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German Pages [444] Year 2010
Arbeiten zur Archäologie
Athenastatuen der Spätklassik und des Hellenismus von
Ina Altripp
2010 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: In I 1, Ausschnitt (vgl. Tafel 1)
© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: MVR Druck GmbH, Brühl Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-18306-6
VORWORT Die vorliegende Arbeit ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner im Rahmen der 1999 abgeschlossenen Promotion an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn eingereichten Dissertation. Daß die Veröffentlichung weit länger gedauert hat, als dies wünschenswert gewesen wäre, hat diverse Gründe. Zur familiären Auslastung kam eine schwere Erkrankung, die persönlich verarbeitet werden mußte, und danach eine anstehende berufliche Fortbildung außerhalb der Archäologie. Über das grundsätzliche Zeitproblem hinaus liegen aber weitere Gründe für die Verzögerung auch in gewissen Bedenken, denen eine Veröffentlichung direkt im Anschluß an die Promotion kaum Zeit und Raum gelassen hätte. Vielleicht wäre das besser gewesen - nach diesen Jahren der Distanz zum eigenen Werk jedoch gebot es die wissenschaftliche Ehrlichkeit, auch denkbare Alternativen noch anzudeuten, um dem Leser ein eigenes Urteil zu ermöglichen. Hinzu kommen schließlich einige wenige Anregungen, die sich in der Zeit der immer wieder sporadischen Überarbeitung ergaben und die zumindest noch zur Diskussion gestellt werden sollten. Es sind lediglich Ansätze geblieben, denen im Einzelnen nachzugehen bedeutet hätte, den Rahmen der Publikation der Dissertation zu überschreiten. Dennoch durften sie m. E. nicht unerwähnt bleiben. Ein weiterer Grund für das zögernde Erscheinen ist auch in Anmerkung 7 nachzulesen und hat damit zu tun, daß das Thema der vorliegenden Arbeit sozusagen ein übriggebliebenes war, das sich nur mit stilistischen Methoden bearbeiten ließ, deren Akzeptanz zu anderen Zeiten weit größer war als heute. Im gleichen Zusammenhang sind auch die aus heutiger Sicht zu ausführlichen Vergleiche zu sehen, die während des Verfassens der Arbeit in den 90er Jahren methodisch wichtig schienen und im Nachhinein nicht mehr aus dem Gang der Argumentation zu lösen gewesen wären, ohne daß sie dort Lücken hinterlassen hätten. Des weiteren zeitverzögernd war das Beschaffen zur Publikation geeigneter Abbildungen samt Erlaubnissen von diversen Museen. Da es sich um eine Katalogarbeit handelt, war es mir jedoch ein Anliegen, einen möglichst umfangfreichen Abbildungsteil mitzuliefern, damit die Arbeit über den Text hinaus nützlich sein kann. Folgenden Institutionen sei an dieser Stelle für ihre Kooperation gedankt: Den Stellen des DAI in Rom und Athen, den Agora Excavations der American School of Athens, der Amministrazione Principe Torlonia, dem Athener Nationalmuseum, dem Ashmolean Museum Oxford, den Staatlichen Museen zu Berlin, dem Calvet-Museum in Avignon, dem Museo Castromediano in Lecce, dem British Museum London, dem Kunstmuseum Budapest, der Eremitage St. Petersburg, der Fondation The´odore-Reinach in Beaulieu-Sur-Mer, dem Forschungsarchiv für römische Plastik in Köln, der Galleria Colonna in Rom, den Staatlichen Museen Kassel, der Glyptothek in München, dem Museum von Heraklion auf Kreta, dem Louvre in Paris, dem Matsuoka Museum of Art in Tokyo, dem Merseyside Museum Liverpool, dem Metropolitan Museum New York, dem Nationalmuseum in Stockholm, der Ny Carlsberg Glyptotek Kopenhagen, dem Museo Archeologico Regionale in Palermo, dem San Antonio Mu-
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VORWORT
seum of Art, dem Santa Barbara Museum of Art, dem Museo del Sannio in Benevent sowie den Vatikanischen Museen in Rom. Persönlich danke ich folgenden Damen und Herren der griechischen und italienischen Antikenverwaltungen, die mir die Publikation der einzelnen Statuen erlaubten: L. Brecciaroli, M. C. Guidotti, R. Friggeri, A. Gallina Zevi, G. L. Ravagnan, G. Steinhauer, A. Sommella Mura, C. Vlassopoulou. G. Koch stellte dankenswerterweise Fotos aus seiner Dokumentation albanischer Sammlungen zur Verfügung. Ich widme dieses Buch meinem 1991 verstorbenen Vater Hans-Erhart Stier, der das Interesse an der Antike, ohne daß es ihm selbst zum Beruf geworden wäre, an mich weitergegeben hat. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch meinen Gymnasiallehrer P. Ruh, dessen lebendige Art des Unterrichtes in den Fächern Latein, Griechisch und Geschichte die Faszination an der Antike schon früh begünstigt hat. Mein Mann Michael Altripp hat mir bei Textverarbeitung, Formatierung und diversen layout-bedingten Änderungen geholfen und damit die langmütige Arbeit von S. Hartmann und E. Mohr vom Böhlau-Verlag entscheidend unterstützt. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Doktorvater Nikolaus Himmelmann, dessen letzte Promovendin ich sein durfte. Weiter möchte ich im Nachhinein meinen Bonner Kommilitonen und Kommilitoninnen danken, die die Entstehungszeit der Arbeit bereichert und durch ihre Anteilnahme erleichtert haben. Eva Ebel übernahm das Korrekturlesen, unterstützt durch Nathalie Fiechtner und Susanne Hobbold. Marion Grether sorgte für die Digitalisierung des Bildmaterials. Für Hilfe, Ratschläge und weiterführende Gespräche danke ich ferner W. Geominy, A. Mantis, E. Mathiopoulos, H. H. v. Prittwitz und Gaffron, A. Scholl, E. Simon, A. Villing und C. Vorster, für die Übernahme des Korreferates M. Meyer. W. Schürmann, der sozusagen parallel den Athenatypus Vescovali für die Reihe Antike Plastik bearbeitet hat, bin ich für den offenen Austausch verbunden. Zu danken ist auch der Gerda-Henkel-Stiftung, die das Entstehen der Arbeit durch ein zweijähriges Stipendium und Material- sowie Reisekostenzuschüsse gefördert hat und ohne deren finanziellen Beitrag zur Drucklegung sich die Publikation dieser Arbeit noch weiter verzögert hätte.
INHALT
Einleitung ................................................................................................................................... 1
I. DIE SPÄTKLASSISCHEN TYPEN
1. Typus Ince und methodische Vorraussetzungen ....................................................................... 4 Forschungsgeschichte 4 - Replikenliste 5 - Rekonstruktion des Originals 6 - Struktur und Aufbau 10 - Datierung 11 - Bemerkungen zur Typologie anhand der Datierung durch Reliefs 14 - Die Meisterfrage 18 - Ince-ähnliche Statuetten 22 - Fazit 33 - Zu den Begriffen „Typus“ und „Darstellungstypus“ 33 - Zum Klassizismusbegriff 36 - Der hier angewandte Begriff des Darstellungstypus 37 - Der hier angewandte Begriff der Kopie 39 - Der hier verwandte Klassizismusbegriff 40 - Ausblick 41
2. Typus New York .................................................................................................................. 42 Replikenliste 42 - Rekonstruktion des Originals 42 - Struktur und Aufbau 43 - Datierung 43 – Verhältnis zum Typus Ince und typologische Einordnung 44 - Verwandtheit mit polykletischen Werken 45 - Exkurs: Zum Basler Athenakopf 47 - Zum Darstellungstypus der Athena mit übergürtetem Peplos und korinthischem Helm 48
3. Typus Rospigliosi ................................................................................................................ 51 Die Verwechslung der Kopftypen 51 - Forschungsstand 53 - Replikenliste 55 - Rekonstruktion des Originals 56 - Struktur und Aufbau des Originals 61 - Datierung und Diskussion anderer Datierungsvorschläge 62 - Äußerungen zur Künstlerfrage 70 - Zu Deutung und Interpretation des Typus 73 - Athena Rospigliosi und Apollon Lykeios - Parallelen und Beziehungen zur attischen Ephebie? 82
4. Kopftypus Kassel ................................................................................................................. 87 Replikenliste 87 - Forschungsstand 88 - Analyse und Datierung 89
5. Typus Ostia-Cherchel........................................................................................................... 93 Forschungsstand und Hephaisteionzuweisung 93 - Replikenliste 96 - Rekonstruktion des Originals 97 - Charakteristika von Struktur und Aufbau 99 - Datierung 100 - Die Gewandtracht 104 - Klassizistische Elemente des Typus - alternative Datierung? 106
INHALT
VIII
6. Typus Vescovali ................................................................................................................ 108 Forschungsstand 108 - Replikenliste 110 - Rekonstruktion des Originals 111 - Stilistische Analyse 114 - Datierung 116 - Kopfwendung und Kopftypus 119 - Die Künstlerfrage 121 Die Repliken der Villa Hadriana in Tivoli 125 - Athena Campana und andere verwandte Darstellungen 126 - Die Bronzeathena aus Arezzo 130 - Parallelen und Datierung 132
II. NICHT TYPUSGEBUNDENE EINZELWERKE DES 3. UND 2. JHS. V. CHR. UND DARSTELLUNGSTYPEN IHRES UMFELDES
1. Die Athena von der Akropolis ............................................................................................ 141 Datierung und Einordnung 142
2. Die Athenen Castro Praetorio-Heraklion ............................................................................ 148 Die Athena vom Castro Praetorio und das Daochosweihgeschenk 157
3. Kleinformatige Athenen im hochgegürteten Peplos - Areopaghaus-Typus .......................... 159 Liste der Exemplare 159 - Zur Typusfrage 159 - Rekonstruktion des Typus 161
4. Die kolossale Athena und die Athena mit der Kreuzbandaigis aus Pergamon ...................... 165 Die Athena aus der sog. Bibliothek von Pergamon 165 - Fundort und Datierung 169 – Athena mit der Kreuzbandaigis 176 - Die Kreuzbandaigis-Antiquaria 178
5. Athenen Mattei-Piräus-Kyrene ........................................................................................... 182 Stilistische Analyse und Unterschiede 186 - Verwandte Köpfe 186 - Tracht und datierende Eigenheiten 190 - Antiquaria 193 - Datierung 195 - Neuere Stellungnahmen zum Piräusfund 200 - Athena aus Kyrene 202
III. SPÄTHELLENISTISCHE ATHENATYPEN UND DER ÜBERGANG ZU RÖMISCH-KLASSIZISTISCHEN ATHENA-MINERVADARSTELLUNGEN
1. Typus Vatikan-Tokyo ........................................................................................................ 205 Forschungsstand 206 - Liste der Wiederholungen des Typus 206 - Rezension der Exemplare 207 - Analyse und Datierung des „Originals“ 209 - Einordnung und Datierung 210 - Motiv und Tracht 216 - Kontext mit Musen? 218 - Die verwandten Athenen in Turin und in Yalvaç 219 - Fazit 220 - Handwerkliche Beziehung zur Athena Mattei 221
2. Typus Tittoni ..................................................................................................................... 223 Liste der Exemplare 223 - Forschungsstand 223 - Rekonstruktion des Typus 224 - Analyse und Einordnung 226 - Datierung 228 - Zwei Athenen vom Fundort der Statuen der Familie des Valerius Flacchus in Magnesia 232
INHALT
IX
3. Ausblick: Gruppen römisch-klassizistischer Athenen/Minerven.......................................... 235
IV. ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................. 244 Überblick über die Entwicklung der Athenaikonographie aus der Sicht der Großplastik 244
V. ANHANG............................................................................................................................. 250
1. Bemerkungen zu den Athenadarstellungen auf Münzen ....................................................... 250 2. Zur zeitlichen Verteilung der Wiedergaben ......................................................................... 256 3. Zu den Gorgoneia - Mögliche Fixpunkte innerhalb der Kopienkritik.................................... 258
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ........................................................................... 262
VI. KATALOG .......................................................................................................................... 265
Register der Museen und Sammlungen .................................................................................... 341
Abbildungsnachweise/Copyrights ........................................................................................... 343
EINLEITUNG Während die großplastische Ikonographie der Göttin Athena bis in die hochklassische Zeit hinein bereits Gegenstand verschiedener Untersuchungen war, ist die Zeit danach bisher noch nicht umfassend betrachtet worden. Die vorliegende überarbeitete Fassung der Dissertation zur 1999 abgeschlossenen Promotion versucht, diese Lücke zu schließen. Sie wurde als thematische Fortsetzung der in den sechziger Jahren entstandenen Dissertation von E. Mathiopoulos über Athenadarstellungen des 5. Jhs. v. Chr. in Angriff genommen1 und beginnt daher mit dem in dieser Untersuchung nicht mehr berücksichtigten Typus Ince Blundell. Bezieht E. Mathiopoulos jedoch die Kleinkunst neben der Großplastik mit ein und verfolgt sie von den Statuen aus die ihrer Ansicht nach bis in Details auch späterer Kleinkunst spürbaren Auswirkungen der großplastischen Darstellungen, so erwies sich für die vorliegende Untersuchung ein anderer Ansatz als passend: Aus der Betrachtung der Großplastik ergab sich deren Einbindung in eine gleichzeitig übergeordnet existierende, zum Teil gattungsübergreifende Ikonographie und Stilistik der Athenadarstellungen, die nicht ausschließlich von der Großplastik geprägt, sondern von dieser höchstens in einer Art dialektischen Verhältnisses weiterentwickelt wird. Die Kleinkunst und ihre Äußerungen vor allem in Gestalt von Bronzestatuetten, Münzen und Vasenmalerei wurden berücksichtigt, soweit sich daraus eine Aussage für die dem jeweiligen großplastischen Typus zeitgleichen und somit auch für diesen gültigen ikonographischen Vorgaben gewinnen ließ. Durch die Beschränkung auf die Großplastik und die dieser Gattung nahestehenden Statuetten entsteht ein ungewollter Gegensatz zu einem wichtigen Ergebnis der Untersuchung, daß nämlich die Großplastik eigentlich nicht mehr, wie dies früher Konsens war, teilweise aber auch heute noch mehr oder weniger unbewußt vorausgesetzt wird, als hehre Kunst großer Künstler über allem stehend die Ikonographie geprägt haben kann, sondern daß sie auf gleicher Ebene in dialektischem Verhältnis zu den anderen Kunstgattungen steht und den gleichen, wenn auch teilweise gattungsimmanent eingeschränkten Bedingungen unterworfen war wie diese. Die anderen Gattungen sind jedoch in ausreichender Weise bearbeitet worden, sodaß die ausführliche Betrachtung der Großplastik hier gerechtfertigt erscheint, zumal alles Darüberhinausgehende den gegebenen Rahmen gesprengt hätte2. Im Anschluß an die Untersuchung von E. Mathiopoulos mit dem Athenatypus Ince Blundell zu beginnen, erwies sich im Nachhinein auch insofern als sinnvoll, als die Athena Ince aus kunsthistorischer Sicht tatsächlich den Wendepunkt vom hochklassischen zum spätklassischen Erscheinungsbild der Göttin markiert3. Zudem ermöglichte es die Konfrontation mit dem bisher stets direkt mit dem Typus Ince verbundenen, in Wirklichkeit jedoch etwas älteren Typus New 1 2 3
Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. Vgl. die Liste der abgekürzt zitierten Literatur S. 108 ff. Das spätklassische Erscheinungsbild der Göttin wird jedoch bereits im 5. Jh. durch Darstellungen wie die myronische Athena vorbereitet, s. Anm. 87.
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EINLEITUNG
York, der den gleichen Darstellungstypus verwendet wie der jüngere Typus, und die Gegenüberstellung einiger kleinformatiger Statuen von der Athener Akropolis gleich methodisch in medias res zu gehen und in anschaulicher Weise direkt am Objekt methodische Grundsätze zu klären. Die großplastischen Athenatypen des 4. Jhs. sind in der archäologischen Literatur bereits vom späten 19. Jh. an in zahlreichen einzelnen Beiträgen gewürdigt worden4. Für alle Typen finden sich darin Replikenlisten, die überprüft, ergänzt und bei Überschneidungen miteinander in Kongruenz gebracht werden mußten. Es stellt sich heraus, daß die statuarischen Athenatypen des 4. Jhs. v. Chr. gut überliefert sind; teilweise zahlreiche Repliken der gleichmäßig über den genannten Zeitraum verteilten Typen werfen Schlaglichter auf die Entwicklung der statuarischen Darstellung der Göttin. Die entsprechenden Athenatypen Ince Blundell und New York, Rospigliosi, Ostia-Cherchel und der durch die meisten Repliken vertretene Typus Vescovali sowie der einzeln stehende Kopftypus Kassel werden im ersten Teil der Arbeit in jeweils einem eigenen Kapitel vorgestellt. Aus den Repliken dieser Typen setzt sich auch der der Arbeit angefügte Katalog zusammen. Ebenfalls in den Katalog aufgenommen wurden die Exemplare der nach dem Fundort eines Exemplares benannten kleinformatigen Areopaghaus-Athena, die sich mithilfe des Begriffes „Darstellungstypus“ am besten zu einer typologischen Gruppe zusammenfassen lassen5. Sie gehören zu den im zweiten Abschnitt der Arbeit behandelten Darstellungstypen der späteren, also nachklassischen, hellenistischen und römischen Zeit, in dem auch die nicht typusgebundenen Einzelwerke dieser Zeit, die nicht im Katalog enthalten sind, vorgestellt werden. Die Typengruppen des dritten Abschnittes der Arbeit, die einen Teil der statuarischen Repräsentanz der Göttin im Späthellenismus bilden, erscheinen wiederum im Katalog, obwohl sie sich nicht mehr so eindeutig in ein Original-Repliken-Verhältnis gliedern lassen wie die Typen des 4. Jhs. Den Ausblick bilden Listen römisch-klassizistischer Minervadarstellungen, deren Zusammenhang mit der Ikonographie der Vergangenheit jeweils unterschiedlich ist. Es war natürlich nicht Absicht, ein vollständiges Kompendium spät- und nachklassischer Athenastatuen zu erstellen. Dennoch ist die katalogartige Erfassung und Zusammenstellung aller kunsthistorisch relevanten und für die statuarische Repräsentation der Göttin aussagekräftigen plastischen Darstellungen dieser Zeit ein wichtiges Ziel der vorliegenden Untersuchung, auf dem im Idealfall weitere Forschungen zur politischen und religionshistorischen Rolle Athenas aufbauen können. Zur Erreichung dieses Zieles war in erster Linie die handwerklich-stilistische Untersuchung der Objekte nötig. So gliedern sich die einzelnen Kapitel mehr oder weniger übereinstimmend in die Abschnitte Forschungsgeschichte, Replikenliste, Rekonstruktion des Originals bzw. des typologischen Musters, Analyse, Datierung und Einordnung, evtl. und soweit möglich Interpretation des Typus und gegebenenfalls eine Stellungnahme zur Künstlerfrage. Nicht in allen Fällen konnte die Datierung des zugrundeliegenden Typus eindeutig geklärt werden. Da es unredlich wäre, dem Leser die eigenen Zweifel zu verschweigen, werden auch mögliche Datierungsalternativen angesprochen.
4 5
Grundlegend für den entsprechenden Zeitraum ist der Aufsatz Waywells (vgl. Liste der abgekürzten Literatur), der Replikenlisten für die Athenadarstellungen des 4. Jhs. enthält. Zum Begriff des Darstellungstypus vgl. S. 37 ff.
EINLEITUNG
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So entstand eine notwendigerweise mit stilistischen Methoden erarbeitete Grundlage, die neben einigen neuen Einzelergebnissen aus dem zugrundeliegenden Material heraus einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand der statuarischen Repräsentation Athenas ermöglicht. Der vermutete Ablauf ihrer Entwicklung wurde im letzten Abschnitt nachvollzogen. Insgesamt soll die vorliegende Arbeit eine länger fällige Ergänzung zur bereits vorhandenen oder im Entstehen begriffenen, häufig - bei einer Göttin wie Athena auch aus gutem Grund - stark historisch-politisch ausgerichteten Literatur über die Athenaikonographie sein6 und wird damit hoffentlich eine Forschungslücke schließen7.
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7
Vgl. hierzu vor allem das in der Liste der abgekürzten Literatur aufgeführte Werk von I. Kasper-Butz; noch unpubliziert ist die Dissertation von A. Villing über die lokale Kultrepräsentanz Athenas (vgl. Anm. 1388). Mit einer Mischung stilistischer und historischer Methoden arbeitet die ebenfalls dort aufgeführte Arbeit M. Mangolds, deren Methodik hier allerdings nicht immer akzeptiert werden konnte (vgl. S. 33 ff.). Vgl. Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 99 Anm. 399, der den spätklassischen Teil des vorliegenden Themas als Desiderat der Forschung bezeichnet. Das entsprechende Material ließ sich nur mit stilistischen Methoden fassen und sortieren. Als Eschbach dies formulierte, war die Akzeptanz der Stilforschung weit größer als heute; und im Grunde ist zumindest die Untersuchung der spätklassischen Statuentypen ein aus dieser Zeit übriggebliebenes Thema. Dies war jedoch kein Grund, dieses brachliegende Thema nicht auch später noch in Angriff zu nehmen und durch die Ausdehnung in hellenistische und römische Zeit und den wichtigen Aspekt der Typologieforschung zu erweitern und zu aktualisieren. Verf.in ist bewußt, daß die Methodik der Stilarchäologie bei dieser in den 90er Jahren entstandenen Dissertation quasi ungebremst zum Zuge kommt. (Die Ausführlichkeit der Vergleiche ließ sich nicht mehr reduzieren, ohne den methodischen Aufbau der Arbeit ins Wanken zu bringen.) Wenn dies auch heute häufig als überholt und sozusagen altmodisch betrachtet wird, ist Verf.in der unbedingten Ansicht, daß die Stilarchäologie als Grundlage aller weiteren Erkenntnisse und Forschungen bewußt oder unbewußt immer eine wichtige Rolle spielen wird und folglich zeitlos ist. Es bedarf einer gewissen Überwindung, auch in einer Zeit, in der die Begründung von Datierungen selbst in Untersuchungen, die sich in zentraler Weise mit Plastik befassen und diese auswerten, nicht notwendig zu sein scheint, weil andere Aspekte im Vordergrund stehen (s. Eule, Hellenistische Bürgerinnen, passim), eine Dissertation zu veröffentlichen, deren Objekte sich ohne ausführliche und für den Leser nachvollziehbare stilistische Untersuchung nicht bearbeiten lassen. Daß man allerdings mit der bewährten Methode zu Erkenntnissen gelangen kann, die dennoch aktuell sind und die alte, von Anbeginn der Skulpturenforschung an unangetastet gebliebene Vorreiterrolle der Großplastik zugunsten einer den Gattungen übergeordneten Typologie in Frage stellen, bestätigt u. a. die zeitlose Wichtigkeit der Stilarchäologie nicht als Selbstzweck, aber als Basis für weitere Forschungen. Bezüglich der benutzten und zitierten Literatur zu den einzelnen Vergleichen gilt der Grundsatz, daß hier keine bibliographische Vollständigkeit erreicht werden sollte, sondern daß durch Bildnachweise aus der aktuellen Literatur die Möglichkeit geboten werden sollte, sich weiter zu informieren. Wenn also einmal der eine oder andere ganz neue Beitrag zu einem Stück fehlen sollte, so liegt dies daran und zu einem geringen Teil auch daran, daß Verf.in seit einem Umzug nach Greifswald im Jahr 2000 nicht mehr die umfangreichen Bibliotheken des Bonner Institutes und des DAI in Athen zur Verfügung standen, sondern nur noch die Reste eines zur Wendezeit mit viel Enthusiasmus wieder eingerichteten Instituts für Altertumswissenschaften, das keine zwei Jahrzehnte später universitärem Desinteresse an humanistischer Bildung zum Opfer fiel.
TYPUS INCE UND METHODISCHE VORAUSSETZUNGEN
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I. DIE SPÄTKLASSISCHEN TYPEN 1. Typus Ince und methodische Voraussetzungen Forschungsgeschichte Die namensgebende Replik des bekannten Typus der Athena Ince befindet sich im Merseyside Museum in Liverpool, das einen Großteil der Sammlung aus Ince Blundell Hall übernommen hat8. Michaelis führt die Figur auf9, aber erst Furtwängler macht die Statue aus Ince Blundell Hall in seinem 1896 erschienenen Werk über Statuenkopien zur besten Replik eines gleichnamigen Typus und gliedert daran sechs Körperrepliken und eine Kopfreplik an10. 1929 erschien der Katalog Bernard Ashmoles über die Sammlung in Ince Blundell Hall mit einer ausführlichen Publikation der Statue11. Ashmole zählt keine Repliken auf, bringt aber zum ersten Mal das Statuenfragment mit Kopf in New York (NY I 1) ins Spiel12, das seiner Meinung nach den Typus Ince inspiriert hat, und grenzt es bereits als Replik eines älteren Typus von der Athena Ince ab. 1936 stellte Oskar Waldhauer innerhalb seines Kataloges der Eremitage eine insgesamt 12 Exemplare umfassende Replikenliste auf13. Drei Jahre später folgte Mustillis Katalog des Museo Nuovo auf dem Capitol mit einem Bestand von insgesamt 14 Repliken14 - bei beiden wurden die Exemplare des Typus New York eingereiht. 1948 stellte C. Praschniker innerhalb seiner Publikation fragmentarischer Athenafiguren aus dem Magazin des Akropolismuseums erneut eine Replikenliste auf15, die mit 18 Repliken sowohl die Exemplare des Typus New York als auch fünf der weiter unten behandelten, dem Typus Ince verwandten Statuetten umfaßt. Seitdem wird der Typus Ince nur beiläufig erwähnt16, bis G. B. Waywell 1971 im Rahmen seines Beitrages über die Athena Mattei im Louvre Replikenlisten von Athenatypen mit korinthischem Helm vorlegte17. Waywells Liste des Typus Ince nimmt die Repliken Mustillis auf und vermehrt sie um acht Stücke18, deren Bezug zum Typus Ince allerdings nach kritischer Betrachtung relativiert 8 9 10
11 12 13
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15 16 17 18
J. Feifer - E. Southworth, The Ince Blundell Collection of Classical Sculpture I (1991) 11ff. Michaelis 338. 8. Furtwängler, Statuenkopien 31 ff. Taf. IV. Furtwängler nennt außer der Statue Ince folgende Repliken: Rom, Mus. Nuovo 919 (In III 2); Rom, Mus. Capitolino (In II 3); Stockholm, Nationalmus. (In II 7); Rom, Villa Doria Pamfilij (In II 6); St. Petersburg, Eremitage (In II 5); sowie den Kopf London, British Mus. 1570 (In IV 2). Als symmetrisch gestaltete Umbildungen bezeichnet er die Athenen des Typus New York: Rom, Mus. Torlonia (NY II 1), Vatikan, Mus. Chiaramonti (NY II 2). Ashmole, Kat. Ince Blundell 6. 8 Taf. 10 - 11. Vgl. S. 42 ff. Waldhauer III 2 Anm. 1. Der Bestand umfaßt folgende wirkliche Repliken: Kopenhagen 1817 (In II 1); Kopenhagen 536 (In III 3); Rom, Mus. Capitolino (In II 3); Rom, Pal. Colonna (In II 2); Rom, Villa Doria Pamfilij (In II 6); Rom, Mus. Nuovo Capitolino (In III 2); Liverpool, Mus.; Stockholm, Nationalmus. (In II 7); sowie einen Kopf in München, Residenz 254 (vgl. Anm. 48). Als Repliken erscheinen außerdem zwei Exemplare des Typus New York: Vatikan, Mus. Chiaramonti (NY II 2) und Rom, Mus. Torlonia (NY II 1). Mustilli 130. Mustillis Replikenliste stimmt mit der Waldhauers überein und ergänzt sie lediglich um den Kopf London, British Mus. 1570 (In IV 2), den schon Furtwängler genannt hatte (vgl. Anm. 3). Außerdem reiht Mustilli alle drei Repliken des Typus New York, also auch die namensgebende (NY I 1), unter die Ince-Repliken ein, weist aber zumindest für die Repliken Rom, Mus. Torlonia (NY II 1) und Vatikan, Mus. Chiaramonti (NY II 2) auf das umgekehrte Standschema hin. Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 14 ff. Vgl. H. K. Süsserott, Zur Zeitbestimmung der griechischen Plastik des 4. Jh. v. Chr. (1938) 132 Taf. 28; Lippold, Plastik 184 Anm. 4; Dohrn, Att. Plastik 63, 200; Hiller, Formgeschichtl. Unters. 22, 34 f. 51, 55, 63 Taf. 7. 16. Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 2. Waywell nimmt die Statuetten im Akropolismus. Athen Inv. 3209/2805 und 1336 hinzu (BSA 1971, Ince Athena 16, 17; vgl. S. 22 ff. 1,2) und führt einen verschollenen Torso aus demselben Museumsmagazin auf (15). Ebenfalls in Athen befindet sich die Statuette Nationalmuseum 1633 (18; vgl. S. 29 f. 5). Die Statuette in Venedig (19; vgl. S. 27 f. 4) und ein Kopf in Princeton (21) treten ebenfalls auf, ferner erscheint eine Statue in Tunis (13), die eine Parthenosvariante ist. Die drei Exemplare des älteren Typus New York (10, 11, 12) reiht Waywell als Repliken ein. Hinzu kommt als einzige wirkliche Replik die 1952 gefundene Statue in Tivoli (2; In I 2).
TYPUS INCE UND METHODISCHE VORAUSSETZUNGEN
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werden muß19. Der Liste Waywells, die immer noch maßgebend zitiert wird20, schloß 1987 P. Karanastassis drei weitere Repliken an, von denen allerdings nur eine wirklich Bestand hat21. 1990 nimmt G. M. Picozzi zum aktuellen Überlieferungsstand des Typus Ince Stellung und fügt zwei weitere Repliken hinzu22. Die neueste Liste, die allerdings Kopfrepliken ausdrücklich unberücksichtigt läßt, hat 1993 M. Mangold vorgelegt23. Sie übernimmt nur zehn von Waywells Repliken, führt aber weitere fünf von ihnen als Varianten und Umbildungen auf und streicht vier Exemplare gänzlich24. Die hier vorgestellte Liste umfaßt 14 Körperrepliken und vier Kopfrepliken, die dem als Typus Ince bezeichneten Urbild folgen, ohne dieses zu verändern und sich daher nach der hier vertretenen Typusdefinition25 eindeutig auf ihn beziehen lassen.
Replikenliste Typus Ince I. Statuen mit Kopf: 1. Liverpool 2. Tivoli, Villa Hadriana II. Statuen ohne Kopf: 1. Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek 1817 2. Rom, Galleria Colonna 3. Rom, Museo Capitolino 4. Rom, Villa Medici 5. St. Petersburg, Eremitage (ohne Aigis) 6. Rom, Villa Doria Pamfilij (ohne Aigis) 7. Stockholm 8. Sfax
19 20 21
22 23 24
25
Vgl. S. 22 ff. S. z. B. M. G. Picozzi, in Kat. Galeria Colonna (1990) 853 Anm. 2 und Schürmann, AntPl 27, 86. Karanastassis, AM 1987, 360 Anm. 163. Der Torso in Side wird, wenn man überhaupt eine Abhängigkeit zulassen will, höchstens von der Parthenos abzuleiten sein. Die Statue in Mantua hängt - sichtbar nicht zuletzt an der Lockensträhne auf der erhaltenen Schulter - direkt von der Parthenos ab. Einzig die in ein Relief eingesetzte Statue ohne Kopf in der Villa Medici (In II 4) muß den Repliken des Typus Ince angeschlossen werden. Mit Recht eliminiert P. Karanastassis die Parthenosvariante in Tunis (Waywell, BSA 1971, Ince Athena 13, s. Anm. 18). M. G. Picozzi a. O. (Anm. 19) 253 f. Anm. 2. Neu hinzugekommen sind die Repliken Santa Barbara (In III 1) und Sfax (In II 8). Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beilage). Übernommen werden Waywell, BSA 1971, Ince Athena 1 - 9 und 14 als Repliken; die Statuetten 1336 und 3029/2805 des Akropolismuseums treten als Umbildungen auf (Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 1 und 3; s. Anm. 18), ebenso die drei Exemplare des Typus New York (Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 6 - 8), die Statuette aus Pergamon (vgl. hier S. 30) und eine weitere des Akropolismuseums, Inv. 3211/2161. Die durch P. Karanastassis eingeführte Statue aus Side (vgl. hier Anm. 21) erscheint ebenfalls als Umbildung, sodaß mit den zehn Repliken Waywells, der kopflosen Statue Villa Medici (In II 4; vgl. Anm. 21) und der durch M. G. Picozzi eingeführten Replik in Sfax (In II 8; vgl. Anm. 22) ein Stand von 12 Repliken und acht Umbildungen erreicht wird. Zu Recht ausgenommen werden die Statuetten im Athener Nationalmuseum und in Venedig (Waywell, BSA 1971, Ince Athena 18 und 19) sowie die auf die Parthenos zu beziehenden Figuren in Mantua und Tunis (vgl. Anm. 11 und 21) und der verschollene Torso aus Athen (Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 15). Unerklärt bleibt das Verschwinden des Torsos in Santa Barbara aus der Liste (In III 1; vgl. Anm. 22). Zur Definition des Kopienbegriffes vgl. S. 38 f.
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TYPUS INCE UND METHODISCHE VORAUSSETZUNGEN
III. Torsen: 1. Santa Barbara, Museum of Art 2. Rom, Museo Nuovo Capitolino 919 3. Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek 536 IV. Köpfe: 1. Prag, Narodni Galeri (?) 2. London, British Museum V. Varianten und Unsicheres: 1. Rom, Via Zandarnelli 2. Kyrene, Nikestatue nach Ince-Muster 3. Anzio, Mus.
Rekonstruktion des Originals Einige Repliken sind qualitätvoll und überliefern den Typus gut. Exemplare der frühen Kaiserzeit in der Ince-Überlieferung außer der namensgebenden und gleichzeitig frühesten Replik in Liverpool (In I 1) sind in der Statue in Kopenhagen (In II 1) und der allerdings leicht abgeänderten Figur in Santa Barbara (In III 1), deren rechter Arm offenbar ausgestreckt und auf eine Lanze gestützt war26, erhalten. Neben der stark korrodierten Replik aus der Villa Hadriana (In I 2) geben diese Repliken den Eindruck des Bronzeoriginals am besten wieder. Die kragenförmige Aigis ist für alle Repliken charakteristisch, stellt aber nicht jede Athenafigur mit einer solchen Aigisform automatisch in Zusammenhang mit dem Typus27. Aus der Übereinstimmung aller Repliken können für die Gewandgestaltung des Originals folgende charakteristische Merkmale abgeleitet werden: Typologisch bedingt und bei den meisten Repliken vorhanden sind die blasenförmige Falte unter dem Gorgoneion, die parabelförmige Falte unterhalb des Gürtelknotens, die drei Röhrenfalten von unterschiedlichem plastischen Volumen am Apoptygma über der linken Hüfte, deren rechte deutlich von der Gürtung ausgeht, das Gewandgewicht am rechten Apoptygmasaum, die scharfen Zugfalten am linken Oberschenkel, die häufig weggebrochene, das gesamte linke Bein rückwärtig rahmende Falte sowie die kleine Schwungfalte, die oberhalb des Gewandsaumes horizontal zum linken Knöchel führt28. Nur wenn auch diese Typusmerkmale vorhanden sind, kann eine Figur als Replik bezeichnet werden. Struktur, Haltung und Kopfhaltung stimmen bei allen Repliken überein und werden nicht variiert. Der Kopf ist nach rechts gewandt und leicht gesenkt. Die kragenförmige Aigis ist in zwei verschiedenen Versionen überliefert: entweder nur am unteren Rand mit Schlangen bewehrt29 oder mit einer zweiten Schlangenreihe am oberen Aigisrand30. Es gibt zwei Arten, die Schlange unter dem Gorgoneion anzuordnen: als Paar gegensätzlich aufeinandertreffender Voluten oder, 26 27 28
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Der ebenfalls ausgestreckte rechte Arm der Replik Rom, Mus. Capitolino (In II 3) beruht auf einer falschen Ergänzung. S. o. Anm. 19. Vgl. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 15 und Hiller, Formgeschichtl. Unters. 21, der diese Faltenbildung als „Segelfalte“ bezeichnet und Parallelen anführt. Zur Entwicklung der Faltenformen im Unterschenkelbereich vgl. S. 103 f. So bei den Repliken Liverpool (In I 1), Santa Barbara (In III 1) und Stockholm (In II 7). Bei den Repliken Kopenhagen 1817 (In II 1), Rom Mus. Nuovo 919 (In III 2), Rom Mus. Capitolino (In II 3), Rom Villa Medici (In II 4), Rom Galleria Colonna (In II 2), Tivoli (In I 2), Sfax (In II 8) und Kopenhagen 536 (In III 3).
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was seltener vorkommt, als einfache Schlinge31. Das Gorgoneion ist typologisch nicht festgelegt und variiert je nach Entstehungszeit der Replik32. Bei den Repliken St. Petersburg (In II 5) und Villa Doria Pamfilij (In II 6) fehlt die Aigis33. Von einer Umwidmung des Typus ist kaum auszugehen34 - wahrscheinlich bestand die Aigis aus Metall und war nachträglich hinzugefügt worden35. Weitere Attribute des Typus außer Aigis und korinthischem Helm sind nicht überliefert. Aus der Haltung der linken Hand läßt sich aber die Existenz einer Lanze ableiten. Die Überlieferung der Repliken gibt die Haltung beider Arme eindeutig wieder: Der rechte Oberarm war parallel zum Oberkörper senkrecht herabgeführt, der rechte Unterarm abgewinkelt und nach vorn ausgestreckt36. Kopf und Arm folgen damit der gleichen Bewegungsrichtung. Der linke Oberarm ist zunächst in leichter Diagonale, aber noch immer am Oberkörper entlang nach hinten orientiert, um dann in kaum merklicher Abwinkelung wieder zur linken Hüfte zurückgeführt zu werden, wo er zumindest am Torso im Museo Capitolino nachweislich durch einen Bossen in Höhe des Handgelenkes gestützt wurde37. Die Gestaltung der aus Fragmenten zusammengesetzten linken Hand der Liverpooler Figur zeigt noch, daß sie ein stabartiges Attribut gehalten haben muß. Daß es sich um eine Lanze handelte, ist wohl mit Recht communis opinio - diese Lanze ist aber nicht mehr, wie noch bei den Athenen Giustiniani und Velletri38, als Stütze in die Komposition mit einbezogen, sondern hat, wie die legere Art des Haltens zeigt, als kompositorisch nicht notwendiges Beiwerk rein attributiven Charakter. Aus der Haltung der linken Hand mit dem an der Liverpooler Replik noch im Ansatz sichtbaren ausgestreckten Zeigefinger läßt sich durch Verglei31 32 33
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Die erste Darstellungsweise erscheint an der Mehrzahl der Repliken; die zweite offenbar nur an den Exemplaren Kopenhagen 1817 (In II 1) und Tivoli (In I 2). Zur Chronologie der kaiserzeitlichen Gorgoneia vgl. S. 258 ff. Villa Doria Pamfilij (In II 6) und St. Petersburg (In II 5). Vgl. Karanastassis, AM 1987, 367 mit Anm. 198, wo die aufgezählten Exemplare ohne Aigis als Varianten bezeichnet werden. Das Exemplar Mus. Chiaramonti (NY II 2), das P. Karanastassis gleichfalls als Variante einreiht, gehört nicht dem Typus Ince, sondern dem Typus New York an. Umwidmungen werden meist deutlicher vollzogen; vgl. die Umbildung aus Kyrene (In V 2), die als Nike mit Flügeln und Kreuzbandaigis ausgestattet ist und keinen Helm trägt. Vgl. auch die Variante des Typus OstiaCherchel in Skopje (OC III 3). Eine Ergänzung in Metall ist bisher für die Aigis nicht nachzuweisen und auch an den betreffenden Stücken technisch nicht belegbar. Bei den Aigisschlangen dagegen scheint die Kombination von Metall und Marmor geläufiger gewesen zu sein - sicher waren die feinen Schlangen nicht immer in Marmor angesetzt, sondern auch in Metall (vgl. die außerordentlich feinen Stiftlöcher des qualitätvollen Torsos Kopenhagen 536; In III 3). Ebenfalls nicht selten erscheint die Kombination der Materialien Metall und Marmor an Athenaköpfen mit Bronzehelmen vgl. den kolossalen Athenakopf in Brescia mit roh belassener Kalotte (s. Anm. 48), der auf klassische Athenatypen zurückgeht und hier dem Typus Ince am meisten ähnelt, ferner einen kolossalen Marmorkopf in London aus der Sammlung Townley, an dem antike Löcher für einen Bronzehelm nachweisbar sind, die durch Albacini für eine entsprechende Rekonstruktion genutzt wurden, A. H. Smith, A Cat. of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities of the British Museum III (1904) 26. 1571; B. F. Cook, The Townley Marbles (1985) 36 Abb. 34. Da die Kombination von Marmor und Bronze also vorzukommen scheint, ist eine metallene Aigis für die Repliken ohne Aigis vielleicht auch vorstellbar. Den Verlauf der Oberarme überliefern die Repliken Liverpool (In I 1), Rom Galleria Colonna (In II 2), Rom Mus. Nuovo (In III 2), Rom Villa Doria Pamfilij (In II 6), St. Petersburg Eremitage (In II 5). Daß die Oberarme am Körper herabgeführt waren, zeigen auch die dafür vorgesehenen Aushöhlungen an den Repliken in Kopenhagen (In II 1 und In III 3). Nicht ganz sicher als Bossen deutbar ist ein Rest an der gleichen Stelle der Replik in Liverpool (In I 1), die die sicherste Aussage über den Armverlauf macht, da offenbar nur der rechte Unterarm ergänzt ist, während der linke aus Fragmenten wieder zusammengefügt wurde. Zur Athena Giustiniani Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 164 ff.; zur Athena Velletri vgl. Anm. 62 und im Text S. 18 ff.
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che mit Darstellungen der Vasenmalerei folgern, daß die Lanze nur geringfügig anders rekonstruiert werden muß, als M. Mangold vorschlägt39: Sie war wahrscheinlich in der Fortsetzung der linken Fußspitze aufgesetzt und verlief von dort aus durch das Handinnere schräg zur linken Schulter, an die sie vermutlich locker angelehnt war40, oder sie passierte den Arm in Höhe des Ellenbogens und ragte dann in die Luft. Eine solche Anordnung des Attributes stünde in Einklang mit der Komposition der Statue; die Lanze wäre ein kompositionelles Gegengewicht zu Kopfwendung und Haltung des rechten Armes. Hinweise auf das Attribut der rechten Hand lassen sich aus der Kopienkritik nicht ableiten. Die Athenaikonographie anderer Gattungen bietet als Möglichkeiten Eule, Nike, Helm, Aphlaston, Ölbaumzweig, Kranz und Patera. Ein über lange Zeit auf Münzen erscheinender Darstellungstypus stimmt in Tracht, Helmform, Attributen und Haltung weitgehend mit dem Typus Ince überein. Am häufigsten tragen die Athenen der Münzen in der ausgestreckten Rechten eine geflügelte Nike41, aber auch Eule, Zweig, Aphlaston und Patera kommen vor42. Die Nike ist als Attribut in der Überlieferung der Parthenos bezeugt43 und 39 40
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Vgl. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 15 Abb. 1. In der Vasenmalerei finden sich zahlreiche Athenadarstellungen, in denen die Lanze mit der gleichen Handhaltung, wie sie die Liverpooler Replik zeigt, locker gehalten wird; vgl. die Athena der bekannten Aisonschale in Madrid, J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Die klassische Zeit (1991) 292. 1, die die mit dem spitzen Lanzenschuh aufgesetzte Lanze locker im Arm hält; zur Form des Lanzenschuhs vgl. S. M. A. Snodgrass, Wehr und Waffen im antiken Griechenland (1984) 206 Abb. 121. Vgl. ferner die Handhaltung der Athena auf dem namensgebenden Krater des Niobidenmalers im Louvre, FR Taf. 108; M. Prange, Der Niobidenmaler und seine Werkstatt (1989) 186 N 25 Taf. 7, und auf einem Oxforder Kelchkrater des Dinosmalers, Boardman a. O. Abb. 181, auf dem sich die Göttin allerdings auf die Lanze stützt. Gut vergleichbar ist auch die Aufstellung der Lanze auf dem Urkundenrelief von 403/2 über Samos im Akropolismuseum, Meyer, Urkundenreliefs A 26 Taf. 10. 1 (die Lanze ist deutlicher zu sehen auf der Abb. Demargne, LIMC II 1013 Athena 607 Taf. 763) und auf dem Kelchkrater des Kadmosmalers in Syrakus Taf. 90. 3, Demargne a. O. 1000 f. Athena 491 Taf. 755. Auf Münzen ist die Haltung der Lanze ebenfalls sichtbar, vgl. Lermann, Athenatypen auf Münzen Taf. II 14 und Canciani, LIMC II 1083 Athena/ Minerva 123, 126 Taf. 793. Die Rekonstruktion des linken Armes der Stockholmer Replik (In II 7), die sich offenbar am Zustand der Liverpooler Replik (In I 1) orientiert, zeigt, wie die Lanzenhaltung vorzustellen wäre, wenn das vordere Ende des Schaftes leicht diagonal zur Figur, d. h. etwa parallel zum linken Unterschenkel verliefe und das obere Ende hinter ihrem Rücken verschwände. Münztypen im gleichen Haltungsschema wie der Typus Ince haben sich zahlreich auf kleinasiatischen Münzen erhalten; mit Niken: BMC, Greek Coins. W. Wroth, Troas, Aeolis und Lesbos (1894) 176. 8 Taf. 36. 5 (Eresos, Philipp I.); RIC II 155. 10 Taf. 5. 73 (Domitian); L. Lacroix, Les reproductions de statues sur les monnaies grecques (1949) 277 f. 366 Taf. 24. 4 = BMC, Greek Coins. B.V. Head, Attica, Megaris and Aegina (1888) 95. 691 Taf. 16. 6 (hadrianisch-antoninisch). Kaiserzeitliche Typen mit Nike legen fast immer die linke Hand auf den Schildrand wie die Parthenos, wobei die Lanze ohne ersichtlichen Halt hinter der linken Hand aufsteigt. Vgl. auch kappadokische Münzen der Ariarathes-Dynastie, O. Morkholm, in: Essays in Greek Coinage presented to Stanley Robinson (1968) 241-258 Taf. 30-33. Der Typus findet sich aber bereits im 4. Jh. v. Chr. auf Stateren aus Side; BMC, Greek Coins. G. F. Hill, Lycia, Pamphilia and Pisidia (1897) 146. 15, 17-19 Taf. 26. 7, 9-11 (mit attischem Helm); im 2. Jh. in Lydien; BMC, Greek Coins. B. V. Head, Lydia (1901) 138. 9 (Magnesia) Taf. 25. 6, 242. 53 Taf. 24. 16 (Sardes), wo sich ein ähnlicher Typus bis in die Kaiserzeit hinein hält; a. O. 245. 71 Taf. 25. 6 (Sardes, Domitian). Seleukidische Münzen zeigen ebenfalls diesen Typus; BMC, Greek Coins. R. St. Poole, Seleucid Kings of Syria (1878) 52. 14 Taf. 15. 5 (Alexander I. Bala); 59. 15 Taf. 17. 10 und 62. 37 Taf. 18. 12 (Demetrios II. Nicator); 71. 13 Taf. 20. 6 (mit Kreuzbandaigis, Antiochos VII. Sidetes); 81. 5 Taf. 22. 4 (Alexander II.); 89. 17 Taf. 24. 2 (Antiochos VIII.); 92. 7 Taf. 24. 9 und 93. 25 Taf. 25. 7 (Antiochos IX. Kyzikenos); 95. 4 Taf. 25. 12 (Seleukos VI. Epiphanes). Die Niken können unterschiedlich aussehen; geflügelt ohne Kranz oder mit Kranz, der Athena zugewandt oder von ihr abgewandt. Zu den verschiedenen Athenatypen auf Münzen vgl. auch F. ImhoffBlumer - P. Gardner, Numismatic Commentary on Pausanias (1885) 126 ff. Dieser Typus mit Nike findet sich auch auf republikanischen Gemmen, s. E. Zwierlein-Diehl, Die antiken Gemmen des Kunsthistorischen Museums in Wien (1973) 81. 180 Taf. 31 und Canciani, LIMC II 1082 Athena/Minerva 102 Taf. 791. Die Nike kann durch eine Eule ersetzt werden; Hill a. O. 145. 13. 14 Taf. 26. 5, 6 (Side, 4. Jh. v. Chr.). Eine Athena mit Eule zeigt auch a. O. 144. 11 Taf. 26. 4 (Side, 4. Jh. v. Chr.); vgl. die römischen Münzen BMCRE IV (1940) 327. 1957 Taf. 47. 9; 328. 1960 Taf. 47. 15; 337. 2004 Taf. 48. 10; Lermann, Athenatypen auf Münzen Taf. 2. 8, 14. Das Aphlaston als Attribut Athenas erscheint außer auf Münzen auch in der Vasenmalerei, U. Hausmann,
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wird in der Bronzeplastik neben der Eule häufiger vorgekommen sein, während Zweig, Aphlaston und Patera als inhaltlich stärker gebundene Attribute in der Kleinkunst mehr Verwendung gefunden haben werden. Das gilt auch für den Kranz, der vornehmlich auf Urkundenreliefs und in der Vasenmalerei erscheint44. Als Attribut kaiserzeitlicher Bronzestatuetten hat sich neben Eule, Schild und Speer häufig die Patera erhalten45, was aber mit der Votivfunktion der Bronzen und ihrer Verwendung im religiösen Bereich zu erklären sein könnte46. Aus der Evidenz der Münzen, deren Ikonographie in ihrer programmatischen Repräsentativität direkter mit der der Großplastik zusammenhängen dürfte als jene der Vasenmalerei und der Kleinbronzen, läßt sich jedoch ableiten, daß Nike und Eule als Ergänzung für die rechte Hand des Typus Ince am meisten Wahrscheinlichkeit besitzen. Der Kopftypus der Athena Ince ist durch die ganz erhaltenen Repliken in Liverpool (In I 1) und Tivoli (In I 2) gut überliefert. Obwohl das hadrianische Exemplar in Tivoli etwa ein Jahrhundert vom augusteischen in Liverpool trennt, stimmen beide so überein, daß die getreue Überlieferung des Originals durch diese Eckpunkte zweifelsfrei gesichert ist. So wird aufgrund des ausgezeichneten Überlieferungsstandes eine genaue Datierung des Originals und die Überprüfung der Beziehung zu gleichzeitigen bekannten Werken möglich. Ein dritter, fragmentarischer Kopf in Prag (In IV 1) schließt sich typologisch an die genannten Kopfrepliken an47 und übertrifft sie so-
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in: K. Schauenburg (Hrsg.), Charites. Studien zur Altertumswissenschaft (1957) 144 ff. Taf. 20; Kasper-Butz, Athena in Athen 180; W. Gauer, IstMitt Beih. 2 (1968) 71 ff.; so z. B. auch auf einer Panathenäischen Preisamphora (Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 132 ff. Kat. 68 Taf. 33. 1, 2). Es erscheint aber auch auf Münzen, Eschbach a. O. 134 Anm. 611. Um ein Aphlaston handelt es sich wohl auch bei der Darstellung auf Assen des Commodus mit 2 unterschiedlichen Rückseiten: einmal Athena mit Zweig und einmal mit Aphlaston, BMCRE 846. 727 Taf. 111. 8. Darstellungen Athenas mit dem Zweig als Attribut finden sich in der Münzprägung und der Vasenmalerei seltener, Demargne, LIMC II 960 Athena 31 Taf. 706; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 37 Kat. 24 Taf. 10. 3; mit Patera kommt der Typus vereinzelt auf Münzen und in der Vasenmalerei vor, Canciani, LIMC II 1083 Athena/Minerva 126 Taf. 793; Demargne a. s. O. 966 Athena 74 Taf. 712. Zur Parthenos zuletzt Nick, Athena Parthenos; Chr. Höcker - L. Schneider, Phidias (1993) 62 ff. 151 f. sowie Fuchs, Skulptur4 596. 205 (mit Lit.); s. auch K. Lehmann-Hartleben, JdI 47, 1932, 12 ff. und N. Leipen, Athena Parthenos (1971) sowie dies., in: E. Berger (Hrsg.), Parthenonkongress Basel I (1984) 177 ff.; vgl. auch Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 25 ff. G. Nick, in: W. Hoepfner (Hrsg.), Kult- und Kultbauten auf der Akropolis (1997) 22 ff. Vgl. die Darstellung auf dem Krater in Syrakus Taf. 90. 3, Demargne, LIMC II 1000 f. Athena 491 Taf. 755. Zur bekränzenden Athena auf Reliefs und zum Phänomen des Kranzes allgemein ausführlich I. Kasper-Butz, Athena in Athen 75 ff. Vgl. A. Kaufmann-Heinimann, Die römischen Bronzen der Schweiz I. Augst (1977) 60 ff. 61, 63, 64 Taf. 63-66; mit Schild erhalten: 59 Taf. 59; L. Franzoni, Bronzetti Romani del museo Archeologico di Verona (1973) 39. 20, mit Eule: 41. 22; mit Patera: 45. 26; ders., Bronzetti etruschi e italici del museo Archeologico di Verona (1980) 204. 185 (mit Patera); die Minervastatuette mit Patera G. Zampieri, Bronzetti figurati etruschi e italici del museo Archeologico di Padova (1986) 225 f. 137 erinnert entfernt an großplastische Vorbilder wie die Athena Ince; ebenso die zierliche Statuette mit Patera St. Boucher, Bronzes Romaines figure´´es du Muse´´e des Beaux-Arts de Lyon (1973) 95 f. 154; mit Patera ferner P. Cassola Guida - L. Ruaro Loseri, Bronzetti a figura umana dalle collezioni dei Civici musei di Storia ed Arte di Trieste (1978) 80. 64; mit Schild 81. 65; Narodni Muzej Beograd. Antièka Bronza u Jugoslaviji 1844-1969 (1969) mit Patera: 87 ff. 82; mit Schild: 84; 81 mit Eule unter dem Helmbusch folgt dem gleichen Typus wie die genauso qualitätvolle klassizistische Bronze A. Leibundgut, Die römischen Bronzen der Schweiz II. Avenches (1976) 40 f. 22 Taf. 24-26; a. O. mit Schild: 42 f. 23 Taf. 27. Die Eule als Attribut erscheint bei der am Strengen Stil orientierten Statuette D. Kent Hill, Cat. of Classical Bronze Sculpture in the Walters Art Gallery (Baltimore 1949) 86. 185; vgl. auch Fuchs, Skulptur4 184 f. Abb. 192-194. Vgl. K. Gschwantler (Hrsg.), Guß und Form. Bronzen aus der Antikensammlung (Kat. Wien 1986) 61 ff. Der Kopf galt bisher als Grabreliefkopf und ist als solcher auch in einem Museumskatalog aufgeführt. Die Zuordnung zum Typus Ince scheint jedoch aus der guten Qualität der erhaltenen Züge noch ablesbar zu sein;
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gar noch an Qualität. Zeitlich geht der wahrscheinlich augusteische Kopf den Repliken in Liverpool und Tivoli voraus. Ein aus dem frühen 2. Jh. stammender, gut erhaltener Einsatzkopf aus Kyrene im British Museum (In IV 2) ergänzt die Kopfüberlieferung. Es gibt einige weitere Athenaköpfe, die sich auf den Typus Ince zu beziehen scheinen. Inwiefern hier der Athenatypus wirklich vorbildhaft war, und ob nicht teilweise vielmehr allgemeine Züge klassischer Athenen rezipiert wurden, läßt sich kaum mehr entscheiden48. Die Überlieferung des Typus Ince ist also gut faßbar; die Aussagen der Repliken zum Original sind vergleichsweise eindeutig. Die Qualität der Repliken ist sehr unterschiedlich; die qualitätvolleren lassen sich von den qualitativ minderwertigeren zweifelsfrei scheiden. Da die qualitätvolleren Repliken untereinander trotz unterschiedlicher zeitlicher Herkunft übereinstimmen, die Repliken geringerer handwerklicher Qualität aber stärker differieren, kann die Beurteilung der Qualität in bezug auf die Originaltreue ausgewertet werden, d.h. die handwerklich qualitätvolleren Repliken sind auch getreuer. Die einzigen formalen Unterschiede innerhalb der Repliken betreffen die Aigis, den Gürtelknoten und den bei der Replik in St. Petersburg (In II 5) am linken Oberarm sichtbaren Chiton. Problematisch ist lediglich die Interpretation der geänderten Armhaltung der Replik in Santa Barbara (In III 1), die damit eigentlich den für Repliken entworfenen Rahmen verläßt49.
Struktur und Aufbau Die Rekonstruktion des Originals kann an der namensgebenden, vielleicht sogar aus einer Werkstatt griechisch-östlicher Tradition stammenden Kopie in Liverpool (In I 1) am besten nachvollzogen werden. Das Urbild der Athena vom Typus Ince war eine ponderiert stehende Figur, deren Aufbau streng kontrapostisch durchgestaltet war. Ihr Konzept ist ähnlich akademisch wie das des polykletischen Doryphoros50, wenn auch in der Durchführung deutlich weniger streng. Die Gelöstheit und graziöse Lieblichkeit der Figur liegt nicht nur im Motiv der lebensgroßen, mädchenhaften Göttin begründet, sondern wird auch durch formale Mittel erreicht. Diese werden vor allem in der Seitenansicht sichtbar. So ist die locker stehende Gestalt der Athena im Gegensatz zu dem in der Seitenansicht gerade aufgerichtet schreitenden Doryphoros von der Seite betrachtet leicht durchgebogen. Schultern und Oberarme setzen weit hinten an, der kurze Oberkörper neigt sich zu den Schultern hin etwas nach hinten, sodaß die Hüftpartie am weitesten nach vorne geschoben erscheint. Die linke Körperseite mit dem Spielbein wirkt daher wie ein anmutig geschwungener Bogen, während auf der Standbeinseite, an der der Peplos sich öffnet, vertikale
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außerdem stimmen die Maße überein. Ein geringfügiger Vorbehalt muß jedoch bestehen bleiben, solange der Kopf nicht vor Ort in Augenschein genommen werden konnte. Folgende Köpfe fallen in dieser Hinsicht auf: der Kopf der bronzenen Athena von Arezzo (vgl. S. 130 ff.), ein oft unter die Ince-Repliken gezählter Kopf im Antiquarium der Münchner Residenz, E. Weski, in: E. Weski - H. Frosien-Leinz, Das Antiquarium der Münchner Residenz. Kat. der Skulpturen (1987) 137 ff. 8 Taf. 47, und ein kolossaler Kopf in Brescia, M. Mirabella Roberti, Archeologia ed arte di Brescia Romana, in: Storia di Brescia I (1963) 298 ff.; G. Panazza, La Pinacotheca e i Musei di Brescia2 (1968) 31 Abb. 25; L. Bezzi, in: Brescia Romana. Materiali per un museo II. 1 (Kat. Brescia 1979) 95 IV 7 mit Abb. Zur Definition der Begrifflichkeiten vgl. Anm. S. 38 f. An den Repliken der anderen Typen findet sich keine ähnlich deutliche Veränderung, sodaß die Begriffe Variante und Umbildung eigentlich überflüssig erscheinen. H. v. Steuben, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 185 ff.; D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 59 ff.; vgl. auch W. G. Moon (Hrsg.) Polycleitos, the Doryphoros and Tradition (1995).
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gerade Linien dominieren, die nur durch den schwingenden Verlauf des Saumes aufgelockert werden. Bei den meisten Repliken ist jedoch auch auf dieser Seite die Durchschwingung der Figur betont, indem sich die parallelverlaufenden Saumfalten der Peplosöffnung in leichtem Winkel zur Oberkörperorientierung nach unten hin fortsetzen. Die Vorderansicht zeigt die grundsätzlichen Übereinstimmungen mit dem Strukturprinzip des Doryphoros51. Die Schulterpartie ist gerade, die Taille senkt sich leicht zum Spielbein52. Die Extremitäten sind noch ansatzweise chiastisch angeordnet: Dem Standbein entspricht der linke Arm, der das Gewicht der Lanze hält, während der rechte, entspanntere Arm das zu ergänzende Attribut emporhebt53. Wenn auch die Athena Ince vom Spielbeinfuß bis zur Kopfwendung kontrapostisch durchgliedert ist, ist doch der Kontrapost aufgelockert und weit weniger konsequent durchgehalten. Auch von vorn durchzieht den Rumpf der Figur eine leichte bogenförmige Schwingung, die von der linken Schulter über die rechte Hälfte zum Spielbeinfuß verläuft und zu der Kopf und rechter Arm ein kompositionelles Gegengewicht bilden. Hinzu kommt, daß der Kopf und der rechte Arm sowie letztlich auch das leicht einwärts gedrehte Spielbeinknie der Figur eine Richtung geben, die das Attribut der rechten Hand betont und in dieser Weise neu ist. Diese Richtungsorientiertheit ist trotz der immer noch spürbaren Geschlossenheit der Figur ein Schritt hin zur Auflösung des geschlossenen Konturs, den noch der Doryphoros zeigt. Der Auflösung des Konturs der Spielbeinseite wird jedoch durch die besonders an den Repliken Liverpool (In I 1), Tivoli (In I 2) und Stockholm (In II 7) gut sichtbaren, markanten seitlichen Falten begegnet54. Auf der Standbeinseite ist der Kontur durch den seitlich herabfallenden Peplossaum abgeschlossen. Mit diesen Merkmalen geht ein bereits fortgeschrittener Verlust der Seitenansichten einher, deren Eigenwertigkeit zwar noch nicht aufgegeben, aber einer Hinführung zur Vorderseite unterworfen ist. So grenzen der linke Arm und die am Spielbein entlanggeführte Falte die linke Körperseite nach hinten ab und lenken den Blick nach vorn. Ähnlich verhält es sich auf der rechten Seite mit der etwas nach hinten verlagerten Peplosöffnung. Auch die Gestaltung des Apoptygma oberhalb und unterhalb der Gürtung ist an beiden Körperseiten auf die Vorderseite hin orientiert.
Datierung Auf eine Frontalorientierung hinführende Phänomene lassen sich natürlich schon an der Athena Parthenos ablesen55. Ihre Monumentalität und ihre Aufstellung stellten an die Konzeption allerdings von vorn herein andere Anforderungen. Ein Vergleich wird dadurch erschwert, daß stilistische Beobachtungen aufgrund der wenig detailgetreuen Überlieferung monumentaler Götterbilder ohnehin nur äußerst begrenzt möglich sind. Einige Details lassen sich aber wegen der typologischen Verwandtheit beider Figuren gut neben die Athena Ince halten. Wie an der Athena Ince begrenzt beispielsweise die das Spielbein nach hinten abgrenzende Falte die Vorderansicht. An der Parthenos ist jedoch die Eigenständigkeit der Seitenansichten deutlicher, ihre Formen sind, 51 52 53 54 55
S. hierzu im einzelnen E. Berger, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 156 ff. An der Gürtung ist dies merkwürdigerweise nur an der Replik in Liverpool ablesbar, am Apoptygmasaum auch an den Repliken Tivoli (In I 2), Kopenhagen 1817 (In II 1), Palazzo Colonna (In II 2), Santa Barbara (In III 1). Zum Attribut vgl. S. 8 f. Vgl. hierzu Hiller, Formgeschichtl. Unters. 34. Zur Athena Parthenos vgl. Anm. 43.
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nicht nur größenbedingt, lastender; ihr Aufbau ist stärker vertikal orientiert. Insgesamt gehört sie damit weit deutlicher der Hochklassik an als der bereits graziler gebaute Typus Ince. Anders die sogenannte Demeter von Eleusis56, die strukturell und motivisch der Athena Ince ähnlich ist und auch immer wieder mit ihr verglichen wurde57. Als Original des späten 5. Jhs. zeigt sie noch deutliche Merkmale des Reichen Stils58 und ist ihren lastenden und schwellenden Formen nach stärker der Hochklassik verbunden als die schlichtere Athena Ince. Ihre Seiten sind selbständig gestaltete Bereiche mit eigenen perspektivischen Abstufungen, die quasi übergangslos zur Vorderfläche und zur Rückseite hin umbrechen. Die linke Seite ist in sich vielfältig und kontrastreich, die rechte besaß in vollständigem Zustand mit herabfallendem Mantelzipfel eine eigene Tiefenstaffelung59. Die Konzeption der „Demeter von Eleusis“ ist im Querschnitt kubisch zu denken, während die Athena Ince, als Querschnitt in vereinfachtem Schema dargestellt, einen Halbkreis bilden würde. Das Lot der „Demeter“ fiele wie beim Doryphoros senkrecht vom Brustbein durch die Körperachse auf die Basis, während die entsprechende zentrale Achse der Athena Ince weiter zur Vorderseite der Figur hin verschoben ist. In der Vorderansicht ist die „Demeter“ konsequent chiastisch komponiert und kommt darin strukturell wiederum dem Doryphoros sehr nahe60. Die Verschiebung der Querachsen in der Vorderansicht ist weit ausgeprägter als an der Athena Ince, das anders aufgefaßte Verhältnis von Körper und Gewand ist offensichtlich. Die Taille der Athena Ince ist höher angesetzt, der Unterkörper dementsprechend länger als der der „Demeter“. In der Großplastik ist außer der „Demeter“ wenig auch motivisch Vergleichbares erhalten. Die kolossale „Artemis“ von Ariccia steht - wenn sie nicht überhaupt römisch-klassizistisch ist61 - stilistisch und zeitlich auf einer Stufe mit der Parthenos und kann dann lediglich als motivischer Vorgänger des Typus Ince angeführt werden. Die Athena Velletri nähert sich zwar stilistisch und inhaltlich mehr der beginnenden Spätklassik, steht aber noch deutlich in der Tradition der kolossalen Figuren der Hochklassik und darf von der Parthenonzeit nicht zu weit entfernt werden62. Die Erechtheionkoren63 dürfen als Bestandteil der Bauplastik auch nicht vorbehaltlos verglichen werden, da ihre Struktur von ihrer tragenden Rolle mit bestimmt wird. Dennoch läßt sich aus dem Verhältnis von Körper und Gewand, der Stofflichkeit des Gewandes, der Gegensätzlichkeit von Spielbein und Standbeinseite des Unterkörpers ablesen, daß die Erechtheionkoren die Datierung der eleusinischen „Demeter“ besser unterstützen als die des Typus Ince, der sich in diesen Dingen bereits weit von den Koren entfernt hat. Vergleichbare Details belegen allerdings, daß das Urbild der Athena Ince nicht sehr viel später entstanden sein 56 57 58
59 60 61
63
Zur Demeter von Eleusis zuletzt L. Baumer, AntK 1995, 11 ff. Taf. 6-9; vgl. auch Neumann, Weihreliefs 59 ff. Taf. 35 a-c; Hiller, Formgeschichtl. Unters. 77 Taf. 7. 15, 16. Vgl. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 17 und Hiller a. O. 20 ff. Nicht uninteressant wäre die Überlegung, ob das Aufkommen dieser Stilrichtung mit einer wachsenden Wertschätzung des Marmors als zur Bronze in Konkurrenz tretendes Material für die Herstellung von Rund- und Reliefplastik verbunden gewesen sein könnte. Vgl. Hiller a. O. 30. Vgl. B. S. Ridgway, Fifth-Century Styles in Greek Sculpture (1981) 202 f. Abb. 128. Zur Artemis von Ariccia vgl. Anm. 1020. Vgl. S. 18 ff.; zur Athena Velletri vgl. E. B. Harrison, AJA 81, 1977, 150 ff. (mit Replikenliste und Abb.); Karanastassis, AM 1987, 350 ff.; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 121 ff.; dies., in: Deacy - Villing, Athena 197 - 217; Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 136 ff. Nr. 12; Waywell, BSA 1971, 376, 380 (Replikenliste) Taf. 69 a; M. Nocca, Dalla vigna al Louvre. La Pallade di Velletri (1997). H. Lauter, Zur Chronologie römischer Kopien nach Originalen des 5. Jhs. (1968) 8 ff.; ders., Die Koren des Erechtheion, AntPl 16 (1976).
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kann als ein bis zwei Jahrzehnte nach den Koren. Dazu gehört die das Spielbein von hinten rahmende Falte der Koren A und B ebenso wie die Art der geschwungenen Falten im Bereich des rechten Unterschenkels und die Zeichnung glatterer Flächen durch langgezogene, schnurartige Faltengrate64. Auch die trotz der Massigkeit der Koren noch vergleichbaren Proportionen belegen die Bindung des Typus Ince an die hochklassische Vergangenheit. Die Köpfe der originalen Koren sind stark korrodiert. Lediglich der der Londoner Kore C65 läßt sich noch vergleichen, ergibt aber nur in bezug auf das Verhältnis von Karnat und Kopfvolumen ein brauchbares Urteil, während die völlig unterschiedliche Behandlung der Augen und Haare deutlich den Unterschied zwischen Kopien nach einem Bronzeoriginal und einer originalen Marmorarbeit offenlegt. Ebenso unterscheiden sich die Kopien der Athena Velletri66 von dem Marmorkopf der Kore; der volle Gesichtskontur ist allerdings ähnlich. Hier ist jedoch auch die Haarbehandlung besser vergleichbar, sodaß sich eine Datierung der Athena Velletri um 420 unter diesem Aspekt bestätigt67. Das Gesicht der Athena Ince dagegen ist schmaler geschnitten; die Schläfen weichen früher nach hinten zurück und das Kinn ist spitzer. Die Haare sind um die Schläfen herum lockerer angeordnet. Der Hals ist schmal und zierlich. Nicht ohne Grund ist der Athena Ince immer die Rolle einer Vermittlerin zwischen Hochklassik und Spätklassik zugewiesen worden. Der Kopftypus zeigt deutlich, was Körper und Gewand auf andere Weise bestätigen: Er leitet zu spätklassischen Köpfen wie jenem der Athena Rospigliosi68, der Leda69 und der Eirene70, der aus der Bauplastik erhaltenen Köpfe71 und der zahlreichen Grabreliefköpfe, deren Entwicklung gut nachvollziehbar ist72, über. Vergleiche mit weiteren gut überlieferten Statuenköpfen aus der zweiten Hälfte des 5. Jhs. wie denen der ephesischen Amazonen73, der Prokne74, der Hera Borghese75 und der Aphrodite Frejus76 belegen, daß der Kopftypus Ince an das Ende des 5. Jhs. gehört. Die Aphrodite Frejus ist der Athena Ince auch formal verwandt und nimmt eine Zwischenstufe ein zwischen ihr und der zuvor verglichenen sog. De64
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Lauter a. O. Taf. 3, 12; teilweise besser sichtbar an den Kopien, vgl. Schmidt, AntPl 13, Taf. 11, 19, 21, 38. Die Falte tritt jedoch bei der Athena Ince stärker in den Vordergrund, während sie an den Koren neben dem herausdrängenden Spielbein verschwindet. Lauter a. O. Taf. 30 c. Vgl. Anm. 62. Zu den Datierungsvorschlägen vgl. Vierneisel-Schlörb a. O. (Anm. 62). Auch der Kopf des Diadumenos, der wahrscheinlich zum Spätwerk Polyklets zu zählen ist, kann eine Datierung der Athena Velletri um 420 untermauern, H. Marwitz, AntPl 7 (1967) 29 ff. Taf. 18, 19; D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 109 ff.; P. C. Bol, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 206 ff. Vgl. S. 51 ff. Vierneisel-Schlörb a. O. (Anm. 62) 248 ff. 24; A. Rieche, Die Kopien der 'Leda des Timotheos', AntPl 17(1978) 21-55. Vierneisel-Schlörb a. O. 255 ff. 25. Vgl. N. Yalouris, Die Skulpturen des Asklepiostempels in Epidauros, AntPl 21 (1992) 82 f.; A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. (1974) 193 ff. Vgl. S. 87 ff. Nicht umsonst ist die vermutliche Kopfreplik in Prag (In IV 1) im Museumskatalog als Grabreliefkopf aufgeführt (vgl. Anm. 47). Vgl. Lauter a. O. (Anm. 63) 116 ff.; R. Bol, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 213 ff.; dies., Amazones Volneratae (1998); H. v. Steuben, in: H. Beck - P. C. Bol, Polykletforschungen (1993) 73 ff.; B. S. Ridgway, in: W. G. Moon a. O. (Anm. 50) 191 ff.; B. Schmaltz, AA 1995, 335 ff.; C. Berns, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 129 f. 28-30. W. H. Schuchardt, Alkamenes. 126. BWPr (1977) 12 ff. Abb. 2-5; Fuchs, Skulptur4 214 mit Lit.; H. Knell, AntPl 17 (1978) 9 ff. Taf. 1-9. Fuchs a. O. 222; Borbein, JdI 1973, 127 ff. Fuchs a. O. 224 mit Lit.; Borbein a. O. 124 ff. Abb. 43 - 46; vgl. Anm. 353..
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meter von Eleusis. Sind ihre Seitenansichten noch eigenständiger, ist ihr Aufbau gerader und der Kontur geschlossener, so ist hier doch bereits der hemisphärische Querschnitt zu beobachten, der an der Komposition des Typus Ince aufgefallen war und der an der Aphrodite Frejus durch die Mantelfolie verstärkt wird77. Auch die Lebensgröße ist beiden Figuren gemeinsam, und trotz der völlig unterschiedlichen Aussagen beider Werke, die sich natürlich auch in Struktur und Komposition äußert, ist die Gestaltung ihrer Standbeinseite dem Aufbau nach gleich. Abgesehen von der dem Nassen Stil zuzurechnenden Konsistenz des Chiton ist die Faltenbildung des Mantels der Aphrodite handwerklich mit den Peplosfalten der Athena vergleichbar78. Die Besonderheit der Athena Ince ist es jedoch, bei einer plausiblen Datierung um 400 das erste großplastische Werk zu sein, das neben einer sichtlichen Bindung an die späte Hochklassik formal und stilistisch direkt zum Schlichten Stil des beginnenden 4. Jhs. führt.
Bemerkungen zur Typologie anhand der Datierung durch Reliefs Diese Entwicklung kann an den Reliefs, mit denen die Athena weit häufiger verglichen wird als mit großplastischen Werken, nachvollzogen werden. Gleichzeitig läßt sich so die Datierung des Typus Ince um 400 untermauern. In ihrer Arbeit über Athenatypen auf attischen Weihreliefs des 5. und 4. Jhs. beschreitet Meret Mangold den umgekehrten Weg, indem sie nach dem direkten Einfluß des großplastischen Typus Ince auf die Reliefs sucht79. Daß ein solcher Ansatz methodisch überhaupt gerechtfertigt ist, darf inzwischen bezweifelt werden80. Der Athena Ince vergleichbare Relieffiguren zusammenzustellen, schien sich jedoch zu lohnen und muß hier nicht wiederholt werden. Auch R. Kabus-Jahn hat im Zusammenhang mit einer Ince-nahen Athenastatuette in Venedig81, die sie mit dem Typus vergleicht, einige Reliefs herangezogen. Von beiden Forscherinnen ist die Verbindung der Reliefs zum Typus Ince jedoch zu eng gesehen worden. Gemäßigter äußert sich L. A. Baumer, der in seiner Arbeit über die Verwendung weiblicher Statuentypen auf Reliefs natürlich auch die Athena Ince erwähnt. Da er eine Datierung der Athena Ince um 410-400 für wahrscheinlich hält, können die früheren Relieffiguren dadurch nicht von der Statue abhängig sein. Baumer räumt jedoch die Möglichkeit ein, eine verlorene Statue könne das Vorbild gewesen sein. Gänzlich ablehnend gegenüber vorbildhaften Beziehungen zwischen Großplastik und Reliefs äußert sich S. Ritter in seiner 1997 erschienenen Untersuchung zu den Attributen der klassischen und spätklassischen Athenen82. Der Einblick in andere Gattungen zeigt, daß der übergreifende Darstellungstypus der stehenden Peplos- oder Chitonträgerin im späten 5. Jh. überall häufig verwendet wurde. Anhand seiner Untersuchungen über Demeter und Kore stellte Neumann fest, daß der übergürtete Peplos fast nur 77
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Aus den Querschnitten Hillers, Formgeschichtliche Untersuchungen Abb. 92, 103 ist in bezug auf den hier wichtigen Aspekt nichts zu entnehmen, da Hiller den Schwerpunkt auf die Betrachtung des Standmotivs und der durch dieses verursachten Faltenbewegung legt. Borbein, JdI 1973, Abb. 45-46. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19 ff. Vgl. S. 33 ff.; s. auch die Rezension M. Meyers, Gnomon 67, 1995, 711 ff., die allerdings methodische Mängel und Inkonsequenzen eher im einzelnen sieht und nicht so sehr im Gesamtansatz, wie dies hier geschieht. Kabus-Jahn, AntPl 11, 87 ff., bes. 95 f. Abb. 1-3. Zur Statuette Venedig vgl. S. 27 f. 4. Ritter, JdI 1997, 30 f., 32 Anm. 57; 50 Anm. 149; vgl. hier S. 50.
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bei jugendlichen oder jungfräulichen Gottheiten erscheint83. Das Trachtschema bot sich daher auch für die Darstellung Athenas an und findet sich bereits bei der spätarchaischen AngelitosAthena84. In der Vasenmalerei tritt der übergürtete Peplos an Athenadarstellungen neben anderen Trachtformen gleichfalls schon in der ersten Hälfte des 5. Jhs. auf85, wobei im Strengen Stil der untergürtete Peplos vorherrschend bleibt86. Seit der Mitte des 5. Jhs. nimmt der übergürtete Peplos, vertreten durch Figuren wie die myronische Athena87 und die Bronze Elgin88, an Zahl zu und erobert nach der Kanonisierung durch die Parthenos zum Ende des Jahrhunderts hin den ersten Platz in der Athenaikonographie89. In der Bauplastik tritt Athena im übergegürteten Peplos mit Mantel zunächst in der Parthenonnordmetope 32 entgegen90, ohne Mantel erscheint sie im Ostfries des Niketempels91. Auf den Urkunden- und Weihreliefs trägt Athena fast nur noch den übergegürteten Peplos mit oder ohne Rückenmantel92. Für Meret Mangold liegt die Ursache für die häufige Darstellung der Reliefathenen im übergegürteten Peplos in der Vorbildhaftigkeit des statuarischen Typus Ince. Ohne das Phänomen der Ähnlichkeit methodisch zu definieren, zieht sie alle dem Typus Ince in Tracht und Haltung ähnelnden Athenafiguren auf Urkunden- und Weihreliefs zu einer diesem Typus bewußt folgenden Gruppe zusammen93. Die äußerliche Übereinstimmung der Relieftypen mit dem Typus Ince spricht nach Mangold für sich und setzt unbedingt eine Vorbildhaftigkeit des Typus voraus. Meret Mangold steht mit dieser Vorgehensweise in guter Tradition94. Immer mehr Ergebnisse aus dem Umgang mit typologischen Problemen legen jedoch nahe, sich von der im Grunde auf Winckelmann und die Anfänge der Archäologie zurückgehenden Hochschätzung der Rundplastik zu lösen und jede Gattung als selbständiges Zeugnis einer übergreifenden Typologie für sich sprechen zu lassen. Marion Meyer, deren Umsicht Meret Mangold nicht gelten läßt95, nimmt sich des 83 84 85 86
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Neumann, Weihreliefs 60. Demargne, LIMC II 972 Athena 144 Taf. 720. Vgl. Demargne, LIMC II 961 Athena 37 Taf. 707; am bekanntesten ist die Darstellung auf der Namensvase des Niobidenmalers, vgl. Anm. 40. Vgl. Demargne, LIMC II 972 Athena 147 Taf. 721, 975 Athena 190 Taf. 727; Canciani a. s. O. 1084 Athena/Minerva 139 Taf. 794; sowie die Metopen vom Zeustempel in Olympia, H. Knell, Mythos und Polis (1990) 79 ff. Abb. 117, 119. B. und K. Schauenburg, AntPl 12 (1973) 47 ff. Taf. 8-14; K. Junker, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 519 ff. Nr. 399404. Demargne, LIMC II 976 Athena 205 Taf. 728. J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Die klassische Zeit (1989) Abb. 136, 181, 188. 1; vgl. M. M. Lee, The Myth of the Classical Peplos (1999) 1: „The over-girded Peplos is often referred to as the ‘Peplos of Athena’ since this form of garment is frequently shown as worn by that goddess.“ und a. O. 360: „The ‘peplos’ was therefore understood as symbolic for the ancient, Hellenic identity of the Athenians.“ - und daher ein brauchbares Gewand für die ‘Staatsgöttin’. Knell a. O. (Anm. 91) 105 Abb. 157; F. Brommer, Die Metopen des Parthenon (1967) 59 ff. Taf. 132-138. C. Blümel, JdI 65/66, 1950/51, 135 ff. Abb. 17; F. Felten, Griechische tektonische Friese archaischer und klassischer Zeit (1984) 118 ff. Taf. 39 Abb. 1; Knell a. O. 140 ff. Abb. 227, 230. Vgl. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs passim. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19; abgelehnt durch M. Meyer a. O. (Anm. 80) 711. Die Suche nach den opera nobilia ist, bewußt oder unbewußt, noch immer Hauptaugenmerk der Skulpturenforschung. Daraus resultiert m. E. häufig eine Überschätzung des Kunstwertes der Rundplastik, die zumindest für die Zeit vor dem Hellenismus, in der Plastik eng mit Kult und Politik verbunden war, in dieser Weise kaum authentisch war und in ihrer letzten Ausprägung auch erst durch das römische Kopienwesen auf die Spitze getrieben worden sein kann. Zum Problem der opera nobilia zuletzt S. A. Jaros, Roman Copies of Greek Sculpture and the Problem of the „nobilia opera“ (1993). Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19 Anm. 56. Der undifferenzierte Text der Anmerkung zeigt, daß das Vorgehen und die Argumentationsweise M. Meyers weitgehend unverstanden geblieben sind.
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Vorbilder-Problems in bezug auf die Urkundenreliefs in sachlicher und methodisch sorgfältiger Weise an96 und kommt zum Schluß, es müsse quasi abstrakte Darstellungsmuster gegeben haben, die sie Grundtypen nennt, und die im späten 5. und frühen 4. Jh. immer wieder und je nach beabsichtigter Funktion variiert eingesetzt wurden97. Diese Grundtypen seien durch Musterbücher in den Reliefwerkstätten verbreitet gewesen98, orientierten sich allerdings ihrerseits doch an der Großplastik, da diese den Zeitstil und die zeitgenössische Ikonographie prägte. Marion Meyer begründet also ihren Vorbehalt gegen eine ausschließliche Wertung der Reliefs als Überlieferer verlorener opera nobilia damit, daß der Bezug zwischen Großplastik und Relief zumindest im späten 5. und frühen 4. Jh. nur indirekt gewesen sei99. Eine Absicht der Reliefbildner, bestimmte Bildwerke wiederzugeben, beobachtet sie erst im fortgeschrittenen 4. Jh., als der Bezug auf bestimmte Meisterwerke im Rahmen der allgemeinen Rückwendung zu den Werten einer vergangenen Blütezeit auch vorstellbar ist100. Trotz dieser erheblichen Einschränkung gegenüber der älteren Forschung zweifelt Marion Meyer aber nicht an der traditionell herausragenden Position der Großplastik. Ihrem und auch dem traditionellen Schema zufolge verläuft die Entstehung der Reliefikonographie hierarchisch von der monumentalen Kunst (gemeint ist vor allem Großplastik, aber wohl auch Malerei) über die durch diese geprägten Musterbücher zur Kleinkunst. Die führende Rolle der Großplastik muß m. E. jedoch noch differenzierter betrachtet werden. Die hohe Wertung der Großplastik beruht größtenteils auf der römischen Rezeption in Literatur und Kopienwesen, die die Statuen in erster Linie als Kunstwerke sah. Die innovative schöpferische Kraft der einzelnen großplastisch schaffenden Künstler so hoch einzuschätzen, daß sie allein die Ikonographie einer ganzen Zeit prägen konnte, hieße sicher, sie zu überschätzen. Man wird viel eher davon ausgehen müssen, daß auch diese Künstler nach zeitgebundenen Mustern und mit vorgeprägten Typen arbeiteten, die sie formten und weiterentwickelten; daß auch ihr Schaffen in erheblichem Maße eingebunden war in ein literarisches und gesamtkünstlerisches Schaffen ihrer Zeit, das ineinandergreifend neue Auffassungen und somit neue künstlerische Darstellungstypen hervorbrachte (vgl. S. 33 ff.) 101. Ausgehend von der bereits in diese Richtung gehenden Vorstellung Marion Meyers würde das Schema dann folgendermaßen aussehen: Die gängige zeitgenössische ikonographische Vorlage vom darzustellenden Gegenstand bestand - etwa in Form von Musterbüchern - zuerst. Der großplastisch arbeitende Künstler war genauso an diese Vorgaben gebunden wie der eher handwerklich arbeitende Steinmetz; er schuf nur innerhalb dieses Rahmens mit größerer individueller Fä96 97 98 99 100 101
Meyer, Urkundenreliefs 223 ff. a. O. 227. 241. a. O. 246. a. O. 223 f.; dies. a. O. (Anm. 80) 714. a. O. 242 ff. Die Vorstellung vom einsam arbeitenden und mühsam ringend oder in genialer Weise Neues schaffenden Künstlerindividuum, von der sich letztlich die Suche nach den opera nobilia ableitet, ist eigentlich rein neuzeitlich. Auch die Trennung von Kunst und Handwerk erscheint in der Antike weniger scharf, sodaß ein individueller Künstler sich genauso an ikonographische Gegebenheiten gehalten haben kann wie der Steinmetz einer Reliefwerkstatt. Es sei an dieser Stelle erlaubt, ein Beispiel aus der Entwicklung der Musikgeschichte anzuführen. Auch hier war der Komponist stets an das Repertoire seiner Zeit gebunden und schöpfte daraus, der begabte Geist brachte aber die Musik mit eben diesen Mitteln seiner Zeit zu einer genialen Perfektion, die wiederum die Musikgeschichte mit Neuheiten ausstattet, durch die sie sich erst weiterentwickeln kann. In bezug auf die stilistische Entwicklung ist dieser Gedanke nicht neu. Daß dies aber auch für die Ikonographie und ihre Fortentwicklung zutrifft, ist bisher nicht genügend berücksichtigt worden, obwohl beispielsweise Furtwängler bereits 1893 weitsichtig darauf hinwies (MW XI f.; Statuenkopien 7 ff.).
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higkeit und leistete so zur Weiterentwicklung der zeitgenössischen Muster einen größeren Beitrag als der eher rezipierende Kunsthandwerker. Dann hätten also nicht die großplastischen Vorbilder für die Kleinkunst Pate gestanden und die Entwicklung der Gattungen würde auch nicht einseitig von der Großplastik bestimmt, sondern verliefe parallel durch alle Gattungen hindurch unter partieller gegenseitiger Beeinflussung und unter größter Bindung an die Prägung durch Mythos und Kult102. Für die Athena Ince und ihren kunsthistorischen Stellenwert bedeutet dies zunächst natürlich eine Abwertung. Einer solchen Sichtweise zufolge sind die Reliefs mit stehenden Peplosträgerinnen in ähnlichem Schema nämlich nicht alle, wie Meret Mangold suggerieren möchte, vom Typus Ince abhängig, sondern bleiben, wie dies Marion Meyer bereits vorschlägt, eigenständige Produkte gleichzeitigen Stilwollens und gleichartiger Ausdrucksformeln103. Einen direkten Einfluß auf die Ikonographie kann man höchstens besonders bekannten Kolossalstatuen wie der Athena Parthenos zugestehen, da großformatige Kultbilder von vornherein anders eingestuft werden müssen104. Warum also sollte eine lediglich lebensgroße Figur wie die Athena Ince einen derartigen Einfluß auf die Ikonographie gehabt haben, der zudem größer wäre als z. B. der ihrer kolossalen Vorgängerin, der Athena Velletri, von der kaum ein Reflex in der zeitgenössischen Reliefkunst sichtbar wird105? Da weder Künstler noch Aufstellungsort bekannt sind, gibt es nicht einmal einen Beleg dafür, daß die Athena Ince vor ihrer Verbreitung durch den römischen Kunstgeschmack, dem die Figur wahrscheinlich als sozusagen typisch klassische Athenadarstellung entsprach106, überhaupt schon berühmt gewesen ist. Möglicherweise war die Athena Ince noch nicht einmal eine bekannte Kultstatue, sondern nur ein Weihgeschenk, das ein bekannter
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Daß die Künstler nicht, wie dies neuzeitlicher Auffassung entspricht, aus individueller Inspiration heraus schufen, kann möglicherweise eine Anekdote bei Strabon erhellen, in der es um die Herstellung der Zeusstatue in Olympia geht. Phidias wird von Paionios gefragt, nach welchem „paradeigma“ er den Zeus gestalten wolle, worauf dieser mit einem illustrierenden Homerzitat antwortet (Strab. VIII 353). Kann man hier „paradeigma“ mit „Beispiel“, „Vorbild“ oder „Muster“ wiedergeben? In jedem Falle entspringt das gewählte Darstellungsschema nicht individueller Vorstellungskraft, sondern kulturgeschichtlicher Prägung. C. Arnold-Bucchi kommt im Rahmen einer Untersuchung über die Rezeption polykletischer Werke auf Münzen zu folgendem Schluß: „The few examples we have seen reflect more the style of their time than that of Polycleitos. Or does the great sculptor incarnate the style of his time? On the whole, the comparisons between coins and sculpture have shown the independence and originality of the die-engravers. Theirs might be called a „minor“ art, but they were certainly not working as simple craftsmen, copying statues in the round. As some of the examples have shown, they were creative artists of the highest quality.“ (in: W. G. Moon a. O. [Anm. 50] 227). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß die Steinschneider als kreative, innovative Künstler bezeichnet werden müßten. Dies erscheint nur so, weil sie aus dem ikonographischen pool ihrer Zeit technisch Hochstehendes schaffen konnten. S. Anm. 96. Die Rezeption der Parthenos als eines kolossalen Repräsentations- und vielleicht doch Kultbildes ist ein spezieller Fall. Vgl. hierzu Nick, Athena Parthenos 177 ff., bes. 190 f. Wie weit geht die Beeinflußung der zeitgleichen Kleinkunst durch die Großplastik hier, und inwieweit folgt auch die Parthenos selbst einem üblichen Typus, der in der phidiasischen Gestaltung nur seine spezielle Ausprägung erhielt? M. Meyer führt das Urkundenrelief mit Ares und Athena aus Acharnai an und beschreibt die Übernahme des Arestypus aus dem Bereich der Grabreliefs (Meyer, Urkundenreliefs 238 ff.). Die als Areia bezeichnete Athena, die äußerlich der Parthenos gleicht, stellt natürlich nicht die Parthenos dar und folgt ihr auch nicht typologisch, sondern bedient sich m. E. nur des gleichen Darstellungstypus'. Was zunächst vielleicht spitzfindig erscheint, hat in Wirklichkeit weitreichende Konsequenzen, denn es ermöglicht eine umfassendere Sicht der Entwicklungsgeschichte, die sich nicht mehr auf einzelne „Highlights“ beruft, sondern gattungsübergreifende Entwicklungen beobachtet und vollständig auswertet. Zu angeblichen Reflexen der Athena Velletri auf Reliefs vgl. Meyer, Urkundenreliefs 170. Interessant wäre sicher, innerhalb der Quellen einmal der Frage nachzugehen, warum bestimmte Werke überhaupt kopiert wurden - ob stets aus rein künstlerischen Aspekten heraus oder auch wegen der ursprünglichen, religiösen Bedeutung einer Figur.
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Meister nach den ikonographischen Gepflogenheiten seiner Zeit hergestellt hat107. Ebenso unverständlich wie der Versuch G. Nicks in ihrer jüngst erschienenen Publikation über die Athena Parthenos, die Athena Ince als Reflex der kolossalen Kultstatue einzuordnen108, bleibt vor diesem Hintergrund der Ansatz Meret Mangolds, alles Ähnliche und Übereinstimmende als vom Typus Ince abhängig zu sehen109. Unabhängig von der Großplastik betrachtet, können die Reliefs also als eigenständige Werke gelten und stellen der Großplastik fast gleichwertige Meilensteine in der Entwicklung der Ikonographie dar. Erst dann können sie aufgrund ihrer minderwertigen Qualität zwar nicht im Detail, aber doch strukturell und formal als Datierungsanhaltspunkt herangezogen werden110. Mit Sicherheit stammt der Typus Ince aus der gleichen Zeit wie die Athenen der Reliefs, die Meret Mangold an ihn anschließt. Die Athenen der Urkundenreliefs in Eleusis und Athen, die M. Mangold abbildet, gehören dem gleichen Typus mit Rückenmantel, Lanze und attischem Helm an111. Anstelle des von Marion Meyer vorgeschlagenen Begriffes „Grundtyp“112 soll hier für einen solchen Typus der Ausdruck „Darstellungstypus“ verwendet werden. Die Reliefathenen lassen sich im Anschluß an die 422/21 datierte Brückenbauurkunde von Eleusis datieren113, wobei das Fragment Akr 2432 aus stilistischen Gründen sicherlich etwas früher, Akr. 2996 dagegen etwas später als die Urkunde anzusetzen ist114. Akr. 2996 weist nämlich bereits deutlich in die Richtung der Schatzmeisterurkunde von 398/97115 (Taf. 85 Abb. 2), der es um etwa ein Jahrzehnt vorausgehen wird. Aufgrund der bereits geschilderten Geradheit und Verknappung, die ihn von der Hochklassik trennen, muß der Typus Ince in der Zeit zwischen diesen beiden Reliefs entstanden sein.
Die Meisterfrage Eng mit der Meisterzuweisung verbunden ist die Beziehung des Typus Ince zur Athena Velletri116 und die anschließende Frage, ob Ähnlichkeiten als Hinweis auf einen Schulzusammenhang 107
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Wie sehr auch berühmte Bildhauer an die Darstellungsmittel ihrer Zeit gebunden waren, zeigt sich am Beispiel der ephesischen Amazonen (s. Anm. 73). Über die Vorgaben des Wettbewerbes hinaus gestalteten die drei Bildhauer das gleiche Motiv ausgesprochen ähnlich. Nick, Athena Parthenos 180 f. („Zitat“) 203 („Umschöpfung“). Wohin ein so undifferenzierter Ansatz führt, erläutert M. Meyer am Beispiel der sog. Demeter von Eleusis, die das Vorbild für die Athena der Schatzmeisterurkunde von 410/9 im Louvre gewesen sein soll; Meyer, Urkundenreliefs 224, A 16. Als zu zurückhaltend zitiert M. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19 Anm. 55 P. Karanastassis, die den Sachverhalt so treffend beschreibt, daß das Zitat hier ebenfalls angeführt sei: „Die genannten Reliefbilder, denen sich noch die Darstellung der Göttin auf dem Ostfries des Athena-Nike-Tempels sowie weitere des ausgehenden 5. und 4. Jhs. v. Chr. anschließen, setzen zwar den Typus Ince nicht unbedingt voraus, sie grenzen aber seinen chronologischen und landschaftlichen Kontext ein.“ (Karanastassis, AM 1987, 360). Nick, Athena Parthenos 191 stellt allgemeiner fest: „Interessant ist, daß die meisten bekannten klassischen Athenatypen keinen Widerhall auf den Urkundenreliefs gefunden haben, der Einfluß der Rundplastik also oft überschätzt wird.“ Eleusis 5093, Akr 2996, Akr 2432, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19 ff. Taf. 2. 1-3; Meyer, Urkundenreliefs A 5. A 6 Taf. 2; 218 Anm. 1531; Lawton, Document Reliefs 82 f. 3 Taf. 2; vgl. auch die bei Karanastassis, AM 1987, 360 Anm. 167 angeführten Reliefs. Meyer, Urkundenreliefs 223 ff. Meyer, Urkundenreliefs A 5; Lawton, Document Reliefs 82 f. 3 Taf. 2; Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 4. S. Anm. 111. Meyer, Urkundenreliefs A 36 Taf. 11. 1; Lawton, Document Reliefs 89 f. 14 Taf. 8. Zur Athena Velletri vgl. Anm. 62.
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dienen können oder ob sie nur als Zeitstil interpretiert werden dürfen. Die Zuschreibung der Athena Velletri an einen Meister der nachparthenonischen Zeit galt innerhalb der Meisterforschung lange als eindeutig. Aufgrund ihrer stilistischen Verwandtschaft mit den Parthenonskulpturen um 430 datierbar117, wurde sie wegen ihrer Ähnlichkeit zum Periklesporträt Kresilas zugeschrieben118. An diese Zuweisung schließt sich stets die Diskussion um die Meisterzuweisung der drei Amazonentypen an, zu der R. Bol überzeugend Stellung genommen hat119. Sie kehrt zu der Ansicht Furtwänglers zurück, der die Amazone Sciarra für Polyklet reklamierte und enthebt so die Amazone Sosikles dieser Rolle. Da die Athena Ince mit dieser Figur direkt verwandt ist, aber nichts Polykletisches an sich hat, kommt R. Bols Äußerung der hier vertretenen Meinung entgegen. Trotz des unterschiedlichen Motives lassen sich Gemeinsamkeiten entdecken. Dabei kann es folglich nicht um äußerliche kompositionelle Übereinstimmungen gehen, sondern lediglich um ähnliche oder sogar gleiche Lösungen von Darstellungsproblemen120. Relativ auffällig und direkt ist die Verwandtschaft der Köpfe. Sie zeigt sich im Vergleich der aus der 1. Hälfte des 1. Jhs. stammenden Köpfe der Athena Ince in Liverpool (In I 1) und der Sosikles-Amazone in Rom121 ebenso wie im Vergleich des Ince-Kopfes aus der Villa Hadriana (In I 2) mit dem zeitlich nicht weit davon entfernten, wohl trajanischen Amazonenkopf in Neapel122. So ähneln sich jeweils die Augenpartien, die Proportionen sind verwandt, das Karnat ist von vergleichbarer Konsistenz, die Haarangabe ist weich und locker. Auch mit dem Kopf der Amazone Sciarra bestehen gewisse Gemeinsamkeiten123. Der Vergleich der hadrianischen Replik in Kopenhagen124 mit dem Kopf der Athena Ince aus Tivoli (In I 2) zeigt sogar die gleiche Straffheit des Karnates; auch hier ist die Augenbildung ähnlich und die locker angeordneten Haarwellen an den Schläfen sind mit der Frisur der Athena direkter verwandt als die füllige Kalotte der Sosiklesamazone. Dennoch fällt sofort die größere Weichheit der Züge der Athena Ince auf sowie ihre zarte Mädchenhaftigkeit - beides Eigenschaften, die nicht nur motivisch bedingt sein können, sondern die Athena auch als jüngeres Werk ausweisen. Diese Weichheit der Züge, die sich unter den Amazonen einzig am Sosiklestypus wiederfindet, trennt die Athena Ince auch von der viel herberen Athena Velletri125. Daß die kolossale und die lebensgroße Athena dennoch typologische und zeitstilistische Gemeinsamkeiten haben, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis. 117 118
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Vgl. Anm. 67. Vgl. E. Berger, in: Antike Kunstwerke aus der Sammlung Ludwig III. Skulpturen (1990) 174 Anm. 21.; zum Periklesporträt vgl. zuletzt B. Cohen, Hesp 60, 1991, 465 ff. Taf. 113-126; Schefold, Dichter, Redner und Denker 100 f. Abb. 33. R. Bol, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 213 ff.; dies., Amazones Volneratae (1998) 73 ff.; vgl. darüber hinaus auch die umfassenden Darstellungen M. Webers, JdI 91, 1976, 28 ff. und JdI 99, 1984, 74 ff. Zu den Amazonen zusammenfassend zuletzt C. Berns, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 129 f. 28-30. Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der traditionell Kresilas zugeschriebenen Amazone Sciarra und der Athena Ince kann kein Hinweis auf gleiche Künstlerschaft sein, sondern müßte eher als Gegenbeweis dienen, denn es läßt sich - um es mit der in der Meisterforschung gebräuchlichen Terminologie auszudrücken - kaum mit der Dynamik einer Künstlerpersönlichkeit vereinen, derart unterschiedliche thematische Anforderungen nach einem so übereinstimmenden kompositionellen Muster zu lösen. H. v. Steuben, Der Kanon des Polyklet (1973) Taf. 43; R. Bol a. O. (Anm. 191) 224 Abb. 91 a. b. B. Maiuri, Museo Nazionale di Napoli (1957) Abb. S. 19; Le Collezioni del Museo Nazionale di Napoli. La Scultura... (1989) Farbtaf. Abb. S. 32, La Scultura Greco-Romana 38; R. Bol, Amazones Volneratae (1998) Taf. 74-75, 76 a. R. Bol a. O. (Anm. 191) 232 Abb. 95-97. R. Bol a. O. Abb. 95 a-d. S. Anm. 187.
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Über den zeitlichen Abstand der beiden Athenadarstellungen kann kein Zweifel bestehen. Die Athena Velletri ist in ihrer mächtigen, massigen Steifheit und Frontalität noch immer ein Werk der Hochklassik126. Der Gewandstil erinnert in seiner verhalten bewegten Monumentalität an die Parthenonskulpturen, vereint diese aber bereits mit einer Schlichtheit, die immer wieder zu einer späten Datierung der Velletri um 400 geführt hat127. Aus der Mehrzahl der überlieferten Repliken läßt sich jedoch ein monumentales, leicht durchgeschwungenes Götterbild parthenonischer Tradition rekonstruieren, das zeitlich zwischen den Parthenonskulpturen und den Erechtheionkoren angesiedelt werden muß und handwerklich und stilistisch eng mit den Relieffiguren vom Hephaisteionfries verbunden ist128. Die Athena Ince dagegen konnte in die Zeit um 400 datiert werden129 und ist damit etwa eine Generation später entstanden als ihre monumentale Vorgängerin. Außer der unterschiedlichen Größe zeigen beide Figuren aber bei genauerem Hinsehen so viele weitere Unterschiede130, daß die Gemeinsamkeiten der Tracht, Helmform, Haartracht und Aigisform sich bald nur noch auf den ähnlichen Zeitstil der Darstellungsweise reduzieren lassen131. Der wichtigste Unterschied über alle darin inbegriffenen Einzelheiten hinaus besteht in der deutlich anderen 126 127
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Vgl. S. 18 ff. So erneut Fuchs, Skulptur4, 212 Abb. 227. Zu dieser späten Datierung tragen sicher die mangelnde Qualität und der künstlich-steife Charakter der Struktur der namensgebenden hadrianischen Replik im Louvre bei, die Fuchs abbildet. Wenn die Replik den Typus auch nicht in angemessener Weise repräsentiert, wurden an ihr doch Eigenschaften festgemacht, die als stilistische Merkmale des Originals und erste Hinweise auf den Schlichten Stil interpretiert wurden, obwohl sie in Wirklichkeit auf eine klassizistisch-verflachte Kopistenarbeit zurückzuführen sind. Einen viel besseren Eindruck vom Körper des Originals vermittelt dagegen die qualitätvolle Replik im Museo Nuovo, Harrison a. O. (Anm. 62) 153 Abb. 9 und 156 Abb. 17 (mit ergänztem Kopf), der auch E. Mathiopoulos eine „in den meisten Einzelheiten der Falten ... höhere Qualität“ zugesteht (a. O. 129). Auch die zahlreich erhaltenen Kopfrepliken (Harrison a. O. 176 f.) stellen der harten Replik im Louvre ein schlechtes Zeugnis aus. Unverständlich ist, weshalb trotz ihrer Einzigartigkeit im negativen Sinne der namensgebenden Replik noch immer eine solche Bedeutung beigemessen wird. Statt ihre Treue anhand der anderen Repliken zu modifizieren, wird sie wegen ihres angeblich authentischen starken Bronzecharakters allen anderen Repliken vorangestellt und als treueste Überlieferung bezeichnet, während für die anderen, viel differenzierteren und sensibleren Repliken die komplizierte Theorie einer absichtlichen Abwandlung durch die Kopisten entworfen wird. B. Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 136 f. erkennt diese Verkehrung des Befundes und ihren Zusammenhang mit der Datierungsproblematik, zieht aber keine Konsequenzen daraus, sondern läßt das Problem ratlos offen (a. O. 137: „Man sieht, auf diese Weise ... kommt man nicht weiter, …“). Der häufig gewaltsame Bronzecharakter hadrianischer Kopien ist bekannt, und auch wenn sich die Replik im Louvre noch als trajanisch bestimmen lassen sollte, was m. E. wegen ihres breit angelegten Faltenstils und der Flächigkeit ihrer frontalen Anlage wahrscheinlicher ist, kann neuzeitliche Überarbeitung den auch vor hadrianischer Zeit schon einsetzenden Hang zum Bronzecharakter zusätzlich verstärkt haben (vgl. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 123 f.; vgl. auch den Rospigliosikopf aus der Galleria Chiaramonti, R IV 1). S. v. Bockelberg, AntPl 18 (1979) 23 - 48 Taf. 10 - 48; J. Dörig, La frize est de l'Hephaisteion (1985). Die Frage, ob daraus mit E. B. Harrison a. O. (Anm. 62) gefolgert werden kann, die Athena Velletri sei als Kultbild im Hephaisteion aufgestellt gewesen, kann hier nicht diskutiert werden. Zu unterschiedlichen Datierungen der Velletri vgl. Vierneisel-Schlörb a. O. 139 f.; s. hier Anm. 67. Vgl. S. 11 ff. Diese Unterschiede betreffen zunächst Haltung und Struktur: Während die Athena Velletri in der Seitenansicht kolossal, gerade und blockhaft ist (Harrison a.O. 156 Abb. 16-17), hat die Athena Ince kaum mehr eigenständige Seiten (vgl. S. 10 f.) und ist insgesamt bogenartig durchgeschwungen. Ihre Gürtung sitzt weit höher als die der Velletri, und die Gewandstruktur ist schlicht und frei von überflüssigen Stoffansammlungen. Ihr Körper zerfällt nicht in zwei an der Taille aufeinanderstoßende Teile, sondern schwingt als Ganzes, während die relativ gerade Athena Velletri noch in hochklassischer, blockartiger Schwere verhaftet bleibt. Im Detail lassen sich an beiden Figuren über die bereits im Text genannten Gemeinsamkeiten hinaus genausoviel Unterschiede wie Gemeinsamkeiten ausmachen: Grundsätzlich ähnlich ist die Lockenführung an den Schläfen, die an der Velletri allerdings schematisch und steif, an der Ince dagegen locker und weich angelegt ist. Auch die zunächst ähnlich erscheinenden Gesichtsproportionen unterscheiden sich in der gleichen Weise. Insgesamt ist in allen Details eine deutliche Entwicklung vom Monumental-Strengen zu schlichter Weichheit sichtbar, die über das rein Motivische hinausgeht. Zum Verhältnis der Athenen Ince und Velletri vgl. auch B. Vierneisel-Schlörb a. O. (Anm. 127) 140.
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Konzeption der Athena Ince, die den Gegensatz zwischen der hochklassischen und der bereits spätklassischen Schöpfung ausdrückt: Ihre Bewegung ist auf einen rechts von ihrer rechten Hüfte befindlichem Punkt ausgerichtet und verharrt in sich selbst, während die Athena Velletri frontal und quasi handlungs- und zeitlos konzipiert ist. Der Wandel vom großformatig konfrontierten Monumentalwerk zur lebensgroßen introvertierten Götterstatue ist hier also anhand vergleichbarer Typen bereits nach einer Generation faßbar132. In die gleiche Richtung weist der Vergleich der Köpfe: Das Gesicht der Athena Velletri zeigt die am klassischen Götterverständnis ausgerichtete abweisend-herbe Gestaltung des 5. Jhs., während der Gesichtsausdruck der Athena Ince mädchenhaft und fast schon gefällig ist: Der Umriß ist runder, das Kinn weicher, die Backen sind voller. Auch die Haare sind nicht, wie bei der Athena Velletri, straff nach hinten gebändigt, sondern umspielen trotz der fast übereinstimmenden Lockenanlage den weichen Gesichtskontur. Das Verhältnis läßt sich auf einen ähnlichen Nenner bringen wie das zwischen polykletischen Jünglingsköpfen und einem in ähnlicher Manier gehaltenen, aber sicher späteren Jünglingskopf im Antiquarium des Palatin in Rom, der dem Typus des Hermes Pitti-Landsdowne zugeordnet worden ist133. Dieser Kopf ist mit dem Kopf der Athena Ince aus Tivoli (In I 2) so eng verwandt, daß, wenn die Vorbilder nicht sogar auf den gleichen Künstler zurückgehen, beide Werke doch zumindest aus der gleichen Kopistenwerkstatt stammen werden. Die Kopfreplik des Hermes Pitti zeigt im Gegensatz zu den herben, straffen Köpfen des Doryphoros oder seiner verwandten Jünglingsköpfe die gleiche Weichheit und rundlich-breitere Anlage, die auch die Gefälligkeit der Athena Ince gegenüber der Athena Velletri auszeichnete. Der wiederholt betonte Schulzusammenhang beider Werke wird also immer unwahrscheinlicher. Die kontroverse Amazonendiskussion lehrt, daß mit derartigen Zuordnungen ohnehin sehr vorsichtig umgegangen werden muß und daß die klassischen und spätklassischen Werke ihrem Zeitstil so verpflichtet sind, daß Künstlerindividuen nur unter allergrößten Vorbehalten auszumachen sind134. Der Vergleich mit dem Typus Velletri zeigte weiterhin, daß Ähnlichkeiten und Unterschiede sich in einer Weise die Waage halten, die es wenig sinnvoll erscheinen läßt, über eine zeitstilistische Entwicklung hinaus individuelle Künstlerhände ausmachen zu wollen. Anders verhält es sich mit der Bestimmung der Kunstlandschaft: Sowohl bezüglich ihres Darstellungstypus als auch in stilistischer Hinsicht ist für die Athena Ince Attika als Entstehungsort am wahrscheinlichsten. Hinzu kommt, daß für eine Athenadarstellung dieses Verbreitungsgrades innerhalb der späteren Rezeptionsgeschichte der Entstehungsort Athen naheliegt135.
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Die Athenatypen der zweiten Hälfte des 5. Jhs. sind alle noch überlebensgroß. Zu den Athenen Farnese-Hope und Giustiniani vgl. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 1968, 48 ff. und 164 ff. Die Athena Ince ist somit der erste überlieferte lebensgroße Typus. Zur Frage nach der Bedeutung dieser sich in der späteren Zeit fortsetzenden Entwicklung der Athenastatuen vgl. S. 244 ff. Zum Hermes Pitti-Landsdowne vgl. D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 118 ff.; P. C. Bol, Der Antretende Diskobol (1996) 72 ff., zum Kopf im Antiquario Palatino 84 f. Abb. 79-81. Bol möchte in dem Typus den Hermes des Polyklet erkennen und datiert den Hermes Pitti um 410-400 (a. O. 95). Vgl. S. 16. In die gleiche Richtung geht die Äußerung des Plinius bezüglich der Ähnlichkeit polykletischer Jünglingsstatuen (Plinius, Nat. Hist. 55), s. Bol a. O. 62. Zum Landschaftsstil und zur lokalen Verbreitung von Athenatypen vgl. Villing, Iconography. Die Autorin beobachtet u. a., daß Athena in frühklassischer Zeit auf der Peloponnes eher einen dorischen Peplos und eine unregelmäßige Aigis trägt, während in Athen bereits zu der Zeit der attische Peplos mit Kragenaigis üblich wurde (Iconography 234). Wenn auch Athen innerhalb der Athena-Ikonographie nicht unbedingt immer führend und prägend war, so stammt doch die größte Vielfalt an Darstellungen offenbar von dort (a. O. 235, 237 f.).
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Ince-ähnliche Statuetten Auf denselben wahrscheinlich attischen Darstellungstypus wie die Athena Ince gehen einige Statuetten mit Kragenaigis und übergürtetem Peplos in Athen und Venedig zurück, die stets direkt mit dem Typus verbunden, aber unterschiedlich datiert werden. Sieben Statuetten sowie eine weitere typologisch ähnliche Statuette mit Schrägaigis in Pergamon sollen im folgenden überblicksartig vorgestellt werden: 1. Athen, Akropolismus. 1336 Statuette ohne Kopf, mit Rückenmantel H 1. 11 m pentelischer Marmor Taf. 65 Abb. 1 - 4 Dat.: spätes 1. Jh. v. / frühes 1. Jh. n. Chr. Lit.: Als frühkaiserzeitliche Variante dem Typus Ince angeschlossen bei P. Karanastassis, AM 1987, 422 B IV 1 Taf. 49, 1-3. Weitere Lit.: Ashmole, Kat. Ince Blundell 10 f. 8; Berger, AntK 1967, 89. 13 a, 87 Taf. 24. 13; M. S. Bruskari, Musée de l’Acropole (1974) 21 f. 1336 Abb. 8-9; Kabus-Jahn, AntPl 11, 93 f. Taf. 55 f.; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 17; Lippold, Plastik 191 Anm. 9.
In Waywells Liste erscheint die Figur als Ince-Replik, und auch für M. Bruskari ist sie eine allerdings späthellenistische Kopie dieses Typus. R. Kabus-Jahn und E. Berger schließen sich der Ansicht Lippolds und Ashmoles an, die die Statuette für ein klassisches Original halten. Ashmole und Berger halten die Statuette für älter als das Original des Typus Ince; für Berger gehört sie zu dessen typologischen Vorläufern. Gemeinsam sind den beiden Athenadarstellungen Schrittstand und Ponderation, Peplostracht und Aigisform. Daß sie jedoch nicht vollständig übereinstimmen, zeigt die Rekonstruktion der Statuette. Der Rückenmantel ist nur noch von hinten sichtbar, da der rechte Unterarm, über den er geführt war, fehlt. Der linke Arm war angehoben und stützte sich auf eine Lanze. Der ursprünglich angearbeitete Kopf blickte nach Auskunft des in der Mitte zwischen den Schulterblättern aufliegenden Nackenzopfes geradeaus nach vorn. Auch die Aigis mit dem riesenhaften Gorgoneion zwischen den vollen Brüsten und der ehemals aus eingesetzten Metallschlangen bestehende Gürtelknoten setzen sich vom Typus Ince ab. Die Summe der äußerlichen Unterschiede zeigt also bereits, daß hier keine Replik vorliegt. Aber auch das Urteil, es handele sich um eine verkleinerte Variante, strapaziert diesen ohnehin unklaren Begriff. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige, kleinformatige Schöpfung, die sich zunächst in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. gut unterbringen läßt. Weitere Unterschiede schließen sich wie von selbst an: Es wird klar, daß ähnliche Faltenbildungen mit der übereinstimmenden Haltung zusammenhängen, daß sie ansonsten aber stilistisch und handwerklich ganz anders aufgefaßt sind136. Mit Recht ist nie bezweifelt worden, daß der Typus Ince auf ein Bronzeoriginal zurückgeht. Die Statuette dagegen ist tech136
Es sind keine Bohrungen sichtbar; die Falten sind insgesamt flacher angelegt; die flachen Falten werden ergänzt durch dicklich-weiche Faltenrücken und blasenartige Faltentäler, und selbst die knappen Falten über dem Spielbein sind unscharf im Gegensatz zu den akzentuierten Falten der Ince-Repliken.
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nisch und stilistisch eine typische Marmorarbeit. Dieser Eindruck hat wahrscheinlich dazu geführt, daß R. Kabus-Jahn sie trotz einer eher abschätzigen Beschreibung als Original einstufte137, während P. Karanastassis über technische Details und Vergleiche zu einer Datierung in spätaugusteisch-frühtiberische Zeit gelangte138. Tatsächlich vereinigt die Statuette klassische Stilformen mit Elementen späterer, originaler Marmorarbeit. Als einzig plausible Lösung für eine solche innere Widersprüchlichkeit lassen sich retrospektive Tendenzen anführen. Vergleiche mit der Demeter von Eleusis139 und dem Parthenonfries sowie mit den Athenen der Urkundenreliefs zeigen, wie deutlich auf der einen und wie akademisch auf der anderen Seite die Bindung der Statuette Akr. Mus. 1336 an die Formenwelt des späten 5. Jhs. ist. Ihr Gewand läßt zwar die Körperformen durchscheinen, liegt aber trotzdem als erhabene, dicke, schwerfällige Schicht auf der Körperoberfläche. Die Seitenansichten sind, obwohl die Figur insgesamt qualitätvoll wirkt, schematisch und grob. Diese Widersprüche lassen sich nicht durch eine spätere Datierung der Athena lösen, da ihr Bezug auf Formen des 5. Jhs. überdeutlich ist. Die wie leere Hülsen aufgeblasenen Faltenzüge und die lineare Schematik der flachen Falten sprechen gegen ein klassisches Original. Auch die fehlende Beziehung zwischen Körper und Gewand und eine gewisse Leblosigkeit im Gesamtausdruck, der die Athenafigur zu akademischer Glätte erstarren läßt, lassen sie als rezeptive Figur einer späteren Zeit erscheinen. Der Vergleich mit der Athena Ince sprach jedoch nicht nur dagegen, in der Statuette eine Replik dieses speziellen Typus zu sehen, sondern er sprach aufgrund technischer Indizien, der Verschwommenheit und Unschärfe der Figur bei gleichzeitigem genuinen Volumen und dem fast akademischen Einsatz einzelner klassischer Stilmittel überhaupt gegen eine Einstufung als Kopie. Die Statuette erweist sich somit als klassizistisch gefärbtes Werk einer wahrscheinlich athenischen Werkstatt des ausgehenden Hellenismus oder der augusteischen Zeit140.
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R. Kabus-Jahn, AntPl 11, 93: „Die Arbeit ist sorgfältig, aber weder originell noch besonders fein. Die Falten sind dicklich und teigig. Das Gewand ist an Armen und Hals von der Haut nicht exakt abgesetzt. Aber die Art, wie die weiche Schwellung des Brustmuskels neben der rechten Schulter in Höhe der Achselhöhle ansetzt, findet nur bei originalen Werken Vergleichbares.“ Karanastassis, AM 1987, 363, 422. Zur Demeter vgl. Anm. 56. Vergleiche mit den Koren vom Augustusforum, Schmidt, AntPl 13 Taf. 1-5, bestätigen eine frühkaiserzeitliche Datierung: Unter möglichst sauberer Trennung der Zeitstilmerkmale von den retrospektiven scheint doch die Art der Darstellung zähflüssigen Stoffvolumens am Oberkörper im Gegensatz zu den ausgeprägten Zugfalten und den leicht verschatteten Vertikalfalten an den Beinen bei den Koren und der Statuette auf Gleichzeitigkeit hinzudeuten. Der Vergleich mit der ebenfalls augusteischen Korenkopie in Korinth, C. K. Williams - J. E. Fisher, Hesp 44, 1975, 22 f. 26 Taf. 8, bestätigt sowohl die kaiserzeitliche Herkunft der Figur als auch die Vermutung, daß es sich um ein klassizistisches Original aus einer östlichen Werkstatt handelt. Auch das Gorgoneion, das einen in seiner deutlichen Betonung klassischer Elemente klassizistischen Eindruck macht und dem römischen Typus 1 vorausgeht, bestätigt diese Datierung; vgl. S. 258 ff.
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2. Athen, Akropolismus. 3029 und 2805 Statuette ohne Kopf H 0. 67 m Taf. 66 Abb. 1 - 4 Dat.: frühes 4. Jh. v. Chr. Lit.: Vorgestellt von Praschniker, ÖJh 1948 Sp. 11 ff. 7 (mit Abb.); weitere Lit.: Berger, AntK 1967, 85. 13 a, 87; Kabus-Jahn, AntPl 11, 96; Karanastassis, AM 1987, 360 f. Taf. 55. 1, 3-4; Waywell, BSA 1971, 381, Ince Athena 16.
Die Statuette ist wegen ihrer starken, offenbar auf die Aufstellung im Freien zurückgehenden Korrosion in technischer Hinsicht schwerer zu beurteilen. Sie ist kleiner als Akr. Mag. 1336 (1) und hat andere Proportionen. Insgesamt ist sie schmaler, die Gürtung erscheint durch die größere Länge des Apoptygma höher. Die fließenden Falten sind direkt Ausdruck des Körpervolumens, Vorder- und Rückansicht lassen einen geschmeidigeren Rhythmus erkennen, der durch die Verschiebung der Querachsen und die verhaltene Ponderation eine leichte S-Form verursacht. Waren die Peplosfalten am Unterkörper bei Akr. Mag. 1336 (1) in fast stereotypen Paaren angeordnet und alle gleich tief, so ist die Variation hier größer, der Licht-Schatten-Effekt stärker. Obwohl die Figur in der Literatur übereinstimmend als Original gehandelt wird, erscheint sie stets im Zusammenhang mit dem Typus Ince. P. Karanastassis hält sie für eine zeitgenössische, verkleinerte, aber genaue Wiederholung des Typus, während R. Kabus-Jahn sich vorsichtiger äußert und nur die große Ähnlichkeit feststellt, ohne daraus Folgerungen zu ziehen. Komplizierter ist das Urteil Bergers, der die Statuette zusammen mit Akr. Mag. 1336 (1) für die freie zeitgenössische Wiederholung eines dem Typus Ince vorausgehenden Typus hält, also wieder für einen Vorläufer des Typus Ince. Praschniker kommt aufgrund von Vergleichen mit Urkundenreliefs und dem Fries des Niketempels zu einer Datierung der Statuette in den Beginn des 4. Jhs. Tatsächlich setzt sich die Figur durch die Anreicherung mit Kontrasten und durch eine gewisse Längung von Werken der Hochklassik ab und weist so schon in die Richtung der Bauplastik von Epidauros141. Die aufgeblasenen, über der Gürtung doppelt ansetzenden Falten der Vorderseite und vor allem der Rückseite finden sich auch auf Grabreliefs des frühen 4. Jhs.142. Dank der fließenden Formen in Faltengebung und Aufbau, die noch nicht die Stockigkeit und Schwere der Figuren der Jahrhundertmitte erreicht hat, und weil der Schwerpunkt des Körpergewichtes im Zuge der Längung in die Hüftgegend abgesackt ist, kann die Athena parallel zu den Urkundenreliefs etwa in das erste Jahrzehnt des 4. Jhs. datiert werden143. Sie erweist sich also als Mar141
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Zur Bauplastik von Epidauros s. N. Yalouris, AntPl 21 (1992). Da der Vergleich einer stehenden Peplophore mit bewegten Figuren aus dem Bereich der Bauplastik nicht unbedingt überzeugend ist, offenbaren sich die Übereinstimmungen nicht sofort. Sie betreffen hauptsächlich den gelängten, schmalen Körperbau, aber auch das Verhältnis von Körper und Gewand,Yalouris a. O. Taf. 10 e-f Taf. 30-31, und die Ausfertigung einzelner Faltenzüge und Faltenmotive, a. O. Taf. 1 b. Yalouris datiert Tempel und Bauplastik in die Jahre 375-70 (a. O. 82 f.). Vgl. v. a. das Relief von Sosias und Kephisodoros in Berlin, Blümel, Kat. Berlin III (1928) Skulpt. 5. u. 4. Jh. 30 K 29 Taf. 38; Dohrn, Att. Plastik Taf. 14 a; Clairmont III 73 ff. 3. 192; M. Kunze, Kat. Antikenslg. Berlin (1992) 110 f. 26 mit Abb. Am besten vergleichbar scheint die Schatzmeisterurkunde von 398/97 (Taf. 85 Abb. 1), Meyer, Urkundenreliefs 275 f. A 36 Taf. 11. 1; Lawton, Document Reliefs 89 f. 14 Taf. 8 und das Urkundenrelief über den Vertrag mit Kerkyra von 375/74, Meyer, Urkundenreliefs 280 A 51 Taf. 16. 2; Lawton, Document Reliefs 126 f. 96 Taf. 50,
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mororiginal des frühen 4. Jhs. wahrscheinlich attischer Provenienz. Für die attische Herkunft spricht ein häufig dem Arestempel aus Acharnai zugewiesener Torso im Agoramuseum (3)144, der der Athenafigur ausgesprochen verwandt ist145. Einer Datierung der Athenastatuette kurz nach der Entstehung der Athena Ince steht nach dem Vergleich mit dieser nichts im Wege. Der Unterkörper der Statuette ist länger, die Schultern sind schmaler, die Ponderation ist zurückgenommen und in eine leichte Schwingung überführt. Typologisch ähneln sich die Figuren in Standschema, Tracht und Aigisform, und auch der Kopf der Statuette war dem Haarschopf nach zu urteilen leicht nach rechts gewandt. Dennoch gibt es auch hier genügend Unterschiede - das große Gorgoneion, die Gürtung, das anliegende Gewand und der wahrscheinlich auf der linken Seite der Figur zu ergänzende große Schild, auf den sich der linke Arm stützte - durch die sich die Statuette wie die zahlreichen anderen Athenafiguren dieser Zeit als selbständige kleinformatige Schöpfung erweist. 3. Athen, Agoramus. 1232 Torso mit Grube für Einsatzkopf H 0. 66 m pentelischer Marmor Taf. 67 Abb. 1- 4 Dat.: frühflavisch Lit.: Ausführlich dazu P. Karanastassis, AM 1987, 422, B IV 2, Taf. 49. 4. Berger, AntK 1967, 88. 4 Taf. 24. 6; E. Buschor, Medusa Rondanini (1958) 36 Taf. 57. 2; A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. v. Chr. (1974) 22 ff.; C. Gottlieb, AJA 61, 1957, 161 ff. Taf. 61. 2 c; H. v. Heintze, RM 72, 1965, 37 f.; Hiller, Formgeschichtl. Unters. 20, 24, 39, 50, 53 Taf. 6. 14; C. Morgan, Hesp 32, 1963, 91 ff. Taf. 34 c; H. A. Thompson, Hesp 17, 1948, 176 Taf. 51. 1-3; ders., Hesp 18, 1949, 234 Taf. 51-52. 1; ders., AJA 66, 1962, 344 Anm. 22; American School of Classical Studies at Athens. The Athenian Agora. A Guide 4(1990) 203.
Die Einordnung dieses Statuettentorsos, für die die unterschiedlichsten Vorschläge gemacht wurden, ist besonders problematisch. Am umstrittensten ist, ob es sich um ein klassisches Original oder um eine römische Kopie handelt. Davon hängt die vor allem in der älteren Literatur wiederholt vorgeschlagene Zuordnung des Torsos an den Ostgiebel des Hephaisteions ab. Die ältere Forschung, vertreten durch Charles Morgan und Homer A. Thompson, hielt den am Westfuß des Areopag gefundenen Torso für ein Original der Parthenonzeit. Auch Hiller behandelt ihn als klassisches Original, obwohl sich bereits einige Jahre zuvor Helga von Heintze vehement dafür ausgesprochen hatte, in ihm eine römische Kopie zu sehen. Delivorrias nimmt zur Zuweisung an
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Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 3, S. Ritter, JdI 116, 2001, 141 Abb. 5, die die strukturelle Entwicklung abstecken, innerhalb derer die Figur steht. E. Harrison, AJA 1977, 167 Abb. 24; H. A. Thompson - R. E. Wycherley, The Agora of Athens. The Athenian Agora 14 (1972) 164 f. Taf. 83. Eine Zuweisung des Fragmentes an den Arestempel würde für den Torso und die wohl aus dem gleichen Zusammenhang stammenden weiteren Fragmente, Thompson-Whycherley a. O. Taf. 82-83, eine Datierung in das späte 5. Jh. mit sich bringen. Ob dies letztlich wirklich möglich ist, müßte genau überprüft werden. Zum Arestempel vgl. auch Travlos, Athen 104 ff. Abb. 138-148.
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den Hephaisteiongiebel Stellung und schließt sich der Ansicht Helga von Heintzes an. Abgesehen davon, daß die Verbindung mit dem Giebel seiner Ansicht nach an unterschiedlichen Marmorarten scheitert, sieht Delivorrias in dem Torso einen kalten Akademismus und konstatierte eine „vertrocknete, scharfe Wiedergabe einzelner Partien“146. Den erwähnten Akademismus interpretiert P. Karanastassis auf ihre Weise, indem sie den Torso für eine verkleinerte qualitätvolle Kopie der Athena Ince hält. Auch sie beobachtet, wie H. v. Heintze und Delivorrias, eine gewisse Starrheit und Monotonität an dem Torso, die sich auf Gewandstil und Aufbau der Figur erstreckt. Der Torso ist stilistisch in der Tat schwer zu fassen. Merkwürdig ist das Nebeneinander von durchscheinendem Körper und dennoch teigig-dickem Gewandstoff am Oberkörper, das außerdem noch kombiniert wird mit kontrastreichen, effektvollen Falten an der Vorderseite des Unterleibes. Beide Teile sind durch die Gürtung voneinander abgesetzt und besitzen keine kompositionelle Verbindung. Die vernachlässigten Seiten der Figur zeigen, daß die Vorderseite zur Hauptansicht bestimmt ist. An den Seiten wird ebenfalls jene erwähnte Inkongruenz sichtbar: Während der Peplossaum an der linken Körperseite noch träge bewegt ist, besteht die rechte Seite eigentlich nur aus einem ornamentalen, aufgeblasenen Faltenmotiv, das unterhalb der Gürtung flach wird und so darauf schließen läßt, daß hier ein Schild angebracht war. Auffällig ist weiterhin die überall stark polierte Oberfläche. Die Linearität der Rückseite und ein Dübelloch oberhalb der Gürtung belegen, daß die Statuette in einer Nische oder vor einer Rückwand stand. Ob diese Rückwand ein Tempelgiebel war, bleibt unklar - zwei Deltas als Versatzmarken an der linken Schulter und der linken Brust könnten auf einen architektonischen Zusammenhang hinweisen, der sich allerdings aus dem Fundort nicht mehr ablesen läßt147. Die unterschiedlichen Interpretationen des Torsos in der Literatur erstrecken sich auch auf seine Datierung: Die Vorschläge für eine Einstufung als klassisches Original reichen von Thompsons Datierung in die Mitte des 5. Jhs., die er selber später um 25 Jahre korrigierte, über den Vorschlag Bergers um 430 bis hin zur Datierung ans Ende des Jahrhunderts durch T. Dohrn und R. Kabus-Jahn. Zuschreibungen führen entsprechend vom Myronsohn Lykeios durch B. Schlörb bis zu Alkamenes durch Schefold, Einordnungen von der feinen zeitgenössischen Nachbildung der Parthenos durch Buschor über einen Widerhall des Typus Ince bis zum Abbild einer bekannten Kultstatue im Sinne der Grimanistatuetten, von dem R. Kabus-Jahn ausgeht. Die Versatzmarken würden gut zur belegten Versetzung klassischer Tempel aus Attika nach Athen passen148 und könnten nahelegen, daß es sich doch um ein klassisches Original handelt. Dennoch zeigen Vergleiche mit spätklassischer Bauplastik erhebliche Unterschiede, und auch die beobachtete stilistische Uneinheitlichkeit des Torsos spricht eher für ein römisches Werk149. Wenn auch die Mehrzahl der neueren Forscher sich inzwischen für die römische Datierung entschieden hat, muß die Frage letztendlich offen bleiben. Als Datierung in römische Zeit kommt nur das 1. Jh. n. Chr. in 146 147
148 149
Delivorrias a. O. (s. o. Lit. zu 3) 23. Die Statuette wurde in spätantikem Kontext im Süden unterhalb des Areopag gefunden; vgl. Morgan a. O. (s. o. Lit. zu 3), Thompson a. O. (s. o. Lit. zu 3). Zu den griechischen Zahlbuchstaben als Versatzmarken an den Bauteilen des Arestempels vgl. Travlos, Athen 104. Vgl. Travlos a. O. mit Lit. Der Vergleich mit dem Hephaisteionfries läßt die metallene Leblosigkeit und Sprödigkeit des Torsos im Gegensatz zur klassischen Bauplastik sichtbar werden. Möglicherweise könnten die Versatzmarken auch von einer römischen Reparaturmaßnahme stammen, womit die Figur doch wieder klassizistisch wäre. Das Gorgoneion entspricht jedenfalls dem römischen Typus 1; vgl. S. 258 ff.
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Betracht - A. Karanastassis vergleicht tiberische Werke; m. E. kommt eine frühflavische Datierung der Entstehungszeit näher150. Wie bei der Figur Akr. Mag. 1336 (1) zeigt jedoch der Marmorcharakter des Torsos deutlich, daß es sich auch hier nicht um eine Kopie handelt, sondern um eine äußerst qualitätvolle römische Originalschöpfung in der Nachfolge des gleichen Darstellungstypus wie die Athena Ince. 4. Venedig, Museo Archeologico 260-A leicht unterlebensgroße Statue ohne Kopf, mit Rückenmantel H 1. 15 m pentelischer Marmor Taf. 68 Abb. 1–3; Taf. 69 Abb. 1–2 Dat.: 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr. Lit.: Ausführlich behandelt von R. Kabus-Jahn, AntPl 11, 1972, 87 ff. Taf. 52-56. E. Buschor, Medusa Rondanini (1958) 37 Taf. 57. 5; Dütschke V 31 f. 73; A. Furtwängler, Griechische Originalstatuen in Venedig (1898) 3 f. Taf. 7. 2; C. Anti, Il Regio Museo Archeologico nel Palazzo Reale di Venezia (1930) 32 ff. IV. 10 (mit Abb.); Lippold, Plastik 190 Anm. 12; Berger, AntK 1967, 85. 13 d, 87; G. M. A. Richter, The Sculpture and Sculptors of the Greeks (1930) 105 Abb. 323; E. Raftopoulou, BCH 90, 1966, 73 Abb. 19; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 19; G. Traversari, Sculture del V.-IV. Secolo A. C. del Museo Archeologico di Venezia (1973) 66 f. 25; H. Lauter, Gnomon 47, 1975, 788; Karanastassis, AM 1987, 361 Anm. 171, 368 Taf. 55. 2; M. Tombolani, in: Kat. Alla Ricerca di Fidia (Rom 1988) 108 ff. Abb. 86.
Die Statue in Venedig, die eine teilweise erstaunlich enge Verbindung zu dem eben besprochenen Agoratorso zeigt, ist seit der Entfernung einer dunklen Patinaschicht weit besser zu beurteilen151. Bezüglich ihrer Zugehörigkeit zum Grimanischen Besitz sind die Angaben widersprüchlich: Laut Traversari gehörte die 1811 vom Hof des Palazzo Ducale ins Museum überführte Figur dazu, während R. Kabus-Jahn nicht davon ausgeht, obwohl sie die Statue zusammen mit den Grimani-Statuetten behandelt. Furtwängler stuft die Figur als abhängiges Original in das späte 5. Jh. ein. Diese Ansicht hat sich bis heute gehalten, obwohl Machart und Stil dagegen sprechen. Auch Traversari und nach anfänglichem Zögern R. Kabus-Jahn entscheiden sich für eine klassische Datierung. M. Tombolani, der als Herkunft der Statue eine ebenfalls aus dem 16. Jh. bekannte Sammlung angibt152, 150
151
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Vgl. die durch Hitzl neronisch datierte Frauenfigur aus dem Metroon von Olympia in Berlin,, K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Skulpturenausstattung des Metroon, OF 19 (1991) 49 ff. Taf. 26 ff., und die Statue der Flavia Domitilla Maior, Hitzl a. O. 55 f. Taf. 35; zu den Figuren des Metroon vgl. D. Boschung, Gens Augusta (2002) 100 ff. Taf. 79 – 81. Vgl. des weiteren den frühflavischen Togatus des Augustus aus Aquileia, H. R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen (1990) 121 Ba 158 Taf. 8. 5; D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus. Herrscherbild I. 2 (1993) 141. 69 Taf. 143, 215. 2. Unter sorgfältiger Trennung klassizistischer Merkmale vom Zeitstil sprechen die Weichheit der unkonturierten Falten am Oberkörper, die verhaltenen, aber deutlichen Kontraste an den Oberschenkeln sowie der samtige Glanz der Oberfläche für eine flavische Datierung. Mit der Berliner Figur vergleichbar sind außerdem die runden Faltenrücken und die Ausfertigung der seitlichen Gewandsäume. Nach Auskunft der Soprintendenza Archeologica per il Veneto wurde die Patina in den achtziger Jahren entfernt. In den meisten Publikationen ist die Figur im unrestaurierten Zustand abgebildet. Die erste Abbildung ohne Patina findet sich bei M. Tombolani a. O. (s. o. Lit. zu 3). Tombolani a. O. 108.
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vertritt gleichfalls die Originaldatierung und stellt die Figur direkt in phidiasische Tradition. Lippold sieht einen direkten Bezug zur Parthenos. In allen Kommentaren zu der Statuette erscheint der Typus Ince, aber nur Berger reiht die Figur direkt unter die Vorstufen des Typus Ince ein. Von einer konkreten Verwandschaft gehen aber alle Forscher aus und sehen in dem Torso eine Parallele der gleichen Zeit. Allein P. Karanastassis und Waywell halten die Statue in Venedig für römisch, ohne dies allerdings gesondert zu begründen. Trotz des geänderten Standschemas ist die Figur in Waywells Replikenliste aufgeführt, und P. Karanastassis bezeichnt sie entsprechend als Ince-Variante. Daß eine solche Folgerung aus der typologischen Ähnlickeit heraus keineswegs zwingend ist, wurde hier bereits mehrfach bemerkt. Die Möglichkeit, in der Figur ein attisches klassizistisches Werk römischer Zeit zu sehen, ist bisher noch nicht diskutiert worden, erscheint jedoch als einzig mögliche Lösung, die aus dem Dilemma, kein klassisches Original, aber auch keine römische Kopie in der Figur erkennen zu können, herausführt. Gegen eine Einstufung als klassisches Original sprechen die teilweise harten und scharfkantigen Falten am Spielbein und die stereotypen flachen Falten am Standbein sowie die insgesamt metallene Ausführung der Falten am Unterkörper, die sich am Oberkörper ganz gegensätzlich mit einer merkwürdig verschwommenen Weichheit paart. Stil und Machart erscheinen also ähnlich inkongruent wie am Torso von der Athener Agora (3). Besonders eigenartig ist die flache Rückseite, die so an hellenistischen oder römischen Werken vorkommt, für klassische Originale aber eher ungewöhnlich ist. Die Seitenansicht zeigt sich äußerst qualitätlos und stereotyp; durch schablonenhafte Effekte sollte offenbar eine Art Eigenvolumen hergestellt werden. Dies ist allerdings nur am Oberkörper einigermaßen gelungen. Der Schwerpunkt der Gestaltung liegt ganz offensichtlich auf der Vorderseite, die nur durch ihre nicht ganz ausgewogene Proportionierung etwas abfällt153, ansonsten aber qualitätvoll und eigenständig wirkt. Auffällig ist die Weichheit der Kolposfalten und die subtile Schwingung des unausgewogen proportionierten, plastisch drängenden Körpers - genuine Elemente, die zum Charakter einer Kopie nicht passen. Der Vergleich mit hadrianischen Kopien zeigt, daß die klare Härte der Figur erst von hadrianischer Zeit an vorausgesetzt werden kann154. Daß diese Härte hier leicht abgeschwächt ist, dürfte wohl einerseits durch östliche Herkunft und andererseits durch die allgemeine Anlehnung an klassische Vorbilder erklärbar sein - übrigens ein weiterer Grund, in der Figur kein klassisches Original zu sehen. Als geeignete Lösung kommt also die Entstehung in einer attischen Werkstatt der Kaiserzeit, wohl in der 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr., in Frage155. 153 154 155
Der Oberkörper ist für seine extreme Kürze zu breit; der rechte Oberschenkel ist viel zu lang. Vgl. die Kore 2233 aus der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13 Taf. 19 und die hadrianische Ince-Replik in Stockholm (In II 7). In ihrer Proportionierung und Ausfertigung lassen sich die Statuen vom Nymphäum des Herodes Atticus in Olympia vergleichen, P. C. Bol, Das Statuenprogramm des Herodes-Atticus-Nymphäums, OF XV (1984). Eine größere Ähnlichkeit zeigt jedoch der später aufgestellte Togatus 50, Bol a. O. 46 f. 193 Taf. 65, dessen Oberkörper nach Bol auffällig gedrungen und dessen Unterkörper stark gelängt ist, a. O. 194. Die Faltengebung zeichnet sich durch das auch an der Athena zu beobachtende Nebeneinander wulstiger, weicher Falten und scharfkantiger, flacher Falten aus, a. O. 46. Auch die Seiten des Torsos und die Rückansicht lassen sich mit denen der Athenafigur vergleichen. Vgl. ferner eine weibliche Gewandstatue in Eleusis, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 346 D 36 Taf. 50, die hadrianisch datiert wird und in der Technik einzelner Faltenmotive mit der Athena übereinstimmt. Die Verbindung zu den Koren der Villa Hadriana, Schmidt a. O. 19 ff. Taf. 6-32, zeigt sich einerseits in der klaren Härte der etwas schwerfälligen Faltengebung hadrianischer Werke; andererseits bestätigt sich an den Korenkopien zugleich, wo die originalen Qualitäten der Athena liegen, durch die sie sich gerade von gleichzeitigen Kopien absetzt. Das Gorgoneion entspricht dem römischen Übergangstypus (Typ 2, vgl. S. 258 ff.).
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Daß die Figur auch als römisch-klassizistisches Original nicht direkt vom Typus Ince abhängig ist, belegen schließlich die am Haarschopf erkennbare frontale Kopfhaltung, der Rückenmantel sowie das umgekehrte Standschema156. 5. Athen, Nationalmus. 1633 Statuette ohne Kopf H 0. 815 m pentelischer Marmor Taf. 70 Abb. 1 – 3 Dat.: 1. Jh. v. Chr. Lit.: Ausführlich dazu R. Kabus-Jahn, AntPl 11, 94 f. Abb. 4-5 und P. Karanastassis, AM 1987, 363, 423 B IV 3. S. Karouzou, Das Athener Nationalmuseum (1969) 72. 1633; P. Le Bas, Voyage arche´´ologique en Gre``ce et en Asie Mineure (1843-44) Taf. 25. 2; A. Michaelis, Der Parthenon (1871) 278. 4 Taf. 15. 4; Praschniker, ÖJh 1948 Sp. 11 ff. 7. 3 Abb. 8; E. Raftopoulou, BCH 1965, 73 Anm. 5 Abb. 20-21 a. b; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 18.
P. Karanastassis ordnet die Figur wiederum als verkleinerte flavische Replik der Athena Ince ein, während R. Kabus-Jahn, die sie an die Athena in Venedig anschließt, sich in Datierung und Einordnung des Stückes nicht festlegt. Praschniker und Waywell reihen die Statuette kommentarlos in ihre Replikenliste zum Typus Ince ein. Obwohl die Figur keinen Rückenmantel hat und die Armhaltung dem Typus Ince entspricht, ist insgesamt höchstens ein indirekter Bezug zur Athena Ince zu erkennen. Spricht die nach dem Haarschopf rekonstruierbare Wendung des Kopfes nach links formal dagegen, so steht diese quasi unkontrapostische Rekonstruktion in Einklang mit dem stilistischen Eindruck, den die Figur vermittelt: Marmorbehandlung, wächserne Oberfläche, Frontalität, drängende Körperlichkeit, Verhältnis von Körper und Gewand, Schwere und die beginnende Verschraubung und Verschiebung der Achsen legen nämlich eine hellenistische Datierung nahe. Einer genauen Einstufung scheint zunächst der „Klassizismus“ der Statuette im Wege zu stehen, der sich vor allem in der Wahl des klassischen Darstellungstypus, aber auch in der Proportionierung, der Selbständigkeit der Seitenansichten und in einzelnen Gewandmotiven äußert. Der Grad der zuvor beobachteten hellenistischen Charakteristika jedoch, die trotz Klassizismus noch immer deutlich sind, legt eine Datierung ins 1. Jh. v. Chr. nahe157. 156
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R. Kabus-Jahn gliedert der Athena in Venedig sogar eine eigene Replik in Heraklion an, die allerdings keine Aigis hat und vom Standschema her umgekehrt aufgebaut ist (vgl. Lit. zu 5), sodaß der Replikenbegriff hier m. E. wieder in unzulässiger Weise strapaziert wird. Vgl. die leblose Fülligkeit der dicken, langgezogenen Faltenstränge der Figuren des Laginafrieses, s. A. Schober, IstForsch 2 (1933); U. Junghölter, Zur Komposition der Lagina-Friese und zur Deutung des Nordfrieses (1989); T. Osada, Stilentwicklung hellenistischer Relieffriese (1993) 64 ff. Gut vergleichbar ist außerdem die Art, in der die weibliche Brust durch den Gewandstoff hindurch sichtbar wird, vgl. Schober a. O. Taf. 3, 11, und die Gegenüberstellung plastisch wie nackt hervordrängender Körperteile mit solchen, die vom Gewandstoff bedeckt sind, vgl. Schober Taf. 11, 27, 30, 32, 34, 35. Besonders ähnlich sind die schwerfällige Stofftextur und die verunklärte Faltengebung am seitlichen Peplossaum der Athena und an der seitlichen Saumkante des Himations der in Dreiviertelansicht gezeigten Mittelfigur der Platte Nord III, Schober 32. 4 Taf. VI Kat. 218. Die wulstigen Falten des Grabreliefs aus Smyrna in Berlin, S. Schmidt, Hellenistische Grabreliefs (1991) 94 f. Abb. 40, von Schmidt der vierten Entwicklungsstufe und damit ca. 110-90 v. Chr. zugeordnet, können als Beispiel für die schematische, wulstig-schwere Stofftextur des beginnenden 1. Jhs. dienen, die auch an den Statuen der Baebia und der Saufeia in
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Die hellenistische Einordnung der Athenastatuette im Nationalmuseum (5) wird unterstützt durch die hier eingereihte, ganz ähnliche Figur aus Pergamon, die durch ihre Aigisform abweicht158. 6. Athena mit der Schrägaigis, Bergama Statuette ohne Kopf, mit Rückenmantel H 1. 04 m Dat.: spätes 1. Jh. v. Chr., wahrscheinlich augusteisch Lit.: Ausführlich behandelt durch Gernand, AM 1975, 34 ff. Taf. 8 - 9 und J.-P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 125 f. A. Ippel, AM 37, 1912, 313 f. Taf. 24; G. Krahmer, RM 40, 1925, 74, 104 ff.; Berger, AntK 1967, 85. 7 d.
In Tracht und Haltung nimmt diese Athena ebenfalls deutlich auf die klassische Darstellungsform Bezug, jedoch ohne daß diese die noch überdeutlichen hellenistischen Stilformen beeinflußt. Wegen der Verwandtschaft ihres Darstellungstypus mit den anderen hier behandelten Statuetten wird sie trotz ihrer abweichenden Aigisform an dieser Stelle mit aufgeführt. Die Figur wurde in den römischen Ostthermen von Pergamon gefunden; da sie auch aus dem darüberliegenden Heraheiligtum herabgefallen sein konnte, beeinträchtigte der Fundort die nie in Zweifel gezogene hellenistische Datierung nicht159. Krahmer datiert sie um die Wende vom 2. ins 1. Jh. v. Chr. und betrachtet sie als frühe Kopie nach einem attischen Original, während Ippel sie in der ersten Veröffentlichung altarzeitlich datieren wollte. M. Gernand sieht in der Figur den Hochhellenismus als bereits überwunden an und stuft sie mit etwas unklaren Begriffen als späthellenistische, also freie, aber dennoch einem klassischen Entwurf folgende Kopie ein. Niemeier dagegen fordert kein unmittelbares Vorbild, urteilt aber im Grunde ähnlich, indem er die Figur eng an die hier behandelten, seiner Ansicht nach klassischen Athenen des Akropolismuseums anschließt und sie in seine Gruppe der hellenistischen Schöpfungen nach klassischen Vorbildern eingliedert. Die schwerpunktartig kulminierenden Falten, die ungleichmäßig über den Körper
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Istanbul deutlich sichtbar ist, D. Pinkwart, AntPl 12 (1972) 149 ff. Abb. 1, 2 Taf. 49-53. An der Baebia wie am Relief finden sich gleichermaßen die teilweise unvermittelt rechtwinklig aufeinanderstoßenden, schlauchartig aufgelegten Falten - die gleiche Faltenanlage zeigt vor allem der Oberkörper der Athena. Insgesamt liegt der Gestaltungsschwerpunkt der Athener Figur trotz der konstatierten Selbständigkeit der Seiten eindeutig in der Vorderansicht, die aus vereinzelt nebeneinandergesetzten und kaum miteinander verbundenen Elementen zu bestehen scheint. Dies, die Beruhigung und Glätte der Oberfläche an der Athena sowie die Einförmigkeit der Faltengebung am Unterkörper legen jedoch eine Datierung in den Beginn des 1. Jhs. v. Chr. nahe. Niemeier a. O. (s. o. Lit. zu 6) 126 macht darauf aufmerksam, daß die Aigis anders als an sämtlichen weiteren Athenen mit Schrägaigis nicht über die rechte, sondern über die linke Schulter geführt ist und deutet dies als motivische Änderung des hellenistischen Bildhauers, der damit in der Tat zeigt, wie locker die Verbindung zum ursprünglichen Darstellungstypus geworden ist. Nimmt man an, daß die Figur aus dem durch eine Bauinschrift in die Zeit Attalos II. datierten Heraheiligtum stammt, könnte dessen Errichtung als Terminus post quem dienen. Ippel fand die Figur in Sturzlage und vermißte eine Basis, von der sie hätte gefallen sein können. Die starke Bestoßung der Falten spricht Ippel zufolge dafür, daß die Statuette vor dem Absturz bereits eine Weile gerollt ist. Er geht deswegen von einer Aufstellung im Heraheiligtum aus. Zum Heraheiligtum vgl. W. Dörpfeld, AM 37, 1912, 256 ff.; P. Schazmann, AvP 6 (1923) 102110; W. Radt, Pergamon (1988) 214 ff.; ders., Pergamon (1999) 186 ff. Von einer Aufstellung älterer Kunstwerke in den hadrianischen Ostthermen, wo die Figur gefunden wurde, kann kaum ausgegangen werden. Eher müßte dann noch einmal überprüft werden, ob die Figur nicht doch aus einer klassizistisch orientierten östlichen Werkstatt hadrianischer Zeit stammen könnte. Hierzu lassen sich jedoch nur schwer Vergleichsbeispiele finden, zumal über kaiserzeitliche Idealplastik aus dem Osten insgesamt noch wenig bekannt ist. Zu den Ostthermen vgl. Schazmann a. O. AvP 6 (1923) 84-92; Radt a. O. (1988) 151 ff. (1999) 132 ff.
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verteilt sind, sowie die kordelartigen Falten neben z. T. tief gebohrten Faltentälern sieht er am besten im 1. Jh. v. Chr. untergebracht. Durch die Vereinzelung der Gestaltungselemente in der Vorderansicht, die am Rückenmantel sichtbare Verschiebung der Achsen auf der Rückseite sowie die Unruhe, die bewegte Uneinheitlichkeit der Faltenmotivik insgesamt und den trockenen, spröden und gleichzeitig lastenden Faltenstil erweist sich die Figur als jünger als die zuvor besprochene Athener Statuette (5)160. Einen Datierungshinweis gibt auch das die Aigis auf der linken Schulter schließende Gorgoneion, das dem frühkaiserzeitlichen schlichten Typus entspricht161. Obwohl ein klassischer Darstellungstypus verwandt wurde, kann die Figur noch weniger als die wohl um einige Jahrzehnte ältere Statuette des Athener Nationalmuseums (5) als klassizistisch im herkömmlichen Sinne gelten. Sie bedient sich wie diese des in der Klassik für Athena geprägten Typus der Peplophore im kontrapostischen Stand mit Rückenmantel wie einer Formel, die dann mit späthellenistischen Gestaltungsmitteln angereichert wurde. Ein Bezug zur Athena Ince besteht eindeutig nicht - Aigisform, Rückenmantel und die rekonstruierbare Haltung mit auf eine Lanze gestütztem linken Arm schließen einen direkten Zusammenhang aus. Dennoch wird davon ausgegangen, daß die Figur, die stets an die Statuette des Akropolismagazins angegliedert wird, wie diese auf ein hellenistisch umgebildetes Vorbild zurückgeht162. In Tracht und Haltung entspricht die Pergamenerin tatsächlich so sehr der eingangs erwähnten Statuette im Magazin des Akropolismuseums (1), daß der Gedanke an ein gemeinsames Vorbild verlockend ist, zumal die Statuetten auch noch nahezu maßgleich sind. Dennoch sind die Unterschiede groß genug, um die Figuren nach dem hier vertretenen Kopienbegriff lediglich als im gleichen Jahrhundert nach klassischem Muster geschaffene Originale zu bezeichnen163. Sie belegen damit, wie in ihrer Entstehungszeit aus der Durchmischung klassischer Darstellungstypen mit zeitgenössischen Stilelementen und im eklektischen Sinne einzeln eingesetzten Bildelementen heraus klassizistisch geschaffen wurde. Stilistisch sind beide stark vom jeweiligen, einige Jahrzehnte auseinanderliegenden Zeitstil geprägt; handwerklich entstammen sie einer ähnlichen Tradition, und typologisch folgen sie dem gleichen Muster, aber, wie die Unterschiede zeigen, sicher keinem konkreten gemeinsamen Vorbild164. 160
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Der Vergleich mit dem Laginafries (s. Anm. 157) zeigt auch hier, daß sich die Pergamener Figur trotz ihrer starken, fast noch hochhellenistisch erscheinenden Unruhe durch eine gewisse Trockenheit und Härte auszeichnet, mit der sie sich, verbunden mit einer relativ flachen Ausführung, als jünger als die Athenafigur im Athener Nationalmuseum erweist. Gut paßt auch der Vergleich mit einer weiblichen Statue im Pudicitia-Typus aus Magnesia, D. Pinkwart, AntPl 12 (1973) 153 ff. 4 Taf. 57-58; R. Özgan, in: Akten des 13. Internat. Kongr. f. Klass. Arch. Berlin 1988 (1990) 159 mit Lit.; M. Kunze, in: Kat. Antikenslg. Berlin (1992), 81 mit Abb. u. Lit. Zur Typologie der Gorgoneia vgl. S. 258 ff. Vgl. v. a. Niemeier 126. Zum Kopienbegriff vgl. S. 38 f. Zu groß sind die Unterschiede am Oberkörper, bestehend vor allem in der Aigisform und der Faltenmotivik. Der Unterkörper dagegen ist fast gleich. An der Rückseite zeigen sich große Unterschiede in der Strukturierung des Mantels. An der Pergamener Statuette fehlt der Haarschopf, weshalb die Kopfhaltung nicht mehr rekonstruierbar war. Die linke Seite zeigt motivisch große Ähnlichkeiten, jedoch war der linke Arm der Statuette aus Pergamon stärker angehoben. Hier zeigt sich derselbe Schematismus wie an der Statuette aus dem Akropolismuseum (1). Ebenso sichtbar ist aber auch, daß die Figuren nicht unabhängig voneinander beurteilt werden können. Die Übereinstimmung gerade dieser einen isolierten Körperseite zeigt m. E. deutlich, daß die Gemeinsamkeit der beiden Statuetten nicht in der Nachahmung ein und desselben Vorbildes liegt, sondern daß sie unabhängig voneinander nach dem gleichen Muster geschaffen wurden. Ein solches Muster muß auch für die Gestaltung der rechten Körperseite vorgelegen haben, denn es wurde offensichtlich bei beiden Statuetten schematisch und ohne genaue Durchdringung angewandt: Die Statuette Akr. Mag. 1336 (1) hat keinen seitlichen Pelossaum (vielleicht
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Das Verhältnis der Statuette aus dem Athener Nationalmuseum (5) zu den beiden typologisch verwandten Figuren muß ähnlich beurteilt werden. Die Gemeinsamkeiten dieser Figur mit der Statuette aus dem Akropolismagazin liegen vor allem in der Gestaltung des Oberkörpers, dessen Faltenbildung zum Teil übereinstimmt, während ihre Verwandtschaft mit der Pergamener Figur eher stilistischer Art war. Da beide Statuetten aus Athen stammen, gehören sie möglicherweise der gleichen Werkstatttradition an, womit sich die Tradierung der Motivik erklären ließe. Daß dasselbe Phänomen sich zwischen den Statuetten im Akropolismagazin und in Pergamon beobachten ließ, könnte zu der Annahme verleiten, daß auch die Pergamener Figur aus Athen stammt165. 7. Athen, Akropolismus. 2806 Oberkörperfragment einer Statuette mit Kragenaigis und Mantel H 0. 26 m Dat.: um 400 v. Chr. Lit.: Publiziert durch Praschniker, ÖJh 1948 Sp. 20. 10 Abb. 11.
Praschniker hält den Statuettenrest mit Recht für eine Originalarbeit des späten 5. oder frühen 4. Jhs. v. Chr. Die einzige Gemeinsamkeit mit dem Typus Ince bilden der übergürtete Peplos und die kragenartige Aigis - durch die noch rekonstruierbare leichte Kopfwendung nach links, durch Existenz und Verlauf des Rückenmantels und durch ihre Faltenmotivik setzt sich das Fragment noch deutlicher als die zuvor besprochenen Statuetten vom Typus Ince ab. Wenn das Fragment nicht aus dem Bereich der Bauplastik stammt, wird es sich wohl um eine um die Wende vom 5. zum 4. Jh. v. Chr. auf der Akropolis aufgestellte Votivstatuette handeln166. Ohne daß eine direkte Verbindung zum Typus Ince vorausgesetzt werden kann, zeigt das Bruchstück einmal mehr, wie verbreitet der Darstellungstypus, dessen sich auch die Athena Ince bedient, in der Zeit um 400 war. 8. Athen, Akropolismus. 2809 stark beschädigtes Oberkörperfragment einer leicht unterlebensgroßen Statue H 0. 34 m Dat.: wohl Anfang 4. Jh. v. Chr. Lit.: Publiziert durch Praschniker, ÖJh 1948 Sp. 19. 9 Abb. 10.
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ein Hinweis darauf, daß sie aus dem Bereich der Bauplastik stammt, wo diese Seite nicht sichtbar war?) - an der Statuette aus Pergamon ist dieser zwar vorhanden, aber nicht nachvollziehbar. Um dies zu erhärten, müßte die Marmorsorte bestimmt werden. Das Fragment läßt sich gut mit erhaltener Bauplastik und mit Reliefplastik des späten 5. Jhs. vergleichen. Sehr verwandt ist ein Fragment im Akropolismuseum, das O. Palagia vorgestellt hat, in: Archaische und klassische griechische Plastik, Akten des Internat. Kongr. f. Klass. Arch. Athen 1985 (1986) 85 ff. Taf. 110. Ein Grabrelief im Athener Nationalmuseum, Dohrn, Att. Plastik Taf. V a; Clairmont I 253, 1. 190, das um 400 entstanden sein wird, zeigt die gleichen schnurartigen langen Falten über glattem Grund, die so auch an der Samierurkunde von 403/2, Meyer, Urkundenreliefs A 26 Taf. 10. 1; Lawton, Document Reliefs 12 Taf. 7, zu beobachten sind (zu diesem Relief vgl. auch L. A. Baumer, Vorbilder und Vorlagen, Studien zu klassischen Frauenstatuen und ihrer Verwendung für Reliefs und Statuetten des 5. und 4. Jhs. v. Chr. [1997] 84 Anm. 638 f. Taf. 25. 4 u. 34. 1). Das Fragment wird am ehesten um die Wende vom 5. zum 4. Jh. einzuordnen sein.
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Der massige, kubische Oberkörper wirkt eher wie das Fragment eines Hochreliefs oder einer Giebelskulptur. Mit dem Typus Ince verbindet wiederum lediglich die Aigisform; vom Typus Ince trennt es der noch rudimentär sichtbare Mantelzipfel über der linken Schulter. Das Fragment ist wegen seiner starken Zerstörung zeitlich kaum mehr einzuordnen und sei daher hier nur der Vollständigkeit halber angeschlossen; gleichzeitig ist es ein weiterer Beleg für die Verwendung des entsprechenden Darstellungstypus für Athena in der Entstehungszeit der Athena Ince.
Fazit: Die hier vorgestellten Statuetten, die jeweils für sich und unabhängig voneinander beurteilt und zeitlich eingeordnet werden sollten, folgen einem ähnlichen Darstellungstypus, dessen Ursprung sich als klassisch bestimmen ließ. Die Beziehung der Figuren zum Typus Ince ist äußerst allgemein und beschränkt sich auf die Wahl des gleichen Darstellungstypus, der vielleicht in der Tradition der Parthenos steht. Dies wird dadurch bestätigt, daß die späteren, „klassizistischen“ Schöpfungen dem Typus Ince nicht mehr oder weniger ähneln als die klassischen, dem Typus Ince gleichzeitigen Statuetten - wenn der Typus Ince als Kunstwerk schon in vorrömischer Zeit so bekannt gewesen wäre, daß die nach ihm geschaffenen Statuetten auf ihn zurückgehen könnten, müßte deren Übereinstimmung mit diesem Statuentypus zwangsläufig größer sein als die der ihm zeitgleichen klassischen Statuetten im gleichen Darstellungstypus. Daß dies nicht so ist, spricht in viel stärkerem Maße für die Existenz eines allgemeingültig-klassischen Darstellungstypus der stehenden Athena mit übergürtetem Peplos und Kragenaigis, der innerhalb gewisser Grenzen variiert werden konnte. Dieser Typusbegriff muß vom herkömmlichen Begriff unterschieden werden. Es scheint aber bei Materialgruppen wie der der statuarischen Athenadarstellungen notwendig zu sein, sich weitgehend von den in diesem Zusammenhang viel zu engen Begriffen Original und Kopie zu entfernen, um das Material angemessen und unvoreingenommen erfassen zu können167. Über die klassischen Kunstwerke hinaus, die über das Verhältnis OriginalKopie erfaßbar sind, wie der Typus Ince und der Typus New York, scheint es nämlich eine ganze Anzahl von Wiedergaben des gleichen klassischen Darstellungstypus zu geben, dem die beiden eben genannten typenkonstituierenden Athenastatuen folgen.
Zu den Begriffen „Typus“ und „Darstellungstypus“ Um hier mit klaren Begrifflichkeiten arbeiten zu können, seien die Begriffe Typus und Darstellungstypus noch einmal in ihrer Bedeutung differenziert. Der Begriff des Typus wurde seit der Lippold'schen Definition in der Theorie nicht mehr verändert168. In der wissenschaftlichen Praxis aber hat inzwischen eine erhebliche Aufweichung des Begriffs stattgefunden, die vielleicht in der Lippold'schen Definition selbst impliziert war, und zwar bereits durch das Nebeneinander der Begriffe Replik und Wiederholung, die beide als Unterbegriffe der Kopie rangieren. Während eine Replik die getreueste Kopie des Originals ist, kann Lippold zufolge die Wiederholung das Original erheblich abändern; sie muß nur noch
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Mit ähnlichen Problemen kämpfte A. Gulaki, Klassische und klassizistische Nikedarstellungen. Untersuchungen zur Typologie und zum Bedeutungswandel (1981) bes. 142 ff., deren Material sich aber nach eklektischen Gesichtspunkten ordnen ließ; s. weiter unten. Lippold, Kopien und Umbildungen 3.
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äußerlich auf ein gemeinsames Original zurückzuführen sein169. Damit kommt ein subjektiver Aspekt hinzu, der mit objektiven Kriterien nicht mehr zu erfassen ist. Nach der erstaunlich aktuellen Gleichschaltung griechischer und römischer Originale - wobei letztere sich allerdings wie die griechischen Originale durch das Hinterlassen von Kopien ausgezeichnet haben müssen170 stellt Lippold dem Begriff des Originals den des Vorbildes an die Seite171. Der Nachklang des Vorbildes nennt sich nun logischerweise Nachbildung und bezeichnet ein noch lockereres Verhältnis als das zwischen Original und Wiederholung, wobei die Nachbildung begrifflich auf der gleichen Ebene steht wie die Kopie. Wie schon die Wiederholung das Original einigermaßen verändert wiedergeben konnte, so kann die Nachbildung das Vorbild nun „umstilisieren“, d.h. völlig verändern. Dieser Vorgang wird anschließend genauer definiert: Während Formen und Proportionen anders sein können, müssen die „Einzelzüge“ übereinstimmen. Werden aber auch diese Züge verändert, muß das Ergebnis nach Lippold Umbildung genannt werden, und wenn der Künstler sehr indiviuell vorgeht, Umschöpfung oder Weiterbildung172. Es können darüber hinaus aber auch einzelne Züge wiedergegeben worden sein - dies Phänomen nennt Lippold dann Benutzung oder Verwendung, eine gemeinsame Verwendung von Einzelheiten Kontamination173. Alle Begriffe, die Lippold anwendet, betreffen die verschiedenartigen Verhältnisse zwischen einem Urbild und dessen Nachahmung, wobei beide - wie in der römischen Plastik und innerhalb der klassischen Plastik selbst174 - zeitlich mehr oder weniger weit voneinander entfernt angesiedelt sind. Die begrifflichen Definitionen erscheinen so umfassend, daß sich sämtliche in irgendeiner Weise retrospektiv erscheinenden Werke darin unterbringen lassen. Dahinter verbirgt sich eine Tendenz, die hier bereits im Zusammenhang mit den Reliefs kritisiert wurde175: das Ansinnen, auch die erhaltenen, nicht kopierten klassischen Werke von den durch Kopien überlieferten „opera nobilia“ abhängig zu machen. Diese innerhalb der frühen Skulpturenforschung selbstverständliche Tendenz findet sich ganz ausgeprägt bei Lippold, der solche Werke als nach zeitgenössischen Kunstwerken großer Meister gefertigte „Originale zweiten Ranges“ bezeichnet und sie so in das Schema von Urbild und Nachahmung bzw. Epigonentum einpaßt176. Daß in diesem Schema trotz der auffallenden Offenheit Lippolds gegenüber der römischen Plastik an sich177 für 169
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Lippold a. O.: „Zwischen Replik und Wiederholung wird man so scheiden, daß mit dem Fremdwort die genauere Übereinstimmung bezeichnet wird, während bei Wiederholung zwar auch die Herkunft von einem gemeinsamen Original, aber nicht eine Gleichheit aller Einzelzüge verstanden wird. Alle Repliken und Wiederholungen zusammen stellen einen Typus dar, der uns in den meisten Fällen das Original vertritt.“ Vgl. hierzu Lippold a. O. 4. Lippold a. O. 3 f.: „ Ist die Nachbildung freier, so sprechen wir statt vom Original von einem Vorbild. Diese freien Nachbildungen können den Stil des Vorbildes völlig verändern, können Umstilisierungen sein. Sie werden unter einem anderen Gesichtspunkte auch noch als Kopien bezeichnet werden können: in Einzelzügen getreu, können sie doch in den Formen, den Proportionen so viel Fremdes enthalten, daß sie als umstilisierte Kopien zu gelten haben.“ Lippold a. O. 4: „Ist die Änderung stärker, werden wesentliche Züge des Originals verändert, ohne daß an Einzelheiten festgehalten wird, so liegt eine Umbildung vor. Tat der Künstler sehr viel von Eignem hinzu, zeigt er trotz des Anschlusses eigne Erfindungskraft, so wird man sein Werk Umschöpfung nennen, oder wenn die Steigerung, Veränderung des Ursprünglichen nach einer bestimmten Richtung betont werden soll, Weiterbildung.“ Lippold a. O. 4: „Vereinigt der Künstler Einzelheiten verschiedener Originale zu einem neuen Werk, so ist dies eine Kontamination. Wird das ältere Werk nur für Einzelheiten einer im übrigen selbständigen Schöpfung herangezogen, so wird man von Benutzung oder Verwendung sprechen.“ Zum Verhältnis klassischer Plastik untereinander vgl. Lippold a. O. 13. Vgl. S. 14 ff. Lippold a. O. 13. Lippold a. O. 3, 4; vgl. aber auch E. Schmidt, Klassizismus und Klassik in der antiken Kunst, in: W. Jaeger (Hrsg.), Das Problem des Klassischen und die Antike (1931) 90.
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die Würdigung retrospektiver oder auch zeiteigener Originale kein Platz ist, ist nicht neu und hat dem Lippoldschen Kopiensystem bisher einige Kritik und Erweiterungsversuche eingetragen. Griechische und römische Originalwerke werden vielmehr dank der Weiträumigkeit der Begrifflichkeiten vom Raster eben dieser Begriffe vereinnahmt und gehen darin verloren, ohne ihrer eigenen Wertigkeit gemäß beurteilt worden zu sein. Ansätze zu einer Würdigung solcher Stücke als eigenständige Kunstzeugnisse finden sich inzwischen vermehrt; sie wurden in den siebziger Jahren angeregt durch zwei Beiträge W. Trillmichs178 und die umfangreiche Untersuchung P. Zankers über klassizistische Statuen179. Zanker lockert das festgefahrene Verhältnis Original-Kopie auf, indem er den Begriff „Formen“ benutzt und damit eine allgemeinere Dimension in die Diskussion einführt180. Den Begriff „Umbildung“ faßt Zanker wieder enger als Lippold und definiert Umbildungen als „Skulpturen, die ein bestimmtes Vorbild mit einheitlicher Ausdruckstendenz verändern“181. „Werke, deren Meister sich verschiedener Vorbilder oder allgemeiner Formen bedienen“, sind dagegen für Zanker Neubildungen oder Neuschöpfungen182. Diese allgemeinere Dimension, die in Trillmichs erstem Beitrag nur indirekt angesprochen wird183, beschreibt auch J.-P. Niemeier in seiner Untersuchung über hellenistisches Kopienwesen im Zusammenhang mit Grabreliefs, jedoch nur, um für den Klassizismus innerhalb der Rundplastik sofort wieder „bestimmte, berühmte Vorbilder“ zu fordern184. Einige weitere Stellungnahmen haben die Forschung in jüngster Zeit bereichert und sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer neuen Interpretation der Traditionsweise griechischer und römischer Skulptur. Entscheidendes zu dieser erforderlichen neuen Sichtweise hat Christa Landwehr in einem 1998 erschienenen Aufsatz beigetragen, dem eine Betrachtung römischer Jünglingsstatuen mit Paludamentum zugrunde liegt185. Sie geht in ihren geforderten Konsequenzen auch über die 1997 parallel erschienenen Arbeiten von L. A. Baumer und A. Filges hinaus, die sich thematisch bedingt ebenfalls mit der Problematik von Vorbildverhältnissen innerhalb der Skulptur auseinandersetzen186. Während Baumer und Filges sich noch nicht davon lösen, bestimmte Phänomene auf verlorene Vorbilder zurückzuführen, entfernt sich C. Landwehr von diesem Denkschema und schlägt für die römische Idealplastik den Begriff der aus verschiedenen bestimmten Elementen nach Bedarf und Belieben zusammengesetzten Konzeptfigur vor, dessen Übertragung auf die griechische Plastik sie durchaus für möglich hält. Dieser Denkanstoß, der leider bis heute nicht genügend wahrgenommen worden ist, kommt in ihrem 2000 erschienenen Band über die männliche Idealplastik von Cherchel vollständig zum Tragen. In ihrem Vorwort formuliert C. Landwehr dies folgendernmaßen: „Bereits in 178 179 180 181 182 183
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W. Trillmich, „Bemerkungen zur römischen Idealplastik“, JdI 88, 1973, 247 ff.; ders., „Eine Jünglingsstatue in Cartagena und Überlegungen zur Kopienkritik“, MM 20, 1979, 339 ff. Taf. 57-59. P. Zanker, Klassizistische Statuen (1974). Zanker a. O. XVI: „Es steht ein unerschöpflicher Bestand als vorbildlich angesehener ‘klassischer’ Werke und Formen zur Verfügung, die nachgeahmt, kombiniert und verändert werden können.“ Zanker a. O. XVII. ebenda. Trillmich a. O. (1973, Anm. 178) 256 über die Herculaner Tänzerinnen: „Diese Werke sind im besten Sinne eklektisch; sie lassen sich weder ganz noch teilweise auf bestimmte statuarische Vorbilder der Zeit, die sie nachahmen, zurückführen.“ J.-P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 17: „Es ist hier mehr ein zufälliges Zurückgreifen auf einzelne Typen und Motive in einer allgemeinen Art.“ C. Landwehr, Konzeptfiguren. Ein neuer Zugang zur römischen Idealplastik, JdI 113, 1998, 139 ff. L. A. Baumer, Vorbilder und Vorlagen, Studien zu klassischen Frauenstatuen und ihrer Verwendung für Reliefs und Statuetten des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1997); A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen. Klassische und frühhellenistische Gewandstatuen mit Brustwulst und ihre kaiserzeitliche Rezeption (1997).
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griechischer Zeit gestalteten Bildhauer und andere Kunsthandwerker mit Hilfe eines Repertoires traditioneller Muster, die immer wieder neu umgesetzt und kombiniert wurden. Diese jahrhundertealte Praxis des Kombinierens wurde auch von den Bildhauern in römischer Zeit bravourös angewandt. In der Archäologie wurde sie vielfach als Kopistentätigkeit mißverstanden.“187 Der Begriff des Vorbildes, der aus dem Bereich der Kopien stammt, zieht sich durch die gesamte Literatur und führt besonders im sensiblen Bereich der retrospektiven Werke, zu dem die hier aufgeführten Athenen teilweise gehören, zu Verwirrung. Mag er für eklektische Werke und Pasticcios passend sein, so ist er für klassizistische Plastik, die allgemeinen klassischen Formen folgt, eher hinderlich. Die Rückführung auf Vorbilder verengt hier die Sichtweise und verstellt den Blick auf eine frei nach allgemein klassizistischen Formen gestaltende Kunstrichtung, deren Existenz immer evidenter wird und die neben einem konkret vorbildorientierten Klassizismus sogar einen erheblichen Teil der nachklassischen Kunstproduktion ausgemacht haben dürfte188.
Zum Klassizismusbegriff Einer solchen Kunstrichtung oder Werkstatttradition wird in der Literatur nur zögernd Platz eingeräumt. Selbst für P. Karanastassis besteht die Auseinandersetzung mit kaiserzeitlicher Plastik in Griechenland im wesentlichen aus der Angliederung teilweise wenig aussagekräftiger, da stark veränderter östlicher „Repliken“ an Replikenlisten westlicher Produktion. Auch die hier betrachteten Athenen mit Kragenaigis sind für P. Karanastassis, die sie trotz ihrer großen Unterschiede als Umbildungen an den Typus Ince anschließt, keine Produkte einer eigenständigen, bis in die Kaiserzeit hinein an künstlerischen Werten der Vergangenheit orientierten Kunsttradition, sondern Produkte eines abflauenden, schließlich in das römische Kopienwesen einmündenden, immer weniger originellen Kunstschaffens, eines sozusagen unselbständigen Epigonentums. Bezeichnend hierbei ist, daß die Bedeutung der Eigenständigkeit klassizistischer Originalplastik mit einer geringeren Einschätzung der direkten Einwirkung klassischer Statuentypen steigt, während bei höherer Einschätzung der Wirkung und des Einflusses klassischer typenkonstituierender Kunstwerke die Wertung der Eigenkreativität klassizistischer Kunst automatisch abnehmen muß189. Postuliert man jedoch die Existenz frei mit klassischen Formen operierender späterer Werkstätten, wie es das vorgestellte Material nahelegt, so kommt man zwangsläufig auch zu einer Erweiterung des Klassiszismusbegriffs. „Klassizistisch“ sind dann nicht mehr nur Werke, die nach P. Zankers Definition „Vorbildern aus der Zeit des Strengen Stils und der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts nachgebildet sind“190, sondern auch solche, die nicht nach konkretem
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C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretania II (2000) XVIII. Im Falle der hier behandelten Athenen handelt es sich um Statuetten - es wäre doch durchaus denkbar, daß sich eine solche an allgemein klassischen Formen orientierte nachklassische Kunst“industrie“ über Arbeiten im Statuettenformat, zu denen m. E. auch Komplexe wie die Grimani-Statuetten in Venedig gehören könnten, vgl. R. KabusJahn, AntPl 11, vor allem von östlichen Werkstätten ausgehend verbreitet und bis in römische Zeit erhalten hat. Es wäre sicherlich interessant, den großen Bestand an z. T. als klassisch geltenden Statuetten auf eine solche Möglichkeit hin zu untersuchen. Am Beispiel der sogenannten Athena Parthenos aus Pergamon (s. S. 165 ff.) hieße dies konkret: Führt man die Figur auf die phidiasische Parthenos zurück, gilt sie als deren hellenistisch veränderte Umbildung und erfährt als eigenes Kunstwerk eine viel untergeordnetere Wertung, als wenn sie sich als allgemein an klassischen Formen orientiertes, selbständiges klassizistisches Kunstwerk erweisen ließe. Zanker a. O. (Anm. 179) XVII.
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Vorbild vorgehen, sondern mit allgemein retrospektiven Formen oder sogar „Formeln“ arbeiten191. Eine solche Bandbreite klassizistischen Kunstschaffens bietet auch Alexandra Gulakis Arbeit über klassische und klassizistische Niken dar192. Den Begriff Umbildung, der häufig als Schlüsselbegriff für jegliche Art von Klassizismus dient, lehnt A. Gulaki ab und distanziert sich damit vom gängigen, für die Interpretation der Nikerezeptionen offenbar auch nicht tauglichen Klassizismusverständnis193. Dennoch entwirft auch sie, aufbauend auf der Begriffsbildung R. Wünsches194, ein kompliziert abgestuftes Schema aus Abhängigkeitsverhältnissen von klassischen Kunstwerken, dessen freieste Varianten sich im Sinne eines von vornherein frei arbeitenden Klassizismus weit besser verstehen ließen195.
Der hier angewandte Begriff des Darstellungstypus Es wäre vielleicht ganz generell die Frage zu stellen, ob sich die Ausdrücke Original - Kopie, Vorbild und Nachahmung sowie alle damit verbundenen weiteren Begriffe nicht überhaupt erst für die späthellenistische und römische Zeit eignen. Der mit diesen Begriffen arbeitende Klassizismus ist naturgemäß eine Erscheinung der Spätzeit, während die frei mit klassischen Formen umgehende Art des Klassizismus schon früher greifbar wird. Daraus ließe sich folgern, daß die Begriffe Original und Kopie samt ihrem begrifflichen Umfeld in der Zeit vor dem Späthellenismus und der Kaiserzeit eigentlich überhaupt nicht angewandt werden dürften, da sie erst im Laufe späthellenistischer und kaiserzeitlicher Rezeption aufgekommene Erscheinungen beschreiben. Möglicherweise hat die römische Rezeptionsgeschichte trotz ihrer Funktion als unverzichtbare Quelle sogar zu einer Verfälschung der Sicht der klassischen und auch der frühen klassizistischen Plastik geführt, indem durch Kopie und Vervielfältigung lediglich das bewahrt worden ist, was dem römischen rezipierenden Geschmack entsprach. Die Vorlieben und Verfahrensweisen des römischen Kopienwesens dürften also eigentlich nicht in der Weise auf die klassische und klassizistische Plastik vor dem Späthellenismus übertragen werden, in der dies häufig geschieht196. Konkret heißt dies: Wenn römische Kopisten den Athenatypus Ince kopierten und verbreiteten, bedeutet das zwar, daß es sich dabei mit größter Wahrscheinlichkeit um Wiederholungen einer kunsthistorisch wichtigen, von einem bekannten Künstler geschaffenen Figur handelt. Es kann aber strenggenommen nicht daraus gefolgert werden, daß der Typus Ince bereits seinerzeit und in der Zeit danach so bedeutend war, wie er es durch die römische Rezeption geworden ist, geschweige denn, daß er bereits irgendeinen Einfluß auf die Ikonographie der Göttin in der Zeit direkt nach seiner Entstehung ausgeübt hat. Wie sich schon aus der Betrachtung der zeitge191 192 193 194 195 196
Vgl. bereits in diesem Sinne Zanker a. O. (Anm. 179). Das Vorgehen entspricht im Grunde dem der Landwehrschen Konzeptfiguren (vgl. Anm. 185). A. Gulaki, Klassische und Klassizistische Nikedarstellungen. Untersuchungen zur Typologie und zum Bedeutungswandel (1981). Gulaki a. O. 148: „Der Ausdruck Umbildung ist nicht so glücklich, da er ein Modell voraussetzt und sich dadurch wieder am griechischen Vorbild orientiert.“ R. Wünsche, in: FS L. Dussler (1972) 62; vgl. Gulaki a. O. 145 ff. Gulaki a. O. (Anm. 192) 148 f. Selbst die freieste Variante bewegt sich ihrer Ansicht nach noch immer im Bereich der aemulatio. So zuletzt H. Meyer, in: Kommos, FS Thuri Lorenz (1997) 113: „ Bekanntlich werden ja die zumal von den Urkundenreliefs geläufigen Kopien nach Götterschöpfungen der großen Kunst oftmals ikonographischen Abwandlungen unterworfen ...“. Vgl. auch Andreae, Skulptur der Hellenismus 66.11 (über die Kore von Kallipolis).
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nössischen Reliefs ergab197, ist der Typus Ince vielmehr eng mit den ikonographischen Vorgaben seiner Entstehungszeit verbunden und unterliegt hier dem gleichen stilistischen Entwicklungsstand wie die Reliefs und andere, nach ähnlichen Darstellungstypen gebildete Statuentypen. Im Grunde spricht außer der bestechenden Qualität der klassischen Originalstatuen nichts für eine vorbildhafte Funktion eines Typus oder für seinen direkten oder indirekten Einfluß auf die zeitgenössische Kunst. Ausgenommen sind hierbei immer die großen, überregional bekannten Kultbilder, deren Verhältnis zum zeitgenössischen Darstellungstypus, dessen sie sich bedienten, sicher dialektisch war - d. h. sie wurden zwar nach den zeitgenössischen Gegebenheiten des gewählten Darstellungstypus für die jeweilige Gottheit gebildet, hatten aber durch ihren Bekanntheitsgrad und ihren größeren Wirkungskreis einen stärkeren tatsächlichen Einfluß auf die zeitgenössische Ikonographie198. Der Darstellungstypus ist also eine quasi übergeordnete Größe, die den Darstellungen aller Gattungen gleichermaßen zugrunde liegt. Seine jeweilige Ausprägung kann allerdings gattungsspezifisch sein. Dieser allgemeine Begriff müßte m. E. den nur für die römische Zeit verwendbaren Begriff des Repliken bildenden Typus für die klassische und nachklassische Zeit ersetzen und würde möglicherweise zu einer unvoreingenommeneren Sicht und Interpretation der klassischen und nachklassischen Ikonographie führen. In V. M. Strockas Studie über Serien klingt genau dieser Begriff des Darstellungstypus an, wenn er sich über die Statuette des Zeus von Dodona und die Bronze vom Kap Artemision wie folgt äußert: „Die Statuette des blitzschwingenden Zeus von Dodona scheint getreu wiederholt, wenn auch ins große Format und in einen reiferen Stil übersetzt, in der Statue des Zeus vom Kap Artemision. Hier liegt natürlich kein direktes Abhängigkeitsverhältnis vor, sondern nur ein gemeinsamer Typus für die Darstellung des Zeus, der in einer bestimmten Epoche eine ganze Reihe von Ausbildungen verschiedenen Formats und auch verschiedener Zeitstufen angeregt hat.“199 Genau dies gilt allen gesuchten und nicht belegbaren direkten Abhängigkeitsverhältnissen zum Trotz offenbar auch für die Athenadarstellungen des späten 5. Jhs. - das Phänomen des Darstellungstypus wird hier eher beiläufig exakt definiert200.
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Vgl. S. 14 ff. Vgl. S. 16. V. M. Strocka, JdI 94, 1979, 159. Obwohl als Veranschaulichung des Begriffes Darstellungstypus sehr brauchbar, scheint diese Äußerung für Strocka a. O. jedoch keine weiterreichenden Konsequenzen im Sinne eines abstrakten übergeordneten Begriffes zu haben, denn im Folgenden (160 ff.) geht seine Terminologie wieder in die im Bereich der Kopienforschung gebräuchliche über, die mit den bekannten Begriffen Variante, Vorbild, Wiederholung und Nachahmung arbeitet, und der Begriff des Darstellungstypus spielt keine Rolle mehr. Dennoch geht auch Strockas allgemeine Folgerung in bezug auf in Serien hergestellte Reliefs in die Richtung der hiesigen Argumentation, wenn von „Musterzeichnungen“ die Rede ist (Strocka a. O. 168). Unter den von ihm angeführten Beispielen von Statuenserien oder duplikaten überzeugt am ehesten das der Erechtheionkoren, das zuvor H. Lauter anregte (Strocka a. O. 160 f.). Trillmich a. O. (Anm. 178) geht in dieser Richtung sehr viel weiter und gewährt gleichzeitig Einblick in die Arbeit klassizistischer Werkstätten, aber auch er geht immer von der Existenz direkter Vorbilder (Trillmich a. O. 274, 280) und der Annahme „einer vielfach gestuften Abhängigkeit von den stets als vorbildlich empfundenen griechischen Meisterwerken" aus (Trillmich a. O. 281).
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Der hier angewandte Begriff der Kopie Im Vordergrund der Beschäftigung mit der Rekonstruktion klassischer Idealplastik steht natürlich zwangsläufig immer die römische Rezeption, die in erster Linie aus Kopien im engsten Sinne, nämlich aus Kopien, die das zugrundeliegende Original ersetzen sollen, besteht. Ebenso eng begreift C. Landwehr den Begriff der Kopie, der für sie nur dann berechtigt ist, wenn zwei maßgleiche und auch sonst übereinstimmende Exemplare eines Typus existieren.201 Im Zusammenhang mit dem oben angeführten Zitat lehnt V. M. Strocka den Begriff Kopie für Zeiträume außerhalb der römischen Rezeption ebenfalls ab und liefert dabei gleichzeitig eine geeignete, da eng gefaßte Definition des Kopienbegriffes: „Wenn man den Begriff 'Kopie' als Synonym für unterschiedliche Grade schöpferischer Abhängigkeit gelten läßt, wird die Eindeutigkeit des bisherigen Sprachgebrauchs völlig verunklärt. Dieser Begriff bleibt meines Erachtens besser auf die römische Kunst beschränkt: 'Kopie' bedeutet exakte Reproduktion eines Werkes vergangener Zeit um eines inhaltlichen oder formalen Wertes willen. Sie setzt zeitliche Distanz voraus und die Absicht, das Original durch genaue Nachahmung zu ersetzen. Eine solche Einstellung trifft aber weder für die Klassik noch den Hellenismus zu“202. Der Begriff der Kopie wird im folgenden synonym mit „Replik“ oder „Wiederholung“ verstanden - Abstufungen, die als Varianten oder Umbildungen verstanden werden könnten, sind in erster Linie eine Frage der Qualität der Kopie und beruhen bei den überlieferten Repliken der Athenastatuen nicht auf bewußten Vorgängen. Nachdem die dem Typus Ince ähnlichen Athenastatuetten, die stets als dessen Umbildungen oder Varianten galten, von diesem Typus abgegrenzt worden sind, liefert das zugrundeliegende Material keinerlei Hinweise mehr auf derartige Abhängigkeiten. Umbildungen oder Varianten existieren nur im Sinne von Umdeutungen. Dann handelt es sich immer um bewußte inhaltliche Änderungen im Bereich der römischen Rezeption, d. h. der Entwurf eines Athenatypus wurde der Darstellung einer anderen Gottheit oder Personifikation zugrunde gelegt203. Die aus dem Bereich der Kopienkritik stammenden Begriffe Variante und Umbildung finden demnach auch nur innerhalb des entsprechenden Bereiches, also für die Zeit der römischen Rezeption, Anwendung204. Die von Strocka angesprochene Verunklärung der Begriffe bei einer Anwendung außerhalb der römischen Rezeption betrifft insbesondere den Begriff der Umbildung, der wegen seiner Unexaktheit und Dehnbarkeit auch im römischen Bereich nur mit größter Vorsicht eingesetzt werden darf, damit er nicht unversehens zum Sammelbegriff für alles schlecht zu 201
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C. Landwehr a. O. (Anm. 185) 160 legt besonderen Wert auf die Maßgleichheit: „Kopien liegen nur dann vor, wenn mindestens zwei Statuen in Komposition und Maßen übereinstimmen. Nur dann ist eine ausreichende Grundlage zur Annahme eines kopierten Originals und zu seiner Erschließung im Rahmen einer Replikenrezension vorhanden. Die Maßgleichheit ist ein essentielles methodisches Kriterium, das dazu berechtigt, ein konkretes Kunstwerk als Original zu postulieren. Dennoch verleitet Wunschdenken immer wieder zur Aufgabe stringenter methodischer Regeln. Man gibt das Kriterium der Maßgleichheit preis und schließt aus einer Gruppe motivisch ähnlicher Statuen, bisweilen sogar aus einem einzelnen Werk auf ein Original als konkrete Vorlage. Alle derartigen Versuche sind methodisch gesehen unsolide und führen ins Chaos.“ Strocka a. O. (Anm. 199) 158; in diesem Sinne äußern sich auch C. Maderna-Lauter, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 329 f. und D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 18, der die Kopie als „diejenige Reproduktion, durch die das Original in seiner Ganzheit am engsten greifbar wird“, definiert. Vgl. In VI und OC III 3. Zur Definition der Begriffe Umbildung und Umdeutung und zum Begriff der Variante vgl. zuletzt Kreikenbom a. O. 19; vgl. außerdem Lippold, Kopien und Umbildungen 3; Gulaki a. O. (Anm. 192) 148 f.; H.-P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1984) 128 f. 155; Zanker a. O. (Anm. 179) XVII.
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fassende Material wird. Werke, die stärker vom durch die Mehrzahl der Kopien überlieferten Vorbild abweichen, werden hier demzufolge nicht als Umbildung bezeichnet, sondern von der Überlieferung des Typus abgekoppelt, wenn die Beziehung zu jenem nicht mehr eindeutig belegbar ist205.
Der hier verwandte Klassizismusbegriff An dieser Stelle ergibt sich der Übergang vom Bereich der Kopien zu dem der klassizistischen Werke. Einzelwerke, deren Verbindung zu den bekannten Typen rein äußerlich und allgemein ist, müssen als klassizistisch betrachtet werden, sofern sie nicht selbst Originale aus der Entstehungszeit des Typus sein können. Als klassizistische Originale werden folglich alle Stücke bezeichnet, die keine Kopien sind, ihrer Machart nach auch nicht als klassische Originale angesehen werden können, deren formaler und motivischer Ursprung aber einwandfrei in der klassischen Zeit liegt. Der Klassizismus dieser Werke, die bereits in hellenistischer Zeit aufkommen 206 , kann sich in zweierlei Weisen äußern: Manche Werke scheinen mit überlieferten, gewissermaßen „echt klassischen“ Formeln zu arbeiten, nach denen sie einheitlich durchgebildet sind. Diese Stücke werden am besten als „Nachbildung“ bezeichnet. Andere setzen sich aus frei komponierten Formeln klassischen Ursprungs zusammen und erwecken insgesamt den Eindruck eines künstlich nachempfundenen Entwurfes. Für solche Werke erscheint der Ausdruck „Neuschöpfung“ passend207. Während dieser Begriff hier also im üblichen Sinne gebraucht wird, wird der der Nachbildung vom Lager der Kopien in das der klassizistischen Werke verlegt und nicht mehr auf ein bestimmtes Vorbild bezogen, sondern auf allgemeine Formen einer Zeit208. Unter den hier vorgestellten Statuetten finden sich Vertreter beider zuletzt genannter Richtungen. Die Statuetten Akropolismagazin 133 b (1), Agoramuseum 1232 (3) und Venedig, Museo Archeologico 260-A (4) sind nach dieser Definition Nachbildungen; als spätklassische Originale erweisen sich die Statuette Akropolismagazin 3029/2805 (2), das Oberkörperfragment Akropolismagazin 2806 (7) und wohl auch das Fragment Akropolismagazin 2809 (8). Als hellenistische Neuschöpfung wird man die Statuette im Athener Nationalmuseum 1633 (5) bezeichnen müssen und mit ihr die Statuette mit der Schrägaigis in Pergamon (6). 205
206 207 208
Daß die Beziehung zum Typus noch erkennbar sein muß, hebt D. Kreikenbom (Anm. 202) 19 besonders hervor: „Bedingung aber bleibt die unmittelbare Identifizierbarkeit des Typus.“ Dieser wichtige Aspekt wurde offenbar gerade in der Literatur über die Rezeption von Athenastatuen häufig vernachlässigt. Hier die Statuetten im Athener Nationalmuseum (S. 29) und in Pergamon (S. 30). Der von C. Landwehr geprägte Begriff der Konzeptfigur, der dem hier geschilderten Tatbestand auf den ersten Blick entsprechen könnte, ist hier jedoch zu neutral, da er keinen retrospektiven Aspekt enthält (s. Anm. 185). Bei dieser vielleicht spitzfindig erscheinenden Unterscheidung ist subjektive Einschätzung nicht ganz auszuschließen - sie sei hier nur der Vollständigkeit halber ausgeführt und ist in ihrer Diffizilität kaum methodisch relevant. Noch subjektiver jedoch erscheint die Einteilung der Begriffe Nachbildung, Umbildung, Umdeutung und Neuschöpfung bei C. Maderna-Lauter (s. o. Anm. 179) 340 ff. Unter Nachbildungen faßt C. Maderna-Lauter alles zu sehr von den qualitätvollen Repliken Abweichende zusammen und unterstellt diesen mit der Vorlage freier umgehenden Repliken einen bewußten Abänderungswillen. Wenn auch der beschrittene methodische Weg ein anderer ist, stimmt doch das Resultat teilweise überein. So zählt C. Maderna-Lauter einen Torso im Thermenmuseum in Rom unter die Nachbildungen des Dresdner Knaben und bezeichnet ihn als proportional vergrößerte, sozusagen erwachsen gemachte Wiedergabe der Knabengestalt (Maderna-Lauter a. O. 342 f.). Nach der hier vertretenen Auffassung würde es sich ebenfalls um eine Nachbildung handeln, die aber nicht nach dem konkreten abgeänderten Vorbild des Dresdner Knaben gearbeitet wäre, sondern - wenn es sich nicht überhaupt um die exakte Kopie eines noch unbekannten Werkes handelt - allenfalls in klassischer Manier mit denen des Dresdner Knaben ähnlichen Darstellungsformeln arbeitet.
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Das Akropolismuseum enthält noch mehr Athenastatuetten ohne typologische Zugehörigkeit. Außer einer diagonal über den Oberkörper gelegten Aigis und der Tracht des übergegürteten Peplos haben sie untereinander keine weitere Gemeinsamkeit, sondern unterscheiden sich in Stil, Ausdruck, Technik, zeitlicher Herkunft und in der Bildung der Details so sehr, daß sie nicht zu einer Gruppe zusammengefaßt werden können. Diese Figuren werden in anderem Zusammenhang noch einmal erwähnt209, aber nicht mehr ausführlich behandelt, da sie hier methodisch nicht zweckdienlich sind: Es handelt sich um eine Reihe weitgehend unzusammenhängender, meist römischer, mehr oder weniger klassizistischer Einzelexemplare, deren Informationswert sich in der Datierung der Exemplare erschöpfen würde.
Ausblick Wurden die Ince-ähnlichen Statuetten aus der Überlieferung der Athena Ince eliminiert und stehen sie nun als Einzelexemplare teilweise klassizistischer Überlieferung da, so muß auch ihre Aussage als neu und eigenständig gewertet werden. Auch der vermutliche Aufstellungsort der Statuetten spricht übrigens gegen ihre Ableitung vom Typus Ince: Was ergäbe es für einen Sinn, auf der Akropolis lauter Kopien nach der Athena-Ince, und sei es auch im Statuettenformat, aufzustellen? Es scheint sich bei den untersuchten Figuren vielmehr um Weihgeschenke aus verschiedenen Gegenden und Werkstätten unterschiedlicher Zeit zu handeln. Durchgängig gemeinsam ist den als klassizistisch eingestuften Exemplaren lediglich der Bezug auf die späte Hochklassik, durch den sie sich an die wenigen erhaltenen Originalstatuetten (2, 7 und 8) anschließen. Offensichtlich war es bis in die Kaiserzeit hinein üblich oder zumindest möglich, für die Akropolis bestimmte Weihgeschenke stilistisch der Blütezeit dieses Ortes anzupassen. Vielleicht muß man sich den Beweggrund ähnlich vorstellen, wie dies Trillmich anhand eines aus Athen stammenden Köpfchens im Museo Baracco vermutet: „Die Aufstellung auf der Akropolis forderte vielleicht in der Vorstellung der Künstler oder Auftraggeber einen möglichst 'phidiasischen' Stil.“210 Der Einfluß der Athena Ince beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf ihre Rolle als bekannte und gefällige Repräsentantin der klassischen Blütezeit, als Verkörperung des Stils jener Zeit, an die man anknüpfte. Ihr „Vorbildcharakter“ erschöpft sich darin und bleibt dementsprechend indirekt.
209 210
Vgl. S. 237 ff. Trillmich a. O. (Anm. 178) 273.
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2. Typus New York Es gibt noch einen weiteren, unbekannteren, leicht überlebensgroßen Athenatypus, der die innovative Funktion der in römischer Zeit weit beliebteren Athena Ince relativiert. Unter den aus den Replikenlisten des Typus Ince zu eliminierenden Exemplaren waren, wie eingangs erwähnt211, drei Athenen mit umgekehrtem Standschema, die aufgrund ihrer Übereinstimmungen untereinander keine Ince-Varianten sind, sondern einen eigenen Typus bilden. Hatten Ashmole und Lippold dies bereits vermutet212, so wird dieser unbekannte Typus in der neueren Literatur doch immer wieder dem Typus Ince zugeordnet213, mit dem er in Tracht, Aigisform, Schrittstand, Helmform, Haartracht und Armhaltung fast übereinstimmt214. Über den eng verwandten Zeitstil hinaus verwenden beide Typen also auch noch den gleichen Darstellungstypus für die Göttin. Schon Ashmole und Lippold hielten den Athenatypus, der hier nach dem mit Kopf erhaltenen Statuenfragment in New York (NY I 1) benannt werden soll, für älter als das Original des Typus Ince.
Replikenliste Typus New York I. Oberkörperfragment mit Kopf: 1. New York, Metropolitan Museum II. Statuen ohne Kopf: 1. Rom, Museo Torlonia 2. Vatikan, Galleria Chiaramonti
Rekonstruktion des Originals Obwohl der Typus nur durch drei Repliken überliefert ist, ermöglichen diese eine genaue Definition des Typus. Nach Aussage der Repliken im Museo Torlonia (NY II 1) und in der Galleria Chiaramonti des Vatikan (NY II 2) zeigt der Athenatypus New York die Göttin in ruhiger Schrittstandposition mit linkem Standbein und rechtem Spielbein im übergürteten Peplos mit kragenförmiger Aigis und Sandalen. Die Replik in New York (NY I 1), deren Kopf Haartracht und Lederfutterröllchen überliefert, sichert für das Original den korinthischen Helm und die leichte Neigung des Kopfes nach rechts unten. Die rechtsseitige Öffnung des Peplos bezeugt auch bei dieser fragmentarischen Replik das dem der Athena Ince entgegengesetzte Standschema. Alle drei Repliken stimmen untereinander in Details und auch handwerklich überein215. Dieser Umstand läßt sich nicht durch zeitliche Nähe der Repliken untereinander erklären, denn die Replik im Museo Torlonia (NY II 1) ist augusteisch, die des Museo Chiaramonti (NY II 2) domitianisch und die Replik in New York (NY I 1) wahrscheinlich hadrianisch-östlich. Der Typus bzw. das 211 212 213 214 215
Vgl. S. 4 f. Ashmole, Kat. Ince Blundell 7; Lippold, Plastik 184 Anm. 4. Vgl. den Kommentar zu den Replikenlisten des Typus Ince S. 4 f. Entsprechend wurde die Replik im Museo Chiaramonti (NY II 2) mit einem nicht zugehörigen antiken Kopf in der gleichen Haltung wie der Kopf der Athena Ince versehen. Die Repliken sind gleich groß - die Abweichungen von einigen Zentimetern hängen wohl mit der Größe der nicht zugehörigen Köpfe zusammen. Das Statuenfragment in New York läßt sich auf ungefähr die gleiche Größe rekonstruieren wie die anderen beiden Repliken, die mit ihren nicht zugehörigen Köpfen 1. 75 m (Mus. Chiaramonti; NY II 2) und 1. 82 m (Mus. Torlonia; NY II 1) messen. Detailmaße stehen leider nur für das Fragment in New York (NY I 1) zur Verfügung - bei den anderen Repliken ist lediglich die Gesamthöhe bekannt.
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ihm zugrundeliegende Original war mit Plinthe und Helm etwa 1. 80 m hoch und damit im Gegensatz zum Typus Ince etwas mehr als lebensgroß. Charakteristische Merkmale der Gewandgestaltung sind die knappe Gewandangabe, die wulstigen Knickfalten oberhalb der Gürtung an der rechten Körperseite, die kontrastreiche Kennzeichnung von Spiel- und Standbein sowie die typische Doppelfalte an der rechten Hüfte. Auffällig ist der deutliche Bronzecharakter des Gewandes, den die augusteische Replik des Museo Torlonia (NY II 1) am besten bewahrt, der aber auch an der New Yorker Replik (NY I 1) noch sichtbar ist. Dieser Eindruck, hervorgerufen durch die blechartig dünne Bewegtheit der Gewandfläche am Oberkörper und durch das metallen erscheinende straffgezogene Gewand über dem Spielbein und die geraden, an der Replik des Museo Torlonia (NY II 1) wie aus flach gewelltem Bronzeblech hergestellt wirkenden Standbeinfalten, wird durch die Abarbeitung des Marmors zwischen Spielbeinfuß, Gewand und Plinthe, die die Figur wie eine Bronzestatue spielend stehen läßt, verstärkt.
Struktur und Aufbau An der Struktur der Statue fällt ihr äußerst zurückhaltender Umgang mit dem sie umgebenden Raum auf. So sparsam wie der Schrittstand ist auch die Ausdehung ihres Konturs. Die Haltung der angesetzten Arme läßt sich aus den Repliken New York (NY I 1) und Museo Torlonia (NY II 1) einigermaßen rekonstruieren; sie wurden an der Replik Torlonia annähernd richtig ergänzt. Nach Aussage der Gewandpartien unterhalb der Armansätze war der rechte Arm zur Seite ausgestreckt und vermutlich auf eine Lanze gestützt, während der linke Oberarm am Körper herabgeführt und der Unterarm vermutlich leicht nach vorn gestreckt war216. Der Kopf wandte sich nach der Überlieferung des New Yorker Fragments in Richtung der rekonstruierbaren linken Hand, die vielleicht ein Attribut hielt. Die Göttin präsentiert sich hier also frontal in ponderiertem Stand und mit chiastischer Anordnung der Gliedmaßen. In der Seitenansicht zeigt sich, daß sich der Körper in Bauchhöhe am weitesten nach vorn biegt und daß diese leichte Schwingung nach vorn eine Gegenbewegung zur elegischen Kopfwendung bildet. Die Bewegung ist jedoch insgesamt äußerst knapp, sodaß die Figur einen spröden, herben und insgesamt wenig ansprechenden Eindruck macht. Es geht wahrscheinlich zu weit, sie deswegen einer außerattischen Schule zuzuschreiben. Ob dies auch aus anderen Gründen berechtigt ist, wird der Versuch der Einordnung erweisen.
Datierung Die Datierung des Typus New York ist weniger problematisch als seine landschaftliche Zuordnung. Die Schlichtheit und Strenge des Typus steht in der Tradition hochklassischer Figuren und erinnert im Aufbau an phidiasische Werke wie die Athena Parthenos und die möglicherweise phidiasische Athena Lemnia217. Mit der Parthenos verbindet den Typus New York der Kontrast zwischen glatten und durch schwere, tiefe Falten bestimmten Gewandabschnitten sowie, in klei216 217
Die Armhaltung ist an der Replik im Museo Chiaramonti (NY II 2) annähernd richtig rekonstruiert; lediglich der rechte Arm müßte deutlicher seitlich ausgestreckt sein. Zu beiden Figuren zuletzt L. Schneider und C. Höcker, Phidias (1993) 61 ff. mit Lit.; Fuchs, Skulptur4, 192 f. Abb. 204 f. Vgl. außerdem A. Linfert, AM 97, 1982, 57 ff. Taf. 17-21 und zur Lemnia K. Schmidt, Apollon, Athena. Klassische Götterstatuen in Abgüssen und Rekonstruktionen (Kat. Kassel 1991) 152 ff. Nr. 32-38 mit Abb.; Ritter, JdI 1997, 49 ff.; M. Steinhart, AA 2000, 377 ff.; zur Parthenos vgl. ferner Anm. 43.
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neres Format übersetzt und entsprechend abgemildert, die Art der schwer überlappenden Falten oberhalb der Gürtung auf der Spielbeinseite. Auch die Frontalität der Parthenos ist durch die Kopfwendung, das bewegtere Standschema und die leichte Durchschwingung der lebensgroßen Figur gemildert. Mit der überlebensgroßen Lemnia teilt die Athena die Eckigkeit, den an den Seiten scharf umbrechenden Kontur, den aus der Frontalen herausgewandten Kopf und die Vereinzelung der flachen Falten am Oberkörper. Trotz des durchaus vergleichbaren, fast spiegelbildlichen Aufbaus (Standschema, Armhaltung, Kopfwendung zum in der Hand der Spielbeinseite gehaltenen Attribut) ist die Lemnia frontaler, ihre Ponderation zeigt noch keinen Schrittstand. Sie ist insgesamt monumentaler, ihr Ausdruck abweisender. Auch der Kopftypus der Athena Lemnia218 steht mit seinen kleinen Augen, der langen geraden Nase, dem relativ großen Mund und dem männlich-herben Gesichtskontur auf der Stufe der Hochklassik und geht noch dem Kopftypus der Athena Velletri voraus, auf den dann erst wieder der Kopf des Typus New York folgt. Der Vergleich mit der Rückansicht der Lemnia219 zeigt eine gewisse Verwandtschaft, unterstreicht aber ebenso den qualitativen Unterschied beider Figuren. Läßt sich die Lemnia um 440 datieren und schließt sich ihr etwa 10 bis 20 Jahre später die Athena Velletri an220, so ist der Typus New York entwicklungsgeschichtlich zwischen dieser und der Athena Ince anzusiedeln, der er seinerseits um etwa 10 bis 20 Jahre vorausgeht.
Verhältnis zum Typus Ince und typologische Einordnung Der Typus New York vermittelt also zeitlich, stilistisch und typologisch zwischen den Typen Velletri und Ince. Mit dem Typus Velletri verbinden ihn die fast gleiche Grundstruktur221 und die übereinstimmenden Trachtbestandteile der Aigis, des korinthischen Helms und des übergürteten Peplos, der allerdings bei der Velletri durch den Hüftmantel einen anderen Akzent erhält. Trennend dagegen sind Monumentalität auf der einen und maximale Lebensgröße auf der anderen Seite, massig-voluminöse Falten auf der einen und den Körper nur noch knapp überdeckende Falten auf der anderen Seite sowie hochklassisch-herbe Gesichtsproportionen auf der einen und schon fast spätklassisch-weiche, gerundete Gesichtsformen auf der anderen Seite, womit sich insgesamt auch matronale Weiblichkeit und zarte Jugendlichkeit gegenüberstehen. Eine weitere Abstufung in dieser Richtung ergibt der Vergleich mit der Athena Ince, der die eben beschriebenen Eigenschaften des Typus New York von der anderen Seite her beleuchtet. Neben der Athena Ince wirkt der Typus New York nun erstaunlich breit und frontal und zum Teil geradezu schwerfällig. Folgende weitere Unterschiede ergeben sich: Während der Spielbeinfuß der Athena Ince sich federnd von der Plinthe hebt, lastet der Spielbeinfuß des New Yorker Athenatypus auf der Plinthe. Ist die Athena Ince an der Spielbeinseite bogenförmig durchgeschwungen, so ist das Spielbein des Typus New York in der Seitenansicht erst unterhalb des Knies schräggestellt. Der Kontrast Spielbein-Standbein ist am Typus New York plötzlich und übergangslos, während am Typus Ince auch das Spielbeingewand Falten zeigt. Kompositionell ist der Athenatypus New 218 219 220
221
Schmidt a. O. 162. 35-38. Linfert a. O. (Anm. 217) Taf. 21. 1. Zur Athena Velletri s. Anm. 62. Der Kopftypus der Velletri (E. B. Harrison, AJA 1977, 169 Abb. 26-27, 127 Abb. 36-37) ist vom gleichen hochklassischen Zeitstil geprägt wie der der Athena Lemnia. Ein zeitlicher Abstand von 10 Jahren zwischen beiden Figuren wird der beginnenden Zuspitzung und Weichheit in den Gesichtszügen der Velletri gerecht. Standschema, Arm- und Kopfhaltung sind bei beiden Figuren gleich komponiert.
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York ein Lehrstück kontrapostischer Durchgestaltung. Gegenüber der strukturell auf einen Punkt außerhalb der Figur, nämlich ihre rechte Hand bezogenen Athena Ince ruht seine Komposition weit mehr in sich. Stilistisch gleichen sich beide Typen in einigen Details. Die Seitenansichten sind an beiden Figuren gleichermaßen selbständig, aber von vorn gesehen bricht der Kontur des Typus New York viel plötzlicher um. Die Anordnung und Anlage der Gewandfalten am Oberkörper ist ähnlich, aber die Faltenanlage der Athena Ince ist großflächiger konzipiert und funktional neu durchgestaltet. Faltenornamente wie die charakteristische Doppelfalte an der rechten Hüfte der New Yorker Athena (NY I 1) kommen überhaupt nicht vor. Während das Gewand der New Yorker Athena einige ornamental-kalligraphische Elemente enthält, die wie ein spätes Nachspiel der Hochklassik wirken, ist die Gewandgestaltung der Athena Ince klar und frisch und läßt in einer neuen kontrollierten Üppigkeit jede posthochklassische Verspieltheit hinter sich. Auch die Gegenüberstellung der Kopftypen beider Athenen zeigt, daß die Athena Ince den Schritt von der Hochklassik zur Spätklassik vollzogen hat, während der Typus New York formal und stilistisch stärker an die Hochklassik anknüpft.
Verwandtschaft mit polykletischen Werken Zum zeitlichen kommt ein wahrscheinlich landschaftlicher Unterschied: Während die Athena Ince sicherlich als attisches Werk gelten kann222, deuten die beschriebenen Merkmale des Typus New York eher auf ein Werk polykletischer Umgebung bzw. Nachfolge hin223. Das kann der Vergleich mit dem Doryphoros erhärten224: Wie dieser ist die Athena New York frontal konzipiert; ihr Verhältnis zum Raum ist, wie auch schon im Vergleich zur Athena Ince sichtbar wurde, genauso zurückhaltend. Die Schultern sind breit und fast gerade, der Oberkörper ist ebenfalls breit und flächig und ohne jede weibliche Form. Anders als beim Doryphoros ist der Hüftbereich genauso unbewegt und gerade wie die Schultern; die Figur schreitet allerdings auch nicht, sondern verharrt im Schrittstand. Auch der Aufbau ist nicht konsequent chiastisch; der Kopf wendet sich zur geschlossenen Körperseite, die vom Standbein an aufwärts führt. Vom verhaltenen Standmotiv her sind Diadumenos und Diskophoros besser vergleichbar225. Der Kopf der Replik in New York gleicht ebenfalls polykletischen Köpfen226; sowohl die Ausführung von Augen und Mund, Grundcharakter der Haarangabe und die Karnatbeschaffenheit als auch der Ausdruck abgeklärter Strenge stimmen überein. Der Vergleich zeigt, daß die Figur trotz sichtbarer, motivbedingter Unterschiede vom Gesamteindruck her grundsätzlich mit dem Doryphoros verwandt ist und ausgesprochen gut neben polykletische Werke gestellt werden kann. Auch die ephesischen Amazonen, die schon im Zusammenhang mit dem Typus Ince herangezogen wurden, treten hier wieder
222 223 224 225
226
Vgl. S. 21. Vgl. Polyklet. Kat. Frankfurt 1990. Zur Polykletschule vgl. A. Linfert ebenda 240 ff.; D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990); zu Polyklet vgl. auch Anm. 50. Zum Doryphoros H. v. Steuben, Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 185 ff. mit Abb.; vgl. zuletzt G. Hafner, Polyklet, Doryphoros. Revision eines Kunsturteils (1997); vgl. auch Anm. 50. Zum Diskophoros s. P. Zanker, Klassizistische Statuen (1974) 4 ff. Taf. 1-4; P. C. Bol, Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 111 ff. mit Abb.; Kreikenbom a. O. (Anm. 223) 21 ff. mit Abb.; vgl. neuerdings aber auch C. Landwehr, JdI 113, 1998, 162, 165; zum Diadumenos s. Kreikenbom a. O. 206 ff. mit Abb.; vgl. auch Anm. 50. Vgl. als herausgegriffene Beispiele den Kopf des Doryphoros in Minneapolis, H. v. Steuben, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 336 Abb. 204 a. b; den des Diskophoros in New York, D. Kreikenboom a. O. 526. 27 mit Abb. und den Herakleskopf in Rom, ders., a. s. O. 552. 61 mit Abb.
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in den Blickpunkt227. Vielleicht kann die Betrachtung der Athenatypen Ince und New York sogar zur Aufklärung der Meisterfrage der Amazonen beitragen - glich der Typus Ince der SosiklesAmazone228, so ist der Typus New York in der Haarbildung, der Karnatangabe, den Gesichtsproportionen und der Bildung der Sinnesorgane mit der wahrscheinlich polykletischen Amazone Sciarra eng verwandt229. Die Athena New York ist, als vielleicht spätpolykletisches Werk, also zeitlich und von der Entwicklung der Typologie her zwischen den Athenen Velletri und Ince anzusiedeln - sie wird etwa um 420 entstanden sein, gleichzeitig mit der gut vergleichbaren Athena vom ProxenidesRelief in Athen230 und der Athena vom Fries des Niketempels231, deren Frontalität und Knappheit ähnlich ist. Sehr nah steht der Athena New York zeitlich ein weiterer Athenatypus: die Athena Farnese-Hope232. Unmittelbar nach dem Typus Velletri entstanden, folgt sie einem grundsätzlich anderen Darstellungstypus als die hier behandelten, die Spätklassik einleitenden Athenatypen des 5. Jhs. Dennoch ist die Athena Farnese-Hope nur wenige Jahre älter als der Typus New York; die Gesichtszüge der weicheren Replik Hope233 kommen den Gesichtsproportionen des Typus New York nahe, aber auch die kontrapostische Struktur des Typus Farnese-Hope ist ähnlich. Die einzige typologische Gemeinsamkeit beider Athenen zeigt sich allerdings in der bereits bei der Athena Farnese-Hope trotz ihrer Monumentalität spürbar schwindenden Matronalität. Der Unterschied zwischen hochklassischer und beginnender spätklassischer Auffassung, die auch den Typus New York schon bestimmt, bildet jedoch zwischen beiden Typen eine trennende Kluft, die sich besonders deutlich in der typologischen Ausstattung beider Figuren, ihren Attributen, ihrer Gewand-, Haar- und Helmtracht äußert. Vielleicht darf trotz aller bestehenden Vorbehalte gegen die Meisterforschung vorsichtig konstatiert werden, daß die Athena Farnese-Hope von einem älteren, wegen ihrer Affinität zum Parthenon sicher attischen, die Athena New York dagegen etwa gleichzeitig von einem jüngeren, aus einer anderen, vielleicht polykletischen Schultradition stammenden Künstler konzipiert wurde - daß die Athena New York den anläßlich der Athena Ince als attisch bezeichneten Darstellungstypus mit übergegürtetem Peplos verwendet, bedeutet nicht zwingend, daß sie nicht außerattisch sein kann.
227 228 229 230 231 232 233
Vgl. Anm. 73 und S. 19 mit Anm. 119; zum polykletischen Kontrapost s. R. Bol, Amazones Volneratae (1998) 73 ff. S. S. 19 und Anm. 121. S. Anm. 123. Meyer, Urkundenreliefs A 6 Taf. 2; Lawton, Document Reliefs 68 Taf. 36. Brauchbarste Abb. bei C. Blümel, JdI 45-46, 1950-51 Taf. 160 Abb. 17 (nach Abguß Berlin); H. Knell, Mythos und Polis (1990) 144 Abb. 230 (ebenfalls nach Abguß). A. Preyß, JdI 27, 1912, 88 ff.; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 48 ff. Preyß a. O. Beil. 3 Abb. 8 c (nach Gips Bonn); Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 102 ff. trennt die Überlieferung des Typus in eine Hope- und eine Albani-Richtung, wobei sie letztere für etwa 15 Jahre älter hält. Dies ist m. E. jedoch ein rein kopienkritisches Problem, das sich auch mit Mitteln der Kopienkritik lösen lassen müßte.
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Exkurs: Zum Basler Athenakopf Im Zusammenhang mit den Athenatypen Velletri, New York und Ince spielt ein Einsatz-Kopf in Basel eine merkwürdige Rolle. Der Kopf läßt sich keinem der drei Typen zuordnen, vereint aber Elemente von allen dreien in sich. Basel, Antikenmus., Athenakopf Slg. Ludwig H 55. 6 cm thasischer Marmor aus italienischem Kunsthandel (ohne Herkunftsangabe) Lit.: E. Berger, AntK 17, 1974, 131-136 Taf. 35-36; ders. (Hrsg.) Antike Kunstwerke aus der Sammlung Ludwig III. Skulpturen (1990) 167 ff. 231 mit Abb.
Der Kopf gilt gemeinhin als Velletri-Replik und wird von E. Berger als bestes Exemplar unter den Repliken des Velletrikopfes bezeichnet234. Die Probleme beginnen bei der Größe des Kopfes, der etwa um ein Drittel kleiner ist als die übrigen Velletriköpfe. Mit einer Gesichtslänge von 19. 6 cm ist er aber noch immer leicht überlebensgroß und damit größer als der Kopf des Typus New York (vgl. NY I 1), dem der Basler Kopf in viel stärkerem Maße gleicht als dem Kopftypus Velletri. Da zur hier vertretenen Definition des Kopienbegriffes auch die Maßgleichheit gehört235, hätte der Kopf demnach nur eine Variante eines der beiden Typen sein können. Nun zeigt er aber in seiner mädchenhaft-zarten Ausstrahlung, in der Berger fast schwärmerisch den nur hier überlieferten wahren Ausdruck des Typus Velletri sieht236, eine direktere Verbindung zum Typus Ince als der Typus New York. Diese Verbindung beschränkt sich allerdings auf den Ausdruck - vom Typus Ince unterscheidet den Basler Kopf außer der Überlebensgröße die Kopfwendung nach links unten, die er mit den Typen New York und Velletri teilt, sowie die strengere Haartracht und das Kopfvolumen. Einen Beitrag zur Unterscheidung der Kopftypen leisten die Helmfutterröllchen über den Schläfen der Athena Ince, die weder bei der Athena Velletri noch beim Basler Kopf vorkommen, die am Kopftypus New York (NY I 1) aber bereits vorhanden sind237. Weitere Details, die den Basler Kopf mit der Velletri verbinden, sind die Schlange auf der Helmspitze238 und der profilierte Helmrand. Die Proportionen, die Weichheit und Rundlichkeit, die großen, flach angelegten Augen mit den wulstigen Lidern, die kurze Nase, der kurze massive Hals, das flache Stirnhaar sind jedoch Elemente, die sich nicht am Typus Velletri, sondern nur am Typus New York wiederfinden lassen. Es gibt hier nur zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder geht man von der Existenz eines weiteren zwischen den Typen Velletri und New York stehenden überlebensgroßen Athenatypus mit korinthischem Helm aus, der nur durch diesen einen Kopf überliefert ist, oder man beurteilt 234 235 236 237 238
Berger a. O. (Lit. zum Kopf, 1977) 133; ders. a. O. (Lit. zum Kopf, 1990) 170. Vgl. S. 38 ff. Berger a. O. (Lit. zum Kopf, 1990) 170. Für A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Alterthum (1896) 32 ist die Existenz der Futterröllchen ein Zeichen für die spätklassische Datierung von Athenaköpfen. Noch sichtbar an der Velletribüste in München, E. B. Harrison, AJA 1977, 169 Abb. 26 f.; Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 136 ff. Abb. 61-65, und an der Büste aus der Slg. Lansdowne in Los Angeles, Harrison a. O. 170 Abb. 28-29.
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die Glaubwürdigkeit des Kopfes mit gebotener Vorsicht. Zu einem eher kritischen Standpunkt verhelfen Schwierigkeiten bei der Datierung des Kopfes: Berger bezeichnet ihn mit gewissem Recht als trajanisch-hadrianisch239, womit sich aber weder die flavisch wirkende Wulstigkeit der Augenpartie und die Weichheit des Karnates vereinbaren lassen noch die augusteisch wirkende, sensible aber gleichzeitig kompakte Gestaltung der Haarsträhnen240 und die ebenfalls besser in die frühe Kaiserzeit passende diaphane Wirkung der Oberfläche. Insgesamt bereitet also die offensichtliche Inkongruenz des Kopfes sowie der Umstand, daß er offenbar von mehreren Quellen gleichzeitig angeregt worden ist, Schwierigkeiten241.
Zum Darstellungstypus der Athena mit übergürtetem Peplos und korinthischem Helm Der Darstellungstypus der Athena im übergürteten Peplos wurde häufig, wie an den hier untersuchten beiden statuarischen Typen, mit dem korinthischen Helm kombiniert. Dem Denkmälerbestand zufolge war diese Kombination besonders in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. beliebt und verbreitet242. Dennoch existieren gleichberechtigt neben dieser auch andere Typenkombinationen. Der übergegürtete attische Peplos wird bei Athenadarstellungen auf Vasen und Reliefs in der 2. Hälfte des 5. Jhs. eher mit dem attischen Helm kombiniert als mit dem korinthischen243; der korinthische Helm erscheint, genauso wie der attische auch, ebenso in Kombination mit anderen Gewandtrachten244. Die bildnerischen Elemente konnten also zu unterschiedlichen
239 240
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243
244
Berger a. O. (Lit. zum Kopf, 1990) 173 f. Verglichen mit der trajanisch-hadrianisch-östlichen Replik in New York (NY I 1) offenbart sich die Andersartigkeit des Basler Kopfes, der als Replik nicht gleichzeitig mit dem New Yorker Kopf entstanden sein kann. Eine andere Datierung stößt aber auf die genannten Schwierigkeiten. Zu den gleichen Zweifeln am Basler Kopf gelangte unabhängig davon nach mündlicher Mitteilung E. Mathiopoulos. Vasen: Volutenkrater des Kadmos-Malers, Ruvo, Jatta 1093, J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Die klassische Zeit (1989) Abb. 310; Pelike Berlin, Staatl. Mus. F 2354, Demargne, LIMC II 1011 Athena 591 Taf. 762; Scherbe eines Kelchkraters in Amsterdam, Allard Pierson Museum, Algemeene Gids (1937), 154. 1425 Taf. LXXI; Gods and Men in the Allard Pierson Museum (1972) Taf. 10 mit Text; Kleinbronze: sog. Athena Elgin, New York, Metr. Mus. of Arts 50. 11. 1, Demargne, LIMC II 2 976 Athena 205 Taf. 728; Relief: Sog. Sinnende Athena, Nationalmus. Athen 695, U. Hausmann, Griechische Weihreliefs (1960) 36 Abb. 17; H. Kenner, SB Wien 114, 1977, 379 ff., F. Chamoux, Rev. Arch. 1972, 263 ff., Demargne, LIMC II 1015 Athena 625 Taf. 765; H. Jung, JdI 110, 1995, 95 ff.; vgl. auch Ritter, JdI 1997, 36 mit Lit. Vasen: weißgrundige Lekythos, Basel, Antikenmus. Kä 416, Demargne, LIMC II 961 Athena 37 Taf. 707, Lekythos des Alkimakos-Malers, Hannover, Kestner-Mus. 1968. 93 CVA Hannover I Taf. 44 Abb. 2-4, KasperButz, Athena in Athen 280 Taf. 34, Demargne, LIMC II 1002 Athena 501 Taf. 756; Aisonschale, Madrid, Prado 11265, Boardman a. O. Abb. 292. 1; Hydria des Malers des Paris von Karlsruhe, Karlsruhe, Badisches Landesmus. 259, Boardman a. O. Abb. 294; Reliefs: Relieffragment Paris, Louvre, wahrscheinlich zum Urkundenrelief Athen/Mytilene gehörig, Meyer, Urkundenreliefs A 21, Lawton, Document Reliefs 69 Taf. 37, Kasper-Butz, Athena in Athen 46 f. T 5, 256 Taf. 10; Urkundenrelief Eleusis, Mus. 43, Meyer, Urkundenreliefs A 5, Lawton, Document Reliefs 82 f. 3 Taf. 2, Kasper-Butz, Athena in Athen 67 f. T 12, 264 Taf. 18, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 19 Taf. 2. 1, Demargne, LIMC II 1013 Athena 606 Taf. 763, Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 4; Schatzmeisterurkunde von 399/97, Nationalmus. Athen 1479, Meyer, Urkundenreliefs A 36 Taf. 11. 1, hier Taf. 85 Abb. 1, Lawton, Document Reliefs 14 Taf. 8, Kasper-Butz, Athena in Athen 73 f. T 15, 267 Taf. 21, Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 5; Urkundenrelief Akr. Mus. 2996, Proxenieurkunde, Knidos, Meyer, Urkundenreliefs A 6 Taf. 2, Lawton, Document Reliefs 68 Taf. 36, Kasper-Butz, Athena in Athen 80 f. T 17, 268 Taf. 22, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 20 Taf. 2. 2; Urkundenrelief Epigraphisches Mus. Athen 6928, Meyer, Urkundenreliefs A 22 Taf. 8. 1, Lawton, Document Reliefs 9 Taf. 5, Ritter, JdI 1997, 26 Abb. 1; Urkundenrelief Athen-New York, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 21 Taf. 3. Vgl. den Kelchkrater des Kadmos-Malers in Syrakus Taf. 90. 3, Mus. Nazionale 17. 427, Kasper-Butz, Athena in Athen 279 Taf. 33, Demargne, LIMC II 1000 f. Athena 491 Taf. 755, Aphrodite 1356, und den Kelchkrater des Niobidenmalers im Louvre, P. E. Arias - M. Hirmer, Tausend Jahre griechische Vasenkunst (1960) Abb. 173,
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Darstellungstypen ergänzt werden, sodaß sich durch die Gattungen hindurch sämtliche innerhalb des für die Göttin in der 2. Hälfte des 5. Jhs. gültigen ikonographischen Rahmens mögliche Kombinationen finden245. Diese Vielfalt innerhalb des den vorgestellten, am Übergang zur Spätklassik stehenden Statuentypen zeitgleichen Materials aus der Kleinkunst zwingt zumindest in bezug auf Athenadarstellungen zu mehreren logischen Folgerungen, die in der Literatur m. E. bisher zu wenig berücksichtigt worden sind. Die wichtigste dieser Folgerungen war die bereits an anderer Stelle aufgestellte Forderung, daß die bestimmende und prägende Rolle der Großplastik gegenüber Reliefkunst und Vasenmalerei reduziert werden muß und daß es übergreifende ikonographische Grundtypen, die sogenannten Darstellungstypen, gegeben haben muß, denen die Großplastik genauso folgt wie die Kleinkunst246. Diese Darstellungstypen können, wie derjenige des Typus Ince und verwandter Darstellungen beweist, eine eigene Rezeptionsgeschichte haben, die unter Umständen bis in klassizistische Strömungen hineinreicht. Im Bereich des Klassizismus kann ein solcher Darstellungstypus, wie im Falle des Darstellungstypus der Athena mit übergürtetem Peplos und Kragenaigis geschehen, zum Repräsentanten für den Stil seiner Entstehungszeit werden und gewinnt dadurch neue Dimensionen. Die Rezeptionsgeschichte eines statuarischen Typus ist leichter zu untersuchen als seine Genese. Das Umfeld der Athenatypen Ince und New York jedoch ist durch Athenadarstellungen auf Vasen und Reliefs abgesichert, sodaß diese Athenatypen organisch in das Kunstschaffen ihrer Zeit eingebunden sind. Der Überblick über das parallele Material zeigte jedoch, daß die beiden großplastischen Typen in keiner Weise prägend gewesen sein können, sondern sich in der gleichen Weise wie die Relief- und Vasendarstellungen der verfügbaren Darstellungsmittel bedienen. Die Auswahl dieser Mittel läßt sich offenbar nur teilweise mit der Funktion der Darstellungen erklären: War die Kombination des attischen Helmes mit dem übergürteten attischen Peplos an den Athenen der Urkundenreliefs des späten 5. Jhs., vielleicht als Verbildlichung der eminent propagandistischen Aussage, deren stärkste Repräsentantin die phidiasische Parthenos ist, sehr beliebt, so gibt es auch zahlreiche Darstellungen mit korinthischem Helm. Weshalb der korinthische Helm in der Rundplastik verbreiteter war als der attische, läßt sich unschwer nachvollziehen. Wahrscheinlich eignete sich der attische Helm besser für repräsentative Darstellungen, der korinthische dagegen mehr für die künstlerisch-elegischen Darstellungen der Spätklassik. Mit der Abnahme repräsentativer Darstellungen im 4. Jh. und der Zunahme intimerer Darstellungen im großplastischen Bereich und auf Reliefs nimmt die Beliebtheit des korinthischen Helmes zu. Erst um die Mitte des 4. Jhs. erscheint die Kombination des attischen Helmes mit dem attischen Peplos wieder; die Darstellung erstarrt dann häufig zu einer repräsentativ-propagandistischen Figur, die in dieser Funktion bewußt oder unbewußt an die Parthenos erinnert247. Im späten 5. Jh. nutzte man die Kombination der Darstellungsmittel des
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Boardman a. O. (Anm. 242) Abb. 4. 2, M. Robertson, The Art of Vase-Painting in Classical Athens (1992) 181 Abb. 191 f., M. Prange, Der Niobidenmaler und seine Werkstatt (1989) 186 N 25 Taf. 7. Vgl. auch Ritter, JdI 1997, 56 f. Vgl. S. 14 ff. Folgende Urkundenreliefs des 4. Jhs. zeigen die Göttin in einem ähnlichen Darstellungstypus wie die Parthenos: Nationalmus. Athen 1480, Meyer, Urkundenreliefs A 68 Taf. 22. 1, Lawton, Document Reliefs 28 Taf. 15, KasperButz, Athena in Athen 57 ff. T 11, 262 Taf. 16, S. Ritter, JdI 116, 2001, 137. Abb. 4; Urkundenrelief verschollen, Meyer, Urkundenreliefs A 75 Taf. 23. 2, Lawton, Document Reliefs 106 Taf. 56; Relief British Mus. London 772, Meyer, Urkundenreliefs A 92 Taf. 25. 1, Lawton, Document Reliefs 131 Taf. 70; Akropolismus. Athen 2437+3001, Meyer, Urkundenreliefs A 93 Taf. 25. 2, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 29 Taf. 6. 1 (Lawton zufolge kein Urkunden-, sondern ein Weihrelief); Nationalmus. Athen 2952-2961, Meyer, Urkundenreliefs A 95
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attischen Peplos mit dem korinthischen Helm also bereits zur Wiedergabe jugendlich-elegischer Abbilder der Göttin in der Nachfolge der myronischen Athena248, während die Kombination des attischen Helms mit dem übergürteten Peplos eher in repräsentativ-politischen Darstellungen auftritt. Damit ist den jugendlichen, zierlichen Athenastatuen des 4. Jhs., die fast ausschließlich den korinthischen Helm benutzen, der Weg bereitet. Die Athenatypen New York und Ince bilden hierzu aus heutiger Perspektive, d. h. in Anbetracht des geringen erhaltenen Materials, offenbar den Übergang. Die Ergebnisse Stefan Ritters in seinem 1997 erschienenen Aufsatz über die Verwendung der verschiedenen Helmarten bei Athenadarstellungen gehen in eine ähnliche Richtung249. Gründlicher, als dies hier geschehen konnte, untersuchte Ritter vor allem die Darstellungen in Relief und Bauplastik unter Einbeziehung von Vasenmalerei und Großplastik auf den Einsatz der unterschiedlichen Helmtypen hin und stellt fest, daß sich zumindest im Bereich der öffentlichen Staatskunst sehr wohl ein bewußtes Einsetzen der Helmformen erkennen läßt. So tritt der attische Helm vor allem an repräsentativen Darstellungen der meist frontal stehenden, gerüsteten Göttin auf, während der korinthische Helm an Darstellungen erscheint, die weniger die Repräsentanz der Staatsgöttin betonen, sondern Athena eher in legerer Form, mit zurückgeschobenem Helm, teilweise auch sitzend und mit abgestellten Waffen zeigen250. Der attische Helm ist dabei nachweislich die ältere Form, während der korinthische im 5. Jh. parallel zum attischen an Bedeutung gewinnt und im 4. Jh., sozusagen konform mit der politischen Entwicklung, an die erste Stelle tritt251. Ritter lenkt also die Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf die Attribute, mit denen auch der Darstellungstypus mit übergürtetem Peplos und korinthischem Helm ausgestattet ist, und auf die mit ihrer Verwendung verbundene Bedeutung. Von irgendeiner Beziehung zur Großplastik ist lediglich in bezug auf die beiden kolossalen phidiasischen Athenen der Akropolis die Rede, und vor allem in bezug auf die kleinere Athena Lemnia wird die hier geforderte Wechselwirkung zwischen der Gesamtikonographie und ihren Mitteln und der Großplastik, die mit denselben Mitteln arbeitet wie alle anderen Darstellungen, deutlich252.
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Taf. 30. 1, Lawton, Document Reliefs 126 Taf. 67; Nationalmus. Athen 1476, Meyer, Urkundenreliefs A 105 Taf. 33. 2, Lawton, Document Reliefs 46 Taf. 24; Epigraphisches Mus. Athen 7180-2811, Meyer, Urkundenreliefs A 125 Taf. 35. 2, Lawton, Document Reliefs 49 Taf. 26; École Française d’Athe``ne Inv. I 6, Meyer, Urkundenreliefs A 137 Taf. 41. 2, Lawton, Document Reliefs 143 Taf. 76; Kasper-Butz, Athena in Athen 129 ff. T 39, 278 Taf. 32; vgl. folgende Weihreliefs: Akropolismus. Athen 3003-2413-2515, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 64. 27 Taf. 7. 1; Akropolismus. Athen 3007, Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 64. 28 Taf. 7. 2. Zu an der Parthenos orientierten Athenen auf Weihreliefs vgl. L. A. Baumer, Vorbilder und Vorlagen, Studien zu klassischen Frauenstatuen und ihrer Verwendung für Reliefs und Statuetten des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1997) 86. S. Anm. 87. Ritter, JdI 1997, 21 ff. Vgl. zusammenfassend Ritter a. O. 55. Ritter a. O. 56. Zur Lemnia vgl. Anm. 217 und Anm. 1464; Ritter a. O. 49 ff.
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3. Typus Rospigliosi Der Athenatypus Rospigliosi wurde nach einem Exemplar im Casino des Palazzo PallaviciniRospigliosi auf dem Aventin (R V 1) benannt, das jedoch wahrscheinlich als Variante betrachtet werden muß253. Der Typus, der nach diesem Ergebnis der Kopienkritik eigentlich umbenannt werden müßte, ist der wohl umstrittenste der hier behandelten Athenatypen. Weder über die Rekonstruktion des Typus und seine damit verbundene Interpretation noch über seine Datierung besteht Einigkeit. Der Typus ist seit der Mitte des 19. Jhs. bekannt; die ältere Literatur befaßte sich jedoch vor allem - hauptsächlich auf der Grundlage der bereicherten Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) und der mit einem nicht zugehörigen Kopf versehenen Replik in Florenz (R II 1) mit der Interpretation der Figur, ohne daß Rekonstruktion und Datierung gesondert überprüft worden wären. Bis zu einem 1971 erschienenen Beitrag A. H. Borbeins254, der die Athena Rospigliosi in das späte 4. Jh. versetzt und einige Ideen zu ihrer Interpretation äußert, wurde der Athenatypus in die erste Hälfte des 4. Jhs. datiert.
Die Verwechslung der Kopftypen Als Paradeigma für den Typus, der in der Literatur bis ins 20. Jh. hinein nach der mit einem Triton auf der Plinthe ausgestatteten Figur Rospigliosi (R V 1) auch unter dem Namen Pallas Tritogeneia bekannt wurde, dient stets die Replik in den Florentiner Uffizien (R II 1), die bisher für vollständig gehalten wurde. Hiermit beginnt die Geschichte eines inzwischen geklärten Irrtumes, der eine Reihe literarischer Stellungnahmen und Kontroversen nach sich gezogen hat. Die obengenannte Replik in Florenz (R II 1) galt bis zu einem Beitrag der Verf. in 1996 als vollständig erhalten255. Obwohl Kopf und Körper nicht Bruch an Bruch passen, sondern durch einen ergänzten Keil verbunden sind, wurde die Zusammengehörigkeit beider Teile nicht angezweifelt. Inzwischen sind aber zwei Repliken des Athenatypus Vescovali besser zugänglich geworden, deren eindeutig zugehörige Köpfe demselben Typus angehören wie der Kopf, den die Florentiner Rospigliosi-Replik (R II 1) trägt. G. Mansuelli gibt im Katalog der Uffizien an, der Kopf der Florentiner Replik sei sicher zugehörig, denn obwohl die Brust-Hals-Verbindung ergänzt sei, schließe er im Nacken an. Dies wäre jedoch auch möglich, wenn der Kopf von einem anderen Athenatypus mit ähnlicher Kopfwendung und Nackenschopf stammen würde - wobei der Nackenschopf des Typus Rospigliosi untergeschlagen zu sein scheint und sich offenbar nicht auf dem Rücken fortsetzt -, und ist somit kein einschlägiges Argument für die Zugehörigkeit des Kopfes. Vier verschiedene Sachverhalte erweisen die Florentiner Figur nun eindeutig als falsch ergänzt: 1. Der Kopf ist Köpfen des Typus Vescovali so ähnlich, daß er sich ohne Zweifel als 253
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Diese Erkenntnis verdanke ich dem Anstoß von C. Vorster, die einen Beitrag über die Figur im Palazzo Rospigliosi vorbereitete und mich davon in Kenntnis setzte, daß der Kopf auf jeden Fall zugehörig sei, was mir bei einem kurzen Besuch im Casino Aurora unter denkbar schlechten Lichtverhältnissen nicht aufgefallen war, inzwischen aber plausibel erscheint. C. Vorster zieht allerdings nach mündlicher Auskunft einen Schluß daraus, den ich nicht für zwingend halte: Da sie die anderen Kopfüberlieferungen nicht für glaubwürdig hält, ist die Figur im Casino Aurora ihrer Ansicht nach eine getreue Replik und die Kopfhaltung die originale des Typus Rospigliosi. Borbein, MarbWPr 1970, 29 ff. „Zu den Athenatypen Rospigliosi und Vescovali. Die Geschichte einer Verwechslung“, AA 1996, 83 ff. Es ist forschungsgeschichtlich interessant, nachzuvollziehen, zu welch schwärmerisch-romantischen Äußerungen dieser Irrtum schon seit dem 19. Jh. geführt hat.
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diesem Typus zugehörig erweist. 2. Die Florentiner Statue (R II 1) ist der einzige Beleg für die Verbindung dieses Kopftypus mit dem Körpertypus Rospigliosi. 3. Kopf und Körper der Florentiner Replik lassen sich in leicht voneinander abweichende Entstehungszeit datieren: Während sich der Körper flavisch datieren läßt, zeigt der Kopf eher Parallelen zu frühantoninischen Werken. 4. Schon immer ging die Forschung von der Existenz zweier unterschiedlicher Überlieferungsstränge für den Kopftypus Rospigliosi aus und sonderte damit bereits unbewußt die Vescovali-Köpfe von den nun für den Typus Rospigliosi übrigbleibenden Köpfen ab. Den Kopftypus Rospigliosi überliefert die mit Kopf erhaltene Statuenreplik in Berlin (R I 1), deren Kopf bislang wegen der fehlenden Kopfwendung als weniger getreue, leicht klassizistische Überlieferung galt. Dieser Kopf muß nach der Eliminierung der Vescovali-Köpfe aus der Überlieferung der Athena Rospigliosi zusammen mit einem weiteren Exemplar in der Galleria Chiaramonti des Vatikan (R IV 1) also als eigentliche Überlieferung des Rospigliosi-Kopfes gelten256. Damit reguliert sich auch das unausgewogene Verhältnis von acht Überlieferungen des Körpers zu sechs Kopfrepliken auf ein normaleres Verhältnis von acht Körperrepliken zu zwei überlieferten Köpfen. Der Typus Vescovali, dessen Kopftypus bisher unbekannt war, verfügt mit den ehemaligen Rospigliosi-Köpfen und einigen neu hinzugewonnenen Köpfen nun über eine Überlieferung von insgesamt mindestens 11 Kopfrepliken257. Die eine der beiden obengenannten Vescovali-Repliken mit zugehörigem Kopf (Ve I 2), die die Klärung dieser Verwechslung ermöglichten, ist schon länger bekannt, war aber bisher nur unzureichend publiziert. Sie befindet sich seit Anfang des Jahrhunderts in englischem Privatbesitz258. Die andere (Ve I 1) wurde erst vor einiger Zeit durch die Abbildung eines Raumes im Museum von Nikopolis zugänglich259 und ist erst 2000 umfassend publiziert worden260. Daß beide Repliken denselben Kopftypus zeigen wie die restaurierte Florentiner Rospigliosi-Replik (R II 1), wird sofort sichtbar. Folgende Köpfe aus den Rospigliosi-Listen gehen demnach mit dem Florentiner Kopf in die Vescovali-Listen über: Basel (Ve V 5), Neapel (Ve V 2), Berlin (Ve V 7), ein Bronzekopf der Sammlung Reinach (Ve V 3) und ein Kopf der Sammlung Nelson (Ve V 8) 261. Für die namensgebende Athena Vescovali in St. Petersburg (Ve I 3), deren Kopf bisher als nicht zugehörig, sondern als aufgesetzter Rospigliosi-Kopf galt, erweist sich ihr Kopf nun als zugehörig262. Dadurch kommt noch eine weitere Replik mit Kopf hinzu, sodaß die Überlieferung des Typus Vescovali jetzt als abgesichert gelten kann und sich vom Typus Rospigliosi eindeutig abgrenzt.
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C. Vorster bezweifelt dies nach mündlicher Auskunft. Sie hält den Kopf der Berliner Statue nicht für zugehörig und schließt dadurch auch den Kopf der Galleria Chiaramonti von der Überlieferung aus. Im Verhältnis zu den zahlreichen Körperrepliken ist dies, nachdem lange kein Kopftypus bekannt war, eine angemessene Zahl; vgl. S. 108. Vgl. Verf.in, AA 1996, 85. I. Vokotopoulou, AAA 6, 1973, 79; P. Michaud, BCH 97, 1973, 326 Abb. 148. Die Entdeckung dieser Abbildung und damit auch der wegweisenden Replik habe ich meiner Kommilitonin M. Aeissen zu verdanken. W. Schürmann, „Der Typus der Athena Vescovali und seine Umbildungen“, AntPl 27, 2000, 37 ff. Taf. 20-44; s. Anm. 257; vgl. Verf.in, AA 1996, 87 Anm. 11. Vgl. Verf.in a. O. 89 Anm. 16, 91 Anm. 25. Waldhauer III 4 f. 218; Verf.in a. O. 86 f.
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Forschungsstand Diese Revidierung des Materials hat weitreichende Konsequenzen für die Interpretation der Athena Rospigliosi, die sich bis in neueste Zeit hinein zentral mit der durch die falsche Restaurierung der Florentiner Replik verursachten prägnanten Kopfwendung auseinandersetzte263. Auch die Ergebnisse der älteren Literatur müssen nun relativiert werden. Der Typus Rospigliosi wurde 1844 durch einen begleitenden Beitrag H. Hettners zu einer Abbildung des jetzt in Basel befindlichen Vescovali-Kopfes (Ve V 5) in den Monumenti Inediti bekannt264. Die Abbildungen der Monumenti Inediti verbanden den Kopf in einer Rekonstruktionszeichnung analog zur Statue in Florenz (R II 1) mit dem Rospigliosi-Torso in St. Petersburg ( R III 2)265. Hettner stellte in seinem Beitrag die erste, zusätzlich zum Basler Vescovalikopf (Ve V 5) vier Körperrepliken umfassende Replikenliste auf266. 1893 erstellte Furtwängler die nächste Liste, die zwei von Hettners fünf Repliken nicht aufführt, dafür aber drei Hettner noch nicht bekannte Repliken hinzufügt267. In der nun folgenden Diskussion zwischen Furtwängler und Amelung um die Meisterzuweisung bildete sich die führende Rolle der von Furtwängler als besonders qualitätvoll eingestuften Florentiner Replik heraus. Furtwänglers Zuweisung an Skopas268, die auf dem pathetisch nach oben gerichteten Blick der Florentiner Figur beruhte, fand zunächst auch die Zustimmung Amelungs269. Bereits ein Jahr später änderte Amelung seine Meinung jedoch und wies die Figur Timotheos zu270, worin ihm 1903 wiederum Furtwängler folgte271. Keine zwanzig Jahre danach machte C. Anti den Typus unter der Bezeichnung „Athena Marina“ bekannt und führte eine Liste von 12 Repliken an272. Hier erscheint zum ersten Mal die kopflose Replik im Museo Nuovo Capitolino (R II 3), damals in der Villa Borghese, über deren Restaurierung L. Mariani ein Jahr später berichtet273. Anläßlich der Vorstellung dieses Exemplares erstellte D. Mustilli 1939 eine Liste von nunmehr 11 Repliken274. Die präziseste Replikenliste der ersten Hälfte des 20. Jhs. stammt jedoch von Th. Reinach, der 1922 einen Bronzekopf (Ve V 3) aus eigenem Besitz publizierte und in einem erweiterten Aufsatz zur Athena Rospigliosi Stellung nahm275. Auch für Reinach ist die Florentiner Replik am qualitätvollsten276. Auf den Bronzekopf Reinach nimmt O. Waldhauer ein Jahr später in einem Aufsatz über die Datierung der Athena Rospigliosi Bezug277. Ausgehend von den Replikenlisten Furtwänglers und Reinachs bespricht er die einzelnen Repliken und datiert das Urbild als unmittelbaren Nachfolger der myronischen Athena in phidiasische Zeit. Dies ist neben den hellenistischen Datierungen aus dem Ende des 19. Jhs. durch Friedrichs und 263 264 265 266
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S. die Literaturübersicht Verf.in a. O. 89 Anm. 19; vgl. zuletzt Ridgway, Fourth Century Styles 325 f. Hettner, AdI 1844, 112 ff. zu den Abb. MonInst IV Taf. I 1. 2. 3; s. hier Taf. 25 Abb. 1. Mon Inst IV, 1844, Taf. I 3. Hettner, AdI 1844, 118 ff.; die Replikenliste umfaßte außer dem Basler Kopf (Ve V 5) die Exemplare in St. Petersburg (R III 2), im Palazzo Rospigliosi in Rom (R V 1), in Florenz (R II 1) und im Museo Gregoriano Profano des Vatikan (R III 1). Furtwängler, Meisterwerke 527 Anm. 1. Hinzu kommen das 1836 erstmals von E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke 43 f. vorgestellte Exemplar in Berlin (R I 1) sowie der Kopf in der Galleria Chiaramonti des Vatikan (R IV 1) und ein weiterer, jetzt auch als Vescovali-Replik erwiesener Kopf in Berlin (Ve V 7). Es fehlen gegenüber Hettner die Replik in St. Petersburg (R III 2) und der Torso im Museo Gregoriano Profano des Vatikan (R III 1). Furtwängler, Meisterwerke 527. W. Amelung, Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 53. 77. Amelung, Basis des Praxiteles 68; ders., Vat. Kat. I 190 f. 29. A. Furtwängler, Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von Epidauros, SB München 1903 (1904) 499 ff. Anti, MonAnt 1920, Sp. 272 ff. Anti nennt außer der Replik im Museo Nuovo (R II 3) einen verschollenen Kopf und den Vescovali-Kopf in Neapel (Ve V 2); vgl. Sp. 276. 12. Anti a. O. Sp. 274. 3; Mariani, BCom 1919, 146 ff. Mustilli 92. Reinach, GazBa 1922, 24 ff. Die Replikenliste (a. O. 28 Anm. 1-3) umfaßt die Statuen Berlin (R I 1), Florenz (R II 1), Palazzo Rospigliosi (R V 1), Museo Nouvo Capitolino (R II 3), Museo Gregoriano Profano (R III 1) und St. Petersburg (R III 2) sowie die Köpfe Berlin (Ve V 7), Museo Chiaramonti (R IV 1), Basel (Ve V 5) und Neapel (Ve V 2). Den Vescovalikopf in Neapel bezeichnet Reinach als „replique approximative“ (a. O. Anm. 3). Reinach a. O. 29. Waldhauer, JHS 1923, 176 ff.
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Wolters278 und Kekulé v. Stradonitz279 der am weitesten abweichende Datierungsvorschlag. Der Datierungsstreit um die Athena Rospigliosi bleibt sonst innerhalb der Grenzen des 4. Jhs. und wird erst in der jüngeren Literatur lebhafter. Während sich die Mehrzahl der Forscher zunächst für die erste Hälfte des 4. Jhs. entschieden hatte280, brachte eine ausführliche Stellungnahme A. H. Borbeins 1971 eine Wendung mit sich281. Borbein vertritt eine Datierung an das Ende des 4. Jhs. Seinem führenden Urteil schließt sich seitdem die Mehrzahl derer, die die Athena Rospigliosi erwähnen, an282. Borbeins Argumentation hat dadurch eine gewisse Aktualität behalten, daß sie sich weniger auf den fälschlich nach oben gerichteten Blick als vielmehr auf Struktur und Aufbau der Figur stützt. Er bezieht sich allerdings in guter Tradition auf die Aussage der antoninischen Florentiner Replik, die aus jetziger Sicht nicht mehr repräsentativ sein kann. Die konsequente Berücksichtigung der übrigen, teilweise qualitätvolleren Repliken hätte vielleicht allgemein vor der vor allem in der älteren Literatur verbreiteten Überbewertung des Kopftypus der Florentiner Figur und seiner Bedeutung bewahrt. 1948 hat C. Picard die ältere Literatur über die Athena Rospigliosi überblicksartig zusammengefaßt283. Der Schwerpunkt liegt dabei traditionsgemäß auf Deutung und Benennung, auf Funktion und Aufstellungsort sowie auf der Künstlerzuweisung der Figur. Picard gewährt einen guten Einblick in das immer wieder angewandte Schema, mit dessen Hilfe versucht wurde, einem Verständnis dieser wegen ihrer falschen Ergänzung disparaten und ambivalenten Figur näherzukommen. Auch er geht von der seiner Meinung nach getreuesten Replik in Florenz (R II 1) aus und bezeichnet den Kopf trotz der weiträumigen Ergänzung am Halsansatz als zugehörig284. Wie der überwiegende Teil der von ihm vorgestellten Literatur betont auch Picard die jugendliche Zartheit der Figur und sieht in ihrem pathetischen Blick gen Himmel eine so enge Verbindung zu skopasischen Werken, daß er die Athena diesem Meister zuschreibt285. In ähnliche Richtungen gehen die meisten der älteren und auch der neueren Deutungs- und Zuweisungsversuche. Mit diesen Vorschlägen verbinden sich häufig Meisterzuweisungen; sie reichen von Kephisodot über Timotheos zu Skopas, wobei die Zuweisung an Timotheos natürlich vor allem unter den Vertretern der Frühdatierung verbreitet ist, während die Spätdatierung heute meist ohne Künstlerzuweisung auskommt286. 278 279 280
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283 284 285 286
C. Friedrichs - P. Wolters, Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke in historischer Folge erklärt (1885) 555. 1438. E. Kekulé v. Stradonitz, Beschreibung der antiken Skulpturen der Königlichen Museen zu Berlin (1891) 37. 73. Folgende Datierungsvorschläge wurden vertreten: 1. Viertel 4. Jh.: W. Amelung, Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 54; Reinach, GazBa 1922, 34; Dohrn, Att. Plastik 205; Schlörb, Timotheos 62; J. D. Beazley - B. Ashmole, Greek Sculpture and Painting (1966) 57; Waywell, BSA 1971, 377; N. Himmelmann, Ideale Nackheit in der griechischen Kunst, 26. Ergh. JdI (1990) 86 ff. 2. Viertel 4. Jh.: Blümel, Kat. Berlin V. Skulpt. 4. Jh. 25 K 239; C. Picard, Manuel d'Archéologie Grecque III 1 (1948) 372 f. 1. Hälfte 4. Jh.: A. Houghton, GettyMusJ 11, 1983, 108 Anm. 15; M. Robertson, A History of Greek Art (1975) 402 Abb. 129 c (unter Verwechslung der Exemplare Florenz und Palazzo Rospigliosi); H. v. Steuben in Helbig4 II (1966) 507. 1729; 2. Hälfte 4. Jh.: Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 137; Ridgway, Fourth Century Styles 326. Borbein, MarbWPr 1970, 35 f. Datierung in die 2. Hälfte des 4. Jhs.: Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 137; Datierung in das späte 4. Jh. (vor Borbein): Arias, Skopas 103 M 3; W. Fuchs in Helbig4 I (1963) 250. 324; (unter Berufung auf Borbein) E. Simon, JdI 93, 1978, 225; H. v. Hesberg, JdI 103, 1988, 331; F. Matz, Der Gott auf dem Elephantenwagen, AbhMainz 10 (1952) 724; Kasper-Butz, Athena in Athen 206 f.; A. Rügler, Die Columnae Caelatae des jüngeren Artemision von Ephesos, 34. Beih. IstMitt (1988) 70 f.; H. Nehls, Italien in der Mark. Zur Geschichte der Glienicker Antikensammlung (1987) Text zu Abb. 69; Canciani, LIMC II 1086 Athena/Minerva 155 Taf. 798, L. Todisco, Ostraka II, 1993, 236; ders., Scultura Greca 299. C. Picard, Manuel III 2 (1948) 665 Anm. 1. Picard, Manuel III 1. 1, 372. Allerdings offenbar als Frühwerk, denn er datiert das Bronzevorbild in das 2. Viertel des 4. Jhs. (ebenda). Zur Zuweisung der Athena Vescovali, der der Kopftypus, den Picard vor sich sah, nun tatsächlich gehört, vgl. S.108ff. Furtwängler bezeichnet die Athena als „Jeanne d'Arc“ (Meisterwerke 527) und wird darin von M. Robertson zitiert (A History of Greek Art, 1975, 402); T. Reinach sieht in ihr die zu Zeus aufblickende Athena aus dem Disoterion des Piräus und spricht von inspirierter Ekstase (GazBa 1922, 29); H. Hettner deutete sie schon 1844 als palladionartige, jugendlich sieghafte Göttin in romantisch-poetischer Pose der Herrin über Wind und Meer (AdI 1844, 112, 132). W. Amelung beschrieb die Athena Rospigliosi als mit romantischem Ausdruck zum Himmel, dem
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Noch mit der Zuweisung an Skopas verbindet sich eine weitere Replikenliste, die P. E. Arias 1952 anlegte und die fünf Repliken umfaßt287. Die Replikenliste Waywells im Rahmen seines Beitrages über die Athena Mattei mit den angeschlossenen Replikenlisten klassischer und spätklassischer Athenen288 und die Untersuchung Borbeins werden im Zusammenhang mit dem Typus Rospigliosi bis heute am häufigsten herangezogen. Auch die 1993 erschienenen Beiträge C. Vorsters289 und L. Todiscos290 stützen sich darauf. C. Vorster hat einen weiteren Beitrag zur Athena Rospigliosi angekündigt, in dem sie sich erneut mit dem Problem des Kopftypus befassen will, das sie noch nicht für gelöst hält291.
Replikenliste Typus Rospigliosi I. Statue: 1. Berlin, Staatliche Museen II. Statuen ohne Kopf: 1. Florenz, Uffizien (mit antikem Vescovali-Kopf) 2. Leptis Magna (Statuettenformat) 3. Rom, Museo Nuovo Capitolino 4. Palermo, Palazzo Francavilla (unsicher) III. Torsen: 1. Vatikan, Museo Gregoriano Profano 2. St. Petersburg, Eremitage IV. Kopf: 1. Vatikan, Galleria Chiaramonti V. Variante: 1. Rom, Palazzo Pallavicini-Rospigliosi, Casino Aurora
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Sitz ihres Vaters, aufblickende Zeustochter (Ausonia 3, 1908, 98), darin fast wörtlich gefolgt von W. Fuchs, in Helbig4 I (1963) 250. 324; C. Anti deutet den nach oben gerichteten Blick des Florentiner Vescovalikopfes wie Hettner im Zusammenhang mit der gestirnten Aigis des Exemplars im Museo Nuovo (R II 3) als Zeichen der Gestirns- und Meeresgottheit (MonAnt 1920, 270 ff.); ebenso ausführlich H. v. Steuben in Helbig4 I (1966) 507. 1729, der wie die meisten Forscher vor allem der neueren Zeit die Zuschreibung an Timotheos als ersten Produzenten pathetischen Ausdrucks vertritt; als Werk dieses Meisters erscheint die Athena Rospigliosi bei B. Schlörb, Timotheos 60 ff., die den Jeanne d'Arc-Gedanken Furtwänglers in der Interpretation der Siegesgöttin aufgreift; als Herrscherpose wird die Haltung der Athena schon 1857 von K. O. Mueller und F. Wieseler begriffen (Denkmäler der alten Kunst 119 ff. 233) - F. Matz führt diese Theorie weiter, indem er in der Athena Rospigliosi eine Vorläuferin für die Herrscherapotheose des Hellenismus sieht (a. O. Anm. 282). Diese Aufzählung ließe sich noch verlängern - die hier genannten Beispiele belegen neben der gezeigten Vielfalt der Deutungsversuche auch, daß jeder alte Vorschlag in der neueren Literatur wieder aufgegriffen wurde. Arias, Skopas 103 f.; genannt werden die Figuren Florenz (R II 1), Palazzo Rospigliosi (R V 1), Museo Gregoriano Profano (R III 1) und die Köpfe Museo Chiaramonti (R IV 1) und Basel (Ve V 5). Waywell, BSA 1971, 381, Athena Rospigliosi; Waywell zählt insgesamt 10 Repliken auf: Die Exemplare Palazzo Rospigliosi (R V 1), Florenz (R II 1), Berlin (R I 1), Museo Nuovo (R II 3), St. Petersburg (R III 2) und Museo Gregoriano Profano (R III 1) sowie die Köpfe Basel (Ve V 5), Berlin (Ve V 7), Museo Chiaramonti (R IV 1) und Neapel (Ve V 2). Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 11, angeblich eine Variante im Palazzo Pitti in Florenz, hat außer einer äußerlichen Ahnlichkeit des Darstellungstypus nichts mit dem Typus Rospigliosi zu tun. Vorster, Mus. Gregoriano Profano 74 ff. L. Todisco, „Un Atena tipo Rospigliosi tra Taranto e Metaponto“, Ostraka II, 1993, 231 ff. Vgl. Anm. 253 und 256.
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Rekonstruktion des Originals Das Urbild der Athena vom Typus Rospigliosi war nach Aussage der erhaltenen Exemplare etwa 1. 65 m groß und zeigte die Göttin als schmale, schlanke Gestalt im über eine Schulter gelegten, den fast schmächtigen, noch ganz unweiblichen Körper eng umschließenden Mantel mit Chiton, Aigis und korinthischem Helm. Das Haar ist nach hinten geführt, wo es in einem offenbar nicht herabfallenden, sondern untergeschlagenen Nackenschopf endet. Daß das Original aus Bronze war, ist nie bezweifelt worden und wird durch die Oberflächenbeschaffenheit und den Faltenstil der Repliken bestätigt. Bei den Repliken in Berlin (R I 1) und im Museo Nuovo (R II 3) fällt der Chiton lang auf die Plinthe herab, während die Unterschenkel an den übrigen Repliken unterhalb des Himations unbedeckt bleiben. Mit diesem Unterschied geht ein weiterer einher: Die Repliken mit langem Chiton geben die Füße in kontrapostischem Schritt-Stand wieder, während diejenigen mit nackten Unterschenkeln beide Füße mit ganzer Sohle auf der Basis aufgesetzt zeigen, wobei der rechte, entlastete Fuß leicht zur Seite gestellt ist. Welches die getreuere Überlieferung ist, läßt sich jedoch entscheiden. Eine Gewandstatue aus Marmor auf zwei Beinstützen haltbar zu machen, ist technisch weit schwieriger als bei einer Bronzestatue. Das Prinzip der lectio difficilior, die Aussage der Mehrzahl der Repliken und die Annahme eines Bronzeoriginals sprechen dafür, daß die Unterschenkel des Urbildes nackt waren. Eine Überprüfung der entsprechenden Chitonpartien an den Repliken Berlin (R I 1) und Museo Nuovo (R II 3) ergab, daß diese Partien bei beiden Figuren in späteren Reparaturphasen angesetzt worden sind292. Die Berliner Replik weist deutliche Spuren einer modernen Überarbeitung der Oberfläche 293 auf . Im Zuge dieser Überarbeitung ist offenbar der gesamte Teil unterhalb der Knie mit Basis modern ergänzt worden294. Auch die Replik im Museo Nuovo verdankt ihren langen Chiton einer Reparaturmaßnahme. Die Stückungsnaht verläuft hier in gerader Linie unterhalb der Knie und steigt zur Rückseite hin leicht an. Der Marmor des angesetzten Teiles ist dunkler als der helle, angeblich lunensische Marmor des oberen Teiles295. Eine alte Aufnahme im unrestaurierten Zustand (Taf. 20 Abb. 3) beweist, daß es sich in diesem Fall allerdings um eine antike Reparaturmaßnahme handelt296. Tatsächlich läßt sich der Rumpf in antoninische, das angesetzte Unterteil 292
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Nicht ganz zu klären ist in diesem Zusammenhang der Befund des Torsos in St. Petersburg (R III 2), der auf der ganzen Breite der Unterseite eine Art Bossen aufweist. Ob dieser überhaupt antik ist, kann allerdings nur vor Ort beurteilt werden. Vielleicht mußte auch diese Replik repariert werden und man stellte zu diesem Zweck aus den Resten der Unterseite des Torsos einen Bossen zur Einlassung in ein neues Unterteil her. Deutliche Bohrungen an Haaren und Gewand stellen nicht die eindeutig augusteische Datierung in Frage, sondern sind nachträglich eingetieft worden. Der Faltenstil am Chiton zwischen Himationsaum und Basis stimmt nicht mit der Struktur des Gewandes an der linken Schulter überein und erscheint unantik. Die Ansatznaht für den unteren Teil läuft sichtbar am rechten Unterschenkel schräg herab, um dann entlang des Himationsaumes nach hinten umzulaufen, wo sie sich in Wadenhöhe fortsetzt. Die extreme Länge des Mantels auf der Rückseite der Figur, die an keiner anderen Replik - auch nicht an der antik ergänzten im Museo Nuovo (R II 3) - vorkommt, spricht ebenfalls eher für die moderne Ergänzung. An der Rückseite werden zudem die Umrisse zweier Klammern sichtbar, die Oberteil und unteres Ansatzstück verbinden. Die Oberflächenbeschaffenheit und die Bohrungen erinnern allerdings auch an die Ara Pacis, die, wie an der Augenbohrung und anderen Bohrungen ersichtlich ist, in ähnlicher Weise überarbeitet worden sein könnte - ihre Überarbeitung gilt allerdings noch als antik; vgl. N. Hannestad, Tradition in Late Antique Sculpture (1994) 20 ff. und A. Claridge, JRA 10, 1997, 447 ff. Vgl. C. Blümel, Römische Kopien griechischer Skulpturen des 4. Jhs. v. Chr. (1938) 25 K 239; Vorster a.O. 77 Anm. 13. Mariani, BCom 1919, 146 Anm. 2. Anti, MonAnt 1920, Sp. 274 f. 3 Abb. 3. Der über den Dübeln an beiden Beinen ausgebrochene Marmor wurde später in Gips ergänzt. Die Angabe Mustillis 92. 15, der untere Teil sei ergänzt, erweist sich also als unrichtig; vgl. auch C. Vorster a. O. (Anm. 289) 77 Anm. 13.
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aber in severische Zeit datieren297. Beide Repliken waren an der fragilsten Stelle, nämlich an den nackten Beinen, gebrochen und sind anschließend durch Hinzufügen des langen Chitons stabilisiert worden298. In diesem statischen Problem liegt womöglich auch der Grund für die auffällige Flachheit der Repliken ohne bodenlangen Chiton, vor allem der immer wieder überbewerteten Florentiner Replik (R II 1), die in eigenartigem Gegensatz zum Gesamtstil des Typus steht und die Figur in der Seitenansicht tatsächlich hellenistisch-labil erscheinen läßt. Andere Repliken lösen das Problem der Standfestigkeit durch Hinzufügen von stützenden Attributen wie dem Baumstamm mit der Eule und dem Triton an der Variante des Palazzo Rospigliosi (R V 1) sowie der in die seitlich herabfallenden Mantelfalten geschmiegten Eule am Exemplar in Florenz (R II 1). Lediglich die vielleicht auch aus statischen Gründen verkleinerte Replik in Leptis Magna (R II 2) kommt ohne Stütze aus, da sie aus einer Nische des Theaters stammt und wahrscheinlich an der Rückseite in der Wand verankert war299. Die Attribute auf den Basen der Replik in Florenz (R II 1) und der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) sind demzufolge wohl nicht nur aus dekorativen, sondern auch aus statischen Gründen angebracht worden und für das Original nicht unbedingt vorauszusetzen300. Sie dürfen also nicht, wie vor allem in der älteren Literatur ausführlich geschehen, uneingeschränkt zur Interpretation und Deutung des Urbildes herangezogen werden301. Auch die Eule als Basis-Attribut der Florentiner Replik (R II 1) muß als Kopistenzutat gewertet werden und kann nicht für das Original postuliert werden. Ein sicheres Attribut des Originals ist der korinthische Helm, der am Statuenkopf in Berlin (R I 1) und der Kopfreplik in der Galleria Chiaramonti (R IV 1) gleich schlicht und unverziert wiedergegeben ist. An beiden Köpfen ist der Helm relativ voluminös; der Berliner Kopf zeigt ausgeprägte Lederfutterröllchen an den Seiten und endet im Nacken ebenfalls in einem Röllchen. Am stark übergangenen Kopf der Galleria Chiaramonti sind die Helmfutterröllchen flacher; der Nakkenschutz endet ganz flach302. Auch der Helm der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) ist, wie der gesamte Kopf mit der geänderten Kopfhaltung, sehr groß. Ob mit dem übergroßen Helm möglicherweise die Kindlichkeit der Figur betont werden sollte, bleibt dahingestellt. 297
Vgl. Text zu R II 3. Daß die nackten Unterschenkel der Figur den Originalzustand wiedergeben, ist allerdings erst seit Borbeins Beitrag communis opinio (MarbWPr 1970, 37 f. Anm. 44 f.); Dohrn, Att. Plastik 203 bezeichnet merkwürdigerweise den langen Chiton als lectio difficilior und B. Schlörb, Timotheos 60 spricht sich aufgrund vergleichbarer Reliefs für den langen Chiton aus. In der Nachfolge Borbeins für den kurzen Chiton zuletzt C. Vorster a. O. (Anm. 294.) 75 f. 77 Anm. 13. Gegen den bodenlangen Chiton und gleichzeitig für eine neuzeitliche Ergänzung der Berliner Replik (R I 1) spricht zudem auch der Unterschied der beiden erhaltenen langen Chitonteile, die völlig anders gestaltet sind und typologisch nichts miteinander zu tun haben. 299 Vgl. Text zu R II 2. 300 Borbein, MarbWPr 1970, 31 Anm. 13 wertet die Meerwesen auf der Basis der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) nicht als Stützen, sondern nur als vom Kopisten hinzugefügte Attribute. Der ergänzte Schwanz des Meerwesens wird aber ursprünglich genauso verlaufen sein und hätte dann durchaus von hinten das rechte Bein gestützt. 301 Auch Borbein a. O. deutet das Meerwesen der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1), obwohl er es als Kopistenzutat erkennt und obwohl es nur an dieser von ihm als Replik eingeschätzten Variante auftritt, in der Tradition der älteren Literatur als direkten Hinweis auf die Interpretation des Originals als Athena Tritogeneia; vgl. Anm. 442. 302 Am Berliner Helm (R I 1) sind der Nasenschild und der Wangenschutz ergänzt, am Helm in der Galleria Chiaramonti (R IV 1) nur eine der Spitzen. Im Nacken des Berliner Kopfes zeigt sich ein Futterröllchen. Der Kopistenstil des trajanischen Kopfes im Vatikan äußert sich in der Profilierung des unteren Randes der nur flach gearbeiteten Augenlöcher, während der spätaugusteische Kopist des Berliner Helmes die Augenlöcher tiefer und ohne Profilkante angab. Insgesamt ist der trajanische Helm auch abzüglich der starken Überarbeitung scharfkantiger und konturierter angelegt als der des weichen augusteischen Kopfes.
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Die Aigis verläuft in entgegengesetzter Schräge zum Mantelwulst über die rechte Schulter und gibt an der Schulter und am Brustbein einige Chitonfalten frei. Ihren wulstigen Rand bilden Schlangenleiber; Schlangenköpfe zieren ihre rechte Seite303. Der diagonale Mantelwulst streift eine Seite des Gorgoneions, dessen Gestaltung nicht typusgebunden ist, sondern dem Kopisten überlassen war und demnach an allen Exemplaren unterschiedlich ist. Anders verhält es sich offenbar mit den Sternen auf der Aigis. Daß sie an vier Repliken erscheinen, spricht dafür, daß sie auch am Original vorhanden waren304. Ob die Bewaffnung der Athena durch die Lanze vervollständigt war, ist nicht mehr sicher zu entscheiden; es ist jedoch wahrscheinlich. Borbein interpretiert Puntelli an der rechten Hüfte der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) und an Hüfte und Knie der Replik in St. Petersburg (R III 2) mit Recht als Vorrichtung zur Sicherung des rechten Unterarmes und der von diesem gehaltenen Lanze305. Die rechte Schulter mit der Chitonknüpfung ist an der Mehrzahl der Repliken erhalten. Die Replik in St. Petersburg, deren Aussage durch die der Replik in Leptis Magna (R II 2) unterstützt wird, belegt, daß der rechte Oberarm, der hier bis zum Ellenbogen erhalten ist, am Körper entlangführte, und daß der Unterarm nicht abgewinkelt war, wie es die Ergänzung der Florentiner Replik (R II 1) suggeriert, sondern weiter am Körperkontur entlanggeführt war. Eine insgesamt erstaunlich aktuelle Rekonstruktion des 19. Jhs. aus den Monumenti Inediti schlägt vor, wie die Lanze gehalten worden sein könnte306. Wenn eine Lanze wirklich vorhanden war, muß die Athena Rospigliosi sie in der gleichen Weise locker in der Armbeuge gehalten haben wie die Athena Ince307. Aus der Evidenz der erhaltenen Basen läßt sich kein Hinweis auf eine aufgestellte Lanze gewinnen308. Für die Existenz einer Lanze sprechen nur der Puntellorest am rechten Knie des St. Petersburger Torsos (R III 2), der für ein Basisattribut zu hoch und für den rechten Arm zu niedrig angebracht ist. Den Ver303
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An der Replik im Museo Gregoriano Profano (R III 1) zeigt ein Stiftloch an der Stelle, an der der untere Aigisrand auf den Mantelwulst trifft, daß sich hier ein eingesetzter Schlangenleib nach vorn reckte. Dieser Schlangenleib ist an der entsprechenden Stelle der Exemplare Berlin (R I 1) und Palazzo Rospigliosi (R V 1) auch noch erhalten. Mit Sternen besetzt ist die Aigis der Repliken Florenz (R II 1), Museo Nuovo (R II 3), Museo Gregoriano Profano (R III 1) und St. Petersburg (R III 2). An den Repliken Florenz (R II 1), Museo Gregoriano Profano (R III 1) und St. Petersburg (R III 2) ist die Aigis unter den Sternen zusätzlich durch Ritzung gefiedert. Die Exemplare Berlin (R I 1) und Leptis Magna (R II 2) haben dagegen eine reliefiert gefiederte Aigis ohne Sterne. C. Vorster a. O. (Anm. 294) 76 sieht außer der unterschiedlichen Aigisgestaltung noch weitere Unterschiede zwischen den vier Repliken mit Sternaigis und den beiden Repliken ohne Sterne und folgert daraus die Existenz zweier verschiedener Überlieferungsstränge. Diese Trennung in zwei Gruppen, die C. Vorster mit der Dicke des Mantelstoffes der Exemplare Berlin (R I 1) und Leptis Magna (R II 2) untermauern möchte, ist m. E. zu äußerlich. Die Repliken lassen sich so nicht in zwei Lager trennen; mehrere Eigenschaften verbinden die Berliner Replik stärker mit anderen Repliken als mit dem Exemplar in Leptis Magna, von der sie nicht nur die Größe trennt. Versuche, die Repliken in mehrere Überlieferungsstränge einzuteilen, sind schon vor C. Vorster unternommen worden. T. Dohrn wollte nach der Länge des Chiton eine klassizistische und eine hellenistische Fassung unterscheiden (Att. Plastik 203). Auch G. Blümel a. O. (Anm. 294) unterschied 1938 schon zwei Überlieferungsgruppen mit den jeweiligen Hauptvertretern Florenz und Museo Gregoriano Profano als Vertretern einer Bronzerichtung und einer Marmorfassung, an die er auch die Berliner Replik anschloß. Dieselbe Differenzierung nimmt B. Schlörb vor und bezeichnet die Repliken Berlin und Museo Gregoriano Profano als hellenistisch bereichert und in den Proportionen leicht verändert (Timotheos 60). Borbein, MarbWPr 1970, 33 Anm. 20. MonInst IV (1844) Taf. I 3. Vgl. S.7 f. Daß die Lanze dann im rechten Arm gehalten wurde, ist nicht erstaunlich - in Vasenmalerei und Plastik erscheint die Lanze sowohl in der linken als auch in der rechten Hand (vgl. Demargne, LIMC II Athena und Canciani, Athena/Minerva, passim). Erhalten und nicht mit einer nachweisbaren Befestigungsspur für die Lanze versehen sind die Basen der Exemplare im Palazzo Rospigliosi (R V 1), in Florenz (R II 1), im Museo Nuovo (R II 3) und in Leptis Magna (R II 2), die allerdings nicht auf Einlassungsreste hin untersucht werden konnte. Zur Variante Rospigliosi vgl. Anm. 310.
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lauf des rechten Armes, in dessen Beuge die Lanze gelegen haben muß, hat man sich, obwohl es sich nicht um eine Replik handelt, entsprechend dem rekonstruierten rechten Arm des Exemplars im Palazzo Rospigliosi (R V 1) vorzustellen, der an einen antiken Puntellorest angeschlossen wurde309. Die Lanze könnte kurz vor der rechten Fußspitze auf die Basis getroffen haben310, wie dies die Rekonstruktionszeichnung der Monumenti Inediti zeigt311. Diese Zeichnung (Taf. 25 Abb. 1) kann eine Vorstellung von den formalen Elementen vermitteln, die dem Original zugrunde lagen. Von der Kopfwendung über den rechten Arm bis zu den nackten Unterschenkeln wird für alle kritischen Punkte eine Lösung angeboten. Von der Basis wird man sich allerdings den Triton wegdenken müssen, und das Gorgoneion ist vom Torso in St. Petersburg (R III 2) übernommen, den die Rekonstruktion für den Körper zum Vorbild nimmt. Stilistisch folgt die rekonstruierte Figur allerdings zu einseitig der spätflavischen Replik in Florenz (R II 1) und dem antoninischen Torso in St. Petersburg (R III 2) mit ihrem sperrigen Stand und ihrer frontalen Flachheit. Die bewegliche Eleganz des Vorbildes, die vor allem durch die Replik im Museo Gregoriano Profano des Vatikan (R III 1) und zum Teil auch von der Replik im Museo Nuovo (R II 3) und der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) überliefert wird, gibt eine weitere Zeichnung dieser allerdings etwas manirierten Replik im Supplementband der Monumenti Inediti besser wieder312. Wie nicht zuletzt aus der umfangreichen Literatur über den Typus Rospigliosi ersichtlich wird, fällt es schwer, diesen Athenatypus anhand der Repliken eindeutig zu fassen. Die Repliken sind stilistisch in einer Weise uneinheitlich, die über Differenzen des Zeit- oder Kopistenstils hinauszugehen scheint. Die Repliken des 1. Jhs. sind dabei uneinheitlicher als die des 2. Jhs. und der späteren Kaiserzeit. Die späteren Exemplare stimmen in ihrer linearen Klarheit und ihrer Reduzierung auf wenige, gut erkennbare Merkmale überein. Diese Merkmale sind auch auf der bereits genannten Rekonstruktionszeichnung in den Monumenti Inediti sichtbar: Alle in ihr verzeichneten Faltenverläufe bis auf die aus dem Zeitstil ableitbare Bogenfalte über dem Schoß, die die Replik in St. Petersburg (R III 2) aufweist und die interessanterweise eine aufschlußreiche Reduktion bzw. Vereinfachung komplizierterer Faltenzüge der anderen Repliken darstellt313, können dadurch, daß sie nicht unmittelbar aus dem Zeitstil der Kopien ableitbar sind, als vom Urbild abgeleitet gelten314. Die eigentümliche Geschlossenheit der seit spätflavisch-trajanischer Zeit entstandenen Exemplare gegenüber den Repliken früherer Entstehungszeit könnte ein Hinweis dar309 310 311 312 313 314
Der Arm ist allerdings zu groß und lang geraten und war wohl auch nicht mit dem Handgelenk, sondern mit der Hand selbst an den Puntello angeschlossen. Möglicherweise ist an der entsprechenden Stelle der Variante Rospigliosi (R V 1) sogar doch noch der Rest einer Standspur in Form einer kreisrunden Verfärbung auf der Basis sichtbar. S. Anm. 306. MonInst Suppl. 1891, 4 Taf. 27. 1. Vgl. Anm. 315. Dazu gehören die langen, schräg von der linken Hüfte zum Kontur des rechten Beines verlaufenden Zugfalten des Himations, darüber eine quasi der Leistenlinie folgende Schrägfalte, die sich an der linken Hüfte in drei einzelne Falten spaltet, deren unterste, überlappende den Oberkörper abgrenzt, ferner die am Körperkontur der Spielbeinseite endenden Schrägfalten des Oberkörpers, der schräge, flache Bausch und schließlich die effektvolle Zeichnung des eingestützten linken Armes. Die an den antoninischen Repliken besonders auffallenden, in der Seitenansicht von rechts als aneinanderstoßende flachgelegte Parabeln erscheinenden abgerundeten Enden der durch den Himationverlauf entstandenen Schrägfalten treten an den früheren Repliken nicht auf und sind ebenfalls nur als ornamentale Abwandlungen bestimmter am Urbild und an den älteren Repliken vorgegebener natürlicher Faltenläufe verständlich.
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auf sein, daß in dieser Zeit eine neue, einheitliche Vorlage ausgegeben worden sein könnte, nach der die Kopisten sich richteten315. Den Gegenpol zu den reduzierten Repliken der späteren Kaiserzeit bildet der außerordentlich qualitätvolle, lebendig durchgestaltete Torso im Museo Gregoriano Profano des Vatikan (R III 1). C. Vorster datiert ihn hadrianisch. Auch N. Eschbach beurteilt den Torso merkwürdigerweise als schematisch und hart316. W. Fuchs datiert den Torso flavisch317 - m. E. handelt es sich jedoch um eine östliche Replik claudischer Zeit318. Die östliche Herkunft ergibt sich aus der feinen Weichheit der Ausfertigung und der schimmernden Oberfläche, aus dem Volumen der Figur und der direkten lebendigen Feinheit der Details an Faltenzügen, Aigis und Gorgoneion - Elemente, die zunächst sogar an ein griechisches Original denken ließen319. Anders als an den linearen, wie von einer Zeichnung übertragenen antoninischen Faltenzügen ist hier jede Falte mit eigenem Leben erfüllt. Kein Motiv wurde unverstanden eingesetzt, sondern vom Urbild übernommene Faltenformeln sind quasi reinterpretiert worden, indem der Kopist sie durch Einfügung von eigenen Ideen und Elementen seines Zeitstiles notwendig und erklärlich gemacht hat, ohne daß die Grundmotive des Typus davon überlagert worden wären. In der Replik deshalb insgesamt eine treuere Überlieferung zu sehen als in den Repliken der späteren Kaiserzeit, ginge wohl zu weit mit ihrer enormen Plastizität und Lebendigkeit dürfte sie Züge des Originals überliefern, die an diesen flacheren Repliken verlorengegangen sind320. Während die Repliken des 2. Jhs. beispielsweise den Bronzecharakter des Originals besser bewahren, scheint die Replik im Museo Gregoriano Profano (R III 1) den Typus in Marmor umzusetzen. Trotz seiner durch die Umsetzung in Marmor bedingten Bereicherung der Faltengebung gibt der Torso vor allem in der Tiefe seiner
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Die zur Datierung der Repliken St. Petersburg (R III 2) und Museo Nuovo (R II 3) herangezogenen Vergleiche zeigen, daß die auf glatte Stofflächen aufgelegten, an den Rändern gebohrten, wulstigen Faltenrücken, die sich schwerfällig gabeln, die tiefgebohrten, parallelen Falten des Mantelbausches und die flache, lappige Oberflächenstruktur des dicken Stoffes antoninische Gestaltungselemente sind. Mit diesen Mitteln des Zeitstiles geht aber eine starke Reduktion ins Ornamentale einher, die bei allen späten Repliken so sehr übereinstimmt, daß diese wesentlichen Faltenzüge und -ornamente auf eine Vorlage zurückgehen müssen. Diese Vorlage scheint jedoch durch die genannten Merkmale ins Ornamentale gesteigert worden zu sein, sodaß Elemente wie der flache Faltenbogen zwischen den Unterschenkeln der Florentiner Replik (R II 1) und über dem Schoß der Repliken St. Petersburg (R III 2) und Museo Nuovo (R II 3) oder die parabelförmigen Falten am Kontur der Spielbeinseite der antoninischen Repliken aus den natürliche Faltenvorstufen der früheren Repliken abgeleitet worden sind. Solche ornamentalen Faltenzüge sind besonders für antoninische Plastik typisch; vgl. die aurelischen Reliefs im Museo Capitolino und am Konstantinsbogen, I. Scott-Ryberg, The Panel Reliefs of Marcus Aurelius (1967), bes. Taf. 32 Abb. 32 Taf. 39 Abb. 40 Taf. 51 Abb. 49; E. Angelikoussis, RM 91, 1984, 141 ff.; G. Koeppel, BJb 186, 1986, 47 ff., und ähnliche, nicht ganz so extreme Faltenbildungen an der Mars-Venus-Gruppe im Thermenmuseum, Kleiner, Roman Sculpture 282 Abb. 249; P. Zanker, Forum Augustum Abb. 52. Inwieweit gerade die parabelförmigen Blasenfalten am rechten Kontur der späteren Rospigliosi-Repliken auch als bewußte Klassizismusformeln des neuen Prototyps aufzufassen sind, ist nicht feststellbar - auffällig ist jedoch, daß hiermit Faltenornamente wieder aufgenommen und betont werden, die auch an klassischen Werken wie dem Parthenonfries und dem Grabrelief des Ktesileos und der Theano erscheinen (vgl. Anm. 337). Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 135 Anm. 626 f. W. Fuchs, in: Helbig4 (1963) 1007. Vgl. Text zu R III 1. Der Torso wirkt für eine Kopie außergewöhnlich lebendig und eigenständig. Der Gorgoneiontypus ist außerdem für römische westliche Repliken ungewöhnlich. Die leicht verzerrte Grimasse des Gorgoneions ist rund und voll, die Haarmasse legt sich kompakt um den kreisrunden Gesichtskontur. Das Stirnhaar steht in einzelnen, schlangenförmig gekrümmten Strähnen nach oben ab. Der offenbar griechisch-östliche Kopist benutzt hier einen originellen, klassischen Gorgoneiontypus; vgl. Text zu R III 1 und S. 258 ff. Im gleichen Sinne C. Vorster a. O. (Anm. 294) 76: „Der vatikanische Torso überliefert offenbar Eigenheiten des griechischen Vorbildes, die bei den meisten anderen Wiederholungen verlorengegangen sind“; vgl. auch a. O. 77.
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Seitenflächen und seiner drängenden Körperlichkeit einen plastischen Begriff von der Wirkung des Originals und muß in dieser Eigenschaft für dessen Datierung herangezogen werden.
Struktur und Aufbau des Originals Kennzeichnend für Struktur und Aufbau des Typus Rospigliosi sind vor allem die Betonung der Vorderseite und die spannungsreichen Akzente und inneren Gegensätze der Komposition. Trotz der Eigenständigkeit und Tiefe der Körperseiten, die die qualitätvolleren Repliken überliefern, ist der Typus deutlich auf eine Hauptansichtsseite ausgerichtet. Dies wird allein schon aus dem effektvoll ausgestalteten Motiv des eingestemmten Armes ersichtlich, auf das die den Körper schräg überspannenden Himationfalten hinführen. Auch die Himationfalten tragen zum Verlust der Wertigkeit der Seitenansichten bei, deren Eigenständigkeit dadurch von der Rolle des Konturs überholt wird, daß die schrägen Zugfalten nicht am Ende ausschwingend in die Flanke überleiten, sondern steil auf den Kontur zulaufen und so auch auf der Rückseite direkt aus der Konturlinie wieder hinaufführen. Passend dazu sind die Seitenansichten zwar plastisch eigenständig, aber ihre Motivik hängt von der Gestaltung der Vorderseite ab und hat kein Eigenleben. Vor allem die linke Körperseite verliert ihre Eigenständigkeit und wird zur Hauptansicht, also zur Vorderseite, hinübergezogen. Die beabsichtigte Hauptansicht des Typus läßt sich - soweit die Kopien nicht anders orientiert wurden, wie die wegen ihrer Aufstellung in einer Nische des Theaters ganz frontal ausgerichtete Wiedergabe in Leptis Magna (R II 2) - demnach bestimmen. Die profilierte und damit in ihrer Ausrichtung bestimmte originale Basis der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) darf vielleicht nicht uneingeschränkt als Kriterium herangezogen werden, aber die merkliche Assymmetrie der Gesichtszüge der Köpfe Berlin (R I 1) und Galleria Chiaramonti (R IV 1) bedeutet sicherlich, daß der Kopf im Dreiviertelprofil von rechts zu sehen war321. Neben der profilierten Basis der Variante Rospigliosi spricht auch die Felsbasis der Florentiner Replik für eine Hauptansicht, in der die Innenseite des rechten Fußes in leichter Verkürzung sichtbar ist, die linke Hüfte, auf die die vom Himation verdeckte Hand sich stützt, quasi im zentralen Blickfeld des Betrachters liegt und das Gewandmotiv des linken Armes demnach in ganzer Breite sichtbar ist, während die rechte Schulter mit der aigisbewehrten Brust optisch etwas in den Hintergrund tritt, ohne aber ganz aus dem Blickfeld zu geraten. Der Kopf ist dabei in ungefähr der gleichen Haltung zu denken, in der ihn die insgesamt etwas zu sehr nach vorn gedrehte Berliner Statue (R I 1) zeigt322. Eine solche Ansicht läßt auch den chiastischen Aufbau der Figur am besten zur Geltung kommen: Eine vom Kinn zum linken Fuß verlaufende kompositorische Mittelachse teilt den Körper in zwei sich zueinander chiastisch verhaltende Hälften. Den Schwer321 322
Die linke, nur im Hintergrund sichtbare Gesichtshälfte beider Köpfe ist schmaler, das linke Auge ist etwas weiter unten angesetzt und näher an die Nasenwurzel gerückt. Nach der Definition F. Hillers ist diejenige Ansicht die Hauptansicht, in der die „hauptsächlichen Reize“ „gleichsam überschaubar“ „in zweckmäßigem Verhältnis zueinander“ stehen und sich „zu einem planvollen Ganzen“ zusammenschließen (Hiller, Formgeschichtl. Unters. 76). Dies trifft für die vorgeschlagene Hauptansicht der Athena Rospigliosi zu. Die Statue ist so von vorn erfaßbar und geht sogar über Hillers Definition hinaus, indem die linke Körperseite durch das Motiv des eingestemmten linken Armes quasi in die Frontale geklappt ist. Hier greift Borbeins Begriff der zweidimensionalen Gliederung (Borbein, JdI 1973, 132), da eigentlich in die Tiefe führende Elemente wie die Flanken aus der dritten in die zweite Dimension verlagert werden. Im Sinne von Borbeins Ansicht, eine Figur sei dann einansichtig, wenn sie von einer Seite aus optimal als perspektivisches Kontinuum erfaßbar sei, wäre diese Figur also einansichtig. Sie ist es aber nicht in dem Sinne, daß alle anderen Perspektiven unergiebig wären (Borbein a. O. 139 Anm. 410).
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punkt der einen Körperhälfte bildet der eingestützte linke Arm, die andere Hälfte setzt das leicht seitwärts nach vorn gestellte rechte Spielbein dagegen. Auf der anderen Seite korrespondiert die flache, aus dem Blickwinkel gedrehte rechte Brust mit dem locker durchgedrückten Standbein. Der Kontrapost ist ausgebildet und wird durch die diagonal zur Standbeinhüfte hin gestrafften Falten und die eingestützte linke Hand betont, gleichzeitig aber durch die voll aufgesetzte rechte Fußsohle wieder aufgehoben. Dieses gemäßigt kontrapostische Standschema setzt sich nun nicht mehr durch die ganze Figur in den Oberkörper hinein fort - auch der Chiasmus ist hier nur noch in abgemilderter Form vorhanden. So bleibt der Körper insgesamt bewegungslos, der Rhythmus eigentümlich stockend. Das Gewand - in diesem Fall vornehmlich das Himation - ist nicht mehr unabhängig vom Körperaufbau; durch Betonung des Standmotivs und die starke Wirkung des eingestützten Armes ist es im Gegenteil sogar aktiv an der Verdeutlichung des Körperaufbaues beteiligt. Es umhüllt den Körper, läßt ihn hindurchschimmern und verdeckt ihn an anderer Stelle, ist also in seiner Gestaltungskraft gleichwertig. Das Himation, das den Körper als Ganzes verhüllt, und das Fehlen der gewohnten Chitongürtung läßt den Oberkörper kürzer erscheinen. Tatsächlich aber liegt der Schwerpunkt der Figur ihrem Aufbau nach weiterhin in Höhe des sich an einigen Repliken zart hervorwölbenden Bauches323. Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Figur in keiner Weise in den Raum ausgreift. Sie verharrt also im klassischen Sinne ganz in sich324.
Datierung und Diskussion anderer Datierungsvorschläge Hinweise zur Bestimmung der Entstehungszeit des Typus Rospigliosi lassen sich aus den bereits angesprochenen Aspekten der kontrapostischen Durchgestaltung, der Tiefenräumlichkeit der Figur und ihres Ausgreifens in den Raum, des Verhältnisses von Körper und Gewand und natürlich aus dem Gewandstil selbst entnehmen. Der polykletische Diskophoros zeigt das gleiche Standschema wie die Athena Rospigliosi mit seitlich ausgestelltem, mit voller Fußsohle aufgesetztem Spielbein325. Dieses Standmotiv ist seit der zweiten Hälfte des 5. Jhs. keine Besonderheit und war immer als Alternative zum Schrittstand vorhanden326. Der Diskophoros wird wegen seines Standschemas, das in direkter Tradition des Strengen Stils steht, und wegen anderer altertümlicher Züge meist vor dem Doryphoros angesetzt. Er ermöglicht jedoch, den Grad der Verschiebungen des Kontrapostes an der Athena Rospigliosi zu messen. Der Vergleich ergibt einen freieren Umgang der Athenafigur mit dem kontrapostischen Aufbau. Die Standbeinhüfte ist betonter; die geschlossene Standbeinseite ist durch die Richtung der Himationfalten stärker akzentuiert. Die offene Spielbeinseite gleicht die Komposition nicht aus, sondern führt nach dem Umbruch am Kontur zur rechten Seite über. Auch die Ausgewogenheit von Ober- und Unterkörper, die der Diskophoros bewahrt, besteht bei der Athena nicht, sondern ist einem gebrochenen Gegensatz zwischen dem ponderierten Unter-
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Sichtbar ist dies vor allem an den Repliken im Museo Gregoriano Profano (R III 1), in St. Petersburg (R III 2) und im Museo Capitolino (R II 3). Borbeins Beobachtung, die Figur setze sich durch ihre Kopfwendung „selbstbewußt zum Umraum in Beziehung“ (Borbein, MarbWPr 1970, 34), wird durch die Revidierung des Kopftypus hinfällig. S. Anm. 225. Hierzu vgl. D. Arnold, Die Polykletnachfolge. Untersuchungen zur Kunst von Argos zwischen Polyklet und Lysipp. 25. Ergh. JdI (1969) 36 ff.
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körper und dem unbewegten, geraden Oberkörper gewichen, der nur durch das Zurückschieben der rechten Schulter chiastisch reagiert. In polykletischer Tradition steht auch der Hermes Lansdowne in New York327, der sich wegen seiner symmetrischen Entsprechung zur Athena besser mit ihr vergleichen läßt. Auch bei dieser Figur stehen die Füße jedoch noch dichter zusammen und der Oberkörper reagiert auf die Ponderation des Unterkörpers, die er ausgleicht. Dieser Ausgleich ist aber längst nicht mehr so ausgeprägt wie am Diskophoros - die Brust ist kaum noch entgegengesetzt schräg und die Schultern sind fast gerade. Extremer ist der Kontrast zwischen Ober- und Unterkörper am Piräus-Jüngling328, der allerdings einem anderen Genre angehört. Als Grabstatue eines Epheben liegt der Figur ein nackter Athletentypus zugrunde; die leichte Hebung der linken Schulter rührt wahrscheinlich von einer wie beim Doryphoros geschulterten Lanze her. Hier liegt nun die Taille fast waagerecht; Oberund Unterkörper bewegen sich fast unabhängig voneinander und sind ruckartig gegeneinander verschoben. Diese Entwicklung des seitlich ausgestellten Standes läßt sich im 4. Jh. am Hermes von Atalanti329 und am Herakles Lansdowne330 weiter verfolgen, bis der pendelnde Stand des Heros Farnese331 und des Agias332 erreicht ist. In dieser grob skizzierten Reihe struktureller Vergleiche mit nackter männlicher Idealplastik, in die sich die Athena nicht zuletzt wegen ihrer eigenen unweiblichen Darstellungsweise einreihen läßt, ist die Athena Rospigliosi zwischen dem Hermes Lansdowne und dem Piräus-Jüngling einzuordnen. Ihr Stand ist ponderiert, ohne zu pendeln; die Ponderation ist für die Gestaltung des Unterkörpers bestimmend und ruft im Oberkörper keine Schwingung mehr hervor, aber eine chiastische Reaktion, sodaß die Figur über eine geschlossene und eine offene Seite verfügt. Der Kopf wendet sich zur geschlossenen Standbeinseite und ist so in die chiastisch-kontrapostische Gestaltung miteinbezogen, die die Figur aber nicht ganz durchzieht, sondern eher in einzelnen Aspekten realisiert wird. Die Vereinheitlichung der Statue erfolgt nicht durch den Körperaufbau, sondern erst durch das dem Körper übergelegte Himation. Das einzige zeitgenössische Zeugnis einer Athenafigur mit einem schräg umgelegten Himation findet sich auf dem bekannten Relief der Symmachieurkunde zwischen Athen und Kerkyra333 (Taf. 86 Abb. 2) und dient, soweit man Urkundenreliefs überhaupt in dieser Weise auswerten kann, nicht nur als ikonographische Parallele, sondern bietet auch eine im Aufbau vergleichbare Figur. Auch hier ist der Oberkörper gerade, die rechte Schulter verschwindet wegen des Dreiviertelprofils im Hintergrund. Erst von der auffallend schräg gestellten Hüfte an schwingt der Körper aus, aber auch diese Schwingung wird durch den völlig unbewegt lotrechten 327 328 329 330 331 332
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A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 240 ff. 270 Abb. 142. Fuchs, Skulptur4 98 Abb. 89-90. C. Maderna-Lauter, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 320 Abb. 197. Fuchs, Skulptur4 100 Abb. 92-93; S. Howard, The Lansdowne Heracles (1966); Stewart, Skopas 98 f. Taf. 42; E. Juri, AntPl 19 (1988) 31 ff. Abb. 3-11. Linfert a. O. (Anm. 327) 253f. Abb. 111 a. b.; D. Arnold a. O. (Anm. 326) 501 Taf. 33 mit Replikenliste. Fuchs, Skulptur4 109 Abb. 101; T. Dohrn, AntPl 8 (1968) 34 ff. Taf. 10-20; École Française d’Athe``ne. Guide de Delphes. Le Muse´´e (1991) 91 ff. Abb. 50, 54; K. E. Evans, The Daochos Monument (1996) 11 ff.; zum Daochosweihgeschenk vgl. ferner Ridgway, Hellenistic Sculpture I, 46 ff. pl. 22 - 26; W. Geominy, Klio 80, 1998, 369 - 402; A. Jacquemin - D. Laroche, BCH 125, 2001, 305 - 332; Andreae, Skulptur des Hellenismus 63 ff. Abb. 16-21. Meyer, Urkundenreliefs A 51 Taf. 16. 2 mit Lit.; Lawton, Document Reliefs 96 Taf. 50; Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 3, S. Ritter, JdI 116, 2001, 141 Abb. 5.
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Kontur des Standbeines gebremst. Mit ihrem elegisch gesenkten Kopf, dem sanft geschwungenen Himationbausch und dem lockeren Spielbein hat die Figur jedoch eine ganz andere stilistische Aussage als die dagegen geradezu unkonventionell exzentrische Athena Rospigliosi. Dem Urkundenrelief schließen sich handwerklich und stilistisch einige Darstellungen auf Marmorlekythen an334. In der Ausführung ähnlich ist außerdem ein Grabrelief im Moskauer Puschkin-Museum335. Diepolder datiert es mit Hilfe der Kerkyräerurkunde in die siebziger Jahre des 4. Jhs. Der rechts stehende Himationträger ist der Athena des Urkundenreliefs strukturell verwandt. Der Athena Rospigliosi gleicht er in bezug auf die am Standbeinkontur noch stärker ausschwingenden steilen Himationfalten und in der Ausführung des rechten Konturs. Ähnlich ist aber grundsätzlich auch der gerade, wenig geschwungene, leicht ruckartig rhythmisierte Körperaufbau der männlichen Relieffigur, deren Oberkörper unnatürlich nach hinten zurückweicht. Diese gerade Schlichtheit, der auch im Gewandstil entsprochen wird, verbindet die Statue mit der eben zitierten Relieffigur. Der Gewandstil der Athena Rospigliosi ist allerdings weit aufwendiger und sozusagen konservativer als der des von Diepolder m. E. etwas zu früh datierten Reliefs in Moskau. Die gleiche verhaltene Üppigkeit begegnet auf den Grabreliefs des frühen 4. Jhs., unter denen das des Hippomachos und des Kallias aus dem Piräus336 die gleiche Stilstufe überliefert, auf der auch die Athena Rospigliosi steht. Diepolder schließt dieses Relief an das typologisch verwandte Relief des Ktesileos und der Theano an337 und erläutert anhand beider Reliefs den im 4. Jh. einsetzenden Wandel. Abgesehen davon, daß Diepolder den zeitlichen Abstand beider Reliefs zu gering ansetzt338, ist auch seine Datierung des Grabreliefs für Hippomachos und Kallias um 390 m. E. um etwa ein Jahrzehnt zu früh. Zu deutlich ist am Relief im Piräusmuseum die Ab334
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Das Grabrelief von Mika und Dion in Athen, A. Conze, Die attischen Grabreliefs I (1893) B 157 Taf. 48, J. Thimme, AntK 7, 1964, Taf. 5. 4, Clairmont II 147 f. 2. 210; die Grablekythos in München, Glyptothek 498, Diepolder 7 Taf. 34, B. Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München. Kat. der Skulpturen III. Klassische Grabdenkmäler und Votivreliefs (1988) 121 ff. 19 Taf. 42-44; ferner die Lekythos aus Salamis im Nationalmus. Athen, B. Schmaltz, Untersuchungen zu den attischen Marmorlekythen (1970) 121 A 23 Taf. 14 mit der Darstellung eines Jünglings im Schrägmantel mit eingestützter verhüllter linker Hand und eine Lekythos in London, Schmaltz a. O. 124 A 60 Taf. 22 mit der Darstellung einer Frau im Kriegers-Abschied-Schema, die einen schrägen Mantel mit verhüllter linker Hand trägt. Die verhüllte linke Hand tritt auf Grablekythen häufiger im Zusammenhang mit dem über eine Schulter gelegten Mantel auf. Es wäre sicher lohnend, sich über die Bedeutung dieses Gestus Gedanken zu machen, der auffällig oft auch auch auf Weihreliefs erscheint, Neumann,Weihreliefs Abb. 46 b; vgl. Schmaltz a. O. Taf. 10 A 16, Taf. 16 A 37, Taf. 17 A 38, Taf. 17 A 39, Taf. 20 A 54, Taf. 23 A 69, Taf. 32 A 132, Taf. 35 A 175, Taf. 37 A 186, Taf. 38 A 202. Diepolder 37 f. Taf. 32; Clairmont II 297 f. 2. 331; Schefold, Dichter, Redner und Denker 142 f. Abb. 62. Diepolder 29, 39 Taf. 23; Clairmont II 168 f. 2. 227. Diepolder 28 f. Taf. 22; Clairmont II 139 f. 2. 206; Himmelmann, Grabreliefs 34 Abb. 11. Das Relief des Ktesileos und der Theano setzt Diepolder später an als das von ihm um 400 datierte Relief der Hegeso, Diepolder 27 Taf. 20, Clairmont II 95 ff. 2. 150. Hauptsächliches Argument ist für ihn aber weniger der Stil als vielmehr der Aufbau der Stele sowie die Anordung der Figuren im Naiskos. Die zeitliche Reihenfolge beider Reliefs ist jedoch nicht so eindeutig. Die hohe Qualität des Hegeso-Reliefs und seine klassischen Proportionen lassen die deutlich vorhandenen Züge des Schlichten Stils in den Hintergrund treten. Dennoch sprechen diese aber im Zusammenwirken mit extrem „konservativen“ Elementen am Relief von Ktesileos und Theano m. E. für die Umkehrung der Reihenfolge: Ktesileos und Theano um 410, Hegeso um 400. Das Hegeso-Relief würde dann direkt überleiten zu den schlichteren Reliefs nach der Jahrhundertwende, zwischen die sich Ktesileos und Theano schwer einreihen lassen. Die verbreitete Ansicht, das Grabrelief für Hippomachos und Kallias und das von Ktesileos und Theano müßten zeitlich einander angenähert werden, vgl. K. Friis-Johannsen, The Attic Grave-Relief of the Classical Period (1951) 40, ist dann nicht mehr haltbar: Das Relief von Hippomachos und Kallias ist sowohl in der Faltengebung als auch in Proportionen und Räumlichkeit fortschrittlicher und gehört in die Zeit nach 390.
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hebung der Figuren vom Untergrund und ihre perspektivische Tiefe, zu distanziert nimmt die Faltengebung die Formen des späten 5. Jhs. wieder auf339. Das Relief vereinigt unterschiedliche Tendenzen in sich: Neben Anklängen an den Nassen Stil im schweren Schwung der Falten unter dem linken Arm des Kallias und am Mantelbausch der linken Hand des Hippomachos ist eine beginnende unruhige Knittrigkeit des Stoffes spürbar, die jedoch vom Wechsel zwischen glattgezogenen Stoffflächen und schnurartig geführten Faltengraten übertönt wird. Charakteristisch ist außerdem das Zusammenspiel glatter Flächen mit massigen kontrastreichen Stoffansammlungen. Mit ähnlichen Begriffen ließ sich auch der Gewandstil der Athena Rospigliosi charakterisieren. Die Übereinstimmungen mit den Grabrelieffiguren sind deutlich und gehen bis in Details wie die konvexen Bogenfalten am rechten Bein des Hippomachos, die dieselben blasenartigen Faltengebilde suggerieren, wie sie auch die meisten Rospigliosi-Repliken aufweisen. Ein weiteres Relief aus dem Piräus, das eine Verstorbene mit ihrer Dienerin zeigt, betont die Blasenfalten noch stärker340. Am wichtigsten im Vergleich mit den Reliefs ist jedoch die Übereinstimmung im grundsätzlichen Ausdruck des Gewandstils und im Verhältnis vom Gewandstoff zum Körper. Unterschiede bestehen lediglich in der dickeren Stofflichkeit des Gewandes an der Athena und in der größeren Sparsamkeit und Rationalisierung ihrer nirgends mehr ausschwingenden Gewandfalten. Die unruhige Gliederung der Gewandoberfläche in sich stauende Stoffmassen und sich mit glatten Flächen abwechselnde Zugfalten setzt bereits die aus formalen Gründen wohl kurz nach 400 entstandene Phrasikleia von der weichen, geschmeidigen Reliefkunst des späten 5. Jhs. ab341. Zugleich beginnt sich der Stoff als eigenständiges Gestaltungsmedium um die Körperkonturen zu spannen. Dennoch sind die genannten Massierungen der Falten noch von klassischer Üppigkeit und zeigt der Oberkörper der Phrasikleia noch den gestalterischen Einfluß des Nassen Stils. Ungefähr 20 Jahre später und in etwa gleichzeitig mit dem Grabrelief von Hippomachos und Kallias ist das Münchner Mnesarete-Relief entstanden342, das, gefolgt von einem wenig später gefertigten Relief aus dem Piräus in Athen343, die Datierung der Athena Rospigliosi nach unten hin absichern kann. Viel stärker als die Phrasikleia leben die Figuren hier vom Verhältnis zwischen gespannter Gewandfläche und sich frei sammelndem Stoff. Der zwischen diesen Polen hergestellte Kontrast wird fast zum Hauptgestaltungsmittel ihrer Gewandangabe. Von diesem Kontrast lebt auch die 339
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Diese Tendenzen verbinden mehrere Grabreliefs des frühen 4. Jhs. mit der neuen Schlichtheit, was zu einer eigenartig trockenen, häufig massigen Stoffangabe führt; vgl. das Grabrelief der Philousia, Diepolder 25, 31 Taf. 18, Clairmont II 177, 2. 240, das der Phrasikleia, Diepolder 25 Taf. 19, Clairmont II 667 f. 2. 750, sowie das sog. Telauges Mnema, C. Karousos, MüJb 3, 1969, 7 ff. Abb. 1; B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983) 202 f.; Clairmont III 120 f. 3. 284. Vgl. auch das Grabrelief einer Frau mit Dienerin in Athen, dessen späte Datierung aufgrund formaler Kriterien evtl. noch einmal überprüft werden müßte, Diepolder 53 f. Taf. 51. 2, Clairmont II 465 f. 2. 390 - genauso auch Himmelmann, Grabreliefs 64 f. Abb. 30. Diesem trocken-knittrigen Gewandstil geht das Relief des Hippomachos und Kallias unmittelbar voraus. Die gleiche Entwicklungsstufe klingt im Fragment der Schatzmeisterurkunde von 377/76 nach, Meyer, Urkundenreliefs A 49 Taf. 16. 1, Lawton, Document Reliefs 20 Taf. 11, das eine Datierung des Grabreliefs von Hippomachos und Kallias um 380 unterstützen kann. Vgl. ferner das in den siebziger Jahren in Rhamnous entdeckte monumentale Grabrelief der Familie des Menestides, das zwischen 380 und 390 datiert wird, B. Petrakos, PAE 1976, 10 ff. Abb. 6 Taf. 3-5, Clairmont IV 167 ff. 5. 290, und das von T. Lygkopoulos, Untersuchung zur Chronologie der Plastik des 4. Jhs. v. Chr. (1983) 12. 10, 23 ff. Abb. 15, 68, derselben Werkstatt zugeschrieben wird wie das Hegeso-Relief (s. Anm. 338). Piräus Mus. Inv. 25555, A. Kalogeropoulou, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Athen 1985 (1986) 126 ff. Taf. 125-126. Diepolder 25 f. Taf. 19; Clairmont II 667 f. 2. 750. Diepolder 31 f. 34, 39 Taf. 27; Clairmont II 221 ff. 2. 286. Diepolder 31 f. 35 Taf. 26; Clairmont II 245 f. 2. 300.
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Athenafigur. Über die Schlichtheit der Faltenangabe insgesamt und die Dicke des Stoffes, der die massiger werdenden Körper umhüllt, geht die Athena jedoch nicht hinaus. Im Gegenteil: Die selbständige Weise, in der das Gewand den Körper der Figur umspannt, steht in ihrer Ornamentik und Fülle in direkter Beziehung zum 5. Jh., zu Figuren des Parthenonfrieses und des Hephaisteionfrieses344. Mit den schwerfällig proportionierten, in dicke Gewänder gehüllten Grabrelieffiguren der Mitte des Jahrhunderts verbindet die Athena nichts mehr, und auch die späten Reliefs mit ihrem unruhig-nervösen, zum Teil skizzenhaftem Faltenstils lassen sich nicht mehr vergleichen345. Unter diesen wird wegen der verwandten Mantelführung der weiblichen Figur oft das Grabrelief des Hieron und der Lysippe aus Rhamnous in Athen verglichen346. Die Unterschiede zu dieser Figur zeigen sich jedoch bereits in ihrer motivischen Anlage. Das kontrapostische Standschema ist außer Kraft gesetzt und wirkt sich nur noch indirekt auf die Struktur der Relieffigur aus. An die Stelle des kontrapostischen Aufbaus ist als gestalterisches Prinzip die Dialektik zwischen Körper und Mantel getreten. So ist der Mantel, der an der Athena Rospigliosi noch das kontrapostische Schema unterstützt, an der Relieffigur gegensätzlich zum Standschema angelegt, sodaß er sich um die herausgewölbte Standbeinhüfte spannt und sich von dort aus quasi gegenläufig zum Körperaufbau verhält. Statt des kontrapostischen Schemas hebt der Mantel nun den labilen Stand und das spiralförmige Aufsteigen der Figur hervor. Hinzu kommt die Knappheit der Faltenangabe: Auch unter Berücksichtigung der starken Korrosion der Oberfläche wird die Dominanz glatter Flächen an beiden Relieffiguren noch als originale Intention kenntlich. Keiner der wenigen, als Gegensatz dazu besonders stark akzentuierten Faltenzüge ist überflüssig oder nur dekorativ; anders als bei der reicher gestalteten und zum Teil ornamentalen Formeln folgenden Athena Rospigliosi ist die Faltenangabe knapp und sparsam. Statue und Relieffigur sind also nur insofern vergleichbar, als die Athena motivisch eine erste Stufe auf dem Weg zu den verspannten Figuren des späten 4. und des frühen 3. Jhs. darstellt.
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Der Parthenonfries bietet reiches Vergleichsmaterial für die Gewandanlage der Athena Rospigliosi und läßt bei teilweise ähnlichen Motiven Übereinstimmungen und Unterschiede erkennen. An den Himatia der Hydriaträger vom Nordfries entstehen ähnliche Faltenformen, Nordfries VI 16-19; F. Brommer, Der Parthenonfries (1977) 29 Taf. 58; I. Jenkins, The Parthenon Frieze (1994) 89 mit Abb. Mit dem Mantelstoff wird allerdings anders umgegangen: Während die schwere Stofflichkeit der Festgewänder am Parthenonfries am meisten zum Tragen kommt und der Körper unter dem Gewicht des Stoffes kaum mehr sichtbar wird, hat die Stoffbehandlung bei der Athena bereits einen anderen Charakter. Der Körper wird nicht mehr vom Stoff beherrscht und ist nicht mehr nur Träger der Gewanddrappierung, sondern dem Gewand als Gestaltungselement gleichrangig. Wenn auch die langen, wulstigen Zugfalten noch mit den Friesfiguren verwandt sind, ist der Gewandstil doch flacher und zurückhaltender. Das Abwechseln faltenfreier Partien mit faltenreichen ordnet sich zwar der Körperhaltung unter, unterliegt aber einem von außen auferlegten Gesamtkonzept. Die massigen, kräftig stofflichen Relieffiguren der Mitte und der zweiten Hälfte des 4. Jhs. sind in ihrer z. T. fast abstrakten Motivik und in ihrer stilistischen Aussage so unterschiedlich, daß keine Gemeinsamkeiten mehr feststellbar sind. Die Figuren sind zu schwerfällig, die Eigendynamik des Gewandes ist zu groß, als daß sich noch eine gemeinsame Vergleichsbasis finden ließe. Mit der breiten Statik der Figuren und der Trägheit ihres Gewandstiles hat die Athenafigur nichts zu tun. Das Urkundenrelief von 362/61, Meyer, Urkundenreliefs A 58 Taf. 17. 2, Lawton, Document Reliefs 24 Taf. 13, und die exemplarisch herausgegriffene Grabstele der Polyxena, Diepolder 43 f. Taf. 40, Clairmont II 729 f. 2. 850, bestätigen dies. Diepolder 54 Taf. 54; N. Himmelmann-Wildschütz, Studien zum Ilissosrelief 25 f. Abb. 26-30; B. Schmaltz a. O. (Anm. 325) 19 Abb. 3; Stewart, Greek Sculpture Abb. 586, 587; Clairmont II 599 ff. 2. 480; Borbein, MarbWPr 1970, 36 Anm. 32; Himmelmann, Grabreliefs 130 Abb. 51 - 52.
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Wie der Mantel einer der Relieffigur zeitgleichen Statue angelegt ist, zeigt der vatikanische Sophokles347, der mit ähnlichen Mitteln arbeitet wie die Relieffigur der Lysippe348. Der Gestaltungsschwerpunkt der Sophoklesstatue besteht in noch viel stärkerem Maße als bei der Relieffigur in der konfliktreichen Balance zwischen drängendem Körper und verspanntem Gewand. Dies wird durch die gespreizte Beinstellung der Figur verursacht, der eine gegensätzliche Bewegtheit entspricht, die bis in den weit hinten eingestemmten linken Arm hineinreicht und sich aus mehreren in den Hintergrund zurückreichenden Schichten langsam aufbaut. Der Hüftschwung wird durch den in die Spielbeinseite gestemmten Arm unterstrichen - in klassischer Zeit kanonisch üblich und auch an der Athena so anzutreffen ist dagegen das Einstemmen des Armes in die Standbeinseite349. Vereinheitlicht wird die aus komplizierten Achsen zusammengesetzte, leicht verschraubte Figur durch die sich in der Kopfwendung bestätigende Öffnung der Spielbeinseite. Figuren wie der Sophokles und der Heros eines Urkundenreliefs von 329/28 in Kopenhagen350 bereiten die sich um eine innere Achse drehenden Figuren des 3. Jhs. vor. Mit solchen Tendenzen verbindet die Athena Rospigliosi nichts. Ihre Ausrichtung ist streng frontal, das leichte Wegdrehen der rechten Schulterpartie ist noch keine Verschraubtheit, sondern korrespondiert im Sinne der durch Hiller beschriebenen diagonalen Gegensätzlichkeit zwischen Ober- und Unterkörper351 kontrapostisch mit dem Standbein. Von einer solchen übergreifenden Ordnung ist an Figuren wie dem Sophokles nichts mehr spürbar; alle Bestandteile scheinen hier nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander zu wirken. Gemäßigter verhält sich der Aischines352, der sich aus diesem Grund besser mit der Athena vergleichen läßt. Aber auch an dieser Figur ist die Funktion von Spiel- und Standbein relativiert, die Hüfte reagiert fast noch weniger auf das Standschema als am Sophokles. Die Gewandantagonie ist verhaltener, das Gewand hat mehr Eigengewicht. Trotz seiner geringeren Tiefe und stärkeren Frontalität, trotz seines gemäßigteren Aufbaus mit dem in die Standbeinhüfte gestemmten Arm ist auch der Aischines im Gegensatz zur Athena vielschichtig um eine innere Achse zentriert. Jede Ansicht der Figur führt in diese Drehbewegung über. An der 347
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G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks (1984) 205 ff.; Fuchs, Skulptur4 125 f. Abb. 115; Stewart, Greek Sculpture 578-579; Todisco, Scultura Greca 293; Schefold, Dichter, Redner und Denker 180 ff. Abb. 86; R. Krumeich, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 542 ff. Nr. 408. Die Übereinstimmung beider Relieffiguren mit der Sophoklesstatue ist trotz der Gegenüberstellung von Kopie und Original noch immer so erstaunlich direkt, daß bei allen begründeten und hier geäußerten Vorbehalten gegen die Meisterforschung in diesem Fall womöglich doch in diese Richtung vorgestoßen werden kann. Stilmittel wie Auswahl und Einsatz von Faltenzügen, Verhältnis von Körper und Gewand, Ponderation und Stofftextur sind an der Lysippe und am Sophokles von einer Ähnlichkeit, die über den Effekt reiner Zeitgleichheit hinausgeht. Diese Feststellung allein wäre nicht ausreichend, würden sich die Übereinstimmungen nicht auch auf die Figur des Hieron erstrecken. Hier ist nicht nur die Himationanlage direkt verwandt, sondern auch die Machart des Kopfes, dessen gemeinsame Merkmale von der Haar- und Bartangabe bis zur handwerklich übereinstimmenden Anlage der tiefliegenden, von der Stirn überwölbten Augenpartie gehen. Wenn solche Übereinstimmungen durch die Filterung der Statuenkopie hindurch noch sichtbar sind, darf vielleicht tatsächlich für beide Werke die gleiche Werkstatt oder sogar der gleiche Meister angenommen werden. Diesen allerdings zu benennen, würde zu weit in die Richtung der Meisterforschung führen. Besonders an den Urkundenreliefs nachzuvollziehen; vgl. Meyer, Urkundenreliefs A 43 Taf. 14. 2, Lawton, Document Reliefs 19 Taf. 10; Meyer, Urkundenreliefs A 88 Taf. 28. 1, Lawton, Document Reliefs 35 Taf. 18; Meyer, Urkundenreliefs A 97 Taf. 30. 2, Lawton, Document Reliefs 38 Taf. 20; Meyer, Urkundenreliefs A 107 Taf. 32. 2, Lawton, Document Reliefs 47 Taf. 25, M. Moltesen, Greece in the Classical Period. Kat. Ny Carlsberg Glyptotek (1995) 138 ff. 73 mit Abb. u. Lit.; vgl. hierzu auch Kabus-Jahn, Frauenfiguren 90. Meyer, Urkundenreliefs A 107 Taf. 32. 2; Lawton, Document Reliefs 47 Taf. 25, Moltesen a. O. Hiller, Formgeschichtl. Unters. 26 f. G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks (1984) 73 f. Abb. 40 a. b; Todisco, Scultura Greca 300; Schefold, Dichter, Redner und Denker 192 f. Abb. 95.
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Athena ist die Vierseitigkeit mit Hintergrundfolie, die noch die Venus Genetrix zeigt353, durch die Angliederung der linken Seitenansicht und des folienartig ausgebreiteten linken Armes an die Vorderansicht zwar auch schon einer Art Dreiseitigkeit gewichen, aber diese Entwicklung zieht noch keine Verschraubung oder Verschiebung nach sich. Das Gewand des Aischines ist nicht in erster Linie funktional gebunden wie das des Sophokles; auch sein Mantel umhüllt nicht mehr gleichberechtigt einen den Kontur in harmonischem Kontrapost ausfüllenden Gestaltkern, wie man dies an der Athena beschreiben könnte, sondern ist Außenhaut einer zentrierten, sich nach allen Richtungen bis zum Kontur entfaltenden Kräftemasse. Dies bringt eine sparsamere, zweckorientiertere Faltengebung mit sich, die den prallen Körpern Widerstand entgegensetzt. Ganz anders der im Gegensatz dazu reiche, eigenständig ornamentale Gewandstil der Athena. Hier „widerstrebt“ das Gewand nicht in knappen, scharfen Zugfalten, sondern überzieht und verhüllt den Körper in geraden, schlichten Zugfalten, die nicht zum Kern der Gestalt, sondern eher zum Kontur im Verhältnis stehen. An der Athena entspricht schließlich auch die Kopfwendung nach links dem kontrapostischen Grundschema. Da die beiden männlichen Mantelstatuen dagegen diesem Schema nicht mehr folgen, ist ihre Kopfwendung formal nicht mehr gebunden, sondern steht nur noch in Beziehung zum Ausdruck der Figur selbst. Der Vergleich mit Aischines, Sophokles und Demosthenes bildet eine der Grundlagen für Borbeins späte Datierung der Athena Rospigliosi354. Aber auch der Demosthenes355, der wieder stärker frontal ausgerichtet ist und dessen beruhigter Kontur Gestaltungselement geworden ist, zeigt keine Parallelen zur Athena. Die augenscheinliche Beruhigung vervollständigt sich durch den endgültigen Verlust einer übergreifenden Formbestimmung; die Figur zerfällt in einzelne, gegeneinander verschiebbare Einzelteile, die nur noch durch den Kontur zusammengehalten werden. Der Kontur ist dabei zur abgrenzenden Linie erstarrt, die nicht einmal mehr von den Mantelfalten erreicht wird. Jede horizontale Gliederung unterhalb des Brustbausches ist verschwunden und verschliffen, die Gestalt wirkt blaß und wie aus leblosen Linien zusammengesetzt. Kennzeichnend für die Statue des Demosthenes sind Verknappung und ruckartige Verschiebung horizontaler und vertikaler Achsen, während die tiefenplastische, von einer vertikalen Achse durch-
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Hiller, Formgeschichtl. Unters. 3 ff. Taf. 1; Borbein, JdI 1973, 124 ff. Abb. 43-46; S. Karouzou, AM 89, 1974, 151 ff. Fuchs a. O. 224 mit Lit. Die Venus Genetrix gilt insofern als strukturelles Bindeglied zwischen Hochklassik und Nachklassik, als sie ihre Hauptinformation in der Vorderansicht mitteilt, in allen Aspekten aber erst durch Umschreiten erfaßbar wird. In der Vorderansicht läßt sich der folienartig hinter der Venus ausgebreitete Mantel funktional mit dem eingestützt nach vorn geklappten linken Arm der Athena vergleichen. Der Mantel der Venus breitet sich im Hintergrund aus, bewirkt aber ebenso wie der linke Arm der Athena eine Verbreiterung der Figur parallel zu diesem Hintergrund. Die Figuren unterscheidet in dieser Tendenz jedoch die plastische Tiefe der Venus und ihre direkte Beziehung zum Hintergrund sowie die symmetrische Ausgewogenheit, mit der der Folienmantel sich dem Statuenaufbau einpaßt, während die Athena jegliche Beziehung zum Raum in die Körperebene verlagert und der Mantelstoff sich nur auf der einen Körperseite in die Breite erstreckt. Plastische Tiefe und Ausgewogenheit ordnen die Venusfigur der späten Hochklassik zu, während diese Tiefe an der Athena bereits reduziert ist und die Ausgewogenheit sich zugunsten einer Seite verschoben hat. Das Verhältnis beider frontal ausgerichteter Figuren ist also bestimmt durch eine bei gleichbleibender Plastizität zu beobachtende perpektivische Verknappung und Funktionalisierung der Athena gegenüber der noch locker stehenden Venusfigur, die nach allen Seiten hin eigene perspektivische Strukturen aufbaut. Borbein, MarbWPr 1970, 35 ff. G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks (1965) 215 ff. Abb. 1397 - 1400; dies., The Portraits of the Greeks (1984) 108 ff. Abb. 73-74; Stewart, Greek Sculpture Abb. 614-616; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 224 ff. Taf. 107; Schefold, Dichter, Redner und Denker 200 f. Abb. 101; Andreae, Skulptur des Hellenismus 74 f. 21.
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zogene Athenafigur vom Schwung ihres Mantels und von den Kontrasten des Gewandstoffes lebt. Borbein stellt die Athena Rospigliosi neben den Aischines und datiert sie um 315/10 v. Chr.356 Aus der flachen Florentiner Replik (R II 1) schließt er, der Typus Rospigliosi sei auf die Wirkung der Vorderseite ausgerichtet und damit einansichtig; die Seitenansichten seien entsprechend aufgegeben worden. In bezug auf Struktur und Aufbau beobachtet er eine gegensätzliche, ruckartige Bewegung und eine durch den Mantel, der das kontrapostische Schema verdeckt, eingeleitete, die Ausrichtung der ganzen Statue bestimmende Aufwärtsbewegung. Seine späte Datierung wird ferner durch Beobachtungen wie die „Entwertung des Kontrapost“ und „Entschwerung des Körpers“ unterstützt357. Tatsächlich sind solche Eigenschaften an der Florentiner Replik festzustellen und werden durch den falsch ergänzten Kopf noch verstärkt, aber die anderen Repliken, allen voran die Repliken im Museo Gregoriano Profano des Vatikan (R III 1) und in St. Petersburg (R III 2), machen den Typus besser beurteilbar und führen zu den hier beschriebenen Argumenten für eine Datierung in das späte erste Viertel des 4. Jhs. Hiller vollzieht im Laufe seiner Untersuchung zum Strukturwandel zwischen Hochklassik und Spätklassik den um die Jahrhundertwende und im frühen 4. Jh. ablaufenden Prozeß von der hochklassischen S-Form zu einer rhythmischen Gegensätzlichkeit im Figurenaufbau nach358. Als Beispiel dient unter anderem die Hera von Ephesos, die auch Borbein in seinem Beitrag über die Plastik des 4. Jhs. erwähnt359. Hiller datiert sie mit Hilfe der Urkundenreliefs an den Anfang des vierten Jahrhunderts und stellt sie der Hera Borghese gegenüber. Während die Hera Borghese noch schwingt, befindet sich die Hera von Ephesos auf dem Weg in ein System der Gegensätzlichkeit. Wie sich offener und geschlossener Kontur gegenüberstehen, stehen sich Ober- und Unterkörper entgegen. Unterschiedliche Körperpartien entsprechen sich diagonal. Das Gewand übernimmt dabei die Gliederung in Form des querliegenden Bausches, der nicht mehr organisch durch die Körperbewegung verursacht wird, sondern von außen aufgelegt ist360. Eine Datierung in den Beginn des 4. Jhs. läßt also nicht unbedingt die von Borbein angeführten, z. T. übertriebenen Zitate des hochklassischen Kontrapost erwarten, sondern es gibt, wie Hiller zeigt, bereits zunehmend eigenständige Verarbeitungen des überbrachten kontrapostischen Schemas, die am Übergang zwischen der hochklassischen S-Form und der stockenden, stark zwischen Ober- und Unterkörper brechenden Rhythmisierung des mittleren 4. Jhs. stehen. Daß die Athena Rospigliosi gleichfalls auf dieser Übergangstufe anzusiedeln ist, ging aus den Vergleichen hervor. Gegenüber der Hera von Ephesos wird ersichtlich, daß trotz unterschiedlichen Standschemas und Standmotivs strukturelle Gemeinsamkeiten bestehen, die einen Unterschied von nicht mehr als zehn Jahren plausibel erscheinen lassen. Die ephesische Hera ist für Hiller schließlich ein Hinweis darauf, daß auch der Schwerpunkt des Körpers zu Beginn des 4. Jhs. bereits höher liegen kann als im späten 5. Jh., d.h. daß auch der Oberkörper bereits kürzer erscheinen kann als der untere Körperbereich361. Dieser Entwicklung, die sich auch in der Motivwahl der Athena niedergeschlagen hat, 356 357 358 359 360 361
Borbein a. O. 34 ff. Borbein a. O. 35. Hiller, Formgeschichtl. Unters. 26 f. Hiller a. O. 26, 66 Taf. 11, 36; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 60 ff.; Borbein, JdI 1973, 130; E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen aus ephesischen Werkstätten des 2. Jhs. n. Chr. (1989) 68 ff. Abb. 9-16. Hiller a. O. spricht in gleichem Zusammenhang von einer „körperfremden Zäsur“. Hiller a. O. 27.
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unterliegt gleichfalls das aus anderen Gründen in das frühe 4. Jh. datierbare Vorbild der sogenannten Florentiner Kore362. Am Ende der Reihe nachklassischer kontrapostisch-frontaler Frauenfiguren des frühen 4. Jhs., die bereits durch die Nemesis des Agorakritos eingeleitet wird363, steht die Aphrodite von Arles, die etwa 20 Jahre nach der Athena Rospigliosi entstanden sein wird364. In dieser Reihe und in einer Zeit, in der auch unkonventionelle Schöpfungen weiblicher Idealplastik wie die Leda365, die Aphrodite von Epidauros366 und die Artemis von Gabii367 möglich waren und die durch männliche Götterbilder wie den Ares Borghese368 und den Apollon Sauroktonos369 umrahmt wird, hat die Athena Rospigliosi in ihrem kleinen Format und mit ihren antiquarischen Besonderheiten durchaus ihren Platz - erst recht, nachdem das Exzentrische ihrer Erscheinung durch die Korrektur des Kopftypus abgemildert ist.
Äußerungen zur Künstlerfrage In Analogie zur Leda wurde die Athena Rospigliosi von Anhängern der Frühdatierung wiederholt Timotheos zugeschrieben370. Während die Beziehung der Leda zu den Skulpturen des Asklepiostempels in Epidauros tatsächlich so eng ist, daß ihre Zuweisung an Timotheos sich immerhin begründen läßt371, beschränkt sich die Verbindung der Athena Rospigliosi mit Epidauros auf 362
363 364 365 366 367 368 369 370
371
Kabus-Jahn, Frauenfiguren 2 ff. Taf. 1; die sog. Betende aus Basalt im Konservatorenpalast, Kabus-Jahn a. O. 65 ff. Taf. 9 f., die gern zeitlich mit der Florentiner Kore gleichgesetzt wird, muß unter Berücksichtigung ihrer Fassadenhaftigkeit und der vor allem an der Rückseite sichtbaren Verschiebungen an das Ende des 4. Jhs. datiert werden, wo sie sich gut mit den reliefierten Säulentrommeln des jüngeren Artemisions von Ephesos vergleichen läßt; vgl. A. Rügler, 34. Beih. IstMitt (1988) 70 f. 1206 Taf. 13. 2. Stewart, Greek Sculpture Abb. 403 ff.; G. Despinis, Óuìáðëç´ óôç ìåëå´ôç ôðõ Àòâðòà´êòéôðõ (1971), 1 ff. Abb. 1-34. Fuchs, Skulptur4 216 Abb. 233; B. S. Ridgway, AJA 80, 1976, 147 ff. Taf. 22; Stewart, Greek Sculpture Abb. 501. A. Rieche, AntPl 17 (1978) 21 ff. A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 260 f. Abb. 123-124. Stewart, Greek Sculpture 508; vgl. Anm. 690. Stewart a. O.; Schuchhardt, Alkamenes 33 ff. Abb. 34-35; zum Ares Borghese vgl. zuletzt S. Hobbold, Das Bild des Mars. Untersuchungen zum römischen Kriegsgott (1995) 84 ff. mit Lit. Todisco, Scultura Greca 126. 127 (mit Lit.). W. Amelung, Führer durch die Antiken zu Florenz (1897) 53. 77 brachte als erster den Namen Timotheos ins Gespräch. Ihm schlossen sich seither an: A. Furtwängler, Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von Epidauros, SB München 1903 (1904) 499 ff.; Anti, MonAnt 1920, Sp. 272 Anm. 1; Mariani, BCom 1919, 149; Mustilli 93; W. Fuchs, in: Helbig4 I (1963) 250. 324; Schlörb, Timotheos 60; J. D. Beazley - B. Ashmole, Greek Sculpture and Painting (1966) 57; H. v. Steuben, in: Helbig4 II (1966) 507. 1729; Waywell, BSA 1971, 377; Dohrn, Att. Plastik 205. Die Beziehungen zwischen den Repliken der Leda (vgl. Anm. 69 und 365) und den beiden Reiterakroteren aus Epidauros, J. F. Crome, Die Skulpturen des Asklepiostempels von Epidauros (1951) 20 ff. Taf. 6-9; N. Yalouris, AntPl 21 (1992), sind sofort deutlich. Nicht nur Frisur und Art der Haarangabe stimmen überein, sondern auch die Proportionen von Gesicht und Körper sowie der Gewandduktus und die Wiedergabe von Gewand und Bewegung. Gemeinsamkeiten des Gewandstiles bestehen in der trotz seiner Kompaktheit betonten Transparenz des Gewandes, die durch abwechselnd glatte Flächen und fast derbe, dickgratig knittrige Faltenzüge erreicht wird. Dieser Gegensatz von bewegter Transparenz und stofflicher Dichte ist die Besonderheit der epidaurischen Bauplastik und kennzeichnet bis zum gewissen Grad auch die Leda. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch handwerkliche und stilistische Unterschiede. Wirkten die reitenden Auren (Yalouris a. O. 31 ff. 26. 27 Taf. 27-31) in ihrem eckig-bewegten, dem zierlichen Körper dicht aufgelegten Gewand fast provinziell und dürften wahrscheinlich einem lokalen Handwerker zuzuschreiben sein, so sind der geflügelte Nikeakroter (Yalouris a. O. 30. 25 Taf. 24-26), die Figuren des Westgiebels (Yalouris a. O. 33 ff. 28-40 Taf. 33-51) und die des Ostgiebels (Yalouris a. O. 17 ff. 1-24 Taf. 1-23) eher außerpeloponnesischen Werken vergleichbar; z. B. das Oberkörperfragment der Nike Yalouris a. O. 19. 2 Taf. 3-5, mit der Akroterfigur im Athener Agora-Museum, Schlörb, Timotheos Taf. 10, und einem Oberkörperfragment von der Tholos in Delphi, J. Marcade´´, in: Archaische und klassische griechische Plastik, Akten des internat. Kongr. f. Klass. Arch. Athen 1985 (1986) 172 Taf. 148, 3. 4. Dieselben Unterschiede, die die Auren von den Giebelfiguren trennen, trennen auch die Repliken der Leda von ihnen und schließen sie den genannten
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Übereinstimmungen des Zeitstils. Mit der Replik der Athena in Florenz (R II 1) und der Leda im Museo Capitolino372 stehen zwei zeitlich nicht allzuweit voneinander entfernte Repliken nebeneinander. Der motivische Unterschied und der damit einhergehende unterschiedliche Aufbau erschweren einen Vergleich. Verbindend ist grundsätzlich die zurückhaltende Weise, in der der Ledameister und der Meister der Athena Rospigliosi die Anforderungen ihrer eher extravaganten Motivwahl lösen. Die Bewegungsrhythmen beider Figuren sind verhalten. Die Leda steht trotz ihrer ausgreifenden Bewegung gerade; ihrem ausgestreckten Arm entspricht strukturell der eingestützte linke Arm der motivisch unbewegteren Athena. Gemeinsam sind den Figuren weiterhin die Proportionierung, die runden, schmal abfallenden Schultern sowie die Schmalheit des Konturs und die Flachheit der mädchenhaften Formen. Der Gewandstil zeigt keine auffälligen Gemeinsamkeiten373. Während die Leda motivisch und stilistisch noch deutlich dem Reichen Stil verbunden ist, verbindet die Athena Elemente der zweiten Hälfte des 5. Jhs. direkt mit dem Schlichten Stil. Auch die epidaurische Bauplastik gehört den Nachwirkungen des Reichen Stils an374. In lokaler Form reflektieren ihn die Auren. Stilistisch verbindet die Athena nichts mit ihnen. Handwerkliche Übereinstimmungen375 bleiben zu allgemein, als daß sie für gleiche Lokalisierung oder sogar für den gleichen Künstler sprechen könnten376. An der Athena Rospigliosi und der Leda bzw. den Skulpturen von Epidauros den gleichen entwerfenden oder sogar ausführenden Künstler zu sehen, entbehrt einer soliden Grundlage377. Die Zuweisung an Timotheos erweist sich als unbelegbare Behauptung, entstanden aus dem Wunsch , den Urheber eines so ungewöhnlichen Werkes wie die Athena Rospigliosi zu benennen378. Dieser Wunsch hat offen-
372 373 374
375 376
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Giebelfiguren an. Stimmt die Leda also in Auffassung und Habitus, aber nicht stilistisch und handwerklich mit den Auren überein, könnte dies möglicherweise in der Tat dafür sprechen, daß die Leda, obwohl sie in den Quellen unerwähnt blieb, Timotheos zuzuschreiben ist, während die Auren nur nach seinen Entwürfen gefertigt wurden (zum Problem der Typoi vgl. Yalouris a. O. 70 ff.). Die Verwandtschaft der Leda mit der Bauplastik von Epidauros bleibt jedoch insgesamt weiterhin unbestritten. A. Rieche a. O. (Anm. 365) 24. 6 Taf. 20 f. Nicht einmal der von der linken Hand der Leda stufenweise herabfallende Mantelsaum ist ähnlich gestaltet wie der von der linken Hand der Athena herabfallende Stoff. Vgl. W. H. Groß, in: Der Kleine Pauly Bd. 5 (1975) Sp. 853 s. v. Timotheos 12, der die Skulpturen des Asklepiostempels im Sinne der geläufigen Interpretation als peloponnesische Sonderform des Reichen Stils beschreibt. Vgl. die flachen, schmalen Falten auf dem linken Oberarm und dem rechten Oberschenkel der Aura Yalouris a. O. (Anm. 371) 32 f. 27 Taf. 29-31, sowie die knittrige Plastizität der voluminöseren Faltenpartien. Auch am Nikeakroter, F. Brommer, AA 1966, 67 f., N. Yalouris, in: FS F. Brommer (1977) 307 ff. mit Abb.; Yalouris 30 f. 25 Taf. 24-26, ist lediglich der Chitonbausch am rechten Kontur vergleichbar, dessen dicke, gebrochene Falten der Anlage der Falten im Ellenbogenbereich des eingestemmten Armes an der Athena nicht unähnlich sind. Mehr Vergleichsmaterial bieten die Skulpturen des Ostgiebels, N. Yalouris, in: Archaische und klassische griechische Plastik, Akten des internat. Kongr. f. Klass. Arch. Athen 1985 (1986) II 175 ff. Beil. 4; Yalouris a. O. (Anm. 371) 17 ff. 1-24 Taf. 1-23, aber auch hier gibt es kaum Indizien einer stilistischen oder auch nur handwerklichen Entsprechung. Auch der Vergleich mit der epidaurischen Hygieia, Schlörb, Timotheos 37 ff. Abb. 37 ff., die wie die Leda aufgrund ihrer Verbindung zur Bauplastik dem Timotheos zugeschrieben wird, bringt nichts Neues. Die Seitenansicht (Schlörb a. O. 36 Abb. 38) entspricht mit ihren scharfgratig durchgeschwungenen, tief verschatteten Falten nicht der Tendenz der Athena, und auch hier stehen betonte Reminiszenzen des Reichen Stils einer Verbindung im Wege. Auch B. Schlörb gliedert die Athena Rospigliosi ohne handfeste Argumente in das Oeuvre des Timotheos ein (a. O. 60 ff.). Ohne kopienkritische Untersuchung entscheidet sie sich für die Präferenz der Repliken in Florenz (R II 1) und St. Petersburg (R III 2). Die Zuweisung an Timotheos erfolgt nun ausschließlich über angebliche Analogien zwischen dem Vescovali-Kopf der Florentiner Replik und dem Kopf der Leda und außerdem über einen literarisch belegten, von B. Schlörb in einer Figur in Venedig erkannten bartlosen Asklepios, dessen äußerliche Verwandtschaft mit der Athena eher auf dem Gewandmotiv als auf anderen Gemeinsamkeiten beruht. Da sie in ihrer sehr
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bar auch die Vertreter der Spätdatierung zu Zuweisungen veranlaßt. Hier war der angeblich emporgerichtete Kopf meist Grund für die Zuschreibung an Skopas379, aber auch Lysipp380und sogar die phidiasische Schule werden vorgeschlagen381. Die Athena Rospigliosi einer bestimmten Kunstlandschaft zuweisen zu wollen, ist nur dann sinnvoll, wenn sich dies, wie beispielsweise im Falle der Athena New York, aus ihren Eigenschaften von selbst ergibt382. Außer dem ausgestellten Kontrapost, der in Absetzung gegen den Schrittstand-Kontrapost der sikyonischen Schule als attischer Kontrapost bezeichnet wird383, verbinden die Athena keinerlei hervorstechende Merkmale mit peloponnesischen, attischen oder ionischen Werken. Stilistisch spricht zunächst nichts gegen eine attische Herkunft der Athena. Der Vergleich mit attischer Bauplastik des späten 5. Jhs. steckt den Rahmen vergleichbarer stilistischer Tradition ab. Verwandt sind die Figuren vom Ostfries des Hephaisteion384, deren Gewandarbeit mit bereits einfacheren Formen und teilweise ornamental gegliederten Stoffmassen gegenüber knappen Zugfalten als Vorform des Stiles der Athena Rospigliosi erscheinen kann. Während die Athena jedoch im Durchscheinen der Gliedmaßen Nachwirkungen des Reiches Stiles zeigt, stehen die Hephaisteionfiguren in parthenonischer Tradition und bleiben vom Reichen Stil noch unberührt. Im selben Verhältnis zum Reichen Stil wie die Athena stehen das Grabrelief der Ameinodora385 und ein Relieffragment386 im Athener Nationalmuseum. Das Fragment mit dem Torso einer Mädchenfigur im gleichen Gewandtypus wie die Venus Genetrix wird dabei kurz nach dem Grabrelief der Hegeso, also zu Beginn des 4. Jhs. entstanden sein387, während das Relief der Ameinodora zwischen 390 und 380 datiert werden kann388 und der Athena somit etwa zeitgleich ist. Weitere gut vergleichbare Werke aus dem attischen Bereich sind Skulpturenfragmente von der Athener Agora389. Sie gehen der Athena zwar sichtlich um einige Jahrzehnte voraus und stehen vor der grundlegenden Veränderung des Verhältnisses von Körper und Gewand, zeigen aber wie der Hephaisteionfries eine bereits schlichte Gewandauffassung und verbinden sich der Athena Rospigliosi darüber hinaus durch die schmale Zartheit der Gestalten, ihre verhalten bewegte Frontalität und ihre dichte, sensible Faltengebung, die zwischen hauchdünner Feinheit und massigem Volumen variiert.
379 380 381 382 383 384
385 386 387 388 389
allgemein gehaltenen Datierung wenig brauchbare Vergleiche findet, versetzt B. Schlörb die Athena Rospigliosi schließlich in den ionischen Kunstkreis, dem Timotheos ihrer Ansicht nach zugehört. Der Vorschlag B. Schlörbs bleibt also in jeder Hinsicht hypothetisch. E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke 43 Nr. 29; Arias, Skopas 103 M 3; C. Picard, Manuel III 1. 1. 374 und Manuel III 1. 2. 666. F. P. Johnson, Lysippos (1927) 51 Anm. 43; am weitesten abweichende Vorschläge nennen Phidias (Waldhauer, JHS 1923, 187) und Kephisodot (Reinach, GazBA 1922, 36). Waldhauer, JHS 1923, 187. Vgl. S. 45 f. Borbein, MarbWPr 1970, 35; vgl. D. Arnold a. O. (Anm. 326) 20 ff. J. Dörig, La Frise Est de l'Hephaisteion (1985); A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. (1974) 16 ff; H. Koch, Studien zum Theseustempel in Athen (1955) Taf. 30, 33; S. v. Bockelberg, AntPl 18 (1979) 23 - 48 Taf. 10 - 48. Diepolder 38 Taf. 33. 1; Clairmont I 298 f. 1. 291. B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983) 221 Anm. 517 Taf. 9; Clairmont I 249. 1. 182. S. Anm. 338. Diepolder vergleicht das Relief der Ameinodora mit dem Reiterrelief im Puschkinmuseum (vgl. Anm. 335) und datiert beide Reliefs gleichzeitig (Diepolder 38) - m. E. geht die Ameinodora dem Moskauer Relief kurz voraus. E. B. Harrison, AJA 81, 1977, 165 ff. Abb. 20-25.
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Die Athena Rospigliosi läßt sich so zwar mit attischen Werken vergleichen, aber die Vergleiche reichen nicht aus, um über eine Gleichzeitigkeit hinaus die Herkunft des Typus und seines Künstlers zu belegen. Da die Materialgrundlage der zeitverwandten attischen Kunst von vornherein besser ist als die anderer Kunstlandschaften, stehen zuwenig adäquate Gegenstücke aus anderen Gegenden zur Verfügung390.
Zu Deutung und Interpretation des Typus Interessanter noch als die Frage nach Herkunft und Datierung, aber gleichzeitig nicht ganz davon zu trennen ist das Problem einer inhaltlichen Deutung der Athena Rospigliosi, das die Literatur von Anfang an beschäftigte. War auch die Athena Ince bereits mädchenhaft klein und zierlich und besteht bereits in dieser Neuerung ein gewisses Interpretationsproblem391, so ergeben sich aus dem Gewandtypus und der sternenbesetzten Aigis der Athena Rospigliosi ganz neue Probleme. Ihre unkonventionelle Ausstattung beschert den Vertretern der Spätdatierung schwer zu entkräftende Argumente. Das schwerwiegendste Argument ist durch die Entwertung der Kopfhaltung hinfällig geworden, aber Gewandtypus und Aigisgestaltung bleiben im Abstand von etwa einer Generation von der einem konventionellen Darstellungstypus folgenden Athena Ince erklärungsbedürftig. Immerhin ist die Existenz der Schrägmanteltracht für Athena durch das Kerkyräer-Relief von 375392 mit einem festen Datum belegt, aber die Darstellung ist ebenfalls konventioneller und das Untergewand ist wie gewöhnlich bodenlang393. Gänzlich übereinstimmende Athenadarstellungen gibt es weder auf Reliefs noch in der Vasenmalerei, und auch das Sternsymbol ist auf zeitgenössischen Darstellungen nur vereinzelt in direktem ikonographischen Zusammenhang mit Athena nachweisbar394. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob die stilistische Einstufung eines solchen Athenabildes in den Beginn des 4. Jhs. sich auch vor der Zeit feinsinniger hellenistischer Interpretation, in einer Zeit also, in der die Götterbilder zwar nicht mehr in erster Linie Kultbilder, aber doch als Weihungen noch immer eng mit dem Kult verbunden waren, schon inhaltlich plausibel machen läßt. Zu einem relativ befriedigenden Ergebnis kann nur die Untersuchung der sich daran anschließenden Frage führen, wie unkonventionell diese Athenadarstellung, verglichen mit gleichzeitiger thematisch anderer Skulptur und im Gesamtbild der Athenaikonographie, überhaupt ist. Wie eingangs angedeutet, wurde dem Problem nach der Deutung der Athena Rospigliosi von Anfang an intensiver nachgegangen als ihrer Datierung. Anlaß für die Deutungen als Schlachtenjungfrau war der irrtümlich pathetisch nach oben gerichtete Blick395. Ein Deutungsversuch von C. Anti verlegte sich auf das Zusammenwirken von Kopfwendung und sternenbesetzter Aigis. Anti sah in der Figur eine Darstellung Athenas als Meeres- und Gestirnsgottheit und identifizierte sie mit der bei Pausanias überlieferten Athena Aithyia, die nahe Megara auf einer Felsklippe ober390 391 392 393 394 395
Über Landschaftsstil vgl. zuletzt O. Palagia - W. Coulson, Sculpture in Arcadia and Laconia (1993). Vgl. S. 244 ff. Meyer, Urkundenreliefs A 51 Taf. 16. 2; Lawton, Document Reliefs 96 Taf. 50, Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 3, S. Ritter, JdI 116, 2001, 141 Abb. 5. Vgl. S. 74 ff. Vgl. Anm. 434.. Vgl. Anm. 273; als Jeanne d'Arc bezeichneten sie W. Amelung, Führer durch die Antiken zu Florenz (1897) 53. 77 (142) und Furtwängler, Meisterwerke 527 sowie neuerdings M. Robertson, A History of Greek Art (1975) 402. K. O. Müller, Denkmäler der Alten Kunst II, bearb. von F. Wieseler (1856) 119 ff. 233 hatte bereits Mitte des 19. Jhs. auf einen sieghaften Charakter der Figur hingewiesen, ebenso Mariani, BCom 1919, 147.
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halb des Meeres aufgestellt war396. Neben dieser weniger verbreiteten Deutung fand eine weitere Identifikation Anhänger, die aufgrund der Jugendlichkeit der Figur und des Tritonrestes an der Variante des Palazzo Rospigliosi (R V 1) in ihr die ebenfalls bei Pausanias erwähnte Athena von Alalkomenai in Boötien sah und die kindlich erscheinende Darstellung der Göttin in Zusammenhang mit einer Überlieferung stellte, nach der Athena an einem Fluß mit Namen Triton aufgewachsen ist397. Eine weitere Deutungsrichtung faßt die Figur als Siegerstatue auf und setzt feste Daten mit ihr in Zusammenhang. So möchte T. Dohrn sie anläßlich des Seesieges des Chabrias bei Naxos im Jahre 376 aufgestellt sehen398, während B. Schlörb die Ehrung des Timotheos nach seinem Seesieg bei Alyzia im Jahre 375 als Anlaß annimmt399. Solche Vorschläge orientieren sich ebenso wie die Deutung als Athena Sotira aus dem Piräus durch T. Reinach400 und die Identifikation als Athena Skiras oder Athena Alea von Tegea durch E. Gerhard401 an einem subjektiven, kaum genau definierbaren Eindruck von der Figur. Sie bleiben völlig hypothetisch und sind von dem üblichen Ansinnen bestimmt, über irgendwelche Eigenarten des Typus einem verlorenen Kunstwerk auf die Spur zu kommen. Für die Gewandtracht der Athena Rospigliosi haben bisher vor allem A. H. Borbein und N. Himmelmann Erklärungen gesucht. Borbein sieht darin in Analogie zu Sophokles und Aischines eine Tracht des gebildeten attischen Bürgertums402 und schließt die erst später von Himmelmann vertretene Deutung als militärische Tracht bereits aus403. Die Manteltracht von Sophokles und Aischines, an der sich Borbein orientiert, entspricht jedoch trachttypisch nicht dem Schrägmantel der Athena Rospigliosi, sondern folgt dem speziellen Typus des Himations mit Armschlinge404. Für den Himationtypus der Athena, der in der im weiteren Sinne zeitgenössischen Kunst häufig vorkommt, ist kein fester funktionaler Kontext auszumachen. Bei Männern erscheint er ohne Untergewand; Frauen tragen ihn immer über einem langen Chiton. In der Rundplastik selten405 396 397
398 399 400 401 402
403 404
405
Anti, MonAnt 1920 Sp. 272 ff., übernommen durch H. v. Steuben in Helbig4 II (1966) 507. 1729. Ausgehend von der Deutung des Triton auf der Basis der Variante Rospigliosi (R V 1) durch Hettner, AdI 1844, 112 ff., der die Figur aber ganz allgemein als schützende Naturgottheit im Sinne des Palladions bestimmte. Diese Deutung wurde erweitert durch Furtwängler, Meisterwerke 527; Arias, Skopas 103 M 3; Picard, Manuel III 1. 3, 663 f. Dohrn, Att. Plastik 205. Schlörb, Timotheos 62 f. Reinach, Gaz BA 1922, II 36 ff. E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke (1836) I 43. 29; ders., in: E. Platner u. a., Beschreibung der Stadt Rom (1834) II 73. 544. Borbein, MarbWPr 1970, 37; interessant ist übrigens die bedeutende Rolle Athenas als Göttin der Wissenschaft und der Philosophie noch beim Athener Bürgertum in der Spätantike, vgl. F. R. Trombley, Hellenic Religion and Christianization 1, 298 ff. Ebenda; N. Himmelmann, Ideale Nacktheit in der griechischen Kunst, 26. Ergh. JdI (1990) 98 ff. Vgl. K. Polaschek, Untersuchungen zu griechischen Mantelstatuen - Der Himationtypus mit Armschlinge (1969). Die Mantelform wird nicht nur bei Rednern und Dichtern, sondern auch für Adoranten auf Weihreliefs verwandt; vgl. U. Hausmann, Griechische Weihreliefs (1960) Abb. 15, 18, 28 und Neumann, Weihreliefs Abb. 40 b, 44 b, 46 a. Der Schrägmantel der archaischen Koren hat mit der späteren Schrägmanteltracht typologisch nichts zu tun (anders Borbein, MarbWPr 1970, 39 Anm. 49). Bekanntere großplastische Beispiele sind: der angelehnte Asklepios vom Typus Argos, der von Heidrich für klassisch gehalten wird, G. Heidrich, Asklepios (1966) 110 ff. 155. 6, und den B. Schlörb, anders als Heidrich, dem Timotheos zuschreibt (Timotheos 48 ff. Abb. 45); identifiziert als bei Pausanias II. 32. 4 genannter Asklepios-Hippolytos von Troizen; vgl. dazu auch A. Schober, ÖJh 23, 1926, 1 ff.; zwei weitere typologisch unterschiedliche Asklepiosstatuen in Barcelona und Istanbul, LIMC II 2 Asklepios 153, Asklepios 294; eine hellenistische weibliche Gewandstatue in Theben, K. Demakopoulou - D. Konsola, Museum Theben (1981) Taf. 41; A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 263 Abb. 128; die sog. Wiener Kore, Kabus-
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und im Relief häufiger vertreten406, erscheint der Schrägmantel vor allem in der Vasenmalerei407. In frühklassischer Zeit wird Dionysos als einziger männlicher Gott auf Vasen im Schrägmantel
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Jahn, Frauenfiguren 10 ff., Fuchs, Skulptur4 238; und weitere weibliche Gewandfiguren im Koratypus, vgl. R. Kabus-Jahn a. O. Taf. 2-5. Auf ein griechisches Original geht m. E. auch eine dem Typus Rospigliosi ähnelnde weibliche Gewandstatue im Palazzo Pitti in Florenz zurück, EA 3698-3700; Waywell, BSA 1971, Athena Rospigliosi 11. Auf Urkundenreliefs: Urkundenrelief im Epigraph. Mus. Athen, Meyer, Urkundenreliefs A 43 Taf. 14. 2, Lawton, Document Reliefs 19 Taf. 10; Urkundenrelief in Kopenhagen, Meyer, Urkundenreliefs A 107 Taf. 32. 2, Lawton, Document Reliefs 47 Taf. 25; Fragment Nationalmus. Athen, H. K. Süsserott, Griechische Plastik des 4. Jhs. v. Chr. (1938) 42 f. Taf. 2. 4. Auf Weihreliefs: Weihrelief im Nationalmus. Athen, Süsserott a. O. 119 Taf. 22. 1 (Ausschnitt); Weihrelief im selben Mus., Süsserott a. O. 120 Taf. 22. 5; Weihrelief ebenda, U. Hausmann, Griechische Weihreliefs (1960) Abb. 32. Auf Grabreliefs: Alxenor-Stele, Nationalmus. Athen, Fuchs, Skulptur4 556; Grabrelief der Myrthia und Kephissa, Paris, A. Conze, Die attischen Grabreliefs I (1893) Taf. 29. 67, Clairmont II 118 f. 2. 182; Grabrelief der Eteoklea, Dresden, Diepolder 43 Taf. 39. 1, Clairmont III 242 ff. 3. 374 c, Himmelmann, Grabreliefs 68 Abb. 31; Grabrelief der Philokydis in Pasadena, C. C. Vermeule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) 103 mit Abb., Clairmont III 200 f. 3. 357; Grabrelief einer Frau mit Dienerin, Kopenhagen, Diepolder 41 Taf. 36. 1, Clairmont II 478 f. 1. 876; Grabrelief des Hieron und der Lysippe, Nationalmus. Athen (s. Anm. 346); Grablekythos München, Diepolder 39 Taf. 34, Clairmont II 237 f. 2. 294. Fast ständig tritt der Schrägmantel auf Urkunden- und Weihreliefs als Tracht bärtiger Heroen auf, wird dort aber locker über die Brust geführt und gehört daher typologisch einer anderen Form an als das enge, straffe Himation der Athena. Eng geführt, aber stofflich reicher erscheint der Mantel am Parthenonfries und tritt dort sogar auch mit eingestütztem Arm auf: Vgl. die Friesplatten N VI, F. Brommer, Der Parthenonfries (1977) Taf. 58, I. Jenkins, The Parthenon Frieze (1994) 86; N X, Brommer a. O. Taf. 64, Jenkins a. O. 87; N XII, Brommer a. O. Taf. 68, Jenkins a. O. 88; N XIV, Brommer a. O. Taf. 70 u. Taf. 185, Jenkins a. O. 89; S XLI, Brommer a. O. Taf. 156, Jenkins a. O. 71; S XLII, Brommer a. O. Taf. 157, ebenda; O VIII, Brommer a. O. Taf. 188, Jenkins a. O. 82. Schwarzfigurige Vasen: Pinaxfragment des Lydos, Slg. Vlastos, J. D. Beazley, The Development of Attic Black Figure (1951; Nachdr. 1986) 44 Taf. 39. 2; namensgebende Amphora des Malers der Trauernden im Vatikan, Beazley a. O. 68 Taf. 78, 5. 6; Lekythen des Edinburgh-Malers, München, J. Boardman, Schwarzfigurige Vasen aus Athen (1977) 165 Abb. 240-242; Grabpinax des Sappho-Malers, Paris, Boardman a. O. 72 Abb. 265; zur Geschichte des Schrägmantels in der Vasenmalerei vgl. außerdem H. Oehler, Untersuchungen zu den männlichen römischen Mantelstatuen - Der Schulterbauschtypus (1961) 13 ff. Abb. 1-9. Übergang zu rotfigurigen Vasen: Amphoren des Andokidesmalers New York, B. Cohen, Attic Bilingual Vases and their Painters (1978) 106 D 1 Taf. 21. 2, und in Paris, Cohen a. O. 144 C 2 Taf. 27, sowie Privatbesitz Schweiz, Cohen a. O. 150 C 3 Taf. 38. 2. In der rotfigurigen Vasenmalerei findet der Schrägmantel diverse Verwendung: So erscheint er als beliebte Bekleidungsform für weibliche Figuren auf kleineren Gefäßen wie Lekythoi, Alabastra, Pyxiden und Kannen, als Bekleidung für Musiker, für heroisierte und alltägliche männliche Figuren, als Tracht der Preisrichter auf panathenäischen Amphoren und schließlich als Bekleidung der sogenannten Manteljünglinge auf der Rückseite vor allem italischer Vasen. Der Schrägmantel erscheint auf nahezu allen bei S. Rutherford Roberts, The Attic Pyxis (1978) abgebildeten Pyxiden; vgl. ferner eine Lekythos des Achilleus-Malers in Brüssel, D. C. Kurtz, Athenian White Lekythoi (1975) 213. 34. 4; Lekythos des Villa Giulia-Malers, Kunst der klassischen Antike, Kat. Münzenund Medaillen AG Basel (1976) Abb. 17; Oinochoe des Schuwalow-Malers, a. O. Abb. 20; Hydria des Polygnotos, Boardman a. O. Abb. 138; Kelchkrater des Christie-Malers, Boardman a. O. Abb. 154; Lekythen des AchilleusMalers in München und Boston, R. Folsom, Attic Red-Figured Pottery (1976) Taf. 47; J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen (1991) Abb. 263 u. 266. Götter und Personifikationen werden genauso häufig wie Sterbliche und Heroen im Schrägmantel dargestellt; so Apoll auf einer Pelike des Niobidenmalers, J. Boardman a. O. Abb. 8, die Muse auf einem Stamnos des Villa Giulia-Malers, Boardman a. O. Abb. 23; Artemis auf einer Lekythos desselben Malers, Boardman a. O. Abb. 25; Artemis auf einer Pyxis des Hochzeitsmalers, Boardman a. O. Abb. 89; Nike auf einer Sphinx-Kanne des Sotades-Malers, Boardman a. O. Abb. 106; Zeus auf einem Volutenkrater aus dem Umkreis der Polygnot-Gruppe, Boardman a. O. Abb. 170; Aphrodite auf einer Oinochoe des Heimarmene-Malers, Boardman a. O. Abb. 309; Demeter auf einem Glockenkrater des Persephone-Malers, M. Robertson, The Art of Vase-Painting in Classical Athens (1992) 203 Abb. 214; Apoll und seine Priester auf einem Volutenkrater des Kleophonmalers, Robertson a. O. Abb. 231. Schrägmantel auf Panathenäischen Preisamphoren: Amphora aus St. Angelo in Neapel, K. Peters, Studien zu den panathenäischen Preisamphoren (1942) 80 Taf. 9 a; Amphora in München, Peters a. O. 75 Taf. 9 b; Amphora aus Cumae in Neapel, Peters a. O. 91 Taf. 10 c; Amphora in Neapel, Peters a. O. 48 Taf. 7 a; Amphora des Kleophradesmalers in New York, J. D. Beazley, Development 87 Taf. 96. 3; Amphora desselben Malers in München, Beazley a. O. 87 Taf. 94. 4; Amphora des Achilleusmalers in Bologna, Beazley a. O. 88 Taf. 98. 1, 2; Amphora in St. Petersburg, Beazley a. O. 88 Taf. 98. 5, 6; Amphora des Kittos in London, Beazley 82 ff. 89 f. Taf. 100. 3, 4; Preisamphora von 339/40 in Paris, H. K. Süsserott, Griechische Plastik des 4. Jhs. v. Chr. (1938) 68, 90 ff. Taf. 10. 1, 2; Berichtigung der Datierung durch Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 90; Amphora in London, Süsserott a. O. 34, 69 ff. Taf. 1. 3. Zu den Manteljünglingen: A. D. Trendall,
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über dem langen Untergewand dargestellt - ein weiterer Hinweis darauf, daß es sich bei dieser Variante des Schrägmantels um die vom Gott in archaischer Tradition getragene Frauentracht handelt408. Mit Schrägmantel und langem Untergewand erscheint der Gott auch auf der Dreifußbasis im Athener Nationalmuseum409. Tritt der Mantel in dieser Form in der Rundplastik häufiger an jugendlichen weiblichen Gewandfiguren auf, die vielleicht Kore darstellen sollen410, so läßt er sich in der Reliefplastik keiner besonderen Gruppe zuweisen. Götter, Heroen, Adoranten, Verstorbene und Verwandte tragen ihn gleichermaßen. Ohne Untergewand erscheint der Schrägmantel an Männern und Heroen. Für kleinformatige Darstellungen Athenas wird er ebenfalls verwandt. So erscheint er vereinzelt in Vasenmalerei411 und Relief412, häufiger dagegen in der Kleinkunst an Marmor- und Bronzestatuetten413. Im Schrägmantel erscheint Athena auch in römischer Zeit414. Durch fast alle Gattungen gehen die Belege für das Motiv des Iudicium Orestis, innerhalb dessen die typologische Bindung einer weiteren, vom Typus Rospigliosi völlig unabhängigen Athena mit Schrägmantel belegt ist415.
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Rotfigurige Vasen aus Süditalien und Sizilien (1991) Abb. 59, 68, 84, 117, 128, 288 u. a. m.; M. Bentz, F. Rumscheid, Griechische Vasen aus Unteritalien aus der Sammlung des Archäologischen Instituts der GeorgAugust-Universität Göttingen (1987) 62 Abb. 13, 64 Abb. 14-15; 65. 32, Trendall, LCS I-II; ders., RVP und RVAp I-II passim zeigen, wie verbreitet der Schrägmantel gerade in der süditalischen Vasenmalerei auch über die Darstellung der Manteljünglinge hinaus war. Besonders oft erscheint der Schrägmantel überhaupt auf den Vasen des Achilleusmalers, vgl. J. Oakley, The Achilleus Painter (1997) passim. Vgl. die Darstellung auf einem Kelchkrater des Niobidenmalers, Boardman a. O. Abb. 6. Rizzo, Prassitele Taf. XLV. S. Anm. 405, 406; für eine Gruppe noch nicht genannter verwandter Mädchengrabstelen wird der Schrägmantel mit verhüllter linker Hand zum verbindenden Merkmal: Grabrelief der Aristomache in Winton Castle, Diepolder 43 Taf. 38. 1; Grabrelief der Timarete in London, Diepolder 43 Taf. 39. 2; Relieffragment in Dresden, H. Protzmann, Griechische Skulpturen und Fragmente. Kat. Dresden (o. J.) 25, Originale 11. So auf einer attischen Hydria aus Vulci in London, Demargne, LIMC II 992 Athena 407 Taf. 750, und auf einem attischen Skyphos aus Nola in Paris, Demargne, LIMC II 962 Athena 50 Taf. 709; J. Boardman a. O. (Anm. 407, 1991) Abb. 248. Außer der genannten Kerkyräerurkunde (s. Anm. 392) vgl. ein Relief von der Akropolis, Demargne, LIMC II 2 962 Athena 52 Taf. 709. Vgl. als Beispiele aus der reichen Masse des Materials die Bronzestatuetten Canciani, LIMC II 1095 Athena/Minerva 303 Taf. 807; L. Franzoni, Bronzetti Romani del Museo Archeologico di Verona (1973) 41. 22 mit Abb.; L. Ognenova-Marinova, Statuettes en bronze du Muse´e National archeologique a Sofia (1975) 122 ff. 133, 135, 139 mit Abb. Auf Sarkophagen wird Athena häufig im Schrägmantel dargestellt, vgl. G. Koch - H. Sichtermann, Römische Sarkophage (1982) Abb. 144 (Rom, Villa Borghese, Deckelrand); Abb. 215 (Rom, Mus. Capitolino, Schema des Iudicium Orestis; s. Anm. 415); vgl. auch Canciani, LIMC II 1103 Athena/Minerva 402 Taf. 812; aus dem Bereich der provinziellen Reliefs vgl. das Relief aus Heddernheim in Wiesbaden, E. Langlotz, Alkamenes-Probleme. 108. BWPr (1952) Abb. 4, das einen beliebten Athenatypus aus der Kleinkunst wiedergibt, und ein Relief aus MainzKastell, Canciani, LIMC II 1097 Athena/Minerva 324 Taf. 808; aus dem Bereich der Numismatik vgl. ein trajanisches Medaillon in Rom, Canciani, LIMC II 1095 Athena/Minerva 298 Taf. 807, und Münzen aus Pergamon, H. v. Fritze, Die Münzen von Pergamon. AbhBerlin 1910 Taf. IV. 14, 16; im Schrägmantel erscheint Athena auf einem Glaskameo in Berlin, Canciani, LIMC II 1095 Athena/Minerva 298 Taf. 739, und einer augusteischen Gemme in Monaco, Canciani, LIMC II 1082 Athena/Minerva 106 Taf. 792. Vgl. die Darstellung auf dem Sarkophag im Museo Capitolino (Anm. 414) und weitere Sarkophage in Berlin, Koch-Sichtermann a. O. Abb. 194, und Madrid, G. Hafner, Iudicium Orestis. 113. BWPr (1958) 15 Abb. 7; Canciani, LIMC II 1102 Athena/Minerva 391 Taf. 811. Zum Bildthema des Iudicium Orestis vgl. Anm. 1434. E. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 87 ff. möchte eine enge Verbindung mit dem Athenatypus Farnese-Hope herstellen, der mit dem sog. Diplax, einer doppelt umgelegten Variante des Schrägmantels (von Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 107 auch als hochgezogener, nur auf einer Schulter befestigter, ungegürteter Peplos beschrieben), bekleidet ist. Zur Geschichte des Diplax der Athena Farnese vgl. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 107 f. Zu der Trachtform allgemein s. M. Bieber, Griechische Kleidung (1928) 93; M. M. Evans, in: M. Johnson (Hrsg.), Ancient Greek Dress (1964) II, 55; die gleiche Manteltracht legt sich die Artemis von Gabii an (Stewart, Greek Sculpture 179 Abb. 508; s. auch Anm. 690). Ein Athenatypus mit Diplax tritt auch unter den Kleinbronzen auf, vgl. H. Menzel, Die römischen Bronzen aus Deutschland III, Bonn (1986) Taf. 42, 77; vgl. auch
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Von erhöhtem Interesse sind dagegen Darstellungen von Athenen mit Schrägmantel als Säulenfiguren auf panathenäischen Preisamphoren, die N. Eschbach teilweise direkt mit der Athena Rospigliosi in Verbindung gebracht hat416. Auch hier ist das Gewand jedoch bodenlang und die Übereinstimmungen gehen nicht so weit, daß man wie Eschbach von einer Abbildung der Athena Rospigliosi ausgehen könnte417. Die Manteltracht der Athena Rospigliosi tritt bei weiblichen Figuren also in allen Gattungen nur bodenlang oder in Verbindung mit dem bodenlangen Chiton auf. Häufiger als bei weiblichen Figuren, wo er hauptsächlich für junge Mädchen verwendet wird, erscheint der Schrägmantel an männlichen Figuren und kennzeichnet dort Preisrichter, Männer im Palästra-Kontext oder ältere Heroen. Er scheint teilweise geradezu als eine Art Freizeitmantel oder Mußetracht der höheren Gesellschaft gedient zu haben. Männliche Figuren tragen den Mantel nie über einem Untergewand - Dionysosdarstellungen unterstützen die Feststellung, daß es sich bei dieser Kombination um eine ausschließlich weibliche Trachtform handelt418. Die Kombination von kurzem Chiton unter einem wadenlangen Schrägmantel an der Athena Rospigliosi ist also ohne Zweifel die Übertragung einer männlichen Trachtform auf eine weibliche, jugendliche Göttin419. Schlüsse wie die Interpretation Borbeins, der den Schrägmantel über den Umweg der Statuen von Sophokles und Aischines zur Tracht des geistig und politisch gebildeten attischen Bürgertums erklären will420, gehen sicher zu weit, weisen aber möglicherweise in die richtige Richtung. Obwohl der Schrägmantel sich als vielseitig verwendbares, häufig benutztes Kleidungsstück präsentiert, erscheint er an der Athenafigur mit kurzem Untergewand eindeutig als Männermantel - eine Tracht, die, kombiniert mit der kaum ausgebildeten Weiblichkeit der Figur, ihren besonderen
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L. Beschi, Due statuette votive, in: M. M. Bonavides, Padova. Il suo museo e la cultura Padovana del Cinquecento (1984) 1 ff. bes. 28 Taf. 4-6. Zu dieser Trachtform auch Villing, Iconography 213. Auch hier wurde wieder ein ähnlicher Darstellungstypus in Form eines verwandten Gewandtypus gewählt. Die Athena des Iudicium Orestis ist wegen ihrer unterschiedlichen Verwendung ein für die Typologieforschung besonders interessanter Fall; vgl. Anm. 1434; hierzu auch Villing a. O. 214. Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 90 ff. K 57, 100 Taf. 25. 1, 2, 132 ff. Kat. 68 Abb. 70, 71 Taf. 33. 1, 2. Die Athena der Theophrastes-Amphora Eschbach K 57 im Louvre wird von ihm nicht mit der Athena Rospigliosi verbunden. Auf ihrem leicht geneigten Kopf trägt sie den korinthischen Helm und statt einem einfachen Schrägmantel offenbar einen die linke Hand verhüllenden bodenlangen Diplax; ihr männliches Pendant ist mit einem wadenlangen Schrägmantel bekleidet und gleicht typologisch den bereits erwähnten Preisrichtern der Preisamphoren (vgl. Anm. 407). Die Säulenathena der Amphora Eschbach K 68 in London dagegen stellt der Autor in direkten Zusammenhang mit dem Typus Rospigliosi und vergleicht beide Darstellungen detailliert. Eschbach a. O. hält die beiden Athenadarstellungen der Amphora mit Recht für die Vorder- und Rückseite ein und derselben Figur. Die Unterschiede und Ungenauigkeiten zeigen jedoch, wie wenig auch hier wieder die direkte und genaue Abbildung einer bestimmten Statue gemeint sein kann. So reicht der Mantel der Figur auf der Rückseite bis zum Boden, während die Vorderseite den langen Chiton freigibt. Auf der Rückseite sind Stand- und Spielbein differenziert, was in der Vorderansicht nicht sichtbar wird. Gegen die Gleichsetzung mit der Athena Rospigliosi sprechen außerdem die Kopfwendung und der attische Helm. Zudem erscheint es insgesamt gewagt, in dieser relativ flüchtigen Zeichnung einer Säulenfigur aus der zweiten Hälfte des 4. Jhs. eine Abbildung der ihrerseits kleinformatigen Athena Rospigliosi zu sehen - außer der Schrägmanteltracht, die auch andernorts ohne direkten Bezug zum Typus Rospigliosi für Athena nachweisbar war und zudem hier bodenlang ist, spricht nichts dafür. Angesichts dieser ganzen Unsicherheit ist die Datierung der Amphora des Nikokrates-Jahrganges in die Jahre 333/32 v. Chr. als Basis der von Eschbach vorgenommenen Datierung der Athena Rospigliosi in die Zeit davor zu dünn. Die Amphora kann lediglich ein Hinweis darauf sein, daß eine solche zierliche Athenadarstellung im Schrägmantel in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. nicht mehr ungewöhnlich war. Vgl. Anm. 408. Zu dieser Feststellung kommt auf anderem Wege auch Borbein, MarbWPr 1970, 37 Anm. 43; vgl. auch Ridgway, Fourth-Century Styles 322, 325. Borbein a. O. 37.
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Reiz ausgemacht haben muß. N. Himmelmanns Deutung als Strategenmantel bleibt, wie er selbst feststellt, eine Vermutung421. Dennoch besticht die Ähnlichkeit der seitlich leicht angehobenen Kopfwendung der Athena, wie sie nach Eliminierung der Florentiner Kopfes an der von Himmelmann abgebildeten Berliner Statue (R I 1) besteht422, mit der Haltung von Strategenköpfen423. Von allen darüber hinausgehenden Interpretationen abgesehen bleibt also lediglich festzuhalten, daß der Schrägmantel als sozusagen neutrales Kleidungsstück in der Ikonographie von Strategen genauso seinen Platz hatte wie in den Darstellungen von Figuren des öffentlichen Lebens im weitesten Sinne. Der einzige auffällige und möglicherweise interpretierbare Faktor in bezug auf die Athena Rospigliosi besteht darin, daß hier eindeutig eine männliche Trachtform gemeint ist. Die sternenbesetzte Aigis der Athena Rospigliosi gibt vielleicht einen weiteren Hinweis darauf, daß die These Himmelmanns dem Bedeutungsgehalt des Typus näherkommen könnte. Ikonographische Parallelen zur Sternaigis und überhaupt zur Verwendung des Sternes finden sich in der vorhellenistischen Kunst vor allem in der Vasenmalerei424. D. Pandermalis führt in seiner Arbeit über Strategenporträts anläßlich des Strategentypus Kopenhagen-Paris-Rom, dessen Helm über der Stirn mit einem Stern versehen ist425, Beispiele für die Verwendung dieses Symbols als militärischem Siegeszeichen auf426. Er verweist dabei unter anderem auf pergamenische Münzen der Athena Nikephoros, deren Helm mit einem Stern verziert ist427. Eine weitere Deutungsmöglichkeit der Sternaigis liegt in der kosmischen Dimension der Gottheit, für die Borbein einige Beispiele anführt428. Sie lassen sich um homerische Zitate erweitern, in denen Athena mit Naturerscheinungen oder sogar wörtlich mit einem Stern verglichen wird429. N. Robertson ist den kultischen Funktionen der Aigis nachgegangen und sieht einen Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsriten und dem Wetterkult, der sich schließlich auch bis zu einem Kontext mit dem Palladion
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N. Himmelmann, Ideale Nacktheit in der griechischen Kunst, 26. Ergh. JdI (1990) 98 ff. Obwohl er von der Verwechslung der Köpfe Vescovali und Rospigliosi noch keine Kenntnis hatte, bewegten Himmelmann a. O. offenbar berechtigte Vorbehalte gegen die Rekonstruktion der Florentiner Figur dazu, die bis auf den ergänzten Chiton getreuere Berliner Statue (R I 1) als Argumentationsgrundlage heranzuziehen. Auch der von Himmelmann angeführte rotfigurige Kolonettenkrater aus Madrid (Himmelmann a. O. Abb. 48), in der der Schrägmantel im militärischen Kontext erscheint, ist m. E. ebenso wie der wenig qualitätvolle Kantharos in Athen (a. O. Abb. 51, 52) kein Beleg für die Festlegung eines Strategentypus. Daß ein Stratege im Schrägmantel dargestellt werden konnte, ist natürlich möglich, muß aber wohl als eine Darstellungsmöglichkeit von mehreren gewertet werden, die nicht typologisch festlegbar ist (s. o. im Text). Vgl. darüber hinaus die Darstellung eines jungen Soldaten im Schema Kriegers-Abschied auf einer nolanischen Amphora der Sammlung Zimmermann, M. Steinhart, Töpferkunst und Meisterzeichnung. Attische Wein- und Ölgefäße aus der Sammlung Zimmermann (1996) 129 ff. 29 mit Abb. Für eine ausreichende typologische Festlegung des Schrägmantels mit nackten Unterschenkeln auf militärischen Kontext gibt es jedoch zuwenig Hinweise. Vgl. Anm. 434.. D. Pandermalis, Untersuchungen zu den klassischen Strategenköpfen (1979) 37 ff. 5 Taf. 9-11. 1; E. Voutiras, Studien zu Interpretation und Stil griechischer Porträts des 5. und 4. Jhs. (1979) 147 ff. Abb. 84-93. Pandermalis a. O. 41 Anm. 5. Pandermalis a. O.; v. Fritze a. O. (Anm. 414) Taf. I 22, 26, 27; vgl. auch G. de Rider, RNum 15 (1973) 66 ff.; zu einer Münze der Athena Nikephoros aus Pergamon vgl. A. S. Faita, in: Deacy - Villing, Athena 163 - 179. Borbein, MarbWPr 1970, 41 f. Hom. Hymn. 28; Hom. Ilias 4, 73-79. Über die Deutung der Göttin als Sternbild vgl. J. Wiesner, Artemis-Lexikon der Alten Welt (1965) Sp. 2920. 6 s. v. Sternbilder; eine Athena Anemotis wird erwähnt bei Paus. IV. 35. 5; Aristeid. or. 19 (ed. Dindf.); Lyk. 359 u. Schol.; vgl. auch T. Condos, Star Myths of the Greeks and Romans: a sourcebook (1998).
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und bestimmten Gestirnen erstreckt430. Eine allgemein-kosmische Deutung der Sternaigis ist bisher die geläufigste Interpretation; sie ging jedoch stets einher mit einer ähnlichen Deutung des fälschlich emporgerichteten Kopfes431. Eine gewagte Interpretation der Athena Rospigliosi bietet in diesem Zusammenhang L. Todisco an432. Von seiner angeblichen Kopfreplik in Metapont ausgehend entwickelt er eine hellenistische Zwischenstufe des Typus Rospigliosi, den orphische und pythagoräische Zirkel in Metapont mit einer gestirnten Aigis versehen haben sollen. Dieser von der falschen Kopfwendung und von einem als Athenakopf beurteilten Helioskopf ausgehende Vorschlag ist ebenso phantasievoll wie suggestiv und bietet auch keine akzeptable Erklärung für die Sternaigis. Den von Borbein angeführten raren bildlichen Verbindungen Athenas mit dem Sternenmuster433 lassen sich außer den von Pandermalis genannten Fällen einige Belege anschließen, die vorwiegend dem Bereich der Vasenmalerei entstammen434. Es läßt sich also nur ein mehr 430
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N. Robertson, in: Deacy - Villings, Athena 29 - 55. Das Palladion bekam, so rekonstruiert Robertson aus aller von ihm herangezogenen Evidenz, im regenreichen Monat November, der Zeit des Ziegengestirns, erneut die Aigis umgehängt. Dieses Ergebnis könnte fast wie eine Illustration des Typus Rospigliosi anmuten. Ob dies Zufall ist oder von Bedeutung, kann leider nicht mehr entschieden werden. Vgl. die Deutung als bei Pausanias erwähnter Athena Aithyia auf dem Felsen von Megara durch Anti, MonAnt 1920 Sp. 272 ff.; H. v. Steuben in Helbig4 II (1966) 507. 1729. Ostraka II, 1993, 238 ff. Borbein, MarbWPr 1970, 42 Anm. 79. Ohne Beleg läßt Borbein leider die Behauptung stehen, die Sternaigis sei nur auf etruskischen Monumenten nachweisbar - vielleicht hat er dabei die Rosetten der Athena auf der Cista Ficoroni im Kopf, L. v. Matt u. a., Kunst und Land der Etrusker (1969) 199, 202 f. (Abb.); LIMC II Athena/Menerva 179; Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 203 f. 3, 172 (Abb.). Daß Punkte auf der Aigis etruskischer Athenen als Sterne zu interpretieren sind, stellt Borbein selbst in Zweifel (s. Anm. 434); vgl. auch LIMC II 2 Athena/Menerva 122, 142, 146, 155, 181, 223. Die Darstellung auf einem Bronzespiegel zeigt allerdings doch deutliche Sterne, LIMC a. O. 247. Die mit Mond, Sonne und Sternen verzierte Bordüre eines stark ergänzten Tondo-Mosaiks aus Tusculum im Vatikan, Sala della Croce Greca, das eine aus riesiger Aigis entwachsende Athenabüste zeigt, ist nicht sicher antik, vgl. K. Parlasca, RM 65, 1958, 164-66, Canciani, LIMC II 1076 Athena/Minerva 3 Taf. 785; K. Werner, Mosaiken aus Rom (1994) 44 ff. K 4; vgl. ders., RM 104, 1997, 477 ff. Einen mit einem sechzehnstrahligen Stern besetzten Schild trägt das Palladion auf einem apulischen Krater des Hearst-Malers aus dem frühen 4. Jh. in Berlin, Demargne, LIMC II 969 Athena 116 Taf. 716; A. D. Trendall, Rotfigurige Vasen aus Unteritalien und Sizilien (1991) Abb. 43. Die Promachoi dreier weiterer Preisamphoren in London, M. Robertson, The Art of Vase Painting in Classical Athens (1992) 277 Abb. 276-279, zeigen ebenfalls Schilder mit Sternenmuster, Demargne, LIMC II 1001 Athena 493 Taf. 755; vgl. auch die Athena auf einer Pelike in Policoro vom Beginn des 4. Jhs., Demargne, LIMC II 974 Athena 177 Taf. 724. Einen Stern zeigt gleichfalls der neben Paris stehende Schild der Athena auf einer Hydria in Alexandria, Robertson a. O. 287 Abb. 290. Ein ähnlicher Stern ziert den Chitonärmel der Göttin auf der bekannten Preisamphore vom Ende des 5. Jhs. in London, Demargne, LIMC II 971 Athena 140 Taf. 719; Robertson a. O. 260 Abb. 264. Ob mit den kreuzförmigen Mustern auf dem doch wohl als Aigis gedachten Gewandteil der Athena der Namensvase des Malers von München 2413, J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen (1991) I Abb. 350. 1, Sterne gemeint sind, ist fraglich, zumal das Muster öfter auf Gewändern erscheint; vgl. ebenso die bei Borbein, MarbWPr 1970, 41 Anm. 74 genannten Punkte auf der Aigis, die sich des öfteren finden, z. B. auf einer nolanischen Amphora des Nikon-Malers, Boardman a. O. Abb. 366, und einem Glockenkrater des Altamura-Malers, Boardman a. O. Abb. 11. Borbein führt die Münchner Strickhenkelamphora des Nausikaamalers an, deren Athena einen Halbmond auf der Aigis trägt, a. O. 41 Anm. 74 mit Lit., Boardman a. O. Abb. 194. Deutliche vielstrahlige Sterne zieren Athenas Peplos auf einem Glockenkrater von der Athener Agora vom Ende des 5. Jhs., Demargne, LIMC II 1005 Athena 526 Taf. 759, während die Gewänder der übrigen dargestellten Figuren nur Kreuzmuster zeigen. Mit Sternen verziert ist auch das Himation der Athena Promachos einer Preisamphora in New York, abgebildet bei J. Boardman, The Parthenon and its Sculptures (1985) 222. Mit einem vierzackigen Stern ist die Helmkalotte einer Athena auf einem faliskischen Stamnos in der Villa Giulia besetzt, LIMC II 2 Athena/Menerva 169 a. Ein weiteres, an Pandermalis anzuschließendes Beispiel kommt aus der Münzkunst und stammt aus Korinth. Es wurde in der ersten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. geprägt und zeigt einen Athenakopf mit korinthischem Helm, daneben ein von Franke als Helioskopf benanntes, von einem sternartigen Strahlenkranz umgebenes Köpfchen, das eher an ein Gorgoneion erinnert, P. R. Franke, M. Hirmer, Die griechische Münze (1964) Taf. 153 rechts unten. Einen Stern auf dem Schild einer Athena Promachos zeigt schließlich eine Münze Philipps V. in London, G. F. Hill, Historical Greek Coins (1906) 79.
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oder weniger allgemeiner Zusammenhang Athenas mit dem Sternsymbol herstellen. Religionsgeschichtlich ist das Ergebnis ähnlich unspezifisch: Ein kosmischer Aspekt der Göttin läßt sich aus Beschreibungen der Athenageburt ableiten435, aus der Herkunft des Palladions vom Himmel, aus den mit Naturerscheinungen verbundenen Epiphanien der Göttin436. Die Verwendung des Sternsymbols in Verbindung mit Athena hätte also in der zeitgenössischen Ikonographie genügend Rückhalt, sodaß sein Erscheinen an einer rundplastischen Darstellung aus der ersten Hälfte des 4. Jhs. nicht unbedingt verwundern müßte437. Das gleiche gilt im Grunde für die Schrägmanteltracht, deren einzige Besonderheit in ihrer Kennzeichnung als Männertracht liegt. Auch dies ist jedoch in einem allgemeinen Sinn für Athena nicht verwunderlich. Als „männlichste“ der weiblichen Gottheiten liegen ihre Zuständigkeiten besonders im traditionell eher männlichen Bereich des Handwerks, Kriegshandwerks und der geistigen Tätigkeit. Die Weiblichkeit der Göttin, im 5. Jh. noch durch die verstärkt matronale Bildhaftigkeit betont, schwindet im 4. Jh. zugunsten einer idealisierten Jugendlichkeit. Im Zeichen dieser Entwicklung setzt die etwa 20 Jahre nach der Athena Ince entstandene Athena Rospigliosi besonders deutliche Akzente438. Zwei weitere Besonderheiten der Athena Rospigliosi, der Triton auf der Basis der Variante Rospigliosi (R V 1) sowie die Felsbasis der Replik in Florenz (R II 1) gaben stets Anlaß zu weiterer Spekulation. Beide Merkmale erscheinen nur an jeweils einer Wiedergabe und gehören daher kaum zur originalen Überlieferung. Wenn es sich also um römische Ergänzungen handelt, können diese aber auch von sich aus eine interpretierende Funktion besitzen. Auch hier bleiben die Beziehungen zum Typus jedoch allgemein: Die Felsbasis hat - wenn sie überhaupt antik ist - sicherlich nur dekorative Zwecke439; der Triton kann immerhin als Hinweis auf das für Athena gebräuchliche Epitheton Tritogeneia verstanden werden440. Dieses Epitheton birgt jedoch eine eigene Problematik, denn seine Herleitung konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden441. Die Bedeutung des Begriffs beschäftigte schon die antiken Autoren und Lexikographen; so erscheint er mehrfach bei Pausanias442. Der Zusammenhang mit der jugendlichen Athena ist auch in den 435 436 437
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Hes. theog. 924; Hom. hymn. 28; Gal., de Hipp. et Plat. dom. 3. 273; Pindar, Ol. 7. 35; Apollod. 1. 3. 6; Apoll. Rhod. 4. 1310 f. W. H. Roscher, Lexikon der Mythologie I. 1 (1884-90) Sp. 675 ff. s. v. Athene leitet die Göttin noch von einer indogermanischen Gewittergöttin ab. Zur Epiphanie als Naturgewalt vgl. Hom. Hymn. 28. Bedenkenswert ist auch der mündliche Hinweis von J. Neils, das Sternsymbol könne vom Giganten Asteros stammen, den Athena im Gigantenkampf besiegte (vgl. Verf.in, Small Athenas 190 Anm. 37) und von dem sie nach einer mythischen Version die Aigis übernahm - allerdings ließ sich der Stern auf den bekannten Darstellungen Athenas im Gigantenkampf aus der Vasenmalerei nicht nachweisen; vgl. Demargne, LIMC II 990 ff. Taf. 747 - 749). Vgl. dazu auch N. Robertson, in: Deacy - Villing, Athena 42 ff. Möglicherweise erschien das Sternsymbol außerdem in der Bemalung der Statuen und war dadurch vielleicht innerhalb der Athenaikonographie präsenter als sich dies heute nachvollziehen läßt. Vgl. W. Fauth, in: Der Kleine Pauly 1 (1979) Sp. 681 s. v. Athena: „... der Sage nach mutterlos seinem Haupt entsprungen, verkörpert sie den Typus der männergleichen, mit physischer Kraft und geistiger Energie begabten kämpferischen Jungfrau ...“. Fauth führt zudem die vermutete Herkunft des Epithetons Pallas von Pallax, Jüngling, an, das das dem Jüngling adäquate, starke junge Mädchen bezeichne. C. Anti wertete die Felsbasis als Hinweis auf die Richtigkeit seiner These, in der Athena Rospigliosi die bei Pausanias erwähnte, auf einer Klippe stehende Athena Aithyia in Megara zu sehen (vgl. Anm. 431). Zur Interpretation des Triton in der Literatur vgl. Anm. 442. Vgl. W. Pötscher, Hera. Eine Strukturanalyse im Vergleich mit Athena (1987) 150 ff. Zu den Epitheta der Athena bei Aristophanes vgl. C. A. Anderson, Athena's Epithets. Their Structural Significance in Plays of Aristophanes (1995). Paus. IX. 33. 7. Auf den an dieser Stelle erwähnten Tritonsee beziehen sich weiterhin Paus. I. 14. 6 und Herodot 4. 181. Diodor V. 17. 3 verlegt den Ort der Athenageburt an einen Fluß Triton in Kreta. Bei Pseudo-Apollodor I. 3. 6
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Quellen faßbar und wird dem Bildhauer der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1) nicht unbekannt gewesen sein. Dem Triton dieser Variante kommt also insofern eine nicht unwichtige Rolle zu, als er über die römische Interpretation möglicherweise einen Teil der ursprünglichen Bedeutung des Typus erschließt443. Die erwähnten unterschiedlichen Deutungsversuche gingen stets von der Zuordnung eines in den Quellen erwähnten Kultbildes aus. Trotz der relativ großen Anzahl der Wiederholungen und der Originalität und Qualität der Figur ist eine Erwähnung in der antiken Literatur angesichts der Fülle des dort aufgezählten Skulpturenmaterials eher unwahrscheinlich. Dennoch muß der Typus Rospigliosi als Grundlage für solche Wiederholungen bekannt und beliebt gewesen sein. Die Erklärung, das Werk sei für den römischen Kunstgeschmack besonders reizvoll gewesen, befriedigte offenbar nicht - die Frage nach dem Schöpfer des Originals durchzieht vielmehr die gesamte ältere Literatur444. Das Werk erschien so originell, daß man dahinter stets einen namentlich bekannten Künstler vermutete. Ob die relative Verbreitung des Typus auf seinen dekorativen Charakter oder seinen Ruf als Standbild und Werk eines berühmten Künstlers zurückgeht, kann jedoch nicht mehr entschieden werden. Ebenfalls letztlich nicht ganz auszuschließen ist, ob es sich nicht vielleicht doch auch bei der Athena Rospigliosi um ein konkretes Kunstwerk mit Repliken handelt, sondern eher um einen Darstellungstypus im beschriebenen Sinne, der eine jugendliche Athena wiedergab und in mehreren, leicht voneinander abweichenden Ausprägungen überliefert ist. Seine Entstehungszeit müßte dann neu festgelegt werden, wäre aber vielleicht
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findet sich der Name des Flusses ohne Ortsangabe. Die Stetigkeit, mit der der Flußname z. T. auch ohne inhaltlichen Zusammenhang erwähnt wird, ließ Pötscher vermuten, daß der inhaltliche, evtl. mythische Hintergrund dafür heute nicht mehr faßbar sei und vielleicht auch damals schon nicht mehr faßbar war (Pötscher a. O. 158). Paus. IX. 33. 7 berichtet von einem Athenaheiligtum beim Ort Alalkomenai in Böotien, das zu seiner Zeit zerstört war und dessen Kultstatue, ein altes elfenbeinernes Kultbild, Sulla geraubt habe. Das Heiligtum, so der Perieget, liege an einem kleinen Fluß, den man nach der Überlieferung der Athenageburt, die an einem Fluß dieses Namens stattgefunden habe, Triton benannt habe. Auf diese Pausaniasstelle bezieht sich H. Hettner in seinem Beitrag über Pallas Tritogeneia, AdI 1844, 112 ff. P. Arias legt seiner Argumentation gleichfalls die Triton-Sage zugrunde, bezieht sich aber auf einen weiteren Bericht des Pausanias aus Boötien: Paus. 9. 10. 2 beschreibt das Heiligtum des ismenischen Apollon in Theben und erwähnt eine Statue der Athena Pronaia des Skopas, die Arias im Typus Rospigliosi erhalten sieht (Arias, Skopas 103 M 3). Eine weitere Pausaniasstelle, Paus. VII. 22. 9 (vgl. W. Pötscher a. O. 151, 154 f.) beschreibt die achäische Stadt Triteia, deren Gründungsmythos von einer jungen Athenapriesterin namens Triteia erzählt, der Tochter eines Triton. Triteia wurde von Ares verfolgt und gebar ihm den Sohn Melanippos, der die Stadt gründete und nach seiner Mutter benannte. In Triteia sah Pausanias einen Athenatempel mit einem marmornen Kultbild, das als Ersatz für das alte Kultbild, das nach Rom entführt worden war, aufgestellt wurde. Leider ist die Überlieferung des Gründungsmythos bei Pausanias bruchstückhaft; der Hintergrund der Vereinigung von Ares und Triteia sowie die Herkunft und Rolle des Vaters Triton bleiben unklar. W. Pötscher nimmt für den dortigen Athenakult eine sekundäre Kultbesetzung an, schließt aber eine Verschmelzung von Göttin und weiblichem Heros aus. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine komplizierte und kaum noch entwirrbare Verschmelzung verschiedener Überlieferungen. Jeder Zusammenhang mit dem Typus Rospigliosi - sei es über den Triton der Variante im Palazzo Rospigliosi (R V 1), über den Bericht vom Transport nach Rom oder den Zusammenhang mit Ares und der Strategenikonographie - wäre jedoch völlig hypothetisch. Zu den Epitheta Tritogeneia, Tritonis oder Tritoneia für Athena vgl. auch F. Muthmann, Mutter und Quelle (1975) 262 f. Nicht mythologisch, sondern inhaltlich wird der Beiname Tritogeneia in einem interessanten Fragment Demokrits gedeutet: Demokrit nutzt die im Namen enthaltene Dreizahl, indem er die øòð´íçóéý der Göttin als Grundlage für die Gabe des Denkens ansieht, das aus drei Hauptanliegen bestehe: gut mit sich selbst zu Rate zu gehen (áðõëåõ´åóèàé êàëûœý), besonnen zu reden (ëå´âåéí àíàìàòôç´ôûý) und angemessen zu handeln (êàé` ñòà´ôôåéí ࣠ãåéœ). s. H. Diehls, W. Kranz (Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokratiker (1951) II B 2; vgl. hierzu zuletzt H. S. Versnel, in: W. Eder (Hrsg.), Die athenische Demokratie im 4. Jh. v. Chr. (1995), 375. Vgl. S. 53 ff.; 70 ff.
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auch im 4. Jh. anzusiedeln. Ob auch eine Datierung in das 2. Jh. in Erwägung gezogen werden müßte, soll in Analogie zum bekannteren Apollon Lykeios überlegt werden.
Athena Rospigliosi und Apollon Lykeios - Parallelen und Beziehungen zur attischen Ephebie? Ebenso umstritten wie der Athenatypus Rospigliosi ist der Apollon Lykeios445, der trotz der naturgemäß unterschiedlichen Art der Darstellung in mancher Hinsicht mit der Athena Rospigliosi verwandt erscheint. Auch in diesem Fall ist eine jugendliche Darstellung des Gottes beabsichtigt, die, wenn der durch ein Zitat Lukians gegebene Bezug zum Athener Lykeion stimmt, zum Ephebenalter passen soll. Durch den in der Literatur hergestellen Zusammenhang mit dem Haaropfer der Epheben ließe sich möglicherweise auch die Haltung Apolls erklären, die sicher weder lasziv noch als Epiphaniegestus noch auch im Sinne Lukians als Geste der Ermüdung gedacht war, sondern auf den seinen eigenen Ritus vollziehenden Gott angespielt haben könnte446. Sowohl inhaltlich als auch formal und stilistisch ließe sich der Apollon Lykeios, dessen Identifizierung aufgrund der Beschreibung Lukians recht plausibel erscheint, durchaus im 4. Jh. unterbringen, wobei die stets betonte Verwandtschaft mit praxitelischen Werken eher allgemein motivischer und weniger stilistischer Natur ist. Auf die kompakten Formen und die gedrungenen Proportionen der Kolossalstatue wurde in der Literatur mehrfach hingewiesen. Diese Merkmale zusammen mit der kolossalen Größe könnten auch für eine Datierung in das 2. Jh. sprechen, die sich mit der Geschichte des vermuteten Aufstellungsortes besser vereinbaren ließe447. Während der Kopftypus gut in das 4. Jh. passen würde, könnte die massive Gestaltung des Oberkörpers hellenistische Stilmittel voraussetzen. Auf der einen Seite fügen sich die Haltung und die Körperlichkeit der Figur gut in das 4. Jh. ein, auf der anderen Seite spricht die inhaltliche Gegensätzlichkeit eher für ein hellenistisches Werk: Die fehlende Pubes und die an den Sauroktonos erinnernde Haltung sowie die Frisur erwecken den Eindruck von Jugendlichkeit; der Körperbau und die Proportionen sind aber deutlich athletisch und von kräftiger Männlichkeit. Der in zahlreichen einzelnen Wiedergaben erhaltene Kopf hilft nicht aus dem Dilemma, da er ebensogut klassisch wie klassizistisch sein könnte. Mit vergleichbaren Ungereimtheiten wartet auch die Athena Rospigliosi auf. Wenn diese Phänomene auch bislang hauptsächlich im Zusammenhang mit der Deutung des Typus Erwähnung fanden und seine Datierung in das 4. Jh. zunächst davon unbeeinträchtigt blieb, könnten sie jedoch teilweise ähnliche Konsequenzen haben wie beim Apollon Lykeios. Beide Statuen unterscheidet schon allein die Größe, die sicherlich im Falle des Apoll zu seiner verstärkten Rezeption beitrug. Darüber hinaus finden sich aber sowohl in der Gestaltung des Typus als auch im Umgang mit der jeweiligen Ikonographie der Gottheit wie auch in der Rezeption durch Kopien und Varianten Parallelen. Bei beiden Figuren ist die Datierung umstritten, und beide haben schließlich formal und stlilistisch viel gemeinsam. Dies soll kurz dargestellt werden - nicht unbedingt, um eine direkte Verwandtschaft zwischen beiden Werken herzustellen, sondern eher, um die Problematik der Athena Rospigliosi an einem vergleichbaren, wenn auch un445
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Rizzo, Prassitele 79 ff., 117, Taf. 119-129; M. Nagele, ÖJh 55, 1984, 77ff. Abb. 1-16; S. Schröder, AM 101, 1986, 167 ff. Taf. 33-35; E. J. Milleker, The Statue of Apollo Lykeios in Athens (1986); zu Gymnasion und Statue vgl. zuletzt H. Knell, Athen im 4. Jh. v. Chr. (2000) 184 ff. Abb. 130-133 (mit Lit.). Vgl. Schröder a. O. 176 f.; Knell a. O. 184; M. Nagele a. O. 102 (für Ruhegestus). M. Nagele a. O. 77 unter Bezug auf O. Deubner.
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gleich spektakuläreren Fall zu illustrieren und gleichzeitig bisher noch nicht angesprochene Bedenken hinsichtlich der klassischen Datierung des Typus zu äußern. Bei beiden Figuren gilt gleichermaßen - und das erschwert ihre Einschätzung -, daß sie sich zunächst ohne Probleme in das 4. Jh. datieren lassen. Die Merkmale des Apollon Lykeios, die für eine hellenistische Datierung sprechen, wurden von M. Nagele ausführlich dargelegt448. Die Athena Rospigliosi ist, obwohl sie, wie oben beschrieben, durchaus befremdliche Elemente hat, noch nie unter diesem Aspekt betrachtet worden. Neben den im entsprechenden Abschnitt beschriebenen, datierenden klassischen Merkmalen kamen, vor allem im Zusammenhang mit der inhaltlichen Deutung der Figur, auch die eher unklassischen Eigenarten zur Sprache. Dies sind außer der ausgesprochenen Jugendlichkeit der Göttin vor allem inhaltliche Spitzfindigkeiten wie die Männertracht und die sternenbesetzte Aigis, die man so möglicherweise erst im Hellenismus erwarten würde449. Diese Eigenschaften entsprechen den charakteristischen Merkmalen des Lykeios, dessen Jugendlichkeit, die bei der Athena Rospigliosi durch die kaum ausgebildete Brust markiert ist, durch die fehlende Pubes bezeichnet wird. Der kurzen Manteltracht der Athena, die die nackten Beine freiläßt, entspricht dem Grad der inhaltlichen Gegensätzlichkeit nach der Scheitelzopf Apolls. Seiner charakteristischen Armhaltung ähnelt das besondere Gewicht, mit dem das Motiv des eingestützten linken Armes der Athena Rospigliosi ausgestaltet ist. Nicht nur in inhaltlicher, sondern auch in stilistischer und formaler Hinsicht haben die Statuen viel gemeinsam. So ist ihr Kompositionsschema grundsätzlich ähnlich angelegt. Die ebenfalls frontal angelegte Athena lehnt sich zwar nicht an eine Stütze, aber ihr Standschema mit dem trotz der Differenzierung von Stand- und Spielbein mit ganzer Sohle aufgesetzten Füßen entspricht motivisch dem des Apoll. Sogar der zur linken Schulter hin und fast unmerklich nach oben gerichtete Blick zeugt, wenn der Apoll auch zur Spielbeinseite blickt, von einer verwandten Komposition. Der Gegensatz zwischen ponderiertem Stand mit übermäßig betonter Standbeinhüfte und einem relativ unbewegten, geraden Oberkörper läßt beide Figuren ein wenig steif erscheinen. Die etwas schwerfällige, aus vereinzelten, aneinandergereiht wirkenden Körperbereichen bestehende Komposition ist also beiden Figuren eigen, wenngleich dies auch an der Kolossalstatue stärker auffällt. Spätestens aus solchen Gründen kann der Apollon nicht praxitelisch sein, zumal er jeglichen Schwung praxitelischer Gestalten vollends vermissen läßt450. Auch der Kopftypus der beiden Figurentypen ist verwandt. Vergleicht man die trotz der neuerdings geäußerten Bedenken sicherlich zugehörigen erhaltenen Rospigliosiköpfe in Berlin (R I 1) und im Vatikan (R IV 1)451, fallen sofort die ähnlichen Proportionen, die übereinstimmende Gestaltung von Augen- und Mundpartie und die gleiche Haarbildung auf. Bei solchen Ähnlichkeiten in Aufbau, Komposition und in stilistischen und motivischen Details drängt sich der Gedanke auf, beide Werke könnten aus der gleichen Hand oder zumindest Werkstatt stammen. Da dies hier jedoch nicht vordringliches Anliegen ist, soll lediglich die verwandte Problematik beider Figuren bezüglich ihrer Verankerung in Spätklassik oder Hellenismus, d. h. im 4. oder 2. Jh. v. Chr., und das Verhältnis des jeweiligen Urtypus zu seinen Repliken beleuchtet werden. 448 449 450 451
A. O. 103 ff. Vgl. Anm. 407 und S. 78 ff. Zur Zuweisung an Praxiteles s. M. Nagele a. O. 102; Schröder, AM 101, 1986, 174; J. E. Milleker a. O. (Anm. 445) 45 f. 71f. S. Anm. 253 und Anm. 256.
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Seit der Stellungnahme von Stephan Schröder 1986 ist die Datierung des Lykeios in die zweite Hälfte des 4. Jhs. wieder in den Vordergrund gerückt, und auch die 1986 in New York erschienene Dissertation E. J. Millekers vertritt eine Datierung in spätklassische Zeit452. Die Datierung soll hier nicht wiederholt werden. Angemerkt sei nur, daß sich die zur Datierung der Athena Rospigliosi herangezogenen Vergleiche teilweise ebenfalls für den Apollon verwenden lassen. Den Herakles Lansdowne zieht auch Schröder heran453. Ungeachtet der durch den Zusammenhang mit dem Lykeion nahegelegten lykurgischen Datierung läßt sich der Apollon Lykeios stilistisch zunächst in die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. einordnen454. Bei einer Datierung in das 2. Jh., in dem sich die geschilderten, für die Spätklassik möglicherweise befremdlichen Merkmale vielleicht besser unterbringen lassen, müßten die spätklassischen Merkmale klassizistisch sein. Sowohl mit der Überlieferung des Typus auf Münzbildern als auch mit der Geschichte des Lykeion selbst ließe sich die Datierung in das 2. Jh. leichter verbinden455. Entscheidend für die Spätdatierung ist laut M. Nagele das Stützmotiv, das als nachweislich klassizistisches Bildelement vom 2. Jh. v. Chr. an auftreten soll. Trotz der Uneinheitlichkeit der Repliken läßt sich dieses Element als praktische Wiedergabe der nach Lukian mit dem Standbild des Lykeios verbundenen Stele erklären, die von Rizzo als Säule und von Schröder als Säule mit Dreifußanathem rekonstruiert wird, an die sich der Apollon anlehnt456. Die Repliken vollziehen den Stützgestus nicht einheitlich nach. Während die Komposition der Replik im Louvre sich deutlich am Stützmotiv orientiert, wirken andere Repliken eher autark ponderiert und nutzen das Stützmotiv als Beiwerk. Dies sind die Repliken, die eher klassisch wirken, während diejenigen, die das Stützmotiv betonen, hellenistisch erscheinen. Ebenso verhält es sich mit dem Motiv des rechten Armes: Ist es lasziv betont, erinnert es an den Barberinischen Faun und wirkt hellenistisch457. Ist es eher als Motiv des In-die-Haare-Greifens aufgefaßt, paßt es inhaltlich auch in die Spätklassik. Bei den Repliken der Athena Rospigliosi sind die unterschiedlichen Elemente nicht so klar nachzuvollziehen; hier bieten weniger einzelne Strukturelemente der Figur als vielmehr inhaltliche Elemente wie die Tracht und die gestirnte Aigis verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Der Torso im Museo Gregoriano Profano (R III 1) gestaltet den Schrägmantel in einer Weise aus, der unbedingt klassisch erscheint, während die schnurartig aufgelegten Faltenzüge der meisten anderen Repliken, die an die Mäntel des Parthenonfrieses erinnerten, in dieser Weise auch klassizistisch sein könnten. Ist die Einordnung beider Figuren nach stilistischen und formalen Kriterien nicht mit hundertprozentiger Sicherheit und Eindeutigkeit möglich, so liefern auch die Anzahl der Repliken und die Existenz der Varianten keine weiteren Anhaltspunkte. Bei beiden Statuentypen gibt es neben einheitlicheren und davon abweichenden Repliken auch Varianten. Unter den Exemplaren des Typus Rospigliosi ist dies die namensgebende Statue (R V 1) mit abgeänderter Kopfhaltung und bereicherter Basis. Keine Variante, sondern eine verkleinerte freie Wiedergabe, in ihrem Verhältnis zu den übrigen Exemplaren vielleicht vergleichbar mit der kleinen Elfenbeinwiedergabe 452 453 454 455 456 457
Schröder a. O.; J. E. Milleker a. O. 45 ff., so auch Knell a. O. (Anm. 445). Schröder a. O. 173. Zuletzt Knell a. O. 184. S. Anm. 447. Rizzo, Prassitele Taf. 119 Abb. 3; Schröder a. O. 175 Abb. 1. Stewart, Greek Sculpture 676, 677; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 313 ff. Taf. 157; Andreae, Skulptur des Hellenismus 101 ff. 65, 67 Abb. 62.
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des Apollon Lykeios im Athener Nationalmuseum, ist das Exemplar aus Leptis Magna (R II 2). Insgesamt erscheinen die Wiedergaben bei beiden Götterfiguren nicht uneinheitlicher als bei anderen Statuentypen aus dem Bereich der Idealplastik. An den Exemplaren der Athena Rospigliosi fällt jedoch die starke zeitliche Variabilität ihres Stiles auf. Dies betrifft nicht nur den Gewandstil, bei dem dies naheliegt, sondern auch das Volumen der Figur. Solche Unterschiede kennzeichnen auch die Apollines. Dennoch reicht dies nicht aus, um von der Forderung eines Originalvorbildes abzugehen und stattdessen eine zeichnerische Vorlage vorauszusetzen, die natürlich stärker variiert worden wäre als ein statuarischer Urtypus. Ein Umstand innerhalb der Rezeption des zahlenmäßig besser überlieferten Athenatypus der Athena Vescovali spricht dafür, daß eine zeichnerische Vorlage das zugrundeliegende Original zumindest zeitweise ergänzt haben könnte: Die Datierung der Repliken ergibt in diesem Fall, daß die aus antoninischer Zeit erhaltenen Stücke sehr einheitliche Züge tragen. Möglicherweise hat es in dieser Zeit eine neue, das Original revidierende Edition der Vorlage auf zeichnerischer Ebene gegeben458. Anhand der wenigen Rospigliosi-Überlieferungen läßt sich derartiges nicht nachvollziehen. Apollon Lykeios und Athena Rospigliosi gehen im herkömmlichen Sinne auf Urbilder des 4. oder evtl. 2. Jhs. zurück, deren Eigenarten für die römischen Rezipienten so faszinierend waren, daß sie auf der Basis des Originals immer wieder neu gestaltet wurden. Schließlich wurden auch einzelne charakteristische Bestandteile zu Varianten verarbeitet, die zumindest die inhaltlichen Hauptmerkmale des zugrundeliegenden Originals deutlich in Erinnerung rufen sollten. Bei beiden Gottheiten ist ein solches Hauptmerkmal das dargestellte Alter an der Schwelle von Jugendalter und Erwachsenwerden. Ob diese Darstellungsthemen bereits zuvor als Darstellungstypen verfügbar waren oder ob diese durch die beiden Statuen jeweils für die beiden Gottheiten inauguriert wurden, kann nicht mehr geklärt werden. Darstellungen in einem der Athena Rospiglisi vergleichbaren Schema erscheinen nur im Schrägmantel über dem langem Chiton oder Peplos. Diese Darstellungen gehen anders als beim Apoll, dessen Darstellungstypus auch auf Münzbildern einwandfrei erkennbar ist459 - nicht eindeutig auf den für die Athena Rospigliosi verwandten Typus zurück460. Wo auch immer die Athena vom Typus Rospigliosi ursprünglich aufgestellt war, könnte ihr Aufstellungszusammenhang schließlich ähnlich ausgesehen haben wie der des Apollon Lykeios, dessen Kontext - wenn es sich nicht um die gleiche Statue gehandelt hat, dann doch wohl um eine des gleichen Darstellungstypus - durch Lukian überliefert zu sein scheint. Die Athena war keine Kolossalstatue und möglicherweise auch keine Kultstatue. Ihr jugendliches Alter und der vielleicht als Bürgertracht aufzufassende, jedoch in erster Linie als Männertracht zu deutende Mantel der gerüsteten Göttin würden fast noch besser in den Ephebenzusammenhang passen als die Figur des Apoll. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Hüftherme aus Rhamnous in Athen, zu der eine mit Ephebennamen versehene Rundbasis gehört, die eine Datierung in das Jahr 333/2 ermöglicht461. Dargestellt ist ein Ephebe in kurzem Chiton und bis auf die Oberschenkel herabhängender Chlamys. Seine Haltung entspricht der der Athena Rospigliosi: Die auffälligsten Merkmale des Athenatypus, nämlich seine Kopfwendung und der eingestützte, vom Mantel verhüllte linke 458 459 460 461
S. S. 112. Vgl. Rizzo, Prassitele Taf. 119. S. S. 77. J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) Abb. 63.
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Arm, sind gleich. Wenn auch dies noch kein Beweis für den Zusammenhang der Athena Rospigliosi mit der Ephebie sein kann, so ist doch die ikonograpische Übereinstimmung eklatant und muß, zumal bei einem eindeutig in die Spätklassik datierten Werk, beachtet werden. Stilistisch kann die Herme allerdings eher die Datierung des Typus Vescovali unterstützen, dem sie zeitlich entspricht und der motivisch ebenfalls verwandt - trachttypisch allerdings eher konventionell ist462. Wird die Datierung der Athena Rospigliosi um 380/70 beibehalten, so wäre die Figur etwa in der Zeit der Institutionalisierung der attischen Ephebie zu Beginn des 4. Jhs. entstanden463. Ein ähnlicher bürgerlicher Initiationsritus der Epheben wie das auf Apoll bezogene Haaropfer ist in bezug auf Athena nicht überliefert464. Das schräg umgelegte Himation ist jedoch, wie oben ausgeführt, im Kontext des Ertüchtigungs- und Freizeitlebens junger Bürger vor allem in der süditalischen Vasenmalerei häufig überliefert, sodaß ein heute nicht mehr belegbarer Zusammenhang mit diesem Bereich des gesellschaftlichen Lebens der Poleis zumindest nicht ausgeschlossen ist465. Ein bekannter kultischer Zusammenhang mit der Ephebie besteht ferner in der zumindest seit hellenistischer Zeit stattfindenden Prozession der Epheben mit dem Palladion nach Phaleron und zurück466. Das Palladion, offenbar eine Statue, wurde nach inschriftlicher Überlieferung in römischer Zeit einmal erneuert467. Könnte die Athena Rospigliosi damit etwas zu tun haben? Ist diese jugendliche Darstellung Athenas im Männermantel eine Art Palladion? Weiter führen die Spekulationen nicht. Zwei Aspekte der Athena Rospigliosi ließen sich hier jedenfalls anhand des Apollon Lykeios anschaulicher vorführen: zunächst die trotz der hier vertretenen und ausführlich begründeten Datierung nicht recht ausräumbaren Zweifel, ob der Typus nicht doch, wie dies anhand des Apoll diskutiert wurde, dem 2. Jh. zugewiesen werden muß, und in inhaltlicher Hinsicht ein möglicher, wenn auch durch nichts beweisbarer Zusammenhang mit der Ephebie. Daß beide Werke trotz ihrer ungleichen Größe Ähnlichlichkeiten aufweisen, die an einen Werkstattzusammenhang denken lassen könnten, ist dabei so hypothetisch wie nebensächlich.
462 463
464
465 466 467
Vgl. S. 118. Vgl. O. W. Reinmuth, The Genesis of the Athenian Ephebia, TranactAmPhilAss 83, 1952, 34 ff.; zur Ephebie vgl. ferner ders., The Ephebic Inscriptions of the fourth century (1971); C. Pelekidis, Histoire de l’Ephebie Attique (1962). Wie die im Rücken herabfallende Haarmasse einiger an anderer Stelle erwähnter Grabreliefs junger Mädchen mit Kreuzband (vgl. Anm. 874) zu deuten ist, ist offenbar unklar. Das gleiche Merkmal hat übrigens auch die Athena des Relieffragmentes einer Ephebenweihung, Meyer 293 f. A 99 Taf. 31. 1. Vgl. S. 77. S. N. Robertson, in: Deacy - Villing, Athena 38 ff. Robertson a. O. 39.
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4. Kopftypus Kassel Eine schwer zu bestimmende Rolle innerhalb der Athenaikonographie nehmen mindestens 5 kleinformatige Köpfe ein468, die in bezug auf Größe, Proportionen, Kopfhaltung und stilistischen Habitus so übereinstimmen, daß sie wahrscheinlich von einem eigenen Statuentypus stammen. Obwohl drei der Köpfe auf bestimmten Typen zugeordnete Körper aufgesetzt sind, kann der Kopftypus selbst bisher keinem Statuentypus zugeordnet werden. Zwei Köpfe (K I 2 und K I 4) befinden sich auf Körpern vom Typus Vatikan-Tokyo (VT II 1 und VT V 1), dessen zugehöriger Kopftypus aber durch zwei erhaltene Exemplare überliefert ist469. Ein anderer (K I 3) wurde mit dem Körper der Ostia-Cherchel-Variante im Louvre (OC III 1) verbunden. Da diesem Statuentypus bisher noch kein Kopftypus zugewiesen werden konnte, hielt man die Zusammensetzung zum Teil für richtig und sah in dem kleinformatigen Kopf den zum unterlebensgroßen Statuentypus zugehörigen Kopftypus470. Jedoch auch hier sprechen Marmorsorte, Größenverhältnis und Stil dagegen. Ein dritter Kopf ist mit einem Rumpf vom Typus Ince-Blundell (In II 7) verbunden. Weitere Köpfe sind auf Körper gesetzt, die keinem typologischen Vorbild folgen. So befand sich der namensgebende Kopf in Kassel (K I 1) ehemals auf einem römisch-klassizistischen, dem Typus Ostia-Cherchel ähnlichen Körper, von dem er allerdings inzwischen wieder entfernt wurde471, und ein weiterer Kopf im Louvre (K II 2) ziert einen durch neuzeitliche Hinzufügung einer Aigis zu einer Athena gemachten Körpertypus der Hera Borghese aus Buntmarmor.
Replikenliste Kopftypus Kassel I. Köpfe: 1. Kassel 2. Vatikan, Sala delle Muse 264 (auf Typus Vatikan-Tokyo [VT II 1]) 3. Paris, Louvre (auf Variante des Typus Ostia Cherchel [OC III 1], evtl. modern) 4. San Antonio (auf Typus Vatikan-Tokyo [VT V 1], evtl. modern) II. Variante: 1. Stockholm, Nationalmuseum (auf Körper vom Typus Ince [In II 7]) 2. Paris, Louvre (auf Buntmarmorstatue, evtl. modern) Da die Köpfe mit den unterschiedlichsten Körpern kombiniert sind, könnte es sich natürlich teilweise auch um moderne Ergänzungen handeln. Dann wäre hier von den Ergänzern ein Kopftypus geschickt benutzt und erweitert worden. Am wenigsten Zweifel besteht an den Köpfen Kassel (K I 1) und Vatikan, Sala delle Muse (K I 2). Sie sind offenbar antik, stimmen völlig überein und können daher den Typus definieren. Dessen Merkmale sind außer der Größe die am Hals, an der Verkürzung der linken Gesichtshälfte und an der Biegung des Haarschopfes erkennbare Linkswendung, die schmalen, mädchen468
469 470 471
‘Mindestens’, da es wahrscheinlich noch einige Köpfe mehr von diesem Typus gibt, die allerdings nicht sicher einzuordnen sind. Möglicherweise handelt es sich z. T. auch um Fälschungen (vgl. z. B. den wahrscheinlich modernen Kopf der Athena im Typus Vatikan-Tokyo in San Antonio, Slg. Denman, VT V 1, hier K I 5). Vgl. VT I 1, VT I 2. Vgl. S. 93 ff. Vgl. Kat.text zu K I 3.
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haften Gesichtsproportionen, das zarte Karnat, die zueinander assymmetrische Anordnung des Schläfenhaares, das auf der rechten Seite in strengen breiten Wellen nach hinten verläuft und auf der linken in schmaleren Strähnen locker über das Ohr fällt, sowie der korinthische Helm.
Forschungsstand Die Forschungsgeschichte des Kopftypus Kassel steht wegen der Athenastatue im Louvre (OC III 1), auf die ein Exemplar des Kopftypus (K I 3) aufgesetzt ist, in engem Zusammenhang mit der des hier als nächstes behandelten Athenatypus’ Ostia-Cherchel472. W. Amelung gliederte dem Kopf im Louvre innerhalb seiner 1900 erschienenen Besprechung des Sauer’schen Buches über das Athener Hephaisteion erstmals die beiden Köpfe in Kassel (K I 1) und im Vatikan (K I 2), aufgesetzt auf einen Körper vom Typus VatikanTokyo (VT II 1), an473. Auch er hielt Kopf und Körper für eine Wiedergabe des Hephaisteionkultbildes474. Obwohl sich an der Identifikation des Typus Ostia-Cherchel mit dem Hephaisteionkultbild bereits früh die Geister schieden und sich die Aufmerksamkeit dadurch auf diesen Athenatypus richtete475, wurde an der Zugehörigkeit des Kopfes zum Typus kaum gezweifelt. Sowohl Reisch als auch Sauer bezeichnen den Kopf mit Amelung ausdrücklich als zugehörig476, und auch Hekler und Buschor, die die Zuweisung an das Hephaisteion ablehnen und den Typus Ostia-Cherchel in das 4. Jh. datieren möchten477, ziehen die Zugehörigkeit des Kopfes nicht in Zweifel. Einzig Langlotz schien in seinen 1952 publizierten Alkamenesproblemen nicht ganz sicher zu sein, ob der Kopf der Pariser Statue (OC III 1) zugehörig ist478. Er weist auf etwas hin, das bereits 1915 von M. Bieber bemerkt worden war: Die Ähnlichkeit des Kopftypus mit dem der Athena Velletri479. M. Bieber äußert an anderer Stelle zum ersten Mal indirekt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kopfes im Louvre (K I 3) und gibt damit einen unbeabsichtigten Hinweis darauf, daß er nicht zugehörig sein könnte480. Sie gibt nämlich zu bedenken, der Kopf der Statue in Cherchel sei geradeaus gerichtet gewesen, die Halsmuskulatur des Kassler Kopfes hingegen weise eindeutig auf eine Kopfwendung nach links unten hin. M. Bieber gibt aber die Verbindung zwischen Kopf- und Körpertypus trotzdem nicht auf, sondern bezeichnet die von der Frontalen abweichende Ausrichtung des Kopfes als „Variation“481. Dieses Argument greift ein Dreivierteljahrhundert später C. Landwehr auf. Sie erweitert den Befund auf die Repliken im Vatikan (OC I 4) und in der Villa Borghese (OC I 2) und folgert aus der Evidenz dieser Repliken, der zugehörige Kopftypus sei streng nach vorn gerichtet gewesen482. Dabei bleibt es jedoch - auch C. Landwehr bezeichnet den Kopf im Louvre (K I 3) nicht als fremd, sondern zieht keine Konsequenz aus dessen abweichender Kopfwendung. M. Durry machte sich 1937 als einziger Gedanken über die seiner Ansicht nach doch recht verwirrende Unklarheit bezüglich des Kopftypus der Athena OstiaCherchel483. Auch er bietet jedoch keine Lösung an, sondern beläßt es bei der Aufzählung der von Amelung, E. A. Gardner und L. Kjellberg vorgeschlagenen Köpfe. E. A. Gardner veröffentlichte einen Kopf aus der Sammlung Disney als zum Typus Ostia-Cherchel zugehörig, bei dem es sich allerdings allem Anschein
472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483
Vgl. S. 93 ff. W. Amelung, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum III, 1900, 1ff. Taf. II. Amelung a. O. 13 f. Vgl. S. 93 ff. Reisch, ÖJh 1898, 72 f.; B. Sauer, Das sogenannte Theseion und sein plastischer Schmuck (1899) 241, 246. Vgl. S. 93 ff. E. Langlotz, Alkamenes-Probleme. 108. BWPr (1952) 9. M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Kassel (1915) 15. Zur Athena Velletri vgl. Anm. 62. M. Bieber, JdI 29, 1914, Sp. 17 f. Ebenda. C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik. Weibliche Figuren benannt (ArchForsch 18, 1993) 46. M. Durry, Annales de l’école des hautes études de Gand I. Études d’archéologie romaine (1937) 121.
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nach um einen Kopf vom Typus Vescovali handelt484. L. Kjellberg stellt einen Kopf vor, der sich auf einem Körper des Typus Ince in Stockholm (K II 1; auf In II 7) befindet, und weist ihn dem Typus Ostia-Cherchel zu485. Obwohl W. Amelung eine Angliederung dieses Kopfes ablehnt486, handelt es sich offenbar tatsächlich um eine Variante des Kopftypus Kassel.
Analyse und Datierung Amelung, der wegen der Zuweisung des Athenatypus an das Hephaisteion einer Datierung des Typus in das späte 5. Jh. anhängt, beobachtet am Kopf in Stockholm (K 4) Züge des 4. Jhs.487 Tatsächlich betont die antoninisch erscheinende Kopfreplik spätklassische Eigenarten wie den dreieckigen Gesichtsschnitt mit schmalem Kinn und breiter Stirn, das zarte Karnat, den schmalen, kleinen, leicht geöffneten Mund mit weichen Lippen, die mandelförmigen Augen und die mädchenhafte Zartheit in übertriebener Weise. Die anderen Köpfe sind darin zurückhaltender; zu den spätklassischen Zügen gesellt sich an ihnen eine gewisse Strenge und Herbheit, die der Kopf in Stockholm (K 4) vermissen läßt. Die Kombination von Mädchenhaftigkeit und Strenge, die diesen Kopftypus kennzeichnet, ist also eigentlich eine Kombination von Merkmalen hochklassischer Athenadarstellungen mit solchen spätklassischer Darstellungen. So verwundert es nicht, daß die Ähnlichkeit zum Kopf der Athena Velletri von verschiedener Seite geäußert wurde488. Bei genauerem Hinsehen geht die Übereinstimmung mit der Athena Velletri bis in Details. Sie beginnt mit der Kopfhaltung, setzt sich in der Klarheit der Gesichtszüge und in der Gestaltung der Augen und des volllippigen Mundes fort und endet in der Aufteilung des Schläfenhaares: Auch die Kopfrepliken der Athena Velletri zeigen an der rechten Schläfe streng parallel nach hinten führende Lockensträhnen, während die linke Seite etwas aufgelockerter und lebendiger ist489. Die Gestaltung der Haarsträhnen am Kopftypus Kassel ist allerdings deutlich spätklassisch - in ihrer Struktur gehen sie über die noch an die Hochklassik angelehnte Haarsträhnengestaltung der Athenen Ince und Rospigliosi hinaus und ähneln bereits den schmalen, weichen Lockensträhnen der Athena Vescovali. Der Athenakopf Kassel könnte also fast als spätklassische Transformation der Athena Velletri ins Kleinformatige bezeichnet werden. Das Gesicht ist insgesamt zarter, der Kontur schmaler als an der kolossalen, herben Velletri. Dennoch ist die Verwandtschaft der Typen frappierend und kann, da sie den Rahmen allgemeiner Ähnlichkeiten in der Ikonographie der Athenaköpfe überschreitet, kaum Zufall sein, sondern wird in irgendeiner Weise interpretiert werden müssen. Einen ganz ähnlichen Fall bietet der bereits im Zusammenhang mit dem Typus New York behandelte Basler Athenakopf , der angeblich dem Typus Velletri zugehören sollte. Hier führten nicht recht erklärbare stilistische und typologische Inkongruenzen zu Zweifeln an der Echtheit des Kopfes490. Wenn man also überhaupt noch davon ausgeht, daß es sich beim Kopftypus Kassel um einen antiken Kopftypus handelt, würden die bereits genannten Eigenarten und nicht zuletzt das kleine 484 485 486 487 488 489 490
E. A. Gardner, JHS 19, 1899, 1ff. Taf. I; vgl. Ve V 8. L. Kjellberg, RM 14, 1899, 114 ff. Taf. VI. Amelung a. O. (Anm. 473) 16. a. O. 16. S. Anm. 478 und 479. Auch Verf.in drängte sich die Ähnlichkeit zur Athena Velletri so sehr auf, daß der Arbeitstitel für den Kopftypus „Kleine Velletri“ lautete. Zur Athena Velletri vgl. Anm. 62. S. S. 47 f.
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Format den Kopftypus Kassel zunächst einmal in das 4. Jh. verweisen. Die ruhige Ausstrahlung und das unbewegte Gesicht warnen von vornherein vor einem zu späten Ansatz. Auch die erwähnte nur geringfügig aufgelockerte Gestaltung des in breite Strähnen aufgeteilten Haares auf der rechten Seite paßt besser in die erste Hälfte des 4. Jhs. Das linke Schläfenhaar hingegen erwies sich als freier gestaltet und zeigte in der Qualität der Haarsträhnen eine Verbindung zur Haaranlage der spätklassischen Athena Vescovali - eine Beobachtung, die, wenn das beobachtete Merkmal nicht klassizistisch oder eben modern nachempfunden ist, wiederum als Hinweis auf eine nicht zu frühe Entstehung verstanden werden kann. Die Grabreliefchronologie, die sonst als grobes Raster zur Einordnung von Statuen dienen kann, ist wegen der kleinen Formate der Köpfe im einzelnen nur begrenzt hilfreich491. Die Entwicklung der Köpfe auf Grabreliefs verläuft jedoch verhältnismäßig analog zur Entwicklung der Figuren und läßt sich ganz grob in drei Stufen gliedern: In die noch in der Folge der Köpfe am Parthenonfries stehenden, fast zweidimensionalen Reliefköpfe der Zeit um 400 und danach492, dann zur Mitte des Jahrhunderts hin die sich stärker plastisch abhebenden, massiveren, großflächigeren Köpfe493 sowie die teilweise fast vollplastischen, schmalen und spitzer werdenden Köpfe des späten 4. Jhs. mit den häufig tief verschatteten Augen494. In der Reihe dieser Stücke paßt sich der Athenakopf am besten kurz vor der mittleren Gruppe ein. Seine Formen sind klar und klassisch geprägt, die ruhige Flächigkeit der ersten Grabreliefs klingt noch nach, aber die Züge werden bereits voller und ausgeprägter. Die Augen sind nicht verschattet, das Orbital ist schmal und gerade, die Nasenwurzel ist nicht so betont wie bei den Gesichtern der späten Reliefs. Konkrete Vergleichsbeispiele bilden die Köpfe des Reiterreliefs im Moskauer Puschkinmuseum, das sich bereits als Vergleich für die Athena Rospigliosi heranziehen ließ495, und die Stele der Polyxena496, zwischen denen der Kopftypus Kassel sich in etwa einordnen ließe. Die peloponnesische Bauplastik bietet einige vergleichbare Köpfe aus der ersten Häfte des 4. Jhs. Der Kopf einer der Auren und ein weiterer weiblicher Kopf vom Asklepiostempel in Epidauros, die der ersten Gruppe der Grabreliefs verwandt sind, lassen sich aus dieser Ähnlichkeit heraus neben den Athenakopf stellen497. Die Verwandtheit reicht von der Haargestaltung über die flache Anlage der Sinnesorgane bis zum Kontur und zur trotz der Bewegung gemessen verhaltenen 491
492
493
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495 496 497
K. Braun, Untersuchung zur Stilgeschichte bärtiger Köpfe auf attischen Grabreliefs (1966) kommt leider ohne Abbildungen aus. Bei Clairmont sind nur wenige Köpfe einzeln abgebildet; diese Lücke schließt inzwischen hingegen J. Bergemann, Demos und Thanatos (1997). Aus der m. E. nicht immer stimmigen Chronologie Diepolders (s. S. 64; 101) vgl. die Katzenstele, Diepolder Taf. 6, Clairmont I 396 ff. 1. 550; das Grabrelief der Phainarete, Diepolder Taf. 17, Clairmont II 160 f. 2. 220; das der Hegeso, Diepolder Taf. 20, Clairmont II 95 ff. 2. 150; und das des Ktesileos und der Theano, Diepolder Taf. 22, Clairmont II 139 f. 2. 206, Himmelmann, Grabreliefs 34 Abb. 11. Vgl. das Relief Diepolder 31 Taf. 26, Clairmont II 245 f. 2. 300, Stewart, Greek Sculpture 478, das m. E. nicht, wie Diepolder angibt, in den Beginn des 4. Jhs., sondern eher zur Jahrhundertmitte hin eingeordnet werden muß, d. h. in die Reihe der Polyxena, Diepolder Taf. 40, Clairmont II 729 f. 2. 850, und der Ameinoklea, Diepolder Taf. 41, Clairmont III 229 f. 3. 370. Beginnend an der sog. Begrüßungsstele Diepolder Taf. 47, Clairmont III 397 f. 3. 461, Stewart, Greek Sculpture 516, N. Himmelmann, Studien zum Ilissosrelief (1957) Taf. 21, und am Grabrelief für Thraseas und Euandria, Diepolder Taf. 44, Clairmont III 332 f. 3. 419, Stewart, Greek Sculpture 515, A. Scholl, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 184 f. 77; fortgesetzt am Stelenfragment Diepolder Taf. 52. 2, Clairmont IV 389 f. 3. 457, und natürlich an der Stele für Hieron und Lysippe, Diepolder Taf. 54, Clairmont II 399 ff. 2. 480, Stewart, Greek Sculpture 586587. Vgl. Anm. 335. S. o. Anm. 493. N. Yalouris, AntPl 21 (1992), 32 f. 27 Taf. 29. 31; 45. 44 A Taf. 52.
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Kopfbewegung. Die etwas älteren Köpfe des Heraion von Argos sind als Gradmesser für die Bindung des Athenakopfes an das späte 5. Jh. nützlich498. Im Bereich der Großplastik stammen die brauchbarsten Vergleiche ebenfalls aus der Zeit kurz vor der Jahrhundertmitte. War der Kopf der in etwa gleichzeitig mit den Heraionköpfen entstandenen Venus Genetrix noch breit angelegt und von hochklassischer Schwere499, so steht der Athenakopf eher auf der Stufe des Kopfes der Aphrodite Arles, mit dem er ausgesprochen verwandt ist500. Unter den Werken praxitelischen Umfelds bietet ferner der Kopf des Jünglings von Marathon einen guten Vergleich501. Weicher Kontur und weiches Karnat, Augenbildung und Haarbildung sind so ähnlich, daß man den Athenakopf ebenfalls in die Reihe praxitelisch anmutender Werke aufnehmen möchte. Der Bronzekopf beweist außerdem, daß der Athenakopf ebenfalls auf ein Bronzeoriginal zurückgeht. Dies zeigt sich sowohl an den kantigen Lidern des Kasslers Kopfes (K I 1) als auch besonders am Kopf im Louvre (K I 3), an dem das teilweise weich eingedellte Karnat, die Augenbildung, aber vor allem auch der Mund ganz genau mit den entsprechenden Bestandteilen am Kopf des Marathonjünglings übereinstimmen. Die Venus Colonna als Replik der Knidia502 und die Artemis von Gabi503, beides angeblich praxitelische Werke, gehen in bezug auf ihre Köpfe hingegen schon mit der genannten dritten Stufe der Grabreliefs konform: Ihre Gesichter sind schmal und laufen am Kinn und im Profil zur Gesichtsmitte hin spitz zu; Augen und Nasenwurzel bilden kontrastreich verschattete Gegensätze. Dieser Gegensatz findet sich ebenfalls schon am um 350 entstandenen bärtigen Kopf vom Mausoleum von Halikarnaß in London, der so fast als - wenn auch nur relativer - terminus ante für den Athenakopf dienen könnte504. Seine Haarbildung und seine frontale Strenge sind zwei unterschiedliche Elemente, die ihn mit der Athena verbinden. Einen genaueren Anhaltspunkt für den Kopftypus Kassel bildet jedoch der Kopf der wahrscheinlich um 370 datierten Eirene des Kephisodot505. Die Verwandtschaft ist augenfällig, sodaß eine Beschreibung sich erübrigt, zumal die Elemente, auf die es dabei ankommt, bereits öfter genannt wurden. Wenn zuvor die Ähnlichkeit des Athenakopfes zu praxitelischen Werken festgelegt wurde, so ist die Übereinstimmung mit dem Kopf der Eirene in jeder Hinsicht groß. Wenn also die bisher bekannten Konstruktionen stimmen und die Eirene tatsächlich als Werk des Vaters des Praxiteles gelten kann - und wenn der Athenakopftypus antik ist, - könnte die Athena womöglich als Werk desselben Künstlers gelten. Vielleicht erklärt sich so auch die Ähnlichkeit zur Athena Velletri, die ja wahrscheinlich auch aus einer bekannten attischen Künstlerwerkstatt stammt. Der Athenakopf Kassel würde sich jedenfalls am ehesten als Kopf eines attischen Werkes der Zeit um 360 einordnen lassen.
498 499 500 501 502
503 504 505
Stewart, Greek Sculpture 444-446; C. Waldstein, The Argive Heraeum I-II (1902-5); G. Donnay, AntCl 34, 1965, 448 ff.; C. Pfaff, The Classical Temple of Hera at the Argive Heraion (1985). Zur Venus Genetrix vgl. Anm. 353.. S. Anm. 364. Stewart, Greek Sculpture 497, 499; C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture (1987) 236 ff. Abb. 14. 1-9. Rizzo, Prassitele Taf. LXXIII-LXXIV; C. Mitchell Havelock, The Aphrodite of Knidos and her Successors (1995) Abb. 1; A. Ajootian, in: Palagia - Pollitt, Personal Styles 98 ff.; A. Corso, in: I. Jenkins - G. B. Waywell, Sculptors and Sculpture of Caria and the Dodecanese (1997) 91 ff. Zur knidischen Aphrodite vgl. außerdem Anm. 687. Zur Artemis v. Gabii vgl. Anm. 690. Stewart, Greek Sculpture 526; Waywell, Freestanding Sculpture 115 f. 45 Taf. 20. 45; E. Buschor, Maussollos und Alexander (1950) Abb. 9-10. Zur Eirene vgl. Anm. 561; Stewart, Greek Sculpture 486-487; Todisco, Scultura Greca 96.
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In etwa dieselbe Zeit konnte die Athena Rospigliosi datiert werden506. So lag es nahe, die beiden Kopftypen nebeneinanderzustellen. Sie sind sich tatsächlich sehr ähnlich. Eine vorübergehende Ungewißheit, ob der sozusagen vagabundierende Kopftypus Kassel nicht sogar mit dem Kopf der Athena Rospigliosi identisch sein könne, konnte jedoch ausgeräumt werden: Der Charakter der Köpfe ist letztlich doch unterschiedlich, und der leicht nach unten gerichtete Blick des Typus Kassel scheint belegt zu sein und steht der seitwärts geradeaus aufgerichteten Kopfhaltung des Typus Rospigliosi gegenüber507. Vom Format her sind die Kopftypen fast gleich, wobei der Typus Rospigliosi fast noch als lebensgroß gelten kann, während die zierlich und fast maniriert wirkenden Köpfe des Typus Kassel stets leicht unterlebensgroßen Figuren aufgesetzt wurden. Ein zugehörige Statuentypus zum Kopftypus Kassel ist bisher nicht bekannt - angesichts der relativ guten Kopfüberlieferung ein eigenartiger Fall. So muß schließlich die letzte Klärung darüber ausbleiben, ob es sich etwa doch um einen neuzeitlich geschaffenen Typus handelt. Befremdlich ist schließlich auch der an allen Vertretern des Typus sichtbare, merkwürdige glatte Schnitt in Kinnhöhe, der darauf hindeuten könnte, daß es sich nicht um Einsatzköpfe, sondern um angearbeitete Köpfe gehandelt hat.
506 507
S. S. 62 ff. Vgl. S. 78.
TYPUS OSTIA-CHERCHEL
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5. Typus Ostia-Cherchel Eng verknüpft mit der lange vertretenen Zuweisung an das Athener Hephaisteion ist ein weiterer Problemfall aus der spät- und nachklassischen Athenaikonographie: der Athenatypus Ostia-Cherchel. Innerhalb der Diskussion, in der der Typus als Standbild für die von Pausanias beschriebene Kultbildgruppe von Athena und Hephaistos des Alkamenes im Hephaisteion an der Athener Agora in Anspruch genommen wird, erhielt der Typus die Bezeichnung „Typus HephaisteiaCherchel“. Diese Zuweisung, der dann die Athena Velletri Konkurrenz machte508, ist unterschiedlich aufgenommen worden, wird heute aber eher abgelehnt509. Da die herkömmliche Typenbezeichnung jedoch auf die Zuweisung an das Hephaisteion zurückgeht - die Variante in Cherchel (OC III 2) zeigt eine Akanthusstütze, die aufgrund einer Äußerung in den Quellen als Hinweis auf die Aufstellung im Hephaisteion ausgewertet wurde -, müßte man den Typus heute eigentlich umbenennen. Um Verwirrung zu vermeiden, schien es aber ratsam, trotz der Benennung nach einer Variante einen Teil der ursprünglichen Typusbezeichnung beizubehalten und nur das Epitheton Hephaisteia durch den Standort der qualitätvollen Replik in Ostia (OC I 1) zu ersetzen510. Auch dieser Athenatypus wirkt eher statuettenhaft und zierlich, wenn seine geringe Größe auch, wie zu zeigen sein wird, nicht inhaltlich begründet ist wie beim Typus Rospigliosi und der Typus sich bereits auf einer anderen Entwicklungsstufe innerhalb der Athenaikonographie befindet. Genauso unklar, wenn auch noch nicht so kontrovers diskutiert wie beim Typus Rospigliosi, ist die Datierung des zugrundeliegenden Originals. Stilistische Analysen sind bisher kaum unabhängig von der Hephaisteion-Zuweisung vorgenommen worden.
Forschungsstand und Hephaisteionzuweisung Zum ersten Mal wurde der Typus - noch unabhängig von der Hephaisteionproblematik - durch E. Petersen erwähnt, der einige Statuen des Palazzo Rospigliosi behandelte und der dortigen Replik (OC I 5) bereits zwei weitere Exemplare angliedern konnte511. 1898 machte Reisch den Typus durch die Zuweisung an die Kultbildgruppe des Tempels bekannt512. Er schließt an die Variante in Cherchel (OC III 2) drei weitere Repliken an513 und bezeichnet die Variante im Louvre (OC III 1) als zeitgenössische Umbildung des Typus. Als vom Typus Cherchel abhängig gilt ihm weiterhin eine Reihe vom Gewandtypus her völlig unter-
508 509 510
511 512
513
E. B. Harrison, AJA 81, 1977, 134 ff. S. u. S. 93 ff. So auch A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. (1974) 17 Anm. 52 und C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik. Weibliche Figuren benannt (Arch. Forsch. 18, 1993) 47. E. Petersen, RM 5, 1890, 67 ff. Petersen zählt bereits die Repliken Vatikan, Galleria Chiaramonti (OC I 4) und Rom, Villa Borghese (OC I 2) auf. Reisch, ÖJh 1898, 55 ff. Reisch hatte dem Hephaisteion 1893 zunächst die Figur mit dem aufgesetzten VescovaliKopf in der Villa Borghese (Ve V 1) zugeschrieben, Eranos Vindobonensis 1893, 21. Wohl unter anderem auf die Ablehnung Furtwänglers hin, Meisterwerke (1893) 742, distanzierte er sich jedoch wieder von diesem Vorschlag, a. O. (1898) 55, stufte die Replik in der Villa Borghese, Furtwänglers Argumentation aufgreifend, jedoch noch immer als in praxitelischem Stil gehaltene Umbildung des Typus Cherchel ein, a. O. 74 ff. Abb. 36. Reisch a. O. 69 ff.; die Liste umfaßt die Variante im Louvre (OC III 1), Museo Chiaramonti (OC I 4), Palazzo Rospigliosi (OC I 5) und Villa Borghese (OC I 2).
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schiedlicher Athenen mit Schrägaigis514. B. Sauer greift die Gedanken Reischs in seiner ein Jahr später erschienenen Monographie über das Hephaisteion auf515. Er entwirft ein kompliziertes Schema aus fünf in unterschiedlicher Weise vom Urtypus und voneinander abhängigen Überlieferungsgruppen und überschreitet dabei wie Reisch den typologischen Rahmen. Wie Reisch geht er von der Variante Cherchel (OC III 2) als seiner Ansicht nach bestem Zeugnis aus. In einer zweiten Gruppe faßt er die schildlosen Repliken mit in die Hüfte gestütztem linkem Arm zusammen, die er ebenfalls wie Reisch als Variante betrachtet, und schließt die Variante im Louvre (OC III 1) als Kopie eines neuattischen eklektischen Originals daran an516. Die Zuweisungen Reischs und Sauers an Alkamenes und an das Hephaisteion sind in der Folgezeit unterschiedlich aufgenommen worden. L. Kjellberg befürwortete sie bereits im Erscheinungsjahr von Sauers Untersuchung und befaßte sich mit dem von ihm und später auch von anderen Forschern als zugehörig erachteten Kopftypus (K I 3)517, den die Statue im Louvre (OC III 1) zeigt518. W. Amelung, der Sauers Werk ein Jahr später rezensierte, stimmt grundsätzlich zu, gibt aber der Rekonstruktion der Kultbildgruppe durch E. Reisch den Vorzug, da diese sich mit der Kopfhaltung der Athena des Louvre vereinbaren läßt519. Die Figur im Louvre (OC III 1) ist auch der Ausgangspunkt E. A. Gardners, der in einem recht künstlichen Brückenschlag vom Kopf der Louvre-Athena und seiner Ähnlichkeit zu einer angeblichen RospigliosiKopfreplik zu der absonderlichen Lösung gelangt, die Athena Rospigliosi als Kultstatue der Hephaisteionkultgruppe vorzuschlagen520. Während Gardner den Typus Ostia-Cherchel kaum als solchen gewürdigt hat und auch P. Gauckler in seiner Publikation der Replik Cherchel 1895 anstelle von Repliken relativ wahllos anmutende Parallelen anführt521, befaßt sich die Literatur der Folgezeit wieder vermehrt mit der Aufstellung von Replikenreihen. M. Bieber, die dem Kopf der Figur im Louvre (OC III 1) eine Wiederholung in Kassel (K I 1) anschließt, zählt drei bereits bei Reisch und Sauer genannte Repliken auf, allerdings nicht ohne wie Gauckler eine Reihe von entfernt vergleichbaren Athenadarstellungen hinzuzufügen, die mit dem Typus Cherchel aus heutiger Sicht wenig zu tun haben522. Hier tritt, wie schon bei L. Kjellberg, die Zuordnung eines Kopftypus bzw. die Frage der Zugehörigkeit des Kopfes der Athena im Louvre (OC III 1) in den Vordergrund. Die Figur im Louvre selbst bezeichnet M. Bieber im Sinne der vorausgegangenen Forschung als Umbildung eines durch die Replik Cherchel gut überlieferten Typus. Anders urteilt E. Buschor523. In einer kurzen Studie über Varianten zieht er ohne Nennung von Repliken den Typus Ostia-Cherchel heran und bezeichnet die Athena im Louvre ohne nähere Begründung als Originalversion, alle anderen Versionen aber als Varianten. Auch in der Datierung des Originals vertritt Buschor eine abweichende Meinung, indem er es um 380 v. Chr. ansetzt. Mit einer Datierung in das fortgeschrittene 4. Jh. hatte bereits 12 Jahre vor Buschor A. Hekler versucht, die Zuschreibung an das Hephaisteion auszuschließen524. Während 514
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Reisch a. O. 73 ff.; er erwähnt die hier in anderem Zusammenhang behandelten Exemplare Liverpool (vgl. hier S. 239 4.1) und Newby Hall (vgl. hier S. 203), die Athena Mattei im Louvre (hier S. 184.2), die Athena im Typus der Dresdner Artemis in der Villa Borghese (hier S. 243.3) sowie ein Relief aus Epidauros. B. Sauer, Das sogenannte Theseion und sein plastischer Schmuck (1899). Sauer a. O. 241 ff.; vom Typus Ostia-Cherchel erscheinen die Variante Cherchel (OC III 2) und die Repliken Museo Chiaramonti (OC I 4), Palazzo Rospigliosi (OC I 5), Villa Borghese (OC I 2) und Louvre (OC III 1). Für alle aufgeführten Stücke benutzt Sauer den Oberbegriff „Familie“. L. Kjellberg, RM 14, 1899, 114 ff. Taf. VI. S. S. 87. Amelung a. O. (Anm. 473) 1 ff. E. A. Gardner, JHS 19, 1899, 1 ff. Taf. I; vgl. Anm. 484. M.-R. de la Blanche``re (Hrsg.), Muse´´es et collections arche´´ologiques de l'Algerie et de la Tunisie IV. P. Gauckler, Muse´´e de Cherchel (1895) 139 f. 3 Taf. XVII. M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Kassel (1915) 15 f. 13 Taf. XIX. Die Aufstellung M. Biebers enthält die Repliken Museo Chiaramonti (OC I 4), Villa Borghese (OC I 2) und Palazzo Rospigliosi (OC I 5). E. Buschor, in: Antike Plastik. Festschrift W. Amelung (1928) 55 f. A. Hekler, Rez. zu C. H. Weller, Athens and its Monuments (1913), Berl. Phil. Wochenschr. 36, 1916, 1367 ff.
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Buschor seine Datierung unbegründet ließ, hatte Hekler die erste stilistische Analyse des dem Typus OstiaCherchel zugrundeliegenden Originals unternommen. Anhand von Rundplastik und Reliefs skizziert er die Entwicklung der Entfernung vom klassischen Stil im 4. Jh. und versetzt das Vorbild mit ausführlicher Begründung ins 2. Viertel des 4. Jhs. Auch G. Lippold spricht sich 1923 gegen die Hephaisteionthese und für eine Datierung in den Anfang des 4. Jhs. aus525. Die Repliken mit eingestütztem Arm folgen seiner Ansicht nach der getreuesten Überlieferung. 1950 wiederholt er diese Ansicht und erklärt das Exemplar in Cherchel (OC III 2) für eine Variante, die Wiederholung im Louvre (OC III 1) für eine Umbildung526. Die Loslösung von der Hephaisteionproblematik, mit der bezeichnenderweise immer eine spätere Datierung des Typus einhergeht, hat sich in der nachfolgenden Forschung zunächst nicht durchgesetzt. C. Walston befaßt sich 1926 ausführlich mit der Zuschreibung des Typus Ostia-Cherchel an das Hephaisteion und übernimmt die Zuweisung ohne kritische Diskussion527. In den dreißiger Jahren sprechen sich G. Becatti528, N. Durry529 und C. Picard530 abermals für die Zuweisung aus, wobei Picard das Hephaisteion nicht im erhaltenen Tempel oberhalb der Agora sehen möchte. Erst in den Vierziger- und Fünfzigerjahren mehren sich die Stimmen gegen eine Hephaisteion-Zuweisung. Picard befaßt sich 1951 noch einmal ausführlich mit dem Typus und gliedert ihm außer den bekannten Kopien zwei Athenen mit Schrägaigis in Istanbul an531. K. Schefold steht 1949 am Anfang der Reihe derer, die sich gegen eine Zuweisung an Alkamenes und das Hephaisteion wenden, indem er die Athena für ein Exemplar des Schlichten Stils erklärt. Seine Konstruktion, sie dann aufgrund des Akanthusbüschels doch für die Kopie eines im Hephaisteion aufgestellten, am Kultbild orientierten Weihgeschenkes zu halten, klingt allerdings wenig überzeugend532. Langlotz bezieht sich 1952 auf den bereits angeführten Beitrag Buschors und dessen Datierung der Figur in das frühe 4. Jh. und hält den Typus für peloponnesisch533; der Kopf der Variante im Louvre ist für ihn wahrscheinlich, aber nicht sicher zugehörig. Ihm schließt sich später B. Schlörb an534. S. Karouzou kehrt dagegen Mitte der Fünfziger Jahre wieder zur Theorie Reischs und Sauers zurück und möchte an der Hephaisteion-Zuschreibung festhalten535. Auch W. Fuchs folgt in den Sechziger Jahren wieder der alten Meinung; Züge des 4. Jhs. betrachtet er als Änderung des Kopisten536. In den Siebziger Jahren folgt eine Reihe erneuter Stellungnahmen. Nach den Listen G. B. Waywells gehört der Typus Ostia-Cherchel wieder in das späte 5. Jh.; die Replikenliste umfaßt 8 Exemplare537. A. Delivorrias bezieht nicht aus stilistischen, sondern aus Gründen der Komposition gegen die Zuweisung an das Hephaisteion Stellung538. F. Hiller datiert den Typus 1971 aus stilistischen Erwägun525 526 527 528
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Lippold, Kopien und Umbildungen 74 f. 251 Anm. 24. Lippold, Plastik 265 mit Anm. 4. Walston, Alcamenes 180 ff. Abb. 152-156. Walston stellt die Exemplare Cherchel (OC III 2) und Louvre (OC III 1) als Repliken vor. G. Becatti, Critica d'Arte IV, 1939, 74 f. Taf. 29 Abb. 33, 34. Becatti publiziert in diesem Rahmen die Replik in Ostia (OC I 1) und nennt des weiteren die Variante in Cherchel (OC III 2) und die Replik im Museo Chiaramonti (OC I 4). M. Durry, Annales de l'école des hautes études de Gand I. Études d'archéologie romaine (1937) 121 Taf. X. C. Picard, CRAI 1938, 394 ff., ausgehend von der Variante in Cherchel (OC III 2). C. Picard, Miscellanea G. Galbati 1 (1951) 19 ff. Zu den Athenen vgl. S. 232 ff. K. Schefold, Orient, Hellas und Rom in der archäologischen Forschung seit 1939 (1949) 122. E. Langlotz, Alkamenes-Probleme. 108. BWPr (1952) 9 ff. B. Schlörb, Untersuchungen zur Bildhauergeneration nach Phidias (1964) 28 Anm. 10. S. Papaspyridi-Karouzou, AM 69-70, 1954-55, 77 ff. Beil. 33. 1. W. Fuchs in: Helbig4 I (1963) 288 f. 377 und Helbig4 IV (1972) 32 f. 3023. Erwähnt werden die Repliken Ostia (OC I 1), Museo Chiaramonti (OC I 4) und die Varianten in Cherchel (OC III 2) und im Louvre (OC III 1), wobei die Replik Ostia als getreueste gilt. Waywell, BSA 1971, 377, 381 Athena Hephaisteia. Genannt werden die Repliken Vatikan, Museo Chiaramonti (OC I 4), Palazzo Rospigliosi (OC I 5), Villa Borghese (OC I 2), Ostia (OC I 1, als beste Kopie) sowie die Varianten Cherchel (OC III 2) und Louvre (OC III 1). A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. (1974) 17 Anm. 52; ders., in: Kernos, Festschrift G. Bakalakis (1972) 27 Taf. 12. 3. In den Akten des Berliner Kongresses von 1985 (1986) über Archaische
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gen parallel zur Eirene des Kephisodot539. Diesem Urteil, das P. Arndt mit demselben zugrundegelegten Vergleich bereits 1925 gefällt hatte540, schließt sich E. B. Harrison in ihrer ausführlichen Untersuchung über die Skulpturen des Hephaisteions, dem sie als Kultbild die Athena Velletri zuschreibt, an541. M. Bieber weicht auch 60 Jahre nach ihrer ersten Stellungnahme im Kassler Katalog nicht von der Zuschreibung ab und kann die Zahl der Repliken und Varianten um eine weitere Replik erweitern542. 25 Jahre nach Langlotz widmet W. H. Schuchardt Alkamenes eine Einzeluntersuchung. Wenn er den Typus Ostia-Cherchel in diesem Zusammenhang erwähnt, so um letztlich die Berechtigung seiner Zuweisung an das Hephaisteion zu unterstreichen. Da seine stilistische Einordnung jedoch zu erheblichen Unterschieden gegenüber dem späten 5. Jh. und anderen Alkamenes-verdächtigen Werken führt, flüchtet Schuchardt sich in die Konstruktion, der Typus Ostia-Cherchel gehe zwar auf die Athena Hephaisteia zurück, wandle das Original jedoch in klassizistischer Manier ab543. Im Gedenken an Schuchardt verteidigt auch W. Fuchs 1978 erneut seinen alten Standpunkt der Zuschreibung544, während E. Sismondo Ridgway 1981 die Datierung ins 4. Jh. vertritt545. Das Hin und Her der Literatur beendet 1993 C. Landwehr546. Im Rahmen ihrer Beschäftigung mit den Skulpturen von Cherchel befaßt sie sich ausführlich mit dem dortigen Exemplar, das die gesamte Hephaisteiondiskussion ausgelöst hat, und kommt zu der auch hier vertretenen Ansicht, in Cherchel liege eine Variante des Typus vor und keine getreue Kopie, womit auch das Akanthusblatt als Überlieferung nicht mehr wichtig genommen werden dürfe. Den aus der Literatur bekannten Wiedergaben konnte hier lediglich ein weiteres, allerdings nur als Fragment erhaltenes Exemplar (OC II 1) hinzugefügt werden.
Replikenliste Typus Ostia-Cherchel I. Statuen ohne Kopf: 1. Ostia
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und Klassische griechische Plastik kündigt er eine m. W. bislang nicht erschienene Monographie an, in der er den Athenatypus Ince dem Hephaisteion als Kultstatue zuweisen möchte (a. O. 151 Anm. 11; mit einer Übersicht über andere Zuweisungsvorschläge). Hiller, Formgeschichtl. Unters. 35, 63 Anm. 146, unter Nennung der Exemplare Cherchel (OC III 2) und Ostia (OC I 1). P. Arndt, Text zu EA, X (1925) 16 ff. 2766. E. B. Harrison, Alkamenes' Sculptures for the Hephaisteion I. The Cult Statues, AJA 81, 1977, 138, 145 f. Bieber, Ancient Copies 89 Taf. 62, 63 Abb. 372 - 385. Aufgezählt und abgebildet werden die Exemplare Louvre (OC III 1, als Variante), Museo Chiaramonti (OC I 4), Ostia (OC I 1) und Villa Borghese (OC I 2) sowie die Athenafigur mit dem Vescovali-Kopf in der Villa Borghese im Typus der Dresdner Artemis (Ve V 1) und eine Vescovali-Replik im Vatikan (Ve III 1). Hinzu kommt die Replik Turin, Kunstmarkt (OC I 6), deren aktueller Aufbewahrungsort nicht bekannt ist. Die Begriffe Variante, Adaption und Kopie werden hier in bezug auf die Repliken des Typus Ostia-Cherchel nicht deutlich genug auseinandergehalten. W. H. Schuchardt, Alkamenes. 126. BWPr (1977) 43 ff. Abb. 41-46, 59 f. Es erscheinen die Exemplare Cherchel (OC III 2), Ostia (OC I 1) und Museo Chiaramonti (OC I 4). Zusätzlich führt Schuchardt eine angebliche Replik in Arles an, die bereits von C. Picard erwähnt und von ihm so abgebildet wurde, daß der unterschiedliche Typus nicht erfaßbar wird, sondern das Augenmerk auf dem mit der Variante in Cherchel (OC III 2) übereinstimmenden Akanthusblatt an der linken Seite liegt, C. Picard, Miscellanea G. Galbati I (1951) 19 ff. Taf. 1 Abb. 2; vgl. auch C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik, Weibliche Figuren benannt (Arch. Forsch 18, 1993) 45 ff. 31. C. Landwehr erwähnt die Repliken Ostia (OC I 1), Lecce (OC I 3), Museo Chiaramonti (OC I 4), Villa Borghese (OC I 2), Palazzo Rospigliosi (OC I 5) und die Varianten Cherchel (OC III 2) und Louvre (OC III 1). W. Fuchs, Boreas 1, 1978, 32 ff. Taf. 7. 1-2, 8. 1; bes. 34 Anm. 13. Zum ersten Mal wird hier neben den Exemplaren Cherchel (OC III 2) und Ostia (OC I 1) auch die Replik in Lecce (OC I 3) wieder mit aufgeführt. B. S. Ridgway, Fifth-Century Styles in Greek Sculpture (1981) 176 Anm. 33. C. Landwehr a. O. (Anm. 543). Sie erwähnt die Repliken Ostia (OC I 1), Lecce (OC I 3), Museo Chiaramonti (OC I 4), Villa Borghese (OC I 2), Palazzo Rospigliosi (OC I 5), sowie die Varianten Cherchel (OC III 2) und Louvre (OC III 1).
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2. Rom, Galleria Borghese 3. Lecce, Museo Provinciale Sigismondo Castromediano 4. Vatikan, Galleria Chiaramonti 5. Rom, Palazzo Rospigliosi, Casino Aurora 6. Turin, 1977 Kunstmarkt II. Fragment: 1. Korinth III. Varianten: 1. Paris, Louvre 2. Cherchel 3. Skopje 4. Oxford, Ashmolean Mus. 5. Bodrum, Mus. 6269 Ganzfigurige Repliken sind nicht vorhanden; vielleicht ist der zugehörige Kopftypus in einem zerschlagenen Kopf überliefert, der auf der alten Aufnahme neben der Replik im Palazzo Rospigliosi (OC I 5) lag und bisher noch nicht in Augenschein genommen werden konnte. Er scheint jedoch einen attischen Helm zu tragen und frontal ausgerichtet zu sein.
Rekonstruktion des Originals Das Original war mit etwas über 1. 50 m Höhe wohl knapp lebensgroß - ein Maß, das speziell für eine Athena wahrscheinlich sogar als leicht unterlebensgroß gelten muß547. Im Gegensatz zur Athena Rospigliosi ist die Weiblichkeit der Figur trotz ihres mädchenhaften Körpermaßes voll ausgebildet; die geringe Größe ist daher nicht inhaltlich, sondern stilgeschichtlich bedingt548. Die Figur trägt einen unter dem Apoptygma gegürteten, rechts offenen Peplos549. Die schmale, bandartige Aigis verläuft von der rechten Schulter diagonal zwischen den Brüsten herab bis zur linken Taille, wo sie sich geringfügig verbreitert, um anschließend über den Rücken wieder zur rechten Schulter zu führen. Das Gorgoneion ist im breiteren Abschnitt unterhalb der linken Brust angebracht. Standschema, Faltenführung und Aigis werden von den Repliken einheitlich übeliefert. Das Gewicht des Körpers lastet auf dem von Peplosfalten bedeckten rechten Bein; das Spielbein hingegen ist trotz des schweren Stoffes deutlich sichtbar. Der linke Unterschenkel ist schrittstandartig leicht zur Seite und nach hinten versetzt, sodaß die linke Sandalensohle zum Zehenballen hin gekippt ist. Der Ballen des linken Fußes ist folglich die Hauptverbindung zwischen
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Zu den Repliken liegen teilweise keine Maßangaben vor; wenn doch, dann wurden häufig Ergänzungen mitgemessen, sodaß eine gültige Größenangabe kaum zu gewinnen ist. Die antike Höhe ist lediglich bei den Repliken Villa Borghese (OC I 2) und Palazzo Rospigliosi (OC I 5) und bei der Variante in Cherchel (OC III 2) angegeben. Vgl. S. 244 ff. Geschlossen ist der Peplos der Varianten OC III 1 und OC III 2.
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Spielbeinfuß und Basis; die Ferse war ursprünglich angehoben550. Der verlorene Kopf war nach Aussage der Spuren des Nackenzopfendes an zwei Repliken frontal nach vorn gewandt551. Die Figur im Louvre (OC III 1) verbindet den hier Typus Kassel genannten Kopftypus (K I 3), der in mehreren Repliken überliefert ist, mit dem Körpertypus der Athena Ostia-Cherchel. Die Kopfhaltung widerspricht der Evidenz der anderen Körperüberlieferungen und erweist sich damit als rekonstruiert. Daß der Kopf aufgesetzt ist, läßt sich vor Ort verifizieren (vgl. Text zu OC III 1). Daß der Nackenzopf sich auf dem Rücken fortsetzt, ist kein Beleg dafür, daß er zugehörig ist, da der originale Verlauf des Zopfes wegen der starken Zerstörungen am Rücken nicht mehr nachvollziehbar ist. Zur vorgeschlagenen Rekonstruktion der Figur im Louvre (OC III 1) als Athena-Tyche paßt der Kopftypus mit korinthischem Helm ebenfalls nicht - eher wäre analog zu einem weiteren Fall ein attischer Helm mit Mauerkrone zu erwarten552. Ein Kopf vom selben Typus Kassel (K I 1) ist auch einer Replik des hellenistischen Athenatypus Vatikan-Tokyo (VT V 1) aufgesetzt worden553. Umgekehrt gehört ein Kopf mit attischem Helm, der sich auf der Replik im Museo Chiaramonti (OC I 4) befindet, allerdings zum Typus Vatikan-Tokyo (VT III 2). Die Replik im Palazzo Rospigliosi (OC I 5) hat ebenfalls einen beschädigten Kopf mit attischem Helm, der allerdings in der Literatur für modern gehalten wird554 und bisher noch nicht überprüft werden konnte555. Die Armhaltung kann folgendermaßen rekonstruiert werden: Der linke Oberarm war gesenkt; die linke Hand stützte sich unterhalb der Aigis in die Hüfte und liegt dort auf dem weichen Polster der seitlich herabfallenden Stoffschlaufe des Peplos auf556. Der rechte Arm war seitlich ausgestreckt und kann sich nur auf eine Lanze gestützt haben557. Dies sowie die Nackenzopffrisur lassen vermuten, daß zur Vervollständigung der Bewaffnung tatsächlich auch der Kopf behelmt war. Daß eine Lanze vorhanden war, beweist womöglich ein Punkt am rechten Rand der Basis der Replik Chiaramonti (OC I 4), die der antiken Profilierung nach vollständig erhalten ist. Die Faltenführung wird von den Repliken übereinstimmend überliefert. Ein charakteristisches Merkmal sind dabei zwei ineinanderliegende Bogenfalten am linken Oberschenkel, die an keiner Replik fehlen und auch an den beiden Varianten vorhanden sind558. Weiter typisch ist die bereits erwähnte Stoffschlaufe an der linken Hüfte. Aber auch die übrigen Faltenzüge sind festgelegt. 550
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Nur an der qualitätvollen Replik Ostia (OC I 1) ist die Hebung der linken Ferse von der Basis sichtbar. An den Repliken Lecce (OC I 3) und Museo Chiaramonti (OC I 4) steigt die Basis unter der Ferse an. Die Varianten Louvre (OC III 1) und Cherchel (OC III 2) setzen den linken Fuß mit voller Sohle auf. Der Nackenschopf der Replik Ostia (OC I 1) ist zusammen mit dem Kopf weggebrochen, aber seine Lage in der Rückenmitte ist anhand der Bruchspur noch erkennbar. Auch die Replik Rospigliosi (OC I 5) gibt die gleiche Lage des Nackenschopfes wieder. Vgl. auch C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik. Weibliche Figuren benannt (1993) 46. Vgl. Text zu OC III 1. Zur Tyche vgl. zuletzt L. Summerer - S. Atasoy, AA 2002, 247 ff. Vgl. S. 87; der zweite Fall in San Antonio (K I 5) ist wahrscheinlich insgesamt eine Fälschung. Reisch, ÖJh 1898, 70. C. Landwehr hält ihn nach schriftlicher Mitteilung - allerdings ebenfalls ohne Autopsie - für antik und zugehörig. So überliefert durch die Repliken 3 bis 6 aus der Liste. An der Replik Ostia (OC I 1) könnten dellenartige Abarbeitungen an der mittleren Schlaufenfalte vom ursprünglichen Ansatz der Hand stammen; in Lecce (OC I 3) befinden sich solche Spuren nicht auf, sondern hinter der Mittelfalte der Stoffschlaufe. Dies zeigen vor allem die Repliken 5 und 6 aus der Liste, deren Armansatz erhalten ist, aber auch die Repliken 1 und 3 deuten durch die im seitlich offenen Peplos sichtbare Anspannung der Oberkörpermuskulatur auf eine solche Armhaltung hin. Genau diese beiden Falten sind erstaunlicherweise auch an einer römisch-klassizistischen Athena mit Schrägaigis in Oxford vorhanden, die sonst äußerlich nichts mit dem Typus verbindet; s. S. 239 (Listen 3.1.14).
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Anders als bei den anderen Athenatypen stimmen hier die qualitätvollen Repliken der früheren Kaiserzeit in Ostia (OC I 1) und Lecce (OC I 3) bis in Details überein. Sie sind lebendig und von einer solchen überzeugenden Plastizität, daß hier ein unmittelbarer Einfluß des Originals vorausgesetzt werden muß. Sollten beide Repliken östlich sein, wofür plastische Fülle, zarte Oberfläche, Feinheit der minutiösen Details und der auffällige Bronzecharakter sprechen559, darf vielleicht tatsächlich eine direkte Übertragung vom Original vorausgesetzt werden. Es ist jedoch auch hier von der mittleren Kaiserzeit an eine neu zugrundegelegte, schematisierte Wiedergabe des Originals zu beobachten, nach der die Repliken Villa Borghese (OC I 2) und Palazzo Rospigliosi (OC I 5) gebildet wurden. Diese Repliken können den plastischen Gesamteindruck des Originals nicht vermitteln. Sie reduzieren den Typus auf lineare, leblos schematisierte Faltenzüge und sind ganz offensichtlich nicht unter direktem Einfluß des Originals, sondern nach indirekten Vorlagen hergestellt worden. Zu dieser schematisch-reduzierten Fassung gehört ihrem Gewand nach auch die Variante in Cherchel (OC III 2), während die Variante im Louvre (OC III 1) und die Repliken im Museo Chiaramonti (OC I 4) und in Turin (OC I 6) von ihren Herstellern wieder mit eigenem plastischen Leben gefüllt worden sind, das allerdings nicht organisch von innen kommt, sondern sozusagen von außen neu an die Figur herangetragen wurde. An den schematischeren Repliken der zweiten genannten Ordnung lassen sich auch in diesem Fall die typenkonstituierenden Elemente des Gewandstiles am besten erkennen560. Außer der Schlaufe und den genannten beiden Bogenfalten, auf deren innere eine kurze Tütenfalte trifft, gehören dazu die markante Steilfalte unter dem linken Knie, die Faltenbildung über dem rechten Fuß, die parabelförmigen Falten am Apoptygma, die spiegelsymmetrische Mittelfalte, die vorn fast die ganze Breite des Überfalls einnimmt, sowie die durch die straffe Aigis verursachten, die linke Brust einrahmenden scharfen Plisse´efalten. An der linken Körperseite sind die erwähnten Schlaufen und das breite Spielbein bestimmend; die rechte Seite lebt hauptsächlich von der Ausgestaltung der Peplosöffnung. Die Gestaltung der Rückseite ist im höchsten Grade beeinträchtigt von den Seitenflächen, die zu je einem Drittel von beiden Seiten auf die Rückseite übergreifen und sie formal bestimmen, sodaß ihr Eigenwert weitgehend aufgegeben ist.
Charakteristika von Struktur und Aufbau Hier ergibt sich nun automatisch der Übergang zur Analyse des formalen Aufbaus, zur Struktur, zum Stil und damit letztlich zur Datierung des Urtypus. Allein die Bestimmung der typologischen Merkmale ließ die unterschiedliche Wertigkeit der vier Körperseiten erkennen. Am besten und unverfälschtesten verdeutlicht dies die Replik in Ostia (OC I 1). Die Vorderseite der Figur ist breit und wirkt durch die Dicke des Stoffes und die entsprechend ausladenden Falten trotz der Zierlichkeit des Typus massig und voluminös. Dieser Eindruck schwerer Stofflichkeit und Masse, der mit einer ausgewogen symmetrischen, axial in sich ruhenden Komposition der Vorderseite einhergeht, trifft aber nur für diese Ansicht zu und verändert sich schon an den Körperseiten erheblich, bevor die Rückseite einen geradezu komplementären Eindruck erweckt. Bei die559
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In bezug auf die Replik in der Hafenstadt Ostia ist dies wahrscheinlich, vgl. auch Schuchhardt, Alkamenes 46; bei der Replik Lecce (OC I 3) deuten weniger äußere Anhaltspunkte auf eine östliche Herkunft hin. Die Übereinstimmung handwerklicher Details z. B. am Gorgoneion könnte aber m. E. sogar für die gleiche Werkstattradition sprechen. So auch schon bei der reduzierten späteren Version des Typus Rospigliosi, vgl. S. 59.
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ser gewaltigen inneren Widersprüchlichkeit der Figur haben die Seitenansichten eine Art Übergangsfunktion. Durch Vermittlung jeweils einer vorherrschenden Faltenform übertragen sie die schwere Stofflichkeit der sorgsam gestalteten, breiten axialen Vorderseite in die funktionale, schmale, eher vertikal orientierte Rückseite. Die frontale Kopfhaltung lehrt, daß die Vorderansicht tatsächlich die Hauptansichtsseite der Figur gewesen sein muß. Vertikale und horizontale Achsen bilden ein ausgewogenes System, das durch die diagonale Aigis und die Bogenfalten am linken Oberschenkel sinnvoll aufgelockert wird. Körpergerüst und Gewandhülle ergeben ebenfalls ein harmonisches Zusammenspiel; von Antagonismus ist nichts zu spüren. Doch schon eine leichte Abweichung vom Betrachter aus nach rechts offenbart die Labilität des Systems und macht im positiven Sinne gleichzeitig seine wandelbare Lebendigkeit sichtbar. Das Spielbein scheint jetzt nach innen einzuknicken; es bereitet eine schraubenförmige Bewegung nach oben vor, die durch die nun anders wirksamen Bogenfalten am Oberschenkel und die genauso verlaufende Aigis nach oben fortgesetzt wird. Dadurch beginnt sich die Figur deutlich um eine innere Achse zu drehen. Der eingestützte linke Arm des Originals unterstreicht diese Bewegung. Bei den Repliken im Museo Chiaramonti (OC I 4) und in Lecce (OC I 3) und auch an der Variante in Paris (OC III 1) ist dies bei gerader Ausrichtung der Basen bereits in der Vorderansicht zu ahnen - ein Hinweis darauf, daß eine solche Bewegung wirklich impliziert war. Daß die leicht nach rechts verschobene Ansicht nicht nebensächlich war, sondern eine weitere, in ihrer Wirkung ernstzunehmende Hauptansicht, geht aus ihrer inneren Kohärenz hervor. Nichts kippt hier oder sieht unelegant und nach Nebenansicht aus, sondern jede Bewegung ist beabsichtigt und fügt sich sinnvoll in den Gesamtplan der Figur ein. In der Vorderansicht gerade vertikale Achsen steigen jetzt leicht zur rechten Körperseite hin an und verstärken die Aufwärtsbewegung zu den schmalen Schultern der Figur und zum Kopf der Statue, den man sich sicher zierlich und mädchenhaft vorstellen muß. Diese Bewegung zur Spitze hin impliziert trotz der zunächst bestimmend erscheinenden Vorderseite der Figur - ohne diesen oft gebrauchten Begriff hier stilistisch überstrapazieren zu wollen - eine pyramidale oder auch kegelförmige Grundstruktur, der der beschriebene Grad des Verlustes der Rückseite Vorschub leistet. Eine solche Struktur ist erst gegen Ende des 4. Jhs. v. Chr. möglich. Einige Vergleiche sollen zur Diskussion stellen, ob die hier vertretene Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. trotz ihrer starken Abweichung von älteren Vorschlägen nachvollziehbar ist oder ob, wie dies weiter unten geschieht, sogar eine klassizistische Alternative in Betracht gezogen werden muß.
Datierung Die Datierung der Eirene um 370/60 v. Chr. ist offenbar communis opinio561. E. La Rocca hat in der Figur Nachklänge des Reichen Stils gesehen, die trotz der oft als praxitelisch beschriebenen Gesichtszüge ihre Zugehörigkeit zur ersten Hälfte des 4. Jhs. sichern sollen562. Der verwandte Trachttypus begünstigt den Vergleich, aus dem sich folgende Merkmale ergeben: Während die Eirene trotz einer gewissen Verbreiterung der Front noch an allen Seiten blockhaft ist und jede 561 562
Zur Eirene vgl. H. Jung, JdI 91, 1976, 97 ff.; s. auch B. Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 260; Todisco, Scultura Greca 96; Andreae, Skulptur des Hellenismus 209 Abb. 160. E. La Rocca, JdI 89, 1974, 112 ff. mit Abb.; vgl. auch Vierneisel-Schlörb a. O.
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Seite intern selbständig gestaltet ist, sind die verschiedenen Ansichtsseiten der Athena voneinander abhängig und greifen deutlich ineinander über. Der Abstand der Athena zu Formen des Reichen Stiles ist weit größer; es besteht fast kein Zusammenhang mehr. Die Faltenformen sind nicht mehr reich und kleinteilig, sondern sind an jeder Körperseite auf wenige, großzügige Motive reduziert. Diese Tendenz wird durch das Motiv des überhängenden Apoptygmas, das die kleinteiligen Kolposfalten überdeckt, begünstigt. Die Struktur der Athenafigur ist in der Vorderansicht gegenüber der Eirene vereinfacht. Die offene, gerade gestaltete rechte Körperhälfte steht neben der geschlossenen, stärker variierten linken Hälfte; der Kontrapost ist also einer inneren Gegensätzlichkeit gewichen. Ist die Eirene wegen ihrer kompositionellen Ausrichtung auf den Ploutosknaben in struktureller Hinsicht vielleicht nicht unbedingt vergleichbar, so sind doch in ihrer Konzeption als Gruppe noch die Prinzipien kontrapostischen Grundaufbaus spürbar. Entsprechend ist auch das Interesse ihres Schöpfers am sichtbaren Körperaufbau noch deutlich, während der schwere Stoff des Peplos den Körper der Athena stärker verhüllt. In dieser Verselbständigung des Gewandstoffes und seiner Motivik gegenüber dem Körper nähert sich die Athena den Grabreliefs der zweiten Hälfte des 4. Jhs. Wenn man auch über die Chronologie Diepolders im einzelnen unterschiedlicher Auffassung sein kann, so ist doch die Zunahme des Volumens der Figuren und ihrer Gewänder um die Mitte des 4. Jahrhunderts von ihm richtig gesehen worden. Diepolder leitet diese Beobachtung mit dem Proxeniedekret des Sochares von 355/4 in Palermo ein563. Selbst an dem Urkundenrelief kommen die Schwere der Falten, das Körpervolumen und der kurze, breite Oberkörper zur Geltung. Die Reduktion der Faltenmotivik auf wenige, schwerfällige Motive dürfte am Urkundenrelief nicht als Beobachtung gewertet werden, wenn sie nicht auch an den gleichzeitigen Grabreliefs auftreten würde. Abzüglich der an den Grabreliefs vorauszusetzenden idealistischen Pathetisierung der Darstellungsweise läßt sich die Athena neben die sogenannte Begrüßungsstele stellen, die gewöhnlich um 340 datiert wird564. Mit dieser teilt sie außer den Eigenarten des massigen Gewandstils mit seinen wenigen, übertriebenen Motiven das Volumen der darunter zutagetretenden Körperteile - an der Athena betrifft dies das in der linken Seitenansicht breit hervortretende Spielbein und die bei aller Zierlichkeit der Figur merkliche Fülle des Busens, die besonders an der Replik in Lecce (OC I 3) auffällt und als Merkmal vieler weiblicher Figuren der 2. Hälfte des vierten und des beginnenden dritten Jahrhunderts gelten kann565. In die Zeit zwischen 340 und 310, die Bauzeit des Tempels, datiert A. Rügler auch die reliefierten Säulentrommeln des jüngeren ephesischen Artemistempels566. Die weiblichen Relieffiguren haben mit der Athena zunächst die Verhüllung des Körpers durch das Gewand gemein, das jedoch dünner, papierner ist und sich daher bereits auf die Gestaltung des frühen 3. Jhs. mit der unter der Gewandhülle wieder stärker widerstrebenden Körperlichkeit zu563 564 565
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Diepolder 41 Abb. 10; Meyer, Urkundenreliefs 285 A 69 Taf. 22. 2; Lawton, Document Reliefs 29 Taf. 15. Vgl. Anm. 494. Von den zahlreichen Grabreliefs sei hier beispielhaft das bereits mehrfach herangezogene Relief des Hieron und der Lysippe genannt (s. Anm. 495), von den Urkundenreliefs das Relief Meyer, Urkundenreliefs A 142 Taf. 42. 1; Lawton, Document Reliefs 150 Taf. 79, und von den Weihreliefs das Nymphenrelief des Neoptolemos von Melite (Stewart a. O. Abb. 581-583). In der Großplastik geht die Reihe von der sog. Artemisia, Stewart a. O. Abb. 535; Waywell, Freestanding Sculpture Taf. 13, über den angeblichen Demokratiatorso von der Athena Agora, Stewart a. O. Abb. 37, Ridgway, Hellenistic Sculpture I 54 f. Taf. 29; zur Themis von Rhamnus vgl. Horn, Gewandstatuen 19 Taf. 6. 3, Stewart a. O. 602-603, E. Harrison, in: FS Frank Brommer (1977) 155 ff. Taf. 43. 1; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 55 f. Taf. 31. A. Rügler, Die Columnae caelatae des jüngeren Artemisions von Ephesos, 34. Beih. IstMitt (1988) 68 ff.
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bewegt567. Die für diese Zeit typische trockene Knittrigkeit des flach gefältelten Gewandes, unter dem der Körper partiell hervortritt, charakterisiert die Athenafigur nicht, aber die stofflich dünne Differenzierung der Oberfläche der Kopie in Ostia (OC I 1) gewährt bereits eine Vorahnung davon. In ihrer tief verschatteten, ruhigeren Faltenbildung gehört sie vielmehr noch der früheren zweiten Jahrhunderthälfte an, die durch die genannten weiblichen Grabrelieffiguren und die Frauengestalten des Klagefrauensarkophages von Sidon568 eingeleitet und durch die bosporanischen Fürsten des Urkundenreliefs von 347/46569 gefestigt wird. Einen zeitlichen Endpunkt stellt der Sophokles dar, dessen Entwicklungsstand die Athena noch nicht erreicht hat570. Waren auch bei ihr eine leichte ansatzweise Drehung und Verstrebung und eine starke Reduktion der Faltenformen auf Wesentliches zu beobachten, so sind die künstlerischen Mittel, deren sich der Bildhauer, der die Athena geschaffen hat, bediente, noch verhaltener und gewissermaßen konservativer; die Figur verharrt mehr in der gegebenen, geschlossenen Form. Dennoch bestehen Gemeinsamkeiten in der Gewandauffassung, die eine zeitliche Nähe nicht ausschließen. Ist die Athenafigur auch wegen des eher traditionellen Trachttypus der Peplophore schwerer zu beurteilen und zu vergleichen, so ließen sich doch fortschrittliche Züge herausarbeiten, die m.E. eine Datierung um 340/30 wahrscheinlich machen. Die Peplostracht der Athena liefert schließlich noch eine zusätzliche Bestätigung für die Datierung des Typus. Die rechte offene Seite des Peplos nämlich zeigt bei allen Repliken einheitlich eine besonders hohe Gürtung. Wieder kommt hier der Kontrast zwischen Vorder- und Seitenansicht zum Tragen: Würde man von der Vorderansicht ausgehend die Gürtung etwa in Bauchhöhe erwarten, so stellt sich in der Seitenansicht heraus, daß sie auf der Höhe des unteren, vom Gorgoneion besetzten Aigisbereiches liegt. Der Peplos ist also wenig unterhalb der Brust gegürtet - eine Erscheinung, die für das spätere vierte Jahrhundert geradezu charakteristisch ist. Die stilistischen Analysen der Athena Ostia-Cherchel, die von A. Hekler, E. Harrison, S. Hiller und W.-H. Schuchhardt vereinzelt in Angriff genommen wurden, sind sehr lückenhaft und in sich häufig nicht schlüssig. Bei den Vertretern der hochklassischen Datierung ist eine Diskrepanz zwischen angestellten Beobachtungen und Ergebnis spürbar. Am deutlichsten wird dies bei Schuchardt571. Er beobachtet an der Athenafigur eine „gleichmäßige Verschmälerung nach oben“, eine „starre Gradlinigkeit“ und einen „steifen Klassizismus“, den er aber den Kopisten zuschreibt. Die Replik Ostia (OC I 1) bezeichnet er als freiere, östliche Replik, schlägt dann aber von dieser aus die Brücke zu Alkamenischen Werken. Zurückgekehrt zum Akanthusbüschel der „klassizistischen“ Variante Cherchel, stellt er die Gewichtigkeit des sich darauf gründenden Arguments zur Diskussion, um schließlich die ganze Problematik mit der noch immer unbegründet gebliebenen Äußerung zu beenden: „Mir will scheinen, als ob dieser Typus immer noch den mei-
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Aus diesen stilistischen Gründen erscheint eine möglichst späte Datierung der Sockelreliefs innerhalb der von Rügler angegebenen Zeitspanne, also etwa um 310, am passendsten. Die zeitliche Differenzierung, die Rügler innerhalb der verschiedenen Trommeln macht, ist in dieser Kleinteiligkeit nicht nachvollziehbar - eine solche Genauigkeit ist m. E. weder glaubhaft noch erstrebenswert. R. Fleischer, Der Klagefrauensarkophag aus Sidon, Istforsch 34 (1983); E. Akurgal, Griechische und römische Kunst in der Türkei (1987) Taf. 118-121. Meyer, Urkundenreliefs A 88 Taf. 28. 1; Lawton, Document Reliefs 35 Taf. 18. Vgl. Anm. 347. W. H. Schuchardt, Alkamenes. 126. BWPr (1977) 44 ff.
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sten Anspruch erheben kann, die Athena Hephaisteia des Alkamenes zu repräsentieren“572. Schuchardt nimmt im Laufe seiner Ausführung auf die Argumentation Heklers Bezug und geht auf seine Vergleiche ein, wobei die an der Athena konstatierten Eigenschaften die Vergleiche mit spätklassischen Stücken von vornherein unergiebig erscheinen lassen573. A. Hekler war über den stilistischen Weg zu einer Datierung in die Mitte des 4. Jhs. gelangt und kommt damit der hier vertretenen Einstufung am nächsten574. Nachteilig ist nur, daß er seinen Vergleichen die Variante in Cherchel zugrundelegt und ausschließlich mit dem Gewandstil argumentiert. Wenn auch die Vergleiche im einzelnen nicht ausgeführt werden, so geht Heklers Beurteilung des Gewandstiles doch in die richtige Richtung. Strukturelle Beobachtungen hätten ihn vielleicht dazu bewegen können, mit der Datierung noch etwas weiter hinunterzugehen. Auch Hiller begründet seine Datierung der Athena Ostia-Cherchel mit dem Gewandstil. Wie Schuchhardt erwähnt er die auffällige Steilfalte unterhalb des Spielbeinknies, stellt dies Motiv aber neben das entsprechende der Eirene575. Obwohl Hiller der Entwicklung dieser Spielbeinfalten nachgeht, sind für seine Datierung des Typus in das zweite Viertel des 4. Jhs. schließlich die Standbeinfalten ausschlaggebend576. Die hier vertretene Datierung in die frühe 2. Hälfte des 4. Jhs. wird allerdings durch die Existenz der steilen Spielbeinfalte bestätigt. Wie die von Hiller angeführten Beispiele teilweise selbst zeigen, scheint sich diese Falte in der Zeit vom späten 5. bis zum mittleren 4. Jh. von einer Anbindung des Stoffes an den Unterschenkel des Spielbeines zu einem vom Unterschenkel abgelösten, völlig selbständigen, markanten Faltenmotiv zu entwikkeln. Dieser deutliche Vorgang läßt sich besonders gut an den Athenen der Urkundenreliefs nachvollziehen. Während das von Hiller als „Segelfalte“ bezeichnete Motiv577 zu Beginn des Zeitraumes noch durch weiche, sich um den Knöchel des Spielbeinfußes schlingende Bogenfalten mit dem Bein verbunden ist und die den Spielbeinunterschenkel nach vorn hin abschließende Steilfalte zunächst noch in leichter Schräge dem Verlauf des Spielbeinunterschenkels folgt, lösen sich die „Schlingfalten“ im Laufe des vierten Jahrhunderts mehr und mehr vom Knöchel. Mit dieser Loslösung, die mit der Verselbständigung des Gewandstoffes gegenüber dem Körper einhergeht, wird die vordere Steilfalte lotrecht und bestimmt als markantes Einzelmotiv die Gestaltung. Dieses Datierungsmerkmal läßt sich zwar nur für ponderierte Peplophoren verwenden, ist aber wegen der Kontinuität der Urkundenreliefs für die Einordnung von Athenadarstellungen besonders gut geeignet578. Die Eirene579 ist innerhalb der skizzierten Entwicklung nicht leicht einzu572 573
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Schuchardt a. O. 46. Hinzu kommt, daß der Athenatypus Ostia-Cherchel eine Figur ist, der die vierseitigen Aufnahmen Schuchhardts nicht gerecht werden, sondern die differenzierter betrachtet oder umschritten werden muß. Die der Figur eigene Drehbewegung erstarrt nämlich in der frontalen Aufnahme der vier Seiten, die für hochklassische Skulptur passend sein mag - ihre Dynamik fällt dann tatsächlich der von Schuchhardt beschriebenen blockhaften Erstarrung zum Opfer. A. Hekler, Berliner Philologische Wochenschrift 44, 1916 Sp. 1367 ff. Hiller, Formgeschichtl. Unters. 63. Hiller a. O. 63 Anm. 146. Hiller a. O. 63. Die Schatzmeisterurkunde von 398/97 (Taf. 85 Abb. 1) Meyer, Urkundenreliefs A 36 Taf. 11. 1; Lawton, Document Reliefs 14 Taf. 8, und das Relief der etwa gleichzeitigen Vertragsurkunde mit Mytilene, Kasper-Butz, Athena in Athen 46 f. T 5 Taf. 10; Lawton, Document Reliefs 69 Taf. 37, entsprechen der beschriebenen frühen Stufe. Bereits auf der Kerkyräer-Urkunde von 376/75, Meyer, Urkundenreliefs A 51 Taf. 16. 2; Lawton, Document Reliefs 96 Taf. 50, Ritter, JdI 1997, 27 Abb. 3, S. Ritter, JdI 116, 2001, 141 Abb. 5, wird die Bindung an den Unterschenkel geringer, und auf dem Relief von 362/61, Meyer, Urkundenreliefs A 58 Taf. 17. 2; Lawton, Document Reliefs 24 Taf. 13, hat sich die Spielbeinsteilfalte schon deutlich verselbständigt. Erst das Relief in
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ordnen. Ihre Spielbeinsteilfalte ist bereits starr und markant und läuft, wie dies eigentlich erst an späten Urkundenreliefs geschieht, nach unten spitz zu; die Bindung an Knöchel und Unterschenkel leisten keine Bogenfalten mehr, sondern der Unterschenkel schimmert - fast schon klassizistischer Nachklang des Reiches Stils - durch den dünnen Stoff. Die Eirene steht also entwicklungsgeschichtlich zwischen der Hochklassik und der Spätklassik. Die Athena Ostia-Cherchel hingegen zeigt bereits ganz die einzelne, den zurückweichenden Spielbeinunterschenkel markant kennzeichnende lotrechte Falte, die nur noch durch schmale, am Saum auslaufende Zugfalten mit dem Bein in Verbindung steht. Sie nähert sich hierin den Urkundenreliefs der zweiten Hälfte des 4. Jhs.580, deren langgestreckte Proportionen sie allerdings noch nicht erreicht. Eine Datierung um 340 wird daher auch diesem Aspekt am ehesten gerecht. Die Plausibilität einer späten Datierung scheint sich bei E. B. Harrison anzudeuten, die allerdings den Schritt zur Spätdatierung noch nicht vollzieht, sondern eine direkte Verbindung zur Eirene sieht und die Athena daher lediglich als „Vorläufer“ der Figuren der 2. Jahrhunderthälfte betrachtet, in die sie den Apollon Patroos und die Bronzeathena vom Piräus einordnet581.
Die Gewandtracht Die attischen Urkundenreliefs führen zu einer Problematik ganz anderer Art. Ihrer Aussage nach ist der gängigste Athenatyp im späten wie im frühen 4. Jh. noch immer derjenige im übergürteten attischen Peplos. Kommt die schräge Aigis vereinzelt vor, so doch immer in Kombination mit dem übergürteten Peplos582. Dennoch belegen einige Beispiele, daß auch der untergürtete Peplos für spätklassische Athenadarstellungen Verwendung fand. M. Mangold erwähnt das Fragment eines Urkundenreliefs in Baltimore, das eine angelehnte Athena im Peplos zeigt und sich stilistisch problemlos in den Beginn des 4. Jhs. einordnen läßt583. Etwas früher als diese Darstellung, gegen Ende des 5. Jhs., ist die Athena im untergürteten Peplos auf dem attischen Calyxkrater aus Camarina in Syra-
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Palermo, Meyer, Urkundenreliefs A 69 Taf. 22. 2; Lawton, Document Reliefs 29 Taf. 15, läßt die Steilfalte wirklich lotrecht erscheinen; die Bogenfalten stellen nur noch eine lose Verbindung zum Knöchel her. Wenig später präsentiert die Athena des Urkundenreliefs in Avignon, Meyer, Urkundenreliefs A 91 Taf. 27. 2; Lawton, Document Reliefs 36 Taf. 19, eine markante, wie an der Eirene (s. Anm. 561) nach unten hin schmaler werdende Steilfalte. Etwa um die gleiche Zeit setzt M. Meyer das qualitätvolle Relieffragment von der Akropolis an, das Athena mit Nike und Schlange zeigt, Meyer, Urkundenreliefs A 109 Taf. 32. 1; Lawton, Document Reliefs 132 Taf. 17. Es ist konservativer gehalten als das zuvor erwähnte und müßte m. E. verglichen mit anderen Reliefs eher gleichzeitig oder etwas früher datiert werden als das Relief Meyer A 93, das mehr in die Nähe des Urkundenreliefs von 318/17, Meyer, Urkundenreliefs A 134 Taf. 39. 1; Lawton, Document Reliefs 54 Taf. 28, zu gehören scheint, und würde dann der Stilstufe der Athena Ostia-Cherchel entsprechen, mit der es sich gut vergleichen läßt. Dieselbe Entwicklung des Steilfaltenmotivs am Spielbein läßt sich übrigens auch in der Großplastik nachvollziehen; sie verläuft hier ganz grob von der Prokne (s. Anm. 74), der Demeter von Eleusis (s. Anm. 56) und den Erechtheionkoren (s. Anm. 63) über die Athena Ince zur Eirene (s. Anm. 561) und von dort aus weiter über die Athena Ostia-Cherchel zur Athena vom Castro Praetorio und verwandten Athenafiguren. Die Piräus-Bronzen (vgl. hier S. 200) und langgewandete Apollines, Flashar, Apollon Kitharoidos 14 ff., verhalten sich vielleicht aus klassizistischen Gründen anders und lassen sich nicht in das entworfene Schema einordnen. Zur Eirene vgl. Anm. 561. Vgl. Anm. 578. E. B. Harrison, AJA 81, 1977, 145 f. Meyer, Urkundenreliefs A 55 Taf. 18. 2, Lawton, Document Reliefs 140 Taf. 74; Meyer, Urkundenreliefs A 121 Taf. 48. 2, Lawton, Document Reliefs 141 Taf. 75, Ritter, JdI 1997, 31 Abb. 8; J. Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Die klassische Zeit (1991) Abb. 393; zur Großplastik vgl. die Athena aus dem Parthenonwestgiebel, Palagia, Pediments 45 f. Taf. 92-93. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 48, 73. 57 Taf. 10. 2.
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kus (Taf. 86 Abb. 1) entstanden584. Weitere Darstellungen der Athena mit untergürtetem Peplos in der Vasenmalerei bleiben gegenüber der Anzahl von Darstellungen mit übergegürtetem Peplos vereinzelt und beschränken sich zeitlich auf das 5. Jh.585. Obwohl der Peplos an sich innerhalb der Ikonographie vor allem in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. weiterhin seinen festen Platz hat586, ist für Athenadarstellungen des 4. Jhs. der übergegürtete Peplos üblicher. Der Athenatypus OstiaCherchel stellt also in dieser Hinsicht eher eine Ausnahme dar. Der untergürtete, von Weber als ionisch bezeichnete Peplos587 ist jedoch auch in der Spätklassik nicht allzu ungewöhnlich und daher auch nicht so interpretationsbedürftig wie z. B. die Manteltracht der Athena Rospigliosi. Aus der Gewandtracht lassen sich keine Schlüsse auf die landschaftliche Herkunft ziehen. Aus der Verwendung des sogenannten ionischen Peplos statt des übergegürteten attischen, in dem Athena am häufigsten erscheint, muß keine außerattische Herkunft gefolgert werden. Eine Zuweisung an die nordostpeloponnesische Kunst wird von Langlotz nicht näher begründet. Unter der Bedingung, daß der Kopf im Louvre zugehörig sei, sieht er eine enge Verbindung zur Athena Velletri, die er einem dorischen Meister zuschreibt588. Stilistisch begründete Zuschreibungen an bestimmte Landschaften sind nur in ganz besonders eindeutigen Fällen zulässig. Ausgehend von der Athena Ostia-Cherchel ergeben sich, anders als beispielsweise beim Typus New York, keine Verbindungen zu bekannten Werken aus einem festlegbaren Landschafts- oder Werkstattzusammenhang. Bei Künstlerzuweisungen gilt außerdem insgesamt Zurückhaltung589. Solange dem Typus kein Kopftypus zugeordnet werden kann, bleiben Künstlerzuweisungen ohnehin in jeder Hinsicht äußerst spekulativ. In gewisser Hinsicht besteht eine Verbindung des Typus Ostia-Cherchel zum etwas jüngeren Athenatypus Vescovali. Die durch das Spielbein eingeleitete leichte Drehung, das Verhältnis von Körper und Gewand, die hohe Taillierung, die Zierlichkeit des Aufbaues bei gleichzeitig voluminösen Einzelformen, die Abwechslung ganz flacher Gewandpartien mit tiefen Falten und deren Ausfertigung sowie die zarte Weichheit der Oberfläche haben beide Typen gemeinsam590. Da die Datierung der Athena Vescovali in das ausgehende 4. Jh. unumgänglich scheint, bestätigt sie die Datierung des Typus Ostia-Cherchel, der schon aufgrund seines weniger exaltierten Motivs etwas älter sein wird. Die Auffassung beider Typen ist dennoch so verwandt, daß sie durchaus aus einer örtlich oder personell nahen Tradition stammen könnten. Auffällig ist die sichtbare Verwandtschaft der Replik Ostia (OC I 1) mit der bronzenen Athena vom Piräus591, die trotz des unterschiedlichen Materials besteht. Herkunft und 584 585 586
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Demargne, LIMC II 1000 f. Athena 491 Taf. 755. Vgl. Demargne a. O. 1000 Athena 480 Taf. 754. So auch Flashar, Apollon Kitharoidos 45 f.; als Beispiele aus der Vasenmalerei seien hier außer den in Anm. 583 und 584 genannten Darstellungen Boardman a. O. (Anm. 582) Abb. 383, 428 genannt; vgl. auch H. Weber, Griechische Frauentrachten im 4. Jh. v. Chr., in: J. Fink, H. Weber, Beiträge zur Trachtgeschichte Griechenlands (1938) 128 ff.; zum Peplos zuletzt M. M. Lee, The Myth of the Classical Peplos (1999), die in der Nachfolge von B. S. Ridgway und E. Harrison zu dem Urteil kommt, der Peplos sei allerdings in klassischer Zeit schon nicht mehr Alltagsgewand, sondern, wie später die römische Toga, ausschließlich ideologiebeladenes Festgewand gewesen (a. O. 360 f., 366 f.). Weber a. O. 134 ff. E. Langlotz, Alkamenes-Probleme. 108. BWPr (1952) 9 f. Vgl. S. 21. Gut sichtbar ist dies im Vergleich der Repliken OC I 3 und Ve I 2. Die Übereinstimmungen gehen bis in Einzelheiten der Faltengebung. Vgl. S. 182 ff.
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Herstellungsort der Piräusathena sind allerdings unbekannt, sodaß aus dieser Feststellung noch keine Schlußfolgerung gezogen werden kann - wahrscheinlich bestätigt sie lediglich die Annahme, daß die Replik in Ostia aus einer griechischen, vielleicht athenischen Werkstatt stammt592. Eine typologische Verbindung zur Piräusathena besteht besonders im Hinblick auf Peplostracht und Aigisform. Da hier die Datierung der Piräusathena in die Zeit um 100 v. Chr. vertreten wird593, muß eine sichtbare Verbindung zwischen beiden Figuren zwangsläufig zu der Überlegung führen, ob die Athena Ostia-Cherchel nicht auch anders datiert werden könnte.
Klassizistische Elemente des Typus - alternative Datierung? Wie bei der Athena Rospigliosi erscheint eine Datierung des Typus Ostia-Cherchel in die 2. Hälfte des 4. Jhs. durchaus plausibel. Dennoch soll auch hier auf Merkmale des Typus hingewiesen werden, die eine alternative Datierung in das 2. Jh. möglich machen würden. Zum Teil treten diese Merkmale schon in den erwähnten Versuchen einer stilistischen Analyse des Typus in der Literatur entgegen. Die Beobachtungen Schuchardts wurden bereits zitiert594. Schuchardt lastet die vermittelte Schmalheit, Starrheit und den Klassizismus den Kopisten an. Trotz der der Figur innewohnenden Dynamik, die sich in der beim Umschreiten wahrnehmbaren Drehbewegung äußert, ist tatsächlich eine klassizistisch anmutende Starrheit des Typus nicht zu übersehen, die allerdings in der Figur der bereits verglichenen Eirene eine Parallele hat595. Die Eirene aus dem 4. Jh. zu entfernen, hat wohl noch niemand beabsichtigt - mit ihrem klassizistischem Äußeren gilt sie als in der antiken Literatur verwurzelte Säule der stilgeschichtlichen Entwicklung des 4. Jhs. Die Athena Ostia-Cherchel jedoch zeigt über einen allgemeinen Klassizismus hinaus, der sich auch in der Peplostracht niederschlägt, weitere eigentlich unklassische Elemente. Dazu gehört die besagte Drehbewegung, die sich allerdings ähnlich auch schon an der Athena Vescovali beobachten ließ und es im Rahmen der Datierung ermöglichte, die Athena Ostia-Cherchel näher zum Ende des 4. Jhs. hin zu versetzen. Zusammen mit weiteren Eigenarten könnte diese innere Drehung der Figur aber auch zu einer hellenistischen Datierung berechtigen und würde damit über die Athena Vescovali und die für sie verwandten Stilmittel hinausgehen. In die gleiche Richtung geht der Verlust der Körperlicheit an den Figurenseiten, der dahin führt, daß die Figur zwei nur noch von voluminösen Gewandmotiven verhängte schmale Seiten und eine dagegen fassadenhaft breite Vorderansicht aufweist. Dazu paßt der wahrscheinlich frontal nach vorn gerichtete Kopf596. Bedeutsamer aber als diese stilistischen Beobachtungen sind Details, die tatsächlich eine gewisse akademische Starrheit belegen und nicht aus einem genuinen Zeitstil heraus entstanden zu sein scheinen, sondern akademisch aneinandergereiht wirken. Dies betrifft vor allem das zeichnerische Faltenmotiv auf dem Spielbeinoberschenkel, aber auch die vom Spielbein herabfallende Steilfalte - jene typuskonstituierenden Motive, die an allen Wiedergaben auftreten. Vor allem eines unterscheidet aber die Wiedergaben des Typus Ostia-Cherchel von den Repliken anderer Typen: Das Gorgoneion folgt immer dem gleichen, hellenistischen Typus: Es ist langhaarig und 592 593 594 595 596
Vgl. Text zu OC I 1. Vgl. S. 195 ff. S. Anm. 571. Zur Eirene s. Anm. 561. S. S. 98..
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hat realistisch-häßliche Gesichtsszüge und faltige Haut. Da die Gorgoneia sonst nicht typologisch festgelegt sind, sondern dankenswerterweise dem jeweiligen Zeitstil der Repliken folgen und daher deren Datierung unterstützen können597, ist dieser besondere Umstand an der Athena OstiaCherchel interpretationsbedürftig. Bei der Durchsicht der behandelten Athenen fällt auf, daß das Gorgoneion der Athena Ostia-Cherchel erstaunlicherweise genau dem der großen Piräusathena und dem der dem gleichen Typus zugehörigen Athena Mattei entspricht, die auch die gleiche Aigisform aufweisen wie der Typus Ostia-Cherchel598und etwas weiter oben schon aus anderen Gründen mit der Replik in Ostia verglichen wurden. Ein weiterer hellenistischer Darstellungstypus, der der Athena von Kyrene (Taf. 84 Abb. 1 – 3)599, die wiederum mit dem hier in den Späthellenismus datierten Typus Mattei-Piräus verwandt ist600, hat die gleiche Aigisform und ebenfalls ein hellenistisches, wenn auch einem anderen Typus folgendes Gorgoneion. Eigenartig ist darüber hinaus auch der Sitz des aus der Mitte unter die linke Brust verschobenen Gorgoneions auf der Aigis der Athena Ostia-Cherchel. War das Gorgoneion vielleicht gegen eine Figur gerichtet, die neben der Athena aufgestellt war? Ähnlich auffällig ist der wahrscheinlich attische Helm, der nach den von S. Ritter beobachteten Darstellungsregeln klassischer Zeit mit einer nur zurückhaltend wehrhaften, kleinen Athenastatue nicht recht vereinbar wäre601. Vielleicht war auch er an dieser Stelle inhaltlich begründet? Auch das Verhältnis zu frühklassischen Peplosfiguren müßte unter dem Aspekt überprüft werden, ob sich ein bewußter Klassizismus bemerkbar macht, der sich besser im 2. als im 4. Jh. ansiedeln läßt602. Wie diese, so müssen auch die anderen hier zu guter Letzt aufgeworfenen Fragen vorerst offen bleiben. Die stilistische Datierung in das 4. Jh. muß bestehen bleiben, bis sich, z. B. durch die Rekonstruktion des zugehörigen Kopftypus, weitere Hinweise für eine hellenistische oder in irgendeiner Form klassizistische Einordnung gewinnen lassen. Vielleicht klärt sich dann auch, weshalb es relativ viele Varianten des Athenatypus gibt - möglicherweise weil die Figuren nach einer späthellenistischen zeichnerischen Vorlage gearbeitet sind? Auffällig ist auch der deutliche Bronzecharakter der Marmorwiedergaben. Handelte es sich um eine Exportfigur, die in preiswerterem Marmor oder in exclusiver Bronze zu haben war? Oder ist dies nach gängiger Methode einfach nur ein ein Hinweis auf ein konkretes Bronzevorbild? Entscheidet man sich langfristig doch gegen die spätklassische Datierung, müssen alle diese Aspekte neu untersucht werden603. Auffällig ist übrigens auch, daß sich dem Typus Ostia-Cherchel einige Varianten zuordnen lassen (OC III 1-5). Dies würde die Vermutung bestätigen, daß es sich möglicherweise um einen hellenistischen Prototyp gehandelt haben könnte, der unterschiedlich abgewandelt und verarbeitet wurde.
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Vgl. S. 258 ff. S. S. 182 ff. S. S. 202 ff. Vgl. S. 195 ff. Ritter, JdI 1997, 21 - 57. Zum Peplos zuletzt ausführlich M. M. Lee, The Myth of the Classical Peplos (1999). Da diese Vorbehalte erst nach Beendigung der Arbeit von ersten Zweifeln an der Datierung im 4. Jh. zu ernsten Bedenken geworden sind, muß eine genauere Untersuchung einer anderen Gelegenheit vorbehalten werden.
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TYPUS VESCOVALI
6. Typus Vescovali Der Typus Vescovali ist mit einem Bestand von mehr als 30 Repliken der am meisten kopierte Athenatypus überhaupt. Im Verhältnis zu dieser umfangreichen Materialpräsenz fristete er allerdings lange ein unverdientes Schattendasein innerhalb der antiken Kunstgeschichte. So erscheint dieser wichtige und beachtenswerte Athenatypus in keinem der Kompendien über antike Skulptur und ist noch weniger bekannt als der im Grunde unbedeutendere Typus Rospigliosi, der immerhin ab und zu auch in Standardwerken abgebildet wird604. Der Typus wurde nach der mit Kopf erhaltenen Replik in St. Petersburg aus Rom (Ve I 3) benannt, die über den Kunsthändler Vescovali im 19. Jh. von der Sammlung Falconieri in die Sammlung Demidoff übergegangen war. Trotz der zahlreichen Repliken war bis Mitte der neunziger Jahre kein zugehöriger Kopftypus bekannt. Die Replik Vescovali ist eine von drei Kopien, die den Kopftypus überliefern. Dies blieb jedoch lange unbemerkt: Da die anderen beiden mit Kopf erhaltenen Repliken bisher unzugänglich oder nur unzureichend publiziert waren und einige einzeln erhaltene Köpfe des Typus Vescovali wegen der falschen Ergänzung einer RospigliosiReplik in Florenz (R II 1) durch einen Vescovali-Kopf irrtümlich dem Typus Rospigliosi zugewiesen wurden, galt auch der Einsatzkopf der Figur in St. Petersburg nicht als zugehörig, sondern als dem Rumpf fälschlich aufgesetzte Kopfreplik des Typus Rospigliosi. Nachdem die Repliken Walston (Ve I 2) und Nikopolis (Ve I 1) jedoch vor Ort zugänglich waren, ließ sich der Kopftypus eindeutig bestimmen. Da dieser bisher für den Typus Rospigliosi in Anspruch genommen worden war, mußten die entsprechenden, bislang dem Typus Rospigliosi zugeordneten Köpfe von diesem abgesondert und dem Typus Vescovali zurücküberwiesen werden605.
Forschungsstand Der Typus Vescovali wurde zwar vor allem in der älteren Literatur ab und zu erwähnt, aber eine eingehendere Beschäftigung mit dem Typus erfolgte erst in jüngster Zeit durch die Zuweisung des Kopftypus durch Verf. 1995 und vor allem durch den umfassenden Beitrag im Rahmen der Reihe Antike Plastik 2001 von W. Schürmann606. 1895 hatte Amelung den Typus im Rahmen seiner Untersuchung über die Musenbasis von Mantineia bekannt gemacht607. Er zählt außer der bronzenen Athena von Arezzo in Florenz, die er demselben Typus zurechnet, bereits sieben „weitere Wiederholungen aus Marmor“ auf. Da Amelung nach den Zeichnungen Claracs vorgeht, erscheint eine bei Clarac doppelt abgebildete Replik bei ihm zweimal608. Die Replik St. Petersburg (Ve I 3) führt er nach Clarac als Bestandteil der Sammlung Vescovali auf und bezeichnet den Kopf als antik, aber nicht zugehörig. Den Kopftypus Vescovali erkennt Amelung im Kopf der bronzenen Athena von Arezzo, die er abgesehen von der abweichenden Aigis insgesamt für die getreueste Überlieferung des seiner Ansicht nach praxitelischen Typus hält609. Wenig später schließt sich A. J. B. Wace dem 604
Vgl. Lit.angaben zu Kat. R I 1 - R IV 1. Zur Frage der Zugehörigkeit des Kopfes Verf.in, AA 1996, 87 u. S. 51 f. 606 W. Schürmann, „Der Typus der Athena Vescovali und seine Umbildungen“, Antike Plastik 27 (2001) 37-84 Taf. 20-47; vgl. Anm. 260. 607 Amelung, Basis des Praxiteles 16 ff. 608 Ohne weiteres identifizierbar sind die Repliken Amelung a. O. 17 c (St. Petersburg; Ve I 3), e (Liverpool; Ve II 2) und f (Oxford; Ve II 4). Die Replik g (Ve II 13) ist verschollen. Die Replik a befindet sich heute in Castle Howard (Ve II 8) und ist unter d noch einmal aufgeführt. Replik b (Ve II 14) konnte noch nicht identifiziert werden. 609 Zur Athena von Arezzo vgl. S. 130 ff.
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Urteil Amelungs an610. Den sieben Repliken Amelungs fügt er weitere sieben Exemplare hinzu, wobei sich bei der Übernahme von Amelungs Repliken A bis G die oben genannte Wiederholung abermals einschleicht611. Parallel dazu erstellt Arndt im Text zu den Brunn-Bruckmann-Tafeln eine Liste, die die Amelungs um drei Repliken erweitert612. Auf den Listen Arndts und Amelungs baut 1926 C. Walston auf, in dessen Privatbesitz sich die Replik befand, die zusammen mit der Statue in Nikopolis (Ve I 1) eine Sicherung des Kopftypus ermöglichte (Ve I 2)613. Obwohl er von Amelung die mündliche Auskunft erhalten hatte, es gebe insgesamt 19 Repliken614, fügte er selbst den bestehenden Replikenlisten zunächst nur drei weitere Repliken hinzu, durch die sich der Bestand auf immerhin 17 Zeugnisse erhöhte615. Die nächste Stellungnahme erfolgte 1932 durch G. E. Rizzo616, der die Listen Amelungs und Waces um vier Stücke erweitert, ohne die Zusammenstellung Walstons, dessen Analyse seiner eigenen Statue er vehement verurteilt, zu berücksichtigen. Den Kopf der Athena Walstons (Ve I 2) zählt Rizzo wie üblich zum Typus Rospigliosi. Die Bronze aus Arezzo, die bisher von allen Autoren zwar erwähnt, aber vorsichtig beiseite gelassen worden war, entfällt auch bei Rizzo. Die doppelte Nennung der Replik Castle Howard (Ve II 8) bleibt bei ihm erhalten. Er sorgt sogar für eine weitere Doppelnennung, indem er ein Fragment in Paris einführt, das von P. Arndt an den Bildhauer Rodin übergegangen sein soll und im Text zu Brunn-Bruckmann abgebildet ist. Dieses Fragment entspricht der bereits seit Wace in den Replikenlisten geführten Statuette der École des Beaux Arts in Paris, zuletzt Kunsthandel London (Ve III 2)617. Nachdem anschließend G. Becatti den Athenatypus Vescovali auf der Ara von Ostia erkennen wollte618, stammt die nächste Replikenzusammenstellung erst von G. Gullini, der kurz nach der Auffindung die 1947 ans Licht gekommene Replik im Museo Nuovo in Rom (Ve II 9) publizierte619. Gullini gibt ausgehend von Waces Beitrag den Stand der früheren Listen wieder und führt die von Rizzo hinzugefügten Repliken noch einmal auf. Auch er ergänzt wiederum drei Repliken, so daß seine Liste einen Umfang von 21 Repliken erreicht. Die doppelte Nennung der Replik Castle Howard (Ve II 8) erscheint selbst in der neu erarbeiteten Replikenliste, die R. Kabus-Jahn 1963 veröffentlichte620. Obwohl sie darüber hinaus zwei angebliche Repliken in Athen aufführt, kommt R. Kabus insgesamt auf nur 20 Repliken621. J. Papadopou-
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Wace, JHS 1906, 237 f. Von den neu hinzugekommenen Exemplaren ist das Fragment H vom Palatin (Ve IV 2) inzwischen bei Schürmann genauer beschrieben worden (AntPl 27, 57 S 19 Taf. 37); ebenso das Fragment I vom Forum in Rom (Ve IV 1; Schürmann a. O. 57 f. S 20 Abb. 23-26) das Fragment in Fermo, Wace, JHS 1906, 238 K (Ve IV 3) und der Torso Wace, JHS 1906, 238 N ehemals Paris, zuletzt 1972 Kunsthandel London (Ve VI 1). Ungewiß bleibt das Fragment Wace, JHS 1906, 238 M, das eventuell mit seinem Fragment 237 I identisch sein könnte. Als Ganzkörperrepliken nennt Wace die Exemplare Benevent (Wace, JHS 1906, 238 L; hier Ve II 3) und Turin (Wace, JHS 1906, 238 O; hier Ve II 1). P. Arndt, Text zu Brunn-Bruckmann Taf. 608 (1902). In anderem Zusammenhang und ohne ein Replikenverhältnis herzustellen, erwähnt Arndt die Exemplare Kopf Berlin (Ve V 7), Paris, Kunsthandel (Ve II 12) und den Kopf in der Villa Borghese (Ve V 1), den er auch abbildet (a. O. Abb. 5). Walston, Alcamenes 183 ff. Walston a. O. Anm. 1. Walston a. O. 187 f. Abb. 160-62; vorgestellt werden die Repliken Oxford (Ve II 4), Castle Howard (Ve II 8) und St. Petersburg (Ve I 3). Rizzo, Prassitele 93 f. 118. Hinzu kommen außer dem Fragment in Paris (Ve II 12) die Replik in Neapel aus Baiae (Rizzo 16; hier Ve II 10), ferner die Replik aus der Villa Hadriana im Museo Nazionale in Rom (Rizzo 17; hier Ve II 7) sowie schließlich die Replik Walstons (Rizzo 18; hier Ve I 2). Becatti, AS Atene 1939/40, 85-137, bes. 126 f.; Todisco, Scultura Greca 108. Gullini, BCom 1946-48, 45 Anm. 3. Hinzu kommen außer der Replik im Museo Nuovo (Gullini 21; hier Ve II 9) die Repliken in Triest (Gullini 19; hier Ve II 5) und Paris (Gullini 20; evtl. identisch mit Rizzo 15 - vgl. Anm. 617; hier Ve II 12). Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. Die von Kabus-Jahn als Repliken aufgeführten Stücke in Athen (Kabus-Jahn 12, 13) können nach freundlicher Auskunft W. Schürmanns nicht als solche gelten. Folgende Repliken fehlen in der Liste R. Kabus-Jahns: die von
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los, die die Replik im Museo Nazionale in Rom (Ve II 7) für den Katalog bearbeitet hat, bezieht sich auf die kurz zuvor erschienene Liste G. B. Waywells und nennt selbst nur ausgewählte Repliken622. Tatsächlich ist die 1971 veröffentlichte Replikenliste Waywells mit 25 Repliken auch erstmals umfassender623. Sie hat jedoch, wie die übrigen Listen Waywells, mehr Entwurfscharakter und muß im einzelnen berichtigt und ergänzt werden. Anders als seine Vorgänger nimmt Waywell die Athena von Arezzo in die Liste auf, bezeichnet sie allerdings gleichzeitig als „bronze variant“624. Einen weiteren Kommentar zum Typus Vescovali lieferte D. Degrassi 1991 in einem Beitrag über die Skulpturen aus dem Theater von Triest625. Genannt werden aber nur ausgewählte Repliken; neu hinzu kommt jetzt die Replik in Nikopolis (Ve I 1). Diese war, nachdem sie Verf. 1995 die Identifikation des zugehörigen Kopftypus ermöglicht hatte, Anlaß für die eingangs genannte erste monographische Behandlung des Typus Vescovali 2001 durch W. Schürmann626. Schürmann stellt die Wiedergaben seiner Replikenliste katalogartig vor, sichtet die disparate Literatur und untersucht Datierung und Kontext des Originals. Er führt vier erhaltene und 2 verschollene Statuen auf, 23 Torsen und Körperfragmente (inklusive Statuetten) sowie 6 Köpfe627 und gelangt so abzüglich der von ihm in die Liste aufgenommenen Statuetten zu einer Liste von 31 großplastischen Repliken628. Die hier vorgelegte aktualisierte Liste der Repliken vom Typus Vescovali umfaßt 36 Wiederholungen, davon drei Statuen, 14 Statuen ohne Kopf (von denen zwei verschollen sind), vier Torsen629, drei Fragmente und 12 Kopfrepliken.
Replikenliste Typus Vescovali I. Statuen: 1. Nikopolis 2. Privatbesitz Walston 3. St. Petersburg, Eremitage II. Statuen ohne Kopf: 1. Turin 2. Liverpool (Magazin) 3. Benevent, Mus. Provinziale del Sannio 4. Oxford, Ashmolean Mus. 5. Triest, Mus. 6. Tivoli, Villa Hadriana, Mag.
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Gullini publizierte Replik im Museo Nuovo (Ve II 9; vgl. Anm. 619), und die Replik in London, ehemals Paris, École des Beaux Arts (Ve VI 1; vgl. Anm. 619). J. Papadopoulos, in: A. Giuliano, Museo Nazionale Romano. Le Sculture I 1 (1979) 72 ff. 59 mit Abb. Waywell, BSA 1971, 382, Athena Vescovali/ Capua/ Beneventum/ Arezzo. Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 25. D. Degrassi, in: M. Verzar-Bass (Hrsg.), Il teatro Romano di Trieste (1991) 89 ff., 127 f. Taf. 11. 21, 80. 184-185. S. Anm. 606. Die Torsen haben hier z. T. Basen - in vorliegender Arbeit wird zwischen Torsen (im Sinne von Rümpfen) und Statuen ohne Kopf unterschieden. Hätte diese Liste Verf.in schon früher zur Verfügung gestanden, wäre die eigene Feinarbeit im Umgang mit den älteren Replikenlisten, die sich hier in den Anmerkungen niederschlägt, überflüssig gewesen. So aber belegen die ausführlichen Anmerkungen, daß die Replikenliste des vor der Publikation Schürmanns noch unbekannten Athenatypus mühsam aus der älteren Literatur erarbeitet und beurteilt werden mußte. Der Torso in New York ist neu hinzugekommen und stammt aus dem Beitrag W. Schürmanns, der ihn seinerseits einem Hinweis A. H. Borbeins verdankt (Schürmann, AntPl 27, 55 f. S 16). Aus dem Beitrag Schürmanns sind auch die unter Varianten und freien Wiederholungen aufgeführten Statuetten in Athen und Tunis entnommen.
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7. Rom, Mus. Nazionale 8. Castle Howard 9. Rom, Mus. Nuovo 10. Baiae, Castello 11. Apollonia 12. Paris, Kunsthandel (aus Capua) 13. Rom, Villa Doria Pamfilij (verschollen) 14. Rom, Palazzo Giustiniani (verschollen) III. Torsen: 1. Vatikan, Magazin 2. London, 1989 Kunsthandel 3. New York, Slg. Hermann IV. Fragmente: 1. Rom, Forum 2. Rom, Palatin 3. Fermo V. Köpfe: 1. Rom, Galleria Borghese 2. Neapel, Mus. Nazionale 3. Beaulieu-sur-Mer, Villa Kerylos (Bronzekopf) 4. Rom, Villa Albani 5. Basel, Antikenmuseum 6. Kyrene 7. Berlin, Staatl. Museen 8. 1899 Privatbesitz Slg. Nelson, Liverpool (Aufbewahrungsort z. Zt. unsicher) 9. St. Petersburg, Eremitage 10. Florenz, Uffizien 238 (Kopf auf archaist. Statuette) 11. Florenz, Uffizien 185 (Kopf auf Rospigliosi-Körper) 12. Florenz, Uffizien 214 (Kopf auf Hygieiastatue) VI . Freie Wiederholungen: 1 London, 1972 Kunsthandel (ehemals Paris, École des Beaux Arts) 2 Antalya, Mus. 18.29.81 3 Athen, Nationalmuseum 2239 4 Tunis, Muse´e du Bardo
Rekonstruktion des Originals Die Repliken stimmen formal untereinander so überein, daß die Rekonstruktion des Originals nicht schwierig ist. Das recht einfache Gewandmotiv des Typus läßt kaum Variationsmöglich-
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keiten offen und hat sicher auch zur großen Verbreitung des mit wenig Aufwand zu vervielfältigenden Athenatypus beigetragen630. Die Entwicklung der Kopiertätigkeit in bezug auf den Typus Vescovali läßt sich kurz folgendermaßen skizzieren: Es lassen sich ganz verschiedene Schwerpunkte der Replikengestaltung festmachen. Die früheste Replik in Turin (Ve II 1) knüpft mit ihrer schweren, hüftbetonten Körperlichkeit direkt an hellenistische Gewandstatuen an631. Aber auch die wenigen Repliken aus der frühen Kaiserzeit (Ve II 1 - 4) sind noch weit massiver als die hybriden, schmalen, stärker gedrehten Repliken des späteren 2. Jhs., die wiederum den spätklassisch-frühhellenistischen Aspekt des Originals herausstreichen. Während die Exemplare des 1. und des frühen 2. Jhs. eher vereinzelt dastehen und qualitativ und in bezug auf ihre Originaltreue mehr oder weniger differieren, wirkt die Überlieferung danach stärker vereinheitlicht. Es scheint fast, als ob - wie dies auch beim Typus Rospigliosi und dem Typus Ostia Cherchel632 für das 2. Jh. n. Chr. vermutet worden war - in antoninischer Zeit eine Art neues Muster herausgegeben worden sei, nach dem die Kopisten sich richteten633. Alle Kopien dieser Zeit zeigen nämlich die gleiche Längung; sie sind schmal und in sich gedreht, dabei aber von relativ flacher Frontalität. Das Himation führt nicht mehr um einen substantiellen Körper herum, wie dies noch an den früheren Repliken der Fall war, sondern ist zur kalligraphisch-kunstvollen Verzierung der Vorderseite geworden. Entsprechend werden einzelne Gewandmotive wie der Querbausch des Mantels und das Motiv des eingestützten Armes aufgewertet und treten gestalterisch in den Vordergrund. Mit dieser Entkörperlichung geht also eine Art Erstarrung und Vereinheitlichung der Gewandgestaltung einher. Es ergibt sich folglich innerhalb der Kopienreihe ein stilistischer Wandel, der hier aufgrund der großen Anzahl der Repliken besonders gut nachvollziehbar ist. Von antoninischer Zeit an bleiben auch die Gewandfalten auf ein gemeinsames Grundmuster reduziert; das Gewand wird nicht mehr bereichert oder ausgeschmückt. Erst ganz späte Repliken wie jene in Paris, Kunsthandel (Ve II 12) gehen wieder freier mit dem Muster um. Sollte die Replik in Nikopolis (Ve I 1) doch nicht trajanisch, sondern tatsächlich spätantik sein634, so wäre sie noch enger mit der antoninischen Ausgabe verbunden, während die Pariser Replik in ihrer großen Freiheit eigentlich schon fast als Variante bezeichnet werden muß. Die Mehrzahl der Repliken vermittelt also einen unter verschiedenen Aspekten direkten Eindruck vom Aussehen des Originals. Der nicht auf der Plinthe aufliegende Peplos, die Komposition und vor allem die Existenz eines Bronzekopfes unter den Repliken (Ve V 3) lassen keinen Zweifel daran, daß ihnen ein Bronzevorbild zugrunde liegt. Dieses Vorbild war für eine weibliche Gestalt gerade eben lebensgroß, für eine Göttin kann sie vielleicht eher als unterlebensgroß
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Gerade diese Sparsamkeit in der Gewandgestaltung führt allerdings auch zu verstärkten Schwierigkeiten bei der Datierung der Repliken, die in erster Linie nach Struktur und Volumen und erst in zweiter Linie nach der Gewandgestaltung datiert werden konnten. Schürmann, AntPl 27, 71 sortiert die Replik Turin, die er antoninisch datiert, wegen ihrer angeblichen Bereicherung aus der Überlieferung des Originals aus. S. Anm. 560. Vgl. Kabus-Jahn, Frauenfiguren 90, die den subjektiven Eindruck der antoninischen Repliken anhand der Replik in Newton Hall beschreibt; sie interpretiert den Befund jedoch etwas diffus als Übersteigerung im hellenistischen Sinne. Vgl. Kat.text zu Ve I 1. Die stilistische Zugehörigkeit zur seit antoninischer Zeit gültigen Edition würde eher für die späte Datierung der Replik in Nikopolis sprechen.
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gelten635. Die Figur der Göttin ist jedenfalls auch in diesem Fall trotz der geringen Größe nicht als jugendlich gedacht, sondern in voller Weiblichkeit dargestellt. Das Original trug den Peplos und darüber ein bis zum Knie reichendes Himation. Schräg über den Oberkörper verlief die Aigis, die die rechte Brust verdeckte. Unter dem korinthischen Helm zeigten sich in sanftem Schwung die langen Haare, die an der Rückseite zum buschigen Nackenzopf gebunden waren. Die Füße waren mit Sandalen versehen. Der linke Arm stützte sich auf die linke Hüfte; die linke Hand war in den Mantel gehüllt. Der Mantel verläuft bei allen Repliken vom linken Arm aus über den Rücken und ist von da aus in einem Faltenbausch über den Bauch gelegt. An der linken Körperseite ist er im Bausch festgesteckt und wird von der verhüllten linken Hand aufgenommen und festgehalten636. Die ursprüngliche Haltung des rechten Armes läßt sich nur schwer bestimmen, da er bei fast allen Repliken angesetzt war und fehlt. Vier Repliken überliefern zumindest Teile des rechten Armes637. Am anschaulichsten ist die Überlieferung jedoch an der hellenistischen Replik in Turin (Ve II 1), deren muskulöser Oberarm am Körper herabgeführt war. Diesen Verlauf bestätigen die Befestigungsspuren am Armansatz der meisten Repliken. Zur Befestigung des Unterarmes können Puntelli am rechten Oberschenkel der Repliken gedient haben. Dennoch ist keine konkrete Aussage über dessen Verlauf mehr möglich. Er war entweder am Körper herabgeführt und hielt möglicherweise eine Patera, oder er war leicht abgewinkelt und hielt eine Lanze. Die gleiche Replik in Turin (Ve II 1) ist am rechten Oberschenkel mit zwei Dübellöchern versehen. Schürmann hält dies für eine antike Wiederbefestigung des Unterarmes im Zuge einer Reparaturmaßnahme638. Die starke Anspannung des Oberarmes deutet jedoch eher darauf hin, daß der Arm nicht direkt am Körper herabgeführt war, sondern etwas festhielt. Die Existenz einer Lanze läßt sich nicht belegen, aber bei einem verfüllten Dübelloch unterhalb der rechten Hüfte der Replik in Liverpool könnte es sich um den Rest einer Verbindungsstütze zu einem Lanzenschaft handeln. An der ähnlich komponierten Athenafigur der weiter unten erwähnten Ara von Ostia erscheint die Lanze; sie wird vom Original des Typus Vescovali in ähnlicher Weise gehalten worden sein639. Wie das Gewand im Unterschenkelbereich der meisten Repliken zeigt, war der Peplos auf der rechten Seite geöffnet640. Die mit Gewandtroddeln versehene seitliche Peplosöffnung ist jedoch nur verhalten angegeben und spielt für die Gewandkomposition kaum eine Rolle. Sie wird viel-
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Schürmann, AntPl 27, 70 bezeichnet die Repliken als unterlebensgroß. In Anbetracht dessen, daß Frauen in der Antike nicht häufig über 1.60 m groß gewesen sein dürften, ist die durchschnittliche Körperhöhe der Repliken allerhöchstens als leicht unterlebensgroß einzuschätzen. Es scheint allerdings, als ob der Mantel auf der linken Schulter doppelt gelegt sei - ein solcher Verlauf läßt sich aber nicht realistisch nachvollziehen. Entweder sind also die beiden Falten, die in Richtung des Halses wie eine untere Schicht unter den sie überlagernden übrigen Schulterfalten aussehen, nicht im realistischen Sinne gemeint, oder sie gehören doch zur selben Mantelschicht wie die übrigen Schulterfalten. Den Ansatz des rechten Armes zeigen die Repliken in Oxford (Ve II 4), Turin (Ve II 1), New York (Ve III 3) und Rom, Palatin (Ve IV 2). Schürmann, AntPl 27, 52 S 12, 71. Zur Ara von Ostia vgl. Anm. 618. Schürmann a. O. 71 findet die erhaltenen Plinthen zu klein, um eine Lanze dort aufsetzen zu lassen. Die Replik in Oxford (Ve II 4), deren Gestaltungsschwerpunkt auf der stark bereicherten Bekleidung des Typus liegt, sowie die Repliken in Liverpool (Ve II 2), Benevent (Ve II 3) und im Museo Nuovo in Rom (Ve II 9) markieren die Peplosöffnung durch Gewandgewichte auf der rechten Seite der Plinthe.
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mehr durch das Himation verdeckt, das die Komposition bestimmend beherrscht und in dieser Funktion die Führung im gesamtkompositorischen Aufbau der Figur übernimmt641. Dieser wird trotz der eigenwilligen stilistischen Interpretation einiger weniger Repliken642 von allen Kopien einheitlich übermittelt. Die Göttin ist in ponderierter Haltung dargestellt, den Körper offensichtlich fast frontal dem Betrachter zugewandt. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, daß jedoch auch der Körper der Bewegung des nach links gerichteten Kopfes folgt. Während die Fläche des glattgespannten Himations Frontalität vortäuscht, beginnt die Hüfte, ausgehend vom Spielbeinoberschenkel, mit der Drehung des Kopfes zu korrespondieren. Solche kompositorischen Feinheiten überliefern nicht alle Repliken. Während z. B. die Replik Walston (Ve I 2) die subtile Drehung des Körpers so sehr verstärkt hat, daß die praktische Bestimmung einer Hauptansichtsseite problematisch ist, verdeckt die deutlich klassizistische Petersburger Replik (Ve I 3) dieses typische Element durch eine rein frontale Ausrichtung. Die Mehrzahl der Kopien jedoch überliefert ein System von Bewegung und Gegenbewegung, das eine Verschiebung der Körperteile gegeneinander verursacht643. Der Kopf ist zur linken Schulter gewandt; der Blick ist leicht emporgerichtet. Die Kopfrepliken überliefern recht einheitlich einen rundovalen Gesichtskontur und einen zarten, ebenmäßigen, mädchenhaften Gesichtsausdruck. Die beste Überlieferung stellt der womöglich östliche Kopf in Basel dar, der durch seine Qualität und eine Genauigkeit besticht, die gut auf die direkte Anschauung und Widergabe des Originals zurückgehen könnte. Der Kopf überliefert ebenfalls die weich nach hinten fließenden Haarsträhnen und den korinthischen Helm, der lediglich an der Replik in Nikopolis (Ve I 1) mit einem Busch versehen war. Interessant zur Veranschaulichung des Originals sind Bemalungsreste, die an zwei Repliken sichtbar sind. Die Replik in Benevent (Ve II 3) zeigt am unteren Himationsaum eine doppelte Ritzlinie, die wahrscheinlich farblich abgesetzt war. Möglicherweise deutet dies darauf hin, daß sich am Bronzeoriginal an derselben Stelle eine Einlegearbeit befunden hat. Ganz auffällig sind die Bemalungsreste an der leider sonst weniger gut erhaltenen Replik aus Baiae (Ve II 10), die eine breite farbige Saumkante am Himation überliefert. Auch das Himation des aus Fragmenten wieder zusammengesetzten Torso in Tivoli (Ve II 6) hat eine schmale, durch Ritzung abgesetzte Saumkante.
Stilistische Analyse Die beschriebene, durch das Spielbein eingeleitete und in der Kopfbewegung kulminierende drehungsähnliche Verschiebung entlang einer lotrechten Achse, die an der Innenseite des Standbeines entlang nach oben verläuft, ist also das Grundprinzip des Aufbaus, dem auch die Ponderation der Figur unterworfen ist. Der Begriff der Drehung, der hier nur als Hilfestellung benutzt wird, mag irreführend sein, da es sich noch nicht um eine in sich geschlossene, die ganze Figur erfassende Bewegung handelt. Die Figur besteht vielmehr aus einem System teilweise gegensätzlich 641 642 643
Vgl. die ausführliche Beschreibung der einzelnen Gewandmotive des Originals bei Schürmann, AntPl 27, 71 u. 74. Stilistisch am stärksten verändert sind die Repliken in Oxford (Ve II 4), Turin (Ve II 1), Kunsthandel Paris (Ve II 12) und Kunsthandel London (Ve III 2). Die Repliken mit modern ergänztem, fast frontal ausgerichtetem Kopf (Ve II 9, Ve II 2 und Ve II 7) zeigen deutlich, was für ein Bruch in der Bewegung entsteht, wenn der Kulminationspunkt der Bewegung, die seitwärts gerichtete und unmerklich nach oben angehobene Blickrichtung, fehlt.
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aufeinander reagierender Achsen, die bei einigen Repliken den Eindruck einer leichten Drehung entstehen lassen: In der Vorderansicht reagieren aufeinander die aus der frontalen Ebene leicht nach vorn verschobene rechte Hüfte, der herausgewölbte Bauch mit dem Bausch und die sozusagen rückläufig schräge Aigis über der höher angelegten linken Brust mit der etwas nach vorn geschobenen, leicht hochgezogenen linken Schulter. Diese sich verschiebenden Achsen dürfen jedoch nicht ohne den wahrscheinlich locker auf eine Lanze gestützten rechten Arm betrachtet werden, denn nur durch die Ergänzung dieses Armes erklärt sich letztlich die Ponderation, und nur so läßt sich der als Gegengewicht gedachte linke Arm verstehen. Wenn der rechte Arm so konzipiert ist, ordnen sich nämlich alle offenbar widerstrebenden oder eher zufällig aufeinander reagierenden Achsen zu einer sinnvollen Komposition. Lanze, rechter Arm und Standbein bilden dann den achsialen, vertikal orientierten Schwerpunkt der Figur, während Spielbein, eingestützter Arm und der seitlich emporgerichtete Kopf die Figur nach außen hin öffnen und sich gleichzeitig als interessante typuseigene Gestaltungselemente um die lotrechte Hauptachse herum anordnen. Jenen Vorgang des Öffnens leisten diese Elemente aber, indem sie, ohne allerdings die insgesamt ausgewogene Komposition zu sprengen, die genannten im Grunde widerstrebenden diagonalen Achsen bilden: die ausschwingende Hüfte, die Aigis, den Kopf und ganz besonders natürlich den eingestützten linken Arm. Durch dieses Spiel gegensätzlich schräger, von der zentralen senkrechten Achse nach außen wegstrebender vertikaler Achsen wird die Figur in eine sie insgesamt ergreifende Schwingung versetzt, die die erwähnte Öffnung nach außen verstärkt und der Statue einen extrovertierten Ausdruck verleiht. Aus diesen Beobachtungen folgt, daß die Hauptansichtsseite dort liegt, wo die Figur sich am meisten öffnet, nämlich von der Mitte aus etwas nach rechts verschoben und damit so, daß der Kopf im Halbprofil zu sehen ist. Die meist bestoßenen Plinthen geben nur zum Teil Auskunft über die Hauptansichtsseite. Einige Plinthen scheinen auf eine unmerkliche Drehung aus der Mittelachse hinzuweisen644, während die Plinthen anderer Repliken zeigen, daß diese in fast klassizistischer Manier völlig frontal ausgerichtet sind645. Die Seitenansichten gliedern sich bei fast allen Repliken der Vorderseite an und besitzen kaum noch Eigenwert. Jede Seite wird im wesentlichen von einem schmalen, lotrechten Faltenverlauf bestimmt, auf horizontale Gliederung wird zugunsten der schmalen Wirkung vollkommen verzichtet. Es ist bezeichnend, daß einige Repliken die Seitenansichten unterschiedlich behandeln. Am unabhängigsten geht hierin die Replik in Oxford (Ve II 4) vor, deren Gewandstil insgesamt sehr eigen ist. Wie die Vorderseite so bereichert sie auch die Nebenseiten durch neue Faltenmotive und verleiht ihnen dadurch einen eigenen Wert, ohne dabei die reale Breite der Figur zu vergrößern. Ganz anders hingegen die hellenistische Turiner Replik (Ve II 1), deren zeitliche Einstufung sich darin besonders bestätigt. Ein weiteres Extrem bildet die trajanische oder spätantike Replik in Nikopolis (Ve I 1) mit ganz schmalen, abrupt nach vorn und hinten umbrechenden Seiten. Insgesamt verweisen die meisten anderen Repliken die Seitenansichten in eine so untergeordnete und von der Frontansicht abgeleitete und diese ergänzende Rolle, daß man dies auch für das Original annehmen muß. 644 645
Vgl. die Repliken Kunsthandel Paris (Ve II 12), Triest (Ve II 5), Benevent (Ve II 3), Apollonia (Ve II 11) sowie die Replik Walston (Ve I 2). So die Repliken St. Petersburg (Ve I 3), Turin (Ve II 1), Oxford (Ve II 4) und Liverpool (Ve II 2).
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An der Rückseite ist die Auflösung der Vierseitigkeit am besten sichtbar. Der straffgezogene Mantel scheint hier fast gewaltsam einige aneinandergereihte, teilweise schräg zueinander angeordnete Einzelfächen zusammenzuhalten. Die Faltenmotivik leitet zu den Seiten und von da aus zur Front über; sogar die senkrecht herabfallenden Peplosfalten über den Unterschenkeln bilden keine gerade Fläche, sondern drei im Winkel von 90 Grad nebeneinandergestellte, eine Art Zickzack bildende Einzelflächen.
Datierung Mit dieser Analyse sind die wichtigsten Kriterien zur Datierung schon genannt. Daß die Figur auf einer Entwicklungsstufe steht, die das stilistische Repertoire der Spätklassik überschreitet, ist bereits deutlich geworden. Ebenso stellt sich aber heraus, daß Merkmale, die dem frühen Hellenismus zugeordnet werden, noch nicht in vollem Umfang ausgebildet sind. Ein ähnliches Phänomen läßt sich am Statuentypus der Kleinen Herculanerin feststellen646. Wegen ihrer jugendlichen Mädchenhaftigkeit zunächst besser mit der Athena zu vergleichen als die m. E. später entstandene matronale Große Herculanerin647, finden sich hier Gestaltungsmittel, die von der Athenafigur in gesteigertem Maße verwendet und ihrer grundsätzlich anderen Aussage entsprechend verändert und verstärkt wurden. Während die Komposition der Kleinen Herculanerin in ihrem durch das Mantelmotiv begünstigten geschlossenen Kontur auch von den in einer leichten Drehbewegung um eine innere Vertikalachse gruppierten Gliedmaßen und dem gesenkten Kopf bestimmt wird, bilden die Gliedmaßen der Athena nach außen gerichtete Querachsen; ihr Kontur ist deutlich geöffnet. Die Kopfwendung schließlich vervollständigt den extrovertierten Charakter der Athenafigur. Auch wenn motivische und stilistische Gesichtspunkte grundsätzlich getrennt beurteilt werden müssen, bedingen sie sich doch manchmal gegenseitig. So wird die Verwendung bestimmter Motive durch das stilistische und handwerkliche Repertoire einer bestimmten Zeit begünstigt, während andere Motive dem Stilwollen derselben Zeit weniger entsprechen. Im Falle der Athena Vescovali ist die klare Fläche des kurzen, straffen Himations ein Gestaltungselement, das sich motivisch bereits im faltenreich variierten Mantel der kleinen Herculanerin ankündigt, in seiner extrovertierten Flächigkeit und straffen Spannung aber zum Kriterium für Stil und Ausdruck einer späteren Stufe wird. In die gleiche Richtung weisen die ihrer Funktion beraubten Seitenansichten. Beginnt auch die kleine Herculanerin in der Seitenansicht zu kippen und ist auch hier bereits an der Spielbeinrückseite die Rückansicht mit in die rechte Seitenansicht einbezogen, so besitzt sie doch ein Körpervolumen, das durch substanzreiche Faltenformen an den Seiten der Figur betont wird. Anders bereits die Große Herculanerin: Sie ist nicht mehr in allen Ansichten mittelzentriert wie die kleine Herculanerin, sondern ihre einzelnen Bestandteile sind gegeneinander verrutscht und aus dem Lot geraten; einer zentrifugalen Kraft wird durch das beide Arme verbindende Stoffstück entgegengewirkt. Der Kopf ist trotz Senkung der Blickrichtung auf eine außer646
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M. Bieber, The Copies of the Herculaneum Women. Proc. of the Am. Phil. Soc. 106 (1962) 111-134; dies., Ancient Copies 22 f. Taf. 113-115 Abb. 668-681; Todisco, Scultura Greca 292; Fuchs, Skulptur4 236-237. Zur Datierung vgl. A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen. Klassische und frühhellenistische Gewandstatuen mit Brustwulst und ihre kaiserzeitliche Rezeption (1997).105 Anm. 419. Eine ähnliche Datierung beider Figuren vertritt Ridgway, Hellenistic Sculpture I, 92 f. Anm. 40 Taf. 56 a.b. M. Bieber a. O. Taf. 112; Todisco a. O. 291.
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halb der Figur liegende Achse ausgerichtet; die breiten Schultern verleihen der Figur eine frontal orientierte Flächigkeit. Auch in der Seitenansicht steht die Figur weniger stabil; Ober- und Unterkörper sind weit gegensätzlicher als an der einheitlich konzipierten kleinen Herculanerin. Muß die kleine Herculanerin etwa 330/20 v. Chr. datiert werden, so bewegt sich die Große Herculanerin m. E. weiter in das 3. Jh. hinein und ist kein spätklassisches, sondern ein hellenistisches Werk648. Die Athena zeigte noch keine ausgeprägt hellenistischen Merkmale. Verglichen mit der kleinen Herculanerin hat sie an Volumen und Standfestigkeit verloren und nähert sich in der Verschiebung der Horizontalachsen gegeneinander, der leichten Drehung und Orientierung nach außen sowie der Vereinzelung der teilweise gegeneinander verschobenen Körperpartien der Großen Herculanerin. Insgesamt steht sie zwischen der spätklassischen Kleinen Herculanerin und dem noch längst nicht erreichten drängenden, schwerfälligen Volumen der Großen Herculanerin. Mag diese Argumentation wegen der abweichenden Datierung der Großen Herculanerin nicht stichhaltig erscheinen, so läßt sich anhand der Reihe bekannter männlicher Porträtstatuen des späten 4. und frühen 3. Jhs. eine ähnliche Entwicklung ablesen. Die Reihe beginnt wiederum mit dem Sophokles649, dessen Datierung durch die Quellenlage nahegelegt und durch das Urkundenrelief von 329/8 in Athen unterstützt wird650. Die Porträtstatue steht auf der Stufe der Kleinen Herculanerin, ist aber bereits schlichter konzipiert. Sie teilt mit der Athena die verstrebten und verschobenen Vertikalachsen am Oberkörper, durch die zugleich mit der übereinstimmenden Kopfwendung eine ähnliche Extrovertiertheit erreicht wird. Auch die herausdrängende rechte Hüfte unter dem straff gespannten dicken Mantelstoff haben beide Figuren gemeinsam. Im Vergleich mit dem Sophokles wird der unterschiedliche Charakter der Repliken des Athenatypus noch einmal besonders deutlich. Legt man die fülligeren, teilweise klassizistisch wirkenden Repliken zugrunde651, sind die Gemeinsamkeiten mit dem Sophokles überdeutlich. Aber auch die hybrideren Repliken der späteren Kaiserzeit überliefern Merkmale des Originals652. Sie finden in der Figur des Aischines653, teilweise sogar in den Statuen des Demosthenes654 oder des Philosophen von Delphi655 bessere Parallelen. Was zu diesen Divergenzen führt, läßt sich jedoch anhand der Vergleiche weiter konkretisieren und ergibt ein gültiges, zeitlich einordbares Bild des Originals. Der Aischines treibt die bereits beim Sophokles wirksame Umspannung durch den Mantel weiter, aber unter dem gleichen Verlust der Mittelachse, wie ihn die Athena Vescovali gegenüber der kleinen Herculanerin zeigte. Wo am Sophokles kräftiges Volumen umspannt wird, schrumpft der Körper des Aischines unter 648
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Deutliche Verbindungen mit dem Altar von Priene, J. C. Carter, The Sculpture of the Sanctuary of Athena Polias at Priene (1983), Linfert, Kunstzentren 30, 167 ff., Ridgway, Hellenistic Sculpture I, 164 ff. Taf. 75 a. b, P. A. Webb, Hellenistic Architectural Sculpture (1996) 99 ff. und mit pergamenischen Werken machen es möglicherweise überlegenswert, die Große Herculanerin anders als üblich in das 3. Jh. zu datieren und sie damit von der Kleinen Herculanerin abzurücken. Vor allem in der Seitenansicht zeigt die Figur m. E. Tendenzen, die erst weit nach der Nikeso von Priene (s. Anm. 770) denkbar sind; vgl. auch G. Kleiner, Tanagrafiguren (1984) 143. Vgl. Anm. 347. Meyer, Urkundenreliefs A 107 Taf. 32. 3, Lawton, Document Reliefs 47 Taf. 25. Vgl. Ve I 3, Ve II 1, Ve II 4, Ve II 5, Ve II 7. Vgl. vor allem Ve I 1, Ve I 2. Zum Aischines vgl. Anm. 352. Vgl. Anm. 355. Ridgway, Hellenistic Sculpture I Taf. 106; École Française d’Athe``ne. Guide de Delphes. Le Muse´´e (1991) 100 ff. Abb. 59-66; R. von den Hoff - M. Flashar, BCH 117, 1993, 407 ff. Abb. 1. 4. 13. 14; zuletzt W. Geominy, in: Palagia - Coulson, Regional Schools 61 ff. Abb. 2; Andreae, Skulptur des Hellenismus 74 f. 20.
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dem ihn einschnürenden Mantel zusammen und wird zu einem fast hölzernen, geraden Wulst ohne eigene Achsen und fast ohne Ponderation - diese Strukturelemente werden durch die aufgelegten Mantelfalten ersetzt. Die ganze Bewegungsrichtung des Aischines ist auf eine Körperseite ausgerichtet. Eine so weitgehende Verknappung, die dem Gewand erhebliche gestaltende Funktion zumißt und den Körper mehr in eine Ebene zwingt, läßt sich an der Athena noch nicht feststellen. Auch wenn die Schmalheit einiger Repliken und ihr geringes Volumen eine Verwandtschaft mit in einer Ebene fast rechteckig komponierten, vom Gewand her bestimmten Figuren wie dem Demosthenes suggeriert, ist doch der Körper der Athena in sich durch horizontale Achsen so bewegt, daß sie die einheitliche, häufig vertikale Richtungsorientierung der Figuren der Jahrhundertwende und kurz danach noch nicht erreicht hat und daher nicht zu weit vom Sophokles entfernt werden darf. Kompositionell ist die Athena dieser Figur verwandter als dem Aischines oder dem Demosthenes, hinsichtlich des Faltenstiles aber lassen sich einige Repliken, die eine sparsame, wohldosierte Faltengebung und eine gewisse Härte der Falten und der Stoffoberfläche zeigen, besser neben nachklassische Werke stellen. Die Trockenheit der Falten am Bausch, am eingestützten linken Arm und am Mantel auf der gesamten linken Körperseite teilt die Athena mit dem Aischines, die hohe Führung des Bausches und seine abgesetzten tiefen Bohrfalten und die Art der eckigen Mantelfalten auf der linken Schulter mit dem Demosthenes. Glattgezogene, straffe Faltenpartien kombiniert mit trockenen, kontrastreichen Faltenansammlungen finden sich auf den Grabreliefs seit der Mitte des 4. Jhs.; auch die typische, steil vom Knie herabhängende schlauchartige Falte läßt sich dort häufig beobachten656. Zwei Grabreliefs, die sich durch Proportionen der Figuren und durch ihre Anordnung vor dem Reliefgrund als spät erweisen, können die Herkunft des Faltenstils der Athena verständlich machen: Das Berliner Grabrelief mit den trockenen Faltenakkumulationen neben glatten, aber durch feine schmale Falten gegliederten Gewandflächen657 und die bekannte Begrüßungsstele658, deren Faltenstil sich vor allem in den schweren, schlichten Peplosfalten der Athena wiederfindet. Zwei weitere Grabreliefs der späteren 2. Hälfte des 4. Jhs. in Athen und Philadelphia kommen der Gewandauffassung der Athena noch näher659. Die Grabreliefs lassen jedoch die beginnende Schlichtheit und das frühhellenistische, axial gespannte Gewand-Körper-Verhältnis, das den Athenatypus bestimmt, vermissen; sie verharren in wahrscheinlich retrospektiv orientierter Fülle. Nicht nur strukturell, sondern auch vom Gewandstil her steht der Typus Vescovali also zwischen spätklassischen und frühhellenistischen Tendenzen, wie sie bereits am Aischines, stärker aber noch am Demosthenes gegenwärtig werden. Ein datiertes Denkmal kann die ohnehin plausible Datierung des Typus Vescovali unterstützen: Aus Rhamnous stammt die bereits im Zusammenhang mit der Athena Rospigliosi erwähnte Hüftherme in Athen, die einen Epheben in Chiton und Chlamys zeigt und durch die Ephebeninschriften ihrer Rundbasis auf das Jahr 333/2 datiert werden kann660. Vor allem die von der Chla656
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Grabrelief der Mnesistrate, Diepolder Taf. 43. 1; Clairmont II 541 f. 2. 430; Grabrelief des Prokleides, Diepolder Taf. 46; Clairmont III 394 ff. 3. 460; Grabrelief in Chalkis, B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983) Taf. 14; Clairmont II 699 f. 2. 806. Diepolder Taf. 44; Clairmont III 3. 419; Schmaltz a. O. Taf. 15. 2. S. Anm. 494. Clairmont II 2. 307 und III 3. 392 b. J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) Abb. 63; vgl. auch S. 85.
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mys verhüllte, in die Hüfte gestemmte linke Hand ist hier ganz ähnlich gestaltet wie an der Athena Vescovali.
Kopfwendung und Kopftypus Bleibt als letztes Kriterium nur noch die fast pathetische Kopfwendung zu interpretieren, die zwar der des Sophokles verwandt, in ihrem Ausdruck aber deutlich gesteigert ist. Der Begriff „pathetisch“ führt hier schon in eine bestimmte Richtung: Die Kopfwendung findet einwandfreie Parallelen im frühhellenistisch idealisierten, aber auch im späteren realistischen Herrscherporträt. Ist beim Alexander von der Akropolis aufgrund der Anspannung der Halsmuskeln und der Verkürzung der rechten Gesichtshälfte erst mit einer leichten Kopfwendung nach links zu rechnen661, so ist der Kopf Schwarzenberg bereits deutlich nach links gewandt662. Wahrscheinlich arbeitet die Kopfhaltung des Typus Vescolvali mit den gleichen Mitteln des spätklassisch-frühhellenistischen Pathos: Das unbewegte Gesicht nach links gewandt, den Blick aber nicht dediziert nach oben, sondern eher entrückt in die Ferne gerichtet, zeigen Athena und jugendlicher Herrscher ihre Zugehörigkeit zu eben diesen Sphären und drücken gleichzeitig eine Entschlossenheit aus, die inspiriertes, von irdischen Irritationen freies Handeln ermöglicht. Erst später wird der pathetische Blick tatsächlich nach oben gerichtet, das Gesicht bleibt dann häufig nicht mehr unbewegt, sondern erfüllt sich mit elegischem oder expressivem Pathos663. Die gleiche Kopfwendung wie bei den frühen Alexanderbildnissen und der Athena zeigt u. a. der Philetairos von Pergamon664, während Köpfe wie der Alexander Volantza665 und der Alexanderkopf von Pella666 eine Zwischenstellung einnehmen. Auch die Kopfwendung von Heliosköpfen oder anderen jugendlichen unbärtigen Idealköpfen ist expressiver als die Kopfwendung der Athena667 und, wie beim Apoll von Civitavecchia668, deutlicher gen Himmel gerichtet. Insgesamt bleibt die zur linken Schulter gewandte Kopfhaltung mit seitlich in die Ferne gerichtetem Blick bis in den späten Hellenismus hinein ein gängiges Motiv der Porträtplastik669, das in der späteren Kaiserzeit teilweise wieder aufgenommen wird670. Diese Art der Kopfwendung findet sich innerhalb der Idealplastik und der Porträtplastik im privaten und öffentlichen Rahmen, aber nur selten bei Philosophen- und Dich-
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T. Hölscher, Ideal und Wirklichkeit in den Bildnissen Alexanders des Großen, AbhHeidelberg (1971. 2) Taf. 1. 1, 2. Zum Alexanderbild zuletzt J. Carlsen - B. Due u. a., Alexander the Great. Reality and Myth. AnalRom Suppl. XX (1994). Vgl. auch Ridgway, Hellenistic Sculpture I 108 ff. mit Lit.; zum Alexander von der Akropolis ebd. 135 f. Taf. 69. Hölscher a. O. Taf. 7. 1, 2; Taf. 8. 1; I. Jucker, Ein Bildnis Alexanders des Großen (1993) mit Abb.; Himmelmann, Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 33, 87, 92 ff., 98, 102, 216. 10 Abb. 29; Stewart 40-41; P. Moreno, Lisippo. Kat. Rom (1995) 164, 4. 19. 6 mit Abb. u. Lit. Vgl. H. P. L'Orange, Apotheosis in Ancient Portraiture (1947) 19 ff.; H. Kyrieleis, Bildnisse der Ptolemäer. ArchForsch 2 (1975) Taf. 34-35; R. R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits 2 (1998) passim; Himmelmann 107 Abb. 42, 111 Abb. 44. Himmelmann a. O. 208 ff. Abb. 5 a-d. N. Yalouris - K. Rhomiopoulou, The Search for Alexander, Kat. Washington (1980) 101 f. 7 Farbtaf. 3 u. 25. D. Papakonstantinou-Diamantourou, Pella I (1971) Taf. 6 ã. Vgl. P. Moreno, Scultura hellenistica (1994) 127 ff. E. Simon, JdI 93, 1978, 220 ff.; Moreno a. O. hält die Figur für einen Nachklang des Kolosses von Rhodos; vgl. auch Flashar, Apollon Kitharoidos 163 f. Abb. 130-135, der die Datierung der „Kopie“ als „wirklich schwierig“ bezeichnet (163 Anm. 43). Meiner Ansicht nach handelt es sich um ein klassizistisches Original flavischer Zeit. E. Buschor, Das hellenistische Bildnis (21971) Abb. 39, 41, 43, 45, 46, 49, 50, 71; B. Schweitzer, Die Bildniskunst der römischen Republik (1948) Abb. 71, 140, 146; vgl. auch Anm. 553. Vgl. L’Orange a. O. (Anm. 663).
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terköpfen671. Häufiger dagegen erscheint sie an Köpfen von Politikern und Strategen672. Wie die Kopfwendung solcher Porträts zu interpretieren ist, dürfte relativ eindeutig sein: Sie ist wohl kaum Ausdruck introvertierter Selbstreflexion, sondern ist vielmehr als ausdrucksstarke Formel für tatkräftiges, erfolgreiches Handeln durch persönliche Fähigkeit und vielleicht zusätzlich mittels göttlicher Eingabe zu verstehen. Bei einem Bild Athenas könnte diese Kopfwendung, wenn sie nicht als rein künstlerisches Mittel verstanden, sondern durchaus mit einer Bedeutung belegt werden soll, vor allem Entrücktheit, aber gleichzeitig auch aus göttlichen Sphären bezogene Energie verkörpert haben. Im Umfeld der Athena Rospigliosi, deren Typus ja zunächst mit der Kopfwendung verbunden wurde, war die Kopfwendung als Hinwendung zu Zeus-Vater gedeutet worden673. Diese spezielle Deutung wird im Zusammenhang mit dem weniger jugendlich-mädchenhaften Typus Vescovali nicht viel plausibler. Hinsichtlich des Kopftypus selbst ist die stilistische Überlieferung der Repliken eindeutig674. Dabei wird die Verwandtschaft mit Köpfen Praxiteles zugeschriebener Figuren sichtbar, was schließlich zu der bei einem Typus mit großer Replikenzahl evidenten Künstlerfrage führt. Weibliche Köpfe von Grabreliefs der zweiten Jahrhunderthälfte zeigen ähnliche Merkmale wie der Athenakopf: Die Gesichter sind schmal, die Stirn schließt unter dem meist in der Mitte gescheitelten Haar in spitzem Dreieck ab675. Auch die Haarsträhnen sind in ähnlicher Weise gearbeitet wie am Athenakopf: Lange, dünne, wellige Strähnen sind unter- und übereinander angelegt und oft nur geringfügig voneinander abgesetzt. Das Karnat ist weich gepolstert und abgerundet, das Kinn fein und spitz, der Nasenrücken gerade, die Brauen laufen in starkem Schwung auf die Nasenwurzel zu. Die Augen sind von dicken, weichen Lidern umgeben, der Mund ist klein und zierlich. Einige Grabreliefs aus dem Ende des 4. Jhs. mit frontal ausgerichteten Figuren zeigen diese vergleichbaren Merkmale noch deutlicher676. Die Köpfe ins spätere 4. Jh. datierbarer Weihreliefs folgen der gleichen Mode. Die Köpfe sind schmal, oval und bei weiblichen Figuren im Stirnbereich giebelartig zugespitzt; die Haarsträhnen sind nur skizzenhaft angelegt677. Auch der Klagefrauensarkophag von Sidon678, die Friese des Mausoleums von Halikarnaß679 und die 671
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Ausnahmen sind neben dem Sophokles der Porträtkopf im Museo Capitolino, G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks 1 (1965) Abb. 129, und Pindar-Porträts, G. M. A. Richter a. O. Abb. 413 - 425; vgl. auch R. von den Hoff, Philosophenporträts des Früh- und Hochhellenismus (1994). Angedeutet wird eine solche Kopfwendung schon an der Themistoklesherme, Richter a. O. Abb. 405-408; sie findet sich in schwächerer Form ferner am Perikles, a. O. Abb. 429-441; Schefold, Dichter, Redner und Denker 100 f. Abb. 33; vgl. auch T. Hölscher, in: FS E. Siegmann, WürzbJb NF 1, 1975, 187 ff. mit Abb., und am Xenophon, Richter a. O. Abb. 882-884; deutlicher ist sie am Porträt des Olympiodoros, Richter a. O. Abb. 894-896, und an einem noch nicht identifizierten Porträt in Athen, Richter a. O. Abb. 2034-2037, sowie an den Strategenköpfen in Paris, D. Pandermalis, Untersuchungen zu den klassischen Strategenköpfen (1969) Taf. 9, 1. 2, New York, a. O. Taf. 17. 1, 2; 18. 1, Neapel, a. O. Taf. 17. 3, 4; 18. 2, und im Vatikan, a. O. Taf. 18. 3; 19. 1. Vgl. Anm 286. Einen klassizistischen Eindruck macht lediglich der Kopf in Basel (Ve V 5), dessen hohe Qualität mit einer fast manirierten Übertreibung der Gesichtszüge einhergeht. Vgl. die Grabreliefs Diepolder 45 Taf. 42. 1, Clairmont III 184, 3. 350, Himmelmann, Grabreliefs 69 Abb. 32; Diepolder 46, 48, 50, Taf. 42. 2, Clairmont IV 93 f. 4. 416; Diepolder 48 Taf. 44, Clairmont III 332 f. 3. 419; Diepolder 48 Taf. 45. 1, Clairmont III 310 ff. 3. 408 a; Diepolder 49 f. Taf. 45. 2, Clairmont IV 90 f. 4. 415; Diepolder 50, 54 Taf. 46, Clairmont III 394 ff. 3. 460; Diepolder 50 Taf. 47, Clairmont III 397 f. 3. 461. Diepolder 53 f. Taf. 51. 1, Clairmont II 593 ff. 2. 464; Diepolder 53 Taf. 51. 2, Clairmont II 465 f. 2. 390; Diepolder 53 Taf. 52. 2; Clairmont IV 389 f. 3. 457. Stewart, Greek Sculpture Abb. 521-22; Neumann, Weihreliefs passim. Fleischer a. O. (Anm. 568) s. bes. Taf. 18 (A 1), Taf. 23 (A 6) und 35 (D 3).
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ephesischen Säulentrommeln680 zeigen diesen Gesichtsaufbau, der sich an weiblichen Gesichtern der spätklassischen Großplastik wiederfindet681.
Die Künstlerfrage Anhand der Gestaltung der Köpfe klassischer und spätklassischer Plastik versucht man seit langem, verschiedene Künstlerstile auszumachen. Orientierte man sich für lysippische Charakteristika unter anderem am Alexanderporträt682, so wurde Skopasisches an den Köpfen mit tiefliegend verschatteten Augen und entsprechend pathetischem Blick und der häufig in der Mitte hochgewölbten Stirn erkannt683. Während für das Werk vieler schlechter faßbarer Künstler solche Begrifflichkeiten nicht gefunden werden konnten, schien Praxitelisches sowohl dem Figurenaufbau als auch der Kopfgestaltung nach faßbar684. Darf die Musenbasis von Mantineia685 als Werk aus der Schule des Praxiteles gelten, dann läßt sich nach Amelung die mittlere Figur der Platte mit den drei stehenden Musen aufgrund ihrer trachttypischen Übereinstimmung neben den Typus Vescovali stellen686. Tatsächlich könnten die äußerlichen Übereinstimmungen für eine rein typologische Verwandtschaft sprechen. Wohl praxitelisch im Habitus, sind die Musenfiguren jedoch gerade, gelängt und maniriert unbewegt und können auch aufgrund ihrer mäßigen Qualität höchstens als ephemeres, wahrscheinlich sogar erst zu Beginn des 3. Jhs. entstandenes Produkt praxitelischer Werkstätten gelten. Die Musenbasis stellt also einen Nachklang praxitelischer Merkmale dar und ist nur insofern Paradeexemplar praxitelischen Formengutes. In bezug auf die Athena Vescovali zeigt sie lediglich, daß ein verwandter Darstellungstypus im Repertoire des praxitelischen Umfeldes erscheint und daß er dort stilistisch ähnlich gehandhabt wird. Gleichzeitig unterstützt eine Entstehung der Musenbasis um 300 die Datierung des Typus Vescovali kurz vor der Jahrhundertwende. Nachdem die Athena bereits mit der Kleinen Herculanerin verglichen wurde, läßt sie sich noch einmal neben die Praxiteles zugewiesene Aphrodite von Knidos stellen687. Über alle typologischen Unterschiede hinaus bestehen folgende Gemeinsamkeiten: Die schlanke, gelängte Gestalt, der zarte Kontur, die eher schmalen Schultern, die hohe Taille, die kräftigen kleinen Brüste, der zarte Schmelz der Oberfläche in Körper und Gesicht, die Durchschwingung des Körpers und die kaum merkliche Drehung um eine innere Achse sowie die Kopfwendung, die die Figur in eine of679
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Stewart, Greek Sculpture 529-531; E. Buschor, Maussollos und Alexander (1950); Stewart, Skopas 95 ff. Taf. 3441; E. Akurgal, Griechische und römische Kunst in der Türkei (1987) Taf. 124-129; H. Knell, Mythos und Polis (1990) 160 ff. Abb. 264-273. Stewart, Greek Sculpture 595-598; Rügler a. O. (Anm. 566). Angefangen von der Eirene (s. Anm. 561) über die Aphrodite Arles (s. Anm. 364) und die Artemis von Gabii (s. Anm. 690) bis hin zur Kleinen Herculanerin (s. Anm. 646) sind diese Proprotionen in unterschiedlicher Ausprägung bestimmend. Vgl. Anm. 661 und 662. Vgl. Arias, Skopas; Stewart, Skopas; ders., Greek Sculpture 182 ff. 4 Abb. 540-549. Vgl. zuletzt Stewart, Greek Sculpture 176 f. 277 ff. 23. 1 und A. Ajootian, in: Palagia - Pollitt, Personal Styles 91 ff. Vgl. Anm. 508. Amelung, Basis des Praxiteles Abb. I-III; Rizzo, Prassitele Taf. 132-134; Stewart, Greek Sculpture 492-494; A. Ajootian a. O. 122 ff. Abb. 68 A-C; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 253 f. Taf. 132. Amelung, Basis des Praxiteles 16 ff.; Schürmann, AntPl 27, 77 Abb. 51. Rizzo, Prassitele 45 ff. Taf. 71-92; C. Blinkenberg, Knidia (1933); Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 323 ff. 31 mit Abb. 158-164; M. Pfrommer, IstMitt 35, 1985, 173 ff.; H. v. Steuben u. a., IstMitt 39, 1989, 535 ff.; Stewart, Greek Sculpture 503-507; C. Mitchell Havelock, The Aphrodite of Knidos and her Successors (1995); Fuchs, Skulptur4 598. 234 mit Lit. S. Anm. 502.
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fene linke und eine geschlossene rechte Seite aufteilt. Auch die leicht nach vorn gekippte Haltung, die in der Seitenansicht zum Tragen kommt, haben beide Figuren gemeinsam. Der Kopf läßt sich ebenfalls gut vergleichen: Hier besteht die Verbindung in den bereits genannten Eigenschaften, die für das späte 4. Jh. bezeichnend sind und das praxitelische Oeuvre offenbar in ganz besonderer Weise kennzeichnen688. Dazu gehören der ovale Kontur mit dem spitz zulaufenden Stirngiebel, die vom Mittelscheitel aus zu den Schläfen führenden dünn gewellten Haarsträhnen, der kleine leicht geöffnete Mund, die geschwungenen Brauenbögen und die weich gestaltete Augenpartie mit den mandelförmigen Augen sowie das nur zart gepolsterte Karnat. Aufschlußreich ist auch der Vergleich mit einem Kopf aus Knidos selbst, der von einem Relief oder einem Tondo stammt und als hellenistische Wiedergabe eines spätklassischen Kopftypus, wahrscheinlich wirklich des Kopftypus der knidischen Aphrodite, gelten kann689. Hier sind trotz der Filterung durch die hellenistische und anschließend die römische Rezeption noch Übereinstimmungen sichtbar, die vor allem die impressionistische Angabe der Haarsträhnen, aber auch den Kontur, die Gesichtsproportionen und die Karnatangabe betreffen. In bezug auf Kopfgestaltung und Haarangabe verwandt sind ferner zwei Werke aus praxitelischem Umkreis, die der Knidia zeitlich vorausgehende Artemis von Gabii690 und der sog. Sardanapal691. Die Reihe der Vergleiche aus praxitelischem Umfeld ließe sich um die Köpfe des Apollo Sauroktonos692, sowie um einige Korestatuen erweitern, die z. T. Praxiteles zugeschrieben werden und typologisch gut zur Athenafigur passen693. Da die Gemeinsamkeiten nach Ansicht der meisten Autoren die Zeitstilmerkmale deutlich überschreiten, wird der Typus Vescovali in der Literatur meist dem praxitelischen Umkreis zugewiesen694. R. Kabus-Jahn wendet sich jedoch gegen eine Zuweisung an die praxitelische Schule und spricht sich für eine Zuordnung zu peloponnesischer Plastik aus. Die Verwandschaft der Athena mit der Musenbasis empfindet sie als zu allgemein695. Stewart geht davon aus, daß Praxiteles und Skopas künstlerischen Kontakt pflegten, der dazu führte, daß ihre Werke, wie dies aus antiken Quellen hervorgeht, oft schwer zu unterscheiden waren696. Den Pothos bezeichnet Stewart als praxitelischstes Werk des Skopas697. Dennoch zeigt der für den Pothos überlieferte Kopftypus Merkmale, die er mit den Köpfen aus Tegea teilt und die praxitelische Köpfe nicht aufweisen698: das Ansteigen der Stirn zur Mitte hin, die tiefliegenden 688
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Interessant ist auch hier wieder die Frage, inwieweit ein Künstler den Zeitstil prägte oder inwiefern er selbst vom Zeitstil geprägt war. Wahrscheinlich liefen dessen Merkmale quasi durch den Filter seines Individuums und prägten dadurch den Zeitstil wieder mit. In jedem Falle muß die Zeitgebundenheit der Künstler höher eingeschätzt werden als ihre Individualität - eine Behauptung, die bisher eher umgekehrt betrachtet wurde; zu diesem m. E. wichtigen Bereich vgl. S. 16 f.; vgl. hierzu auch Palagia - Pollitt, Personal Styles, passim. Blinkenberg a. O. (Anm. 687) 182 ff. V 2 Abb. 67-69 Taf. 15. Rizzo, Prassitele 63 ff. Taf. XCIV-XCVI; Stewart, Greek Sculpture 508; Todisco, Scultura Greca 116. Rizzo, Prassitele 94 ff. Taf. CXLVI-CXLVII; Todisco, Scultura Greca 296; E. Pochmarski, ÖJh 50, 1972-73, 41 ff.; ders., ÖJh 55, 1984, 63 ff. Rizzo, Prassitele Taf. LXIII-LXIV; Todisco, Scultura Greca 126-127. Vgl. die sog. Urania im Vatikan, W. Klein, Praxiteles (1898) 359 Abb. 72; Rizzo, Prassitele Taf. 133; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 5 f. und die sog. Wiener Kora, Klein a. O. 363 Abb. 73; Fuchs, Skulptur4 220 Abb. 238; Kabus-Jahn a. O. 10 ff. Vgl. Schürmann, AntPl 27, 79 Anm. 121. Kabus-Jahn, Frauenfiguren 91. Plinius, N. H. 36. 28; J. J. Pollitt, The Art of Ancient Greece. Sources and Documents (1990) 95; Stewart, Skopas 2 Anm. 19-21; 104, 133 ff.; vgl. S. Schröder, AM 101, 1986, 174 Anm. 54. Stewart, Greek Sculpture 184; zu Skopas vgl. a. O. 284 ff.; Todisco, Scultura Greca 79 ff. 150. Stewart, Greek Sculpture 542-545; ders., Skopas 5 ff. 80 ff. Taf. 1-23; Todisco, Scultura Greca 83 ff. Abb. 142145; A. A. Stavridou, Ôà âëõñôà´ ôðõ Ìðõóåé´ðõ Ôåâå´àý (1996) 60 f. Abb. 15-16, 66 f. Abb. 23.
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Augen, die leicht nach vorn emporgezogenen Oberlippen, die relativ kurze Nase und die kaum ineinanderfließenden Haarsträhnen. Die gleichen Merkmale zeigt der Kopf der Athena Vescovali. Beim möglicherweise skopasischen Herakles Lansdowne fällt vor allem die Breite des Gesichtes auf699, aber auch die übrigen Merkmale zeigt er, wenn auch gemäßigter als der Pothos. In bezug auf Struktur, Aufbau und Haltung des Körpers dem gleichen Trend unterworfen ist der als skopasisch geltende Meleager700, dessen Aufbau und Komposition mit dem der Athena Vescovali völlig übereinstimmen. Sogar das zarte Gesichtskarnat und die im Profil als tiefliegend erkennbaren, relativ großen und runden, von deutlichen Lidern umzogenen Augen und das deutliche Kinn sind absolut vergleichbar. Ein Vorteil gegenüber den offenbar zahlreicher überlieferten praxitelischen Werken ist, daß mit größter Wahrscheinlichkeit auf Skopas zurückgehende Köpfe aus Tegea vorhanden sind, denen die Athena sinnvoller gegenübergestellt werden kann als letztlich unsicheren kaiserzeitlichen Kopien701. Trotz der starken Zerstörung der Köpfe zeigen sich die verwandte Karnatwiedergabe, die tiefliegenden Augen und der gleiche leicht nach oben gerichtete Blick mit den ansteigenden Unterlidern, der für Skopas so charakteristisch ist wie offenbar auch für Lysipp. Die Athena Vescovali direkt an praxitelische Werke anzuschließen, wie das in der Literatur meist geschah und auch bei Schürmann zuletzt geschieht702, fiel allein deshalb leichter als der Vergleich mit skopasischen Werken, weil das wahrscheinliche Oeuvre der praxitelischen Werkstatt reichhaltiger ist und auch vom Genre her mehr Vergleichbares bietet als die in sich uneinheitlicheren, für Skopas in Anspruch genommenen Werke. Dennoch läßt schon das Motiv des nach oben gerichteten Blickes an das gleiche bekannte skopasische Motiv denken. Auch die Unausgewogenheit der Athenafigur im Aufbau, ihre leichte innere Drehung und der vor allem an den Repliken der antoninischen Edition erheblich spürbare Volumenverlust703, der ebenso wie die Eckigkeit der früheren Repliken seine Begründung auch im Original haben muß, sind keine Charakteristika praxitelischer Kunst. Selbst wenn die als praxitelisch angesehenen Werke sich durch ihre teilweise hybride Zartheit ganz dem späten 4. Jh. einpassen, verlieren sie doch nie eine gewisse Bodenständigkeit und Ausgeglichenheit. Was man von Skopas real und aus den Quellen kennt, scheint dagegen auf seine Weise exaltierter und weniger harmonisch zu sein704. Den Quellen nach hat Skopas mindestens zwei Athenen gefertigt: Eine befand sich laut Plinius in Knidos705, und eine weitere, Athena Pronaia, in Theben706. Letztere wurde in der älteren Literatur mit der Athena Rospigliosi identifiziert, die mit dem aufgesetzten Vescovali-Kopf oft für skopasisch gehalten wurde707. Ob in der Athena vom Typus Vescovali eine von diesen Figuren überliefert ist, kann nicht mehr entschieden werden. Die große Zahl an Repliken spricht jedenfalls dafür, daß entweder das Vorbild bekannt war oder daß es dem römischen Kunstgeschmack entgegen-
699 700 701 702 703 704 705 706 707
S. Anm. 330. Stewart, Greek Sculpture 549; ders., Skopas 104 ff. Taf. 44; G. M. A. Hanfman - J. G. Pedley, AntPl 3 (1964) 61 ff. Taf. 58-72; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 87 ff. Taf. 52. S. Anm. 698.. Schürmann, AntPl 27, 78 f. S. S. 112 f. S. Anm. 697.. Plinius N.H. 36. 21; Pollitt a. O. 84; vgl. Anm. 696. Paus. 9. 10. 2. Vgl. S. 53 ff.
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kam. Doch auch dafür wird eine gewisse Berühmtheit den Ausschlag gegeben haben - vielleicht ist hier also tatsächlich eine der beiden Athenen erhalten. Insgesamt bleibt jedenfalls festzuhalten, daß der Typus Vescovali sich zeitlich gut unter die den Künstlern des späten 4. Jhs. zugeschriebenen Werke einordnen läßt und sich dort problemlos in die Reihe als skopasisch beurteilter Werke einreihen würde. Erstaunlich verwandt ist als Originalwerk dieser Zeit aus praxitelisch-skopasischem Umkreis auch der Apollo-Kopf vom Mausoleum im British Museum708. Tatsächlich ist er in genau den Zügen dem Kopftypus Vescovali vergleichbar, die sich als typisch für das Ende des Jahrhunderts und teilweise auch als skopasisch erweisen ließen. Von der Kopfwendung über den Kontur, das Karnat, die Proportionen, Augen und Haarsträhnen ist alles ähnlich gebildet wie am Kopf der Athena Vescovali. Daß diese Merkmale am originalen Apollonkopf allerdings jeweils um eine Stufe gesteigert und pathetisiert sind, während der Athenakopf verhaltener und ruhiger konzipiert erscheint, könnte an der Filterung der Athena durch die Kopien liegen. Der Mausoleumskopf kann jedenfalls die Zugehörigkeit des Athenatypus zu dem genannten künstlerischen Umfeld bekräftigen709. Praxitelische Göttergestalten sollen die ikonographische Vorlage für die bekannte Rundara aus dem Museum von Ostia gewesen sein, die bereits 1939 von Becatti mit dem Typus Vescovali in Verbindung gebracht worden war710. Das konkrete Vorbild für die Darstellungen sieht Becatti in der Nachricht des Pausanias über zwölf Götterstatuen, die Praxiteles für den Tempel der Artemis Sotira in Megara gemacht haben soll711. Der spätklassisch-frühhellenistische Charakter der Relieffiguren ist um so augenfälliger, als er von der neuattischen Werkstatt, aus der die Ara allem Anschein nach stammt, manieristisch betont wurde. Der Darstellungstypus der Athenafigur auf der Ara stimmt mit dem der Athena Vescovali überein712. Körperhaltung und Kopfwendung sind gleich; auch die Tracht besteht wie am Typus Vescovali aus Peplos und Himation. Lanze und korinthischer Helm vervollständigen hier wie dort das Schema. Becatti stellt den Typus Vescovali wahrscheinlich aufgrund der Trachtunterschiede nicht neben die Reliefathena, sondern zunächst neben die von ihm als Demeter bezeichnete Figur713. Den Kopftypus der Demeter erkennt er in dem der großplastischen Eirene wieder, den Typus von Gewand und Haltung in der Athena Vescovali. Neben die Darstellung Athenas dagegen stellt er die bronzene Athena von Arezzo in Florenz714, die er offensichtlich nicht mit dem Typus Vescovali verbindet. Verwandt erscheinen Becatti die Tracht, die Aigis und der Kopftypus. Daß er die enge Beziehung zur Athena Vescovali nicht betont, mag daran gelegen haben, daß der Kopftypus noch unbekannt war. Sowohl die Kopfwendung als auch die Gesichtsgestaltung im Einzelnen sind diesem Athenatypus so verwandt, daß man versucht ist, in der Relieffigur eine Abbildung des Statuentypus zu sehen. Im 708 709
710 711
712 713 714
Stewart, Greek Sculpture 526; Waywell, Freestanding Sculpture 115 ff. 45 Taf. 20; W. Höpfner, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 422 f. 288. Schürmann AntPl 27, 77 Anm. 108 verweist auf eine bei Plinius erwähnte Athena des Sthennis, eines Künstlers, der einer Inschrift zufolge mit Leochares zusammengearbeitet hat, und dem bisher keine Werke zugewiesen werden konnten. Becatti, ASAtene 1939/40, 85 ff. mit Abb., bes. 98 Abb. 10, 125 ff. Abb. 38-40 (vgl. außerdem Anm. 618); Schürmann a. O. 78. Pausanias 1, 40, 3. Becatti a. O. 136; vgl. Stewart, Greek Sculpture 278; Schürmann a. O. 79. Es wird nicht ganz klar, warum Schürmann die typologische Ähnlichkeit zu der Figur von der Mantineia-Basis höher einschätzt als die zu der Athena von der Ara von Ostia. Becatti a. O. 125 Abb. 38. Becatti a. O. 98 Abb. 10. Vgl. S. 130 ff.
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Gegensatz zum Kopf wäre dann der Körper allerdings verändert worden. Der Mantel bedeckt nämlich nicht Bauch und Oberschenkel und verläuft auch nicht über die linke Schulter, sondern läßt diese frei und hängt, von der verhüllten linken Hand festgehalten, auf den Hüften. Die Aigis hat Latzform und bedeckt die Brüste, zwischen denen sich das Gorgoneion befand, fast ganz. In ähnlicher Weise gegenüber möglichen Vorbildern abgeändert sind auch andere auf der Ara dargestellte Götter. So stimmt die zur Rechten Athenas stehende Figur im Darstellungstypus der Artemis Colonna auch nicht replikengleich mit dieser Statue überein, sondern bedient sich nur der gleichen Darstellungsformeln: untergürteter Peplos mit zwischen den Brüsten verlaufendem Köcherband715. Daß es sich allgemein nur um spätklassische Motivzitate handelt, kann die Relieffigur im Typus des Apollon Kitharoidos belegen, der mit seinem dramatischen Spielgestus kaum eine bestimmte Statue wiedergeben wird716. Wenn auch die Ara von Ostia demzufolge nicht konkret als Wiedergabe der praxitelischen Zwölfgöttergruppe in Megara zu verstehen ist, sondern als bewußt in spätklassischer, teilweise vielleicht speziell praxitelischer Manier gehaltenes, in diesem Sinne klassizistisches Zwölfgötterrelief, so liefert sie doch aufgrund ihrer durch praxitelische Figuren angeregten Motivzitate einen weiteren Hinweis auf die Zugehörigkeit der Athena Vescovali zum typologischen Repertoire dieses Umkreises.
Die Repliken der Villa Hadriana in Tivoli Einen interessanten Beitrag zum Umgang mit römischen Repliken leisten die beiden Repliken (Ve II 6 und 7), die im Saal mit den drei Exedren, der seitlich an die große Poikile der Villa Hadriana abschließt, gefunden wurden717. Offenbar waren unter den in diesem Saal aufgestellten Statuen zwei Athenen des Typus Vescovali. Sie stammen aber eindeutig nicht aus derselben Werkstatt. Wahrscheinlich sind sie sogar in verschiedenen Kunstlandschaften und zu etwas unterschiedlichen Zeiten entstanden. Die bis auf den fehlenden Kopf vollständige Replik, die in das Museo Nazionale Romano gelangte (Ve II 7), ist die weniger qualitätvolle von beiden. Ihre Datierung in hadrianische Zeit ist eindeutig718; nicht zuletzt der offenbar verwendete Lunamarmor spricht dafür, daß sie von einer römischen Werkstatt hergestellt wurde719. Die andere, fragmentierte Replik in Tivoli (Ve II 6) zeigt eine ganz andere Oberflächenbehandlung und ist sicherlich aus anderem, möglicherweise griechischem Marmor. Ihre schimmernde Oberfläche und die nuancierte Angabe der nicht kalligraphisch aufgelegten, sondern sich organisch aus dem Stoff entwickelnden Falten zeugen von ganz anderen Grundvoraussetzungen. Schürmann datiert die fragmentierte Replik in Tivoli unter Berufung auf den Fundort und die seiner Ansicht nach ebenfalls hadrianische Replik in Liverpool (Ve II 2) hadrianisch720. Diese wird hier jedoch augusteisch datiert; eine andere in Castle Howard (Ve II 8) wird von Schürmann hadrianisch721 und hier späthadrianisch bis frühantoninisch datiert und ist der Replik in Tivoli eng verwandt. Die 715 716 717 718 719 720 721
Becatti a. O. 121 ff. Abb. 34-36; zur Artemis Colonna vgl. E. T. Egilmez, Darstellungen der Artemis als Jägerin in Kleinasien (1980) 79 ff. 340 ff. 1-38; A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 282, 611 ff. 137 -141. Zum Typus des langgewandeten Apollon Kitharoidos vgl. Flashar, Apollon Kitharoidos 14 ff.; Palagia, Euphranor 13 ff. Zu den Fundumständen vgl. Lit. zu Kat. Ve II 6. S. Kat.text zu Ve II 4. Vgl. Schürmann AntPl 27, 52 S 13. Schürmann a. O. 55 S 15. Schürmann a. O. 47 f. S 6.
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fragmentierte Replik in Tivoli ist also allem Anschein nach die jüngere von beiden. Es wäre nun entscheidend, die Marmorsorte zu bestimmen, denn die frühantoninische Replik könnte durchaus aus dem Osten importiert oder von einem griechischen Bildhauer angefertigt sein. Vielleicht handelt es sich tatsächlich um die bewußte Gegenüberstellung einer stadtrömischen und einer östlichen Replik. Wären die beiden Repliken von vornherein lediglich als dekoratives symmetrisches Pendant gedacht gewesen, wären sie gleichzeitig angeschafft und bei derselben Werkstatt geordert worden. Da dies nicht der Fall ist, muß ein Sinn damit verbunden gewesen sein, der über die rein zeitliche Abfolge hinausgeht. Dieser kann eigentlich nur in der Gegenüberstellung der beiden unterschiedlichen Werke desselben Typus gelegen haben722. In die gleiche Richtung weisen die Gedanken, die Elizabeth Bartman sich zu der gar nicht so selten auftretenden Doppelung von Statuen gemacht hat723. Interssanterweise handelt es sich auch in den übrigen, von ihr zusammengetragenen Fällen um stilistisch und zeitlich ungleiche Paare, die, genau wie das Replikenpaar im Typus Vescovali, denselben Statuentypus in unterschiedlicher Ausführung wiedergeben. Geschahen solche Nebeneinanderstellungen für J. Raeder aus Gründen der Symmetrie, hatte dies nach E. Bartman einen bildenden Aspekt, denn es sollte der vertieften Kunstbetrachtung der römischen Connoisseurs dienen. Hätte die Doppelung lediglich einen dekorativen, symmetrie-herstellenden Effekt gehabt, so argumentiert sie, hätte man auch auf stilistische Übereinstimmung Wert gelegt. So aber steht neben der Doppelung der reizvolle Kontrast im Vordergrund724. Innerhalb der Skulpturenausstattung der Villa Hadriana finden sich mehrere Skulpturenpaare, wobei nicht alle wirklich den gleichen Statuentypus wiedergeben, sondern teilweise nur einem verwandten Darstellungstypus folgen725. Inwiefern vielleicht Kunstlandschaften, Kopistenhände und Marmorsorte eine Rolle spielten, ziehen J. Raeder und E. Bartman nicht weiter in Erwägung. Im Falle der beiden Vescovali-Repliken scheint dies jedoch nicht unwichtig zu sein und ist vielleicht sogar der Grund für die Gegenüberstellung der beiden Athenen726.
Athena Campana und andere verwandte Darstellungen Vor allem auf Reliefs und in der Vasenmalerei gibt es noch weitere Darstellungen Athenas im Peplos mit kurzem Himation. Selbst wenn sie teilweise einen verwandten Darstellungstypus benutzen, ist ein direkter Bezug der Darstellungen zum Statuentypus Vescovali nicht gegeben. Meist beschränkt sich die Übereinstimmung auf die Trachtform des über dem Peplos getragenenen kurzen Himations. Ein Weihrelief aus Thrakien in Kopenhagen zeigt Athena zusammen mit einer bärtigen männlichen Gestalt, die der Inschrift zufolge den Heros Staphylos verkörpern soll 722
723 724 725 726
Selbst wenn Hadrian oder sein Nachfolger in der Villa Hadriana die zweite Replik als Geschenk erhalten haben sollte und schon eine Replik des Typus besaß, hätte die doppelte Replik nicht unbedingt im gleichen Raum aufgestellt werden müssen. Daß dies aber geschah, kann nur den Sinn der Gegenüberstellung gehabt haben. E. Bartman, „Decor et Duplicatio: Pendants in Roman Sculptural Display“, AJA 92, 1988, 211- 225. A. O. 220 - 222. Vgl. Bartman a. O. 222 ff.; J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1983) 251, 336 Anm. 226. Anhand zweier gegenübergestellter Meleagerkopien aus einer römischen Villa bei Sante Marinella kalkuliert E. Bartman die Möglichkeit ein, daß die eine der anderen direkt nachempfunden sei (a. O. 220 f.). Dies wäre evtl. auch im Falle der Vescovali-Repliken überlegenswert, deren zeitliche und qualitative Abfolge von der fragmentierten, evtl. östlichen zu der vollständig erhaltenen, offenbar stadtrömischen Replik führt. Dennoch ist die spätere Replik nicht bewußt der älteren angeglichen worden, was wiederum eher für eine unabhängige Entstehung spricht.
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(Taf. 86 Abb. 3). M. Moltesen, der das Relief zuletzt beschrieb727, bezeichnet die Athenafigur als „im Typus Vescovali dargestellt“. Auch M. Mangold führt in ihrer Literaturliste zu dem Relief den Nachweis einer Abbildung des Typus Vescovali an728, und selbst bei M. Meyer, die typologischen Gleichschaltungen gegenüber eher kritisch eingestellt ist, wird die Relieffigur dem Typus Vescovali zugeordnet729. Da derselbe Darstellungstypus mit kurzem, durch einen angewinkelten Arm gehaltenem Himation, wenn er auch insgesamt selten vorkommt, jedoch auch für andere Götter oder weibliche Figuren verwandt wird, kann nicht jede Anwendung für Athena auf den Statuentypus Vescovali zurückgeführt werden - dasselbe Problem stellte sich bereits beim Athenatypus Ince730. Genannt seien hier die Opfernde eines bekannten Kalksteinreliefs des späten 4. Jhs. aus Tarent und die Frauenfigur eines Relieffragmentes in Athen, das außer dieser den sitzenden Dionysos zeigt731. In der Vasenmalerei begegnet das kurze, über dem Peplos getragene Himation häufiger innerhalb der trachtgeschichtlich besonders interessanten Gruppe der Kertscher Vasen732. Genannt sei des weiteren das Fragment einer Grabrelieffigur aus Pergamon in Bergama, das das kniekurze Himation allerdings mit schrägem Überfall zeigt733. Dennoch tritt der kniekurze Mantel insgesamt vergleichsweise selten auf - der waden- oder knöchellange Mantel ist in allen Gattungen weit gebräuchlicher734. Ähnlich verhält es sich im Bereich der Großplastik. Zahllosen weiblichen Gewandfiguren im langen Mantel stehen nur vereinzelte Darstellungen im knielangen Himation gegenüber. Hierzu gehören zwei typologisch eng verwandte Gewandfiguren, deren Zusammenhang, Identifikation und kunstgeschichtliche Einordnung noch nicht geklärt sind. Die sog. Athena Campana in Mün-
727
728 729 730 731
732 733 734
M. Moltesen, Greece in the Classical Period. Cat. Ny Carlberg Glyptotek (1995) 144. 76 mit Abb. u. Lit. Moltesen geht von einem attischen Stifter aus, der den Heros Staphylos durch Relief und Inschrift als seinen Proxenos anruft. Man könnte sogar noch weiter gehen und als Entstehungsort für die bildliche Darstellung eine athenische Werkstatt ansehen. Die Abarbeitung des von Athena gehaltenen Zweiges ließe sich womöglich dadurch erklären, daß das ikonographische Schema „Streit um das attische Land“ zugrundegelegt wurde, daß Athena folglich einen Ölbaumzweig in der Hand hielt und Poseidon gegenübersteht, der durch die in Thrakien hinzugefügte Inschrift als Staphylos umgedeutet wurde. Wenn sich dieser Vorschlag erhärten ließe, wäre hiermit ein weiteres Beispiel für die vielfältige Verwendbarkeit festgelegter ikonographischer Schemata gegeben. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 74. 61. Vgl. S. 15 ff.; Meyer, Urkundenreliefs 176 Anm. 1207; zum Relief vgl. auch 205 Anm. 1432. Vgl. S. 48 ff. Relief aus Tarent: Stewart, Greek Sculpture 601; J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) Abb. 178; zuletzt C. Rolley, in: G. Pugliese Caratelli, The Western Greeks (Kat. Venedig 1996) 378 mit Abb.; Relief in Athen: Svoronos, Nat. Mus. II 1440. K. Schefold, Kertscher Vasen (1930) Taf. 14 b; M. P. Nilsson, Griechische Religionsgeschichte I (1955) Taf. 46. 1; s. auch Amelung, Basis des Praxiteles 21. Pfuhl - Möbius I 82 Taf. 20; Clairmont I 1. 465. Das Fragment paßt stilistisch allerdings ebenfalls zu den Athenen Mattei-Piräus-Kyrene (s. S. 182 ff.) - die Datierung müßte noch geklärt werden. S. die Darstellung auf einem lukanischen Glockenkrater in Neapel, G. Säflund, Aphrodite Kallipygos (1963) 75 Abb. 45 a. b, auf der der wadenlange Mantel wie an der Athena Velletri, aber mit eingestütztem linken Arm erscheint; vgl. des weiteren eine Sarkophagfigur im Louvre, I. Hitzl, Die griechischen Sarkophage der archaischen und klassischen Zeit (1991) 206 Kat. 40 Abb. 98-99. Weitere relativ willkürlich herausgegriffene Beispiele sind die weibliche Gestalt auf einem einem älteren Typus folgenden Mosaik in Rom, das entweder einen Maler mit Muse oder Modell oder Iphigenie und Orest darstellt, K. Werner, Mosaiken aus Rom 1 (1994) 70 K 22 mit Lit., sowie die weibliche Zentralfigur auf dem Sarkophag von Melfi, Kleiner, Roman Sculpture 307 Abb. 276. Bei einer weiblichen Figur auf einem Wandbild aus der Slg. Campana im Louvre, M. Bieber, Entwicklungsgeschichte der griechischen Tracht (1934) Taf. 30. 2, deren Mantel allerdings auch schon fast wadenlang ist, ist dieser genauso dicht unterhalb der Brust über den Bauch geführt wie am Typus Vescovali, verläuft aber nicht über die linke Schulter.
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chen735 (Taf. 71 Abb. 1 - 2) ist die Replik eines weiblichen Gewandstatuentypus, der mit Peplos und kurzem Himation wiedergegeben ist. Daß die Replik in München als einzige mit einer Aigis ausgestattet ist, reicht zur Identifikation einer Athenastatue als Urbild noch nicht aus736. Schon Furtwängler war allerdings der Ansicht, die Haltung passe gut zu einer Athenastatue737. Ohne Aigis könnte der Typus allerdings beispielsweise ebenso Hera mit dem Szepter darstellen738. Für Schürmann ist die Athena Campana ein typologischer Vorgänger der Athena Vescovali aus dem 5. Jh., den diese übernimmt und ihrem Zeitstil entsprechend umformuliert739. Wenn keine direkte Beziehung beider Figuren gemeint ist, sondern lediglich das Nutzen des gleichen Trachttypus, wäre diese Äußerung möglicherweise zutreffend. Vielleicht hat der Künstler der Athena Vescovali einen aus dem 5. Jh. bekannten Gewandstatuentypus für die Darstellung von Göttinnen übernommen und ihn zur Darstellung seiner Athena genutzt. Über die Datierung eines Vorbildes für die Athena Campana herrscht Einigkeit: Es wird allgemein in das späte 5. Jh. eingeordnet und wäre damit etwa gleichzeitig mit der Athena Velletri740 und dem Athenatypus New York741 entstanden. Die Verwandschaft mit dem Typus New York ist so direkt, daß zu prüfen wäre, ob nicht über eine zeitliche Gleichsetzung hinaus ein Werkstattzusammenhang bestehen könnte. Der Abstand zwischen dem Typus der Athena Campana und dem Typus Vescovali in zeitlicher wie auch typologischer Hinsicht ist jedoch weit größer als zwischen den ebenfalls einem übereinstimmenden Darstellungstypus folgenden, enger verwandten Typen New York und Ince. Bei beiden Typenpaaren sind Stand- und Spielbein unterschiedlich verteilt. Während aber die Typen Ince und New York auch in ihrer Tracht übereinstimmen, arbeitet der Mantel der Athena Vescovali schon mit ganz anderen Mitteln als der des Typus Campana: Der Bausch verläuft höher, der Mantel endet oberhalb des Kniegelenkes und bedeckt den sich leise drehenden Angelpunkt der Figur mit einer glatten Fläche. Der in die Seite gestemmte Arm ist weiter hinten angesetzt und unterstützt gleichfalls die besprochene implizite Drehung. Am Statuentypus Campana hingegen hat der unterhalb der Gürtung umgelegte Mantel nur die Aufgabe, die Figur im Bereich von Hüfte und Oberschenkeln symmetrisch-harmonisch zu verhüllen. Entsprechend dient der eingestützte linke Arm hauptsächlich der Perfektion des Mantelmotivs und hat darüber hinaus keine konstruktive Funktion außer einer Vervollständigung der Vorderseite. Dementsprechend liegt die Gemeinsamkeit beider Figuren eigentlich nur in der Verwendung derselben Manteltracht. M. Fuchs nimmt an, daß das Vorbild des Typus Campana vorhandene Reliefs des 4. Jhs. direkt beeinflußt habe, und vermutet ebenfalls, der Künstler der Athena Vescovali könne durch den 735
736
737 738 739 740 741
M. Fuchs, Glyptothek München. Kat. der Skulpturen VI, Römische Idealplastik (1992) 191 ff. 28 Abb. 191-195 mit Lit. und Replikenliste. Ein weiteres unpubliziertes Exemplar desselben Typus befindet sich in Basel - sein Verhältnis zu den anderen Wiedergaben muß noch geklärt werden. Vgl. auch M. Bieber, Entwicklungsgeschichte der griechischen Tracht (1934) Taf. 30. 1. Vgl. A. Furtwängler - F. Wolters, Beschreibung der Glyptothek König Ludwigs I. 2(1910) 185 ff. 207 bes. 186 f. Die Aigis der Replik in St. Petersburg ist, wie bereits Furtwängler a. O. bemerkte, ergänzt; s. a. Waldhauer III 1 f. 214 Taf. II. Furtwängler a. O. 186 f. So z. B. die Heradarstellungen Barberini und Borghese, Fuchs, Skulptur4 207 f. Abb. 222-223. Vgl. Amelung, Basis des Praxiteles 21, der für die Replik im Louvre auch eine Identifizierung als Hera gelten lassen würde. Schürmann, AntPl 27, 75. Vgl. M. Fuchs a. O. (Anm. 735) 192. Zur Athena Velletri vgl. Anm. 62. Hier S. 42 ff.
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Typus Campana beeinflußt worden sein742. Ein solcher Vorschlag muß hier mit den gleichen Argumenten abgelehnt werden wie im Kapitel über den Typus Ince, der gern in jeder ähnlichen klassischen Reliefdarstellung wiedergefunden wird743. Wie zu zeigen versucht wurde, daß die Athena Ince und die ihr typologisch gleichenden Reliefdarstellungen lediglich ein und denselben abstrakten Darstellungstypus benutzen und die Reliefs nicht etwa von der Großplastik abhängig sind, so wird auch der Typus Vescovali trotz der selteneren gemeinsamen Trachtform kaum direkt auf den älteren Typus Campana zurückgehen, zumal der Typus Campana noch nicht einmal eindeutig als Athenatypus erwiesen werden konnte. Es kann sich nach bisherigem Kenntnisstand nur so verhalten, daß sich beide Künstler beim Entwurf einer weiblichen Götterstatue für den gleichen, der stilistischen Ausführung ihrer jeweiligen Enstehungszeit gemäß abgewandelten Darstellungstypus mit Peplos, durch einen eingestützten Arm festgehaltenem Himation und auf eine Lanze oder ein Szepter aufgestütztem anderen Arm entschieden. Noch nicht geklärt - und wohl auch nicht klärbar - ist, ob es sich bei der Athena Campana nicht genauso auch um einen klassizistischen Typus handeln könnte, der allgemein auf das 5. Jh. Bezug nimmt und für verschiedene Göttinnen eingesetzt werden konnte744. Ebenso indirekt ist die Beziehung zwischen Athena Vescovali und der durch A. Mantis wieder zusammengesetzten Athena von der Akropolis, die Schürmann als U 5 in eine Reihe von Umbildungen nach dem Typus Vescovali aufgenommen hat, wobei sie dann von A. Mantis selbst behandelt wird745. Die Figur wird hier im nächsten Kapitel als nicht-typusgebundene Einzelfigur aufgeführt, weil sie ein Original des 3. Jhs. v. Chr. ist und weil der Zusammenhang mit der Athena Vescovali, ähnlich wie bei der Athena Campana, nur in der ähnlichen - noch nicht einmal gleichen - Himationtracht besteht. Ein direkter Zusammenhang, wie ihn Schürmann und Mantis durch die Nummerierung suggerieren, ist m. E. ausgeschlossen746. Schwieriger einzuordnen sind einige Statuen und Statuetten, die sich mehr oder weniger zum Typus Vescovali in Beziehung setzen lassen. Schürmann hat sie ebenfalls in seine Monographie unter der Bezeichnung „Umbildung“ mit aufgenommen747. Sie sind jedoch m. E. nicht alle vom Typus Vescovali abhängig. Unbestritten ist lediglich die Abhängigkeit der klassizistischen Athena von Arezzo, die im folgenden Abschnitt vorgestellt wird748. Aber schon die kleine weibliche Gewandstatue in 742 743 744
745 746 747 748
M. Fuchs a. O. (Anm. 735) 192. Vgl. S. 38 ff. Dieser Darstellungstypus der Athena muß unbewußt auch Amelung vorgeschwebt haben, als er in seinem Führer durch die Florentiner Antiken und in der Monographie über die Musenbasis von Mantineia den Typus Campana, den Athenatypus Vescovali und die bronzene Athenastatue im Archäologischen Museum von Florenz miteinander kombinierte (Führer durch die Antiken in Florenz [1896] 256 f. 248; Basis des Praxiteles 16 ff.). Während er die Repliken des Typus Vescovali jedoch als Wiederholungen desselben Typus, auf den auch die Florentiner Bronzestatue zurückgeht, aufzählt, grenzt er den Typus Campana durch einen ausführlichen Vergleich beider Typen als hellenistische Schöpfung ab. Die Replik mit Aigis aus der Slg. Albani in München (s. Anm. 735), die Amelung als Umschöpfung in das frühe 4. Jh. datiert (dagegen P. Wolters in: A. Furtwängler - P. Wolters, Beschreibung der Glyptothek König Ludwigs I zu München [1910] 187), schließt er allerdings den Repliken des Typus Vescovali zeitlich an. Die Bronzestatue in Florenz, die er den Vescovali-Repliken angliederte, betrachtet Amelung als Variante dieses Typus, der wegen einer Verwendung als Kultstatue ein strengeres Aussehen verliehen werden sollte (Amelung, Basis des Praxiteles 16 ff.). A. Mantis, AntPl 27 (2001) 85 f. U 5 Taf. 48. 49; hier Taf. 74 Abb. 1 – 3 u. Taf. 75 Abb. 1. Vgl. die methodischen Überlegungen eingangs S. 14 ff. Schürmann, AntPl 27, 80 ff. U 1-4 Abb. 52-54 Taf. 45-47. Schürmann a.O. 80 ff. U 1 Taf. 45. 46.
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Alexandria, die noch nicht einmal eine Athena darstellt und deren Ähnlichkeiten mit dem Typus Vescovali eher indirekt sind, bedient sich lediglich der gleichen Trachtform749. Bei der Athenastatuette in Tunis sind die Übereinstimmungen schon direkter; eine Beziehung zum Typus Vescovali ist hier typologisch und stilistisch begründbar750. Anders schon wieder die verschollene Statuette aus Florenz: Wie Schürmann selbst einräumt, handelt es sich hier nicht um eine Umbildung des Typus Vescovali, sondern entweder um eine freie Schöpfung antoninischer Zeit oder um eine moderne Figur751.
Die Bronzeathena aus Arezzo Die bronzene Athenastatue in Florenz ist ein vielzitiertes, aber noch immer nicht regulär publiziertes Werk. So liegen keine genauen Angaben über Ergänzungen vor, die bei der Beurteilung der Statue weiterhelfen würden752. Nach Auskunft des Museums wird die Figur aber gegenwärtig restauriert, sodaß neue Ergebnisse zu erwarten sind. Bis dahin müssen eigene Beobachtungen ausreichen. 1. Athena aus Arezzo, Florenz, Mus. Archeologico 248 Bronzestatue 1554 in Arezzo in einem Brunnen unter der Kirche San Lorenzo gefunden H 1. 55 m Taf. 72 Abb. 2 - 3, Taf. 73 Abb. 1-2 Dat.: frühaugusteisch Lit.: Amelung, Basis des Praxiteles 16 ff.; ders., Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 256. 248; L. A. Milani, Museo topografico dell’Etruria (1898) 2. 57. 133 Anm. 5 (mit Abb.); ders., Il regio Museo Archeologico di Firenze (1912) 136 f. Taf. XXVI; A. Minto, Il regio Museo Archeologico di Firenze (1931) 53. 4; Waldhauer III 218. 5; G. Becatti, ASAtene 1939/40, 126 f. Abb. 39; Rizzo, Prassitele 93 f. 118 Taf. 139-141; Picard, Manuel IV 2, 365 f. 5; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 92 f. 111 Anm. 33; W. H. Schuchard, Die Epochen der griechischen Plastik (1959) 122 Abb. 96; M. Bieber, The Sculpture of the Hellenistic Age (1961) 22 Abb. 47; A. de Agostino, Il Museo Archeologico di Firenze (1968) 44 (mit Abb.); A. Delivorrias, in: Kernos, Festschr. G. Bakalakis (1972) 28 Taf. 134; T. Dohrn, Die Ficoronische Ciste (1972) 16; ders., Die etruskische Kunst im Zeitalter der griechischen Klassik (1982) 69. 87; M. Robertson, A History of Greek Art (1975) 396. 480 Taf. 126; Demargne, LIMC II 981 Athena 256; C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture of the Fifth and Fourth Centuries B. C. (1987) 201 Abb. 12. 5; Schürmann, AntPl 27, 80 ff. U 1 Taf. 45. 46 (mit weiterer Lit.).
Zum Erhaltungszustand Die Ausmaße der bisherigen Restaurierungen an dieser Figur festzustellen, ist äußerst problematisch. Die Literatur ist sich lediglich darüber einig, daß nach der Auffindung der fragmentierten Figur umfangreiche 749 750 751 752
Schürmann 82 f. U 2 Abb. 52, mit Lit. Schürmann 83 f. U 3 Abb. 53. Schürmann 84 U 4 Abb. 54. Selbst bei eigener Anschauung vor Ort bleibt die Figur noch schwer zu beurteilen, weil sie weitgehend restauriert und ihr Zustand durch Ergänzungen verunklärt ist - s. u. im Text.
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Partien zwischen den Fragmenten geflickt wurden. Immer wieder wird angegeben, der rechte Arm und die gesamte dazugehörige Partie der Statue seien ergänzt753. Milani gibt allerdings zu bedenken, Patina, Oxidation und Machart nach könne der Arm doch antik sein. Die Rückseite beschreibt er als völlig geflickt754. Eigene Beobachtungen während eines Museumsbesuches verhalfen zu folgendem Eindruck von Zustand, Ergänzungen und Restaurierungen: Die Übergänge zwischen originaler Bronzeoberfläche, ergänzten Partien in Bronze und solchen in farblich angeglichenem Gips sind außerordentlich schwer auszumachen. Die Basis besteht ganz aus bemaltem Gips. Basis und Figur sind durch einen vergipsten Holzkörper miteinander verbunden, der unterhalb des Peplossaumes noch zu erkennen ist. Die unteren Peplosfalten bestehen gleichfalls größtenteils aus bemaltem Gips - die Bemalung ist stellenweise abgeplatzt und gibt dort den weißen Gipskern frei. Die bemalte Oberfläche ist absichtlich unregelmäßig gestaltet, damit ihr optischer Eindruck der Korrosion der Bronezoberfläche entspricht. Einige Abschnitte des unteren Peplosbereiches bestehen möglicherweise doch noch aus Bronze755. Auf jeden Fall aus Bronze sind z.B. die Füße, aber auch einige Bereiche wie die Falte über dem linken Fuß und die zwischen den Füßen liegende mittlere Falte bestehen offenbar aus Bronze, während die dazwischenliegenden Falten stark mit Gips ergänzt und verfüllt wurden. Schlechter noch als der Zustand der Vorderseite ist der der Rückseite, deren Oberfläche so stark korrodiert, verunreinigt und geflickt ist, daß es auch hier kaum mehr möglich ist, ohne Hilfsmittel die Bronzeoriginalteile auszumachen. Mehrere mit Gips geflickte Brücken ziehen sich diagonal durch die Rückseite der Figur. Die untere Faltenpartie des Peplos ist wie auf der Vorderseite mit Gips verfüllt und ausgebessert worden. Insgesamt zeigt sich jedoch, daß zwischen der Gipsverfüllung genügend originale Bronzereste die Richtigkeit der Gipsergänzungen gewährleisten. Der Oberkörper ist weit weniger durch Flickungen beeinträchtigt. In Hüfthöhe durchzieht die Vorderseite derselbe Bruch, der auf der Rückseite weiterläuft und bereits erwähnt wurde. Auch an der Vorderseite ist er mit Gips verschmiert und hinterfüttert worden. Wegen der vielen Gipsverfütterungen möchte man fast vermuten, daß der gesamte Unterkörper mit einem massiven Gipskern verfüllt wurde, der die erhaltenen Bronzefragmente festhält und verbindet. Nicht nur an den Gipspartien, sondern auch im Bereich der Bronzeoberfläche scheint eine patinaähnliche schwarze Farbschicht aufgetragen worden zu sein, der stellenweise zusätzlich mit leuchtend grüner Farbe eine optische Oxidation hinzugefügt wurde. Am Oberkörper ist der fehlende rechte Arm durch einen bronzenen Nachguß ersetzt worden, der etwas zu lang geraten ist und kaum die originale Armhaltung wiedergibt. Der Kopf ist durch Gipsverschmierung mit dem Körper verbunden. Da er dem Kopf der Athena Ince ähnlich ist, schien seine Zugehörigkeit zunächst unsicher. In der Literatur findet sich jedoch nirgends eine Erwähnung darüber, daß der Kopf nicht mitgefunden worden sei. Merkwürdig ist allerdings die stellenweise künstlich aussehende Korrosion der Gesichtsoberfläche - genauere Daten über Zugehörigkeit und Entstehungszeit des Kopfes sind erst von der in Aussicht stehenden restauratorischen Untersuchung der Figur zu erwarten. Bis auf die Korrosion ist der Erhaltungszustand des Kopfes gut, nur der Wangenschutz ist abgebrochen und die seitlichen Appliken fehlen756; am Ende der Helmschlange ist wahrscheinlich der Helmbusch abgebrochen. Eigenartig ist der vor der Schlange ausgebreitete Vogel als Helmzier. Der Haarschopf im Nacken ist unterhalb der Bindung, wo er vermutlich getrennt angelötet war, abgebrochen. Der Rücken zeigt keine Befestigungsspuren für die untere Partie des Nackenzopfes. Die Augen sind hohl - die Augäpfel waren wahrscheinlich in Horn, Glaspaste oder auch Stein eingelegt. Im hinteren Be-
753 754 755
756
Amelung, Basis des Praxiteles 16 ff.; Rizzo, Prassitele 93; Becatti, ASAtene 1939/40, 131. Milani a. O. 137. Die Feststellung Schürmanns a. O., der gesamte Unterkörper sei modern, ist so nicht zutreffend - dies beweist nicht zuletzt das Fragment in Kyrene (s. u. S. 132. 2), das die gleiche, vom Typus Vescovali abweichende Saumlänge überliefert wie die Athena von Arezzo. Es wird sich um Appliken gehandelt haben und nicht um seitliche Helmbüsche. Während Appliken am korinthischen Helm häufig auftreten, wird er - bedingt natürlich durch seine Form - fast nie mit seitlichen Helmbüschen versehen. Dies bleibt dem stattlicheren attischen Helm vorbehalten; vgl. LIMC II 2 Athena passim.
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reich der rechten Helmpartie weist die Bronze ein quadratisches Loch auf, das nach C. Mattusch auch an anderen Bronzen nachweisbar ist und so für die Echtheit des Kopfes sprechen könnte757.
Parallelen und Datierung Zur Beurteilung der Bronzestatue leisten zwei Skulpturenfragmente einen wertvollen Beitrag: Das Oberkörperfragment einer Statuette in St. Petersburg folgt dem gleichen Typus, aber vor allem ein Himationfragment aus Kyrene ist ganz offensichtlich nach demselben Entwurf entstanden wie die Bronzeathena. 1. 1 Kyrene, Mus. Oberschenkelfragment 1925 im Apollonion gef. H 0. 53 m pentelischer Marmor Taf. 72 Abb.1 Lit.: E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 60. 129 Taf. 78.
1. 2 St. Petersburg, Eremitage Oberkörperfragment einer Statuette aus Olbia H 0. 12 m feiner griechischer Marmor Lit.: Waldhauer III 6 f. 221 Abb. 3.
Das kleinformatige Oberkörperfragment in St. Petersburg zeigt die gleiche Bauschanlage, den seitlich eingestemmten verhüllten linken Arm und die symmetrische, wamsartige Brustaigis mit Gorgoneionschließe in der Mitte. Es ist jedoch wegen seiner geringen Größe und wegen der verunklärten linken Körperseite, die vielleicht auf ein Stützmotiv hinweist, eher zu vernachlässigen. Das Unterkörperfragment einer Statue in Kyrene hingegen weist genau dieselbe Faltenanordnung am Himation zwischen Schoß und Knie und denselben, knapp unter dem Knie verlaufenden geraden Himationsaum mit seitlich herabfallendem Stoff auf wie die Bronze. Die Existenz unabhängiger paralleler Zeugnisse, von denen zumindest das Fragment aus Kyrene so ähnlich ist wie eine Replik, spricht dafür, daß die Florentiner Bronze kein Einzelexemplar war. Diese Feststellung wirft viele Fragen auf. Sind beide Zeugnisse nun gleichzeitig; handelt es sich um Repliken nach einem Original oder ist das Fragment in Kyrene die Kopie der Bronze, ist demnach die Florentiner Statue ein Original und aus welcher Zeit stammt es? Die Frage nach Original oder Kopie, die schon bei Marmorstatuen des öfteren schwer zu entscheiden ist758, kann bei Bronzesta757
758
So z. B. die bronzene verschleierte Göttin aus dem Meer bei Izmir; s. C. Mattusch, Classical Bronzes (1996) 14, und die Getty-Herme, a. O. 189 Abb. 5. 23 Taf. 8. Ein solches Loch erscheint ebenso am hinteren Himationsaum der Piräusathena (s. 182 ff.). Vgl. S. 22 ff.
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tuen noch weniger eindeutig beantwortet werden759. Vergleiche der Figur aus Arezzo mit kaiserzeitlichen Bronzen ergeben, wahrscheinlich auch wegen des schlechten Erhaltungszustandes der Athena, wenig Parallelen. Die Faltenanlage kaiserzeitlicher Bronzen ist im allgemeinen reicher, dabei aber gleichmäßiger und kalligraphisch schärfer als bei der Athena, deren Falten, soweit sie original sind, voluminös und kantig wirken und sich spannungsreich mit glatten Flächen abwechseln760. Auch der Kopf findet unter den Porträtköpfen kaiserzeitlicher Gewandstatuen keine Parallele761. Die Haare sind in wulstige, in parallele Kompartimente geteilte Strähnen gegossen. Das Gesicht ist schmal und spitz und hat eine leicht nach vorn gewölbte mittlere Achse. Die Augenlider sind breit, kantig und eckig, die Augen klein und wie das ganze Gesicht asymmetrisch. Der Mund ist winzig und im jetzigen Zustand nahezu unkonturiert. Bronzene Idealplastik hat sich hauptsächlich aus den Vesuvstädten erhalten762. Die Ausstattung der Pisonenvilla bei Herculaneum bietet hier die größte Auswahl763. Die bronzenen Wasserträgerinnen oder Danaiden764, wahrscheinlich eine Reihe eklektisch-klassizistischer Originale und möglicherweise in Anlehnung an die auf dem Palatin als Töchter des Danaos aufgestellten fünfzig Peplophoren geschaffen, zeigen die gleiche Art der Haarsträhnengliederung wie die Athena. Im leicht manirierten Gesamteindruck der Figuren und in der blockhaften Aneinanderreihung einzelner Bewegungs- und Gliederungselemente ohne inneres Konzept wird sichtbar, daß es sich um bewußte Rückgriffe handelt. Einzelne als typisch für die nachgeahmte Zeit empfundene Stilmerkmale werden außerdem übertrieben. Daß sich die Herculaner Bronzefiguren auf den Strengen Stil beziehen, ist leicht erkennbar. An der Athena sind ebenfalls klassizistische Merkmale nachweisbar, die sich aber nicht eindeutig als Rückgriff auf eine bestimmte Epoche fassen lassen. Klassizistisch erscheinen die erwähnten Haarsträhnen sowie der gesamte Kopftypus, der eine Mischung zwischen den hochklassischen Athenatypen Velletri und New York, dem an der Wende zur Spätklassik stehenden Typus Ince und dem noch keinem Körpertypus zugeordneten Kopftypus Kassel (K I 1 - K II 2) darstellt. Auf die genannten hochklassischen Typen geht die relativ strenge Haarangabe zurück; auf den Typus Ince das Gesamtkonzept samt Kopfwendung und auf Kopftypen wie jene der Athena Rospigliosi, der Athena Vescovali und den Kopftypus Kassel die Zartheit des Gesichtes mit dem 759
760
761
762 763
764
Bei den meisten antiken Großbronzen rankt sich eine Diskussion um die Frage, ob es sich um Kopien oder Originale handelt; zu den Bronzen aus dem Schiffsfund von Mahdia. vgl. Mahdia. Kat. Bonn 1994. Es besteht noch keine Klarheit über technische Hinweise, die zur Datierung herangezogen werden könnten. Vgl. die Togastatue des Tiberius aus Herculaneum, K. Lehmann-Hartleben, Die römischen Bronzen der Kaiserzeit (1927) Taf. XIX; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 120. 42. 8 Taf. 94. 3, sowie eine flavische Gewandstatue ebenfalls aus Herculaneum, Kluge - Lehmann-Hartleben a. O. II, 72, Abb. 3, sowie die claudische Gewandstatue a. O. 73 ff. Taf. XXIII; zu beiden vgl. auch M. Fuchs, Untersuchungen zur Ausstattung römischer Theater (1987) 28 f. C I 1 Taf. 6. 1; 7. 1-3; C I 2, Taf. 6. 2; 7. 4, 5 und Boschung a. O. 119 ff. Taf. 93 f. Vgl. den Neapler Drusus (Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 236 ff. 21 mit Abb.); des weiteren vier weibliche Gewandstatuen (Kluge - Lehmann-Hartleben a. O. 71 ff. Abb. 1-3 Taf. XXIII), deren Faltenstil trotz ihrer unterschiedlichen Entstehungszeit schärfer, klarer und reicher ist als der der Athena; auch in der späten Kaiserzeit findet sich nichts ähnliches, vgl. die antoninischen Bronzestatuen aus dem Sebasteion von Burdur (J. Inan, IstMitt 27/28, 1977/78, 267 ff. Taf. 74-98). Vgl. W. Wohlmayr, Studien zur Idealplastik der Vesuvstädte (1991). M. R. Wojcik, La Villa dei Papiri ad Ercolano (1986); Wohlmayr a. O. 22 ff.; L. Forti, Le Danzatrici di Ercolano (1959); D. Pandermalis, RM 86, 1971, 173 ff.; L. A. Scatozza Höricht, in: Le Collezioni del Museo Nazionale di Napoli. La Scultura Greco-romana ... (1989) 29, 131 Abb. 166-170. L. Forti a. O.; Wojcik a. O. 203 ff. Taf. CI-CVI; Wohlmayr a. O. 115. 48 Abb. 16, 38, 74; Pandermalis a. O. 181 f. Taf. 85-89; H. G. Martin, in: Augustus und die verlorene Republik. Kat. Berlin (1988) 348 ff. 196; zuletzt Ridgway, Hellenistic Sculpture III, 160 f., 178 f. Anm. 19 Taf. 66-69.
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kleinen Mund und den rund geschwungenen Brauenbögen. Diese Mischung verschiedener Zeitstilelemente in einem Kopftypus ist unter den Athenaköpfen einmalig; keiner der genannten anderen Kopftypen läßt sich in derartige einzelne Abhängigkeiten zerlegen765. Es bleibt festzustellen, ob sich diese Beobachtungen am Körper genauso ergeben766. W. H. Schuchhardt und R. Kabus-Jahn kommen wie alle anderen Autoren, die die Athena von Arezzo in die Replikenreihen des Typus Vescovali aufgenommen haben, zu dem Schluß, die Bronzestatue sei eine im frühen 3. Jh. v. Chr. entstandene etruskische Variante des Typus Vescovali767. Mit dem Typus Vescovali verbindet die Athena von Arezzo aber zunächst einmal nur der Darstellungstypus, also die Tracht und die meist mit dieser in Zusammenhang stehende Haltung. Außer der Himationtracht stimmt die Ponderation mit rechtem Standbein und linkem Spielbein überein. Hier beginnen aber die Inkonsequenzen der Bronzestatue. Obwohl an der Florentiner Athena Spiel- und Standbein an sich kaum noch zu unterscheiden sind, fällt die Hüfte so zum Spielbein hin ab, als wäre die Figur stark ponderiert. Der querliegende Himationbausch dagegen, wenig oberhalb der Hüfte gelegen, reagiert in keinster Weise - beim Typus Vescovali führt er eine leichte Gegenbewegung zur Hüfte aus -, sondern ist fast horizontal oder steigt sogar, völlig unorganisch, ein wenig zur linken Körperseite hin an. Die Aigis schließlich ist ganz gerade, starr und symmetrisch, während der Kopf durch seine Wendung nach rechts wieder Bewegung in die Komposition bringt. An dieser Komposition fällt vor allem eines auf: Sie ist uneinheitlich und besteht vornehmlich aus einer Aneinanderreihung verschiedener einzelner Gestaltungselemente. Wieder vereinheitlicht wird der Aufbau allerdings durch seine Flachheit und Geradheit sowie durch den stereometrischen Kontur von Vorder- und Seitenansicht. Dazu paßt, daß der Zusammenhalt der Figur nicht von einem inneren Kern ausgeht, auf dem die Komposition beruht, sondern die einzelnen aneinandergereihten Merkmale werden lediglich vom Kontur zusammengehalten. Die beschriebene Geradheit und Achsialität der Figur dient fast allen Autoren, die sich zur Athena von Arezzo geäußert haben, als Hinweis darauf, daß eine Vescovali-Variante aus dem frühen 3. Jh. v. Chr. das Vorbild der Athena von Arezzo gewesen sein müsse. Schuchhardt zieht die Nikeso von Priene zum Vergleich heran768, und auch R. Kabus-Jahn beobachtet ionische Elemente, die sie mit parallelen Erscheinungen im etruskischen Bereich erklärt769. Der Vergleich mit der Nikeso ist indes tatsächlich lehrreich770. Deutlich bestätigen sich die an der Athena gemachten Beobachtungen zu Komposition und Aufbau. Kontur und Flächigkeit der Nikeso sind ebenfalls axial orientiert und in horizontale und vertikale Linien einschreibbar. Aber der plastische 765 766
767 768 769 770
Lediglich der überlebensgroße Athenakopf in Basel ist ähnlich inhomogen und disparat, läßt sich aber, anders als der Kopf der Bronzestatue, nicht datieren und könnte nicht nur aus diesem Grund eine Fälschung sein; vgl. S. 47 ff. Die folgende Analyse geschieht angesichts des momentanen Zustandes der Figur in der Annahme, daß die Restaurierungen in etwa den Vorgaben des Erhaltenen Rechnung tragen. Verf.in ist sich bewußt, daß eine neue Restaurierung der Statue zu anderen Ergebnissen führen kann. Erst im Rahmen einer solchen Aktion kann auch die Echtheit des Kopfes abgesichert werden. S. Lit. zu 1. Schuchardt a. O. (Lit. zu 1) Abb. 98. Kabus-Jahn a. O. (Lit. zu 1) 93. S. Anm. 768; zur Nikeso vgl. Horn, Gewandstatuen 24 f. Taf. 8. 1; Pollitt, Hellenistic Age 266 Abb. 287; Linfert, Kunstzentren 24 f.; Ridgway, Hellenistic Sculpture I, 210 ff. 238 Anm. 3; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 106, 179 f. 43 Taf. 12. 71.
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Kern ist greifbar und kommuniziert mit dem Kontur; die einzelnen Elemente des Aufbaues erwachsen von innen heraus als harmonisches Ganzes. Ist die Massigkeit der Nikeso vielleicht typisch ionisch, so lassen sich doch ähnliche Gegensätze ebenso an mutterländischer Plastik feststellen, wie z.B. am vielzitierten Demosthenes771. Auch an dieser Figur ist ein zentraler Kern spürbar, von dem aus der Körper Achsen bildet, an denen sich wiederum die Gestaltung der einzelnen, aber harmonisch zusammenhängenden Teilflächen des Körpers aufbaut. Derartige Achsen, die gleichzeitig expressive Ausdrucksträger und als solche für jegliche originäre Skulptur charakteristisch sind, finden sich an der Athena nicht. An ihre Stelle treten eben jene vereinzelten Kompartimente, die durch den Kontur zusammengehalten werden und rein additiv sind. An solchen Eigenschaften manifestiert sich nun aber der Klassizismus von Gewandfiguren. Hinzu kommt die vermutlich unbewußte Mischung unterschiedlicher Zeitelemente: Der Kopf mit Stilmerkmalen des späten 5./ frühen 4. Jhs. sitzt auf einem Körper, der am besten in das 3. Jh. paßt. Im Profil werden dagegen sogar fast archaistisch anmutende Züge deutlich, die aber wahrscheinlich ebenso nur Zeichen eines Manierismus sind wie die Bretthaftigkeit der Figur, der im Profil der linken Seite hervorquellende linke Oberschenkel und das Hervortreten der rechten Glutäe im Profil der rechten Seite mit ihren scharf gezeichneten Himationfalten. Auch die eigenartig weit oben angesetzten Zehen wirken archaistisch. Alle diese Eigenschaften lassen sich nicht durch die schlechte Qualität einer Kopie erklären, sondern sind in der Interpretation des Darstellungstypus verankert. Ein antiquarisches Detail bestätigt die späte Datierung mit der anhängigen klassizistischen Interpretation: Die Aigis, deren bustierartige Form für das späte 4. Jh. auf solchen Urkundenreliefs belegt ist, die ihrerseits schon als klassizistische Rückgriffe auf die Athena Parthenos gedeutet werden772, tritt in ganz ähnlicher Form und Gestaltung an der sog. Großen Athena von Pergamon auf773. Auch hier wird sie meist als Rückgriff auf das kolossale Standbild der Parthenos verstanden. Obwohl Standschema, Kopfwendung, Längung und rechteckiger Kontur die Pergamener Athena und die Athena von Arezzo verbinden, ist die Kolossalstatue aus Pergamon insgesamt jedoch deutlicher aus einem Guß komponiert und - nicht zuletzt natürlich durch ihre höhere Qualität - weit weniger additiv als die Bronzestatue und die „Danaiden“ aus Herculaneum. Der Vergleich mit den „Tänzerinnen“ aus Herculaneum ergibt noch weitere Parallelen. Das Marmorfragment in Kyrene im gleichen Typus wie die bronzene Athena setzt zunächst die Existenz eines typenkonstituierenden, verlorenen Urbildes voraus. Eine der Herculaner Peplophoren besitzt aber bekanntermaßen ebenfalls eine Parallele aus Marmor. Die Peplosstatue der Sammlung Gardner in Boston774 bedient sich nicht nur desselben Darstellungstypus wie die „Tänzerin“ Wojcik H. 3775, sondern verhält sich zu ihr wie eine Replik nach demselben Typus. Daß es sich 771 772
773
774
775
Zum Demosthenes vgl. hier Anm. 355; s. auch Schuchhardt a. O. (Lit. zu 1) 110 ff. Abb. 88-90. Meyer, Urkundenreliefs A 93 Taf. 25; Meyer, Urkundenreliefs A 109 Taf. 32, Lawton, Document Reliefs 132 Taf. 70; Meyer, Urkundenreliefs A 112 Taf. 48, Lawton, Document Reliefs 134 Taf. 71; Meyer, Urkundenreliefs A 120 Taf. 48, Lawton, Document Reliefs 144 Taf. 76; zur Deutung als Parthenoszitat s. Meyer, Urkundenreliefs 167 ff. J. P. Niemeyer, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 26 f. 62 f. Abb. 1, 2; Stewart, Greek Sculpture 718; Gernand, AM 1975, 17 ff. Taf. 12; Pollitt, Hellenistic Age 167 f. Abb. 171 (mit Lit.). Zur Athena von Pergamon vgl. hier S. 165 ff. C. C. Vermeule III u. a., Sculpture in the Isabella Stewart Gardner Museum (Boston 1977) Titelbild u. 6 ff. 10 mit Abb; W. Trillmich, JdI 88, 1973, 256 ff. Abb. 11-15; H. G. Martin, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik (Kat. Berlin 1988) 345 f. Abb. 163. M. R. Wojcik a. O. (Anm. 763) 207 f. Taf. CIII, CVI (mit Lit.).
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aber wirklich um Repliken nach einem Urtypus handelt, ist nach allem unwahrscheinlich. Auch hier liegen vielmehr zwei übereinstimmende Werke verschiedener Materialien vor, die mit den gleichen klassizistisch-eklektischen Elementen arbeiten. Genauso dürfte es sich bei der Athena und dem Fragment Kyrene verhalten, von dem gerade genug erhalten ist, um die typologischen Übereinstimmungen plausibel zu machen776. Bisher erstreckten sich die betrachteten Parallelen zwischen der Athena und den Herculaner Peplophoren auf ihren kompositionellen Klassizismus. Evidente Übereinstimmungen bestehen jedoch auch rein äußerlich im Standmotiv, in den von außen aufgelegten, teilweise scharf gezeichneten Faltenzügen, der Gewandtextur und sogar in der Ausfertigung der schweren Peplosfalten, die an der Athena nur unterhalb des Himation zu sehen sind. Ganz ähnlich ist aber auch die Fertigung der Haarsträhnen. Die Übereinstimmung dieses Details ist um so bedeutender, als Vergleiche der Athena mit erhaltenen klassischen Bronzewerken kaum ein brauchbares Parallelbeispiel ergaben777. Die Haarziselierung solcher aller Wahrscheinlichkeit nach originaler Bronzewerke ist durchweg entweder feiner oder grober, aber nicht in der Weise gleichmäßig gegossen, wie dies an der Athena und den Tänzerinnen und weiteren Bronzeköpfen der Pisonenvilla der Fall ist778. Etruskische Bronzen zeigen zwar meistens eine stereotypere Haardarstellung als die klassischen und hellenistischen griechischen Bronzen, gehen darin aber wiederum viel weiter als die Athena und die „Tänzerinnen“779. Unter die etruskischen Bronzen wird auch der sog. Mars von Todi gezählt, den man meist in das frühe 4. Jh. datiert findet780. Trotz der eingehenden Untersuchung durch F. Roncalli und seiner daraus erwachsenen Datierung in das 4. Jh. ist ein derart weiter zeitlicher Abstand zu den Herculaner Tänzerinnen schwer nachvollziehbar781. Die Fundumstände des Mars lassen auch keinen eindeutigen Schluß zu, machen aber eine hellenistische Datierung nicht unwahrscheinlich. Einen Anhaltspunkt bildet der Fund einer hellenistischen Münze aus dem 2. oder 1. Jh. v. Chr. im Innern der Bronze. Außerdem ist die Figur offenbar in irgendeiner Zeit in einer Art Grab aus Travertin bestattet worden782. 776 777
778 779
780
781 782
Vgl. Trillmich a. O. 260. Vgl. den sog. Chatsworth-Apollon, A. Furtwängler, Intermezzi (1896) 3 ff. Taf. I-III; D. E. L. Haynes, RA 1968, 101 ff. mit Abb.; C. Mattusch, Greek Bronze Statuary (1988) 154 ff. Abb. 7. 1; P. G. Calligas, in: The Greek Miracle. Kat. Washington (1992) 100 ff. 10 mit Abb.; den Faustkämpferkopf aus Olympia, P. C. Bol, Großplastik aus Bronze in Olympia (1978) 114 f. 159 Taf. 30-32, C. Mattusch, Classical Bronzes (1990) 85. 3. 5 a-c; die Großbronzen aus dem Schiffsfund von Antikythera, P. C. Bol, Die Skulpturen des Schiffsfundes von Antikythera, 2. Beih. AM (1972) 18 ff. Taf. 6-11, C. Mattusch a. O. (1996) 89. 3. 6 a-c; den Philosophen des Schiffsfundes von Porticello, C. Jones-Eisemann - B. S. Ridgway, The Porticello Shipwreck (1987) 63 ff., C. Rolley, Griechische Bronzen (1984) 41 Abb. 21; Schefold, Dichter, Redner und Denker 104 f. Abb. 35 -36; die Bronzen von Riace, Due Bronzi da Riace, BdA 3 serie speciale II, A. Busignani, Gli Eroi di Riace (1981), C. C. Mattusch a. O. 200 ff. mit Lit. Abb. 8. 3-4, dies. a. O. (1996) 66. 2. 18 a-d. Vgl. die Köpfe M. R. Wojcik a. O. (Anm. 763) 173 ff. G 2 Taf. XCII; 253 ff. O 1 Taf. CXXVIII sowie den Epheben von der Via dell' Abondanza in Neapel, BdA 3 a. O. 323 Abb. 11-12. Vgl. eine bronzene Kanne in Kopfform aus Chigi im Louvre, T. Dohrn, Die etruskische Kunst im Zeitalter der griechischen Klassik (1982) Taf. 38, 40; A. Hus, Les Bronzes etrusques (1975) Taf. 46-47; S. Haynes, Etruscan Bronzes (1985) 210 Abb. 149. Vgl. des weiteren Dohrn a. O. 49 f.; S. Haynes a. O. 211 Abb. 150, 213 Abb. 151. F. Roncalli, Il „Marte“ di Todi, MemPontAcc XI 2 (1973); eine Übersicht über Literatur und Datierungsvorschläge bei Roncalli a. O. 77 Anm. 173; S. Haynes a. O. 208 Abb. 146, 299. 146; Dohrn a. O. 56 ff. Taf. 35; vgl. P. Bruneau, M. Torelli, X. Baral i Altet, La Sculpture, Le Prestige de l’Antiquite´´ (1991) 129 mit Abb.; C. Pietrangeli, Opere di provenienza tuderte nei Musei Vaticani (1993) 15 ff. Abb. 1-7 (mit Lit.); vgl. zuletzt M. Papini, in: Klassik, Kat. Berlin 2002, 619 f. Abb. 1. S. Anm. 764. S. Anm. 780..
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Verwandte Details setzen die Figuren in eine engere Beziehung zu den möglicherweise im Späthellenismus entstandenen Tänzerinnen783. Wenn nun die Tänzerinnen klassizistisch sind, bliebe zu prüfen, ob dies nicht auch für den „Mars“ zutreffen könnte. Einige seiner Eigenarten, die sich so leicht mit dem Etikett „etruskisch“ erklären lassen, wären dann etwas anders einzuschätzen. Am Körper des Bronzekriegers ist jedenfalls dieselbe eigenartige Vereinzelung der additiv in einen blockhaften Kontur einbeschriebenen Gliedmaßen zu beobachten784. Ähnlich sind außerdem die frontale Anlage und die steif nebeneinander angeordneten Gewandfalten. Eine weitere Gemeinsamkeit sind die zu dünnen, ungelenk angesetzten Arme, die hölzern in den Raum ausgreifen785. Mit etwas mehr als 1. 40 m Höhe entspricht die Kriegerfigur sowohl den um 1. 50 m messenden Herculaner Frauenfiguren als auch in etwa der Athena, ist damit aber kleiner als die eher lebensgroßen Statuen des späten 5. und frühen 4. Jhs. Andererseits paßt sein breitangelegtes Gesicht mit der großen Nase, den großen Augen mit den eckigen Lidern und dem großen, umrandeten Mund sowie die Haartracht nicht in das 4. Jh. Für das 5. Jh. wären der ungelenkte Aufbau und die unharmonische Ponderation und Komposition der Figur ungewöhnlich. Aufbau und Tracht finden sich hingegen ganz ähnlich am Geryoneus der bekannten Tomba dell'Orco aus dem späten 4. Jh.786 So kann nicht entschieden werden, ob die genannten unklassischen Eigenarten weiterhin als etruskisch deklariert werden können oder ob sie nicht doch Merkmale einer nach bestehenden Mustern hergestellten klassizistischen Bronze sind. Dasselbe Problem läßt sich bei der Athena aus Arezzo besser klären. Einige ihrer Charakteristika konnten deutlich als Auswirkung eines gewollten Klassizismus erkannt werden; einzelne Elemente ließen sich konkret auf das späte 5. Jh., andere auf das 4. Jh. zurückführen. Zusätzlich aber zeigte die Figur deutliche stilistische Merkmale, die im 3. Jh. beheimatet sind. Weiter oben wurde versucht, auch diese Merkmale als klassizistisch zu erkennen, um die gesamte Figur als eklektisches Werk einordnen zu können. Die Schwierigkeit bei der Athena besteht darin, daß die Elemente, die sie verwendet, sich nicht so offensichtlich von einer oder mehreren zugrundeliegenden Stilepochen ableiten, da das 4. und das 3. Jh. nicht so ausgeprägte Stiltendenzen aufweisen wie der Strenge Stil, an dem sich die Herculaner Peplophoren orientieren. Vielleicht wurde die Athena deshalb bisher nie als klassizistisch-eklektisches Werk eingestuft. Zudem gibt es im späten 4. und frühen 3. Jh., wohin sie meistens eingeordnet wird, unter den Reliefs tatsächlich vergleichbares Material. An diesen Reliefs ist nicht nur die Aigisform vergleichbar, sondern auch die Längung der Figur, ihr eckiger Kontur und die steilen, geraden Falten des Peplos an den Unterschenkeln. Solche Merkmale zeigt auch an das Ende des 4. und den Beginn des 3. Jhs. zu datierende Großplastik. Die Geradheit der Figur insgesamt und ihre Achsialität findet sich in vergleichbarer Weise an den Relieffiguren der ephesischen Säulentrommeln; besonders die weibliche Figur zwischen Hermes und Thanathos stimmt im Standmotiv und im Aufbau mit der bronzenen Athena 783
784 785
786
Vgl. außer der Angabe der Haarsträhnen die Augenbildung mit den eckigen Oberlidern und der ausgeprägten Oberseite des zusätzlich durch eine Einkerbung abgesetzten Unterlides, die Assymmetrie der Augen, die niedrige Stirn, die lange gerade Nase. Auch das straffe, aber doch prall verfüllte Karnat paßt zusammen. Das könnte allerdings auch am Herstellungsvorgang liegen; s. S. Haynes a. O. (Anm. 779) 299, 146. Das Klassizismusproblem beschäftigt auch Dohrn im Zusammenhang mit dem „Mars“ und dem von Roncalli geführten Vergleich mit dem Anadumenos Farnese, Dohrn a. O. (Anm. 641) 56 ff. 88 f. Dohrn entscheidet sich schließlich gegen eine klassizistische Interpretation. S. Steingräber, Etruskische Wandmalerei (1985) 337 ff. Abb. 127-134 Farbtaf. 129.
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überein787. Die Themis von Rhamnous788 ist ebenso frontal und eckig im Kontur, ihr Gesicht ist ähnlich oval und giebelförmig abgeschlossen wie das der Athena. Selbst Details wie die Mantelführung auf der linken Schulter und die Stoffausstülpung im Schoß, die ähnlich gemacht ist wie die Stoffknäuel unterhalb der rechten Brust der Athena, finden sich wieder. Dennoch sind die Unterschiede, die bereits im Verhältnis zur Nikeso festzustellen waren, hier fast noch stärker sichtbar. Die Themis hat von Kopf bis Fuß einen inneren Kern, der den Kontur sichtlich prall ausfüllt. Die Athena dagegen bleibt, auch im Gegensatz zur eben verglichenen Relieffigur, flach und schal789. Die Ausfertigung der Haarsträhnen an sich, auf die bereits hingewiesen wurde790 und die sich in dieser Weise an spätklassischen Bronzen nicht wiederfindet791, wohl aber an den Wasserträgerinnen der Villa dei Papiri, ist, da sie genauso an den anderen zum Teil als Repliken erkannten Werken der Villa dei Papiri vorkommt792, nicht unbedingt klassizistisch. Andererseits zeigen auffällig viele frühaugusteische klassizistische Jünglingsstatuen eine ähnliche Haarbehandlung wie die „Danaiden“ und die Athena793. In der Haarangabe eng verwandt ist auch ein Augustuskopf aus der Vatikanischen Bibliothek794. Der Athenakopf kann also mit Hilfe dieser Köpfe in frühaugusteische Zeit bzw. in die 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. datiert werden. Auch der Körper trägt Züge, die in den Übergang von der späthellenistischen zur frühaugusteischen Zeit passen. So erscheint der Wechsel von glatten Flächen mit quer verlaufenden, dachartig an dem Gewandstoff heraustretenden langen Falten auch an der bronzenen Reiterstatue des Augustus im Athener Nationalmuseum795. Die beiden tiberisch-frühclaudischen Bronzestatuen aus dem Theater von Herculaneum wurden bereits genannt796. Mit ihrer erstarrten, kalligraphischen Reichheit bilden sie geradezu einen terminus ante quem. Als Abschluß nach unten lassen sich das noch stärker von innen her ausgefüllte, weniger akademisch glatte Gewand des Arringatore und das des Reiters von Cartoceto, der sicherlich 787 788 789
790 791 792 793
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Rügler a. O. (Anm. 566) 151 ff. 1206 Taf. 13. 2. Stewart, Greek Sculpture 602 - 603; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 55 Taf. 31; Andreae, Skulptur des Hellenismus 66 ff. 10. Solche Eigenschaften, die hier als klassizistisch gedeutet werden, sind für die Vertreter der spätklassischen Datierung Zeichen der Herkunft aus einer provinziellen arettiner Werkstatt; vgl. S. Haynes a. O. (Anm. 641) 105 ff. Zu Arezzo s. M. Torelli u. a., Die Städte der Etrusker (1973) 41 ff.; von lokalem Stil geht R. Kabus-Jahn, Frauenfiguren 93, aus. S. o. S. 136. Vgl. Anm. 777. Vgl. Anm. 763. So z. B. der Kopf des Leuchterträgers aus Volubilis, P. Zanker, Klassizistische Statuen (1974) 34 f. 31 Taf. 33. 1; 35. 2, 4; 36. 3, 6, den Zanker mit Hilfe des Bronzekopfes des auch hier weiter unten hinzugezogenen Augustus aus der Vatikanischen Bibliothek datiert (s. u. Anm. 794). Außer der Haarbildung ist die Augenbildung gleich: die Größe und Eckigkeit der Lider, das im Außenwinkel weit heruntergezogene Oberlid, der nach unten ausgreifende Bogen des kantig abgesetzten Unterlides. Etwas später muß nach Zanker der Diadumenos Farnese angesetzt werden, dessen Haarangabe aber immer noch gut neben die Athena gestellt werden kann, Zanker a. O. 13 ff. 11 Taf. 8. 2, 3; 9. 1, 4; 10. 1, 2; 12. 1; 13. 3; 14. 2, 4; 15. 3. Gleiches gilt für den Münchner Knabenkopf, Zanker a. O. 33 f. 30 Taf. 35. 1, 3; 36. 2, 5; 37. 6. Ausgesprochen gut vergleichbar ist der Idolino, dessen Haarsträhnen zwar feiner sind, aber ebenfalls als kompakte, in sich parallel gesträhnte Locken gestaltet sind, Zanker a. O. 30 ff. 28 Taf. 33. 2, 3; 34. 3, 4. D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, Herrscherbild 1. 2 (1993) 178 f. 170 Taf. 93, 149. 8. J. Bergemann, Römische Reiterstatuen (1990) 57 ff. P 5 Taf. 14-16; E. Touloupa, AM 101, 1986, 185 ff. Taf. 3643; dies., in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik, Kat. Berlin (1988) 311 f. 149 mit Abb.; Boschung a. O. 110 f. 7 Taf. 25. 221, 1-2. S. Anm. 621.
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ebenfalls republikanisch datiert werden muß, verwenden797. Parallelen zu der als augusteisch erkannten Vescovali-Replik in Liverpool (In I 1) bestätigen diesen Eindruck; ferner ist die Textur des Gewandes und die glatte, leicht eckige Kühlheit der Faltenanlage der aufwendigen frühaugusteischen „Orest und Elektra“ benannten Gruppe des Menelaos vergleichbar798. Auch das Gorgoneion spricht deutlich gegen eine Einstufung als Original spätklassischer Zeit799. Wenn die Athena von Arezzo so schließlich doch als Werk des frühaugusteischen Klassizismus eingeordnet werden kann, erklärt sich dadurch auch ihr eklektischer Charakter. Sie entstammt damit derselben Kunstströmung wie die „Tänzerinnen“ aus Herculaneum, orientiert sich aber an anderen Epochen als diese. H. G. Martin nennt zwei Rezeptionsweisen griechischer Bildwerke innerhalb der frühaugusteischen Kunst800: das Anfertigen wörtlicher Repliken und „die Verbesserung des Vorbildes durch eine eklektische Neuschöpfung“801. Vor einem solchen Hintergrund wird die Athena von Arezzo geschaffen worden sein. Ihre Eigenarten sind also nicht etruskisch, sondern römisch-klassizistisch. Dazu passen zwei weitere kleine Details an der Figur: Die vor der Helmschlange ausgebreitet liegende Taube ist aus der Typologie der Athena unbekannt und muß wohl als römische Erfindung gelten, und das Gorgoneion folgt dem frühkaiserzeitlichen klassischen Typus mit kurzem Haar und breitem Mondgesicht802. Schließlich bliebe noch zu klären, ob sich die Datierung der Bronze in die 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. mit dem Fundort verträgt: Arezzo war im 1. Jh. v. Chr. eine blühende Stadt an der Via Cassia, in der zuletzt unter Caesar zahlreiche Veteranen angesiedelt worden waren und in der die Metallindustrie lange Tradition hatte803. Die Produktion und Aufstellung einer solchen Statue wäre also auch in dieser Zeit gut denkbar804. Wenn es sich bei der Athena von Arezzo also um eine eklektische Neuschöpfung handelt, welche Rolle spielt dann dabei der trachttypisch so nah verwandte Athenatypus Vescovali? Da die früheste Replik des Typus (Ve II 1) späthellenistisch ist, muß er in frühaugusteischer Zeit bereits bekannt gewesen sein. Dafür, daß die Bronze aus Arezzo auch weiterhin weder als Replik noch als Variante oder Umbildung des Typus Vescovali gelten kann, sondern typologisch eigenständig ist, spricht nicht zuletzt das weiter oben beschriebene Fragment aus Kyrene. Einige Details, die nicht notwendigerweise aus der Trachtanlage der Figur hervorgehen, weisen jedenfalls deutlich auf den Typus Vescovali hin. Hier handelt es sich wahrscheinlich um den von Martin beobachteten Prozeß der „Verbesserung“ unter eklektischer Verwendung eines bekannten Ty797
798 799 800 801 802 803 804
Zum Arringatore vgl. T. Dohrn, Der Arringatore (1968). Zur Reiterstatue von Cartoceto, deren häufiger vorgeschlagene kaiserzeitliche Datierung und Identifikation zu Recht nicht überzeugt hat, vgl. J. Bergemann a. O. (Anm. 795) 50 ff. P 1 Taf. 6 a, 8-11, der eine Datierung in die 30er Jahre des 1. Jhs. v. Chr. vertritt. Dem Porträt nach muß die Statue m. E. in die Zeit des Caesars aus Tusculum, Kleiner, Roman Sculpture 45 Abb. 26, datiert werden, d.h. in die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. Stewart, Greek Sculpture 861; Ridgway, Hellenistic Sculpture III 189 f.; E. La Rocca, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 629. 636 f. 491. Vgl. S. 258 ff. H. G. Martin, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik (S. Anm. 658) 343 ff. mit Kat. 195-197. Martin a. O. 344. Vgl. das Gorgoneion der spätaugusteisch-tiberischen Ince-Replik in Liverpool (In I 1); zur Entwicklung der Gorgoneia s. S. 258 ff. Zu Arezzo s. Anm. 789. Die übliche Einordnung der bekannten Chimäre, die nicht vom selben Fundplatz stammt, in das 5. Jh. läßt sich schwer widerlegen - vielleicht müßte auch sie später angesetzt werden als bisher angenommen.
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pus805. Zu diesen Details gehört in erster Linie die Gestaltung des linken Armes von der Schulter bis zur verhüllten Hand. Aber auch das deutliche Ausstellen der rechten Hüfte und die von ihr herabfallende, den rechten Kontur begleitende Falte erinnert sehr an den Typus Vescovali. Der Mantel, die Aigis, der Kopftypus sowie Aufbau und Standschema wurden jedoch in strengerer Weise abgeändert. Obwohl in dieser Arbeit sonst von der weitgehendsten Unabhängigkeit ähnlich aussehender Werke ausgegangen wird, kann man im Falle eines klassizistischen Werkes, das zur Zeit der bereits einsetzenden römischen Rezeption geschaffen wurde, voraussetzen, daß der bereits im 1. Jh. v. Chr. als Kopie belegte Typus Vescovali dem klassizistisch arbeitenden Künstler bekannt war. Auch hier darf die Beziehung jedoch nicht zu eng gesehen werden, und schon gar nicht, wie dies meistens geschieht, im Sinne eines Repliken- oder Variantenverhältnisses. In erster Linie ist es der Trachttypus, der wahrscheinlich vom Typus Vescovali übernommen wurde; dieser diente aber nur als Grundlage für ein ganz neues, in seiner implizierten Aussage offensichtlich klassizistisches Werk806.
805 806
S. Anm. 801. An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, daß natürlich alle diese Schlüsse ins Wanken geraten, wenn sich der Kopf im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen als neuzeitliche Ergänzung herausstellen sollte. Dann müssen die genannten Argumente und Vergleiche auf eine neue Aussage hin überprüft werden; sie werden dann wahrscheinlich zu der Annahme führen, daß der Körper der Athena von Arezzo auf einen Typus des frühen 3. Jhs. zurückgeht, als dessen Repliken die beiden übereinstimmenden Marmorfragmente gedeutet werden müssen; vgl. Anm. 766.
II. FRÜHHELLENISTISCHE, NICHT TYPUSGEBUNDENE EINZELWERKE UND TYPENGRUPPEN Hier schließt sich eine Reihe einzelner Athenastatuen an, die wie die Ince-ähnlichen Statuetten807 nicht mit in den Gesamtkatalog aufgenommen wurden, weil sie sich keinem der Typen zuordnen lassen. Sie werden daher ebenfalls im fortlaufenden Text katalogartig behandelt. Zu diesen Einzelexemplaren gehören Statuen, die aufgrund ihrer Qualität und ihrer ikonographischen Aussage einen wichtigen Beitrag zum Gesamtbild statuarischer Darstellungen der Göttin leisten. Die Untersuchung dieser Werke wird dabei von einem Problem begleitet, das innerhalb dieser Arbeit immer wieder begegnet. Im Zusammenhang mit der Athena von Arezzo trat dieselbe Frage in den Vordergrund, die bereits der Typus Ince aufgeworfen hatte und die auch hier wieder aktuell wird: Handelt es sich bei diesen Stücken um genuine Originale oder um klassizistische Schöpfungen? Wie direkt sind sie von einer anderen Zeit oder einem älteren Typus abhängig und in welcher Zeit sind sie selbst entstanden? Nicht in allen Fällen läßt sich dies wirklich entscheiden.
1. Athena von der Akropolis Den Anfang macht eine leicht überlebensgroße, aus Fragmenten zusammengefügte Figur im Magazin des Akropolismuseums, die typologisch mit der Athena Vescovali verwandt ist. 1. Athen, Akropolismus., Magazin 2810-3877-8379-6993-8465-8190-2393-7135-7062 H 1. 65 m Taf. 74 Abb.1 – 3; Taf. 75 Abb. 1 Lit.:
Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 26. 14 Abb. 14 b; A. Mantis, Kongr. Ber. Berlin 1988 (1990) 301 f. Taf. 39. 1 - 2; ders., „Eine wiedergewonnene Athena-Statue auf der Akropolis“, AntPl 27 (2001) 85 f. U 5 Taf. 48-49.
Die überlebensgroße Figur wurde durch A. Mantis aus im Museumsmagazin vorhandenen Fragmenten wieder zusammengesetzt; fehlende Partien wurden verfüllt. Der Torso ist ponderiert mit linkem Standbein und rechtem Spielbein. Über dem Peplos trägt er ein knielanges Himation, das wie an der Athena Vescovali über die linke Schulter gelegt ist, schräg über dem Rücken verläuft und vorn unterhalb der Brust in einem dicken Bausch zum linken Arm geführt ist. Das Himation ist nicht glatt wie beim Typus Vescovali, sondern spannt sich voller dichter, unruhiger Falten in unterschiedlicher Zugrichtung um die Hüften. Der Bausch liegt wie bei der Athena Vescovali dicht unter der Brust. Die Aigis folgt dem latzförmigen Typus, der an der Parthenos, den kleinformatigen Athenen im Typus Areopaghaus808, der Athena von Arezzo809 und einigen klassizistischen Athenen mit Latzaigis erscheint810; ihr Rand war mit Metallschlangen besetzt. Über die 807 808 809 810
S. S. 22 ff. S. S. 159 ff. S. S. 130 ff. S. S. 240 ff.
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Wendung des Einsatzkopfes ist Mantis zufolge trotz Spuren des Haarschopfes am Rücken keine Aussage mehr möglich. Wie bei den Rückansichten anderer Athenatypen scheint sich jedoch eine leichte Verschiebung des Zopfes nach links anzudeuten, womit die Rekonstruktion eines geringfügig nach rechts blickenden Kopfes gerechtfertigt wäre. Eine solche Kopfwendung würde die Komposition der Statue sinnvoll abschließen. Der rechte Arm und die Schulter waren mit Hilfe eines quadratischen, fast senkrecht eingetieften Dübelloches angesetzt, während die linke Schulter offensichtlich angearbeitet war. Im Profil ist zu sehen, daß der linke Oberarm nicht nach hinten, sondern leicht nach vorn geführt ist. Daher war der linke Arm wohl nicht in die Hüfte gestützt. Wie die zwar verwaschene, aber nicht gebrochene Oberfläche der linken Schulter zeigt, wird der Oberarm parallel zum Körperkontur verlaufen sein811. Dies stellt im Gesamteindruck einen erheblichen Unterschied zum Typus Vescovali und auch zur Athena von Arezzo dar, mit der Mantis die Statue vergleicht und der bereits Praschniker das erste bekannt gewordene Fragment zugeordnet hatte812. Mantis kommt zum Schluß, beide Figuren hätten „nichts miteinander zu tun“813. Die Gemeinsamkeiten der genannten Werke reduzieren sich folglich auf die Art der Himationdrapierung. Von ihrer Ausstrahlung und ihrem Charakter her haben beide Figuren in der Tat nichts miteinander zu tun. Während die Athena von Arezzo als blutleeres eklektisch-klassizistisches Spätwerk erkannt werden konnte, hat man es bei der Akropolisathena vielmehr mit einer lebensvollen, in sich kohärenten Schöpfung zu tun, die lediglich einen ähnlichen Trachttypus benutzt.
Datierung und Einordnung Eine Datierung der Statue ist von Mantis in seiner Publikation im Rahmen des Internationalen Kongresses in Berlin 1988 bereits vorgeschlagen und kurz begründet worden. Da die Figur in einer ikonographischen Untersuchung über Athenastatuen nicht fehlen darf, soll dazu kurz Stellung genommen werden. Mantis hat sich auch 2001 für eine Datierung als Original des späten 4. Jhs. ausgesprochen. Er orientiert sich damit unter anderem an der Datierung der Athena Vescovali, deren Urbild er die Athena von der Akropolis als gleichzeitiges Original zur Seite stellt. Diese Datierung erscheint etwas zu früh. Durch einen blockhaften Umriß, die pfeilerhafte Längung und begradigte Seitenansichten zeigt die Athena trotz ihrer Verstümmelung Züge, die in ihrer Fortgeschrittenheit mindestens den Demosthenes814 und den Philosophen von Delphi815 voraussetzen und der merklichen Beruhigung der Kompositionsachsen in der ersten Hälfte des 3. Jhs. angehören. Die delphische Figurengruppe, zu der der Philosoph nach Ansicht R. van den Hoffs und M. Flashars gehört816, bezeichnet stilistisch den Übergang vom 4. in das 3. Jh. Ihrem Körpervolumen und auch dem Gewandvolumen zufolge noch in der Tradition des 4. Jhs. stehend, 811
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Mantis a. O. (s. Lit. zu 1) zufolge hing das Mantelende über den linken Arm herab - dies bedeutet zumindest, daß der Unterarm nach vorn ausgestreckt war; vgl. die sog. Artemisia in London, Waywell, Freestanding Sculpture Taf. 13. Praschniker a. O. (Lit. zu 1). Mantis a. O. (Lit. zu 1; 2001) 86. Zum Demosthenes s. Anm. 355. Zum Philosophen von Delphi s. Anm. 655. Flashar - van den Hoff a. O. (Anm. 655); F. Croissant, BCH 118, 1994, 387 Anm. 18 meldet wegen des nicht nachweisbaren Aufstellungsortes Zweifel an der Hypothese an.
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weisen ihr rechteckiger Kontur, die rechtwinklig zueinander angeordneten Körperseiten sowie die Knittrigkeit des Gewandstoffes in das 3. Jh. voraus. Den delphischen Figuren, denen darin der sogenannte Demokratia-Torso von der Athener Agora voranging817, folgt eine ganze Reihe frontal stehender, weiblicher Gewandfiguren, in die sich die Athena von der Akropolis einreihen läßt und die, auch wenn sie selbst nicht absolut datiert sind, dennoch eine relative Basis für die Datierung weiterer einzeln stehender Athenafiguren bilden können. Allen diesen Figuren sind ihr stereometrischer, kubischer Aufbau, ihre Längung und hohe Gürtung, ihr betont ausladender Oberbau und die scharfe Knittrigkeit ihres Gewandstiles gemein. Je nach Trachttypus werden sie entweder von üppigen Gewandmassen eingehüllt, aus denen einzelne Gließmaßen und Körperteile effektvoll hervortreten, oder das Gewand - meist ein Himation über Peplos oder Chiton umspannt den Körper und macht das Körpervolumen deutlich sichtbar. Diese Gewandfiguren, deren Datierung häufig noch nicht eindeutig geklärt wurde818, lassen sich anhand später Grabreliefs819, der Figuren aus Delphi, des Daochosweihgeschenkes820 und der Nikeso aus Priene821 in den Beginn des 3. Jhs. einordnen. Die Gewandfiguren knüpfen an Tendenzen des in Denkmälern gut belegten ausgehenden 4. Jhs. so deutlich an und sind andererseits so typisch frühhellenistisch, daß sie innerhalb der relativen Chronologie zeitlich kaum anders eingeordnet werden können. Einige der betreffenden Werke stammen aus Thasos, wo zu Beginn des 3. Jhs. eine bedeutende Werkstatt bestanden haben muß822. Den Anfang der Reihe macht jedoch die mit Kopf erhaltene Kore aus einem Demeterheiligtum beim antiken Kallipolis, die vor der langen Basis gefunden wurde, auf der sie zusammen mit einer verlorenen, wohl sitzenden Demeter aufgestellt war823. Die Figuren scheinen dort gestanden zu haben, bis das Heiligtum in spätrömischer Zeit verfiel824. Die Statue der Kore läßt sich typologisch mit dem erwähnten Agoratorso vergleichen825. In der ersten Hälfte des 3. Jhs. schließt sie sich eng mit drei Gewandfiguren aus dem Heiligtum der Artemis Polo auf Thasos in Istanbul zusammen, die in derselben Tradition stehen, sich aber schon deutlicher vom 4. Jh. abwenden als die Statue aus Kallipolis826. Sie zeigen weniger Volumen und werden stärker 817 818
819 820 821 822 823
824 825 826
Agora S 2370; J. M. Camp, The Athenian Agora (1986) 103 Abb. 78; Ridgway, Hellenistic Sculpture I Taf. 29; Stewart, Greek Sculpture 575, 578; P. Themelis, in: Palagia - Coulson, Regional Schools 58 Anm. 16 (mit Lit.). Eine Zusammenstellung weiblicher hellenistischer Statuen aus Kleinasien bietet neuerdings J. C. Eule, Hellenistische Bürgerinnen aus Kleinasien (2000). Der lohnenden Aufgabe, die Chronologie des bisher noch verhältnismäßig „leeren“ frühen 3. Jhs. zu konkretisieren, stellt sich nach freundlicher Auskunft W. Geominy; vgl. auch P. Themelis, in: K. A. Sheedy (Hrsg.), Archaeology in the Peloponnese (1994) 1 ff., bes. 26 ff., und ders., in: Palagia - Pollitt, Personal Styles 154 ff.; vgl. auch Anm. 996. Vgl. auch die Längung weiblicher Figuren und die Betonung ihrer Oberweite auf den Grabreliefs des späten 4. Jhs.; vgl. Anm. 828. Die Figuren lassen zugleich den knittrigen Faltenstil erkennen. Zum Daochosweihgeschenk vgl. Anm. 332. Zur Nikeso s. Anm. 770. Vgl. Eule, Hellenist. Bürgerinnen 188 ff. N. D. Papahatzis, Ñàõóàíé´ðõ Åëëà´ãðý Ñåòéç´âçóéý 5. Áðéûôéêà´, Øûêéêà´ (1981) 379 Abb. 414; P. Themelis, ArchAnAth 12 (1979) 254; ders., in: Palagia - Coulson, Regional Schools 47 ff. Abb.1-24; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 353; Andreae, Skulptur des Hellenismus 66 f. 11; D. Damaskos, Untersuchungen zu hellenistischen Kultbildern (1999) 18 f. Taf. 1 Abb. 1. Von der sitzenden Demeter wurden nur noch wenige Fragmente gefunden (Themelis a. O. 51 Abb. 6-7). Sie war jedoch offenbar im gleichen Typus wiedergegeben wie die Demeter von Knidos (Todisco, Scultura Greca 221). Als terminus post quem läßt sich wahrscheinlich der Herulereinfall von 276 n. Chr. bezeichnen; s. W. Goeminy, in: Palagia-Coulson a. O., 62 und Themelis a. O. (1998) 53. 55. S. Anm. 817. G. Traversari, Statue iconiche feminile Cirenaiche (1960) Taf. 29; H. Edhem (Hrsg.), Meisterwerke der türkischen Museen zu Konstantinopel I. M. Schede, Griechische und römische Skulpturen des Antikenmuseums (1928) Taf.
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von erheblich knapperen Gewändern eingespannt, bewegen sich also bereits mehr auf hellenistische Figuren zu als die Statue aus Kallipolis. Die Peplophore aus Thasos, die zusammen mit der Statue des Dionysos den Überrest einer Choregenweihung bildet, ist zusammen mit einem Teil der dazugehörigen hufeisenförmigen Langbasis gefunden worden827. Die Basis gleicht bis in Details der der Figur aus Kallipolis, und auch stilistisch entstammen die überlebensgroßen Figuren derselben Zeit. Beide zeigen den gleichen oben beschriebenen, kontrastreich-knittrigen Faltenstil, der sich für das frühe 3. Jh. als typisch erweist. Er wird bereits durch späte Grabreliefs eingeleitet und durch Urkundenreliefs bestätigt828. Mit dem knittrigen Faltenstil geht eine starke Längung des Körpers einher; die Taille bleibt, wie schon gegen Ende des 4. Jhs., nach oben verschoben. Das Gewand spannt sich um den Körper, aber noch ohne sich unter Verselbständigung einzelner Partien gegensätzlich zum Körper zu verhalten, wie dies erst später geschieht. Zu Beginn des 3. Jhs. bleibt auch der Umriß der Figuren noch blockhaft, der plastische Kern kompakt829. Bei weiblichen Gewandstatuen spannt sich das Gewand um die voluminös hervortretende Brust. Die Datierung der erwähnten Figur aus Kallipolis und der sog. Kodis aus Thasos kann mit Hilfe des Aischines830 abgesichert werden. Zu diesen Gewandfiguren des frühen 3. Jhs. gehört ebenso eine von Linfert auch in den Beginn des 3. Jhs. datierte Frauenfigur aus dem Theater von Milet, die handwerklich und stilistisch der Akropolis-Athena völlig gleicht831. Auch trachttypisch lassen sich beide Figuren gut vergleichen: Der Himationwulst spannt sich bei beiden direkt unterhalb der Brust über den Bauch, auf dem das Himation eine Delle neben der anderen bildet.
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30; T. Macridi, JdI 27, 1912, 1 ff. Taf. 1, 2; Horn, Gewandstatuen Taf. 22. 2; Horn (a. O. 60, 91) gibt an, die thasischen Statuen müßten aufgrund der Buchstabenformen der mitgefundenen Basisinschriften in das frühe 1. Jh. v. Chr. datiert werden. Er hält die Figuren daher für klassizistische, in Anlehnung an das 4. Jh. entstandene Werke. Geht man aber dem Inschriftenproblem nach, so stellt sich folgendes heraus: Die drei bei Traversari a. O. zusammmen abgebildeten Statuen (vgl. Macridy a. O. Taf. I A, B; II A) wurden in Sturzlage vor einer langen, schlichten Basis gefunden. Mitgefunden wurden die Fragmente einer 1. 40 m langen Plinthe, auf der die Einlassung einer der drei Statuen vorgesehen war. Diese Plinthe trägt auf ihrer Vorderseite zwei Inschriften (Macridy 7 I a, b). Die kürzere der Inschriften (Macridy 7 I a) ist, wie der Ausgräber selbst annimmt, sichtlich älter als die zweite, längere (Macridy 7f. I b). Sie benennt die mittlere der drei Statuen, deren Anordnung leider nicht gesichert ist, als Zosime Apollophan... Erst die zweite, später hinzugefügte lange Inschrift stimmt mit den Inschriften auf den Basen der auf der gleichen Terrasse in Sturzlage gefundenen hellenistischen Statuen überein. An dieser Inschrift hat sich Horn nun wohl irrtümlich orientiert - sie datiert aber nicht die Aufstellung der drei Statuen, sondern zeugt lediglich von einer späteren Änderung oder Ergänzung des Weihgeschenkes um eine weitere Figur. Datierend ist hingegen die erste Inschrift, die gut in das 3. Jh. passen würde; vgl. M. Guarducci, Epigrafia Greca I (1967) 371. Nach dieser Interpretation muß man dann nicht, wie Horn, retrospektive Tendenzen einer Spätzeit bemühen, sondern kann die Statuen in das frühe 3. Jh. datieren, wo sie sich m. E. gut einfügen. Zu diesem Problem ausführlich auch Linfert, Kunstzentren 184 ff.; vgl. auch Eule, Hellenistische Bürgerinnen 188 ff. 64 - 69 mit Abb. G. Daux, Guide de Thasos (1967) 41 ff. 133 f. 32 Abb. 71; Gernand, AM 1975, 3 ff. Taf. 1. 1-2; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 50 ff. pl. 27-28. Vgl. das Grabrelief Berlin Sk 739, Kat. Antikenslg. Berlin 118. 31 mit Abb., und das fragmentierte Grabrelief in Dresden ZV 2341, H. Protzmann, Staatliche Kunstsammlung Dresden. Skulpturensammlung. Griechische Skulpturen und Fragmente, 30 ff. Originale 14, sowie die Grabreliefs Diepolder Taf. 43. 2, Taf. 47 (s. Anm. 494); Diepolder 53 f. Taf. 51. 2, Clairmont II 465 f. 2. 390; Diepolder Taf. 52. 1, Clairmont I 1. 431/II 2. 431 c; Diepolder Taf. 52. 2, Clairmont IV 389 f. 3. 457; Diepolder Taf. 53 Clairmont II 2. 480; zu den Urkundenreliefs vgl. Anm. 247 und 772; vgl. darüber hinaus die Grabstatuen in New York (s. Anm. 841) sowie die weibliche Statue eines Grabreliefs in Budapest, Diepolder Taf. 49. 2, A. Hekler, Museum der Bildenden Künste Budapest. Die Sammlung antiker Skulpturen (1929) 36 f. 25 mit Abb., J. Szila´´gyi - S. Miklo´´s, Antik Kia´´llita´´s (1974) S 7. 36, Clairmont II 2. 975. Vgl. Horn, Gewandstatuen 8 ff. Zum Aischines vgl. Anm. 352. Linfert, Kunstzentren 21 f. Taf. 1 Abb. 5-7.
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Die vielzitierte Nikeso832 kann als Vergleich nur begrenzt herangezogen werden; ihr Gewandstil ist von anderen Gestaltungsmerkmalen bestimmt. Struktur und Aufbau der Figur hingegen lassen sich ohne Abzüge zur Datierung der Gewandstatuen der 1. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. verwenden. Trotz dieser Einschränkungen wird auch in der Gewandbehandlung die erwähnte trockene Knittrigkeit sichtbar. Die Reihe der Gewandstatuen des knittrigen Stils aus dem frühen 3. Jh. kann noch weiter ausgebaut werden: Eine Gewandstatue in New York833 steht auf der Stufe der Figur aus Kallipolis und führt die Tradition des späten 4. Jhs. ins 3. Jh. hinein fort; sie gehört wahrscheinlich genau in die Zeit der Jahrhundertwende und ähnelt typologisch dem Torso von der Agora834. Stärker als dieser jedoch spannt sie den Körper in das Gewand ein; das Himation schlingt sich nicht mehr lose um die Hüften, sondern zieht sich um den Körper herum. Der Himationbausch beginnt, sich unter dieser Spannung um sich selbst zu drehen835. Etwas später, in den Beginn bzw. das erste Viertel des 3. Jhs., muß wahrscheinlich die sogenannte Spinnerin aus Bronze in München datiert werden, die aus Vulci stammt836. In deren direkten zeitlichen Umkreis gehören auch die bereits genannten Statuen um den Philosophen von Delphi, die den gleichen Stil zeigen837, sowie eine weitere weibliche Gewandstatue ebenfalls aus Delphi838. Die als Hera benannte Peplophore aus dem Heraion von Samos in Berlin ist bisher unterschiedlich eingestuft worden, gilt aber meist aus historischen Gründen als Werk des ausgehenden 4. Jhs.839 Stilistisch spräche mehr für eine Datierung in das frühe 3. Jh., d.h. kurz nach der Muse aus Thasos, die den gleichen Darstellungstypus in noch kompakterer, weniger aufgelöster und auseinanderdriftender Form zeigt840. Beide Peplophoren vereinen durch ihren quer über die Brust gelegten Mantelbausch die zeittypische hohe Taille mit dem eher unüblichen untergegürteten Peplos. Die hohe Taille sowie die Längung und Schmalheit der Figuren kommt dagegen in einer Gruppe später Grabnaiskosfiguren zum Ausdruck, von denen sich zwei Exemplare in New York
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Zur Nikeso s. Anm. 770. G. M. A. Richter, Metropolitan Museum of Art New York. Cat. of Greek Sculpturess (1954) 75, 126 Taf. XCVI; Horn, Gewandstatuen 92 Taf. 43; L. Jones Roccos, AJA 99, 1995, 663 Abb. 23. Zum Agora-Torso s. Anm. 817. Hierzu vgl. Horn, Gewandstatuen 53, 77. S. Haynes, Etruscan Bronzes (1985) 318 f. 191, 236 f. (Abb.); Palagia, Euphranor Abb. 55. Vgl. hier Anm. 655. Flashar, Apollon Kitharoidos, Abb. 82. Es wäre m. E. überlegenswert, ob nicht auch die Aphrodite von Epidauros in das frühe 3. Jh. datiert werden könnte; Flashar a. O. Abb. 12, A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 260 ff. Abb. 123-125; Todisco, Scultura Greca Abb. 43. M. Schede, 2. vorl. Ber. über die Ausgrabungen auf Samos, Abh. Berlin 1929 3, 24 Taf. 14; R. Horn, Hellenistische Bildwerke auf Samos. Samos XII (1972) 1 ff. 77 ff. 1 Taf. 1-4, 10. 1; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 79 ff.; Gernand, AM 1975, 11 ff. Taf. 3; H. P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 68 f. 123 f. 128; Linfert, Kunstzentren 18 f.; G. Kleiner, Tanagrafiguren 2(1984) 121, 142 f. 350 ff.; S. Schmidt, Hellenistische Grabreliefs (1991) 47 Anm. 255; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 53 f. Eine solche Datierung wäre m. E. durch die historischen Umstände nicht unbedingt ausgeschlossen. Wenn auch das Verhältnis zwischen Athen und Samos von der Vertreibung der Kleruchen ab kritisch blieb - vgl. G. Shipley, A History of Samos 800-188 B. C. (1987) 169 ff. - so bestanden doch weiterhin Beziehungen zwischen der Insel und den ehemaligen Okkupanten. So wurde z. B. das Heraion weiter von Athenern mitbetreut (Shipley a. O. 69), und zu Beginn des 3. Jhs. gingen die samischen Tyrannen zur Ausbildung nach Athen (Shipley a. O. 175). Für eine Einstufung als Kopie, wie dies M. Gernand, AM 1975, 3 ff. für richtig hält, liefern weder die „Hera“ noch die anderen von ihr erwähnten Peplophoren genügend Hinweise; vgl. Schmidt a. O. (Anm. 839) 47 Anm. 255, der die sog. Hera allerdings ohne Begründung nach 322 v. Chr. einzuordnen scheint.
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und in Athen erhalten haben841. Wie die Athenen der erwähnten Urkundenreliefs zeigen sie dieselben Proportionen, die gleichen trockenen, steil herabfallenden, scharfkantigen Falten an den Beinen und die charakteristische, sich nach unten verjüngende Steilfalte unterhalb des linken Knies842. Die hier skizzierte Reihe soll zunächst den entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang deutlich machen, in dem die Athena von der Akropolis steht843. Charakteristisch für ihren Gewandstil ist ein völliger Verlust glatter Flächen, den man fast als eine Art horror vacui bezeichnen könnte. Mit der kontrastreichen Tiefenbohrung zwischen den eng geführten Falten geht die Auflösung der Gewandoberflächen in viele einzelne Druck- und Ziehfalten einher, die einen unruhigen Gesamteindruck bewirken. Dies wird vor allem an der gespannten Fläche des Himations sichtbar, die eine Unzahl von Fältchen und Gruben zeigt. Grabreliefs der 2. Hälfte des 4. Jhs. weisen bereits in die Richtung: Zwei Grabreliefs in Dresden844 und Berlin845 und ein spätes Relieffragment im Athener Nationalmuseum846 sowie die Frauenfigur eines ebenfalls dem spätesten 4. Jh. angehörenden Reliefs in Budapest847 seien hier als Beispiele angeführt; noch etwas später ist eine weibliche Relieffigur von einem Grabmal aus Aigaleon an der Heiligen Straße nach Eleusis entstanden848. Den weitaus besten Vergleich aber liefert das Stelenfragment eines bärtigen Mannes aus dem Athener Nationalmuseum849, das dem ausgehenden 4. Jh. angehört und fast aus der gleichen Werkstatt kommen könnte wie die Athena. Es ist in jeder Hinsicht stilistischer Vorläufer der Athenafigur: In der Proportionierung des Körpers, der Komposition des durch Anlehnen leicht verspannten Stehens, des Verhältnisses von Körper und Gewand, der Unruhe der Oberfläche und der Ausführung der Tiefen und der kontrastreich gebohrten Falten. Die Athena führt diese Merkmale in gesteigerter Form fort. Die Knittrigkeit des kontrastreich angelegten Gewandes, der kurze voluminöse Oberkörper, die hoch angesetzte horizontale Teilung des Körpers durch den Mantelbausch, die Längung der Figur innerhalb ihres geraden, blockhaften Umrisses und der Grad der Einspannung des Körpers in das Gewand, vereint mit einer dadurch erreichten starken Betonung der Standbeinhüfte - all 841
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New York: G. M. A. Richter, Metropolitan Museum of Art, Cat. of Greek Sculptures (1954) 62 ff. 94 Taf. 76-77; L. Jones Roccos, Hesp 60, 1991, 399 Anm. 12 (mit Lit.); Clairmont I 1. 971; Athen: O. Alexandri, AAA 2, 1969, 260 ff. Abb. 2-3. Vgl. Anm. 819; zur Entwicklung der Steilfalte s. Anm. 578. Es gibt für den betreffenden Zeitraum noch keine Untersuchung, obwohl der Bestand an Denkmälern nicht so gering zu sein scheint, wie man immer annahm. So ließe sich die obige Reihe noch erweitern: Eine weibliche Gewandstatue aus Volanidezza in New York, Horn, Gewandstatuen Taf. 43; G. M. A. Richter a. O. (Anm. 841) 104, 201 Taf. 142-143 a-b; S. Schmidt a. O. (Anm. 839) 50 mit Anm. 274, kann nach Ansicht Schmidts in das frühe 3. Jh. datiert werden, während G. M. A. Richter die Statue mit Horn a. O. für späthellenistisch hält. Von den Typen römischer Gewandstatuen scheinen einige auf das 3. Jh. zurückzugehen, vgl. z. B. Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 391 D 121 Taf. 76; vgl. auch weibliche Gewandstatuen aus Kyrene, die Verbindungen zum Frühhellenismus zeigen, G. Traversari, Statue iconiche femminili cirenaiche (1960) passim; von Traversari werden die Figuren allerdings späthellenistisch datiert; vgl. S. 156. K. Knoll u. a., Die Antiken im Albertinum (1993) 26 f. 10 mit Abb. M. Kunze u.a., Staatliche Museen Berlin. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 118 f. 31 mit Abb. Diepolder 53 Taf. 52. 2, Clairmont IV 389 f. 3. 457. Diepolder 55 Taf. 49. 2, Clairmont II 827 ff. 2. 957. Th. Karagiorta-Spatakopoulou, ADelt 34, 1979, 2. 1 Taf. 13. Diepolder 54 f. Taf. 53, Clairmont IV 121 f. 4. 471.
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diese Merkmale finden sich in unterschiedlicher Ausprägung an den aufgezählten Gewandstatuen und kennzeichnen in besonderer Weise auch die Athenafigur, die deshalb in die Zeit um oder kurz nach 300 datiert werden muß.
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2. Die Athenen Castro Praetorio - Heraklion Eine weitere Athenafigur zeigt enge stilistische Verbindungen zum frühen 3. Jh. und soll daher hier angeschlossen werden, obwohl letztlich noch nicht geklärt werden konnte, ob dieses einzigartige Stück wirklich ein Original dieser Zeit ist. Zu der Figur, die sich im Museo Nuovo Capitolino befindet, existiert ein Parallelfall in Heraklion auf Kreta, der den gleichen Typus verkleinert und unter geringfügiger Variation der Haltung wiedergibt. Stilistisch stimmen beide Figuren derart überein, daß auf jeden Fall irgendein ikonographischer Zusammenhang bestehen muß, auch wenn es sich sicher nicht um ein Kopienverhältnis handelt. 2. 1 Rom, Mus. Nuovo Capitolino Inv. 1829 Statue ohne den Kopf 1885 in der Via Mentana in der Nähe der antiken Praetorianerlager gefunden H 2. 0795 m (ohne Kopf und Plinthe 1. 85 m) pentelischer Marmor Taf. 75, 2 – 3; Taf. 76, 1 – 3; Taf. 77, 1 - 2 Lit.:
C. Visconti, BCom XIII, 1885, 174. 6; L. Savignoni, Ausonia II 1, 1907, 35 f. Abb. 14; L. Mariani, BCom 35, 1907, 1 ff. Taf. 1-4; ders., in: Saggi di storia antica e di archeologia, FS G. Beloch (1910) 115 ff.; Reinach RSt IV (1910) 166. 2; S. Mirone, RevArch 15, 1922, 301 ff.; Giglioli, BCom 1928, 168; Horn, Gewandstatuen 8 f. Taf. II 2; H. K. Süsserott, Griechische Plastik des 4. Jhs. v. Chr. (1938) 202 Anm. 22; Mustilli 93 ff. 17 Taf. 54, 55 Abb. 218-221; G. M. A. Richter, AJA 48, 1944, 237 Abb. 15; L. Carettoni, in: Enciclopedia dell Arte Antica IV (1958) 340 s. v. Kephisodorus 1 Abb. 403; E. Paribeni, BMusRom 5 (1958) 1 ff. Abb. 3; W. H. Schuchardt, Die Epochen der griechischen Plastik (1959) 120 Abb. 95; H. v. Steuben, in: Helbig4 II 510 f. 1732; M. Bieber, The Sculpture of the Hellenistic Age 2(1961) 64 f. Abb. 210-212; E. Raftopoulou, BCH 90, 1966, 77; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 41 f.; A. Delivorrias, in: Kernos, FS G. Bakalakis (1972) 28 Taf. 13. 2; G. Dontas, AntK 25, 1982, 27 f.; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren Taf. 32. 1, 2; L. Jones Roccos, Hesperia 60, 1991, 400 Anm. 16 Abb. 112 d; Todisco, Scultura Greca Abb. 217; Ridgway, Fourth Century Styles 326 f.
Die Restaurierung der Figur und der eigenartige Hergang der Anpassung von Kopf und Körper, deren Zusammengehörigkeit nicht endgültig zu klären ist, sind durch die Publikation Marianis 1907 gut dokumentiert850. Die Figur gilt meistens als Kopie nach einem verlorenen spätklassischen Original. 850
S. Lit. zu 2.1. Obwohl der Kopf nicht mitgefunden wurde, gilt er als zugehörig. Mariani berichtet in fast anekdotenhafter Form, die Figur habe nach ihrer Auffindung eine Zeit lang mit einem zu kleinen Athena-FarneseKopf versehen im Botanischen Garten gestanden, bis der Auftrag erging, einen passenden Kopf zu suchen. Der Restaurator Bernardini stieß bei der Suche in den Magazinen des Antiquariums auf den in drei Teile zerplatzten Kopf, der ihm in Marmorart, Größe, Technik und Stil zu passen schien. Der Kopf konnte angeblich tatsächlich ohne große Änderungen aufgesetzt werden. Die Statue erscheint unter den Neufunden des Bulletino Communale von 1885; der Kopf ist nach Meinung Marianis identisch mit einem 1882 in derselben Zeitschrift aufgeführten Kopf, der sich zunächst wie der Rumpf der Figur im Magazin des Odeon des Mäcenas befunden hat und vom Esquilin stammt. Wenn dieser Kopf trotz leicht unterschiedlicher Maßangaben mit dem aktuellen übereinstimmt, spricht der Fundort, an dem nach Mariani weitere offenbar aus der Gegend des Praetorianerlagers als Baumaterial
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Der Rumpf ist bis auf die Ergänzung der vorderen Plinthenhälfte im Zustand der Auffindung erhalten geblieben. Es fehlen der gesamte rechte Arm, der linke Ellenbogen und Unterarm sowie der ehemals angestückte linke Fuß. Zahlreiche Dübellöcher unterschiedlicher Form zeugen auf beiden Seiten der Figur von angesetzten Partien, die wohl zum Gewand gehört haben müssen. Die Faltengrate sind zum Teil bestoßen. Der das Spielbein von hinten rahmende lange Faltenzug ist auf der gesamten Länge ausgebrochen. Die erwähnten Anstückungen und Dübellöcher sind als Befund außerordentlich schwer zu interpretieren851. Die technische Zurichtung der Figur läßt die Vermutung zu, daß es sich möglicherweise nicht um ein freiplastisches Bildnis im Sinne einer Kultstatue handelt, sondern um eine Figur, die Teil eines Ensembles war. Dafür sprechen die Kolossalität, die frontale Ausrichtung, die Längung bei gleichzeitiger Stauchung des voluminösen Oberkörpers und die insgesamt etwas unstimmig erscheinenden Proportionen. Die Statue hat viel weniger plastisches Volumen als die Repliken anderer Typen; ihre Ausstrahlung ist nicht die der künstlerischen Reproduktion von Freiplastik, sondern eher die eines funktional-dekorativen Originals. Dennoch ist jedes Detail organisch von innen heraus gebildet und die ganze Figur lebt - um es etwas blumig, aber deutlich auszudrücken - von innen heraus. Selbst ornamentale Zonen wie die symmetrischen Falten am Apoptygmasaum wirken nicht rezipierend von außen aufgelegt, sondern individuell gestaltet.
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verschleppte Spolien gefunden wurden, vielleicht tatsächlich für die Zugehörigkeit von Kopf und Rumpf. Ein entscheidendes Argument für die Zusammengehörigkeit ist die Anpassung von Hals und Halsausschnitt, bei der allerdings nach Marianis Angaben doch ein Abstand von durchschnittlich 2 cm bestehen blieb. Überzeugend ist jedoch der Anschluß des Nackenhaares. Wenn dies der Originalzustand ist, zeigt das Kopfhaar bereits dieselbe Art der Strähnung wie der auf dem Rücken fächerförmig auseinanderfallende Haarschopf und ließ sich mit jenem problemlos durch ein Zwischenstück verbinden. Die Zuweisung des Kopfes kann jedoch letztlich nicht als bewiesen gelten. Die Proportionen von Kopf und Körper wirken zunächst nicht besonders passend. Der Hals ist lang, der Hinterkopf der Figur im Profil unschön verzerrt und flach. Hinzu kommt, daß der Kopf für sich betrachtet eine leichte Wendung nach links zu zeigen scheint, während eine solche am Rückenhaar nicht direkt sichtbar wird. Hinsichtlich ihres Stiles passen beide Teile allerdings gut zusammen. Der Kopf ist inzwischen vom Rumpf abgenommen worden und lag bei der Besichtigung der Statue daneben. Ein von Mariani erwähntes Dübelloch, das sich im seinerseits durch die Gipsflickung verdeckten Halsansatz fortsetzen soll, war nicht sichtbar, da der Körper zu hoch aufgestellt ist. Außer dieser Gipsverbindung sind sämtliche durch Mariani beschriebenen Gipsflickungen an Helm und Gesicht entfernt worden, wodurch die auf alten Aufnahmen sichtbare, klassizistisch wirkende „Maske“ auf dem Gesicht verschwunden ist. Der Kopf erweist sich jetzt als qualitätvolle, wahrscheinlich originale frühhellenistische Schöpfung, die stilistisch dem Eindruck des Körpers durchaus standhält und sich problemlos in die gleiche Zeit datieren läßt. Die Zusammengehörigkeit beider Teile ist zwar insgesamt zweifelhaft; es spricht aber im Grunde genausoviel dagegen wie dafür. Ob doch einmal eine glückliche Hand die Zusammenführung beider Teile ermöglicht hat, oder ob hier kräftig suggeriert worden ist, kann nicht mehr entschieden werden. Einer Antwort ist höchstens noch durch eine Marmoranalyse oder auf stilistischem Wege näherzukommen. Auch von der Oberflächenbeschaffenheit her paßt der Kopf zum Rumpf; das diaphane Karnat des Gesichtes entspricht der weichen, individuell differenzierten Gewandoberfläche am Rumpf. Die Dübellöcher sind in ihrer Größe unterschiedlich. Die sauber geglätteten schmalen vertikalen Ansatzflächen an der linken Hüfte und zwischen den aufeinandertreffenden Peplossäumen der rechten Seite weisen schmale, hochrechteckige Dübellöcher auf, während der linke Arm an seiner ebenfalls glatten Stückungsfläche kreisrunde Löcher und eine seitliche Klammerungsspur zeigt. Am auffallendsten sind dagegen die Verdübelungsvorrichtungen des rechten Armes, der mittels einer großen querrechteckigen und eines schräg darunterliegenden von schräg hinten eingetieften quadratischen Dübelloches an einer nur grob geraspelten, langen Fläche befestigt war. Lediglich hinter dieser groben Fläche schließt sich eine schmale, glatte, leicht gepickte Fläche ohne Dübelloch an, die möglicherweise zur Haftung von Stuck vorgesehen war. Während die sorgfältigen kleineren Stückungsflächen, auch die des linken Fußes, sicher zur Originalherstellung des Werkes gehören, könnte die gewaltsame Vorbereitung des rechten Oberarmbereiches von einer späteren Reparaturmaßnahme stammen. Unerklärlich bleibt bislang auch die glatte Linie in der Mitte des Rückens, da die Vorderseite keinerlei Spur einer in Höhe der Gürtung durchlaufenden Stückungskante aufweist. Das Ausmaß der Stückungen insgesamt festzulegen, könnte vielleicht auch bei der Datierung weiterhelfen.
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Der Artemistypus Vatikan-Berlin852, der nach allen hier geäußerten Beobachtungen ebenfalls in das frühe 3. Jh. gehören muß, kann durch seinen ähnlichen Trachttypus verdeutlichen, wie römische Kopien nach einem Werk dieser Zeit aussehen. Die Kopien des Artemistypus zeigen, wie eine durch Details angereicherte, glatte Außenhaut über einen zu umschließenden Kern gelegt ist, während die Athena in Volumen, Struktur und Details wie ein nur einmal vorhandenes Original wirkt. Eine ähnliche Problematik ergab sich anläßlich der bereits innerhalb der Reihe von Gewandstatuen der 1. Hälfte des 3. Jhs. aufgeführten sogenannten Hera von Samos in Berlin, die teilweise als Original und teilweise als Kopie beurteilt wurde853. R. Horn führt in seiner SamosPublikation die „vielen kleinen Zufälligkeiten des Faltenspiels, die das Auge fesseln“, an und sieht außerdem in der lebendigen Feinheit der Gestaltung ein Argument dafür, daß es sich um ein Original handelt854. Dieselben Argumente lassen sich für die Athena anwenden. Die oben aufgeführte Peplophore aus Thasos, die etwas früher entstanden sein muß als die samische Peplophore, ist mit Sicherheit ein Original855. Dieselbe spröde Trockenheit und Schärfe der Falten, die gleiche Differenzierung der Oberfläche findet sich an der Athena. Beide Figuren sind vollkommen frontal ausgerichtet; bei beiden sind Körperbau und Stand sowie die leichte Verschiebung der Hüfte nur durch den dicken Stoff hindurch zu erahnen. Die handwerklichen Besonderheiten der thasischen Peplophore sind in der Publikation durch Bernard und Salviat ausführlich beschrieben worden856. Die Falten sind mit laufenden Bohrern verschiedener Kaliber gemacht, deren Spuren teilweise noch sichtbar sind. Die gleiche technische Eigenart zeigt die Athena, deren ausgeprägte Bohrungen bisher für die Einschätzung als Kopie zu sprechen schienen. Auch der Abstand zwischen Plinthe und unterem Gewandsaum ist an der Thasierin durch Bohrung vorbereitet worden. Dieser Abstand wurde an der Athena in ziemlich roher Weise mit dem Meißel nachgezogen und blieb ungeglättet. Am Kolposbausch und am schräg über die Brust gezogenen Mantelstoff der Peplophore sind die Faltenenden mit dem Bohrer rund gebohrt, was dem Stoff eine tiefere Plastizität verleiht und die Faltengrate bauschig zusammengestaucht erscheinen läßt. Derselbe Effekt findet sich an der Athena und macht dort ein ganz entscheidendes Element ihres Gewandstiles aus: Vor allem in der Mitte des Apoptygmas und am Bausch über der linken Schulter betonen am Ende tief ausgebohrte und teilweise verbreiterte Falten die Dicke des Stoffes. Eigenarten, die den Gewandstil der Athena ganz besonders kennzeichnen, wie die differenzierte Oberflächenbehandlung und die in der Mitte geteilten Vertikalfalten, prägen die thasische Figur in gemäßigter Form. Die Gewandoberfläche der Athena überliefert trotz starker Korrosion noch eine außergewöhnlich nuancierte Bearbeitung. Sie wurde offensichtlich mit dem Flachmeißel bearbeitet. Der Meißel hat langgeführte, flache Dellen hinterlassen, die sich in ähnlicher Weise an der Athena aus dem Magazin des Akropolismuseums857 und an den erwähnten Grabreliefs des späten 4. Jhs. 852
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Zur Artemis Vatikan-Berlin (oft auch als Typus Venedig-Beirut bezeichnet) vgl. C. Mariani a. O. (Lit. zu 2. 1) 15 Abb. 3; L. Savignoni a. O. (Lit. zu 2. 1) 35 Abb. 13; Neumann, Weihreliefs Abb. 41 a; LIMC II 2 Artemis 129; Todisco, Scultura Greca 106. Vgl. Anm. 839. R. Horn, Hellenistische Bildwerke auf Samos. Samos XII (1972) 2; zur Statue s. 1 ff. Taf. 1-4. Vgl. Anm. 827. P. Bernard - F. Salviat, BCH 83, 1959, 312 ff. Abb. 18 f. Vgl. hier S. 141 ff.
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fanden858; außerdem an einigen Kinderstatuen des späten 4. und frühen 3. Jhs.859 Gut vergleichbar ist ebenfalls die detailreiche Oberflächenbehandlung des sitzenden Apoll in Delphi, dessen gegürteter Peplos motivische Parallelen bietet860. Einige Reliefs sind handwerklich und stilistisch mit der Athena vom Castro Praetorio verwandt861. Dazu gehört ein Grabrelief in Kopenhagen, das mit der gängigen Datierung um die Jahrhundertmitte m. E. zu früh angesetzt wird862, ferner gehören dazu die bereits erwähnten Grabfigurenpaare in Athen und New York863. Die gleichen omega-ähnlichen Falten am Apoptygma zeigen die spätklassisch-frühhellenistischen Karyatiden aus dem Theater von Monte Iato in Sizilien864. Ein weiterer Vergleich führt nach Delphi: Erstaunlich ähnlich ist das Daochosweihgeschenk in Delphi, das mit seiner Reihe gelängter, schmaler, frontal orientierter Statuen eine gute Parallele zur Athena bildet und Ausdruck des um die Jahrhundertwende wirksamen Zeitstiles ist865. Die Figur Sisiphos I. bietet darüber hinaus in bezug auf die Gewandbehandlung Übereinstimmungen: Sein hoch gegürteter Chiton bildet wie der Peplos der Athena um die Gürtung herum kurze, gestauchte Fältchen. Auch an der Faltenpartie unterhalb der Gürtelmitte entstehen die gleichen charakterisch abgeknickten, breit und gerade endenden Faltentäler, und selbst die Stoffkonsistenz des Schulterbausches der Athena ist der des über Sisiphos' linken Arm gelegten Mantels verwandt. Die Ähnlichkeit des Gewandstiles beider Figuren ist um so überraschender, als sich sonst innerhalb der Großplastik wenig direkt Vergleichbares fand. Als weitere delphische Skulptur, diesmal aus dem Bereich der Bauplastik, ist der Dionysos aus dem Westgiebel des Apollontempels vergleichbar866, dessen erhaltene Fragmente ähnlich summarisch behandelt und auch im Detail ähnlich sind. Selbst der Kopf mit seinen tiefliegenden Augen, der flüchtig angelegten Frisur und dem schweren Untergesicht ist dem Kopf der Athena vom Castro Praetorio wenn er denn zugehörig ist - vergleichbar. Typologische Parallelen stammen in größerer Zahl aus dem Bereich der Reliefs. Einige Urkundenreliefs werden in der Literatur immer wieder mit der Athena vom Castro Praetorio vergli858 859
861 862
863 864 865 866
Vgl. Anm. 828. Vgl. C. Vorster, Griechische Kinderstatuen (1983) 331. 5 Taf. 2. 5, 12. 2; 342. 33 Taf. 16. 1; 348. 52 Taf. 4. 3; 16. 3; 349. 53 Taf. 16. 2, 25. 3. 860 Flashar, Apollon Kitharoidos 116 ff. Abb. 81, 85-87. Vgl. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 42 ff. Diepolder 32, Clairmont II 2. 343; M. Moltesen, Greece in the Classical Period. Cat. Ny Carlberg Glyptotek (1995) 90 f. 32 mit Abb. u. Lit. Das Relief erscheint wegen der Korrosion flacher als es ursprünglich war; dennoch kommt der trockene Faltenstil gut zur Geltung, der z. B. mit der Münchner Mnesarete, mit der es zeitlich gleichgesetzt wird (Diepolder 31 f., 39 Taf. 27), nichts mehr gemein hat. Die Figuren sind bereits weitgehend isoliert, auch wenn sie sich nicht dem Betrachter zuwenden, sondern im Profil verharren und Blickkontakt halten. Gesichter und Körper zeigen nicht mehr die Fülligkeit der Jahrhundertmitte, sondern sind wieder straffer, hohlwangig fast. Die Augen liegen, wie dies gegen Ende des 4. Jhs. häufiger der Fall ist, in tiefen Höhlen. Vgl. insgesamt das qualitätvolle Urkundenrelief von der Athener Akropolis Meyer, Urkundenreliefs A 93, das m. E. allerdings auch noch 20 Jahre später datiert werden könnte als M. Meyer angibt, in jedem Falle aber für eine Versetzung des genannten Grabreliefs in das ausgehende 4. Jh. spricht. Vgl. Anm. 841. Ridgway, Hellenistic Sculpture I, 176 Taf. 81 a. b. Zum Daochosweihgeschenk s. Anm. 332; zum Vergleich s. S. 156 ff. École Française d’Athe``ne. Guide de Delphes. Le Muse´´e (1991) 80 ff. Abb. 43; Flashar, Apollon Kitharoidos 60 ff. mit Lit., Abb. 30-31, 36; vehement gegen Flashars Trennung von Kopf und Körper F. Croissant, BCH 118, 1994, 357 f.; zum Dionysos s. auch A. Stewart, in: B. Barr-Sharrar - E. N. Borza, Macedonia and Greece in Late Classical and Early Hellenistic Times (1982) 204 ff. mit Abb.
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ATHENEN CASTRO PRAETORIO-HERAKLION
chen. Auf dem in die Jahre 318/17 datierten Urkundenrelief mit der Ehrung für Euphron aus Sikyon von der Athener Agora867 (Taf. 85 Abb. 1) trägt die Reliefathena die gleiche Tracht wie die Statue, die mit einer am Rücken noch sichtbaren, über beide Arme gelegten Chlaina zu ergänzen ist. Hier über typologische und stilistische Ähnlichkeiten hinaus ein direktes Vorbildverhältnis zu schaffen, wie das in der Literatur geschehen ist, führt jedoch entschieden zu weit868. Typologisch geht dem Euphron-Relief ein Urkundenrelief aus Delphi voraus869, das den aus der Zeit Lykurgs bekannten Demades nennt und daher um 340 datiert werden muß. Es beweist, daß dieser Darstellungstypus für Athena existierte: Die Göttin trägt ebenfalls die Chlaina, und auch die Haltung ist ähnlich, wie sie an der Statue rekonstruiert werden muß. Schuchhardt verglich die Athenafigur schon 1959 mit dem in das Jahr 295/94 datierten Herodorosrelief von der Akropolis870 und setzte die Statue bzw. das ihr zugrunde liegende Original in die Zeit um 300. In die gleiche Zeit reiht Marion Meyer ausgehend von den Urkundenreliefs die Statue ein871. Zwei Weihreliefs in Athen zeigen die Göttin in einem ähnlichen Darstellungstypus wie an der Statue, nur die Chlaina fehlt und die Aigis ist anders; die Athena des Reliefs im Nationalmuseum lehnt sich außerdem an ihren Schild872. Die Gürtung sitzt etwas niedriger, aber die Gewandanlage ist bereits so symmetrisch, ornamental und schlicht angelegt wie an der Athenafigur. Auch der Gewandtypus der Athena vom Castro Praetorio beschränkt sich allerdings nicht nur auf Athenen. Auf Weihreliefs ebenso für Artemis gebräuchlich873, erscheint der symmetrisch angelegte, hochgegürtete Peplos mit den seitlichen Kolposbäuschen auch auf einer Reihe durch L. Jones Roccos als Kanephorendarstellungen identifizierter Mädchenstelen des späten 4. Jhs., die typologisch in den Umkreis der erwähnten Grabstatuen in New York und Athen gehören874. 867 868
869 870 871 872
873
874
Mariani a. O. (Lit. zu 2. 1) 20 Abb. 5; Meyer 303 A 134 Taf. 39; Lawton 107 f. 54 Taf. 28. Vgl. Mariani a. O. (Lit. zu 2. 1) 20 ff.; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 126 ff. Taf. 32. 3. Durch die irrige Benennung des männlichen Heros als Zeus hat man in dem Relief eine Darstellung der überlieferten Gruppe des Zeus Soter und der Athena Sotira aus dem Piräus sehen wollen. Die Athena vom Castro Praetorio wurde dadurch ebenfalls zur Athena Sotira und ist es in der Literatur teilweise geblieben. Damit nicht genug: Der Künstler der Athena aus dem Piräus ist unter dem Namen Kephisodoros bekannt. Dieser wurde kurzerhand zu Kephisodotos gemacht und die Athena damit zu einem Werk des Vaters des Praxiteles. Das vertrug sich mit der noch von Mariani vertretenen älteren Datierung eines angeblichen Originals um 360 v. Chr. Die gleiche Konstruktion wurde später für die bronzene Piräusathena verwandt; vgl. S. 183 und Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 261 Anm. 36-38. M. A. Zagdoun, FdD IV. 6. Reliefs (1977) 49 ff. 14 Abb. 32; Guide de Delphes a. O. (s. Anm. 866) 123 Abb. 90. W. H. Schuchhardt, Epochen der griechischen Plastik 120 f. Abb. 97; Meyer, Urkundenreliefs A 169 Taf. 45. 2; Lawton, Document Reliefs 59 Taf. 31. Meyer, Urkundenreliefs 172 f. mit Anm. 1188. Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 69. 45 Taf. 10. 1. Das zweite Relief befindet sich im Akropolismuseum, E. Raftopoulou, BCH 90, 1966, 61 Abb. 14; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs Taf. 6. 1. Vgl. auch das Relief Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs Taf. 7. 1 und ein Weihrelieffragment im Akropolismuseum, Neumann, Weihreliefs Taf. 40 a. Vgl. die stilistisch ähnliche Artemis auf einem Weihrelief aus Brauron, A. K. Orlandos, Ergon 1958, 35 Abb. 37; N. D. Papahatzi, Ñàõóàíé´ðõ Åëëà´ãðý Ñåòéç´âçóéý V. Àôôéêà´ (1974) 433 Abb. 260; Neumann, Weihreliefs Taf. 40 b. Zu den verwandten Darstellungen des Apollon Kitharoidos vgl. Flashar, Apollon Kitharoidos 14 ff. L. Jones Roccos, AJA 99, 1995, 641 - 66. Zu den Grabstatuen vgl. Anm. 828; zu den Mädchenstelen vgl. F. Ravaisson, Le Monument de Myrrhine et les Bas-Reliefs Fune´raires des Grecs en general (1876) Taf. 2-3; ferner gehören dazu die Stele der Eukoline im Athener Kerameikos, L. Jones Roccos a. O. (1995) 664 Abb. 24, der Silenis in Berlin, Diepolder 42 Taf. 37; Kat. Antikenslg. Berlin 113. 28 mit Abb.; G. M. A. Richter, AJA 48, 1944, 229 ff. Abb. 13; L. Jones Roccos, Hesperia 60, 1991, 399 Anm. 12 mit Lit. Taf. 112 e; die Stele der Theophile, G. M. A. Richter a. O. Abb. 12, und der Hagnostrate, Diepolder 53 Taf. 52. 1, Clairmont I 1. 431/ II, 2. 431 c; das Grabrelief eines Mädchens mit Dienerin in Laon, A. N. Rollas, Guide Cat. du Muse´´e de Laon, o. J. (ca. 1970) 15, 17 Taf. 5; und ein Relieffragment aus Zypern in Berlin, G. Blümel, Die klassisch-griechischen Skulpturen der
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Eine Statue in Kyrene bildet typologisch und stilistisch eine Parallele zur Athena vom Castro Praetorio875. Die kopflose Statue stellt entweder ebenfalls Athena ohne Aigis oder eine andere auf ein Szepter gestützte Göttin dar876. In Tracht und Haltung stimmen beide Figuren überein. Die Statue aus Kyrene steht ebenfalls trotz ihrer Ponderation völlig gerade; vom linken Knie fällt die obligatorische, sich nach unten hin verjüngende Steilfalte herab. Das Apoptygma ist lang, der Oberkörper kurz und massiv. Der rechte Arm ist seitlich eingestemmt und von der Chlaina umwickelt, die auf der linken Schulter einen Bausch bildet. Die unruhige Wirkung der Gewandoberfläche wird wie an der Athena durch unregelmäßig in den dicken Gewandstoff eingefügte kontrastreiche Falten erreicht. Welche Gottheit auch immer hier gemeint war, bedient sich die Figur ganz offensichtlich desselben Darstellungstypus wie die Athena vom Castro Praetorio. Die bisher geäußerten Überlegungen führen zu folgendem Ergebnis: Die Athenafigur zeigt typologisch, handwerklich und stilistisch eine enge Bindung an das späte 4. und besonders das frühe 3. Jh. Eine genaue Parallele aus dieser Zeit läßt sich allerdings mangels Marmororiginalen von Gewandstatuen dieser Zeit nicht finden; Ornamentalität und Unruhe der Oberfläche sind stärker ausgeprägt als an den wenigen erhaltenen anderen Werken. Eine bereits erwähnte Gewandstatue in New York877 und zwei Grabreliefs in Boston878 und Paris879 kommen der Athena vielleicht noch am nächsten. Nach all diesen Überlegungen besteht also eigentlich kein Grund, die Athena vom Castro Praetorio als Kopie eines verlorenen Originals anzusehen880. Die Existenz eines weiteren bislang unpublizierten Exemplares in der römischen Abteilung der Antikensammlung von Heraklion, das, wenn auch leicht verändert und in kleinerem Format, nach demselben Muster gestaltet ist, rückt allerdings zunächst die Replikentheorie wieder in die Nähe:
875 876 877 878 879 880
Staatlichen Museen zu Berlin (1966) 23 f. 14 Abb. 22, das die gleiche symmetrische Mittelfalte aufweist wie die Athenen Heraklion und Castro Praetorio. Diese Gruppe läßt sich um folgende bei Clairmont abgebildete Grabmonumente erweitern: Clairmont I 1. 267; 1. 294; 1. 312; 1. 359; 1. 382; 1. 431; 1. 433; 1. 783; 1. 814; 1. 932. L. J. Roccos a. O. (1995), die auf die Besonderheit dieser Darstellungen eingeht, setzt die Art der Bekleidung in Beziehung zum Amt der Kanephoren; vgl. dies., The Shoulder-Pinned Back Mantle in Greek and Roman Sculpture (1986) 401 ff. 127 ff.; vgl. auch A. Villing, in: G. R. Tsetskhladze u. a. (Hrsg.), Periplous. FS J. Boardman (2000) 361 ff. M. T. Fortuna, in: C. Anti (Hrsg.) Sculture Greche e Romane di Cirene (1959) 230 ff. Abb. 76-79; LIMC II 2 Artemis 521, 523; E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 68 f. 154 Taf. 90. Leider liegt keine Aufnahme der Rückseite vor, die vielleicht als Hinweis auf Athena einen Nackenschopf zeigen würde. Vgl. Anm. 837. C. C. Vermeule, B. Comstock, Sculpture in Stone and Bronze (1988) 21 f. Abb. 8. Diepolder 55 Abb. 12. Das Gorgoneion liefert auch keinen Hinweis - es könnte spätklassisch sein, würde aber auch zum 1. Typus römischer Gorgoneia passen; vgl. S. 258 ff.
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2. 2. Heraklion, Mus. 347, aus Gortyn Torso H ca. 60 cm; insgesamt also etwas unterlebensgroß groberer, weißer Marmor Taf. 78, 1 - 2 Lit.:
unpubliziert
Der Torso ist stark beschädigt; die erhaltenen Partien sind jedoch noch in sehr gutem Zustand. Die Kopf- und Schulterpartie war angesetzt und fehlt; auf der linken Seite ist der Brustbereich bis hinunter zur Gürtung abgeschlagen. Das linke Bein fehlt ab der Mitte des Oberschenkels, das rechte etwa vom Knie ab. Vom linken Arm hat sich kein Rest mehr erhalten; der rechte ist bis zum Ellenbogen vorhanden und dort zur Stückung vorbereitet. Der vordere Teil der Chlainafalten am fehlenden rechten Unterarm war ebenfalls sorgfältig angesetzt. Das quadratische große Dübelloch am Ende des rechten Oberames ist noch mit etwas gelblichem Marmor verfüllt - es wird sich um den Rest einer Marmoranstückung handeln, die mittels eines Bossens mit dem Oberarm verankert wurde und von unten durch ein schmales Widerlager und durch die in gleicher Technik angesetzten Chlainafalten gestützt wurde. Abgesehen von der breiten Ansatzfläche für die Schulterpartie handelt es sich bei den übrigen Flächen am Torso um Bruchstellen. Die Rückseite ist flach, aber nicht unplastisch. Der Rest des Nackenzopfes verschwindet unter der schräg über die Schulterblätter geführten Chlaina. Beide unterschiedlich großen Athenen stimmen im äußerlichen Eindruck überein und müssen in einer ikonographischen oder typologischen Beziehung zueinander stehen. Beide tragen den unter der Brust gegürteten Peplos über einem an den erhaltenen Oberarmen sichtbaren dünnen Chiton, dessen Knüpfung nur am Exemplar in Heraklion sichtbar ist, und darüber die schmale, über den Rücken geführte und um die Arme geschlungene Chlaina. Die Armhaltung war jedoch unterschiedlich: Während der rechte Arm des Torso in Heraklion am Körper herabgeführt war, verhält sich dies bei der Figur im Museo Nuovo umgekehrt. Hier blieb der linke Oberarm eng am Körper, während die Vorrichtung auf der rechten Seite auf einen vom Körper abgespreizten, wahrscheinlich auf eine Lanze gestützten Oberarm schließen läßt. Eine Lanze ist wohl auch an der Figur in Heraklion vorauszusetzen, allerdings auf der linken Körperseite. Stand- und Spielbein sind bei beiden Statuen gleich angeordnet; die Ponderation nimmt bei beiden im Grunde keinen Einfluß auf den völlig geraden Gesamtaufbau. Das Apoptygma ist aufgrund der hohen Gürtung besonders lang; aus dem Gürtel sind seitliche Apoptygmabäusche herausgezogen. Über der Gürtung wölbt sich die ausgeprägte Brustpartie. Die kragenartige Aigis hat die gleiche Form wie beim Typus Ince; ihr oberer Abschluß ist dekorativ umgefaltet. Das schlichte Gorgoneion sitzt zwischen den Brüsten. Die Aigis ist bei der überlebensgroßen Statue in Rom gefiedert, am kleinen Torso in Heraklion glatt. Die Gestaltung des Apoptygmas als charakteristischer Partie beider Figuren stimmt grundsätzlich überein. Bei beiden Statuen ist dieser Gewandbereich außergewöhnlich aufwendig gestaltet.
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Am meisten Verwandtes für diese ungewöhnliche Gewandgestaltung ließ sich in der Übergangszeit vom 4. ins 3. Jh. finden, wo die dickliche, unruhige Stoffbildung mit dem trockenen Faltenstil einhergeht und ähnlich symmetrisch-ornamentale Faltenformen zu beobachten waren. Auch in formaler und typologischer Hinsicht ließen sich in dieser Zeit am ehesten Parallelen ziehen. So bleibt schließlich zu entscheiden, wie die beiden statuarischen Wiedergaben dieses Darstellungstypus der Athena einzustufen sind: Ob es sich um „freie“ Kopien nach einem Vorbild des 3. Jhs. handelt, um zwei kurz nacheinander in einer Werkstatt des frühen 3. Jhs. entstandene Originale, um späte, quasi klassizistische, nach Richtlinien des frühen 3. Jhs. entstandene Exemplare aus späthellenistischer oder römischer Zeit, oder ob die kleine Figur in Heraklion doch die größere in Rom kopiert. Die Kopienlösung erschien bisher in jeder Hinsicht am wenigsten plausibel, zumal mit dem eigentlich paradoxen Begriff einer „freien“ Kopie besonders vorsichtig umgegangen werden muß. Die Variation der Armhaltung bei beiden Figuren und ihre unterschiedliche Größe sprechen ebenfalls gegen ein Kopienverhältnis. Dennoch gehen beide Exemplare eindeutig auf das gleiche Grundmuster zurück. Wie im Kapitel über die klassischen und klassizistischen Athenen, die sich des gleichen Darstellungsmusters bedienten wie die Athena Ince, stellt sich jedoch auch hier die Frage, ob dieses Muster unbedingt ein statuarisches Vorbild sein muß881. Problematisch ist, daß beide Skulpturen jedoch nicht zeitgleich zu sein scheinen. Während an der Athena vom Castro Praetorio Elemente des frühen 3. Jhs. zu finden waren, hinterläßt die kleine Statue in Heraklion einen anderen Eindruck. Sie wirkt weniger von innen heraus gestaltet, kühler und flacher als die kolossale Schwester in Rom. Trotz der äußerlich gleichen Struktur setzt sie andere Akzente: Statt Masse und Volumen von Körper und Gewand werden Lebendigkeit und feine Nuancierung der Oberfläche stärker betont. Die Falten sind flacher, die Gestaltung der Gewandoberfläche ist, wie sich z. B. an der feinen Plissierung des rechten Oberarmes zeigt, einem einheitlicheren, von außen aufgelegten Konzept unterworfen, die Bohrungen sind sorgfältiger und erzeugen eine weniger kontrastreiche Faltenbildung. Während die Figur vom Castro Praetorio in der Gewandbehandlung und im Verhältnis von Körper und Gewand noch mit der Spätklassik verbunden ist, ist die Figur in Heraklion beruhigt, glatt und in gewisser Weise oberflächlich und gibt nicht unbedingt Anlaß, sie für ein Original des frühen 3. Jhs. zu halten. Folgende weitere Aspekte sind für die Frage nach der Beziehung beider Figuren untereinander relevant: An dem kleinen Torso in Heraklion ist die ausgeprägte Verdübelung des rechten Armes und der zugehörigen Falten nur dann verständlich, wenn es sich um Bauplastik handelt oder wenn durch Ansetzen einer anderen Marmorsorte für den Arm ein bestimmter Effekt erzielt werden sollte. Die überlebensgroße Figur in Rom betrifft dies weniger, weil die Stückungen hier auch technische Gründe gehabt haben könnten oder, wie weiter unten vorgeschlagen wird, vielleicht auch von einer Wiederaufstellung stammen882. Es wäre also durchaus auch möglich, daß es sich bei beiden Werken um in einer Werkstatt in gewissem zeitlichen Abstand nach demselben Muster entstandene Figuren handelt, die entweder aus einem Bauzusammenhang stammen oder wegen Materialmangels oder aus einem anderen Grund ausgeprägte Anstückungen aufweisen. Eine weitere Möglichkeit sei noch erwähnt: Es gibt eine erhebliche Anzahl von Werken, die nach offizieller Ansicht im 1. Jh. v. Chr. oder in der Kaiserzeit entstanden sind und in ähnlich mani881 882
Vgl. S. 38 ff. Vgl. S. 156 ff.
156
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rierter Weise wie die beiden Athenafiguren einen extrem unruhigen Faltenstil mit knittriger Oberfläche aufweisen. Skulpturen dieser Art finden sich in großer Zahl in Kyrene, wo ein Schwerpunkt ihrer Herstellung gewesen sein muß und wo sich bereits eine der Athena vom Castro Praetorio typologisch verwandte Statue in demselben Stil befand883. Sie erscheinen teilweise aber auch in Regionen Griechenlands wie Megara884 und Epidauros885. Traversari hält die Figuren aus Kyrene für späthellenistische, neoklassizistische Schöpfungen886. Es wäre interessant, eine übergreifende Zahl dieser Denkmäler zu untersuchen und festzustellen, ob es sich um Originale des frühen Hellenismus, tatsächlich um nachempfundene Werke des Späthellenismus oder teilweise auch um Kopien nach frühhellenistischen Werken handelt. Gemeinsam ist allen Figuren der knittrige Stil, der sich für das frühe 3. Jh. als charakteristisch erwiesen hatte und der sie auch mit den Athenen verbindet. Es müßte sich feststellen lassen, ob Kyrene wirklich ein Zentrum dieser Produktion war, und in welcher Zeit solche Werke dort produziert wurden. Ob zumindest die kleine Athena in Heraklion möglicherweise direkt aus Kyrene stammen könnte - Kreta gehörte bis in die Kaiserzeit hinein zur Provinz Kyrenaika887 - wäre danach vielleicht zu entscheiden. Im nächsten Kapitel wird eine kleinformatige Athenafigur aus Kyrene aufgeführt, die mit den Athenen Castro-Pretorio und Heraklion verwandt ist und daher für deren Verbindung nach Kyrene sprechen könnte888. Daß die Verbindung direkter ist und nur über den verwandten Typus zustande kommt, zeigen einige stilistische und motivische Gemeinsamkeiten. Typologisch orientiert sich die Athena aus Kyrene deutlicher an der Athena Parthenos als die Athena vom Castro Pretorio. Die Ponderation stimmt auch bei der Athena vom Castro Pretorio mit der der Athena Parthenos überein, aber Aigisform, Schmalheit, hohe Gürtung und Mantel lassen keine typologische Verbindung zum kolossalen Kultbild zu. Die Athena aus Kyrene nutzt die gleiche Aigisform wie die Parthenos und ist auch ähnlich breit angelegt, aber stilistisch ist sie mit der Athena in Rom verwandt. Am Gewand ist trotz der starken Oberflächenkorrosion noch immer der trocken-knittrige Stil zu erkennen, der Werke des Frühellenismus auszeichnet. Die Falten sind kleinteilig, die Faltentäler schmal und die Faltenrücken unruhig. Die Partie unterhalb des ebenfalls glatten Gürtels ist bei beiden Figuren ähnlich gestaltet; ebenso die sich seitlich aus dem Gürtel herausbauschenden Stoffansammlungen. Auch das Gorgoneion folgt dem gleichen Typus. Dennoch ist die Datierung der Athena aus Kyrene nicht eindeutig; statt um ein Original des Frühhellenismus, wie dies im Falle der Athena vom Castro Pretorio wahrscheinlich ist, könnte es sich hier analog zum Torso in Heraklion auch um ein späteres Werk handeln, das ältere Stilmittel bewahrt.
883 884 885 886 887 888
G. Traversari, Statue iconiche femminili cirenaiche (1960) 25 ff. 3-12 Taf. I 3 - VIII 1 u. Taf. IX 1; s. Anm. 875; Linfert, Kunstzentren 134 ff. Horn, Gewandstatuen Taf. 42. Foto DAI Athen Epid. 36. Traversari a. O. (Anm. 883). S. E. Meyer, in: Der Kleine Pauly 3 (1979) Sp. 340 s. v. Kreta; vgl. auch E. La Rocca, in: Augustus und die verlorene Republik. Kat. Berlin (1988) 14. 378. S. S. 159. 3.
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Die Athena vom Castro Praetorio und das Daochosweihgeschenk Die verblüffende stilistische Ähnlichkeit der Athena zum Daochosweihgeschenk wurde bereits erwähnt889. Die delphische Generationenweihung ist sogar das ausschließlich und am besten vergleichbare Objekt. Während heute meist davon ausgegangen wird, daß ein sitzender Apoll zu ergänzen sei, schlugen E. Gardiner und K. Smith bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Ergänzung mit einer Athena vor890. 2001 veröffentlichten A. Jacquemin und D. Laroche eine neue Untersuchung der topographischen Gegebenheiten des Daochosweihgeschenkes891. Ihr Beitrag enthält eine genaue Zeichnung der Basislücke der verlorenen Figur. Hatten schon Gardiner und Smith ihren Vorschlag, eine Athena zu ergänzen, damit begründet, eine weibliche Gewandstatue passe am besten in die Lücke, so zeigt die Zeichnung der Lücke tatsächlich annähernd den gleichen Grundriss wie der antike Teil der Basis der Athena vom Castro Praetorio. Obwohl genauere Untersuchungen über die Maße noch fehlen, sei bereits an dieser Stelle die Vermutung erlaubt, daß man es, sollten Vermessungen dies bestätigen, mit einem unglaublichen und einzigartigen Zufall der antiken Überlieferung zu tun haben könnte: Mit der Wiederentdeckung einer aus Delphi geraubten Statue in Rom892. Mehrere Umstände begünstigen diese Vermutung, die leider bis zur Veröffentlichung dieser Arbeit nicht mehr auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden konnten: Die Maße der ca. 2. 19 m hohen Athena passen zu den um 2 m messenden Figuren der Daochosweihung - sie wäre damit als Göttin die größte der überlebensgroßen Figuren. Der Marmor der Athenastatue wird mit pentelisch angegeben, derjenige der Männerfiguren mit parisch. In beiden Fällen handelt es sich also um östlichen Marmor, dessen genaue Provenienz noch einmal bestätigt werden müßte893. Ein gewisses Problem bildet die oben erwähnte Zusammensetzung von Kopf und Körper, die nicht nachweislich gemeinsam gefunden wurden, aber eventuell vom gleichen Fundort stammen894. Stilistisch spricht nichts gegen eine Zusammengehörigkeit von Kopf und Körper. Im Gegenteil: Die Identifikation der Athena mit den Werken des Künstlers, der wohl die meisten Figuren des Daochosweihgeschenkes hergestellt hat, wird durch den Kopf der Figur und sein Verhältnis zum Körper in bezug auf Proportion und Aufbau noch deutlich unterstützt. Spätestens dies zeigt, daß Kopf und Körper, über den ja die Assoziation mit den delphischen Figuren führte, sehr wahrscheinlich zusammengehören, daß also der mit der Suche nach einem passenden Kopf beauftragte Restaurator Bernardini womöglich eine glückliche Hand hatte, indem er auf den tat889 890 891 892
893
894
S. S. 151 f. E. Gardiner u. K. Smith, in: E. Gardiner, K. Smith, W. B. Dinsmoor, AJA 13, 1909, 447 ff. A. Jacquemin - D. Laroche, BCH 125, 2001, 305 ff. Aus Zeitgründen kann die genaue Untersuchung der noch unbegründeten These hier nicht mehr erfolgen - sie soll demnächst an anderer Stelle nachgeholt werden. Hier zunächst nur soviel: Aus den Quellen ist bekannt, daß Nero etwa 500 Statuen aus Delphi abtransportieren ließ (vgl. M. Maas, Das antike Delphi [1993] 52, 151). Auch wenn die Anzahl sicher übertrieben ist, wäre es auch bei einer geringeren Zahl vorstellbar, einer Marmorstatue in Rom wiederzubegegnen. Dazu würde auch der Fundort der Statue in der Nähe des ehemaligen Prätorianerlagers passen die enge Beziehung Neros zu den Prätorianern und ihrem Präfekten Tigellinus ist bekannt. Dies sind allerdings alles nur Ansatzpunkte, denen noch genauer nachgegangen werden müßte. Zum neronischen Kunstraub vgl. auch M. Pape, Griechische Kunstwerke aus Kriegsbeute und ihre öffentliche Aufstellung in Rom (1975) 202 ff. Meiner eigenen Erinnerung nach war der Marmor der Athenastatue, die ich 1992 im Museo Nuovo, befreit von Restaurierungen und auseinandergenommen (der Kopf lag neben dem Körper), auf dem Boden liegend vorfand, besonders hell und durchscheinend, sodaß eine Bestimmung als parischer Marmor mir durchaus im Bereich des Möglichen erscheint. Selbst wenn sich die Bestimmung als pentelischer Marmor bestätigen würde, ergäbe dies jedoch u. U. einen Sinn, wenn dadurch die attische Heimat der Göttin unterstrichen werden sollte. Vgl. Anm. 850.
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sächlich zugehörigen Kopf stieß895. Ein kurzer Vergleich mit dem Kopf des Agias zeigt bereits den Grad der Übereinstimmung im Profil der Seitenansicht, in dem trotz der starken Zerstörung des Athenakopfes die Ähnlichkeit der Mundpartie auffällt, und in dem als gemeinsame Besonderheit die extreme Verkleinerung des hinteren Oberkopfes beider Figuren erscheint. Ferner paßt die Machart der Sichellocken des Agias technisch zu den auf dem Rücken der Athena ausgebreiteten Locken. In der Vorderansicht fällt auf, wie bei beiden Gesichtern die Wangen gleichermaßen flach nach hinten fliehen. Selbst die Mundpartie ist gleich. Solche Einzelheiten wie auch die Augenpartie der Athena sind an den bislang publizierten Aufnahmen, die die Figur noch mit den alten, entstellenden Restaurierungen zeigen, nicht gut zu erkennen; eigene Fotos zeigen jedoch, daß die bereits oben beschriebenen hoch ansteigenden Unterlider und die weit zur Seite durchgezogenen Oberlider ganz mit den Augen des Agias übereinstimmen896. Der Orbital- und Brauenbereich läßt sich ferner neben die gleiche Partie des Agelaos stellen897. Nicht von neuem erwähnt zu werden brauchen die gelängten, schmalen Proportionen aller betroffenen Figuren und ganz besonders der Athena. Die anfangs irritierende starke Verdübelung der Athena würde sich übrigens durch den Vorgang des Kunstraubes erklären lassen: Zum Transport auseinandergenommen, mußte die Statue am Bestimmungsort in Rom wieder zusammengesetzt und erneut stabilisiert werden. Dieser schon länger ventilierte und zwischenzeitlich verworfene, sicherlich kühn erscheinende Identifikationsversuch hat erst durch die erwähnte Publikation der Bettungsmaße in den BCH wieder Auftrieb bekommen und sollte an dieser Stelle lediglich als Hypothese Erwähnung finden; genauer kann deren Wahrscheinlichkeit jedoch erst an einem anderen Ort nach Überprüfung der Maße und anderer relevanter Details diskutiert werden.
895 896 897
Vgl. Anm. 850. Vgl. Anm. 850. Kopf des Agias: T. Dohrn, AntPl 8 (1968) Taf. 17 - 20; Kopf des Agelaos: Dohrn a. O. Taf. 24. 25.
AREOPAGHAUS-TYPUS
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3. Kleinformatige Athenen im hochgegürteten Peplos - Areopaghaus-Typus Die typologisch an die Athena Parthenos angelehnte Athena aus Kyrene in Shahat leitet über zu einer weiteren statuarischen, diesmal größtenteils kleinformatigen Repräsentation Athenas, die wahrscheinlich in den Übergang von der Spätklassik zum frühen Hellenismus gehört und deren Typus mit den Athenen Castro Praetorio/Heraklion verwandt ist, sodaß das dort aufgeführte Vergleichsmaterial für diesen Athenatypus ebenso verwendet werden kann. Der Typus hat fast Statuettenformat erreicht898; die meisten Wiedergaben sind etwa halblebensgroß. Sieben Exemplare dieser Typengruppe sind bisher bekannt. Sie stimmen alle grundsätzlich überein, unterscheiden sich jedoch in Details.
Liste der Exemplare im Typus der Areopaghaus-Athena I. Statuetten ohne Kopf: 1. Riehen, Privatbesitz 2. Florenz, Palazzo Corsini 3. Shahat, Museum, aus Kyrene 4. Athen, Agoramuseum 5. Piräus, Museum II. Fragmente: 1. London, British Museum 2. Athen, Akropolismuseum, Magazin 2807 3. Athen, Akropolismuseum, Magazin 2804 III. Varianten und Unsicheres 1. Shahat, Mus. 14. 179 2. Bodrum, Mus. 7101
Zur Typusfrage Mit Absicht wird hier der Begriff „Replik“ vermieden, weil für diesen Darstellungstypus vermutlich kein konkretes statuarisches Vorbild im klassischen Sinne mehr vorausgesetzt werden kann, sondern entweder wie bei der Parthenos ein kolossales Kultbild aus anderem Material, das kleinformatig nachgeahmt wurde oder ein kleinformatiges Muster im Sinne eines Modells oder einer Zeichung. Entsprechend kann die Ausstattung des jeweiligen Exemplares variieren, bleibt jedoch immer im Rahmen eindeutiger typologischer Bindung. Die verbindliche Grundausstattung des Darstellungstypus besteht im frontalen Stand mit rechtem Stand- und linkem Spielbein, dem übergegürteten Peplos mit durch die Höhe der Gürtung länger erscheinendem Apoptygma mit ausgeprägter Mittelfalte und über der Gürtung seitlich herausgezogenen Kolposbäuschen. Die symmetrische Aigis hat immer die gleiche Form; sie legt sich panzerartig über beide Brüste, wird in der Mitte von einem Gorgoneion zusammengehalten und schließt unterhalb der Brüste in einem bogenförmigen Schlangenband ab. Bei den meisten Exemplaren erscheint die Knüpfung 898
Zur typologischen Entwicklung vgl. S. 244 ff.
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eines Chiton unter dem Peplos899; er kann aber auch fehlen900. Weitere mögliche Variationen bestehen in einem auf beiden Schultern befestigten knielangen Rückenmantel901, zwei einzelnen Haarsträhnen, die wie bei der Parthenos vorn auf beide Seiten der Aigis herabfallen902, und dem über eine Schulter bauschartig herabgeführten Mantel903. Während das Apoptygma abgesehen von der symmetrischen Mittelfalte häufig freier ausgeschmückt wird, ist der Bereich der Falten über den Beinen meistens ähnlich gestaltet. Vom Spielbeinknie fällt die charakteristische, sich nach unten verjüngende scharfe Falte herab; zwischen beiden Beinen entsteht eine breite, an beiden Seiten tief unterschnittene Doppelfalte; das Standbein verschwindet unter einem in sich aufgegliederten, auf dem Fuß aufliegenden Faltenwulst, an den sich seitlich zwei Konturfalten anschließen. Diesen Falten entspricht auf der anderen Seite eine das Spielbein im Hintergrund begleitende Konturfalte. Linda Jones Roccos hat sich bisher als einzige mit diesem Darstellungstypus der Athena befaßt904. Sie faßt den Typusbegriff so weit, daß er im Grunde dem hier gebrauchten Begriff des Darstellungstypus entspricht. Von zwei rundplastischen Exemplaren ausgehend905, zieht sie eine Reihe von Reliefdarstellungen heran und ordnet sie demselben Darstellungstypus zu906. Da es sich auch im Falle der beiden rundplastischen Exemplare nicht um getreue Repliken handelt, setzt sie für alle aufgeführten Darstellungen den Begriff „Reflections“ ein907. Dieser Begriff impliziert allerdings ein verlorenes Original, das reflektiert wird. Und an dieser Stelle erhebt sich dieselbe Frage, die die Beschäftigung mit den spät- und nachklassischen Athenen wie ein roter Faden durchzieht: Gehen die Statuetten und Reliefdarstellungen mit verwandten Merkmalen wirklich auf ein verlorenes Original zurück oder sind sie nicht vielmehr Zeugnisse einer allgemein verbreiteten Weise, in der eine bestimmte Zeit eine bestimmte Gottheit dargestellt wissen wollte und in der sich sowohl der Stil der Zeit als auch ihr Verständnis von der Gottheit äußerte? Im Falle der Athena Ince mußte die Frage eindeutig im Sinne der zweiten Variante beantwortet werden - da dieser lebensgroße Athenatypus wahrscheinlich erst durch das römische Kopienwesen als Kunstwerk seine große Bekanntheit erlangte, ist anzunehmen, daß er selbst ein Produkt seines Zeitstiles war und nicht umgekehrt908. Anders verhält es sich sicherlich mit Götterbildern vom Kaliber der Parthenos. Hier muß davon ausgegangen werden, daß die zeitgleiche Ikonographie der Göttin von der bekannten Kolossalstatue mit geprägt wurde. Wenn sie auch von den Reliefdarstellungen nicht wörtlich übernommen wurde, so werden doch einige der Darstellungen
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So an den Exemplaren im Agoramuseum Athen (Ah I 3), in Florenz (Ah I 2), Privatbesitz Riehen (Ah I 1), Akropolismuseum Athen (Ah II 3); s. auch L. Jones Roccos, Hesp. 60, 1991, 401. Wie z. B. am Exemplar in London (Ah II 1). Vgl. die Exemplare im Akropolismuseum (Ah II 3) und in Florenz (Ah I 2), wobei letzteres den langen, wallenden Rückenmantel aufweist, der auch auf den spätklassischen Mädchenstelen erscheint, s. Anm. 841 und Anm. 874. Noch sichtbar am Exemplar aus dem Piräus (Ah I 4). Vgl. das Fragment aus dem Akropolismuseum Athen (Ah II 2). Dieses Schema liegt den bereits genannten ganz ähnlichen Urkundenreliefathenen zugrunde, die die sog. Chlaina tragen, s. hier S. 152. L. Jones Roccos a. O. (Anm. 899) 396 ff. Taf. 107-112; vgl. dies., AJA 99, 1995, 641 - 66. Der Autorin waren offenbar nur die beiden Exemplare Athen, Agoramuseum (Ah I 3; L. Jones Roccos a. O. 408. 1 Taf. 107-108) und Florenz, Palazzo Corsini (Ah I 2; a. O. 408. 2 Taf. 109) bekannt. L. Jones Roccos a. O. (Anm. 899) 408 ff. 3-12 Taf. 109-111. Ebenda 398. Vgl. S. 14 ff.
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von ihr beeinflußt worden sein909. Wie verhält es sich nun mit dem Darstellungstypus der Athena, an den sich die Athenen Castro Praetorio und Heraklion anlehnen und auf den die betreffenden Statuetten und Reliefdarstellungen zurückgehen? Muß man auch diese Gruppe auf die ikonographische Prägung durch eine bekannte kolossale Statue oder ein Kultbild zurückführen oder äußern sich hierin vielmehr nur ein bestimmter Zeitstil und dessen Darstellungsweise? L. Jones Roccos verbindet die Überlieferung des Darstellungstypus der Areopaghaus-Athena mit der der Parthenos, indem sie die Existenz eines verlorenen Originals voraussetzt, das um 34030 v. Chr. entstanden sein soll und in klassizistischer Weise auf die Ikonographie der Parthenos zurückgreift. Sie kommt zu dem Schluß, das verlorene Original müsse eine auf der Agora in Athen aufgestellte Statue gewesen sein, die im Sinne des lykurgischen Klassizismus durch Ikonographie und Stil auf Werke des 5. Jhs. zurückverweisen sollte. Solche Konstruktionen müssen mit großer Vorsicht gehandhabt werden. Bevor man in der Figur sofort einen Reflex früherer Athenadarstellungen sieht, muß man sich fragen lassen, wie denn eine Athenastatue am Ausgang der Spätklassik bzw. im frühen Hellenismus sonst ausgesehen haben sollte. Die Angelegenheit verhält sich wahrscheinlich weit differenzierter: Wenn es ein konkretes Vorbild gab, so ahmte dieses keineswegs wirklich die Parthenos nach, sondern versuchte höchstens mit den Mitteln seiner eigenen Zeit eine ähnliche Ausstrahlung oder Aussage zu entwickeln wie die Parthenos. Daß die Gemeinsamkeit beider Statuentypen unmittelbar auf ihrer Programmatik beruht und nicht mittelbar auf dem Zitat des einen durch den anderen, wird sich noch zeigen910. Anschließend muß endgültig entschieden werden, ob es sich überhaupt um einen Statuentypus mit verlorenem Urbild handelt oder, wie bereits angenommen, um einen Darstellungstypus, der nach bestimmten Richtlinien beliebig wiederholt werden konnte.
Rekonstruktion des Typus Auf Übereinstimmungen und Unterschiede der einzelnen Exemplare ist oben bereits hingewiesen worden. Hinzu kommt, daß sie untereinander nicht alle maßgleich sind911. Auch die in etwa maßgleichen Stücke stimmen aber untereinander nicht deutlicher überein als die übrigen Exemplare, sodaß über sie auch nicht direkt auf Größe und Aussehen eines Originals geschlossen werden kann912. Andererseits sind aber an allen Exemplaren die Übereinstimmungen zu groß, als daß sie als voneinander unabhängige Reflexe des Parthenostypus gelten könnten. Ihnen muß vielmehr ein eigener Typus zugrunde liegen, der sich trotz einiger Gemeinsamkeiten von dem der Parthe-
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Vgl. Lawton, Document Reliefs 40 f.; Meyer, Urkundenreliefs 223 ff. Die Argumentation um Zitate von Statuentypen berücksichtigt zum einen nicht, wie unzählig viele verlorene Darstellungen der Göttin es gegegeben hat, sondern kapriziert sich auf die wenigen erhaltenen, zwischen denen sie einen häufig künstlichen Zusammenhang herstellt, und setzt zum anderen einen Eigenwert der Statuen als Kunstwerk voraus, den sie so nicht gehabt haben werden bzw. der zumindest zugunsten ihrer kultischen und politischen Aussage vernachlässigt werden kann; vgl. S. 16 ff. Während die Statuetten in Riehen (Ah I 1) und im Piräus (Ah I 4) knapp einen halben Meter groß sind, ist die Athena des Agoramuseums (Ah I 3) mit 1. 24 m erhaltener Höhe eigentlich bereits eine kleine Statue. Die beiden Fragmente im Akropolismagazin (Ah II 2-3) erreichten offenbar ebenfalls nur Statuettenformat, während die Figur aus Kyrene (Ah III 1) eine unterlebensgroße Statue ist. Das Fragment im British Museum (Ah II 1) schließlich hat wieder Statuettenformat. In etwa maßgleich und über 1 m hoch sind die Areopaghaus-Athena (Ah I 3) und die Figur aus Kyrene (Ah III 1); die übrigen Wiedergaben sind knapp 1 m hoch.
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nos unterscheidet. Die Gemeinsamkeiten beider Typen913 bleiben innerhalb des für Athenadarstellungen üblichen Rahmens; sie betreffen die Tracht des übergegürteten Peplos, die Ponderation, den frontalen Stand sowie die Form der als Brustpanzer mit Gorgoneionschließe gebildeten Aigis. Über den Kopftypus des Areopaghaus-Typus ist keine Aussage mehr möglich. L. Jones Roccos geht aufgrund der Reliefs und der Beliebtheit des korinthischen Helmes im 4. Jh. davon aus, die von ihr in diese Zeit datierte Figur sei ebenfalls mit einem korinthischen Helm versehen gewesen914. Zwei auf einen verwandten Darstellungstypus zurückgehende, mit Inschriftbasis erhaltene Statuetten in Athen, die aus Epidauros und von den Sporaden stammen915 und wahrscheinlich in das 2. Jh. v. Chr. datiert werden müssen, zeigen jedoch, daß ein ähnlicher Typus auch mit dem attischen Helm kombiniert werden konnte. In dieser Ausstattung erscheint er ebenfalls auf einigen Reliefs916. Die Gemeinsamkeiten mit der Parthenos beschränkten sich auf die Tracht und das Standmotiv der Figuren. Die Unterschiede sind aber nicht nur stilistischer Art - sonst wäre dies ein Grund, die jüngere Schöpfung doch für eine zeitgemäße Umgestaltung der älteren zu halten. Auch ikonographische Details wie der Gürtel ohne Knoten, die nach gleichem Muster erfolgte Falteneinteilung, die schmale, kaum noch an Schlangenleiber erinnernde Aigiskante917 und die Verwendung des Ärmelchitons bei einem Großteil der Exemplare918 lassen keine direkte bildliche Beziehung zur Parthenos mehr zu. Eine Rolle spielt dabei auch die Armhaltung und die mögliche Rekonstruktion von Attributen. Auch hierin bieten die Exemplare keine Übereinstimmung. Bei der Mehrzahl von ihnen ist allerdings wie an der Parthenos der linke Oberarm am Körper herabgeführt, der rechte Arm ist lediglich an der Statuette in Riehen (Ah I 1) ausgestreckt919. Eine Tabelle, die L. Jones Roccos als Statistik der von ihr herangezogenen Objekte erstellt 920 hat , zeigt, daß auch die Reliefdarstellungen in keiner Weise kongruent sind. Die Attribute für die Statuenversion waren laut L. Jones Roccos Lanze und Phiale; der angelehnte Schild der Parthenos läßt sich nicht nachweisen. L. Jones Roccos schlägt als Standort der Figur aufgrund der dort zahlreich vorhandenen verwandten Reliefs Athen vor und möchte das Original mit der inschriftlich belegten Athena Archegetis oder Athena Phratria identifizieren921. Tatsächlich befin913
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Die Verwendung des Typusbegriffes für die Parthenos und ihre „Reflexe“ ist ebenfalls problematisch, da es auch in ihrem Fall keine wirklichen Repliken gibt, sondern lediglich kleinformatige Wiedergaben und großplastische Nachbildungen. Dennoch ist das Original aufgrund dieser Nachbildungen faßbar geworden, weshalb der Typusbegriff hier bedingt verwendbar ist. L. Jones Roccos a. O. (Anm. 899) 402. Daß sie die Athena vom Castro Praetorio heranzieht, ist aufgrund der zweifelhaften Zugehörigkeit des Kopfes nicht aussagekräftig; vgl. S. 148 ff. Karanastassis, AM 1987, 404 f. B 1 6 Taf. 38. 1-4; 406 B 1 9 Taf. 39. 1-4. Möglicherweise hat hier aber auch das Vorbild der Parthenos eine Rolle gespielt. S. Anm. 247 und 772.. Die Exemplare Agoramuseum S 2337 (Ah I 3) und Akropolismagazin 2804 und 2807 (Ah II 2-3) zeigen unterhalb dieser Kante kleine Stiftlöcher zur Einfügung von Metallschlangen; die Aigis der Statuette in Florenz (Ah I 2) ist ebenfalls von Stiftlöchern gerahmt. S. Anm. 899.. Während Agoramuseum S 2337 (Ah I 3) den rechten Arm am Körper herabführt und den linken, wohl um eine Lanze zu halten, ausstreckt, verhält sich dies bei allen übrigen Exemplaren anders: Hier bleibt der linke Oberarm eng am Körper. Der rechte Arm war ausgestreckt wie am Riehener Exemplar (Ah I 1) oder ebenfalls am Körper herabgeführt. L. Jones Roccos a. O. (Anm. 899) 404. Ebenda 407.
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den sich allein vier der statuarischen Exemplare in Athen und Umgebung922. Muß man also davon ausgehen, daß diese Figuren trotz ihrer Unterschiede ein verlorenes Athener Standbild wiederspiegeln? Zur Klärung dieser Frage kann vielleicht die Datierung der einzelnen Exemplare beitragen: L. Jones Roccos datiert die Areopaghaus-Athena im Agoramuseum (Ah I 3) aufgrund ihres Fundzusammenhanges antoninisch923. Die Statuette im Piräus (Ah I 4) gehört in das späte 2. Jh. n. Chr. und ist wahrscheinlich severisch zu datieren. Die übrigen Wiedergaben können nur grob in das 1. Jh. n. Chr. datiert werden924. Lediglich die Statuette in Riehen (Ah I 1) fällt aus dem Rahmen; sie scheint späthellenistisch zu sein und ist damit das früheste Beispiel dieser Reihe925. Auffällig an allen Beispielen ist, daß das Gorgoneion nicht entsprechend der kaiserzeitlichen Mode variiert, wie dies bei einigen Repliken von Athenatypen der Fall ist926. Dies war schon einmal so, und zwar beim Typus Ostia-Cherchel, an dem dieses Phänomen zu den Zweifeln an seiner Datierung in spätklassische Zeit beitrug927, und an den mehrheitlich klassizistischen Statuetten der Athena im untergürteten Peplos, die stets mit dem Athenatypus Ince in Zusammenhang gebracht wurden928. Auch sie befanden sich in der Mehrzahl in Athen, vor allem im Akropolismuseum. Bei den auf der Akropolis befindlichen Statuetten dürfte es sich um Votivstatuetten gehandelt haben, deren Produktion bis in die römische Kaiserzeit hinein kontinuierlich weiterlief929. Auch der klassische Darstellungstypus, der diesen Figuren zugrunde lag, fand vielfach auf Reliefs Verwendung. Direkte Bezüge zu einem Kultbild waren nicht feststellbar, zumal hier Haltung, Größe und ikonographische Details variierten. Lediglich ein allgemeiner Bezug auf die Parthenos konnte angenommen werden. Ein ähnlicher Fall liegt hier nun wieder vor. Es wäre also theoretisch möglich, daß auch dieser Darstellungstypus, der seine Wurzeln offenbar im späten 4. oder frühen 3. Jh. hat, auf ein verlorenes großformatiges Athener Standbild Bezug nimmt und sich von ihm anregen ließ. Daß ein solches Standbild keine Repliken hinterlassen hat, spricht wie bei der Parthenos eher dafür, daß es kolossal, also eben nicht kopierbar war. Daß die Statuetten im Piräus (Ah I 4) und in Riehen (Ah I 1) wie die kleinformatigen Nachahmungen der Parthenos als Imitationen eines solchen verlorenen Standbildes zu interpretieren sind, auf das sich indirekt auch die teilweise abgewandelten Statuetten beziehen, bleibt eine außerordentlich hypothetische Konstruktion. Die vermutlich bessere Alternative dazu wäre ein um die gleiche Zeit entstandener, viel benutzter Darstellungstypus für die Herstellung von Weihestatuetten ohne konkretes Vorbild.
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Die Exemplare Agora S 2337 (Ah I 3), Piräus Magazin 2251 (Ah I 4), Akropolis Magazin 2804 und 2807 (Ah II 23). L. Jones Roccos a. O. (Anm. 899) 397 ff.; vgl. J. M. Camp, The Athenian Agora (1986) 202 ff. Von genauen Einordnungen wurde in diesen Fällen aufgrund des schlechten Zustandes und der mangelhaften verfügbaren Abbildungen teilweise abgesehen (vgl. Lit. angaben zu den Exemplaren im Text). Vgl. eine typologisch ebenfalls ähnliche, wahrscheinlich Athena darstellende Statuette in Delos, J. Marcade`, Au Muse´´e de Delos (1969) Taf. LV A 330. Vgl. S. 258 ff. Vgl. S. 93 ff. Vgl. S. 22 ff. So auch Karanastassis, AM 1987, 386 ff.
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Auch die problematische Athena vom Castro Praetorio und ihre kleine Schwester in Heraklion gehören wohl trotz ihrer unterschiedlichen Aigisform als großplastische Exemplare in den Umkreis dieses Darstellungstypus930.
930
Ein verlockender, aber offenbar nicht realistischer Gedanke sei hier noch erwähnt: W. B. Dinsmoor folgerte aus Brandspuren und Reparaturen am Parthenon, der Tempel müsse im 2. Jh. v. Chr. von einer Brandkatastrophe betroffen gewesen sein, von der auch die Parthenosstatue so in Mitleidenschaft gezogen worden sein müsse, daß sie durch ein hellenistisches Exemplar ersetzt werden mußte (W. B. Dinsmoor, AJA 38, 1934, 93 ff.; vgl. Gernand, AM 1975, 18 Anm. 51 mit weiterer Lit.). Seiner Ansicht nach gehen die Kopien und Reflexe der Parthenos teilweise auf diese hellenistische Fassung zurück. Diese Erklärung hätte ein bequemer Lösungsversuch für die der Parthenos verwandten Athenen der eben behandelten Typengruppe sein können. Der Vorschlag Dinsmoors wurde allerdings nicht akzeptiert, sondern vielmehr durch Argumente aus dem architektonischen Bereich widerlegt (vgl. H. Koch, AA 1935, Sp. 388 ff.).
KOLOSSALE ATHENA UND ATHENA MIT KREUZBANDAIGIS AUS PERGAMON
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4. Die kolossale Athena und die Athena mit der Kreuzbandaigis aus Pergamon Die beiden bekannten pergamenischen Athenastatuen sind bereits vielfach auf ihren Bezug zu älteren Typen hin untersucht worden. Während die kolossale Athena meist als hellenistische Neuauflage der Parthenos gilt, wird die Athena mit der Kreuzbandaigis, die ebenfalls in der Nähe der sogenannten Bibliothek gefunden wurde, heute als hellenistische Neuschöpfung nach mehr oder weniger konkret benanntem klassischem Vorbild bezeichnet.
Die Athena aus der sog. Bibliothek von Pergamon Der Bezug zur Parthenos drängt sich bei der kolossalen Athena auf. Er ist deutlicher als bei den Exemplaren der zuvor behandelten Typengruppe. 4. 1 Athenastatue aus Pergamon, Berlin, Staatliche Museen P 24 1880 im Schutt der Nordhälfte des Athenaheiligtums von Pergamon gefunden H (ohne Basis) 3. 105 m; H Basis 0. 405 m pentelischer Marmor Lit.:
A. Conze - C. Humann - R. Bohn, Die Ergebnisse der Ausgrabungen zu Pergamon 1880-1881. Vorläufiger Bericht (1882) 12, 54; A. Conze, Die pergamenische Bibliothek. SB Berlin 53 (1884) 1260 f.; R. Bohn, Das Heiligtum der Athena Polias Nikephoros, AvP II (1885) 59 f.; A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Alterthum, Abh. d. bayr. Akad. d. Wiss. 20 (1897) 538; F. Winter, JdI 22, 1907, 55 ff. Abb. 1; ders., AvP VII 33 ff. 24 Taf. VIII Beibl. 2-3; K. Lehmann-Hartleben, JdI 47, 1932, 21 ff.; E. Ohlemutz, Die Kulte und Heiligtümer der Götter in Pergamon (1940) 45 f.; A. Schober, Die Kunst von Pergamon (1951) 113 Abb. 89; W. Fuchs, Die Vorbilder der neuattischen Reliefs. 20. Ergh. JdI (1959) 3 Anm. 18; E. Rohde, Pergamon. Burgberg und Altar (1961) 20 Abb. 9; Gernand, AM 1975, 17 ff. Taf. 12; J. P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 24 ff. 62 ff. 114 ff.; Pollitt, Hellenistic Age 167 Abb. 171; Stewart, Greek Sculpture 63, 77, 213 f. Abb. 718; R. Kabus-Preißhofen, Die hellenistische Plastik der Insel Kos, 14. Beih. AM (1989) 168 ff.; M. Kunze u. a., Staatliche Museen Berlin. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 177. 75 mit Abb.; H. Blanck, Das Buch in der Antike (1992) 188 Abb. 95; J. M. Hurwit, AJA 99 (1995) 171 ff.; H. Mielsch, AA 1995, 765 ff. 770 Abb. 6; Radt, Pergamon 165 Abb. 111; Ridgway, Hellenistic Sculpture II 162; Nick, Athena Parthenos 249 A 35.
Die kolossale Marmorstatue ist in der Literatur bereits ausführlich beschrieben und analysiert worden931. Kopf, Rumpf und die stark bestoßene Basis sind erhalten. Die Arme fehlen; die fehlenden Füße und der Gewandsaum sind durch einen Gipsklotz ersetzt, der die Verbindung zur reliefierten Basis herstellt. Auch wenn der Kopf nicht wie der Rumpf auf dem Schutt der Nordhalle zum Vorschein kam, sondern auf der Hoffläche932, gehört er trotz der starken Beschädigung des Halsansatzes aufgrund seiner Größe und seines Stils eindeutig zum Rumpf. Das gleiche gilt für die Basis - auch hier sprechen trotz der fehlenden Anpassungsstelle Marmor, Stil und Ikonographie für eine Zusammengehörigkeit933. 931 932 933
Vgl. Winter a. O. (Lit. zu 4.1) 1908, 33. 24. Vgl. Conze – Humann - Bohn a. O. (Lit. zu 4. 1). Zum Fundort der Basis, der nicht genau beschrieben wird, ebenda 12; Bohn, AvP II (Lit. zu 4. 1) 59.
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Der erhaltene Basisblock führt seitlich nicht weit über die Statuenbreite hinaus934. An seiner Vorderseite sind sechs Relieffiguren deutlich zu erkennen. Ihre Zahl läßt sich auf 10 ergänzen. Geringfügige Reste des Profils an der rechten Seite machen klar, daß damit das tatsächliche Ausmaß der Basis erfaßt ist935. Das Verhältnis der Kolossalstatue zur Parthenos, das nicht zuletzt mit der Gestaltung der Basis zusammenhängt, spielt in der Literatur eine große Rolle. Haltung, Tracht und Habitus der Figur sind tatsächlich gut mit der Parthenos vergleichbar: Der übergegürtete Peplos mit dem auf der rechten Seite weit überhängenden Kolpos, die symmetrische, vorn vom breiten Gorgoneion schnallenartig zusammengehaltene panzerähnliche Aigis, der attische Helm mit Appliken sowie Standschema und Frontalität der Statue entsprechen typologisch der Parthenos. Überall in der Literatur, wo beide Figuren genauer beschrieben werden, sind jedoch auch die Unterschiede präsent, und deren Beschreibung ist bemerkenswerterweise stets ausführlicher als die der Gemeinsamkeiten936. Trotzdem gilt die pergamenische Statue allgemein als um ein Drittel verkleinerte hellenistische Variante der Parthenos. Eine der neueren Stellungnahmen stammt von M. Weber, die 1993 sämtliche Reflexionen der Athena Parthenos zusammengetragen hat937. Bezüglich der Athena von Pergamon macht sie glaubhaft, daß Teile der Basis, auf deren einer Seite die Nike und auf der anderen der Schild angebracht waren, verloren gegangen sind. Außerdem führt sie den Umstand an, daß der Kopf fragmentiert war und schlicht in Gips ergänzt worden ist, wobei ursprünglich vorhandene Befestigungen für seitliche Helmbüsche wie an der Parthenos nicht berücksichtigt wurden938. Zudem ließe sich über die Anbringungsvorrichtung für die Arme belegen, daß die seitlichen Attribute, auf die sich die Arme aufstützten, vorgesehen waren. M. Weber schließt daraus, daß die Athena nicht etwa eine reduzierte Fassung, sondern eine verkleinerte Kopie der Parthenos sei, die wahrscheinlich, wie das aufgrund des verwendeten pentelischen Marmors schon öfter vermutet wurde, in Athen hergestellt worden sei939. Zu einem Transport von Athen nach Pergamon würde natürlich auch der zerlegte Basisblock passen - die Statue wäre dann in Teilen transportiert und vor Ort aufgebaut worden. Allerdings könnte die Figur auch vor Ort von athenischen Künstlern, die nachweislich in Pergamon arbeiteten940, hergestellt worden sein. Durch die Beschreibungen bei Plinius und Pausanias sind Figurenzahl und Motivik der Reliefbasis der Parthenos bekannt941. Unter Verwendung von 21 Figuren war die „Geburt“ der Pandora
934 935 936 937
938
939 940 941
Winter a. O. (Lit. zu 4. 1, 1908) Beibl. 3. 24. Winter a. O. (Lit. zu 4. 1, 1907) 58. Vgl. Winter a. O. (Lit. zu 4. 1, 1908) 35 ff.; M. Gernand a. O. (Lit. zu 4. 1) 19 ff.; Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 1) 114 ff. M. Weber, „Zur Überlieferung der Goldelfenbeinstatue des Phidias im Parthenon“ JdI 108, 1993, 83-122. Nick, Athena Parthenos 195 ff. geht auf die Interpretationen M. Webers ein, führt die Athena aus der Bibliothek von Pergamon allerdings mehr oder weniger unkommentiert in ihrem Katalog der rezeptiven Bildwerke auf, a. O. 249 A 35. Wenn die Abbildung des Gipsabgusses bei Winter den Fundzustand wiedergibt (Winter a. O. [Lit. zu 4. 1, 1908] 24 Beibl. 2), fehlten bei der Auffindung tatsächlich der Hinterkopf und ein großer Teil der Helmkalotte. Verschiedene ausgebrochene Stellen am erhaltenen vorderen Helmteil sprechen dafür, daß hier Apliken abgebrochen sind, der Helm also doch verziert war. M. Weber a. O. 103 ff. S. N. Himmelmann, in: Phyromachos-Probleme. RM 31. Ergh. (1990) 20. Plinius, nat. hist. 36. 18; Paus. 1. 24. 7.
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dargestellt942. Die sechs Figuren der Basis aus Pergamon sind so schlecht erhalten, daß sie sich ohne Analogie kaum mehr deuten ließen943. Die durch die Beschreibungen der Basisreliefs bezeugten Figuren von Helios und Selene am rechten und linken Rand, die schemenhaft auf der Basis der Statuette Lenormant zu erkennen sind944, fehlen an der pergamenischen Basis. Deutlich sichtbar sind lediglich drei auf der rechten Hälfte der Basisfront im Dreiviertelprofil stehende Göttinnen ohne erkennbare Attribute. Sie tragen unterschiedliche Peplostrachten: Die äußere der drei Figuren war verschleiert und trägt den untergürteten Peplos mit kurzem Apoptygma. Die mittlere Göttin in übergürtetem Peplos mit Rückenmantel dürfte Athena dargestellt haben. Vor ihr steht eine weitere matronale Göttin, ebenfalls verschleiert und im untergürteten Peplos mit langem Apoptygma. Die beiden vorderen Göttinen halten nicht mehr erkennbare Attribute in ihren Händen. Wenn es sich um die Göttinnen handelt, die Hesiod zufolge Pandora schmückten945, dürfte die kleinere, frontale weibliche Figur, wie dies meist aufgefaßt wird, Pandora sein. Rechts von der kleinen Figur folgen dann zwei größere, wahrscheinlich männliche Gottheiten, die ebenfalls Gegenstände in der Hand halten: vielleicht Hephaistos und Hermes, die nach Hesiod in das Geschehen involviert waren946. Vergleiche mit anderen bekannten Pandora-Darstellungen zeigen, daß die kleine, frontal stehende Mittelfigur und die sie von beiden Seiten umstehenden größeren Götterfiguren der Ikonographie der Szene ihrer Erschaffung entspricht947. Die Basis der Pergamener Figur scheint also tatsächlich die gleiche Darstellung zu zeigen, wie die der Parthenos in Athen948. Den einzigen Hinweis auf ein Attribut auf dem dann mittleren Basisblock liefert eine kreisrunde Eintiefung links vor dem Spielbeinfuß, die bisher für die Einlassung einer Lanze ghalten wurde949. Folgt man der Einschätzung M. Webers, kann es sich nur um die Befestigungsvorrichtung für den Schild handeln950. M. Weber kommt also aufgrund aller ihrer Beobachtungen zum Schluß, die Athena von Pergamon sei eine Kopie der Parthenos. Die Unterschiede hat zuletzt J.-P. Niemeier aufgezählt951. Zu den Antiquaria der Athena aus Pergamon, die diese mit der Parthenos teilt, gehören weiterhin die latzförmige Aigis mit dem rie942 943 944
945 946
947 948
949 950
951
Vgl. J. M. Hurwit (s. Lit. zu 4. 1) und L. Berczelly, ActaAArtHist 8, 1992, 54 ff. Hurwit a. O. 172 Abb. 2. Zur Statuette Lenormant vgl. W. H. Schuchhardt, AntPl 2 (1963) 46 ff., N. Leipen, Athena Parthenos (1971) 3. 1 Abb. 1, 23, 63, Karanastassis, AM 1987, 410 f. B I 13 Taf. 42. 2, Hurwit a. O. 173 Abb. 3; Nick, Athena Parthenos 239 f. A 14 Taf. 18. 1. Vgl. E. H. Loeb, Die Geburt der Götter in der griechischen Kunst (1979) 142 ff. Vgl. Anm. 945. P. Weizsäcker, in: W. H. Roscher, Lexikon der griechischen und römischen Mythologie (18971902) s. v. Pandora 1524 ff. geht allerdings davon aus, daß zumindest die Darstellung auf der Basis der Parthenos in Athen nicht auf Hesiod, sondern auf eine ältere Version der Sage zurückgeht, die die Erschaffung der Erdgöttin Anesidora betrifft. Der Zusammenhang dieser Göttin, die später erst mit Pandora verschmolzen ist, mit Athena ist Weizsäcker zufolge direkter. Vgl. Weizsäcker a. O. 1525 f. Abb. 1; Loeb a. O. (Anm. 945) 144 ff. Meistens wird argumentiert, die geringe Anzahl der Figuren hinge damit zusammen, daß der „Kopist“ der Pergamener Figur das Basisrelief nicht zu klein habe werden lassen wollen, weshalb er die Figuren nicht auf ein Drittel der Größe des Athener „Vorbildes“ verkleinerte, sondern größer beließ. So hätten aber nicht mehr alle 21 Figuren des Originalreliefs auf die Basis gepaßt, sondern eben nur noch die zentrale Gruppe; vgl. Winter a. O. (Lit. zu 4. 1) 59 f.; E. V. Hansen, The Attalids of Pergamon 356. Vgl. dagegen Niemeier a. O. 115. Winter a. O. (Lit. zu 4. 1, 1907) 62 Abb. 4 c. Um die Attribute der Parthenos auf der zu kleinen vorhandenen Basis unterzubringen, wurden in der Literatur folgende Vorschläge gemacht: Säule und Schild seien auf den Stufen der Basis außerhalb der eigentlichen Reliefplinthe angebracht gewesen (Winter, AvP VII. 1, 38 ff.); das beschriebene Loch habe zur Befestigung von Schild und Schlange gedient (O. Puchstein, JdI 5, 1890, 113 Anm. 78). Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 1) 114 ff.
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sigen Gorgoneion, dessen unterer Rand abgerundet und mit feinen Schlangen versehen wurde, sowie der Helm, den auch Niemeier als unverziert beschreibt. Anders bleibt allerdings die Haarfrisur: Während die Parthenos an den Schläfen offenbar Locken hatte und ihr langes Haar vorn in zwei einzelnen symmetrischen Strähnen auf der Aigis auflag, ist das üppige Schläfenhaar der Pergamener Figur nach Art der späteren Athenatypen straff nach hinten geführt, wo es als Schopf auf den Rücken herabfiel. Diesen trotz der plausiblen Erweiterung von Basis und Helmschmuck existierenden Unterschied kann auch M. Weber nicht erklären952. Niemeier weist auf die strukturellen und stilistischen Unterschiede hin953. Während die riesige Parthenos heraldisch-frontal und axial konzipiert war, besteht die Athena von Pergamon aus einem System locker zueinander ins Verhältnis gesetzter Achsen: Die rechte Schulter senkt sich leicht und mit ihr der untere Rand der rechten Aigishälfte; dazu bildet der Unterkörper mit der zum Spielbein hinabgesenkten Taille das natürliche Gegengewicht. Im Vergleich mit hochklassischen Athenen wie der Athena Velletri und der Athena Giustiniani und mit spätklassischen wie der Athena Ince fällt auf, daß die pergamenische Schöpfung spätklassische Kompositionsprinzipien anwendet. Sie kombiniert die Heraldik von Kultbildern und Kolossalstatuen wie der Parthenos, mit der sie auch die nur geringfügig von der frontalen abweichenden Kopfwendung verbindet, mit dem spätklassischen Spiel verschiedener Körperachsen untereinander. Ihr Gewandstil wiederum ist, wenn auch härter und matallischer ausgeführt, hochklassisch und läßt sich gut mit den Giebelfiguren des Parthenon vergleichen954. Maniriert sind dagegen die spitzen Falten am linken Unterschenkel, die sich ganz ähnlich an einer späthellenistisch-klassizistischen Athenafigur in Epidauros finden955. Wenn die Pergamener Athena also stets als hellenistische ParthenosVariante bezeichnet wird, so kann dies nur als zeitliche, nicht aber als stilistische Einordnung gelten. An der Statue ist nicht viel genuin Hellenistisches - das klare, ruhige, von einer dünnen Außenhaut und einem kubischen Kern bestimmte Gesicht ist eher klassizistisch. Lediglich die Art der durch tiefe Bohrgräben voneinander abgesetzten Haarsträhnen läßt sich ähnlich am Fries des Großen Altars wiederfinden956. Insgesamt aber ist die Figur ein rein klassizistisch-eklektisches Werk, das sich kaum mit dem großen Fries des Pergamonaltares verbinden läßt. An einer anderen klassizistischen Figur, der Bronzeathena aus Arezzo, wurden bereits klassizistische Merkmale herausgearbeitet957. Die Figur unterlag typologisch einem wohl eher indirekten Einfluß des Typus Vescovali, von dem sie nur ein zentrales Bestandteil, nämlich den Trachttypus, in eklektischer Weise nutzte958. Im Falle der klassizistischen Figur aus Pergamon ist der Bezug zur Parthenos vielschichtiger und daher insgesamt enger: Monumentalität, Frontalität, Trachttypus, Helmform und Basisgestaltung orientieren sich wahrscheinlich an der phidiasischen Kolossalstatue, während gestalterische Details, Gesamtstruktur und Stil der Figur auf eigene Weise eklektisch-klassizistisch sind. Es kann also nicht die Absicht des Bildhauers gewesen sein, 952 953 954 955 956
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M. Weber a. O. (Anm. 937) 106. Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 1) 116 ff. S. Palagia, Pediments passim. Die Figur ist m. W. unpubliziert. Am Kopf der Ge vom Ostfries und am Kopf der Nyx vom Nordfries, vgl. die Detailabbildungen bei W. Müller, Der Pergamonaltar (1964) Abb. 14. 55. 56. 66 und Andreae, Skulptur des Hellenismus 116; zum Pergamonaltar vgl. Anm. 981. Vgl. S. 130 ff. Vgl. S. 134 ff.
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die Parthenos bildlich nach Pergamon zu versetzen. Vielmehr sollte eine Figur geschaffen werden, die zwar eine direkte inhaltliche Verbindung zur Parthenos herstellt, aber doch eine verkleinerte Umsetzung in Marmor ist und sozusagen komprimiert die klassische Zeit und ihre Werte in Pergamon versinnbildlicht. Der Unterschied zur herkömmlichen Interpretationsweise besteht darin, die Figur weder als hellenistische Umbildung noch als verkleinerte Kopie, sondern als in erster Linie als eigenständige, dem 2. Jh. gemäße klassizistische Wiedergabe der Parthenos zu interpretieren. So kann also auch nicht argumentiert werden, man habe die Parthenos nach Pergamon holen und dort in eigener, hellenistisch gefilterter Form wiedergeben wollen. Der Bezug zur Parthenos ist vielmehr auf einer inhaltlichen Ebene zu sehen: Man stellte den Inbegriff einer klassischen Repräsentationsfigur dar und verstärkte deren Allgemeingültigkeit durch einen umfassenden klassischen Habitus, den man der Figur verlieh959. Dadurch beschränkte sich die Aussage der Statue nicht auf die Wiedergabe eines berühmten Vorbildes, sondern konnte für die bildlich nach Pergamon übertragenen Inhalte einer ganzen Epoche stehen. So geht ihre Aussage auch über das Politische hinaus und gewinnt einen übergreifend geistes- und kulturgeschichtlichen, vielleicht speziell auch kunstgeschichtlichen Aspekt. Für eine getreuere Wiedergabe der Parthenos kommt ein anderer Kolossalkopf aus dem Athenaheiligtum in Frage, den M. Weber ebenfalls aufführt und der in seinen Formen viel besser zu den kleinformatigen Wiedergaben der Parthenos paßt und stilistisch durchaus parthenonisch ist. M. Weber nimmt ihn für die Athenastatue im Athenatempel in Anspruch960. Es wäre ja durchaus auch naheliegender, eine wirkliche Parthenoskopie als Kultbild in den Tempel zu stellen, der seinem Grundriß nach ohnehin dem Parthenon angeglichen ist.
Fundort und Datierung Der Aufstellungsort der Statue erschließt sich dadurch, daß der Rumpf in der Nordhalle des Athenaheiligtums im Eingangsbereich zu dem stets als Bibliothek bezeichneten östlichen Eckraum der Halle gefunden wurde961 und daß dieser Raum ein auffällig großes Postament besitzt. Die übliche Interpretation dieses Raumes als Aufbewahrungsort der berühmten Pergamener Bibliothek und der ihr angeblich angeschlossenen Kunstsammlung ist schon mehrfach bezweifelt worden; so zuletzt durch H. Mielsch962. Mielsch schließt sich der schon früher geäußerten Auffassung an, das am hinteren Raumende vor der Wand umlaufende Fundament der sog. Bibliothek habe nicht, wie stets angenommen, Bücherregale getragen, sondern es handele sich dabei um das Fundament einer langen Statuenbasis. Auch wenn W. Hoepfner dem bereits widersprochen hat963, sprechen in der Tat mehrere Gründe für die Nutzung des Raumes als Aufstel-
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Was heute so bewußt und intellektuell verfremdet klingt, war natürlich in der Entstehungszeit der Figur ein eher automatischer Vorgang. M. Weber a. O. (Anm. 937) 102. 105 Abb. 23-25; Winter a. O. (Lit. zu 4. 1) 46f. 25 mit Abb. erkannte bereits seine phidiasischen Formen. Vgl. R. Bohn, in: Conze – Humann - Bohn a. O. (Lit. zu 4. 1) 12; ders. a. O. (Lit. zu 4. 1, 1885) 59; Winter a. O. (Lit. zu 4. 1, 1908) 33. H. Mielsch, AA 1995, 765 ff.; s. a. Blanck a. O. (Lit. zu 4. 1) 185 ff. Abb. 95. W. Hoepfner, AA 1996, 26 ff. Wie Hoepfner selbst an einer Stelle seiner Ausführungen anmerkt (a. O. 34), sind seine Annahmen durchweg spekulativ. Im Gegensatz zu Mielsch, dessen Argumentation belegbar und methodisch fundiert zu sein scheint, stellt Hoepfner unbeweisbare Behauptungen auf und stützt sich auf erneute Re-
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lungsort einer Statuengruppe und nicht einer Bibliothek. W. Radt, der einen Überblick über die verschiedenen Forschungsmeinungen bezüglich der sogenannten Bibliothek gibt, erwähnt zudem einen Rechenversuch, aus dem hervorging, daß die überlieferte Anzahl von 200 000 Schriften nicht annähernd in dem betreffenden Raum unterzubringen gewesen wäre964. So ist z. B. das Fundament nur im nördlichen Raumbereich gesichert; entgegen den Rekonstruktionen für einen den Raum auf drei Seiten ganz umschließenden Regalunterbau965 verlief es möglicherweise auch nur dort und ergäbe dann eine rechteckige Exedrabasis mit betontem Mittelpostament966. Die Ablaufrinne vor dem rechten Teil dieses Fundamentes und die im Raum nachgewiesene Zisterne sind für einen Bibliotheksraum noch weniger passend als für einen Kultraum mit Anathem967. Wenn sich auch keine direkten Parallelen für eine Exedrabasis dieser Größe mit verstärktem Mittelpostament finden lassen968, scheinen doch die Art der Fundamentierung in zwei Steinreihen, die Zurichtung der Steine und ihrer Verklammerung sowie der Abstand des Fundamentes von der Wand für eine Statuenbasis zu sprechen969. Unter diesen Prämissen könnte man also für den Raum, in dem wahrscheinlich auf dem verstärkten Mittelpostament die Athena aufgestellt war970, ein mehrfiguriges Anathem annehmen. Zu einer solchen vielleicht teilweise auch kultischen Nutzung des Raumes passen Bruchstücke eines Giebels, die in dem Raum selbst gefunden wurden und dort auch angebracht gewesen sein
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konstruktionsvorschläge, um zu der alten Bibliotheksthese zurückzukehren. Auf die Argumentation Mielschs geht er nicht ein. Radt, Pergamon 168. Vgl. B. Götze, JdI 52, 1937, 230 Abb. 6-7. S. I. Schmidt, Hellenistische Statuenbasen (1995) 124 ff.; vgl. auch S. v. Thüngen, Die frei stehende griechische Exedra (1994). In Pergamon ist heute nur noch der rechte, nordöstliche Bereich des Fundamentes zu sehen. S. Conze – Humann - Bohn a. O. (Lit. zu 4. 1) Taf. II; Bohn AvP II (Lit. zu 4. 1) 59 Taf. XXXIII. Zur Ausstattung des Athenaheiligtumes mit zahllosen Statuen vgl. Ohlemutz a. O. (Lit. zu 4. 1). Es ist unwahrscheinlich, daß sich im Bereich der Bibliothek Wasser befand; zum Problem der Feuchtigkeit vgl. K. S. Staiker, Bibliothe´´kes (Kat. Athen 1997) 32 f. Vgl. I. Schmidt a. O. (Anm. 966) und M. Jakob-Felsch, Die Entwicklung griechischer Statuenbasen und die Aufstellung der Statuen (1969) 80. 86 ff.; ein kurzer Einblick in die Weihungen von Delphi und Delos lieferte darüber hinaus ebenfalls keine Parallelen - die Suche müßte jedoch ausführlicher fortgesetzt werden, als es in diesem Rahmen möglich ist. S. die Beschreibung des Fundamentes bei Bohn, AvP II 8 f.; vgl. das allerdings spätere Ost-Denkmal im Trajaneum von Pergamon, AvP V. 2 Taf. XXVI; eine verstärkte Mitte hat die Attalos-Exedra im Trajaneum a. O. Taf. XXV. Der Abstand des Fundamentes zur Wand wurde von den Vertretern des Bibliothekstheorie in Analogie zur Celsusbibliothek von Ephesos als Gang für die Belüftung der Regale zum Schutz gegen die Wandfeuchtigkeit interpretiert; vgl. Götze a. O. (Anm. 965) 231 Abb. 9 Beil. 2; anders jedoch Blanck a. O. (Lit. zu 4. 1) 207; s. a. Bohn, AvP II 69 f. Vgl auch Anm. 963. Die meisten übrigen bekannten und identifizierbaren Bibliotheksräume weisen gemauerte Wandnischen auf; vgl. abermals die Celsusbibliothek in Ephesos, Götze a. O. 232 ff. Dort führte ein Gang hinter bis zur Decke aufgehendem Mauerwerk entlang und nicht, wie dies von den Vertretern der Bibliothekstheorie für Pergamon angenommen wird, hinter einem halbhohen Postament mit darauf angebrachten Holzregalen. Auch die „Typologie“ der Räume in Pergamon spricht nicht unbedingt für eine Bibliothek; vgl. die entsprechenden Räume der Hadriansstoa in Athen und der Bibliothek von Timgad, Götze a. O. (Anm. 965) 231 Abb. 8, 10. Dazu ausführlich Blanck a. O. Abwegig ist allerdings die Argumentation, die als Beweis für die Aufstellung der Athena auf dem Mittelpostament dienen soll. Dafür wird das Verhältnis der Figur zur Parthenos bemüht: Es wird angeführt, der Postamentabschnitt habe genau ein Drittel der Größe, die man für die Basis der Athena Parthenos annehmen müsse, und da die Pergamener Athena die Parthenos insgesamt ebenfalls um ein Drittel verkleinere, weise dieses Maß auch auf ihren Standort hin. Ein Problem besteht allerdings darin, daß die Basis der Pergamener Figur jedoch im Verhältnis viel schmaler ist und in keinem Proportionsverhältnis zur Parthenos steht. Das wird zwar gesehen, aber nicht weiter berücksichtigt; s. Winter, AvP VII 1 40 f.; ders. a. O. (Lit. zu 4. 1, 1907) 63 ff. Zum Problem der Größe der Basis vgl. Anm. 948.
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müssen971. Zur Anbringung einiger der ebenfalls im Schuttbereich des oberen Nordhallenstockwerkes gefundenen Bauteile und Simenbruchstücke dienten möglicherweise die bisher für Bücherregale in Anspruch genommenen Löcher in den Wänden hinter der Basis972. Ob vier ebenfalls im Bereich der Hallen gefundene Inschriftensteine, die Dichterstatuen bezeichnet haben könnten, mit jener postulierten Statuengruppe zu tun haben, kann nicht entschieden werden973. Insgesamt scheint sich jedenfalls abzuzeichnen, daß der Raum, in dem die Athena aufgestellt war, eher als mit Statuen versehener Kultraum, als Archiv oder Pinakothek genutzt wurde und nicht mit der aufgrund einer Notiz bei Strabo von Eumenes II. eingerichteten Bibliothek identisch war974. Einer Inschrift am Propylon zufolge wurde auch die beidseitige Einfassung des Hofes mit dem Athenatempel durch die Säulenhallen in die Zeit Eumenes II. gesetzt975. Unabhängig von der Lokalisierung der Bibliothek ist dies für die Datierung der Figur entscheidend. Da die Gleichzeitigkeit von Stoa und oberen Räumen jedoch auch schon bezweifelt wurde, muß die Datierung auf stilistischem Wege bestätigt werden976. Häufig überlagerte die Parthenosrezeption die eigenständige Datierung der Kolossalstatue. Sie wurde stets in eine enge Beziehung zum Pergamonaltar gesetzt und ungefähr gleichzeitig datiert. Gerade weil es sich jedoch um eine klassizistische Figur handelt, ist ihre Datierung genauso interessant wie schwierig. Der Vergleich mit dem großen Fries vom Pergamonaltar wurde bereits angeführt977. Außer dem Haarstil ist der trockene Faltenstil vergleichbar, dem allerdings am Pergamonfries die klassizistische Härte, die er an der Athena von Pergamon angenommen hat, fehlt. Verwandt ist außerdem die Unruhe des Gewandstiles, die sich in den kräftigen LichtSchatten-Kontrasten und in unregelmäßig geführten Saumkanten äußert978. Winter bemerkte, daß der Klassizismus des Faltenstils an der Athena sich beispielsweise im Fehlen der Liegefalten im Stoff äußert979. Er äußert sich ferner darin, daß die Stoffmassen eingedämmt sind und ein anderes, gezügelteres, gänzlich unhellenistisches Verhältnis zum Körper eingehen. Winter kam im Vergleich der Statue mit den Altarfriesfiguren zu dem Ergebnis, der Gewandstil sei insoweit mit dem Altarfries verwandt, wie er dem Stil des Vorbildes - wie hier gezeigt werden sollte, dem Stil der gesamten klassischen Zeit - nicht entgegenstünde980. Das komplexe Problem der Datierung des Pergamonaltars kann hier nicht aufgerollt werden. Innerhalb der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. werden bekanntlich eine Frühdatierung und eine 971 972 973 974 975 976 977 978
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Bohn, AvP II (Lit. zu 4. 1) 59 f. Taf. XXXV. 18. Ebenda 59 ff. Taf. XXXV; W. Hoepfner deutet solche Architekturglieder als Einfassung gemauerter Bücherschränke, Hoepfner a. O. (Anm. 972) 30 Abb. 4, 5; 32 f. Abb. 7. Ebenda 68 f.; A. Conze a. O. (1884; Lit. zu 4. 1) 1259 ff. Strabo XIII C 624. Denkbar wäre eine Raumfunktion, wie sie für den Aufstellungsort der Statuen aus dem Athenaheiligtum von Magnesia anzunehmen ist (Eule, Hellenist. Bürgerinnen 85; vgl. Anm. 1131). Zur Bautätigkeit Eumenes II. vgl. A. Schober, ÖJh 32, 1940, 151 ff.; zum Athenaheiligtum 156 ff.; Vgl. auch E. W. Hansen a. O. (Anm. 948) 270 ff.; M. Kunze, in: Phyromachosprobleme. 31. Ergh. RM (1990) 138 f. Bohn, AvP II (Lit. zu 4. 1) 70 f. Anlaß zu Zweifeln gibt der Umstand, daß die Wände der Räume nicht mit den Säulenachsen der Stoa fluchten. Vgl. S. 168. Vgl. die Phoibe und die Asteria vom Südfries mit ihren ausgefransten Saumkanten, W. Müller, Der Pergamonaltar (1964) Abb. 26, Staatl. Museen Berlin. Die Antikensammlungen im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 47 mit Abb. Winter a. O. (Anm. ) 36. Ebenda.
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Spätdatierung vertreten981. Während stilistische Argumente eher zur Frühdatierung leiten, führen historische Argumente verstärkt zur Spätdatierung gegen die Jahrhundertmitte, die sich u.a. darauf beruft, daß der Altar letztlich unvollendet blieb. Aufgrund dieser Uneinigkeit stellt auch der Große Fries für die Athena keinen festen Datierungsanhaltspunkt mehr dar. Krahmer erkennt in seiner Untersuchung über hellenistische Köpfe den Klassizismus von Gewand und Körper, nicht jedoch den des Kopfes an982. Den Kopf ordnet er zunächst als rein hellenistisch in die Reihe der von ihm untersuchten Köpfe ein und beschreibt seine Leblosigkeit und Maskenhaftigkeit als Zeichen späthellenistischer Stilentwicklung. Er gesteht jedoch ein, die Erstarrung könne auch als Nachahmung der Hochklassik aufgefaßt werden. Widersprüchlich bleibt dann aber, weshalb er gleichzeitig jeglichen klassizistischen Einschlag abstreitet. Krahmer vergleicht einen bekannten hellenistischen Kolossalkopf in Istanbul aus Kos983, dessen handwerkliche Ähnlichkeit zum Kopf der Pergamener Athena eine unbedingte zeitliche Nähe verlangt. An diesem Kopf wird wie an den Köpfen des Großen Frieses deutlich sichtbar, in welchem Maße der Athenakopf jeglicher hellenistischer Plastizität entleert ist984. Die Zuspitzung nach vorn und zum Stirngiebel hin ist einer breiten Gesichtsfläche gewichen, über die sich die Sinnesorgane symmetrisch verteilen. Die einzelnen Kompartimente sind zu einer glattgezogenen Ebene verschmolzen, Augen und Mund sind nicht mehr so tief in das Karnat eingebettet. Selbst die Haarsträhnen sind wie alles andere beruhigt und unbewegt. Dennoch entspricht auch der Kopf nicht nur den Köpfen aus der Zeit der Parthenos: Die zarte Hautoberfläche über der dünnen Karnatschicht, die schmalen Augenlieder und der halbgeöffnete Mund begegnen vielmehr erst im 4. Jh. v. Chr. Auch der Kopf bestätigt also die allgemein klassizistische Tendenz der Figur, die nicht im strengen Sinne eine hochklassische Statue wiedergeben sollte. Die Athena läßt sich trotz ihrer klassizistischen Merkmale in den Zeitstil des frühen 2. Jhs. v. Chr. einordnen. Niemeier sieht eine enge Verbindung zwischen der Athena und dem Telephosfries. Er bildet einen Kopf des Frieses ab, der trotz des unterschiedlichen Formates tatsächlich eine ähnliche Beruhigung und Glättung aufweist wie der Athenakopf985. Auch im Gewandstil zeigen sich Parallelen: Die Gewänder der Figuren vom Telephosfries sind schlichter, teilweise dünner; die Falten sind entsprechend trockener und schärfer als am Großen Fries986 - die gleichen Merkmale kennzeichneten, trotz der beschriebenen, im Klassizismus begründeten Eigenschaften, den Peplos der Athena. Das 5. Jh. ist als ikonographische, das 4. Jh. als stilistische Inspirationsquelle genannt worden987. Die Trockenheit und Sprödigkeit der Gewänder, die sich teilweise noch an den Altarfriesen bemerken läßt, hat, wie sich bereits herausstellte, zu Beginn und in der ersten Hälfte des 3. Jhs. Hochkonjunktur und wird geradezu zum Kennzeichen frühhellenistischer 981
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Zu der Kontroverse ausführlicher zuletzt M. Kunze u. T.-M. Schmidt, in: B. Andreae (Hrsg.), Phyromachosprobleme, RM Ergh. 31 (1990) 133 ff. und A. Stewart, Gnomon 65, 1995, 710 ff.; vgl. auch Radt, Pergamon 168 ff. Abb. 115 - 125; Ridgway, Hellenistic Sculpture II 19 ff. und Andreae, Skulptur des Hellenismus 136 ff. 106 - 119 Abb. 100 - 111. G. Krahmer, Hellenistische Köpfe, Nachr. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, NF I. 10 (1936) 250 f. Krahmer a. O. 250 Taf. VIII Abb. 30; Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 1) 23 f. 26; R. Kabus-Preißhofen a. O. (Lit. zu 4. 1) 296 ff. 92 Taf. 76, 1. 2 (mit Lit.). Vgl. Stewart, Greek Sculpture 706; vgl. wiederum die Kopfdetails Müller a. O. (Anm. 978) 13-14, 28, 32, 36, 4243, 45, 48, 52, 55-56, 64. Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 1) 21 ff. Abb. 15. Zum Telephosfries s. Anm. 1242.. S. S. 168.
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Gewandstatuen988. Möglicherweise reflektiert der allgemeine Klassizismus der Figur auch diese Zeit - die Verbindungen zu den Athenen Castro Praetorio-Heraklion und den ihnen verwandten Statuetten vor allem an den Falten des Unterkörpers sind jedenfalls auffällig. An der bereits genannten bronzenen Athena von Arezzo wurde deutlich, wie einzelne klassizistische Merkmale sich zu einem eklektischen Ganzen verbinden können989. Nicht nur die Aigis ist ähnlich gebildet wie die der Pergamener Athena; auch Struktur und Aufbau, Haltung und Frontalität beider Figuren sind vergleichbar. Wenn auch die Pergamener Figur nicht eklektisch, also nicht aus einzeln aneinandergereihten, z.T. älteren Motiven zu einer neuen Komposition zusammengefügt ist, sondern insgesamt ein Gestaltungs- und Trachtmotiv der Klassik zugrundelegt, zeigen doch beide Figuren zumindest am Körper eine in gleicher Weise flache, additive, von außen aufgelegte Konzeption ohne inneren Kern. Die beschriebene Struktur der Athena von Arezzo mit den teilweise geraden, teilweise aber unorganisch gegeneinander verschobenen Achsen findet sich in gemäßigter Form bereits an der mehr als ein Jahrhundert älteren Pergamener Kolossalstatue. Daß diese von innen heraus durchgestaltet ist und ihre Achsen sich zueinander organischer und weniger unausgewogen verhalten, bestätigt den zeitlichen Unterschied beider Figuren und ihre damit einhergehende unterschiedliche Klassizismusrezeption, die jedoch letztlich in einer ähnlichen Tradition steht. Eine andere vergleichbare, ebenfalls überlebensgroße klassizistische Figur, die stilistisch ähnlich, aber bereits lebloser und starrer ist, ist die Athena oder Nike von Hierapytna in Venedig, deren Entstehung kurz nach 145 v. Chr. durch S. Ridgway wahrscheinlich gemacht werden konnte990. Der Kopf der Pergamener Figur läßt sich im 2. Jh. besser verankern als der stark klassizistisch geprägte Gewandstil. Der bereits genannte Kopf aus Kos991 mußte gleichzeitig oder etwas früher angesetzt werden als der Athenakopf. In die Zeit des Telephosfrieses ist m. E. die umstrittene Prometheusgruppe zu datieren, die wie die Athena im Schutt der Nordhalle des Athenaheiligtums gefunden wurde992. Obwohl der Herakleskopf kleinformatig ist, lassen sich die Beruhigung seiner Gesichtszüge und die breitangelegten Gesichtsproportionen sowie auch Augen und Mund im Detail gut mit dem Athenakopf vergleichen993. Der bekannte, möglicherweise Attalos I. darstellende überlebensgroße Porträtkopf aus Pergamon in Berlin kann die Datierung des Athenakopfes nach oben hin absichern994. Auch wenn der Kopf selbst unterschiedlich datiert wird, bewegen 988 989 990
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Vgl. S. 143 ff. S. Anm. 983. Ridgway, Hellenistic Sculpture II 163 f. Taf. 51, 52. Ridgway erkannte, daß der Kopf später hinzugefügt wurde und die Figur durch die Addition eines ehemaligen Akrolithkopfes, a. O. Taf. 52, (und wohl auch des Gorgoneions) zu einer Athena gemacht wurde. S. Anm. 983. Winter, AvP VII 175 ff. 168 Taf. 37 Beibl. 25; H.-G. Martin, Römische Tempelkultbilder (1987) 94 mit Anm. 450 Abb. 22 a. b; Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 141 Abb. 57, 210 ff. 7 Abb. 7 a-d; B. Hintzen-Bohlen, IstMitt 40, 1990, 145 ff.; W. Heilmeyer, Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses (1997) 76 ff. 3 Abb. 1-3, Farbabb.; Andreae, Skulptur des Hellenismus 204, 202, 203. Die klassizistische Glättung und Beruhigung muß, wie an der Athena selbst zu sehen, nicht für eine späte Datierung der Prometheusgruppe sprechen (vgl. Martin a. O.). Die Identifizierung des Kopfes als Porträt ist trotz ihrer langen Tradition nicht zwingend (vgl. Himmelmann a. O.) - was meist als Idealporträt gedeutet wird, könnten auch klassizistische Züge sein. Winter a. O. (Anm. 992) 144 ff. 130 Abb. 130 a. b. Taf. XXXI-XXXII; Himmelmann a. O. (Anm. 992) 139 Abb. 56, 210 f. 6 Abb. 6 a-d; M. Kunze, in: Staatliche Museen zu Berlin. Die Antikensammlungen im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 170. 71 mit Abb.; R. R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (21998) 160. 28 Taf. 22. 1-6, 23. 1; W. Heilmeyer a. O. 72. 1 Abb. 1-5, Farbabb.; Andreae, Skulptur des Hellenismus 108 ff. 73.
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sich die Vorschläge in der Zeit um 200 v. Chr. - der Herrscherkopf ist damit in jedem Falle eher entstanden als der der Athena. Ähnlich ist die plastische Fertigung der Haarsträhnen am Lockenkranz mit ihren tiefen Bohrungen zwischen kompakten Strähnen sowie die breite Anlage des Gesichtes und seiner Einzelteile. Trotz der Unterschiede in der Karnatbildung, die die frühere Entstehung des Porträtkopfes bestätigen, aber natürlich auch motivbedingt sind, zeigt doch die Profilansicht, daß der auf Klassisches bzw. Spätklassisches zurückgreifende Athenakopf in der gleichen Tradition steht. Von der handwerklichen Arbeit her vergleichbar, vom Gesamteindruck her völlig unterschiedlich ist ein hellenistischer Kopf, der trotz seines nur lebensgroßen Formates teilweise als Porträt Attalos III. bezeichnet wird995. Die Proportionen sind ähnlich, das Karnat ebenfalls zart, die Ausführung der Augen technisch vergleichbar, hellenistisch und eben nicht klassizistisch aber sind das schwellende Karnat, die hervorquellenden Augäpfel, der weiche Mund. Der Kopf wird meist in die Mitte des Jahrhunderts datiert und kann nicht als absoluter Anhaltspunkt, sondern nur als relatives Datierungsglied innerhalb der aufgestellten Reihe dienen. Nach neueren Ergebnissen etwas früher, nämlich spätestens um 180 v. Chr. müssen die in Messene und Lykosoura erhaltenen Köpfe der Werke Damophons von Messene entstanden sein996. Auch diese Köpfe wurden bisher als klassizistisch eingestuft. Ihr „Klassizismus“ ist jedoch wieder ein ganz anderer als der des Athenakopfes: Wo dieser beruhigt und von fast leerer Glättung ist, sind die Köpfe Damophons von eindrucksvoller Lebendigkeit997. In Anbetracht der plausiblen früheren Datierung ist die Klassizismus-Erklärung, die wohl auch bisher als Notlösung für die Fremdartigkeit der Werke im mittleren 2. Jh. herhalten mußte, ohnehin überflüssig geworden. Wie die sogenannte Euboulides-Athena998 sind auch die Werke Damophons bereits für kaiserzeitlich gehalten worden. Dies kann nun jedoch mit Sicherheit ausgeschlossen werden: Eine Datierung spätestens um 200 v. Chr. erscheint stilistisch und auch historisch plausibel999. Die Euboulides-Athena hingegen wird neuerdings mit guten Gründen als frühkaiserzeitlich betrachtet1000 daß sie trotz ihres Fundortes nicht zu der von Pausanias erwähnten Euboulides-Weihung gehört, gilt als erwiesen1001. Auch sie läßt sich daher nicht mehr neben die Pergamener Athena stellen. Auch die bewegte weibliche, meist Nike genannte Figur, die am gleichen Ort gefunden wurde1002, kann nicht späthellenistisch sein, sondern muß m. E. in das 3. Jh. v. Chr. datiert wer-
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Winter a. O. (Anm. 992) 150 ff. 132 mit Abb.; Himmelmann a. O. (Anm. 992) 216. 8 Abb. 8 a-b; Kunze a. O. 172. 72 mit Abb. u. weiterer Lit.; Smith a. O. 176. 117 Taf. 65. 3-4. 996 Vgl. Themelis a. O. (Anm. 818); Ridgway, Hellenistic Sculpture II 235 ff.; Andreae, Skulptur des Hellenismus 37 f. 96 f. Andreae zufolge gehören die Skulpturen Damophons dem ausgehenden 3. Jh. an (a. O. 96). 997 Aus den Quellen ergibt sich nicht, daß Damophon ein klassizistischer Künstler gewesen ist (vgl. M. Bieber, The Sculpture of the Hellenistic Age [21961] 158). Dies wird lediglich aus dem stilistischen Befund abgeleitet - ein weiteres Argument für die neue Erkenntnis, nach der die Skulpturen früher entstanden und damit nicht klassizistisch sind, sondern stilistisch noch im späten 3. Jh. verankert sind. 998 M. Bieber a. O. 158 Abb. 669; Pollitt, Hellenistic Age 165 Abb. 169; G. Becatti, RIA 7, 1940, 52 ff. Abb. 30, 105 f. Anm. 189; G. M. A. Richter, Three Critical Periods in Greek Sculpture (1951) 35, 43 Abb. 65; vgl. ferner E. Berger, Antike Kunstwerke aus der Sammlung Ludwig III: Skulpturen (1990) 173 Anm. 16; G. Despinis, Kongr. Ber. Berlin 1988 (1990) 151; Karanastassis, AM 1987, 356 f. 416 ff. B III Taf. 47. 1, 2. Travlos, Athen 424 Abb. 541. 999 S. Themelis a. O. (Anm. 996). 1000 Karanastassis, AM 1987, 416 ff. datiert den Kopf m. E. richtig augusteisch. 1001 Despinis a. O. (Anm. 998). 1002 Karanastassis, AM 1987, 416 Anm. 444; Travlos a. O. (Anm. 998) 425 Abb. 542; vgl. auch G. Krahmer, Hellenistische Köpfe. Nachr. d. Wiss. Göttingen (1936) 251 f. Taf. VIII Abb. 32.
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den, sodaß sie weder für Euboulides noch als Vergleich für ein klassizistisches Werk des späten 2. Jhs. in Frage kommt1003. Aus Pergamon selbst stammt ein weiterer kolossaler weiblicher Einsatzkopf, der trotz starker Zerstörung von seiner Ausführung her sichtlich mit dem Kopf der Athena verwandt ist1004. Winter datiert ihn „königszeitlich“ - vor allem die Art der Haargestaltung, aber auch Proportion und Karnatbeschaffenheit rücken den Kopf in die Nähe des Altares und der mit der Athena verglichenen Werke. So hat die Athena zumindest innerhalb der pergamenischen Kunst einen stilistischen Parallelfall, der allerdings zu schlecht erhalten ist, um seiner Rezeptionsform nach genauer untersucht zu werden. Orientiert sich die Datierung der Athena von Pergamon in erster Linie an der Errichtung des Gebäudes, in dem sie gefunden wurde, so konnte ihre Datierung anhand von Parallelen zu einzelnen Werken des frühen 2. Jhs. erhärtet werden. Ihr Klassizismus bleibt allgemein; die Athena Parthenos ist inhaltlich direktes und stilistisch indirektes Vorbild1005. Auf die inhaltliche Beziehung gibt es außer der Basisdarstellung, der Ikonographie und dem Klassizismus der Figur auch über die Statue selbst hinaus Hinweise: Seit dem 3. Jh. wurden in Pergamon wie in Athen Panathenäen abgehalten1006. E. Ohlemutz erwähnt außerdem die im Athenaheiligtum gefundenen Koren und gibt zu bedenken, daß deren Aufstellung als konkrete Anspielung auf die Akropolis in Athen gemeint gewesen sein könnte1007. Historische Gründe und andere Quellen bestätigen die Datierung der Athena. Laut verschiedener erhaltener Inschriften luden die Pergamener unter Eumenes II. 182 v. Chr. den ganzen griechischen Raum zur Teilnahme an den neugegründeten Nikephorien - die Aufstellung einer kolossalen Athenastatue evtl. im Rahmen eines Anathems im Burgheiligtum würde sich zu diesem Anlaß anbieten. Auf pergamenischen Münzen des 2. Jhs. v. Chr. ist Athena besonders oft vertreten. Ohlemutz sieht darin eine Blüte des Athenakultes in Pergamon im 2. Jh. bestätigt, die sich auch aus anderen Quellen ergeben hat1008.
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Wahrscheinlich hat P. Karanastassis recht mit ihrer Vermutung, der entsprechende Pausaniastext könne ebenso gut dahingehend verstanden werden, daß nur die zuletzt erwähnte Apollonfigur dem Euboulides zugeschrieben wird (Karanastassis, AM 1987, 417. 3). 1004 Winter, AvP VII 121, 95 mit Abb. 1005 Ein von M. Bieber angeführtes Pausaniaszitat, dem zufolge mehrere hellenistische Herrscher bewußt ParthenosKopien aufgestellt haben sollen, ließ sich nicht verifizieren - möglicherweise schloß M. Bieber dies aus der Evidenz der von ihr angegebenen Münzen, Bieber a. O. (Anm. 998) 157; vgl. Karanastassis, AM 1987, 325 f. Anm. 11. Am besten beschreibt H. Blanck das Verhältnis zwischen der Athena von Pergamon und der Parthenos durch folgende schlichte Äußerung: „Auf dieser Basis stand eine überlebensgroße Statue der Athena, die sich in ihrem Typ an die berühmte Parthenos des Phidias anlehnt“ (Das Buch in der Antike, 1992, 185). 1006 Vgl. Ohlemutz a. O. (Lit. zu 4. 2) 25 f.; A. Faita, in: Deacy - Villing, Athena 170. A. Faita liefert in ihrem Beitrag über eine Münze der Athena Nikephoros aus Pergamon auch einen Überblick über den Athenakult in Pergamon, a. O. 163 - 179. 1007 Ohlemutz a. O. (Lit. zu 4. 2) 57 mit Anm. 122. 1008 Ebenda 48.
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Athena mit der Kreuzbandaigis Weit diffuser als die der sogenannten Athena Parthenos von Pergamon ist die Interpretation der vom selben Fundort stammenden Athena mit der Kreuzbandaigis. Der Körper wurde 1880 im westlichen ersten Raum hinter der Nordstoa gefunden, der Kopf im Jahr darauf im Norden hinter demselben Raum. Der Fund einer weiteren weiblichen Götterstatue in diesem Raum zeigt, daß dort noch andere Figuren aufgestellt gewesen sein müssen1009. Die Zugehörigkeit des Kopfes scheint dadurch gesichert, daß er auf Fragmente des Halses paßt, die mit dem Rumpf zusammen gefunden wurden. 4. 2 Athena mit der Kreuzbandaigis, Berlin H 1. 87 m parischer Marmor Lit.:
A. Conze - C. Humann - R. Bohn, Die Ergebnisse der Ausgrabungen zu Pergamon 1880-1881. Vorläufiger Bericht (1882) 11 f. 54; A. Conze, SB Berlin 1893, 211 f.; A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Alterthum, Abh. d. bayr. Akad. d. Wiss. 20 (1897) 539 f.; O. Puchstein, JdI 5, 1890, 95 f.; Winter, AvP VII 13 ff. 22 Taf. II-V; G. Krahmer, RM 40, 1925, 67 ff. Beil. 1; H. Bulle, in: FS P. Arndt (1925) 66 ff. Abb. 6-8, 14; E. Ohlemutz, Die Kulte und Heiligtümer der Götter in Pergamon (1940) 49; A. Schober, Die Kunst von Pergamon (1951) Abb. 88, 113; W. Fuchs, Die Vorbilder der neuattischen Reliefs. 20. Ergh. JdI (1959) 3 Anm. 18; Berger, AntK 1967, Taf. 24. 11; R. Horn, Hellenistische Bildwerke auf Samos (Samos XII, 1972) 78; Gernand, AM 1975, 34 ff. Taf. 8-9; J. P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985) 24 ff. 129 ff. 139 ff. Abb. 3, 21, 23; M. Kunze u. a., Staatliche Museen Berlin. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 178 f. 76 mit Abb.; J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) 77, 101 Abb. 87 (versehentlich als Athena Rospigliosi bezeichnet); H. Mielsch, AA 1995, 765 ff. 774 Abb. 10; H. Meyer, in: Kommos, FS Thuri Lorenz (1997) 111 f.; A. Villing, in: G. L. Tsekhladze u. a., Periplous, Festschr. J. Boardman (2000) 362 Abb. 1; Ridgway, Hellenistic Sculpture II 162 f.
Die Athena mit der Kreuzbandaigis wurde stets neben die kolossale Athena aus Pergamon und in unmittelbare Nähe des Großen Altares versetzt, obwohl sie zumindest mit dem Klassizismus der sog. Athena Parthenos schon allein stilistisch und handwerklich wenig zu tun hat. Dennoch gelten beide als gleichzeitig entstandene hellenistische Varianten älterer Vorbilder1010. Der Kopf der Kreuzbandaigis-Athena hat zur Ansiedelung ihres direkten oder indirekten Vorbildes in die Zeit des Strengen Stils geführt. Dazu schienen die Grobschlächtigkeit ihrer Gliedmaßen und die Schwere des Gewandstoffes sowie ihre lastende Komposition zu passen. Krahmer hat die Athena ausführlich beschrieben und analysiert. Wenn er auch zu anderen Ergebnissen kommt als den hier vertretenen, kann seine Beschreibung an dieser Stelle doch
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S. Radt, Pergamon 166 Abb. 112. Zur sog. Hera von Pergamon s. Winter a. O. 25 ff. Taf. VI, VII; Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 86 ff. Abb. 1; Schuchhardt, Alkamenes 17 ff. Abb. 12-14; Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 2) 111 ff. Abb. 22, 24; M. Gernand a. O. (Lit. zu 4. 2) 6 Anm. 9 Taf. 7. 1010 Vgl. Krahmer a. O. 81 ff.
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zugrunde gelegt werden1011. Die äußeren Angaben zur Figur führt Winter detailliert aus; seine Beschreibung legt allerdings weniger Gewicht auf Stil und Komposition1012. Krahmer beobachtet verschiedene, sich zueinander gegensätzlich verhaltende Bewegungsrichtungen und vermißt eine einheitliche s-förmige Schwingung, die es ermöglichen würde, die Figur bzw. ihr Vorbild in die zweite Hälfte des 5. Jhs. zu datieren, wohin sie dem Kopftypus und der Trachtform nach passen würde. Die gebrochene Linienführung und das Gegeneinander der Achsen bezeichnet er als „echt hellenistisch“1013. Daß diese „offene Form“ später hellenistischer Werke nicht die raumausgreifende Wirkung hat, die den originalen hellenistischen Werken eigen ist, erklärt Krahmer mit einer durch die Form des klassischen Vorbildes auferlegten Mäßigung1014. Genauso und sogar noch besser lassen sich Krahmers Beobachtungen aber mit klassizistischen Kriterien verbinden. Diese waren an der kolossalen Athena von Pergamon bereits gemäßigt sichtbar1015 und zeigten sich verstärkt an der Bronzeathena aus Arezzo1016 und an den römisch-klassizistischen Statuetten in Athen und Venedig1017. Krahmer selbst erwähnt den heute als römisch-klassizistisch geltenden Bronzeapoll aus der Casa del Citharista in Pompeji1018 sowie den Florentiner Idolino1019. Beide Statuen belegen, daß die Komposition der Athena ebenfalls römisch-klassizistisch ist. Das gleiche gilt für den Faltenstil: Hierin gleicht die Athena auf frappante Weise den oben genannten klassizistischen Athenastatuetten aus Athen. Auch mit der sog. Artemis von Ariccia stellt Krahmer eine Figur neben die Athena, die selbst in allerhöchstem Maße klassizistisch erscheint1020. Vergleiche der Faltengebung mit der der Figuren vom Pergamonaltar sind kaum nachvollziehbar und werden trotz hellenistischer Datierung auch selten gezogen1021. Der Faltenstil des Altares ist bewegter, dramatischer, dünnhäutiger und gleichzeitig kontrastreicher. Ebenso wenig ließ sich die kolossale Athena aus Pergamon vergleichen, deren Faltenstil einige Gemeinsamkeiten mit dem des Großen Altares aufwies. Im Zuge seiner Argumentation mit den einander widerstrebenden Achsen vernachlässigt Krahmer einige m. E. wichtige kompositorische Merkmale. Dazu gehört vor allem der geschlossene Kontur, der die Achsen zusammenhält und den Krahmer vielleicht unbewußt mit dem Einfluß eines klassischen Vorbildes zu erklären versucht. Ferner betrifft dies die extreme Vereinzelung und Aneinanderreihung der Statuenpartien, die nur von eben diesem Kontur zusammengehalten werden. Unberücksichtigt bleibt auch die Flächigkeit der Komposition von vorn, aus der sich die einzelnen Abschnitte der Figur ruckartig und unorganisch vor und zurückbewegen. Krahmers angeblich hellenistische Merkmale treten also in der geschilderten, etwas anders aufgefaßten Form viel deutlicher an klassizistischen Werken auf. Dies wäre alles gar nicht so offen1011
Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 67 ff. Winter a. O. (Lit. zu 4. 2). 1013 Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 69. 1014 Ebenda 71 f. 1015 S. S. 165 ff. 1016 S. S. 130 ff. 1017 S. S. 22 ff. 1018 Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 72; zum Apoll s. P. Zanker, Klassizistische Statuen (1974) 61. 7. 1 Taf. 54. 1, 55. 1; zuletzt: Meisterwerke der Antike aus dem Archäologischen Nationalmuseum Neapel (Kat. Bonn 1995) 116 f. 29 mit Abb. 1019 Zanker a. O. 30 ff. 28 Taf. 33. 2-3, 34. 3-4 mit Lit. 1020 Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 74 ff.; zur Artemis von Ariccia s. W. Amelung, JdI 37, 1922, 112 ff. Abb. 2; Schuchhardt, Alkamenes 26 f. Abb. 23-25; L. Kahil, in: LIMC II (1984) Artemis 125-128. 1021 Krahmer a. O. 75. 1012
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sichtlich, wenn sich nicht auch der Faltenstil als unhellenistisch erweisen ließe. Der Gewandstoff ist gleichmäßig schwer und wird von glatten Partien und wulstigen, geraden Falten bestimmt. Die zähflüssigen Falten sind von tiefen, gerade gebohrten Faltentälern begleitet und schwingen teilweise starr in unterschiedliche Richtungen aus. Die Apoptygmafalten oberhalb und unterhalb der Gürtung bleiben voneinander völlig unabhängig. Während die Gürtung eine fast horizontale Achse bildet, zieht sich auch eine lotrechte Achse mitten durch den Körper und teilt ihn in zwei gestalterisch voneinander nahezu unabhängige Hälften. In den Seitenansichten setzt sich dieser Eindruck fort: Auch hier sind einzelne Gewandpartien so lange additiv nebeneinandergesetzt, bis die Seitenflächen der blockhaften Figur gestalterisch ausgefüllt sind. Stilistisch und handwerklich paßt der Faltenstil weder in die klassische noch in die hellenistische, sondern nur in die römische Zeit, und zwar genauer in neronisch-frühflavische Zeit1022. Die im gleichen Raum wie die Athena gefundene Peplophore, die sog. Hera von Pergamon1023, ist der Athena in Größe, Faltenstil, Massivheit und sogar in Details wie der Ausführung des Fußes so verwandt, daß sie aus der gleichen Werkstatt stammen könnte. Auch diese Statue zeigt die für die flavische Zeit typischen Eigenschaften der Faltenarbeit. Noch deutlicher als an der Athena ist hier die Verwandtschaft mit den im Zusammenhang mit der Athena Ince behandelten kleinformatigen klassizistischen Statuen aus Athen und Venedig sichtbar1024. Schuchhardt betrachtet die Hera von Pergamon als römische Umbildung der Prokne1025.
Die Kreuzbandaigis - Antiquaria Mit diesen Statuetten teilt die Athena wiederum die Bildung der Aigis: Wenn auch die Kreuzbandform einzigartig bleibt, kommen die glatte Oberfläche, die bogenfömig gewellten Schlan1022
Ein neronischer Frauentorso ebenfalls in Berlin, K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Statuenausstattung des Metroon. OF 19 (1991) Taf. 26-27, zeigt bereits Anfänge des wulstig-dicken Faltenstils; die Falten seines Himations entsprechen in ihrer Textur jenen am Brustkorb der Athena. Als wahrscheinlich provinzielles Werk muß eine Statue der Agrippina minor in Olympia gelten, Bieber, Ancient Copies Taf. 137 Abb. 805-806; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 101. 33. 5 Taf. 81. 2, die dennoch zeigt, wie weit die Wulstigkeit und Trägheit der Falten bereits in neronisch-frühflavischer Zeit gehen konnte. Die gleiche Richtung beschreitet bereits die claudische Statue des jugendlichen Nero aus Velleia, Kleiner, Roman Sculpture 137 Abb. 110; C. Saletti, Il ciclo statuario della Basilica di Velleia (1968) 49 ff. 11 Taf. 25; Boschung a. O. 26. 2. 10 Taf. 19. 1, 3 Taf. 20. 1. Dieser charakteristische Faltenstil bleibt mit diesen Grundzügen über die flavische Zeit hinaus erhalten; vgl. die Gewandstatue der Matidia in Istanbul, M. Bieber a. O. Taf. 124 Abb. 730; Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 233 f. A 2 Taf. 3; vgl. eine flavische Gewandstatue am selben Ort, M. Bieber a. O. Taf. 143 Abb. 837. Er bestimmt auch die vielzitierten Cancelleriareliefs, F. Magi, I rilievi della Cancelleria (1945). Noch eindeutiger als das Gewand ist jedoch die Charakteristik des Kopfes: Von neronischer Zeit an lassen sich dieselbe Zartheit der Oberfläche, die Weichheit des Karnates darunter finden, und bis in flavische Zeit hinein bleiben die weichen, dicken Augenlider und das schwere Unterlid charakteristisch, die die mandelförmigen Augen umgeben und sich im äußeren Augenwinkel nur knapp überschneiden; vgl. über den Kopf der genannten Nerostatue von Velleia hinaus die Porträts P. Cain, Männerbildnisse neronisch-frühflavischer Zeit (1993) Taf. 4, 5, 12, 13, 20, 21, 22, 30, 31, 52; s. außerdem G. Daltrop u. a., Die Flavier, Herrscherbild II 1 (1966) 116 Taf. 43. 46 c, 119 Taf. 44, 46 d, 47 c; vgl. auch den Kopf der Togastatue des Titus a. O. 93 Taf. 11, 22 c; vgl. ferner den Domitianskopf Fittschen-Zanker I2 36 f. 33 Taf. 35, 37. Ähnlich ist auch eine neronisch-frühflavische Büste im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker a. O. 57 Taf. 93-94. Auch die Bildung der Haarsträhnen am Knoten des Kopfes würde - selbst wenn er nicht zugehörig sein sollte - in flavische Zeit passen; vgl. P. Cain a. O. Taf. 45, 46; vgl. außerdem den Kopf der Julia Titi als Venus in Kopenhagen, Daltrop a. O. 115 Taf. 45, F. Johansen, Ny Carlsberg Glyptotek. Cat. of Roman Portraits II (1995) 44. 11 mit Abb., sowie den oben genannten Kopf Domitians, Fittschen-Zanker a. O. Taf. 35, 37; vgl. ferner die Haarsträhnen der obengenannten weiblichen Büste im Museo Capitolino. 1023 S. Anm. 1009. 1024 Vgl. Anm. 1017. 1025 Schuchhardt a. O. (Anm. 1009) 18 f.; zur Prokne vgl. Anm. 74.
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genkörper am unteren Aigisrand sowie das runde Gorgoneion mit der heraushängenden Zunge auch an der Aigis der beiden kleinformatigen Athenen vor1026. Vor allem das Gorgoneion mit der heraushängenden Zunge kann als Anzeichen für Klassizimus gewertet werden; es erscheint trotz der möglichen Variationen des Gorgoneions normalerweise nicht an den Repliken und ist für klassische Athenadarstellungen innerhalb der Großplastik eher ungewöhnlich1027. Es wird sich hier um eine Entlehnung aus archaischer Zeit handeln1028, wie sie gerade bei klassizistischen Statuen naheliegt. Die Kreuzbandaigis ist eine äußerst seltene Form der Aigis. Sie erscheint ganz vereinzelt in der Vasenmalerei1029 und auf hellenistischen Münzen1030. H. Meyer, der in der Athena mit der Kreuzbandaigis neuerdings die eigentlich phidiasische Athena Lemnia sehen will, verwies auf ein seiner Ansicht nach um 430 entstandenes Relief in Fier in Albanien, das eine Athena mit Kreuzbandaigis zeigt1031. Das gleiche Relief stellt A. Villing in einem Aufsatz über die Kreuzbandaigis neben die pergamenische Figur1032. Die Kreuzbandaigis muß wahrscheinlich als Verdoppelung der schrägen Aigis aufgefaßt werden, die innerhalb der Athenaikonographie in allen Gattungen anzutreffen ist1033. Angeregt ist die Verdoppelung wahrscheinlich durch das noch nicht recht deutbare vorn gekreuzte Brustband, das teilweise auch mit einem Gorgoneion in der Mitte auftreten kann1034. Die beiden sich 1026
Vgl. vor allem die unterlebensgroße Statue in Venedig (s. S. 27 f.), deren kragenförmige Aigis der der Athena mit der Kreuzbandaigis handwerklich ähnelt. 1027 Die einzige Ausnahme konnte als Fälschung beurteilt werden; s. Anm. 1179; zur Ikonographie der Aigis vgl. auch S. 258 ff.; an den Repliken des Typus Ostia-Cherchel dient es ebenfalls als Hinweis auf den evtl. Klassizismus des Typus, vgl. S. 106 ff. In der Vasenmalerei tritt das Gorgoneion in dieser Form allerdings auf; vgl. die Darstellung des Gigantenkampfes des Suessola-Malers auf der Amphora aus Melos in Paris, Demargne, LIMC II 991 Athena 391Taf. 749. 1028 Vgl. H. Besig, Gorgo und Gorgoneion in der archaisch-griechischen Kunst (1937); J. Floren, Studien zur Typologie des Gorgoneion (1977) passim; Vierck, Aigis; neu zum Gorgoneion (allerdings nicht aus archäologischer Sicht) S. R. Wilk, Medusa. Solving the Mystery of the Gorgon (2000) und S. Vierck, in: LIMC VIII 1 (1997) s. v. Aigis (Suppl.) 510 ff.; B. Gufler, Orientalische Wurzeln griechischer Gorgo-Darstellungen, in: M. Schuol - K. Hartmann - A. Luther (Hrsg.), Grenzüberschreitende Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum (2002) 61 ff. 1029 Zur Kreuzbandaigis in der Vasenmalerei vgl. A. Conze, SB Berlin 1893, 211 ff.; zu einer Münze Antiochos VII. Sidetes, die eine Athena mit Kreuzbandaigis zeigt, s. auch Anm. 41; zum Kreuzband vgl. zuletzt A. Villing (s. Lit. zu 4. 2). 1030 Vgl. die seleukidischen Münzen in London, P. Gardner, The Seleucid Kings of Syria. BMC, Greek Coins (1878) Taf. XVII. 10, Taf. XX. 6. 1031 H. Meyer, in: Kommos. FS Thuri Lorenz (1997) 111 ff. Taf. 23 Abb. 63. Die damit verbundene Identifizierung der Athena mit der Kreuzbandaigis als phidiasische Athena Lemnia ist allerdings m. E. so spekulativ wie unwahrscheinlich. 1032 S. Lit. zu 4. 2. A. Villing trägt in komprimierter Form Zeugnisse zur Kreuzbandaigis und ähnlichen Gürtungsformen aus der gesamten antiken Welt zusammen und kommt zum Schluß, die Kreuzbandaigis stehe über die Gürtung der Gewänder junger Mädchen mit Jugendlichkeit und deren ritueller Einbindung in die Polisgesellschaft in Verbindung. Überlegenswert wäre vielleicht noch ein Aspekt, der nur am Rande anklingt: Ob nicht auch der Status jugendlicher Priesterinnen zum Tragen der Kreuzbandaigis ähnlicher Bänder berechtigt haben könnte. 1033 Vgl. Anm. 582. 1034 Bei Nikefiguren dient das Brustband häufig zum Halten des Gewandes - was wohl auch seiner ursprünglichen Funktion entsprach, vgl. A. Gulaki, Klassische und klassizistische Nikedarstellungen (1981) passim; in dieser Funktion erscheint das Kreuzband am Ostgiebel des Parthenon, vgl. Palagia, Pediments Abb. 47. Besonders häufig tritt es mit oder ohne medaillonartigem Gorgoneion an spätklassischen Grabstelen junger Mädchen auf, vgl. Anm. 874. Zum Kreuzband vgl. auch Conze a. O. (Anm. 1029), der es als typische Bekleidungsform junger Mädchen betrachtet. Das Kreuzband mit Gorgoneion erscheint an der Athena der Kertscher Pelike in St. Petersburg Taf. 90. 2, Demargne, LIMC II 997 Athena 456 Taf. 753, an der wahrscheinlich durch spätere Abwandlung Athena darstellenden Nike von Hierapytna in Venedig, G. Traversari, Sculture del V-IV secolo del Museo Archeologico di
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überkreuzenden Aigisbänder sind ganz ähnlich gestaltet wie die Schrägaigis des Athenatorsos aus dem Westgiebel des Parthenon, dem der Oberkörper der Athena auch in anderer Hinsicht verwandt ist1035. Besonders merkwürdig ist der der Figur aufsitzende Kopf, dessen eigenartige Zurichtung bisher noch nicht erklärt werden konnte. Die Ergänzungsvorschläge reichen vom Petasos bis zu angesetzten Haarlocken1036. Die Löcher an den Schläfen und der unausgearbeitete Oberkopf lassen eine wahrscheinlich metallische Kopfbedeckung erwarten, die den sorgfältig ausgearbeiteten Haarknoten am Hinterkopf zumindest teilweise sichtbar ließ. Da die linke Hand sicher eine Lanze hielt, wäre der Helm als Kopfbedeckung dazu denkbar1037. Der attische Helm ist allerdings zu eng; der korinthische würde den Haarknoten mit bedecken und ließe das Stirnhaar frei, das aber bedeckt gewesen zu sein scheint. Als einzige passende helmartige Kopfbedeckung käme die makedonische Kausia oder ein Petasos, wie ihn H. Bulle rekonstruiert, in Frage1038, aber eine solche Ergänzung bliebe ohne Parallele. Weil der Kopf letztlich so wenig zur Athenatypologie paßt, ist seine Zugehörigkeit zum Körper bereits bezweifelt worden1039. Winter führt einige von der Haartracht her ähnliche Köpfe in Kopenhagen an, unter denen sich allerdings keine Athena befindet1040. Da die Halsfragmente, auf die der Kopf paßt, in der Nähe des Rumpfes gefunden wurden, ist eine Zugehörigkeit wahrscheinlich, wenn auch nicht letztendlich bewiesen. Für römischklassizistische Werke ist jedoch bekanntlich eine eklektische Zusammensetzung, die für heutige Augen merkwürdig und unpassend erscheint, nichts Ungewöhnliches1041. Möglicherweise gehört die Athena mit der Kreuzbandaigis in die gleiche kaiserzeitliche Kunstströmung, aus der Werke wie die Ildefonsogruppe1042 und der Spinario1043 stammen und die auf der klassizistisch-eklektischen Kunstrichtung des 1. Jhs. v. Chr. aufbaut1044. Am bekanntesten sind der Stephanosathlet und der sog. Pylades, die beide Elemente des Strengen Stils verarbeiten1045. Wegen der Massigkeit und Schwere ihrer Körperformen, ihrer trägen Bewegung, ihrer Herbheit und der Strenge des Kopfes ist auch die Athena stets mit dem Strengen Stil verbunden worden. Ein Vergleich mit der Bauplastik vom Zeustempel in Olympia1046 zeigt jedoch, daß die Verbindungen viel loser und allVenezia (1973) 148 f. 64 mit Abb., Ridgway, Hellenistic Sculpture II 163 f. Taf. 51 - 52 (vgl. Anm. 990), und an der Ince-Variante als Nike aus Kyrene (In V 1). 1035 Zuletzt O. Palagia a. O. Taf. 92-94 (nach Abguß). In der Mitte der Aigis saß offenbar ein metallenes Gorgoneion (Palagia a. O. 46). Sehr spekulativ wäre allerdings der Gedanke, ob es sich beim Oberkörper der Athena, dessen Härte erstaunt, nicht theoretisch auch um eine späthellenistische oder römische Reparatur handeln könnte. 1036 S. Lit. zu 4. 2. 1037 Conze a. O. (Lit. zu 4. 2) nimmt an, der Helm habe in der Weise, in der man sich dies für die Athena Lemnia vorstellt, in der rechten Hand gelegen. Das erklärt aber nicht die technische Herrichtung des Kopfes und ist daher unwahrscheinlich. 1038 Vgl. H. Bulle a. O. (Lit. zu 4. 1) 71 ff. Abb. 6-9; Pollitt, Hellenistic Age 287 Abb. 299 e-f. 1039 Zweifel an der Zugehörigkeit des Kopfes äußert A. Kalkmann, BWPr 53 (1893) 66 f. 1040 Winter, AvP VII 15 f. Abb. 22 c. 1041 Vgl. die Zusammensetzung der Herculaner Tänzerinnen mit ihren teilweise merkwürdigen Frisuren (s. Anm. 763). 1042 Zanker a. O. (s. Anm. 1018) 28 ff. 26 Taf. 30-31. 1, 3. 1043 Ebenda 71 ff. Taf. 57-63. 1044 Ebenda 49 ff.; zu den pasitelischen Gruppen vgl. E. Simon, JdI 102, 1987, 291 ff. Interessant wäre es womöglich, auch die Skulpturen des Apollon-Sosianus-Tempels daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht aus einer ähnlichen Richtung stammen könnten - es bestehen gewisse Ähnlichkeiten zur Athena mit der Kreuzbandaigis; zum ApolloSosianus-Tempel s. zuletzt G. Hafner, JdI 107 (1992) 17 ff.; vgl. auch eine eigenartige Athenastatue in Istanbul, A. Pasinli, Istanbul Archaeological Museum (1996) - Hinweis A. Villing. 1045 Zanker a. O. (s. Anm. 1018) 49 ff. 1 Taf. 42-47. 1046 Zum Zeustempel zuletzt H. Knell, Mythos und Polis (1990) 79 ff. mit Abb. u. Lit. - s. darüberhinaus E. Buschor R. Hamann, Die Skulpturen des Zeustempels zu Olympia (1924).
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gemeiner, vielleicht sogar zufälliger sind als beim Stephanosathleten oder dem Pylades. Es stellt sich die Frage, ob der Eindruck nicht insgesamt täuscht. Viel enger und direkter ist nämlich die Verbindung des Körpers zu hochklassischen Werken wie der von Krahmer mit der sog. Hera von Pergamon verglichenen Prokne1047, der sog. Demeter von Eleusis1048, den Erechtheionkoren1049 und der Parthenos, denen die Athena in ihrem Faltenstil, ihrer Tracht, ihren massiven Formen und ihrer kubischen Körperlichkeit gleicht. Der Kopf enthält weniger hochklassische Elemente; mit seinem relativ schmalen Kontur, der hohen, dreieckig endenden Stirn, den weich umrandeten, mandelförmigen Augen und dem kleinen Mund bewegt er sich sogar auf Köpfe aus der 1. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. wie die der Venus Genetrix1050 und der Aphrodite Arles zu1051. Der ausführliche Vergleich Niemeiers mit der Athena Ince erscheint jedoch wenig passend und kann höchstens das Eklektische an der Athena mit der Kreuzbandaigis betonen1052. Die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Athenen ergibt sich lediglich aus der gleichen Tracht und einem äußerlich ähnlichen Aufbau, d. h. aus der Benutzung eines ähnlichen Darstellungstypus. Bei der Athena mit der Kreuzbandaigis handelt es sich also m. E. weder um ein hellenistischklassizistisches Werk noch um eine hellenistische Kopie, sondern um eine eklektisch-klassizistische Statue römischer Zeit. Daß sie aus einer östlichen Werkstatt stammt, ist nicht nur wegen des Fundortes wahrscheinlich. Gewisse Merkmale wie die zarte Oberfläche, der starke Kontrast zwischen Hautpartien, glatten Gewandpartien und kontrastreich angelegten Falten sowie das plastische Volumen der Figur sprechen dafür1053. Als Herstellungsort kommen in neuattischer Tradition arbeitende Werkstätten in Athen in Frage, denn bestimmte Eigenarten der Figur lassen sich am ehesten in neoattischer Manier verstehen: Die Massigkeit der Figur und ihr schwerfällig-aufwendiger Faltenstil erinnern an die Tänzerinnen neuattischer Reliefs1054. Wenig früher als die Athena mit der Kreuzbandaigis ist die von Antiochos signierte Athenastatue im Nationalmuseum in Rom entstanden1055. Als ebenfalls klassizistisches Werk läßt sie sich der Athena gut zur Seite stellen. Komposition und Faltenstil weisen Ähnlichkeiten auf, aber die Antiochos-Athena bezieht sich deutlicher auf die hochklassische Zeit und auf die Athena Parthenos. In diesem Sinne ist sie nicht eklektisch wie die Athena mit der Kreuzbandaigis, sondern rein klassizistisch.
1047
Krahmer a. O. (Lit. zu 4. 2) 92 ff. 85 Abb. 2; vgl. Anm. 74. Zur Demeter von Eleusis s. Anm. 56. 1049 Vgl. Anm. 63. 1050 Zur Venus Genetrix vgl. Anm. 353.. 1051 Zur Aphrodite Arles s. Anm. 364 und 1147. 1052 Niemeier a. O. (Lit. zu 4. 2). 1053 Ob die Verwendung parischen Marmors ebenfalls in diese Richtung deutet, kann nicht entschieden werden; vgl. jedoch D. Grassinger, in: Mahdia. Kat. Bonn 1994, 275, über die Herkunft der Marmorkratere des Schiffsfundes. 1054 W. Fuchs, Die Vorbilder der neuattischen Reliefs, 20. Ergh. JdI (1959) Taf. 13-20; vgl. auch D. Grassinger a. O. 1055 N. Leipen, Athena Parthenos (1971) 6 f. 20; 65 Abb. 14; 68 Abb. 21; H.-U. Cain, in: Mahdia. Kat. Bonn 1994, 816 f. Abb. 8-9 Anm. 42 mit Lit.; Nick, Athena Parthenos 240 ff. A 17. 1048
ATHENEN MATTEI – PIRÄUS - KYRENE
182
5. Athenen Mattei - Piräus - Kyrene Eine weitere Gruppe von drei typologisch zusammenhängenden Athenastatuen, die dennoch keinen eigenen Statuentypus zu bilden scheinen, führt in den entfernteren Umkreis der Klassizismusdiskussion. Zentrale Figur ist dabei die bronzene Athenastatue aus dem Piräus, mit deren Datierung und kunsthistorischer Einordnung sich zuletzt M. Fuchs auseinandergesetzt hat1056. Einer Stellungnahme zur Piräusathena müßte eigentlich eine profunde Analyse des technischen Befundes vorangehen, die aus der Literatur nur teilweise zu entnehmen ist1057. Dennoch zeigen Parallelfälle, daß auch eine solche Analyse keine Beweise für die Herstellungszeit einer Bronze liefern kann1058. So bleibt also auch hier wieder nur das stilistische Urteil. 5. 1 Athena, Piräusmus. 4646 Statue H 2. 40 m Bronze 1959 bei Straßenbauarbeiten im Piräus zutage getreten Taf. 79 Abb. 1 – 2; Taf. 80 Abb. 1 - 2 Lit.:
1056
A. K. Orlandos, Ergon 1959, 164 Abb. 181 (Fundbericht und Erstpublikation); A. Papagiannopoulos, Polemon 7, 1958/59, 30; JHS 79, 1959, Archeological Report 23 f. (ohne Autor); G. Daux, BCH 84, 1960, 647 ff.; E. Vanderpool, AJA 64, 1960, 265 f. Taf. 68-69; M. Paraskevaidis, Das Altertum 7, 1961, 131 ff.; ders., Ein wiederentdeckter Kunstraub der Antike? (1966); G. S. Korres, Ôà ìåôà` êåøà´ëûí êòéûœí êòà´íç (1970) 133; Waywell, BSA 1971, 373 ff. Taf. 67-68 a; B. Kallipolitis, AAA 4, 1971, 47 Abb. 3; K. Schefold, AntK 14, 1971, 37 ff., 133 Taf. 15, 16. 1-3; O. Palagia, AAA 6, 1973, 323 ff. Abb. 1-2; dies., Euphranor 21 ff. Abb. 32-33; A. Steinberg, in: W. J. Young (Hrsg.), Application of Science in the Examination of Works of Art. Mus. of Fine Arts, Boston (1973) 106 f. Abb. 6-10, 17-18, 21, 25-26; N. D. Papahatzis, Ñàõóàíé´ðõ ¢Åëëàãðý Ñåòéç´âçóéý É. ¢Àôôéêà (1974) Abb. 31; Bieber, Ancient Copies 33 f. Taf. 11 Abb. 61; P. C. Bol, Großplastik aus Bronze in Olympia, OF IX (1978) 45 Anm. 2; Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 261; C. Houser, in: B. Barr-Sharrar - E. N. Borza, Macedonia and Greece in Late Classical and Early Hellenistic Times (1982) 229 Abb. 1; D. Finn, C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture (1983) 58 f. mit Abb.; Demargne LIMC II 980 f. Athena 254 Taf. 734; C. Rolley, Die griechischen Bronzen (1984) 42 Abb. 22, 44; B. Sismondo Ridgway, Roman Copies of Greek Sculpture (1984) 34, 36 Anm. 19; A. Linfert, BJb 186, 1986, 758; C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture (1987) 212 ff. Abb. 13. 1-7, 13. 12; C. Mattusch, Greek Bronze Statuary (1988) 7 ff.; dies., Classical Bronzes (1996) 129 ff. 132. 4. 13; Travlos, Attika 359 Abb. 447 mit Lit.; P. Bruneau, M. Torelli, X. Barral i Altet, La Sculpture, Le Prestige de l’Antiquite´´ (1991) 59 mit Abb.; B. Cohen, Hesp 60, 1991, 488 Taf. 122 b; Todisco, Scultura Greca 214; J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Pe-
Fuchs, In Genere Graeciae 9-22. Vgl. A. Steinberg, in: W. J. Young (Hrsg.) a. O. (s. Lit. zu 5. 1) sowie B. Cohen a. O. (Lit. zu 5. 1) und C. Mattusch a. O. (1996; Lit. zu 5. 1); C. Houser a. O. (Lit. zu 5. 1) 219 ff. 1058 E. Pernicka - G. Eggert, in: Mahdia. Kat. Bonn 1994, 1041 ff. 1057
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riod (1995) 81 Abb. 46; Ridgway, Fourth-Century Styles 322 ff. Taf. 74 a-c; Ritter, JdI 1997, 52; Palagia, Piraeus Bronzes 184 ff. Abb. 13-14; Fuchs, In Genere Graeciae 9-22 Taf. 1-4.
Die kolossale Bronzestatue wurde zusammen mit zwei weiteren Großbronzen, einer lebensgroßen Bronzestatue, einer Bronzemaske und einigen Schildfragmenten sowie einer Marmorstatue und zwei Marmorhermen sorgfältig in Kisten verpackt im Piräus gefunden1059. Die Figuren waren verschüttet und lagen etwa 1 m unter dem neuzeitlichen Bodenniveau. Sie befanden sich unter einer Brandschicht von 25 cm Dicke, einer Schicht aus Erde und Ziegelresten sowie einer Erdschicht. Die unteren Schichten waren durchsetzt von Scherben des 5. bis 1. Jhs. v. Chr. Zu Füßen des bronzenen Apollonkouros fand sich unter einer der Hermen eine Münze Mithridates' VI. Eupator, die möglicherweise einen Hinweis darauf bietet, daß die Statuen im Zusammenhang mit der Brandschatzung Athens durch Sulla im 1. Mithridatischen Krieg verschüttet wurden. Ihre sorgsame Lagerung in einem Raum des Emporions1060 erklärt man als Vorbereitung zum Abtransport. Dafür werden unterschiedliche Gründe vorgeschlagen. Am weitesten verbreitet war lange Zeit die Annahme, die Figuren seien im durch Sulla besetzten Athen von ihren Aufstellungsorten weggeholt worden und sollten als Kunstbeute nach Rom verladen werden. Im Zuge dieser Ansicht deuten Schefold und Waywell die Athenafigur als Athena Sotira des Kephisodot, die nach Plinius im Heiligtum des Zeus Soter im Piräus aufgestellt war1061. G. Dontas macht hingegen den Vorschlag, in den Piräusbronzen die nach Appian von Archelaos im zweiten Mithridatischen Krieg 88 v. Chr. aus Delos geholten und den Athenern in Obhut gegebenen Kultstatuen zu sehen, mit denen der Feldherr bei den Athenern gute Stimmung machen wollte1062. Die Ansicht, es handle sich um geraubte Kunstwerke, geht mit der Einstufung der Statuen des Piräusfundes als Originale archaischer bis spätklassischer Zeit einher. Die Athena gilt dann meistens als Original des 4. Jhs.1063 Die Vertreter dieser Theorie schließen die marmorne Athena Mattei im Louvre, die fast genau demselben Typus folgt, der Piräus-Athena als Replik des 2. Jhs. 1059
S. Paraskevaidis a. O. (Lit. zu 5. 1); M. Fuchs, In Genere Graeciae 9 ff. Zur großen Artemis S. Karouzou, in: Bronzes hellenistiques et romains (Kgr. ber. Lausanne 1978) 49 ff.; I. Linfert-Reich, Musen- und Dichterinnenfiguren des 4. und 3. Jhs. v. Chr. (1971) 117 ff.; G. Dontas, AntK 25, 1982, 15 ff. Taf. 3-6. Zur kleinen Artemis vgl. M. Fuchs a. O. 17 ff. Zur verschleierten Marmorstatue M. Fuchs a. O. 21 f. und I. Jucker, in: Gestalt und Geschichte, FS K. Schefold, AntK Beih. 4 (1977) 133 ff. Taf. 47-50. Die Bronzen werden außerdem in den Bronzepublikationen von C. Houser, C. Mattusch und Rolley behandelt (s. Lit. zu 5. 1). Zum Kouros vgl. außerdem N. Kontoleon, FS U. Jantzen (1969) 91 ff.; C. Rolley, La Sculpture Greque (1994) 398 sieht in dem Apoll das früheste Beispiel einer archaistischen Figur aus dem 5. Jh. v. Chr. Die detaillierteste Beschreibung der Fundsituation bietet Paraskevaidis a. O. (Lit. zu 5. 1) 11 ff. Abb. 1, 2, 14, 17, 24; vgl. auch M. Fuchs a. O. 9 f.; C. Houser a. O. (1987; Lit. zu 5. 1) Abb. 15. 3; Vanderpool a. O. (Lit. zu 5. 1) Taf. 65. 1060 Zur Lage des Emporions s. Travlos a. O. (Lit. zu 5. 1) 346 f. und R. Garland, The Piraeus (1987) 83 ff. 152 f.; K. V. v. Eickstedt, Beiträge zur Topographie des antiken Piräus (1991) 52 ff. 1061 Schefold a. O. (Lit. zu 5. 1) 41; Waywell, BSA 1971, 378 ff.; zur Athena Sotira des Piräus vgl. Eschbach, Statuen auf Preisamphoren, 105 ff., jedoch mit anderer Zuweisung. 1062 G. Dontas, AntK 25, 1982, 15 ff. 1063 Die meisten Autoren datieren die Athena oder zumindest ihr Vorbild in die Mitte des 4. Jhs. Folgende Datierungsvorschläge innerhalb des 4. Jhs. wurden gemacht: 1. Hälfte 4. Jh.: Waywell, BSA 1971, 378; Palagia, Euphranor 22; Mitte 4. Jh.: C. Houser-D. Finn a. O. (Lit. zu 5. 1) 60; M. Bieber a. O. (Lit. zu 5. 1); Schefold a. O. (Lit. zu 5. 2) 40; Daux a. O. (Lit. zu 5. 1); O. Palagia a. O. (Lit. zu 5. 1), J. Boardman a. O. (Lit. zu 1). 2. Hälfte 4. Jh.: Papadimitriou a. O. (Lit. zu 5. 1) 165; Rolley a. O. (Lit. zu 5. 1); Todisco, Scultura Greca 214-215 (Piräusbronze als Original); eine abweichende Datierung vertritt lediglich I. Linfert-Reich a. O. (Anm. 1059) 123, die den gesamten Piräusfund in das 2. Jh. versetzt. C. C. Mattusch a. O. (zu 1, 1996) läßt die Frage offen, tendiert jedoch offenbar dazu, im Piräusfund aufgrund angeblicher Aufstellungsspuren einen Kunstraub verschiedener Figuren unterschiedlicher Zeiten aus einem Heiligtum zu sehen; vgl. auch C. Houser a. O. (Lit. zu 5. 1) 215.
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n. Chr. an. Bei einer solchen Interpretation1064 muß allerdings die Fundsituation der Piräusbronzen berücksichtigt werden, die erheblich dafür zu sprechen scheint, daß die Figuren ab dem frühen 1. Jh. v. Chr. verschüttet waren1065 und die Statue Mattei daher nicht nach dem Vorbild der Bronzeathena angefertigt worden sein kann. Für diesen Widerspruch wird in der älteren Literatur die Lösung angeboten, es müsse sich bei der Piräusathena ebenfalls um eine kurz vor der Zeit ihrer Verschüttung entstandene Bronzekopie handeln, die zusammen mit den anderen Fundobjekten zu Transportzwecken im Piräus gelagert worden sei1066. M. Fuchs führt mit ihrer ausführlichen Stellungnahme von 1999 die Fraktion der auch hier vertretenen Ansicht an, die Athena sei ein speziell geordertes Exportstück, das während der Kriegsereignisse des frühen 1. Jhs. v. Chr. verschüttet wurde. Die Diskussion um die Rolle der Athena als Kunstbeute oder Handelsware, die zur Einstufung des gesamten Fundes beitragen kann, führt sofort in medias res, da nicht nur ihre Datierung damit in direktem Zusammenhang steht, sondern auch ihre ikonographische Herkunft. Eng verbunden mit der Problematik des Piräusfundes ist die nach demselben ikonographischen Vorbild gestaltete Athena Mattei im Louvre. 5. 2 Athena Mattei, Paris, Louvre 530 Statue1067 H 2. 30 m parischer Marmor Taf. 81 Abb. 1-2; Taf. 82 Abb. 1-2 Lit.:
1064
W. Fröhner, Notice de la sculpture antique du Muse´´e National du Louvre 3(1876) 150 f. 121; P. Arndt, Text zu BrBr 608 (1909) Abb. 3; Walston, Alcamenes 195 Abb. 176; Rizzo, Prassitele (1932) 94 Taf. 143; Lippold, Plastik 240, 2; Picard, Manuel IV 2 (1954) 368 Abb. 162; E. Buschor, Medusa Rondanini (1958) Taf. 58 Abb. 5; J. Charbonneaux, Le Sculpture grecque et romaine au muse´´e du Louvre. Guide du visiteur (1963) 43; Waywell, BSA 1971, 373 ff. Taf. 66 a-c; G.-S. Korres, Ôà ìåôà` êåøà´ëûí êòéûœí êòà´íç (1970) Taf. 28 á; K. Schefold, AntK 14, 1971, Taf. 16. 4; Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 265 Anm. 38; Palagia, Euphranor 21 ff. Abb. 3640; C. Houser, in: B. Barr-Sharrar - E. N. Borza, Macedonia and Greece in Late Classical and Early Hellenistic Times (1982) 229 Abb. 2; B. Sismondo Ridgway, Roman Copies of Greek Sculpture
Schefold a. O. (Lit. zu 5. 2); Ridgway a. O. (Lit. zu 5. 1); Waywell a. O. (Lit. zu 5. 2). Ein späteres Verschüttungsdatum ist unwahrscheinlich, da die Scherbenfunde in den Schichten über den Bronzen Paraskevaidis zufolge nur bis in das 1. Jh. v. Chr. reichen und die Gegend danach offenbar nicht mehr besiedelt war. Die Brandschicht direkt über den Figuren wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach auf die sullanische Katastrophe zurückzuführen sein. Zur Fundsituation vgl. auch Vanderpool a. O. (Lit. zu 5. 1), Waywell, BSA 1971, 375, Palagia a. O. (Lit. zu 5. 1) 323 f., Fuchs, In Genere Graeciae 9 ff. 1066 Rolley a. O. (Lit. zu 5. 1); Linfert a. O. (Lit. zu 5. 1); P. C. Bol a. O. (Lit. zu 5. 1); B. Vierneisel-Schlörb a. O. (Lit. zu 5. 1). 1067 Rein äußerlich besteht kein Anlaß, den Kopf für nicht zugehörig zu halten, was sich auch in der Literatur nicht durchgesetzt hat. Lediglich bei B. Vierneisel-Schlörb a. O. findet sich jedoch die Notiz, der Kopf sei im 18. Jh. aufgesetzt worden, und E. Schröter, Mainz, die sich mit Antikenergänzungen auseinandergesetzt hat, berichtete mündlich von einer Archivnotiz des gleichen Inhaltes. Fröhner a. O. notiert „Tête antique rapporte´´e“. Da kurzfristig nicht zu klären war, ob der Kopf zugehörig ist oder nicht, wird er, da er stilistisch paßt und große Ähnlichkeiten zur bis vor kurzem verschütteten Piräusbronze zeigt, hier zunächst als zugehörig behandelt. 1065
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(1984) 34; C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture (1987) 225 ff.; Todisco, Scultura Greca Abb. 215; Palagia, Piraeus Bronzes, 184 ff. Abb. 15-16; Fuchs, In Genere Graeciae 9-22 Taf. 3-5.
Die Statue ist gut erhalten; die leichte Politur der Oberfläche ist durch moderne Überarbeitung verstärkt, aber sicher antiken Ursprungs. Ergänzt sind die linke Hand mit dem Handgelenk, die Finger der rechten Hand, Teile des Aigisrandes, der untere Teil des Nackenschopfes, der freistehende Faltengrat hinter dem linken Arm, einzelne Faltengrate der Vorderseite des Schrägapoptygmas sowie die linke Ferse. Der Kopf war vom Hals gebrochen und wurde wieder angesetzt. Auch den Helm durchzieht ein Bruch. Am Kopf ist die Nase ergänzt, außerdem der Halsbereich unterhalb des rechten Ohres. Beschreibung und Analyse der beiden Athenafiguren lassen sich nicht mehr trennen, so daß die Beurteilung bereits an dieser Stelle unvermeidlich einfließen wird. Ihre Datierung und ein Vergleich beider Figuren untereinander wird zu der Frage nach ihrem Verhältnis führen. Es bestehen insgesamt vier Interpretationsmöglichkeiten: Zu prüfen ist erstens, ob die Piräusathena, wie dies traditionell angenommen wird, ein klassisches Original und damit das Vorbild für die Athena Mattei im Louvre sein kann, oder zweitens, ob es sich bei beiden Figuren um Kopien unterschiedlichen Materials nach einem älteren Vorbild handelt, was meistens angenommen wird1068, oder ob es drittens klassizistische Statuen nach demselben Muster aus der Zeit vor der sullanischen Eroberung Athens sind, oder ob man es viertens schließlich mit zwei nach übereinstimmendem Muster gefertigten Originalen aus einer neoattischen Werkstatt zu tun hat. Für Waywell, der sich eingehend mit den beiden Athenen befaßt und sie zum Anlaß für seinen kurzen Überblick über die Athenatypen des ausgehenden 5. und 4. Jhs. genommen hat1069, ist die Piräusbronze, die er in die erste Hälfte des 4. Jhs. datiert und als Werk des gleichen Meisters der Eirene des Kephisodot an die Seite stellt1070, das klassische Vorbild der „Replik“ Mattei. Angesichts des terminus ante der sullanischen Eroberung sieht er sich gezwungen, die „Replik“ in das späte 2. Jh. v. Chr. zu datieren. In dem angeblichen Originalwerk Kephisodots möchte er wie Schefold1071 die durch Plinius und Pausanias diesem Meister zugeschriebene Athena aus dem Disoterion im Piräus sehen. Auch auf die berechtige Frage, wie Plinius und Pausanias die Figur beschrieben haben können, wenn sie zu deren Zeit bereits als Kriegsbeute verschüttet war, findet Waywell eine Antwort: Die geraubte Statue sei im Heiligtum durch eine Kopie ersetzt worden1072. Diese Lösung, wenn auch konsequenter vorgetragen als von Schefold, der die Fundumstände nicht berücksichtigt, scheint wenig plausibel. Weitere Unzulänglichkeiten begleiten Waywells Interpretation: So kann er die Unterschiede zwischen Original und Replik nicht erklären und gesteht auch zu, es gäbe nicht für alle einen einsichtigen Grund1073.
1068
S. Anm. 1063. Waywell a. O. 373 ff. s. Lit.angaben zu beiden Athenen. 1070 Ebenda 378 f. 1071 S. Anm. 1061. 1072 Waywell, BSA 1971, 380; vgl. auch A. H. Borbein, Gnomon 59, 1987, 48. 1073 Ebenda 374. 1069
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Stilistische Analyse und Unterschiede Die Unterschiede zwischen beiden Wiedergaben bestehen in der aus technischen Gründen veränderten Haltung des rechten Armes, der bei der marmornen Athena Mattei in die Hüfte gestützt1074, bei der bronzenen Piräusathena dagegen nach vorn ausgestreckt und mit einem Attribut versehen ist, in der Ausgestaltung der Wangenschirme des Helms und in der Verschiedenheit von Gesichtsproportionen und -ausdruck. Weniger bedeutsam und durchaus im Rahmen möglicher Unterschiede zwischen Repliken sind dagegen die glatte Aigis der Athena Mattei im Gegensatz zur geschuppten, mit mehr Schlangen besetzten Aigis der Piräusathena und die deutlichere Bewegung des Kopfes an der Athena Mattei, die insgesamt extremer bewegt und weniger harmonisch ausgewogen ist als die Piräusbronze. Auch ohne die ergänzte linke Hand, die zur Benennung der Figur als „Athena agoraia“ geführt hat1075, bietet die Figur Mattei noch immer ein unruhiges Bild. Der eingestemmte Arm leitet die Diagonale ein, die in der Aigis wiederholt wird und sich im schrägen Apoptygmasaum fortsetzt. Zum Kopf hin bilden Oberarm und Schulter eine zu dieser Diagonale im spitzen Winkel stehende Gegenachse, sodaß Oberkörper und Kopf insgesamt in einer Art Zickzackbewegung befangen sind. Diese wird auf der linken Körperseite durch die geschlossenen Knie von Spielbein und gesenktem linken Arm begrenzt. Auf der Rückseite der Athena Mattei nimmt derselbe unruhige Eindruck wegen der eigenartigen Drapierung des Apoptygmas noch zu. In den Profilansichten wird außer der Schmalheit der völlig uneigenständigen Seiten auch der kegelförmige Gesamtaufbau und eine durch den auf langem Hals nach vorn gereckten Kopf verstärkte Kippung der gesamten Figur ersichtlich. Diese Eigenschaften der qualitätvoll-lebendigen Athena Mattei finden sich an der Piräusbronze, die grober und ungeschlachter wirkt, in abgemildeter Form wieder. Gerade und bis auf die leichte Kopfneigung unbewegt in der Vorderansicht, wirkt sie zunächst wie eine klassische Figur, während die Rückseite, die zur Ruhe und Geschlossenheit der Vorderseite in absolutem Gegensatz steht, der unruhigen Gegenbewegtheit der Athena Mattei entspricht. Auch von der Seite aus gesehen ist die Piräusbronze steil und gerade aufgerichtet; der Kopf ist nur leicht nach vorn geschoben, bleibt aber in einer Achse mit der Figur1076. Die entscheidende Frage ist nun, ob die Unterschiede allein schon eine Aussage über das Verhältnis der beiden Figuren erlauben. Die Gemeinsamkeiten sind augenfällig: Die Statuen sind nicht nur maßgleich, ihr Peplos stimmt auch Falte für Falte überein. Beide tragen außerdem auf der Helmkalotte das gleiche Greifenmotiv. Die Sandalensohlen sind in beiden Falten dreifach abgestuft, und das Gorgoneion als abschließendes Detail stimmt zwar nicht völlig überein, folgt aber bei beiden Figuren demselben klassizistischen Typus mit hellenistisch-realistischem Gesichtsausdruck1077.
Verwandte Köpfe An den Kopf der Athena Mattei, der typologisch und stilistisch anders ist, lassen sich auch andere erhaltene Köpfe anschließen als an den Kopf der Piräusbronze. Eng verwandt mit der 1074
Daß diese Armhaltung der Athena Mattei original ist, bestätigen Waywell, BSA 1971, 374 und Schefold a. O. (Lit. zu 5. 2) 133. 1075 Fröhner a. O. (Lit. zu 5. 2). 1076 Inwieweit dies allerdings an der Restaurierung liegt, muß dahingestellt bleiben. 1077 Vgl. S. 258 ff., bes. Anm. 1465.
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Athena Mattei ist zunächst ein wahrscheinlich antiker Kopf im Museo Chiaramonti des Vatikan. Er zeigt dieselbe Kopfwendung, die gleichen dicken, fleischigen Wangen, dieselben Gesichtsproportionen, die gleiche Haaranlage und den gleichen halbgeöffneten Mund. 5. 2. 1 Vatikan, Galleria Chiaramonti 1635 Kopf auf nicht zugehörigem, durch hinzugefügte Aigis zur Athenastatue umgebildetem Körper im Typus der Artemis Dresden1078 ges. H. 1. 32 m Kopf: feiner, heller Marmor Dat.: spätflavisch (wenn nicht modern)1079 Lit.: Amelung, Vat. Kat. I 575. 403 Taf. 88
Kopf und Körper sind trotz der einheitlichen Oberflächenverfärbung nicht aus demselben Marmor; außerdem war der Halsausschnitt offenbar zu groß. Ergänzt sind die Nase, die Oberlippe, ein Flicken oberhalb von Nasenwurzel und rechtem Auge und der Wangenschutz. Der korinthische Helm ist unverziert. Ein weiterer Kopf, der aus der Sammlung Stroganoff stammt und sich jetzt in Basel befindet, wurde schon von Paul Arndt mit der Athena Mattei verglichen1080. 5. 2. 2 Basel, Antikenmus. Einsatzkopf H 0. 47 m grobkristalliner Marmor Dat.: trajanisch-frühhadrianisch1081 Lit.: P. Arndt, Text zu BrBr 608 mit Textabb. 6; L. Pollak, A. Munoz, Pie``ces de choix de la collection du Conte Gre´goire Stroganoff a Rome 1 (1912) 6 Taf. 6 f.; Gullini, BCom 1946-48, 47 Abb. 1. 2; G. S. Korres, Ôà ìåôà` êåøà´ëûí êòéûœí êòà´íç (1970) 132. 67 Taf. 28 a; M. Guggisberg, in: E. Berger (Hrsg.), Antike Kunstwerke der Sammlung Ludwig (1990) 177 ff. 232 mit Abb.; Fuchs, In Genere Graeciae 13 Taf. 6.
1078
Vgl. S. 242 f. Vgl. einen Kopf ehemals in Lugano, der wahrscheinlich Julia Titi darstellt, G. Daltrop u. a., Die Flavier. Herrscherbild II 1 (1966) 55. 116 Taf. 43 a-b, 46 c, dessen Kontur, weich gepolstertes Karnat und dessen Augenbildung ähnlich sind. Besser noch paßt ein Kopf der Domitia in St. Petersburg, der auch eine ähnliche Bearbeitung des Schläfenhaares zeigt, Daltrop a. O. 68 f. 124 Taf. 55 c-d. 1080 S. Lit. zum Kopf weiter unten. 1081 M. Guggisbergs Datierung in eben diese Zeit erscheint richtig (s. Lit. zu 5. 2. 2); vgl. die Trajansbüste im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker I 41 f. 42 Taf. 45-47, und den Hadrianskopf im Thermenmuseum, Kleiner, Roman Sculpture 239 Abb. 202. Mit den Trajansporträts teilt der Kopf den gelängten Kontur und das unter gespannter Haut noch zart gepolsterte Karnat; mit beiden Köpfen die quellenden Augäpfel, das leicht abgesetzte Unterlid, die deutlichen Tränensäcke und den ausgearbeiteten Augeninnenwinkel. Der Kopf kann zwischen einer frühhadrianischen Büste im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker III 58 f. 78 Taf. 97-98, und einem frühhadrianischen Frauenporträt im selben Museum, ebenda 61 f. Taf. 104-105, eingeordnet werden. Beide Porträtköpfe ähneln dem Athenakopf vor allem in der Augenbildung, aber auch durch das weiche und dennoch glatte Karnat trajanischer Zeit. 1079
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Ergänzt sind die Nase und das Helmvisier. Die Greifen an der Helmkalotte sind bestoßen, ebenso die Ecken des Büstenausschnittes. Die Gesichtsoberfläche ist geglättet. Der Kopf entspricht in der Kopfwendung, den Proportionen, dem dicklichen Karnat und dem weichen Kontur dem Matteikopf. Auch der korinthische Helm ist mit Widderköpfen und den gleichen springenden Löwengreifen verziert wie der Helm der Athena Mattei. Lediglich der weniger elegische Ausdruck, den dieser Kopf eher mit der Piräusathena gemein hat, und die Haarbildung unterscheiden sich hier: Am Kopf Stroganoff sind die Haare in schmalen, parallelen Wellensträhnen zum Nackenschopf geführt. M. Fuchs stellt den Kopf als „weitere Wiederholung des Typus“ den Athenen Mattei und Piräus zur Seite und sieht dadurch bewiesen, daß die ihrer Ansicht nach antoninische Athena Mattei nicht direkt von einem Nachguß der Piräusathena abhängig sein kann, sondern daß es noch mehr Wiederholungen gegeben haben muß1082. Auch mit dem Kopf der Athena vom Typus Vatikan-Tokyo im Museo Chiaramonti des Vatikan (VT I 2) ist der Kopf der Athena Mattei eng verwandt1083. An den Kopf der bronzenen Piräusathena hingegen lassen sich besser zwei andere einzeln erhaltene Köpfe anschließen, die durch nach demselben Muster angefertigte modernen SchrägaigisBüsten ergänzt wurden1084. Ihr Gesichtskontur ist weniger oval als der des Mattei-Kopfes; er ist schmaler und am Kinn stärker zugespitzt. Der eine Kopf befindet sich in den Vatikanischen Museen und wurde in der Literatur bereits mit den Athenen Mattei-Piräus in Zusammenhang gebracht1085. Seine Helmzier stimmt genau mit der der Athena Mattei überein; mit der Piräusathena teilt er nur die Greifen auf der Kalotte. 5. 1. 1 Vatikan, Sala dei Busti 612 Kopf auf moderner Schrägaigis-Büste H 1. 025 m Dat.: augusteisch-tiberisch1086 Lit.: Amelung, Vat. Kat. II 560 f. 376 Taf. 65 (mit Lit.); H. v. Steuben, in Helbig4 193; Palagia, Euphranor 22 Anm. 115 (mit anderer Inv. Nr.).
Kopf und Hals wurden in die Büste eingesetzt. Ergänzt sind der Helm mit den Helmfutterrollen und die Nase.
1082
M. Fuchs a. O. (Lit. zu 5. 2. 2). Vgl. S. 221. 1084 Vgl. die als Fälschung bestimmte Athenastatue in Newby Hall, deren schräge Aigis in Abwandlung ihres Vorbildes in London wahrscheinlich nach der Büste des Londoner Athenakopfes hergestellt wurde, s. S. 203. 1085 S. O. Palagia a. O. (Lit. zu 5. 1. 1). 1086 Für die augusteische Datierung sprechen die Gesichtsproportionen, die relativ kleinen, von schmalen Lidern umrahmten runden Augen sowie das straffe Karnat; vgl. auch die Augustusköpfe D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, Herrscherbild I 2 (1993) 129. 44 Taf. 1. 4; Taf. 36-37, 51. 1; 148. 87 Taf. 98; 171. 153 Taf. 151, 224. 1; 176. 163 Taf. 81, 148. 7. Ähnlich ist auch ein tiberischer Augustuskopf im Louvre, der zusammen mit dem spätaugusteischen Kopf Boschung 87 (s. o.) für eine spätaugusteisch-frühtiberische Datierung sprechen könnte (Boschung a. O. 171, 152 Taf. 88, 223. 4). Die hadrianische Datierung, die Amelung aus dem Fundort nahe der Engelsburg folgert, ist nicht nachvollziehbar (Amelung a. O., s. Lit. zu 5. 1. 1). 1083
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Der andere Kopf in London entspricht in den Proportionen seines antik erhaltenen Gesichtes, in der Haarangabe und in der Kopfwendung ganz dem Kopf im Vatikan. Obwohl dies durch den Erhaltungszustand nicht gesichert ist, wird es sich wohl ursprünglich auch um einen Athenakopf gehandelt haben. 5. 1. 2 London, British Mus., Towneley Coll. 1787 in der Villa Casali in Rom gefunden (in den Bädern des Olympiodorus) antiker Kopf, durch Albacini mit Bronzebüste und Bronzehelm ergänzt. H 0. 62 m Taf. 83 Abb. 1 - 3 Dat.: claudisch-neronisch1087 Lit.: A. H. Smith, British Museum. A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities III (1904) 26. 1571.
Ergänzt sind Teile der Haarlocken, große Teile der Augenlider und die Nase. Die Augen sind jetzt offenbar verfüllt worden, waren aber ursprünglich sicher in anderem Material ausgelegt. Der Bereich des Halsansatzes vorn wurde ausgebessert. Die hier mit den Athenen Mattei-Piräus in Zusammenhang gebrachten Köpfe sollen nicht auf ein Replikenverhältnis hinausführen - dazu stimmen die Köpfe im einzelnen zu wenig überein. Es handelt sich vor allem bei den an die Piräusathena angeschlossenen Köpfen lediglich um typologisch eng verwandte Werke, die ebenso einzeln dastehen. Interessant daran ist lediglich der Gedanke, daß solche Werke vielleicht aus einer ähnlichen Werkstattradition kommen könnten. Dies könnte sich in den beschriebenen verbindenden Eigenschaften äußern, aber auch im Gesamteindruck der Köpfe und in Details wie dem kleinen leicht geöffneten Mund und der kotelettenartigen Haarlocke vor den Ohren, die diese Köpfe aufweisen. Es existiert also eine Reihe ähnlicher Athenaköpfe, die nicht auf ein Vorbild zurückgeführt werden können, aber in ihrem Aussehen auch nicht rein hellenistisch oder römisch sind, sondern auf Älteres zurückgreifen, in dessen direkter Tradition sie handwerklich und ikonographisch zu stehen scheinen1088. Die Athenen Mattei und Piräus verwenden also nicht denselben Kopftypus, sondern zwei unterschiedliche, nur zum Teil mit den gleichen Merkmalen ausgestattete Köpfe. Diese Köpfe haben ihrerseits zwar keine direkten Parallelen, befinden sich aber in guter Gesellschaft anderer ähnlicher, qualitätvoller, einzeln dastehender Köpfe.
1087
Der Kopf ist wahrscheinlich neronisch; vgl. das Neroporträt vom Palatin im Museo Nazionale in Rom Kleiner, Roman Sculpture 138 Abb. 112. Dafür sprechen das gleichmäßig weiche Karnat, die schmalen, weichen Augenlider, die die mandelförmigen Augen umrahmen, und die Haarsträhnen, die sich ähnlich „klassisch“ an claudischen Werken finden, vgl. den Kopf der Liviastatue aus Velleia, C. Saletti, Il ciclo statuario della Basilica di Velleia (1968) Taf. 11, 14; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 25. 2. 6 Taf. 16. 1 Taf. 18. 1, 3. 1088 M. Guggisberg a. O. (Lit. zu 5. 2. 2) 178 sieht den Athenakopf Stroganoff innerhalb einer solchen „Reihe von isolierten Athenaköpfen, in denen sich Gestaltungsprinzipien des 4. Jhs. v. Chr. so stark mit römischem Formalismus vermischen, daß eine typologische Differenzierung und Identifizierung ihrer Vorbilder schwerfällt“.
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Tracht und datierende Eigenheiten Problematischer als die Piräusathena, deren terminus ante einen Datierungshinweis gibt1089, ist die Datierung der Athena Mattei, die entweder für ein neuattisches Werk des späten 2./frühen 1. Jhs. v. Chr. oder für eine kaiserzeitliche Kopie nach demselben Typus wie die Piräusathena gehalten wird1090. Von der Einschätzung dieser Statue hängt im wesentlichen die Entscheidung ab, ob es sich bei den beiden Figuren um Wiedergaben eines Statuentypus nach herkömmlichem Schema mit verlorengegangenem Original und Kopie handelt, oder um zwei in der gleichen Werkstatt nach fast gleichem Muster hergestellte mehr oder weniger klassizistische Originale. Die Datierung der Statue in antoninische Zeit gründet sich offenbar auf der polierten Oberfläche1091. Abgesehen von dieser durch moderne Überarbeitung verstärkten Eigenschaft sprechen keine weiteren Indizien dafür. Der Faltenstil könnte auch in trajanische Zeit gehören; wahrscheinlich muß aber von einer kaiserzeitlichen Datierung ganz abgesehen werden. Die Statue entspricht handwerklich und stilistisch in einem Ausmaß der Piräusathena, das trotz des unterschiedlichen Materials über die Verwandtschaft von Repliken nach ein und demselben Typus weit hinausgeht und nur als zeitliche Verwandtschaft verständlich wird. Der Eindruck, hier ein späthellenistisches und kein kaiserzeitliches Werk vor sich zu haben, verstärkt sich vor dem Original1092. Um 100 v. Chr. steht wenig geeignetes Vergleichsmaterial zur Verfügung. Der Kopf läßt sich mit späthellenistischen Porträtköpfen vergleichen. Sie sind vor allem in der Augenbildung handwerklich verwandt1093. Die mandelförmigen Augen werden umrahmt vom relativ breiten Oberlid und dem weichen, dicklichen Unterlid. In den Außenwinkeln überschneidet das langgezogene Oberlid das Unterlid schwungvoll. Die Augeninnenwinkel haben keine deutlichen Karunkel. Der Brauenbogen verläuft gerade und dicht über den Augen. Die Haarbildung läßt sich mit der des Kopfes der sogenannten Euboulides-Nike vergleichen1094. Deren Kopf ist der Kopf der Athena Mattei auch in bezug auf die Gesichtsproportionen, das weiche Karnat und den kleinen, leicht geöffneten Mund verwandt. Ähnliche Eigenschaften begegnen in viel extremerer Weise am Kopf der Aphrodite aus dem Schiffsfund von Mahdia1095. Klassizistischer und dem Kopf der Athena Mattei verwandter sind hingegen die Köpfe aus dem Heroon von Kalydon aus dem späten 2. Jh. 1089
Vgl. die Fundlageberichte bei Paraskevaidis a. O. (Lit. zu 5. 1) 11 ff.; Orlandos a. O. (Lit. zu 5. 1); Dontas a. O. (Anm. 1062) 32 f. 1090 Für ein neuattisches Werk des späten 2./frühen 3. Jhs. hält die Statue Waywell, BSA 1971, 375; für eine kaiserzeitliche Kopie hält die Statue Schefold a. O. (Lit. zu 5. 1) 41; für einen Bronzenachguß halten sie B. S. Ridgway a. O. (Lit. zu 5. 1) und dies., Hesp 50, 1981, 442 Anm. 79; M. Bieber a. O. (Lit. zu 5. 1) 34; B. Vierneisel-Schlörb a. O. (Lit. zu 5. 1); Palagia, Euphranor 22, Bol a. O. (Lit. zu 5. 1). Todisco, Scultura Greca 215 räumt, ohne sich zu entschließen, beide Möglichkeiten ein; auch C. C. Mattusch a. O. (Lit. zur Piräusathena, 1996) äußert sich nicht. 1091 S. Lit. zu 5. 2. 1092 Obwohl die Figur in gewisser Weise steril wirkt, überzeugen doch Merkmale wie die glatte, lebendig schimmernde Oberfläche, die Natürlichkeit der Faltenführung, die Klarheit der Karnatangabe und die Feinheit der Details an Kopf und Gorgoneion sowie eine sofort spürbare Stimmigkeit von Gewand und dieses ausfüllender Körperlichkeit davon, nicht eine Replik, sondern eine Originalarbeit vor sich zu haben. 1093 Vgl. B. Schweitzer, Die Bildniskunst der römischen Republik (1948) Abb. 17, 70, 73-74, 128-133; F. Johansen, Ny Carlsberg Glyptotek. Cat. Roman Portraits I (1994) 28 ff. 3 mit Abb. 1094 Stewart, Greek Sculpture 805; vgl. auch Anm. 1002. 1095 Zuletzt H.-H. v. Prittwitz und Gaffron, in: Mahdia. Kat. Bonn 1994, 303 ff. Abb. 1-4. Das „Hellenistische“ des Aphroditekopfes, der m. E. nicht auf frühere Vorbilder zurückgeführt werden muß, besteht in der Frisur, der impressionistischen Ausführung der Haarsträhnen, dem breit und trotzdem hochrechteckig angelegten Gesicht mit den kleinen Augen, der geraden, langen, aus breiter Nasenwurzel entspringenden Nase, dem kleinen Mund und schließlich dem noch sichtbaren Sfumato der Oberfläche, das mit dem Verschwimmen der Augenlider einhergeht.
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v. Chr.1096 Sie sind stilistisch sehr inhomogen, handwerklich aber - bis auf den Kopf des Heros, den P. C. Bol von den anderen Köpfen absondert und einer lokalen Werkstatt zuschreibt1097 relativ einheitlich. Bol zufolge liegt die Unterschiedlichkeit daran, daß hier Kopien neben hellenistischen klassizistischen Neuschöpfungen und rein hellenistischen Bildungen stehen. Tatsächlich handelt es sich zumindest eindeutig um Werke, denen verschiedene Zeiten und mehr oder weniger konkrete Figuren vorbildhaft zugrunde liegen. Zwei der Köpfe lassen sich besonders gut neben den Matteikopf stellen: der Kopf der Aphroditebüste, weil er in der Karnatangabe und der Augenbildung der Athena ähnelt und in seiner rein hellenistischen Ausprägung die hellenistischen Züge des Athenakopfes hervorheben kann1098, und der Apollonkopf, der von Bol als unter spätklassischem Einfluß stehende späthellenistische Klitterung erkannt wurde1099 und in der Haarbildung, den Gesichtsproportionen und der Bildung der Augenpartie sichtbar macht, daß auch der Kopf der Athena Mattei sich an spätklassischen Vorbildern orientiert. Dieselbe Mischung von Stilelementen läßt sich auch am Körper der Athena Mattei beobachten. Hier gehen stilistische mit trachtgeschichtlichen Aspekten untrennbar einher. Zu Recht nennt O. Palagia die Peplostracht der Athena Mattei-Piräus „idiosynkratic“, hält jedoch trotz dieser Äußerung an einer Datierung des Typus als solchem in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. fest1100. Tatsächlich tritt der Peplos mit schrägem Apoptygma in der Großplastik zum ersten Mal am Statuentypus der sog. Nemesis in Erscheinung, die in mehreren Repliken bezeugt ist1101. Der Typus, der in den wenigen Stellungnahmen, die es gibt, meist in das 4. Jh. versetzt wird, wird jedoch m. E. erst als frühhellenistisches Werk zu Beginn des 3. Jhs. verständlich. In seiner gelängten, eckigen Körperauffassung muß er allerdings - wie sich zeigen wird, im Gegensatz zur Athena Mattei-Piräus - noch vor dem Hochhellenismus angesiedelt werden1102. An einer klassischen einfigurigen Grabstele aus Boötien in Berlin, dem Grabrelief einer Polyxena, tritt der dreieckige Überfall ebenfalls auf1103. Die Tracht der Polyxena lehrt, wie auch die Tracht der Athena Mattei-Piräus ursprünglich entstanden sein muß: Das lange schräge Apoptygma, das dadurch entsteht, daß der Peplos an der Schulter der geschlossenen Seite nicht symmetrisch zum Unterkörperstoff geknüpft wird, sondern die Knüpfung weiter nach links verschoben wird, ermöglichte
1096
P. C. Bol, AntPl 19 (1988) 35 ff. Taf. 24-33 mit Lit. Zur Datierung aufgrund äußerer Umstände Bol a. O. 35. Bol a. O. 41 f. 44. 1098 Bol a. O. 39 f. Taf. 30 a-b. 1099 Bol a. O. 38 f. Taf. 29 a-b. Zur Apollonbüste vgl. den ganz ähnlichen Kopf des Apollon von Tralles in Istanbul, H.P. Laubscher, IstMitt 16, 1966 Taf. 18. 1; Flashar, Apollon Kitharoidos Abb. 104, 112, 113. 1100 Palagia, Euphranor 23; vgl. dies., Piraeus Bronzes 177 ff.. 1101 E. Buschor, in: Antike Plastik, Festschrift W. Amelung (1928) 53 f. mit Lit. u. Abb. dreier Repliken; eine weitere, fragmentierte, unpublizierte Replik findet sich im Museo Nuovo in Rom (Foto DAI Rom 69. 2182). Einen ähnlichen Typus verwendet eine am Strengen Stil orientierte Peplophore in Berlin, W. D. Heilmeyer, in: M. Kunze u. a., Die Antikensammlungen in Berlin (1992) 148 mit Abb. 1102 Für eine genauere Einordnung des Werkes müßte der Typus ausführlich untersucht werden. Seine Datierung kann sicher nicht unabhängig von der Einstufung der Dresdner Artemis geschehen, die m. E. ebenfalls bereits ein hellenistisches Werk ist; J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) 100 Abb. 84. Im Magazin des Museums von Ostia existiert übrigens eine m. W. unpublizierte, wohl antoninische Umbildung des Typus der sog. Nemesis zu einer Athena mit latzförmiger Aigis (Foto Gabinetto Fotografico Nazionale, Roma, Nr. C 5127). 1103 C. Blümel, Staatliche Museen zu Berlin. Kat. der griechischen Skulpturen 5. u. 4. Jh. v. Chr. (1928) 28 f. K 26 Taf. 36; B. S. Ridgway, Fifth-Century Styles in Greek Sculpture (1981) Abb. 108. 1097
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es, die rückwärtige Partie als Schleier über den Kopf zu legen1104. Daß diese offenbar schon ab klassischer Zeit existente, aber äußerst selten belegte Trachtweise bei der Athena entfremdet wurde - Athena erscheint natürlich nicht verschleiert, erst recht nicht, wenn sie den Helm trägt könnte ein weiterer Hinweis auf die nachklassische Entstehung ihres Darstellungstypus sein. Möglicherweise ist aber die angedeutete Verschleierung Athenas auch ein Hinweis auf ihre Göttlichkeit im Sinne der opfernden Gottheit1105. Die manirierte Gestaltung der Rückenpartie der Athenen Mattei-Piräus, die das Rückenteil des Apoptygmas tatsächlich so wiedergibt, als wenn es wie ein Schleier vom Kopf herabgeglitten wäre, spricht auch aus stilistischen Gründen gegen eine spätklassische Datierung des Athenatypus. Aus dem Moment heraus entstandene, quasi erstarrte Gewandbewegungen finden sich zwar schon im 4. Jh. Sie erscheinen dann aber nicht auf der Rückseite einer Figur, wo sie erst durch Umschreiten zur Geltung kommen würden, sondern sind gestalterisch bestimmendes Element der Vorderansicht1106. Die Vorderseite der Athenen Mattei-Piräus ist im Gegensatz zur Rückseite relativ spannungslos und geht auf den ersten Blick in ihrer Beruhigung und mit ihrem geschlossenen Kontur, der nur behutsam zu den Seiten überleitet, mit Tendenzen des 4. Jhs. konform. An der Vorderseite findet sich außer den schräg angelegten Achsen also zunächst nichts, was gegen eine Datierung in spätklassische Zeit sprechen würde - auch die schräg über den Oberkörper geführte Aigis ist aus dem 4. Jh. unter anderem durch den Athenatypus Ostia-Cherchel hinlänglich bekannt1107. Die elegische Haltung als Strukturmerkmal paßt dazu - sie ist geradezu bezeichnend für die Spätklassik und wird für Athena zum ersten Mal am Typus Ince greifbar1108. Hier beginnen jedoch von neuem die Widersprüche: Insgesamt läßt sich nämlich feststellen, daß diese augenscheinlich konformen Elemente an den beiden kolossalen Athenastatuen immer wieder von dazu gegensätzlichen Eigenschaften durchbrochen und dadurch in einer Weise verändert werden, die sich mit den als spätklassisch definierten Stilelementen nicht vereinbaren läßt. Diese Inkonsequenzen zeigen sich von vorn nur vage, werden aber in der Seitenansicht und vor allem von hinten deutlich sichtbar1109. Die hellenistische Herkunft bestätigt sich in den Proportionen: Die rechte Körperseite, an der der seitliche Peplossaum sich so ineinanderlegt, daß keine Öffnung sichtbar ist, macht die Proportionen des Körpers, die von vorn durch den Peplos verdeckt werden, erfaßbar. Der Oberkörper ist kurz, schmal und gerade, während der Hüftbereich extrem breit und ausladend wirkt. Von der Seite und der Rückseite aus ist die hohe Lage der Gürtung zu erkennen. Sie verläuft direkt unterhalb der Schulterblätter. Während also die Taille von der Vorderseite aus noch nicht so hoch erscheint, beginnt der Unterkörper sich auf den übrigen Körperseiten von der 1104
Vgl. die Beschreibungen bei Palagia, Piraeus Bronzes 185 und Ridgway, Fourth Century Styles 322. Vgl. E. Simon, Opfernde Götter (1953); K. C. Patton, When the High Gods Pour out Wine (Diss. Cambridge 1992). 1106 Vgl. als willkürlich herausgegriffene Beispiele die Leda (vgl. Anm. 69 und 365); den Apoll vom Belvedere, J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) a. O. Abb. 64; die Artemis von Gabii, Boardman a. O. Abb. 86. 1, 2; s. auch Anm. 690; und die Artemis Colonna, Boardman a. O. Abb. 85 (vgl. auch Anm. 715), an denen die Vorderseite die Gestaltung der Rückseite bestimmt. 1107 Vgl. S. 93 ff. und Anm. 582. 1108 Vgl. S. 4 ff. Der Typus New York (vgl. S. 42 ff.) ist trotz ähnlicher Haltung in seiner Sprödigkeit noch nicht als elegisch zu bezeichnen. 1109 K. Schefold bringt dies in seinem Werk über Porträts anläßlich der Sitzstatue des Palazzo Spada folgendermaßen auf den Punkt: „Die raffinierte Rückansicht ... gehörte zu den Kunstmitteln, auf die der Hellenismus stolz war, weil sie die Phantasie anregen und so das Erleben steigern, auf das der Epoche alles ankam.“ ( Dichter, Redner und Denker 238). 1105
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hohen Gürtung an zu breitem Volumen auszudehnen. Von hinten und von der Seite wird eine sich unter der Gewandmasse abzeichnende matronal-breite Ausdehnung von Hüfte und Glutäen sichtbar, die im späteren 4. Jh. an den Gewändern weiblicher Grabrelieffiguren bereits anklingt, aber in dieser extrem körperhaften Weise erst im fortgeschrittenen Hellenismus denkbar ist. Zu den hellenistischen Eigenschaften gehört ferner die Auflösung der Seitenansichten zugunsten einer kreisenden Bewegung, die die linke Seite der Figur in die Vorderseite überführt, während die rechte eher nach hinten verschwindet bzw. durch den rechten Arm verdeckt und durch das Gewand verunklärt wird. Von der Seite aus wird zudem deutlich, daß die Figur pyramidenförmig aufgebaut ist. Der Unterkörper strebt kegelförmig aufwärts; der kurze schmale Oberkörper ist leicht nach vorn gekippt. Die Kippung verstärkt sich durch den herausgereckten Hals, den die Athena Mattei besser überliefert als die Piräusathena. Die Kegelform mit dem immens ausladenden Unterkörper bleibt jedoch für beide Statuen bestimmendes Merkmal. An allen Seiten ist zu sehen, daß die Figuren über kaum eine gerade Achse verfügen. Alle Achsen und horizontalen Linien, selbst die hinten sichtbare Gürtung, sind schräg angelegt und laufen schräg aufeinander zu oder voneinander weg. Das verleiht den Statuen eine Unruhe, die sie in einem Maße aus den eigenen Angeln hebt, wie dies im 4. Jh. v. Chr. nicht denkbar wäre. Diese Unruhe jedoch, die sich auch in der Wahl der diagonal angelegten Peplosform äußert, ist nicht mehr plakativ hochhellenistisch, sondern nur noch indirekt spürbar und als Effekt quasi schon überwunden. Die äußerliche Beruhigung der Figur, die für eine späthellenistische Datierung spricht, hat gleichzeitig die verbreitete Datierung in spätklassische Zeit verursacht. Außer den ebengenannten Eigenschaften und einigen noch zu nennenden antiquarischen Details ist es das Gewand, das letztlich keine Zweifel an der hellenistischen Datierung mehr offen läßt. Zur maniristischen Gewandform kommt nämlich eine Gestaltung der Oberfläche hinzu, die hellenistische Gewandstrukturen voraussetzt. Dies wird an der Piräusbronze noch deutlicher sichtbar als an der Athena Mattei. Die Bronzeoberfläche der Piräusathena ist unruhig und besteht aus lauter kleinen Dellen und Falten. Obwohl nicht überall Falten verlaufen, gibt es im Grunde keine wirklich glatten Gewandflächen. Die marmorne Athena Mattei bestätigt dies: Auch ihre Oberfläche ist an kaum einer Stelle völlig unbewegt. War ein solcher Faltenstil bereits zu Beginn des 3. Jhs. aufgekommen, so wird die Bewegtheit der Oberfläche erst später mit den beobachteten strukturellen Eigenschaften der Figuren kombiniert. Liegefalten des Stoffes, wie sie die Piräusathena in Höhe der Oberschenkel und am Apoptygma mehrfach deutlich zeigt, sind nur an der Seite des linken Oberschenkels der Athena Mattei einzeln erkennbar. Deutlich hellenistisch ist auch die Faltenbildung an den Beinen: Tiefe, unterschiedlich verschattete Faltentäler stehen in kontrastreichem Gegensatz zu breiten, wulstigen Faltenrücken mit doppeltem Grat, die sich auf der Plinthe lappenartig stauen und kaum die Füße freigeben.
Antiquaria Bevor diese Beobachtungen durch einige Vergleiche erhärtet werden sollen, noch zu den bereits erwähnten Antiquaria: Die hellenistische Datierung des Darstellungstypus der Athenen MatteiPiräus wird unterstützt durch den beiden Exemplaren gemeinsamen Gorgoneiontypus und durch die Greifenappliken am Helm. Der Gorgoneiontypus mit fliegendem Schläfenhaar, faltigem, breitem Gesicht und drohend zusammengezogenen Augenbrauen ohne Flügel ist in dieser Weise
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weder klassisch noch römisch. Es handelt sich entwicklungsgeschichtlich vielmehr um eine hellenistische Zwischenstufe zwischen dem schlichten, runden Gorgoneion klassischer Zeit und dem darauf basierenden Typus 1 der frühen Kaiserzeit1110. Hinzu kommt, daß das Gorgoneion der Piräusathena die Zunge herausstreckt - eine unklassische Darstellungweise, die auch an römischen Kopien klassischer Athenatypen nicht erscheint und ursprünglich auf einen archaischen Gorgoneiontypus zurückgeht1111. Die Greifenappliken am Helm sind für die klassische Zeit nur vereinzelt nachweisbar. So gehörten sie aller Wahrscheinlichkeit nach zum Helmschmuck mindestens eines Strategenporträts1112. Für Athena sind sie interessanterweise auf einer Serie athenischer Münzen des zweiten Jhs. v. Chr. belegt; auch hier zieren sie allerdings den attischen Helm1113. An den großplastischen Athenatypen und Reliefathenen klassischer Zeit sind die Greifen als Helmschmuck nicht überliefert, sie erscheinen aber in der Münzikonographie1114. Ein Exemplar des späthellenistischen Athenatypus Vatikan-Tokyo (VT I 1) trägt einen Greifen anstelle des Helmbusches. Greifen als wahrscheinlich für Möbel bestimmte Appliken haben sich unter den Fundstücken des Schiffsfundes von Mahdia erhalten1115. Ihre dynamischen, fast maniriert schmalen Formen entsprechen denen der Greifen auf den Helmen der Athenen Mattei und Piräus und der mit ihnen in Zusammenhang gebrachten Athenaköpfe1116. Der Widderkopf auf dem Wangenschutz dagegen ist ein durchgängig üblicher Helmschmuck1117. Die Eulen auf dem Wangenschutz der Piräusathena hingegen sind ein eindeutig unklassisches Motiv. O. Palagia weist mit Recht darauf hin, daß Eulen als Attribute der Athena innerhalb der klassischen Skulptur nicht dargestellt werden1118. M. Fuchs geht wie die meisten anderen Forscher davon aus, daß einer der beiden mitgefundenen bronzenen Schilde zu der Piräusathena gehört und entwirft eine Rekonstruktion mit seitlich an das Spielbein angelehntem Schild, auf das die linke Hand der Figur sich stützte1119. Auf ein interessantes Detail weist B. S. Ridgway hin. Sie bezieht sich dabei auf die Beobachtung K. D. Morrows, eine kreisrunde Vorrichtung an den Sandalen sowohl der Athena als auch der kleinen Artemis sei erst ab dem 2. Jh. v. Chr. nachweisbar, sodaß auch dadurch die hellenistische Datierung der Bronzen bestätigt würde1120.
1110
Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff. Das Gorgoneion der Replik Mattei ist abgebildet bei Buschor a. O. (Lit. zu 5. 2) Taf. 58 Abb. 5. 1111 Vgl. S. 179. Lediglich an den Repliken des Typus Ostia-Cherchel erscheint ein ähnliches Gorgoneion, dessen Interpretation noch unklar ist. S. auch S. 203 und S. 258 ff. 1112 D. Pandermalis, Untersuchungen zu den klassischen Strategenköpfen (1969) 39 ff. Taf. 9-11. Auch an der New Yorker Replik des sog. Phokion sind die Greifen erhalten, Pandermalis a. O. 60 Taf. 17, 1. 2; G. S. Korres, Ôà ìåôà` êåøà´ëûí êòéûœí êòà´íç (1970) Taf. 37 á. 1113 Vgl. R. Stuart Poole, A Catalogue of Greek Coins in the British Museum. B. V. Head, Attica-Megaris-Aegina (1888) Taf. 8-13. 1114 Vgl. einen Stater des späten 4. Jhs. aus Hyele, P. R. Franke - M. Hirmer, Die griechische Münze (1964) Taf. 80. 1115 B. Barr-Sharrar, Mahdia. Kat. Bonn 1994, 559 ff., bes. 562 Abb. 6-7. 1116 Vgl. dagegen die schwerere, unbewegte Form der klassischen Greifen bei R. Lullies, Vergoldete TerrakottaAppliken aus Tarent, RM Ergh. 7 (1962) passim. 1117 Vgl. Korres a. O. (Anm. 1112) passim . 1118 Palagia, Euphranor 22; vgl. hier Anm. 1177. 1119 Fuchs, In Genere Graeciae 11 Taf. 4. 2. 1120 Ridgway, Hellenistic Sculpture I 363, 376 f. Anm. 24.
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Datierung Einige Gewandstatuen und Köpfe sollen nun die Datierung der Athenen Mattei-Piräus in das späte 2./ frühe 1. Jh. v. Chr. sichern, wobei die Entstehung des Darstellungstypus möglicherweise früher angesetzt werden muß. Zwei typologisch übereinstimmende Statuen aus Pergamon in Berlin und Istanbul, die von Horn in die erste Hälfte bis Mitte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden1121, können hier vielleicht als Analogie weiterhelfen. Die Statue in Istanbul stammt aus dem in der Regierungszeit Attalos II. gebauten Heratempel von Pergamon und stellt, da sie kurze Haare hatte, trotz des zugrundeliegenden Vatergottheitstypus keinen Zeus dar, sondern möglicherweise den Attalos selbst als den Stifter des Heiligtums1122. Die Statue in Berlin wird hingegen mit dem Großen Altar in Zusammenhang gebracht. Eine kaiserzeitliche Kopie auf Paros1123 deutet für Horn und Lippold darauf hin, daß alle drei Figuren nach einem noch älteren Vorbild hergestellt wurden1124. Wahrscheinlich verhält es sich hier so, wie dies auch für die Athena Mattei-Piräus angenommen werden soll, und es handelt es sich um einen hellenistischen Darstellungstypus, der in langer Tradition immer wieder für Statuen einer Vatergottheit benutzt wurde, ohne daß ein Verhältnis im Sinne römischer Kopien besteht. Eine solche Erweiterung des Typusbegriffes hatte sich bereits in anderen Fällen als Lösung angeboten1125. Einige weitere Folgerungen ließen sich aus einem solchen Parallelfall ziehen: Der Vatergottheitstypus hat strukturell und vom Gewandstil her eine so große Ähnlichkeit mit dem Athenatypus, daß beide Darstellungstypen um die gleiche Zeit entstanden sein könnten. Beide Typen bewahren neben eindeutig hellenistischen Elementen einen klassizistischen Einschlag. Wenn die Statue in Istanbul um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. entstanden ist und die Figur in Berlin ihr kurz vorausgeht, könnte auch der Darstellungstypus der Athena vielleicht schon aus der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. stammen. Handwerklich gesehen müssen beide Athenen wohl zwischen der Statue in Istanbul und dem wahrscheinlich frühkaiserzeitlichen Exemplar im Louvre entstanden sein. Wenn sich also die späthellenistische Datierung der Athena Mattei aufrechterhalten läßt, wäre diese kurz vor 100 v. Chr. entstanden, die Athena aus dem Piräus hingegen kurz danach. Diese auf etwas unkonventionellem Wege gewonnenen Behauptungen müssen durch weitere Vergleiche erhärtet werden. Die Begründung, weshalb die Athena Mattei nicht kaiserzeitlich datiert werden kann, ist bereits anläßlich der Kopfvergleiche ausgeführt worden1126. Auch der Gewandstil hält einer hellenistischen Einordnung stand: Außer dem kontrastreichen Faltenstil der beiden eben erwähnten pergamenischen Götterstatuen läßt sich der wohl im letzten Viertel des 2. Jhs. entstandene Poseidon von Melos neben die Athena stellen1127. Faltenmotive und Gewandtextur sind ähnlich, obwohl der Poseidon durch seine teilweise dünnere, scharfgratigere Gewandge-
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Horn, Gewandstatuen 49 f. Taf. 20. 1-3. Radt, Pergamon 187 Abb. 131. 1123 Horn a. O. Taf. 20. 3. 1124 Horn a. O. 50; Lippold, Kopien und Umbildungen 21 f. 1125 Vgl. S. 37 ff. 1126 Vgl. S. 190. 1127 J. Schäfer, AntPl 8 (1968) 55 ff. Taf. 38-41; Pollitt, Hellenistic Age 268 Abb. 290; Ridgway, Hellenistic Sculpture II 167 Taf. 57; Andreae, Skulptur des Hellenismus 95. 53. 1122
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staltung eher mit dem Fries aus Magnesia am Mäander verbunden ist1128. Von der Faltenbildung und der Qualität des Gewandstoffes her ähnlich sind auch zwei späthellenistische männliche Gewandstatuen aus Kos, die allerdings um die Jahrhundertmitte datiert werden müssen1129. Die Datierung der Piräusathena um 100 v. Chr. wird zusätzlich unterstützt durch den Jüngling von Eretria, mit dessen Stil und Habitus sie viel verbindet1130. Weibliche Gewandstatuen desselben Zeitraumes lassen sich aufgrund ihrer dünneren und gleichzeitig weit dramatischeren und differenzierteren Gewandgestaltung nur begrenzt vergleichen. Die bekannten Statuen der Familie des Valerius Flaccus aus Magnesia in Istanbul, die neuerdings - wenn auch bisher ohne stilistische Begründung - in das ausgehende 2. Jh. v. Chr. datiert werden1131, haben bei näherem Hinsehen einiges mit den beiden Athenastatuen gemein. Dies betrifft zunächst die Struktur der Figuren mit ihren außerordentlich betonten Unterkörpern, den ausladenden Standbeinhüften und dem massigen „Spielbein“. Die Stoffmasse über den Unterschenkeln ist bei den Ehrenstatuen noch schwerer. Vernachlässigt man die Orientierung der Statuen an hellenistischer Mode, die die Figuren in einen Gegensatz zu den klassizistisch beruhigten Athenen stellt, und betrachtet statt dessen einzelne Faltenmotive, so fallen die gleichen wulstigen, schnurartigen Faltenrücken auf, die sich über die unruhige Gewandoberfläche ziehen1132. Vergleichen lassen sich auch die massige Faltengebung und Schwergliedrigkeit der auf das Jahr 128/27 festgelegten Isis aus dem Serapeion von Delos1133. Eine weibliche Gewandstatue aus Notion schließlich, die von Horn in das Ende des 2. Jhs. v. Chr. datiert wird, ist von ihren Formen und ihrer Faltenbildung her ganz ähnlich1134. Drei Kopfvergleiche, die bisher noch nicht erwähnt wurden, sollen die zeitliche Einordnung der Athenen Mattei und Piräus abschließen: Der Kopf der Athena Mattei läßt sich ohne weiteres mit dem Kopf der Thea vom inschriftlich auf ca. 100 v. Chr. datierten Lakrateidesrelief in Eleusis vergleichen1135. Der Reliefkopf, der dem Athenakopf sehr ähnelt, kann gleichzeitig als Parallele für dessen Klassizismus herangezogen werden. Ferner spricht die Ähnlichkeit der Köpfe möglicherweise sogar dafür, daß auch die Athena Mattei aus einer attischen Werkstatt stammt; wahrscheinlich trotz des unterschiedlichen Materials aus unmittelbarer Nähe des Entstehungsortes der Piräusathena1136. Den elegischen Ausdruck des Kopfes der Athena Mattei dagegen trifft eher die Büste einer verschleierten Frau aus der Villa dei Papiri, die wahrscheinlich aus dem 1. Jh. v. Chr. stammt 1128
Linfert, Kunstzentren 28 ff. 164 ff. Taf. 4 Abb. 18-19; P. A. Webb, Hellenistic Architectural Sculpture (1996) 88 ff. Abb. 53-56, 58. 1129 Linfert a. O. 67 ff. Taf. 26; R. Kabus-Preißhofen, Die hellenistische Plastik der Insel Kos, 14. Beih. AM (1989) 207 ff. 33 Taf. 44-45; 34 Taf. 46. 1, 2; A. Lewerenz, Stehende männliche Gewandstatuen im Hellenismus (1993) 252 f. 11. 1 Abb. 16. 1130 A. Lewerenz a. O. 242 f. I. 4 Abb. 3-6. 1131 D. Pinkwart, AntPl 12 (1973) 149 ff. Taf. 49-66; Linfert, Kunstzentren 30 f. Taf. 5. 22-27 (58 a-c); Eule, Hellenist. Bürgerinnen 85 ff. 170 f. 18-20 Abb. 4, 13 u. 79. 1132 Vgl. D. Pinkwart a. O. Taf. 52, 56 und 57 b, insgesamt aber auch Taf. 52-62. 1133 Horn, Gewandstatuen 77 Taf. 29; J. Marcade´´, Au musee´ de Delos (1969) 135 Taf. LVII; H.-H. v. Prittwitz und Gaffron, Der Wandel der Aphrodite (1988) 22 f. Taf. 1-2; Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 145 f. 1134 Horn, Gewandstatuen 78; R. Demangel - A. Laumonier, BCH 49, 1925, 323 ff. Taf. 15; Linfert, Kunstzentren 62 Taf. 20 Abb. 104-106. 1135 Mit Einzelaufnahme des Kopfes zuletzt H.-H. von Prittwitz und Gaffron, Mahdia. Kat. Bonn 1994, 309 f. mit Anm. 14; 322 Abb. 29; s. auch Anm. 1235. 1136 Vgl. Waywell, BSA 1971, 375 sowie T. Hölscher, in: Mahdia. Kat. Bonn 1994, 881 ff.
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und der Athena auch handwerklich ähnlich ist1137. Der Kopf der Piräusathena dagegen zeigt eine enge Verbindung zu einem bronzenen Aphroditekopf aus Armenien in London, der möglicherweise ebenfalls zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. entstanden ist1138, und zum Kopf der Aphrodite von Melos in Paris1139. Der Vergleich mit Venusstatuen bringt neben der Künstlerfrage weitere Aspekte ins Spiel, die im Zusammenhang mit der Athena Mattei-Piräus relevant sind, und bietet gleichzeitig noch einmal die Möglichkeit, die Athenen gegen das vierte Jahrhundert abzusetzen. Natürlich sind auch die beiden Athenen bestimmten Künstlern zugewiesen worden. Obwohl an beiden Statuen stets praxitelische Elemente beobachtet wurden1140, wies man die Figuren schließlich Kephisodot und Euphranor zu1141. Die Zuweisung an Kephisodot orientiert sich vor allem am Auffindungsort der Piräusathena. Den Vertretern dieser These gilt die Piräusbronze als Original des 4. Jhs. v. Chr., das unter Sulla aus dem Disoterion im Piräus, einem Zeus-AthenaHeiligtum mit einer Athenastatue Kephisodots, geraubt worden war und nach Rom transportiert werden sollte1142. Die Athena Mattei läßt sich besser als die Piräusathena neben die wahrscheinlich praxitelische Aphrodite von Knidos stellen1143. Praxitelisch erscheint an der Athena Mattei ihre elegische Gesamtwirkung, die deutlicher ist als an der Piräusathena. Diese Elegik setzt sich aus dem Gesichtsausdruck, der Haltung des Kopfes und der den quasi nach vorn geöffneten Oberkörper rahmenden Arme zusammen. Hinzu kommen der leicht geschwungene Stand, den die Athena in allerdings weit weniger fließender Form mit der Aphrodite teilt, sowie die im Profil nach vorn gekippte Haltung. In direktem Vergleich beider Figuren zeigt sich jedoch, daß die Aphrodite von einer einzigen harmonischen Schwingung durchzogen ist, während die Athena die für klassizistisch-retrospektive Werke typische epigonenhafte Aneinanderreihung einzelner Partien zu einem Gesamtganzen vorführt, das nicht als genuin klassischer Entwurf überzeugt, sondern sich als künstliches Produkt intellektueller Annäherung einer deutlich späteren Zeit an Wesenszüge praxitelischer Kunst erweist. Der Unterschied zu praxitelischen Werken äußert sich schließlich in beiden Athenaköpfen: Weder der Kopf der Pariser Statue noch der derjenigen vom Piräus sind mit den Köpfen bekannter praxitelischer Werke besonders verwandt1144. Ganz anders fällt der
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M. R. Wojcik, La Villa dei Papiri ad Ercolaneo (1986) Taf. 41 B 12; R. R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (19982) 157. 8 Taf. 9. 1138 Stewart, Greek Sculpture 807. 1139 J. Charbonneaux, Die Venus von Milo (1959); A. Pasquier, La Ve´nus de Milo et les Aphrodites du Louvre (1985) 12 ff. 66 ff.; Stewart a. O. 806; C. Mitchell Havelock, The Aphrodite of Knidos and her Successors (1995) 93 ff. Abb. 33; Ridgway, Hellenistic Sculpture II 167 ff. Taf. 58; Andreae, Skulptur des Hellenismus 195 ff. 186, 187. 1140 A. Orlandos, ´Åòâðí 1959, 165; O. Palagia, AAA 6, 1973, 329. 1141 Zur Zuweisung an Kephisodot Bieber, Ancient Copies 33; A. A. Papaiannopoulos a. O. (Lit. zu 5. 1) 30; Schefold a. O. (Lit. zu 5. 1) 37 ff.; Waywell, BSA 1971, 373 ff.; vgl. zusammenfassend C. Houser, Greek Monumental Bronze Sculpture (1987) 232 Anm. 20; zur Zuweisung an Euphranor O. Palagia a. O. 323 ff.; Palagia, Euphranor 21 ff., C. Houser a. O. 224 f. tendiert ebenfalls zur Zuweisung an Euphranor. G. Dontas a. O. (Anm. 1062) schreibt die große Artemis des Piräusfundes Euphranor zu. 1142 Zum Disoterion Pausanias 1. 1. 3; zur Athenastatue Plinius 34. 74; zu diesem Themenbereich vgl. auch Anm. 868 und 1061. Zum Disoterion im Piräus s. Garland a. O. (Anm. 1060) 137 f. 212 mit Lit. 1143 Rizzo, Prassitele 45 ff. Taf. 70-88; C. Blinkenberg, Knidia (1933) passim; Stewart, Greek Sculpture 503-507; G. E. Bean - J. M. Cook, BSA 47, 1952, 171 ff.; A. Pasquier a. O. (Anm. 1139) 55 ff.; C. M. Havelock a. O. (Anm. 1139) passim; Andreae, Skulptur des Hellenismus 70 ff. Abb. 31. 1144 Vgl. Rizzo a. O. mit guten Kopfaufnahmen aus der Überlieferung der Knidia.
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Vergleich mit der Aphrodite von Melos aus1145: Sie zeigt deutlich, daß die ruckartig-eckigen, schräg gegeneinander verschobenen Bewegungen einzelner Körperteile, die auch die Athena Mattei vom fließenden Schwung der knidischen Aphrodite unterscheiden, hellenistischen Ursprungs sind. Der Kopf der Aphrodite von Melos ähnelt dem der Piräusathena ganz besonders. Ähnlich sind der weiche Kopfkontur mit dem relativ spitzen Kinn, der kleine Mund, die kurze Nase, die engstehenden, kleinen Augen mit den niedrigen, fast waagerechten Brauen neben der vorgeschobenen Nasenwurzel. Aus der vorgeschlagenen Zuschreibung an Kephisodot ergibt sich eine weitere Abgrenzungsmöglichkeit gegen das 4. Jh. Die Athenen Mattei-Piräus wurden häufig mit der Eirene verglichen1146. Auch hier sind jedoch die Unterschiede größer als die Gemeinsamkeiten: In ihrem geschlossenen Kontur mit der dem Körperbau harmonisch angepaßten Kopfneigung steht die Eirene der Aphrodite von Knidos näher und geht sogar Figuren wie der in der Mitte des 4. Jhs. entstandenen Aphrodite von Arles voraus1147. Ihr seitlicher Kontur ist völlig gerade; die Hüfte wird, obwohl dies durch das Motiv mit dem Dionysosknaben erst recht nahegelegen hätte, nicht betont, sondern nur vom ausladenden Peplos und dem Mantel umrahmt. In der Seitenansicht ist die Statue völlig gerade und in sich ruhend. Auch die Rückseite zeigt keinerlei Überraschungen - sie erschließt sich durch den Mantel bereits von der Vorderseite aus und entspricht dem kubischen Aufbau der Figur. Die entsprechenden Aspekte stellten sich bei der Athena ganz anders dar. Auch das Gewand der Eirene ist weder bewegt auf der Oberfläche noch hat es Liegefalten. Die Eirene zeigt sich damit in ihrem geraden, fast strengen Aufbau und ihrer Einheitlichkeit klassischen Gestaltungsprinzipien zugehörig, während die Athenen hellenistische Elemente verinnerlicht haben, die weit über das für sogenannte hellenistische Kopien zulässige Maß hinausgehen1148. Hinzu kommt, daß hellenistische Kopien, soweit man überhaupt davon sprechen kann, eher einzeln auftreten als in Serie, während die Übereinstimmung der Athenen Mattei und Piräus, aber auch ihre Unterschiede dafür sprechen, daß man es hier mit Produkten einer neoattischen Werkstatt zu tun hat, deren Werke, wahrscheinlich auf Bestellung aus Kleinasien oder Italien hin, sich aus traditionell überlieferten, aus klassizistischen und aus zeitgenössischen Bestandteilen zusammensetzten1149. Solche Werkstätten arbeiteten natürlich über längere Zeit hinweg mit denselben dieser Bestandteile. Daher ist das genaue Entstehungsdatum des Darstellungstypus der Athenen Mattei-Piräus schwer festzulegen; es muß zumindest nicht mit der Datierung der Statuen selbst übereinstimmen. Daß der Typus trotz seines klassizistischen Einschlags aus dem 4. Jh. v. Chr. stammt, ist nach allem unwahrscheinlich. Auch Vergleiche mit zeitlich festgelegten Werken des späten 4. Jhs. fallen nicht günstiger aus als der Vergleich mit der Eirene oder der Aphrodite von Knidos.
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S. Anm. 1139. Waywell, BSA 1971, 379; Schefold a. O. (Lit. zu 5. 1) 40 f.; O. Palagia a. O. (Lit. zu 5. 1) 324 ff.; dies., Euphranor 22 f. mit Anm. 116; C. Houser a. O. (Anm. 1141) 223 f. mit Anm. 19 und 20. 1147 B. S. Ridgway, AJA 80, 1976, 147 ff.; vgl. jedoch dies., Hellenistic Sculpture III 197 ff.; Pasquier a. O. (Anm. 1139) 53 ff.; Stewart, Greek Sculpture 501. 1148 Vgl. J.-P. Niemeier, Kopien und Nachahmungen im Hellenismus (1985). 1149 Vgl. hierzu A. Stewart, Attica (1978); Hölscher a. O. (Anm. 1136) und W. Trillmich, JdI 88, 1973, 264 ff.; zum Begriff der neoattischen Kunst H.-U. Cain - O. Dräger, Mahdia. Kat. Bonn 1994, 809 ff.; M. D. Fullerton, in: Palagia - Coulson, Regional Schools 93 ff.; Fuchs, In Genere Graeciae. 1146
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Hier seien nur der Deloptes des Bundesreliefs von 329/28 in Kopenhagen1150 und die ihm verwandten Statuen des Sophokles und des Aischines angeführt1151. Während Deloptes und Sophokles auf einer Stufe stehen und in ihrem Aufbau trotz des beim Sophokles bereits wirksamen Auseinanderstrebens der Körperachsen noch die spätklassische Geschlossenheit des Konturs und die schnurgerade Harmonie der einzelnen Teile zeigen, weist der Aischines bereits auf die Geradheit und Steifheit der Werke des frühen 3. Jhs. hin, die später der Demosthenes verkörpert1152. Keines dieser Kriterien läßt sich auf die Athenen anwenden und keine dieser Eigenschaften findet sich an ihnen wieder. Auch das spannungsvolle Verhältnis von Körper und Gewand, das die Porträtstatuen des späten vierten Jhs., aber auch den spätklassisch-frühhellenistischen Athenatypus Vescovali so stark prägt, tritt an der Athena als Gestaltungsprinzip kaum in Erscheinung. Auch die hier in die zweite Hälfte des 4. Jhs. datierte Athena vom Typus Ostia-Cherchel, die sich in Gewand und Aigis grundsätzlich gut vergleichen lassen müßte, zeigt einen viel geschlosseneren Aufbau und eigenständigere Seitenansichten als die Athena Mattei; ganz abgesehen von ihrem erheblich strenger wirkenden Faltenstil1153. Der Blick auf die spätklassische Athenaikonographie ergibt außerdem, daß die überlebensgroßen Athenen Mattei-Piräus allein von ihrer Größe her aus der sich deutlich abzeichnenden Entwicklungstendenz der Athenastatuen vom überlebensgroßen zum kleinen Format hin herausfallen würden1154. Obwohl er sich nach alldem also nicht in das 4. Jh. datieren läßt, bewahrt der Typus Mattei-Piräus spätklassische Elemente. Das läßt sich besonders gut an den beiden Artemisia und Mausolos genannten Porträtstatuen am Halikarnaß nachvollziehen, die in ihrer Monumentalität und in ihrem massigen Gewandstil gut mit der Athena vergleichbar sind1155. Diese Kombination spätklassischer mit zeitgenössischen Elementen ist nach wie vor am besten im 2. Jh. v. Chr. aufgehoben. Die neoklassische Glätte und die fast akademische Beruhigung der Athenafiguren lassen vermuten, daß der Darstellungstypus auch erst gegen Ende der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. entstanden ist, vielleicht in der Zeit um 150 v. Chr. Das dritte Jahrhundert käme als mögliche Entstehungszeit des Typus aber auch in Frage - trachttypologische und motivische Parallelen bilden hier die Relieffiguren der Ptolemäerkannen1156. Viele Künstler des 2. Jhs. v. Chr. sind namentlich bekannt1157. Zu den bekanntesten Werkstattdynastien gehört beispielsweise die Poliklesfamilie aus Thorikos in Attika, aus der Timarchides stammt, dem den Quellenangaben zufolge neben anderen Werken ein Kithara spielender Apollontypus zugwiesen wurde1158. Eine Athenastatue aus dieser Werkstatt wird von Pausanias erwähnt1159. Daß es also in dieser Zeit in Attika bekannte Künstler gegeben hat, deren Wirkungsbereich sich bis nach Rom erstreckte und die sicher keine Kopistenwerkstätten betrieben, sondern 1150
Meyer, Urkundenreliefs A 107; M. Moltesen, Greece in the Classical Period. Cat. Ny Carlsberg Glyptotek (1995) 138 ff. mit Abb. u. Lit.; Lawton, Document Reliefs 47 Taf. 25. 1151 Zu den beiden Porträtstatuen s. Anm. 347 und 355 sowie Anm. 653 und 830. 1152 Zum Demosthenes vgl. Anm. 355. 1153 S. S. 93 ff.; bes. S. 105. 1154 S. S. 244 ff. 1155 Stewart, Greek Sculpture 535; Waywell, Freestanding Sculpture 97 ff. 26, 103 ff. 27 Taf. 13-15. 1156 Vgl. D. Burr-Thompson, Ptolemaic Oinochoai and Portraits in Fayence (1973) passim; G. Kleiner, Tanagrafiguren 2 (1984) 20 ff.; s. auch E. Mathiopoulos, in: Deacy - Villing, Athena 197 - 217. 1157 Vgl. Stewart, Greek Sculpture 295 ff.; H.-U. Cain, O. Dräger a. O. (Anm. 1149) 812 ff. 1158 A. Stewart, Attika (1979) 42 ff.; ders., Greek Sculpture 304 f. mit Quellen und Lit.; Flashar, Apollon Kitharoidos Abb. 94-95, 98-103; Cain u. Dräger a. O. 814 f. 820; Fuchs, In Genere Greciae 2 Anm. 32. 1159 Paus. 10. 34. 6-7; Stewart a. O. 305 T 159.
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selbst schöpferisch tätig waren, ist nicht neu. Da diesen Werkstätten bisher wenig großplastische Produkte zugeordnet werden konnten, ist es reizvoll, in den Athenen Mattei und Piräus Neuschöpfungen solcher im 2. und 1. Jh. v. Chr. aktiven Werkstätten zu sehen, die als griechische Kunsthandelsware für den römisch-italischen Markt bestimmt waren1160. Daß die Piräusathena nicht erst am Zielort oder versehrt auf dem Meeresboden, sondern in verpacktem Zustand kurz vor ihrer Auslieferung gefunden wurde, und daß es damit auch möglich war, die Athena Mattei als östliches Werk zu erkennen, ist ein selten günstiger Umstand. Dontas schlug vor, die Figuren stammten aus einem Heiligtum in Delos, wo sie bereits aufgestellt gewesen seien1161. C. C. Mattusch stellte fest, Bleivergußspuren an den Füßen der Figuren wiesen darauf hin, daß die Figuren bereits aufgestellt gewesen seien1162. Dagegen spricht sich jedoch M. Fuchs aus, die darauf hinweist, daß die Kontaktstellen mit der Basis gar nicht erhalten seien1163.
Neuere Stellungnahmen zum Piräusfund Dem bisherigen Stand der Forschung nach scheint der Piräusfund also ein Querschnitt an bestellter Ware für den italischen Markt zu sein. Dies ist offenbar auch communis opinio - lediglich der Hintergrund der einzelnen Statuen wird unterschiedlich eingeschätzt1164. Die jüngsten Stellungnahmen zum Piräusfund insgesamt stammen von O. Palagia und M. Fuchs1165. O. Palagia hält die Athena stilistisch für ein Werk des 4. Jhs. und sieht die Bronze wenn nicht als Original, dann als eine hellenistische Kopie nach einem Original des 4. Jhs., nach dessen Vorbild auch die Athena Mattei entstanden sei. Den Apoll hält sie für eine archaistische Statue des 2. Jhs. v. Chr., die kleine Marmorstatue für eine zeitgenössische Artemis, die große Bronzeartemis für ein wenig qualitätvolles Original aus der Wende vom 4. zum 3. Jh. oder ein klassizistisches Werk der Zeit um 100 v. Chr. und die kleine Bronzeartemis für ein Werk des frühen 3. Jhs. Die mitgefundene Tragödienmaske könnte ihrer Ansicht nach aus dem 4., aber auch aus dem 1. Jh. stammen. Die Frühdatierung der meisten Werke legt bereits nahe, daß sich O. Palagia, wie schon in ihrem Buch über Euphranor, dafür ausspricht, daß die Statuen aus verschiedenen attischen Heiligtümern zusammengetragen wurden und nicht römische Kriegsbeute waren, sondern als Bestätigung hierfür dient ihr die ihrer Ansicht nach nur für den östlichen Markt geeignete Artemis aus Marmor - eher gen Osten zu Mithridates transportiert werden sollten. Und zwar nicht als Auftragswerke, sondern offenbar als Beutekunst, denn für das kriegsgeschüttelte Athen dieser Zeit sei die Produktion von Großbronzen auszuschließen1166. Anders M. Fuchs: Ihrer Ansicht nach sind alle Werke des Piräusfundes kurz vor ihrer Verschüttung 87/86 v. Chr. als Auftragswerke für Rom hergestellt worden1167. Die große Artemis beurteilt sie als freie Nachbildung nach einem „Urbild“ des 4. Jhs., dem sie mehrere weitere 1160
Vgl. Anm. 1149. S. S. 183 Anm. 1062. 1162 C. C. Mattusch a. O. (Lit. zu 5. 1, 1996); vgl. auch C. Houser a. O. (Lit. zu 5. 1, 1987) 215; s. Anm. 1063. Ebenso Palagia, Piraeus Bronzes 178. 1163 Fuchs, In Genere Graeciae 11. 1164 Zu den einzelnen Fundstücken vgl. Anm. 1059. 1165 Palagia, Piraeus Bronzes; Fuchs, In genere Graeciae 9 ff. 1166 Palagia a. O. 179, 189. 1167 O. Palagia hat aufgrund der historischen Situation Bedenken wegen des Handels mit Rom; a. O. 189. 1161
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Nachbildungen an die Seite stellt. Auch für die Athena scheint es ihrer Ansicht nach ein Urbild gegeben zu haben, das entsprechend abgewandelt wurde. Ohne ihr hier in der Beziehung zu irgendwelchen Vorbildern folgen zu können, scheint M. Fuchs - wie dies auch B. S. Ridgway anerkennt1168 - in ihrer Einschätzung richtig zu liegen. Trotz Bedenken E. Formiglis ist der bronzene Apoll zumindest aus stilistischer Sicht ein archaistisches Werk1169 - die große Artemis hingegen entweder der Nachguß einer Statue aus dem späten 4. Jh. oder ein Original des späten 2./frühen 1. Jhs., während die kleine Artemis ebenfalls um 100 v. Chr entstanden sein wird1170. Die mitgefundenen Marmorwerke sind gleichfalls aufschlußreich: Bei den Hermen handelt es sich nach neueren Erkenntnissen um klassizistische Arbeiten des späten 2. Jhs.1171 Die eigenartige orientalisierende Statuette mit den verschnürten Armen, die vielleicht Isis oder wahrscheinlicher Artemis Kindyas darstellt, kann in das beginnende 1. Jh. v. Chr. datiert werden1172. Daß sie aus dem ostgriechischen Raum, vielleicht aus dem inselionischen, kleinasiatischen, kyprischen oder alexandrinischen Bereich zur Weiterverladung nach Athen transportiert worden sein könnte, wie dies schon öfter angenommen wurde, ist unwahrscheinlich1173, da sie wie die mitgefundenen Hermen aus pentelischem Marmor zu sein scheint und nicht zuletzt deswegen aus der gleichen Werkstatt stammen dürfte wie diese1174. Die Piräusathena krönt als wahrscheinlich auf Bestellung angefertigtes Kultbild aus zeitgenössischen und klassizistischen Elementen das auf den ersten Blick uneinheitliche Bild des Piräusfundes1175.
1168
Ridgway, Hellenistic Sculpture III, 129. E. Formigli, in: Ancient Bronzes (Kongr. Ber. Nijmegen 1995) 150. 3. 1170 Möglicherweise handelt es sich sogar um eine Figur mit Porträtkopf? 1171 Diesen Hinweis verdanke ich E. Krämer, die die Hermen in ihre Untersuchung über die Vorbilder und Rezeptionsformen bärtiger Hermen aufgenommen hat; s. dies., Hermen bärtiger Götter (2001) 150 ff. 1172 Ridgway, Hellenistic Sculpture III, 129, 139 Anm. 33 Taf. 49. 1173 Ridgway a. O.; s. a. I. Jucker, in: Gestalt und Geschichte. FS Karl Schefold, AntK Beih. 4 (1967) 133 ff. Taf. 4748; R. Fleischer, in: LIMC II (1984) Artemis Kindyas 4 Taf. 573. Vgl. die Aphrodite der Pantoffelgruppe, zuletzt N. Marquardt, Pan in der hellenistischen und kaiserzeitlichen Plastik (1995) 227 ff. Taf. 23. 3-4 mit Lit. 1174 S. a. Fuchs, In Genere Graeciae 22. 1175 Zu den stilistischen Ressourcen der sog. neuattischen Werkstätten vgl. Cain u. Dräger, Mahdia. Kat. Bonn 1994, 811: „Das entscheidende Merkmal der sog. neuattischen Denkmäler ist vielmehr die freie Kombinationsmöglichkeit weit verbreiteter archaischer, klassizistischer und hellenistischer Motive, die seit dem 1. Jh. v. Chr. auch neue zeitgenössische Formen einschließen konnte.“ Weil sie auch für die Athenen so treffend sind, seien hier weitere Zitate angeschlossen; ebenda 817: „Die athenischen Bildhauer des späten Hellenismus und der Kaiserzeit waren also in der Lage, je nach Thema ganz verschiedene Motive und Stilformen einzusetzen.“ Ferner ebenda 818: „Es ist jedoch nicht angemessen, bereits bei den späthellenistischen Ateliers von einem akademischen Klassizismus zu sprechen. (...). Die Denkmäler selbst verraten, daß sich im 2. und 1. Jh. v. Chr. ein Formenschatz herausbildete, der souverän die formalen Errungenschaften aller voraufgegangener Epochen in sich vereinigte.“ und schließlich ebenda 820: „Die Entwicklung der eklektischen Bildhauerkunst war nicht von einem dogmatisch formulierten klassizistischen Programm bestimmt. Bezeichnend ist vielmehr ein durchdachtes und selbstbewußtes Zugreifen der einzelnen Bildhauer auf den Formenschatz einer großen Vergangenheit.“ Vgl. hierzu auch Fuchs, In Genere Graeciae 2: „Das eigentliche Betätigungsfeld der ‚neuattischen’ Künstler aber stellten die mit den zahlreichen Tempelgründungen der spätrepublikanischen Nobiles einhergehenden Kultbilder dar, von deren Aussehen sich anhand des vorhandenen Materials eine Vorstellung gewinnen läßt. Ihre Formensprache fügt sich in die klassizistische Strömung ein, die sich im 2. Jh. v. Chr., von Athen ausgehend, über das gesamte Mittelmeergebiet ausbreitete und für Kultbilder den Rückgriff auf Phidias und die Klassik als das einzig Angemessene erscheinen ließ.“ 1169
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Athena aus Kyrene Eine weitere Athenastatue in London, die in Kyrene gefunden wurde, ist typologisch und stilistisch mit den Athenen Mattei-Piräus so eng verwandt, daß dahinter fast die gleiche Werkstattradition vermutet werden könnte. 5. 3 London, British Mus. 1479 Statue ohne Kopf, mit Schrägaigis und kurzem Mantel aus Kyrene H 1. 44 m parischer Marmor Taf. 84 Abb. 1-3 Dat.: hadrianisch-frühantoninisch1176 Lit.: A. H. Smith, British Museum. A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities II (1900) 255. 1479; Horn, Gewandstatuen 42, 52 Taf. 11. 1.
Die Statue ist stark bestoßen, außer Kopf und Hals fehlen beide Unterarme. Aus dem Halsansatz geht hervor, daß der Kopf leicht nach rechts gewandt war. Über die Haltung läßt sich ferner aussagen, daß der linke Unterarm durch einen Bossen mit der Hüfte verbunden war und offenbar am Körper herabführte. Der Verlauf des rechten Armes bleibt unklar. Eine Abarbeitung an der rechten Hüfte könnte der Rest eines Bossens sein, der den ausgestreckten rechten Unterarm unterstützt haben könnte. Während der rechte Oberarm unbekleidet aus dem rechts offenen Peplos, der offensichtlich wie die Athenen Mattei-Piräus mit schrägem Apoptygma drapiert ist, austritt, ist die linke Schulter vom Gewandstoff des links offenen Mantels bedeckt. Mit welchen Attributen die Arme versehen waren, kann nicht erschlossen werden; die Armhaltung deutet nicht auf das Halten einer Lanze hin. Der rechte Arm ist wahrscheinlich analog zur Piräusathena zu ergänzen; er wurde von unten gestützt, weil er ein Attribut, möglicherweise eine Eule1177, trug. Die Rückseite der Figur, die vom schräg von der linken Schulter zur rechten Hüfte verlaufenden Mantel bedeckt wird, ist summarisch gearbeitet. Sie wirkt entschieden schmaler als die Vorderseite und geht fließend in die Seitenansichten über, so daß von hinten der Eindruck einer gewissen Verschraubtheit entsteht. Die Aigis verschwindet in entgegengesetzter Richtung unter dem Mantel und ist auf der rechten Schulter mit einer Schlange verziert. Die Aigis ist auch vorn ungeschuppt; Schlangenreste sind an zwei Stellen noch sichtbar. Der untere Aigisrand ist bestoßen; das Gorgoneion, das dem im 2. Jh. n. Chr. üblichen pathetisch-hellenistischen Typus folgt1178, ist längs auf der Aigis angebracht. Die Verbindungen zum Typus Mattei-Piräus bestehen rein äußerlich in der Aigisform, der Gestaltung der Peplosöffnung am Oberkörper, dem drei1176
Vgl. eine hadrianische Porträtstatue im Typus der Kleinen Herculanerin im Palazzo Braschi in Rom, FittschenZanker III 63 ff. 85 Taf. 107; Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 307 f. C 12 Taf. 30. Auch das Gorgoneion im 3. Typus spricht für eine Datierung in die späte Kaiserzeit; vgl. S. 258 ff. 1177 Vgl. den ausgestreckten Arm der Athena, der sich auf einem wahrscheinlich aus dem frühen 1. Jh. v. Chr. stammenden Relieffragment in Athen (s. Palagia, Euphranor 22 Anm. 112) erhalten hat. 1178 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
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eckigen Überfall von Peplos an der einen und Himation an der anderen Figur und in der Machart der Kniefalte am linken Unterschenkel. Darüber hinaus sind die stilistische Gestaltung des Oberkörpers und des Himations sowie das Verhältnis von Körper und Gewand, Körperproportionen und Körperhaltung dermaßen verwandt, daß für alle drei Athenen vielleicht sogar die gleiche Werkstatttradition vorausgesetzt werden kann. Dies ist umso interessanter, als dies vielleicht auf die Existenz von Werkstätten hindeuten könnte, die vom Späthellenismus bis weit in die Kaiserzeit hinein Originale nach bekannten, durch Zusammensetzung unterschiedlicher Elemente nur leicht variierten Mustern schufen. Die Statue in London besitzt eine Parallele in Newby Hall, die jedoch möglicherweise nicht antik ist1179. Ein Typus weiblicher Gewandstatuen, der in der Kaiserzeit für Porträtstatuen eingesetzt wurde, ist eng mit der Athena in London verwandt1180. Vermutlich stammt der Darstellungstypus, der hier zugrunde liegt, wie der der Athena aus dem späten 2./ frühen 1. Jh. v. Chr. Vom Trachttypus her verwandt und daher vielleicht ein Vorläufer ist der Typus der sog. Juno Cesi, der meist dem frühen 2. Jh. v. Chr. und dem pergamenischen Umfeld zugerechnet wird1181. Dieser Typus zeigt, wie beruhigt und frontal der demnach ein knappes Jahrhundert später entstandene, für Athena verwandte Typus ist. Durch die schräg umgelegte Aigis und den untergürteten Peplos ähnelt die Athena aus Kyrene dem Athenatypus Ostia-Cherchel, von dessen Trachttypus sie sich lediglich durch das zusätzlich umgelegte Himation unterscheidet. Im Gegensatz zum Typus Ostia-Cherchel, der wahrscheinlich spätklassisch ist, bestehen bei der Athena von Kyrene jedoch keine Zweifel an der Datierung1182, zumal die typologische Verbindung zu den Frauenfiguren der Ptolemäerkannen hier noch enger ist als an den Athenen Mattei und Piräus1183. Zwei weitere Athenafiguren in Cordoba und in Giazantep folgen einem ähnlichen Darstellungstypus wie die Athena aus Kyrene1184. Dennoch sind die Unterschiede so groß, daß keine direkte Verbindung zwischen den Figuren hergestellt werden kann. Interessant ist in dieser Hinsicht auch ein aus Athen stammendes, überlebensgroßes Fragment im Nationalmuseum, das nur noch die linke Brust, die diagonal verlaufende Aigis und das Gor1179
Dafür sprechen außer der merkwürdig glatten, teilweise patinierten Oberfläche und des außergewöhnlich guten Erhaltungszustandes die Aigis, die mit derjenigen in Rom befindlicher moderner Athenabüsten übereinstimmt (vgl. S. 188 ff. 1. 1, 1. 2), die m. E. unantike Faltenarbeit, die bis in Details der Statue aus Kyrene gleicht, und die Zusammensetzung mit dem wohl ebenfalls modernen Kopf vom Typus Ince. Vorbilder für den nicht zugehörigen Kopf (s. In IV 2) und für die Aigis (s. obigen Verweis) befinden sich ebenfalls in London - man wird allerdings kaum daraus folgern können, daß die Athena nicht in Rom, sondern in London selbst hergestellt wurde. Wenn die Athena in Italien hergestellt worden wäre, müßte allerdings auch die Athena aus Kyrene ihren Weg über Italien genommen haben, denn sie ist neben einer ebenso modernen Schrägaigisbüste in Rom (s. o. Verweis) das einzige in Frage kommende Vorbild. Die Statue ist wahrscheinlich identisch mit der von P. C. Bol, Der Antretende Diskobol (1996) 24. 122 Anm. 19 erwähnten Figur. 1180 Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 379 D 98 Taf. 73, 390 f. D 120 Taf. 75. Die Fertigung des Himations zeigt sogar teilweise die Übereinstimmung einzelner Faltenzüge. 1181 Linfert, Kunstzentren 108 Taf. 48 Abb. 251-253; zur kontroversen Diskussion Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 270 f. 289 Anm. 6 Taf. 71; Andreae, Skulptur des Hellenismus 172 ff.164, 165. 1182 Vgl. S. 106 ff. 1183 Vgl. Anm. 1156. 1184 Zur Statue in Cordoba: S. de los Santos Jener, Guia del Museo Arqueologico Provincial de Cordoba (1950) Taf. IX; zur Statue aus Zeugma in Giazantep: A. J. N. W. Prag, in: E. Berger (Hrsg.), Parthenonkongress Basel (1984) II Taf. 11. 1.
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goneion überliefert1185. Eine Datierung ist nur noch anhand des Gorgoneion möglich; aber auch dessen Aussage ist nicht eindeutig, da in der Kaiserzeit ein klassischer Gorgoneiontypus wieder aufgenommen wurde. Geht man davon aus, daß das Fragment handwerklich und stilistisch nicht klassisch, sondern römisch ist, läßt es sich in das 1. Jh. n. Chr. datieren. Dafür spricht die Ähnlichkeit mit der ebenfalls kaiserzeitlichen Athena aus Kyrene in London. Es ist aufgrund seiner Größe und seiner Herkunft aus Athen zufolge im Stellenwert jedoch wahrscheinlich eher den Athenen Mattei-Piräus anzuschließen.
1185
A. Delivorrias, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Athen 1985 (1986) 149 ff. Taf. 133. 1.
III. SPÄTHELLENISTISCHE ATHENATYPEN UND DER ÜBERGANG ZU RÖMISCH-KLASSIZISTISCHEN ATHENA-MINERVADARSTELLUNGEN Während die Wurzeln des klassizistisch angehauchten Typus der Athenen Mattei-Piräus-Kyrene im 4. und 3. Jh. lagen, setzt bereits in seiner Entstehungszeit die späthellenistische Entwicklung der Athenaikonographie ein. Der verhältnismäßig körperliche hellenistische Typus Vatikan-Tokyo, der möglicherweise noch auf ein konkretes Vorbild zurückgeht, bildet dabei den Übergang zu den flachen Typen späthellenistischer Serienproduktion, die kein statuarisches Vorbild mehr haben. Diese Änderung in der Rezeptionsweise und der Verbreitung eines Darstellungstypus bringt Probleme bezüglich der verwendeten Begriffe mit sich: Ein Darstellungstypus oder eine Mustervorlage, nach deren Vorbild produziert wurde, kann keine das Original suggerierenden Repliken haben. Wie bereits im vorherigen Abschnitt gefordert, muß der Typenbegriff um eine Dimension erweitert werden, die zuläßt, daß ein Typus ohne konkretes statuarisches Vorbild zwar nicht aus Repliken, aber doch auch aus Wiedergaben oder Wiederholungen eines Mustervorbildes bestehen kann. Diese Begrifflichkeit, die schon im Zusammenhang mit dem kleinformatigen Typus der Areopaghaus-Athena angewandt wurde und nun für die Rezeptionsweise des späten Hellenismus verbindlich werden muß, darf auch für den Typus Vatikan-Tokyo übernommen werden, selbst wenn dieser doch noch auf ein Kultbild als Vorlage zurückgegriffen haben sollte. Die Übereinstimmung seiner Wiederholungen ist jedoch nicht so wörtlich, wie dies hier für Repliken im herkömmlichen Sinne vorausgesetzt wird1186.
1. Typus Vatikan-Tokyo Der Athenatypus Vatikan-Tokyo ist nur in wenigen Exemplaren überliefert. Auch in der Literatur wird er selten erwähnt. Lediglich E. Simon hat sich anläßlich der Publikation einer Replik in Tokyo (VT I 1) mit dem Typus befaßt1187. Erhalten sind drei Wiederholungen (VT I 1-2; VT II 1) und eine vielleicht moderne Replik (VT V 1) sowie die zu einer Athenastatue umgearbeiteten Fragmente eines vierten Exemplars (VT III 1). Zusätzlich existieren einige „Varianten“, deren Verhältnis zum Grundtypus geklärt werden muß - möglicherweise sind sie nur zufällig ähnlich, d.h. folgen einem verwandten Darstellungstypus. Außerdem gibt es mindestens zwei Gewandstatuen des gleichen Typus ohne Aigis. Auch hier muß überprüft werden, ob der Trachttypus, so wie für Athena, parallel auch für andere Figuren eingesetzt werden konnte. Es wird also vor allem festzustellen sein, ob es sich in diesem Fall wirklich um einen Typus im ursprünglichen Sinne mit bekanntem Vorbild und Repliken handelt. Oder hat man es hier mit einem bis in Einzelheiten festgelegten hellenistischen Darstellungstypus zu tun, der, ähnlich wie dies bei den Athenen Mattei-Piräus angenommen wurde, über längere Zeit hinweg tradiert wurde und verbreitet war, aber nicht auf ein konkretes Vorbild zurückgeht? Die erhaltenen Wiederholungen müssen darauf hin überprüft werden.
1186 1187
Vgl. S. 37 ff. Simon, MededRom 1983, 50 ff. Taf. 20-24.
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Forschungsstand W. Amelung und in seiner Folge C. Pietrangeli halten den Typus für eine praxitelische Schöpfung des späten 4. Jhs.1188. Amelung begründet dies vor allem mit dem Ausdruck des Kopfes der Wiederholung im Museo Chiaramonti (VT I 2). Er führt als weiteres, seiner Ansicht nach schlechtes Exemplar die zweite Wiederholung im Vatikan, Sala delle Muse (VT II 1) an. In umgekehrter Reihenfolge bespricht G. Lippold im Vatikanischen Katalog die beiden Figuren; seine Datierung in die 2. Hälfte des 3. Jhs. weicht von der Amelungs um rund 100 Jahre ab1189. Im Handbuch dagegen fügt er in Parenthese die alte Datierung in das 4. Jh. hinzu1190. E. Simon entscheidet sich in ihrem 1983 erschienenen Beitrag vorsichtig für die Lösung, die Athena in Tokyo (VT I 1) als späthellenistische Redaktion eines früheren oder wahrscheinlich sogar gleichzeitigen verlorenen Urbildes anzusehen1191. Sie führt ebenfalls die beiden Vatikanischen Wiederholungen auf. F. Canciani übernimmt ihre Datierung und geht sogar noch darüber hinaus, indem er vermutet, die Figur in Tokyo sei möglicherweise selbst das Vorbild der beiden kaiserzeitlichen Wiederholungen1192. R. Neudecker wiederum, der sich im Ramen seiner Beschäftigung mit der Skulpturenausstattung römischer Villen zu dem Typus geäußert hat, kehrt zur Datierung eines Urbildes in das späte 4. Jh. zurück und läßt das Hellenistische des Typus völlig außer acht1193. Vage hingegen bleibt die Bildunterschrift des Bildkataloges des Museo Chiaramonti, in dem die Athena als römisches Werk im hellenistischen Stil bezeichnet wird1194.
Liste der Wiederholungen des Typus Vatikan-Tokyo I. Statuen: 1. Tokyo, Matsuoka Museum of Art 2. Vatikan, Galleria Chiaramonti II. Statue ohne Kopf: 1. Vatikan, Sala delle Muse III. Köpfe: 1. Holkham Hall (Fragmente von Kopf und Aigis) 2. Vatikan, Galleria Chiaramonti (auf Körper von OC I 4) 3. Oxford, Ashmolean Museum (auf Körper von Ve II 4) 4. Rom, Palazzo Rospigliosi (ehemals auf Körper von OC I 5) IV. Varianten: 1. Turin, Museum (Statue ohne Kopf) 2. Yalvaç, Museum (Statue ohne Kopf) V. evtl. neuzeitlich: 1. San Antonio, Museum of Art, Denman Collection (Statue mit Kopf vom Typus Kassel)
1188
Amelung, Vat. Kat. I 542 f. 354 Taf. 56; C. Pietrangeli, RendPontAcc 25-26, 1949-51, 168 f. 11 Abb. 6. G. Lippold, Vat. Kat. III. 1, 101 ff. 533 Taf. 10. 1190 Lippold, Plastik 336 Anm. 2. 1191 Simon, MededRom 1983, 58. 1192 Canciani, LIMC II 1087 Athena/Minerva 164 a. 1193 R. Neudecker, Die Skulpturenausstattung römischer Villen in Italien (1988) 230. 66. 11. 1194 Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1 Taf. 388-389, 354. 1189
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Rezension der Exemplare Folgende Eigenschaften sind allen drei Statuen gemeinsam: das Standschema mit linkem Standbein und rechtem Spielbein; das das rechte Knie bedeckende und das linke freilassende Himation, dessen oberes Ende über der linken Hüfte von der hohen Peplosgürtung festgehalten wird, von der aus es bauschartig über die Hüfte herabfällt; die asymmetrische, am rechten Rand nach vorn abstehende, gefiederte, schlangenbewehrte Aigis mit dem leicht nach rechts verschobenen, runden Gorgoneion sowie der Mantelbausch auf der linken Schulter. Die Übereinstimmungen der Wiedergaben gehen aber darüber hinaus bis in einzelne Faltenzüge. Die zeitlich weit auseinanderliegenden Exemplare Museo Chiaramonti (VT I 2) und Tokyo (VT I 1) zeigen sogar die gleiche Stückungstechnik: Ober- und Unterkörper bestehen aus zwei Teilen, deren Naht entlang der Gürtung verläuft. Die Verwendung dieser Technik an zwei von drei Wiederholungen sowie an der ältesten Wiedergabe in Tokyo läßt vermuten, daß sie zu den typologischen Vorgaben gehört. Dies ist E. Simon zufolge neben der Übereinstimmung von Details ein Hinweis auf ein konkretes Vorbild, das sie aufgrund der Stückung des Tokyoter Exemplares (VT I 1) und noch sichtbarer goldener Farbreste für ein chryselephantines hält1195. Am hellenistischen Exemplar in Tokyo haben sich die Oberarme erhalten - an den anderen beiden Figuren sind die Arme ergänzt. Der linke Arm der Athena in Tokyo war am Körper herabgeführt. Von derselben Figur existiert außerdem ein Fragment der linken Hand, die einen stabartigen Gegenstand, also wohl eine Lanze, gehalten haben muß1196. Eine wahrscheinlich als Bossen identifizierbare Erhebung an der linken Seite in Höhe des Fußgelenkes wird aber eher von einem an dieser Seite abgestellten Schild herrühren als von einer Lanze, die vielleicht an diesem Schild befestigt war1197. Der rechte Oberarm verlief ebenfalls nicht weit vom Körper; über den Unterarm ist keine Aussage mehr möglich1198. Auch der Kopftypus ist durch die Athena in Tokyo gesichert; die Glaubwürdigkeit der Überlieferung bestätigt sich dadurch, daß derselbe Kopftypus an der Figur im Museo Chiaramonti (VT I 2) erscheint und nun als eindeutig zugehörig gelten kann1199. Eine weitere Wiedergabe des Kopfes befindet sich auf einem nicht zugehörigen Körper ebenfalls im Museo Chiaramonti (VT III 2). Auch die bereits erwähnten, zu einer neuen Statue zusammengesetzten Fragmente in Holkham Hall zeigen den gleichen Kopftypus, während der in mehreren weiteren Einzelexemplaren belegte Kopf der Statue im Sala delle Muse des Vatikan (VT II 1) zum noch keinem Körpertypus zugeordneten Kopftypus Kassel gehört haben muß (K I 1 - K II 2)1200. Zwei weitere Kopfrepliken 1195
Simon, MededRom 1983, 55, 58. Ebenda 55. 1197 Anhand der Abbildungen Simon a. O. Taf. 20 ist schwer zu entscheiden, ob es sich wirklich um einen Bossen handelt; die Autorin selbst erwähnt nichts dergleichen. 1198 E. Simon 58 ergänzt aus wenig konkreten Gründen eine Patera. 1199 Nicht ganz klar ist, ob die Bemerkung im Bildkatalog des Museo Chiaramonti, der Kopf sei ergänzt, eine Vermutung ist oder auf Akten zurückgeht (Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1. Taf. 388-89. 354). Würde sich der Kopf tatsächlich als moderne Ergänzung erweisen, hätte dies weitreichende Folgen für den Typus und seine Repliken. Dies sei hier kurz durchgespielt: Da der sicher zugehörige Kopf der Tokyoter Statue demselben Typus folgt, müßte es sich um eine Fälschung handeln. Da auch der recht ähnliche Kopf der Athena Mattei eventuell modern ist (vgl. Anm. 1067), wäre dann wohl auch der Kopf der Athena aus Holkham Hall (VT III 1), der zur gleichen Familie gehört, neu, sodaß geprüft werden müßte, ob man es mit einer ähnlichen Gruppe moderner Ergänzungsköpfe zu tun hat, wie dies möglicherweise beim Kopftypus Kassel der Fall ist (vgl. S. 87 ff.). Die Ähnlichkeit des Kopfes der ziemlich sicher modernen Replik in San Antonio (VT V 1) mit den Köpfen des Typus Kassel könnte ein weiterer Beleg dafür sein, daß der Kopftypus Kassel modern ist, wenn sich herausstellen sollte, daß er ungebrochen ist. 1200 Vgl. S. 87 ff. 1196
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(VT III 3 und VT III 4) scheinen auf eine Replik des Typus Vescovali (Ve II 4) und eine Wiedergabe des Typus Ostia - Cherchel (OC I 5) gesetzt worden zu sein. VT III 3 hatte offenbar einen Bronzehelm, während VT III 4 einen wahrscheinlich antiken, überdimensionalen Helmbusch auf dem attischen Marmorhelm trug, der die leichte Kopfwendung nach rechts noch betont. Die Wiederholungen in Tokyo (VT I 1) und im Museo Chiaramonti (VT I 2) überliefern ebenfalls übereinstimmend die Kopfwendung nach rechts, den attischen Helm mit spitzem, abgestuftem Visier über dem nach hinten gekämmten Schläfenhaar, das auf der Rückseite des Helmes in einer kompakten zopfartigen Masse hervorquillt, sowie den runden, vollwangigen Gesichtsschnitt mit den klein gebildeten, dicht in der Mitte des Gesichts zusammengezogenen Sinnesorganen. Charakteristisch ist zudem die Augenbildung: Über die von schweren Lidern umschlossenen mandelförmigen Augen führen in geringem Abstand die rund geschwungenen Brauenbögen. VT III 3 fällt hier mit offenbar klassizistisch gefärbten Proportionen etwas aus dem Rahmen der sonst eindeutig hellenistisch geprägten Gesichtszüge. Den beabsichtigten Ausdruck des Gesichtes zeigen am besten die qualitätvollen Fragmente in Holkham Hall (VT III 1), die stilistisch und handwerklich an die umstrittenen Skulpturen von Sperlonga erinnern und wahrscheinlich von einer Wiederholung aus dem späten 1. Jh. v. Chr. stammen1201. Der zum Typus Vatikan-Tokyo gehörige Kopftypus ist also genauso gut überliefert wie die übrige Gestaltung der Figur. Im Gegensatz zu den Repliken anderer Athenatypen scheint die Überlieferung jedoch insgesamt weniger festgelegt zu sein. Lediglich der Aufbau, die Tracht und der Kopftypus stimmen bei allen Exemplaren soweit überein, daß sie nach demselben Muster gemacht sein müssen. Daß die Übereinstimmung der Wiederholungen nicht, wie bei der Überlieferung spätklassischer Typen, sichtbar bis in einzelne Faltenzüge geht, mag einerseits am weiten Abstand ihrer Entstehungszeit und andererseits an ihrer starken Überarbeitung und Restaurierung liegen. Möglich sind aber auch zwei weitere Gründe: Ein von vornherein etwas freierer Umgang mit dem hellenistischen Vorbild oder, wie dies E. Simon vermutet1202, die Imitation eines chryselephantinen Originals, von dem wegen des empfindlichen Materials kein direkter Gipsabdruck genommen werden konnte1203. Die erhaltenen Exemplare überliefern also eine unterlebensgroße Athenastatue mit attischem Helm und asymmetrisch latzförmiger Aigis, mit direkt unterhalb der Brust übergürtetem Peplos und durch die Gürtung festgehaltenem, schräg um Hüften und Oberschenkel drapiertem kurzen Himation. Die Anordnung der Falten wird, wie bereits erwähnt, von den einzelnen Wiederholungen relativ frei wiedergegeben; lediglich einige Faltenzüge am Himation scheinen festgelegt zu sein. Der Körperaufbau ist im Grunde - in natürlich verfremdeter Form - kontrapostisch-chiastisch: Dem Standbein entsprach diagonal der angespannte rechte Arm, der wahrscheinlich eine Lanze hielt, dem Spielbein der am Körper herabgeführte linke Arm, der sich vermutlich auf einen Schild stützte. Für das Verständnis des Körperaufbaues wertvoll sind die Statuen Museo Chiara1201
R. Hampe, Sperlonga und Vergil (1972); B. Andreae, Laokoon und die Kunst von Pergamon (1991) mit Lit.; ders., Laokoon und die Gründung Roms (1988); N. Himmelmann, Sperlonga. Die homerischen Gruppen und ihre Bildquellen (1995); N. T. de Grummond - B. S. Ridgway (Hrsg.), From Pergamon to Sperlonga (2000); Andreae, Skulptur des Hellenismus 121 ff. 98 - 102 Abb. 81 - 92. 1202 Simon, MededRom 1983, 55. 1203 Dies ist wahrscheinlich neben ihrer monumentalen Größe auch mit ein Grund, weshalb von der Parthenos keine genaueren Repliken existieren.
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monti (VT I 2) und Tokyo (VT I 1); die mit einem Kopf vom Typus Kassel ausgestattete flavische Statue Sala delle Muse (VT II 1) läßt auch sonst jene subtilen Verschiebungen und innerlichen Drehbewegungen vermissen, die die beiden anderen Exemplare auszeichnen. Auch das claudische Exemplar im Museo Chiaramonti ist in fast klassizistischer Weise erstarrt. Ein gewisser Akademismus äußert sich jedoch vor allem in der Faltenbildung; die Achsverschiebungen und die leichte implizite Drehung sind in eben der gleichen akademischen Weise wiedergegeben wie die Falten und haben sich, wenn auch ohne Ausstrahlung, doch immerhin wenigstens erhalten. Die Statue in Tokyo (VT I 1) scheint die hellenistische Stilaussage der Vorlage am besten zu überliefern. Die Rolle des Tokyoter Exemplares im Verhältnis zu den anderen Vertretern des Typus ist allerdings nicht leicht zu bestimmen. Seine Einstufung hängt davon ab, wie man die Überlieferung insgesamt beurteilt. Das Problem klang bereits an: Handelt es sich überhaupt um ein Urbild mit Repliken; ist dieses Urbild verloren oder ist gar in Gestalt der Athena in Tokyo, wie E. Simon meint, eine zeitgenössische Kopie erhalten1204? Oder gab es gar kein konkretes Urbild, sondern nur einen Entwurf, der, wie dies bereits in anderen Fällen vermutet wurde1205, über eine ganze Zeitspanne hinweg immer wieder zugrunde gelegt und dabei leicht verändert wurde? Immer mehr weist darauf hin, daß es außer den hellenistischen Kopistenwerkstätten einen ganzen Zweig späthellenistisch-römischer Kunstindustrie gab, der nach eigenen Entwürfen fertigte1206. Es wird noch entschieden werden müssen, ob der vorliegende Athenatypus ein konkretes Vorbild hatte oder ob er dieser neuattischen Richtung zuzuordnen ist.
Analyse und Datierung des „Originals“ Relevante Merkmale für die Datierung des Typus sind außer den in erster Linie wichtigen genannten Achsverschiebungen und der Drehung die hohe Gürtung, das über dem rechten Knie spitz zulaufende Motiv des Himation, das über der weit herausgestemmten linken Hüfte zusammengeführt ist, sowie aus dem Bereich der Faltenmotive die auf der Plinthe aufliegenden schleppenden Gewandfalten und die spitzen Parabelfalten am linken Unterschenkel. Auch die an den Rändern dramatisch aufgeworfene, asymmetrische, organisch-plastisch gestaltete Aigis ist ein deutlich aus hellenistischem Pathos gespeistes Element. In reizvollem Kontrast zur wildbewegten Aigis steht der niedlich-mädchenhafte Kopftypus mit dem runden Gesicht, den mandelförmigen, breiten Augen, der niedrigen Stirn, dem schmalen, spitzen Kinn und dem kleinen Mund, das von den weich unter dem großen, schweren Helm hervorquellenden Haarsträhnen umrahmt wird. Kontrast und Assymmetrie sind die beherrschenden Strukturgesetze der Figur und bringen als Resultat eine Art erstarrter Bewegtheit hervor. Es ist nicht möglich, die Figur in ein einfaches axiales System aufzulösen, sondern bei dem Versuch entstünde eine komplizierte Anordnung gegeneinander verschobener und gedrehter Achsen ohne gemeinsamen Bezugspunkt, die die Gesamtkomposition in viele sich zueinander gegensätzlich verhaltende Einzelkompartimente teilen. Das einzige Element, das die Komposition zusammenhält, ist die vielbeschworene, pyramidal gipfelnde innere Drehung, die allerdings hier nur noch als späthellenistischer Nachklang hellenistischer Dynamik spürbar wird. Die Wahl der Trachtform kommt der Struktur der Statue entge1204
Simon, MededRom 1983, 58. Vgl. das Kapitel über die Athenen Mattei-Piräus-Kyrene, S. 182 ff. 1206 S. Anm. 1175. 1205
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gen. Das diagonal umgelegte kurze Himation unterstützt den stockenden Drill nach oben. Es versieht die Figur gleichzeitig mit einem äußerlich kontrapostischen Gefüge, indem der an sich zurückgenommene Kontrast zwischen Stand- und Spielbein auf die durch das Himation betonten Knie übertragen wird, und indem das Himation von der rechten Seite des Unterkörpers zur linken Schulter hinaufführt. Diesem Gefüge wird jedoch in der Vorderansicht durch die Verschiebung der Achsen entgegengewirkt; in der rechten Seiten- und in der Rückenansicht wird es durch den Schwung des Himations übertönt. Hierin ist wiederum das an der Figur überall spürbare Prinzip der Gegensätzlichkeit und der Kontraste wirksam. Am Grad ihrer kontrapostischen Anlage bemißt sich interessanterweise auch der Klassizismus der einzelnen Exemplare: Während die Figur Vatikan, Sala delle Muse (VT II 1) den Kontrapost betont und die Achsen so weit begradigt, daß die charakteristische Gegensätzlichkeit fast aufgehoben ist, entsprechen die Exemplare in Tokyo (VT I 1) und im Museo Chiaramonti (VT I 2) mit ihrem gespreizten Stand, den sichtbaren Achsverschiebungen und der Kopfwendung nach rechts eher dem in dieser Weise rekonstruierbaren Ausdruck des Urbildes. Auch das Verhältnis von Körper und Gewand ist an der Athena der Sala delle Muse ausgeglichener und weit weniger komplementär als an den übrigen Exemplaren; der Peplos, dem im unteren Bereich alle kontrastreichen Schärfen genommen sind, läßt den Körper durchschimmern, und das Himation unterstützt Spiel- und Standbein durch gefälliges Umschlingen. Ein übriges tut der nicht zugehörige, frontal ausgerichtete Kopf, der in der Mitte auf den begradigten, ihrerseits nicht aus der Achse der Figur verschobenen Schultern der Statue ruht, zur verfälschenden Beruhigung der Komposition. Die ausgewogene klassizistische Haltung und der begradigte Kontur, der an der Wiederholung in der Sala delle Muse sichtbar wird, entspricht, wie in der Gegenüberstellung mit den anderen Exemplaren klar wird, nicht der ursprünglichen Aussage des Typus. Umso wirksamer streicht jedoch diese Gegenüberstellung die Eigenschaften des Typus heraus.
Einordnung und Datierung Weitere Eigenschaften des Typus werden im Vergleich mit Denkmälern deutlich, die seine Entstehungszeit absichern sollen. Dies ist bei hellenistischer, insbesondere späthellenistischer Plastik mit ihrer unsicheren Chronologie kein leichtes Unterfangen, da die Vergleichsbeispiele selbst nur relativ datiert sind. Dennoch paßt sich die Athena vom Typus Vatikan-Tokyo in die existierende Reihe relativ datierter Denkmäler des späteren Hellenismus problemlos ein, sodaß auch eine auf dieser scheinbar unsicheren Grundlage aufgebaute Datierung Bestand haben kann. Zur Datierung des Urbildes oder Musters kann zudem die zeitgenössische Tokyoter Athena herangezogen werden. Die Tracht des knappen, die Hüften umspannenden Himations über dem hochgegürteten Peplos ist im späteren Hellenismus außerdem so verbreitet, daß das in zahlreichen Parallelbeispielen belegte Motiv in die Datierung mit einbezogen werden kann. Die Reihe beginnt mit der um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. anzusetzenden Gewandstatue des Apollodoros von Phocaea in London1207. Wenn auch deren Manteltracht einem anderen Ausdruckswillen unterliegt als die der Athenastatue, indem nämlich der Rumpf von den Oberschenkeln an so fest umspannt wird, daß 1207
G. Krahmer, Stilphasen der hellenistischen Plastik, RM 38/39, 1923/24, 175 ff. Taf. 7; M. Bieber, The Sculpture in the Hellenistic Age (1961) 131 Abb. 521; Linfert, Kunstzentren Taf. 20. 101-103; Pollitt, Hellenistic Age 269 Abb. 291.
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sich die Falten des Untergewandes im Oberstoff abbilden, ist doch die Art der Faltenbildung an den Beinen gut vergleichbar. Die Datierung der Gewandstatue zwischen die Altarplastik und die delische Kleopatra steht außer Zweifel1208. Die zierliche und weniger massive Athenastatue, die außer der Faltenbildung den leicht seitwärts ausgestellten Stand, die daraus resultierende Hüftbetonung und die Proportionierung des Körpers sowie die Achsverschiebungen mit der Figur des Apollodor teilt, ist aufgrund ihres Verlustes an plastischem Volumen und einer gewissen Verflachung sowie ihres kompakteren, weniger durchschimmernden Gewandstoffes später anzusetzen als die Londoner Statue. In dieselbe Richtung führt auch der Vergleich mit pergamenischen Gewandstatuen aus der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr., in deren Folge die Gewandstatue des Apollodoros steht1209. Sie sind noch mit körperlicher Substanz und Masse ausgefüllte formale Vorläufer der Athena, die die gleichen Darstellungsformeln und Proportionen verflacht und ohne Substanz wiederverwendet. Diese Verflachung gibt in extremer, natürlich auch gattungsbedingter Weise der Fries des Hekateions von Lagina wieder, dessen Datierung zwischen der Mitte des 2. und der ersten Hälfte des 1. Jhs. variiert1210. In der Einfachheit seiner linearen Faltengebung bei gleichzeitiger schwerer, fast träger Stofflichkeit der Gewänder entspricht der Fries der Stilstufe der Athenafigur. Der Vergleich wird dadurch begünstigt, daß das diagonale, knappe Himation auf den Friesplatten ebenfalls häufig auftritt1211. Dennoch fällt an den Friesfiguren außer der Flachheit ihrer Faltengebung eine starke Längung auf, die dasselbe Phänomen an späteren klassizistischen Altarbasen vorwegnimmt1212 und erheblich für die späte Datierung des Tempels von Lagina spricht. Die Längung von Kontur und Proportionen und die Verflachung der plastischen Substanz und der Faltengebung sind für das spätere 2. und das beginnende 1. Jh. v. Chr. typische Eigenschaften, die an der Athena deutlich spürbar werden1213. Diese Eigenschaften werden bereits am Telephosfries wirksam1214. Das zunehmende Gewandvolumen äußert sich dort in massiven, leer schlagenden Faltenschwüngen. Die in die Jahre 128-27 datierte Isis von Delos zeigt ebenfalls kontrastreiche, durch Bohrungen scharf voneinander abgesetzte Falten, die hier allerdings ungleich dramatischer wirken als an der Athena1215. Zwei bei Horn abgebildete unterlebensgroße weibliche Sta1208
Zum großen Altar vgl. hier Anm. 956 und 981, s. zuletzt M. Kunze, Der Pergamonaltar (1989); zur Kleopatra von Delos Pollitt, Hellenistic Age 267 Abb. 289 und M. Kreeb, Studien zur figürlichen Ausstattung delischer Privathäuser (1988) 17 ff. 282 ff. Kat. 48 Taf. 1-2; J. Marcade´, Au musee´ de Delos (1969) Taf. LXV-LXVI; S. Schmidt, Hellenistische Grabreliefs (1994) Abb. 37; Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 144 f. Taf. 46-47; Andreae, Skulptur des Hellenismus 178. 171; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 186. 60 Taf. 1. 2. 1209 Vgl. Horn, Gewandstatuen Taf. 21. 2; G. Kleiner, Tanagrafiguren 2(1984) Taf. 61; Linfert, Kunstzentren 106 ff. Taf. 49-51. 1210 Stewart, Greek Sculpture 828 - 830; A. Schober, Der Fries des Hekateions von Lagina. IstForsch 2 (1933) 12 ff. vertritt die Datierung um 130 v. Chr. U. Junghölter, Zur Komposition der Lagina-Friese und zur Deutung des Nordfrieses (1989) 154 ff. spricht sich zuletzt für eine Entstehung in Zusammenhang mit dem 1. mithridatischen Krieg aus; vgl. auch S. Schmidt, Gnomon 63, 1991, 348 ff.; zum Laginafries vgl. T. Osada, Stilentwicklung hellenistischer Relieffriese (1993) 64 ff. und P. A. Webb, Hellenistic Architectural Sculpture (1996) 108 ff. Abb. 82-93; zuletzt B. S. Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 111 ff. 133 Anm. 27, die sich für eine Datierung um 120100 entscheidet (a. O. 113 f.). 1211 Vgl. Schober a. O. Kat. 213 A Taf. V; 225 A Taf. XVIII, 226 Taf. XIX, 227 Taf. XX, 230 Taf. XXIII, 199 Taf. XXV, 208 Taf. XXXII, 205 Taf. XXXIII. 1212 Wie z. B. an der Basis von Sorrent, Todisco, Scultura Greca 137; zur Basis von Sorrent vgl. zuletzt S. Hobbold, Das Bild des Mars (1994) 44 ff. R 9 mit Lit. 1213 Vgl. hierzu auch D. Pinkwart, Das Relief des Archelaos von Priene und die „Musen des Philiskos“ (1965) 107 ff. 1214 Zum Telephosfries vgl. Anm. 1242. 1215 Zur Isis von Delos s. Anm. 1133.
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tuen zeigen den Gewandtypus mit dem über dem rechten Knie spitz zulaufenden Himation in Kombination mit einer linearen, flachen Faltenbildung1216. Beide Figuren müssen aufgrund ihrer Längung und ihrer manierierten Haltung später angesetzt werden als Horn dies für richtig hält, nämlich zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. Dort ist auch ihr linearer, flacher Faltenstil besser aufgehoben, der sich aufgrund der typologischen Verwandtschaft der Gewänder in direkten Gegensatz zu den an der Athena weit plastischer ausgeführten entsprechenden Gewandmotiven stellen läßt. Der weibliche Gewandstatuentypus der sog. Pudicitia, der im 2. Jh. v. Chr. populär wurde1217, ist dem Athenatypus Vatikan-Tokyo stilistisch verwandt. Nicht nur das die Figur eng umschlingende Himation, das ein Knie durchscheinen läßt, arbeitet mit ähnlichen Gestaltungsmitteln wie der Hüftmantel der Athena, sondern auch das in dicken, schweren Falten auf die Plinthe fallende Untergewand ist vor allem an den hellenistischen Pudicitien ganz ähnlich aufgefaßt wie an der Athena1218. Über den Gewandstil hinaus gleichen sich aber auch die Proportionen. Abgesehen von der matronalen Form des Pudicitiatypus, die allerdings auch nicht an allen Pudicitien gleich stark betont wird1219, haben beide Typen den kurzen, im Verhältnis zum Unterkörper verschobenen Oberkörper mit den schmalen Schultern gemeinsam. Vor allem in der Profilansicht von rechts ist auch der Unterkörper der Athena relativ ausladend. Es lassen sich aber auch einige Unterschiede feststellen, die den Athenatypus von der noch aus dem Hochhellenismus heraus verständlichen Pudicitia entfernen und ihn dem Späthellenismus zuweisen. Dazu gehören der gerade, schmale Kontur der Athena, die durch die Faltenangabe abrupt betonte Absetzung von Stand- und Spielbein, das Fehlen jedes einheitlichen Bewegungsrhythmus sowie die bereits mehrfach genannte plastische Flachheit der Athena. Im Gegensatz zur Piräusathena, deren Darstellungstypus möglicherweise älter ist als die erhaltenen Exemplare1220, scheint der auch in kaiserzeitlichen Wiederholungen überlieferte Athenatypus Vatikan-Tokyo rein späthellenistisch zu sein. Die bekannten Statuen der Familie des L. Valerius Flacchus aus Magnesia am Mäander1221 wurden schon zur Datierung des Athenatypus Mattei-Piräus1222 und der hellenistischen Athena in Tokyo (VT I 1) herangezogen. Wenn ihre Datierung auch zwischen dem ausgehenden 2. Jh. und ihrer offenbar um 62 v. Chr. erfolgten Aufstellung schwankt1223, zeigen sie jedoch in bezug auf den Typus, wie weit die Verflachung solcher Gewandfiguren im beginnenden Späthellenismus bereits fortgeschritten ist und wie vereinzelt und in die Fläche gezogen auch die Gliedmaßen sind. Diesen Prozeß macht die Athena noch nicht im selben Ausmaß mit. Sie steht vielmehr zeitlich und von ihrem Ausdruck her an der Schwelle des Überganges von kontrastreicher hochhellenistischer Plastizität und späthellenistischer Verflachung und Begradigung.
1216
Horn, Gewandstatuen Taf. 30. 3 Taf. 31. 3. Linfert, Kunstzentren 147 ff.; vgl. auch Kleiner a. O. (Anm. 1209) 160 ff. und Horn, Gewandstatuen 78; Bieber, Ancient Copies Taf. 102-103 Abb. 611-622. 1218 Linfert a. O. Taf. 67-69; zum Typus in römischer Zeit vgl. Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen Taf. 49 D 31, Taf. 52 D 41, Taf. 58 D 57, Taf. 64 D 75, Taf. 65 D 74, Taf. 66 D 76, Taf. 72 D 106, Taf. 87 D 151. 1219 Vgl. die schmalen, eher mädchenhaften Pudicitien in Oxford, Linfert, Kunstzentren Taf. 68 Abb. 374; Horn, Gewandstatuen Taf. 23. 1. 1220 S. S. 198 f. 1221 Vgl. Anm. 1131 s. auch. S. 232 ff. 1222 Vgl. S. 196. 1223 Vgl. S. 232 ff. 1217
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Die erhaltenen Nikeakrotere vom Hieron in Samothrake müssen unterschiedlich datiert werden: Während das eine Akroterion im Zusammenhang mit der Bauzeit der Hieronvorhalle in die zweite Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden kann und damit original ist1224, stammt das andere offensichtlich von einer späteren Reparaturmaßnahme1225. Beide Akrotere lassen sich strukturell und typologisch besonders gut mit dem Athenatypus Vatikan-Tokyo vergleichen. Die original erhaltene Nike steht für den stilistischen Ansatz, aus dem auch die Komposition des etwas später entstandenen Athenatypus schöpft, während die römische Ersatzfigur zeigt, wie dieser Habitus in der Kaiserzeit aufgenommen und neu aufgefaßt wurde1226. So bilden beide Figuren auf unterschiedliche Weise geeignete Parallelen für den zwischen Späthellenismus und Kaiserzeit rezipierten Athenatypus. Ein inschriftlich in das Jahr 110/109 v. Chr. datiertes Unterschenkelfragment mit Plinthe von einer weiblichen Gewandstatue aus Delos, die der Inschrift zufolge eine Isis Nemesis darstellt, kann die Datierung des Athenatypus unterstützen1227. Das trachtypisch auf den ersten Blick ähnliche Fragment scheint allerdings, soweit dies noch sichtbar ist, eher auf spätklassisch-frühhellenistische Formen zurückzugreifen. Vielleicht folgt die Figur sogar einem ganz konkreten Gewandstatuentypus dieser Zeit. Dennoch sind beide Skulpturen technisch vergleichbar; aufgrund der verwandten Haltung sind die Falten ähnlich angelegt. Delos liefert, wie bereits im Katalog bei der Behandlung des Tokyoter Exemplares (VT I 1) deutlich wurde, weitere Parallelen1228. Davon sei hier folgender Vergleich angeführt: Etwa gleichzeitig mit dem Fragment der Isis-Nemesis ist die Statue der Thea Roma Euergetis aus dem Haus der Poseidoniasten von Berytos anzusetzen, die eine Signatur des Melas, des Sohnes eines Menandros aus Athen trägt1229. Wie die Kleopatra1230 ist die Figur körperlich ein Nachklang hochhellenistischer Gewandfiguren, aber die erhaltene Gewandpartie zeigt die gleiche späthellenistische Schwerfälligkeit und Flachheit der Faltengebung wie die Athena. Typologische und stilistische Verwandte des Athenatypus Vatikan-Tokyo finden sich innerhalb der zahlreichen, auf hellenistische Typen zurückgehenden Musendarstellungen1231. Aufschlußreich ist hierbei natürlich das Archelaosrelief, das einen typologischen Überblick über
1224
H. Ehrhardt, Samothrake (1985) 351 ff. Abb. 145; H. Knell, Die Nike von Samothrake (1995) 65 Abb. 51. A. Schober, ÖJh 39, 1935, 1ff. Taf. II-III; W. Oberleitner u. a., Funde aus Ephesos und Samothrake. Kat. der Antikensammlung Wien II (1978) 132. 233 Abb. 115. R. R. R. Smith, Hellenistic Sculpture (1991) Abb. 210 bildet die Akroterfigur ab und datiert sie in das 2. Jh. v. Chr. 1226 Der Vergleich mit der wahrscheinlich eine Stadtpersonifikation darstellenden weiblichen Figur einer Reliefplatte vom Partherdenkmal in Ephesos zeigt, wie ähnlich eine typologisch verwandte Figur in antoninischer Zeit dargestellt wurde, Oberleitner a. O. 85 f. 73 Abb. 65; C. C. Vermeule, Roman Imperial Art in Greece and Asia Minor (1968) 118 Abb. 48. 1227 Marcade´ a. O. (Anm. 1208) 135, 430 Anm. 4 Taf. LVI A 1006; Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 146. 1228 Ebenda Taf. LXVII A 4264 - A 4265; Taf. XXXIV A 4129, A 4127, A 4155. 1229 Stewart, Greek Sculpture 831-832; Marcade´ a. O. (Anm. 1208) 128 Taf. LXV; Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 146. 1230 S. Anm. 1208. 1231 C. Schneider, Die Musengruppe von Milet (1999) behandelt alle betreffenden Musendarstellungen und versucht, sie nach herkömmlicher Methode auf bestimmte Vorbilder zurückzuführen, die von den römischen Kopisten z. T. bewußt verändert wurden. Auch hier gilt wieder: Ginge man statt von bestimmten statuarischen Vorbildern von bekannten überlieferten, musterartig angewandten Darstellungstypen aus, wäre so manche mühsame Konstruktion wie die Annahme der Existenz „hellenistischer Zwischenglieder“, die auf klassische Vorbilder zurückgehen, überflüssig (Schneider a. O. 232 f.). 1225
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Musendarstellungen bietet1232. In Verbindung mit den sog. Philiskos-Musen konnte die Typologie einiger hellenistischer Musendarstellungen erfaßt werden1233. Diese Darstellungen gehen D. Pinkwart zufolge auf drei verschiedene Musengruppen aus dem 2. Jh. v. Chr. zurück1234, die typologische und stilistische Vorläufer für die Athenafigur bieten. Ihr Körpervolumen ist ausgeprägter und wird stärker vom Gewand betont als das der Athena, deren Gewand teilweise schablonenhaft auf der Körperoberfläche liegt. Die Falten der Musenfiguren sind entsprechend weniger kontrastreich und eigenständig. Sie sind mehr der Körperstruktur unterworfen und stehen in der Art, wie sie den Körper umhüllen, noch deutlicher in hochhellenistischer Tradition. Von dieser Tradition ist die Athena weiter entfernt; ihre Faltenzüge sind knapper und flacher. Sie nähert sich darin stilistisch dem stereotyp klassizistischen Lakrateides-Relief in Eleusis, ohne selbst aber klassizistisch zu sein1235. Mit den Musen teilt die Athena weiterhin die Längung der Proportionen, den kurzen Oberkörper und die Verschiebungen innerhalb des Konturs. Der Verlust an Körperlichkeit und Volumen versetzt sie jedoch in einen zeitlichen Abstand auch zu den D. Pinkwart zufolge jüngsten Musen1236. Eine durch G. Battaglia vorgestellte Figur einer verschleierten Muse im Museo Nazionale in Rom, die auf den Typus der Melpomene Farnese zurückgeht, ist dem Athenatypus Vatikan-Tokyo trachttypisch eng verwandt1237. Den Urtypus, für den die Autorin noch weitere Beispiele anführt, datiert sie um die Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr. C. Landwehr übernimmt die Argumentation G. Battaglias für die Einordnung einer bereits von dieser erwähnten Muse desselben Typus in Cherchel1238. Dieser Musentypus könnte ohne weiteres gleichzeitig mit dem Athenatypus entstanden sein; Manteltracht und stilistische Ausdrucksweise stimmen genau mit der Athena überein. An weiblichen Gewandfiguren späthellenistischer Grabreliefs erscheint das kurze schräge Himation ebenfalls. Die Relieffigur einer Demeterpriesterin aus Smyrna in Berlin aus der 2. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. ist trotz der matronaleren Formen der Figur und einer geradezu klassizistischen Beruhigung stilistisch und formal eng mit der Athena verwandt1239. Insbesondere die Faltenanlage über den Beinen ist ähnlich gestaltet. Dennoch ist die hellenistische Grabrelieffigur weniger gelängt, harmonischer aufgebaut und hat einen kompakteren inneren Kern, während sich die Athena in ihrer Schmalheit und Längung sowie der in sich verschobenen Achse und der flachen Faltengebung mehr dem Jahrhundertende nähert. Einige späthellenistische Gewandstatuen aus Magnesia lassen sich schließlich vor allem bezüglich des Faltenstils, aber auch in bezug auf das Verhältnis vom Gewand zum Körper und die 1232
Zum Archelaosrelief C. Watzinger, Das Relief des Archelaos von Priene. 63. BWPr (1903); D. Pinkwart a. O. (Anm. 1213); dies., AntPl. 4 (1965) 55 ff. Taf. 28-35; Stewart, Greek Sculpture 761-763; zu den Musentypen vgl. auch L. Paduano Faedo, I sarcofagi Romani con muse, ANRW II. 2 (1981) 140 ff.; Schneider a. O. 183 ff.; Ridgway, Hellenistic Sculpture I 246 ff., zum Archelaosrelief ebd. 257 ff. Taf. 134 -135 und dies., Hellenistic Sculpture II 207 f. und Hellenistic Sculpture III 117 f. Taf. 41 (mit Dat. ins 1. Jh.); Schneider a. O. 183 ff. (lehnt Ridgways Spätdatierung ab und datiert in das frühe 2. Jh. v. Chr.); Andreae, Skulptur des Hellenismus 176. 168. 1233 D. Pinkwart a. O. (Anm. 1213) 91 ff.; Schneider a. O. 179 ff. 1234 Ebenda 157 f. 1235 C. C. Vermeule, Roman Imperial Art in Greece and Asia Minor (1968) 48 Abb. 17; R. R. R. Smith, Hellenistic Sculpture (1991) Abb. 215; zuletzt R. Trummer, AntPl 22 (1993) 154 Abb. 9; vgl. auch Anm. 1135; Ridgway, Hellenistic Sculpture III 221 ff. 28. 1236 S. Anm. 1234. 1237 G. Battaglia, BCom 62, 1934, 7 ff. Taf. I-III; zur Melpomene Farnese s. Schneider a. O. 71, 150. 1238 C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae 80 f. Taf. 83; Battaglia a. O. 12. 4, 14 Abb. 5. 1239 Smith a. O. (Anm. 1235) 188 f. Abb. 220; M. Kunze, in: Staatliche Museen zu Berlin. Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg (1992) 193 f. 88 mit Abb. u. Lit.; Pfuhl - Möbius I 136. 405 Taf. 66.
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besonders plastische Ausführung als Vergleiche heranziehen1240. Sie könnten aus der gleichen Werkstatt stammen wie die Porträts der Familie des L. Valerius Flacchus; eine der Figuren gleicht der der Polla Valeria genau1241. Allen Figuren ist der schwerfällig-wulstige Faltenstil mit den gerundeten Faltengraten und den flachen Faltentälern der Himatia gemeinsam; das Gewand umschließt wie bei der Athena den flachen plastischen Kern als dicke Hülle. Der Kopftypus schließlich kann die Datierung unterstützen. D. Pinkwart beschreibt den erhaltenen Kopf der sog. aufgelehnten Muse und vergleicht ihn mit Köpfen des Telephosfrieses1242. Die sich daraus ergebenden Eigenschaften kennzeichnen genauso den Kopf der Athena, der die entsprechenden Züge sogar noch weiter treibt. Charakteristisch sind die weichen, fleischigen Wangen, der ovale Kontur, die engstehenden Augen, der kleine Mund und der relativ dicke, weiche Hals. Die beste Überlieferung des Kopfes befindet sich auf der zusammengesetzten Statue in Holkham Hall (VT III 1). Sie ist sicherlich noch hellenistisch und wird durch den Kopf der Statue im Museo Chiaramonti (VT I 2) bestätigt. Der Kopf der Statue in Tokyo (VT I 1) hingegen ist eine eher schale Wiedergabe des frühen 1. Jhs. v. Chr. Der Kopf Holkham Hall als ältestes Zeugnis des Kopftypus bildet folglich auch den terminus ante quem für die Datierung eines Originals. Er läßt sich neben die Köpfe der Tondi aus dem Schiffsfund von Mahdia stellen, die wahrscheinlich gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. entstanden sind1243. Sie zeigen das gleiche bewegte Karnat unter der dünnen Hautschicht, einen ähnlichen Kontur und vergleichbare Proportionen sowie eine verwandte Augenbildung und die charakteristisch in der Mitte leicht nach vorn gewölbte Stirn. Der Kopf des Diadumenos von Delos1244 schließlich sichert die Datierung des Kopfes in Holkham Hall ab. Mund, Augenpartie und die „gläserne“ Gesichtsoberfläche über dem weichen Karnat stimmen genau überein. Die Köpfe der Exemplare Holkham Hall (VT III 1) und Museo Chiaramonti (VT I 2) zeigen außerdem eine große Verwandtschaft mit späthellenistischen idealisierten Herrscherporträts wie dem vielleicht Attalos II. darstellenden Gesichtsfragment im Pergamonmuseum1245 und einem weiteren Kopf im Pergamonmuseum, der als Lysimachos benannt wurde1246. Die Aphrodite der wahrscheinlich gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. entstandenen Pantoffelgruppe1247, deren Kopf typologisch und stilistisch in der gleichen Tradition steht wie der der Aphrodite von Melos1248, ist trotz des sozusagen unterschiedlichen Genres der Figuren stilistisch mit der Athena verwandt.
1240
Linfert, Kunstzentren 28 ff. Taf. 10. 52- 53; Taf. 11. 58, 60; Taf. 12. 62, 64, 66. Ebenda Taf. 11. 60; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 173 f. 26 Taf. 14 Abb. 80. 1242 D. Pinkwart a. O. (Anm. 1213) 124 ff.; vgl. die ausführliche Publikation über den Telephosfries von R. Dreyfuß E. Schraudolph (Hrsg.) Pergamon. The Telephos Frieze from the Great Altar I (1996) und darauf basierend W. Heilmeyer (Hrsg.), Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses (1997); vgl. auch Ridgway, Hellenistic Sculpture II 67 ff. 1243 H.-H. v. Prittwitz und Gaffron, Mahdia. Kat. Bonn 1994, 303 ff. mit Abb. 1244 C. Maderna-Lauter, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 298 ff. Abb. 176-177 a-b. 1245 R. R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (1988) 177 Kat. 117 Taf. 65. 3-4; Himmelmann, Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 214 ff. 8 Abb. 8 a-b (mit Lit.); Kat. Antikenslg. Berlin 172. 72 mit Abb. und Lit. 1246 Smith a. O. 176. 114 Taf. 64. 3-4. 1247 N. Marquardt, Pan in der hellenistischen und kaiserzeitlichen Plastik (1994) 227 ff. 1 Taf. 23. 3-4 mit Lit.; Andreae, Skulptur des Hellenismus 199 ff. 190 Abb. 152. 1248 S. Anm. 1139. 1241
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Motiv und Tracht An diesem Kopfvergleich wird deutlich, wie sich hellenistisches Verständnis dem eher spröden Thema einer Athenadarstellung näherte. Der streng ovale Gesichtskontur umgibt das weiche Karnat und schließt das kindlich-weiche Gesicht in einen straffen Rahmen ein, der ihm wieder ein wenig von der Sinnlichkeit nimmt und es mit einem Nachklang von der Strenge früherer Darstellungen der Göttin versieht. Dies betrifft auch den Körper, dessen zierliche Schmalheit durch eine der Tracht von Matronen auf hellenistischen Grabreliefs verwandte Herbheit überlagert wird1249. Das Motiv des herabgleitenden Hüftmantels ist dabei möglicherweise als Zitat aus der Aphrodite-Ikonographie übernommen worden, was an einer Darstellung Athenas natürlich einen ganz besonderen Reiz ausmachte1250. Die knielange Himationtracht war jedoch, wie an den Vergleichsbeispielen deutlich wurde, in späthellenistischer Zeit verbreitet und üblich. E. Simon gibt zu bedenken, die in einem Bausch auf der linken Schulter kulminierende Drapierung des Himations sei unter weiblichen Figuren ungewöhnlich1251. Der Schulterbausch tritt zwar tatsächlich häufiger an männlichen Statuen auf1252; vereinzelt erscheint er aber auch bei weiblichen Figuren1253. Ein datiertes Beispiel, das gleichzeitig aufgrund der typologischen Verwandtheit die Datierung der Athena Vatikan-Tokyo untermauern kann, ist die kleine Statue der sog. Megiste aus dem Piräus im Athener Nationalmuseum1254. Sie wird durch die mitgefundene und zweifellos zugehörige Basis mit einer Inschrift, die den Archonten Epikrates erwähnt, in das Jahr 146/45 v. Chr. datiert. Nicht ganz klar ist, ob hier die inschriftlich erwähnte Stifterin Megiste selbst oder die in der Inschrift genannten Göttinnen Kybele oder Aphrodite dargestellt sind. In der Literatur wird davon ausgegangen, daß es sich um eine Portätstatue handelt1255. Mehrere Details könnten allerdings doch für ein Götterbild sprechen: Die ehemals eingesetzten Gürtelenden könnten in Analogie zum Schlangenarmreif Schlangen gewesen sein und damit vielleicht doch die in der Inschrift genannte, inhaltlich offenbar der Hygieia angeglichene „gütige Heilerin Aphrodite“ bezeichnen. Der durchscheinende Chiton ist eine ebenfalls aus der Ikonographie der Aphrodite wohlbekannte Trachtform, und auch der Armreif am Oberarm erscheint an ihren Darstellungen1256. Damit würde die Parallele zur Athena 1249
S. Anm. 1239; vgl. auch Pfuhl - Möbius II Taf. 66 ff. und passim. Vgl. die Darstellung der Aphrodite auf der Ara von Ostia, Becatti, ASAtene 1939/40, 102 Abb. 15; vgl. Anm. 618. 1251 Simon, MededRom 1983, 56. 1252 Vgl. H. Oehler, Untersuchungen zu den männlichen römischen Mantelstatuen 1. Der Schulterbauschtypus (1961) passim. L. Jones Roccos, The Shoulder-Pinned Back Mantle in Greek and Roman Sculpture (1986); bekannte Statuentypen mit Schulterbausch aus dem Bereich der Idealplastik sind der Diomedes (Fuchs, Skulptur4 83) und der Meleager (s. Anm. 700); aus dem Bereich der Privatporträts im Schulterbauschtypus sind der Ofellius Ferus aus Delos und der Tivolifeldherr besonders bekannt, vgl. Himmelmann a. O. (Anm. 1245) 115 ff. Abb. 46 a-b, 218 ff. 12 mit Abb. 12 a-i; unter den Porträtstatuen der Kaiser schließlich ist die Darstellung mit Schulterbausch bei Panzerstatuen und Idealporträts ausgesprochen verbreitet; vgl. H. G. Niemeyer, Studien zur statuarischen Darstellung der römischen Kaiser (1968) 91 ff. 109 ff. 1253 Außer an der oben aufgeführten Megiste in Athen an der weiblichen Gewandstatue des bereits zitierten Grabreliefs von Smyrna (s. Anm. 1239) und an einer weiblichen Gewandstatue mit kurzem Hüfthimation in Berlin; Watzinger a. O. (Anm. 1232) 9 f. Abb. 5. 1254 W. Geominy, AM 100, 1985, 367ff. Taf. 81; Ridgway, Hellenistic Sculpture II, 143 f. 172 Anm. 1 Taf. 45; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 185 Taf. 10. 60. 1255 Ebd. Geominy vermutet, die Statue stelle „doch wohl Megiste selbst und nicht Aphrodite oder Kybele“ dar (a. O. 370), da sie keine ikonographischen Merkmale der beiden Göttinnen zeige - dies wird hier anders beurteilt (s. o.). 1256 Auf die durchscheinenden Chitone der Venus Genetrix und der vielleicht eine Aphrodite Hoplismene darstellende Göttin aus Epidauros, die auch den herabgleitenden Mantel darüber trägt, muß eigentlich nicht gesondert hingewiesen werden (zur Venus Genetrix vgl. Anm. 353, zur Aphrodite A. Linfert, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 1250
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Vatikan-Tokyo noch interessanter, da zur verwandten Trachtform noch ein inhaltlicher Aspekt hinzukäme. Der sozusagen erotische Aspekt an der Trachtform der Athena vom Typus VatikanTokyo wird bereits an anderer Stelle hervorgehoben1257. Er erhielte in einer von Megiste gestifteten, trachttypisch ähnlichen Aphroditestatue erneut Bestätigung. Eine Aphroditestatuette im Museum von Thessaloniki stimmt ebenfalls in ihrer Trachtform mit dem Typus Vatikan-Tokyo überein: Die mit Inschrift erhaltene Figur stammt aus dem späten 2. Jh. n. Chr. und verwendet mit dünnem Peplos und über die linke Schulter geführtem Hüftmantel genau die gleiche Trachtform1258, die vor allem in römischer Zeit für Aphroditedarstellungen beliebt war1259. Das über dem rechten Bein ausgebreitete und über dem linken Bein schmal zusammenlaufende kurze Hüfthimation, das durch die Art der Drapierung die Form eines spitzen Dreiecks erhält, ist als Trachtform hingegen weiblichen Darstellungen vorbehalten. Ein eventuell Hygieia darstellender Statuentypus mit schmalem, spitz zulaufenden Hüfthimation wird von Horn ebenfalls in das Ende des 2. Jhs. v. Chr. datiert1260. Anstatt den Typus mit zwei weiteren, von ihm ebenfalls angeführten Statuen, die auf einen ganz ähnlichen Darstellungstypus zurückgehen, in Verbindung zu setzen, führt er ihn allerdings auf ein Original des 4. Jhs. zurück1261. Der Gewandtypus scheint tatsächlich auch für Hygieia eingesetzt worden zu sein, wie weitere Exemplare desselben Typus zeigen1262. Die Vergleiche zeigten, daß die Athena Vatikan-Tokyo sich vom Hochhellenismus entfernt und sich dem Späthellenismus kurz vor 100 v. Chr. annähert. Trotz der Flachheit ihrer Faltengebung läßt sie sich jedoch noch nicht den erstarrenden und teilweise schalen Werken des 1. Jhs. v. Chr. anschließen; in ihrer Beziehung zum Hochhellenismus überschreitet sie die Jahrhundertwende nicht. Diese noch immer bestehende Verbindung zum Hochhellenismus zeigt sich in Elementen wie der hochgewölbten, asymmetrisch bewegten Aigis, in der hohen Gürtung, die dem Gewand am Unterkörper freies Spiel erlaubt, in der leichten inneren Drehung der Figur und in ihrem noch relativ kompakten Kern.
260 f. Abb. 123-124). Am rechten Oberarm erscheint der Reifen an der Aphrodite von Arles (Ridgway, Hellenistic Sculpture III Taf. 90-91); die Aphrodite der Pantoffelgruppe trägt ihn am linken Oberarm (N. Marquardt, Pan in der hellenistischen und kaiserzeitlichen Plastik [1995] 227 ff. Taf.23, 3-4). 1257 S. Verf.in, in: Deacy - Villing, Athena 184; vgl. auch L. Llewellyn-Jones, „Sexy Athena: The Dress and Erotic Representation of a Virgin War-Goddess,“ a. O. 232 ff. 1258 G. Despinis - Th. Stefanidou-Tiberiou - E. Boutiras, Kat. Mus. Thessaloniki 1(1997) 115. 88 Abb. 230-233. 1259 Vgl. LIMC II 2 (1984) Aphrodite 540 ff. 1260 Horn, Gewandstatuen 85 Taf. 30. 3. 1261 Ebenda mit Anm. 1 Taf. 31. 2-3. Die eine Figur (Taf. 31. 2) stammt sogar aus Epidauros, was eine Deutung als Hygieia erst recht nahelegen würde. Ein weiteres, m. W. unpubliziertes Exemplar dieses Darstellungstypus befindet sich in Algier. 1262 Vgl. N. Bonacasa, in: G. Pugliese Caratelli (Hrsg.), The Western Greeks (Kat. 1996) 427 mit Abb.
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Kontext mit Musen? Die typologische Verwandtschaft der Athena mit den Musenfiguren des 2. Jhs. v. Chr. wurde bereits für die Datierung ausgewertet. In Tracht und Haltung sowie figürlicher Auffassung entspricht der Typus Vatikan-Tokyo den Musendarstellungen. Ob diese Verwandtschaft nicht nur im Sinne zeitlicher, sondern auch landschaftlicher oder sogar inhaltlicher Nähe zu deuten ist, bleibt unklar. Kleinasien als wahrscheinlichen Herkunftsort bedeutender Musendarstellungen auch zum Entstehungsort der Athena zu machen, entbehrt einer soliden Grundlage1263. Auch die Evidenz bei D. Pinkwart angeführter seleukidischer Münzen1264, die einen dem Typus VatikanTokyo verwandten Athenatypus in der „Parthenos-Haltung“ zeigen, bleibt Ausdruck einer allgemein zeitgebundenen Darstellungsweise und kann die Datierung des Statuentypus zwar festigen, ermöglicht aber keine weiteren Aussagen über eine Lokalisierung. Die Kombination der Athena als Paionia mit den Musen ist aus einer Statuengruppe des Euboulides bekannt, die Pausanias im Kerameikos sah1265. Obwohl Künstler dieses Namens seit dem 4. Jh. bekannt sind, ist die Entstehung der Gruppe im 2. Jh. v. Chr., in dem vermehrt Inschriften von der Tätigkeit eines Euboulides zeugen, wahrscheinlich. Athena und die Musen sind also gemeinsam dargestellt worden - ob die typologische Verwandtschaft der Athena VatikanTokyo mit den Musen auch in diesem Fall auf einen gemeinsamen Kontext schließen läßt oder ob es sich nur um den gleichen Zeitstil handelt, kann nicht mehr entschieden werden1266. Der Fundort des Exemplares im Museo Chiaramonti (VT I 2), die Villa des Cassius bei Tivoli, brachte die Musengruppe zutage, nach der die Sala delle Muse im Vatikan benannt ist. Die Figuren sind allerdings überlebensgroß, klassizistisch und waren sicher nicht direkt mit der Athena kombiniert 1267. Der Klassizismus dieser Musen stellt eine schon eingangs aufgeworfene Frage hinsichtlich der Einordnung der Athena wieder in den Vordergrund. Gegen die Annahme, die Athenafigur sei vielleicht auch klassizistisch, sprechen einerseits die innere Stimmigkeit der Figur und andererseits die Existenz der frühen Wiedergaben in Tokyo (VT I 1) und Holkham Hall (VT III 1). Für ein Original-Kopie-Verhältnis im herkömmlichen Sinne sind die Falten im Einzelnen zu frei. Eher ungewöhnlich ist auch die Existenz mit dem postulierten Original fast zeitgleicher Wiedergaben. Für einen allgemein verbreiteten Darstellungstypus, wie er bei den Weihestatuetten im klassischen Typus auf der Akropolis vorauszusetzen ist1268, ist die Übereinstimmung wiederum zu deutlich und der Typus zu speziell. Wahrscheinlich kommt man mit einer Lösung ähnlich der E. Simons, die von einem chryselephantinen Original des späten Hellenismus ausgeht, den Tat1263
D. Pinkwart a. O. (Anm. 1213) 42 ff. 162 ff.; zu hellenistischen Musendarstellungen allgemein vgl. Ridgway, Hellenistic Sculpture I 246 ff.; C. Schneider, Die Musengruppen von Milet (1999). 1264 Ebenda 114 f. 1265 Paus. I. 2. 4; D. Pinkwart a. O. 165; ein im Kerameikos gefundenes langes Postament mit Inschriftfragment wird als Rest dieser Gruppe angesehen; G. Becatti, RIA 7, 1940, 52 ff. Abb. 30. 31; L. Julius, AM 7, 1882, 81 ff. Taf. V. 1266 Vgl. Verf.in, Small Athenas 195. 1267 K. M. Türr, Eine Musengruppe hadrianischer Zeit (1971) 45 f.; vgl. Text zu VT I 2.. Die Musengruppe ist offensichtlich später entstanden als die Athena; anders allerdings C. Schneider, Die Musengruppe von Milet 221 f., der Türrs Datierung und Entstehung der Typen in hadrianischer Zeit ablehnt: „Alle in der Musengruppe aus der sogenannten Cassiusvilla vertretenen Statuentypen können von Hellenistischen Vorbildern abgeleitet werden.“ (a. o. 222). 1268 Vgl. S. 22 ff.
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sachen am nächsten1269. Die Athena Vatikan-Tokyo wäre demnach die Wiedergabe eines aus Materialgründen nicht exakt kopierbaren hellenistischen Kultbildes, das als Typus im 1. Jh. v. Chr. durch neuattische Werkstätten auf dem römischen Markt verbreitet wurde und dort über Generationen zum verfügbaren Repertoire gehörte.
Die verwandten Athenen in Turin und in Yalvaç Zwei Statuen in Turin (VT IV 1) und Yalvaç (VT IV 2) verwenden einen ganz ähnlichen Darstellungstypus wie der Typus Vatikan-Tokyo und wurden diesem als Variante angeschlossen. Die Beziehung der Turiner Athenastatue zu den Exemplaren des Typus Vatikan-Tokyo ist nicht leicht festzulegen. Einige Details sind anders: so die Aigis, die die hohe Gürtung des dünnen Peplos verdeckt. Das Himation ist am linken verkürzten Kontur nicht unterbrochen, sondern führt von der Schulter zur Hüfte herab. Zusätzlich scheint es länger zu sein - möglicherweise entspricht dies jedoch nicht dem Originalzustand. Den Abbildungen zufolge könnte der Bereich unterhalb des genannten Bruches, also der Bereich unterhalb des linken Knies, in Stuck ergänzt sein. Überhaupt sieht die Figur aus, als sei sie einmal repariert worden. Dafür sprechen die sorgsam abgearbeiteten Faltengrate an der rechten Hüfte und die grobe Abarbeitung im rechten Fußbereich. Da die Figur bis auf die vermutliche Gipsflickung unterhalb des linken Knies sonst aber unrestauriert zu sein scheint, handelt es sich vielleicht sogar um antike Reparaturmaßnahmen. Wenn also die Verlängerung des Himations neu sein sollte und das Himation ursprünglich doch so markant spitz zulief wie am Typus Vatikan-Tokyo1270, dann war die Verbindung zu diesem Typus möglicherweise doch direkter sichtbar, denn auch die Verteilung von Stand- und Spielbein sowie die Haltung und Funktion der Arme stimmen überein. Leider liegen für die Turiner Statue keine Maßangaben vor. Sie scheint jedoch etwa lebensgroß zu sein und ist damit größer als die unterlebensgroßen Exemplare des Typus Vatikan-Tokyo. Ihre Proportionen sind außerdem ausgewogener, der Kontur ist begradigt. Folgt man der von E. Simon vorgeschlagenen Auffassung, die Exemplare des Typus VatikanTokyo für Wiedergaben eines nicht exakt kopierbaren chryselephantinen Kultbildes zu halten, muß man wohl davon ausgehen, daß auch die Figur in Turin einen späten freien Reflex dieses Kultbildes darstellt. In diesem Fall nahm der Bildhauer der Turiner Figur das Original womöglich zur Grundlage für die Schaffung eines ebenfalls größeren, frei abgeänderten Kultbildes. Ein solcher freier Umgang mit Vorbildern kommt in Turin ein zweites Mal im Falle einer Replik des Typus Ostia-Cherchel vor1271. E. Mathiopoulos hat eine interessanten Parallele in Oberitalien entdeckt, wo eine freie Replik des Athenatypus Giustiniani dem Fundort zufolge eindeutig als Kultbild aufgestellt war1272. So ist ein Fall belegt, in dem in der gleichen Gegend eine leicht abgeänderte Replik als Kultbild eingesetzt wurde. Hieraus ergibt sich ein interessanter neuer Aspekt für die Kopienforschung.
1269
Simon, MededRom 1983, 58. Ohne die Figur vor Ort in Augenschein genommen zu haben, kann dies nicht entschieden werden. 1271 Vgl. OC I 6. 1272 Nach freundlicher mündlicher Mitteilung aus dem Material für eine Publikation in der Reihe Antike Plastik . Vgl. M. Dentis, Ellenismo e romanizzazione nella X. Regio. La Scultura delle e´´lite locali dall’ eta` repubblicana ai Giulio-Claudi (1991) 295 ff. Taf. LXXXVIII 1-3, LXXXIX 1-4, XC 1-3. 1270
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Weit weniger interessant ist die qualitätlose Statue in Yalvaç, dem antiken pisidischen Antiochia, die eine Athena mit Latzaigis und knappem, dreieckig um die Hüfte gelegten Himation zeigt. Wegen ihrer typologischen Verwandtschaft mit der Athena Vatikan-Tokyo muß sie aber trotzdem erwähnt werden. Trachtypisch entspricht die Athenafigur dem Typus Vatikan-Tokyo. Das Himation ist sogar noch knapper angelegt, es bildet ebenfalls auf der linken Schulter einen Bausch. Das andere Ende des Himations scheint allerdings nicht, wie beim Typus Vatikan-Tokyo, von der Gürtung gehalten worden zu sein, sondern fiel wahrscheinlich vom linken Unterarm aus herab. Während die Armhaltung gleich zu sein scheint, ist das Standschema der Figur umgekehrt. Es entspricht auch im Ausdruck eher dem bereits erwähnten, wahrscheinlich für Hygieia verwandten späthellenistischen Darstellungstypus1273. Ob die Athena in Yalvaç eine dem Hellenismus allgemein nachempfundene Neuschöpfung der späten Kaiserzeit ist, oder ob sie sich tatsächlich direkt auf den Hygieia- und den Athenatypus bezieht, wird kaum entschieden werden können. Die Form der Aigis jedoch, die der der Parthenos entspricht und die an klassizistisch-eklektischen Athenen der Kaiserzeit wieder beliebt wird1274, läßt vermuten, daß es sich auch hier doch eher um eine eklektische Figur handelt. Die Figur in Yalvaç wird also weder als Hinweis auf Kleinasien als Entstehungs- oder Aufstellungsort des Athenatypus verstanden werden können, noch kann sie einen konkreten Anhaltspunkt für die Berühmtheit eines chryselephantinen Kultbildes vom Typus Vatikan-Tokyo geben und ist somit für die Interpretation des Typus kaum von Bedeutung.
Fazit Der Athenatypus Vatikan-Tokyo geht also, wenn es sich nicht doch um einen allgemeinen Darstellungstypus handelt, wahrscheinlich auf ein chryselephantines Kultbild späthellenistischer Zeit zurück, das überregionale Verbreitung fand. Der Aufstellungsort dieses Kultbildes ist noch nicht einmal landschaftlich festzulegen. Vielleicht wurde es im frühen 1. Jh. v. Chr. nach Rom verschleppt und stand dort als Vorbild zur Verfügung; möglicherweise wurde es aber auch von Griechenland oder Kleinasien aus verbreitet. E. Simon erwähnt in ihrem Beitrag, das Exemplar in Tokyo (VT I 1) sei in einem Heiligtum gefunden worden1275. Genaueres über den Fundort zu erfahren wäre natürlich von Interesse. Da sich die anderen beiden Wiedergaben in Rom befinden (VT I 2; VT II 1) und wohl auch die englischen Fragmente (VT III 1) aus Rom stammen, könnte man sich allerdings fragen, ob das Original nicht auch ein stadtrömisches Kultbild gewesen sein könnte und dann mit E. Simon eher als Minerva bezeichnet werden müßte1276. E. Simon wertet die Helmzier der Statue in Tokyo (VT I 1) als Hinweis auf eine römische Bindung der Figur1277. Sie zieht Münzen mit Romaköpfen zum Vergleich heran und stellt fest, das Dreieck am Helm über der Stirn bezeichne hier nicht den attischen Helm, sondern das nach vorn vorkragende Helmvisier der Dea Roma. Darf die Figur in Tokyo (VT I 1), nach Simon mit ihrer 1273
S. Anm. 1260. Vgl. S. 240 ff. 1275 Simon, MededRom 1983, 58. 1276 Vgl. W. Schürmann, Typologie und Bedeutung der stadtrömischen Minervakultbilder (1985), C. C. Vermeule, The cult images of imperial Rome (1987) und H. G. Martin, Römische Tempelkultbilder (1987). Zur Gleichsetzung von Athena und Minerva s. Gmyrek, Kaiser und Göttin. 1277 Simon, MededRom 1983, 56 f. 1274
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Greifenapplik als Helmbusch zusätzlich der Roma angenähert, vielleicht wirklich als italische Minerva-Adaption gedeutet werden, so ist der Kopf der Statue im Museo Chiaramonti (VT I 2) mit dem geraden Helmvisier und den seitlichen Eulenapplikationen rein griechisch und bezeichnet eindeutig Athena1278. Daher kann also der Ursprung des Typus kaum auf Italien festgelegt werden. Auch zu anderen Kunstlandschaften zeigt der Typus Vatikan-Tokyo keine besondere Affinität. Wenn sich aus dem Bereich Magnesias Vergleichbares erhalten hatte1279, so liegt dies wohl eher an der großen Anzahl der dort erhaltenen hellenistischen Statuen als an einem wirklich definierbaren Landschaftsstil1280. Genauso gut hatten sich schließlich delische Werke vergleichen lassen1281. Mit der Athena Vatikan-Tokyo liegt also ein in mehreren Exemplaren überlieferter, ein Vorbild oder Muster relativ frei wiedergebender späthellenistischer Typus vor, der die Göttin in gelassen stehender Pose und dem für sie charakteristischen jungmädchenhaften Äußeren wiedergibt. Durch das stilistisch bedingte Volumen des Unterkörpers in der rechten Seitenansicht und das teigig-weiche Gesichtskarnat sowie die wildbewegte Aigis erscheint die Göttin jedoch in hellenistischer Version. Wie bei späthellenistischen Aphroditen im Vergleich zu ihren älteren Vorgängern1282 hat sich ihr äußerlicher stilistischer Ausdruck gewandelt. Einzigartig und vielleicht mit hellenistischen Stilmitteln leichter zu erreichen als in der älteren Zeit ist die Vereinigung beider Seiten Athenas am Typus Vatikan-Tokyo: Ihrer mädchenhaften Zartheit und gleichzeitig einer gewissen männlich-herben Distanziertheit1283.
Handwerkliche Beziehung zur Athena Mattei Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, daß beim Vergleich des Exemplares des Typus Vatikan-Tokyo im Museo Chiaramonti (VT I 2) mit der Athena Mattei im Louvre1284 sofort mehrere Gemeinsamkeiten auffallen. So ist der Kopf nächst verwandt, und zwar in der Ausformung der einzelnen Gesichtsteile, in der technischen Fertigung der Haarsträhnen und der weichen Qualität des Karnats. Beide Statuen haben eine stark polierte Oberfläche; Gewandkontur und Faltenangabe sind ähnlich. Obwohl beide Figuren einem ganz unterschiedlichen Konzept unterliegen, ist ihre Komposition nicht unähnlich. Am Vergleich mit der Athena Vatikan-Tokyo bestätigt sich die hellenistische Datierung der Athena Mattei-Piräus. Die enge Verwandtschaft beider Statuen kann zwei unterschiedlich weitgehende Konsequenzen haben: entweder sind ihre Darstellungstypen, die sich allerdings ihrerseits an unterschiedlichen 1278
A.Villing erwähnt Athenadarstellungen, die durch ein zusätzliches Attribut auf dem Helm oder in der Hand auf lokale Kultgegebenheiten Bezug nehmen (Iconography 234). 1279 Vgl. Anm. 1240. 1280 Aus Linferts Untersuchung ergibt sich trotz ihres darauf ausgerichteten Aufbaues keine wirkliche Differenzierung hellenistischer Landschaftsstile. Auch wenn Linfert zwischen Zeitstil und Landschaftsstil trennen möchte (a. O. 137 ff., bes. 140), bleibt eine solche Trennung problematisch. Angesichts der eher schmalen und unausgewogenen Materialbasis ist eine objektive Einschätzung von Landschaftsstilen, wenn sie nicht besonders ausgeprägt sind, nur sehr schwer möglich. S. auch D. Pinkwart, Gnomon 52, 1980, 41 ff.; zum Landschaftsstil vgl. zuletzt. O. Palagia W. Coulson (Hrsg.), Sculpture from Arcadia and Laconia (1993). 1281 S. S. 211 ff. 1282 Vgl. A. Pasquier, La Ve´nus de Milo et les Aphrodites du Louvre (1985) und C. Mitchell Havelock, The Aphrodite of Knidos and her Successors (1995). 1283 Auffällig sind z. B. an allen Exemplaren die muskulösen Oberarme. 1284 S. S. 184 ff.
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Zeiten orientieren, eben in der gleichen Zeit konzipiert worden, oder man schließt aus ihrer technischen Ähnlichkeit, daß sie in einer Werkstatt entstanden sind, die eigene Schöpfungen und Repliken gleichzeitig herstellte. Wenn als Entstehungsort der Athena Mattei eine östliche, vielleicht attische Werkstatt in Frage kam1285, so trifft das aus denselben Gründen möglicherweise auch für die Athena im Museo Chiaramonti (VT I 2) zu, die aus der sog. Villa des Cassius bei Tivoli stammt. Wie viele römische Villen wurde vielleicht auch die wahrscheinlich im frühen 1. Jh. v. Chr. erbaute Villa des Cassius mit Importstücken aus dem Osten ausgestattet1286.
1285 1286
S. S. 200. S. Text zu VT I 2.
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2. Typus Tittoni Dieser kleinformatige Athenatypus ist zugleich der späteste, der in der vorliegenden Untersuchung faßbar wurde. Er ist durch sechs Exemplare vertreten. Wenn es sich um einen Typus im klassischen Sinne mit Original und Repliken handelte - was auch in diesem Fall erst geklärt werden muß -, existierten in der entsprechenden Terminologie vier Repliken und eine Variante. Eine als fünfte Replik aufgeführte Figur in Brocklesby Park (T III 2) ist wahrscheinlich nicht antik1287; dasselbe gilt offenbar für die einzige Wiedergabe mit Kopf in Avignon (T II 1).
Liste der Exemplare vom Typus Tittoni I. Statuen ohne Kopf: 1. Rom, Konservatorenpalast 2. Rom, Slg. Tittoni 3. Budapest II. Variante: 1. Kyrene III. wahrscheinlich neuzeitliche Exemplare: 1. Avignon, Musée Calvet 2. Brocklesby Park
Forschungsstand Der Athenatypus wurde in den zwanziger Jahren durch den Neufund der Athena Tittoni (T I 2) auf dem Gebiet des gleichnamigen Palastes, das ehemals zum grimanischen Besitz gehörte, bekannt1288. K. Lehmann-Hartleben berichtete 1925 im ersten Band des Gnomon von diesem Fund1289. Bereits ein Jahr davor hatte J. Giraud im Führer des Museums die eigenartige Statue in Avignon (T II 1) beschrieben1290, damit allerdings keinen großen Radius erreicht, denn die Figur, bei der es sich allerdings wohl auch um ein modernes Exemplar handelt, fehlt in allen weiteren Erwähnungen des Typus oder seiner Exemplare. Als Typus tritt die Athena Tittoni erstmals 1926 bei Stuart Jones, der sich im Rahmen des Kataloges über den Konservatorenpalast mit dem dortigen Exemplar (T I 1) befaßt, in Erscheinung1291. Stuart Jones nennt allerdings nicht die Athena Tittoni, sondern erwähnt lediglich das zweifelhafte Exemplar in Brocklesby Park (T III 2) das A. Michaelis bereits 1882 in seinem Kompendium aufgeführt hatte1292. Die eigentliche Publikation der Athena Tittoni (T I 2) erfolgte 1928 durch G. Q. Giglioli1293. In diesem Rahmen werden alle drei bis dahin bekannten Exemplare erwähnt1294. 1929 bildet A. Hekler eine weitere Replik des Typus (T I 3) Katalog des Budapester Museums ab, nennt aber keine Parallelen1295. Seit dieser Zeit ist der Athenatypus sozusagen in der Versenkung verschwunden; er tritt in der Literatur kaum noch in Erschei1287
Dafür spricht zunächst der handwerkliche Eindruck, dann aber vor allem auch die Ähnlichkeit zum wahrscheinlichen Vorbild im Konservatorenpalast (T I 1; vgl. Text zu T II 2). 1288 Aus der Nähe dieses Fundortes stammen auch die Grimanistatuetten in Venedig; R. Kabus-Preißhofen, AntPl 13 (1972). 1289 K. Lehmann-Hartleben, Gnomon 1, 1925, 245 f. 1290 J. Girard, Muse´´e Calvet, Avignon. Cat. illustre´´ (1924) 43. 38. 1291 Stuart Jones, Pal. Cons. 120. 76 Taf. 38. 1292 A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 236. 83. 1293 Giglioli, BCom 1928, 161 ff. Taf. 1. 1294 Die Statuetten Tittoni (T I 2), Rom, Konservatorenpalast (T I 1) und Brocklesby Park (T III 2). 1295 A. Hekler, Museum der bildenden Künste in Budapest. Die Sammlung antiker Skulpturen (1929) 76. 65 mit Abb.
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nung. Lediglich 1989 verglich E. Atalay ihn mit der sogenannten Hera Campana1296. Die Publikation der Figur Tittoni (T I 2) durch Giglioli bleibt also die grundlegende Literatur zu dem kleinformatigen Athenatypus, der hier u.a. deshalb auch nach diesem Exemplar benannt wurde. Innerhalb der spärlichen Literatur über den Typus bildete sich keine einheitliche Entscheidung bezüglich der stilistischen Einordnung und Datierung des Typus heraus. Auch der vergleichsweise ausführliche Artikel Gigliolis begnügt sich mit einer vagen Einordnung des Typus in die Entwicklung der Athenaikonographie zwischen post-phidiasische und post-praxitelische Werke1297. Hekler schlägt als einziger eine frühhellenistische Datierung vor1298, während Stuart Jones ein Original des 4. Jhs. v. Chr. hinter dem Typus vermutet1299. Lehmann-Hartleben bringt den Begriff „eklektisch“ ins Spiel, ohne den Typus jedoch zeitlich genauer einzuordnen1300.
Rekonstruktion des Typus Die drei Hauptexemplare des Typus in Budapest (T I 3) im Konservatorenpalast (T I 1) und in der Sammlung Tittoni (T I 2) stimmen weitgehend überein - ihr Verhältnis zueinander ist auf den ersten Blick so einheitlich, wie dies aus dem Bereich des Kopienwesens klassischer Zeit bekannt ist. Nicht nur Größe, Haltung und Tracht sind gleich, sondern darüber hinaus auch die einzelnen Faltenzüge und die Reste der Haarfrisur. Die etwa 1. 40 m hohe Athena vom Typus Tittoni steht, mit rechtem Standbein und linkem Spielbein, frontal vor dem Betrachter. Die Armhaltung verhält sich kontrapostisch zur Beinstellung: Der rechte Arm stützt sich locker in die rechte Hüfte, während der linke Arm wahrscheinlich auf einer Lanze ruhte. Problematisch, da nicht an allen Exemplaren übereinstimmend überliefert, ist die seitliche Schildstütze. Am Exemplar Tittoni (T I 2) befindet sie sich auf der linken Körperseite und fängt gewissermaßen die Last des am geraden Kontur aufgestützten linken Armes ab. Aus der Aufteilung der Plinthe zu schließen scheint dies auch an der Statue in Budapest (T I 3) der Fall gewesen zu sein. Das Exemplar im Konservatorenpalast (T I 1) hingegen, von dem inzwischen alle auf den alten Abbildungen noch sichtbaren Ergänzungen wieder abgenommen worden sind, zeigt den Schild neben dem rechten Bein1301. Die Variante in Kyrene (T II 1), deren Plinthe nicht erhalten ist, muß ihrer starken Linkslastigkeit zufolge auch an dieser Seite gestützt gewesen sein. Die Mehrzahl der Exemplare überliefert also den Schild als Stütze des linken Beines. Es ist nun aber nicht mehr nachvollziehbar, ob sich der linke Arm wirklich auf eine unter anderem aus dem Schild bestehende Stütze lehnte. Die ausgestellte rechte Hüfte verlangt eigentlich nach einer Stütze auf der anderen Körperseite. Bezeichnenderweise ist das Exemplar im Konservatorenpalast (T I 1), dessen Schild rechts steht, besser ausbalanciert - es hinterläßt nicht den Eindruck, eine Gegenstütze zu benötigen. Die anderen Exemplare dagegen müssen sich entweder auf einen seinerseits an eine eckige Stütze gelehnten Schild oder auf eine Lanze gestützt haben. Um zu entscheiden, ob der linke Arm eine Lanze hielt, müßten die Plinthen auf entsprechenden Standspu1296
E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen des 2. Jhs. n. Chr. in ephesischen Werkstätten (1989) 96; vgl. S. 229. Giglioli, BCom 1928, 167 ff. 1298 S. Anm. 1295. 1299 S. Anm. 1291. 1300 S. Anm. 1289. 1301 Abbildungen mit den alten Ergänzungen (Kopf, linker Arm, Lanze) bei Stuart Jones a. O. (Anm. 1291) Taf. 38. 76 und Giglioli, BCom 1928, 167 Abb. 3. 1297
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ren hin untersucht werden. Fest steht nur, daß das schmale Rückenmäntelchen vom linken Unterarm gehalten worden sein muß. Es kann jedoch so um den Arm herum geschlungen gewesen sein, daß dieser im Originalentwurf nicht unbedingt abgewinkelt gewesen sein muß. Möglicherweise führte er leicht nach vorn; die Hand war dabei vermutlich locker auf den oberen Schildrand gelegt. Wahrscheinlicher aber ist bei der Darstellung der gerüsteten Göttin, daß auch hier die Lanze vorhanden war und sich der linke eingestemmte Arm leicht abgewinkelt darauf stützte. Die Haltung des rechten Armes unterliegt keinen Zweifeln, da an allen drei Wiederholungen Armansatz und Hand erhalten sind. Obwohl kein Exemplar den Kopf überliefert, ergibt sich die Kopfhaltung aus dem erhaltenen Nackenschopf im Rücken und aus der Position der vorn auf die Schultern herabfallenden Lockensträhnen: Der Kopf war aus der Frontalen nur leicht nach links gewandt1302. Über ein weiteres Detail gibt der Nackenschopf der Athena Tittoni (T I 2) Auskunft: Der Helmbuschrest belegt, daß sie einen Helm trug. Wie die Lockensträhnen, so sind auch Trachtform und Faltenführung an allen drei Wiedergaben übereinstimmend überliefert. Die Athena vom Typus Tittoni trägt demnach einen direkt unterhalb der latzförmigen Aigis gegürteten Peplos, der an der rechten Seite offen ist. Die Falten auf der rechten Schulter geben nicht etwa, wie dies vom Ergänzer bzw. Fälscher der Figur in Avignon (T II 1) mißverstanden wurde, einen Chitonärmel wieder, sondern stammen von einem stolaartig über den Rücken gelegten schmalen Mäntelchen. Der Apoptygmasaum darunter wird durch die auf der rechten Hüfte ruhende Hand leicht hochgeschürzt, sodaß sein Verlauf die Hüftlinie optisch unterstützt. Dieses Motiv gehört zu den charakteristischen Faltenmotiven des Typus. Es verursacht die beiden nach rechts geschwungenen Apoptygmafalten. Über dem linken Oberschenkel liegt das Apoptygma eng an und reagiert in einigen kurzen Falten auf den seitlichen Zug. Eigenartig ist ein kurzes, im spitzen Dreieck zulaufendes Faltenornament auf der linken Seite direkt unter der Gürtung, das in seiner Entstehung an der Statue in Budapest (T I 3) noch am ehesten verständlich wird. Der linke Kontur der Statue wird von einer am Apoptygma beginnenden, sich optisch an der Seite des linken Beines fortsetzenden Falte gebildet. Am Unterkörper kontrastieren Spiel- und Standbein in fast klassischer Weise: das Standbein ist durch schwere Faltenmassen verhüllt, während das lokker seitlich ausgestellte Spielbein sich in scharfen Konturen zeigt. Erst im Knöchelbereich machen sich auch hier die Stoffmassen bemerkbar, die beide Füße umhüllen. Die Füße sind an allen drei Exemplaren mit doppelt profilierten Sandalen bekleidet. Weitere Bestandteile der Tracht und des Typus sind der mit einem Heraklesknoten geschlossene Gürtel sowie die latzförmige, von den kanonischen Schlangenleibern umgebene Aigis mit der dachziegelartig angeordneten Fiederung und der kleinen Gorgoneionschließe. Der Athenatpyus Tittoni ist also eine unterlebensgroße, fast kleinformatige Darstellung der Göttin in voller Rüstung mit Helm, Aigis, Lanze und Schild. Charakteristisch für diesen Typus sind das Hüftstützmotiv, die Latzaigis und die Schulterlocken sowie das knappe, schalartige Mäntelchen an der Rückseite.
1302
Leider existiert nur von der Athena Tittoni selbst ein Foto der Rückseite, das den Nackenschopf mit aufliegendem Helmbusch zeigt, Giglioli, BCom 1928, 163 Abb. 1. Die wahrscheinlich moderne Athena in Brocklesby Park (T III 2) gibt den Nackenschopf bezeichnenderweise fast unverschoben in der Mitte zwischen den Schulterblättern wieder.
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Analyse und Einordnung Die kunsthistorische Stellung des Typus Tittoni erschließt sich wegen seines klassizistischen Anteils nicht auf Anhieb, sondern weit weniger schnell als bei den meisten anderen Athenatypen. Da sich der Typus nicht durch eindeutige Merkmale einer bestimmten Zeit zuordnen läßt, muß sein Umfeld zunächst im Ausschlußverfahren eingekreist werden. Die vorgeschlagene Einordnung in das 4. Jh. kann von vornherein ausgeschlossen werden1303. Die Figur ist erstens betont kleinformatig - der kleinste Typus des 4. Jhs. ist wahrscheinlich der Typus Ostia-Cherchel mit einer durchschnittlichen Größe von etwa 1. 40 m - 1. 50 m1304. Zweitens ist sie fast wie ein Relief von vorn zu erschließen und könnte nach einem zeichnerischen Entwurf oder Modell entstanden sein: Die Exemplare besitzen keinerlei plastische Tiefe1305. Diese zutiefst unklassischen Eigenschaften bilden den Anfang einer Reihe von Merkmalen, die für den stilistischen Ausdruck des Typus Tittoni charakteristisch sind und die ihn immer weiter von der klassischen Zeit abrücken. Die hohe Gürtung tritt als Phänomen bereits am Ende des 4. Jhs. auf und ist vor allem zu Beginn des 3. Jhs. weit verbreitet1306. Aber auch in dieser Zeit, in die Hekler die Figur datieren möchte1307, kann der Typus nicht entstanden sein. Dies wird deutlich, wenn man den ebenfalls kleinformatigen, hier in den Beginn des 3. Jhs. datierten Darstellungstypus der AreopaghausAthena hinzuzieht1308. Als zentrale Merkmale dieser Zeit äußerten sich an ihm die Sprödheit der Falten, die Längung des Körpers, der gerade Kontur. Nichts davon zeigt die Athena. Auch die relative plastische Tiefe und Substanz ist an der Athenastatuette des frühen 3. Jhs. noch nicht weit entfernt von spätklassischer Auffassung. Die Athena Tittoni dagegen ist flach angelegt, ihr Aufbau ist nicht lang und gerade, sondern besteht aus aufeinander-geschichteten, gegeneinander ruckartig verschobenen einzelnen Partien. Die Faltengebung ist alles andere als spröde und trokken - in der Bewegung der Gewandanlage werden im Gegenteil sogar Spuren des Hochhellenismus deutlich. Daß dessen Zeitstil allerdings überschritten ist, zeigt die Beruhigung und Erstarrung dieser Bewegung. Schon das Motiv der in die Hüfte gestützten Hand, die das Apoptygma hochschürzt, bildet eine erstarrte Bewegung. Das Gewand wird durch diese Haltung in Unruhe versetzt; es entstehen lange, geschwungene Faltenzüge, die ein Gegengewicht zu den schleppenden Gewandfalten über den Unterschenkeln bilden. Auch die an sich symmetrisch aufgebaute Aigis gerät durch die Schlange und dadurch, daß sie als Ganzes aus der Horizontalen verschoben ist, in Bewegung. Dieser Gegensatz von Bewegung und Erstarrung durchzieht die ganze Figur und charakterisiert sie. Er beginnt bei der Motivwahl und ihrer Realisierung. Als Motiv liegt der Darstellung eine relativ strenge, schlichte und gerade Typusfassung zugrunde: Athena im hochgegürteten schweren Peplos mit symmetrischer Aigis und zu beiden Seiten auf die Schulter herabfallenden Haarlockensträhnen. Der Gürtel ist unterhalb der Aigismitte, also unter der Gorgoneionschließe, 1303
In das 4. Jh. datieren Giglioli, BCom 1928 und Stuart Jones a. O. (Anm. 1291). Es stehen nicht für alle Repliken des Typus Ostia-Cherchel Größenangaben zur Verfügung; vgl. Anm. 547. 1305 Die hier als modern beurteilte Figur in Brocklesby Park (T III 2) ist als einziges Exemplar ausreichend publiziert und dokumentiert. Wenn man sie sozusagen als moderne Wiedergabe des Typus betrachten darf, läßt sich an ihr die Flachheit der Gesamtanlage gut nachvollziehen. Die Aufnahme der Rückseite des Exemplares Tittoni (s. Anm. 1302) zeigt, daß die Statue in England den Typus gut kopiert. An ihrem direkten Vorbild im Konservatorenpalast (T I 1) konnten die stilistischen Merkmale vor Ort nachvollzogen werden. 1306 Vgl. S. 102; S. 143 ff. 1307 S. Anm. 1295. 1308 S. S. 159 ff. 1304
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mit dem archaischen Heraklesknoten geschlossen. Am Unterkörper sind Spiel- und Standbein kontrastreich gekennzeichnet; die Figur steht auf den ersten Blick ruhig und gerade. Das Standbein wird seitlich durch den herabfallenden Peplossaum abgeschlossen, das Spielbein begleitet die bereits bekannte, übliche lange Konturfalte im Hintergrund1309. Dieser an sich strenge Aufbau wird durch die erwähnten Elemente der horizontalen Verschiebung der Einzelteile und das Hüftstützmotiv sowie das Stützmotiv des linken Armes durchbrochen und in verhaltene Bewegung versetzt. Auch die die Füße umspielenden Stoffmassen, die natürlich in erster Linie eine Zeiterscheinung und damit auch datierend sind, nehmen dem Typus seine motivisch angelegte Strenge. Die senkrechten Falten über den Beinen sind zudem nicht besonders tief; ihr Verlauf ist nicht ganz parallel. So kann der Vergleich mit dem frühhellenistischen Areopaghaus-Typus eher dazu dienen, die unterschiedliche Rezeption des verwandten Typus sichtbar zu machen. Die Merkmale, die sich dabei für die Athena ergaben, weisen auf eine späthellenistische Datierung hin. Dafür spricht außerdem die Maniriertheit, die den Typus besonders kennzeichnet. Sie äußert sich im exzentrischen Hüftschwung, in der Faltenzeichnung des Apoptygma und vor allem auch im Motiv des schalartigen Rückenmäntelchens, das diesen Namen kaum noch verdient. Auch dieses Kleidungsstück tritt bereits am frühhellenistischen Athenatypus Castro Praetorio, der mit dem oben verglichenen kleinformatigen Typus eng verwandt ist, auf1310. Für das Mäntelchen des Typus Tittoni wurde ebenso der Begriff „Chlaina“ vorgeschlagen1311. Diese Chlaina ist allerdings viel knapper angelegt als bei der Athena vom Castro Praetorio; sie tritt an der Vorderansicht überhaupt nur am linken Arm in Erscheinung. An der Athena des Palazzo Tittoni (T I 2) scheint die Chlaina, wie die Bossen zeigen, vom linken Arm bis auf die Statuenstütze herabgehangen zu haben1312. Wie der Darstellungstypus des frühen 3. Jhs. wurde auch der Typus Tittoni mit der Parthenos in Verbindung gebracht1313. Während das Standmotiv und der Aufbau der Figur weit weniger mit der Parthenos zu tun haben als die entprechenden konzeptionellen Elemente des noch verhältnismäßig heraldischen Areopaghaus-Typus, besteht eine gewisse Analogie in der frontalen Haltung und in den an allen Wiedergaben vorhandenen Lockensträhnen auf den Schultern1314. Der Ausdruck der unterlebensgroßen Athena Tittoni ist aber durch das Motiv der eingestützten Hand so verändert, daß keine Verbindung zur Parthenos mehr besteht. Die Athena Tittoni ist vielmehr eine mädchenhafte, etwas manieristische und verspielte Darstellung der Göttin, die im Vergleich zur späthellenistischen Athena Vatikan-Tokyo1315 kaum mehr etwas Kultbildhaftes an sich hat. Der Typus ist so belanglos und eher unauffällig wie sein Format; er könnte schon fast als Genrebild gelten und war wahrscheinlich für den privaten Rahmen konzipiert. Aufgrund aller beschriebenen Merkmale ist nun nicht mehr schwer zu entscheiden, ob es sich bei den Wiedergaben des Typus um ein kopiertes Vorbild oder um einen mehrfach ausgeführten, nach Skizzen gefertigten Darstellungstypus handelt. Im Gegensatz zum Athenatypus Vatikan1309
Vgl. S. 159 ff. und passim. S. S. 148 ff. 1311 Giglioli, BCom 1928; zum Begriff der Chlaina vgl. S. 152 ff. 1312 Vgl. Kat.text zu T I 2. 1313 Giglioli, BCom 1928, 162. 1314 Unter den Exemplaren im Typus der Areopaghaus-Athena befindet sich ebenfalls eines mit Resten einer entsprechenden Frisur; s. Ah I 4. 1315 S. S. 205 ff. 1310
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Tokyo, der in seiner Konzeption zumindest noch durch ein konkretes Urbild angeregt worden zu sein scheint, fällt hier die Entscheidung aus mehreren Gründen eher zugunsten eines durch einfache Merkmale gekennzeichneten, seriell hergestellten Darstellungstypus. Außer der Einfachheit des Typus sprechen dafür die Frontalität der Darstellung, die skizzenhaft linearen Faltenverläufe, die unterschiedliche Position des Schildes an den einzelnen Wiedergaben und die unterschiedliche Gestaltung der zum Standmotiv gehörenden Stütze1316. Das Stützmotiv läßt außerdem vermuten, daß kein Bronzeoriginal zugrunde lag, sondern daß der Typus von vornherein in Marmor konzipiert war. Hinzu kommt als schwerwiegendes Argument, daß alle erhaltenen Exemlare sich kaiserzeitlich datieren lassen. Außerdem kann auch die Variante in Kyrene (T II 1), deren Aigis und Apoptygma verändert sind und die nach kyrenischer Manier auch sonst eher frei gestaltet ist1317, als Hinweis auf einen nicht originalgebundenen Typus verstanden werden. Datierung und eventuell Lokalisierung des Athenatypus werden vielleicht weitere Hinweise erbringen.
Datierung Daß der Athenatpyus Tittoni nicht vor dem Pergamonaltar entstanden sein kann, wurde weiter oben bereits deutlich; ebenso, daß er Elemente des Hochhellenismus voraussetzt, die er in erstarrter Form verarbeitet1318. Damit ist der Typus wie die Athena Vatikan-Tokyo frühestens im Späthellenismus anzusiedeln. Anders als diese hat der Typus Tittoni allerdings mit hellenistischen weiblichen Gewandstatuen kaum noch etwas gemeinsam. Der substanzlose Körper erhebt sich hinter der kaum nuancierten Gewandschablone zu einem leicht verschobenen schmalen Kegel, der auf der linken Seite abgestützt wird. Eine verwandte Konzeption von Figuren ist aus dem Bereich späthellenistischer kleinformatiger Aphroditen bekannt, von denen sich auf Delos einige Exemplare erhalten haben1319. Diese Statuetten sind ebenfalls völlig frontal angelegt und lehnen sich mit rechts stark ausgestellter Hüfte auf einen zu ihrer linken angebrachten Pfeiler. Während der Hüftbereich in hellenistischer Betonung stark ausgeprägt ist, sind Schultern und Oberkörper eher schmal. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Typus Vatikan-Tokyo lassen sich zahlreiche weitere Vergleichsbeispiele aus dem Bereich delischer Plastik anführen. Obwohl die Athena vom Charakter her nichts mit hellenistischen Gewandstatuen gemein hat, kann die Kleopatra rein vom Konzept ihres Aufbaues her verglichen werden. Über die Gemeinsamkeit der ausgestellten rechten Hüfte und des schmalen, kurzen Oberkörpers hinaus zeigt sie, um wieviel raumausgreifender und substanzreicher die auch an der Athena auftretenden Bestandteile gestaltet sind: Das Spielbein ist weiter zurückgestellt, die Falten am Unterkörper sind stärker gestaffelt, um die gerundete Hüfte herum spannt sich der Mantelstoff. Nichts ist so brettartig flach und frontal wie an der Athena. Etwas später als die Kleopatra wird das bereits für die Datierung des Typus Vatikan-Tokyo herangezogene Grabrelief aus Smyrna entstanden sein, das durch seine härteren Formen der Athena schon näher kommt1320. Die flache Frontalität der Athena ist allerdings auch hier aus typologi1316
Dies wäre an sich nicht ungewöhnlich - Stützen von Marmorkopien nach Bronzewerken sind ja fast immer frei gestaltet. In diesem Fall aber ist die Stütze aus der Konzeption des Typus nicht wegzudenken; sie ist Bestandteil des Entwurfes. 1317 Über Repliken aus Kyrene vgl. S. 202. 1318 S. oben S. 226. 1319 J. Marcade´´, Au Muse´´e de Delos (1969) Taf. XLIII-XLIV; Stewart, Greek Sculpture 835. 1320 S. Anm. 1239.
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schen Gründen nicht gegeben; sie findet sich eher am Aufbau einer männlichen Porträtstatue aus Delos wieder, deren Rhythmus sich ähnlich „abgehackt“ präsentiert wie der der Athena1321. Der um 100 v. Chr. enstandene sogenannte „Pseudo-Athlet“ aus dem Haus des Diadumenos stimmt in dieser Hinsicht sogar bis in das Hüftstützt-Motiv und die Kopfwendung mit der Athena überein. Motivisch und strukturell ist der Athenatypus Tittoni für E. Atalay mit der sogenannten Hera Campana vergleichbar1322. Atalay führt den Typus der Hera Campana-Altemps, dessen Überlieferung genauso uneinheitlich ist wie die solcher Typen, die hier die Frage aufwarfen, ob sie nach einem Original-Vorbild oder lediglich nach einem vorbildhaften Entwurf hergestellt wurden, ohne weitere Begründung auf „mehrere Originale“ des 3. Jhs. v. Chr. zurück und konstatiert bei einigen Wiedergaben zusätzlich Einflüsse praxitelischer und späthellenistischer Kunst. Die Verbindung mit dem Typus Tittoni bildet für ihn das Stützmotiv und die Ausarbeitung der auf der Plinthe aufliegenden Falten. Tatsächlich ist die Verwandtschaft beider Typen erstaunlich eng; sie reicht vom Motiv des eingestützten rechten Armes über die Angabe der Falten im schweren Gewandstoff, der frontalen Haltung mit breiter, alles erschließender Vorderfläche und der Kontrastierung von Stand- und Spielbein bis hin zur Kopfwendung und zur Auffassung vom Verhältnis zwischen Körper und Gewand. Die Übereinstimmung geht sogar bis in Details wie die Ausführung der dicklichen rechten Hand, die sich an den Exemplaren des Typus Tittoni in Budapest (T I 3) und dem des Typus Campana-Altemps in London1323 gut vergleichen läßt. Für den Typus Tittoni läßt sich daraus weniger ableiten als für den Typus Campana-Altemps, dessen späthellenistische Komponente dadurch betont wird. Die Hera Campana hat ebenfalls Ähnlichkeiten mit dem Typus Vatikan-Tokyo und läßt sich wie dieser neben die Musendarstellungen des 2. Jhs. halten1324. Obwohl sie noch enger mit matronalen hellenistischen Gewandstatuen verbunden ist als der Typus Tittoni, weist ihre Verflachung und Frontalität sie doch in die Nähe der Entstehung des Athenatypus . Auch die Venus der ebenfalls um 100 v. Chr. geschaffenen delischen Pantoffelgruppe gibt das ältere Motiv der nackten Aphrodite in reliefartig auseinandergeklappter, frontaler Form wieder1325. Ihr bewegungsloser, starrer Aufbau mit den eckigen Bewegungen und ihre kompakten Gliedmaßen lassen auch hier trotz der typologischen Unterschiede einen Vergleich mit der Athena, die in dieser Hinsicht ähnlich ist, zu. Delos bietet noch weiteres vergleichbares Material in Gestalt einiger etwa 1m großer Statuetten, die ebenfalls etwa um 100 v. Chr. datiert werden1326. Sie sind in Aufbau, Faltenstil und Auffassung der Athena Tittoni so ähnlich, daß eine zeitliche, wenn nicht sogar auch lokale Nähe vorausgesetzt werden kann. Gemeinsamkeiten sind das Verhältnis von schwindenden Körpervolumen und schwerer Gewandhülle, der sperrige Bewegungsablauf, die teilweise wulstigen, teilweise flachen schematisch angelegten Falten, die Frontorientiertheit und die insgesamt geringe Qualität und mangelnde Ausstrahlung, die die Athena sowie die delischen Stücke wie Massenware wirken läßt. Als Datierungshinweis für die Entstehung des Typus Tittoni eignet sich 1321
Stewart, Greek Sculpture 840; Marcade´´ a. O. (Anm. 1319) Taf. LXXIII. S. Anm. 1296. 1323 Atalay a. O. (Anm. 1296) Abb. 74. 1324 Vgl. S. 229. 1325 Zur Pantoffelgruppe s. Anm. 1247; Marcade´ a. O. (Anm. 1319) Taf. L. 1326 Stewart, Greek Sculpture 836; Marcade´ a. O. (Anm. 1319) Taf. XXXIV A 4126, Taf. XXXVII A 4128. 1322
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schließlich der neuerdings in die 90er Jahre des 1. Jhs. v. Chr. datierbare Fries von Hekateion in Lagina1327. Obwohl es sich um Relieffiguren handelt, sind an ihnen ebenfalls ähnliche Eigenschaften zu beobachten: Die Proportionen sind mit denen des Typus Tittoni vergleichbar; die Gewandangabe und auch der eckige Aufbau und der steife Kontur der Figuren sind ähnlich. Die Athenafigur der Gigantomachie von der Westseite des Hekateions ist ebenfalls gut vergleichbar; sie trägt sogar das schmale, von beiden Armen gehaltene, über den Rücken gelegte Mäntelchen, das sich hier allerdings zur Andeutung ihrer Aktion bewegt über ihr bauscht. Geht man also davon aus, daß der Typus nicht eher als im frühen 1. Jh. v. Chr. entstanden sein kann, müßte jetzt natürlich noch eine zeitliche Obergrenze gefunden werden. Grundsätzlich und nach neuer Kenntnis über die eigenständige Kreativität römischer Plastik ist nicht auszuschließen, daß nicht auch noch in römischer Zeit neue Statuentypen in Serie gingen, wenn auch vor einem gänzlich anderen Hintergrund. Die Realpräsenz von Meisterwerken war bei solchen Typen nicht mehr beabsichtigt, sondern diese standen nur noch indirekt Pate für Werke, die der Art eines bestimmten Meisters nachempfunden wurden und dessen Aura zu einem rein dekorativen Zweck vermitteln sollten1328. Bei Athenastatuen steht der dekorative Aspekt wohl weniger im Vordergrund als der inhaltliche: Römische Kaiser haben immer wieder eine enge Beziehung zu der Göttin gepflegt, die sich auch ikonographisch niederschlug. C. Gmyrek hat hierzu eine Untersuchung aus numismatischer Sicht vorgelegt1329, und die enge Beziehung z. B. der flavischen Kaiser zur Göttin ist bereits zuvor bemerkt worden1330. Da sich die früheste Replik (T I 1) spätflavisch-trajanisch datieren ließ, wäre eine Entstehung dieses verniedlichten, stilistisch eher flachen Athenatypus in flavischer Zeit theoretisch auch möglich. Eine verwandte Athenadarstellung findet sich am Fries des Forum Transitorium innerhalb der Darstellung der Bestrafung Arachnes durch die Göttin1331. So ist der kleinformatige Athenatypus Tittoni also allem Anschein nach in der Zeit nach dem ersten Viertel des 1. Jhs. v. Chr. Bestandteil der Athenaikonographie geworden. Der Typus dürfte folglich entweder gleichzeitig mit den frühesten Repliken älterer Athenatypen im Späthellenismus entstanden sein oder er ist überhaupt erst in der Zeit des römischen Replikenwesens aufgekommen. In jedem Fall handelt es sich um die letzte neu geschaffene, heute noch in mehreren fast replikenhaft übereinstimmenden Exemplaren faßbare Darstellung der Göttin. Drei weitere Aspekte dieser Darstellung sind schließlich noch von Interesse: Die Frage nach der Rezeptionsweise älterer Formen, d. h. die Suche nach klassizistischen und originären Elementen, und zweitens das Problem der Lokalisierung der Kunstlandschaft, in der der Typus entstanden sein könnte: Handelt es sich um eine neuattische Schöpfung griechischer Tradition oder um ein römisches Werk, also eigentlich eine Minerva? Die beiden Fragestellungen hängen ursächlich zusammen. Die Verwandtschaft mit delischen Statuetten könnte auf eine östliche Herkunft hinweisen. Die Variation des Typus in Kyrene (T II 1) zeigt, daß dieser auch über Rom hinaus bekannt war. Die stilistische Analyse der Athena Tittoni ergab, daß ihr Klassizismus auf Aigisform und Haarlocken beschränkt bleibt; wobei die Aigisform nicht eindeutig klassizistisch 1327
Zum Laginafries s. Anm. 157 und 1211. Vgl. C. Vorster, Die Skulpturen von Fianello Sabino 11 ff.; C. Landwehr, JdI 113, 1998, 139 ff. 1329 C. Gmyrek, Römische Kaiser und griechische Göttin (1999). 1330 Vgl. Gmyrek a. O. 55 ff.; s. hierzu auch Anm. 1446. 1331 Kleiner, Roman Sculpture 161. 1328
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ist, sondern mit ihren bewegten Schlangen auch hellenistisch adaptiert sein kann. Ob die Haarlocken tatsächlich eine Anspielung auf die Parthenos sein sollen, ist ebenfalls schwer zu beurteilen. Es gibt nur wenig Variation innerhalb der Haartracht der Göttin, und die Wiedergabe der beiden Haarlockensträhnen kommt gleichzeitig hellenistischer Verspieltheit und Bewegtheit entgegen. Das Motiv des in die Hüfte gestützten Armes wiederspricht jedenfalls diametral der Auffassung der Parthenos und spottet sozusagen jeder Assoziation mit ihr, so, wie auch der stilistische Aufbau der Figur späthellenistisch ist und nichts Klassizistisches an sich hat. Es handelt sich also entweder doch um eine komerziell verbreitete, genuin späthellenistische Schöpfung, die vermutlich von östlichen Werkstätten seriell reproduziert wurde, oder um einen in der Kaiserzeit von Rom aus verbreiteten Typus. Sein Ursprung ist folglich kaum in einem kopierten hellenistischen Original, sondern in einem vorbildhaften Entwurf, wohl einer Art Werkstattskizze, zu suchen. Wenn hier überhaupt ein statuarisches Vorbild eine Rolle spielte, dann höchstens als indirekte Anregung für einen solchen Entwurf. Wie eine klassizistische Athena neuattischer Werkstätten aussieht, kann die frühkaiserzeitliche Antiochos-Athena veranschaulichen, die offenbar der Athena Parthenos nachempfunden ist1332. Sie ist trotz der unterschiedlichen Größe handwerklich und teilweise auch typologisch mit der Athena Tittoni verwandt. Abgesehen von der extremen Härte ihrer Faltengebung, die sie als klassizistisches Werk mit Kopiencharakter ausweist, ist beispielsweise die Gestaltung des Spielbeines ähnlich; sogar die durch Politur verstärkte Glätte der Oberfläche ist vergleichbar. Typologisch verwandt sind darüber hinaus die Haarlockensträhnen, die allerdings in diesem Fall wirklich auf die Darstellungsweise der Parthenos zurückgehen. Der attische Helm der Antiochosathena zeigt, wie der Kopftypus der Athena Tittoni ausgesehen haben könnte1333. Selbst die Vereinzelung der Gliedmaßen und der eckige Rhythmus im Aufbau sind nicht unähnlich, wenn sie natürlich auch am Parthenosimitat anders begründet sind. In der Gegenüberstellung wird jedoch insgesamt deutlich, daß erstens der hellenistische und zweitens der individuelle Charakter der Exemplare der Athena Tittoni im Gegensatz zur klassizistischen Antiochos-Athena nicht zu leugnen ist. Es wird sich daher tatsächlich weder um Kopien nach einem konkreten Original, noch um eine klassizistische Schöpfung handeln, sondern um einen ab dem Beginn des 1. Jhs. v. Chr. in Serie produzierten späthellenistischen oder römischen Athenatypus.
1332 1333
Zur Antiochos-Athena vgl. Anm. 1055. Die Kombination des korinthischen Helmes mit den Schulterlocken, wie sie die modernen Köpfe der Figuren im Konservatorenpalast (T I 1) und in Brocklesby Park (T III 2) zeigen, ist m. W. unantik. Soweit mir bekannt ist, wurden die Lockensträhnen nur mit dem attischen Helm kombiniert.
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Zwei Athenen vom Fundort der Familie des Valerius Flacchus in Magnesia Dem Athenatypus Tittoni sehr ähnlich sind zwei Athenafiguren, die mit den Statuen der Familie des Valerius Flacchus in Magnesia zusammen in einem Raum aufgestellt waren1334. Die Datierung der Statuenweihung gegen Ende der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. ist neuerdings in Frage gestellt worden, da die Statuenbasen möglicherweise jüngeren Datums sind sollen als die Statuen1335. C. Eule, die die früher vertretene These von der Statuenaufstellung als Fixpunkt innerhalb der späthellenistischen Plastik aus diesem Grund als unzutreffend bezeichnet, unterstreicht damit die schon länger von K. Tuchelt geäußerten Bedenken und datiert die demnach auf Basen des 1. Jhs. aufgestellten Figuren in das ausgehende 2. Jh. v. Chr.. Die beiden Athenen hält C. Eule in alter Tradition für römisch1336. S. Ridgway berücksichtigt die Bedenken Tuchelts und geht der Entstehung der verwendeten Gewandtypen der Baebia und der Saufeia nach, die sie um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. ansetzt. Die offenbar erst etwas später hinzugefügte Polla Valeria jedoch betrachtet sie als zeitgenössisch mit der Aufstellung1337. Für die Athenen und ihre Datierung ist die stilistische Einordnung der Statuen im Grunde irrelevant, da sie in jedem Fall zeitgleich mit der Aufstellung der Basen entstanden sein werden. 2. 1 Istanbul, Mus. 603 Statue ohne Kopf aus dem Raum mit der Weihung der Familie des L. Valerius Flacchus in Magnesia Dat.: Mitte 1. Jh. v. Chr. Lit.: C. Watzinger, in: C. Humann, Magnesia am Mäander (1904) 225 ff. 9 Abb. 230-231; Linfert, Kunstzentren 30 Anm. 58 d 178 ff. Abb. 21 b; A. Pasinli, Istanbul Archaeological Museum (1996) 34 Abb. 32; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 85.
Die Athenastatue läßt sich mit keinem der bekannten Typen verbinden. Sie ist mit Chiton und einem wahrscheinlich zweimal gegürteten Peplos bekleidet: Die äußere Gürtung sitzt direkt unterhalb der Brust. Der Kolposbausch ist länger als das Apoptygma. Die Aigis verläuft schräg von der linken Schulter zur rechten Seite der Taille; sie ist doppelt gelegt und von wimmelnden Schlangenleibern eingefaßt. Das Gorgoneion auf der Aigisinnenseite ist klein und vom Typus her pathetisch. Die Oberarme der Figur sind erhalten; der linke Arm war ausgestreckt und stützte sich auf eine Lanze; der rechte führte am Körper herab und stand wahrscheinlich mit einem Bossen am rechten Oberschenkel der Figur in Verbindung. Der Kopf war dem Verlauf des Nackenschopfes bzw. des Helmbusches zufolge leicht nach rechts gewandt. Die rundovale Basis ist grob profiliert.
1334
Vgl. Eule, Hellenist. Bürgerinnen 85. Eule a. O. 85 ff. 1336 Auch dies übrigens wieder ohne jede Begründung, wodurch auch diese Datierung nicht nachvollziehbar und damit im Grunde wertlos wird. Wiedersprüchlich wird dadurch zudem die Beschreibung des Raumes, der, mit der größeren Athena auf dem Mittelpostament, „bereits in hellenistischer Zeit als kleiner Kultraum diente“ - stand die Athena nun also doch in hellenistischer Zeit schon dort oder sollte sie nicht eben noch römisch sein, weshalb sie „deshalb nicht für eine gemeinsame Raumkonstellation zitiert werden“ könne? 1337 Ridgway, Hellenistic Sculpture III 119 ff. 1335
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2. 2 Istanbul, Archäologisches Mus. 604 Statuette ohne Kopf aus der Weihung der Familie des L. Valerius Flacchus in Magnesia Dat.: Mitte 1. Jh. v. Chr. Lit.: Watzinger a. O. (Lit. zu 1) 226. 10 Abb. 231; Linfert, Kunstzentren 30 Anm. 58 e 178 ff. Abb. 21 a; Eule, Hellenist. Bürgerinnen 85.
Die Athenastatuette wurde nach Linfert im Zusammenhang mit der Aufstellung der Statue der Polla Valeria wenig später als die große aufgestellt. Auch sie ist, besonders bezüglich ihres kleinen Formates, ein Einzelexemplar, folgt aber in gewisser Hinsicht einem Darstellungstypus, der auch aus anderem Zusammenhang, wenn auch großformatiger, bekannt ist: Zwei weitere Athenen mit Schrägaigis in Tripolis (s. u. S. 239 f. 3. 1. 13 und ehemals Rom, 3. 1. 12) zeigen dieselbe Form der von der rechten Schulter auf die linke Hüfte hinunter verlaufenden, durch die Gürtung zweigeteilten Aigis mit dem kleinen Gorgoneion in Gürtelhöhe. Die Statuette trägt keinen Ärmelchiton; der linke Oberarm ist erhalten und liegt am Oberkörper an. Die kleine altarartige Stütze am Spielbeinunterschenkel weist darauf hin, daß der Arm sich auf einen hier aufgestützten Schild lehnte, der mittels eines noch sichtbaren Bossens an der Figur befestigt war. Der rechte Arm war offenbar angesetzt und fehlt. Über den verlorenen Kopf ist anhand des Fotos keine Aussage möglich; er war eingesetzt und wahrscheinlich nach vorn ausgerichtet. Merkwürdig ist die sechseckige, ebenfalls grob profilierte Basis. Auffällig ist ferner, daß die Figur trotz ihres kleinen Formates mit Einsatzkopf und angesetztem Arm technisch wie eine Statue behandelt wurde. Obwohl dies auch schon bezweifelt wurde, gehören die fünf in dem als Athenaheiligtum bezeichneten Raum gefundenen Figuren trotz ihrer äußerlichen Unterschiede zusammen und bildeten die durch fünf Sockel belegte Skulpturenausstattung des Raumes1338. Weibliche Statuen und Athenen stammen allerdings sicher nicht aus derselben Werkstatt. Die beiden Athenen sind wahrscheinlich Importstücke - wie die Exemplare des Typus Tittoni, dessen Datierung sie bestätigen können, zeigen sie eine große Ähnlichkeit zu den mit diesem verglichenen Stücken aus Delos, sodaß sie eventuell aus der gleichen Kunstlandschaft kommen könnten. Die Verwandtschaft mit dem Typus Tittoni ist so eng, daß die beiden Figuren an dieser Stelle erwähnt werden müssen - sie sind womöglich etwa zur gleichen Zeit in der gleichen Gegend entstanden. In diesem günstigen Fall ist der Fundkontext einmal bekannt und kann als exemplarisch für die Aufstellung späthellenistischer Athenadarstellungen betrachtet werden. Daß im Zusammenhang mit dieser Familienehrung zwei Athenen aufgestellt wurden, ist nur dann sinnvoll, wenn entweder beide Figuren eine andere, mit einem heute verlorenen Eponym bezeichnete Ausprägung der Göttin mit ihrem jeweiligen Kultzusammenhang verkörperten, wenn jede einzelne Figur in direktem Bezug zu einer Porträtstatue stand oder wenn beide Figuren als Geschenk an die Göttin aufgefaßt wurden. Die den Inschriften zufolge vom Demos veranlaßte Aufstellung der 1338
Vgl. Linfert, Kunstzentren 178. Die Zweifel der älteren Forschung an der Zusammengehörigkeit der Figuren ist sicher darauf zurückzuführen, daß man die späthellenistische Datierung der beiden Athenafiguren nicht erkannte und sie für kaiserzeitlich und minderwertig hielt.
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Statuen der Familie des römischen Statthalters L. Valerius Flacchus sollten jedenfalls auf diese Weise in eine enge Verbindung zu der Göttin gestellt werden. D. Pinkwart stellt Überlegungen an, weshalb keine Statue des Familienvaters selbst, sondern nur seiner weiblichen Familienmitglieder aufgestellt worden seien1339. Die einfachste Erklärung dürfte in die Richtung gehen, die auch S. Ridgway mit ihrer Vermutung einschlägt, daß die Frauen in irgendeiner Beziehung zum Kult einer weiblichen Gottheit standen - Ridgway zufolge dem der Artemis, an deren großen Tempelbezirk die Agora angeschlossen war1340, vielleicht aber auch dem der Athena, der in dem wohl als Kultraum gedachten Aufstellungsort der Figuren im Westflügel der Agorahallen seitlich des auf der Agora gelegenen Zeustempels plaziert war1341.
1339
D. Pinkwart, AntPl 12 (1973) 152. Ridgway, Hellenistic Sculpture III 119. A. O. 121 äußert sie jedoch Zweifel daran, daß die Zuordnung zur weiblichen Gottheit die Aufstellung auschließlich der weiblichen Familienmitglieder rechtfertige und geht in ihrer Interpretation doch darüber hinaus. 1341 Der eigentliche Athenatempel Magnesias wird auf der Anhöhe oberhalb der Agora lokalisiert; vgl. O. Bingöl, Magnesia am Mäander (1998) 76. 1340
GRUPPEN RÖMISCH-KLASSIZISTISCHER ATHENEN/MINERVEN
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3. Ausblick: Gruppen römisch-klassizistischer Athenen/Minerven Neben der Latzaigis, wie sie die Parthenos zeigt1342, und der Kragenaigis, die die Athena Ince verwendet1343, fand die Schrägaigis, deren sich die Athenen Mattei-Piräus und Kyrene1344 sowie der wahrscheinlich ältere Typus Ostia-Cherchel bedienen1345, als Aigisform an mehr oder weniger klassizistischen Neuschöpfungen und Kompilationen noch häufiger Verwendung. So erscheint sie über dem übergürteten Peplos nach klassischem bzw. spätklassischem Muster genauso wie über dem untergegürteten Peplos1346 und dem übergürtetem Peplos mit hoher Gürtung und langem Apoptygma, einer offensichtlich rein klassizistischen, manirierten Trachtform, die sich vielleicht an frühhellenistische Muster anlehnt und diese mit späthellenistisch-römischen Stileigenarten kombiniert. Aus dieser letzteren Kombination sind eine Reihe genuin römischer Athena/Minervastatuen mit schräger Aigis hervorgegangen, die sich nicht auf konkrete Vorbilder zurückführen lassen, sondern eine Art meist wenig qualitätvolle römische Massenware darstellen. Die andere Gruppe jedoch, die sich am klassischen Stil ausrichtet, ist am häufigsten in Griechenland bzw. Athen vertreten; sie besteht aus qualitätvollen, retrospektiven, in sich sehr homogenen Werken und begegnete hier teilweise bereits im Kapitel über die Ince-ähnlichen Statuetten1347. Es scheint sich um Werke zu handeln, die vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit hinein von Werkstätten aus dem Osten des Reiches hergestellt wurden und die so original erscheinen, daß sie oft schwer zeitlich einzuordnen sind. Sie belegen wie die Athenen Mattei, Piräus und Kyrene die Existenz qualitätvoll schaffender Werkstätten in Griechenland und dem östlichen Mittelmeerraum bis in die Kaiserzeit hinein. Zu diesen Stücken gehört ein bekanntes überlebensgroßes Oberkörperfragment im Agoramuseum in Athen (6. 1. 2), dem wiederum ein anderer Torso im Museo Nuovo in Rom stilistisch sehr ähnelt (6. 1. 3). Das Athener Oberkörperfragment muß frühkaiserzeitlich datiert werden, der Torso in Rom hingegen wird aus dem frühen 2. Jh. n. Chr. stammen. Wenn man davon ausgeht, daß das Athener Fragment auch am Fundort hergestellt wurde, dann könnte der eigenartige, ausdrucksvolle Torso in Rom ebenfalls aus dem griechischen Osten stammen und wiederum belegen, daß es dort auch im 2. Jh. n. Chr. noch florierende Werkstätten gegeben hat, die unkonventionell-qualitätvolle, nicht typengebundene Werke schufen. In den gleichen Kontext gehörten auch ein im Zusammenhang mit den Athenatypen Mattei-Piräus erwähntes, überlebensgroßes Brustfragment im Athener Nationalmuseum und die ebenfalls dort behandelte kaiserzeitliche Athena von Kyrene in London (Taf. 84 Abb. 1-3)1348. Eine weitere Abteilung der folgenden Auflistung umfaßt größtenteils Statuetten, die die Schrägaigis ebenfalls über dem in der Taille gegürteten Peplos zeigen, sich aber im Unterschied zu den original erscheinenden Werken eindeutig als römisch-klassizistisch erweisen. Meist ist das schon an der Qualität der Arbeit erkennbar; die Abteilung enthält aber auch qualitätvollere 1342
Zur Parthenos vgl. Anm. 43. Vgl. S. 4 ff. 1344 S. o. S. 182 ff. 1345 S. S. 93 ff. 1346 Vgl. die Athenastatue ohne Kopf in Kassel, auf die ehemals der namensgebende Kopf vom Typus Kassel aufgesetzt war (s. K I 1) - dieser Darstellungstypus ist hier jedoch, weil er weniger häufig vorkommt und sich auch einige Fälschungen eingeschlichen zu haben scheinen, nicht mit berücksichtigt worden. 1347 S. S. 22 ff. 1348 S. S. 202. 1343
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Stücke, die dennoch stilistisch in die Kaiserzeit gehören. Auch von diesen Statuetten befinden sich einige in Athen; ob sie dort nur geweiht wurden oder auch am Aufstellungsort gefertigt worden sind, ist nicht sicher; letzteres ist aber trotz ihrer mangelhaften Qualität wahrscheinlich. Eine vierte Gruppe schließlich umfaßt Fälle, in denen eine vorrömische Datierung passender erschien und die nicht im eigentlichen Sinne klassizistisch sind. Die Athena Tittoni geht als letzter faßbarer Typus einer hier der Einfachheit halber als „Gruppe“ vorgeführten Erscheinungsform der Göttin voraus, die diese im übergürteten Peplos mit Latzaigis zeigt. Die „Gruppe“ ist genauso inhomogen wie die der Athenen mit Schrägaigis und besteht aus lauter Einzelexemplaren entfernt verwandter Darstellungstypen1349. Die hier aufgeführten ausgewählten Exemplare mit Latzaigis lassen sich ebenfalls in vier Untergruppen fassen. Weggelassen wurden hier die äußerlich z. T. ebenfalls ähnlichen, aber eindeutig als solche erkennbaren Parthenos-Varianten. Die hier nur exemplarisch aufgeführten Statuenreihen lassen sich sicher noch erweitern - im Idealfall ist das hier entworfene, provisorische Schema geeignet, weitere römische Athenastatuen des Darstellungstypus mit Peplos, Schrägaigis und Latzaigis aufzunehmen. Die große Zahl der Athenen mit Latzaigis ist in sich homogener als diejenige mit Schrägaigis. Gemeinsam haben alle Exemplare dieser Gruppe außer den Merkmalen des Darstellungstypus, daß sie unterlebensgroß sind, daß die Göttin mit den üblichen Attributen Helm, Schild und Lanze versehen ist, wobei der Schild meist klein ist und häufig auf einer altarähnlichen Stütze steht1350, und daß alle bis auf die Exemplare der Gruppe 1, die im Grunde auch nicht so ganz hierher gehört1351, hochgegürtet sind und hellenistische Stilformen verarbeiten. Die Darstellung mit Latzaigis scheint für römische Athenastatuen, d.h. eigentlich Minerven, besonders beliebt gewesen zu sein. Die Aigis bedeckt dabei häufig den schmalen Oberkörper bis zur hohen Gürtung und bildet einen reizvollen Kontrast zu der vom Stoff des Peplos umhüllten zarten Frauenfigur. Verstärkt wurde dieser Kontrast durch Helm, Schild und Lanze. Diese Betonung der Kontraste bestimmte bereits den Ausdruck des Typus Tittoni und scheint für römische Darstellungen der Göttin vorherrschendes Gestaltungsprinzip gewesen zu sein. An die Listen der Athenen mit Schrägaigis und Latzaigis schließt sich eine weitere Liste mit Athenen an, denen andere Statuentypen zugrundeliegen und die mit einer Aigis versehen, zu Athenadarstellungen umgewandelt wurden. Da es zu weit führen würde und dabei zu unergiebig wäre, die einzelnen in Gruppen zusammengefaßten Exemplare ausführlich vorzustellen, werden hier nur Listen angeführt, die einen Überblick über das auf diese Weise grob gefaßte Material geben. Die Auflistung ist sicher nicht vollständig, sondern enthält Material, das im Laufe der Beschäftigung mit den Athenastatuen anfiel und einen großen Bestandteil der späteren, nachhellenistischen Athenaikonographie ausmacht wenn weitere Stücke dazugeordnet werden könnten, würde sich das hier vorgeschlagene Raster 1349
Zu den Athenen mit Schrägaigis s. S. 237 ff. Auch bei dieser „Gruppe“ werden Exemplare aufgeführt, die im Laufe der Beschäftigung mit dem Material aufgefallen waren und die offenbar für die römische Auffassung von der Göttin bezeichnend sind. 1350 So nachweislich der Fall bei II 4; II 5; III 2; IV 1; IV 2. 1351 Ihr Klassizismus weist die Figuren dieser Gruppierung eigentlich eher den im Rahmen des Typus Ince behandelten klassizistischen Statuetten zu; s. S. 22 ff.
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auf diese Weise möglicherweise als tauglich erweisen. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die vorgenommene relativ provisorische Einteilung in Gruppen nur ein Versuch ist, das disparate Material überhaupt in irgendeiner Weise zu fassen und in ein System zu bringen, das es ermöglicht, sich den entsprechenden Stücken über das Verständnis ihrer Rezeptionsweise zu nähern. Da die in den folgenden Listen aufgeführten Figuren typisch sind für die römische Darstellungsweise der Göttin, darf diese römische Massenware hier jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Die Datierungsvorschläge werden nur in besonders umstrittenen Einzelfällen durch Vergleiche untermauert. Wenn Maßangaben oder Angaben zur Marmorsorte zugänglich waren, werden sie erwähnt. Listen:
3. 1 Athenen mit Schrägaigis Athenen mit Schrägaigis über dem übergegürteten Peplos, im Darstellungstypus der angelehnten Athena 3. 1. 1 Athen, Akropolismus. 7237 Torso H 0. 80 m pentelischer Marmor Dat.: um 400 v. Chr. Nachw.: Berger, AntK 1967, 85. 8 Taf. 24; S. Karouzou, in: FS K. Lehmann (1964) 154; C. Praschniker, in: Antike Plastik, FS W. Amelung (1928) 176 ff. Abb. 1-4; A. Delivorrias, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Berlin 1985 (1986) 153 f. Taf. 135. 1-2.
3. 1. 2 Athen, Akropolismus. 3027 Torso H 0. 61 m pentelischer Marmor Dat.: Anfang 4. Jh. v. Chr. Nachw.: A. Conze, SB Berlin 1893, 5; C. Praschniker, in: Antike Plastik, FS W. Amelung (1928) 179 f. Abb. 6-7; S. Karouzou, in: FS K. Lehmann (1964) 154.
Weitere Athenen unterschiedlicher Darstellungstypen mit Schrägaigis über dem übergegürteten Peplos 3. 1. 3 Athen, Agoramus. S 654 Oberkörperfragment, überlebensgroß Dat.: frühkaiserzeitlich (evtl. ausgehendes 1. Jh. v. Chr.)1352
1352
Vgl. auch das Gorgoneion der Statuette Akropolismus. 1336; s. S. 22.
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Nachw.: Berger, AntK 1967, 85. 7 Taf. 24; B. Schlörb, Untersuchungen zur Bildhauergeneration nach Phidias (1964) 35 ff. Taf. 3; A. Delivorrias, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Berlin 1985 (1986) 153 Taf. 133. 2.
3. 1. 4 Rom, Museo Nuovo bewegter Torso mit breiter Schrägaigis wahrscheinlich östliches Werk Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr.1353 Nachw.: Mustilli 135. 10 Taf. LXXXII. 310.
Athenen mit Schrägaigis über dem übergegürteten Peplos, römisch-klassizistisch, von minderwertigerer Qualität 3. 1. 5 Athen, Akropolismus. 1337 Statue ohne Kopf H 0. 94 m pentelischer Marmor mit bis über die Gürtung herabgeführter Schrägaigis und Perlenkollier Dat.: claudisch1354 Nachw.: Karanastassis, AM 1987, 425 B V 3 Taf. 51. 5-7; A. Delivorrias, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Berlin 1985 (1986) 154 Taf. 135. 3.
3. 1. 6 Athen, Akropolismus. 2311-2161 Torso mit Hinterkopf H 1. 12 m pentelischer Marmor äußerlich gut vergleichbar mit dem Athenatorso vom Parthenon-Ostgiebel1355, aber dennoch wahrscheinlich römisch Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr.1356 Nachw.: Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 20 ff. Abb. 12; Karanastassis, AM 1987, 424 B V I Taf. 51. 1-2.
3. 1. 7 Kopenhagen, Ny Carlsberg-Glyptotek Statuette mit Schrägaigis, ähnlich dem Darstellungstypus der Angelehnten Athena (vgl. Gruppe I. 1, 2) Dat.: antoninisch-östlich? Nachw.: Ny Carlsberg Glyptotek. Billedtavler (1907) Taf. 8. 106.
3. 1. 8 Athen, Akropolismus. 2808-2811 Torso mit Schrägaigis und Rückenmantel Besonderheiten: sehr prononcierter, qualitätvoll-plastischer Faltenstil, hohe Körperlichkeit Dat.: 1. Jh. n. Chr. (claudisch?) Nachw.: Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 24 Abb. 132. 1353
Das Gorgoneion im spätkaiserzeitlichen 3. Typus bestätigt die Datierung; vgl. S. 258 ff. S. auch das Gorgoneion im 1. Typus; vgl. S. 258 ff. 1355 O. Palagia, The Pediments of the Parthenon (1993) 45 f. Taf. 92-93. 1356 Das Gorgoneion entspricht dem 2. Typus; vgl. S. 258 ff. 1354
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3. 1. 9 Athen, Nationalmus. 2268 Oberkörperfragment, wahrscheinlich von Relief H 0. 21 m pentelischer Marmor Dat.: 1. Jh. n. Chr. (flavisch?) Nachw.: Karanastassis, AM 1987, 426 B V 4 Taf. 51. 3.
Klassizistische Athenen mit Schrägaigis über dem hochgegürteten Peplos mit mittelorientiertem Apoptygma, meist wenig qualitätvoll 3. 1. 10 Liverpool, aus Ince Blundell Hall Statue mit Kopf vom Typus der Athena Giustiniani eigenartig proportioniert; durch Cavaceppi restauriert Dat.: wahrscheinlich modern Nachw.: A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Altertum (1896) Taf. V; A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 339 f.; Ashmole, Kat. Ince Blundell 9 Taf. 19.
3. 1. 11 Rom, im 19. Jh. im Palazzo Stoppani-Vidoni Statue mit Schrägaigis, die über der Gürtung verläuft Dat.: nach Zeichnung nicht möglich Nachw.: E. Braun, Antike Marmorwerke zum ersten Male bekannt gemacht (Leipzig 1843) 1 Taf. 1.
3. 1. 12 Tripolis, Mus. Athenastatue mit unter der Gürtung nach rechts verlaufender Schrägaigis, Eule, Olivenzweig, Schild und Lanze Dat.: antoninisch Nachw.: K. D. Matthews - A.W. Cook, Cities in the Sand (1957) Taf. 79; C. C. Vermeule, Greek Sculpture and Roman Taste (1977) Abb. 86.
Athenen mit Schrägaigis ohne definitiv klassizistischen Einschlag 3. 1. 13 Athen, Akropolismus. 2310 Torso H 0. 50 m pentelischer Marmor Dat.: hochhellenistisch Nachw.: Karanastassis, AM 1987, 425 B V 2 Taf. 50. 1-4.
3. 1. 1. 14 Oxford, Ashmolean Mus. Statue ohne Kopf Dat.: trajanisch Nachw.: Bieber, Ancient Copies Taf. 68 Abb. 412-413.
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3. 2 Athenen mit Latzaigis Statuen nach klassischem Muster mit Latzaigis, deren Peplos in der Taille gegürtet ist: 3. 2. 1 Dresden, Albertinum Torso Dat.: hadrianisch Nachw.: H. Hettner, Die Bildwerke der Königlichen Antikensammlung zu Dresden 4(1881) 79. 81.
3. 2. 2 Korinth Statue ohne Kopf, mit Chlaina in der Nähe des Pantheon gef. Dat.: antoninisch Nachw.: R. L. Scranton, Korinth I. III, Lower Agora ( 1951) Taf. 27. 2
Hochgegürtete, hellenistisierend-maniristische Athenen mit Latzaigis: 3. 2. 3 Kyrene Statue ohne Kopf Dat.: 2. Jh. n. Chr. Nachw.: E. Paribeni, Cat. delle Sculture di Cirene (1959) Taf. 79. 131.
3. 2. 4 Athen, Nationalmus. 4818 Torsofragment Dat.: hadrianisch Nachw.: G. Delivorrias, in: Kernos, FS Bakalakis Taf. 11. 1, 2.
3. 2. 5 Side Statue ohne Kopf Dat.: severisch Nachw.: J. Inan, Roman Sculpture in Side (1975) 142 ff. 72 Taf. LXVIII. 3-4; A.M. Mansel, Die Ruinen von Side (1963) 69 Abb. 51.
3. 2. 6 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Statue mit nicht zugehörigem oder modernem Kopf Dat.: antoninisch Nachw.: Poulsen, Cat. Sculpt. 97. 105; Ny Carlsberg Glyptotek. Billedtavler (1907) Taf. 8. 105.
3. 2. 7 Neapel, Museo Nazionale Statue mit wahrscheinlich modernem Kopf Dat.: frühantoninisch
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Nachw.: Giglioli, BCom 1928, 169 Abb. 4; R. Ajello u. a., Classizismo d’età Romana. La Collezione Farnese (1988) Taf. 136-137, Atena 61-62; Le Collezione del Museo Nazionale di Napoli. La Scultura greco-romana, le Sculture antiche della collezione Farnese ... (1989) 174. 135 mit Abb.
3. 2. 8 Chatsworth House Torso mit Kopfansatz 1845 in Tyrus gef. Dat.: antoninisch Nachw.: G. B. Waywell, Classical Sculpture in English Country Houses (1978) 17. V. 6 a; C. C. Vermeule, Greek Art (1980) 131. 100, 247 Abb. 100.
Hochgegürtete klassizistisch-ruhige Athenen mit Latzaigis: 3. 2. 9 Oxford, University Galleries Statue ohne Kopf, überlebensgroß Dat.: flavisch Nachw.: A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 545 f. 19.
3. 2. 10 10 Rom, Vatikan, Bracchio Nuovo 2227 Statue mit modernem Kopf, stark ergänzt Dat.: severisch Nachw.: Amelung, Vat. Kat. I, 121 ff. 107 A Taf. 17.
3. 2. 11 11 Rom, Palazzo Valentini Statue mit modernem Kopf und Schild unpubl. Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr.? Nachw.: Foto DAI Rom 69. 3203
3. 2. 12 12 Brüssel, Muse´e du Cinquantenaire Statue ohne Kopf Dat.: antoninisch Nachw.: F. Coumont, Catalogue des sculptures et inscriptions antiques des Muse´es royaux du Cinquantenaire 2(1913) 10 f. 6 mit Abb.
3. 2. 13 13 Paris, Louvre Statue mit modernem Kopf Dat.: 1. Jh. n. Chr.? Nachw.: Reinach-Clarac, RSt I , 162, Taf. 319. 458.
3. 2. 14 14 Neapel, Museo Nazionale Statue Dat.: antoninisch Nachw.: Reinach-Clarac, RSt I, 230, Taf. 462 b. 888 D; Le Collezione del Museo Nazionale di Napoli. La Scultura greco-romana (1989) 174. 133 mit Abb.
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Archaisierend-stilisierte, klassizistische Athenen mit Latzaigis: 3. 2. 15 15 Ephesos Statue ohne Kopf Dat.: um 100 n. Chr. Nachw.: unpubliziert
3. 2. 16 16 Cherchel Statue Dat.: spätantoninisch Nachw.: C. Landwehr, Die Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik (1993) 48 f. 32 Taf. 4345.
3. 2. 17 17 Selçuk, Mus. 1652 Statue ohne Kopf H 0. 72 m weißer, mittelgrober Marmor Dat.: hadrianisch Nachw.: E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen aus ephesischen Werkstätten des 2. Jhs. n. Chr. (1989) 21 f. 9 Abb. 19.
3. 3 Motiv- oder Typenzitate, durch Aigis zur Athena gemacht Eine dritte und letzte Gruppe schließlich ist noch inhomogener als die bisherigen, läßt sich jedoch dadurch zusammenschließen, daß ihre Werke berühmte Vorbilder verändern oder nur ausschnittweise zitieren und sie mit einer Schrägaigis versehen. Innerhalb des Materials der Athenadarstellungen wurden nur zwei Fälle dieser selten vorkommenden Typenverwandlung angetroffen: In einem Fall dient der Typus der Artemis Dresden als Grundlage, im anderen Fall der Typus der sog. Nemesis oder Flora vom Capitol. Die betreffenden Statuen sind alle qualitativ recht minderwertig und stammen aus verschiedenen Teilen des römischen Reiches; mit griechischen Werkstätten hat diese rein römische Gruppe, die auch der der „Massenware“ zuzuordnen ist, wenig zu tun.
Athenen im Typus der Dresdner Artemis 3. 3. 1 Vatikan, Galleria Chiaramonti 1635 Statue mit evtl. modernem, sonst spätflavischem Kopf und Latzaigis Dat.: hadrianisch-frühantoninisch (stark überarbeitet; vielleicht ganz modern?) Nachw.: Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 2, 754. 403; s. hier S. 187, 2. 1. (Kopf)
3. 3. 2 London, British Mus. Statue ohne Kopf mit Latzaigis aus dem Theater von Ephesos
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H 1. 38 m parischer Marmor Dat.: antoninisch Nachw.: Amelung, Basis des Praxiteles 23 f. Abb. 5; E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen aus ephesischen Werkstätten des 2. Jhs. n. Chr. (1989) 21. 8 Abb. 18.
3. 3. 3 Kos, Mus. Marmorstatuette mit brandgeschwärzter Oberfläche Dat.: antoninisch1357 Nachw.: L. Laurenzi, ASAtene N. S. 17/18, 1955/56, 69 ff. 3; A. Gualandini, RdA 2, 1978, 40; M. Albertocci, in: I. Jenkins - G. B. Waywell, Sculptors and Sculpture of Caria and the Dodecanese (1997), 122 f. Abb. 234-235.
3. 3. 4 Rom, Galleria Borghese Statue mit aufgesetztem Vescovali-Kopf und Schrägaigis Dat.: severisch Nachw.: s. Ve V 1.
Athena im Typus der Nemesis oder Flora vom Capitol 3. 3. 5 Ostia, Magazin Statuette ohne Kopf mit Latzaigis unpubl. Dat.: severisch Nachw.: Foto Cabinetto Fotografico Nazionale, Rom Nr. C 5127
1357
Anders M. Albertocci (s. o.), die aufgrund der Fundkontexte alle in der Domus gefundenen Statuetten hellenistisch datiert und als Antiquitäten bezeichnet. M. E. läßt sich eine hellenistische Datierung der Statuette, die als einzige nicht in den Peristylen der Domus gefunden wurde, jedoch nicht aufrecht erhalten, zumal das Haus bis in das 4. Jh. n. Chr. hinein bewohnt war. Leider wird über die Funktion des bei Albertocci Abb. 238 abgebildeten, zentralen, mosaizierten Raumes, in dem die Figur gefunden wurde und wo sie offenbar auf dem erhaltenen Wandvorsprung aufgestellt war, nichts ausgesagt.
IV. ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG Überblick über die Entwicklung der Athenaikonographie aus der Sicht der Großplastik Aus der Entwicklung der Großplastik als repräsentativster Gattung bildlicher Darstellungen Athenas lassen sich hinsichtlich der Ikonographie der Göttin einige Hinweise ablesen1358. Wenn auch die Reihe der rundplastischen Bildnisse große zeitliche Lücken aufweist und ihre Reihenfolge in letzter Konsequenz auch nicht ganz eindeutig geklärt werden konnte1359, wird sichtbar, daß die genuinen Statuentypen sich von monumentaler Größe im späten 5. Jh. über bereits annähernde Lebensgröße im 4. Jh. bis hin zu Unterlebensgröße im Hellenismus entwickeln1360. Dazwischen stehen allerdings im 3. und auch im 2. Jh. v. Chr. entstandene solitäre Darstellungen wie die Athena von der Akropolis1361, die Athena vom Castro Praetorio1362, die Athena Mattei-Piräus-Kyrene1363 und die Athena aus Pergamon1364, die wieder monumentalen Charakter haben. Nicht zuletzt ihre Größe bestätigt die auch im einzelnen herausgearbeitete Sonderrolle dieser Athenabilder, die z. T. wegen klassizistischer Bezüge, z. T. aber auch wegen ihres vermutlichen Aufstellungszusammenhanges aus der ikonographischen Entwicklung herausfallen. Parallel zur abnehmenden Körpergröße verjüngen sich die Figuren auch im Ausdruck; die Betonung verlagert sich im Laufe der Zeit konform zur Götterikonographie insgesamt vom heraldisch-furchteinflößenden hin zum jugendlich-mädchenhaften Element. Der kriegerische Aspekt der Göttin tritt in den Hintergrund1365, verliert sich jedoch zu keiner Zeit; sie erscheint stets in voller Rüstung. Die charakteristische Anmut der Darstellung ist im 4. Jh. am stärksten ausgeprägt, dessen Überlieferung allerdings auch das sicherste Urteil erlaubt. Bezeichnend hierfür ist die Entwicklung der Aigis, die ihre Funktion als Rüstungsbestandteil an den Statuen des 4. Jhs. zugunsten dekorativer Aspekte teilweise völlig eingebüßt hat1366. Erst der frühhellenistische Athenatypus Vescovali leitet hierin eine Rückentwicklung ein. Im Hellenismus wird die apotropäische Wirkung von Aigis und Gorgoneion teilweise wieder deutlicher; am späthellenistischen Typus Vatikan-Tokyo mit seiner lebendig bewegten Aigis ist sie wieder wichtiges Gestaltungselement. Dieser offenbar auf ein zeitgleiches Original zurückgehende Athenatypus stellt die kriegerische Ausstattung in ein reizvolles gegensätzliches Verhältnis zur mädchenhaften Jugendlichkeit der Darstellung. Der 1358
Nach der in dieser Arbeit vertretenen These von der Existenz einer gattungsübergreifenden Athenaikonographie, die sich nur durch unterschiedliche Schwerpunkte der einzelnen Gattungen unterscheidet und die nicht von der Großplastik diktiert wird, sondern aus der auch die Großplastik schöpft (vgl. S. 14 ff. und passim), müßten natürlich auch die anderen Gattungen herangezogen werden, um eine Gesamtikonographie zu erstellen. Da dies aber weder Sinn und Zweck der vorliegenden Untersuchung sein kann und da über andere Gattungen Einzeluntersuchungen vorliegen, kann auch die Großplastik nur den ihr zukommenden, teilweise recht handwerklichen Beitrag zum Gesamtbild der Athenaikonographie leisten. Dies und nicht mehr ist das Anliegen vorliegender Untersuchung. (Zu den anderen Gattungen s. z. B. die im Verzeichnis genannten Arbeiten von A. Villing, C. Gmyrek, I. KasperButz, M. Mangold, M. Meyer; S. Vierck). 1359 Bei den beiden Typen Rospigliosi und Ostia-Cherchel konnten Zweifel an der spätklassischen Datierung nicht ganz ausgeräumt werden; vgl. S. 82 ff. und S. 106 f. 1360 Vgl. auch Verf.in, Small Athenas. 1361 S. S. 141 ff. 1362 S. S. 148 ff. 1363 S. S. 182 ff. 1364 S. S. 165 ff. 1365 Vgl. Ritter, JdI 1997, 56; A. Villing, in: Deacey - Villing, Athena 20. 1366 Ritter a. O. 53. Zur Aigis vgl. K. J. Hartswick, RA 1993, 269 - 278; Vierck, Aigis; N. Robertson, in: Deacy Villing, Athena 29 - 55.
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herabgleitende Hüftmantel könnte in diesem Zusammenhang vielleicht sogar als aphrodisisches Motiv verstanden werden. Nicht betont, aber doch ausgereift weiblich sind die meisten AthenaStatuen des behandelten Zeitraumes; weniger auffällig ist dies an den Typen New York und Rospigliosi und am verspielt-dekorativen Typus Tittoni, dessen Weiblichkeit auf andere Weise betont wird1367. Während der noch aus dem späten 5. Jh. stammende, herbe Typus New York wohl eher aus stilistische Gründen wenig weiblich wirkt, wird die fehlende Weiblichkeit an der Athena Rospigliosi in Verbindung mit der männlichen Trachtform offenbar bewußt als Gestaltungsmittel eingesetzt. Auf die Tracht der verschiedenen Athenatypen wurde in den entsprechenden Kapiteln eingegangen. Der Peplos erscheint nur am Typus Rospigliosi nicht; an den Typen Vescovali und Vatikan-Tokyo sowie den Einzelexemplaren der Athena von der Akropolis1368 und der Athena aus Arezzo1369 dominiert das stilistisch jeweils unterschiedlich ausgeführte kurze Himation, das auch die mit den Athenen Mattei-Piräus eng verwandte Athena aus Kyrene aufweist1370. Die Haartracht ist bei allen spät- und nachklassischen Athenatypen gleich: Das Stirnhaar verläuft wellig über die Schläfen zum Hinterkopf, wo es zu einem Nackenschopf zusammengefaßt ist. Lediglich einige Exemplare der Typen Tittoni und Areopaghaus zeigen teilweise die von der Parthenos bekannten, symmetrisch bis zur Brust herabfallenden Lockensträhnen, und der Typus Rospigliosi scheint einen eingeschlagenen Nackenschopf gehabt zu haben, der sich nicht auf dem Rücken fortsetzte1371. Variabler als Haar- und Gewandtracht ist hingegen die Aigisform, die mit dem Grad der oben erwähnten wehrhaften Wirkung zusammenhängt. Eine kragenförmige Aigis zeigen die spätklassischen Typen Ince und New York; auch auf den zeitgenössischen Reliefs ist diese Aigisform am gebräuchlichsten. Sie erscheint wieder an den Athenen Castro Praetorio und Heraklion. Die Kragenaigis ist die am meisten einer zivilen Tracht angepaßte, verharmlosendste Aigisform. Vom Format her ebenfalls klein, aber durch den diagonalen Verlauf auffälliger ist die bandartige Schrägaigis, die am Typus Ostia-Cherchel und an den Athenen Mattei-Piräus-Kyrene auftritt. Auch die breitere Aigis der Typen Rospigliosi und Vescovali ist asymmetrisch angelegt. Die Aigis der Athena Rospigliosi verläuft wie die Schrägaigis nur über eine Schulter; die des Typus Vescovali dagegen ist auf beiden Schultern befestigt und hat eine schräge Unterkante. Während die Kragenaigis als spätklassisch-konventionell bezeichnet werden darf und auch schon die von der Athena des Parthenongiebels her bekannte bandartige Schrägaigis auf Reliefs und in der Vasenmalerei (vgl. Taf. 85 Abb. 3) erscheint, sind die breiter angelegten Aigides der Athenen Rospigliosi und Vescovali zwar auch diagonal angelegt, aber individueller geformt. Die latzförmige Aigis, wie sie von der Parthenos her bekannt ist, ist wiederum eine konventionellere Form. Sie wird im 4. Jh. seltener verwandt und tritt erst gegen Ende des 4. Jhs. wieder vermehrt auf den Urkundenreliefs auf. Sie erscheint in der folgenden Zeit an der Athena von der Akropolis sowie am Typus der Areopaghausathena und an einzelnen klassizistischen Werken, zu denen auch die
1367
S. 215 f. S. S. 141 ff. 1369 S. S. 130 ff. 1370 S. S. 202 ff. 1371 S. S. 51. 1368
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kolossale Athena aus Pergamon zählt. Häufig wird sie in weniger strenger Form später an römisch-klassizistischen, teilweise manieristischen Athenen verwendet. Ausgehend von der Aigisform der Parthenos könnte die später wieder aufgenommene latzförmige Aigis als retrospektiv oder als klassizistisch verstanden werden. Die Verwendung eines Parthenos-ähnlichen Darstellungstypus mit Latzaigis auf späten Urkundenreliefs ist auch so interpretiert worden, was vermutlich im Hinblick auf die bewußte Wiederbelebung national-religiösen Empfindens im lykurgischen Athen des späteren 4. Jhs. angesichts der makedonischen Bedrohung berechtigt ist1372. Die Athenen Mattei-Piräus und Kyrene wiederum gliedern die Schrägaigis sehr effektvoll in ihr Darstellungsschema ein. Versuche, aus der jeweiligen Trachtform Hinweise auf den Aufstellungskontext oder die Bedeutung eines Typus schließen zu wollen, sind wenig erfolgreich. Lediglich die Untersuchung des Typus Rospigliosi, dessen Trachtform sich als ausschließlich männlich erwies, ermöglicht vielleicht auf diesem Ergebnis aufbauende weitere Interpretationen inhaltlicher Art1373. Auch die Fundorte der Repliken führen in dieser Hinsicht nicht weiter - daß einige Exemplare des Typus Vescovali in Theatern gefunden wurden, ist angesichts der vielen Repliken und in Anbetracht der Tatsache, daß römische Theater beliebte Aufstellungsorte für Statuen und Kopien waren, ein vergleichsweise gewagter Schluß1374. Die Fundorte der meisten Repliken der einzelnen Typen sind noch immer unbekannt; keine Replik kommt nachweislich aus einem Heiligtum1375, einige wenige bekanntermaßen aus Villen, deren prominenteste die Villa Hadriana ist1376. Auch für die behandelten teilweise großformatigen Einzelfiguren ist keine Aufstellung in sakralem Kontext nachweisbar; aus dem Fundort ergibt sich lediglich für die kleinformatigen, wahrscheinlich als Votive aufgestellten Athenen von der Akropolis ein kultischer Hintergrund. Dem überlebensgroßen Format einiger Einzelfiguren wie der Athena von der Akropolis, der Athena vom Castro Praetorio, der Athenen Mattei-Piräus-Kyrene und der Athena aus Pergamon zufolge wird es sich allerdings bei diesen Exemplaren entweder um Kultstatuen oder zumindest um im öffentlichen Bereich aufgestellte Repräsentationsfiguren handeln. Diese benennen oder ihren Aufstellungsort gar lokalisieren zu wollen, wie dies in der älteren Literatur häufig versucht wurde, ist angesichts der zahllosen schon allein bei Pausanias erwähnten Athenastatuen, die verloren sind und der sich daraus ergebenden Zufälligkeit des Erhaltenen unmöglich - genauso wie die Zuschreibung an bestimmte Künstler nur in äußerst wenigen Fällen ergiebig ist. Vermutliche Charakteristika der Schulen zweier der berühmtesten antiken Künstler ließen sich jedoch an den Typen New York und Vescovali feststellen: Der Typus New York ist so eng mit polykletischen Werken verwandt, daß mehr als eine rein zeitliche Verbindung zu bestehen scheint. Der Typus Vescovali, dessen zahlreiche Kopien ebenfalls auf einen bekannten Künstler schließen lassen, kann möglicherweise Praxiteles, wahrscheinlicher aber noch Skopas zugeschrieben werden1377. Fällt die Anzahl der 1372
Vgl. zuletzt C. Schwenk, in: L. A. Tritle (Hrsg.), The Greek World in the Fourth Century (1997) 33ff. mit Lit.; s. auch B. Hintzen-Bohlen, Die Kulturpolitik des Eubolos und des Lykurg. Die Denkmäler und Bauprojekte in Athen zwischen 355 und 322 v. Chr. (1997). 1373 S. S. 51 ff. 1374 S. Ve II 3, Ve II 5, Ve IV 3. Vgl. Verf.in, Small Athenas 191. 1375 Zur vermuteten Herkunft der Athena in Tokyo vgl. Anm. 1275.. 1376 In I 2, Ve II 6 und Ve II 7. 1377 Vgl. S. 121 ff.
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Vescovali-Repliken mit mehr als dreißig aus dem Rahmen, so bewegen sich die übrigen Replikenreihen im Bereich von weniger als zehn Exemplaren. Sind die Athenadarstellungen des 4. Jhs. durch das Kopieren von Originalen überliefert, so ist das Verhältnis Original-Kopien für die folgenden Jahrhunderte nicht mehr unbedingt charakteristisch. Für das 3. Jh. ließ sich mit dem Typus der Areopaghaus-Athena eine Gruppe nach demselben Muster hergestellter kleinformatiger Athenen nachweisen, deren Ursprung aufgrund der Abweichung in Merkmalen und Größe zum ersten Mal kein kopiertes Original, sondern nur ein Darstellungstypus, ein Grundmuster also, gewesen sein kann. Die in einem ähnlichen Typus dargestellte Athena vom Castro Praetorio, die zeitlich der etwas früheren, einzeln dastehenden Athena von der Akropolis folgt, ist trotz des verwandten Exemplares in Heraklion ebenfalls keine römische Kopie1378. Um nach einem möglicherweise bereits im späten 3. Jh. in Produktion genommenen Darstellungstypus hergestellte Originale handelt es sich offenbar im Falle der kurz vor 100 v. Chr. entstandenen Athena Mattei und der kurz darauf gegossenen Piräusathena, die sich m. E. nicht, wie bisher meist angenommen, im 4. Jh. unterbringen lassen. Deutlichere Einzelfälle sind hingegen die beiden bekannten Athenen aus Pergamon: Die kolossale Statue aus der sogenannten Bibliothek bezieht sich in direkter Weise auf die Parthenos, ohne jedoch als deren Kopie gelten zu können, während die äußerst eigenartige Athena mit der Kreuzbandaigis m. E. nur als neoklassisches Werk der frühen Kaiserzeit eingeordnet werden kann1379. Zwei weitere, zusammenhängend überlieferte Gruppen von Athenastatuen schließen den Überblick über die Darstellungen der Göttin ab, bevor ihre Ikonographie in der Masse römisch-klassizistischer Figuren untergeht, die hier nach den Aigisformen und dem äußeren Gesamteindruck in Listen zusammengefaßt wurden. Die um 100 v. Chr. entstandene Athena vom Typus Vatikan-Tokyo besteht, wenn sie nicht doch auf ein gleichzeitiges chryselephantines kleinformatiges Kultbild zurückgeht, wahrscheinlich aus einer Reihe vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit hinein produzierter Exportstücke. Die zweite Gruppe schließlich, die Athena Tittoni, überliefert die späteste in mehreren ähnlichen Exemplaren vertretene Athenadarstellung, deren Wiedergaben allerdings untereinander so starke Abweichungen zeigen, daß sie, wie dies offenbar schon beim älteren Areopaghaustypus der Fall war, nicht auf ein Original, sondern als Darstellungstypus auf ein gemeinsames Grundmuster zurückgehen werden. Die Abgrenzung des neu eingeführten Begriffes Darstellungstypus vom herkömmlichen Typusbegriff erwies sich als nötig, um eine Aufweichung dieses Typusbegriffes zu vermeiden, der für die Erfassung einiger Athenadarstellungen nicht mehr ausreichte. Durch die Einführung dieses Begriffes, der gattungsübergreifend Darstellungen nach demselben ikonographischen Muster, innerhalb der Großplastik aber nach ein und demselben Grundmuster hergestellte, sich nur geringfügig unterscheidende Figuren bezeichnet, konnte der auf dem Verhältnis Original-Replik basierende Typusbegriff unverfälscht erhalten werden. Gleichzeitig erwies sich dieser herkömmliche Typusbegriff aber auch als ausschließliches Produkt römischer Rezeption, für deren Erfassung er lediglich verwendet werden kann. Alles, was darüber hinausgeht und der römischen Re-
1378 1379
S. S. 148 ff. S. S. 176 ff.
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zeption vor allem auch zeitlich vorausgeht, muß mit Begriffen wie dem des Darstellungstypus arbeiten1380. Auf der Grundlage dieser methodischen Überlegungen und des daraus folgenden strenger gefaßten herkömmlichen Typusbegriffes ließ sich unter anderem die Existenz des bisher in der Überlieferung des Typus Ince untergegangenen älteren Athenatypus New York nachweisen. Der Überblick über Athenastatuen und -reliefs im gleichen Darstellungstypus wie die Athenen Ince und New York, also im übergegürteten Peplos, bestätigte die Annahme, daß dieser Darstellungstypus in der Klassik und auch bei klassizistischen Werken noch verbreitet war. Das bedeutet, daß nicht alle der Athena Ince gleichenden Darstellungen der Großplastik und der Kleinkunst, wie dies meist gesehen wird, auf ein erst durch die Verbreitung von Repliken in römischer Zeit so bekannt gewordenes Kunstwerk wie die Statue der Athena Ince zurückgehen, sondern daß sie parallel in Tracht und Haltung dasselbe Motiv einsetzen wie die Statuen Ince und New York. In diesem Fall relativiert sich die möglicherweise auch in anderen Fällen hinderliche absolute Vorrangstellung der Großplastik gegenüber den anderen Kunstgattungen. Auch von der Überlieferung der Athena Vescovali ist außer der Athena von der Akropolis noch eine weitere Figur vereinnahmt worden: Die bronzene Athena von Arezzo, die für sich betrachtet als eklektisch-klassizistischer Nachguß der frühen Kaiserzeit erscheint1381. Folgende weitere Ergebnisse traten im Verlauf der Arbeit zutage: Bereits erwähnt wurde die Hinzugewinnung des noch unbekannten Kopftypus Vescovali, der aufgrund einer falschen Rekonstruktion der Florentiner Rospigliosi-Replik bisher für den Kopf der Athena Rospigliosi gehalten wurde. Der Typus der Athena Ostia-Cherchel hingegen, der hier nicht zum ersten Mal von der Diskussion um die Hephaisteia-Kultgruppe getrennt wurde, steht nach wie vor ohne zugehörigen Kopftypus da und wurde von dem von einigen Forschern als zugehörig betrachteten Kopftypus Kassel, der hier getrennt behandelt und datiert wird, abgegrenzt und in der Einschätzung neu definiert1382. Wie oben angedeutet, kann jedoch seine spätklassische Datierung wie die des Typus Rospigliosi nicht ganz einwandfrei vertreten werden1383. Auch die großformatigen Athenen Mattei - Piräus erscheinen nach genauerer Untersuchung in anderem Licht. Der Athenatypus muß aus der Ikonographie des 4. Jhs. mit ihren zart-mädchenhaften Figuren herausgelöst werden. Elemente, die den durchlebten Hochhellenismus voraussetzen, und Rückgriffe auf das 3. Jh. machen eine Entstehung der Figuren um 100 v. Chr. wahrscheinlich. Aus dem vorliegenden Material eine stringente Gesamtentwicklung für die spät- und nachklassische sowie die hellenistische großplastische Athenaikonographie abzulesen, ist kaum möglich. Interessant ist allerdings, daß sich die Brüche in der Entwicklung sozusagen mit dem Gang der politischen Geschichte in Übereinstimmung bringen lassen. Knüpft das 4. Jh. durch seine Reihe gut überlieferter, sich logisch in den Zeitstil einpassender Typen an die Hochklassik an, so tritt der eigentliche Bruch dieser Entwicklung mit der endgültigen Entmachtung Athens in hellenistischer Zeit ein. Nach dem gegen Ende des 4. Jhs. entstandenen Athenatypus Vescovali gibt es zunächst keinen eigenen Athenatypus mehr. Die vermutlich im frühen 3. Jh. entstandene Athena 1380
S. S. 37 ff. S. S. 130 ff. 1382 S. S. 93 ff. 1383 S. S. 106 ff. 1381
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vom Castro Praetorio knüpft als Einzelexemplar an die verwandten retrospektiven Darstellungen später Urkundenreliefs an; die Athena von der Akropolis ist ein spätklassischer Nachklang des frühen 3. Jhs. Erst mit dem wachsenden römischen Einfluß in der griechischen Welt im Laufe des 2. Jhs. steigt die Kunstproduktion und offenbar auch der Bedarf an großplastischen Darstellungen der Göttin wieder an. Sollten die Athenatypen Rospigliosi und Ostia-Cherchel dieser Zeit angehören und doch nicht spätklassisch sein, müßte von neuem darüber nachgedacht werden, ob man es hier wieder mit einem herkömmlichen Original-Repliken-Verhältnis zu tun hat oder ob es sich, was wahrscheinlicher ist, bereits um nach Mustern produzierte Typen handelt. Mit dem Athenatypus Vatikan-Tokyo tritt dann ebenfalls fast wieder ein Typus im herkömmlichen Sinne auf, der allerdings in etwa gleichzeitig mit seiner Entstehung schon auf dem nun existierenden Kunstmarkt kommerziell verbreitet worden sein muß. Auch die übrigen späthellenistischen Athenen orientieren sich am Kunstmarkt und an den neuen Bedürfnissen einer Kundschaft, die sich neben öffentlichen, politischen und sakralen Einrichtungen auch schon aus Privatpersonen rekrutiert haben muß. Während überlebensgroße Athenafiguren wie die Piräusathena wohl eher für einen öffentlichen religiösen Kontext bestimmt waren, waren die kleinformatigen Athenen VatikanTokyo und Tittoni sowie die darauf folgenden zahllosen römischen Darstellungen der erstellten Listen wohl eher für private Zwecke bestimmt. Um Weihungen dürfte es sich, wie bereits erwähnt, allerdings bei den römischen Statuetten von der Akropolis gehandelt haben. Somit geht die Existenz großplastischer Darstellungen Athenas, obwohl diese auch woanders als in der Stadt gleichen Namens verehrt wurde, doch mit dem Auf- und Niedergang Athens erstaunlich konform. Der Bruch erfolgte Ende des 4. Jhs.; der Athenatypus Vescovali scheint der letzte echte Athenatypus im alten Sinne zu sein und überliefert somit wohl die letzte bekannte, öffentlich aufgestellte und in Kopien erhaltene Athenastatue. Es wäre interessant festzustellen, ob sich ein entsprechender Wandel auch in der Kult- und Religionsgeschichte der Göttin feststellen läßt1384. Dies kann jedoch an dieser Stelle nicht geleistet werden - es ging hier lediglich darum, die großplastische Ikonographie Athenas, ihre Bedeutung und Entwicklung durch die Aufstellung einer bisher fehlenden möglichst objektiven Chronologie von der klassischen Zeit an bis in römische Zeit hinein zu verfolgen.
1384
Vgl. hierzu auch Deacy - Villing, Athena 20 und den Beitrag von S. Milanezi, a. O. 311 ff.
V. ANHANG
1. Bemerkungen zu Athenadarstellungen auf Münzen und ihrer Beziehung zur Großplastik Auf Münzen findet sich der zuletzt behandelte späthellenistisch-römische Darstellungstypus der Athena-Minerva ebenfalls häufig1385. Münzbilder sind dort, wo es notwendig schien, bereits vereinzelt hinzugezogen worden1386. Eine ältere Publikation W. Lehrmanns befaßt sich speziell mit Athenadarstellungen auf Münzen, berücksichtigt aber nur die frühklassische und hochklassische Zeit1387. Bis in die spätklassische Zeit hinein reicht eine noch nicht veröffentlichte Untersuchung A. C. Villings, die der Ikonographie Athenas unter Berücksichtigung der kultischen Aspekte im gesamten griechischen Raum (außer der Magna Graecia) nach den in den verschiedenen Landschaften erhaltenen Zeugnissen nachgeht und auch die Münzen einbezieht1388. Ebenfalls seit 1997 steht die Arbeit von C. Gmyrek über die Verwendung von Darstellungen der Göttin innerhalb der kaiserzeitlichen Münzikonographie zur Verfügung. Während die Untersuchung A. Villings sich mit der archaischen und klassischen griechischen Zeit auseinandersetzt, gewährt die Arbeit C. Gmyreks Einblick in die Münzikonographie der Göttin in römischer Zeit. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die den Zeugniswert dieser Gattung in griechischer und römischer Zeit nur streift, soll ein Blick auf ausgewählte Münzen zeigen, daß gewisse Stilelemente gleichzeitig erscheinen und die Münzikonographie die Entwicklung der Großplastik punktuell bestätigt oder ihr zumindest nicht widerspricht. L. Lacroix versuchte 1949 der Wiedergabe von Statuen archaischer und klassischer Zeit auf griechischen Münzen nachzugehen. Er bezieht auch das 4. Jh. mit ein und kommt zu dem Schluß, daß auf Münzen klassischer Zeit nur sehr vereinzelt erscheinende Götterbilder bis auf einen Fall in Epidauros keine Kunstwerke kopieren, sondern allgemein verbreitete Typen wiedergeben1389. Erst in hellenistischer Zeit beziehen sich die Darstellungen dann seiner Ansicht nach auf konkrete Vorbilder, und wirkliche Kopien werden schließlich erst auf kaiserzeitlichen Münzen häufig. Dies bestätigt sich in der Entwicklung athenischer Münzen, die Svoronos zusammengestellt hat1390. Während der Athenakopf der Tetradrachmen bis weit in das 3. Jh. hinein noch dem in der Hochklassik geprägten allgemeinen Typus folgt, erscheint auf der seit der 1. Hälfte des 2. Jhs. geprägten Serie Neuen Stils ein Kopf, der die Parthenos wiedergeben könnte1391. Mit Darstellungen von Statuen auf athenischen Silbermünzen des Neuen Stils beschäftigt sich H. Herzog. Auch er führt den Athenakopf der Münzen auf die Parthenos zurück und sieht in den Beizeichenfiguren der Münzrückseite Darstellungen der Kolossalstatue1392. Die Änderung der Münzprägung Athens, 1385
Vgl. z. B. die Revers der hadrianischen Münzen aus Alexandria, A. Geißen, Kat. Alexandrinischer Kaisermünzen der Slg. des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln 2 (1978) 64. 899-901 mit Abb. 1386 S. S. 8 f., S. 78, S. 175, S. 179, S. 194, S. 218. 1387 Lermann, Athenatypen auf Münzen. 1388 A. C. Villing, The Iconography of Athena in Classical Greece (Diss. Oxford 1997). 1389 L. Lacroix, Les reproductions des statues sur les monnaies grecques (1949) 325 f. 1390 J. N. Svoronos, Les monnaies d’Athenes (1926). 1391 Svoronos a. O. Taf. 33. 1392 H. Herzog, Untersuchungen zur Darstellung von Statuen auf Athener Silbermünzen des Neuen Stils (1996) 145 ff.
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deren genaues Einsetzen noch unklar ist1393, könnte in Zusammenhang mit dem verbesserten Status der Stadt in den sechziger Jahren des 2. Jhs. v. Chr. stehen, in denen Athen territorialen Zugewinn verzeichnen konnte1394. Ob es zulässig ist, das vermehrte Einsetzen von Athenastatuen in der 2. Hälfte des 2. Jhs. nach einer längeren Pause im 3. und frühen 2. Jh. v. Chr. ebenfalls vor diesem Hintergrund zu sehen, muß dahingestellt bleiben - wahrscheinlich ist der Grund weniger in der politischen als vielmehr in der wirtschaftlichen Situation Athens und der zunehmenden Produktion neoattischer Werkstätten überhaupt zu suchen1395. Herzog kommt im Rahmen seiner Untersuchung zu dem statistischen Schluß, mit den Beizeichen athenischer Münzen der beiden ersten Jahrhunderte v. Chr. seien in genau 12 von 47 Fällen sicher und in 26 Fällen wahrscheinlich konkrete statuarische Vorbilder gemeint1396. Seine Argumentation erscheint zumindest im Zusammenhang mit der Athena Parthenos wenig stichhaltig1397. Genauso verhält es sich auf den Rückseiten kaiserzeitlicher Münzen Athens, deren Prägung wiederum verändert ist: Neben dem schlichten oder geschmückten attischen oder chalkidischen Helm1398, der die Tradition der älteren Prägungen fortsetzt, tritt jetzt auf der Vorderseite vermehrt der korinthische Helm1399. So zeigen auch die Minerven der Münzen den aus der Großplastik bekannten und dort am besten überlieferten Kopftypus mit Nackenschopf, schlichtem korinthischem Helm und darunter hervorquellendem Schläfenhaar1400. Wie am Kopf der Athena vom Castro Praetorio, dessen Zugehörigkeit zur Statue allerdings nicht sicher ist1401, sind Hals und Nackenschopf des Münzkopfes extrem lang; die Helmkalotte ist wahrscheinlich aus Platzgründen klein. Svoronos versucht die Athenafiguren der Rückseiten römischer Emissionen mit Athenakopf-Avers bestimmten Statuentypen zuzuordnen. Das gelingt ihm nur teilweise1402 über die Parthenos hinaus sieht er andere „Typen der Athena Nikephoros“ 1403 wiedergegeben. Er glaubt ferner die Athena Velletri und eventuell die Athena Medici erkennen zu können1404. Es erscheinen außerdem einige bewegte ausschreitende Athenen, die Svoronos teilweise für Nachahmungen der Athena des Parthenonwestgiebels hält1405 und eine Reihe stehender Athenen mit emporgehobenem Schild, die er als Promachoi bezeichnet1406. Die meisten dieser Typen sind mit dem attischen Peplos bekleidet. Neben dem von Svoronos als Athena Velletri bezeichneten Typus erscheint noch ein weiterer mit langem Schrägmantel, ähnlich dem der Athena Rospi1393
Vgl. Herzog a. O. 2 f. C. Habicht, Athen. Die Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit (1995) 218 ff. 1395 Zu den neoattischen Werkstätten vgl. Anm. 1149, 1158 und 1175. 1396 Herzog a. O. (Anm. 1392) 153. 1397 Herzog a. O. (Anm. 1392) 145 ff. Die Attribute der Parthenos sind die allgemeinen Attribute Athenas und beweisen nicht den direkten Bezug zur Statue. Im Gegenteil: Es gibt Änderungen gegenüber dem Vorbild, die nicht zu erklären sind. 1398 Zu den verschiedenen Helmtypen und ihrer Verwendung in der Ikonographie der Göttin vgl. Ritter, JdI 1997, 2157. 1399 Vgl. Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 82-91. 1400 Als gut erhaltenes Beispiel vgl. Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 82. 1. 1401 S. S. 148 ff. 1402 Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 82-83, 86. 1403 Svoronos a. O., Legende zu Taf. 83. 20-28; vgl. auch A. Faita, „The Medusa-Athena Nikephoros Coin from Pergamon“, in: Deacy - Villing, Athena 163 - 179 Abb. 6 b. 1404 Athena Velletri: Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 83. 29-42 (zur Athena Velletri vgl. hier Anm. 62) Athena Medici: Taf. 86. 30-42 (zur Athena Medici s. G. Despinis, in: ders., T. Stefanidou-Tiveriou - E. Voutiras, Catalogue of Sculpture in the Archeological Museum of Thessaloniki (1997) 99 ff. 72 mit Lit. 1405 Svoronos a. O. Taf. 85; zur Athena des Parthenonwestgiebels vgl. Anm. 1355. 1406 a. O. Taf. 86. 1-29, 31-39. 1394
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ATHENADARSTELLUNGEN AUF MÜNZEN
gliosi1407. Das Repertoire der vorkommenden Typen ist auch auf kaiserzeitlichen Münzen so eindeutig gattungsintern, daß kein direkter Bezug zu den zahlreich überlieferten Statuentypen hergestellt werden kann1408. Die Münzikonographie scheint zu bestätigen, was sich bisher in allen Gattungen abzeichnete: Daß die Ikonographie zwar gattungsimanent ist, sich aber aus einer gemeinsamen ikonographischen Quelle, den gattungsübergreifenden Darstellungstypen speist, die sich an keinem konkreten großplastischen Vorbild orientieren. Eine Ausnahme scheint auch hier die Parthenos zu bilden, deren Einfluß allerdings weniger im Sinne eines direkten Vorbildes als vielmehr indirekt durch gewisse Formeln erfolgt sein wird. Die Existenz anderer Nikephorostypen könnte allerdings sogar darauf hinweisen, daß auch eine vermeintliche Parthenos-Abbildung nur eine NikephorosVariante von vielen sein kann1409. Nicht nur auf athenische Münzen bezieht sich die Ende des 19. Jhs. erschienene, später durch N. Oikonomides neuaufgelegte Untersuchung von F. Imhoof-Blumer und P. Gardner, die die Beschreibung von Kunstwerken durch Pausanias in ganz Griechenland mit der Evidenz der Münzen in Zusammenhang zu setzen versucht1410. Nach Herzog kann im Vergleich zwischen Großplastik und den winzigen Darstellungen auf Münzen nur auf grobe, gut erkennbare äußerliche Merkmale geachtet werden1411. Selbst diese Merkmale passen allerdings oft nicht. Am besten zeigt dies das Beispiel der angeblich auf antoninischen Münzen dargestellten Athena Promachos: Geradezu enttäuscht stellten Imhoof-Blumer und Gardiner fest, daß trotz der Abbildung der Figur innerhalb einer Kulisse, die eindeutig die Akropolis darstellen soll, keine neue Kenntnis über das Aussehen der phidiasischen Kolossalstatue gewonnen werden kann, weil entweder einfach der Typus der Parthenos benutzt wurde oder die Darstellungen auf andere Weise verunklärt sind1412. Der Überblick über verschiedene, angeblich durch großplastische Darstellungen angeregte Athenadarstellungen auf Münzen, den Imhoof-Blumer und Gardiner anläßlich der Beschreibung Athens durch Pausanias geben, zeigt ebenfalls, mit wie viel Vorbehalt die Übertragung von der plastischen Ikonographie auf die der Münzen betrachtet werden muß1413. Abgesehen von den Gruppen, die natürlich leichter zu identifizieren sind, kann außer der Parthenos keine einzige Münzdarstellung eindeutig mit einem der von Pausanias erwähnten Bildwerke verbunden werden. Die Zusammenstellung mutet eher wie eine Liste der auf Münzen erscheinenden Athenatypen an. Imhoof-Blumer und Gardiner führen auch in diesem Zusammenhang Münzen anderer Herkunft auf. Athenadarstellungen finden sich über die Münzen der gesamten griechischen Welt verteilt, ohne daß sie trotz unterschiedlicher Prägestätten lokale Unterschiede zeigen. So ist fraglich, ob mit einer Athena einer Münze des 4. Jhs. v. Chr. aus Kilikien wirklich die athenische Athena Parthenos
1407
a. O. Taf. 87. 1-5; zur Athena Rospigliosi vgl. S. 51 ff. Gmyrek, Kaiser und Göttin passim. 1409 Vgl. Anm. 1400. 1410 F. Imhoof-Blumer - P. Gardiner, Numismatic Commentary on Pausanias (1885); diess., Ancient Coins Illustrating Lost Masterpieces of Greek Art (Neuauflage durch A. N. Oikonomides, 1964). 1411 Herzog a. O. (Anm. 1392) 3. 1412 Imhoof-Blumner - Gardiner a. O. (Anm. 1410) 128 f. Taf. Z. III-IV; vgl auch Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 13 ff. und B. Lundgreen, JHS 117, 1997, 190 ff. 1413 a. O. 125 ff. 1408
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gemeint ist und nicht vielmehr die Nikephoros eines lokalen Kultes, die im selben Darstellungstypus gezeigt wird wie die Parthenos1414. H. Herzog nennt als Kriterium für die Übertragung einer Statue auf die Münze die Angabe einer Basis auf der Münzdarstellung, wobei er Standfläche und Basis unterscheidet1415. Aber auch durch die Angabe einer Basis, wie sie ganz deutlich auf einer kaiserzeitlichen Münze in Paris mit einer Zeusdarstellung zu sehen ist, muß bei der Vielzahl von Statuen, die es gab, noch keine konkrete Statue meinen, sondern kann ganz allgemein die Manifestation der am betreffenden Ort kultisch verehrten Gottheit bezeichnen1416. Dies erklärt wahrscheinlich, weshalb es auch unter den Athenadarstellungen nicht gelingt, einen der bekannten Statuentypen außer der Parthenos einer Münzdarstellung zuzuordnen. Es liegt kaum, wie Herzog annimmt, an der „Zufälligkeit des Erhaltenen“ 1417, sondern der Grund liegt darin, daß die Ikonographie der Münzdarstellungen eigenständig auf diejenigen Darstellungstypen zurückgreift, die auch aus der Rundplastik bekannt waren. In vorrömischer Zeit ist dies ganz deutlich, in römischer Zeit wird der Einfluß der Skulptur kaum größer gewesen sein. Die Münzbilder Athenas zu klassifizieren, kann hier nicht geleistet werden1418. Trotzdem soll ein Überblick über gängige Darstellungsformen über mögliche Bezüge zur Großplastik entscheiden. Besonders häufig erscheint der Darstellungstypus der Athena im übergegürteten Peplos mit oder ohne Himation mit attischem oder korinthischem Helm, Lanze, Schild und als weiterem Attribut evtl. Schlange, Nike, Patera oder Eule. Die Göttin steht locker im Dreiviertelprofil mit leicht seitlich ausgestelltem Spielbein, den Kopf ins Profil gewandt. Der Schild wird entweder kampfbereit vom linken Arm gehalten1419 oder steht neben der Göttin auf dem Boden1420; oft ruht ihre linke Hand auf dem oberen Schildrand1421 oder ist auf die Lanze gestützt1422. Die rechte Hand hält zumeist entweder Nike, Eule oder Patera1423, während die Lanze neben dem Schild steht1424, oder der rechte Arm stützt sich auf die Lanze1425. Auf der rechten Körperseite der Figur 1414
Vgl. Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) 126. 1 Taf. Y. XXII. Herzog a. O. (Anm. 1392) 3 mit Anm. 20. 1416 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) 85 Taf. R XIII. Imhoof-Blumer und Gardiner, die hier die Wiedergabe einer von beiden bei Pausanias beschriebenen Statuen in Aigai sehen, beschließen selbst: „It is not important to decide the question, as the attitude of the figure of Zeus on the coins is quite conventional.“ 1417 Herzog a. O. (Anm. 1392) 153. 1418 Vgl. hierzu teilweise Villing, Iconography und Ritter, JdI 1997, 21-57. 1419 Vgl. Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. Q XV; G. F. Hill, Historical Greek Coins (1906) Taf. IV 35 (= Demargne, LIMC II 971 Athena 143 Taf. 720); Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 86. 1420 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. E XCII-III, P XVIII; Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 83. 1421 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. F CXVI, R XX, S VII; Hill a. O. (Anm. 1419) Taf. XIII 98; Demargne, LIMC II 976 Athena 204 a Taf. 728, 977 Athena 216 Taf. 729; Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 82 83. 1-19, 38, 40. 1422 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. E XCII, M III, O XXII. O XXIV, P XI, P XV, P XVIII, E XCIII; Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 83. 20-23, 39, 41-42. 1423 Vgl. Kap. Ince Anm. 41. Nike: Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. E XCII, E XCIII (Eule auf der Basis); Hill a. O. (Anm. 1419) Taf. XIII. 98; Demargne, LIMC II 977 Athena 216 Taf. 729; Canciani a. s. O. 1083 Athena/Minerva 129; Patera: Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. P XI; Canciani, LIMC II 1083 Athena/ Minerva 115 Taf. 793, 1083 Athena /Minerva 126 Taf. 793; Eule: Demargne, LIMC II 976 Athena 204 a Taf. 728, 981 Athena 266 Taf. 735. 1424 Villing, Iconography Cat.17/6 C - E, 7 D; D.Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) F CXVI; Hill a. O. (Anm. 1419) Taf. XIII 98; Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 82, 83. 1-14. 1425 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) R XX S VII; Canciani, LIMC II 1083 Athena/Minerva 121 Taf. 793; Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 83. 29-36. 1415
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kann vor allem bei Athener Münzen die Burgschlange erscheinen1426. Dieser Darstellungstypus mit seinen Variationen hat eine lange Lebensdauer und wird von der klassischen Zeit bis in die Kaiserzeit hinein verwendet1427. Ohne Himation ist dies der Darstellungstypus der Parthenos und der Athena Ince sowie der diesen ähnlichen klassischen und römischen Statuetten1428. Weitere in der Großplastik des behandelten Zeitraumes verwandte Darstellungstypen lassen sich innerhalb der Münzikonographie der Göttin nicht nachweisen. Das gleiche gilt für die anderen Gattungen der Kleinkunst: Die Darstellungen der Steinschneidekunst sind typologisch mit den Münzbildern verwandt. Einen ganz eigenen Weg beschreiten die römischen Kleinbronzen: Ihre überaus variantenreiche Ikonographie hat mit der der Großplastik kaum etwas gemeinsam1429. Sie kann hier daher völlig vernachlässigt werden; es würde sich lohnen, sie speziell zu untersuchen. Bezeichnend ist, daß die erwähnten Variationen des beschriebenen Darstellungstypus der Athena auf Münzen fast alle genannten Bestandteile kombinieren können. Spätestens darin wird deutlich, daß es sich nicht um kopierte statuarische Vorbilder handelt, sondern um eigenständig entwickelte Münzbilder1430. Außer diesem hier für die großplastischen Darstellungen Athenas interssanten Darstellungstypus gibt es natürlich noch weitere mit jeweils eigenen Variationen - hier seien nur die laufende, wohl mit „Promachos“ zu bezeichnende Athena1431 und eine Art Palladiontypus, der die Göttin archaistisch steif im Profil stehend zeigt, genannt1432. Beide Typen treten in der Kaiserzeit häufig auf1433. Weiter interessant ist ein Darstellungstypus Athenas, der die Grundlage für die Athenen des späteren Iudicium-Orestis-Motives wird1434 und die Göttin im Dreiviertelprofil meist nach rechts gewandt im häufig auch doppelten, schräg über die rechte Schulter geführtem Himation zeigt, den linken Arm in die Hüfte gestemmt, den rechten auf die Lanze gestützt. Dieser Typus, der möglicherweise auch der Athena Farnese zugrunde liegt1435, erscheint einzeln1436, ist aber variabel auch im Gruppenbild einsetzbar1437. Eine qualitätvolle Prägung kombiniert ihn mit dem Ölbaum und Poseidon im Rahmen des Streites um das attische Land1438, und ein antoninisches Bronze-Medaillon läßt die Göttin in diesem Darstellungstypus wahrscheinlich im Rahmen der Argonautensage einem Schiffbauer erscheinen1439. Der Athenatypus des Iudicium Orestis, der innerhalb der Skulptur im Statuettenformat bekannt ist und auch auf Sarkophagreliefs auftritt, ist 1426
Noch zu erkennen bei Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 83. 11-12, 14. 22-23, 38-40, Taf. 82. 29-41. Vgl. Gmyrek, Kaiser und Göttin 223. 27, 31, 33. 1428 Vgl. S. 4 ff. 1429 Vgl. zu Bronzestatuetten S. 9 und Anm. 413. 1430 In diesem Sinne vgl. auch C. Arnold-Bucchi über angeblich polykletische Werke auf Münzen, in: W. G. Moon, Polykleitos, the Doryphoros, and Tradition (1995) 227. 1431 Vgl. Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 84. 31-42. 1432 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. N. XIII. XVI. XVII. Taf. P VII. 1433 „Promachos“: Gmyrek, Kaiser und Göttin 225. 36, 45; „Palladion“: Gmyrek a. O. 221. 7, 8, 223. 18, 25, 225. 35. Zur typologischen Definition der griechischen Bezeichnungen Villing, Iconography 13 ff. 1434 Vgl. E. Langlotz, Alkamenes-Probleme. 108. BWPr (1952) 12 Abb. 9; G. Hafner, Iudicium Orestis, Klassisches und Klassizistisches, 113. BWPr (1958); Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 87 ff.; vgl. auch A. Klöckner, Poseidon und Neptun. Zur Rezeption griechischer Götterbilder in der römischen Kunst (1997) 216 EF 2, EF 3 Abb. 21-22, 217 EVF 6 Abb. 23, Abb. 25, 218 EN I 4 r; vgl. auch Anm. 415. 1435 Fuchs, Skulptur4 206; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 48 ff.. 1436 Vgl. Canciani, LIMC II 1083 Athena/Minerva 114 Taf. 793; Gmyrek, Kaiser und Göttin 221. 9, 10, 223. 21, 30. 1437 Gmyrek, Kaiser und Göttin 223. 20, 23, 28, 225. 32. 1438 Imhoof-Blumer - Gardiner a. O. (Anm. 1410) Taf. Z. XV. Vgl. auch eine Gemme aus Medici-Besitz mit dem gleichen Bildschema in Neapel, Le Collezioni del Museo Nazionale di Napoli. La Collezione glittica 6, Farbtaf. 90. 1439 J. P. C. Kent u. a., Die römische Münze (1973) 116 f. 313 Taf. 79; Gmyrek, Kaiser und Göttin 223. 28. 1427
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gerade im Hinblick auf typologische Fragen interessant und müßte ebenfalls gesondert untersucht werden. Es scheint sich in diesem Fall um das innerhalb der Athenaikonographie deutlichste Beispiel für einen gattungsübergreifenden, variabel einsetzbaren Darstellungstypus zu handeln, dessen zeitliche Entstehung allerdings noch geklärt werden müßte1440. Obwohl detailliertere Beobachtungen an Münzbildern nur in ganz eingeschränktem Umfang möglich sind, läßt sich unter den römischen Münzen des zuvor beschriebenen, gewöhnlichen Darstellungstypus eine Art der Darstellung erkennen, die den weiter vorn aufgeführten römischklassizistischen Athenen mit Latzaigis ähnelt1441. Die Athenen dieser Münzen sind besonders schmalschultrig und haben eine bustierartige kurze Aigis1442. Das Apoptygma ist entweder ungegürtet oder die Gürtung verläuft direkt unterhalb der Aigis. Eine solche Athenafigur erscheint auch auf dem Revers eines neronischen Sesterzes, wo sie als knapp unterlebensgroße, hoch aufgestellte Statue einem congiarium beiwohnt1443. Auch hier ist der Darstellungstypus der stehenden Athena mit korinthischem Helm, Lanze und Eule gewählt worden; die sichtbare Gürtung verläuft direkt unterhalb der Brust; die Schultern sind schmal; die ganze Figur wirkt zart und etwas maniriert. Diese eher selektiven Beobachtungen sollten zeigen, daß die Münzdarstellungen Athenas auch in der Kaiserzeit keine Beziehung zu irgendwelchen opera nobilia aufweisen, sondern einer eigenständigen Ikonographie unterliegen und daher genausowenig von der Großplastik abhängig sind wie die klassischen Reliefs oder die stellenweise hinzugezogenen Athenen aus der klassischen Vasenmalerei1444. Sie beziehen sich auch nicht auf konkrete Kultbilder, sondern haben im Gegenteil allgemein-programmatischen Charakter, wie dies auch C. Gmyrek innerhalb der Ergebnisse ihrer Untersuchungen zum Ausdruck bringt1445. Konkretere Ergebnisse aus der Sicht der Münzdarstellungen sind daher in bezug auf großplastische Darstellungen der Göttin nicht zu erwarten.
1440
Vgl. Anm. 415. Vgl. S. 240. 1442 Canciani, LIMC II 1083 Athena/ Minerva 123 Taf. 793, 1084, 137 Taf. 793. 1443 Kent u. a. a. O. (Anm. 1439) 101. 194 Taf. V; s. auch G. D. Spinola, Il „congiarium“in eta` imperiale (RdA Suppl. 6, 1990); Über Identifikationsversuche der Statue vgl. Gmyrek, Kaiser und Göttin 51 ff. 221. 5, die eine eher inhaltliche Verbindung zu den Congiarien und ihren Naturalienspenden Öl und Wein sieht. 1444 Vgl. S. 8 ff., S. 15, S. 48 f., S. 75 ff., S. 79, S. 105, S. 127 f., S. 179. 1445 Gmyrek, Kaiser u. Göttin 185: „Die Darstellung der Athena auf kaiserzeitlichen Reichsmünzen ist daher nicht in kultischem Kontext zu begreifen. Sie sollte bestimmte Werte und Programme verkünden sowie das religiöspolitische und kulturelle Selbstverständnis des römischen Kaisertums repräsentieren.“ 1441
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2. Zur zeitlichen Verteilung der Wiedergaben Die erwähnte Arbeit C. Gmyreks unterstützt in einem weiteren Bereich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, indem sie anhand der Auswertung der Münzprägungen einen Überblick über die Wertschätzung und persönliche Bindung der jeweiligen römischen Kaiser der Göttin Athena/Minerva gegenüber ermöglicht. Nun wäre die Frage interessant, ob sich in der Anzahl des heute Erhaltenen die Vorliebe gewisser Kaiser für die Göttin noch niederschlägt, oder ob hier andere Größen wie die Länge ihrer Regierungszeit oder die Produktivität der Bildhauer dieser Zeit, die vielleicht ihrerseits von anderen Maßgaben wie der Rolle der Propaganda und der wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Zeit abhängig waren, einen größeren Einfluß auf die Zahl der erhaltenen Repliken und sonstigen Wiedergaben hatten. Sozusagen als Experiment soll sich hier daher eine einfache Statistik der nach ihrer Entstehungszeit geordneten Wiedergaben anschließen. Vorausgesetzt natürlich, daß die teilweise noch unter gewissen Vorbehalten gewonnenen Datierungen richtig sind, müßte sich das Ergebnis dann mit den Ergebnissen der Münzikonographie vergleichen lassen, wobei natürlich starke Vorbehalte bezüglich der Zufälligkeit der Überlieferungen bestehen bleiben müssen, die in Anbetracht der selektiv erhaltenen Großplastik weitaus stärker sein könnten als anhand der breit gestreuten Münzüberlieferung. Solange jedoch der experimentelle Charakter dieser Statistik gewahrt bleibt, ist dies einen Versuch wert.
Statistische Erhebung: Von den in dieser Arbeit vorkommenden Athenastatuen, die sich innerhalb der Kaiserzeit einordnen ließen, weisen zunächst die antoninische (mit 26 Exemplaren) und gleich danach die flavische Zeit (mit 23 überlieferten Exemplaren) den größten Anteil auf. Dies Übergewicht an erhaltenen Figuren entspräche der bereits vor den numismatischen Forschungen C. Gmyreks bekannten Tatsache, daß die flavischen Kaiser, und unter ihnen besonders Domitian, Athena zu ihrer persönlichen Schutzgöttin erklärten1446. Auch die starke zahlenmäßige Präsenz der Göttin in antoninischer Zeit, die sich in der Vielzahl des Erhaltenen niederschlägt, paßt zu dem aus hadrianischer Tradition übernommenen Philhellenismus antoninischer Zeit1447. Mit jeweils 13 Exemplaren relativ hoch ist auch die Anzahl der aus trajanischer und hadrianischer Zeit überkommenen Athenen. Dann folgt zahlenmäßig die claudische Zeit des aufkommenden Philhellenismus mit etwa 10 Figuren1448, die severische mit 8 Exemplaren1449 und die augusteische Zeit mit 7 Überlieferungen1450. Tiberisch ließen sich nur 2 Exemplare datieren, und auch dies entspricht der offenbar wenig ergiebigen Verbindung dieses Kaisers mit der Göttin auf den zeitgleichen Münzen1451. Die statistische Anzahl der Repliken scheint also tatsächlich den Grad der Verbindung der jeweiligen Kaiser mit der Göttin wiederzuspiegeln. Es kann demnach trotz aller Vorbehalte davon 1446
Vgl. Gmyrek, Kaiser und Göttin 55 ff., 154 ff., 186; K. Scott, The Imperial Cult under the Flavians (1936) 166 ff.; J.-L. Girard, Domitien et Minerve, in: ANRW II 17. 1 (1981) 233 ff.; E. d’Ambra, Private Lives, Imperial Virtues (1993) 3 ff. 1447 Gmyrek a. O. 88 ff., 96 ff. , 155 ff., 187. 1448 Gmyrek a. O. 43 ff., 152 f., 186. 1449 Gmyrek a. O. 113 ff., 157, 188. 1450 Vgl. Gmyrek a. O. 29 ff., 148 ff., 185. 1451 Gmyrek a. O. 38, 151, 186.
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ausgegangen werden, daß die Anzahl der heute erhaltenen und bezeugten Repliken und sonstigen typologisch gebundenen Wiedergaben auch repräsentativ ist für die in der Antike aufgestellte tatsächliche Menge solcher statuarischer Wiedergaben der Göttin.
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GORGONEIA
3. Zu den Gorgoneia - Mögliche Fixpunkte innerhalb der Kopienkritik Aus der kopienkritischen Beschäftigung mit dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Material hat sich als weiterer erwähnenswerter, diesmal rein praktischer Aspekt ergeben, daß die Gorgoneia auf der Aigis bei den meisten Athenatypen im Laufe der Kaiserzeit in einer bestimmten Weise verändert werden. Anders als die übrigen, oft schwer zu bestimmenden und zu beurteilenden Kriterien, die Repliken einer bestimmten Zeit zuweisen, ist die Datierung der Gorgoneia nicht immer, aber doch häufig eindeutig. Ein Überblick über die Entwicklung der kaiserzeitlichen Gorgoneia läßt sich aus der Zusammenschau von relativ gewonnenen Ergebnissen der Kopienkritik und absolut datierten Panzerstatuen und anderem vergleichbaren, sicher datierten Material gewinnen. Der Nutzen dieser Entwicklung soll hier zunächst skizziert werden. Innerhalb der umfangreichen Literatur über Gorgoneia fehlt bisher eine Stellungnahme zu der Verwendung des Gorgoneions in der römischen statuarischen Plastik1452. Die meisten Untersuchungen befassen sich mit archaischen Gorgoneia; so auch die von J. Floren 1977 vorgelegten Studien zur Typologie des Gorgoneion1453 und eine Untersuchung H. Besigs aus den dreißiger Jahren1454. Einen Überblick geben die Artikel des LIMC unter dem Stichwort GorgoGorgones von I. Krauskopf und unter der Rubrik Gorgones Romanae von O. Paoletti. Am bekanntesten ist sicherlich E. Buschors 1958 veröffentlichter Beitrag über die Medusa Rondanini1455, der allerdings die gesamte Ikonographie späterer Gorgoneia von der Identifizierung der Medusa Rondanini mit dem Gorgoneion der phidiasischen Athena Parthenos abhängig macht. Die Dissertation von S. Vierck über die Typologie der Aigis setzt sich zwangsläufig auch mit der Ikonographie der Gorgoneia auseinander1456. Drei weitere Titel zu Aigis und Gorgoneion gibt C. Gmyrek in ihrer Arbeit über die religiös-politische Funktion der Göttin innerhalb der kaiserzeitlichen Propaganda an1457. Die Gorgoneia einiger Repliken von Athenatypen des 4. Jhs. sind nicht einheitlich wiedergegeben, sondern gehen mit der sich wandelnden Ikonographie kaiserzeitlicher Gorgoneia konform. Dies betrifft vor allem die Typen Ince und Rospigliosi, wobei der Typus Ince hauptsächlich durch Repliken aus der frühen Kaiserzeit, die dem weiter unten beschriebenen römischen Gorgoneiontypus 1 folgen, überliefert ist. Die namensgebende Replik des Typus New York (NY I 1) zeigt ebenfalls nur ein Gorgoneion des 1. Typus. Leider hat der am häufigsten reproduzierte Typus Vescovali eine Aigis ohne Gorgoneion. Die Gorgoneia des Typus Ostia-Cherchel folgen erstaunlicherweise immer demselben Muster und werden nicht verändert - eine Ausnahme, die an der spätklassischen Datierung des Typus zweifeln ließ und die Möglichkeit offen läßt, daß es sich auch um einen seriell produzierten klassizistischen Typus handeln könnte1458. 1452
S. die in LIMC IV 1 unter Gorgo-Gorgones und Gorgones Romanae zusammengestellten Literaturlisten. J. Floren, Studien zur Typologie des Gorgoneion (1977). 1454 H. Besig, Gorgo und Gorgoneion in der archaisch-griechischen Kunst (1937). Vgl. ferner M. Halm-Tisserant, RA 1986, 245 ff. und A. Giuliano, ASAtene 37/38, 1959/60, 231 ff. 1455 E. Buschor, Medusa Rondanini (1958). Zur Medusa Rondanini vgl. auch Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II 62 ff. 7 Abb. 31-35. 1456 Vierck, Aigis. Zu den unterschiedlichen Aigisformen vgl. auch Villing, Iconography 17. 1457 Gmyrek, Kaiser und Göttin 191. 1458 S. S. 93 ff. und S. 163. 1453
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Durch die Verbindung mit fest datierter kaiserzeitlicher Porträtplastik und anderen Denkmälern, an denen Gorgoneia vorkommen, läßt sich eine grob skizzierte Chronologie und Typologie kaiserzeitlicher Gorgoneia entwerfen1459. Die Gorgoneia der Exemplare der späthellenistischen Typen Vatikan-Tokyo und Tittoni wiederum verwenden neben hellenistischen Gorgoneia auch klassisch angenäherte bzw. den 1. römischen Typus1460. Es gibt nach allem drei kaiserzeitliche Typen von Gorgoneia. Der erste ist schlicht und wird von der frühen Kaiserzeit an bis etwa in spätflavisch-frühtrajanische Zeit hinein verwendet. Er orientiert sich am klassischen Vorbild. Der Umriß des Gorgoneions ist kreisrund; das Haar fällt gleichmäßig wellig zu beiden Seiten des ebenmäßig runden, pausbackigen Gesichtes herab und ist nicht besonders lang; seltener steht es vom Oberkopf nach oben ab. Meist ist das breite Untergesicht von einem unter dem Kinn geknoteten Schlangenband gerahmt; seltener hat dieser Typus auch kleine Flügelchen am Kopf1461. Der zweite Typus wird am besten als Übergangstypus bezeichnet; er leitet zum pathetischrealistischen Typus der späten Kaiserzeit über und hat verschiedene Ausprägungen, die sich noch an den 1. oder bereits an den darauffolgenden 3. Typus anlehnen können. Die Haare dieses Typus sind länger und z. T. bewegt; das immer noch schlichte, unbewegte Gesicht ist etwas langgestreckter. Häufiger finden sich jetzt die Flügel am Oberkopf; das Schlangenband bleibt erhalten1462. Der dritte Typus hat deutliche Pathoszeichen - das Gesicht wird im Umriß schmal und länglich, die Haare beginnen sich in wirren Strähnen um den Gesichtskontur zu bewegen, die Augenbrauen sind häufig zusammengezogen, der Mund ist offen. Die Flügel am Oberkopf sind jetzt kanonisch; das Schlangenband bleibt bestehen, wird aber ebenfalls deutlicher und stärker bewegt dargestellt. Der Blick scheint häufig nicht mehr maskenhaft geradeaus zu führen, sondern richtet sich teilweise zur Seite oder nach oben. Dieser Gorgoneiontypus wird etwa von hadrianischer Zeit an bis in spätantoninische Zeit hinein verwendet und ist damit der letzte faßbare plastische Typus1463. Der erste Gorgoneiontypus hat, wie bereits erwähnt, seine Vorläufer in Gorgoneia klassischer Zeit1464, deren Proportionen sich wiederum von archaischen Gorgoneia herleiten lassen. Ein dem 1459
Vgl. auch C. de Kerauson, Muse´e du Louvre. Cat. des portraits Romains I. Portraits de la Republique et d’e´´poque Julio-Claudienne (1986) 148, die eine Panzerstatue mit aufgesetztem Kopf des Agrippa Postumus unter anderem anhand des Gorgoneions in hadrianische Zeit datiert. 1460 Vgl. Anm. 1469.. 1461 Vgl. In I 1, In II 1, In II 2, In II 3, In III 1, In III 2; vgl. die Gorgoneia der einigermaßen sicher datierten Panzerstatuen K. Stemmer, Untersuchungen zur Typologie, Chronologie und Ikonographie der Panzerstatuen (1978) 57 f. V 3 Taf. 35. 2 (später 1. Typus); 78 f. VII 7 Taf. 52. 1-2; 111 f. XI 1 Taf. 75. 1. 1462 Vgl. In II 4, R II 1, R V 1 und Stemmer a. O. 8 f. I 4 Taf. 1. 4 (später Übergangstypus); 15 f. I 10 Taf. 6. 3; 33 III 4 Taf. 17. 4; 33 f. III 5 Taf. 18. 1; 36 f. III 10 Taf. 20. 3-21. 1; 63 V 11 Taf. 39. 1; 113 XI 3 Taf. 76. 1-2. Zum Typus 2 vgl. ferner ein Hadriansporträt aus Perge, I. Inan - E. Rosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor (1966) 68 f. 29 Taf. XIX. 2; zum 3. Typus s. zwei Büsten Marc Aurels und Antonius Pius aus Cyrene, E. Rosenbaum, Cyrenaican Portrait Sculpture (1960) 58. 80 Taf. XXXIV.1-2 und 57.47 Taf. XXXIV. 3-4. Die weite Verbreitung des 3. Typus, der früher als in der Plastik bereits in der Wandmalerei auftritt, M. R. Wojcik, La Villa dei Papiri ad Ercolano (1986) Taf. XVI Afr. 21, XVII Afr. 22; XXXII Afr. 31, und sich dort wohl direkt von hellenistischen Vorbildern ableitet, findet ihren Niederschlag auch in der Sarkophagplastik, vgl. z. B. Sarkophage in Palermo und Rom, LIMC IV 2 Gorgones Romanae 64 und 65. 1463 Vgl. R II 3, R III 2; Stemmer a. O. 67 V 21 Taf. 42. 3 u. 43. 2; 86 f. V 21 Taf. 60. 1-3. Der dritte Typus findet sich häufiger auch an Sarkophagen und innerhalb der Bauplastik, vgl. Buschor a. O. (Anm. 1455) Taf. 40-41, 43. 1464 Vgl. das fast schon frühklassische Gorgoneion der Athena aus dem Giebel des Apollontempels von Eretria, LIMC IV 2 Gorgo-Gorgones 197. Noch archaisch ist dagegen das Gorgoneion der nach 480 entstandenen Angelitos-
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ersten ähnlicher Typus wird bereits innerhalb klassizistischer Plastik des 2. und 1. Jhs. v. Chr. wieder aufgenommen1465. Der uneinheitliche Übergangstypus vermittelt lediglich zwischen dem 1. und dem 3. Typus und erscheint häufig sehr unterschiedlich. Der spätkaiserzeitliche Typus hingegen geht deutlich auf einen hellenistischen Gorgoneiontypus des 2. Jhs. v. Chr. zurück1466. Außer für Panzerstatuen können auch für einige der im Text behandelten Athenastatuen und statuetten, deren Datierung unklar war, durch diese Typologie der Gorgoneia weitere Argumente hinzugewonnen werden. Dies betrifft vor allem die dem gleichen Darstellungstypus wie die Athena Ince folgenden Statuetten im Magazin des Akropolismuseums, deren Datierung im einzelnen umstritten ist1467, aber auch für die in der Forschung sehr unterschiedlich beurteilten einzelnen Darstellungen des 3. und des 2. Jhs. v. Chr. ließen sich zusätzliche Anhaltspunkte gewinnen, die nicht auf stilistischen Erwägungen, sondern auf einer mehr oder weniger aus objektiven Kriterien gewonnenen Chronologie basieren. Nach der parallelen Erscheinung klassizistischer und genuin hellenistischer pathetischer Gorgoneia im 2. Jh. v. Chr.1468 wartet auch das 1. Jh. v. Chr. mit zwei unterschiedlichen Gorgoneionformen auf: Der pathetische hellenistische Typus verkümmert zu einem fast rachitisch anmutenden, schmalen Gesicht mit kurzem oder unbewegt langem hängenden Haar und nur noch skizzenhaft angegebenen Gesichtszügen1469. Gleichzeitig geht aber der breite klassizistische Typus des 2. Jhs. unter Verlust seiner wahr-
Athena, LIMC a. O. Gorgo-Gorgones 202. Paradebeispiel für ein Gorgoneion klassischer Plastik ist das allerdings nicht in wörtlichen Repliken überlieferte Gorgoneion der Athena Parthenos, N. Leipen, Athena Parthenos (1971) passim, Buschor a. O. (Anm. 1455) Taf. 16 Abb. 2 - 6, das nach Buschor a. O. ein durch Phidias neu in die klassische Ikonographie eingebrachter, archaische Typen ablösender schöner Gorgoneiontypus, eben der durch die Medusa Rondanini überlieferte, sein soll. Unter den Repliken nach Athenastatuen des 5. Jhs. v. Chr. gibt die phidiasische Athena Lemnia ein klassisches Gorgoneion wieder; zur Lemnia s. zuletzt H. Meyer a. O. (Anm. 1031) 111 ff. Taf. 24 Abb. 64 - 65 mit Lit.; die Repliken der Athenen Giustiniani, Farnese-Hope und Velletri (s. Anm. 38 und 132; Buschor a. O. Taf. 54. 3) verwenden meist den dem klassischen Gorgoneiontypus verpflichteten römischen Typus 1. Die hadrianischen Karyatiden von Eleusis nehmen, wenn auch in stark manirierter Form, offensichtlich auch einen klassischen Gorgoneiontypus wieder auf, s. Travlos, Attika 161 Abb. 200; Ridgway, Hellenistic Sculpture III 5 f. Taf. 3. 1465 Vgl. die meist in das späte 2. Jh. v. Chr. datierte archaistische Athena Promachos aus der Villa dei Papiri in Herculaneum, M. Wojcik, La Villa dei Papiri ad Ercolano (1986) Taf. LXXIII E 8; Le collezioni del Museo Nazionale di Napoli (1989), La scultura Greco-Romana 134 f. 185 mit Abb. u. Farbtaf. S. 30, sowie die AntiochosAthena (s. Anm. 1055). Auch die Piräusathena und die Athena Mattei bedienen sich dieses klassizistischen Gorgoneiontypus’, vgl. S. 182 ff., was die hier vertretene Spätdatierung unterstützt. Merkwürdig bleibt hingegen das Auftreten desselben Typus an den Repliken Ostia-Cherchel, s. o. im Text und S. 93 ff. 1466 Vgl. ein Silbermedaillon in Boston aus Tarent, das in die 1. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. datiert wird, LIMC IV 2 Gorgo-Gorgones 135, ein Elfenbeinrelief in Philadelphia aus dem 2. Jh. v. Chr., LIMC a. O. 139, sowie ein Didrachmon des 2. - 1. Jhs. v. Chr., LIMC a. O. 138; vgl. außerdem die Gorgoneia auf athenischen Münzen des 3. und 2. Jhs. v. Chr., Svoronos a. O. (Anm. 1390) Taf. 66. Aus dem Bereich der Großplastik läßt sich das Gorgoneion der Athena vom Fries des Pergamonaltares anführen, vgl. Buschor a. O. (Anm. 1455) Taf. 21. 6 und LIMC a. O. 216. 1467 S. S. 22 ff.; vgl. Buschor a. O. Taf. 57. 2-5. 1468 S. Anm. 1465 und 1466. 1469 Vgl. die Gorgoneia der Exemplare des Typus Vatikan-Tokyo in Tokyo (VT I 1) und im Museo Chiaramonti des Vatikan (VT I 2), dessen übrige Exemplare (VT II 1 und VT III 1) klassische, vielleicht schon dem Typus 1 zugehörige Gorgoneia besitzen (s. Katalogtexte). Die Gorgoneia des späthellenistischen Typus Tittoni sind ebenso uneinheitlich - neben hellenistischen Gorgoneia (T I 2 und T I 3) findet sich auch der kaiserzeitliche 2. Typus (T I 1). Das Gorgoneion der m. E. modernen Figur in Brocklesby Park (T II 2) mit der eigenartigen Löwenmähne bestätigt die Beurteilung als Fälschung (vgl. Katalogtext). Schwer zu beurteilen sind hingegen die Gorgoneia des Areopaghaustypus: Sie sind fast späthellenistisch klein, haben aber klassische Proportionen (s. S. 163). Zum Gorgoneion des frühen 1. Jhs. vgl. auch die unterschiedlichen, skizzenhaften Gorgoneia der Athenen aus der Weihung des Valerius Flacchus in Magnesia (s. S. 232 ff.).
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scheinlich hellenistischem Einfluß zu verdankendem, dramatisch-häßlichen Gesichtszüge in den klassische Formen wieder aufnehmenden frühkaiserzeitlichen Typus 1 über. Was hier nur skizziert werden konnte, müßte weiter ausgebaut und durch Parallelen aus anderen Gattungen erhärtet werden.
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VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN LITERATUR
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Über die Akürzungen aus den Richtlinien des Deutschen Archäologischen Institutes hinaus wurde folgende häufig zitierte Literatur abgekürzt:
Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1 - B. Andreae, Bildkatalog der Skulpturen des Vatikanischen Museums I. Museo Chiaramonti 1 (1995) Andreae, Skulptur des Hellenismus - B. Andreae, Skulptur des Hellenismus (2001) Verf., AA 1996 - I. E. Altripp, „Zu den Athenatypen Rospigliosi und Vescovali. Die Geschichte einer Verwechslung“, AA 1996, 83-94 Verf., Small Athenas - „Small Athenas - Some remarks on Late Classical and Hellenistic Statues“, in: Deacey - Villing, Athena 181-185 Taf. 7-10. Amelung, Basis des Praxiteles - W. Amelung, Die Basis des Praxiteles aus Mantineia (1895) Anti, MonAnt 1920 - C. Anti, „Athena marina e alata“, MonAnt 26, 1920, 270-318 Arias, Skopas - P. E. Arias, Skopas (1952) Ashmole, Kat. Ince Blundell - B. Ashmole, A Catalogue of the Ancient Marbles at Ince Blundell Hall (1929) Becatti, ASAtene 1939/40 - G. Becatti, „Un dodekatheon ostiense e l’arte di Prassitele“, ASAtene NS I-II, 1939/40, 85-137 Berger, AntK 1967 - E. Berger, „Eine Athena aus dem späten 5. Jh. v. Chr.“, AntK 10, 1967, 82-88 Taf. 22-24 Bieber, Ancient Copies - M. Bieber, Ancient Copies (1977) Borbein, MarbWPr 1970 - A. H. Borbein, Die Athena Rospigliosi, MarbWPr 1970, 29-43 Borbein, Jdl 1973 - A. H. Borbein, Die griechische Statue des 4.Jhs. v. Chr. Formanalythische Untersuchungen zur Kunst der Nachklassik, JdI 88, 1973, 43-212 Canciani, LIMC II - F. Canciani, in: LIMC II (1984) 1074 - 1109 Athena/Minerva 1-448 Taf. 785- 815 Clairmont - C. Clairmont, Classical Attic Tombstones, 1-6 (1993-1995) Clarac - F. de Clarac, Muse´e de Sculpture antique et moderne III (1832-34) Deacy - Villing, Athena - S. Deacy - A. Villing, Athena in the Classical World (2001) Demargne, LIMC II - P. Demargne, in: LIMC II (1984) 955 - 1021; 1023 -1044 Athena 1-631 Taf. 702 765 Diepolder - H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1931) Dohrn, Att. Plastik - T. Dohrn, Attische Plastik vom Tode des Phidias bis zum Wirken der Meister des 4. Jhs. v. Chr. (1957) Eschbach, Statuen auf Preisamphoren - N. Eschbach, Statuen auf panathenäischen Preisamphoren des 4. Jhs. v. Chr. (1986) Eule, Hellenist. Bürgerinnen - J. C. Eule, Hellenistische Bürgerinnen (2000) Flashar, Apollon Kitharoidos - M. Flashar, Apollon Kitharoidos (1992) Fuchs, In genere graeciae - M. Fuchs, In hoc etiam genere graeciae nihil cedamus. Studien zur Romanisierung der späthellenistischen Kunst im 1. Jh. v. Chr. (1999) Fuchs, Skulptur4 - W. Fuchs, Die Skulptur der Griechen 4(1993) Gernand, AM 1975 - M. Gernand, „Hellenistische Peplosfiguren nach klassischen Vorbildern“, AM 90, 1975, 1-47 Taf. 1-12 Giglioli, BCom 1928 - G. Q. Giglioli, „Statua d’Athena di proprieta` Tittoni“, BCom 56, 1928, 161-171 Gmyrek, Kaiser und Göttin - C. Gmyrek, Römische Kaiser und griechische Göttin. Die religiös-politische Funktion der Athena/Minerva in der Selbst- und Reichsdarstellung der römischen Kaiser (1998)
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Gullini, BCom 1946-48 - G. Gullini, „Una nuova replica del tipo dell’Athena d’Arezzo“, BCom 72, 194648, 45-48 Taf. I Hettner, AdI 1844 - H. Hettner, „Pallas Tritogeneia“, AdI 16, 1844, 112-132 (zu MonInst IV Taf. I) Hiller, Formgeschichtl. Unters. - F. Hiller, Formgeschichtliche Untersuchungen zur Statue des späten 5. Jhs. v. Chr. (1971) Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989 - N. Himmelmann, Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom Quirinal. Kat. Bonn (1989) Himmelmann, Grabreliefs - N. Himmelmann, Attische Grabreliefs (1999) Horn, Gewandstatuen - R. Horn, Stehende weibliche Gewandstatuen in der hellenistischen Plastik, JdI Ergh. 2 (1931) Kabus-Jahn, AntPl 11 - R. Kabus-Jahn, Die grimanische Figurengruppe in Venedig, AntPl 11 (1972) Kabus-Jahn, Frauenfiguren - R. Kabus-Jahn, Studien zu Frauenfiguren des 4. Jhs. v. Chr. (1963) Karanastassis, AM 1987 - P. Karanastassis, Untersuchungen zur kaiserzeitlichen Plastik in Griechenland. II: Kopien, Varianten und Umbildungen nach Athena-Typen des 5. Jhs. v. Chr., AM 102, 1987, 323432 Kasper-Butz, Athena in Athen - I. Kasper-Butz, Die Göttin Athena im klassischen Athen. Athena als Repräsentantin des demokratischen Staates (1990) Klassik. Kat. Berlin 2002 - Die griechische Klassik. Idee oder Wirklichkeit (Kat. Berlin 2002) Kleiner, Roman Sculpture - D. E. E. Kleiner, Roman Sculpture (1992) Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen - H.- J. Kruse, Römische weibliche Gewandstatuen des 2. Jhs. n. Chr. (1975) Lawton, Document Reliefs - C. L. Lawton, Attic Document Reliefs. Art and Politics in Ancient Athens (1995) Lermann, Athenatypen auf Münzen - W. Lermann, Athenatypen auf griechischen Münzen. Beiträge zur Geschichte der Athena in der Kunst (1900) Linfert, Kunstzentren - A. Linfert, Kunstzentren Hellenistischer Zeit (1976) Lippold, Kopien und Umbildungen - G. Lippold, Kopien und Umbildungen griechischer Statuen (1923) Mahdia. Kat. Bonn 1994 - G. Hellenkemper-Salies u. a. (Hrsg.), Das Wrack. Der antike Schiffsfund von Mahdia. Kat. Bonn (1994) Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs - M. Mangold, Athenatypen auf attischen Weihreliefs des 5. und 4. Jhs. v. Chr., HASB 2. Beih. (1993) Mariani, BCom 1919 - L. Mariani, „Di alcune statue di recente restaurate all’Antiquarium“, BCom 47, 1919, 139-152 Taf. IX-X Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. - E. Mathiopoulos, Zur Typologie der Göttin Athena im 5. Jh. v. Chr. (1968) Meyer, Urkundenreliefs - M. Meyer, Die griechischen Urkundenreliefs (13. Beih. AM, 1989) Neumann, Weihreliefs - G. Neumann, Probleme des griechischen Weihreliefs (1979) Nick, Athena Parthenos – G. Nick, Die Athena Parthenos. Studien zum griechischen Kultbild und seiner Rezeption (19. Beih. AM, 2002) Palagia, Euphranor - O. Palagia, Euphranor (1980) Palagia, Pediments - O. Palagia, The Pediments of the Parthenon (1993) Palagia, Piraeus Bronzes - O. Palagia, „Reflections on the Piraeus Bronzes“, in: dies. (Hrsg.) Greek Offerings. FS J. Boardman (1997) 177 - 195 Palagia-Coulson, Regional Schools - O. Palagia - W. Coulson (Hrsg.), Regional Schools in Hellenistic Sculpture (1998) Palagia-Pollitt, Personal Styles - O. Palagia - J. J. Pollitt (Hrsg.), Personal Styles in Greek Sculpture (1996)
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Polyklet. Kat. Frankfurt 1990 - H. Beck - P. C. Bol - M. Bückling (Hrsg.), Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik. Kat. Frankfurt (1990) Pollitt, Hellenistic Age - J. J. Pollitt, Art in the Hellenistic Age (1986) Praschniker, ÖJh 1948 - C. Praschniker, „Aus dem Depot des Akropolismuseums I. Athene-Gestalten“, ÖJh 36, 1948 Beibl. 5-30 Radt, Pergamon - W. Radt, Pergamon (1999) Reinach, GazBA 1922 - T. Reinach, Deux „Athe´na“ en bronze, Gazette des Beaux Arts 26, 1922, 24-38 Reisch, ÖJh 1898 - E. Reisch, „Athene Hephaisteia“, ÖJh 1, 1898, 55-93 Taf. III Ridgway, Hellenistic Sculpture I, II, III - B. Sismondo Ridgway, Hellenistic Sculpture I (1993) II (2000) III (2002) Ridgway, Fourth-Century Styles - B. Sismondo Ridgway, Fourth-Century Styles in Greek Sculpture (1997) Ritter, JdI 1997 - S. Ritter, „Athenas Helme“, JdI 112, 1997, 21-57 Rizzo, Prassitele - G. E. Rizzo, Prassitele (1932) Schefold, Redner, Dichter und Denker - K. Schefold, Die Bildnisse der antiken Redner, Dichter und Denker (1997) Schlörb, Timotheos - B. Schlörb, Timotheos. 22. Ergh. JdI (1965) Schmidt, AntPl 13 - E. E. Schmidt, Die Kopien der Erechtheionkoren, AntPl 13 (1973) Schuchhardt, Alkamenes - W. H. Schuchhardt, Alkamenes, 126. BWPr (1977) 44 f. Schürmann, AntPl 27 - W. Schürmann, „Der Typus der Athena Vescovali und seine Umbildungen“ , AntPl 27, 2001, 37-90 Taf. 20-47 Simon, MededRom 1983 - E. Simon, „Eine späthellenistische Minerva in Tokyo“, MededRom 1983, 55-60 Stewart, Greek Sculpture - A. Stewart, Greek Sculpture. An Exploration (1990) Stewart, Skopas - A. Stewart, Skopas of Paros (1977) Todisco, Scultura Greca - L. Todisco, Scultura Greca del IV secolo (1993) Vierck, Aigis - S. Vierck, Die Aigis. Zu Typologie und Ikonographie eines mythischen Gegenstandes (Diss. Microfiche, 1997) Vierneisel-Schlörb, Kat. Glyptothek München II - B. Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München. Kat. der Skulpturen II. Klassische Skulpturen des 5. u. 4. Jhs. v. Chr. (1979) Villing, Iconography - A. Villing, The Iconography of Athena in Mainland Greece and the East Greek World in the 5th and 4th Centuries BC (Diss. ungedr. Oxford 1997) Vorster, Mus. Gregoriano Profano - C. Vorster, Museo Gregoriano Profano ex Lateranense. Katalog der römischen Skulpturen des späten Hellenismus und der Kaiserzeit. 1. Werke nach Vorlagen und Bildformeln des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1993) Wace, JHS 1906 - A. J. B. Wace, „Some Sculptures at Turin“, JHS 26, 1906, 235 ff. Waldhauer III - O. Waldhauer, Die antiken Skulpturen der Eremitage III (1936) Waldhauer, JHS 1923 - O. Waldhauer, „The Date of the Athena Rospigliosi Type“, JHS 43, 1923, 176-182 Taf. VII-VIII Walston, Alcamenes - C. Walston, Alcamenes (1926) Waywell, BSA 1971 - G. B. Waywell, „Athena Mattei“, BSA 66, 1971, 373-382 Taf. 66-72 Waywell, Freestanding Sculpture - G. B. Waywell, The Freestanding Sculpture of the Mausoleum at Halicarnassus in the British Museum (1978) Winter, AvP VII - F. Winter, Königliche Museen zu Berlin. Die Skulpturen aus Pergamon. Mit Ausnahme der Altarreliefs (1908)
IV. KATALOG Vorbemerkung Die Überlieferung der einzelnen Typen ist nach Statuen mit Kopf und ohne Kopf, Torsen, Fragmenten und Einzelköpfen sortiert; daran jeweils angeschlossen sind, soweit vorhanden, eindeutig auf den Typus zurückgehende Varianten sowie wahrscheinlich neuzeitliche Stücke. Die zur Datierung der Stücke herangezogene Literatur über Vergleichsbeispiele hat nur eingeschränkt bibliographischen Charakter und dient hauptsächlich als Bildnachweis. Abgekürzte Literaturangaben im Text und in den Anmerkungen verweisen auf die in den Literaturlisten zu den einzelnen Katalognummern angegebenen Titel. Technische Angaben wie Marmorsorte, Maße, Inventarnummern usw. sind angegeben, wenn sie verfügbar waren.
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TYPUS INCE
I. Statuen In I 1 Liverpool, Mus. Statue aus Ostia, ehemals Ince Blundell Hall H 1. 67 m; mit Plinthe 1. 76 m1470 pentelischer Marmor Taf. 1 Abb. 1 - 2; Taf. 2 Abb. 1 - 2 Dat.: claudisch1471 1470 1471
Ausführliche Maßangaben im Detail bei Ashmole. Die Replik läßt sich mit zwei nachaugusteischen Statuen der Livia vergleichen: Mit der tiberischen Livia im Louvre, K. de Kerauson, Muse´e du Louvre. Catalogue des Portraits Romains I. Portraits de la République et d' époque JulioClaudienne (1986) 102 f. 45 mit Abb., deren Faltenausführung mit ihren breiten, flachen, seitlich abgerundeten Faltengraten und der lebendigen Unterschiedlichkeit der reich angelegten Falten der phantasieloseren, gleichmäßigeren Faltenbildung der Athena vorausgeht, und mit der Livia in Holkham Hall, die claudisch datiert wird, H. Oehler, Foto und Skulptur. Römische Antiken in englischen Schlössern (Kat. Köln 1980) 70 Kat. 59 Taf. 29, und deren Faltenstil mit dem der Athena engstens verwandt ist. Gemeinsamkeiten sind die rund gewölbten, schmalen Faltenrücken, die dicklicher sind als am Mantel der Pariser Livia-Fortuna, sowie die breiten, schwerfälligmetallisch wirkenden glatten Flächen dazwischen, die an der Pariser Livia stärker differenziert und variiert sind. Die Livia in Holkham Hall und die Athena aus Ince Blundell Hall bewegen sich in ihrer Faltenarbeit auf spätclaudisch-frühflavische Gewandstatuen wie die Agrippina Minor der Slg. Leconfield in Pethworth zu; Fittschen - Zanker III, Beil. 6 a - d. Der Kopf der Athena unterstützt diese Datierung: Die wulstigen Lider und das weiche Karnat stehen gleichfalls auf vorflavischer Entwicklungsstufe, und die weichen und dennoch genau artikulierten Haarsträhnen mit Binnenritzung finden sich in claudischer Zeit; vgl. zu letzterem das Porträt des jungen Nero im Museo Capitolino Fittschen - Zanker a. O. 17 Taf. 17. Das weiche Karnat und die Augenbildung ist besonders gut mit Caligulaporträts zu vergleichen, s. z. B. Fittschen - Zanker a. O. 32 26 Taf. 26. Nach oben hin sichert die Statue der Priesterin aus dem Macellum in Pompeji die Datierung der Replik Ince ab, zuletzt P. Zanker, Pompeji. Stadtbild und Wohngeschmack (1995) 96 (Abb.), die sowohl im
Lit.: A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 338, 8; A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Altertum I (1896) 555 f. Taf. 4; Ashmole, Kat. Ince Blundell 6. 8 Taf. 10-11; H. K. Süsserott, Griechische Plastik im 4. Jh. v. Chr. (1938) 132 Taf. 28; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 1; J. Boardman, Griechische Plastik. Die klassische Zeit (1987) Abb. 204; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 14 ff. 56 (Beil.) Taf. 1; Todisco, Scultura Greca Abb. 9; Ridgway, Fourth Century Styles 353 f. Anm. 10.
Der Erhaltungszustand der Replik ist besonders gut. Ergänzt sind am Kopf die Nasenspitze, die Sphinx auf der Helmspitze, der Wangenschutz mit dem Nasenschild und die rechte Helmfutterschlaufe. Am Körper ist der rechte Unterarm mit der Eule ergänzt; der linke Arm ist bis auf Zeigefinger und Daumen aus Fragmenten wieder zusammengesetzt. Am Gewand sind die Falten der Standbeinseite von der Gürtung an abwärts teilweise ergänzt. Zu den Ergänzungen gehört auch das dort sichtbare Gewandgewicht. Die ersten beiden Zehen des linken Fußes sind modern. Die Plinthe war gebrochen; ihr vorderer Teil wurde samt den Zehenspitzen des rechten Fußes wieder angesetzt. Die rechte Plinthenseite wurde modern ergänzt. Ein ausgebrochenes Dübelloch an der linken vorderen Plinthenecke gibt wahrscheinlich die ehemalige Verankerung einer Lanze an, deren Verlauf durch die Haltung der linken Hand angezeigt wird1472. Der linke Fuß steht frei auf der Plinthe, die Ferse ist aber durch stehengelassenen Marmor mit der Plinthe verbunden. Ein Bossen stellt in der Mitte der Figur an der Unterseite des Peplos die Verbindung zur Plinthe her. In der Seitenansicht zeigen sich leichte Verunklärungen. Die flache, relativ breit angelegte Rückseite hält in ihrer sorgfältigen Ausarbeitung der Vorderseite stand. Die Aigis ist vorn und hinten ungefiedert; die Schlangen haben sich gut erhalten. Das Gorgoneion ist schlicht1473. Der Kopf der Replik ist offenbar Gewandstil als auch in der Angabe von Karnat, Augen und Mund noch gut mit der Replik Ince vergleichbar ist. 1472 Vgl. S. 7 ff.. 1473 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
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angearbeitet und ungebrochen erhalten - weder am Halsausschnitt noch am Nackenschopf lassen sich Ansatzspuren erkennen1474. Ein weiteres Indiz für die handwerkliche Qualität der Replik ist die Ausarbeitung eines Abstandes zwischen Nackenzopf und Hals. Der Nackenzopf liegt in vier Spirallockensträhnen auf dem rückwärtigen Teil der Aigis auf. Das Schläfenhaar führt typusgemäß in lockeren Strähnen zum Zopf; die Strähnen sind sauber artikuliert und einzeln plastisch ausgearbeitet. Der Mund ist leicht geöffnet und macht die Zahnreihen sichtbar. Das Karnat ist weich, aber spannungsvoll, die Augenpartie behutsam und fein gearbeitet. Am Hals unterstützt das Muskelspiel die Kopfwendung.
In I 2 Tivoli, Villa Hadriana 2227 Statue 1952 im westlichen Teil des "Euripus" im "Canopustal" der Villa Hadriana gefunden H 1. 725 m pentelischer Marmor Taf. 3 Abb. 1 - 2 Dat.: hadrianisch Lit.: S. Aurigemma, BdA 39, 1954, 331 f. Abb. 14; ders., Villa Adriana (1961) 99 Abb. 76; B. Andreae, AA 1957, 317, 322 Abb. 100; Waywell, BSA 1971, 376 f. 381 Ince Athena 2; H. Lauter, Zur Chronologie römischer Kopien nach Originalen des 5. Jahrhunderts (1968) 33 f.; Kabus-Jahn, AntPl 11, 95 Abb. 10; J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1983) 83 I 75 Taf. 15-16; Karanastassis, AM 1987, 360 Taf. 54. 2; M. de Franceschini, Villa Adriana (1991) 568. 18; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 2; J. Charles-Gaffiot - H. Lavagne, Hadrien. Tresors d’une Villa Imperiale (Kat. Paris 1999) 218. 64 mit Abb. u. Lit.
Die Statue ist mit Plinthe und wieder aufgesetztem Einsatzkopf erhalten. Die ur1474
Dieser günstige Umstand wird in der Literatur immer wieder hervorgehoben und macht den großen Wert der qualitätvollen Replik aus (vgl. Michaelis; Ashmole).
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sprünglich angesetzten Arme fehlen. Der Kopf ist in der unteren Gesichtshälfte durch Korrosion entstellt; auch die linke Seite des Kopfes samt dem Schläfenhaar ist aufgerauht. Die kompakten Lockensträhnen der rechten Seite bestehen aus durch Ritzung voneinander abgesetzten Einzelsträhnen. Eine umlaufende Bruchnaht zeigt an, daß der vordere Gesichtsbereich mit Oberlippe, Nase, Augen und Stirnhaar bis hinauf zum Nasenschild des Helmes abgespalten war und wieder angesetzt wurde1475. Auf der Helmspitze hat sich ein Rest der sich von dieser Stelle aus nach hinten herabringelnden Schlange erhalten. Der Körper hat durch langes Lagern in Feuchtigkeit stark gelitten. Die Faltengrate der Vorderseite sind vollkommen abgeschliffen; lediglich die tiefen Faltentäler über dem Standbein und am linken Kolpos zeugen noch von hadrianischer Kopistenarbeit. Der untere Peplossaum liegt nicht auf der annähernd rechteckigen Plinthe auf. Die Qualität des Kopfes läßt auf das hohe Niveau der Replik schließen. Die um den Halsausschnitt gelegte Aigis ist nicht bei allen Repliken doppelt; etwa die Hälfte der Repliken zeigt jedoch den oberen Schlangenrand der Aigis1476. Die Replik ist den Koren der Villa Hadriana sehr verwandt und stammt wahrscheinlich aus derselben Werkstatt.
II. Statuen ohne Kopf In II 1 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek 1817 Statue ohne Kopf1477
1475
Es wird sich kaum um eine antike Anstückung handeln - sicher kann dies aber erst vor Ort oder bei Vorlage eines Fundberichtes entschieden werden. 1476 Vgl. S. 6. Die amulettartige Gestaltung der Schlange unter dem Gorgoneion findet sich in der gleichen Weise oder als symmetrisch von beiden Seiten der Aigis aus aufeinandertreffende Doppelschlange bei allen Repliken. 1477 Ergänzungen durch Abgüsse von Kopf und Armen der Replik aus Ince Blundell Hall wurden wieder
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1901 in München erworben; aus Santa Maria di Capua H 1. 42 m weißer Marmor, grobkristallin, grau durchsetzt (evtl. Hymettosmarmor) Taf. 4 Abb. 1 - 2 Dat.: augusteisch, evtl. östlich1478 Lit.: EA 3848; Ny Carlsberg Glyptotek. Billedtavler til kataloget over antike Kunstvaerker (1907) Taf. 8. 99 (noch unergänzter Zustand); V. H. Poulsen, in: From the Collection of the Ny Carlsberg Glyptotek, 1942, III 80 ff. Abb. 46; Poulsen, Cat. Sculpt. 92. 99; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 7; Kabus-Jahn, AntPl 11 Abb. 11 (aufgrund der inzwischen entfernten Ergänzungen nach der Replik in Liverpool mit dieser verwechselt); Karanastassis, AM 1987, 363; M. G. Picozzi, in: Catalogo della Galleria Colonna in Roma. Sculture (1990) 253; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 7; Todisco, Scultura Greca Abb. 9 (nach Kabus-Jahn, dementsprechend ebenfalls mit falscher Bildunterschrift).
An der unergänzten Figur fehlen außer dem Einsatzkopf die Arme mit Schultern und der rechte Fuß. Die Halsgrube für den Kopf ist relativ flach und enthält ein tiefes Dübelloch. entfernt, vgl. EA 3848 - dies führte wohl zu der Verwechslung Todiscos. 1478 Die Replik weist deutlich frühkaiserzeitliche Kennzeichen auf: Die Zierlichkeit der Formen, die Zartheit und Variation der Faltengebung, die Feinheit des Stoffes, die sorgsam ausgestaltete Rückseite, die überall spürbare Delikatesse. Gleichzeitig äußert sich ein direkter Bezug zum Späthellenismus in einer leichten Labilität des Standes und einer Art Auspendelung der Figur, die, wie teilweise auch der Faltenstil, leicht manieristisch wirkt. Das gleiche dünne Gewand mit filigraner Faltenwirkung der Oberfläche zeigt der Augustus von der Via Labicana, D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, Herrscherbild I 2 (1993) 176. 165 Taf. 80, 148. 8. Zur evtl. östlichen Einordnung vgl. die allerdings tiberischen Augustusstatuen aus Zadar und Thessaloniki, Boschung a. O. 183 f. 177 Taf. 114, 148. 9; 219. 1; 189. 197 Taf. 117, 173. 3, 217. 1 mit der fast brüchigen, fein gefältelten Oberfläche ihrer Hüftmäntel und den stark unterschnittenen Falten. Frühkaiserzeitlich datiert auch Karanastassis, während Picozzi 253 eine Datierung ins späte 1. / frühe 2. Jh. n. Chr. vorschlägt.
Die unregelmäßige Plinthe wurde in eine moderne Basis eingelassen. Die Faltengrate sind überall stark bestoßen, vor allem aber an den seitlichen Peploskanten. Auch die Unterkante des tief hinterarbeiteten Apoptygmasaumes ist beschädigt. Die untere Reihe der Schlangen an der von beiden Seiten nach innen hin geschuppten Aigis fehlt. Große Dübellöcher in den Armausschnitten zeigen die Ansatzpunkte der Arme an; der linke Arm wurde durch ein zusätzliches Dübelloch in den Falten unterhalb der Achselhöhle gehalten. Die Faltenangabe ist insgesamt fein und sensibel; die Falten sind zurückhaltend gestaltet, lebendig und kaum verschattet. Bohrspuren sind nirgendwo sichtbar. Die Hüfte ist gegenüber dem Oberkörper in der Vorderansicht etwas nach rechts verschoben und die Aigis erscheint leicht asymetrisch1479. Die Replik ist am qualitätvollsten und übertrifft in ihrer fast manirierten Feinheit die Replik Ince.
In II 2 Rom, Galleria Colonna Statue mit modernem Kopf antike H 1. 33 m feiner, weißer Marmor Taf. 5 Abb. 1 Dat.: claudisch-frühflavisch1480 1479
Auch dies unterstreicht die Verbindung zum Späthellenismus mit der ihm eigenen Lebendigkeit und Eigenwilligkeit früher Repliken; vgl. Anm. 1471. 1480 Picozzis Datierung um die Wende vom 1. zum 2. Jh. (a. O. 253) ist vermutlich etwas zu spät angesetzt. Die Replik zeigt trotz ihrer starken Zerstörung noch Verbindung zur frühen Kaiserzeit; Gewandstil und Körperproportionen sind dagegen flavischer Auffassung verpflichtet. Die gewisse Kälte der Repliken aus dem 2. Jh. wird an der Replik nirgends sichtbar. Eine claudisch-frühflavische Datierung wird der detailreichen, flach angelegten Faltengebung und der dünnen Feinheit des Gewandstoffes am ehesten gerecht. Im Vergleich mit den übrigen Repliken der frühen Kaiserzeit (In I 1, In II 1, In II 3, In III 1, In III 2) bestätigt sich dieser Eindruck. Zur Verbindung mit der frühen Kaiserzeit vgl. außerdem die Koren vom Augustusforum; Schmidt, AntPl 13 Taf. 1-5, außerdem eine claudische Gewandstatue in Madrid, S. F. Schröder, Katalog der antiken Skulpturen des Museo del Prado in Madrid (1993),
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Lit.: EA 1129; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 233 Anm. 132; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 6; Karanastassis, AM 1987, 364 Anm. 185; M. G. Picozzi, in: Catalogo della Galleria Colonna in Roma. Sculture (1990) 252 ff. 136 (mit Abb. u. Lit.); Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 6.
Der Erhaltungszustand ist schlecht; die Falten sind dort, wo sie nicht bestoßen sind, zu großen Teilen ausgebessert: so die Steilfalten über dem Standbein, die Saumkante über dem rechten Fuß und Teile der seitlichen Saumfalten darüber. Die Oberfläche ist aufgerauht; die Schlangen an der durch Ritzung gefiederten, doppelrandigen Aigis sind abgebrochen. Vom linken Arm ist nur noch die Hälfte der Schulter antik, vom rechten der halbe Oberarm. Die Zehen sind antik, wurden mitgefunden und wieder angesetzt1481. Die unregelmäßige Plinthe wurde in eine moderne, kreisrunde Basis eingegossen. Details wie die Strichelung an den seitlichen Peplossäumen und die lebendige, jetzt stark verunklärte Faltenbildung zeugen von der ursprünglichen technischen Qualität der Replik, die jedoch durch eine gewisse Flachheit und Aussagelosigkeit überlagert und abgeschwächt wird.
In II 3 Rom, Museo Capitolino 629 Statue mit nicht zugehörigem Kopf aus Antium, ehemals Slg. Albani H 1. 63 m Kopf parischer Marmor, Körper pentelisch1482
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Lit.: Stuart Jones, Mus. Cap. 280. 8 Taf. 67; A. Furtwängler, Abh. München 22 (1903) 31; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 9; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 9.
Ergänzt sind die Arme mit den Attributen, Teile der Aigisschlangen und der sichtbare linke Fuß. Die Falten sind vor allem im Beinbereich mit Gips nachgebessert worden. Am fremden, aber wohl antiken Kopf sind die Enden der Wangenklappen ergänzt, außerdem die Nase, die rechte Stirnhälfte, der rechte Teil der Unterlippe, das Kinn und der vordere Halsteil. Der Kopf ist eingesetzt und wurde offenbar mit ergänzten Marmorstücken passend gemacht1484. Die Stellung des vom Kopf abstehenden Haarschopfes zeigt, daß dieser auf dem eigentlich zugehörigen Körpertypus frontal aufgesessen haben muß. Die Rückseite der Figur ist ausgearbeitet. Die eigenartige Form der Plinthe ist wahrscheinlich modern: Die Profilierung der fast kreisrunden Standfläche unter dem Standbein ist nur am Ansatz antik1485, während das Profil der übrigen Rundung und der etwas zurückweichenden trapezoiden Standfläche unter dem Spielbein nachträglich hinzugefügt zu sein scheint. Die Plinthe war wahrscheinlich oval. Die Rückseite der Plinthe ist unprofiliert belassen. Die Aigis ist ungefiedert, das Gorgoneion schlicht. Der Gürtel bildet eine große Schleife und endet in zwei Knoten mit Fransen.
wohl
Taf. 5 Abb. 2 Dat.: flavisch1483 144 ff. 34 mit Abb., die das an der Replik nur noch stellenweise zu ahnende Verhältnis tief verschatteter Faltentäler und flacher glatter Stofflächen neben scharf kontrastierten dünnen Faltenrücken noch besser zeigt. 1481 Picozzi 252. 1482 Vgl. Stuart Jones 280. 1483 Die Replik findet trotz des typologischen Unterschiedes sichtbare Parallelen in einigen flavischen Gewandstatuen im Typus der Kleinen Herculanerin, vgl. Kruse, Röm. weibl. Gewand-
statuen C 1 Taf. 28; Bieber, Ancient Copies Taf. 117 Abb. 688-690. Von der Stoffdicke über die Art der Faltenführung bis hin zur Weichheit der Falten bestehen trotz der Ergänzungen im Beinbereich viele Gemeinsamkeiten. In der Ausfertigung von Aigis, Gorgoneion und Gürtung schließt sich der Torso im Museo Nuovo (In III 2) an, sodaß die beiden Repliken gegenseitig ihre Datierung unterstützen. 1484 S. Anm. 18. 1485 Die These Muthmanns, profilierte Plinthen gebe es erst ab dem 2. Jh., steht in einem gewissen Widerspruch zur flavischen Datierung der Replik. Trotz der starken Ergänzungen erscheint jedoch die flavische Datierung nach eingehender Überprüfung am zutreffendsten.
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In II 4 Rom, Villa Medici Statue ohne Kopf, mit anderen Fragmenten zu einem Relief zusammengesetzt Slg. della Valle Dat.: evtl. trajanisch oder früher1486 Lit.: Matz - Duhn III 4083; M. Cagiano di Azevedo, Le Antichita`` di Villa Medici (1951) 46. 20 Taf. 12. 18.
Der Rumpf, dessen Arme fehlen, wurde zusammen mit drei anderen Fragmenten - einem weiblichen Kopf, dem Torso eines Togatus und einem antoninischen Porträtkopf in modernen Reliefgrund eingesetzt. Die Merkmale des Typus Ince sind deutlich erkennbar. Außer Kopf und Armen fehlt der linke Mittelschnörkel der Aigis, die Faltengrate waren bestoßen und scheinen teilweise ergänzt worden zu sein.
In II 5 St. Petersburg, Eremitage Statue ohne Kopf aus Cumae; Slg. Campana H 1. 67 m pentelischer Marmor Taf. 6 Abb. 1 – 3; Taf. 7 Abb. 1 Dat.: trajanisch1487
1486
Da bisher keine gute Einzelaufnahme des Torsos vorliegt, ist eine genauere Datierung ohne eigene Anschauung nicht möglich. An den vorhandenen Aufnahmen wird der Unterschied von Originalem und Ergänztem nicht sichtbar. So steht die stereotype Gleichmäßigkeit der Standbeinfalten in krassem Gegensatz zu den feinen, scharfrückigen, fast trockenen Falten an Oberkörper und Spielbein - entweder sind also die Standbeinfalten ergänzt oder die übrigen Falten beschädigt. Worauf sich folglich eine Replikendatierung stützen soll, bleibt vorerst unklar. 1487 Zwei Statuen der Plotina im Louvre, Bieber, Ancient Copies Taf. 136 Abb. 798 und Taf. 144 Abb. 845, lassen sich mit der Replik vergleichen und bestätigen eine Datierung in trajanische Zeit, die auch durch die breite Anlage der Faltengebung und ihre klare und ruhige Licht-Schatten-Wirkung nahegelegt wird. Die Replik steht damit für die trajanische Präzisierung und breite Kalligraphie gegenüber den weich ausufernden Faltenwürfen flavischer Zeit und leitet zum metallischen hadrianischen Kopierstil über (vgl. Kat.text).
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Lit.: Waldhauer III 2. 215 Taf. II (mit älterer Lit.); Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 3; I. Saverkina, Skulptura Grečeskaja Hermitage Leningrad (1986) 118 f. 49 mit Abb.; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 3.
Ergänzt sind Brustbein und Nacken mit dem Halsansatz. Die Faltengrate sind stellenweise ausgebessert. Die Plinthe ist in eine moderne Basis eingelassen. Der ursprünglich angesetzte rechte Arm fehlt, vom linken ist der offenbar angearbeitete Oberarm erhalten. Abweichend vom Typus zeigt er die Schulterknüpfung eines unter dem Peplos getragenen Chitons. Die Aigis fehlt wie an der Replik in der Villa Doria Pamfilij (In II 6). Die Gürtung ist in Form eines Heraklesknotens gestaltet. Der untere Peplossaum steht nicht mit der Plinthe in Verbindung; der Standbeinfuß ist weit nach hinten ausgestellt. Der Saum an der offenen rechten Seite des Peplos ist besonders aufwendig gestaltet. Die Rückseite ist offensichtlich ausgearbeitet, erscheint aber relativ flach. Die Replik ist außerordentlich qualitätvoll und legt in der Klarheit ihrer Linien, der Sorgfalt ihrer Details und ihrer Wiedergabe ruhiger Körperlichkeit zunächst eine frühkaiserzeitliche Datierung nahe. Die scharfe Klarheit der Falten ist jedoch zusammen mit den stark verschatteten, tief gebohrten Faltentälern als Vorstufe hadrianischer Bronzeartigkeit am besten verständlich und die zeichnerische Ornamentik der relativ flach nebeneinander angeordneten Falten paßt ebenfalls in dieses Bild.
In II 6 Rom, Villa Doria Pamfilij Statue mit modernem Kopf1488 H 1. 60 m Lunamarmor Taf. 7 Abb. 2 Dat.: trajanisch1489 1488
Vgl. den ganz ähnlichen, sicher modernen Kopf Calza Taf. 41. 63. 1489 Die äußerst geringe Qualität der Replik macht eine Datierung schwierig; am ehesten paßt sie aber als summarische, wenig gute Replik in
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Lit.: EA 2339; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 5; B. Palma, in: R. Calza (Hrsg.), Antichita`` di Villa Doria Pamfilij (1977) 40. 5 Taf. 6; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 5.
Rumpf pentelischer Marmor
Die modernen Ergänzungen von Kopf, Armen und Attributen zu einer Art Victoria sind willkürlich; die neue Kopfwendung ignoriert sogar die am Hals noch sichtbare Muskelbewegung. Die Oberarme sind erhalten, die Unterarme ergänzt. Ergänzt sind weiterhin die rechte Schulter und einige Faltengrate an der rechten Seite des Unterkörpers. Die Aigis fehlt oder ist zumindest nicht erhalten. Der rechte Fuß mit Plinthe und einem Teil des unteren Gewandsaumes war abgebrochen. Durch eine leichte Proportionsverschiebung wirken die Oberschenkel zu lang und die Unterschenkel zu kurz. Der Peplossaum schlingt sich schwerfällig um den Spielbeinknöchel; der Saum hebt sich nur geringfügig von der Plinthe ab und ist auf der rechten Seite deutlich mit ihr verbunden. Die Faltenbildung des Apoptygma ist stereotyp und schematisch; sie orientiert sich nur ungefähr am Urbild.
Dat.: hadrianisch1490 Lit.: L. Kjellberg, RM 14, 1899, 114 ff. Taf. VI (zum Kopf); H. Brising, Antik Konst i Nationalmuseum (Stockholm 1911) 39. 2 Taf. 16; O. Antonsson (Hrsg.), Antik Konst. En Konstbok fran Nationalmuseum (1968) 17 (Abb.) 26; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 14; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 10; A.-M. Leander-Touati, Ancient Sculptures in the Royal Museum I (1998) 107 ff. 3Abb. 38 Taf. 3 – 5.
In II 7 Stockholm, Nationalmus. Statue mit nicht zugehörigem Kopf vom Typus Kassel (K II 1) 1780 bei Praeneste gef. (der Kopf bei Santa Maria Maggiore in Rom; zusammengefügt und restauriert durch Giovanni Crosati) trajanische Zeit. In ihrer fast verschwimmenden Weichheit noch der flavischen Epoche verbunden, zeigt sie die bandartig aufgelegten Falten trajanischer Werke, und die teilweise Verschattung der Faltentäler, die streng vertikal nebeneinander angeordneten Falten über dem Standbein und die beginnende Ornamentik der Falten am Unterschenkel des schwerfälligen Spielbeins und der ungeschickt ausgeführten Falten des Apoptygma zeugen von der Hand eines bescheidenen Kopisten vorhadrianischer Zeit. Parallelen finden sich in spättrajanischer Zeit; vgl. die spättrajanisch-frühhadrianischen Gewandstatuen der Loggia dei Lanzi in Florenz, Bieber, Ancient Copies 168 Taf. 126 Abb. 746 - 749. Gut vergleichbar ist eine trajanische Porträtstatue im Bardo-Museum in Tunis, Bieber a. O. Taf. 140 Abb. 821. Für eine Datierung in das 2. Jh. spricht wahrscheinlich auch die profilierte Plinthe, vgl. B. Palma; vgl. aber Anm. 1485.
Taf. 8 Abb. 1 - 3
Daß der Kopf nicht zugehörig ist, war in der Literatur immer bekannt1491. Der Kopf folgt dem Typus Kassel, der bisher aber nur als Kopftypus faßbar wurde1492. Die Verbindung zum Körper stellt der bis zum Kinn des Kopfes ergänzte Halsausschnitt her. Der Restaurierung Crosatis entstammen ferner die Arme (am Kopf die Nase, die Spitzen des Helmvisiers und der hintere Helmbereich). Einzelne bestoßene Faltengrate wurden geflickt; ergänzt sind weiterhin Teile der Aigisschlangen. Die Plinthe wurde rauh und unregelmäßig belassen. Die Aigis ist geschuppt; das ungewöhnliche Gorgoneion mit seiner eigenartig faltigen Fratze und den überdimensionalen Ohren muß zumindest teilweise der Phantasie des Ergänzers entsprungen sein. 1490
Vgl. die Statue Hadrians im Himation aus Cyrene im British Museum London, E. Rosenbaum, A Cat. of Cyrenaican Portrait Sculpture (1960) 51 f. Taf. XXVI 1-2. XXVII 1; Bieber, Ancient Copies Taf. 104 Abb. 629, der die gleichen flachen, breiten, geknickten Faltenrücken und eine genauso bronzehaft "verbeulte" Oberfläche aufweist. Enge Verbindungen bestehen ebenfalls zu den immer wieder herangezogenen Koren der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32, mit denen die Athena vor allem die stark verschatteten Faltentäler und die vielfach geknickten, seitlich schnurartig abgerundeteten markanten Faltenrücken teilt. 1491 Unverständlich ist daher, weshalb die Figur in der Replikenliste Mangolds mit dem Zusatz "andere Kopfhaltung" versehen wurde. 1492 S. K I 1-K II 1. A.-M. Leander Touati schreibt den Kopftypus ohne weitere Erläuterung dem Athenatypus „Hephaisteia - Cherchel“ zu – wahrscheinlich wegen seiner Verbindung zum Kopf des Typus Kassel, der mit der Replik des Typus Ostia-Cherchel im Louvre verbunden ist (K I 3).
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Die Replik ist von eher mittelmäßiger Qualität. Der Zeitstil hat in der kontrastreichen Faltenbildung mit den wulstigen, breiten Graten und den plötzlich abgeknickten Faltentaschen besonders deutliche Spuren hinterlassen. Die Faltenführung geht durch Hinzufügung einiger starrer Faltenzüge über die kanonischen Falten des Typus Ince hinaus.
In II 8 Sfax Statue ohne Kopf Taf. 7 Abb. 3 Dat.: antoninisch1493 Lit.: unpubliziert - keine näheren Angaben zugänglich; erwähnt bei B. Palma, in: R. Calza (Hrsg.), Antichita`` di Villa Doria Pamfilij (1977) 40 Anm. 3; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 12.
Abgesehen von der fehlenden rechten Seite des Oberkörpers und dem Verlust der Arme ist der Torso gut erhalten. Von der Aigis ist nur noch der Rest der linken Schulterpartie mit einigen Schlangenfragmenten sichtbar. Die Oberfläche ist stark geglättet. Die Merkmale des Typus sind relativ frei eingesetzt, aber insgesamt doch befolgt worden. Details wie der durchgehende Gürtel und einzelne Faltenmotive am Apoptygma sind geringfügig abgewandelt. Die Stoffqualität ist dünn, aber gleichzeitig schleppend; der untere Gewandsaum liegt auf der Plinthe auf. Der durch die dünne Stoffqualität und die relativ zarten Proportionen erreichte Gesamteindruck kann sich mit den Repliken des 1. Jhs. vergleichen lassen. Die Replik ist insgesamt von provinzieller Machart
1493
Vgl. die antoninische weibliche Porträtstatue einer Cornelia Antonia aus Antiochia in Pisidien, J. Inan - E. Rosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor (1966) 208 f. 287 Taf. 162. 1; Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 393 f. D 124 mit Lit.; A. Pasinli, Istanbul Archaeological Museum. Kat. (1995) 63. 74 mit Abb.
und paßt sich gut in die Eigenarten nordafrikanischer Repliken ein1494.
III. Torsen In III 1 Santa Barbara, Mus. of Art 1978. 4. 3 Torso Slg. Wright S. Ludington 1927 in einer Villa an der Via Appia gefunden1495 H 1. 31 m wahrscheinlich pentelischer Marmor1496 Taf. 9 Abb. 1 - 3 Dat.: claudisch1497 Lit.: A. M. del Chiaro, Santa Barbara Museum of Art. Classical Art, Sculpture (o. J.) 21 ff. 4 mit Abb.; R. Neudecker, Die Skulpturen-Ausstattung römischer Villen in Italien (1988) 184. 36. 1; G. M. de Rossi, Bovillae. Forma Italiae, Regio I 15 (1979) 239 mit Abb. (in unrestauriertem Zustand); M. G. Picozzi, in: Catalogo della Galleria Colonna in Roma. Sculture (1990) 253 f. Anm. 2.
Der gesamte rechte Achselbereich ist in grauerem Marmor ergänzt; der Ansatz des rechten Armes wurde dabei falsch re-
1494
Zur Eigenart nordafrikanischer Repliken vgl. R II 2, OC III 1, OC III 2, Ve VI 1, Ve V 6, T III 1. 1495 Picozzi bemerkte die Übereinstimmung zwischen dem bei de Rossi als Fund abgebildeten Torso und dem hier vorliegenden Stück in Santa Barbara. 1496 Del Chiaro 22. 1497 Gut vergleichbar ist die Livia-Venus vom Ravennarelief, T. Hölscher, in: V. M. Strocka (Hrsg.), Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41 - 54 n. Chr.) Symposiumbericht Freiburg 1991 (1994) 94 f. Abb. 3; D. Boschung, Gens Augusta (2002) Taf. 1. 2, sowie die Statue der AntoniaVenus aus Baiae, die einem spätklassischen Darstellungstypus folgt, B. Andreae a. s. O. 221 ff. Abb. 11. Sehr ähnlich sind auch die Faltenbildung und das Verhältnis von Körper und Gewand an einem in claudische Zeit datierbaren Togatus aus dem Theater von Caere im Vatikan, M. Fuchs, in: P. Santoro (Hrsg.), Caere - 2. Il teatro e il ciclo statuario giulio-claudio (1989) 71. 6 Abb. 56; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 86. 25. 7 Taf. 73. 1.
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konstruiert1498. An der linken Schulter befinden sich drei rechteckige Dübellöcher zur Befestigung des fehlenden linken Armes. Der untere Teil der Figur ist etwa auf der Mitte der Unterschenkel weggebrochen; die Bruchfläche des rechten Beines weist ein Dübelloch auf. Faltengrate und Aigisschlangen sind stark bestoßen. Die Aigis hat keine Schuppenzeichnung; das Gorgoneion ist schlicht. Der Haarschopf im Nacken zeigt die typusgemäße Kopfwendung des verlorenen Einsatzkopfes an1499. In der Publikation wird die Replik augusteisch datiert und der gleichen Kopistenwerkstatt zugeordnet, aus der die Replik Ince Blundell in Liverpool stammt1500. Ein solcher Schluß erscheint angesichts bestehender Unterschiede gewagt1501. Richtig ist sicher, daß die Repliken zeitlich nicht weit auseinanderliegen - dafür spricht nicht zuletzt die Ähnlichkeit der Gorgoneia1502. Zeichen einer leichten Vergröberung sind jedoch die vergrößerte Aigis, der große Gürtelknoten, die Dicke einiger Falten sowie die schematische Bohrung der Steilfalten über dem Standbein.
In III 2 Rom, Museo Nuovo Capitolino 919 Torso aus Rom; 1881 im Garten des Bernhardskonvents an der heutigen Via Modena gef.
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H 0. 85 m parischer Marmor Taf. 10 Abb. 1 - 4 Dat.: flavisch1503 Lit.: Stuart Jones, Mus. Cap. 99. 41 Taf. 37; Mustilli 129. 18 Taf. 80 Abb. 303; W. Fuchs, in: Helbig4 II (1966) 1761; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 8; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 8.
Der Zustand des Erhaltenen ist gut; Falten und Aigisschlangen sind kaum bestoßen. Trotz eher durchschnittlicher Qualität wirkt die Faltengebung lebendig und plastisch. Der Wert der Replik liegt außerdem in der Erhaltung von Halsansatz und Oberarmen. Die Rückseite ist vollständig ausgearbeitet. Ein wichtiger Hinweis auf die Kopfhaltung ergibt sich zudem aus dem in undeutliche Strähnen geteilten Haarschopf, der die Kopfwendung nach rechts bestätigt. Der Haarschopf wirkt voluminöser, weil auf ihm ein Rest des herabfallenden Helmbusches aufliegt. Dies Detail ist an keiner anderen Replik erhalten und dürfte eine Abwandlung sein. Eckige Bossen an beiden Körperseiten werden mit dem Verlauf der Unterarme zusammenhängen; ihre Positionen lassen jedoch keine genauen Schlüsse zu. Es läßt sich lediglich beobachten, daß der leicht nach oben weisende Bossen der rechten Körperseite 1503
1498
Vgl. die Abb. vom unrestaurierten Zustand bei de Rossi. 1499 Für A. M. del Chiaro 21 ist der angearbeitete Haarschopf ein Hinweis darauf, daß Kopf und Körper ursprünglich aus einem Stück gearbeitet waren und die Grube für den Einsatzkopf auf eine spätere Reparaturphase zurückgeht. Da das untere Ende des Schopfes jedoch fast immer vom Körper aus gearbeitet war, spricht dieser Umstand keineswegs gegen einen Einsatzkopf. Merkwürdig ist allerdings die Flachheit der Grube für den Einsatzkopf. 1500 Del Chiaro 23. 1501 Diese Annahme beruht vielleicht auch auf der häufigen Verwechslung mit der Replik in Kopenhagen (In II 1). 1502 Vgl. S. 258 ff. Neudeckers antoninische Datierung des Torsos ist wohl auf die unzureichende Abbildung bei de Rossi zurückzuführen. Er hält den Torso außerdem für eine Parthenos-Replik.
Die Replik weist mit ihrem weichen, lebendigfülligen, relativ flach gehaltenen Faltenstil deutliche Merkmale flavischer Zeit auf. Der Vergleich mit den Cancelleriareliefs, F. Magi, I rilievi flavi del Palazzo della Cancelleria (1945); J. M. C. Toynbee, The Flavian Reliefs from the Palazzo della Cancelleria in Rome (1957); G. Koeppel, BJb 184, 1984, 5 ff. 28 ff., zeigt Verbindungen, macht aber auch den Anflug ornamentaler Härte sichtbar, der die Wulstigkeit und Weichheit der Faltenrücken an den Reliefs zu beeinträchtigen beginnt. Der Athenatorso schließt sich in seiner fast aufgedunsenen Weichheit, sichtbar außer an den Faltenrücken auch an Aigisschlangen und Gorgoneion, neronischen Werken an; vgl. die angeblich Antonia Minor darstellende Porträtstatue im Louvre, K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Catalogue des portraits romains I (1986) 170 f. 79 mit Abb. und die Porträtstatue der Agrippina Minor aus dem Heraion von Olympia, Bieber a. O. 196 Taf. 137 Abb. 805-806; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 101. 33. 5 Taf. 81. 2.
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Torso 1892 in Rom erworben H 0. 76 m grobkörniger, weißer Marmor
unterscheidbar sind. Die Armausschnitte zeigen noch die Dübellöcher für die eingesetzten Arme; an der linken Seite ist ein Rest des Dübels sichtbar. Die Aigis ist gefiedert; das Gorgoneion ist schlicht1505. Kleinen Bohrlöchern an der Aigis zufolge waren dort Metallschlangen angesetzt. Der Haarschopf ist nach links verschoben; die feinen Haarsträhnen sind teilweise gebohrt und zeigen Binnenritzung. Die Rückseite ist ausgearbeitet. Die Falten sind teilweise gebohrt, aber nachträglich ausgearbeitet worden. Trotz der guten Qualität, die vielleicht einer griechischen Werkstatt zuzuschreiben ist, und der schlichten Ausführung des Gorgoneion kann die Replik ihrer polierten Oberfläche wegen und einer gewissen stereotypen, wie aufgelegt wirkenden Faltenbildung zufolge antoninisch datiert werden.
Taf. 11 Abb. 1 - 2
IV. Köpfe
Dat.: frühantoninisch-östlich1504 Lit.: EA 163; Ny Carlsberg Glyptotek. Billedtavler til Kataloget over antike Kunstvaerker (1907) Taf. 8. 100; P. Arndt, La Glyptothe``que Ny Carlsberg (1912) 71 Abb. 39; Poulsen, Cat. Sculpt. 93. 100; Waywell, BSA 1971, 381 Ince Athena 4; M. Moltesen, JRA Suppl. 1 (1990) 136 f. Abb. 4; Mangold, Athenatypen auf Weihreliefs 56 (Beil.) 4.
In IV 1 Prag, Narodni Galeri 4744
offenbar mit der zerstörten Faltenregion darüber in Verbindung gestanden hat und auf diese Weise einen abgewinkelten rechten Arm unterstützt haben könnte. Der linke Bossen dagegen läßt die Falten unberührt und steht gleichmäßig waagerecht vom Körper ab - er diente vielleicht als Stütze für einen herabhängenden linken Arm. Bemerkenswerte Details sind weiterhin die gefiederte Aigis mit zwei Schlangenreihen und der sorgfältig gestaltete Heraklesknoten der Gürtung.
In III 3 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek 536
Der aus vier Bruchstücken zusammengesetzte Torso ist stark bestoßen. Beine, Arme und Einsatzkopf fehlen. Die Oberfläche ist stark poliert. Die Falten der seitlichen Gewandbäusche sind sehr beschädigt, ebenso die Falten unterhalb der linken Brust. Von den Oberschenkeln ist noch soviel erhalten, daß Stand- und Spielbein 1504
Der Torso ist sicher etwas später geschaffen als die Sabina-Ceres in Ostia, A. Carandini, Vibia Sabina (1969) 195. 407 f. Taf. 110 f. Abb. 263-65, Kruse, Gewandstatuen 229 f. A 12 Taf. 5; E. La Rocca, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 642 ff. 499 mit Abb., zeigt aber noch den gleichen trockenfeingratigen Faltenstil. Die größere Kälte der schon fast ornamentalen Faltenarbeit und die original polierte Oberfläche rücken den Torso jedoch näher zu den frühantoninischen Gewandstatuen in Paris, Kruse a. O. 278 f. B 21 Taf. 20, Ostia, Kruse a. O. 318 f. C 36 Taf. 38, und Rom, Kruse a. O. 364 D 68 Taf. 60.
Kopf ohne Helm angebl. aus Athen1506 H 0. 226 m pentelischer Marmor Dat.: frühkaiserzeitlich; evtl. augusteisch1507 Lit.: V. Poradaji, Anticke´´ Umen´´i. Narodni Galeri v Praze (1989) Taf. 19. 121.
Der Kopf ist am Hals in Kinnhöhe abgebrochen. Der von Stirn- und Schläfenhaar an aufwärts rauh belassene Oberkopf muß den jetzt fehlenden Helm getragen haben. Die Augenpartie ist stark bestoßen, das Untergesicht ebenfalls; Mund und Nase sind völlig abgeschlagen. Dennoch ist die Qualität des Kopfes durch die 1505
Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff. Diese Herkunftsangabe orientiert sich vermutlich an der Identifikation als Grabreliefkopf. 1507 Trotz des schlechten Zustandes ist der stilistische Habitus der Kopie auch am Foto noch erkennbar. Die Feinheit der Haarsträhnen über der Stirn wird neben der Weichheit des Karnates und der dünnen Kantigkeit der Augenlider eine Datierung in die frühe Kaiserzeit ermöglichen. Auch eine evtl. hadrianisch-östliche Entstehung müßte jedoch aufgrund der kantigen Lider und der Unterlidfalte vor Ort erwogen werden. 1506
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extreme Zerstörung hindurch sichtbar. Die Oberfläche ist glatt und fein, die Augen sind klar und von auffälliger Plastizität, die Haarsträhnen sind weich und besonders sorgfältig gestaltet. Trotz des fehlenden Helmes kann der Kopf mit geringfügigem Vorbehalt als Ince-Replik identifiziert werden1508.
In IV 2 London, British Mus. 1570 aus der Nähe von Rom Slg. Townley H 0. 31 m
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flachen, breiten Oberlider sind durch Bohrungen vom schmalen, zur Stirn hin deutlich umbrechenden Orbital abgesetzt; die Unterlider haben eine breite Oberkante. Die Karunkeln sind deutlich ausgearbeitet. Der volllippige Mund ist leicht geöffnet. Die schmalen, zu breiten Locken zusammengefaßten Haarsträhnen sind ohne Bohrung kantig voneinander abgesetzt und haben keine Binnenritzung.
V. Varianten und Unsicheres: In V 1 Rom, Via Zandarnelli
Taf. 12 Abb. 1 - 4
Statue mit wahrscheinlich modernem Kopf1510
Dat.: trajanisch1509 Lit.: A. H. Smith, A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities. British Museum III (1904) 26.1570
Taf. 13 Abb. 1
Die Oberfläche des gut erhaltenen Kopfes ist stark poliert. Ergänzt ist der Wangenschutz und die Nase. Die Gesichtszüge sind klar gezeichnet; das Karnat ist glatt und straff gespannt. Die 1508
Letzte Sicherheit kann natürlich nur durch die Untersuchung des Kopfes vor Ort erreicht werden - möglicherweise belehrt schon die nicht in Abbildungen zugängliche Seiten- oder Rückansicht eines Besseren. Kein Zweifel kann jedoch m. E. daran bestehen, daß es sich nicht, wie im Katalog angegeben, um einen Reliefkopf, sondern um einen stark beschädigten, qualitätvollen Statuenkopf handeln muß. Der Vergleich mit anderen evtl. in Frage kommenden Köpfen aus dem späten 5. Jh., z. B. den Köpfen der klassischen Amazonenfiguren, R. Bol, in: Polyklet. Kat. Frankfurt 1990, 213 ff.,, zeigt jedoch sichtlich Unterschiede. Für die Zuweisung zum Typus Ince dagegen sprechen die noch erkennbare Kopfwendung, die Frisur und der Verlauf der einzelnen Haarsträhnen, die Augenbildung und die Gesichtsproportionen. Vergleiche mit den Köpfen der Repliken Liverpool und Tivoli bestätigen das vorläufige Urteil. 1509 Der Kopf ist zwischen einem Trajanskopf mit Bürgerkrone, W. H. Schmidt, Bildnisse Trajans. Herrscherbild II 2 (1940) Taf. 11 b, und einem Plotinaporträt im Museo Capitolino, M. Wegner, Hadrian. Herrscherbild II 3 (1956) Taf. 38 a. b. (als Matidia); Fittschen - Zanker III 7 f. 6 Taf. 7-8 anzusiedeln. Der Kopf ist eng verwandt mit in Kyrene verbliebener Idealplastik; vgl. E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) Taf. 143. 293; 152. 322; 164. 366; 168. 378; 192-193. 445; 195. 451.
Dat.: wenn antik, dann flavisch1511 Lit.: Foto DAI Rom 6171.
höchstens
claudisch-
Die Figur erscheint bisher in keiner Replikenliste. Wahrscheinlich handelt es sich – und deshalb erscheint die Statue, die zunächst antik erschien, hier unter den unsicheren Kandidaten – um die durch A. – M. Leander Touati im Zusammenhang mit der Replik in Stockholm erwähnte, in Dokumenten als durch den römischen Bildhauer Guiseppe Angelini gefertigt erwähnte moderne Nachbildung des Typus Ince1512. Den Dokumenten zufolge hatte sich Angelini eine später nach England verkaufte Replik zum Vorbild genommen. Tatsächlich ist 1510
Es fehlen sämtliche Angaben zu der Figur. Da der genaue Standort unbekannt ist, konnte die Replik auch nicht in Augenschein genommen werden. 1511 Bei einer Einschätzung als antike Replik wäre anzunehmen, daß sie sicherlich später entstanden sein müßte als das namensgebende Exemplar in Liverpool (In I 1). Relativ gut vergleichen ließe sich die Statue des jugendlichen Nero aus Velleia, Kleiner, Roman Sculpture 137 Abb. 110; C. Saletti, Il ciclo statuario della basilica di Velleia (1968) 49 ff. 11 Taf. 25; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 26.2. 10 Taf. 19. 1, 3 Taf. 20. 1 und eine Gruppe im Louvre, die wahrscheinlich Messalina und Britannicus darstellt, K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des Portraits romains I (1986) 200 f. 94 mit Abb. 1512 A. - M. Leander Touati, Ancient Sculptures in the Royal Museum I (1998) 108.
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die Ähnlichkeit zur Replik Ince Blundell (In I 1), die wohl damit gemeint war, groß, und die Statue aus der Via Zandarnelli zeigt wie diese die im Dokument erwähnten charakteristischen Attribute Eule und Lanze. So besteht an der Identifikation der Figur mit Angelinis Fälschung kaum ein Zweifel. Dies ist umso interessanter, als die Statue dann warnend darauf hinweisen würde, wie gut gefälscht wurde und wie viel von dem, was als antik gehandelt wird, vielleicht doch dieser Art von modernen, teils ergänzenden, teils aber auch kopierenden Werkstätten entstammt.
In V 2 Shahat (Kyrene), Mus. 14. 191 Umbildung der Athena Ince zur Nike aus dem Asklepiosheiligtum von Beda Statue H 1. 57 m pentelischer Marmor Taf. 13 Abb. 2 Dat.: hadrianisch1513 Lit.: Lippold, Plastik 184 Anm. 4; E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 62 f. 137 Taf. 81-82; A. Gulaki, Klassische und klassizistische Nikedarstellungen (1981) 188 f. Abb. 152.
Ergänzt sind Teile der Flügel. Gewandanlage und Kopftypus entsprechen der Athena Ince. Das Gorgoneion bildet den Mittelpunkt einer Kreuzbandaigis, die zur Befestigung der Flügel dient. Beide Arme sind ganz erhalten; die Armhaltung ist getreu dem Typus Ince wiedergegeben.
In V 3 Anzio (Antium), Mus. Stark beschädigte Statue ohne Kopf, mit allerdings fast unkenntlichem Oberkörper Taf. 13 Abb. 3 m. W. unpubliziert
Den noch erkennbaren Falten nach und auch nach Struktur und Aufbau scheint es sich um 1513
Zur Datierung vgl. abermals die Koren der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32.
eine Replik des Typus Ince zu handeln. Es weist allerdings darüberhinaus nichts mehr auf eine Athena hin. Ob an der Rückseite Aigisreste sichtbar sind, müßte überprüft werden.
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TYPUS NEW YORK I. Oberkörperfragment mit Kopf: NY I 1 New York, Metropolitan Mus. 24. 97. 15 Torso mit Kopf angeblich aus Preneste, seit 1926 in New York, Fletcher Found H 0. 673 m pentelischer Marmor Taf. 14 Abb. 1 - 4 Dat.: hadrianisch1514 Lit.: G. M. A. Richter, BMetrMus 21, 1926, 128. 5, 127 Abb. 2; dies., The Metropolitan Museum. A Handbook of the Greek Collection (1953) 92 Taf. 74. f.; dies., A Catalogue of Greek Sculptures in the Metropolitan Museum of Art (1954) 43. 65 Taf. 54 d-f; B. Schweitzer, JdI 46, 1931, 198; Mustilli 130. 11; Waywell, BSA 1971, 381, Ince Athena 12; Karanastassis, AM 1987, 363 Taf. 56. 1. 2.
Die fragmentierte Replik ist in fünf Teile zerbrochen aufgefunden worden. Der Kopf ist offensichtlich nicht eingesetzt, sondern angearbeitet und war abgebrochen1515. Er ist bis zu seiner glatten Oberkante, an der der Helm 1514
Haar- und Augenbildung sowie die metallische Klarheit der Falten lassen keinen Zweifel an einer hadrianischen Datierung; vgl. außer den Koren, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32, die Athena Ince aus der Villa Hadriana (In I 2), deren Gesicht trotz seiner Bestoßung noch die zeittypischen Züge erkennen läßt, und die am Oberkörper analog angelegte Falten aufweist. Die fehlende Glätte der Oberfläche, die bei westlichen hadrianischen Werken sonst zu finden ist und die hier durch eine sanfte, weiche Oberfläche ersetzt ist, deutet m. E. darauf hin, daß die Replik aus dem östlichen Bereich, wahrscheinlich aus Athen, importiert wurde; vgl. D. E. E. Kleiner, in: C. B. McClendon (Hrsg.), Rome and the Provinces (1986) 8 ff.; über die Kunsttätigkeit hadrianischer Zeit in Athen; vgl. ferner dies., Roman Sculpture 265 (Lit.), s. auch P. Graindor, Athe``nes sous Hadrien (1934; 1973) sowie J. M. C. Toynbee, The Hadrianic School (1934). 1515 In Höhe des Halsansatzes verläuft offenbar ein Bruch; der Kopf scheint also bei der Auffindung vom Hals getrennt gewesen zu sein.
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angesetzt gewesen sein muß, erhalten geblieben und wurde wieder mit dem Brustbereich verbunden. Der Torso endet auf der Mitte des Apoptygma. Von vorn fallen die Beschädigungen der Replik kaum auf, aber von den Seiten und von hinten wird ihr Ausmaß sichtbar. Während die rechte Seite des Kopfes samt Helmfutterröllchen gut erhalten ist, ist die linke Kopfhälfte bis knapp neben dem linken Auge abgeschlagen. Das Gesicht ist ebenfalls stark bestoßen; Nase und Nasenwurzel fehlen. Am Rumpf fehlen beide Schultern; die Arme waren angesetzt und sind nicht erhalten. Die Konturfalten des Apoptygma sind bestoßen. Dennoch bleibt der Eindruck der Vorderseite relativ unbeschadet; sogar die Öffnung des Peplos ist durch den gezahnten Saum an der linken Seite noch sichtbar. Die Aigis ist von oben auf beiden Seiten in Richtung Gorgoneion gefiedert. Das Gorgoneion ist schlicht und folgt, wie an der Replik Torlonia (NY II 1) dem klassischen Typus1516. Die Aigisschlangen fehlen größtenteils. Auch an der Replik New York Ist der Bronzecharakter hervorgehoben; dies wird besonders am wie fein ziseliert angegebenen und ohne Bohrungen auskommenden Haar, an der Augenbildung und an den flachen, breiten, ungebohrten Falten des Apoptygma sichtbar.
II. Statuen ohne Kopf: NY II 1 Rom, Museo Torlonia Statue mit modernem Kopf aus der Slg. Giustiniani H 1. 82 m Lunamarmor Taf. 15 Abb. 1 - 2 Dat.: augusteisch1517 1516 1517
S. S. 258 ff. Vgl. die frühaugusteische, evtl. Livia darstellende Statue im Museo Capitolino, Fittschen - Zanker III 1 ff. 1 Taf. 1 - hier werden Kopf und Körper mit m. E. nicht stichhaltigen Argumenten als nicht zugehörig bezeichnet. Die gleiche dichte und dennoch knappe, bronzeartige Faltengebung zeigt
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Lit.: P. E. Visconti, Catalogo del Museo Torlonia di Sculture antiche (1876) 38. 60; ders., Catalogue des sculptures antiques du Muse´´e Torlonia (1883) 32. 62; ders., I Monumenti del Museo Torlonia (1885) 41. 62 Taf. 16; A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Alterthum (1896) 32; Waldhauer III 2 Anm. 1; Mustilli 130. 8; C. Gasparri, Materiali per servire allo studio del Museo Torlonia di scultura antica, MemAccLinc, Classe di Scienze morali, storiche e filologiche 8, 24, 2 (1980) 163. 62.
Die Replik wurde durch folgende Ergänzungen vervollständigt: Beide Arme mit den Attributen sind modern, ebenso der Kopf, der dem Kopf der Athena Giustiniani aus derselben Sammlung nachgebildet wurde. Einige bestoßene Faltengrate vorn wurden ausgebessert, und auch an der summarischen, eckig-flachen Rückseite sind Gewand und Aigis stellenweise geflickt. Auch die Plinthe wurde an der linken hinteren Seite durch ein eingesetztes Teil begradigt; vorn wurde ein abgebrochenes Fragment wieder befestigt. Die Oberfläche der Figur ist überarbeitet und poliert, sie wurde aber insgesamt nicht wesentlich verändert. Die Typusmerkmale sind klar hervorgehoben; die ausgesprochen schlichte Replik geht nicht darüber hinaus. Akademisch konzentriert sie sich auf die Wiedergabe des Bronzecharakters ihres Vorbildes. Die Aigis ist ungefiedert; die reliefartig angegebenen Schlangen sind erhalten geblieben1518. Das Gorgoneion folgt wie an der
der Augustus von der Via Labicana im Museo Nazionale Romano, M. Hofter, in: Augustus und die verlorene Republik (Kat. Berlin 1988) 323 ff. Nr. 168 mit Abb.; D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, Herrscherbild I 2 (1993) 176. 165 Taf. 50, 148. 8, 214. 1. Vgl. ferner die Reliefs der Ara Pacis mit ihrer knapp bemessenen, wohldosierten Faltengebung und der sensiblen, wie gehämmertes Bronzeblech wirkenden Stoffstruktur, vgl. z. B. die Tellus, S. Settis, in: Augustus und die verlorene Republik (Kat. Berlin 1988) 423. 227, und die Koren des Augustusforums, die dieselben flachen Doppelfalten am Unterkörper aufweisen, Schmidt, AntPl 13 Taf. 3 a, 4 b. 1518 Der Befund im Aigisbereich ist nicht ganz eindeutig: Mehrere Nähte oder Bruchlinien sind erkennbar. Es kann aber nur am Original beurteilt werden, welche Bereiche antik und welche ergänzt sind.
Replik New York dem klassischen, schlichten Typus1519. Dem toreutisch-feinen Gesamtcharakter der Replik trägt auch der Umstand Rechnung, daß sich der Peplos von der Plinthe abhebt und daß der Marmor auch zwischen den Füßen abgearbeitet ist.
NY II 2 Vatikan, Galleria Chiaramonti 1507 Statue mit nicht zugehörigem, aber antikem Kopf H 1. 75 m feinkörniger, weißer Marmor Taf. 16 Abb. 1 - 3 Dat.: flavisch1520 Lit.: A. Furtwängler, Über Statuenkopien im Alterthum (1896) 32 g; Amelung, Vat. Kat. I (1903) 635, 496 Taf. 68; Mustilli 130. 7; Waldhauer III 2 Anm. 1; Lippold, Plastik 184. 4; W. Fuchs, in: Helbig4 I (1963) 336; Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1, 364 f. 496; M. Nocca, Dalla vigna al Louvre: La Pallade di Velletri (1997) 59 Abb. 11.
Ergänzt sind der Hals, der rechte Arm mit Schulter und entsprechenden Gewandfalten, der rechte Oberarm mit dem zugehörigen Schulterbereich und die linke Hand. Der am Körper abozzierte linke Unterarm scheint antik zu sein. Ergänzt sind ferner Teile der Faltengrate an der rechten Hüfte und über dem Standbein, an der Rückseite die Ferse mit einem Teil des Unter1519 1520
S. S. 258 ff. Vgl. die über die Cancelleriareliefs - F. Magi, I rilievi flavi del Palazzo della Cancelleria (1945); J. M. C. Toynbee, The Flavian Reliefs from the Palazzo della Cancelleria in Rome (1957); G. Koeppel, BJb 184, 1984, 5 ff. Anm. 30 (Lit.) spätflavisch datierbare Replik der Erechtheionkoren im Braccio Nuovo des Vatikan, deren Gewandgestaltung und -textur der der Athena sehr verwandt sind, Schmidt, AntPl 13, 32 ff. Taf. 42-45; vgl. v. a. die Standbeinfalten beider Figuren und die Kolposfalten der Kore mit den schwerfällig-voluminös geknickten Falten seitlich über der Gürtung der Athenafigur. Gut vergleichen läßt sich auch die sog. Sulpicia Platorina im Museo Nazionale in Rom, B. M. Felletti Maj, Museo Nazionale Romano. I Ritratti (1953) 85. 154 Abb. 154; E. E. Schmidt, Römische Frauenstatuen (1967) 62 f.
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schenkels und der gesamte obere Teil des Rückens. Der aufgesetzte Kopf trägt einen bekränzten Helm. Am Rumpf sind einige Faltengrate beschädigt. Die nach links hin leicht abgeschrägte Plinthe ist vorn grob begradigt und auch an der Oberseite roh belassen. Der Zwischenraum von Plinthe und Peplossaum neben dem Spielbeinfuß ist herausgearbeitet, sodaß die Figur wie an der Replik im Museo Torlonia (NY II 1) nur über den Spielbeinfuß und das Standbein mit der Plinthe verbunden ist.
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Die Weichheit der Faltengebung unterliegt dem Einfluß flavischer Kopierweise; darüber hinaus ist dennoch das Bemühen spürbar, den Bronzecharakter des Originals anhand des Gegensatzes zwischen glatten Flächen und geraden Falten sichtbar werden zu lassen. Die Replik hat keine Aigis - Abarbeitungsspuren im Bereich von Schultern und Hals deuten jedoch darauf hin, daß die Aigis entweder in Stuck oder in Metall hinzugefügt gewesen sein muß.
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TYPUS ROSPIGLIOSI I. Statue: R I 1 Berlin, Staatliche Museen Sk 73 Statue aus der Slg. Bayreuth, Charlottenburg H 1. 63 m feiner weißer Marmor
ehemals
Schloß
Taf. 17 Abb. 1 – 3; Taf. 18 Abb. 1 - 2 Dat.: spätaugusteisch-frühtiberisch1521 1521
Trotz der starken Überarbeitung und Ergänzung ist der frühkaiserzeitliche Kopierstil noch erkennbar. Vergleichen lassen sich bezüglich des Gewandstiles zunächst die Karyatiden vom Augustusforum, Schmidt, AntPl 13, 7 ff. Taf. 1-5, deren klare Faltengebung ähnlich ist, aber auch die Figuren der Ara Pacis, deren Gewandstil und Gewandmotivik, aber auch Kopfund Haargestaltung der Athenafigur sehr verwandt sind, G. Moretti, Ara Pacis Augustae (1948) bes. Taf. A (Agrippa) Taf. H (Livia); E. Simon, Ara Pacis Augustae (1967); S. Settis, in: Augustus und die verlorene Republik (Kat. Berlin 1988) 400 ff.; vgl. zuletzt N. Hannestad, Tradition in Late Antique Sculpture (1993) 20 ff. Eine obere Grenze für den Gewandstil bildet der Togatus des Tiberius aus Capri im Louvre, K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des portraits romains I. Portraits de la Republique et d’e´´poque Julio-Claudienne (1986) 160 f. 74 mit Abb., der bis in Faltendetails übereinstimmt, allerdings seinerseits modern überarbeitet ist. Der Kopf läßt sich vor allem in der Augenbildung mit Augustusporträts im Typus Forbes vergleichen, D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus. Herrscherbild I 2 (1993) 27 ff. (der den Typus anders definiert), besser aber noch mit einem Tiberiuskopf im Vatikan, L. Polacco, Il volto di Tiberio (1955) 119 Taf. 15. 1, 18. 2. Von erstaunlicher Ähnlichkeit ist ein Kopf aus Samsun, dem antiken Amisus, J. Inan - E. AlföldiRosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor (1966) 102 Nr. 95 Taf. 58, der sich über einen Tiberiuskopf aus Philomelium im Louvre, A. Massner, Herrscherbild IV 99 Anm. 532 Nr. 1 Taf. 22, frühtiberisch datieren läßt und aus der gleichen Werkstatt stammen könnte wie die Athena. Deshalb allerdings eine östliche Herkunft der Berliner Replik zu postulieren, ginge zu weit - der Kopf in Samsun könnte auch ein stadtrömischer Import sein; vgl. H. Iskan, RM 106, 1999, 112 ff. Dennoch legt er die Datierung der Berliner Athena
Lit.: E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke I (1836) 43 f. 29; E. Kekulé, Beschreibung der antiken Skulpturen der Königlichen Museen zu Berlin (1891) 37 f. Nr. 73; Anti, MonAnt 1920, Sp. 275. 4; Reinach, RSt II 289, 4; G. Blümel, Römische Kopien griechischer Skulpturen des 4. Jhs. v. Chr. Staatliche Museen Berlin, Katalog der Sammlung antiker Skulpturen V (1938) 25 K 239 Taf. 53-55; C. Picard, Manuel d'Archéologie Greque III 2 (1948) 665 Abb. 286; Schlörb, Timotheos 62 Abb. 52 Taf. 18; G. Hafner, Kreta und Hellas (o. J.) 184 mit Abb.; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 3; Borbein, MarbWPr 1970, 29 Anm. 4. 3 Taf. 8 links; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 135 Anm. 620. 1 Anm. 626; N. Himmelmann, Ideale Nacktheit in der griechischen Kunst, 26. Ergh. JdI (1990) 98 ff. Anm. 226 Abb. 50; Verf., AA 1996, 89 f. Anm. 18, 20, Abb. 12-14; Verf., Small Athenas 187 ff. pl. 9.
Der Einsatzkopf muß bei der Auffindung der Statue vom Körper getrennt gewesen sein; seine Beschädigung an der rechten Seite des Halsansatzes wurde durch einen Marmorkeil ausgeglichen. Auf der linken Halsseite und auf der Rückseite schließt der Kopf jedoch an den Körper an, sodaß seine Zugehörigkeit, die sich in der Übereinstimmung von Marmorart und Kopistenstil bestätigt, schon allein dadurch gewährleistet ist. Am Kopf selbst sind die Nasenspitze, der Nasenschild des Helmes sowie der Wangenschutz ergänzt. Am Körper ist die gesamte Partie ab der Mitte der Unterschenkel samt Basis ergänzt1522; am rechten Unterschenkel verläuft die Ansatzlinie in einer Diagonale steil nach oben in Richtung Kniescheibe, um auf der Rückseite wieder fast horizontal zur linken Körperseite zurückzuführen. Auf der Rückseite ist die Verklammerung des ergänzten Teiles mit dem antiken Körper sichtbar; der Mantel ist im modernen Bereich bis fast auf die Basis hinabgeführt. Der fehlende rechte Arm war eine Zeit lang ergänzt. Die Oberfläche ist stark endgültig auf die spätaugusteisch-frühtiberische Zeit fest. 1522 Für modern halten die Ergänzung übereinstimmend Kekulé 37; Blümel 25; Gerhard 43; Anti Sp. 275.
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modern übergangen und poliert. Auffallend sind vereinzelte Bohrungen überall an der Figur, die den Bohrrillen des ergänzten unteren Teiles gleichen. Vor allem am Haar sind diese Bohrungen eindeutig später hinzugefügt worden. Die Figur ist also, dem Stil der Restaurierungen nach wahrscheinlich im frühen 19. Jh.1523, umfassend restauriert worden. Trotzdem läßt sich noch ein guter Eindruck von der frühkaiserzeitlichen Replik gewinnen. Die Faltengebung des Himations ist über die typusgebundenen Falten hinaus bereichert; die Falten waren sicher auch im Originalzustand schon so klar und scharf gezeichnet. Das Himation endete auf der Mitte der Unterschenkel und gab darunter vermutlich die zum Typus gehörenden nackten Unterschenkel frei. Die Aigis zeigt ein deutliches Schuppenrelief und keine Sterne; das Gorgoneion ist schlicht und folgt dem klassisch-frühkaiserzeitlichen Typus1524. Der Kopf mit dem zu großen Helm wendet sich in die Richtung des eingestützten Armes; der Nackenschopf setzt sich an der Rückseite nicht fort. Die Haare sind in wenigen breiten, schweren Wellen zusammengefaßt, deren kompakte Masse in einzelne Strähnen unterteilt ist.
II. Statuen ohne Kopf R II 1 Florenz, Uffizien 185 Statue mit nicht zugehörigem Kopf vom Typus Vescovali H 1. 62 m heller, feiner Marmor1525 Taf. 19 Abb. 1 - 3 Dat.: spätflavisch-trajanisch1526
1523
Vgl. z. B. die Chitonfalten unter dem Mantel der Athena des 1831-33 entstandenen Reliefs von Thorwaldsen, J. Birkedal Hartmann, Antike Motive bei Thorwaldsen (Hrsg. K. Parlasca, 1979) 99 Abb. 3. 1524 Vgl. S. 258 ff. 1525 Mansuelli zufolge griechischer, Dütschke zufolge italischer Marmor.
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Lit.: G. Bianchi, Ragguaglio delle antichita` e rarita`` che si conservano nella Galleria mediceo imperiale di Firenze (1759) 98; A. Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik (1893) 527; ders., Masterpieces of the Greeks (1895) 306 Abb. 130; ders., SB München 1903 (1904) 448; Hettner, AdI 1844, 118 II; Dütschke III 91. 152; W. Amelung, Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 53 f. 77; Anti, MonAnt 1920, Sp. 270. 1 Abb. 1; Reinach, GazBA 1922, 30 f. mit Abb.; W. Müller, Die griechische Kunst. Ein Taschenbuch in 475 Bildern (1925) Taf. 293; Walston, Alcamenes 189 Abb. 163; S. Reinach, RSt II 278. 11; L. Curtius, Die antike Kunst II 1 (1938) 378 Abb. 569; Mansuelli, Uffizi I 56 f. 33 Abb. 33 a. b; Schlörb, Timotheos 61 Abb. 50 Taf. 17; J. D. Beazley - B. Ashmole, Greek Sculpture and Painting (1966) 57 Abb. 115; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 2; Borbein, MWPr 1970 Taf. 6-7; A. Delivorrias, in: Kernos. Festschrift G. Bakalakis (1972) 27 mit Anm. 17, 18 Taf. 13. 3; Demargne, LIMC II 2, 981 Athena 257 Taf. 735; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 135 Anm. 621; Todisco, Scultura greca 299 (Abb.); Verf., AA 1996, 83 ff. Abb. 15, 16. 1526
Mit der neronischen weiblichen Gewandstatue in Berlin, K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Statuenausstattung des Metroon, OF 19 (1991) 46 ff. 4 Taf. 25 a, lassen sich die weichen, am Kontur teilweise tütenförmig ausgebildeten Falten der Athena vergleichen; der Gewandstil der Berliner Statue ist jedoch reicher und nuancierter als die wenigen wulstigen Falten zwischen glatten Flächen an der Replik in Florenz. Eine untere Grenze bildet die Statue des jugendlichen Nero im Louvre, K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des portraits romains I (1986) 210 f. 99 mit Abb. Die glattere Oberfläche des Himations und die lineareren, straffer geführten Falten der Athena führen allerdings schon in spätflavisch-frühtrajanische Zeit; vgl. als oberste Grenze das Extispiciumrelief vom Trajansforum, G. Koeppel, BJb 185, 1985, 204 ff. Abb. 35. In ihrem Verhältnis von glattgezogenen Gewandflächen und weichen Faltenzügen und der Weichheit ihrer Falten bei gleichzeitiger linearer Deutlichkeit sind die Cancelleriareliefs vergleichbar, F. Magi, I rilievi flavi del Palazzo della Cancelleria (1945); J. M. C. Toynbee, The Flavian Reliefs from the Palazzo della Cancelleria in Rome (1957); G. Koeppel, BJb 184, 1984, 5 ff. 28 ff. Ein Gorgoneion desselben Typus mit den einrahmenden, über dem Kopf geknoteten Schlangen zeigt die neronische Panzerstatue mit Titusporträt aus Olympia, Hitzl a. O. 46 ff. 4 Taf. 25 a; vgl. S. 258 ff.
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Der Kopf des Typus Vescovali ist durch Einsetzen des modernen Halsansatzes mit der Replik verbunden worden1527. Weiterhin modern ist der von der Mitte des Oberarmes an ergänzte rechte Arm mit der Lanze. Außer vereinzelten Flickungen am Gewand sind keine Reparaturen mehr festzustellen. Die Basis scheint in Höhe der Knöchel abgebrochen gewesen zu sein; die erstaunlich glatt umlaufende Bruchlinie ist an den Unterschenkeln und an der Stütze aus Eule und Mantelfalten noch schwach zu erkennen. Die Basis wird häufig als Felsbasis bezeichnet und gedeutet - es wird sich bei der als Fels gekennzeichneten Außenkante allerdings eher um eine Verschönerung der bestoßenen Plinthe durch den Restaurator handeln als um eine bewußte Interpretation des Kopisten1528. Die Sandalen sind nur zum Teil in Relief angegeben und waren wahrscheinlich durch Bemalung vervollständigt. Die Aigis ist mit ganz feiner, kaum sichtbarer Fiederung überzogen, auf der in Abständen feine sechsstrahlige Sterne angebracht sind. Das Gorgoneion folgt dem klassischen Typ und ist von zwei über dem Kopf geknoteten Schlangenleibern eingerahmt1529. Die den Rand der Aigis bildenden Schlangenleiber sind an ihrem freiplastischen Bereich größtenteils abgebrochen. Unter der Aigis erscheint an der rechten Schulter der feine, auf der Schulter geknüpfte Chiton. Auf der Rückseite der Figur
1527
Über die falsche Ergänzung und ihre Problematik vgl. S. 51 ff. und Verf., AA 1996, 83 ff. Mansuelli spricht sich mit unzulänglichen Argumenten für eine Zusammengehörigkeit aus. 1528 So setzt z. B. der "Felsbruch" an der Vorderseite direkt unterhalb des linken Fußes eine auf der Plinthenoberseite sichtbare Linie fort, an der die Plinthe vielleicht bei der Auffindung der Figur gebrochen gewesen sein könnte. Dafür, daß die Plinthe ursprünglich glatt war, spricht auch die immer noch glatte Oberseite: Was sollte den Kopisten davon abgehalten haben, auch die Oberseite der Plinthe als Fels zu gestalten, wenn er einen solchen Effekt überhaupt hätte erzielen wollen? Gegen eine Gestaltung als Felsbasis durch den Kopisten spricht jedoch am meisten der Umstand, daß die Plinthe in die Basis eingelassen war und die Felsstücke an der Seite somit kaum noch sichtbar gewesen wären. 1529 S. S. 258 ff.
setzt sich die Aigis fort, bis sie unter dem Mantel verschwindet. Insgesamt ist die Replik von einfühlsamer Zartheit; am Gewand zeigen sich aber einige Härten, die zusammen mit der Flachheit des Faltenstils einer Datierung in das 1. Jh. zuwiderlaufen würden. Besonders kunstvoll ist der diffizile Bereich der Unterschenkel gelöst, und auch die Ausführung der Aigis mit dem einfachen Gorgoneion steht mehr in der Tradition des 1. Jhs.1530 Vielleicht dürfen solche qualitativen Widersprüche, d.h. eine extreme Weichheit der Oberfläche bei einer gewissen Härte der Faltengebung wiederum als Hinweis auf eine östliche Werkstatt gedeutet werden.
R II 2 Leptis Magna, Mus. 147 Statuette ohne Kopf aus der Cavea des Theaters H 1. 03 m griechischer Marmor Taf. 20 Abb. 1 Dat.: frühantoninisch1531
1530 1531
S. S. 258 ff. Unter nordafrikanischen Werken frühantoninischer Zeit finden sich die besten Parallelen; vgl. eine aufgrund ihrer Frisuren datierbare späthadrianische und eine frühantoninische Gewandstatue im Cerestypus in Cherchel, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 237 A 9 Taf. 4, 247 A 25 Taf. 7, die mit ihrer Gewandbehandlung handwerklich und motivisch den Entwicklungsrahmen abstecken, innerhalb dessen die Athena entstanden sein muß; vgl. außerdem eine frühantoninische Statue im Typus der Kleinen Herculanerin in Constantine, Kruse a. O. 312 C 23 Taf. 32, deren Gewandstil dem der Athena sehr ähnelt, und aus dem kleinasiatischen Raum die Reliefs vom Partherdenkmal aus Ephesos in Wien, die die Datierung nach oben hin abgrenzen, W. Oberleitner u. a., Funde aus Ephesos und Samothrake. Kunsthistorisches Museum Wien, Katalog der Antikensammlung II (1978) 66 ff. mit Abb.; T. Gantschow, AA 1986, 209 ff. mit Abb. Die Datierung fügt sich gut in die Baugeschichte des Theaters ein, dessen Cavea Inschriften zufolge wahrscheinlich zwischen 156 und 158 n. Chr. neugestaltet wurde; vgl. Inscriptions of Roman Tripolitana (1952) 372, 534; R. B. Bandinelli - E. Vergara-Caffarelli - G. Caputo, Leptis Magna
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Lit.: G. Caputo - G. Traversari, Le Sculture del teatro di Leptis Magna, Monografie di Archeologia libica 13 (1976) 37 f. 15 Taf. 15; W. Schürmann, Typologie und Bedeutung der stadtrömischen Minervakultbilder, RdA Suppl. 2 (1985) 1985, 97 Anm. 107; G. Caputo, Il teatro augusteo di Leptis Magna. Scavo e restauro (1937 - 51). Monografie di Archeologia libica 3 (1987) 85 f.; M. Fuchs, Untersuchungen zur Ausstattung römischer Theater in Italien und den Westprovinzen des Imperium Romanum (1987) 192; Vorster, Mus. Gregoriano Profano 76 (bezeichnet die Replik als hellenistische Redaktion).
Die Statuette ist aus mehreren Fragmenten wieder zusammengesetzt worden und wurde weder ergänzt noch geflickt, sodaß die Brüche noch gut sichtbar sind. Außer dem Kopf fehlen der rechte Arm, die verhüllte linke Hand und die Zehen des rechten Fußes. An der Außenseite des rechten Oberschenkels bezeugt ein quadratischer Bossen den Verlauf des bereits durch den erhaltenen rechten Oberarm angegebenen rechten Unterarmes, und an einem runden Bossen etwas weiter unten war eventuell die Lanze befestigt1532. Die Rückseite ist summarisch ausgeführt; die Statuette stand wahrscheinlich in einer Nische der Scenae frons des Theaters von Leptis Magna und war in der Nischenrückwand verankert1533. Obwohl sie den Typus in verkleinerter Form und relativ frei wiedergibt, wird die Figur hier unter die Repliken eingordnet. Die freie Wiedergabe begegnete bereits an einigen nordafrikanischen Repliken und ist dem Kopienwesen dieser Kunstlandschaft offensichtlich eigen1534. Aus diesem Grund kann die Replik also nicht als Variante bezeichnet werden. Der Definition nach muß eine Replik maßgetreu sein1535. Daß hier eine Ausnahme gemacht wird, liegt an den Fundumständen und am daraus ableitbaren Aufstellungsort in einer Bühnenrückwand. Entweder waren, wie dies auch bezüglich anderer (1966) 78; G. Caputo, Il teatro Augusteo di Leptis Magna (1987) 59 ff.; Caputo 3. 1532 Vgl. S. 58. 1533 Caputo 85 geht von einer Aufstellung in der Mittelnische des Pulpitums aus. 1534 Vgl. zu In II 9 Anm. 35. 1535 Zur Definition des Replikenbegriffes s. S. 38 ff.
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Details des Typus der Fall gewesen zu sein scheint, die genauen Maße nicht bekannt, oder sie mußten zugunsten des architektonischen Rahmens oder um des Ensembles mit anderen Skulpturen willen abgeändert werden1536. Eindeutig ist jedoch der Typus Rospigliosi gemeint; seine Existenz sollte suggeriert werden, und dieses Anliegen macht den wesentlichen Charakter einer Replik aus1537. Die Himationfalten folgen zwar der Typusvorlage, gehen aber darüber hinaus und sind mit eigenständigem Leben gefüllt - ebenso, wie auch der Körper ein ganz eigenes, sensibles Volumen erhalten hat. Wegen der Verankerung im Rücken mußten die vom linken Arm herabführenden Falten nicht bis auf die Plinthe herunterhängen1538. Der Himationbausch ist in sich gedreht und flach; das Gorgoneion lag zur Hälfte auf ihm statt darunter. Die Aigis ist grob gefiedert. Der linke Achselbereich ist wenig aufwendig gestaltet; die Faltenornamentik der übrigen Repliken an dieser Stelle fehlt völlig. Der Kopf war angearbeitet; der Halsansatz ist noch erhalten.
R II 3 Rom, Museo Nuovo Capitolino 1833 Statue ohne Kopf 1867 im Garten des Kapuzinerklosters an der Via delle Sette Sale, nahe des antiken Heiligtums der Minerva Medica, gefunden zur Statue ergänzt durch Gipsabguß des Vescovali-Kopfes der Rospigliosi-Replik Florenz antike H 1. 40 m feiner, weißer Marmor; angeblich Lunamarmor Taf. 20 Abb. 2 - 3
1536
Vgl. Anm. 53; wenn die Athena nicht im Pulpitum, sondern an höherer Stelle der Scenae frons aufgestellt gewesen wäre, könnte der Grund für die Verkleinerung darin gelegen haben, Entfernung zu suggerieren und die Bühnenrückwand größer erscheinen zu lassen. 1537 S. Anm. 1535. 1538 Wahrscheinlich entspricht die Replik in dieser Hinsicht sogar dem Bronzeoriginal, vgl. S. 56.
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Dat.: Torso spätantoninisch; ergänztes Unterteil frühestens severisch1539 Lit.: C. L. Visconti, BCom 15, 1887, 169 f.; MonInst Suppl. 1891, 4 Taf. 27. 1; Mariani, BCom 1919, 146 ff. Taf. 9; Anti, MonAnt 1920, Sp. 274 f. 3 Abb. 3; S. Reinach, RSt II 292 . 11; Mustilli 92 f. 15 Taf. 53. 215; H. v. Steuben, in: Helbig4 II (1966) 1729; Borbein, MarbWPr 1970, 29 Anm. 4. 4 Taf. 8 rechts; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 4; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 155 Anm. 620. 2 Anm. 626; C. Häuber, in: M. Cima - E. La Rocca, Horti Romani. Kongr. Ber. Rom (1995) 83 ff. Anm. 122 Abb. 45.
Der Kopf ist mit Halsansatz, der rechten Schulter und dem rechten Arm herausgebrochen. Schulter und Kopf wurden nach dem Vorbild der falsch zusammengesetzten Florentiner Replik (R II 1) in Gips ergänzt. Geflickt sind die Unterschenkel direkt unterhalb der Knie und Teile der von der linken Hand herabfallenden Mantelfalten. Eine ältere Fotografie (Taf. 20 1539
Für eine antoninische Datierung sprechen außer der leider nur an dem Foto vom unrestaurierten Zustand noch sichtbaren polierten Oberfläche der ornamentale Faltenstil mit den bandartig auf eine glatte Fläche aufgelegten Faltengraten. Charakteristisch ist auch die extreme Schmalheit der Figur sowie ihre übertriebene Drehung - Eigenschaften, die sich bereits an den antoninischen Vescovali-Repliken deutlich abzeichneten. Das angesetzte Unterteil verhält sich stilistisch anders: Die Falten sind dick, massig und kontrastreicher verschattet; sie wirken weit gröber als die Falten am Rumpf. Die Füße sorgen für einen extrem labilen Stand. Als Vergleich für den Oberkörper eignet sich eine Statue im Cerestypus in Kopenhagen, die nach 161 n. Chr. datiert werden muß und von Kruse aufgrund des Gewandstiles um 180 datiert wird, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 252 A 36 Taf. 12; H. Wrede, Consecratio in formam deorum (1981) 218. 71 Taf. 8. 1. Eine weibliche Gewandstatue in Neapel, die spätantoninisch-frühseverisch eingeordnet werden muß, stellt den Übergang zu der Zeit dar, in die der ergänzte untere Teil frühestens datiert werden kann, Kruse a. O. 320 C 39 Taf. 41; für den Unterkörper vgl. ferner die Statue des Septimius Severus in den Florentiner BoboliGärten mit einer ähnlich schleppenden Stofflichkeit des Gewandes, A. M. McCann, The Portraits of Septimius Severus (1968) 151. 43 Taf. 52 und eine ebenfalls stark tordierte Porträtstatue der Julia Domna im Museo Capitolino, Kruse a. O. 403 D 139 Taf. 83; Fittschen - Zanker III 27 ff. 28 Taf. 38.
Abb. 3), offenbar entstanden anläßlich der Anpassung eines später wieder abgenommenen modernen Kopfes1540, zeigt die Figur in unrestauriertem Zustand zwischen anderen Fundstücken. Dadurch erweist sich der Bereich der Unterschenkel und Füße mit der runden Plinthe, der aus einem graueren Marmor besteht und in den Proportionen etwas zu groß geraten ist, als antike Ergänzung1541. Aus der alten Aufnahme geht ebenfalls hervor, daß die teilweise bestoßenen Faltengrate des Himations in der Antike zur Flickung vorbereitet worden waren, daß die Replik also bereits damals einmal repariert worden sein muß. Auffällig ist die extreme Torsion der außerordentlich schlanken Figur. Diese Eigenschaften bestätigen neben ihrem linear-ornamentalen, flachen Faltenstil die antoninische Datierung. Die glatte Aigis ist dicht mit sechsstrahligen Sternen besetzt; das Gorgoneion ist nicht pathetisch, aber langhaarig und von einem über seinem Kopf ein katzenohrenartiges Ornament bildenden Wulst umgeben1542. Insgesamt gibt die Replik den Typus in etwas schaler, substanzloser Form wieder, betont aber auf ihre Weise besonders die kindliche Zartheit des Typus.
R II 4 Palermo, Palazzo Francavilla Statue, wahrscheinlich mit modernem Kopf Nachw.: Foto DAI Rom 6651 1540
Mariani hielt diesen Kopf irrtümlich für antik und bezeichnete ihn als hellenistische Umbildung des Kopfes der Athena Giustiniani. Daß der Kopf nicht antik war, beweist zusätzlich seine Übereinstimmung mit einem von Algardi ergänzten Kopf im Museo Nazionale, E. Paribeni, Museo Nazionale Romano. Sculture Greche del V secolo (1955) 63. 112 mit Abb. 1541 Mustilli hält die Ergänzung für modern; Anti entscheidet sich nicht; Mariani 149 hält eine antike Restaurierung für unwahrscheinlich, sieht keinen Unterschied in Marmorart und Stil des unteren Teiles und geht daher von einer antiken Stückung aus. Wahrscheinlich wurde die Ergänzung notwendig, als die Replik aus irgendeinem Anlaß an den fragilen nackten Unterschenkeln gebrochen war und anschließend repariert und stabilisiert werden sollte. 1542 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258ff.
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Auf einer überbelichteten alten Fotografie des DAI Rom abgebildet - leider ist von der Figur kaum etwas zu erkennen. Am Himation sind aber die Rospigliosi-spezifischen Faltenzüge zum Teil noch erkennbar, sodaß es sich eindeutig um eine Replik handeln muß. Sichtbar ist auch, daß die Statue keine Aigis besitzt - Repliken ohne Aigis kommen aber auch bei den anderen Athenatypen vor1543. Der abgespreizte rechte Arm ist auf jeden Fall ergänzt; der linke typusgemäß eingestützt und verhüllt. Nicht sichtbar ist, ob die Plinthe Reste von Attributen oder Stützen enthält.
III. Torsen R III 1 Vatikan, Museo Gregoriano Profano 5377 Torso evtl. aus Ostia1544 H 0. 80 m feinkörniger Marmor von leicht gräulicher Färbung Taf. 21 Abb. 1 - 3 Dat.: claudisch-östlich1545 1543
Vgl. In II 5, In II 6, NY II 2. Vgl. Anti Sp. 275; Amelung 191 unter Berufung auf C. Platner, Beschreibung der Stadt Rom II (1834) 73. 544; vgl. auch Fuchs. 1545 Die tiefe Plastizität und Körperlichkeit spricht für eine Datierung in das 1. Jh. n. Chr.; die Lebendigkeit und Qualität, die die Replik wie ein Original wirken läßt, führt m. E. in eine östliche Werkstatt. Zur claudischen Datierung vgl. die Statue des Fundilius Doctus in Nemi, H. R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen (1990) 121 Ba 158 Taf. 8. 5; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 109. 35. 4 Taf. 83. 2, die anhand des Porträtkopfes und mittels einer Caligulastatue des gleichen Typus in Richmond in caliguläische Zeit datiert werden kann, Goette a. O. 119. 106; C. C. Vermeule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) 292 Abb. 249 Farbtaf. 22, und die bereits am Übergang vom schlichteren augusteisch-tiberischen zum üppigeren claudischen Faltenstil steht. Vgl. ferner die Statuen aus Velleia, besonders die einen Koretyp variierende weibliche Statue C. Saletti, Il ciclo statuario della basilica di Velleia (1968) 23. 1 Taf. I-II, deren Körper1544
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Lit.: Hettner, AdI 1844, 119. 4; Amelung, Vat. Kat. I (1903) 190 f. 29 Taf. 22. 45; ders., Ausonia 3 (1908) 88 f.; Anti, MonAnt 1920, Sp. 275. 5; Waldhauer, JHS 1923, 178; C. Picard, Manuel III 1 (1948) 372 Anm. 7; Lippold, Plastik (1950) 232 Anm. 7; Arias, Skopas 103. 3; W. Fuchs, in: Helbig4 I (1963) 1007; Borbein, MarbWPr 1970, 29 Anm. 4. 6; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 6; G. Daltrop, RendPontAcc 50, 1977/78, 213; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 135 Anm. 622, 626, 627; Vorster, Mus. Gregoriano Profano 74 ff. 28 Abb. 133-136.
Der Torso beginnt mit einer glatten Kante in der Mitte der Oberschenkel und endet in Höhe der Halsgrube, wobei die linke Schulter mit dem angearbeiteten linken Arm noch erhalten ist, während die rechte Schulter stark bestoßen ist. Die Aushöhlung für den Einsatzkopf mit ihren deutlichen Meißelspuren ist noch zu sehen; in ihrer Mitte befindet sich der Rest eines Eisendübels. Zementreste an der geraden Unterfläche deuten darauf hin, daß der abgebrochene untere Teil angesetzt war; Reste von Stuck in den Faltentälern stammen wohl von der Schicht, auf die die Farbe aufgetragen worden war1546. Die Aigis ist zart geschuppt und dicht mit feinen siebenstrahligen Sternen belegt. Das Gorgoneion mit seinen hochstehenden Buckellocken und der faltig-verquollenen Fratze ist außergewöhnlich streng dargestellt und wirkt in dieser archaisch-heraldischen Weise wie direkt vom Original übertragen1547. Der untere Aigisauffassung und Gewandangabe sehr ähnlich ist. Ebenfalls claudisch ist eine vergleichbare Gewandstatue im Museo Chiaramonti, Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1 356 f. 62. Vgl. weiterhin für die östliche Herkunft einen Togatus der gleichen Zeit aus Gortyn, Goette a. O. 119 Ba 105 Taf. 7. 6, und die vor 54 n. Chr. entstandene Agrippina Minor aus Olympia, K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Skulpturenausstattung des Metroon, OF 19 (1991) 64, 93 f. Taf. 15-19; Boschung a. O.101. 33. 5 Taf. 81. 2. 1546 Darauf deuten auch die vielen noch sichtbaren Meißelspuren am Torso hin, die vermutlich belassen wurden, um die bessere Haftung der Stuckschicht zu garantieren. 1547 Zum Gorgoneion vgl. S. 258 ff. Vgl. auch das typologisch ähnliche Gorgoneion der hadrianischen Koren aus Eleusis, Travlos, Attika 161 Abb. 200; E. Schmidt, Geschichte der Karyatide (1982) 100 ff. Taf. 26 , das zusätzlich
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rand aus Schlangenwülsten zeigt unterhalb der rechten Brust ein winziges Loch, das als Stiftloch zur Befestigung einer Metallschlange gedient haben muß. Oberhalb der Aigis werden ganz dünn einige Chitonfalten sichtbar. Weitere Chitonfalten zeigen sich in der der rechten Achselgegend. Dort wird anhand der erhaltenen Pickung auch deutlich, daß der rechte Arm angesetzt war und vermutlich am Körper entlangführte. Die Himationfalten sind stark bestoßen. Trotzdem sind aber ihre phantasievolle Ausführung und ihre lebendige Plastizität noch besonders auffällig. Der Gewandstoff spannt sich um einen plastischen Körper; glatte Gewandflächen wechseln sich sinnvoll mit unterschiedlichsten Arten von Falten ab1548. Die Kombination dieser Faltenarten schafft eine leicht flimmernde Licht-Schatten-Wirkung, die den Faltenstil besonders lebendig macht. Gut sichtbar wird die Belebung an der Ausgestaltung des eingestützten Armes. Die Replik ist außerordentlich lebendig und qualitätvoll und von großer plastischer Tiefe; sie könnte in direkter Übertragung vom Original hergestellt worden sein1549. Die Rückseite ist, wenn auch für die östliche Herkunft der Replik Ostia sprechen könnte. 1548 Anders als an den meisten Repliken lassen sich mehrere unterschiedliche Arten von Gewandfalten beobachten: Von ganz flachen, kaum sichtbaren Knickfalten über scharfgratige, lange Zugfalten zu eng zusammengeschobenen, schmal überlappenden Faltenwülsten mit tiefen Faltentälern. Für die Verbindung zwischen den Ebenen sorgen sich teilweise stauende Tütenfalten. 1549 Die Qualität, mit der die Replik gegen alle anderen absticht, könnte dafür sprechen, daß sie im östlichen Bereich entstanden ist. Interessant erschien mir hierzu ein Bericht bei Pausanias, in dem der Perieget erwähnt, ein von den Römern entführtes Athenakultbild aus dem Ort Triteia sei an seinem ursprünglichen Standort durch eine Marmorreplik ersetzt worden (Paus. 7. 22. 9). Wenn auch mit der Athena aus Triteia trotz der bei Pausanias erwähnten mythologischen Verbindung dieses Ortes mit einer Tochter des Triton nichts auf eine konkrete Verbindung mit der Athena Rospigliosi hindeutet - bei der in der Literatur so vehement diskutierten Interpretation des Meerestieres auf der Basis der doch wohl antiken Variante Rospigliosi (R V 1) eine verlockende Versuchung - so liegt hier doch immerhin ein Bei-
summarischer als die Vorderseite, ausgearbeitet und setzt Details wie die Gestaltung der Aigis fort.
R III 2 St. Petersburg, Eremitage Torso 1823 auf dem Palatin gefunden; 1844 noch in der Slg. Francesco Sibilio in Rom; danach bis 1861 Bestandteil der Slg. Campana, unter Alexander II. nach St. Petersburg gelangt H 1. 165 m Carraramarmor Taf. 22 Abb. 1 - 3 Dat.: spätantoninisch1550 Lit.: Hettner, AdI 1844, 118 I; MonInst IV (1844) Taf. I 3; G. v. Kieseritzky, Muzej drevnij. Kat. St. Petersburg, Skulptur4 (1901) 12. 24 a mit Abb.; Anti, MonAnt 1920, Sp. 275. 6; Waldhauer, JHS 1923, 176 ff. Taf. 7-8; ders., III 3. 217 mit Abb.; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 5; Eschbach, Statuen auf Preisamphoren 135 Anm. 620. 3 Taf. 33. 3, 4.
Der Torso ist mit Halsansatz und rechtem Oberarm erhalten. Der Unterkörper endet am Übergang vom Himation zu den nackten Unterschenkeln, wo die Replik offenbar von einem modernen Sockel unterstützt wird1551. Der spiel dafür vor, daß ein Original direkt durch eine Replik ersetzt wurde. 1550 Vgl. die aurelischen Reliefs am Konstantinsbogen, die immer wieder von den gleichartigen Reliefs im Konservatorenpalast getrennt werden, J. Scott Ryberg, The Panel Reliefs of Marcus Aurelius (1967) 1 ff. 90 ff.; G. Koeppel, BJb 86, 1986, 9 ff. 47 ff. mit Abb. Wie diese geht die Replik über das nach 161 datierte Relief mit der Apotheose von Antoninus Pius und Faustina im Vatikan hinaus, Kleiner, Roman Sculpture 286 Abb. 253; M. Oppermann, Römische Kaiserreliefs (1985) Abb. 32. In die Zeit Marc Aurels läßt sich eine weibliche Porträtstatue aus Ostia datieren, deren Mantel eine ähnliche, leicht unruhige Oberfläche zeigt wie das Himation der Athena, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 318 C 36 Taf. 38. An der Statue aus Ostia wird die gleiche massige, kontrastreiche Schwere des Gewandes sichtbar, die den Athenatorso bereits mit den genannten Reliefs verband. 1551 Der entsprechende Befund an der Rückseite ist nicht ganz verständlich: Hier geht der Sockel über
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Erhaltungszustand ist gut; bis auf einige Flickungen an den Himationfalten ist nichts ergänzt. Die Oberfläche scheint lediglich nachgegelättet worden zu sein. Die vom linken Arm herabfallenden Falten sind teilweise bestoßen und abgebrochen. Der rechte Arm ist angesetzt; der Unterarm war, wie die Spur eines ausgebrochenen Dübels an der Rückseite des Ellenbogens zeigt, offenbar noch einmal gesondert angestückt. Ob der Kopf an der glatten Kante des angearbeiteten Halses angesetzt war oder ob es sich um einen vom Halsteil abgebrochenen Einsatzkopf handelte, ist ohne Untersuchung der Figur vor Ort nicht zu entscheiden. Die Rückseite ist fast genauso sorgfältig ausgeführt wie die Vorderseite. Ein Rest auf der Höhe des linken Schulterblattes bildete wohl den Anschluß für den Nackenzopf. An der Rückseite ist der plissierte Chiton deutlicher sichtbar als an der Vorderseite. Er bedeckt die rechte Schulter und zieht sich auf der Rückseite den Halsansatz hinauf. Die Aigis ist offensichtlich glatt; sie ist dicht mit sechs- und siebenstrahligen Sternen besäht. Das Gorgoneion folgt dem im 2. Jh. üblichen Typus mit einem Knoten aus Schlangenleibern unter dem Kinn und Flügeln über dem Kopf1552. Die Faltengebung der Replik ist etwas zähflüssig; die Falten ziehen sich teilweise als dicke Wülste über den Körper. Die Flächen zwischen diesen Wulstfalten jedoch sind lebendig; trotz der Schwere des Stoffes wirkt der Faltenstil nicht stereotyp. Besonders der linke Arm mit seiner Faltenornamentik ist differenziert gestaltet. Bohrrillen sind nur sparsam eingesetzt. Trotz einer gewissen Längung hat die Replik die körperliche Substanz und plastische Tiefe des Originals bewahrt.
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IV. Köpfe R IV 1 Vatikan, Galleria Chiaramonti 1383 Kopf auf modernem Büstenansatz antike H 0. 305 m feinkörniger, grauer Marmor Taf. 23 Abb. 1 – 4; Taf. 24 Abb. 1 Dat.: hadrianisch, stark überarbeitet1553 Lit.: E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke I (1836) 65. 67 m; E. Kekulé´´, Beschreibung der antiken Skulpturen der Königlichen Museen zu Berlin (1891) 42. 80; G. Blümel, Staatliche Museen Berlin, Römische Kopien griechischer Skulpturen des 4. Jhs. v. Chr. Katalog der Sammlung antiker Skulpturen V (1938) 25 f. K 240 Taf. 56; Schlörb, Timotheos 61 Abb. 51; Borbein, MarbWPr 1970, 30 Anm. 4. 2; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 8; Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1, 752 f. 558.
Die einzelnen Gesichtsformen sind durch die Überarbeitung übermäßig nuanciert; der Kopf hat dadurch eine unnatürliche Härte erhalten, die über die Charakteristika hadrianischer Zeit hinausgeht. Ergänzt sind die rechte Helmvisierspitze und die Nase. Vor allem an den Augen ist die moderne Überarbeitung gut zu sehen: Die ursprünglichen Merkmale wie das abgesetzte Unterlid und die gebohrte, abgesetzte Karunkel sind verstärkt worden; darüber hinaus wurde das Oberlid durch eine modern hinzugefügte Bohrung kantig vom Orbital abgesetzt und an den Außenwinkeln der Augen weit über das Unterlid hinweggeführt. Die gesamte Gesichtsoberfläche ist nachgeschliffen worden. Die Lippen wurden deutlicher vom Karnat abgegrenzt. Die zusätzliche feine Unterteilung 1553
in einen Abschnitt links von ihm, der sich direkt unterhalb des Himationsaumes anschließt und wohl als Rückseite des nackten linken Unterschenkels verstanden werden muß. 1552 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
Vgl. die Koren der Villa Hadriana, vor allem den Kopf der Kore 2239, Schmidt, AntPl 13, 21 f. Taf. 17, deren Köpfe in allen Details dem Athenakopf so genau entsprechen, daß man es hier durchaus mit einem Werk derselben Werkstatt zu tun hat. Die gleichmäßig gesträhnten Haare finden sich an einer offenbar Julia Procula darstellenden hadrianischen weiblichen Gewandstatue in Ostia, R. Calza, Scavi di Ostia V, I Ritratti I (1965) 65. 100 Taf. 59, deren Gesicht dem der Athena ebenfalls gut vergleichbar ist.
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der Haarsträhnen, die wahrscheinlich modern nachgezogen wurde, ist aber ursprünglich sicher antik, auch wenn sie nicht überall auftritt und in der Rückansicht ganz fehlt. An der rückwärtigen Helmunterkante fehlt das Futterröllchen; der asymmetrische Abschluß spricht aber dafür, daß es existierte. An der Helmspitze befindet sich ein kreisrundes Loch für den Helmbusch oder eine Applik. Der Nackenschopf sieht aus, als wenn er zur Stückung vorbereitet wäre; wahrscheinlich handelt es sich aber eher um eine Bruchstelle, die ähnlich sorgfältig geglättet wurde wie der Halsansatz. Der Kopf bietet insgesamt ein eher merkwürdiges Bild; die Eigenarten lassen sich allerdings mit einer durchgreifenden Überarbeitung erklären, sodaß er abzüglich der dadurch entstandenen Härten den Kopftypus klar überliefern wird.
V. Varianten R V 1 Rom, Palazzo Pallavicini-Rospigliosi namensgebendes Exemplar Statue H 1. 33 m feiner, weißer Marmor Taf. 24 Abb. 2 – 4 Dat.: Anfang 2. Jh. n. Chr.1554 1554
Die Replik ist bei der Überarbeitung geglättet worden; dies erschwert ihre genaue Einordnung. Sie vereint Stilelemente des 1. Jhs. auf verwirrende Weise mit solchen des 2. Jhs. Zeitlich paßt daher die Wende vom 1. ins 2. Jh. am besten. Tatsächlich finden sich die plausibelsten Vergleiche in spätflavischer Zeit; vgl. die Porträtstatue des Titus im Vatikan, Kleiner, Roman Sculpture 174 f. Abb. 143; H. R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen (1990) 127. 290 Taf. 12. 1. (Goette zufolge ist allerdings der Kopf nicht zugehörig; während Kleiner ihn für einen umgearbeiteten Domitianskopf hält.) Die Statue weist die gleiche Art der reichen, breitgezogenvoluminösen Faltengebung und dasselbe Verhältnis zwischen glatter Gewand-fläche und scharf konturierten, teilweise in Knicken verlaufenden rundrückigen Falten auf wie die Athena. Weiterhin gemeinsam ist beiden der dünne Ge-
Lit.: EA 111; Clarac III Taf. 462 F 848 C; E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke I (1836) 1 Taf. 8; ders., Über die Minervenidole Athens (1842), in: ders., Kleine Schriften bzw. akademische Abhandlungen I (1866) 229 ff. Taf. 24. 3; E. Platner, Beschreibung der Stadt Rom 2 (1838) 401; Hettner, AdI 1844, 118 III; K. O. Mueller, Denkmäler der Alten Kunst II, bearbeitet von F. Wieseler (1856) 119. 233; Matz - Duhn I 164. 621; A. Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik (1893) 527 f.; Anti, MonAnt 1920, Sp. 271. 2 Abb. 2; Reinach, GazBA 1922, 33 mit Abb.; Lippold, Kopien und Umbildungen 102; F. Muthmann, Statuenstützen und dekoratives Beiwerk an griechischen und römischen Bildwerken. Abh Heidelberg 3 (1950) 45. 85. 126; Arias, Skopas 103. 2; Borbein, MarbWPr 1970, 29 Anm. 4. 1; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 1; H. Nehls, Italien in der Mark. Zur Geschichte der Glienicker Antikensammlung (1987) 28 Anm. 287. 288 Abb. 70; Vorster, Mus. Gregoriano Profano II 1. 75; F. Castagnoli, Topografia AnticaUn metodo di studio 2. Italia (1993) 893 Abb. 13; K. Kalveram, Die Antikensammlung des Kardinals Scipione Borghese (1995) 43 ff. Abb. 30; Verf., AA 1996, 83 f. Abb. 2.
Die Variante wurde durch moderne Ergänzungen vervollständigt1555. Der Kopf war, wenn er überhaupt zugehörig ist1556, gebrochen; die Fuge wurde mit Gips verschmiert. Der überdimensionale rechte Arm mit der Patera ist angesetzt; daß er zu lang ist, ist wohl darauf zurückzuführen, daß er an den am rechten Oberschenkel befindlichen Bossen anschließen sollte. Ergänzt ist ferner ein Teil der vom Ellenbogen des eingestützten rechten Armes herabfallenden Mantelfalten. Die Faltengrate am wandstoff und die glatte, etwas wächserne Oberfläche, die sicher nicht nur der Überarbeitung zuzuschreiben ist, da sie zur Qualität des Gewandstoffes paßt. Etwas später, in spättrajanischhadrianischer Zeit, sind offenbar die allerdings stark überarbeiteten Figuren der Loggia dei Lanzi in Florenz entstanden, deren Faltenstil sich mit dem der Athena auch gut vergleichen läßt, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 330 ff. D 12 - 17 Taf. 45. Zwischen diesen beiden Vergleichsstücken wird die eigenwillige namensgebende Replik entstanden sein. 1555 Vgl. Mueller 119, der aus dem Befund unterschiedliche Restaurierungsphasen ablas. 1556 Vgl. Anm. 253 und 256.
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Mantel sind teilweise ausgebessert. Im Bereich der profilierten und an den Seiten von unterwärts nach oben hin abgeschrägten Basis wird nun der Befund diffuser1557. Das untere Mantelende, die Füße, die Basis und die Attribute sind aus Fragmenten zusammengesetzt und ergänzt worden. Da sie nicht durch gelbe Patinierung an die antiken Teile angeglichen wurden, sind der Schwanz, der Oberkörper und die Vorderflossen des Meerwesens sowie der Hauptteil des Eulenkörpers als moderne Ergänzungen erkennbar. Die Authentizität dieser beiden Attribute auf der Basis ist aber offenbar gesichert: So schließt ein Eulenflügel an das Himation der Athenafigur an und auf der Baumstütze sind die Krallen der Eule sichtbar; die geschuppte Körpermitte des Meerwesens ist ebenfalls antik1558. An der Basis 1557
Eine ganz ähnliche Profilierung zeigt u. a. die Plinthe des aus der Villa Hadriana stammenden jugendlichen Satyrn im Vatikan, J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1983) 106 f. Taf. 29 I 125. 1558 Darauf, daß der Kopf zugehörig und die ganze Figur damit eine Variante ist, deutet hin, daß sich die gleichen Sinterspuren wie am eindeutig modernen Kopf auch am Himation finden lassen, das darüberhinaus weitere Eigenartigkeiten aufweist: So ist die stereotype Behandlung des auf der Schulter geknüpften Chiton ganz unantik; das Gorgoneion mit den wild abstehenden Haaren paßt nicht in das erste Jh. n. Chr., in das man die Replik aber vom Gewandstil her datieren müßte im 2. Jh. n. Chr., wo die pathetischen Gorgoneia üblich werden, hätte es aber Flügel über dem Kopf (vgl. S. 258 ff.). Der Gewandstil seinerseits mischt aber auch Elemente des 1. Jhs. mit solchen des 2. Jhs.: Während das aufwendige, faltenreiche Gewand eher in das 1. Jh. paßt, ist die metallene Schärfe der Falten bereits im 2. Jh. anzusiedeln. Merkwürdige Eigenarten sind des weiteren die unruhige, aber glatt polierte Oberfläche des Himations, der glatt polierte Halsansatz, die Fiederung der Aigis und die polierten, mit kompliziertem Schuhwerk ausgestatteten Füße. Auch die saubere Fragmentierung von Unterschenkeln, Füßen und Basis ist nicht recht erklärbar. Die Basis führt weiterhin zu Verwirrung: Ist das als ergänzt gedachte Fragment vor der Baumstütze heller und glatter (wenn auch handwerklich von ganz ähnlicher Arbeit), so unterscheiden sich auch die etwas rauheren "antiken" Fragmente in ihrer Farbigkeit leicht voneinander. Die Patinierung des "antiken" linken Fußes ist nun aber wieder genauso wie die Patina des eindeutig als ergänzt gedachten rechten Knöchels; beide unterscheiden
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ist das keilförmige Stück vor der Baumstütze ergänzt. Obwohl es sich offenbar um eine Variante handelt, ist die Figur in ihrer detaillierten Art der Interpretation und Abwandlung des Typus natürlich wichtig. Ihre Qualität ist gut, wenn die Wiedergabe des Typus auch ein wenig kühl geraten ist. Die Himationfalten gehorchen den Vorgaben des Typus, sind aber im Sinne des Zeitstiles beweglicher und aufwendiger gestaltet und lassen keinen leeren Zwischenraum frei. Die Plastizität der Falten ist so groß, daß sich der Himationbausch kaum von den übrigen Falten abhebt. An den Falten ist keinerlei Bohrung sichtbar. Besonders ausführlich ist die Faltenbildung des eingestützten Armes; hier scheint die ganze Kraft zu kulminieren. Die Aigis ist vom Gorgoneion ausgehend strahlenförmig mit doppelten Federenden belegt, was ihr ebenfalls einen bewegteren, fast dramatischen Ausdruck verschafft. Die Schlangenkörper vom Aigisrand sind in Resten erhalten; den kleinen Bossenresten nach lagen sie z. T. im Innern der Aigis auf. Insgesamt auffallend ist die metallisch sich in dieser Farbigkeit wiederum von dem bestimmt "antiken" Torso. Auch die Baumstütze kann keine Zweifel zerstreuen: Sie ist an den Torso angearbeitet und muß daher "antik" sein. Außer an den eigenartigen kleinen Ästen weist sie keinerlei Bestoßungen auf. Ein Parallelfall für eine solche Art von Stütze an einer Replik ist mir nicht bekannt. Schließlich das Profil der Basis mit ihrer eigentümlichen Rundung unterwärts: Muthmann datiert die Replik nach Evidenz dieser Basis antoninisch, was sich aber m. E. wieder mit dem Gewandstil überhaupt nicht vereinbaren läßt. Würde man nun tatsächlich so weit gehen - was natürlich eine erneute genaue Untersuchung der Figur vor Ort voraussetzen würde - so hätte man es hier mit einer Fälschung zu tun, bei der verschiedene Marmorsorten in geschickter Weise dazu benutzt wurden, das Nebeneinander angeblich antiker Teile und moderner Ergänzungen zu markieren. Für den Typus hätte das lediglich die Konsequenz, daß er nach einem unantiken Exemplar benannt wäre; weitreichender wären allerdings die Konsequenzen für die Deutung des Typus, die sich erheblich mit den Attributen auf der Basis der namensgebenden Replik auseinandergesetzt hat (vgl. S. 73 ff.). Solange der Befund jedoch nicht eindeutig ist, muß die Figur zunächst als antike, modern ergänzte Variante gelten.
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wirkende Akuratesse, die bei allem Volumen die Schärfe dieses aufwendigen Gewandstiles ausmacht: jede Falte wird genau von ihrem schmalgratigen Ursprung bis zu ihrem sich tütenartig verbreiternden Umbruch verfolgt. Im Gegensatz dazu ist die Gestaltung des Chitons
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mit seinen linearen, flach geritzten Falten und den dicken Knöpfen eher phantasielos. Insgesamt scheint es sich hier um eine den Typus Rospigliosi zitierende und durch die Bereicherung um einige Zusätze gleichzeitig interpretierende Variante zu handeln.
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KOPFTYPUS KASSEL I. Köpfe: K I 1 Kassel, Mus. Kopf H 0. 26 m parischer Marmor Taf. 25 Abb. 2 - 4 Dat.: augusteisch1559 Lit.: M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des königlichen Museum Fridericianum in Kassel (1915) 15. 13 Taf. XIX; W. Amelung, Neue Jahrb. f. das klass. Altertum III, 1900, 15 Taf. II Abb. 911.
Der Zustand des Kopfes ist bis auf geringe Beschädigungen relativ gut; ergänzt sind die Nase, Teile der Unterlippe und der Wangenschutz. Der Hals endet wie an den Köpfen im Louvre (K I 3), in Kassel (K I 1) und in Stockholm (K II 1) in einem geraden, glatten Schnitt in Verlängerung des Kinns. Aus den Resten von Hals und Haarschopf ist noch ersichtlich, daß der Kopf leicht nach links unten geneigt war. Auffällig sind die ausgeprägten Augenlider und die Klarheit der Einzelformen, die sicher ein Bronzeoriginal imitieren sollen.
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Taf. 26 Abb. 1 – 3; Taf. 58 Abb. 1 Dat.: flavisch1560 Lit.: S. VT II 1; W. Amelung, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum III, 1900, 15 Taf. II Abb. 6-8.
Der Erhaltungszustand des Kopfes ist gut; ergänzt sind Teile der Oberlippe, der Wangenschutz, die Lederfutterrollen, die Nase und große Teile des Halses. Wie der Kopf in Kassel (K I 1), einer der Köpfe im Louvre (K I 3) und der Kopf in Stockholm (K II 1) in Verlängerung des Kinns glatt abgesägt. Die Haarsträhnen sind sorgfältig ausgeführt und auf beiden Seiten des Kopfes unterschiedlich gestaltet. Amelung zufolge ist die Kopfwendung am Muskel unter dem linken Ohr noch erkennbar. Das Karnat ist, wie an flavischen Köpfen üblich, weich, die Lider sind dicklich.
K I 3 Paris, Louvre Kopf auf Variante des Typus Ostia-Cherchel (OC III 1) gelbgrauer, feinkörniger Marmor Taf. 31 Abb. 3; Taf. 32 Abb. 1 – 2 Dat.: trajanisch-frühhadrianisch modern)1561 1560
K I 2 Vatikan, Sala delle Muse 264 Kopf auf Statue vom Typus Vatikan-Tokyo (VT II 1) grauer, grobkörniger Marmor
1559
Vgl. den Kopf der Augustusstatue in Korinth, H. R. Goette, AM 103, 1988, 254 ff. Taf. 38, F. Have´-Nikolaus, Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz (1998) 67 ff. K 2 Taf. 1. 2; D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, HB I 2 (1993) 157 f. 114 Taf. 178, 215. 1 (Abguß), der das gleiche Karnat, dieselbe Weichheit bei gleichzeitig harten und klaren, vielleicht leicht klassizistisch geprägten Einzelzügen aufweist. Ganz übereinstimmend ist auch der Mund. Die Angabe der Haarsträhnen paßt gut zu augusteischer Plastik, vgl. die Haare der Tellus von der Ara Pacis, E. Simon, Ara Pacis Augustae (1967) Taf. 26-27.
(wenn
nicht
Als untere Datierungsgrenze vgl. eine von P. Zanker spätflavisch datierte weibliche Büste im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker, III 57 f. 75 Taf. 95, als oberste Grenze s. zwei domitianische Porträtköpfe, P. Cain, Männerbildnisse neronischflavischer Zeit (1993) 220 ff. 94, 96; Taf. 28-31, die in Augen-, Haar- und Karnatangabe ähnlich sind. 1561 Eine trajanische Datierung erscheint noch am ehesten vertretbar; vgl. das in Anm. 9 verglichene weibliche Porträt im Magazin des Museo Capitolino, das von Zanker spätflavisch datiert wird. Augenbildung, Karnatqualität, der Mund und auch die skizzenhafte Haarbildung sind ähnlich. Der Kopf enthält merkwürdigerweise aber auch Merkmale, die besser in die frühe Kaiserzeit passen würden: die zarte, diaphane Oberfläche sowie die feine Zierlichkeit der Sinnesorgane vgl. z. B. den Kopf des Augustus von Primaporta, D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus, HB I 2 (1993) 179 f. 171 Taf. 69. Die Klarheit und Schärfe der Züge spricht jedoch eher für eine Datierung in trajanische Zeit und geht sogar vielleicht in frühhadrianischen Stil über; vgl. das
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Lit. : S. OC III 1; W. Amelung, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum III, 1900, 15 Taf. II Abb. 3-5; (Einzelaufnahmen des Kopfes nur im Gipsabguß).
Dat.: antoninisch1563 Lit.: L. Kjellberg, RM 14, 1899, 114 ff. Taf. VI.
Taf. 61 Abb. 1-2
Freie Wiedergabe des Typus mit geänderten Haarsträhnen. Der Kopf ist aus mehreren, zum großen Teil ergänzten Fragmenten zusammengesetzt; der Zustand ist also nicht besonders gut. Die Kopfwendung kann aufgrund der starken Ergänzungen nicht mehr als authentisch gelten und wurde wahrscheinlich von Giovanni Crosati, der den Kopf mit dem Körper verband und die ganze Restaurierung vornahm, eingerichtet, weshalb die Zugehörigkeit zum Typus auch nicht einwandfrei erwiesen ist. Die Neigung des Kopfes ist Kjellberg zufolge allerdings an der oberen Halspartie noch ablesbar und war stärker als die Ergänzung des Halses dies suggeriert. Modern sind große Teile des Helmes sowie Teile des Schläfenhaares auf der linken Seite des Kopfes, die Nasenspitze und das Kinn. Wie an den Köpfen in Kassel und im Louvre verläuft ein glatter Bruch am Hals in Verlängerung des Kinns nach hinten. Das Haar entspricht in seiner skizzenhaften Anlage nicht den übrigen Köpfen des Typus.
Lit.: S. VT V 1.
K II 2 Paris, Louvre 2225
II. Varianten (evtl. Modernes)
Kopf auf einer im 18. Jh. zu einer Athena ergänzten Buntmarmorstatue vom Typus der Hera Borghese
K II 1 Stockholm, Nationalmus.
Taf. 27 Abb. 4
Der Kopf ist ausgesprochen gut erhalten. Die linke Seite des Helmvisiers ist abgebrochen; das Helmvisier ist in ganz unüblicher Weise massiv am Helm angearbeitet. Der Hals ist wie an den Köpfen in Stockholm (K II 1), Kassel (K I 1) und im Louvre (K I 3) in Kinnhöhe glatt abgeschnitten. Der Mund wirkt unantik; die Einzelformen von Augen und Nase sind besonders scharf und klar. Das Karnat ist unter einer straff gespannten Oberfläche weich und findet sich in trajanischer Zeit; ebenso wie die etwas verschwommen angelegten Haarsträhnen1562.
K I 4 San Antonio, Mus. of Art Kopf auf wahrscheinlich moderner Statue vom Typus Vatikan-Tokyo (VT V 1), wohl ebenfalls neuzeitlich Denman Collection
Kopf auf Statue des Typus Ince Blundell (In II 7) H (Gesicht) 0. 15 m Taf. 27 Abb. 1-3; s. a. Taf. 8 Abb. 1 - 3 Antinoosporträt in Florenz, H. Meyer, Antinoos (1991) 42 I 18 Taf. 18. 1562 Auch an diesem Kopf erscheint einiges merkwürdig; so z. B. die Schärfe einiger Konturen, die sogar noch anders ist als die hadrianischer Werke. Besonders der Mund erscheint in Form und Ausführung unantik. Die beiden Hälften des Wangenschutzes sind - vollkommen unüblich - nicht voneinander getrennt, und die linke Seite ist entsprechend ungleichmäßig abgebrochen. Unter allen Athenaköpfen ist mir kein vergleichbarer Erhaltungszustand bekannt. So muß auch dieser in seinem Gesamtausdruck eigenartige Kopf mit Vorsicht betrachtet werden.
Dat.: wahrscheinlich modern - falls antik, dann frühkaiserzeitlich Lit.: E. Michon, Cat. Sommaire des Marbres Antiques. Le Muse´´e du Louvre (1922) 77. 2225; J. Charbonneaux, La Sculpture grecque et romain au Muse´´e du Louvre (1963) 100; A. Giuliano, Xenia antiqua 2, 1993, 101 Abb. 7, 102 Anm. 10.
1563
Vgl. ein spätes Sabina-Porträt, E. Carandini, Vibia Sabina (1969) 398 Taf. CI Abb. 239-240, und ein frühantoninisches weibliches Porträt im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker III, 68. 89 Taf. 110.
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TYPUS OSTIA-CHERCHEL I. Statuen ohne Kopf OC I 1 Ostia, Mus. 113 Statue ohne Kopf und Plinthe aus dem Haus der Fortuna Annonaria H 1. 03 m heller, feiner Marmor Taf. 28 Abb. 1 - 3 Dat.: claudisch1564 Lit.: G. Becatti, Critica d'Arte IV (1939) 74 Taf. 29 Abb. 33. 34; H. Fuhrmann, AA 1941, 475 f.; R. Calza, M. Floriani-Squarciapino, Museo Ostiense (1962) 34. 16 mit Abb.; Lippold, Plastik 265 Anm. 4; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 5; Bieber, Ancient Copies 89 Taf. 63 Abb. 383 f.; Schuchhardt, Alkamenes 44 f. Abb. 43-46; W. Fuchs, Boreas 1, 1978, 34 Anm. 13 Taf. 7. 1, 2; ders., in: Helbig4 IV 32 f. 3023.
Außer dem Kopf fehlen beide Arme mit Schultern; auf der linken Seite ist die Brust bis zur Aigis weggebrochen. Die Aigis ist glatt und an den Rändern stark bestoßen; das Gorgoneion ist in der üblichen einheitlichen Weise wiedergegeben. Bestoßen sind außerdem die Saumkanten des Apoptygma und der seitlichen Peplosöffnung, die Faltengrate auf der rechten Seite des rückwärtigen Peplosüberfalles sowie teilweise auf der Frontseite am Apoptygmasaum und im Bereich der Knie. Die Rückseite ist sorgfältig ausgearbeitet. Der vordere Teil des linken Fußes fehlt. Eine Art Plinthe ist nur im Bereich der Füße direkt unter dem Peplos vorhanden; entweder ist sie seitlich und vorn 1564
Vgl. die vormals der Ara Pietatis zugeordneten Reliefplatten, die offenbar zu einem claudischen Altar gehören, G. Koeppel, BJb 183, 1983, 7 ff. 98 ff.; C. Cordischi, ArchCl 37, 1985, 238 ff. Einen Hinweis auf die vermutete östliche Herkunft der Replik gibt der Vergleich mit den Statuen des Claudius und der Agrippina Minor in Olympia, K. Hitzl, OF 19 (1991) 38 ff. Taf. 8-19, deren Gewandanlage in ihrer feinen Nuancierung der der Athena verwandt ist. Zu den Statuen des Metroon vgl. auch D. Boschung, Gens Augusta (2002) 100 ff. Taf. 79 – 81.
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abgebrochen oder sie war zugunsten des Bronzeeindruckes der Replik kaum sichtbar. Die Füße stellen so jedenfalls die einzige Verbindung mit der Standfläche dar. Der folglich wohl fast freie Stand der Replik unterstreicht ihre Qualität, die durch eine beeindruckende Lebendigkeit und Tiefenwirkung der Faltengebung und durch die sensible Oberflächenbeschaffenheit bestätigt wird. Diesen positiven Gesamteindruck verstärken Details wie die profilierte Sandalensohle des rechten Fußes, die Zartheit des unter der weggebrochenen rechten Achsel noch sichtbaren Karnates und die Durchgestaltung jeder einzelnen Faltenführung. Auch die Rückseite der Replik ist sorgsam ausgearbeitet - der Nackenschopf ist zusammen mit dem Kopf weggebrochen, aber die Bruchspur in der genauen Mitte des Rückens bestätigt auch hier die frontale Kopfhaltung.
OC I 2 Rom, Galleria Borghese 794 Statue mit wahrscheinlich modernem Kopf gesamte H 1. 58 m; antike H 1. 10 m grobkristalliner hellgelber Marmor, evtl. pentelisch Taf. 29 Abb. 1 Dat.: flavisch1565 Lit.: EA 2766; Reisch, ÖJh 1898, 71; H. Brunn - F. Bruckmann, Denkmäler griechischer und römischer Skulptur (1888 - 1947) Text zu 608 Abb. 5; W. Fuchs, in: Helbig4 II (1966) 742 f. 1991; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 4; Bieber, Ancient Copies 89 Taf. 63 1565
Vgl. den Mantel einer Statue der Domitia in den Vatikanischen Museen (ehemals Lateran), der dieselben dicken langen Falten aufweist wie der untere Peplosbereich der Athena, Bieber, Ancient Copies Taf. 130 Abb. 775, sowie eine spätflavische Frauenfigur in Istanbul, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 233 f. A 2 Taf. 3. Das Auffinden eindeutiger Vergleichsbeispiele wird durch die starken Restaurierungen an der Athenafigur, die deren Gewandmerkmale teilweise erheblich nivelliert haben, erschwert. Wegen der dicklich weichen Faltenzüge, der zarten Oberfläche und der Ausfertigung des Haarschopfrestes (vgl. Text) kann die flavische Datierung jedoch trotz der neuzeitlichen Veränderung als relativ sicher gelten.
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Abb. 379 f.; S. Staccioli - P. Moreno, Le Collezioni della Galleria Borghese, Roma (1981) 87. 217.
Der Erhaltungszustand der Replik erscheint auf den ersten Blick täuschend gut; die Figur ist allerdings stark überarbeitet und ergänzt. Zu den Ergänzungen gehören außer den größten Teilen des Kopfes und dem rechten Arm die mittleren Fingerglieder der linken Hand, der rechte Fuß, die linke Fußspitze und die gesamte Plinthe. Am Gewand ergänzt ist der untere Abschluß des Apoptygma in einer Höhe von einigen Zentimetern, der zu kurz geratene Abschluß der eigentlich schlaufenartigen Falte an der linken Hüfte und der untere Faltensaum. Dieser wurde offenbar zusätzlich am antiken Teil begradigt, sodaß die typuskonforme Staufalte über dem rechten Fuß, die sonst an keiner Replik fehlt, verlorenging. Auch der seitlich von der rechten Schulter herabfallende Peplossaum ist ergänzt. Neu ist außerdem der untere Aigisrand, der die Aigis zu breit macht, samt Kinn und evtl. auch der Zunge des Gorgoneion1566. Die Fiederung der Aigis, die nur vorn sichtbar ist und sich auch über den ergänzten Teil erstreckt, erscheint modern. Die Rückseite der Figur ist ausgearbeitet. Da der Kopf erst auf der Mitte des Halses abgebrochen ist, haben sich der Haarschopf zwischen den Schulterblättern und ein Teil des Nackenhaares erhalten; das Haar besteht aus feinen Strähnen mit Binnenritzung. Bei der Restaurierung der Replik ist die Verbindung zwischen Peplossaum und restlicher Plinthe bis auf einen Steg an der Rückseite unter der Figur abgearbeitet worden. Die moderne Basis wurde über neue Füße mit dem neu bearbeiteten 1566
Das Motiv der herausgestreckten Zunge an Gorgoneia klassischer Skulptur ist m. E. nirgends bekannt; zum Motiv vgl. J. Floren, Studien zur Typologie des Gorgoneion (1977) 168 f. So war es auch in einem anderen Fall möglich, dieses Merkmal als zusätzlichen Hinweis auf eine Fälschung auszuwerten (vgl. S. 203). Das gleiche Motiv tritt an den Athenen Piräus-Kyrene auf. Aufgrund verschiedener Parallelen mit diesem eindeutig hellenistischen Typus kam es zu Zweifeln an der spätklassischen Datierung des Typus Ostia-Cherchel; vgl. S. 106 ff. Zu den Gorgoneia vgl. darüberhinaus S. 258 ff.
unteren Peplosabschluß verbunden und läßt einen etwas zu weiten Abstand zwischen Saum und Plinthe entstehen. Bei der Anbringung der neuen Plinthe wurde die gesamte Figur leicht nach rechts, d. h. nach ihrer linken Seite hin gekippt. Bedeutsam ist die Erhaltung des linken eingestemmten Armes, der lediglich unterhalb der Schulter gebrochen war, und der Fingerspitzen der linken Hand - ergänzt sind nur Teile der Finger. Der Kopf war, wie der erhaltene Halsansatz zeigt, angearbeitet und wurde bezüglich der Haltung richtig ergänzt.
OC I 3 Lecce, Museo Provinciale 4813 Statue ohne Kopf aus dem römischen Amphitheater feiner, weißer Marmor Taf. 29 Abb. 2 Dat.: spätflavisch-trajanisch1567 Lit.: W. Fuchs, Boreas 1, 1978, 34 Anm. 13 Taf. 8. 1; G. Semeraro, Arte e artigianato nella Lecce Romana, in: F. D’Andria (Hrsg.), Lecce Romana e il suo teatro (o. J.; ca. 2000) 105 ff. 112 f. Abb. 13-14; Verf., Small Athenas 192 ff. pl. 10.
Der Halsausschnitt ist weiträumig weggebrochen; es fehlt außerdem der linke Arm, der durch einen rechteckigen Dübel mit dem Oberkörper verbunden war. Das sorgfältig 1567
Die Baugeschichte des Theaters ist nicht ganz geklärt; seine Entstehung wird in augusteische Zeit angesetzt (C. M. Amici, in: D’Andria [s.o.] 98). Zur stilistischen Datierung lassen sich auch hier die Cancelleriareliefs heranziehen, F. Magi, I rilievi Flavi della Cancelleria (1945); J. M. C. Toynbee, The Flavian Reliefs from the Palazzo della Cancelleria in Rome (1957); G. Koeppel, BJb 184 (1984) 5 ff. 28 ff., die die gleiche dünnhäutige, reiche Stoffbildung mit den verschatteten, wulstigen, teilweise plötzlich abgeknickten Falten zeigen. Die trotz der aufgeblasen wirkenden Faltengrate und verschwommenen Körperkonturen spürbare Unruhe der Oberfläche, ausgelöst durch eine Fülle unorganisch aufgesetzter Fältchen sowie die beginnende, etwas langweilige Verbreiterung des Faltenwurfes an der Vorderseite führen zur Datierung in den Übergang von der flavischen zur trajanischen Zeit; vgl. eine spätflavisch-frühtrajanische Gewandstatue in Istanbul, Bieber, Ancient Copies Taf. 143 Abb. 837; Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 332 f. D 18 Taf. 46.
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vorbereitete, tiefe Einsatzloch für den linken Arm ist noch zu sehen. Auf der rechten Körperseite zeigt ein Stück schräg geglättete Abarbeitung, daß der rechte Schulterbereich angestückt war. Ein Segment der flachen Einsatzgrube ist daneben noch sichtbar. Die seitlichen Falten des rückwärtigen Überfalls sind hier abgebrochen. Am hinteren Apoptygmasaum befindet sich ein kleiner Bossen. In der Mitte des rechten Oberschenkels hat sich seitlich offenbar der Rest eines Gewandsaumes erhalten. In der Vorderansicht ist der Erhaltungszustand gut; außer einer modernen Bestoßung am linken Knie, an der Bogenfalte oberhalb davon und an der rechten Vorderfalte des Apoptygma ist nichts beschädigt. Der Apoptygmasaum liegt über den tief verschatteten, parallel nebeneinander gebohrten Gürtungsfalten. Die Aigis ist glatt und zeigt die gleichen gut sichtbaren Spuren des Schabeisens, die an der gesamten Replik zu beobachten sind; ihre untere Kante ist bestoßen. Das Gorgoneion folgt dem üblichen Typus. Der Peplossaum hebt sich durch eine Bohrrille von der vorn halbkreisförmigen Basis ab. Die Faltengebung der Replik ist dickflüssig und schwerfällig; der Schwerpunkt liegt entsprechend eher auf dem Kontrast zwischen tief verschatteten Faltentälern und breiten Rücken als auf der sensiblen Oberflächengestaltung des Stoffes.
OC I 4 Vatikan, Museo Chiaramonti 2082 Statue mit Kopf vom Typus Vatikan-Tokyo (VT III 2) ehemals in den päpstlichen Gärten auf dem Quirinal H 1. 53 m feiner, gelblicher Marmor
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Lit.: Reisch, ÖJh 1898, 69 f. Taf. 3; C. H. Weller, Athens and its Monuments (1913) 122 Abb. 65; Amelung, Vat. Kat. I 575 f. 403 Taf. 88; S. Papaspiridi-Karouzou, AM 69/70, 1954/55 Beil. 33; W. Fuchs, in: Helbig4 I (1963) 377; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 2; Bieber, Ancient Copies 89 Taf. 62 Abb. 378; Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1, 755. 363.
Ergänzt sind an der stark bestoßenen Replik außer dem Einsatzkopf die beiden Arme, wobei die Haltung des linken Armes auch hier durch die erhaltenen Fingerspitzen und den Schulteransatz gesichert ist. Der ersetzte Einsatzkopf ist antik, zeigt aber durch den nicht zum Typus passenden Faltenrest auf der linken Nackenseite seine Zugehörigkeit zu einem anderen Statuentypus. Aufgrund seiner Verwandtschaft mit den erhaltenen Köpfen dieses Typus kann er dem Athenatypus Vatikan-Tokyo zugeordnet werden1569. Von den beschädigten Faltenzügen sind folgende typusgebunden: Die vom Knie zur Basis herabfallende Falte ist abgebrochen, ebenso die Falten der rechten Seite in Höhe der Unterschenkel. Am Oberkörper ist die Bauschfalte an der linken Hüfte trotz der Bestoßung noch gut erkennbar; stark bestoßen ist dagegen die mittlere doppelte Apoptygmafalte. Die Faltengebung ist insgesamt in fast manirierter Art bereichert; besonders aufwendig gestaltet ist die seitliche Peploskante. Der untere Rand der Aigis fehlt. Die Aigis ist nur auf der Vorderseite reliefiert; an der Rückseite ist ein Teil der Randschlangen erhalten. Das Gorgoneion ist wie immer schlicht und hat seitlich abstehendes Flammenhaar. Die Rückseite der Replik ist sorgfältig ausgearbeitet. Die obere Hälfte der quadratischen Basis zeigt an drei Seiten die im 2. Jh. n. Chr. übliche Profilleiste1570.
Taf. 30 Abb. 1 – 3; Taf. 31 Abb. 1; s. a. Taf. 59 Dat.: trajanisch-frühhadrianisch1568
1568
Vgl. die trajanisch-frühhadrianische Statue einer Priesterin aus Pozzuoli in amerikanischem Privatbesitz, M. B. Comstock - C. C. Vermeule, Sculpture in Stone. The Greek, Roman and Etruscan Collections of the Museum of Fine Arts,
Boston (1976) 224 Abb. 355, deren Gewandstil dem der Athenafigur sehr ähnlich ist. 1569 Vgl. S. 331 ff. 1570 Vgl. F. Muthmann, Statuenstützen (1951) 125 Anm. 58; s. aber auch Anm. 1485. Eine deutlich profilierte Basis hat auch R V 1.
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OC I 5 Rom, Palazzo Rospigliosi, Casino
OC I 6 Turin, Kunstmarkt, verschollen
Aurora 622
Statue ohne Kopf
Statue mit zersplittertem, evtl. zugehörigem Kopf H 1. 25; ohne Kopf 1. 07 grobkristalliner, gelblicher Marmor Taf. 29 Abb. 3 1571
Dat.: hadrianisch Lit.: Matz - Duhn I 165. 622; Reisch, ÖJh 1898, 70 ff. Abb. 34; Lippold, Plastik 265 Anm. 4; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 3; Verf., AA 1996, 84 Abb. 2.
Die Replik scheint recht gut erhalten zu sein; ergänzt sind außer dem beschädigten Kopf die Arme bis auf die Schultern und die am Körper anliegenden Finger der linken Hand. Einige Faltenzüge sind ausgebessert; die Schlangen am unteren Aigisrand sind neu angesetzt. An der Rückseite ist die Lage des Haarschopfes noch sichtbar. Die Aigis ist sorgfältig gefiedert, das Gorgoneion wie immer schlicht. Das Apoptygma hebt sich plastisch vom Untergrund ab und ist am unteren Ende stark unterschnitten; der Peplossaum hebt sich von der Plinthe ab. Die Faltengebung ist klar und prägnant, teilweise fast metallisch. Die Falten sind offensichtlich im Geschmack des schematisch strengen, teilweise schwerfälligen Pseudo-Bronzestils hadrianischer Zeit gehalten und folgen akribisch den typologischen Vorgaben. Die fehlende hängende Schlaufenfalte der linken Seite war sicherlich abgebrochen; ihre Überreste wurden vom Restaurator nach eigenem Verständnis verändert. Über den Kopf läßt sich ohne Autopsie vorerst nichts aussagen, außer daß er einen attischen Helm trägt und offenbar frontal ausgerichtet war.
1571
Vgl. die Reliefs vom sog. Arco di Portogallo, G. Koeppel, BJb 186, 1986, 7 f. 39 ff., deren Faltengebung ganz dem der Replik entspricht, sowie die Sabina-Ceres in Ostia, A. Carandini, Vibia Sabina (1969) 195. 407 f. Taf. 110 f. Abb. 263-65, Kruse, Gewandstatuen 229 f. A 12 Taf. 5; E. La Rocca, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 642 ff. 499 mit Abb.
Taf. 33 Abb. 1 Dat.: antoninisch, Basis und Füße severisch ergänzt1572 Lit.: Bieber, Ancient Copies Taf. 63 Abb. 385.
Die Figur ist offenbar in drei Teilen aufgefunden worden. Der unterste Teil, die Basis mit den Füßen, ist als Folge einer antiken Reparatur angestückt. Ein Bruch verläuft diagonal über die Oberschenkel. Das oberste Stück der rechten Schulter mußte ebenfalls wieder angesetzt werden. Die Oberfläche der Replik ist nach der Abbildung, die sie wohl im unrestaurierten Zustand zeigt, sehr verunklärt. Zwei kreisrunde konkave Löcher im linken Oberschenkel sowie die Beschädigung am rechten Oberschenkel sind wahrscheinlich Spuren einer willentlichen Zerstörung. Der erhaltene Halsrest läßt vermuten, daß der Kopf angearbeitet war. Die Falten der Vorderseite sind z. T. bestoßen; ihr Verlauf ist aber gut erkennbar und zeigt, daß die Figur entgegen dem ersten Eindruck, der sie vielleicht als Variante erscheinen läßt, typusgetreu ist1573. Es handelt sich also nicht um eine Variante oder ein Typuszitat, sondern um eine wenn auch eher nach einer Skizze als nach einem plastischen Modell hergestellte freie Replik. Die Basis mit dem schleppenden Peplossaum mußte offenbar bereits in der Antike 1572
Zum reparierten Teil der Füße vgl. die Figur der Julia Domna als Ceres in Ostia, deren Gewand im Fußbereich eine ebenso aparte Faltenformen bildende träge Masse aufweist, vgl. hierzu auch unten Anm. 3. Zur antoninischen Datierung der Replik vgl. die antoninische Gewandstatue als Ceres in Kopenhagen, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 252 A 36 Taf. 12; H. Wrede, Consecratio in formam deorum (1981) 218. 71 Taf. 8. 1 - von Wrede m. E. etwas zu spät angesetzt. 1573 Abweichungen vom Typus sind in der Vorderansicht das Schwingen der mittleren Apoptygmafalte sowie die Blasenfalte rechts daneben, die Bereicherung des Spielbeinunterschenkels, die breitere Aigis und die mit dem Handrücken anliegende linke Hand, die ein kugelförmiges Attribut hält.
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ersetzt werden, nachdem die Statue im Fußbereich gebrochen war. Danach wurde der Peplos vermutlich zwecks erhöhter Stabilität anders als bei den meisten Repliken, deren Verbindung mit der Basis eher fragil ist, auf die ganze Plinthe aufgelegt1574. Besonders interessant an der Replik ist die Überlieferung der Armhaltung, die sich der Mehrzahl der Repliken sinnvoll anschließt: Der linke Arm ist angewinkelt, die Hand in die Hüfte gestützt. Der rechte Arm war seitlich ausgestreckt und muß sich auf eine Lanze gestützt haben1575. Auffällig verändert ist das Gorgoneion: Es ist offenbar männlich und bärtig.
II. Fragment
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Es ist vermenschlichter als an den übrigen Repliken; die Stirn ist gerunzelt. Die Oberfläche der Fragmente ist nach den Angaben Broneers stark poliert, was zusätzlich zur Verwandschaft mit der Replik ehemals in Turin (HC I 7) und zur technischen Fertigung des Gorgoneions für eine antoninische Datierung spricht.
III. Varianten: OC III 1 Paris, Louvre MA 847 Statue mit modernem Kopf angeblich aus Kreta H 1. 40 m gelblicher, körniger Marmor Taf. 31 Abb. 3; Taf. 32 Abb. 1 - 2
OC II 1 Korinth, Mus. Inv. 1436 Brustfragment von knapp unterlebensgroßer Statue 1930 im Odeion gefunden weißer, grober Marmor Taf. 33 Abb. 2 Dat.: antoninisch Lit.: O. Broneer, Corinth X, The Odeum (1932) 123 f. Abb. 115 (mit der Athena Lemnia verbunden); B. Sismondo-Ridgway, Roman Copies of Greek Sculpture (1984) 36 Anm. 19; dies., Hesp. 50, 1981, 442 Anm. 79 (der Athena Mattei-Piräus angeschlossen).
Erhalten ist die linke Brust mit dem unterhalb entlanglaufenden Aigisteil und dem Gorgoneion. Als weiteres Fragment der Replik trat am selben Fundort u. a. ein Oberarm mit Dübelloch zutage.1576 Am Brustfragment läßt sich folgendes beobachten: Die Aigis ist vom oberen zum nicht erhalteten unteren Rand hin gleichmäßig gefiedert. Das Gorgoneion entspricht dem kanonischen Typus mit herausgestreckter Zunge. 1574
Einen vergleichbaren Fall bildet die RospigliosiReplik des Museo Nuovo (R II 3), bei der ein ähnlicher Vorgang zu erschließen war. 1575 Vgl. S. 98. 1576 Die übrigen Fragmente sind leider unpubliziert.
Dat.: frühantoninisch1577 Lit.: Reisch, ÖJh 1898, 72 ff. Abb. 35; B. Sauer, Das sogenannte Theseion und sein plastischer Schmuck (1899) 241 f. mit Abb.; E. A. Gardner, JHS 19, 1899, 6 ff. Abb. 2; Amelung, ÖJh 12, 1909, 178 f. 180 Abb. 89; M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des königlichen Museum Fridericianum in Cassel (1915) 15; dies., Ancient Copies Taf. 62 Abb. 372-375; Walston, Alcamenes 179 Abb. 153 Taf. 71 a; E. Buschor, in: Antike Plastik, Festschrift W. Amelung (1928) 55 f.; Encyclope´´die photographique de l'art III. Le Muse´´e du Louvre (1938) 180 f. Abb. A-C; Lippold, Plastik 265 Anm. 4; Hiller, Formgeschichtl. Unters. 35. 63; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 1; Palagia, Euphranor 22 mit Anm. 108 Abb. 41; Demargne, LIMC II 980 1577
Vergleichbar sind die Reliefs im Konservatorenpalast, E. Angelikoussis, RM 91, 1984, 141ff.; G. Koeppel, BJb 186, 1986, 47 ff., die aber gleichzeitig zeigen, daß die Athena trotz enger Gemeinsamkeiten in der Faltenbildung ungleich weicher ist. Da eine frühere Datierung m. E. nur aus diesem Grund dennoch nicht möglich ist, kann das nur mit ihrer Herkunft erklärt werden: Angeblich auf Kreta gefunden, könnte es sich aber nicht nur aus ikonographischen Gründen (s. Text), sondern auch handwerklich um ein Produkt aus Nordafrika handeln; vgl. eine frühantoninische Gewandstatue im Typus der Kleinen Herculanerin aus Djemila in Constantine, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 312 C 23 Taf. 32.
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Athena 252 Taf. 733; J. Boardman, Griechische Plastik. Die klassische Zeit (1987) Abb. 205; Todisco, Scultura Greca Abb. 86.
Die Bewertung dieses bereits vielfach interpretierten Exemplars wird schon mit der Entscheidung problematisch, ob es sich um eine modern umgearbeitete Replik oder um eine antike Variante handelt. Obwohl letztendlich nicht beweisbar, wird hier aus verschiedenen Gründen eine beides vereinigende Ansicht vertreten. Danach handelt es sich um eine modern umgearbeitete antike Variante. Es muß jedoch immer mitbedacht werden, daß zu viele Widersprüche an einer Figur möglicherweise auch für eine Fälschung sprechen könnten. Zum Zustand: Der etwas zu kleine Kopf wurde aufgesetzt und besteht aus etwas dunklerem Marmor1578. Er entspricht dem mehrfach überlieferten Typus Kassel, der aber noch keinem Körpertypus zugeordnet werden konnte1579. Abgesehen vom Kopf, dessen Seitenwendung zudem der Aussage des auf der Rückenmitte liegenden Nackenzopfes widerspricht, sind keine weiteren Ergänzungen vorgenommen worden. Bei der Auffindung war die Statue in zwei Teile zerbrochen; der diagonale Bruch an den Beinen ist noch sichtbar. Geflickt sind Partien unter dem linken Knie und an der rechten Hüfte. Mit Marmor ausgebessert wurden offenbar die waagerechten Bogenfalten unterhalb der rechten Achsel und die senkrechten Falten in Hüfthöhe. Die gesamte Figur ist m. E. einer eingehenden Überarbeitung unterzogen worden, die sich besonders am Oberkörper bemerkbar macht1580. Da der linke Arm direkt angearbeitet ist und weiter nach vorn reicht als der Körper - statt, wie bei den meisten anderen Repliken, in die Hüfte gestützt zu sein -, muß davon ausgegangen werden, daß es sich hier von vornherein um eine Variante gehandelt hat. Die vielbeschworene Deutungsversion mit der Erechtheionschlange in 1578
Trotz der starken Verschmutzung der Oberfläche ist der Unterschied der Marmorsorten erkennbar. 1579 Vgl. S. 291 ff. 1580 Detailfotos und Farbdias veranlaßten erst nach einem Besuch im Louvre zu diesen Annahmen und Folgerungen, die noch einmal vor Ort überprüft werden müßten.
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einem Korb, die zum Beinamen der Figur als "Athena mit der Ciste" geführt hat1581, ist allerdings unglaubwürdig und besitzt keine Parallele. Dafür, diese Version nicht als antik anzusehen, spricht ferner die äußerst grobe, skizzenhafte und völlig unplastische Ausführung von Korb und Schlange. Außerdem deuten Abarbeitungen unterhalb des linken Handgelenkes auf eine nachträgliche Änderung hin. Die linke Hand scheint allerdings antik zu sein, sodaß, wenn man davon ausgeht, daß die Ciste modern umgearbeitet ist, die Handhaltung erklärt werden muß. Als plausibelste Erklärung bietet sich vielleicht an, hier könnten Reste eines Füllhornes vorhanden gewesen sein, das dann zu einer Ciste mit Schlänglein umgearbeitet wurde. Die Abarbeitungsspuren unterhalb der Hand würden dann von der unteren Fortsetzung des Füllhornes zeugen1582. Die linke Schulter wurde ebenfalls abgearbeitet und, antik oder neuzeitlich, mit einem Gorgoneion versehen. Von der linken Seite aus wird das Ausmaß der Umarbeitungen sichtbar. Der hier sichtbare schlangenbesetzte untere Aigisrand ist offenbar der Überrest der ursprünglichen Aigis, die auch hier typusgemäß schmal und diagonal gewesen sein wird. Im Zuge der Abarbeitung von Füllhorn und Aigisoberkante wurde die linke Brust so flach, daß auch die rechte entprechenden Spuren zufolge abgeflacht werden mußte. Schließlich wurde offenbar der gesamte Bereich unterhalb des Aigisrandes abgeflacht, sodaß sich der untere Aigisrand hoch vom Gewand abhebt. Der rechte Bereich der Aigis ist mit einer leichten Fiederung überzogen. Abschließend setzte man einen nach links gewandten Athenakopf mit korinthischem Helm auf die Figur, die ursprünglich einen frontal ausgerichteten Kopf, 1581
M. Bieber a. O.; Reisch 72; vgl. auch Palagia, Piraeus Bronzes 186. 1582 Zu Füllhörnern vgl. K. Bemmann, Füllhörner in klassischer und hellenistischer Zeit (1994); vgl. auch E. Vikela, Die Weihreliefs aus dem Athener Pankrates-Heiligtum am Ilissos. 16. Beih. AM (1994). Es gibt unterschiedliche Arten, das Füllhorn zu tragen - am häufigsten wird es jedoch am untersten, leicht geschwungenen Ende oder in der hier rekonstruierten Weise gehalten.
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möglicherweise mit attischem Helm und Stadtkrone, besessen haben dürfte. Es könnte sich z. B. um eine Umbildung des Typus OstiaCherchel zur Athena Tyche gehandelt haben. Das Phänomen solcher Typus-Umbildungen ist in anderen Fällen vor allem aus Nordafrika bekannt1583. Eine Parallele zur Benutzung des Typus Ostia-Cherchel für die Darstellung einer Tyche bildet die Figur einer Nemesis-Tyche aus Herakleia in Skopje (OC III 3). Eine Athenastatuette mit Füllhorn befindet sich im Magazin des Athener Akropolismuseums1584.
OC III 2 Cherchel, Mus. S 17 Statue ohne Kopf 1840 nahe der Porte d'Alger im Bereich des antiken Iol-Caesarea gefunden H 1. 17 m feiner weißer Marmor mit dunkelgrauer Maserung1585 Taf. 31 Abb. 2 Dat.: spätantoninisch-severisch1586 1583
Vgl. die vom Darstellungstypus der Parthenos abgeleitete Athena-Tyche aus Bulla Regia in Tunis, die mit Füllhorn, Flügeln und einem mit Stadtkrone geschmückten Helm versehen ist, M. L. Poinssot, Cat. des muse´´es et collections arche´´ologiques de l’Algerie et de la Tunesie. Muse´´e Alaoui. Suppl. I (1907) 57. 1017 Taf. XXXIII. 3, und die fast replikentreue Umbildung des Typus Ince zur helmlosen Athena-Nike mit Flügeln und Kreuzband-Gorgoneion aus Beda in Kyrene (In V 1). 1584 E. Mathiopoulos, in: Deacy - Villing, Athena 213 ff. Taf. 14; zur Athena Tyche vgl. weiterhin a. O. 214 ff. Taf. 15-16. 1585 C. Landwehr 45 - anders E. Boucher-Colozier 135, die einen grobkörnigen, wahrscheinlich lokalen Marmor erkennt. 1586 Eine Datierung in das späte 2. Jh. drängt sich auf, wenn man die Bohrrillen am Unterkörper, die glatt polierte Oberfläche und die groben, dickwulstigen Falten betrachtet; vgl. die Reliefs vom Severusbogen in Leptis Magna, P. Bober, The Sculptures of the Arch of Septimius Severus in Leptis Magna (1943); J. B. Ward-Perkins, JRS 38, 1948, Taf. 10-11; V. M. Strocka, AntAfr 6 (1972) 147 ff. Beil., und eine spätantoninische Gewandstatue im Typus der Kleinen Herculanerin in Neapel, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 320 C 39 Taf. 41.
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Lit.: P. Gauckler, Muse´´e de Cherchel (1895) 139 Taf. 15. 1; Reisch, ÖJh 1898, 64 ff. Abb. 33; B. Sauer, Das sogenannte Theseion und sein plastischer Schmuck (1899) 241 mit Abb.; Walston, Alcamenes 182 Abb. 156; S. Gsell, Promenades arche´´ologiques aux environs d'Alger (1926) 36 f. 20 Taf. 3; ders., Cherchel, antique Iol-Caesarea (1952) 46 (Abb.); K. Schefold, Orient, Hellas und Rom in der archäologischen Forschung (1949) 122; C. Picard, in: Miscellanea G. Galbati I (1951) 19 ff.; ders., CRAI 1938, 393 Abb. 2, 397 Abb. 3; L. Leschi, Algerie Antique (1952) 164 (Abb.); E. Boucher-Colozier, Lybica 1, 1953, 265 ff.; dies., RA 41-42, 1953, 134 ff.; Lippold, Plastik 265 Anm. 4; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Hephaisteia 6; Schuchhardt, Alkamenes 43 Abb. 41, 42, 59 (Lit.); Ridgway, Fifth Century Styles 176 Anm. 33; W. Fuchs, Boreas 1, 1978, 34 Anm. 13 Taf. 8. 2; Canciani, LIMC II 1085 f. Athena/Minerva 149; Demargne a. s. O. 980 Athena 251 Taf. 733; A. Delivorrias, in: Archaische und klassische griechische Plastik. Kongr. Ber. Berlin 1985 (1986) 148 ff. Taf. 134. 1-3; C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik (Weibliche Figuren benannt) Arch. Forsch. 18 (1993) 45 ff. 31 Taf. 40 - 42 (mit Lit.); Todisco, Scultura Greca 6.
Der rechte Arm und der linke Unterarm fehlen; der Hals ist bis etwa zur Mitte erhalten. Ein Bruch in Höhe der linken Brust deutet darauf hin, daß der rechte Schulterbereich bei der Auffindung abgebrochen war. Bestoßen sind die Brustspitzen, die an der rechten Seite herabhängende Peploskante und die Standbeinfalten, die zum Teil zur Flickung vorbereitet und teilweise auch geflickt sind. Stark bestoßen ist der Unterschenkel des Spielbeins an der Stelle, an der eine seitlich angebrachte Stütze ausgebrochen ist. Die Aigis ist nur auf der Vorderseite gefiedert; das Gorgoneion ist rund und schlicht. Die Aigisschlangen sind abgebrochen. Besonders auf der Rückseite, aber auch auf der Frontseite sind die Falten linear gebohrt und wirken dadurch grob und stereotyp. In der Mitte der Rückseite hat sich ein Rest des Nackenschopfes erhalten. Die Peplosunterkante hebt sich durch eine unregelmäßig unterbrochene grobe Bohrrille von der Plinthe ab. Der Apop-
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tygmasaum liegt flach auf der Hüfte. Die Gürtung ist an der rechten Körperseite nicht sichtbar; der Kopist scheint also das Schema des Peplos nicht verstanden zu haben. Insgesamt ist nicht nur die Ausführung der Falten, sondern auch die Anlage der typusbedingten Falten formelhaft und wenig lebendig. Wenn diese auch korrekt auf die Figur übertragen wurden, so ist doch die Haltung des Originals in nordafrikanisch-freier Manier verändert worden1587: Statt auf die Hüfte gestützt zu sein, ist der linke Arm am Körper herabgeführt und hielt den heute abgebrochenen seitlichen kleinen Rundschild auf der Blattwerk-Stütze. Diese Stütze hat die Replik Cherchel zur namensgebenden Replik gemacht, da sie durch ihre als Akanthusbüschel gedeutete vegetabile Form die Verbindung zur Disskussion um das Kultbild des Athener Hephaisteions herstellte1588.
der Typus Ostia-Cherchel aufweist, zeigt neben der grundsätzlich gleichen Tracht und Aigisform, daß sie formal auf dem Entwurf des Typus Ostia Cherchel basiert. Die Aigis ist wie ein realistisches Fell umgelegt und gegürtet; das Gorgoneion sitzt medaillonartig unter der Gürtung auf der linken Hüfte. Im Gesamtbild der Figur ist jedoch keine Assoziation des klassischen oder klassizistischen Typus Ostia-Cherchel beabsichtigt, sondern es wurden lediglich die gleichen Gestaltungselemente verwendet, die jedoch stilistisch ganz anders eingesetzt sind.
OC III 5 Bodrum, Mus. 6269 Statue, evtl. mit zugehörigem, stark beschädigtem Kopf aus einem noch nicht identifizierten Gebäude in Knidos H 0. 89 m
OC III 3 Skopje, Mus. 190 Nemesisstatue mit Gewandtypus Ostia-Cherchel, mit Inschrift aus Herakleia Dat.: 2. Jh. n. Chr. Nachw.: V. Sokolovska, Ancient Sculpture in SR Macedonia II, 1987, 181. 151 Taf. 60.1.
OC III 4 Oxford, Ashmolean Mus. Statue ohne Kopf aus Salamis (Zypern); 1890 im Gymnasium gefunden H 1. 10 m Inselmarmor oder kleinasiatischer Marmor
Dat.: 1. Jh. v. Chr.1589 Lit.: I. C. Love, AJA 77 (1973) 416. Taf. 73. 1, 4; C. Bruns-Özgan, in: I. Jenkins - G. B. Waywell, Sculptors and Sculpture of Caria and the Dodecanese (1997) 102, 104 Anm. 56 Abb. 175 176.
Es fehlen der Einsatzkopf und die Arme. Der rechte Arm war erhoben und stützte sich wohl auf eine Lanze, während der linke das kurze, um die Hüfte geschlungene Himation hielt. Unter dem Himation ist der hoch gegürtete, rechts offene Peplos sichtbar, dessen rechte Seitenansicht ganz mit der des Typus Ostia-Cherchel 1589
Taf. 33 Abb. 3 – 4 Dat.: antoninisch Nachw.: V. Karagheorgis - C.C. Vermeule, Sculptures from Salamis II (1966) 13 f. 69 Abb. 5 Taf. III 1-2; Bieber, Ancient Copies Taf. 68 Abb. 410.
Daß die Figur am linken Oberschenkel die gleichen auffällig schematischen Bogenfalten wie 1587
Zur Eigenart nordafrikanischer Repliken vgl. In II 8 Anm. 35 und Anm. 1494. 1588 Vgl. S. 93 ff.
C. Bruns-Özgan datiert die Figur hellenistisch - ob möglicherweise die Fundumstände dafür sprechen, ist nicht bekannt. Tatsächlich scheinen die z. T. feinen Falten, die z. B. in der Seitenansicht unter der rechten Achsel ansetzen und in Kontrast zu den gebohrten Faltentälern darunter stehen, und auch die flachen Falten am linken Oberschenkel sowie der unregelmäßige Himationbausch eine hellenistische Datierung nahezulegen; vgl. z. B. die hellenistische Plastik von Delos, J. Marcade´ (Hrsg.), Sculptures De´liennes (1996) 77 ff. Handwerklich erinnert die fast statuettenkleine Figur an die in etwa gleich großen Grimanistatuetten in Venedig, die möglicherweise auch aus Kleinasien stammen; vgl. R. Kabus-Preißhofen, AntPl 11 (1972).
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übereinstimmt. Daß die Figur trotz des geänderten Standbeins zu den Varianten des Typus gerechnet werden kann, zeigt außer dem Peplos das schmale Aigisband, das offenbar an der Unterkante noch Stiftlöcher für Schlangen aufweist. Am Foto nicht ganz sicher auszumachen ist, ob es sich bei der sichtbaren Verdickung dieses Bandes in der Mitte um ein kleines, geflügeltes Gorgoneion handelt. Marmorne Schlangen sind auf dem Aigisband teilweise noch sichtbar; die wulstige Unterkante des Bandes selbst scheint in der Mitte zweigeteilt zu sein. Sollte der nur noch in der oberen Hälfte erhaltene Kopf zugehörig sein, sind an ihm nur noch die Nackenschopffrisur und der korinthische Helm verifizierbar.
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TYPUS VESCOVALI I. Statuen: Ve I 1 Nikopolis, Mus. Inv. 6 Statue H ca. 1. 565 m Zufallsfund aus dem Bereich des antiken Nikopolis1590 parischer Marmor1591 Taf. 34 Abb. 1 – 2; Taf. 35 Abb. 1 - 2 Dat.: trajanisch (evtl. auch nach 300 n. Chr.)1592 1590
Zu den Fundumständen vgl. Schürmann, AntPl 27, 37. 1591 Schürmann identifiziert lokalen Marmor. 1592 Da hier möglicherweise der äußerst seltene Fall einer spätantiken Replik vorliegt, muß auf die Datierung ausführlicher eingegangen werden. Zunächst erscheint auch eine Datierung in frühere Zeit möglich - ein vergleichbarer Parallelfall wäre dann beispielsweise die ebenfalls östliche und sehr eigenwillige Agrippina Minor in Olympia, Bieber, Ancient Copies 196 Taf. 137 Abb. 805-806; K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Skulpturenausstattung des Metroon, OF 19 (1991) 64, 93 f. Taf. 15-19. Es gibt jedoch mehrere Details, die, wenn sie nicht als provinzielle Eigenarten aufgefaßt werden können, gegen eine frühe Datierung sprechen. Merkwürdig ist außer dem völligen Fehlen von Volumen die eigenartige Gestaltung der mandelförmig breitgezogenen, großen Augen mit breiten, eckigen Lidern. In der provinziellen Kunst früherer Zeit findet sich dafür allerdings eine Parallele, die auch trajanisch datiert wird. Es handelt sich um vier auf dem Gelände des antiken Kilkis gefundene, wahrscheinlich in einem dortigen Heroon aufgestellte Porträtstatuen; s. Ph. Zaphiropoulou, in: Kernos, FS Bakalakis (1972) 43 ff. Taf. 17-19; s. a. H. v. Hesberg, Römische Grabbauten (1992) 186 Abb. 117. Die Statuen sind handwerklich der Athena von Nikopolis so verwandt, daß man dahinter fast eine Werkstatt vermuten möchte, die den nordgriechischen Raum versorgte. Zur Datierung in trajanische Zeit führen offenbar die Frisur des mit Kopf erhaltenen Palleatus und weitere stilistische Gesichtspunkte. Diese Frisur tritt jedoch bekanntermaßen auch in konstantinischer Zeit auf. Die Gewänder zeigen m. E. mit ihrem rein ornamentalen Charakter und den geraden Säumen spätantike Merkmale - zum Palleatus vgl. eine in dieser Richtung weiter entwickelte Priesterstatue des 4. oder 5. Jhs. aus Aphrodisias, K. T. Erim, in: Aphrodisia Papers (Hrsg. C. Roueche´´, K. T. Erim), JRA Suppl. 1
(1990) 11 Abb. 2 und R. R. R. Smith a. s. O. 2 (1991) 154 f. 9 Abb. 10. Hinzu kommt, daß der in der zugehörigen Inschrift erwähnte Familienname erst im 4. Jh. in Pannonien nachweisbar ist, vgl. Ph. Zaphiropoulou 46. Weiter sehr ähnlich ist eine Portätstatue in Kyrene, die hadrianisch datiert wird und vielleicht auch eine viel spätere Datierung vertragen könnte; E. Rosenbaum, A Cat. of Cyrenaican Portrait Sculpture (1960) 53 f. 39 Taf. XXX 1-2; LXX 6. Eingehendere Vergleiche zeigen schließlich, daß auch die Augenbildung der Athena in der beginnenden Spätantike, also im späteren 3. und frühen 4. Jh., vorstellbar wäre; vgl. den kolossalen Konstantinskopf in New York, R. Delbrueck, Spätantike Kaiserporträts, Studien zur spätantiken Kunst-geschichte 8 (1933) 112 f. Taf. 28-29. Augen-bildung und innere Augenwinkel finden sich in gleicher Weise auch an einem allerdings stark beschädigten konstantinischen Porträtkopf in Side, J. Inan - E. Rosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor (1966) 200 f. 276 Taf. CLIII 1-2. Die wie aufgeschnitten wir-kenden kantigen Lider sind ebenfalls typisch für das frühe 4. Jh. v. Chr., vgl. die Porträts K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des portraits romains II (1996) 520 ff. 248-250 mit Abb. Vgl. ferner zwei gallienische Porträtköpfe im Louvre, M. Bergmann, Studien zum römischen Porträt des 3. Jhs. n. Chr. (1971) 122 ff. Taf. 34. 5, 35. 4, die in Augenbildung und Karnatangabe ähnlich sind, aber gleichzeitig zeigen könnten, daß der Grad der Erstarrung an der Athena schon weiter fortgeschritten ist. Der Kopf nähert sich in dieser Hinsicht einem weiblichen Porträtkopf im Konservatorenpalast, der allerdings in das spätere 4. Jh. datiert wird, Delbrueck a. O. 234 ff. Abb. 78 Taf. 124-126; Fittschen - Zanker III 118 f. 180 mit Farbabb., Taf. 209-210, und mit dem Karnatangabe, Brauenbögen und Ausfertigung des Mundes der Athena in verblüffender Weise übereinstimmen. Auch die Angabe der leicht eckigen, ungebohrten Haarsträhnen läßt sich hier gut vergleichen. Der Gewandstil der Replik zeigt in der Tat eine Starrheit, die im Einklang mit der Augenbildung, der geringen Tiefe und dem äußerst labilen Stand der Figur erst recht für eine späte Datierung sprechen würde. Die Abstraktionstendenzen gehen hierbei in Richtung des bekränzten Palleatus und des Porphyrtorsos in Berlin, M. Bergmann a. O. 169 f. 172 f. Taf. 50. 2, 167, 169 ff. Taf. 50. 3 und lassen Stufen wie den Sarkophag von Acilia, N. Himmelmann, Typologische Untersuchungen an römischen Sarkophagreliefs (1973) 6 ff. Taf. 11-13 und die tetrarchische, vielleicht Diokletian darstellende Statue der Villa Doria Pamfilij in Rom, H. P. L'Orange - R. Unger, Das spätantike Herrscherbild von Diokletian bis zu den Konstantin-Söhnen 284 - 361 n. Chr., Das römische Herrscherbild III (1984) 11, 22. 100 Taf.
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Lit.: J. P. Michaud, BCH 97, 1973, 326 Abb. 148; I. P. Vokotopoulou, AAA 6, 1973, 79; C. TsouvaraSoule, in: E. Chrysos (Hrsg.), Nikopolis I. Proceedings of the First International Symposium on Nicopolis 1984 (1987) 193; Verf., AA 1996, 87 Anm. 11; Schürmann, AntPl 27, 37 ff. S 1 Taf. 2021, 29 b, 39 Abb. 1-5 (mit weiterer Lit.).
Die Figur ist bis auf den wieder eingesetzten Kopf und die wieder angesetzte Nasenspitze so ausgestellt, wie sie gefunden wurde. Der getrennt gearbeitete rechte Arm fehlt wie bei den meisten Repliken. Er war wie üblich mit Hilfe zweier Dübellöcher im Armansatz befestigt; ein drittes links oberhalb des Armansatzes hat Schürmann zufolge nichts mit dem Arm zu tun. Es könnte sich eher um den Rest einer Wiederverdübelung handeln. Außer dem fehlenden Arm und dem Wangenschutz ist die Figur kaum beschädigt. Bestoßen sind die exponierten Falten über dem Standbein sowie die Aigisschlangen. Der Spielbeinfuß ist von der leichten Beschädigung der ovalen Plinthe etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Rückseite ist flach, summarisch und stark korrodiert; obwohl die Aigis dort nur angedeutet ist, ist sie mit Schlangen versehen. Der Haarschopf im Nacken 3 c; 11. 22 f. 101 Taf. 14, 15; R. Calza, Antichita`` di Villa Doria Pamfilij (1977) 304 f. 377 Taf. CCXV-CCXVI, fast schon hinter sich. Zum Gewandstil vgl. auch eine wohl eine Kaiserin darstellende Gewandstatue aus dem 4. Jh. n. Chr., K. Schade, Frauen in der Spätantike - Statue und Repräsentation (2003) 198 I 38 Taf. 47. 2. 3, die außer in Bezug auf ihre Frontalität und extreme Flachheit in der Seitenansicht auch in einzelnen Faltenmotiven wie z. B. an der rechten Brust und im Bereich der rechten Hand Gemeinsamkeiten mit der Athena aufweist. Wäre die Datierung in den Beginn des 4. Jhs. n. Chr. richtig, so wäre damit eine der spätesten Kopien von Idealplastik überhaupt gewonnen, die zudem noch außerordentlich qualitätvoll ist. Sollte sich die trajanische Datierung der oben genannten Vergleichsbeispiele allerdings aufrechterhalten lassen, kann auch eine entsprechende Datierung der Athena nicht ausgeschlossen werden. Die Bildung der Augen könnte auch in trajanischer Zeit möglich sein, und das feine, straffe Karnat ist dort ebenfalls denkbar. Schürmann vertritt eine hadrianische Datierung. Zur Bedeutung der Idealplastik in der Spätantike vgl. neuerdings M. Bergmann, Chiragan, Aphrodisias, Konstantinopel (1999).
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ist unterhalb des Lederfutterröllchens auf ganzer Länge abgestoßen. Dennoch läßt sich sein Verlauf noch erkennen - der Anschluß von Kopf und Körper ist gewährleistet; die gleichmäßige Bestoßung beider Teile bestätigt die Zugehörigkeit des Kopfes. Der Einsatzkopf mit dem extrem langen, angespannten Hals paßt direkt in die Halsgrube und schließt fast überall seitlich an1593. Der Gewandstil ist sauber und qualitätvoll, gleichzeitig aber etwas starr und gläsern. Die linearen, durch mit dem laufenden Bohrer gebohrte, aber nachgearbeitete Falten erreichten Hell-Dunkel-Kontraste an Oberkörper und Unterschenkeln stehen in effektvollem Gegensatz zur glatten Mantelfläche mit ihren nur flachen Nuancen, ohne daß der Faltenstil seine Einheitlichkeit verliert. Große plastische Wirkung wird durch das Abheben des Peplossaumes von der Plinthe auf der Vorderseite erzielt. Die Aigis ist unverziert. Der Kopf ist physiognomisch ungewöhnlich; seine Eigenartigkeit führte zu der extrem späten Datierung1594. Die Augen sind breit und zur Seite hin mandelförmig langgezogen; die Augeninnenwinkel sind rund gebohrt. Die Lider enden scharf und eckig; die Oberlider sind flach und breit. Der Mund ist nicht größer als eines der Augen und damit übertrieben klein und zierlich. Auch Nase und Kinn sind von einer geradezu manirierten Zartheit. Das Karnat ist weich, aber ebenfalls etwas gläsern. Die Haarangabe unterscheidet sich von der der meisten anderen Repliken durch wenig differenzierte, schematische Wellensträhnen1595. Der schmale Helm läuft oben spitz zu und zeigt ein längliches Befestigungsloch und zwei dahinter angebrachte, gegenschräge Kerben Spuren, die wohl auf einen Helmschmuck in Schlangenform schließen lassen1596.
1593
Auch dies sichert neben der gleichen Marmorart die Zugehörigkeit. Vgl. zusätzlich die Angaben zur Auffindung bei Schürmann, AntPl 27, 37. 1594 S. Anm. 1592. 1595 Vgl. die Repliken St. Petersburg (Ve I 3) und Neapel (Ve V 2). 1596 Schürmann, AntPl 27, 38 f. Abb. 2, 74 f. Anm. 87.
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Ve I 2 Privatbesitz Walston (Verbleib nach Verkauf evtl. unbekannt) Statue Anfang des 19. Jhs. durch den Conte Castellani in Italien erworben, bis ca. 1920 Bestandteil seiner Slg. auf Schloß Aygalades bei Marseille, um 1920 durch C. Walston erworben, von da an in englischem Privatbesitz. Inzwischen bei Christie’s zum Kauf angeboten (s. u.). H 1.60 pentelischer Marmor Taf. 36 Abb. 1 – 3; Taf. 37 Abb. 1 - 3 Dat.: antoninisch1597 1597
Die starke Korrosion der Oberfläche erschwert die Datierung zunächst, legt andererseits aber die aufschlußreichen, in langen Rillen gebohrten Faltentäler am linken Arm und am Mantelbausch frei. Die Bohrrillen neben den breiten, weichen und flachen Faltenzügen sowie den seitlich in einem runden Grat abschließenden Falten am Himation finden sich an mittelantoninischen Werken in ganz ähnlicher Weise; vgl. die Skulpturen des Nymphäums von Olympia, R. Bol, Das Statuenprogramm des Herodes-AtticusNymphäums. OF XV (1984), dort besonders die Figur der älteren Faustina, R. Bol a. O. Taf. 35 37, die diese Merkmale fast übertreibt. Die starke Zerstörung des Kopfes und das Urteil Walstons, die Augenbohrung sei neuzeitlich, ließen zusammen mit der korrodierten Oberfläche zunächst auch eine frühere Datierung möglich erscheinen. Die Augenbohrung erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als antik; die Oberfläche scheint trotz der Korrosion noch eine gewisse Eintönigkeit zu vermitteln, die an Kopien des 1. Jhs. so nicht denkbar ist. Der Kopf schließlich zeigt teilweise noch die für antoninische Werke so typische gespannte Oberfläche, unter der die weich gegeneinander abgesetzten Karnatpolster eingebettet sind, vgl. den Faustinakopf M. Wegner, Die Herrscherbildnisse in antoninischer Zeit. Das römische Herrscherbild II. 4 (1939) Taf. 35. Ob die gleichzeitige Zartheit der Oberfläche, die an antoninischen Köpfen meist durch die extrem glatt polierte Oberfläche ersetzt ist, Ergebnis der Korrosion ist oder von vornherein so angelegt war, muß offen bleiben - es gibt jedoch auch in der antoninischen Porträtplastik Exemplare mit weicherer Oberfläche; vgl. das Prinzenporträt des Lucius Verus, Fittschen - Zanker I 78 ff. 72 Taf. 83. Das ansteigende Unterlid ist typisch antoninisch; auch das beschädigte wulstige Oberlid gibt es in antoninischer Zeit anstelle des häufiger auftretenden, breit gespannten Oberlides;
Lit.: Walston, Alcamenes 190 ff. Abb. 164-169, 174 Taf. XIII; Lippold, Plastik 240 Anm. 1; KabusJahn, Frauenfiguren 89. 110 Anm 28. 6; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 4; Borbein, MarbWPr 1970 39 Anm. 53; Verf., AA 1996, 84 ff. Abb. 3-7; Verf., Small Athenas 187 ff. pl. 8; The Newton Hall Athena. Christie’s Kat. 2002 (mit Abb.)
Der Gesamtzustand der Replik läßt zu wünschen übrig - ihr herausragender Wert liegt jedoch darin, daß der zweifellos zugehörige Kopf erhalten ist. Die Oberfläche ist so stark korrodiert, daß ihre originale Beschaffenheit nur noch zu erahnen ist. Vor allem am linken Unterschenkel sind die Gewandfalten völlig verwaschen; der linke Fuß ist kaum noch zu erkennen. Einen Eindruck von der einstigen Qualität vermitteln noch die Brustpartie zwischen Aigis und Himationbausch, die von der verhüllten linken Hand herabfallenden langen Falten und einige Partien am Kopf. Der Körper weist keine Ergänzungen auf; am Kopf dagegen wurde versucht, den Zustand durch Flickungen aufzubessern. Die Nase ist Walston zufolge erst bei einem nachlässig ausgeführten Transfer der Figur abgebrochen und mit Hilfe von Gips und Fragmenten wieder repariert worden. Die Überprüfung vor Ort bestätigte, daß Kinn und Unterlippe beim Kauf durch Walston bereits modern ergänzt gewesen sein müssen1598. Der direkt angearbeitete Kopf war am Hals abgebrochen und wurde offenbar mit einer Art Zement wieder angesetzt1599. Erhebliche Reparaturen sind auch vgl. R. Bol a. O. Taf. 50. Über die Haarsträhnen ist wegen des schlechten Erhaltungszustandes nicht mehr viel zu sagen. Bohrungen sind nicht (mehr?) sichtbar; vielleicht hat der Kopist sich in der Haarangabe genauer am Vorbild orientiert als an zeitgenössischer Porträtplastik; vgl. aber das weibliche Porträt Mansuelli, Uffizi II 112. 137, die Porträts Marc Aurels Fittschen - Zanker 68 69 Taf. 78 - 81 sowie den griechischen Kopf Wegner a. O. Taf. 9. 1, und ein Porträt des Herodes Attikus, K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des portraits romains II (1996) 290 f. 132 (mit Abb.). 1598 Walston selbst 192 hielt die Ergänzung der Nase ohne weitere Begründung für antik. 1599 Charles Walstons Sohn teilte 1991 zur Zugehörigkeit des Kopfes freundlicherweise brieflich mit: "These (i. e. die von Walston veröffentlichten
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an den Augen zu beobachten. Die Oberlider und das linke Unterlid sind mit Hilfe von Gipsverschmierungen ergänzt. Nur das stark ansteigende rechte Unterlid und die gebohrten Augäpfel sind original erhalten - die Augeninnenwinkel sind ebenfalls mit Gips verschmiert. Die Gesichtsoberfläche wurde vor allem an Brauenbögen und Stirn leicht nachpoliert; sie ist dennoch besser erhalten als die restliche Oberfläche der Figur. Das Schläfenhaar ist wahrscheinlich an der rechten Schläfe nachgebessert worden1600. Es ist, soweit noch sichtbar, in feine Strähnen ohne Binnenritzung gegliedert. Der Haarschopf ist im Nacken gut erhalten und verbindet Kopf und Körper direkt, womit an der Zugehörigkeit beider Teile kein Zweifel mehr bestehen kann. Der Helm ist an der Oberseite glatt und zeigt keine Einsatzspuren an der Spitze1601. Der Wangenschutz fehlt. Im unteren Bereich der relativ flachen, aber ausgearbeiteten Rückseite der Statue befindet sich in Höhe des Kreuzes ein großes Dübelloch zur Befestigung an einer Rückwand. Zwei weitere runde, ca. 6 bis 7 cm tiefe und nach Walston für die moderne Ergänzung des rechten Armes verwandte Dübellöcher nahmen die Dübel für diesen Arm auf, den Walston beim Kauf einzeln dazu erhielt und nicht wieder anbrachte1602. Ein kleiner Bossen in der linken Kniekehle hielt das jetzt fehlende Gewandgewicht1603. Die Rückseite ist ausge-
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arbeitet, aber sehr summarisch und im Volumen erheblich reduziert.
Ve I 3 St. Petersburg, Eremitage Statue namensgebende Replik; 1825 auf dem Palatin gef., zunächst Bestandteil der Slg. Falconieri, anschließend über die Slg. Vescovali in die Slg. Demidoff übergegangen H 1. 598 parischer Marmor Taf. 38 Abb. 1 - 3 Dat.: antoninisch1604 Lit.: Clarac Taf. 470. 894; A. Furtwängler, BPhW 16, 1896, 243 f.; Amelung, Basis des Praxiteles 17 c Abb. 3; ders., Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 256 Abb. 45. 248; Wace, JHS 1906, 237 c; Waldhauer III 4 f. 218 Taf. 6-7; Walston, Alcamenes 188 f. Abb. 162; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 89. 110 Anm. 28. 2; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 2; Canciani, LIMC II 1086 Athena/Minerva 156 Taf. 798; Todisco, Scultura Greca Abb. 123; Verf., AA 1996, 83 f. Abb. 1; Schürmann, AntPl 27, 40 ff. S 2 Abb. 6 u. 39-40.
Der Einsatzkopf kann entgegen Waldhauers Angabe, er sei zwar antik, habe aber zu einer Statue des Typus Rospigliosi gehört, inzwischen als zugehörig gelten1605. Ergänzt sind am Körper der rechte Arm mit Schulter, Teile der Aigis1604
Abbildungen) do not make it clear that the head in fact was broken off at some stage, and has been restored. However, my father was certain that it was part of the original statue." C. Walston hatte die Figur also bereits mit dem wieder angesetzten Kopf übernommen. 1600 Vielleicht ist dieser Unterschied in der Qualität der Schläfenhaare, die an den meisten Repliken zu beobachten ist, aber auch darauf zurückzuführen, daß die rechte Seite von vorn sichtbar war und daher vom Kopisten mit mehr Sorgfalt ausgeführt wurde. 1601 Die Kalotte könnte jedoch durch die starke Korrosion verkleinert und sozusagen abgeschliffen sein. 1602 Walston 192 f. Abb. 168; Walston hielt den Arm jedoch für richtig ergänzt. 1603 An einigen Repliken noch erhalten, Vgl. Anm. 640.
Vgl. die Statue der Regilla im Typus der Großen Herculanerin aus dem Herodes-AtticusNymphäum in Olympia, R. Bol, Das Statuenprogramm des Herodes-Atticus-Nymphäums, OF 15 (1984) 171 ff. 36 Taf. 32 - 33; auf die polierte Oberfläche trifft man am mit Hinterkopf erhaltenen Torso der Vibulla Alcia vom selben Ort, R. Bol a. O. 176 f. 39 Taf. 39-41. Für den Kopf vgl. den Torso der Älteren Faustina ebenfalls aus Olympia, a. O. 173 ff. 37 Taf. 35-37, wobei die Vergleiche mit östlichen Werken in diesem Fall keine östliche Herkunft der Replik implizieren sollen. Eine frühantoninische Statue im Typus der Großen Herculanerin im Museo Capitolino läßt sich ebenso vergleichen, Fittschen - Zanker I 69. 90 Taf. 111. Die abgesetzten Unterlider der Augen finden sich an Porträts des Antoninus Pius wieder, vgl. Fittschen - Zanker a. O. 63 ff. 59 Taf. 67 - 69. 1605 Vgl. Verf. a.O. und S. 108; s. auch Borbein, MWPr 1970, 39 Anm. 53.
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schlangen, der gesamte Rücken, die Zehen des linken Fußes und die vordere rechte Ecke der Plinthe; am Kopf die Nase, die Lippen und der Wangenschutz. Am querverlaufenden Mantelbausch sind einige Faltengrate geflickt. Die Oberfläche ist vor allem am Kopf stark aufgerauht. Es handelt sich um eine streckenweise qualitätvolle, insgesamt aber etwas akademisch leblose Replik. Zu ihren Stärken gehört die nuancierte Ausarbeitung der glatten Mantelpartie, die durch das Gitter ihrer eigenen feinen Bogenfalten hindurch darunterliegende senkrechte Chitonfalten schimmern läßt. Auch die Oberfläche der Falten über den Unterschenkeln, zwischen Mantelbausch und Aigis und am linken eingestützten Arm ist durch zahlreiche flach eingedrückte Falten aufgelockert. Weniger überzeugend sind die mit dem laufenden Bohrer gezogenen Faltenrillen am Himationbausch und am linken Oberarm. Auch die unter dem Himation hervorkommenden Falten des Chiton, deren sensible Stoffstruktur bereits hervorgehoben wurde, wirken vom Verlauf her eher eckig. Die Aigis ist ungefiedert, ihr umgestülpter Rand wulstig. Auch der Kopf ist von der Qualität her ambivalent. Die etwas zu dicht stehenden großen mandelförmigen Augen mit den abgerundeten Lidern sind über dem knappen Orbital von fein geschwungenen Brauen überzogen. Das Karnat im ovalen Gesichtskontur ist weich und wirkt leicht aufgedunsen. Der schlecht erhaltene Helm weist keine Futterröllchen mehr auf. Das Schläfenhaar ist als kompakte Masse stereotyp paralleler Wellensträhnen gestaltet1606. In der Seitenansicht bestätigt sich die Zugehörigkeit des Kopfes darin, daß der Haarschopf direkt anschließt1607.
1606
Auch hier ist das Schläfenhaar der linken Seite weniger sorgfältig gestaltet als das der sichtbaren rechten Seite; die leichte Verzerrung der Gesichtsachsen ist ebenfalls eine Folge der Kopfwendung; vgl. Ve V 7. 1607 Vgl. jedoch die Beobachtung Schürmanns, AntPl 27, 41.
II. Statuen ohne Kopf Ve II 1 Turin, Mus. di Antichita` Inv. 257 Statue ohne Kopf aus Rom H 1. 25 grobkörniger, weißer Marmor Taf. 39 Abb. 1 - 3 Dat.: Anfang 1. Jh. v. Chr.1608 Lit.: S. de Ricci, RA 1906, 388 f. 71; Wace, JHS 1906, 237 ff. 238 O. Taf. 17, 1; Rizzo, Prassitele
1608
S. Kat.text weiter unten. Wace hält die Replik für nicht datierbar. Einige hellenistische Mantelstatuen aus der 1. Hälfte des 1. Jhs. lassen sich jedoch zum Vergleich heranziehen: Vgl. den sog. Jüngling von Eretria, A. Leverenz, Stehende männliche Gewandstatuen im Hellenismus (1993) 242 f. I 4 Abb. 3-6 (mit Lit.), der neben einer vergleichbaren Oberflächenqualität auch eine ähnlich flachgezogene, knappe Faltenbildung aufweist. In die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. scheint eine männliche Gewandfigur ohne Kopf in Istanbul zu gehören, A. Leverenz a. O. 247 f. I 15 Abb. 10, 11, deren langgezogene, schmal gerundete Faltenrücken kombiniert mit einer knittrigen, relativ dünnen Gewandschicht der Athenafigur noch besser entsprechen als der schwer stoffliche Mantel des Eretriajünglings. Hier liefert der Fries vom Hekateion in Lagina gute Vergleichsbeispiele, A. Schober, Der Fries des Hekateions von Lagina, IstForsch 2 (1933) 29. 211 Figur 7 u. 8 Taf. III; 215 Figur 5 u. 6 Taf. VIII; vgl. U. Junghölter, Zur Komposition der Lagina-Friese und zur Deutung des Nordfrieses (1989) 74 ff. Die vom Stil des Urbildes abweichende dünne Knittrigkeit des Gewandes mit der sensiblen Oberflächenstruktur begegnet in ähnlicher Weise schon an der Münchner Klio, die in die erste Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert wird, Stewart, Greek Sculpture 766. Mit einer Datierung der Turiner Replik in die Zeit danach, etwa um 100 v. Chr., wird man aufgrund der zuvor gezogenen Vergleiche wohl richtig liegen. Für eine vorkaiserzeitliche Datierung spricht auch das löwenkopfartige Gorgoneion ohne Flügel, das in der Kaiserzeit so nicht begegnet, s. S. 258 ff. Vgl. außerdem die Gestaltung des Himationbausches und der Himationfalten, die der Replik in Oxford entspricht und daher dem Prototyp der späten Republik zuzurechnen sein muß, der demnach offenbar auch noch im 1. Jh. n. Chr. gültig war. Schürmanns antoninische Datierung ist m. E. nicht haltbar, weil der antoninische Prototyp anders aussah (vgl. Text S. 112 f.).
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93. 118 Taf. 142 b; Gullini, Bcom 72, 46; KabusJahn, Frauenfiguren 89. 110 Anm. 28. 5; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 12; J. Papadopoulos, in: A. Giuliano, Museo Nazionale Romano, Le Sculture I. 1(1979) 73. 59; Schürmann, AntPl 27, 52 S 12 Taf. 32.
Außer dem Kopf fehlen nur der rechte Arm und der linke Fuß samt Plinthe; die übrige Plinthe ist bis unter den offenbar frei gearbeiteten Chitonsaum hin abgestoßen. Der Oberkörper wurde aus drei Fragmenten wieder zusammengesetzt. Die flachen Faltenrücken sind kaum bestoßen. Die Oberfläche hat durch Korrosion nur wenig von ihrer Nuancierung eingebüßt. Die Falten sind zum Teil etwas grob geraten und vor allem am Himationbausch in der Beuge des linken Armes gebohrt, was in der Literatur zu einer weit späteren Einschätzung geführt hat1609. Die Aigis wurde sorgsam mit plastischer Musterung versehen und trägt ein außergewöhnlich originelles Gorgoneion. Ihr Rand ist, soweit sichtbar, nur an den äußeren Enden sparsam mit Schlangen besetzt. Die Rückseite ist ausgearbeitet. Die Replik erstaunt durch ihre Plastizität und ihre interpretatorische Selbständigkeit. Elemente wie der durch das Himation sichtbare Peplos und die Nuancierung der Oberfläche unterstützen den Eindruck, den der kompakte Kern der Figur und die in natürlicher Weise aus ihm erwachsende Proportionierung vermitteln. Die Falten sind nicht von außen aufgelegt, sondern umhüllen diesen Kern und die aus ihm hervorgehenden Formen. So ist die Führung des Himationbausches aufgefächert, das Himation um einige Faltenzüge bereichert. Auch die Faltengebung an der rechten Brust und über den Unterschenkeln ist freier interpretiert und mit eigener Bewegung erfüllt. Der hellenistische Charakter dieser Replik, die in ihrer Lebendigkeit und Originalität eine ganz andere Seite des zugrundeliegenden Originals aufnimmt und ausbaut als die kaiserzeitlichen Repliken, nämlich die körperliche Fülle und den plastischen Eindruck des Originals, ist nicht zu übersehen. Bedeutsam ist 1609
S. o. vorherige Anm.
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die Replik außerdem wegen der Überlieferung des nur in einem weiteren Fall im Ansatz erhaltenen rechten Oberarmes1610.
Ve II 2 Liverpool, Mus., Magazin Statue mit modernem, dem Typus Ince nachgebildetem Kopf aus der Villa Mattei in Rom, dann Slg. Ince Blundell gesamte H 1. 47 m; antike H 1. 23 m feiner, heller Marmor, evtl. pentelisch Taf. 40 Abb. 1 – 3; Taf. 41 Abb. 1 Dat.: augusteisch1611 Lit.: Clarac Taf. 473. 899 C; A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 339. 10; Wace, JHS 1906, 237 E; Amelung, Basis des Praxiteles 17 e; Ashmole, Kat. Ince Blundell 8. 10 Taf. 15; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 89, 110. 8; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 6; Schürmann, AntPl 27, 50 S 9 Taf. 26-27. 1610
Die Replik in Oxford (Ve I I 3) überliefert die nackte rechte Schulter mit dem Armansatz. 1611 Vgl. die Gewandstruktur des Tellusreliefs der Ara Pacis, G. Moretti, Ara Pacis Augustae (1948) Taf. XXII; E. Simon, Ara Pacis Augustae (1967) Taf. 26-27, mit der teilweise scharfgratigen und kontrastreichen, insgesamt aber zarten und feinfühligen Faltenarbeit. Auch an den übrigen Reliefs sind trotz ihrer spätantiken Überarbeitung - vgl. N. Hannestad, Tradition in Late Antique Sculpture. Conservation, Modernisation, Produc-tion (1994) 20 ff. - stilistische Verbindungen noch deutlich sichtbar. Auch wenn ihre Falten teilweise abgerundeter und verwaschener erscheinen, ist die ursprüngliche metallisch-feine Oberflächenstruktur noch zu ahnen und mit der Athena gut zu verbinden; zur Ara Pacis vgl. G. Koeppel, BJb 187, 1987, 101 ff. mit Abb.; ders., BJb 188, 1988, 97 ff. mit Abb.; S. Settis, in: Augustus und die verlorene Republik (Kat. Berlin 1988) 400 ff. Die gleiche Mischung von Faltenvolumen und Scharfgratigkeit findet sich an den fragmentiert erhaltenen Koren vom Augustusforum, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32. Für die augusteische Datierung spricht auch die Ausführung der fein gegliederten, kantig begrenzten Haarsträhnen des originalen Nackenzopfendes am Rücken. Ebenfalls für eine frühkaiserzeitliche Datierung der Replik spricht der Abstand des Peplossaumes von der Plinthe und die fragile Verbindung mit der Basis, die nur durch die Füße und das Gewandgewicht an der rechten Seite gewährleistet war (s. o. im Text).
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Außer dem modernen Einsatzkopf ist der rechte Arm ergänzt, außerdem der kleine Zeh des linken Fußes sowie der Ellenbogen des linken Armes. Der Erhaltungszustand ist gut; die untere Kante der Aigis ist abgestoßen, einige Falten des Querbausches sind bestoßen und zur Ergänzung vorbereitet. Ein Teil der vom linken Arm herabfallenden Mantelfalten fehlt. Trotz der modernen Glättung der Oberfläche, die der Beseitigung der an der Aigis noch sichtbaren Korrosion gedient haben wird, ist das Himation merkwürdigerweise noch von gleichmäßigen Pickungen übersäht. Unterhalb der rechten Hüfte ist ein Bossenloch sichtbar, das mit dem Verlauf der vom rechten Arm gehaltenen Lanze zusammenhängen könnte1612. Die Rückseite ist sorgfältig ausgearbeitet; die rechte Seite des Oberkörpers wurde bis auf das moderne obere Stück des Nackenzopfendes und die einschließlich Schulterblatt neu eingesetzte rechte Schulter aus originalen Fragmenten wieder zusammengesetzt. Die Replik zeichnet sich durch ihre besondere Plastizität und teilweise metallische Feinheit aus. Ihr Bronzecharakter wird durch den deutlich von der eckigen Plinthe abgehobenen Chitonsaum verstärkt - die Figur ist nur durch den Standbeinfuß, die Spitze des Spielbeinfußes1613 und einen Bossen zwischen der Ferse des linken Fußes und der Plinthe sowie durch den an der rechten Seite aufliegenden, durch ein Gewicht beschwerten Gewandzipfel mit der Plinthe verbunden. Die Himationfalten über den Unterschenkeln sind bewegt und verschattet; der eingestützte linke Arm ist sensibel aus dem Kontur nach hinten geführt. Die plastisch ausgearbeitete Aigis ist unregelmäßig gefiedert und war mit sich windenden horizontalen Schlangen versehen. Die Fläche des Himations über den Oberschenkeln ist nicht durch zusätzliche Falten bereichert, sondern vermittelt durch leichte Transparenz und das Durchschimmern der darunterliegenden Peplosfalten den Eindruck 1612 1613
Vgl. S. 113. Dieser Fuß zeigt übrigens - was Schürmann anhand der Photographie nicht sehen konnte - doch noch den Zehenriemen der Sandale.
lebendiger Unruhe. Die Bauschfalten sind gebohrt und in unterschiedlicher Breite nachgearbeitet, sodaß auch hier eine lebendigkontrastreiche Ausstrahlung erreicht wird.
Ve II 3 Benevent, Mus. Provinciale del Sannio 1934 Statue ohne Kopf aus dem Theater von Benevent H 1. 37 m griechischer Marmor, evtl. parisch Taf. 41 Abb. 2 - 3 Dat.: claudisch1614 Lit.: A. Meomartini, NSc 1904, 111 f. Abb. 4; L. Savignoni a. s. O. 128 f. Nr. 2; Wace, JHS 1906, 238 L; R. Horn, AA 1938 Sp. 630, 636 Abb. 6; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 88, 110 Anm. 28. 1 Taf. 16; M. Rotili, Il Museo del Sannio (1967) 9 Taf. 9 b; Waywell 382 Athena Vescovali... 1; E. Galasso, Tra i Sanniti in terra beneventana (1983) 82 f. Abb. 77 a - b; Schürmann, AntPl 27, 46 f. S 5 Abb. 15-17 Taf. 23 a - c.
1614
Für die Datierung am Ende der frühren Kaiserzeit spricht zunächst schon die breite Anlage der Replik, die sie unbedingt noch in das 1. Jh. n. Chr. verweist. Schürmann gibt als Fundort das inschriftlich auf 88 n. Chr. datierte Isisheiligtum an, sieht den Gewandstil aber als früher an und datiert die Statue claudisch-neronisch. Die dünn und schnurartig auf den Gewandstoff aufgelegten Falten mit ihren dünnen, zarten, mitunter leicht abgeknickten Faltengraten finden sich ganz ähnlich an den Figuren der Ara der Vicomagistri in Rom (Kleiner, Roman Sculpture 147 Abb. 122). Die kontrastreich aufgebohrten Bauschfalten und die unter dem Himation herabfallenden Peplosfalten sowie die Falten an der linken Flanke haben Parallelen an claudischen Gewandstatuen, vgl. z. B. die Statue der Livia aus Holkham Hall, H. Oehler, Foto und Skulptur (1980) Taf. 29. Mit ihrer feinen, unruhigen Oberfläche und der z. T. scharfen Faltengebung neben dickeren, tief gebohrten Falten kommt die Replik den Figuren aus dem Statuenkomplex von Velleia in Parma nahe, C. Saletti, Il ciclo statuario della Basilica di Velleia (1968); D. Boschung, Gens Augusta (2002) 25 ff. Taf. 12 – 21. Die claudische Datierung bestätigt sich auch in der Machart des rückwärtigen Haarschopfrestes mit seinen leicht aufgebohrten, plastisch runden Lockensträhnen. Vgl. auch im Text S. 734.
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Der als Rest des Einsatzkopfes erhaltene Halsansatz ist nach Savignoni nicht zugehörig. Entsprechend wird auch der Ansatz des rechten Armes modern sein; er diente offenbar der Befestigung eines ergänzten rechten Armes. Der linke Ellenbogen ist abgebrochen und konnte nur teilweise wieder angesetzt werden. Die Schlangen der glatten Aigis fehlen fast ganz. Im unteren Chitonbereich sind einige Faltengrate stark bestoßen. Die Rückseite ist flach, aber ausgearbeitet; auf dem oberen Mantelsaum locker ausgebreitet zeigt sich hier noch der untere Teil des Nackenzopfes. Die ganze untere Fläche des Peplos ist mit der Basis verbunden und von ihr nur optisch durch eine unterbrochen umlaufende Bohrrille abgesetzt. Der Himationsaum ist rundum deutlich unterschnitten; die Bauschfalten sind tief und kontrastreich gebohrt; die Faltenrücken haben in der Mitte eine leichte Vertiefung. Die Himationfalten legen sich wie dünne Schnüre schichtartig über den Peplos; das Himation ist um einige Faltenzüge bereichert. Die untere Himationkante ist durch zwei nur eben eingetiefte horizontale Linien belebt, die wahrscheinlich eine gemalte Borte kennzeichnen sollen. Die Replik ist trotz einer gewissen Starrheit und einer durch die polierte Oberfläche verstärkten Kälte recht qualitätvoll; abzüglich der individuellen Bereicherung der Oberfläche, die vielleicht als Zugeständnis an den Marmor gesehen werden muß, und einer teilweise dennoch stereotyp wirkenden Faltengebung vermittelt sie einen guten Eindruck von der plastischen Qualität des Typus. Auffällig ist darüberhinaus die sorgfältige Ausführung von Details, wie sie z. B. an der Sandale des linken Fußes sichtbar werden.
Ve II 4 Oxford, Ashmolean Mus. Statue mit nicht zugehörigem Kopf H ohne Kopf 1. 32 m groberer, leicht grauer Marmor mit körniger Oberfläche Taf. 42 Abb. 1 - 3
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Dat.: flavisch1615 Lit.: A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 546. 20; Amelung, Basis des Praxiteles 17 f.; Wace, JHS 1906, 237 F; Walston, Alcamenes 187 Abb. 160; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 89, 110 Anm. 28. 9; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 7; J. Papadopoulos, in: A. Giuliano, Museo Nazionale Romano, Le Sculture I. 1(1979) 74. 59; Schürmann, AntPl 27, 51 f. S 11 Taf. 30. 31.
Einem Stich von E. Episcopius zufolge war die Figur bereits einmal restauriert und mit einem neuen Kopf versehen worden, bevor dieser wieder abgenommen und der Körper durch Guelfi mit dem jetzigen Kopf verbunden wurde. Aus welcher Restaurierungsphase die Vorbereitungen für Ergänzungen an zwei Faltengraten im Bereich der Unterschenkel, am großen Zeh des linken Fußes und an der rechten Schulter stammen, ist ungewiß - die Figur präsentiert sich jetzt jedenfalls ohne Ergänzungen. Der rechte Arm fehlt; der Kopf scheint zum Teil aus antiken Fragmenten zu bestehen, die aber nicht zugehörig sind. Unterschenkel und Basis waren abgebrochen und wurden wieder angesetzt. Durch die Reinigung der Oberfläche wurde der Grad der Korrosion sichtbar. Die Aigis ist unverziert; die Schlangen sind nur noch rudi1615
Stilistisch weiter fortgeschritten, härter und stärker gebohrt sind die Cancelleriareliefs, F. Magi, I rilievi flavi del Palazzo della Cancelleria (1945); J. M. C. Toynbee, The Flavian Reliefs from the Palazzo della Cancelleria in Rome (1957); G. Koeppel, BJb 184, 1984, 5 ff. 28 ff., denen die Athena vorausgeht. Mit ihrer trotz der zerdehnten und bereicherten Faltengebung noch feinen Gestaltung, mit der deutlichen Begrenzung der Falten und der nuancierten Oberfläche schließt sich die Replik dem Togatus des Titus im Vatikan an, Kleiner, Roman Sculpture 174 f. Abb. 143; H.R. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen (1990) 127. 290 Taf. 12. 1. Goette zufolge ist der Kopf nicht zugehörig. Kleiner hält ihn für einen umgearbeiteten Domitianskopf. Gut vergleichbar ist auch die sog. Sulpicia Platorina im Museo Nazionale, B. M. Felletti-Maj, Museo Nazionale Romano, I Ritratti (1953) 85. 154 Abb. 154; E. E. Schmidt, Römische Frauenstatuen (1967) 62 f.; Linfert, Kunstzentren 58 ff. Taf. 19 Abb. 97. 184. Für eine flavische Datierung spricht auch die Gestaltung des rückwärtigen Haarschopfes mit den spitz auslaufenden, bewegten, ungebohrten Strähnen (s. Schürmann Taf. 31 a).
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mentär vorhanden. Die Rückseite der Figur ist flach und summarisch ausgeführt. Der Chitonsaum geht hier nahtlos in die Plinthe über. Der Himationsaum ist rundum kaum unterschnitten. Trotz der augenfälligen Bereicherung des Faltenspiels ist die Replik insgesamt qualitätvoll; auffällig sind die auf Wirkung der Vorderseite bedachte Ausstattung und ihre schwere Körperlichkeit - Elemente, die bei den Repliken des Typus sonst nicht im Vordergrund stehen. Die durch die Frontalisierung der Figur aufgehobene Drehwirkung wird durch die gesenkte rechte Schulter wieder verstärkt. Die aufwendige Gestaltung des Himations, die lebendig aufgelockerten, unterschiedlich tiefen Falten der Unterschenkelpartie sind weitere frei gestaltete Elemente. Auf der Spielbeinwade liegen zwei Gewandgewichte auf; zwei weitere beschweren die unteren Ecken des seitlichen Peplossaumes. Der Körper schimmert durch das dünne Gewand, die Brustwarzen sind trotz Gewand und Aigis vorsichtig angegeben. Der Himationbausch ist flach auseinandergezogen und gibt sorgfältig nachgearbeitete Bohrlinien frei. Auch die Falten des Himation sind breit und flach und alles andere als stereotyp.
Ve II 5 Triest, Mus. 3136 Statue ohne Kopf 1937/38 im Theater von Triest gefunden H 1. 27 m griechischer Marmor Taf. 43 Abb. 1 - 2 Dat.: trajanisch bis hadrianisch-östlich1616 1616
D. Degrassis flavische Datierung ist vermutlich beeinflußt von den Ergebnissen zur Baugeschichte des Theaters, das in neronischer und dann wieder in domitianischer Zeit renoviert worden sein muß; vgl. M. Verza´´r Bass a. s. O. 192 ff. Das gleiche gilt für die augusteische Datierung L. Ruaro Loseris, die zusätzlich noch unter dem Einfluß der Qualität der Replik steht. Die extreme Politur der Oberfläche, die Starrheit des Himations und der Faltenrücken des Peplos, die stereotypen Bohrungen an Bausch und linkem Arm sowie die schnurartigen schmalen Faltenrücken schließen m. E. eine frühere Datierung als die trajanische aus.
Lit.: Lippold, Plastik 240 Anm. 1; R. Horn, AA 53, 1938, Sp. 630, 635 Abb. 5; A. W. v. Buren, AJA 42, 1938, 414 Abb. 13; V. Scrinari, Tergeste (1951) 101 Taf. 10; G. A. Mansuelli, RIA 7, 1958, 68 f. Abb. 14; L. Ruaro Loseri, in: (Hrsg.) Arte e civilta`` romana nell' Italia settentrionale, Kat. Bologna 1964 I 178. 424 II (1965) 486 f. 703 Taf. CLIV 325; Kabus-Jahn 110 Anm. 28. 3; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 3; M. Fuchs, Untersuchungen zur Ausstattung römischer Theater in Italien und in den Westprovinzen des Imperium Romanum (1987) 111 E I 1 Taf. 51. 1, 2; M. Verza´´r-Bass (Hrsg.), Il teatro Romano di Trieste (1991) 194 Taf. 80. 184-185; D. Degrassi a. s. O. 89 ff. S 4, 127 f.; Schürmann, AntPl 27, 50 f. S 10 Taf. 28. 29 a (mit weiterer älterer Lit.).
Abgesehen vom wie gewöhnlich fehlenden rechten Arm ist die Replik ausgesprochen gut erhalten. Der linke Fuß samt dem entsprechenden Teil der Basis war abgebrochen und wurde wieder angesetzt; ebenso ein Teil des Chitons an der Rückseite. Der rechte Teil der Basis ist abgeschlagen; die Faltengrate von Chiton und Himationbausch sind teilweise bestoßen. Die Aigis ist mit feiner Fiederung verziert; die Schlangen sind, bis auf eine vollständig erhaltene an der linken Brust, abgebrochen. Über der Aigis wird eine Falte von der Halskante des Peplos sichtbar.
Vergleichen läßt sich auch die Figur der Priesterin Alexandra von einem Grabrelief hadrianischer Zeit in Athen, K. Rhomiopoulou, National Archaelogical Museum - Collection of Roman Sculpture (o. J. -nach 1995) 57 f. 74 mit Abb., deren schnurartige, oben abgerundete Bogenfalten ähnlich sind; die Obergrenze repräsentiert hier eine frühantoninische überlebensgroße Hygieiastatue in Side, J. Inan, Roman Sculpture in Side (1975) 98 ff. 36 Taf. 45. 1-2, 46. 1-2, deren kurzes Himation mit Bausch zwar hauptsächlich aus motivischen Gründen weicher ist als der straffe Mantel der Athena, aber dennoch eine ähnliche handwerkliche Verarbeitung der jeweiligen Motive zeigt. Vgl. auch die etwas spätere, wohl stadtrömische Replik im Museo Nazionale (Ve II 4) aus der Villa Hadriana, die formale Ähnlichkeiten handwerklich und stilistisch anders verarbeitet. Die außerordentliche Plastizität und Körperlichkeit findet sich bisher eher bei Repliken aus dem östlichen Bereich (Ve I 1; Ve II 11), mit denen die Replik in Triest auch handwerklich verwandt ist.
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Im Gegensatz zur Ansicht Horns vereinfacht die Replik den Typus keineswegs, sondern gehört im Gegenteil neben derjenigen in Benevent zu seinen besten Vertretern1617. Der plastische Kern ist überzeugend wiedergegeben; auf ihm bauen sich die typuseigenen Merkmale organisch auf. Die wichtigsten, z. T. von langen Bohrungen begleiteten Falten sind schematisch angelegt und fast akademisch vom Muster abgenommen. Das seinerseits substanzreiche Gewand umhüllt den vergleichsweise massiven Körper. Die den Typus charakterisierende innere Drehung, die es kaum zuläßt, eine einzig gültige Frontalansicht zu definieren, ist dennoch gut sichtbar. Die Qualität der Replik zeigt sich besonders in der Seitenansicht. Hier wird der Widerspruch im Nebeneinander von plastischer Tiefe und Substanz und einer gewissen Kälte und Starrheit der Ausführung von Falten und Oberfläche besonders deutlich; vgl. die beiden auffälligen, schlauchartigen Falten in Kniehöhe an der linken Körperseite. Insgesamt beeindruckt aber die plastische Lebendigkeit und die Feinheit der Details.
Ve II 6 Tivoli, Villa Hadriana, Magazin 484, 728, 734, 737, 758, 787 Aus Fragmenten zusammengesetzte Replik; Pendant zu Ve II 7 aus dem Saal mit den drei Exedren der Villa Hadriana Dat.: frühhadrianisch1618 Lit.: R. Paribeni, NSc 1922, 238. 2; J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei
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Neuere Aufnahmen zeigen die Figur in gereinigtem Zustand, in dem ihre Qualität weit besser sichtbar wird (M. Verza´´r-Bass; vgl. die alten Aufnahmen bei R. Horn und A. W. v. Buren). 1618 S. die Vergleiche von Ve II 5, die allerdings etwas früher entstanden ist. Vgl. darüber hinaus eine als Oberkörperfragment mit Kopf erhaltene hadrianische weibliche Gewandstatue in Malibu, die wahrscheinlich aus dem griechischen Osten stammt und eine ganz ähnliche Feinheit des Gewandstoffes zeigt; J. Inan - E. Alföldi-Rosenbaum, Römische und frühbyzantinische Porträtplastik aus der Türkei. Neue Funde (1979) 330 f. 330 Taf. 237. 3; 239.
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Tivoli (1983) 81 I 69; E. Bartman, AJA 92, 1988, 222; Schürmann, AntPl 27, 55 S 15 Taf. 34.
Von Paribeni als sorgfältigere und weniger schematische Arbeit beschrieben; wahrscheinlich tatsächlich etwas früher entstanden als Ve II 7. Erhalten ist der Körper samt dem Standbein; vom Spielbeinknie abwärts fehlt der Unterschenkel. Außer dem Einsatzkopf fehlt wie immer der rechte Arm. Von der Hüfte abwärts ist die rechte Körperseite abgesplittert; von der sorgfältig ausgearbeiteten Rückseite ist nur der Oberkörper mit dem voluminösen Haarschopf erhalten. Die Replik ist schmal angelegt, die Falten hingegen sind substanzreich und von weicher Stofflichkeit; die nuancierte Plastizität und Dünnhäutigkeit der früheren Repliken ist trotz der späten Datierung noch wirksam. Auffällig sind in dieser Hinsicht Details wie die feinen Linien am Himationsaum und unterhalb des Spielbeinknies, die Verschattung der stark hinterarbeiteten Himationunterkante und der Peplosfalten sowie die differenzierte Gestaltung des eingestützten linken Armes. Die Aigis, deren Schlangen nicht erhalten sind, ist gefiedert. In ihrer Feinheit und Naunciertheit neben der etwas gröber werdenden Faltenbildung und der zunehmenden Schmalheit steht die fragmentierte Replik zwischen den Repliken der frühen Kaiserzeit und denen der späteren, respektive antoninischen Zeit. Da sie in keiner Weise stereoptyp ist und darin mit den übrigen eindeutig östlichen Repliken in Nikopolis (Ve I 1) und Apollonia (Ve II 11) übereinstimmt, handelt es sich auch hier möglicherweise um einen Import aus dem griechischen Osten. Daß sich im Saal mit den drei Exedren der Villa Hadriana offenbar zwei Repliken desselben Typs gegenüberstanden, läßt den Gedanken zu, daß hier möglicherweise eine stadtrömische und eine östliche Replik miteinander konfrontiert werden sollten1619.
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Es wäre interessant, diesem Fall und eventuellen Paralellfällen, in denen mehrere Repliken nach dem gleichen Typus vom selben Fundort bekannt sind, einmal gesondert nachzugehen, um daraus möglicherweise neue Erkenntnisse zur Rolle und
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Ve II 7 Rom, Mus. Nazionale 108595 Statue ohne Kopf 1913/14 im Saal mit den drei Exedren der Villa Hadriana in Tivoli gefunden H 1. 30 m Lunamarmor Taf. 43 Abb. 3 Dat.: späthadrianisch1620 Lit.: R. Paribeni, NSc 1922, 238. 1 Abb. 5; ders., Le Terme di Diocleziano e il Museo Nazionale Romano (1928) 208. 543; Rizzo, Prassitele 93 f. 118. 17 Taf. 142 a; Gullini, BCom 1946-48, 47; S. Aurigemma, Die Diokletiansthermen und das Museo Nazionale Romano (1960) 178. 469; KabusJahn, Frauenfiguren 89, 110 Anm. 28. 4; H. v. Steuben, in: Helbig4 III (1969) 2218; W. Trillmich, JdI 88, 1973, 261 Anm. 48, 281 Anm. 109; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali...11; J. Papadopoulos, in: A. Giuliano, Museo Nazionale Romano, Le Sculture I. 1 (1979) 72 ff. 59 mit Abb.; J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1983) 71 I 53 Taf. 15; E. Bartman, AJA 92, 1988, 222; M. de Franceschini, Villa Adriana (1991) 500. 1; M. Barbera - R. Paris, in: A. La Regina (Hrsg.) Museo Nazionale Romano. Palazzo Massimo alle Terme (1998) 104 mit Abb.; Schürmann, AntPl 27, 52 ff. S 13 Abb. 19 Taf. 33.
Die Figur war in Hüfthöhe gebrochen und wurde wieder zusammengefügt. Weitere Brüche und Flickungen bestehen am Ellenbogen des linken Armes. Der linke Fuß mit dem entsprechenden Stück der Basis fehlt; der rechte Arm fehlt wie bei allen Repliken. Am linken Arm wurde eine runde Beschädigung geflickt. Die Faltengrate sind z. T. bestoßen, insgesamt aber relativ gut erhalten, was sicher mit der geringen Plastizität Wertigkeit von Repliken zu gewinnen; vgl. hierzu S. 125 ff. 1620 Eine genaue Datierung erübrigt sich durch die Herkunftsangabe - der Vergleich mit den Koren aus der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32 spricht deutlich für die gleiche Entstehungszeit. J. Papadopoulos und Barbera - Paris vertreten eine antoninische Datierung - die handwerkliche und stilistische Verbindung zu den Koren in Tivoli ist m. E. jedoch weit enger als zu den übrigen antoninischen Repliken.
der Figur zu tun hat, die mehr Stabilität der kaum hinterarbeiteten Einzelteile mit sich bringt. So sind zum Beispiel die reliefartig angebrachten Schlangen an der unverzierten Aigis fast vollständig erhalten. Die geringe Plastizität im einzelnen geht mit der eher geringen Qualität der Replik einher. Die trotz ihrer Dicke scharf gezeichneten Falten wirken ebenfalls reliefartig und sind kalligraphisch in eine Ebene ausgebreitet. Am Bausch und am linken Arm sind die Falten lediglich gebohrt; auch die Falten an den Unterschenkeln sind flach und einfach angelegt. Einen ganz anderen Eindruck hinterläßt die vom selben Fundort stammende Replik Ve II 6, die tatsächlich, wie Paribeni dies beschreibt, qualitätvoller ist und m. E. östlich sein dürfte, während man es bei der vorliegenden, ausgesprochen linearen Replik sicherlich mit einem stadtrömischen Werk zu tun hat1621.
Ve II 8 Castle Howard Statue mit modernem Kopf gesamte H. 1. 62 m; antike H 1. 26 m vermutlich die bei Clarac abgebildete Figur, die über Cavaceppi nach England gelangte1622 feiner, weißer Marmor Taf. 44 Abb. 1 - 2 Dat.: frühantoninisch1623
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Die Linearität der Figur läßt vielleicht den Schluß zu, daß sie nach einem skizzierten Vorbild geschaffen wurde, während die Plastizität von Ve II 5 eher auf ein rundplastisches Modell schließen läßt. 1622 Vgl. Amelung, Basis des Praxiteles 17 d; anders Michaelis, der die Replik aus Ince Blundell Hall in Liverpool für die durch Cavaceppi restaurierte Figur hält. 1623 Trotz der starken Überarbeitung der Oberfläche, die wahrscheinlich Cavaceppi selbst zuzuschreiben ist, haben sich Charakteristika erhalten, die eine antoninische Datierung ermöglichen. Dazu gehören die sichtbaren langen Bohrrillen am Himationbausch und am linken Oberarm, die breiten, seitlich abgerundeten Faltenrücken, die stark verschatteten, brettartigen Falten an den Unterschenkeln sowie die unter der sicherlich schon in der Antike polierten Oberfläche scharf
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Lit.: Clarac III 462 B, 888 C; A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 326. 4; ders., JHS 6, 1885, 34. 4; Amelung, Basis des Praxiteles 17 a und d (doppelt aufgezählt; vgl. Text S. 109); Wace, JHS 1906, 237 A und D (ebenfalls doppelt); Walston, Alcamenes 187 Abb. 161; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 89, 110 Anm. 28. 7; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 5 Taf. 71 c; Schürmann, AntPl 27, 47 ff. S 6 Taf. 24.
Der Kopf ist zusammen mit den Gewandfältchen am Halsansatz modern ergänzt; neu sind außerdem der rechte Arm mit Schulter, der linke Fuß und die rechte Fußspitze. Die runde Plinthe wurde in eine rechteckige Basis eingesetzt. Die Statue ist völlig überarbeitet und vermittelt keinen Eindruck mehr von der antiken Oberfläche. Beschädigungen wurden mit Gips zugeschmiert, Faltengrate zum Teil ausgebessert. Die Rückseite ist sorgfältig ausgearbeitet und zeigt noch den aus der Mitte verschobenen Haarschopf, der offenbar nicht modern überarbeitet wurde. Auch sonst scheint die Rückseite nur teilweise überarbeitet worden zu sein1624. Die Aigis ist unverziert; die Schlangen sind größtenteils gut erhalten. Die reiche Nuancierung der Replik und ihre feinfühlige Plastizität konnten durch den ihr neu zugefügten metallischen Charakter glücklicherweise nicht völlig übertönt werden. Soweit man dies nicht der modernen Überarbeitung anlasten muß, sind die Falten des um die extrem herausgeschobene Hüfte geschlungenen Himations flach und klar. Die breitgezogenen Bauschfalten sind durch von beiden Körperseiten aus ansteigende Bohrrillen gegliedert. Das Hihervortretenden Zug- und Druckfalten; vgl. eine antoninische Gewandstatue im Cerestypus in Cherchel, C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae I. Idealplastik (1993) 57. 39 Taf. 56-57. Die antoninische Datierung wird unterstützt durch das unrestauriert erhaltene Nackenschopfende, dessen grobe, durch Bohrung unterteilte Sichellocken gut in antoninische Zeit passen, und durch die glatte, von dickleibigen Schlangen umgebene Aigis sowie den an antoninischen Repliken des Typus zu beobachtenden schlanken Kontur mit betonter innerer Drehung. (s. Text S. 112.) 1624 Da die Figur dicht vor der Wand aufgestellt ist, ist die Rückseite kaum zu sehen.
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mation zeigt nur die typusbedingten Falten; diese erscheinen flach aufgelegt und sind wenig organisch. Die gleichmäßig muldenartig eingedrückten Falten am linken Unterarm, die sich auch an der spätantiken Replik in Nikopolis finden, haben sich über die moderne Überarbeitung hinweg erhalten. Die vom linken Arm herabfallenden Falten sind knapp und starr. Der Himationsaum ist stark unterarbeitet. Die unteren Peplosfalten sind tief verschattet und leicht in die Breite gezogen. Insgesamt ist die Replik auch abzüglich der modernen Überarbeitung ein besonders prägnantes Beispiel für die typische wächsern-starre, kontrastreiche Manieriertheit der antoninischen Repliken.
Ve II 9 Rom, Konservatorenpalast 2526 Statue ohne Kopf gef. 1947 in der Nähe der Villa Giulia H 1. 29 m Lunamarmor Taf. 45 Abb. 1 - 2 Dat.: frühantoninisch1625 Lit.: Gullini, BCom 1946-48, 45 ff. Taf. 1; H. v. Steuben, in: Helbig4 II (1966) 1660; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 14; Schürmann, AntPl 27, 49 S 8 Taf. 25 a.b. Abb. 18.
Qualität und Erhaltungszustand der Replik sind gut; sie weist keine Ergänzungen auf. Die Faltengrate am Chiton sind stellenweise ausgebrochen, sonst aber nur leicht bestoßen. Die von der linken Hand herabfallenden Gewandfalten sind abgebrochen. An der Seite fehlt ein Stück der Basis; dadurch wurde der linke Fuß leicht beschädigt. Wie immer fehlt der angesetzte rechte Arm; mit der rechten Schulter ist ein 1625
Die Replik ist eng verwandt mit der antoninischen Athena Walston (Ve I 2) und kann deren schlechten Erhaltungszustand ergänzen. Die Oberfläche der Replik ist sorgfältig gestaltet und trotz einer gewissen Glättung weich nuanciert. Die Falten sind extrem dick und weich. Die vorhandene Bohrung ist sauber ausgearbeitet und in keiner Weise grob. Gut vergleichbar ist eine frühantoninische Gewandstatue im Typus der Kleinen Herculanerin in Constantine, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 312 C 23 Taf. 32.
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großer Teil des oberen Rückens bis an die besonders tiefe Grube für den Halsansatz heran weggebrochen. Der übrige Bereich der Rückseite ist flach, aber ausgearbeitet. Der untere Peplossaum hebt sich von der Basis ab und ist weitgehend unterarbeitet - wie an der Replik in Liverpool (Ve II 2) ist die Verbindung zur Plinthe von vorn hauptsächlich durch die Füße und die Gewandgewichte der rechten Seite gewährleistet, wird aber durch zusätzlich belassene Verbindungsstege im rückwärtigen Bereich der Unterseite unterstützt. Die Aigis ist in deutlich plastische Federenden mit Mittelkiel eingeteilt; wie an der Replik in Triest (Ve II 5) wurde der obere Aigiswulst in diese Strukturierung mit einbezogen. Die Aigisschlangen sind wie die Unterkante der Aigis stark bestoßen. Die Replik ist insgesamt von einfühlsamer Körperlichkeit; die Oberfläche ist feinfühlig gestaltet, das Himation nur durch die kanonischen Faltenzüge gegliedert. Die Falten am Himationbausch ziehen sich als lange, weiche Wülste quer über den Bauch der Statue; die Gestaltung der unteren Chitonfalten imitiert den Bronzecharakter des Vorbildes.
Ve II 10 10 Baia, Castello 180093 Statue ohne Kopf 1924 im Meer beim antiken Baiae gefunden1626 Dat.: spätantoninisch1627
1626
Becatti bildet die Figur ab, bezeichnet sie aber wie Rizzo als unpubliziert. Dabei ist es offenbar bis heute geblieben, weshalb keine genaueren Angaben zur Verfügung stehen. 1627 Die Replik läßt sich aufgrund ihrer sparsamen, aber kontrastreichen Faltenbildung, ihres harten Gegensatzes von dunklen, gebohrten Faltentälern und wulstigen Faltenrücken neben glatten, starren Flächen und aufgrund ihres schmalen, fast manierierten Konturs unter die antoninischen Exemplare einreihen. Ihre Gewandarbeit ist sogar noch schwerfälliger und reduzierter, der untere Gewandsaum noch lappiger als an den anderen antoninischen Repliken, was vielleicht qualitative Gründe hat, aber auch eine spätantoninische, möglicherweise schon severische Datierung impliziert; vgl. eine spätantoninische Gewandstatue ebenfalls in Neapel, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 320 C 39 Taf. 41. Die hadrianische
Lit.: Rizzo, Prassitele 118. 93. 16; Becatti, ASAtene 1939/40, 97 f. Abb. 10; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 9; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 88, 110 Anm. 28. 11; Schürmann, AntPl 27, 48 S 7 Taf. 25 c.
Der Halsausschnitt für den Einsatzkopf ist vorn und hinten ausgebrochen; der rechte Arm fehlt. Geringfügig bestoßen sind die Zehen des linken Fußes und die unteren Chitonfalten, stärker die seitlichen Konturfalten des Himation. Teilweise beschädigt ist auch der Oberkörper der Figur. Die Aigisschlangen fehlen größtenteils; Aigis und Himationfalten an der linken Schulter sind erheblich korrodiert. Ohne eigene Anschauung nicht sicher auszumachen ist, ob eine Zäsur am Himation in Höhe der Oberschenkel tatsächlich eine Farbkante darstellt, wie dies die Abbildung suggeriert1628. Über der ausgebrochenen Falte des rechtsseitigen Himationkonturs befindet sich möglicherweise ein Bossenansatz1629. Die Oberfläche der Replik ist trotz der durch die Lagerung im Wasser zerfressenen Oberfläche noch sichtlich von zementartiger Starrheit. Der zierliche Kontur steht dazu, wie das an antoninischen Repliken fast immer der Fall ist, in bemerkenswertem Gegensatz. Das Himation ist kaum bereichert. Die Falten liegen wie Schnüre auf seiner glatten Oberfläche. Die Bauschfalten sind einfach gebohrt; ebenso die stark verschatteten Falten am linken Oberarm. Die Falten im unteren Peplosbereich sind grob und breit; direkt unterhalb des Himationsaumes weisen sie eine flache Mittelrinne auf. Der untere Peplossaum ist durch eine Bohrrille von der Plinthe abgesetzt. Reste von Gewand-
Datierung Schürmanns ist m. E. nicht ganz nachvollziehbar und bleibt ohne Vergleich. Schürmanns Beschreibung der Replik und ihrer besonderen Merkmale legt eher die Einordnung in die Reihe der späten Replikenedition nahe (vgl. S. 112 ff.). 1628 Schürmann 48 Anm. 32 beschreibt die schlechten Bedingungen bei seiner Untersuchung vor Ort eine solche hilft folglich auch nicht weiter. Die Fotos lassen jedoch vermuten, daß Spuren in den Faltenrinnen evtl. von Farb- oder Putzresten stammen. 1629 Vgl. die Replik aus Ince Blundell Hall in Liverpool (In I 1).
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gewichten sind auf der rechten Seite der unregelmäßigen Plinthe sichtbar.
Ve II 11 Apollonia, Mus. Statue ohne Kopf aus dem Peristylhof eines großen Hauses mit Mosaiken Taf. 46 Abb. 1-3 Dat.: spätantoninisch-severisch1630 Lit.: W. D. Blawatsky, Klio 40, 1962, 284 ff.; F. Prendi - H. Ceka, Studime Historike 18 (1964) 26 ff. 81 Taf. 1. 1-2; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 10; N. Ceka, Apolonia ve Ilirise (1982) 213; N. A. Onajko, Problemy antično kul'tury 1986, 60-66 mit Abb. und Lit.; G. Koch, Albanien. Kunst und Kultur der Skipetaren (1989) 225, 231; Schürmann AntPl 27, 44 f. S 4 Abb. 12-14 Taf. 22 a-b (mit weiterer Lit.).
Die Figur ist mit dem schräg abgebrochenen Halsansatz und der rechteckigen Plinthe erhalten; wie immer fehlt der rechte Arm1631. Der Erhaltungszustand ist insgesamt ausgesprochen gut, nur die Faltengrate am Himation, an den Standbeinfalten und an den Enden der von der verhüllten linken Hand herabhängenden Falten sind teilweise bestoßen und die Schlangen an der offenbar unverzierten 1630
Die Kopie schließt sich den zahlreichen antoninischen Repliken an, steht aber schon am Übergang zur severischen Zeit. Als sicher östliche Replik läßt sie sich noch besser als diese mit den Nymphäumskulpturen aus Olympia vergleichen, R. Bol, Das Statuenprogramm des HerodesAtticus-Nymphäums, OF 16 (1984); besser aber noch mit severischen Porträtstatuen wie der Julia Domna als Ceres aus Ostia, Kleiner, Roman Sculpture 328 Abb. 291. Unterstützt wird die Datierung durch einen mitgefundenen Togatus, der sich ebenfalls antoninisch datieren läßt, Blawatsky 285 Abb. 2; vgl. wiederum die weibliche Gewandstatue in Paris, Kruse a. O. 242 f. A 16 Taf. 6; K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Cat. des portraits romains II (1996) 206 f. 88 mit Abb. 1631 Nach Ansicht Schürmanns deuten der Bossen unterhalb der rechten Hüfte und der Zustand des ausgebrochenen Armansatzes darauf hin, daß der Arm nicht eingesetzt, sondern mit dem Körper in einem Stück gearbeitet war und in der Antike bereits repariert werden mußte (vgl. Onajko Abb. 1-4).
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Aigis fehlen größtenteils. Die Plinthe war bei der Auffindung offensichtlich bis in die unteren Gewandfalten hinein diagonal durchgebrochen. Die Oberfläche hat die originale Politur bewahrt. Die Rückseite ist sorgfältig ausgearbeitet; der infolge der leichten Kopfdrehung auf dem rechten Schulterblatt liegende Schopf wird durch einen Ring zusammengehalten. Das Himation auf der Vorderseite ist im oberen Teil etwas bereichert, folgt sonst aber der kanonischen Faltengebung. Die Bauschfalten sind durch flache, lang geführte Bohrrillen gegliedert. Auch die Falten des linken Oberarmes sind tief gebohrt, wurden aber nachträglich ausgearbeitet. Die Falten sind kontrastreich gearbeitet; die Bohrungen wurden gezielt im Hinblick auf Licht-Schatten-Wirkung eingesetzt. Die unteren Peplosfalten sind ebenfalls kontrastreich verschattet, der untere Saum ist teilweise wirklich, teilweise nur durch eine Bohrrinne von der Plinthe getrennt. Über die tiefen Peplosfalten spannt sich fast starr der Himationsaum. Unterhalb der rechten Hüfte sitzt auf der breiten, den Kontur markierenden Falte ein Bossen. Wie bei allen antoninischen Repliken ist die Schwere des Unterkörpers einer gedreht-manierierten Zartheit gewichen, die bei den Repliken des 1. Jhs. nicht so deutlich wird. Die Replik in Apollonia zeigt, daß die handwerkliche Qualität der antoninischen Repliken trotz dieser Akzentverschiebung noch überzeugt. Die Replik ist sehr verwandt mit dem etwas späteren Exemplar in Nikopolis. Wegen der relativen geographischen Nähe der Fundorte ist die Herkunft beider Wiedergaben aus einer Werkstatt auch über eine größere zeitliche Distanz hinweg nicht unwahrscheinlich.
Ve II 12 Paris, Kunsthandel Statue ohne Kopf aus Capua aus dem Privatbesitz Paul Arndts; Verbleib inzwischen unbekannt Taf. 47 Abb. 1
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Dat.: ca. Mitte bis Ende 3. Jh. n. Chr.1632 Lit.: P. Arndt, in: H. Brunn - F. Bruckmann, Denkmäler griechischer und römischer Skulptur (1912) Text zu Taf. 608 Abb. 4; Rizzo, Prassitele 118. 93. 15 (mit Besitzangabe von Ve VI 1); Walston, Alcamenes 184 Anm. 1; Gullini, BCom 1946-48, 45 Anm. 3. 15; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 10; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 8; Schürmann, AntPl 27, 54 S 14 Abb. 20.
Der Erhaltungszustand dieser späten Replik ist gut; außer dem Kopf fehlt nur der rechte Arm. Der Halsausschnitt ist so weiträumig weggebrochen, daß der obere Aigisrand fehlt. Die fast unversehrte Plinthe ist rechteckig. Die Faltengrate sind kaum beschädigt; die Oberfläche scheint insgesamt aber stark versintert zu sein. Die Wiedergabe des Typus ist hier freier gehandhabt als an der ebenfalls späten Replik in Nikopolis, deren Qualität die vorliegende Replik nicht erreicht. Die Figur ist in sich extrem gedreht - eine Tendenz, die mit der späteren Entstehung der Repliken sichtlich zunimmt1633. Der Himationbausch schnürt den Körper stärker ein und bildet, obwohl er typusgemäß unterhalb der Brust verläuft, eher eine Taille1634. Die Aigis 1632
Vgl. den Sarkophag von Acilia, Kleiner, Roman Sculpture 386 Abb. 357; B. Andreae, in: Opus Nobile, Festschrift U. Jantzen (1969) 1 ff. mit Abb.; N. Himmelmann, Typologische Untersuchungen an römischen Sarkophagreliefs des 3. und 4. Jhs. n. Chr. (1973) 1 ff. Taf. 11-15, und den sog. Balbinus vom Piräus, Kleiner a. O. 366 Abb. 327; H. G. Niemeyer, Studien zur statuarischen Darstellungen der römischen Kaiser (1968) 112, 125 Taf. 46. Während der Acilia-Sarkophag die gleichen, unter der Oberfläche wellenartig bewegten Falten zeigt wie das Himation der Athena, verdeutlicht die Statue aus dem Piräus die Gestaltungsmöglichkeiten der behäbig-stereotypen, aber doch noch kontrastreichen Unruhe schwerer Gewandstoffe, die auch an der Athena sichtbar wird. 1633 Vgl. S. 112. 1634 Darin gleicht die Replik einer Gewandstatue in Alexandria, die des öfteren auch in den Replikenlisten des Typus Vescovali erscheint, deren Ähnlichkeit aber allgemein bleibt, Adriani, Repertorio d’arte dell’ Egitto greco-romano 1 (1961) Taf. 38 Abb. 108; vgl. Kabus-Jahn, Frauenfiguren 92, 111 Anm. 35 mit Lit. (erstaunlicherweise als griechisches Original des 4. Jhs. eingestuft); G. Kleiner,
ist offenbar glatt; die Schlangen an der Aigisunterkante sind zum wellenförmigen Ornament reduziert. Die Faltenangabe ist insgesamt grob und summarisch; an den Unterschenkeln bestehen die Falten aus tief gebohrten Tälern und dicken wulstigen Rücken. Das Himation ist durch schnurartig aufgelegte bogenförmige Falten gegliedert; seine Glätte betont den Gegensatz zu den kontrastreichen Partien an Bausch und Arm. Wenn die Replik in Nikopolis (Ve I 1), die diesem Torso teilweise nicht unähnlich ist, nicht spätantik, sondern trajanisch ist, so dürfte doch zumindest diese Replik, deren Verbleib leider unbekannt ist, ein brauchbares Zeugnis spätantiken Kopienwesens sein.
Ve II 13 Rom, ehemals Villa Doria Pamfilij Statue mit fremdem (evtl. modernem?) Kopf H ca. 1. 40 m griechischer Marmor verschollen Dat.: wahrscheinlich 2. Jh. n. Chr.1635 Lit.: Clarac VI 552 B 1186 D; A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 326. 4; Amelung, Basis des Praxiteles 17g; Wace, JHS 1906, 237 G; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 17; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 19; J. Garms, Quellen aus dem Archiv Doria Pamfilij zur Kunsttätigkeit in Rom unter Innocenz X (1972) 345; B. Palma, in: R. Calza (Hrsg.), Antichita`` di Villa Doria Pamfilij (1977) 64. 56 Taf. XXXVI (nach Clarac); J. Papadopoulos, in: A. Giuliano (Hrsg.), Museo Nazionale Romano, Le Sculture I (1979) 74; Schürmann, AntPl 27, 63 S 25 Abb. 36.
Ergänzt waren nach Angaben B. Palmas der Kopf, der rechte Arm mit der Hand sowie Teile
Tanagrafiguren (1984) 147 f., 288, 340 ff. Taf. 63. Da die Figur keine Aigis hat und ihr Gesamteindruck auch sonst nicht dem Charakter des Typus entspricht, reduziert sich die Ähnlichkeit auch hier wieder auf den Gebrauch desselben Gewandtypus. 1635 Aufgrund der verarbeiteten Typusmerkmale scheint es sich, nach der Zeichnung Claracs zu urteilen, um eine knappere Replik der späteren Kaiserzeit zu handeln.
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des Gewandes. Eine an der Aigis eingezeichnete Schlange veranlaßte Clarac und in der Folge merkwürdigerweise auch J. Papadopoulos dazu, die Replik als Variante zur Hygieia zu deuten.
Ve II 14 Rom, ehemals Palazzo Giustiniani Statue (ohne Kopf?1636) verschollen Dat.: wahrscheinlich 1. Jh. n. Chr.1637 Lit.: Clarac III Taf. 464. 867; Amelung, Basis des Praxiteles 17 b; Reinach, RSt I (1897) 232. 867; Wace, JHS 1906, 237 B; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 15; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 17; J. Papadopoulos, in: A. Giuliano, Museo Nazionale Romano. Le Sculture I 1 (1979) 74. 59; Schürmann, AntPl 27, 63 S 24 Abb. 35.
Nur als Zeichnung bei Clarac überliefert; danach kein weiterer Hinweis auf den Verbleib.
III. Torsen Ve III 1 Vatikan, Magazin Torso (Halsgrube bis Schoß) H 0. 70 m grobkörniger Marmor, wahrscheinlich parisch Taf. 47 Abb. 2 Dat.: tiberisch-claudisch1638
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Lit.: G. v. Kaschnitz-Weinberg, Sculture del Magazzino del Museo Vaticano (1937) 62. 112 Taf. 69; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 20; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 22; Schürmann, AntPl 27, 56 S 17 Taf. 36 a.
Es fehlen der Einsatzkopf, der rechte Arm und die Beine mit den vom linken Arm herabfallenden Falten. Bis auf die Unterkante der offenbar glatten Aigis scheint der Zustand des Erhaltenen gut zu sein. Das Einsatzloch für den Hals ist tief. Die Ausführung der Replik macht teilweise einen relativ groben Eindruck, was die Datierung erschwert. Die Falten sind breit und seitlich deutlich abgegrenzt, am Himationbausch sind sie breit aufgefächert und von einer trägen Flachheit, gleichzeitig aber durch noch sichtbare Bohrrillen gegliedert. Das Himation ist um einige Faltenzüge bereichert; auch am linken Oberarm ist die Gestaltung eher frei und aufgelockert. Der Torso steht zeitlich und kopientechnisch zwischen der augusteischen Replik in Liverpool (Ve II 2), deren Faltenstil allerdings klarer und lebendiger ist, und der bereicherten claudischen Replik in Oxford (Ve II 4).
Ve III 2 London, 1989 Kunsthandel Torso H 0. 61 m Dat.: wenn antik, dann am ehesten flavisch1639 1639
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Schürmann gibt an, der Kopf sei ergänzt. Er entspricht jedoch bis auf den Helm dem Typus, sodaß hier möglicherweise doch die ganze Statue erhalten ist. Da dies jedoch aufgrund der schlechten Publikationslage nicht entschieden werden kann, wird sie hier allerdings noch nicht unter die Statuen eingereiht. 1637 Claracs Zeichnung gibt Merkmale wie die Faltenbereicherung und breite Porportionen wieder und läßt daher auf eine frühkaiserzeitliche Replik schließen. 1638 Die Bohrrillen auf der linken Schulter, die zur antoninischen Datierung Schürmanns beigetragen haben, sind als Überreste zwischen abgeriebenen Faltenrücken stehengeblieben und verfälschen daher den optischen Eindruck. Das Fragment schließt sich der augusteischen Replik in Liverpool (Ve II 2) an, der gegenüber es etwas bereicherter erscheint.
Gewisse Vorbehalte gegenüber der Echtheit des Fragmentes lassen sich am ehesten noch mit einer flavischen Datierung verbinden: Die glatte Aigis mit dem dicken Rand und die teilweise polierte Oberfläche werden als Merkmale des Typus erst im 2. Jh. n. Chr. kanonisch, lassen sich aber, verbunden mit der sensiblen Gestaltung des Himations, bereits auch in flavischer Zeit unterbringen. Dieser anfängliche Widerspruch macht allerdings auch auf einige andere Ungereimtheiten aufmerksam: Die seltsam dünnen Aigisschlangen wurden offenbar als Fransen mißverstanden; sie haben jedenfalls nicht die Natur von Schlangenleibern. Der Schlangenrest mitten auf der linken Brust sieht aus, als wäre er als Brustwarze verstanden worden, und die im Ausschnitt sichtbare Peplosfalte als Schlange oder als Gewandfranse. Nach all dem stimmt auch der glatte untere Rand des Torsos verdächtig. Eine Anstückung an dieser Stelle ist unwahrscheinlich - sie ist eher an der
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Lit.: Sotheby's Antiquities. Cat. 10./11. July 1989, 108. 246 mit Abb.; Schürmann, AntPl 27, 57 S 18 Taf. 36 b.
Der Torso endet auf der Mitte der Oberschenkel. Der Einsatzkopf und der rechte Arm fehlen; der linke Arm ist stark bestoßen. Der Halsansatz ist in der Aushöhlung für den Einsatzkopf erhalten geblieben. Die Faltengrate sind größtenteils beschädigt. Die Aigis ist unverziert; von den Schlangen am unteren Rand ist nur noch ein Rest unterhalb der linken Brustspitze erkennbar. Eigenartig sind die schmalen Schlangenleiber unterhalb des eingewölbten Aigisrandes, die sich so an keiner anderen Replik finden; sie beruhen wohl auf einer eigenwilligen Interpretation1640. Die Aigis wird, wie meistens, auf der rechten Schulter durch einen Knoten aus Schlangenleibern festgehalten. Der Bereich der Schulter mit dem Knoten war abgebrochen und wurde wieder angesetzt. Überall sind noch Spuren des Schabeisens erkennbar. Die Faltengebung ist differenziert und von feiner Stofflichkeit. Die Faltentäler sind unterschiedlich tief, wodurch die Falten lebendig wirken. Die dünne Oberfläche und der Reichtum der Falten legen eine frühkaiserzeitliche Datierung nahe. Das Nebeneinander dünner, kantiger und wulstiger, dicklicher Falten spricht dafür, daß der Torso in flavischer Zeit entstanden ist.
KATALOG
Dat.: trajanisch1641 Lit.: Sotheby’s Antiquities. Kat. New York 13. Juni 1996. 57; Schürmann, AntPl 27, 55 f. S 16 Taf. 35 Abb. 21-22.
Erhalten ist der Oberkörper mit dem Ansatz des offenbar angearbeiteten Kopfes und des rechten Armes samt der Oberschenkelpartie bis zur Unterkante des Himations kurz oberhalb der Knie. Während der Oberkörper recht gut erhalten ist, weist die erhaltene Beinpartie an der Vorderseite starke Beschädigungen auf. Die gut ausgearbeitete Rückseite hingegen ist kaum beschädigt. Dort zeigt sich wie meistens der auf dem rückwärtig schräg verlaufenden Himationbausch der Rest des Haarschopfes, der die Datierung in vorantoninische Zeit erhärtet. Auffällig ist die überdeutliche, plastisch ausgeführte Fiederung der Aigis, deren Schlangen nicht mehr erhalten sind. Lediglich ein Puntello unterhalb der linken Brustwarze und ausgebrochene Partien am von unten ebenfalls gefiederten aufgewölbten unteren Aigisrand zeugen von ihrer Existenz. Eigenartig zweideutig ist die schlangenförmige Falte (oder ein Schlangenrest?) zwischen Bausch und Aigis. Zurückhaltende Bohrung, wulstige, gleichmäßig tiefe und breite Falten, die eine gewisse Langeweile der Oberfläche hervorrufen, datieren die ansonsten lebendig gestaltete Replik in trajanische Zeit.
Ve III 3 New York, Slg. Hermann Torso (Hals bis Knie) H 0. 879 m
unteren Himationkante zu erwarten, für einen Bruch aber ist die Kante zu regelmäßig (vgl. den Torso im Magazin des Vatikan, Ve III 1). Hält man den Torso für antik, stammte er aus der Hand eines Steinmetzen, der den Typus nur ungefähr wiedergeben konnte oder wollte oder er müßte durch antike oder moderne Überholung verfremdet worden sein. Ein definitives Urteil ist kaum möglich; da sich der Torso aber durch die genannten Auffälligkeiten vom großen Querschnitt der Repliken abhebt, seien hier Bedenken geäußert. 1640 Vgl. den Torso Ve III 4, der das gleiche s-förmige Schlangen(oder Falten-?)motiv unterhalb des Aigisrandes aufweist.
IV. Fragmente: Ve IV 1 Rom, Antiquarium Forense 39548 Fragment: Unterschenkel mit Basis gef. 1900 in der Nähe des Dioskurentempels, am Schrein des Juturna H 0. 55 m griechischer Marmor Dat.: antoninisch (s. u.) Lit.: G. Boni, NSc 1901, 112 ff. Abb. 73; C. Huelsen, RM 17, 1902, 79 f.; Wace, JHS 1906, 237 I; 1641
Vgl. die Gewandfalten des Extispiciumreliefs, Kleiner, Roman Sculpture 223 Abb. 187.
KATALOG
Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 19; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 21; W. Schürmann, Untersuchungen zu Typologie und Bedeutung stadtrömischer Minervakultbilder (1985) 15 Anm. 178; L. Harry, in: E. M. Steinby (Hrsg.), Lacus Iuturnae I (1989) 212 ff. Abb. 3536; Schürmann, AntPl 27, 57 f. S 20 Abb. 23-26.
Erhalten ist die rechteckige, nach links hin leicht ansteigende Basis mit den Füßen und den die Unterschenkel bedeckenden Gewandfalten. Direkt unterhalb der Knie ist der Körper abgebrochen. Die erhaltenen wulstig-weichen Falten folgen genau den Vorgaben des Typus und sind unterschiedlich tief unterarbeitet; die Füße sind fein und wie die Falten sehr sorgfältig gearbeitet. Zwischen Chitonsaum und Basis blieben hauchdünne Stege stehen, für die Schürmann in antoninischer Zeit Parallelen fand. Schon in der Seitenansicht kündigt sich die Vernachlässigung der Rückseite an - die Falten sind hier nur noch angedeutet.
Ve IV 2 Rom, Palatin 381644 Brustfragment mit linkem Arm aus den Substruktionen des Severuspalastes Dat.: spätflavisch-frühtrajanisch1642 Lit.: W. Amelung, Führer durch die Antiken in Florenz (1897) 257; Wace, JHS 1906, 237 H; Matz - Duhn I 167. 628; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 14; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 16; M. A. Tomei, Il Museo Palatino (1997) 112. 83; Schürmann, AntPl 27, 57 S 19.
Erhalten ist der Oberkörper mit den Armansätzen und dem rückwärtigen Halsansatz. Der Bruch verläuft direkt unter dem Himationbausch. Die Einsatzgrube für den Kopf ist 1642
Die Faltengebung ist sozusagen eine Vorstufe derjenigen der Replik in Triest (Ve II 5), die ebenfalls noch trajanisch datiert wurde, durch ihre etwas härtere Ausführung aber schon in frühhadrianische Zeit hinüberführt. Da der Florentiner Kopf von der Rospigliosi-Replik (Ve V 10) äußerlich paßt und sich auch ähnlich datieren läßt, sei hier die Anmerkung erlaubt, daß eine Überprüfung der Fundorte und evtl. auch eine Anpassung interessant sein könnte - bei der Anzahl der einzeln erhaltenen Torsen und Köpfe liegt ein solches Gedankenspiel nahe.
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recht schmal und hat offenbar nur den vorderen Halsbereich aufgenommen, der an den hinteren, angearbeiteten Halsbereich anschloß. Die Aigis ist mit deutlich plastischer Fiederung versehen. Über ihrer Oberkante wird die charakteristische Hakenfalte sichtbar; an ihrer Unterkante die oft als Schlange mißverstandene Schlingfalte. Die Falten sind von relativ gleichförmiger Breite und teilweise lang gebohrt; die Faltentäler sind nicht sehr tief. Auf der sorgfältig gearbeiteten Rückseite ist der üppige Haarschopf sichtbar, dessen Enden aus in der Mitte punktförmig aufgebohrten Ringellöckchen bestehen. Dies sowie der beschriebene Faltenstil bestätigen die von Schürmann vorgeschlagene Datierung in spätflavische bis frühtrajanische Zeit.
Ve IV 3 Fermo Fragment: Unterkörper ab Hüfte mit Basis 1853 im antiken Theater gefunden H 0. 80 m Dat.: Datierung nach Zeichnung nicht möglich; nach einer antoninischen Inschrift im in dieser Zeit restaurierten Theater vielleicht antoninisch1643. Lit.: G. de Minicis, AdI 1858, 134 Taf. I. 1; Wace, JHS 1906, 238 K; Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 18; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 20; M. Fuchs, Untersuchungen zur Ausstattung römischer Theater (1987) 66 E I 1; L. Polverini, Firmum Picenum I (1987) 285 ff. Abb. 134; Schürmann, AntPl 27, 63 f. S 26.
Ve IV 4 Rom, Kunsthandel Unterkörperfragment 1905 durch Amelung beim Kunsthändler Sangiorgi in Rom gesehen (mündl. Bericht an Wace) Lit.: Wace, JHS 1906, 238 M; Schürmann, AntPl 27, 65 S 28.
1643
de Minicis 125 ff.
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Ve V 1 Rom, Galleria Borghese 183
angeblich aus Herculaneum1646 antike H 0. 33 m griechischer Marmor
Kopf auf nicht zugehörigem Körper im Typus der Dresdner Artemis
Taf. 48 Abb. 1 - 2
V. Köpfe:
Taf. 47 Abb. 3 Dat.: claudisch1644 Lit.: S. Staccioli - P. Moreno (Hrsg.), Le collezioni della Galleria Borghese Roma (1981) 87. 183; W. Fuchs, in: Helbig4 II (1966) 742 f. 1991.
Der unterhalb des Kinns abgebrochene Kopf wurde mittels eines Marmorkeils mit dem Halsansatz einer ohne Kopf erhaltenen Athenastatue verbunden1645. Ergänzt sind am Kopf der Wangenschutz und der Helmbusch sowie die Lippen. Die runden Bestoßungen am Oberlid des rechten Auges, an der linken Braue und an verschiedenen Stellen der Gesichtsoberfläche rühren vielleicht von Steinwürfen her. Der ovale Gesichtsschnitt und die mandelförmigen Augen sind nicht so betont wie an anderen Repliken, und auch die Machart der Haarsträhnen ist eher dem Zeitstil angeglichen. Die übrigen Kennzeichen wie Kopfwendung, kleiner, leicht geöffneter Mund, ansteigendes Unterlid, weiches Karnat sind jedoch deutlich genug, um den Kopf in die Replikenliste einreihen zu können.
Ve V 2 Neapel, Mus. Nazionale 6320 Kopf auf moderner Büste
Dat.: kurz vor 79 n. Chr.1647 Lit.: E. Gerhard - T. Panofka, Neapels antike Bildwerke (1828) 35. 101; L. Mariani, in: Ruesch, Guida 78. 252; Lippold, Kopien und Umbildungen 77, 80, 251 Anm. 43; Schlörb, Timotheos 60 Anm. 184; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 10; Borbein, MarbWPr 1970, 29 f. Anm. 4; Kat. Le Collezioni del Museo Nazionale Napoli (1989) 142 f. 227 mit Abb.; Schürmann, AntPl 27, 69 K 8 Abb. 48-49.
Der stark ramponierte Einsatzkopf wurde, offenbar als Strategenkopf mißdeutet, in eine moderne Büste eingepaßt. Die Gesichtsoberfläche ist entstellt; ergänzt sind Nase, Lippen, Wangenschutz und Nasenschirm; auch die Augenlider scheinen mit Gips nachgebessert worden zu sein. Da das Schläfenhaar offensichtlich bestoßen war, wurde es teilweise begradigt und nachgeglättet. Auch die Gesichtsoberfläche scheint teilweise ausgebessert und geglättet worden zu sein. Die geringfügige Markierung der Iris geschah sicher ebenfalls im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen. Der außerordentlich grobe Eindruck der Replik verstärkt sich durch den schlechten Erhaltungszustand und die verwischte Oberfläche. Die Replik ist in ihrer Rezeptionsweise ähnlich wie der Kopf der Replik Vescovali in St. Petersburg (Ve I 3), mit dem sie in jeder Hinsicht gut zu vergleichen ist1648. Beide Köpfe übertreiben Elemente des Typus wie den runden
1644
Die zwischen weit geöffneten, weichen Lidern leicht hervorquellenden Augäpfel, die breiten, durch Binnenritzung gegliederten Haarsträhnen und das in weiche Polster geteilte, aber trotzdem kompakte Karnat sprechen für die Einstufung des Kopfes in claudische Zeit; vgl. den caliguläischen Kopf im Museo Capitolino, Fittschen - Zanker I 32. 26 Taf. 25-26 und den Kopf der Agrippina Major in Paris, Fittschen - Zanker III Beil. 1; K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Catalogue des Portraits Romains I. Portraits de la Re´´publique et d' e´´poque Julio-Claudienne (1986) 134 f. 61 mit Abb. 1645 Zum Körpertypus vgl. S. 243.
1646
Mariani 78; die Herkunftsangaben des Guida Ruesch zieht jedoch Lippold generell in Zweifel. 1647 Eine Datierung ist dem schlechten Zustand zufolge kaum mehr möglich. Wenn man die Angabe des Fundortes ernst nimmt, muß die Replik, zu der der Kopf gehört hat, vor 79 n. Chr. entstanden sein. Aufgrund des Zustandes verbieten sich direkte Vergleiche; der Kopf ist jedoch dem Kopf der spätflavischen Replik in St. Petersburg sehr ähnlich (Ve I 3; s. o. im Text). Er könnte demzufolge kurz vor dem Untergang Pompejis entstanden sein. 1648 S. Anm. 1647.
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Brauenbogen, den ovalen Kopfumriß und die mandelförmigen Augen und geben die Haare als frei gestaltete, wellenartig nach hinten fließende Strähnen wieder.
Ve V 3 Beaulieu-sur-Mer, Villa Kerylos Bronzekopf angeblich aus Rom1649 H 0. 32 m Taf. 48 Abb. 3 - 4 Dat.: flavisch1650 Lit.: Reinach, GazBA 1922, 24 ff. mit Abb.; Waldhauer, JHS 1923, 181 Abb. 5; Borbein, MarbWPr 1970 29 f. Anm. 4. 5; Institut de France, Fondation Theodore Reinach a`` Beaulieusur-Mer. Villa Kerylos (1988) 6 (Abb.); Verf., AA 1996, 89 Anm. 16.
Die Oberfläche des wohl an einer Lötstelle am Halsende gebrochenen Kopfes ist stark korrodiert; der Publikation zufolge beweisen Kalkinkrustationen, daß der Kopf lange im Flußschlamm gelegen hat1651. Abgesehen davon ist der Erhaltungszustand besonders gut, was den Kopf gleichzeitig verdächtig macht. Merkwürdig sind ebenfalls einige Details wie das Profil mit der geraden, langen, mit einem Knick aus der Stirn hervorgehenden Nase, die zum Ornament geschrumpften Helmfutterschlaufen und der 1649
Reinach 24 gibt an, den Kopf aus einer Pariser Privatsammlung unter der Angabe gekauft zu haben, er sei 1860 aus dem Tiber gefischt worden. Der Aufbewahrungsort war lange unbekannt durch Zufall fand sich eine Abbildung innerhalb einer Dokumentation über die Villa Kerylos in einer Zeitschrift. 1650 Trotz des unterschiedlichen Materials ist die Replik eng mit dem flavischen Kopf auf der Rospigliosi-Statue in Florenz verwandt. Die starke Korrosion der Oberfläche erschwert auch hier eine genauere Datierung. Augenangabe, Karnatbeschaffenheit und Haarsträhnen sprechen jedoch am ehesten für das 1. Jh. n. Chr.; vgl. einige Bronzeköpfe aus der Pisonenvilla, M. R. Wojcik, La Villa dei Papiri ad Ercolano (1986) 89 ff. C 2 Taf. XLVIII; 133 f. E 4 Taf. LXIX; speziell zur Haarangabe vgl. den Demostheneskopf 164 ff. F 5 Taf. LXXXVII; Alessandro Magno. Storia e mito (Kat. Rom 1995) 220. 17 mit Abb. 1651 Reinach 26 f.; vgl. Anm. 1649.
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unten abgerundete Wangenschutz. Solange der Kopf jedoch nicht überprüft wurde und über seine Echtheit keine eindeutige Aussage möglich ist, muß er als Replik behandelt werden. Die Augenhöhlen waren ursprünglich hinterlegt; der halbgeöffnete Mund dagegen ist durch einen wohl als Zahnreihe gedachten Hintergrund abgeschlossen. Zwei Löcher am Hals jeweils unter einem Ohr deutet Reinach als Befestigung für Ohrgehänge. Das Schläfenhaar besteht aus dünnen, kompakten Strähnen, an denen keine Ziselierung mehr erkennbar ist. Die Naht auf dem Helm stellt entweder eine Bruchlinie oder einen Gußfehler dar. Die Rückseite des Kopfes ist summarisch; die Konturen sind verschliffen. Wenn der Kopf echt ist, hätte sich in ihm der seltene Fall einer Bronzereplik erhalten.
Ve V 4 Rom, Villa Albani Kopf, eingesetzt in Relief H 0. 26 m weißer, grobkörniger Marmor (andere Sorte als Relief) Dat.: neronisch-flavisch1652 Lit.: EA 3254; W. Helbig, in: Helbig2 II (1899) 11. 772; D. Willers, in: Helbig4 IV (1972) 3230; C. C. Vermeule, The Goddess Roma in the Art of the Roman Empire (1959) 103. 17; G. M. Koeppel, BJb 185, 1985, 164 ff. 4 Abb. 5-6; H.-U. Cain, in: P. C. Bol (Hrsg.), Forschungen zur Villa Albani, Katalog der antiken Bildwerke I (1989) 22-25. 1 Taf. 1-3.
Der Kopf ist durch ein modernes Halsstück mit einem Körper der Roma verbunden; daß es sich um einen fremd eingesetzten Statuenkopf
1652
Vgl. einen der Julia Titi zugewiesenen, evtl. östlichen Porträtkopf in Zürich, U. Hausmann, RM 82, 1975, 315 ff. Taf. 111. 1, 112. 1; A. Chrysomali-Schär, in: H. Jucker - D. Willers (Hrsg.), Gesichter. Griechische und römische Bildnisse aus Schweitzer Besitz (1983) 106 f. 42 mit Abb.; P. D. Gempeler, Werke der Antike im Kunsthaus Zürich (1976) 89 ff. Abb. 25 a-b; Fittschen - Zanker III 49 Anm. 3; vgl. ferner P. Cain, Männerbildnisse neronisch-flavischer Zeit (1993) 209 f. 85 Taf. 2-3; 208 ff. 86 Taf. 4-5, 84 Taf. 6-7.
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handelt, ist schon häufiger vermutet worden1653. Die Zugehörigkeit zum Typus Vescovali läßt sich durch die Kopfwendung, die Gesichtsproportionen, den ovalen Gesichtsumriß und durch den rudimentär erhaltenen Verlauf einzelner erhaltener Lockenreste bestimmen1654. Der Kopf wurde offenbar im Zuge seiner Wiederverwendung stark ergänzt. Erneuert sind die Lippen, die Nase, Teile der Schläfenlocken, der vordere Teil des Wangenschutzes und die gesamte Helmkalotte. Die seitlichen Helmfutterröllchen wurden abgearbeitet; der Hinterkopf wurde für die Einfügung ins Relief passend gemacht.
Ve V 5 Basel, Antikenmus. Einsatzkopf gesamte H 0. 367 m; Gesicht 0. 153 m 1842 am Golf von Neapel zwischen Pompeji und Castellamare gefunden von dort in den Besitz des Prinzen Carl von Preußen gelangt und in Glienicke bei Potsdam aufbewahrt, dann Privatbesitz F. Schwitter, inzwischen als Leihgabe im Antikenmuseum Basel grobkristalliner, leicht grauer Marmor Taf. 49 Abb. 1 - 2 Dat.: spätflavisch-trajanisch, wahrscheinlich östlicher Herkunft1655 1653
Helbig wies den Kopf bereits dem Typus Rospigliosi zu, womit er in die Reihe der irtümlich diesem Typus zugewiesenen Köpfe eingereiht wurde. D. Willers in Helbig4 IV lehnte dagegen eine Typusbindung ab und hielt den Kopf für klassizistisch. Gemäßigter äußerte sich zuletzt Cain 25, der den Kopf für die Variante einer klassischen Vorlage hält, sich aber nicht zwischen den Typen Velletri, Ince und Rospigliosi entscheidet. 1654 Vgl. die Stirnhaarsträhne über dem rechten Auge und die doppelte Schläfenhaarsträhne in Höhe des rechten Auges, die offenbar im alten Zustand in die modernen Flickungen am Haar integriert wurden. Darüber hinaus zeigt die linke unrestaurierte Mundhälfte noch die charakteristische Öffnung des Mundes. 1655 Vgl. ebenfalls den als Julia Titi identifizierten Porträtkopf in Zürich (s. Anm. 1652) und einen weiteren Kopf der Prinzessin im Anadyomene-
Lit.: Hettner, AdI 1844, 112 ff. (zu MonInst IV, 1844, Taf. 1); K. O. Müller, Denkmäler der alten Kunst II, bearb. v. F. Wieseler (1856) 95. 198 a Taf. 19; C. Friedrichs - P. Wolters, Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke (1885) 555. 1438; A. Furtwängler, in: W. H. Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie I (1884-90) Sp. 703 s. v. Athene in der Dichtkunst; Reinach, GazBA 1922, 29 mit Abb.; A. Schober, ÖJh 23, 1926, 7 f. Abb. 2 (mit falscher Bildunterschrift); E. Berger, AntK 14, 1971, 137 Taf. 43. 3; Borbein, MarbWPr 1970, 29 Anm. 4. 1; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 7; A. Houghton, GettyMusJ 11, 1983, 99 ff. Abb. 15; H. Nehls, Italien in der Mark. Zur Geschichte der Glienicker Antikensammlung (1987) 100 f. Anm. 287-288 Abb. 69; Verf., AA 1996, 87 f. Abb. 8-11; Schürmann, AntPl 27, 66 K 4 Abb. 44 Taf. 40-41.
Der Einsatzkopf ist mit seinem kreisrunden Halsausschnitt erhalten, an dessen Rückseite noch ein Rest des Mantelverlaufes erkennbar ist. In der Mitte des Gesichtes ist ein quer verlaufender Bruch sichtbar. Die Nase ist zusammen mit der Oberlippe ergänzt, im gesamten Gesicht sind durch Beschädigung entstandene Unregelmäßigkeiten ausgeglichen worden. Die Gesichtsoberfläche macht trotz der gleichmäßigen Korrosion der antik erhaltenen Bereiche noch immer einen diaphanen und zarten Eindruck. Das weiche, leicht schwellende Karnat bildet einen ovalen Kontur. Die besonders großen, betonten Augen sind klar gezeichnet und durch dickliche Lider und ausgeprägte Augenwinkel begrenzt. Die Haare führen in schmalen Strähnen mit Binnenritzung locker zum nach links verschobenen Nackenzopf. Die deutliche Kopfwendung zeigt sich in Schema in Kopenhagen, G. Daltrop, U. Hausmann, M. Wegner, Die Flavier. Herrscherbild II 1 (1966) 116 Taf. 45 a-b; zu den Porträts der Julia Titi vgl. auch U. Hausmann a. O. (Anm. 1652). Die flavische Datierung kann ferner ein Domitianskopf im Konservatorenpalast absichern, Fittschen - Zanker I 33 Taf. 35, 37, und ein flavischer Kopf aus Nikomedia im Izmir, N. Asgari (Hrsg.) The Anatolian Civilizations II. Kat. Istanbul 1983, 110 B. Fast werkstattverwandt ist übrigens auch der sog. Apoll von Civitavecchia, zuletzt P. Moreno, Scultura ellenistica (1994) 127 ff. mit Abb., vgl. Text Anm. 668.
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der Halsbewegung und der typischen leichten Assymmetrie des Gesichtes. Insgesamt ist die Kopfreplik außerordentlich qualitätvoll; ihre einzigartig feine und sensible handwerkliche Arbeit spricht nicht für eine nach Vorgaben hergestellte westliche Kopie, sondern eher für eine hervorragende individuelle Kopistenarbeit in östlicher Werkstatttradition, die die Merkmale des Typus mit großer Sorgfalt wiedergibt.
Ve V 6 Kyrene, Mus. 14. 033 Kopf 1911 auf der Agora gefunden H 0. 38 m pentelischer Marmor Dat.: frühtrajanisch1656 Lit.: E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 58. 121 Taf. 76; Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 141 b (als Velletri-Variante).
Der Hals ist im Kehlkopfbereich abgebrochen; im Profil von rechts fällt die Länge des Halses und des Haarschopfes auf. Nase und Oberlippe sind bestoßen; der Wangenschutz fehlt. Die Ohrläppchen waren zur Aufnahme von Schmuck durchbohrt; das rechte ist abgebrochen. Bestoßen sind ferner der rechte Backenknochen, die Helmfutterröllchen und die einzelnen Locken des gleichförmig gesträhnten Haares. Der Wangenschutz fehlt wie meistens. Der Kopf schließt sich durch seine Blickrichtung, durch Größe, Proportionen, Augenbildung und Haartracht den Repliken des Typus Vescovali an. Daß die Replik jedoch freier mit dem Vorbild umgeht bzw. nicht nach direkter Vorlage entstanden ist, wird im einzelnen sichtbar und ist bei nordafrikanischen Repliken nicht ungewöhnlich1657.
1656
Vgl. das mit einiger Wahrscheinlichkeit trajanische Nervaporträt im Museo Nazionale in Rom, Kleiner, Roman Sculpture 200 f. Abb. 170, und den Kopf einer wahrscheinlich ebenfalls trajanischen Nervastatue aus Kyrene selbst, E. Rosenbaum, A Catalogue of Cyrenaican Portrait Sculpture (1960) 46 ff. 23 Taf. 19, 26. 3. 1657 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
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Ve V 7 Berlin, Staatliche Museen Sk. 80 (Magazin) Einsatzkopf ehemals Slg. der Markgrafen von Bayreuth H 0. 368 m heller, feiner Marmor Taf. 50 Abb. 1 – 2 Dat.: trajanisch1658 Lit.: E. Gerhard, Berlins antike Bildwerke I (1836) 65. 67 m; E. Kekulé´, Beschreibung der antiken Skulpturen der Königlichen Museen zu Berlin (1891) 42. 80; G. Blümel, Römische Kopien griechischer Skulpturen des 4. Jhs. v. Chr. Staatliche Museen Berlin, Katalog der Sammlung antiker Skulpturen V (1938) 25 f. K 240 Taf. 56; Schlörb, Timotheos 61 Abb. 51; Borbein, MarbWPr 1970, 29 f. Anm. 4; Waywell, BSA 1971, 381 Athena Rospigliosi 8; G. Hafner, Jason. RdA Suppl. 16 (1995) 18 Abb. 22; Verf., AA 1995, 89 Anm. 16; Schürmann, AntPl 27, 67 f. K 6 Taf. 44 Abb. 45.
Ergänzt sind die Nasenspitze und ein Teil des Kinns sowie der Wangenschutz. Die zarte Fülligkeit des Karnates und der weich-ovale Kontur sind hier etwas herb geraten; unter der glatten Oberfläche1659 ist die Weichheit des in einzelne Kompartimente aufgeteilten Karnates nur noch zu erahnen. Die Augen sind kleiner als an den anderen Repliken; der Mund ist voller und größer. Die Haare führen in zusammenhängenden schmalen, in sich ungegliederten Strähnen nach hinten. Der vergröberte Eindruck, der am Original längst nicht so zum Tragen kommt wie auf den hart ausgeleuchteten publizierten Fotografien, und die starke, auf die Dreiviertelansicht hin orientierte Asymmetrie 1658
Vgl. einen Trajanskopf vom Typus Paris-Mariemont im Museo Chiaramonti, Fittschen - Zanker I Beil. 20, Museo Chiaramonti III 7; W. H. Gross, Bildnisse Trajans. Herrscherbild II 2 (1940) 125. 10; Andreae, Bildkat. Museo Chiaramonti 1, 196. 574; vgl. ferner einen Kopf ehemals in der Sammlung des Lateran, W. H. Gross a. O. 129 Taf. 26. Schürmann datiert späthadrianischfrühantoninisch. 1659 Blümel zufolge ist die Oberfläche stark überarbeitet. Oberflächenbehandlung und Karnatangabe so wie die Augenbildung passen jedoch gut in trajanische Zeit.
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des Gesichtes lassen die Qualität des Stückes geringer erscheinen, als sie ist.
Ve V 8 1899 Privatbesitz Slg. Nelson, Liverpool Kopf von Statuenoberteil, zur Büste umgearbeitet angeblich Mitte des 18. Jhs. in Rom erworben, danach Slg. Disney Gesichtslänge 0. 16 m Dat.: spättrajanisch-frühhadrianisch1660 Lit.: E. A. Gardner, JHS 19, 1899, 1 ff. Taf. I; J. Disney, Museum Disneyanum (1885) Taf. I; Borbein, MarbWPr 1970, 29 f. Anm. 4. 5; Verf., AA 1996, 89 Anm. 16; Schürmann, AntPl 27, 68 f. K 7 Abb. 46-47.
Ergänzt sind am Helm des insgesamt gut erhaltenen Kopfes der Wangenschutz und der Nasenschirm; der hintere Teil der Helmkalotte wurde ausgebessert. Am Kopf selbst ist die Nase ergänzt; die Nasenwurzel sowie Teile der Oberlippe sind repariert. Wie weit die Büste antik ist, ist anhand der zugänglichen Fotografien nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Ein Teil der Büste mit Aigis jedoch, in die der Statuenkopf eingesetzt ist, könnten ihrer Form nach von der Aigis der zugehörigen Statue stammen. Dies betrifft wahrscheinlich die am Ausschnitt sichtbaren Peplosfalten und den rechten Teil der Aigis; auf der linken Seite setzt 1660
Die trajanische Datierung wird durch die Augenangabe mit deutlichem Oberlid, durch eine Linie abgesetztem Unterlid und sorgsam gebohrter Karunkel wahrscheinlich. Darüberhinaus lassen sich die etwas glasige Oberfläche und das weiche, in einzelne Polster geteilte Volumen darunter gut mit Trajansporträts vergleichen; zur Augenbildung vgl. die Trajansbüste im Magazin des Museo Capitolino Fittschen - Zanker I 39. 39 Taf. 41-42; zur Haar- und Karnatbildung vgl. eine Büste a. O. 41. 42 Taf. 46-47) Die Haarbildung weist allerdings eher in hadrianische Zeit; sie läßt sich mit den Koren aus der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13, Taf. 6-32, und mit Sabinaporträts vergleichen; s. ein Porträt im Museo Capitolino, Fittschen - Zanker 10 ff. 10 Taf. 12; A. Carandini, Vibia Sabina (1969) 191 f. 57 Abb. 239, 240. Vgl. auch den trajanischen Kopf in Berlin (Ve IV 8). Schürmann vertritt auch in diesem Fall eine späthadrianisch-frühantoninische Datierung.
sich die erhaltene, am Hals entlang herabführende Himationfalte als wulstiger Aigisrand fort. Daß der Nackenschopf auf der Rückseite sich an der Büste nicht fortsetzt, liegt laut Gardner daran, daß man den Marmor des Schopfes originellerweise zur Ergänzung der Nase verwandte1661. Die Gesichtsoberfläche ist sicher stärker poliert als ursprünglich. Die detaillierte Ausarbeitung der Augen ist original und erleichtert die Datierung in trajanische Zeit; die feinen Haarsträhnen mit sorgsamer Binnenritzung erinnern an die der nur wenig früheren Kopfreplik in Basel (Ve V 5).
Ve V 9 St. Petersburg, Eremitage Kopf auf moderner Alabasterbüste, ohne Helm aus der Slg. Browne antike H 0. 17 m Carraramarmor Taf. 51 Abb. 1 Dat.: Anfang 2. Jh. n. Chr.1662 Lit.: Waldhauer III 8 f. 224 Abb. 5.
Der Einsatzkopf ist mit seinem kreisrunden Halseinsatz auf der Büste befestigt. Die Nase ist ergänzt. Die Haarsträhnen sind frei gestaltet und scheinen sich allgemeiner an ein klassisches Ideal anzulehnen als die meisten anderen Repliken, die das Haarschema getreu übernehmen. Der Kopf kann trotzdem und trotz des fehlenden Helmes als Replik des Typus Vescovali gelten, da der glatt belassene Oberkopf sicher einen Helm aufnehmen sollte. Kopfwendung, Gesichtsproportionen und der Ausdruck stimmen einwandfrei mit dem Typus überein. Könnte man anhand der publizierten Abbildung nicht so 1661
Gardner 3. Gardner widerspricht sich, wenn er diese Angabe für richtig hält, die Büste aber für zwar antik, aber nicht zugehörig erklärt - wenn es sich um einen einzelnen Einsatzkopf gehandelt hätte, wäre der untere Teil des Nackenzopfes nicht erhalten geblieben und hätte nicht zur Ergänzung der Nase benutzt werden können. 1662 Der Kopf ist nach der vorhandenen Abbildung kaum zu datieren. Dem ersten Eindruck zufolge erscheint eine Datierung in trajanischfrühhadrianische Zeit am passendsten, ohne daß dies jedoch im einzelnen belegt werden kann.
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sicher sein, ist doch das Urteil Waldhauers, der das Stück vor Augen gehabt hat und es natürlich für einen Rospigliosi-Kopf halten mußte, eine Gewähr für die Übereinstimmung des Kopfes mit dem jetzt als Typus Vescovali bekannten Kopftypus.
Ve V 10 Florenz, Uffizien 238 Kopf auf archaistischer Statue H 0. 26 m auf den archaistischen Körper, der 1771 aus Poggio Imperiale nach Florenz gelangt war, wurde 1795 durch den Bildhauer Belli der bereits seit längerem in der Slg. befindliche Kopf aufgesetzt1663. Dat.: wahrscheinlich hadrianisch oder frühantoninisch1664 Lit.: Dütschke III 98. 166; H. Bulle, Archaisierende griechische Rundplastik, Abh. München 30. 2 (1918) 19. 37 Abb. 37 a Taf. 5; Mansuelli, Uffizi I 144. 113 Abb. 114 a-b mit Lit.; M. D. Fullerton, The Archaistic Style in Roman Statuary (1990) 74. 3 Abb. 27 (mit Lit.); Verf., AA 1996, 89 Anm. 16; Schürmann AntPl 27, 69 f. K 9 Abb. 50.
Der stark abgesplitterte und bestoßene Kopf ist an einigen Stellen mit Gips nachgebessert worden. Er wurde auf den nicht zugehörigen 1663
Vgl. die genauen Verweise auf die Archivi della Galleria bei Mansuelli 145. 1664 Wegen seines schlechten Zustandes ist der Kopf kaum noch datierbar. Bei einer trajanischen Datierung würde das, was vielleicht zu einer antoninischen Datierung führen könnte, nämlich die teilweise grobe Ausführung und die summarisch angegebenen und z. T. roh belassenen Partien wie Ohrläppchen, Helmfutterrollen, Haarschopf im Nacken und die schlichte Haarangabe auf das Konto des schlechten Erhaltungszustandes gerechnet. Da tatsächlich einiges dafür spricht, daß die Qualität besser und die Replik ursprünglich feiner war als dies jetzt noch sichtbar ist (z. B. die teilweise noch rudimentär sichtbare Binnenritzung der Haarsträhnen und die Weichheit der zart geführten Augenlider), muß die Frage zunächst offen bleiben, zumal keine ausreichenden Aufnahmen vorliegen. Die manierierte Zartheit jedoch, die bei den spätkaiserzeitlichen Repliken auffiel, spräche eher für die antoninische Datierung. Vielleicht wird man, ohne konkrete Vergleiche ziehen zu können, mit einer hadrianischfrühantoninischen Datierung allen beschriebenen Merkmalen am besten gerecht.
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Körper aufgesetzt, die Übergänge wurden zugeschmiert. Der untere Teil des Wangenschutzes fehlt; die untere Helmkante über der Stirn ist wie der ganze Kopf stark bestoßen. Nase und Haaransatz sind restauriert; Lippen, Wangen und Hals wurden überarbeitet. Die Haare sind noch stark versintert. Der Mund ist weiter geöffnet als an den anderen Repliken. Die weichen Gesichtsformen liegen unter einer glatt gespannten, aber dennoch zarten Hautschicht. Die gerundeten Lider sind klar gezeichnet. Die einzelnen Haarsträhnen sind fein, rund abgeschlossen und durch feine Bohrrillen deutlich voneinander abgesetzt. Ihre Anlage ist lebendig und unterscheidet sich darin von der sonst teilweise etwas grob geratenen Ausführung des Kopfes. Der Kopf zeigt eine gewisse Verbindung zum Kopf der Athena Walston (Ve I 2), aber es besteht genausoviel Verwandtschaft mit dem qualitätvollen Kopf in Basel (Ve IV 6), der trajanisch datiert wurde. Wegen des schlechten Erhaltungszustandes und der mangelhaften Dokumentation des Kopfes soll er hier nur grob zwischen diesen beiden anderen Kopfrepliken eingeordnet werden.
Ve V 11 Florenz, Uffizien 185 Kopf auf Körper vom Typus Rospigliosi Dat.: antoninisch1665 1665
Die Überarbeitung des Kopfes hält sich so in Grenzen, daß m. E. eine deutliche Zugehörigkeit zur späteren 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. noch erkennbar ist; vgl. M. Fuchs, Glyptothek München. Kat. der Skulpturen VI, Römische Idealplastik (1992) 192, die die ganze Florentiner Figur aufgrund des Kopfes hadrianisch datiert. Der Vergleich wird durch das Fehlen geeigneter Einzelaufnahmen vom Kopf, die auch auf Anfrage nicht erhältlich waren, erschwert. Ersatzweise zog auch Schürmann Abbildungen eines Bonner Gipsabgußes heran. Die Klarheit der Einzelformen, die sichtbare Glättung des von dünner Haut überspannten Karnats, die zarten, leicht dicklichen Augenlider und die feinen, gleichmäßig voneinander abgesetzten Haarsträhnen sprechen anders als die spätflavische Datierung in AA 1996, 92 - für eine antoninische Datierung. Außerdem gibt der Gipsabguß vor allem auf der linken Seite des Kopfes und am hinteren Haarschopf deutlich eingetiefte Bohrrillen wieder, die in dieser Form typisch für antoninische Werke
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Lit.: Mansuelli, Uffizi I 56 f. 33 Abb. 33 a-b; Verf., AA 1996, 92 Abb. 15-16 Anm. 27 (noch spätflavisch datiert); Schürmann, AntPl 27, 66 f. K 5 Taf. 42-43 (Gipsabguß Bonn); für weitere Lit. vgl. R II 1.
Der Kopf ist durch eine breite, keilförmige Ergänzung mit dem Rospigliosi-Körper verbunden1666. Punktförmige Beschädigungen im Gesicht sind wahrscheinlich durch Steinwürfe entstanden; die Oberlippe ist an der rechten Seite abgesplittert. Repariert wurden nur die ergänzte Nase und der Wangenschutz. Die Gesichtsoberfläche scheint leicht nachpoliert worden zu sein. Die äußeren Haarsträhnen sind stark korrodiert; an den inneren ist noch die feine Binnenritzung erkennbar. Die rechte Helmfutterschlaufe ist erhalten, die linke noch im Ansatz erkennbar. Auf der Helmspitze befindet sich eine rechteckige Vertiefung, in der wohl der Helmbusch befestigt war. Der Kopf ist so wenig beschädigt, daß er einen guten Eindruck von der Qualität der Replik vermittelt. Die weichen, wulstigen Augenlider sind fast unbestoßen. Das Unterlid steigt dicklich an, das runde Oberlid legt sich voluminös über die mandelförmigen Augen. Das Karnat ist überall weich gepolstert; der ovale Gesichtskontur ist wie bei der claudischen Kopfreplik der Villa Borghese (Ve IV 1) im Sinne des Zeitstiles verbreitert. Unter- und Oberlippe des kleinen Mundes sind sanft in das Karnat eingebettet. Auch der noch sichtbare Halsansatz ist dick und fleischig und zeigt eine venusringartige Falte.
sind (s. Schürmann Taf. 43 b). Als untere und obere Grenze vgl. ein frühantoninisches Porträt im Museo Capitolino, Fittschen - Zanker III 68. 89 Taf. 110 sowie ein Porträt Marc Aurels im 1. Typus, Fittschen - Zanker I 67 f. 61 Taf. 69, 70, 72. An dieser Stelle sei eine Anmerkung in eigener Sache eingefügt anläßlich der Kritik Schürmann Anm. 43: Gemeint ist natürlich nicht die Replik in St. Petersburg, sondern der zweite Vescovali-Kopf in Florenz (Ve V 10), der aus unerfindlichen Gründen irrtümlich mit dem falschen Nachweis versehen wurde! 1666 Mansuelli bezeichnet den Kopf trotz dieses Keiles als zugehörig, da der Anschluß auf der Rückseite gewährleistet sei. Eine wirkliche Anpassung ist aber nicht mehr nachweisbar.
Ve V 12 Florenz, Uffizien 214 Kopf auf Hygieiastatue Dat.: spätantoninisch-severisch1667 Lit.: Mansuelli, Uffizi I 45 f. 21 Abb. 25; Todisco 99.
Während die Abbildung Todisco eindeutig einen nach links gewandten Vescovalikopf, dessen Helm fehlt, assoziieren läßt, ist dies auf der Abbildung Mansuellis kaum zu erkennen - hier sieht der Kopf, den Mansuelli ebenfalls für aufgesetzt erklärt, eher aus wie eine moderne Ergänzung. Ohne dies vor Ort überprüft zu haben, soll der Kopf hier jedoch unter gewissem Vorbehalt aufgenommen werden.
VI. Freie Wiederholungen: Ve VI 1 London, 1972 Kunsthandel (ehemals Paris, École des Beaux Arts) Statuettentorso vormals im Besitz von Rodin H 0. 438 m Taf. 51 Abb. 2 Dat.: spätes 2. Jh. n. Chr.1668 Lit.: Reinach, RSt II (1897) 292, 8; Wace, JHS 1906, 238 N; Rizzo, Prassitele 118. 15; Waywell, BSA 1971, 382 Athena Vescovali... 24; Sotheby's Antiquities, Cat. 10. 7. 1972, 28. 99 D Taf. V; Schürmann, AntPl 27, 64 f. S 27 Abb. 38.
Erhalten ist die Partie vom Halsansatz bis zum unteren Himationsaum. Der linke Arm fehlt; der Ansatz des rechten Armes ist erhalten. Die Replik ist auf Statuettenformat verkleinert und gibt den Typus in freier Form wieder. Die Merkmale des Typus sind dennoch eindeutig. Beschädigungen sind an der Unterkante der Aigis, am Himationbausch und an den Himation1667
Nach der schlechten Abbildung bei Todisco zu urteilen - bei eigener Anschauung würde das Urteil möglicherweise anders ausfallen. 1668 Vgl. die Athenastatuette in Kyrene, E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 61. 131 Taf. 79, und die frühantoninische Rospigliosi-Replik in Leptis Magna (R II 2) - eine genauere Datierung ist wegen des Zustandes nicht möglich.
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falten sichtbar. Die Aigis ist gefiedert und unterhalb der Oberkante mit einem Gorgoneion verziert. Da die Replik große Ähnlichkeit mit der verkleinerten Rospigliosi-Replik aus Leptis Magna hat und ihr Vorbild in genau der gleichen freien Weise wiedergibt wie diese den Typus Rospigliosi, stammt sie möglicherweise ebenfalls aus dem nordafrikanischen Raum1669.
Ve VI 4 Tunis, Mus. National du Bardo Inv.
Ve VI 2 Antalya, Mus. 18.29.81
Verkleinerte, freie Wiederholung mit veränderter Aigis (ausführliche Beschreibung bei Schürmann, der die Statuette zur Überlieferung beitrug).
Kopf aus Perge (1981 gef.) H 0. 18 m feinkörniger weißer Marmor Dat.: 2. Jh. n. Chr. Lit.: M. Pehlivaner u. a., Antalya. Museum Führer (1996) 81 mit Abb.
Der Kopf ist trotz seiner summarischen Arbeit gut als dem Typus Vescovali nachgebildet erkennbar. Er ist bis zum Halsansatz erhalten. Die Iris ist plastisch angegeben. Die Helmvisierspitzen sind allerdings, abweichend vom Typus, mit Widderköpfen verziert.
Ve VI 3 Athen, Nationalmus. 2239 Statuettentorso (Hals bis Knie) aus Aegina Dat.: 1. Jh. v. - 1. Jh. n. Chr.1670 Lit.: Kabus-Jahn, Frauenfiguren 110 Anm. 28. 13; Waywell, BSA 1971, 382. 15; Schürmann, AntPl 27, 60 f. S 22 Abb. 27-30 (mit weiterer Lit.).
Die ursprünglich etwa einen Meter hohe Statuette geht deutlich auf den Typus Vescovali zurück, den sie jedoch frei wiedergibt. Die Aigis ist mit einem Gorgoneion versehen; die Himationunterkante könnte einen gemalten Saum aufgewiesen haben. Die Statuette ist insgesamt schmal angelegt und stilistisch vereinfacht.
1669 1670
Vgl. In II 8 Anm. 35. Schürmann datiert in das 1. Jh. n. Chr. - in Analogie zu den zahlreichen delischen Statuetten ist jedoch auch eine späthellenistische Datierung denkbar; vgl. J. Marcade, Au Musée de Delos (1969) Taf. 31, 34.
2650 Statuette, verschollen aus Utica H nach Schürmann ca. 0.28 m aus Marmor oder Alabaster? Dat.: 1. Jh. v. / 1. Jh. n. Chr. ? Lit.: Schürmann, AntPl 27, 83 f. U 3 Abb. 53.
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artig. Die unregelmäßige Plinthe wurde nach vorn hin zu einem Halbrund ergänzt.
TYPUS AREOPAGHAUS I. Statuetten ohne Kopf
Ah I 3 Athen, Agoramus. S 2337 Statue ohne Kopf 1970 im sog. „Omegahaus“ am Areopag gefunden H 1. 14 m pentelischer Marmor
Ah I 1 Riehen, Privatbesitz Statuette ohne Kopf H 0. 48 m pentelischer Marmor Taf. 52 Abb. 1
Taf. 52 Abb. 2 - 3 1671
Dat.: späthellenistisch (1. Jh. v. Chr.) Lit.: K. Schefold, Meisterwerke griechischer Kunst (1960) 268 VII 360 mit Abb.
Der Kopf war angedübelt; die Oberarmansätze mit der Chitonknüpfung sind erhalten und zeigen die Haltung der Arme an. Die Füße sind bestoßen, ein Großteil der Faltengrate ebenfalls. Die Oberfläche ist vor allem an der Aigis stark korrodiert, besaß aber wohl Sfumato.
Ah I 2 Florenz, Palazzo Corsini Statuette mit modernem Kopf H 0. 71 m Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr.?1672 Lit.: EA 4080; L. Jones Roccos, The Shoulder Pinned Back Mantle in Greek and Roman Sculpture (1986) 361. 108 Taf. 50; dies., Hesp 60, 1991, 408. 2 Taf. 109. 2.
Ergänzt sind außer dem Kopf die Arme mit dem Schild; lediglich der linke Oberarm und die rechte Schulter sind antik. Eigenart dieses Exemplars ist der wallende Rückenmantel, der auch auf den erwähnten Mädchenstelen erscheint1673. Die Aigis ist glatt und von Stiftlöchern umrahmt. Die Oberfläche des Gewandes ist unruhig und dünnhäutig. Die Figur wirkt insgesamt bronze-
Dat.: antoninisch1674 Lit.: T. L. Shear, Hesp 40, 1971, 274 f. Taf. 59 b; ders., Hesp 42, 1973, 161; H. A. Thompson, The Athenian Agora 3(1976) 290 f.; L. Jones Roccos, The Shoulder Pinned Back Mantle in Greek and Roman Sculpture (1986) 360. 107 Taf. 50; dies., Hesp 60, 1991, 397 ff., 408. 1 Taf. 107-108; J. M. Camp, The Athenian Agora (1986) 205 ff. Abb. 177; A. Frentz, The Athenian Agora XXIV. Late Antiquity A. D. 267-700 (1988) 90 Taf. 39 e; J. McK. Camp, in: S. Walker - A. Cameron, The Greek Renaissance in the Roman Empire (1989) 53 Taf. 12. 19.
Der rechte Unterarm fehlt; der linke Arm fehlt ab der Mitte des Oberarmes. Der angearbeitete Kopf ist vom Halsansatz abgebrochen; auf der nur grob bearbeiteten und wegen der Verwendung der Figur als Türschwelle abgeflachten Rückseite ist der Nackenschopf noch sichtbar. Von hinten ist auch zu sehen, daß der auf den Schultern befestigte Mantel noch einmal bis fast zur Hälfte des Rückens herabfällt, über dem Oberkörper also dopppelt liegt. Der Zustand der Vorderseite ist bis auf ausfransende Bestoßungen der Faltengrate gut. Die Füße sind abgestoßen, die Plinthe ist ringsum bestoßen. Die Aigis ist 1674
1671
Vgl. eine ähnliche Athenastatuette aus Delos, J. Marcade´´, Au Muse´´e de Delos (1969) Taf. LV A 330, die den Areopaghaustypus in vereinfachter Form wiedergeben könnte. 1672 Wahrscheinlich hadrianisch, vgl. Jones-Roccos (1991) - wegen der unzulänglichen einzigen Abbildung ist eine genaue Einordnung kaum möglich. 1673 Vgl. im Text Anm. 841 und Anm. 874.
Das sog. Omegahaus wurde offenbar im 4. Jh. erbaut und im 6. Jh. zerstört; in der letzten Nutzungsphase des vielleicht als Philosophenschule dienenden Gebäudes wurde die Statuette nach den Angaben Camps als Türschwelle benutzt; davor war sie wohl dort aufgestellt. Stil und Ausführung sprechen allerdings dafür, daß sie weit vor dem Hausbau entstanden ist; wahrscheinlich gleichzeitig mit den antoninischen Porträts vom selben Fundort, vgl. Camp 209 Abb. 183184; das Omegahaus wird erwähnt bei B. Weisser, in: Klassik, Kat. Berlin 2002, 669 mit Abb.
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glatt und weist am Wulst einige Löcher für Aigisschlangen auf. Das Gorgoneion ist einfach ausgeführt. Die Faltengebung folgt dem Schema; die Falten sind stark kontrastiert, die Täler tief gebohrt. Am Oberkörper ballt sich der Stoff zu wulstigen Falten zusammen.
Ah I 4 Piräus, Mus., Magazin 2251 Statuette ohne Kopf aus den Kellern eines Hauses an der Karaiskosstraße im Piräus H 0. 43 m Taf. 53 Abb. 1 - 3 Dat.: hellenistisch oder hadrianisch1675 Lit.: B. Kallipolitis, ADelt 19, 1964, Chronika 69 Taf. 67. 1.
Die Statuette ist trotz der Versinterung des Marmors gut erhalten. Kopf und Hals sind vom Halsansatz abgebrochen; der rechte Arm fehlt ganz; vom linken fehlt der Unterarm. Der linke Oberarm zeigt die Chitonknüpfung. Die Aigis ist glatt, das Gorgoneion klein und schmucklos. Auf die Aigis fallen wie bei der Parthenos symmetrisch je zwei einzelne Haarsträhnen herab. Die Falten folgen dem Muster, setzen es aber frei in den Zeitstil um. Die Fülle des Stoffes wird durch die Schwerfälligkeit der durch tiefe Bohrung getrennten Falten betont. Die Gürtung sitzt besonders hoch.
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II. Fragmente: Ah II 1 Athen, Akropolismus. Magazin 2807 Brustfragment einer Statuette H 0. 19 m Dat.: 1. Jh. n. Chr. Lit.: Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 8 f. 4 mit Abb.
Erhalten ist der Brustbereich von der Unterkante der Gürtung an mit Aigis, Gorgoneion (beides allerdings stark bestoßen) und der über der linken Schulter liegenden Chlaina. Die glatte Aigis ist von Stiftlöchern für die Schlangenleiber umrahmt.
Ah II 2 Athen, Akropolismus. Magazin 2804 Oberkörper einer Statuette H 0. 33 m Dat.: 1. Jh. n. Chr. Lit.: Praschniker, ÖJh 1948, Sp. 7 f. 3 mit Abb.
Der Bruch verläuft etwas oberhalb des Apoptygmasaumes; von da an ist der Oberkörper bis zur Aushöhlung für den Einsatzkopf erhalten. Der linke Arm fehlt; vom rechten ist noch der Oberarm mit dem geknüpften Chitonärmel vorhanden. Die Aigis ist glatt; das Gorgoneion schlicht. Vereinzelte Stiftlöcher sind im Aigisrand noch sichtbar.
Ah II 3 London, British Mus. Magazin 1573 Statuettenfragment aus Rhodos griech. Marmor H 0. 31 m 1675
Wegen der unzulänglichen Abbildung können auch hier nur diese beiden unbegründeten Vorschläge gemacht werden. Die hellenistische Datierung, wahrscheinlich in das späte 2./ frühe 1. Jh. v. Chr., erscheint angesichts der sensiblen Gewandoberfläche und der kontrastreichen, aber nicht scharfen Gestaltung der Falten am Untergewand wahrscheinlicher; vgl. J. Marcade´´, Au Muse´´e de Delos (1969) Taf. XXXIV A 4127. Auch das kleine Gorgoneion spricht eher für eine kaiserzeitliche Datierung. Vgl. auch die Replik des Typus Vatikan-Tokyo VT I 1.
Taf. 54 Abb. 1 Dat.: spätes 1. v. / frühes 1. Jh. n. Chr. Lit.: A. H. Smith, British Museum. A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities III (1904) 27. 1573.
Erhalten sind quasi zwei Drittel des Oberkörpers von den Oberschenkeln an; der rechte Teil ist senkrecht abgebrochen. Abgesehen von der
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ohnehin weniger bemerkenswerten Qualität ist auch noch die Oberfläche korrodiert, sodaß sämtliche Details sehr verwaschen wirken. Dennoch ist die Zugehörigkeit zur Typengruppe deutlich erkennbar. Der Hals war angearbeitet und ist erhalten; ebenso der Fortsatz des Nackenzopfes. Ebenfalls erhalten ist der linke Oberarm.
III. Varianten und Unsicheres: Ah III 1 Shahat, Mus. 14. 179 aus Kyrene Statue ohne Kopf H 1. 10 m evtl. pentelischer Marmor Taf. 54 Abb. 2 Dat.: spätes 1. Jh. v./ frühes 1. Jh. n. Chr.?1676 Lit.: E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 58 f. 123 Taf. 77.
Matronalisierte Fassung des Typus, vielleicht als Parthenos-Angleichung. Einsatzkopf und Arme fehlen, die linke Schulter ist abgebrochen; stark bestoßen sind die Faltengraten und die seitlichen Apoptygmabäusche. Die Rückseite ist wenig ausgearbeitet. Die Oberfläche ist insgesamt so stark korrodiert, daß sie fast wie Kalkstein wirkt.
Ah III 2 Bodrum, Mus. 7101 Statuette aus Knidos Unterkörperfragment (ab Taille) Dat.: 1. Jh. v. Chr. Lit.: C. Bruns-Özgan, in: I. Jenkins - G. B. Waywell, Sculptors and Sculpture of Caria and the Dodecanese (1997) 102 Abb. 177.
Erhalten ist nur noch der Bereich von der Hüfte abwärts mit der charakteristischen Mittelfalte. 1676
Vgl. die wohl frühkaiserzeitliche, wohl irrtümlich als Tiberius benannte Porträtstatue aus Kyrene, E. Rosenbaum, A Catalogue of Cyrenaican Portrait Sculpture (1960) 43 ff. 17 Taf. XV 3-4, die den gleichen, allerdings für Kyrene typischen knittrigen Faltenstil aufweist, vgl. S. 156.
Typisch ist auch die Betonung der seitlichen Peplosöffnung. Reste am Seitenkontur des linken Beines könnten auf einen angelehnten Schild hinweisen. Von C. Bruns-Özgan als Frauenstatue bezeichnet, handelt es sich allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach doch um eine Athena.
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TYPUS VATIKAN - TOKYO I. Statuen: VT I 1 Tokyo, Matsuoka Mus. of Art Statue H 1. 36 m Taf. 54 Abb. 3; Taf. 55 Abb. 1 - 3 Dat.: 1. Jh. v. Chr.1677 Lit.: Simon, MededRom 1983, 55 ff. Taf. 20-22; Canciani, LIMC II 1087 Athena/Minerva 164 a Taf. 799.
Die Replik ist wie das Exemplar im Museo Chiaramonti aus mehreren, nämlich aus genau drei Teilen zusammengefügt. Die Naht verläuft direkt über der Gürtung. Der Kopf ist eingesetzt. Die direkt angearbeiteten Oberarme sind teilweise erhalten; beide Stümpfe sind zur Anstükkung des Oberarmes vorbereitet1678. Mitgefunden wurde eine fragmentierte linke Hand, die E. Simon zufolge eine Lanze gehalten hat1679. Der Zustand der Replik ist insgesamt relativ gut; bestoßen sind vor allem die an der linken Körperseite herabfallenden Himationfalten, die Aigisschlangen und der Schulterbausch. Die Fußspitzen waren gesondert gearbeitet und fehlen. Am Kopf ist der untere Teil der Nase abgebrochen; die linke Seite des Helmvisiers ist beschädigt, der Haarschopf hinten an einer Stelle ausgebrochen. Am Helm fehlt des weiteren der Helmbusch; eine mitgefundene Greifenprotome wird von E. Simon als Befestigung für den Helmbusch interpretiert und entsprechend rekonstruiert1680. Der Helm besitzt auf jeder Seite des Oberkopfes ein Loch und schräg darunter eine runde Flickung. Es könnte sich dabei um Vorrichtungen für kleine, den Hauptbusch flankierende Helmbüsche handeln; 1677
Vgl. Text S. 209. Während der linke Arm an seiner Rückseite angestückt war, ist der rechte an der Seite zur Anstückung vorbereitet. Dies läßt Schlüsse auf die Haltung der Unterarme zu; vgl. Text S. 207 ff. 1679 E. Simon Taf. 22 Abb. 7. 1680 E. Simon Taf. 20 Abb. 2, 8. 1678
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dem Typus folgend werden es aber eher Befestigungsspuren von Appliken sein, wie sie die Replik im Museo Chiaramonti (VT I 2) aufweist. Das Schläfenhaar ist nur skizzenhaft angegeben und fließt in dünnen Wellensträhnen nach hinten, wo es in einem breiten Schopf unter der Aigis zu verschwinden scheint. Die Augen sind rund und von schmalem Orbital überwölbt; Ober- und Unterlider legen sich breit auf die dazwischen schmal erscheinenden Augäpfel. Das Gesichtskarnat ist weich, aber dünnhäutig gespannt, die Wangen sind von typusbedingter Fülle und extrem weich, das Kinn ist kindlich gerundet. Der Kopf wendet sich zur rechten Körperseite; der Hals ist, wie um diese Wendung zu betonen, etwas zu weit nach links verschoben. Die Aigis weist trotz ihrer verschwommenen Oberfläche noch die doppelte Fiederung auf; am teilweise abgebrochenen hervorkragenden Rand sind Schlangenreste sichtbar. Das Gorgoneion ist rund und folgt der klassisch-schlichten Form1681; seine Züge sind ebenso weich-verschwommen wie die Details der Aigis. Die Faltenbildung der Replik ist kontrastreich; extrem harte, verdunkelte Partien am Chiton bilden einen Gegensatz zum von vorn scheinbar beruhigten Himation, dessen Bausch und seitliche Saumkante jedoch auch wieder durch tiefe Bohrungen aufgerissen werden. Die Seitenansichten sind eigenständig gearbeitet und halten dem Eindruck der Vorderseite stand; die Rückseite ist etwas vernachlässigt. Die eckige Plinthe ist vorn und an den Seiten geglättet; hinten ist sie dagegen roh belassen. An der Rückseite zeigt sich unterhalb der Taille ein weiterer Bruch, der auf der linken Seite weiterläuft - hier wurde das dritte der drei Fragmente, aus denen die Figur besteht, wieder eingefügt. Der fragmentarische Zustand der Falten an der unteren Partie der linken Körperseite könnte darauf hindeuten, daß ein dort ehemals befestigter Schild abgebrochen ist. E. Simon hat vor Ort beobachtet, daß die Replik an vielen Stellen des Gewandes noch Reste von Goldbemalung aufweist. 1681
Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
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VT I 2 Vatikan, Galleria Chiaramonti 354
RendPontAcc 25-26, 1949-51, 168 f. 11 Abb. 6; ders., Scavi e Scoperte di Antichita`` sotto il pontificato di Pio VI (1958)2 140 Anm. 7; ders., BMonMusPont 11, 1991, 166; Simon, MedRom 1983, 57 f. Taf. 24. 17; Canciani, LIMC II 1087 Athena/Minerva 164 c; R. Neudecker, Die Skulpturenausstattung römischer Villen in Italien (1988) 230. 66. 11; Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1 Taf. 388-389. 354; Verf., Small Athenas 183 ff. pl. 7.
Statue 1774 in der sog. Villa des Cassius bei Tivoli gefunden, nach ausführlicher Restaurierung seit 1777 im Museo Chiaramonti H 1. 45 m feiner, heller Marmor Taf. 56 Abb. 1 – 3; Taf. 57 Abb. 1 – 2 1682
Dat.: claudisch Lit.: E. Q. Visconti, Museo Pio Clementino I (1818) 44 ff. Taf. VIII; Amelung, Vat. Kat. I, 542 f. 354 Taf. 56; Giglioli, BCom 1928 169 f. Abb. 5; Lippold, Plastik 336 Anm. 2; C. Pietrangeli, 1682
Vgl. die Antonia Augusta als Venus im Nymphäum bei Baiae, B. Andreae, in: V. M. Strocka (Hrsg.), Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.), Symposionsbericht Freiburg 1991 (1994) 229 Abb. 11, 236 Abb. 35, 238 Abb. 42, deren Oberkörper und Himation vergleichbar sind; vgl. darüber hinaus die Porträtstatue der Agrippina Minor aus Velleia in Parma, C. Saletti, Il ciclo statuario della Basilica di Velleia (1968) Taf. III-VI; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 26.2.11 Taf. 19. 2 – 4, 20. 2, deren Gesicht mit dem weichen Karnat und dem ansteigenden Unterlid sich ebenfalls vergleichen läßt. Die schmalen, mandelförmigen Augen der Athena mit den breiten Lidern gehen allerdings auf den hellenistischen Typus zurück. Zur Haargestaltung vgl. den Kopf der Drusilla aus Velleia, Saletti a. O. Taf. XIII-XIV; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 26. 2. 8 Taf. 17. 1. Die claudische Datierung der Replik steht nicht in Widerspruch zur Herkunftsangabe - die "Villa des Cassius" weist vom 1. Jh. v. Chr. an verschiedene Bauphasen auf. Zur Villa und ihrer Ausstattung vgl. C. Pietrangeli (1949-51); ders. (1958) 139 ff.; C. F. Giuliani, Tibur. Forma Urbis Italiae Reg. I. 4 (1966) 193 ff. 214; K. M. Türr, Eine Musengruppe hadrianischer Zeit (1971) 45 f.; zu den Bauphasen zuletzt Z. Mari, RIA 6-7, 1983-84, 97 ff.; zur Ausstattung R. Neudecker a. O. Die Villa wurde offenbar nicht auf einmal, sondern erst nach und nach und offensichtlich auch von wechselnden Besitzern mit Statuen ausgestattet, wobei offenbar in hadrianischer Zeit eine geschlossene Anzahl von Neuerwerbungen hinzukam, vgl. Giuliani a. O. 198. Visconti 47 f. berichtet, die Athena sei im selben Saal wie eine Apollon-Musen-Gruppe gefunden worden. Die hadrianische Datierung Cancianis orientiert sich vielleicht am genannten Zuerwerb von Skulpturen in hadrianischer Zeit. Im Bildkatalog des Museo Chiaramonti wird die Replik in die Mitte des 1. Jhs. datiert, während Neudecker das 2. Jh. für richtig hält.
Die Replik ist wie das Exemplar in Tokyo (VT I 1) aus mehreren Teilen gearbeitet. Die Naht zwischen Oberkörper und Unterkörper verläuft direkt unterhalb der Gürtung. Die Oberfläche der Figur ist bei der Restaurierung übergangen und poliert worden. Ergänzt sind der linke Arm mit Schild und der gesamte rechte Arm von der Schulter an; die Faltengrate der oberen Kante des Himationbausches sind ebenfalls erneuert. Der rechte Fuß ist mit einem Stück Gewandsaum ergänzt; auch die Zehen des linken Fußes wurden wahrscheinlich neu auf dem bereits in der Antike zur Stückung vorbereiteten Rest der Sandalensohle angebracht. Der Faltenbausch auf der linken Schulter ist bestoßen. Die Reste der Aigischlangen wurden entfernt, sodaß der Aigisrand nun als einfaches Band umläuft. Der rechte, kleinere, eigentlich eingeklappte Teil der Aigis, der noch den Rest eines kleinen Eisenstiftes zur Befestigung der Aigisschlangen aufweist, wurde ebenfalls begradigt und nachträglich mit einer Fiederung versehen, die sich deutlich von der originalen doppelten Fiederung des linken Teils unterscheidet. Der untere, an sich aufkragende Rand der linken Aigisseite ist abgebrochen. Das Gorgoneion ist schmal und unklassisch, zeigt aber nicht das Pathos der Gorgoneia der späteren Kaiserzeit1683. Es schließt die Aigis vorn broschenartig zusammen. Die Rückseite der Replik ist nur dort plastisch ausgearbeitet, wo die seitlich umlaufenden Falten beginnen. Am Kopf ist die Nasenspitze ergänzt, außerdem der Helmbusch, dessen Halterung allerdings antik zu sein scheint. Der Einsatzkopf ist ebenso wie der Körper gut erhalten; lediglich der Helm weist mehrere Brüche 1683
Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff.
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auf, bei denen nicht erkennbar ist, ob sie durchgehend sind oder ob es sich nur um Spalten handelt. Der breite Nackenschopf setzt sich auf den Schulterblättern nicht fort; er scheint unter dem Himation zu verschwinden. An den Seiten des attischen Helmes befinden sich zwei kleine applizierte Eulen. Das linke Ohr ist leicht bestoßen. Das Schläfenhaar fließt in deutlichen, voneinander abgesetzten kompakten Wellen nach hinten. Vor den Ohren ist der kottelettenartige Haaransatz angegeben. Die gesamte Replik ist mit der Plinthe in eine quadratische Basis eingelassen, die allerdings auch antik sein muß. So ist sie auf der Rückseite nur grob gepickt; ihre Unterseite ist ungleichmäßig, die rechte vordere Ecke abgeschrägt. An der linken vorderen Ecke befindet sich eine runde Einlassung mit Korrosionsspuren. Es wird sich dabei um den Standort einer Lanze handeln1684.
II. Statue ohne Kopf: VT II 1 Vatikan, Sala delle Muse 264 Statue mit nicht zugehörigem, wahrscheinlich antikem Kopf vom Typus Kassel (K I 2) vor 1792 der Slg. hinzugefügt gesamte H 1. 45 m Körper gelblicher recht grober Marmor, Kopf grauer grober Marmor Taf. 58 Abb. 1; s. a. Taf. 26 Abb. 1 - 3 Dat.: flavisch1685 1684 1685
Vgl. S. 207 ff. Außer den Cancelleriareliefs, F. Magi, I rilievi flavi del Palazzo della Cancelleria (1949); G. Koeppel, BJb 184, 1984, 5 ff. 28 ff. mit Abb. läßt sich besonders gut die evtl. als Porträt der Flavia Domitilla Maior benennbare Statue aus dem Metroon von Olympia vergleichen, K. Hitzl, Die kaiserzeitliche Statuenausstattung des Metroon, OF 19 (1991) Taf. 35-37, 39 a; D. Boschung, Gens Augusta (2002) 101. 33. 7 Taf. 81. 3, die mit ihrem naß am Oberkörper anliegenden Chiton und dem dickeren Himation eine gut geeignete Parallele bietet. Ist die Figur als vermutlich griechisches Werk besonders feinfühlig und kontrastreich, so bietet die typologisch mit der Athena
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Lit.: G. Lippold, Vat. Kat. III. 1, 101 ff. 533 Taf. 10; ders., Plastik 336 Anm. 2; W. Fuchs, in: Helbig4 I (1963) 44. 54; Simon, MededRom 1983, 58 Taf. 24. 16; Canciani, LIMC II 1087 Athena/Minerva 163, 164 b.
Die Replik ist ergänzt, ausgebessert und überarbeitet worden und wurde schließlich noch mit einem fremden Kopf versehen. Modern ergänzt sind beide Schultern; der nach vorn abstehende Aigisrand mit den Schlangen wurde streckenweise erneuert. Neu ist auch die rechte Brust mit dem dazugehörigen Gewandteil und dem gesamten rechten Arm, sowie der linke Arm mit Schild, ebenfalls von der Gewandfalte an der Achsel an. Ausgebessert sind die Himationfalten an der rechten Hüfte und das am linken Kontur herabhängende Faltenbündel; außerdem sind einige Faltengrate geflickt. Die bestoßenen kleinen Saumfalten am rechten Kontur wurden geglättet und zur Anstückung vorbereitet. Der vordere Teil der Basis ist neu angesetzt; der linke Fuß mit den rechts daran anschließenden Chitonfalten ist bis in Knöchelhöhe modern; die rechte Fußspitze ist ebenfalls ergänzt. Am Rücken setzen sich die ergänzten Schultern sichtbar fort. Daß der Kopf nicht zugehörig ist, wird außer an seinem etwas zu kleinen Maßstab daran sichtbar, daß der erhaltene Haarschopfrest auf dem Rücken aus der Mitte nach rechts verschoben ist1686. Die Aigis ist wie üblich noch besser übereinstimmende Agrippina als Abundantia vom Sebasteion in Aphrodisias, K. T. Erim, Aphrodisias (1989) 64 Abb. 91, einen Vergleich für die vergröberten, wulstig-weichen Falten flavischer Zeit, die sich an der Athena finden. Vgl. außerdem als wahrscheinlich italische Werke die Statue der Antonia Minor im Louvre, Bieber, Ancient Copies Taf. 123 Abb. 726; K. de Kerauson, Muse´´e du Louvre. Catalogue des Portraits Romains I. Portraits de la Re´´publique et d' e´´poque Julio-Claudienne (1986) 170 f. 79 mit Abb.; K. Polaschek, Studien zur Ikonographie der Antonia Minor (1973) 29 f. Taf. 7. 2, und zwei flavische Gewandstatuen im Typus der Kleinen Herculanerin, Bieber a. O. Taf. 117 Abb. 689-690; A. Pasinli, Istanbul Archaeological Museum (1995) 40. 43. 1686 Canciani bezeichnet den Kopf als dem Typus Cherchel zugehörig, weil die Variante OstiaCherchel im Louvre (OC II 2) einen Kopf desselben Typus besitzt, der allerdings ebensowenig
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doppelt gefiedert; das Gorgoneion folgt wie bei allen Repliken dem klassischen, schlichten Typus, der auch an Repliken des 1. Jhs. n. Chr. gebräuchlich bleibt, hat aber (wenn dies nicht den Restaurierungen zuzuschreiben ist) kleine, kaum sichtbare Flügelchen am Kopf1687. Die Replik folgt eng den typologischen Vorgaben, ist aber klassizistisch-beruhigt.
III. Köpfe: VT III 1 Holkham Hall Kopf und Aigis zusammengesetzten Statue
einer aus Fragmenten und modern ergänzten
Taf. 58 Abb. 2; Taf. 59 Abb. 1 Dat.: frühes 1. Jh. v. Chr. oder kaiserzeitlichöstlich1688
zugehörig ist. Zum Kopftypus Kassel (K I 1-K II 1) s. S. 87 ff. 1687 Zur Entwicklung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff. 1688 Aufgrund ihres kleinteilig bewegten Gesichtes läßt sich die Athena gut mit hellenistischen Porträts vergleichen: In Proportionen, Gesichtsschnitt und Karnatangabe ähnelt sie dem möglicherweise Attalos III. darstellenden Kopffragment aus Pergamon in Berlin, Herrscher und Athlet. Kat. Bonn 1989, 216. 8 mit Abb.; R. R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (1988) 177. 117 Taf. 65. 3-4, der allerdings idealer, starrer und unbewegter ist. Mit östlichen Privatporträts des 1. Jhs. v. Chr. läßt sie sich gut vergleichen, s. E. Buschor, Das hellenistische Bildnis 2(1971) Abb. 45, 47, 50, 52; Pollitt, Hellenistic Age 74 f. Abb. 75-77. Sehr verwandt ist auch der sog. Mithradates IV in Paris, Pollitt, Hellenistic Age 36 Abb. 29, aus dem frühen 1. Jh. v. Chr. Das gläserne, stark bewegte Karnat teilt der Athenakopf allerdings mit den in ihrer Datierung umstrittenen Skulpturen aus Sperlonga, Pollitt a. O. 123 ff. Abb. 126-130; R. Hampe, Sperlonga und Vergil (1972); B. Andreae, Laokoon und die Gründung Roms (1988) 68 ff. mit Abb. Möglicherweise trifft also auch für die Athena zu, was für die Datierungsproblematik der mythologischen Großplastiken gilt: Auch der Athenakopf könnte aus einer östlichen, vielleicht rhodischen Werkstatt des Hellenismus oder der Kaiserzeit stammen (vgl. Text S. 215).
Lit.: A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 310 f. 27.
Aus der Betrachtung einer sehr eigenartigen, aus vielen Fragmenten unterschiedlicher Marmorsorten bestehenden Athenastatue in Holkham Hall ergab sich, daß der durch einen modernen Helm und moderne Schläfenhaare zu einem Kopf im Sinne des Typus Farnese-Hope ergänzte qualitätvolle Kopf zusammen mit der linken Hälfte der symmetrisch ergänzten Aigis dem Typus Vatikan-Tokyo angehören muß1689. Dafür sprechen außer den Gesichtsproportionen und dem hellenistischen Stil des Kopfes die Form und Ausführung der antiken Aigishälfte mit dem aufgeworfenen Rand und der strahlenförmig angeordneten doppelten Fiederung. Die Fragmente sind deshalb so wichtig, weil sie den Charakter des Typus besonders qualitätvoll überliefern. Die Zusammengehörigkeit von Kopf und Körper hatte bereits Michaelis bezweifelt.
VT III 2 Vatikan, Galleria Chiaramonti Kopf auf Statue vom Typus Ostia-Cherchel (OC I 4) H 0. 14 m Taf. 59 Abb. 2 – 4; s. a. Taf. 30 u. 31 Abb. 1 Dat.: claudisch-neronisch1690 Lit.: Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1, 363. 63; vgl. ferner OC I 4.
Der Kopf, der auf den ersten Blick auch modern ergänzt sein könnte1691, erweist sich durch den Rest der Mantelfalte an der linken Halsseite als 1689
Zur Athena Farnese-Hope vgl. Mathiopoulos, Athena im 5. Jh. v. Chr. 48 ff. 1690 Vgl. den von P. Cain neronisch datierten Porträtkopf eines Wagenlenkers in Rom, P. Cain, Männerbildnisse neronisch-flavischer Zeit (1993) 210 f. 86 Taf. 4-5 sowie einen weiteren Kopf a. O. 155 f. 34 Taf. 22. Stilistisch und handwerklich geht dem Athenakopf das offenbar tiberischclaudische Liviaporträt des Museo Capitolino voraus, Fittschen-Zanker III, 3 ff. 3 Taf. 2-3, das sich durch seine motivische Ähnlickeit gut vergleichen läßt. Als obere Datierungsgrenze vgl. die spätneronisch-frühflavisch datierbare Porträtbüste ebenfalls im Museo Capitolino, Fittschen-Zanker III, 57. 75 Taf. 93-94. 1691 Vgl. Andreae a. O.
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antik. Durch den attischen Helm, die Frisur, die Gesichtsproportionen und den erwähnten Mantelrest auf der Schulter schließt er sich dem Typus Vatikan-Tokyo an. Der Zustand des einmal schräg durch die Helmkalotte hindurch gebrochenen Kopfes ist gut; ergänzt ist lediglich die Nase. Die Gesichtszüge sind verschwommener, als dies für die Entstehungszeit der Replik charakteristisch ist; sie sind offenbar bewußt „hellenistisierend“ angelegt. Gegensätzlich dazu verhält sich die Ausgewogenheit und Gleichmäßigkeit der Gesichtszüge, die im Bildkatalog des Museum Chiaramonti zu einer Beurteilung als „in praxitelischem Stil“ führte. Der Helm ist schmucklos.
VT III 3 Oxford, Ashmolean Mus.
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Taf. 29 Abb. 3 Der Kopf war offenbar der Replik vom Typus Ostia - Cherchel aufgesetzt; das Gesicht war auf dem DAI-Foto der dreißiger Jahre abgesplittert und lag zu Füßen der Statue. Ob der auf dem Hinterkopf erhaltene riesige Helmbusch antik ist, kann nach dem Foto nicht entschieden werden1693.
IV. Varianten: VT IV 1 Turin, Mus. di Antichita` 258 Statue ohne Kopf, mit diagonal umgelegter, schärpenartiger Aigis aus Rom H 1. 66 m
Kopf auf Statue vom Typus Vescovali (Ve II 4) Dat.: tiberisch-claudisch1692 Lit.: s. Ve II 4
Taf. 60 Abb. 1 - 2
Taf. 42 Abb. 1 - 3
Dat.: trajanisch Nachw.: Foto DAI Rom 30-282 (unpubl.).
Kopf auf Statue vom Typus Ostia-Cherchel (OC I 5)
Der Erhaltungszustand ist nicht besonders gut. Die Oberfläche ist vor allem am Oberkörper stark korrodiert. Die Figur war bei ihrer Auffindung offenbar in zwei Teile zerbrochen der Bruch ist in Kniehöhe noch sichtbar. Der Einsatzkopf fehlt. Der linke Arm war kurz oberhalb des Ellenbogens angesetzt und fehlt; der ebenfalls verlorene, ehemals angesetzte rechte Arm war wahrscheinlich vom Oberkörper weggestreckt und stützte sich auf eine Lanze. Angesetzt waren ferner die linke Fußspitze und der rechte Fuß mit einem Teil des Unterschenkels, der, vom dünnen Peplos bedeckt, unterhalb des wadenlangen Himations hervorsah. Da alle nackten Körperteile angesetzt waren und fehlen, könnten sie aus anderem Material gefertigt gewesen sein. Das Hüfthimation, das hier etwas länger ist als am Athenatypus
Dat.: ohne Autopsie nicht möglich Lit.: s. Kat.text zu OC I 5
1693
Der Kopf wurde der Statue durch Guelfi aufgesetzt (vgl. Kat.text zu Ve II 4). Von hinten ist die für den Kopftypus Vatikan - Tokyo charakteristische Nackenhaartracht jedoch noch sichtbar. Der fehlende Helm bestand offenbar aus Metall und war mit der abgeflachten Kalotte wahrscheinlich durch einen eingegipsten Dübel verbunden. Die Nase ist ergänzt. Leichte Beschädigungen an Kinn und Oberlippe sowie an der rechten Braue. Die Gesichtsproportionen sind gleichmäßiger als an den anderen erhaltenen Köpfen; sie scheinen klassizistisch gestaltet worden zu sein.
VT III 4 Rom, Palazzo Rospigliosi
1692
Leider liegen keine einzelnen Abbildungen vom Kopf vor. Vgl. jedoch das Porträt der Antonia Minor aus Wilton House, Kleiner, Roman Sculpture 140. 114.
Da der Typus Ostia - Cherchel gedanklich noch nicht abgeschlossen ist, sondern wenn möglich noch einmal gesondert betrachtet werden soll, wird die fehlenden Autopsie - wenn auch in anderem Zusammenhang - wohl noch nachgeholt werden.
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Vatikan-Tokyo, ist aus deutlich schwererem Stoff. An der rechten Hüfte sind einige Faltengrate sorgsam abgearbeitet und zur Ergänzung in Stuck vorbereitet. Die breite, schärpenartig schräg über den Oberkörper gelegte Aigis ist am oberen und unteren Rand mit in Relief angelegten Schlangen versehen. Das Gorgoneion sitzt entgegengesetzt leicht schräg zwischen den Brüsten. Es steht am Übergang vom schlichten runden Typus des 1. Jhs. zum dramatisch-pathetischen des 2. Jhs. mit fliegenden Haarsträhnen und Schlangenkinnband1694. Die Fiederung der Aigis verläuft vom Gorgoneion aus zu beiden Seiten hin.
V. evtl. neuzeitlich: VT V 1 San Antonio, Mus. of Art Statue mit Kopf vom Typus Kassel wahrscheinlich aus der Slg. Hope in den Besitz des Earl of Lincoln übergegangen, dann Slg. Bomford, jetzt Denman Collection H 1. 378 m
VT IV 2 Yalvaç, Mus. Athenastatue ohne Kopf aus Antiochia in Pisidien Vorgänger Yalvaçs)
bedeckt beide Brüste. Das Gorgoneion in der Mitte scheint, soweit erkennbar, dem severischen Nachklang des pathetischen Typus anzugehören1696.
Taf. 61 Abb. 1 - 2 (dem
antiken Dat.: evtl. augusteisch-tiberisch1697
Taf. 60 Abb. 3 1696
Dat.: severisch Lit.: unpubliziert
Die offenbar unterlebensgroße Figur war bei der Auffindung in zwei Teile gebrochen - evtl. entspricht der glatte Bruch in Kniehöhe allerdings einer originalen Anstückung. Beide Teile waren wahrscheinlich auch im Originalzustand durch Gips verbunden1695. Es fehlen der rechte Arm ab der Schulter, der linke von oberhalb des Ellenbogens an. Der Kopf war angearbeitet und ist am Halsansatz abgebrochen. Die Figur ist stereotyp und ziemlich grob gearbeitet. Die Faltenangabe ist linear kalligraphisch und wenig lebendig - ihre Lebendigkeit wird ersetzt durch die üppige Schematik, mit der sich beispielsweise die Peplosfalten über den Unterschenkeln auf die runde Plinthe ergießen. Das knappe Hüfthimation läßt sogar den Peplostoff durchscheinen, aber auch dieser erscheint eher aufgesetzt. Die gefiederte, schlangenbesetzte Latzaigis ist symmetrisch und 1694 1695
Über die Entwicklung der Gorgoneia s. S. 258 ff. Darauf könnte die Abarbeitung am linken Knie hinweisen.
1697
Vgl. zu den Gorgoneia S. 258 ff. Vgl. das Relief aus Karthago in Algier, H.-G. Martin, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik. Kat. Berlin 1988, 257 Kat. 150; nach P. Zanker, Forum Augustum (o. J.) Taf. 47, dessen Faltengebung teilweise ähnlich ist, wobei der Himationbausch der Venus plastisch tiefer ist als der wohl abgearbeitete Bausch der Athena, deren Faltengebung aber stellenweise ungewöhnlich flach ist. Diese Flachheit und Verschwommenheit der Falten ist neben der skizzenhaften, oberflächlichen Faltenangabe ein Zeichen tiefgreifender neuzeitlicher Überarbeitung. Diese Eigenschaft macht es erheblich schwerer, Vergleichsbeispiele zu finden. Vgl. allenfalls den stellenweise ebenfalls sehr flachen Togatus Barberini, M. Hofter, in: Augustus und die verlorene Republik (s. o.) 341 Kat. 192, dessen bewegte Oberfläche zeigt, wie die völlig glatte Oberfläche der Athena, wenn es sich um ein durch Überarbeitung entstelltes Stück handelt, ursprünglich auch einmal ausgesehen haben könnte. Extrem flach ist die Faltenbildung an der augusteischen Porträtstatue der Rutilia Avia im Museo Chiaramonti, Andreae, Bildkat. Mus. Chiaramonti 1 Taf. 80-83. 355, die sich aber durch ihren fast provinziell-spätrepublikanischen Faltenstil von der Athena unterscheidet. Viel glatte Fläche zeigt auch der Augustus aus der Basilika von Korinth, H. R. Goette, AM 103, 1988, 254 ff. Taf. 38, F. Have´-Nikolaus, Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz (1998); Kleiner, Roman Sculpture 73 Abb. 49; D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus.
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Lit.: Christies Catalogue, 19 - 22 October 1937. 360; Sotheby's Antiquities. Cat. 4 December 1972, 46. 184 Taf. 38; G. B. Waywell, The Lever and Hope Sculptures (1986) 90. 38 Taf. 53. 3.
Der merkwürdige Stil der Figur läßt zunächst Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen, die anhand guter Fotos auch nicht ganz ausgeräumt werden konnten. Die Figur wurde vervollständigt und muß, wenn sie echt ist, durchgreifend überarbeitet worden sein. So ist der vordere Teil der Basis ergänzt. Beide Arme sind auf Schulterhöhe angesetzt. Der ebenfalls eingesetzte, evtl. moderne Kopf folgt dem in mehreren Repliken bekannten Kopftypus Kassel, der, wenn er nicht gänzlich eine neuzeitliche Erfindung ist, zumindest häufiger gefälscht worden zu sein scheint1698. Bei der Ummantelung der Plinthe wurden beide Fußspitzen und vermutlich auch die auf der Plinthe aufliegenden Faltenenden angesetzt. Die am linken Kontur herabfallenden Mantelfalten waren wohl teilweise bestoßen und sind begradigt worden. Dabei muß der eigenartige Gewandknoten an der linken Hüfte entstanden sein. Möglicherweise war auch der Himationbausch bestoßen und wurde flacher gemacht. Die Schlangen der zart gefiederten Aigis sind teils außergewöhnlich gut (in einem Fall sogar mit Kopf!) erhalten, teils offensichtlich ergänzt. Die Aigis, deren unterer vorstehender Rand sicher, wie das auch bei den anderen Repliken der Fall war, abgebrochen ist, wurde nach unten verlängert und symmetrisch angeglichen. Der Faltenstil ist, wohl dank der Überarbeitung, in eigenartiger Weise gegensätzlich: Besonders flache Partien lösen in fließenden Übergängen besonders tiefenplastische Partien ab; der Gesamteindruck der Replik ist von einer verschwommenen Zartheit bestimmt, die die anderen Repliken nicht an sich haben. Hält man die Replik für antik, ist dies möglicherweise auch als Zeichen der Nähe der augusteischen Replik zum hellenistischen Original zu werten,
Herrscherbild I 1 (1993) 157 Kat. 114 Taf. 178, 215. 1 (nach Abguß). 1698 Vgl. K I 1-K II 2; S. 87 ff.
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dessen Aussage ihr noch nicht so fremd geworden ist wie den späteren Repliken1699.
1699
Für die Echtheit der Replik spräche in diesem Falle auch die Art und Weise, wie hier hellenistische Kunst rezipiert wird: Dies scheint sich mit der augusteischen Rezeption spätklassischer und hellenistischer Kunst vereinbaren zu lassen; vgl. die entsprechenden weiblichen Trachttypen an der Ara Pacis, S. Settis, in: Kat. Augustus und die verlorene Republik (s. o.) 400 ff.; vgl. darüber hinaus die Figuren der Basis von Sorrent, T. Hölscher a. s. O. 375 ff.
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TYPUS TITTONI I. Statuen ohne Kopf: T I 1 Rom, Konservatorenpalast Statue ohne Kopf H 1. 23 m parischer Marmor Dat.: spätflavisch-trajanisch1700 Lit.: Stuart Jones, Pal. Cons. 76 Taf. 38. 76; Giglioli BCom 1928, 167 Abb. 3.
Außer dem Kopf waren der linke Unterarm, Teile des Schildes und die Lanze in Gips ergänzt. Die Ergänzungen sind jedoch inzwischen entfernt worden und nur noch auf den alten Aufnahmen bei Stuart Jones und Giglioli sichtbar. Erhalten sind die beiden Oberarme und die rechte Hand - der rechte Unterarm scheint als realistische Ergänzung belassen worden zu sein. Die Schildstütze lehnt sich an das rechte Bein und befindet sich damit auf der anderen Seite als bei den Repliken Palazzo Tittoni (T I 2) und Budapest (T I 3). Entsprechend ist die Figur auch auf der Plinthe nach links verschoben bzw. die Plinthe bietet auf der rechten Seite Platz für die Stütze. Durch diese Änderung ist die Figur stärker begradigt als die übrigen Exemplaren, die auf der linken Seite abgestützt sind. Abgesehen davon entspricht die Statue dem Originalentwurf; sie stimmt in Trachtform und Faltenführung, Aigisform und Haartracht mit den beiden anderen Exemplaren überein. Die Aigis ist von Schlangen umgeben, dachziegelartig gefiedert und wird von einer Gorgoneionschließe gehalten. Die Oberfläche der Figur ist stark poliert.
T I 2 Rom, Slg. Tittoni Statue ohne Kopf in den 20ger Jahren in einem antiken Gebäude (wahrscheinlich einer Therme) unter dem Grundstück des Palazzo Tittoni gefunden, das ehemals Bestandteil der Vigna des Cardinals Grimani war und aus dem auch die GrimaniFiguren in Venedig stammen1701. Dat.: hadrianisch1702 Lit.: Giglioli, BCom 1928, 161 ff. Abb. 1 und Taf. 1; K. Lehmann-Hartleben, Gnomon 1, 1925, 245 f.
Der Kopf ist etwa auf der Hälfte des Halses abgebrochen; ferner fehlt der linke Unterarm, der nach Ansicht Gigliolis mit der altarähnlichen Stütze in Verbindung gestanden hat. Von einem Attribut, das diese Verbindung herstellte, stammt Giglioli zufolge der Bossen auf der Stütze. Wahrscheinlich ist jedoch auch hier einfach eine Lanze zu ergänzen, wie sie die alte Rekonstruktion des Exemplars im Konservatorenpalast (T I 1) zeigt, und die von hinten an der Stütze befestigt war. Abgesehen von Bestoßungen an der Plinthe, dem an die Stütze gelehnten Schild und an einigen Faltengraten ist der Erhaltungszustand relativ gut. Die Falten sind kontrastreich gebohrt und zumindest am Unterkörper und am rechten Kontur feinfühlig gestaltet. Die Zugfalten des Apoptygma sind flach, scharf und etwas stereotyp. Die herabhängenden Gürtelenden unterscheiden sich in ihrer Plastizität nicht von den Apoptygmafalten, zwischen denen das linke Ende verschwindet. Die Aigis ist glatt; sie ist umgeben von barock ausgestalteten Schlangenleibern. Das Gorgoneion ist nur skizzenhaft angelegt. Um die rechte Schulter herum legt sich die eigentlich nur von 1701
1700
Vgl. zwei spätflavisch-frühtrajanische Porträtstatuen in München, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 233 A 1 Taf. 2, und Istanbul, Kruse a. O. 233 f. A 2 Taf. 3, die in der Mischung wulstiger und außerordentlich flacher Faltenpartien und in Details wie der vor allem an der Statue in München auftretenden, im Zickzack auslaufenden Faltentäler, die durch das Auftreffen des stabilen Stoffes auf die Basis und auf die Füße in Knöchelhöhe entstehen, mit der Athena vergleichbar sind.
1702
Vgl. Anm. 1288. Vgl. die Statue der Sabina Ceres in Ostia, A. Carandini, Vibia Sabina (1969) 195. 407 f. Taf. 110 f. Abb. 263-65, Kruse, Gewandstatuen 229 f. A 12 Taf. 5; E. La Rocca, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 642 ff. 499 mit Abb., der die Athena in ihrer Faltengebung ähnelt. Gewisse harte Züge teilt die Athena dagegen auch mit den Koren der Villa Hadriana, Schmidt, AntPl 13, 19 ff. Taf. 6-32, die aber insgesamt deutlich klassizistischer sind; s. a. E. La Rocca, in: Klassik. Kat. Berlin 2002, 644 f. 501 mit neuerer Lit.
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T I 3 Budapest, Mus.
Kaiserzeit1704. Auf beiden Seiten des Halsansatzes sind noch die beiden obligatorischen, nach vorn fallenden Lockensträhnen sichtbar. Die Gewandanordnung und der Einsatz der Falten folgt den Vorgaben des Typus. Die Qualität der Faltenangabe ist durchschnittlich; durch den antoninischen Zeitgeschmack verstärkt sich die Wulstigkeit und Grobheit der Falten und der Kontrast zu den tief gebohrten Faltentälern.
Statue ohne Kopf ehemals Rom, Slg. Martinetti H 1.06 m
II. wahrscheinlich neuzeitlich:
Taf. 62 Abb. 1 – 4
T II 1 Avignon, Musée Calvet
hinten sichtbare, stolenartige Chlaina, die, auch wenn keine Replik dies bestätigt, um den Ellenbogen des linken Armes herumgelegt gewesen sein muß. Die Rückseite der Replik Tittoni ist flach, aber ausgearbeitet. Im Nacken erscheint das Ende des Helmbusches, unter dem wiederum der kurze Haarschopf sichtbar wird.
Dat.: antoninisch1703 Lit.: A. Hekler, Museum der bildenden Künste in Budapest. Die Sammlung antiker Skulpturen (1929) 76 f. 65 mit Abb.; E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen des 2. Jhs. n. Chr. aus ephesischen Werkstätten (1989) 96.
Die Statue ist mit ihrer durch eine umlaufende Kehle verzierten, ovalen Plinthe erhalten; außer dem Kopf, der vom Halsansatz an abgebrochen ist, fehlen die beiden Unterarme samt Ellenbogen. Die rechte Hand ist, aufgestützt auf die Hüfte, erhalten. Zwischen dem linken Arm und dem Körperkontur blieb Marmor stehen; die glatte Schnittfläche am Oberarm deutet darauf hin, daß der Unterarm angesetzt war. Die vorhandenen Abbildungen lassen keine Spuren eines Schildes an der linken Körperseite erkennen, mit dem der linke Unterarm in Verbindung gestanden haben könnte. Dies ist jedoch anzunehmen; eine seitliche Stütze ergibt sich aus der Evidenz der übrigen Exemplare. Die Beschädigung der Faltengrate hält sich in Grenzen; der linke Oberschenkel zeigt eine tiefe Macke. Die Aigisschlangen sind teilweise bestoßen. Die Aigis ist stereotyp gefiedert; das Gorgoneion folgt dem Typus der späteren
aus der Slg. Nani Taf. 63 Abb. 1 Lit.: J. Girard, Musée Calvet, Avignon. Cat. illustre´´ (1924) 43. 38; Marbres grecs et romains provenant du Musée Nani, acquis en 1841 par l’administration du Musée Calvet, Avignon (1842) 6; Foto DAI Inst. Neg. 1933. 284; Mf 74 D 6. Vom Eindruck her sehr eigenartiges Werk. Vor allem die handwerkliche Ausführung erscheint unantik, aber auch Details wie die Aigis mit dem schwungvollen Gorgoneion und den flachen Schlangen und der nicht typusbedingte Ärmelchiton. Da die Figur offenbar aus Rom stammt1705, kann ihr merkwürdiges Aussehen auch nicht mit provinzieller Herkunft erklärt werden. Der wie ergänzt aussehende linke Arm mit der Fackel spricht ebenfalls dafür, daß die Replik modern ist, da sich der suggerierte Bruch durch die Flammen der umgekehrten Fackel zieht und somit der Eindruck erweckt werden soll, die Fackel sei teilweise antik. Sie ist aber an keinem anderen Exemplar bezeugt und gehört sicher nicht zum originalen Entwurf1706. 1704
1703
Vgl. eine antoninische Peplophore aus dem Portikusbau am Forum von Bulla Regia in Tunis, Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 351 f. D 49 Taf. 54, 55. 1, 2, und eine spätantoninische Porträtstatue im Typus der Kleinen Herculanerin in Neapel, Kruse a. O. 320 C 39 Taf. 41.
Zur Datierung der Gorgoneia vgl. S. 258 ff. Zu einigen Inschriften aus der Sammlung Nani vgl. J. Biagi, Monumenta greca ex museo equitis ac senatoris J. Nanii (Rom 1785). 1706 Vorbild für die Fälschung könnte die Replik im Konservatorenpalast gewesen sein, deren ergänzter Kopf, der heute entfernt ist, noch bei 1705
340
KATALOG
T II 2 Brocklesby Park Statue mit aufgesetztem Kopf Taf. 64 Abb. 1 - 4 Lit.: A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 236. 83; Giglioli, BCom 1928, 165 Abb. 2. Wahrscheinlich ebenfalls Fälschung nach der Replik im Konservatorenpalast, da der „ergänzte“ Kopf mit dieser übereinstimmt. Details wie das Gorgoneion mit Löwenmähne und die gesamte Fertigung wirken modern.
III. Variante: T III 1 Shahat, Mus. C 14182 Statue ohne Kopf und Plinthe aus dem Frigidarium der römischen Thermen in Kyrene Taf. 63 Abb. 2 Dat.: spätantoninisch-severisch1707 Lit.: Horn, Gewandstatuen Taf. 32. 2; E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) 60 f. 130 Taf. 79; H. Manderscheid, Die Skulpturenausstattung der kaiserzeitlichen Thermenanlagen (1981) 103. 283 Taf. 36.
Die Position der Figur zwischen der Einordnung als freie nordafrikanische Replik und als Variante des Typus ist nicht leicht zu bestimmen. Die schräge Aigis ist eine deutliche Änderung, Gemeinsamkeiten aber sind ebenso deutlich vorhanden: Die Gestaltung des gesamten Beinbereiches ist prinzipiell gleich, die des ApopStuart Jones und Giglioli abgebildet ist; Stuart Jones, Pal. Cons. Taf. 38. 76; Giglioli, BCom 1928, 167 Abb. 3. Der Kopf hatte ebenfalls einen korinthischen Helm mit Widdern auf den Visierspitzen und kombinierte die Nackenzopffrisur mit den langen Schulterlocken. 1707 Vgl. einige antoninische weibliche Gewandstatuen aus Nordafrika, die die gleichen dicken Röhrenfalten am Untergewand und die gleichen schleppenden Gewandfalten mit Staufalten aufweisen, s. Kruse, Röm. weibl. Gewandstatuen 253 ff. A 37-41 Taf. 10-11.
tygmas ist vor allem im Saumbereich leicht variiert. Statt der schmalen Chlaina treten hier Chitonärmel in Erscheinung.
KATALOG
341
Register der Museen und Sammlungen (Aufbewahrungsorte der typusgebundenen Statuen) Antalya, Museum Ve VI 2 Anzio, Museum In V 3 Apollonia, Museum Ve II 11 Athen, Agoramuseum Ah I 3; Inv. 1232 (S. 25. 3) Athen, Nationalmuseum Ve VI 3; Inv. 1633 (S. 29. 5) Athen, Akropolismuseum Ah II 1; Ah II 2; Inv. 1336 (S. 22. 1); Inv. 3029+2805 (S. 24. 2); Inv. 2806 (S. 32. 7); Inv. 2809 (S. 32. 8); Inv. 2810-...-7062 (S. 141. 1) Avignon, Musée Calvet T II 1 Baiae, Castello, s. Neapel Basel, Antikenmuseum Ve V 5; S. 47; S. 187. 5. 2. 2 Beaulieu - sur - Mer, Villa Kerylos Ve V 3 Benevent, Museo del Sannio Ve II 3 Bengasi s. Kyrene/Shahat Bergama, Museum S. 30. 6 Berlin, Staatliche Museen R I 1; Ve V 7; S. 165. 4. 1; S. 176. 4. 2 Bodrum, Museum OC III 5; Ah III 2 Brocklesby Park T II 2 Budapest, Kunstmuseum T I 3 Castle Howard Ve II 8 Cherchel, Museum OC III 2 Fermo, Museo Ve IV 3 Florenz, Museo Archeologico Inv. 248 (S. 130. 1) Florenz, Palazzo Corsini Ah I 2 Florenz, Uffizien R II 1; Ve V 10; Ve V 11; Ve V 12 Heraklion, Archäologisches Museum Inv. 373 (S. 154. 2. 2) Holkham Hall VT III 1 Kassel, Staatliche Museen K I 1 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek In II 1; In III 3 Korinth, Museum OC II 1 Kyrene, Museum In V 2;VeV 6; Ah III 1; T III 1; S. 132. 1. 1 Lecce, Museo Castromediano OC I 3 Leptis Magna, Museum R II 2 Liverpool, Merseyside Museum In I 1; Ve II 2; Ve V 8 (?) London, British Museum In IV 2; Ah II 3; S. 189. 5. 1. 2; S. 202. 5. 3 Neapel, Museo Nazionale Ve II 10 (s. Baiae, Castello); Ve V 2 New York, Metropolitan Museum NY I 1 Nikopolis, Museum Ve I 1 Ostia, Museum OC I 1 Oxford, Ashmolean Museum OC III 4; Ve II 4 Palermo, Palazzo Francavilla R II 4 Paris, Louvre K I 3; K II 2; OC III 1; S. 184. 5. 2 Piräus, Museum Ah I 4; S. 182. 5. 1 Prag? In IV 1
342
KATALOG
Rom, Antiquarium Forense Ve IV 1 Rom, Galleria Borghese OC I 2; Ve V 1 Rom, Galleria Colonna In II 2 Rom, Kapitolinische Museen In II 3; In III 2; R II 3; Ve II 9; T I 1; S. 148. 2. 1 Rom, Museo Torlonia NY II 1 Rom, Museo Nazionale Ve II 7 Rom, Museo Palatino Ve IV 2 Rom, Palazzo Pallavicini Rospigliosi R V 1; OC I 5 Rom, Sammlung Tittoni T I 2 Rom, Villa Albani Ve V 4 Rom, Villa Doria Pamfilij In II 6 Rom, Villa Medici In II 4 San Antonio, Museum of Art K I 4; VT V 1 Sankt Petersburg, Eremitage In II 5; R III 2; Ve V 9; S. 132. 1. 2 Santa Barbara, Museum of Art In III 1 Sfax In II 8 Shahat, Museum In V 2; Ve V 6; Ah III 1; T III 1 Skopje, Museum OC III 3 Stockholm, Nationalmuseum In II 7; K II 1 Tivoli, Villa Hadriana In I 2; Ve II 6 Tokyo, Matsuoka Museum of Art VT I 1 Triest, Museum Ve II 5 Tunis, Muse´´e National du Bardo Ve VI 4 Turin, Museo Civico Ve II 1; VT IV 1 Vatikanische Museen NY II 2; R III 1; R IV 1; K I 2; OC I 4; Ve III 1; VT I 2; VT II 1; VT III 2; S. 187. 5. 2. 1; S. 188. 5. 1. 1 Venedig, Museo Archeologico S. 27. 4 Yalvaç, Museum VT IV 2
ABBILDUNGSNACHWEISE
343
Abbildungsnachweise/Copyrights Bei den DAI Fotos wird, soweit von diesen nicht ausdrücklich verlangt, auf die Nennung der eingeholten Erlaubnis der Museen verzichtet. Taf. 1
Abb. 1 - 2
In I 1
Taf. 2
Abb. 1 - 2
In I 1
Taf. 3 Taf. 4 Taf. 5
Taf. 14 Taf. 15 Taf. 16 Taf. 17
Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1 – 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 4 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 4 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 - 4 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3
In I 2 In II 1 In II 2 In II 3 In II 5 In II 5 In II 6 In II 8 In II 7 In III 1 In III 2 In III 3 In IV 2 In V 1 In V 2 In V 3 NY I 1 NY II 1 NY II 2 RI1
Taf. 18
Abb. 1 - 2
RI1
Taf. 19 Taf. 20
Abb. 1 - 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 Abb. 2 - 3 Abb. 1 - 4 Abb. 1 Abb. 2 - 4 Abb. 1 Abb. 2 – 4 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3
R II 1 R II 2 R II 3 R II 3 R III 1 R III 2 R III 2 R IV 1 R IV 1 RV1 R II 1 KI1 KI2 K II 1
Taf. 6 Taf. 7
Taf. 8 Taf. 9 Taf. 10 Taf. 11 Taf. 12 Taf. 13
Taf. 21 Taf. 22 Taf. 23 Taf. 24 Taf. 25 Taf. 26 Taf. 27
The Board of Trustees of the National Museums & Galleries on Merseyside (N. Pendlebury) The Board of Trustees of the National Museums & Galleries on Merseyside (N. Pendlebury) DAI Rom (Sausani) Ny Carlsberg Glyptotek DAI Rom (Schwanke) Verf. The State Hermitage Museum, St. Petersburg The State Hermitage Museum, St. Petersburg DAI Rom (Singer) DAI Rom Nationalmuseum Stockholm (P. - A. Allsten) Santa Barbara Museum of Art Verf. Ny Carlsberg Glyptotek The British Museum DAI Rom Repro nach Foto DAI Rom DAI Rom The Metropolitan Museum of Art DAI Rom (Faraglia) Musei Vaticani, Archivio Fotografico Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preussischer Kulturbesitz Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preussischer Kulturbesitz DAI Rom (Koppermann) Caputo - Traversari (s. Lit. im Kat.) DAI Rom (Koppermann) DAI Rom DAI Rom (Singer) U. Dally The State Hermitage Museum, St. Petersburg DAI Rom (Anger) DAI Rom (Anger) Verf. Zeichng. MonInst Suppl. 1891, 4 Taf. 27. 1 Staatliche Museen Kassel (M. Büsing) DAI Rom Nationalmuseum Stockholm (P. -A. Allsten)
ABBILDUNGSNACHWEISE
344
Taf. 34 Taf. 35 Taf. 36 Taf. 37 Taf. 38 Taf. 39 Taf. 40
Abb. 4 Abb. 1 - 2 Abb. 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 – 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 – 2 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 - 4 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 3
Taf. 41
Abb. 1
Taf. 28 Taf. 29
Taf. 30 Taf. 31
Taf. 32 Taf. 33
Taf. 42 Taf. 43 Taf. 44 Taf. 45 Taf. 46 Taf. 47
Taf. 48 Taf. 49 Taf. 50 Taf. 51 Taf. 52 Taf. 53 Taf. 54
Abb. 2 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1 - 2 Abb. 3 - 4 Abb. 1 – 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1 Abb. 2 - 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
K II 2 OC I 1 OC I 1 OC I 2 OC I 3 OC I 5 OC I 4 OC I 4 OC III 2 OC III 1 OC III 1 OC I 6 OC II 1 OC III 4 Ve I 1 Ve I 1 Ve I 2 Ve I 2 Ve I 3 Ve II 1 Ve II 2
Louvre (P. Lebaube) Soprintendenza per i beni archeologici di Ostia Verf. DAI Rom (Rossa) DAI Rom DAI Rom DAI Rom DAI Rom DAI Rom (Sichtermann) Louvre (M. u. P. Chuzeville) Louvre (M. u. P. Chuzeville) Bieber, Ancient Copies (s. Lit. im Kat.) American School of Classical Studies. Corinth Excavations Ashmolean Museum, University of Oxford DAI Athen DAI Athen Verf. Verf. The State Hermitage Museum, St. Petersburg DAI Rom (Koppermann) The Board of Trustees of the National Museums & Galleries on Merseyside (N. Pendlebury) Ve II 2 The Board of Trustees of the National Museums & Galleries on Merseyside (N. Pendlebury) Ve II 3 DAI Rom (Singer) Ve II 4 Ashmolean Museum Oxford Ve II 5 DAI Rom (Schwanke) Ve II 7 DAI Rom (Rossa) Ve II 8 Forschungsarchiv für römische Plastik Köln 896/3 Ve II 9 Verf. Ve II 11 G. Koch Ve II 12 Brunn - Bruckmann 608. 4 (S. Lit. im Kat.) Ve III 1 Musei Vaticani, Archivio Fotografico Ve V 1 DAI Rom (Rossa) Ve V 2 Alinari Ve V 3 Reinach, GazBA 1922 (s. Lit. im Kat.) Ve V 5 D. Widmer Ve V 7 Staatliche Museen Berlin. Preussischer Kulturbesitz (J. Laurentius) Ve V 9 The State Hermitage Museum, St. Petersburg Ve VI 1 Sotheby’s Antiquities. Cat. 1972 (S. Lit. im Kat.) Ah I 1 Schefold, Meisterwerke griechischer Kunst (s. Lit. im Kat.) Ah I 3 American School of Classical Studies. Agora Excavations Ah I 4 B’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Piräus Museum Ah II 3 The British Museum Ah III 1 DAI Rom VT I 1 Matsuoka Museum of Art
ABBILDUNGSNACHWEISE
Taf. 55 Taf. 56 Taf. 57 Taf. 58
Taf. 64
Abb. 1 – 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1 Abb. 2 - 4 Abb. 1 - 2 Abb. 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 4 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1 - 4
Taf. 65
Abb. 1 - 4
Taf. 66
Abb. 1 - 4
Taf. 67 Taf. 68 Taf. 69 Taf. 70 Taf. 71 Taf. 72
Abb. 1 - 4 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1
Taf. 73 Taf. 74
Abb. 2 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 3
Taf. 75
Abb. 1
Taf. 76 Taf. 77 Taf. 78 Taf. 79
Abb. 2 – 3 Abb. 1 - 3 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2
Taf. 80
Abb. 1 - 2
Taf. 81 Taf. 82 Taf. 83 Taf. 84
Abb. 1 - 2 Abb. 1 - 2 Abb. 1 – 3 Abb. 1 - 3
Taf. 59 Taf. 60 Taf. 61 Taf. 62 Taf. 63
VT I 1 VT I 2 VT I 2 VT II 1 VT III 1 VT III 1 VT III 2 VT IV 1 VT IV 2 VT V 1 TI3 T II 1 T III 1 T II 2
345
Matsuoka Museum of Art Musei Vaticani, Archivio Fotografico DAI Rom (Anger) DAI Rom Forschungsarchiv für römische Plastik Köln 1407/8 Forschungsarchiv für römische Plastik Köln 1407/8 DAI Rom DAI Rom ( Koppermann) G. Koch/DAI Rom San Antonio Museum of Art Museum Budapest (G. Fittschen – Badura) DAI Rom (Felbermeyer) DAI Rom (Bartl) Forschungsarchiv für römische Plastik Köln 953/ 4, 952/ 9, 953/ 5, 1165/ 9 Akr.Mus. 1336 DAI Athen / A’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Acropolis Museum Akr. Mus. 3029/2805 DAI Athen / A’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Acropolis Museum Agora Mus. S 1232 American School of Classical Studies. Agora Excavations Venedig Mus. Arch. 260-A / DAI Rom (Koppermann) Venedig Mus. Arch. 260–A /DAI Rom (Koppermann) Athen, Nat. Mus. 1633 / Verf. A. Campana, München / Glyptothek München Fragm. Kyrene / E. Paribeni, Catalogo delle Sculture di Cirene (1959) Taf. 78, 129 A. v. Arezzo, Florenz / DAI Rom (Singer) A. v. Arezzo, Florenz / DAI Rom (Singer) Akr. Mus. 2810 – 7062 / DAI Athen / A’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Acropolis Museum Akr. Mus. 2810 – 7062 / DAI Athen / A’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Acropolis Museum A. v. Castro Pretorio, Mus. Capitolini / Verf. A. v. Castro Praetorio, Mus. Capitolini / Verf. A. v. Castro Praetorio, Mus. Capitolini / Verf. A. v. Gortyn, Heraklion, Mus. / Verf. A. Piräus, Mus. / B’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Piräus Museum A. Piräus, Mus./ B’ Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities. Piräus Museum A. Mattei, Paris / Louvre (M. u. P. Chuzeville) A. Mattei, Paris / Louvre (M. u. P. Chuzeville) Kopf London, Towneley Coll. / The British Museum A. v. Kyrene, London / The British Museum
ABBILDUNGSNACHWEISE
346
Taf. 85 Taf. 85 Taf. 86
Abb. 1 – 2 Abb. 3 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
Relief Nat. Mus. Athen 1479 u. 1482 / Nationalmuseum Athen Pelike St. Petersburg / Furtwängler - Reich Taf. 69 Krater Syrakus / LIMC II 2 Athena 491 Relief Nat. Mus. Athen 1467 / Nationalmuseum Athen Relief Ny Carlsberg Gl. 2345 / Ny Carlsberg Glyptotek
Tafel 1
In I 1
1
2
In I 1
1
2
Tafel 2
1
In I 2
2
Tafel 3
Tafel 4
In II 1
1
2
Tafel 5
In II 2
1
In II 3
2
In II 5
1
2
3
Tafel 6
In II 5
1
In II 6
2
In II 8
3
Tafel 7
In II 7 (K II 1)
1
2
3
Tafel 8
In III 1
1
2
3
Tafel 9
In III 2
1
2
4
3
Tafel 10
In III 3
1
2
Tafel 11
Tafel 12
In IV 2
1
3
2
4
In V 1
1
In V 2
2
In V 3
3
Tafel 13
Tafel 14
NY I 1
1
3
2
4
Tafel 15
NY II 1
1
2
NY II 2
1
2
3
Tafel 16
R I 1
1
2
3
Tafel 17
R I 1
1
2
Tafel 18
R II 1
1
2
3
Tafel 19
R II 2
1
R II 3
2
R II 3
3
Tafel 20
R III 1
1
2
3
Tafel 21
R III 2
1
2
3
Tafel 22
Tafel 23
R IV 1
1
2
3
4
Tafel 24
R IV 1
R V 1
1
3
R V 1
2
4
Tafel 25
Zeichnung nach R II 1
K I 1
1
3
2
4
Tafel 26
K I 2
1
3
2
Tafel 27
2
K II 1
1
3
K II 2
4
OC I 1
1
2
3
Tafel 28
OC I 2
1
OC I 3
2
OC I 5 (VT III 4)
3
Tafel 29
OC I 4 (VT III 2)
1
2
3
Tafel 30
OC I 4
1
OC III 2
2
OC III 1 (K I 3)
3
Tafel 31
Tafel 32
OC III 1 (K I 3)
1
2
Tafel 33
OC I 6
OC III 4
1
3
OC II 1
OC III 4
2
4
Tafel 34
Ve I 1
1
2
Tafel 35
Ve I 1
1
2
Ve I 2
1
2
3
Tafel 36
Ve I 2
1
3
2
Tafel 37
Ve I 3
1
2
3
Tafel 38
Ve II 1
1
2
3
Tafel 39
Ve II 2
1
2
3
Tafel 40
Ve II 2
1
Ve II 3
2
3
Tafel 41
Ve II 4 (VT III 3)
1
2
3
Tafel 42
Ve II 5
1
2
Ve II 7
3
Tafel 43
Tafel 44
Ve II 8
1
2
Tafel 45
Ve II 9
1
2
Ve II 11
1
2
3
Tafel 46
Ve II 12
1
Ve III 1
2
Ve V 1
3
Tafel 47
Tafel 48
Ve V 2
Ve V 3
1
3
2
4
Tafel 49
Ve V 5
1
2
Tafel 50
Ve V 7
1
2
Tafel 51
Ve V 9
1
Ve VI 1
2
Ah I 1
1
Ah I 3
2
3
Tafel 52
Ah I 4
1
2
3
Tafel 53
Ah II 3
1
2
3
Tafel 54
VT I 1
1
2
3
Tafel 55
VT I 2
1
2
3
Tafel 56
VT I 2
1
2
Tafel 57
Tafel 58
VT II 1 (K I 2)
1
VT III 1
2
Tafel 59
VT III 1
1
3
VT III 2
2
4
VT IV 1
1
2
VT IV 2
3
Tafel 60
VT V 1 (K I 4)
1
2
Tafel 61
Tafel 62
T I 3
1
2
3
4
Tafel 63
T II 1
1
T III 1
2
Tafel 64
T II 2
1
2
3
4
Tafel 65
Athen, Akropolis 1336
1
2
3
4
Tafel 66
Athen, Akropolis 3029-2809
3
1
2
4
Tafel 67
Athen, Agora S 1232
1
2
3
4
Venedig, Mus. Arch. 260-A
1
2
3
Tafel 68
Venedig, Mus. Arch. 260-A
1
Venedig, Mus. Arch. 260-A
2
Tafel 69
Athen, Nationalmus. 1633
1
2
3
Tafel 70
Athena Campana, München
1
2
Tafel 71
Kyrene, Mus.
1
Florenz, Mus. Arch.
2
3
Tafel 72
Florenz, Mus. Arch.
1
2
Tafel 73
Athen, Akropolis 2810-7062
1
2
3
Tafel 74
Athen, Akropolis 2810-7062
1
Rom, Mus. Capitolino Nuovo
2
3
Tafel 75
Rom, Mus. Capitolino Nuovo
1
2
3
Tafel 76
Rom, Mus. Capitolino Nuovo
1
2 Tafel 77
Tafel 78
Heraklion, Mus. 373
1
Heraklion, Mus. 373
2
Tafel 79
Piräusmus.
1
2
Tafel 80
Piräusmus.
1
2
Tafel 81
Mattei, Louvre
1
2
Tafel 82
Mattei, Louvre
1
2
Tafel 83
British Mus. London
1
2
3
Kyrene, British Mus. London
1
2
3
Tafel 84
Athen, Nationalmus. 1482
1
St. Petersburg, Eremitage 1793
2
Athen. Nationalmus. 1479
3
Tafel 85
Tafel 86
Syrakus, Mus.
1
Athen, Nationalmus. 1467
2
Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek 2345
3
Arbeiten zur Archäologie EinE AuswAhl.
Band 17:
Stefan Altekamp
RückkEhR nAch AfRikA
Band 20: Wolfram Nagel, Eva Strommenger, Christian Eder
itAliEnischE koloniAl-
Von guDEA bis hAmmuRApi
ARchäologiE in libyEn 1911–1943
gRunDzügE DER kunst unD gEschichtE in AltVoRDERAsiEn
2000. X, 321 S. 28 s/w-Abb. auf 20 Taf. Gb. ISBN 978-3-412-08099-0
2005. XIV, 330 S. 93 s/w-Abb. auf 44 Taf., 2 Karten in Rückentasche. Gb. ISBN 978-3-412-14304-6
Band 18:
Sascha Kansteiner
hERAklEs DiE DARstEllungEn in DER gRossplAstik DER AntikE
2000. XIII, 145 S. 60 s/w-Abb. auf 16 Taf. Gb. ISBN 978-3-412-10399-6
Band 19:
Wolfgang Messerschmidt
pRosopopoiiA pERsonifikAtionEn politischEn chARAktERs in spätklAssischER unD hEllEnistischER kunst
2003. XIII, 305 S. 22 s/w-Abb. auf 16 Taf. Gb. ISBN 978-3-412-13002-2
Band 21:
Ina Altripp
AthEnAstAtuEn DER spätklAssik unD DEs hEllEnismus
SE206
2010. X, 346 S. 244 s/w-Abb. auf 86 Taf. Gb. 205 x 280 mm. ISBN 978-3-412-18306-6
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