from the will of the parties. Labeo proposes this
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ing the uncertainty of the qualification of the agreements in D. 19,5,1–2, La beo would adopt also a praescriptio in his actio in factum civilis. Recently, following the prevalent and traditional position,10 Cananta stressed that due to the application of praescriptio, Labeo’s actio in factum civilis in D. 19,5,1–2 seems identifiable with actio praescriptis verbis and both of them have the same function to protect always the innominate contracts,11 However, in our view, this idea seems debatable and in terms of the nature of praescriptio, there are some differences between Labeo’s actio praescriptis verbis and his actio in factum civilis. As Gaius records in Gai. 4,130–137, a praescriptio always describes the facts of litigation which shall be verified further by the iudex, but there are two different kinds of praescriptio: praescriptio pro autore12 and praescriptio loco demonstrationis. The first kind of praescriptio aims to limit the petitum of plain tiff (namely, what is brought into issues in favor of the plaintiff). For instance, in the event that the plaintiff sues for an installment of a debt, in order to save his right later for further installment (Ea res agatur, cuius rei dies fuit, Gai. 4,131). It situates at the beginning of the formula, as its independent part (Gai. 4,132). No other pleas beyond this kind of praescriptio can be taken in consideration by the iudex. However, the second kind of praescriptio has the same function of demonstratio and determines the causa petendi and not just petitum (Gai. 4,136–137). So, it seems to be applied only for the limitation of the power of the iudex. It is not an independent part of the formula and is inserted exactly in the same part of demonstratio in the formula as Gaius says ex pressly that “ut prae scriptio inserta sit formulae loco demonstrationis” definition of contract only for his theoretical study, without any intention of provid ing a scientific and operative support for his invention of actio praescriptis verbis to protect the so-called innominate contracts. See M. Talamanca (above nt. 6) 90 ff.; for our detailed analysis, Lihong Zhang (above nt. 9) 160–165. 10 This prevalent position on the identification of actio in factum with actio praescriptis verbis (or agere praescriptis verbis) dates back to the important work of A. Pernice, Parerga III, Zur Vertragslehre der römischen Juristen, ZRG RA 9 (1888) 256 and has been largely followed by the experts of Roman Law. See, re cently, M. F. Cursi / R. Fiori, Le azioni generali di buona fede e di dolo nel pensiero di Labeone, BIDR 105 (2011) 145–160; R. Fiori (above nt. 6) 37. 11 See C. A. Cannata (above nt. 3) 54. This scholar even thinks that actio in factum civilis, actio praescriptis verbis and actio incerti civilis are the same things with the same function. 12 Originally, besides praescriptio pro autore, there was also praescriptio pro reo (Gai. 4,133). The latter early fell into disuses and was replaced by exceptio in the late second century BC, as e. g., the praescriptio ne praeiudicium hereditati fiat. See W. W. Buckland, A Manual of Roman Law, Cambridge 1939 (repr. 2011) 395; M. Talamanca, Elementi di diritto privato romano, Milano 20132, 158.
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(Gai. 4,136).13 By means of the application of this second kind of praescriptio, the iudex is called not only to verify the facts of lawsuit, but also to qualify the legal nature of the trans action according to ius civile (for example, in case of actio ex stipulatio incerti, in Gai. 4,137).14 As a result, an action with the second kind of praescriptio is always granted in the case that the situation should be certainly protected according to ius civile, but there are some doubts on how to qualify the case iure civile and such qual ification presupposes necessarily the verification of the facts of lawsuit by the iudex in stage apud iudicium. All agreements that Labeo attempted to recognize iure civili in D. 18,1,50, D. 18,1,79, D. 19,5,17,1, D. 19,5,19 pr., D. 19,5,20 pr., D. 19,5,20,2 are char acterized by the fact that they do not fall into the limited range of typical contracts in any way, so the question in these passes is not h o w to individu ate an typical actio civilis of contract for their protection, but w h e t h e r it is possible to protect them iure civili by the application of an action with formula in ius concepta. In other word, the difficulty on their protection has nothing to do with causa petendi of the legal action. Hence, Labeo’s actio praescriptis verbis contains always the praescriptio pro autore and with the adoption of this kind of praescriptio, it is a general action for the protection of the mixed contracts modeled on iudicia bonae fidei, whose protection un der ius civile constitutes still an object of debate in the period of this jurist.15 On the contrary, both agreements discussed by Labeo in D. 19,5,1–2 fall into the limited range of the typical Roman contracts and the interests of the parties shall be surely protected under ius civile, but it is uncertain as 13 There are two different interpretations on this expression “ut praescriptio inserta sit formulae loco demonstrationis”. Someone interpret it as a praescriptio in serted inside the formula in substitution of demonstratio. See M. Varvaro, Ricerche sulla praescriptio, Torino 2008, 124 ff. But, others prefer to translate this sentence into “a praescriptio inserted in the formula in the place of demonostratio”. See C. A. Cannata (above nt. 3) 36–37 nt. 34. We think that it is plausible to conciliate these two different positions and inter pret the word “loco” both as “in substitution of” and as “in the place of”. In this way, a praescriptio substitutes a demonstratio and is localized in the same place of demonstratio in the formula. 14 C. A. Cannata, (above nt. 3) 37 and 39. 15 A. Pernice (above nt. 10) 252–253, has already observed that Labeo’s agere praescriptis verbis in D. 19,1,1,1–2 has nothing to do with the protection of in nominate contracts. See also, R. Fiori (above nt. 6) 37. In fact, the protection of innominate contracts in Roman Law is not so problema tic as it seems, since the abstract Rechtsgeschäfte such as stipulatio and mancipatio are mas sively applied and the typical consensual contracts, as e. g. societas and locatio-conductio, have very large range. See: M. Talamanca, Freedom of contract in Roman Law, in: Freedom of Contract and Constitutional Law, ed. A. M. Rabello and P. Sarcevic, Jerusalem 1998, 285 ff.; Id. (above nt. 6) 105 nt. 270.
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what kind of typical contract they should be qualified and no actio civilis of contract can be exercised directly. In other words, the necessity of their protection under ius civile is not questionable and the doubts on how to protect these agreements concern their qualification iure civili, namely, the causa petendi. For this reason, likewise, the formula of each action in factum civilis in D. 19,5,1–2 is in ius concepta with an intentio incerta ex bona fide and contains the praescriptio loco demonstrationis,16 instead of praescriptio pro autore. The praescriptio loco demonstrationis inserted in its formula has the function of the determination of causa petendi. So, the object of discussion in all the cases where this action is applied is not if it is necessary to be protected under ius civile, but how to be qualified as one of typical con tracts. In modern legal term, the question regards the qualification of a mixed contract, but that of the innominate contracts, which can not be reg ulated by the direct application of any norms in contract law. Moreover, Labeo grants actio in factum civilis only in two fragments in the whole Digesta. For all of these reasons, it is hard for us to believe that Labeo’s actio in factum civilis is a general action of contract, not to mention it as an action adopted by this jurist to protect the innominate contracts, all of which are characterized by the absolute impossibility of ascribing the agree ments in question into the range of the Roman typical contracts in any way. III. Exegetic analysis on Julian’s actio in factum civilis in D. 19,5,5,2 The Julian’s actio in factum civilis in D. 19,5,5,2 seems more difficult to understand with respect with those in D. 19,5,1–2. Following his famous quadripartition “do ut des, do ut facias, facio ut des, facio ut facias” in D. 19,5,5,1, Paul produces some examples of do ut facias in D. 19,5,5,2. For purposes of this article, we are interested only in the last phrase “sed si dedi tibi servum, ut servum tuum manumitteres, et manumisisti et is quem dedi evictus est, si sciens dedi, de dolo in me dandam actionem Iulianus scribit, si ignorans, in factum civilem”. 16 Cannata affirms correctly that “se fu Labeone a crearla o estenderne l’uso come azione contrattuale generale, non si vede perché egli avrebbe dovuto adottare una formula con praescriptio precedente, e non modellare la formula dell’azione contrattuale generale sulle formule con demonstratio, che così come mai certo erano per i contratti tipici”. See C. A. Cannata (above nt. 3) 39. See also, K. Misera, Der Kauf auf Probe im klassischen römischen Recht, in: ANRW (1982) II 14, 526, nt. 12–15; F. Gallo (above nt. 5) I 237; M. Artner (above nt. 9) 199.
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The case is: I give you a slave in order that you manumit one of yours and after the manumission of your slave, the slave given by me is evicted by a third party. A vital question arises: what kind of action do you have against me? Julian affirms that if I am aware of the real situation of the slave given to you, you can bring an actio doli against me, and if not, you can exercise the actio in factum civilis. However, in D. 2,14,7,2, to answer the exactly same question, Julian agrees only on giving the actio in factum, without make any reference to the word “civilis”. D. 2,14,7,2 Ulp. 4 ad ed. Sed et si in alium contractum res non tran seat, subsit ta men causa, eleganter Aristo Celso respondit es se obliga tio nem. ut puta dedi tibi rem ut mihi aliam dares, dedi ut aliquid facias: hoc sun£llagma es se et hinc nasci ci vilem ob li ga tio nem. et ideo puto recte Iulianum a Mauriciano reprehensum in hoc: dedi tibi Sti chum, ut Pamphi lum manumittas: manumisisti: evictus est Sti chus. Iu lianus scribit in fac tum actionem a prae tore dandam: ille ait civilem incerti actionem, id est praesriptis verbis, sufficere: esse enim contractum, quod Aristo sun £llagma dicit, unde haec nascitur actio.
But even if the matter does not fall under the head of another contract and yet a ground (causa) exists, Aristo in an apt reply to Celsus states that there is an obligatio. Where, for example, I give a thing to you so that you may give another to me, or I gave so that you may do something, this is, Aristo says, a synallagma and hence an obligatio civilis arises. And, therefore, I think that Ju lian was rightly reproved by Mauricianus in the following case. I gave Stichus to you so that you would manumit Pamphilus; you have manumitted, Stichus is then acquired by a third party with a better title. Julian writes that an actio in factum is to be given by the praetor. But Mauricianus says that an actio civilis incerti, that is, praescriptis verbis, is avail able. For the contract described by Aristo with the word synallagma has been made and hence this action arises.
The questions involving in this famous fragment are very complex. Here, we only focus on how to explain the clear contradiction of Julian’s opinion between this passage and D. 19,5,5,2. For many centuries, considering the absolute contrast between actio in factum and actio civilis, many Roman Law scholars argue that the expression actio in factum civilis in D. 19,5,5,2 has been interpolated. In our opinion, as a matter of fact, the questio arising hereof refers only to the liability for eviction, but not to how to recognize the right of the party who has already fulfilled his obligations to obtain the counter-perfor mance in the cases “do ut facias”17 or “facio ut des”.18 17 E. Betti, Istituzioni di diritto romano II, Padova, 19422, 322; M. Talamanca (above nt. 6); F. Gallo (above nt. 5) II 198. 18 A. Burdese, Osservazioni in tema di c. d. contratti innominati, in: Estudios en homenaje al profesor Juan Iglesias, Seminario de derecho romano “Ursicino Alva
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The alienator’s warranty against eviction originates from mancipatio, be ing liable to the buyer under actio autoritatis for a double purchase price. Such liability has been considered as a separable element of purchase and sale and successively for long time. Its assumption in consensual emptiovenditio always requires ad hoc the conclusion of a stipulatio: stipulatio duplae or stipulatio habere licere. Without a specific stipulatio, the vendor is free from liability for eviction of the thing sold by him. The possibility of the buyer directly exercising actio empti for demanding the vendor to assume this liability happens very later.19 In terms of procedural means for the realization of warranty against evic tion, the ius controversum among Roman lawyers was widespread. The Sabinians, like Paul (D. 19,4,1,1),20 Javolen (D. 19,5,10)21 and Julian (D. 2,14,7,2; D. 19,5,5,2) prefer to protect the buyer through actio in factum for the vendor’s assumption of liability for eviction, insisting that it is suffi cient to apply actio in factum in any case that it is impossible or uncertain to grant an actio civilis (actio directa) . On the contrary, following Labeo’s idea of the general application of actio praescriptis verbis to protect innominate contracts (D. 18,1,50, D. 18,1,79, D. 19,5,17,1, D. 19,5,19 pr., D. 19,5,20 pr., D. 19,5,20,2), or an actio in factum civilis to recognize iure civile an agreement worthy of be protected under ius civile but with doubt on how to be qualified as a typical contract in stage of proceeding in iure (D. 19,5,1–2), the Proculian, like Aristo and Mauricianus (D. 2,14,7,2), invent a new type of general action, the so-called actio incerti civilis to protect the party who has already per formed his obligations for the purpose of obtaining the counter-performance, even for the liability for eviction by the dans. The application of actio incerti civilis requires the existence of the synallagma, the so-called “causa”, rez” I, Madrid, 1988, 128; G. MacCormack, Contractual Theory and the Innominate Contracts, SDHI 51 (1985) 138–139. 19 For the detailed description on this development of liability for eviction in Roman Law, see L. Vacca, Ancora sulla estensione dell’actio empti in età classica, IURA 54 (1994) 35 ff.; Id., Sulla responsabilità “ex empto” del venditore nel caso di evizione secondo la giurisprudenza tardo classica, Seminarios Complutenses de derecho romano 7 (Madrid 1995) 297 ff. 20 D. 19,4,1,1 Paul. 33 ad ed.: Unde si ea res, quam acceperim vel dederim, postea evincatur, in factum dandam actionem respondetur. 21 D. 19,5,10 Iav. 13 epist.: Partis tertiae usum fructum legavit: heredis bona ab eius creditoribus distracta sunt et pecuniam, quae ex aestimatione partis tertiae fiebat, mulier accepit fruendi causa et per ignorantiam stipulatio praetermissa est. quaero, an ab herede mulieris pecunia, quae fruendi causa data est, repeti possit, et qua actione. respondi in factum actionem dari debere.
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which consists in the performance already made for the exchange of coun ter-performance.22 Here, limited by the constraints of this article, we must set aside the survey on complicated formation of this new kind of general action actio incerti civilis. We are inclined to accept the prevalent thesis, according to which, this Aristo’s actio incerti civilis in D. 2,14,7,2 has nothing to do with condictio incerti and is a general actio civilis with intentio incerta and is granted to protect a contractual party who has already fulfilled its perfor mance in order to obtain the counter-performance, and it can be identified with actio praescriptis verbis.23 For a better understanding of the actio in factum civilis in D. 19,5,5,2, it is useful for us to study D. 19,1,30,1,24 where African quotes Julian’s opinion, according to which, in the case that the vendor has sold something belonging to others without knowing its real owner, before the latter takes away the thing by eviction, it is possible to grant the buyer actio empti in extensive way (utiliter) for compensation of the damages he would suffer from the evic tion, and if the vendor has sold a thing of a third party to the buyer intention ally, the actio doli can be exercised. In the other words, if a third party has evicted the sold thing, Julian agrees with the adoption of actio empti, a typi cal actio civilis to protect the buyer who has suffered from the eviction. Ju lian’s position on the direct application of actio empti in this case, without resorting to the necessary use of a specific stipulatio, shows clearly his inten tion to recognize the liability for eviction as an integral and inseparable part of the obligations of the vendor, which undoubtedly is based on ius civile. 22 Even if there are still many divergences on the meaning of causa of the socalled innominate contract in D. 2,14,7,2 among the scholars, this traditional and prevalent opinion seems more reasonable. For the details, see: Lihong Zhang (above nt. 9) 172 ff., in particular, nt. 18. 23 For this conclusion and recent survey, see. C. A. Cannata (above nt. 3) 53–54. 24 D. 19,1,30,1 Afr. 8 quaest.: Si sciens alienam rem ignoranti mihi vendideris, etiam priusquam evincatur utiliter me ex empto acturum putavit in id, quanti mea intersit meam esse factam: quamvis enim alioquin verum sit venditorem hactenus teneri, ut rem emptori habere liceat, non etiam ut eius faciat, quia tamen dolum malum abesse praestare debeat, teneri eum, qui sciens alienam, non suam ignoranti vendidit: id est maxime, si manumissuro vel pignori daturo vendiderit. “If you knowingly sell another’s object to me and I am unaware of this, he [Julian] thought that even before an eviction I will succeed in an actio empti to the extent of my interest in the thing’s becoming mine. Although it is normally the case that the vendor is liable only for the buyer’s having quiet possession and not for making the object his property, still if a person knowingly sells to an unwitting buyer an object that it is another’s and not his own, he is liable for; he should be held responsible for there being no bad faith, and this especially if he sells to someone who will manumit or give in pledge.”
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As to the same question of the warranty against eviction, why Julian prefers to grant the actio empti in D. 19,1,30,1, but the actio in factum in D. 2,14,7,2 and the actio in factum civilis in D. 19,5,5,2? At the first sight, it seems very contradictory. In fact, we can note easily that the jurist does not agree to grant the actio empti in the case discussed in D. 2,14,7,2 and D. 19,5,5,2, simply because actually it is not a purchase and sale and refers to the facio ut des, which is composed of the performance in faciendo (the manumission of a slave) against that of dare (the transfer of the ownership of a slave). In spite of such evident difference between emptio-venditio and the agree ment of manumission of a slave for the exchange of receiving another, as far as the liability for eviction is concerned, Julian holds that the same rule for the protection of the interests of the accipiens suffering from the evic tion in the contract of purchase and sale shall be applied. In the case that he has already manumitted the slave on his side, but the thing given to him has been evicted, no protection for his interests is obviously against bona fide. In Julian’s view, the liability for eviction results from the violation of the principle of good faith, on the basis of which the ius civile is created. For this reason, an actio civilis shall be granted. In this way, with all prob ability, Julian has also been taking in consideration the possible application of actio empti25 in order to make the dans liable for eviction in case of facio ut des in D. 2,14,7,2 and D. 19,5,5,2. The actio civilis, on the basis of which the dans assumes the warranty against eviction and obligatio civilis is created in this situation, cannot be any other action but actio empti. Nevertheless, the absence of a contractual relationship of purchase and sale in this case makes it impossible for Julian to grant an actio empti. Therefore, it seems that as a decretal action, both actio in factum in D. 2,14,7,2 and actio in factum civilis D. 19,5,5,2 are modeled on the formula of the actio empti in connection with the vendor’s warranty against eviction. They are an extensive application of actio empti for the assump tion of liability for eviction by the vendor. Likewise, Julian adds the term “civilis” to a decretal action when it is modeled on an actio civilis (actio empti) in extensive way and with function to defend a legal interest which has been already protected by a typical action of contract. The paternity of the word “civilis” in D. 19,5,5,2 seems to be attributed to Julian and the actio in factum given by Julian in D. 2,14,7,2 is identifiable to actio in factum civilis in D. 19,5,5,2. Julian’s actio in factum civilis in both frag ments is qualified both as in factum and civilis in the same sense of this 25 Perozzi even argues that in D. 2,14,7,2 an actio empti should be applied in stead of an actio in factum. See S. Perozzi, Istituzioni di diritto romano I, Bologna 1928, 335, nt. 1.
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expression in D. 19,5,1,1–2, which refers to a decretal action modeled on actio civilis. IV. Conclusion All three actiones in factum civilis in Digesta are classical and each of them means a special decretal action containing also formula in ius concepta modeled on an actio civilis. By means of the application of actio in factum civilis, the Roman lawyers attempted to recognize a subjective right worth of being protected on the basis of ius civile, but it was impossible to excise an actio directa for its protection. Even if with the adoption of a so-called praescriptio loco demonstrationis it is sometimes called also actio praescriptis verbis, Labeo’s actio in factum civilis in D. 19,5,1–2 is not a general action to protect the innominate contract and its function is limited only to protect an agreement which falls into the range of the typical con tracts but it is unclear what kind of a typical action of contract should be granted. This Labeo’s idea on actio in factum civilis has not been followed by the later Roman jurists. Regardless of the use of the terminology “actio in factum civilis” in D. 19,5,5,2 by himself, Julian is limited only to consider it as an actio in factum granted by praetor but modeled on an actio civilis and refuses nei ther to call it “actio praescriptis verbis” nor to attribute any function to protect so-called innominate contracts (D. 2,14,7,2). Julian uses the term “actio in factum civilis” in very large sense. In Julian’s opinion, any extensive application of an actio civilis, namely an actio utilis, can be also considered as an actio in factum civilis (D. 19,5,5,2). The young generations of the Proculian scholars, such as Aristo and Mauricianus, prefer to use the terms “actio praescriptis verbis” or “actio incerti civilis”, instead of that “actio in factum civilis”, to protect the in nominate contracts (D. 2,14,7,2). Moreover, they invent their theory on the causa of contract for the purpose of attributing these two actions a general function to protect the innominate contracts. Of course, the generalization of these actions opens a new page on the protection of innominate contracts in the history of Roman Law.26
26 For this part of history of development of Roman Contract Law, see: M. Tala manca (above nt. 6) 101; Lihong Zhang, Justice in Roman Contract Law, in: Law, Peace and Justice: A Historical Survey, ed. Byoung Jo Choe, Seoul, 2007, 143; C. A. Cannata (above nt. 3) 58–113; P. Groeschler, Sulle tracce del synallagma. Refles sioni su D. 2,14,7,2 e D. 50,16,19, Quaderni Lupiensi di storia e diritto 3 (2013) 202, 214.
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Frits Brandsma, Rijksuniversiteit Groningen (Groningen University), Gro ningen, Niederlande Prof. Dr. Byoung Jo Choe, Gukrib Seoul Daehakgyo (Seoul National University), Seoul, Korea Prof. Dr. Thomas Finkenauer, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen, Deutschland Prof. Dr. Seiji Fukuda, Komazawa Daigaku (Komazawa University), Tokyo, Japan Prof. Dr. Jean-François Gerkens, Université de Liège, Liège, Belgien Prof. Dr. Tomoyoshi Hayashi, Osaka Daigaku (Osaka University), Osaka, Japan Prof. Dr. Mariko Igimi, Kyushu Daigaku (Kyushu University), Fukuoka, Japan Prof. Dr. Makoto Ishikawa, Kurume Daigaku (Kurume University), Kurume, Japan Prof. Dr. Sebastian Lohsse, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster, Deut sch land Prof. Dr. Ulrich Manthe, Universität Passau, Passau, Deutschland Prof. Dr. Carla Masi Doria, Università degli Studi di Napoli Federico II, Napoli, Italien Assoc. Prof. Wataru Miyasaka, Tsukuba Daigaku (University of Tsukuba), Tsukuba, Japan Assoc. Prof. Dr. Hikaru Mori, Chuo Daigaku (Chuo University), Tokyo, Japan Prof. Dr. iur. h. c. Shigeo Nishimura, Kyushu Daigaku (Kyushu University), Fukuoka, Japan Prof. Dr. Martin Pennitz, Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Prof. Dr. Pascal Pichonnaz, Université Fribourg, Fribourg, Schweiz Assoc. Prof. Daisuke Shinomori, Kanagawa Daigaku (Kanagawa University), Yokohama, Japan Prof. Dr. Boudewijn Sirks, All Souls College, Oxford, Großbritannien Assoc. Prof. Dr. Akira Sugao, Kyushu Kokusai Daigaku (Kyushu International Uni versity), Kitakyushu, Japan Assist. Prof. Yoshihiro Tabata, Osaka Keizai Daigaku (Osaka University of Econom ics), Osaka, Japan Prof. Minoru Tanaka, Nanzan Daigaku (Nanzan University), Nagoya, Japan Prof. Norio Tanaka, Kyushu Daigaku (Kyushu University), Fukuoka, Japan Prof. Kazunori Uemura, Kurume Daigaku (Kurume University), Kurume, Japan
504 Autorenverzeichnis Shiro Yanata, Kyushu Daigaku (Kyushu University), Fukuoka, Japan Prof. Dr. Lihong Zhang, Huadong Zhengfa Daxue (East China University of Political Science and Law), Shanghai, China
Quellenverzeichnis Antikes Recht Basilica 2: 1,1: 29514; – 1,24: 29514. 8: 2,45: 29514. 10: 4,38 pr.: 38 f. 19: 5,10 pr.: 35; – 10,28: 468, 46829. 24: 6,67: 300; – 6,67,2-3: 30029, 304; – 6,67,4: 30649. 28: 7,15: 21. 45: 4,13: 30548. Scholia: 14: 1,26 Schol. 15: 73101; – Schol. 16: 73101; – Schol. 37: 7190, 78136; – Schol. 38: 78132, 136; – Schol. 39: 73101. 18: 6,2 Schol.: 472, 473. 28: 4,21 Schol. 6: 17; – 7,15 Schol. 1: 10, 20; – Schol. 2: 21. 45: 5,1 Schol. 1: 13; – Schol. 5: 14; – Schol. 6: 14. 60: 3,53 Schol. 4: 3764; – 3,55 Schol. 1: 38320; – Schol. 3: 38320: 37,43 Schol. 1: 12. Codex Gregorianus tit. De nuptiis: 199. Codex Hermogenianus tit. De nuptis: 199. Codex Theodosianus 2: 19,3: 43235. 3: 2,1: 3132. 9: 7,6: 200. Collatio Legum Mosaicarum et Romanarum 1-2: 215. 1-9: 200.
1: 215 – 1,1: 21050; – 1,2: 21050; – 1,3-4: 21050; – 1,4: 20118; – 4,1: 20118; – 5: 19910; – 6,3: 20118; – 7,2: 20118; – 8: 20118; – 11,2: 201, 202; – 11,4: 20119. 2: 1,2: 208, 209. 4: 215; – 1: 21050; – 2,5: 20119; – 3,2: 83162; – 11,1: 20119. 5: 1: 21150; – 3: 19910. 6: 1,1: 21050; – 1,2: 21050; – 1-7: 199 f.; – 5: 19911; – 5a: 19910; – 7: 19910, 200, 213; – 7 pr.: 19910, 211, 213, 214; – 7,3: 20014; – 7,4: 20014; – 7,7: 20014; – 7,9: 21150. 7: 215; – 1 pr.: 19910, 209, 215; – 1,2: 21049. 8: 215; – 7,3: 20119, 20324. 9: 1: 210; – 2,2: 83162. 10: 200; – 5: 1851, 1864; – 9: 149. 11: 200; – 1,1: 20324; – 1,2: 20324; – 7,4: 1973. 12: 200; – 7,7: 20118, 203; – 7,10: 159. 13-15: 200. 14: 1: 21050; – 2: 19910; – 2,2: 23864; – 3,2: 23864; – 3,6: 19910. 15: 215; – 1,1: 20528, 206, 207; – 1,1-2: 205 f., 21150; – 1,2: 20528, 206, 207; – 3: 214. 16: 200; – 1,8: 1971. Corpus Iuris Civilis Codex: 2: 11[12],20: 385, 386; – 12,10: 5812; – 12,18: 5812; – 21,3: 4596; – 28,2 pr.: 4492; – 43[44],3: 30754; – 47[48],1: 2949. 3: 38,7: 487. 4: 2,15: 29723; – 6,9: 33680; – 10,13: 29723; – 32,10: 393, 394, 396, 397, 398, 400; – 32,13: 30963; – 32,26,2: 390, 391; – 32,26,4: 385; – 32,27 pr.:
506 Quellenverzeichnis 39112; – 32,27,1: 399; – 32,27,2: 399; – 32,28: 386, 401; – 34,4: 30963; – 35,1: 6554; – 35,6: 9713; – 35,10: 96 f., 104, 105; – 35,17: 6555; – 54,2: 46102; – 54,3: 2713, 46102; – 54,4: 4179. 5: 12,12: 26545; – 13,1,7-7a: 3029; – 17,6: 15; – 17,8 pr.: 17. 6: 23,15: 373109; – 23,21: 373108; – 26,5: 43132, 434, 435, 437; – 37,6: 43132; – 42,13: 43132. 7: 47,1: 34628; – 47,1,1: 345, 34628; – 54,3: 386. 8: 34,3: 3132; – 37,4: 14237; – 40[41],14: 24583; – 56[57],4: 459 f. Digesta: 1: 1,1: 29514; – 1,7,1: 490; – 2,2,44: 13711; – 2,2,46: 231; – 3,14: 48216; – 3,14: 29514; – 5,11: 150; – 5,12: 48216; – 12,1,1: 317, 335; – 12,1,8: 31710. 2: 4,16: 147; – 8,14: 145; – 9,2 pr.: 48316; – 11,10,1: 48316; – 14,7,2: 498, 499, 500, 50022, 501, 50125; – 14,7,5: 79; – 14,7,15: 88191, 1854, 190; – 14,27,1: 48316; – 14,27,2: 14446; – 14,31: 464; – 14,44: 301. 3: 1,1,6: 83162; – 2,1: 6770; – 2,3: 83162; – 2,21: 145; – 3,39,6: 308, 30857; – 3,45: 29514; – 3,69: 148; – 5,5,14: 26031, 26133; – 5,7 pr.: 26032, 26134; – 5,26: 14238; – 5,30 pr.: 5812, 14; – 5,37: 26031. 4: 1,5: 46824; – 1,6: 30650; – 2,9,7: 28739; – 2,14,1: 46824; – 2,19: 46824; – 3,1,4: 46824; – 3,1,8: 38219; – 3,26: 46824; – 4,1 pr.: 3351; – 4,1,1: 3350; – 4,7,10: 423, 424, 425, 42515, 428, 42823, 42925, 430, 431, 43129, 432, 43237, 434, 435, 438, 43856, 439, 445; – 4,11,3: 4596; – 4,11,4-5: 3452; – 4,13,1: 2816; – 4,14: 2816; – 4,15: 30961; – 4,16,4: 47651; – 4,18,5: 30650; – 4,24,1: 3351, 4595; – 4,24,2: 14446; – 4,24,4: 2949; – 4,27,1: 30651; – 4,32: 30338; – 4,38 pr.: 24 ff., 30754; – 4,44: 4596; – 8,43: 304, 30755; – 9,3,1: 87185; – 9,5 pr.: 83159.
5: 1,12,2: 48216; – 1,49: 13814; – 1,49: 148; – 1,53: 33783; – 2,11: 14238; – 2,13: 14445; – 2,21: 148; – 3,19,1: 27263; – 3,25,2: 259, 260, 261; – 3,25,3: 261; – 3,25,4: 261; – 3,31,4: 261. 6: 1,21: 83159. 7: 1,1: 48418; – 1,5: 4784; – 1,13,3: 483; – 2,4: 48418; – 2,9: 48418. 8: 2,40: 150; – 3,37: 145; – 4,18: 48216; – 5,6,4: 28739. 9: 2,5,3: 75; – 2,11,1: 182; – 2,11,3: 178; – 2,11,4: 183; – 2,15,1: 178; – 2,21,2: 381; – 2,22 pr.: 381; – 2,23: 381; – 2,23,1: 381; – 2,27,9: 203; – 2,27,12: 160; – 2,27,25: 376; – 2,27,30: 182, 383; – 2,30,1: 376; – 2,30,4: 183; – 2,33 pr.: 381; – 2,37 pr.: 376; – 2,49 pr.: 16010; – 2,51: 176; – 2,54: 375, 376, 378, 380, 384; – 2,55: 375, 379 f., 380, 381, 382, 384; – 2,56: 375, 380, 383; – 3,7: 6656. 10: 2,18,2: 372100; – 2,35: 14135; – 2,38: 145; – 2,39: 14240; – 3,6,8: 485. 11: 6,1,1: 6556; – 7,8,4: 28739; – 7,29 pr.: 25824. 12: 1,4 pr.: 1864; – 1,9,9: 19537, 38; – 1,10: 19537; – 1,11 pr.: 1864; – 1,32: 25721; – 4,3,5: 29827; – 6,26 pr.: 385, 394; – 6,26,1: 385, 386, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 400; – 6,33: 30965; – 6,49: 297, 29723; – 6,53: 255; – 6,57 pr.: 299; – 6,60: 30756; – 6,65,5-8: 29517; – 6,65,8: 29617; – 6,65,9: 29621; – 6,67: 291, 295, 311314; – 6,67 pr.-1: 297-299, 313; – 6,67,2: 30134; – 6,67,2-3: 299-304, 305, 312, 313; – 6,67,4: 291-294, 306-310, 312-314. 13: 3,1 pr.: 28739; – 6,5,2: 87, 88, 1852, 1864, 18814, 190; – 6,5,7: 69; – 6,17,3: 62; – 6,18 pr.: 83159; – 7,8,3: 3029; – 7,25: 73101. 14: 1,1,18 6022, 6336, 83162; – 1,5 pr.: 6022; – 2,4,2: 376; – 5,8: 3555. 15: 1,11: 29514; – 1,47,3: 48316; – 2: 47240; – 2,2: 472; – 3,18: 25721.
Quellenverzeichnis507 16: 1,13 pr.: 33680; – 1,19,4: 25821; – 1,29: 147; – 3,1,6: 1864; – 3,1,8: 87185; – 3,1,34: 19537; – 3,1,35: 88190, 1864, 187, 190, 195; – 3,24: 88190; – 3,26: 145; – 3,27: 145; – 3,28: 88190. 17: 1,1,2: 79138; – 1,1,4: 55, 58, 62, 64, 85, 86179, 89; – 1,3 pr.: 85, 85173; – 1,5 pr.-1: 79141; – 1,6 pr.: 61; – 1,7: 6550, 54; – 1,8,5: 29827; – 1,8,10: 7190, 83158; – 1,10,7: 64, 6442; – 1,10,9: 6769, 82; – 1,11: 9713; – 1,20 pr.: 6124; – 1,22,2: 79138; – 1,22,5: 48216; – 1,22,9: 79138; – 1,26,6 f.: 6767; – 1,26,8: 5812, 62, 6337, 68; – 1,27,2: 5812; – 1,29,6: 26032; – 1,33: 79138; – 1,34 pr.: 79; – 1,36,1: 6124; – 1,36,2: 5812, 25821; – 1,38: 95 ff., 105, 108, 30029; – 1,39: 1854, 190; – 1,56,1: 9713; – 1,56,2: 5812; – 1,56,3: 6555; – 1,59: 133-134; – 1,59 pr.: 131, 1,59 pr.-1: 145; – 1,59,1: 131, 134; – 1,59,2: 132, 134; – 1,59,3: 132, 134; – 1,59,4: 132, 135; – 1,59,5: 132, 135; – 1,59,6: 132; – 1,62: 30446; – 2,71 pr.: 84167; – 2,73: 14237. 18: 1,6,1: 3029, 46102; – 1,20: 81149; – 1,35,3: 5812; – 1,39,1: 47548; – 1,50: 494, 496, 499; – 1,65: 81151, 152; – 1,79: 48316, 494, 496, 499; – 2,16: 46103; – 3,4 pr.: 46; – 3,4,2: 4076, 77; – 3,4,3: 31; – 3,4,4: 3136; – 3,5: 3026; – 3,6: 14240; – 3,6 pr.: 2924, 3027; – 3,6,1: 3027; – 3,6,2: 4078; – 3,7: 41, 4179; – 3,8: 3028; – 5,10 pr.: 34 f.; – 5,10,1: 2924; – 6,1,1: 83159; – 6,20: 342; – 7,7: 47548. 19: 1,1 pr.: 341; – 1,1,3: 40831; – 1,6,4: 40622; – 1,13 pr.: 339, 342 f., 348, 35041, 351, 406, 407; – 1,21,3: 340, 342, 346, 347, 348; – 1,30,1: 3417, 500, 50024, 501; – 1,31 pr.: 25721, 34211; – 1,31,1: 34211; – 1,38,2: 25721; – 1,43: 75; – 1,45,1: 75; – 1,47: 149; – 2,2,1: 81149; – 2,13,3: 75, 75113, 83158; – 2,13,4: 75; – 2,19,9: 83162; – 2,20,2: 2714; – 2,21: 2714; – 2,22 pr.: 2714; – 2,22,1: 81149; – 2,22,2: 82; – 2,22,3: 47651; –
2,51,1: 82156, 82157; – 2,54: 145; – 2,55,1: 82153; – 2,60,6: 83159; – 2,60,9: 83159; – 2,61: 82153; – 2,71 pr.: 47548; – 4,1,1: 499, 49920; – 4,1,2: 48216; – 5,5,2: 489 f., 497, 498, 499, 500, 501, 502; – 5,5,4: 79, 89; – 5,10: 499, 49921; – 5,12: 46102; – 5,13 pr.: 6124; – 5,13,1: 61; – 5,14,2: 25823; – 5,17,1: 494, 496, 499; – 5,19 pr.: 494, 496, 499; – 5,20 pr.: 32123, 494, 496, 499; – 5,20,2: 494, 496, 499; – 5,22: 59, 6335, 78137, 80143, 86179. 20: 1,26: 14238; – 1,29: 148; – 1,34: 29517; – 3,4: 148; – 4,3,2: 486, 487; – 4,12,6: 386; – 4,21: 29517; – 6,7,4: 477, 484, 485; – 6,11: 145; – 6,12: 149. 21: 1,1,1: 40618, 4649; – 1,1,2: 4648; – 1,1,7: 46513; – 1,1,9: 46616; – 1,14,9: 464, 465, 466, 474; – 1,17 pr.: 32635; – 1,17,1: 32534; – 1,17,1 ff.: 32535; – 1,17,3: 32637; – 1,17,8-9: 32534; – 1,17,10: 32636; – 1,17,12: 320 f., 324, 325, 327, 330, 331; – 1,17,13: 325; – 1,19,1: 32122; – 1,19,2: 467, 46720, 47547; – 1,19,5: 467, 46822; – 1,19,6: 4647; – 1,28: 466 f., 468, 46829, 469, 470, 471, 47241, 473, 474, 476; – 1,48,1: 46514; – 1,48,4: 46514; – 1,48,8: 47241, 473, 47343; – 1,58: 145; – 2,11: 145; – 2,31: 3417; – 2,56,7: 48216; – 2,73: 146. 22: 1,12: 145; – 1,14,1: 148; – 1,15: 150; – 1,20: 385; – 1,29: 385, 386; – 3,4: 145; – 3,5: 149; – 3,15: 14238; – 3,30: 14237; – 3,31: 14237; – 4,3: 148. 23: 2,65: 149; – 3,25: 26545; – 3,26: 26545; – 3,32: 26545; – 3,54: 26545; – 3,67: 254, 255, 258, 262, 263, 264, 267, 270, 272; – 3,72: 146; – 3,80: 48112; – 4,2: 14343; – 4,19: 3029; – 5,18,1: 48316. 24: 1,35: 14; – 1,44: 25721; – 1,56: 36986; – 1,57: 146; – 2,4: 1523; – 2,9: 9 ff., 93, 10, 13, 1416, 2146; – 3,10,1: 25824; – 3,18,1: 376; – 3,49 pr.: 147; – 3,49,1: 146.
508 Quellenverzeichnis 26: 1,1 pr.-1: 3658; – 1,12: 148; – 2,32: 146; – 6,3: 150; – 7,32,4: 30962; – 7,46: 146, 148, 150; – 7,59: 301; – 8,21: 36249. 27: 1,36: 147; – 2,4: 6656; – 7,8: 149; – 9,1 pr.-2: 46107; – 9,14: 149. 28: 1,8,1: 30134; – 1,10: 36878; – 2,3,2: 42515; – 2,7: 48316; – 2,25: 14443, 146; – 2,29: 44268; – 5,9,1: 36876; – 5,43: 443, 44373; – 5,44: 44374; – 5,47: 5812; – 5,55: 25821; – 5,56: 44374; – 5,58: 441, 44166, 44374; – 5,59: 441; – 5,61: 44374; – 5,89: 423, 424, 42515, 43131, 435, 440, 441, 44165, 442, 445; – 6,38,3: 48316; – 6,43,3: 43131; – 6,45 pr.: 147; – 6,45,1: 146; – 6,46: 147. 29: 1,15,4: 4232; – 1,40: 13918; – 1,40 pr.: 147, 36876; – 1,40,1-2: 146; – 1,40,2: 147; – 2,11: 438; – 2,57: 43028, 43546; – 2,60: 48111; – 2,62 pr.: 48316; – 2,70: 44166; – 2,90: 149; – 2,91: 150; – 2,92: 147; – 2,97: 3348, 3555; – 5,22: 147. 30: 19 pr.: 3029; – 30 pr.: 3029; – 49,1: 3029; – 49,3: 3029; – 71,5: 288, 28842; – 86 pr.: 288; – 86,4: 277, 278, 2789, 279, 27912, 287, 288, 28842, 289; – 96 pr.: 37087; – 124: 25821. 31: 43 pr.: 37087; – 47: 25411, 255; – 76,2: 14136; – 77,1: 14136; – 86 pr.: 13916, 147; – 86,1: 146; – 87: 14019; – 87 pr.: 146; – 87,1: 147; – 88,1: 372102; – 88,6: 37087; – 89,7: 14343. 32: 11,5: 37087; – 27,1: 3555; – 33,1: 37192; – 37,2: 304; – 41: 30446; – 68: 14237; – 92: 147. 33: 1,3 pr.: 3029; – 1,5: 3029; – 1,12: 146; – 1,13: 305; – 1,13 pr.: 30548; – 2,19: 48418; – 2,26,1: 48418; – 2,28: 146; – 2,31: 478 ff., 4807, 483, 484, 486, 488; – 2,32,9: 30030; – 4,11: 146; – 4,16: 14445; – 7,12,43: 369; – 7,19 pr.: 150; – 7,19,1: 149; – 8,23,3: 30030. 34: 1,12: 148; – 1,13 pr.: 14341; – 1,13,2: 143; – 2,21 pr.: 25821; – 2,26: 232; – 2,35: 146; – 2,37: 150; –
3,28,4: 30443; – 3,28,11: 30030; – 3,28,12: 30030; – 3,31,2-3: 30443; – 4,30 pr.: 370; – 4,30,2: 372102; – 5,4: 150; – 9,19: 150. 35: 1,27: 372100; – 1,40,3: 48316; – 1,40,5: 372100; – 1,43 pr.: 48316; – 1,44,10: 48316; – 1,71,3: 25821; – 1,83: 149; – 1,84: 148; – 2,6: 25824; – 2,24: 150; – 2,32,3: 3029; – 2,49 pr.: 48316; – 3,54 pr.: 3029. 36: 1,24: 25821; – 1,41,1: 48316; – 1,50: 150; – 1,60,3: 14136; – 1,63: 150; – 1,76,1: 3555; – 1,80, 2-3: 305; – 1,80,3: 30030; – 1,80,9: 30030; – 1,80,12: 304; – 2,12,5: 75. 37: 1,15: 149; – 6,11: 149; – 10,13: 146; – 14,17 pr.: 3348. 38: 1,1: 29513; – 1,37 pr.: 83162; – 2,46: 148; – 2,47: 146; – 9,2: 432, 433, 434, 43549; – 11,1,1: 12. 39: 5,19,1: 6656; – 5,27: 6656; – 6,13,1: 450 f., 455, 456, 458; – 6,16: 4497; – 6,27: 455, 456, 457; – 6,30: 4497; – 6,35,2: 455, 456, 458; – 6,35,4: 450, 451, 455, 456, 458; – 6,41: 25821; – 6,42: 305; – 6,42 pr.: 14135; – 6,42,1: 45717. 40: 1,4 pr.: 33469; – 1,4,2-3: 33572; – 1,5 pr.: 334; – 1,6: 333, 33365; – 1,23: 147; – 4,53: 147; – 5,9: 25821; – 5,39: 150; – 5,40: 147; – 7,3 pr.-1: 33364; – 7,3,2: 333; – 7,3,13-14: 3029; – 7,34,1: 33785; – 7,40,4: 30030; – 7,40,5: 30030; – 7,40,6: 30030; – 12,38,2: 148; – 12,38,3: 147. 41: 1,1 pr.: 153; – 1,1,1: 154, 159, 161, 168, 170; – 1,2: 154, 159, 170; – 1,3 pr.: 154, 159, 161, 170; – 1,3,1: 154, 159, 170; – 1,3,2: 154, 159, 160, 161, 168, 170; – 1,5 pr.: 155, 159, 161, 170; – 1,5,1: 155, 159, 160, 170, 25823, 28947; – 1,5,2: 155 f. 157, 159, 160, 170; – 1,5,3: 156, 157, 159, 160, 170; – 1,5,4: 156, 157, 159, 160, 161, 170; – 1,5,5: 157, 158, 159, 160, 161, 170; – 1,5,6: 158, 159, 160, 170; – 1,5,7: 161; – 1,14,1: 25821; – 1,44: 16314; – 2,1,3: 233, 244; – 2,1,14:
Quellenverzeichnis509 48216; – 2,3,4: 27262; – 2,3,21: 271; – 2,32,2: 48316; – 3,4,8-9: 25618; – 3,4,10: 25823; – 3,27: 269; – 3,29: 25821; – 4,1: 27059; – 4,2,3: 2923; – 4,2,21: 27059; – 4,3: 27059; – 4,9: 27160; – 4,10: 27160; – 4,11: 26854, 271, 27160; – 5,2,2: 269; – 7,8: 147; – 9,1,2: 254, 263, 264, 269, 270, 272; – 9,1,3: 254, 263, 264, 268, 269, 270, 272; – 9,1,4: 254, 263, 264, 268, 269, 270, 272; – 10,1 pr.-1: 272; – 10,2: 271; – 10,3: 268; – 10,4 pr.-2: 268; – 10,5 pr.: 268, 27263; – 10,5,1: 268. 42: 1,21: 48316; – 1,27: 386; – 1,42: 148; – 1,43: 150; – 1,44: 14447, 42925, 430, 433, 435, 436, 438, 439, 445; – 4,13: 23862; – 5,6,2: 29722; – 7,5: 301; – 8,3,1: 28739. 43: 3,1,8: 28739; – 8,2,10: 376; – 16,1,35: 25821; – 18, 2: 28843; – 24,15,8: 28739; – 26,5: 25821; – 26,20: 2713. 44: 2,31: 148; – 3,12: 147; – 4,14: 81, 148; – 7,1,4-6: 376; – 7,29: 145. 45: 1,5 pr.: 47136; – 1,33: 376; – 1,37: 376; – 1,38,10: 29513; – 1,38,11: 29513; – 1,38,20: 29513; – 1,82,1: 378; – 1,104: 33680; – 1,118 pr.: 25821; – 1,134: 147; – 1,140 pr.: 25821; – 1,140,1: 3029; – 2,9,1: 1854. 46: 1,37: 26032; – 1,45: 9713, 105; – 1,67: 9713; – 1,69: 26031; – 2,9,1: 442; – 2,30: 149; – 3,38,3: 25821; – 3,45: 14237; – 3,78: 26648; – 3,84: 255; – 3,86: 48316; – 3,95,11: 25821; – 3,99: 149; – 3,100: 146; – 3,101: 150; – 5,10: 14237; – 8,13 pr.: 74106, 342; – 8,25,1: 26032. 47: 2,1,3: 25823; – 2,21,9: 48316; – 2,26 pr.: 1609; – 2,43,4: 25823; – 2,55,1: 25823; – 2,57,3: 25618; – 2,62[61],9: 29722; – 2,66: 25823, 28947; – 7,8,2: 25823; – 8,2,23: 88190, 1864; – 10,38: 33889; – 10,44: 48111; – 19,2 pr.: 23863. 48: 5,16[15],4: 23863; – 5,28,8: 28739; – 5,41: 13814, 13917, 148; – 5,44: 12, 13, 1416; – 10,16: 148; – 16,1,8:
23863; – 16,5: 148; – 19,28,7: 3177, 31813, 337 f., 33889; – 20: 30340; – 22: 30340. 49: 8,2: 148; – 8,3: 150; – 14,50: 3348; – 17,18,3: 28739. 50: 1,21: 13814, 148; – 1,36: 14238; – 5,9: 148; – 7,9: 148; – 7,10: 148; – 12,1,5: 46823; – 12,3 pr.: 467, 46719; – 12,5: 14237; – 13,1: 6556; – 13,1 pr.: 6554, 75115; – 13,1,3: 46823; – 13,1,7: 86177; – 13,1,10: 6555; – 16,5,1: 82156; – 16,125: 25411, 255, 25721; – 16,220: 14020; – 16,221: 149; – 16,223,1: 6446; – 17,1: 86181, 90201; – 17,23: 83159, 1851; – 17,202: 86181. Institutiones: 1: 6,1: 433, 443; – 13,1-2: 3658; – 26: 3243. 2: 7,1: 449 f., 4497; – 16 pr.: 437; – 25 pr.: 4388. 3: 9,2: 43237; – 14,2: 376; – 18 pr.: 47136; – 26,10: 1345; – 26,13: 60, 64, 72, 87185, 88. 4: 11,4: 30858. Novellae: 22: 1834; – 87: 450, 452 ff., 454; – 117: 1834; – 121: 389, 390, 391, 398, 400; – 121,1: 386 ff., 389, 390, 391, 398; – 121,2: 389, 392, 398; – 134: 1834; – 138: 391 f. Fragmenta Vaticana 3: 41; – 44: 14237; – 69: 148; – 94: 146; – 95: 149; – 96: 146; – 97: 149; – 98: 149; – 99: 149; – 100: 146; – 101: 149; – 102: 146; – 103: 149; – 104: 149; – 105: 149; –106: 146; – 107: 147, 148; – 108: 149; – 109: 149; – 110: 149; – 111: 146; – 112: 149; – 114: 147; – 116: 146; – 117: 146; – 118: 149; – 258: 14135; – 333: 14136. Gai Epitome 2: 5,3: 37197; – 9,18-20: 64. Gaius Institutiones: 1: 52: 36253; – 62: 4390. 2: 14: 28738; – 16: 118; – 19-20: 256; – 30: 4808; – 56: 28947; – 66: 161;
510 Quellenverzeichnis – 67: 162; – 68: 162; – 69: 162; – 104: 372106; – 193: 36985; – 195: 37196; – 229: 36879. 3: 142 f.: 6021; – 147: 81149; – 162: 59, 6335, 86179; – 205: 83158, 159; – 206: 83159, 1852; – 207: 1851, 2. 4: 14: 332; – 47: 491; – 130-137: 495; – 131: 495; – 132: 495; – 136: 495, 496; – 137: 495; – 182: 6770. Harmenopoulos Hexabiblos: 1: 12,40: 39. Novellae Theodosii 12 pr.: 1728; – 16: 373108. Pauli sententiae 1: 7,3: 307, 30753; – 12,3: 2041. 2: 19,3-5: 199; – 19,6: 36671. 3: 7,2: 4497. Theophilus antecessor Institutionum Graeca paraphrasis: 2: 16 pr.: 437. Tipoukeitos 45: 4,13: 30548. Ulpianus Regularum liber singularis (epitome Ulpiani): 5: 5: 36671; – 6-7: 199. 6: 1: 3029. 20: 10: 36981.
Mittelalterliches und modernes Recht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) § 1004: 56. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) I 13: §§ 74 ff.: 56. Bundesgerichtshof (Deutschland), Entscheidungen in Zivilsachen (BGHZ) 52,99: 4772.
Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich (BGB) § 281: 405; – § 311a: 405; – § 323: 405; – § 320-327 a. F.: 404; – § 433 f. a. F.: 403, 405; – § 433: 405; – § 433 a. F.: 4031; – § 434: 405; – § 434 a. F.: 4031; – § 437: 405; – § 439: 405; – § 440 a. F.: 404; – § 441: 405; – § 459 a. F.: 404, 4042; – § 462 a. F.: 404, 4043; – § 463 a. F.: 404, 4044; – § 480 a. F.: 404, 4045; – § 662: 55,56; – § 675(1): 56; – § 775 (1): 936, 108; – § 830 (1): 175; – § 840 (1): 175; – § 958: 1531; – § 1066: 4772; – § 1066 III: 4809; – § 1258: 4772. Burgerlijk Wetboek § 1299: 56. Code civil Art. 1150: 351; – Art. 1151: 351, 477; – Art. 1986: 56; – Art. 2309: 922; – Art. 2414: 4772. Codice civile 1865 Art. 1737: 56; – Art. 1739: 56. Codice civile 1942 Art. 1709: 57. Draft Common Frame of Reference (DCFR) IV. H.-1: 105: 46021. Glossa Ordinaria D. 4: 4,7,10 gl. in extraneo pupillo: 42823. D. 24: 2,9 gl. libertum: 2146. D. 28: 5,89 gl. adiiciatur: 44165. Minpo (Japanisches Zivilgesetzbuch) § 239: 1531; – § 401: 409; – § 460: 921; – § 541: 419; – § 543: 420; – § 549: 4471, 4485; – § 550: 4471, 46123; – § 554: 447, 448, 461, 462; – § 566: 408, 42178; – § 570: 408, 409, 411, 420; – § 648(2): 56; – § 709: 173; – § 719: 173; – § 754: 4473; – § 960: 4486; – § 991: 462; – § 1022: 447, 4484, 46224; – § 1026: 448; – § 1030: 46122.
Quellenverzeichnis511 Oberster Gerichtshof (Japan), Entscheidungen (OGH) 24,4,1942 (MINSHU 21,8,447): 4772; – 25,5,1972 (MINSHU 26,4,805): 4473; – 24,1,1983 (MINSHU 37,1,21): 4473, 46224. Obligationenrecht (Schweiz) § 394(3): 56.
Antike Autoren Ambrosiaster Commentarius in epistulas Paulinas: ad Corinthios I 13,3: 21787. ad Galatas 21786; – 2,1-2: 215. ad Timotheum II 3,6-7: 21468. ad Romanos 1,1: 21791; – 5,12: 21572; – 5,14: 21787. Quaestiones Veteris et Novi Testamenti: 56: 21678; – 109: 21784; – 114,30: 215. Apicius De re coquinaria: 2,4: 36144; – 4,3,4: 36144; – 7,4: 36144; – 8,7,12: 36144. Appianus Bella civilia: 1,2,5: 22729. Hannibalica: 38-39: 12331; – 162-169: 12331. Apuleius Florida: 4: 36043. Aristoteles Historia animalium: 5,22: 16932. Asconius in Cic. Pisonianam (frg. 10 Clark) pag. 2 ff. Clark (13,4 ff. Stangl): 242; – in Cic. Milonianam, argu mentum pag. 32 Cl. (31,34 St.): 22936.
Cassius Dio Historiae Romanae: 47: 18,1: 32226; – 18,4: 32226; – 19: 3165; – 19,2-3: 3164, 322. 56: 43,3: 36358. Cato maior Origines: 2 frg. 37: 22312. Cicero ad Atticum: 5: 21,13: 385. de officiis: 1: 42,151: 6871. Philippicae: 3,15: 11311; – 4,2: 11311. Pro Milone: 3,9: 19910. Pro Roscio comoedo: 6,16: 3762. Collectio Avellana 13,5: 21674. Columella De re rustica: 9: 3: 16932; – 6,1: 16418; – 8: 16417; – 11,1-5: 16422; – 14,2-5: 16422. Diodorus Bibliotheca historica: 1: 79,2: 393. 23: 8: 12641. Epistula concilii Romani ad Gratianum et Valentinianum imperatores: 21674. Eusebius Caesariensis Vita Constantini: 4,26,5-6: 373109. Festus De verborum significatu (Lindsay): s. v. servorum dies (pag. 460/467): 323.
Augustinus Contra duos epistulas Pelagianorum: 4,4,7: 21572.
Gellius Noctes Atticae: 13: 14, 3-4: 32329; – 14,7: 32429. 16: 8,2: 23757.
Augustus Res gestae: 34: 22835.
Gennadius De viris illustribus: 26: 21573.
512 Quellenverzeichnis Hieronymus Apologia adversus libros Rufini: 1,17: 356. Chronicorum canones: ad Olympiadem 189 (PL 27,435 f. = pag. 141 Schoene): 22936; – ad Ol. 193 (PL 27,440 = pag. 145 Sch.): 22310, 22938. Commentarius in epistolam ad Galatas: prologus: 21785. Commentarius in epistolam ad Titum: 3,9: 21676. Commentarius in evangelium Matthaei: 1,16: 21678. Commentarius in Isaiam: 12: praefatio: 357. De viris illustribus: 21675. Epistolae: 35: 21679; – 36: 21780; – 36,1,1: 21781; – 73,1: 21782; – 107,11,1: 36673. Isidorus Origines (etymologiae): 9: 7,24: 2247. Itinerarium Antonini Augusti 344,6: 23653; – 350,6: 23653. Iuvenalis Saturae: 2,119-120: 36145; – 8,272-275: 3164; – 11,144: 36144; – 12,84: 36035. Livius Ab urbe condita: 21: 44,5: 1522. 23: 41,10: 127. 26: 5,3: 12748; – 5,11: 12749; – 8,9-11: 12128; – 11,10-13: 12230; – 11,13: 12432. 42: 62,4: 1522. Periochae: 74: 22731. Martialis Epigrammata: 12: 48,17: 36144. 14: 71(70): 36038; – 14,72: 36039.
Mekhīltā de Rabbi Jishma‘el 7,6: 20836. Mišna Sanhedrin 7,7: 20730. Nonius De conpendiosa doctrina (Mercerus): s. v. pandere (pag. 44 M. = pag. 63 L.): 323. Oracula Sybillina 3: 226: 207. Orosius Historiae adversus paganos: 6: 21,22: 24275. Petronius satyrica: 47,8-13: 35929; – 49,1-10: 35929. Plautus Rudens: 32 f.: 328, 32845; – 41: 32948; – 49: 32948; – 145 f.: 329; – 217 f.: 330; – 324-326: 32948; – 373 f.: 32946; – 454-456: 33054; – 491: 32948; – 581585: 331; – 629-631: 32845; – 722: 3165; – 723-725: 331; – 789 f.: 32948; – 859: 32948; – 883: 32948; – 953997: 166 ff.; – 1282: 32948; – 13801382: 32844. Plinius maior Naturalis historia: 1: 16(16),49: 16419; – 17(17),54: 16422. 3: 17(21),124: 22312. 7: 12(10),55: 22936. 8: 6,1 (= 6(6),16): 11823; – 21(30),72: 36358; – 30(45),107: 36358. 10: 22(29),56: 16931. 11: 18(19),59: 16932. 21: 14(47),80: 16418. Plinius minor Epistulae: 1: 6: 1598. 2: 11,4: 23862. 4: 22,1: 23862. 8: 16: 36464; – 16,1-3: 363, 373. 10: 96: 23863.
514 Quellenverzeichnis 200; – 23a (LXX): 200; – 23b (LXX): 200. Exodus: 19: 12: 21050. 20: 16[13]: 210. 21: 12: 21150; – 15: 21150; – 16: 21050; – 16 (LXX): 21150; – 17: 21150; – 17 (LXX): 21050; – 19: 20834, 37. 22: 2: 21049 – 18: 21150. 31: 14: 21150; – 15: 21150. Isaias: 8: 19: 20730. Leviticus: 18: 12 (LXX): 200; – 12-13: 20015; – 13 (LXX): 200; – 16 (LXX): 200. 20: 2: 21150; – 9: 21150; – 10: 21050; – 11: 21050; – 11-12 (LXX): 199, 200; – 12: 21050; – 13: 21150; – 15: 21150; – 16: 21150; – 27: 21150. 24: 16: 21150; – 17: 21150. 27: 29: 21150. Numeri: 15: 35: 21050. 27: 11 (Vulg.): 1971. 35: 16: 21050; – 17: 21050; – 18: 21150; – 20-21: 21050; – 31: 21150. Psalmi: 110: 4: 21783. Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia: 9: 7,4: 22731. Varro De lingua Latina: 5: 111: 36144. De re rustica: 2: 2,5-6: 47548; – 4,9-10: 36147 – 4,21: 36668. 3: 9,16: 16929; – 16,15: 16418; – 16,21: 16523; – 16,28: 16523; – 16,29: 16421; – 16,33: 16523. Vergilius Georgica: 4: 21 ff.: 16421; – 33 ff.: 16418; – 67 ff.: 16421; – 185 ff.: 16421.
Inschriften AE (L’Année épigraphique) 1996, 1708: 36358. BGU (Ägytische Urkunden aus ... Ber lin, Griechische Urkunden) III: 702: 19226; – 729: 19226, 19433; – 856: 19226. Ch. L. A. (Chartae Latinae Antiquio res) IX: 496: 37192, 372107. CIL (Corpus Inscriptionum Latinarum) II: 4514: 370. III: 2, 948: 82154. V: 3401: 22627; – 6513: 22415; – 6520: 22414, 17; – 6521: 22415; – 6549: 22415; – 6556: 22415; – 6596: 22417; – 6623: 22417. VI: 7458: 35928; – 8750: 35928; – 11746: 372101. VIII: 12400: 36144; – 22661: 36257; – 24037: 36144. IX: 3907: 12956. CPR (Corpus Papyrorum Raineri) I: 29: 19226. FIRA (Fontes Iuris Romani Anteiusti niani) III: 35: 36464, 36980, 372103; – 47: 36875, 77, 372105, 107; – 48: 37086, 36877; – 50: 36875; – 56: 37299. ILS (Dessau, Inscriptiones Latinae Se lectae) 1798: 35928; – 6957: 370. IRC (Inscriptions romaines de Catalogne) IV: 45: 370. Lex coloniae Genetivae Iuliae sive Ursonensis 62: 22834; – 94: 224 f. Lex Irnitana 19,13 ff.: 225. Lex Rubria 223, 22313. P. Ath. (Athen) 28: 192.
Quellenverzeichnis513 Plutarchus Vitae parallelae: Comparatio Dionis et Bruti 5: 24892. Romulus 9,3: 3164. Polybius Historiae: 1: 18: 12639; – 1,19: 12641. 3: 342: 12643; – 3,379: 12746. 9: 5,7-9: 12229. Quintilianus (Ps.-Quintilianus) Declamationes mi nores: 277: 23758; – 314: 23758. Institutio oratoria: 2: 15,6: 229, 22939. 3: 10,1: 23862. 5: 14,18: 19910. 7: 2,20: 23862. 9: 2,95: 230. Scriptores Historiae Augustae (SHA) Vita Marci: 22,4: 3870. Seneca philosophus De beneficiis: 3: 22,1: 31813. De clementia: 1: 18,2: 31813. Dialogi: 10 (de brevitate vitae): 13,8: 32329.
De oratoribus (opus perditum): 229. De viris illustribus: 221. De vita Caesarum: 1 (Iulius Caesar): 81,1: 236; – 81,3: 236. 2 (Augustus): 7,2: 22835; – 27,2: 1522; – 34,2: 1418; – 35,1: 1522; – 40,3: 1522; – 89,1: 22937. 3 (Tiberius): 1,2: 23755; – 14,4: 22937; – 37,2: 3152; – 56,1: 22937; – 66,1: 236. 4 (Caligula): 30,5: 236. 5 (Claudius): 9,2: 238, 23865; – 26,3: 4390; – 41,2: 236. 6 (Nero): 33,1: 236. Summa Trecensis 7: 31,2: 34625; – 34729, 30. Tacitus Annales: 3: 36: 3165, 31813, 33887, 89; – 60,1: 315 f. 4: 14,1: 3152. 12: 5 f.: 4390. Historiae: 1: 70: 223, 22414. Targum Onqelos Ex. 21,19: 208 f.
Seneca rhetor Controversiae: 3: 9: 33467. 7: praef.: 229 f.; – praef. 2: 232; – praef. 3: 232; – praef. 6: 23344; – praef. 6-7: 230, 231 f.; – praef. 7: 228, 22833. 10: praef. 13: 229.
Testamentum Novum Epistula ad Hebraeos: 5,6: 21783; – 5,10: 21783; – 6,20: 21783; – 7,1-13: 21783. Epistula ad Philippenses: 2,25: 20118; – 4,18: 20118.
Strabo Geographica: 5: 1,6: 236.
Testamentum Vetus Deuteronomium: 1: 7: 50; – 1,17: 50. 16: 19: 50. 18: 10 (LXX): 206, 20629; – 10-11 (LXX): 205 f.; – 11 (LXX): 20630. 21: 19 (LXX): 20833. 27: 15-26: 20015, 213; – 20 (LXX): 200; – 21 (LXX): 200; – 22 (LXX):
Suetonius De grammaticis et rhetoricis: 220, 221; – 7,1: 22937; – 30,1-6: 222; – 30,2: 230; – 30,3: 230, 23552; – 30,4: 230, 23654; – 30,5: 235; – 30,6: 240, 251.
Testamentum porcelli: 353-373.
Quellenverzeichnis515 P. Hamb. (Hamburg) I: 72: 37192, 372107. P. Heid. (Heidelberg) IV: 327: 76124. P. Lond. (London) II: 298: 19226, 19433; – 310: 19226. III: 943: 19226. P. Mich. (Michigan) II: 121 II,8: 76124. V: 346a: 77130. inv. 5191a: 76124, 77. P. Oxy. (Oxyrhynchus) I: 71: 19226. IV: 724: 76118, 77126. XIV: 1647: 77130.
XXXI: 2586: 76124. XLI: 2977: 76118, 77130. Hels. (Helsinki) 29: 76118. Inv. [27] 3 B/41 G (7-9): 74112, 76
123
.
PSI (Pubblicazoni della Società Italiana per la ricerca dei papiri greci e latini in Egitto) III: 241: 77130. X: 1110: 76123. SB (Sammelbuch griechischer Urkun den aus Ägypten) VI: 9291: 19433. SEG (Supplementum epigraphicum Grae cum) XVII: 759: 36250.