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German Pages 151 [153] Year 1986
AUFKLÄRUNG Interdisziplinäre Halbjahresschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte
In Verbindung mit der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts Herausgegeben von Günter Birtsch, Karl Eibl, Norbert Hinske, Rudolf Vierhaus
Jahrgang 1, Heft 2, 1986
Thema: Französische Revolution und deutsche Literatur Herausgegeben von Karl Eibl
F E L I X M E I N E R V E R L AG H A M B U RG
ISBN 978-3-7873-0702-9· ISBN eBook 978-3-7873-3503-9 · ISSN 0178-7128
© Felix Meiner Verlag 1986. Das Jahrbuch und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheber rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.meiner.de/aufklaerung
Inhalt Einleitung. Von Karl Eibl
3
Abhandlungen Jürgen Link: Die Revolution im System der Kollektivsymbolik. Elemente einer Grammatik interdiskursiver Ereignisse .
5
Norbert Oellers: Literatur für die Mehrheit? Notizen über Heinrich August Ottokar Reichard und seinen „RevolutionsAlmanach" . . . • . . . . . . . . • . . . . . .
25
Ralph-Rainer Wuthenow: Experimentalpolitik? Die Französische Revolution in Lichtenbergs 'Sudelbüchern'
43
G onthier-Louis Fink: Schillers ' Wilhelm Tell', ein antijakobinisches republikanisches Schauspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Wolfgang Düsing: Schiller und die Fra nzösisc he Revolution in Peter Weiss' ' H ölderlin' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . .
83
Kurzbiographie Karl Eibl: Johann August von Einsiedel ( 1754-1837)
99
Literatur zum Thema des Heftes
101
Rezensionen
115
Mitteilungen D ie Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts (DGEJ) . . . . . . . . . . . . . .
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Jahresinhalt 1986
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AUFKLÄRUNG ISSN 0178-7128. Jahrgang 1. Hefl 2. 1986. ISBN 3-7873--0702-8 lnterdisl.iplinäre Halbjahresschrift zur ErforS Felix Meiner Verlag, 1986. ISSN 0178-712$
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Kurzbiographie
Straßburg gesehen worden. Er ließ das Grab öffnen und fand- eine Strohpuppe. Emilie haue den Geliebten nach Afrika begleitet. Nach der Rückkehr suchte man die Dinge in ordentliche Bahnen zu bringen. Werthern ließ sich scheiden. Emilie und Einsiedel konnten heiraten. Goethe: „ Wie abscheulich! - Zu sterben! nach Afrika zu gehen. den sonderbarsten Roman beginnen, um sich am Ende auf die gemeinste Weise scheiden und kopulieren zu lassen. Ich habe es höchst lustig gefunden. Es läßt sich in dieser Werckeltags Welt nichts außerordentliches zu Stande bringen". (9. 7. 1786.) Er selbst wird zwei Monate später aus der .. Werckeltags Welt" nach Italien aufbrechen. Einsiedel war durch diese Affäre gesellschaftlich unmöglich geworden. Er zieht sich mit seiner Frau auf die Burg Lumpzig bei Altenburg zurück. Einsiedel erwägt die Möglichkeit, „in Frankreich zu leben . . .. weil ich glaube vorauszusehen, daß unsere Verhältnisse hier in Deutschland ihrem Ende nahe sind und nach Frankreich oder in die äußersten Polarländer zu emigrieren die einzige Wahl bleibt. Und da fürchte ich die Guillotine bei weitem nicht so sehr als die Gicht." (An Herder. 31. 12. 1796.) Doch auch Weimar wirkt noch immer als Magnet. Als aber Emilie es wagt. sich dort 1795 einmal blicken zu lassen, nimmt man diese Unverschämtheit mit größter Empörung zur Kenntnis. Immerhin. in die freiere Atmosphäre Jenas kann man kommen. und in Ilmenau kann man sich sogar niederlassen, wohin auch Knebel nach seiner Verheiratung mit einer Kammersängerin retiriert war. Im Winter 1801 /2 reist Einsiedel nach Frankreich.
noch immer ist es das Land der Hoffnung: er kommt tief enuäuscht zurück. 1804 zieht man nach Jena. Die Nachrichten werden spärlicher. 1837 stirbt Einsiedel auf dem Stammsitz der Familie, Schloß Scharfenstein bei Zschopau. Emilie folgt ihm 1844. Die Sonne, um die Einsiedel immer wieder kreiste. war Herder. Zahlreiche Briefe an ihn sind erhalten , die bezeugen , wie er immer wieder an ihm Halt suchte; Caroline Herder erinnerte sich der vielen langen Abende, da die beiden bei Tabaksqualm ihre Gedanken austauschten. Vor allem aber: Herder hat er seine „Ideen" anvertraut, Aufzeichnungen von Gedanken über die verschiedensten Gegenstände. Herdcr fand sie so wichtig, daß er sich Abschriften anfertigte, und in dieser Form sind sie im Herder-Nachlaß erhalten. Hier zeigt sich Einsiedel als Schüler Herders. zugleich aber auch als Kind jener in Deutschland recht seltenen Variante der Aufklärung, die sich am französischen Materialismus orientierte. als Kritiker aller (religiösen, politischen, poetischen) „Wortschälle". Kritiker des Absolutismus, der zeitgenössischen Frauen-Erziehung . .. Nicht einmal ein Überblick der Themen kann hier gegeben werden. Sie reichen bis hin zur Verbindung von Ohrenschmalz und Galle, zu r Konservierung von Obstwein. und Herder fand auch das wichtig ge nug, um es abzusch reiben. Schon das sollte uns anregen, einmal das Büchlein zur Hand zu nehmen. um dessentwillen diese Kurzbiographie geschrieben wurde: August von Einsiedel, Ideen. Ei ngeleitet, mit Anmerkungen versehen und nach J. G. Herders Abschriften in Auswahl herausgegeben von Wilhelm Dobbek, Berlin 1957. Karl Eibl (Trier)
LITERATUR ZUM THEMA DES HEFTES
Eine Bibliographie zum Thema 'Französische Revolution und deutsche Literatur', der ein 'weiter' Literaturbegriff zum Grunde läge, müßte ein Vielfaches der folgenden Seiten umfassen. Das Verzeichnis konzentriert sich auf Sekundärliteratur zur poetischfiktionalen Literatur der unmittelbaren Zeitgenossen und greift nur gelegentlich darüber hinaus. Die Zusammenstellung besorgte Monika Wilwerding. Leslie Adelson u. a. , Überlegungen zur Adelskritik im Theater deutscher Jakobiner, in: Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaft 11 ( 1979), S. 159- 175. Günter Arnold, Die Widerspiegelung der Französischen Revolution in Herders Korrespondenz, in: Impulse. Aufsätze, Quellen, Berichte zur deutschen Klassik und Romantik 3 (1981), s. 41-89. Roger Ayraull, Heiliges Römisches Reich und Französische Revolution im Werk Jean Pauls, in: Uwe Schweikert (Hg.), Jean Paul, Darmstadt 1974 (=Wege der Forschung, Bd. CCCXXXVI) S. 170- 180. Julius Bab (Hg.), Die deutsche Revolutionslyrik. Eine gedruckte Auswahl. Wien und Leipzig 1919. Heidemarie Bade, Jean Pauls politische Schriften, Tübingen 1974 (= Studien zur deutschen Literatur, Bd. 40). Erhard Bahr, Goethes Natürliche Tochter. Weimarer Hofklassik und Französische Revolution, in: Karl Otto Conrady (H g.), Deutsche Literatur zur Zeit der Klassik , Stuttgart 1977, S. 226-242. Giuliano Baioni, Classicismo e rivoluzione. Goethe et la rivoluzione francese, 2. ed. Napoli 1982. Frederick M. Barnard, Zwischen Aufklärung und Romantik. Eine Studie über Herders soziologisch-politisches Denken. Berlin 1964. (Phil. Studien und Quellen 17). Frederick M. Barnard, Herders Social and Political Thought. From Enlightenment to Nationalism, Oxford 1965. Adolf Beck, Hölderlin als Republikaner, in: Hölderlin-Jahrbuch 15 (1967/68),
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Aufklärung 112 ~ Felix Meiner Verlag, 1986. ISSN 0178-7128
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MANFRED AGETHEN, Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung, R. Oldenbourg Verlag München 1984, 337 S., 128,00 DM. Das Thema der Sozietäten allgemein, der Geheimbünde im besonderen, ist vom letzten Jahrzehnt an zu einem besonderen Bereich der Forschung über das 18. Jahrhundert geworden. Agethens Untersuchung reiht sich in eine Gruppe von neueren Publikationen ein, die von verschiedenen Seiten her dem Phänomen der Geheimbünde näher zu kommen versuchen. Agethen untersucht die deutsche Spätaufklärung im Spiegel des Illuminatenordens. Dies geschieht auf Grund einer umfassenden Kenntnis theoretischer, historischer, philosophischer und theologischer Literatur, vornehmlich aus dem Bereich des alten Reichs, aber auch unter Beizug von französischer und englischer Literatur (wie so oft fehlen Italien, Spanien und die europäischen Kleinstaaten). Agethen hat darüber hinaus erkannt, daß die Sozietäten und ganz besonders die Geheimbünde nicht allein von den öffentlich greifbaren gedruckten Erzeugnissen her zu verstehen sind, sondern daß Archivalien, vor allem Privatkorrespondenzen der Mitglieder erst die Vertiefung des Themas ermöglichen. Zwar liegt seit 1975 Richard van Dülmens treffliches Buch über die Illuminaten vor. Es beschäftigt sich vornehmlich mit der sozietären Seite des Bunds. Agethen interessiert die ideengeschichtliche Seite und ihr Bezug zur damaligen Wirklichkeit. Man wird in Zukunft beide Abhandlungen nebeneinander benützen müssen. Nach einleitenden Ausführungen über Aufklärung, absoluten Staat und Assoziationswesen - sowie über Forschungsprobleme - wird im Hauptteil der Arbeit erst die Freimaurerei dargestellt; ihre Ausbreitung von England und Frankreich her in Deutschland, wo sie den gleichen Erfolg wie anderswo erzielt. Sie gerät aber in der zweiten Jahrhunderthälfte in eine innere Krise, zerfällt in verschiedene Systeme und öffnet sich esoterischen Strömungen. In diese Situation fällt die Gründung des Illuminatenordens, der der eigentliche Gegenstand von Agethens Untersuchung ist. Diese Geheimgesellschaft wird ab 1774176 vom lngolstädter Universitätslehrer Adam Weishaupt in Gang gesetzt. Der von der Freimaurerei nicht abhängige aufklärerisch-utopische Orden faßt rasch in Bayern Fuß. Ab 1779 greift er über diesen Rahmen hinaus. Adolph Freiherr von Knigge und Johann Joachim Bode gewinnen Norddeutschland. Der Erfolg war erstaunlich, aber er hatte innere Zerwürfnisse zur Folge und rief Reaktionen von staatlicher Seite - insbesondere in Bayern - hervor, wo auch im Zusammenhang mit politischen Schwierigkeiten (Tauschabkommen mit Oesterreich) der Orden ab 1784 als subversiv und staatsgefährlich regelrecht zerschlagen wurde. Fortführungsversuche hatten keinen Erfolg. Der Illuminatenorden ist Episode von acht Jahren geblieben. Abgesehen davon, daß er als Schreckgespenst lange weiterwirkte, so ist sein Programm und seine Organisation wie ein Spiegel all' dessen, was in der vorrevolutionären Phase der deutschen Aufklärung gedacht und geplant worden ist. An ihm lassen sich alle wesentlichen Züge dieser Epoche aufzeigen. In sechs Kapiteln wird- hauptsächlich vom Programm des Ordens ausgehend-aber auch stets in Bezug auf freimaurerische und andere ideologische Bewegungen - das weite Ideenpanorama der Spätaufklärung entwickelt. Das 3. Kapitel handelt von der Typologie utopischer, eschatologischer und sektiererischer Denk- und Lebensformen. In weitem Rückgriff bis auf mittelalterliche Vorstellungen (der Bezug zur Antike ist ja in diesem Jahrhundert evident) kommt Agethen zum
Aufklärung 1/2 C> Felix Meiner Verlag, 1986. ISSN 0178-7128
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überzeugenden Schluß , daß die spätaufklärerischen Geheimbünde eine „ernstzunehmende Manifestation . . . einer chiliastisch unterlegten Utopie mit sektiererischen Zügen" darstellen. Solche Überlegungen werden dann ergänzt durch geschichtsphilosophisch-naturrechtliche Bezüge. Das Problem der Geheimhaltung ist Gegenstand des 5. Kapitels; eine scharfsinnige Analyse der Geheimhaltungstechniken (Decknamen, Chiffren, Kleidung etc.) sowie der Rolle des Geheimnisses an sich, das bei den Freimaurern mehr zum Spiel geworden war. Dazu gehört auch die intensive wissenschaftliche Ausbildung. Man will ,.Dummheit" und „Eigennutz'' der „Pfaffen" mit der Wissenschaftlichkeit des Zeitalters - insbesondere den Naturwissenschaften - bekämpfen. Doch bleibt dies mehr Postulat und das Niveau der öffentlichen Akademien wird keineswegs erreicht. Im eigentlichen pädagogischen Programm (6. Kapitel) zeigt es sich, daß der Illuminatenorden ein Kind der katholischen Welt ist. Die im protestantischen Deutschland (und der protestantischen Schweiz) schon weitgehend akzeptierten erzieherischen Postulate sollen auch im katholischen Raum Eingang finden. Dies führt zur unbewußten Übernahme jesuitischer Psychotechniken der Menschenführung. Die Illuminaten entwickeln ein ausgeklügeltes System von innerer Überwachung und Kontrolle, aber auch von Selbstverwirklichung. In dieser Sicht ist der „Knigge" nicht einfach jenes Benehmbuch des (Spieß-)Bürgertums. Der Illuminatenorden bleibt an sich auf christlichem Boden. Man lehnt den „Materialismus" und den Atheismus (Toland, Holbach, Helvetius) ab: Der „Maschinenmensch" wird hier zum vollendeten Werk des Schöpfers. Auch der Staat wird als Maschine betrachtet. Der Illuminatenorden steht in jenem Zwiespalt der vom absoluten Staat ererbten Sozialdisziplinierung und dem Postulat gleichzeitiger Selbständigkeit eines politischen Mitdenkens. Richtig wäre die konstitutionelle Monarchie. Ein letztes Kapitel gibt das religionspolitische Programm, das letztlich auf Abschaffung der sichtbaren Kirchen, nicht aber auf Entchristlichung hinzielt. Zusammenfassend wäre zu sagen, daß die Illuminaten eine Elitenbildung anstreben. Sie wollen den langen Marsch durch die Institutionen antreten, unterwandern sie. Agethen gibt instruktive Beispiele für bewußte Patronage. Das Fernziel war eine neue Weltordnung ohne nationale, ständische, konfessionelle und rechtliche Trennungen. Auch wenn sich die Mitglieder des Ordens nicht alle auf einen Nenner bringen lassen, so waren sie doch alle - auch die Protestanten - durch einen vehementen Antijesuitismus verbunden. Der 1773 offiziell aufgehobene Jesuitenorden blieb exjesuitisch ja vielerorts noch von großem Einfluß. Agethen weist aber an vielen Stellen nach, wie stark die Illuminaten von jesuitischer Denkweise und Methode geprägt waren, die einfach aufklä rerischen Zielen dienstbar gemacht wurde. Wichtig ist aber - und das ist ein weiteres und wesentliches Forschungsergebnis - daß der Illuminatenorden keinesweg als radikalaufklärerisch eingestuft werden darf, wohl aber als gemäßigt, aber sehr aktiv diesen Zielen verpflichtet. Michael Fischer - dessen Buch über die Aufklärung und ihr Gegenteil von Agethen nicht mehr benutzt werden konnte - ist stärker nach der Freimaurerei hin orientiert. Agethen greift ideengeschichtlich weiter aus - manchmal vielleicht ein wenig schulmäßig. Er zieht Linien, die Historiker oft (mangels Direktbelegen) nicht zu ziehen wagen. Vor allem ist sein Bezug auf mittelalterliche Vorstellungen neu und überzeugend. Die Bewegung der siebziger und achtziger Jahre wird von Agethen nicht nur sehr differenziert analysiert, sondern in einen viel weiteren Zusammenhang gestellt, gut und vielseitig Ulrich Im Hof (Bern) illustriert und faszinierend dargestellt.
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MATTHIAS BENAD, Toleranz als Gebot christlicher Obrigkeit. Das Büdinger Patent von 1712 (Studia Irenica 27) Gerstenberg Verlag Hildesheim 1983, XVII und 494 S. , 62,00DM. Toleranz, Religions- und Gewissensfreiheit in allen ihren Ausprägungen in der frühen Neuzeit spielen eine besondere Rolle in der Geschichte der Freiheitsrechte, wird ihnen doch in der Literatur seit Troeltsch und Jellinek eine grundlegende Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Menschen- und Bürgerrechten zugeschrieben; so hat nach Günter Birtsch die Gewissensfreiheit zwar nicht so sehr eine .Pilotfunktion", aber doch eine . Ersatz- und Platzhalterfunktion für Grundrechte überhaupt" (Religions- und Gewissensfreiheit in Preußen von 1780 bis 1817, in: ZHF 11 (1984), 177 ff., 204). Schon insofern stoßen Einzeluntersuchungen wie die vorliegende, vom Fachbereich Religionswissenschaften der Universität Frankfurt am Main 1981 angenommene Dissertation von Matthias Benad auf besonderes Interesse, bilden sie doch das Fundament für Thesen größerer Reichweite zur Geschichte menschlicher Freiheit. (Die Dissertation hatte ursprünglich den Titel: • Toleranz und Ökonomie. Eine theologische Untersuchung zur protestantischen Obrigkeitsethik im Zeitalter des Pietismus anhand des Privilegienbriefes des Grafen Ernst Casimir l. von Ysenburg zum Wiederaufbau seiner Residenz Büdingen und ihrer Vorstädte aus dem Jahre 1712".) Es kommt hinzu, daß Benad sein Thema - nämlich das Toleranzpatent vom 29. März 1712- dezidiert im Zusammenhang mit den geistesgeschichtlichen Traditionen in Deutschland und mit den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Büdinger Territoriums sehen will (S. 4), freilich um das Patent . theologisch angemessen zu würdigen" (ebd.). Dennoch kann die Arbeit, mit einigen Einschränkungen hinsichtlich der Fragestellungen und der Diktion (vgl. etwa S. 15 unten, 357 ff.), in erster Linie als historische verstanden und gewürdigt werden. Das methodische Vorgehen Benads rechtfertig sich schon aus dem Text des Patents, das wie zahlreiche andere Edikte deutscher Territorien um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert „im Rahmen eines umfassenden wirtschaftlichen Aufbau- und Siedlungsprogramms auch Gewisssensfreiheit für Siedler" anbietet, .die keinem der drei reichsrechtlich anerkannten Bekenntnisse angehörten" (S. 15). Dementsprechend erörtert der Verf. zunächst die engere Entstehungsgeschichte der Toleranzbestimmung in Art. 1 des Patents und ihren zeitgenössischen theoretischen Hintergrund (S. 51-108). Die religiöse Toleranz in Art. 1 beruhe auf zwei verschiedenen theoretischen Konzepten, die zwar beide die Gewährung von Gewissensfreiheit in die Kompetenz der Obrigkeit stellten, aber das Herrscheramt jeweils unterschiedlich begründeten: zum einen die theologisch-institutionelle Ableitung der auch den Bereich der Religion umfassenden staatlichen Gewalt durch den zeitweilig in ysenburgisch-büdingischen Diensten stehenden pietistischen Regierungsrat Otto Heinrich Becker; zum andern die auf einen Staatsvertrag abstellende Theorie des nichttheologischen Naturrechts u. a. Pufendorfs. Den entscheidenen Einfluß in Büdingen - anders bei der Toleranzpolitik in BrandenburgPreußen - habe freilich die „mehr konservativ traditionelle Begründung der Gewissensfreiheit aus der Fürsorgepflicht der Obrigkeit für das Seelenheil der Untertanen im Sinne Beckers und Seckendorffs" ausgeübt (S. 103). Leider geht Benad nicht weiter dem (scheinbaren) Widerspruch nach, der sich aus dem „strengen Absolutismus Pufendorfs" (S. 99) und dessen „Forderung nach Gewissensfreiheit, verbunden mit einer Privatisierung des Heilsglaubens" (S. 98) ergibt. Abgesehen von Art. 1 umfaßt das Büdinger Patent noch weitere 22 Artikel, die sich sämtlich auf die den potentiellen Siedlern angebotenen Privilegien und günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen. Dies nimmt Benad zum Anlaß, im zweiten Hauptteil (S. 109-218) detailliert die politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse im
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Büdinger Territorium zu untersuchen, die den Hintergrund für das Patent abgeben (u. a. die materielle Situation des Hauses Ysenburg-Büdingen, die Lebensverhältnisse um 1700, den Stadtplan von Büdingen, Gerichtsgenossenschaft, Markgenossenschaft und Weidgemeinschaften, Weinbau und Zehntprobleme, das Büdinger Zunftwesen, Wochenmarkt und Holzpreise, Verkehrswege und Postwesen, Kirchen-, Schul- und Bettelwesen). Der Verfasser schreibt also nicht mehr und nicht weniger als eine zeitlich eingeschränkte Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Büdinger Territoriums - was um so höher zu veranschlagen ist, als es teilweise an einschlägigen Vorarbeiten mangelte. Dieser Abschnitt läßt das Patent letztlich als Notmaßnahme erscheinen, mittels derer der Graf die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Kleinterritoriums zu verbessern und damit gleichzeitig den Forderungen Seckendorffs an eine gute christliche Obrigkeit nachkommen wollte. Allerdings ohne Erfolg: "Die Größe seiner Familie, die Begrenztheit seines Territoriums und der daraus fließenden Einnahmen, seine Unfähigkeit zu bürgerlich rationaler Haushaltsführung und das standestypische Bemühen um 'auffnahm wie auch lüstre meines grafflichen haußes' standen dem entgegen" (S. 217). Der dritte Hauptteil behandelt die Opposition gegen das Patent sowohl in Büdingen als auch im Reich (S. 218-263); hier stehen insbesondere die gegnerischen theologischen (lutherisch-orthodoxen) Argumente im Mittelpunkt der Untersuchung. Ausführlicher ist wiederum der vierte Hauptabschnitt, der die "Besiedlung der Büdinger Vorstadt und das Problem der Inspirationserweckung ab Oktober 1714" behandelt, also die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der herbeigezogenen Siedler einschließlich des endgültigen Scheiterns des Projekts nicht zuletzt deshalb, weil ein Teil der separatistischen Siedler aus religiösen Gründen eine Haltung der Weltfeindlichkeit entwickelte, damit auch eine veränderte Einstellung zur Arbeit gewann und sich folglich als Träger wirtschaftlichen Fortschritts ungeeignet erwies. Insgesamt würdigt Benad das Büdinger Patent von 1712 "als ein feudal-konservatives Wirtschaftsprivileg ... , das als Besonderheit die Separatistenduldung einschloß", mit dem Schwerpunkt auf „ökonomischen Maßnahmen zum Wiederaufbau und zur Wirtschaftsförderung" im Interesse der Obrigkeit (S. 356). Das Verdienst der gut belegten und gelungenen Arbeit liegt darin, daß die Toleranzgewährung in Art. 1 des Büdinger Patentes nicht von dem restlichen Inhalt isoliert, sondern konsequent im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und politischen Bestimmungen der folgenden Artikel gesehen wird, die ihrerseits mit der konkreten Verfassungs-, Sozialund Wirtschaftsgeschichte des Territoriums in Verbindung gebracht werden. Beachtlich, wenn auch etwas weniger erfolgreich ist der Versuch Benads, das theoriegeschichtliche Umfeld der Toleranzbestimmung darzustellen; die Hervorhebung Seckendorffs (dessen "Christen-Stat" sich in einem Exemplar von 1693 in der Fürstlichen Bibliothek von Büdingen findet, S. 27) und Pufendorfs (vgl. S. 25 ff., 75 ff.) greift insofern zu kurz, als sie andere einflußreiche ideengeschichtliche Strömungen des 17. Jahrhundert in den Hintergrund treten läßt (vgl. Heinhard Steiger, Die Gewährung der Gewissensfreiheit durch Ernst Casimir von Ysenburg Büdingen im Jahre 1712, in: Festschrift für Walter Mailmann, Baden-Baden 1978, 293 ff.). Steiger hat auch die juristische Auseinandersetzung - das Patent war Gegenstand nicht nur literarischer Kontroversen , sondern auch eines Prozesses vor dem Reichskammergericht - insbesondere auf dem Hintergrund des Reichsrechts bereits eingehend gewürdigt. Abgesehen von der landes- und kirchengeschichtlichen Bedeutung der Dissertation bleibt festzuhalten, daß die Toleranzbestimmung im Büdinger Patent kaum etwas mit der modernen Religionsfreiheit zu tun hat. Die Gewährung von Gewissensfreiheit leitet sich auch bei ihren theoretischen Befürwortern eindeutig aus dem Herrscheramt ab; im konkreten Fall verfolgt sie zudem deutlich wirtschaftliche Ziele. Aufgeklärtes Fürstenhandeln in Deutschland mag sich gegen die theologische Orthodoxie und gegen die
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Reichsverfassung richten; damit gehört es aber noch nicht - jedenfalls nur in einem bestimmten Sinn - zur Vorgeschichte der modernen liberalen Freiheitsrechte. Diethelm Klippe! (Bielefeld)
MICHAEL W . FISCHER, Die Aufklärung und ihr Gegenteil. Die Rolle der Geheimbünde in Wissenschaft und Politik (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 97) Duncker & Humblot Berlin 1982, 348 S„ 118,00 DM. Imponierend ist die Zusammenschau der umwälzenden neuzeitlichen Strömungen, die Fischer zwischen der Reformationszeit und der Französischen Revolution ausbreitet, zusamt exemplarischer Nachwirkungen noch im Vormärz, etwa bei Hegel. Sie werden hier als mächtige Entwicklungschübe dargestellt, die von Geheimgesellschaften, insbesondere von der Freimaurerei ausgehen, sich hier aber in Gegensätze aufspalten, zumal zwischen Illuminaten und Rosenkreuzern. So ergeben sich griffige Vergleiche zwischen den alten Rosenkreuzern im Anbruch der Neuzeit und den Gold- und Rosenkreuzern des 18. Jahrhunderts. Sie rechtfertigen, klären . lnstitutionalisierungsprozess e". Auf sie kommt es dem Verfasser besonders an. Diese erscheinen als .ein fundamentales und zentrales Problemfeld, da sie jeweils kognitive, das heißt erkenntnismäßige, Zusammenhänge mit der sozialen Wirklichkeit" vermitteln. Es gilt nicht allein für die Rechtswissenschaften, auf die es dem Verfasser besonders ankommt, sondern ganz allgemein für die Ideengeschichte. Diese sollte im einzelnen so manchen Entwicklungsschub, so manche Auswirkung aber noch genauer gewichten, hinsichtlich seiner H erkunft, seiner Zielorientierung, sowie seines Stellenwertes innerhalb der zahlreich aufgeführten Werke, in denen die allgemeine Entwicklung ja jeweils anders gebrochen wird. Hans Grass! (München)
ETIENNE FRANCOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert. Zur Sozial- und Bevölkerungsstruktur einer deutschen Residenzstadt, in: Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Bd. 72, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1982, 218 S„ 11 Karten, 23 Tabellen, 49,00 DM. Mit seiner 1974 der Universität Paris X - Nanterre vorgelegten Untersuchung zur Sozial-und Bevölkerungsstruktur der kurtrierischen Residenzstadt Koblenz hatte Etienne Fran~ois einen wichtigen Beitrag zur Stadtgeschichte des 18. Jahrhunderts, einem von der deutschen Forschung bis vor einiger Zeit arg vernachlässigten Arbeitsfeld, geleistet. Doch da seine Studie nur in Französisch und überdies in vervielfältigter Form zugänglich war, wurde sie lediglich einem kleinen Kre is von Fachkollegen bekannt. Wegen des breiten Spektrums der Fragestellungen und des von der französischen Sozialgeschichte geprägten methodischen Instrumentariums wie ihrer weiterführenden Ergebnisse ist die Übersetzung der Arbeit ins Deutsche sehr zu begrüßen. Gestützt auf Quellen des Bistumsarchivs Trier und des Landeshauptarchvis Koblenz, die umsichtig ausgewertet wurden, auf gedruckte Materialien und die schmale einschlägige Literatur, analysiert Fran~ois nicht nur die Sozial- und Bevölkerungsstruktur Koblenz', das im Untersuchungszeitraum rund 7000 bis 8000 Einwohner hatte, sondern erreicht in einer stets anschaulichen Schilderung sein Ziel, . die innere Logik und das Funktionieren einer städtischen Gesellschaftsformation erkennbar werden zu lassen" (S. 15). Karten, die insbesondere sozialtopographische Informationen enthalten, übersichtliche Tabellen und ein Anhang mit Daten über Taufen, Eheschließungen und Begräbnisse in Koblenz
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1700-1797 sowie die geographische Herkunft der Neubürger 1737-1797 ergänzen die Darstellung und fassen wesentliche Ergebnisse zusammen. Auf die kurtrierische Landesgeschichte wird ebenso verwiesen wie auf Forschungsresultate, die für Bonn und Mainz verfügbar sind. Im Kapitel über die demographischen Strukturen werden vor allem „Sterbeüberschuß und Zuwanderung" als grundlegende Erscheinungen herausgearbeitet. Der konfessionelle Faktor, der stets besonders beachtet wird, war von beachtlichem Einfluß bei der Zuwanderung. Um die sozialen Strukturen zu erhellen, benutzt Franr;ois „drei globale Ansätze", indem er Berufsgliederung, Hausbesitz sowie Alphabetisierung und Schulbesuch behandelt. Deutlich wird, „daß ein einziger Typ von Indikatoren nicht genügen würde, um die Komplexität der Sozialstrukturen wiederzugeben" (S. 69). Verdienstvoll ist, daß Fran~ois mit der Alpbabetisierung einen - allerdings nicht überall im 18. Jahrhundert von den Quellen her zu erschließenden - wertvollen Indikator in die deutsche Stadtgeschichtsforschung eingeführt hat, in der er bislang im Unterschied zu Frankreich noch nicht berücksichtigt worden ist. Eindringlich werden die inneren Differenzierungen der sozialen Schichten und Gruppen bereits in diesen Abschnitten dargestellt. Die folgenden Kapitel, die den einzelnen Schichten gewidmet sind, bringen dazu weitere Vertiefung. Die Oberschicht mit dem Amtsadel, den höheren Beamten und einen Teil des Klerus erscheint als Elite, als aufgeklärte, kulturell produktivste Schicht in Koblenz. Von ihr, so betont Fran~ois in seiner Schlußbetrachtung, ging Dynamik aus, sie trug die Aufklärung und ihre Reformversuche, sie brachte mit der „Bildung" ein die Gegensätze von Elite und Bürgertum verschärfendes Element in die Stadtgesellschaft. In ihr vor allem lassen sich im Laufe des 18. Jahrhunderts Mentalitätswandlungen, veränderte Denk- und Verhaltensweisen erkennen. In den Ausführungen über den Handel wird das Gewicht der zugewanderten „Italiener" der Kaufleute aus dem Tessin und der Lombardei, ebenso deutlich wie die Toleranzproblematik gegenüber den protestantischen und jüdischen Minderheiten. Konversionen erscheinen als Indikatoren gesellschaftlichen Druckes, auch nach dem Toleranzedikt, das 1783 in Kurtrier zugunsten der Protestanten erlassen wurde. Eingehend werden die vom Handwerk bestimmten Mittelschichten untersucht. Bei den mittleren Beamten und Bediensteten zeigt sich, daß sie kaum in die städtische Gesellschaft integriert waren. Die Analyse der Unterschichten und der Armen ergibt zunächst, daß 40 Prozent der Koblenzer Bevölkerung den Unterschichten zuzurechnen waren und weitere 12 Prozent zu den Tagelöhnern gehörten. Sie waren nach Herkunft, Wohnlage und „Bildung" kaum integriert. Schiffer, Fuhrleute und Winzer standen zwischen den Tagelöhnern und Kleinbürgern. Wenn sie, dazu die Gärtner und ledigen Gesellen nicht in die Unterschichten eingereiht werden, bleibt immerhin noch ein Anteil von einem Viertel der Haushalte und einem Drittel der Bevölkerung. Ein Fünftel der Familien und ein Sechstel der Koblenzer waren arm. Die Armutsschwelle setzt Fran~ois für Koblenz bei einer Wohnung im Wert von 300 Reichstalern an. Er unterscheidet die „wohnhaften" Armen, die „von der Armut bedrohten" und die Vagabunden, wobei, wie er mit Recht erklärt, die Übergänge fließend waren. Das Scheitern der Reformversuche, die sich in der zweiten Jahrhunderthälfte auch in Koblenz der Armenfrage zuwandten, erscheint als „ein Ausdruck für eine Mentalität, die der traditionelleren Vorstellung über Arme und Armut treu geblieben war und die dazu neigte, in ihnen eine unvermeidliche.ja gottgewollte Tatsache zu sehen" (S. 185). Damit bestätigt sich erneut die Bedeutung des konfessionellen Elements für die Stadtentwicklung. In einer ausgezeichneten Schlußbetrachtung (S. 186-202) faßt Fran~ois seine Ergebnisse zusammen. Er unterstreicht die auffällige Stabilität der demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, den Aspekt der Beständigkeit in einem anderswo durchaus schon von tiefgreifendem Wandel gekennzeichneten Jahrhundert. Diese Stabi-
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lität zeigt sich auch im religiösen Bereich, im Festhalten am Katholizismus, an der Bedeutung der Konfessionsgrenzen - besonders im mittleren und Kleinbürgertum der Handwerker und Kaufleute. Daß „man es mit einer zurückgebliebenen Gesellschaft zu tun habe", sei dennoch ein oberflächlicher Eindruck, immerhin gehörte „Koblenz am Ende des Jahrhunderts mit seiner Alphabetisierungsrate und seiner Schulbesuchsquote zur Gruppe der am stärksten alphabetisierten Städte Europas" (S. 193). Schon vor den Reformen unter Kurfürst Clemens Wenzeslaus hatte das Schulwesen in Kurtrier einen relativ guten Stand erreicht, so daß nun eine „hauptsächlich qualitative Bildungspolitik" (S. 194) betrieben werden konnte. 1798 bis 1802 unterschrieben in Koblenz 86,4 % der Ehemänner und 57 ,6 % der Ehefrauen ihren Heiratsakt. Bereits diese Zahlen deuten auf gewichtige Unterschiede, die in den Analysen Francois' hinsichtlich der sozioprofessionellen Zugehörigkeit und in dieser wieder nach Geschlechtern noch klarer hervortreten. Für die Sozialgeschichte der Erziehung und Bildung hat die Untersuchung wegweisenden Charakter. Ein weiterer Grundzug der Koblenzer Gesellschaft war der einer .starken Abhängigkeit gegenüber dem Kurfürsten bzw. allgemein gegenüber der Staatsgewalt" (S. 194). Nicht nur stand ein Fünftel der Einwohner im Dienst des Kurfürsten und Erzbischofs, dieser prägte weitgehend die Stadtentwicklung, wie sich insbesondere am Umzug des Regenten und seines Hofes von Ehrenbreitstein in die Stadt und an dessen Folgen zeigen läßt. . Reformen und Innovationen" (S. 198) im ausgehenden 18. Jahrhundert wurden von der Oberschicht, der Elite getragen. Neue Dynamik brachte die Aufklärung. Wichtige Indikatoren sind die Schaffung einer Zeitung 1776, die Errichtung einer öffentlichen Bibliothek 1779 und die Gründung einer Lesegesellschaft 1784, die Eröffnung eines Theaters 1786. Mit der Aufklärung waren Kontakte mit dem protestantischen Deutschland verbunden, mit ihr verloren der konfessionelle Gegensatz und die traditionelle Weltanschauung an Gewicht. Doch blieb dieser Prozeß am Ende des 18. Jahrhunderts noch auf .eine schmale soziale Schicht beschränkt" (S. 201) und berührte die Bewohner der Stadt kaum. Abschließend stellt Francois die Frage, ob das .Modell", das er für Koblenz aufstellen konnte, auf andere Städte übertragbar ist. Zumindest für die kleineren, insbesondere katholischen Residenzstädte deutet sich eine bejahende Antwort an. Für eine vergleichende Betrachtung der deutschen Städte im 18. Jahrhundert bietet seine Studie jedenfalls reiches Material, ebenso für mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen, die als wichtige Forschungsaufgabe angesprochen werden (S. 16). Nach Francois G. Dreyfus' großem Werk über Mainz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das 1968 erschienen ist und bedauerlicherweise noch nicht übersetzt wurde, hat Fram;ois mit seiner KoblenzMonographie einen zweiten wesentlichen Beitrag zur Geschichte mittel rheinischer Städte und damit der geistlichen Staaten im Rheinland geleistet. Seine Arbeit ist ein Beispiel mehr, wie anregend und fruchtbar der st.ändige Gedankenaustausch und die enge Zusammenarbeit französischer und deutscher Historiker gerade in der StadtgeschichtsFranklin Kopitzsch (Hamburg) und Aufklärungsforschung sein kann.
GERARD GA YOT, La Franc-maconnerie francaise, textes et pratiques, Xvme-x1xe siecles, in: Coll. Archives, n° 86, Gallimard/Julliard Paris 1980, 43,80 FF. RAN HALEVI, Les loges maconniques dans la France d' Ancien Regime. Aux origines de la sociabilite democratique, in: Cahiers des AnnaJes, n° 40, A. Colin Paris 1984, 118 S., 56,00 FF. Über Jahrzehnte hinweg war in Frankreich die Geschichtsschreibung der Freimaurerei ein Spielball der politisch-weltanschaulichen Auseinandersetzungen - entsprechend
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einer Tradition, die zum Teil auf die „Memoires pour se rvir al'histoire du jacobinisme" des Abbe Barruel (London 1797/98) zurückgeht. Erst mit den bahnbrechenden Untersuchungen von Maurice Agulhon über die Freimaurerlogen und die religiösen Bruderschaften in der alten Provence setzte ein grundlegender Wandel ein, der die teleologische Einseitigkeit der alten politischen Perspektive in Frage stellte, die Freimaurerei als eine Vereins- und Geselligkeitsform unter anderen betrachtete und den Begriff der „sociablilite" zu einem Leitbegriff der sozialwissenschaftlichen Forschung machte'. Den besten Beweis für die Fruchtbarkeit des neuen von M. Agulhon initiierten und erprobten Ansatzes liefern die zwei Bücher von Gerard Gayot über die Freimaurerei in Frankreich im 18. und 19. Jahrhundert und von Ran Halevi über die Freimaurerlogen im Frankreich des „ancien regime". Über ihre notwendigen Unterschiede hinaus (das Buch von Gerard Gayot ist eine kritische und ausführlich kommentierte Quellensammlung, die auch die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts miteinbezieht, während das Buch von Ran Halevi sich auf die Verbreitung der Logen vor der Revolution konzentriert) ähneln und ergänzen sich beide Veröffentlichungen in fast vorbildlicher Weise: von jungen Historikern geschrieben, fast gleichzeitig erschienen, ausschließlich beziehungsweise mehrheitlich der vorrevolutionärer Zeit gewidmet, versuchen beide Bücher die Freimaurerei von innen her, das heißt von ihrer sozialen Praxis und ihrem Selbstverständnis her als „Soziabilitätsform" zu analysieren und zu interpretieren, schaffen es, in knapper Form empirische Akribie mit anspruchsvoller Fragestellung zu verbinden, und bilden daher zusammen die beste Darstellung zur Geschichte der Freimaurerei in Frankreich während der Aufklärungszeit. Gestützt auf ausführliche und sorgfältig erarbeitete Statistiken und Karten (vor allem bei Ran Halevi) ermöglichen sie zuerst eine präzise Erfassung des Erfolgs der Freimaurerei. Zwischen 1724 und 1760 zählt man nur 132 Logengründungen außerhalb von Paris. Im Jahrzehnt 1760/69 aber werden schon 182 Neugründungen registriert, und im letzten Jahrzehnt vor dem Ausbruch der Revolution beträgt sogar die Zahl der neugegründeten und dem .. Grand-Orient-de-France" unterstellten zivilen Logen 312. Diese fast explosionsartige Verbreitung erstreckt sich auf alle Provinzen des Königreichs - und zwar bis in die kleinsten Städte: in 1789 gibt es Bauhütten in fast hundert Städten mit weniger als 2000 Einwohnern. Diese Verbreitung geht mit einer deutlichen Demokratisierung der sozialen Herkunft der Freimaurer bis hin zum Kleinbürgertum einher - eine Entwicklung, die M . Agulhon und D. Roche 2 schon gezeigt hatten und die durch die nordfranzösischen Beispiele von Gerard Gayot bestätigt wird. Vor der Revolution kann man die Gesamtzahl der Freimaurer auf ca. 50 000 schätzen: bezogen auf die städtische männliche Bevölkerung im Erwachsenenalter bedeutet diese Zahl, daß jeder dreißigste Stadtbewohner Frankreichs damals Mitglied einer Loge war. Unter den Geselligkeitsformen der Aufklärungszeit war die Freimaurerei bei weitem die beliebteste: im vorrevolutionären Frankreich stellt sie die eigentlich städtisch-bürgerliche Vereinsform des „geselligen
Maurice Agulhon: Penitentset Franc-Ma~ons de l'ancienne Provence, Paris 1968; dritte Ausgabe (mit einer kritischen Einleitung): Paris 1984. Über die jüngste Entwicklung der .Soziabilitätsforschung" in Frankreich siehe den Aufsatz von Rolf Reichardt, Zur Soziabilität in Frankreich beim Übergang vom Ancien Regime zur Moderne. Neuere Forschungen und Probleme, in: Etienne Fran~ois (Dir), Sociabili1c c1 societc bourgeoise cn Francc, cn Suissc et en Allemagne. J 7501850 (im Druck). Im selben Band befinden sich auch Beiträge von Gerard Gayot und Ran Halevi. 2 Daniel Roche, Le Siecle des Lumieres en province. Academies et academiciens provinciaux 1680-1789. Paris 1978.
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Jahrhunderts" dar (einzige Ausnahme in dieser allgemeinen Entwicklung: das Elsaß, wo "deutsche" Geselligkeitsformen, wie die Lesegesellschaften, die Rolle spielen, die im übrigen Frankreich den Logen zukommt). Bei der Analyse der räumlichen und zeitlichen Verbreitung der Maurerei schenkt Ran Halevi eine spezielle Aufmerksamkeit der Suche nach erklärenden Korrelationen. Die wichtigsten Variabeln, die er dabei untersucht, sind die Urbanisierungsquote, die Größe und die Funktionen der Städte und der Alphabetisierungsgrad. In keinem Fall aber und dies muß besonders hervorgehoben werden - lassen sich eindeutige Korrelationen errechnen, die die Entfaltung der Freimaurerei als Konsequenz einer anderen Entwicklung erscheinen ließen; alles deutet im Gegenteil daraufhin, daß die Erfolge der Freimaurerei in ihrer eigenen Dynamik zu suchen sind und daß sie eine autonome soziale Erscheinung darstellt - was Ran Halevi zu folgender Schlußfolgerung kommen läßt (die man auch in verwandter Form bei Gerard Gayot findet): "Entgegen der verbreiteten Meinung, wonach die Entfaltung der Freimaurerei als zwangsläufiges und notwendiges Ergebnis des wirtschaftlichen und demographischen Wachstums, der Verbreitung der Alphabetisierung und überhaupt des kulturellen Forschritts interpretiert wird, weist vielmehr ihre sorgfältige Untersuchung auf ihre grundsätzliche Autonomie hin" (S. 72). Wenn beide Autoren sich über die Autonomie des maurerischen Vereinswesens einig sind und manchmal sogar - in deutlicher Absetzung gegenüber der herkömmlichen Auffassung- von seiner U nberrechenbarkeit sprechen, so unterschieden sie sich doch in der Bewertung seiner sozialen Relevanz. In Anlehnung an die „revisionistische" Konzeption Franyois Furets und an das in den 20er Jahren von Augustin Cochin entwickelte formgeschichtliche Modell} betont Ran Halevi den „demokratischen Charakter" der Freimaurerei - zumindest im ideologischen Bereich: für ihn konnte die durch das maurerische Selbstverständnis bedingte Hervorhebung demokratischer Wertvorstellungen nicht ohne Konsequenzen für die Einstellung und das Verhalten der Maurer bleiben. Entgegen dieser These, die die „Autonomie des Politischen" aufwertet und die Frage der möglichen Kontinuitäten zwischen Freimaurerei und Jakobinismus in einem neuen Licht erscheinen läßt, weist Gerard Gayot unter Betonung des "Primats der Sozialgeschichte" die engen Grenzen dieser Autonomie nach. Als Argumente in diesem Sinne führt er zuerst zahlreiche Beispiele aus der Alltagspraxis der Logen an, aus der Untersuchung ihrer internen Machtverhältnisse oder aus ihrer Tendenz, sich sozial abzuschließen und sich entsprechend den gesellschaftlichen Verhältnissen zu strukturieren; er erinnert dann an die starke politische Zerstreuung der Freimaurer während der Revolution und zeigt schließlich, daß im 19. Jahrhundert der Wandel in den Logen meist dem Wandel in der Gesellschaft folgte. Für Gerard Gayot waren die Freimauerer im 18. Jahrhundert keine Revolutionäre, bestand doch die Eigenart der „königlichen Kunst" eben darin, daß man innerhalb der elitär-exklusiven Gemeinschaft von einer Harmonie träumte, die die gesellschaftlichen Unterschiede wahren würde. Zum Schluß sei nochmals auf den Modellcharakter beider Untersuchungen hingewiesen. Durch die vielen neuen Erkenntnisse, die sie bringen, wie auch durch die anregenden Fragen, die sie aufwerfen, erschiene es wünschenswert, daß der im Falle Frankreichs so erfolgreich erprobte Ansatz der „Soziabilitätsforschung" auf andere europäische Länder übertragen wird - zum Beispiel auf Deutschland. Etienne Franyois (Nancy)
3 Augustin Cochin, Les societes de pensee et la democratie, Etudes d'histoire revolutionnaire, Paris 1921 (Nachdruck unter dem Titel L'esprit du jacobinisme, Paris 1978). Fran9ois Furct, Penser la Revolution Fran9aisc, Paris 1978.
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MARITA GILLI, Pensee et pratique revolutionnaires a la fin du XVIIIe siecle en Allemagne (Centre de recherches d'histoire et de litterature aux XVIIIe et XIXe siecles, vol. 15 = Annales litteraires de l'Universite de Besanc;:on, vol. 285) Les Beiles Lettres Paris 1983, 344 S., 280 FF. Ein Buch wie das vorliegende über das revolutionäre Denken im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts kann von vornherein mit einem dreifachen Interesse rechnen: dem der Aufklärungsforschung, die ihre Relevanz ja nicht zuletzt aus dem 'vorrevolutionären' Charakter ihres Gegenstandes bezieht; dem der Historie, die einen deutschen Beitrag zu den wissenschaftlichen Zweihundertjahrfeiern der Französischen Revolution leisten möchte; und dem der Germanistik, die nach den Gedichten u.nd Liedern deutscher Jakobiner(Hans-Werner Engels, 1971) und dem Jakobinerschauspiel und Jakobinertheater(Gerhard Steiner, 1973) schließlich den Literarischen Jakobinismus (lnge Stephan, 1976) überhaupt zum Übungs- und Bewährungsfeld einer sozialhistorisch verstandenen Literaturgeschichte geradezu kanonisiert hat 1• Im Bewußtsein des daraus folgenden Erwartungsdrucks wie auch der Tatsache, daß sie nach George Gooch (1920), Alfred Stern ( 1928), Jacques Droz ( 1949) und Maurice Boucher ( 1954) ein klassisches Thema erneut aufgreift, will Marita Gilli, Germanistin an der Universität Besanc;:on, ihr Werk in sympathischer Bescheidenheit nicht als Bilanz, sondern als bloße Anregung zu weiteren Forschungen verstanden wissen. Nichtsdestoweniger berücksichtigt sie - mehr als ihre Vorgänger - eine beachtliche Breite deutscher Schriftsteller und Schriften der Revolutionszeit, soweit sie ihrem Kriterium des 'Jakobinismus' entsprechen, das heißt „die Französische Revolution in all ihren Phasen bis zum Direktorium akzeptieren und meinen, daß jedes Volk einschließlich des deutschen ein Recht auf Revolution besitze" (S. 13). Die Darstellung ist einfach und klar aufgebaut. Einleitend werden die 'Vorläufer' skjzziert: zum einen die 'bürgerliche' Aufklärung bestehend aus den Illuminaten\ dem Hainbund, der Bewegung des Sturm und Drang und Autoren wie J. C. Schmohl, Lessing, Klopstock und Herder, zum anderen der frühe Liberalismus vertreten unter anderem durch Wekhrlin und A. von Einsiedel; daran angehängt werden noch Vertreter 'revolutionärer Ideen' bis 1792/93 wie J. H . Merck, J. F. Reichardt, K. von Knoblauch und C. F. Bahrdt. - Der Hauptteil gilt dem politischen Denken der 'jakobinischen' Literatur. Als Theoretiker werden zunächst die 'Kantianer' J. A. Bergk, J. B. Erhard, S. Ascher und Fichte abgehandelt, dann die 'utopischen Sozialisten' C. F. Fröhlich und F. H. Ziegenhagen, während G . Forster ein eigenes Kapitel erhält. Unter der Rubrik ·Literatur' werden anschließend vorgestellt erstens die Reiseberichte J. H. Campes sowie Romane von J. F. E. Albrecht, Knigge und von der Trenck, zweitens ein Dutzend Theaterstücke, welche die Verfasserin teilweise sogar systematisch untersucht (Religionsfeindlichkeit, Sozialantagonismen, politische Lösungswege), drittens sich entwickelnde 'neue Gattungen' von der Presse (Braunschweig, Straßburg, Altona, Mainz) über Flugschriften und Reden (G. C. Wedekind, Forster, A. J. Dorsch) bis hin zur politischen Lyrik (E. Schneider, R. Suter, G. A. Bürger, A. Lamey, F. Lehne, Hölderlin). - Der Schlußteil schließlich spürt vordergründig Übergängen dieser Literatur zur politischrevolutionären Praxis nach bei Frankreichreisenden wie Oelsner, Reinhard, Cloots und
Vgl. Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französicher Revolution und Restaura· tion. Erster Teil: 1789-1806, München 1983, S. 83-155. 2 Dazu jetzt auch Manfred Agethen: Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung, München 1984.
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Laukhard, weiter natürlich in der Mainzer Republik und im Elsaß (F. X. Bronner, F . Butenschön, G. F. Stäudlin, G . F. List, F. J. Dorsch, C. Clauer, F. Cotta, E. Schneider), aber auch in der cisrhenanischen Bewegung (F. Biergans, A. G. F. Rebmann, Görres), in Norddeutschland (J. H. Campe, H . C. Albrecht, W. von Schütz, K. F. Cramer, H . Würzer, G. K. Meyer, J . G . Kerner) und sogar in der Habsburger Monarchie. Das Fazit der Darstellung, daß es im damaligen Deutschland eine entwickelte revolutionäre Theorie gegeben habe (S. 206), überrascht nicht, ruht aber auf breiterer Materialgrundlage als bisher üblich, wie auch die reichhaltige Bibliographie bestätigt. Der Fachspezialist mag die Einordnung oder Charakterisierung des einen oder anderen Schriftstellers kritisieren, manche Person oder Schrift vermissen oder sich über die Erwähnung anderer wundern - eine solche buchhalterische 'Nachlese' würde aber dem Verdienst des Werkes kaum gerecht, das vor allem der französischen Deutschlandforschung eine aktuelle Zwischenbilanz bietet. Der deutsche Leser wird die Übersetzung aller Quellenzitate ins Französische bedauern, erhält aber durch das Buch, wenn ihm das Gebiet noch nicht vertraut ist, einen soliden handbuchartigen Einstieg und jedenfalls wertvolle Informationen über die hierzulande bisher unzureichend beachteten französischen Beiträge zum deutschen Jakobinismus, nicht zuletzt über die verstreuten Aufsätze von Gilli selbst3 • Anregend könnte das Werk sowohl durch eine Reihe versteckter Hinweise wirken wie auch besonders durch Widerspruch zu seiner etwas schematischen, wenig problemorientierten Darstellungsweise, die für eine gewisse konzeptuelle Stagnation der germanistischen Jakobinismusforschung symptomatisch scheint. Diese sollte aus der von Gilli selbst eingeräumten schwierigen Unterscheidbarkeit 'liberaler' und 'jakobinischer' Ideen (S. 206) die Konsequenz ziehen, ihre allzu enge Fixierung auf den 'Jakobinismus' zu lockern und ein breiteres Spektrum politischer Literatur zu berücksichtigen. Um sozialhistorisch relevant zu werden, sollte sie über die Darstellung von 'Leben und Werk' je einzelner Autoren hinaus, wie sie auch bei Gilli vorherrscht, eine gesellschaftlichfunktionale Untersuchung kollektiver Textkorpora anstreben. Dabei erscheinen nicht nur Kommunikations-, Rezeptions- und Wirkungszusammenhänge (etwa über Lesegesellschaften, Aufführungen, Besprechungen, Preisverleihungen) wichtiger als ideengeschichtliche 'Denkschulen' oder mehr oder weniger konstruierte Gattungsgrenzen; es wäre auch mehr methodische Stringenz erwünscht etwa mit Hilfe von Begriffsgeschichte, Historischer Textpragmatik, Diskursanalyse und quantifizierenden mentalitätsgeschichtlichen Vorgehensweisen, die ja gerade in Frankreich besonders entwickelt sind. Und da bei dieser Literatur die Französische Revolution als Erfahrungshorizont und/oder Modell allgegenwärtig ist, sollte sie mehr als bisher komparatistisch einbezogen werden.
3 Une attitude devant la Revolution fran~aise: les . Idees sur !es Constitutions" de Guillaume de Humboldt, in: La Revision des valeurs sociales dans la littcrature europeenne a la lumicre des idees de la Revolution fran~aise, Paris 1970, S. 97-119; L'Utopie dans .Les conditions de l'homme" de C. W. Frölich est-elle au service du peuple?, in: Affrontements de classe et creation litteraire, 11, Paris 1973, S. 47-65; Un message revolutionnaire allemand: .Le droit du pcuple a la revolution" de J. B. Erhard, in: Histoire politique et histoire des idees, Paris 1976, S. 11-44; La rcvision des valeurs dans le thcatre engage allemand de la fin du t8e siccle, in: Les Genres et l'histoire, l, Paris 1977, S. 33-64; Le modele de Ja Revolution fran~aise en Allemagne: Mayence 1792-93, in: La Pensee N02J5 (1980), S. 118-131; Litterature, histoire et probleme national a la fin des Lumieres en Allemagne, in: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 191 ( 1980), s. 564-571.
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Aus einer solchen Perspektive zeichnen sich mindestens sechs vielversprechende Forschungsfelder ab: 1. die in ihrer ganzen Breite und Tiefe noch kaum systematisch ausgewertete Presse der Jahre 1790 bis 1800, insbesondere hinsichtlich des Bildes, das sie von der Französischen Revolution bietet; 2. das politische Theater einschließlich Repertoire, Aufführungspraxis und Publikumsreaktionen {punktuelle Hinweise bei Gilli, S. 151- 156); 3. die massenhaft überlieferten Reden und Lieder im Zusammenhang mit Freiheitsbaumpflanzungen, Bastillefeiern und anderen öffentlichen Kundgebungen; 4. interkulturelle Vermittlungsprozesse in Form von Reiseberichten deutscher Freiheitspilger aus Frankreich ein.erseits, Schriften französischer Emigranten im Alten Reich andererseits•; 5. deutschsprachige Revolutionspropaganda unter besonders engem französischem Einfluß etwa über Straßburgs; 6. deutsche Übersetzungen, Nachahmungen und Anverwandlungen französicher Revolutionsschriften und die damit verbundenen Vermittlungs- und Rezeptionsvorgänge, worauf sich bei Gilli gleichfalls Einzelhinweise (S. 151, 170) finden. Rolf Reichardt (Mainz)
ERNST HINRICHS und GÜNTER WIEGELMANN (Hg.), Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts. Vorträge anläßlich eines Arbeitsgesprächs vom 28. bis 31. Mai 1980 in der Herzog August Bibliothek, in: Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 19, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 1982, X und 251S.,48,00 DM. Schweift man durch die Regale der Buchhandlungen und die Spalten der Fachzeitschriften, so wird man eine Titelkombination kaum noch antreffen, die noch vor zehn Jahren überall präsent war: Geschichte und Soz.iologie. Diese Partnerschaft - Mitte der sechziger Jahre durch beharrliches Werben der Geschichtswissenschaft zustandegekommen erwies sich schließlich nur als ein Verhältnis mittlerer Reichweite. Schon Ende der 70er Jahre begann sich ein enttäuschter Teil der Geschichtswissenschaft einem neuen Partner zuzuwenden, von dem der Reiz der Exotik ausströmte: der Ethnologie. Die Verbindung mit der Ethnologie hat den werbenden Blick der Geschichtswissenschaft zudem auch auf eine heimische Verwandte des neuen Partners gelenkt: auf die Volkskunde, die man nach 1945 nur in Randbereichen zur Kenntnis genommen hatte. Der vorliegende Band - 'Niederschlag' einer Wolfenbütteler Tagung vom Mai 1980 - dokumentiert die nach langer Abstinenz ersten Schritte einer Wiederannäherung von Geschichtswissenschaft und Volkskunde auf westdeutschem Boden. Dabei ist die Geschichtswissenschaft in einer ungleich glücklicheren Lage als Mitte der sechziger Jahre bei ihrem Werben um die Soziologie: War von jener kaum Gegenliebe zu erwarten, so
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Weiterführend Alain Ruiz: Agents de la propagande revolutionnaire en Allemagne de 1789 a 1792: Lcs voyageurs et leurs recits sur la France, in: Deutschland und die Französische Revolution. 17. Deutsch-französisches Historikerkolloquium .... hrsg. von Jürgen Voss. München/ZUrich 1983, S. 82-97. Neue Ansätze bei Roland Marx: Strasbourg, centrc de la propagande revolutionnaire vers l'Allemagne, in: ebenda. S. 16-25.
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sind die Vertreter der Volkskunde hingegen geneigt, von sich aus auf die Geschichtswissenschaft zuzugehen. Dies liegt vor allem daran, daß sich die Volkskunde- wenigstens in Teilgebieten - schon immer als historische Wissenschaft begriffen hat. Das Terrain, auf dem sich beide Wissenschaften treffen können, ist demzufolge kein Ödland: die Erforschung sozialen und kulturellen Wandels in der ländlichen Welt(!) bildet die thematische Grundlage der Wiederannäherung, ein Feld, auf dem beide Wissenschaften, wie die Herausgeber zu Recht betonen, einschlägige Erfahrungen gesammelt haben. Als „bescheidenes" Ziel der Zusammenkunft wird der Vergleich von Methoden und Arbeitsweisen benannt, während „ wissenschaftstheoretische und methodologische" Implikationen ausgeklammert bleiben sollen. Bescheidenheit ist vor allem dann lobenswert, wenn zwei Wissenschaften (und 18 Wissenschaftler) aufeinandertreffen. In seinen zumeist materialbezogenen, konkreten Beiträgen hebt sich der vorliegende Band damit wohltuend von der Rencontres zwischen Geschichtswissenschaft und Ethnologie ab, die meist von dieser Tugend unbelastet vonstatten gehen. Dennoch ist zu fragen, ob begriffliche Reflexionen nicht wenigstens bei der Titelfindung hilfreich gewesen wären. Was zum Beispiel ist „kultureller Wandel", welcher Kulturbegriff liegt hier zugrunde? In der Gliederung zeigt sich, daß es der erweiterte Kulturbegriff der Volkskunde ist. Er erstreckt sich von den „Kulturtechniken" (Beiträge Schenda, Hinrichs). über die „religiöse Kultur" (Beiträge Wunder, Brückner, Schmidt, Moser) hin zurSachkultur(Beiträge Wiegelmann, Sandgruber, Ottenjann). die beim Historiker (pardon!) Assoziationen an den Kulturbegriff der Versandhauskataloge (Wohnkultur, Eßkultur) weckt. Der „soziale Wandel" schließlich, der den Titel anführt, wird in nur zwei Beiträgen abgehandelt (Saalfeld, Endres). Ein versteckter Abschiedsgruß an die Soziologie? Der Beitrag von Diedrich Saalfeld („Stellung und D ifferenzierung der ländlichen Bevölkerung Nordwestdeutschlands in der Ständegesellschaft des 18. Jahrhunderts") - um zuerst den „sozialen Wandel" in der gebührenden Kürze abzuhandeln - legt dies nahe. Es handelt sich um einen materialreichen Überblick über neuere und ältere Forschungen zur Agrargeschichte Nordwestdeutschlands, deren statistisch relevanten Ergebnisse in einem Tabellenanhang zusammengestellt sind. Die Schlußfolgerungen können keineswegs überraschen: Saalfeld konstatiert die sattsam bekannte Zunahme ländlicher Unterschichten und die Integrationsfähigkeit der ständischen Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Der Faden, den Saalfeld zur Volkskunde knüpft, ist denkbar dünn, aber auch von „internen" methodischen Überlegungen kann kaum die Rede sein. So werden die Begriffe „Stand", „Klasse" (mit Anführungszeichen im Text), „Schicht", „Gruppe" (es taucht auch „Sozialgruppe" auf, S. 242) kaum spezifisch gebraucht, schließlich: Nie wird klar, welcher Begriff von „Ständegesellschaft" zugrunde liegt: der politische, der soziale (problematische). der funktionale? Die Soziologie hätte einen besseren Abschied verdient. Die Arbeit von Endres („Sozialer Wandel in Franken und Bayern auf der Grundlage der Dorfordnungen") vermittelt ein anspruchsvolleres Geschichtsbild. So werden Tendenzen sozialer Entwicklung im 18. Jahrhundert nicht allein kommentarlos konstatiert (auch hier die Zunahme unterbäuerlicher Schichten). sondern differenziert auf ökonomische, rechtliche und politische Rahmenbedingungen bezogen: In den „überstürzt peuplierten" Dörfern der Reichsritterschaft führte diese Entwicklung zu regelrechten „Armendörfern", während in Altbayern landesherrliche Verfügungen die Ansiedlung unterbäuerlicher Schichten verboten und auf diese Weise die alten Dorfstrukturen konservierten. Im Hochstift Würzburg wiederum sahen sich die bäuerlichen Unterschichten nach Endres vom Landesherrn (der auf einen einheitlichen Untertanen verband zielte) bei ihrem Kampf um Zugang zur Allmende unterstützt. Leider ist für diese Tendenz die Quellenbasis in Endres' Aufsatz recht schmal. Einerseits wird betont, daß die Dorford-
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nungen „von Dorf zu Dorf' unterschiedlich waren, zum andern dienen für die These vom Zusammenwirken „ von unten und von oben" (217) in Franken allein die Dorfordnungen des Klosters Obertheres am Main zur Grundlage. Die interessanteren Arbeiten dieses Buches (auch der Historiker)- und damit drückt sieb nicht nur in der Proportion des Bandes ein deutlicher Interessenwandel aus - sind dem Titelteil „kultureller Wandel" zuzuordnen. Der Beitrag von Rudolf Schenda („Alphabetisierung und Literarisierungsprozesse in Westeuropa im 18. und 19. Jahrhundert") bietet nicht nur einen nützlichen Überblick über die französische, englische (und zunehmend auch deutsche) Alphabetisierungsforschung, er wirft auch Probleme auf, die einer quantitativ orientierten Forschung leicht zu entgleiten drohen. Sein Beharren auf der Interpretation von „Literarisierung" als Kulturkonflikt verdient dabei ebenso Beachtung wie sein Hinweis auf „Literarisierung durch semiliterarische Prozesse" (Predigten, Vorlesen etc.). Wieviel lesen und schreiben kann einer, der seinen Namen schreiben kann? Noch immer ist das die methodische Kardinalfrage einer quantitativ ausgerichteten Alphabetisierungsforschung. Ernst Hinrichs vermeidet es in seinem Beitrag („Zum Alphabetisierungsstand in Norddeutschland um 1800. Erhebungen zur Signierfähigkeit in zwölf oldenburgischen Gemeinden"), die Diskussion um weitere Spekulationen zu bereichern, statt dessen bietet er eine stupende „praktische Lösung" an. In seiner deutschen Probe aufs französische Exempel der Alphabetisierungsforschung setzt er „die eigenhändige Signatur als relativ eigenständige kulturelle Äußerung" (26) und überläßt dem Leser weitergehende Schlußfolgerungen. Beide Voraussetzungen erweisen sich als methodisch fruchtbar. So gelingt es ihm, für sein Untersuchungsgebiet und seinen Untersuchungszeitraum (1811-1814) signifikante Beziehungen zwischen der Signierfähigkeit und „andern Faktoren des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungsprozesses" (21) herauszuarbeiten, etwa der Schulentwicklung, der konfessionellen Gliederung, der Sozial- und Gewerbestruktur. Dabei zeigt sich, daß vor allem die Bewohner „protoindustriell" geprägter Landesteile einen hohen Stand von Signierfähigkeit aufweisen können, ebenso die bäuerliche Oberschicht. Eine Beobachtung scheint in qualitativer Hinsicht von besonderem Wert zu sein. Eheschließende gleicher Jahrgänge weisen eine abnehmende Signierfähigkeit auf, je später sie heiraten. Haben sie das Gelernte vergessen? Nicht von ungefähr nehmen die Beiträge zur „religiösen Kultur" den größten Teil des Bandes ein. Auf diesem Gebiet haben beide Disziplinen in der BRD am ehesten westeuropäisches Niveau erreicht. Für die Geschichtswissenschaft gilt dies dank der Visitationsberichte, die schon zu einer Zeit als mentalitätshistorische Quelle ausgewertet wurden, als von „Mentalitätsgeschichte" noch gar nicht die Rede war, und die Volkskunde verdankt dies ihrer lange vorherrschenden germanistischen Orientierung: Lied und Erzählgut kreisten eben meist um Themen religiösen Inhalts. Wie sehr dies im 17. und 18. Jahrhundert für eine Gattung der Fall war, die im 19. Jahrhundert als Ausdruck der unverfälschten Volksseele galt, macht der Beitrag von Dietz-Rüdiger Moser („Exempel - Paraphrase - Märchen. Zum Gattungswandel christlicher Volkserzählungen im 17. und 18. Jahrhundert am Beispiel einiger 'Kinderund Hausmärchen' der Brüder Grimm") deutlich. Die Grimm'schen Märchen repräsentieren danach nicht „Glaubenskraft und Gemütsfülle des Volkes", sondern stellen „in vielen Fällen nur die Wirksamkeit der Missionspraxis unter Beweis" ( 124) und die didaktischen Fähigkeiten ihrer Verfasser - unbekannter Seelsorger und Prediger. Die Beiträge von Wolfgang Brückner („Zum Wandel der religiösen Kultur im 18. Jahrhundert. Einkreisungsversuche des ' Barockfrommen' zwischen Mittelalter und Missionierung") und Heide Wunder („Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen
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Welt des 18. Jahrhunderts - Überlegungen am Beispiel von 'Bauer und Religion'") haben gemeinsam, daß sie für ihre Themenbereiche den „Sattelcharakter" des 18. Jahrhunderts, von dem die Herausgeber, Koselleck folgend, ausgehen, in Zweifel ziehen. Brückner weist eher dem 17. Jahrhundert eine solche Bedeutung zu, während Wunder (trotz zugestandener administrativer Aktivität und sozialer Prozesse im 18. Jahrhundert) den entscheidenden kulturellen Wandel in Ostpreußen (dem thematisch bevorzugten Gebiet) mit den preußischen Reformen des frühen 19. Jahrhunderts verbindet. Brückners Beitrag ist auch noch aus einem andern Grunde lesenswert, weist er doch am deutlichsten daraufhin, daß die . ländliche Welt" auch vor 1800 in kultureller Hinsicht keine selbstgenügsame Existenz führte (71 ). Das Juwel des Buches stellt unbestritten der Beitrag von Heinrich Schmidt(. ' Aufgeklärte' Gesangbuch-Reform und ländliche Gemeinde. Zum Widerstand gegen die Einführung neuer Gesangbücher im Herzogtum Oldenburg und der Herrschaft Jever am Ende des 18. Jahrhunderts") dar. Der Widerstand der Bauern gegen die .Reformgesangbücher" entsprang verschiedenen Motiven. Teils war er eher .geizig als geistig", teils trieb ihn schlichter Konservativismus (so wollte man das Gesangbuch behalten, . daraus sie und ihre Vorfahren so lange und fröhlich gesungen", 90), teils war er durch den .orthodoxen oder pietistischen Glaubenseifer einzelner" (103) verursacht. Insgesamt bietet Schmidts Arbeit einen vorzüglichen Einblick in soziale, moralische, religiöse und „kulturelle" Prozesse der ländlichen Gesellschaft, in Rügepraktiken ebenso wie in vorpolitische Organisationsversuche. Implizit macht der Vf. deutlich, daß die .bäuerliche Welt" des 18. Jahrhunderts ein vielfach gegliederter, selbstbewußter und artikulationsfähiger Organismus war, der den vorgefaßten Konzepten vermeintlicher Aufklärung (sei es der zeitgenössischen Obrigkeit wie der modernen Forschung) zähen Widerstand entgegenzusetzen in der Lage war und ist. Von den Beiträgen zur .Sachkultur" scheint mir vor allem der Artikel von Helmut Ottenjann (.Wandel in der ländlichen Bau- und Möbelkultur Nordwestdeutschlands. Regionalbeispiele aus dem Osnabrücker Artland und dem Oldenburger Ammerland") besonders hervorhebenswert zu sein, einmal weil er ähnlich wie Brückner auf die Eingebundenheit der „ländlichen Welt" in die Gesamtgesellschaft verweist (so sind bestimmte Bauernhaustypen Herrensitzen . nachgebaut"), zum andern weil er Konjunkturen in Möbelherstellung und Hausbau auf andere ökonomische, soziale und politische Entwicklungen beziehen kann. Die Tatsache etwa, daß die Ammerländer Möbelherstellung von 1695 bis 1730 zunächst abrupt und dann stetig ansteigt, führt er auf die 1694 im Amt Oldenburg vorgenommene Umwandlung der punktuellen Leiheigenschafts-Abgaben (Tod fall etc.) in eine jährliche Durchschnittsabgabe zurück, die offenbar einen „Nachfrageschub" ausgelöst hat. Quasi beiläufig zeigt dies, daß das feudale Abgabenwesen für die Betroffenen keineswegs nur ein quantitatives Problem war. Den psychischen Druck, den das feudale Abhängigkeitsverhältnis- mit meßbaren ökonomischen Folgen - ausübte, können wir dank der Arbeiten Ottenjanns nun immerhin erahnen. Die scheinbar spröden statistischen Reihen eines scheinbar behäbigen Themas stellen damit Quellen für einen Bereich bereit, den man bisher für der empirischen Forschung unzugänglich hielt. Insgesamt sind im vorliegenden Band ziemlich unterschiedliche Arbeiten zusammengestellt, die aber einen guten Einblick in Tendenzen der Forschung in beiden Fächern geben. Der Vorzug des Buches liegt in der Präsentation empirisch gewonnener Ergebnisse (z. T. allerdings in älteren Arbeiten der Verfasser schon nachzulesen); die Abwesenheit großer theoretischer Entwürfe, die die Annäherung getrennter Disziplinen geradezu naturwüchsig begleiten, ist wohltuend, wenngleich in einigen Arbeiten begriffliche Reflexionen nützlich gewesen wären. Werner Troßbach (Witzenhausen)
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ULRICH IM HOF, Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, Verlag C. H . Beck München 1982, 263 S., 58,00 DM. Nimmt man das Buch zur Hand, ist man geneigt, seinen Titel zunächst als ein gelungenes Wortspiel anzusehen, hinter dem sich doch wohl eher eine nüchte~nere Uberblicksdarstellung und Zusammenfassung der Forschungsergebnisse zur Geschichte der Sozietäten Europas im 17. und 18. Jahrhundert verbirgt. Ein oberflächlicher Blick in das Inhaltsverzeichnis scheint diesen Eindruck zu bestätigen, da es im Kern einem Gliederungsschema folgt, das die verschiedenen GesellschaftstyP.en und Regionen nacheinander abhandelt. Stilistische Merkmale, Wiederholungen, Überschneidungen, Verweise aus dem Regionalteil in den systematischen Teil, eine gewisse Ungleichgewichtigkeit der Beispiele könnten diesen Eindruck verstärken. Und streckenweise zeigt sich auch ganz deutlich der Charakter der Überblicksdarstellung über einen historischen Teilaspekt, etwa in einem „Verzeichnis der ökonomisch-gemeinnützigen Sozietäten in Europa und Übersee von 1731 bis 1789" (S. 259-263) oder in der Darstellung der Lage der „Sozietätsforschung" (S. 179-183). Aber schon der erste große Abschnitt über die „Gesellschaft des 18. Jahrhunderts" läßt erkennen, daß es sich bei dem Buch über das engere Thema hinaus um eine (Hazard verpflichtete) 'Geistesgeschichte' der europäischen Aufklärung handelt. Die Skizze der europäischen Gesellschaft zu Beginn des Buches soll ein Bild vermitteln, wie es die Zeitgenossen selbst sahen. Ausführliche Zitate aus autobiographischen Werken oder Schilderungen von Augenzeugen (von Justinus Kerner, Friderich Carl von Moser, des österreichischen Staatsmannes Graf Karl von Zinzendorf, von Ludwig Meyer von Knonau und anderen) wurden in den Text aufgenommen. In der Behandlung der Aufklärung als Grundlage der Sozietätsbewegung konzentriert sich Im Hof auf das in diesem Zusammenhang bedeutungsvolle Verhältnis von Utopie und Reform, oder, wie es im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum hieß, von 'Träumen' und 'Verbesserungen'. Isaak Iselins 'Träume eines Menschenfreundes' können als symtomatisch gelten. 'Träume' und 'Verbesserungen' erschienen den Aufklärern nicht als Gegensatz, da man von einer 'Machbarkeit' der 'besten aller Welten', von der Realisierbarkeit der durch 'vernünftige Gedanken' gewonnenen Zukunftsbilder weitgehend ausging. Eine intellektuelle Elite organisierte sich in Sozietäten der verschiedensten Art, um an der Heraufführung der zukünftigen Ordnung durch geistigen Austausch, Verbesserungsvorschläge und Kritik, durch 'Aufklärung' teilzuhaben. Bezeichnend ist, daß man sich häufig in diesen Gesellschaften auf das Ziel der Verbreitung 'vernünftiger Ideen' beschränkte, davon allein schon eine Wirkung und die Veränderung von Staat und Gesellschaft erwartete. Eine ausführlichere Schilderung der Utopien, die wir insbesondere im Frankreich des 18. Jahrhunderts in einer großen Zahl verzeichnen können, hätte gezeigt, daß die Leitung in den 'geträumten' neuen Welten die aufgeklärten Eliten sich weitgehend selbst vorbehielten und ihre Organisationsformen eng mit dem Sozietätsgedanken verbunden waren. In den real errichteten Sozietäten kam somit auch ein Anspruch auf Teilhabe zum Ausdruck, der über die Absicht der Belehrung und Ausbreitung der Aufklärung hinausging. Und die Behandlung des Bereiches Naturwissenschaft und Technik, den Im Hof weitgehend am Beispiel des Züricber Naturforschers Johann Jakob Scheuzer darstellt, macht deutlich, daß dieser Bereich nicht nur für den Technikhistoriker, sondern auch für die vergleichende Sozietätsforschung aufschlußreich ist. In einem zweiten großen Abschnitt bietet der Verfasser eine Typologie der verschiedenen Gesellschaften: wissenschaftliche Akademien und gelehrte Gesellschaften, literarische Gesellschaften und Lesegesellschaften, gemeinnützige Gesellschaften, ökonomischlandwirtschaftliche Gesellschaften, patriotisch-politische Gesellschaften, die Freimaurer sowie religiös-gemeinnützige Gesellschaften. Hauptunterscheidungsmerkmale für Im ~~istreiches
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Hof sind also die Ziele und hauptsächlichen Arbeitsbereiche der jeweiligen Gesellschaft. Die in diesem Abschnitt zahlreicheren, ausführlicher beschriebenen Beispiele geben einen guten Eindruck von der unterschiedlichen inneren und äußeren Entwicklung dieser Typen in den verschiedenen europäischen Ländern und über die Jahrzehnte hin. Er zeigt u. a., wie eng die französischen Akademien mit der königlichen Gewalt und den Staatszielen verbunden waren, welche Rolle die Bürokratie in den Sozietäten vieler deutscher Fürstenstaaten spielte, die Vorbildlichkeit Englands für den Kontinent. Konsequent ergänzt im dritten Teil eine knappere regionale Schilderung die Darstellung. Trotz aller nationaler und regionaler Unterschiede bestand in den meisten Sozietäten das Bemühen, den regionalen und nationalen Rahmen zu sprengen. Akademien wählten sich ausländische Korrespondenten und Ehrenmitglieder. Man besuchte, wenn man in einer fremden Stadt war, die dortige Lesegesellschaft. Zwei der interessantesten Kapitel im dritten Abschnitt des Buches sind die über "Praxisbezug und Realisierungsmöglichkeiten" und über "Förderung und Hindernisse". Der Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit kommt in dem Satz zum Ausdruck: „In diesem Jahrhundert war die Utopie groß, die Möglichkeit der Realisation klein" (S. 204). Bei den allermeisten 'Verbesserungen', Reformen in dieser Epoche spielte der Staat die ausschlaggebende Rolle. In den monarchischen Staaten unterstanden die Sozietäten weitgehend der Aufsicht der fürstlichen Verwaltung, in Frankreich waren die Akademien fest in den Staat eingebaut. Die meisten technischen Erfindungen wurden von Privatmännern geleistet. Aufklärerische Zeitschriften standen zwar häufiger in Verbindung zu einer Sozietät, ihre Realisation war jedoch letzten Endes die Sache Einzelner. Auch innerhalb der Sozietäten spielten einzelne Personen die ausschlaggebende Rolle, mit ihrer Initiative, ihrer organisatorischen Leistung stand und fiel häufig die Gesellschaft. Diese Engagierten waren, wie in Anschluß an Kopitzsch festgestellt wird, eine "Minderheit unter den von der Aufklärung beeinflußten Menschen, so wie diese eine Minorität in der Gesamtbevölkerung blieben" (S. 215). Ähnlich wie in den französischen Salons wurde in den organisierten Gesellschaften eine gewisse Annäherung von Adel, Geistlichkeit der verschiedenen Stufen und Besitz- und Bildungsbürgertum erreicht. Die demokratische Verfassung insbesondere der gemeinnützigen und ökonomischen Gesellschaften sowie der Lesegesellschaften bewirkte sicher in begrenztem Maße die Einübung neuer gesellschaftlich-politischer Organisationsformen. Allerdings schlossen sich diese Vereinigungen durch ihren elitären Charakter wiederum nach unten hin ab. Auch entwickelten die Sozietäten eine neue Form der Geselligkeit, die sich gegenüber den Formen höfischen Lebens abzusetzen suchte. Das Postulat war hierin meistens „moralischer und wissenschaftlicher Ernst", aber: „Man spielte nicht mehr mit Karten, sondern mit Preisausschreiben" (S. 227). Neben einer Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, die die Beschäftigung mit der Sozietätsbewegung liefern kann und auf die letzten Endes das Buch von Im Hof abzielt, bietet es eine Zwischenbilanz der Sozietätsforschung für dieses Jahrhundert. Er muß dabei eingestehen, daß man zur Beantwortung der in diesem Zusammenhang von Vierbaus gestellten Fragen, insbesondere der Frage, in welchem Maße die Sozietäten „charakteristisch für die entstehende bürgerliche Gesellschaft" gewesen seien, noch Jahrzehnte an Arbeit vor sich habe (S. 183). Insbesondere die in den Sozietäten erörterten Problembereiche und die in ihnen vertretenen Werthaltungen bedürfen noch einer eingehenden Detailanalyse. Klaus Gerteis (Trier)
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FRIEDRICH JONAS, Soziologische Betrachtungen zur Französischen Revolution. Hg. von Manfred Hennen und Walter G . Rödel. Mit einer Einleitung von Manfred Hennen, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1982, 178 S„ 56,00 DM. Die 'Soziologischen Betrachtungen zur Französischen Revo lution' stammen aus dem Nachlaß des im Dezember 1968 tödlich verunglückten Mainzer Ordinarius für Soziologie, Friedrich Jonas, der mit seiner vierhändigen 'Geschichte der Soziologie' in der Fachwelt ungeteilte Anerkennung errang. Jonas war Schiller von Gehlen und Schelsky. deren Grundauffassung von einer dem englischen Liberalismus verpflichteten kritischen Wirklichkeitsbewältigung durch eine distanzierte, aber erfahrungswissenschaftlich gesättigte soziologische Reflexion er teilte. Diese kritische Wirklichkeitsbewältigung legt Wert auf eine nüchterne Analyse der handlungsleitenden Motive von geschichtsmächtigen Akteuren, die im Kontext ihres historischen Wirkungsfeldes verankert sind. Dieses historische Wirkungsfeld wiederum ist von Institutionen besetzt, die diese handlungsleitenden Motive von geschichtsmächtigen Akteuren aufnehmen, sie aus ihrem unmittelbaren Handlungszusammenhang lösen, zu legitimationsfähigen Mustern gesellschaftlichen Handelns verarbeiten und ihnen damit jene historische Kontinuität und Legitimität verschaffen, die letztlich den Eigenwert von Institutionen begründen. Es überrascht daher nicht, daß Jonas seine Soziologie der Französischen Revolution ganz im Sinne dieser von Gehlen und Schelsky vertretenen Institutionenlehre geschrieben hat. Zu einer solchen Wirklichkeitsbewältigunggehört es, daß Jonas sich auf die historische Wirklichkeit Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert einläßt, sorgsam die historischen Zusammenhänge des Ancien Regime aufspürt, die Vorgeschichte der Französischen Revolution anspricht und die verschiedenen Phasen ihres Verlaufes darstellt. Sicher vermittelt er dabei keine Erkenntnisse, die dem Fachmann eine gänzlich neue Perspektive eröffnen würden. Jonas präsentiert sachlich und distanziert eine historische Wirklichkeit, die von langfristigen inneren Widersprüchen gekennzeichnet ist und während der Revolution von den Motiven und Interessen geschichtsmächtiger Akteure und glücksverheißender Ideen beherrscht wird. Er geht auf die historischen Ereignisse ein und schildert die Karriere führender Revolutionäre. Jonas schert mit seiner Geschichte der Französischen Revolution aus der Reihe jener Soziologen aus, die die historische Wirklichkeit - die sie im übrigen oft nur durch soziologische Lehrbücher zu kennen glauben - in einen soziologischen Bezugsrahmen zwängen, dessen Katechismusweisheiten die revolutionären Ereignisse, Situationen und Akteure nur als sinnfällige Demonstrationsobjekte vorgefaßter Dogmen zu präsentieren vermag. Gänzlich anders verfährt Jonas bei seiner Behandlung der Reformversuche des Ancien Regime und der Revolutionsphasen. Er weist darauf hin, daß es sich bei dieser Revolution keineswegs um einen gerichteten und vorhersehbaren sozialen Wandlungsprozeß handelte, der einen geordneten Strukturumbruch einleitete, sondern um eine Verkettung gegensätzlicher Motivlagen, widersprüchlicher Interessen und nichtintendierter Handlungsfolgen von revolutionären Akteuren. „Unter dem Eindruck der Entwicklung der Französischen Revolution hat man sich später bemüht, diese Revolution als ein quasi naturnotwendiges, aus einer einheitlichen geschichtlichen Entwicklung hervorgehendes Ereignis darzustellen. Wer jedoch die Tatsachen verstehen will, darf sich mit solchen Konstruktionen nicht zufriedengeben . . .. Das, was sich später ereignete, war keineswegs naturnotwendig, sondern das Ergebnis eines sprunghaften und oft widersprüchlichen Prozesses. Die vorrevolutionäre Epoche und die Revolution selbst sind vielmehr deutlich voneinander abzugrenzen" (S. 72-73). Was hier vorsichtig als sprunghaft und widersprüchlich bezeichnet wird, bedeutet tatsächlich eine Abkehr von einem soziologischen Modelldenken, das die revolutionären Ereignisse, Situationen und
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Akteure in die Einbahnstraße eines revolutionären Prozesses abschieben und die Offenheiten des historischen Wirkungs- und Handlungsfeldes als unerhebliche Besonderheiten eskamotieren möchte. An die Stelle einer soziologisch verbrämten Naturgeschichte der Französischen Revolution, tritt bei Jonas eine Geschichte des Zerfalls alter ständischer und absolutistischer Institutionen und der Versuch durch die Jakobiner in den Vordergrund, mit ihren Clubs jene neue institutionelle Grundlage zu schaffen, auf der die proklamierten universellen Glücksverheißungen auch eingelöst werden sollten. Diese institutionelle Grundlage erwies sich nach Jonas aus zwei Gründen als nicht tragfähig. Erstens versuchten die Jakobiner die auf die kleinräumigen und überschaubaren Clubs ausgerichteten Sozialutopien auf die unübersichtliche Komplexität von Nationalstaaten bruchlos zu übertragen. Zweitens konnten die Jakobiner zwar die Klassen- und Gruppeninteressen ihrer Anhänger zeitweise mobilisieren, ohne diese jedoch in übergreifende Sinnzusammenhänge aufnehmen und weiterbilden zu können. Der Versuch, .durch eine Diktatur bestimmte soziale Ideale zu verwirklichen" (S. 106), mußte scheitern.•Um eine Revolution zu institutionalisieren, muß man eine allgemeine und verbindlichere Wertordnung haben als soziale Idealisierungen leisten können. Hier bleibt bislang nichts anderes übrig als an die durch Geschichte und Kultur überlieferten nationalen Wertordnungen anzuknüpfen, wie sie sich insbesondere durch die gemeinsame Sprache und das gemeinsame Schicksal darstellen" (S. 106). Folgerichtig tritt für Jonas der französische Nationalstaat mit seinem nationalen Enthusiasmus das Erbe des Absolutismus an, während die universellen Ideale und Ideen der französischen Aufklärung ihre anfänglich gezeigte revolutionäre Dynamik einbüßten, ein Ergebnis, das Jonas zu der Schlußfolgerung verleitet, die Französische Revolution als .eine reaktionäre Bewegung" (S. 105) zu bezeichnen, die ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen konnte. Mir scheint, daß diese Einschätzung vordergründig ist. Sie übersieht erstens, daß der Rückgriff auf institutionalisierbare Wertordnungen, den die Revolutionäre in der Schlußphase ihrer Revolution vorzunehmen gezwungen sind, selektiv verfährt. Das heißt in diesem Falle, daß 'soziale Idealisierungen' und nationalstaatliche Werte zu einer neuartigen Synthese verarbeitet werden, die den Bruch mit der Vergangenheit vollzieht und gleichzeitig die scheinbar offene Zukunft auf eine institutionelle Ordnung eingrenzt. Diese Sythese ist nicht reaktionär, sondern entwicklungsfähig in dem Sinne, daß mit ihr neue Ordnungen geschaffen werden, die selbst wiederum ihre eigenen Widersprüche und Konflikte nur vorübergehend in eine stabilisierte Spannung zu bringen in der Lage sind. Zweitens kann kritisch gegen Jonas eingewendet werden, daß die vorübergehende Freisetzung und kurzfristige Institutionalisierung universeller Aufklärungsideen zwar in Frankreich auf nationalistische Symbole zurückgeschnitten werden konnten - zumindest für eine bestimmte Zeitspanne. Gleichzeitig übten sie jedoch eine davon gänzlich unabhängige transnational wirksame Anziehungskraft auf jene europäischen revolutionären Gemeinschaften aus, die zwar von der Revolution träumten, bis dahin aber nicht sehen und erfahren konnten, daß Revolutionen machbar sind und mit ihnen jene Chiliasmen angesprochen werden können, die zur inneren Dynamik des revolutionären Geschehens unabweisbar zu gehören scheinen. KJaus-Georg Riegel (Trier)
NEIL MCKENDRICK, JOHN BREWER, J. H. PLUMB, The Birth of a Consumer Society. The Commercialization ofEighteenth-century England, Europa Publications Ltd. London 1982, 345 S., f: 18.50. Historiker, die nach der „Modernität" des 18. Jahrhunderts fragen, konzentrieren sich in
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der Regel auf ein etabliertes Spektrum von Problemkreisen: zum Beispiel auf den Aufstieg neuer philosophischer Systeme, auf den Prozeß zunehmender Politisierung, auf die Durchbildung bis dahin unbekannter Formen der Vergesellschaftung oder auf die Modernisierung der professionellen und administrativen Welt. Bei der Analyse der englischen Verhältnisse tritt häufig die Auseinandersetzung mit Gegenständen hinzu, die im Zusammenhang mit der frühen Industrialisierung stehen. Dabei ist jedoch Prozessen der Kommerzialisierung und der Durchbildung .,moderner" Konsumgewohnheiten vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Diesem Mangel soll mit dem vorliegenden Sammelband abgeholfen werden. Die Intention des Bandes erschließt sich bereits i.n dessen erstem, von McKendrick besorgten und vorrangig von wirtschaftshistorischen Perspektiven geprägten Teil. McKendrick geht von der Annahme aus, daß die Konsumgewohnheiten im laufe des 18. Jahrhunderts revolutioniert worden seien. Er sucht diesen Sachverhalt vorrangig auf dreierlei Weise zu belegen: Zum einen wird Veränderungen im zeitgenössischen Werthorizont nachgegangen und gezeigt, wie Konsum zunehmend vom Odium des Unmoralischen befreit wurde. Zweitens wird mit einer Reihe von Beispielen konkret beschrieben, wie im laufe des 18. Jahrhunderts sich immer mehr Menschen in die Lage versetzt sahen. Alltags- und Luxusgüter zu erwerben, die noch wenige Generationen zuvor der privilegierte Besitz weniger waren; McKendricks Bemühungen, das gewandelte Konsumverhalten zu erfassen, reichen dabei bis hin zur Rekonstruktion von zeitgenössischen Moden. Und schließlich dokumentiert McKendrick das Aufkommen moderner Marktstrategien innerhalb der Unternehmerschaft (u. a. mit einer materialreichen Fallstudie über Josiah Wedgwood). Insgesamt erscheint hier das 18. J ah rhu ndert - trotz einiger Kautelen - als Zeit wachsender Prosperität, als der entscheidende Durchbruch zur modernen Wirtschaftskultur. Brewer widmet sich im zweiten Teil des Bandes dem komplizierten Beziehungsgeflecht von kommerzieller und politischer Welt. Diesen Zusammenhang demonstriert er u. a . am Club- und Gesellschaftswesen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Clubs und Gesellschaften - so Brewer - entstanden wesentlich mit der Intention, ihren Mitgliedern zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen und ihnen in einer Zeit hochgradiger Kreditwirtschaft ein höheres Maß an Sicherheit zu geben; zugleich vermochten sie aber auch zu Foren politischer Reformvorstellungen und zum Partner des englischen Radikalismus zu werden. Darüber hinaus zeigt Brewer, in welchem Maße der zeitgenössische politische Stil durch kommerzielle Interessen mitgeprägt wurde. Insbesondere Druckern, Buchhändlern, Wirten, Brauern sowie Herstellern von keramischen Erzeugnissen eröffneten sich in ganz unterschiedlicher Weise neue Absatzchancen; mit ihren Produkten und Dienstleistungen reagierten sie auf Bedürfnisse einer sich zunehmend erweiternden politischen Gesellschaft. Der dritte von Plumb verfaßte Teil des Bandes konzentriert sich im wesentlichen darauf, mit einer Reihe von Beispielen die zunehmende Kommerzialjsierung des gesellschaftlichen Lebens zu beschreiben. Plumb entwirft dabei das Bild einer wachsenden Mittelschicht, die in bis dahin unbekannter Weise Freizeit als Teil des eigenen Daseins entdeckt und mit ihren kulturellen, künstlerischen und sportlichen Ambitionen neue „Märkte" schafft. Die Aspekte, die Plumb dabei berührt, sind vielfältig: sie reichen vom Aufkommen des kommerziell orientierten Pferderennsportes bis zum Entstehen von Badeorten, die sich als Zentren der neuen Freizeitkultur etablieren. Dieses höchst originelle Panorama des 18. Jahrhunderts ergänzt Plumb mit einer Studie über Wandlungsprozesse in der Welt des Kindes. Vorrangig werden dabei veränderte Einstellungen der Eltern nachgezeichnet. Eltern fanden sich nun zum einen bereit, erhebliche Summen für die schulische Erziehung ihrer Kinder aufzuwenden; vor allem aber wurden vermehrte
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Ausgaben für Spielzeug, Kinderbücher, Kinderkleidung oder den Besuch von Ausstellungen als gut und nützlich angesehen. Dieses veränderte Konsumverhalten deutet Plumb in seinem abschließenden Beitrag als Ausdruck einer optimistischen, zukunftsorientierten, auf Verbesserung angelegten Weitsicht. So erweitern alle drei Autoren auf höchst unterschiedliche Weise unsere Kenntnisse über das 18. Jahrhundert. Dabei bleiben jedoch Zweifel, inwieweit das Konzept von der „Geburt der KonsumGesellschaft" wirklich tragfähig ist. Denn damit wird doch allzu sehr suggeriert, daß das 18. Jahrhundert Phänomene unserer gegenwänigen Wirtschaftskultur gleichsam vorwegnimmt. Um dieses Konzept wirklich plausibel zu machen, bedarf es aber der weiteren Klärung: So müßte die empirische Absicherung in stärkerem Maße auf quantifizierende Verfahren gegründet werden; im vorliegenden Band bleibt doch noch allzu viel impressionistisch. Zudem erscheint es notwendig, den zeitlichen Rahmen des hier zur Debatte stehenden Prozesses präziser zu bestimmen. Insbesondere McKendrick sucht den Eindruck zu erwecken, das gesamte 18. Jahrhunden sei eine Zeit der Innovation; der größte Teil der Belege stammt jedoch aus der zweiten Hälfte dieses Zeitabschnittes. Und schließlich wird in Rechnung zu stellen sein, ob es ähnliche Entwicklungsschübe nicht auch zu anderen Zeiten gegeben hat; in diese Richtung weisen etwa die Überlegungen von Joan Thirsk (Economic Policy and Projects: The Development of a Consumer Society in Early Modem England. Oxford 1978). Was trotz dieser Kritik bleibt, sind drei für sich genommen hochinteressante, teilweise brillante Beiträge: McKendrick führt die alltägliche Welt von Konsum und Kommerz in einer Weise vor Augen, die uns das Marktgeschehen des 18. Jahrhundens weit besser verstehen läßt. Brewer- der in seinem Beitrag übrigens über seinen engeren Gegenstand .Commercialization and Politics" häufig hinausgeht - liefen eine Analyse, die uns bestimmte Mechanismen innerhalb der politischen Zuständlichkeiten der 60er und 70er Jahre erstmals verstehen läßt. Und Plumb lenkt den Blick auf Segmente des Soziallebens, die bislang weithin vernachlässigt worden sind. Eckhart Hellmuth (Oxford)
JAN RACHOLD (Hg.), Die Illuminaten. Quellen und Texte zur Aufldärungsideologie des Illuminatenordens (1776-1785), Akademie-Verlag Berlin 1984, 409 S., 50,00 DM.
Es war zu erwarten, daß sich auch die marxistische Geschichts- und Gesellschaftswissenschaft der DDR dem neuerwachten Interesse an jenen Geheimbünden zuwenden würde, die als Träger aufklärerischer Ideen einen entscheidenden Beitrag zur Genese der europäischen Modeme geleistet haben. Nach den Arbeiten, die Koselleck, van Dülmen, Agethen und Schindler zur Interpretation des Illuminatenordens vorgelegt haben, wartet man gespannt auf den Beitrag einer marxistisch ausgerichteten Klassenanalyse, die den Illuminatenorden als 'progressiven' und 'gesellschaftsverändernden' Faktor im Bewegungsablauf marxistischer Modernisierungsgesetze einzuschätzen bemüht ist. Das Vorwort, das Jan Rachold der Textsammlung unter dieser Perspektive voranstellt, enttäuscht aber alle diejenigen Forscher, die sich von diesem Ansatz weiterführende Denkanstöße erhofft hatten. Rachold stellt den Illuminatenorden als einen Geheimbund .mit ausgesprochen politischer Orientierung" (S. 12) vor, dessen .progressive Zielstellung ... , bürgerliche Selbstbestimmung und politische Mitsprache durchzusetzen", (S. 12) auch das Interesse der marxistischen Forschung verdiene. Als einzigen Beleg für diese kühne Behauptung zitiert Rachold die in der 'Anrede' Weishaupts formulierte Absicht, durch .allgemeine Aufklärung ... Fürsten und Staaten entbehrlich" (S. 20) zu machen. Diese Absichtserklärung als „Kritik der Klassengesellschaft" (S. 20) Weishaupts zu deklarie-
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ren, verkennt gründlich die auf die individuelle moralische Selbstkultivierung angelegte praktische Erziehungsphilosophie des Stifters des Jlluminatenordens. Eine ganz andere Frage ist es allerdings, ob diese im Geheimen vollzogene Kultivationspädagogik indirekte Auswirkungen auf den Totalitätsanspruch spätabsolutistischer Machtentfaltung gezeitigt hat, eine Fragestellung, die Rachold erst gar nicht erwägt. Sein kurzer, kritischer Verweis auf "die historisch und sozialgeschichtlich[e]" (S. 17) Orientierung der van Dülmenschen Edition von Texten des llluminatenbundes bleibt die einzige explizite Bezugnahme auf die nichtmarxistische Forschung, die lediglich an einigen Stellen zu gänzlich 'neutralen' Zahlenangaben konsultiert wird, ohne ihre inhaltlichen Ergebnisse zu rezipieren. Das betrifft insbesondere den von P. Ch. Ludz edierten Sammelband über geheime Gesellschaften, dessen interessante Forschungsergebnisse unberücksichtigt bleiben. Dieses Desinteresse überrascht umso mehr, als gerade die dort zu Wort kommenden Historiker soziologischen und sozialgeschichtlichen Denkansätzen nicht nur aufgeschlossen gegenüberstehen, sondern sie konkret in ihren jeweiligen Arbeiten als richtungsweisende Fragestellungen verarbeitet haben. Daß Rachold hier keine Möglichkeit zu einem Brückenschlag sieht und die Chance zu einer fruchtbaren Diskussion zwischen westlicher Sozialgeschichte und aufgeklärter marxistischer Historie nicht ergreift, bleibt bedauerlich und kann wohl nur mit der besonderen Lage einer Geschichtswissenschaft erklärt werden, die sich nicht aus der lähmenden Umklammerung durch die ehrwürdigen Dogmen der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft zu befreien vermag. Enttäuschend bleiben auch die kurzen Hinweise Racholds zu der inneren Struktur des Illuminatenordens. "Der Bund begnügte sich daher nicht mit moralischen Maximen, sondern entwarf ein strenges Bildungs- und Kontrollsystem, das seine Mitglieder in einer einheitlichen Ideologie zu verbinden suchte und einer straffen Führung unterwarf, was sie befähigen sollte, in den staatlichen Mechanismus einzugreifen und ihn zu verändern" (S. 14-15). Man hätte erwarten können, daß Rachold auf die ausgeklügelten internen Kontroll- und Disziplinierungsmechanismen zu sprechen kommt, die Weishaupt wahrscheinlich von dem Jesuitenorden übernommen und weitergebildet hatte. Dieses interne Disziplinierungsprogramm mit seinen Tagebüchern, Selbstanzeigen, Führungsberichten. permanenten Aufforderungen zur Selbst- und Fremdkontrolle und Gewissenserforschung stellte ein System von Techniken des körperlosen Zwanges dar, welches seitdem zur unverzichtbaren Grundausstattung für Kaderschulungsprogramme von revolutionären Virtuosen des 20. Jahrhunderts zu gehören scheint und sein historisches Erbe aus dem Traditionsbestand totaler und gelenkter Menschenführung, welche nicht nur in Geheimbünden praktiziert, sondern auch in christlichen totalen Institutionen (Klöster, Sekten und Orden) exemplarisch vorgelebt worden war, nicht zu verleugnen braucht. Als theoretische Bezugspunkte für eine solche historisch angelegte Modernisierungstheorie, die die Techniken des körperlosen Zwanges in den Gang der Genese der europäischen Modeme stellt, wären neben Max Webers Überlegungen zur asketischen Lebensführung von religiösen Virtuosen noch die Eliassche Zivilisationstheorie und die verschiedenen Einzelstudien Foucaults zur Verinnerlichung fremdbestimmter Gewaltimperative zu nennen. Allerdings müßten auch diese Modernisierungstheorien erst noch auf das bisher nicht entschlüsselte Geheimnis von geheimen Gesellschaften befragt werden, ein zentrales Forschungsproblem, zu dem Racbold sich gänzlich ausschweigt. Auch die Textsammlung, die Rachold vorlegt, kann nur einen längeren Beitrag von Weishaupt, nämlich eine Auswahl aus seinem 1790 verfaßten 'Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und Regierungskunst. Erster Band', vorweisen, der in der van Dülmenschen Textsammlung(Richard van Dülmen: Der Geheimbund der Illuminaten, 2. Aufl. 1977) nicht abgedruckt ist. Dagegen bringen Rachold wie van Dülmen die
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wichtigen Texte' Anrede an die neu aufzunehmenden Illuminatos dirigentes' (1782) und 'Kurze Rechtfertigung meiner Absichten' ( 1787), wobei Rachold die letztere Abhandlung in Gänze vorlegt und damit dem Leser eine Schrift zugänglich macht, die ibm einen umfassenden Einblick in die innere Verfassung von Weishaupt gewährt. überhaupt fällt an der Textsammlung Racholds auf, daß sie sich hauptsächlich an Weishaupts Schriften und Briefen orientiert, während van Dülmen auch daran interessiert war, die Perspektiven und Erfahrungen von wichtigen Mitgliedern des Illuminatenordens wie Zwack, Hertel, Kn igge, Mieg u. a. zu Worte kommen zu lassen. Vergleicht man beide Texteditionen, so bleibt die van Dülmensche Sammlung nach wie vor für den sozialgeschichtlich interessierten Leser unentbehrlich, während die Racholdsche Edition immerhin wichtige Ergänzungen bringt, die den Zugang zu dem Datenmaterial über den Illuminatenorden Klaus-Georg Riegel (Trier) verbessern, aber nicht entscheidend verändern kann.
MARC RAEFF, The Well-Ordered Police State. Social and Institutional Change through Law in the Germanies and Russia. 1600-1800, Yale UP New Haven und London 1983, IX und 284 S., 33 $. Keine Monographie im üblichen Sinne wolle er zu dem im Titel genannten Thema schreiben. Im Grunde sei das Buch locker komponiert, bestehe aus drei ein wenig unterschiedlichen Essays, sei überhaupt den Traditionen der angelsächsischen literaturwissenschaftlichen Produktion verpflichtet, die auf elegante Präsentation mehr denn auf positivistische Zitiermanie Wert legen. In der Tat, hier hat der Autor mit sich zufrieden zu sein: das Buch liest sich gut, hält das Interesse des Lesers ständig wach, regt an und vermittelt überzeugende Einsichten. Es ist auch leicht zu erkennen, daß die Behauptung des Verfassers zutreffend ist, in seine Darstellung seien viele Vorarbeiten anderer eingegangen, die er gleichsam nur zusammenfasse. R. kennt wohl die einschlägige jüngere und auch ältere Literatur. Freilich - und das wird immer wieder ein Streitpunkt bleiben -er beläßt es im allgemeinen bei diesem Hinweis, verweist nicht auf solche Literatur, was natürlich auch heißen kann, er setzt sich nicht mit ihr auseinander. Für den allgemein interessierten Leser ist das kein Nachteil. Aber wer liest solche Bücher, wenn nicht wiederum „ Wissenschaftler"? Gerade im ersten Teil oder Essay wird das Zwiespältige eines solchen Verfahrens deutlich. Generell interessiert Raeff die Frage, wie und auf welche Weise es zur Ausbildung modernerer Staatlichkeit in westeuropäischen Ländern gekommen ist, welche verwaltungstechnischen und juristischen aber auch geistig-kulturellen Aufgaben zu erfüllen waren, welche Schwierigkeiten zu überwinden standen. Gerade anhand eines so vielfältig altmodischen Staatsgebildes, wie es das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war, müsse das gut zu beobachten stehen. Darum also auch die Eingrenzungen auf das Reich. Von da aus könne leicht die Probe aufs Exempel anhand eines Vergleichs mit den Petrinischen Reformen in Rußland gemacht werden, Reformen, die zumindest teilweise die vorgegebenen westeuropäischen Muster zu übernehmen trachteten, in der Hoffnung, den gleichen Effekt zu erzielen. So also das allgemeine Problem. Um die Notwendigkeit vermehrter Ordnungen, Gesetze, Erlasse einsehbar zu machen, beschreibt Raeff im Eingangsessay den „lntellectual background to change". Irgendwie müsse doch deutlich werden, warum ab dem 16. Jahrhundert zunehmend solche Ordnungsvorstellungen durchzusetzen versucht wurde. In diesem Eingangsessay gelingt R. eine glänzende Analyse der entstehenden frühmodernen Staaten. Er zeigt sie vorab an der Stadtentwicklung auf. Das ist kenntnisreich und originell. Ohne mich jedoch bei den zum Teil recht eigenwilligen Interpretationen aufzu-
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halten - das Ganze ist zu sehr aus einem Guß, als daß das sinnvoll erscheinen könntemöchte ich doch die ganz generelle Frage stellen: Wozu, wenn es tatsächlich nur eine nicht nachweisende, sich nicht auseinandersetzende Zusammenfassung mit anderen Arbeiten ist, diese Mühe? Für das Kommende hilft diese Einleitung nur partiell. Denn daß seit der Renaissance die Notwendigkeit verstärkter Ordnung der öffentlichen Dinge erkannt worden war, müßte jedem Leser, der für die frühe Neuzeit Interesse hat, bekannt sein. Und das ist, so ließe sich entschieden überspitzt sagen, das Ergebnis der Studie. Ganz anders wirkt da der zweite und umfänglichste Teil. Da wird aufgrund einer weitgespannten Gesetzes- und Policey-Ordnungs-Literatur vorgeführt, wie, mit welcher Absicht, in welcher Form, auch mit welchen Stilmustern, welchen obrigkeitlichen Vorstellungen Landesherren, beziehungsweise ihre Berater, eine Verbesserung der Lebensbedingungen, eine Stärkung des Gemeinwohls zu erzielen trachteten. Das ist von unmittelbarer Anschaulichkeit, werden doch immer wieder solche Bestimmungen in kurzen Auszügen zitiert (daß auch hier einige längere Passagen in der ursprünglichen Form und sei es in Anmerkungen dem Leser entschieden hätten helfen, seine Einsichten bereichern können, möchte ich nicht verschweigen. Wer, selbst in Deutschland, hat schon so vielfältige Ordnungen greifbar?). Hier wird also unmittelbar an der Quelle argumentiert, da mag die Sekundärliteratur zu vernachlässigen sein. Es werden auch bemerkenswerte Ergebnisse hier vorgestellt. Ohne sie alle nun auch nur nennen zu können, will ich doch auf einige allgemeiner interessierende verweisen. Ganz deutlich wird es - entgegen den Ansichten der sog. Ständeforschung oder entgegen der Vorgabe der Annales-Schule - , daß die fürstlichen Räte und ihre Herren die Handelnden und Entscheidenden in diesem Umkreis waren. Je kleiner das Territorium, um so unmittelbarer und häufiger anscheinend die erziehende Reguliersucht! Im 16. und frühen 17. Jahrhundert formulierten diese Ordnungen zumeist verbietend, negativ. Dem Niedergang solle gewehrt werden, gute Policey herbeigeführt werden. Auch wurden solche Ordnungen vorab für Städte und Gemeinden erlassen. Da waren sie zahllos. während das flache Land in dieser Zeit kaum ordnende Beachtung fand. ln und nach dem Dreißigjährigen Krieg änderte sich das, wobei nach wie vor auf Unterschiede zwischen Stadt - progressiv, ökonomisch- und Land, das agrarisch zwar meliorisiert aber in seiner überkommenen Struktur konserviert werden sollte, großer Wert gelegt wurde. Auch wurden die Verordnungen zunehmend positiver, sie befahlen Handlungen und Ziele. Diese Tendenzen waren konfessionsunabhängig. Im katholischen Reich hatten nur die Bestimmungen in Bezug auf das Verhältnis Staat - Kirche einen anderen Charakter. Hier verblieb die Kirche als eigene, mächtige Institution neben den Landesherren. Im Laufe der Zeit umfaßten die Ordnungen zunehmend alle Bereiche des Lebens. Anfänglich waren es vorab religiöse Fragen, die auftauchten; es kamen dann gesundheitspolitische, ökonomische, kulturelle, ästhetische usf. hinzu, bis schließlich im Zeichen der Aufklärung das allumfassende Gemeinwohl grundlegend geordnet werden sollte. Vereinheitlichung innerhalb der Ordnungsbereiche, mehr Rationalität, Erziehung der Untertanen und Mitstände zu mehr Selbständigkeit im öffentlichen Handeln - nur nicht in Bezug auf die soziale Hierarchie - , das blieben die eigentlichen Ziele dieser Anstrengungen. Daß das mit einem Abbau des Herkommens und älterer Bestimmungen einhergingwie Raeff behauptet - vermag ich freilich nicht zu sehen. Die Rationalität bestand im Reich ja vielfach gerade darin, juristisch eine bessere Handhabung der öffentlichen wie auch privaten Dinge dadurch zu erreichen, daß eine geordnete Inbezugsetzung überkommener aber gültiger Normen eine Art systematischen Aufbau geltenden Rechts erlaubte. Gerade in der Historizität wurde die Besonderheit und Auszeichnung des
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Reichs und seiner Territorien begriffen. Aber das nur als eine kleine Anmerkung zu einer eher nebensächlichen Bemerkung des Autors. Als unabweisbares, hartnäckiges Problem blieb nun zunehmend während der frührnodernen Zeit, wie immer mehr Eigeninitiative, wachere Rationalität mit der Starrheit der sozialen Ordnung sich vertragen konnte. Denn an dem sozialen Status sollte sich ja nichts ändern. Im aufgeklärten Absolutismus vermochte das Reich das zwar politisch zu lösen, als Problem blieb es aber für die Zukunft weiterhin relevant. Im dritten Essay zeigt Raeff nun, wie die Nachahmung solcher erfolgreicher Reformtätigkeit nicht schon Erfolg verbürgte. Rußland, das erst Ende des 17. Jahrhunderts überhaupt Anschluß an Europa fand, sich als Teil Europas zu verstehen begann, konnte schon wegen der grundlegend anderen Verhältnisse von Kirche und Staat nicht analog verfahren. Darüberhinaus bestanden noch vielfältige andere Unterschiede, die das nicht erlaubten. Indern ferner die Vorbereiter der Petrinischen Reformen - die freilich immer nur auf wenigen Augen standen - von der Kiewer Schultradition geprägt waren - einer neoscholastischen, naturrechtlichen, etwa dem niederländischen Wissenschaftsverständnis des 17. Jahrhunderts vergleichbaren - konnten die zum Teil recht anders argumentierenden Modernisierungsmuster des Reichs, die Peter zu übernehmen suchte, nicht recht fassen. Immerhin haben diese Vorbilder dann doch die enorme, geistige Verjüngung des St. Petersburger und Moskauer Hofes mit herbeigeführt. Sie blieb in Rußland allerdings immer eine auf eine sehr kleine elitäre Gruppe beschränkte Angelegenheit. Raeff ist gewiß zuzustimmen, wenn er das Werden des frühneuzeitlichen Staates und die Entstehung modernen Denkens und Handelns als eine in sich höchst revolutionäre Angelegenheit beschreibt und versteht. Diesen Vorgang verfolgt er äußerst sachkundig ab dem Ende des 16. Jahrhunderts. Er beschreibt ihn nicht nur in seinen vielfältigen Facetten - was das Reich und Rußland betrifft - sondern gibt dem Leser eine Fülle anregender, tief eindringender Einsichten. Notker Hammerstein (Frankfurt am Main)
ALBRECHT SCHÖNE, Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik. Lichtenbergsche Konjunktive, Verlag C. H. Beck München 1982, 184 S., 19,80 DM.• Wer über Heine oder Lichtenberg schreibt, sollte das stilistische Niveau dieser beiden witzigen Autoren zumindest in Annäherungen erreichen. Selten gelingt dies in germanistischen Abhandlungen. Albrecht Schöne hat das Kunststück vollbracht: Sein Buch über Lichtenberg hat den Vorzug der Kürze, der geistreichen und anmutigen Formulierung und der schönen typographischen Einrichtung. Dabei könnte doch der Untertitel „Lichtenbergsche Konjunktive" akademisch-philologische Trockenheit befürchten lassen. Aber gerade diese Gefahr wurde listig abgewehrt. Die Kapitel werden ironisch nach Paragraphen gezählt; ein Lichtenberg-Zitat dient jeweils als Motto und deutet das Thema an; die Überschrift umreißt es noch einmal „expositorisch". Schöne geht es um eine „Physiognomik" des Lichtenbergschen Stils. Weniger aus der Beobachtung des auffälligen Einzigartigen als von der Frage nach der Funktion der sich
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In der zweiten überarbeiteten Auflage ( 1983, 186 S.) sind die Druckfehler (zwei) beseitigt worden. Im „Forschungsbericht" findet die Arbeit von Gertrud Fischer (Lichtenbergsche Denkfiguren. Aspekte des Experimentellen, Heidelberg 1982) kritische Erwähnung; an den Schluß ( 164) wurde noch ein ironisches Lichtenberg-Zitat angehängt. Die Anmerkung 221 (über Musils frühe Lichtenberg-Kenntnis) wurde erweitert. Neu ist Anmerkung 232 mit Hinweis auf Konjunktivtexte von Jutta Schutting („Adalbert", 1974) und Ernst Jandl („Aus der Fremde", 1980).
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wiederholenden Stilzüge her entwickelt er seine These: Lichtenbergs Stil sei mehr als durch andere syntaktische, metaphorische oder lexikalische Eigentümlichkeiten durch den Gebrauch des Konjunktivs geprägt. Die Gültigkeit, Stringenz und Tragweite dieser These wird mit außerordentlicher Akribie zunächst durch quantitative und statistische Untersuchungen belegt. Höchstens 20 % der Sudelbuchnotizen dürften in nicht konjunktivischer Formulierung geschrieben sein. Spezialarbeiten der neueren Linguistik, zum Teil auch Untersuchungen zum Konjunktivgebrauch im 18. Jahrhundert werden herangezogen, um die Eigenart des Lichtenbergschen Konjunktivgebrauchs zu erhellen. Es zeigt sich dabei, daß Lichtenberg vergleichsweise selten den Konjunktiv I, sehr oft jedoch den Konjunktiv II verwendet hat. Konjunktiv 1 erscheint bei Lichtenberg am häufigsten in indirekter Rede, Konjunktiv II am häufigsten im Konditionalsatz. Der Verfasser scheut sich nicht, die vorhandene linguistische Literatur zum Konjunktiv einer teils herben Kritik zu unterziehen. Sowohl der Zeitbezug unterschiedlicher Konjunktivklassen als auch die modale Referenz scheinen ihm nicht genügend geklärt zu sein. Die traditionelle Gegenüberstellung von Indikativ und Konjunktiv hält er für unzulänglich. Die soziolinguistische Erklärung der Funktion des Konjunktivs als . Prestigeform" provoziert allgemeine kritische Überlegungen zur wechselseitigen Entfremdung von Literatur- und Sprachwissenschaft. Schöne möchte zeigen, .daß es sich gelegentlich lohnen könnte, auf die Grammatik selbst dann zu achten, wenn man geistesgeschichtliche Fragen verfolgt." (29) Als eine erste Reihe von Ergebnissen wird im § 4 festgehalten, Lichtenberg verwende den Indikativ, wenn er etwas Gesichertes oder Akzeptables mitteile. Ist etwas unverbürgt, so wählt er den Konjunktiv I. Für etwas Unrichtiges, Zweifelhaftes oder nur Denkmögliches steht der Konjunktiv II. Vor allem in indirekter Rede dient der Konjunktiv II als „Signal für die Mitteilung abwegiger Äußerungen und haltloser Ansichten"; die „dubitative Potenz des Morphems" entfaltet sich in solchen Fällen (44). Dem Titel des Buches folgend legt§ 5 „Grundsätze der Aufklärung" dar. Der Konjunktiv wird als „grammatische Signatur" und „Zeichen für Aufklärung" verstanden, da mit ihm der kritische Vorbehalt gegen Tradition und Dogma, Vorurteil und Autorität sichtbar werde. Mit dem aufgeklärten Denken gehe Lichtenbergs Experimentalphysik eine Symbiose ein. Der Verfasser setzt voraus, daß die experimentelle Naturwissenschaft die „Pflanzschule seiner konjunktivischen Sprachformen und Denkfiguren" gewesen sei (50). Lichtenberg habe immer wieder vorgegebene Anschauungen in Frage gestellt. Selbst wenn er diese Fragen indikativisch formuliert habe, eigne ihnen ein „konjunktivischer Modus". Die Lust an der Formulierung von Hypothesen bediene sich vor allem des Konjunktivs II. Damit ließen sich begründete Vermutungen, das Überschreiten des Beobachtbaren, „ Vorgriffe des Genies" riskieren. Die skeptischen und hypothetischen Konjunktive seien nichts anderes als .unablässige Falsifikationsangebote" (73). Unter Berufung auf Bacon-Zitate deklariert der Verfasser den skeptischen, hypothetischen und experimentellen Konjunktiv geradezu zum ,.Finder für alle Dinge" (76). Die Struktur des Experiments (Bedingung- Folge/Ursache- Wirkung) findet nach Schöne eine grammatische Entsprechung in Konditionalsätzen mit dem Konjunktiv II-Morphem. So könne Lichtenberg sowohl als Naturwissenschaftler als auch . in Gedanken experimentieren". Doch beschränkt sich dieser Denkstil nicht etwa auf den naturwissenschaftlichen Bereich. Lichtenberg hat bekanntlich auch den experimentellen Charakter der französischen Revolution erkannt; die poetischen Versuche mit der Fabel, der Erzählung und dem Roman zeigen die umfassende Fruchtbarkeit von . konjunktivischkonditional konstruierten Gedankenexperiment( eo)" ( 111 ). Hier sind allerdings auch Grenzen Lichtenbergs zu erkennen. Nach Auffassung des Verfassers ist es die „destruktive Potenz des Konjunktivs", die Lichtenberg daran gehin-
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dert habe, mehrere geplante epische Werke tatsächlich zu realisieren. Der „Möglichkeitssinn" sei bei Lichtenberg so radikal gewesen, daß er die indikativischen Elemente, die sich für ein großes Werk vergesellschaften müßten, immer wieder aufgehoben habe. Schöne operiert hier nicht allein stilanalytisch - seine Überlegungen führen bis zur Gattungstheorie. Der Konjunktivgebrauch Lichtenbergs erweise sich als ..fundamentales Unterscheidungskriterium" (129), wenn es um die Abgrenzung von spanischen, italienischen und französischen moralistischen Maximen gehe. Es ergeben sich erstaunliche Analogien zu den bei Novalis ebenfalls häufigen Konjunktiv-Morphemen, zu dessen konjunktivischen Fragesätzen und den konditionalen Strukturen seines naturwissenschaftlichen Denkens. Doch werden auch Unterschiede zum spekulativen naturphilosophischen Romantiker, zu dessen dogmatischer „Hofsprache der Hypothesenmacher" kenntlich gemacht: Der Romantiker Novalis treibt den Zweifel der Hypothese nicht so weit, daß er zum "Zuchtmeister der Spekulation" (141) wird. Lichtenberg habe als Experimentalphysiker und Schriftsteller gehofft, die schon im 18. Jahrhundert sich allmählich abzeichnende Entfremdung sprachlicher und naturwissenschaflicher Kultur zu überwinden. Die Rezeption solchen Denkens in der Literatur des 20. Jahrhunderts - bei Canetti, Heißenbüttel und Musil - bezeuge die Produktivität des Lichtenbergschen Ansatzes, die Welt als Versuchsstätte zu begreifen, in der es nicht nur eine Welt gibt: Die zahlreichen möglichen anderen Welten eröffnen einen unendlichen Spielraum der Einbildungskraft. Ohne Frage ist dies eines der wichtigen Werke über Lichtenberg, zumal es an stilkritischen Untersuchungen der Sudelbücher bisher immer noch gefehlt hat. Die außerordentlich differenzierte Demonstration verschiedener Funktionen des Konjunktivs bei Lichtenberg macht diese Darstellung zur Pflichtlektüre für Lichtenberg-Forscher und wohl auch -Liebhaber. Das einhellig begeisterte Echo von seiten rezensierender Journalisten legt solche Aufnahme nahe. Was aber ist - von der Konjunktiv-Analyse in stilkritischer Hinsicht einmal abgesehen -an der These dieses Buches neu? Hat niemand zuvor den Zusammenhang zwischen Lichtenbergs Möglichkeitsdenken, seinen zahlreichen Hypothesen und der professionellen Experimentalphysik gesehen? Ein letzter Abschnitt des Textes ist mit "Forschungsbericht" überschrieben. Seit Schleiermachers Rezension (1801), in Arbeiten von P. Hahn ( 1939), R. Koehne (1963) und R. Wildbolz ( 1969) tauchte der Gedanke an eine Symbiose dieser Art immer wieder auf, wurde jedoch nach Meinung des Verfassers nie genügend entfaltet. Für Schöne ist das historische Datum dieser 'Forsr,hungsrichtung' das Jahr 1961, als seine Musil-Studie über den Konjunktivgebrauch erschien - darin waren schon Hinweise auf Lichtenbergs Konjunktive zu finden. Was Mautner (1968), Gockel (1973), Wuthenow (1976) und Knauff (1977) im Hinblick auf den Konjunktivgebrauch entwickelt haben, ist gewiß von der Schöneschen Musil-Studie abhängig. Doch wird der Leser hellhörig, wenn Wuthenow "in nicht ganz korrekter Weise" ( 163) Übernahmen aus dem Musil-Aufsatz und Lichtenberg-Vorträgen unterstellt werden. Wuthenow hat 1984 1 darauf geantwortet: Es handle sich bei seinem Essay über "Lichtenbergs Skepsis" um die erweiterte Fassung seines Vortrags für das Habilitationskolloquium vor der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen im Jahre 1967. Die Kenntnis des MusilAufsatzes räumt er selbstverständlich ein. Angenommen, Albrecht Schöne habe den
Ralph-Rainer Wuthcnow, Das Bild und der Spiegel. Europäische Literatur im 18. Jahrhundert, Milnchcn/Wien 1984, S. 220.
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Kolloquiumsvortrag Wuthenows gehört -sollte es dann nicht denkbar sein, daß auch er etwas von dem damaligen Habilitanden über Lichtenbergs Skepsis lernen konnte? Die Göttinger Magisterarbeit von Manfred Knauff über „Lichtenbergs Sudelbücher" hat, wie Schöne vermerkt, entsprechende Anregungen „aus meinem damit befaßten Hauptseminar des Sommersemesters 1974" aufgenommen ( 163). War die in Göttingen entstandene Magisterarbeit so unselbständig, daß ihr einzig die ungenaue Schätzung des Konjuntivvorkommens vorgeworfen werden muß (Knauff: ca. 20 %, Schöne: 28,3 %)? Das wiederholte Einklagen des geistigen Eigentums an Konjunkliverkenntnis bei Lichtenberg bringt - wie berechtigt es auch sein mag - einen Mißton in das sonst so schöne Buch. Über die Generalthese läßt sich streiten. Die Entdeckerlust in konjunktivischen Gefilden verleitet den Verfasser allmählich dazu, dem Instrument . Konjunktiv" eine Mächtigkeit zuzusprechen, welche von den stilistischen Befunden her nicht evident erscheint. Der Konjunktiv in Lichtenbergs Verwendung wird geradezu ontologisiert. 2 So heißt es auf Seite 123: „ Vorwärtsgetrieben von der im Konjunktiv wirkenden spekulativ-experimentellen Expansionskraft und zurückgehalten zugleich von der gleichermaßen in ihm beschlossenen kritisch-skeptischen Verhinderungsgewalt, blieb Lichtenberg stecken im konjunktivischen Stückwerk, hat er sich im Sudelbuchkleinzeug (buchstäblich) verzettelt." Wenn hier der Konjunktiv bereits als eigene Kraft erscheint, so erreicht er zwei Seiten weiter bereits die Würde eines Genius. Selbst wenn die Formulierung hier ironisch-fiktiv gemeint sein sollte, gibt sie doch eine Tendenz wieder, die Schönes Darstellung immer mehr bestimmt: „Wie es der 'Genius' des Konjunktivs war, der ihm da den Befehl zur großen verändernden Tat zuraunte, welche das als möglich Gedachte umsetzt in Wirkliches, war es doch dieser Doppelstimmige auch, der ihm das Verbot der Tat zuflüsterte, weil - vor allem Handeln schon - das wirklich Gewollte dem Anspruch des Möglichen niema ls standzuhalten vermöchte." ( 125) Es hätte den erzielten stilkritischen Ergebnissen nicht geschadet, wäre auf solche Überhöhung einer grammatischen und stilistischen Möglichkeit verzichtet worden. Am Anfang von Lichtenbergs Möglichkeitsdenken steht doch wohl nicht das Instrument des Konjunktivs, sondern ein komplizierter Komplex aus naturwissenschaftlichen, rhetorischen und literarischen Anregungen. Die „ars inveniendi" konnte Lichtenberg schon bei Bacon finden; bei diesem ist die Suche nach dem „Hebzeug", nach dem „Finder für alle Dinge" vorgeprägt. Die rhetorische „ars inveniendi" wurde in Bacons naturwissenschaftlicher Lehre aufgehoben. In welchem Maße Lichtenberg in der Lage war, Fiktionen zumindest in Ansätzen auszuspinnen, zeigen auch seine epischen Fragmente. Auf die Bedeutung der „ars inveniendi" hat bereits Paul Requadt hingewiesen. 3 Am Anfang der Lichtenbergschen Denkentwicklung stehen doch wohl solche Angebote der Tradition, die der Experimentalphysiker und Autor aufgegriffen und in seinen häufigen Konjunktivformulierungen zum Ausdruck gebracht hat. In dem geistreichen Aufsatz „Der kategorische Konjunktiv" von Helmut Plessner, den Schöne wiederholt zitiert, findet sich die elementare Feststellung: „Der Mensch fällt nicht mit seiner Sprache zusammen. Sie bleibt sein Instrument auch da, wo sie ihn am Sehen hindert."4 Nicht völlig überzeugend sind auch die Passagen, in welchen Lichtenbergs Experimentalphysik umschrieben wird. Der Eindruck entsteht leicht, als habe Lichtenberg - nach
2 Vgl. dagegen die (frühere) sinnvolle Beschreibung des Konjunktivs als „Instrument", S. 78 f. 3 Lichtenberg, Stuttgart 2 1964, S. 162f. 4 Mit anderen Augen. Aspekte einer phi losophischen Anthropologie, Stuttgart 19&2, S. 104.
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wenigen Vorläufern - erstmals so richtig experimentiert. Die Historiker der Naturwissenschaften können darauf verweisen, daß seit Beginn des 18. Jahrhunderts an mehreren europäischen Universitäten experimentiert wurde, daß neben den von Schöne zitierten Handbüchern eine größere Zahl weiterer Hilfsmittel bereits zur Hand waren. 5 Es wäre auch zu überdenken, ob Lichtenberg als Naturwissenschaftler nicht eher zu den Beobachtenden gehörte als zu den vorwiegend Experimentierenden. Der Astronom Peter Brosche hat den Göttinger Experimentalphysiker eher den Beobachtern zugerechnet. 6 Bleibt das Buch im Hinblick auf seinen Haupttitel -„Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik" - die historische Präzisierung dessen ein wenig schuldig, was im 18. Jahrhundert im allgemeinen und im besonderen für Lichtenberg Experimentalphysik bedeutet hat, so gilt dies noch mehr für „Aufklärung". Das mit „Grundsätze der Aufklärung" überschriebene Kapitel(§ 5) ist das kürzeste des ganzen Buches. Aufklärung ist ja bekanntlich ein Thema, über das nicht viel zu sagen ist. Wäre es nicht möglich gewesen, statt der bis zum Überdruß bemühten Antwort Kants auf die Frage „Was ist Aufklärung?" einmal einige umfassendere Ergebnisse neuerer Bemühungen um philosophische Aufklärung zu referieren? Aufklärung ist nicht nur Selbstdenken, sondern auch Hell- und Richtigdenken, Freidenken und umfassende Selbstkritik gerade in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Auf diesen Aspekt weist Schöne mit drei Sätzen hin. Hinter die Positionen der Aufklärungsdarstellung von Werner Schneiders' ist schlechterdings nicht mehr zurückzugehen. Schöne kennt diese Darstellung offenbar nicht. Wenn der Konjunktiv dann geradezu zum „Zeichen für Aufklärung" befördert wird, ist Skepsis dringend angebracht. Aus der Nähe gesehen, bleiben die Verdienste des Buches in der Lichtenbergschen Stilanalyse bestehen. Allerdings ist seine Anmut bei großzügigem Druck und vielen Leerseiten nicht leicht erkauft. Insgesamt fünf studentische Helfer werden erwähnt, welche die wohl nicht immer angenehme Aufgabe hatten, die Lichtenbergschen Konjunktive - „Hirsekörner" werden sie vom Verfasser genannt - zu zählen. Dagegen ist nicht das geringste einzuwenden. Doch erscheint der Aufwand ein wenig groß für ein Büchlein, dessen Thesen unschwer auch in einem umfangreicheren Aufsatz hätten Platz finden können. Der Rezensent hat die Ergebnisse gelegentlich in Form eines Vortrags des Verfassers kennengelernt. Wesentlich Neues ist im Buch nicht hinzugekommen, aber es liest sich gut und gewinnt sicher - gerade auch unter Nichtphilologen - Lichtenberg Gerhard Sauder (Saarbrücken) neue Leser.
ERNST SCHUBERT, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, in: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe IX, Bd. 26, Degener Neustadt a. d. Aisch 1983, 486 S., 75,00 DM. Der Autor macht uns mit jenem sozialen Umfeld vertraut, von dem Obrigkeiten in allen Teilen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation glaubten, es mittels spezieller Bettelordnungen gestalten zu können. Es geht ihm also nicht um die Geschichte der
5 Vgl. Andreas Kleinert , Mathematik und anorgan ische Naturwissenschaften , in: Rudolf Vierhaus (Hg.), Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, Göttingen 1985, S. 218-248. 6 Peter Brosche, Die Wahrnehmung der Natur, in: Photorin, Heft 7-8, Januar 1984, S. 36. 7 Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung, Freiburg/München 1974.
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Armenanstalten in Nürnberg, Würzburg, Bamberg oder Bayreuth oder um eine sektorale Verwaltungsgeschichte eines oder mehrerer fränkischer Territorien, und schon gar nicht nimmt der Autor Bettel- und Armenordnungen als Maßstab, um die Qualität von Verwaltungen oder etwa die Musterhaftigkeit von Stadt-, Dorf- oder Landeseinwohnerschaften zu beschreiben. Auch der Reichskreis ist für diese Arbeit nicht von großer Relevanz. Franken stellt mehr ein geographisch zu bestimmendes Gebiet dar, und warum das bei dem hier behandelten Sachverhalt so ist, wird überzeugend dargelegt. Der Autor wendet sich also jenen Gruppen zu, - die in Bettelordnungen in schöner Regelmäßigkeit genannt werden, - die in Armen- und Spitallisten vermerkt wurden und - über die in gelehrten Artikeln räsoniert wurde. Gut ein Viertel des Textes wird genutzt, um durch .sozialgeschichtliche Streiflichter und Perspektiven" den Leser mit Gegebenheiten Frankens im 18. Jahrhundert bekanntzumachen. (Den Nicht-Franken sei geraten, zur Lektüre einen Geschichtsatlas zur Hilfe zu holen, manche Feinheit entgeht einem sonst trotz all der anerkennenswerten Mühen zur Einweisung.) Das eigentliche Thema ist - in den Worten der Gliederung- wie folgt zu beschreiben: Armut und ße11el ( 1. arme Leute in Stadt und Land, 2. Bettel und Bettelordnungen); Fahrendes Volk, Gauner und Räuber ( 1. ' Herrenloses Gesindel', Lebensform und Existenzproblem, 2. die obrigkeitliche Bekämpfung der Landfahrer, Gauner und Räuber). 139 Seiten Anmerkungen und 17 Seiten Literaturverzeichnis zeigen auf, wie sorgfältig hier vorgegangen wurde. Und trotzdem: Nicht immer ist die quellenmäßige Absicherung so ganz überzeugend. Wir sind hier bei einem Grundproblem dieser und aller vergleichbaren Arbeiten. Sowohl die vielen Quellenlücken als auch die nicht vollständig vorgenommene und auch nicht vornehmbare Auswertung aller Archivalien machen solche Arbeiten methodisch angreifbar. Es entsteht leicht der Eindruck der Zufälligkeit, ja der Beliebigkeit der ausgewählten Quellen. Dieser Sachverhalt ist dem Autor wohl bewußt, und er wird in der Einleitung erfreulicherweise offen und deutlich ausgebreitet. Wer sich - dieser Einschub sei hier gestattet - über die Leistungfähigkeit der generellen Konzepte Gesamtschau und Einzelstudie ein Bild machen möchte, der sollte auch zu der guten Dissertation von Claus Kappl (Die Not der kleinen Leute. Der Alltag der Armen im 18. Jahrhundert im Spiegel der Bamberger Malefizamtsakten, Bamberg 1984), einem Schüler des Autors, greifen. Der Autor selbst nutzt die zugänglichen Quellen in einem ausgewogenen Verhältnis. Für den ländlichen Raum ergibt dies eine wohl bisher noch nie erreichte Dichte, die Welt der großen Städte wird dagegen mehr am Rande behandelt. Neben eigenem Aktenstudium greift der Autor auf 14 Staatsexamensarbeiten aus dem Kreis seiner Studenten zurück und wertet neben den zeitgenössischen Veröffentlichungen auch alle Arten anderer Literatur, die zum Thema gehört, aus. Über weite Strecken ist das ganz ohne Probleme, bereichert es die Vielfalt der Darstellung ungemein. An einigen wenigen Stellen ist es für den Rezensenten aber nicht ganz nachvollziehbar, wie die übernommenen Ansichten in das Gesamtkonzept passen. Da wird zum Beispiel verallgemeinert bei Dingen, die für Franken eindeutig belegt sind, aber eben nur für Franken. „Die Juden verloren ihren urbanen Lebensraum und werden auf das Land abgedrängt. Der Dorfjude ist seitdem bis ins 19. Jahrhundert hinein, die typische Erscheinungsform jüdischer Existenz." (S. 151) Der Kontext erlaubt nur den Schluß, dies solle überall in Deutschland so sein. Dem muß man aber entgegenhalten, daß für ganz Nordwestdeutschland Dorfjuden nur die berühmte Ausnahme von der Regel sind. Oder: .In Nürnberg wurden in den beiden Jahren 1703 und 1704 insgesamt 11 240 arme Menschen auf diese Weise an den Stadttoren abgefertigt und allein im Jahre 1731
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waren es bereits 22 839, die ihr kümmerliches Viatikum erhielten". (S. 179) Das klingt doch, als sollte hier eine "Entwicklung" angenommen werden, wobei der Autor doch an anderer Stelle überzeugend darlegt, daß davon nicht ausgegangen werden könne. Die Themenstellung erfordert vielfältige, oft nur schlagtichtartig aufzeigbare Verknüpfungen. Es fällt dabei mehrfach auf, daß dazu die Spezialliteratur nicht herangezogen wurde. Dies anzumahnen, klingt überzeugend, in der Realität ist eine solche Forderung bei Gesamtschauen dieser Art aber nur schwer einzulösen. Die damit verbundene Problematik sollte man aber nicht übergehen. Dazu ein Beispiel: Auf fast einer Druckseite wird die "Geschichte der Pockenschutzimpfung in Franken" kurz gestreift. Die ersten Impfungen werden für 1770 nachgewiesen, der eigentliche Durchbruch mit 1807 angegeben. Darauf folgt dann: "Bis dahin galt der harte Satz, den schon 1790 ein Bamberger Aufklärer angesichts der großen Reserven gegen die Impfung gesprochen hatte: 'Man opfert ebender Kinder als Vorurtheile aur." (S. 21) Der erzielte Durchbruch hat nun aber wohl wenig mit dem gestiegenen Grad der Aufklärung zu tun, sondern vor allem mit der ab 1800 erfolgten Einführung der Kuhpockenimpfung. Sie wurde in allen Regionen und von allen Kreisen akzeptiert, weil mit ihr faktisch kein Impfrisiko verbunden war. Bei der Inokulation nicht mehr voll virulenter Menschen-Blattern bestand auch bei sorgfältigster Durchführung bei 3 bis 8 von Hundert aller Fäll~ die Gefahr des tödlichen Ausganges. So ganz unbegründet war die Zurückhaltung der Franken bis 1800 also nicht. Kehren wir zurück zur Gesamtschau: Schon während der ersten Lektüre kamen dem Rezensenten - und anderen Lesern wird es wohl ähnlich gehen - trotz der ungewöhnlichen Breite und Tiefe der Darstellung noch viele Dinge in den Sinn, die er gerne ausführlicher oder überhaupt besprochen gesehen hätte. Der Leser wird geradezu provoziert, sich dem Vorgehen des Autors anzuschließen und den vorgestellten Aspekten weitere hinzuzufügen und das aufgezeigte Beziehungsgeflecht auszuweiten. Ein im wahrsten Sinne des Wortes anregendes Buch - ein bei regionalgeschichtlichen Werken nicht gerade häufig auszusprechendes Lob. Wie gelingt es dem Autor, seine Leser(innen) so einzufangen? Nun, das Thema kommt ihm dabei entgegen, und der Stil der Darstellung trägt ebenfalls dazu bei. Zum anderen aber auch deswegen - und das macht die Stärke des Buches aus - , daß eine Gesamtschau versucht wird. Hier werden Dinge zueinander gebracht, von denen manja eigentlich schon immer wußte, daß sie irgendwie zusammengehören. Warum es dann hier erstmals geschah? Das liegt sicherlich an der befürchteten negativen Kritik, zu der ein solches Vorgehen stets Anhaltspunkte liefert. (Der Rezensent will sich da nicht ausnehmen.) Über "Das 'Straf-Arbeitshaus· St. Georgen bei Bayreuth" kann man bei Rudolf Endres (Ch. Sachße, F. Tennstedt: Jahrbuch der Sozialarbeit 4, Reinbek 1981) Ausführlicheres nachlesen und vergißt dabei schnell, daß Vergleichbares für alle Zuchthäuser Frankens nicht zur Verfügung steht. Mit der Qualität solcher Kleinstudien kann eine solche Gesamtschau nicht in Konkurrenz treten, Flächendeckung ist wegen der fehlenden Quellen einfach nicht zu erreichen. In den Augen des Rezensenten sind solche Gesamtschauen für den Fortgang der Forschung von großer Wichtigkeit. Sie stellen einen Beziehungsrahmen vor, in den Teilstudien eingepaßt werden können, und bewahren so besonders junge Autoren und solche, die einer Region sehr verbunden sind, vor unangebrachten, ja gänzlich irreführenden Engführungen und öffnen dem Fachmann den Blick für Sonderfälle aller Art. Es ist zu hoffen, daß bald auch für andere Regionen vergleichbare Versuche unternommen werden. Und wenn es der Autor wohl auch gar nicht so gern hört, aber sein Buch belegt es unzweideutig: Das Franken des 18. Jahrhunderts unterscheidet sich in bezugauf d.ie Lage der Bettler, Gauner, Räuber aber auch der Juden und Zigeuner in vielen Punkten erheblich von anderen deutschen Gebieten.
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Da der Autor seine Positionen so erfreulich offen ausspricht, kann der Rezensent nicht umhin, auch dazu noch seine Anmerkungen zu machen. Wenn einem das Konzept 'Sozialdisziplinierung' nicht paßt, so muß man doch nicht gleich die ganze Sozialgeschichte verdammen. Auch der Autor weist doch nach, daß die Welt der Armen keineswegs eine einheitliche war. Er zeigt doch selbst eine Stratifikation auf, und auf die hätte er ruhig deutlicher hinweisen können. Gemeinsame Abneigung oder gar gemeinsamer Haß auf die Bettelvögte bedeutet noch lange nicht, daß man die so Vereinten als eine einheitliche Gruppe ansehen kann. Selbst in den Verordnungen wird die Klientel nicht als Einheit betrachtet, und die dabei gemachten Unterscheidungen, so zeigt doch auch dies Buch, waren offenbar auch im Bewußtsein der übrigen Bevölkerung veranken. Die Befunde werden am Ende dazu genutzt, allerlei Zutreffendes über den Absolutismus generell zu sagen. Ganz so neu, wie hier der Eindruck erweckt wird, sind diese Vorstellungen allerdings nicht. Und zugestandenermaßen, die fränkischen Landesobrigkeiten haben es nicht verstanden, das Problem der herumziehenden Bettler und Gauner zu lösen und der Position Armenvogt ein angemessenes Ansehen zu verleihen. Ob diese Feststellungen aber schon ausreichen, um allgemeine Aussagen über die Qualität von Verwaltungen im 18. Jahrhundert zu machen? Wie dem auch sei- ein überaus nützliches und interessantes Buch. Peter Albrecht (Braunschweig)
MITTEILUNGEN
Die Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts (DGEJ)
Jahrestagung 1986 ~Stadtkultur im achtzehnten Jahrhundert. Elfte Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts vom 19. bis 22. November 1986 in Hamburg" Unter der Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, Klaus v. Dohnanyi, hat in Zusammenarbeit mit der Patriotischen Gesellschaft von 1765 die Jahrestagung 1986 in Hamburg stattgefunden. Die Vorbereitung lag in den Händen von Rainer Gruenter, Wuppertal, Gotthardt Frühsorge, Wolfenbüttel, Franklin Kopitzsch, Hamburg, und Erich Braun von der Patriotischen Gesellschaft.
Jahrestagung 1987 „Europäische Aufklärung. Einheit und nationale Vielfalt" Diese Tagung findet im November 1987 wieder in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel statt und wird von Siegfried Jüttner und Jochen Schlobach vorbereitet und geleitet werden.
Auflc lärung 1/2 " Felix Meiner Verlag, 1986. ISSN 0178-7128
AUFK LÄ RUNG · JAHRES INHALT 1986
Heft 1/ 1986 Eklektik, Selbstdenken, Mündigkeit Herausgegeben von Norbert Hinske Avertissement an die Leser
3
Einleit ung Norbert Hinske: Eklektik, Selbstdenken, Mündigkeit - drei verschiedene Formulierungen einer und derselben Programmidee • . . . . . . • . . . . . . . . . .
5
Abhandlungen Günter Gawlick: Die ersten deutschen Reaktionen auf A. Colins' " Discourse of Free-Thinking" von 17 l 3 . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Alois Winter: Selbstdenken - Antinomien -Schranken. Zum Einfluß des späten Locke auf die Philosophie Kants • • . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . .
27
Ulrich Herrmann: „Eklektik" und "Systematik" in der erziehungswissensc haftlichen Diskussion in Deutschland im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . • . . .
67
Ku rzbiographie Martin Bollacher: Wilhelm Abraham Teller (1734-1804)
81
Diskussionen und Berichte Sonia Carboncini: Metafisica e religione nel settecento tedesco (Pisa, 18-19 settembre 1984) . . . . . • • . . . . . . . • . .
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Birgit Nehren: Selbstdenken und gesunde Vernunft. Über eine wiedergefundene Quelle zur Berliner Mittwochsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rezensionen J. N. Adams und G . Averley ( Hg.). A Bibliographyof Eighteenth Century Legal Literature (Eckhart Hellmuth) • . . . . . • . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrhard Bahr, Edward P. Harris und Lawrence G. Lyon (Hg.). Humanität und Dialog. Lessing und Mendelssohn in neuer Sicht (Willy Hayum Goetschel) Alexander Gottlieb Baumgarten, Texte zur Grundlegung der Ästhetik (Reinhard Brandt) . • . . . . . . . . • • • . . . . • . • • • . . . Alexander Gottlieb Baumgarten, Theoretische Ästhetik . Die grundlegenden Abschnitte aus der ..Aesthetica" (Reinhard Brandt) • . • . . . . . • . , • • . . . . . • • . . • . . .
103 104 I06
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Alexander Gottlieb Baumgarten, Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus. Philosophische Betrachtungen über einige Bedingungen des Gedichtes (Reinhard Brand) • • • • • . . . • • • • • . . . . • • • . . • . . . . . . . . . . • . Heinrich Böckerstette, Aporien der Freiheit und ihre Aufk lärung durch Kant (Hans-Jürgen Engfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . • • • . • . . • • • • • • Raffaele Ciafardone, L'llluminismo tedesco (Sonia Carboncini) Otto Dann (Hg.), Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich (Etienne Fran~is) . • . • • • • . . • . • . . . • • . . • • • • • • • . . • Hubert Ch. Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert (Albert Cremer) . . . . . . . . • . . . . • • . . . . . • . • . . . . Ulrich Herrmann (Hg.), . Die Bildung des Bürgers·. Die Formierung der bürgerlichen Gesellschaft und die Gebildeten im 18. Jahrhundert (Hanno Schmitt) • • • • . . • • Hans-Georg Kemper, Gottesebenbildlichkeit und Naturnachahmung im Säkularisierungsprozeß. Problemgeschicht liche Studien zur deutschen Lyrik in Barock und Aufklärung (Wi lhelm Große) • • . . . . • • • • . . . . . • • . . . • • . . . • • Philosophie der Schule - Philosophie für die Welt (Christoph Böhr) . • . Werner Schneiders (Hg.), Christian Wolff. 1679-1754 (Reinhard Finster)
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Mitteilungen Die Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts (DGEJ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Heft 2/1986 Französische Revolution und deutsche Literatur Herausgegeben von Karl Eibl Einleitung. Von Karl Eibl
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Abhandlungen Jürgen Link: Die Revolution im System der Kollektivsymbolik. Elemente einer G rammatik interdiskursiver Ereignisse . . . .
5
Norbert Oellers: Literatur für die Mehrheit? Notizen über Heinrich August Ottokar Reichard und seinen »RevolutionsAlmanach" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ralph-Rainer Wuthenow: Experimentalpolitik? Die Französische Revolution in Lichtenbergs 'Sudelbüchern'
43
Gonthier-Louis Fink: Schillers 'Wilhelm Tell', ein antijakobinisches republikanisches Schauspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Wolfgang Düsing: Schiller und die Französische Revolution in Peter Weiss' ' Hölderlin' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Kurzbiographie Johann August von Einsiedel ( 1754-1837)
99
Literatur zum Thema des H eftes
101
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Manfred Agethen , Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung (Ulrich Im Hof) . . . . • • . . . . . • • • . • . . . • • . • • • . . . . . Matthias Benad, Toleranz als Gebot christlicher Obrigkeit. Das Büdinger Patent von 1712 (Diethelm Klippe!) . . . . . • . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • • • • . Michael W. Fischer, Die Aufklärung und ihr Gegentei l. Die Rolle der Geheimbünde in Wissenschaft und Politik (Hans Grass!) . . • • . . . . . . . • • . . . . . . . . • • . Etienne Frani;ois, Koblenz im 18. Jahrhundert. Zur Sozial- und Bevölkerungsstruktur einer deutschen Residenzstadt (Franklin Kopitzsch) . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . Gerard Gayot , La Franc-mai;onnerie fran~aise, texteset pratiques, XVIIIe- x1xe siecles. Ran Halevi, Les loges ma~onniques dans la France d'Ancien Regime. Aux origines de la sociabilite democratique (Etienne Fran