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German Pages 141 [145] Year 2010
MARTINA SEIFERT (HRSG.)
Aphrodite HERRIN DES KRIEGES · GÖTTIN DER LIEBE
VERLAG PHILIPP VON ZABERN · MAINZ
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Martina Seifert (Hrsg.)
Aphrodite HERRIN DES KRIEGES · GÖTTIN DER LIEBE
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141 Seiten mit 22 Farb- und 7 Schwarzweißabbildungen
Umschlagabbildung: Ippolito Buzzi (1562–1634): Afrodite Cnidia, Marmor. Museo Nazionale Romano Frontispiz: Sog. „Venus von Milo“, Marmor, ca. 100 v. Chr. Paris, Musée du Louvre
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar
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© 2009 by Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein ISBN: 978-3-8053-3942-1 Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Lektorat: Sarah Höxter, Hamburg Gestaltung des Titelbildes: Claas Möller, b3K text und gestalt GbR, Frankfurt am Main und Hamburg Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed in Germany by Philipp von Zabern Printed on fade resistant and archival quality paper (pH 7 neutral) · tcf
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INHALT VORWORT Martina Seifert APHRODITE – EINE LIEBESGÖTTIN AUF EINER LANGEN REISE Martina Seifert
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DIE ALTORIENTALISCHE INANNA /ISˇ TAR ALS VORBILD DER APHRODITE Jacqueline Kersten
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DIE PHÖNIZISCHE ASTARTE – SCHWESTER DER KYPRISCHEN GÖTTIN? Maren Schröter
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EINE SCHÖNHEIT AUS SCHAUM Judith Budesheim
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HEPHAISTOS UND ARES Mythische Ursprünge zu Aphrodite und die bronzezeitliche Kupferverarbeitung auf Zypern Anna Kieburg
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GELIEBTER GOTT ODER GÖTTLICHER GELIEBTER Adoniskult im Schatten der Aphrodite Wiebke Friese
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BÜNDNIS UND VERSCHMELZUNG ZWEIER GÖTTINNEN Isis und Aphrodite in hellenistischer und römischer Zeit Kathrin Kleibl
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... UND APHRODITE SCHAUT ZU! Rolf Hurschmann
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BIBLIOGRAFIE (Auswahl)
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ABBILDUNGSNACHWEIS
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ADRESSEN DER AUTOREN
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phrodite – wer kennt sie nicht, die griechische Göttin der Liebe? Ihre bekannteste Rolle ist sicherlich jene im Vorspiel des trojanischen Krieges: als Liebesgöttin und listige Siegerin im olympischen Schönheitswettbewerb, ausgetragen zwischen den Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite. Diese waren, angestiftet durch Eris, die Göttin der Zwietracht, darüber in Streit geraten, wer die Schönste unter ihnen sei. Eris handelte ihrerseits auf Anweisung des Göttervaters Zeus, denn dieser plante die Überbevölkerung der Erde durch einen Krieg einzudämmen und zu diesem Zweck Unfrieden zwischen Göttern wie Menschen zu säen. Als Schiedsrichter für den Streit wurde schließlich der junge Paris erkoren, Sohn des trojanischen Herrscherpaares Priamos und Hekabe … und sehr empfänglich für den weiblichen Liebreiz. Aphrodite versprach ihm als Belohnung für sein Urteil die Ehe mit der schönen Helena und empfing auf diese Weise den goldenen Apfel der Hesperiden zum Zeichen ihrer herausragenden Schönheit. An der Tatsache, dass Helena bereits rechtmäßig mit dem Griechen Menelaos verheiratet war, störten sich weder sie noch Paris: Aphrodite ließ Helena in Liebe zu Paris entflammen und dieser entführte die Begehrte nach Troja, wohl wissend, dass
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er durch sein Verhalten die Gastfreundschaft des Menelaos auf das Schändlichste missbrauchte. Der weitere Verlauf der Ereignisse geriet ganz zur Zufriedenheit von Göttervater Zeus. Der Raub der Helena bot den willkommenen Anlass für den Ausbruch des trojanischen Krieges, von dem der Dichter Homer in seinem Epos Ilias (8. Jh. v. Chr.) ausführlich berichtet. Doch nicht nur in Hinblick auf ihre Funktion im trojanischen Krieg ist die Göttin Aphrodite eine der interessantesten mythischen Frauengestalten der Antike, auch ihre Herkunft, oder in historischen Dimensionen gesprochen: Ihre kultische Genese bot immer wieder Anlass zu wissenschaftlichen Diskussionen. In der Literatur und bildenden Kunst haftet der Göttin meist etwas Fremdes und Zwiespältiges an, so verortet z. B. Herodot (5. Jh. v. Chr.) den Ursprung des Aphrodite-Kultes in den Nahen Osten (Herodot 1, 105) und in der modernen Forschung gelten kriegerische Gottheiten wie Astarte oder Inanna-Ištar als orientalische „Vorgängerinnen“ der Aphrodite, d. h. die Entstehung der griechischen Aphrodite-Figur wird zumindest zum Teil als das Ergebnis von Kulturkontakten zwischen den Griechen und den Völkern des Nahen Ostens begriffen. Eine andere These besagt, dass der Aphrodite-Kult von Zypern auf das griechische Festland und auf die Inseln
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des Mittelmeeres gelangte, sich also von dort aus verbreitete. In jedem Fall kommt der im ostmediterranen Becken gelegenen Insel Zypern eine bedeutende kulturgeschichtliche Stellung zu. Diese bildet seit dem ausgehenden Neolithikum allein durch ihre Lage und ihre reichen Rohstoffvorkommen einen verkehrs- und handelsgeografischen Brennpunkt zwischen Griechenland einerseits und dem kleinasiatischen Festland, Ägypten sowie der Levanteküste andererseits. Dem Mythos zufolge soll Aphrodite an der Küste dieser Insel dem Meer entstiegen sein, entstanden aus dem Schaum des abgeschlagenen Gliedes des Uranos – auf jeden Fall belegen die Schriftquellen, dass die Göttin auf der Insel bereits früh in ihrer griechischen Gestalt als die Schaumgeborene verehrt wurde, während sie von den Griechen den Beinamen Kypris, die Zypriotin erhielt (Herodot 1, 105; Pausanias 1, 14,7). Auch die archäologischen Befunde liefern zahlreiche Hinweise auf einen Aphrodite-Kult auf Zypern, so sind aus Paphos und Amathus, zwei antiken Orten an der südlichen Küste der Insel, der Göttin geweihte Kultstätten bekannt; an beiden Orten wurde der Göttin sogar je ein Tempel zugeschrieben. Ob der Aphrodite-Kult bereits mit den Mykenern nach Zypern gelangte und ob – vor allem aber auf welche Weise – er sich mit indigenen Fruchtbarkeits- und Weiblichkeits-Kulten mischte, bleibt allerdings diskussionswürdig. Sicher ist jedoch, dass die Verehrung von Aphrodite auf Zypern bis in die römische Zeit hi-
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nein Bestand hatte, seit dem Hellenismus lässt sich zudem eine Verbindung zur ägyptischen Isis beobachten: Mit dieser verschmolz die Göttin – wie Inschriften, Bildzeugnisse aber auch die sakrale Architektur belegen – mancherorts in einem gemeinsamen Kult. An anderen Orten wurde Aphrodite im Sinne einer Aphrodite/Astarte in enger Nachbarschaft zu Isis verehrt. Der lokalen, über die Jahrhunderte hinweg andauernden Entwicklung und Veränderung des Aphrodites-Kultes auf Zypern steht eine etwas anders geartete Tradition in Griechenland gegenüber. Trotz der nach Pausanias bezeugten weiten Verbreitung des Aphrodite-Kultes in Griechenland (z. B. Pausanias 2, 2,4), kennen wir aus diesem Gebiet nur vergleichsweise wenige Tempel und Stätten, die als konkrete und baulich fassbare Orte der Aphrodite-Verehrung dienten. Die meisten und detailliertesten Informationen stammen aus den schriftlichen Zeugnissen, allerdings sind diese Quellen hinsichtlich Zeit und Ort wenig kohärent: Am Abhang der Athener Akropolis soll Aphrodite zusammen mit Eros verehrt worden sein (SEG 10,27) und am Rande des athenischen Flusses Ilissos befand sich der Bezirk der Aphrodite Urania, den die Athener Bürgerinnen aufsuchten (Pausanias 1, 19,2) und schließlich erfahren wir von der Existenz eines Tempels für Aphrodite Praxis in der peloponnesischen Stadt Megara (Pausanias 1, 43,6). Auch wenn die Beschreibungen des Pausanias aus dem zweiten Drittel des 2. Jhs. n. Chr. unser Bild von Athen und Grie-
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chenland maßgeblich geprägt haben, muss doch bei allem Informationsgewinn im Gedächtnis behalten werden, dass diese Sichtweise eine römische ist und nicht die Zustände zur Zeit der griechischen Klassik oder gar der Frühzeit widerspiegelt. Die Charakterisierung von Aphrodites Wesenheiten in griechischer Tradition entstammt ebenfalls zumeist hellenistischen und römischen Quellen – Tempelprostitution, Kriegswesen, aber auch die Fürsorge um junge Frauen und deren Fruchtbarkeit sollen unter dem Schutz der griechischen Göttin gestanden haben. Die vielfach angesprochene Ambiguität Aphrodites kommt in ihren unterschiedlichen Beinamen zum Ausdruck. So berichtet erneut Pausanias (1, 27,3) von Aphrodite, die als Göttin der Zeugung und Sexualität „en kyprois“ – „in den Gärten“ – den athenischen Oberschichtfrauen beistand. Diese Aphrodite unterstützte die Göttin Athena am Abhang der Akropolis bei der Betreuung frisch vermählter junger Frauen und deren Wunsch um Nachwuchs. Mit dem Beinamen Pandemos („dem Volk gehörig“) fungierte Aphrodite als Schützerin der gesamten Athener Bürgerschaft (Pausanias 1, 22,3; IG II2 659), während sie in ihrer Rolle als Aphrodite Euploia („glückliche Fahrt“) überwiegend von Männern als Schützerin der Schifffahrt verehrt wurde (IG II2 2872; Pausanias 2, 34,11). Eine umstrittene Stelle bei Strabon (8, 6,21), einem Historiker und Geografen des 1. Jhs. v. Chr., bringt Aphrodite mit der Tempelprostitution in Verbindung und auch
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Beinamen wie Porne („Hure“) deuten auf eine Funktion als Fürsprecherin der Hetären und Prostituierten. Diese knappe Skizze der Wesenheiten der Aphrodite macht noch einmal deutlich: Eine Analyse der Funktionen der Göttin, und damit verbunden ihres Kultes, bedarf dringend einer topografischen wie zeitlichen Differenzierung. Dieser Eindruck verstärkt sich, blickt man auf die bildlichen Darstellungen der griechischen Aphrodite. Frühe Wiedergaben der Göttin finden sich auf Gefäßdarstellungen aus der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr., z. B. auf der sogenannten Chigikanne aus den Jahren um 640/630 v. Chr., und zeigen Motive aus dem trojanischen Sagenkreis. Attische Vasenbilder seit dem 5. Jh. v. Chr. bilden Aphrodite beispielsweise in Begleitung von Eros, der Personifikation des sexuellen Begehrens, in sogenannten Frauengemachszenen ab. Andere Szenen stellen die Göttin einer Bürgerin gleich als frisch vermählte junge Ehefrau dar. Großplastische Werke, also Skulpturen, entstanden wohl erst ab der klassischen Periode, genauer: ab dem letzten Drittel des 5. Jhs. v. Chr. Die Bildhauer schufen in dieser Zeit plastische Gewandstatuen der Göttin, die uns nur selten als griechische Originale, wohl aber als römische Kopien oder Umbildungen erhalten sind. Unbekleidete Aphroditefiguren entstanden erst später und wurden besonders im Hellenismus beliebt. Eines der berühmtesten Bildhauerwerke ist die sogenannte knidische Aphrodite: Um 340 v. Chr. vom griechischen Bildhauer Praxiteles für den Tempel der
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Abb. 1 Sandro Botticelli: Geburt der Venus (1482). Neben der „Venus von Milo“ (S. 2) ist dies die wohl berühmteste Darstellung der Aphrodite: Die Göttin wird auf einer Muschel an den Strand von Zypern gespült, angetrieben von Zephyros und Aura (links). Florenz, Uffizien.
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Aphrodite Euploia im kleinasiatischen Knidos geschaffen, stand die Figur im Ruf, das erste und zugleich vollkommen unbekleidete Standbild einer Göttin zu sein. Mit Ausnahme einiger weniger Figuren, die eine nackte Aphrodite mit Schwert wiedergeben, bringen die Vasenbilder und die freiplastischen Figuren ganz klar Aphrodites Charakter als Göttin der Weiblichkeit und Schönheit zum Ausdruck. Der Bogen ließe sich an dieser Stelle nun weiter nach Unteritalien und Sizilien spannen oder noch weiter nach Westen hin, wo sich wiederum eigene Traditionen der Rezeption und des Kultes herausbildeten. In diesem Buch muss jedoch trotz zahlreicher möglicher spannender Fragen und Problemfelder eine Auswahl getroffen werden. Woher kommt nun Aphrodite? Und warum wird sie gelegentlich in Waffen abgebildet? In welcher Beziehung stehen ihre Genese und ihr Kult zu altorientalischen Gottheiten wie Inanna/Ištar, Astarte oder der Großen Göttin? Wie ist der Bildtypus der „Nackten Göttin“ entstanden, der Jahrhunderte nach seiner Ausbildung im Orient seine Nachläufer in den auf Zypern gefundenen Figuren einer weiblichen Fruchtbarkeitsgöttin – Aphrodite oder Astarte – fand? Darf man die phönizische Astarte, wie sie seit dem 9. Jh. v. Chr. in den durch die Phönizier okkupierten Städten in Zypern auftritt, so in Kition, als Schwester der kyprischen Göttin bezeichnen? Entwickelte sich Aphrodite aus den sogenannten Brettidolen? Welche Funktionen besaßen ihre frühen Gefährten Hephaistos
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und Adonis? Und wie kam es zur Verschmelzung von Aphrodite und der ägyptischen Isis in hellenistisch-römischer Zeit? Und schließlich: Woraus leitet sich die Rolle der Aphrodite klassischer Zeit auf Vasendarstellungen als Beobachterin mythischer Ereignisse und als Teilnehmerin in Genredarstellungen wie Liebesbegegnungen, Hochzeitsszenen und Bildern des Totenkultes ab? Die Beiträge in diesem Buch behandeln den Wandel der als Aphrodite bezeichneten Göttergestalt von ihren möglichen Ursprüngen im Orient bis hin zu ihrer mythischen Gestalt im klassischen Griechenland. Im Grunde geht es bei den Ausführungen um die vielfältigen Aspekte einer beunruhigenden, in einer Götterfigur kanalisierten Weiblichkeit. Neben den verschiedenen Ausprägungen der lokalen Wesensmerkmale der Göttin sind über Zeit und Raum hinweg signifikante Veränderungen ihrer Geschlechterrolle zu beobachten. Auf Grundlage der materiellen Hinterlassenschaften und unter Hinzuziehung insbesondere von Schrift- und Bildquellen sollen diese vielfältigen, vor allem auch künstlerischen Umsetzungen des Wandels des antiken Bildes von Weiblichkeit in eingängiger Weise sichtbar gemacht werden. Nicht zuletzt gibt die Befassung mit Aphrodite die Gelegenheit, existente Kulturkontakte im Mittelmeergebiet aufzuzeigen – durch die Erläuterung von religiösen Praktiken, die durch die gegenseitige Beeinflussung verschiedener weiblicher Göttergestalten und ihrer Kulte in einer polytheistischen Welt entstanden sind.
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Zur Entstehung des Bandes Dieser Band verdankt seine Entstehung zum einen dem Wohlwollen von Frau A. Nünnerich-Asmus, Frau G. Klose und Herrn C. Hartz vom Verlag Philipp von Zabern, die es ermöglicht haben, diese Beiträge in dieser Form zu publizieren. Für ihre Unterstützung sei an dieser Stelle ein herzlicher Dank ausgesprochen. Zum anderen beruht er auf dem beharrlichen Engagement seiner Autorinnen und seines Autors, die seit 2003 in einem Projekt zur zyprischen Aphrodite an der Universität Hamburg gemeinsam über diesen Themenkomplex geforscht haben. Das Vorhaben war von mir zunächst als berufsqualifizierendes Projekt für Hamburger Absolventinnen der Klassischen Archäologie initiiert worden. Ein Geländeaufenthalt 2003 auf Südzypern wurde durch den Frauenförderfonds der Universität Hamburg finanziell unterstützt. Vor Ort gewährten uns dankenswerterweise D. Michaelides, Direktor der Archaeology Research Unit, und E. Egoumenidou, Department of History and Archaeology, beide von der University of Cyprus, Nikosia, ihre Hilfe. Im Sommersemester 2004 erfolgte die Präsentation der Studienergebnisse
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im Rahmen öffentlicher Vorträge in einer Ringvorlesung an der Universität Hamburg zum Thema „Aphrodite – Kult- und Kunstzeugnisse auf Zypern“. Im Herbst 2004 folgte ein zweiter Geländeaufenthalt der Projektgruppe auf Zypern (Nordteil). Angeregt und motiviert durch die gemeinsame Forschungstätigkeit, organisierten die Absolventinnen eigenständig im Frühjahr 2005 die an NachwuchsforscherInnen gerichtete Tagung „Begegnungen – Materielle Kulturen auf Zypern“ in Hamburg. Eine finanzielle Unterstützung gewährte der Deutsche Archäologenverband e. V. Die Veranstaltung stieß auf reges nationales Interesse; der Tagungsband in Zusammenarbeit mit Sabine Rogge innerhalb der Schriften des Interdisziplinären Zentrums für Zypernstudien ist 2007 erschienen. Alle genannten Personen haben maßgeblich zum Gelingen dieses Vorhabens beigetragen. Mein Dank gilt zuletzt noch meinen Hamburger Kolleginnen und Kollegen für ihre vielfältigen Hinweise und Ratschläge. Martina Seifert Bern, im Januar 2009
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Der Felsen der Aphrodite „Dort stieg die schöne heilige Göttin ans Ufer; es sprosste Gras unter ihren zarten Füßen. Die Götter und Menschen nennen sie Aphrodite, weil sie enttaucht ist dem Schaume, oder Kythereia, weil sie zuerst Kythera sich nahte“, mit diesen Worten berichtet der griechische Schreiber Hesiod in seiner Abhandlung über die Geschichte der griechischen Götter, der Theogonie, über die Ankunft der Göttin Aphrodite (Hesiod, Theogonie, 194–197). Als aus dem Westen kommend – „wohin sie die feuchte Brise des Westwindes trieb und wo sie die Horen voll Freude empfingen und mit göttlichen Kleider umhüllten“ – wird sie auch im Homerischen Aphroditehymnus beschrieben. Doch ob hiermit wirklich die Insel Zypern gemeint war, von welchem Ort aus sie die Insel erreichte und zu welchem Zeitpunkt der Geschichte dies geschah, bleibt ein Rätsel und führte in der Vergangenheit zu lebhaften Forschungsdiskussionen. Die heutige Tourismusindustrie hat es indes leichter als die Wissenschaft: „Petra tou Rhomiou“ (Griechenstein) nennen die Zyprioten einen Felsen nahe Alt-Paphos an der
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südwestlichen Küste Zyperns, an dem die Göttin Aphrodite dem Meer entstiegen sein soll (Abb. 2). In der griechischen Mythologie ist die Legende um Aphrodites ungewöhnliche Geburt nach Hesiod zugleich die Geschichte der Entmachtung des alten Göttergeschlechts der Titanen (Theogonie, 188–206): Am Anfang der Welt war das Chaos. Aus diesem Chaos entstand die Erde Gaia, die den Himmel Uranos gebar und sich mit ihm vereinigte. Gaia und Uranos zeugten mehrere Kinder – die Titanen, drei Zyklopen und drei Hekatoncheiren. Doch der die eigenen Nachkommenden hassende Uranos ließ diese Kinder im Schoss der Gaia verbleiben, welche daraufhin ihren Letztgeborenen Kronos mit der Entmachtung des Vaters beauftragte. Kronos gelang es, den Vater zu überwältigen und ihn mittels einer Sichel aus Adamant zu entmannen; das abgetrennte Glied warf er ins Meer. Aus dem herausrinnenden „Schaum“ (griech. aphros) entstand Aphrodite, welche von Eros und Himeros in die Wohnstätte der Götter auf den Berg Olymp geleitet wurde. Dort wurde die aus dem Meer geborene Göttin wegen ihrer Schönheit und Klugheit von jedem Olympier als Gemahlin begehrt
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und ging schliesslich eine eheliche Verbindung mit dem verkrüppelten Schmiedegott Hephaistos ein. Das Glück war jedoch nicht von Dauer, denn sie betrog diesen später u. a. mit dem Kriegsgott Ares. Als der Sonnengott Helios die beiden Ehebrecher beobachtete und Hephaistos über Aphrodites Untreue unterrichtete, fing dieser das nackte Liebespaar mit einem unsichtbaren Netz und rief die anderen Götter herbei. Auf diese Weise gab Hephaistos die treulose Gattin mit ihrem Liebhaber vor aller Augen der Lächerlichkeit preis. Bei Homer wird eine andere Geschichte über Aphrodites Herkunft erzählt, der zufolge Aphrodite die Tochter des Göttervaters Zeus und der Dione war und somit seit ihrer Geburt zum Kreis der Olympischen Götter gehörte (Homer, Ilias 5, 370–417). Zu diesen zählen in diesem Kontext neben Aphrodite und dem Göttervater Zeus dessen Gemahlin Hera sowie Poseidon, Demeter, Apollon, Artemis, Athena, Hephaistos, Ares, Dionysos und Hermes. Da jede Gottheit gesellschaftliche Wertvorstellungen verkörperte – Tugenden wie Laster –, boten die Götterkulte den Griechen notwendige Identifikationsmöglichkeiten und schufen ein Regelsystem für angemessenes menschliches Verhalten. Die Heiligtümer, in denen die meisten Götterkulte angesiedelt
waren, lagen in den innerstädtischen (urbanen), randstädtischen (sub-urbanen) und außerstädtischen (extra-urbanen) Gebieten und boten neben ihrer religiösen Funktion eine wichtige soziale Anlaufstationen. Interessant ist nun die Rolle, welche die Göttin Aphrodite im Kreise der Olympier spielte. Griechische Darstellungen von Aphrodite in Gesellschaft der Olympischen Götter kennen wir aus der Vasenmalerei, aber auch durch den Figurenschmuck des Parthenons auf der Athener Akropolis. Der im 5. Jh. v. Chr. geschaffene und im Tempelinneren (griech. Cella) herumlaufende Fries des Parthenons bildet den Festumzug des Panathenäenfestes zu Ehren der Stadtgöttin Athena ab: Die Olympischen Götter, und unter ihnen Aphrodite, sind herbeigekommen, um das Treiben der Menschen zu beobachten. Aphrodite wird auf dem Parthenonfries nicht durch besondere physische Merkmale, erklärende Beigaben oder explizites Verhalten charakterisiert, sie erscheint vielmehr im Stil der Zeit als eine der olympischen Göttinnen. Detailliertere Informationen über ihr Wesen gewinnen wir durch die mythische Überlieferung: Dort verkörperte sie die Weiblichkeit in all ihrer Zweideutigkeit, den verführerischen Liebreiz und die Anmut – von den Griechen als „Charis“
Nachfolgende Doppelseite: Abb. 2 Der als „Felsen der Aphrodite“ bezeichnete „Petra tou Rhomiou“ befindet sich in der Nähe von Alt-Paphos an der Südküste Zyperns. Er ist heute noch eine Touristen-Attraktion. Das Bild gibt den Küstenabschnitt in der Nähe des Aphroditefelsens wieder.
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Die Olympischen Götter Im antiken Griechenland war die Religion ein integraler Bestandteil des Lebens und der Kult der Götter eine öffentliche und gemeinschaftliche Aktivität, die vorwiegend in Heiligtümern ausgeübt wurde. Die griechischen Götter besaßen eine Reihe von Eigenschaften, die sie von den Menschen unterschieden: Sie waren unsterblich und in ihren Adern floss kein Blut. Sie ernährten sich von Nektar und Ambrosia sowie vom Opferrauch, der von den Altären der Menschen in den Heiligtümern aufstieg. Als ihre Wohnstatt galt der sagenhafte Berg Olymp – ein vielgipfliges Bergmassiv zwischen Makedonien und Thessalien, das zugleich die höchste Erhebung Griechenlands bildet. Die auf dem Olymp wohnenden Götter wurden von den antiken Schriftstellern als Olympier bezeichnet. Zu ihnen gehörten Zeus, Poseidon, Demeter, Hera, Ares, Aphrodite, Artemis, Apollon, Athena, Hermes, Dionysos und Hephaistos. Darstellungen der Olympischen Götter finden sich auf griechischen Vasen und auf dem berühmten Parthenonfries aus dem 5. Jh. v. Chr. Die Götter konnten eine Reihe von verschiedenen Rollen übernehmen, die durch Beinamen angezeigt wurden. Diese Beinamen entsprachen dem jeweiligen Ort, an dem die Götter den spezifischen Kult empfingen, oder der Funktion, die sie erfüllten. Zeus als der Göttervater galt als der mächtigste aller griechischen Götter und als der Bewahrer von Ordnung und Gerechtigkeit der Welt. Als Gott des Lichts und des Himmels führte er den Vorsitz bei den göttlichen Zusammenkünften. Man erkennt ihn an Ägis und Blitz. Seine Gattin Hera war als Tochter des Kronos und der Rhea zugleich seine Schwester und Frau. Als Hüterin der Ehe wachte sie über die eheliche Treue und wurde oft als ebenso eifersüchtig wie rachsüchtig in der Mythologie erwähnt. Hierzu hatte sie auch allen Grund – stammten doch viele außereheliche Nachkommen aus diversen Verbindungen des Zeus mit zahlreichen Göttinnen und sterblichen Frauen. Als wichtige Götter traten auch die Geschwister der beiden, Poseidon und Demeter, ebenfalls Kinder des Kronos und der Rhea, in Erscheinung. Poseidon galt als der Gott des Meeres. Sein Attribut ist der Dreizack. Die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter war zugleich die Mutter von Persephone. Ihre Erkennungsmerkmale sind Ähre und Fackel. Ares, der Kriegsgott, und Hephaistos, der Schmiedegott, waren die beiden legitimen Söhne von Zeus und Hera. Hephaistos fertigte als Gott des Feuers, der Metalle und der Metallverarbeitung die Waffen der Götter und der Heroen. Aus außerehelichen Verbindungen des Zeus stammten Aphrodite, die Göttin der Liebe – welche einer anderen Überlieferung zufolge von Uranos geschaffen wurde –, Artemis, die Göttin der Jagd, sowie Hermes, der Götterbote.
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Eine Sonderstellung nahm Apollon, der Gott des Orakelwesens, der Musik, der Poesie und der Beschützer der Musen, ein. Seine Attribute sind die Leier, der Bogen (den er mit seiner Zwillingsschwester Artemis teilte) und der Lorbeerkranz. Ebenso bedeutend war Athena, die Göttin der Vernunft und der Weisheit, welche Zeus aus seinem Kopf gebar. Als Schutzgöttin der Künste und der Literatur förderte sie die Wissenschaften, das Gewerbe und das Handwerk. Somit sorgte sie für den Wohlstand der Städte und galt als Beschützerin von Helden wie Herakles und Odysseus. Als kriegerische Göttin und gleichzeitig als Bewahrerin des Friedens hat sie als Attribute Lanze, Helm, Ägis und Gorgoneion. Ferner gehörten zu ihr die Eule und der Ölbaum, den sie den Menschen gebracht hat. Dionysos war ein Sohn des Zeus und der Semele. Er war der Gott des Weines und der ekstatischen Begeisterung. Er erschien mit Efeu bekränzt, den Kantharos, das Trinkhorn, und den Weinstock haltend.
bezeichnet – ebenso wie die sexuelle Fähigkeit zur Fortpflanzung. Außerdem wurde Aphrodite bei den Griechen als Schützerin der Seefahrt, Schirmherrin der Ehe sowie als Hüterin der guten Sitten verehrt. Als Aphrodite „in Waffen“ besaß sie, wie wir noch sehen werden, ebenfalls kriegerische Aspekte. Durch ihr Erscheinen und ihr Wesen sorgte sie vielerorts für Unmut und Streit. So schrieben ihr ja bekanntlich manche Dichter eine nicht unmaßgebliche Beteiligung am sogenannten Parisurteil zu, das den Auslöser für den Trojanischen Krieg bildete.
Ankunft nach einer langen Reise? Doch war Aphrodite wirklich eine genuin griechische Göttin? Woher stammte ihr Kult und wie gelangte er
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nach Griechenland? Die antiken Schriftsteller geben Hinweise auf eine Entstehung des Aphroditekultes im Vorderen Orient. Herodot (1,105) berichtet, der Tempel der Aphrodite Urania in Askalon, im heutigen Syrien gelegen, sei „der älteste von allen Tempeln, welche die Göttin hat. Auch der Tempel auf Kypros ist von Askalon aus gegründet worden, wie man auf Kypros selber zugibt, und den Tempel in Kythera haben Phöniker, also Bewohner jenes syrischen Landes errichtet“. Nach Pausanias (3, 15,10; 3, 23, 1; 2, 5, 1) war das Heiligtum der Aphrodite Urania auf der griechischen Insel Kythera das älteste und heiligste der Göttin in Griechenland. Er beschreibt das Kultbild als bewaffnet, bleibt uns allerdings hinsichtlich der Art der Waffen und der Gründe, warum sie diese mit sich führte, eine Antwort schuldig. Der Überlieferung nach trug
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Aphrodite auch in ihren Heiligtümern in Akrokorinth und Sparta Waffen, beide Heiligtümer befanden sich auf der Peloponnes an wichtigen antiken Handels- und Verkehrswegen. Interessanterweise lässt sich der Aphroditekult in Griechenland archäologisch erst seit dem 9./8. Jh. v. Chr. nachweisen, denn obwohl die meisten griechischen Gemeinwesen eine oder mehrere Kultstätten für die Göttin besaßen, lassen sich diese in der Regel nur über Hinweise in den Schriftquellen, weniger durch tatsächliche archäologische Befunde, lokalisieren. Aphrodite wurde in Griechenland, wie bereits angeklungen, vor allem als Gottheit der Sexualität und der Zeugung verehrt. So ist zumindest für die archaische und klassische Zeit, d. h. für den Zeitraum zwischen dem 6. bis 4. Jh. v. Chr., belegt, dass in vielen Orten junge Mädchen am Abend vor ihrer Hochzeit der Göttin ein Opfer darbrachten, um ihre erste sexuelle Begegnung mit dem Gatten in der Hochzeitsnacht günstig ausfallen zu lassen. Der Aphroditekult auf Zypern scheint dagegen älter zu sein. Funde in Alt-Paphos deuten auf die Existenz des Kultes bereits im 12.–11. Jh. v. Chr. – seit diesem Zeitraum sind dort Siedlungsspuren bezeugt – und das Aphrodite-Heiligtum von Paphos galt als die berühmteste antike Kultstätte der Göttin auf Zypern. Möglich ist, dass nicht vom Festland stammende mykenische Griechen den Kult auf die Insel brachten – die griechische Göttin somit nicht tatsächlich bei Paphos „aus dem Meer stieg“ –, sondern phönizische Händler
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hier einen Astartekult etablierten, der sich mit dem Kult einer Großen Göttin bzw. der später als Aphrodite bezeichneten Gottheit mischte bzw. neben diesem weiterhin Bestand hatte. In der Tat sind gerade zwischen der kriegerischen Aphrodite, der phönizischen Göttin Astarte und der akkadisch/sumerischen Gottheit Ištar/Inanna vergleichbare Wesenszüge zu beobachten. Astarte, spätestens seit dem 14. Jh. v. Chr. aus Ugarit (heute in Syrien gelegen) bekannt, weist sich wie Aphrodite als Gottheit der Liebe, der Fruchtbarkeit, der Gestirne und der Kriege aus. Inanna und Ištar sind in Literatur und Bildkunst ebenfalls als kriegerische und sich sexuell ambivalent verhaltende Göttinnen geläufig. „Ich bin die kriegerischste aller Götter, die die Ortschaften zerschlägt“ heißt es in einem akkadischen Hymnus an Ištar. Ihre Waffen sind Schwert, Streitaxt, Bogen und Speer.
Die bewaffnete Liebesgöttin Auch einige freiplastische Aphroditeskulpturen sind mit dem Schwert als Waffe versehen, so z. B. die sogenannte Aphrodite von Epidauros. Bei ihrer Entdeckung im Jahr 1885 befand sie sich zusammen mit Statuen des Asklepios, der Hygieia und der Athena in einem Saal der römischen Badeanlagen in Epidauros, dem wohl prominentesten Heiligtum des Heilgottes Asklepios. Bei der 1,50 m hohen Aphroditefigur handelt es sich um eine stehende, mit Untergewand (griech. Chiton) und Mantel
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(griech. Himation) bekleidete Frau, der ein über ihre rechte Schulter geführtes Gurtband als Halterung für ein heute nicht mehr erhaltenes Schwert gedient hat. Die Statue stammt aus römischer Zeit und geht vermutlich auf ein griechisches Original vom Ende des 4. Jhs. v. Chr. zurück; zu sehen ist sie heute im Athener Nationalmuseum. Es gibt weitere, allerdings unbekleidete Frauenfiguren, die ebenfalls als Aphroditestatuen benannt werden und ein Gurtband mit erhaltenem Schwert aufweisen. Auch bei ihnen handelt es sich um römische Kopien, deren Vorbilder in hellenistischer Zeit zu suchen sind. In den Uffizien in Florenz steht eine 1,23 m hohe, stark ergänzte Statue, die eine unbekleidete Frau zeigt, welche mit ihrer rechten Hand in ein über der Schulter liegendes Schwertband greift und mit der linken den Griff der in der Schwertscheide steckenden Blankwaffe ergreift. Eine weitere Figur mit ähnlichem Haltungsmotiv befindet sich heute im Louvre in Paris: Dargestellt ist auch hier eine bis auf das Schwertband nackte Frauengestalt (Abb. 3), welche ebenfalls mit ihrer Rechten an das Schwertband auf ihrer Schulter greift und mit der Linken den Knauf der Waffe umschlossen hält. Diese Figur ist mit einer Höhe von 1,99 m überlebensgroß. Sie war in einer Wandnische in der Villa Giulia in Rom aufgestellt, gelangte von dort in die Sammlung Borghese und anschließend weiter nach Paris. Als Stützfigur der Skulptur dient ein kleiner Eros, der einen Helm über seinem Kopf erhebt. An seiner Seite befin-
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den sich ein Panzer mit darüberliegendem Kurzmantel (griech. Chlamys) sowie zwei Beinschienen. Dazu meinte der Florentiner Gelehrte G. Simeoni aus der Mitte des 16. Jh. n. Chr.: „… der Künstler habe zeigen wollen, wie Soldaten und andere tapfere Männer sich von der Liebe verleiten lassen, Pflicht und Ehre zu vergessen…“ Ein 0,91 m hoher Torso aus Nea Paphos auf Zypern unterscheidet sich von den zuvor genannten Statuen durch einen Reif am linken Arm der Figur. Das Schwertgehänge befindet sich frei unter der rechten Achselhöhe der Frauenstatue.
Vorbildlichkeit und Attraktivität Die zuletzt betrachteten Frauengestalten wirken trotz des umgehängten Schwerts auf den Betrachter nicht kriegerisch, denn ihnen haftet nichts Kämpferisches an. Die Archäologin Wiltrud Neumer-Pfau hat in ihrer Arbeit über die Funktion der hellenistischen Aphroditestatuen den Typus der nackten Aphrodite, den Figuren wie die sogenannte Aphrodite von Knidos (Abb. 4) wiedergeben, sehr zutreffend beschrieben: Die Göttin in ihrer Nacktheit wird in leicht vorgebeugter Haltung „als schamhaftes, eher ängstliches Wesen charakterisiert, deren vorbildhafte Attraktivität von der scheuen Sittsamkeit bestimmt wird, die zugleich Unterlegenheit signalisiert“. Die demutsvolle Haltung der Göttin und ihre erotische Wirkung auf den Betrachter lassen als Künstler oder Auftraggeber eine eher
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dem traditionellen griechischen Frauenbild zugetane Person vermuten. Noch in der Klassik, d. h. im 5. und 4. Jh. v. Chr., ist weibliche Nacktheit in der Regel motivisch bedingt: Unbekleidete Frauen erscheinen auf den griechischen Vasenbildern dieser Zeit beispielsweise als Badende im Frauengemach oder als Hetären beim Symposion, dem traditionellen Gelage der Männer. Eine bürgerliche und verheiratete Frau wurde niemals (!) unbekleidet dargestellt, denn durch ihre nach außen hin zur Schau gestellte Tugendhaftigkeit und Sittsamkeit unterschied sie sich deutlich von den Hetären, ihr Status wurde auf den Bildern durch den Ausdruck im Habitus der Dargestellten wiedergegeben. In dieses Bild der anständigen Frau fügt sich auch die sogenannte Aphrodite von Epidauros ein, obwohl es sich bei ihr um eine Göttin und nicht um eine sterbliche Bürgerin handelt. Eine solche Interpretation trifft natürlich nur dann zu, sofern tatsächlich eine griechische Vorgängerfigur aus dem 4. Jh. v. Chr. existiert hat, die eine bekleidete Aphrodite in Waffen zeigte, und der römische Bildhauer also nicht den Typus einer griechischen Gewandstatue umbildete, indem er das Schwert hinzufügte. Der Typus der halbbekleideten und nackten Aphrodite entstand erst mit dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr. In dieser Zeit
traten auf den vornehmlich von Frauen verwendeten Gefäßen für den Kosmetikund Toilettengebrauch – so auf diversen Kästchen oder Salbölfläschchen, z. B. auf Pyxiden, Lekythen, aber auch auf Lekaniden oder Lutrophoren – Bilder von Bürgerinnen in häuslichen Ambiente auf, die in ihrer Darstellungsweise der Göttin Aphrodite und ihrem mythischen Gefolge angeglichen wurden. Auch diese Darstellungsweise deutet auf Vorbildlichkeit und Attraktivität der Frauen. Viele der Szenen zeigen Hochzeitsvorbereitungen, auf denen die Frauen „Aphrodite gleich“ und auf diese Weise dem Alltag entrückt abgebildet sind.
Das Unbehagen der Römer Kehren wir zurück zum Typus der bewaffneten Aphrodite. Warum stellen nun ausgerechnet griechische freiplastische Statuen eine Aphrodite in Waffen dar? Ist dies möglicherweise ein Verweis oder eine Erinnerung an die kriegerische Göttin, die ursprünglich mit den Phöniziern vom Vorderen Orient über Zypern nach Griechenland gelangte und dort erst den Namen Aphrodite erhielt? Oder spielen die Waffen auf Aphrodites unheilvolle Rolle beim sogenannten Parisurteil und auf den hierdurch ausgelösten Trojanischen Krieg an?
Abb. 3 Die Skulptur der „Aphrodite mit dem Schwert“ ist eine römische Kopie. Der Göttin ist ein kleiner Eros als Stützfigur beigegeben. Paris, Musée du Louvre.
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Die Knidische Aphrodite Sie ist eine der am häufigsten kopierten antiken griechischen Frauenstatuen der spätklassischen Zeit: die Knidische Aphrodite. Das Standbild wurde im 4. Jh. v. Chr. von dem Bildhauer Praxiteles für den Tempel der Aphrodite Euploia in Knidos geschaffen und galt als die erste und zugleich vollkommenste Skulptur einer vollkommen nackten Göttin. Die Schriftquellen bezeichnen diese Aphrodite als berühmteste Marmorskulptur der Welt, die schon in der Antike eine große Anziehungskraft auf Besucher ausgeübt hat (Plin. nat. hist. 36,20). Der Überlieferung nach soll Praxiteles von den Bürgern der Stadt Kos aufgefordert worden sein, eine Statue der Göttin Aphrodite anzufertigen. Er schuf daraufhin zwei Versionen: eine bekleidete und eine unbekleidete – wobei ihm angeblich die Hetäre Phryne als Vorbild gedient hat. Die Bewohner von Kos waren beim Anblick der nackten Figur entsetzt und entschieden sich somit für die Gewandstatue. Das nackte Götterbild wurde schließlich nach Knidos gebracht. Aphrodite selbst soll bei der Betrachtung des Werkes mit den Worten reagiert haben: „Wo hat Praxiteles mich denn nackt gesehen?“ Eine pikante, ebenfalls von Plinius verfasste Geschichte spielt auf die Lebendigkeit der Skulptur und gleichermaßen auf das technische Können ihres Bildhauers Praxiteles an: Als ein junger Mann des Götterbildes ansichtig wurde, verliebte er sich in die lebensecht aussehende Aphrodite und ließ sich entflammt vor Begehren eines Nachts im Tempel einschließen, wo er sich dem Göttinnenbild in unschamhafter Weise näherte. Zeugnis von dieser Begegnung soll ein gut sichtbarer Fleck am hinteren Oberschenkel der Knidierin abgelegt haben. Das griechische Original des knidischen Kultbildes ist heute verloren. Ursprünglich soll sich die Statue in einem eigens für sie errichteten kleinen Rundtempel befunden haben, der den Eintretenden ein Umschreiten der Figur ermöglichte. Insgesamt haben sich mehr als 50 großformatige Kopien und zahlreiche kleinplastische Werke erhalten. Die künstlerische Rezeption der Knidischen Aphrodite in nachantiker Zeit war im Vergleich zu der ebenfalls berühmten Venus von Milo jedoch gering.
Abb. 4 Zu den berühmtesten antiken Statuen zählt die sog. „Aphrodite von Knidos“. Der Bildhauer Praxiteles soll dieses Bildwerk für die kleinasiatische Stadt Knidos geschaffen haben. Erhalten blieben nur Kopien des klassischen Originals. Rom, Vatikanische Museen.
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Den römischen Künstlern oder Kopisten muss der Umgang mit einer bewaffneten Aphroditegestalt sicher ungewöhnlich vorgekommen sein, denn ein gängiger, für das römische Pendant der Aphrodite, die Göttin Venus, verwendeter Topos ist die ohne Waffen siegende Göttin. Der um 300 n. Chr. lebende Lacantius berichtet von spartanischen Frauen, die ihre Männer durch den Anblick ihres nackten Körpers „entwaffneten“. Dieses Entwaffnungsmotiv hatte bereits im 3. Jh. v. Chr. Leonidas von Tarent aufgegriffen, als er über die spartanische Aphrodite in Waffen schrieb: „Kythereia, sag an: Warum hast Du die Rüstung des Ares Dir um die Glieder gelegt? Ist sie nicht müßig, diese Last? Nackt hast Du Ares entwaffnet, und muss schon ein Gott sich Dir fügen, trägst Du die Waffen dann nicht wider die Menschen umsonst?“ Der Schriftsteller nimmt hier nicht auf die kriegerische Ausstattung der Göttin Bezug, sondern thematisiert die Gegensätze zwischen Liebe und Krieg sowie die Macht der Liebe über die Star-
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ken. Das „kulturelle Gedächtnis“ reichte, so scheint es, nicht bis in die frühen Zeiten und in den Orient zurück. Thematisiert wurden Episoden aus dem griechischen Mythos bzw. der griechischen Historie und vor diesem Hintergrund interpretierten die Autoren Aphrodites schlagkräftige Ausrüstung. Zu vermuten bleibt also, dass dieser bewaffnete Aphrodite-Typus vor dem Hintergrund der Troja-Episode entstand. Gemeinsam ist den verschiedenen Sichtweisen – griechischen wie römischen – eine gewisse Ambivalenz gegenüber der erotischen Attraktivität der Göttin Aphrodite. Die Römer integrierten in ihre Staatsreligion den Typus der „Venus victrix“, der siegreichen Venus. Die römische Venus erhielt im 3. Jh. v. Chr. in Rom einen Tempel, der aus Geldern errichtet wurde, die von verheirateten Frauen stammten, die des Ehebruchs bezichtigt wurden. Leider lässt sich nicht nachweisen, ob die Römer tatsächlich ihren Typus der Venus victrix wiederum in Anlehnung an die griechische, bewaffnete Aphrodite schufen.
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ei der Beschäftigung mit der Göttin Aphrodite und im Besonderen mit ihrer Verehrung auf der Mittelmeerinsel Zypern stößt der Interessierte unweigerlich auf Hinweise auf den bereits angesprochenen orientalischen Ursprung der kyprischen Gottesgestalt. Ob dabei an die Levanteküste, an Syrien oder gar an die zeitlich früher anzusetzende mesopotamische Kultur zu denken ist, wird oft nicht genauer unterschieden – dabei ermöglicht erst eine größere Vertrautheit mit der fremden Göttin Rückschlüsse auf eine Nähe zu Aphrodite auf Zypern. Aus diesem Grund werden hier in einem ersten Schritt die schon aus der sumerischen Zeit, also ab dem 4. Jt. v. Chr., belegte Göttin Inanna und ihre später anzusetzende akkadische Ausformung Ištar als mögliches Vorbild für Aphrodite untersucht. Während im 19. Jahrhundert allgemein die Ansicht bestand, erst die Griechen hätten unsere heutige Kultur mit ihren entsprechenden Werten und Normen begründet, so rückten mit der endgültigen Entzifferung der Hieroglyphen durch den Franzosen Jean-François Champollion (1790–1832) und der nachfolgenden der Keilschrift (19. Jh.) vorhergehende Hochkulturen in den
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Blickpunkt: die ägyptische und mesopotamische. Heute, nach inzwischen mehreren Forschergenerationen, die auf die Übernahmen der abendländischen Kultur aus der ägyptischen und altorientalischen hingewiesen haben, ist es an der Zeit, dass das Pendel wieder etwas zurückschlägt, indem auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen ägyptischer und mesopotamischer im Gegensatz zu griechisch-römischer Kultur hinzuweisen ist. Die Frage nach der Vorbildhaftigkeit der altorientalischen Göttin Inanna/Ištar für Aphrodite wird uns an genau diese Wasserscheide führen, in der wir darüber zu urteilen haben, ob Aphrodite eine genuin eigene Schöpfung war oder ob sie eine Übertragung und damit Adaption einer bereits in einer anderen Kultur existierenden Göttin in ein neues kulturelles Umfeld darstellt.
Die fremde Göttin – die sumerische Inanna und die akkadische Isˇ tar Inanna ist der sumerische Name der Göttin, Ištar der akkadische, wobei Sumerisch das zuerst in Mesopotamien gesprochene, mit anderen Sprachen
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nicht verwandte Idiom ist. Der sumerisch sprechenden Bevölkerung Mesopotamiens verdanken wir den wohl bekanntesten Fortschritt dieses Kulturraums: die Entwicklung der Keilschrift um 3300 v. Chr. Beim Akkadischen handelt es sich um eine semitische Sprache der mesopotamischen Kultur, die sich seit dem 2. Jt. v. Chr. allgemein durchsetzte. Das Sumerische wurde ähnlich dem Lateinischen unseres Mittelalters bis zum Ende der Keilschriftkultur lediglich noch für einige religiöse oder mythische Texte verwendet. Die sumerische Inanna ist eine besonders schwierig zu fassende altorientalische Gottesgestalt. Wir treffen sie in einem sumerischen Pantheon an, das viele andere Göttinnen kennt, so besonders Muttergottheiten wie Nintu, Dingirmah und Ninmah, aber auch andere weibliche Götter wie Ninlil oder die Unterweltsgöttin Ereškigal. Diese Göttinnen tragen oft sprechende Namen, die bereits auf ihre Rolle hinweisen: Dingirmah bedeutet auf Sumerisch „erhabener Gott“, Ereškigal „Königin der großen Unterwelt“. Doch bei Inanna ist sich die Forschung bis heute nicht sicher, was der Name bedeutet. Das Element „an“ bedeutet Himmel und die erste Silbe „in“ könnte von „nin“ = Herrin abgeschliffen sein, so hieße Inanna dann „Herrin des Himmels“. Das Keilschriftzeichen, mit dem ihr Name in den frühesten Texten geschrieben wird, heißt muš3 und erinnert an ein Bündel von Schilfrohren, weshalb es in der Fachterminologie auch als „Schilfringbündel“ angesprochen wird. Da sich
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Schilf vor allem im morastigen Süden Mesopotamiens findet, könnte dieses Zeichen somit auf eine Herkunft Inannas aus dem äußersten Süden des Landes hinweisen (Abb. 5). Dagegen weist der akkadische und somit semitische Name Ištar auf ihre Nähe zu anderen semitischen Göttern wie dem südarabischen Aštar oder die syrische Astarte. Nach der Eroberung des sumerischen Südens durch die vom Nordwesten eindringenden Akkader findet sich der Name Ištar in der Schreibung eš4tar2 austauschbar mit dem Schriftzeichen muš3 verwendet – es bezeichnet also die gleiche Göttin. Dennoch finden sich in den akkadischen Texten besonders die kriegerischen Aspekte der Göttin betont, so dass gerne eine Liebesgöttin Inanna gegen eine Kriegsgöttin Ištar gestellt wird. Diese Opposition ist jedoch den Quellen nach zu urteilen zu kurz genommen, wie wir es im Folgenden bei der Darstellung der Ikonografie und Literatur sehen werden. Oft liegen uns von einem Mythos oder einem Gebet sowohl eine sumerische wie eine akkadische Fassung vor, die nicht eindeutig voneinander abweichen. Da die sprachlichen Zeugnisse, die wir von der sumerischen Inanna besitzen, aus einer Zeit stammen, in der bereits Akkadisch gesprochen wurde und somit Ištar ebenfalls in den Bilinguen auftaucht, ist es nicht möglich, die beiden Formen der Göttin klar voneinander zu unterscheiden. Daher findet sich in den modernen Abhandlungen zu der Göttin zumeist der Doppelname Inanna/Ištar verwandt.
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Zur Ikonografie der altorientalischen Göttin Der kriegerische Aspekt der Göttin wurde von der ersten akkadisch sprechenden Herrschaftsschicht, den Königen des Großreiches Akkad, welches von Sargon im letzten Drittel des 3. Jts. v. Chr. gegründet wurde und sich über ungefähr 150 Jahre über das gesamte mesopotamische Gebiet erstreckte, in den Vordergrund gerückt. Die AkkadeKönige führten ihre häufigen Schlachten stets im Namen der Ištar, was sich darin äußert, dass die Göttin in ihrer kriegerischen Ikonografie auf vielen Rollsiegeln dieser Zeit zu finden ist. Rollsiegel, die der Siegelung von Tontafeln und -behältern dienten, sind ge-
rade für das 3. Jt. v. Chr. besonders zuverlässige Bildträger, da sie sich aufgrund ihrer geringen Größe und ihres Materials in relativ großer Zahl erhalten haben. Im Unterschied zu dem in vielen Kulturen nachgewiesenen Stempelsiegel ist das Rollsiegel eine spezifisch mesopotamische Entwicklung, bei dem der zylinderförmige Siegelkörper auf den noch formbaren Ton abgerollt wird – die dabei entstehende Siegelfläche führte im Vergleich zum Stempelsiegel zur Entwicklung eines reichhaltigeren Formenrepertoires. Auf den akkadischen Siegelbildern findet sich die Göttin mit Waffen dargestellt, die ihr aus den Schultern emporwachsen (Abb. 6) und oft wird sie zusammen mit ihrem Begleittier, einem
Abb. 5 Die Entwicklung des Keilschriftzeichens musˇ 3. Ganz links aus der Uruk-Zeit (4. Jt. v. Chr.) bis zur archaischen Ur-Zeit (3. Jt. v. Chr.), daneben aus der Zeit des klassischen Sumerisch (Beginn des 2. Jts. v. Chr.); die drei unterteilten letzten Spalten zeigen die Entwicklung des Zeichens, oben in der assyrischen Schriftform (2. Jt.– Mitte 1. Jt. v. Chr.) und unten in der babylonischen Schriftform (Mitte des 2. Jts.–Mitte des 1. Jts. v. Chr.).
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Die Verwendung von Rollsiegeln Im Unterschied zum Stempelsiegel, welches im gesamten vorderasiatischen Raum verbreitet war, handelt es sich beim Rollsiegel um ein Artefakt, dessen Gebrauch sich auf Mesopotamien und dessen unmittelbare Nachbarn beschränkt. Die ersten Rollsiegel finden sich in Südmesopotamien, in Uruk um die Mitte des 4. Jts. v. Chr. Die geringe Größe (wenige Zentimeter) und die Haltbarkeit des Materials (verschiedene Steinarten, Lapislazuli etc.) haben zu reichen Funden von Rollsiegeln geführt, die damit zu zentralen Objekten der zeitlichen Einordnung bei Grabungen werden konnten. Tatsächlich kann man Rollsiegel stilistisch und inhaltlich einer bestimmten Epoche zuordnen. Bei ihrer Verwendung muss man zwischen privatem und öffentlichem Gebrauch unterscheiden. Im privaten Bereich konnten sie, wie Schmuck um den Hals getragen, eine beschützende Funktion einnehmen und finden sich als Grabbeigaben sowie abgebildet auf Figuren. Wichtiger jedoch ist ihr Gebrauch in Wirtschaft und Verwaltung: In den zunehmend komplexer werdenden Stadtstaaten Südmesopotamiens ab dem 4. Jt. v. Chr. dienten sie zur eindeutigen Zuschreibung von Gefäßen mit Vorräten, später von Urkunden über Landverpachtungen, Anleihen u. Ä. mehr. Krüge und andere Gefäße wurden mit Verschlüssen aus Lehm versehen, die mithilfe von Rollsiegeln ihren Eigentümer anzeigten. Aber auch die Türen der Vorratskammern der großen Tempel wurden versiegelt, so dass niemand unbemerkt in den Raum eindringen konnte. Der Gebrauch der Siegel erklärt ihre Verschiedenartigkeit. Sie mussten den Eigentümer klar ausweisen, daher sind neben einer bildlichen Darstellung oft auch Name und Dienstrang des Besitzers angegeben. Jedes Rollsiegel ist ein Einzelstück. Dennoch finden sich in bestimmten Zeiten motivische Ähnlichkeiten oder auch Vorlieben für bestimmte Materialien, die ihrerseits eine zeitliche Einordnung ermöglichen. Oft werden Göttergestalten dargestellt, Anbetungsszenen, aber auch Tiere und sogar ornamentale Muster können auf den Siegeln abgebildet sein. Der Name Rollsiegel verdankt sich der Form: Ein zylindrisch geformtes Objekt aus hartem Material wurde in der Mitte durchbohrt und die äußere Schicht mit Zeichen versehen. Das Rollsiegel wurde auf dem noch feuchten Ton abgerollt, so dass Bilder oder auch Namenszüge sichtbar wurden. Gegenüber dem Stempelsiegel bietet das Rollsiegel eine größere Fläche für eine jeweils individuelle Zeichenabfolge. Nicht nur Herrscher verfügten über Rollsiegel, sondern auch Tempeldiener, Priester und Privatpersonen, ja auch Frauen und Sklaven konnten eigene Rollsiegel besitzen und benutzen.
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Löwen, gezeigt. Besonders typisch für Inanna/Ištar ist dabei ihre provokante Beinstellung: Sie setzt ein Bein, das aus einem langen Gewand nackt hervortritt, in einer dominierenden Pose auf den hingekauerten Löwen – auffällig ist dabei die sonst in der altorientalischen Kunst seltene frontale Darstellung Inanna/Ištars –, ein Bildzeichen, das sich außerdem häufig auf Terrakotten, die
zumeist in Privathäusern gefunden wurden, wiederfindet. Spätestens ab Mitte des 2. Jahrtausends wird die nun zunehmend nur noch akkadisch als Ištar angesprochene Göttin mit ihrem astralen Symbol, der Venus, abgebildet (Abb. 7). Den Liebesaspekt der Göttin finden wir zumeist in schriftlichen Quellen: So hat ausgerechnet Enheduanna, die Tochter des eben
Abb. 6 Die kriegerische Isˇ tar auf einem Siegel aus der Akkad-Zeit um 2250 v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum.
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genannten Gründers des Großreiches von Akkade, die Tochter des Sargon, historisch die erste Dichterin, viele sumerischsprachige Hymnen an die Göttin gerichtet, in denen sie sie als die liebende Inanna anspricht. Es kann darüber spekuliert werden, inwiefern Inanna/Ištar das Produkt einer archaischen Fusion mehrerer Göttergestalten darstellt, wobei die eine Gestalt die männliche, da kriegerische Sphäre vertritt, die andere dagegen spezifisch weiblich Liebe und Sexualität verkörpert und eine dritte eine Verbindung mit dem Planeten, den auch wir Venus nennen, als eine astrale Gestalt annimmt.
Ihre Rolle in der altorientalischen Literatur Den schriftlichen Zeugnissen, die uns aus der mesopotamischen Kultur vorliegen, können wir entnehmen, dass es zu Beginn der uns erhaltenen Literatur aus der Mitte des 3. Jts. v. Chr. und vor allem aus dem 2. Jahrtausend noch viele weitere weibliche Göttergestalten im mesopotamischen Pantheon gab, die Ištar jedoch offenbar in der Spätzeit in sich aufgenommen hat, denn der Terminus Ištarat konnte allgemein Göttin bedeuten. Um ihren Charakter näher zu fassen, müssen die altorientalischen Mythen, Hymnen und Erzählungen genauer betrachtet werden. Bei der Lektüre fällt auf, dass bestimmten Göttern relativ feststehende Rollen zukommen. So er-
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scheint Ninurta als junger Kämpfer, immer siegreich gegen Ungeheuer. Ea als Gott des Süßwassers, unter seinem sumerischen Namen Enki Stadtgott des südlichen Eridu, kann mit seiner besonderen Weisheit, aber auch Spitzfindigkeit und Schlauheit selbst scheinbar unlösbare Konflikte noch auf friedliche Weise lösen. Wie steht es nun um Inanna/Ištar? Es gibt einige Mythen, die sie gemeinsam mit Enki/Ea zeigen. So stürzt Inanna verstimmt auf ihn zu, nachdem dieser die Weltordnung beschlossen hat, indem er allen bestimmte Verantwortlichkeiten zugewiesen hat, da sie der Meinung ist, nichts abbekommen zu haben. Enki allerdings beschwichtigt sie, sie mache doch alles, was gerade sei, krumm, und alles, was krumm sei, gerade. Sie gehe im Krieg voran und anderes mehr. In einem weiteren Mythos trinken beide um die Wette und als Enki recht berauscht ist (Inannas Kultgetränk ist das Bier, weshalb sie wesentlich trinkfester ist), schwatzt ihm Inanna die Me ab. Unter Me muss man sich eine Art Wesen aller Dinge vorstellen, eine Art Essenz von Herrschaft, Ackerbau, Bewässerung etc. Dieser Mythos wurde ätiologisch so erläutert, dass er im Nachhinein begründe, warum Enki als Stadtgott von Eridu die Macht an Inanna als Stadtgöttin von Uruk abgeben musste, denn archäologisch wurden die ältesten Tempelreste, die noch vor der Blüte Uruks in die Mitte des 4. Jts. v. Chr. datieren, in der südlichsten Stadt Eridu gefunden, die damals Uruk vielleicht an Wichtig-
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Abb. 7 Der scheibenförmige Anhänger aus dem 8./7. Jh. v. Chr. steht in assyrischer Tradition und identifiziert die Göttin als Isˇ tar – nicht nur wegen der Waffen, die aus dem Rücken hervorkommen und der Position auf dem Löwen, sondern auch durch den Stern über der Hörnerkrone. Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum.
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keit übertroffen hat, was sich jedoch in späterer Zeit gewandelt haben muss. Außerdem gibt es die bekannte Erzählung von Inannas Gang in die Unterwelt. Hierin beschließt die feuerköpfige Göttin, ihrer Schwester Ereškigal die Unterwelt zu entreißen. Da diese aber die Tücke und Machtgier von Inanna kennt, überlistet sie die kämpferische Schwester, indem Inanna an jedem der sieben Eingangstore zur Unterwelt ein Kleidungsstück ablegen muss. Auf diese Weise nackt und schutzlos stirbt die Göttin und wird als tote Haut an einen Haken der Unterwelt gehängt. Wieder einmal bedarf es einer List von Enki, um Inanna aus dieser Kalamität zu befreien. Da Inanna jedoch einen Ersatz für ihr Auftauchen aus der Welt der Toten bieten muss, gibt sie ihren Geliebten Dumuzi als Opfer. Die Gestalt Dumuzis, über den es viele Liebeslieder und vor allem Klagen der Inanna um ihren verstorbenen Liebhaber gibt, ist besonders wegen ihrer eventuellen Ähnlichkeit mit späteren jugendlichen Liebhabern von Liebesgöttinnen eine interessante Figur. Dumuzi wurde aufgrund seines Verschwindens in die Unterwelt, wo er sich im Austausch mit seiner sich für ihn opfernden Schwester Geštinanna aufhielt, als typischer Vegetationsgott verstanden, als Vorläufer von Adonis, dem kyprischen Königssohn, der nach einem Richtspruch des Zeus ein Drittel des Jahres in der Unterwelt bei Persephone und ein Drittel auf der Erde mit Aphrodite verbringen sollte. Allerdings handeln die Lieder stets von Dumuzis Ver-
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schwinden. Sein Dahingerafftwerden gleicht dem Tod junger Männer, die durch Kriegszüge oder Jagd in der Blüte ihrer Jahre sterben. Inanna kann seinen Verlust nicht verhindern, sie ist ihm ausgeliefert. In der altorientalischen Literatur findet sich keine Darstellung einer Wiederkehr Dumuzis. Dumuzi ist die bekannteste Gestalt einer Reihe von unglücklich endenden Liebhabern der Göttin. Wir kennen auch Geschichten um Inanna und Šukaletuda und auf Tafel 6 des Gilgamesch-Epos zählt Gilgamesch alle Unglücklichen auf, um zu begründen, warum er sich der Göttin nicht als Geliebter hingeben will. Das Gedicht Agušanga schließlich besingt die kriegerische Ištar, die mithilfe einer von Ea ersonnenen Doppelgängerin weniger kriegerisch-unberechenbar gemacht werden soll. Ihre überschäumende Energie und Gewaltsamkeit soll durch Tänze und rituelle Sprünge gezähmt werden. Dieser sehr kurze und schematische Durchgang durch die Literatur des Alten Orients in Bezug auf Inanna/Ištar dient vor allem der Betonung der Zwiespältigkeit dieser Gottesfigur. Sie ist ein im Englischen als „Troubleshooter“ bezeichneter Typus, ein bei seinem Auftauchen Ärger, Probleme oder Unglück mit sich bringender Charakter: Inanna/ Ištar bereitet in der altorientalischen Literatur stets Ärger, den überhaupt zu bereinigen Enki/Ea obliegt. Daneben finden sich viele ergreifende Hymnen auf Ištar, in denen ihre Kraft, ihre Schönheit wortreich herausgestellt werden, immer ist aber
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Die weiblichen Gottheiten im mesopotamischen Pantheon Viele sumerische Götternamen beginnen mit der Silbe NIN, dem sumerischen Wort für „Herrin“. Daher wird diskutiert, ob ursprünglich alle Gottheiten weiblich waren. In Schriftzeugnissen begegnet uns die Silbe NIN allerdings auch als Teil von Namen eindeutig männlicher Gottheiten wie Ningirsu, dem Herrn der südmesopotamischen Stadt Girsu. In der frühen sumerischen Zeit begegnen uns viele Muttergottheiten wie Ninhursag˘a, die als „Mutter der Götter“ verehrt wurde. In Schöpfungsmythen haben weibliche Gottheiten oft die Rolle, den Menschen zu erschaffen – es gibt aber auch Mythen, in denen ein männlicher Gott diese Aufgabe erfüllt. Der Mythos „Enki und Ninhursag˘a“ beschreibt die Zeugung Enkis zuerst mit Ninhursag˘a, danach mit deren Töchtern von acht weiteren Gottheiten. Auch findet sich die Göttin der Geburt, Nintu, sowie die erhabene Herrin, Ninmah. Ninisina, die Herrin der südlich von Babylon gelegenen Stadt Isin, wurde unter dem Namen Gula verehrt, „die Große“, und ist als Heilgöttin, Schutzpatronin der Ärzte, bekannt. Mesopotamien kennt mit Eres˘ kigal eine weibliche Göttin der Unterwelt. Sie ist die Schwester der Inanna und versucht im bekannten Mythos „Inannas Gang in die Unterwelt“ diese zu besiegen. Oft fungieren die Göttinnen in Mesopotamien lediglich als Gattinnen von hohen Göttern, ohne dabei ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Sie treten gegenüber Göttern wie Marduk und Assur zunehmend zurück. Marduk wurde als Stadtgott Babylons mit dem Beginn der babylonischen Herrschaft der allen anderen Göttergestalten übergeordnete Reichsgott, eine Rolle, die in späterer Zeit Assur unter assyrischer Vorherrschaft einnahm. Der in Mesopotamien stark ausgeprägte Synkretismus führte zu einer Verkleinerung und Zusammenführung des ursprünglich in lokale Gottheiten zerfallenden Pantheons. Dabei wurde Inanna unter ihrem akkadischen Namen Is˘ tar zur weiblichen Gottheit schlechthin. Jede Göttin konnte als Is˘ tar angesprochen werden, ihr Zuständigkeitsbereich wurde erweitert und Is˘ tar war in einer Gestalt die Göttin der Liebe, des Krieges und des Venussterns. In späterer Zeit verblieb sie als einzige weibliche Gottheit unter den ansonsten männlichen Hauptgöttern des Pantheons. Bestimmte Funktionen konnten im Laufe der Geschichte von weiblichen zu männlichen Gottheiten umgeleitet werden. So begegnet uns in sumerischer Zeit die Schreibergöttin Nisaba. Im 2. Jt. v. Chr. unter babylonischer Herrschaft ist dann der aus dem Norden stammende Gott Nabu verantwortlich für die Schreiberkunst, während ihm Nisaba als Gattin zur Seite gestellt wird. Die Verehrung Nabus als Gott der Schrift setzte sich bis nach der Zeitenwende fort.
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deutlich, dass wir es hier mit einer im höchsten Maße gefährlichen Figur zu tun haben.
Der schwierige Charakter der Göttin Die Frage, warum es einer solchen Gestalt im altorientalischen Pantheon bedurfte, erfordert es, kurz das religiöse Verständnis dieser Kultur zu skizzieren, denn aus heutiger Sicht fällt es schwer, die oft geradezu bösartig wirkenden Handlungen altorientalischer Götter beziehungsweise die Ehrfurcht der betroffenen Menschen vor diesen zu verstehen. Als Beispiel sei der Mythos über die Sintflut vorgestellt, der sich gleichzeitig über die Menschen wie auch die Götter in herablassender Weise zu äußern scheint. Die Götter hatten gemeinsam den Ratschluss getroffen, die Menschheit zu vernichten – Ea wiederum rettet einen von ihnen: Atramhasis. Als das Boot des Atramhasis, der um die Vernichtung der Menschheit durch die Götter weiß, nach dem Unglück erstmalig an Land stößt, hat er nichts besseres zu tun, als diesen bei erster Gelegenheit ein Rauchopfer zu bringen, um welches sich die mörderischen Götter unbedenklich wie Fliegen um das Licht gedrängt haben sollen, um sich daran zu erfreuen. Nach altorientalischem Verständnis konnten Götter beliebig ins menschliche Schicksal eingreifen, ob in negativer oder positiver Weise oblag ihrem eigenen Gutdünken, das nicht zu hin-
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terfragen, wohl aber durch Opfer in positiver Weise zu beeinflussen war. Gerade wegen ihrer Unberechenbarkeit opferte also der altorientalische Mensch und betete um der Götter Gnade, da er um die Schrecklichkeit ihres Zorns wusste, und er betete auch nach einer Strafe, um weiteres Unheil abzuwenden. Von der „Ferne der Götter“ spricht auch Brigitte Groneberg in ihrer Studie zum „Lob der Ištar“. Groneberg sieht in Ištar eine Göttin, die es vermag, Änderungen herbeizuführen: Sie veranlasst in den ihr gewidmeten Riten die Teilnehmer zu Rollentausch und Ekstase. Der Aspekt des Rollentauschs der Geschlechter und die Tatsache, eine so mächtige weibliche Gottesgestalt im altorientalischen Pantheon zu finden, hat zu einer umfangreichen Literatur von feministisch geprägten Autorinnen geführt. Als Beispiel kann hier die Publikation von Betty de Shong Meador, „Inanna. Lady of Largest Heart“ angeführt werden, in der drei Dichtungen der bereits erwähnten Sargon-Tochter Enheduanna ins Englische übertragen und mit einer ausführlichen Einleitung zur Rolle Inannas und Enheduannas versehen worden sind. In solchen Publikationen fungiert Inanna als Prototyp und Projektionsfläche für den Traum der mächtigen, ganzheitlichen Frau, bevor diese in den Fallstricken des Patriarchats kleingemacht wird. Es wird eine Chronologie aufgestellt, in der ein ehemals mächtiges Mutterrecht durch ein eindringendes Patriarchat zerstört wird (vgl. die Bibliografie ab S. 138). In Be-
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zug auf Inanna/Ištar ist festzuhalten, dass alle uns vorliegenden historischen Zeugnisse von einer zwar mächtigen Göttin handeln, die von Anfang an in einem polytheistischen Modell auftaucht, in welchem sie jedoch nicht die Spitzenposition, sondern nur im Zusammenwirken mit anderen Göttern einen besonderen Platz, eine spezifische Rolle mit einem eigenwilligen Charakter einnimmt. Da uns die vorliegenden Schriftquellen nur bis an das Ende des 4. Jts. v. Chr. zurückführen, ist von diesem Zeitpunkt an zu konstatieren, dass es in den Städten im Süden Mesopotamiens bereits eine vollentwickelte Königsherrschaft mit Hinweisen auf die Vererbbarkeit einer solchen Vormachtstellung gab. Dafür, dass die sumerische Inanna auf einer bestimmten Entwicklungsstufe zu der von der Matriarchatsforschung als „Große Göttin“ angesprochenen Figur wurde, gibt es bislang keine Zeugnisse, von daher kann keine Gleichsetzung erfolgen. Im Unterschied zu den sie umgebenden Göttinnen innerhalb des sumerischen Pantheons, die in erster Linie verschiedene Muttergottheiten sind, daneben einige göttliche Gattinnen der sumerischen Hauptgötter sowie eine Heilgöttin und eine Unterweltsgöttin – diese sind allesamt entweder nur blass überliefert oder mit klarem, jedoch leicht eingeschränktem Zuständigkeitsbereich versehen –, gilt für Inanna die Vielschichtigkeit, die Veränderbarkeit und die Nichtfixierbarkeit als Charaktermerkmal. Inanna mit ihrem akkadischen Namen Ištar ist
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die Göttin des Krieges und der Sexualität sowie die Verkörperung der Venus. Die Doppelnatur von Krieg und Sexualität in einer Figur kann als spätere Verschmelzung ehemals verschiedener Gottesfiguren verstanden, aber auch als gewolltes Zusammendenken zweier nur scheinbar widersprüchlicher menschlicher Lebensbereiche interpretiert werden. Als Chiffren für Rauschhaftigkeit und lebensbedrohenden Überschwang treffen sich der Krieg, der in dieser alten Gesellschaft als direkter Kampf zu verstehen ist, und die Sexualität als die beiden extremen Erfahrungen, die den Menschen in ekstatische Bereiche außerhalb der Ratio führen. Todesoder Verzückungsschrecken, beide Erfahrungen nähern sich in ihrer elementaren Wucht und Unmittelbarkeit als ein für den Menschen einzigartig beeindruckendes Erleben. Gerade diese Schauer sind es, die in religiösen Äußerungen im Alten Orient zum Ausdruck gebracht werden, Inanna/ Ištar steht für dieses Erleben, sie ist damit der Inbegriff der altorientalischen Gottesgestalt. Inanna/Ištar verkörpert eine ungeheure und ungefesselte Kraft und Energie. Diese drückt sich dem Menschen am deutlichsten in der Sexualität und im Kampfe aus, beide Bereiche sind die Domäne von der Göttin. Diese Kraft und Energie ist Leben schlechthin, aber auch Verderben, Untergang und Leid. Das verleiht der Figur der Inanna/Ištar eine teleologische Dimension, sie wird für die nicht in Abstraktionen denkende Kultur des Alten Orients zu deren Ver-
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körperung. Um dieses fürchterliche, ungewisse, sich stets verändernde Menschenschicksal ertragen zu können, wurde eine Göttin wie Inanna/Ištar gebraucht. Dass gerade der Herrscher, besonders deutlich im Akkad-Reich und in neuassyrischer Zeit, diese unberechenbare Energetikerin zu seiner Göttin machte, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Dass eine solche Figur im Alten Orient als Göttin erscheint, kann als Hinweis auf ein Empfinden von Geschlechterrollen gelesen werden, denn in der Gestalt der Inanna/Ištar vermischen sich Bedrohung und Anziehung auf untrennbare Weise. Diese Doppeldeutigkeit finden wir auf einem Terrakotta-Relief künstlerisch umgesetzt, welches unter dem Namen Burney-Relief in der Forschung bekannt ist. Das Relief ist 49,5 x 37 cm groß und stammt aus dem Kunsthandel, weshalb seine Authentizität nach seiner Entdeckung in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst angezweifelt wurde, inzwischen ist sich die Forschung jedoch darin einig, dass es sich um ein authentisches altbabylonisches Werk handelt. Dargestellt ist eine nackte Göttin, der Flügel aus dem Rücken wachsen und die mit ihren Krallenfüßen auf zwei Löwen steht. In ihren emporgehobenen Händen hält sie Herrschaftssymbole des Königs, Stab und Ring. Flankiert wird sie von zwei Eulen. Das Besondere des Reliefs erschließt sich dem Betrachter unmittelbar und ist dennoch schwer zu fassen. Auch ist die Zuschreibung als Ištar-Gestalt nicht unumstritten, scheint aber durch die Hörnerkrone – ein im
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Alten Orient geläufiges Zeichen für Göttlichkeit –, die Löwen als Attributtiere und den in ihren Händen befindlichen Ring und Stab als Chiffren der Herrschaft, ausreichend plausibel zu sein. Der realistisch geformte, aufreizende, nackte Körper hat nichts von Mütterlichkeit, aber alles von Erotik. Da Eulen in der altorientalischen Kunst nur selten dargestellte Tiere sind, ist ihnen ihre Bedeutung nicht klar zuzuweisen, doch als Nachtvogel gehört die Eule eher zur Unterwelt, zu den Schattenseiten und kann daher wohl als Gleichnis für Bedrohlichkeit genommen werden. Damit wird der aufreizenden Nacktheit der Gestalt ein Aspekt des Verderbens hinzugefügt, welches zur Ambivalenz der Ištar-Gestalt in Mesopotamien passt.
Inanna/Isˇtar auf dem Weg nach Westen Stellt man die Frage nach einem eventuellen Einfluss Inanna/Ištars auf die nordwestlich angrenzenden Gebiete bis in den Mittelmeerraum, so muss man sich mit dem in all diesen Regionen anzutreffenden Typus der „Nackten Göttin“ auseinandersetzen. Mit dem Terminus „Nackte Göttin“ bezeichnet die Forschung eine stehende weibliche Figur in Vorderansicht. Diese Darstellungsform findet sich im Vorderen Orient besonders häufig auf Terrakotten des 3.–1. Jts. v. Chr. und auf Siegeln des 2. Jahrtausends. Die Deutung und Zuschreibung der Nackten Göttin bleibt umstritten. Fest
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steht, dass es sich um ein den gesamten geografischen Raum des Alten Orients betreffendes Phänomen handelt, welches über die Grenzen des eigentlichen mesopotamischen Kernlandes weit hinausgeht, also geradezu als Signum für Kulturtransfer oder als allgemein menschlicher Ausdruck eines Bedürfnisses stehen kann. Doch über die generelle Bedeutung der Figur ist bisher keine Einigkeit erzielt worden, es wäre durchaus denkbar, dass es in den verschiedenen geografischen Räumen eine unterschiedliche Signifikation gegeben hat. Von manchen Forschern wird die Nackte Göttin auch einfach als nackte Frau angesprochen, da ihre Göttlichkeit umstritten ist. Die unterschiedlichen Darstellungstypen nackter Frauengestalten finden sich besonders häufig auf Terrakotten, hier oft in privatem Kontext aufgefunden: in Wohnhäusern, auf Straßen oder in Höfen. Die Terrakotten wurden zudem oft in Matrizen hergestellt, was für eine Serien- oder Massenanfertigung spricht. Verbindendes Element dieser in Variationen vorliegenden Figur ist die Nacktheit, eine gewisse Jugendlichkeit und die Wohlproportioniertheit des Körpers. Es scheinen keine eindeutigen Hinweise auf Fruchtbarkeit oder Mütterlichkeit herausgearbeitet zu sein, was die Figuren deutlich von den älteren, gerade die Zeugungskraft der Frau betonenden Figuren unterscheidet. Einen direkten Zusammenhang zwischen Inanna/Ištar und der Nackten Göttin zu postulieren ist zwar verführerisch, aber nicht belegbar. Die Ähnlich-
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keit in der Darstellung darf nicht auf die Identität des Dargestellten zurückschließen lassen. Beide Gestalten müssen zunächst als getrennte Phänomene betrachtet werden. Die Nackte Göttin war nach der Fundsituation zu urteilen, besonders im syrischen Raum ab ca. 1850 stark verbreitet. Diese syrischen Darstellungen zeigen die Nackte Göttin mit Capriden (Ziegenwesen), Löwen, Tauben und Hasen als Begleittieren. Bei der Frage nach einer eventuellen Beeinflussung der kyprischen Aphrodite durch die mesopotamische Ištar darf nicht unterschlagen werden, dass zwischen beiden Gebieten die wichtige Region Syrien sowie Phönizien mit der Levanteküste und Palästina liegen. Auch diese Gebiete kennen für das 2. und 1. Jt. v. Chr. weibliche Gottesgestalten, die Züge von Inanna/Ištar aufweisen. Die am besten belegte Gestalt ist hier die phönizische Astarte. Bereits aus der Mitte des 3. Jts. v. Chr. liegt mit einer sumerisch-akkadischen Götterliste aus Ebla ein schriftlicher Beleg vor, der die sumerische Inanna mit der in Ebla verehrten Aštar gleichsetzt. Tatsächlich werden der akkadische und der phönizische Name auf gemeinsemitsch Attar zurückgeführt. Die verwandte Entstehung entwickelte sich aber den unterschiedlichen geografischen Räumen gemäß und in den verschiedenen Zeitstufen voneinander getrennt. Erschwerend für einen Vergleich kommt hinzu, dass in den nordwestlich von Mesopotamien gelegenen, oft unabhängigen Stadtstaaten
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und Herrschaftsgebieten viele ähnliche Göttinnen existierten, so die Ba’alat in Byblos, Anat als Göttin von Ugarit, die amorritsche Ašratum und Išhara aus Alalah. Diese mit Inanna/Ištar verwandten Göttinnen zeichnen sich ebenfalls durch betont kriegerische und sexuelle Aspekte aus. Sie fungieren als Fruchtbarkeitsgöttinnen, als Herrinnen der Tiere und in ihren Kultanlagen fand Prostitution statt. Zum Aspekt der Prostitution findet sich das Motiv der Frau im Fenster, die Beispiele für solche Darstellungen sind jedoch im syrisch-phönizischen Raum häufiger und fallen in die Sphäre der Astarte (vgl. Beitrag M. Schröter). Tatsächlich ist bereits Inanna/Ištar in Mesopotamien die sowohl für Dirnen wie für männliche Kultdiener, die wohl als Transvestiten anzusprechen sind, verantwortliche Göttin, von ihr ist jedoch weniger eine tatsächliche Tempelprostitution überliefert als ihre Verantwortung für und ihr enges Verhältnis zu den Prostituierten selbst. Institutionalisierte Tempelprostitution scheint mehr im nördlichen und Küstenbereich stattgefunden zu haben (Abb. 8). Es erscheint also durchaus plausibel, dass die vielen nackten Frauendarstellungen in den Kontext der Inanna/Ištar einzubeziehen sind. Die Göttin ist durch ihre prononcierte Sexualität der menschlichen Sphäre sehr nahe und wird in ihrer Liebe zu Dumuzi zu einem Modell menschlichen Werbens und Liebens. Außerdem wurden vor einigen Ištar-Tempeln große Statuen
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nackter Frauengestalten gefunden, die einen Zusammenhang zwischen der „Nackten Göttin“ und Ištar stützen, auch wenn es sich sicher bei den nackten Frauendarstellungen nicht um Kultstatuen der Ištar handelt – diese muss man eher in der belegten Ikonografie mit den aus den Schultern emporwachsenden Waffen und in Löwenbegleitung sehen. Aber diese Figuren gehören, ohne mit ihr identisch zu sein, in den sexuell aufgeladenen Bereich, der Ištar umgibt.
Verwandte Züge zur kyprischen Aphrodite Jacqueline Karageorghis hat den Kult der Großen Göttin auf Zypern vom Neolithikum bis zum 6. Jh. v. Chr. in einer umfangreichen Studie dargestellt und dabei auf den Zusammenhang dieser älteren Gottesgestalt mit der jüngeren Aphrodite hingewiesen, welche dann als griechische Göttin einer entsprechenden Wandlung unterzogen wurde. Bei der Transformation der Großen Göttin von Zypern zur griechischen Aphrodite interessiert der orientalische Einfluss dieser Entwicklung. Wir haben es auf Zypern mit drei Ebenen zu tun: einer frühen indogenen Kultur mit einer Großen Göttin, von der viele Zeugnisse auf uns gekommen sind, einer zweiten mit einer Beeinflussung durch das südöstliche Festland, die in mehreren Wellen verlief, aber sicherlich bereits ab dem 2. Jt. einsetzte und schließlich einer dritten unter griechischem
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Abb. 8 Das Detail eines im Palast von Nimrud gefundenen Möbels aus Elfenbein zeigt einen Frauenkopf im Fenster. Das verwendete Material sowie die ägyptisierende Perücke weisen auf eine Arbeit aus dem syrisch-phönizischen Raum hin. Paris, Musée du Louvre.
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Einfluss, über die wir Schriftquellen u. a. von Homer und Herodot besitzen. Inwieweit bereits die üppig geformte Fruchtbarkeitsgöttin der Vorzeit Figuren aus anderen Kulturen ähnelt, kann hier nicht weiter verfolgt werden und auch dem oft diskutierten eventuellen Einfluss Kretas kann hier nicht nachgegangen werden: Es soll lediglich das Ausmaß der orientalischen Einflüsse untersucht werden. Sicherlich begann spätestens seit dem 2. Jt. v. Chr. auf Zypern ein reger Austausch mit dem östlichen Festland, leider haben wir aus dieser Zeit nur wenige, zufällige Belege, so beispielsweise einige vom zyprischen König verfasste Briefe auf Akkadisch, das damals als lingua franca benutzt wurde. Diese stammen aus dem 14. Jh. v. Chr. und waren an den ägyptischen Herrscher Amenophis IV., bekannter unter seinem späteren Namen Echnaton, gerichtet; dabei handelt es sich um einen Zufallsfund, einen Teil der bekannten Amarna-Korrespondenz des ägyptischen Königshofes. Vom orientalischen Einfluss zeugt auch die zyprische Statuette aus dem 12. Jh. v. Chr., deren einzige sichere Zuschreibung ihr Stand auf einem Kupferbarren ist, was wohl auf den Metallreichtum der Insel verweist. Es handelt sich um die sogenannte „Barren-Göttin“ (Abb. 9). Die achäische Kolonisation hat Zypern noch vor dem 1. Jt. v. Chr. verän-
dert. Nach den Gründungsmythen verschiedener zyprischer Städte sollen diese Orte von den Rückkehrern des trojanischen Krieges gegründet worden sein, was durch die späteren Städtelisten bestätigt wird, die uns vom assyrischen König Asarhaddon vorliegen und in denen zyprische Stadtfürsten häufig griechische Namen tragen. Seit dem 9. Jh. v. Chr. dagegen wissen wir von phönizischen Handelsniederlassungen, welche die bereits zuvor erwähnten Handelskontakte aus dem davorliegenden Jahrtausend fortsetzten und die Insel in das aufblühende phönizische Handelssystem im Mittelmeer integrierten. Zypern wurde aber auch kurze Zeit vom assyrischen Reich annektiert sowie von Ägypten erobert. Bei der Frage nach der jeweiligen Beeinflussung durch den Orient oder durch die griechische Kultur muss daher auf die sich stets abwechselnden Strömungen verwiesen werden. Ein wichtiges Artefakt, welches von einer orientalischen Beeinflussung zeugt, sind die Astarte-Plaketten, die sich ab dem Ende des 11. Jhs. v. Chr. häufig sowohl auf Zypern wie auch an der Levanteküste gefunden haben. Dabei handelt es sich um Anhänger, die oft aus wertvollen Metallen gefertigt wurden und nur wenige Zentimeter groß waren. Vermutlich waren sie Teil eines weiblichen Kopfschmucks, denn
Abb. 9 Die sog. „Barren-Göttin“ wurde auf Zypern gefunden und stammt vermutlich aus dem 12. Jh. v. Chr. Oxford, Ashmolean Museum.
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ihre Kleinheit und ihr materieller Wert machen diese Artefakte zu einem ausgesprochen mobilen Objekt. Daneben finden sich auf Zypern oft in Modeln hergestellte, aber auch frei geformte Statuetten, die stark an die bereits besprochenen Darstellungen der Nackten Göttin erinnern. Sie werden als Darstellungen der lokalen Aphrodite angesprochen (vgl. Abb. 12). Hier schließt sich der Kreis. Offensichtlich wurden bei der Herstellung der Statuetten Motive und Vorbilder des östlichen Festlandes benutzt. Sie dienten zur Darstellung der zypriotischen weiblichen Gottesgestalt – Aphrodite. Aus mykenischer Zeit gibt es von Aphrodite bei den Griechen keine Belege. Sie wird jedoch bereits bei Homer und Hesiod zu einer unwiderstehlichen Liebesgöttin, deren Zorn berüchtigt ist, die aber auch den Schutz der Eheleute übernimmt sowie eine Nähe zu den Hetären besitzt. Hier findet sich der zentrale Liebesaspekt Ištars wieder, allerdings weniger der kriegerische, bewaffnete. Daher gibt es in der Literatur eine rege Auseinandersetzung über Darstellungen einer bewaffneten Aphrodite, die es nach antiken Quellen auf Zypern gegeben haben soll, die allerdings nach moderner Fundlage zu beurteilen sich nur auf das Tragen eines Schildes gründet. Dieser kriegerische Aspekt wäre ein deutlicher Hinweis auf eine Übernahme der Ištar/Astarte-Figur. Allerdings besitzt Aphrodite als Geliebten den Kriegsgott Ares sowie als Gatten den Gott der Schmiedekunst Hephaistos. Diese Um-
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gebung passt ausgezeichnet sowohl zur Kupferinsel Zypern als auch zu ihrer Vorläuferin, zur kriegerischen Ištar. Als weiteren Begleiter hat Aphrodite den jugendlichen Adonis, der mit Dumuzi verglichen wird. Genauso berechtigt wie Hinweise auf diese eventuellen Parallelen zwischen Aphrodite und der orientalischen Gottesgestalt ist die Frage, ob die Äußerungen zur orientalischen Herkunft Aphrodites bei den griechischen Schriftstellern nicht auf Klischeevorstellungen gründen, die diese sich vom Orient machten: ein Landstrich der Exzesse, der Wollust und der Gewaltsamkeit. Die These vom orientalischen Ursprung könnte demnach ein pseudo-historisches Ätion darstellen. Äußerungen griechischer Schriftsteller zu anderen Kulturen wurden vielfach als übertrieben, voreingenommen oder gar als falsch herausgearbeitet. Es empfiehlt sich daher, eher einen Mittelweg bei der Beantwortung der Frage nach einer orientalischen Herkunft von Aphrodite einzuschlagen. Da wir aus mykenischer Zeit keine Belege zum Namen Aphrodite kennen, ist ihr Platz im Pantheon zu dieser Zeitstufe offensichtlich noch unbesetzt. Die ersten griechischen Zeugnisse zu Aphrodite, wie die Stellen bei Homer, nennen die Göttin stets die kyprische, die örtliche Herkunft als Namensersatz. Ihre starke sexuelle Anziehungskraft hat in der griechischen Mythologie für großes Leid gesorgt, man denke nur an die Wahl des Paris als Schiedsrichter bei dem Schönheitswettbewerb zwischen
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Hera, Athena und Aphrodite und als deren Konsequenz an den trojanischen Krieg. Hier finden sich verwandte Wesensmerkmale zu Inanna/Ištar, deren Ärger mit sich führende Rolle in den sumerischen Mythen klar zutage tritt. Ihr römisches Pendant ist die Venus – als Planet bereits mit Ištar verbunden. Statt von Übernahme zu sprechen, sollte also über parallel verlaufende, allgemein menschliche Daseinserfahrungen reflektiert werden. Dazu mag gehören, dass es eine dezidiert mächtig gedachte Göttin gibt, die mit Sexualität verbunden wird. Ein wichtiges Vorbild für Aphrodite war die über die Grenzen Mesopotamiens hinaus bekannte und in der Form
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der Astarte den Mittelmeerraum prägende Göttin Inanna/Ištar. Die geografische Lage Zyperns als Insel vor der Levanteküste zeigt die Nähe zum phönizischen Kulturraum. Der prägenden Rolle Ištar/Astartes entspricht auch die etymologische Lesung des Namens Aphrodite als von semitisch Attorit stammend, also von einer der semitischen Astartenamen. Da Aphrodite im griechischen Pantheon sich jedoch ganz anderen Götterfiguren gegenüber fand als die altorientalische Göttin, entwickelte sie sich deutlich unterschiedlich zur mesopotamischen Ištar. Nur wenige Züge blieben erhalten, so die alles Vertraute umkehrende Gewalt der Sexualität.
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phrodite, zumindest in ihrer auf Zypern verehrten Ausprägung, war eng verbunden mit der phönizischen Astarte. Aus diesem Grund soll im Folgenden die Rolle der Phönizier auf Zypern und der dort etablierte Astartekult näher beleuchtet werden. Hierzu ist es notwendig, zunächst einen Blick auf die Besiedlungsgeschichte im östlichen Mittelmeerraum zu werfen. Als die Phönizier im 9. Jh. v. Chr. von der Levanteküste ausgehend in den Mittelmeerbereich vordrangen, zog die kupferreiche Insel Zypern schnell ihr Interesse auf sich, denn schon während der Bronzezeit war hier Kupfer abgebaut und in der Mittelmeerregion verhandelt worden. Die Phönizier ließen sich bereits um 850 v. Chr. dauerhaft in der Pflanzstadt Kition am südöstlichen Küstenbereich auf Zypern nieder. Auf diese Weise kam es nicht nur zu politischen und wirtschaftlichen Veränderungen auf der Insel, denn sie brachten auch ihre Religion und Kulte mit nach Zypern. So entstanden in den neuen und in den annektierten Städten Tempelbauten für die importierten phönizischen Gottheiten – Entwicklungen, die sich auf vielen Gebieten des Kunst-
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schaffens durch eine Veränderung in der ikonografischen Tradition, aber auch durch die Einführung neuer Techniken widerspiegeln. Konzentrieren wir uns auf die Götterkulte, so spielten innerhalb des phönizischen Expansionsprozesses die Göttin Astarte und der Gott Melqart eine besondere Rolle. Melqart war der Überlieferung durch die Keilschrifttexte nach ursprünglich der Stadtgott von Tyros und wurde seit dem 5. Jh. v. Chr. mit deutlichen Zügen des griechischen Herakles verehrt. Die Verehrung der Göttin Astarte in zahlreichen phönizischen Stadtstaaten wie Byblos, Tyros oder Sarepta belegt eine pan-phönizische Bedeutung Astartes, d. h. ihr Kult war im gesamten phönizischen Einzugsgebiet verbreitet. Die Schwierigkeit, ihr Wesen als homogene Götterfigur zu erfassen, entsteht durch die Existenz verschiedener regionaler und lokaler Erscheinungsformen der Göttin. Astarte wurde nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch in Ägypten und in den phönizischen Kolonien im Mittelmeerraum verehrt. Es liegt nahe, dass Astarte als Inbegriff einer weiblichen Gottheit auf ähnlich konstruierte lokale Göttinnen-
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modelle traf und es durch den Kulturkontakt mit den Phöniziern in den angesprochenen Regionen zu Angleichungen und Verschmelzungen mit der altorientalischen Inanna/Ištar, den ägyptischen Göttinnen Hathor und Isis und in Zypern mit lokalen Göttinnen kam. Astarte war eine Göttin mit einem vielfältigen Charakter: Sie war ebenso die Göttin des Krieges und der Jagd wie die Göttin der körperlichen Liebe und der Fruchtbarkeit. In Sidon, wo sich das kultische Zentrum der Astarte befand, fungierte sie als Beschützerin der Stadt und der königlichen Dynastie, durch ihre Verbindung zu einem männlichen Baal war Astarte zugleich die Herrin des Himmels und begleitete als Hüterin der Seefahrt die ersten Kolonisten, die ihre Heimatstädte an der Levanteküste in Richtung Westen verließen.
Purpur, Prachtgeschirr und Zedernholz Will man den von den Phöniziern auf die Insel gebrachten Kult der Astarte auf Zypern verstehen, ist es notwendig, Zyperns bedeutende Stellung im Kontext des mediterranen Seehandels zu untersuchen (Abb. 10). Lange vor der Ankunft der Phönizier auf Zypern – ab der zweiten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. – war die Insel in einen regen Austausch mit der Levante, Ägypten und dem Mittelmeerraum eingebunden, der in erster Linie dem Handel mit Rohstoffen diente. Innerhalb dieses Netzwer-
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kes nahm die Insel Zypern als wichtige Quelle für das begehrte Rohmaterial Kupfer eine besondere Position ein. Auf Zypern gefundene mykenische Keramik und ägyptische und levantinische Prestigeobjekte wie aufwendig verziertes Metallgeschirr und fein gearbeiteter Goldschmuck bezeugen den regen Außenkontakt der Insel, der im 13. Jh. v. Chr. seinen Höhepunkt erreichte. Im Gegenzug erfolgte durch die Handelskontakte die Verbreitung kyprischer Metallkunst und Keramik im gesamten Mittelmeerraum und an der Levanteküste. Dieses spätbronzezeitliche Handelssystem löste sich ab 1200 v. Chr. im Zuge der sogenannten Seevölkerbewegung im Nahen Osten auf. Das Eindringen der Seevölker verursachte offensichtlich die Vertreibung der benachbarten Großmächte der Ägypter und Hethiter aus der syrischpalästinensischen Region; die Debatte um die sogenannten Seevölker, um ihren Ursprung und ihre Expansionsmotivationen, ist in der Forschung jedoch umstritten. Nachweisbar ist, dass die phönizischen Stadtstaaten weitgehend von physischer Zerstörung verschont blieben und bald wieder in wirtschaftlicher und kultureller Blüte standen. Die wiedererstarkten phönizischen Städte wie Byblos, Sidon oder Tyros lagen im Küstengebiet zwischen Südsyrien und Nordpalästina, einem Bereich, der etwa dem heutigen Libanon entspricht. Phönizien bildete somit keinen Zentralstaat, sondern bestand aus eigenständigen Stadtstaaten, die von lokalen Dynasten regiert wurden
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und jeweils ein eigenes Pantheon besaßen. Die Frage, ob sich die Phönizier als ein Volk oder als Bewohner nur eines Stadtstaates verstanden, ist bis heute unbeantwortet und spiegelt sich im Problem der Namensgebung wider, so besitzen wir keine Überlieferung darüber, wie die Phönizier sich selbst nannten. Die Bezeichnung „Phönizier“ prägten die Griechen – der Begriff stammt wohl von „phoinix“, dem griechischen Wort für „Purpurrot“ ab –, im Alten Testament werden die Phönizier jeweils als Byblier, Tyrier oder Sidonier angesprochen, während die Bezeichnung „Kanaanäer“, seit dem 3. Jt. v. Chr. für die Bewohner des gesamten syrisch-palästinensischen Gebiets verwendet wurde. Die Küstenlage der phönizischen Städte und ihr nur bedingt landwirtschaftlich nutzbares Hinterland führten zu einer verstärkten Ausrichtung auf den Seehandel. Von der Antike bis heute bleibt das Bild der Phönizier als kühne Seefahrer und unerschrockene Entdecker präsent, dabei stellte das Meer nicht nur den wichtigsten Handelsweg dar, sondern war gleichermaßen die Basis für wichtige Industriezweige wie Schiffsbau und Fischerei. Als wichtiges Handelsgut galt das aus dem Libanon stammende Zedernholz. Um 1075 v. Chr. schrieb der Ägypter Wen-Amun den Bericht seiner Reise von Theben nach Byblos nieder (ANET 25–29): Er sollte Zedernholz für den Bau einer Totenbarke für den Pharao erwerben, doch das von ihm mitgeführte Geschenk wurde als Gegenwert
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für die Zedern zunächst als zu gering erachtet, so dass neue Geschenke aus Theben nachgeschickt werden mussten, bis Wen-Amun das gewünschte Bauholz schließlich erhielt. Knapp einhundert Jahre später kam ein weiteres Handelsabkommen zwischen dem tyrischen König Hieram I. (969– 936 v. Chr.) und Salomo, dem König Israels, zustande, welcher Zedernholz als Baumaterial für den großen Salomo-Tempel in Jerusalem benötigte; dieser Vertrag ist im Alten Testament bezeugt. Ab dem 10. und 9. Jh. v. Chr. spezialisierten sich die Phönizier im Bereich des Handwerks und wurden so zunehmend zu Produzenten von Luxusgütern. Auch der Dichter Homer beschreibt die Phönizier als geschickte Handelsleute und Handwerker, so setzte Achill anlässlich der Leichenspiele für Patroklos einen silbernen Mischkrug als Preis aus, über den Homer berichtet „an Schönheit ragte er hervor auf der ganzen Erde bei weitem. Denn Sidonier, kunstreiche, hatten ihn gut gearbeitet, doch phoinikische Männer brachten ihn über das dunstige Meer“ (Homer, Il. 23, 741–750). Die wichtigsten Exportwaren neben den Metallgefäßen aus Bronze und Silber waren Elfenbeinarbeiten, prunkvolle Möbel aus Zedernholz sowie Purpurstoffe. Der Farbstoff Purpur wurde in einem mühsamen Verfahren aus der Murex-Muschel gewonnen und Homer beschreibt andernorts in der Ilias ein Gewand, das von Hekabe, der Mutter des trojanischen Prinzen Hektor,
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Abb. 10 Karte der phönizischen Städte des östlichen Mittelmeerraumes (12.–7. Jh. v. Chr.).
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Die phönizischen Gottheiten Ein klares Bild der phönizischen Götterwelt zu zeichnen, bleibt bis heute schwierig. Ihre Erforschung stützt sich in erster Linie auf indirekte Quellen – wie etwa spätere Schriften griechisch-römischer Autoren oder das Alte Testament –, da die phönizischen Quellen nur wenig Informationen über die Kulte, Mythen oder religiösen Praktiken der Phönizier liefern. Die anhaltenden Kontakte der Phönizier mit den Kulturen des Nahen und Mittleren Ostens, Ägyptens und des Mittelmeerraums führten darüber hinaus vielfach zu Übernahmen und Vermischungen mit fremden Gottheiten und Kulten. Die phönizische Religion war polytheistisch, die Göttinnen und Götter waren menschlicher Gestalt. Im Vergleich zu den griechisch-römischen Göttinnen und Göttern waren die phönizischen Gottheiten in ihrer Gestalt weniger eindeutig und auch funktional flexibler. Dies trifft insbesondere auf die Göttinnen zu. Im Wesentlichen waren Astarte, Anat, Baalat oder auch die Punische Tanit für Fruchtbarkeit und Sexualität, für Wohlstand, aber auch für Krieg zuständig. Als poliadische Gottheiten fungierten sie darüber hinaus als Schutzgottheiten ihrer Stadt und der dortigen königlichen Dynastie, wie etwa der Kult der Baalat Gu–bla in Byblos („Herrin von Byblos“) oder die Verehrung der Astarte in Sidon und Tyros belegen. Den weiblichen Stadtgottheiten stand oftmals ein männlicher Baal zur Seite. Die Bezeichnung Baal konnte im Sinne von „Herr“ auf die unterschiedlichen männlichen Gottheiten angewendet werden. Andererseits war Baal auch der persönliche Name des Wettergottes, der als Hauptgott von Byblos belegt ist. In Tyros wurde Melqart als Schutzherr und in Form des vergöttlichten Königs als Dynastiegott der Stadt verehrt. Im Zuge der phönizischen Expansion gelangte auch Melqart bald in den Westen. Der phönizische Gott wurde dort, so berichtet schon Herodot, mit dem griechischen Herakles identifiziert und wie dieser mit Löwenfell und Keule dargestellt. Auch in den neu gegründeten Städten wurde Melqart als schützende Stadtgottheit verehrt. Durch die Kolonisation wurde er – wie auch Astarte – zusätzlich zum Schutzpatron der Seefahrt. Auch der Heilgott Eschmun, ursprünglich der Hauptgott der Stadt Sidon, wurde durch die phönizische Kolonisationsbewegung bald im gesamten Mittelmeerraum verehrt und mit dem griechischen Asklepios identifiziert.
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als Opfergabe an Athena ausgewählt wurde. Dieses Gewand, von Frauen aus Sidon angefertigt, sollte wie ein Stern leuchten (Homer, Il. 6, 289–296.). Dem griechischen Mythos zufolge entdeckte der phönizische Gott Melquart das Purpur, als er mit seinem Hund die Küste entlanglief; demnach soll sich das Maul des Tieres purpurrot verfärbt haben, nachdem es in eine große Seeschnecke gebissen hatte. Melqart färbte daraufhin ein Gewand mit dieser Farbe und schenkte es seiner Gefährtin. Von der Antike bis in die Neuzeit galten mit Purpur eingefärbte Stoffe als große Kostbarkeit: So war die Toga eines römischen Senators mit einem Purpurstreifen verziert und in der Spätantike war das Tragen der Farbe Purpur sogar das Vorrecht und ein Abzeichen des Kaisers. Bereits ab dem 5. Jh. v. Chr. ließen die Phönizier die Murex-Muschel auf Münzen darstellen.
Expansion in den Westen Wie lief die Expansion der Phönizier in den Westen nun genau ab? Welche Etappen lassen sich durch die archäologischen und schriftlichen Zeugnisse erfassen? Der Expansionsprozess der Phönizier war in mehrere Phasen untergliedert. Die erste Phase der phönizischen Westexpansion scheint rein wirtschaftlicher Natur gewesen zu sein und diente der Errichtung von Handelsstützpunkten, sogenannten „Emporia“, im gesamten Mittelmeerraum, die als syste-
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matisch angelegte Umschlagplätze auch der Sicherung der Seewege dienten. Die Gründung von dauerhaften Siedlungen und Städten in Nordafrika, Sizilien, Sardinien, Spanien und auf Zypern erfolgte ab ca. 800 v. Chr. – diese Pflanzstädte blieben wirtschaftlich und politisch an die Städte im Mutterland gebunden. In einer dritten Phase ab dem 6. Jh. v. Chr. etablierten sich die Kolonien und wurden politisch unabhängig vom Mutterland. Dem römischen Sprachgebrauch folgend (Horaz, Carmina 2, 2,11) wird diese Phase als die Punische Zeit bezeichnet – als Beispiel sei das ursprünglich von Tyros aus gegründete Karthago im heutigen Tunesien angeführt, das im 6. Jh. v. Chr. unabhängig wurde (Menandros FGrH 783). Die bereits mehrfach angesprochenen reichen Kupfervorkommen der Insel und ihre günstige Lage innerhalb des Systems des Seeverkehrs bildeten nachweislich eine starke Motivation für die Phönizier, sich auf der Insel niederzulassen. Bereits vor der Neubesiedelung Kitions, der zentralen Kolonie der Phönizier auf Zypern, ist ihre Präsenz auf der Insel durch Funde von phönizischer Keramik aus dem 11. Jh. v. Chr. an der Süd- und Ostküste Zyperns bezeugt. Das spätestens seit der Mitte des 9. Jhs. v. Chr. etablierte Kition wurde zunächst von einem Gouverneur, der dem König von Tyros unterstand, regiert. Die nun folgenden Ereignisse lassen sich historisch recht genau fassen: 707 v. Chr. wurden die Stadtkönigtü-
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mer der Insel durch Sargon II., den Herrscher von Assyrien unterworfen. Obwohl die Phönizier ab diesem Zeitpunkt zu Tributzahlungen verpflichtet waren, gelang es ihnen, ihre Position auf der Insel weiter zu festigen. Während der Perserkriege (500–479 v. Chr.) wurde Zypern zusammen mit Phönizien in die fünfte Satrapie des Persischen Reiches eingegliedert. Da die Phönizier auf Zypern als Verbündete der Perser auftraten und nach einer fehlgeschlagenen Revolte der Kyprer in den Jahren 499–498 v. Chr. eine entscheidende Rolle bei der Verwaltung der Stadtkönigtümer übernahmen, dehnte sich ihr politischer und kultureller Einfluss auf der Insel zunehmend auf Städte wie Tamassos im Landesinneren und Amathus an der Südküste aus. Im Jahr 470 v. Chr. nahm der Herrscher von Kition das zuvor antipersische Idalion im Landesinneren ein und fügte es seinem eigenen Königreich hinzu, auch Salamis im Norden der Insel wurde am Ende des 5. Jhs. v. Chr. von einem phönizischen Herrscher regiert. Durch die Allianz mit den Persern erreichte die phönizische Einflussnahme auf Zypern zu dieser Zeit ihren Höhepunkt. Dieser persisch-phönizischen Vormachtstellung auf der Insel setzte erst die Einnahme der kyprischen Königtümer durch die Ptolemäer im ausgehenden 4. Jh. v. Chr. ein Ende. In Kition endete die phönizische Herrschaft mit dem Tod des Königs Pumiathon und der Zerstörung der phönizischen Tempel der Stadt in den Jahren um 312 v. Chr.
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Kition als Zeugin der phönizischen Kolonisation Die phönizische Kolonisation auf Zypern lässt sich beispielhaft am besten anhand der Stadt Kition untersuchen (vgl. Abb. 16). Kition war eine phönizische Kolonie während sich die Phönizier andernorts auf Zypern in Form von kleineren Händlergemeinden oder Handelskontoren in bestehenden Städten niederließen. Einen anschaulichen Beleg für die phönizischen Aktivitäten in Kition liefern zwei Bronzeschalen aus der Nähe von Amathus, welche mit einer phönizischen Inschrift versehen sind, die besagt, dass sie vom Statthalter von Khartihadasth dem Baal des Libanon geweiht wurden. Khartihadasth bedeutet wie auch Karthago „neue Stadt“ und wird von Forschern wie Ejnar Gjerstad mit Kition identifiziert. Die Inschrift besagt weiterhin, dass der Statthalter von Khartihadasth, Hieram II., dem König von Tyros unterstand. Dem Mythos nach wurde Kition von Belas, dem König von Sidon, gegründet, nachdem dieser den Achäer Teukros bei der Einnahme von Salamis im Norden der Insel unterstützt hatte. Vom antiken Kition sind bis heute nur wenige Reste sichtbar geblieben (Abb. 11), über den antiken Straßen, Tempeln und Häusern liegt heute die moderne Stadt Larnaka. Das antike Stadtgebiet wurde von schwedischen und französischen Grabungsteams und dem zypriotischen Archäologen Vassos Karageorghis bisher nur sehr ausschnitthaft ergraben, die bis dato frei-
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gelegten Heiligtümer befinden sich in dem „Kathari“ benannten Grabungsareal II im Norden und auf der Akropolis im Nordosten der Stadt. Die spätbronzezeitliche Vorgängersiedlung des phönizischen Kitions mit ihren Tempeln und Anlagen zur Kupferverarbeitung wurde ungefähr in der Zeit um 1000 v. Chr. verlassen, gelangte jedoch mit den phönizischen Kolonisten, die sich um 850 v. Chr. in der Stadt ansiedelten, schnell wieder zu wirtschaftlicher Blüte. Über den Resten der bronzezeitlichen Tempel entstanden ungefähr einhundertfünfzig Jahre nach ihrer Zerstörung zwei neue Tempel, von denen einer der größte bislang bekannte phönizische Tempel überhaupt ist. Die beiden Tempel blieben bis zu ihrer Zerstörung durch die auf die Insel vordringenden Ptolemäer bestehen und wurden mehrfach umgebaut – die architektonische Grunddisposition veränderte sich während der insgesamt vier Umbauphasen hingegen nicht. Das Allerheiligste des Tempels lag in allen Bauphasen im Osten und der große rechteckige Hof war an den beiden Längsseiten mit einer Portikus ausgestattet. Aus den Opfergruben im Tempelhof konnten phönizische und lokale Keramik sowie große Mengen von Tierknochen geborgen werden, aus dem frühsten Niveau des Tempels selbst stammten Funde von Stierschädeln.
Die Bearbeitungsspuren an den Rückseiten lassen den Schluss zu, dass sie als Masken getragen wurden. Aus demselben Bereich kamen auch Terrakottamasken. Die Entwicklung des zweiten, wesentlich kleineren Tempels verlief fast parallel zu den Phasen des großen Tempels. Der ebenfalls um 850 v. Chr. begonnene Bau wurde weitgehend auf den Fundamenten des bronzezeitlichen Tempels errichtet, allerdings wurden die ehemals zwei Räume der Cella jetzt zu einem rechteckigen Raum zusammengefasst und der Eingang in den Tempel lag nun im Westen.
Neue Bilder einer nackten Göttin Doch welchen Gottheiten waren die beiden neuen Tempel in Kition geweiht? Für den kleineren Tempel fehlen Weihinschriften, die über die verehrte Gottheit Auskunft geben könnten, aber die Funde aus der dritten und vierten Bauphase des Tempels (600–312 v. Chr.) lassen auf eine weibliche Gottheit schließen. Dargestellt waren eine als „Dea gravida“ bezeichnete schwangere Frau oder Göttin, eine sogenannte „déesse nue“, also eine nackte Göttin, die ihre Brüste hält (Abb. 12) und eine ein Kind tragende Göttin. Die Figuren stammen aus der
Nachfolgende Doppelseite: Abb. 11 Die Ausgrabungen von Kition (sog. Areal II) an der Südostküste Zyperns.
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hellenistischen Zeit. Die stilistischen Vorbilder der Terrakotten der nackten Göttin, die als „Astarte-Typ“ bezeichnet wird, liegen im Nahen Osten und sind dort seit dem 2. Jt. v. Chr. bekannt, auf Zypern ist diese Form der Darstellung ab dem 9. Jh. v. Chr. anzutreffen. Viele Figuren dieser Machart stammen aus Jahren ab 600 v. Chr., die Verbreitung dieses Darstellungstypus verlief folglich parallel zur erweiterten phönizischen Einflussnahme auf der Insel. Auch andernorts auf Zypern wurden Terrakotten der nackten Göttin in Astarte- oder Aphrodite-Heiligtümern oder in Grabkontexten gefunden, so z. B. in Tamassos oder Amathus. Auch die „Dea gravida“, die schwangere Göttin, besaß Vorbilder im phönizischen Mutterland, allerdings fand auf Zypern diese Darstellung weniger Verbreitung als die nackte Göttin und beschränkt sich im Wesentlichen auf Kition. Im phönizischen Mutterland ist die nackte Göttin vielfach auf sogenannten Astarte-Plaketten dargestellt, auf Zypern fanden sich in Amathus und Lapithos solche aus Gold. Mit den neuen Darstellungsformen brachten die Phönizier auch eine neue Technik mit nach Zypern. Die Terrakotten wurden unter Zuhilfenahme von Matrizen hergestellt, die im Nahen Osten bereits seit dem 3. Jt. v. Chr. in Gebrauch waren. Kehren wir zu der Frage zurück, wem der große Tempel in Kition geweiht war – der Ausgräber Vassos Karageorghis schrieb ihn der Göttin Astarte zu. Seine Identifikation basierte
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zum einen auf dem Fund fragmentarischer Reste einer Rot überzogenen Schale mit phönizischer Inschrift in der frühsten Schicht des Tempelhofs – diese Schale befindet sich heute im Archäologischen Museum in Nikosia auf Zypern –, die Inschrift besagt nach André Dupont-Sommer, dass ein Mann aus Tamassos in dieser Schale eine Haarweihung darbrachte. Die in der Inschrift genannte Buchstabenkombination T – R – T kann als Astarte gelesen werden. Eine weitere phönizische Inschrift aus dem 4. Jh. v. Chr., die sich heute im Britischen Museum in London befindet, zählt das lokale Tempelpersonal, zu dem auch ein „heiliger Barbier gehörte, eines Astarte-Tempels in Kition auf. Rund eintausend Jahre später liefert schließlich Lukianos in seinem Text über die syrische Göttin die Beschreibung eines vergleichbaren Rituals (Lukianos, De Dea Syria 6), indem er Haaropfer von Frauen und Männern vor einer Hochzeit und beim ersten Besuch des Heiligtums in Hierapolis in Syrien erwähnt. Während dieses Rituals wurde ein Lamm geopfert und der Schädel des Tieres vom Gläubigen als Maske verwendet. Die Durchführung desselben Rituals in Kition belegen nach Meinung des Ausgräbers die zahlreichen in Opfergruben gefundenen Schafsknochen und die rückseitig bearbeiteten Stierschädel aus dem frühesten Niveau des Tempels. Aus den Heiligtümern des Apollo Hylates in Kourion und in Ayia Irini stammen Tonstatuetten aus archaischer Zeit (7.– 6. Jh. v. Chr.), die Menschen mit Stier-
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schädeln oder Masken zeigen. Die gefundenen Masken lassen die These zu, dass der Tempel einer männlichen Gottheit geweiht war, möglich wäre hier der Gott Melqart, der als Schutzgott der Mutterstadt Tyros eine große Rolle innerhalb der phönizischen Kolonisationsbewegung spielte. Dem Gott Melqart war ein Heiligtum auf der Akropolis von Kition geweiht. Aus dem Bereich des Tempels stammen Kalksteinstatuetten, die den Gott mit einem Löwenfell bekleidet und in der rechten Hand eine Keule tragend zeigen. Melqart wurde auf Zypern dem griechischen Heros Herakles angeglichen, aus welchem der kyprische Sondertypus des Herakles/Melqart entstand. Auch in Kition übernahm der Gott die Rolle des Beschützers der Stadt und wurde ab dem 5. Jh. v. Chr. so auch auf den Münzen der Stadt dargestellt. Ein zweites Heiligtum auf der Akropolis, aus dem auch die Inschrift mit dem Tempeltarif stammt, wurde aufgrund der Statuetten- und Inschriftenfunde der Astarte zugeschrieben. Das Heiligtum auf der Akropolis in Kition wurde im 9. Jh. v. Chr. gegründet, der Bau fiel also in dieselbe Zeit wie die phönizische Wiederbesiedlung der bronzezeitlichen Stadt. Im 6. Jh. v. Chr. wurde eine Unterteilung in zwei heilige Bezirke vorgenommen. Als architektonisches Vorbild galt das
Abb. 12 In Amathus gefundene Statuette einer sog. déesse nue aus Terrakotta. Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte.
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gemeinsame Heiligtum von Astarte und Melqart in Tyros, der Mutterstadt Kitions. Trotz der bis heute anhaltenden Forschungsdiskussion um die Zuweisung der Tempel in Kition, besonders im Bereich Kathari, steht die Verehrung der Göttin Astarte in der Stadt außer Frage. Die Inschriften, allen voran der Tempeltarif des Astarte-Tempels, und die gefundenen Statuetten belegten die Anwesenheit der Göttin in der Stadt. Darüber hinaus war bekannt, dass der König Ethbaal von Tyros und Sidon (887– 856 v. Chr.), der den Kult der Astarte in Kition einführte, zuvor Hohepriester der Göttin gewesen war. In Sidon befand sich auch das kultische Zentrum der Göttin. Die Astarte von Kition trat durch die Terrakotten besonders in ihrer Rolle als Fruchtbarkeitsgöttin mit schweren Brüsten, als Schwangere oder ein Kind tragend auf. Melqart wurde in der Kolonie Kition wie in der Mutterstadt Tyros in seiner Rolle als Beschützer der Stadt und der königlichen Dynastie verehrt.
Einer anikonischen Kultfigur auf der Spur Das wichtigste Heiligtum der kyprischen Aphrodite befand sich in AltPaphos, dem heutigen Kouklia, an der Südwestküste Zyperns. Die Geschichte dieses Heiligtums reicht weit zurück, in den Schriftquellen werden zwei Versionen seines Ursprunges bezeugt: Pausanias berichtete im 2. Jh. n. Chr., dass
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der Aphrodite-Tempel von dem arkadischen König Agapenor von Tegea errichtet worden sei, als dieser auf dem Rückweg von Troja an der Küste Zyperns Schiffbruch erlitt (Pausanias, 8, 5.2). Nach einer anderen, vom römischen Schriftsteller Tacitus verfassten Version, war der kyprische König Kinyras, der Vater des Adonis, für die Gründung des Tempels verantwortlich (Tacitus, Historiae 2, 3). Vergleicht man diese Aussagen mit den archäologischen Befunden, so lässt sich konstatieren, dass sich um 1200 v. Chr. archäische Griechen als Siedler in der Stadt niederließen, die auch das Heiligtum der Göttin übernahmen. Die Funde aus dem Stadtbezirk und der Umgebung belegen jedoch, dass die Verehrung einer weiblichen Göttin an diesem Ort wesentlich weiter zurückreichte. Möglicherweise steht also der Gründungsmythos um Kinyras so für die älteste Phase des Heiligtums, während der Mythos um den Griechen Agapenor die Übernahme des Heiligtums durch die Griechen markierte – eine Einschätzung, die Forscher wie Vassos Karagheorgis und Corinne Bonnet teilen. Doch lassen sich auch in diesem Heiligtum Spuren der phönizischen Göttin Astarte finden? Das Heiligtum in Paphos besaß zu keiner Zeit einen Tempel des klassischen griechischen Typus. In der späten Bronzezeit bestand der Kultbezirk aus einem offenen, nur von einer Mauer umschlossenen heiligen Bereich und einer überdeckten Halle für das Kultbild der Göttin, wobei
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die beiden den Eingang flankierenden Säulen den orientalischen Charakter des Hof-Heiligtums zusätzlich unterstrichen. Phönizische Inschriften aus dem 3. Jh. v. Chr. erwähnen eine Astarte von Paphos (´štrt pp) und lassen so den Schluss zu, dass Astarte in Paphos als phönizische Interpretation der lokalen Göttin mitverehrt wurde. Die Göttin Aphrodite besaß im paphischen Heiligtum ein anikonisches, d. h. ein nichtfigürliches Kultbild, welches auf römischen Münzen vielfach abgebildet und vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus im 1. Jh. n. Chr. beschrieben wird. Nach Tacitus hatte das Bild der Göttin keine Menschengestalt, sondern war durchweg rund und spitzte sich nach oben hin zu (Tacitus, Historiae 2, 3). Ob es sich bei dem großen, schwarzen Stein im örtlichen Museum in Paphos tatsächlich um dieses Kultbild handelt, bleibt freilich ungewiss. Im Phönizischen kannte man solche monolithischen Steine in Form von Kegeln, Säulen oder Stelen unter dem Namen Betyl (auch „baitylos“), was so viel wie „Heim des Gottes“ bedeutete. Sie waren ein Symbol für die Präsenz und den Sitz der Götter im Heiligtum. Ein solcher Betyl konnte einzeln oder zusammen mit zwei oder drei anderen Exemplaren auf dem Boden des Heiligtums bzw. erhöht auf einem Sockel stehen, ein gutes Beispiel aus dem phönizischen Mutterland stellt der sogenannte „Obelisken-Tempel“ in Byblos dar. Nach seiner monumentalen Ausgestaltung zum Beginn des 2. Jts. v. Chr. befanden sich im Bereich des Heilig-
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tums eine große Menge pfeilerförmiger Obelisken, die um einen zentralen Betyl aufgestellt waren. Im 5. Jh. v. Chr. zog der griechische Historiker Herodot eine weitere Parallele zwischen Byblos und Zypern. Er beschrieb die mit dem Kult der Astarte verknüpfte Einrichtung der heiligen Prostitution. Im phönizischen Mutterland war dieser Brauch überwiegend für den Astartekult in Byblos und Heliopolis bezeugt. In den Historien des Herodot heißt es: „Die hässlichste Sitte der Babylonier dagegen ist folgende. Jede Babylonierin muss sich einmal in ihrem Leben in den Tempel der Aphrodite begeben, dort niedersitzen und sich einem Manne aus der Fremde preisgeben. […] Hat sich eine Frau hier einmal niedergelassen, so darf sie nicht eher nach Hause zurückkehren, als bis einer der Fremden ihr Geld in den Schloss geworfen und sich draußen außerhalb des Heiligtums mit ihr vereinigt hat. […] Dem Ersten, der es ihr zuwirft folgt sie; Ist es vorüber, so geht sie nach Hause und ist der Pflicht gegen die Göttin ledig. […] Die Schönen und Wohlgewachsenen sind sehr schnell befreit; die Hässlichen müssen lange Zeit warten. […] Drei, vier Jahre müssen manche im Tempel weilen. Auch auf Zypern herrscht hier und da eine ähnliche Sitte“ (Herodot, 1, 199, 1–5). In der Forschung ist mehrfach versucht worden, Tempelprostitution für die Heiligtümer der Aphrodite auf Zypern nachzuweisen, doch lediglich im Tempeltarif des Astarte-Tempels in Kition fanden weibliche und männli-
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che Prostituierte unter dem Personal Erwähnung. Als Beweis, dass Tempelprostitution auch auf Zypern stattgefunden hat, wird das Bildmotiv der sogenannten „Frau im Fenster“ herangezogen, obwohl unsicher ist, inwiefern sich die Darstellung überhaupt auf Prostitution beziehen lässt. Dieses Motiv erscheint auf assyrischen und besonders phönizischen Elfenbeinarbeiten (vgl. Abb. 8), zu den bekanntesten Darstellungen zählt ein Beispiel aus Nimrud, das sich heute im Britischen Museum in London befindet. Die frühste kyprische Darstellung wird in das 12. Jh. v. Chr. datiert. Es handelt sich um einen Bronzeständer, der in Enkomi ans Tageslicht kam und ebenfalls in London aufbewahrt wird. Auf allen vier Seiten des Bronzeständers ist die Fassade eines Gebäudes mit jeweils zwei Fenstern dargestellt, aus denen eine Frau hinausschaut. Der Schriftsteller Plutarch verknüpfte dieses Motiv auch mit der kyprischen Aphrodite, wenngleich auf ganz andere Weise: Er berichtet von einer jungen Frau in Golgoi, im Landesinneren von Zypern, die aus ihrem Fenster mitleidlos die Begräbnisfeiern eines jungen Mannes beobachtet, der sich ihretwegen das Leben genommen hat. Aphrodite, darüber entsetzt, dass die junge Frau offensichtlich kein Mitleid empfindet, ließ sie zur Strafe am Fenster versteinern (Plutarch, Amatorius 20). Nach Ovid befand sich die Statue der so versteinerten Frau im Tempel der Aphrodite in Salamis (Ovid, Metamorphosen 14, 695–771).
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Aus Neu-Paphos, aber aus römischer Zeit, stammt eine unterlebensgroße Statue der nackten bewaffneten Aphrodite und aus dem kyprischen Soli ist eine ähnliche Figur bekannt. Aphrodite trägt einen Schwertgurt und hält ein drohend erhobenes Schwert. Die Herkunft des Bildmotivs wurde in der Vergangenheit im Nahen Osten gesucht, da die altorientalische Inanna/Ištar bekanntermaßen als Liebes- und Kriegsgöttin galt. Auf der Insel Zypern lassen sich hingegen noch weitere Hinweise auf eine kriegerische Astarte finden. Aus einem Grab in Salamis, in dem Modelle von Streitwagen gefunden wurden, stammt ein um 700 v. Chr. entstandener Bronzebeschlag einer Pferderüstung. Auf dem Bronzebeschlag ist eine nackte, geflügelte und auf einem Löwen stehende Göttin dargestellt. Diese Göttin wurde mit Inanna oder Astarte identifiziert.
Leben und Tod unter dem Schutz der Astarte Außerhalb von Paphos ist mit dem östlicher gelegenen Amathus ein weiteres Heiligtum der Aphrodite bekannt, welches ebenfalls bis in die römische Zeit in Betrieb war. Amathus gilt als autochthone, d. h. als ureingesessene Stadt ohne bronzezeitliche Vorgängersiedlung; das frühste archäologische Material stammt aus Grabkontexten des 11. Jhs. v. Chr. Ab dem 9. Jh. v. Chr. ließen sich durch Keramikfunde ägäische und levantinische Einflüsse feststellen, die
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für weitreichende Kulturkontakte sprechen und seit dem 8. Jh. v. Chr. stieg dann die phönizische Einflussnahme in der Stadt erheblich an. Aus den Nekropolen der Stadt stammen große Mengen von Terrakotten aus dem 8. bis 5. Jh. v. Chr., viele von ihnen phönizisch beeinflusst, wie z. B. die Brüste haltende oder die schwangere Göttin. Aus Amathus kommt weiterhin eine Reihe von Naiskoi, die ihre Vorbilder in spätbronzezeitlichen Stücken aus dem Libanon haben. Diese Naiskoi waren mit Symbolen der Göttin Astarte wie beispielsweise einem Halbmond und einer Scheibe verziert, die auf ihren Aspekt als Beherrscherin des Himmels anspielten. Zu den herausragendsten Funden aus Amathus gehört ein aus Marmor gearbeiteter Sarkophag aus der Mitte des 5. Jhs. v. Chr., dessen Deckel mit einem reliefierten Frauenkopf verziert ist. Aus dem phönizischen Mutterland sind inzwischen über einhundert Beispiele solcher anthropoider Sarkophage aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. bekannt. Ein Sarkophag aus Kalkstein aus den Jahren um 460 v. Chr. befindet sich heute im Metropolitan Museum in New York. Auf seinen Schmalseiten befinden sich jeweils vier Darstellungen des ägyptischen Gottes Bes und der nackten Göttin Astarte, die ihre Brüste hält. Aus Amathus stammt ebenfalls ein leerer, von Sphingen flankierter Thron. Solche „Astarte-Throne“ waren im phönizischen Mutterland von der späten Bronzezeit bis in die hellenistische Zeit in Gebrauch; ähnlich wie die Betyle
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waren sie Symbole der Anwesenheit der Gottheit. Neben leeren Thronen konnten diese auch mit Betylen oder Stelen belegt sein. Terrakottamodelle von solchen Thronen wurden auf Zypern unter anderem in Ayia Irini gefunden. Aus den Jahren zwischen 750 und 600 v. Chr. stammt ein Modell, das sich heute im archäologischen Museum von Nikosia befindet. Es zeigt eine Frau oder Göttin, die auf einem von Sphingen flankierten Thron Platz genommen hat. Die hier besprochenen Städte Kition, Paphos und Amathus stehen beispielhaft für die drei großen kulturellen Einflusssphären auf Zypern: Kition war eine phönizische Kolonie, das Heiligtum von Paphos wurde ab 1200 v. Chr. von den Griechen übernommen und Amathus war eine einheimische Stadt. Die phönizische Göttin Astarte wurde in all diesen Städten verehrt. Ihre kultische Inszenierung in diesen unterschiedlichen Städten zeigt, wie schwer Göttinnenfiguren wie Astarte und deren altorientalisches Vorbild Inanna/Ištar letztlich von der kyprischen Göttin und der griechischen Aphrodite separierbar sind. Von einem simplen Import phönizischer Gottheiten und Kultpraktiken nach Zypern zu sprechen, ist nicht nur stark vereinfachend, sondern auch verfälschend. Am Beispiel von Melqart und Herakles zeigt sich, dass es zur Gleichsetzung von phönizischen und griechischen Göttern auf Zypern kommen konnte. Gleiches galt für Astarte und die Aphrodite von Paphos. Die phönizischen
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Inschriften aus dem Aphrodite-Heiligtum in Paphos wiesen nach, dass Astarte hier als phönizische Interpretation der lokalen Göttin mitverehrt wurde. Darüber hinaus ergaben sich gegenseitige Beeinflussungen von Göttergestalten, wie es an den hellenistisch beeinflussten Terrakotten aus den phönizischen Tempeln in Kition oder der bewaffneten Aphrodite in Paphos zu sehen war. Die von den Phöniziern mit auf die Insel gebrachten Gottheiten und Kulte gingen eine dynamische Wechselwirkung mit den Göttern und Kulten Zy-
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perns ein. Aufgrund der besonderen geografischen Lage der Insel trafen hier unterschiedliche Impulse zusammen, die nicht ohne nachhaltige Wirkung auf das religiöse Leben der Insel in seiner ursprünglichen Weise blieben. Kultmerkmale der phönizische Göttin Astarte flossen als weiterer Bestandteil in den Kult der lokalen Göttin ein. Wie wichtig die Insel Zypern wiederum für die Gesamtentwicklung der griechischen Göttin Aphrodite war, ist durch ihren Beinamen „Cypris“ (Homer, Ilias 5, 330. 422. 458. 760. 863), die „Zypriotin“, gut belegt.
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Eine Göttin wird geboren
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hre ersten Fußspuren soll die Göttin Aphrodite dereinst am Strande Zyperns hinterlassen haben. Geboren wurde sie, folgt man der Beschreibung aus Hesiods Theogonie (188– 206), aus den abgeschlagenen Genitalien des vergangenen Götterfürsten Uranus, die schäumend im Meer versunken waren. Die schöne Göttin erhob sich aus dem brodelnden Wasser und nahm sich der Stätte ihrer Geburt, der Insel Zypern, für immer an. War bereits in der Antike kein Ort derart eng mit jener Göttin verbunden, so kommt auch der heutige Reisende kaum umhin, Zypern als Insel der Aphrodite wahrzunehmen – kein Reiseveranstalter lässt daran Zweifel aufkommen. Die neuzeitliche Vorstellung von der idyllischen Heimat der Liebesgöttin ist jedoch nicht nur geprägt von der Lektüre der antiken Schriftsteller, die so manche einprägsame Anekdote vom Walten der Schönen zu bieten haben, sondern verdankt sich auch dem Erbe der Kolonialzeit. Aphrodite, wie kaum eine andere Weiblichkeit verkörpernd, diente schon den Briten als Sinnbild der Insel und ihrer Bewohner. Zum einen lockte sie mit exotischer Erotik und der Gefahr des Unbekannten, zum anderen
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war sie als weibliches Wesen zu ihrem eigenen Wohle selbstverständlich auf die Zuwendung und weise Führung des Mannes – in diesem Falle der britischen Kolonialherren – angewiesen. Diese nicht eben uneigennützige Argumentation zementierte die Verknüpfung der Aphrodite mit der Insel Zypern auf ein Neues, so dass Insel und Göttin heute untrennbar miteinander verbunden scheinen. Aphrodite ist der Name einer griechischen Göttin, aber die Menschen, die die Insel in frühester Zeit bewohnten, waren ganz gewiss keine Griechen. Die Verbindung der Insel mit einer großen weiblichen Gottheit ist dennoch keineswegs erst in die Zeit griechischer Präsenz auf Zypern zu verorten. Welchen Namen trug sie, als sie erstmals den Strand der Insel betrat? Und wurde sie wirklich aus dem Schaum geboren – oder hatte sie bereits eine längere Reise hinter sich? Und handelte es sich bei der Dame, die dem Wasser entstieg, um die kokette Schönheit, als die Aphrodite heute so gern wahrgenommen wird – oder um eine Göttin, die wesentlich weniger Spaß verstand? Bemerkenswert unter den zahlreichen Funden aus der Frühzeit der Insel ist die große Menge menschlicher Darstellungen. Viele von
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ihnen sind als Frauen erkennbar und verlocken zu dem Schluss, dass die große Göttin Zyperns in ihnen zu erkennen sei ist. Handelt es sich um Aphrodites Ahnin – die bereits im 4. vorchristlichen Jahrtausend, wenn gar nicht noch früher, geboren wurde? Diese Mutmaßung trifft sich gut mit der These der Matriarchatsforschung – nachhaltig vertreten von den Autorinnen Röder, Hummel und Kunz in ihrem 2001 erschienen Band –, dass dereinst die Frauen unter der weisen Ägide einer weiblichen Gottheit die Gesellschaft dominiert und in Frieden und Prosperität in Einklang mit der Natur geführt hätten. Gerade die Frauendarstellungen aus frühen Perioden werden als Beleg für dieses historische Modell herangezogen. Das vorgeschichtliche Zypern – Herrschaftsbereich einer göttlichen Matriarchin und ihrer sterblichen Töchter? Derartige Vergangenheitsvisionen mögen – mit guten Grund – bezweifelt werden. Zunächst muss man sich über die möglichen Funktionen der Frauendarstellungen und ihren Stellenwert in den Gesellschaften, in denen sie entstanden, Gedanken machen, denn zahlreiche weibliche plastische Figuren müssen nicht zwangsläufig auf einen hohen gesellschaftlichen Status von Frauen hindeuten. Auch die Existenz einer großen Göttin kann nicht ohne Weiteres gefolgert werden, solange keine Gewissheit zu erlangen ist, wen die kleinen Plastiken überhaupt darstellen. Es darf auch nicht verdrängt werden, dass der Glaube an anthropo-
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morphe Götter nicht die einzig mögliche Variante menschlicher Glaubensvorstellungen ist. Folgen wir also den Spuren im Sand, die Zyperns Göttin auf ihrer Insel hinterlassen hat, lange bevor die griechische Aphrodite Pilger und Wissbegierige in der Antike wie heute dazu bewog, sie in ihrer Heimat zu besuchen.
Die Kinder der Göttin Zyperns erste Bewohner gelangten wahrscheinlich spätestens im 9. Jt. vor Christi Geburt an die Küsten der Insel. Wie auch immer ihre Glaubensvorstellungen beschaffen gewesen sein mögen – Spuren der Verehrung einer weiblichen Gottheit bleiben rar in den frühen Siedlungsperioden Zyperns. Erst aus der neolithischen Zeit sind uns einige wenige Reste menschlicher Darstellungen erhalten, vornehmlich aus Khirokitia auf der Südseite der Insel, einer Stätte des Weltkulturerbes. Diese Figuren sind von einfacher, sehr abstrakter Machart, die kaum das Geschlecht der oder des Dargestellten verraten mag. Doch finden wir in ihnen erstmals auf der Insel das Bemühen, die menschliche Form dauerhaft festzuhalten, aus welcher Motivation heraus, können wir jedoch nur mutmaßen. Ob als Spielzeuge, Ritualgegenstände, Götterbildnisse, Ahnenbildnisse – nichts ist wirklich auszuschließen oder genauso wenig mit Sicherheit zu bestätigen. Erst aus der Übergangsperiode zur Bronzezeit, dem Chalkolithikum, die sich auf Zypern
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vom Beginn des 4. Jts. bis zur Mitte des 3. Jts. vor Christi Geburt erstreckt, sind uns zahlreiche Menschendarstellungen erhalten, deren Formgebung und Auffindungskontexte uns genauere Überlegungen zu ihrem Sinngehalt gestatten. Von besonderer ästhetischer Anziehungskraft erscheinen dem heutigen Betrachter die kleinen Figürchen aus dem lokalen grün-bläulich schimmernden Stein Pikrolith, welche zumeist als Kettenanhänger dienten, wie Befunde aus Gräbern uns lehren, und in Größe und Detailreichtum variieren. Gemein ist ihnen die kreuzförmige Grundform mit geschlossenen, meist angewinkelten Beinen, weit zu den Seiten ausgestreckten Armen und einem konischen, leicht in den Nacken gebogenem Kopf. Gefunden wurden sie bisher zumeist in Gräbern in den Siedlungen an der Westküste der Insel. In dieser Zeitperiode wurden Begräbnisse innerhalb der Ortschaften vorgenommen, die Toten befanden sich also in unmittelbarer Nähe zu den Lebenden. Der Grabungsbefund an Orten wie Lemba und Kissonerga verdeutlicht darüber hinaus, dass es sich bei einem Großteil der in den Siedlungen Bestatteten um Kinder gehandelt hat, von denen einigen die Pikrolithanhänger mit ins Grab gegeben wurden. Die detailreicheren unter ihnen sind durch die Angabe von Brüsten als weiblich charakterisiert, daher liegt die Vermutung nahe, dass auch die schlichter gearbeiteten Frauen darstellen, zumal auch in anderen Materialgruppen des zyprischen Chalkolithikums die Frauendarstellungen dominieren.
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Finden wir hier erstmals den Beweis für die Existenz einer großen Göttin auf der Insel? Wurden die toten Kinder, aber auch Erwachsene mithilfe von Amuletten mit ihrer Darstellung unter ihren Schutz gestellt? Schwierigkeiten ergeben sich bereits daraus, dass keineswegs jede Bestattung eine Kette mit Pikrolithanhängern aufweist. Wurden demnach nur Individuen mit bestimmtem Status oder sozialer Rolle die Ketten mit ins Grab gegeben? Nichts gibt hier Gewissheit, denn sowohl in reich ausgestatteten als auch in recht kargen Gräbern finden sie sich an und Anhaltpunkte über die Rolle des Verstorbenen in der lebenden Gemeinschaft bieten sich kaum. Dass die Pikrolithfiguren keineswegs nur mit verstorbenen Kindern in Verbindung gebracht wurden, veranschaulichen solche, die sich gewissermaßen selbst um den Hals tragen, sowie eine Tondarstellung aus Kissonerga-Mosphilia, die eine erwachsene Frau zeigt, welche eine Kette mit einem solchen Anhänger um den Hals trägt. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass zwischen ihren gespreizten Beinen ein Kinderkopf auf den Ton aufgemalt ist – es handelt sich daher um das Bild einer gebärenden Frau. Diese außergewöhnliche Figur entstammt einem der spannendsten Fundzusammenhänge des Chalkolithikums auf Zypern und wurde Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen der Ausgrabungen der University of Edinburgh unter der Leitung von Edgar Peltenburg entdeckt. In einer Grube innerhalb der Siedlung von Kissonerga-Mos-
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Leben auf Zypern während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit Der Mensch gedeiht in Gesellschaft. Auch aus dem Zypern des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit sind zahlreiche Zeugnisse auf uns gekommen, die von der Gemeinschaft der Menschen dieser Kulturen sprechen. Die Pikrolithstatuetten entstanden in einem kulturellen Zusammenhang, der im Fluss begriffen war. Erstmals wurde auf kleinen Anbauflächen Landwirtschaft betrieben, mit der Hand und mit einfachen Hilfsmitteln. Die Sorge um das tägliche Auskommen dieser zunehmend sesshaft werdenden Gemeinschaften förderte die Flexibilität. Parallel zu den ersten Schritten in der Landwirtschaft ist auch das Auftreten von domestizierten Tieren im Umfeld der Siedlungen zu verfolgen sowie ein zeitgleiches Anwachsen der Bandbreite der kultivierten Getreidepflanzen. Dennoch wurde nach wie vor auf das Sammeln, z. B. von wilden Feigen, und auf die Jagd zurückgegriffen. Dieses breite Spektrum an Aktivitäten spiegelt sich auch in der nun auftretenden Siedlungsform wider: Kleinere Gemeinschaften wurden in direkter Nähe zueinander sesshaft. Über die Bedeutung dieser Siedlungsform kann nur gemutmaßt werden: Zeigt sich hier die Aufteilung der Menschen in soziale Verbände, wie z. B. Familien? Oder fand gar ein stetiger Wechsel zwischen den Siedlungen entsprechend der jeweils verfolgten Tätigkeit statt? Auch in der Handwerkskunst ist zu verfolgen, wie Techniken erprobt und verbessert wurden. Die Keramik zeigt zunehmend standardisierte Formen, die auch verziert wurden, darüber hinaus wurde die Brenntechnik weiterentwickelt. Trotz dieser Fortschritte war das Leben der Menschen im 4. Jt. v. Chr. von Härten geprägt. Auf Grundlage unserer heutigen Kenntnisse ist feststellbar, dass die Kindersterblichkeit hoch war, die Lebenserwartung der Männer lag bei etwas über 30 Jahren, die der Frauen deutlich darunter. Bestattet wurde in Gruben, die in und nahe den Siedlungen ausgehoben wurden. Gegen Ende des Chalkolithikums und zum Beginn der Bronzezeit, im Verlauf des 3. Jts. v. Chr., werden tiefgreifende Wandel in der Lebensführung der Menschen erkennbar: Die Kontakte über das Meer nahmen zu und brachten neue Techniken und Vorstellungen nach Zypern. Im Zusammenhang mit einer Intensivierung der Landwirtschaft stiegen die Bevölkerungszahlen und Überschüsse wurden gelagert. Auch die Kupfernutzung wurde intensiver verfolgt und die Erzeugnisse gegen Objekte aus Übersee gehandelt. Um die Mitte des 3. Jts. v. Chr. verfügten die Bewohner Zyperns über Kenntnisse zur Nutzung des Pfluges, der Bronzeverarbeitung und der Webkunst. Auch das Verhältnis der Menschen zueinander war im Wandel begriffen. Die Bevölkerungszunahme und ein Mehr an Gütern förderten soziale Strukturen, die der Organisation der zunehmend komplexeren Lebensumstände Rechnung trugen. Auch eine Zunahme an Prestigeobjekten deutet auf die wachsende Ausbildung sozialer Hierarchien, von der auch die Existenz und die Gestaltung der Brettidole
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zeugen. Auch die Bestattungsweise deutet in diese Richtung. An die Stelle von Einzelbestattungen im Kontext der Siedlungen traten mehr und mehr außerhalb gelegene Kammergräber, in der unterschiedliche Individuen gemeinsam gebettet wurden, vielleicht um Familienzusammenhänge hervorzuheben, die Grundlage für Status und Güterverteilung boten.
phila, von den Ausgräbern als Unit 1015 bezeichnet, befand sich unter anderem das tönerne Modell einer Rundhütte, wie sie den Bewohnern des Ortes auch als Heimstatt diente. In diesem Modell und um es herum war sorgfältig eine Reihe von Objekten angeordnet: Neben der bereits genannten waren der kleinen Hütte weitere Figuren beigegeben sowie eine Reihe von Steinen, Keramik und eine große Muschel. An den Figuren sind Abnutzungserscheinungen erkennbar, sie dienten demnach, bevor sie unter die Erde kamen, einem bestimmten Zweck und wurden von den lebenden Mitgliedern der Gemeinschaft benutzt. Hinzu kommt, dass einige Objekte, bevor sie vergraben wurden, vorsätzlich zerstört und auch mit Farbe übertüncht worden waren. Alles deutet darauf hin, dass hier eine wie auch immer geartete zeremonielle Beisetzung der Gegenstände stattgefunden hat. Die vorangehende Zerstörung der Figuren legt die Vermutung nahe, dass ihnen zuvor eine bestimmte Kraft oder Funktion innegewohnt hatte, die man zuerst brechen musste. Die dem Befund beigegebenen Steine wurden von den Ausgräbern plausibel als Heizsteine gedeutet, wie sie
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in zahlreichen Kontexten bis heute in Dampfbädern und Saunen genutzt werden. Solche Praktiken werden und wurden in verschiedenen Kulturen auch im Zusammenhang mit Geburten genutzt. Der gemeinsame Befund der Steine mit Frauendarstellungen, darunter eine Gebärende, einem Hüttenmodell sowie einer Muschel, wie sie andernorts in Zeremonien genutzt wurde, rückt den Inhalt von Unit 1015 in den Kontext von Geburtsriten. Vorstellbar wären solche, die in einem bestimmten Gebäude, einer „Geburtshütte“, in der von den Heizsteinen herrührenden Wärme durchgeführt wurden. Die Pikrolithanhänger stehen daher mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls in Bezug auf das Gebären, zum einen, da sie während des Geburtsvorgangs getragen werden konnten, wie die beschriebene Terrakottafigur verdeutlicht, zum anderen, da sie in den Gräbern auch von jenen getragen werden, die geboren worden waren: den Kindern. Der Akt der Geburt scheint also von zentralem Interesse in den Gesellschaften des westzyprischen Chalkolithikums gewesen zu sein, zumindest vermitteln die Menschendarstellungen dieser Periode diesen Eindruck.
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Doch existierte dabei ein Bezug auf eine Göttin? War eine Geburt auch ein religiöses Ereignis? Kultgebäude oder separat hervorgehobene Stätten, die der Verehrung einer solchen Gottheit hätten dienen können, sind bisher nicht sicher nachweisbar. Wahrscheinlicher wäre ein Kult, der in den Wohn- und Wirkungsbereichen der Menschen selbst ausgeübt wurde und eng in das tägliche Leben eingebettet war. In Rundhütten sind zuweilen Podeste nachweisbar, die vielleicht mit der Aufstellung von Kultobjekten in Verbindung gebracht werden können. Trotz der bemerkenswerten Präsenz von zahlreichen Frauendarstellungen ist es nicht möglich, auf die Verehrung einer Urahnin der Aphrodite im Chalkolithikum zu schließen. Die Figuren zeugen davon, dass die Geburt und die damit verbundenen Riten für die Menschen dieser Zeit darstellenswerte Inhalte waren. Ungewiss bleibt, ob dies für alle Mitglieder der Gemeinschaften galt oder nur für einige. Auch die Frage, ob die Pikrolithanhänger und Terrakotten auf die Präsenz einer menschengestaltigen Göttin Bezug nahmen oder ob sie lediglich Talismane im Zusammenhang mit Geburt und Kindheit, also Anschauungsmaterial für Heranwachsende oder Ritualgegenstände im Kontext von Geburtshütten waren, lässt sich nicht befriedigend beantworten. Die Spuren der Aphrodite verlieren sich hier in den Tiefen der Zeit. Zu häufig wurde aufgrund des Befundes von Frauendarstellungen die Existenz eines Göttinnenkultes postuliert, doch die genaue Betrachtung
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des archäologischen Materials gemahnt zur Vorsicht. Die Existenz der Vorstellung von einer Göttin, die unter anderem über Fruchtbarkeit und Geburt wachte, ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Figuren zu erklären. Die metaphysischen Vorstellungen des zyprischen Chalkolithikums müssen sich in den materiellen Hinterlassenschaften dieser Kultur keineswegs universalverständlich wiederfinden und können ihre historische Einzigartigkeit auch dadurch beweisen, dass der moderne Mensch an ihnen scheitert. Die Pikrolithanhänger und Terrakottafiguren mögen uns noch heute aufgrund ihrer fremdartigen Ästhetik als sehr reizvoll erscheinen, die Geheimnisse hinter ihrer Schönheit geben sie jedoch nicht gerne preis – zumindest diesen Zug teilen sie mit der griechischen Liebesgöttin Aphrodite.
Schönheiten in Haut-Couture Mit dem Beginn der Bronzezeit ab der Mitte des 3. Jts. v. Chr. mehren sich auf Zypern die Hinweise, dass die Insel verstärkt in Kontakt zu ihren überseeischen Nachbarn in Anatolien, der Levante, Ägypten und den nahe gelegenen Inseln des Mittelmeeres trat. Es wurden neue Techniken der Ackerbestellung, der Metallverarbeitung und des Handwerkes genutzt, die Siedlungen auf Zypern wurden größer und unterschiedliche Architekturformen bestanden nebeneinander, differenziert nach Größe und mit einer komplexer werdenden Raumaufteilung;
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Bestattungen fanden nun in Felskammergräbern außerhalb der Siedlungen statt. In diesem Zeitraum entstand eine besondere Gruppe von Menschendarstellungen, die sogenannten Brettidole: Sie sind flach, aus Ton gearbeitet und nur durch die Angabe weniger Details, wie Augen, Nase, manchmal auch Ohren oder Armen, als Menschen charakterisiert (Abb. 13). Auf ihren Körpern sind komplexe Verzierungen zu erkennen, die, so abstrakt sie auch zunächst erscheinen mögen, näheren Aufschluss über ihre Bedeutung ermöglichen. Ins Auge fällt, dass einige dieser Figuren mehrere Köpfe auf einem Unterleib vereinen. Die Brettidole wurden sowohl in den Siedlungen als auch in Gräbern gefunden, einige zeigen Abnutzungserscheinungen und wurden demnach von den Lebenden benutzt. Wenn das Geschlecht der Figuren dargestellt ist, dann sind sie durch die Angabe von Brüsten als weiblich charakterisiert. Möglich wäre die Vorstellung, dass Männerdarstellungen nicht gesondert charakterisiert werden mussten, die Figuren ohne Angabe von sekundären Geschlechtsmerkmalen also durchaus Männer darstellen könnten. Eine genauere Betrachtung der Figuren macht dies jedoch unwahrscheinlich, wie im Folgenden zu sehen sein wird. Die Brettidole waren nur eine Möglichkeit in dieser Zeitperiode, Menschen darzustellen, andere Tonfiguren zeigen Menschen bei verschiedenen Aktivitäten, auch Männer konnten gut erkennbar als solche dargestellt werden. Die Brettidole sollten demnach etwas ganz Bestimmtes zum Ausdruck brin-
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gen, ihre Gestalt muss mit bestimmten Vorstellungen verknüpft gewesen sein und die Verzierungen, die die Figuren tragen, geben Anlass für sehr interessante Überlegungen. In vorderorientalischen Quellen, welche die Erscheinung der Göttin Inanna schildern, wird besonderer Wert auf die Beschreibung ihrer Kleidung gelegt. Als Inanna hinabstieg in die Unterwelt, musste sie Schritt für Schritt ein Stück ihrer Gewandung ablegen, dazu gehörten ein gewebtes Stirnband, Ohrringe, zahlreiche Ketten, Gewandnadeln und ein Gürtel. Eben diese Art von punkvoller Ausstattung wird auch von den Verzierungen auf den Brettidolen wiedergegeben, die also in der ganzen Pracht eines aufwendigen Putzes dargestellt werden, die auch der Göttin Inanna eigen war. Die verschiedenen Kleidungsstücke und der Schmuck charakterisieren somit ein ideales Auftreten von Frauen. Dabei ist allerdings keineswegs auszuschließen, dass die Brettidole durchaus auch Männer darstellen konnten, allerdings Männer in Frauenkleidung, denn das Tragen von Kleidungsstücken des anderen Geschlechtes war Bestandteil vieler vorderorientalischer Rituale im Kult der Inanna. Kleidung konnte demnach ein entscheidendes Kriterium für die Wahrnehmung des Geschlechts sein. Einige Brettidole tragen teilweise recht überdimensionierte Ohrringe, diese betont dargestellten Schmuckstücke waren nicht nur Teil des Schmuckes realer Menschen, sondern sie gehörten auch zur Ausstattung von Kultstatuen. So heißt es in Genesis 35, 4: „Und sie
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übergaben Jakob alle fremden Götter, die sie hatten, und die Ringe in deren Ohren.“ Ein weiterer Hinweis darauf, dass bei der Schaffung von Brettidolen Vorstellungen rezipiert wurden, die andernorts auch bei der Charakterisierung von Göttinnen eine Rolle spielten, findet sich auf der Rückseite einiger Figuren, wo man einen kammartigen Gegenstand vom Nacken der Gestalten herabhängen sehen kann. In Ägypten dienten diese Objekte als Gegengewichte der schweren Halsketten und traten dort auch als Votivgaben an die Göttin Hathor auf, die in späterer Zeit auf Zypern große Verehrung fand. Die Tatsache, dass die Gewandung der Brettidole sich an Frauentrachten benachbarter Kulturen anlehnte, lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass auch die mit diesen Kleidungs- und Schmuckstücken verbundenen Vorstellungen auf Zypern bekannt waren. Aufgrund der Tatsache, dass sich bislang nicht feststellen ließ, ob im vorangegangenen Chalkolithikum eine weibliche Gottheit verehrt worden ist, ergeben sich mehrere Möglichkeiten: So könnte die Verehrung einer Göttin oder sogar menschengestaltiger Gottheiten erst im Austausch mit den Nachbarn Fuß gefasst haben und die Brettidole von diesem Prozess zeugen oder die vorderorientalischen und ägyptischen Vorstellungen fielen
auf Zypern auf fruchtbaren Boden, da die Idee von einer machtvollen Göttin bereits heimisch gewesen ist. Die Geburt einer großen Göttin auf Zypern schöpfte also aus verschiedenen Quellen von nah und fern und vollzog sich nicht ad hoc, sondern in einem langen, immer wieder neue Aspekte ins Spiel bringenden Prozess.
Damen, Dirnen, Dualismus Es ist ein wesentliches Charakteristikum der durch den Vorderen Orient inspirierten Frauentrachten der Brettidole, dass sie nicht nur den weiblichen Status zum Ausdruck bringen, sondern auch verführerische Schönheit vermitteln. Inanna und ihr verwandte Gottheiten sind keineswegs sittsame Matronen, sondern Damen von recht offensiver Sexualität. Die Dichtung des Vorderen Orients schildert zuweilen mit bemerkenswertem Detailreichtum, nach welchen körperlichen Bedürfnissen der Göttin der Sinn steht und auch Loblieder auf ihren Genitalbereich und hymnische Beschreibungen desselben sind keine Seltenheit. Darüber hinaus wird Inanna zuweilen als Prostituierte und Schutzherrin dieses Berufsstandes benannt. Inanna und ihre Schwestern sind alles andere als reine Muttergottheiten, wie
Abb. 13 Das ritzverzierte Brettidol aus der Zeit um 1900–1800 v. Chr. wurde in einem Grab in Alambra geborgen. Es ist aus der sog. Red Polished Ware gefertigt. New York, Metropolitan Museum of Arts.
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es nicht selten behauptet wurde – es geht ihnen zumeist um Sex, nicht um Reproduktion. Zugleich treten sie auch als Kriegsgottheiten in Erscheinung, ein Aspekt, der sich auch bei der späteren Aphrodite wiederfindet. Die Vereinigung verschiedener Aspekte wie Sexualität und Krieg, Konzepten von Weiblichkeit und Männlichkeit ist charakteristisch für die vorderorientalischen Gottheiten. Indem Gegensätze und Grenzüberschreitungen zur Vereinigung derselben (wie z. B. im rituellen Tragen von Kleidungstücken, die normalerweise vom anderen Geschlecht benutzt wurden) als Charakteristika von Gottheiten aufgefasst wurden, konnten die Götter als Garanten der Einheit aller relevanten Aspekte des Lebens aufgefasst werden. Diese Vorstellung könnten Brettidole mit mehreren Köpfen zur Anschauung bringen: Die dargestellte Frau ist eben mehr als nur eine eindimensional festgelegte Gestalt, sie trägt vielmehr sehr unterschiedliche Rollen und Funktionen in sich. Ein solches Verständnis der Brettidole könnte auch zu einem hohen Grad an Identifikation mit den Darstellungen geführt haben, da sich die verschiedenen Mitglieder der Gemeinschaften durch unterschiedliche Aspekte angesprochen fühlen konnten. Es ist natürlich auch möglich, dass die unterschiedlichen Köpfe einer Terrakottafigur nicht nur eine Person charakterisieren, sondern auf die Einheit unterschiedlicher Götter verweisen sollten, wie z. B. die enge Verbindung zwischen der Göttin und ihrem männlichen Begleiter.
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Hier stellt sich die Frage, inwiefern die Menschen der Bronzezeit die Brettidole genutzt haben, denn viele von ihnen weisen Gebrauchsspuren auf und fanden sich nicht separat in Heiligtümern an, sondern in Gräbern und in den Siedlungen verteilt. Sie mögen daher Teil des täglichen religiösen Lebens in den Gemeinschaften gewesen sein, nicht nur Objekte distanzierter Verehrung. Da die Tracht der vorderorientalischen Göttin auch in Bezug zu der der Lebenden stand, wie unter anderem der Befund von üppigen Ohrringen in den Gräbern belegt, spiegelten die Brettidole demnach auch die Kriterien wider, nach denen man durch Tracht und Schmuck seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zur Anschauung bringen konnte. Die Tonplastiken mit mehreren Köpfen mögen auch in Bezug zu der Vereinigung von Gegensätzen im Leben der Menschen gestanden haben, denkbar wären Bindungen mit Vertragscharakter zwischen verschiedenen Individuen oder Gruppen, auch solche zwischen den Lebenden und den Toten. Bemerkenswert bleibt dabei jedoch, dass der Körper der Brettidole in jedem Falle als weiblich charakterisiert ist. War es eine mächtige Göttin, der man sich in letzter Instanz anvertraute?
Die Schöne und der Stammhalter Eine weitere Besonderheit weisen Brettidole auf, die mit Kindern auf dem Arm dargestellt werden. Diese Kinder sind sorgsam in Tragevorrichtungen gebettet, geradezu eingeschnürt. Gezeigt wird hier
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nicht die Geburt, sondern die Beziehung zwischen behütetem Kind und der mit den Objekten ihres Status ausgestatteten Frau. War die Göttin Zyperns doch eine Muttergottheit? Zumindest scheint der Aspekt von Fruchtbarkeit und Reproduktion auf Zypern durchaus eine Rolle bei der Gestaltung von Figuren gespielt zu haben, die sowohl Göttlichkeit als auch Weiblichkeit zur Anschauung bringen konnten. Auch außerhalb des Mediums der Brettidole wurden Kinder und Heranwachsende als einzelne Individuen und Teil der Gemeinschaft dargestellt. Finden wir hier ein matriarchalisches Paradies, in der schöne mächtige Frauen für das Wohlergehen und den Fortbestand der Gemeinschaft sorgten? Es sieht schlecht aus für derlei Vergangenheitsvisionen, denn die materiellen Zeugnisse aus dem bronzezeitlichen Zypern deuten auf eine komplexer werdende Sozialstruktur, in der Männer kaum eine untergeordnete Rolle gespielt haben dürften. Koroplastische Darstellungen von Männern bei kultischen und gesellschaftlichen Aktivitäten zeugen von der Dominanz dieses Geschlechtes in nicht wenigen Lebensbereichen. Zwar lässt sich um das Verhältnis der Geschlechter im bronzezeitlichen Zypern keine Gewissheit erlangen, doch deutet einiges auf eine zunehmende Differenzierung der Aufgabenbereiche von Mann und Frau in den Familienverbänden hin. Ein Deutungsansatz für die Kinder haltenden Brettidole wäre die Hervorhebung der Rolle der Nachkommen für eine Erblinie. Die Bedeutung von familiärer Zugehörigkeit mag sich auch in der Begräbnisform wi-
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derspiegeln: Über lange Zeiträume wurden Individuen gemeinsam in Kammergräbern bestattet – abgegrenzt von anderen Verbänden in anderen Gräbern. Mit der Einbindung Zyperns in den überregionalen politischen und wirtschaftlichen Austausch bildete sich auch eine soziale Stratigrafie aus, mit anderen Worten, es gab auch etwas zu erben, etwas weiterzugeben an Reichtum und Status. Es ist durchaus möglich, dass die Brettidole die Vererbung über die mütterliche Linie ausdrücken, allerdings muss diese Handhabe nicht zwangsläufig bedeuten, dass der gesellschaftliche Status von Frauen dominierend war. Es wäre ebenso möglich, dass die Erbfolge über die väterliche Linie erfolgte und die die Kinder tragenden Frauen entsprechend nur das Medium, nicht die direkten Nutznießer gewesen sind. In einer zunehmend differenzierten Gesellschaft wie der der zyprischen Bronzezeit besteht aber auch durchaus die Möglichkeit eines flexiblen Umgangs in Hinsicht auf die Weitergabe von materiellen Gütern, sozialen Rollen und familiären Traditionen. Ein Kind mag sowohl Teile des Erbes der väterlichen wie der mütterlichen Linie angetreten haben – entsprechend der spezifischen Konstellation und der ihm zugedachten Rolle.
Zypern, Insel der Göttin In der Darstellungsform der Brettidole treffen sich Charakteristika der orientalischen Inanna und der ägyptischen Hathor (Abb. 14), die dazu dienen,
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Abb. 14 Phönizische Statuette der ägyptischen Göttin Hathor (Höhe 8,6 cm), gefunden am Obeliskentempel in Byblos (Libanon). 2000–1600 v. Chr. Beirut, Archäologisches Nationalmuseum.
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weibliche Schönheit zu definieren, welche sich nicht über individuelle Gesichtszüge oder Körperformen bestimmte, sondern durch einen opulenten Putz. Auch sterbliche Frauen konnten durch diese Art von Gewandung als schön begriffen werden, so dass im wirklichen Leben die weibliche Anziehungskraft also auch durch den schieren Besitz von Kleidung und Schmuck definiert wurde – und wohl die Muße, diese Objekte tragen zu können. Die Brettidole zeigen also nicht nur die idealtypische Aufmachung einer Göttin, sondern auch die von realen Frauen. Zum einen konnten die Terrakottafiguren auf diese Weise teilweise recht abstrakte Vorstellungen von Göttlichkeit vermitteln, zum anderen spiegeln sie auch die Bedürfnisse der zyprischen Gesellschaft der Bronzezeit wider – es ist gerade diese Wechselwirkung zwischen den wohl teilweise importierten Vorstellungen von Göttlichkeit und den sich wandelnden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Formen, die die Auffassung von Religion auf der Insel prägte. Dass ein statisches Bild von einer zyprischen Göttin so nicht entstehen kann, liegt auf der Hand – es würde den Prozessen historischen Wandels widersprechen, denn es ist grade ein Charakteristikum dieser Göttin, dass sie nicht abgehoben vom Geschehen in der Welt existiert. Sie hat Anteil an vielem, ist von machtvoller Schönheit und besitzt großen Reichtum, sie vereint die
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Gegensätze des Kosmos ebenso wie sie die Händel der Sterblichen zu einen vermag, sie trägt auf Zypern auch so manches Mal ein Kind in den Armen – sei es ein göttliches oder eine Projektion menschlicher Vorstellungen von Erbfolge in die Sphäre der Göttin. Sie ist keine Gebärende, doch kann sie dem Geborenen Schutz und Status garantieren. Die Brettidole zeigen sie ebenso wie diejenigen, die sie verehrten und die ihr Walten in vielen Bereichen ihres Lebens präsent fanden. Hier treffen wir also wirklich erstmals mit Gewissheit auf die große Göttin Zyperns. Ein wenig aus dem Schaum geboren erscheint sie uns schon – ihre Wurzeln in Neolithikum und Chalkolithikum bleiben recht diffus. Erst als ihre Ahninnen im Zuge der engeren Kontaktaufnahme Zyperns mit seinen Nachbarn den Strand der Insel betraten, bekam sie eine fassbare Form. Ihre Schönheit ist raffiniert, es ist keine nackte Göttin, die den Zyprioten entgegen strahlte, sondern eine von beeindruckendem Putz und materiellem Reichtum. Ihre Ankunft auf Zypern erscheint im Licht der Geschichte als eine Art neue Geburt – sie blieb nicht die orientalische Inanna oder die ägyptische Hathor, sie wurde zu einer Göttin, wie sie nur auf Zypern existierte. Die Vorstellungen und Bedürfnisse ihrer neuen Verehrer ließen sie neu erstehen, genauso wie sie in unserem heutigen Bewusstsein Zypern zur Insel der Göttin werden ließ.
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HEPHAISTOS UND ARES Mythische Ursprünge zu Aphrodite und die bronzezeitliche Kupferverarbeitung auf Zypern Anna Kieburg
U
m die mythische Gestalt der Göttin Aphrodite ranken sich, wie es in den vorhergehenden Kapiteln dieses Buches ausgeführt wurde, zahlreiche Sagen und Legenden, in welchen meist ihre Rolle als Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin im Vordergrund steht. Die griechische Mythologie weiß von einer ganzen Reihe von Liebhabern der Göttin zu berichten – sowohl göttlichen als auch menschlichen. Warum sich die schöne, aber auch kriegerische Göttin ausgerechnet mit dem hässlichen Hephaistos, dem Gott des Schmiedefeuers, vermählt hat, erfahren wir nicht, dafür jedoch umso mehr über ihre zahlreichen Liebschaften. So hat sie ihren Gatten unter anderem mit dem Kriegsgott Ares betrogen, wie uns aus der Odyssee des Homer überliefert ist (Homer, Odyssee 8, 267 ff.). Die mythische Ehe von Aphrodite und Hephaistos sowie ihre romantische Verbindung mit Ares haben nach Meinung der Forschung ihren Ursprung auf Zypern. Schon Homer selbst bezeichnet Aphrodite als „Herrin
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auf Kypros“, die die Handwerksleute die Verarbeitung der Erze lehrte (Homerischer Hymnos 5, 2–13). Und in der Tat belegen archäologische Entdeckungen eine sogenannte Große Göttin auf Zypern zur Zeit der Späten Bronzezeit (1600–1050 v. Chr.), welche offensichtlich als Schutzgöttin der Metallgewinnung und -verarbeitung fungierte. Sie scheint von einer männlichen Gestalt – Gott oder Mensch – begleitet gewesen zu sein; beide gewährleisteten die Reichhaltigkeit der Minen der Insel. Der nähere Blick auf Stätten und Statuetten soll nun zeigen, ob sich der Ursprung der göttlichen Verbindung zwischen Aphrodite, Hephaistos und Ares tatsächlich im bronzezeitlichen Zypern finden lässt.
Kulturelle Blüte zwischen den Großmächten Was wissen wir über die Geschichte und Mythen der Bronzezeit auf Zypern? Archäologisch lässt sich nachweisen, dass die Insel bereits in der frühen Bronzezeit (2300–2000 v. Chr.) dicht besiedelt
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war. Die Siedlungen lagen hauptsächlich im Gebiet reicher Kupfervorkommen, denn die Ausbeutung der Kupferminen ermöglichte eine hohe Lebensqualität. Des Weiteren bestanden erwiesenermaßen Handelsverbindungen zu den Nachbarvölkern des Nahen Ostens, Anatoliens und sogar schon in das minoische Kreta. Die außenpolitischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung Zyperns in der Bronzezeit waren durch zwei Großmächte bestimmt – durch das Ägypten des Neuen Reiches und durch das Hethiterreich –, die sich unmittelbar in Syrien berührten. Auch Zypern war zeitweise ein Vasallenstaat sowohl der Ägypter als auch der Hethiter. Die Intensivierung dieser Kontakte ist das Hauptmerkmal der Mittleren Bronzezeit (2000–1600 v. Chr.), der kulturelle und wirtschaftliche Schwerpunkt lag im Süden und Südosten der Insel, wo sich Hafenstädte wie Enkomi und Kition in der zweiten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. zu bedeutenden Handelszentren entwickelten. Die Späte Bronzezeit stellte sowohl in städtebaulicher Hinsicht als auch bezogen auf den Handel eine Blütezeit auf Zypern dar. Auf Kreta hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt die minoische Kultur mit ihrer Palastherrschaft ausgebildet, die nach der Mitte des 2. Jts. v. Chr. durch eine Vorherrschaft der Mykener abgelöst wurde. Und auch auf Zypern brachten die Ausgrabungen mykenische Keramik aus dem 14. Jh. v. Chr. ans Tageslicht. Nur: kamen die Mykener als fahrende Händ-
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ler und Handwerker oder als sesshafte Kolonisten nach Zypern? Fest steht zumindest, dass die Präsenz der Mykener offenbar eine friedliche war und dass um 1200 v. Chr. weitere Einwanderungswellen der mykenischen Siedler erfolgten, welche die wichtigsten Städte der Insel besetzten und die alten Tempel erneuerten. Ihre Anwesenheit wird eindrücklich durch mykenische Keramik dokumentiert, welche die altkyprischen Erzeugnisse beinahe völlig zu verdrängen scheint. Auch in dieser Phase standen die Städte Enkomi und Kition wirtschaftlich und kulturell im Zentrum; von beiden wird im Folgenden in Verbindung mit dem Metallhandel ausführlich die Rede sein.
Die Schätze der Insel – Handel und Metallurgie Die knappe Skizze der historischen Entwicklung Zyperns verdeutlicht die strategisch günstige Lage und somit die Bedeutung der Insel als Handelsknoten zwischen den angesprochenen Großmächten. Der bereits erwähnte Rohstoff Kupfer bildete nicht nur eines der wichtigsten Handelsgüter der Späten Bronzezeit im östlichen Mittelmeerraum, sondern kam auf Zypern zudem in abbauwürdigen Mengen vor. Auf diese Tatsache verweist noch sein lateinischer Name cuprum, der sich von aes cyprium, also „Erz von der Insel Zypern“ ableitet. Zum Transport wurde es bereits verhüttet (also das Metall aus seinem Erz ausgeschmol-
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Der Kult der Großen Göttin Die ersten Siedlungsspuren auf Zypern datieren um 5800 v. Chr. Mit ihnen treten die ersten religiösen Idole auf, Zeugen der ältesten Religion auf Zypern. Die Kultpraktiken des vorgeschichtlichen Zypern sind allerdings nur schwer zu rekonstruieren. Sicher ist, dass der Aspekt der Fruchtbarkeit eine große Rolle gespielt hat. Ab dem 3. Jt. v. Chr., d. h. ab der Frühen Bronzezeit, zeugen die sog. Brettidole und kreuzförmigen Figurinen von einem Fruchtbarkeitskult. Unklar ist, ob sie als Votive oder Darstellungen einer Gottheit angesehen wurden. Die Vielzahl solcher Figurinen, die über ganz Zypern verteilt gefunden wurden, zeugt von einem Glauben an eine Fruchtbarkeitsgöttin, die sog. „Große Mutter“ oder „Große Göttin“. Eine enge Verwandtschaft besitzt dieser Kult im Vorderen Orient, wo zeitgleich die Göttin Innana/ Isˇtar verehrt wurde. Auf Zypern kann das Gebiet um Paphos als ihr Kultzentrum angesehen werden. Hier entstand das große Heiligtum der Aphrodite, das schon in der Antike Berühmtheit erlangte. Während der Mittleren Bronzezeit (1950–1650 v. Chr.) ist das Kultzentrum hier zu lokalisieren, bis sich in der Spätbronzezeit (1650–1050 v. Chr.) neue wirtschaftliche und kultische Zentren im Osten der Insel etablierten, in Enkomi und Kition. Die große Anzahl Terrakottastatuetten aus vielen Tempelanlagen (Maa-Paleokastro, Myrthou-Pigadhes, Kalavassos, Hala Sultan Tekke, Maroni, Alassa, Apliki) belegen jedoch die Verbreitung und die Ausübung des Kultes auf der ganzen Insel. Besonders die Befunde der Tempelanlage in Kition weisen darauf hin, dass auch hier seit der Frühen Bronzezeit eine weibliche Gottheit verehrt wurde. Statuenfunde zeugen von der Großen Göttin, die zusammen mit einer männlichen Gottheit als eine Beschützerin der Kupferindustrie auf Zypern galt. So lag auch ein großer Wirtschaftszweig in dieser Zeit unter Aufsicht und Kontrolle der Priester(innen). Am Ende der Bronzezeit (um 1050 v. Chr.) wurden die großen städtischen Zentren auf Zypern durch die sog. Seevölker zerstört, der Kult der Großen Göttin kam zum Stillstand. Mit der Ankunft der Phönizier im 10. Jh. v. Chr. wurde Kition wieder aufgebaut, es kam zu einer neuen wirtschaftlichen und religiösen Blüte. Der alte Tempel der Großen Göttin wurde komplett umgebaut und nun der phönizischen Fruchtbarkeitsgöttin Astarte geweiht. Seit dem 12. Jh. v. Chr. hat aber auch der große Anteil an mykenischen und kretischen Einwohnern auf der Insel stets Einflüsse aus dem griechischen Kulturkreis aufrechterhalten: Die Große Göttin wurde nun als Astarte oder Aphrodite verehrt. Darstellungen zeigen sie zusammen mit Vögeln und floralen Elementen. Ebenso wurde Aphrodite als Herrin der Meere und des Himmels bezeichnet. Ikonografische Untersuchungen der Terrakottastatuetten zeigen, dass der Kult der Großen Göttin bis in die archaische Epoche hinein bestand.
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zen) und in Form der sogenannten „Ochsenhaut-Barren“ gegossen. Der Name dieser Barren rührt von ihrer einer Ochsenhaut ähnlichen Form und Oberfläche, letztere wird durch das Freiwerden von im flüssigen Kupfer gelösten Gasen beim Erstarren des Kupfers gebildet. Die Barren besitzen eine Größe von ca. 70 × 40 cm, sind 4 cm dick und wiegen ca. 30 kg. Frühe Beispiele dieser Ochsenhautbarren stammen bereits aus der Frühen Bronzezeit. Zu den spektakulärsten Funden der letzten Jahrzehnte zählt das bronzezeitliche und mit Ochsenhautbarren beladene Schiffswrack von Uluburun. Es war vor der türkischen Küste gesunken und enthielt eben solche Barren, die sorgfältig für den Transport gestapelt waren. Szenen auf ägyptischen Wandmalereien zeigen ferner, dass solche Kupferbarren unter anderem als Tributzahlungen an den Pharao geschickt wurden, so gibt eine Umzeichnung aus dem Grabmal Tutmosis’ III. Barren tragende Gesandte aus Kreta wieder. Das Bildmotiv wurde von kyprischen Metallhandwerkern in ihr Repertoire zur Verzierung von bronzenen Kesseluntersetzern aufgenommen (Abb. 15). Doch welche Verbindungen lassen sich zwischen dem kyprischen Kupferhandel und der homerischen Schilderung um die drei Götter Aphrodite, Ares und Hephaistos ziehen? Werfen wir nun einen Blick auf die religiöse Vorstellungswelt und auf das kultische Leben in der Späten Bronzezeit.
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Die Religion und das Kupfer Der Kult der Großen Göttin lässt sich auf Zypern bekanntermaßen seit prähistorischer Zeit nachweisen. Ob dieser jedoch schon in der frühen und mittleren Bronzezeit (2300–1600 v. Chr.) mit dem Kupferabbau assoziiert werden kann, bleibt unklar. Auf jeden Fall gewann der Kult in der Späten Bronzezeit (1600–1050 v. Chr.) immer mehr an Bedeutung, was sich im Ausbau der bestehenden und dem Bau weiterer Tempel sowie dem Auftreten erster Kultstatuen ausdrückt. Wir erhalten nun die ersten definitiven Hinweise darauf, dass die Große Göttin Zyperns mit der Metallverarbeitung in Verbindung gebracht wurde und interessanterweise finden sich im gleichen Kontext auch Hinweise auf eine männliche, kriegerische Gottheit. Doch wie haben wir uns einen Tempel vorzustellen, der solch einem göttlichen Paar geweiht ist? Und existierten architektonische Verbindungen zwischen den Tempeln und Metallwerkstätten? Die Antworten darauf erschließen sich über die zahlreichen Kultplätze auf Zypern, in deren unmittelbarer Nähe sich Metallwerkstätten befanden. Diese Kultplatze lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Zur ersten zählen Heiligtümer mit angeschlossenen Metallwerkstätten, so z. B. in Kition, Enkomi, Myrthou-Pigadhes, Kalavassos oder Hala Sultan Tekke und zur zweiten die metallabbauenden und -verarbeitenden Werkplätze, denen eine kleine Kultstätte angeschlossen war, wie z. B. in
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Das Schiff von Uluburun Im Jahre 1982 fiel einem jungen Schwammtaucher bei einem Tauchgang vor dem Kap von Uluburun in der Südtürkei ein merkwürdig geformter „Metallkuchen mit Ohren“ auf. Er meldete den Fund seinem Kapitän, der aus Gesprächen mit Archäologen und aus eigener Erfahrung wusste, um was es sich handeln musste: einen Kupferbarren in der sog. Ochsenhautform. Diese Kupferbarren mit vier Griffen sind für den spätbronzezeitlichen Kupferhandel charakteristisch und ein Indikator für ein Schiffswrack aus dieser Zeit. Tatsächlich entdeckten die daraufhin informierten Archäologen in einer Tiefe von 44 bis 52 m ein großes Wrack, das gemäß den dendrochronologischen Untersuchungen in der Zeit um 1300 v. Chr. gesunken sein muss. Das Wrack wurde zwischen 1984 und 1994 gründlich von Forschern des Institute of Nautical Archaeology (INA) der University of Texas untersucht. Die Ladung des Schiffes – mehr als 12 Tonnen – bestand zum Großteil aus Rohmaterialien. Allein 354 kupferne Ochsenhautbarren, mehr als 100 Scheibenbarren und gut 30 Exemplare einer bis dato unbekannten Art von Kupferbarren mit nur zwei Griffen wurden im Schiffsrumpf und der näheren Umgebung entdeckt. Die Kupferbarren stellten die Hauptladung dar und waren ursprünglich in vier Reihen quer im Laderaum aufgestapelt. Darüber hinaus kamen u. a. Glas- und Zinnbarren, zahlreiche zyprische Tongefäße, Elfenbein, Terebinthen-Harz in kanaanäischen Amphoren, Eben- und Eichenholz, kanaanäischer und ägyptischer Schmuck zum Vorschein – sowie Reste von Lebensmitteln (Mandeln, Oliven, Granatäpfel). Bronzewerkzeuge, Waffen, Utensilien für den Fischfang und hölzerne Schreibtafeln könnten der Mannschaft gehört haben. Die Bronzestatuette einer weiblichen Gottheit syrisch-palästinensischen Ursprungs ist vielleicht von der Besatzung verehrt worden. Der Unterkiefer einer beim Untergang des Schiffes umgekommenen Maus weist – wie aktuelle Forschungen der University of Durham zeigen – die größten Ähnlichkeiten zu syrischen Hausmäusen auf. Da es sich um ein sehr zierliches Exemplar handelt, kann sie erst kurz vor der Katastrophe auf das Schiff gekommen sein, denn Mäuse, deren Vorfahren schon viele Generationen auf Schiffen verbracht haben, sind in der Regel sehr viel größer. Die Forscher schließen daraus, dass ein syrischer Hafen, vielleicht Minet el-Beida, der Hafen von Ugarit, letzter Haltepunkt des Schiffes von Uluburun gewesen ist. Diese Theorie deckt sich gut mit den Vermutungen der Archäologen, die dieses Schiffswrack als einen wichtigen Beleg für den Seehandel mit Kupfer, Zinn und anderen Materialien in der Spätbronzezeit im östlichen Mittelmeer ansehen. Fast jeder gefundene Gegenstand könnte in einem syrisch-palästinensischen Hafen an Bord gekommen sein. Der Heimathafen des Schiffes lässt sich jedoch kaum bestimmen, da die Ladung allein noch nichts über Besatzung oder Reeder aussagt. Hervorzuheben ist in jedem Fall, dass hier Relikte zahlreicher Kulturen auf einem einzigen Schiff vorhanden sind.
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Maa-Paläokastro, Maroni, Alassa oder Apliki. Die auffallende Nähe von Kultplatz und metallverarbeitendem Werkplatz mag hierbei als Beweis dafür gelten, dass die Metallurgie in der Späten Bronzezeit unter göttlichem Schutz stand. Einen guten Einblick in diese Einrichtungen vermitteln die Befunde aus Enkomi und Kition, beide im Südosten der Insel Zypern situiert.
Enkomi – Stadt des Barrengottes Das im 17. Jh. v. Chr. gegründete Enkomi gilt als das erste städtische Zentrum der Kupferverarbeitung auf Zypern. Nachweisbar sind Werkstätten, Bewässerungsanlagen und Baderäume. Die Häuser bestanden aus einem offenen rechteckigen Hof, der an drei Seiten von Räumen begrenzt wurde. Unter dem Hof lagen reich mit Grabbeigaben ausgestattete bronzezeitliche Kammergräber, welche die ersten Ausgräber 1896 zu dem Schluss führten, dass es sich bei Enkomi um die Nekropole der nahe gelegenen Stadt Salamis gehandelt habe. Erst 1934 wurde der Siedlungscharakter von Enkomi erkannt – eine spektakuläre Entdeckung, da hiermit zum ersten Mal eine spätbronzezeitliche Stadt auf Zypern ausgegraben werden konnte. Am interessantesten ist ein in mykenischer Zeit vollständig erneuertes Gebäude östlich der Nord-Süd-Hauptstraße, das aufgrund seiner Funde als Heiligtum gedeutet wurde. In das heilige Areal gelangte man durch einen
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nördlichen und einen südlichen Eingang. Ein großer Hof, in dem sich die Reste eines Herdes und von Opfersteinen fanden, war vermutlich an seiner einen Seite, vielleicht sogar zur Gänze überdacht. An der Westmauer führte ein Durchgang in einen Nebenraum, von dem bis heute nicht eindeutig geklärt ist, ob er nur als Lagerraum oder als Allerheiligstes diente. An der Südmauer befand sich ein Durchgang zu einer ummauerten Quelle, deren Wasser im Kult eine Rolle gespielt haben könnte. Anzunehmen ist, dass es sich bei einer Kammer im Nordosten um einen Kultraum handelte, da hier die Statuette des sogenannten Barrengottes aufgefunden wurde (vgl. Abb. 18), der uns im Folgenden noch beschäftigen wird. Eine weitere wichtige Gebäudegruppe bildeten natürlich die Metallwerkstätten. Ein ganzer Komplex solcher Werkstätten, das sogenannte „Industrie-Viertel“, lag im Norden der Stadt und war direkt mit der Stadtmauer verbunden. Aufgrund von Funden wie Schlacken, Barren, Gussformen und Verarbeitungsmaterial, so Blasebalgköpfe, Tüllen und Gewichte, konnten hier Kupferwerkstätten identifiziert werden. Einzelne solcher Werkstätten verteilten sich übrigens über das gesamte Stadtgebiet, so auch in der Nähe des Barrengott-Heiligtums, wo ebenfalls eine große Anzahl von Barren, Gussformen und Schlacke entdeckt wurde. Kult- und Werkstätten waren in Enkomi nicht direkt architektonisch mit-
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einander verbunden, allein die räumliche Nähe zueinander und der Charakter des Gottes auf dem Barren lassen auf eine kultische Verbindung schließen.
Kition – Stadt der Aphrodite Ein gänzlich verschiedenes Bild bot sich in Kition: Die Tempel und Werkstätten dieser Stadt wiesen eine vollständig andere Struktur auf. Auf die Geschichte dieser Stadt wurde bereits ausführlich an anderer Stelle Bezug genommen. Erwähnt sei hier lediglich noch einmal, dass die Stadt Kition, die am Ende des 13. Jhs. v. Chr. für kurze Zeit verlassen wurde, um 1200 v. Chr. ebenfalls von eingewanderten Mykenern in großem Umfang wieder aufund umgebaut wurde. Im Norden der Stadt (im Grabungsareal II) befindet sich direkt an der Stadtmauer ein Gebiet mit vier Tempeln (1, 2, 4 und 5) und an diese anschließende Metallwerkstätten (Abb. 16). Die vier Tempel setzten sich alle aus einem großen rechteckigen Hof, umgeben von sorgfältig gearbeiteten Mauern, und einer kleinen Cella an der einen Schmalseite, in der sich eventuell eine Kultstatue befunden haben könnte, zusammen. Um den Hof herum verliefen Portiken und in ihrer Mitte standen Herde und Opferaltare. Tempel 1 und 2 wur-
den durch zwei Zwillingshöfe verbunden, die Temena A und B, und erschienen so selbst als Zwillingstempel. In den Temena befanden sich die Kultherde und die Opferaltäre. Tempel 1 war direkt mit den Metallwerkstätten verbunden, die bereits in der Vorgängerphase existierten, doch jetzt ausgebaut worden waren. Direkt vom Tempel führte ein Durchgang in den sogenannten Raum 12, in dem vermutlich das Schmelzen des Kupfers erfolgte. Rechter Hand gelangte man in einen Korridor mit den sich abzweigenden Räumen 13, 14 und 15, welche wohl hauptsächlich der Lagerung und dem Guss des Kupfers in Barrenform für den Handel dienten. Träfe diese Interpretation zu, hätten wir einen weiteren Hinweis darauf, dass die Organisation des Handels unter unmittelbarer Aufsicht durch die Priester und Priesterinnen lag. Von Raum 14 führte ein Korridor zum Temenos A. Von hier aus gelangte man in eine weitere Werkstatt, den sogenannten Raum 16. In ihm fand vermutlich die Feinverarbeitung zu Bronzeobjekten statt, denn im Gegensatz zu den übrigen Räumen, die aufgrund der übelriechenden Dämpfe nach oben offen waren, war dieser hier überdacht. Ob es noch weitere metallurgische Einrichtungen in der Stadt gab, ist bislang nicht bekannt.
Abb. 15 Der Bronzeständer aus Kourion zeigt eine Weihgabe in Form eines Ochsenhautbarrens. London, British Museum.
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Tempel 4 beinhaltete zwei Cellae, vor denen sich zwei Steinbasen fanden, von denen eine einen behauenen Steinpfeiler, die andere einen Holzpfeiler trug. Derartige Pfeiler sind aus kanaanitischen Tempeln bekannt, wo sie eine weibliche und eine männliche Gottheit repräsentieren, also ein göttliches Paar. Vassos Karagheorgis, der bekannte Zypernforscher, nimmt von daher an, dass auch in Kition ein solches Götterpaar verehrt wurde. In einer der Cellae entdeckte man bronzene Votivobjekte, während in der anderen wertvolle Objekte aus Elfenbein mit Inschriften gefunden wurden. Das Fundmaterial von Tempel 5 zeichnete sich durch diverse steinerne Schiffsanker aus, die, wie auch bei Tempel 1, 2 und 4, beim Wiederaufbau des Tempels als Spolien in Form von Säulenbasen und Mauersteinen wiederverwendet wurden. Eine Besonderheit war hier, dass sie in ugaritischer Art an die Opfertische gelehnt wurden. An der syrischen Küste gab es unter Seeleuten die Tradition, Schiffsanker dem Gott Baal zu weihen. Außerdem wurde im Hof dieses Tempels eine große Anzahl von Stierschädeln vor der Cella entdeckt. Beides, die Ankersteine und die Stierschädel, lassen nach communis opinio die Verehrung eines männlichen Gottes vermuten. Zumindest also das Fundmaterial spiegelt wider, dass Kition ein Zentrum von religiöser Bedeutung war und männliche wie weibliche Gottheiten Verehrung fanden. Die Statuetten der Späten Bronzezeit geben ferner Hin-
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weise auf die Existenz eines Fruchtbarkeitskultes.
Verehrung des Weiblichen in Terrakotta und Bronze Wohl als Zeugnisse weiblicher Fruchtbarkeit, zumindest aber als Ausdruck der Hoffnung auf eine solche, galten in der Späten Bronzezeit weibliche Terrakottafigürchen, die sich über die gesamte Insel verbreitet fanden. Auch im Heiligtum des sogenannten Barrengottes von Enkomi kamen derartige kleine weibliche Votivstatuetten zutage, einige von ihnen entdeckten die Ausgräber auf den Westbänken des Hofs, im westlichen Raum und im Westhof. J. M. Webb vermutete in ihrer Publikation über rituell genutzte architektonische Strukturen, dass dieser Raum das Allerheiligste einer weiblichen Gottheit bildete, und dass wir hier jetzt – nach den Zwillingstempeln 1 und 2 und dem Tempel 4 in Kition – ein weiteres Mal dem Prinzip der engen räumlichen Verbindung einer weiblichen und einer männlichen Gottheit begegnen. Funde weiblicher Bronzestatuetten aus dem 12. Jh. v. Chr. liefern weitere Indizien für die Existenz eines möglicherweise göttlichen Paares. Unter der Bezeichnung „Barrengöttin“ wurde eine weibliche Statuette unbekannter Herkunft bekannt, die sich heute im Ashmolean-Museum in Oxford befindet (vgl. Abb. 9). Anzunehmen ist, dass die Figur nicht, wie zunächst vermutet, aus Syrien stammt, sondern ein kyprisches Produkt
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ist. Es handelt sich um eine unbekleidete Frauenfigur, deren Haarfrisur ursprünglich aus vier Zöpfen, zwei kurzen und zwei langen, bestand und die um den Hals drei eng anliegende Reifen sowie eine lange Kette, die sie in Bauchhöhe umfasst hält, trägt. Der am Kettenende befindliche Gegenstand wurde in der Forschung als Siegel interpretiert. Beide Arme der Statuette fehlen. Da sie auf einem Kupferbarren stehend angebracht war, erkannte man in ihr das weibliche Pendant zum Barrengott, dem Beschüt-
zer der Metallurgie. Ob die Figur ebenfalls im Heiligtum des Barrengottes aufgestellt war, lässt sich allerdings nur vermuten, nicht aber beweisen. Vergleichbar mit unserer Frauenstatuette auf dem Barren ist eine weitere aus Zypern stammende Figur (Abb. 17). Die 10,5 cm hohe Statuette wurde in einem Grab in der Nähe von Nikosia gefunden. Sie ähnelt der vermeintlichen Barrengöttin in der Proportionierung des Gesichtes – mit den abstehenden Ohren und den großen Augen so-
Abb. 16 Im Süden von Zypern liegt der Heiligtumsbezirk des antiken Kition (Grabungsareal II).
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Abb. 17 Statuette aus einem Grab in der Nähe von Nikosia. Nikosia, Cyprus National Museum.
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wie in der Haartracht, des Weiteren ist bei beiden Figuren die weibliche Scham durch ein tief eingeritztes Dreieck deutlich hervorgehoben. Eine weitere, ebenfalls 10 cm hohe Statuette wurde in einem Grab in der Nähe von Alt-Paphos gefunden, auch sie ähnelt der Barrengöttin, nur ist ihre Ausarbeitung von etwas besserer Qualität. Der Hauptunterschied besteht in der Haltung ihrer Arme. Durch den Gestus des „sich-an-die-Brust-Greifens“ verkörpert sie den schon beschriebenen „Astarte“-Typ bzw. die „Déesse nue“. Gemeinsam ist jedoch allen drei Figuren die zwischen ihren Brüsten hängende Kette mit dem vermeintlichen Siegel. Kann man in ihr ein wichtiges Attribut einer weiblichen Gottheit erkennen? Von Aphrodite ist jedenfalls aus viel späterer Zeit bekannt, dass sie einen Zaubergürtel besaß, den sie nach Homers Ilias (14, 214) „von ihrer Brust“ nimmt, um weiteres Unglück zu verhindern. Leider haben sich die Basen der Statuetten aus Nikosia und Alt-Paphos nicht erhalten und so bleibt es auch hier eine Spekulation, sie auf einem Kupferbarren stehend zu rekonstruieren. Während also in der Späten Bronzezeit weibliche Bronzestatuetten geschaffen wurden, in denen möglicherweise Göttinnen zu sehen sind, lässt sich zumindest in derselben Periode nachweisen, dass der männliche Gott eine bedeutende Stellung im kultischen Leben Zyperns einnahm. Mit ihm werden Metallurgie und Krieg assoziiert, und hier ließe sich gegebenenfalls die Verbindung zur späteren grie-
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chischen Mythologie, zu Hephaistos und Ares, ziehen. Der mit einem Hörnerhelm versehene Barrengott von Enkomi (Abb. 18) besitzt eine Höhe von 35 cm und scheint mit einem langen Schurz bekleidet. Beide Arme sind erhoben, in der linken Hand hält der Gott einen Speer, in der rechten einen ovalen Schild. Die Statue scheint bärtig und vielleicht sogar maskiert zu sein – ihr Hauptmerkmal ist jedoch die Basis in Form eines Kupferbarrens. Aufgrund seiner orientalisch wirkenden Erscheinung wurde versucht, diese Figur wahlweise mit dem syrischen Gott Baal, dem kanaanitischen Reshef oder dem mesopotamischen Nergal zu identifizieren. Eine Baal-Statuette kam interessanterweise in einem Schnitt direkt neben dem Heiligtum des Barrengottes in Enkomi ans Tageslicht. Seine Erscheinung ähnelt dem Barrengott besonders in der Form des Helmes und der Haltung der Arme. Noch markanter ist aber der Vergleich mit einer Figur aus Megiddo, in dieser Statuette sahen die Ausgräber den kanaanitischen Gott Reshef, den Gott der Unterwelt und des Krieges, worauf insbesondere seine Bewaffnung hindeutet. Die Ähnlichkeit zwischen dem Barrengott von Enkomi und dem sogenannten Reshef ist offensichtlich: Beide halten eine Lanze in der erhobenen rechten Hand und einen Schild in der linken, des Weiteren ist der Reshef bärtig oder maskiert und sogar die konischen Helme weisen bei beiden Statuetten die kleinen Hörner auf. Die einzigen Unterschiede zwischen dem
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Barrengott und dem Reshef bestehen in der Beinstellung und in der Basis. An dieser Stelle dreht sich die wissenschaftliche Argumentation insofern im Kreise, als dass ja eben wegen des Barrens und der Nähe des Heiligtums des Barrengottes von Enkomi zu den Metallwerkstätten die Statuette als eine Beschützergottheit des Kupferabbaus angesehen wird, der die Aspekte der Metallurgie und des Krieges in sich vereint. Es wäre weit hergeholt, aber sehr verführerisch, im Barren unter den Füßen der Enkomifigur, den Klumpfuß des späteren Hephaistos sehen zu wollen. Sicher scheint zumindest zu sein, dass in der Späten Bronzezeit auf Zypern die ersten Bronzestatuetten von Göttinnen und Göttern auftreten. In welcher Verbindung die gezeigten Figuren zum Kult der Großen Göttin standen, bleibt ungewiss.
Aphrodite und ihre Liebhaber Wie soll nun aber einigermaßen rechtschaffen der Bogen zur griechischen Aphrodite und ihren beiden Liebhabern geschlagen werden? Halten wir zunächst fest, dass die Späte Bronzezeit eine Epoche des religiösen Wandels war, geprägt durch Einwanderer und die Metallindustrie. Nehmen wir ferner an, bei den besprochenen Figuren handelte es sich tatsächlich um die Große Göttin Zyperns und ihren göttlichen Begleiter, die gemeinsam die Beschützergottheiten der Metallurgie darstellten.
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In der griechischen Mythologie ist Aphrodite seit der Zeit der homerischen Dichtung die Gemahlin des Hephaistos, dem Schmiedegott, und die Geliebte des Ares, dem Gott des Krieges. Doch wie entwickelte sich diese mythische Verbindung zwischen den Gottheiten? H. W. Catling hat, gestützt auf die Existenz der beiden Barrengottheiten und der Doppeltempel, als erster die Hypothese geäußert, die Verbindung der Aphrodite mit dem Gott der Metallurgie und dem Gott des Krieges sei zypriotischen Ursprungs. Bekannterweise existierte Aphrodite nicht im Pantheon der mykenischen Götter, wie es aus den Schrifttafeln aus Pylos und Knossos bekannt ist, und auch die Herkunft des Namens Aphrodite ist bis heute nicht mit Sicherheit geklärt. Der Ort, an dem die Mykener diese Gottheit kennengelernt und ihren Namen übernommen haben könnten, ist eben die Insel Zypern, als in der Späten Bronzezeit die frühgriechische Kultur durch die eingewanderten Mykener auf Zypern eingeführt wurde, um dort für immer Wurzeln zu schlagen. Die Griechen selbst standen unter dem Einfluss verschiedener Kulturen. So denkt man heute, dass die Griechen einige Elemente der orientalischen Religionen übernommen haben und sie an ihre eigene Religion und Mythologie anpassten. Nach den ersten Siedlungen der Mykener auf Zypern am Anfang des 12. Jhs. v. Chr. lassen sich im politischen wie im kulturellen Leben radikale Veränderungen nachweisen. Jedes Mal, wenn neue Siedler kamen, wurde
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Abb. 18 Der Beschützer der Metallurgie – der sog. „Barrengott“ aus Bronze auf einem Ochsenhautbarren. Nikosia, Cyprus National Museum.
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das ägäische Element auf der Insel verstärkt. Solche Aktivitäten lassen auch Neuerungen in der Religion und der Kunst dieser Epoche zu und so scheint es mir denkbar, dass sich angesichts des göttlichen Paares der Metallurgie auf Zypern die mykenische Vorstellung dieser Gottheiten über die Jahrhunderte hinweg gewandelt hat: Die Große Göttin Zyperns wurde zu Aphrodite, der schönen Göttin der
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Fruchtbarkeit, die auf Zypern geboren wurde. Der spätbronzezeitliche Gefährte der Göttin spaltete sich in den folgenden Jahrhunderten in zwei Götter auf: in Hephaistos, der auch der Schutzgott der Metallurgie war, Aphrodites rechtmäßigen Ehemann, und in Ares, der schon im Pantheon der Mykener ein Kriegsgott war und fortan als ihr Geliebter in enger Verbindung zu Aphrodite stand.
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ung war er, unbeschwert und „seine Schönheit hätte selbst der bloße Neid loben müssen“ (Ovid, Metamorphosen 10, 515). Die Göttin der Liebe, Aphrodite selbst, zog „dem Himmel Adonis vor“ (Ovid, Metamorphosen 10, 532). Noch heute gilt der Name des jungen Gottes Adonis als Inbegriff für Jugend und Schönheit, als Metapher für das blühende Leben. In den Ursprüngen seines Kultes feierte man dagegen das tragische Ende des leichtsinnigen Jägers, seinen Tod und die Trauer Aphrodites, seiner machtvollen Geliebten. Ob als eigenständiger Gott oder als sekundärer Kultbegleiter der großen Göttin – die Spur seiner Verehrung lässt sich von der Levanteküste bis in das spätantike Rom verfolgen.
Der Adonismythos – zu schön, um wahr zu sein In der griechisch-römischen Literatur wird Adonis als Sohn des Assyrerkönigs Theias zum ersten Mal im 5. Jh. v. Chr. durch Panyassis von Halikarnassos erwähnt (Apollodoros 3. 14.4). Sein
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Name weist nach Osten und lässt sich von dem semitischen Wort für „Herr“ ableiten. Wie die ihm verwandten und teilweise viel älteren Kultfiguren des mesopotamischen Tammuz, des hethitischen Telipinu, des phrygischen Attis und des ägyptischen Osiris war Adonis der Begleiter einer wichtigen Muttergottheit. In seinem Mythos, dessen populärste Version von dem römischen Dichter Ovid (Metamorphosen 10, 519–739) verfasst wurde, besiegelt diese gefährliche Verbindung sein Schicksal. Schauplatz der Handlung ist entweder der Berg Libanon in der Nähe von Byblos (Lycophron Alex. 831–33) oder Idalion auf der Insel Zypern (Propertius 2. 13, 53–56): Als die kyprische Königstochter Myrrah sich hochmütig weigerte der Göttin Aphrodite zu huldigen, rächte sich diese grausam, indem sie die Jungfrau dazu verdammte, sich unsterblich in ihren Vater Kinyras zu verlieben. Nachdem dieser durch eine List seiner liebeskranken Tochter in ihr Bett gelockt worden war und am folgenden Morgen seine Blutschande entdeckte, jagte er seine Tochter rasend vor Wut
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aus dem Palast. Myrrah floh über das Meer bis nach Syrien, wo die Göttin endlich ein Einsehen hatte und die nunmehr schwangere Königstochter in einen Myrrhenbaum verwandelte. Ihr Sohn Adonis, der aus der Rinde des Baumes hervorbrach, wuchs von Nymphen bewacht als Hirte in den Bergen auf. Dort wurde er, zu einem jungen Mann herangewachsen, von Aphrodite beim Jagen überrascht. Von seiner Schönheit überwältigt nahm die Göttin ihn zum Geliebten (Abb. 19) und betrug damit nicht nur ihren Mann Hephaistos, sondern auch ihren äußerst jähzornigen Liebhaber, den Kriegsgott Ares. Dieser war es auch, der die beiden schließlich überraschte und auf Rache gegen seinen Nebenbuhler sann. Als Adonis sich eines Tages, gegen die flehentliche Bitte der ahnenden Göttin, auf die Jagd begab, wurde er von Ares in Gestalt eines wilden Ebers getötet. Von den Todesschreien ihres Geliebten herbeigerufen, eilte Aphrodite zu ihm und verfügte in ihrer Trauer, dass „eine heilige Handlung jedes Jahr den Tod des Adonis wiederholen und ein Nachhall ihrer Trauer sein solle“ (Ovid, Metamorphosen 10, 725 f.). Über seinem Grab aber ließ die Göttin violette Blumen sprießen, die seitdem, ebenso kurzlebig und vergänglich wie der Gott selbst, Adonisröschen genannt werden. Der Mythos wird von verschiedenen antiken Autoren variiert. So entdeckt Aphrodite den Jüngling in der älteren Version des Panyassis bereits als Kind. Eifersüchtig verbirgt sie ihn in einer Truhe und vertraut diese ihrer Ver-
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wandten Persephone, der Königin der Unterwelt, zum Schutz an. Als Persephone die Truhe trotz des Verbotes der Aphrodite aus Neugier öffnet und wie jene der Schönheit des Jungen erliegt, weigert sie sich bei Aphrodites Rückkehr, die Truhe herauszugeben. Erst Zeus kann den Streit unter den beiden Göttinnen schlichten. Er befiehlt, dass Adonis ein Drittel des Jahres bei Persephone, ein Drittel bei Aphrodite und ein Drittel an einem Ort seiner Wahl verbringen solle. Adonis entscheidet sich für Aphrodite und ein Leben im Diesseits (Apollodoros 3, 14, 3).
Dichtung und Wahrheit. Vom Mythos zum Kult Dem Mythos zufolge war Adonis also ein typischer Antiheld. Das Ergebnis einer „amour fou“, als Kind der Zankapfel zweier alternder Göttinnen und noch nicht einmal als Jäger besonders erfolgreich. Trotz alledem verehrte man ihn fast im gesamten antiken Mittelmeergebiet. Spuren seines Kultes fanden sich von Germanien bis Afrika, von der Levanteküste bis nach Hispanien, besonders aber im südöstlichen Mittelmeergebiet, einschließlich der Insel Zypern. Doch was macht den scheinbaren Taugenichts zu einer anbetungswürdigen Gottheit? Entwickelt hat sich die Figur des Adonis zum einen aus der Gestalt des mesopotamischen Tammuz. Auch dieser bereits im 2. Jt. v. Chr. verehrte Gott war ein Hirte, der in heiliger Hochzeit
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Abb. 19 Tizian, Venus und Adonis (1553–54). Die antike Liebesgeschichte von Venus und Adonis ist bis heute eines der beliebtesten Themen der abendländischen Kunst. Madrid, Museo del Prado.
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mit der orientalischen Kriegs- und Liebesgöttin Ištar verbunden war. Auch Tammuz’ Leben endete vorzeitig in der Unterwelt, in welche ihn seine Geliebte verpfändet hatte, um dieser selbst entfliehen zu können. Enge Parallelen finden sich außerdem im Mythos und Kult des ägyptischen Gottes Osiris. Ursprünglich König und Totengott wurde der von seinem Onkel Seth ermordete Mann der Göttin Isis seit hellenistischer Zeit vor allem in seiner Funktion als Fruchtbarkeitsgott verehrt. Beide Kulte treffen in Byblos, im heutigen Syrien, etwa 30 km nördlich von Beirut aufeinander. Neben den Hauptgöttern Baal und Baalat wurde Tammuz in der levantinischen Handelsstadt bereits seit dem 14. Jh. v. Chr. verehrt, Osiris spätestens seit der ägyptischen Statthalterschaft der byblischen Könige im 15. Jh. v. Chr. Als einer der wichtigsten Umschlagshäfen für das bei den Pharaonen so begehrte Zedernholz gehörte Byblos jedoch schon seit dem 3. Jt. v. Chr. zu den Haupthandelspartnern Ägyptens. Der Name des Adonis taucht erst in hellenistischer Zeit im Zusammenhang mit Byblos auf, doch ist anzunehmen, dass er in einer ähnlichen Form bereits früher in Verbindung mit der Göttin Baalat verehrt wurde.
Die Adonien von Byblos. Zeter und Mordio am Grab des toten Gottes Auch den antiken Schriftstellern zufolge war Byblos Zentrum des Adoniskultes (Strabon 16, 2). Vermutlich be-
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zieht sich schon Hesiod (frg. 139) auf einen dort ansässigen Kult, wenn er von Adonis als „Sohn des Phoenix“ (Phonicia) spricht. Lukian, der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. seine Schrift „De dea Syria“ über den Kult der Syrischen Göttin verfasste, beschreibt nach einem Augenzeugenbericht die dort alljährlich im Frühjahr stattfindenden Trauerfeiern folgendermaßen: „Ich sah weiter in Byblos ein großes Heiligtum der Byblischen Aphrodite, in dem seien auch die Feiern für Adonis begangen. … Sie erzählen nämlich die Geschichte mit dem Eber habe sich in ihrem Land zugetragen und zur Erinnerung an das Unglück schlagen sie sich jedes Jahr die Brust, klagen und begehen Feiern und im ganzen Lande finden bei ihnen große Trauerfeiern statt. Wenn sie sich aber genug geschlagen und genug geklagt haben, opfern sie zunächst dem Adonis als einem Toten; nachher aber, am anderen Tage, fabeln sie davon, dass er lebe … und scheren sich den Kopf, wie die Ägypter nach dem Tode des Apis. So viele von den Frauen sich aber die Haare nicht scheren wollen, vollziehen die folgende Strafe: an einem Tage stehen sie zum Verkauf ihrer Reife da; der Markt ist aber nur Fremden offen, und der Lohn kommt als Opfer der Aphrodite zugute“ (Lukian, De dea syria 6). Auch wenn es sich hierbei um eine relativ späte Beschreibung der Festivitäten handelt, so oder so ähnlich scheinen sie zumindest seit hellenistischer Zeit abgehalten worden zu sein. Am ersten Tag des Festes versammelten
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sich die Frauen im Heiligtum der großen Göttin und beklagten den Tod des Gottes. Wie bei einer realen Totenfeier schrien sie dabei, rauften sich die Haare oder schlugen sich auf die Brust. Nachdem am folgenden Morgen Opfer niedergelegt worden waren, warfen sie den Gott, wie Lukian sagt, „in die Luft“. Dies könnte bedeuten, dass sein Kultbild entweder tatsächlich geworfen oder aber feierlich verbrannt wurde, sich also sozusagen in Luft auflöste. Anschließend wurde der Gott in einer Prozession aus dem Heiligtum getragen. Philo von Byblos (Eusebius Praep. evang. 1, 10, 2) erwähnt einen tragbaren Schrein, aus anderen Orten ist ein Gefährt, ähnlichen einem Totenwagen bekannt. Leider beschreibt Lukian nicht, wohin die Prozession führt: ob zu einem Punkt innerhalb des heiligen Tempelbezirkes, aus dem Heiligtum oder vielleicht sogar aus der Stadt heraus. Mittelpunkt der Feierlichkeiten und damit Start oder Ziel der Prozession war sicherlich das Heiligtum der Aphrodite, wo sich Adonis und die Göttin in einer „hieros gamos“, einer Heiligen Hochzeit, miteinander vermählten. Hier war es vermutlich auch, wo sich diejenigen Frauen zum Verkauf im Namen der Göttin anbieten mussten, die zu eitel waren, um sich, wie es der Brauch verlangte, aus Trauer um Adonis die Haare zu scheren. Doch war sakrale Prostitution nicht spezifisch für das Fest des Adonis, sondern im Kult der phönizischen Aphrodite relativ weit verbreitet. Im Anschluss an die heilige
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Hochzeit wurde das Götteridol im Wasser, im Falle von Byblos im heiligen See versenkt. Für die Kultteilnehmer begann nun der angenehme Teil der Feierlichkeiten, denn wie die meisten Feste endete auch das des Adonis mit einem öffentlichen oder privaten Bankett. Einer Theorie der französischen Archäologin Brigitte Soyez zufolge verlief die Prozession dagegen nicht nur innerhalb der Stadtmauern, sondern über mehrere Kilometer bis hin zum Aphrodite-Heiligtum von Aphaia, etwa eine Tagesreise landeinwärts. Einem byblischen Mythos nach soll Adonis hier von dem Eber getötet worden sein, zudem entspringt an dieser Stelle der Fluss, der in der Antike nach dem Gott benannt war und dessen alljährliche Rotfärbung den Beginn der Adonisfeiern ankündigte. Durch die Schneeschmelze im Frühjahr gelangt auch heute noch dunkelrote Erde bis an die Flussmündung – als Sinnbild für das Blut des getöteten Gottes.
Reine Frauensache. Die Adonisfeiern in Griechenland und Alexandria Die Adonisfeiern in Byblos waren also allem Anschein nach eine öffentliche Angelegenheit, von Männern und Frauen gleichermaßen gefeiert. Über die östlichen Handelsrouten gelangte der Kult des Adonis spätestens in klassischer Zeit bis in die griechischen Metropolen im Westen. In Korinth wurden die Adonien nach syrischer Art
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vermutlich sogar schon seit dem 7. Jh. v. Chr. gefeiert. Im Athen des späten 5. Jhs. v. Chr. erscheint der Kult dagegen in einer anderen Form. Hier waren die nun im Sommer begangenen Feste ausschließlich Frauensache. Zu Ehren des jungen Gottes pflanzten sie im Hochsommer schnell sprießende Samen in Tonschalen oder Körbe und trugen die frischgekeimten Triebe auf die Dächer ihrer Häuser, wo sie in der Sommerhitze verdorrten. Zu erkennen ist diese Handlung auch auf zeitgenössischen Vasendarstellungen, auf der ein nackter Eros einer Frau die bepflanzte Tonschale mit dem sogenannten Adonisgarten überreicht. Hinter der Frau lehnt eine Leiter, die vermutlich auf das Hausdach führt (Abb. 20). In die Mitte der Gräser steckte man außerdem kleine Tonstatuetten des toten Gottes. Der nun folgende Ritus ähnelte wieder dem byblischen Vorbild, denn auch hier verhielten sich die Frauen wie bei einer realen Totenfeier. Sie trauerten lautstark, schlugen sich das Gesicht und weinten. Bei den darauf folgenden Banketten wurde aber auch getanzt, ausgelassen gefeiert und nicht selten kamen die Frauen betrunken nach Hause zurück. Die Adonisgärten wurden anschließend wie das Idol des Adonis in Byblos ins Meer oder in einen Brunnen geworfen. Nicht nur der
orientalische Kult, sondern vor allem das ungezügelte Verhalten der Frauen war der weitgehend männlich geprägten attischen Öffentlichkeit natürlich suspekt. Als „unverschämtes Verhalten der Frauen“, als „Getöse auf den Hausdächern um Adonis“ beschreibt der Beamte Proboulus in Aristophans Lysistrata die Adonien in Athen um 415 v. Chr. (Aristophanes, Lysistrata 387– 98). Nicht selten, so lästerte man, sollen während der nächtlichen Gelage uneheliche Kinder gezeugt worden sein (Men. Sam. 45 ff.). Eine weit weniger private und zudem weitaus prunkvollere Angelegenheit waren die Adonisfeiern in Alexandria. Das um 275 v. Chr. entstandene Gedicht Idyll 15 von Theokrit erzählt von den ausschweifenden mehrtägigen Feierlichkeiten am Hofe der ptolemäischen Königin Arsinoe. Demnach wurde am ersten Tag im Garten des Palastes ein mit Blättern geschmücktes Zelt aufgestellt, in welchem die Statue des Gottes, zusammen mit einem Idol der Göttin Aphrodite auf einem Bett lagernd, zwei Tage lang verehrt wurde. Vor ihm stapelten sich Körbe mit Früchten, Brot, Fleisch und duftenden Ölen, und auch hier wurden dem Gott in silbernen Schalen Adonisgärten dargebracht. In der Dämmerung des zweiten Tages wurde der Gott in einer Prozession zum
Abb. 20 Während der Sommeradonien in Athen wurden Tongefäße mit schnell sprießenden Pflanzensamen auf die Hausdächer gestellt. Hier eine attische rotfigurige Lekythos, um 425–375 v. Chr. Karlsruhe, Badisches Landesmuseum.
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Ovid und seine Metamorphosen Die metamorphoses libri (lat. Bücher der Verwandlungen) entstanden zwischen den Jahren 1 und 8 n. Chr. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war ihr Verfasser, der römische Schriftsteller Publius Ovidius Naso, auf dem Höhepunkt seiner Karriere. 43 v. Chr. als Sohn einer wohlhabenden Adelsfamilie in Sulmo (Mittelitalien) geboren, schlug er auf Wunsch seines Vaters die höhere Ämterlaufbahn ein, welche ihn zur Ausbildung nach Rom und auf ausgedehnte Bildungsreisen nach Griechenland führte. Zurück in Italien bekleidete er zunächst verschiedene niedere juristische Ämter, wandte sich jedoch schon bald vollends seiner eigentlichen Berufung zu – der Dichtkunst. Von nun an sorgte sein Freund und Mäzen, der spätere Konsul Valerius Messala Corvinus, für das tägliche Auskommen Ovids und seiner Familie. Schon sein erstes größeres Werk, die ars amores (lat. Liebeskunst), um 1 n. Chr. erschienen, war ein überwältigender Publikumserfolg. Bald gehörte Ovid zum engeren Freundes- und Familienkreis des augustäischen Kaiserhauses, dem er auch seine folgenden, parallel entstandenen Werke fasti und metarmorphoses libri widmen sollte. Die Metamorphosen bestehen aus 15 Büchern mit je etwa 700–900 in Hexametern verfassten Versen. Mythologisch verbrämt beschreiben sie die Entstehung und Geschichte der Welt, beginnend mit der ersten Metamorphose vom Chaos zum Kosmos (Deukalion und Pyrrah) bis hin zur Restauration der Weltordnung durch Augustus (Verwandlung von Caesars Seele in einen Stern). Um das zentrale Thema des ewigen Werdens und Vergehens zu verdeutlichen, verarbeitete Ovid etwa 250 griechische und römische Mythen, die sich auf den ersten Blick scheinbar beliebig aneinanderreihen. Einige dieser Sagen scheint er dabei selbst erfunden zu haben. Allen gemeinsam ist eine zentrale Verwandlungsgeschichte, in der ein Mensch oder niederer Gott durch ein bestimmtes Schicksal in ein Tier, eine Pflanze oder ein Sternbild verwandelt wird (z. B. Adonis in eine Blume). Kurz vor der Veröffentlichung seines Werkes, im Herbst des Jahres 8 n. Chr., erhielt Ovid eine Nachricht, die sein Leben von Grund auf ändern sollte. Kaiser Augustus verbannte ihn, ohne Senatsbeschluss oder Gerichtsverfahren, wie Ovid mehrfach betont, in die entlegene Schwarzmeersiedlung Tomi (Constanta/Rumänien). Seine Familie blieb in Rom. Die Ursache dieser Verbannung ist umstritten. Ovid selbst gibt an, dass carmen et error (Gedicht und Irrtum) hierfür verantwortlich waren und dass er „etwas gesehen habe, was er nicht hätte sehen dürfen“ (Ov. trist, 3, 11, 33 f. und 4, 1, 23 f.). Es wird angenommen, dass Ovid in einen Skandal verwickelt war, der die engere Familie des Kaisers, möglicherweise dessen Tochter Julia betraf. All seine Versuche, Augustus’ Beschluss rückgängig zu machen, scheiterten. 17 n. Chr. verstarb er in Tomi, ohne Rom oder seine Familie jemals wiedergesehen zu haben.
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Während das Grab des Ovid niemals gefunden wurde, erfreuten sich seine Werke, allen voran die Metamorphosen, durch die Jahrhunderte steigender Beliebtheit. Nicht nur kaiserzeitliche und spätantike Autoren beriefen sich auf ihn – besonders das Mittelalter scheint sich für seine Schriften interessiert zu haben. Sie fanden sich in der Hofbibliothek Karls des Großen ebenso wieder wie im Besitz Boccaccios oder Petrarcas. Vor allem das 12. und 13. Jahrhundert galten als aetas Ovidiana. Seit der Renaissance waren es vor allem die Geschichten aus den Metamorphosen, die als Inspirationsquelle für Schriftsteller und Musiker fungierten. So diente Ovids Daphnis- und Chloe-Version nicht nur als Vorlage für die erste europäische Oper (Peri, Dafne, 1594), sondern auch für Händels Apollo e Dafne (1708) oder Richard Strauss’ Daphne (1938).
Strand getragen, um dort begleitet von Hymnen und Gebeten ins Meer geworfen zu werden – nicht ohne sich für das kommende Jahr seine Rückkehr zu wünschen. Der spätantike Schriftsteller St. Cyril erwähnt, dass bei diesen abschließenden Feierlichkeiten Hochrufe, wie „Er lebt“ oder „Er wurde gefunden“ in ganz Alexandria ertönten (Cyril. Alex. Comm. Is. 2.3. [PG 70.440]). Die Bedeutung dieser den ganzen Mittelmeerraum umspannenden Adonien ist in der zeitgenössischen Forschung umstritten. Sehen die einen im mythischen Tod des Adonis und im sinnlosen Vergehen seiner Gärten in der Hitze des Hochsommers auf der einen Seite und im Weiterleben des Gottes in den jährlichen Trauerfeiern sowie in der ihm geweihten Pflanze auf der anderen ein Sinnbild der immer wiederkehrenden Vegetation, vertreten andere die entgegengesetzte These. Ihnen geht es
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nicht um das rasche Aufkeimen der Pflanzen, sondern um ihr sinnloses Verwelken. Die opulente Welt der Adonisfeste und ihr in der Blüte seiner Jugend verstorbener Gott stehen demzufolge als Antipoden der fruchtbaren und geordneten Welt der Göttin Demeter gegenüber, das Versenken der Adonisgärten soll dabei zusätzlich den Todesgedanken, der dieser Religion innewohnt, unterstreichen. Welcher Schule man auch eher folgen möchte, beiden Interpretationen liegt der vielen orientalischen Religionen immanente zyklische Charakter des Kultes zugrunde. In Anlehnung an die jahreszeitlichen Wechsel der Natur wiederholen sich auch Geburt, Blüte und Tod des jungen Gottes in alljährlicher Wiederkehr. Eben diese Verbindlichkeit ist es, welche die existentiellen Hoffnungen und Ängste der Kultanhänger bedient.
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Kult und Ritual im Spiegel der Architektur Wie aus den schriftlichen Quellen hervorgeht, bedurften die Adonien weder im klassischen Griechenland noch im hellenistischen Ägypten einer besonderen Kultarchitektur. Sein im häuslichen Umfeld gefeierter Ritus erforderte in seiner einfachsten Form noch nicht einmal einen Altar oder ein Kultbild. Anders sah es dagegen in seinem Ursprungsgebiet an der phönizischen Levanteküste und auf Zypern aus, denn hier war der Kult des jungen Gottes nicht nur auf den privaten Rahmen eines Frauenfestes beschränkt. Wie es seiner Rolle als jugendlicher Geliebter der Göttin Aphrodite entsprach, wurde er in der Regel innerhalb der Temenosmauern eines ihrer Heiligtümer verehrt. Das für den Adoniskult bedeutendste stand, wie schon erwähnt, in der levantinischen Hafenstadt Byblos. Obwohl seit 50 Jahren mehrere Grabungskampagnen unter französischer Leitung in Byblos stattfanden, ist das Bild, das wir heute von diesem Heiligtum haben, immer noch unvollständig. Ein Adonis-Kult existierte hier nachweisbar seit dem 3. Jh. v. Chr., vermutlich sogar noch früher, parallel zum Kult der großen Göttin Aphrodite, deren Heiligtum sich auf dem größeren Hügel der Akropolis im Zentrum der Stadt befand. Aus den wenigen Überresten lässt sich ein gepflasterter Hof rekonstruieren, an dem zwei Kapellen oder Tempel standen. Das Fundament des nördlichen, der Göttin geweihten Tempels da-
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tieren die Ausgräber in persische Zeit. Als Baalat, Astarte oder Herrin von Byblos weisen die Spuren ihrer Verehrung allerdings bis ins 3. Jt. v. Chr. zurück. Bis in persische Zeit wurde sie hier in Verbindung mit dem Gott Baal bzw. Reshef verehrt. Da Byblos einer der wichtigsten Handelshäfen an der Levanteküste war, insbesondere für Ägypten, wurde die Göttin zudem mit Isis bzw. Hathor gleichgesetzt. Etwa zur Zeit der Eroberung durch Alexander den Großen veränderte sich die alte Kultkonstellation: Adonis wurde wichtigster Begleiter der Göttin und erhielt spätestens in dieser Zeit einen eigenen Kultbau in der Nähe des Aphroditetempels (Abb. 21). Das siebenräumige Gebäude (5) im Südosten des Platzes, das die Ausgräber als Heiligtum des Adonis ansehen, wird in die 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. datiert, während die fünf davor auf einem Fundament stehenden, kolossalen Statuen bedeutend älter als das dahinterliegende Gebäude, nämlich aus dem 5. Jh. v. Chr., waren. Auf dem Hof zwischen dem Tempel des Adonis und dem Haupttempel der Aphrodite befand sich ein Brunnenbecken sowie das Fundament und die Überreste eines etwa 1 m hohen Obelisken. Möglicherweise handelt sich hierbei um die Überreste einer heiligen Säule, die im Kult der Atargatis/Aphrodite nicht nur auch in anderen Heiligtümern, wie etwa Hierapolis nachzuweisen ist, sondern auch von Plutarch im 4. Jh. v. Chr. im Zusammenhang mit dem Adonis/Osiriskult im Aphroditeheiligtum von Byblos erwähnt wird
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Abb. 21 In vorrömischer Zeit wurde Adonis in Byblos im Heiligtum der Aphrodite/Astarte verehrt. Das Bild zeigt den Grundriss des perserzeitlichen Aphrodite/Astarte-Heiligtums von Byblos.
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(Plutarch, De isis et osiris 15–16). Hinweise auf das Aussehen des Adonisheiligtums in Byblos gibt außerdem eine Münze aus der Zeit des Kaiser Macrinus (217/218 n.Chr.): Darauf erkennt man im Zentrum einer portikusumrahmten Hofanlage ein pyramidenförmiges Bauwerk, allerdings lässt die auf der Münze erkennbare monumentale Größe der Pyramide im Verhältnis zu der umlaufenden Portikus auf deutlich größere Ausmaße als die der byblischen Anlage schließen, so dass dieser Bau schwerlich im Heiligtum der Aphrodite auf der Akropolis liegen konnte und an einem anderen Ort zu suchen ist. Brigitte Soyez rekonstruiert ein aus dem 2. Jh. n. Chr. stammendes Kultgebäude, welches in einem 85 x 77 m großen, mit einer Portikus umgebenen Hof auf dem Hügel östlich des Aphroditetempels liegt. Reste eines pyramidenförmigen Baus ließen sich dagegen nicht nachweisen. Anders verhält es sich im westlich gelegenen Aphaia. Auch über dieses Heiligtum berichtet Lukian: „Ich stieg aber auch auf den Libanon, von Byblos eine Tagesreise entfernt, nachdem ich erfahren hatte, dass dort ein altes Heiligtum der Aphrodite bestehe, das Kinyras gegründet hat, und ich sah das Heiligtum und es war sehr alt“ (Lukianos, De dea syria 6 f.). Hier kann man heute neben einer kultisch genutzten Grotte noch die Überreste einer architektonisch eingefassten Quelle sehen. Einige in der Nähe gefundene Fragmente von Steinreliefs sowie die Fundamente eines Tempels weisen auf die Verehrung der Göttin Aphrodite und
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ihres jugendlichen Begleiters hin. Hätte die von Lukian beschriebene Trauerprozession an diesem Ort tatsächlich ihr Ende gefunden, hätte eine monumentale, grabähnliche Anlage den passenden Rahmen dafür geboten.
Der Weg nach Westen. Kultarchitektur zwischen Orient und Okzident Schon Jahrhunderte vor der makedonischen Eroberung der levantinischen Städte durch Alexander den Großen waren phönizische Bräuche und Kulte durch die gut ausgebauten Handelswege im Mittelmeerraum nach Westen gelangt. Eine der ersten und wichtigsten Handelsniederlassungen der Phönizier befand sich auf der Insel Zypern. Hier trafen sie auf eine Kultlandschaft, die ihrer eigenen nicht zuletzt aufgrund der jahrtausendealten Verbindung zwischen den Kulturen bereits stark glich. Auf Zypern wie im Osten beherrschte eine Göttin das Pantheon, begleitet von mehreren männlichen Partnern. Bei den Syrern Baalat genannt, hieß die Göttin bei den Phöniziern Astarte, bei den Ägyptern Isis und bei den Griechen Aphrodite. Zwar unterschied sie sich unter Umständen in ihrer Funktion und Darstellungsweise, im Grunde aber bezeichnen alle diese Namen ein und dieselbe Göttin. Wann der Kult des Adonis nach Zypern kam, ist unklar. Vieles spricht dafür, dass er sich schon in der Bronzezeit auf der Insel etabliert hat, nachweislich aber seit hellenistischer Zeit. Inschriften
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und Quellen geben Hinweise auf mindestens fünf Orte, an denen der jugendliche Gott auf der Insel verehrt wurde: Larnaka, Idalion, Salamis, Amathus und Paphos. Während die ersten drei Kultstätten nur durch schriftliche Quellen belegt sind (Ovid, Metamorphosen 10, 710–39), lässt die erhaltene Bausubstanz in Amathus und Paphos zumindest Spekulationen über eine mögliche Kultstätte des Adonis zu. Paphos, an der Südküste der Insel gelegen, war von der Bronzezeit bis in die Spätantike das Zentrum des Aphroditekultes für das gesamte Mittelmeergebiet. Das früheste Heiligtum, um 1550 v. Chr. entstanden, bestand lediglich aus einem großen ummauerten Hof, in dessen Mitte das eigentliche, in diesem Fall anikonische Kultbild in Form eines schwarzen Steinblocks unter einer baldachinartigen Struktur stand. Nur wenig später errichtete man im Süden des Heiligtums eine Art Stoa mit vier abgetrennten Kammern, in denen vier tiefe Löcher im Boden möglicherweise als Begräbnisstätten dienten (Abb. 22). Tatsächlich wurde in einem der Löcher ein Sarkophag entdeckt. Der italienische Archäologe Sandro Stucchi vermutet hier die Gräber der mythischen Gründer des Heiligtums: des zyprischen Königs Kinyras und seiner Nachkommen, von denen einer dem Mythos nach Adonis war. Da das nördlichste Grab das größte ist, rekonstruiert Stucchi hier die Begräbnisstätte des vergöttlichten Kinyrassohnes. Damit wären drei der Voraussetzungen für seinen Kult in Paphos erfüllt: das Grab in
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Verbindung mit dem Heiligtum der Aphrodite, ein zentraler Hof, der groß genug war, um darin die bei den Adonien stattfindenden Prozessionen zu fassen und schließlich, unmittelbar neben dem Heiligtum, einer der wenigen auch im Sommer Wasser führenden Flüsse sowie nur wenig weiter entfernt das Meer, in dem das Idol des jungen Gottes nach Abschluss der Feierlichkeiten versenkt werden konnte. Nur wenige Tagesreisen weiter östlich lag die Hafenstadt Amathus. Seit archaischer Zeit unter phönizischer, zyprischer oder griechischer Herrschaft waren die künstlerischen wie kultischen Haupteinflüsse syrischer und ägyptischer Natur. Die Hauptgottheit der Stadt war die Göttin Aphrodite, die sowohl als nackte Astarte wie als kuhohrige Hathor auftreten konnte. Spätestens seit dem 4. Jh. v. Chr. lässt sich auch ihr männlicher Kultbegleiter nachweisen. Pausanias erwähnt rund sechs Jahrhunderte später in Amathus gar ein eigenes Heiligtum des Gottes (Pausanias 9, 41, 2–5). Zwar fanden sich bei den französischen Ausgrabungen im Heiligtum auf der Akropolis von Amathus keine Inschriften oder Statuen, die einen endgültigen Beweis für die Existenz eines Adonistempels erbracht hätten, dennoch weist die seit dem 8. Jh. v. Chr. bestehende und in römischer Zeit vollendete Anlage (Abb. 23) einen für die Kultkombination Aphrodite/Adonis typischen Grundriss auf. In einem von einer Temenosmauer umgebenden Hof lagen nebeneinander zwei Tempel. Ein größerer, gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr.
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errichteter Tempel (32 x 15 m) mit vier Säulen in antis, welcher der Göttin geweiht war, und ein wesentlich kleinerer Bau mit zwei Säulen in antis im Nordosten, möglicherweise der Kultbau ihres Geliebten Adonis. Von dem vor dem Aphroditetempel gelegenen Platz führten zwei Stufen in eine natürliche Höhle, deren Inneres durch eine Mauer vor ungebetenen Blicken geschützt war und demnach kultischen Charakter besaß. Die vor der Höhle in einem Weihgabendepot aus dem 5. Jh. v. Chr. gefundenen Knochen von Opfertieren weisen zudem auf Bankette im Kontext religiöser Feiern innerhalb des Heiligtums hin. Der südlich des Tempels gelegene Gebäudekomplex wurde dabei seit hellenistischer Zeit als Bankettraum genutzt – schließlich lag auch diese Anlage in unmittelbarer Nachbarschaft zum Meer. Doch nicht nur die architektonische Konstellation, auch die durch Funde, u. a. mehrere Kapitelle mit dem Kopf der Göttin Hathor und eine Totenbarkenstatuette des Gottes Osiris, nachweisbare enge Verbindung zum ägyptischen Pantheon, entsprechen dem kultischen Kontext des Adonis von Byblos. Es ist demnach naheliegend, dass sich zumindest in römischer Zeit auch die Riten in Amathus, einschließlich der Trauer am Tempel oder am Grab, der großen Adonisprozession und dem anschließenden Freudenfest an das levantinische Vorbild anlehnten. Das besterhaltenste Beispiel eines antiken Adonisheiligtums steht jedoch im äußersten Osten des römischen Reiches,
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in der Garnisonsstadt Dura Europos. Der in der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. anstelle eines Privathauses angelegte Tempel wurde in den folgenden Jahrzehnten in mehreren Bauphasen vergrößert. An einem langgestreckten Hof lag im rechten Winkel zum Eingang die zweiräumige Kultkapelle mit einem Fresko, dass den Gott in Begleitung mehrerer Adoranten zeigt. In der Nordostecke des Hofes wurde kurz nach der Adoniskapelle eine weitere errichtet, in welcher eine Inschrift über der Tür diesen Kultbau der Göttin Atargatis/Aphrodite weiht. Die Geliebte des Adonis besaß in Dura Europos im Übrigen auch ein eigenes Heiligtum, in welchem sich wiederum eine Weihinschrift an Adonis fand. Der Pronaos ihrer Kultkapelle im Adonisheiligtum weist an der Nordwand mehrere Bänke und an der Südwand ein Podest auf, vermutlich wurden in diesem Raum, als Teil der auch in diesem Heiligtum mit Sicherheit stattfindenden Adonisfeiern, rituelle Kultdramen aufgeführt. Mehrere den Hof umgebende und von einzelnen Kultvereinen errichtete Räume wurden von den wohlhabenden Mitgliedern für Bankette genutzt. Auch wenn es sich bei diesem Heiligtum in Dura Europos um eine eher weniger bedeutende und durch die große Anzahl der Vereinsräume die meiste Zeit des Jahres eher säkular genutzte Kultstätte handelt, finden sich doch auch hier alle Voraussetzungen, um die jährlichen Adonien nach byblischen Vorbild zu veranstalten. Was aber wurde aus Adonis außerhalb seiner Heimat, im Westen?
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Vom phrygischen Vegetationsgott zum Kultbegleiter der Aphrodite. Adoniskult im Wandel der Zeit Fest steht, dass sich die im klassischen Athen gefeierten Adonien in ihrer Kultausprägung nicht nur durch das veränderte Datum – im Sommer statt wie in Byblos oder auf Zypern im Frühjahr –,
sondern auch durch ihren Kultort, im häuslichen statt öffentlichen Umfeld, von den levantinischen Feiern unterschieden. Wurde in Syrien stellvertretend für Adonis ein Idol in einer Trauerprozession zu Grabe getragen und damit der eschatologische Charakter des jungen Gottes betont, waren es in Griechenland die Adonisgärten, die in
Abb. 22 Auch im Aphrodite-Heiligtum von Alt-Paphos könnte Adonis einen eigenen Kultort besessen haben. Sein Grab wird neben dem seines Vaters Kinyras, des mythischen Königs Zyperns, in einer Portikus südlich des zentralen Hofes rekonstruiert.
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der Sommerhitze zugrunde gingen, nicht der Gott selbst. Auf den ersten Blick scheint dieser Ritus abstrakter, die Forschung erklärt ihn jedoch weitaus profaner als den östlichen Trauerritus. Adonis wurde demnach in Athen und Alexandria als Getreidegott verehrt, der zunächst ganz konkret für eine fruchtbare Ernte und erst sekundär für die
Fruchtbarkeit der Menschen stand. Einen Platz im Heiligtum der Aphrodite oder gar einen eigenen Kultbau gestanden die Athener dem jungen Gott jedoch niemals zu. Anders verhielt es sich in römischer Zeit. Wie viele andere orientalische Kulte gelangte auch der Kult des Adonis mit den Händlern, Söldnern und
Abb. 23 Das Aphrodite-Heiligtum von Amathus wurde bereits in archaischer Zeit gegründet. In römischer Zeit wurde Adonis vermutlich auch hier ein eigener Tempel neben dem seiner Geliebten errichtet.
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Sklaven aus den eroberten Gebieten in den Westen, der Kult den sie mit sich in die neue Heimat brachten, war der des syrischen Adonis, seine Feste die Totenfeiern nach byblischen Vorbild. In der einstigen phönizischen Kolonie Sevilla soll noch im späten 3. Jh. n. Chr. das Idol des Adonis in einer Prozession zusammen mit dem Bild der Astarte/ Aphrodite durch die Stadt getragen worden sein. Der Festzug hielt an verschiedenen Stationen an, um Tänze oder rituelle Dramen aufzuführen. Am folgenden Tag pilgerten die Frauen barfuß von der Stadt zu einer heiligen Grotte auf dem Land, wo sie mitgebrachte Adonisvotive in einen Brunnen warfen. Auf ähnlichen Wegen kam der Kult auch ins Zentrum der Macht, nach Rom. Doch wie schon die Männer der attischen Volksversammlung stand auch der römische Senat diesen eher opulenten und daher der römischen Moral wenig zuträglichen Festen misstrauisch gegenüber. Einen öffentlichen Kult besaß Adonis daher nie – was seiner Popularität jedoch keinen Abbruch tat. Doch der Adoniskult teilte das Schicksal vieler orientalischer Kulte in Rom – immer verwirrender, mystischer wurden ihre Rituale, immer abgegrenzter die eingeweihten Kultmitglieder, bis sie sich schließlich in der Spätantike unter dem Druck des erstarkenden Christentums zu ganzen Kultgemeinschaften zusammenschlossen. Ein eindrucksvolles Beispiel und zudem Hinweis auf einen Adoniskult im spätantiken Rom ist das Heiligtum der
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syrischen Götter am Osthang des Janiculums, dessen Hauptstifter der syrische Händler Gaionas, ein Freund des antoninischen Kaiserhauses, war. Der von außen wie eine Einheit wirkende Bau, besteht in Wirklichkeit aus zwei sich gegenüberliegenden Gebäuden, die durch einen langgestreckten Hof miteinander verbunden waren. Im Westen stand der eigentliche Tempel mit einem basilikalen Grundriss und einem Kultbild des Jupiter Heliopolitanus in der mittleren Apsis. Der gegenüberliegende Ostbau war weitaus ungewöhnlicher: Zwei Eingänge führten durch je eine Seitenkapelle in einen oktogonalen Zentralraum, in dessen Mitte eine dreieckige Steinsetzung errichtet war und in dessen Inneren die Archäologen das über Jahrhunderte ungestört liegende Idol eines jugendlichen Gottes fanden. Von einer Schlange siebenfach umwunden, mit einem Blütenkranz um den Hals und mit Eiern und Samenkörnern in den Zwischenräumen des Reptilienkörpers scheint die Statuette dort in einem rituellen Begräbnis niedergelegt worden zu sein. Auch wenn keine Weihinschrift mit dem Namen des hier bestatteten Gottes erhalten ist – das ikonografische wie architektonische Umfeld spricht dafür, dass die Gemeinde bei ihren Kultfeiern zumindest einen Adonis oder Osiris ähnlichen Gott vor Augen hatte. Dafür spricht zum einen das in der Nähe gefundene Statueninventar: eine in einer im Westen anschließenden Apsis stehende Basaltstatue eines ägyptischen Pharaos sowie in
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den Seitenräumen eine Statue des Dionysos und ein Hekateion. Zum anderen ähnelt der Grundriss des römischen Heiligtums mit seinem offen wirkenden Tempel auf der einen und dem etwas mystisch wirkenden grabähnlichen Bau auf der anderen Seite den östlichen Kultzentren des Gottes in Dura Europos, Byblos und auf Zypern. Da die paganen Götter angesichts des sich ausbreitenden Christentums enger zusammenrücken mussten, wurden im Heiligtum am Janiculum nicht nur der junge Jäger in Begleitung seiner großen Geliebten, sondern gleich eine ganze Reihe orientalischer, syrischer wie ägyptischer Götter verehrt.
Der göttliche Geliebte als Gott Es bleibt die Frage: War Adonis nun ein eigenständiger Gott oder nur der göttliche Geliebte der großen Aphrodite? Eine einheitliche Antwort muss die Archäologie wie so oft schuldig bleiben. Die unterschiedliche Art und Weise, in der Adonis rings um das Mittelmeergebiet verehrt wurde, erfordert ein differenzierteres Urteil. Für die hellenistische Zeit kann man demnach folgende Entwicklung festhalten: In Byblos, wie auf Zypern, aber auch in der fernen phönizischen Kolonie Sevilla, war Adonis definitiv an die Person und den Kult der Aphrodite gebunden. Das ergibt sich sowohl aus seinem Mythos als auch aus der Lage seiner Kultgebäude und der
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Abfolge seines Ritus. Da sein Kult in enger Anlehnung an seinen Mythos gefeiert wurde, war die Figur der Göttin unersetzlich – sei es in Bezug auf die durch Aphrodite initiierte Trauerfeier oder im Zusammenhang mit der heiligen Hochzeit. Demgegenüber scheint Adonis in Athen auch ein eigenständiger Gott gewesen zu sein, denn als „Korngott“ der attischen Frauen bedurfte er der Großen Göttin nur sekundär, da in diesem Zusammenhang sein Ritus weniger an seinen Mythos angelehnt war. Die Aphrodite des griechischen Pantheons hatte andere Aufgaben und vor allem andere Liebhaber. Die Adonisfeiern von Alexandria scheinen schließlich eine Zwischenstellung einzunehmen. Zwar ist Adonis der Hauptgott der Veranstaltung, die im halbprivaten Rahmen des Palastes abgehalten wurden, neben ihm auf der Kline liegt aber immer noch die Göttin Aphrodite und so unterliegen die Feierlichkeiten, wie es dem ambivalenten Charakter der Stadt entspricht, demnach griechischen wie orientalischen Einflüssen. In römischer Zeit scheint sich der junge Gott emanzipiert zu haben, so ist er in seinem mittlerweile zur römischen Kolonie gewordenen Hauptheiligtum in Byblos, wenn auch immer noch von Aphrodite begleitet, nun einer der wichtigsten religiösen Vertreter der Stadt und seine Feste sind Publikumsmagneten. Ob sich dieselbe Emanzipation auch im zyprischen Kult vollzogen hat, ist zu bezweifeln. Der Einfluss des Ostens war auf Zy-
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pern spätestens seit hellenistischer Zeit zurückgegangen: Zunächst waren es die Ptolemäer, später die Römer, die den Alltag auf Zypern bestimmten, und so scheint der Kult des Adonis in Paphos an Bedeutung verloren zu haben. Für ihn war im zentralen Heiligtum der westlichen Aphroditeverehrung nur noch ein Platz in der zweiten Reihe vorgesehen. In Amathus jedoch, das in hellenistischer Zeit von den Ptolemäern bevorzugt wurde, scheint seine Beliebtheit auch unter römischer Herrschaft ungebrochen. Dies mag vor allem daran liegen, dass er hier wie Adonis in Byblos mit Osiris gleichgesetzt wurde, was ihn auch in römischer Zeit enger an das dortige Hauptheiligtum band. Möglicherweise erhielt er deshalb bei dem römischen Umbau des Heiligtums einen eigenen Tempel neben dem der Göttin. In Rom selbst hatte Adonis nie einen Platz unter den wichtigen Kulten der Stadt, vermutlich war das Angebot an ähnlichen Fruchtbarkeitskulten zu groß. Seine Anhängerschaft setzte sich vor allem aus levantinischen Einwanderern zusammen, so dass seine Riten daher eher im privaten Rahmen gefeiert wurden. Eine Ausnahme bildet lediglich das Heiligtum der syrischen Götter am Janiculum, ebenfalls dies die Stiftung eines reichen syrischen Kaufmanns, jedoch ist Adonis hier, wenn auch unabhängig von der Göttin Aphrodite, nur noch einer von vielen Göttern, die sich gegen das um sich greifende Christentum zusammenschlossen.
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Der Tod des Adonis Wie die meisten der eschatologischen Fruchtbarkeitskulte hielt sich auch der des Adonis bis weit in die Spätantike. Allerdings wurde er, wie viele andere dieser Götter, gerade wegen seiner spirituellen Kultkomponente von den Christen als direkter Konkurrent verfolgt. Zu ähnlich waren sich bestimmte Elemente wie Tod, Auferstehung und die damit verbundene Hoffnung für diejenigen, die an ihn glaubten. Das Verbot aller heidnischen Kulte durch Kaiser Theodosius 392 n. Chr. bedeutete somit auch für den Adoniskult das offizielle Aus. Doch hörte sein Kult nicht einfach auf: Inoffiziell haben sich erstaunlich viele seiner Riten im Kult bestimmter Heiliger und vor allem in den Auferstehungsfeiern zu Ostern bis heute erhalten, so werden mit dem Wunsch nach reicher Ernte in Südfrankreich am 4. Dezember, dem Tag der heiligen Barbara, Weizenkörner in eine Schale mit Wasser gesät, die am Weihnachtstag auf den Tisch gestellt wird. Um die Mittsommernacht gibt es auf Sardinien und in Süditalien einen ähnlichen Brauch zu Ehren des heiligen Johannes. Die Schalen mit dem erblühten Weizen, Erme oder Nenneri genannt, werden nicht mehr wie bei Adonis im Meer versenkt, sondern an der Kirchentür zerschlagen, doch das Fest wird wie in der Antike durch ein üppiges Bankett mit Musik und Tanz beendet. Und schließlich – die Beschreibungen Lukians über die byblischen Adonien vor Augen – erscheinen auch die in Südeuropa weit
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verbreiteten Karfreitagsprozessionen in einem neuen Licht, wird doch zu diesem Anlass das Wachsbild des gekreuzigten oder toten Christus aus der Kirche und durch die Straße getragen, während die Gemeinde ihn wie einen realen Toten beweint. Die Klagen dauern bis in die frühen Morgenstunden des Ostersonntags, bis der Bischof erscheint und mit dem Spruch „Christ ist
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auferstanden“ den Abschluss der Trauerfeier verkündet. Und so enden die Osterfeierlichkeiten zu Ehren des Wanderpredigers aus Nazareth schließlich in ähnlicher Weise wie das Fest für den jungen Jäger aus Byblos. Nach einer Phase der Trauer, folgt die Freude um seine Wiederauferstehung – genauso wie es die Göttin Aphrodite dem Mythos nach einst angeordnet hat.
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BÜNDNIS UND VERSCHMELZUNG ZWEIER GÖTTINNEN Isis und Aphrodite in hellenistischer und römischer Zeit Kathrin Kleibl
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ie Göttinnen Aphrodite und Isis stammen aus zwei unterschiedlichen Kulturen – der griechischen und der ägyptischen – sind aber bis zum Untergang der paganen Religionen im 4. Jh. n. Chr. im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus verehrt worden. Zwar repräsentierten sie in ihren jeweiligen Kulten andersartige Zivilisationen, doch sind die Göttinnen seit der hellenistischen Zeit auch zu einer synkretistischen Einheit als Isis/Aphrodite verschmolzen worden. Einen wichtigen Beleg für diese Verbindung liefert eine Votivinschrift aus dem sogenannten Sarapeion C, einem dem gräco-ägyptischen Gott Sarapis geweihten Heiligtum auf der Insel Delos; das zur Inselgruppe der Kykladen gehörige Delos war berühmt für sein Apollonheiligtum. Die erwähnte Inschrift stammt aus der Zeit um 140 v. Chr. und war an „Isis Soteira Astarte Aphrodite Euloia“ gerichtet – mit Isis, Astarte und Aphrodite sind hier die dominierenden Göttinnen des hellenistischen Ostens zu einer Einheit verschmolzen. Über die delische Inschrift hinaus deuten in hellenistischer und römischer
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Zeit figürliche Darstellungen und gemeinsame Kultstätten auf die Verbindung der beiden Göttinnen, weisen doch diese Heiligtümer eine Reihe von Eigenheiten auf. Um diese zu erklären, ist es zunächst notwendig, aufzuzeigen, warum es zu der Fusion der beiden Göttinnen kommen konnte, und in welchem Maße diese Entwicklung durch das Vorbild und den Einfluss der ptolemäischen Königinnen in Ägypten gelenkt wurde.
Isis – Eine Ehefrau wird zur Weltgöttin Die Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten begann nach 323 v. Chr. mit dem Tode Alexanders des Großen und endete 31 v. Chr. wiederum mit dem Tode einer Herrscherfigur – mit jenem von der wohl berühmtesten Ptolemäerin: Kleopatra VII. Zu beobachten ist, dass sich genau während dieses Zeitraums der Kult bestimmter ägyptischer Götter zunächst im östlichen und sehr schnell auch im westlichen Mittelmeerraum ausbreitete. Zu den bevorzugten Göt-
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tern zählte dabei die Göttin Isis, aber man schätzte auch Sarapis, Osiris, Anubis und Harpokrates (Horus). Unter den aufgezählten Gottheiten war sicherlich die Göttin Isis diejenige, in welcher sich der Charakter einer Universalgöttin über die Jahrhunderte hindurch am prägnantesten ausbildete. Isis war entwicklungsgeschichtlich betrachtet eine sehr alte Göttin, die in der ägyptischen Religion seit etwa 2400 v. Chr. durch epigrafische Quellen belegt ist, während bildliche Darstellungen hingegen erst ab etwa 1500 v. Chr. auftreten. Der Name „Isis“ bzw. die für ihren Namen stehende Hieroglyphe bedeutet „Thron“ oder „Sitz“. Im Gegensatz zu ihrer späteren Stellung in der hellenistisch-römischen Religion nahm Isis im alt-ägyptischen Pantheon zunächst keine vordergründige Rolle ein, sondern stand vielmehr hinter ihrem Bruder und Gatten, dem Gott Osiris, mit welchem sie mit ihrem gemeinsamen Sohn Horus eine göttliche Familie bildete. Durch Bild- und Schriftquellen ist gut dokumentiert, dass der Isis-Kult ab etwa 1200 v. Chr. immer mehr in den Vordergrund drängte – sie galt als Sinnbild der Fruchtbarkeit und wurde mit dem von Osiris zu befruchtenden Land Ägypten gleichgesetzt. In einer als IsisSothis bezeichneten astralen Erscheinungsform war sie die Göttin der Nilflut und stand im Mittelpunkt des ägyptischen Neujahrs, welches im ganzen Land als großes Fest begangen wurde. Und es sollte noch mehrere hundert Jahre dauern, bis es zur Er-
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richtung eigener Heiligtümer für Isis kam: Erst in den Jahren um 380–342 v. Chr. entstand schließlich die größte Anzahl ihrer Sanktuarien in Ägypten. Die Griechen kannten eine von ihren Zuständigkeiten durchaus vergleichbare Göttin: Demeter, die von alters her bei den Griechen für Ackerbau und Fruchtbarkeit verantwortlich war. Zusammen mit ihrer Tochter Persephone und dem Unterweltgott Hades hatte sie Anteil am natürlichen Prozess des Lebens, am Werden und Vergehen, an Leben und Tod. Der griechische Autor Herodot verglich Demeter bereits Mitte des 5. Jhs. v. Chr. von ihrer Funktion her mit der ägyptischen Isis (Herodot 2,59; 2,156), eine Sichtweise, die die tiefgreifenden Veränderungen in der griechischen Religion im 5. und 4. Jh. v. Chr. widerspiegelt: In dieser Zeit entwickelte sich eine Vorstellung von einer kosmischen Götterwelt bzw. es entstand der Gedanke, ein Gott selbst könne als Kosmos gesehen werden. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die sich herausbildenden Erlöser-Gottheiten, die mütterliche, helfende und heilende Funktionen besaßen, im Detail zu beschreiben und ihre Genese zu analysieren – wichtig bleibt es jedoch festzuhalten, dass sich mit dem Wesen der ägyptischen Isis all diese Erlöser-Eigenschaften mühelos verbinden ließen. Auch bei den Ägyptern galt Isis spätestens seit dem 4. Jh. v. Chr. als transkulturelle und transreligiöse Weltgöttin. Ebenso wenig wie ihre Integration in das griechische Pantheon Mühe bereitete, setzte man sie auch aus ägyptischer Sicht neben Demeter ebenfalls mit
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anderen weiblichen Göttinnen wie Aphrodite, Io, Tyche und Nemesis gleich. Eine Hymne aus dem Isis-Termuthis Tempel in dem ägyptischen Medinet Madi aus dem 1. Jh. v. Chr. mag diesen universalen Charakter der Isis eindrücklich bezeugen: „Alle Sterblichen, die auf der grenzenlosen Erde leben, Thraker, Griechen und Barbaren, sprechen deinen schönen Namen aus, ein Name hoch geehrt bei allen, (aber) jeder spricht in seiner eigenen Sprache in seinem eigenen Land. Die Syrer nennen dich Astarte, Artemis, Nanaia, die lykischen Stämme nennen dich Leto, die Herrin, die Thraker nennen dich Mutter der Götter, und die Griechen Hera vom Großen Thron, Aphrodite, Hestia die gütige, Rhea und Demeter. Aber die Ägypter nennen dich Thiouis, die Eine, weil du, die Eine, zugleich alle bist, die von den Völkern der Menschen angerufen werden“ (Isidoros von Narmuthis, Hymnos 1, 14–24). Mit dieser Integration in das griechische Pantheon ging einher, dass sich auch das ägyptische Äußere der Isis wandelte und der griechischen Bildtradition angepasst wurde, auch wenn signifikante Attribute und kultspezifische Gegenstände in der neuen Ikonografie klar auf ihre ägyptischen Wurzeln verwiesen. Hierbei ist zu beobachten, dass eine stärkere Nähe zu Aphrodite als zu Demeter entstand, was damit zusammenhängen mag, dass zumindest der attische Demeterkult in Griechenland nach dem 5. Jh. v. Chr. im Zuge der Niederlagen im Peloponnesischen Krieg weitgehend zurückgedrängt wurde. Au-
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ßerdem galt Isis wie Aphrodite als Schutzgöttin der Seefahrt (Isis Pharia, Isis Soteira, Isis Euploia) und als Herrin des Meeres (Isis Pelagia, Isis Tyche) – zahlreiche Darstellungen zeigen Isis mit einem Schiffsbug und einem aufgeblähten Segel. Doch auch ihr mütterlicher Aspekt ging nicht vollständig verloren: Als mütterliche Göttin (Isis Lactans) trat sie auf Darstellungen mit ihrem Sohn Horus, griechisch Harpokrates, auf dem Schoß auf. Dieses Bildmotiv wurde dann – nur wenige hundert Jahre später – in der christlichen Religion mit dem Bild von Maria und dem Jesuskind übernommen.
Isis-Aphrodite alias Arsinoe II. kommt mit den Ptolemäern nach Thrakien Ein weiterer Weg der Isis-Aphrodite nach Griechenland und eine Verbindung über das Ptolemäische Herrscherhaus kann gut nachverfolgt werden: Die Verehrung von Isis in Thrakien. Aus der Stadt Perinthos in Thrakien stammt eine heute leider verlorene Statuenbasis mit einer Weihinschrift aus dem 3. Jh. v. Chr., die durch einen Priester der IsisAphrodite namens Artemidoros an eben diese Göttin dargebracht wurde. Das entsprechende Heiligtum wurde nie entdeckt, jedoch weisen Darstellungen von Isis und Sarapis, aber auch von Anubis, Apis und Harpokrates auf lokalen Münzemissionen deren Kult in Perinthos über mehrere Jahrhunderte hinweg nach.
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Diese Verehrung ist ein Ergebnis des Kulturtransfers, der sich zwischen Thrakien und Ägypten über die Ptolemäer vollzog. Die Stadt Perinthos stand nämlich ab 245 v. Chr. unter ptolemäischer Herrschaft und die dortige Bevölkerung geriet durch die neuen Machthaber in intensiven Kontakt mit der ägyptischen Religion. Womöglich wurde Isis-Aphrodite in Perinthos mit der verstorbenen ptolemäischen Königin Arsinoe II. (316–270 v. Chr.) identifiziert, die einst mithilfe ihres Bruders und späteren Gatten Ptolemaios II. Philadelphos von ihrem ersten Ehemann, dem Thrakerkönig Lysimachos, aus Thrakien „befreit“ wurde. Schon zu Lebzeiten bezeichnete man die beiden als „theoi adelphoi“ (Geschwistergötter). Es entsprach ptolemäischem Brauch, Arsinoe II. nach ihrem Ableben 270 v. Chr. in den Stand der Götter zu heben, dort erhielt sie den Namen Arsinoe-Aphrodite. Wir sind hierüber durch eine private Stiftung unterrichtet, die ihr ein Admiral namens Kallikrates aus dem ostgriechischen Samos darbrachte und über dem östlich von Alexandria gelegenen Kap am Zephyrion eine Kultstätte errichten ließ. Die vergöttlichte Arsinoe-Aphrodite erfüllte in diesem Tempel zwei Funktionen: Als Fürsprecherin und Anlaufstelle für die griechischen Jungfrauen von Alexandria und als Schutzpatronin für die Seefahrer (Coll. Alex., 82 ff.). Es ist sicherlich kein Zufall, dass im Palast von Arsinoe II. auch die Aufführung der Adoniazusae des Theokrit erfolgte, einem Stück, das von den Liebeswirren zwischen Aphro-
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dite und Adonis handelte. Eine Anspielung auf ihr eigenes Liebesschicksal? Das Attribut Arsinoes II. war das Doppelfüllhorn. Das Füllhorn gilt noch heute als ein Zeichen für göttliche Wohltätigkeit und Fruchtbarkeit, sämtliche Eigenschaften, mit denen auch die ägyptischen Göttinnen Isis und Hathor in Verbindung gebracht wurden. In seiner doppelten Form, als Doppelfüllhorn, wurde dieses Attribut anlässlich der Geschwisterhochzeit zwischen Arsinoe II. und Ptolemaios II. eingeführt; es stand als Symbol für die nach außen hin sichtbare Göttlichkeit des Paares. Die Gleichsetzung von Arsinoe II. nicht nur mit Aphrodite, sondern auch mit Isis belegen Weihinschriften bis ins 1. Jh. v. Chr. Nach altägyptischer Tradition war Isis als Mutter des Horus auch zugleich immer die Mutter des Pharaos. Eine Fayencekanne, die sogenannte „Ptolemäer-Kanne“ aus Canosa in Apulien, die heute im Britischen Museum in London aufbewahrt wird (Abb. 24), zeigt Arsinoe II. zugleich als Stadtgöttin im Typus „Aphrodite-Isis-Tyche“ mit einem Doppelfüllhorn zwischen einem Altar und einem Pfeiler platziert.
Berenike II. als Isis-Aphrodite – Emanzipation im ägyptischen Königshaus Die Vergöttlichung von Arsinoe II. und ihre Gleichsetzung mit Isis-Aphrodite blieb nicht ohne Folgen für ihre Nachfolgerinnen: Auch die ihr auf dem Thron nachfolgende Berenike II., die Ehefrau
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Die ptolemäischen Herrscherinnen Im Gegensatz zu anderen hellenistischen Königinnen waren die ptolemäischen Herrscherinnen in Ägypten tatsächliche Regentinnen – besonders in den Wirren am Ende der Ptolemäerzeit. Sie hatten einen großen Stellenwert im sozialen Gefüge, und dies nicht nur wegen ihrer politischen und religiösen Verbindungen. Finanziell genossen sie eine Unabhängigkeit, die Königinnen anderer Länder nie hatten.
Ptolemaios I. Sotêr (304–282 v. Chr.) ∞ Eurydike, Berenike I. Ptolemaios II. Philadelphos (284–246/267–259 v. Chr.) ∞ Arsinoë I., Arsinoë II. Ptolemaios III. Euergetes I. (246–221 v. Chr.) ∞ Berenike II. Ptolemaios IV. Philopater (221–205 v. Chr.) ∞ Arsinoë III. Ptolemaios V. Epiphanes (205–180 v. Chr.) ∞ Kleopatra I. Ptolemaios VI. Philometor (180–164 v. Chr., 163–145 v. Chr.) ∞ Kleopatra II. Ptolemaios VII. Neos Philopater (145 v. Chr., nur nominell) Ptolemaios VIII. Euergetes II. (170–163/145–116 v. Chr.) ∞ Kleopatra II., Kleopatra III. Kleopatra II. Philometora Soteira (132–124 v. Chr., Opposition zu Ptolemaios VIII.) Ptolemaios IX. Philometor Sotêr II. (116–107/88 v. Chr.–81 v. Chr.) ∞ Kleopatra IV., Kleopatra V.; erste Regierung mit Kleopatra III. Ptolemaios X. Alexander I. (114–88 v. Chr.) ∞ Kleopatra V., Berenike III.; regiert mit Kleopatra III. (bis 103 v. Chr.) Berenike III. (81–80 v. Chr.) Ptolemaios XI. Alexander II. (80 v. Chr.) ∞/regiert mit Berenike III. Ptolemaios XII. Neos Dionysos „Auletes“ (80–58/55–51 v. Chr.) und Kleopatra VI. Kleopatra VI. Tryphaena (58–57 v. Chr.), regiert mit Berenike IV. (58–55 v. Chr.) Kleopatra VII. (51–30 v. Chr.), regiert mit Ptolemaios XIII. (51–47 v. Chr.) Arsinoë IV. (49–41 v. Chr.); regiert Teile des Reiches, ∞ ihre Brüder Ptolemaios XIII. und Ptolemaios XIV. (47–44 v. Chr.) Besonders im Zusammenhang mit der Religion waren die ptolemäischen Königinnen bei der Bevölkerung Ägyptens beliebt. Dies geht aus mehreren Beispielen von Kulten und Kultidentifikationen hervor. So identifizierten sie sich mit der ägyptischen Göttin Isis, der Mutter des Horus, welche in altägyptischer Tradition außerdem als Mutter des Pharaos, des irdischen Horus, galt – die ptolemäischen Königinnen ließen sich in vergleichbarer göttlicher Gestalt verbildlichen. Das ägyptische Äußere der Isis wandelte sich während der ptolemäischen Herrschaft und wurde den griechischen Traditionen und Darstellungskonventionen angepasst – dennoch: Attribute, einige kultspezifische Gegenstände sowie tradierte Dekorationen wurden beibehalten und stellten die ikonografische Verbindung zu den altägyptischen Wurzeln her. Alsbald wurde Isis zudem mit Aphrodite assimiliert – beide Göttinnen verbanden vergleichbare Wesensaspekte – und die ptolemäischen Herrscherinnen schlüpften auch in diese Rolle.
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Ptolemiaos III. Euergetes und Tochter des kyrenischen Königs Magas, ließ sich entsprechend verehren. Auf einer Gemme des 3. Jhs. v. Chr., die sich heute in der Eremitage in Sankt Petersburg befindet (Abb. 25), ist die ägyptische Königin Berenike II. als Isis-Aphrodite dargestellt. Ihren Kopf krönt nicht die sonst für eine ägyptische Herrscherin übliche Uräusschlange, sondern eine Taube. Die Taube lässt sich mit dem Usus im Neuen Reich verbinden, die Göttin Isis und auch die Königinnen traditionell mit einer den Kopf bedeckenden Geierhaube abzubilden, mit welcher Schutz und die Mutterrolle assoziiert wurden. Auf späteren Darstellungen der Isis-Aphrodite wurde die Geierhaube nach Ansicht von Forscherinnen wie S. Albersmeier durch eine Taube, einem der Aphrodite heiligen Vogel, ersetzt.
Die Ptolemäer und Isis-Aphrodite Der Isis-Aphrodite-Kult wurde auch unter der nächsten Generation der Ptolemäer weiter gepflegt. Ptolemaios IV. ließ auf seinem berühmten Prunkschiff, mit dem er den Nil auf- und absegelte, einen Rundtempel mit einer Marmorstatue für die Göttin Aphrodite einrichten. Auch Kleopatra III., die seit 131/0 v. Chr. als Isis verehrt wurde, ließ sich als verkörperte Aphrodite darstellen. Aus dem
Jahr 107/6 v. Chr. stammt eine Inschrift mit der Nennung „Königin Kleopatra, Göttin Aphrodite“. Nach Plutarch sagte man der wohl bekanntesten Ptolemäerin Kleopatra VII. ebenfalls nach, sie habe sich zu gesellschaftlichen und politischen Anlässen als Aphrodite verkleidet (Plutarch, Ant. 26. 54).
Die Verschmelzung von Isis und Aphrodite Die Darstellungen der bildenden Kunst bringen die Verschmelzung von Isis und Aphrodite auf ganz unterschiedliche Weise und mit ungleicher Gewichtung der jeweiligen Wesensmerkmale zum Ausdruck. Wie lässt sich diese ikonografische Entwicklung nachzeichnen? Die schon zitierte ägyptische IsisHathor mit dem Kopfschmuck der Hathor trug eine Krone aus zwei Hörnern mit einer Sonnenscheibe, dem basileion, welche nun von der Gestalt der griechischen Aphrodite übernommen wurde, gelegentlich ergänzt durch zwei Federn. Eine Terrakotte aus dem Musée GrécoRomain in Alexandria zeigt einen Naos der Hathor mit einer unbekleideten Isis-Aphrodite-Figur im Inneren. Dieses Tempelmodell macht die Gleichsetzung der unbekleideten griechischen Aphrodite mit der ägyptischen Isis-Hathor deutlich, denn die Darstellung einer
Abb. 24 Auf einer sogenannten Ptolemäerkanne aus Canosa ist die ägyptische Königin Arsinoe II. mit einem Füllhorn im Arm dargestellt. Sie verkörpert hier Isis-Aphrodite-Tyche. London, British Museum.
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Abb. 25 Auf dieser Gemme ist Königin Berenike II. mit einer Taubenhaube gezeigt, durch die sie gleichzeitig als Isis-Aphrodite verbildlicht wurde. St. Petersburg, Eremitage.
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unbekleideten Göttin wäre in Ägypten vor der ptolemäischen Herrschaft unvorstellbar gewesen! Charakterisierende Attribute für Isis-Aphrodite waren dementsprechend das basileion oder die – nach der ägyptischen Tradition getragene – Geierhaube, die auch als Taubenhaube variiert werden konnte. Auf deutlich griechischen Einfluss wird die Gestalt der sich die Haare auswringenden unbekleideten Isis-Aphrodite zurückgeführt (sog. Typus anadyomene), die nach Ansicht der Forscher auf die mythologische Geburt der Aphrodite aus dem Meer verweist. Zahlreiche ägyptische Terrakotten römischer Zeit zeigen eine nackte Gestalt, die ihre Arme gerade an den Körper gelegt hält und auf dem Kopf ein breites Diadem mit einem Kalathos und einem basileion trägt, so z. B. eine Statuette, die sich heute im Ägyptischen Museum in Berlin befindet; ebenso verbreitet war die Darstellung der stehenden, bekleideten, frontal gezeigten Isis-Aphrodite mit hochgeschlagenem Gewand (sog. Typus anasyromene). Das Motiv des Gewandhochschlagens zur Entblößung des Geschlechtes, das seit hellenistischer Zeit verbreitet war, schien speziell im Aphroditekult eine besondere Bedeutung besessen zu haben und spielte vermutlich auf den fruchtbarkeitsspendenden Charakter der Göttin an.
Isis-Aphrodite-Astarte im Osten Darstellungen der Isis-Aphrodite aus hellenistischer und römischer Zeit stammen aber nicht nur aus Ägypten,
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sondern auch aus dem syrisch-phönizischen Raum, wo die Göttin bekanntermaßen mit der phönizischen Gottheit Astarte identifiziert wurde. Der römische Autor Plutarch schildert in seiner Beschreibung über den Mythos der Isis, wie die Göttin selbst, nachdem der Sarg ihres verstorbenen Gatten Osiris verschwunden war, auf dessen Suche ging. Isis fand den Sarg schließlich eingewachsen in einen Baum in Byblos. Eine Inschrift des Jahres 149 n. Chr. aus der antiken Oasenstadt Palmyra nennt eine Tempelweihung an die drei Göttinnen (RICIS 404/0201). Der Blick auf die figürlichen Darstellungen dieser Region zeigt interessante Veränderungen beim Kopfschmuck der Isis-Aphrodite-Astarte: Das den Kopf krönende basileion der unbekleideten Isis-Aphrodite wurde für die Erscheinung der Isis-Aphrodite-Astarte zusätzlich über ein breites Diadem hoch erhoben. Dies ist besonders gut an einer sich heute im Museum von Damaskus (Inv. 7620) befindlichen Bronze-Statuette des 1. Jhs. n. Chr. zu sehen. Die etwa 26 cm große unbekleidete Figur steht auf einem halbkreisförmigen Podest mit einem kleinen Mitteltreppchen. Auf dem Kopf trägt die Göttin eine Krone, die aus einem breiten Diadem mit aufrecht gestellten Zacken und einer Isis-Krone besteht. Die Isis-Krone setzt sich aus einer Doppelfeder mit Kuhgehörn, zwei schräg gestellten Getreideähren und einer Sonnenscheibe zusammen. Dieser Typus der Isis-Aphrodite-Astarte war besonders im syrischen Küstengebiet verbreitet.
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Die Heiligtümer der Göttinnen Es schließt sich an dieser Stelle die Frage an, wie die Kultstätten von Isis-Aphrodite beschaffen waren. Neben Heiligtümern, in denen Isis-Aphrodite verehrt wurde, existieren nämlich auch solche, in denen die beiden Göttinnen bewusst nebeneinander verehrt wurden oder aber der Isiskult den vormaligen Aphroditekult ablöste. Im Zentrum der Beobachtungen steht auch hier die Verbreitung der Göttin Isis-Aphrodite im östlichen Mittelmeerraum.
Eine Kultstätte der Isis-Aphrodite für die Belange des weiblichen Geschlechts Der Ausgangspunkt führt uns zunächst wieder nach Ägypten. Die Stadt Athribis im Nildelta, etwa 50 km nördlich des modernen Kairos gelegen, war bereits seit pharaonischer Zeit ein wichtiges kultisches Zentrum der Göttin Isis. Zahlreiche Quellen bestätigen hier eine Kontinuität des Isis-Kultes bis in griechisch-römische Zeit. Westlich des römischen Viertels der Stadt fanden polnische Archäologen in einem Gebäude, welches in die ptolemäische Zeit datiert wird, die Fragmente mehrerer Aphrodite-Statuen aus dem 2. Jh. v. Chr. Ungewöhnlich ist, dass die Statuen Reste polychromer Bemalung tragen. Das Gebäude selbst war über einer ehemaligen Keramikwerkstatt errichtet worden und erstaunt durch seine zahlreichen unterschiedlich geformten, aber eher klein-
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formatigen Wasserbassins, welche paarweise an zwei Seiten eines Korridors platziert waren. Dieser Gang führte zu einem Raum mit aufwendiger vielfarbiger Wandbemalung, in dessen Inneren sich große Mengen an bemalter Keramik, d. h. lokale Amphoren mit Dekor, aber auch importierte Kelche und Untertassen, fanden. Die im Bereich des Gebäudes gefundenen Stelen aus Kalkstein, die in einer Nische stehende, unbekleidete Göttinnen zeigen, geben neben den Statuenfragmenten weitere Hinweise auf die in der Anlage verehrten Gottheiten. Auf einigen der Stelen trägt die gezeigte Göttin das basileion der Isis, zudem wurden im Bereich des Gebäudes zahlreiche ihren Schoß entblößende Isis-Aphrodite Figuren (Typus anasyromene) aus Terrakotta gefunden, die auf einen Fruchtbarkeitsaspekt der hier verehrten Göttin schließen lassen. In dieselbe Richtung ist auch die aus der 2. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. stammende Terrakottafigur zu deuten, welche Isis mit zwei Jungen darstellt – der eine liegt in ihrem Arm und saugt an ihrer Brust, während der andere aufrecht steht und sie an der Hand hält. Diese Darstellung der Isis ist ungewöhnlich – normalerweise wird Isis nur mit einem säugenden Jungen, ihrem Sohn Horus, verbildlicht. Es ist eine Vermutung der Ausgräber, dass es sich bei dieser Terrakottafigur um die mit Isis gleichgesetzte Ptolemäerkönigin Kleopatra I. mit ihren zwei Söhnen Ptolemaios VI. und Ptolemaios VIII. handelt. Die Ausgräber gehen mit Blick auf die Wassereinrichtungen und die zahl-
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reichen Funde der Isis-Aphrodite-Darstellungen von einer Kultstätte der Aphrodite aus, was nicht befremdend erscheint, wenn man sich an das Aphrodite-Heiligtum in Kyme in der heutigen Türkei erinnert, welches später zu einem Isis-Heiligtum umgewandelt wurde, und ebenso in dem Töpferviertel der Stadt errichtet worden ist. An das Heiligtum in Athribis könnte ein Sanatorium für Frauen angeschlossen gewesen sein, eine solche Kombination ist nicht ungewöhnlich: So liegt beispielsweise das kleine Isis-Heiligtum am Südhang der Akropolis von Athen auf der derselben Terrasse wie jenes dem Heilgott Asklepios geweihte Heiligtum. An das Asklepieion waren Badeeinrichtungen und Sanatorien angeschlossen und zumindest in der römischen Kaiserzeit scheinen die beiden Heiligtümer miteinander verbunden gewesen zu sein. Somit ist es nicht auszuschließen, dass in Athen, und gleiches kann man wohl auch für Athribis annehmen, Frauen mit Schwangerschaftsleiden im Heiligtum Hilfe und Unterstützung gefunden haben.
Erst Aphrodite, dann Isis mit Aphrodite an der Akropolis von Athen Der eben angesprochene Tempel in Athen ist aber auch aufgrund einer weiteren Tatsache für diese Betrachtung von Bedeutung, denn in dem kleinen Naos, welcher laut einer Inschrift der Göttin Isis geweiht war, wurde in römischer Zeit auch Aphrodite verehrt. Der
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heute erhaltene Tempel stammt erst aus dem Jahr 120 n. Chr. und stellt ein verhältnismäßig kleines Iseum dar. Der größte Teil der Akropolisterrasse wurde bereits seit dem 5. Jh. v. Chr. von dem schon erwähnten Asklepieion eingenommen. Hinter dem heute erhaltenen Fundament des 40,23 m² großen Antentempels für Isis befindet sich eine natürliche Quelle, die im 5. Jh. v. Chr. zum Mittelpunkt eines staatlich geförderten Pan- und Nymphenkultes wurde. Das von dem griechischen Autoren Euripides erwähnte Aphrodite-Heiligtum hat mit großer Wahrscheinlichkeit den Ort des späteren Isis-Tempels eingenommen, dafür spricht ein westlich der Quelle entdecktes Votivdepot mit marmornen Taubenfiguren, welche auf einen Aphrodite-Kult hinweisen. Ein großer Marmorblock datiert in das letzte Drittel des 1. Jhs. v. Chr., der die auf der westlichen Terrasse verehrten Gottheiten in einzelnen, abgeschlossenen Palmetten verzeichnet: Hermes – Aphrodite – Pan, die Nymphen, Isis. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Block um einen Altar oder aber um eine Statuenbasis, auf der die Abbilder der genannten Gottheiten standen. Aufgrund der nebeneinander stehenden Namen der Götter ist davon auszugehen, dass im 1. Jh. v. Chr. der Kult der Aphrodite und der der Isis noch als getrennt und gleich gewichtet angesehen wurden. Dieses änderte sich im 2. Jh. n. Chr., als Isis zur dominanten Göttin geworden war. Die Restaurierungsinschrift, die sich heute im British Museum in London befindet, bestätigt die
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Erneuerung des Naos der Isis durch eine weibliche, sich als lychnaptria (eine Lampenträgerin) in kultischen Prozessionen und oneirokrites (eine Traumdeuterin) bezeichnende Spenderin: Sie stiftete nicht nur die Säulen, den Boden und eine Mauer, sondern ließ auch das Kultbild der Isis reparieren und zudem eine Statue der Göttin Aphrodite zu Ehren der Isis aufstellen. Leider konnte die besagte Statue der Aphrodite bis heute nicht entdeckt werden, aber es ist wahrscheinlich, dass sie wie das Kultbild der Isis bereits in der spätrömischen Zeit aus dem Naos verschleppt wurde.
Isis in der „Hochburg“ der Aphrodite von Amathus In Amathus, einer ehemals bedeutenden Hafenstadt an der Südküste Zyperns (vgl. Abb. 23), haben wir möglicherweise die vergleichbare Situation, dass die Göttin Isis in einem der Aphrodite geweihten Heiligtum hellenistischer Zeit verehrt wurde. Die Stadt Amathus war seit der archaischen Zeit unter phönizischer, zyprischer, griechischer, ägyptischer bzw. ptolemäischer und schließlich römischer Herrschaft. Die Hauptgottheit der Stadt war Aphrodite, die sowohl als nackte Astarte wie auch als Hathor dargestellt wurde. Die heute erhaltenen architektonischen Überreste ihres Heiligtums auf der Akropolis der Stadt stammen erst aus römischer Zeit. In einem Votivdepot an der südlichen Wange der Akropolismauer fand man 1979 neben einigen
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Terrakottafiguren der Göttinnen Aphrodite, Astarte und Artemis auch zahlreiche Statuetten der Isis. Neue Ausgrabungen haben zudem in einem 35 x 15 Meter großen Areal in der Unterstadt – nahe beim Forum – zahlreiche Hinweise auf die Verehrung von Arsinoe in hellenistischer Zeit und den gräcoägyptischen Göttern ab der römischen Herrschaft über Zypern liefern können: Dorische Architekturfragmente zeugen von einem Tempel, Inschriften bestätigen die Verehrung von Arsinoe II. und zahlreiche Funde – darunter eine Uräusschlange, ein Terrakottafragment mit einem ankh-Zeichen, ein ujat-Auge aus Kalkstein, ein Harpokratesköpfchen, ein Schlangenkopf sowie eine Sphinx aus Marmor – den Kult der gräco-ägyptischen Gottheiten.
Isis löst Aphrodite ab – das Heiligtum von Kyme/Kleinasien In der Hafenstadt Kyme in der Äolis an der Westküste der Türkei befindet sich in der Oberstadt im Töpferviertel ein Heiligtum der Aphrodite-Isis. Der Tempel wurde im 4./3. Jh. v. Chr. für die Göttin Aphrodite errichtet, deren fragmentarisches Kultbild bei den Ausgrabungen hinter dem Adyton des Tempels entdeckt wurde. Im Zuge der Assimilation von Aphrodite mit Isis übernahm Letztere im 2. Jh. v. Chr. den Tempel als Hauptgöttin, was nicht zuletzt eine auf einer Stele eingemeißelte Aretalogie (Selbstoffenbarung) der Isis bestätigt. Es handelt sich bei dem Tempel um ei-
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nen nordöstlich orientierten ionischen Bau mit direktem Zugang zur Wasserversorgung, was besonders für Heiligtümer gräco-ägyptischer Götter von Bedeutung war. In Kyme wurde Isis als Göttin der Schifffahrt verehrt, wie auf diversen Münzen der Stadt zu sehen ist: Die Göttin steht in Schrittstellung auf einem Schiff und hält mit beiden Händen das Segel, welches vom Wind gebauscht ist; Isis fungiert hier als Mastbaum, als Pfeiler des Schiffes.
Isis und Aphrodite im Heiligtum zu Füßen des Olymps 1978 wurde in Dion – am Fuß des griechischen Olymps in Makedonien – außerhalb der Stadtummauerung ein großer Hof entdeckt, an dessen Westseite vier Tempelbauten stehen. Das Heiligtum liegt unmittelbar neben dem Flussbett des Baphyras und noch heute kann man das Areal nur über Stege besichtigen, da der Grundwasserspiegel im Gelände zu bestimmten Zeiten recht hoch ansteigt. Die Ausgräber konnten feststellen, dass hier, bevor im 2. Jh. v. Chr. ein Heiligtum für Isis errichtet wurde, bis in die spätklassische Zeit an gleicher Stelle ein Heiligtum der Göttin Demeter in ihrer Eigenschaft als Geburtsgöttin, mit der Isis ja auch von Herodot gleichgesetzt wurde, bestand. Eine Weihung des 2. Jhs. v. Chr. an die göttliche Trias „Isis, Sarapis und Anubis“ stellt das älteste Zeugnis für den Isis-Kult in dem Areal dar. Der archäologische Befund des Iseums lässt sich erst ab dem 2. Jh. n. Chr. fassen.
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Aus diesem Heiligtum hat sich ein Reliefschmuck mit der Wiedergabe der Isis Lochia mit einer breitbandigen Kopfbedeckung, einem Zepter und Kornähren erhalten. Isis Lochia wurde besonders als Göttin der Fruchtbarkeit und der Wöchnerinnen verehrt, also ebenso wie im ägyptischen Heiligtum von Athribes.
Bewusstes Nebeneinander – der Kultkomplex in Soli/Zypern Neben Athribes, Amathus und Dion sind auch in Soli archäologische Zeugnisse bekannt, die die Annahme unterstützen, dass die Göttin Isis hauptsächlich in ihrem Aspekt als Fruchtbarkeitsgöttin Verehrung fand. Bereits der antike Geograf Strabon erwähnte in seinen Erdbeschreibungen ein verbundenes Heiligtum der Aphrodite und der Isis, welches sich westlich der antiken Stadt Soli an der Nord-West-Küste Zyperns befunden haben soll. Der Tempelkomplex bestand zum einen aus einem Aphrodite-Heiligtum, an das eine Kapelle für die Göttin Isis angegliedert war, zum anderen aus einem direkt angebauten Heiligtum für mehrere ägyptische Götter. Der architektonische Befund lässt sich in vier Bauperioden unterteilen: Das Aphrodite-Heiligtum bestand seit etwa 250 v. Chr. (Abb. 26), die kleine Kapelle für Isis wurde um 50 v. Chr. an das Aphrodite-Heiligtum angegliedert – zur selben Zeit wurde direkt angrenzend ein großer selbstständiger Tempel für Isis errichtet –, nach der Zerstörung dieses Isis-Tempels im 1. Jh. n. Chr. entstand
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Abb. 26 In der frühen Phase des Heiligtums in Soli wurde an das Aphrodite-Heiligtum eine Kapelle angeschlossen, die mit aller Wahrscheinlichkeit der Göttin Isis geweiht war (Rekonstruktion).
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(nach einer von den Ausgräbern undeutbaren Zwischenperiode) erst im 3. Jh. n. Chr. an gleicher Stelle ein Tempel für Sarapis, Osiris und Eros. Dieser Tempel, in dem sich eine Kalksteinstatue einer mit einem federnen Oberteil und langen Gewand bekleideten Isis fand, erfuhr wie das Aphrodite-Heiligtum noch Ende des 3. oder Anfang des 4. Jhs. n. Chr. Um- und Anbauten, wie z. B. die Errichtung eines Speiseraumes. Eine Analyse der Architektur dieser Anlage verdeutlicht die unmittelbare Verbindung, aber auch die bewusste Abgrenzung der Kultstätten der Göttinnen Isis und Aphrodite innerhalb des Tempelkomplexes. Die Göttinnen wurden nicht, wie für das Aphrodite-Heiligtum von Amathus vermutet wird, in einem Tempel gemeinsam verehrt, sondern hier bewusst voneinander getrennt. Dies hatte zur Folge, dass sich der gräcoägyptische Kult in der Spätzeit wandelte und Sarapis und Isis gemeinsam zu den Hauptgottheiten des Tempels wurden. Neben Sarapis und Isis wurden Osiris und Eros, Sohn der Aphrodite, verehrt. Das Aphrodite-Heiligtum mit der angeschlossenen Isis-Kapelle bestand über die gesamte Zeit kontinuierlich weiter.
Isis-Aphrodite im östlichen Mittelmeerraum Die Durchsicht des epigrafischen sowie des archäologischen Materials beweist
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im östlichen Mittelmeerraum eine Verschmelzung der Göttinnen Isis und Aphrodite seit der hellenistischen Zeit. Als Keimzellen dieses Prozesses sind Ägypten und Thrakien zu nennen. Ausschlaggebend hierfür ist die herausragende Bedeutsamkeit der Identifikation der ptolemäischen Königinnen mit Isis und Aphrodite und des Transportes dieser Vorstellung bzw. dieser Ansicht durch die Ausdehnung ptolemäischen Einflusses in den Gebieten des östlichen Mittelmeerraums. Die Gleichsetzung der Ptolemäerinnen mit den beiden Göttinnen meint allerdings nicht, dass wir in jedem Isis-Aphrodite-Abbild auch das Bild der Herrscherinnen vor uns haben; dies ist besonders nicht für die Kleinplastik anzunehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese in ihrer äußeren Erscheinung dem Bild der griechischen Aphrodite nachkam, da nur das basileion sie oftmals als IsisAphrodite erkennen ließ. Isis-Aphrodite wurde als Fruchtbarkeitsgöttin verehrt, die nicht nur Frauen angesprochen zu haben scheint. Besonders in spätrömischer Zeit wird Aphrodite bzw. Venus in einem Atemzug mit der ägyptischen Götterfamilie genannt. Als Beispiel sei hier abschließend eine Weihung des 3. Jhs. n. Chr. aus Larissa/Thessalien genannt, in der ein Gläubiger zu Ehren des Jupiter-Serapis, des Harpokrates, des Anubis, der Venus und der Isis eine Weihung aufstellen ließ.
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Das Treiben der Götter Unteritalische Vasen bieten ein reiches Repertoire an Darstellungen mythologischer Ereignisse und Begebenheiten, in denen die Taten zahlreicher Heroen und Heroinnen geschildert werden. Von diesen sind sicherlich die Sagen aus dem Umfeld des Trojanischen Krieges, des Herakles und die Amazonomachien die prominentesten, aber auch die Mythen der griechischen Götter und Göttinnen werden auf den Vasenbildern thematisiert, unter denen Gigantomachien, Unterweltbilder oder die Liebesabenteuer des Zeus herausragen. Es fällt auf, dass auf vielen Vasenbildern die Taten der Götter und Heroen von göttlichen Zuschauern begleitet werden, die zumeist auf einer höheren Ebene, aber auch mitten unter den agierenden Personen dem Geschehen beiwohnen und es begleiten. Eine von diesen göttlichen Zuschauern und Begleitern ist Aphrodite, die zugleich eine der eindrucksvollsten Gestalten des griechischen Götterhimmels ist, denn ihr Wirkungsfeld erstreckt sich auf Götter, Heroen und Menschen gleichermaßen. Mit einigen Mythen und Geschichten, die vielfach auf unteritalischen Vasen dargestellt wurden, ist ihr Wirken unverbrüchlich verknüpft: Dazu zählen
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das Urteil des Paris und die Liebesbeziehung von Paris und Helena – doch zu Beginn steht die Begegnung der Europa mit dem in einem Stier verwandelten Zeus, ein Ereignis, an dem Aphrodite nur mittelbar Anteil hat. Europa war die Tochter des phönizischen Königs Agenor (oder Phoinix) und der Telephassa. Als Zeus sie mit ihren Freundinnen am Strand spielen sah, entbrannte er in Liebe zu ihr: Er verwandelte sich in einen zahmen Stier, mischte sich unter die jungen Frauen und entführte Europa nach Kreta, wo er mit ihr die drei Söhne Minos, Rhadamanthys und Sarpedon zeugte. Das Motiv der auf dem Rücken des Stieres reitenden Europa war in der antiken Kunst sehr beliebt und erfreute sich auch in der unteritalischen Vasenmalerei großer Verbreitung. Eine der eindrucksvollsten Darstellungen dieses Mythos findet sich auf einem Kelchkrater in Malibu, der aus dem pästanischen Kunstkreis stammt und vom Vasenmaler Asteas signiert ist. Auf ihm ist der Ritt der Heroine auf dem Stier über das Meer geschildert, das durch Meereswesen (Skylla und Triton) und -tiere angegeben wird; über den beiden fliegt Pothos, das Liebesverlangen. Das Ereignis beobachten auf der linken Seite Zeus, Hermes und
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Krete, die Personifikation der Insel Kreta, die das Ziel des Rittes darstellt, und auf der anderen Seite Eros, Adonis und Aphrodite. Durch die vorgehaltenen rechten Hände von Zeus, Krete, Eros und Adonis drückt der Vasenmaler die Aufmerksamkeit aus, mit der die Genannten das Geschehen verfolgen. Hiervon weicht die Geste der Aphrodite ab, die ihre rechte Hand auf die Schulter des von ihr geliebten Adonis legt und damit eine Andeutung auf den glücklichen Ausgang des Zeusabenteuers liefert. Dass Adonis und Aphrodite hier zusammen mit Eros abgebildet werden, ist mehr als verständlich, denn sie sind im weiteren und engeren Sinne Symbolgestalten für „Liebe“.
Aphrodite als stumme Zeugin Ist die Entführung der Europa auf dem Kelchkrater in Malibu glücklich verlaufen, so ist auf einem apulischen Glockenkrater in Paris (Abb. 27) der Ablauf des Liebesabenteuers des Zeus noch völlig offen: Der Stier nähert sich verspielt der am Ufer des Meeres sitzenden Europa, die in einem Gestus der Koketterie mit der rechten Hand ihr Gewand anhebt und zum Stier blickt – gerahmt wird das Geschehen durch eine Wasserträgerin mit Hydria, Aphrodite und Eros und zwei weiteren Frauen. Der Moment der Begegnung von Stier und Heroine ist wirkungsvoll in den Mittelpunkt gestellt und wie auf dem zuvor angeführten Kelchkrater in Malibu sind die Zuschauer Nebensache
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und an den Rand gerückt. Wenn man von der Hydriaträgerin absieht, die das Ereignis beobachtet, scheinen die anderen vier Personen mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, als dass sie ein Interesse an der sich anbahnenden Entführung zeigen – so schaut Aphrodite, die ungerührt auf einem Felsen sitzt, Eros an, und die beiden Frauen hinter der Bodenwelle sind in ihr Gespräch vertieft. Die Verbindung der beiden Gruppen zur Hauptszene erfolgt abermals über die Gesten, denn sowohl Eros als auch die rechte der beiden Frauen weisen ihre Gesprächspartner durch Anheben bzw. Ausstrecken ihrer Hand auf das Ereignis hin, erhalten von diesen ungeteilte Aufmerksamkeit und dienen auf diese Weise als Vermittler zwischen der zentralen Szene und ihren Gesprächspartnern. Anders ist es auf einer Situla im Schweizer Kunsthandel, deren Bildfeld in zwei Register geteilt ist: Im unteren Register des Gefäßes hat sich Europa vor dem Stier niedergekniet und berührt seinen Kopf mit der rechten Hand, beide werden von einem rechts stehenden Wald- und Hirtengott Pan beobachtet. Im oberen Register ist links ein zweiter Pan mit Flöte und Zweig in den Händen zu sehen, es folgt in der Mitte Eros mit Binden und Iynx, der nach rechts geht, sich aber zum Pan umwendet, und rechts außen sitzt Aphrodite mit einem Fächer in der linken Hand. Sie streckt ihren rechten Arm aus und streckt den Zeigefinger vor, durch diesen Redegestus ist sie mit Pan verbunden. Das auffällige Moment an diesem Vasenbild ist,
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Der Trojanische Krieg Wohl kaum ein Ereignis des griechischen Mythos ist in den Denkmälern der Kunst und der Literatur so oft dargestellt und behandelt worden wie der Trojanische Krieg, denn in seinem Verlauf werden nicht nur Einzelschicksale auf dramatischste Weise entschieden, sondern es handelt sich außerdem um ein Zusammenprallen verschiedener Völker und Stämme des Orients und Okzidents. Auf der einen Seite kämpften die Griechen mit ihren bedeutendsten Fürsten wie Agamemnon von Mykene, dessen Bruder Menelaos von Sparta, Odysseus aus Ithaka und Achilleus, der als der beste Kämpfer seiner Zeit galt; auf der anderen Seite standen die Trojaner, angeführt durch die Königssöhne Paris und Hektor sowie Aeneas, dem Schwiegersohn des trojanischen Königs Priamos. Zu dem Heer der Trojaner stießen als Verbündete Äthiopier unter ihrem König Memnon, Thraker unter der Führung des Rhesos und nicht zuletzt auch die Amazonen mit ihrer Königin Penthesileia. Unmittelbare Ursache des Krieges war die Entführung der Helena, der Gattin des Menelaos, durch Paris von Troja. Menelaos versammelte daraufhin mithilfe seines Bruders Agamemnon ein Heer aus allen griechischen Stämmen und segelte nach Troja, an die kleinasiatische Küste, um die Stadt zu erobern und seine Frau zurückzugewinnen. Die Belagerung der Stadt zog sich über zehn Jahre hin. Schließlich war es eine List des Odysseus, die zur Eroberung Trojas führte: Er ließ ein hölzernes Pferd bauen, in dem sich die 30 besten Kämpfer der Griechen verbargen; die übrigen segelten scheinbar ab, verbargen sich aber hinter der der Küste vorgelagerten Insel Tenedos. Der vermeintliche Abzug der Griechen löste in Troja helle Freude aus und man zog das hölzerne Pferd als Beute in die Stadt. Während in der Nacht ganz Troja im Siegestaumel der Freudenfeste versank, kehrte die griechische Flotte an die Küste zurück und die im Bauch des Pferdes versteckten Griechen öffneten den griechischen Truppen die Tore. Diese richteten unter den nahezu wehrlosen Trojanern ein fürchterliches Blutbad an und die wenigen Überlebenden wurden in die Sklaverei geführt. Nur Aeneas, der Schwiegersohn des Königs Priamos, konnte zusammen mit seinem Vater, seinem Sohn und einer kleinen Schar an Getreuen dem Gemetzel entkommen und nach Italien fliehen. Doch die Sieger wurden vom Schicksal hart gestraft: Odysseus kehrte erst nach einer zehnjährigen Irrfahrt nach Hause zurück, ohne Kampfgefährten und Beute – als Bettler gekleidet; Agamemnon wurde von seiner eigenen Frau im Bad erschlagen und Menelaos’ Flotte von Stürmen über Kreta und Zypern nach Ägypten getrieben, von wo aus er nach Sparta zurücksegeln konnte.
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dass offenbar beide Darstellungen parallel nebeneinander gesehen werden können; die Gottheiten im oberen Teil der Darstellung sind weder durch Gestik noch durch Blickrichtung mit der sich anbahnenden Entführung der Europa durch den Stier verbunden, sie scheinen vom Geschehen völlig losgelöst zu sein und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass eine Verbindung von der im unteren Teil des Gefäßes dargestellten Szene zu der obigen erfolgt. Eine weitere Variante aphrodisischen Auftretens bietet ein Vasenbild, wieder auf einer Situla, die sich in Schweizer Privatbesitz befindet. Auch dieses Vasenbild ist zweigeteilt: Im oberen Register sitzt links Hermes, kenntlich durch seinen Heroldsstab, er blickt nach rechts zur sitzenden Aphrodite, die in der erhobenen linken Hand eine Phiale hält und zu der von rechts ein Eros mit Kranz und Binde schreitet. Im unteren Register tänzelt Europa vor dem Stier, der offensichtlich vor ihr niederkniet; links neben der Szene schreitet ein Pan mit Flöte und Zweig. Zwar wenden sich Hermes und Eros der zwischen ihnen sitzenden Aphrodite zu, doch diese nimmt von beiden keine Notiz, sondern senkt den Kopf und blickt nach unten. Diese Blickrichtung, aber auch ihre geöffnete, vorgestreckte Hand mit dem nach vorne weisenden Zeigefinger machen eine Beziehung der Liebesgöttin zu dem Geschehen vor ihr deutlich. Der Vasenmaler will auf diese Weise offensichtlich zum Ausdruck bringen, dass sie mit diesen Gesten das Geschehen lenkt und leitet.
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Somit zeichnen sich mehrere Varianten göttlichen Auftretens ab: Zum einen nimmt Aphrodite direkten Bezug auf das Geschehen durch Blick und Gestik, dessen Liebescharakter sie durch ihr Auftreten wie im letzten Beispiel sanktioniert. Zum anderen kann sie als unbeteiligte Anwesende erscheinen, die von dritter Seite in das Geschehen mit einbezogen wird, indem sie wie auf dem Krater in Paris auf das Ereignis hingewiesen wird oder aber es gibt keinerlei Bezug zwischen der göttlichen Anwesenheit und der mythischen (Liebes-) Begegnung, wie in dem Beispiel in dem beide Szenen als voneinander unabhängige Motive auf demselben Vasenbild erscheinen. Diese letzte Variante, die auf der erwähnten Situla im Schweizer Kunsthandel in Szene gesetzt ist, löst die Göttin der Liebe, Aphrodite, von einem Ereignis, an dessen Anfang das Liebesverlangen des Zeus steht. Das macht aber eine Göttin wie Aphrodite auf einer Liebesdarstellung entbehrlich und so wundert es nicht, dass es Vasenbilder mit der Schilderung des Europa-Mythos gibt, auf denen Aphrodite fehlt.
Die Liebe, die Hochzeit, der Tod Verfolgen wir das Auftreten der griechischen Liebesgöttin weiter und betrachten einige Vasenbilder, die Geschehnisse schildern, an denen Aphrodite unmittelbar beteiligt ist. Dazu zählen in erster Linie Vasenbilder mit dem Urteil des Paris: Peleus und
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Thetis hatten zu ihrer Hochzeitsfeier alle Götter eingeladen, mit Ausnahme von Eris, der Göttin der Zwietracht, die vergessen worden war. Auf diese Weise beleidigt warf sie aus Rache einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten“ in die Festrunde. Um den Besitz dieses Apfels stritten sich Aphrodite, Athena und Hera. Um den Streit zu schlichten, wurde auf Ratschluss der übrigen Götter als Schiedsrichter Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, bestellt. Hermes führte die drei Göttinnen zum Berg Ida, an dessen Hängen Paris die Schafe hütete, dort versprach Athena Paris militärischen Ruhm, Hera Macht und Aphrodite die schönste Frau der Welt, worauf er ihr den Siegespreis zugestand. Besonders in der unteritalischen Vasenmalerei ist diese schicksalhafte Begegnung der drei Göttinnen mit Hermes und Paris ein häufiges Motiv gewesen und auch in der pästanischen Vasenmalerei ist dieses Ereignis wiederholt in Szene gesetzt worden, wobei die meisten Darstellungen dieses Motivs von der Hand des bereits erwähnten Vasenmalers Asteas stammen. Die Schilderung des Ereignisses folgt in zwei Fällen einem ikonografisch einfachen Schema: Der Götterbote Hermes tritt an Paris, der auf einem Felsen sitzt, heran, um ihm seine Aufgabe darzulegen, und während Paris ihm zuhört, umgeben die drei Göttinnen das Paar. Auf einem Volutenkrater in Pästum nutzte der Vasenmaler die Größe des Gefäßkörpers, um Hermes, Paris, Hera und Athena im unteren Teil des Kraters
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zu platzieren, während Aphrodite im oberen Register zusammen mit Eros und zwei Zuschauern erscheint. Auffällig ist, dass der Vasenmaler auf zwei Darstellungen das Geschehen auf Paris, Hera und Hermes reduziert und die beiden anderen Göttinnen, Aphrodite und Athena, nicht dargestellt hat. Offensichtlich genügte diese Verkürzung, um bei einem antiken Betrachter die Vorstellung einer Darstellung des Parisurteils zu vermitteln. Dies darf aber keineswegs als eine Besonderheit des pästanischen Vasenmalerei angesehen werden, vor allem darf dies aber keineswegs als eine Besonderheit dieses Vasenmalers angesehen werden, da eine derartige Verkürzung auch auf einigen apulischen Vasenbildern belegt ist. Eine besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang aber eine Oinochoe des pästanischen AphroditeMalers. Paris sitzt rechts auf einem Diphros, vor ihm steht Hermes mit einem Palmzweig und anschließend folgen die Göttinnen Aphrodite, Athena und Hera. Aphrodite steht vor einem Becken und hält in der erhobenen linken Hand ein „Xylophon“. Sie neigt kokett den Kopf zur Seite und blickt in Richtung des Trojaners. Von der gesenkten rechten Hand hängt ihr Gürtel, den sie von ihrem dünnen, durchscheinenden Gewand gelöst hat. Die griechischen Frauengewänder waren Wickelgewänder, die um die rechte Körperseite gelegt und mittels eines Gürtels zusammengebunden wurden, so dass die linke Körperseite ebenfalls umschlossen wurde. Durch Fibeln oder Nadeln wurden die
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Abb. 27 Aphrodite als Beobachterin des Liebesabenteuers zwischen Zeus und Europa auf einem apulischen Glockenkrater. Paris, Musée du Louvre.
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Gewänder dann auf den Schultern zusammengehalten. Dadurch, dass Aphrodite ihren Gürtel gelöst hat, hängt das Gewand nur noch an den Fibeln und öffnet sich, sodass ihre linke Körperseite entblößt wird. Aphrodite vermittelt also Paris durch das Vorzeigen ihrer eigenen körperlichen Reize einen Vorgeschmack auf die Vorzüge der in Aussicht gestellten schönsten Frau Griechenlands. Auch in der apulischen Vasenmalerei ist das Gespräch zwischen Hermes und Paris das Hauptmotiv, wobei die Göttinnen sich um beide anordnen und durch die Blickrichtung mit den beiden Gesprächspartnern verbunden sind. Hiervon unterscheidet sich das Bild einer Pelike in Privatbesitz, auf der sich Aphrodite vom Geschehen abwendet, um sich mit einer links sitzenden Frau zu unterhalten, während Eros ihr auf den Schultern sitzt. Aphrodite erscheint auf den apulischen Vasenbildern als eine mit den beiden anderen Gottheiten gleichgestellte Teilnehmerin des Wettkampfes, wobei die Darstellungen in der Regel keinen Schluss auf dessen Ausgang zulassen. Die Vorwegnahme des Urteilsspruches mag man auf einer Szene vermuten, auf der Eros mit einem Kranz auf sie zufliegt und durch die Bekränzung der Aphrodite diese als Siegerin kennzeichnet. Dass Aphrodite bei den Darstellungen des Liebespaares Paris-Helena auftritt, darf nicht weiter verwundern, denn schließlich hatte sie diese Beziehung in Aussicht gestellt und ihr Zustandekommen gefördert. Ein Kelch-
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krater der Vatikanischen Sammlungen in Rom verlegt die Begegnung von Paris und Helena in eine natürliche Umgebung, die durch Pflanzen, Bodenlinien und ein Reh angezeigt wird; als weitere Vertreter der Natur treten ein Pan mit Lagobolon und ein Satyrn mit Phiale und Zweig auf. Rechts lehnt in lässiger Körperhaltung Helena an einem Pfeiler, vor ihr sitzt auf dem Boden Paris mit „phrygischer Mütze“ und Hirtenstab, die beiden Personen sind im Gespräch begriffen, wie Gesten und Blickrichtung verraten; auf einem erhöhten Standort sitzen links Aphrodite mit einem Fächer, die mit der linken Hand ihr Gewand anhebt, und neben ihr ein Eros. Auffällig ist die Geste des Paris, der mit seiner rechten Hand nach oben zur Göttin weist und offensichtlich Aphrodite mit in das Gespräch, ja vielleicht sogar mit in die Verantwortung zukünftiger Geschehnisse, einbezieht, und auch Aphrodite stellt durch die Neigung ihres Kopfes einen klaren Bezug zu den beiden her – sie nimmt also an der sich anbahnenden Liebesbeziehung Anteil. Die Darstellung auf einer Hydria in Privatbesitz verlegt das Ereignis der Begegnung von Paris und Helena in einen Palast, die häusliche Atmosphäre wird hier durch Gegenstände wie den Thron, auf dem Helena sitzt, Podanipter, Räuchergeräte und Diphros mit Kissen angedeutet. Paris, kenntlich an seiner orientalischen Tracht, redet eindringlich auf Helena ein, die den Kopf nachdenklich zur Seite neigt und sich mit einem Fächer Luft zuführt. Es folgt
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Die Lebenswelt der bürgerlichen Frau Die Trennung der Lebensbereiche von Mann und Frau war einer der auffallenden Wesenszüge der antiken griechischen Gesellschaft. Der Mann verbrachte einen Großteil des Tages außerhalb des Hauses, ging seinem Beruf nach, trieb Sport, besuchte Volksversammlungen und nahm aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben seiner Stadt teil. Die Frau dagegen war an das Haus gebunden und verließ es eigentlich nur, wenn hierfür Familienfeste oder religiöse Feiern Anlass boten. Allerdings führte die Abwesenheit des Mannes dazu, dass die Frau im Haus als Herrin fungierte; mit zahlreichen Pflichten und Aufgaben. Dazu gehörte nicht nur die Pflege der Kinder, sondern auch die Aufsicht über das gesamte Hauswesen einschließlich der Sklaven. Sie hatte für das Wohlergeben der Hausgemeinschaft zu sorgen sowie das vom Mann erwirtschaftete Gut und Geld zu verwalten. Knaben und Mädchen wurden im antiken Griechenland unterschiedlich erzogen. Während die Mädchen von der Mutter lediglich Kenntnisse im Lesen und Schreiben vermittelt bekamen und von ihr die hausfraulichen Tätigkeiten wie z. B. das Spinnen der Wolle und Weben von Gewändern erlernten, erhielten die Knaben eine wesentlich ausführlichere Erziehung, denn aus ihnen sollten die Männer werden, die im Erwachsenenalter als Träger der Gesellschaft dienten. Nach der Grundausbildung vom siebten bis zum vierzehnten Lebensjahr im Lesen und Schreiben sowie in Sport und Musik folgte ein meist von Privatlehrern durchgeführter Unterricht in Astronomie, Literatur, Musik, Philosophie und Sport. Im antiken Griechenland war die griechische Frau rechtsunfähig, sie hatte keine politischen Rechte und war vom Haushaltsvorstand abhängig. Vor ihrer Verheiratung war dies der Vater, anschließend ihr Ehemann. Da sie juristisch nicht handlungsfähig war, wählte der Haushaltsvorstand den zukünftigen Ehemann aus und schloss auch den Ehevertrag ab. Ebenfalls vertraglich geregelt wurde der Umfang der Mitgift, die nicht nur Wertgegenstände umfasste, sondern auch Kleidungsstücke und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs. Nach der Eheschließung verließ die Braut das Elternhaus und zog in das Haus des Bräutigams. Da ein griechisches Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren heiratete, wird es eine sehr große Umstellung gewesen sein, aus dem Schutz des elterlichen Anwesens in ein fremdes Haus mit einem fremden Mann zu ziehen. Obwohl dem Mann untergeordnet, war ihre Tätigkeit als Hausfrau von der Gesellschaft hoch geachtet: Die Ehefrau lebte und sorgte für ihr neues Zuhause und für ihren Mann – und schuf so die Grundfesten für das Funktionieren der griechischen Gesellschaft.
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eine Frau mit Schirm, die gespannt den Worten des Paris zuhört. Auf einem Klappstuhl sitzt Aphrodite und ein Eros lehnt sich an das Bein seiner Mutter, während ein zweiter Eros einer Frau, die an einem Becken lehnt, einen Schuh an- oder auszieht; ein zweiter Schuh steht neben ihm. Hier hat sich Aphrodite noch mehr als auf der zuvor erwähnten Vase in das Geschehen mit eingebracht, denn sie erscheint als offensichtlich persönlich auftretende Göttin, als Mitglied des Haushaltes, als Teilnehmerin und Zuhörerin des Gespräches zwischen Paris und Helena – überraschend ist allerdings, dass sie mit ihrer rechten, herabhängenden Hand einen Bogen hält, der eigentlich mit dem dazugehörigen Pfeil ein Attribut des Eros ist. Auf einigen Darstellungen gehen die Vasenmaler sogar noch einen Schritt weiter und lassen Aphrodite aktiv in das Geschehen eingreifen: Auf einer Nestoris in Neapeler Privatbesitz sind im oberen Bildfries eine Frau mit Fächer, Tympanon und geöffnetem Kästchen, die auf dem Diphros sitzende Helena, Aphrodite und der auf einem Klappstuhl sitzende Paris mit Eros dargestellt. Aphrodite hat Helena am Handgelenk gepackt, offensichtlich will die Göttin sie zum Aufstehen ermuntern, um sie Paris zuzuführen, der von Eros, der wieder das Liebesrädchen
hält, bekränzt wird. Bemerkenswert ist, dass Helena einen Spinnrocken in der linken Hand hält und dass vor ihr ein Kalathos steht, d. h. ihre zukünftige Rolle als Ehe- und Hausfrau wird durch diese Gegenstände vorweggenommen. Eine zweite Darstellung befindet sich auf einem Volutenkrater, der die Ankunft Helenas und Paris’ in Troja schildert (Abb. 28). Im oberen Register befinden sich – inschriftlich genannt – Kassandra, Paris, Helena, Aphrodite, Troilos und Priamos, im unteren Teil steigt Eros von dem Schiff, mit dem Paris und Helena angekommen sind; ein Trojaner trägt einen Reisesack und eine Frau bewegt sich eilends nach rechts zu einem Brunnenhaus. Während Kassandra in nachdenklicher Haltung auf dem Boden sitzt und sich dadurch aus dem Ereignis ausklammert, sind die anderen Personen durch Gestik und Blickrichtung miteinander verbunden: Aphrodite wendet sich Helena zu und nimmt sie bei der Hand, um sie Priamos zuzuführen – sie wird die Heroin zu dem letzten Schritt drängen, in den Palast von Troja Einzug zu halten. Wie bekannt, rüsteten die Griechen nach der Flucht von Paris und Helena nach Troja zum Krieg und konnten die Stadt nach längeren Kämpfen einnehmen, wobei es auch zu einem Wiedersehen zwischen Menelaos und Helena kam. Im ersten Moment wollte Menelaos
Abb. 28 Aphrodite führt Helena zu Priamos. Die Szene auf einem Volutenkrater schildert die Ankunft von Helena und Paris in Troja. Genf, Musée d‘art et d’histoire.
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Helena aufgrund ihrer Untreue und als Verursacherin des Trojanischen Krieges töten, doch dann versöhnte er sich mit ihr. Die unteritalischen Vasenmaler verlegten das Wiedersehen vielfach in den Tempel der Athena und kombinierten es mitunter mit der Schändung der Kassandra durch Aias. Auf einer apulischen Amphora in Privatbesitz, die vom Baltimore-Maler stammt und um 330–320 v. Chr. zu datieren ist, läuft Helena auf das Standbild der Athena zu, das sie fast erreicht hat, während Menelaos ihr mit gezücktem Schwert folgt. In die gleiche Richtung, jedoch zwischen beiden, läuft Aphrodite mit einem Fächer in der linken Hand, die rechte hält sie geöffnet Menelaos entgegen, während ein kleiner Eros versucht, den Helden am Bein zurückzuhalten. Zwar drückt die Gestik der Aphrodite Entsetzen und Schrecken aus, doch entscheidet sie durch ihr persönliches Erscheinen das Geschehen und letztendlich wird der Zorn des Menelaos besänftigt und seine Liebe zu Helena neu entfacht. Auf einem Volutenkrater desselben Malers ist das Ereignis wiederholt, wenn auch mit geringen, aber wichtigen Abweichungen: So hat Helena die Basis des Standbildes der Athena bereits erreicht und umgreift es schutzflehend. Aphrodite steht nun als hoheitsvolle Göttin vor Menelaos und redet eindringlich auf ihn ein, auf die Wiedergabe des Eros verzichtet der Maler. Im Unterschied zu der ersten Darstellung, in der die geöffnete Hand eher ein Entsetzen, denn als ein beherztes Eingreifen ausdrückt, ver-
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sucht die Göttin jetzt mit Überzeugung den zürnenden Menelaos zum Einlenken zu bewegen. Der Baltimore-Maler hat die Begegnung zwischen Menelaos und Helena noch ein weiteres Mal dargestellt. Auf einer Amphora in Melbourne greift Aphrodite mit Macht in das Geschehen ein, indem sie den Schildrand umgreift und Menelaos kraftvoll zurückhält. Der Baltimore-Maler hat also drei Varianten des Erscheinens der Aphrodite Bild werden lassen: zum einen das entsetzte Zurückweichen, dann die eindringlich redende Aphrodite und zuletzt die beherzt eingreifende Göttin. Aphrodite schützt die Heroine, die auf ihre Veranlassung ihren Gatten verlassen und Paris nach Troja gefolgt war. Aber damit ist nicht gesagt, dass Aphrodite auf allen Vasen auftritt, die die Zerstörung Trojas und die Rückgewinnung Helenas schildern. So fehlt sie z. B. auf dem eponymen Werk des Iliupersis-Malers in London.
Aphrodites Bedeutung auf apulischen und pästanischen Vasen Aphrodites Auftreten auf apulischen und pästanischen Vasen erfolgt also auf unterschiedliche Weise: Sie kann durch einen direkten Bezug, der durch Gestik und Blickrichtung hergestellt wird, in eine Szene integriert werden, als neutrale, inaktive Anwesende erscheinen, die erst durch die Vermittlung anderer Gestalten, Eroten oder Frauen, in das mythologische Geschehen mit einbe-
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zogen wird oder aber es gibt zwischen ihrem Auftreten und der geschilderten mythologischen Begebenheit gar keinen Bezug. Auf einigen Szenen, die das Zusammentreffen von Paris und Helena bzw. die Rückgewinnung der Helena durch Menelaos schildern, wird sie die aktiv Handelnde, die durch ihr Eingreifen erst Liebessehnsucht oder
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-verlangen neu erweckt und dadurch zur Stifterin von zukünftigem Eheund Familienglück wird. Bemerkenswert ist allerdings, dass sie auf den Darstellungen des Parisurteils fehlen kann, obwohl sie ja eigentlich als Siegerin die Hauptperson ist, doch sind von dieser verkürzten Darstellungsweise auch die anderen Protagonisten betroffen.
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BIBLIOGRAFIE (AUSWAHL) W. Atallah, Adonis dans la littérature et l’art grecs (1966).
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ABBILDUNGSNACHWEIS Titel: Ministero per i Beni e le Attività Culturali – Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Roma/ Jastrow (2006) Frontispiz, 8, 13: akg-images/Erich Lessing 1: akg-images/Rabatti-Domingie 2: Martina Seifert 3: bpk/Hervé Lewandowski 4, 19: akg-images 5: Jacqueline Kersten 6: bpk 7: bpk / Vorderasiatisches Museum, SMB / Jürgen Liepe 9: Oxford, Ashmolean Museum 10: nach A. Parrot – M. H. Chéhab – S. Moscati, Die Phönizier (München 1977) 11: Kathrin Kleibl 12: bpk/Vorderasiatisches Museum, SMB/Olaf M. Teßmer 14: Philippe Maillard/akg-images
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15, 24: Trustees of The British Museum 16: Zeichnung Anna Kieburg, nach J. M. Webb, Ritual Architecture, Iconography and Practice in Late Cypriot Bronze Age (1999) Abb. 22 17, 18: Nicosia, Cyprus National Museum 20: Karlsruhe, Badisches Landesmuseum 21: nach B. Soyez, Byblos et la fête des Adonies, in : EPRO 60 (1977) 19, Fig. 4 22: nach S. Stucchi, L’oiketerion di Afrodite a Paphos, AntCl 43.1 (1991) 41 f., Fig. 8 23: Wiebke Friese 25: The State Hermitage Museum, St. Petersburg 26: nach A. Westholm, The Tempels of Soli (1936), Plan II 27: bpk/RMN 28: Musée d’art et d’histoire, Ville de Genève
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ADRESSEN DER AUTOREN Judith Budesheim Archäologisches Institut Universität Hamburg Edmund-Siemers-Allee 1 20146 Hamburg Dr. Wiebke Friese Archäologisches Institut Universität Hamburg Edmund-Siemers-Allee 1 20146 Hamburg Dr. Rolf Hurschmann Gräningstieg 1 b 22525 Hamburg Jacqueline Kersten M. A. Schlüterstr. 6 20146 Hamburg
Dr. Kathrin Kleibl Kegelhofstr. 22 20251 Hamburg Maren-Grischa Schröter M. A. Archäologisches Institut Universität Hamburg Edmund-Siemers-Allee 1 20146 Hamburg PD Dr. Martina Seifert Universität Bern Institut für Archäologie des Mittelmeerraums Länggassstrasse 10 CH-3012 Bern Schweiz
Anna Kieburg M. A. Adolfstr. 23 53111 Bonn
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Weitere Titel aus dem VERLAG PHILIPP VON ZABERN
Ein Buch über Frauen, Liebe und Krieg. Ein Bildband zu einem großen Mythos. Kaum ein anderer Stoff der antiken Mythologie hält uns bis heute so nachhaltig in seinem Bann wie die Sagen über die Amazonen. Sie kämpften vor Troia und drangen bis in das Herz Athens vor; männlichen Kriegern gleichgestellt, brachen sie mit allen gesellschaftlichen Vorstellungen. Als Sinnbild für das Fremde, das Feindliche waren sie Griechen und Römern im Skulpturenschmuck der Tempel, in den Bildern der Vasen oder in den großen literarischen Epen allgegenwärtig. Der vorliegende Band schildert entlang zentraler archäologischer Denkmäler Griechenlands, Kleinasiens und der Länder des Schwarzen Meeres ein farbenprächtiges und widersprüchliches Bild der Amazonen als Verkörperung der Gegenwelt, aber auch als Spiegelbild griechischer Frauen. Am Ende stellt sich dem Leser die Frage: Hat es die Amazonen nicht doch wirklich gegeben? »Mit Amazonen. Frauen, Kämpferinnen, Städtegründerinnenlegt der Berliner Archäologe Jochen Fornasier jetzt eine illustrierte Studie vor, die sich der geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitung der Amazonensage und ihrem Nachwirken widmet. Fornasier liest die historischen Texte neu und leistet eine eigene Interpretation, gelegentlich auch jenseits der etablierten Lehrmeinung.« Die Welt
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Jochen Fornasier Amazonen Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen Zaberns Bildbände zur Archäologie ISBN 978-3-8053-3784-7 € 19,90 (D) / sFr 35,90
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Weitere Titel aus dem VERLAG PHILIPP VON ZABERN
Die meistbesuchten Museen Deutschlands neu fotografiert und präsentiert. Das Pergamonmuseum ist auf Grund seiner einzigartigen Kunstwerke das meist besuchte Museum in Berlin. Umfangreiche Renovierungsarbeiten in den vergangenen Jahren lassen nicht nur den frisch restaurierten Pergamonaltar in neuem Licht erscheinen. Neben den absoluten Glanzstücken des Alten Museums und des Pergamonmuseums zeigt der Band zahlreiche antike Skulpturen, die nun erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder zu sehen sind. Ein Rundgang durch die griechische und römische Welt, für den fast alle Objekte neu fotografiert und die Katalogtexte auf den Stand der aktuellen Forschung gebracht und neu verfasst wurden.
»Dieser prächtige Band, in 3., erweiterter Auflage erschienen, mag den Besuch der Museumsinsel vielleicht nicht ersetzen, aber er beeindruckt mit hochwertigen Farbabbildungen, sodass die Kunstwerke dem Leser bzw. Betrachter in der Tat sehr nahegehen.« Pax et gaudium
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Andreas Schott, Gertrud Platz (Hrsg.) Altes Museum · Pergamonmuseum Die Antikensammlung ISBN 978-3-8053-2449-6 € 39,90 (D) / sFr 67,00
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Weitere Titel aus dem VERLAG PHILIPP VON ZABERN
Die Zeit des Hellenismus (ca. 320–30 v. Chr.) zählt zu den reichsten, aber auch zu den am schwierigsten zu beurteilenden Entwicklungsphasen der griechischen Plastik. In dieser Epoche breitet sich die griechische Kultur über alle Länder des Mittelmeerraums aus. Dabei entstehen neue Zentren, hinter denen die traditionellen Kristallisationspunkte griechischer Kultur zurücktreten. Entsprechend wächst die Vielfalt der Stile und Formen. Unter der Leitung des Museums Alter Plastik im Liebieghaus in Frankfurt am Main hat sich ein Team von Wissenschaftlern zusammengefunden, die als hervorragende Kenner griechischer Plastik ausgewiesen sind. Ihre Darstellung konzentriert sich darauf, die Entwicklung der bildhauerischen Formen zu beschreiben und zu erläutern.
»Das Werk kann man wie seine Vorgänger bereits jetzt als ›Klassiker‹ loben.« Pax et gaudium
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Peter C. Bol (Hrsg.) Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst III Hellenistische Plastik ISBN 978-3-8053-3657-4 € 89,00 (D) / sFr 150,00
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