203 82 1MB
German Pages 269 [270] Year 2014
Sarah Dessì Schmid Aspektualität
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
Herausgegeben von Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard
Band 382
Sarah Dessì Schmid
Aspektualität
Ein onomasiologisches Modell am Beispiel der romanischen Sprachen
ISBN 978-3-11-032725-0 e-ISBN [PDF] 978-3-11-033444-9 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-039364-4 ISSN 0084-5396 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Medien Profis GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Dieses Buch stellt die leicht revidierte Fassung meiner Habilitationsschrift dar, die im Juni 2012 von der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen zur Habilitation angenommen wurde, der dann im Februar 2013 die Umhabilitierung an der Philosophischen Fakultät der Universität Stuttgart folgte. Ausgangsproblem und Irradiationszentrum der Untersuchung ist die Darstellung eines neuen theoretischen Modells zur Klassifizierung und Interpretation aspektualer Inhalte von Sachverhalten, das anhand eines auf konzeptueller Ebene angesiedelten Beschreibungs- und Analyseinstrumentariums übereinzelsprachlich anwendbar und effizient im Sprachvergleich ist, gleichzeitig aber detaillierte Analysen auch speziellerer Phänomene in den Einzelsprachen leisten kann. Rückblickend erkenne ich darin einen wiederkehrenden – mal mehr, mal weniger bewussten – Beweggrund meiner Forschung, nämlich den Wunsch, die unterschiedlichen thematischen Welten und Leidenschaften, in denen ich mich bewege und die mich bewegen, zu verbinden: die der Grammatik und die der Semantik, die der Sprachwissenschaft und die der Sprachphilosophie. Wie bei jeder solchen Arbeit bin ich einen langen Weg gegangen, aber nicht alleine. Ich möchte an dieser Stelle allen sehr herzlich danken, die mich auf diesem Weg begleitet haben und in unterschiedlichster Weise zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben: Zunächst einmal möchte ich Peter Koch von Herzen danken: Er hat unermüdlich mit richtigen und wichtigen Fragen den Prozess vom Entstehen der Idee bis zur Vollendung des Buches mit Begeisterung und mit der für ihn typischen respektvollen und konstruktiv-kritischen Art begleitet. Für all dies und dafür, dass ich seit Jahren – und jetzt wieder täglich – an seiner menschlichen und intellektuellen Größe und Großzügigkeit teilhaben darf, bin ich ihm ganz besonders dankbar. Ebenso möchte ich mich bei Achim Stein sehr herzlich bedanken, der mir wunderbare Jahre in Stuttgart geschenkt und damit neue Horizonte eröffnet hat: Er hat mir nicht nur neue Wege und Perspektiven in der Forschung wie in der Universitätswelt gezeigt, sondern mich auch stets mit zahlreichen Anregungen bei meinem Projekt unterstützt – nicht zuletzt, indem er mir die dafür notwendigen Freiräume gesucht, gefunden und gewährt hat: Dafür kann ich ihm nicht dankbar genug sein. Mein herzlicher Dank gilt auch Johannes Kabatek und Tilman Berger, nicht nur für ihre Bereitschaft, die weiteren Gutachten zu übernehmen, sondern auch für wichtige Hinweise, Anmerkungen und Kritik, die zur Entstehung der Arbeit entscheidend beigetragen haben. Danken möchte ich ihnen aber auch für ihren besonderen Sinn für Humor, der gemeinsame Diskussionen oft auch mit Heiterkeit erfüllt hat.
VI
Vorwort
Wertvolle Anregungen und bibliographische Hinweise, aufmerksame, konstruktiv-kritische Lektüre und nicht zuletzt ermutigende Worte der Freundschaft verdanke ich auch diesmal denjenigen lieben Freundinnen, die mir jeden Tag ein Beispiel und eine Hilfe sind: Heidi Aschenberg, Andrea Fausel und Daniela Marzo. Viele meiner Kollegen und Freunde nicht nur der Tübinger, der Stuttgarter und der gesamten deutschen Romanistik und Slavistik, mit denen ich bei verschiedenen Gelegenheiten über Aspektualität sprechen konnte, haben in unterschiedlichen Phasen des langen Projekts mit ihrem Zuhören, mit Kommentaren und fruchtbaren Diskussionen, mit wertvollen bibliographischen Hinweisen, mit ihrem Angebot, mein Projekt noch im Entstehen vor einem Publikum vorzustellen und darüber zu diskutieren, mit ihrer muttersprachlichen Expertise, durch ihre Hilfe beim Eindämmen der Flut der übrigen Arbeit und mit ihrer unterstützenden Nähe wesentliche Beiträge zur Entstehung dieses Buches geleistet. Namentlich kann ich hier unter diesen nur einige wenige nennen, vergessen sind aber auch die hier nicht genannten keineswegs, herzlichst gedankt sei ihnen allen: Tania Anstatt, Vahram Atayan, Asencion Bailen, Gabriele Beck-Busse, Martin Becker, Christine Blauth-Henke und ihrer Tochter Julia, Klaus Böckle, Daniel Bunčić, Giuseppe Burgio, Eva Erdmann-Schwarze, Ljudmila Geist, Paul Gévaudan, Jochen Hafner, Antonio Junco, Wiltrud Mihatsch, Carla Miotto, Rosina Nogales, Daniela Pirazzini, Nicoletta Rivetto, Marie-Rose Schoppmann, Stefan Schreckenberg, Maria Selig, Reinhild Steinberg, Liane Ströbel, Carola Trips, Eva Varga, Chrisoula Vernarli, Valentina Vincis, Richard Waltereit und allen anderen Teilnehmern des Tübinger Oberseminars am Mittwochabend sowie allen Kollegen und Freunden des Instituts für Linguistik/Romanistik der Universität Stuttgart und des Romanischen Seminars der Universität Tübingen. Für ihre Effizienz, Präzision und Geduld beim Korrekturlesen auch unter großem Zeitdruck in unterschiedlichen Phasen der Arbeit bedanke ich mich sehr herzlich bei Andrea Fausel, Annika Franz, Jürgen Freudl, Lara Schleyer, Daniel Schmid, dem auch die Erstellung der Abbildungen zu verdanken ist, und Martin Sinn. Claudia Polzin-Haumann, Günter Holtus und Wolfgang Schweickard bin ich für die Aufnahme in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie zu besonderem Dank verpflichtet, ebenso dem Verlag De Gruyter – und ganz besonders Ulrike Krauss und Christine Henschel – für die stets außerordentlich freundliche und kompetente verlegerische Betreuung bei den verschiedenen Schwierigkeiten, mit denen der Weg zur Publikation eines langen Projekts gepflastert ist. Das Privileg, in einem Fach tätig zu sein, in dem die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben nicht notwendigerweise klar zu ziehen sind, bedeutet, dass viele der Freunde, bei denen ich mich hier schließlich bedanken möchte, schon oben
Vorwort
VII
genannt wurden. Noch einmal und ein wenig privater möchte ich also ihnen und allen anderen Freunden wie auch meiner Familie für ihre Geduld, für die Bereitschaft mich zu unterstützen und für ihre liebevolle Zuneigung sehr herzlich danken – ganz besonders meinen lieben Eltern und meinen durch Geburt wie auf anderen Wegen gewonnenen Geschwistern: Alessandra und Alessandro, Luca und Daniela. Meinem Mann Daniel – ohne den auch dieses Buch nicht hätte entstehen können – und meinem Sohn Leonhard verdanke ich uneingeschränkte Unterstützung und stetige Ermutigung sowie auch liebevolle Ablenkung und freches Lachen in arbeitsintensiven Momenten. Sicherlich war dies für sie nicht immer einfach, sie haben es jedoch mitgetragen und mich mit erstaunlich selten endlicher Geduld begleitet, bis hinein in die Beispiele des Buches. Ihnen – den Lauten und Bildern meiner sprachlichen und außersprachlichen Welt – verdanke ich all dies und vieles mehr. Tübingen, im Juni 2014
Wenige Tage, nachdem dieses Vorwort geschrieben wurde, ist mein verehrter und geliebter Lehrer und Freund Peter Koch unerwartet gestorben. Das Erscheinen dieses Buches erwartete er freudig und stolz, denn er genoss die Erfolge der Menschen, die ihm nahe standen, wie die eigenen. Wir hatten Pläne für die nächsten Jahre geschmiedet und uns über den im Oktober letzten Jahres wiedergefundenen gemeinsamen wissenschaftlichen und menschlichen Alltag sehr gefreut. Ich vermisse schmerzlich sein Lachen und seine Klugheit, unsere vielen Gespräche, die wir beide nie kurz halten konnten, jeden Tag – jeden Tag mehr. Tübingen, im Juli 2014
Inhalt Vorwort
V
0 Einleitung
1
1
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart 8 1.1 Vorbemerkungen 8 1.2 Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition 9 1.2.1 Tempus – eine grammatikalische, deiktische Kategorie 9 1.2.2 Aspekt – eine grammatikalische, nicht-deiktische Kategorie 13 1.2.3 Eine terminologisch-definitorische Parenthese 19 1.2.4 Aktionsart – eine lexikalische Kategorie 20 1.3 Zur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze 26 1.3.1 Bertinettos Auffassung von Tempus, Aspekt und Aktionsart 26 1.3.2 Temporale Beziehungen und Tempora nach Rojo und Veiga 30 1.3.3 Das romanische Verbalsystem nach Coseriu 32 1.4 Abgrenzungsprobleme der traditionellen Verbalkategorien – Aspekt vs. Tempus vs. Aktionsart 34 37 2 Der aspektuale Bereich 2.1 Vorbemerkungen 37 2.2 Aspektualität – Onomasiologie und Inhaltskategorien 37 2.3 Onomasiologische Ansätze zur Aspektualität 43 2.3.1 Aspektualität in der Romanistik – De Miguels Ansatz 43 2.3.2 Die zwei Komponenten des aspektualen Bereichs – Smiths Ansatz 45 2.4 Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität 47 2.4.1 Aspekt und Aktionsart – zwei Kategorien? 48 2.4.2 Grammatikalität vs. Lexikalität, Obligatorietät vs. Optionalität, Subjektivität vs. Objektivität 51 2.5 Grenzen monodimensionaler Ansätze? 59 3 Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie. Theoretische und methodische Grundlagen 62 3.1 Vorbemerkungen 62 3.2 Aspektualität und Frames 67 3.2.1 Aspektualität und Ebenen des Sprachlichen 67
Inhalt
IX
70 3.2.2 Frames als Grundstrukturen der Kategorisierung der Realität Kontiguität und Figur-Grund-Effekt 3.2.3 72 3.2.4 Anwendungsbereiche des Framebegriffs 76 Aspektualität und Situationsframes – eine erste Definition 3.2.5 78 3.3 Semantizität – Aufhebung der semantischen Unterscheidung von Aspekt und Aktionsart 80 3.4 Universalität – Kognition und Übereinzelsprachlichkeit 84 3.5 Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz 86 3.6 Zusammenfassende Darstellung und ein erstes Zwischenfazit 99 4 Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten 102 4.1 Vorbemerkungen 102 4.2 Aspektuale Situationsframes 103 4.3 Das Delimitationsprinzip 105 4.4 Die drei Dimensionen der Aspektualität 110 4.4.1 Externe, umgebungsbezogene und interne Aspektualität 110 4.4.2 Ausformungen der drei Dimensionen der Aspektualität 115 4.4.3 Externe Aspektualität – Abgrenzung des Sachverhalts 116 4.4.3.1 Extern abgegrenzte Sachverhalte (EA/a) 120 4.4.3.2 Extern punktuell abgegrenzte Sachverhalte (EA/pa) 121 4.4.3.3 Extern nicht abgegrenzte Sachverhalte (EA/na) 122 4.4.3.4 Extern nicht abgrenzbare Sachverhalte (NEA) 123 4.4.4 Umgebungsbezogene Aspektualität – Umgebungsrelevanz des Sachverhalts 126 4.4.4.1 Sachverhalte mit finaler umgebungsbezogener Relevanz (UA/fr) 128 4.4.4.2 Sachverhalte mit initialer umgebungsbezogener Relevanz (UA/ir) 129 4.4.4.3 Sachverhalte mit initialer und finaler (transformativer) umgebungsbezogener Relevanz (UA/tr) 129 Sachverhalte ohne umgebungsbezogene Relevanz (UA/nr) 4.4.4.4 130 4.4.4.5 Umgebungsbezogen nicht delimitierbare Sachverhalte (NUA) 131 Interne Aspektualität – Unterteilung des Sachverhalts 4.4.5 133 4.4.5.1 Intern unterteilte Sachverhalte (IA/u) 135 4.4.5.2 Intern nicht unterteilte Sachverhalte (IA/nu) 135 4.4.5.3 Intern nicht unterteilbare Sachverhalte (NIA) 136 4.4.6 Ein zweites Zwischenfazit 137
X
Inhalt
5 Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe: Die erste Ebene des Modells in der Anwendung 138 5.1 Vorbemerkungen 138 5.2 Aspektuale Delimitationsschemata 138 Ein Gesamtinventar der Delimitationsschemata 5.2.1 138 Vorstellung der einzelnen Delimitationsschemata 5.2.2 142 5.2.2.1 Delimitationsschema 1: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/nu)] 142 5.2.2.2 Delimitationsschema 2: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)] 144 5.2.2.3 Delimitationsschema 3: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/nu)] 145 5.2.2.4 Delimitationsschema 4: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)] 147 5.2.2.5 Delimitationsschema 5: [(EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)] 148 5.2.2.6 Delimitationsschema 6: [(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)] 150 5.2.2.7 Delimitationsschema 7: [(EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)] 153 5.2.2.8 Delimitationsschema 8: [(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)] 155 5.2.2.9 Delimitationsschema 9: [(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)] 156 5.2.2.10 Delimitationsschema 10: [(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)] 157 5.2.2.11 Delimitationsschema 11: [(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)] 159 5.2.2.12 Delimitationsschema 12: [(NEA) + (NUA) + (NIA)] 160 5.3 Ein drittes Zwischenfazit 161 6 Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung 164 6.1 Vorbemerkungen 164 6.2 Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebene des Modells 165 6.2.1 Ein Inventar der Delimitationsschemata der zweiten Ebene Vorstellung der einzelnen Delimitationsschemata 6.2.2 168 6.2.2.1 Delimitationsschema 2/8: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu))] 6.2.2.2 Delimitationsschema 2/9: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu))] 6.2.2.3 Delimitationsschema 2/10: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu))] 6.2.2.4 Delimitationsschema 2/11: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu))] 6.2.2.5 Delimitationsschema 2/8, 8, 8, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …] 6.2.2.6 Delimitationsschema 2/9, 9, 9, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …]
165 168 171 173 175 178 181
Inhalt
XI
6.2.2.7 Delimitationsschema 2/10, 10, 10, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …] 183 6.2.2.8 Delimitationsschema 2/11, 11, 11, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …] 185 6.2.2.9 Delimitationsschema 4/8, 8, 8, …: [((EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …] 188 6.2.2.10 Delimitationsschema 5/9, 9, 9, …: [((EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …] 190 6.2.2.11 Delimitationsschema 6/10, 10, 10, …: [((EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …] 192 6.2.2.12 Delimitationsschema 7/11, 11, 11, …: [((EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …] 194 6.3 (Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen 197 6.3.1 Relevanz des Phänomens und Probleme der Definition 197 6.3.2 Eine flexible Definition 206 6.3.3 stare + Gerundium – eine semasiologische Parenthese 208 6.3.3.1 stare + Gerundium – Gebrauchskontexte 210 6.3.3.2 stare + Gerundium im Italienischen – Grammatikalisierungspfad 214 6.3.4 «Aspektuelle» und «aktionale» Verbalperiphrasen? 219 6.4 Verbalperiphrasen – ein letztes Zwischenfazit 222 7 Schlussbemerkungen Abkürzungen
230
Bibliographie
232
Personenregister
256
224
0 Einleitung Kann man in den romanischen Sprachen wirklich von Aspekt sprechen? Ist das romanische Verbalsystem nicht als grundsätzlich temporal aufzufassen? Diese Fragen – die gelegentlich noch zu hören sind – beruhen einerseits auf der Geschichte der Definition der Kategorie «Aspekt» selbst, andererseits auf einem, mit dieser verbundenen, alten und noch nicht endgültig überwundenen Vorurteil. Die Kategorie wurde nämlich anhand der Beobachtung slavischer Sprachen definiert, die ein komplexes, auf mehreren zeitlichen Stufen vorkommendes, grammatikalisch ausgedrücktes Aspektsystem aufweisen.1 Dies bestimmte nun ganz allgemein die Richtung der traditionellen Forschung zum Verbal aspekt, der dann auch in anderen Sprachen hauptsächlich einzelsprachlich und semasiologisch untersucht wurde. Wenn es daher nicht verwunderlich ist, dass die Aspekt-Forschung per antonomasiam in der slavistischen Sprachwissenschaft zu verorten ist, bleibt doch das daraus entstandene Vorurteil zu überprüfen, dass die Kategorie «Aspekt» grundsätzlich auch in den romanischen Sprachen nur so beschaffen sein könne, wie sie sich in den slavischen Sprachen findet: In diesem Sinne, in dieser ganz besonderen Form als einzelsprachlich konzipierte Verbalkategorie, ist sie in den romanischen Sprachen zwar tatsächlich nicht präsent; nur auf der zeitlichen Stufe der Vergangenheit finden sich dort aspektuelle Oppositionen in grammatikalisierter Form. Was aber freilich auch in den romanischen Sprachen festzustellen ist, ist eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten der Vermittlung der in den slavischen Sprachen grammatikalisch ausgedrückten aspektualen Inhalte. In der Romanistik wurde das romanische Verbalsystem hauptsächlich als temporal basiert aufgefasst2 und der Erforschung des Aspekts nur in seltenen Fällen Aufmerksamkeit geschenkt.3 Wenn dies geschah, so doch häufig nur in einer indirekten Art: Man hat ihn eher als eine in negativum und kaum als eine in positivum charakterisierte Kategorie behandelt und ihn in Opposition zu «Aktionsart» oder zu «Tempus» zu identifizieren und zu definieren gesucht. Eine solche Definition sollte in der Tat einer besseren Abgrenzung dienen, was wie-
1 Zur Geschichte von «Aspekt» und «Aktionsart» und der Festlegung der Terminologie vgl. § 1.2.3. 2 Vgl. u. a. die Interpretation des spanischen Verbalsystems von Rojo/Veiga (1999) und diejenige (nicht nur für die romanischen Sprachen gedachte) von Weinrich (1964); im Allgemeinen zu diesem Thema vgl. § 1.3. 3 Man denke etwa an die Monographie Bertinettos hierzu (1986).
2
Einleitung
derum nahelegt, dass die Grenzen einer so definierten Kategorie aus sich selbst heraus nicht klar genug zu ziehen sind. In den letzten dreißig Jahren fand die Beschäftigung mit dem Aspekt wieder verstärktes Interesse, und zwar weniger in aus der traditionellen romanistischen Forschung stammenden Arbeiten, sondern eher in typologisch angelegten Untersuchungen. Hier hat man sich sehr intensiv und in zunehmendem Maße mit der Verbindung der in vielen Sprachen der Welt häufig in morphologischem Synkretismus realisierten, grammatikalischen Verbalkategorien beschäftigt, den sogenannten TMA-Kategorien: Tempus, Modus und Aspekt. Wiederholt wurde dabei betont, dass Tempus und Aspekt komplementäre Systeme der zeitlichen Kategorisierung und Strukturierung von Sachverhalten darstellen, und stets auf ihre enge Verbindung hingewiesen.4 Immer häufiger und genauer wurde auch die Beschäftigung mit der dem Aspekt inhaltlich verwandten, lexikalisch ausgedrückten Kategorie der Aktionsart. Gerade die Frage der zwischen diesen beiden Kategorien in semantischer Hinsicht existierenden Ähnlichkeit wurde wiederholt thematisiert und untersucht. Dies warf in der Aspekt-Forschung verschiedene Fragen auf, die neue Wege eröffnet haben: Einen wichtigen Punkt stellt dabei die nicht isolierte Betrachtung des Verbs dar: Es hatte sich nämlich als schwierig erwiesen, «einfache» Verbklassifizierungen – wie z. B. die klassisch gewordene von Vendler (1957) – bei der Untersuchung aspektualer Kategorien5 beizubehalten, also Verben unabhängig von ihrer Argumentstruktur zu behandeln. Indem auf die Rolle der Valenz des Verbs hingewiesen wurde, wurde die aspektuale Interpretation eines Sachverhalts auf den lexikalisch-grammatikalischen, also morpho-syntaktischen Komplex zurückgeführt, den das Verb und seine Argumente gemeinsam bilden.6 Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft die mittlerweile verbreitete Meinung, dass dem Aspekt verwandte Informationen in den Sprachen der Welt eindeutige semantische Ähnlichkeiten und Verbindungen untereinander zeigen und dabei mehr oder weniger evidente Regelmäßigkeiten aufweisen, auch wenn sie formal sehr unterschiedlich wiedergegeben werden und verschiedene sprachliche Ebenen betreffen.7 So ist auch immer mehr betont worden, dass mehrere
4 Es ist häufig von «temporal-aspektuellen» Systemen die Rede, vgl. z. B. Bertinetto (1997). 5 Aus dieser Perspektive zählt hierzu auch die Aktionsart, da sie dem Aspekt affine semantische Inhalte hat. 6 Verkuyl (1972) wies als einer der ersten auf die Relevanz der Interdependenz von Verb und Argumenten für die Analyse aspektualer Informationen hin. 7 Vgl. u. a. die im Ansatz sehr unterschiedlichen Arbeiten von Alturo (1997 und 1999), Bache (1982, 1995a und 1995b), Beck (1987), Bertinetto (1996), Binnick (1991 und 2012), Bybee (1985), Bybee/Dahl (1989), Bybee/Perkins/Pagliuca (1994), Comrie (1976), Croft (2012), Dahl (1985, 1989
Einleitung
3
Bedeutungen von Aspekt zu unterscheiden seien, von denen die grammatikalische Verbalkategorie nur eine darstelle.8 Vor allem im Zuge der typologischen Forschung, die eine übereinzelsprachliche Perspektive verfolgt, wurden die Grenzen semasiologischer Zugänge deutlich und das Fehlen eines geeigneten Bezugspunkts für den Sprachvergleich, eines tertium comparationis, schmerzlich spürbar. Mehr Aufmerksamkeit ist hier – auch in der Kognitiven Linguistik – der Möglichkeit einer den Aspekt und die Aktionsart umfassenden funktionalen Kategorie geschenkt worden: der Aspektualität,9 der man sich nun onomasiologisch nähert. Es handelt sich dabei um eine abstraktere Inhaltskategorie, die als übereinzelsprachlich, gar universal, aufgefasst wird und unter der die verschiedenen – nicht nur grammatikalischen – Möglichkeiten der Wiedergabe von dem traditionellen Aspekt verwandten Inhalten in den Einzelsprachen subsumiert werden. «Aspektualität» wird in diesem Sinne als allgemeiner aspektualer Bereich definiert, als die Inhaltskategorie, durch die die Sprecher die Art des Ablaufs und der Distribution eines Sachverhalts in der Zeit sprachlich strukturieren.10 Eine heikle, längst nicht gelöste Frage teilt allerdings die Aspektologen in zwei Lager.11 Diskutiert wird über die Homogenität oder Heterogenität der Semantik des aspektualen Bereichs: Die bidimensionalen Ansätze fassen Aspekt und Aktionsart als voneinander streng getrennte Kategorien, als semantisch unterschiedliche Komponenten des allgemeinen aspektualen Bereichs auf, innerhalb dessen demnach eine substantielle Trennung behauptet wird. Die monodimensionalen Ansätze gehen hingegen von keiner semantischen Unterscheidung auf kognitiver Ebene zwischen den beiden Kategorien aus und daher auch von keiner Trennung innerhalb der Aspektualität: Aspekt und Aktionsart stellen in diesem Sinne nur unterschiedliche formale Realisierungen ein und derselben Inhaltskategorie dar. Im überwiegenden Teil der Ansätze wird die bidimensionalistische These vertreten, insbesondere in fast allen romanistischen Untersuchungen; jedoch auch auf die monodimensionalistische These bauen einige wichtige Forschungsbeiträge auf.
und 2000), De Miguel (1999), de Swart (1998 und 2000), Fauconnier (1984 und 1999), Giorgi/ Pianesi (1997), Goldberg (1995 und 2006), Guillaume (1929), Herweg (1990), Hopper (1979 und 1982a), Jackendoff (1991a und 1991b), Kamp/Reyle (1993), Krifka (1989a und 1989b), Langacker (1987, 1990 und 1991), Leiss (2000), Mitko (2000), Smith (1991), Tenny (1989 und 1994), Thieroff/ Ballweg (1994–1995), Verkuyl (1972 und 1993), Vet/Vetters (1994). 8 Zur Polysemie des Terminus «Aspekt» vgl. Comrie (1976) und insb. Sasse (1991 und 2002). 9 Zur Geschichte des Begriffs «Aspektualität» vgl. § 2.2. 10 Hier wird das Adjektiv «aspektual» in Bezug auf Aspektualität als (übereinzelsprachliche) Inhaltskategorie und das Adjektiv «aspektuell» in Bezug auf Aspekt als grammatikalische Kategorie verwendet. 11 Vgl. Sasse (2002) und Squartini (1990).
4
Einleitung
Unabhängig von den Positionen, die in dieser Diskussion vertreten werden, bleibt jedoch eines unbestreitbar: Fragt man sich nämlich, wie aspektuale Inhalte versprachlicht werden, und geht man dabei nicht vom Vergleich einander ähnelnder Ausdrucksformen in den verschiedenen Sprachen aus, so wählt man eine Perspektive, die ein geeignetes tertium comparationis auf konzeptueller Ebene festlegt und dann auch eine vergleichende Herangehensweise erlaubt. Flankiert wird in der kognitiv-linguistischen Forschung diese onomasiologische Perspektive von einer Neukonzeption von Lexikon und Grammatik: Lexikalische und grammatikalische sprachliche Elemente stellen Pole einer als Kontinuum aufgefassten Ebene dar. Diese aktuelle Diskussion möchte die vorliegende Arbeit fortführen. Dabei wird sie sich aus onomasiologischer Perspektive speziell mit denjenigen Informationen beschäftigen, die in ihrem Zusammenspiel den aspektualen Wert von Sachverhalten konstituieren: Ihr Gegenstand ist daher die Identifizierung und Abgrenzung und die theoretische Analyse der Inhaltskategorie der Aspektualität an sich sowie ihrer Manifestationen in verschiedenen romanischen Sprachen. Dieses Buch entwirft ein im oben dargestellten Sinne monodimensionales Beschreibungs- und Klassifikationsmodell der aspektualen Informationen, das im Einklang mit der gewählten onomasiologischen Perspektive auf einer sehr allgemeinen sprachlichen Ebene angesiedelt ist und durch ein auf einer grundlegenden kognitiven Fähigkeit des Menschen basierendes Prinzip strukturiert ist: das Delimitationsprinzip. Das entwickelte übereinzelsprachliche Modell der Aspektualität – daher auch «aspektuale Delimitation» genannt – wird dann an konkreten Beispielen des Französischen, Italienischen, Katalanischen und Spanischen angewandt und dabei auf seine Effizienz auf einzelsprachlicher Ebene überprüft. Wie andere Inhaltskategorien – die Modalität oder die Temporalität – beruht die Aspektualität auf universalen kognitiven Fähigkeiten, mit deren Hilfe der Mensch seine Welt wahrnimmt und konstituiert. Zu dieser menschlichen Grundausstattung gehören primäre geistige Operationen wie das Wiedererkennen von konstanten Merkmalen, die Gruppierung von Ähnlichem, Gegensätzlichem und Beieinanderliegendem zu größeren Zusammenhängen, oder aber die Gliederung von komplexen Szenarien in einfachere, klar abgegrenzte kleinere Einheiten, die Bildung von Figur-Grund-Schemata sowie die Herstellung hierarchischer konzeptueller Verbindungen und Strukturen.12 Einige solcher Operationen werden auf diesen Seiten erklärt, und auch dafür wird aus den verschiedenen zur Verfü-
12 Im Allgemeinen zu Gestaltgesetzen und Assoziationsprinzipien vgl. Herrmann (1976) und Metzger (1986); vgl. auch Blank (2001, 43), Croft/Cruse (2004), Koch (1999a) usw.
Einleitung
5
gung stehenden ein Frame-theoretischer Interpretationsrahmen gewählt.13 Diese Wahl ist an erster Stelle durch eine sehr allgemeine Entscheidung motiviert: Es wird dabei angenommen, dass unser Wahrnehmungs- und Kategorisierungsvermögen Konzepte, Teilkonzepte und Kategorien in Verbindung miteinander wahrnimmt und so im Gedächtnis abspeichert. Frames stellen eben solche Wahrnehmungs- oder Konzeptualisierungsgestalten, solche Formen der menschlichen konzeptuellen Organisation der Realität dar.14 Wenn hier dann im Detail für eine frame-basierte Interpretation der Aspektualität plädiert wird, geschieht dies in einer besonderen Art, da Aspektualitäts-Frames sehr abstrakte solche sind, die für ganze Klassen von Frames stehen.15 Die Untersuchung schlägt aber auch eine Brücke zu einer klassischeren sprachtheoretischen Linie, deren theoretische Nähe zu einigen der modernsten Reflexionen kognitiver Orientierung selten hervorge hoben wird, der der Theorien Humboldts, Cassirers, Wittgensteins usw. Aspektualität wird hier als komplexe Kategorie aufgefasst, denn ihre vollständige Realisierung, ihre «definitive» Gestalt, ergibt sich aus dem Zusammenkommen ihrer drei Perspektiven: Sie ist also komplex auf der Ebene der onomasiologischen Fundierung, der Strukturierung der Kategorie als solcher. Andererseits wird diese Inhaltskategorie wiederum in den Sprachen komplex ausgedrückt, und zwar durch das Zusammenspiel der vielfältigen Elemente, die die jeweiligen Sachverhalte in konkreten Sätzen darstellen. Diese Elemente verteilen sich auf alle Organisationsebenen der Sprache – von typisch lexikalischen bis zu typisch grammatikalischen: Verbbedeutungskomponenten, Verbargumente, Tempora, Adverbialien, Negationen, Wortstellung usw. Die verschiedenen Ausformungen der Aspektualität in allen ihren in den romanischen Sprachen einzelsprachlich verwirklichten Formen weisen eine enorme Vielfalt auf. Da hier weder eine vollständige Darstellung angestrebt wird, noch wahllos Beispiele angeführt werden sollen, werden eindeutige Schwerpunkte gesetzt. Ausgangsproblem und Irradiationszentrum der Arbeit – die sich als synchrone romanistische Untersuchung versteht – ist die Darstellung eines neuen, auf dem Delimitationsprinzip basierten monodimensionalen theoretischen Modells, das prinzipiell auf jede beliebige Sprache anwendbar ist. Anhand des Modells, das auch eine differenzierte Betrachtung komplexer, bislang schwierig zu klassifizierender Probleme wie dem der Verbalperiphrasen erlaubt, erfolgt dann eine vergleichende Skizze des aspektualen Systems des Französischen,
13 Vgl. u. a. Fillmore (1975, 1977 und 1985), Minsky (1975) und Schank/Abelson (1977). 14 Dabei stützt man sich auf die von der Gestalttheorie entwickelten Beschreibungs- und Interpretationsmodelle; vgl. hierzu den folgenden Abschnitt. 15 Vgl. für eine ähnliche Herangehensweise Talmy (2000).
6
Einleitung
Italienischen, Spanischen und Katalanischen. Einige Einblicke in die Diachronie der romanischen Sprachen und in mögliche Anwendungsgebiete des Modells runden die Untersuchung ab. Nun detaillierter zum Aufbau: Kapitel 1 widmet sich der Darstellung der Kategorien von Tempus, Aspekt und Aktionsart anhand einiger inzwischen klassisch zu nennender Ansätze. Exemplarisch werden dann Arbeiten vorgestellt und diskutiert, die repräsentativ für die romanistische Tradition sind: Bertinetto (1986), Rojo und Veiga (1999) sowie Coseriu (1976). Dabei wird die darauf folgende Diskussion der Abgrenzungsprobleme der traditionell aufgefassten Kategorien von Tempus, Aspekt und Aktionsart vorbereitet. Kapitel 2 nimmt sich aus onomasiologischer Perspektive die Behandlung der Aspektualität als universaler, semantischer Kategorie vor. Ein Vergleich der in der romanistischen Tradition häufiger behandelten Modalität mit der Aspektualität soll zunächst weiter verdeutlichen, was mit «Inhaltskategorie» genau gemeint ist. In Auswahl werden einige onomasiologisch angelegte Arbeiten kritisch dargestellt, zwei Ansätze werden dabei näher betrachtet, nämlich diejenigen Smiths (1991) und De Miguels (1999). Dabei wird das Augenmerk auf die Frage gerichtet sein, wie Aspektualität (oder der aspektuale Bereich) aufgefasst wird. Denn, wie angedeutet, konstituieren sich in der aspektologischen Forschung zwei Haupt linien abhängig davon, ob eine substantielle Trennung von Aspekt und Aktionsart innerhalb des allgemeinen aspektualen Bereichs vertreten oder aber ob eine solche Trennung abgelehnt wird: die bidimensionalen und die monodimensionalen Ansätze. Im letzten Teil des Kapitels werden die Argumente, die die beiden Lager zur Stützung ihrer Thesen vorbringen, einer kritischen Prüfung unterzogen. Anschließend wird die Position, die in dieser Arbeit mit einem monodimensionalen Ansatz eingenommen wird, zu diesen in Beziehung gesetzt. In Kapitel 3 werden weitere theoretische Voraussetzungen des hier entwickelten Modells der Aspektualität dargelegt, und es wird erklärt, in welchem Sinne und aus welchem Grund für einen frame-basierten Ansatz plädiert wird. Es werden Frames als Grundstrukturen der menschlichen Kategorisierung der Realität definiert und Sachverhalte als Situationsframes beschrieben; insbesondere wird die Beziehung zwischen als Situationsframes aufgefassten Sachverhalten und Aspektualität näher beleuchtet. Mit einer Erklärung der Definition der Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie schließt das Kapitel ab. Kapitel 4 stellt das entwickelte Modell dar. Dabei wird zunächst das verwendete Beschreibungs- und Klassifikationsprinzip der aspektualen Inhalte vorgestellt, das Delimitationsprinzip, das auf einer auf den universalen kognitiven Fähigkeiten des Menschen basierenden Ebene angesiedelt ist. Darauf aufbauend
Einleitung
7
wird die Aspektualität als aspektuale Delimitation definiert, als Setzung von zeitlichen Grenzen in der Strukturierung von Sachverhalten, und in drei Perspektiven gegliedert – in die externe, die umgebungsbezogene und die interne Delimitation. Alle «aspektualen Basiskonzeptualisierungen», d. h. alle jeweils möglichen Ausformungen der drei Perspektiven der Aspektualität, werden im Detail vorgestellt. Diese treten im Sachverhalt notwendigerweise in Kombination miteinander auf. Kapitel 5 und 6 widmen sich der Darstellung eines vollständigen Inventars der möglichen Kombinationen aspektualer Basiskonzeptualisierungen in den Sachverhalten und der weiteren Erläuterung der Systematik des Modells. Die möglichen Kombinationen werden durch Schemata dargestellt, die Delimita tionsschemata, die die Zusammensetzung der verschiedenen Ausformungen der Aspektualität auch bildlich wiedergeben. Diese Kapitel stellen in einer Vielzahl von Beispielen zudem die Anwendung des Modells auf die romanischen Sprachen (hier das Französische, Italienische, Katalanische und Spanische) dar, was auch Ähnlichkeiten und Unterschiede innerhalb des romanischen Aspektsystems zu zeigen erlaubt. Kapitel 5 analysiert eine erste Ebene der Kombination der Basiskonzeptualisierungen, während Kapitel 6 sich mit einer zweiten Ebene des Modells befasst, auf der es dann auch um die Untersuchung eines in den romanischen Sprachen zentralen und in der Romanistik geradezu klassischen Phänomens geht, desjenigen der aspektualen Verbalperiphrasen. Dies erlaubt eine Neuanalyse des Phänomens und eine mögliche Antwort auf die Frage, welcher gemeinsame Nenner alle aspektualen Verbalperiphrasen verbindet und welchen aspektualen Kategorien sie zuzuordnen sind. In einigen abschließenden Bemerkungen werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst, es wird ein Ausblick auf einige mögliche Anwendungsgebiete des Modells gegeben sowie der Frage nach seiner Relevanz und nach seinem Nutzen für die aktuelle Diskussion über die Aspektualität nachgegangen.
1 Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart 1.1 Vorbemerkungen «It has become commonplace to introduce works on aspect with the remark that there is hardly another field in linguistics so much plagued by terminological and notional confusion. The semantics of time has served as a playground for mental exercise to many generations of philologists, linguists, philosophers, and logicians, resulting in an impenetrable thicket of definitions, theories, and models.» (Sasse 2002, 199)
Der Versuchung zu widerstehen, sich mit der Zeit zu befassen, einer der fundamentalen Kategorien der menschlichen Kognition, die eines der wichtigsten Strukturierungsprinzipien unseres individuellen wie gesellschaftlichen Lebens darstellt, ist tatsächlich nicht einfach. So kann auch nicht überraschen, dass Generationen von Physikern, Philosophen, Historikern, Logikern, Literaten und Linguisten dieser Versuchung nachgegeben haben. Mit einem Tribut an diese im Zitat angedeutete Tatsache soll nun auch diese Arbeit beginnen und sich in dieses faszinierende, undurchdringliche terminologische Dickicht begeben. Von der physisch oder öffentlich und der psychisch oder persönlich konzipierten Zeit, die jeweils als objektiv messbar und subjektiv wahrgenommen betrachtet werden kann, ist weiter die Zeit in der Sprache, mit anderen Worten die sprachliche Darstellung zeitlicher Verhältnisse, zu unterscheiden. Für diese Darstellung werden in jeder Sprache verschiedene Mittel – lexikalischer wie grammatika lischer Art – auf verschiedenen Organisationsebenen – der morphologischen wie der syntaktischen – zur Verfügung gestellt. Darunter sind die Verbalkategorien zu finden: «Tempus», «Aspekt» und «Aktionsart». In diesem Kapitel wird zunächst die traditionelle Definition von Tempus, Aspekt und Aktionsart als Verbalkategorien gegeben, durch die die Einzelsprachen Informationen über die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten festlegen. Jede dieser Kategorien wird anhand verschiedener für die romanischen Sprachen – aber nicht nur für diese – wichtiger hermeneutischer Modelle vorgestellt. Ein kurzer Überblick über den aktuellen Forschungsstand kann hier jedoch aus verschiedenen Gründen nur sehr selektiv und auf die spezifischen Themen dieser Arbeit ausgerichtet gegeben werden. Einerseits würde eine ausführlichere historiographische Darstellung solcher Modelle den Rahmen der Untersuchung sprengen und ihrem Zuschnitt widersprechen, andererseits wäre eine erschöpfende Behandlung der Literatur, die sich in den letzten Jahrzehnten den Kategorien des Verbalsystems gewidmet hat, an sich ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen: Binnick zählt in seinem bibliographischen Projekt The Project on Annotated Bibliography of contem-
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
9
porary Research in Tense, Grammtical Aspect, Aktionsart, and Related Areas nicht weniger als 9000 Titel, dabei geht die letzte Aktualisierung der Bibliographie auf das Jahr 2006 zurück. Abschließen wird dieses Kapitel eine kurze Diskussion über die Abgrenzungsprobleme der traditionell aufgefassten Kategorien von Tempus, Aspekt und Aktionsart, die gleichzeitig eine Brücke zu dem Folgenden schlagen wird.
1.2 Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition 1.2.1 Tempus – eine grammatikalische, deiktische Kategorie Betrachten wir Beispiele wie die folgenden:1 (1a) it. (1b) fr. (1c) sp. (1d) dt. (2a) it. (2b) fr. (2c) sp.
Leo mangia [Pres.] un cornetto al cioccolato. Léo mange [Prés.] un croissant au chocolat. Leo come [Pres.] un cruasán con chocolate. Julia isst [Präs.] ein Schokocroissant.
Leo mangiò [Perf. Sem.] un cornetto al cioccolato.
Léo mangea [Pass. Sim.] un croissant au chocolat. Leo comió [Perf. Sim.] un cruasán con chocolate.
(2d) dt.
Julia aß [Prät.] ein Schokocroissant.
(3a) it.
Leo mangiava [Imp.] un cornetto al cioccolato.
(3b) fr. (3c) sp.
Léo mangeait [Imp.] un croissant au chocolat.
Leo comía [Imp.] un cruasán con chocolate.
(3d = 2d) dt. Julia aß [Prät.] ein Schokocroissant. (4a) it. (4b) fr. (4c) sp. (4d) dt.
Leo mangerà [Fut.] un cornetto al cioccolato. Léo mangera [Fut.] un croissant au chocolat. Leo comerá [Fut.] un cruasán con chocolate. Julia wird [Fut.] ein Schokocroissant essen.
1 Hier werden meist parallel Beispiele aus den behandelten romanischen Sprachen (und, wo dienlich, auch aus dem Deutschen und dem Englischen) angeführt, um schon auf einen ersten Blick einen Sprachvergleich zu erlauben. Die Angaben zu Tempusmarkierungen werden in den Beispielen selbst in eckige Klammern gesetzt; besondere periphrastische Konstruktionen werden nach den Beispielen ebenfalls in eckigen Klammern angemerkt. Ein Verzeichnis der Abkürzungen befindet sich am Ende der Arbeit.
10
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Die Verbalflexion in den Beispielsätzen (1a–d), (2a–d) und (4a–d) durch Formen wie it. mangia/mangiò/mangerà, frz. mange/mangea/mangera, span. come/ comió/comerá und dt. isst/aß/wird essen drückt grammatikalisch Informationen aus, die präsentische, vergangene und futurische Bestimmungen des Sachverhaltes übermitteln oder, besser gesagt, Informationen, die den Sachverhalt als gleichzeitig, vorzeitig oder nachzeitig in Bezug auf den Zeitpunkt des Sprechens darstellen. Es handelt sich also um Formen, die durch Morpheme (bzw. durch Wurzeländerungen, wie im Fall von dt. aß, oder aber periphrastische Lösungen wie wird essen, also werden + Infinitiv) temporale Bestimmungen des Sachverhaltes ausdrücken. Seit Reichenbach (1947) – und im Großteil der aktuellen Zeit- und Tempusforschung2 – definiert man Tempus als die grammatikalisierte Lokalisierung von Sachverhalten in der Zeit,3 also als eine deiktische grammatikalische Kategorie, die das System zeitlicher Beziehungen von Sachverhalten im Verb morphologisch, flexiv, ausdrückt: «Tense is a deictic category, i. e. locates situations in time, usually with reference to the present moment, though also with reference to other situations.» (Comrie 1976, 3)
Klassisch ist ihre Darstellung durch das reichenbachsche Modell geworden, nämlich als eine ideale, von links nach rechts orientierte Zeitachse (t = Zeit), auf der Sachverhalte lokalisiert werden können, und zwar anhand der Relation zwischen drei Bezugspunkten, dem point of speech (S = Sprechzeitpunkt), dem point of the event (E = Ereigniszeitpunkt) und dem point of reference (R = Referenzzeitpunkt) – wobei letzterer erst in der Lokalisierung von komplexeren Sachverhalten nötig wird, die in der Regel durch zusammengesetzte Tempora ausgedrückt werden.4
2 Eine Ausnahme stellt die Arbeit Weinrichs (1964) dar, die eine Interpretation der Tempora als Ausdruck von Sprachhaltungen (der «Gespanntheit» und der «Entspanntheit») vertritt und ihre entsprechende Teilung in «besprechende» und «erzählende» Tempora vornimmt. Zu den ersteren rechnet Weinrich Präsens, Perfekt, Futur I und Futur II, zu den erzählenden Tempora Präteritum, Plusquamperfekt, Konditional I und Konditional II. Als allgemeine Einführung in die Zeit-Linguistik vgl. u. a. Vater (1994) und Bonomi/Zucchi (2001). 3 Natürlich haben Sprachen auch andere – also lexikalische und nicht grammatikalische – Mittel zur Verfügung, um temporal-deiktische (also auf Sprech- und Ereignismoment bezogene) Inhalte auszudrücken. Man denke z. B. an die Temporaladverbien. Reichenbach konzentriert jedoch seine Untersuchung auf die Tempora: «The tenses determine time with reference to the time point of the act of speech, i. e. of the token uttered.» (1947, 287s.). 4 In den Beispielen (1a–d), (2a–d), (3a–d) und (4a–d) sind die «absoluten Tempora» (vgl. Reichenbach 1947, Comrie 1976) repräsentiert, für deren Definition man nur zwei der genannten Bezugspunkte benötigt, nämlich S und E. R wird nur für die Definition von «relativen Tempora»
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
11
Durch die Relationen der Gleich-, Vor- und Nachzeitigkeit wird also ein Sachverhalt mit Bezug auf den Sprechzeitpunkt als gegenwärtig, vergangen oder zukünftig lokalisiert. Graphisch kann man die Beispiele (1b), (2c) und (4d) wie folgt illustrieren:5 (1b) fr.
Léo mange [Prés.] un croissant au chocolat. E, S t
Abb. 1: Temporale Beziehung der Gegenwärtigkeit
(2c) sp.
Leo comió [Perf. Sim.] un cruasán con chocolate. E
S t
Abb. 2: Temporale Beziehung der Vergangenheit
(4d) dt.
Julia wird ein Schokocroissant essen [Fut.]. [werden + Inf.] S
E t
Abb. 3: Temporale Beziehung der Zukunft
relevant. Zur Kritik an der reichenbachschen Konzeption von R vgl. u. a. Comrie (1981) und Bertinetto (1986), der das Modell Reichenbachs durch die Einführung eines momento d’ancoraggio temporale und localizzatore temporale als Ersatz und weitere Spezifizierung von R modifiziert (vgl. § 1.3.1). Vgl. auch die radikalere Kritik Kleins (1994): Das große Problem sei, dass R nicht zur deiktischen Lokalisation von E diene, sondern hauptsächlich zu seiner anaphorischen Lokalisierung in Bezug zu anderen Sachverhalten. Dies sei ein typisches Problem der Punkt-Auffassungen der Zeit und könne mit der Einführung eines anderen Parameters besser gelöst werden, der Topic Time (TT). Diese bezieht sich nicht auf die zeitliche Situierung des Ereignisses als solches, sondern auf die Zeitspanne, für die das Zutreffen dieses Ereignisses behauptet wird («is the time span to which the speaker’s claim on this occasion is confined», Klein 1994, 4). Mit dem Problem von R ist außerdem noch die Notwendigkeit verbunden, die deiktische Lokalisierung eines Sachverhalts in Bezug zu S von der anaphorischen Lokalisierung dieses Moments in Bezug zu anderen Ereignissen zu unterscheiden (vgl. absolute zeitliche Lokalisierung (Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft) vs. relative zeitliche Lokalisierung (Gleichzeitigkeit/Simultanität, Vorzeitigkeit/Anteriorität, Nachzeitigkeit/Posteriorität). 5 Vgl. Reichenbach (1947), insb. 296ss., für eine schematische Repräsentation der Kombinationen anhand der Verbalformen des Englischen.
12
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Die einfachen oder zusammengesetzten6 Tempora stellen die in den Einzelsprachen jeweils verwirklichten Formen der grammatikalischen Kategorie Tempus dar, mit anderen Worten ihre von Sprache zu Sprache verschieden unterteilten und benannten konkreten Realisierungen; einige wurden in den Beispielen (1a–d)–(4a–d) aus einem Teil der hier analysierten romanischen Sprachen vorgestellt, in der folgenden Tabelle (1) soll ein systematischer Überblick über die Tempora im Modus Indikativ gegeben werden (die linke Spalte stellt die verschiedenen zeitlichen Ebenen dar, die mittlere und die rechte jeweils die einfachen und die zusammengesetzten Tempusformen, die die verschiedenen zeitlichen Ebenen zum Ausdruck bringen):7 Einfache Tempora
Zusammengesetzte Tempora
Gegenwart
it. presente (mangia) fr. présent (il mange) sp. presente (come) kat. present (menja)
it. perfetto semplice (ha mangiato) fr. passé composé (il a mangé) sp. pretérito perfecto compuesto (ha comido) kat. pretérit indefinit (ha menjat)
Vergangenheit
it. perfetto semplice (mangiò) fr. passé simple (elle mangea) sp. pretérito perfecto simple (comió) kat. pretèrit perfet simple (menjà), pretèrit perfet perifràstic (va menjar)8 it. imperfetto (mangiava) fr. imparfait (il mangeait) sp. pretérito imperfecto (comía) kat. pretèrit imperfet (menjava)
it. trapassato/piucheperfetto II (ebbe mangiato) fr. passé antérieur (elle eut mangé) sp. pretérito anterior (hubo comido) kat. pretèrit anterior (hagué menjat) it. piucheperfetto (aveva mangiato) fr. plus-que-parfait (il avait mangé) sp. pretérito pluscuamperfecto (había comido) kat. pretèrit imperfet (havia menjat)
6 Ob – und ab wann, d. h. ab welchem Grad der Grammatikalisierung – zusammengesetzte Tempora (die ja periphrastische, analytische Konstruktionen sind) zu den Konstituenten eines Verbalsystems im engeren Sinne gerechnet werden können, ist eine viel diskutierte Frage. Vgl. dazu u. a. Rojo/Veiga (1999, 2869–2871). 7 Die hier verwendeten Bezeichnungen für die einzelnen Formen (zu denen es auch einige Alternativen gibt) stammen aus verschiedenen Quellen: Bertinetto (1986 und 2001) für das Italienische, Grevisse/Goosse (142008) für das Französische, RAE (2009) für das Spanische, Badia i Margarit (1994) für das Katalanische.
Zukunft
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
13
Einfache Tempora
Zusammengesetzte Tempora
it. futuro semplice (mangerà) fr. futur simple (elle mangera) sp. futuro simple (comerá) kat. futur simple (menjarà)
it. futuro composto (avrà mangiato) fr. futur antérieur (elle aura mangé) sp. futuro perfecto (habrá comido) kat. futur compost (haurà menjat)
Tab. 1: Tempora im Italienischen, Französischen, Spanischen und Katalanischen8
Eine solche Klassifizierung – die sich an derjenigen der traditionellen Grammatiken orientiert – soll aber nur einen groben Überblick verschaffen, denn sie weist einige Grenzen und Schwierigkeiten auf. In Tabelle (1) werden etwa die Formen des Konditionals nicht aufgeführt, da diese in der grammatikographischen Tradition der romanischen Sprachen nicht einheitlich behandelt werden: Der Konditional kann nämlich als Tempusform innerhalb des Indikativs betrachtet werden,9 oder aber ihm wird ein Modus-Status zugesprochen (vgl. z. B. Bertinetto 1986), der seinerseits zwei Tempusformen hat (eine für die Gegenwart, eine für die Vergangenheit). Auch werden hier diejenigen periphrastischen Konstruktionen nicht aufgeführt, deren Verwendung als Tempora mittlerweile sehr üblich ist, wie die im Französischen und im Spanischen verwendeten futurischen periphrastischen Konstruktionen aller + Infinitiv und ir a + Infinitiv oder die französischen formes surcomposées (elle a eu mangé, il avait eu mangé).
1.2.2 Aspekt – eine grammatikalische, nicht-deiktische Kategorie Die in den Beispielen (1a–d)–(4a–d) enthaltenen morphologischen Markierungen sind kumulative Morpheme: Sie vermitteln mehrere grammatikalische Informationen gleichzeitig. Vergleicht man (1a–d) mit (5a–d) und (6a–d), ist kein Unterschied in Bezug auf die in den Verbmorphemen enthaltenen temporalen Informationen zu finden (alle Verbalformen sind im Präsens), wohl aber in denjenigen modaler Art, denn während die Morpheme in den Beispielen (1a–d) Indikativ bedeuten, bedeuten diejenigen in (5a–d) und (6a–d) jeweils Imperativ und Konjunktiv:10
8 Das Katalanische kennt neben der analytischen Form auch eine periphrastische Form des Perfekts, das pretèrit perfet perifràstic. Dieses wird aus der Kombination des Verbs anar als Hilfsverb und des Infinitivs des jeweiligen Hauptverbs gebildet. 9 Vgl. z. B. Grevisse/Goosse (142008) für das Französische, RAE (2009) und Rojo/Veiga (1999) für das Spanische, Perea (2002) und Badia i Margarit (1994) für das Katalanische. 10 Es sind also Informationen, die die Stellungnahme des Sprechers zur Geltung des durch eine Äußerung ausgedrückten Sachverhalts (in der aktuellen Welt) betreffen und in diesem Fall auch grammatikalisch durch Modi ausgedrückt werden.
14 (5a) it. (5b) fr. (5c) sp. (5d) dt. (6a) it. (6b) fr. (6c) sp.
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Leo, prendi [Pres. Imp.] un cornetto al cioccolato!
Léo, prends [Prés. Imp.] un croissant au chocolat! ¡Leo, toma [Pres. Imp.] un cruasán con chocolate! Julia, nimm [Präs. Imp.] ein Schokocroissant!
Che Leo ora prenda [Pres. Cong.] un cornetto al cioccolato, lo vedo. Il faut que Léo prenne [Prés. Subj.] un croissant au chocolat.
Es necesario que Leo coma [Pres. Subj.] un cruasán con chocolate.
(6d) dt. Leo meint, Julia nehme [Präs. Konj.] gerne ein Schokocroissant zum Frühstück.
Vergleicht man nun aber weiter die Beispiele (2a–d) und (3a–d) miteinander, stellt man fest, dass diese auf der temporal-deiktischen wie auch auf der modalen Ebene keine Unterschiede aufweisen: Beide Formen stehen in der Vergangenheit und beide im Indikativ. Auch wird dabei evident, dass das deutsche Verbalsystem dafür kein angemessenes Äquivalent bietet;11 um eine Entsprechung des Oppositionspaars mangiò/mangiava, mangea/mangeait oder comió/comía im Deutschen zu finden, muss auf lexikalische Lösungen (wie in (7a)), auf periphrastische Konstruktionen (bei denen ja auch die lexikalische Komponente eine wesentliche Rolle spielt, wie in (7b)), oder aber auf weitere syntaktische Alternativen zurückgegriffen werden (also auf die Hinzufügung weiterer Informationen im Satz), wie Beispiel (7c) zeigt: (7a) dt. (7b) dt. (7c) dt.
Julia aß [Prät.] ein Schokocroissant auf.
Julia war [Prät.] dabei, ein Schokocroissant zu essen.
Julia aß [Prät.] ein Schokocroissant, als Leo sie anlächelte.
Der Unterschied zwischen (2a–c) und (3a–c) wird in der Literatur gewöhnlich als «aspektuell»12 definiert und damit einer anderen Verbalkategorie zugeschrieben, eben der des Aspekts. Spricht man von Aspekt, so bezieht man sich traditionell auf die morphologische Möglichkeit (insbesondere in der Flexion), die interne oder ihnen eigene zeitliche Struktur von Sachverhalten und den Blickwinkel, aus dem man sie betrachtet, auszudrücken.13 Es handelt sich um eine Definition, die
11 Die Verbalform aß in (2d) ist identisch mit der Form in (3d), was verdeutlichen soll, dass es die hier ausgedrückte kategoriale Opposition – in dieser grammatikalisierten Form – im Deutschen eben nicht gibt. 12 Ich möchte noch einmal betonen, dass hier das Adjektiv «aspektuell» in Bezug auf Aspekt, «aspektual» in Bezug auf den allgemeinen semantischen Bereich der Aspektualität verwendet wird. 13 «Nella grammatica tradizionale la differenza tra (1) e (3) [Leo raccolse foglie in giardino und Leo raccoglieva foglie in giardino sds] viene ricostruita attribuendo ai sintagmi verbali valori
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
15
historisch aus der Betrachtung und Erforschung der Struktur und des Verhaltens des Verbalsystems der slavischen Sprachen stammt, welche – unter diesen insbesondere das Russische – aspektuale Inhalte in beträchtlichem Maße grammatikalisch ausdrücken. Auch handelt es sich um eine häufig in negativum gegebene – oder zumindest durch die Litotes präziser abgegrenzte – Definition, wie die auf Holt (1943) basierende von Comrie (1976) gut zeigt: «However, although both aspect and tense are concerned with time, they are concerned with time in very different ways. As noted above, tense is a deictic category, i. e. locates situations in time, usually with reference to the present moment, though also with reference to other situations. Aspect is not concerned with relating the time of the situation to any other time-point, but rather with the internal temporal constituency of the one situation; one could state the difference as one between situation-internal time (aspect) and situation-external time (tense).» (Comrie 1976, 5)
Mit dem Tempus teilt der Aspekt die Grammatikalität – mit anderen Worten die Form, das formale Organisationsprinzip, durch das die zeitlichen Inhalte ausgedrückt werden – und folglich auch die Charakteristika, die traditionellerweise in Verbindung mit dieser gesehen werden (wie z. B. die Obligatorietät und die morphologische Gebundenheit). Anders als beim Tempus handelt es sich aber um keine deiktische Kategorie, da der Aspekt keine weiteren Bezugspunkte benötigt, um die vermittelten zeitlichen Inhalte auszudrücken.14 Das Perfektivum und das Imperfektivum stellen die zwei wichtigsten Ausformungen, die zentrale Opposition des Aspekts dar; sie können jeweils a) als ganzheitliche Betrachtung eines Sachverhalts – ohne auf seine innere Strukturie-
aspettuali diversi: rispettivamente quello perfettivo e quello imperfettivo. L’idea è che la flessione verbale non si limiti quindi a fornire un tipo di informazione strettamente temporale, ma che comporti anche un riferimento alla struttura interna degli eventi (o sequenze di eventi) e al punto di vista da cui li si considera.» (Bonomi/Zucchi 2001, 49). 14 Terminologisch kann man nach Heger (1963, 16s.) auf Bühler (1934) aufbauend, zwei Typen von Begriffen (und daher auch von Kategorien) unterscheiden: «definitorische» und «deiktische». Bühler unterscheidet nämlich zwischen einem «Symbolfeld», dem eine «Nennfunktion» zugeordnet wird, und einem «Zeigefeld», dem eine «Zeigfunktion» zugeordnet wird. Durch die Nennfunktion werden unabhängig von dem jeweiligen konkreten Sprechkontext sprachliche Kategorien bezeichnet, d. h. es wird dabei eine Bedeutung dargestellt, die einer Definition gleichwertig ist. Durch die Zeigfunktion werden hingegen die bezeichneten Begriffe nicht im gerade erklärten Sinne definiert, sondern sie stellen «Ankerpunkte» innerhalb eines Bezugssystems dar, in die jeder definitorische Begriff eintreten kann: Sie sind also Variablen, die im konkreten Sprechkontext verschieden zugeordnet werden können. Tempus könnte in diesem Sinne als eine deiktische, Aspekt (und Aktionsart, vgl. unten) als eine definitorische Kategorie bezeichnet werden. Allerdings kommt Heger (1963) gerade bezüglich der Deiktizität von Aspekt zu einem anderen Schluss.
16
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
rung zu achten – und b) als Betrachtung der inneren Strukturierung eines Sachverhalts unabhängig von seiner Gesamtdarstellung definiert werden (vgl. hierzu Comrie 1976, 16). Eine übliche Klassifizierung der Ausformungen des Aspekts wird in der folgenden Tabelle (2) wiedergegeben: Aspekt
perfektiv imperfektiv
habituell kontinuativ
non-progressiv progressiv
Tab. 2: Aspekt-Oppositionen nach Comrie (1976, 25)
In den romanischen Sprachen kann man die grammatikalisierte aspektuelle Grundopposition perfektiv vs. imperfektiv nur auf der Ebene der Vergangenheit finden, was in (8a–b)–(11a–b) exemplarisch gezeigt wird:15 (8a) it. (8b) it. (9a) fr. (9b) fr. (10a) sp. (10b) sp. (11a) kat. (11b) kat.
Leo mangiava [Imp.] un cornetto al cioccolato molto soddisfatto.
Leo mangiò [Perf. Sem.] un cornetto al cioccolato molto soddisfatto.
Léo ne savait [Imp.] pas prononcer le ‹r› italien.
Léo ne sut [Pass. Sim.] pas prononcer le ‹r› italien.
Leo comía [Imp.] triste un osito de gominola, cuando Julia salió. Leo comió [Perf. Sim.] triste un osito de gominola.
Leo parlava [Imp.] amb la Julia, quan la Maria va venir. Leo parlà/va parlar [Pret. Perf. Sim./Per.] amb la Julia.
Die zeitliche Struktur der jeweils in (8a)–(11a) ausgedrückten Sachverhalte weist Züge der Unbestimmtheit und der Unabgeschlossenheit auf, da die Sachverhalte nicht global, in ihrer Ganzheit gesehen werden; sie werden vielmehr in ihrem Ablauf dargestellt und ein Teil oder einer ihrer konstitutiven Momente (t1, t2, t3, … tn) wird in der Betrachtung fokussiert. Durch mangiava in (8a) zum Beispiel wird der Sachverhalt mangiare un cornetto in seinem Ablauf dargestellt, denn man kann keinen Anfangs- und Endpunkt des Sachverhaltes identifizieren (und daher
15 Im Folgenden wird nur Beispielpaar (8a)–(8b) genauer analysiert, das auch für die anderen repräsentativ ist.
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
17
auch nicht wissen, ob Leo im Moment des Sprechakts tatsächlich noch isst oder ob er das Schokocroissant schon aufgegessen hat). Folgende graphische Darstellung (Abbildung (4)), in der der Sachverhalt dunkelgrau, sein im Verlauf betrachteter Bereich hellgrau hinterlegt ist, soll die zeitliche Struktur des imperfektiven Aspekts veranschaulichen: (8a) it.
Leo mangiava [Imp.] un cornetto al cioccolato molto soddisfatto.
t 1, t 2, t 3, t 4, t 5, … tn Abb. 4: Imperfektiver Aspekt
Dagegen drückt die zeitliche Struktur der in (8b)–(11b) dargestellten Sachverhalte Abgeschlossenheit aus, denn keiner ihrer konstitutiven Momente (t1, t2, t3, … tn) wird besonders fokussiert, sondern er wird global dargestellt. Durch mangiò in (8b) wird der Sachverhalt mangiare un cornetto als ein vollendetes, durch einen Anfangs- und einen Endpunkt klar abgegrenztes Ganzes dargestellt, denn alle konstitutiven Momente (t1, t2, t3, … tn) des Sachverhalts – und daher natürlich auch t1 und tn – werden umfasst (wenn auch nicht genauer betrachtet): Leo hat begonnen zu essen, ist darin fortgefahren und hat es beendet.16 Im Moment des Sprechakts ist das Croissant vollständig verschwunden.17 Graphisch kann man
16 Der weitere Fortgang jenseits des Intervalls, auf das sich die Aussage bezieht, ist ausgeschlossen, da dieses Intervall gleichzeitig seine Globalität darstellt. Die Gegenüberstellung von Beispielen wie (8a) und (8b) mit den folgenden, von denen das zweite nicht akzeptabel (und nicht grammatikalisch) ist, macht dies noch deutlicher: (a) Leo mangiava il cornetto al cioccolato, quando gli cadde a terra e non lo poté finire di mangiare. vs. (b) *Leo mangiò il cornetto al cioccolato, quando gli cadde a terra e non lo poté finire di mangiare. 17 Im Spanischen kann man in der Opposition zwischen comió/ha comido (un osito de gominola) und se comió/se ha comido (un osito de gominola) ein Äquivalent der deutschen Opposition er hat ein Gummibärchen gegessen und er hat ein Gummibärchen aufgegessen finden. In beiden Sprachen handelt es sich in beiden Fällen um abgeschlossene, vollendete Sachverhalte (im Moment des Sprechakts ist das Gummibärchen vollständig verschwunden), allerdings ist der Schwerpunkt der Darstellung dieser Sachverhalte unterschiedlich: Bei se comió/se ha comido (un osito de gominola) und er hat ein Gummibärchen aufgegessen wird dem Resultat des Sachverhalts Relevanz gegeben und nicht nur seiner Vollendung wie bei comió/ha comido (un osito de gominola) und er hat ein Gummibärchen gegessen. Wir werden sehen, wie dieser Unterschied in dem hier vorgestellten Modell durch unterschiedliche Ausformungen einer der Perspektiven der Aspektualität (Umgebungsbezug) erklärt und dargestellt wird (vgl. insb. § 4.4.4.1).
18
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
die zeitliche Struktur des perfektiven Aspekts etwa wie in Abbildung (5) veranschaulichen: (8b) it.
Leo mangiò [Perf. Sem.] un cornetto al cioccolato molto soddisfatto.
t 1, t 2, … t n Abb. 5: Perfektiver Aspekt
Bei der klassischen Definition von Aspekt (so wie sie z. B. in Bertinetto (1986) gegeben wird, vgl. § 1.3.1) verwendet man im Detail verschiedene Kriterien, sowohl formaler (die ersten beiden in der folgenden Auflistung) als auch semantischer Natur (das dritte), die für eine präzise Auseinandersetzung mit aspektualen Kategorien genau und voneinander getrennt zu identifizieren sind.18 Aspekt sei also eine Kategorie: –– die grammatikalisch, flexiv, aber nicht-deiktisch ist; –– die obligatorisch ist, weil sie grammatikalisch ist, d. h. weil sie durch Verbflexion (oder durch grammatikalisierte Verbalperiphrasen) ausgedrückt wird und daher von der Satzsyntax verlangt wird; –– die subjektiv ist, weil sie die vom Sprecher frei gewählte Perspektive ausdrückt, durch welche er die interne zeitliche Strukturierung des Sachverhalts darstellt (z. B. in einer Phase seines Verlaufs, eben als imperfektiv, oder in seiner Globalität, als perfektiv). Dass beispielsweise das Deutsche keine vergleichbare flexiv grammatikalisch markierte Aspekt-Opposition aufweist, bedeutet aus dieser traditionellen – meist einzelsprachlich und semasiologisch konzipierten – Perspektive heraus, dass es sich um eine Sprache ohne Aspekt handelt. Diesem Ansatz folgend ist dann ein Vergleich mit den romanischen Sprachen sehr schwierig, da das Deutsche sich einer weiteren Verbalkategorie bedient, um aspektuale Inhalte auszudrücken, der der Aktionsart, die es auf den nächsten Seiten nun näher zu betrachten gilt.
18 Vgl. Kap. 2 für eine kritische Behandlung dieses Themas.
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
19
1.2.3 Eine terminologisch-definitorische Parenthese Noch bevor die Frage angegangen werden kann, was Aktionsart genau ist, soll kurz die Geschichte der Termini Aspekt und Aktionsart skizziert werden. Denn hinter der Geschichte der Neuschöpfung, Übernahme und Verwendung dieser Begriffe verbirgt sich auch die Entdeckung bzw. die Neuentdeckung dieser beiden Kategorien sowie ihre Bestimmung und Differenzierung. Der Ursprung des Terminus Aspekt ist in einigen Abhandlungen tschechischer Humanisten zu finden;19 er scheint einer Spezialisierung des Sinns des griechischen Begriffs εἶδος (‘äußere Form’) zu entspringen, der von den antiken Grammatikern für die Bezeichnung einer Klasse benutzt wurde, die von einer größeren lexikalischen Kategorie abgeleitet ist. Insbesondere bezeichneten die griechischen Grammatiker damit «Formkategorien innerhalb des verbalen und nominalen Derivationssystems in ihrem formalen Gegensatz zu den nicht abgeleiteten Grundwörtern» (Pollak 1988, 22). So hat die russische Lehnübersetzung vid diese neue spezifischere Bedeutung übernommen. In der hier relevanten Bedeutung führt Reiff 1829 den Terminus «Aspekt» (im 15. Jh. aus dem Lateinischen entlehnt: aspicere, ‘erblicken’ oder ‘anblicken’) als Übersetzung des russischen Terminus vid ins Französische in die westeuropäische Sprachforschung ein. Ein terminologischer Konkurrent für die Beschreibung dieser Kategorie wird aber bald danach vorgeschlagen, denn Curtius (1846) bevorzugt den Terminus «Zeitart» (den er vom Begriff der «Zeitstufe» unterscheidet).20 Einige Jahre später, 1885, ersetzt Brugmann «Zeitart» durch «Aktionsart», ein Terminus, den man auch in Meyer-Lübkes Grammatik der romanischen Sprachen finden kann. Schließlich ist es Agrells Monographie Aspektänderung und Aktionsartbildung beim polnischen Zeitwort (1908), die den Durchbruch des Terminus «Aspekt»21 gegenüber «Zeitart» markiert und die «bis dahin synonyme terminologische Zweiheit: Aspekt – Aktionsart für eine grundsätzliche Begriffsdifferenzierung» (Pollak 1988, 23) verwendet.22
19 Vgl. dazu Bertinetto (1986, 81), der sich seinerseits auf Piva (1979) bezieht. Pollak (1988, 20s.) nennt als erstes Beispiel der Beschäftigung mit dieser Kategorie insbesondere die Pionierarbeit des Prager Gelehrten Benedikt Vavřìnec von Nudožer, der 1603 das slawische System in seinen wesentlichen Zügen darstellte. 20 Gerade in diesem Werk wirft im Übrigen Curtius als erster die Frage der grundsätzlichen Homogenität des griechischen und des slavischen Verbalsystems auf. 21 Für eine detailliertere Geschichte des Terminus vgl. Pollak (1988), Bertinetto (1986), Piva (1979). 22 Nach Agrell handelt es sich beim Aspekt um eine Kategorie, die im slavischen Verbalsystem die beiden Hauptkategorien des slavischen Zeitwortes ausdrückt, die unvollendete und die vollendete Handlungsform (das Imperfektivum und das Perfektivum). Aktionsarten seien hingegen
20
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
An dieser Stelle ist vielleicht eine Präzisierung nötig, die einen weiteren Einblick in die verzwickte Terminologie der verschiedenen philologischen Traditionen gibt: Der Terminus «Aktionsart» wird heute in der slavistischen Tradition23 im Sinne von Isačenko (1962) verwendet, der hiermit verschiedene lexikalische Klassen von deverbalen, per Präfigierung oder per Suffigierung abgeleiteten Verben bezeichnet (vgl. Schwall 1991, Breu 2000 und Anstatt 2003). Demgegenüber wird «Aktionsart» in der romanistischen Fachliteratur wie auch in der germanistischen oder anglistischen als die Art verstanden, durch die das Verblexem die zeitliche Strukturierung des Sachverhalts ausdrückt, d. h. als der zeitbezogene semantische Gehalt, der durch die lexikalische Komponente des Verbs erbracht wird.24
1.2.4 Aktionsart – eine lexikalische Kategorie Aktionsart wird meist als eine mit dem «konstanten» semantischen Inhalt verbundene Kategorie definiert, die in der lexikalisch kodifizierten und fixierten Komponente des Verbalprädikats verankert ist. Diese wird als Ausdruck der Art des zeitlichen Ablaufs (Struktur und Artikulation) des vom Verb «objektiv» ausgedrückten Sachverhalts angesehen, als Ausdruck der Natur der zeitlichen Information, die Teil dieses Inhalts und daher dazu bestimmt ist, mit der Semantik des Tempus und des Aspekts zu interagieren (vgl. Bonomi/Zucchi 2001, 50). Diese Art des zeitlichen Ablaufs von Sachverhalten stellt sich sehr verschieden dar, daher ist meistens im Plural von «Aktionsarten» die Rede oder aber von «aktionalen (Verb-)Klassen». Schon Aristoteles hatte den Unterschied zwischen dem, was heute «telische» und «atelische» Prädikate genannt wird, betont,25 wich-
Bedeutungsfunktionen der Verbalkomposita, die genauer ausdrücken, wie die Handlung vollbracht wird (vgl. Agrell 1908, 78ss.). Der Begriff «Aspekt» hat sich als internationaler terminus technicus entwickelt, zunächst in den romanischen und nordgermanischen Sprachen (aber auch im Englischen und Niederländischen) und später in der deutschen und slavischen Fachliteratur (vgl. Pollak 1988, 23). 23 Zum russischen und slawischen Aspekt allgemein vgl. u. a. V. Lehmann (1993, 1997 und 1999), Breu (2000), Dickey (2000) und Anstatt (2003). 24 «Aktionsarten» werden in diesem Sinne als «aktionale Klassen» verstanden und definiert. Solche Aktionsarten entsprechen den «lexikalischen aktionalen Funktionen» (LAFs) der neueren slavistischen Literatur: vgl. V. Lehmann (1992 und 1999) und Anstatt (2003), die die Verbklassen darstellen, die sich aus den unterschiedlichen Kombinationen lexikalischer aktionaler Eigenschaften ergeben. 25 Aristoteles unterscheidet zwischen kineseis und energeiai (vgl. z. B. Aristoteles, Metaphysik 1048a, 25–1048b, 18–35). Zu Aristoteles’ Definition und Unterscheidung von aktionalen Klassen vgl. Dowty (1979), Kenny (1963), Verkuyl (1993) und Haug (2004).
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
21
tiger Gegenstand der linguistischen Untersuchung sind die aktionalen Klassen aber vor allem seit ihrer Klassifikation durch Zeno Vendler (1957 bzw. 1967),26 der zwischen vier Typen – activities, accomplishments, achievements und states – unterscheidet.27 Es handelt sich um eine Art Kreuzklassifikation der Kriterien «Dauer», «Telizität» und «Dynamis»: In Bezug auf die Dauer werden «durative» – also aus mehreren aufeinanderfolgenden Zeitpunkten (t1, t2, t3, … tn), aus mehreren Phasen zusammengesetzte Sachverhalte – und «nicht-durative», sich nur in einem Zeitpunkt tx ereignende Sachverhalte unterschieden. In Bezug auf die Telizität werden «telische» Sachverhalte – die sich einem dem Sachverhalt eigenen Ziel zuneigen, jenseits dessen sie definitiv abgeschlossen sind – und «nicht-telische» unterschieden, die ein solches Ziel nicht aufweisen. In Bezug auf die Dynamis werden schließlich «dynamische» und «statische» Sachverhalte unterschieden, die jeweils qualitativ verschiedene Phasen (oder Momente) oder aber keine solchen aufweisen. Daraus ergeben sich die vier Typen von Verbklassen, die in Tabelle (3) in der jeweiligen Kombination der genannten Kriterien beschrieben (in der ersten Spalte links) und durch Beispiele erläutert werden (in den rechten vier Spalten):28 Italienisch
Französisch
Spanisch
Deutsch
achievements + telisch, – durativ, + dynamisch
tagliare il traguardo
trouver
arribar
ankommen
accomplishments + telisch, + durativ, + dynamisch
mangiare una mela
traverser la rue
envejecer
von Rom nach Paris fahren
26 Noch vor und unabhängig von Vendler hat Maslov (1948) die Verbindung zwischen aspektuellem Verhalten der Verblexeme und ihrer lexikalischen Bedeutung (also den Aktionsarten) in einer für die slavistische aspektologische Forschung nun zentrale Arbeit (Der Aspekt und die lexikalische Bedeutung des Verbs in der modernen russischen Standardsprache) betont (vgl. dazu Anstatt 2003, 7ss.). 27 Im Deutschen: «transformativ», «resultativ», «kontinuativ» und «stativ». 28 Eine der schärfsten Kritiken an der Klassifikation Vendlers ist diejenige von Mourelatos (1978): Seiner Meinung nach vernachlässigt Vendler gerade die sehr enge Beziehung, die zwischen den Typen der Prädikate und dem Aspekt (in seinem traditionellen Verständnis als grammatische Kategorie) besteht.
22
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Italienisch
Französisch
Spanisch
Deutsch
activities – telisch, + durativ, + dynamisch
camminare
fumer
correr
schlafen
states – telisch, + durativ29, – dynamisch
sapere
être grand(e)
habitar
wissen
Tab. 3: Aktionale Klassen, in Anlehnung an Vendler (1957 bzw. 1967) 29
So ereignen sich Sachverhalte wie tagliare il traguardo und ankommen nur in einem Zeitpunkt (t1), während in traverser la rue, correr und von rom nach paris fahren mehrere aufeinanderfolgende Zeitpunkte (t1, t2, t3, … tn) oder mehrere Phasen identifizierbar sind. Auch sind Sachverhalte wie mangiare una mela, trouver und envejecer Sachverhalte, die nicht weitergeführt werden können, wenn sie ihr natürliches oder internes Ziel erreicht haben (nachdem ich einen Apfel gegessen habe, kann ich ihn nicht weiter essen, er ist nicht mehr da; nachdem ich etwas gefunden habe, kann ich es nicht weiter finden, denn es ist nun in meiner Hand).30 Schließlich sind in Sachverhalten wie camminare, correr und schlafen qualitativ verschiedene Zeitpunkte (t1, t2, t3, … tn) oder Phasen erkennbar (ich kann in t2 etwa tiefer oder unruhiger als in t3 schlafen), während diese bei Sachverhalten wie être grand(e) oder wissen, wo jeder Moment gleich wie jeder andere ist, nicht qualitativ zu unterscheiden sind. Zu den statischen Prädikaten ist eine kleine Parenthese notwendig, die auch in den späteren Kapiteln für die Behandlung von Sachverhalten, in denen solche Prädikate erscheinen, wichtig sein wird. Es wurde häufig vorgeschlagen, Unterschiede im Verhalten von (perfektiven) Tempora in Kombination mit states auf die Tatsache zurückzuführen, dass diese in zwei Untergruppen zu unterteilen seien, und damit diese Unterschiede zu erklären. Seit Carlson (1977) ist in formal orientierten Arbeiten eine Unterteilung zwischen Stadienprädikaten und Individuen-
29 Die Interpretation des Kriteriums der Dauer bei states ist nicht einheitlich: Entweder werden sie als durative Sachverhalte interpretiert (dass man klein ist, kann nicht als punktuell beschrieben werden), oder aber, da sie Eigenschaften darstellen, als atemporal, und daher als jenseits der Dauer (permanent) betrachtet. 30 Fälle wie envejecer (‘alt werden’), die eine Art «inkrementatives Telos» aufweisen, stellen allerdings eine Schwierigkeit für solche Interpretationen dar. Davon wird mehrmals die Rede sein und eine alternative Lösung für die Analyse solcher Fälle gegeben.
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
23
prädikaten immer gängiger geworden: Stadienprädikate (stage level predicates) bezeichnen temporäre bzw. akzidentelle Eigenschaften, Individuenprädikate (individual level predicates) permanente bzw. essenzielle Eigenschaften.31 Auch diese feingliedrige Unterscheidung hilft aber bei der abschließenden Klärung der Frage leider nicht weiter, denn die Akzeptabilität der Kombinierbarkeit mit perfektiven Tempora wie dem passé simple variiert auch innerhalb der Klasse der Individuenprädikate, wie die folgenden Beispiele zeigen: (12a) (12b) (12c)
Julie détesta [Pass. Sim.] Jean. Julie fut [Pass. Sim.] fâchée.
Julie fut [Pass. Sim.] intelligente/belle.
(12d)
?
(12e)
?
Julie fut [Pass. Sim.] blonde.
Le soleil fut [Pass. Sim.] lumineux.
(12a), (12b) und (12c) sind wohlgeformte und akzeptable Sätze. Auch die Beispiele (12d) und (12e) stellen grammatisch wohlgeformte Sätze dar, sie zeigen aber eine pragmatische Anomalie. Die Unterschiede in der Kombinierbarkeit des passé simple mit unterschiedlichen stativen Ausdrücken sind meines Erachtens nicht auf der in der Grammatik und im Lexikon ausgedrückten aspektualsemantischen Ebene zu finden. Die Erklärung ist vielmehr auf pragmatischer Ebene zu suchen: Auf Basis ihres Weltwissens nehmen Sprecher und Hörer verschiedene permanente bzw. essenzielle Eigenschaften offensichtlich als unterschiedlich permanent wahr (so dass einige Prädikate eine temporäre Interpretation zulassen, andere nicht): In Julie fut fâchée kann ihr Ärger an einem begrenzten zeitlichen Rahmen festgemacht werden, was die Kombination mit einem extern abgegrenzt charakterisierten Element wie dem passé simple akzeptabel macht; dasselbe gilt für Julie fut intelligente/belle, wo als Rahmen auch ein begrenzter Zeitraum impliziert wird, bis hin zu dem maximalen für einen Menschen möglichen, nämlich seinem Leben: Dass Julie schön gewesen ist, heißt entweder, dass sie es in ihrer Jugend war und nicht mehr ist oder dass
31 Als Test zu ihrer Unterscheidung wird unter anderem ihre Kombinierbarkeit mit situationsbezogenen (rahmensetzenden) lokalen Modifikatoren benutzt, die nur bei Stadienprädikaten möglich ist, nicht aber bei Individuenprädikaten. Beispiele dieses Tests sind: (a) Julie détesta Jean – (a’’) *Julie déteste Jean dans la cuisine; (b) Julie fut fâchée – (b’’) Julie est fâchée dans la cuisine; (c) Julie fut intelligente/belle – (c’’) *Julie est intelligente/belle dans le bus; (d) ?Julie fut blonde – (d’’) *Julie est blonde à l’université – (e) ?Le soleil fut lumineux – (e’’) *Le soleil est lumineux dans le grenier. Interessant für das Thema im Allgemeinen ist auch die Diskussion zu den sogenannten stupid predicates, vgl. Meunier (1999) und Oshima (2009).
24
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
sie nicht mehr lebt.32 Schwierigkeiten entstehen da, wo die Eigenschaften als angeboren und in einer Art gültig angesehen werden (wie Rothaarigkeit oder braune Augen), dass es unmöglich wird, einen zeitlichen Rahmen festzumachen, der diese umfasst, die also auch als unabhängig von der Lebenszeit wahrgenommen zu werden scheinen. Nur sehr besondere Kontexte, die, anders als oben, nicht auf einer auf Kooperation und Ökonomie basierenden Kommunikationsebene impliziert/implikatiert werden können, erlauben eine Auflösung und damit einen Satz wie: Marie eut les yeux bleus jusqu’à l’opération.33 Kehren wir aber zur Aktionsart zurück: Die Unterkategorisierungen der Aktionsarten orientieren sich in den Klassifikationen der Typen von Prädikaten in den romanischen Sprachen ebenso wie im Deutschen in etwa an den Kriterien der klassischen vendlerschen (1957/67) Verbtypologie; es sind allerdings verschiedene Varianten dieser Klassifikation in der Forschung zu finden (vgl. u. a. Maslov 1948/84, Mourelatos 1978, Bertinetto 1986, Smith 1991).34 Alle tragen jedoch mittlerweile einem wichtigen Punkt Rechnung, auf den Verkuyl (1972) als einer der ersten Aspektologen aufmerksam gemacht hatte, nämlich, wie problematisch es ist, einfache Verbklassifizierungen – wie es eben diejenige Vendlers ursprünglich war – zu verwenden, also Verben unabhängig von ihrer Argumentstruktur zu behandeln. Denn während beispielsweise mangiare als activity und daher als atelisches Verb klassifiziert würde, wäre mangiare una mela, wie oben gezeigt, ein accomplishment, also ein telisches Verb. Verkuyl weist also auf die Rolle der
32 Derartiger Argumentationen werde ich mich in den Kapiteln 4, 5 und 6 bedienen, um das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Elementen und dem Kontext im Ausdruck der verschiedenen Formen von Aspektualität darzustellen. 33 Ich stütze mich in dieser Interpretation auf Maienborns Arbeit zu Kopula-Sätzen (2003), die sich, wenn sie ihren Schwerpunkt auch nicht auf die Kombinierbarkeit der Stadien/IndividuenPhänomene mit Tempora legt, gegen ihre Behandlung in der Grammatik und für eine genuin pragmatische Lösung ausspricht. Sie spricht von einem «Temporaritätseffekt», d. h. von der Präferenz von einigen Prädikaten für die Interpretation als temporäre Eigenschaften. Bei Prädikaten, die keine temporäre Interpretation zulassen, führt der Temporaritätseffekt zu pragmatischer Anomalie (Maienborn 2003, 178ss.). States nach Vendler (sowie Kopula-Prädikativ-Konstruktionen, gleich ob sie stage level predicates oder individual level predicates sind) sind a) als Indefinitivkomplemente von Perzeptionsverben ausgeschlossen (*Leo vede Julia sapere l’inglese; *Leo vede Julia essere bionda/ubriaca); lassen b) keine Kombination mit situationsbezogenen lokalen Modifikatoren zu (*Leo è spiritoso/bello/alto all’università; *Leo ha i capelli rossi in autobus). 34 So sind z. B. für Bertinetto (1986) achievements (trasformativi) und accomplishments (risultativi) Untertypen von telischen Verben (vgl. § 1.3.1); für Mourelatos (1978) sind achievements (oder Bertinettos trasformativi), accomplishments (Bertinettos risultativi) und activities (Bertinettos continuativi) Unterkategorisierungen des Typs occurrence, der seinerseits in events und processes unterteilt ist. Processes sind das Äquivalent von activities, während events wiederum in punctual occurrences (=achievements) und developments (=accomplishments) unterteilt sind.
Tempus, Aspekt und Aktionsart – die traditionelle Definition
25
Valenz des Verbs hin und schlägt vor, die aspektuale Interpretation eines Sachverhalts auf den lexikalisch-grammatikalischen (morpho-syntaktischen) Komplex zurückzuführen, den das Verb und seine Argumente zusammen bilden.35 Betrachtet man nun im Detail eine für die romanistische Forschung typische Definition von Aktionsart, wie diejenige Pérez Saldanyas, können dabei interessante Beobachtungen gemacht werden: «Si l’aspecte és una categoria gramatical associada a la flexió del verb (o a perífrasis molt gramaticalitzades), la modalitat de l’acció és una categoria eminentment lèxica, una categoria associada bàsicament al significat del predicat verbal. Si l’aspecte és una categoria subjectiva (una categoria del punt de vista), la modalitat de l’acció és una categoria objectiva, referida al tipus de situació designada. D’una forma come escurava, per exemple, es pot dir que té un’aspecte imperfectiu (o no delimitat); d’un predicat com escurar o d’una oració com En Lluís escurava es dirà que, des del punt de vista de la modalitat de l’acció, designa una situació dinàmica i durativa.» (Pérez Saldanya 2002, 2602)
Die Besonderheit dieser Definition besteht in der Tatsache, dass sie alle definitorischen Kriterien umfasst, die nicht zufällig als klassische Argumente für die Rechtfertigung der Trennung zwischen Aspekt und Aktionsart (im Zitat als modalitat de l’acció bezeichnet) verwendet werden. Auch stellt sie exemplarisch diese Art des Definierens durch Abgrenzung dar, die schon im Fall der Differenzierung zwischen Tempus und Aspekt zu finden war, eben litotisch. Aktionsart wird hier – wie oben der Aspekt wieder unter Vermischung formaler Kriterien (die ersten beiden in der folgenden Auflistung) und semantischer Kriterien (das dritte) – als eine Kategorie definiert, die die folgenden Eigenschaften aufweist: –– Sie ist lexikalisch und nicht grammatikalisch (wie der Aspekt), aber (wie der Aspekt und anders als das Tempus) nicht-deiktisch. –– Sie ist optional, also nicht obligatorisch (wie es im Gegenteil dazu die grammatikalischen Kategorien sind). Die Argumentation dafür ist folgende: der Sprecher kann wählen, welches Verb er in einer Äußerung verwendet und welches er nicht verwendet (er kann aber nicht entscheiden, keine Flexionsmarkierungen zu benutzen, die von der Syntax gefordert werden). –– Sie ist objektiv und untrennbar mit den beschriebenen Sachverhalten verbunden: Die zeitliche Strukturierung der Sachverhalte ist dieser Interpretation zufolge von der Verbbedeutung gegeben und nicht dem durch den Sprecher bei ihrer Darstellung frei gewählten Blickwinkel unterworfen.
35 Verkuyl (1972) wies als einer der Ersten auf die Relevanz der Interdependenz von Verb und Argumenten für die Analyse aspektualer Informationen hin.
26
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Auch wurde in den definitorischen Bemühungen häufig betont, dass es sich um eine in dem oben geklärten Sinne objektive Kategorie handle, da Aktionsart als universale lexikalische Kategorie definierbar sei; es gibt jedoch eine Vielzahl von Gründen (nicht zuletzt die Tatsache, dass in den verschiedenen Sprachen der Welt die aktionalen Klassen nicht identisch verteilt sind), die mit Sasse (1991, 32) die Behauptung stützen, dass dies methodisch sehr problematisch ist. Auch auf diesen Punkt wird in Kapitel 2 bei der Behandlung der Aspektualität als onomasiologisch betrachteter Inhaltskategorie ausführlich eingegangen werden.
1.3 Z ur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze Im Folgenden sollen nun drei besondere Ansätze zur Interpretation von Tempus, Aspekt und Aktionsart vorgestellt werden, die dem Bereich der linguistischromanistischen Forschung zugeordnet werden können und die drei Extreme in der Interpretation der tempo-aspektuellen Beziehungen darstellen: Während Bertinettos Ansatz (1986) dem Aspekt und der Aktionsart eine wesentliche Rolle im italienischen Verbalsystem einräumt, verbannen Rojo und Veiga (1999) den Aspekt aus dem spanischen, das als rein temporales Verbalsystem interpretiert wird. Beide bleiben einer deiktischen Interpretation und einer linearen, einachsigen Darstellung von temporalen Verhältnissen verbunden. Das romanischsprachig vergleichende Modell von Coseriu (1976) schlägt hingegen eine Verdopplung der zeitlichen Achse und eine Reinterpretation von Zeitlichkeit als Beziehung von Vordergrund und Hintergrund (Aktualität und Inaktualität) vor.
1.3.1 Bertinettos Auffassung von Tempus, Aspekt und Aktionsart Die dem Verbalsystem des Indikativs gewidmete Monographie Bertinettos (1986) stellt, was die Auffassung der Kategorie Tempus betrifft, eine – wenn auch kritische – Anwendung des reichenbachschen Modells auf das Italienische dar: «In sostanza, si può asserire che il tempo linguistico36 funziona in senso topologico, non metrico; esso non misura intervalli, ma si limita a situare relazionalmente gli eventi, secondo l’idea di un prima, un durante, un dopo. E se misura la durata degli intervalli, lo
36 Was Bertinetto als «tempo linguistico» (‘Zeit in der Sprache’) definiert, wird hier als Inhaltskategorie der «Temporalität» bezeichnet (zur Definition von sogenannten «Inhaltskategorien» vgl. Kap. 2).
Zur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze
27
fa soltanto inglobando in sé, verbalizzandoli, gli strumenti che adoperiamo per la misurazione del tempo fisico.» (Bertinetto 1986, 23s.)
Die Tempora repräsentieren dabei – zusammen mit Zeitadverbialien – eines der beiden wichtigsten Mittel, die die Sprecher zur Verfügung haben, um das Voranschreiten der Zeit auszudrücken, und sind nichts anderes als:37 «la cristallizzazione, entro un preciso paradigma morfologico, di alcune opzioni fondamentali concernenti la possibile concettualizzazione dello svolgimento cronologico degli eventi.» (Bertinetto 1986, 25)
Die wesentliche Änderung, die Bertinetto vornimmt, ist mit seiner Kritik an Reichenbachs zu wenig spezifischer Auffassung des point of reference (R) verbunden. Insbesondere kritisiert er Reichenbachs Annahme, dass Temporaladverbien immer den R im Satz darstellen, als nicht notwendigerweise richtig (ganz besonders im Fall der einfachen Tempora).38 Bertinetto schlägt daher vor, einem Temporaladverb nur dann den Status des R zuzusprechen, wenn dieses dem point of event (E) folgt und es, wenn es gleichzeitig mit dem E ist, als «localizzatore temporale (dell’avvenimento), LT» (‘zeitlicher Lokalisator des Ereignisses’) zu definieren. Nachdem er betont, wie eng jede Entscheidung, die zur Interpretation einer Äußerung getroffen wird, mit dem Kontext der Äußerung verbunden sei, schlägt er vor, auch den Begriff eines «ancoraggio temporale» (‘zeitliche Verankerung’) hinzuzufügen. Dieser erlaube auf der Basis der Kriterien der Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit eine genauere Rekonstruktion der Beziehungen zwischen verschiedenen Sachverhalten in einer Äußerung.39
37 Bertinetto (1986, 24) betont, sich seinerseits auf Kiparsky (1968) beziehend, dass die Semantik der Temporaladverbien und der Tempora ähnlich ist, auch da Tempora diachron auf Temporaladverbien zurückführbar sind. Für eine neuere Untersuchung der Temporaladverbien aus typologischer Perspektive vgl. Haspelmath (1997). 38 «[…] per MR [=R sds] si intende un intervallo di tempo in cui il risultato di un evento viene valutato nella sua ‹compiutezza› […] il LT serve invece per situare il MA [=E sds] nel dominio del tempo, ma il suo emergere alla superfice dell’enunciato […] dipende da ragioni strettamente pragmatiche […] è errato associare il MR, nel senso qui definito, ai Tempi semplici […] il MR è invece normalmente postulato dai Tempi composti (fa tipicamente eccezione il Perfetto Composto romanzo in molti dei suoi usi), e deve risultare sempre inferibile, quanto meno, sulla base del contesto linguistico e situazionale.» (Bertinetto 1986, 73). 39 «[…] ricostruire l’esatta sequenza degli eventi, in termini di relazioni di anteriorità, simultaneità e posteriorità [è possibile sds] (i) attraverso la decifrazione di connettivi temporali […]; (ii) attraverso l’interazione dei Tempi verbali all’interno di uno stesso testo, dalla quale si ricavano gli ancoraggi temporali (=AT) indispensabili per una corretta ricostruzione della mappa cronologica del testo medesimo.» (Bertinetto 1986, 69). Er bezieht sich selbst auf Kamp/Rohrer (1983), um diesen Punkt weiter zu untermauern.
28
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Was den Aspekt betrifft, scheint auch Bertinetto eine Definition in litotischen Termini zu geben, denn sie wird hauptsächlich in Abgrenzung zum Tempus und – vor allem – zur Aktionsart aufgefasst.40 Für das italienische Verbalsystem stellt er die folgenden Aspekt-Oppositionen fest, die in Tabelle (4) veranschaulicht und anhand der Beispiele (13)–(17) genauer illustriert werden: Aspetto
imperfettivo
abituale progressivo continuo
perfettivo
compiuto aoristico
ingressivo41
Tab. 4: Aspekt im Italienischen, graphisch adaptiert aus: Bertinetto (1986, 119)41
Einige Unterschiede zu der von Comrie (1976) vorgeschlagenen Gliederung (vgl. oben § 1.2.2) sind bemerkenswert: Zum einen wird hier der Perfektiv in zwei Untertypen (compiuto und aoristico) unterteilt, wofür jeweils die Beispiele (16) und (17) stehen,42 zum anderen wird der Imperfektiv in drei auf derselben Ebene
40 «Se […] consideriamo un determinato processo da un punto di vista (per così dire) immanente, ossia avendo di mira la sua intima costituzione e le sue specifiche modalità di svolgimento (piuttosto che la sua localizzazione nel tempo e la rete di rapporti temporali in cui è inserito), allora quelle che vengono portate in primo piano non sono le proprietà specificamente temporali del verbo, bensì le sue proprietà aspettuali. Ad es. noi possiamo considerare una situazione nella sua globalità, come un singolo processo non ulteriormente analizzabile; oppure la possiamo cogliere in una certa fase del suo svolgimento; […] L’esempio più semplice ed immediato che si può addurre, in tema di caratterizzazioni aspettuali, è quello che riguarda la distinzione tra l’Imperfetto ed il Perfetto in italiano.» (Bertinetto 1986, 76). 41 Der ingressivo ist nach Bertinetto ein Untertyp des aoristico. 42 Die zeitliche Strukturierung der Sachverhalte in (15) und (16) zeigt sich nach Bertinetto als genau bestimmt: in beiden Beispielen wird mangiare il cornetto global dargestellt (also in allen seinen konstitutiven Momenten (t1, t2, t3, … tn), also auch der jeweilige Anfangs- und Endmoment: Leo hat angefangen zu essen, hat dies weiter gemacht, bis er das Croissant ganz aufgegessen hat. Der Unterschied zwischen den Beispielen bestehe aber in der Tatsache, dass während in (15) das auf den Sachverhalt folgende Ergebnis (dass das Croissant aufgegessen ist) andauert, also im gegebenen Bezugszeitpunkt (zu dem das Subjekt des Satzes (ich) das Croissant anbeißen will) einen besonders hervorgehobenen Aspekt darstellt, in (16) der Sachverhalt als einfach abgeschlossen dargestellt wird (sein Endzeitpunkt ist besonders fokalisiert) und sein eventuelles Ergebnis (dass das Croissant nicht mehr da ist) in der Strukturierung des Sachverhalts irrelevant ist und nicht fokussiert wird.
Zur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze
29
positionierte Untertypen differenziert (abituale, progressivo und continuo), dafür stehen die Beispiele (13)–(15): (13) it. (14) it.
Di solito Leo a colazione mangiava [Imp. v. abit.] un cornetto al cioccolato.
Leo mangiava [Imp. v. prog.] il suo cornetto al cioccolato in cucina, quando Julia entrò.
(15) it. Mentre Leo mangiava [Imp. v. cont.] il suo cornetto al cioccolato, Julia lo guardava [Imp. v. cont.] interessata. (16) it. Avrei voluto un morso di quel bel cornetto al cioccolato che aveva comprato Daniel, ma l’ha mangiato [Perf. Comp. v. comp.] Leo. (17) it.
Leo mangiò [Perf. Sem. v. aor.] il cornetto al cioccolato sporcandosi tutta la faccia.
Besonders an Bertinettos Definition des Imperfektivs ist dabei die Tatsache, dass er dessen gemeinsamen Nenner in der Unbestimmtheit (indeterminatezza) oder Nicht-Delimitation (non-delimitazione) identifiziert (vgl. z. B. Bertinetto 1986, 345ss.). Die Unbestimmtheit im habituellen Wert des Imperfektivs (vgl. (13)) bestehe dabei hauptsächlich in der Unbestimmtheit der Häufigkeit seines Vorkommens (denn natürlich muss ein Sachverhalt selbst abgeschlossen sein, um wiederholt zu werden und dann durch diese Wiederholung und den Beitrag weiterer semantischer Komponenten habituell zu werden).43 Im progressiven Wert des Imperfektivs (vgl. (14)) könne man hingegen Züge der Unbestimmtheit in der Unabgeschlossenheit des Sachverhalts erkennen, denn dieser wird in seinem Verlauf und aus einem besonderen Punkt des Verlaufs heraus dargestellt. Die Unbestimmtheit des kontinuativen Werts des Imperfektivs (vgl. (15)) sei schließlich ebenfalls in der Unabgeschlossenheit des Sachverhalts erkennbar, der allerdings weder aus einem besonderen Punkt seines Verlaufs betrachtet wird, noch eine Gewohnheit darstellt (vgl. Bertinetto 1986, 120–190). Problematisch scheinen dabei zwei Aspekte zu sein: Einerseits werden a) damit sehr unterschiedliche Arten der Unbestimmtheit erfasst, dies soll jedoch gerade den gemeinsamen Nenner des Aspekt-Typs des Imperfektivs darstellen; andererseits wird b) ausgerechnet die prototypische Verwendung des Imperfektivs, nämlich die kontinuative, nur per negationem definiert, denn alles, was nicht als habituell oder progressiv identifizierbar ist, wird als kontinuativ eingeordnet (vgl. Bertinetto 1986, 162–190). Bertinettos Klassifizierung der Aktionsarten ist in der Substanz – bis auf kleine terminologische und klassifikatorische Änderungen – auf derjenigen Vendlers basiert, wie Tabelle (5) zeigt:
43 Für eine neuere Behandlung des Themas und die Analyse der Unterschiede zwischen «Multiplikativität», «Reiterativität» und «Habitualität» vgl. Bertinetto/Lenci (2012).
30
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Azione verbale
non-durativo
non-telico
non-trasformativo puntuale
telico
trasformativo
reversibile nonreversibile
durativo
risultativo non-telico
non-risultativo stativo
permanente non-permanente
non-stativo continuativo Tab. 5: Azione verbale, graphisch adaptiert aus: Bertinetto (1986, 98)
Bemerkenswert an seiner Auffassung erscheint die Vehemenz, mit der er behauptet, dass Aspekt und Aktionsart nicht vermischt und verwechselt werden dürften (vgl. genauer dazu § 1.4). Diese Vehemenz wird auch in Bertinettos späteren Arbeiten unverändert bleiben (vgl. z. B. Bertinetto 1997).
1.3.2 Temporale Beziehungen und Tempora nach Rojo und Veiga Rojo und Veiga (1999) entwerfen – einerseits von der Tradition Bellos (1981 [1847]), andererseits von Bulls (1960) und Klums (1961) Interpretation inspiriert – ein vektorielles Modell der zeitlichen Verhältnisse im spanischen Verbalsystem, das in Bezug zum punto cero (dem Origo, der normalerweise mit dem Moment des Sprechens koinzidiert)44 auf der Basis von drei zeitlichen Relationen (anterioridad, simultaneidad und posterioridad) primäre, sekundäre und tertiäre Tempusformen unterscheidet: «[…] hemos venido hablando de un origen (O) respecto del cual se orientan temporalmente los procesos verbalmente expresados. Las orientaciones pueden ser directas, como en las relaciones del pretérito, presente y futuro, o indirectas, cuando entre el proceso verbal y el origen se interpone algún punto de referencia, cuya relación con el origen puede ser, igualmente, directa o indirecta; es este el caso de cualquier relación temporal como las de pos-pretérito, ante-presente y ante-pos-pretérito, etc. El origen, por tanto, constituye el centro deíctico de orientaciones temporales del sistema verbal, el punto desde el cual se enfoca, directa o indirectamente, todo proceso expresado por una forma verbal.» (Rojo/Veiga 1999, 2889)
44 Für eine Diskussion dieser Frage vgl. Rojo/Veiga (1999, 2889ss.).
Zur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze
31
Mit «direkter» oder «indirekter Orientierung» in Bezug zum Origo kann man die bekannte Unterscheidung zwischen «absoluten», «relativen» und «absolut-relativen Tempora» (vgl. Comrie 1985, 36–82 und 1993, 9–12) vergleichen.45 Graphisch lassen sich die zeitlichen Relationen im spanischen Verbalsystem wie in folgender Abbildung (6) darstellen und durch die Beispiele (18)–(26) exemplifizieren (mit «O» ist der Origo, mit «O–V», «OoV» und «O+V» sind respektive die Relationen der Anteriorität (auch A), der Simultaneität (S) und der Posteriorität (P) gemeint, diese werden in eckigen Klammern am Ende der Beispielsätze vermerkt):46 O
A
S
(O–V)
A’
S’
P’
P
(OoV) A’
S’
P’
(O+V) A’
S’
P’
Abb. 6: Temporale Beziehungen nach Rojo/Veiga (1999) (18) sp.
Eduardo llegó ayer. [O–V]
(19) sp.
Eduardo está hoy en Vigo. [OoV]
(20) sp.
Eduardo saldrá mañana de viaje. [O+V]
(21) sp.
El jueves me enteré de que Eduardo había llegado el día anterior. [(O–V)–V]
(22) sp.
El jueves me enteré de que Eduardo estaba ese mismo día en Vigo. [(O–V)oV]
(23) sp.
El jueves me enteré de que Eduardo llegaría al día siguiente. [(O–V)+V]
(24) sp.
Eduardo ha llegado hoy. [(OoV)–V]
(25) sp.
Cuando llegue Eduardo, habremos terminado el trabajo. [(O+V)–V]
(26) sp.
Estaba seguro de que habríamos terminado el trabajo cuando llegara Eduardo.
[((O–V)+V)–V]
Primäre Tempusformen werden hier durch (18)–(20), sekundäre durch (21)–(25), tertiäre Tempusformen schließlich durch (26) dargestellt. Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass die Verbalkategorie Aspekt aus dem System ausgeschlossen wird:47 Denn Rojo und Veiga behaupten, dass das Verbalsystem des Spanischen ein rein temporales und modales sei (vgl. 1999,
45 Ein solcher Vergleich wird auch von den Autoren selbst akzeptiert, wobei sie die eigene Unterteilung für klarer und konsequenter erklären (vgl. Rojo/Veiga 1999, 2879). 46 Die Beispiele sind aus Rojo/Veiga (1999) entnommen. 47 Vgl. auch Weinrich (1964), der in anderer Art dem Aspekt ebenfalls einen Platz im Verbal system verweigert.
32
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
2919ss.) bzw. dass es sich als viel unökonomischer erweisen würde, es durch die Postulierung einer Kategorie wie der des Aspekts erklären zu wollen als durch ein allgemein zeitlich-vektorielles, eben «aspektloses» Modell, wie das vorgeschlagene. Auch mit der Kategorie der Aktionsart beschäftigen sich die Autoren in dem analysierten Text nicht, dies jedoch nur sozusagen aus technischen Gründen,48 denn ansonsten räumen Rojo und Veiga der Aktionsart, anders als dem Aspekt, eine sehr wichtige Rolle im Verbalsystem ein.
1.3.3 Das romanische Verbalsystem nach Coseriu Als hauptsächlich temporal versteht auch Coseriu (1976) das Verbalsystem der romanischen Sprachen; die Funktionen, die normalerweise den Kategorien des Tempus und des Aspekts zugeschrieben werden,49 werden allerdings nicht in eine rein vektorielle Strukturierung zeitlicher Verhältnisse, sondern in ein neues komplexes kategoriales System integriert und umgeformt. Das romanische Verbum – das System wird als auf alle romanischen Sprachen anwendbar verstanden – definiert Coseriu (1976, 115) als «dreistöckig»; es enthält im Detail drei Untersysteme: –– die Gestaltung der Zeiträume; –– die Bestimmung der Zeitpunkte innerhalb der Zeiträume; –– die Bestimmung spezieller aspektiver50 Werte für jeden Zeitpunkt. Dem ersten Untersystem gehören die Kategorien der Zeitebene und der primären Perspektive an, die formal durch die einfachen Tempusformen ausgedrückt werden; dem zweiten ist die sekundäre Perspektive zuzuordnen (formal durch die zusammengesetzten Tempusformen ausgedrückt); dem dritten gehören schließlich die Kategorien der Dauer, der Wiederholung, der Vollendung, des Resultats und, ganz besonders, der Schau und der Phase an (formal durch verschiedene Verbalperiphrasen ausgedrückt).
48 In der Gramática wird dem «aspecto léxico» ein getrennter Artikel von De Miguel (1999) gewidmet; dieser wird jedoch aus Gründen seiner besonderen, von Rojo und Veiga sehr divergierenden Auffassung in Kap. 2 zur Aspektualität näher betrachtet. 49 Dabei wird die rein zeitliche Bestimmung, das Tempus, als die Stellung der Verbalhandlung in der Zeit betreffend definiert, die aspektive Bestimmung als die Betrachtungsweise der Verbalhandlung in der Zeit (vgl. Coseriu 1976, 92). 50 Coseriu verwendet dieses wenig verbreitete Adjektiv.
Zur Beziehung zwischen Tempus, Aspekt und Aktionsart – drei theoretische Ansätze
33
Die Kategorie der Zeitebene in den romanischen Sprachen sei, anders als in den bisher vorgestellten Interpretationen, doppelt: Sie weise eine aktuelle Ebene (mit dem Präsens als Zentrum) und eine inaktuelle Ebene (mit dem Imperfekt als Zentrum) auf, die durch eine Beziehung des Vordergrunds/Hintergrunds miteinander verbunden sind. Da die Einführung der so aufgefassten Zeitebene die Grundlage von Coserius Interpretation des romanischen Verbalsystems bildet, soll dies genauer als die anderen Kategorien behandelt werden. Diese basiert nämlich ihrerseits auf einer neuen Interpretation des Imperfekts: Coseriu listet mehrere Kritikpunkte an vorherigen Interpretationen des Imperfekts auf, wie z. B. die Auffassung als Form der Vergangenheit (man will es in direkter Opposition zum Perfektum Simplex definieren) oder aber die Unterschätzung der formalen Analogie zwischen dem Imperfekt, dem Plusquamperfekt und dem Konditional Präsens oder weiter das Ignorieren seiner besonderen (z. B. modalen) Verwendungen. Die Kategorie der Perspektive – in parallel, retrospektiv und prospektiv unterteilt – vermittle hingegen die Stellung des Sprechers zur Verbalhandlung. Sie bestimme daher Zeiträume auf jeder Zeitebene und keine Tempora – und dies wiederum aus zwei Perspektiven, denn jeder durch die primäre Perspektive abgegrenzte Zeitraum könne nach demselben Prinzip weiter (nämlich auf der sekundären Perspektive) unterteilt werden. Tabelle (6) soll das System besser veranschaulichen:
Aktuell
Inaktuell
Vergangenheit retrospektiv
Gegenwart parallel
Zukunft prospektiv
primär
it. feci fr. je fis sp. hice
it. faccio fr. je fais sp. hago
it. farò fr. je ferai sp. haré
sekundär
it. ho fatto fr. j’ai fait sp. he hecho
primär
(sp. hiciera)
sekundär
it. avevo fatto fr. j’avais fait sp. había hecho
fr. je vais faire sp. voy a hacer it. facevo fr. je faisais sp. hacía
it. farei fr. je ferais sp. haría it. avrò fatto fr. j’allais faire sp. habré hecho
Tab. 6: Zeitebenen und Perspektiven im romanischen Verbalsystem, modifiziert nach Coseriu (1976, 94ss.)
34
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Gegen das System sind verschiedene Einwände erhoben worden: Es wurde gefragt (Bertinetto 1986, 36s.), warum man, wenn man die zeitliche Ebene verdoppelt, sie nicht auch verdreifachen und zum Beispiel das Plusquamperfekt als Zentrum der dritten Achse positionieren sollte. Auch – und hier scheinen die Einwände radikaler zu sein und den Kern von Coserius System zu berühren – sei das, was er als doppelte Zeitebene definiert, eigentlich nicht wirklich temporell (Detges 2001): Die Bestimmung des Imperfekts als Präsens der inaktuellen Ebene basiere nämlich auf den modalen Verwendungen dieser Tempusform (was ein Fall von grammatikalischer Polysemie ist). Dass Coserius Interpretation des romanischen Verbalsystems auf der Beobachtung und Neuklassifizierung des Imperfekts, einer konkreten Form des Verbalsystems, gründet, bringt ein weiteres Problem mit sich: Es handelt sich letztlich um eine in der Substanz auf semasiologischer Basis geführte Analyse, die einen idealen romanischen Typ postuliert, welcher aber aus der Beobachtung des iberoromanischen, insbesondere des portugiesischen Systems entsteht (und in den anderen romanischen Sprachen nur mehr oder weniger vollkommen realisiert ist) und dann als onomasiologisches Raster übereinzelsprachlich verwendet wird. Semasiologisch entstandene Modelle onomasiologisch anzuwenden zeigt sich jedoch häufig als theoretisch schwieriges Unterfangen. Selbst wenn dies durch Gründe der sprachlichen Verwandtschaft motiviert wird (die romanischen Sprachen haben alle ihr Verbalsystem aus dem Lateinischen geerbt), entsteht teilweise der Eindruck, dass das Interpretationsraster, das auf dem portugiesischen Imperfekt basiert, für die Beschreibung des Portugiesischen viel besser geeignet ist als für die anderen romanischen Sprachen.
1.4 A bgrenzungsprobleme der traditionellen Verbalkategorien – Aspekt vs. Tempus vs. Aktionsart Die bislang vorgestellten – untereinander sehr verschiedenen – Definitionen von Tempus, Aspekt und Aktionsart umfassen nicht nur alle Kriterien ihrer Bestimmung, sondern zugleich auch alle klassischen Argumente, die zur Rechtfertigung ihrer Trennung vorgebracht worden sind. Denn auf die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart wurde häufig und entschieden beharrt: «Così come le nozioni di Tempo e di Aspetto non vanno in alcun modo confuse tra loro, allo stesso modo si dovrà fare attenzione a non confondere il concetto di Aspetto con quello di Azione. […] Non di rado capita tuttora di vedere, pericolosamente mescolate queste due nozioni, a tutto scapito della validità teorica ed empirica delle indagini esperite.» (Bertinetto 1986, 84)
Abgrenzungsprobleme der traditionellen Verbalkategorien
35
Dass es aber in diesen Definitionen von Metaphern und hedges wimmelt und sie häufig nur kraft ihrer gegenseitigen Abgrenzung funktionieren oder aber dass selbst die Vertreter ihrer strengen Differenzierung konstant auf der semantischen Affinität zwischen den beiden Kategorien insistieren müssen, legt nahe, dass gerade die Grenzen von Aspekt und Aktionsart nicht klar genug gezogen sind, was in einer traditionellen Konzeption der Grammatik und der damit verbundenen aristotelischen Auffassung des Kategoriebegriffs ein Problem darstellt. Die Ruhe, die im romanischen Verbalsystem die klassische grammatikalische Kategorisierung ausstrahlen möchte, versteckt zweifellos problematische Kreuzungen, Überlappungen und Interferenzen, die schwierig zu erklären sind. Wenn einerseits die Interaktion zwischen Aspekt und Aktionsart nicht zu leugnen ist, scheint es jedoch andererseits sehr wichtig, die jeweils spezifischen Charakteristika dieser beiden Kategorien zu präzisieren. Dessen sind sich selbstverständlich auch die Gegner der «pericolosa mescolanza» bewusst, wenn sie auf die «indubbie connessioni che esistono fra queste due [Aspekt und Aktionsart sds] fondamentali caratterizzazioni semantiche delle forme verbali» anspielen (vgl. Bertinetto 1986, 84), oder wenn sie sogar offen die Probleme der Abgrenzung ansprechen: «Aquesta categoria [la modalitat de l’acció sds], també anomenada aspecte lèxic o Aktionsart, presenta una clara proximitat amb la categoria gramatical de l’aspecte i la distinció entre l’una i l’altra no sempre és nítida en els estudis tradicionals, com ho mostra el fet que la mateixa terminologia que s’utilitza en un cas reaparegui sovint en l’altre.» (Pérez Saldanya 2002, 2602)
Obwohl dies geschieht, geht man das Problem häufig nicht an der Wurzel an, sondern verschiebt es auf die Ebene der Unterscheidung grammatikalisch vs. lexikalisch, was eine Unterscheidung der status-relationellen Ebene und nicht der Semantik ist (vgl. Coseriu 1987, 125). Gegen dieses Argument – das häufig von der Konfusion der universalen mit der in einer Einzelsprache vorkommenden und funktionierenden Kategorie begleitet wird – wandte sich Coseriu schon in den 1980er Jahren: «Seit S. Agrell unterscheidet man für die slawischen Sprachen den Aspekt, der die Art und Weise betrifft, eine Verbalhandlung in Betracht zu ziehen, und zur Grammatik gehört, und die Aktionsarten, welche die ‹objektive› Art und Weise betreffen, in der die Verbalhandlung abläuft oder sich verwirklicht, und die zum Wortschatz gehören (z. B. ‹effektiv›, ‹perdurativ›, ‹kursiv›, ‹terminativ›, ‹inchoativ›). Man hat auch versucht, diese Unterscheidung in genau demselben Sinne auf andere Sprachen zu verwenden. Das aber beruht auf einer doppelten Verwechselung: zunächst auf der von inhaltlichem Wert und relationellem Status (‹lexikalisch› bzw. ‹grammatikalisch›) und danach auf der von universellem und ‹historischem› (d. h. in einer Einzelsprache vorkommenden und funktionierendem) Aspekt.» (Coseriu 1987, 125)
36
Die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten – Tempus, Aspekt und Aktionsart
Wenn aber eine formale (oder wie Coseriu sie nennt: «status-relationale») Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart sinnvoll erscheint, um Kategorisierungen und Klassifizierungen von sprachlichen Phänomenen vorzunehmen, reicht diese sicherlich nicht aus, um ihre semantische Unterscheidung zu behaupten. Auch ist es wichtig zu klären, auf welche semantische Ebene man sich bezieht, die einzelsprachliche oder die universale, wenn man von Aspekt und Aktionsart spricht; denn man kann nicht einfach Kategorien, die so definiert, strukturiert und unterteilt werden, wie sie in einer Einzelsprache (hier historisch im Russischen) vorkommen, auf weitere Einzelsprachen übertragen. Betrachtet man aber nun die in diesem Kapitel vorgestellten Definitionen von Aspekt und Aktionsart genauer – und dabei vor allem ihre universale semantische Funktion –, stellt sich klar die Frage: Wie sehr und in welchem Sinne unterscheiden sich diese Kategorien de facto voneinander? Denn beide dienen dem Ausdruck der internen zeitlichen Strukturierung von Sachverhalten – also ihrer Delimitation in ihrem zeitlichen Ablauf.
2 Der aspektuale Bereich 2.1 Vorbemerkungen In Kapitel 1 wurde eine Definition von Tempus, Aspekt und Aktionsart als Verbalkategorien gegeben, durch die die Einzelsprachen Informationen über die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten vermitteln, erstere als deiktische, die beiden letzteren als definitorische und im Fall der ersten beiden grammati kalisch, im Fall der letzten lexikalisch. Diese Informationen werden im Folgenden aus einem onomasiologischen Blickwinkel heraus betrachtet, wobei der allgemeinere aspektuale Bereich näher beschrieben und analysiert wird, denn Kapitel 2 wird sich mit der Aspektualität beschäftigen, einer übereinzelsprachlichen Inhaltskategorie, als deren Bestandteile die Verbalkategorien des Aspekts und der Aktionsart aufgefasst werden können. Je nachdem, welche Position in der Beurteilung der semantischen oder formalen Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart innerhalb des allgemeinen aspektualen Bereichs – also deren Autonomie, deren semantischer Homogenität oder Heterogenität – eingenommen wird, können in der aspektologischen Forschung zwei Hauptlinien unterschieden werden, die entgegengesetzte Positionen vertreten. Nach einer allgemeinen Vorstellung der Aspektualität wird also zunächst diese heikle Frage behandelt. Die Argumente beider Hauptlinien sollen dabei einer kritischen Überprüfung unterzogen werden: Einerseits die in der Romanistik zumeist vertretenen bidimensionalen Ansätze, in denen Aspekt und Aktionsart als voneinander streng getrennte Kategorien behandelt werden, in denen also eine substanzielle Trennung innerhalb des allgemeinen aspektualen Bereichs vertreten wird. Andererseits die monodimensionalen Ansätze, in denen nicht von einem semantischen Unterschied zwischen den beiden Kategorien ausgegangen wird. Schließlich wird die Position, die in diesem Buch mit einem monodimensionalen Ansatz vertreten wird, in dieses Feld eingeordnet. Diese Wahl wird dann bei der Beschreibung des entwickelten Modells in den folgenden Kapiteln noch genauer begründet.
2.2 Aspektualität – Onomasiologie und Inhaltskategorien Um die Geschichte des Begriffs «Aspektualität» zu rekonstruieren und seine Bedeutung genau zu erfassen, muss man – ähnlich wie schon für die aspektualen Verbalkategorien Aspekt und Aktionsart – Bezug auf die russische Aspektologie nehmen: Bondarko (1967) führt den Begriff ein, um die Kategorie zu bezeichnen,
38
Der aspektuale Bereich
die die Art und Weise charakterisiert, wie eine Handlung verläuft,1 und die durch verschiedene – morphologische (flexive und wortbildende), lexikalische und kontextuelle – Mittel festgelegt werden kann. Zwei wesentliche Punkte sind in Bondarkos Definition zu erkennen: Einerseits werden Aspekt und Aktionsart, wie sie oben definiert worden sind, als untergeordnete Kategorien aufgefasst, als nur zwei der verschiedenen möglichen Arten, durch die Aspektualität ausgedrückt werden kann;2 andererseits wird Aspektualität als eine reine Inhaltskategorie definiert und hiermit nicht mehr in die einzelsprachliche, sondern in die universale Semantik eingeordnet (vgl. hierzu Raible 1983 und im nächsten Kapitel § 3.3). Diese somit onomasiologisch gewonnene, konzeptuell aufgefasste Inhaltskategorie ist also nicht mit Aspekt und Aktionsart zu vergleichen, da es sich um keine nur in einer Einzelsprache verwirklichte Kategorie handelt, sondern ganz allgemein um die kognitive Domäne, welche die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten betrifft.3 Man bedenke nun, dass: «Categories which cannot be semantically defined are extremely difficult to compare across languages.» (Haspelmath 2007, 126)
Eine so definierte Kategorie dürfte damit viel besser als Aspekt und Aktionsart als Ausgangspunkt für sprachvergleichende Untersuchungen geeignet sein: Sie kann nämlich als konzeptuelles tertium comparationis fungieren, da sie aus keinem formalen Muster einer Einzelsprache abgeleitet wird, dem es dann selbstverständlich an einer perfekten Entsprechung in einer anderen Einzelsprache mangelt. Es ist daher erstaunlich, dass sich die Aspektualität im Panorama der Untersuchungen zu den romanischen Sprachen so geringer Beliebtheit erfreut, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Romanistik – wie ja die Slavistik auch – per definitionem eine sprachvergleichende Disziplin ist. Tatsächlich gibt es wenige onomasiologisch geführte und auf Aspektualität basierte romanistische (oder den romanischen Sprachen gewidmete) Untersuchungen. Unter diesen sind insbesondere die folgenden zu nennen: das in den sechziger Jahren entstandene
1 Der Terminus wird auch von Maslov (1978) benutzt, um das semantische Feld der aspektualen Bedeutungen zu bezeichnen. 2 Diese seien «Teile» der Aspektualität z. B. neben einer weiteren Kategorie wie derjenigen der Aktionsart nach Isačenko (1962), der darunter verschiedene lexikalische Klassen deverbaler, per Präfigierung oder per Suffigierung abgeleiteter Verben versteht. 3 So wird «Aspektualität» nämlich auch in der neueren aspektologischen Forschung der Slavistik definiert und angewandt (vgl. u. a. V. Lehmann 1992 und 1999).
Aspektualität – Onomasiologie und Inhaltskategorien
39
Werk Hegers (1963);4 die nicht zufällig mit der slavistischen Tradition gut vertraute Arbeit Schwalls (1991);5 und die Skizze De Miguels (1999), die in einem dem «aspecto léxico» gewidmeten Artikel der Gramática descriptiva de la lengua española von Bosque und Demonte enthalten ist (auf De Miguels Auffassung wird in § 2.3.1 detaillierter eingegangen). Auch kann man einige sozusagen onomasiologische Andeutungen in den Grammatiken von Serianni (21991) und von Grevisse und Goosse (142008) finden,6 die in den folgenden Zitaten deutlich werden: «La nozione di aspetto verbale è alquanto controversa. […] possiamo affermare che l’aspetto contrassegna l’atto verbale secondo la prospettiva della durata, della momentaneità, della ripetitività, dell’inizio o della conclusione di un processo, della compiutezza o dell’incompiutezza dell’azione. […] Nella grammatica italiana l’aspetto ha un’importanza secondaria. […] Accanto a mezzi morfologici (come l’opposizione tra imperfetto e passato remoto, c fr. xi. 377) o sintattici (come la perifrasi di stare + gerundio cfr. xi. 48c), per esprimere l’aspetto verbale l’italiano può ricorrere a mezzi lessicali (addormentarsi, ad esempio, ha valore ingressivo, indica l’inizio dell’azione; dormire ha valore durativo, indica l’azione in sé) o derivativi (mediante il suffisso –icchiare un verbo può designare un’azione ripetuta e attenuata, cfr. xv. 61: cantare → canticchiare, dormire → dormicchiare).» (Serianni 21991, 390s.)
4 «So verstanden, finden sich auch in dem Bemühen um eine Klärung dessen, was eigentlich der Verbalaspekt sei, ‹onomasiologische› Arbeiten. Sie fragen nicht nach dem von einer bestimmten formalen Kategorie Bedeuteten, sondern nach den Bezeichnungen der Aspekte. Was aber Aspekte sind, wird zunächst durch semasiologische Deutungen vorhandener Formen bestimmt, und damit sind die Ergebnisse der anschließenden onomasiologischen Untersuchungen dazu verurteilt, bloße Tautologien zu bleiben. Hingegen findet sich kaum je der Versuch, Aspekte und Zeitstufen als von sprachlichen Gegebenheiten unabhängige begriffliche Kategorien zu definieren und so in einem System zu verankern, daß sie sich nicht dem Vorwurf purer Zufälligkeit ausgesetzt sehen.» (Heger 1963, 11) Heger ist sicherlich einer der ersten und ein wichtiger Vertreter der Anwendung der onomasiologischen Herangehensweise nicht nur in der Domäne der Lexikologie, sondern auch der grammatikalischen Untersuchungen; in seiner den Konjugationssystemen des Französischen und des Spanischen gewidmeten Arbeit wird jedoch insofern ein Unterschied zwischen Aspekt und Aktionsart behauptet, als Aktionsart als definitorische Kategorie, Aspekt aber (zusammen mit Tempus) als deiktische Kategorie betrachtet wird (vgl. Heger 1963, insb. 16ss.). 5 Die Arbeit Schwalls ist in weiten Teilen nicht nur für die slavistische, sondern auch für die romanistische Aspektologie ein interessanter Forschungsbericht, da die Autorin eine terminologische (und perspektivische) Wendung anhand des Begriffs der Aspektualität in der Forschung fordert. Da im Zentrum der Arbeit vor allem terminologische Klärungen (und die Beschreibung der Relationen zwischen Aspekt, Tempus und Modus in den romanischen Sprachen, vor allem für die Formen des Indikativs) stehen, aber kein Modell der Aspektualität erarbeitet wird, wird diese hier nicht vertieft behandelt. 6 Eine ähnliche Position wird auch in Riegel/Pellat/Rioul (32004) vertreten.
40
Der aspektuale Bereich
«L’aspect est la manière dont s’expriment le déroulement, la progression, l’accomplissement de l’action. […] L’aspect se manifeste en outre par les semi-auxiliaires (§§ 789–791), ou encore par des suffixes (buvoter opposé à boire) ou des préfixes (retravailler) ou par le sens même des verbes (éclater présente l’aspect instantané) [cf. § 744, e]. – Il y a aussi des adverbes d’aspect: cf. § 965. Remarque. – La notion d’aspect n’a pris qu’assez récemment une grande place dans les études sur le français. Les linguistes présentent à ce sujet des vues souvent divergentes.» (Grevisse/Goosse, 142008, 1121)
Einerseits zeigen diese Zeilen Spuren einer onomasiologischen Perspektive: In beiden wird die übliche Unterscheidung zwischen grammatikalischen und lexikalischen Ausdrucksmitteln, also zwischen Aspekt und Aktionsart, ignoriert. Vielmehr wird Aspekt7 ausgehend von einem abstrakten Inhalt definiert, und es werden die verschiedenen einzelsprachlichen Möglichkeiten benannt, die das Italienische und das Französische zur Verfügung haben, diesen Inhalt auszudrücken. Dass es sich jedoch hier lediglich um Spuren handelt und keine wirkliche Konsequenzen daraus gezogen werden, was die allgemeine Perspektive des Werks angeht, ist auf der anderen Seite genauso evident: Die zitierten Abschnitte stellen jeweils die einzigen dem Thema gewidmeten Passagen dar, die in den Grammatiken überhaupt zu finden sind. Der Grund dafür ist nicht zuletzt in der angeblich geringeren Wichtigkeit des Themas oder der Neuheit der Aspektforschung in der italienischen und französischen Linguistik und Grammatikographie zu suchen, die von beiden Autoren eben behauptet wird. Die romanistische Vernachlässigung der Aspektualität erscheint aber umso erstaunlicher, als es klare Parallelen zwischen dieser und anderen, in der romanistischen Forschungstradition zweifellos erfolgreicheren Inhaltskategorien gibt. Onomasiologische Betrachtungen der Temporalität und der Modalität sind dort tatsächlich, wenn auch nicht sehr zahlreich, so doch etabliert. Man denke nur an die Analyse von Temporalität und vor allem von Modalität der Grammatik von Schwarze (1988)8 oder an die ebenfalls in den achtziger Jahren entstandenen Untersuchungen von Böckle (1983a, 1983b, 1984). Auch ist es mittlerweile für die linguistische Forschung im Allgemeinen selbstverständlich geworden, dass jede (auch semasiologische und einzelsprachliche) Beschäftigung mit der Kategorie Modus, den Modalverben oder den Modaladverbien von einer Klärung
7 Auch hier wird im Übrigen mit aspetto bzw. aspect gemeint, was in der vorliegenden Arbeit mit dem Terminus «Aspektualität» bezeichnet wird. Auf die Polysemie des Begriffs Aspekt (einzelsprachliche grammatikalische Verbalkategorie und übereinzelsprachliche Inhaltskategorie) und auf die Probleme, die mit dieser verbunden sind, ist bereits in der Einleitung hingewiesen worden, vgl. dazu insb. Sasse (1991 und 2002). 8 Vor Kurzem wurde Schwarzes Grammatik ins Italienische übersetzt, revidiert und neu auf gelegt, vgl. Schwarze (2010).
Aspektualität – Onomasiologie und Inhaltskategorien
41
der Beziehungen und folglich von der Unterscheidung zwischen diesen grammatikalischen bzw. lexikalischen Elementen einerseits und der Modalität andererseits auszugehen hat (vgl. z. B. Ridruejo 1999, Wandruszka 2001, Quer 2002 und Becker im Druck).9 Ähnliches kann man für die Temporalität behaupten, denn die vorherrschende Meinung tendiert dahin, dass die deiktische Lokalisierung von Sachverhalten in der Zeit sowohl grammatikalisch durch Tempus am Verb als auch lexikalisch durch adverbiale Bestimmungen stattfinden kann (vgl. u. a. Bertinetto 1986, Vater 1994 und Klein 1994). Von einer solchen Selbstverständlichkeit ist bei der Aspektualität nicht auszugehen, wie schon in Kapitel 1, wenn auch implizit, gezeigt wurde. Es ist daher hilfreich, noch bevor man sich der theoretischen Behandlung der Aspektualität widmen kann, die – auch formale – Parallele zwischen Aspektualität und Modalität aufzuzeigen: Die Aspektualität drückt a) wie die Modalität eine semantische Funktion durch verschiedene sprachliche Mittel aus; sie kann b) wie die Modalität also sowohl grammatikalisch als auch lexikalisch – und dies in unterschiedlichem Grad – und auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems (morphologisch oder syntaktisch) verwirklicht werden. Die folgende Tabelle (1) soll einige Beispiele aus den vier hier behandelten romanischen Sprachen geben, die konkrete sprachliche Verwirklichungen der Kategorien der Modalität und der Aspektualität darstellen. Im Detail enthalten die Zeilen der Tabelle Beispiele jeweils für Modalverben und für sogenannte «Aspektverben», für Adverbialien, Affixe derivativer Art, periphrastische Konstruktionen und für grammatikalische Verbalkategorien wie Modi bzw. Aspekte und Tempora. Diese Darstellung soll auch die Vergleichbarkeit der beiden Inhaltskategorien zeigen und dadurch den Sinn einer Untersuchung von aspektualen Inhalten in den romanischen Sprachen aus onomasiologischer Perspektive belegen:10
9 Vgl. in der nichtromanistischen Forschung insbesondere Palmer (22001). 10 Natürlich sind die aufgeführten Beispiele jeweils nicht die einzigen Möglichkeiten. Wenn etwa unter der Kategorie «Tempora als Ausdruck modaler Funktion» das kat. Beispiel imperfet (volia preguntar-te un favor) erscheint, kann im Katalanischen auch das Futur in dieser Funktion verwendet werden. Wenn im französischen Beispiel das Futur erscheint, kann in dieser Funktion hier andererseits auch das Imperfekt eingesetzt werden.
42
Der aspektuale Bereich
11 12 13 14
Modalität
Aspektualität
Modalverben11
it. potere fr. devoir span. querer kat. voler
Aspektverben12
it. iniziare fr. finir sp. acabar kat. durar
Adverbialien
it. piano fr. Adv. auf -ment (vraiment)13 sp. Adv. auf -mente (dulcemente) kat. Adv. auf -ment (ràpidament)
Adverbialien
it. mentre fr. pendant sp. durante kat. a poc a poc
Weitere (derivative) Affixe
it. -icch- (canticchiare) fr. -ible (visible) sp. -isc- (mordiscar) kat. -ible (factible)
Weitere (derivative) Affixe
it. -ell- (saltellare) fr. re- (reformuler) sp. en- (-er) (envejecer) kat. -ada (diada)
Periphrastische it. essere necessario + Periphrastische Konstruktionen14 infinito (è necessario Konstruktionen prendere la macchina) fr. il faut + infinitif/que … subj. (il faut que je vienne) sp. tener que + infinitivo (tengo que hablar contigo) kat. haver de + infinitiu (he de veure la Rosina)
it. venire + gerundio (il giudice viene raccogliendo prove) fr. être en train de + infinitif (il est en train de parler avec Marie) sp. andar + gerundio (Juan anda haciendo cosas raras) kat. estar + gerundi (em vaig estar despertant tota la nit)
11 Darunter sollen auch Verben gezählt werden, die in unterschiedlichem Grad modale Bedeutungsanteile im Stamm aufweisen. Häufig werden solche Verben in komplexeren periphrastischen Konstruktionen verwendet, z. B. it. dovere + Infinitiv. Zu den Modalperiphrasen im Italienischen im Allgemeinen vgl. Dessì Schmid (2012). 12 Hier sind auch Verben zuzuordnen, die in unterschiedlichem Grad aspektuale Bedeutungsanteile im Stamm aufweisen. Häufig werden solche Verben in komplexeren periphrastischen Konstruktionen verwendet, z. B. it. cominciare a + Infinitiv. 13 Zum Problem der Zuordnung der Adverbien auf -mente zu Flexion oder Derivation vgl. u. a. Schwarze (2005). 14 Der Grad der Grammatikalisierung einer periphrastischen Konstruktion kann verschieden sein; vgl. Kap. 6.
Onomasiologische Ansätze zur Aspektualität
Modalität
43
Aspektualität
Modi
it. condizionale (vorrei Aspekte parlare con te) fr. subjonctif (je ne crois pas qu’il vienne) sp. gerundio (paso el tiempo hablando con mi sombra) kat. indicatiu (en Pau toca el violin)
it. Perf. Sem. vs. Perf. Com. (sognò vs. ha sognato) fr. Pass. Sim. vs. Imp. (il crut vs. il croyait) sp. Perf. Sim. vs. Imp. (nací vs. nacía) kat. Pret. Perf. Per. vs. Imp. (va parlar vs. parlava)
Tempora
it. imperfetto (se lo sapevo Tempora te lo dicevo) fr. futur (Qui sera à la porte?) sp. imperfecto (¿Pero no estudiabas para advocado?) kat. imperfet (volia preguntar-te un favor)
it. Pres. (sogna) fr. Imp. (il croyait) sp. Perf. Sim. (nació) kat. Fut. (parlarà)
Tab. 1: Modalität und Aspektualität im Vergleich
2.3 Onomasiologische Ansätze zur Aspektualität 2.3.1 Aspektualität in der Romanistik – De Miguels Ansatz Der Beitrag von Elena De Miguel (1999) stellt eine echte Ausnahme in der an Beiträgen zur Aspektualität armen romanistischen Forschung dar. Schon ihre erste Definition der aspectualidad zeigt klar ihre Interpretationslinie: «El término ‹aspecto› abarca un amplio conjunto de informaciones relacionadas con el modo en que tiene lugar el evento descrito por un predicado. El aspecto informa sobre la manera en que un evento se desarrolla o ocurre […]. El aspecto informa también sobre la extensión temporal del evento. […] Estas informaciones relativas al evento pueden manifestarse en las distintas lenguas a través de diferentes procedimientos; en español, pueden estar contenidas en la raíz verbal, como en llegar frente a viajar; en ese caso, será el comportamiento sintáctico del verbo el que nos ayude a discriminar su información aspectual. Pueden venir proporcionadas por ciertos morfemas derivativos, como ocurre en repeinar en frente a peinar. Y pueden también ser aportadas por los morfemas flexivos, por perífrasis y por otros elementos del contexto en que se incluye un determinado verbo.» (De Miguel 1999, 2979)
De Miguel nimmt eine Klassifikation der Formen, durch die die Aspektualität im Spanischen ausgedrückt wird, in klaren onomasiologischen Termini vor: Sie unterscheidet die allgemeine – als semantisch homogen aufgefasste – Inhaltskategorie, die sie auf Verb- und Satzebene betrachtet, von ihren einzelsprachlichen
44
Der aspektuale Bereich
Manifestationen oder Verwirklichungen. Diese wiederum können lexikalische oder aber grammatikalische Kategorien sein und werden jeweils «lexikalischer Aspekt» (aspecto léxico) und «grammatikalischer Aspekt» (aspecto flexivo) genannt oder Aspekt im engeren Sinne.15 Neben diesen beiden Unterkategorien unterscheidet sie, in Anlehnung an die von Maslov (1978, 21) entwickelte Strukturierung der Aspektualität auch einen aspecto léxico-sintáctico, was den Vorteil bringt, auch komplexere und sogenannte hybride Konstruktionen wie die Verbalperiphrasen in das Schema einzuordnen und Elemente wie Adverbialien nicht nur als lexikalisch zu definieren, sondern auch ihren syntaktischen Eigenschaften Rechnung zu tragen; dies zeigt Tabelle (2): Aspectualidad
verbal
oposición de formas de un mismo verbo (oposición imperfecto/perfecto simple)
aspecto flexivo
Afijos derivativos (re-)
aspecto léxico
oposición de las clases aspectuales de verbos («modos de acción»: viajar, llegar) ciertas combinaciones de verbos (modos de acción analíticos; perífrasis verbales) oracional
aspecto léxicosintáctico
marcas lexicales y funcionales (adverbios, negación) características gramaticales de los participantes en el evento (función semántica y sintáctica, número, determinación, cuantificación)
Tab. 2: Aspectualidad, graphisch adaptiert nach De Miguel (1999, 2993)
15 Somit teilt die Autorin die klassisch gewordene Definition des aspektualen Bereichs von Comrie (1976) (vgl. hierzu auch Kap. 1), die auch inhaltlich zentriert ist und die Unterscheidung zwischen Aspekt im engeren Sinne und Aktionsart ignoriert: «In treatments of aspect, there is no such uniformity of terminology, so that the term ‹aspect› is now used to refer to the general semantic oppositions possible, now restricted to particular grammaticalised oppositions based on these semantic distinctions in individual languages. In the present book we shall speak of semantic aspectual distinctions, such as that between perfective and imperfective meaning, irrespective of whether they are grammaticalised or lexicalised in individual languages.» (Comrie 1976, 6s.). Comrie beschäftigt sich im Allgemeinen mit der übereinzelsprachlichen Kategorie der Aspektualität (auch wenn diese aspect genannt wird), wie er in der Einführung zu seinem Buch klarstellt: «The aim of the present book is to provide an introduction to verbal aspect and related concepts. It differs from most other books on aspect in that it is not concerned with any one particular language, not with comparison of various individual languages, but rather presents aspect as a part of general linguistic theory.» (1976, vii).
Onomasiologische Ansätze zur Aspektualität
45
De Miguel hat sich jedoch noch nicht ganz von einigen traditionellen (semasiologisch entstandenen) Unterscheidungen gelöst, und die Klassifikationskriterien, derer sie sich bedient, sind im Grunde von denjenigen Bertinettos (vgl. § 1.3.1) und der allgemeinen klassischen Literatur zum Thema inspiriert.16 Allerdings kann sich die Autorin der Aspektualität in ihrem weiteren Sinne und so, wie sie selbst sie auffasst, nicht widmen, da die Grenzen ihrer Untersuchung an den «aspecto léxico» – dies der Titel ihres Beitrags – gebunden sind. Auch ist nicht zu vergessen, dass De Miguels Artikel in derselben Grammatik wenige Seiten nach Rojos und Veigas Beitrag zu den temporalen Beziehungen im spanischen Verbalsystem erscheint, in dem die Existenz von grammatikalischem Aspekt negiert wird (vgl. hierzu § 1.3.2). Die Autorin ist sich dieses Problems, dieses Widerspruchs zwischen dem programmatischen Ansatz und der verwendeten Terminologie, die einem solchen Ansatz nicht entsprechen kann, selbst sehr wohl bewusst und spricht es sogar direkt an: «Pese a todo, parece conveniente mantener el término de ‹aspecto léxico›, por tradición, por comodidad y por atender a su especificación original – la que lo distingue del aspecto flexivo (en cuanto que manifestación morfológica productiva y regular) y del tiempo (como categoría también con realización morfológica productiva y regular que no toma en cuenta el significado de la base verbal). Así se hace por lo general, a pesar de que este modus operandi pueda resultar paradójico o inadecuado si no se concibe el término como una mera etiqueta que recubre un concepto más abarcador.» (De Miguel 1999, 2987)
Da sich dieses Problem aber nicht löst, auch wenn man als «reine Etiketten» bezeichnet, was kategoriale Klassifikationskriterien sind, wird die vorliegende Untersuchung sich diesem allgemeinen onomasiologischen Ansatz anschließen, ihn jedoch weiterführen und versuchen, eine Neuklassifizierung der Komponenten der Aspektualität zu entwerfen.
2.3.2 Die zwei Komponenten des aspektualen Bereichs – Smiths Ansatz Eine entgegengesetzte Auffassung der Aspektualität wird in der Arbeit Carlota Smiths (1991) vertreten: Smith entwirft eine bikomponentiale oder bidimensio-
16 Allerdings betont die Autorin, dass sich die Analyse von dynamischen Sachverhalten als aus Phasen konstituiert an Pustejovsky (1988, 1991 und 1995) anlehne.
46
Der aspektuale Bereich
nale Theorie des aspektualen Bereichs,17 die in den theoretischen Rahmen der Universalgrammatik eingeordnet wird.18 Die Arbeit basiert auf der These, dass zwei getrennte, wenn auch miteinander interagierende Komponenten in die aspektuale Information eines Satzes einfließen und diese damit gerade in ihrer und durch ihre Interaktion bestimmen. Diese zwei Komponenten nennt Smith situation type19 und viewpoint. Die verschiedenen situation types oder auch situation aspects – die mit den traditionellen Aktionsarten vergleichbar sind –strukturieren zeitlich den Satz im Allgemeinen, d. h. vermitteln die grundsätzliche zeitliche Struktur eines Sachverhalts; die verschiedenen viewpoint aspects – die mit den Ausformungen des traditionellen Aspekts vergleichbar sind – fokussieren hingegen einen Teil dieser Strukturierung in einer besonderen Art: «Sentences present aspectual information about situation type and viewpoint. Although they co-occur, the two types of information are independent. […] The receiver of a sentence knows how much of a situation is presented, and to what situation type it belongs. […] [Aspectual sds] information is given by the linguistic forms of the sentence: situation type is signalled by the verb and its arguments, viewpoint signalled by a grammatical morpheme, usually part of the verb or verb phrase. Tense and adverbials may give additional temporal information. […] The viewpoint of a sentence presents an event with a particular extent and focus, rather as a camera lens may focus. In framing a sentence the speaker chooses situation type and viewpoint, subject to the pattern of the language.» (Smith 1991, 5s.)
Der universale, auf allgemeine kognitive Fähigkeiten des Menschen basierte Charakter der Aspektualität wird von der Autorin an mehr als einer Stelle bekräftigt und ebenso – das wird am Ende des Zitats betont – die Rolle des Sprechers bei der Auswahl von beiden Unterkomponenten des aspektualen Bereichs. Was den situation aspect betrifft, fügt Smith im Vergleich zu anderen Klassifikationen von Verbklassen neben states, achievements, accomplishments und activities einen weiteren Typ hinzu, nämlich den der semelfactives.20 Den viewpoint aspect unterteilt sie in drei Unterkategorien, nämlich in einen perfective viewpoint,
17 Auch diese Autorin nennt aspect, was hier mit «Aspektualität» bezeichnet wird. 18 Schon der Titel des Buches «The Parameter of Aspect» zeigt einen eindeutigen Bezug zu dem auf principles-and-parameters basierten Grammatikmodell. Allerdings wählt Smith für die formale Darstellung ihrer Analyse das Modell der Discourse Representation Theory (DRT) von Heim (1982, 1983a und 1983b) sowie von Kamp (1981a und 1982b) und Kamp/Rohrer (1983). 19 «The situation types classify events and states at a level that is general and abstract enough to account for the range of possibilities that occurs. Each type is related to a schema of the essential structure of situations.» (Smith 1991, 28). 20 Ein Überblick über derartige Klassifikationen findet sich in § 1.2.4.
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
47
der sowohl den Anfangs- als auch den Endpunkt eines Sachverhalts fokussiert, einen imperfective viewpoint, der weder den Anfangs- noch den Endpunkt eines Sachverhalts fokussiert, sondern nur eine seiner Phasen, und schließlich einen neutral viewpoint, der eine Neuerung im Vergleich zu den traditionellen Gliederungen von Aspekt (vgl. hierzu § 1.2.2) darstellt. Dieser wird als default viewpoint aufgefasst, der in Sätzen ohne ausdrückliche morphologische aspektuale Markierung verwendet wird und der eine Phase des Sachverhaltes (einschließlich seines Anfangspunkts und eines gewissen Abschnitts dieses Sachverhaltes) fokussiert. Die Gründe für diese Neuerung, die nicht unproblematisch erscheint,21 sind theoretischer Natur und dienen dazu, Smiths Ansatz konsequent abzurunden, wie sie selbst klar erkennt: «The two-component theory requires that all sentences have a viewpoint, since situation type information is not visible without one. This theoretical requirement has the interesting consequence that sentences with no explicit aspectual morpheme must have an aspectual viewpoint. I posit the Neutral viewpoint as a default for such sentences. The default viewpoint gives partial information, which allows for the interpretations that speakers make of such sentences.» (Smith 1991, 93)
Gerade um die Diskussion der Hauptthese Smiths, nämlich der Unterteilung des allgemeinen – universal-semantisch, kognitiv aufgefassten – aspektualen Bereichs in zwei Komponenten, die sich auch semantisch voneinander unterscheiden und von einander unabhängig sind, wird es auf den nächsten Seiten gehen.
2.4 B idimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität Die Darstellung der Ansätze De Miguels und Smiths – die, wie gezeigt, zwei entgegengesetzte Linien der Forschung zur Aspektualität vertreten – führt nun direkt zum Kern des Problems und erlaubt, die Gretchenfrage der Aspektologen zu stellen, nämlich die nach der Semantik des aspektualen Bereichs.
21 Einerseits könnte man die aspektualen Inhalte, die nach Meinung von Smith durch den neutral viewpoint ausgedrückt werden (bzw. nicht ausgedrückt werden, da keine Markierung erscheint), genausogut dem Kontext zuschreiben, d. h. durch die Rolle von pragmatischen Faktoren gut erklären. Andererseits ist als weitere Möglichkeit der Interpretation solcher ambiger aspektualer Inhalte an aspektuale Polysemie einiger Formen zu denken. Im Folgenden wird an mehreren Stellen davon die Rede sein und auch dafür plädiert.
48
Der aspektuale Bereich
2.4.1 Aspekt und Aktionsart – zwei Kategorien? In den vergangenen Jahren wurde die Frage, ob es nicht legitim und notwendig sei, in den romanischen oder allgemein in den nichtslawischen Sprachen von Aspekt zu sprechen, korrekterweise immer mehr zur Frage umformuliert, wie legitimerweise in den unterschiedlichen Sprachen der Welt von Aspekt zu sprechen sei. Die Zahl der Arbeiten, die sich den Kategorien des Verbalsystems widmen, hat sich, wie schon betont wurde, beeindruckend vervielfacht.22 Einige davon sind in diesem und im vorherigen Kapitel kurz und selektiv vorgestellt worden, über einige weitere wird auf den nächsten Seiten, zwar nicht ausführlich, doch anhand wichtiger gemeinsam gestellter Fragen berichtet.23 Sicherlich lassen sich in diesen neueren Untersuchungen einige Punkte finden, bei denen ein mehr oder weniger breiter Konsens besteht: z. B. bei der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen den einzelsprachlichen aspektualen Kategorien und der universalen, konzeptuellen der Aspektualität;24 oder auch in der Meinung, dass der Inhalt der Aspektualität sich vor allem als Delimitation oder Abgrenzung definieren lässt, d. h. sehr allgemein als Setzung von zeitlichen Grenzen in der Strukturierung von Sachverhalten und dass daher eine der fundamentalen Unterscheidungen zwischen den unterschiedlichen Typen von Sachverhalten gerade die zwischen abgegrenzten und nicht abgegrenzten sei. In Bezug auf die Strukturierung des aspektualen kategorialen Bereichs – und folglich die Beziehung zwischen Aspekt und Aktionsart als kategorialen Dimensionen innerhalb dieses Bereichs (vgl. dazu Sasse 2002 und Squartini 1990) – lassen sich zwei gegensätzliche, unvereinbare Ansätze jedoch klar erkennen: –– Ein bidimensionaler Ansatz, der – bei den verschiedenen Autoren im Einzelnen auf der Basis sehr unterschiedlicher Grundlagen und mit dem Ergebnis sehr unterschiedlicher theoretischer Gebäude – das Vorhandensein eines fundamentalen Unterschieds von Aspekt und Aktionsart auf verschiedenen Ebenen (d. h. nicht nur formal, sondern auch semantisch) behauptet. Diese stellen damit zwei klar unterschiedene Unterkategorien des aspektualen
22 Dabei wurde vor allem in der kognitiven und logisch-formalen sowie im Bereich der typologischen Forschung onomasiologisch gearbeitet. In der romanistischen Forschung fehlt hingegen eine ausführliche und vergleichende Studie noch (den letzten Stand stellt Coseriu 1976 dar). 23 Vgl. Sasse (2002) – auf den in den nächsten Seiten wiederholt Bezug genommen wird – für eine kritische Zusammenstellung neuerer Schriften der aspektologischen Forschung. 24 Es wurde oben berichtet (§ 1.4), dass der Mangel an Präzision in diesem Punkt schon längst angemerkt wurde.
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
49
Bereichs dar (vgl. u. v. a. Bache 1982, 1995a und 1995b, B ertinetto 1986 und 25 1994, Ehrich 1992 sowie Smith 1991). –– Ein monodimensionaler Ansatz, der – auch in diesem Fall mit sehr unterschiedlichen Resultaten – keine kategoriale Unterteilung innerhalb des aspektualen Bereichs unternimmt. Hierbei wird behauptet, dass sich auf semantischer universaler Ebene (also auf einer allgemein kognitiven Ebene) keine Unterschiede zwischen Aspekt und Aktionsart finden; seine Vertreter gehen demnach (mehr oder weniger radikal) von der Möglichkeit aus, die verschiedenen aspektualen Phänomene auf allen Ebenen der Darstellung (also auf lexikalischer, morphologischer, syntaktischer usw.) anhand einer einzigen begrifflichen Dimension oder, in einigen Fällen, auch als eine kompakte Gruppe von elementaren Bedeutungen oder Grundkonzepten zu analysieren und zu beschreiben (vgl. v. a. die formal orientierten Arbeiten von Verkuyl 1972 und 199326).27
25 Vgl. auch noch Depraetere (1995) und Squartini (1990 und 1998). 26 Zu Verkuyls Ansatz vgl. § 3.5. 27 Vgl. auch Maslov (1973, 1985) für die slavischen, Schwall (1991) und eben De Miguel (1999) für die romanischen Sprachen. Auch diejenigen Herwegs (1990), Kamp/Rohrers (1983) und Sasses (1991) werden teilweise zu den monodimensionalen Theorien gezählt (vgl. dafür Squartini 1998, 10s.). Sasse selbst (2002) unterscheidet bei den bidimensionalen Ansätzen einige, die es «genuin» sind (wie z. B. diejenigen von Bertinetto und Smith, die er als composite theories of aspect bezeichnet), von anderen, die es in moderater Art sind (radical selection theories of aspect): «Radical selection theories can be said to exhibit only moderate bidimensionality insofar as they recognize two distinct components of aspectual relevance, one which continues the traditional ‹viewpoint› aspect opposition (ASPECT1) and one which continues the ‹Aktionsart› tradition (ASPECT2), but the two ‹dimensions› ultimately result from the distribution, over two distinct levels, of what are assumed to be basically the same cognitive categories: ASPECT1 features systematically realize parts of ASPECT2 schemata, i. e., serve to exploit the inherent aspectual potential of verb lexemes in systematic ways.» (Sasse 2002, 225) Zu diesen rechnet er z. B. Bickel (1996, 1997 und 2000), Breu (1984, 1985 und 1994) und Timberlake (1985). Wenn in diesem Buch von Vertretern des Bidimensionalismus die Rede ist, wird auf die «extremeren» oder «genuinen» dieser Ansätze Bezug genommen. Eine besondere Position diesbezüglich wird von Croft in seiner neuesten Arbeit vertreten: «The approach presented here is basically a unidimensional approach, but with an essential contribution from the bidimensional approach. Our primary interest is with the semantic structure of predicates. […] a bidimensional approach […] contributes an important element to the analysis of aspect that should not be overlooked. Events do not have just an inherent aspectual type, as assumed in some unidimensional approaches: the event may be viewed from different aspectual perspectives or viewpoints. This observation is represented in our approach by the phenomenon of construal […]. Construal is a generalization of the idea of different viewpoints or perspectives, aspectual or otherwise, on a situation […].» (Croft 2012, 32).
50
Der aspektuale Bereich
Diese Sichtweisen und die gegen sie formulierten Einwände sollen nun detailliert und kritisch diskutiert werden: Die romanistische Forschung der letzten Jahre zeigt sich mit sehr wenigen Ausnahmen, von denen schon die Rede war, nicht geneigt, sich auf monodimensionale Ansätze einzulassen; vielleicht auch, weil sie sich häufig an die Arbeiten Bertinettos anlehnt, einen der überzeugtesten Vertreter der bidimensionalen Ansätze.28 Tatsache ist aber, dass viele aspektuale Phänomene schwierig zu erklären bleiben, wenn man sie in die engen Grenzen einer Kategorisierung zwängt, die zwischen Aktionsart und Aspekt einen semantischen Unterschied erkennt und die Notwendigkeit ihrer Trennung behauptet. Zumindest ist man beim Versuch, diese Phänomene zu erklären, dann gezwungen – was aus theoretischer Sicht wenig elegant scheint –, von «Verlust», «Erwerb» oder «Transformation» von aktionalen Eigenschaften zu sprechen sowie von Verben, die ihre Natur ändern, die z. B. «aufhören» atelisch zu sein und telisch werden, von besonderen Affinitäten oder Idiosynkrasien zwischen einigen Formen von Aspekt und Aktionsart, von aspektual hybriden sprachlichen Formen wie den Verbalperiphrasen, deren Zuordnung zur einen oder zur anderen Kategorie nicht einfach ist. Tabelle (3) fasst zunächst einmal die Unterschiede zusammen, die klassischerweise zwischen Aspekt und Aktionsart gesehen werden;29 auf die Kriterien, die angewandt werden, um diese Unterschiede festzulegen, wird dann auf den nächsten Seiten kritisch eingegangen:
28 Vgl. z. B. Squartini insbesondere (1990 und 1998) zu den Verbalperiphrasen, aber auch Laca (insb. 1995, 2002b, 2004a und 2004b); vgl. außerdem u. a. Pérez Saldanya (2002). 29 In einigen Arbeiten findet man auch noch die folgende Unterscheidung: Aspekt komme nicht in allen Sprachen vor (nicht alle Sprachen drücken aspektuale Inhalte durch grammatikalische Flexionsmorpheme aus), während Aktionsarten in allen Sprachen zu finden (in allen Sprachen kommen verschiedene Verbtypen, Verbklassen vor) und daher als universal zu bezeichnen seien. In dieser Arbeit wird dieser These widersprochen, denn entweder gehören Aspekt und Aktionsarten, wie sie definiert sind, der einzelsprachlichen Semantik an (und sind daher beide nicht universal), oder aber sie sind beide Teile einer übergeordneten kognitiven Kategorie, der der Aspektualität, die der übereinzelsprachlichen Semantik angehört (und sind daher beide universal).
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
51
Aspekt exemplifiziert z. B. durch die am Verb markierte Opposition perfektiv vs. imperfektiv
Aktionsart exemplifiziert z. B. durch die im Lexikon verankerten Verbbedeutungen, vgl. Vendlers Verbklassen
Grammatikalische Kategorie Verbalflexion (stark grammatikalisierte Verbalperiphrasen)
Lexikalische Kategorie im Lexikon verankerte Bedeutung des Verbs
Obligatorische Kategorie weil grammatikalisch
Optionale Kategorie weil lexikalisch
Subjektive Kategorie Kategorie des Blickwinkels, durch den der Sprecher einen Sachverhalt ausdrückt (z. B. als global, abgeschlossen oder im Verlauf)
Objektive Kategorie dem Sachverhalt inhärente Kategorie (der Sprecher kann sie nicht beeinflussen)
Tab. 3: Unterschiede zwischen Aspekt und Aktionsart nach der traditionellen Interpretation
2.4.2 G rammatikalität vs. Lexikalität, Obligatorietät vs. Optionalität, Subjektivität vs. Objektivität Die Unterschiede, die klassischerweise zwischen Aspekt und Aktionsart identifiziert werden, können folgenden Kriterien zugeordnet werden: Grammatikalität vs. Lexikalität, Obligatorietät vs. Optionalität, Subjektivität vs. Objektivität. Das erste Unterscheidungskriterium (Grammatikalität vs. Lexikalität) – dass es sich im Falle von Aspekt um eine grammatische Kategorie handele, im Falle von Aktionsart um eine lexikalische – ist rein formal: Es bezieht sich auf die Arten des Ausdrucks der beiden Kategorien. Vor allem, wenn man die semantische Homogenität von Aspekt und Aktionsart erkennt, kann ein rein formales Kriterium nicht ausreichen, um eine so strikte kategoriale Trennung zu rechtfertigen – es sei denn aus einer semasiologischen Perspektive heraus, die für einzelsprachliche Untersuchungen gut sein mag, nicht aber für kontrastive.30 Selbst wenn man sich auf die Analyse einer einzigen Sprache konzentriert, scheint es jedoch sehr schwierig, Aktionsart als rein lexikalische Kategorie zu definieren, da die «Natur», die Zuordnung eines Verbs zu einer bestimmten Aktionsart, nur innerhalb des gesamten Kontextes des Syntagmas und des Satzes
30 Vgl. dazu auch Coseriu (1987, 125).
52
Der aspektuale Bereich
interpretiert werden kann (vgl. Verkuyl 1972). Dies hängt, wie schon in § 1.2.4 betont wurde, also auch von Phänomenen ab, die eher der grammatikalischen Sphäre zuzuordnen sind, z. B. von der Präsenz oder der Absenz einiger Verbargumente31 und ihrer Quantifikation bzw. des Grads ihrer Determination oder Definitheit, einiger adverbialer Bestimmungen und vieler anderer Komponenten, die nicht notwendigerweise direkt spezifisch aspektuale Inhalte vermitteln (wie die Satzstellung, die Negation usw.). Das Beharren auf diesem Kriterium der Grammatikalität/Lexikalität wird weiter erschwert, bedenkt man die heute breit vertretene These, dass die Unterscheidung zwischen lexikalischen und grammatikalischen Elementen nicht als Indikation ihrer Zugehörigkeit zu diskreten Klassen verstanden werden kann, sondern dass diese als ein Kontinuum zu interpretieren seien: Lexikon und Grammatik stellen die zwei Pole variabler und in einem Kontinuum stehender Realitäten dar, da sprachliche Elemente einen höheren oder niedrigeren Grad an Grammatikalität bzw. Lexikalität aufweisen können. Zu dieser Neukonzeption der Beziehung zwischen lexikalischen und grammatikalischen Elementen hat vor allem die kognitiv orientierte und typologisch angelegte Forschung beigetragen32 sowie auch die Grammatikalisierungsforschung der letzten Jahre.33 Und es ist nun evident, wie aus einer solchen Perspektive nebensächlich wird, ob aspektuale Inhalte, die man für semantisch homogen hält, grammatikalisch ausgedrückt werden, wie im Fall des Aspekts, oder eher lexikalisch sind, wie im Fall der Aktionsart. Dies scheint besonders wichtig im Fall der Verbalperiphrasen, die in den romanischen Sprachen eine wesentliche Rolle für den Ausdruck aspektualer Bedeutungen spielen, und bei denen es schwierig ist, festzustellen, ob es sich um grammatikalische oder um lexikalische Phänomene handelt – ob sie daher
31 Wenn man Verben wie andare und andare (da Roma) a Parigi miteinander vergleicht, wäre das erste nach der klassischen Verbklassifikation als atelisch, das zweite als telisch zu interpretieren. 32 Vgl. Langacker (2006); vgl. auch Bybee (1985), Bybee/Dahl (1989) und Bybee/Perkins/Pagliuca (1994), Dahl (1985 und 2000). 33 Vgl. u. a. Haspelmath (1998), Hopper (1991), Hopper/Traugott (2003), Ch. Lehmann (1995 und 2002) und für die Romanistik Detges/Waltereit (2002), Lang/Neumann-Holzschuh (1999) und Marchello-Nizia (2006). Gegen diese These argumentieren die Arbeiten der Vertreter der sogenannten «split-morphology Hypothese», die von einer strikten Trennung zwischen grammatikalischem und lexikalischem Bereich ausgehen: vgl. u. a. Anderson (1982 und 1988), Scalise (1984 und 1988). Zum Vergleich zwischen diesen zwei Typen von Ansätzen zur Betrachtung der Beziehung zwischen grammatikalischen und lexikalischen Elementen vgl. Haspelmath (2002).
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
53
dem Aspekt oder der Aktionsart zuzuschreiben sind. Denn selbst wenn man flexible und überzeugende definitorische Lösungen wie diejenigen Squartinis (1998) verwendet, der eine skalare Theorie der Periphrastizität entwickelt, ist es nicht einfach zu entscheiden, welchen Grad der Grammatikalität eine aspektuale Verbalperiphrase erreicht hat oder aber, welche Reste an Lexikalität sie aufweist – wie die folgenden Beispiele gut zeigen: (1) it. (2) it. (3) fr. (4) fr. (5) sp. (6) sp. (7) kat. (8) kat.
Marta viene [Pres.] raccontando storie bizzarre da tre settimane. [venire + Ger.] Leo comincia [Pres.] a leggere e a scrivere. [cominciare a + Inf.]
Julie vient [Prés.] de chanter. [venir de + Inf.]
Marie-Rose se met [Prés.] à chanter. [se mettre à + Inf.] Acabo [Pres.] de escribir una carta. [acabar de + Inf.]
Antonio anda [Pres.] haciendo cosas interesantes. [andar + Ger.] La Rosina comença [Pres.] a llegir el japonès. [començar a + Inf.]
M’estic [Pres.] menjant una galeta. [estar + Ger.]
Der Grammatikalitätsgrad von Periphrasen wie venire oder stare + Gerundium (in den Beispielen (1) und (8)) ist in der Tat höher, und daher näher an echten flexiv markierten Aspekt-Formen als derjenige von Periphrasen des Typs cominciare/començar a + Infinitiv (in den Beispielen (2) und (7)). Denn stare ist hier als hoch gradiertes Hilfsverb anzusehen und zeigt keine Spuren (mehr) der lexikalischen Bedeutung ‘sein, existieren’, die es als Vollverb hat. Hingegen sind in cominciare und començar noch deutliche Spuren der lexikalischen Bedeutung dieser Verben vorhanden, auch wenn sie hier in der Funktion von Hilfsverben erscheinen.34 Eine kleine Parenthese aus der kontrastiven Perspektive erlaubt an dieser Stelle einen tieferen Einblick in das problematische Phänomen und zeigt weiter die Tendenz des Deutschen, aspektuale Inhalte lexikalisch auszudrücken, für die die romanischen Sprachen grammatikalische Mittel unterschiedlichen Grammatikalisierungsgrads bevorzugen. Vergleichen wir (1)–(8) mit den folgenden deutschen Beispielen: (9) dt.
Jakob ist gerade dabei, genüsslich ein Schokocroissant zu essen.
(10) dt.
Frieder war am Essen, als ich kam.
(11) dt.
Leo läuft seit drei Wochen mit der komischen Geschichte herum.
34 Vgl. Kap. 6 für eine genauere Erklärung.
54
Der aspektuale Bereich
Für eine Einstufung von (9) und (10) als grammatikalisierte periphrastische Konstruktionen, in welchem Grad auch immer dies der Fall ist, könnte man relativ breiten Konsens finden, selbst wenn diese nicht so frequent sind wie in den romanischen Sprachen und das geographische Anwendungsgebiet, insbesondere von (10), nur auf bestimmte Regionen Deutschlands beschränkt ist. ‘Gerade dabei sein zu essen’ in (9) ist eine zweigliedrige Konstruktion, deren Bedeutung sich nicht kompositionell aus der Summe der Bedeutungen der einzelnen Teile ergibt, wie es im Fall einer Verbalperiphrase ist, denn ‘gerade dabei sein’ bedeutet hier sicherlich nicht ‘hier und jetzt existieren’. Das erste Glied der Periphrase übt folglich eine Art Hilfsverbfunktion aus und die lexikalische Hauptinformation der gesamten Prädikationseinheit wird vom zweiten Glied, dem Hauptverb ‘essen’, geliefert. Ähnliches kann man für (10) behaupten. Die mit dem Verb verbundene Nominalkonstruktion in (11) kann man aber als lexikalisch dominiert ansehen (selbst wenn die aspektualen Inhalte, die hier ausgedrückt werden, in den romanischen Sprachen gerade durch Verbalperiphrasen wie andare/ir + Gerundium ausgedrückt würden). Mit anderen Worten kann man keine Grammatikalität in ‘herumlaufen’ finden, dieses ist dabei nicht als Element zu klassifizieren, das irgendeine Hilfsverbfunktion ausübt, vielmehr ist es Hauptverb im Satz und als (mehr oder weniger rein) lexikalische Darstellung aspektualer Inhalte zu sehen. Was macht man aber dann mit der Zuordnung gerade von niedrig grammatikalisierten oder aktionell gesteuerten Periphrasen – und zwar sowohl im Deutschen als auch in den romanischen Sprachen, wo sie im aspektualen System eine wirklich zentrale Rolle spielen? Sind sie Aktionsart oder Aspekt? Sollte man dabei vorzugsweise von aktionellen Periphrasen reden? Und wenn ja, ab wann wird aus ihnen eine richtige aspektuale Periphrase? Es sind gerade solche konkreten Fälle, die die Grenzen der bidimensionalen Auffassung des aspektualen Bereichs sehr plastisch zeigen. Mit ihnen wird sich Kapitel 6 genauer beschäftigen. Das zweite Unterscheidungskriterium (Obligatorietät vs. Optionalität) ist letztlich mit dem ersten eng verbunden und folglich auch mit dessen oben angesprochenen Problemen. Es basiert nämlich auf der Annahme, dass grammatikalische Kategorien obligatorisch, lexikalische aber optional oder verzichtbar seien. Im Detail besagt dies, dass der Aspekt in einer Äußerung notwendigerweise ausgedrückt sein müsse, da die Syntax eine flexive Markierung verlange, während die Aktionsart nicht notwendigerweise beteiligt sein müsse, da der Sprecher frei wählen könne, die eine oder die andere Verblexie zu verwenden. Auch die Wirksamkeit dieses zweiten Unterscheidungskriteriums kann man nur sehr begrenzt gelten lassen, um die absolute Notwendigkeit der Trennung zwischen den beiden Kategorien zu behaupten. Erstens muss ebenso eine Verblexie gewählt werden, wie eine flektive Markierung gewählt werden muss, damit
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
55
die Syntax funktioniert. Und eine Verblexie ist ebenso notwendig mit einer Aktionsart (also einem lexikalischen aspektualen Inhalt) verbunden wie eine flektive Markierung mit Aspekt. Insofern werden beide verlangt, und beide werden vom Sprecher gewählt mit dem Ziel, das auszudrücken, was er ausdrücken möchte. Es gibt einige fundierte Einwände gegen die Absolutheit des Obligatorietäts-Kriteriums, hier sei beispielhaft nur auf das Vorkommen von Neutralisierung auch bei obligatorischen grammatischen Morphemen hingewiesen (z. B. beim Präsens) oder aber auf die Möglichkeit, im Deutschen, ebenso wie im Spanischen und Italienischen, Äußerungen ohne finites verbales Element zu bilden (die damit das Entfallen der obligatorischen Tempusmarkierung bedingt; vgl. Klein 1983, 151). Selbst wenn man diese, sowie die Einwände gegen alle anderen Kriterien, auf Basis derer man flexionale und derivative Kategorien unterscheidet, beiseite lässt,35 steht in jedem Fall fest, dass das Argument der Obligatorietät des Aspekts oder der Optionalität der Aktionsart nur innerhalb eines jeden Systems einer Einzelsprache und nicht im Sprachvergleich stichhaltig sein kann.36 Das dritte und letzte Unterscheidungskriterium (Subjektivität vs. Objektivität), das der Subjektivität des Aspekts und der Objektivität der Aktionsart, ist, anders als die ersten beiden, semantischer Natur. Aktionsart stelle dar, worüber der Sprecher spricht, also die zeitliche Struktur eines Sachverhalts, so wie er ist; Aspekt sei hingegen die Art und Weise, in der der Sprecher davon spricht, also die freie (eben subjektive) Darstellung der zeitlichen Struktur eines Sachverhalts (vgl. u. a. Bache 1995a und 1995b, Bertinetto 1986 und 1994 sowie Smith 1991 für diese Auffassung). Gegen die vermeintlich freie Wahl des Sprechers, der die Perspektive des Sachverhalts (eben als perfektive oder imperfektive) festlegen könne, muss man jedoch einwenden, dass diese Entscheidung vom verwendeten Verb häufig stark beeinflusst wird, d. h. von den aspektualen (und nicht-aspektualen) Informationen, die in der Verbbedeutung und dann natürlich im gesamten Kontext der Äußerung verankert sind. Der Sprecher ist daher in der Wahl des Aspekts häufig durch die (aspektualen) Möglichkeiten und Kombinationen, die der Kontext schon vorgegeben hat, eingeschränkt. Man denke dabei an das, was die traditionelle Grammatik «Präferenzen» und «Idiosynkrasie» in der Kombination aspek-
35 Vgl. z. B. Bybee (1985), Haspelmath (2002); dagegen die Vertreter der split-morphology, z. B. Scalise (1988). Zum Argument der Obligatorietät im Allgemeinen vgl. Greenberg (1954) und später Matthews (1974) sowie Anderson (1982). 36 Auch kann man die Tatsache nicht vernachlässigen, dass das Kriterium der Obligatorietät von grammatischen (morphologischen) Markierungen nicht für alle Sprachen in gleicher Weise gilt.
56
Der aspektuale Bereich
tueller und aktionaler Züge miteinander nennt, z. B. ist im heutigen Italienisch die in (12) und (13) dargestellte Kombination der states mit dem perfektiven oder mit dem imperfektiven Aspekt des Typs progressiv unmöglich: (12) it.
*Carlo fu biondo.
(13) it.
*Carlo sta essendo biondo.37
Analog dazu kann man mit Dahl (1981, 83) auch gegen die angebliche Objektivität der Aktionsarten argumentieren: –– Kein Verb gehört «unveränderlich» einer Prädikatsklasse (oder Aktionsart) an, wie die folgenden Beispiele (14a–b)–(16a–b) zeigen, in denen der Sprecher den Sachverhalt als telisch (wie in (14a)–(16a)) oder als atelisch (wie in (14b)–(16b)) darstellt. –– Der Sprecher kann außerdem wählen, ob er einen Sachverhalt als dynamisch wie in (17a)–(19a) (in diesem Fall handelt es sich jeweils um eine activity) oder aber als statisch wie in (17b)–(19b) darstellen will: (14a) it. (14b) it. (15a) eng. (15b) eng. (16a) dt. (16b) dt. (17a) it. (17b) it. (18a) eng. (18b) eng. (19a) dt. (19b) dt.
Leo mangia [Pres.] un gelato. Leo mangia [Pres.].
Richard ate [Sim. Past] sandwiches.
Richard ate [Sim. Past] a sandwich. Julia isst [Pres.] ein Eis. Julia isst [Pres.].
Leo vola [Pres.] tra l’Italia e la Germania.
Leo è [Pres.] in volo tra l’Italia e la Germania.
Richard is flying [Pres. Prog.] between Italy and Germany.
Richard is [Sim. Pres.] in flight between Italy and Germany.
Julia fliegt [Pres.] zwischen Italien und Deutschland.
Julia befindet [Pres.] sich auf dem Flug zwischen Italien und Deutschland.
Man kann also, mit Krifkas Worten, darauf beharren, dass: «[…] der Begriff des festen oder nicht-festen Endpunktes gar nicht sinnvoll auf ein einzelnes Ereignis angewendet werden kann: Wenn wir ein bestimmtes Ereignis, zum Beispiel ein bestimmtes Lauf-Ereignis, betrachten, dann hat dies natürlich immer einen festen Endpunkt (ebenso wie einen festen Anfangspunkt). Es macht erst Sinn, von festen und nicht-
37 Für eine Analyse der Konditionierungen bzw. Einschränkungen in der Kombination von Verbklassen und Aspekt im Russischen vgl. Anstatt (2003).
Bidimensionale vs. monodimensionale Ansätze zur Aspektualität
57
festen Endpunkten zu sprechen, wenn wir berücksichtigen, wie ein Ereignis beschrieben ist. Wenn ein Ereignis e mit laufen beschrieben wird, so ergibt sich der atelische Charakter daraus, dass es Ereignisse e’ gibt, die länger dauern, e als Teil enthalten und die noch immer mit laufen beschrieben werden können. Wenn dasselbe Ereignis e hingegen mit drei Kilometer laufen beschrieben wird, so ist der telische Charakter eben darauf zurückzuführen, dass es keine Ereignisse e’ gibt, die länger dauern, e als Teil enthalten und mit drei Kilometer laufen beschrieben werden können. Den Unterschied zwischen Telizität und Atelizität kann man also gar nicht an den Ereignissen selbst festmachen, sondern man muß hierzu auf die Ebene der Ereignisbeschreibung, oder alternativ auf die Ebene der Begriffe, hinaufsteigen.» (Krifka 1989b, 237)
Der Sprecher bewegt sich mit anderen Worten – und eine solche Anmerkung ist eigentlich banal – konstant zwischen Freiheiten und Obligationen: Unter den von seiner Sprache zur Verfügung gestellten Mitteln (die sich auf einem Kontinuum zwischen Lexikon und Grammatik befinden), sucht er sich aus, was er auswählen kann und muss, was er kombinieren kann und muss, um den erwünschten Effekt zu erzielen: die erfolgreiche und damit ökonomische und/oder expressive Vermittlung der zu kommunizierenden Inhalte. Fast jede der hier behandelten Gegenargumentationen wird mehr oder weniger offen auch von den Gegnern der, mit Bertinettos Worten, «gefährlichen Vermischung von Aspekt und Aktionsart» (vgl. 1986, 84) anerkannt. Auch die Vertreter der semantischen Unterschiede innerhalb des aspektualen Bereichs erkennen die Ähnlichkeit an, die privilegierte Beziehung, die «indubbie connessioni che esistono fra queste due fondamentali caratterizzazioni semantiche delle forme verbali» (Bertinetto 1986, 84) oder weisen sogar ganz offen darauf hin, dass das dritte Unterscheidungskriterium nicht richtig ist: «Die so getroffene Unterscheidung [d. h. dass Aktionsarten sich auf kategoriale Eigenschaften von Sachverhalten beziehen, dass sie also unabhängig von der Sicht des Sprechers seien, während Aspekt die Perspektive (als zeitlich offen oder geschlossen) ausdrücke, unter der ein Sachverhalt vom Sprecher gesehen wird sds] berücksichtigt allerdings nicht, daß es auch von der Perspektive abhängt, ob ein Sachverhalt kategorial als zeitlich offener Zustand (die Rose blüht) oder als abgeschlossener Prozeß (die Rose verblüht) gesehen wird. Beide, Aktionsart und Aspekt, bringen zum Ausdruck, wie eine Situation gesehen wird, von innen in ihrem zeitlichen Verlauf oder von außen als zeitlich abgeschlossenes Ganzes.» (Ehrich 1992, 74)
So wie der Sprecher sich für einen Aspekt entscheiden kann (oder dies auch nicht tun kann), entscheidet er sich für die Lexien, durch die er die gewählte Perspektive wiedergeben kann. Der Grund für das Beharren auf der Trennung muss also an anderer Stelle zu finden sein. Ehrich behauptet unter Berufung auf die von Smith (1991) vorgeschlagene Differenzierung zwischen einem viewpoint aspect und einem situation aspect, der Unterschied bestehe in der Tatsache, dass
58
Der aspektuale Bereich
«Aspekt die aktuelle, Aktionsart die konventionalisierte oder ‹gefrorene› Perspektive wiedergibt» (Ehrich 1992, 74). Gegen diese Argumentation kann man aus mehreren Blickwinkeln Einwände erheben: Erstens: So wie die im Lexikon (hier im Verbstamm) abgelegte Perspektive «gefroren» oder konventionalisiert ist, so ist es auch die in der Grammatik, in der grammatikalischen Regel abgelegte Perspektive, die die Variation, die Wahl, zwischen Perfektivität und Imperfektivität erlaubt. Mit anderen Worten, die Regel, die der frei gewählten aspektuellen Perspektive zu Grunde liegt – die Tatsache, dass sie als binäre Möglichkeit vorhanden ist, die präzisen Kombinationsmöglichkeiten folgt –, ist als ebenso konventionalisiert und fixiert anzusehen wie die jeglicher Aktionsart. Die angenommene Aktualität durch die Entscheidung für die eine oder andere Form des Aspekts ist vergleichbar mit der Entscheidung für das eine oder das andere Prädikat, die eine oder die andere Verbbedeutung. Und warum sollten in einem sprachlichen System die lexikalischen Entscheidungen, Festlegungen – die darüber hinaus so rein lexikalisch nicht sind, da sie grammatikalische Beziehungen zu den eigenen Argumenten implizieren – konventionalisierter sein als die in engerem Sinne grammatikalischen? Zweitens hat auch die Grammatikalisierungstheorie weitere Beweise für die Tatsache geliefert, dass sich gerade der Übergang zwischen dem sprachlich «Gefrorenen» und dem «Nicht-Gefrorenen» oder «Nicht-Konventionalisierten» als sehr flexibel zeigt.38 Drittens handelt es sich auch hier um eine nur in einem einzelsprachlichen System gültige Perspektive, da jede besondere Konventionalisierung mit einer Einzelsprache verbunden ist, was natürlich auch bedeutet, dass sie sich in der Zeit wandeln kann. Dies wird zum Beispiel evident, wenn man die oben angesprochene Unmöglichkeit, states im heutigen Italienisch oder Französich mit dem perfektiven Aspekt zu kombinieren, mit älteren Sprachzuständen der zwei romanischen Sprachen vergleicht: Im Altitalienischen war diese Kombination ebenso wie im Altfranzösischen vollkommen grammatikalisch, wie folgende Beispiele zeigen:39
38 Anzumerken ist außerdem, dass diese Argumentation der Aktualität vs. Konventionalität überhaupt an Kraft verliert, geht man von einer frame-basierten Auffassung von Sachverhalten aus, bei der die aktuelle Perspektive des Sachverhalts mit der aktuellen Konstitution des Frame selbst verbunden ist. Dies bedeutet, dass alle Elemente, die einen Frame konstituieren, diesen Frame erst in der aktuellen Verwirklichung in ihrem Zusammenspiel bilden und erst auf dem Hintergrund des Frame als seine Elemente einzeln wahrgenommen werden können. 39 Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass die perfektiven Formen im Altitalienischen und im Altfranzösischen mehrere aspektuale Werte ausdrücken konnten und zwar mehr als die jeweiligen äquivalenten Formen (passato remoto und passé simple) heute.
Grenzen monodimensionaler Ansätze?
59
(20) ait. Messer Polo Traversaro fu di Romagna, e fu lo più nobile uomo di tutta Romagna e tutta quasi la signoreggiava, a cheto. (Novellino, 41, 2–3) (21) afr.
Bels fut li vespres et li soleilz fut cler. (Rolandslied, v. 157)
Einen weiteren möglichen Einwand findet man schließlich auch wieder bei der Analyse der Verbalperiphrasen. Wie oben angedeutet wurde, ist es aus synchroner Perspektive sehr schwierig, die verschiedenen Verbalperiphrasen über einfache formale Kriterien dem Aspekt oder der Aktionsart zuzuordnen, da sich in ihnen unterschiedliche Grade der Grammatikalität oder der Lexikalität finden. Was sich als noch schwieriger erweisen würde, wenn man zwei Unterkategorien innerhalb des gemeinsamen semantischen Bereichs der Aspektualität unterscheidet, wäre festzustellen, welche Beziehung das System der Verbalperiphrasen in der Synchronie zusammenhält: Welches wäre nämlich der gemeinsame Nenner, der Grund, aus dem alle Verbalperiphrasen als aspektual klassifiziert werden können (also auch die weniger grammatikalisierten wie zum Beispiel die ingressive cominciare a + Infinitiv)? Auch wäre es sehr schwierig, die Entwicklung der periphrastischen Konstruktionen in der Diachronie zu erklären, verneint man, dass Aspekt und Aktionsart auf einer allgemeineren semantischen Ebene gemeinsame Inhalte haben.40 Und wie kann man die Trennung von Aspekt und Aktionsart in der Synchronie behaupten, wenn diese in der Diachronie auf allgemeinerer semantischer Ebene identische Inhalte teilen?
2.5 Grenzen monodimensionaler Ansätze? Die dargestellte Kritik an den bidimensionalen Ansätzen lässt bereits erkennen, dass hier ein monodimensionaler Ansatz vertreten werden soll: Sie basiert auf der Überzeugung, dass von einem kognitiven Gesichtspunkt aus kein inhalt
40 Sehr häufig – und im Fall der romanischen Sprachen ganz offensichtlich – beginnen die typischen Wege der Grammatikalisierung, die zur Konstitution der grammatikalisierten aspektualen Periphrasen führen und sich damit der Kategorie des Aspekts annähern, diachron bei aktional charakterisierten Konstruktionen (vgl. § 6.3.3). Vgl. diesbezüglich die Position Squartinis (1998, 17s.): «It [the progressive sds] is rather to be conceived as an aspectual form, which derives diachronically (at least in some languages) from a construction constrained to a given actional value. From this point of view, even if aspect and actionality have to be considered as independent notions, a diachronic relationship between the two can be assumed, so that aspect emerges from actionality, or, put another way, aspect derives from the grammaticalization of actionality. This is why a semantic similarity between aspect and actionality can be recognised, […] for aspect emerges from the same cognitive mould as actionality.»
60
Der aspektuale Bereich
licher, also semantisch-konzeptueller Unterschied zwischen Aspekt und Aktionsart gemacht werden kann: «From a cognitive point of view, aspect and aktionsart […] are actually one and the same thing, the difference being a matter of individual lexicalization and grammaticalization processes.» (Sasse 1991, 32)
An dieser Stelle ist es zunächst wichtig, der Vorstellung des hier entwickelten Modells der Aspektualität die Diskussion der zwei grundsätzlichen Einwände voranzustellen, die gegen monodimensionale Ansätze oft erhoben werden: –– Zunächst wird der Mangel an theoretischer Strenge angegriffen, der sich zeige, wenn sich voneinander – terminologisch, aber auch konzeptuell – verschiedene Unterteilungen der beiden Kategorien vermischen, wenn man etwa Begriffspaare wie telisch/atelisch und perfektiv/imperfektiv austauschbar mache. Der Vorwurf lautet, Unterschiede zu nivellieren, zu maskieren, die mit Sprachebenen und konzeptionellen und kategorialen Unterteilungen verbunden sind. –– Dann wird die Untauglichkeit dieser Ansätze unterstrichen, die diese bei der detaillierten Analyse konkreter sprachlicher Erscheinungen zeigen, in ihrer Unfähigkeit, eine feine Körnung der Untersuchung zu erreichen, die für die Beschreibung und Interpretation komplizierter sprachlicher Mechanismen notwendig ist. Da sich die monodimensionalen Ansätze auf ein sehr einfaches und begrenztes semantisches Instrumentarium stützten, seien sie nur in der Lage, grobe Klassifizierungen anzubieten, die die feineren Abstufungen sprachlicher Phänomene unbeachtet und unerklärt ließen. Der erste Einwand ist sicher berechtigt: Es ist aus theoretischer Sicht wenig stringent und kann zu Verwechslungen verschiedenster Art führen – auf der Basis von Kriterien, die auf der Existenz zweier auch semantisch unterschiedlicher Kategorien aufbauen, die auf zwei unterschiedlichen sprachlichen Ebenen Grammatik und Lexikon zugeordnet werden –, Unterkategorien wie imperfektiv und perfektiv auf der einen Seite und stativ, durativ, telisch usw. auf der anderen Seite zu definieren, um anschließend wieder die ungeordnete Identifikation dieser Unterkategorien miteinander zu behaupten (eben des imperfektiven mit dem durativen oder des perfektiven mit dem telischen). Es ist selbstverständlich, dass diese Unterkategorien des aspektualen Bereichs per definitionem unterschiedlich konzipiert sind und daher auch nicht einfach miteinander identifiziert werden können. Ist es aber tatsächlich notwendig, überhaupt erst von der Realität zweier Kategorien auszugehen, die dann wieder zusammenzuführen wären?
Grenzen monodimensionaler Ansätze?
61
Dafür bleiben die Vertreter der bidimensionalen Ansätze, wie es in der kritischen Analyse der Unterscheidungskriterien gezeigt wurde, den Nachweis schuldig. Was daher ansteht, ist zu zeigen, dass auch ein monodimensionaler Ansatz zur Beschreibung der allgemeinen Kategorie der Aspektualität in der Lage ist, eine feine Körnung in der Beschreibung sprachlicher Phänomene zu erreichen. Mit dem im Folgenden dargestellten Ansatz wird dafür eine Klassifizierung der Inhalte des aspektualen Bereichs entwickelt, die die Möglichkeit bietet, detailliert Abstufungen der unterschiedlichsten sprachlichen Phänomene zu erklären, und die sich darüber hinaus auch als besonders angemessen für die Anwendung im Sprachvergleich erweist. Will man sich schließlich vollständig der bidimensionalistischen Kritik entziehen, muss man sich bei der Analyse der Aspektualität, die auf abstrakteren und homogeneren Kriterien aufbaut, ebenso einer neuen Kategorisierung wie auch einer neuen Terminologie bedienen. Dies wird Gegenstand und Aufgabe der folgenden Kapitel sein.
3 Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie. Theoretische und methodische Grundlagen 3.1 Vorbemerkungen Sprecher verfügen über eine grundlegende Ausstattung kognitiver und kommunikativer Kompetenzen: Sie besitzen die biologisch begründete, sozial erlernte und weiterentwickelte Fähigkeit,1 Inhalte mit Ausdrücken zu verbinden und diese zu den verschiedensten kommunikativen Zwecken zu verwenden: die Sprache. Dem Ausdruck2 einer Bedeutung, einer Funktion können verschiedene Mittel dienen, die nach verschiedenen Organisationsprinzipien strukturiert sind. Die Strategien, die die Sprecher in ihren Einzelsprachen bei der Herstellung dieser Verbindung von Inhalten und Ausdrücken entwickelt haben und die sie jeweils im konkreten kommunikativen Kontext wählen, weisen eine reiche Vielfalt auf. Aus der Beobachtung der Resultate vieler in den letzten Jahren geführter typologischer Untersuchungen3 wird dennoch klar, dass sich einige übereinzelsprachliche Konstanten4 finden lassen, gerade in der Identifizierung einiger sehr allgemeiner sprachlicher Funktionen, nämlich als universal aufgefasste Inhaltskategorien. Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie.
1 Vgl. zur sogenannten «sozialen Kognition» Tomasello (1999), vgl. auch Ferretti (2006) sowie De Mauro (2009) allgemein zu der Beziehung, die Sprachen und Gesellschaft mit der «Naturalität» des Menschen verbindet: «anche chi sosteneva tenacemente l’idea di una unicità biologica se non dell’essere umano certamente delle sue capacità linguistiche è arrivato negli ultimi anni a ripensare radicalmente quest’idea dell’unicità, del linguaggio come uniquely human, e ad ammettere quel che gli altri già da tempo pensavano, e cioè che ci sia una continuità tra la spinta alla comunicazione delle altre specie viventi e l’insorgere delle capacità di uso delle lingue e del linguaggio da parte degli esseri umani. Questo insorgere e la vita conseguente a questo insorgere delle capacità linguistiche sono tutti avvolti, per dir così, nei condizionamenti sociali.» (De Mauro 2009, 7s.). 2 Natürlich verfügen die Menschen auch über einen artikulatorisch-auditiven Apparat, der auf die Sprachproduktion und -rezeption spezialisiert ist. 3 Vgl. insbesondere die klassisch gewordenen Beiträge von Bybee (1985) und Bybee/Perkins/ Pagliuca (1994), Dahl (1985 und 2000); aber auch die aktuelleren in Song (2011), insb. van der Auwera/Gast, Bickel, Cristofaro, de Haan, Moravcsik und Stassen. 4 Dahl (1985) spricht diesbezüglich von «cross-linguistic categories».
Vorbemerkungen
63
Die Behauptung der Identifizierbarkeit von übereinzelsprachlichen – also in einem nicht absoluten Sinne universalen – Inhaltskategorien bedeutet jedoch nicht, dass der Sprecher universales mentalese in Sequenzen seiner Sprache nur zu übertragen braucht, denn die Leistungen, die eine solche Sprache des Geistes erbringen müsste, wären enorm.5 Man kann in der Tat verschiedene Argumente dafür finden, dass die historische Gestalt jeder unserer Sprachen unsere jeweilige «Weltansicht» (vgl. Humboldt 1903–1936, VI/1, 22–23), unsere Art die Welt zu strukturieren beeinflusst. Dies zeigt zwar einerseits, wie problematisch verabsolutierende Formen des Universalismus sind,6 bedeutet aber andererseits sicherlich nicht, dass man sich einem ungezügelten Relativismus hingeben muss.7 Einige wichtige Erkenntnisse stammen dabei in der Tat aus der universalistischen Tradition, unter anderem die Zurückweisung der relativistischen Ansicht, dass jede Sprache nur in ihren eigenen Termini beschrieben werden kann, oder aber die Behauptung der Identifizierbarkeit einer beschränkten Anzahl von Kategorien, die im Normalfall ausreicht, die grundlegenden Züge einer jeden mensch lichen Sprache wiederzugeben, die mit den menschlichen kognitiven Fähigkeiten im Allgemeinen zusammenhängen. Wenn auch in Bezug auf die Art, in der dies geschieht, theoretische Uneinigkeit besteht,8 herrscht aber verbreitet Konsens über die Tatsache, dass der Mensch in einer Welt lebt, die er durch seine kognitiven Fähigkeiten strukturiert, und zwar nicht nur logisch oder bildlich, sondern auch sprachlich. Mit den sich an das Erbe Humboldts anlehnenden und kraft ihrer eigenständigen Synthese
5 Zum mentalese vgl. insbesondere Fodor (1975) und Pinker (1994). Die Idee einer Sprache des Geistes, einer lingua mentis, begleitet aber natürlich den gesamten Lauf des abendländischen philosophischen Denkens von der Antike bis zur Moderne. Zu den schwer vorstellbaren Leistungen, die eine Sprache des Geistes – d. h. ein universales konzeptuelles System, auf dem die Bedeutungen der verschiedenen Einzelsprachen ruhen – erbringen sollte, falls es ein solches System gäbe, vgl. Waltereit (1998, 9): «Dieses System müßte alle überhaupt nur möglichen Konzepte umfassen, müßte jede nur denkbare begriffliche Entwicklung schon vorweggenommen haben – die Konzeption sprachlicher Bedeutungen als Reduktionen eines vorgängig gegebenen Wissensbestandes wäre anders nicht haltbar. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß dem so ist.» 6 Vgl. die neuere Welle der sprachlichen Relativitätshypothesen gewidmeten Arbeiten: Gumperz/Levinson (1996), Lucy (1992, 1996 und 1997), Niemeier/Dirven (2000), Pütz/Verspoor (2000) sowie im Allgemeinen die neueren kognitiv basierten Studien zum Spracherwerb, z. B. Tomasello (2003). 7 Wenn dies die extremen Repräsentanten des sprachlichen Relativismus getan haben, so sicherlich nicht der Vater dieser Konzeption, Wilhelm von Humboldt. 8 Vgl. z. B. die Kritik von Jackendoff (2002) oder Goldberg (2008) an Chomskys Auffassung der Universalgrammatik, vgl. z. B. Chomsky (1993 und 1995); vgl. weiter die Diskussion der Thesen von Hauser/Chomsky/Fitch (2002) bei Pinker/Jackendoff (2005).
64
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
innovativen Worten Ernst Cassirers können wir dies ein wenig plakativ dahingehend zusammenfassen, dass Gegenstands- und Ereigniskategorien erst durch die Sprache geschaffen werden: «Wenn es gelänge, eine Provinz des Seelischen aufzuweisen, die spezifisch mit der Sprache verknüpft und die wesentlich auf sie angewiesen ist, so ließe sich an ihrer Struktur vielleicht indirekt ein Zeugnis über das Werden und Wachsen der Sprache gewinnen – so ließe sich an ihrer Entwicklung vielleicht das Bildungs- und Gestaltungsgesetz, dem sie untersteht, in irgendeiner Weise ablesen. […] Die These, die ich hier vertreten möchte […], geht nun dahin, daß eine solche Provinz in der Tat besteht, insofern ein wesentlicher und notwendiger Zusammenhang zwischen der Grundfunktion der Sprache und der Funktion des gegenständlichen Vorstellens anzunehmen ist. […] Die Sprache tritt nicht in eine Welt der fertigen gegenständlichen Anschauung ein, um hier zu den gegebenen und klar gegeneinander abgegrenzten Einzeldingen nur noch ihre ‹Namen› als rein äußerliche und willkürliche Zeichen hinzuzufügen – sondern sie ist selbst ein Mittel der Gegenstandsbildung, ja sie ist im gewissen Sinne das Mittel, das wichtigste und vorzüglichste Instrument für die Gewinnung und den Aufbau einer reinen ‹Gegenstandswelt›.» (Cassirer 2004 [1932], 115s.)9
Einige Grundstrukturen seiner kognitiven Fähigkeiten erlauben dem Menschen die Welt – bzw. das, was er als Welt wahrnimmt – zu strukturieren, vor allem räumlich und zeitlich. Einige in den Sprachen der Welt rekurrierende Grundfunktionen oder Inhaltskategorien können wir als universal präsent feststellen; sie entsprechen gerade diesen sehr allgemeinen Strukturierungen. Es handelt sich um eine Sicht, die, wenn sie hier auch von einem Sprachphilosophen des beginnenden 20. Jahrhunderts formuliert wird, auch modernere kognitiv und funktional orientierte Theorien teilen.10 Auch diese verstehen die verschiedens-
9 Für Cassirer greift die Sprache keineswegs in den Bereich der objektiven Wahrnehmung nur ein, um den schon gegebenen und durch ihre wechselseitige Beziehung bestimmten Gegenständen rein äußerlich und arbiträr verstandene Namen zuzuweisen. Vielmehr greift die Sprache aktiv, d. h. kreativ in diesen Prozess der Setzung und wechselseitigen Bestimmung der Objekte ein. Was die Sprache in der Auffassung Cassirers für das Leben der Menschen in seiner ganzen Vielfalt leistet, lässt sich nur verstehen, wenn man dabei bedenkt, dass sie nicht nur das theoretische Bild der Welt (als Mittlerin zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen Geist und Erfahrung) konstituiert, sondern auch das praktische, moralische und soziale, das Bild des Ichs und des Anderen. Der signifikativ-kommunikative Mechanismus der Sprache erfüllt die Vermittlung zwischen dem Geistigen und dem Sinnlichen nur über das dialogische Moment. Und aus dieser Vermittlung entsteht die Welt der Begriffe, die des Willens und die der Gegenstände. 10 Darunter sind u. a. die Arbeiten von Croft (1991), Fauconnier (1984, 1999), Lakoff (1987), Lakoff/Johnson (1990 und 1999), Langacker (1987, 1991 und 1999), Talmy (1985, 2000) und auch diejenigen (in einigen Studien als «funktionalistisch» definiert) von Fillmore (1975, 1977 und 1985). Vgl. auch die Beiträge in Geeraerts/Cuyckens (2007).
Vorbemerkungen
65
ten sprachlichen Strukturen – lexikalische und grammatikalische Morpheme wie komplexere syntaktische Einheiten – als «Bedeutungsvermittler», als symbo lische Instrumente. Cassirers Mensch lebt in einer Welt selbst erschaffener Zeichen und Bilder, und jede seiner symbolischen Aktivitäten – denn die Sprache stellt nur eine der «symbolischen Formen» dar (vgl. Cassirer 2004 [1923]) – zeigt ihre produktive Funktion, als Form der Objektivierung des Geistes, und ihre hermeneutische Funktion, als Form des Verständnisses der Welt zugleich. Auch der Mensch im Blick der kognitiven Semantik lebt nun in einer ähnlich symbolisch gestalteten Welt: In ihrer Sicht kommt die Kreativität der Sprache aus der allgemeinen, auch in anderen Domänen der Kognition aktiven Tendenz des Menschen, zu symbolisieren, mit anderen Worten Kategorien zu bilden, die dann in den verschiedenen Sprachen regelhaft in besonderen Mustern miteinander kombiniert werden (oder durch diese ausgedrückt werden) können, was zur Bildung bestimmter typischer Satz- oder Diskursschemata führt. Mit Tomasellos Worten kann man dies wie folgt zusammenfassen: «[…] the Cognitive/Functional view sees language universals as resulting from human cognitive and social universals and the way languages have evolved. All groups of human beings have certain experiences they wish to communicate to others and have evolved the ability to use conventional symbols to do so. All groups of human beings have the ability to categorize these symbols and form combinations of them, and to extract schematic patterns of those combinations involving hierarchical organization. All groups of human beings engage in certain forms of social interaction and attention directing. All groups of human beings have the same vocal-auditory channel, which requires them to communicate their experiences by expressing symbols linearly, one at a time. Given these ‹constraints›, all groups of human beings have at their disposal some combination of four and only four linguistic devices for communicating experience: individual symbols (lexical items), markers on symbols (grammatical morphology), ordering patterns of symbols (word order), and prosodic variations of speech (e.g., stress, intonation) […]. Different languages have evolved different ways of using these four linguistic devices in the service of specific communicative functions specific to the culture, and the evolution of particular languages shows a very interesting interplay between the ‹choices› that are made.»11 (Tomasello 1995, 150)
In einer solchen Perspektive können Syntax – oder Grammatik – und Semantik nicht als in Opposition zueinander stehend gesehen werden: Lexikalische, morphologische, syntaktische Einheiten sind eben alle symbolische Verbindungen, sind Verbindung von Form und Inhalt (Bedeutung oder Funktion).12
11 Vgl. Bates/MacWhinney (1982) und Slobin (1985), auf die sich Tomasello selbst bezieht. 12 Die Idee der Untrennbarkeit der Syntax (der Grammatik im Allgemeinen) von der Semantik
66
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
Diese hier nur in Umrissen skizzierte Sicht macht sich nun auch die vorliegende Schrift zu eigen, wenn sie die sprachliche Repräsentation konzeptueller Strukturen analysiert, wenn sie sich mit den Prozessen und den Mustern beschäftigt, durch die konzeptuelle Inhalte zeitlicher Natur in Sprache organisiert werden. Natürlich geschieht dies im Bewusstsein, dass es sich um nur eine mögliche Sicht, um ein mögliches Modell handelt, welches sich hier aber als besonders nützlich erweist. Der Wert anderer Modelle, insbesondere für semasiologisch orientierte Untersuchungen, soll damit nicht in Frage gestellt werden. Im Mechanismus der Referenz – die eine solche Verbindung von Form und Inhalt festlegt – geht man dabei von einer grundsätzlichen ontologischen Unterscheidung zwischen Gegenständen und Sachverhalten aus. Diese Arbeit wird sich jedoch nicht mit Ontologien in diesem Sinne beschäftigen, sondern sich auf die Analyse der symbolischen Darstellungsmöglichkeiten von Sachverhalten konzentrieren, und ganz besonders mit den symbolischen Darstellungsmöglichkeiten der in diesen vorkommenden Inhaltskategorie der Aspektualität. Für die Erklärung der hier behandelten Phänomene wird von der Annahme ausgegangen, dass Sprache keine objektiven Eigenschaften von Sachverhalten abbildet, sondern Konzeptualisierungen, also die mentale Darstellung von Sachverhalten, vermittelt. Handelt der Sprecher sprachlich, drückt er also einen Inhalt zu einem kommunikativen Zweck durch die Mittel aus, die er zur Verfügung hat, so stellt er Sachverhalte symbolisch dar. Dabei ist davon auszugehen, dass in der Einheit des Satzes alle wesentlichen Strukturen enthalten sind, die der Darstellung von Sachverhalten dienen. Auf der Ebene des Satzes kann man nämlich verschiedene sprachliche Grundfunktionen – bzw. das Zusammenspiel verschiedener und auf verschiedene Art und Weise formal ausgedrückter Inhaltskategorien – genau untersuchen.13 Aus praktischen Gründen wird in dieser Untersuchung der Satz als bevorzugte Größe gewählt, wenn auch wiederholt auf die kleineren Einheiten der Syntagmen und die größeren des Textes ausgegriffen wird, auf denen Aspektualität selbstverständlich ebenso zu finden ist.
wurde in der jüngeren Vergangenheit – gegen den chomskianischen Modularismus – vor allem in Langackers Modell der Cognitive Grammar (1987) vertreten. Er behauptet, dass die morphologischen und syntaktischen Strukturen inhärent symbolisch sind, das heißt, dass sie die Organisation und die Symbolisierung der semantischen Inhalte darstellen. Lexik, Morphologie und Syntax bilden ein Kontinuum von symbolischen Strukturen, die nur arbiträr – und/oder aus praktischen Gründen – trennbar sind. 13 Allgemein sei hier kurz darauf hingewiesen, dass in der Linguistik, die sich mit Satzsemantik beschäftigt, zwischen verschiedenen Ebenen der Struktur des Satzes unterschieden wird: der syntaktischen Ebene, der semantischen Ebene (oder Ebene der thematischen Rollen), der pragmatischen Ebene und der Ebene der Informationsstruktur.
Aspektualität und Frames
67
3.2 Aspektualität und Frames 3.2.1 Aspektualität und Ebenen des Sprachlichen Dieses Buch beschäftigt sich speziell mit der Aspektualität, mit der allgemeinen Inhaltskategorie, die all diejenigen Informationen umfasst, die sich auf die einem Sachverhalt eigene interne zeitliche Strukturierung beziehen – in diesem und im nächsten Kapitel wird dies genauer erläutert. Die Untersuchung ist dem im vorigen Abschnitt Dargelegten entsprechend kognitiv-funktional und onomasiologisch angelegt; dabei wird hier die Auffassung einer «onomasiologie ‹éclairée›» im Sinne Kochs vertreten. Es handelt sich um eine Auffassung, die die Beziehungen zwischen mentalen und sprachlichen Strukturen nicht als direkte, sozusagen wörtliche Übersetzung der einen in die anderen betrachtet und die Notwendigkeit einer strengen Kontrolle der Effizienz der onomasiologisch gewählten Kategorien auch durch die Analyse ihrer Verwendungen in den Einzelsprachen behauptet:14 «La démarche onomasiologique est légitime à condition que l’on soumette sa grille descriptive à un contrôle sémasiologique. En d’autres termes : il faut considérer comme concept possible tout ce qui est désigné par un mot, ne serait-ce que dans une seule langue du monde. Toutefois, cela ne revient pas à dire que l’essence du concept soit forcément de nature langagière. Les mots des langues particulières ressemblent plutôt à des balises signalant des ‹désignés› extra-langagiers qui les débordent largement du point de vue cognitif.» (Koch 2003, 91)
Dementsprechend wird in dieser Arbeit das – in den Kapiteln 4, 5 und 6 – vorgestellte onomasiologische Modell der Aspektualität an konkreten Beispielen auf seine Effizienz in einzelsprachlichen Untersuchungen überprüft und auf
14 Koch bezieht sich hier seinerseits auf eine Kritik Trabants (1998) am mentalese von Pinker (1994). Es ist häufig betont worden, dass die onomasiologischen und semasiologischen Betrachtungsweisen nicht nur in der Lexikologie sehr fruchtbar gemacht werden können und dass onomasiologisches nicht unbedingt abstraktes, von der sprachlichen Realität entferntes Arbeiten bedeute: «Die Voraussetzung für die semasiologische Betrachtung sprachlicher Systeme sind geeignete formale Kategorien, für die onomasiologische Betrachtung sind es entsprechend geeignete begriffliche Kategorien. Vor jeder Untersuchung des Konjugationssystems einer gegebenen Sprache hat somit eine Untersuchung der Kategorien zu stehen, mittels derer diese Untersuchung unternommen werden soll. Wichtigstes Postulat ist dabei, daß die benutzten Kategorien sich in einem einheitlichen System aufeinander zuordnen lassen. Diese Forderung hat nichts mit einem Versuch zu tun, sprachliche Gegebenheiten in die Zwangsjacke eines apriorischen Systems hineinzupressen: nicht um die Sprache, sondern um die zu ihrer Untersuchung benutzten Kategorien geht es in diesem ersten Stadium.» (Heger 1963, 6).
68
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
das Italienische, Französische, Spanische und Katalanische angewandt. Dies erlaubt gleichzeitig, einige lexikalische wie grammatikalische Phänomene der romanischen Sprachen in einem neuen Licht zu betrachten, darunter die in den aspektologischen Studien wohlbekannte Frage der sogenannten «telischen Sachverhalte», das dort prototypisch behandelte Oppositionspaar «perfektiv-imperfektiv» der Vergangenheitstempora wie auch die zahlreichen und vielfältigen Formen der Verbalperiphrasen. Eine so komplexe Kategorie wie die der Aspektualität zu analysieren bedeutet, sich verschiedener – aber interagierender – Analyseebenen zu bedienen. Um die für die Untersuchung notwendige Differenzierung zwischen diesen Ebenen zu erreichen, wird hier eine für diese Arbeit adaptierte Form der Unterteilung der Ebenen des Sprachlichen nach Coseriu (21981) verwendet und Folgendes unterschieden:15 a) Eine universale sprachliche Ebene (der Sprache im Singular, fr. langage) der menschlichen Fähigkeit des Sprechens, des Referierens, sowie der allgemeinen Inhalte, der semantischen Kategorien und Konzepte, die die Versprach lichung der Realität ausmachen. Es handelt sich normalerweise um komplexe semantische Kategorien, um Funktionen, die in den verschiedensten Sprachen zu finden sind und die auf den kognitiven Fähigkeiten des Menschen (etwa Assoziations- und Kategorisierungsmechanismen) beruhen: Es ist die kognitive Grundausstattung des Menschen, die ihm die Gestaltung der Realität durch Wahrnehmung und Konzeptualisierung erlaubt. Es handelt sich also um Kategorien, die traditionell z. B. «Temporalität», «Modalität» usw. genannt werden; analog wird hier von «Aspektualität» gesprochen.16 b) Eine historische sprachliche Ebene, diejenige der Einzelsprachen in ihrer Pluralität als historische (Dia-)Systeme, mit ihren bezeichnenden und bezeichneten Einheiten, mit ihren Relationssystemen, die eine – historisch entstandene und gegebene – Verwirklichung der Möglichkeiten der universalen Kategorien der universalen sprachlichen Ebene a) darstellen. Es handelt
15 Zu dieser Klassifikation der Ebenen des Sprechens siehe auch Koch/Oesterreicher (1990); vgl. auch die Unterteilung der sprachlichen vs. außersprachlich-konzeptuellen Entität nach Koch (2003, 87). 16 In einigen Arbeiten wird Aspektualität als Unterkategorie der Temporalität definiert, da die Unterscheidung zwischen deiktischer und nicht-deiktischer Kategorie dort untergeordnet ist, vgl. z. B. Schwarze (1988). Hier erfolgt – nicht zuletzt aus praktischen und didaktischen Gründen, also um den Gegenstand der Untersuchung genauer abzugrenzen – eine getrennte Behandlung der zwei Inhaltskategorien.
Aspektualität und Frames
69
sich kurz gesagt um Systeme, die aus Operationen der Referenz17 und aus der Auswahl unterschiedlicher sprachlicher Mittel – oder der Häufigkeit im Gebrauch solcher Mechanismen – im Ausdruck der universalen sprachlichen Inhalte resultieren.18 Auf dieser Ebene sind also grammatikalische und lexikalische Kategorien wie «Tempus», «Modus», «Aspekt» und «Aktionsart» des Italienischen, des Französischen, des Deutschen usw. einzuordnen. c) Eine individuelle sprachliche Ebene, diejenige der konkreten Realisierung des Sprechens im Diskurs. Es handelt sich also um die der Praxis im konkreten Sprechen jeweils in einer Einzelsprache, welche ihrerseits die historischsprachliche Ebene b) darstellt. Sie ist durch die kommunikativen Absichten des Einzelsprechers gesteuert. Die Produktion und das Verständnis jeder aspektualen Information findet in der und durch die Interaktion aller dieser Ebenen statt, denn die aspektualen Informationen sind vielfältig, komplex strukturiert und kombinierbar: Die Sprecher aktualisieren, verwirklichen im Sprechen eine oder mehrere der möglichen Kombinationen dieser Informationen; dies tun sie, um die verschiedensten kommunikativen Ziele zu erreichen, durch verschiedene kommunikative Strategien (Ökonomie, Expressivität, …) und indem sie sich verschiedener pragmatischer Mechanismen (Implikaturen, Inferenzen, …) bedienen.19 Um eine kohärente Erklärung der Aspektualität als sprachliche Kategorie zu liefern, ist es notwendig, die Rolle jeder der verschiedenen oben genannten Ebenen und die Orte ihrer Interaktion zu betonen; ebenso notwendig ist es jedoch, die Trennung dieser Ebenen beizubehalten und zu unterstreichen, dass man sich bei der Analyse der Aspektualität auf die universale sprachliche Ebene a) bezieht (also auf die Ebene der Sprache im Singular), während man sich auf die historisch sprachliche Ebene b) bezieht, wenn man von aspektualen Systemen des Französischen, des Italienischen usw. spricht. Untersucht man schließlich, wie im Äußerungsakt des Sprechers die miteinander interagierenden Informationen, die die einem Sachverhalt eigene interne zeitliche Strukturierung kodifizieren, konkret versprachlicht, durch besondere Mittel (Formen, Regeln und Strategien) verwirklicht werden, so beschäftigt man sich mit der individuellen Ebene c) des Sprachlichen.
17 Die Operationen der Referenz als solche gehören aber natürlich der Ebene der Sprechtätigkeit an. 18 Koch (1997) fügt innerhalb der historischen Ebene eine neue wichtige Unterscheidung hinzu, nämlich zwischen der Ebene der Einzelsprachen und derjenigen der Diskurstraditionen. Diese muss jedoch hier unberücksichtigt bleiben. 19 Und dies wurzelt in der Ebene der Sprechtätigkeit.
70
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
3.2.2 Frames als Grundstrukturen der Kategorisierung der Realität Dieser Untersuchung liegt eine besondere Konzeption der menschlichen Kategorisierungsmechanismen der zeitlichen Strukturierung von Sachverhalten zu Grunde. Aus den verschiedenen zur Verfügung stehenden theoretischen Möglichkeiten wird hier nämlich eine frame-basierte Interpretation der Aspektualität gewählt.20 Bevor aber die Vorteile eines solchen Ansatzes gezeigt werden können, soll erst einmal einiges zu Frames als Grundstrukturen der menschlichen Kategorisierung der Realität im Allgemeinen und zu möglichen Anwendungsbereichen des Frame-Begriffs gesagt werden. Grundlegend für die Frame-Theorie sind die nun klassisch gewordenen Arbeiten von Fillmore (1975, 1977 und 1985) und Minsky (1975),21 die den Begriff «Frame» als eine in entsprechenden Situationen aus dem Gedächtnis hervorgerufene besondere Datenstruktur («data structure for representing a stereotyped situation», Minsky 1975, 212), oder aber eine strukturierte Erfahrungsschematisierung («coherent schematisation of […] experience», Fillmore 1985, 223) definieren.22 Unter dem Terminus «Frame» versteht man mit anderen Worten einen strukturierten und zusammenhängenden Wissenskontext, der allgemein konzeptueller oder kulturspezifischer Natur sein kann, mittels dessen der Mensch verschiedene Alltagssituationen angeht (Entscheidungen trifft, Probleme bewältigt, …). Zu den meistzitierten Beispielen für Frames gehören einerseits das eher kulturspezifische fliegen (an Bord eines Flugzeugs) (vgl. Fillmore 1975) oder der Frame restaurant(-besuch) (Schank/Abelson 1977), in denen sich verschiedene miteinander interagierende Bestandteile erkennen lassen: Örtlichkeiten (Flugzeug, … bzw. Lokal, …), Rollen (Pilot, Passagiere, … bzw. Kellner, Gäste, …),
20 Im Allgemeinen zu der Forschung, die zu einer Neukonzeption der Kategorie in der Linguistik führte, vgl. Berlin/Kay (1969), Rosch (1973 und 1977) sowie Rosch/Gray/Johnson/BoyesBraem (1976) und Rosch/Mervis (1975). 21 Besonders wichtig sind die Arbeiten Langackers (z. B. 1987), der aber eher von domain spricht, für die Untersuchung des grammatischen Bereichs. 22 Vgl. auch die in der Künstliche-Intelligenz-Forschung (KI-Forschung) beliebte und für ihre dynamische Auffassung der Frames interessante Theorie Barsalous, die Frames als Verknüpfungen von in ihren Werten variablen Attributen definiert: «Because frames also represent the attributes, values, structural invariants, and constrains within a frame, the mechanism that constructs frames builds them recursively. The frame theory I propose borrows heavily from previous frame theories, although its collection of representational components is somewhat unique. Furthermore frame theorists generally assume that frames are rigid configurations of independent attributes, whereas I propose that frames are dynamic relational structures whose form is flexible and context dependent» Barsalou (1992, 21). In der romanistischen Forschung vgl. insb. Blank (1997) und Koch (1999a und 2001a).
Aspektualität und Frames
71
Sets von Handlungen (die Passagiere steigen in das Flugzeug ein, der Pilot fliegt das Flugzeug, … bzw. die Gäste werden vom Kellner begrüßt und zum Tisch geleitet, der Kellner bringt die Speisekarte, …). Zu den allgemein konzeptuellen, abstrakteren Beispielen für Frames zählt andererseits die menschliche Konzeptualisierung von Zeit und Raum (die Vorstellung von Zeit und Raum gehört zum Weltwissen des Menschen). In den letzten dreißig Jahren sind – sowohl in der kognitiven Linguistik als auch in der KI-Forschung – zahlreiche Untersuchungen entstanden, die sich des Begriffs «Frame» als eines sehr allgemeinen Modells für Wissenskontexte oder Erfahrungszusammenhänge verschiedenster Art bedienen.23 Man hat dabei den Frame-Begriff unterschiedlich statisch oder dynamisch definiert, man hat FrameModelle verwendet, um sehr verschiedene – von den einfachsten bis zu den komplexesten – Formen der menschlichen konzeptuellen Organisation der Realität darzustellen. Auch die Schwierigkeiten eines solchen theoretischen Modells sind dabei nicht unausgesprochen geblieben.24 Die Wahl eines frame-basierten Interpretationsrahmens bedeutet in dieser sich der angedeuteten Schwierigkeiten bewussten Arbeit daher die allgemeine Entscheidung für eine Auffassung der Inhaltskategorie der Aspektualität25 als
23 Der Vielzahl der Studien hat natürlich eine Vielzahl der Terminologien entsprochen: Man spricht neben frame von scenario, schema, domain, script usw. Allgemein ist dazu anzumerken, dass während Termini wie frame und domain (Langacker 1987, 147) für die Bezeichnung einer statischen, abstrakt-konzeptuellen Situation verwendet werden, scenario oder script Verwendung für die Bezeichnung ganzer (kommunikativer) Handlungsabläufe finden. Vgl. Croft (1993) zu domain; Schank/Abelson (1977) zum Begriff script. 24 «Sprecher und Hörer haben ein gemeinsames Wissen um die Details des Restaurantbesuchs; sie brauchen sich dieser nicht eigens zu vergewissern, sondern können davon ausgehen, daß die Standardszene des Restaurantbesuchs beiden bekannt ist. Doch ist dieses Wissen wirklich eine riesige Datenstruktur mit vorgegebenen Verzweigungen und definierten terminalen Knoten, die den Kontakt zur Umwelt erstellen bzw. selbst wieder Subframes einbetten können? […] Für die Alltagspraxis scheint jedoch nicht maßgeblich, stereotypische Handlungen reproduzieren zu können, sondern im Gegenteil Situationen zu bewältigen, in denen die Handlungsoptionen sich nicht aus vorgegebenen Instruktionen oder auch nur Entscheidungsverzweigungen ableiten lassen. […] Um die ganze Komplexität menschlicher Erfahrungszusammenhänge abbilden zu können, müßte eine Frame-Theorie wohl auf eine verbindliche Kenntnis der Struktur kognitiver Vorgänge zurückgreifen können. Dies ist zur Zeit anscheinend kaum möglich.» (Waltereit 1998, 17, Hervorhebung im Original). Vgl. auch die von Waltereit zitierten kritischen Anmerkungen Konerdings (1993). 25 Gerade im Fall der Aspektualität geht es nicht um die Vielzahl der möglichen framerelevanten Beziehungen, die einige Kritiker für unüberschaubar und damit beliebig halten. Es geht vielmehr um zwei ganz elementare und vergleichsweise gut etablierte Relationen: Teil/Ganzes und zeitliche Kontiguität (vgl. Kap. 4). Zur Kontiguität vgl. Koch (2004 und 2012), Peirsman/Geeraerts
72
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
Wahrnehmungs- oder Konzeptualisierungsgestalt, als Form menschlicher konzeptueller Organisation der zeitlichen Realität.26 Entsprechend wird hier einerseits unter den vielen alternativen Begriffen der in der Forschung gängige Terminus «Frame» gewählt.27 Andererseits wird ebenso auf ein detailliertes Modell der internen Strukturierung von Frames verzichtet, zu Gunsten der Beschränkung auf die intuitiv plausible Annahme, «daß auch Erfahrungszusammenhänge ein wichtiges Prinzip der Wissensorganisation sind und insofern ein Umfeld liefern können, in dem referentielle Unbestimmtheiten desambiguiert werden können» (Waltereit 1998, 17). Es wird mit anderen Worten hier lediglich angenommen, dass unser Wahrnehmungs- und Kategorisierungsvermögen Konzepte und Teilkonzepte in Verbindung miteinander wahrnimmt und so im Gedächtnis abspeichert. Auch wird angenommen, dass, wenn einerseits ein Frame erst gerade in der Verbindung seiner aufeinander bezogenen Teilkomponenten konstituiert wird, andererseits die einzelnen Teilkomponenten ihre Gestalt letztendlich erst innerhalb und vor dem Hintergrund des ganzen Frame bekommen: Frames bestehen aus in Kontiguität zu einander stehenden Elementen, sie sind Kontiguitätenverbünde (Koch 1995, 1996a, 1996b, 1999a, 2001a, 2004 und 2012, Blank 1997, Waltereit 1998). Was ist aber nun mit Kontiguität genau gemeint?
3.2.3 Kontiguität und Figur-Grund-Effekt Dass die Menschen die Fähigkeit besitzen, räumlich oder zeitlich beieinanderliegende Einzelphänomene zu Gestalten zu gruppieren, stellt eine der wichtigen theoretischen Grundannahmen der Gestaltpsychologie dar (vgl. u. a. Fitzek/ Salber 1996, Herrmann 1976, Köhler 1947, Metzger 1986, Wertheimer 1925).28 Auf
(2006a), sowie die Stellungnahme Crofts (2006) zu letzterem und die Replik von Peirsman/ Geeraerts (2006b). 26 Dabei stützt man sich auf die von der Gestalttheorie entwickelten Beschreibungs- und Interpretationsmodelle; vgl. hierzu den folgenden Abschnitt. 27 In der romanistischen Forschung vgl. Blank (1997), Detges (2001), Koch (1994, 1999a, 2001a, 2001b und 2004) und Waltereit (1998). 28 Natürlich wurden schon vor der Gestaltpsychologie solche Beobachtungen gemacht: Koch (2007, 11) zeigt, wie schon Aristoteles im Rahmen einer Theorie des Erinnerns die drei Assoziationsrelationen der Similarität, des Kontrasts und der Kontiguität auf den Begriff bringe. Im gleichen Aufsatz geht Koch ein wichtiges und spannendes Unterfangen an: Er zeigt, was die Husserlsche Phänomenologie zur Konstitutionsanalyse von Sprache beitragen kann (vgl. Husserl 1993 [21922] und 1995 [1929]). Auf diese einerseits und auf die Gestaltpsychologie andererseits
Aspektualität und Frames
73
diesen gestaltpsychologischen Grundgedanken hat sich bekanntlich auch die kognitive Linguistik gestützt und sich in unterschiedlicher Art und Weise mit dem beschäftigt, was von dieser als Prinzipien der Wahrnehmung formuliert wurde:29 die Prinzipien der Übersummativität, der guten Gestalt (auch als Prinzip der Prägnanz bezeichnet), der Gleichartigkeit und des Figur-Grund-Effekts.30 Da hier vor allem der Figur-Grund-Effekt – der eng mit dem Prinzip der Kontiguität verbunden ist – eine wichtige Rolle31 spielt, werden diese im Folgenden näher beleuchtet. Gehen wir von der Annahme aus, dass das menschliche Wahrnehmungs- und Kategorisierungsvermögen Konzepte und Teilkonzepte in Verbindung miteinander – in Form von Frames – wahrnimmt und so im Gedächtnis abspeichert, gehen wir damit auch von der Annahme aus, dass diese Erfahrungszusammenhänge eben eine Art «kognitiven Mehrwert» aufweisen, der mehr als nur die Summe der einzelnen Komponenten der jeweiligen Frames ist.32
wird zurückgegriffen, um eine nicht-mechanizistische Interpretation der Assoziationsrelationen zu geben (die für die kognitive Linguistik nun von zentraler Bedeutung sind). Dabei bezieht er sich auch auf die Arbeit von Holenstein (1972), deren Verdienste – nicht nur für die Interpretation der Phänomenologie Husserls – er herausstellt. 29 Die kognitive Linguistik beschäftigt sich dabei insbesondere auch mit der Verbindung zwischen diesen Prinzipien, mit den Konzeptualisierungen, die diesen zu Grunde liegen, und mit den Versprachlichungsstrategien, durch die sie sprachlich verwirklicht werden. 30 Zu «Wertheimerschen Figuren» und weiteren bekannten Zeichnungen aus der Gestaltpsychologie, die diese Prinzipien graphisch illustrieren, vgl. u. a. Wertheimer (1925), Holenstein (1972), Raible (1983), Blank (1997 und 2001), Metzger (1986), Rubin (1921) und Wittgenstein (21995). 31 Im Allgemeinen spielt dieses Prinzip in der kognitiven Linguistik – und insbesondere im Rahmen der Problematik der construal – eine zentrale Rolle: vgl. u. a. Croft/Cruse (2004), Langacker (1987), Talmy (2000) und Ungerer/Schmid (1997). In dieser Arbeit wird im Übrigen nur in geringem Umfang auf das neueste Buch von Croft (2012) Bezug genommen, da es erst nach Entwicklung des hier dargestellten Modells publiziert wurde. Auf einen wichtigen Unterschied zwischen den jeweiligen Modellen möchte ich hinweisen: Auch Croft beschäftigt sich mit der Idee der boundedness in der Konstitution der Sachverhalte, konzentriert sich allerdings, anders als das hier vorliegende Modell, nicht auf eine rein aspektuale Perspektive und bietet eine sogenannte Zwei-Dimensionen-Analyse an. Er schlägt vor, zwischen einer qualitative boundedness (q-boundedness) und einer temporal boundedness (t-boundedness) zu unterscheiden: «In sum, the property of boundedness that is considered to be a part of the root of the verbal meaning, i. e. the existence of a natural end point or telos for the event, is represented by the states defined on the q dimension, while boundedness of a particular event in a particular occurrence is defined by the existence of profiled beginning and ending phases on the t dimension.» (Croft 2012, 81). 32 Vgl. u. a. Fauconnier (1984 und 1999), Goldberg (1995 und 2006), Lakoff (1987) und Langacker (1987, 1990 und 1991).
74
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
Aber in welchen Beziehungen genau stehen solche Elemente zueinander, d. h. wie lässt sich diese Verbindung von Konzepten – von Gestalten eben – beschreiben? Viele der Gestalten, der Situationen des menschlichen täglichen Lebens, sind nun sehr komplex strukturiert: In solchen konzeptuellen Strukturierungen wird als Figur wahrgenommen und zusammengruppiert, was ähnlich ist, und gerade durch den Kontrast zu weiteren Figuren wird es von diesen abgehoben, die damit zum Hintergrund werden, zurücktreten. Beim Gruppieren von Elementen zu größeren Zusammenhängen spielt eine Rolle, was visuell oder aber konzeptuell näher beieinander liegt; was also als Figur (in Kontrast zum Grund), sowie was als Grund (in Kontrast zur Figur) gruppiert worden ist, liegt eben beieinander. Genau dies ist gemeint, wenn vom Prinzip der Kontiguität die Rede ist: Gestalten und Konzepte berühren sich räumlich, zeitlich, logisch. Nun kann zwischen den sich berührenden – als Figur und Grund dargestellten – Gestalten und Konzepten ein Wechselspiel stattfinden, was eben «Figur-Grund-Effekt» genannt worden ist. Abbildung (1), bei der man entweder ein weißes Kreuz auf dunklem Hintergrund (auf den eben die weiße Figur bezogen ist) oder ein dunkles Kreuz auf weißem Hintergrund (auf den eben die dunkle Figur bezogen ist) sehen kann, stellt sowohl die Kontiguität zwischen weißen und dunklen Elementen dar als auch das Wechselspiel zwischen dem, was die Rolle der Figur, und dem, was diejenige des Grunds spielt; denn nur eines von beiden kann Figur sein (und wird als Kreuz wahr genommen) und eines Grund – beides gleichzeitig kann man eben nicht sehen:33
Abb. 1: Darstellung des Figur-Grund-Prinzips, nach Wittgenstein (21995, 541)
33 Folgen wir in der Erklärung der Mechanismen der Kontiguität der an Husserl (1993 [21922]) über Holensteins Interpretation (1972) inspirierten Terminologie von Koch (2007 und 2008), kann man solche Mechanismen auch aus einer anderen theoretischen Perspektive erklären und von «präsentierten» und «appräsentierten» Komponenten in Kategorisierungen reden: In unserer Wahrnehmung werden neben «präsentierten» (die den thematischen Kern darstellen) weitere «appräsentierte» Komponenten wachgerufen, die kontig zu den «präsentierten» sind und den «Hof» oder den eröffneten «Horizont» um den thematischen Kern herum bilden.
Aspektualität und Frames
75
Nun kann man sich dank solcher visueller Darstellungen und – über diese hinaus – auf einer abstrakteren Ebene solche Figur-Grund-Effekte, die über Kontiguität erfolgen, auch innerhalb von Frames vorstellen, bestehen Frames doch aus in Kontiguität zueinander stehenden Elementen. Innerhalb eines Frame kann in der Tat durch die Kontiguitätsrelation, die den Frame zusammenhält, ein FigurGrund-Effekt in Form einer Umperspektivierung, eines Wechsels der Fokussierung der Aufmerksamkeit gesehen werden. Zwei Haupttypen von Figur-GrundEffekten kann man dabei unterscheiden, denjenigen zwischen den einzelnen Elementen eines Frame untereinander und denjenigen zwischen einem (und jedem) seiner konstitutiven Elemente und dem Frame als Ganzem; diese werden jeweils in den Abbildungen (2) und (3) veranschaulicht: Frame
Frame Kontiguität
Kontiguität
Element
Element
Kontiguität
Kontiguität
Kontiguität
Kontiguität
Kontiguität
Element
Element
Kontiguität
Kontiguität
Element
Element Kontiguität
Abb. 2: Figur-Grund-Effekt I, modifiziert nach Koch (2012, 267) Frame Kontiguität
Element Kontiguität
Kontiguität
Element
Frame Kontiguität
Kontiguität
Element
Element
Kontiguität
Kontiguität
Kontiguität
Element
Kontiguität
Element Kontiguität
Abb. 3: Figur-Grund-Effekt II, modifiziert nach Koch (2012, 267)
Solche (Um-)Perspektivierungen – in der englischsprachigen Forschung als «windowing of attention» oder als «highlighting» bekannt – sind in den Forschungs-
76
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
arbeiten der kognitiven Linguistik sehr erfolgreich eingesetzt worden, um einige sprachliche Phänomene darzustellen (vgl. u. a. Taylor 1995, Croft 1993, Ungerer/ Schmid 1997, Talmy 1996 und 2000, insb. Kap. 4). Auf dieser Linie wird sich auch die vorliegende Arbeit bewegen; eine Brücke zwischen Kontiguitätsrelationen/ Figur-Grund-Effekten im Frame und Aspektualität wird im nächsten Abschnitt geschlagen, in dem verschiedene linguistische Anwendungsbereiche des Framebegriffs vorgestellt werden.
3.2.4 Anwendungsbereiche des Framebegriffs Zahlreich sind die Anwendungsbereiche des Framebegriffs sowie die Vorteile, die aus der Entscheidung für eine frame-basierte Theorie resultieren (vgl. dazu insbesondere Lee 2001, 8ss., auf den ich mich im Folgenden beziehe): Der Frame ist ein multidimensionales Konzept mit einer konzeptuellen und einer sozialen Dimension, das auch eine fruchtbare Auseinandersetzung mit bestimmten Formen der Polysemie erlaubt.34 Schauen wir auf der lexikalischen Ebene, stellen wir fest, dass eine Lexie in unterschiedlicher Weise mit vielen verschiedenen Frames verbunden ist, die die Kontexte, die Erfahrungszusammenhänge darstellen, in denen der Sprecher sie erlernt hat und sie verwendet. In jedem dieser Kontexte profiliert sich – durch ihre Kombination mit den anderen Elementen im Frame – eine ihrer Bedeutungen; diese berühren sich also in irgendeiner Weise konzeptuell (stehen beispielsweise in metonymischer Beziehung zueinander und werden in unserer durch Frames strukturierten Erfahrung, unserem Weltwissen zusammengehalten), statt aus einem angenommenen «Grundwert» der Lexie abgeleitet zu sein. Versucht man zum Beispiel die Bedeutung bzw. die Bedeutungen einer Lexie wie «Schwester» zu erklären, könnte man dies am besten tun, indem man zeigt, wie diese sich erst in verschiedenen Frames unterschiedlich herauskristallisieren: a) im «biologischen Frame» (in dem es um die Tochter der gleichen Mutter geht); b) im «sozialen Frame» (in dem es zum Beispiel um eine sehr wichtige Freundin, die als eine Schwester wahrgenommen wird, oder um eine nicht leibliche Schwester im Allgemeinen geht); c) im «Berufs-Frame» (Krankenschwester) oder d) im «Berufungs-Frame» (Nonne) usw.35
34 Zur Auffassung von Polysemie in der romanistischen Forschung vgl. insb. Blank (1997), Koch (1999c, 2001b und 2005) und Marzo (2013). 35 Vgl. auch die Möglichkeiten der Analyse einer Lexie wie weekend (vgl. Fillmore 1982, 119). Es handelt sich hier mit anderen Worten um das alte Problem der Konnotation, das allerdings mit dem Frame-Konzept besser gefasst werden kann als in formal orientierten Modellen: Zum
Aspektualität und Frames
77
Man kann aber ein solches Modell nicht nur auf die Bedeutungen einzelner Lexien des oben dargestellten Typs anwenden: Auch für die Analyse sprachlicher Strukturierungen zeitlicher, hier insbesondere aspektualer Inhalte ganzer Sachverhalte kann man sich eines ähnlichen Darstellungs- und Interpretationsmodells gut bedienen, das dann auch ähnliche Vorteile mit sich bringt, wie die Analyse folgender Beispiele zeigt: (1) dt. (2) dt.
Der Regen fiel [Prät.] langsam zu Boden.
Die Feder fiel [Prät.] langsam zu Boden.
Sachverhalte wie die in den Beispielsätzen (1)–(2) dargestellten entsprechen unterschiedlichen aspektualen Inhalten, die hier zunächst in der traditionellen Terminologie definiert werden: Während (1) einen telischen, durativen, aber reiterierten Sachverhalt darstellt, wird in (2) ein telischer und einmaliger Sachverhalt dargestellt. Dies hängt mit der Kombination des Verbs fallen mit dem jeweiligen Erstargument zusammen: Vom enzyklopädischen Wissen her ist dem Sprecher bekannt, dass das Fallen einer von der Schwerkraft angezogenen Feder als ein einmaliger Prozess wahrgenommen wird (das Fallen einer einzelnen Feder, die eine klar definierte Individualreferenz ausdrückt), während das Fallen des Kollektivums «Regen» ein Fallen der vielen, leichten, dichten usw. Regentropfen bedeutet. Eine semantische Erklärung von Wörtern und Strukturen der Sprache, die diese nicht als einfachen, unmittelbaren Ausdruck von Konzepten (mit denen sie dann auch 1:1 äquivalent wären), sondern als Werkzeuge versteht, die Sprecher und Hörer dazu veranlassen, kontextgebunden bestimmte Bereiche ihres Weltwissens zu aktivieren,36 eine semantische Erklärung von Wörtern und Strukturen der Sprache also, die das enzyklopädische Wissen des Menschen berücksichtigt, hat den enormen Vorteil, mit historischen (Sprachwandel) und soziokulturellen Faktoren der Kommunikation besonders umfassend umgehen zu können. An dieser Stelle sollte aber eine weitere Präzisierung hinzugefügt werden, die der Anwendung des Framebegriffs in dieser Untersuchung Rechnung trägt: Natürlich kann man relativ konkrete Frames zur Erklärung sprachlicher Phänomene heranziehen – die Forschung auf diesem Gebiet hat genau dies meist
Verständnis der Bedeutung(en) von Lexien trägt unser in verschiedenen Frames strukturiertes Weltwissen bei, wie es zum Beispiel evident wird, wenn zwei verschiedene Lexien dasselbe Phänomen bezeichnen (was bedeutet, dass der/das Referent/Phänomen mit zwei verschiedenen Frames in zwei unterschiedlichen Verwendungen gespeichert ist). 36 Dabei werden in unterschiedlichen Gebrauchskontexten unterschiedliche Bereiche in unterschiedlichen Graden aktiviert.
78
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
getan (vgl. oben die Analyse der Frames restaurant oder schwester). Für die Erklärung bestimmter sprachlicher Probleme benötigt man jedoch abstraktere Frame-Modelle, die für ganze Klassen von Frames stehen (dies ist z. B. bei Talmys Typologie für Bewegungsverben der Fall).37 Auf einer vergleichbar abstrakten Ebene werden nun die hier behandelten Aspektualitäts-Frames einzuordnen sein (Kap. 4 wird darauf genauer eingehen). Bestehen Frames aus in Kontiguität zueinander stehenden Elementen, so besteht die Aspektualität aus in besonderen Formen der Kontiguität zueinander stehenden Elementen. Gerade in der Erklärung von Phänomenen wie dem der «Perspektivierung» innerhalb eines Situationsframe oder der «Fokussierung der Aufmerksamkeit»38 hat sich in der Tat – so Koch (2001a, 202s.) – der Begriff Frame als besonders fruchtbar erwiesen.39
3.2.5 Aspektualität und Situationsframes – eine erste Definition Die vorliegende Untersuchung der Aspektualität40 stützt sich also insofern auf die Resultate der kognitiv orientierten Semantik,41 als sie die Sachverhalte, in denen sich diese Inhaltskategorie ausdrückt, als Situationsframes auffasst und sich dabei weiter der Konzeption der «Perspektivierung innerhalb eines Situa tionsframe» bedient, die sich als ganz besonders sinnvoll erweist – gerade bei der Erläuterung der Mechanismen, auf denen die Aspektualität beruht. Es scheint kein Zufall zu sein, dass gerade diese Idee der Perspektivierung auch traditionell
37 Talmy (2000, insb. Kap. 2) analysiert nämlich nicht einzelne Bewegungsvorgänge, sondern nur Elemente eines sehr abstrakten bewegungs-Frames: motion, path, manner usw. 38 Zu «perspectivisation», «highlighting» und «windowing of attention» vgl. u. a. Croft (1993), Dirven/Goossens/Putsey/Voralt (1982), Fillmore (1977), Talmy (1996 und 2000), Taylor (1995), Ungerer/Schmid (1997). Aktuellere Publikationen zur Kognitiven Linguistik im Allgemeinen stellen u. a. Croft/Cruse (2004), Evans/Green (2006), Geeraerts (2006) und Geeraerts/Cuyckens (2007) dar. 39 Spreche man von einem «process of perspectivisation within frames» (Koch 2001a, 203), so könne man das sowohl aus einem onomasiologischen als auch aus einem semasiologischen Blickwinkel tun. Im ersten Fall frage man sich, wie die verschiedenen Perspektiven auf einen Frame sprachlich ausgedrückt werden; im zweiten Fall gehe es um das Problem, ob unterschiedliche Verwendungen eines gegebenen sprachlichen Ausdrucks unterschiedlichen Perspektiven innerhalb desselben Frame entsprechen. 40 Vgl. zur Geschichte des Begriffs der Aspektualität und den Möglichkeiten diesen aufzufassen Kap. 2. 41 Für eine allgemeine Einführung in die kognitive Semantik siehe u. a. Lee (2001), Taylor (2002) und Ungerer/Schmid (1997). Auch wegen der romanistischen Anlage dieser Arbeiten wird hier auf Blank (1997) und vor allem Blank (2001) Bezug genommen.
Aspektualität und Frames
79
mit der Aspektualität in Verbindung gebracht worden ist: Reiff führt 1829 den französischen Begriff aspect als Übersetzung des Russischen vid (seinerseits aus dem Lateinischen aspicere ‘schauen’, ‘beobachten’) ein.42 Welche besondere Auffassung der Aspektualität sich aus einer solchen Perspektive ergibt, wird in den nächsten Seiten und Kapiteln weiter präzisiert; erst einmal soll jedoch eine kurze, noch sehr allgemeine Definition vorweggeschickt werden: Aspektualität ist die universale Inhaltskategorie, durch die die Sprecher die Art des Ablaufs und der Distribution eines Sachverhalts in der Zeit sprachlich strukturieren; sie beinhaltet jenen Komplex von Informationen, die sich auf die einem betrachteten Sachverhalt eigene, also vom Bezug zum Sprechzeitpunkt unabhängige, zeitliche Strukturierung beziehen. Definition 1: Aspektualität
Wenn hier Aspektualität als die interne zeitliche Strukturierung eines als Situationsframe aufgefassten Sachverhalts definiert wird,43 werden nun auch die Beziehungen zwischen den Elementen dieses Situationsframe oder zwischen dem Frame als Ganzem und seinen konstitutiven Elementen als Beziehungen der Kontiguität definiert. Diese konstitutiven Elemente können nun innerhalb des Situationsframe fokussiert, eben perspektiviert werden (vgl. dazu §§ 3.2.3–3.2.4). Abhängig davon, was in den Vordergrund gestellt wird, lässt sich die Aspektualität in drei Dimensionen, in drei Betrachtungsperspektiven untergliedern: Die externe Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine absolute Abgrenzung; die umgebungsbezogene Aspektualität eines Sachverhalts oder die Relevanz eines Sachverhalts für seine (direkte) Umgebung; die interne Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine weitere interne Unterteilung (für eine komplette Darstellung vgl. § 4.4). Dies bedeutet einerseits, dass sich die Untersuchung eines sehr abstrakten Frame-Modells bedient, um Aspektualität darzustellen, andererseits aber auch, dass hier kein komplettes analytisches Modell von Sachverhalten im Allgemeinen angeboten wird, wie es in der Frame-Theorie häufig der Fall ist, sondern der Fokus der Untersuchung ausschließlich auf eine einzige – nämlich die aspektu-
42 Zur Etymologie des Begriffs wie zur Geschichte der Kategorie im Allgemeinen vgl. Pollak (1960 und 1988); vgl. hierzu auch § 1.2.3. 43 Gerade die diachrone Betrachtung – die die exzellente Dokumentation der Daten der romanischen Sprachen besonders gut erlaubt – ermöglicht Einblicke in die kognitiven Grundlagen der aspektualen Delimitation, da semantischer Wandel auf kognitiven Prozessen beruht. Vgl. u. a. Blank/Koch (1999, 1) und Sweetser (1990, 45s.).
80
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
ale, die intern-zeitliche – Ebene gerichtet wird. Entsprechend werden dafür spezifische graphische Frame-Darstellungen entworfen (vgl. Kap. 4 und 5). Die Kategorie der Aspektualität wird in dieser Arbeit wie im Folgenden aufgefasst: –– semantisch homogen im Sinne der monodimensionalen Ansätze (vgl. § 2.4); –– im oben relativierten Sinne universal; –– komplex, zusammengesetzt in einem nicht rein mathematisch additiven oder kompositionalen Sinne, sondern in einem Strukturen und Dynamiken von Konstellationen entsprechenden Sinne; –– auf wenigen homogenen abstrakten Kriterien, und zwar hauptsächlich auf dem Prinzip der zeitlichen Delimitation basierend; –– auf den verschiedenen Ebenen des Sprachsystems, also durch verschiedene Organisationsprinzipien (morphologisch, syntaktisch usw.) mit verschiedenen sprachlichen Mitteln (lexikalisch oder grammatikalisch) und natürlich einzelsprachlich in unterschiedlichster Art und Weise realisiert. Um all diese Punkte – auch anhand des entworfenen Modells – weiter zu erklären, wird nun im Detail dem Weg nachgegangen, der zu dieser Definition geführt hat: Es werden ihre theoretischen Voraussetzungen ebenso wie ihre Konsequenzen nachgezeichnet. Im nächsten Kapitel wird dann das auf der Basis dieser theoretischen Voraussetzungen entwickelte Modell der Klassifizierung aspektualer Inhalte im Detail vorgestellt.
3.3 S emantizität – Aufhebung der semantischen Unterscheidung von Aspekt und Aktionsart In dieser Arbeit wird die These vertreten, dass einzelsprachliche Kategorien für sprachvergleichende Untersuchungen nicht geeignet sein können (vgl. Haspelmath 2007, 126 und auch hier Kap. 2). Mit Bybee (1985), Bybee/Perkins/Pagliuca (1994), Smith (1991) und vielen der neueren den TMA-Kategorien (Tempus/ Modus/Aspekt-Kategorien) gewidmeten Arbeiten44 wird nämlich davon ausgegangen, dass der Ausdruck aspektualer Inhalte nicht sprachabhängig, sondern
44 Vgl. u. a. zumindest Dahl (1985 und 2000), Hopper (1982a), Talmy (2000) und Thieroff/Ballweg (1994–1995). Terminologisch ist zu bemerken, dies wurde in Kap. 1 genauer ausgeführt, dass in diesen Arbeiten häufig von «Aspekt» die Rede ist, auch wenn damit das gemeint ist, was hier «Aspektualität» genannt wird, nämlich der allgemeine aspektuale Bereich und nicht die am Verb grammatisch markierte Kategorie. Vgl. hierzu auch Sasse (2002).
Semantizität – Aufhebung der semantischen Unterscheidung von Aspekt und Aktionsart
81
übereinzelsprachlich ist und auf kognitiven menschlichen Fähigkeiten beruht,45 die für die zeitliche Strukturierung von Sachverhalten zuständig sind. Daher wird hier von einer allgemeineren und abstrakteren semantischen Kategorie ausgegangen, die «Aspektualität» oder «aspektuale Delimitation» genannt wird, die in sich alle Möglichkeiten zusammenfasst, die die verschiedenen historisch-natürlichen Sprachen zur Verfügung haben, um über verschiedene Mittel zeitliche Strukturierungen von Sachverhalten auszudrücken. Um genau zu erklären, was hier und in einem großen Teil der dem aspektualen Bereich gewidmeten Literatur mit «semantisch» oder mit «Inhaltskategorie» gemeint ist, wenn von Aspektualität die Rede ist, und so auch jedem möglichen terminologischen Missverständnis vorzubeugen,46 soll an eine wichtige Unterscheidung erinnert werden, nämlich an die zwischen übereinzelsprachlich-konzeptueller und inner- und einzelsprachlicher Bedeutung.47 Dazu wird auf Raibles (1983) fünfeckiges Zeichenmodell zurückgegriffen:48 einzelsprachlich
außersprachlich
Zeichen
Zeichenausdruck
konkrete Lautung
Konzept
abstrakt
Referent
konkret
Zeicheninhalt
Abb. 4: Semiotisches Modell, Blank (2001, 9) in Anlehnung an Raible (1983)
45 «I will assume that the aspectual categories are not language dependent, but are based in human cognitive abilities.» (Smith 1991, xvii). 46 Koch (1996a) betont, dass, wenn einerseits in der strukturellen Semantik das konzeptuelle, außersprachliche Wissen missachtet wurde, andererseits in der kognitiven Semantik der einzelsprachliche Charakter sprachlicher Zeichen, also die Existenz einer einzelsprachlichen Semantik, verkannt wurde. Das Raiblesche Zeichenmodell biete in seiner Synthese die Möglichkeit, zentrale Probleme beider Theorien auszugleichen. 47 Zu den möglichen Arten der Beziehung zwischen Konzept (außersprachlichem und universalem Weltwissen) und sprachlicher Bedeutung (inner- und einzelsprachlichem Weltwissen) vgl. Waltereit (1998, 7ss.). 48 Hier wird auf die Adaptation des Modells durch Blank (2001) Bezug genommen; diese zeigt einige terminologische Neuerungen im Vergleich zu Blank (1997).
82
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
Zwei wichtige Unterscheidungen liegen diesem semiotischen Modell zu Grunde: Die Unterscheidung zwischen einer konkreten und einer abstrakten Ebene einerseits und diejenige zwischen einer einzelsprachlichen und einer außersprachlichen Ebene andererseits. Dies kann in Form einer Kreuzklassifikation dargestellt werden, denn aus der Überschneidung dieser Kriterien erhält man je eine (einzel-)sprachliche konkrete (die Lautung), eine (einzel-)sprachliche abstrakte (das Zeichen), eine außersprachliche konkrete (den Referenten) und eine außersprachliche abstrakte Entität (das enzyklopädische Wissen, die Konzepte). Das Zeichen besteht seinerseits aus einem Zeichenausdruck, dem einzelsprachlichen phonologischen Wissen und aus einem Zeicheninhalt, dem sememischen Wissen (der einzelsprachlichen Semantik). Gerade auf die außersprachliche – also konzeptuell, kognitiv, universal oder übereinzelsprachlich verstandene – Strukturierung von Sachverhalten wird Bezug genommen, wenn hier von aspektualen Inhalten oder Informationen gesprochen wird. Eine in solchen – konzeptionellen, abstrakten und universalen – Termini definierte Aspektualität ist auf einer vollkommen anderen Ebene angesiedelt als auf derjenigen des Aspekts und der Aktionsart, die als spezifische (grammatikalische bzw. lexikalische) Kategorien der einzelnen historischen Sprachen aufgefasst werden und eben an die einzelsprachliche Semantik gebunden sind. Eine onomasiologische Behandlung der allgemeinen Inhaltskategorie der Aspektualität drückt sich daher in erster Instanz in ihrer universal-semantischen Auffassung aus, die über jeden aus historischen Fakten und aus einzelsprachlichen Analysen entstandenen interpretativen Rahmen hinausgehen muss.49 Erkennt man nun eine inhaltliche Homogenität von Aspekt und Aktionsart auf einer universal-semantischen Ebene an,50 fasst man sie also in einer übergeordneten Kategorie der Aspektualität zusammen, unterscheiden sich Aspekt und Aktionsart letztendlich nur dadurch, dass die eine als grammatikalische, die andere als lexikalische Kategorie definiert ist. Und diese Unterscheidung kann ihren Wert dann nur im Rahmen einer semasiologischen und einzelsprachlichen Untersuchung haben, die die Distribution der Ausdrucksmöglichkeiten der aspektualen Informationen in der betrachteten Einzelsprache beschreibt, und sie beruht nicht zuletzt auf der in der traditionellen Forschung streng eingehalte-
49 Siehe § 1.2.3 für eine Geschichte der Entdeckung und der terminologischen bzw. definitorischen Festlegung der Verbalkategorien «Aspekt» und «Aktionsart». 50 Auch in der traditionellen Literatur zum Aspekt und zur Aktionsart wird häufig über die Semantik dieser beiden die Zeit strukturierenden Verbalkategorien diskutiert, und sogar die Gegner der «gefährlichen Vermischung» dieser beiden Kategorien – das wurde in Kap. 1 detailliert gezeigt – erkennen die unleugbaren semantischen Verbindungen, die klare Ähnlichkeit zwischen Aspekt und Aktionsart. Vgl. z. B. Bertinetto (1986, 82ss.) und Pérez Saldanya (2002, 2602).
Semantizität – Aufhebung der semantischen Unterscheidung von Aspekt und Aktionsart
83
nen Trennung von Grammatik und Lexikon.51 Betrachtet man jedoch den allgemeinen aspektualen Bereich aus onomasiologischer Sicht, verliert folglich auch die traditionell nicht semantisch angelegte Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart an Relevanz. Ein Beharren auf dieser Unterscheidung52 würde zu Zirkelschlüssen führen, da nach dem zuvor dargelegten Verlust der inhaltlichen Unterschiede als einziger der definitorische Unterschied bleibt und dieser in sich selbst begründet ist.53 Eine Untersuchung, die gerade die Semantizität der Aspektualität behaupten will, muss also eine aus einem Kriterium der Grammatikalität vs. Lexikalität hergeleitete und aus einer semasiologischen Perspektive her geltende54 Unterscheidung relativieren: Aus onomasiologischer Perspektive ist nämlich zunächst die Beschreibung des Inhalts interessant und erst in zweiter Instanz die mit verschiedenen Mitteln verwirklichten Versprachlichungen dieses Inhalts. Dies bedeutet aber natürlich nicht – ich möchte es noch einmal betonen –, dass es nicht möglich und sinnvoll ist, die mit Bedeutung versehenen sprachlichen Formen der Sprachen der Welt in zwei Untersysteme zu teilen: offene oder lexikalische Klassen und geschlossene oder grammatikalische Klassen (vgl. hierzu z. B. Talmy 2000, I, 1). Auch bedeutet dies nicht, dass aus semasiologischer und einzelsprachlicher Perspektive (etwa aus der des Russischen) die Frage, welches Gewicht man der Form zubilligen sollte, nicht anders beantwortet werden kann, noch weniger, dass lexikalische und grammatikalische Realisierungsformen schlechthin identisch wären.
51 Schon in Kap. 2 wurde betont, wie neuere typologisch orientierte Untersuchungen gezeigt haben, dass die Unterscheidung zwischen grammatikalischen und lexikalischen Elementen der Sprache nicht unbedingt als Unterscheidung rigider, diskreter Kategorien zu sehen ist, sondern als eine von Elementen auf einem Kontinuum; vgl. u. a. Bybee (1985) und Dahl (1985 und 2000), Hopper/Thompson (1980) und Talmy (2000). Vgl. auch die Grammatikalisierungsforschung im Allgemeinen, u. a. Ch. Lehmann (1995), Hopper/Traugott (2003), Haspelmath (1998), Lang/Neumann-Holzschuh (1999), Detges/Waltereit (2002), Detges (2004), Marchello-Nizia (2006), Klump (2007). Vgl. weiter (auch synchronisch) die Studien der Konstruktionsgrammatik: u. a. die Sammelbände Fischer/Stefanowitsch (2006), Stefanowitsch/Fischer (2008) und Lasch/Ziem (2011). 52 Schon Coseriu (1987, 125) betont, dass es sich um eine Unterscheidung der status-relationellen Ebene und nicht der Semantik handle, und erläutert, wie es gerade aus diesen Gründen viele Missverständnisse und Konfusionen in der Behandlung der Kategorie Aspekt gegeben habe. 53 Zirkelschlüsse, da sich die Argumentation häufig folgendermaßen darstellt: Aspekt ist als grammatische Kategorie definiert, Aktionsart als lexikalische. Aspekt und Aktionsart sind also unterschiedliche Kategorien; dies wird dadurch bewiesen, dass Aspekt grammatisch und Aktionsart lexikalisch ausgedrückt wird. 54 Diese Unterscheidung kann auch auf einer besonderen Konzeption der Grammatik basiert sein, vgl. z. B. Ehrich (1992) und Smith (1991).
84
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
3.4 Universalität – Kognition und Übereinzelsprachlichkeit Wenn nun von der oben dargestellten Perspektive der semantischen Homogenität des aspektualen Bereichs ausgegangen wird, muss es möglich sein, ein Kriterium zu bestimmen, auf dem die verschiedenen Darstellungen von aspektualen Informationen basieren und zu erklären sind. Ein solches Kriterium muss die Aspektualität der verschiedenen Arten von – traditionell in Aspekt und Aktionsart unterteilten – Informationen in ihrem gleichartigen semantischen Inhalt begründen und gleichzeitig zu einer Subklassifizierung dieser Arten von Informationen dienen. Das betreffende Kriterium muss spezifisch und präzise genug sein, um die Pluralität der inhaltlichen (d. h. semantischen) und nicht formalen55 Darlegung der Aspektualität beschreiben zu können. Ein solches Kriterium muss aber zugleich allgemein genug sein, um in den verschiedenen Sprachen der Welt Entsprechung zu finden, sprachvergleichende Untersuchungen zu erlauben und effektiv als tertium comparationis dienen zu können. Daher muss es auf der Ebene der universalen kognitiven Fähigkeiten des Menschen gesucht werden, auf der Ebene der Konzeptualisierungen. Natürlich manifestiert sich dann Aspektualität in den verschiedenen Einzelsprachen unterschiedlich – sowohl was die Selektion der Verfahren, die sie zum Ausdruck bringen, als auch was die quantitative und qualitative Distribution und Differenzierung solcher Verfahren und deren Interaktion betrifft. Diejenigen aspektualen Inhalte, die in der einen Sprache durch ein komplexes Flexionssystem ausgedrückt werden, können in der Tat in einer anderen Sprache einen lexikalischen Ausdruck finden.56 Dies kann man nun besonders gut in einem Vergleich zwischen den romanischen Sprachen (in den folgenden Beispielsätzen jeweils durch Italienisch, Französisch und Spanisch vertreten) und dem Deutschen beobachten. In diesen Sprachen werden in Bezug auf zeitliche Abgrenzung und Nicht-Abgrenzung des Sachverhalts die gleichen (allgemeinen) aspektualen Bedeutungen jeweils einerseits durch grammatikalische, andererseits durch lexikalische Markierungen ausgedrückt: (3) it. (3’) it. (4) fr.
Leo seppe [Perf. Sem., abgeschl./perf. Flexionsmarker] la notizia dalla bocca di Giulia.
Leo sapeva [Imp., unabgeschl./imperf. Flexionsmarker] la notizia dalla bocca di Giulia. Léo sut [Pass. Sim., abgeschl./perf. Flexionsmarker] la nouvelle par la radio.
55 Dies bedeutet, dass es dann zweitrangig erscheint, ob die aspektualen Inhalte durch morphologische, syntaktische oder lexikalische Einheiten ausgedrückt werden. 56 Vgl. Kap. 5 für eine kontrastiv-linguistische Analyse, die genau solche Fälle ausführlicher behandelt.
(4’) fr. (5) sp. (5’) sp. (6) dt. (6’) dt.
Universalität – Kognition und Übereinzelsprachlichkeit
85
Léo savait [Imp., unabgeschl./imperf. Flexionsmarker] la nouvelle par la radio.
Leo supo [Perf. Sim., abgeschl./perf. Flexionsmarker] la noticia de la boca de Julia.
Leo sabía [Imp., unabgeschl./imperf. Flexionsmarker] la noticia de la boca de Julia. Leo erfuhr [Prät., abgeschl./lexik. Marker] dies aus Julias Munde.
Leo wusste [Prät., unabgeschl./lexik. Marker] dies aus Julias Munde.
In den romanischen Beispielen (3)/(3’)–(5)/(5’) erscheinen sogenannte «perfektive» (passato remoto, passé simple, pretérito perfecto simple) und «imperfektive» (imperfetto, imparfait, pretérito imperfecto) verbale Flexionsmarkierungen, um Sachverhalte auszudrücken, die jeweils (punktuell) abgegrenzt bzw. (durativ) nicht abgegrenzt sind. In den deutschen Beispielen (6)/(6’) werden hingegen dieselben sich voneinander unterscheidenden zeitlichen Strukturen bei gleichen Flexionsmarkierungen (Präteritum) durch die unterschiedlichen im Verbstamm (in (6) ‘erfahren’ und in (6’) ‘wissen’) enthaltenen semantischen Informationen ausgedrückt; sie werden also lexikalisch durch die sogenannten Aktionsarten vermittelt: ‘erfahren’ ist nach der traditionellen auf Vendler (1957) basierenden Terminologie ein transformatives Verb oder ein achievement (punktuell oder nicht-durativ, telisch, dynamisch) und ‘wissen’ ein statives (durativ, nicht-telisch, nicht-dynamisch). Man kann sich also aspektuale Informationen als «konzeptuelle Bausteine» aspektualer Natur vorstellen, als Grundkonzeptualisierungen der internen zeitlichen Strukturierung von Sachverhalten. Diese Grundkonzeptualisierungen sind dann auf einer universalen Ebene angesiedelt, die für die Bedürfnisse einer onomasiologisch geführten Analyse adäquat scheint. Diese aspektualen Bausteine können dann im sprachlichen Material, dies wurde oben schon bekräftigt, verschieden verpackt werden, grammatikalisch oder lexikalisch, wie der Vergleich zwischen den Beispielen (3)/(3’)–(5)/(5’) einerseits und (6)/(6’) andererseits zeigt. Unterschiedlich verpackt werden können sie aber auch insofern, als sie als cluster oder als syntagmatisches Material ausgedrückt werden: Denn ob ein Sachverhalt wie in (7) oder in (8) dargestellt wird – es wird in beiden Fällen ein Sachverhalt ausgedrückt, der dieselben aspektualen Inhalte, dieselbe interne zeitliche Strukturierung aufweist:57 (7) it. (8) fr.
Ho appena mangiato [Perf. Com.]. Je viens [Prés.] de manger.
57 Vgl. dazu die wichtigen Beiträge von Talmy zu den Kategorisierungen sprachlicher Strukturen im Allgemeinen und zu den Bewegungsverben im Besonderen; eine komplette Sammlung befindet sich in Talmy (2000).
86
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
Zweifellos sind die Kombinationen und die Hierarchisierungen der einzelnen aspektualen Inhalte – die hier Basiskonzeptualisierungen der Aspektualität genannt werden – sehr verschieden; in allen Sprachen der Welt lässt sich aber Aspektualität finden, alle haben Mittel entwickelt, aspektuale Inhalte auszudrücken.58 Es handelt sich mit anderen Worten um ein universales Phänomen mit einzelsprachlich spezifischen Manifestationen (vgl. Bybee 1985, 2).59 Mit der Wahl eines kognitiven Ansatzes distanziert sich diese Arbeit bezüglich eines wichtigen Punktes von der ebenfalls onomasiologisch angelegten Untersuchung De Miguels (1999) (vgl. dazu § 2.3.1): In der vorliegenden Arbeit wird eine Erweiterung der Untersuchung in Richtung der Definition der kognitiven Operationen vorgeschlagen, die der aspektualen Strukturierung von Sachverhalten zu Grunde liegen.60
3.5 K omplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz Ein weiterer, zentraler Schritt in dieser Herangehensweise an die Aspektualität besteht in ihrer Auffassung als komplexe Kategorie. Was hier genau damit gemeint ist, und vor allem, was hier nicht damit gemeint ist, nämlich, dass der Aspektualität eben kein rein mathematisch-additives Prinzip der Komposition zu Grunde liegt, wird im Folgenden – wie auch durch die Analyse verschiedener Sachverhaltsdarstellungen in den nächsten Kapiteln – weiter präzisiert und erklärt. Hier sollen jedoch schon einige zentrale Bemerkungen gemacht werden: Von einer Komplexität der Aspektualität wird hier auf zwei Ebenen gesprochen: –– einerseits auf der Ebene der onomasiologischen Fundierung, der Strukturierung der Kategorie als solcher; –– andererseits auf derjenigen des Zusammenkommens der vielfältigen Elemente, durch die die Aspektualität in konkreten Sätzen verwirklicht wird.61
58 Oder fast alle Sprachen der Welt: vgl. Dahl (2001) für eine Analyse der sogenannten Sprachen ohne Aspekt. 59 «Aspect is a parameter which is realized differently across languages.» (Smith 1991, 3). 60 Im Allgemeinen zu Gestaltgesetzen und Assoziationsprinzipien vgl. Herrmann (1976) und Metzger (1986); vgl. auch Blank (2001, 43), Croft/Cruse (2004), Koch (1999a und 2012) usw. 61 Dies entspricht der hier gewählten onomasiologischen Perspektive; die Arbeiten in diesem Bereich suchen jedoch selten onomasiologisch nach der Versprachlichung der Inhaltskategorie
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
87
In den Kapiteln 4 und 5 wird bei der Vorstellung des Modells der Aspektualität, in der bestimmte, sehr abstrakte Typen von Perspektivierungen in Situationsframes beschrieben werden, gezeigt werden, was mit «Komplexität» oder «Konstellationsartigkeit» im Sinne von a) gemeint ist: Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Optionen in der externen, in der umgebungsbezogenen und in der internen Aspektualität. Zweifellos stellt diese Diskussion um die Komplexität auf der Ebene der onomasiologischen Fundierung der Kategorie als solcher den Schwerpunkt dieser Untersuchung dar. Dabei werden wir nach einer Erklärung der Komplexität suchen müssen, die nicht mit Kompositionalität in Fregeschem Sinne oder auch mit dem Zusammenkommen von unterschiedlichen Elementen in konstruktionsgrammatischem Sinne zu tun haben kann; denn bei beiden handelt es sich um Kompositionsprinzipien, die sicherlich gut für Analysen geeignet sind, welche sich auf der Ebene des Zusammenspiels von Elementen im Satz bewegen, nicht aber für solche auf der rein konzeptuellen Ebene einer – noch nicht formal ausgedrückten – Inhaltskategorie. Auf den folgenden Seiten wird jedoch zunächst einmal besprochen, was mit Komplexität im Sinne von b) verstanden wird, mit anderen Worten, welches die Elemente sind, die im Satz dem Ausdruck der Aspektualität dienen, und was zwischen diesen Elementen geschieht. Die aspektuale Strukturierung eines als Situationsframe aufgefassten Sachverhalts wird insofern komplex ausgedrückt, als sie im Satz durch sehr verschiedene, sich in Interaktion miteinader befindende Teilkomponenten ausgedrückt wird: Diese können selbst direkt aspektuale Inhalte vermitteln oder aber diese nur beeinflussen, und sie können auf verschiedenen Organisationsebenen (lexikalisch, morphologisch, syntaktisch, …) angesiedelt sein. Gehen wir die Frage an, welches die Elemente sind, die im Satz zum Ausdruck der Aspektualität dienen, finden wir zunächst einmal das Verb, als traditionell zentralen Gegenstand der Aspektforschung. Das Verb ist in der aus semantisch-funktionaler Perspektive geführten Analyse aspektualer Informationen semantisch zweifellos zentral. Die isolierte Betrachtung der Aspektualität im Verbstamm allein liefert jedoch lediglich Informationen über das diesbezügliche Potenzial des Verbs, denn was diese Zentralität gerade ausmacht, ist die konstitutive Funktion der Verbvalenz in der Satzsemantik. Geht man also auch in der Analyse aspektualer Informationen vom Begriff der Verbvalenz aus, hat es zwei-
der Aspektualität, sondern fragen semasiologisch danach, welche Aspektualität sich bei der Interpretation von Sätzen rechnerisch aus den einzelnen Elementen ergibt.
88
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
fellos keinen Sinn, von einer allein durch ein Verb ausgedrückten Aspektualität zu sprechen,62 ohne seine Mitspieler und seine Umgebung mit einzubeziehen. Die Notwendigkeit einer Analyse, die den möglichen Kombinationsvarianten des Verbs und seiner Argumente Rechnung tragen kann, wurde schon von Verkuyl in den siebziger Jahren vertreten.63 Er betonte als erster – und kritisch theoretischen Linien gegenüber, die dies nicht taten –, dass sich die aspektualen Informationen, die im Verbstamm enthalten sind, in Abhängigkeit von ihren Argumenten verschieden zeigen und dass man sie, um sie korrekt zu interpretieren, im Verbalsyntagma betrachten muss.64 Wie sich das aspektuale Verhalten der meisten Verben abhängig von der Realisierung des einen oder anderen ihrer Argumente in der Äußerung ändert, zeigen exemplarisch folgende Beispielsätze, für deren Beschreibung hier zunächst noch die traditionelle Terminologie der vendlerschen Verbklassifikationen verwendet wird: (9) it. (9’) it. (10) fr.
Leo bussò [Perf. Sem.] alla porta. [punktuell: nicht-durativ + nicht-telisch]65
Leo bussò a lungo/tre volte alla porta. [punktuell + iterativ] Léo mange [Prés.]. [kontinuativ: durativ + nicht-telisch]
(10’) fr.
Léo mange une pomme. [resultativ: durativ + telisch]
(11) it.
La pioggia cade [Pres.] leggera sulla terra. [kontinuativ]
(11’) it. (12) sp. (12’) sp.
Il sasso cade pesantemente nell’acqua. [transformativ: nicht-durativ + telisch]
Leo encontró [Perf. Sim.] una seta en un bosque de pinos. [transformativ]
Leo encontró setas en un bosque de pinos. [transformativ oder kontinuativ]
62 Natürlich wäre es noch weniger sinnvoll, von einem aspektualen Charakter eines Verbs zu sprechen: In dieser Untersuchung – die keine, in anderen Kontexten sicherlich sehr wertvolle Verbklassifikation anbieten möchte – geht es um keine Ontologie: Da der Unterschied zwischen verschiedenen aspektualen Inhalten nicht an den Sachverhalten selbst festgemacht werden kann, wird die Arbeit sich eher auf der Ebene der Sachverhaltsdarstellung oder -beschreibung bewegen. 63 Seine 1993 erschienene Monographie führt seine in den siebziger Jahren angefangene Arbeit zur Aspektualität weiter und modifiziert einige Punkte seiner Theorie. 64 Vgl. auch die Vertreter dieser Position in der slavistischen Forschung: Anstatt (2003) und V. Lehmann (1992, 1997 und 1999). 65 Allerdings ist dieses Satzbeispiel auch als reiterativ interpretierbar, was schon in diesem Kontext für eine Polysemie des Verbs spricht.
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
89
In allen oben aufgeführten Fällen kann man das Verb der einen oder der anderen sogenannten aktionalen Klasse zuordnen, abhängig davon, ob –– wie in (9) und (9’) ein Adverbial im Satz präsent ist, das Durativität oder Quantifikation ausdrückt oder nicht (hier a lungo oder tre volte); –– wie in (10) und (10’) das zweite Argument (das direkte Objekt) im Satz präsent ist oder nicht (hier une pomme); –– wie in (11) und (11’) das erste Argument (das Subjekt) ein Gruppenkollektivum66 oder ein zählbares Substantiv ist (hier respektive la pioggia oder il sasso); –– wie in (12) und (12’) das zweite Argument in einer singularischen oder in einer pluralischen Quantifikation im Satz präsent ist (indefinit spezifisch; hier eben una seta oder setas). Diese im Kontext durchzuführende Verbklassifikation ist heute zweifellos die prävalente Position in der aspektologischen Forschung; dabei wird allerdings eher selten auf den Einfluss weiterer Elemente im Satz auf den aspektualen Wert hingewiesen67 oder auf die Auswirkung außersprachlicher und pragmatischer Faktoren, z. B. bei der iterativen und/oder habituellen Interpretation im Falle der logisch widersprüchlichen Kombination von punktuellen Aktionsarten mit imperfektivem Aspekt oder, wie oben gesehen, mit Durativität ausdrückenden adverbialen Bestimmungen. Auch die neueren – onomasiologisch orientierten und formal durchgeführten – Arbeiten von Verkuyl (vgl. 1993) beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Verb und seinen Argumenten und gehen auf den Einfluss der anderen Elemente im Sachverhalt nur am Rande ein; diese sind jedoch in der vorliegenden Untersuchung von großer Relevanz:68
66 Für eine Klassifizierung und Interpretation, die – außer count/mass nouns – auch sogenannten Gruppen- und Genuskollektiva Rechnung tragen kann, vgl. Mihatsch (2006). 67 Es wurde schon angedeutet, wie in der Theorie Verkuyls (vor allem in ihrer ersten Darlegung) die Kompositionalität der aspektualen Komponenten in Termini von V und NP geführt wird und wie die Rolle der Adverbiale nicht richtig in den Vordergrund gestellt wird. Vgl. hierzu insbesondere Dowtys (1986) Kritik an Verkuyls Ansatz. 68 Eine wichtige – aber von Verkuyl (1993, 17) als ungerechtfertigt zurückgewiesene – Kritik an seiner Theorie der Aspektualität (1972) vertritt folgende These: Diese beschäftige sich grundsätzlich mit den logischen Strukturen der syntaktischen Ebene und klammere die semantische Ebene aus, vgl. z. B. Dowty (1986), Krifka (1989a) und Sasse (2002). Unabhängig von der Validität dieser Kritik ist aber zu bemerken: Wenn einerseits Verkuyl jede Verbklassifizierung, die vom Kontext abstrahieren will, zurückweist und eine streng monodimensionale Auffassung der Aspektualität (d. h. die Absenz der Unterscheidung weiterer Kategorien innerhalb der Aspektualität) vertritt, behandelt er jedoch andererseits im Kontext hauptsächlich morphosyntaktische
90
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
«It is precisely in ‹the linguistic tradition in the first half of this century›, […] that aspectologists have become conscious of the fact that a pure morphosyntactic approach to aspect falls short of recognising the importance of the interaction between the organisation of the verbal lexicon and the aspect markers and/or aspectual interpretation cues operating on the morphosyntactic level.» (Sasse 2002, 220)
Die aspektuale Interpretation eines Sachverhalts – das ist die hier vertretene These – resultiert also aus einer viel komplexeren Interaktion von mehreren Elementen oder Teilkomponenten im als Frame aufgefassten Sachverhalt. Auch die Elemente, die direkt keine aspektualen Informationen vermitteln, interagieren mit denen, die dies tun, so dass sie die gesamte Interpretation des Sachverhalts beeinflussen: (13) fr. (14) fr.
Marie-Rose se mit [Pass. Sim.] à chanter.
Timidement Marie-Rose se mit à chanter.
Im durch das Beispiel (13) dargestellten Sachverhalt kann man genau sehen, wie verschiedene Elemente eine tragende Rolle in der Gesamtinterpretation der Aspektualität spielen: –– Marie-Rose: Es handelt sich um eine besondere Art von Substantiv, einen Eigennamen (nomen proprium), der einen hohen Grad der Definitheit und verschiedene semantische Merkmale aufweist (z. B. ‘lebend’, ‘menschlich’, ‘weiblich’). –– chant(-er): Betrachtet man diesen Verbstamm als (lexikalische) Form «an sich» – d. h. unabhängig von seiner Kombination mit einer Flexionsmarkierung (oder mit den anderen Elementen der Verbalperiphrase, mit denen chanter hier verbunden ist) und seinen in der Äußerung präsenten Argumenten –, stellt chanter eine sogenannte activity dar, mit anderen Worten ein duratives und nicht-telisches, dynamisches Verbkonzept, dessen Anfangsgrenze also mit seiner Endgrenze nicht zusammenfällt, tx ≠ ty und das auf keinen natürlichen Endpunkt zustrebt. –– se mit à (chant-)er: Es handelt sich um eine periphrastische Verbalkonstruktion, die aus drei Elementen besteht. Zwei Elemente (se mettre und chanter) sind verbaler, ein Element (à) ist präpositionaler Natur; das erste Verb ist flek-
Größen, denn mit «Kontext» wird hier eher das Syntagma gemeint (vgl. hierzu auch Sasse 2002). Die vorliegende Arbeit teilt, obwohl auch sie einen allerdings auf anderen Kriterien basierenden monodimensionalen Ansatz der Aspektualität wählt, Verkuyls Sicht diesbezüglich nicht und stützt sich auf eine semantischere aspektologische Forschung.
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
91
tiert (hier passé simple) und hat (wenn auch auf einer nicht sehr hohen Stufe der Grammatikalisierung)69 eine Hilfsverbfunktion; das zweite stellt die nicht finite Vollverb-Form dar. Durch diese Konstruktion, durch die Kombination dieser drei Elemente werden temporale (hier Vergangenheit), modale (hier Indikativ) und aspektuale (hier ingressiv, punktuell und abgegrenzt oder abgeschlossen) Inhalte kumulativ übermittelt. Außerdem ist zu betonen, dass die Bedeutung oder Funktion dieser Konstruktion sich nicht auf die einfache Summe der Bedeutungen ihrer drei Teilkomponenten zurückführen lässt, da sich zum Beispiel weder in se mettre noch in chanter an sich unabhängig vom Kontext das Merkmal der Nicht-Durativität finden lässt. Nun sind die Elemente des durch das Beispiel (14) dargestellten Sachverhalts dieselben wie diejenigen in (13), mit einer einzigen Ausnahme: timidement. Und es ist gerade die Präsenz des – genauer betrachtet modalen und nicht temporalen – Adverbs timidement in (14), die eine radikal andere aspektuale Interpretation des Sachverhalts bedingt: Während – wie eben gesagt – der in (13) dargestellte Sachverhalt eine interne zeitliche Strukturierung des Typs ingressiv, nicht-durativ und abgegrenzt zeigt, wird diejenige in (14) als ingressiv, durativ und abgegrenzt dargestellt. Denn während das Anfangen zu singen in (13) etwas ist, das mit einem Augenblick (eben dem Augenblick des Verlautens der ersten Note) verbunden ist, wird dieser Augenblick bei einem zögerlichen Anfangen zu singen in (14) (auf der Basis des Weltwissens) reinterpretiert und sozusagen gestreckt, insofern in diesem so gedehnten Zeitraum alle Vorbereitungen und Versuche des Anfangens zu singen enthalten sind: Die in den zwei Beispielen dargestellten lexikalischen und grammatikalischen Konstruktionen sind mit zwei verschiedenen FrameStrukturen verbunden, die die Kontexte, die Erfahrungszusammenhänge darstellen, in denen der Sprecher sie erlernt hat und sie verwendet; insofern sind sie polysem (vgl. § 3.2.4). Ein zusätzliches Beispiel soll dies weiter beleuchten: (15) sp.
Leo encontró setas en un bosque de pinos.
Der Sachverhalt besteht im Finden mehrerer Pilze durch ein Individuum namens Leo in einem Kiefernwald. Schon mithilfe einer traditionellen Terminologie kann man die einzelnen Komponenten des in (15) dargestellten Sachverhalts analysie-
69 Zu Grammatikalisierungsprozessen und Skalarität von Hilfsverben vgl. Heine (1993), von Verbalperiphrasen vgl. Squartini (1998); vgl. zu den Verbalperiphrasen auch Kap. 6.
92
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
ren und zeigen, wie die verschiedenen Inhalte und Formen in ihrer wechselseitigen Interaktion an seiner gesamten tempo-aspektualen Konstitution teilhaben: –– Leo: Es handelt sich um eine besondere Art von Substantiv, einen Eigennamen (nomen proprium), der einen hohen Grad der Definitheit und verschiedene semantische Merkmale aufweist (z. B. ‘lebend’, ‘menschlich’, ‘männlich’). –– encontr(-ar): Betrachtet man diesen Verbstamm an sich (d. h. unabhängig von seiner Kombination mit seiner Flexionsmarkierung und seinen in der Äußerung präsenten Argumenten), stellt encontrar hier ein sogenanntes achievement dar, mit anderen Worten ein nicht-duratives und telisches Verbkonzept, dessen Anfangsgrenze also mit seiner Endgrenze zusammenfällt (tx = ty) und das auf einen natürlichen Endpunkt zustrebt. –– (encontr-)ó: Es handelt sich um eine – kumulative – morphologische Verbmarkierung, durch die temporale (hier Vergangenheit), modale (hier Indikativ) und aspektuale (hier Perfektiv) Inhalte übermittelt werden. –– seta-s: Es handelt sich um einen Gattungsnamen (nomen appellativum), insbesondere um ein Konkretum im Numerus Plural. Die Verwendung des Plurals ohne die begleitende Präsenz eines bestimmten Artikels zeigt eine Absenz von Definitheit: Es handelt sich nicht um einen einzelnen oder besonderen Pilz (oder mehrere genau identifizierte oder in ihrer Menge bestimmte Pilze), sondern um irgendwelche in unbestimmter Anzahl.70 Gerade diese Absenz von Determination schafft die Voraussetzung, dass der Prozess, der im Sachverhalt dargestellt wird, als reiteriert interpretiert werden kann: Da nicht ein besonderer Pilz gefunden wird und da das Finden an sich immer das Finden von etwas Besonderem sein muss und somit nach einem natür lichen Endpunkt strebt (siehe oben), reinterpretiert man den Sachverhalt als aus mehreren Wiederholungen des Prozesses selbst (Pilze finden) konstituiert. –– en un + bosque (de pinos): Dies ist eine adverbiale Bestimmung (lokativ), die aus einer Präposition (en), einem unbestimmten Artikel (un) und einem Substantiv (bosque) besteht; die Präsenz des unbestimmten Artikels trägt zur Verstärkung der Absenz von Definitheit bei.
70 Es ist allerdings zu beachten, dass hier – sofern der Satz sinnvoll in einem Text verwendbar sein soll – ebenso wie bei un bosque eine spezifische indefinite Referenz vorliegen muss: Der Sprecher muss mit anderen Worten wissen, dass es diesen Wald gab und dass es Pilze gab, die von (dem bestimmten) Leo gefunden wurden.
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
93
Unter den verschiedenen Elementen findet offensichtlich eine Interaktion statt, die eine gegenseitige Verstärkung, Präzisierung, Revision, Korrektur und Auf hebung der vielfältigen Informationen in Bezug auf die zeitliche interne Struktur des Sachverhaltes bewirkt und die durch unterschiedliche kognitive Mechanismen reguliert wird. Es ist dies der Grund, aus dem es nicht immer einfach ist, eine komplexe Einheit – wie die eines Satzes oder gar einer Satzfolge – in Bezug auf ihre konstitutiven Teile zu analysieren: Die komplexe Einheit eines Sachverhalts, die aus der Kombination zweier oder mehrerer Komponenten besteht, besitzt nämlich auch semantische Autonomie, die gerade aus dieser speziellen Kombination entstanden ist und mit ihrem speziellen Gebrauchskontext verbunden ist. Sie ist demnach nur eingeschränkt in ihren Komponenten isoliert analysierbar. Das ist nun aber auch der Grund dafür, dass es wenig sinnvoll scheint, etwa von Verben (oder lexikalischen Verbstämmen) an sich zu sprechen, und dafür, dass hier auf eine auf Verbklassifikation basierte Auffassung der Aspektualität verzichtet und eine frame-basierte Analyse gewählt wird, die die Komponenten eines Situationsframe immer in ihrem Zusammenhang mit den anderen Elementen und in ihrer – jeweils speziellen – konkreten Verwirklichung betrachtet. Nur angedeutet werden kann eine Antwort auf die oben gestellte, legitime und wichtige Frage, wie sich aus der Bedeutung (bzw. den Bedeutungen) der Teilkomponenten die Gesamtinterpretation des im Satz dargestellten Sachverhalts zusammenfügt, mit anderen Worten, wie diese Teilkomponenten miteinander verbunden sind und durch welches methodische Prinzip diese Verbindung am besten zu beschreiben und zu analysieren ist. Eine Möglichkeit wäre es, sich – wie es Verkuyl tut – des Frege zugeschriebenen Prinzips der Kompositionalität zu bedienen, demzufolge «die Bedeutung eines zusammengesetzen Ausdrucks […] eine Funktion der Bedeutung seiner Teile und der Weise ihrer syntaktischen Verbindung [ist]» (von Stechow 1991, 95).71 Ohne Zweifel gibt es viele Bereiche in der menschlichen Sprache, in denen das Kompositionalitätsprinzip effizient ist; oder, präziser gesagt, sicherlich gibt es Strukturen in einer natürlichen Sprache, die in diesem Sinne kompositional analysierbar sind. Keinesfalls ist ein solches Prinzip aber verallgemeinerbar, denn es sind mehrere Ausnahmen bekannt, welche eben nicht kompositional
71 Die Definition des Kompositionalitätsprinzips lässt sich in verschiedenen (auch verschieden starken) Versionen finden, wie in Montague (1974), Wunderlich (1987) usw.; für einen Überblick über diese und eine Analyse der Folgen solcher Unterschiede und der allgemeinen Probleme, die sich aus dem Kompositionalitätsprinzip (auch für die generativ aufgefasste Syntax) ergeben, vgl. von Stechow (1991).
94
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
analysierbar sind, wie beispielsweise Komposita und Phraseologismen (z. B. Kollokationen)72 gut zeigen:73 (16) fr.
rouge-gorge
(17a) dt.
ein starker Mann
(17b) dt.
eine starke Frau
(17c) dt.
ein starker Wein
(17d) dt.
ein starkes Argument
Die Bedeutungen von Ausdrücken wie in (16) rouge-gorge (‘Rotkehlchen’) und in (17a)–(17d) ‘ein starker Mann’‚ ‘eine starke Frau’, ‘ein starker Wein’, ‘ein starkes Argument’ sind nicht einfache mathematisch additive Zusammensetzungen der Bedeutungen ihrer Bestandteile: Man kann nicht aus der Summe der Bedeutungen von rouge (‘rot’) und gorge (‘Kehle’) rekonstruieren, dass der Referent, von dem die Rede ist, ein Vogel ist.74 Und die Tatsache, dass ‘stark’ vom Beispiel (17a) zum Beispiel (17d) semantisch variiert, sowie die Tatsache, dass Aspekte enzyklopädischen (einschließlich kulturellen) Wissens bei der Interpretation eines jeden dieser Ausdrücke ins Spiel kommen, zeigen, dass Bedeutungen viel besser als das Produkt einer komplexen Interaktion zwischen den Frames zu analysieren sind, die mit den jeweiligen Wörtern verbunden sind, und nicht als eine Kombination ihrer Bedeutungen in einem engeren und traditionelleren Sinne. Es könnte nun angemerkt werden, dass ein solcher Zugang zur Kompositionalität nicht nur wenig zu den in (16)–(17a–d) dargestellten Konstruktionen sagen kann, sondern ebenso wenig auch zu manchen komplexen Konstruktio
72 Coseriu nennt diese nicht kompositional analysierbaren Komposita «exozentrisch». Vgl. Coseriu (1977). 73 Die Analyse folgender Beispiele lehnt sich teilweise an Lee (2001, insb. 73ss.) an. 74 Man betrachte Komposita wie Wassermühle, Windmühle, Papiermühle, Schrotmühle, Pfeffermühle, Sägemühle usw.: Das Wort Mühle bezieht sich auf ein Gebäude oder ein Gerät, in dem Kraft (in verschiedenen Formen) verwendet wird, um (verschiedene Arten von) Werkzeuge(n) anzutreiben, um damit eine Vielfalt von Ergebnissen zu erlangen (wie Elektrizität herzustellen, Wasser zu pumpen oder ein Produkt herzustellen). Das heißt, dass verschiedene spezifizierte semantische Verlinkungsmöglichkeiten als Ziele für die Einordnung (mapping) passender Konzepte zur Verfügung stehen. In Wind- und Wassermühle ordnen sich die Begriffe wind und wasser in die Verlinkungsmöglichkeit (slot) typ-der-kraftquelle, in Pfeffer- und Schrotmühle ordnen sich die Begriffe pfeffer und schrot in den slot ausgangsmaterial/produkt ein und in Sägemühle in art-des-werkzeugs ein (vgl. hierzu Lee 2001). Sehr spannend scheint hier die extraordinäre Fähigkeit des Deutschen, Komposita zu erzeugen: Eine ‘Windpfeffersägemühle’ wäre beispielsweise eine Mühle, die mit Windkraft Pfeffer zersägt.
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
95
nen,75 die Versprachlichungen der Aspektualität darstellen, wie etwa denen der Beispiele (18)–(20). Eine weitere Möglichkeit, die Frage anzugehen, wie die Elemente miteinander verbunden sind, durch die die Aspektualität in konkreten Sätzen versprachlicht wird, wäre daher die Entscheidung für einen konstruktionsgrammatischen Ansatz. Ich möchte mich aber für kein besonderes Modell der Bedeutungskonstitution auf der oben als b) bezeichneten Ebene entscheiden: Denn die Perspektive, die diese Arbeit wählt, und das Modell, das sie entwirft, bewegt sich – ich möchte es noch einmal betonen – auf der anderen Seite des Problems, auf der Ebene a). In Verbindung mit dem in den nächsten Kapiteln entworfenen Vorschlag sind verschiedene Ansätze möglich, die auf aus verschiedenen theoretischen Richtungen, d. h. auf unterschiedlichen semantischen Annahmen basierten Modellen76 aufbauen können. Ich möchte hier aber noch einige Überlegungen und Beispiele anführen: (18) fr. (19) fr. (20) fr.
La neige est tombée [Pass. Com.] pendant la nuit. La neige est tombée du toit pendant la nuit. La pierre est tombée pendant la nuit.
Für das Verb tomber steht eine Anzahl von spezifizierten semantischen Verlinkungsmöglichkeiten zur Verfügung, als Ziele für die Einordnung passender Konzepte (hier z. B. in (18) und (19) la neige und in (20) la pierre). Erst in den jeweiligen durch die Beispielsätze dargestellten Frames nimmt jedoch die Bedeutung von tomber (und seine aspektuale Konfiguration) die definitive Gestalt an. Denn nur dank seines Weltwissens kann der Sprecher/Hörer die aspektuale Struktu-
75 Konstruktionen im engeren Sinne – im Sinne der Konstruktionsgrammatik – finden in diesem Buch nur indirekt Berücksichtigung, da sein Schwerpunkt und seine analytische Perspektive onomasiologisch angelegt sind. Würde man sich mit Aspektualität aus einer semasiologischen Perspektive beschäftigen, wäre die Kombination mit diesem Ansatz hier sicherlich gut vorstellbar. Zur Konstruktionsgrammatik in engerem Sinne vgl. u. a. die Arbeiten von Fillmore/ Kay/O’Connor (1988), Fillmore/Kay (1987), Kay/Fillmore (1999), Croft (2001), Goldberg (1995 und 2006), Tomasello (2003) und insb. zur Morphologie Booij (2010) sowie im deutschsprachigen Raum Fischer/Stefanowitsch (2006), Stefanowitsch/Fischer (2008), Lasch/Ziem (2011) und Wildgen (2008). 76 Unter den vielen möglichen Modellen könnte man, abhängig vom theoretischen Rahmen, z. B. einen lexikalisch spezifizierten Defaultwert annehmen, der durch coercion kontextuell modifizert wird, oder aber aspektuell unterspezifizierte Prädikate, die entweder im Prinzip im Kontext jeden Aspektwert annehmen oder die möglichen Aspektwerte durch die Frequenz ihrer Kontexte festlegen können (dies wäre z. B. in einem gebrauchsbasierten Ansatz der Fall), usw.
96
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
rierung von (18) als die eines reiterativen Sachverhalts ausdrücken/interpretieren: Er weiß, dass der Schnee (Kollektivum) aus vielen verschiedenen Flocken besteht, und geht zunächst einmal davon aus, dass, wenn er fällt, er dies nicht auf einmal tut, denn es sind eben diese vielen Flocken, die nach und nach fallen (und dann liegen bleiben und die Wege weiß färben, …). Die durch das Zusammenspiel der Elemente in (18) konstituierte aspektuale Bedeutung ist also mehr als die Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten und der syntaktischen Regel, die diese miteinander verbindet; und dieses mehr ergibt sich aus ihrem Entstehen innerhalb des besonderen Erfahrungszusammenhangs, aus der Interaktion mit dem Weltwissen. Ähnliches passiert im durch (20) dargestellten Sachverhalt: Dank seines Weltwissens kann der Sprecher/Hörer die aspektuale Strukturierung von (20) als die eines einmaligen Sachverhalts ausdrücken/interpretieren: Er weiß, dass der Stein ein einziger (schwerer, der Schwerkraft unterworfener, …) Gegenstand ist, und dass er, wenn er fällt, dies im Unterschied zu (18) ein einziges Mal tut (und liegen bleibt und …). Eben diese aspektuale Bedeutung (einmalig) stellt das Fallen des Schnees aber auch in Beispiel (19) dar, denn dadurch, dass der Schnee vom Dach fällt und nicht vom Himmel, ist davon auszugehen, dass er dies nicht flockenweise, sondern in einer kompakten Masse tut, auf einmal (denn der Schnee hat sich auf dem Dach erst einmal gesammelt, und wir wissen, dass er dann auf ein Mal fällt). Die Präsenz von du toit, das an sich keinerlei aspektualen Gehalt hat, beeinflusst die aspektuale Interpretation des Frame auf dem Weg über das Weltwissen also erheblich. Die kognitiven Prozesse, die der Kombinierbarkeit aspektualer Inhalte untereinander und mit anderen Funktionen der Sprache in den in der Kommunikation verwirklichten Szenarien zu Grunde liegen und diese regulieren, sind vielfältig.77 Diese Kombinierbarkeit ermöglicht es, die unterschiedlichsten kommunikativen Ziele zu erreichen, denn die Möglichkeiten der Verfeinerung, Modifikation und Korrektur aspektualer Informationen sind nahezu unbegrenzt:78
77 Dabei handelt es sich, wie zu sehen sein wird, bei der Aspektualität vor allem um auf Kontiguität basierende Prozesse. 78 In Kap. 4 wird gezeigt, dass es sich natürlich um keine vollkommen willkürlichen Kombinationen handelt und es auch Kombinationen gibt, die aus logischen Gründen unmöglich sind – dass es also einige Restriktionen oder constraints gibt.
Komplexität – Strukturiertheit der Kategorie und Zusammenspiel im Satz
97
(21) it. Esplodeva [Imp.] lentamente in mille colori, riempendo il cielo sino a traboccare. L’ultimo fuoco d’artificio svanì [Perf. Sem.] d’improvviso lasciando un bimbo seduto sul suo letto che non s’addormentava [Imp.] per ore. Guardava [Imp.] e riguardava [Imp.] dalla finestra, per ore. Si era fatto quasi giorno e lui guardava [Imp.] dalla finestra. Piano piano il sole sorse [Perf. Sem.], lo salutava [Imp.] sorridente: da due minuti s’era fatto giorno. Leo si alzò [Perf. Sem.] e non si alzò [Perf. Sem.], si girò [Perf. Sem.] e si rigirò [Perf. Sem.] fino a che sua madre strisciò [Perf. Sem.] in un lampo nella stanza portandogli il solito latte col miele.
Man kann in einem so komplexen Text, wie dem in (21) dargestellten, noch einmal plastisch sehen, wie jedes weitere Element den aspektualen Gesamtinhalt beeinflusst und seinerseits Kombinationen vorsieht, die ihre Dehnungsfähigkeit zeigen: Esplodere (‘explodieren’), das in den klassischen Klassifizierungen der Aktionsarten als punktuell beschrieben wird (also nicht-durativ + nicht-telisch), erhält durch die Kombination mit einem durativen Element wie lentamente (‘langsam’) eine besondere, für diesen Frame selektierte Aspektualitäts-Information. Ein entsprechend umgekehrtes Verhalten kann man in der Kombination des durativen strisciare (‘schleichen’) mit dem punktuellen in un lampo (‘blitzartig’, ‘in einem Augenblick’) beobachten. Besonders interessant scheint die Rolle der Negation in non s’addormentava per ore zu sein (wörtlich ‘er schlief stundenlang nicht ein’, aber hier als ‘er konnte stundenlang nicht einschlafen’ zu verstehen), denn nur die Präsenz der Negation erlaubt das Zustandekommen der Kombination vom transformativen addormentarsi (also nicht-durativ + telisch) und einem durativen Element wie per ore (*s’addormentava per ore). Möchte man noch einmal die Elemente zusammenfassen, die auf der semantischen Ebene des Satzes79 Aspektualität ausdrücken oder beeinflussen können, sind die folgenden zu nennen: –– Die im Verbstamm verankerten aspektualen Informationen. Diese stellen insofern eine besondere aspektuale Konfiguration dar (etwa fr. être blond vs. rêver), als sie Informationen über die eigene Kombinierbarkeit mit anderen Elementen und Inhalten im Frame enthalten – aspektualer und anderer Natur –, die sich in der Prädikation und allgemein im Satz hinzugesellen können.80
79 Es ist klar, dass pragmatische Faktoren die Interpretation des aspektualen Situationsframe dann noch einmal beeinflussen können. Kombinationen von aspektualen Informationen, die logisch widersprüchlich wären, können z. B. auf der Basis von Inferenzen oder Implikaturen interpretiert werden. 80 Die aspektualen Informationen interagieren mit anderen nicht-aspektualer Natur, die auch im Verbstamm verankert sind. Vgl. semantisch angelegte (aber ontologisch orientierte) umfassende Verbklassifikationen wie die von Schumacher (1986), in der zwischen a) Verben der allgemei-
98
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
–– Sie interagieren mit den Argumenten des Prädikats/Verbs. Diese können ihrerseits direkt eine aspektuale Komponente vermitteln, eine zeitliche Strukturierung (it. esplosione vs. passeggiata) und Verbindungen zu weiteren Interaktionsknoten herstellen, zum Beispiel zu Determinanten und Quantifikatoren (sp. comer una manzana vs. comer manzanas vs. comer tres manzanas). –– Weitere aspektuale Bausteine werden durch morphologische oder morphosyntaktische Markierungen (Verbstammmodifikationen, derivationale oder Flexionsmarkierungen, periphrastische Konstruktionen) vermittelt. Sie interagieren auch mit morphosyntaktischen Elementen nicht aspektualer Natur (beispielsweise mit Tempus- oder Modusmarkern). –– Adverbiale können direkt zur Übertragung aspektualer Informationen dienen oder diese evozieren (it. entrò lentamente vs. entrò timidamente). –– Quantifikation und Negation beeinflussen den gesamten aspektualen Situationsframe nicht nur in Verbindung mit den Argumenten (it. non si svegliava per ore vs. *si svegliava per ore). –– Schließlich spielt in der Interpretation der Kombination der aspektualen und nicht-aspektualen Elemente die Wortstellung eine wichtige Rolle, vgl. it. dall’una alle due pranzo con i miei colleghi vs. pranzo con i miei colleghi dall’una alle due, wo im ersten Fall eher eine habituelle (= dall’una alle due pranzo sempre/normalmente con i miei colleghi), im zweiten Fall eher eine einmalige Interpretation möglich ist (= oggi pranzo con i miei colleghi dall’una alle due). Folgende Tabelle (1) fasst die oben genannten Elemente kurz zusammen:
nen Existenz, b) Verben der speziellen Existenz, c) Verben der Differenz, d) Verben der Relation und des geistigen Handelns, e) Verben des Handlungsspielraums, f) Verben des sprachlichen Ausdrucks und g) Verben der vitalen Bedürfnisse unterschieden wird. Vgl. aber auch umfassendere Klassifikationen der Erfahrungskonstruktion wie z. B. Halliday/Matthiessen (1999), die zwischen verschiedenen Erfahrungsdomänen unterscheiden: «happening and doing» (material), «sensing» (mental), «verbal» (saying), «being and having» (relational); vgl. auch schon Halliday (1985) und Matthiessen (1995).
Zusammenfassende Darstellung und ein erstes Zwischenfazit
Formen und Strukturen der Ausdrucksmöglichkeiten aspektualer Informationen
99
Verb(-stamm) (Verb-)Argumente morphologische Markierungen (flexiv und derivativ) morphosyntaktische Markierungen (Verbalperiphrasen) adverbiale Bestimmungen …
Formen und Strukturen, die mit aspektualen Informationen interagieren
(Verb-)Argumente und mit den Argumenten verbundene Knoten morphologische Markierungen (z. B. temporal, modal, …) adverbiale Bestimmungen Quantifikatoren Negation Wortstellung …
Tab. 1: Formale Elemente der Aspektualität
3.6 Z usammenfassende Darstellung und ein erstes Zwischenfazit Die aspektualen Informationen sind vielfältig, strukturiert und kombinierbar: Ihnen – wie letztlich allen Wort-, Satz- und Textstrukturen, also jedem Zusammentreten von Elementen, die ihrerseits aus der Verbindung von Form und Bedeutung hervorgehen – liegt ein Prinzip der produktiven und selektiven Komposition zu Grunde.81 Eine solche Betrachtung der Aspektualität wird in einer
81 Aus der Verbindung verschiedener aspektualer (und anderer) semantischer Inhalte entstehen Muster, die entweder mehr (durch das Entstehen neuer Strukturen oder weiterer Regeln der Kombinierbarkeit) oder weniger (durch Selektion) als die Summe der jeweiligen Teile ergeben (vgl. u. a. Fauconnier 1984 und 1999, Goldberg 1995 und 2006, Lakoff 1987 und Langacker 1987, 1990 und 1991). Mit Wildgen (2008) muss man jedoch auch erkennen, dass mit dieser Konzeption der Kompositionalität ein Problem verbunden sein kann: «Die Operationen, die von Langacker construal, von Lakoff mapping, von Goldberg fusion, von Fauconnier blending genannt wurden, enthalten im Kern das Problem einer Verbindung zweier Inhalte, wobei das Ganze mehr (durch Emergenz neuer Struktur) und weniger (durch Selektion) als die Summe der Teile ist. Dies ist
100
Aspektualität als semantische, universale und komplexe Kategorie
frame-basierten Auffassung von Sachverhalten besonders gut erklärbar – und zwar für beide oben genannten Ebenen (vgl. § 3.5), auf denen von «aspektualer Komplexität» gesprochen werden kann. Auf der Ebene b) der Realisierung der Aspektualitäts-Bedeutung in einem Satz, in einer Äußerung, wird diese im Zusammenspiel verschiedener Elemente ausgedrückt, die sich auf alle Organisationsebenen der Sprache verteilen – von typisch lexikalischen bis zu typisch grammatikalischen. Das heißt, dass eine Anzahl von spezifizierten semantischen Verlinkungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, als Ziele für die Einordnung passender Konzepte mit den von den jeweiligen Sprachen favorisierten formalen Lösungen, und dass diese erst in dem jeweiligen Frame die definitive Gestalt annehmen. Das Zusammentreffen der verschiedenen Elemente kann ein gegenseitiges Intensivieren, Präzisieren, Revidieren, Korrigieren und Aufheben der vielen Informationen bedeuten, die die zeitliche Strukturierung eines Sachverhalts betreffen. Die Elemente, die im Ausdruck der Aspektualität im Satz interagieren, können einerseits direkt als Ausdruck einer aspektualen (Grund-)Konzeptualisierung dienen (was nicht ausschließt, dass sie auch andere Bedeutungskomponenten, d. h. andere Konzeptualisierungen vermitteln können). Sie können sie aber auch nur beeinflussen und direkt keine eigene aspektuale Information vermitteln. Im Detail können aspektuale Konzeptualisierungen, etwa durch Verbbedeutungskomponenten (vgl. it. essere vs. diventare, fr. partir vs. arriver, sp. florecer vs. desflorecer), Verbargumente (vgl. it. la pioggia cade vs. il piatto cade, it. vivere vs. vivere una cosa magnifica, fr. je mange vs. je mange une pomme), adverbiale Bestimmungen (vgl. it. arriva a casa dalle tre in poi vs. arriva a casa vs. arriva a casa alle tre) usw. vermittelt werden. Elemente, die sie beeinflussen, die also per se keine aspektuale Information vermitteln, sind hingegen: Adverbialien (vgl. it. entrò timido/timidamente in classe vs. entrò in classe), Negationen (vgl. it. *sta lavorando a Roma vs. non sta lavorando (più) a Roma), Wortstellung (vgl. it. dalle tre alle quattro faccio colazione vs. faccio colazione dalle tre alle quattro) usw.
auch ein klassisches Problem der Gestaltpsychologie. All diese Begriffe mögen in den einzelnen Modellen ganz spezifisch ausgeführt sein, ihnen liegt das folgende Problem zu Grunde: Gegeben zwei simultan verfügbare Inhalte (in der Wahrnehmung oder im Gedächtnis), wie können sie so zusammengeführt werden, dass ein neues sinnvolles Ganzes entsteht, das so stabil in seiner neuen Gestalt ist, dass es auch im Gedächtnis behalten und kommuniziert werden kann. Ein zentrales Problem ist dabei die Komplexität der Teile und die möglicherweise Hyperkomplexität des Ganzen, d. h. wenn die Zusammenfügung eine gewisse Schwelle der Komplexität überschreitet, wird das Ergebnis der Zusammenfügung instabil und somit für das Denken und die Kommunikation unbrauchbar, wertlos.» (Wildgen 2008, 200).
Zusammenfassende Darstellung und ein erstes Zwischenfazit
101
Der Sprecher realisiert im Diskurs mit den unterschiedlichsten Zielen der Kommunikation über unterschiedliche kommunikative Strategien (Ökonomie, Expressivität, …) und mit Hilfe vielfacher pragmatischer Mechanismen (Implikaturen, Inferenzen, …) eine oder mehrere mögliche Kombinationen aspektualer Informationen. Jede Einzelsprache wählt eigene Delimitations- und Kombinationsmuster aus, zeigt Tendenzen und Präferenzen, setzt Schwerpunkte in der Auswahl der Mittel, durch die sie die aspektualen Bausteine ausdrückt, und der Organisationsebenen, auf denen sie sie ansiedelt.82 Sich der Aspektualität als komplexer, universaler Inhaltskategorie zu nähern bedeutet sicherlich nicht, die Vielfalt ihrer Ausformungen in den unterschiedlichen Sprachen der Welt zu verneinen; ebenso wenig bedeutet es, die Mittel, die Verfahren oder die Ebenen der Sprache miteinander zu vermischen, in denen sie sich manifestiert. Es bedeutet vielmehr die Perspektive der Betrachtung zu wechseln und zu versuchen, diese Vielfalt in einen kohärenten interpretativen Rahmen einzufügen, der auf ihrer sprachlichen Universalität besteht und ihre semantische Homogenität betont: Aspektualität stellt hier die Dimension dar, durch die die Sprecher einen Sachverhalt in seiner ihm eigenen zeitlichen Struktur organisieren. Mit einer Darstellung eines Modells zur Analyse der Aspektualität und ihrer komplexen Strukturierung in drei Perspektiven (was oben als Komplexität im Sinne von a) genannt wurde) sowie mit deren Realisierungsmöglichkeiten in den romanischen Sprachen werden sich die folgenden Kapitel ausführlich beschäftigen.
82 Man erkennt jedoch einige gemeinsame, übereinzelsprachliche Muster.
4 Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten 4.1 Vorbemerkungen Die menschlichen kognitiven Fähigkeiten erlauben die Konzeptualisierung und die vielfältige Kombination aspektualer Informationen untereinander und mit anderen – temporalen, modalen und sonstigen – Inhalten, die zur Strukturierung eines Sachverhalts beitragen. Das vierte Kapitel soll sich jedoch nur auf ein kognitives Prinzip konzentrieren, das für die aspektuale Strukturierung eines Sachverhaltes eine, wenn nicht die zentrale Rolle spielt, nämlich das FigurGrund-Prinzip (vgl. dazu § 3.2.3). Denn insbesondere um die Aspektualität als übereinzelsprachliche Inhaltskategorie soll es – dies wurde in Kapitel 3 im Detail begründet – hier gehen. Dabei wird ein mögliches Beschreibungs- und Klassifikationsprinzip der aspektualen Inhalte verwendet, das, im Einklang mit der gewählten onomasiologischen analytischen Perspektive, auf einer allgemeinen – gar auf einer grundsätzlichen kognitiven Fähigkeit des Menschen basierenden – Ebene angesiedelt ist: das Delimitationsprinzip. Wie sich zeigen wird, soll Aspektualität hier als «aspektuale Delimitation» verstanden werden. Was dies genau bedeutet, ist Gegenstand der nächsten Seiten, auf denen ein diesem Prinzip folgendes neues Modell der Aspektualität in seiner Systematik entwickelt wird. Um die von verschiedenen Seiten beklagte Gefahr zu vermeiden, dass die Verwendung der für semasiologische Bestimmungen von Aspekt und Aktionsarten entworfenen Terminologie in einer onomasiologisch geführten Analyse Missverständnisse oder Konfusion der Ebenen provozieren könnte, schlägt diese Arbeit auch eine neue allgemeine Terminologie vor.1 Diese reflektiert in sich homogen das gewählte Klassifikationskriterium der Aspektualität, das Delimitationsprinzip, und scheint daher geeignet, der semantischen Betrachtung der Kategorie Rechnung zu tragen. Im Folgenden wird auch deswegen weniger von perfektiv vs. imperfektiv, durativ vs. nicht-durativ oder telisch vs. nicht-telisch gesprochen: Diese traditionellen Termini können in der Tat einerseits nicht die
1 Vgl. Kap. 1 und 2 für eine historische Rekonstruktion der traditionellen Definitionen der aspektualen Kategorien (Aspekt und Aktionsart) sowie der Unterschiede, die monodimensionale von bidimensionalen Ansätzen zur allgemeineren Inhaltskategorie der Aspektualität trennen, deren jeweilige Verfechter eine gegenseitig kritische Haltung vertreten. Dort werden auch die Gründe für die Notwendigkeit der Einführung einer neuen Terminologie für diese Arbeit detaillierter erklärt.
Aspektuale Situationsframes
103
hier vorgestellte Neukategorisierung abbilden, andererseits Assoziationen hervorrufen, die ihr korrektes Verständnis eher behindern.
4.2 Aspektuale Situationsframes Aspektualität wurde als semantische Kategorie – als in einem relativierten Sinne universale Inhaltskategorie – definiert, die jenen Komplex von Informationen beinhaltet, die sich auf die einem Sachverhalt eigene interne zeitliche Strukturierung beziehen; dabei ist mit «eigene» oder «interne» eine vom Verhältnis von Sprech- und Ereignismoment unabhängige, also nicht-deiktische zeitliche Kategorie gemeint, und Sachverhalte werden als Situationsframes aufgefasst (vgl. Kap. 3). Es wird hier demnach davon ausgegangen, dass unser Wahrnehmungsund Kategorisierungsvermögen Konzepte und Kategorien in Erfahrungszusammenhänge strukturiert und auch so speichert. Mit der Wahl dieses frame-basierten Interpretationsrahmens stützt sich die Analyse auf die Resultate und auf die Terminologie der kognitiven Semantik.2 Wenn man davon ausgeht, dass Frames als Wahrnehmungs- oder Konzeptualisierungsgestalten aufgefasst werden können, als Formen der menschlichen konzeptuellen Organisation der Realität, kann man einerseits Sachverhalte als Situationsframes im Allgemeinen, andererseits aspektuale Inhalte im Besonderen, die in den als Situationsframes aufgefassten Sachverhalten dargestellt sind, als Figur-Grund-Konstellationen erklären. Dabei stützt man sich auf die von der Gestalttheorie entwickelten Beschreibungs- und Interpretationsmodelle, die den großen Vorteil aufweisen, das Prinzip der Kombinierbarkeit, das solchen Konstellationen unterliegt, als komplex und dynamisch zu erkennen (vgl. § 3.2.3).3 Ich möchte hier behaupten, dass die wichtigste Rolle bei der aspektualen Strukturierung von Sachverhalten gerade der Figur-Grund-Prozess spielt: Die verschieden ausgeformten aspektualen Frames und ihre sich in Kontiguität zueinander befindenden Teile oder Komponenten – die Subframes bilden können – werden demnach als Konzeptualisierungsgestalten interpretiert, die das Entstehen von Figur-Grund-Konstellationen oder -Effekten ermöglichen. Diese Subframes können ihrerseits weitere Figur-Grund-Effekte erzeugen, denn ein Konzept, das in einem bestimmten Frame als Figur (in Bezug zu einem Grund) hervorgehoben wird, kann seinerseits als Grund für ein anderes als Figur hervor-
2 Für die Motivierung der Wahl eines auf Frames basierten Interpretationsrahmens und für eine Zusammenstellung grundlegender Arbeiten zur Frame-Theorie vgl. Kap. 3. 3 Zur Gestalttheorie vgl. Köhler (1947), Wertheimer (1925), Herrmann (1976) und Metzger (1986).
104
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
gehobenes Konzept dienen.4 Das kognitive Assoziationsprinzip der Kontiguität, das in diesem Kontext zentral ist, wird – mit Koch5 – wie folgt definiert: «the relation existing between elements of a prototypical conceptual/perceptual frame or between the frame as a whole and each of its elements. […] Of course, elements of a frame can, in turn, constitute (sub-)frames.» (Koch 2001a, 202)
Stellt hier also der Frame die Entität auf der Makroebene dar, so sind die Kontiguitätsbeziehungen das Organisationsprinzip der Mikroebene, das die einzelnen Elemente des Frame zusammenhält (vgl. dazu auch Waltereit 1998, 17). Wenn nun Aspektualität als interne zeitliche Kategorisierung, als zeitlich-strukturierende Delimitation eines als Situationsframe aufgefassten Sachverhalts definiert wird, werden auch die Beziehungen zwischen den Elementen dieses Frame oder zwischen dem Frame als Ganzem und seinen konstitutiven Elementen als Beziehungen der Kontiguität definiert. Dabei ist mit «zeitlich-strukturierender Delimitation» sehr allgemein «Bestimmung» oder «Grenzsetzung» gemeint, die – als intern zeitlicher Konstitutionsakt des Sachverhalts – die Hervorhebung von oder die Fokussierung auf einige zeitliche Realitäten gegenüber anderen mit sich bringt, die wiederum als Hintergrund zurücktreten. Hiermit wird klar, dass, wenn hier von Kontiguitätsbeziehungen im Frame die Rede ist, Bezug auf eine sehr allgemeine, konzeptuelle Ebene genommen wird; Abbildung (1) soll diese speziellen Kontiguitätsbeziehungen im Frame graphisch verdeutlichen:
Abb. 1: Delimitation – Akt zeitlicher Konstitution des Sachverhalts
In Abbildung (1), die die Ebene des Frame als Ganzes wiedergeben soll, stellen die drei Farben dar, was jeweils im Frame als vordergründig in Bezug zum Rest (der dann in den Hintergrund tritt) fokussiert werden kann (die Abgrenzung des Sachverhalts schwarz, die interne Strukturierung dunkelgrau, der Bezug zur Umgebung des Sachverhalts hellgrau). Auch wird dadurch evident, dass diese
4 Vgl. zur allgemeinen Interpretation von Frames und ihren Teilkomponenten als FigurGrund-Konstellationen Langacker (1987). 5 Vgl. dazu Koch (1996b, 1999a, 2001a und 2004); für klassische Behandlungen der Metonymie vgl. z. B. Jakobson (1971 [1956]) und Ullmann (1962). Zur Kontiguität, die auf sprachlicher Ebene typischerweise durch Metonymie realisiert wird, vgl. u. a. Talmy (2000, insbes. Kap. 5), Fauconnier (1999), Langacker (1999), Peirsman/Geeraerts (2006a) sowie die Stellungnahme Crofts (2006) dazu und die Replik von Peirsman/Geeraerts (2006b) zu Crofts Stellungnahme.
Das Delimitationsprinzip
105
Elemente sich in Kontiguität zueinander befinden und dass nur aus ihrer Beziehung zueinander der gesamte Frame erzeugt werden kann. Noch einmal soll an dieser Stelle betont werden, dass die hier im Sinne von Konzepten oder Konzeptualisierungen und Kategorien ausgezeichneten Inhalte als hypothetisch angenommene Grundeinheiten aufzufassen sind, deren Plausibilität, nicht aber deren mentale Realität durch die einzelsprachliche Analyse oder den Sprachvergleich ausgewiesen werden kann.6
4.3 Das Delimitationsprinzip Das gewählte Kriterium, das die Beschreibung, Analyse und Klassifikation der verschiedenen aspektualen Informationen ermöglicht, kreist folglich um ein Prinzip: das Delimitationsprinzip. Einerseits scheint ein solches Klassifikationskriterium semantisch allgemein und homogen genug, um den Bedürfnissen vergleichender Untersuchungen Rechnung zu tragen – also auch um als tertium comparationis auf einer vergleichenden übereinzelsprachlichen Ebene zu dienen. Andererseits ist es nicht so allgemein, dass es die Pluralität der aspektualen Inhalte – in der Pluralität der Phänomene, in der sie sich in den Einzelsprachen zeigen – nicht angemessen erfassen und beschreiben könnte.7 Was heißt «Delimitationsprinzip» hier nun konkret? Wenn delimitieren im Allgemeinen «definieren», «determinieren», «eingrenzen» oder aber «Grenzen setzen» bedeutet, bedeutet es im spezifischen Fall der Aspektualität «Grenzen setzen – Anfangs-, End- und Unterteilungsgrenzen oder -punkte – im zeitlichen Ablauf eines Sachverhalts»:8 Durch die aspektuale Delimitation (oder Grenz
6 Vgl. die Diskussion in Kap. 3; hier insb. Aschenberg (2008), Koch (2003). 7 Das Fehlen einer solchen auf wenigen konzeptuellen Primitiven basierten Beschreibung aspektualer Inhalte beklagt schon Sasse: «In order to understand the (language-specific or typespecific) mechanisms of interaction, it is necessary to define a number of conceptual primitives in terms of which all kinds of interaction can be described. I take it that the most important of these primitives are the different types of boundedness/unboundedness that we have come across in the course of our considerations in this paper: intrinsic bounds, arbitrary bounds, temporal bounds, bounds established by situations in a text, and perhaps others.» (Sasse 2002, 263). 8 Für eine im theoretischen Ansatz verwandte, aber in der Anwendung unterschiedliche Analyse von «Systemen» oder «Schemata» (configurational structures), die zeitliche Strukturierungen von Sachverhalten darstellen, vgl. Talmy (2000). Hier sei nur kurz angemerkt, dass Talmy bei der Analyse der Beziehungen zwischen lexikalischen Formen/grammatikalischen Markierungen und den Strukturen der Sachverhalte die Kategorien der plexity und des state of boundedness unterscheidet; die Schemata, die Muster, die aus diesen Kategorien entstehen, können dann weiter verschachtelt werden (configurational nesting): «Schema from all the schematic systems and the
106
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
setzung) wird demnach die komplexe interne eigene zeitliche Strukturierung eines Sachverhalts bestimmt; diese soll in den folgenden Abbildungen (2a) und (2b) genauer veranschaulicht werden, die unten genauer kommentiert werden. Sie stellen Sachverhalte dar, die im ersten Fall eine Zeitspanne umfassen und im zweiten Fall nicht: tx
ty
Abb. 2a: Zeitliche Grenzen und Kontiguität: Zeitspanne tx
Abb. 2b: Zeitliche Grenzen und Kontiguität: Zeitpunkt
Beim Setzen von Grenzen haben wir es in der Tat mit mehreren in Kontiguität zueinander stehenden Realitäten zu tun: –– mit der Grenze tx selbst oder den Grenzen tx, ty, … tn, falls mehrere gesetzt sind; –– mit der Umgebung, und zwar mit derjenigen vor und nach einer gesetzten Grenze tx (also ta: tatx), oder, bei zwei gesetzten Grenzen tx und ty, mit derjenigen vor tx (also ta: taty);9 –– mit dem Intervall I = |ty – tx|, das von zwei gesetzten Grenzen (tx und ty) ein geschlossen wird, sofern sie nicht zusammenfallen (tx ≠ ty). Man sollte an dieser Stelle zur Präzisierung hinzufügen, dass es sich, genauer betrachtet, auch in dem Fall, dass zwei Grenzen tx und ty zusammenfallen (in Abbildung (2b) als tx dargestellt), um ein Intervall handelt, denn strenggenommen kann man nicht von Punkten ohne Extension in der Zeit sprechen. Es
cognitive operations they trigger can be nested to form intricate structural patterns. Specifically, schemas from the plexity and boundedness categories of the configurational schematic system can nest in this way. Nesting can be illustrated first for events in time with the verb (to) flash. The basic uniplex status of this verb is seen in The beacon flashed (once). The uniplex event can be multiplexed as in The beacon kept flashing. This can be bounded as in The beacon flashed 5 times in a row. This can then be treated as a new uniplexity and remultiplexed as in The beacon kept flashing 5 times at a stretch. And this can in turn be rebounded, as in The beacon flashed 5 times at a stretch for 3 hours.» (Talmy 2011, 628). 9 Die Umgebung stellt im Übrigen auch die konstitutive Bedingung einer Grenze dar.
Das Delimitationsprinzip
107
handelt sich also in jedem Fall um das Intervall (I = |ty – tx|), das sich zwischen zwei gesetzten zeitlichen Grenzen tx und ty ergibt und das sich in zwei Formen manifestieren kann: a) in der Form, die eine Zeitspanne umfasst (tx ≠ ty);10 b) in der Form, die keine Zeitspanne umfasst (tx = ty,), also im «Zusammenfallen von tx und ty», von dem oben die Rede war.11 So ist also das, was man gewöhnlich als zeitlichen Punkt definiert, in der Tat kein Punkt, sondern ein – wenn auch kleinstmöglich wahrnehmbares – Intervall. Da aber das Intervall, das jeder zeitliche tx darstellt, so klein ist, hält man es konventionellerweise für vernachlässigbar und hat sich dafür entschieden, von Punkten und/oder Punktsetzungen auf der zeitlichen Achse zu sprechen.12 Dieser Konvention wird sich die Arbeit im Folgenden anschließen. In den folgenden graphischen Darstellungen – die die in Kontiguität zueinander stehenden Elemente repräsentieren sollen, die am Prozess der zeitlichen Konstitution eines Sachverhaltes teilnehmen – erscheinen die Ebenen der Temporalität und der Aspektualität (oder der «externen Zeitlichkeit» und der «internen Zeitlichkeit», vgl. Comrie 1976, 5) einander gegenübergestellt. Dies soll einerseits zeigen, wie in einem Sachverhalt tempo-aspektuale Inhalte miteinander interagieren (wie sie gemeinsam zur gesamten zeitlichen Konstitution eines Sachverhalts beitragen und wie sie auch häufig in kumulativen Morphemen ausgedrückt werden), andererseits noch einmal betonen, dass die hier geführte Analyse sich auf die Ebene der Aspektualität konzentriert. Die erste der folgenden Darstellungen (Abbildung (3)) zeigt das Intervall (I = |ty – tx|), das sich zwischen zwei sich voneinander unterscheidenden gesetzten zeitlichen Grenzen tx und ty als Zeitspanne ergibt (tx ≠ ty). Mit «E» ist der Sachverhalt auf der temporalen Ebene gemeint (hier wird Reichenbachs typische Abkürzung verwendet, vgl. genauer dazu § 1.2.1):
10 Es handelt sich hierbei um das, was traditionell «durativ» genannt wird. 11 Es handelt sich hierbei um das, was traditionell «punktuell» genannt wird. 12 Streng genommen wäre es korrekter, von einem kleinsten Intervall der Länge δtx statt von einem Punkt tx zu sprechen. δtx stellt das Intervall dar, unter dem die menschliche Perzeption nicht in der Lage ist, zwei Ereignisse als zeitlich unterschiedlich wahrzunehmen, und es wird so ausgedrückt: I = |(tx+ δtx/2 ) – (tx – δtx/2)|= δtx.
108
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
tx
ty
Aspektuale Ebene I = |ty – tx| Temporale Ebene E Abb. 3: Intervall (I = |ty – tx|): Zeitspanne
Die Darstellung in Abbildung (3) steht für Beispiele von Sachverhalten folgenden Typs, bei denen allen eine mehr oder weniger ausgedehnte Zeitspanne erkennbar ist: (1) it. (2) fr. (3) sp. (4) kat.
Leo ha mangiato [Perf. Com.] tutte le ciliege.
Julie parla [Pass. Sim.] de ta mésaventure avec Marie. Carlos comió [Perf. Sim.] muchos caracoles.
Rosina va escriure [Pret. Perf. Per.] una novel·la molt maca. [anar + Inf.]
Die in den Beispielen (1)–(4) dargestellten Sachverhalte, die – in traditioneller Terminologie – das Merkmal der Durativität teilen, weisen dann im Detail verschiedene aspektuale Muster auf: So stellen die Beispiele (1), (3) und (4) Sachverhalte dar, welche die traditionelle Analyse «telisch» und genauer gesagt «resultativ» (accomplishment) nennen würde, während (2) «nicht-telisch», also «kontinuativ» (activity) wäre, und für deren nähere Untersuchung auf die folgenden Seiten verwiesen wird. In der zweiten Darstellung (Abbildung (4)) wird hingegen das kleinstmögliche Intervall (I = |ty – tx|) gezeigt, das sich zwischen zwei gesetzten zeitlichen Grenzen tx und ty ergibt, wenn diese zusammenfallen (tx = ty), das einfachheitshalber als Punkt definiert worden ist (vgl. hierzu Fußnoten 10 und 11): tx = ty Aspektuale Ebene I = δtx Temporale Ebene E Abb. 4: Intervall (I = δtx ): Zeitpunkt
Das Delimitationsprinzip
109
Abbildung (4) steht für Beispiele, die Sachverhalte folgenden Typs ausdrücken: (5) it. (6) fr. (7) sp. (8) kat.
Leo ha sternutito. [Perf. Com.] Il est arrivé. [Pass. Com.]
La bomba explota [Pres.] dentro de la atmósfera terrestre sin hacer ruido.
El príncep va ensorrar [Pret. Perf. Per.] la porta del castell. [anar + Inf.]
Auch für die Sachverhalte in den Beispielen (5)–(8) – die das sogenannte Merkmal der «Punktualität» oder «Nicht-Durativität» teilen – gilt eine ähnliche Bemerkung: Sie weisen im Detail verschiedene aspektuale Muster auf,13 die auf den nächsten Seiten näher behandelt werden. Wenn so klar geworden ist, dass der Prozess der Delimitation in einer komplexen Einheit verschiedene zeitliche Realitäten verbindet, die sich in Kontiguität zueinander befinden, soll im nächsten Schritt geklärt werden, wie die Mechanismen der Aspektualität im Detail funktionieren. Jeder als Situationsframe aufgefasste Sachverhalt stellt eine komplexe Kombination von mehreren aspektualen Teilinformationen, von verschiedenen Ausformungen der Aspektualität dar, die hier auch «Basiskonzeptualisierungen» oder «aspektuale Bausteine» genannt werden. Diese sind nichts anderes als die verschieden geführten Schnitte oder Grenzsetzungen und die daraus resultierenden Umgebungen und Intervalle, die innerhalb der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts fokussiert werden, d. h. anderen Teilinformationen gegenüber in den Vordergrund gestellt werden, die im komplexen Sachverhalt als Hintergrund dazu fungieren. Jede gesetzte Grenze kann nämlich – das soll noch einmal betont werden – für sich und in Beziehung zu ihrer Umgebung betrachtet werden, denn ihre Umgebung bestimmt diese Grenze und wird gleichzeitig von dieser bestimmt. In jedem Sachverhalt werden also verschiedene aspektuale Basiskonzeptualisierungen kombiniert; es ist allerdings zu beachten, dass die Flexibilität der kombinatorischen Möglichkeiten der aspektualen Informationen im Sachverhalt, in ihrer Aktualisierung im Kontext wiederum nicht im Sinne völliger Arbitrarität zu interpretieren ist: Es ist mit anderen Worten sicherlich nicht möglich, alles mit allem zu kombinieren. Es bestehen, wie die Analyse weiter unten deutlicher zeigen wird, logische Implikationen, die die Kombination einiger aspektualer Konzeptualisierungen mit anderen nicht erlauben (constraints). Das hier vorge-
13 So würde man traditionell sagen, dass (5), (7) und (8) nicht-telische Sachverhalte darstellen (noch genauer wären nach Smith (1991) (5) und (8) «semelfaktiv», würden also singuläre, einmalig vorkommende Sachverhalte ausdrücken), während (6) als telisch definiert werden würde, als Sachverhalt, der einen definitiven Zustandswechsel einführt.
110
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
stellte Modell wird auch zeigen können, welchen Beschränkungen die Kombination der Ausformungen einer onomasiologisch aufgefassten Inhaltskategorie der Aspektualität unterliegt.
4.4 Die drei Dimensionen der Aspektualität 4.4.1 Externe, umgebungsbezogene und interne Aspektualität Obwohl jeder Sachverhalt sich aus verschiedenen, nicht nur aspektualen miteinander interagierenden Komponenten konstituiert, wird sich das im Folgenden vorgestellte Modell auf die Strukturierung aspektualer Inhalte konzentrieren und auf weitere Komponenten anderer (auch zeitlich-deiktischer) Natur nur dann eingehen, wenn deren Präsenz im Satz eine Modifikation der gesamten aspektualen Interpretation des Sachverhalts hervorruft.14 Die Aspektualität lässt sich in drei Dimensionen untergliedern, in drei Betrachtungsperspektiven, abhängig davon, was im Situationsframe in den Vordergrund gestellt wird. Denn im Delimitationsprozess werden die am Prozess teilhabenden Elemente – die Grenze (tx) selbst, die Umgebung vor und nach den gesetzten Grenzen und das Intervall, das von zwei gesetzten Grenzen eingeschlossen wird (sofern sie nicht zusammenfallen, siehe oben § 4.3) – nach drei verschiedenen Perspektiven fokussiert (vgl. unten Tabelle (1)). Diese sind:
14 Die strenge Konzentration der Arbeit auf aspektuale Inhalte als rein zeitliche Strukturierung von Sachverhalten ist auch der Grund, aus dem «Reiterativität» und «Habitualität» keinen autonomen Platz im Modell finden: In beiden sind nicht nur rein zeitliche (aspektuale) semantische Komponenten zu finden; bei beiden spielt die Quantität eine wesentliche Rolle; bei der habituellen auch weitere semantische Komponenten. Für eine kritische Diskussion des aspektualen Charakters von «Habitualität» vgl. u. a. Carlson (2012); für eine andere Meinung vgl. Bertinetto/Lenci (2012). – In einigen Frames spielt die Präsenz zum Beispiel von temporalen und/oder modalen Adverbialien eine große Rolle in der gesamten – also auch in der eigenen oder nicht-deiktischen, also aspektualen – zeitlichen Strukturierung des Frame. Evident wird dies besonders im Vergleich zu Fällen wie it. Giulio cominciò a parlare, rompendo il silenzio che durava da ore und it. Giulio cominciò lentamente a parlare, rompendo il silenzio che durava da ore, wo beim zweiten Beispiel die Präsenz des modalen Adverbs lentamente die zeitliche Struktur, wie sie im ersten Beispiel gegeben ist, beeinflusst, indem die ausgedrückte Zeitspanne gedehnt wird. Oder auch im Vergleich zu Fällen wie den folgenden: it. (a) Giulio venne a trovarci, (b) Giulio venne a trovarci alle tre, (c) Giulio venne a trovarci tre volte, (d) Giulio venne a trovarci per tutta l’estate. Denn, während (a) und (b) eine intern-zeitlich (also aspektual) ähnliche Struktur aufweisen (die Präsenz von alle tre in b) übt eine verstärkende Funktion aus), ergibt die Kombination mit tre volte in (c) eine reiterative Lektüre und diejenige von per tutta l’estate in (d) eine habituelle.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
111
a) Die externe Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine absolute Abgrenzung: Es handelt sich um die Bestimmung des Sachverhalts als global, als zwischen einem Anfangspunkt tx und einem Endpunkt ty abgegrenzt, und daher als abgeschlossen oder aber als nicht abgegrenzt, wenn eine solche Delimitation nicht vorhanden ist; b) die umgebungsbezogene Aspektualität eines Sachverhalts oder die Relevanz eines Sachverhalts für seine (direkte) Umgebung: Sie gibt an, ob dieser Situationsframe seine nachkommende (ty+n) und/oder vorherige (tx–m) Umgebung in irgendeiner Art bestimmt oder beeinflusst, indem er z. B. deren Anfang oder Ende darstellt oder nicht; c) die interne Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine weitere interne Unterteilung: Hier zeigt sich, ob der Sachverhalt intern zeitlich weiter unterteilt ist oder nicht; mit anderen Worten, ob zwischen tx und ty weitere Punkte tx1, tx2, … txn identifizierbar sind, in die sich das Intervall I = |ty – tx| gliedern lässt.15 Es handelt sich also um die Frage, ob der Sachverhalt pluriphasisch oder monophasisch ist. Jede dieser Dimensionen wird jeweils als Figur im Verhältnis zu jeder anderen – als dem zugehörigen Grund – wahrgenommen. Im Rahmen des in dieser Arbeit gewählten und auf dem Prinzip der aspektualen Delimitation basierenden Ansatzes lässt sich also die in § 3.2.5 gegebene Definition (1) von Aspektualität wie folgt präzisieren: Aspektualität drückt die Möglichkeiten der externen (absolute Abgrenzung oder Nicht-Abgrenzung), umgebungsbezogenen (Umgebungsrelevanz oder Nicht-Umgebungsrelevanz) und internen (Unterteilung oder Nicht-Unterteilung) zeitlichen Strukturierung eines Sachverhaltes aus. Definition 2: Die Aspektualität und ihre Perspektiven
Die folgende Tabelle (1) stellt die drei Unterdimensionen der Aspektualität graphisch dar, indem sie einerseits zeigt, was aus der gewählten Perspektive betrachtet wird (schwarz in der Zeichnung) und andererseits verdeutlicht, dass jede Fokussierung nur dank des Bezugs zu einem Hintergrund (grau in der Zeichnung) funktioniert. Der Sachverhalt kann in seiner Gesamtheit interpretiert werden,
15 Dies gilt aber selbstverständlich auch für einen extern nicht delimitierten Sachverhalt, d. h. einen Sachverhalt, in dem weder Anfangs- noch Endpunkt tx und ty in den Vordergrund gestellt sind.
112
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
konstituiert sich aber nur in der besonderen Kombination seiner einzelnen Teile, der aspektualen Basiskonzeptualisierungen, die einander als Vordergrund und Hintergrund ergänzen und ermöglichen. Analytisch können diese Teile isoliert betrachtet werden, als Vermittler aspektualer Inhalte nur in Funktion ihrer gegenseitigen Beziehung innerhalb des Sachverhalts, und auf dem gemeinsamen Hintergrund des Sachverhalts (in der Tabelle als SV abgekürzt):
EA – Externe Aspektualität (Abgrenzung eines SV)
UA – Umgebungsbezogene Aspektualität (Umgebungsrelevanz eines SV)
IA – Interne Aspektualität (Unterteilung eines SV)
Tab. 1: Die drei Perspektiven der Aspektualität
Bei der externen Aspektualität (EA) wird der Umfang des Sachverhalts als Ganzes, als zwischen einem tx und einem ty abgegrenzte oder nicht abgegrenzte Einheit fokussiert. Figur ist hier also die Abgrenzung des Sachverhalts (schwarz in der Zeichnung), während die Unterteilung des Sachverhalts sowie auch dessen Beziehung zu seiner Umgebung und zu anderen Sachverhalten in den Hintergrund treten (grau markiert). Bei der umgebungsbezogenen Aspektualität (UA) wird die Umgebungsrelevanz des Sachverhalts fokussiert, d. h. ob und wie er – als dessen Anfang oder Ende – einen Sachverhalt seiner Umgebung strukturiert, also ob er für die zeitliche Konstitution seiner Umgebung relevant ist oder nicht und, wenn ja, in welcher Form. Figur ist hier die Beziehung zwischen dem von einem tx und einem ty abgegrenzten Sachverhalt und seiner Umgebung (schwarz in der Zeichnung), während die Abgrenzung selbst und die Strukturierung des Sachverhalts in den Hintergrund treten (grau markiert). Bei der internen Aspektualität (IA) wird die interne Struktur des Sachverhalts unabhängig von seiner Betrachtung als Ganzes fokussiert, d. h. seine Unterteilung oder seine Nicht-Unterteilung in Phasen, in Intervalle, durch die Setzung von möglichen zeitlichen Grenzen (verschiedene ti). Figur ist hier die Strukturierung des betrachteten Sachverhaltes (schwarz in der Zeichnung), unabhängig von seiner Abgrenzung und seiner Beziehung zu seiner Umgebung und zu anderen Sachverhalten, die dann den Grund darstellen (grau markiert). Der Verzicht auf eine ontologisch-kategorielle, auf Verbklassifikation basierte Auffassung der Aspektualität bedeutet aber sicherlich nicht, dass das hier ent
Die drei Dimensionen der Aspektualität
113
wickelte Modell Kriterien außer Acht lässt, die Sachverhalte rein zeitlich strukturieren. Es bedeutet vielmehr – und umgekehrt – den Ausschluss von Kriterien aus dieser Analyse, die nicht die zeitliche Ebene betreffen.16 Folglich wird hier auch weder von «telischen» oder «nicht-telischen» Sachverhalten gesprochen, noch wird dieses Kriterium in einer der analytischen Kategorien der Untersuchung erfasst.17 Auf Telizität als Klassifikationskriterium für Sachverhalte mit einem inhärenten natürlichen (oder intendierten) Endpunkt verstanden (vgl. z. B. Depraetere 1995) wird schlicht verzichtet; nicht nur, weil es sich bei einer solchen Auffassung in der Tat nicht nur um ein Kriterium handelt, das sich auf die ontologisch-kategorielle Ebene der Verben bezieht, sondern auch um eines, das nicht nur rein zeitlich-strukturierende Komponenten umfasst: Es geht bei der Telizität18 um die Natur (und nicht allein um die zeitliche Struktur) dieser Endpunkte lität» oder Abgrenzungen.19 Wenn hier von «umgebungsbezogener Aspektua
16 Für eine Kritik an Vendler in diesem Sinne vgl. auch Verkuyl (1993, insb. 33ss.); im Unterschied zu dem hier vertretenen Ansatz entscheidet sich Verkuyl für eine streng mathematisch aufgefasste Konzeption der Kompositionalität als Prinzip des Zusammenhangs der aspektualen Informationen. 17 Das erlaubt zugleich, sich – wenn auch in radikaler Art – einem weiteren wichtigen Kritik punkt der Vertreter bidimensionaler Ansätze zu entziehen: Diese beklagen – wie in Kap. 2 genauer besprochen – das Verwechseln und Vermischen der Kriterien der Abgrenzung und der Telizität. Vgl. u. a. Krifka (1998) für eine Analyse einer anders aufgefassten Telizität: Er identifiziert sie eher mit der Depraeterschen Abgrenzung, da er auch davon überzeugt ist, dass «the nature of the endpoint does not affect the points to be made» (1998, 197). 18 Zumindest in einiger Literatur zur Telizität: Wie in der vorherigen Fußnote schon angemerkt, distanziert sich Krifkas Interpretation der Telizität von dieser verbreiteten Auffassung. 19 Wenn man sogenannte telische Verben nicht «an sich», sondern in der konkreten Verwirk lichung im Sachverhalt betrachtet, kann man sehen, dass weiter nur diejenigen Sachverhalte als «telisch» bezeichnet werden können, die eine Aspektmarkierung der Abgeschlossenheit aufweisen: it. (a) La nave approdò [perf. Vergangenheitsmarkierung] vs. (b) La nave approdava [imperf. Vergangenheitsmarkierung]. In dem in (a) dargestellten Sachverhalt könnte man die durch das Verb ausgedrückte Aktionsart problemlos als telisch definieren; ob das Telos des durch Beispiel (b) dargestellten Sachverhalts aber erreicht wird, bleibt offen, so dass man, folgt man einem bidimensionalen Ansatz, hier gezwungen ist, von «Aufhebung des Telos», von «Interferenzen zwischen Aspekt und Aktionsart» zu sprechen (vgl. Dowty (1977) zum bekannten Paradox des Imperfektiven). Oft wird gerade dieses Argument zur Untermauerung der Notwendigkeit verwendet, zwischen (un)boundedness und (a)telicity zu unterscheiden (mit anderen Worten zwischen Aspekt und Aktionsart), vgl. insb. Declerck (1989) und Depraetere (1995). Nach dem Kriterium der (Nicht-)Abgrenzung klassifiziere man Sachverhalte auf der Basis von «aktueller (konkreter, im Kontext, im Satz verwirklichter) zeitlicher Abgrenzung»; nach dem Kriterium der (A)Telizität klassifiziere man Sachverhalte auf der Basis von «potentiellen Endpunkten». Croft hat (2012) in diesem Sinne die Unterscheidung zwischen einer temporal boundedness (t-boundedness) und einer qualitative boundedness (q-boundedness) eingeführt.
114
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
gesprochen wird, darf diese auf keinen Fall mit Telizität verwechselt werden: Bei (finaler) umgebungsbezogener Aspektualität geht es um die Relevanz eines durch ein Prädikat und weitere Komponenten ausgedrückten Sachverhaltes für seine (vorhergehende) Umgebung und nicht um das Erreichen eines Endpunkts, auf den das Prädikat selbst zustrebt. In dem hier entwickelten Modell umfasst demnach die externe Aspektualität (EA) oder Abgrenzung das Kriterium der Dauer. Denn per definitionem ist Zeit Dauer: Sie besteht nicht nur in einem Aufeinanderfolgen von Zeitpunkten (t1, t2, t3, … tn), möglichen Anfangs- und Endpunkten (tx und ty), sondern notwendigerweise auch aus (durchaus wieder teilbaren, aber eben auch nicht nur aus Punkten bestehenden) Zeitspannen zwischen diesen. So sind Sachverhalte, die durch die Delimitation zweier Zeitpunkte tx und ty extern abgegrenzt sind, sofern diese nicht zusammenfallen, Sachverhalte mit einer Dauer; aber auch extern nicht abgegrenzte Sachverhalte, die also nicht durch die Delimitation zweier zusammenfallender Zeitpunkte tx und ty extern abgegrenzt sind und zwangsläufig aus mehreren Zeitpunkten (t1, t2, t3, … tn) bestehen, müssen eine Dauer aufweisen.20 Die umgebungsbezogene Aspektualität (UA) umfasst hingegen das Kriterium der Ingressivität/Resultativität und der Zustandsänderung in der Zeit: Wenn der zwischen einem tx und einem ty abgegrenzte Sachverhalt für die zeitliche Konstitution seiner nachkommenden Umgebung relevant ist, bedeutet dies, dass fokussiert wird, dass der Sachverhalt seiner Umgebung als Anfang dient: In Marie-Rose fing an zu singen beeinflusst das Anfangen des Singens seine nachkommende Umgebung, indem es ihren Anfang darstellt (Marie-Rose hat angefangen zu singen, und wahrscheinlich singt sie auch weiter). Wenn der Sachverhalt für seine vorherige Umgebung relevant ist, strukturiert er hingegen dessen Ende: In Marie-Rose kam zu Hause an beeinflusst das Angekommen-Sein seine vorherige Umgebung, indem es als ihr Ende dargestellt wird (Marie-Rose hat das Haus erreicht und ist nicht mehr auf dem Weg nach Hause).21
20 Lediglich wenn tx und ty identisch sind, also zusammenfallen, handelt es sich um punktuelle Sachverhalte, also um solche, die wir als nicht dauerhaft definieren können; vgl. aber diesbezüglich oben § 4.3. 21 Natürlich können tx und ty auch zusammenfallen, und es kann sich um einen punktuellen Sachverhalt handeln.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
115
Die interne Aspektualität (IA) umfasst schließlich das Kriterium der Dynamizität/Statizität.22 Nur wenn es möglich ist, weitere Unterteilungspunkte oder -grenzen in der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts zu setzen, ergibt sich die Möglichkeit einer Veränderlichkeit in der Zeit, da diese in der Zustands änderung, dem Zustandekommen und Enden von Intervallen, und damit einer zeitlichen Grenzsetzung besteht. Mit anderen Worten: Wo sich keine diskreten, qualitativ unterschiedlichen zeitlichen Abschnitte betrachten lassen, kann es auch keine Veränderung in der Zeit geben (und umgekehrt). So sind mono phasische Sachverhalte – deren interne Struktur homogen, intern zeitlich nicht weiter unterteilt ist (in weitere Punkte tx1, tx2, … txn, in die sich das Intervall tx … ty gliedern ließe) – statische Sachverhalte, während pluriphasische Sachverhalte – deren interne Struktur zeitlich weiter unterteilt ist – dynamische Sachverhalte sind.
4.4.2 Ausformungen der drei Dimensionen der Aspektualität Die drei genannten Perspektiven der Aspektualität – extern, umgebungsbezogen und intern – lassen sich ihrerseits nun wieder in eine begrenzte Zahl von Untertypen unterteilen, in denen sie sich im einzelnen Frame verwirklichen: die aspektualen Basiskonzeptualisierungen. Auch gibt es Fälle, in denen sich einzelne aspektuale Dimensionen nicht als delimitiert oder nicht delimitiert identifi zieren lassen (also als abgegrenzt oder nicht abgegrenzt, als umgebungsrelevant oder nicht umgebungsrelevant und als unterteilt oder nicht unterteilt), da sie schlechthin nicht delimitierbar sind. Tabelle (2) fasst diese Basiskonzeptualisierungen schematisch zusammen, um einen ersten Überblick zu vermitteln; eine detaillierte Analyse der möglichen Ausformungen der drei aspektualen Perspektiven (sowie der Fälle, die aus der Unmöglichkeit der Kombination einiger aspektualer Informationen resultieren) wird indes anhand verschiedener Beispiele – zunächst isoliert, dann in ihrer Kombination in verschiedenen Sachverhalten – auf den nächsten Seiten erfolgen. Auch die verwendeten Abkürzungen werden im Folgenden detailliert erläutert:
22 Es ist in der Forschung zu Aspekt und Aktionsarten üblich, neben «telischen» und «atelischen», «durativen» und «nicht-durativen» auch «statische» und «dynamische» Sachverhalte zu unterscheiden.
116
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Aspektualität
EA – Externe Aspektualität (Abgrenzung eines SV)
UA – Umgebungsbezogene Aspektualität (Umgebungsrelevanz eines SV)
EA/a SV extern abgegrenzt
UA/fr SV mit finaler umgebungsbezogener Relevanz
EA/pa SV extern punktuell abgegrenzt
EA/na SV extern nicht abgegrenzt
NEA – Unmöglichkeit der Externen Aspektualität (Abgrenzung eines SV ist unmöglich)
UA/ir SV mit initaler umgebungsbezogener Relevanz
UA/tr SV mit initialer und finaler (transformativer) umgebungsbezogener Relevanz
IA – Interne Aspektualität (Unterteilung eines SV)
UA/nr SV umgebungsbezogen nicht relevant
NUA – Unmöglichkeit der Umgebungsbezogenen Aspektualität (Bestimmung der Umgebungsrelevanz eines SV ist unmöglich)
IA/u SV intern unterteilt
IA/nu SV intern nicht unterteilt
NIA – Unmöglichkeit der Internen Aspektualität (Unterteilung eines SV ist unmöglich)
Tab. 2: Aspektualität – Überblick der Basiskonzeptualisierungen
4.4.3 Externe Aspektualität – Abgrenzung des Sachverhalts Bevor eine Analyse der verschiedenen Ausformungen der Aspektualität im Detail erfolgen kann, soll nun vorab noch einmal betont werden, dass es eigentlich unmöglich ist, Beispiele von einzeln isolierten aspektualen Perspektivierungen
Die drei Dimensionen der Aspektualität
117
in einem Situationsframe zu geben, da die aspektuale Organisation eines Sachverhalts aus der Kombination der verschiedenen Perspektiven der Aspektualität besteht.23 Deswegen soll noch einmal klargestellt werden, dass die Beispiele, die im Folgenden für die einzelnen Perspektiven der Aspektualität angeführt werden, lediglich einer analytischen Darstellung dienen, die zur besseren Verständlichkeit des entwickelten Modells führen soll, und keiner absoluten Realität entsprechen. In der Tat sind in den aspektualen Informationen mehrere Beobachtungsperspektiven der Aspektualität immer – natürlich mit verschiedenen Schwerpunkten – miteinander verbunden: Der zeitlich strukturierte Sachverhalt stellt ausnahmslos eine komplexe Konstellation von sich in Kontiguität befindenden Elementen (den Grundkonzeptualisierungen, die jeweils Ausformungen der drei Perspektiven der Aspektualität darstellen) dar, die erst auf der Ebene des Situationsframe erreicht wird. Es wird also zur Analyse der hier angeführten Beispiele ein Fokus gesetzt, und die jeweils anderen Perspektiven werden zunächst ausgeklammert. Einige Beispiele erscheinen folglich auch an mehreren Stellen: Sie werden dann für die Exemplifizierung der jeweils dargestellten Ausformung einer anderen aspektualen Perspektive verwendet, die im Frame vorkommt. Bei der externen Aspektualität (EA) wird die Abgrenzung des Sachverhalts fokussiert, während seine Unterteilung und sein Umgebungsbezug in den Hintergrund rücken. Sie kann drei Ausformungen haben: –– Ein Sachverhalt kann extern delimitiert sein und eine Ausdehnung haben (EA/a); in diesem Fall handelt es sich um einen abgegrenzten Sachverhalt (tx … ty), dessen Anfangsgrenze mit seiner Endgrenze nicht zusammenfällt (tx ≠ ty). –– Ein Sachverhalt kann extern delimitiert sein und keine Ausdehnung haben, also punktuell sein (EA/pa); in diesem Fall handelt es sich um einen abgegrenzten Sachverhalt (tx … ty), dessen Anfangsgrenze mit seiner Endgrenze zusammenfällt (tx = ty). –– Ein Sachverhalt kann extern nicht delimitiert sein (EA/na); in diesem Fall handelt es sich um einen nicht abgegrenzten Sachverhalt (t1, t2, t3, … tn), er weist also keine Anfangs- (tx) und keine Enddelimitation (ty) auf.
23 Auch sind die Basiskonzeptualisierungen nicht nur miteinander auf der höheren Ebene des gesamten Sachverhalts kombinierbar (und im jeweils aktuell ausgedrückten Sachverhalt kombiniert), sondern dann auch weiter perspektivierbar. Das heißt, sie können auch innerhalb des Sachverhalts weiter fokussiert werden (hierauf wird später noch ausführlicher eingegangen, insb. in Kap. 6).
118
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Die folgende Tabelle (3) stellt die verschiedenen Ausformungen der EA dar (was fokussiert wird, nämlich die Abgrenzung des Sachverhalts, ist in der ersten Zeile schwarz, in der zweiten Zeile der Tabelle dunkelgrau markiert; was als Hintergrund fungiert, ist in beiden Zeilen der Tabelle hellgrau dargestellt):
EA – Externe Aspektualität Abgrenzung eines Sachverhalts (SV)
EA/a Extern abgegrenzter SV (mit Abgrenzung oder Delimitation von Anfang und Ende des SV, wobei tx ≠ ty)
EA/pa Extern punktuell abgegrenzter SV (mit Delimitation von Anfang und Ende des SV, wobei tx = ty)
EA/na Extern nicht abgegrenzter SV (ohne Delimitation von Anfang und Ende des SV)
NEA – Unmöglichkeit der Externen Aspektualität (Abgrenzung eines SV ist unmöglich) Tab. 3: Externe Aspektualität
Wie oben angedeutet besteht aber auch im Fall der EA eine weitere Möglichkeit, die keiner der oben dargestellten Basiskonzeptualisierungen entspricht, sondern eine abstraktere Ebene der (Nicht-)Abgrenzbarkeit betrifft (vgl. die letzte Zeile in Tabelle (3), aber auch in Tabelle (2)): Es gibt besondere aspektuale Konstellationen, in denen aus logischen Gründen gewisse Kombinationen aspektualer Informationen ausgeschlossen sind, bei denen also keine Aussagemöglichkeit bezüglich der EA bestehen kann.24 Es handelt sich um Fälle, die man extern nicht abgrenzbar, oder Fälle der Unmöglichkeit der externen Aspektualität, der externen Nicht-Abgrenzbarkeit (NEA) nennen könnte. Es sind z. B. Sachverhalte, in denen eine semantische Kombination eines hohen Grads der Generizität und des Fehlens jeglicher aspektualer Informationen bezüglich der absoluten Abgrenz-
24 Diese Ebene ist nicht mit dem zu verwechseln, was Smith (1991) «neutral viewpoint aspect» nennt (vgl. Kap. 2).
Die drei Dimensionen der Aspektualität
119
barkeit besteht, so dass man sich auf einer extern azeitlichen und daher absolut geltenden Ebene befindet, wie es im folgenden – in § 4.4.3.4 ausführlich kommentierten – Beispiel evident wird: (9) fr.
Les hommes sont mortels.
Von den verschiedenen Beispielen (und Beispieltypen), die man für die Ausformungen der externen Aspektualität (EA) – und der Unmöglichkeit der externen Aspektualität oder externen Nicht-Abgrenzbarkeit (NEA) – anführen könnte, sollen im Folgenden zunächst nur einige vorgestellt und kurz kommentiert werden. Alle folgenden Beispiele stellen mögliche als Situationsframes aufgefasste Sachverhalte dar, in denen sich unterschiedliche Typen der Aspektualität erkennen lassen; dies gilt nicht nur für die Beispiele, in denen EA dargestellt wird, sondern auch für diejenigen, die alle anderen Ausformungen der Aspektualität zeigen und die in den unteren Absätzen analysiert werden. Es handelt sich um parallel kommentierte Beispiele a) aus allen vier hier behandelten romanischen Sprachen, in denen b) Aspektualität sowohl durch lexikalische als auch durch grammatikalische Mittel ausgedrückt wird und die außerdem c) zumeist unterschiedliche Tempora aufweisen. Dies entspricht nicht der üblichen Klassifizierung und Behandlung von Sachverhalten, in denen man Aspekt- und Aktionsart-Kategorien unterscheidet, und ist im Einklang mit dem der Arbeit zugrunde gelegten theoretischen Ansatz aus mehreren Gründen so gewollt: Zunächst dient die parallele Behandlung von Beispielen aus mehreren romanischen Sprachen dazu, die Vielfalt an formalen Mitteln zu zeigen, die diesen zur Verfügung stehen, aspektuale Inhalte auszudrücken. Es soll damit sowohl gezeigt werden, dass unterschiedliche Sprachen unterschiedliche Mittel haben können, um denselben aspektualen Inhalt auszudrücken, als auch, dass ein und dieselbe Sprache dafür mehrere alternative Möglichkeiten zur Verfügung hat.25 Dann verdeutlicht die Darstellung dieser Unterschiede die Tatsache, dass es keine unausweichliche Korrespondenz zwischen einer besonderen Ausformung der Aspektualität und einer präzisen morphologischen Markierung oder einem bestimmten Typ von Prädikat gibt. Man kann zum Beispiel nicht sagen, dass nur die traditionell perfektiv genannten Verbformen – etwa im Französischen das passé simple und das passé composé oder im Italienischen das passato remoto
25 Z. B. it. Ho appena mangiato [Tempusmarker passato prossimo + lexikalisches, adverbiales Element] vs. frz. Je viens de manger [periphrastische Konstruktion: venir + de + Inf.]; aber im Französischen gibt es für Je viens de manger einige Alternativen: J’ai juste terminé de manger; vs. je termine en ce moment/à l’instant de manger. Ähnliche Möglichkeiten hat das Italienische.
120
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
und das passato prossimo – die Präsenz einer externen Delimitation des Sachverhalts ausdrücken, denn diese kann durch weitere Tempusformen (das Präsens zum Beispiel) oder auch durch lexikalische oder lexiko-syntaktische Formen ausgedrückt werden (wie Adverbialien oder Kombinationen von Verbstämmen mit besonderen Argumenten).26 Hiermit wird sehr deutlich, dass das hier entworfene Modell sich auf einer radikal anderen, onomasiologischen Ebene befindet und es keine direkte Korrespondenz zwischen den drei Perspektiven der Aspektualität in ihren verschiedenen Ausformungen und den Kategorien des Aspektes und der Aktionsart gibt, wie sie traditionell und semasiologisch aufgefasst sind. Es wäre also zum Beispiel nicht möglich, Aspektoppositionen allgemein auf externe Aspektualität und Aktionsarten allgemein auf interne Aspektualität zurückzuführen, sozusagen zu übersetzen. Schließlich dient die vergleichende Darstellung dazu, ein weiteres Mal zu zeigen, dass zur Gesamtinterpretation des Situationsframe eine große Zahl von Elementen beiträgt.
4.4.3.1 Extern abgegrenzte Sachverhalte (EA/a) Situationsframes, die eine externe Abgrenzung aufweisen, finden sich in folgenden Beispielen: (10) it. (11) fr. (12) sp. (13) kat.
Leo ha giocato [Perf. Com.] una partita a calcio con i suoi amici. (EA/a) Julie a mangé [Pass. Com.] une pomme en trois minutes. (EA/a)
Marta no me habló [Perf. Sim.] durante mucho tiempo. (EA/a)
Fa una setmana que no escolto [Pres.] la radio. (EA/a)
Betrachtet man die Aspektualität aus der externen Perspektive, wie sie in den in (10)–(13) ausgedrückten Sachverhalten erscheint, so ist festzustellen, dass es sich in allen Beispielen um EA/a handelt, also um aspektual extern abgegrenzte
26 Ein Beispiel wie it. Avrei voluto un morso di quel bel cornetto al cioccolato che aveva comprato Daniel, ma l’ha mangiato Leo zeigt exemplarisch die Tendenz der romanischen Sprachen, die externe Aspektualität durch grammatikalische Mittel zu versprachlichen. Hier ist ha mangiato die 3. Pers. Sing. des passato prossimo oder nach der Terminologie Bertinettos (1986) perfetto compiuto; die morphologische (flexive) Markierung drückt hier kumulativ +Tempus/Vergangenheit, +Modus/ Indikativ und +Aspekt/Perfektiv aus (so wie dies in der traditionellen Terminologie definiert wird). Der Vergleich zwischen Beispielen wie Leo viaggia da Roma a Parigi und Leo viaggia volentieri zeigt jedoch sehr gut, dass solche Inhalte nicht nur durch grammatikalische Mittel ausgedrückt werden können: Hier übt die Präsenz unterschiedlicher lexikalischer und nicht grammatikalischer Elemente (insbesondere von viaggiare da Roma a Parigi) Einfluss auf die externe Aspektualität aus.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
121
Sachverhalte, wobei tx ≠ ty ist, die mit anderen Worten ein Intervall I = |ty – tx| darstellen, das die menschliche Perzeption als Zeitspanne wahrnehmen kann. Analysieren wir (10) und (11) detaillierter, können wir sagen, dass sowohl der Sachverhalt, dass Leo mit seinen Freunden ein Fußballspiel hatte, als auch der, dass Julie einen Apfel in drei Minuten gegessen hat, jeweils durch zwei zeitlich nicht zusammenfallende Grenzen tx und ty begrenzt werden: durch einen Anfangspunkt tx (durch den Moment, in dem der Schiedsrichter das Spiel angepfiffen hat, oder Julies ersten Biss in den Apfel) und einen Endpunkt ty (durch den Moment, in dem der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen hat, oder Julies letzten Biss vom Apfel). In einer ähnlichen Weise können wir auch (12) und (13) beschreiben: Sowohl das Intervall27 zwischen dem Moment tx, in dem Marta angefangen hat, mit mir nicht mehr zu reden, und dem Moment ty, in dem sie aufgehört hat, dies zu tun, als auch dasjenige zwischen dem tx (= vor einer Woche), in dem ich aufgehört habe, Radio zu hören, und ty (= dem Sprechmoment), in dem ich dies behaupte, sind Intervalle, die als Zeitspanne wahrgenommen werden.
4.4.3.2 Extern punktuell abgegrenzte Sachverhalte (EA/pa) Als Beispiele extern punktuell abgegrenzter Sachverhalte (wobei also tx = ty) seien die folgenden betrachtet: (14) it. (15) fr. (16) sp. (17) kat.
All’una finalmente Julia si è addormentata [Perf. Com.]. (EA/pa)28
À cinq heures Daniela frappe29 [Prés.] à la porte; Julien l’attendait. (EA/pa) Explotó [Perf. Sim.] sin hacer ruido. (EA/pa)
El nen va esternudar [Pret. Perf. Per.]. (EA/pa) [anar + Inf.]
27 Im Beispiel (12) betont die Präsenz von mucho tiempo, in (13) diejenige von fa una setmana die Tatsache, dass es sich um ein Intervall mit Zeitspanne handelt. 28 Interessant scheint der Vergleich zwischen den in den obigen Beispielen dargestellten Sachverhalten (it. All’una finalmente Julia si è addormentata und natürlich auch sp. Juan se ha despertado a las tres) und einem wie it. si è addormentata dolcemente/lentamente/a poco a poco/ bruscamente/improvvisamente/di scatto, der kein extern punktuell abgegrenzter Sachverhalt ist. 29 Das ist ein typischer Fall, bei dem man die Vorteile einer frame-basierten gegenüber einer traditionellen Interpretation sehen kann: Wenn es nach der klassischen Verbklassifikation Probleme gibt, frapper an sich eindeutig einzuordnen (frapper kann sowohl als semelfaktives als auch als reiteratives Verb fungieren), kann man in einem Modell wie dem hier vorgestellten problemlos den kontextuellen Varianten und den Polysemien der verbalen Lexien Rechnung tragen. Erst im aktualisierten Kontext – im konkreten Zusammenkommen verschiedener aspektualer und nicht aspektualer Inhalte in der Äußerung – kann man von den jeweiligen aspektualen Werten der einzelnen Komponenten des Sachverhalts oder Situationsframe sprechen. In diesem Fall ist es die Präsenz von à cinq heures, die zu einer semelfaktiven Interpretation beiträgt.
122
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Auch in (14)–(17) handelt es sich um extern abgegrenzte Sachverhalte, also um Sachverhalte, die als durch einen Anfangspunkt tx und einen Endpunkt ty begrenzt dargestellt werden, wobei hier jedoch tx und ty zusammenfallen. Die jeweiligen Anfangspunkte tx und Endpunkte ty des Einschlafens von Julia in (14), des Klopfens von Daniela an der Tür in (15), des Explodierens in (16) und des Niesens des Kindes in (17) fallen insofern zusammen, als sie keine Dauer aufweisen; oder, besser gesagt, sie bilden in allen Beispielen ein Intervall, unter dem zwei Ereignisse nicht als zeitlich unterschiedlich wahrgenommen werden (also I = |ty – tx|, wobei tx = ty; daher I = δtx). In den Beispielen (14) und (15) verstärkt außerdem die Gegenwart der temporalen, deiktischen, adverbialen Bestimmungen all’una und à cinq heures weiter die im Situationsframe enthaltenen aspektualen Inhalte. In diesen Sachverhalten lässt sich also eine externe Abgrenzung des Typs punktuell, eine EA/pa, identifizieren.
4.4.3.3 Extern nicht abgegrenzte Sachverhalte (EA/na) Situationsframes, die hingegen keine externe Abgrenzung aufweisen, finden sich in folgenden Beispielen: (18) it. (19) fr. (20) sp. (21) kat.
La nave approdava [Imp.]. (EA/na)
Marie chante [Prés.] merveilleusement. (EA/na)30
Mientras Julio comía [Imp.], Carlos hablaba con Marta. (EA/na) La Rosina sap [Pres.] parlar moltes llengües. (EA/na) [saber + Inf.]
Die externe Aspektualität nimmt in den in (18)–(21) ausgeführten Sachverhalten die Form einer EA/na an, einer externen Nicht-Abgrenzung. Weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des gesamten Sachverhaltes wird hier fokussiert: Weder der Beginn noch das Ende des Anlegens des Schiffes am Ufer in (18); weder der Beginn noch das Ende des wunderbaren Singens von Marie in (19); weder der Beginn noch das Ende von Julios Essen (und von Carlos’ und Martas Sprechen) in (20) oder von Rosinas Fähigkeit viele Sprachen zu sprechen in (21) sind im Blickfeld. Es können zwar (in einigen der Beispiele) zeitliche konstitutive Momente
30 Auch dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie wesentlich die Kontextualisierung der Äußerung, also der Interpretationsrahmen des konkret geäußerten Sachverhalts, für die Bestimmung der Aspektualität ist: Beispiel (19) kann in der Tat verschiedene aspektuale Kombinationsmuster (oder Delimitationsschemata) aufweisen: 1) [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/nu)], wenn es als allgemeine Beschreibung der Qualität von Marias Gesang interpretiert wird; 2) [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu))], wenn es sich auf eine aktuell stattfindende Darstellung bezieht.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
123
der Sachverhalte fokussiert werden,31 aber gerade nicht deren Anfang und Ende. Mit anderen Worten wird hier die Abgrenzung, die demnach die Abgeschlossenheit der Sachverhalte repräsentiert, nicht dargestellt: Es handelt sich um Sachverhalte, die nicht als Ganzes, in ihrer Gesamtheit – und folglich als nicht abgeschlossen – dargestellt werden.
4.4.3.4 Extern nicht abgrenzbare Sachverhalte (NEA) In den folgenden Beispielen ist die externe Aspektualität in einer ganz anderen Weise zu finden: auf einer abstrakten, logischen Ebene der Unmöglichkeit ihrer Bestimmung – und nicht einer konkreteren Ebene der Möglichkeit ihrer verschiedenen Ausformungen oder Basiskonzeptualisierungen (wie diese in Tabelle (1) und im ersten Teil von Tabelle (3) dargestellt worden sind). (22)–(25) dienen in der Tat als Beispiele für die NEA oder Nicht-Abgrenzbarkeit (in der letzten Zeile von Tabelle (3) graphisch verdeutlicht), also der Unmöglichkeit der Bestimmung jeglicher Ausformung der externen Aspektualität: (22) it. (23) fr. (24) sp. (25) kat.
I neonati mangiano [Pres.] e dormono [Pres.]. (NEA) Les hommes sont [Prés.] mortels. (NEA)
El tiempo pasa [Pres.]. (NEA)
Els nens creixen [Pres.]. (NEA)
Anders als in allen anderen in diesen Unterparagraphen analysierten Fällen ist es in den Beispielen (22)–(25) tatsächlich unmöglich, Aussagen bezüglich der externen Aspektualität (EA) zu machen, zumindest wenn diese als allgemeingültige Aussagen über die Welt im Allgemeinen intendiert und verstanden werden.32 Es handelt sich um Sachverhalte, die einfach zeitlich nicht abgrenzbar sind, da in
31 Vgl. hierzu die Paragraphen zur internen Aspektualität weiter unten. 32 Dass es sich in der konkreten Verwirklichung in einem anderen Frame bei den gleichen Sätzen um Aussagen zu konkreten individuellen Sachverhalten handeln kann, tut dem keinen Abbruch. Der Interpretationsrahmen des Beispielsatzes (22) variiert so stark, dass sich – abhängig davon, in welchem konkreten Situationsframe oder Sachverhalt er aktualisiert wird – sehr verschiedene Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität ergeben können: 1) Der in (22) dargestellte Sachverhalt wird als allgemeingültige Aussage über die Welt im Allgemeinen verstanden und verwendet (alle Komponenten des Frame sind in einem solchen Fall generisch). 2) Der in (22) dargestellte Sachverhalt wird etwa als besondere Aussage einer Kinderkrankenschwester interpretiert, die am Ende eines langen und anstrengenden Tages bei der Übergabe einer Kollegin über die Situation der Station berichtet (in diesem Fall sind die Komponenten des Frame nicht generisch).
124
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
diesen – aufgrund des hohen Grads ihrer Generizität,33 die sich aus der Kombination von Absenz von morphologischen (flexiven) Markierungen aspektualer Natur und argumentalen und pragmatischen, also kontextuellen und außersprachlichen Informationen ergibt: Jeglicher externe aspektuale Inhalt fehlt. Es handelt sich mit anderen Worten um absolut geltende oder gültige – und daher jeglicher zeitlichen Abgrenzung fremde – Sachverhalte: Man kann im Essen und Schlafen der Neugeborenen in (22), im Sterblich-Sein der Menschen in (23), im Vergehen der Zeit in (24) oder im Wachsen der Kinder in (25) weder im Prädikat (das im Präsens ausgedrückt ist) aspektuale Markierungen noch im Erst-Argument des jeweiligen Beispiels (eben i neonati, les hommes, el tiempo und els nens, die alle Neugeborenen und alle Menschen auf der Welt und im Lauf der Zeit einschließen, also die gesamte Klasse solcher Individuen darstellen) Inhalte finden, die eine aspektuale Abgrenzung zuließen. In diesen speziellen Konstruktionen, in diesen Situationsframes drücken eben i neonati, les hommes, el tiempo und les nens keine individuelle Referenz, sondern Generizität aus: Sie beziehen sich auf Klassen von Individuen – oder auf abstracta, wie im Fall von el tiempo. Hier wird auch besonders deutlich, welch großen Einfluss das Subjekt, als Substantiv selbst eigentlich nicht Träger aspektualer Information, auf die Interpretation des Frame haben kann. Logisch ist, dass alle Situationsframes, die nicht abgrenzbar sind (NEA), auch de facto nicht abgegrenzt sind (aber natürlich gilt das nicht umgekehrt). Dass zwischen Situationsframes, die eine EA/na aufweisen, und solchen, die eine NEA aufweisen, dennoch ein externer aspektualer Unterschied besteht, kann man durch die vergleichende Analyse folgender Fälle – wieder in Paardarstellung – besser erklären: (26) it. (26’) it. (27) fr. (27’) fr. (28) sp. (28’) sp. (29) kat.
Leo è [Pres.] rosso di capelli. (EA/na)
Leo era [Imp.] rosso di capelli. (EA/na) Daniel est [Prés.] architecte. (EA/na)
Daniel était [Imp.] architecte. (EA/na)
Marta tiene [Pres.] miedo de la lluvia. (EA/na)
Marta tenía [Imp.] miedo de la lluvia. (EA/na)
És [Pres.] una dona romàntica i maquísima. (EA/na)
(29’) kat.
Era [Imp.] una dona romàntica i maquísima. (EA/na)
(30) it.
I neonati mangiano [Pres.] e dormono [Pres.]. (NEA)
(30’) it. (31) fr.
I neonati mangiavano [Imp.] e dormivano [Imp.]. (EA/na)
Les hommes sont [Prés.] mortels. (NEA)
33 Zur Generizität im Allgemeinen vgl. Carlson (2005) und Carlson/Pelletier (1995).
(31’) fr. (32) sp. (32’) sp. (33) kat. (33’) kat.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
125
Les hommes étaient [Imp.] mortels. (EA/na) El tiempo pasa [Pres.]. (NEA)
El tiempo pasaba [Imp.]. (EA/na) Els nens creixen [Pres.]. (NEA)
Els nens creixien [Imp.]. (EA/na)
In den ersteren Beispielpaaren (26/26’)–(29/29’) übt die Absenz einer morphologischen tempo-aspektualen Markierung in den im Präsens ausgedrückten Beispielen (26)–(29) oder deren Präsenz (in den Beispielen (26’)–(29’) durch die verschiedenen romanischen Imperfekt-Formen) keinen Einfluss auf die Ausformung der externen Aspektualität aus, die immer Fälle der EA/na darstellen: Ob eine ideale sie (ein Personalpronomen, das für ein besonderes Individuum und nicht für eine Klasse von Individuen steht) jetzt romantisch und wunderschön ist oder es einmal war, stellt in beiden Fällen einen Sachverhalt dar, der nicht als abgeschlossenes Ganzes wahrgenommen wird (man kann weder einen tx identifizieren, in dem sie angefangen hat, romantisch und wunderschön zu sein, noch einen ty, in dem sie damit aufgehört hat), einen Sachverhalt, der also extern nicht abgegrenzt ist. Hingegen spielt in den weiteren Beispielpaaren (30/30’)–(33/33’) die Absenz einer morphologischen tempo-aspektualen Markierung in den im Präsens ausgedrückten Beispielen (30)–(33) und deren Präsenz (in den Beispielen (30’)–(33’) durch die verschiedenen romanischen Imperfekt-Formen ausgedrückt) eine wichtige Rolle in der Konstitution der externen Aspektualität in den jeweiligen Situationsframes. (30’)–(33’) stellen alle wie oben (26/26’)–(29/29’) Fälle der EA/na dar: Man kann zum Beispiel in (30’) weder einen tx identifizieren, in dem die Neugeborenen (und zwar ist hier durch die Vergangenheitsform erkennbar, dass es sich hier um einige besondere Neugeborene und nicht die gesamte Klasse der Neugeborenen handeln muss) angefangen haben, zu essen und zu schlafen (hier im Imperfekt und nicht im Präsens), noch einen ty, in dem sie aufgehört haben, dies zu tun. Ähnlich muss es sich in Beispiel (32’) um eine besondere Zeit handeln (die Zeit eines Lebens, die Zeit, die einem Menschen für eine besondere Tat zur Verfügung steht, …) und nicht um die außersprachliche, nicht weiter bestimmte, ewig fließende Zeit, die die Schicksale der Welt und Menschen ordnet;34 und diese Zeit verging (die morphologische Markierung ist die des Imperfekts), ohne dass man dabei einen tx oder einen ty identifizieren kann, die das Anfangen und das Enden dieses Vergehens abgrenzen. Auch dies ist also ein typisches Beispiel für einen extern nicht abgegrenzten Sachverhalt.
34 Im Fall der Absenz jeglicher weiterer Bestimmung wird der Bezug zu dieser prototypischen physischen Zeit hergestellt, implikatiert, wie es im Beispiel (32) der Fall ist.
126
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Hier soll aber noch einmal betont werden, dass es nicht allein die morphologische aspektuale Markierung ist (in diesen Beispielen die Präsenz der jeweiligen romanischen Form des Imperfekts), die für die Unbestimmbarkeit der externen Aspektualität und daher für die gesamte aspektuale Interpretation des Situationsframe oder des Sachverhalts alleine verantwortlich ist. Wie gezeigt worden ist, spielt auch der Grad der Generizität der jeweiligen Argumente des Verbs eine ganz wesentliche Rolle.
4.4.4 U mgebungsbezogene Aspektualität – Umgebungsrelevanz des Sachverhalts Bei der umgebungsbezogenen Aspektualität (UA) wird die Relevanz des Sachverhalts für seine Umgebung – das‚ was zeitlich vor und nach dem als Intervall I = |ty – tx| darstellbaren Sachverhalt liegt – fokussiert, während seine Strukturierung und seine Abgrenzung in den Hintergrund rücken. Die UA unterteilt sich in vier Ausformungen, vier verschiedene Basiskonzeptualisierungen: –– Ein Sachverhalt kann umgebungsbezogen als finale Delimitation relevant sein (UA/fr); in diesem Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der einen Einfluss auf die Strukturierung seiner Umgebung hat, und zwar indem er als Enddelimitation seiner betrachteten vorherigen Umgebung fungiert: Er bestimmt also deren Ende. –– Ein Sachverhalt kann umgebungsbezogen als initiale Delimitation relevant sein (UA/ir); in diesem Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der einen Einfluss auf die Strukturierung seiner Umgebung hat, indem er jedoch als Anfangsdelimitation seiner betrachteten nachfolgenden Umgebung fungiert: Er bestimmt deren Anfang. –– Ein Sachverhalt kann umgebungsbezogen durch eine finale und eine initiale (also transformative) Delimitation relevant sein (UA/tr); in diesem Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der einen Einfluss auf die Strukturierung seiner Umgebung hat, und zwar indem er als Enddelimitation und als Anfangsdelimitation einen Einfluss auf seine vorherige und nachkommende Umgebung ausübt: Er bestimmt jeweils deren Anfang und Ende, er bringt also eine Transformation mit sich, eine Zustandsänderung. –– Ein Sachverhalt kann umgebungsbezogen nicht relevant sein (UA/nr); in diesem Fall handelt es sich um einen Sachverhalt, der keinen Einfluss auf die Strukturierung seiner Umgebung hat, weder als Anfangs- noch als Enddelimitation.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
127
Mit der folgenden Tabelle (4) sollen die verschiedenen Ausformungen der UA dargestellt werden (dabei sind der Sachverhalt und seine Abgrenzung hellgrau markiert, während die Umgebung, auf die der Sachverhalt Einfluss übt oder für die er relevant ist, in der ersten Zeile schwarz, in der zweiten dunkelgrau dargestellt ist):
UA – Umgebungsbezogene Aspektualität Umgebungsrelevanz eines Sachverhalts (SV)
UA/fr Sachverhalt mit finaler umgebungsbezogener Relevanz (SV strukturiert seine Umgebung durch Delimitation eines Endes)
UA/ir Sachverhalt mit initialer umgebungsbezogener Relevanz (SV strukturiert seine Umgebung durch Delimitation eines Anfangs)
UA/tr Sachverhalt mit finaler/initialer (transformativer) umgebungsbezogener Relevanz (SV strukturiert seine Umgebung durch Delimitation eines Endes und eines Anfangs)
UA/nr Sachverhalt ohne umgebungsbezogene Relevanz (SV strukturiert seine Umgebung nicht)
NUA – Unmöglichkeit der umgebungsbezogenen Aspektualität (Bestimmung der Umgebungsrelevanz eines SV ist unmöglich) Tab. 4: Umgebungsbezogene Aspektualität
Auch im Fall der UA besteht eine weitere Möglichkeit, die keiner der oben dargestellten Basiskonzeptualisierungen entspricht, sondern eine abstraktere Ebene der umgebungsbezogenen Nicht-Delimitierbarkeit (NUA) betrifft (vgl. letzte Zeile von Tabelle (4)): Es gibt aspektuale Situationsframes, also besondere Delimitationskonstruktionen, bei denen keine Aussagemöglichkeit bezüglich der UA besteht. Es handelt sich hierbei um Fälle, die kontextuell nicht delimitierbar sind: Gerade wenn ein Sachverhalt nicht extern abgegrenzt oder abstrakter nicht abgrenzbar ist, wenn er also eine externe Delimitation des Typs EA/na oder NEA aufweist, kann er auch logischerweise keinen Einfluss auf eine angrenzende
128
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Umgebung haben, da es diese ohne Grenze gar nicht gibt (und er kann daher natürlich nicht relevant für eine solche (inexistente) Umgebung sein). Von den verschiedenen Beispielen und Beispieltypen, die man für die Ausformungen der umgebungsbezogenen Aspektualität – hier insbesondere der UA und der NUA – anführen könnte, sollen zunächst einmal die folgenden ausgewählt und – wie oben bei der externen Aspektualität – unter diesen auch einige kurz vorgestellt werden.
4.4.4.1 Sachverhalte mit finaler umgebungsbezogener Relevanz (UA/fr) Es seien die folgenden Beispiele betrachtet: (34) it. (35) fr. (36) sp. (37) kat.
Il sole è appena tramontato [Perf. Com.]. (UA/fr) Marie-Rose vient [Prés.] de chanter. (UA/fr)
Juan se comió [Perf. Sim.] su osito de gominola con gran gusto. (UA/fr)
Acabo [Pres.] de parlar amb el president de la república italiana. (UA/fr) [acabar de + Inf.]
Beschäftigt man sich mit der Aspektualität aus der umgebungsbezogenen Perspektive, wie sie in den in den Beispielen (34)–(37) ausgedrückten Sachverhalten erscheint, so ist festzustellen, dass es sich in allen Beispielen um Fälle von UA/fr handelt; mit anderen Worten um Sachverhalte, die einen Einfluss auf die Strukturierung ihrer Umgebung haben, insofern sie als Enddelimitation jeweils ihrer betrachteten vorherigen Umgebung fungieren und deren Ende darstellen. Analysiert man die Beispiele detaillierter, kann man nun weiter sagen, dass die jeweils in (34) und (35) dargestellten Tatsachen, nämlich dass die Sonne gerade untergegangen ist und Marie-Rose gesungen hat, sowie Juans genüssliches Verspeisen eines Gummibärchens in (36) und der Abschluss des Gesprächs mit dem Präsidenten der italienischen Republik in (37) Sachverhalte darstellen, die für ihre Umgebung auf eine besondere Weise relevant sind: Dass die Sonne gerade untergegangen ist, bedeutet, dass sie nicht mehr am Himmel scheint (und dass es auch nicht mehr möglich ist, a) dass sie weiter scheint, b) dass sie weiter untergeht). Auch bewirkt die Tatsache, dass Juan sein Gummibärchen verspeist hat, dass es am Ende des Vorgangs kein Gummibärchen mehr gibt. Mit diesem Verschwinden ist sowohl die Weiterführung des Vorgangs (er kann das Gummibärchen nicht weiter essen) als auch das Rückgängigmachen des Sachverhalts unmöglich. Ähnlich bestimmt die Tatsache, dass ich gerade mein Gespräch mit dem italienischen Präsidenten abgeschlossen habe, dass ich jetzt nicht mehr mit ihm rede. In beiden Fällen ist die vorherige Umgebung des Sachverhalts durch den jeweiligen Sachverhalt selbst beendet worden.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
129
4.4.4.2 Sachverhalte mit initialer umgebungsbezogener Relevanz (UA/ir) Unter den Beispielen, die Sachverhalte mit initialer umgebungsbezogener Relevanz ausdrücken, sollen die folgenden genauer analysiert werden: (38) it. (39) fr. (40) sp. (41) kat.
Il sole sta [Pres.] per sorgere silenzioso. (UA/ir) [stare per + Inf.]
Petit à petit Julie se met [Prés.] à chanter. (UA/ir) [se mettre à + Inf.]
Juan comienza [Pres.] a despertarse. (UA/ir) [comenzar a + Inf.]
La lluna terrestre es va formar [Pret. Perf. Per.] més tard que la resta del sistema solar. (UA/ir) [anar + Inf.]
Betrachtet man nun die Aspektualität aus der umgebungsbezogenen Perspektive, wie sie in den in (38)–(41) ausgedrückten Sachverhalten erscheint, so stellt man fest, dass diese Fälle von UA/ir darstellen. Es handelt sich also um Sachverhalte, die einen Einfluss auf die Strukturierung ihrer Umgebung haben, insofern sie als Anfangsdelimitation ihrer betrachteten nachfolgenden Umgebung fungieren: Sie stellen also deren Anfang dar. Sowohl die in (38) ausgedrückte Tatsache, dass die Sonne im Begriff ist, still aufzugehen, als auch das, was jeweils in (39), (40) und (41) ausgedrückt wird, nämlich dass Julie langsam anfängt zu singen, dass Juan beginnt, wach zu werden, und dass der Mond nach dem Rest des Sonnensystems entstand, stellen Sachverhalte dar, die für ihre Umgebung auf eine besondere Weise relevant sind: Dass die Sonne im Begriff ist, still aufzugehen, bewirkt, dass am Ende des Vorgangs die Sonne aufgehen wird (was vor dem Eintritt dieses Vorgangs nicht der Fall war). Ähnlich bedeutet die Tatsache, dass der Mond nach dem Rest des Sonnensystems entstanden ist, dass er nach dem Vorgang des Entstehens weiter da sein wird (also nach dem Ende des Sachverhalts selbst). In allen diskutierten Fällen nimmt die nachfolgende Umgebung der Sachverhalte durch den jeweiligen Sachverhalt ihren Anfang.
4.4.4.3 S achverhalte mit initialer und finaler (transformativer) umgebungsbezogener Relevanz (UA/tr) Sachverhalte, die sowohl initiale als auch finale umgebungsbezogene Relevanz haben, können durch folgende Beispiele dargestellt werden: (42) it. (43) fr. (44) sp. (45) kat.
Leo arrossisce [Pres.] davanti a Julia. (UA/tr)
Le printemps s’installa [Pass. Sim.] dans les jardins tout doucement. (UA/tr) Las ventas de la pastelería aumentan [Pres.]. (UA/tr)
Xavier cada dia està [Pres.] més boig. (UA/tr)
130
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
Betrachtet man die umgebungsbezogene Aspektualität der in (42)–(45) ausgedrückten Sachverhalte, lässt sich feststellen, dass es sich in beiden Fällen um Sachverhalte mit finaler und initialer umgebungsbezogener Relevanz (UA/tr) handelt oder aber um Sachverhalte, die für ihre gesamte Umgebung relevant sind, indem sie das Ende der vorangegangenen und den Anfang der darauffolgenden Umgebung in Bezug auf einen zusammengehörigen Sachverhaltskomplex darstellen. Mit anderen Worten: Sie wirken als zustandsändernde Sachverhalte.35 Dass Leo – wie in (42) ausgedrückt – bei der Betrachtung Julias errötet, bestimmt final die vorangehende Umgebung, in der Leo noch eine normale Gesichtsfarbe hatte, und initial die nachfolgende, in der sich schamhafte Röte in Leos Gesicht zeigt. Ähnlich ausgeformt scheint die umgebungsbezogene Aspektualität in Beispiel (43): Dass der Frühling den Garten langsam erobert, bestimmt das Ende des winterlichen Zustands des Gartens und den Anfang des Frühlings. Auch führen die in den Beispielen (44) und (45) dargestellten Sachverhalte zu einer ähnlichen Analyse: Dass der Umsatz der Konditorei steigt (oder der Grad der Verrücktheit von Xavier), bestimmt final die vorangehende Umgebung, in der es einen niedrigeren Umsatz (bzw. Grad der Verrücktheit) gab, und initial die nachfolgende, in der es einen höheren gibt.
4.4.4.4 Sachverhalte ohne umgebungsbezogene Relevanz (UA/nr) Situationsframes, die hingegen keine umgebungsbezogene Aspektualität aufweisen, können schließlich durch folgende Beispiele dargestellt werden: (46) it. (47) fr. (48) sp. (49) kat.
Leo esce [Pres.] da casa e fa [Pres.] un giro sulla bicicletta nuova. (UA/nr)
À cinq heures Béatrice frappe36 [Prés.] à la porte. (UA/nr)
El oso polar se acarició [Perf. Sim.] su hermoso pelo con gracia glacial. (UA/nr)
En Jordi va parlar [Pret. Perf. Per.] amb la Pili. (UA/nr) [anar + Inf.]
35 Interessant ist hierzu der Vergleich zwischen den romanischen Sprachen und dem Deutschen. Beide tendieren dazu, diesen aspektualen Baustein durch besondere – derivative – morphologische Mittel zu versprachlichen: die romanischen Sprachen durch die sogenannte Parasynthese (z. B. arrossire, invecchiare, engordarse) und das Deutsche durch Präfigierung (z. B. umziehen, umfärben, umdrehen). 36 Auch die Interpretation dieses Beispiels bringt in der traditionellen Verbklassifikation, die die Elemente an sich und nicht im Framezusammenhang analysiert, einige Probleme mit sich, denn frapper (hier ‘klopfen’), an sich betrachtet, weist sowohl eine semelfaktive als auch eine reiterative Komponente auf.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
131
Eine genauere Analyse der Beispiele (46)–(49) unter der Perspektive der umgebungsbezogenen Aspektualität zeigt, dass in allen Fällen Sachverhalte des Typs (UA/nr) vorliegen. Es handelt sich mit anderen Worten um Sachverhalte, die absolut keinen Einfluss auf die Strukturierung ihrer Umgebung haben: Sie sind für ihre jeweilige Umgebung insofern vollkommen irrelevant, als sie weder Anfang noch Ende eines anderen Sachverhalts in ihrer Umgebung bestimmen. Analysiert man die oben angeführten Beispiele detaillierter, so lässt sich sagen, dass alle vier dargestellten Sachverhalte – Leos Runde mit seinem neuen Fahrrad in (46), Béatrice’ Klopfen an der Tür um 5 Uhr in (47), das anmutige Streicheln des schönen Fells des Eisbären in (48) sowie das Sprechen von Jordi und Pili in (49) – keine Relevanz für die Zeit jeweils vor und nach der Runde auf dem neuen Fahrrad, dem Klopfen, dem Streicheln und schließlich dem Sprechen haben. In allen Fällen beeinflussen die Sachverhalte ihre jeweils vorhergehende und nachfolgende Umgebung in keiner Weise, sie machen weder Anfang noch Ende anderer Sachverhalte in der Umgebung aus.
4.4.4.5 Umgebungsbezogen nicht delimitierbare Sachverhalte (NUA) Die umgebungsbezogene Aspektualität wird in den folgenden Beispielen auf einer anderen Ebene behandelt: auf der abstrakten Ebene der Unmöglichkeit ihrer Bestimmung und nicht der konkreteren der Möglichkeit ihrer – in den verschiedenen Situationsframes aktualisierten – Ausformungen oder Basiskonzeptualisierungen (vgl. den ersten Teil von Tabelle (4) und die bisherige Analyse). (50)–(57) dienen in der Tat vielmehr zur Exemplifizierung der NUA oder NichtDelimitierbarkeit der Umgebungsrelevanz (vgl. die letzte Zeile von Tabelle (4)), also der Unmöglichkeit der Bestimmung der Präsenz oder Absenz jeglicher Ausformung der umgebungsbezogenen Aspektualität: (50) it. (51) it. (52) fr. (53) fr. (54) sp. (55) sp. (56) kat. (57) kat.
I neonati mangiano [Pres.] e dormono [Pres.]. (NUA) Leo ha [Pres.] i capelli rossi. (NUA)
Les hommes sont [Prés.] mortels. (NUA)
Julie était [Imp.] grande. (NUA)
Pablo era [Imp.] un gran gato, de pelo corto de color naranja y blanco. (NUA) El tiempo pasaba [Imp.]. (NUA)
Els nens creixen [Pres.]. (NUA)
La Rosina sap [Pres.] parlar moltes llengües. (NUA) [saber + inf.]
Anders als in allen anderen in den Paragraphen 4.4.4.1–4.4.4.4 analysierten Fällen ist es in den Beispielen (50)–(57) tatsächlich unmöglich, überhaupt eine Aussage bezüglich der umgebungsbezogenen Aspektualität zu machen. Es handelt sich
132
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
um sehr verschiedene Sachverhalte, die hier teilweise aus mehr als einer aspektualen Perspektive betrachtet werden sollen: –– Einerseits handelt es sich um Sachverhalte, die entweder nicht abgegrenzt sind (also Ausformungen der EA/na wie in (51), (53), (54), (55) und (57)), was die Fälle einschließt, die nicht abgrenzbar sind (und daher Ausformungen der NEA wie in (50), (52) und (56)).37 Im Detail kann man exemplarisch (51) analysieren (in dem kein Moment tx, in dem Leo beginnt rote Haare zu haben, fokussiert werden kann, so wie kein Moment ty, in dem er dies aufhört), oder aber (50), bei dem sich – wie oben ausgeführt – im Essen und Schlafen der Neugeborenen weder aspektuale Markierungen im Prädikat noch im ErstArgument des jeweiligen Beispiels Inhalte finden, die eine aspektuale Abgrenzung zuließen. In dieser Art von Sachverhalten muss in der Tat – aufgrund des Mangels einer Form der Abgrenzung des Sachverhalts als Ganzem – jeglicher umgebungsbezogene aspektuale Inhalt fehlen. Aus logischen Gründen schließt der Mangel an zeitlichen Grenzen die Möglichkeit der Bestimmung seiner Umgebung aus: Ohne eine zeitliche Delimitation, ohne ein Intervall I = |ty – tx| kann es auch kein vor oder nach dieser Delimitation geben. –– Andererseits handelt es sich auch um Sachverhalte, die intern nicht unterteilt sind, die also eine Ausformung der internen Aspektualität des Typs IA/ nu aufweisen, wie sie in den Beispielen (51), (53), (54) und (57) zu finden sind (was die Fälle einschließt, die nicht unterteilbar sind (und daher Ausformungen der NIA (vgl. § 4.4.5.3) wie in (50), (52) und (56)). Denn wenn ein Sachverhalt monophasisch ist, wenn sich in ihm keine konstitutiven einzeln isolierbaren Phasen (oder Zeitpunkte tx1, tx2, … txn) identifizieren lassen, die ihrerseits nichts anderes als zeitliche Grenzsetzungen sind, dann ergibt sich keine Möglichkeit einer Veränderlichkeit in der Zeit, einer Dynamis. Letztere besteht nämlich genau in der Möglichkeit der Zustandsänderung, des Zustandekommens und Endens von Intervallen im Sachverhalt. Und wo sich keine diskreten zeitlichen Abschnitte betrachten lassen, wie es bei Sachverhalten der Fall ist, die intern nicht unterteilt sind, kann es auch keine Veränderung in der Zeit geben, eben auch nicht an seinen Grenzen, und es kann damit kein aspektualer Umgebungsbezug vorhanden sein. Auch hier kann man exemplarisch das Beispiel (51) genauer betrachten, in dem kein von den anderen unterschiedener einzelner Moment ty des Rote-Haare-Habens von
37 Natürlich könnten in besonderen Interpretationskontexten Sachverhalte wie diese aspektual anders interpretierbar sein. Vgl. dazu § 4.4.3.4.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
133
Leo fokussiert werden kann (so wie auch kein Anfang oder Ende des RoteHaare-Habens fokussiert ist). Auch in diesem Fall ergibt sich logisch, dass alle Situationsframes, die umgebungsbezogen nicht delimitierbar sind (NUA), umgebungsbezogen auch nicht delimitiert sind (UA/nr).
4.4.5 Interne Aspektualität – Unterteilung des Sachverhalts Bei der internen Aspektualität (IA) wird die Strukturierung des Sachverhalts fokussiert, d. h. die möglichen Ausformungen der Unterteilung eines Sachverhalts, unabhängig von seiner Abgrenzung und seinem Umgebungsbezug, die in den Hintergrund rücken. Zwei Ausformungen der IA lassen sich unterscheiden: –– Ein Sachverhalt kann intern unterteilt sein (IA/u); in diesem Fall ist es ein intern (was hier unabhängig von seiner Abgrenzung bedeutet) in seinem Verlauf zeitlich unterteilter Sachverhalt, der also pluriphasisch ist: Zwischen tx und ty des Intervalls I = |ty – tx| (d. h. zwischen den Abgrenzungspunkten, die ja gegeben sein können, wenn der Sachverhalt eine externe Abgrenzung (EA/a) aufweist), aber auch im Allgemeinen in der zeitlichen Struktur des Sachverhalts, wenn es sich um einen Sachverhalt ohne externe Abgrenzung handelt (EA/na), gibt es weitere Punkte tx1, tx2, … txn, in die sich der Sachverhalt gliedern lässt. –– Ein Sachverhalt kann intern nicht unterteilt sein (IA/nu); in diesem Fall ist es ein homogener, intern zeitlich weiter nicht unterteilter Sachverhalt, also ein monophasischer: Zwischen einem in der externen Aspektualität eventuell fokussierten Anfangspunkt tx und einem Endpunkt ty oder aber innerhalb des extern nicht abgegrenzten Sachverhalts können keine weiteren Punkte tx1, tx2, … txn identifiziert werden, in die sich der zeitliche Ablauf des Sachverhalts im Allgemeinen gliedern lässt. Mit der folgenden Tabelle (5) sollen die verschiedenen Ausformungen der IA dargestellt werden (dabei ist der Sachverhalt in seiner internen Strukturierung in der ersten Zeile der Tabelle schwarz, in der zweiten dunkelgrau dargestellt, während seine Abgrenzung sowie seine Umgebung hellgrau markiert sind):
134
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
IA – Interne Aspektualität Unterteilung eines Sachverhalts (SV)
IA/u intern unterteilter Sachverhalt (pluriphasischer SV)
IA/nu intern nicht unterteilter Sachverhalt (monophasischer SV)
NIA – Unmöglichkeit der Internen Aspektualität (Unterteilung eines SV ist unmöglich) Tab. 5: Interne Aspektualität
So wie für die anderen beiden Perspektiven der Aspektualität besteht auch im Fall der IA eine weitere Möglichkeit der Verwirklichung bzw. der Nicht-Verwirklichung aspektualer Inhalte (vgl. die letzte Zeile von Tabelle (5)). Diese stellt keine ihrer beiden möglichen Ausformungen dar, sondern betrifft eine abstraktere Ebene der Nicht-Unterteilbarkeit: Es gibt in der Tat Sachverhalte, bei denen (in besonderen Delimitationskonstellationen) keine Aussagemöglichkeit bezüglich der IA besteht. Es handelt sich dabei um Fälle der NIA, die aus logischen Gründen aspektual intern nicht bestimmbar sind, wie es sich in Konstruktionen ergibt, die eine externe punktuelle Aspektualität aufweisen (EA/pa). Wenn man es mit einem extern abgegrenzten Sachverhalt zu tun hat, dessen Anfangsgrenze tx mit seiner Endgrenze ty zusammenfällt (tx = ty), ist es unmöglich, im Sachverhalt die Existenz weiterer Punkte tx1, tx2, … txn zu postulieren (also einer Zeitspanne), in die sich das den Sachverhalt umfassende Intervall I = |ty – tx| gliedern ließe, denn Letzteres wird als so klein wahrgenommen, dass wir von einem einzigen Punkt (ohne zeitliche Extension) sprechen können. Und was ohne zeitliche Extension dargestellt wird, kann logischerweise nicht in weitere zeitliche Delimitationen oder Abschnitte unterteilt werden. Wie oben für die externe und die umgebungsbezogene Aspektualität, sollen hier zunächst einmal einige Beispiele für die zwei Ausformungen der IA und für die NIA kommentiert werden.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
135
4.4.5.1 Intern unterteilte Sachverhalte (IA/u) Zur Betrachtung folgender Beispiele: (58) it. (59) fr. (60) sp. (61) kat.
Leo mangia [Pres.] un cornetto al cioccolato con evidente soddisfazione. (IA/u) Julie a frappé [Pass. Com.] à la porte maintes et maintes fois. (IA/u)
Juan duerme/dormía [Pres./Imp.] con un ojo abierto. (IA/u) La Rosina escriu [Pres.] una novel·la fantàstica. (IA/u)
Konzentriert man sich auf die interne Aspektualität, wie sie in den in (58)–(61) dargestellten Sachverhalten ausgedrückt wird, also auf die mögliche Unterteilung dieser Sachverhalte, so lässt sich feststellen, dass es sich in allen Beispielen um intern unterteilte Sachverhalte (IA/u) handelt, also um pluriphasische Sachverhalte. Auf der Ebene der internen Aspektualität lassen sich hier im Sachverhalt einige konstitutive Intervalle oder Zeitpunkte (tx1, tx2, … txn) identifizieren (unabhängig davon, ob es sich um einen abgegrenzten oder einen nicht abgegrenzten Sachverhalt handelt). Man kann einige voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn in Leos Essen eines Croissants (58), in Julies wiederholtem Klopfen an der Tür (59), in Juans Schlafen mit einem offenen Auge (60) sowie in Rosinas Schreiben einer wunderbaren Erzählung (61) wiederfinden. Leo isst (oder aber Julie klopft an der Tür, Juan schläft und Rosina schreibt eine Erzählung) in tx1, so wie er (bzw. sie) in tx2 und tx3, txn … isst (bzw. klopft, schläft und schreibt), und diese einzelnen Momente sind als voneinander unterschieden einzeln isolierbar und fokussierbar. Alle diese Sachverhalte bestehen aus verschiedenen Phasen, aus diskreten Momenten tx1, tx2, … txn, die, da sie alle einzeln fokussierbar sind, die Wahrnehmung einer Dynamis erlauben.
4.4.5.2 Intern nicht unterteilte Sachverhalte (IA/nu) Situationsframes, die hingegen keine Unterteilung aufweisen, können schließlich durch folgende Beispiele exemplarisch dargestellt werden: (62) it. (63) fr. (64) sp. (65) kat.
Leo ha [Pres.] i capelli rossi. (IA/nu) Je suis [Prés.] très petite. (IA/nu)
Marta tiene [Pres.] miedo de la lluvia. (IA/nu)
La Rosina sap [Pres.] parlar moltes llengües. (IA/nu) [saber + Inf.]
Betrachtet man die interne Aspektualität, die in den in (62)–(65) dargestellten Sachverhalten ausgedrückt wird, also ihre Unterteilung, lässt sich feststellen, dass es sich in allen Beispielen um intern nicht unterteilte Sachverhalte (IA/nu) handelt, also um monophasische Sachverhalte. Auf der Ebene der internen Aspektualität
136
Das Modell der Aspektualität als interne zeitliche Strukturierung von Sachverhalten
kann man hier keine Strukturierung, keine konstitutiven Phasen (oder Zeitpunkte tx1, tx2, … txn) identifizieren, die einzeln isolierbar und fokussierbar sind. Es lassen sich mit anderen Worten keine voneinander (substanziell) verschiedenen Momente tx1, tx2, … txn in der Tatsache wiederfinden (und daher fokussieren), dass Leo rote Haare hat (62), oder in der Tatsache, dass ich sehr klein bin (63), dass Marta Angst vor dem Regen hat (64) oder dass Rosina viele Sprachen sprechen kann (65).38
4.4.5.3 Intern nicht unterteilbare Sachverhalte (NIA) Auch die interne Aspektualität wird – wie oben die externe und die umgebungsbezogene Aspektualität – in den folgenden Beispielen schließlich auf einer abstrakteren Ebene behandelt, nämlich auf derjenigen der Unmöglichkeit ihrer Bestimmung. Die folgenden Beispiele (66)–(69) sollen daher zur Exemplifizierung der NIA oder Nichtunterteilbarkeit (vgl. letzte Zeile in Tabelle (5)) dienen, also der Unmöglichkeit der Bestimmung der Präsenz oder Absenz jeglicher Ausformung interner Aspektualität: (66) it. (67) fr. (68) sp. (69) kat. (70) it. (71) fr. (72) sp. (73) kat.
La nave dell’ammiraglio approdò [Perf. Sem.] alle tre e un quarto. (NIA)
Il toussa [Pass. Sim.] fort une seule fois. (NIA) Explotó [Perf. Sim.] sin hacer ruido. (NIA)
El príncep truca [Pres.] tímid a la porta del castell. (NIA) I neonati mangiano [Pres.] e dormono [Pres.]. (NEA) Les hommes sont [Prés.] mortels. (NEA)
El tiempo pasa [Pres.]. (NEA)
Els nens creixen [Pres.]. (NEA)
Anders als in allen anderen in §§ 4.4.5.1–4.4.5.2 analysierten konkreten Ausformungen oder Basiskonzeptualisierungen der internen Aspektualität ist es in den Fällen (66)–(73) tatsächlich unmöglich, eine Aussage bezüglich der internen Aspektualität überhaupt zu treffen. Es handelt sich um sehr verschiedene Sachverhalte, die hier teilweise aus mehr als einer aspektualen Perspektive betrachtet werden sollen: –– Einerseits handelt es sich um Sachverhalte, die, aufgrund ihrer punktuellen Konstitution, ihres Mangels an einer wahrnehmbaren zeitlichen Extension zeitlich nicht unterteilbar sind. In den Beispielen (66)–(69) fällt die Anfangsgrenze tx (der Moment, in dem das Schiff am Ufer ankommt, in dem er einmal hustet,
38 Hier sei nur kurz daran erinnert: Die interne Aspektualität umfasst das Kriterium der Dynamizität/Statizität; vgl. dazu genauer § 4.4.1.
Die drei Dimensionen der Aspektualität
137
in dem etwas leise explodierte und in dem der Prinz schüchtern an die Tür des Schlosses klopft) mit deren Endgrenze ty zusammen (eben dem Moment, in dem das Schiff am Ufer ankommt, in dem er einmal hustet, in dem etwas leise explodierte und in dem der Prinz schüchtern an die Tür des Schlosses klopft). Es ist daher unmöglich, die Existenz weiterer Punkte tx1, tx2, … txn im Sachverhalt zu postulieren, in die sich das den abgegrenzten Sachverhalt darstellende Intervall I = |ty – tx| mit ty = tx, gliedern ließe, in das sich das zeitlich kaum als solches wahrnehmbare Intervall (eben das kleinstmögliche Intervall der Länge δtx) des leisen Explodierens unterteilen ließe. –– Andererseits handelt es sich um Sachverhalte, die NEA und NUA sind, wie es der Fall im (70)–(73) ist. Logischerweise gilt analog für die interne Aspektualität, was für die externe und umgebungsbezogene gesagt wurde: Sachverhalte, die nicht unterteilbar sind (NIA), sind auch intern nicht unterteilt (IA/nu).
4.4.6 Ein zweites Zwischenfazit In diesem Kapitel wurden die ersten Schritte zur Vorstellung eines neuen monodimensionalen Modells der Aspektualität unternommen. Auf der Basis des kognitiven Prinzips der Delimitation wurde die Definition der Aspektualität – der Inhaltskategorie, durch die die Sprecher die interne Art des Ablaufs und der Distribution eines Sachverhalts in der Zeit sprachlich strukturieren – weiter präzisiert; und zwar als Inhaltskategorie, durch die die Sprecher die Möglichkeiten der externen, umgebungsbezogenen und internen zeitlichen Strukturierung von Sachverhalten ausdrücken. Die verschiedenen Ausformungen der drei Perspektiven der Aspektualität, die aspektualen Basiskonzeptualisierungen, wurden hier einzeln vorgestellt und anhand von Beispielen veranschaulicht, die allerdings nur in Bezug auf die jeweilige Perspektive analysiert wurden; zur besseren Verständlichkeit des entwickelten Modells wurden jeweils die anderen beiden Perspektiven vernachlässigt. In der gesamten aspektualen Bedeutung eines Situationsframes sind hingegen immer mehrere Beobachtungsperspektiven der Aspektualität miteinander verbunden und daher mehrere aspektuale Basiskonzeptualisierungen. Es wird nun Aufgabe des nächsten Kapitels sein, die gesamte aspektuale Strukturierung von als Situationsframes aufgefassten Sachverhalten darzustellen, d. h. die Möglichkeiten der Kombination aspektualer Inhalte in der Konstitution der aspektualen Gesamtbedeutung von Sachverhalten.
5 Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe: Die erste Ebene des Modells in der Anwendung 5.1 Vorbemerkungen In diesem Kapitel wird ein Inventar der Kombinationsmuster der aspektualen Basiskonzeptualisierungen erstellt, wie diese im Rahmen des in Kapitel 4 vorgestellten Modells verstanden werden. Diese werden durch Schemata dargestellt, die die Zusammensetzung der drei Delimitationsperspektiven schematisch wiedergeben; diese werde ich Delimitationsschemata nennen. Den Schemata gehen jeweils Beispiele voraus, die in Kapitel 4 bereits teilweise vorgestellt, aber lediglich aus einer der drei Perspektiven der Aspektualität analysiert wurden. Das Inventar umfasst vollständig alle möglichen und unmöglichen Kombinationen der zuvor dargestellten aspektualen Basiskonzeptualisierungen. Allerdings ist damit nur die bislang betrachtete erste Ebene der Delimitation dargestellt, das heißt, dass weitere Perspektivierungen – wie diejenige, die man etwa bei der Analyse von Sachverhalten, die die traditionelle Interpretation «progressiv» nennen würde – hier erst einmal keinen Platz finden. Kapitel 6 wird sich dann der Darstellung dieser zweiten Ebene der Aspektualität widmen, die formal insbesondere auch durch Verbalperiphrasen ausgedrückt wird. Das Inventar der Delimitationsschemata stellt gleichzeitig auch eine erste Anwendung des entwickelten Modells dar.
5.2 Aspektuale Delimitationsschemata 5.2.1 Ein Gesamtinventar der Delimitationsschemata Die graphischen Darstellungen der aspektualen Delimitationsschemata, die im Folgenden zur Illustration der Beispiele verwendet werden (Tabellen (1)–(12)), zeigen die nun bekannte Dreiteilung in die externe, umgebungsbezogene und interne Perspektive der aspektualen Delimitation: Die ersten drei Spalten der Tabellen enthalten die schon in Tabelle (2) im vorherigen Kapitel (§ 4.4.2) vorgestellten Schaubilder, die das vollständige Inventar der aspektualen Basiskonzeptualisierungen darstellen. Die rechte Spalte enthält eine zusammenfassende Abbildung der jeweiligen Kombination der aspektualen Basiskonzeptualisierungen der drei Perspektiven der Aspektualität dar, wenn eine Kombination möglich
Aspektuale Delimitationsschemata
139
ist (diese Abbildungen werden hier neu eingeführt), oder aber eine Angabe zur Unmöglichkeit der Kombination, dargestellt durch ein X. Dass sich aus den drei Ausformungen (oder Basiskonzeptualisierungen) der externen Aspektualität, den vier der umgebungsbezogenen Aspektualität und den zwei der internen Aspektualität nur 11 mögliche Kombinationen ergeben, also nur 11 Delimitationsschemata und nicht 24, liegt daran, dass eine Reihe von Kombinationen nicht möglich ist. So sind etwa Sachverhalte, die als extern nicht abgegrenzt (EA/na), aber auch solche, die als intern nicht unterteilt (IA/nu) dargestellt werden, im Umgebungsbezug nicht bestimmbar (NUA, vgl. § 4.4.4.5). Erstere etwa können nicht relevant für ihre Umgebung sein, da sie keine Umgebung haben, und können daher nur mit einer Ausformung der umgebungsbezogenen Aspektualität kombiniert werden, nämlich der der Nicht-Relevanz (UA/nr). Auch sind Sachverhalte, die als extern punktuell abgegrenzt dargestellt sind (EA/ pa), intern nicht unterteilbar (NIA, vgl. 4.4.5.3.), da sie keine Dauer aufweisen; diese können also nur mit einer Ausformung der internen Aspektualität kombiniert werden, nämlich der internen Nicht-Unterteilung (IA/nu, vgl. für eine detailliertere Erklärung dieser constraints Kap. 4). Tabelle (1) stellt zunächst einmal das gesamte Inventar der Kombinationen von aspektualen Basiskonzeptualisierungen dar, die in den Tabellen (2)–(13) im einzelnen erläutert werden:1 Externe Aspektualität (EA)
Umgebungsbezogene Aspektualität (UA)
Interne Aspektualität (IA)
EA/na
UA/nr
IA/nu
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/na
UA/ir
IA/nu
Delimitationsschemata (DS)
DS 1
DS 2 X
1 Dass in dieser Tabelle bis auf DS 12 Kombinationen mit NEA, NUA und NIA nicht dargestellt werden, liegt daran, dass diese drei Basiskonzeptualisierungen jeweils in EA/na, UA/nr und IA/ nu enthalten sind (vgl. § 4.4.3.4, § 4.4.4.5 und § 4.4.5.3).
140
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
Externe Aspektualität (EA)
Umgebungsbezogene Aspektualität (UA)
Interne Aspektualität (IA)
EA/na
UA/ir
IA/u
EA/na
UA/fr
IA/nu
EA/na
UA/fr
IA/u
EA/na
UA/tr
IA/nu
EA/na
UA/tr
IA/u
EA/a
UA/nr
IA/nu
EA/a
UA/nr
IA/u
EA/a
UA/fr
IA/nu
EA/a
UA/fr
IA/u
EA/a
UA/ir
IA/nu
EA/a
UA/ir
IA/u
Delimitationsschemata (DS)
X
X
X
X
X
DS 3
DS 4 X
DS 5 X
DS 6
Externe Aspektualität (EA)
Aspektuale Delimitationsschemata
Umgebungsbezogene Aspektualität (UA)
Interne Aspektualität (IA)
EA/a
UA/tr
IA/nu
EA/a
UA/tr
IA/u
EA/pa
UA/nr
IA/nu
EA/pa
UA/nr
IA/u
EA/pa
UA/fr
IA/nu
EA/pa
UA/fr
IA/u
EA/pa
UA/ir
IA/nu
EA/pa
UA/ir
IA/u
EA/pa
UA/tr
IA/nu
EA/pa
UA/tr
IA/u
NEA
NUA
NIA
Tab. 1: Inventar der Delimitationsschemata
Delimitationsschemata (DS)
X
DS 7
DS 8 X
DS 9 X
DS 10 X
DS 11 X
DS 12
141
142
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
Ein besonderes Delimitationsschema wird Schema Nummer 12 darstellen (Tab. (13)): Dieses ergibt sich nicht aus der Kombination möglicher Ausformungen der drei Perspektiven der Aspektualität, sondern der Nicht-Aspektualität; es stellt also atemporale Sachverhalte dar, bei denen aus allen drei Perspektiven keine Aspektualität bestimmbar ist. Aus diesem Grund wird es im Gesamtinventar in Tabelle (1) separat aufgeführt. Wie schon im vorherigen Kapitel (§§ 4.4.3ss.) werden hier parallel kommentierte Beispiele aus den vier hier behandelten romanischen Sprachen angeführt, in denen die Inhaltskategorie der Aspektualität sowohl durch lexikalische als auch durch grammatikalische Mittel ausgedrückt wird und die zumeist unterschiedliche Tempora aufweisen, um noch einmal zu betonen, wie verschieden die formalen Mittel sein können, durch die die romanischen Sprachen dieselben inhaltlichen aspektualen Informationen ausdrücken können.2
5.2.2 Vorstellung der einzelnen Delimitationsschemata 5.2.2.1 Delimitationsschema 1: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/nu)] (1) it. (2) fr. (3) sp. (4) kat.
Leo ha [Pres.] i capelli rossi.
Julie était [Imp.] grande pour son âge. Marta tiene [Pres.] miedo de la lluvia.
La Rosina sap [Pres.] parlar moltes llengües.
Sachverhalte wie die in den Beispielen (1)–(4) dargestellten weisen eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs auf: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr) c) intern nicht unterteilt (IA/nu) In (1)–(4) werden a) nämlich weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert, denn weder der Beginn noch das Ende von Leos Rothaarigkeit in (1), von Julies Größe in (2), von Martas Angst vor dem Regen in (3) oder von Rosinas Sprachtalent in (4) sind im Blickfeld: Der jeweilige Sachverhalt ist nicht in seiner Gesamtheit und damit Abgeschlossenheit dargestellt.
2 Die Angaben zu temporalen Markierungen deiktischer Natur, also zu den Tempusformen in den Beispielen, werden in den Beispielen selbst in eckige Klammern gesetzt; ebenso werden besondere periphrastische Konstruktionen in eckigen Klammern angemerkt, und zwar hinter den Beispielen.
Aspektuale Delimitationsschemata
143
Auch ist es b) hier logischerweise unmöglich, den Umgebungsbezug, die Relevanz von Leos Rothaarigkeit (sowie von Julies Größe, von Martas Angst vor dem Regen oder von Rosinas Sprachtalent) für seine Umgebung zu bestimmen, denn einerseits fehlen gerade die Anfangsgrenze tx und die Endgrenze ty, die eine Umgebung konstituieren würden, andererseits handelt es sich c) schließlich in (1)–(4) um monophasische Sachverhalte: Es lassen sich keine sich voneinander (substanziell) unterscheidenden fokussierbaren Momente tx1, tx2, … txn in der Tatsache wiederfinden, dass Leo rote Haare hat, dass Julie für ihr Alter groß ist, dass Marta Angst vor dem Regen hat und dass Rosina viele Sprachen spricht. Nun wurde schon in § 4.4.1 erklärt, wie sich die Möglichkeit einer Veränderlichkeit in der Zeit nur ergeben kann, wenn die Möglichkeit besteht, weitere Unterteilungspunkte oder -grenzen in der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts zu setzen, da diese Veränderlichkeit gerade in der Möglichkeit der Zustandsänderung, des Zustandekommens und Endens von Intervallen und damit einer zeitlichen Grenzsetzung besteht. Wo sich keine diskreten zeitlichen Abschnitte betrachten lassen, kann es also auch keine Veränderung in der Zeit geben und umgekehrt: Man kann keinen Moment tx1 von Leos Rothaarigkeit (sowie entsprechend von Julies Größe, von Martas Angst vor dem Regen oder von Rosinas Sprachtalent) erkennen, der anders als ein anderer tx2 seiner Rothaarigkeit ist, in dem er mehr oder weniger rothaarig ist, in dem er in einer unterschiedlichen Art rothaarig ist. In diesem Sinne kann man monophasische Sachverhalte als statische Sachverhalte definieren, deren interne Struktur homogen, intern zeitlich nicht weiter unterteilt ist (d. h. in weitere Punkte tx1, tx2, … txn, in die sich das Intervall tx … ty gliedern ließe). Ich möchte hier nur kurz auf die in Kap. 1 referierte Diskussion zu den verschiedenen Typen von states zurückgreifen (vgl. § 1.2.4) und erinnern, dass es sich im Fall von (1)–(4) um Sachverhalte handelt, in denen sowohl sogenannte individual level predicates, Individuenprädikate wie ‘rote Haare haben’ und ‘groß sein’, als auch stage level predicates, Stadienprädikate wie ‘Angst haben’, erkennbar sind. Kehren wir nun zu unserer Analyse zurück: Wenn in einem als Frame aufgefassten Sachverhalt keine einzeln wahrnehmbaren Momente fokussiert werden können, wie es hier eben der Fall ist, können diese ihrerseits natürlich auch nicht als Grenze der Umgebung des Sachverhalts selbst dienen. Solche Kombinationen aspektualer Basiskonzeptualisierungen im Frame können durch ein Delimitationsschema wie in der folgenden Tabelle (2) dargestellt werden:
EA/na
UA/nr
IA/nu
Tab. 2: Delimitationsschema 1: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/nu)]
(EA/na ) + (UA/nr) + (IA/nu)
144
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
5.2.2.2 Delimitationsschema 2: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)] (5) it. (6) fr. (7) sp. (8) kat.
Il gatto di Franca dormiva [Imp.] a lungo perché mangiava sempre troppo. Marie mangeait [Imp.] volontiers.
Leo dormía [Imp.] con un ojo abierto.3
El temps passava [Imp.] i els nens creixien.
Die in den Beispielen (5)–(8) repräsentierten Sachverhalte stellen eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs dar: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) In (5)–(8) werden a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – denn weder der Beginn noch das Ende des langen Schlafens von Francas Katze (oder ihres stetigen übermäßigen Essens) in Beispiel (5), des genüsslichen Essens von Marie in (6), von Leos Schlafen mit einem offenen Auge in (7) oder des Vergehens der Zeit in Beispiel (8) sind im Blickfeld: Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten nicht in seiner Ganzheit und daher Abgeschlossenheit dargestellt. Auch ist es b) logischerweise unmöglich, eine Relevanz für die Umgebung, den Umgebungsbezug der Tatsache zu finden, dass Francas Katze immer lange schlief (und dass Marie gerne aß, Leo mit einem offenen Auge schlief oder die Zeit verging), denn es fehlen die Anfangsgrenze tx und die Endgrenze ty des jeweiligen Sachverhalts selbst (der eben als EA/na dargestellt wird), die die Konstitution seiner Umgebung erlauben würden. Schließlich lassen sich c) voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn (und daher hier isoliert betrachtete, fokussierte) in der Tatsache wiederfinden, dass Francas Katze lange schlief (Marie gerne aß, Leo mit einem offenen Auge schlief und die Zeit verging). Nur wenn, wie es hier der Fall ist, die Möglichkeit gegeben wird, weitere Unterteilungspunkte oder -grenzen in der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts zu setzen, diskrete zeitliche Abschnitte zu betrachten, ergibt sich die Mög-
3 Duerme/dormìa con un ojo abierto kann zwei aspektuale Bedeutungen haben: Die erste – hier dargestellt – ist eine zeitlich absolute Bedeutung (er schläft/schlief immer mit einem offenen Auge, er hatte diese Eigenschaft oder aber diese Gewohnheit); die zweite drückt hingegen die Betrachtung eines besonderen Moments tx des Sachverhaltes aus, mit anderen Worten das, was die traditionelle Analyse der tempo-aspektualen Verhältnisse «progressiv» nennt. Diese Frames weisen eine andere Organisation oder Struktur aus, ein anderes Delimitationsschema; eine Analyse dieser Fälle findet sich im nächsten Kapitel.
Aspektuale Delimitationsschemata
145
lichkeit einer Veränderlichkeit in der Zeit. So sind Sachverhalte wie in (5)–(8), deren interne Struktur zeitlich weiter unterteilt ist, dynamische Sachverhalte: Francas Katze schlief in allen diesen Momenten tx1, tx2, … txn durch und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert betrachtbar und dargestellt (so hat auch Marie in jedem einzeln betrachtbaren Zeitpunkt tx1, tx2, … txn gegessen usw.). Die in den Beispielen (5)–(8) jeweils ausgedrückten Sachverhalte sind mit anderen Worten pluriphasisch. Natürlich könnte man hier einwenden, diese interne Unterteilung werde postuliert, ohne eine linguistische Evidenz dazu zu liefern; auch wäre es möglich, die Frage zu stellen, wie auf die Phasen dieser pluriphasischen Sachverhalte fokussiert werde. Eine per definitionem gegebene Charakteristik eines onomasiologisch-kognitiven Modells wie des hier vorgestellten ist jedoch, dass die Frage nach linguistischer Evidenz nicht so gestellt werden darf wie bei semasiologisch orientierten Analysen. Man könnte und sollte sich eher auf die Suche nach dem Nachweis der kognitiven Strukturierung der Delimitationsschemata durch empirische Evidenz begeben,4 was jedoch die Grenzen dieser Untersuchung sprengen würde. Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (3) illustrieren:
EA/na
UA/nr
IA/u
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
Tab. 3: Delimitationsschema 2: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)]
5.2.2.3 Delimitationsschema 3: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/nu)] (9) it. (10) fr. (11) sp. (12) kat.
Carlo è stato [Perf. Com.] un uomo di saldi principi. Toute sa vie Marie a été [Pass. Com.] généreuse.
Nunca he tenido [Perf. Com.] miedo a volar.
La Núria va ser [Pret. Perf. Per.] una dona molt maca.
In den in den Beispielen (9)–(12) dargestellten Sachverhalten kann man eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs wiederfinden:
4 Ein Ansatz, empirisch den Nachweis von kognitiver Strukturierung der Verbalsemantik zu erbringen, ist etwa in den Arbeiten von Siskind zu finden (vgl. Siskind 1997 und 2001).
146
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
a) extern abgegrenzt (EA/a) b) umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr) c) intern nicht unterteilt (IA/nu) In diesen Beispielen wird a) der jeweils ausgedrückte Sachverhalt – die Tatsache, dass Carlo ein Mann von festen Prinzipien gewesen ist in (9), dass Marie ihr ganzes Leben lang großzügig war in (10), dass ich nie Angst hatte zu fliegen in (11) und dass Núria eine sehr schöne Frau gewesen ist in (12), – in seinem ganzen Umfang dargestellt. Es handelt sich also jeweils um einen Sachverhalt, der als abgegrenzt zwischen einem Anfangspunkt tx – dem Moment, in dem Carlo angefangen hat, ein prinzipientreuer Mann zu sein, in dem das Leben von Marie und von Núria angefangen hat (und dass sie dabei jeweils großzügig und schön waren), in dem ich angefangen habe, keine Angst vor dem Fliegen zu haben (was mit demjenigen zusammenfällt, in dem ich überhaupt angefangen habe zu fliegen und dabei keine Angst verspürt habe) – und einem Endpunkt ty dargestellt wird: dem Moment, in dem Carlo aufgehört hat, ein prinzipientreuer Mann zu sein (mit einer moralischen Bekehrung oder aber mit seinem Tod), oder dem Moment, in dem das Leben von Marie und von Núria endete (und sie nicht mehr großzügig oder schön sein konnten, weil sie überhaupt nicht mehr waren), usw. Ein Einfluss dieses Sachverhalts auf seine Umgebung ist b) nicht bestimmbar, denn es handelt sich c) um einen intern nicht unterteilten, einen monophasischen Sachverhalt: Dass Carlo ein prinzipientreuer Mann gewesen ist (oder dass Marie ihr ganzes Leben lang großzügig gewesen ist usw.), weist keine aufeinanderfolgenden tx, ty, tz … auf, die einzeln wahrnehmbar sind (man kann keine qualitativ unterschiedlichen, isolierbaren Momente der Prinzipientreue oder der Großzügigkeit, der Schönheit oder des Mangels an Flugangst im jeweiligen Frame fokussieren), in die sich der jeweilige Sachverhalt weiter unterteilen ließe, und wenn keine einzelnen wahrnehmbaren Momente fokussiert werden können, können diese auch nicht als Grenze ihrer Umgebung dienen (vgl. oben Punkt b)). Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (4) illustrieren:
EA/a
UA/nr
IA/nu
Tab. 4: Delimitationsschema 3: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/nu)]
(EA/a) + (UA/nr) + (IA/nu)
Aspektuale Delimitationsschemata
147
5.2.2.4 Delimitationsschema 4: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)] (13) it. (14) fr. (15) sp. (16) kat.
Giulia ha viaggiato [Perf. Com.] molto.
Christine cuisine [Prés.] et appelle ses filles pour manger. Marta no me habló [Perf. Sim.] durante mucho tiempo.
Vaig veure una pel·lícula [Pret. Perf. Per.] meravellosa. [anar + Inf.]
In den Beispielen (13)–(16) werden Sachverhalte mit der folgenden Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) In (13)–(16) wird a) der jeweils dargestellte Sachverhalt – die Tatsache, dass Giulia viel verreist ist in (13), dass Christine das Abendessen vorbereitet in (14), dass Marta mit mir lange Zeit nicht gesprochen hat in (15) sowie dass ich (das Subjekt des Satzes im 1. Pers. Sing.) einen wunderbaren Film gesehen habe in (16) – in seinem ganzen Umfang dargestellt; d. h. er wird als zwischen einem Anfangspunkt tx (dem Moment, in dem Giulia angefangen hat zu verreisen, Christine zu kochen, in dem Marta aufgehört hat mit mir zu sprechen, und dem Moment, in dem der Film angefangen hat) und einem Endpunkt ty abgegrenzt dargestellt (dem Moment, in dem Giulia aufgehört hat zu verreisen, Christine fertig gekocht und ihre Kinder zum Essen gerufen hat, in dem Marta wieder angefangen hat mit mir zu sprechen, und schließlich dem Moment, in dem der Film beendet war). Für seine jeweilige Umgebung ist b) dieser Typ von Sachverhalten jedoch vollkommen irrelevant: Dass Giulia viel verreist ist oder ich einen wunderbaren Film gesehen habe, stellt weder das Ende von Sachverhalten in der vorherigen Umgebung dar (das Anfangen Giulias Reiseaktivität oder das Anfangen des Films beendet nichts, was vor dem Anfang der Reiseaktivität oder des Films war), noch den Anfang von Sachverhalten in der nachfolgenden (mit dem Enden der Reiseaktivität oder des Films fängt nichts an, was nach dem Ende der Reiseaktivität oder des Films ist).5 Und schließlich ist c) der jeweils dargestellte Sachverhalt intern unterteilt, ist mit anderen Worten pluriphasisch, da Giulias Verreisen sowie mein Ansehen eines wunderbaren Films verschiedene, einzeln wahrnehmbare, aufeinanderfolgende
5 Im Fall von (14) ist der zweite Teil der Rede (der koordinierte Satz ‘und ruft ihre Kinder zum Essen’) das Element, das dazu beiträgt, den ersten Teil (‘Christine kocht’) als ‘Christine hat fertiggekocht’ zu interpretieren.
148
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
tx1, tx2, … txn aufweist, in denen allen Giulia verreist ist, Christine kocht, Marta mit mir nicht spricht und ich diesen Film gesehen habe. Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (5) illustrieren:
EA/a
UA/nr
IA/u
(EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)
Tab. 5: Delimitationsschema 4: [(EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)]
5.2.2.5 Delimitationsschema 5: [(EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)] (17) it. (18) fr. (19) sp. (20) kat.
La fiamma si spense [Perf. Sem.] lentamente.
Daniel a démoli [Pass. Com.] une maison (qui était délabrée).
Acabo [Pres.] de comer un osito de gominola. [acabar de + Inf.] El cotxet s’atura [Pres.] a poc a poc (i en Pau en baixa).
In den Beispielen (17)–(20) werden Sachverhalte mit einer Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs repräsentiert: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) umgebungsbezogen final relevant (UA/fr) c) intern unterteilt (IA/u) Die in den Beispielen (17)–(20) ausgedrückten Sachverhalte werden a) jeweils in ihrem ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt, da der Anfangsmoment tx und der Endmoment ty fokussiert sind; dabei fallen die jeweilige Anfangs- und Endbegrenzung nicht zusammen. In Beispielen wie (18) und (19) scheint dies einfacher nachzuvollziehen zu sein: Dass zwischen dem Anfangsmoment tx, in dem Daniel angefangen hat, das Haus abzureißen, und ich, das Gummibärchen zu essen, und dem Endmoment ty, in dem Daniel abgeschlossen hat, das Haus abzureißen, und ich, das Gummibärchen zu essen, viele weitere aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn liegen und tx und ty nicht zusammenfallen, ist durch das Weltwissen des Sprechers erbracht, dass um ein Haus abzureißen und ein Gummibärchen zu essen Zeit nötig ist. Ein Sachverhalt wie der in (17) ausgedrückte bedarf jedoch vielleicht einer weiteren Erklärung. Dies gibt nämlich noch einmal Gelegenheit, den Unterschied zwischen dem hier vorgestellten Modell und denjenigen zu zeigen, die sich an Vendlers Verbklassifizierung orientieren; dabei wird der
Aspektuale Delimitationsschemata
149
Vergleich mit dem Delimitationsschema 9 wichtig sein und interessante Aspekte näher beleuchten (vgl. § 5.2.2.9, insbesondere Beispiel (33)). Auch im Beispiel (17) – wie in (18) und (19) – wird a) der Sachverhalt in seinem ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt (der Anfangsmoment tx und der Endmoment ty des langsamen Verlöschens der Flamme sind fokussiert und seine Anfangs- und Endbegrenzung fallen nicht zusammen). Die Semantik verschiedener ihrer Komponenten in gegenseitiger Interaktion trägt zu dieser Ausformung bei: die der morphologischen Markierung des Verbs (durch das passato remoto); semantische Elemente im Stamm (spegnersi); diejenige von Adverbialien wie lentamente; die Präsenz eines individuellen Nomens, das als Erstargument fungiert (fiamma, die in Begleitung des Determinators la erscheint). Am Ende des Sachverhalts wird die Flamme nicht mehr brennen (vgl. dazu unten Punkt b) und das Erlöschen der Flamme stellt einen langsamen Prozess dar, der also Zeit braucht. Es handelt sich hier damit um einen Sachverhalt, der andere aspektuale Inhalte zeigt als derjenige in (33) La fiamma si spense (in un istante).6 Dies wird durch die Präsenz des temporalen Adverbs lentamente in (17) bedingt,7 die – in Verbindung mit den anderen Elementen im Situationsframe – zu dieser besonderen aspektualen Interpretation des Sachverhalts beiträgt: Denn während das Erlöschen der Flamme in (33) etwas ist, das mit einem Augenblick tx (eben dem Augenblick des Erlöschens selbst) verbunden ist und diesen darstellt, wird dieser Augenblick bei einem langsamen Erlöschen in (17) auf der Basis des Weltwissens des Sprechers als sozusagen «gestreckt» interpretiert und dargestellt, insofern in diesem so gedehnten Zeitraum alle Momente des Verlöschens enthalten sind, in denen die Flamme immer schwächer wurde oder in denen es schien, dass die Flamme gerade verlosch und doch, wenn auch schwächer, weiterbrannte. Die in den zwei Beispielen (17) und (33) dargestellten Sachverhalte sind also mit zwei verschiedenen Frames verbunden, die die Kontexte, die Erfahrungszusammenhänge darstellen, in denen der Sprecher sie erlernt hat und sie verwendet (vgl. diesbezüglich auch Kapitel 3). Ähnlich wie (17) kann man das Beispiel (20) interpretieren, denn auch das Stoppen des Wagens, das ansonsten in einer anderen Kombination von sprachlichen Elementen als punktueller Sachverhalt wahrgenommen wird, wird durch die Präsenz von a poc a poc so interpretiert und dargestellt, dass
6 Traditionell werden nämlich Verben wie spegnersi als punktuell (-durativ, -telisch) interpretiert. 7 Auch ein modales Adverb wie dolcemente (‘in süßer, in lieber Weise’) hätte in der Kombination mit denselben Elementen im Situationsframe die gleiche aspektuale Bedeutung darstellen können. Dolcemente wäre nämlich als temporales (eben aspektuales) Adverb reinterpretiert worden und hätte die Bedeutung ‘langsam’ in diesem Kontext angenommen (vgl. § 5.2.2.6 für eine Analyse eines solchen Falles).
150
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
man in diesem so gedehnten Zeitraum alle tx1, tx2, … txn des Verlangsamens des Wagens bis zu seinem endgültigen Stillstand sehen kann. Auch ist b) dieser Typ von Sachverhalten (17)–(20) für seine vorherige Umgebung relevant: Er strukturiert sie durch die Delimitation ihres Endes. Dass die Flamme langsam ausgegangen ist, stellt das Ende der vorherigen Umgebung des Sachverhalts selbst dar, des Brennens der Flamme (sie ist eben erloschen); dass Daniel in (18) ein Haus abgerissen hat, stellt das Ende des Existierens des Hauses dar; dass das Subjekt in (19) gerade beendet hat, das Gummibärchen zu essen, stellt eben das Ende des Existierens des Gummibärchens dar; und schließlich stellt die Tatsache, dass der Wagen in (20) angehalten hat, das Ende der vorherigen Umgebung des Sachverhalts dar, nämlich der Fahrt des Wagens. In Sachverhalten dieses Typs ist es c) schließlich möglich, verschiedene, einzeln wahrnehmbare aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn wiederzufinden (d. h. zu fokussieren), in die sie unterteilt sind: In (17) sind es einzelne, isoliert und als qualitativ unterschiedlich wahrnehmbare Momente des langsamen Ausgehens der Flamme (dies ist auch mit der Präsenz von lentamente im Frame verbunden), was die Frage aufwirft, inwiefern, neben der für die Delimitation sicherlich primären Zeitlichkeit, die Quantität eine Rolle in der Strukturierung des Sachverhalts spielt; in (18) sind es einzelne Momente des Abreißens (in denen allen also das Haus abgerissen wird); in (19) einzelne Momente des Essens des Gummibärchens sowie in (20) des Anhaltens des Wagens, wobei dies hier von der Präsenz von a poc a poc im Frame abhängig ist (vgl. im Gegensatz dazu Beispiel (36), § 5.2.2.9). Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (6) illustrieren:
EA/a
UA/fr
IA/u
(EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)
Tab. 6: Delimitationsschema 5: [(EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)]
5.2.2.6 Delimitationsschema 6: [(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)] (21) it. (22) fr. (23) sp. (24) kat.
L’auto cominciò [Perf. Sem.] a muoversi lentamente. [cominciare a + Inf.] Doucement Marie-Rose se met [Prés.] à chanter. [se mettre à + Inf.]
El día nació [Perf. Sim.] tímidamente.
La lluna terrestre es va formar [Pret. Perf. Per.] més tard que la resta del sistema solar. (UA/ir) [anar + Inf.]
Aspektuale Delimitationsschemata
151
In (21)–(24) werden Sachverhalte mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen repräsentiert: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) umgebungsbezogen initial relevant (UA/ir) c) intern unterteilt (IA/u) In diesen Beispielen werden a) die jeweiligen Sachverhalte in ihrem ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt, denn sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des Beginns der Bewegung des Autos in (21), des Beginns von Marie-Rose’ Singen in (22), der Geburt des Tages in (23) oder der progressiven Entstehung des Mondes in (24) sind fokussiert. Dabei fallen Anfangs- und Endbegrenzung der Sachverhalte nicht zusammen, denn das Auto fängt langsam an, sich zu bewegen, Marie-Rose fängt nach und nach an zu singen, der Tag bricht allmählich an und die Entstehung des Mondes benötigt Zeit. Die Semantik verschiedener Komponenten in gegenseitiger Interaktion trägt zur aspektualen Ausformung des jeweiligen Sachverhalts bei: Die der morphologischen Markierung des Verbs (durch das passato remoto des Hilfsverbs in Zusammenhang mit dem Infinitiv des Hauptverbs in der periphrastischen Konstruktion cominciare a + Infinitiv in (21) ausgedrückt, das Präsens des Hilfsverbs in Zusammenhang mit dem Infinitiv des Hauptverbs in der periphrastischen Konstruktion se mettre à + Infinitiv in (22), das Pretérito Indefinido in (23) und das Pretèrit Perfet Perifràstic in (24)); diejenige semantischer Elemente im Stamm (cominciare a muoversi, se mettre à chanter, nacer und formarse)8 und diejenige von Adverbialien (lentamente, doucement und tímidamente).
8 Seit Dowtys Analyse (1979) werden Prädikate wie formarse als degree achievements definiert; Dowty merkt an, dass diese Verben eine Zustandsänderung bezeichnen und behauptet, dass sie einige semantische und syntaktische Eigenschaften mit den achievements teilen. In der Untersuchung mit Standardtests zeigen sie sowohl telische als auch atelische Eigenschaften. Dazu vgl. auch Hay/Kennedy/Levin (1999). Dieses Buch bietet keine von den Verbeigenschaften, sondern eine von den als Situationsframes aufgefassten Sachverhalten ausgehende Analyse; auch die Beziehung zwischen Telizität und Zustandsänderung (Eigenschaften, die eben als wesentlich für die sogenannten degree achievements definiert sind) wird daher in einem neuen Licht betrachtet: Auf den Begriff der Telizität wird radikal verzichtet, da hier nur rein zeitliche, aspektuale Kriterien betrachtet werden und die mit der Telizität verbundene Idee eines zu erreichenden Ziels sicherlich über diese schlicht zeitliche Strukturierung von Sachverhalten hinausgeht. Der Begriff der Zustandsänderung wird in unterschiedlichen Konstellationen, Kombinationen von aspektualen Bausteinen, Ausformungen der drei Perspektiven der Aspektualität wiedergefunden (vgl. insbesondere die Ausformungen der UA; vgl. im Detail die zu DS 5 – DS 7, DS 9 – DS 11, DS 2/9 – DS 2/11 und DS 2/9, 9, 9, … –
152
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
Auch hier ist ein Vergleich mit den Beispielen (37)–(40) des Delimitationsschemas 10 (§ 5.2.2.10) sehr wichtig, um die Rolle besser zu verstehen, die die einzelnen Komponenten – hier geht es insbesondere um die Rolle von Adverbien wie lentement – innerhalb und auf dem Hintergrund des gesamten Frame spielen, um diese Kombination aspektualer Bausteine auszudrücken. Betrachtet man nämlich (22) und (38), Marie-Rose se met à chanter, in direktem Vergleich, bemerkt man, dass die in den zwei Beispielen dargestellten Sachverhalte mit zwei verschiedenen Frames verbunden sind, die die Kontexte, die Erfahrungszusammenhänge darstellen, in denen der Sprecher sie erlernt hat und sie verwendet: Er weiß aufgrund seines Weltwissens, dass während der Beginn des Gesangs in (38) etwas ist, das mit einem Augenblick (eben dem Augenblick des Verlautens der ersten Note) verbunden ist, dieser Augenblick bei einem langsamen Anfangen zu singen wie in (22) gestreckt wird. In diesem so gedehnten Zeitraum – also beim allmählichen Anfangen zu singen – sind alle Vorbereitungen und Versuche des Anfangens zu singen enthalten: das Räuspern ebenso wie das Zögern vor dem Beginn. Auch sind b) solche Sachverhalte für ihre Umgebung relevant, denn sie strukturieren ihre jeweils nachkommende Umgebung, indem sie ihren Anfang darstellen: Das Auto, das anfängt, sich langsam zu bewegen, wird sich dann auch weiter bewegen; Marie-Rose, die nach und nach anfängt zu singen, wird dann auch weiter singen; der Tag, der anbricht, ist dann da und wird auch weiter da sein; der Mond schließlich, der entstanden ist, wird auch erst einmal da bleiben. Schließlich sind c) in diesen Sachverhalten verschiedene, aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn wahrnehmbar (die des allmählichen Anfangens zu singen usw.); dies ist in den Beispielen (21)–(23) durch die Präsenz von Elementen wie lentamente, doucement und tímidamente im Frame möglich, da dieses Element – dies wurde oben beim Punkt a) erklärt – das Intervall I = |ty – tx| streckt, das zwischen dessen Anfangs- und der Endgrenze (tx und ty) besteht.9 Beispiel (24)
DS 2/11, 11, 11, 11 … geführten Analysen); traditionell hat man für Verben, die Zustandsänderung implizieren, etwa die Begriffe des Transformativs, des Ingressivs und des Terminativs verwendet. Was die Präsenz einer Gradualität betrifft (des degree eben), hängt diese mit der Möglichkeit zusammen, innerhalb des eine Zustandsänderung bezeichnenden Sachverhalts verschiedene, einzeln wahrnehmbare aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn wiederzufinden (d. h. zu fokussieren), oder eben nicht. Im Detail: Im DS 7, das eine Kombination von (EA/a) + (UA/tr) + (IA/u) aufweist, ist eine (tr) Zustandsänderung mit interner Gradualität dargestellt; im DS 11, das eine Kombination von (EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu) aufweist, ist eine Zustandsänderung ohne interne Gradualität dargestellt. Dass dafür keine durch Tests gewonnene linguistische Evidenz möglich und sinnvoll ist, wie diejenige, die für das Erproben der Telizität verwendet sind, ist klar, da durch ein hinzugefügtes Element der ganze Frame geändert würde. 9 Gerade die Präsenz z. B. des Adverbs doucement in (22) modifiziert die ganzen Zusammen-
Aspektuale Delimitationsschemata
153
wäre als intern unterteilt darstellbar (also pluriphasisch), auch unabhängig von der Präsenz eines solchen Adverbs, das also die aspektuale Strukturierung des Situationsframe verstärkt oder unterstreicht, denn die aspektualen Informationen, die dies vermitteln, sind in diesem Frame mit dem Verbstamm verbunden: Das Entstehen des Mondes ist im Weltwissen des Sprechers mit einer zeitlichen Gradualität, die Dauer mit sich bringt, verankert. Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (7) illustrieren:
EA/a
UA/ir
IA/u
(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)
Tab. 7: Delimitationsschema 6: [(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)]
5.2.2.7 Delimitationsschema 7: [(EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)] (25) it. (26) fr. (27) sp. (28) kat.
Quest’autunno le foglie sono ingiallite [Perf. Com.] molto lentamente.
Le printemps s’installa [Pass. Sim.] dans les jardins tout doucement. El niño ha engordado [Perf. Com.] en el curso de tres años.
La nena va créixer [Pret. Perf. Per.] molt lentament.
In (25)–(28) werden Sachverhalte mit einer Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs dargestellt: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) umgebungsbezogen initial und final (transformativ) relevant (UA/tr) c) intern unterteilt (IA/u) In diesen Beispielen wird a) jeweils der Sachverhalt in seinem ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt, denn sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des langsamen Vergilbens der Blätter in (25), des Ausbreitens des Frühlings im Garten in (26), des Zunehmens des Kindes (innerhalb von drei Jahren) in
hänge im Situationsframe und bedingt diese besondere aspektuale Interpretation des Sachverhalts: Während der unten in (38) dargestellte Sachverhalt eine interne zeitliche Strukturierung des Typs [(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)] zeigt, stellt derjenige in (22) eben ein Delimitationsschema des Typs [(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)] dar.
154
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
(27) sowie des langsamen Wachsens des Mädchens in (28) sind fokussiert; dabei fallen Anfangs- und Endbegrenzung des jeweiligen Sachverhalts nicht zusammen, denn diese Prozesse sind im Weltwissen des Sprechers als solche, die eine Zeitspanne aufweisen, verankert. Auch sind b) Sachverhalte wie in (25)–(28) für ihre jeweilige Umgebung relevant, und zwar strukturieren sie ihre vorherige und ihre nachkommende Umgebung: Die Blätter sind vor dem Vergilben nicht gelb und werden nachher weiter gelb sein; der Frühling, der vor seinem Einzug nicht da war, wird nachher weiter im Garten herrschen; das Kind, das zuvor dünner war, wird nach dem dritten Jahr dicker bleiben, wenn es nicht wieder abnehmen wird; das Mädchen schließlich, das vor dem Wachsen kleiner war, wird danach größer sein. Schließlich sind c) in diesen Sachverhalten verschiedene, aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn isoliert wahrnehmbar (die verschiedenen Momente, in denen jeweils die Blätter langsam vergilbt sind, der Frühling den Garten erobert hat, das Kind dicker geworden ist usw.). Dies ist nicht nur durch die Präsenz eines Verbs wie ‘vergilben’ in (25) oder ‘wachsen’10 in (28) möglich (der Sprecher weiß von seinem Weltwissen her, dass es sich um Sachverhalte mit einer Zeitspanne handelt), sondern auch durch diejenige von Adverbialien wie lentamente in (25) oder en el curso de tres años in (27), die weiter das Intervall I = |ty – tx| betonen, das zwischen der Anfangs- und der Endbegrenzung (tx und ty) des jeweiligen Sachverhalts besteht. Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (8) illustrieren:
EA/a
UA/tr
IA/u
(EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)
Tab. 8: Delimitationsschema 7: [(EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)]
10 Für eine Diskussion der sogenannten degree achievements, denen Verben wie ingiallire oder créixer traditionell zugeordnet werden, vgl. die Analyse von DS 6 in § 5.2.2.6 und im Allgemeinen Dowty (1979).
Aspektuale Delimitationsschemata
155
5.2.2.8 Delimitationsschema 8: [(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)] (29) it. (30) fr. (31) sp. (32) kat.
Bussò [Perf. Sem.] alla porta alle tre in punto.
Il toussa [Pass. Sim.] fort et jeta sa cigarette par terre.
El delincuente disparó [Perf. Sim.] un tiro con su arma.
El nen va esternudar [Pret. Perf. Per.].
In den Beispielen (29)–(32) werden Sachverhalte mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: a) extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b) umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr) c) intern nicht unterteilt (IA/nu) In (29)–(32) werden a) die Sachverhalte in ihrem jeweiligen ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt, denn sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des Klopfens an der Tür um Punkt drei Uhr in (29), des starken Hustens in (30), des Schusses des Verbrechers in (31) und des Niesens des Kindes in (32) sind fokussiert. Dabei fallen Anfangs- und Endbegrenzung des jeweiligen Sachverhalts zusammen, dies wird evident durch die Präsenz verschiedener im Sachverhalt kombinierter Elemente: In Beispiel (29) erkennt man einen besonderen aspektualen Gehalt von bussare alla porta (in verschiedenen Frames kann dieses Verb verschiedene aspektuale Inhalte aktualisieren, abhängig von den anderen im Frame anwesenden Komponenten; hier wird die punktuelle und nicht die reiterative Bedeutung aktualisiert); weiter sieht man die morphologische Flexionsmarkierung des passato remoto sowie ein zeitliches Adverb wie alle tre in punto, beide sind Elemente, die zur punktuellen Interpretation beitragen. In den anderen Beispielen verhält es sich entsprechend. Die Sachverhalte in (29)–(32) strukturieren b) ihre Umgebung nicht, sie sind für ihre jeweilige Umgebung nämlich irrelevant, denn das Klopfen an der Tür beeinflusst weder die zeitliche Konstitution seiner vorherigen (was vor dem Klopfen war) noch diejenige der nachfolgenden Umgebung; ähnlich beeinflusst das Husten weder die zeitliche Konstitution von dem, was vor dem Husten war, noch von dem danach usw. Und schließlich kann c) keine Aussage getroffen werden über die weitere Unterteilbarkeit der Sachverhalte dieses Typs, was aus der externen punktuellen Abgrenzung logisch folgt: wenn in (29) das Klopfen oder in (32) das Niesen jeweils aus einem tx besteht (oder aus dem Intervall δtx, das sich aus dem Zusammenfallen von tx (Anfangen von Klopfen und Niesen) und ty (Enden von Klopfen und Niesen) ergibt), ist es auch nicht in weitere Punkte tx1, tx2, … txn unterteilbar, in die sich dieses als für die menschliche Perzeption kleinstmöglich wahrnehmbar dargestellte Intervall δtx gliedern ließe.
156
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (9) illustrieren:
EA/pa
UA/nr
IA/nu
(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)
Tab. 9: Delimitationsschema 8: [(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)]
5.2.2.9 Delimitationsschema 9: [(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)] (33) it. (34) fr. (35) sp. (36) kat.
La fiamma si spense [Perf. Sem.] (in un istante).
À cinq heures maman s’est endormie [Pass. Com.] dans son fauteuil.
El bus acaba [Pres.] de parar. [acabar de + Inf.]
El cotxet es va aturar [Pret. Perf. Per.] improvisadament.
In (33)–(36) werden Sachverhalte mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: a) extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b) umgebungsbezogen final relevant (UA/fr) c) intern nicht unterteilbar (IA/nu) Die in den Beispielsätzen (33)–(36) dargestellten Sachverhalte – das Ausgehen der Flamme in einem Augenblick in (33), das Einschlafen der Mutter um Punkt fünf Uhr in (34), das unmittelbar zuvor erfolgte Anhalten des Busses in (35) und das plötzliche Halten des Wagens in (36) – werden a) in ihrem jeweiligen Umfang als abgegrenzt (und daher abgeschlossen) fokussiert. Dabei fallen die jeweilige Anfangs- und Endbegrenzung tx und ty zusammen, sie weisen mit anderen Worten keine Zeitspanne auf. Verschiedene ihrer Komponenten tragen zu dieser Ausformung bei: Betrachtet man insbesondere die Beispiele (33) und (34), erkennt man die morphologische Markierung des Verbs (durch das passato remoto und das passé composé) sowie semantische Elemente im jeweiligen Stamm (spegnersi und s’endormir), die Präsenz von Adverbialien wie in un istante und à cinq heures, die Präsenz von individuellen Nomen, die als Erstargument fungieren (fiamma und maman, ersteres erscheint in Begleitung des Determinators la). In diesem Fall ergibt das Zusammenkommen dieser aspektualen Informationen im Frame einen verstärkenden Effekt (der Vergleich mit dem in § 5.2.2.5 analysierten Beispiel (17) des Delimitationsschemas 5 zeigt, welche unterschiedlichen Resultate
Aspektuale Delimitationsschemata
157
diese Interaktion bedingen kann, denn dort hatte die Präsenz von einigen Adverbialien eine eher korrigierende Wirkung). Auch strukturieren b) diese Sachverhalte ihre jeweiligen vorherigen Umgebungen, indem sie ihr Ende bestimmen: Dass die Flamme ausgegangen ist, bedeutet, dass sie nicht mehr brennt und natürlich auch, dass sie nicht mehr ausgehen wird (der Sachverhalt ist beendet und unumkehrbar); dass Mama um fünf Uhr auf dem Sofa eingeschlafen ist, bedeutet, dass sie nicht mehr wach ist; dass der Bus gerade angehalten hat und der Wagen plötzlich anhielt, impliziert, dass sie nicht mehr in Bewegung sind. Schließlich kann c) logischerweise keine Aussage getroffen werden über die weitere Unterteilbarkeit dieser punktuellen Sachverhalte: Wenn das Ausgehen der Flamme in einem Augenblick (und natürlich auch das Einschlafen der Mama, oder das Anhalten) aus einem tx seines Beginnens besteht, der mit dem ty seines Endens zusammenfällt, ist dieser tx in keine weiteren Punkte tx1, tx2, … txn unterteilbar: Das Beginnen und Enden dieser Vorgänge ist also ein für die menschliche Perzeption kleinstmöglich wahrnehmbar dargestelltes Intervall δtx, das sich per definitionem nicht weiter gliedern lässt. Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (10) illustrieren:
EA/pa
UA/fr
IA/nu
(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)
Tab. 10: Delimitationsschema 9: [(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)]
5.2.2.10 Delimitationsschema 10: [(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)] (37) it. (38) fr. (39) sp. (40) kat.
Entrò [Perf. Sem.] nella stanza.
Marie-Rose se met [Prés.] à chanter. [se mettre à + Inf.]
Juan se ha despertado [Pret. Perf. Comp.] a las tres en punto. La barca va sortir [Pret. Perf. Per.].
In den Beispielen (37)–(40) werden Sachverhalte mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: a) extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b) umgebungsbezogen initial relevant (UA/ir) c) intern nicht unterteilbar (IA/nu)
158
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
In diesen Beispielen werden a) die jeweiligen Sachverhalte in ihrem ganzen Umfang als abgegrenzt dargestellt, denn sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des Eintretens in das Zimmer in (37), des Anfangens zu singen in (38), des Erwachens um Punkt drei Uhr in (39) sowie des Abfahrens des Schiffes in (40) sind fokussiert. Dabei fallen Anfangs- und Endbegrenzung der Sachverhalte zusammen, denn er tritt augenblicklich in das Zimmer ein, Marie-Rose fängt in einem Augenblick an zu singen usw. Wenn man nämlich – wie es in einem Frame wie in (38) beispielsweise der Fall ist, wo keine weiteren Elemente im Frame vorhanden sind, die diese Interpretation durch andere (zeitliche) Inhalte beeinflussen oder modifizieren11 – den Anfang des Anfangens zu singen fokussiert, fokussiert man automatisch auch das Ende dieses Beginns, der selbst keine Dauer aufweist. Auch handelt es sich b) um Sachverhalte, die ihre Umgebung initial beeinflussen: Wenn er in das Zimmer eintritt, ist er danach im Zimmer; wenn MarieRose anfängt zu singen, ist die Umgebung danach mit Gesang erfüllt, wenn Juan um drei Uhr erwacht, wird er danach wach sein, und wenn das Schiff abgefahren sein wird, wird es sich auf der Reise befinden. Schließlich sind c) solche Sachverhalte wie alle extern punktuell abgegrenzten intern nicht delimitierbar, da sie keine Zeitspanne aufweisen: Es kann keine Aussage getroffen werden über die Unterteilbarkeit des Eintretens in das Zimmer (oder des Anfangens zu singen usw.), denn auch dieser Sachverhalt stellt ein in keine weiteren Punkte tx1, tx2, … txn unterteilbares Intervall δtx dar.12 Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (11) illustrieren:
EA/pa
UA/ir
IA/nu
(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)
Tab. 11: Delimitationsschema 10: [(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)]
11 Vgl. im Gegensatz dazu eben die Analyse der Beispiele (21)–(24) des Delimitationsschemas 6 (§ 5.2.2.6). 12 Interessant ist es, diese Auffassung der Aspektualität mit der traditionellen Klassifikation von Aspekt und Aktionsart zu vergleichen; dabei ist zu betonen, dass si mette a cantare vs. si mise a cantare einen Unterschied aufweisen, der sich lediglich auf temporaler und nicht auf aspektualer Ebene zeigt.
Aspektuale Delimitationsschemata
159
5.2.2.11 Delimitationsschema 11: [(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)] (41) it.
Il palloncino esplose [Pass. Rem.] improvvisamente (provocando il pianto generale dei bambini).
(42) fr.
Marie rougit [Pass. Simp.] soudainement : elle avait vu Gérard!
(43) sp. (44) kat.
¡He engordado [Pret. Perf. Comp.] de un kilo en un segundo: maldita Nocilla!
En Xavier s’enamorà [Pret. Perf. Simp.] del mar just l’instant en què el veié.
In den Beispielen (41)–(44) werden Sachverhalte mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: a) extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b) umgebungsbezogen initial und final (transformativ) relevant (UA/tr) c) intern nicht unterteilbar (IA/nu) In diesen Beispielen werden a) Sachverhalte in ihrem ganzem Umfang als abgegrenzt dargestellt, denn sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des Explodierens des Luftballons in (41), des plötzlichen Errötens von Marie in (42), des sekundenschnellen Zunehmens in (43) sowie des sich in einem Augenblick vollziehenden Verliebens in das Meer in (44) sind fokussiert. Dabei fallen die jeweiligen Anfangs- und Endbegrenzungen der Sachverhalte zusammen, denn der Luftballon ist so augenblicklich explodiert, wie Xavier sich augenblicklich verliebt hat, bei allen diesen Sachverhalten nimmt man keine Zeitspanne wahr. Zu berücksichtigen ist auch hier die Rolle, die die einzelnen Komponenten im Frame spielen: In (44) zum Beispiel könnte man die morphologische Markierung des Verbs (durch das pretèrit perfet) betonen sowie semantische Elemente in seinem Stamm (enamorarse), oder aber die Präsenz eines komplexen Subframe wie just l’instant en que el veié, der weitere adverbiale und verbale punktuelle Bestimmungen enthält. Auch sind b) diese Sachverhalte für ihre Umgebung relevant, und zwar strukturieren sie sowohl ihre jeweilige vorherige als auch ihre nachkommende Umgebung: Der Luftballon ist vor dem Explodieren ganz (nicht explodiert) und wird nach der Explosion kaputt sein (explodiert); Marie ist vor dem Erröten nicht rot und wird es nach dem Erröten weiter sein; ich bin vor dem Zunehmen ein Kilo leichter und bleibe nach dem Zunehmen (leider) ein Kilo schwerer und Xavier ist vor dem Sich-verliebt-Haben nicht verliebt, wird danach aber weiter verliebt sein. Schließlich kann c) keine Aussage getroffen werden über die Unterteilbarkeit von Sachverhalten dieser Art: Das Sich-Verlieben in das Meer in (44) ist – wie alle punktuellen Sachverhalte – in keine weiteren Punkte tx1, tx2, … txn unterteilbar: Der Beginn des Sich-Verliebens von Xavier fällt mit seinem Ende zusammen und weist daher keine Zeitspanne auf, in der man also weitere Punkte tx1, tx2, … txn des Sich-Verliebens isolierbar wahrnehmen könnte.
160
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (12) illustrieren:
EA/pa
UA/tr
IA/nu
(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)
Tab. 12: Delimitationsschema 11: [(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)]
5.2.2.12 Delimitationsschema 12: [(NEA) + (NUA) + (NIA)] (45) it. (46) fr. (47) sp. (48) kat.
I neonati mangiano [Pres. Ind.] e dormono.
Les hommes sont [Prés. Ind.] mortels. ¡La vida es [Pres. Ind.] breve!
Els nens creixen [Pres. Ind.].13
In den Beispielen (45)–(48) werden schließlich Sachverhalte ganz besonderer Art dargestellt, solche nämlich, in denen keine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen der drei Perspektiven der Aspektualität stattfindet, sondern eine Unmöglichkeit der Delimitation. Es handelt sich mit anderen Worten um atemporale Sachverhalte, bei denen also keine Aspektualität darstellbar ist. Sie sind: a) extern nicht abgrenzbar (NEA) b) umgebungsbezogen nicht bestimmbar (NUA) c) intern nicht unterteilbar (NIA) Sie stellen also Kombinationen aller drei Perspektiven der Aspektualität auf einer abstrakten, logischen Ebene der Unmöglichkeit ihrer Bestimmung dar, mit anderen Worten der Nicht-Aspektualität.
13 Wenn das Beispiel (48) in einem nicht allgemeingültigen Interpretationsrahmen kontextualisiert würde, einem anderen Situationsframe, wären also els nens nicht alle, sondern besondere Kinder, etwa meine, über deren Wachsen ich berichte, würde es sich nicht mehr um einen allgemeingültigen Sachverhalt handeln, sondern um einen, der progressiv zu interpretieren wäre. Es wurde schon auf ähnliche Beispiele der aspektualen Polysemie hingewiesen. Den Sachverhalten würde dann auch ein anderes Delimitationsschema zugeordnet, das eine weitere Ebene der Fokussierung aufweisen würde: DS 2/11, 11, 11, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …]. Vgl. Kap. 6 (insb. § 6.2.2.8) für die genaue Analyse solcher Fälle.
Ein drittes Zwischenfazit
161
Solange die in den Beispielen (45)–(48) dargestellten Sachverhalte als allgemeingültige Aussagen über die Welt im Allgemeinen intendiert und verstanden werden, sind a) diese nicht abgrenzbar. Sie sind in diesem Interpretationsrahmen nämlich absolut gültig und daher jeglicher zeitlichen Abgrenzung fremd: Man kann im ‘Kurz-Sein des Lebens’ in (47) weder aspektuale Markierungen im Prädikat (das im Präsens ausgedrückt ist) noch im Erst-Argument des jeweiligen Beispiels (la vida, das ‘das Leben im Allgemeinen’ ist, das Leben aller Menschen auf der Welt und im Lauf aller Zeiten) Inhalte finden, die eine aspektuale Abgrenzung zuließen (und natürlich gilt dasselbe für das Essen und Schlafen der Neugeborenen in (45), für das Sterblich-Sein der Menschen in (46) sowie für das Wachsen der Kinder in (48)). Weiter sind b) nicht abgrenzbare Sachverhalte nun solche, bei denen auch keine Aussage bezüglich deren Umgebungsrelevanz gemacht werden kann (denn sie weisen auch keine Abgrenzung, die eine Umgebung ausmachen könnte, auf). Schließlich kann c) keine Aussage gemacht werden zu deren Unterteilbarkeit, da jeglicher zeitlichen Abgrenzung fremde Sachverhalte in sich auch nicht weiter in zeitliche Abgrenzungen unterteilt werden können: Das Kurz-Sein des Lebens ist ein ewiger, jenseits der Zeit gültiger Sachverhalt, der also in keine Punkte tx1, tx2, … txn des Schön-Seins des Lebens unterteilbar wäre, und wenn im ewigen Kurz-Sein des Lebens keine einzelnen wahrnehmbaren Momente fokussiert werden können, können diese auch nicht als Grenze einer Umgebung dienen (vgl. hier oben Punkt b)). Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (13) darstellen:
NEA
NUA
NIA
(NEA) + (NUA) + (NIA)
Tab. 13: Delimitationsschema 12: [(NEA) + (NUA) + (NIA)]
5.3 Ein drittes Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde ein neues, onomasiologisches und monodimensionales Modell der Beschreibung der Interaktion von aspektualen Inhalten in den – als Framestrukturen aufgefassten – Sachverhalten vorgestellt, das sich eines auf einer grundsätzlichen kognitiven Fähigkeit des Menschen basierenden Klassifikationsprinzips bedient: des Delimitationsprinzips. Aspektualität wird dabei als aspek-
162
Kombinationen der Dimensionen der Aspektualität im Situationsframe
tuale Delimitation verstanden und als universale Inhaltskategorie definiert, die die Möglichkeiten der externen (absoluten Abgrenzung oder Nicht-Abgrenzung), umgebungsbezogenen (Umgebungsrelevanz oder Nicht-Umgebungsrelevanz) und internen (Unterteilung oder Nicht-Unterteilung) zeitlichen Strukturierung eines Sachverhaltes ausdrückt. Da die traditionell verwendete Terminologie zur Benennung der aspektualen Kategorien aus einer semasiologischen Perspektive stammt und auf die Trennung zwischen zwei Kategorien innerhalb des allgemeineren semantischen Bereichs der Aspektualität basiert, konnte diese in der vorliegenden Untersuchung nicht verwendet werden, so dass eine allgemeine terminologische Neufassung notwendig wurde, die natürlich auch einen theoretischen Unterschied auf der Ebene der Fundierung der Kategorie widerspiegelt: Es gibt keine unausweichliche Korrespondenz zwischen den hier vorgestellten Ausformungen der Aspektualität und den semasiologisch gewonnenen einzelsprachlichen Kategorien von Aspekt und Aktionsart. Im Nachgang ist auch noch explizit zu betonen, was bereits zwischen den Zeilen oder in einigen Fußnoten angedeutet wurde, nämlich dass es kein Zufall ist, dass in der dargestellten Systematik keine (syntaktischen) Tests zur Analyse der betrachteten Frames verwendet wurden. In der Aspektologie ist es üblich, durch die Hinzufügung von adverbialen Testelementen wie beispielsweise «in x Stunden» oder «für y Tage» Verbklassifikationen vorzunehmen, also die Eigenschaften von Prädikaten (nach den bekannten Kriterien der Telizität, Durativität usw.) zu prüfen. Dies ist bei einer Untersuchung von Sachverhalten als Frames nicht sinnvoll und nicht möglich, da jede Hinzufügung eines adverbialen Testelements den gesamten Frame und daher seine aspektuale Interpretation modifiziert. Das in diesem Kapitel aufgeführte Inventar der verschiedenen Ausformungen aspektualer Inhalte (aspektualer Basiskonzeptualisierungen) und ihrer möglichen (und unmöglichen) Kombinationen im Frame stellt gleichzeitig auch eine Anwendung des entwickelten Modells dar. Damit wurde gezeigt, dass mit einer derartigen Analyse der Aspektualität als universale semantische Kategorie eine mindestens ebenso feinkörnige Beschreibung aspektualer Inhalte von Sachverhalten möglich ist wie mit denjenigen Methoden, die sich der von bidimensionalen Ansätzen vorgeschlagenen Mittel – einschließlich der Unterteilung von aspektualen Inhalten in zwei Kategorien wie Aspekt und Aktionsart und der Beschreibung des Zusammenkommens verschiedener Untertypen dieser zwei Kategorien – bedienen. Die im nächsten Kapitel vorgestellte zweite Ebene der Perspektivierung in Situationsframes wird dies bestätigen und weiterführen: Anhand der auf der zweiten Ebene besonders häufig zu findenden romanischen Verbalperiphrasen wird das Modell weiter auf seine Beschreibungs- und Analysemöglichkeiten überprüft werden.
Ein drittes Zwischenfazit
163
Schon auf diesen Seiten konnten jedoch zwei Vorteile dieses Modells gezeigt werden: Es ist kognitiv adäquat, da es von einem einzigen und grundsätzlichen kognitiven Prinzip ausgeht, dem Delimitationsprinzip, und semantisch homogen, da es alle möglichen Kontexte mit Kombinationen von drei Perspektiven der Aspektualität beschreiben kann, die eine begrenzte, aber umfassende Gruppe von Basiskonzeptualisierungen ergeben.
6 Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung 6.1 Vorbemerkungen Dieses Kapitel widmet sich der zweiten Ebene der Perspektivierung des dargestellten Modells der Aspektualität in den Situationsframes. Teile der Ergebnisse der Perspektivierung auf der ersten Ebene können nämlich ihrerseits rekursiv weiter perspektiviert, fokussiert werden, wodurch eine zweite Ebene des Modells entsteht. Der erste Teil des Kapitels 6 wird – wie bereits in Kapitel 5 unternommen – eine genaue, in diesem Fall jedoch nicht umfassende Darstellung der möglichen und unmöglichen Kombinationen von Basiskonzeptualisierungen auf der zweiten Ebene geben. In den romanischen Sprachen werden hauptsächlich Konstruktionen wie die Verbalperiphrasen eingesetzt, um diejenigen komplexen Strukturierungen der Aspektualität auszudrücken, die das Modell als zweite Ebene der Perspektivierung in den Situationsframes erfasst. Allerdings wird diese zweite Ebene weder ausschließlich durch Verbalperiphrasen ausgedrückt (es wurde mehrmals betont, dass Sprachen mehrere Mittel zur Verfügung haben, um die gleichen aspektualen Inhalte auszudrücken), noch können alle aspektualen Verbalperiphrasen ausschließlich als Ausformungen dieser zweiten Ebene der Perspektivierung betrachtet werden: Schon im vorherigen Kapitel sind einige solcher Konstruktionen als Ausdruck von Kombinationen der drei Perspektiven der Aspektualität auf der ersten Ebene analysiert worden (vgl. u. a. (19) in § 5.2.2.5 oder (21) und (22) in § 5.2.2.6). Andererseits ist natürlich auch nicht auszuschließen, dass es Sprachen gibt, die diese zweite Ebene der Perspektivierung nur durch rein lexikalische (z. B. Adverbien) oder aber nur morphologische Formen (z. B. synthetische Verbmarker) ausdrücken und bei denen Verbalperiphrasen nicht vorkommen oder eine unbedeutende Rolle spielen.1 Im zweiten Teil des Kapitels wird daher das Phänomen der periphrastischen Verbalkonstruktionen selbst näher beleuchtet, das für die romanischen Sprachen ein sehr wichtiges und in der romanistischen Sprachwissenschaft schon beinahe klassisches Thema ist. Das theoretische Leitmotiv des zweiten Teils des Kapitels stellt die allgemeine Diskussion des Problems dar, welcher gemeinsame Nenner alle aspektualen Verbalperiphrasen verbindet und welchen – in der bidi-
1 Dies ist etwa im Russischen der Fall: Dort spielen Verbalperiphrasen eher eine periphere Rolle und sind, von der Futurbildung mit budu abgesehen, nicht grammatikalisiert.
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebene des Modells
165
mensionalen Auffassung auch semantisch getrennt gehaltenen – aspektualen Kategorien sie zuzuordnen sind: mit anderen Worten die Frage, ob aspektuale Verbalperiphrasen Aspekt oder Aktionsart sind. Anhand des hier vorgestellten theoretischen Zugangs zur Aspektualität wird eine Neuanalyse des Phänomens unternommen, die die Relevanz dieser Frage, die in der traditionellen semasiologischen Herangehensweise nur schwer zu beantworten ist, stark relativiert.
6.2 A spektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebene des Modells 6.2.1 Ein Inventar der Delimitationsschemata der zweiten Ebene In Kapitel 5 (vgl. § 5.2.1) wurde das Inventar vorgestellt, das alle möglichen und unmöglichen Kombinationen der aspektualen Basiskonzeptualisierungen umfasst, und anhand von Delimitationsschemata dargestellt. Es wurde jedoch damit nur die bislang betrachtete erste Ebene der aspektualen Delimitation dargestellt, das heißt, dass weitere Perspektivierungen – wie diejenigen, die z. B. bei der Analyse von zeitlich komplexer strukturierten Sachverhalten zu finden sind, wie sie in diesem Kapitel näher untersucht werden – dort keinen Platz gefunden haben. Auf den folgenden Seiten sollen nun die einzelnen Delimitationsschemata eben dieser zweiten Ebene des Modells vorgestellt werden. Zunächst muss jedoch erklärt werden, was genau mit der zweiten Ebene der Perspektivierung gemeint ist: Aspektualität ist als interne zeitliche Strukturierung, als zeitlich-strukturierende Delimitation eines als Situationsframe aufgefassten Sachverhalts definiert worden und die Beziehungen zwischen den Elementen dieses Frame und zwischen dem Frame als Ganzem und seinen konstitutiven Elementen als Beziehungen der Kontiguität (vgl. § 3.2.3 zum Assoziationsprinzip der Kontiguität im Allgemeinen). Dabei ist mit «zeitlich-strukturierender Delimitation» sehr allgemein «Bestimmung» oder «Grenzsetzung» verstanden worden, die – als intern zeitlichen Konstitutionsakt des Sachverhalts – die Hervorhebung von einigen zeitlichen Realitäten anderen gegenüber mit sich bringt, die wiederum als Hintergrund zurücktreten (vgl. § 4.2). Solche Operationen der Fokussierung sind im Frame eben rekursiv, wiederholbar, und daher auf mehreren Ebenen möglich: In einem Sachverhalt, der eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs aufweist [extern nicht abgegrenzt (EA/na) + im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) + intern unterteilt (IA/u)] – und dies stellt also die erste Ebene der Fokussierung im Situationsframe dar –, können ein Moment tx oder mehrere der konstitutiven Momente tx1, tx2, … txn des Sachverhalts ihrerseits fokussiert werden, und in Bezug
166
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
auf diese neue/n Grenzsetzung/en werden die drei Perspektiven der Aspektualität neu erfasst. Die folgende graphische Darstellung der Abbildungen (1) und (2) soll dies veranschaulichen. In beiden Graphiken werden aus praktischen Gründen die Bilder verwendet, die die drei Perspektiven der Aspektualität zusammenfassend darstellen (unter §§ 6.2.2.1–6.2.2.12 werden hingegen alle Basiskonzeptualisierungen anhand von Beispielen einzeln dargestellt); dabei zeigt Abbildung (1), wie ein einziger Moment tx der ersten Ebene des Sachverhalts (durch ein Rähmchen herausgestellt) auf der zweiten Ebene weiter fokussiert wird, während Abbildung (2) eine weitere Fokussierung von mehreren Momenten auf zweiter Ebene darstellt:
1. Ebene: DS 2 [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)] tx
2. Ebene: DS 8 [(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)] Abb. 1: Zweite Ebene der Fokussierung, ein erstes Beispiel
1. Ebene: DS 2 [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)] tx1, tx2, … txn
2. Ebene: DS 8, 8, 8, … [((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)) + ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)) + ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)) + …] Abb. 2: Zweite Ebene der Fokussierung, ein zweites Beispiel
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
167
Solche Perspektivierungen auf mehreren Ebenen im Situationsframe stellen komplexe zeitliche Strukturierungen von Sachverhalten dar, wie beispielsweise die sogenannten «progressiven» aspektualen Strukturierungen, die es hier näher zu analysieren gilt. Ein Inventar der aspektualen Delimitationsschemata der zweiten Ebene basiert also auf den Delimitationsschemata der ersten Ebene; jedoch logischerweise nur auf denjenigen pluriphasischer Situationsframes, weil nur bei ihnen eine weitere Fokussierung möglich ist, mit anderen Worten, eine interne Aspektualität des Typs unterteilt dargestellt wird (IA/u). Nur wo verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmbar sind, können diese nämlich auch (einzeln oder zu mehreren) weiter in den Vordergrund des Situationsframe gestellt werden. Folgende Tabelle (1) stellt diejenigen Delimitationsschemata aus der ersten Ebene dar, die als Basis einer weiteren Perspektivierung dienen können, die in § 5.2.1 als Delimitationsschemata (DS) 2, 4, 5, 6 und 7 bezeichnet worden sind. Im Weiteren wird diese Nummerierung verwendet, um – getrennt durch einen Schrägstrich – die Kombination der Delimitationsschemata auf den beiden Perspektivierungsebenen nach dem Muster DS x/y zu bezeichnen; dabei stellt x das Delimitationsschema der ersten, y das der zweiten Ebene dar: Externe Aspektualität (EA)
Umgebungsbezogene Aspektualität (UA)
Interne Aspektualität (IA)
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/a
UA/nr
IA/u
EA/a
UA/fr
IA/u
EA/a
UA/ir
IA/u
EA/a
UA/tr
IA/u
Delimitationsschemata (DS)
Tab. 1: Inventar der weiter perspektivierbaren Delimitationsschemata
DS 2
DS 4
DS 5
DS 6
DS 7
168
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
In den hier behandelten romanischen Sprachen sind die Delimitationsschemata 2, 4, 5, 6 und 7 für die zweite Ebene der Aspektualität nicht alle gleich relevant, d. h. dass nicht alle möglichen Kombinationen, für die diese DS als Basis dienen können, tatsächlich verwirklicht werden; sie werden auch nicht in allen romanischen Sprachen formal gleich verwirklicht, denn nur im Spanischen und im Katalanischen können zum Beispiel bestimmte aspektuale DS durch Verbalperiphrasen ausgedrückt werden. Die folgenden Paragraphen (§§ 6.2.2.1–6.2.2.12) werden nun verschiedene Möglichkeiten der weiteren Perspektivierung einzeln darstellen und genauer analysieren. Es wird hier jedoch nicht – wie in Kapitel 5 – ein vollständiges Inventar geliefert: Für eine solche – nicht typologisch orientierte – Systematik wären die Lücken in den nur partiell gegebenen verschiedenen Darstellungen der hier analysierten romanischen Sprachen (die ja auch die unterschiedlichen Präferenzen der jeweiligen Sprachen reflektieren) zu zahlreich. So ist es ökonomischer, die Analyse auf die wichtigsten und frequentesten Fälle zu konzentrieren, in denen Aspektualität auf der zweiten Ebene des Modells ausgedrückt wird. Dies bedeutet aber nicht, dass andere Sprachen nicht die Möglichkeit haben können, alle Kombinationsmöglichkeiten erschöpfend darzustellen, und ebensowenig, dass das hier vorgestellte Modell dadurch geschwächt wird, denn eine Darstellung der kompletten Inventarisierung wäre für jede weitere Sprache, die dies benötigen würde, konsequent mit der hier gegebenen Systematisierung durchführbar. Wie schon in den vorherigen Kapiteln (§§ 4.4.3ss. und §§ 5.2.2ss.) werden hier, soweit dies möglich ist, parallel kommentierte Beispiele aus den vier behandelten romanischen Sprachen angeführt. In diesen wird die Inhaltskategorie der Aspektualität durch verschiedene – lexikalische und grammatikalische – Mittel ausgedrückt, und sie weisen zumeist unterschiedliche Tempora auf.2
6.2.2 Vorstellung der einzelnen Delimitationsschemata 6.2.2.1 D elimitationsschema 2/8: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu))] (1) it. (2) fr.
La gatta di Leo sta [Pres.] dormendo profondamente. [stare + Ger.]
Daniela était [Imp.] en train de parler avec Julien. [être en train de + Inf.]
2 Die Angaben zu temporalen Markierungen deiktischer Natur werden auch hier in den Beispielen selbst in eckige Klammern gesetzt; ebenso werden besondere periphrastische Konstruktionen nach den Beispielen in eckigen Klammern angemerkt.
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
(3) sp. (4) kat.
169
¡Mira! Juan duerme [Pres.] con un ojo abierto.3
La Rosina estava [Imp.] menjant tranquil·lament.4 [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (1)–(4) repräsentierten Sachverhalte stellen eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs dar:5 Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) In (1)–(4) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende des tiefen Schlafens von Leos Katze in (1), von Danielas Sprechen mit Julien in (2), von Juans Schlafen mit einem offenen Auge in (3) oder von Rosinas Essen in (4).
3 Duerme/dormía con un ojo abierto kann zwei aspektuale Bedeutungen haben (vgl. auch § 5.2.2.2 Delimitationsschema 2: [(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)]) und diese können durch den Kontext mehr oder weniger explizit gemacht werden. Die erste (in Kap. 5 dargestellt) ist eine zeitlich absolute Bedeutung (er schläft/schlief immer mit einem offenen Auge); die zweite (eben diejenige, um die es hier geht) drückt hingegen die genauere Betrachtung eines besonderen Moments tx von Juans Schlafen aus. Dieser Moment wird eben in den Vordergrund des auf einer ersten Ebene zeitlich schon strukturierten Situationsframe gerückt und weitere aspektuale Koordinaten dieses tx können bestimmt werden (d. h. es wird betrachtet, welche Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen nun in Bezug auf diesen fokussierten Moment dargestellt wird). 4 Ein Beispielsatz wie La Rosina estava menjant tranquil·la una galeta würde genau dasselbe Delimitationsschema aufweisen; um noch einmal zu zeigen, wie sehr die Interaktion im Frame von verschiedenen Elementen zu voneinander verschiedenen Delimitationsschemata führt, kann man diesen mit dem Satz La Rosina estava menjant tranquil·la galetes vergleichen, der ein DS 2/8, 8, 8, … wie in § 6.2.2.5 hat. Dabei beeinflusst die Präsenz von galetes hier im Plural (und ohne weitere Indikatoren der Definitheit, wie z. B. dem bestimmten Artikel) diese Lektüre: Der Sprecher weiß aus seinem Weltwissen, dass es ein iterierter Prozess mit einer Dauer ist, verschiedene Kekse zu essen, und daher drückt er den Sachverhalt auch so aus. 5 Die aspektuale Strukturierung von Sachverhalten solchen Typs entspricht dem, was in den traditionellen Untersuchungen «progressiv-fokussiert» genannt wird (vgl. u. a. Bertinetto 1995a und hier § 6.3.3).
170
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten nicht in seiner Gesamtheit und daher nicht als abgeschlossen dargestellt. Daher ist es b) auch logischerweise unmöglich, die Relevanz eines solchen Rahmens für seine Umgebung zu finden, denn es fehlen die Anfangsgrenze tx und die Endgrenze ty des jeweiligen Sachverhalts selbst, die die Konstitution seiner Umgebung erlauben würden. Schließlich lassen sich c) voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn in dem pluriphasischen Sachverhalt wiederfinden: Leos Katze schlief in allen diesen Momenten tx1, tx2, … txn durch und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert betrachtbar und dargestellt, in jedem tx1 hat Leos Katze anders (tiefer, leichter usw.) als in tx2 geschlafen (so hat auch Daniela in jedem tx1 weiter und etwas anders als in tx2 mit Julien gesprochen, Juan mit einem offenen Auge irgendwie anders geschlafen und Rosina mehr oder weniger ruhig gegessen). Nun stellt gerade dieser Punkt die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar: Denn nur wenn es wie hier die Möglichkeit gibt, weitere Unterteilungspunkte oder -grenzen in der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts zu setzen, diskrete zeitliche Abschnitte tx1, tx2, … txn zu betrachten, ergibt sich auch die Möglichkeit einer weiteren Fokussierung eines oder mehrerer solcher Abschnitte (dies wurde oben schon betont), um die herum sich Subframes herauskristallisieren. In (1)–(4) wird jeweils ein besonderer tx1 fokussiert (ein einzelner Moment im Schlafen von Leos Katze, in Danielas Sprechen mit Julien usw.) und dieser stellt jeweils einen Subframe innerhalb des gesamten Frame dar. Der jeweilige Subframe stellt seinerseits die folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Er ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa): Evident im Blickfeld sind der Beginn und das Ende des Moments tx1 im Schlafen von Leos Katze, aus dem heraus dieses Schlafen dargestellt wird, und diese fallen zusammen (es handelt sich also um ein δtx1). Auch ist dieser Subframe b') im Sachverhalt umgebungsbezogen nicht relevant (UA/nr): Das Schlafen von Leos Katze und das Sprechen von Daniela mit Julien usw. beeinflussen ihre Umgebung nicht, denn sie bestimmen weder den Beginn noch das Ende eines neuen Sachverhalts, noch den Beginn oder das Ende des Sachverhalts – des Schlafens oder des Sprechens – selbst. Schließlich ist der jeweilige Subframe c') intern nicht unterteilt (IA/nu), wie das bei Sachverhalten mit EA/pa logischerweise der Fall ist. Dies wird formal durch die stark grammatikalisierten periphrastischen Konstruktionen des Typs stare + Gerundium in (1) und (4) dargestellt, durch être en train de + Inf. in (2) und durch das Präsens in (3) (unterstützt durch weitere Elemente wie ¡mira!, das die generische Lesart hier ausschließt) in Kombination mit Verben wie ‘schlafen’, ‘sprechen’ und ‘essen’ und ihrem jeweiligen hier anwesenden 1. Argument (la gatta di Leo, Daniela, Juan und Rosina). Graphisch kann man diesen Typ der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wie in Tabelle (2) darstellen:
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/pa
UA/nr
IA/nu
171
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)
Tab. 2: DS 2/8: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu))]
6.2.2.2 D elimitationsschema 2/9: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu))] (5) it. (6) fr. (7) sp. (8) kat.
Leo sta [Pres.] tornando a casa dal primo giorno di scuola. [stare + Ger.]
Julie est [Prés.] en train de terminer sa thèse de doctorat. [être en train de + Inf.] Juan regresaba [Imp.] a su país, cuando lo encontré en el tren. El dia estava [Imp.] morint lentament. [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (5)–(8) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug final relevant (UA/fr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) In (5)–(8) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende
172
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
des Nachhause-Gehens von Leo (5), von Julies Beenden ihrer Doktorarbeit in (6), von Juans Zurückkehren in (7) oder vom langsamen Enden des Tages in (8) –, so dass der jeweilige Sachverhalt als nicht abgeschlossen dargestellt wird. Irrelevant wird daher b) ein solcher Sachverhalt für seine Umgebung (es fehlen ja die Anfangs- und Endgrenzen tx und ty des jeweiligen Sachverhalts selbst, die die Konstitution seiner Umgebung erlauben würden). Schließlich lassen sich c) hier voneinander substanziell verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wiederfinden: Es können verschiedene Momente tx1, tx2, … txn, diskrete zeitliche Abschnitte in Leos Nach-Hause-Kommen (in denen er jeweils nach Hause kommt), im Beenden der Arbeit von Julie, in Juans Zurückkehren und im langsamen Zu-Ende-Gehen des Tages identifiziert werden. Die Ausformung der internen Aspektualität im Situationsframe stellt die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung dar: Von den verschiedenen tx1, tx2, … txn in Leos Rückkehr in (5) wird ein besonderer tx1 weiter fokussiert (so wie auch ein einzelner Moment im Beenden der Arbeit von Julie in (6), in Juans Zurückkehren in (7) und im langsamen Enden des Tages in (8)). Dieser tx1 stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Frame gebildet wird, der folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen ausdrückt: Der jeweilige Subframe ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa): Fokussiert sind der Beginn und das Ende des Moments tx1 in Leos Zurückkehren, aus dem dieses Zurückkehren dargestellt wird, und diese fallen zusammen (es handelt sich also um ein δtx1). Der jeweilige Subframe ist b') umgebungsbezogen final relevant (UA/fr): Der tx1 in Leos Zurückkehren, der fokussiert wird (ebenso wie derjenige des Beendens der Arbeit von Julie oder des langsamen Endens des Tages), beeinflusst seine vorherige Umgebung (hier ist tx1–1 gemeint, der Moment vor dem fokussierten), indem er ihr Ende bestimmt. Natürlich ist hier nicht das Ende der vorherigen Umgebung des gesamten Sachverhalts gemeint, sondern lediglich der des Subframes: Im fokussierten tx1 ist Leo näher an seiner definitiven Rückkehr nach Hause als in tx1–1. Es ist gerade diese Ausformung des Umgebungsbezugs, mithilfe derer die Dynamik im Situationsframe dargestellt wird. Schließlich ist der jeweilige Subframe c') intern nicht unterteilt (IA/nu), wie es für Sachverhalte mit EA/pa logisch ist. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs stare + Gerundium in (5) und (8) (mit dem Hilfsverb jeweils in Präsens und Imperfekt), des Typs être en train de + Infinitiv in (6) (mit dem Hilfsverb im Präsens) und durch das Imperfekt in (7) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘nach Hause zurückkehren’, ‘die Dissertation beenden’, ‘zurückkehren’ und ‘Enden des Tages’. Graphisch kann man diesen Typ von Delimitationsschema (2/9) wie in Tabelle (3) illustrieren:
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/pa
UA/fr
IA/nu
173
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)
Tab. 3: DS 2/9 [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu))]
6.2.2.3 D elimitationsschema 2/10: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu))] (9) it. (10) fr. (11) sp. (12) kat.
Leo sta [Pres.] partendo per l’Italia. [stare + Ger.]
Elle était [Imp.] en train de quitter son bureau. [être en train de + Inf.]
Juan salía [Imp.] para Córdoba, cuando lo encontré en la estación. La lluna estava [Imp.] sortint. [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (9)–(12) repräsentierten Sachverhalte stellen eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs dar: Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial relevant (UA/ir) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) In (9)–(12) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende von
174
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Leos und Juans Abfahrt in (9) und in (11), des Verlassens des Büros in (10) oder des Aufgehens des Mondes in (12) –, so dass der jeweilige Sachverhalt als nicht abgeschlossen dargestellt wird. Irrelevant wird daher b) ein solcher Typ von Sachverhalten für seine Umgebung. Schließlich lassen sich c) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn, diskrete zeitliche Abschnitte, in Leos und Juans Abfahrt in (9) und in (11) wie auch im Verlassen des Büros in (10) und im Aufgehen des Mondes in (12) erkennen. Die Ausformung der internen Aspektualität im Situationsframe stellt – dies wurde auch mehrmals geklärt – die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung dar: Von den verschiedenen tx1, tx2, … txn in Leos und Juans Abfahrt in (9) und in (11) wird ein besonderer tx1 fokussiert, so wie auch ein einzelner Moment im Verlassen des Büros in (10) und im Aufgehen des Mondes in (12). Dieser tx1 stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Frame gebildet wird. Folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen wird dadurch ausgedrückt: Der jeweilige Subframe ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa): Der Beginn und das Ende des Moments tx1 in Leos Abfahren, aus dem dieses Abfahren selbst dargestellt wird, sind im Blickfeld, und diese Grenzen fallen zusammen. Der jeweilige Subframe ist b') umgebungsbezogen initial relevant (UA/ir): Der tx1 in Leos und Juans Abfahren, der fokussiert wird (sowie derjenige in Julies Verlassen ihres Büros usw.), beeinflusst seine nachkommende Umgebung (hier ist diese mit tx1+1 bezeichnet, d. h. der Moment nach dem fokussierten), indem er seinen Anfang bestimmt. Natürlich ist hier nicht der Anfang der nachkommenden Umgebung des gesamten Sachverhalts gemeint, sondern lediglich derjenige des Subframes: Im fokussierten tx1 ist Leo näher an seiner Abfahrt nach Hause als in tx1+1. Gerade durch diese Ausformung des Umgebungsbezuges wird die Dynamik im Situationsframe dargestellt. Schließlich ist der jeweilige Subframe c') intern nicht unterteilt (IA/nu), wie es für Sachverhalte mit EA/pa logisch ist. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs stare + Gerundium in (9) und (12) (mit dem Hilfsverb jeweils im Präsens und im Imperfekt) oder des Typs être en train de + Infinitiv in (10) (mit dem Hilfsverb im Imperfekt) oder aber durch das Imperfekt in (11) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘nach Italien (oder nach Córdoba) fahren’, ‘sein Büro verlassen’, und ‘Aufgehen des Mondes’. Besonders wichtig scheint die Rolle des Nebensatzes cuando lo encontré en la estación in (11) zu sein, um die Interpretation des gesamten Situationsframe zu desambiguieren: Der Moment des Zusammentreffens am Bahnhof ist auch der präzise Moment, der aus dem Hauptsatz Juan salía para Córdoba in den Vordergrund gestellt und weiter fokussiert wird. Tabelle (4) zeigt diese Kombination von Basiskonzeptualisierungen (DS 2/10):
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/pa
UA/ir
IA/nu
175
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)
Tab. 4: DS 2/10: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu))]
6.2.2.4 D elimitationsschema 2/11: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu))] (13) it. (14) fr. (15) sp. (16) kat.
Guarda: il fuoco d’artificio sta [Pres.] esplodendo nel cielo! [stare + Ger.]
La guerre éclatait [Imp.] de partout, quand il naquit.
La bailarina estaba [Imp.] enrojeciendo de repente por culpa de su maestra,
cuando la vi la primera vez. [estar + Ger.]
Vaig conèixer en Xavier en el moment que s’enamorava [Imp.] perdudament del mar.
Die in den Beispielen (13)–(16) repräsentierten Sachverhalte stellen eine Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen folgenden Typs dar: Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial und final (also transformativ) relevant (UA/tr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) Vor der Analyse der oben aufgelisteten Fälle soll an dieser Stelle auf einen Einwand genauer eingegangen werden, der bei den Beispielen (13) und (14) aus dem Lager
176
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
der traditionellen bidimensionalen Interpretation der Aspektualität erhoben werden könnte: In § 5.2.2.11 (Delimitationsschema 11) wurde das Beispiel (41) (it. Il palloncino esplose improvvisamente provocando il pianto generale dei bambini) als Ausdruck eines Typs von Sachverhalten mit der folgenden Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dargestellt: [(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)]. Wie kann nun ein Sachverhalt, der externe Aspektualität des Typs punktuell ausdrückt, weiter perspektiviert werden, wo doch nur da, wo verschiedene tx1, tx2, … txn wahrnehmbar sind, diese auch (einzeln oder mehrere) weiter in den Vordergrund des Situationsframe gestellt werden können? Der Grund ist einfach: Dass ein Sachverhalt eine besondere Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen darstellt, hängt mit dem Zusammenkommen, mit der Interaktion oder Interdependenz, verschiedener Elemente in diesem Situationsframe zusammen. Es hängt eben nicht ausschließlich – wie es aus der Perspektive der Verbklassifikationen, die dann auch Aspekt(markierungen) und Aktionsart trennen, angenommen wird – von der semantischen (lexikalischen) Bedeutung aspektualer Natur (eben was Aktionsart genannt wird) des Verbs an sich ab, unabhängig vom Gebrauchskontext. Das polyseme Verb esplodere drückt externe Aspektualität des Typs punktuell nur dann aus, wenn es in Kombination mit Elementen wie in (41), DS 11, § 5.2.2.11 auftritt. Wenn es aber in einem Situationsframe wie demjenigen hier in (13) erscheint, nimmt es eine weitere seiner möglichen Bedeutungen an und stellt ein anderes Delimitationsschema dar. Dies soll genauer analysiert werden: In (13)–(16) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende des Explodierens des Feuerwerks in (13), des Ausbrechens des Krieges in (14), des Errötens der Tänzerin in (15) oder des Sich-Verliebens von Xavier in (16) –, so dass der jeweilige Sachverhalt als nicht abgeschlossen dargestellt wird. Ein solcher Typ von Sachverhalten ist daher b) irrelevant für seine Umgebung. Schließlich lassen sich c) verschiedene, aufeinanderfolgende tx1, tx2, … txn, diskrete zeitliche Abschnitte, im Explodieren des Feuerwerks in (13) (so wie auch im Ausbrechen des Krieges, im Erröten der Tänzerin oder im Sich-Verlieben von Xavier) wahrnehmen, denn das ‘Explodieren eines Feuerwerks’ ist im Weltwissen des Sprechers auch mit einer gewissen Dauer verankert ebenso wie das Ausbrechen eines Krieges mit seiner zeitlichen Gradualität. Und gerade diese Ausformung der internen Aspektualität (IA/u) stellt die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar: Von den verschiedenen tx1, tx2, … txn im Explodieren des Feuerwerks wird ein besonderer tx1 weiter fokussiert (so wie auch im Ausbrechen des Krieges usw.), so dass man von einem «Zoom-Effekt» sprechen könnte. Um diesen tx1 herum wird jeweils ein Subframe mit folgender Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen gebildet: Der jeweilige Subframe ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa):
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
177
Prominent im Blickfeld sind der Beginn und das Ende des Moments tx1 im Explodieren des Feuerwerks, aus dem dieses Explodieren selbst dargestellt wird, und diese Grenzen fallen zusammen. Der jeweilige Subframe ist b') umgebungsbezogen transformativ relevant (UA/tr): Der tx1 im Explodieren des Feuerwerks, der fokussiert wird, (sowie derjenige im Ausbrechen des Krieges, im Erröten der Tänzerin oder im Sich-Verlieben von Xavier) beeinflusst seine jeweils vorherige und nachkommende Umgebung (hier sind diese respektive mit tx1–1 und tx1+1 bezeichnet, der Moment vor und derjenige nach dem fokussierten tx1), in dem sie ihren Anfang und ihr Ende bestimmen: Im fokussierten tx1 in (13) ist eine Explosion eines Feuerwerks dargestellt, die es in tx1–1 noch nicht gibt und in tx1+1 nicht mehr. Schließlich ist der jeweilige Subframe c') intern nicht unterteilt (IA/nu), da es sich um einen Subframe mit EA/pa handelt. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende verschiedene Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs stare + Gerundium in (13) und (15) (mit dem Hilfsverb jeweils im Präsens und Imperfekt) oder aber durch das Imperfekt in (14) und (16) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘explodieren’, ‘ausbrechen’, ‘erröten’ und ‘sich verlieben’ und mit Konnektoren wie quand, cuando und mentre. Auch ist die Rolle der Elemente guarda in (13), quand il naquit in (14), cuando la vi la primera vez in (15) und en el moment que s’enamorava del mar in (16) sehr wichtig, die die Interpretation des gesamten Situationsframe desambiguieren: Der Moment, in dem der Sprecher die Aufmerksamkeit des Hörers durch ein guarda fordert, der der Geburt, der des ersten Zusammentreffens ebenso wie derjenige, in dem er sich in das Meer verliebte, stellen einen präzisen, aus dem Hauptsatz in den Vordergrund gestellten Moment dar, der weiter fokussiert wird. Tabelle (5) stellt dieses Delimitationsschema (2/11) graphisch dar:
EA/na
UA/nr
IA/u
EA/pa
UA/tr
IA/nu
Tab. 5: DS 2/11: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu))]
EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)
178
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
6.2.2.5 Delimitationsschema 2/8, 8, 8, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …] (17) it.
Guardai dalla finestra e vidi la pioggia che stava [Imp.] cadendo.6 [stare+ Ger.]
(18) fr.
Le voleur était [Imp.] en train de préparer le plan de braquage de la banque depuis longtemps. [être en train de + Inf.]
(19) sp.
Juan anda [Pres.] haciendo cosas que no puedo impedir. [andar + Ger.]
(20) kat.
Fa tres hores que el Leo estava [Imp.] menjant galetes. [estar+ Ger.]
Die in den Beispielen (17)–(20) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar:7 Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u)
6 Dieses Beispiel ist besonders geeignet, um einer Frage weiter nachzugehen, die in § 3.5 schon angesprochen wurde, wo folgende Beispiele miteinander verglichen wurden: (11) it. La pioggia cade leggera sulla terra; und (11’) it. Il sasso cade pesantemente nell’acqua. Die Beispiele wurden noch nach der traditionellen Terminologie kommentiert. Hier kann man nun gut sehen, wie diese nach dem hier vorgestellten Modell beschrieben werden können: Während Sachverhalte wie diejenigen in (11) ein DS des Typs 2/8, 8, 8 … darstellen (d. h. eine Kombination folgender aspektualer Basiskonzeptualisierungen: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/ nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …], stellen hingegen Sachverhalte wie in (11’) ein DS des Typs 2/8 dar, d. h. mit einer Kombination wie: [((EA/na) + (UA/ nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu))]. Dazu tragen natürlich verschiedene Elemente bei, nicht zuletzt das jeweilige 1. Argument im Satz (‘Regen’ und ‘Stein’): Der Sprecher hat in zwei verschiedenen Erfahrungszusammenhängen gelernt, dass die zeitliche (aspektuale) Bedeutung von ‘fallen’ in Zusammenhang mit ‘Regen’ durative und iterierte Züge darstellt (der Regen fällt länger und kontinuierlich, denn mit ‘Regen’ ist ein Kollektivum gemeint, das zählbare Entitäten unter sich versammelt), während sie im Zusammenhang mit ‘Stein’ Punktualität vermittelt. 7 Die aspektuale Strukturierung von Sachverhalten solchen Typs entspricht dem, was in traditionellen Untersuchungen «progressiv-durativ» genannt wird (vgl. u. a. Bertinetto 1995a). Auch ist dieses Delimitationsschema, in dem durch die multiple Fokussierung verschiedener Momente tx1, tx2, … txn auch die Quantität eine Rolle spielt, für die Beschreibung von Iteration in Sachverhalten geeignet. Dass im Sachverhalt auch eine Gewohnheit und nicht nur eine reine Iteration dargestellt werden kann, hat nichts mit der rein zeitlichen Struktur des Sachverhalts zu tun, dies hängt also nicht nur mit Aspektualität und Quantität zusammen.
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
179
Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b'') im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c'') intern nicht unterteilt (IA/nu) a''') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b''') im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c''') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'''') … In (17)–(20) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende vom Fallen des Regens in (17), von der Vorbereitung des Planes für den Banküberfall in (18), von Juans wiederholtem Tun von Sachen, die ich nicht verhindern kann in (19), oder von Leos Kekse-Essen seit drei Stunden in (20). Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten nicht als abgeschlossen dargestellt. Daher ist es b) auch logischerweise unmöglich, die Relevanz eines solchen Rahmens für seine Umgebung zu finden. Schließlich lassen sich c) im Fallen des Regens in (17) voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen: Der Regen fiel in allen diesen tx1, tx2, … txn und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert dargestellt und betrachtbar, d. h. dass in jedem tx1 der Regen anders (stärker, leichter usw.) als in tx2 gefallen ist – und Ähnliches lässt sich für die Vorbereitung des Planes für den Banküberfall in (18) sowie für die Sachverhalte in (19) und in (20) behaupten. Auch hier stellt gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar: Denn nur wenn, wie es hier der Fall ist, die Möglichkeit gegeben ist, weitere Unterteilungspunkte oder -grenzen in der zeitlichen Strukturierung des Sachverhalts zu setzen, diskrete zeitliche Abschnitte tx1, tx2, … txn zu betrachten, ergibt sich die Möglichkeit einer weiteren Fokussierung von einem bzw. – wie es hier bei (17)–(20) eben der Fall ist – mehrerer solcher Abschnitte. Dass mehrere – aber jeweils einzelne – tx1, tx2, … txn im Sachverhalt weiter fokussiert werden – und dass jeder dieser Momente zeitliche Grenzen darstellt, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Frame gebildet wird –, gibt gerade die Strukturierung eines iterierten Sachverhalts wieder, denn, wie wir sehen werden, ist jeder tx1 als Subframe mit abgegrenzter Aspektualität, also als abgeschlossen, dargestellt und der nächste tx2 kann nur ein neuer (auch als
180
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
abgeschlossen dargestellter) Subframe sein.8 Der Sprecher weiß aus seinem Weltwissen, dass Regen ein Kollektivum ist, das aus einzelnen Tropfen besteht, die einzeln auf den Boden fallen, und wenn er das Fallen des Regens in (17) darstellt, dann eben so, dass im als Gesamtheit dargestellten Sachverhalt die einzelnen (eben mehrere, iterierte) Momente des Fallens selbst fokussiert sind. Diese Momente, um die herum jeweils ein Subframe mit Bezug zum gesamten Sachverhalt gebildet wird, sind nun jeweils durch a') externe punktuelle Aspektualität (EA/pa), b') irrelevanten Umgebungsbezug (UA/nr) und c') keine Unterteilung bei der internen Aspektualität (IA/nu) gekennzeichnet: Jeder Moment tx1, tx2, … txn des Fallens des Regens ist samt seiner Grenzen fokussiert (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn); jeder gefallene Regentropfen bedingt weder das Anfangen des Regens noch das Enden des Regens (tx1 beeinflusst also in keiner Weise tx1–1 oder tx1+1); jedes δtx1, δtx2, … δtxn, in denen der Regen gefallen ist, kann dann auch nicht intern unterteilt werden. Ähnlich verhält es sich in (18), wenn im als Gesamtheit dargestellten Sachverhalt der Vorbereitung des Plans für den Banküberfall die einzelnen – multiplen – Vorbereitungsmomente dargestellt werden und jeder weiter fokussiert wird oder aber in (19), wo Juans Handeln, das der Sprecher nicht verhindern kann, auch in seinen einzelnen konstitutiven, jeweils weiter fokussierten Momenten dargestellt wird. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende verschiedene Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs stare + Gerundium in (17) und (20) oder des Typs être en train de + Infinitiv in (18) (mit dem Hilfsverb jeweils im Imperfekt), oder aber durch die nur im Spanischen übliche spezielle Verbalperiphrase andar + Gerundium (19) (hier mit dem Hilfsverb im Präsens) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘Fallen des Regens’, ‘Plan vorbereiten’, ‘Sachen machen’ und ‘Kekse essen’. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass die Argumente im Plural und ohne bestimmte Artikel erscheinen, wie eben cosas in (19) und galetas in (20). Tabelle (6) stellt dieses Delimitationsschema (2/8, 8, 8, …) graphisch dar:
8 DS 2/8,8,8, … – DS 7/11,11,11, … umfassen Fälle, die traditionell als degree achievement behandelt werden; vgl. dazu auch § 5.2.2.6.
EA/na
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
UA/nr
IA/u
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/nr
IA/nu
181
. .
(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)
Tab. 6: Delimitationsschema 2/8, 8, 8, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …]
6.2.2.6 Delimitationsschema 2/9, 9, 9, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …] (21) it. (22) fr. (23) sp. (24) kat.
Il giudice viene [Pres.] raccogliendo prove contro l’imputato. [venire + Ger.]
Je viens [Prés.] ramassant mes affaires depuis un mois.9 [venir + Ger.] Te lo vengo [Pres.] diciendo desde el principio. [venir + Ger.]
Fa molt de temps que vinc [Pres.] parlant d’aquest problema. [venir + Ger.]
Die in den Beispielen (21)–(24) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar (aus Platzgründen wird hier repräsentativ nur ein tx1 der Unterebene dargestellt):
9 Coseriu (1976) – und Schwall (1991), die sich auf Coseriu bezieht – weisen auf diese Verwendung der Verbalperiphrase dieses Typs im heutigen Französisch hin, jedoch auch auf den extrem seltenen Gebrauch. Es wurde schon betont, dass die Anzahl und der Gebrauch der Verbalperiphrase schon in der mittelfranzösischen Epoche drastisch zurückging. Eine korpusorientierte Studie würde einen korrekten Einblick in den heutigen Gebrauch gestatten und wäre daher sehr wünschenswert. Vgl. zu französischen Verbalperiphrasen im Allgemeinen Gougenheim (1929) und auch Laca (2004a), Mitko (1999 und 2000), Pusch (2003a); zu den französischen Verbalperiphrasen in den älteren Sprachstufen Werner (1980).
182
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug final relevant (UA/fr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (21)–(24) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhalts fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende des Sammelns von Beweisen des Richters in (21), des Sammelns meiner Sachen in (22), der Tatsache, dass ich dir dies von Anfang an sage in (23) oder dass ich seit längerem über dieses Problem spreche in (24). Der jeweilige gesamte Sachverhalt ist mit anderen Worten als nicht abgeschlossen dargestellt. Daher ist es auch logischerweise unmöglich, b) die Relevanz eines solchen Typs von Sachverhalten für seine jeweilige Umgebung zu finden. Schließlich c) lassen sich im Sammeln von Beweisen in (21) voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen: Der Richter sammelt verschiedene Beweise in allen diesen tx1, tx2, … txn und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert dargestellt und betrachtbar, d. h. dass in jedem tx1 das Sammeln anders als in einem tx2 ist – und Ähnliches lässt sich für mein Tun in (22) sowie für die pluriphasischen Sachverhalte in (23) und (24) feststellen. Gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts stellt die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar: Auch hier ergibt sich also die Möglichkeit einer weiteren Fokussierung eines bzw. mehrerer zeitlicher Abschnitte tx1, tx2, … txn. Dass jeder einzelne dieser tx1, tx2, … txn eine zeitliche Grenze darstellt, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Frame gebildet wird, gibt gerade die Strukturierung eines iterierten Sachverhalts wieder (der Sprecher weiß aus seinem Weltwissen, dass das Sammeln von Beweisen aus dem wiederholten Sammeln einzelner Beweise besteht und stellt dies mittels dieser aspektualen Strukturierung dar). Jeder dieser Subframes drückt folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen aus: Er ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa), fokussiert sind die Anfangs- und die Endgrenze von jedem tx1, tx2, … txn, in denen der Richter Beweise gegen den Angeklagten sammelt, und diese Grenzen fallen zusammen (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn); jeder einzelne Moment
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
183
tx1 des Sammelns von Beweisen ist b') umgebungsbezogen final relevant (UA/fr), d. h. beeinflusst seine jeweilige vorherige Umgebung (tx1–1), indem er ihr Ende bestimmt (natürlich ist auch hier nicht das Ende der vorherigen Umgebung des gesamten Sachverhalts gemeint, sondern lediglich das der Subframes); jedes δtx1, δtx2, … δtxn, in denen der Richter Beweise gesammelt hat, ist schließlich c') nicht intern unterteilt. In ähnlicher Weise lassen sich die Sachverhalte in (22)–(24) analysieren. Die so beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs venire + Gerundium in (21)–(24) (mit dem Hilfsverb jeweils im Präsens) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘Beweise sammeln’, ‘machen’, ‘sagen’ und ‘über dieses Problem sprechen’. Tabelle (7) stellt dieses Delimitationsschema (2/9, 9, 9, …) graphisch dar:
EA/na
UA/nr
IA/u
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/fr
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)
Tab. 7: DS 2/9, 9, 9, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …]
6.2.2.7 D elimitationsschema 2/10, 10, 10, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …] (25) it. (26) fr. (27) sp. (28) kat.
Te lo vado [Pres.] dicendo da mesi! [andare + Ger.]
Tout doucement, il va [Prés.] s’approchant de la fenêtre. [aller + Ger.] La tormenta se va [Pres.] acercando más y más. [ir + Ger.]
Els grups parlamentaris s’anaven [Pres.] asseient a la taula de treball. [anar + Ger.]
184
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Die in den Beispielen (25)–(28) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial relevant (UA/ir) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (25)–(28) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also weder der Beginn noch das Ende von meinem Dir-davon-Sagen in (25), von seiner Annäherung an das Fenster in (26), vom Sich-Annähern des Sturmes in (27) oder vom Sich-Setzen der Parlamentarier an den Verhandlungstisch in (28). Der jeweilige (damit als nicht abgeschlossen dargestellte) gesamte Sachverhalt kann daher b) keine Relevanz für seine jeweilige Umgebung haben. Schließlich c) lassen sich im Sich-Annähern des Sturmes in (27) voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen: Der Sturm nähert sich in allen diesen tx1, tx2, … txn an und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert dargestellt und betrachtbar, d. h. dass in jedem tx1 das Sich-Entfernen anders als in tx2 ist – und Ähnliches lässt sich für die pluriphasischen Sachverhalte in (25), (26) und (28) sagen. Gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts stellt die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar: In (25)–(28) werden mehrere zeitliche Abschnitte tx1, tx2, … txn jeweils weiter fokussiert, und um jeder einzelne dieser tx1, tx2, … txn herum bildet sich ein Subframe innerhalb des gesamten Frame (es wird jeweils ein iterierter Sachverhalt wiedergegeben, wie oben genauer erklärt). Jeder dieser Subframes drückt die folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen aus: Er ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa), fokussiert sind die Anfangs- und die Endgrenze von allen tx1, tx2, … txn, in denen der Sturm sich annähert, und diese Grenzen fallen zusammen (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn). Jeder einzelne Moment tx1 des Sich-Annäherns des Sturmes in (27) ist b') umgebungsbezogen initial relevant (UA/ir), d. h. beeinflusst seine jeweilige nachkommende Umgebung tx1+1, indem er ihren Anfang bestimmt, und natürlich ist auch hier nicht der Anfang der vorherigen Umgebung des gesamten Sachverhalts gemeint, sondern lediglich der des Subframes: In jedem tx1+1, tx2+1,
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
185
… txn+1 ist der Sturm näher als in jedem tx1, tx2, … txn. Jeder Moment δtx1, δtx2, … δtxn, in dem der Sturm sich annähert, ist schließlich c') nicht intern unterteilt. Ähnlich lassen sich die Sachverhalte in (25), (26) und (28) analysieren. Die so beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch folgende Formen vermittelt: Verbalperiphrasen des Typs vadere + Gerundium in (25)–(28) (mit dem Hilfsverb jeweils im Präsens) in Kombination mit Verben (und ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und teilweise weiteren Argumenten) wie ‘seit Monaten sagen’, ‘sich dem Fenster nähern’, ‘sich annähern’, ‘sich an den Tisch setzen’. Tabelle (8) stellt dieses Delimitationsschema (2/10, 10, 10, …) graphisch dar:
EA/na
UA/nr
IA/u
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/ir
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)
Tab. 8: DS 2/10, 10, 10 …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …]
6.2.2.8 D elimitationsschema 2/11, 11, 11, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …] (29) it. (30) fr. (31) sp. (32) kat.
Ho perso ancora una volta le chiavi: è segno che sto [Pres.] impazzendo. [stare + Ger.] La jeune danseuse rougissait [Imp.] toujours plus, alors que Luca l’observait durant sa danse.10 Tengo la impresión de que María se vuelve [Pres.] loca cada vez más. M’estic [Pres.] enamorant del Joan cada dia més i més. [estar + Ger.]
10 Vgl. das spanische Beispiel (15) in § 6.2.2.4: Die Präsenz oder die Absenz eines Adverbs in Interaktion mit den anderen Elementen im Situationsframe beeinflusst die gesamte aspektuale Strukturierung!
186
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Die in den Beispielen (29)–(32) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Erste Ebene: a) extern nicht abgegrenzt (EA/na) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial und final (transformativ) relevant (UA/tr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (29)–(32) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) weder ein Anfangspunkt tx noch ein Endpunkt ty des Verrücktwerdens in (29) und (31), des ununterbrochenen Errötens der Tänzerin in (30), des Mich-in-Joan-Verliebens in (32) fokussiert. Der jeweilige (damit als nicht abgeschlossen dargestellte) gesamte Sachverhalt kann daher b) keine Relevanz für seine jeweilige Umgebung haben. Schließlich lassen sich c) im Verrücktwerden in (29) und (31) sowie im ununterbrochenen Erröten der Tänzerin in (30) und im graduellen Mich-in-Joan-Verlieben voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen: In (29) werde ich z. B. in allen diesen tx1, tx2, … txn verrückt und jeder dieser Momente ist einzeln isoliert dargestellt und betrachtbar, d. h. dass in jedem tx1 das Verrücktwerden anders als in einem tx2 ist (die Analyse gilt auch für die pluriphasischen Sachverhalte in (30)–(32)). Dass sich im jeweiligen Sachverhalt voneinander (substanziell) verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen lassen, ist eben die Voraussetzung ihrer weiteren Perspektivierung im Situationsframe: In (29) werden mehrere tx1, tx2, … txn meines Verrücktwerdens jeweils weiter fokussiert und um jeden einzelnen dieser tx1, tx2, … txn herum bildet sich ein Subframe innerhalb des gesamten Frame, der folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen ausdrückt: Er ist a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa), fokussiert sind die Anfangs- und die Endgrenze von jedem tx1, tx2, … txn, in denen ich verrückt werde, und diese Grenzen fallen zusammen (es sind also δtx1, δtx2, … δtxn). Jeder einzelne Moment tx1 meines Verrücktwerdens ist b') umgebungsbezogen initial und final (also transformativ) relevant (UA/tr), d. h.: Jeder beeinflusst seine jeweilige vorherige (tx1–1) und nachkommende (tx1+1) Umgebung, indem er ihr Ende und ihren Anfang bestimmt. In jedem Moment tx1–1, tx2–1, …
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
187
txn-1 bin ich nämlich etwas weniger verrückt, als ich in jedem tx1, tx2, … txn und als ich in jedem tx1+1, tx2+1, … txn+1 sein werde. Jedes δtx1, δtx2, … δtxn, in dem ich verrückt werde, ist schließlich c') nicht intern unterteilt. Ähnlich lassen sich die Sachverhalte in (30)–(32) analysieren. Die so beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch untereinander sehr verschiedene Formen und Konstruktionen vermittelt, so dass es sich lohnt, genau die Komponenten jedes Satzbeispiels einzeln zu betrachten: In (29) finden wir eine Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium (mit dem Hilfsverb im Präsens) in Kombination mit einem intransitiven Verb wie impazzire, das für den Sprecher schon mit dem Weltwissen verbunden ist, dass es sich bei ‘verrückt werden’ um einen graduellen Sachverhalt handelt. Auch in (30) wird ein komplexer, gradueller Sachverhalt dargestellt, der durch DS 2/11, 11, 11 … repräsentiert werden kann. Dazu trägt nicht nur der erste Satzteil (la jeune danseuse rougissait toujours plus) mit dem intransitiven Verb ‘erröten’ im Imperfekt bei (für den Sprecher als gradueller Sachverhalt im Weltwissen verankert), welches noch durch die adverbiale Bestimmung toujours plus verstärkt wird, sondern auch der zweite Teil des Satzes (alors que Luca l’observait durant sa danse), der einen zeitlichen Rahmen liefert, innerhalb dessen das ‘Erröten’ in seinem Ablauf dargestellt wird. In (31) finden wir wieder ein intransitives Verb wie volverse loco (‘verrückt werden’), allerdings in Verbindung mit einer präsentischen morphologischen Markierung und der adverbialen Bestimmung cada vez más, die die Idee der Gradualität und der Steigerung erheblich verstärkt. In (32) ist schließlich eine Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium (bei der das Hilfsverb im Präsens erscheint) in Kombination mit einem intransitiven Verb wie enamorarse (im Weltwissen des Sprechers auch als gradueller Sachverhalt gespeichert)11 und einer adverbialen Bestimmung wie cada dia més i més, die dies noch stark betont. Tabelle (9) stellt dieses Delimitationsschema (2/11, 11, 11, …) graphisch dar:
11 Das Verb ‘sich verlieben’ kann jedoch polysem verwendet werden: ‘Sich auf den ersten Blick verlieben’ ist in anderen Erfahrungszusammenhängen im Weltwissen des Sprechers verankert.
188
EA/na
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
UA/nr
IA/u
(EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/tr
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)
Tab. 9: DS 2/11, 11, 11, …: [((EA/na) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …]
6.2.2.9 D elimitationsschema 4/8, 8, 8, …: [((EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …] (33) sp. (34) kat.
Estuve [Perf. Sim.] comiendo toda la noche. [estar + Ger.]
La Rosina va estar [Pret. Perf. Per.] cantant tot el dia. [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (33) und (34) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Erste Ebene: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug nicht relevant (UA/nr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (33) und (34) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
189
des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also sowohl der Beginn als auch das Ende des (kontinuierlich in seinem Verlauf betrachteten) Essens in (33) (denn vor der Nacht habe ich nicht gegessen, danach esse ich nicht mehr) oder von Rosinas Singen in (34). Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten als abgeschlossen dargestellt und b) für seine Umgebung hier irrelevant (denn weder das Essen noch Rosinas Singen bestimmen das Ende oder den Anfang einer vorherigen bzw. nachkommenden Umgebung). Schließlich lassen sich c) im nächtlichen Essen (so wie auch in Rosinas Singen) voneinander substanziell verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen, in denen ich jeweils gegessen habe (und Rosina gesungen hat). Auch hier stellt gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar. Mehrere tx1, tx2, … txn – aber jeweils einzeln – im gesamten Sachverhalt werden weiter fokussiert (und gerade dies erlaubt eine dynamische Darstellung des Sachverhalts); jeder dieser Momente stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Situationsframe gebildet wird (so dass es ebenso viele Subframes gibt wie tx1, tx2, … txn), der jeweils folgendes Delimitationsschema darstellt: a') externe punktuelle Aspektualität (EA/ pa), b') irrelevanter Umgebungsbezug (UA/nr) und c') keine Unterteilung bei der internen Aspektualität (IA/nu): Jeder tx1, tx2, … txn meines Essens ist samt seiner zusammenfallenden Grenzen fokussiert, da jedes Mal ein einzeln isolierter und als abgeschlossen betrachteter Moment fokussiert wird (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn); jeder der Momente im Essen bedingt weder das Anfangen noch das Enden des nächsten Essensmoments (tx1 beeinflusst also in keiner Weise tx1–1 oder tx1+1); jeder δtx1, δtx2, … δtxn, in denen ich die ganze Nacht gegessen habe, kann dann auch logischerweise nicht intern unterteilt werden. Eine ähnliche Analyse kann für (34) gegeben werden. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch die Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium mit dem Hilfsverb jeweils im pretérito indefinido und pretèrit perfet perifràstic dargestellt, was eine Besonderheit des iberoromanischen Typs dieser Konstruktion ist (vgl. § 6.3.3) und im Italienischen und Französischen keine Entsprechung findet.12 Diese interagiert hier nun mit
12 Hier liegt ein weiterer Vorteil des vorgestellten onomasiologischen Modells: Über diese auch semasiologisch durchaus mögliche Beobachtung hinaus, dass nur die iberoromanische estarPeriphrase mit Tempora wie dem spanischen pretérito indefinido und dem katalanischen pretèrit perfet perifràstic usw. vorkommt, lässt sich nun für diese iberoromanische Besonderheit bzw. für diese Lücke in den anderen romanischen Sprachen eine genaue Position im konzeptuellen System der Aspektualität benennen (vgl. die DS in §§ 6.2.2.9–6.2.2.12 und die dort analysierten Beispielsätze (33)–(40)).
190
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Verben (und mit ihren jeweiligen hier anwesenden 1. Argumenten) wie ‘essen’ und ‘singen’ und mit Adverbialien wie toda la noche und tot el dia, die die Darstellung der Dauer des iterierten Sachverhalts verstärken. Tabelle (10) veranschaulicht diese Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen (DS 4/8, 8, 8, …):
EA/a
UA/nr
IA/u
(EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/nr
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)
Tab. 10: Delimitationsschema 4/8, 8, 8, …: [((EA/a) + (UA/nr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/ nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/nr) + (IA/nu)), …]
6.2.2.10 D elimitationsschema 5/9, 9, 9, …: [((EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …] (35) sp. (36) kat.
El material de construcción estuvo [Perf. Sim.] llegando por meses. [estar + Ger.] Els passatgers van [Pret. Perf. Per.] estar embarcant tot el dia. [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (35)–(36) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar: Erste Ebene: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) im Umgebungsbezug final relevant (UA/fr) c) intern unterteilt (IA/u)
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
191
Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug final relevant (UA/fr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (35) und (36) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also sowohl der Beginn als auch das Ende des (kontinuierlich in seinem Verlauf betrachteten) Ankommens des Baumaterials in (35) oder des Sich-Einschiffens der Passagiere in (36). Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten als abgeschlossen dargestellt und b) für seine Umgebung hier final relevant (denn sowohl das Ankommen des Baumaterials als auch das Sich-einen-Tag-lang-Einschiffen der Passagiere bestimmen das Ende der jeweiligen vorherigen Umgebung: Wenn das Material (ganz) angekommen ist, wird es nicht mehr ankommen, wenn sich alle Passagiere eingeschifft haben, werden sie es auch nicht mehr tun. Schließlich lassen sich c) im Ankommen des Baumaterials (so wie auch im Sich-Einschiffen der Passagiere) voneinander substanziell verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen, in denen jeweils das Baumaterial angekommen ist (und sich die Passagiere eingeschifft haben). Auch hier stellt gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar. Mehrere – aber jeweils einzelne – tx1, tx2, … txn im gesamten Sachverhalt werden weiter fokussiert (und gerade dies erlaubt eine dynamische Darstellung des Sachverhalts); jeder dieser Momente stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Situationsframe gebildet wird (so dass es genauso viele Subframes gibt wie tx1, tx2, … txn), der jeweils folgendes Delimitationsschema aufweist: a') externe punktuelle Aspektualität (EA/pa), b') finaler Umgebungsbezug (UA/fr) und c') keine Unterteilung bei der internen Aspektualität (IA/nu): Jeder tx1, tx2, … txn des Ankommens des Baumaterials ist samt seinen zusammenfallenden Grenzen fokussiert, da jedes Mal ein einzeln isolierter und als abgeschlossen betrachteter Moment fokussiert wird (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn, in denen jeweils ein Teil des Baumaterials angekommen ist); jeder der Momente, in denen ein Teil dieses Baumaterials angekommen ist, bedingt das Enden des vorherigen Moments des Ankommens (in tx1 gibt es ein wenig mehr Material als in tx1–1); jeder δtx1, δtx2, … δtxn, in dem das Material angekommen ist, kann dann auch logischerweise nicht intern unterteilt werden. Ähnlich kann (36) analysiert werden.
192
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch die Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium mit dem Hilfsverb jeweils im pretérito indefinido und pretèrit perfet perifràstic dargestellt, was wie gesagt eine Besonderheit des iberoromanischen Typs dieser Konstruktion ist (vgl. § 6.3.3). Diese interagiert hier nun mit Verben (und mit ihrem jeweiligen hier anwesenden 1. Argument) wie ‘Ankommen des Baumaterials’ und ‘Sich-Einschiffen der Passagiere’ und mit Adverbialien wie por meses und tot el dia, die die Darstellung der Dauer des iterierten Sachverhalts verstärken. Tabelle (11) veranschaulicht diese Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen (DS 5/9, 9, 9, …):
EA/a
UA/fr
IA/u
(EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/fr
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)
Tab. 11: Delimitationsschema 5/9, 9, 9, …: [((EA/a) + (UA/fr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/ nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/fr) + (IA/nu)), …]
6.2.2.11 D elimitationsschema 6/10, 10, 10, …: [((EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …] (37) sp. (38) kat.
Durante tres años le estuve [Perf. Sim.] enviando cartas. [estar + Ger.]
Els passatgers van [Pret. Perf. Per.] estar desembarcant tot el dia. [estar + Ger.]
Die in den Beispielen (37)–(38) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar:
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
193
Erste Ebene: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) im Umgebungsbezug initial relevant (UA/ir) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial relevant (UA/ir) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (37) und (38) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also sowohl der Beginn als auch das Ende meines dreijährigen (kontinuierlich in seinem Verlauf betrachteten) Verschickens von Briefen in (37) oder des Verlassens des Schiffes der Passagiere in (38). Der jeweilige gesamte Sachverhalt ist mit anderen Worten als abgeschlossen dargestellt und b) für seine Umgebung hier initial relevant (denn sowohl mein Verschicken von Briefen als auch das Verlassen des Schiffes der Passagiere bestimmen den Anfang der jeweiligen nachkommenden Umgebung (wenn die drei Jahre vergangen sind, sind alle geschickten Briefe in der Welt unterwegs oder schon angekommen, wenn alle Passagiere das Schiff verlassen haben, sind alle Passagiere an Land). Schließlich lassen sich c) im Verschicken von Briefen (so wie auch im Verlassen des Schiffes) voneinander substanziell verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen, in denen jeweils (verschiedene) Briefe verschickt worden sind (und Passagiere das Schiff verlassen haben). Auch hier stellt gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar. Mehrere – aber jeweils einzeln – tx1, tx2, … txn im gesamten Sachverhalt werden weiter fokussiert (und gerade dies erlaubt eine dynamische Darstellung des Sachverhalts); jeder dieser Momente stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Situationsframe gebildet wird (so dass es so viele Subframes gibt, wie es tx1, tx2, … txn gibt), der jeweils folgendem Delimitationsschema entspricht: a) externe punktuelle Aspektualität (EA/pa), b) initialer Umgebungsbezug (UA/ir) und c) keine Unterteilung bei der internen Aspektualität (IA/nu): Jeder tx1, tx2, … txn des Verschickens von Briefen ist samt seinen zusammenfallenden Grenzen fokussiert, da ich jedesmal einen einzeln isolierten und als abgeschlossen betrachteten Moment fokussiere (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn, in denen allen ich einen Brief verschickt habe); jeder der Momente, in denen ich einen dieser Briefe ver-
194
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
schickt habe, bedingt den Anfang des nachkommenden Moments des UnterwegsSeins dieses Briefs, der nicht mehr bei mir ist (in tx1 sind mehr Briefe versandt als in tx1–1); jeder δtx1, δtx2, … δtxn, in denen ein Brief verschickt worden ist, kann dann auch logischerweise nicht intern unterteilt werden. Ähnlich kann (38) analysiert werden. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch die Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium mit dem Hilfsverb jeweils im pretérito indefinido und pretèrit perfet perifràstic dargestellt. Diese interagiert hier nun mit Verben (und mit ihren jeweils hier anwesenden 1. und eventuell anderen Argumenten) wie ‘mein Verschicken von Briefen’ und ‘das Verlassen des Schiffes der Passagiere’ und mit Adverbialien wie durante tres años und tot el dia, die die Darstellung der Dauer des iterierten Sachverhalts verstärken. Auch ist in (37) die Präsenz von einer (indefiniten) Plural-Markierung in cartas wichtig, die auch die Idee der Iteration und der Dauer verstärkt. Tabelle (12) stellt dieses Delimitationsschema (6/10, 10, 10, …) graphisch dar:
EA/a
UA/ir
IA/u
(EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/ir
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)
Tab. 12: DS 6/10, 10, 10, …: [((EA/a) + (UA/ir) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/ir) + (IA/nu)), …]
6.2.2.12 D elimitationsschema 7/11, 11, 11, …: [((EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …] (39) sp. (40) kat.
Durante semanas Juan estuvo [Perf. Sim.] obsesionándose buscándola. [estar + Ger.]
Em vaig estar [Pret. Perf. Per.] enamorant d’en Daniel durant tot l’hivern. [estar + Ger.]
Aspektuale Delimitationsschemata der zweiten Ebenedes Modells
195
Die in den Beispielen (39)–(40) repräsentierten Sachverhalte stellen folgende Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen dar (aus Platzgründen wird hier repräsentativ nur ein tx1 der Unterebene dargestellt): Erste Ebene: a) extern abgegrenzt (EA/a) b) im Umgebungsbezug initial und final (transformativ) relevant (UA/tr) c) intern unterteilt (IA/u) Zweite Ebene: a') extern punktuell abgegrenzt (EA/pa) b') im Umgebungsbezug initial und final (transformativ) relevant (UA/tr) c') intern nicht unterteilt (IA/nu) a'') … In (39) und (40) werden auf der ersten Ebene der Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen a) sowohl der Anfangspunkt tx als auch der Endpunkt ty des jeweiligen gesamten Sachverhaltes fokussiert – also sowohl der Beginn als auch das Ende von Juans (kontinuierlich in seinem Verlauf betrachteten) Verrücktwerden (während der Wochen, in denen er nach ihr gesucht hat) in (39) oder des Mich-in-Daniel-Verliebens während des Winters in (40). Der jeweilige Sachverhalt ist mit anderen Worten als abgeschlossen dargestellt und b) für seine Umgebung hier initial und final (also transformativ) relevant, denn sowohl Juans Verrücktwerden als auch mein Mich-in-Daniel-Verlieben bestimmen den Anfang und das Ende der jeweils nachkommenden und vorherigen Umgebung: wenn Juan verrückt wird, ist er nach dem Verrücktwerden verrückt und ist nicht mehr, was er vor dem Verrücktwerden war, nämlich gesund; wenn ich mich verliebe, bin ich nach dem Mich-Verlieben verliebt und bin nicht mehr nicht verliebt. Schließlich lassen sich c) in Juans Verrücktwerden (so wie auch in meinem Mich-Verlieben) voneinander substanziell verschiedene Momente tx1, tx2, … txn wahrnehmen, in denen Juan jeweils verrückt geworden ist (und ich mich in Daniel verliebt habe). Auch hier stellt gerade diese Ausformung der internen Aspektualität des gesamten Sachverhalts die Voraussetzung einer weiteren Perspektivierung im Situationsframe dar. Mehrere – aber jeweils einzelne – tx1, tx2, … txn im betreffenden gesamten Sachverhalt werden weiter fokussiert (und gerade dies ist mit der dynamischen Darstellung des Sachverhalts verbunden); jeder dieser Momente stellt eine zeitliche Grenze dar, um die herum ein Subframe innerhalb des gesamten Situationsframe gebildet wird (so dass es so viele Subframes gibt wie tx1, tx2, … txn), der jeweils folgendes Delimitationsschema aufweist: a') externe punk-
196
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
tuelle Aspektualität (EA/pa), b') transformativer Umgebungsbezug (UA/tr) und c') keine Unterteilung bei der internen Aspektualität (IA/nu): Jeder tx1, tx2, … txn des wochenlangen Verrücktwerdens von Juan ist samt seiner zusammenfallenden Grenzen fokussiert, da jedes Mal ein einzeln isolierter und als abgeschlossen betrachteter Moment fokussiert wird (es handelt sich also um verschiedene δtx1, δtx2, … δtxn, in denen Juan jeweils (ein wenig mehr) verrückt wird); jeder der Momente, in denen Juan ein wenig verrückter geworden ist, bedingt das Ende des vorherigen und den Beginn des nachkommenden Moments des Verrücktwerdens (in tx1–1 ist Juan etwas weniger verrückt als in tx1 und in jedem tx1+1 ist er es ein wenig mehr geworden); jedes δtx1, δtx2, … δtxn, in denen Juan verrückt wurde (genauer: in denen er gerade dabei war, ein wenig mehr verrückt zu werden), kann dann auch logischerweise nicht intern unterteilt werden. Eine ähnliche Analyse kann für (40) geführt werden. Die beschriebenen aspektualen Inhalte werden hier durch die Verbalperiphrase des Typs stare + Gerundium mit dem Hilfsverb jeweils im pretérito indefinido und pretèrit perfet perifràstic ausgedrückt – was eine Besonderheit des iberoromanischen Typs dieser Konstruktion ist (vgl. § 6.3.3). Diese interagiert hier nun mit Verben (und mit ihren jeweiligen hier anwesenden 1. und eventuell weiteren Argumenten) wie ‘verrückt werden’ und ‘sich in jemanden verlieben’ und mit Adverbialien wie durante semanas und durant tot l’hivern, die die Darstellung der Dauer des laufenden iterierten Sachverhalts verstärken. Tabelle (13) stellt dieses Delimitationsschema (7/11, 11, 11, …) graphisch dar:
EA/a
UA/tr
IA/u
(EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)
. .
EA/pa
UA/tr
IA/nu
. .
(EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)
Tab. 13: Delimitationsschema 7/11, 11, 11, …: [((EA/a) + (UA/tr) + (IA/u)) > ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), ((EA/pa) + (UA/tr) + (IA/nu)), …]
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
197
6.3 (Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen Durch die Darstellung der zweiten Ebene des Systems, auf der die Verbalperiphrasen in besonderer Häufigkeit anzutreffen sind, wurde gezeigt, dass auch diese Phänomene, die unterschiedliche Grade der Grammatikalität bzw. der Lexikalität aufweisen, anhand des vorgestellten Modells einen eigenen Platz im aspektualen System der romanischen Sprachen finden können. Um die Tragweite dieses Resultats zu illustrieren, soll in einem Exkurs die allgemeine Beschäftigung mit den Verbalperiphrasen in der romanischen Sprachwissenschaft dargestellt werden. Dabei soll in erster Linie die wichtige Frage herausgegriffen werden, was periphrastische Konstruktionen im Allgemeinen und aspektuale Verbalperiphrasen im Besonderen sind und wie sie im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zum Lexikon oder zur Grammatik definiert werden können. Dies wird um eine kritische Beschäftigung mit einigen traditionellen Definitionen und Interpretationen von Verbalperiphrasen ergänzt. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei auf Konstruktionen gerichtet, die oben in den DS 2/8–2/11 (§§ 6.2.2.1–6.2.2.4) betrachtet worden sind, die also Aspektualität eines nicht extern abgegrenzten (EA/ na), intern unterteilten Sachverhalts (IA/u) ausdrücken, indem in seinem Ablauf einer seiner konstitutiven Momente tx1, tx2, … txn hervorgehoben und weiter fokussiert wird, und die traditionell «progressiv» genannt werden.13 Es werden dabei besonders Verbalperiphrasen wie die italienische Konstruktion stare + Gerundium, französisch être en train de + Infinitiv, spanisch estar + Gerundium und katalanisch estar + Gerundium betrachtet. Dabei werden ihre Gebrauchskontexte und Gebrauchsbedingungen synchron analysiert, darüber hinaus wird – aus diachroner Perspektive – der Grad ihrer Grammatikalisierung diskutiert und eine kurze Rekonstruktion des semantischen Pfads skizziert, dem diese romanischen Verbalperiphrasen in ihrer Grammatikalisierung gefolgt sind.
6.3.1 Relevanz des Phänomens und Probleme der Definition «La notion de ‹périphrase verbale›, traditionnelle en linguistique romane, est aussi traditionnellement mal définie.» (Laca 2004a, 87)
Dieses kurze Zitat Lacas betont zwei wichtige, miteinander eng verbundene Aspekte: den «klassischen» Status, der dem Thema der Verbalperiphrasen in der
13 Für eine Charakterisierung der verschiedenen Arten des sogenannten Progressivum vgl. insb. § 6.3.3.
198
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
romanistischen Tradition zukommt, sowie die Schwierigkeit der Definition des Phänomens. Dieser Abschnitt wird sich nun beiden Fragen näher widmen. Typisch für die romanischen Sprachen ist die formale Möglichkeit, durch verbale periphrastische Konstruktionen, also mehrgliedrige Kombinationen von teilweise oder vollständig zu Hilfsverben entwickelten Verben mit sogenannten Voll- oder Hauptverben, Inhalte temporaler, aspektualer, modaler und diathetischer Art auszudrücken.14 Bei den Verbalperiphrasen pflegt man, abhängig davon, welche konzeptuellen Inhalte sie ausdrücken, also von welchem funktionalen Bereich sie (grammatikalischer) kategorialer Ausdruck sind, zwischen den folgenden Typen zu unterscheiden: a) temporale Verbalperiphrasen: Konstruktionen, die zur (mehr oder weniger) grammatikalisierten Lokalisierung von Sachverhalten in der Zeit dienen (so wie dies die grammatikalische Kategorie Tempus und die einzelnen Formen der Tempora morphologisch, oder aber so, wie dies Einheiten wie Temporaladverbien lexikalisch tun). Beispiele dafür wären: fr. aller + Infinitiv (als Futurmarker), it. avere/essere + Partizip, sp. haber + Partizip und kat. anar + Infinitiv (als Vergangenheitsmarker); b) aspektuale Verbalperiphrasen, die eben Inhalte ausdrücken, die sich auf die zeitliche eigene Strukturierung von Sachverhalten beziehen (so wie dies die grammatikalische Kategorie Aspekt und in den romanischen Sprachen die einzelnen Formen der Vergangenheitstempora morphologisch, oder aber so, wie dies Einheiten wie Aspektualadverbien lexikalisch tun). Beispiele dafür sind fr. être en train de + Infinitiv, it. venire + Gerundium, sp. ir + Gerundium und kat. acabar de + Infinitiv; so wie natürlich auch alle Formen von lt. habere/esse + Partizip, wenn sie in Opposition zu Formen des Imperfekts verwendet werden und nicht nur als zeitlich-deiktische, also temporale Marker verstanden werden; c) diathetische Verbalperiphrasen, die zum Ausdruck der semantischen Rollen im Satz dienen. Beispiele dafür sind die passivischen Konstruktionen, die in den romanischen Sprachen esse + Partizip verwenden (dies wurde im Lateinischen synthetisch ausgedrückt); d) modale Verbalperiphrasen, die die Einstellung des Sprechers zum Sachverhalt ausdrücken (so wie eben Modus und modale Adverbien dies respektive grammatikalisch und lexikalisch tun). Beispiele dafür sind: fr. savoir + Infinitiv, it. avere da + Infinitiv, sp. tener que + Infinitiv und kat. caldre + Infinitiv. Praktisch schon seit den Anfängen der Romanistik, der vergleichenden sprachund literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit den aus dem Vulgärlateinischen stammenden Sprachen, wird die Omnipräsenz sowie die besondere Rolle
14 Diese Möglichkeit existiert natürlich neben weiteren morphologischen Möglichkeiten synthetischer Art der Verbalgrammatik, wie beispielsweise den Formen der traditionellen Tempora und Modi.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
199
der Verbalperiphrasen erkannt. Diese Konstruktionen stellen nämlich – gerade in ihrer Analytizität – nicht zuletzt eine wichtige typologische Unterscheidung der romanischen Sprachen von der synthetischen lateinischen Sprache dar.15 Es ist daher nicht überraschend, dass ein so wichtiges Phänomen auch ein traditionelles Thema der romanistischen Forschung geworden ist: Beispiele der romanischen Verbalperiphrasen sind in der Tat schon in Diez’ erster romanischer Grammatik zu finden,16 und ihre Erforschung hat gerade in den letzten Jahren in der Romanistik stark zugenommen: semasiologische und onomasiologische Inventarisierungen (nach Einzelsprachen oder nach Funktionsbereichen) wurden durchgeführt, Inhalte und Gebrauchskontexte verschiedener einzelner Verbalperiphrasen analysiert, diachrone Untersuchungen ihrer Genese vorgelegt und einschlägige Grammatikalisierungspfade rekonstruiert.17 Wir verfügen also heute über eine systematische und theoretisch anspruchsvolle – auch vergleichende – Erforschung der romanischen Verbalperiphrasen – ein wahrhaft klassisches Thema. Üblicherweise lässt man diese Forschungstradition offiziell mit den sechziger Jahren und dann vor allem mit der Veröffentlichung von Coserius Das romanische Verbalsystem (1976) beginnen.18 In dieser Schrift liefert Coseriu für die romanischen Verbalperiphrasen einerseits eine globale Erklärung innerhalb des dort entwickelten allgemeinen tempo-aspektualen Verbalsystems; er widmet sich aber andererseits auch ganz besonders den aspektualen periphrastischen Konstruktionen. Denn er betont den gesamtromanischen – und zugleich typisch romanischen – Charakter der durch Periphrasen ausgedrückten aspektualen Kategorien, erkennt ihren inneren Zusammenhang und stellt sie in einem kohärenten Funktionssystem dar.19 Die Originalität dieses Systems, aber auch seine Vor- und Nachteile für eine allgemeine aspektuale Theorie sind schon in § 1.3.3 herausgearbeitet worden; es sei hier nur kurz hinzugefügt, dass das, was in
15 Die romanische Tendenz zur Analyse im Vergleich zu derjenigen zur Synthese des Lateinischen betrifft natürlich nicht nur den verbalen Bereich. Zur Periphrastizität, Analytizität und Synthetizität (auch in ihrem Verhältnis zueinander) vgl. Haspelmath (2000) und Schwegler (1990). 16 Vgl. Diez (1836–44) und diesbezüglich Dietrich (1973, 66ss.). 17 Vgl. u. a. Bertinetto (1995a, 1995b, 1998a, 1998b und 2001), Böckle (1979 und 1984), Coseriu (1976), Dietrich (1973, 1985 und 1996), Gavarró/Laca (2002), Fernández de Castro (1999), Gómez Torrego (1999), Gougenheim (1929), Haspelmath (2000), Laca (1995, 1998, 2002b, 2004a und 2004b), Mitko (1999 und 2000), Pusch (2003a und 2003b), Roca Pons (1958), Olbertz (1998), Schlieben-Lange (1971), Squartini (1990 und 1998) und Werner (1980). 18 Wobei aber auch die dem Thema gewidmeten Seiten von Lyer (1934, insb. 129–211) und Wandruszka (1969, insb. 333–349 und 355–361) zu erwähnen sind. 19 Vgl. dazu auch Dietrich (1973) und Schlieben-Lange (1971).
200
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
seinem System die «eigentlichen» aspektualen Kategorien ausmacht (die durch Periphrasen ausgedrückt werden), die Kategorien der «Schau» und der «Phase» sind. Mit «Schau» ist die Kategorie gemeint, die die Betrachtung der Handlung in ihrer Gesamtheit oder in ihrem Ablauf beinhaltet (vgl. Coseriu 1966, 41 und 1976, 99): Der Sprecher kann die Verbalhandlung auf verschiedene Arten betrachten, etwa global, also als Ganzes, partiell, ausschnitthaft, zwischen zwei Punkten ihres Ablaufs, also unter einem bestimmten Winkel usw. Bei der «Phase» handelt es sich hingegen um die Kategorie, die das Verhältnis zwischen dem Augenblick der Betrachtung und dem Grad der Entwicklung (also des Ablaufs) des betrachteten Verbalvorgangs ausdrückt. Nicht nur aus dem genannten fachhistorischen Grund wird hier auf Coserius Interpretation hingewiesen, sondern auch, weil sich ein Großteil der späteren romanistischen Forschung daran orientiert, etwa die Arbeiten von SchliebenLange (1971) und Dietrich (1973), die diesen Ansatz in ihren respektive dem okzitanischen bzw. dem katalanischen Verbsystem und dem romanischen periphrastischen Verbalaspekt gewidmeten Arbeiten detailliert anwenden und ihn weiterführen.20 Klassische Themen sind aber natürlich auch immer wieder Gegenstand von Diskussionen und gewöhnlich auch von theoretischen Kontroversen. Im Fall der Verbalperiphrasen beginnen diese sogar gleich auf der fundamentalsten Ebene, nämlich der der Objektbeschreibung selbst, denn es besteht unter den Linguisten weder ein Konsens über eine Definition noch über eine Klassifikation der Verbalperiphrasen. Die Probleme liegen dabei auf mehreren Ebenen: Betrachtet man eine Verbalperiphrase als Ganzes, als komplexe – d. h. mehrgliedrige – syntaktische Konstruktion, die eine semantische Einheit darstellt, muss man zum Beispiel klären, welche semantische Beziehung zwischen ihren Teilen untereinander und im Verhältnis zur Gesamtkonstruktion besteht bzw. wie die Gesamtbedeutung der Konstruktion aus ihren Teilen hervorgeht. Weiter muss man sich über ihren Status klar werden, etwa über die mehr oder weniger ausgeprägte Grammatikalität bzw. Lexikalität der verschiedenen Periphrasen oder aber ihrer
20 Die antichronologische Datierung soll hier nicht verwirren: Das 1976 erschienene Buch Das romanische Verbalsystem gibt die in Tübingen 1968/69 gehaltene Vorlesung wieder; in ihrer ersten Fassung wurde sie von Coseriu schon 1962 in Bonn und 1963 in Tübingen gehalten. Vgl. auch die Publikationen Coserius (1966 und 1968). Auch einige der neueren Untersuchungen in der Romanistik, wie zum Beispiel diejenigen Lacas (vgl. z. B. 1995, 2002a und 2004a), beziehen sich weiter auf Coseriu. Eine ganze vergleichende Grammatik Spanisch-Deutsch basiert außerdem auf der von ihm entwickelten Interpretation des romanischen Verbalsystems, nämlich Cartagena/Gauger (1989).
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
201
jeweiligen Komponenten. Betrachtet man sie dann in Bezug auf ihre einzelnen Teile, sind weitere Probleme anzugehen, die sowohl das Hilfsverb betreffen, als auch das zweite Glied der Konstruktion (in den romanischen Sprachen normalerweise eine nicht finite Verbalform, etwa ein Infinitiv, Gerundium oder Partizip).21 Einige wichtige Aspekte der in der Forschung geführten Diskussionen sollen hier exemplarisch vorgestellt werden, ohne den Anspruch auf eine vollständige Darstellung zu erheben, die hier sicherlich den Rahmen sprengen würde und für die auch schon einschlägige Arbeiten vorliegen (siehe hierfür Fußnote 17 in diesem Kapitel).22 Die Definition Coserius soll in die hier betrachteten Fragestellungen einführen: «Eine ‹Periphrase› ist nämlich im eigentlichen Sinn ein sprachliches materiell mehrgliedriges Zeichen, das eine einheitliche, eingliedrige Bedeutung hat, d. h. ein gegliedertes ‹Signifiant›, dem aber ein einfaches ‹Signifié› entspricht.» (Coseriu 1976, 119)
Allen Periphrasen sei nach Coseriu die charakteristische semantische Integration ihrer konstitutiven Teile gemeinsam; sie seien praktisch das Gegenteil eines zusammengesetzten Wortes. Dabei unterscheidet er zwei Hauptformen von Periphrasen, nämlich lexikalische (a) und grammatische (b): Bei den «lexikalischen Periphrasen» (a) – wie it. tavola calda (‘Restaurant’ oder ‘Mittagstisch’) oder fr. belle-sœur (‘Schwägerin’) – könne man den Verlust der ursprünglichen Bedeutung beider Glieder der Periphrase und die Entstehung einer neuen Bedeutung beobachten. Es handle sich dabei um eine Bedeutung, die nicht direkt aus ihren einzelnen konstitutiven Gliedern abzuleiten ist (also um eine nicht kompositionelle Bedeutung): Eine tavola calda (wörtlich ‘heißer Tisch’) ist weder ein Tisch, noch ist sie etwas Warmes; eine belle-sœur (wörtlich ‘schöne Schwester’) ist nicht wirklich eine Schwester und sie muss auch nicht unbedingt schön sein.
21 Es gibt jedoch, wenn auch selten, Beispiele von Verbalperiphrasen, deren zweites Glied ein finites Verb aufweist, nämlich des Typs tomo y me voy oder cojo y escribo im Spanischen (z. B. in Cualquier día cojo y escribo un programa que vaya bien) oder prendo/piglio e me ne vado im Italienischen (z. B. Se continui a tormentarmi così, prendo e me ne vado); vgl. hierzu Coseriu (1966 und 1976, 127). 22 Es sei jedoch hier kurz auf den – aus der Typologie- und Universalienforschung stammenden – Ansatz Haspelmaths (2000, vgl. insb. 654s.) hingewiesen: Er unterscheidet zwischen «suppletiven» und «kategorialen» Verbalperiphrasen. Dabei definiert er Suppletivperiphrasen als Füller von vor allem synchronisch verstandenen Lücken im synthetisch-flexiven Paradigmenmuster (vgl. im Lateinischen die modale Periphrase Partizip Futur + esse in Funktion des Konjunktivs Futur). Kategorialperiphrasen üben hingegen eine zentralere Rolle in der Grammatik einer Sprache aus, denn sie übernehmen vollständig den Ausdruck einzelsprachlicher grammatikalischer Kategorien.
202
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Bei den «grammatischen Periphrasen» (b) (wie frz. J’ai parlé, sp. voy a comer, kat. vaig partir oder it. stiamo facendo) beobachtet man hingegen den Verlust der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung einer der Konstituenten (respektive der Verben avoir, ir, anar und stare, die nun als Hilfsverb dienen und nicht mehr ‘haben’ (im Sinne von ‘besitzen’), ‘gehen’ und ‘stehen’ bedeuten) und die Beibehaltung der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung des anderen konstitutiven Teils (der oben jeweils im Partizip, Infinitiv, Infinitiv und Gerundium ausgedrückten Verben für ‘sprechen’, ‘essen’, ‘fahren’ und ‘machen’). Zu Recht wurde verschiedentlich die Frage gestellt,23 wie man unter Coserius Definition für grammatische Periphrasen diejenigen aspektualen Konstruktionen subsumieren kann, die Muttersprachler allgemein intuitiv als aspektuale Verbalperiphrasen erkennen und die sich auch in den etablierten semantischen bzw. syntaktischen Tests als solche erweisen (vgl. z. B. Gómez Torrego 1988, 127ss.), etwa fr. commencer à parler, sp. acabar de trabajar, it. continuare a giocare, kat. començar a menjar (‘beginnen zu sprechen’, ‘gerade aufgehört haben zu arbeiten’, ‘fortfahren zu spielen’, ‘beginnen zu essen’). Einerseits handelt es sich auch hier um echte Periphrasen, also um jeweils eine einzige Prädikationseinheit, wie durch folgende Beispiele (41a–f) und (42a–f) gut gezeigt werden kann, die den Unterschied zwischen einer mehrgliedrigen Prädikationseinheit und mehreren Prädikationseinheiten darstellen: (41a) sp.
Antonio salió corriendo de su despacho.
(42a) it.
Maria cominciò la lezione parlando di Cesare.
Sätze wie in (41a) und (42a), die jeweils zwei voneinander unabhängige Prädikationseinheiten enthalten (salió und corriendo bzw. cominciò und parlando), kann
23 Vgl. die direkten Objektionen Squartinis (1990, 123s.) und die weniger offensiven SchliebenLanges (1971) und Dietrichs (1973). Letzterer bietet folgende Definition und Problematisierung an: «Unter ‹Periphrase› (dafür auch ‹zusammengesetzte›, ‹umschriebene›, ‹analytische Form›, ‹periphrastische Konstruktion›, u. a.) wird im allgemeinen eine Kombination von mindestens zwei autonomen sprachlichen Einheiten verstanden, die in einer bestimmten Weise eine Einheit bilden. Dabei wird meistens angenommen, dass die so zusammengetretenen Elemente inhaltlich nicht auf der gleichen Stufe stehen, sondern eines oder mehrere dem oder den anderen untergeordnet sind. Uneinheitlichkeit besteht aber jeweils in der Beurteilung der Art und des Grades der Zusammengehörigkeit dieser Verbindungen, speziell in ihrer paradigmatischen Zuordnung zu anderen, nicht ‹zusammengesetzten› sprachlichen Einheiten, in ihrer syntaktischen Verwendung und besonders in Bezug auf den ihnen entsprechenden Inhalt, d. h. ihre semantische Gestaltung.» (Dietrich 1973, 21s.).
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
203
man problemlos in die folgenden Sätze (41b-c) und (42b-c) umwandeln, ohne dass syntaktische oder semantische Schwierigkeiten entstehen: (41b) sp.
Antonio salió de su despacho y corrió.
(41c) sp.
Cuando Antonio salió de su despacho, corría.
(42b) it.
Maria cominciò la lezione e parlò di Cesare.
(42c) it.
Quando Maria cominciò la lezione, parlava di Cesare.
Im Gegensatz dazu kann man Sätze wie (41d) und (42d), die jeweils eine – mehrgliedrige, semantisch zusammenhängende – Prädikationseinheit enthalten, in Sätze wie (41e–f) und (42e–f) nicht umwandeln, ohne dass semantische Schwierigkeiten entstehen ((41d) und (42d) sind nicht durch (41e–f) und (42e–f) paraphrasierbar): (41d) sp.
En aquel momento, salió diciendo que era la mujer de su vida.
(41f) sp.
≠En aquel momento, salió y dijo que era la mujer de su vida.24 ≠Cuando salió, dijo que era la mujer de su vida.
(42d) it.
Cominciò a raccontare a tutti che voleva andare a vivere a Londra.
(41e) sp.
(42e) it. (42f) it.
≠Cominciò e raccontò a tutti che voleva andare a vivere a Londra. ≠Quando cominciò, raccontò a tutti che voleva andare a vivere a Londra.
Andererseits kann man aber bei Konstruktionen wie denjenigen in (41d) und (42d) nicht den endgültigen lexikalischen Bedeutungsverlust eines seiner Teile behaupten, denn es sind weiter semantische lexikalische Merkmale in salir und in cominciare als Hilfsverben zu finden, die in den Vollverben zu identifizieren sind (etwa bewegung (herauskommen) und ingressivität (anfangen)). Der endgültige Verlust ist aber eben wesentlicher Teil der Definition der grammatischen Periphrase nach Coseriu (für eine genauere Erklärung solcher Fälle und eine Einordnung in das hier vorgestellte Modell siehe § 5.2.2 sowie § 6.2.2).25 Hier kann man also tatsächlich ein wichtiges, nicht gelöstes Problem erkennen, das zu einer in der Forschung häufig gewählten Präzisierung der Definition geführt hat:
24 Das Ungleichzeichen bezeichnet hier, dass die Sätze (41e) und (41f) keine semantischen Äquivalente des Satzes (41d) darstellen und nicht einen ungrammatischen Satz. 25 Eine Definition, die sich bei der sozusagen entgegengesetzten Position befindet, wird von Olbertz (1998, 32ss.) gegeben: Mehrgliedrige Verbaleinheiten, an denen Hilfsverben teilhaben, die ausschließlich als Hilfsverben dienen (die also nicht mehr auch autonom als Vollverben, als lexikalische Einheiten auftreten, wie z. B. haber/haver im Spanischen und Katalanischen), dürfen nicht als Verbalperiphrasen bezeichnet werden. Dies würde einige wichtige analytische Konstruktionen (temporaler Funktion) aus der Kategorie ausschließen.
204
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
«Verbalperiphrasen [sind] eine Verbindung von zwei (oder, in Ausnahmefällen, mehr) Verbalformen, die eine einzige und semantisch einheitliche (nicht-kompositionelle) Prädikationseinheit bilden und deren Auxiliarelement bei sehr stark abgeschwächtem semantischen Gehalt als Träger der flexiv markierten Verbalkategorien dient, während ein zweites nicht finites Verbalelement, das also (in den romanischen Sprachen) als Infinitiv, Gerund bzw. Partizip vorliegen kann, die semantische Hauptinformation der Prädikationseinheit beisteuert.» (Pusch/Wesch 2003b, 2s.)
Auch diese Definition zeigt jedoch, wie sehr gerade in der Art der Auffassung des sogenannten «Bedeutungsverlusts» (oder der «Desemantisierung» oder auch der «semantischen Abschwächung») des einen Verbalglieds der Konstruktion, mit anderen Worten in der Konzeption der Transformation eines Vollverbs in ein Hilfsverb, das Hauptproblem jeder definitorischen Bemühung liegt. Um dieses Problem anzugehen, benötigt man Parameter, nach denen man Positionen auf dem Kontinuum zwischen Analyse und Synthese bestimmen kann und an denen man das Grammatikalisierungsstadium eines Hilfsverbs messen kann. Nach Heine (1993, 54ss.) lassen sich hier die folgenden Stränge des Kontinuums der Grammatikalisierung unterscheiden, auf denen saliente Stadien identifiziert werden können:26 –– Desemantisierung: Das Hilfsverb verliert seine ursprüngliche lexikalische Bedeutung. –– Dekategorisierung: Das Hilfsverb verliert seinen morphosyntaktischen Status als Verb. –– Klitisierung: Das Hilfsverb verliert den Status eines autonomen Wortes. –– Phonologische Erosion. Eine genaue Festlegung der Stadien der Grammatikalisierung eines Vollverbs zu einem Hilfsverb bleibt jedoch trotzdem aus mehreren Gründen nicht einfach – und damit auch die Definition von Verbalperiphrasen. Einerseits fragt man sich nämlich, ob man tatsächlich immer in der Lage ist, festzulegen, wo genau die Auxiliarität eines (ehemaligen Voll-)Verbs beginnt (ab wann es grammatikalischer
26 «Once these schemas are pressed into service for the expression of grammatical concepts, this is likely to trigger a number of linguistic shifts. Some of these shifts will now be looked at in more detail. Each of them can be viewed as constituting a distinct continuum or chain; for the sake of descriptive convenience, however, I will attempt to define a few salient stages or focal points along them. Four chains, each relating to a different aspect of linguistic behavior, will be distinguished referring, respectively, to the semantic (desemanticization), morphosyntactic (decategorialization), morphophonological (cliticization), and phonetic shifts (erosion) concerned.» (Heine 1993, 54).
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
205
und weniger lexikalisch geworden ist) und wann dieser Prozess abgeschlossen ist, ab welchem Moment also die lexikal-semantische (und syntaktische) Autonomie des finiten Glieds eines mehrgliedrigen Verbalausdrucks so abgeschwächt ist, dass man den Gesamtausdruck periphrastisch nennen kann.27 Andererseits scheint auch zweifelhaft zu sein, ob die von Heine aufgelisteten Parameter alle gleich kontinuellen Charakter haben. Ist etwa, was die Semantizität betrifft, wirklich in allen Transformationen von einem Vollverb zu einem Hilfsverb ein gradueller Verlust der lexikalischen Bedeutung des Vollverbs zu erkennen oder findet man Beispiele, in denen dies nicht der Fall ist und für die andere Erklärungen geeigneter sind?28 Aus der hier gewählten Perspektive bedeutet dies, dass man, um zu einer flexiblen, aber auch befriedigenden und umfassenden Definition von Verbalperiphrasen zu gelangen, der ganzen Diskussion zwei wichtige Präzisierungen hinzufügen müsste, eine allgemeinerer Art und eine spezifischer mit den Verbalperiphrasen verbundene: a) eher als auf die Stadien sollte man sich auf die Parameter der Grammatikalisierung konzentrieren, die damit als multifaktorieller Prozess rekonstruiert werden kann (vgl. auch Ch. Lehmann 1995 und 2002); b) weiter ist es nicht der Grad der Grammatikalisierung eines Hilfsverbs in einer Verbalperiphrase, der den Status einer Verbalperiphrase als solche bestimmt: «Le perifrasi non sono tutte uguali, non godono tutte allo stesso modo di una certa proprietà, ma si dispongono lungo una scala di perifrasticità con livelli diversi di integrazione. Si va da casi in cui l’integrazione semantica e la desemantizzazione del Hilfsverb sono molto evidenti, a casi in cui Hilfsverb e Hauptverb si mostrano molto più indipendenti.» (Squartini 1990, 124)
Unabhängig vom Grad der Auxiliarisierung eines der Glieder der Periphrase, mit anderen Worten unabhängig davon, wie viel an lexikalischer Bedeutung beim Hilfsverb übrig geblieben ist29 bzw. wie stark grammatikalisiert es ist oder gar nur als Hilfsverb existent,30 sind alle Konstruktionen, die den oben genannten Kriterien bis zu einem gewissen Grade genügen, als Periphrasen zu definieren.
27 Vgl. hierzu v. a. Squartini (1998) und Pusch/Wesch (2003b). 28 Vgl. die Einwände von Detges (1999 und 2001) gegen die These der Desemantisierung (oder des semantic bleaching). Detges analysiert einige kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern in den romanischen Sprachen (z. B. aller + Infinitiv). Insbesondere zeigt er einige Fälle, die weder auf Metapher noch auf bleaching, sondern vielmehr auf Metonymie basieren (vgl. insb. Detges 1999). 29 Hopper (1991, 22) spricht hierfür von «persistence». 30 Dies würde erlauben, auch Konstruktionen wie diejenige mit haber/haver im Spanischen und Katalanischen den Verbalperiphrasen zuzuordnen (vgl. dazu Fußnote 25 in diesem Kapitel).
206
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
6.3.2 Eine flexible Definition Die Definition der Verbalperiphrasen, auf die sich diese Arbeit bezieht, stützt sich auf die oben gegebene und in der Forschung kursierende (vgl. oben das Zitat von Pusch/Wesch 2003b, 2–3), verallgemeinert diese aber einerseits und präzisiert sie andererseits, indem sie sie mit dem von Squartini (1990 und 1998) stammenden definitorischen Kriterium der «skalaren Periphrastizität» zusammenführt: Aus der synchronen Perspektive soll unter Verbalperiphrase eine semantisch zusammenhängende Konstruktion verstanden werden, die als Prädikationseinheit fungiert und formal aus zwei (oder mehreren) Verbalformen besteht. Deren eine erscheint in finiter Form, übt die Funktion eines Hilfsverbs aus und steuert die grammatikalischen und – indirekt proportional abhängig vom Grad ihrer Auxiliarisierung – auch einen Teil der lexikalischen Informationen der gesamten Konstruktion bei. Die andere, die in der Regel31 in einer nicht-finiten Form erscheint (in den romanischen Sprachen insbesondere in den Varianten Infinitiv, Partizip und Gerundium), übt die Funktion des Hauptverbs der gesamten Konstruktion aus und steuert – direkt proportional abhängig vom Grad der Auxiliarisierung des ersten Glieds der Periphrase – einen mehr oder weniger großen Teil der lexikalischen Information der Prädikationseinheit bei. Definition 1: Verbalperiphrasen
Natürlich bleibt es, auch wenn man eine flexible definitorische Lösung wie die der skalaren Periphrastizität Squartinis (1998) verwendet, trotzdem nicht einfach festzustellen, welchen Grad der Grammatikalität eine aspektuale Verbalperiphrase erreicht hat, oder aber, welche Reste an Lexikalität sie aufweist. Eine solche Feststellung scheint jedoch aus dieser Perspektive nicht mehr relevant, denn es wird per definitionem nicht verlangt, eine Klassifikation von bezüglich des Grades der Grammatikalität perfekt untereinander abgegrenzten, also diskreten Einheiten zu liefern. Eine solche Definition erlaubt es daher, alle Konstruktionen, die als aspektuale Verbalperiphrasen erkannt werden, in der Synchronie gemeinsam zu klassifizieren, d. h. sowohl stark grammatikalisierte wie schwach grammatikalisierte Fälle, wie sie in den folgenden romanischsprachigen Beispielen vorgeführt werden:
31 Ein problematischer Aspekt der verbreiteten Definition von Periphrasen (vgl. u. a. Gómez Torrego 1988) ist nämlich die Voraussetzung, dass diese mehrgliedrigen Ausdrücke aus einer flektierten und mindestens einer unflektierten Form bestehen müssen. Es ist jedoch bekannt – sowohl aus allgemeinen sprachtypologischen als auch aus romanistisch-sprachvergleichenden Untersuchungen –, dass auch seriell-koordinierende Konstruktionen mit mehreren flektierten Verbalelementen periphrastischen Status aufweisen können (dabei ist in der Regel auch ein Auxiliar eindeutig als solches identifizierbar); vgl. dazu Pusch (2003b) und Pusch/Wesch (2003b).
(43) it. (44) it. (45) it. (46) fr. (47) fr. (48) fr. (49) sp. (50) sp. (51) sp. (52) kat. (53) kat. (54) kat.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
207
Leo sta [Pres.] guardando un episodio di Shaun the Sheep. [stare + Ger.]
Giulia va [Pres.] raccontando storie bizzarre da tre settimane. [andare + Ger.] Leo finisce [Pres.] di mangiare la pasta. [finire di + Inf.]
Julie est [Prés.] en train de préparer le repas. [être en train de + Inf.]
Julie vient [Prés.] de chanter. [venir de + Inf.]
Marie-Rose se met [Prés.] à chanter. [se mettre à + Inf.]
Clara está [Pres.] hablando de los hombres de su vida. [estar + Ger.]
Juan anda [Pres.] pensando en cómo arreglar el problema. [andar + Ger.]
Termino [Pres.] de trabajar a las tres. [terminar de + Inf.]
M’estic [Pres.] menjant una galeta. [estar + Ger.]
Acabo [Pres.] de parlar amb el president de la república italiana. [acabar de + Inf.] El pacient ara tot just comença [Pres.] a tastar aliment sòlid. [començar a + Inf.]
Alle in (43)–(54) aufgeführten zweigliedrigen Konstruktionen werden von Muttersprachlern als syntaktisch und semantisch zusammengehörend, als Prädikationseinheiten wahrgenommen. Der Grammatikalitätsgrad von Periphrasen wie it. stare + Gerundium, fr. être en train de + Infinitiv, sp. estar + Gerundium und kat. estar + Gerundium respektive in (43), (46), (49) und (52) ist jedoch höher (und daher näher an flexiv markierten aspektualen Formen) als derjenige von Periphrasen des Typs it. finire di + Infinitiv, fr. se mettre à + Infinitiv, sp. terminar de + Infinitiv, kat. començar a + Infinitiv in (45), (48), (51) und (54).32 Denn die lexikalische Bedeutung des jeweiligen ersten verbalen Glieds33 der Konstruktion in (43), (49) und (52) ist sehr abgeschwächt (bzw. sie hat hier nichts mit ‘existieren’ oder ‘bleiben’ zu tun und folglich konfluieren auch diese Bedeutungen nicht in die Gesamtbedeutung der Konstruktion), so dass diese fast ausschließlich zur grammatikalischen und kaum zur lexikalischen semantischen Information der gesamten Prädikationseinheit beitragen. Die Hauptinformation hierfür wird vom zweiten Glied der Konstruktion beigesteuert: Es geht hier um ‘schauen’, ‘erzählen’ und ‘essen’. Dagegen trägt die lexikalische Bedeutung des jeweiligen ersten Glieds der Konstruktion in (45), (48), (51) und (54) in einem gewissen Grad zu derjenigen der Prädikationseinheit bei: Ein lexikalischer Rest von ‘beenden’ in den letzten Schritten des Essens in (45) oder von ‘anfangen’ in den ersten in (54) bleibt auch bei der Gesamtbedeutung der Periphrasen bestehen. Dass es sich trotzdem zu einem gewissen Grad beim jeweiligen ersten Glied der Konstruktion
32 Die periphrastischen Konstruktionen in den Beispielen (45), (48), (51) und (54) stellen ein Zwischenstadium in der Grammatikalisierungsskala dar, wobei se mettre à + Infinitiv einen höheren Grammatikalitätsgrad als die anderen drei Periphrasen aufweist. 33 Im Fall des Französischen handelt es sich eher um eine sogenannte Präpositionalperiphrase.
208
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
um ein Hilfsverb mit grammatikalischer Funktion und um kein Hauptverb (oder Vollverb) handelt, scheint evident, wenn man z. B. (45) mit folgendem Beispiel (55) vergleicht, wo finire in seiner Funktion als Hauptverb (und in einer eindeutig lexikalischeren Bedeutung, die hier im Übrigen ‘ausgeben’ ist) gut erkennbar ist:34 (55) it.
Ogni volta che va in pasticceria Leo finisce [Pres.] tutti i soldini messi da parte mangiando tortine al cioccolato.
6.3.3 stare + Gerundium – eine semasiologische Parenthese Auf die höher grammatikalisierten romanischen aspektualen Verbalperiphrasen des Typs stare + Gerundium soll jetzt näher eingegangen werden. Allerdings muss zunächst eine wichtige Präzisierung aus semasiologischer Perspektive erfolgen – also im Blick auf die betreffende Form und ihre Funktion in verschiedenen Kontexten –, um zu den verschiedenen aspektualen Bedeutungen zu gelangen, die sie jeweils ausdrückt. Man betrachte folgende Beispiele: (56) it.
Mi scusi, sto [Pres.] telefonando da lontano e devo riattaccare. [stare + Ger.]
(57) it. Ho perso le chiavi per la terza volta in un’ora: è segno che sto [Pres.] impazzendo. [stare + Ger.] (58) sp. (59) sp.
Julia estaba [Imp.] escribiendo una carta cuando Leo entró en su habitación. [estar + Ger.] ¡No sabes lo que estoy [Pres.] soportando con esta mujer! [estar + Ger.]
Dem Gebrauch derselben analytischen Form in (56) und (57) sowie in (58) und (59), also demselben formalen Typ von Verbalperiphrasen, entspricht nicht derselbe aspektuale Inhalt. Eine der typischen Verwendungen der romanischen Periphrasen des Typs stare + Gerundium besteht im Ausdruck von aspektualen Inhalten, die nach Bertinetto (1995a) «progressiv-fokussiert» genannt werden können, wofür (56) und (58) Beispiele sind.35 Diese Art aspektualer Inhalte – oder
34 Auch hierfür können wir den in § 6.3.1 verwendeten Test anwenden: Während Ogni volta che va in pasticceria Leo finisce tutti i soldini messi da parte mangiando tortine al cioccolato in Ogni volta che va in pasticceria Leo finisce tutti i soldini e mangia tortine al cioccolato oder Quando Leo va in pasticceria mangia tortine al cioccolato e finisce tutti i soldini messi da parte problemlos paraphrasierbar wäre, können die folgenden Beispielsätze ≠Leo finisce e mangia la pasta und ≠Quando Leo finisce mangia la pasta nicht als Paraphrasen von Leo finisce di mangiare la pasta betrachtet werden. 35 Bertinetto (1995a) unterscheidet zwischen zwei Typen von Progressivum und vergleicht sie detailliert: Der erste Typ wird progressif focalisé (Prog. Foc.) genannt, der zweite progressif duratif
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
209
in der hier verwendeten Terminologie: diese Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen – kann summarisch wie folgt beschrieben werden (für eine genauere Einordnung solcher Fälle in das hier entwickelte Modell vgl. aber § 6.2.2): –– Der Sachverhalt ist als extern nicht abgegrenzt (EA/na) dargestellt, er wird also in Bezug auf seine (Anfangs- und) Endabgrenzung offen betrachtet (und daher insgesamt als unabgeschlossen): Es wird in (56) ausgeklammert, wann das Telefongespräch angefangen hat und wann es enden wird, sowie in (58), wann Julia angefangen hat, den Brief zu schreiben, und wann sie dies beenden wird. –– Es handelt sich um einen intern unterteilten Sachverhalt (IA/u), der also mehrere Zeitpunkte tx1, tx2, … txn umfasst, dabei aber von einem bestimmten Zeitpunkt tx aus in seinem Verlauf betrachtet wird, d. h. es wird ein bestimmter tx (bezogen auf die interne aspektuale Unterteilung des Situationsframe) fokussiert. Das im Verlauf befindliche Telefongespräch in (56) und das Schreiben des Briefes in (58) wird von einem ganz bestimmten – herausgegriffenen – Moment des Telefonierens tx1 und des Schreibens tx2 aus betrachtet. Bei Periphrasen auf der Basis von stare + Gerundium36 handelt es sich jedoch um polyseme oder, wenn man so will, polyfunktionale sprachliche Formen, die folglich mehrere aspektuale Inhalte ausdrücken können: Man kann nämlich auch Fälle finden, in denen die Verbalperiphrasen solchen Typs einen progressivdurativen Inhalt ausdrücken (vgl. Bertinetto 1995a). In (57) und (59) z. B. kann man folgende aspektuale Strukturierung des Sachverhalts beobachten:
(Prog. Dur.). Während sich das Prog. Foc. auf einen einzigen Fokussierungsmoment bezieht, der ganz besonders hervorgehoben und betrachtet wird und der «indique tout simplement un instant compris dans le déroulement de l’événement, tandis que la véritable durée de celui-ci reste indéterminée» (Bertinetto 1995a, 39), wird beim Prog. Dur. der aspektuale Wert des Sachverhalts in Bezug zu einem Intervall (ein längeres Intervall, das eben eine Dauer darstellt) bestimmt (vgl. im Allgemeinen zum Progressivum auch Bertinetto 1986). Ein Vergleich mit Coserius Interpretation dieser Periphrase scheint interessant: In einem Fall wie sto facendo (eine Konstruktion, die nach Bertinetto ein Prog. Foc. ausdrückt), das sowohl «kontinuative Phase» als auch «partialisierende Schau» ausdrückt, spricht Coseriu (1976) von Synkretismus zwischen Phase und Schau: Periphrasen, die hauptsächlich eine partialisierende Schau bedeuten, können eine weitere Bedeutung hinzubekommen, nämlich diejenige, die den Grad des Prozesses darstellt. Sto facendo fokussiert (auch wenn es kontinuative Phase ausdrückt) einen fixen (zeitlichen) Punkt, von dem aus der Prozess, der sich (in dem präzisen Moment) weiter entwickelt, betrachtet wird. 36 Natürlich ist hier gemeint: bei der jeweiligen Verwirklichung dieses Typs im Italienischen und Spanischen, aber auch für das Katalanische könnte man Ähnliches behaupten.
210
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
–– Der jeweilige Sachverhalt wird – auch hier wie in (56) und (58) – in Bezug auf (Anfang und) Ende offen dargestellt, wird also insgesamt als extern nicht abgegrenzt (EA/na) und daher als nicht abgeschlossen betrachtet: Es wird in (57) ausgeklammert, wann das Wahnsinnigwerden oder mein Ertragen dieser Frau in (59) angefangen hat und wann es enden wird. –– Der jeweilige Sachverhalt wird – auch hier wie in (56) und (58) – als intern unterteilt dargestellt (IA/u). Allerdings wird er in (57) und (59) nicht von einem bestimmten, fokussierten Zeitpunkt tx aus betrachtet, sondern als ein andauernder Verlauf. Dies bedeutet, dass kein bestimmter Moment im Situationsframe hervorgehoben wird, sondern alle einzelnen tx1, tx2, … txn der internen Aspektualität dieses Sachverhalts (natürlich bis auf die Anfangsund Enddelimitation des Sachverhalts selbst) fokussiert werden: Die Form sto impazzendo drückt in (57) eine Gradualität aus, die nicht in einem bestimmten Moment des Wahnsinns betrachtet wird, sondern in verschiedenen Momenten dieses Wahnsinns (daher die schon erwähnte Durativität), in denen außerdem der Wahnsinn über mehrere Zeitpunkte hinweg graduell zunimmt (genauer hierzu in § 6.2.2.8, wo beschrieben wird, welche Rolle hier die UA spielt); in ähnlicher Weise sind in (59) mehrere Momente tx1, tx2, … txn meines Ertragens (des Benehmens bzw. des Wesens) dieser Frau, also eine Zeitspanne, im Sachverhalt als Vordergrund dargestellt. Fälle wie in (57) und (59) sind jedoch im Italienischen, wie unten genauer gezeigt wird, in der Minderzahl: Es handelt sich um stark auf gewisse aspektuale Kontexte eingeschränkte Verwendungen, die in eindeutig niedrigerer Frequenz zu finden sind als diejenigen von (56) (extern nicht abgegrenzt (EA/na), intern unterteilt (IA/u) und mit Fokus auf einen dieser tx der internen Aspektualität). Hier wird einer der wichtigsten Unterschiede sichtbar, die die romanischen Sprachen untereinander bei der Verwendung dieses Typs von Periphrasen aufweisen, denn im Spanischen und Katalanischen – dies soll im Folgenden gezeigt werden – ist diese sogenannte durative Verwendung hoch frequent.
6.3.3.1 stare + Gerundium – Gebrauchskontexte Im heutigen Spanisch und Katalanisch zeigt die – im Übrigen formal identische – Periphrase stare + Gerundium sehr ähnliche Möglichkeiten, verschiedene Typen oder Ausformungen der externen Aspektualität morphologisch auszudrücken (die in Kapitel 4 (EA/a) und (EA/na) genannt wurden). Dies wird durch die möglichen und unmöglichen Varianten der vergleichenden Beispiele (60a–d) und (61a–d) illustriert:
(60a) sp. (60b) sp. (60c) sp. (60d) sp. (61a) kat. (61b) kat. (61c) kat. (61d) kat.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
211
Leo está [Pres.] comiendo con Julia.
Leo ha estado [Perf. Comp.] comiendo con Julia esta tarde.
Leo estaba [Imp.] comiendo con Julia, cuando Juan salió de su casa. Leo estuvo [Perf. Sim.] comiendo con Julia toda la tarde.
El Leo está [Pres.] menjant amb la Julia.
El Leo avui ha menjat [Pret. Indef.] amb la Julia.
El Leo estava [Imp.] menjant amb la Julia, quand van trucar a la porta.
El Leo estiguà [Pret. Perf. Sim.]/va estar [Pret. Perf. Per.] menjant amb la Julia durant dos dies.
Die Periphrase sp./kat. estar + Gerundium ist nämlich in Sachverhalten problemlos einsetzbar, die externe Aspektualität des Typs nicht abgegrenzt (EA/na) darstellen: In (60a) und (60c), sowie in (61a) und (61c), in denen das Hilfsverb jeweils im Tempus Präsens und Imperfekt erscheint, ist weder der Anfangs- noch der Endmoment des Essens von Leo und Julia fokussiert; der jeweilige pluriphasische Sachverhalt wird als in seinem Ablauf – und aus einem besonderen tx dieses Ablaufs heraus – dargestellt. Die Konstruktion kann jedoch auch in Sachverhalten erscheinen, die externe Aspektualität des Typs abgegrenzt (EA/a) darstellen, wie die Beispiele (60b) und (60d) sowie (61b) und (61d) zeigen (vgl. auch die Analysen in §§ 6.2.2.9–6.2.2.12): Denn hier sind der Anfangs- und der Endmoment des Essens von Leo und Julia fokussiert, so dass der jeweilige Sachverhalt als abgeschlossen – eben als auf eine besondere Zeitspanne eingegrenzt – dargestellt wird: Leo und Julia haben eine begrenzte Zeit miteinander gegessen, und zwar bis zum jetzigen Sprechzeitpunkt in (60b), einen ganzen Nachmittag in (60d) und zwei Tage in (61d). Dies ist so, auch wenn dabei die einzelnen Momente des Ablaufs des pluriphasischen Sachverhalts innerhalb dieser abgegrenzten Zeitspanne weiter fokussiert werden (und zwar alle und jeder einzelne, wie oben für (57) und (59) gezeigt worden ist), so dass innerhalb der gegebenen externen Grenzen des Sachverhalts die internen konstitutiven Momente als im Ablauf befindlich dargestellt werden: In allen Beispielen sind nämlich alle einzelnen tx1, tx2, … txn des gemeinsamen Essens von Leo und Julia weiter fokussiert). Das Hilfsverb wird hier außerdem mit morphologischen Markierungen sowohl analytischer Art (das pretérito perfecto compuesto und das pretèrit indefinit indicatiu in (60b) und (61b)) als auch synthetischer Art ausgedrückt (das pretérito indefinido und das pretèrit perfet simple in (60d) und (61d)). Dabei wird estar + Gerundium in beiden Sprachen sowohl in progressiv-durativer Funktion (dies ist z. B. in Kombination mit morphologischen Markierungen des Hilfsverbs der Fall, die EA/a ausdrücken, also in (60b und 60d) und in (61b und 61d), aber nicht nur) als auch in progressiv-fokussierter Funktion verwendet (wie in (60a und 60c) und in (61a und 61c)), so dass keine ausgeprägte Spezialisierung der Periphrase auf eine der aspektualen Bedeutungen zu sehen ist. Die folgenden
212
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Beispiele (62)–(64), die die progressiv-durative Verwendung aufweisen, bestätigen dies weiterhin: (62) sp. (63) sp. (64) sp.
Yo salgo de aquí a las seis y media de la mañana y me estoy trabajando hasta las doce, la una de la mañana. (zitiert nach Squartini 1998, 77) Estuvo escribiendo hasta después del alba. (zitiert nach Squartini 1998, 38) No me mire así, no piense que durante todo este tiempo me he estado burlando de su inocencia y de su voluntad de saber. (zitiert nach Squartini 1998, 39)
Eine sich davon unterscheidende Interpretation der aspektualen Möglichkeiten dieser Periphrasen vertritt Laca (1995), wenn sie auf der Exklusivität der imperfektiven Natur der Konstruktion insistiert, die also auch in Kombination mit perfektiven Tempora weiter eine imperfektive aspektuale Bedeutung vermittelt (oder in der hier verwendeten Terminologie: EA/na): «Cette particularité combinatoire [avec les temps perfectifs sds] ne contredit cependant en rien le caractère aspectuel imperfectif de la périphrase. En effet, on s’accorde à considérer comme imperfective toute forme verbale qui exclut la visualisation de la ‹ borne droite › d’une situation. […] Les analogies constatées [entre l’imparfait et sds] estar + Gérondif constituent des indices à mon avis très clairs en faveur de la nature aspectuelle imperfective de cette périphrase, qui est maintenue même dans sa combinaison avec les temps perfectifs.» (Laca 1995, 496–498)
Um die Analogie zwischen dem Imperfekt und der genannten Verbalperiphrase zu zeigen und die oben vertretene These zu beweisen, bedient sich Laca des Vergleichs zwischen Imperfekt und telischen Verben bzw. zwischen dem Verhalten der Periphrase in der Kombination jeweils mit dem Imperfekt und mit telischen Verben. Ein problematischer Aspekt ist aber dabei, dass somit (Nicht-)Telizität und (Un-)Perfektivität vermischt werden (vgl. hierzu die Klage über die Vermischung von aspektuellen und aktionellen Kategorien, die gerade von den Vertretern der bidimensionalistischen Lager kommt, in § 2.5). Wenn diese Kategorien per definitionem nicht identisch sind, kann es auch nicht genügen, die NichtTelizität eines Verbs (oder die sogenannte «Suspension/Aufhebung des Telos» in einem Sachverhalt) zu zeigen, um die Imperfektivität eines Sachverhaltes (oder gar einer Konstruktion an sich) zu beweisen.37
37 Die Tests, die Laca (1995, 497) verwendet, sind ein wenig problematisch: Sie vergleicht folgende Beispiele miteinander: (a) #Es va morir, però a la fin no es va morir; (b) Es moria, però a la fin no es va morir; (c) #Ahir vaig corregir els exercicis, però no vaig acabar de corregir-los; (d) Ahir vaig estar corregint els exercicis, però no vaig acabar de corregir-los. Nun sind aber die Formen in (c) und (d) nicht genau mit denjenigen in (a) und (b) vergleichbar. Wollte man einen genauen
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
213
Auch in der der bidimensionalen Tradition verbundenen theoretischen Richtung – bei Gómez Torrego (1988) zum Beispiel – kann man aber eine Interpretation der aspektualen Inhalte dieser Periphrase finden, die die Möglichkeit vorsieht, dass stare + Gerundium keine besondere aspektuale Natur hat, sondern verschiedene aspektuale Bedeutungen ausdrücken kann: «[…] hemos puesto ejemplos con el auxiliar en presente o pretérito imperfecto, formas muy apropiadas para la descripción por su carácter imperfectivo, en consonancia, también, con el valor imperfectivo del gerundio. Si el auxiliar apareciera en pretéritos indefinidos o pretéritos perfectos compuestos, entonces se conjuntan el valor imperfectivo del gerundio con el perfectivo del auxiliar. De esta forma, se nos ofrece una imagen o idea durativa que se da por acabada en un momento determinado: Estuve estudiando toda la noche.» (Gómez Torrego 1988, 141, Unterstreichung sds)
Der iberoromanische Gebrauch von stare + Gerundium, das auch externe Aspektualität des Typs abgegrenzt (EA/a) ausdrücken kann, weicht deutlich von dem der gleichen formalen Mittel in anderen (auch romanischen) Sprachen ab, die nicht dieselben Mittel zur Verfügung stellen, um diese besondere Kombination aspektualer Bausteine auszudrücken: Das heutige Italienisch verhält sich nämlich in der Verwendung der Periphrase stare + Gerundium eindeutig anders als das Spanische und das Katalanische.38 Diese ist, was Verwendungs- und Kompatibilitätsrestriktionen betrifft, ähnlicher derjenigen der französischen Periphrase être en train de + Infinitiv (obwohl diese Konstruktion einen ganz anderen formalen Ursprung hat).39 Die heutigen italienischen und französischen progressiven Konstruktionen sind in der Tat nur a) mit synthetischen Tempora verbindbar, die b) nicht abge-
Vergleich durchführen, so sollte man folgende Formen anführen: (e) #Ahir vaig corregir els exercicis, però no vaig corregir-los, (f) #Ahir vaig estar corregint els exercicis, però no vaig corregir-los. In diesem Fall sieht man, dass zwischen (b) und (f) keine Analogie zu finden ist, die den Syllogismus in ihrer Interpretation begründen würde. 38 Neuere Literatur zu Gebrauchsbedingungen und Charakteristika dieser Periphrase im Italienischen sind u. a. Brianti (1992 und 2000), Streb (2002), Natale (2009) und Dessì Schmid (2011b). Für die klassische Literatur zum Thema vgl. unten. 39 Die präpositionale Periphrase être en train de + Infinitiv ist als die jüngste der französischen aspektualen progressiven (kopulativen) Periphrasen einzustufen. Am Anfang ihrer Grammatikalisierung wird sie im 17. und 18. Jahrhundert als Modalperiphrase verwendet, die die Intention (die Laune) des Subjekts ausdrückte, etwas zu tun, vgl. dazu Gougenheim (1929, 63); als progressive Aspektualperiphrase wird sie geläufig gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, natürlich kann man Beispiele ihrer Verwendung in dieser Bedeutung auch früher finden. Allgemein zur französischen Periphrase être en train de + Infinitiv vgl. u. a. Gougenheim (1929), Laca (2004a), Mitko (1999), Pusch (2003a), Squartini (1998) und Werner (1980).
214
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
grenzte externe Aspektualität (EA/na) aufweisen und c) auf die sogenannte «fokussierte Progressivität» spezialisiert sind. Dies wird in den möglichen und unmöglichen Varianten der vergleichenden Beispiele (65a–d) und (66a–d) deutlich: (65a) it. (65b) it. (65c) it. (65d) it. (66a) fr. (66b) fr. (66c) fr. (66d) fr.
Leo sta [Pres.] mangiando con Giulia. (EA/na) *Leo è stato [Perf. Com.] mangiando con Giulia.
Leo stava [Imp.] mangiando con Giulia. (EA/na) *Leo stette [Perf. Sem.] mangiando con Giulia.
Léo est [Prés.] en train de manger avec Julie. (EA/na) *Léo a été [Pass. Com.] en train de manger avec Julie.
Léo était [Imp.] en train de manger avec Julie. (EA/na) *Léo fut [Pass. Sim.] en train de manger avec Julie.
Es ist mit anderen Worten für das Italienische und das Französische unmöglich, Sachverhalte, die externe Aspektualität des Typs abgegrenzt (EA/a) aufweisen, durch die Verbalperiphrase stare + Gerundium oder être en train de + Infinitiv auszudrücken. Auch ist in diesen Sprachen – dies wurde in § 6.3.3 angedeutet – die Verwendung in progressiv-durativer Funktion selten. Ein Blick in die Diachronie dieser Konstruktion im Italienischen, der ihrem Grammatikalisierungspfad nachgeht, kann helfen, die Gründe für ihre Einschränkungen und aspektualen Spezialisierungen zu verstehen.
6.3.3.2 stare + Gerundium im Italienischen – Grammatikalisierungspfad Bis jetzt ist das Phänomen der Verbalperiphrasen hauptsächlich synchron beschrieben und definiert worden; welchen Wegen aber folgt nun die Grammatikalisierung des ersten Glieds der Konstruktion? Was geschieht, wenn aspektuale periphrastische Konstruktionen zustande kommen? Aus der diachronen Perspektive kann man Verbalperiphrasen als das Resultat von Grammatikalisierungsprozessen definieren, d. h. als das Resultat des Wandels von unabhängigen lexikalischen Einheiten zu mehr oder weniger grammatikalischen Einheiten (vgl. was in § 6.3.1 für Hilfsverben gesagt wurde).40 Auch aspektuale Verbalperiphrasen im Besonderen wären dann natürlich als Resultat von Grammatikalisierungsprozessen aufzufassen, und zwar als das Resultat des Wandels
40 Allgemein zur Grammatikalisierungsforschung vgl. u. a. Ch. Lehmann (1995), Hopper/Traugott (2003) und Detges/Waltereit (2002). Zur Grammatikalisierung von Auxiliaren Heine (1993). Zum Thema der Grammatikalisierung im Allgemeinen siehe Kap. 2 und 3.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
215
von einer lexikalisch ausgedrückten Verbbedeutung oder Verbbedeutungskomponente zu einer anderen, mit dieser aber irgendwie kognitiv verbundenen, grammatikalisch ausgedrückten aspektualen Verbbedeutung(skomponente). Geht man also von einer solchen Perspektive und von den Resultaten der Grammatikalisierungsforschung der letzten Jahre im Allgemeinen aus, können wir Lexikon und Grammatik nur als auf in einem Kontinuum stehende Realitäten betrachten (vgl. genauer hierzu § 2.4.2). Wir können dann auch nicht anders, als mit Squartini (1990 und 1998) – dies wurde schon oben bei der Analyse des Phänomens aus synchroner Perspektive deutlich – die Gradualität von Konzepten wie Periphrastizität oder Auxiliarität anzunehmen; und wenn man dabei nach Indizien für Grammatikalisierung sucht, kann man diese in der Frequenz ihrer Verwendung finden, denn: «Textual frequency is often considered prima facie evidence of degree of grammaticalization.» (Hopper/Traugott 2003, 113)41
Folgt man Hopper und Traugotts Behauptung,42 findet man sicherlich ein indirektes Indiz für die Grammatikalisierung des italienischen stare + Gerundium in der sogenannten progressiv-fokussierten Verwendung in ihrer explosionsartigen quantitativen Zunahme sowohl in der Literatur- als auch in der Zeitungssprache ab dem letzten Jahrhundert (vgl. hierzu Durante 1981 sowie Squartini 1990 und 1998, Bertinetto 1996 und Del Pietro 1995).43 Darüber, welches Grammatikalisierungsstadium die progressive Periphrase im Italienischen erreicht hat, sind verschiedene Meinungen zu finden, die sich zwischen zwei Extremen bewegen: Auf der einen Seite spricht ihr Marchand (1955) jede Grammatikalität ab und verbannt sie auf die Ebene der Stilistik, auf der anderen will sie Blücher (1973 und 1974) dem Entwicklungsstadium der englischen continuous form gleichstellen. In Hinblick auf die Mehrheit der aktuelleren Forschung zum Progressivum (Bertinetto 1986 und 1995b) kann man wohl it. stare
41 Vgl. dazu auch Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991) und Bybee/Perkins/Pagliuca (1994). 42 Vgl. hierzu auch Squartini (1998, 87): «When stare becomes a specialized marker of progressive aspect it strengthens its position in the verb system, becoming more grammaticalized, and therefore increases its frequency with respect to the other gerundial periphrases.» 43 Es ist dies nicht der Ort, über die Gründe einer solchen Zunahme zu sprechen, es soll jedoch angemerkt werden, dass die These Durantes (1981) wenig wahrscheinlich erscheint, dass dies Resultat des englischen Einflusses auf das Italienische sei. Diese Zunahme ist wohl eher auf die progressive Verbreitung einer gesprochenen Nationalsprache zurückzuführen als auf einen englischen Einfluss. Vgl. dazu auch Squartinis (1998, 86–87) Interpretation von mündlichen und schriftlichen Korpora, die ein weit häufigeres Auftreten von stare + Gerundium in der Mündlichkeit bezeugt.
216
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
+ Gerundium eine grammatikalische44 und nicht nur eine stilistische Funktion zusprechen, allerdings doch nicht dieselbe, die sie im Englischen bekommen hat. «Sprachen unterscheiden sich hauptsächlich in dem, was sie ausdrücken müssen, und nicht so sehr in dem, was sie ausdrücken können.» (Jakobson 1981 [1959], 195)
Bedenkt man nämlich diesen berühmten Satz Jakobsons, spricht gegen die Position Blüchers etwas Wichtiges: Die Obligatorietät der continuous form im Englischen findet im Italienischen – so wie auch im Spanischen, Katalanischen und Französischen im Übrigen – keine Entsprechung. Der theoretische Schwerpunkt wurde jedoch hier vielmehr auf die semantische Seite dieser Entwicklung gelegt, deswegen soll hauptsächlich der Grammatikalisierungspfad untersucht werden, dem it. stare + Gerundium gefolgt ist. Hierfür müssen folgende aus älteren sprachlichen Stadien des Italienischen stammende Beispiele genauer analysiert werden: (67) it. Le notti e le dia sta [Pres.] plorando. (Elegia giudeo-italiana, XII–XIII Jh., aus Durante 1981, 180) (68) it. Pigliava al far del giorno alcun riposo/sempre sognando stava [Imp.] in quel desire. (Boiardo, Orlando Innamorato, XV. Jh., aus Dietrich 1985, 204) (69) it.
E mentre che lui stava [Imp.] riguardando,/quello altro campion con voce altera/ gli disse. (Boiardo, Orlando Innamorato, XV. Jh., aus Squartini 1998, 85)
(70) it. Sono stato [Perf. Com.] un poco pensando meco. (Aretino, Talanta, XVI. Jh., aus Durante 1981, 180) (71) it.
Dopo queste e altre simili parole, il conte Attilio uscì, per andare a caccia; e don Rodrigo stette [Perf. Sem.] aspettando con ansietà il ritorno del Griso. (Manzoni, I promessi sposi, 1840–42, aus Squartini 1990, 193)
Im Altitalienischen und bis zum 19. Jahrhundert war stare + Gerundium sowohl mit Formen kompatibel, die Aspektualität des Typs extern nicht abgegrenzt (EA/ na) ausdrücken (in (69) durch das Hilfsverb im imperfetto), als auch mit Formen,
44 Auf der Basis der Kriterien Heines (1993), an denen man die Grammatikalisierungsstadien eines Hilfsverbs abmessen kann (vgl. § 6.3.1), können wir feststellen, dass die progressive Periphrase im Italienischen recht weit grammatikalisiert ist, denn es ist bei dieser nicht nur das erste Stadium der Desemantisierung, also der Verlust an lexikalischer Bedeutung von stare, sehr wohl erreicht, sondern auch das zweite, da gerade die Inkompatibilität mit Morphemen, die (im Normalfall) externe Aspektualität des Typs abgegrenzt ausdrücken, also das Schrumpfen ihres morphologischen Paradigmas auf die imperfektiven Formen, ein eindeutiges Zeichen der zumindest partiellen Dekategorisierung ist.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
217
die Aspektualität des Typs extern abgegrenzt (EA/a) ausdrücken (wie in (70) und (71) gut zu sehen ist, wo das Hilfsverb jeweils im passato prossimo und im passato remoto erscheint); auch war stare + Gerundium – ausgeglichen verteilt – sowohl in progressiv-fokussierter (in (69)) als auch in progressiv-durativer Verwendung zu finden (dies ist in (67) und (68) der Fall).45 Vergleicht man den Gebrauch dieser Konstruktion in diesem Sprachstadium mit demjenigen im heutigen Italienisch, sind also folgende Änderungen zu bemerken: –– eine deutlich zunehmende Verwendung der Periphrase in progressiv-fokussierter Bedeutung und die Abnahme ihrer durativen Verwendung; –– eine Reduktion ihrer morphologischen Kombinatorik, insbesondere die Reduktion ihrer Kompatibilität auf Morpheme, die Aspektualität des Typs extern abgegrenzt (EA/a) ausdrücken.46 Der semantische Grammatikalisierungspfad der italienischen progressiven Periphrase – so könnte man mit Squartini (1998, 73ss.) behaupten – ist einer, der von der lokalisierung über die durativität zur imperfektiven progressivität geführt hat.47 Er verläuft also ganz im Sinne der von Bybee/Dahl (1989) und Bybee/Perkins/Pagliuca (1994) beschriebenen, wenn nicht absolut universalen, so doch zumindest übereinzelsprachlichen Prozesse: lokalisierung > durativität > imperfektive progressivität Schema 1: Grammatikalisierungspfad von stare + Gerundium im Italienischen I
Detaillierter zeigt weiter die feingliedrige Untersuchung Squartinis (1998) der aspektualen Bedeutungskomponenten der Verben, die an den periphrastischen Konstruktionen teilhaben, dass dieser Grammatikalisierungsprozess von der lokalisierung (über die durativität) zur imperfektiven progressivität
45 Zu stare + Gerundium im Altitalienischen vgl. auch Ferreri (1983) und Heinemann (2003). 46 Vgl. u. a. Durante (1981), Bertinetto (1986) und Squartini (1990, 1998). Diese Reduktion gilt allerdings sowohl für den Modus Indikativ als auch für den Konjunktiv, wie das folgende Beispiel gut zeigt, in dem stava und stesse jeweils im Indikativ und im Konjunktiv immer nur extern abgegrenzte Aspektualität ausdrücken: Gli chiesi se stava ancora lavorando a Roma oder aber Non sapevo se stesse lavorando alla sua tesi o se avesse terminato. 47 Vgl. Bertinetto (1995a) für eine Darstellung der Typologie der diachronen Entwicklung der progressiven Konstruktionen und der aktionellen constraints (von progressiven Konstruktionen akzeptierten Verbtypen).
218
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
zugleich die Entwicklung einer – hier muss die Terminologie Squartinis verwendet werden – ursprünglich aktionsartig gesteuerten zu einer aspektuell gesteuerten Form darstelle: Die frühere durative Verwendung der italienischen Periphrase stare + Gerundium war nämlich nur mit Verben möglich, die nicht-telischen Aktionsarten angehören (nach Vendlers Klassifikation der aktionalen Klassen (1957) handelt es sich um activities, vgl. hierzu § 1.2.4); sie war aber sowohl mit imperfektivem als auch mit perfektivem Aspekt möglich. Die heutige progressive Periphrase ist hingegen mit fast allen Aktionsarten kompatibel, aber nur mit imperfektivem Aspekt verwendbar: In einem weiteren Grammatikalisierungsschritt in Richtung Progressivum wurde also stare + Gerundium auch in sogenannten telischen Kontexten verwendet (insbesondere mit accomplishments und achievements im Sinne Vendlers). Nach dem bidimensionalen Ansatz Squartinis (vgl. § 2.4) wird die Verwendung von progressiven Periphrasen in Kombination mit telischen Verben als Mittel verwandt, um die Suspension des zu erreichenden Endpunkts zu signalisieren. Dies werde in Beispielen wie (72) evident, das man so analysieren könne: Der durch den Stamm des Verbs scrivere in Kombination mit dem Argument una lettera vermittelte Endpunkt des Sachverhalts in (72), das Fertigschreiben des Briefes, wird durch die Einsetzung von stava finendo aufgehoben, blockiert und daher nicht erreicht.48 Gerade in dem Moment (mit giusto in (72) betont), in dem Giulia angerufen hat, war Francesca dabei, die Karte zu schreiben, die dann eben nicht fertiggeschrieben worden ist:49 (72) it.
Francesca stava [Imp.] giusto finendo di scrivere una lettera, quando ha telefonato Giulia. [stare + Ger.]
48 Diese Analyse setzt natürlich die Annahme voraus, dass man das Verb an sich betrachtet, d. h. unabhängig vom konkreten Sachverhalt, in dem es erscheint, also von der besonderen Kombination mit den anderen Elementen und von der Bedeutung, die es dort dadurch annimmt. 49 Sasse (1991) definiert solche Wege als typische Grammatikalisierungspfade von aspektuellen Markern; Daten von Squartini (1990) und Bertinetto (1996) zeigen die Zunahme von achievements, die parallel mit derjenigen der progressiven Verwendung der Periphrase verläuft. Es wurde oben schon angedeutet (vgl. Fußnote 39), dass der Ursprung der französischen Verbalperiphrase être en train de + Infinitiv anders ist als derjenige der entsprechenden Periphrase im Italienischen; ihr Grammatikalisierungspfad zeigt sich natürlich auch entsprechend verschieden: «even if the French construction ends up performing the function of progressive marker, just like the Italian stare periphrasis, it has a different history. Its progressive meaning has a different origin, deriving from the modal sense of intention and volition, and does not pass through a durative stage. […] The French form, which is created with different semantic tools, has a completely different path of grammaticalization.» (Squartini 1998, 127)
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
219
Schema (1) sollte also für das Italienische wie im Schema (2) (nach Squartini 1998, 73ss.) präzisiert werden: lokalisierung > durativität > imperfektive progressivität [+ aktionsart]50 [– aktionsart] [– aspekt] [+ aspekt] Schema 2: Grammatikalisierungspfad von stare + Gerundium im Italienischen II
Es wurde bis jetzt von aspektualen Verbalperiphrasen gesprochen und dabei implizit auf einen allgemeinen aspektualen Inhalt Bezug genommen, der allen Verbalperiphrasen gemeinsam ist; nun sieht man aber, dass in der Analyse Squartinis – der darauf auch Bezug nimmt – dieses Gemeinsame wieder in Aspekt und Aktionsart gespalten wird. Es handelt sich wieder um das bekannte Problem der semantischen Unterteilung des aspektualen Bereichs. Eine solche Trennung erweist sich jedoch gerade bei Phänomenen wie den Verbalperiphrasen – das wird gleich genauer gezeigt – als ganz besonders problematisch.
6.3.4 «Aspektuelle» und «aktionale» Verbalperiphrasen? Squartini betont zwar einerseits, dass sich gerade am Progressivum besonders gut zeigen lasse, wie die Beziehung zwischen Aktionsart und Aspekt als diachronischer Prozess zu interpretieren sei; es sei gerade dieses «Entstehen des Aspekts aus der Aktionsart» der Grund, aus dem man die semantische Ähnlichkeit der zwei Kategorien erkennen könne, da sie aus derselben kognitiven Gussform stammen: «It [the Progressive sds] is rather to be conceived as an aspectual form, which derives diachronically (at least in some languages) from a construction constrained to a given actional value. From this point of view, even if aspect and actionality have to be considered as independent notions, a diachronic relationship between the two can be assumed, so that aspect emerges from actionality, or, put another way, aspect derives from the grammaticalization of actionality. This is why a semantic similarity between aspect and actionality can be recognized, […] for aspect emerges from the same cognitive mould as actionality.» (Squartini 1998, 17s.)
Andererseits beharrt er aber auf dem Beibehalten der Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart, die auf synchroner Ebene nicht vermischt werden sollen.
50 Squartini nennt das, was üblicherweise mit «Aktionsart» bezeichnet wird, actionality.
220
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Es scheint jedoch naheliegender, dass das Problem nicht durch eine Unterscheidung der Diachronie und der Synchronie zu behandeln ist, sondern vielmehr durch diejenige eines onomasiologischen und eines semasiologischen Prozedere. Beim Beharren auf der kategorialen Unterscheidung schließt sich Squartini den beiden klassischen Einwänden gegen monodimensionale Ansätze an (vgl. auch § 2.5). Der erste Vorwurf zielt darauf ab, dass Unterschiede nivelliert werden, die mit Sprachebenen und konzeptionellen und kategorialen Unterteilungen verbunden sind. Mit anderen Worten geht es ihm hauptsächlich darum, sich gegen die praktizierte Identifikation der jeweiligen Unterkategorien von Aspekt und Aktionsart zu stellen, zum Beispiel gegen die Gleichsetzung von Imperfektivität und Durativität oder Perfektivität und Telizität. Dies sei eine Konfusion, die die feingliedrige Untersuchung der Entwicklungen und der Zustände von Phänomenen, wie er sie in seiner Arbeit durchführt, seiner Meinung nach nicht erlaubt. Der zweite Vorwurf betrifft die Untauglichkeit dieser Ansätze, bei der detaillierten Analyse konkreter sprachlicher Erscheinungen eine feine Körnung der Untersuchung zu erreichen. Das Beharren auf der Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart bringt jedoch auch wieder einige große Schwierigkeiten mit sich: Es ist zunächst einmal nicht einfach, auf der diachronen Ebene eine kognitive, inhaltlich gemeinsame, kategoriale Quelle zu erkennen und gleichzeitig bei einer semantischen – also nicht nur formalen, morphologischen – kategorialen Unterscheidung auf der synchronen Ebene zu verbleiben; denn synchrone Polyfunktionalität ist nur eine Art Momentaufnahme eines funktionalen Wandels in der Diachronie.51 Auf der Basis welcher Gemeinsamkeit kann man dann – und dies scheint ein besonders großes Problem zu sein – alle aspektualen52 Periphrasen vom höchsten bis zum niedrigsten Grad der Periphrastizität eben aspektual nennen, wenn diese gemeinsame semantische Basis in der Synchronie fehlt? Wie soll dann die Zuordnung gerade von Beispielen wie denjenigen, die am Anfang diskutiert wurden, erfolgen, also den niedrig grammatikalisierten oder aktionell gesteuerten Periphrasen wie it. cominciare a parlare, fr. se mettre à chanter, sp. andar pensando, kat. acabar de parlar? Sind sie als Aktionsart oder als Aspekt aufzufassen? Soll dabei lieber von aktionellen Periphrasen die Rede sein?
51 Vgl. das Verhältnis von Polysemie und Bedeutungswandel im Lexikon. 52 Es wird hier das für die Bezeichnung allgemeiner aspektualer Inhalte eingeführte Adjektiv «aspektual» verwendet, obwohl traditionell von «aspektuellen Periphrasen» gesprochen wird. «Aspektuell» wird hier nur in Bezug auf den semasiologisch aufgefassten grammatikalischen Aspekt gebraucht.
(Aspektuale) periphrastische Verbalkonstruktionen
221
Und wenn ja, ab wann wird aus ihnen eine richtige aspektuelle53 Periphrase? Schließlich fragt man sich auch, warum bei sich im Übergang befindlichen Realitäten mit diskreten semantischen Kategorien operiert werden soll, gerade wenn ihre kognitive – semantische – Einheit, wenn auch nur in einem gemeinsamen Ursprung (in der oben genannten «selben kognitiven Gussform»), klar zu erkennen ist? In Bezug auf den ersten Punkt der antimonodimensionalen Kritik ist Folgendes zu wiederholen:54 Baut man auf der Existenz zweier auch semantisch unterschiedlicher Kategorien auf, die sich auf zwei unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (Grammatik und Lexikon) ausdrücken, ist es aus theoretischer Sicht tatsächlich wenig stringent und kann zu Verwechslungen verschiedenster Art führen, Unterkategorien wie imperfektiv und perfektiv auf der einen Seite und stativ, durativ, telisch usw. auf der anderen Seite zu definieren und dann diese Unterkategorien wieder miteinander zu identifizieren; etwa des Imperfektiven mit dem Durativen oder des Perfektiven mit dem Telischen. Es ist selbstverständlich, dass diese Unterkategorien des aspektualen Bereichs per definitionem unterschiedlich konzipiert sind und daher auch nicht einfach miteinander identifiziert werden können. Es ist aber ebenso klar, dass die Ähnlichkeiten, die semantischen Affinitäten, die auf der einen Seite Telizität und Perfektivität und auf der anderen Atelizität und Imperfektivität verbinden, schon auf intuitiver Ebene offensichtlich sind. Ist es aber wirklich nötig – diese Frage muss hier wiederholt werden –, überhaupt erst von der Realität zweier Kategorien auszugehen, die dann wieder zu vereinigen wären? Es ist zwar vollkommen legitim und praktisch, solchen Unterscheidungen treu zu bleiben, wenn man semasiologisch arbeitet (und zwar sowohl synchron als auch diachron). Wenn man aber onomasiologisch arbeitet und anerkennt, dass man es bei Aspekt und Aktionsart mit derselben «kognitiven Gussform» zu tun hat, erkennt man auch die Realität einer Kategorie an, die diese beiden auf einer universalen, konzeptuellen Ebene umfasst, eben derjenigen der Aspektualität. Und aus einer solchen Perspektive erweist es sich als problematisch, weiter auf der semantische Verschiedenheit von Aspekt und Aktionsart zu bestehen: Beide drücken auf einer allgemeineren Ebene die innere zeitliche Strukturierung eines Sachverhaltes aus, beide sind Aspektualität; und diese kann man – wie es scheint – nicht nur auf die diachrone Ebene verbannen. Dies ist vielmehr der Grund, aus dem – synchron und diachron – dieses «Gemeinsame» in Aspekt und
53 Es wird hier «aspektuell» – und nicht «aspektual» verwendet, wie es in der Vorstellung dieses Modells üblich ist –, da sich diese Passage auf die traditionell aufgefasste Kategorie des Aspekts bezieht (in Opposition eben zu derjenigen der Aktionsart, vgl. oben «aktionell»). 54 Vgl. dazu auch Kap. 2 und 3.
222
Die zweite Ebene des Modells der Aspektualität in der Anwendung
Aktionsart angenommen werden kann, und es ist dies auch der Grund, aus dem in der Diachronie eine Verschiebung von aspektualen Informationen zwischen Lexikon und Grammatik stattfinden kann.55 Auch für aspektuale Verbalperiphrasen kann man also wiederholen, was zuvor schon betont worden ist: Nur die Mittel, durch die Aktionsart und Aspekt diese Informationen ausdrücken, sind verschieden – Lexikon oder Grammatik –, und diese stellen variable und in einem Kontinuum stehende Realitäten dar.
6.4 Verbalperiphrasen – ein letztes Zwischenfazit In Anbetracht der Menge, der Vielfalt und der Relevanz der periphrastischen Konstruktionen, die neben flexiven Markierungen auf der Ebene der Vergangenheitstempora speziell im romanischen Verbalsystem aspektuale Inhalte ausdrücken, scheint es in der Tat schwierig, Verbalperiphrasen in diesem Verbalsystem eine autonome, eigene Stelle zu verweigern. In dem hier beschriebenen Ansatz ist die Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart auf der semantischen Ebene in einer übergeordneten, konzeptuellen universalen Inhaltskategorie aufgehoben, ebenso ist es auch die zwischen sogenannten «aspektuellen» und «aktionalen Verbalperiphrasen»: Der gemeinsame Nenner, der alle aspektualen Verbalperiphrasen verbindet, ist ihre Semantik; alle aspektualen Verbalperiphrasen drücken (selbstverständlich zusammen mit anderen Elementen im Situationsframe) eine besondere Ausformung einer einzigen Inhaltskategorie aus, eine besondere Kombination aspektualer Basiskonzeptualisierungen. Die in der traditionellen semasiologischen Auffassung von aspektualen Kategorien schwer zu beantwortende Frage, welchen aspektualen Kategorien sie zuzuordnen seien – ob sie Aspekt oder Aktionsart sind –, ist schlicht nicht mehr relevant: Sie sind einfach Aspektualität. Es wurde gezeigt, wie entgegen einem der schwerwiegendsten Einwände gegen monodimensionale Modelle für die Interpretation und Beschreibung aspektualer Informationen das hier entwickelte Modell in der Lage ist, eine feine Körnung in der Beschreibung zu erreichen und detailliert Abstufungen der unterschiedlichsten Phänomene zu erklären, die aspektuale Informationen in Sachverhalten ausdrücken – gerade auch komplexere Phänomene wie die der hier beispielhaft behandelten Verbalperiphrasen.
55 Für eine unterschiedliche Interpretation der Gründe dieser Verschiebung vgl. eben Squartini (1998).
Verbalperiphrasen – ein letztes Zwischenfazit
223
Darauf sind die Möglichkeiten des Modells aber nicht beschränkt: Besonders an dieser onomasiologischen Behandlung der Verbalperiphrasen ist erstens, dass innereinzelsprachlich und übereinzelsprachlich eine bessere Vergleichbarkeit formal unterschiedlicher Periphrasen möglich ist; zweitens, dass diese nicht mehr als abgesonderte oder hybride sprachliche Mittel des romanischen Verbalsystems dargestellt werden müssen, sondern als anderen gleichwertige Möglichkeit, die das romanische Sprachsystem hat, aspektuale Inhalte auszudrücken. Über ihre Integration in einem allgemeinen, auf kognitiven Prinzipien basierten System der Aspektualität verlassen die Verbalperiphrasen damit ihre Sonderrolle.
7 Schlussbemerkungen Zweifellos kann man in den romanischen Sprachen von Aspektualität sprechen: Die Präsenz dieser Inhaltskategorie in den jeweiligen romanischen einzelsprachlichen Systemen ist so klar erkennbar, die sprachlichen Mittel, die dort zu ihrem Ausdruck verwendet werden, sind so zahlreich und vielfältig, dass weiter kein Zweifel über ihre Relevanz, ihre Zentralität bestehen kann. Mit dieser Antwort auf die Frage, mit der die vorliegende Arbeit eröffnet wurde – und darüber hinaus mit einigen Worten über ihre Resultate und die sich daraus ergebenden Perspektiven – soll sie nun schließen. Auf diesen letzten Seiten werden zunächst einmal im Rückblick die Hauptthesen sowie die zentralen Ergebnisse zusammenfassend wiederholt (ein Überblick über die einzelnen Kapitel befindet sich in der Einleitung); im Anschluss wird dann ein Ausblick auf einige mögliche Ausbaumöglichkeiten des entwickeltes Modells gegeben. Einige rekurrierende Grundfunktionen oder Kategorien können als übereinzelsprachlich, gar universal präsent in den Sprachen der Welt festgestellt werden; sie drücken sehr allgemeine räumliche und zeitliche Strukturierungen aus, durch die der Mensch mittels seiner kognitiven Fähigkeiten das, was er als Welt wahrnimmt, organisiert. Es handelt sich also um konzeptuelle Inhaltskategorien, die in den Einzelsprachen dann durch die verschiedensten sprachlichen Mittel – lexikalische und grammatikalische Morpheme wie komplexere syntaktische Einheiten – ausgedrückt werden. Will man Sprachen vergleichen, muss man eben nach solchen Kategorien suchen, die hier als Grundlage und damit als tertium comparationis dienen können. Gerade in diesem Sinne – und daher aus onomasiologischer Perspektive – wurde Aspektualität in diesem Buch als universale semantische Kategorie definiert, durch die die Sprecher die Art des Ablaufs und der Distribution von Sachverhalten in der Zeit sprachlich strukturieren. Die Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart als Unterkomponenten innerhalb der Aspektualität wurde dabei aufgehoben, denn aus einer solchen Perspektive erweist es sich in der Tat als unmöglich, weiter auf der semantischen Verschiedenheit von Aspekt und Aktionsart zu bestehen: Beide Kategorien drücken auf einer allgemeineren, kognitiven Ebene die innere zeitliche Strukturierung eines Sachverhalts aus, beide sind Aspektualität. Mit dieser Verteidigung der semantischen Homogenität des aspektualen Bereichs positioniert sich diese Arbeit in der aspektologischen Forschung im Bereich der monodimensionalen Ansätze. Aspektualität ist hier als komplexe, interaktionale Kategorie aufgefasst; ihre Komplexität betrifft dabei im Wesentlichen zwei Ebenen: einerseits die Ebene der onomasiologischen Fundierung der Kategorie als solcher, andererseits diejenige
Schlussbemerkungen
225
der vielfältigen miteinander interagierenden Elemente, durch die die Aspektualität in der Beschreibung von Sachverhalten konkret versprachlicht wird. Damit unterscheidet sich der Ansatz dieses Buches in einem wichtigen Punkt von vielen den aspektualen Kategorien gewidmeten Untersuchungen. Denn wenn auch sicherlich allgemein breiter Konsens über die Notwendigkeit der Verbklassifikation im Kontext besteht (ein Verb kann nicht unabhängig von seinen Argumenten einer oder der anderen Verbalklasse zugeordnet werden), wird doch allerdings eher selten auf den Einfluss weiterer Elemente im Satz auf den aspektualen Wert hingewiesen, noch weniger auf die Auswirkung außersprachlicher und pragmatischer Faktoren. Gerade dies wird in dieser Untersuchung besonders beachtet: Die aspektuale Interpretation eines Sachverhalts resultiert aus einer sehr komplexen Interaktion von mehreren Elementen oder Teilkomponenten. Auch die Elemente, die direkt keine aspektuale Information vermitteln (etwa Negationen oder bestimmte Wortstellungstypen), interagieren mit denen, die dies direkt tun (etwa Verblexien, morphologische Aspektmarkierungen oder adverbiale Bestimmungen), so dass sie die gesamte Interpretation des Sachverhalts beeinflussen. Dabei kann diese Interaktion ein gegenseitiges Intensivieren, Präzisieren, aber auch Korrigieren und Aufheben der vielen Informationen bedeuten, die die zeitliche Strukturierung des Sachverhalts betreffen. Eines der Hauptanliegen dieser Arbeit war es, nach der Darstellung dieser umfassenden Kategorie der Aspektualität ein monodimensionales Modell zur Klassifizierung und Interpretation aspektualer Inhalte von Sachverhalten zu liefern, das anhand eines auf konzeptueller Ebene angesiedelten Beschreibungsund Analyseinstrumentariums übereinzelsprachlich anwendbar und effizient im Sprachvergleich ist, gleichzeitig aber detailliert Analysen auch speziellerer Phänomene in den Einzelsprachen leisten kann. Das Modell sollte, im Unterschied zu anderen monodimensionalen Modellen, auch einen Schwerpunkt auf der Semantik und nicht auf der Syntax der zur Beschreibung von Sachverhalten dienenden Sätze haben. Für dieses Ziel wurde ein frame-theoretischer Interpretationsrahmen gewählt, und es wurden folglich Sachverhalte als Situationsframes aufgefasst. Die Vorteile einer solchen Entscheidung sind verschiedene: Zunächst einmal liefert ein frame-theoretischer Ansatz eine besondere Auffassung der Inhaltskategorie der Aspektualität, als Wahrnehmungs- oder Konzeptualisierungsgestalt, als Form menschlicher konzeptueller Organisation der Realität, die viele der Probleme der traditionellen Auffassung löst. Dann ist Frame – als strukturierter und zusammenhängender Wissenskontext definiert, der allgemein konzeptueller oder kulturspezifischer Natur sein kann, mittels dessen der Mensch verschiedene Alltagssituationen angeht – ein multidimensionales Konzept mit einer konzeptuellen und einer sozialen Dimension,
226
Schlussbemerkungen
das eine fruchtbare Auseinandersetzung mit bestimmten Formen der Polysemie erlaubt. Eine semantische Erklärung von sprachlichen Strukturen, die das enzyklopädische Wissen des Menschen berücksichtigt, hat nämlich den enormen Vorteil, historische und soziokulturelle Faktoren der Kommunikation gut berücksichtigen zu können. Die sprachlichen Elemente werden dabei nicht als einfacher, unmittelbarer Ausdruck von Konzepten verstanden, mit denen sie dann auch direkt äquivalent wären, sondern vielmehr als Werkzeuge, die Sprecher und Hörer dazu veranlassen, bestimmte Bereiche ihres Weltwissens zu aktivieren: In unterschiedlichen Gebrauchskontexten werden unterschiedliche Bereiche in unterschiedlichen Graden aktiviert. Dies erweist sich gerade in der Behandlung sprachlicher Strukturierungen aspektualer Inhalte ganzer Sachverhalte als besonders nützlich. Dabei sind die hier behandelten Aspektualitäts-Frames auf einer sehr abstrakten Ebene einzuordnen, denn sie stehen für ganze Klassen von Frames. Frames bestehen aus in Kontiguität zueinander stehenden Elementen; so ist hier Aspektualität als aus Elementen bestehend definiert worden, die in einer besonderen Form der Kontiguität zueinander stehen und die jeweils unterschiedlich fokussiert oder perspektiviert werden können. Als Beschreibungsund Klassifikationsprinzip aspektualer Inhalte wurde, passend zu der gewählten onomasiologischen Perspektive, ein auf dem Figur-Grund-Prinzip und daher auf dem grundlegenden kognitiven Assoziationsprinzip der Kontiguität basierendes Prinzip gewählt, das Delimitationsprinzip. Auf der Basis des Delimitationsprinzips, das allgemein als Setzung zeitlicher Anfangs-, End- und Unterteilungsgrenzen im zeitlichen Ablauf eines Sachverhaltes zu verstehen ist, wurde Aspektualität in drei Dimensionen oder Betrachtungsperspektiven untergliedert, abhängig davon, was im Situationsframe in den Vordergrund gestellt oder fokussiert wird. Im Delimitationsprozess werden also die am Prozess teilhabenden Elemente – die Grenzen tx selbst, die Umgebung vor und nach den gesetzten Grenzen und das Intervall, das von zwei gesetzten Grenzen umschlossen wird – nach drei verschiedenen Perspektiven fokussiert: 1) die externe Aspektualität eines Sachverhalts oder seine absolute Abgrenzung; 2) die umgebungsbezogene Aspektualität oder die Relevanz eines Sachverhalts für seine Umgebung; 3) die interne Aspektualität oder aber seine weitere interne Unterteilung. In jeder dieser Dimensionen, die jeweils als Figur im Verhältnis zu den beiden anderen (als dem zugehörigen Grund) wahrgenommen wird, lässt sich nun wiederum eine begrenzte Anzahl von Ausformungen finden, in denen sich diese Dimensionen im einzelnen Frame verwirklichen: die aspektualen Basiskonzeptualisierungen. Diese sind miteinander auf der höheren Ebene des gesamten Sachverhalts kombinierbar (und im jeweils aktuell ausgedrückten Sachverhalt notwendigerweise kombiniert) und die aspektuale Gesamtbedeutung eines Situationsframes
Schlussbemerkungen
227
entsteht gerade aus dieser Kombination. Dabei wird auch ein Inventar der möglichen und unmöglichen Kombinationsmuster der aspektualen Basiskonzeptualisierungen erstellt, die hier als Delimitationsschemata bezeichnet werden. In komplexeren Sachverhalten finden weitere Perspektivierungen der im Sachverhalt dargestellten zeitlichen Grenzen statt. Ausgehend von Kombinationen von Basiskonzeptualisierungen wurde also ein Modell der Aspektualität entwickelt, das sich auf zwei Ebenen gliedert: Auf der ersten Ebene werden Kombinationen von Basiskonzeptualisierungen weniger komplexer Sachverhalte dargestellt; auf der zweiten werden die auf der ersten Ebene vorausgesetzten konstitutiven Momente tx1, tx2, … txn eines intern unterteilten Sachverhalts – einzeln oder zu mehreren – weiter fokussiert, also in den Vordergrund des Situationsframe gestellt und wiederum die aspektuale Delimitation um diese herum dargestellt. Auf der zweiten Ebene sind etwa komplexe zeitliche Strukturierungen von Sachverhalten wie beispielsweise die des Progressivums zu sehen. Anhand der Kombination der begrenzten Zahl von Ausformungen der drei Delimitationsperspektiven auf den zwei Ebenen des hier entwickelten Modells ist es tatsächlich möglich, alle aspektualen Inhalte von Sachverhalten in einer beliebigen Sprache homogen darzustellen. Die Anwendung des Modells auf die vier behandelten romanischen Sprachen – auf das Italienische, Französische, Spanische und Katalanische – stellt ein weiteres zentrales Anliegen des Buches dar: Einerseits kann damit die Effizienz des Modells für die Beschreibung aspektualer Inhalte am Beispiel einiger Einzelsprachen überprüft werden, andererseits kann gleichzeitig auch eine in der aktuelleren Forschung noch fehlende ausführliche vergleichende Studie der Aspektualität in den romanischen Sprachen dargestellt werden. Die Anwendung wurde aus onomasiologischer Perspektive durchgeführt: Ausgehend von der Darstellung der verschiedenen aspektualen Inhalte, die sich durch verschiedene Kombinationen von Basiskonzeptualisierungen (die Delimitationsschemata) ergeben, wurde nach der Art und Weise gesucht, durch die die hier behandelten romanischen Sprachen solche Inhalte versprachlichen, wenn auch kein umfassendes Inventar der Realisierungsmöglichkeiten in den jeweiligen einzelnen Sprachen gegeben wurde. Dafür wurden Beispiele aus den vier romanischen Sprachen parallel dargestellt und kommentiert, in denen Aspektualität sowohl durch lexikalische als auch durch grammatikalische Mittel ausgedrückt wird und die außerdem zumeist unterschiedliche Tempora aufweisen. Dies erfolgte in dieser Art und Weise aus mehreren Gründen: Zunächst diente die parallele Behandlung von Beispielen aus den vier romanischen Sprachen dazu, die Vielfalt an formalen Mitteln zu zeigen, die diesen zur Verfügung stehen, aspektuale Inhalte auszudrücken. Damit konnte sowohl gezeigt werden, dass unterschiedliche Sprachen
228
Schlussbemerkungen
unterschiedliche Mittel haben können, um denselben aspektualen Inhalt auszudrücken, als auch, dass ein und dieselbe Sprache dafür mehrere alternative Möglichkeiten zur Verfügung hat. Die Darstellung dieser Unterschiede zeigte dabei, dass es keine unausweichliche Entsprechung zwischen einer besonderen Ausformung der Aspektualität und einer präzisen morphologischen Markierung oder einem bestimmten Typ von Prädikat gibt: Es können tatsächlich nicht nur die traditionell perfektiv genannten Verbformen die Präsenz einer externen Delimitation, einer Abgrenzung eines Sachverhalts, ausdrücken, diese kann auch durch andere Tempusformen wie das Präsens und auch durch lexikalische oder lexikosyntaktische Formen ausgedrückt werden, etwa adverbiale Bestimmungen oder Kombinationen von Verbstämmen mit besonderen Argumenten. Damit wird auch klar, dass das hier dargestellte Modell keine reine Übersetzung der traditionellen Kategorien in eine andere Terminologie sein kann. Die Analyse beider Ebenen des Modells in den romanischen Sprachen erlaubt es weiter, Probleme der Klassifikation von Formen der Sprache anzugehen und zu überwinden, die unterschiedliche Grade der Grammatikalisierung oder der Lexikalisierung aufweisen, wie denen der aspektualen Verbalperiphrasen, und diese damit so in das romanische Verbalsystem zu integrieren, dass sie aus ihrer Hybridposition befreit werden können. Dieses auf Monodimensionalität basierende und frame-orientierte Modell, das eine kompakte Gruppe von elementaren Bedeutungen oder Grundkonzepten (die Basiskonzeptualisierungen) umfasst und dem schließlich auch ein einziges, aber umfassendes kognitives Prinzip zu Grunde liegt, hat sich insgesamt als geeignetes Instrument sowohl für eine sprachvergleichende Untersuchung aspektualer Inhalte als auch für die Beschreibung von Aspektualität in einer Einzelsprache erwiesen. Für Letztere ist also nicht unbedingt eine separate Untersuchung aus semasiologischer Perspektive nötig. Bei diesem Stand der Arbeit liegen weitere Themen zum Ausbau nahe: Auf einer allgemeineren Ebene sollte das Modell – das eine seiner Stärken gerade in der Anwendung in typologischen Untersuchungen haben könnte – an weiteren, eben typologisch unterschiedlichen Sprachen überprüft werden. Dabei sollte etwa analysiert werden, welche der möglichen Kombinationen aspektualer Basiskonzeptualisierungen in den jeweiligen Sprachen tatsächlich ausgedrückt werden und durch welche Mittel dies geschieht. Dabei sollte auch die Gültigkeit der hier vorgestellten constraints weiter verifiziert werden, damit die Universalität des Modells auch auf eine breitere empirische Basis gestellt werden kann. Auf der Ebene der Anwendung des Modells auf die romanischen Sprachen wären zunächst einige der hier durchgeführten synchronen Analysen der einzelsprachlichen Phänomene mit weiteren Daten zu vertiefen bzw. könnte der
Schlussbemerkungen
229
Fokus der Untersuchung vom Sprachvergleich auf eine Einzelsprache verschoben werden. So könnte ein komplettes und detailliertes Bild der Aspektualität der analysierten romanischen Sprache erreicht werden, was bislang auch aus onomasiologischer Perspektive nur sehr selten versucht wurde. Auch könnte das Modell auf weitere einzelsprachliche romanische Phänomene in der Diachronie angewandt werden (etwa auf den Wandel des Gebrauchs von sogenannten Aspektoppositionen vom Alt- zum Neufranzösischen oder vom Alt- zum Neuitalienischen). Weitere Anwendungen des Modells in speziellen Gebieten der Linguistik wie der Übersetzungstheorie und der Sprachdidaktik könnten sich als besonders fruchtbar erweisen: Dabei könnte etwa das klassische Problem des Fehlens einer Äquivalenz im Deutschen für die romanische am Verb flexiv markierte Aspektualität aus einer anderen Perspektive angegangen werden. Denn mit den Beschreibungsinstrumenten dieses Modells ist es nicht mehr nötig, für jede Sprache eine (in dieser besonders effiziente) aspektuale Kategorie zu postulieren, die dann ihre eigenen (mit weiteren Kategorien nicht ganz vergleichbaren) Organisationsprinzipien und Unterkategorien aufweist. Die Beschreibung von aspektualen Inhalten anhand von Basiskonzeptualisierungen kann gerade im Vergleich von Sprachen, die aspektuale Inhalte und ihre Kombinationen nach sehr verschiedenen Präferenzen ausdrücken, als gemeinsame Basis dienen und ein diesbezügliches sprachdidaktisches Modell ermöglichen.
Abkürzungen Sprachen dt. eng. fr.
Deutsch Englisch Französisch
it. kat. sp.
Italienisch Katalanisch Spanisch
Verbalformen Deutsch [Präs.] Präsens Indikativ [Prät.] Präteritum Indikativ [Perf.] Perfekt Indikativ [Fut.] Futur Indikativ [Präs. Imp.] Präsens Imperativ [Präs. Konj.] Präsens Konjunktiv [Inf.] Infinitiv [Ger.] Gerundium Englisch [Sim. Pres.] [Pres. Prog.] [Sim. Past] [Past Prog.]
Simple Present Present Progressive Simple Past Past Progressive
Französisch [Prés.] [Imp.] [Pass. Sim.] [Pass. Com.] [Fut.] [Prés. Imp.] [Prés. Subj.]
Présent Indicatif Imparfait Indicatif Passé Simple Indicatif Passé Composé Indicatif Futur Simple Indicatif Présent Impératif Présent Subjonctif
Italienisch [Pres.] Presente Indicativo [Imp.] Imperfetto Indicativo [Perf. Sem.] Perfetto Semplice Indicativo [Perf. Com.] Perfetto Composto Indicativo [Fut.] Futuro Semplice Indicativo [Pres. Imp.] Presente Imperativo [Pres. Cong.] Presente Congiuntivo Katalanisch [Pres.] Present Indicatiu [Imp.] Pretèrit Imperfet Indicatiu [Pret. Perf. Sim.] Pretèrit Perfet Simple Indicatiu [Pret. Perf. Per.] Pretèrit Perfet Perifràstic Indicatiu [Pret. Indef.] Pretèrit Indefinit Indicatiu [Fut.] Futur Simple Indicatiu Spanisch [Pres.] Presente Indicativo [Imp.] Imperfecto Indicativo [Perf. Sim.] Perfecto Simple Indicativo [Perf. Com.] Perfecto Compuesto Indicativo [Fut.] Futuro Simple Indicativo [Pres. Imp.] Presente Imperativo [Pres. Subj.] Presente Subjuntivo
Abkürzungen
231
Traditionelle Beschreibung der Aspekt-Oppositionen [v. abit.] [v. prog.] [v. cont.] [v. comp.] [v. aor.]
valore abituale1 valore progressivo valore continuativo valore compiuto valore aoristico
[Prog. Foc.] [Prog. Dur.]
Progressif focalisé2 Progressif duratif
Beschreibung der Aspektualität und der aspektualen Basiskonzeptualisierungen SV
Sachverhalt
SF
Situationsframe
DS
Delimitationsschema
EA UA IA
externe Aspektualität umgebungsbezogene Aspektualität interne Aspektualität
EA/a EA/pa EA/na UA/fr UA/ir UA/tr UA/nr IA/u IA/nu
extern abgegrenzter SV extern punktuell abgegrenzter SV extern nicht abgegrenzter SV umgebungsbezogen final relevanter SV umgebungsbezogen initial relevanter SV umgebungsbezogen final und initial (transformativ) relevanter SV umgebungsbezogen nicht relevanter SV intern unterteilter SV intern nicht unterteilter SV
NEA NUA NIA
Unmöglichkeit der externen Aspektualität Unmöglichkeit der umgebungsbezogenen Aspektualität Unmöglichkeit der internen Aspektualität
1 Die Formen sind in italienischer Sprache bezeichnet, da sie sich auf Bertinetto (1986) beziehen. 2 Die Formen sind in französischer Sprache bezeichnet, da sie sich auf Bertinetto (1995a) beziehen.
Bibliographie Abraham, Werner/Janssen, Theo (edd.), Tempus – Aspekt – Modus. Die lexikalischen und grammatischen Formen in den germanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1989. Agrell, Sigurd, Aspektänderung und Aktionsartbildung beim polnischen Zeitwort. Ein Beitrag zum Studium der indogermanischen Präverbia und ihrer Bedeutungsfunktionen, Lund, Ohlsson, 1908. Aijmer, Karin, The Semantic Path from Modality to Aspect: «Be Able to» in a Cross-Linguistic Perspective, in: Hans Lindquist/Christian Mair (edd.), Corpus approaches to grammaticalization in English, Amsterdam, Benjamins, 2004, 57–78. Alarcos Llorach, Emilio, Sobre la estructura del verbo español, Boletín de la Biblioteca Menéndez Pelayo 31 (1949), 108–139. Alarcos Llorach, Emilio, Otra vez sobre el sistema verbal español, in: Rafael Lapesa (ed.), Homenaje a la memoria de Don Antonio Rodríguez Moñino, Madrid, Castalia, 1975, 9–26. Alarcos Llorach, Emilio, Gramática de la lengua española, Madrid, Espasa (Real Academia Española, colección Nebrija y Bello), 101999. Alturo, Nuria, La semàntica verbal del català: la representació dels esdeveniments, Dissertationsschrift, Barcelona, Publicacions de la Universitat de Barcelona, 1997. Alturo, Nuria, El papel de la anterioridad y de la perfectividad en la representación de estados y eventos, in: María José Serrano (ed.), Estudios de variación sintática, Madrid, Iberoamericana, 1999, 143–172. Alturo, Nuria, Les activitats no són accions (situacions i tipus de text en anglès i català), Caplletra, Revista internacional de Filología 30 (2001), 111–134. Ambrosini, Riccardo, L’uso dei tempi storici nell’italiano antico, L’Italia dialettale 29/1 (1960/61), 13–124. Ambrosini, Riccardo, Sulla sintassi del verbo nella prosa toscana del Dugento – ovvero – Tempo e aspetto nell’italiano antico, Lingua e Stile 35/4 (2000), 547–571. Anderson, Stephen R., On the formal description of inflection, CLS 13 (1977), 15–44. Anderson, Stephen R., Where’s Morphology?, Linguistic Inquiry 13 (1982), 571–612. Anderson, Stephen R., Morphological Theory, in: Frederick J. Newmeyer (ed.), Linguistics: The Cambridge survey I. Linguistic Theory: Foundations, Cambridge, Cambridge University Press, 1988, 146–191. Anscombre, Jean-Claude, Imparfait et passé composé: des forts en thème/propos, L’information grammaticale 55 (1992), 43–53. Anscombre, Jean-Claude, L’imparfait d’atténuation: quand parler à l’imparfait, c’est faire, Langue française 142 (2004), 75–99. Anstatt, Tanja, «Zeit». Motivierungen und Strukturen der Bedeutungen von Zeitbezeichnungen in slawischen und anderen Sprachen, München, Sagner, 1996. Anstatt, Tanja, Aspekt, Argumente und Verbklassen im Russischen, unveröffentlichte Habilitationsschrift, Universität Tübingen, 2003. Aschenberg, Heidi, On remplace les mauvaises têtes? Zum Kontextbegriff in der Sprachwissenschaft, unveröffentlichtes Manuskript, 2008. Asnes, Maria, Incompatibility between Telicity and Homogeneity in French, in: Bart Hollebrandse/Angeliek van Hout/Co Vet (edd.), Crosslinguistic Views on Tense, Aspect and Modality, Amsterdam, Rodopi, 2005, 93–102. Auwera van der, Johan/Gast, Volker, Categories and Prototypes, in: Jae Jung Song (ed.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 166–189.
Bibliographie
233
Bach, Emmon, The Algebra of Events, Linguistics and Philosophy 9/1 (1986), 5–16. Bache, Carl, Aspect and Aktionsart: towards a semantic distinction, Linguistics 18 (1982), 57–72. Bache, Carl, The Study of Aspect, Tense and Action: Towards a Theory of the Semantics of Grammatical Categories, Frankfurt a. M. et al., Peter Lang, 1995 (= 1995a). Bache, Carl, Another look at the distinction between aspect and action, in: Pier Marco Bertinetto et al. (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 2: Typological Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995, 65–78 (= 1995b). Bache, Carl/Basbøll, Hans/Lindberg, Carl-Erik, Tense, Aspect and Action. Empirical and Theoretical Contributions to Language Typology, Berlin/New York, De Gruyter, 1994. Badia i Margarit, Antoni M., Gramàtica de la llengua catalana. Descriptiva, normativa, diatòpica, diastràtica, Barcelona, Proa, 1994. Barsalou, Lawrence W., Frames, Concepts and conceptual Fields, in: Adrienne Lehrer (ed.), Frames, fields and contrasts: new essays in semantic and lexical organization, Hillsdale, NJ, Erlbaum, 1992, 21–64. Bates, Elizabeth/MacWhinney, Brian, Functionalist approaches to grammar, in: Lila R. Gleitman/ Eric Wanner (edd.), Language Acquisition: The State of the Art, Cambridge, Cambridge University Press, 1982. Bazzanella, Carla, «Modal» uses of the Italian Indicativo Imperfetto in a pragmatic perspective, Journal of Pragmatics 14/3 (1990), 439–457. Beck, Gabriele, Verb, Satz, Zeit: zur temporalen Struktur der Verben im Französischen, Tübingen, Niemeyer, 1987. Beck-Busse, Gabriele, Per una rilettura di «Verbs and Times» di Zeno Vendler, Studi italiani di linguistica teorica e applicata 24/1 (1995), 43–58. Becker, Martin, From temporal to modal: divergent fates of the Latin synthetic pluperfect in Spanish and Portuguese, in: Ulrich Detges/Richard Waltereit (edd.), The Paradox of Grammatical Change. Perspectives from Romance, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 2008, 147–179. Becker, Martin, Modus und Modalität in romanischen Sprachen: eine vergleichende diachrone Untersuchung zur Kategorie Modus und den Prinzipien ihres Wandels, Berlin/Boston, De Gruyter, im Druck. Bello, Andrés, Análisis ideológica de los tiempos de la conjugación castellana, in: Obras Completas: Estudios gramaticales, Caracas, Ministerio de Educación, 1951 (1841), 1–67. Bello, Andrés, Gramática de la lengua castellana destinada al uso de los americanos, ed. Ramón Trujillo, Santa Cruz de Tenerife, Instituto universitario de Lingüística Andrés Bello, 1981 (1847). Benveniste, Émile, Les relations de temps dans le verbe français, Bulletin de la Société de Linguistique de Paris 54 (1959), 69–82 (repr. 1966 in: Problèmes de linguistique générale, 1966, 237–250). Berlin, Brent/Kay, Paul, Basic Color Terms: Their Universality and Evolution, Berkeley, University Press, 1969. Berrettoni, Pierangiolo, La metafora aspettuale, Studi e Saggi Linguistici 12 (1972), 250–259. Berrettoni, Pierangiolo, Aspetto verbale e viaggi temporali: sul contenuto semantico dell’aspetto progressivo, Studi e Saggi Linguistici 22 (1982), 49–118. Berthonneau, Anne-Marie/Kleiber, Georges, Pour une nouvelle approche de l’imparfait: l’imparfait, un temps anaphorique méronanique, Langages 112 (1993), 55–73. Berthonneau, Anne-Marie/Kleiber, Georges, Un imparfait de plus… et le train déraillait, in: Sylvie Mellet/Marcel Vuillaume (edd.), Modes de repérages temporels, Amsterdam, Rodopi, 2003, 1–24.
234
Bibliographie
Bertinetto, Pier Marco, Nuovamente sull’imperfetto narrativo, Lingua Nostra 41 (1980), 83–89. Bertinetto, Pier Marco, Il carattere del processo («Aktionsart») in italiano: proposte sintatticamente motivate. Per una tipologia del lessico verbale, in: Massimo Moneglia (ed.), Tempo verbale: Strutture quantificate in forma logica. Atti del Seminario, Accademia della Crusca 13–14 dicembre 1979, Firenze, Accademia della Crusca, 1981. Bertinetto, Pier Marco, Tempo, aspetto e azione nel verbo italiano. Il sistema dell’indicativo, Firenze, Accademia della Crusca, 1986. Bertinetto, Pier Marco, Avverbi pseudodeittici e restrizioni sui tempi verbali in italiano, in: Nicoletta Maraschio et al. (edd.), Tra Rinascimento e strutture attuali (Atti del Primo Convegno della Società Internazionale di Linguistica e Filologia Italiana, Siena, 28–31 marzo 1989), Torino, Rosenberg & Sellier, 1991, 289–304. Bertinetto, Pier Marco, Le strutture tempo-aspettuali dell’italiano e dell’inglese a confronto, in: Antonia G. Mocciaro/Giulio Soravia (edd.), L’Europa linguistica: contatti, contrasti, e affinità di lingue, Roma, Bulzoni, 1992, 49–68 (= 1992a). Bertinetto, Pier Marco, Metafore tempo-aspettuali, Linguistica 32 (1992), 89–110 (= 1992b). Bertinetto, Pier Marco, Temporal reference, Aspect and Actionality: Their neutralizations and interactions, mostly exemplified in Italian, in: Carl Bache/Hans Basbøll/Carl-Erik Lindberg (edd.), Tense, Aspect and Action. Empirical and Theoretical Contributions to Language Typology, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 1994, 113–137. Bertinetto, Pier Marco, Vers une typologie du progressif dans les langues d’Europe, Modèles Linguistiques 16/2 (1995), 37–61 (= 1995a). Bertinetto, Pier Marco, Le perifrasi abituali in italiano ed in inglese, Studi Orientali e Linguistici 6 (1995/96) (1995), 117–133 (= 1995b). Bertinetto, Pier Marco, Le perifrasi progressiva e continua nella narrativa dell’Otto e Novecento, in: Lucio Lugnani/Mario Santagata/Alfredo Stussi (edd.), Studi offerti a Luigi Blasucci dai colleghi e dagli allievi pisani, Lucca, Pacini Fazzi, 1996, 77–100. Bertinetto, Pier Marco, Il dominio tempo-aspettuale. Demarcazioni, intersezioni, contrasti (con la collaborazione di Denis Delfitto), Torino, Rosenberg & Sellier, 1997. Bertinetto, Pier Marco, Sui connotati azionali ed aspettuali della perifrasi continua («andare / venire + gerundio»), in: Giuliano Bernini/Pierluigi Cuzzolin/Piera Molinelli (edd.), Ars linguistica. Studi offerti da colleghi ed allievi a Paolo Ramat in occasione del suo 60° compleanno, Roma, Bulzoni, 1998, 109–128 (= 1998a). Bertinetto, Pier Marco, Verso una definizione della perifrasi «continua» («andare / venire + gerundio»), in: Luciano Agostiniani et al. (edd.), do-ra-qe pe-re: Studi in memoria di Adriana Quattordio Moreschini, Pisa, Giardini, 1998, 87–101 (= 1998b). Bertinetto, Pier Marco, Il sintagma verbale, in: Lorenzo Renzi/Giampaolo Salvi/Anna Cardinaletti (edd.), Grande grammatica italiana di consultazione, vol. 2, Bologna, Il Mulino, 22001, 11–317. Bertinetto, Pier Marco/Bianchi, Valentina/Higginbotham, James/Squartini, Mario (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 1: Semantic and Syntactic Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995. Bertinetto, Pier Marco/Bianchi, Valentina/Dahl, Östen/Squartini, Mario (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 2: Typological Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995. Bertinetto, Pier Marco/Delfitto, Denis, L’espressione della progressività-continuità: un confronto tripolare (italiano, inglese e spagnolo), in: Paola Benincà et al. (edd.), Italiano e dialetti nel tempo. Studi di grammatica per Giulio C. Lepschy, Roma, Bulzoni, 1996, 45–66.
Bibliographie
235
Bertinetto, Pier Marco/Lenci, Alessandro, Habituality, Pluractionality, and Imperfectivity, in: Robert Binnick (ed.), The Oxford Handbook of Tense and Aspect, Oxford, Oxford University Press, 2012, 852– 880. Bickel, Balthasar, Aspect, Mood, and Time in Belhare: Studies in the Semantics-Pragmatics Interface of a Himalayan Language, Zürich, Universität Zürich, 1996. Bickel, Balthasar, Aspectual scope and the difference between logical and semantic representation, Lingua 102 (1997), 115–131. Bickel, Balthasar, Unlogischer Aspekt: Zur Bedeutungsstruktur von Aspekt und Aktionsart, besonders im Belharischen, in: Walter Breu (ed.), Probleme der Interaktion von Lexik und Aspekt (ILA), Tübingen, Niemeyer, 2000, 1–20. Bickel, Balthasar, Grammatical Relations Typology, in: Jae Jung Song (ed.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 399–444. Bickerton, Derek, Language and human behaviour, London, UCL Press, 1996. Binnick, Robert I., Time and the Verb. A Guide to Tense and Aspect, Oxford, Oxford University Press, 1991. Binnick, Robert I., The Project on Annotated Bibliography of contemporary Research in Tense, Grammtical Aspect, Aktionsart, and Related Areas – Bibliographic Entries, Toronto, University of Toronto Scarborough, 2006. Binnick, Robert I. (ed.), The Oxford Handbook of Tense and Aspect, Oxford, Oxford University Press, 2012. Blank, Andreas, Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1997. Blank, Andreas, Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten, Tübingen, Niemeyer, 2001. Blank, Andreas/Koch, Peter (edd.), Historical Semantics and Cognition, Berlin/New York, Mouton De Gruyter, 1999. Blücher, Kolbjørn, Considerazioni sui costrutti del tipo «stare cantando», «andare cantando», «venire cantando», Revue Romane 8/1–2 (1973), 13–20. Blücher, Kolbjørn, Studio sulle forme «ho cantato», «cantai», «cantavo», «stavo cantando». Struttura, funzione e uso nel sistema verbale del italiano moderno, Bergen/Oslo/Tromsø, Universitetsforlaget, 1974. Blumenthal, Peter, Vergangenheitstempora, Textstrukturierung und Zeitverständnis in der französischen Sprachgeschichte, Wiesbaden, Steiner, 1986. Böckle, Klaus, Zur aspektuellen Verbalperiphrase im Französischen, Portugiesischen und Italienischen, in: Richard Baum/Franz Josef Hausmann/Irene Monreal-Wickert (edd.), Sprache in Unterricht und Forschung: Schwerpunkt Romanistik, Tübingen, Narr, 1979, 195–216. Böckle, Klaus, Zum Konjunktiv im Portugiesischen. Kritik älterer Theorien und Versuch eines neuen Ansatzes am Beispiel der Konstruktion mit daí que, in: Jürgen Schmidt-Radefeldt (ed.), Portugiesische Sprachwissenschaft, Tübingen, Narr, 1983 (= 1983a). Böckle, Klaus, Eine diachronische Untersuchung zum Verhältnis von «por» und «para» in der Iberoromania: Kritik und Ergänzungen, Zeitschrift für romanische Philologie 99 (1983), 69–83 (= 1983b). Böckle, Klaus, Para uma análise semântica do emprego dos modos nas orações ilativas iniciadas por «daí que» e semelhantes correlativos em português contemporâneo, in: José G. Herculano de Carvalho/Jürgen Schmidt-Radefeldt (edd.), Estudos de linguística portuguesa, Coimbra, Coimbra Editora, 1984. Bondarko, Aleksandr V., Diskussii I obsuždenija, Voprosy jazykoznanija 2 (1967), 18–31.
236
Bibliographie
Bondarko, Aleksandr V., Teorija funkcional’noj grammatiki t. 1. Vvedenie. Aspektual’nost’. Vremennaja lokalizovannost’, Taksis, Leningrad, 1987. Bonfante, Giuliano, L’aspetto verbale del tipo italiano: (io) sto facendo, (io) sto insegnando, Archivio Glottologico Italiano 68 (1983), 50. Bonomi, Andrea/Zucchi, Alessandro, Tempo e linguaggio. Introduzione alla semantica del tempo e dell’aspetto verbale, Milano, Mondadori, 2001. Boogaart, Ronny, Towards a theory of discourse aspectuality, in: Pier Marco Bertinetto et al. (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 1: Semantic and Syntactic Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995, 221–236. Booij, Geert, Construction Morphology, Oxford, Oxford University Press, 2010. Borillo, Andrée/Vetters, Carl/Vuillaume, Marcel (edd.), Regards sur l’aspect, Amsterdam, Rodopi, 1997. Borillo, Andrée/Vetters, Carl/Vuillaume, Marcel (edd.), Variations sur la référence verbale, Amsterdam, Rodopi, 1998. Bosque, Ignacio (ed.), Tiempo y aspecto en español, Madrid, Cátedra, 1990 (=1990a). Bosque, Ignacio (ed.), Sobre el Aspecto en los adjetivos y en los participios, in: id. (ed.), Tiempo y aspecto en español, Madrid, Cátedra, 1990, 177–214, (=1990b). Bosque, Ignacio/Demonte, Violeta (edd.), Gramática descriptiva de la lengua española, 3 vol., Madrid, RAE-Espasa Calpe, 1999. Breu, Walter, Zur Rolle der Lexik in der Aspektologie, Die Welt der Slaven 29 (1984), 123–148. Breu, Walter, Handlungsgrenzen als Grundlage der Verbklassifikation, in: Werner Lehfeldt (ed.), Slavistische Linguistik, München, Sagner, 1985, 9–34. Breu, Walter, Interactions between lexical, temporal and aspectual meanings, Studies in Language 18 (1994), 23–44. Breu, Walter (ed.), Probleme der Interaktion von Lexik und Aspekt (ILA), Tübingen, Niemeyer, 2000. Brianti, Giovanna, Périphrases aspectuelles de l’italien. Le cas de andare, venire et stare + gérondif, Bern, Peter Lang, 1992. Brianti, Giovanna, Diacronia delle perifrasi aspettuali dell’italiano. Il caso di stare + gerundio, andare e venire + gerundio, Lingua Nostra 61/1–2 (2000), 35–53. Brinton, Laurel J./Traugott, Elizabeth C., Lexicalization and language change, Cambridge, Cambridge University Press, 2005. Brucart, Josep M./Rigau, Gemma, Els temps verbals en español i en català: sistemàtica i terminologia, Articles de didàctica de la llengua i de la literatura 12 (1997), 81–100. Bühler, Karl, Sprachtheorie: die Darstellungsfunktion der Sprache, Jena, Fischer, 1934. Bull, William E., Modern Spanish Verb-Form Frequencies, Hispania 30 (1947), 451–466. Bull, William E., Time, Tense and the Verb: a Study in Theoretical and Applied Linguistics, with particular Attention to Spanish, Berkeley/Los Angeles, University of California Press, 1960. Bull, William E./Farley, Rodger, Exploratory Study of the Nature of Actions and the Functions of Verbs in Spanish, Hispania 32 (1949), 64–73. Bustos Gisbert, José M., La temporalidad en español: Análisis intencional, Linguística Española Actual 17/2 (1995), 143–166. Bybee, Joan L., Morphology: a Study of the Relation between Meaning and Form, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 1985. Bybee, Joan L./Dahl, Östen, The creation of tense and aspect systems in the languages of the world, Studies in Language 13/1 (1989), 51–103. Bybee, Joan L./Perkins, Revere D./Pagliuca, William, The evolution of grammar: tense, aspect and modality in the languages of the world, Chicago/London, The University of Chicago Press, 1994.
Bibliographie
237
Cano Aguilar, Rafael, El español a través de los tiempos, Madrid, Arco Libros, 1988. Carlson, Greg N., Reference to Kinds in English, Ph.D. Diss., University of California, 1977. Carlson, Greg N., Generics, Habituals and Iteratives, in: The Encyclopedia of Language and Linguistics, Oxford, Elsevier, 2005. Carlson, Greg N., Habitual and Generic Aspect, in: Robert Binnick (ed.), The Oxford Handbook of Tense and Aspect, Oxford, Oxford University Press, 2012, 828–851. Carlson, Greg N./Pelletier, Francis J. (edd.), The Generic Book, Chicago, University of Chicago Press, 1995. Cartagena, Nelson, Acerca de las categorías de tiempo y aspecto en el sistema verbal español, Revista de la Sociedad Española de Lingüística 8 (1978), 373–391. Cartagena, Nelson, Das Tempussystem der spanischen Gegenwartssprache, in: Rolf Thieroff/ Joachim Ballweg (edd.), Tense Systems in European Languages, Tübingen, Niemeyer, 1994, 173–190. Cartagena, Nelson/Gauger, Hans-Matin, Vergleichende Grammatik Spanisch-Deutsch, 2 vol., Mannheim, Duden, 1989. Cassirer, Ernst, Philosophie der symbolischen Formen, Erster Teil: Die Sprache, in: Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, vol. 11, edd. Birgit Recki/Claus Rosenkranz, Hamburg, Meiner, 2001 (1923). Cassirer, Ernst, Die Sprache und der Aufbau der Gegenstandswelt, in: Aufsätze und kleine Schriften (1932–1935), in: Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, vol. 18, edd. Birgit Recki/Ralf Becker, Hamburg, Meiner, 2004 (1932), 111–116. Caudal, Patrick, Degree Scales and Aspect, in: Bart Hollebrandse/Angeliek van Hout/Co Vet (edd.), Crosslinguistic Views on Tense, Aspect and Modality, Amsterdam, Rodopi, 2005, 103–118. Chomsky, Noam, Syntactic Structures, Den Haag, Mouton, 1957. Chomsky, Noam, Aspects of the Theory of Syntax, Cambridge, Mass., MIT Press, 1965. Chomsky, Noam, Principle and Parameters in Syntactic Theory, in: Norbert Hornstein/David Lightfoot (edd.), Explanation in Linguistics, London, Longman, 1981, 32–75. Chomsky, Noam, A Minimalist Program for Linguistic Theory, in: Kenneth Hale/Samuel J. Keyser (edd.), The View from Building 20, Cambridge, Mass., MIT Press, 1993, 1–52. Chomsky, Noam, Bare Phrase Structure, in: Gert Webelhut (ed.), Government and Binding Theory and the Minimalist Programme, Oxford, Blackwell, 1995, 383–440. Cohen, David, L’aspect verbal, Paris, Presses Universitaires de France, 1989. Colón, Germà, El perfet perifràstic català «va + infinitiu», in: Germà Colón (ed.), La llengua catalana en els seus textos, vol. 2, Barcelona, Curial, 1978, 119–130. Comrie, Bernard, Aspect, Cambridge, Cambridge University Press, 1976. Comrie, Bernard, On Reichenbach’s Approach to Tense, in: Roberta A. Endrik/Carrie S. Masek/ Mary F. Miller (edd.), Papers from the Seventeenth Regional Meeting of the Chicago Linguistic Society, Chicago, Chicago Linguistic Society, 1981, 24–30. Comrie, Bernard, Tense, Cambridge, Cambridge University Press, 1985. Comrie, Bernard, Conditionals: A Typology, in: Elizabeth C. Traugott et al. (edd.), On Conditionals, Cambridge, Cambridge University Press, 1986, 77–99. Comrie, Bernard, Towards a General Theory of tense, in: Balachandran Lakshmi Bai/Aditi Mukherjee (edd.), Tense and Aspect in Indian Languages, Hyderabad, Centre of Advanced Study in Linguistics (Osmania University)/Booklinks Corporation, 1993, 1–18. Confais, Jean-Paul, Temps, mode, aspect: Les approches des morphèmes verbaux et leurs problèmes à l’exemple du français et de l’allemand, Toulouse, Presses Universitaires de Mirail, 1990.
238
Bibliographie
Corblin, Francis/Swart, Henriëtte de (edd.), Handbook of French Semantics, Stanford, CSLI, 2004. Coseriu, Eugenio, Tomo y me voy, Vox Romanica 25 (1966), 13–55. Coseriu, Eugenio, El aspecto verbal perifrástico en griego antiguo, in: Actas del III Congreso Español de Estudios Clásicos, III, Coloquio de estudios estructurales sobre las lenguas clásicas, Madrid, Sociedad española de estudios clásicos, 1968, 93–116. Coseriu, Eugenio, Über die Leistung und Grenzen der Kontrastiven Grammatik, in: Hugo Moser (ed.), Probleme der Kontrastiven Grammatik, Düsseldorf, Schwann, 1970, 9–31. Coseriu, Eugenio, Der periphrastische Verbalaspekt im Altgriechischen, Glotta 53 (1975), 1–25. Coseriu, Eugenio, Das romanische Verbalsystem, ed. Hansbert Bertsch, Tübingen, Narr, 1976. Coseriu, Eugenio, Inhaltliche Wortbildungslehre (am Beispiel des Typs «coupe-papier»), in: Herbert E. Brekle/Dieter Kastovsky (edd.), Perspektiven der Wortbildungsforschung, Bonn, Bouvier Verlag Herbert Grundmann, 1977, 48–61. Coseriu, Eugenio, Textlinguistik. Eine Einführung, ed. Jörn Albrecht, Tübingen, Narr, ²1981. Coseriu, Eugenio, Verbalaspekt oder Verbalaspekte? Einige theoretische und methodische Fragen, in: Eugenio Coseriu, Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik, ed. Uwe Petersen, Tübingen, Niemeyer, 1987, 119–132 [fr. Version: Aspect verbal ou aspects verbaux? Quelques questions de théorie et de méthode, in: Jean David/Robert Martin (edd.), La notion d’aspect (Actes du Colloque organisé par le Centre d’Analyse Syntaxique de l’Université de Metz, 18.–20.05.1978), Paris, Klincksieck, 1980, 13–25]. Criado de Val, Manuel, La imagen del tiempo: verbo y relatividad, Madrid, Istmo, 1992. Cristofaro, Sonia, Language Universals and Linguistic Knowledge, in: Jae Jung Song (ed.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 227–249. Croft, William, Syntactic Categories and Grammatical Relations: The Cognitive Organization of Information, Chicago, University of Chicago Press, 1991. Croft, William, The role of domains in the interpretation of metaphors and metonymies, Cognitive Linguistics 4 (1993), 335–370. Croft, William, Explaining Language Change. An Evolutionary Approach, Harlow, Longman, 2000. Croft, William, Radical construction grammar: syntactic theory in typological perspective, Oxford, Oxford University Press, 2001. Croft, William, On explaining metonymy: Comment on Peirsman and Geeraerts «Metonymy as a prototypical category», Cognitive Linguistics 17/3 (2006), 317–326. Croft, William, Verbs: Aspect and Causal Structure, Oxford, Oxford University Press, 2012. Croft, William/Cruse, Alan D., Cognitive Linguistics, Cambridge, Cambridge University Press, 2004. Curtius, Georg, Die Bildung der Tempora und Modi im Griechischen und Lateinischen sprachvergleichend dargestellt. Sprachvergleichende Beiträge zur griechischen und lateinischen Grammatik 1, Berlin, Besser, 1846. Dahl, Östen, On the definition of the telic-atelic (bounded-nonbounded) distinction, in: Philip J. Tedeschi/Annie Zaenen (edd.), Tense and Aspect, New York et al., Academic Press, 1981, 79–90. Dahl, Östen, Tense and Aspect Systems, Oxford, Blackwell, 1985. Dahl, Östen, Synchronic and Diachronic Generalizations about Tense-Aspect Systems, in: Lars-Gunnar Larsson (ed.), Proceedings of the Second Scandinavian Symposium on Aspectology, Uppsala, Almqvist & Wiksell, 1989, 9–12. Dahl, Östen, Tense and aspect in the languages of Europe, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 2000.
Bibliographie
239
Dahl, Östen, Languages without tense and aspect, in: Karen H. Ebert/Fernando Zúñiga (edd.), Aktionsart and Aspectotemporality in Non-European Languages, Zürich, Seminar für Allgemeine Sprachwissenschaft, 2001, 159–173. Dauses, August, Das Imperfekt in den romanischen Sprachen. Seine Bedeutung im Verhältnis zum Perfekt, Wiesbaden, Steiner, 1981. Declerck, Renaat, Aspect and the Bounded/Unbounded Distinction, Linguistics 17 (1979), 761–794. Declerck, Renaat, Boundedness and the Structure of Situations, Leuvense Bijdragen 78 (1989), 275–308. Declerck, Renaat, The Relation between Temporal and Modal Uses of Indicative Verb Forms, in: Bart Hollebrandse/Angeliek van Hout/Co Vet (edd.), Crosslinguistic Views on Tense, Aspect and Modality, Amsterdam, Rodopi, 2005, 215–227. Delfitto, Denis/Bertinetto, Pier Marco, A Case Study in the Interaction of Aspect and Actionality: the Imperfect in Italian, in: Pier Marco Bertinetto et al. (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 1: Semantic and Syntactic Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995, 125–142. Del Pietro, Sara, Le perifrasi aspettuali nell’italiano parlato, Dissertationsschrift, Universität Zürich, 1995. De Mauro, Tullio, In principio c’era la parola?, Bologna, Il Mulino, 2009. De Miguel, Elena, El aspecto en la sintaxis del español: perfectividad e impersonalidad, Madrid, Ediciones de la Universidad Autónoma de Madrid, 1992. De Miguel, Elena, El aspecto léxico, in: Ignacio Bosque/Violeta Demonte (edd.), Gramática descriptiva de la lengua española, vol. 2, Madrid, Espasa, 1999, 2977–3060. Demonte, Violeta, Temporal and Aspectual Constraints on Predicative Aps, in: Hector Campos/ Fernando Martínez-Gil (edd.), Current Studies in Spanish Linguistics, Washington D.C., Georgetown University Press, 1991, 165–200. Depraetere, Ilse, On the necessity of distinguishing between (un)boundedness and (a)telicity, Linguistics and Philosophy 18 (1995), 1–19. Dessì Schmid, Sarah, Ernst Cassirer und Benedetto Croce, die Wiederentdeckung des Geistes. Ein Vergleich ihrer Sprachtheorien, Tübingen/Basel, Francke, 2005. Dessì Schmid, Sarah, Modal Uses of the Italian imperfetto and the Spanish imperfecto: A Comparison, in: Martin Becker/Eva-Maria Remberger (edd.), Modality and Mood in Romance: Modal Interpretation, Mood Selection, and Mood Alternation, Tübingen, Niemeyer/De Gruyter, 2010, 39–66. Dessì Schmid, Sarah, Inquietudine terminologica e categoriale: per un approccio onomasiologico al sistema aspettuale dell’italiano, in: Gerhard Bernhard/Maria Selig (edd.), Akten des Marburger Italianistentags 2008, Bern et al., Peter Lang, 2011 (= 2011a). Dessì Schmid, Sarah, Progressive periphrastische Konstruktionen: Skizze einer Neuinterpretation am Beispiel des Italienischen, in: Sarah Dessì Schmid et al. (edd.), Rahmen des Sprechens – Beiträge zu Valenztheorie, Varietätenlinguistik, Kreolistik, Kognitiver und Historischer Semantik. Peter Koch zum 60. Geburtstag, Tübingen, Narr, 2011 (= 2011b). Dessì Schmid, Sarah, Perifrasi modali in italiano, La lingua italiana 8 (2012), 149–164. Detges, Ulrich, Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern, in: Jürgen Lang/Ingrid Neumann-Holzschuh (edd.), Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1999, 31–52. Detges, Ulrich, Time and Truth: the Grammaticalization of Resultatives and Perfects Within a Theory of Subjectification, Studies in Language 24 (2000), 345–377 (= 2000a).
240
Bibliographie
Detges, Ulrich, Two types of restructuring in French Creoles. A cognitive approach to the genesis of tense markers, in: Ingrid Neumann-Holzschuh/Edgar W. Schneider (edd.), Degrees of Restructuring in Creole Languages, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 2000, 135–162 (= 2000b). Detges, Ulrich, Grammatikalisierung. Eine kognitiv-pragmatische Theorie dargestellt am Beispiel romanischer und anderer Sprachen, unveröffentlichte Habilitationsschrift, Universität Tübingen, 2001. Detges, Ulrich, How Cognitive is Grammaticalization? The History of the Catalan Perfet Perifrastic, in: Olga Fischer/Muriel Norde/Harry Perridon (edd.), Up and Down the Cline: the Nature of Grammaticalization, Amsterdam, Benjamins, 2004, 211–227. Detges, Ulrich/Waltereit, Richard, Grammaticalization vs. reanalysis: A semantic-pragmatic account of functional change in grammar, Zeitschrift für Sprachwissenschaft 21 (2002), 151–195. Detges, Ulrich/Waltereit, Richard (edd.), The Paradox of Grammatical Change. Perspectives from Romance, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 2008. Dickey, Stephen M., Parameters of slavic Aspect: a cognitive approach, Ph.D. Diss., Bloomington, Indiana University Press, 2000. Dietrich, Wolf, Der periphrastische Verbalaspekt in den romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1973. Dietrich, Wolf, Die Entwicklung der aspektuellen Verbalperiphrasen im Italienischen und Spanischen, Romanische Forschungen 97 (1985), 197–225. Dietrich, Wolf, Gemeinromanische Tendenzen III. Verbalperiphrasen, in: Günter Holtus/ Michael Metzeltin/Christian Schmitt (edd.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, vol. 2, Tübingen, Niemeyer, 1996, 223–235. Dietrich, Wolf, Sprachvergleichende Überlegungen zum verbalen Aspekt. Universales und Einzelsprachliches, in: Thomas Bruns/Henrieke Stahl (edd.), Sprache – Literatur – Kultur: Studien zur slawischen Philologie und Geistesgeschichte. Festschrift für Gerhard Ressel zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. et al., Peter Lang, 2005, 145–160. Diez, Friedrich Ch., Grammatik der romanischen Sprachen, 3 vol., Bonn, Weber, 1836–1844. Dirven, René, Functionalism in linguistics, Amsterdam, Benjamins, 1987. Dirven, René/Goossens, Louis/Putseys, Yvan/Voralt, Emma (edd.), The Scene of Linguistic Action and its Perspectivisation by speak, talk, say and tell, Amsterdam, Benjamins, 1987. Dirven, René/Pörings, Ralf (edd.), Metaphor and metonymy in comparison and contrast, Berlin/ New York, Mouton de Gruyter, 2002. Dirven, René/Verspoor, Marjolijn (edd.), Cognitive exploration of language and linguistics, 2. rev. Ausg., Amsterdam, Benjamins, 2004. Dowty, David R., Studies in the Logic of Verb Aspect and Time Reference in English, Dissertationsschrift, Department of Linguistics, University of Austin (Texas), 1972. Dowty, David R., Towards a Semantic Analysis of Verb Aspect and the English Imperfective Progressive, Linguistics and Philosophy 1 (1977), 45–77. Dowty, David R., Word Meaning and Montague Grammar. The Semantics of Verbs and Times in Generative Semantics and in Montague’s PTQ, Dordrecht, D. Reidel Publishing Company, 1979. Dowty, David R., The Effects of Aspectual Class on the Temporal Structure of Discourse: Semantics or Pragmatics?, Linguistics and Philosophy 9 (1986), 37–61. Durante, Marcello, Dal latino all’italiano moderno. Saggio di storia linguistica e culturale, Bologna, Zanichelli, 1981. Eberenz, Rolf, Tempus und Textkonstitution im Spanischen, Tübingen, Narr, 1981.
Bibliographie
241
Eggs, Ekkehard, Vergangenheitstempora im Spanischen und Französischen, in: Christian Schmitt (ed.), Grammatikographie der Romanischen Sprachen: Akten der Gleichnamigen Sektion des Bamberger Romanistentages [Sektion zum Thema Grammatikographie der Romanischen Sprachen] (23.–29.9.1991), Bonn, Romanistischer Verlag, 1993, 97–134. Ehrich, Veronica, Hier und jetzt: Studien zur lokalen und temporalen Deixis im Deutschen, Tübingen, Niemeyer, 1992. Evans, Vyvyan/Green, Melanie, Cognitive Linguistics. An Introduction, Edinburgh, Edinburgh University Press, 2006. Fauconnier, Gilles, Espaces mentaux. Aspects de la construction du sens dans les langues naturelles, Paris, Minuit, 1984. Fauconnier, Gilles, Mappings in Thought and Language, Cambridge, Cambridge University Press, 1999. Fauconnier, Gilles/Turner, Mark, Blending as a Central Process of Grammar, in: Adele E. Goldberg (ed.), Conceptual Structure, Discourse and Language, Stanford, Stanford University Press, 1996, 113–130. Fauconnier, Gilles/Turner, Mark, The Way we Think. Conceptual Blending and the Mind’s Hidden Complexities, New York, Basic Books, 2002. Fernández de Castro, Felix, Las perífrasis verbales en el español actual, Madrid, Gredos, 1999. Fernández Ramírez, Salvador, Gramática española. 4. El verbo y la oración, Madrid, Arco Libros, 1986. Ferreri, Silvana, The Evolving Gerund, Journal of Italian Linguistics 8/2 (1983), 25–66. Ferretti, Francesco, The social mind, in: Massimo Marraffa/Mario de Caro/Francesco Ferretti (edd.), Cartographies of the Mind: Philosophy and Psychology in Intersection, Dordrecht, Kluwer, 2006. Fillmore, Charles J., An Alternative to Checklist Theories of Meaning, in: Proceedings of the 1st Annual Meeting of the Berkeley Linguistic Society, Berkeley, Berkeley Linguistic Society, 1975, 123–131. Fillmore, Charles J., Scenes-and-Frames-Semantics, in: Antonio Zampolli (ed.), Linguistic Structures Processing, Amsterdam, Benjamins, 1977, 55–81. Fillmore, Charles J., Frame semantics, in: Linguistic Society of Korea (ed.), Linguistics in the Morning Calm, Seoul, Hanshin Publishing, 1982, 111–137. Fillmore, Charles J., Frames and the Semantic of Understanding, Quaderni di semantica 6 (1985), 222–254. Fillmore, Charles J./Kay, Paul, Construction Grammar Lecture, Stanford, LSA Summer Institute, 1987. Fillmore, Charles J./Kay, Paul/O’Connor, Mary Catherine, Regularity and idiomaticity in grammatical constructions: the case of let alone, Language 64 (1988), 501–538. Fischer, Kerstin/Stefanowitsch, Anatol, Konstruktionsgrammatik I. Von der Anwendung zur Theorie, Tübingen, Stauffenburg, 2006. Fitzek, Herbert/Salber, Wilhelm, Gestaltpsychologie: Geschichte und Praxis, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1996. Fleischman, Suzanne, Temporal Distance: A basic linguistic metaphor, Studies in Language 13 (1989), 1–50. Fleischman, Suzanne, Imperfective and Irrealis, in: Joan Bybee/Suzanne Fleischmann (edd.), Modality in Grammar and Discourse, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 1995, 519–551 (= 1995a). Fleischman, Suzanne, La place de la grammaire dans la structuration des événements dans le récit: Le cas des «achievements», Modèles Linguistiques 16/2 (1995), 123–143 (= 1995b).
242
Bibliographie
Fodor, Jerry A., The Language of Thought, New York, Crowell, 1975. Fuchs, Catherine/Léonard, Anne-Marie, Vers une théorie des aspects: Les systèmes du français et de l’anglais, Paris, Mouton/École des Hautes Études en Sciences Sociales, 1979. Gamillscheg, Ernst, Das sogenannte «Imparfait historique» («imparfait de rupture»), in: Horst Heintze/Erwin Silzer (edd.), Im Dienste der Sprache: Festschrift für Victor Klemperer zum 75. Geburtstag am 9. Oktober 1956, Halle (Saale), Niemeyer, 1958, 271–275. García Fernández, Luis, El aspecto gramatical en la conjugación, Madrid, Arco Libros, 1998. García Fernández, Luis, Los complementos adverbiales temporales: la subordinación temporal, in: Ignacio Bosque/Violeta Demonte (edd.), Gramática descriptiva de la lengua española, Madrid, RAE-Espasa Calpe, 1999, 3129–3208. García Fernández, Luis, El pretérito imperfecto: repaso histórico y bibliográfico, in: Luis García Fernández/Bruno Camus Bergareche (edd.), El pretérito imperfecto, Madrid, Gredos, 2004, 13–95. García Fernández, Luis/Camus Bergareche, Bruno (edd.), El pretérito imperfecto, Madrid, Gredos, 2004. Gautier, Laurent/Haberkorn, Didier (edd.), Aspekt und Aktionsarten im heutigen Deutsch, Tübingen, Stauffenburg, 2004. Gavarrò, Anna/Laca, Brenda, Les perífrasis temporals, aspectuals i modals, in: Joan Solà et al. (edd.), Gramàtica del català contemporani, vol. 3, Barcelona, Empúries, 2002, 2663–2726. Geeraerts, Dirk (ed.), Cognitive Linguistics. Basic Readings, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 2006. Geeraerts, Dirk/Cuyckens, Hubert (edd.), The Oxford Handbook of Cognitive Linguistics, Oxford, Oxford University Press, 2007. Giorgi, Alessandra/Pianesi, Fabio, Tense and Aspect: From Semantics To Morphosyntax, New York, Oxford University Press, 1997. Giorgi, Alessandra/Pianesi, Fabio, Romance «Aspectual» Periphrases: Eventuality Modification versus «Syntactic» Aspect, in: Jacqueline Guéron/Jacqueline Lecarme (edd.), The Syntax of Time, Cambridge, Mass., MIT Press, 2004, 425–440. Gladrow, Wolfgang (ed.), Russisch im Spiegel des Deutschen. Eine Einführung in den russischdeutschen und deutsch-russischen Sprachvergleich, Frankfurt a. M. et al., Peter Lang, 1998. Goldberg, Adele E., Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure, Chicago, Chicago University Press, 1995. Goldberg, Adele E., Constructions at Work. The Nature of Generalization in Language, Oxford, Oxford University Press, 2006. Goldberg, Adele E., Universal Grammar? Or prerequisites for natural language?, Behavioral and Brain Sciences 31/5 (2008), 522s. Gómez Torrego, Leonardo, Perífrasis Verbales. Sintaxis, semántica y estilística, Madrid, Arco Libros, 1988. Gougenheim, Georges, Etude sur les périphrases verbales de la langue française, Paris, Les Belles Lettres, 1929. Greenberg, Joseph H., A quantitative approach to the morphological typology of language, International Journal of American Linguistics 26 (1954), 178–194. Grevisse, Maurice/Goosse, André, Le bon usage. Grammaire française, Paris, Duculot, 142008. Gruber, Andrea, Aspekt und Aktionsart im Russischen und Italienischen. Zur Problematik einzelsprachlicher und kontrastiver Begriffsbestimmung, Innsbruck, Institut für Sprachwissenschaft, 2000. Guillaume, Gustave, Temps et Verbe: théorie des aspects, des modes et des temps, Paris, Champion (repr. 1965 mit L’architectonique du temps dans les langues classiques), 1929.
Bibliographie
243
Gumperz, John J./Levinson, Stephen C. (edd.), Rethinking linguistic relativity, Cambridge, Cambridge University Press, 1996. Gutiérrez-Rexach, Javier (ed.), From Words to Discourse: Trends in Spanish Semantics and Pragmatics, Oxford, Elsevier, 2002. Haan, Ferdinand de, Typology of Tense, Aspect, and Modality Systems, in: Jae Jung Song (edd.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 445–464. Halliday, Michael A. K., An Introduction to functional grammar, London, Arnold, 1985. Halliday, Michael A. K./Matthiessen, Christian M. I. M. (edd.), Constructing experience through meaning: a language-based approach to cognition, London, Cassell, 1999. Harris, Alice C./Campbell, Lyle, Historical syntax in cross-linguistic perspective, Cambridge, Cambridge University Press, 1995. Haspelmath, Martin, From Space to Time: Temporal Adverbials in the World’s languages, München, Lincom Europa, 1997. Haspelmath, Martin, Does grammaticalization need reanalysis?, Studies in Language 22 (1998), 315–351. Haspelmath, Martin, Periphrasis, in: Geert Booij/Christian Lehmann/Joachim Mugdan (edd.), Morphologie. Morphology. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. An international handbook on inflection and word-formation, Berlin/New York, De Gruyter, 2000, 654–664. Haspelmath, Martin, Understanding Morphology, London, Arnold, 2002. Haspelmath, Martin, Pre-established categories don’t exist: Consequences for language description and typology, Linguistic Typology 11 (2007), 119–132. Haspelmath, Martin/Dryer, Matthew S./Gil, David (edd.), The World Atlas of Language Structures, Oxford, Oxford University Press, 2005. Haug, Dag T. T., Aristotle’s kinesis/energeia-test and the semantics of the Greek perfect, Linguistics 42/2 (2004), 387–418. Hauser, Marc D./Chomsky, Noam/Fitch, W. Tecumseh, The Faculty of Language: What is it, who has it, and how did it evolve?, Science 298 (2002), 1569–1579. Hay, Jennifer/Kennedy, Christopher/Levin, Beth, Scalar Structure Underlies Telicity in «Degree Achievements», in: Tanya Mathews/Devon Strolovich (edd.), SALT IX, CLC Publications, Ithaca, 127–144. Heger, Klaus, Die Bezeichnung temporal-deiktischer Begriffskategorien im französischen und spanischen Konjugationssystem, Tübingen, Niemeyer, 1963. Heim, Irene, The Semantics of Definite and Indefinite Noun Phrases, Ph.D. Diss., Amherst, University of Massachusetts, 1982. Heim, Irene, File Change Semantics and the Familiarity Theory of Definiteness, in: Rainer Bäuerle/Christoph Schwarze/Arnim von Stechow (edd.), Meaning, Use and Interpretation of Language, Berlin, De Gruyter, 1983, 121–143 (= 1983a). Heim, Irene, On the Projection Problem for Presuppositions, in: Michael Barlow et al. (edd.), Proceedings of the Second Annual West Coast Conference on Formal Linguistics, Stanford University, 1983, 114–125 (= 1983b). Heine, Bernd, Auxiliaries: cognitive forces and grammaticalization, New York/Oxford, Oxford University Press, 1993. Heine, Bernd/Claudi, Ulrike/Hünnemeyer, Friederike, Grammaticalization: a conceptual framework, Chicago, University of Chicago Press, 1991. Heinemann, Sabine, Stare-Periphrasen im Altitalienischen, in: in Claus Pusch/Andreas Wesch (edd.), Verbalperiphrasen in den (ibero-)romanischen Sprachen, Hamburg, Buske, 2003, 161–178.
244
Bibliographie
Herrmann, Theo, Ganzheitspsychologie und Gestalttheorie, in: Heinrich Balmer (ed.), Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, vol. 1: Die Europäische Tradition. Tendenzen, Schulen, Entwicklungslinien, Zürich, Kindler, 1976, 573–685. Herweg, Michael, Zeitaspekte. Die Bedeutung von Tempus, Aspekt und temporalen Konjunktionen, Wiesbaden, Deutscher Universitätsverlag, 1990. Hess-Lüttich, Ernest W. B./Schlieben-Lange, Brigitte (edd.), Signs and Time. Zeit und Zeichen, Tübingen, Narr, 1998. Hewson, John, The Cognitive System of the French Verb, Amsterdam, Benjamins, 1997. Hewson, John/Bubenik, Vit (edd.), Tense and Aspect in European Languages: Theory, Typology, Diachrony, Amsterdam, Benjamins, 1997. Holenstein, Elmar, Phänomenologie der Assoziation: zu Struktur und Funktion eines Grundprinzips der passiven Genesis bei E. Husserl, Den Haag, Nijhoff, 1972. Hollebrandse, Bart/Hout, Angeliek van, On the Acquisition of the Aspects in Italian, in: Ji-Yung Kim/Adam Werle (edd.), The Proceedings of SULA: the Semantics of Underrepresented Languages in the Americas, Amherst, Glsa, 2001, 111–120. Hollebrandse, Bart/Hout, Angeliek van/Vet, Co (edd.), Crosslinguistic Views on Tense, Aspect and Modality, Amsterdam, Rodopi, 2005. Holt, Jens von, Etudes d’aspect, Aarhus, Universitetsforlaget, 1943. Hopper, Paul J., Some observations on the typology of focus and aspect in narrative language, Studies in Language 3/1 (1979), 37–64. Hopper, Paul J., Tense-Aspect: Between Semantics and Pragmatics, Amsterdam, Benjamins, 1982 (= 1982a). Hopper, Paul J., Studies in transitivity, New York, Academic Press, 1982 (= 1982b). Hopper, Paul J., On some principles of grammaticalization, in: Elizabeth C. Traugott/Bernd Heine (edd.), Approaches to grammaticalization, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 1991, 17–35. Hopper, Paul J./Thompson, Sandra A., Transitivity in grammar and discourse, Language 56 (1980), 251–299. Hopper, Paul J./Traugott, Elizabeth C., Grammaticalization, Cambridge, Cambridge University Press, ²2003. Hout, Angeliek van/Hollebrandse, Bart, On the Acquisition of the Aspects in Italian, in: University of Massachusetts Occasional Papers in Linguistics, 2001, 111–120. Humboldt, Wilhelm von, Gesammelte Schriften, ed. Albert Leitzmann, 17 vol., Berlin, Behr (Nachdruck Berlin, De Gruyter), 1903–1936. Husserl, Edmund, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie: allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie, Tübingen, Niemeyer, 51993 (21922). Husserl, Edmund, Cartesianische Meditationen: eine Einleitung in die Phänomenologie, ed. Elisabeth Ströker, Hamburg, Meiner, ³1995 (1929). Imbs, Paul, L’emploi des temps verbaux en français moderne: Essai de grammaire descriptive, Paris, Klincksieck, 1960. Isačenko, Alexander V., Die russische Sprache der Gegenwart, Bd. 1, Formenlehre, Halle, Niemeyer, 1962. Jackendoff, Ray S., Semantics and Cognition, Cambridge, Mass., MIT Press, 1983. Jackendoff, Ray S., Semantic Structures, Cambridge, Mass., MIT Press, 1991 (= 1991a). Jackendoff, Ray S., Parts and Boundaries, Cognition 41 (1991), 9–45 (= 1991b). Jackendoff, Ray S., Foundation of Language. Brain, Meaning, Grammar, Evolution, New York et al., Oxford University Press, 2002.
Bibliographie
245
Jacobsohn, Hermann, Aspektfragen, Indogermanische Forschungen 51 (1933), 292–318. Jakobson, Roman, Two Aspects of Language and two Types of Aphasic Disturbances, in: Roman Jakobson/Morris Halle (edd.), Fundamentals of Language, Den Haag, Mouton, 1971 (1956), 67–96. Jakobson, Roman, Linguistische Aspekte der Übersetzung, in: Wolfram Wilss (ed.), Übersetzungswissenschaft, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1981 (1959), 189–198. Janssen, Theo/Redeker, Gisela (edd.), Cognitive Linguistics: Foundations, Scope, and Methodology, Berlin/New York, De Gruyter, 1999. Jespersen, Otto, The Philosophy of Grammar, London, Allen & Unwin, 1924. Kabakčiev, Krasimir, Aspect in English. A «Common-Sense» View of the Interplay between Verbal and Nominal Referents, Dordrecht, Kluwer, 2000. Kamp, Hans, A Theory of Truth and Semantic Representation, in: Jeroen Groenendijk/ Theo Janssen/Martin J. B. Stokhof (edd.), Formal Methods in the Study of Language, Amsterdam, Mathematical Centre, 1981, 277–322 (= 1981a). Kamp, Hans, Événements, représentations discursives et référence temporelle, Langages 64 (1981), 39–64 (= 1981b). Kamp, Hans, The Perfect and Other Tenses in French and English, in: id. (ed.), Tense and Aspect in English and French, Edinburgh, Centre for Cognitive Science-University of Edinburgh, 1991, 41–64. Kamp, Hans/Reyle, Uwe, From Discourse to logic, Dordrecht, Kluwer, 1993. Kamp, Hans/Rohrer, Christian, Tense in Texts, in: Rainer Bäuerle/Christoph Schwarze/Arnim von Stechow (edd.), Meaning, Use, and Interpretation of Language, Berlin, De Gruyter, 1983, 250–269. Kay, Paul/Fillmore, Charles J., Grammatical constructions and linguistic generalizations: the What’s X doing Y? construction, Language 75 (1999), 1–33. Kenny, Anthony, Action, Emotion and Will, London/New York, Routledge/Kegan Paul, 1963. King, Larry D., The semantic structure of Spanish: meaning and grammatical form, Amsterdam, Benjamins, 1992. Kiparski, Paul, Tense and Mood in Indo-European Syntax, Foundations of Language 4 (1967), 30–57. Kleiber, Georges, Entre les deux mon cœur balance ou l’imparfait entre aspect et anaphore, Langue française 138 (2003), 8–18. Klein, Wolfgang, Der Ausdruck der Temporalität im ungesteuerten Spracherwerb, in: Gisa Rauh (ed.), Essays on Deixis, Tübingen, Narr, 1983, 149–168. Klein, Wolfgang, Time in language, London/New York, Routledge, 1994. Klein, Wolfgang, A Time-Relational Analysis of Russian Aspect, Language 71/4 (1995), 669–695. Klein, Wolfgang, An Analysis of the German Perfekt, Language 76/2 (2000), 358–382. Klum, Arne, Verbe et adverbe. Étude sur le système verbal indicatif et sur le système de certains adverbes de temps à la lumière des relations verbo-adverbiales dans la prose du français contemporain, Stockholm, Almqvist & Wiksell, 1961. Klump, Andre, Trajectoires du changement linguistique. Zum Phänomen der Grammatikalisierung im Französischen, Stuttgart, Ibidem, 2007. Koch, Peter, Gedanken zur Metapher – und zu ihrer Alltäglichkeit, in: Annette Sabban/ Christian Schmitt (edd.), Sprachlicher Alltag. Linguistik – Rhetorik – Literaturwissenschaft. Festschrift für W.-D. Stempel, Tübingen, Niemeyer, 1994, 201–225. Koch, Peter, Der Beitrag der Prototypentheorie zur Historischen Semantik: eine kritische Bestandsaufnahme, Romanistisches Jahrbuch 46 (1995), 27–46.
246
Bibliographie
Koch, Peter, Le prototype entre signifié, désigné et référent, in: Hiltrud Dupuiy-Engelhardt (ed.), Questions de méthode et de délimitation en sémantique lexicale, Reims, Presses Universitaires de Reims, 1996, 113–135 (= 1996a). Koch, Peter, La sémantique du prototype: sémasiologie ou onomasiologie?, Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 106 (1996), 223–240 (= 1996b). Koch, Peter, Diskurstraditionen: zu ihrem sprachtheoretischen Status und ihrer Dynamik, in: Barbara Frank/Thomas Haye/Doris Tophinke (edd.), Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen, Narr, 1997, 43–79. Koch, Peter, Frame and Contiguity: On the Cognitive Bases of Metonymy and Certain Types of Word Formation, in: Günter Radden/Klaus-Uwe Panther (edd.), Metonymy in Language and Thought, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 1999, 139–167 (= 1999a). Koch, Peter, Tree and fruit. A cognitive-onomasiological approach, Studi italiani di linguistica teorica e applicata 28/2 (1999), 331–347 (= 1999b). Koch, Peter, Cognitive aspects of semantics change and polysemy: The semantic space have/ be, in: Andreas Blank/Peter Koch (edd.), Historical Semantics and Cognition, Berlin/New York, De Gruyter, 1999, 279–305 (= 1999c). Koch, Peter, Metonymy. Unity in diversity, Journal of Historical Pragmatics 2/2 (2001), 201–244 (= 2001a). Koch, Peter, Lexical typology from a cognitive and linguistic point of view, in: Martin Haspelmath et al. (edd.), Language Typology and Language Universals/Sprachtypologie und sprachliche Universalien/La typologie des langues et les universaux linguistiques. An International Handbook/Ein internationales Handbuch/Manuel international, vol. 2, Berlin/New York, De Gruyter, 2001, 1142–1178 (= 2001b). Koch, Peter, Qu’est-ce que le cognitif?, in: Peter Blumenthal/Jean-Emmanuel Tyvaert (edd.), La cognition dans les temps, Tübingen, Niemeyer, 2003, 85–100. Koch, Peter, Metonymy between pragmatics, reference, and diachrony, metaphorik.de 7 (2004), 6–54. Koch, Peter, Aspects cognitifs d’une typologie lexicale synchronique. Les hiérarchies conceptuelles en français et dans d’autres langues, Langue française 145 (2005), 11–33. Koch, Peter, Assoziation – Zeichen – Schrift, in: Daniel Jacob/Thomas Krefeld (edd.), Sprachgeschichte und Geschichte der Sprachwissenschaft, Tübingen, Narr, 2007, 11–52. Koch, Peter, Höflichkeit und Metonymie, in: Dorothee Kimmich/Wolfgang Matzat (edd.), Der gepflegte Umgang. Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und Sprache, Bielefeld, Transkript, 2008, 143–184. Koch, Peter, The pervasiveness of contiguity and metonymy in semantic change, in: Kathryn Allan/Justyna A. Robinson (edd.), Current Methods in Historical Semantics, Berlin/Boston, De Gruyter, 2012, 259–311. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf, Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch, Tübingen, Niemeyer, 1990. Köhler, Wolfgang, Gestalt Psychology: an Introduction to New Concepts in modern Psychology, New York, Liveright, 1947. Konerding, Klaus-Peter, Frames und lexikalisches Bedeutungswissen. Untersuchungen zur linguistischen Grundlegung einer Frametheorie und zu ihrer Anwendung in der Lexikographie, Tübingen, Niemeyer, 1993. Krifka, Manfred, Nominalreferenz und Zeitkonstitution. Zur Semantik von Massentermen, Pluraltermen und Aspektklassen, München, Fink, 1989 (= 1989a). Krifka, Manfred, Nominalreferenz, Zeitkonstruktion, Aspekt, Aktionsart: Eine semantische Erklärung ihrer Interaktion, in: Werner Abraham/Theo Janssen (edd.), Tempus – Aspekt
Bibliographie
247
– Modus. Die lexikalischen und grammatischen Formen in den germanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1989, 227–258 (= 1989b). Krifka, Manfred, The Origins of Telicity, in: Susan Rothstein (ed.), Events and Grammar, Dordrecht, Reidel, 1998, 197–235. Laca, Brenda, Une question d’aspect: à propos des périphrases progressives en catalán, in: Estudis de lingüística i filologia oferts a Antoni Badia i Margarit, Barcelona, Publicacions de l’Abadia de Montserrat, 1995, 495–509. Laca, Brenda, Aspect – Périphrase – Grammaticalisation. A propos du «Progressif» dans les langues ibéro-romanes, in: Wolfgang Dahmen et al. (edd.), Neuere Beschreibungsmethoden der Syntax romanischer Sprachen, Tübingen, Narr, 1998, 207–226. Laca, Brenda, Temps et aspect. De la morphologie à l’interprétation, Saint-Denis, Presses Universitaires de Vincennes, 2002 (= 2002a). Laca, Brenda, Spanish «Aspectual» Periphrases: Ordering Constraints and the Distinction Between Situation and Viewpoint Aspect, in: Javier Gutiérrez-Rexach (ed.), From Words to Discourse: Trends in Spanish Semantics and Pragmatics, Oxford, Elsevier, 2002, 61–93 (= 2002b). Laca, Brenda, Les catégories aspectuelles à expression périphrastique: une interprétation des apparentes «lacunes» du français, Langue Française 141 (2004), 85–98 (= 2004a). Laca, Brenda, Romance «Aspectual» Periphrases: Eventuality Modification versus «Syntactic» Aspect, in: Jacqueline Guéron/Jacqueline Lecarme (edd.), The Syntax of Time, Cambridge, Mass., MIT Press, 2004, 425–440 (= 2004b). Lagae, Véronique/Carlier, Anne (edd.), Temps et aspect, Amsterdam, Rodopi, 2002. Lakoff, George, Women, Fire, and Dangerous Things: What Categories Reveal about the Mind, Chicago, University of Chicago Press, 1987. Lakoff, George/Johnson, Mark, Metaphors We Live By, Chicago, University of Chicago Press, 1980. Lakoff, George/Johnson, Mark, Philosophy in the Flesh: the Embodied Mind and its Challenge to Western Thought, New York, Basic Book, 1999. Lang, Jürgen/Neumann-Holzschuh, Ingrid (edd.), Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1999. Langacker, Ronald W., Foundations of Cognitive Grammar, vol. 1: Theoretical Prerequisites, Stanford, Stanford University Press, 1987. Langacker, Ronald W., Concept, Image, and Symbol. The Cognitive Basis of Grammar, Berlin, Mouton de Gruyter, 1990. Langacker, Ronald W., Foundations of Cognitive Grammar, vol. 2: Descriptive Application, Stanford, Stanford University Press, 1991. Langacker, Ronald W., Grammar and Conceptualization, Berlin/New York, Mouton De Gruyter, 1999. Langacker, Ronald W., On the continuous debate about discreteness, Cognitive Linguistics 17/1 (2006), 107–151. Lasch, Alexander/Ziem, Alexander, Konstruktionsgrammatik III. Aktuelle Fragen und Lösungsansätze, Tübingen, Stauffenburg, 2011. Lathrop, Thomas A., Curso de gramática histórica española, Barcelona, Ariel, 2002. Laurent, Richard S., Past Participles from Latin to Romance, Berkeley, University of California Press, 1999. Lee, David, Cognitive Linguistics. An Introduction, Oxford, Oxford University Press, 2001. Lehmann, Christian, Thoughts on Grammaticalization, München, Lincom Europa, 1995. Lehmann, Christian, New Reflections on Grammaticalization, in: Ilse Wischer/Gabriele Diewald (edd.), New reflections on grammaticalization, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 2002, 1–18.
248
Bibliographie
Lehmann, Volkmar, Satzsemantische oder verarbeitungssemantische Aspektbeschreibung, in: Renate Rathmayr (edd.), Slavistische Linguistik 1985, 1986, 147–173. Lehmann, Volkmar, Grammatische Zeitkonzepte und ihre Erklärung, Kognitionswissenschaft 2 (1992), 156–170. Lehmann, Volkmar, Die russischen Aspekte als gestufte Kategorie. Ein Beispiel für die Bedeutung der Kognitiven Linguistik in der slavistischen Sprachwissenschaft, Die Welt der Slaven 38 (1993), 265–297. Lehmann, Volkmar, Der Aspekt. Wie lexikalische Kategorien grammatische Funktionen motivieren, in: Peter Kosta/Elke Mann (edd.), Slavistische Linguistik 1996, 1997, 137–154. Lehmann, Volkmar, Der russische Aspekt, in: Helmut Jachnow (ed.), Handbuch der sprachwissenschaftlichen Russistik und ihrer Grenzdisziplinen, Wiesbaden, Harrassowitz, 1999, 214–242. Leiss, Elisabeth, Die Verbalkategorien des Deutschen, Berlin, De Gruyter, 1992. Leiss, Elisabeth, Artikel und Aspekt. Die grammatischen Muster von Definitheit, Berlin/New York, De Gruyter, 2000. Lo Cascio, Vincenzo, On the Relation Between Tense and Aspect in Romance and Other Languages, in: Pier Marco Bertinetto et al. (edd.), Temporal Reference, Aspect and Actionality, vol. 1: Semantic and Syntactic Perspectives, Torino, Rosenberg & Sellier, 1995, 273–291. Lo Cascio, Vincenzo/Vet, Co (edd.), Temporal structure in Sentence and Discourse, Dordrecht, Foris, 1986. Lucy, John A., Language diversity and thought: a reformulation of the linguistic relativity hypothesis, Cambridge, Cambridge University Press, 1992. Lucy, John A., Grammatical categories and cognition: a case study of the linguistic relativity hypothesis, Cambridge, Cambridge University Press, 1996. Lucy, John A., Linguistic relativity, Annual review of anthropology 26 (1997), 291–312. Lyer, Stanislav, Syntaxe du gérondif et du participe présent dans les langues romanes, Paris, Droz, 1934. Lyons, Christopher, Voice, Aspect, and Arbitrary Arguments, in: John C. Smith/Martin Maiden (edd.), Linguistic theory and the Romance Languages, Amsterdam, Benjamins, 1995, 77–114. Lyons, John, Semantics, 2 vol., Cambridge, Cambridge University Press, 1977. Maienborn, Claudia, Die logische Form von Kopula-Sätzen, Berlin, Akademie Verlag, 2003. Marchand, Hans, On a Question of Aspect: a Comparison between the Progressive Form in English and that in Italian and Spanish, Studia Linguistica 9 (1955), 45–52. Marchello-Nizia, Christiane, Grammaticalisation et changement linguistique, Bruxelles, De Boeck-Duculot, 2006. Marcos Marín, Francisco, Curso de gramática española, Madrid, Cincel, 1980. Marzo, Daniela, Polysemie als Verfahren lexikalischer Motivation: Theorie und Empirie am Beispiel von Metonymie und Metapher im Französischen und Italienischen, Tübingen, Narr, 2013. Maslov, Jurij S., Vid i leksičeskoe značenie glagola v sovremennom russkom literaturnom jazyke, in: Očerki po aspektologii, Leningrad, 1984 (1948), 48–65. Maslov, Jurij S., Zur Entstehungsgeschichte des slavischen Verbalaspekts, Zeitschrift für Slavistik 4 (1959), 560–568. Maslov, Jurij S., Universal‘nye semantiesčkie komponenty v soderžanii grammatičeskoj kategorii soveršennogo/nesoveršennogo vida, Sovetskoe slvjanovedenie 4 (1973), 73–83. Maslov, Jurij S., Zur Semantik der Perfektivitätsopposition, Wiener Slavistisches Jahrbuch 20 (1974), 107–122. Maslov, Jurij S., An outline of Contrastive Aspectology, in: id. (ed.), Contrastive Studies in Verbal Aspect, Heidelberg, Gross, 1985 (1978), 1–44.
Bibliographie
249
Maslov, Jurij S., Contrastive Studies in Verbal Aspect, Heidelberg, Gross, 1985. Matthews, Peter H., Morphology, Cambridge, Cambridge University Press, 1974. Matthiessen, Christian, Lexicogrammatical Cartography: English Systems, Tokyo, International Language Science Publishers, 1995. Mellet, Sylvie, Temps, mode, aspect: De l’unité des catégories verbales, L’information grammaticale 38 (1988), 16–18. Metzger, Wolfgang, Gestalt-Psychologie: ausgewählte Werke aus den Jahren 1950–1982, ed. Michael Stadler, Frankfurt a. M., Kramer, 1986. Meunier, Annie, Une construction complexe N0–humain etre Adj de V0–inf. W caractéristique de certains adjectifs à sujet humain, Langages 133 (1999), 12–44. Michaelis, Susanna, Temps et aspect en créole seychellois: valeurs et interférences, Hamburg, Buske, 1993. Mihatsch, Wiltrud, Kognitive Grundlagen lexikalischer Hierarchien untersucht am Beispiel des Französischen und Spanischen, Tübingen, Niemeyer, 2006. Minsky, Marvin, A Framework for Representing Knowledge, in: Patrick H. Winston (ed.), The Psychology of Computer Vision, New York, Mc Grow-Hill, 1975, 211–277. Mitko, Julia, Zur Herausbildung einer formalen Aspektopposition auf der temporalen Nullstufe: être en train de + Infinitiv als teilgrammatikalisierte Verlaufsform des Gegenwartsfranzösischen, in: Jürgen Lang/Ingrid Neumann-Holzschuh (edd.), Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 1999, 75–95. Mitko, Julia, Aspekt im Französischen. Eine semantisch-funktionelle Analyse, Tübingen, Narr, 2000. Montague, Richard, Formal Philosophy. Selected Papers of Richard Montague, ed. Richmond H. Thomason, New Haven/London, Yale University Press, 1974. Moravcsik, Edith A., Explaining Language Universals, in: Jae Jung Song (ed.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 69–89. Mourelatos, Alexander P. D., Events, Processes and States, Linguistics and Philosophy 2/3 (1978), 415–434. Natale, Silvia, Gebrauchsdeterminanten der progressiven Verbalperiphrase stare + gerundio, Tübingen, Narr, 2009. Niemeier, Susanne/Dirven, René (edd.), Evidence for linguistic relativity, Amsterdam, Benjamins, 2000. Olbertz, Hella, Verbal Periphrases in a Functional Grammar of Spanish, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 1998. Oshima, David Y., Between Being Wise and Acting Wise: A Hidden Condition in Some Constructions with Propensity Adjectives, Journal of Linguistics 45 (2009), 363–393. Pagliuca, William (ed.), Perspectives on grammaticalization, Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 1994. Palmer, Frank R., Mood and Modality, Cambridge, Cambridge University Press, 22001. Peirsman, Yves/Geeraerts, Dirk, Metonymy as a prototypical category, Cognitive Linguistics 17/3 (2006), 269–316 (= 2006a). Peirsman, Yves/Geeraerts, Dirk, Don’t let metonymy be misunderstood: An answer to Croft, Cognitive Linguistics 17/3 (2006), 327–335 (= 2006b). Penny, Ralph, Variation and Change in Spanish, Cambridge, Cambridge University Press, 2000. Penny, Ralph, Gramática histórica del español, Barcelona, Ariel, 2001. Perea, Maria-Pilar, Flexió verbal regular, in: Joan Solà et al., Gramàtica del català contemporani, 3 vol., Barcelona, Empúries, 2002, 583–646.
250
Bibliographie
Pérez Saldanya, Manuel, Les categories flexives del temps i l’aspecte: una aproximació sintàctica, semàntica i morfologica, in: Amadeu Viana (ed.), Sintaxi: Teoria i Perspectives, Lleida, Pagès Editors, 1993, 197–214. Pérez Saldanya, Manuel, Del «perfet» a l’«indefinit» (i viceversa): el nom dels temps verbals i altres problemes terminològics relacionats amb les categories gramaticals del verb, in: Jaume Macià Guilà/Joan Solà (edd.), La terminologia lingüística en l’ensenyament secundari: propostes pràctiques, Barcelona, Graó, 2000, 91–119. Pérez Saldanya, Manuel, Las relacions temporals i aspectuals, in: Joan Solà/Maria-Rosa Lloret/ Joan Mascaró/Manuel Pérez Saldanya (edd.), Gramàtica del català contemporani, vol. 2, Barcelona, Empúries, 2002, 2567–2662. Pérez Saldanya, Manuel, Los tiempos verbales: dificultades teóricas y terminológicas, in: Luis García Fernández/Bruno Camus Bergareche (edd.), El pretérito imperfecto, Madrid, Gredos, 2004, 194–228. Pinker, Steven, The Language Instinct. How the Mind Creates Language, New York, William Morrow, 1994. Pinker, Steven/Jackendoff, Ray S., The Faculty of Language: What’s special about it?, Cognition 95/2 (2005), 201–236. Piva, Cristina, L’aspetto verbale: una categoría controversa, in: Federico Albano Leoni/Rosaria Pigliaco (edd.), La grammatica: aspetti teorici e didattici, Roma, Bulzoni, 1979, 479–498. Pollak, Wolfgang, Studien zum Verbalaspekt im Französischen, Wien, Rohrer, 1960. Pollak, Wolfgang, Studien zum Verbalaspekt: mit besonderer Berücksichtigung des Französischen, Bern/New York, Peter Lang, 1988. Pusch, Claus, La grammaticalisation de l’aspectualité. Remarques sur les périphrases à valeur progressive en français, Verbum. Revue de Linguistique 25/4 (2003), 495–508 (= 2003a). Pusch, Claus, Aspectuality and Focality – Reflections on Semantics-Pragmatics Relations and Isomorphism in Romance Progressive Periphrases, in: Claus Pusch/Andreas Wesch (edd.), Verbalperiphrasen in den (ibero-)romanischen Sprachen, Hamburg, Buske, 2003, 179–192 (= 2003b). Pusch, Claus/Wesch, Andreas (edd.), Verbalperiphrasen in den (ibero-)romanischen Sprachen, Hamburg, Buske, 2003 (= 2003a). Pusch, Claus/Wesch, Andreas, Verbalperiphrasen zwischen Grammatik, Lexikon und Pragmatik. Zu den Beiträgen dieses Bandes, in: idd. (edd.), Verbalperiphrasen in den (ibero-) romanischen Sprachen, Hamburg, Buske, 2003, 1–10 (= 2003b). Pustejovsky, James, The Geometry of Events, in: Carol Tenny (ed.), Studies in Generative Approaches to Aspect. Lexicon Project Working Papers 24, Cambridge, Mass., MIT Press, 1988, 19–39. Pustejovsky, James, The Syntax of Event Structures, in: Beth Levin/Steven Pinker (edd.), Lexical and Conceptual Structure, Oxford, Blackwell, 1991, 47–81. Pustejovsky, James, The Generative Lexicon, Cambridge, Mass., MIT Press, 1995. Pütz, Martin/Verspoor, Marjolyn H. (edd.), Explorations in linguistic relativity, Amsterdam, Benjamins, 2000. Quer, Josep, Subordinació i mode, in: Joan Solà et al. (edd.), Gramàtica del català contemporani, vol. 3, Barcelona, Empúries, 2002, 2799–2866. Radden, Günter/Panther, Klaus-Uwe (edd.), Metonymy in Language and Thought, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 1999. Raible, Wolfgang, Zur Einleitung, in: Wolfgang Raible/Helmut Stimm (edd.), Zur Semantik des Französischen, Wiesbaden, Steiner, 1983, 1–24.
Bibliographie
251
Real Academia Española (RAE), Nueva grámatica de la lengua Española. Morfología, Syntaxis, Madrid, Asociación de Academias de la lengua española, 2009. Reichenbach, Hans, Elements of Symbolic Logic, New York/London, Free Press/Collier-MacMillian, 1947. Reiff, Karl P., Grammaire raisonnée de la langue russe, 2 vol., Petersburg, 1829. Renzi, Lorenzo/Salvi, Giampaolo/Cardinaletti, Anna, Grande grammatica italiana di consultazione, 3 vol., Bologna, Il Mulino, 22001. Ridruejo, Emilio, Modo y modalidad. El modo en las subordinadas sustantivas, in: Ignacio Bosque/Violeta Demonte (edd.), Gramática descriptiva de la lengua española, vol. 2, Madrid, RAE-Espasa, 1999, 3209–3251. Riegel, Martin/Pellat, Jean-Christophe/Rioul, René, Grammaire méthodique du français, Paris, Presses Univ. de France, 32004. Roca Pons, José, Estudios Sobre Perífrasis Verbales del Español, Madrid, C.S.I.C., 1958. Rojo, Guillermo, Temporalidad y aspecto en el verbo español, Linguística Española Actual 10, 1988, 195–216. Rojo, Guillermo, Relaciones entre temporalidad y aspecto en el verbo español, in: Ignacio Bosque (ed.), Tiempo y aspecto en español, Madrid, Cátedra, 1990, 17–43. Rojo, Guillermo/Veiga, Alexandre, El tiempo verbal. Los tiempos simples, in: Ignacio Bosque/ Violeta Demonte (edd.), Gramática descriptiva de la lengua española, vol. 2, Madrid, RAE-Espasa, 1999, 2867–2934. Rosch, Eleanor, Natural Categories, Cognitive Psychology 4 (1973), 328–350. Rosch, Eleanor, Human Categorization, in: Neil Warren (ed.), Advances in Cross-Cultural Psychology, vol. 1, London, Acadamic Press, 1977, 3–49. Rosch, Eleanor, Principles of Categorization, in: Eleanor Rösch/Barbara B. Lloyd (edd.), Cognition and Categorization, Hillsdale, Erlbaum, 1978, 27–48. Rosch, Eleanor/Gray, Wayne D./Johnson, David M./Boyes-Braem, Penny, Basic objects in natural categories, Cognitive Psychology 8 (1976), 382–439. Rosch, Eleanor/Mervis, Carolyn B., Family Resemblances, Cognitive Psychology 7 (1975), 573–605. Rubin, Edgar, Visuell wahrgenommene Figuren. Studien in psychologischer Analyse, København, Gyldendalske Boghandel, 1921. Sasse, Hans-Jürgen, Aspect and Aktionsart: A reconciliation, in: Carl Vetters/Willy Vandeweghe (edd.), Perspectives on Aspect and Aktionsart (Belgian Journal of Linguistics 6), 1991, 31–45. Sasse, Hans-Jürgen, Aspektsemantik und Lexikonorganisation: Beobachtungen zum Cayuga (Nordirokesisch), Köln, Institut für Sprachwissenschaft, Universität zu Köln, 1997. Sasse, Hans-Jürgen, Aspektsemantik und Lexikonorganisation im Cayuga, in: Walter Breu (ed.), Probleme der Interaktion von Lexik und Aspekt (ILA), Tübingen, Niemeyer, 2000, 193–246. Sasse, Hans-Jürgen, Recent activity in the theory of aspect: Accomplishments, achievements, or just non-progressive state?, Linguistic Typology 6 (2002), 199–271. Scalise, Sergio, Generative Morphology, Dordrecht, Foris, 1984. Scalise, Sergio, Inflection and Derivation, Linguistics 26 (1988), 561–582. Schank, Roger C./Abelson, Robert P., Scripts, plans, goals and understanding: an inquiry into human knowledge structures, Hillsdale/NJ, Erlbaum, 1977. Schlieben-Lange, Brigitte, Okzitanische und katalanische Verbprobleme. Ein Beitrag zur funktionellen synchronischen Untersuchung des Verbalsystems der beiden Sprachen (Tempus und Aspekt), Tübingen, Niemeyer, 1971. Schogt, Henry G., Le système verbal du français, Den Haag, Mouton, 1968.
252
Bibliographie
Schøsler, Lene, Did «Aktionsart» ever «Compensate» Verbal Aspect in Old and Middle French?, in: Henk Aertsen/Robert J. Jeffers (edd.), Historical Linguistics 1989, Amsterdam, Benjamins, 1993, 429–448. Schøsler, Lene, From Latin to Modern French: Actualization and Markedness, in: Henning Andersen (ed.), Actualization. Linguistic Change in Progress (Papers from a workshop held at the 14th International Conference on Historical Linguistics, Vancouver, B.C., 14 August 1999), Amsterdam/Philadelphia, Benjamins, 2001, 169–185. Schumacher, Helmut (ed.), Verben in Feldern: Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben, Berlin et al., De Gruyter, 1986. Schwall, Ulrike, Aspektualität. Eine semantisch-funktionelle Kategorie, Tübingen, Narr, 1991. Schwarze, Christoph, Grammatik der italienischen Sprache, Tübingen, Niemeyer, 1988. Schwarze, Christoph, Gli avverbi in -mente e la separazione tra derivazione e flessione, in: Maria Grossmann/Anna Thornton (edd.), La formazione delle parole, Roma, Bulzoni, 2005, 487–494. Schwarze, Christoph, Grammatica della lingua italiana, Roma, Carocci, 2010. Schwegler, Armin, Analyticity and Syntheticity: a Diachronic Perspective with special reference to Romance languages, Berkeley, California, 1990. Serianni, Luca, Grammatica italiana: italiano comune e lingua letteraria, Torino, UTET, 21991. Siskind, Jeffrey M., Visual Event Perception, in: Katsushi Ikeuchi/Manuela Velosa (edd.), Symbolic Visual Learning, Oxford, Oxford University Press, 1997, 225–263. Siskind, Jeffrey M., Grounding the Lexical Semantics of Verbs in Visual Perception using Force Dynamics and Event Logic, Journal of Artificial Intelligence Research 15 (2001), 31–90. Slobin, Dan, The crosslinguistic study of language acquisition, Hillsdale, NJ, Erlbaum, 1985. Smith, Carlota, The parameter of Aspect, Dordrecht, Kluwer, 1991. Söll, Ludwig, Imparfait und Passé simple, Die Neueren Sprachen 14 (1965), 411–425, 461–472. Sokol, Monica, Das Zusammenspiel der Verbalkategorien und die französischen Futura, Tübingen, Niemeyer, 1999. Solà, Joan et al., Gramàtica del català contemporani, 3 vol., Barcelona, Empúries, 2002. Song, Jae Jung (edd.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011. Squartini, Mario, Contributo per la caratterizzazione aspettuale delle perifrasi italiane andare + gerundio, stare + gerundio, venire + gerundio. Uno studio diacronico, Studi e saggi linguistici 30 (1990) (supplemento a L’Italia dialettale, 80), 117–212. Squartini, Mario, Verbal Periphrases in Romance. Aspect, Actionality and Grammaticalization, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 1998. Squartini, Mario, The Internal Structure of Evidentiality in Romance, Studies in Language 25 (2001), 297–334. Squartini, Mario, Sequence of Tenses in Old Italian (Comrie vs. Declerck), Folia Linguistica 37 (2003), 319–345. Squartini, Mario, La compatibilidad aspectual de los predicados estativos intrínsecamente delimitados, in: Luis García Fernández/Bruno Camus Bergareche (edd.), El pretérito imperfecto, Madrid, Gredos, 2004, 317–345. Squartini, Mario, Il verbo, in: Giampaolo Salvi/Lorenzo Renzi (edd.), Grammatica dell’italiano antico, http://ludens.elte.hu/~gps/konyv/indice.html (21.07.2005), 2005. Stassen, Leon, The Problem of Cross-linguistic Identification, in: Jae Jung Song (ed.), The Oxford Handbook of Linguistic Typology, Oxford, Oxford University Press, 2011, 90–99.
Bibliographie
253
Stechow, Arnim von, Syntax und Semantik, in: Arnim von Stechow/Dieter Wunderlich (edd.), Semantik. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 6), Berlin et al., De Gruyter, 1991. Stefanowitsch, Anatol/Fischer, Kerstin, Konstruktionsgrammatik II. Von der Konstruktion zur Grammatik, Tübingen, Stauffenburg, 2008. Stein, Achim, Semantische Repräsentation italienischer Verben. Automatische Disambiguierung mit Konzepthierarchien, Tübingen, Niemeyer, 2005. Streb, Michael, Die aspektuelle Verbalperiphrase (stare/estar + Gerundium) im Italienischen und Spanischen. Methodische Überlegungen zur Grammatikalisierung, Erlangen/Jena, Palm & Enke, 2002. Stussi, Alfredo, Imperfetto e passato remoto nella prosa volgare del Quattrocento, L’Italia Dialettale 24/1 (1960/61), 125–133. Swart, Henriëtte de, Aspect shift and coercion, Natural Language and Linguistic Theory 16 (1998), 347–385. Swart, Henriëtte de, Tense, Aspect and Coercion in a Cross-Linguistic Perspective, in: Miriam Butt/Tracy H. King (edd.), Proceedings of the Berkeley Formal Grammar Conference, University of California, Berkeley, Stanford, Calif., CSLI Publications, 2000. Sweetser, Eve, From Etymology to Pragmatics. Metaphorical and Cultural Aspects of Semantic Structure, Cambridge, Cambridge University Press, 1990. Sweetser, Eve, Compositionality and blending: semantic composition in a cognitively realistic framework, in: Theo Janssen/Gisela Redeker (edd.), Cognitive Linguistics: Foundations, Scope, and Methodology, Berlin/New York, De Gruyter, 1999, 129–162. Swiggers, Pierre, Time and Tense: The Case of the French Verb, Studies in Language 8 (1984), 415–438. Talmy, Leonard, Lexicalisation patterns: Semantic structure in lexical forms, in: Timothy Shopen (ed.), Language Typology and Syntactic Description, vol. 3: Grammatical Categories and the Lexicon, Cambridge, Cambridge University Press, 1985, 57–149. Talmy, Leonard, The windowing of attention in language, in: Masayoshi Shibatani M./Sandra A. Thompson (edd.), Grammatical Constructions. Their Form and Meaning, Oxford, Clarendon, 1996, 235–287. Talmy, Leonard, Toward a cognitive semantics, vol. 1: Concept structuring systems, vol. 2: Typology and process in concept structuring, Cambridge, Mass., MIT Press, 2000. Talmy, Leonard, Cognitive Semantics: An overview, in: Claudia Maienborn/Klaus von Heusinger/ Paul Portner (edd.), Semantics: an international handbook of natural language meaning, Berlin, Mouton de Gruyter, 2011, 622–642. Taylor, John R., Linguistic Categorization. Prototypes in Linguistic Theory, Oxford, Clarendon, ²1995, 235–287. Taylor, John R., Cognitive Grammar, Oxford, Oxford University Press, 2002. Tedeschi, Philip J./Zaenen, Annie, Tense and Aspect, New York et al., Academic Press, 1981. Tekavčić, Pavao, Grammatica storica dell’italiano, 3 vol., Bologna, Il Mulino, 1972/74. Tenny, Carol L., The aspectual interface hypothesis, Cambridge, Mass., Center for Cognitive Science, 1989. Tenny, Carol L., Aspectual roles and the syntax-semantics interface, Dordrecht, Kluwer, 1994. Tenny, Carol L., Events as grammatical objects: the converging perspectives of lexical semantics and syntax, Stanford, Calif., CSLI, 2000. Thieroff, Rolf, Inherent Verb Categories and Categorizations in European Languages, in: Rolf Thieroff/Joachim Ballweg (edd.), Tense Systems in European Languages, vol. 1, Tübingen, Niemeyer, 1994, 3–45.
254
Bibliographie
Thieroff, Rolf/Ballweg, Joachim (edd.), Tense Systems in European Languages, 2 vol., Tübingen, Niemeyer, 1994–1995. Timberlake, Alan, The temporal schemata of Russian predicates, in: Michael S. Flier/Richard E. Brecht (edd.), Issues in Russian Morphosyntax, Columbus, Ohio, 1985, 35–57. Tió Casacuberta, Jaume, Das Tempussystem im Katalanischen und im Deutschen: Beschreibung und Vergleich, Frankfurt a. M., Peter Lang, 1983. Tomasello, Michael, Language is not an Instinct, Cognitive Development 10 (1995), 131–156. Tomasello, Michael, Cognitive Linguistics, in: William Bechtel (ed.), A Companion to Cognitive Science, Oxford, Blackwell, 1998. Tomasello, Michael, The cultural Origins of Human Cognition, Cambridge Mass., Harvard University Press, 1999. Tomasello, Michael, Constructing a Language: A Usage-Based Theory of Language Acquisition, Cambridge Mass., Harvard University Press, 2003. Trabant, Jürgen, Artikulationen: historische Anthropologie der Sprache, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1998. Traugott, Elizabeth C. et al. (edd.), On Conditionals, Cambridge, Cambridge University Press, 1986. Traugott, Elizabeth C./Heine, Bernd (edd.), Approaches to grammaticalization, Amsterdam/ Philadelphia, Benjamins, 1991. Traugott, Elizabeth C./Dasher, Richard B., Regularity in semantic change, Cambridge, Cambridge University Press, 2002. Trips, Carola, Lexical semantics and diachronic morphology: the development of -hood, -dom and -ship in the history of English, Tübingen, Niemeyer, 2009. Ullmann, Stephen, Semantics. An Introduction to the Science of Meaning, Oxford, Blackwell, 1962. Ungerer, Friedrich/Schmid, Hans-Jörg, An introduction to cognitive linguistics, London, Longman, 1997. Vater, Heinz, Einführung in die Zeit-Linguistik, Hürth-Efferen, Gabel, 1994. Veiga, Alexandre, Compound Tenses and Verbal System Structure: a Functional Approach From Modern Spanish, in: Elisabeth Feldbusch/Reiner Pogarell/Cornelia Wela (edd.), Neue Fragen der Linguistik: Akten des 25. Linguistischen Kolloquiums, Paderborn 1990, vol. 1: Bestand und Entwicklung, Tübingen, Niemeyer, 1991, 243–251. Veiga, Alexandre, La no independencia funcional del aspecto en el sistema verbal español, Español Actual 57 (1992), 65–80. Veiga, Alexandre, La forma verbal «cantaba» y la estructura modo-temporal del sistema verbal español, in: Luis García Fernández/Bruno Camus Bergareche (edd.), El pretérito imperfecto, Madrid, Gredos, 2004, 96–193. Vendler, Zeno, Verbs and Times, Philosophical Review 66 (1957), 143–160. Vendler, Zeno, Verbs and Times, cap. 4, in: id. (ed.), Linguistics in Philosophy, New York, Cornell University Press, 1967, 97–121. Verkuyl, Henk J., On the Compositional Nature of the Aspects, Dordrecht, Reidel, 1972. Verkuyl, Henk J., A Theory of Aspectuality. The Interaction between Temporal and Atemporal Structure, Cambridge, Cambridge University Press, 1993. Verkuyl, Henk J. et al., Tense and Aspect in Sentences, in: Francis Corblin/Henriëtte de Swart (edd.), Handbook of French Semantics, Stanford, CSLI, 2004, 233–270. Vet, Co, Temps, aspects, et adverbes de temps en français contemporain: essai de sémantique formelle, Genève, Droz, 1980. Vet, Co, La notion de «monde possible» et le système temporel et aspectuel du français, Langages 64 (1981), 109–124.
Bibliographie
255
Vet, Co, Predication, Aspect, and Negation, in: Michael Fortescue/Peter Harder/Lars Kristoffersen (edd.), Layered Structure and Reference in a Functional Perspective: Papers from the Functional Grammar Conference in Copenhagen 1990, Amsterdam, Benjamins, 1992, 57–71. Vet, Co/Vetters, Carl (edd.), Tense and Aspect in Discourse, Berlin/New York, Mouton de Gruyter, 1994. Vetters, Carl, Temps et deixis, in: id. (ed.), Le temps, de la phrase au texte: Sens & structure, Lille, Presses Universitaires de Lille, 1993, 85–115 (= 1993a). Vetters, Carl, Passé simple et l’imparfait: un couple mal assorti, Langue française 100 (1993), 14–30 (= 1993b). Vetters, Carl, L’opposition passé simple-imparfait: une question d’aspect ou de structuration textuelle?, Ann Arbor Michigan, UMI International, 1995 (= 1995a). Vetters, Carl, Temps, aspect et narration, Amsterdam, Rodopi, 1995 (= 1995b). Waltereit, Richard, Metonymie und Grammatik. Kontiguitätsphänomene in der französischen Satzsemantik, Tübingen, Niemeyer, 1998. Wandruszka, Mario, Sprachen. Vergleichbar und unvergleichlich, München, Piper, 1969. Wandruszka, Ulrich, Frasi subordinate al congiuntivo, in: Lorenzo Renzi/Giampaolo Salvi/Anna Cardinaletti (edd.), Grande grammatica italiana di consultazione, vol. 2, Bologna, Il Mulino, 2001, 415–481. Weinrich, Harald, Tempus: Besprochene und erzählte Welt, München, Beck, 1964. Werner, Edeltraud, Die Verbalperiphrase im Mittelfranzösischen. Eine semantisch-syntaktische Analyse, Frankfurt a. M. et al., Peter Lang, 1980. Wertheimer, Max, Drei Abhandlungen zur Gestalttheorie, Erlangen, Philosophische Akademie, 1925. Wildgen, Wolfgang, Kognitive Grammatik: klassische Paradigmen und neue Perspektiven, Berlin et al., De Gruyter, 2008. Wittgenstein, Ludwig, Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914–1916. Philosophische Untersuchungen, in: Werkausgabe, vol. 1, ed. Joachim Schulte, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 2 1995. Wunderlich, Dieter, An Investigation of Lexical Composition: The Case of German be-verbs, Linguistics 25 (1987), 283–331.
Personenregister Agrell, Sigurd 19, 20, 35 Anstatt, Tanja 20, 21, 56, 88 Bertinetto, Pier Marco 1, 2, 6, 11, 12, 13, 18, 19, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 34, 35, 41, 49, 55, 57, 82, 110, 169, 178, 199, 208, 209, 215, 217, 218, 231 Blank, Andreas 4, 70, 72, 73, 76, 78, 79, 81, 86 Blücher, Kolbjorn 215 Böckle, Klaus 40, 199 Bondarko, Aleksandr V. 37 Bühler, Karl 15 Bybee, Joan 2, 52, 55, 62, 80, 83, 86, 215, 217 Carlson, Greg N. 22, 110, 124 Cassirer, Ernst 5, 64, 65 Chomsky, Noam 63 Comrie, Bernard 2, 3, 10, 11, 15, 16, 28, 31, 44, 107 Coseriu, Eugenio 6, 26, 32, 33, 35, 36, 48, 51, 68, 83, 94, 181, 199, 200, 201, 203, 209 Croft, William 2, 4, 49, 64, 71, 72, 73, 76, 78, 86, 95, 113 Dahl, Östen 2, 52, 56, 62, 80, 83, 86, 217 De Mauro, Tullio 62 De Miguel, Elena 3, 6, 32, 39, 43, 44, 45, 49, 86 Depraetere, Ilse 49, 113 Detges, Ulrich 34, 52, 72, 83, 205, 214 Dietrich, Wolf 199, 200, 202, 216 Dowty, David R. 20, 89, 113, 151, 154 Durante, Marcello 192, 194, 215, 216, 217 Ehrich, Veronika 49, 57, 58, 83
Heine, Bernd 91, 204, 205, 214, 215, 216 Holenstein, Elmar 73 Holt, Jens von 15 Hopper, Paul J. 3, 52, 80, 83, 205, 214, 215 Humboldt, Wilhelm von 5, 63 Husserl, Edmund 72, 74 Isačenko, Alexander 20, 38 Jackendoff, Ray S. 3, 63 Jakobson, Roman 104, 216 Klein, Wolfgang 11, 41, 55 Koch, Peter 4, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 74, 75, 76, 78, 79, 81, 86, 104, 105 Krifka, Manfred 3, 57, 89, 113 Laca, Brenda 50, 181, 197, 199, 212, 213 Langacker, Ronald W. 3, 52, 64, 66, 71, 73, 99, 104 Lee, David 76, 78, 94 Lehmann, Christian 52, 83, 205, 214 Lehmann, Volkmar 20, 38, 88 Maienborn, Claudia 24 Marchand, Hans 215 Maslov, Jurij S. 21, 24, 38, 44, 49 Minsky, Marvin 5, 70 Olbertz, Hella 199, 203 Pérez Saldanya, Manuel 25, 35, 50, 82 Pinker, Steven 63, 67 Pollak, Wolfgang 19, 20 Pusch, Claus 181, 199, 204, 205, 206, 213
Gómez Torrego, Leonardo 199, 202, 206, 213 Grevisse, Maurice 12, 13, 39, 40
Raible, Wolfgang 38, 73, 81 Reichenbach, Hans 10, 11, 107 Reiff, Karl P. 19, 79 Rojo, Guillermo 1, 6, 12, 13, 26, 30, 31, 32 Rosch, Elinor 70
Haspelmath, Martin 27, 38, 52, 55, 80, 83, 199 Heger, Klaus 15, 39, 67
Sasse, Hans-Jürgen 3, 8, 26, 40, 48, 49, 60, 80, 89, 90, 105, 218 Scalise, Sergio 52, 55
Fillmore, Charles J. 5, 64, 70, 76, 78, 95
Personenregister
Schlieben-Lange, Brigitte 199, 200, 202 Schwarze, Christoph 40, 68 Serianni, Luca 39 Smith, Carlota 3, 6, 24, 45, 46, 47, 49, 55, 57, 80, 81, 83, 86, 109, 118 Squartini, Mario 3, 48, 49, 50, 53, 59, 91, 199, 202, 205, 206, 212, 213, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 222 Talmy, Leonard 5, 64, 73, 76, 78, 80, 83, 85, 104, 105, 106 Tomasello, Michael 62, 63, 65, 95 Trabant, Jürgen 67 Traugott, Elizabeth C. 52, 83, 214, 215
257
Veiga, Alexandre 1, 6, 12, 13, 26, 30, 31, 32 Vendler, Zeno 2, 21, 22, 24, 29, 51, 85, 88, 113, 148, 218 Verkuyl, Henk J. 2, 3, 20, 24, 25, 49, 52, 88, 89, 93, 113 Waltereit, Richard 52, 63, 71, 72, 81, 83, 104, 214 Weinrich, Harald 1, 10, 31 Wildgen, Wolfgang 95, 99, 100 Wittgenstein, Ludwig 5, 73, 74