Anwaltsstation Zivilrecht: Klausur – Vortrag – Kanzleipraxis 9783504382865

Sicher durch die Anwaltsklausur Nach der Reform der Referendarausbildung ist die „Anwaltsklausur“ vielfach zu einer ec

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German Pages 194 Year 2010

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Anwaltsstation Zivilrecht: Klausur – Vortrag – Kanzleipraxis
 9783504382865

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Holling Anwaltsstation Zivilrecht Klausur Vortrag Kanzleipraxis

Anwaltsstation Zivilrecht Klausur Vortrag Kanzleipraxis von

Leonora Holling Rechtsanwältin Düsseldorf

2011

Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Körperschaft des öffentlichen Rechts

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen N ationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-sclunidt.de ISBN 978-3-504-62901-4

C2011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Ve:rvielfälti.gungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverlilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: C. Wtl.d, Konstanz Druck und Verarbeitung: Hetz, Darmstadt Printed in Germany

Vorwort Durch die Justizprüfungsämter wurden schon vor der Reform der Referendarausbildung im Bereich Zivilrecht bei schriftlichen Aufsichtsarbeiten immer wieder Aufgaben gestellt, die dem anwaltlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen waren. Neben der zu prüfenden materiellen und prozessualen Rechtslage zeichneten sich diese Aufgabenstellungen dadurch aus, dass insbesondere zweckmäßiges anwaltliches Handeln durch die Kandidaten dargestellt werden sollte. Diese dem anwaltlichen Berufsfeld entlehnten Klausuraufgaben beschränkten sich jedoch weitestgehend auf Zusatzfragestellungen zur zweckmäßigen Vorgehensweise aus anwaltlicher Sicht und nahmen nur einen kleinen Teil der eigentlichen Prüfungsaufgabe ein. Nach der Reform der Referendarausbildung und der nunmehr zeitlich und inhaltlich stark aufgewerteten Anwaltsausbildung ist dies anders geworden. Soweit es in einer Prüfung im Zivilrecht um anwaltliche Tätigkeiten geht, werden von den Kandidaten Lösungsvorschläge erwartet, wie sie tatsächlich Alltagspraxis anwaltlicher Tätigkeit sind. Dies gilt sowohl für anwaltliche Klausuren, als auch für Kurzvorträge. Angesichtes des Umstandes, dass ein Großteil der Assessoren später als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt tätig sein werden, soll bereits während der Referendarausbildung das praktische Wissen hierzu vermittelt und durch die Kandidaten auch angewendet werden. Der Übergang von der theoretischen Ausbildung zur praktischen Berufsausübung wird hierdurch erleichtert. Wesentliches Ziel dieser praxisorientierten Ausbildung ist es, die Sichtweise der Rechtsanwältin/des Rechtsanwaltes als einseitigen Parteivertreter einzuüben, wobei im Zivilrecht die Durchsetzung des wirtschaftlichen Interesses des Mandanten im Vordergrund steht. Im außergerichtlichen wie gerichtlichen Bereich muss der Rechtsanwalt daher zwei wesentliche Gesichtspunkte in den Mittelpunkt der Beratung des eigenen Mandanten stellen: Zum einen hat er die Durchsetzung des eigentlichen Anspruches des Mandanten bzw. die Abwehr des Anspruches der gegnerischen Partei im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bestmöglich zu erreichen. Zum anderen ist diese Durchsetzung oder Abwehr des Anspruches mit dem für den Mandanten geringsten möglichen finanziellen Risiko zu erreichen. Während Ersteres eine genaue Prüfung der materiellen Rechtslage voraussetzt, wird Letzteres durch Prüfung des richtigen (außer-)prozessualen Vorgehens erreicht. Die Wahl der Taktik anwaltlichen Handelns, ob in der Prüfungssituation oder später in der praktischen Berufsausübung, ist Zweckmäßigkeitsfrage. Eine optimale Prüfungsleistung im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung bedeutet daher sowohl die zutreffende Rechtslage, als auch die im Mandanteninteresse beste tatsächliche Umsetzung darzustellen. Die folgenden Ausführungen sollen hierfür maßgebliche Unterstützung sowohl bei der optimalen Lösung einer Anwaltsklausur, als auch bei einem Kurzvortrag im Rahmen einer anwaltlichen Fragestellung bieten. V

Vorwort

Schließlich richtet sich dieses Werk auch an den anwaltlichen Berufseinsteiger und die ihn dort erwartenden Probleme im Rahmen der alltäglichen Kanzleipraxis. Hierbei geht es nicht darum, mit dieser Schrift lediglich wiederholt zu rekapitulieren, was in Referendararbeitsgemeinschaften und Repetitorien ohnehin als Lernstoff angeboten und eingeübt wird. Vielmehr soll die zukünftige Rechtsanwältin/der zukünftige Rechtsanwalt oder einfach nur derjenige, der sich im zweiten juristischen Staatsexamen mit anwaltlichen Fragestellungen konfrontiert sieht, in die Lage versetzt werden, sowohl durch die Sicht einer erfahrenen Praktikerin, als auch in ihrer Eigenschaft als langjährige Leiterin einer Referendararbeitsgemeinschaft, den nötigen Wissensvorsprung zu erhalten, der nicht nur zum Bestehen einer anwaltlichen Aufgabe, sondern zu deren optimalem Bestehen entscheidende Hilfestellung leistet. Düsseldorf, im Oktober 2010

VI

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht I. Prüfung der Klausuraufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informationssammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Aufgabenstellung in der Klausur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herangehensweise an den Aufgabentext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung des Mandantenbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erste Prüfungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung der zutreffenden Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten des Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Prüfung der Beweissituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweis und Beweisprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweismittel der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das selbständige Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erarbeitung einer Lösungsskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die vorläufige Lösungsskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweckmäßigkeitsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 1 2 2 3 4 5 8 8 9 10 11 11 12

II. Lösung der Klausuraufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umsetzung der Lösungsskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Zeitmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gutachten- oder Urteilsstil in einer gutachterlichen Prüfung . . . . . . c) Darstellung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfertigung der Reinschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwurf von Schriftsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gutachten in Kombination mit praktischer Arbeitsweise . . . . . . . . . 3. Besonderheiten des Versäumnisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessuale Situation im Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Echtes und unechtes Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Begründetheit des Einspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Säumnis im Einspruchstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 13 14 15 16 16 16 17 18 18 20 21 22 23

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

IV. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Seite

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers I. Erstellung einer Klageschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rubrum der Klageschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressat der Klageschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Parteien des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mehrheit von Parteien auf Kläger oder Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Ende des Rubrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parteiänderung vor und nach Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tod, Insolvenz oder Nacherbfolge der Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Kläger . . . . . . . . c) Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Beklagten . . . . . d) Gewillkürter Parteiwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der eigentliche Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klageantrag zur Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten der Leistungsklage, Teilklage und Hilfsantrag . . . . . c) Feststellungsklagen und Gestaltungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfall der bedingten Klageeinreichung bei Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anträge zu den Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit . . . . . . 4. Die Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung der streitbefangenen Sache als Klageänderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Klagebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 26 27 27 29 29 29 30 30 33 35 36 36 38 40 41 44 46 46 47 47 47 49

II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten I. Die Ermittlung des Sachverhaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Verfahrensstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stand des Verfahrens bei „Mandatsannahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfung der zivilprozessualen Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweismittel und Beweislastverteilung auf Beklagtenseite . . . . . . . . . . a) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit, Widerklage . . . . . . . . . . . . . . a) Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 59 60 61

II. Erstellung der Klageerwiderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufbau der Klageerwiderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegung zur Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälle der Unzulässigkeit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Begründung in der Klageerwiderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufbau der Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darstellung der Beweissituation aus Beklagtensicht . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliche Ausführungen in der Klageerwiderung . . . . . . . . . . . . . . .

62 62 62 63 64 64 64 65 66

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

IV. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die Berufung in Zivilsachen I. Zulässigkeit der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzung der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand Endurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulassung der Berufung in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form, Frist und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69 69 69 70 70 70 71 72

II. Die Berufungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Berufungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründetheit der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anträge der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufbau der Berufungsbegründungsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anschlussberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 73 73 73 74 74 75 75 77

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IX

Inhaltsverzeichnis Seite

E. Die Revision in Zivilsachen I. Die Zulässigkeit der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79

2. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Form und Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Begründetheit der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sach- und Verfahrensrügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht I. Grundlagen der Zwangsvollstreckungsklausur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aufgabenstellung in der Zwangsvollstreckungsklausur . . . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übersicht über klausurrelevante Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung des Mandantenbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt Klausuraufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nochmals: Gutachten- oder Urteilsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundsätze zur Begründetheit im Rahmen der Zwangsvollstreckungsklausur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässigkeit und Begründetheit ausgewählter Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klage nach § 768 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erinnerung nach § 766 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

82 82 82 82 83 83 84 86 88 88 88 88 89 89 89 90 90 91 91 91 93 93 93 94

Inhaltsverzeichnis Seite

6. Klage gemäß § 826 BGB auf Feststellung der Unwirksamkeit eines rechtskräftigen Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . c) Sofortige Beschwerde, § 793 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtliche Entscheidung aufgrund Widerspruchs . . . . . . . . . . . . .

94 94 94 96 96 96 97 97

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

G. Ausgewählte Übungsfälle I. Übungsfall Eins: „Die Eismacher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 99

2. Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des Mandantenbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorüberlegungen zu Maßnahmen gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgehen gegen den Mahnbescheid vom 26.9.2003 . . . . . . . . . . bb) Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 . c) Klage gegen den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gem. § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Örtliche und sachliche Zuständigkeit als Probleme der Zulässigkeit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Begründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Maßnahmen gegen den gegenüber dem Mandanten bestehenden Haftbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, § 793 ZPO . . . . . . . . . . bb) Begründetheit der sofortigen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . dd) Gerichtliche Entscheidung aufgrund Widerspruchs des Mandanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Maßnahmen gegen die Pfändung des Motorrades . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erinnerung nach § 766 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Maßnahmen gegen die Pfändung des Computers . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erinnerung nach § 766 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einstweilige Verfügung gem. § 935 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abschließender Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 111

II. Übungsfall Zwei: „Ärger für die Bank“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121

111 111 111 112 112 113 113 115 115 115 116 116 116 117 117 117 117 117 119 119

XI

Inhaltsverzeichnis Seite

2. Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des Mandantenbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gutachterliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . c) Gutachterliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründetheit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prüfung der Erfolgsaussichten des Unterlassungsbegehrens der Mandantin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abschließender Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . cc) Unterlassungsbegehren der Mandantin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 133 133 134 136 136 137 137 137 137 138 138 139 139

Teil 2: Der Aktenvortrag A. Vorbereitung auf den Aktenvortrag I. Stand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkrete Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 141

2. Ermittlung der Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

3. Beweisantizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

II. Festlegung eines Votums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144

2. Abänderung des Votums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

B. Halten des Aktenvortrages I. Taktische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beginn des Aktenvortrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146 146

2. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

II. Die Sachverhaltsschilderung im Aktenvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung des unstreitigen Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 147

2. Die Darstellung des streitigen Sachverhaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

III. Die rechtliche Lösung des Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Argumentationsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148 148

XII

Inhaltsverzeichnis Seite

2. Zwischenüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

3. Zweckmäßigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150

4. Abschließender Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Teil 3: Kanzleipraxis A. Stellung des Rechtsanwaltes I. Berufsrecht in der zivilrechtlichen Kanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berufsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 155

2. Selbstanfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

II. Rechtsanwalt und Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annahme des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 156

2. Beratungspflicht hinsichtlich Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

3. Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

III. Ermittlung des Sachverhaltes in der zivilrechtlichen Praxis . . . . . . . . . . 1. Informationssammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 158

2. Ermittlung von Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158

3. Ermittlung der Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

4. Prozessuale Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

IV. Fristkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versäumung von Fristen ohne Verschulden des Rechtsanwaltes . . . . .

160 160

2. Versäumung von Fristen bei Verschulden des Rechtsanwaltes . . . . . .

162

B. Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Außenverhältnis I. Umsetzung des Mandantenbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164

2. Umfang der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

3. Informationspflichten gegenüber dem Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . .

164

II. Der Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegner mit neuem Sachvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 165

XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

2. Nichterscheinen des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

III. Mandate mit Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungspflichten des Rechtsanwaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 168

2. Folgen der Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

IV. Beendigung des Auftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Belehrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169 169

2. Abrechnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170

3. Der Rechtsanwalt in der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

4. Anträge in Ergänzung des Auftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 D. Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

XIV

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht I. Prüfung der Klausuraufgabe 1. Informationssammlung Die Anwaltsklausur im Zivilrecht gilt bei vielen Rechtsreferendaren als eine der unbeliebteren Klausuraufgaben, da der Typ Anwaltsklausur in der Ausbildung immer noch eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. Hinzu kommt, dass die Anwaltsklausur im Bereich Zivilrecht von den Rechtsproblemen und der Klausuraufgabe her sehr vielgestaltig und damit schwer einübbar erscheint. Hierbei soll die Anwaltsklausur jedoch auch das breite Spektrum des später im Zivilrecht tätigen Rechtsanwaltes nachvollziehen, so dass die Frage der richtigen Herangehensweise an die Anwaltsklausur bereits über die erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Lösung der Klausuraufgabe entscheidet. Die richtige Herangehensweise an die zivilrechtliche Anwaltsklausur ist zunächst ein Problem des richtigen Zeitmanagements. Die überwiegende Mehrheit der bisher durch die Justizprüfungsämter gestellten Anwaltsklausuren zeichnen sich so durch einen erheblichen Bearbeitungsumfang aus, so dass für die erfolgreiche Bearbeitung einer zivilrechtlichen Anwaltsklausur eine bestimmte Bearbeitungsreihenfolge gewählt werden muss. Dabei kann der Bearbeitungsumfang sowohl in der Fülle der durch den Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsprobleme, als auch schlicht im Umfang der mitgeteilten Sachinformation liegen. a) Die Aufgabenstellung in der Klausur Die erste Lektüre der Aufgabenstellung einer Anwaltsklausur im Zivilrecht hat daher, unter dem Gesichtspunktes des richtigen Zeitmanagements, mit dem Ergebnis einer orientierten Kenntnisnahme der eigentlichen Prüfungsaufgabe zu beginnen. Dies bedeutet, dass zunächst die Aufgabenstellung am Schluss des Aufgabentextes gelesen und auch durchdacht werden sollte, bevor man die eigentlichen Aufgabentexte unter diesem Blickwinkel der Aufgabenstellung durcharbeitet. Nur das so gefundene Ergebnis wird dann Inhalt der eigenen Klausurlösung. Beispiel Verschiedene denkbare Aufgabenstellungen: aa) Es ist ein Gutachten über die Erfolgsaussichten zu erstellen. bb) Einstweiliger Rechtsschutz ist zu prüfen/nicht zu prüfen. cc) Die Schriftsätze an das Gericht sind zu entwerfen. dd) Eine Sachverhaltsschilderung ist entbehrlich oder zu fertigen. 1

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

b) Herangehensweise an den Aufgabentext Hat man die Aufgabenstellung der Klausur gelesen und durchdacht, folgt als Nächstes die erste Lektüre des, meist in Form von Aktenauszügen, bestehenden eigentlichen Klausurtextes. Die gängigen Klausuraufgaben beginnen in der Regel mit einem Aktenvermerk desjenigen Rechtsanwaltes, dessen „Rolle“ man im Rahmen der Klausurbearbeitung übernehmen soll. Insoweit ist es wichtig, diese einzelnen Schriftstücke nunmehr nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenstellung, sondern auch der Rollenverteilung zur Kenntnis zu nehmen.

Ü

Hinweis: In der Praxis wird der Rechtsanwalt bei dem Erstgespräch mit einem neuen Mandanten auch zunächst durch geeignete Fragestellung direkt von Anfang an versuchen, in Erfahrung zu bringen, was das rechtliche Begehren des Mandanten ist. Er wird also versuchen, von dem Mandanten Informationen über das möglicherweise in Betracht zu ziehende Rechtsgebiet zu erlangen, wer der potentielle Gegner ist, wie sich der Stand des Verfahrens derzeit darstellt und ob besondere Eilbedürftigkeit vorliegt. Hiernach wird der Rechtsanwalt seine weitere Vorgehensweise abstimmen und den Mandanten entsprechend beraten.

Das anfängliche Schriftstück einer Anwaltsklausur, regelmäßig der Eingangsvermerk, leitet schon in den konkreten Sachverhalt und die vorgesehene (Prozess-)Rolle des Klausurbearbeiters ein. Unter diesem Aspekt sollte man die weiteren Schriftstücke würdigen und sich einen ersten Überblick über den Sachverhalt aus Sicht der geforderten Perspektive verschaffen. Beispiel „[…] Sachverhaltsschilderung auf einem anwaltlichen Briefkopf Vermerk: 1.



2.



3.

Akte anlegen und zur Frist, Wiedervorlage: 28.3.2008

4.

Frau Rechtsreferendarin mit der Bitte, den Sachverhalt unter dem Aspekt der Klageerhebungsmöglichkeiten gegenüber der gegnerischen Bank zu prüfen.“

Hier wäre es die Aufgabe, aus Anwaltssicht eine Klageerhebung vorzubereiten.

Ü

Hinweis: Soweit laut Sachverhalt von juristischen Laien juristische Fachausdrücke (z. B. in Schreiben des eigenen Mandanten an den Gegner) verwendet werden, sollten diese von Anfang an einer genauen, kritischen Prüfung unterzogen werden, ob der jeweilige Fachausdruck korrekt oder umgangssprachlich verwendet wurde. Regelmäßig hat hier der Klausursteller ein Problem angesiedelt, dessen Behandlung er in der Klausurbearbeitung erwartet.

2. Ermittlung des Mandantenbegehrens Soweit aufgrund der durch die erste Lektüre des Sachverhaltes bereits vorgenommenen Einschätzung fest steht, dass eine Tätigkeit auf Seiten der klagenden Partei 2

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Klausuraufgabe ist, sollte die weitere Prüfung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der zweckmäßigsten Durchsetzung des Mandantenbegehrens, also der erfolgreichen Geltendmachung des Anspruches, erfolgen. Entsprechend sollte, soweit eine Tätigkeit auf Seiten der beklagten Partei gefordert wird, die Prüfung auf die effektivste Abwehr des gegnerischen Anspruches gerichtet sein. a) Erste Prüfungsschritte aa) Der Aufgabentext ist zunächst darauf zu prüfen, welche Informationen des Mandanten auf das Vorliegen einer Anspruchsgrundlage hindeuten könnten. In der Regel werden sich schon im ersten Vermerk des Aufgabentextes Hinweise auf Anspruchsgrundlagen finden, welche dann unter die entsprechenden Vorschriften zu subsumieren sind. Beispiel Erklärt der Mandant, dass er von einem Dritten eine Sache heraus verlange, kann dies auf einen Anspruch aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis hindeuten, aber auch auf einen Übereignungsanspruch aus einem Kaufvertrag. bb) Soweit verschiedene Anspruchsgrundlagen für den denselben Sachverhalt in Betracht gezogen werden können, gelten die allgemeinen Regeln, dass beispielsweise vertragliche Ansprüche vor deliktischen Ansprüchen zu prüfen bzw. deliktische Ansprüche nur sekundär zu prüfen sind. Es ist Aufgabe des Klausurbearbeiters bzw. Rechtsanwaltes insoweit die zur Anspruchsbegründung zutreffenden Anspruchsgrundlagen aufzufinden und unter den Sachverhalt zu subsumieren. Hierbei unterscheidet sich die Prüfung auf Kläger- oder Beklagtenseite zu diesem Zeitpunkt nicht, da die möglichen Anspruchsgrundlagen aus beiden Blickwinkeln zunächst identisch zu beurteilen sind.

Ü

Hinweis: Während im Kurzvortrag oder auch in der Praxis regelmäßig nur ein bis zwei Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen werden, sind Anwaltsklausuren regelmäßig mit einer Vielzahl verschiedener Anspruchsgrundlagen ausgestattet. Soweit der Bearbeiter im Rahmen der Erstellung seiner Lösungsskizze insoweit nur eine Anspruchsgrundlage aufgefunden haben sollte, ist zu empfehlen, den Sachverhalt nochmals kritisch zu speziell dieser Thematik zu überprüfen.

cc) Gegebenenfalls kann man Anspruchsgrundlagen, die nur hilfsweise in Betracht kommen, kurz erwähnen oder sie sogar nur im Rahmen ergänzenden Gutachtens ansprechen. Wird im Rahmen einer anwaltlichen Klausurstellung eine prozessrechtliche Situation in den Mittelpunkt gestellt, was regelmäßig der Fall ist, muss sich der Bearbeiter einen Überblick verschaffen, welcher Klagetypus in Betracht kommt. Auf Klägerseite wäre, ausgehend von der Anspruchsgrundlage, zu entscheiden, wie der Anspruch des Mandanten optimal durchgesetzt werden kann.

3

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

b) Ermittlung der zutreffenden Klageart aa) Die überwiegende Mehrzahl der Klagen stellen hierbei die sog. Leistungsklagen (§§ 253, 254, 255, 257, 258, 259 ZPO) dar. Sie sollen den Schuldner zu einer Leistung veranlassen. Eine Besonderheit ergibt sich in diesem Zusammenhang insbesondere durch die Möglichkeit zur Erhebung einer Abänderungsklage gem. § 323 Abs. 1 ZPO. Mit dieser kann ein bereits titulierter Anspruch (auf Leistung) veränderten Gegebenheiten angepasst waren, soweit diese Veränderungen erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind (§ 323 Abs. 2 ZPO). Im Wesentlichen werden durch die Abänderungsklagen daher Veränderungen erfasst, die im ursprünglichen Titel nicht mehr berücksichtigt werden konnten, weil die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Endes der mündlichen Verhandlung nicht vorlagen. Beispiel Im Rahmen eines titulierten Unterhaltsanspruches hat sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zwei Jahre nach der Titulierung des Unterhaltes signifikant erhöht, so dass der Schuldner in eine andere Tabellenstufe einer der durch die Oberlandesgerichte festgelegten Unterhaltstabellen einzuordnen ist. Umstritten ist hierbei, ob tatsächlich nur eine Verurteilung zu einer Leistung mit der Abänderungsklage angegriffen werden kann (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 323 Rz. 3 ff.). Ausgangspunkt der Abänderungsklage ist aber im Falle der Leistungsklage stets eine bereits bestehende Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen. Die Abänderungsklage ist immer dann zu erheben, wenn eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse eintritt, die für die zeitige Verurteilung der Höhe oder der Dauer nach maßgebend waren. Die Änderung der maßgeblichen Verhältnisse darf jedoch gem. § 323 Abs. 2 ZPO erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten sein, auf welche die Veurteilung zur Leistung erfolgt ist bzw. nicht mehr durch Einspruch geltend gemacht werden konnte. Die Intention ist hierbei, zum einen geänderte Verhältnisse auch nach der Rechtskraft einer Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen berücksichtigen zu können, andererseits aber auch die klagende Partei im Rahmen des ersten Verfahrens dazu zu veranlassen, sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vollständig zu erklären. Die Abänderungsklage hat hierbei alleine die Veränderung der rechtsbegründenen Tatsachen zum Inhalt. Zu weiteren, besonderen Form der Leistungsklage zählen auch der Urkunden- und Wechselprozess (§§ 592 ff. ZPO). bb) Nicht immer wird der Kläger jedoch eine Leistung begehren. So besteht die Möglichkeit, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Wege der Feststellungsklage gerichtlich prüfen zu lassen. Beispiel Im Arbeitsprozess hat der beklagte Arbeitgeber gegenüber einem Angestellten eine Kündigung ausgesprochen. Hier geht es nicht darum, den Arbeitgeber auf Lohn(fort)zahlung zu verklagen, sondern zunächst feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhält4

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

nis überhaupt nicht beendet wurde. Entsprechend ist hier auf Unwirksamkeit der Kündigungserklärung zu klagen. cc) Einen anderen Fall betrifft das Begehren des Klägers die Rechtslage durch Urteil unmittelbar zu gestalten, wie es im Falle der Gestaltungsklage möglich ist. Beispiel Der wohl typischste Fall einer Gestaltungsklage ist das Scheidungsverfahren. Durch Scheidungsurteil wird die Rechtslage dergestalt abgeändert, dass die Parteien nicht mehr miteinander verheiratet sind und somit die sich aus dem Eherecht ergebenden rechtlichen Folgen nicht mehr (unmittelbar) bestehen. dd) Die Bedeutung der Einschätzung der zutreffenden Klageart ist nicht zu gering zu bewerten. Jede der Klagearten hat ihre speziellen prozessualen Erfordernisse, die ein Klausurbearbeiter wird ansprechen müssen. Bei der Leistungsklage liegt hierbei das Schwergewicht auf der Frage, wer welche anspruchsbegründenden oder anspruchsvernichtenden Tatsachen zu beweisen hat. Im Rahmen der Abänderungsklage ist zu prüfen, ob eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten ist und die Frist zur Erhebung der Abänderungsklage insoweit gewahrt wird. Die Feststellungsklage hingegen benötigt spezielle Ausführungen zum Feststellungsinteresse, da sie im Hinblick auf die Leistungsklage subsidiär ist. Die Gestaltungsklage schließlich muss überhaupt einen Fall betreffen, der eine gerichtliche Gestaltung des zu überprüfenden Sachverhaltes erlaubt. Dies wird anhand der materiell-rechtlichen Rechtslage zu prüfen sein. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen ist zu entscheiden, welche Klageart in Betracht kommt oder auch, ob möglicherweise ein Mahnverfahren oder doch direkt ein Klageverfahren angestrengt werden soll. c) Besonderheiten des Mahnverfahrens Das Mahnverfahren ist in den §§ 688 ff. ZPO geregelt und als ein Verfahren ausgestaltet, welches dem Gläubiger einer Geldforderung schnell und einfach ohne mündliche Verhandlung den Erhalt eines Vollstreckungstitels gegenüber dem Schuldner ermöglichen soll. aa) Zuständig ist das Gericht am Sitz des Gläubigers, unabhängig von sonstigen örtlichen Zuständigkeitsregeln, die normalerweise an die Person des Schuldners anknüpfen. Eine Begründung des Anspruches ist nicht vorgesehen und auch nicht möglich, da es sich um eine Antragstellung auf einem Formblatt/elektronischem Antragsformular handelt.

Ü

Hinweis: Es war die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, dass das Mahnverfahren nur in solchen Fällen zur Anwendung gelangen soll, bei denen ein ernsthaftes Bestreiten des Schuldners bezüglich der Berechtigung der Forderung nicht zu erwarten steht (Wesche MDR 2003, 1029, 1032). Demgegenüber 5

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

hat das Mahnverfahren (einzuleiten auf dem amtlichen Vordruck gemäß § 703 c Abs. 2 ZPO) jedoch in den letzten Jahren seit Einführung des § 15a EGZPO (vgl. AG Halle NJW 2001, 2099) erhebliche Aufwertung erfahren, da die Durchführung des vorgelagerten Schiedsverfahrens sich bei Mandanten wie Rechtsanwälten als gleichermaßen unbeliebt erwiesen hat. Im Rahmen des Mahnverfahrens ist auch lediglich eine halbe Gerichtsgebühr, neuerdings jedoch wenigstens 25 Euro, einzuzahlen. Wird gegen den Mahnbescheid/Vollstreckungsbescheid Widerspruch/Einspruch eingelegt, wird das streitige Verfahren auf Antrag einer der Parteien durchgeführt. Das sog. Streitgericht fordert den Kläger sodann (zwei Wochen gem. § 697 Abs. 1 ZPO) nach Abgabe durch das Gericht des Mahnverfahrens zur Begründung des Mahnantrages auf. Dieses Verfahren wird in erster Linie den praktisch arbeitenden Rechtsanwalt interessieren. Dennoch soll an dieser Stelle das Mahnverfahren vorgestellt werden. Denn: bb) Es ist denkbar, dass im Rahmen einer Anwaltsklausur der Bearbeiter einmal mit einer Fallkonstellation konfrontiert wird, in welcher für den Mandanten auf Klägerseite ein Mahnverfahren eingeleitet worden ist und der Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hat. Dem steht die Fallkonstellation gleich, dass der Widerspruch verspätet, also nach Ablauf der Widerspruchsfrist von zwei Wochen, eingelegt wurde. In einem solchen Fall wird der Widerspruch als Einspruch gegen den aufgrund des Mahnbescheides ergangenen Vollstreckungsbescheid gewertet. Gegen den Vollstreckungsbescheid kann der Beklagte hierbei ebenfalls, sollte er gegen den Mahnbescheid noch nichts unternommen haben, binnen einer weiteren Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheides auch formal Einspruch einlegen. Folge von Widerspruch oder Einspruch ist, dass das sogenannte streitige Verfahren durchzuführen ist. Für jede Klausuraufgabe im Anschluss an ein Mahnverfahren ist es deshalb wichtig, sich vor Augen zu führen, dass das Mahnverfahren nicht einmal eine summarische Prüfung der Zulässigkeit oder Begründetheit des behaupteten Anspruches des Antragstellers vorsieht. Die einzige Prüfung, die das Mahngericht vornimmt, beschränkt sich darauf, ob es für den Anspruchsteller zuständig, die Bezeichnung des Anspruchsgegners im Sinne der Zivilprozessordnung zulässig ist und dieser eine in die Zuständigkeit des Mahngerichtes fallende, zulässige gerichtliche Zustelladresse (kein Postfach) besitzt. Liegt seitens des Anspruchsgegners beim Mahngericht fristgerecht ein Widerspruch oder Einspruch vor, wird das Mahngericht den Anspruchsteller hierüber informieren und, soweit die Voraussetzungen vorliegen, das Verfahren an das Gericht des streitigen Verfahrens abgegeben. 6

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Ü

Hinweis: Voraussetzung der Abgabe ist, dass der Anspruchsteller bei Einreichung des Mahnantrages sofort für den Fall des Widerspruches/Einspruches die Abgabe beantragt hat oder er die erforderlichen weiteren Gerichtskosten einzahlt. Beim Mahnverfahren ist eine Gerichtsgebühr von ½ einzuzahlen. Für die Abgabe sind weitere 2,5 Gerichtsgebühren für den Antragsteller fällig.

cc) Die Zuständigkeit des Gerichtes des streitigen Verfahrens richtet sich hierbei nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln der Zivilprozessordnung. Der Antragsteller hat bereits bei Einreichung des Mahnantrages anzugeben, welches Gericht des streitigen Verfahrens er aus seiner Sicht im Hinblick auf den Antragsgegner für zutreffend erachtet. Auch diese Angabe wird grundsätzlich durch das Mahngericht in örtlicher Hinsicht nicht überprüft. Eine Überprüfung in sachlicher Hinsicht findet jedoch statt, seit das Mahnverfahren elektronisch geregelt ist. Höchstwahrscheinlich wird sich im Falle der Klausur der Klausurbearbeiter in einem Stadium des Mahnverfahrens wieder finden, in welchem das Verfahren bereits an das Gericht der Streitsache abgegeben wurde. In einem solchen Fall erhält die Akte ein Schreiben des Gerichtes, dass der Kläger aufgefordert wird, nunmehr seinen Anspruch aus dem Mahnverfahren zu begründen. Hierfür wird eine richterliche Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Aufforderungsschreibens gesetzt. Der Kläger oder dessen Rechtsvertreter müssen mithin innerhalb der Frist, wenn nicht ein begründeter Antrag auf Verlängerung gestellt wird, den Anspruch begründen. Die Begründung aus dem Mahnanspruches entspricht hier spiegelgleich jeder sonstigen Klagebegründung. Auf die Aufforderung des Gerichtes zur Begründung des Anspruches ist wie folgt als Klägeranwalt zu reagieren: Beispiel „…zeige ich innerhalb der gesetzten Frist an, dass ich den Kläger im streitigen Verfahren vertrete. Es wird gebeten, einen baldigen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, in welchem ich beantrage werde, zu erkennen: (ausformulierter Klageantrag) oder Stelle ich den Antrag aus dem Mahnbescheid/Vollstreckungsbescheid. Für den Fall, dass das Gericht das schriftliche Vorverfahren anordnet und der Beklagte nicht innerhalb der ihm eingeräumten Frist seine Verteidigungsbereitschaft erklärt, wird beantragt, gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung zu erlassen. Eventuell: Einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter stehen keine Gründe entgegen (vgl. § 253 Abs. 3 ZPO analog). Begründung: (…) Rechtsanwalt“ 7

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Wichtig ist an dieser Stelle, nochmals die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichtes des streitigen Verfahrens zumindest gedanklich zu prüfen. Gerade bei Naturalparteien ist es denkbar, dass das unzutreffende Gericht im Mahnantrag benannt wurde. Hier sollte sich der Klausurbearbeiter nicht scheuen, seine abweichende Meinung im Rahmen seiner gutachterlichen Prüfung zu äußern und sofort Abgabe an das tatsächlich zuständige Gericht beantragen (Zweckmäßigkeit). 3. Die Prüfung der Beweissituation a) Beweis und Beweisprognose Sind die Anspruchsgrundlagen für das Mandantenbegehren gefunden, ist der Sachverhalt dahingehend zu prüfen (zweite Lektüre), ob die anspruchsbegründenden Tatsachen durch die im Sachverhalt mitgeteilten Beweismittel untermauert werden können. aa) Der Bearbeiter hat hierbei aus anwaltlicher Sicht zu prüfen, für welche Tatsachen der Mandant beweisbelastet ist und welche Beweismittel hierfür zur Verfügung stehen. Gleichzeitig muss im Rahmen einer Prognose bereits beurteilt werden, welche Einwendungen der oder die Gegner gegen den Klageanspruch vielleicht vortragen und wie erfolgreich diese Einwendungen sein könnten (Prognosestation). Im Aufgabentext werden sich hierzu die erforderlichen Hinweise finden, die auf ein mögliches Verteidigungsverhalten der Gegenseite Rückschlüsse zulassen. In der anwaltlichen Praxis wird hingegen regelmäßig eine genaue Befragung des eigenen Mandanten erforderlich sein, um festzustellen, welche Einwendungen bereits zuvor durch die Gegenseite erhoben worden sind. Beispiel Hat sich der Herausgabeanspruch des Mandanten inzwischen auf ein EigentümerBesitzer-Verhältnis konkretisiert, ist nunmehr zu prüfen, aufgrund welcher Beweismittel der Mandant den Eigentumsnachweis zu führen vermag, aber etwa auch, ob ihm die Sache abhanden gekommen ist. bb) Sowohl in der Klausur, als auch in der Praxis, sind bereits bekannte Gegenargumente, auch wenn diese anscheinend selbst für den Klägervertreter nicht schlüssig erscheinen, offen im Rahmen der Klausurbearbeitung oder bei Anfertigung einer Klageschrift anzusprechen. In der Klausur dient dies der umfassenden Aufarbeitung des Sachverhaltes, während in der Praxis man dem erkennenden Gericht zeigt, dass man sich genau mit dem Sach- und Streitstoff auseinandergesetzt hat und die Argumente der Gegenseite bereits entkräften konnte. Natürlich setzt dies voraus, dass man sich zuvor, wie bereits ausgeführt, mit der Frage der Beweisbedürftigkeit bereits auseinandergesetzt hat. Grundsätzlich kann ausgeführt werden, dass die klagende Partei alle anspruchsbegründenden und anspruchserhaltenden Tatsachen unter Beweis zu stellen hat. 8

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

b) Beweismittel der ZPO Nach dem Vortrag zu der behaupteten Tatsache muss diese daher durch geeignete Beweismittel substantiiert werden. aa) Als mögliche Beweismittel kommen in Betracht der Zeugenbeweis (§§ 373 ff. ZPO), Urkunden (§§ 415 ff. ZPO), Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO) oder auch der richterliche Augenschein (§§ 371 ff. ZPO). Nur ausnahmsweise kann eine Parteivernehmung in Betracht kommen (Zöller/Greger, ZPO, vor § 445 Rz. 5), wobei der Beweispflichtige die Vernehmung des Gegners beantragen kann, die eigene Vernehmung nur mit Einverständnis des Gegners und des Gerichtes möglich ist (§ 447 ZPO). Die Parteivernehmung kommt dabei erst in Betracht, wenn alle anderen Beweismittel bereits ausgeschöpft wurden oder keine anderen Beweismittel vorhanden sind, da die eigene Partei dem mit einer eigenen Aussage verbundenen Interessenkonflikt möglichst nicht ausgesetzt werden soll (Zöller/Greger, ZPO, vor § 445, Rz. 6 f.). bb) Im anwaltlichen Schriftsatz wird das zum jeweiligen beweisbedürftigen Vorbringen zugehörige Beweismittel unmittelbar angefügt, wobei sich der jeweilige „Beweis“ immer nur, aber auch vollumfänglich, auf den vorherigen Absatz des Schriftsatzes bezieht. Insoweit ist es häufig erforderlich, soweit ein Beweis für verschiedene Absätze des Schriftsatzes zum Beweisanerbieten gehört, mehrmals diesen Beweis aufzuführen, wobei eine Bezugnahme auf den vorherigen Beweisantritt zulässig ist. Der Beweisantritt soll mit dem vorherigen Sachvortrag dabei eine optische Einheit darstellen, wie es die Rechtsprechung fordert. Dies gilt auch für die Klausur, wenn die Prüfungsaufgabe in der Anfertigung eines anwaltlichen Schriftsatzes besteht. Überhaupt ist in der Klausur auf eine möglichst genaue Anlehnung an das Aussehen echter anwaltlicher Schriftsätze zu achten. Soweit der Prüfer selbst dem anwaltlichen Berufsstand angehört, mag er durch ein Erscheinungsbild eines „Klausurschriftsatzes“, das nicht seiner eigenen Berufspraxis ähnlich ist, eine gewisse Abneigung empfinden. Grundsätzlich wird bei einer entsprechenden inhaltlichen Qualität der Arbeit dieser Umstand für die Benotung keine Rolle spielen. Dennoch sollte sich der Kandidat bewusst sein, dass das äußere Erscheinungsbild seiner Arbeit durchaus den Ausschlag zu geben vermag, wenn die Bewertung zwischen zwei Notenstufen steht. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Frage der eher formalen Darstellungsweise, sondern auch für Grammatik und nicht zuletzt Rechtschreibung.

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Hinweis: Es ist in den Anweisungen für Prüfer des zweiten juristischen Staatsexamens umstritten, ob erhebliche Rechtschreibfehler in einer Klausurbearbeitung zu einer Abwertung einer Klausur führen dürfen oder nicht. Dennoch haben sich, insbesondere richterliche Prüfer, im Rahmen von Schulungen für Arbeitsgemeinschaftsleiter im Lande NRW immer wieder dahin gehend geäußert, dass zahlreiche Rechtschreibfehler des Kandidaten in Zweifelsfällen bei 9

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

der Benotung berücksichtigt wurden. Es sollte daher von den Kandidaten auch auf Grammatik und Rechtschreibung geachtet werden. cc) Schon im Rahmen der Vorüberlegung zu Beweislastverteilung und bestehenden Beweismitteln ist zu bedenken, dass bereits im außergerichtlichen Bereich Verhandlungen zwischen den gegnerischen Parteien stattfinden können, die einen etwaigen Rechtstreit hinauszögern. Selbst wenn schon ein Zivilprozess anhängig sein sollte, kann dies eine erhebliche zeitliche Dauer beanspruchen, weil zwischen dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und einem etwaigen Beginn der Beweisaufnahme regelmäßig Monate, manchmal sogar Jahre, vergehen können. Für die beweisbelastete Partei ist hiermit das Risiko verbunden, dass bestehende Beweismittel bis zum Zeitpunkt der Beweiserhebung nicht mehr bestehen und damit ein Beweisverlust droht. Die beweisbelastete Partei sieht sich hier mit dem Umstand konfrontiert, dass ihr sicheres Beweismittel zum Zeitpunkt der gerichtlichen Beweisaufnahme tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht und das erhoffte Beweisergebnis auch nicht anderweitig rekonstruierbar sein wird. c) Das selbständige Beweisverfahren Gemäß § 485 Abs. 1 ZPO besteht daher die Möglichkeit ein selbständiges Beweisverfahren anzustrengen. Im Falle der Beweissicherung betreffend die Einnahme des Augenscheins, der Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen kann auf Antrag einer Partei entweder das bereits mit der Hauptsache befasste Gericht (§ 486 Abs. 1 ZPO) oder dasjenige Gericht, welches nach dem Vortrag der beantragenden Partei zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre (§ 486 Abs. 2 ZPO), in dringenden Fälle auch das Amtsgericht des Aufenthaltsortes der Beweisperson oder dem Ort einer Sache (§ 486 Abs. 3 ZPO), die entsprechende Beweiserhebung anordnen. Voraussetzung ist die Zustimmung des Gegners oder die Besorgnis der Erschwerung oder Verlustes des Beweismittels. aa) Beim Augenschein kommt vor allem die Verderblichkeit einer Sache oder das Erfordernis der Beseitigung eines Zustandes (z. B. bei Baumängeln) in Betracht. Hier kann es der antragstellenden Partei nicht zugemutet werden, auf die eigentliche (spätere) Beweisaufnahme zuwarten zu müssen. bb) Im Bereich des Zeugenbeweises sind die Fälle in Betracht zu ziehen, bei welchen nach den Grundsätzen des Strafprozesses die Besorgnis der späteren Unerreichbarkeit des Zeugen zu befürchten steht. Genannt werden müssen an dieser Stelle also die schwere, lebensgefährliche Krankheit des Zeugen oder seine drohende Abschiebung in ein Land, zu welchem keinerlei Rechtshilfeabkommen bestehen. Das hohe Alter eines Zeugen an sich soll hingegen nach der Rechtsprechung alleine nicht ausreichen (OLG Nürnberg, MDR 1997, 594). cc) Vor Anhängigkeit eines Rechtsstreites ist gem. § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur die gerichtliche Anordnung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens möglich. Der Inhalt des Sachverständigengutachtens beschränkt sich dabei auf den Zustand einer Person oder den Zustand und 10

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Wert einer Sache (Nr. 1), der Ursache eines Personen- und Sachschadens oder Sachmangels (Nr. 2) sowie die Prüfung des Aufwandes für die Beseitigung eines Personen- und Sachschadens bzw. Sachmangels (Nr. 3). Grund für die Möglichkeit der Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO) stets die Vermeidung eines späteren Rechtsstreites. Nach einhelliger Auffassung soll durch diese Formulierung in der Zivilprozessordnung jedoch nur klargestellt werden, dass das Gericht die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens nur dann anordnen muss, wenn die Möglichkeit der Vermeidung eines Rechtsstreites hierdurch gegeben ist. Dennoch soll das Gericht das selbständige Beweisverfahren auch in anderen Fällen/Interessenlagen anordnen. Andere Interessenlagen des Antragstellers sind daher ebenfalls möglich. So hat die Rechtsprechung nur in solchen Fällen das rechtliche Interesse tatsächlich verneint, wenn überhaupt kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des Beweisverfahrens erkennbar ist, kein (möglicher) Prozessgegner besteht und es auch an einem Anspruch der antragstellenden Partei fehlt (OLG Celle BauR 2000, 601). Entscheidende Rechtsfolge der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens ist, dass sie die Verjährung des Anspruches hemmt. Das Beweisergebnis ist dann unter den Voraussetzungen des § 493 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO in dem späteren gerichtlichen Verfahren uneingeschränkt verwertbar. 4. Erarbeitung einer Lösungsskizze a) Die vorläufige Lösungsskizze Ist der Sachverhalt durch den ersten Überblick bekannt, folgt die zweite Lektüre des Aufgabentextes. aa) Neben der Berücksichtigung der Aufgabenstellung und der eigenen Rolle des Klausurbearbeiters im Rahmen dieser Aufgabenstellung ist der Klausurtext jetzt unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen, durch den Sachverhalt aufgeworfenen, Problematiken zu überprüfen. An dieser Stelle empfiehlt es sich bereits, eine vorläufige schriftliche Lösungsskizze zu entwerfen. Diese sollte die rechtlichen Hauptprobleme der Klausur schon aufgreifen, kann aber an den Stellen, an welchen der Bearbeiter nicht sofort zu einem endgültigen Ergebnis gelangen kann, noch offen ausgestaltet bleiben.

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Hinweis: Sollte der Bearbeiter zwei verschiedene, sich gegenseitig ausschließende Lösungswege für ein bestimmtes Sachverhaltsproblem ins Auge fassen, sind diese Lösungswege in der Lösungsskizze alternativ auszuführen. Im Rahmen der Niederschrift der Klausur ist jedoch dann eine der beiden Lösungswege als Ergebnis darzustellen. Allenfalls empfiehlt es sich, den alternativen Lösungsweg im Rahmen eines Hilfsgutachtens anzusprechen.

Der Hinweis auf die Anfertigung einer schriftlichen Lösungsskizze mag banal erscheinen, jedoch zeigt die Klausurpraxis, dass gerade die Anfertigung einer wirk11

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

lich für die Klausurlösung geeigneten Lösungsskizze oft das eigentliche Bearbeitungsproblem darstellt. Selbstverständlich muss für den Fall, dass mehrere Personen in unterschiedlicher Konstellation im Rahmen des Sachverhaltes betroffen sind, auch eine aufgeteilte Lösungsskizze angefertigt werden. Insoweit ist es sinnvoll, eine nach Anspruchsgrundlagen unterteilte Lösungsskizze zu fertigen. bb) Besonderes Augenmerk ist hierbei auf im Sachverhalt mitgeteilte Daten zu richten, so dass neben der Lösungsskizze häufig auch die Anfertigung eines sogenannten „Zeitstrahls“ sinnvoll sein kann, um den Ablauf der Geschehnisse auch bildlich zu dokumentieren und so vielen möglichen Fehlerquellen aus dem Weg zu gehen.

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Hinweis: Manche Aufgabentexte enthalten eine Unmenge von verschiedenen Zeitangaben, bei denen erst im Rahmen eines „Zeitstrahls“ prozessual überholte Vorgänge sichtbar gemacht werden können. Selbstverständlich gehört auch zur ordnungsgemäßen Sachverhaltsermittlung, anhand des i. d. R. abgedruckten Kalenders einen Überblick über mögliche Feiertage zu gewinnen, um zu zutreffenden Fristenberechnungen zu gelangen.

b) Zweckmäßigkeitsüberlegungen Schließlich ist im Rahmen der Vorüberlegung und anstehender Anfertigung einer Lösungsskizze jetzt auch die Frage des zweckmäßigen, anwaltlichen Vorgehens zu behandeln. aa) Hierzu gehört die Überlegung, ob aufgrund des Sachverhaltes bereits alle für die Untermauerung der eigenen Rechtsposition maßgeblichen Beweismittel vorliegen oder ob noch Nachfragen an den Mandanten erforderlich werden könnten.

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Hinweis: Manche Sachverhalte führen aus, dass der Mandant noch diese oder jene Urkunde in Besitz habe, die seine Rechtsposition stärkt oder gegebenenfalls ein Zeuge benannt werden könnte. Hier müsste der Bearbeiter vorschlagen, den Mandanten zur Beibringung der entsprechenden Beweise zu veranlassen, wobei davon auszugehen ist, dass das entsprechende Beweismittel den vollen Beweis erbringt.

bb) Außerdem hat der Bearbeiter sich das rechtliche Stadium des Klausurfalles vor Augen zu führen, in welchem er nach dem Sachverhalt nunmehr tätig werden soll. Es ist zu prüfen, ob alle außergerichtlichen Mittel erschöpft sind oder noch außergerichtliche Maßnahmen getroffen werden müssen. Beispiel Der Mandant beauftragt laut Sachverhalt den Rechtsanwalt eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung einzureichen. Außergerichtlich war der potentielle Beklagte jedoch noch nicht zur Zahlung unter Fristsetzung aufgefordert worden. Hier wäre es zweckmäßig, zunächst eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung zu empfehlen. Ansonsten könnte der Mandant, soweit der Gegner den Anspruch sofort i. S. d. § 93 ZPO anerkennt, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens auferlegt erhalten. 12

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Soweit ein gerichtliches Verfahren bereits anhängig ist, muss an dieser Stelle die prozessuale Situation geprüft werden. Das heißt, wenn nicht durch den Bearbeitervermerk bereits vorgegeben, ist zu entscheiden, welche prozessualen Schritte zu ergreifen sind. Auf der Klägerseite kann dies die Anfertigung einer Klageschrift oder einer Antragsschrift sein. Auf der Beklagtenseite umfasst dies regelmäßig eine Klageerwiderung oder Anspruchserwiderung. cc) In diese Vorüberlegung ist einzubeziehen, welches Gericht sachlich, örtlich und funktionell zuständig ist. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, die rechtlich zutreffende Zuständigkeit des Gerichtes gemäß den §§ 12 ff. ZPO zu bestimmen.

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Hinweis: Während sich bei der sachlichen Zuständigkeit regelmäßig keine Besonderheiten ergeben dürften (Zuständigkeit der Amtsgerichte bei einem Streitwert bis 5000 Euro, ab einem Streitwert von 5000 Euro und einem Cent Zuständigkeit der Landgerichte), kann die örtliche Zuständigkeit teilweise schwieriger zu beurteilen sein. Insbesondere im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechtes können hier Probleme auftreten. Auch Sonderzuständigkeiten, etwa der Kammer für Handelssachen bei den Landgerichten, sind zu prüfen, wenn z. B. Kaufleute am Rechtsstreit beteiligt sind.

Ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass eine besondere Eilbedürftigkeit besteht, etwa bei einer drohenden Vollstreckungsmaßnahme der Gegenseite, ist des Weiteren die Möglichkeit der Ergreifung einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen. Die entsprechenden Vorgehensweisen werden hierzu im Kapitel II. 7. (S. 96 ff.) ausführlich dargestellt.

II. Lösung der Klausuraufgabe 1. Umsetzung der Lösungsskizze a) Das Zeitmanagement aa) Die für die mindestens zweimalige Lektüre des Aufgabentextes und Anfertigung einer Lösungsskizze erforderliche Zeit sollte grundsätzlich zwei Stunden, bei einer angenommenen Bearbeitungszeit für die Anwaltsklausur von fünf Stunden, nicht überschreiten. Ausnahmen gelten nur dort, wo eindeutig eine sehr schwierige juristische Problematik zentrales Thema der Klausur ist, so dass die eigentliche Niederschrift der Lösung dann erwartungsgemäß nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. bb) Nachdem sowohl die materiell-rechtliche Prüfung des Sachverhaltes abgeschlossen ist, als auch die prozessuale Situation eindeutig bestimmt und eine Lösungsskizze angefertigt wurde, kann mit der schriftlichen Ausformulierung des Ergebnisses der Lösungsskizze begonnen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss die Lösungsskizze daher den vollständigen Lösungsweg sowie die zu behandelnden materiell-rechtlichen, und auch gegebenenfalls prozessrechtlichen, Probleme samt deren Lösung enthalten. Nur so ist gewährleistet, dass der Klausurbearbeiter einen für den Prüfer nachvollziehbaren, 13

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

stringenten und überzeugenden Lösungsweg zu präsentieren vermag. Dieser Lösungsweg sollte, muss aber selbstverständlich nicht, der Musterlösung des Justizprüfungsamtes entsprechen, wenn der eigene Lösungsweg rechtlich einwandfrei und konsequent verfolgt wird.

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Hinweis: Hat der Bearbeiter eine einmal entwickelte Lösungsskizze erstellt, sollte aufgrund dieser Lösungsskizze die Niederschrift der gefundenen Lösung erfolgen. Während der Niederschrift sollte nicht erneut in eine rechtliche Prüfung eingetreten werden, es sei denn, dem Bearbeiter fällt erst in diesem Stadium ein gravierender Denkfehler in seinem Lösungsweg auf. Ansonsten wird zwangsläufig die schriftliche Ausarbeitung inkonsequent ausfallen und damit schlechter bewertet werden.

b) Gutachten- oder Urteilsstil in einer gutachterlichen Prüfung Je nach Aufgabenstellung wird die Niederschrift der eigentlichen Klausurlösung dabei im Gutachten- oder Urteilsstil zu erfolgen haben. aa) Der Gutachtenstil ist zu wählen, wenn der Klausurbearbeiter als „Rechtsreferendar“, „Sachbearbeiter“ oder in einer ähnlichen Funktionsrolle aufzutreten und eine Begutachtung der Sach- und Rechtslage abzugeben hat. Insoweit unterscheidet sich dieser Klausurtyp nicht wesentlich von denen im Rahmen des Studiums anzufertigenden, schriftlichen Rechtsgutachten. Allerdings ist das Gutachten der Assessorklausur am Schluss durch eine Zweckmäßigkeitserwägung zu vervollständigen. bb) Wird im Bearbeitervermerk eine zusätzliche Sachverhaltsdarstellung neben Bewertung der Sach- und Rechtslage gefordert, ist selbstverständlich mit der Sachverhaltsdarstellung zu beginnen. Vom Aufbau her ergeben sich keine Besonderheiten oder wesentlichen Abweichungen zum Tatbestandsaufbau einer gerichtlichen Entscheidung. Insoweit ist auch hier mit den zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhaltsteilen zu beginnen, um sodann die streitigen Aspekte kontradiktorisch gegenüber zu stellen. Keinesfalls sollte die Sachverhaltsdarstellung jedoch eine reine Wiedergabe des Klausurtextes sein, sondern die Kernprobleme so darstellen, so dass diese durch einen Dritten, welchem der Klausurtext unbekannt wäre, nachvollzogen werden könnten. Es versteht sich von selbst, dass dabei eine sinnvolle Gliederung, gegebenenfalls auch mit Überschriften versehen, sowohl in der Klausur, als auch in der Praxis, die Lektüre erleichtert und damit bessere Verständlichkeit bedingt, die sich auf das Ergebnis der Klausur nur positiv auswirken kann. Beispiel Als Formulierung bietet sich für die Einführung in den unstreitigen Sachverhalt an, mit dem Satz „Unstreitig ist, dass…“ zu beginnen. Demgegenüber kann für den streitigen Sachverhalt begonnen werden mit: „Der Mandant/Kläger usw. trägt vor…“ und sodann: „Hiergegen wendet der Mandant/ Beklagter usw. ein…“ 14

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

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Hinweis: Genau wie bei der Absetzung des Sachverhaltes in Urteilsgründen ist der streitige Sachverhalt im Konjunktiv zu formulieren.

c) Darstellung der Rechtslage aa) Auf die Darstellung des Sachverhaltes folgt im Gutachten die unmittelbare rechtliche Bewertung desselben. Es ist nach Anspruchsgrundlagen zu subsumieren. Beispiel Dem Mandanten könnte ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehen. Gegenüber dem Mandanten könnte ein Anspruch des Gegners gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen. Die Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anspruchsgrundlage sind im Folgenden abzuhandeln, wobei im Gutachten schon die entsprechende Beweislastverteilung und die Beweisbarkeit zu prüfen ist. Beispiel Der Mandant behauptet, dem Anspruchsgegner ein Darlehn gewährt zu haben, welches zur Rückzahlung fällig ist. Der Anspruchsgegner hat außergerichtlich Schenkung eingewendet. Hier wäre nach Nennung der Anspruchsgrundlage auf Rückzahlung darzustellen, dass der Mandant dem Anspruchsgegner zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Darlehn gewährt hat und welches Beweismittel für die Darlehnsgewährung zur Verfügung steht, also etwa die Darlehnsurkunde anzuführen oder Zeugen, die bestätigen können, dass keine Schenkung vorlag. Beispiel Dem Mandanten könnte ein Anspruch auf Rückgewähr des dem X am 2.3.2008 gewährten Darlehns über 1000 Euro zur Seite stehen. Die dem X am 2.3.2008 zugewandte Summe von 1000 Euro wurde diesem nicht schenkweise hingegeben, wie der X außergerichtlich behauptet hat. Tatsächlich war bei der Übergabe des Geldbetrages am 2.3.2008 die Ehefrau des Mandanten zugegeben. Diese kann bestätigen, dass der X am 2.3.2008 bei dem Mandanten vorstellig wurde und diesen bat, ihm bis zum 30.11.2008 ein zinsfreies Darlehn über 1000 Euro zur Verfügung zu stellen. Der Mandant willigte ein und zahlte daraufhin dem X 1000 Euro aus. bb) Beim Gutachten sind hierbei alle denkbaren Anspruchsgrundlagen abzuhandeln. Anspruchsgrundlagen, die sich zwar aus dem Sachverhalt aufdrängen, aber nicht zum Ziel führen werden, können und sollten hierbei kürzer abgehandelt werden. Beispiel Nach dem Sachverhalt kommt sowohl ein vertraglicher, als auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht. Hat der Bearbeiter im Gutachten bereits den vertraglichen Anspruch ausführlich geprüft und als erfolgversprechend bejaht, ist nun noch der Anspruch aus ungerechtfertigter 15

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Bereicherung zu behandeln. Ein solcher, etwa z. B. aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, kann dann formuliert werden: Darüber hinaus steht dem Mandanten auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Seite. Durch die Hingabe des Betrages seitens des Mandanten wurde dem Gegner ein Vermögenswert zugewendet. Ein rechtlicher Anspruch bestand hierauf jedoch nicht, so dass die Gegenseite um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert und zur Herausgabe verpflichtet ist. d) Zweckmäßigkeit aa) Am Schluss findet sich in der anwaltlichen Klausur immer die Zweckmäßigkeitserwägung, nämlich der abschließende Vorschlag des Begutachtenden, welche nächsten Schritte für den Mandanten zu unternehmen sein werden. Welches Vorgehen tatsächlich zweckmäßig erscheint, kommt hierbei auf den Einzelfall an und kann nicht generalisierend festgelegt werden. bb) Allerdings kann stets gesagt werden, dass der Vorschlag den Mandanten in die Lage versetzen muss, seine Interessen am Schnellsten, am Sichersten und mit dem geringsten finanziellen Risiko zu erreichen. Beispiel Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass der Mandant die Begleichung einer Forderung aus einem Vertrag gegenüber der Gegenseite verweigert hat. Insoweit hatte der Mandant übersehen, dass er sich durch Zeitablauf im Verzug befand. Nunmehr erscheint er mit der Klageschrift bei seinem Rechtsanwalt und erkundigt sich nach der Rechtslage. Hier wird im Rahmen der Zweckmäßigkeit zu prüfen sein, ob der Anspruch anzuerkennen ist oder auch durch schlichtes Nichtauftreten der Erlass eines Versäumnisurteils zum Nachteil des Mandanten in Betracht zu ziehen ist. Allerdings wird man den Mandanten auch darauf hinweisen müssen, dass selbst bei sofortigem Anerkenntnis die Rechtsfolge des § 93 ZPO häufig nicht eintritt. Gegebenenfalls bietet sich auch eine außergerichtliche Kontaktaufnahme mit der Gegenseite an.

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Hinweis: Der § 93 ZPO stellt alleine darauf ab, ob zur Klageerhebung Anlass gegeben wurde. Hatte die Gegenseite außergerichtlich den Anspruch nicht geltend gemacht, kann dies ein Indiz für einen mangelnden Anlass zur Klageerhebung sein. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn eine Fristsetzung entbehrlich war, also immer in solchen Fällen, bei denen aufgrund einer kalendermäßigen Bestimmung Verzug eintritt, wie bei Darlehnsschulden und vertraglich vereinbarten Zahlungsterminen.

2. Anfertigung der Reinschrift a) Entwurf von Schriftsätzen aa) Wird hingegen durch den Bearbeitervermerk die Anfertigung der für den Mandanten zu entwerfenden Klage/Klageerwiderung oder der Entwurf eines sonstigen gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstückes gefordert, ist dann immer der Urteilsstil zu wählen. 16

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

bb) Der Klausurbearbeiter wird hier unmittelbar wie ein Praktiker tätig, d. h. die Klausuraufgabe besteht in der Anfertigung eines Schriftstückes, welches einem Anwaltsschriftsatz vollständig entspricht. Ergänzende Erwägungen sind allenfalls in einem separaten Hilfsgutachten zu erörtern. Gerade im Rahmen einer solchen Anwaltsklausur zeigt sich, ob die zunächst gefertigte Lösungsskizze ausreichend präzise erstellt wurde und somit ohne weitere Änderungen für die praktische Ausformulierung zu benutzen ist. Andernfalls wird der Bearbeiter den Urteilsstil kaum durchhalten können oder zumindest Gefahr laufen, sein Ergebnis nicht im Rahmen der Bearbeitungszeit zu Papier bringen zu können. Hierbei soll die Lösungsskizze den Gedankengang für den Bearbeiter nachzuzeichnen helfen, den der praktisch tätige Anwalt aufgrund seiner Routine durch Überlegung zu entwickeln vermag. cc) Bei diesem Klausurtyp werden regelmäßig prozessuale Fragen verstärkt zu behandeln sein, während materiell-rechtliche Probleme eher einen mittleren bis unteren Schwierigkeitsgrad aufweisen dürften. Es empfiehlt sich daher, bei einer solchen Klausur möglicherweise die Frage der Zweckmäßigkeit an den Anfang der schriftlichen Klausurlösung zu stellen, soweit aus anwaltlicher Sicht unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht zu ziehen sind. Hierdurch zeigt der Klausurbearbeiter, dass er, im Sinne der durch die Klausuraufgabe ihm übertragenen Rolle, praktische Lösungsansätze zu erkennen vermag, um sich dann im Rahmen der weiteren Ausarbeitung für einen bestimmten Lösungsweg zu entscheiden. Beispiel Bei der Überlegung, ob ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung für den Mandanten gestellt werden soll, käme alternativ auch zunächst ein Anschreiben unter kurzer Fristsetzung an den Antragsgegner in Betracht. b) Gutachten in Kombination mit praktischer Arbeitsweise aa) Gibt der Bearbeitervermerk hingegen ein gutachterliche Bewertung des Sachverhaltes und zusätzlich die Formulierung der entsprechenden Schriftsätze vor, ist sowohl zunächst ein Gutachten vorzubereiten und sodann auch im Urteilsstil die Umsetzung des im Gutachten gefundenen Lösungsergebnisses zu formulieren. Hilfserwägungen des Gutachtens gehören dabei nicht mehr in den anwaltlichen Schriftsatz. Sollte die verbleibende Bearbeitungszeit nicht mehr zur vollständigen Niederschrift des Schriftsatzes ausreichen, kann im Rahmen der Begründung höchst ausnahmsweise auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen werden. bb) Auf jeden Fall sind jedoch Anträge im an das Gericht gerichteten Schriftsatz vollständig auszuformulieren.

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Hinweis: Im Rahmen des Gutachtens wurde festgestellt, dass ein Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den vertretenen Besitzer nicht besteht. Dann kann, zumal wenn der Bearbeiter zur Ausformulierung des Klageabweisungs17

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

antrages keine Zeit mehr hat, eine Verweisung auf die entsprechende Stelle im Gutachten zulässig sein. So wird zunächst das Rubrum und der Klageabweisungsantrag zu formulieren sein. Unter der Begründung kann dann auf den entsprechenden Abschnitt im Gutachten Bezug genommen werden. Etwa: „Zur Begründung verweise ich auf die Ausführungen im Gutachten unter Abschnitt A. 1. (…)“ Hierbei versteht es sich von selbst, dass im Falle, dass die Bearbeitungszeit noch ausreicht, diese genaue Passage übernommen und ausformuliert werden sollte. cc) Unabhängig von dem stark praktischen Bezug, den Anwaltsklausuren regelmäßig aufweisen, bedeutet dies nicht, dass im Rahmen dieses Klausurtyps auf die Sorgfalt bei der schriftlichen Ausarbeitung weniger Gewicht gelegt werden müsste. Auch im Rahmen der Anwaltsklausur ist auf einen stringenten Aufbau, nach Anspruchsgrundlagen getrennt, zu achten. Sowohl beim Gutachten- als auch beim Urteilsstil entspricht die Klausurlösung im Idealfall dem Inhalt der erstrebten gerichtlichen Entscheidung. Dies bedeutet, dass der Klausurbearbeiter sich genauso sorgfältig mit der Sach- und Rechtslage auseinander zu setzen hat, wie der potentielle, erkennende Richter später. Der Richter sollte den anwaltlichen Schriftsatz, dessen Argumentationskette er folgen will, im Rahmen seiner Urteilsgründe uneingeschränkt übernehmen können.

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Hinweis: Die Formulierung in einem anwaltlichen Schriftsatz, dass sich die Sach- und/oder Rechtslage so oder so darstellen könnte, ist daher sowohl in der Klausur, als auch der Praxis, völlig verfehlt. Im Übrigen entgehen auch Mandanten derartige Unsicherheiten in der Formulierung regelmäßig nicht, so dass das Vertrauen in den eigenen anwaltlichen Vertreter und seine Fachkompetenz hierdurch nicht gefördert wird.

3. Besonderheiten des Versäumnisverfahrens a) Prozessuale Situation im Sachverhalt aa) Eine Aufgabenstellung, die den Klausurbearbeiter sowohl in seiner Eigenschaft als Kläger-, als auch auf Beklagtenseite konfrontieren kann, ist, dass sich das Verfahren in einer prozessualen Situation nach Erlass eines Versäumnisurteils/eines Vollstreckungsbescheides befindet. Diese Fallgestaltung erscheint für eine anwaltliche Klausur im zweiten Staatsexamen besonders geeignet. bb) Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass neben der materiellen Rechtslage die prozessual möglichen Rechtsbehelfe gegen den Titel selbst zu prüfen sind. 18

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Gerade beim Versäumnisurteil hat das Gericht bereits die uneingeschränkte, vorläufige Vollstreckbarkeit aus dem Titel ausgesprochen, so dass auch Probleme des Einstweiligen Rechtschutzes und der Verhinderung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen problemlos zum Gegenstand des Prüfungsumfanges gemacht werden können. Liegt also ein Versäumnisurteil vor, ist die Frage der Vollstreckung stets zumindest zu thematisieren. cc) Voraussetzung eines Versäumnisurteils oder der Erlass eines Vollstreckungsbescheides ist stets, dass eine Partei säumig ist. Beim Vollstreckungsbescheid im Stadium des Mahnverfahrens (s. o.) liegt die Säumnis im mangelnden rechtzeitigen Widerspruch gegen den Vollstreckungsbescheid begründet. Da aber auch der Vollstreckungsbescheid noch völlig unproblematisch und einfach mit dem Einspruch angefochten werden kann, ehe er in Rechtskraft erwächst, soll nachstehend der Fall der Säumnis am Beispiel des Versäumnisurteils genauer betrachtet werden. dd) Säumnis im streitigen Gerichtsverfahren heißt, dass eine Partei des Rechtsstreits trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nach Aufruf gemäß § 220 Abs. 1 ZPO nicht erschienen ist oder nicht verhandelt (§ 333 ZPO). Auf Antrag der anwesenden Partei durch Sachantrag und Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils erlässt das Gericht in diesem Fall ein Versäumnisurteil. Ein solches Urteil trägt den Titel „Versäumnisurteil“. Ohne entsprechenden Antrag ist das Gericht nicht befugt ein Versäumnisurteil zu erlassen. Es wird, wenn ein Antrag der anwesenden Partei fehlt, das Ruhen des Verfahrens anordnen. Vor dem Erlass des Versäumnisurteils auf Antrag hat das Gericht zu prüfen, ob eine ordnungsgemäße Ladung der nicht erschienenen Partei aus der Gerichtsakte ersichtlich ist. Kann das Gericht dies bejahen, darf es von einer verschuldeten Säumnis der nicht erschienenen Partei ausgehen, ohne weitere Nachforschungen betreiben zu müssen. Eine Partei ist dann nicht erschienen und somit säumig, wenn entweder die Partei zu einem durch das Gericht bestimmten Verhandlungstermin überhaupt nicht körperlich anwesend ist oder zumindest keinen Antrag zur Sache stellt.

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Hinweis: Es ist der Fall denkbar, dass die Partei zunächst erschienen ist und sodann ausschließlich einen Antrag auf Unzuständigkeit des erkennenden Gerichtes stellt. Weist das Gericht jetzt gemäß § 139 ZPO darauf hin, dass es seine Zuständigkeit bejaht und fordert die Partei auf, einen Sachantrag zu stellen, muss die Partei jedenfalls wenigstens hilfsweise einen Sachantrag stellen. Ansonsten wird das Gericht ein Versäumnisurteil erlassen.

Dem steht in Verfahren, in welchen die Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, der Fall gleich, wenn für die Partei ein Rechtsanwalt nicht auftritt oder nicht verhandelt, also keinen Antrag zur Sache für die Partei stellt. ee) Im Falle notwendiger Streitgenossenschaft genügt es hingegen zur Abwendung der Säumnis, wenn einer der notwendigen Streitgenossen erscheint und auch zur 19

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Sache verhandelt. Dessen Handlungen wirken dann auch für und gegen den nicht erschienenen Streitgenossen. Auf ein Verschulden der Partei kommt es hierbei zunächst nicht an und dieses ist auch durch das Gericht im Rahmen des Erlasses eines Versäumnisurteils selbst zunächst nicht zu prüfen. Fehlt das Verschulden der Partei für ihre Säumnis, liegen die Voraussetzungen für den Erlass des Versäumnisurteils nicht vor mit der Folge, dass das Versäumnisurteil in nicht gesetzlicher Form erlassen ist. Dies macht das Versäumnisurteil nicht gegenstandslos, jedoch fallen der säumigen Partei in diesem Fall die Kosten des Säumnisses nicht zur Last.

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Hinweis: Ein Nichtverschulden ist daher ein Erlasshindernis gemäß § 337 ZPO und vom Gericht von Amts wegen zu beachten. Der Erlass eines Versäumnisurteils wäre in diesem Fall gesetzwidrig mit der Folge, dass nach Einspruch (!) die Kosten des Versäumnisses nicht der unverschuldet nicht erschienenen Partei gemäß § 344 auferlegt werden dürfen. Man spricht hier davon, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist. Fälle des § 337 ZPO liegen etwa vor, wenn zum Einen richterliche Einlassungs- oder Ladungsfristen (§§ 217 und 274 Absatz 2 ZPO) zu kurz bemessen worden sind oder die Partei oder deren Vertreter aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses nicht in der Lage war, die Fristen zu beachten: In Betracht kommt hier etwa ein Unfall auf dem Weg zum Termin oder eine plötzliche Erkrankung, die ein Erscheinen unmöglich macht.

b) Echtes und unechtes Versäumnisurteil Ob ein Versäumnisurteil in gesetzlicher Art und Weise ergangen ist, muss gegebenenfalls nach Aufgabenstellung durch den Klausurbearbeiter im Wege eines Gutachtens oder Hilfsgutachtens erörtert werden. Typischerweise wird sich bei einer Aufgabenstellung, deren Inhalt das Vorgehen gegen ein Versäumnisurteil ist, der Klausurbearbeiter auf die erforderlichen rechtlichen Schritte zum Vorgehen gegen das Versäumnisurteil/den Vollstreckungsbescheid mittels Anfertigung einer Einspruchsschrift zu konzentrieren haben. Zu unterscheiden ist an dieser Stelle, ob ein echtes oder unechtes Versäumnisurteil vorliegt. aa) Ein echtes Versäumnisurteil liegt vor, wenn das Versäumnisurteil gegen die säumige Beklagtenseite, also die beklagte Partei, die entweder nicht erschienen ist oder im Termin nicht verhandelt, ergeht. bb) Ein unechtes Versäumnisurteil wird hingegen erlassen, wenn gegen den Kläger im Termin, in welchem die Säumnis vorliegt, ein streitiges Urteil auf Klageabweisung ergeht. Es sind hier zwei Fallkonstellationen denkbar, in welchen gegen den Kläger ein derartiges unechtes Versäumnisurteil ergehen kann: Zum Einen kann dies der Fall sein, in welchem der Beklagte zwar tatsächlich säumig ist, die Klage aber durch das Gericht als unzulässig oder unschlüssig (§ 331 Absatz 2 ZPO) beurteilt wird. 20

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Dem im Termin anwesenden Kläger ist dabei durch das Gericht zwingend aufgrund des Erfordernisses der Gewährung rechtlichen Gehörs zunächst die Gelegenheit zu geben, zu den Bedenken des Gerichtes gegen die Unzulässigkeit und/oder Schlüssigkeit der Klage im Termin vorzutragen. Trägt der Kläger jedoch diesen Bedenken keine Rechnung und hält vielmehr auch in seinem mündlichen Vortrag an seinem ursprünglichen Klagevorbringen fest und stellt weiterhin einen Antrag auf Sachentscheidung, so ergeht ein unechtes Versäumnisurteil gegen ihn. Dieses Versäumnisurteil wird jedoch auch in seiner „Überschrift“ nicht als Versäumnisurteil bezeichnet, sondern als echtes Endurteil. Ist es doch gerade nicht aufgrund der Säumnis einer der Prozessparteien ergangen, sondern aus anderem Grund. Der weitere Fall eines unechten Versäumnisurteils liegt vor, wenn der Kläger nunmehr selbst im Termin tatsächlich säumig ist und das Gericht die Klage als unzulässig einstuft. Die Klage würde hier wegen fehlender Prozessvoraussetzungen abgelehnt.

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Hinweis: Für den Fall, dass beide Parteien im Termin säumig sind, gilt hingegen stets ebenfalls § 251a ZPO. Das Gericht wird das Ruhen des Verfahrens anordnen.

c) Zulässigkeit des Einspruchs Zulässiges Rechtsmittel gegen das echte, gesetzmäßig ergangene Versäumnisurteil ist der Einspruch. Dieser untergliedert sich nach Zulässigkeit und Begründetheit und stellt insoweit zunächst keine Besonderheit dar. aa) Die Zulässigkeit des Einspruchs setzt zunächst dessen Statthaftigkeit gemäß § 338 ZPO voraus. Statthaft ist der Einspruch nur gegen ein echtes Versäumnisurteil, da es sich beim unechten Versäumnisurteil, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, um ein streitiges Endurteil handelt. Dieses kann nur im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten durch Berufung und Revision angegriffen werden. bb) Gemäß § 339 ZPO ist der Einspruch innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen beim erkennenden Gericht einzulegen. Aufgrund des Charakters der Einspruchsfrist als Notfrist sind durch den Klausurbearbeiter für den Fall, dass die Frist eventuell laut Sachverhalt bereits versäumt worden sein sollte, auch die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu prüfen. cc) Die Form des Einspruchs richtet sich nach den §§ 340 Absatz 1 und Absatz 2 ZPO. Es ist also die Schriftform zu beachten. Sollten diese Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs erfüllt sein, wird hierbei das Verfahren gemäß § 342 ZPO automatisch in das Stadium zurückversetzt, in welchem es vor Eintritt der Säumnis war. Ist der Einspruch zulässig, ist im An21

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

schluss die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage nach jetzigem Stand des Verfahrens zu prüfen.

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Hinweis: Kommt der Klausurbearbeiter zu dem Ergebnis, dass der Einspruch bereits unzulässig ist, sind Zulässigkeit und Begründetheit der Klage hilfsgutachterlich auszuführen.

d) Begründetheit des Einspruches aa) Innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist sind sodann alle für das Verfahren erforderlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzutragen. Wird dies unterlassen, unterliegen diese Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 340 Absatz 3, § 296 Absatz 3 und Absatz 4 der Präklusion. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Es sind so hierbei alternativ Fallgestaltungen zu unterscheiden, die auch im Rahmen des § 340 Absatz 3 ZPO unterschiedliche prozessuale Auswirkungen haben können. bb) So fallen Zulässigkeitsrügen grundsätzlich, da sie durch das Gericht von Amts wegen zu prüfen sind, nicht unter die Präklusion im Rahmen der Einspruchsschrift, sondern können wegen §§ 39, 504 ZPO bis zuletzt vorgebracht werden und müssen auch durch das erkennende Gericht berücksichtigt werden. Hingegen fallen die Rügen nach §§ 88, 110, 269 Absatz 4 ZPO in die Rügepräklusion der §§ 340 Absatz 3, 269 Absatz 3 und Absatz 4 ZPO. cc) Echte Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach der Einspruchsfrist vorgebracht werden, unterfallen hingegen vollständig der Rügepräklusion. Hierbei steht der Ablauf der Einspruchsfrist von zwei Wochen und der Benennung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln den Folgen einer verspäteten Benennung derselben im Sinne des § 296 Absatz 1 ZPO gleich. Das Verschulden nicht rechtzeitigen Vorbringens der Angriffs- und Verteidigungsmittel wird bei der Einspruch führenden Partei stets vermutet und der Ausschluss ist damit begründet, dass der Rechtsstreit durch die Verspätung verzögert wird. dd) Eine weitere Besonderheit ist zu beachten, wenn überhaupt erstmals im Rahmen der Einspruchsschrift Angriffs- und Verteidigungsmittel, jedoch insoweit noch fristgerecht, vorgebracht werden.

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Hinweis: Eine solche Konstellation ist insbesondere denkbar, wenn eine Klageerwiderung völlig fehlt, der Beklagte also die Klageerwiderungsfrist bereits versäumt hat und er etwa im Verhandlungstermin nicht aufgetreten ist, um durch Flucht in die Säumnis Angriffs- und Verteidigungsmittel nunmehr erstmalig überhaupt fristgerecht vorbringen zu können.

Hier liegt zunächst ein Fall des § 340 Absatz 3 ZPO nicht vor, da die Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb der Einspruchsfrist in zulässiger Weise noch vorgebracht werden können. Allerdings ist § 296 Absatz 1 ZPO zu bedenken. 22

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die während der durch das Gericht gesetzten Klageerwiderungsfrist gemäß § 275 ZPO nicht vorgebracht worden sind, sondern erst im Rahmen der Einspruchsschrift vorgebracht werden, sind auch weiterhin verspätet. Soweit verhilft § 342 ZPO dem Beklagten keineswegs dazu, die Versäumnis seines Vortrages im Rahmen der ihm gesetzten Klageerwiderungsfrist zu heilen. An dieser Stelle ist zu prüfen, ob eine etwaige Zulassung der erst jetzt im Rahmen des Einspruchs vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel den Rechtsstreit zu verzögern vermögen. Nach der Rechtsprechung kommt eine Verzögerung dann nicht in Betracht, wenn die durch den säumigen Beklagten nunmehr erstmals angebotenen Angriffs- und Verteidigungsmittel noch im Rahmen des alsbald anzusetzenden Einspruchstermins verwertet werden können. Benennt der Beklagte in seiner Einspruchsschrift daher beispielsweise Zeugen, oder legt er Urkunden vor, wird eine Verzögerung des Verfahrensablaufes nicht anzunehmen sein. Die entsprechenden Zeugen werden noch rechtzeitig für den Einspruchstermin zu laden sein und Urkunden können durch das Gericht direkt für das weitere Verfahren berücksichtigt werden.

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Hinweis: Demgegenüber dürfte es fraglich sein, ob der Antrag auf Einholung eines aufwendigen Sachverständigengutachtens, welches mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden sein dürfte, nicht der Präklusionswirkung des § 296 Absatz 1 ZPO unterfällt. Der Klausurbearbeiter sollte jedoch auf jeden Fall ein derartiges Beweismittel anführen, da letztendlich nicht entschieden werden kann, ob das Gericht eine Verspätung annehmen wird oder nicht. In der Einspruchsschrift ist zu beantragen, dass das angegriffene Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

e) Säumnis im Einspruchstermin Ist der Einspruchsführer im Termin zur Verhandlung über seinen Einspruch erneut säumig (§ 345 ZPO), ergeht gegen ihn ein zweites Versäumnisurteil nach entsprechendem Antrag des Klägers. Dieses trägt die Bezeichnung „zweites Versäumnisurteil“ und kann nicht mehr mit einem weiteren Einspruch angegriffen werden. Vielmehr kann der Einspruchsführer dieses zweite Versäumnisurteil lediglich noch mittels Berufung zum nächst höheren Gericht angreifen, wobei nach herrschender Meinung im Berufungsverfahren gemäß § 513 Absatz 2 ZPO durch das Berufungsgericht nur noch zu prüfen ist, ob im Einspruchstermin das erkennende Gericht zu Recht von einer Säumnis des Einspruchsführers ausgegangen ist. Entsprechend ist die Berufung des auch im zweiten Termin säumigen Beklagten auf den Sachvortrag beschränkt, ein Fall der Säumnis habe im zweiten Termin, auf welchen das zweite Versäumnisurteil ergangen ist, in seiner Person nicht vorgelegen. Eine Prüfung, ob das erste Versäumnisurteil zu Recht ergangen ist, also insbesondere, ob die ursprüngliche Klage zulässig und auch schlüssig war, ist nicht mehr zu prüfen.

III. Zusammenfassung Am Anfang einer Klausurbearbeitung einer Anwaltsklausur im Bereich Zivilrecht steht immer die sorgfältige Lektüre des Aufgabentextes und insbesondere des Bearbeitervermerkes. Hierbei hat sich der Klausurbearbeiter strikt an die ihm durch die 23

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Aufgabenstelle zugewiesene Rolle eines Vertreters auf Kläger- oder Beklagtenseite oder eines sonstigen Dritten zu halten. Das oberste Gebot einer erfolgreichen Klausurbearbeitung besteht daher auch darin, das sich aus dem Bearbeitervermerk ergebende Mandanteninteresse erfolgreich und zweckmäßig durchzusetzen. Für die Bearbeitung einer Anwaltsklausur im Zivilrecht ist insoweit ein effektives Zeitmanagement unverzichtbar. Hierzu gehört, ausgehend vom Bearbeitervermerk, sich bereits bei der ersten Lektüre des Sachverhaltes in die prozessuale Situation aus Sicht des bearbeitenden Rechtsanwaltes hinein zu versetzen. Anschließend ist durch die Anfertigung einer dezidierten Lösungsskizze die spätere schriftliche Ausarbeitung vorzubereiten, unabhängig von der Frage, ob ein Gutachten oder ein anwaltlicher Schriftsatz zu fertigen ist. Hierbei ist nach juristischen Anspruchsgrundlagen getrennt der Sachverhalt zu überprüfen. Hinzutreten Überlegungen, welche Klageart etwa auf Klägerseite für die optimale Durchsetzung des Mandanteninteresses in Betracht kommen oder wie diese Klage auf Beklagtenseite am Besten für den Mandanten abgewehrt werden kann. Die besonderen Voraussetzungen der verschiedenen Klagearten müssen bekannt und deren Aufbau strikt eingehalten werden. Soweit ein gerichtliches Mahnverfahren im Klausurtext vorgeschaltet wurde, sind hier die Besonderheiten des Übergangs ins sogenannte streitige Gerichtsverfahren zu beachten. Im Rahmen der Prognosestation hat der Klausurbearbeiter zu entscheiden, wie sich die Beweislastverteilung im Rahmen des Klausurgeschehens darstellt und welche Beweismittel der Sachverhalt hierfür zur Verfügung stellt. Es gilt die allgemeine Regel, dass anspruchsbegründende und anspruchserhaltende Tatsachen durch den Kläger, rechtsvernichtende und rechtshemmende Tatsachen jedoch durch den Beklagten vorgebracht werden müssen. In Betracht kommen hier die Beweismittel Zeugenbeweis, Urkunden, Sachverständige und Augenschein. Ausnahmsweise kann auch eine Parteieinvernahme in Betracht kommen. Soweit aufgrund besonderer Umstände durch Zeitablauf der Verlust eines Beweismittels droht, sind die Möglichkeiten der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zu prüfen. Der eigentlichen Anfertigung der Klausur geht die Erstellung einer dezidierten Lösungsskizze voraus, die sodann als Grundlage der Anfertigung der schriftlichen Arbeit dient. Stets ist hierbei erneut die Frage der Zweckmäßigkeit des rechtlichen Vorgehens im Hinblick auf die prozessuale Situation, die Beweislastverteilung und die materiell-rechtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Soweit sich aus dem Sachverhalt keine Spezialprobleme ergeben, kann hierbei die Klausur auch in diesen Bereichen im Urteilsstil ausgeführt werden. Ist jedoch ein in der rechtlichen Behandlung umstrittener Sachverhaltsteil zu beurteilen, insbesondere wenn sich unterschiedliche Rechtsmeinungen gegenüber stehen oder widersprechender Beweis von beiden Parteien angeboten wird, ist auf jeden Fall der Gutachtenstil zu wählen. 24

A. Grundlagen der Anwaltsklausur im Zivilrecht

Eine Besonderheit ergibt sich, soweit die Klausur ein Versäumnisurteil zum Gegenstand hat. Zu unterscheiden ist zwischen echtem und unechtem Versäumnisurteil. Beim echten Versäumnisurteil wird das Verfahren in das Stadium zurückversetzt, in welchem es vor Eintritt der Säumnis war. Diesbezüglich kann der säumige Beklagte noch im Rahmen seiner Einspruchsfrist, soweit dies zulässig ist, seinen Sachvortrag weiter substantiieren und Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen. Stets ist hierbei jedoch zu beachten, dass der Rechtsstreit durch den nachträglichen Sachvortrag nicht verzögert wird und das Gericht die Sachdienlichkeit bejaht.

IV. Checkliste 1. Bearbeitervermerk prüfen: Wird ein Gutachten oder eine eigentliche anwaltliche Tätigkeit (Schriftsatz, Anwaltsschreiben) gefordert? 2. Muss eine Sachverhaltsdarstellung geschrieben werden? 3. Ist bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ? 4. Ist der Mandant gegebenenfalls Kläger oder Beklagter ? 5. Werden verschiedenartige Ansprüche verfolgt?

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B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers I. Erstellung einer Klageschrift 1. Das Rubrum der Klageschrift Die Klageschrift ist mit vollständigem Rubrum anzufertigen, wobei auch eine Angabe zur Art des Anspruches und der voraussichtlichen Höhe des Streitwertes am Ende des Rubrums gehört. a) Adressat der Klageschrift Die ersten Angaben im Rubrum beziehen sich auf den Adressaten der Klageschrift, also das aus Klägersicht zuständige Gericht. Bevor eine Klage eingereicht oder ein entsprechender Schriftsatzentwurf durch den Kandidaten entworfen wird, muss sich der Bearbeiter daher zunächst Gedanken über die Zuständigkeit machen. Die richtige Zuständigkeit ist dabei in vielen Anwaltsklausuren tatsächlich nicht unproblematisch. aa) Am Einfachsten gestaltet sich hierbei noch grundsätzlich die Unterscheidung der sachlichen Zuständigkeit von Amts- und Landgerichten nach dem Streitwert. So gehören alle Verfahren bis zu einem Gegenstandsstreitwert von 5.000,00 Euro in die Zuständigkeit des Amtsgerichtes, darüber, und sei es auch nur ein Cent, ist die Zuständigkeit des Landgerichtes begründet. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich regelmäßig aus den §§ 13 ff. ZPO. bb) Schwieriger gestaltet sich die Frage nach der Zuständigkeit, wenn gesetzliche Spezialvorschriften bestehen, die beachtet werden müssen. So ergibt sich eine Spezialzuständigkeit des Amtsgerichtes bei Wohnraumietverhältnissen unabhängig vom Regelstreitwert. Wird der Rechtsstreit auf beiden Seiten von Handelskaufleuten betrieben, liegt eine Spezialzuständigkeit der Kammer für Handelssachen beim Landgericht vor. Eine Einstweilige Verfügung eines Verbrauchers gegen einen Energielieferanten wird, unabhängig vom Streitwert, gemäß §§ 102, 103 EnWG i. V. m. der landesrechtlichen Ausführungsverordnung einer speziellen Kammer für Handelssachen beim Landgericht als Kartellkammer zugewiesen usw.. Die entsprechenden Spezialnormen sind so umfangreich, dass sie die Möglichkeiten einer vorliegenden Darstellung sprengen würden. Hier bleibt nur die Möglichkeit, sich im Zweifelsfall nach Anhaltspunkten im Sachverhalt des Klausurtextes umzusehen. Jedoch sollte sich jeder Klausurbearbeiter darüber im Klaren sein, dass er die sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen hat. 26

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

b) Die Parteien des Rechtsstreits aa) Zum Rubrum gehört weiter zwingend die Bezeichnung des Schriftsatzes als Klage oder Antrag in Form einer Überschrift. Hiernach erfolgt die Bezeichnung der Parteien des Rechtsstreites mit Namen und ladungsfähiger Anschrift, gekennzeichnet jeweils als Kläger/Beklagter bzw. Antragsteller/Antragsgegner sowie die Nennung etwaiger, sie vertretenen Prozessbevollmächtigten.

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Hinweis: In der in Aktenauszügen beigefügten Korrespondenz durch Rechtsanwälte wird häufig an den Gegner die Bitte geäußert, man möge im Falle der Klageerhebung sie bereits in der Klageschrift als Prozessbevollmächtigte des Beklagten aufführen. Einem solchen Begehren Rechnung zu tragen, erscheint jedoch nicht empfehlenswert, wenn es auch als nicht unzulässig angesehen werden kann. Durch den Umstand, dass bereits ein Prozessbevollmächtigter des Beklagten in der Klageschrift benannt wurde, sehen sich manche Gerichte veranlasst, die Zustellung der Klageschrift nur an den Prozessbevollmächtigten – und nicht etwa an den Beklagten – zu bewirken. Es sind Fälle bekannt, in welchen dann der potentielle Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach Zustellung der Klageschrift mitteilen ließ, für das Klageverfahren doch nicht durch den Beklagten, oder jedenfalls aktuell nicht mehr, bevollmächtigt zu sein. Letztlich ist dann durch das Gericht eine weitere Zustellung an den Beklagten zu bewirken, so dass der Rechtsstreit erheblich verzögert wird.

bb) Besondere Sorgfalt bei Erstellung des Rubrums ist auf die richtige Parteibezeichnung, insbesondere auch auf das Vorliegen von Vertretungsverhältnissen, zu verwenden. Soweit juristische Personen Partei des Rechtsstreites sind, sind deren Vertreter, gekennzeichnet durch den Zusatz „vertreten durch“, mit ihrer genauen Stellung (z. B. Geschäftsführer, Vorstand) ins Rubrum aufzunehmen.

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Hinweis: In manchen Fällen ergeben sich Vertretungsverhältnisse auch aus dem materiellen Recht (gesetzliche Vertretung). Hier ist besonders der familienrechtliche Sonderfall der gewillkürten Prozessstandschaft bei minderjährigen Kindern im Unterhaltsprozess durch den Sorgeberechtigten zu beachten.

c) Mehrheit von Parteien auf Kläger oder Beklagtenseite Stehen auf Kläger- und/oder Beklagtenseite mehrere Parteien, so handelt es sich um einen Fall der Streitgenossenschaft oder auch subjektive Klagehäufung genannt. Zu unterscheiden ist hierbei die einfache Streitgenossenschaft (§§ 61, 63 ZPO) oder die notwendige Streitgenossenschaft des § 62 ZPO. aa) Bei der einfachen Streitgenossenschaft handelt es sich lediglich um eine äußere Zusammenfassung mehrerer Klageansprüche, die auch als getrennte Klagen in verschiedenen Prozessen selbständig geltend gemacht werden können. Die bedeutet, dass bei der einfachen Streitgenossenschaft jeder Streitgenosse seinen Prozess selbständig und unabhängig von den übrigen Streitgenossen betreibt und insoweit Prozesshandlungen auch nur für und gegen ihn selbst wirken. Ist im Rahmen einer Klageschrift die Möglichkeit einer einfachen Streitgenossenschaft in Erwägung zu 27

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

ziehen, so sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen der jeweiligen denkbaren Einzelklagen auch für jeden Streitgenossen gesondert zu prüfen. Beispiel Ein Fall einfacher Streitgenossenschaft kann materiell-rechtlich z. B. vorliegen, wenn auf Beklagtenseite sowohl ein Darlehensnehmer als auch zwei Bürgen verklagt werden sollen. Hier ist jedes Prozessrechtsverhältnis gesondert zu betrachten, also etwa zum einen das Prozessrechtsverhältnis gegenüber dem Darlehensnehmer, zum anderen die Frage, ob jeder der beiden Bürgen tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Entsprechend ist auch in der Klagebegründung für jeden der unterschiedlichen Prozessbeteiligten dies gesondert vorzutragen. Die einfache Streitgenossenschaft soll immer schon dann zulässig sein, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist. Dies kann sich aus einer gemeinsamen Rechtsgemeinschaft (§ 59 1. Alternative ZPO), aus demselben Grund (§ 59 2. Alternative ZPO) oder aus einer Gleichartigkeit (§ 60 ZPO) der Rechtssache ergeben. Hieraus ergibt sich, dass der Bearbeiter für den Fall, dass er für mehrere Beteiligte tätig werden soll, stets zu prüfen hat, ob derartige Voraussetzungen für eine zweckmäßige Verbindung ursprünglich möglicher Einzelklagen opportun sind. In einem solchen Fall ist auch darauf zu achten, dass sich der Streitwert eines derartigen Verfahrens aus der Addition der jeweiligen Interessen der einzelnen Streitgenossen ergibt. bb) Die notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) liegt hingegen vor, wenn sich die Personenmehrheit auf Kläger- oder Beklagtenseite nicht aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen, sondern unmittelbar aus Rechtsgründen ergibt. Die zu findende Sachentscheidung des Verfahrens kann nämlich insoweit für alle notwendigen Streitgenossen nur einheitlich erfolgen (vgl. BGHZ 30, 195). Die notwendige Streitgenossenschaft ist möglich aufgrund prozessualer oder materiell-rechtlicher Gründe (§ 62 Abs. 1 1. Alternative oder § 62 Abs. 1 2. Alternative ZPO). cc) Bei der prozessual notwendigen Streitgenossenschaft bedarf es zur wirksamen Klageerhebung jedoch nicht, dass alle (notwendigen) Streitgenossen klagen bzw. im Falle notwendiger Streitgenossenschaft auf der Beklagtenseite alle notwendigen Streitgenossen verklagt werden. Zu prüfen ist vielmehr, ob ein Fall der gesetzlich angeordneten Rechtskrafterstreckung vorliegt. Würden also die erforderlichen Prozesse nacheinander und nicht in Form eines einzigen Prozesses geführt, könnte die Sachentscheidung durch das Gericht aufgrund der Rechtskrafterstreckung für alle Verfahren nur gleichartig erfolgen (so bereits BGHZ 30, 195, 199). dd) Die materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft ist demgegenüber gegeben, soweit ein Recht materiell-rechtlich allen Prozessbeteiligten ausschließlich gemeinsam zusteht, also von allen oder gegenüber allen nur gemeinsam geltend gemacht werden kann. Die Prozessführungsbefugnis steht insoweit Klägern und/oder Beklagen nur gemeinsam zu. Der Bearbeiter in der Klausur hat daher zu prüfen, ob das von ihm geltend gemachte Recht nur dadurch wirksam im Verfahren durchgesetzt werden kann, wenn bereits zuvor die Streitgenossenschaft hergestellt worden ist. 28

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

d) Sonstige Angaben Für die Angabe der Adresse ergeben sich grundsätzlich keine Besonderheiten. Aber die Angabe eines Postfaches als Adresse ist nicht möglich, da insoweit über Postfach eine ordnungsgemäße Zustellung der Klage durch Postzustellungsurkunde ausscheidet. Ins Rubrum gehört darüber hinaus die Angabe der Art des Anspruches. Dem Gericht soll sofort mitgeteilt werden, um welche Art der Streitigkeit es sich handelt, wobei zu weitgehende Angaben ebenfalls vermieden werden sollten. Beispiel wegen: Schadensersatz und Schmerzensgeld aus Verkehrsunfall wegen: Forderung wegen: Unterlassung wegen: Herausgabe wegen: Scheidung, hier Geltendmachung von Getrenntlebendunterhalt wegen: Feststellung e) Das Ende des Rubrums Eine Angabe zum voraussichtlichen Streitwert (sog. Zuständigkeitswert) ist am Ende des Rubrums einzustellen, wobei selbstverständlich die endgültige Feststellung des Streitwertes dem Gericht obliegt. Nach diesem werden die einzuzahlenden Gerichtskosten bemessen. Der anwaltliche Bearbeiter hat zudem, aus dem Fürsorgegesichtspunkt gegenüber dem Mandanten, die ungefähren Kosten des Verfahrens bereits zu diesem Zeitpunkt zu ermitteln. Hierzu gehört daher zwingend, dass der Rechtsanwalt Kenntnisse nicht nur der eigenen Gebührenordnung, sondern auch Kenntnisse in der Ermittlung des Streitwertes besitzt. Ausgangspunkt für die Streitwertberechnung sind die Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO. In den einschlägigen Kommentaren zur Zivilprozessordnung sind insbesondere bei § 3 ZPO die meisten denkbaren Streitgegenstände dem Werte nach beziffert, soweit sich der Wert nicht unmittelbar aus der Forderungshöhe, wie bei einer Geldschuld, ergibt. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 5 1. Halbsatz ZPO, nach dem mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, also bei objektiver (§ 260 ZPO) oder subjektiver (§§ 59 ff. ZPO) Klagehäufung. Hierzu gehört jedoch nicht die Addition von sog. Haupt- und Hilfsanträgen zur Ermittlung des Zuständigkeitswertes, sondern es wird der allein höhere Anspruch bewertet, Hilfsbegründungen sind dabei immer unbeachtlich (OLG Bremen JurBüro 1979, 731; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 60 Rz. 10) und haben keinen Einfluss auf die Streitwertberechnung. 2. Parteiänderung vor und nach Klageerhebung Es ist denkbar, dass im Rahmen einer Klausurstellung eine Fallkonstellation geschildert wird, in welchen sich vor oder zwischen Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung (Klageerhebung) und deren zu erwartendem Abschluss eine Änderung in der Person einer oder mehrerer der Parteien ergibt. 29

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

a) Tod, Insolvenz oder Nacherbfolge der Partei aa) In Betracht dürften hierbei insbesondere Fälle des Todes einer Partei, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Eintritt der Nacherbfolge genannt werden. Selbstverständlich hat der Klausurbearbeiter dann entsprechend die Klage gegen den Rechtsnachfolger zu richten, im Falle des Todes einer Partei etwa gegen den/ die Erben oder bei Insolvenz des Gegners gegen den Insolvenzverwalter als Vertreter der ursprünglichen Partei. Wird vom Klausurbearbeiter die Erstellung einer Klageschrift gefordert, stellen derartige Konstellationen keine große Schwierigkeit dar, da hier lediglich die materielle Rechtslage in Bezug auf Rechtsnachfolge oder das Vertretungsverhältnis zu klären ist. Die Klage ist dann gegen den neuen Anspruchsgegner zu richten. bb) Schwieriger gestalten sich Fälle einer möglichen Parteiänderung, wenn bereits eine Klageschrift eingereicht worden ist und der Klausurbearbeiter nun, gegebenenfalls auch in Form eines Rechtsgutachtens, zu prüfen hat, gegen wen der Rechtsstreit weiter zu führen sein wird und ob möglicherweise die Übernahme des Prozesses durch einen Rechtsnachfolger herbeigeführt werden muss. Entsprechende Anträge zu formulieren ist dann Teil der Klausuraufgabe. Verstirbt eine Partei nach Rechtshängigkeit (§ 239 ZPO) ist der Erbe Kraft Gesetzes Rechtsnachfolger. Hier genügt es, mit Hinweis auf das Ableben der Partei zu beantragen, das Rubrum entsprechend auf den Rechtsnachfolger umzuschreiben. Tritt der Fall der Insolvenz ein, wird der Insolvenzverwalter mit Beginn seiner Amtsstellung ebenfalls Partei Kraft Amtes und bleibt dies, so lange er zum Insolvenzverwalter bestellt ist. Auch hier reicht ein entsprechender Antrag zur Umschreibung des Rubrums aus. Bei Eintritt der Nacherbfolge (§ 242 ZPO) liegt ebenfalls ein solcher Fall des gesetzlichen Parteiwechsels, nunmehr auf den Nacherben, vor. § 242 ZPO gilt jedoch nur, soweit der Vorerbe, der entweder gemäß § 2136 BGB befreit war oder die Zustimmung des Nacherben besaß (§ 2120 BGB), Kläger gewesen ist. Fehlen beim Vorerben die Voraussetzungen, d. h. ein Fall der Befreiung bestand nicht oder der Zustimmung des Nacherben lag nicht vor, verbleibt es unverändert bei der Parteistellung des Vorerben. Verstirbt der Vorerbe während des Verfahrens, treten daher lediglich seine gesetzlichen Erben nach der Vorschrift des § 239 ZPO in das Verfahren ein. In anderen Fällen als dem Ableben des Vorerben, entfiele seine Aktivlegitimation zur Führung des Prozesses sogar gänzlich, wie sich aus § 265 Abs. 3 ZPO analog ergibt. Ist der Vorerbe Beklagter, verbleibt dieser ebenfalls stets in der Stellung als Partei. b) Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Kläger Einen besonders wichtigen Fall der Klausurpraxis stellt im Zusammenhang mit der Frage der Erforderlichkeit eines Parteiwechsels die Veräußerung der streitbefangenen Sache dar. Folge einer Veräußerung ist, dass der veräußernde Kläger die Aktivlegitimation zur Führung des Rechtsstreites verliert. Umgekehrt lässt auf Beklagtenseite die Ver30

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

äußerung der streitbefangenen Sache seitens des Beklagten dessen Passivlegitimation entfallen. Unter Sache hat man jedes Recht zu verstehen, welches Gegenstand eines Rechtsstreites sein kann. aa) Hierbei ist als Veräußerung der streitbefangenen Sache jede Übertragung des Einzelrechtes unter Lebenden auf einen Dritten zu verstehen, also nicht nur eine klassische Veräußerung in der Begrifflichkeit des Schuldrechtes. Daher ist auch die Abtretung einer Forderung Veräußerung der streitbefangenen Sache. Liegt ein Fall der Veräußerung der streitbefangenen Sache vor, sind die Voraussetzungen der §§ 265, 266 ZPO zu prüfen. Es kommt mithin darauf an, ob durch die Veräußerung eine Änderung in der oder den Personen des Rechtstreites erforderlich wird und möglich ist. Liegen die Voraussetzungen der Veräußerung auf Klägerseite vor, verbleibt es bei der bisherigen Parteistellung mit der Folge, dass der Veräußernde den Prozess in der Form der Prozessstandschaft, d. h. im eigenen Namen, aber für fremdes Recht fortführt und ihm insoweit auch weiterhin die alleinige Prozessführungsbefugnis verbleibt. Ausnahme bildet nur Fall des Vorliegens der Besonderheit des § 265 Abs. 3 BGB bei fehlender Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsnachfolger. Beispiel X verklagt Z auf Herausgabe eines dem Z durch X geliehenen Buches. Nach Rechtshängigkeit veräußert Z das Buch an A, der gutgläubig ist. Da materiell-rechtlich X das Eigentum an seinem Buch verloren hat, fehlt im die Aktivlegitimation gegenüber Z sein Herausgabeverlangen weiterhin geltend zu machen. Darüber hinaus ist Z nicht mehr unmittelbarer Besitzer, so dass er diesbezüglich auch keine Passivlegitimation mehr inne hat. Gemäß § 265 Abs. 2 ZPO kann das Verfahren zwischen X und Z jedoch weitergeführt werden. Z kann mithin weiterhin auf Herausgabe verurteilt werden.

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Hinweis: Die streitbefangenen Sachen im vorliegenden Beispielsfall sind hierbei Eigentum und Besitz. Demgegenüber sind die Begriffe Veräußerung und Abtretung auf alle Arten des Rechtsüberganges anzuwenden, auch wenn tatsächlich nur ein Verlust des bisherigen Rechtes eintritt, ohne dass es zu einer im technischen Sinne tatsächlichen Veräußerung oder Abtretung kommt.

bb) Liegt ein Fall vollumfänglicher Rechtskrafterstreckung vor, verbleibt in der Konsequenz dem Kläger daher weiterhin gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Prozessführungsbefugnis aufgrund der bereits erläuterten gesetzlichen Prozessstandschaft. Nach der vorherrschenden Relevanztheorie muss der veräußernde Kläger jedoch seinen Klageantrag dahingehend umstellen, dass der Beklagte nunmehr im Falle der Verurteilung an den neuen Gläubiger zu leisten hat. cc) Scheidet dies aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 325 Abs. 2 ZPO (mangelnde Rechtskrafterstreckung für den neuen Gläubiger) aus, ist eine Umstellung des Klageantrages wegen § 265 Abs. 3 ZPO nicht möglich. Aufgrund der Relevanztheorie würde nämlich aufgrund mangelnder Rechtskrafterstreckung bezüglich der Person des Rechtsnachfolgers – mit der fehlenden, entsprechenden Umstellung des Klageantrages – dies zu einem materiell unrichtigen Urteil führen. In diesem Fall muss hier die Klage als unbegründet abgewiesen werden. 31

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Fehlt es an der Rechtskrafterstreckung nach §§ 265 Abs. 3, 325 Abs. 2 ZPO, kann hingegen der Rechtsnachfolger eine eigene Klage aus abgetretenem Recht erheben. Für den Rechtsnachfolger gilt dann im Ergebnis, dass er bei voller Rechtskrafterstreckung das Ergebnis des Klageverfahrens für oder gegen sich geltend lassen muss. Im Falle fehlender Rechtskrafterstreckung bleibt daher auch etwa ein klageabweisendes Urteil gegen den bisherigen Kläger für diesen im tatsächlichen Ergebnis bezüglich des Schicksals seiner Forderung folgenlos und der Rechtsnachfolger kann gegebenenfalls ein weiteres Verfahren gegen den Beklagten anhängig machen. Es verbleibt alleine die Möglichkeit, dass der Rechtsnachfolger das Verfahren nach Veräußerung selbst übernimmt, was durch eine Übernahmeerklärung in schriftlicher Form oder durch Erklärung zur Protokoll in der mündlichen Verhandlung geschehen kann. Eine Zustimmung des Beklagten zu dieser Vorgehensweise ist gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO allerdings ebenso erforderlich, wie auch eine Zustimmungserklärung des bisherigen Klägers, da dieser auch nach Veräußerung der streitbefangenen Sache zunächst weiterhin Partei des Rechtsstreites bleibt. Stimmen die bisherigen Parteien zu, ergeben sich keine weiteren Schwierigkeiten. Als Folge wirken alle bisherigen Prozesshandlungen des bisherigen Klägers nunmehr auch für oder gegen den neuen Kläger. Dies gilt für die sich hieraus bereits ergebenden Kostenfolgen. dd) Schwieriger gestaltet sich hingegen die Rechtslage, wenn der Rechtsnachfolger entweder nicht in das Verfahren als neuer Kläger eintreten will oder bisheriger Kläger und/oder Beklagter ihre Zustimmung zur Übernahme des Verfahrens durch den Rechtsnachfolger verweigern. Bei einer solchen Konstellation besteht nur die Möglichkeit, dass der Rechtsnachfolger sich dafür entscheidet, entweder als Streithelfer im Sinne der §§ 66 ff. ZPO dem Rechtsstreit beizutreten oder in einem späteren Prozess der Hauptintervention (§ 64 ZPO) gegen beide Parteien des Hauptprozesses vorzugehen. Im Falle des §§ 265 Abs. 2, 325 Abs. 1 ZPO ist die Hauptintervention, § 64 ZPO (Vgl. insoweit die Kommentierung bei Zöller/Vollkommer, ZPO, § 64 Rz. 1 und Rz. 3; vor § 64 Rz. 1), aber nur dann möglich, wenn zumindest der Veräußerungsgegner, also der bisherige Beklagte, zustimmt. Ansonsten ist die Hauptinterventionsklage auch weiterhin unzulässig. Bei fehlender Rechtskrafterstreckung im Sinne des § 265 Abs. 3 bedarf es einer entsprechenden Zustimmung hingegen ausdrücklich nicht. Nicht zulässig ist im Falle der Rechtskrafterstreckung, dass der Rechtsnachfolger selbst, etwa aus abgetretenem Recht, eine weitere Klage gegen den bisherigen Beklagten erhebt. Diese bleibt unzulässig, da ihm nach wie vor die Prozessführungsbefugnis fehlt, da § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem bisherigen Rechtsvorgänger weiterhin auch die ausschließliche Prozessführungsbefugnis zugesteht. Hiermit soll verhindert werden, dass sich der Beklagte zwei identischen Ansprüchen ausgesetzt sieht, die auf die gleiche Forderung lauten würden, welche aber nur einmal erfüllt werden kann.

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Hinweis: Hat der Rechtsvorgänger ein obsiegendes Urteil erstritten, so ist zu beachten, dass auch die Vollstreckungsklausel gem. § 724, 725 ZPO nur die-

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

sem erteilt wird. Will der Rechtsnachfolger selbst vollstrecken, muss er den Titel entweder auf sich umschreiben lassen oder sogar Klage auf Klauselerteilung erheben. c) Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Beklagten Veräußert der Beklagte die streitbefangene Sache nach Klageerhebung, stehen dem Kläger mehrere Möglichkeiten zur Seite, das Verfahren weiter zu betreiben. Für den Klausurbearbeiter ist ein derartiger Fall als überaus problematisch zu bewerten, da sich hier der Klausurbearbeiter vorrangig mit der Frage der Zweckmäßigkeit der weiteren Vorgehensweise auseinanderzusetzen hat. aa) In einem solchen Falle kann es so notwendig werden, im Rahmen der gutachterlichen Prüfung zunächst voranzustellen, welche Schritte man dem eigenen Mandanten als Kläger rät, ehe mit der weiteren gutachterlichen, gegebenenfalls auch materiell-rechtlichen, Prüfung fortfährt. Bei Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Beklagten besteht für den Kläger die Möglichkeit der Klageänderung gem. § 264 Nr. 3 ZPO. Es ist zu überlegen, ob etwa anstelle des ursprünglichen Antrages auf Herausgabe der streitbefangenen Sache, die Klage nunmehr auf die Geltendmachung von Schadensersatz gegen den Beklagten umzustellen ist. Beispiel Im Falle der Veräußerung des Buches, welches im Eigentum des Klägers stand, wäre zu prüfen, ob anstelle der Herausgabe jetzt die Geltendmachung von Schadensersatz geltend gemacht werden soll oder sogar die Herausgabe des aus der Veräußerung Erlangten in Betracht zu ziehen ist. Hierbei wird der Klausurbearbeiter zu berücksichtigen haben, mit welchem Antrag dem Interesse des Mandanten weiterhin am Besten Rechnung getragen wird. So kann etwa die Umstellung eines Antrages bezüglich der Herausgabe einer Sache auf einen Antrag auf Zahlung von Schadenersatz im Interesse des Mandanten nicht in Betracht kommen, wenn sich dieses Interesse nicht auf die materielle Werthaltigkeit der Sache bezieht. In diesem Fall würde eine Umstellung keinesfalls in Betracht zu ziehen sein. Der Kläger kann durch Umstellung sein Klageziel nicht mehr erreichen. Es muss daher zumindest zunächst geprüft werden, ob es sinnvoll erscheint, das Verfahren gegenüber dem bisherigen Beklagten überhaupt weiter zu betreiben. bb) Im Falle einer möglichen Rechtskrafterstreckung ist es für den Kläger nicht einmal möglich, eine Parallelklage gegen den Rechtsnachfolger anhängig zu machen, da hier ein Fall der doppelten Rechtshängigkeit gegeben wäre. Er muss zunächst das Verfahren gegen den bisherigen Beklagten zu Ende führen und kann erst dann den Rechtsnachfolger in Anspruch nehmen. Der Kläger kann also insbesondere nicht mittels Klageänderung den Rechtsnachfolger in die Beklagtenstellung einwechseln. 33

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Die Erhebung einer weiteren Klage kann dabei dann sinnvoll erscheinen, wenn zu besorgen steht, dass bei längerem Zuwarten der Anspruch beim Rechtsnachfolger ebenfalls nicht wird realisiert werden können. Fehlt es hingegen an den Voraussetzungen der Rechtskrafterstreckung gegen den Rechtsnachfolger, ist auch während des angängigen Verfahrens gegen den Beklagten die Erhebung einer weiteren Klage gegen den Rechtsnachfolger möglich. Da die Verfahren voneinander völlig unabhängig zu betrachten sind, besteht keine Gefahr von abweichenden Gerichtsentscheidungen. Alternativ kann sich daher anbieten, sogleich eine entsprechende Herausgabeklage nunmehr gegen den neuen Besitzer anhängig zu machen. Ein solcher Weg ist jedoch nur möglich, wenn die Klage gegen den bisherigen Beklagten nicht weiter betrieben wird (sonst doppelte Rechtshängigkeit). Würde eine entsprechende Klage jedoch gegen den bisherigen Beklagten zurückgenommen, führt das gemäß § 269 Abs. 3 ZPO für den Kläger zu der unerwünschten Nebenfolge, für die Tragung der Kosten des bisherigen Rechtsstreites aufkommen zu müssen. cc) Vorzuziehen ist deshalb in diesem Falle statt einer Klagerücknahme die Erledigung der Hauptsache zu erklären, damit dem bisherigen Beklagten jedenfalls die Kosten des Rechtsstreites überbürdet werden können. Insoweit hatte er zunächst Anlass zur Klageerhebung gegeben, durch die Veräußerung hat sich der Rechtsstreit jedoch durch ein in seiner Sphäre liegendes Ereignis erledigt. Der Kläger kann die neue Klage alsdann, wenn das Gericht die bisherige Klage für übereinstimmend erledigt erklärt hat, anstrengen. dd) Unbenommen bleibt es dem Kläger somit als letzte Möglichkeit, die bisherige Klage gegenüber dem bisherigen Beklagten trotz Veräußerung der streitbefangenen Sache unverändert fortzuführen. Da § 265 Abs. 3 ZPO auf Beklagtenseite nicht zur Anwendung gelangt, lässt die Veräußerung der streitbefangenen Sache die Passivlegitimation des Beklagten nicht entfallen. Er kann weiterhin gemäß dem ursprünglichen Klageantrag verurteilt werden, auch wenn ihm eine tatsächliche Erfüllung des Klageanspruches überhaupt nicht mehr möglich sein sollte. Damit stellt sich sodann in diesen Fällen das Folgeproblem, inwieweit der Kläger im Falle des Obsiegens eine realistische Möglichkeit zur Vollstreckung besitzt oder nicht. Aufgrund des ihm zustehenden Titels gegenüber dem Beklagten steht ihm formal uneingeschränkt die Möglichkeit der Vollstreckung gegenüber dem Beklagten zu. Dies kann durchaus zum Erfolg führen, etwa wenn der Beklagte weiterhin unmittelbarer Besitzer der streitbefangenen Sache geblieben ist oder die Sache später zurückerhält. Liegt ein Fall der Rechtskrafterstreckung gemäß § 325 Abs. 1 ZPO auf den Rechtsnachfolger auf Beklagtenseite vor, kann sogar gegen diesen unmittelbar selbst nach Umschreibung des Titels zu Gunsten des Klägers vollstreckt werden. Fehlt es an solcher Rechtskrafterstreckung gemäß § 325 Abs. 2 ZPO und befindet sich die Sache auch nicht mehr im Zugriff des Beklagten, wird der Kläger seinen Anspruch aus dem Titel nicht realisieren können. Nicht möglich ist, dass der Kläger eine Änderung in der Person des Beklagten im laufenden Rechtsstreit herbeizuführen vermag. 34

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

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Hinweis: Der Kläger kann also nicht die Person des Beklagten einfach auswechseln, wie etwa die Person des Klägers ausgewechselt werden kann.

ee) Eine Besonderheit in der Behandlung der Rechtsnachfolge bei Veräußerung der streitbefangenen Sache besteht, wenn es sich hierbei um ein Grundstück handelt. § 266 ZPO regelt diesen Fall einer Veräußerung eines streitbefangenen Grundstückes, welcher anders als § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beurteilen ist. Der Rechtsnachfolger soll hier stets berechtigt sein, den Prozess zu übernehmen und ist auf Antrag einer der Parteien sogar verpflichtet, dies zu tun. Übernimmt er den Prozess von sich aus nicht und wird auch kein entsprechender Antrag seitens einer der Parteien des Rechtsstreites gestellt, wird der bisherige Rechtsstreit unverändert mit den bisherigen Prozessbeteiligten weitergeführt. d) Gewillkürter Parteiwechsel Neben den Fällen des gesetzlichen Parteiwechsels besteht für die Prozessbeteiligten auch die Möglichkeit eines gewillkürten Parteiwechsels. Ähnlich den eindeutig prozessrechtlich geregelten Fällen des gesetzlichen Parteiwechsels, soll der gewillkürte Parteiwechsel jedoch ebenfalls seinen Niederschlag in den Vorschriften der Zivilprozessordnung haben. aa) Die Rechtsprechung vertritt hierbei die Auffassung, dass ein gewillkürter Parteiwechsel (und sogar ein gewillkürter Parteibeitritt) als Klageänderung zu beurteilen ist. Seine Zulässigkeit bemisst sich somit nach Voraussetzungen der §§ 263 ff. ZPO („Klageänderungstheorie“ des BGH; hierzu erstmalig BGHZ 65, 264, 267). Unabhängig vom Willen der Prozessbeteiligten soll bei Vorliegen von Sachdienlichkeit ein entsprechender gewillkürter Parteiwechsel möglich sein. Auf Beklagtenseite soll lediglich gemäß § 269 Abs. 1 analog ZPO die Zustimmung des Beklagten erforderlich sein, da dieser Anspruch auf Sachentscheidung besitzt. Stimmt er zu, scheidet der bisherige Beklagte aus dem Prozessrechtsverhältnis aus. Alle Folgen, die das bisherige Prozessrechtsverhältnis ausgelöst hat, gelten sodann für die neuen Parteien des Prozesses fort. bb) Demgegenüber vertritt die herrschende Literaturmeinung die Auffassung, dass es sich beim gewillkürten Parteiwechsel um ein prozessuales Institut eigener Art handelt, welches nach den Vorschriften der §§ 265 Abs. 2 Satz 2, 269 Abs. 1 ZPO analog zu beurteilen ist. (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, vor § 50 Rz. 15) Im Wesentlichen wird durch die Literatur hierbei auf Zustimmungserfordernisse abgestellt, da die bisherigen Prozessparteien nicht ohne ihr ausdrückliches Einverständnis ausgewechselt werden können. Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch, ob die neuen Parteien an das bisherige Beweisergebnis gebunden werden können oder nicht. Wer jedenfalls im Wege gewillkürten Parteibeitritts sich dem Rechtsstreit anschließt, sei aber jedenfalls nach dieser Auffassung als (ein nachträglich hinzugetretener) Streitgenosse zu behandeln. cc) Sollte im Rahmen einer Klausurbearbeitung das Problem des gewillkürten Parteiwechsels auftreten, so ist in einem solchen Fall daher dringend dem Klausur35

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

bearbeiter zu empfehlen, anhand der ihm zur Verfügung stehenden Kommentarliteratur den Streitstand kurz darzustellen und sich entweder der Meinung der Rechtsprechung oder der Literatur anzuschließen. Da im Rahmen der anwaltlichen Klausur auch stets die Frage der Zweckmäßigkeit des anwaltlichen Handelns zu berücksichtigen ist, dürfte der Auffassung der Rechtsprechung der Vorzug einzuräumen sein. Im Hinblick auf die zu beachtende anwaltliche Zielsetzung in einer Anwaltsklausur steht die optimale Umsetzung des Mandantenbegehrens im Mittelpunkt. Das Vertreten einer Rechtsmeinung, die ausschließlich Literaturmeinung ist, würde in einem tatsächlichen Gerichtsverfahren nur eingeschränkte Aussicht auf Erfolg haben. Grundsätzlich gilt daher, dass für einen Streitstand, welcher bereits umfänglich durch die Rechtsprechung entschieden worden ist, der sicherste Weg zur erfolgreichen Klausurbearbeitung immer in der Übernahme der Rechtsmeinung der Rechtsprechung liegt. Abweichende Meinungen sind dabei zulässig, bedürfen dann aber besonders sorgfältiger Begründung und den Hinweis, dass der Mandant darüber aufgeklärt werden muss, dass die aktuelle Rechtsprechung eine abweichende Auffassung vertritt. 3. Der eigentliche Klageantrag a) Klageantrag zur Hauptsache An das Rubrum schließt sich unmittelbar der Klageantrag an, also das zusammengefasste Ziel des Mandanteninteresses. Anträge zur Auferlegung der Kosten sind entbehrlich, da insoweit das Gericht von Amts wegen hierüber zu entscheiden hat, jedoch üblich. Besonderes Augenmerk bei der Formulierung des Klageantrages ist hingegen darauf zu richten, dass dieser einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist und das Begehren des Mandanten vollständig durch den Klageantrag wiedergegeben wird. aa) Im Rahmen der Leistungsklagen (§§ 257 ff. ZPO), also Klagen auf gegenwärtige oder zukünftige Leistungen, wie etwa bei Ansprüchen bezüglich Geldforderungen, wird die Formulierung des Klageantrages regelmäßig keine Schwierigkeit beinhalten, da die Höhe der Forderung einfach zu beziffern sein wird. bb) Schwieriger sind Klageanträge außerhalb bezifferbarer Forderungen im Leistungsbereich, z. B. im Rahmen von Herausgabeverlangen, zu fassen. Der herauszugebende Gegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass dieser von anderen, ähnlichen Gegenständen des Schuldners im Falle der Zwangsvollstreckung eindeutig durch das Vollstreckungsorgan unterschieden werden kann. Beispiel Es wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger den Fernseher, Marke …, Baujahr…, mit der Seriennummer…herauszugeben. oder Wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger die in dessen Besitz befindliche CD-Sammlung, bestehend aus CD-Album des Interpreten A mit dem Titel B, CDAlbum des Interpreten C mit dem Titel D, usw. herauszugeben. 36

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

cc) Richtet sich die Klage auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme ist bereits im Klageantrag zu beantragen, die Geldsumme ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verzinsen. Materiell-rechtlich kann sich ein solcher Zeitpunkt aus dem Zeitpunkt des Eintritts des Verzugs beim Schuldner ergeben, §§ 286 f. BGB. Insoweit ist zu beantragen, dass Zinsen ab dem konkreten Datum geschuldet werden, ab dem sich der Schuldner außergerichtlich in Verzug befunden und nicht geleistet hat. Wird im Klageantrag ein bestimmtes Datum des Verzugseintritts nicht genannt, etwa weil kein außergerichtlicher Verzug des Schuldners vorlag, ist zu beantragen, dass Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zu zahlen sind. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schuldner dann im Verzug. Die Höhe des Zinssatzes richtet sich nach § 288 Abs. 1 und Abs. 2 bzw. § 291 BGB und beträgt grundsätzlich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinsatz, soweit ein Verbraucher S. d. § 13 BGB betroffen ist. In anderen Fällen, also wo kein Verbraucher auf Beklagtenseite beteiligt ist, beträgt der Zinssatz 8 Prozentpunkte über dem Basiszinsatz. Höhere Zinsen können verlangt werden, müssen jedoch dann vom Kläger im Rahmen der Klagebegründung substantiiert vorgetragen und belegt werden. Beispiel Es wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 5.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2008 zu zahlen. oder Es wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 5.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Hinweis: Viele Klausuren siedeln gerade im Bereich der Zinsberechnung einer Klageforderung zusätzliche Probleme an. In der Regel findet sich dann im Aufgabentext ein Schreiben, mit welchem der (spätere) Beklagte aufgefordert wird, bis zu einem bestimmten Tag die Forderung zu begleichen. Hieraus folgt in der Regel, dass nach Fristablauf, also dem Tag, der auf das Fristende nachfolgt, Zinsen zu zahlen wären. Endete die Frist z. B. am 2.3.2008, so wäre im Klageantrag zu beantragen, den Beklagten zu verurteilen, zusätzlich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz ab dem 3.3.2008 zu zahlen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Beklagte auch durch das entsprechende Schreiben ordnungsgemäß in Verzug gesetzt worden ist. Eine Schreiben mit Fristsetzung, nach welchem der Beklagte außergerichtlich lediglich seine Haftung dem Grunde nach anerkennen soll, ohne dass eine konkrete Forderung erhoben wurde, ist keine ordnungsgemäße In-Verzug-Setzung, die einen Zinsanspruch auszulösen vermag. Im Rahmen des Klageantrages würde, hätte der Anwalt in diesem Fall beantragt, auf den Anspruch auf Zinsen ab 3.3.2008 zu erkennen, insoweit Abweisung der Klage wegen der Zinsforderung erfolgen müssen. In einem solchen Fall können Zinsen nur ab Rechtshängigkeit verlangt werden. Soweit sich der Zinsanspruch aus einer kalendermäßigen Bestimmung ergibt (etwa Zahlung eines Anspruches auf Mietzins ist im Mietvertrag kalendermäßig geregelt), bedarf es einer außergerichtlichen In-Verzug-Setzung durch 37

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

den Kläger nicht, um einen Zinsanspruch ab einem bestimmten außergerichtlichen Zeitpunkt zu begründen. Der Zinsanspruch auf außergerichtlich entstandene Zinsansprüche muss sich immer auf die geschuldete Hauptforderung beziehen. Wurde die Hauptforderung nicht auf einmal, sondern zeitlich nacheinander fällig, ist der Zinsanspruch auch gestaffelt geltend zu machen. Beispiel Bei wiederkehrenden Zahlungsansprüchen, wie Mietzinszahlungen, Unterhaltsansprüchen oder Lohnentgelten sind Zinsen für die Vergangenheit jeweils bezogen auf den fälligen Monat zu beantragen. Besteht ein Zahlungsanspruch auf 6.000 Euro (z. B. Monatsmieten Januar bis einschließlich März je 2000 Euro/Monat, zahlbar bis jeweils den 3. eines Monates) müsste der Zahlungsanspruch nebst Zinsen bei einem Verbraucher lauten: Es wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 6.000 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz und zwar aus 2.000 Euro seit dem 04.01.2010, aus weiteren 2.000 Euro seit dem 04.02.2010 und aus weiteren 2.000 Euro seit dem 04.03.2010 zu verurteilen. b) Besonderheiten der Leistungsklage, Teilklage und Hilfsantrag aa) Möglich ist auch, nur einen Teil des Anspruches gerichtlich geltend zu machen (§ 308 Abs. 1 ZPO), etwa aus Gründen der Vermeidung eines erhöhten Prozessrisikos. Da sich die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens nach dem Wert der geltend gemachten Forderung richten (Gegenstandswerte bei GKG und RVG), reduzieren sich die Prozesskosten, wenn nicht die ganze Forderung zur Entscheidung durch das Gericht gestellt wird. Der Vorteil einer solchen Teilklage besteht darin, die Auffassung des Gerichtes zur Begründetheit eines bestimmten Klageanspruches zu testen, ohne dabei im Falle des Unterliegens das Kostenrisiko für die gesamte Forderung tragen zu müssen. Eine Erweiterung der Klage um den zunächst nicht geltend gemachten Teil ist jederzeit möglich (§ 264 Nr. 2 ZPO) und insoweit dann sinnvoll, sobald das erkennende Gericht signalisiert hat, dem bereits anhängigen Teil stattgeben zu wollen. Allerdings ist bei der Teilklage stets zu beachten, dass genau derjenige Teil bezeichnet werden muss, welcher Klagegegenstand ist, eine Unterbrechung der Verjährung für den nicht geltend gemachten Teil unterbleibt und auch die Rechtskraft des Urteils sich auf diesen Teil daher nicht zu erstrecken vermag (§ 322 Abs. 1 ZPO). bb) Der eigentliche Hauptantrag kann darüber hinaus mit einem Hilfsantrag kombiniert werden, etwa wenn zu besorgen steht, dass der Kläger im Falle der Abweisung des Hauptantrages seinen Anspruch überhaupt nicht durchzusetzen vermag. Regelmäßig wird dies dann der Fall sein, wenn materiell-rechtlich verschiedene Rechtsfolgen vorgesehen sind, wobei man in einem solchen Fall von einem echten Hilfsantrag spricht. 38

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

Beispiel Der Kläger hat ein Gebrauchtfahrzeug, Baujahr 2007, für 30.000 Euro erworben. Als er das Fahrzeug beim TÜV begutachten lässt, stellt sich heraus, dass das Fahrzeug tatsächlich Baujahr 2005 ist. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das Fahrzeug Zug- um-Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 30.000 Euro zurückzunehmen. Hilfsweise auszusprechen, dass der Beklagte verpflichtet ist, aufgrund Minderung an ihn einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro zurückzuzahlen. Beim unechten Hilfsantrag wird hingegen für den Fall, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag durchdringt, ein weiterer Antrag („für den Fall, dass…“) gestellt, dessen Bedingung das Obsiegen des Hauptantrages ist. cc) Hierin ähnelt der unechte Hilfsantrag der besonders im Familienrecht häufig anzutreffenden sog. Stufenklage. Mit der Stufenklage bezeichnet man eine Klageform, bei welcher, abweichend zu den vorherigen Ausführungen bezüglich des Inhaltes des Klageanspruches, gerade zunächst keine bestimmte (bestimmbare) Forderung geltend gemacht wird. So ist es zunächst der Beklagte, der selbst Auskunft über den Inhalt des klägerischen Anspruches erteilen muss, so dass der Kläger durch die Mitwirkung des Beklagten seinen (Zahlungs-)Anspruch zu konkretisieren vermag. Am Anfang der Stufenklage steht daher der Auskunftsanspruch (sog. Ziffer 1 der Stufenklage). Hat der Beklagte die begehrte Auskunft erteilt, so kann der Kläger beantragen, den Beklagten zu verpflichten, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben an Eides statt zu versichern (Ziffer 2 der Stufenklage). Schließlich ist der eigentliche Klageanspruch sodann zu beziffern (Ziffer 3 der Stufenklage) oder, für den Fall, dass nach Auskunftserteilung eine Forderung tatsächlich nicht besteht, zu beantragen (§ 264 Nr. 3 ZPO), festzustellen, dass der Beklagte zum Ersatz der Kosten der Stufenklage aufgrund des Umstandes des Verzuges durch verspätete Auskunftserteilung gem. §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB verpflichtet ist (BGH FamRZ 1995, 348 [349]). Der Vorteil der Stufenklage besteht auch darin, dass alle Rechtsfolgen, die mit einer Klageeinreichung verbunden sind, wie etwa auch die Unterbrechung der Verjährung, bereits mit Einreichung der Auskunftsstufe eintreten. Beispiel Es wird beantragt, wie folgt zu erkennen: 1.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen durch Vorlage seiner Lohnbescheinigungen für die Monate Dezember 2007 bis einschließlich Dezember 2008, seine Lohnsteuerkarten der Jahre 2007 und 2008 sowie dem Lohnsteuerbescheid des Jahres 2007.

2.

Nach Erfüllung von Ziffer 1 wird der Beklagte verpflichtet, die gem. Ziffer 1 gemachten Angaben hinsichtlich ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit an Eides statt zu versichern.

3.

Nach Auskunftserteilung wird der Beklagte sodann verurteilt an den Kläger einen noch zu beziffernden monatlichen Kindesunterhalt, jeweils zahlbar bis zum 3. Werktag eines Monates, zu zahlen. 39

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

dd) Außer in den Fällen der Stufenklage ist ein unbezifferter Klageantrag auch im Falle der Geltendmachung von Schmerzensgeld möglich. Hier besteht ein Ermessenspielraum des Gerichtes zur Höhe des Anspruches, dem dadurch Rechnung getragen werden soll. Während früher die Auffassung vertreten wurde, auch in derartigen Fällen müsse der Kläger bereits im Klageantrag eine Bezifferung wenigstens ansprechen, Beispiel Es wird beantragt, zu erkennen: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld, wenigstens aber 2.000 Euro, zu zahlen. neigen die Gerichte heute dazu, keine annähernde Bezifferung im Klageantrag mehr zu dulden. Vielmehr soll der Kläger eigene Vorstellungen hinsichtlich der Höhe seiner Forderung erst im Rahmen der Begründung der Klageschrift ausführen. Beispiel Es wird beantragt, zu erkennen: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen. Begründung: (…) Angesichts der Schwere der bei dem Kläger eingetretenen Verletzung erscheint hierbei ein Schmerzensgeld in Höhe von wenigstens 2.000 Euro angemessen, aber auch erforderlich. c) Feststellungsklagen und Gestaltungsklagen aa) Bei den Feststellungsklagen, § 256 Abs. 1 ZPO, lautet der Klageantrag nicht auf die Veurteilung des Schuldners zu einer bestimmten Leistung, sondern auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses bzw. dessen inhaltliche Ausgestaltung oder die Anerkennung einer Urkunde bzw. Feststellung deren Unechtheit (§ 256 Abs. 1 ZPO). Beispiel Wird beantragt, zu erkennen: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 5.8.08 zum 30.9.08 beendet worden ist. oder Es wird festgestellt, dass die Darlehnsurkunde zwischen den Parteien vom 05.08.08 unecht ist. bb) Feststellungsklagen sind gegenüber den Leistungsklagen subsidiär, bedürfen daher für ihre Zulässigkeit ein besonderes Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 2 ZPO), welches im Rahmen der Begründetheit der Feststellungsklage gesondert auszuführen und zu begründen ist. Es handelt sich hierbei um ein über das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis hinausgehendes Interesse. Früher war diesbezüglich streitig, ob es sich insoweit beim Feststellungsinteresse um eine echte besondere Sachurteilsvoraussetzung der Klage (BGH NJW 1978, 40

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

2032; Zöller/Greger, ZPO; Reichold in Thomas/Putzo, § 256 Rz. 2–4 oder um eine Prozessvoraussetzung (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 256 Rz. 3) handelt. Mit der Rechtsprechung kann inzwischen von einer herrschenden Auffassung gesprochen werden, dass das Feststellungsinteresse Sachurteilsvoraussetzung ist. Kann der Kläger eine Leistung aufgrund eines Rechtsverhältnisses beanspruchen, dessen Bestehen jedoch zwischen den Parteien streitig ist, so hat die Leistungsklage Vorrang vor der Feststellungsklage. Im Rahmen der Prüfung des Leistungsanspruches muss das Gericht nämlich inzidenter auch das Bestehen des Rechtsverhältnisses überprüfen, so dass eine isolierte Prüfung des Rechtsverhältnisses nicht in Betracht kommt. Reine Feststellungsklagen sind daher in der Klausurpraxis nicht sehr verbreitet. cc) Die Gestaltungsklage schließlich zielt mit ihrem Klageantrag auf die Änderung eines Rechtsverhältnisses ab. Typischer Fall ist hier das Scheidungsverfahren oder die Gestaltungsklagen bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Beispiel Es wird beantragt zu erkennen: Die am 12.2.1989 vor dem Standesbeamten in…unter Heiratsregisternummer …/1989 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden. d) Sonderfall der bedingten Klageeinreichung bei Prozesskostenhilfe Grundsätzlich ist eine bedingte Klageerhebung nicht möglich. Dem Kläger ist es verwehrt, zunächst durch Einreichung einer bedingten Klage etwa festzustellen, wie das Gericht seine Rechtsauffassung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beurteilt. Hiermit verbunden ist in der Praxis der Umstand, dass das Gericht überhaupt erst dann tätig wird (Zustellung der Klageschrift an den Prozessgegner), wenn der Kläger die erforderlichen Gerichtskosten vollständig bei der Gerichtskasse eingezahlt hat. Allerdings gibt es von diesem Grundsatz eine Ausnahme, welche den Fall der Prozesskostenhilfe betrifft. aa) Zunächst kann ein Prozesskostenhilfeantrag, der beim erkennenden Gericht zu stellen ist (BGH NJW 1994, 2097), eingereicht werden mit der Bedingung, dass eine Klageeinreichung nur für den Fall beabsichtigt ist, dass zuvor Prozesskostenhilfe durch das Gericht gewährt wird (Reichold in Thomas/Putzo, § 256 ZPO, Rz. 2–4; BGH VersR 1978, 181). Die Parteibezeichnung ist in einem solchen Fall Antragsteller und Antragsgegner, nicht Kläger und Beklagter. Gegen den ablehnenden Beschluss des Gerichtes ist die Beschwerde zulässig. Anwaltszwang besteht für die Prozesskostenhilfe beantragende Partei zu keinem Zeitpunkt.

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Hinweis: Wird die Prozesskostenhilfe versagt, so gilt die Klage als nicht eingereicht und nur die Kosten des Rechtsanwaltes in Höhe einer 1,0 Gebühr (VV 41

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Nr. 3335 RVG) fallen für die mittellose Partei an. Über diese Kostenfolge ist die Prozesskostenhilfe beantragende Partei vorab, also vor Stellung des Antrages, durch den beauftragten Rechtsanwalt zu belehren. Sonstige Kosten werden hingegen nicht geschuldet. Demgegenüber wird, wenn dem Prozesskostenhilfeantrag stattgegeben wird, die Klage als zu dem Zeitpunkt als erhoben angesehen, an welchem der Prozesskostenhilfeantrag eingereicht wurde. Es liegt somit ein Fall echter Rückwirkung vor, der auch verjährungsunterbrechend wirkt (§ 204 Nr. 14 BGB). Allerdings ist dies nur dann der Fall, wenn der Prozesskostenhilfeantrag vollständig, also nebst sämtlicher erforderlicher Unterlagen, eingereicht wurde (OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1296) Verzögerungen dürfen daher von dem Antragsteller nicht zu vertreten sein (BGH NJW 1987, 3120). Bei Abänderungsklagen (§ 323 ZPO) ist daher keine bedingte Klageeinreichung zu empfehlen, da die Erhebung einer Abänderungsklage eben erst nachträglich zur Rechtshängigkeit des Anspruchs führt, der angegriffene Titel also bis zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hätte und somit im Rahmen der Zwangsvollstreckung auch durchsetzbar ist (§ 323 Abs. 3 ZPO). Prozesskostenhilfe kann auch noch bis zum Ende der Instanz beantragt werden und ist nicht zwingend mit den Klageanträgen zu stellen. Eine Klage mit einem Prozesskostenhilfeantrag kann, muss jedoch nicht, als bedingte Klageerhebung erfolgen. bb) Verbindet der Kläger die Einreichung einer Klageschrift mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch das Gericht, hat dies zunächst nur zur Folge, dass er von der sofortigen Einzahlung der erforderlichen Gerichtsgebühren freigestellt ist. Das Gericht stellt daher Klageschrift und Prozesskostenhilfeantrag sofort der beklagten Partei zur Stellungnahme zu. Außer dem ergänzenden Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit ergeben sich hier keine Abweichungen zu einer regulären Klageschrift. Beispiel Es wird beantragt zu erkennen: I.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II.

Dem Kläger für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung von Rechtsanwalt…) zu bewilligen.

Hierbei geht der Kläger jedoch das Risiko ein, dass das Gericht seinem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht stattgibt. Dies hätte zur Folge, dass der Kläger jetzt den Rechtsstreit ohne Prozesskostenhilfe weiter führen muss, er also insbesondere in voller Höhe für die Gerichts- und eigenen Anwaltskosten vorschusspflichtig wird. cc) Deshalb wird eine Klageeinreichung im Fall der Prozesskostenhilfe regelmäßig nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe eingereicht. Beispiel Es wird beantragt, 42

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

dem Kläger zunächst für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung von Rechtsanwalt…) zu bewilligen. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird beantragt werden zu erkennen: Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Diese Vorgehensweise führt dazu, dass das Gericht zwar den Antrag und die Klageschrift ebenfalls wieder dem Beklagten zur Stellungnahme, allerdings zunächst nur mit der Bitte um Stellungnahme zum Prozesskostenhilfeantrag, zuleitet. Hiernach entscheidet das Gericht, ob Prozesskostenhilfe gewährt wird. dd) Lehnt das Gericht den Antrag ab, wird er rechtlich und für das Gericht, sowie die Gegenseite, gebührenrechtlich so behandelt, als sei er nie gestellt worden. Der Kläger haftet dann lediglich für etwaige eigene Anwaltskosten. Bewilligt das Gericht Prozesskostenhilfe, gilt die Einreichung des bedingten Klageantrages als rückwirkende unbedingte Klageeinreichung zu dem Zeitpunkt, in welchem er gestellt worden ist. Ob ein bedingter oder unbedingter Klageantrag im Rahmen von Prozesskostenhilfe erhoben werden kann, ist dabei in vielen Fällen auch von der jeweiligen materiellen Rechtslage abhängig. So ist in Fällen, in welchen beispielweise lediglich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers, nicht aber die Erfolgsaussicht des Klagebegehrens, fraglich ist, die Einreichung einer bedingten Klage nicht anzuraten, wenn Fristen gewahrt werden müssen. Beispiel Nochmals: Verjährung. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dem Kläger ist wirtschaftlich die Klageführung zuzumuten, hilft es nicht, am 31.12. eines Jahres eine bedingte Klage einzureichen, um die Verjährungsfrist bis zu diesem Zeitpunkt einzuhalten. Da der Antrag auf Prozesskostenhilfe nur dann zeitlich zurückwirkt, wenn Prozesskostenhilfe auch tatsächlich gewährt wurde, käme bei einer Ablehnung, etwa am 10.01. des Folgejahres, nur eine erneute, jetzt „normale“ Klageerhebung in Betracht. Die Verjährungsfrist wäre dann jedoch bereits abgelaufen. Ein weiterer typischer Fall ist die Erhebung der Kündigungsschutzklage im Arbeitsrecht. Wegen der dreiwöchigen Ausschlussfrist nach Zustellung der Kündigungserklärung kommt hier ebenfalls eine bedingte Erhebung nicht in Betracht, ohne dass der Rechtsanwalt einen Regressfall auslösen würde, wenn Prozesskostenhilfe aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt wird. Derartige Fallkonstellationen sind auch in Anwaltsklausuren anzutreffen und waren schon Gegenstand der schriftlichen Prüfung im zweiten Staatsexamen. Ist sich der Klausurbearbeiter unsicher, ob er eine bedingte oder unbedingte Klage einreichen soll, empfiehlt es sich, im Rahmen des Gutachtens oder etwaigen Hilfsgutachtens, die vorstehenden Überlegungen anzustellen. Hierbei wird dem Kandidaten in der Prüfungsaufgabe nicht abverlangt werden, die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der „eigenen Partei“ zu beurteilen. Ist jedoch aus dem Aufgabentext ersichtlich, dass ein möglicher Fall der Prozess43

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

kostenhilfe gegeben sein könnte und ein Fristablauf o. ä. droht, wird der Kandidat eine bedingte Klageerhebung ablehnen müssen. e) Anträge zu den Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit aa) Nach dem eigentlichen Klageantrag folgt in der praktischen Arbeit sodann, wenn auch nicht zwingend prozessual, der Antrag dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hierüber hat das Gericht auch ohne Antrag von Amts wegen zu entscheiden. Trotzdem finden sich in (echten) anwaltlichen Klageschriften stets entsprechende Kostenanträge, so dass diese Üblichkeit auch bereits im Rahmen der Klausurpraxis übernommen werden sollte. Anwaltliche Klausuren sind, dies sei an dieser Stelle nochmals betont, eben ein Spiegelbild tatsächlicher anwaltlicher Tätigkeit. Der Klausurbearbeiter zeigt, wenn er diesbezüglich einen Antrag zur Kostenfolge stellt, dass ihm anwaltliches Arbeiten bekannt ist. Ein solcher Antrag ist auch zweckmäßig, da Mandanten bereits durch Lektüre der Klageschrift wissen, dass der Gegner und nicht sie in die Kosten verurteilt werden soll. bb) Dagegen sind Anträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit weder üblich, noch opportun. Inwieweit ein Urteil einen sofort vollstreckbaren Inhalt aufweist, richtet sich zunächst nach der weiteren Prozessentwicklung. Auf Seiten des Klägers ist jedoch der Fall zu berücksichtigen, dass er mit seinem Klageanspruch, jedenfalls zunächst vorbehaltlich eines Rechtsmittels, unterliegt und bezüglich der Kosten eine Vollstreckung droht oder er im Falle des Obsiegens, ungeachtet der Rechtsmittelmöglichkeit der Beklagtenseite, selbst sofort vollstrecken möchte. In beiden Fällen wird der Kläger eine Sicherheitsleistung zu stellen haben. Da die Stellung einer Sicherheitsleistung im Rahmen der vorläufigen Vollstreckung durch das Gericht von Amts wegen zu prüfen und in Form der Aufforderung zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages auszusprechen ist, kommt hier ein Antrag auf Leistung der Sicherheit in Form einer Bürgschaft einer Sparkasse oder deutschen Großbank in Betracht. Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer Privatbank erscheint nicht ausreichend, da der Sicherungsgeber eine Gewährleistung seiner dauerhaften Leistungsfähigkeit bieten muss. Dies ist nur bei Sparkassen und deutschen Großbanken der Fall, die über ein System bankübergreifender Absicherungsmaßnahmen verfügen (sog. Mündelsicherheit). Beispiel Es wird beantragt, für den Fall, dass das Urteil im Falle des Obsiegens oder Unterliegens für den Beklagten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist, dem Kläger nachzulassen, eine etwaige Sicherheitsleistung auch durch Bankbürgschaft einer deutschen Sparkasse oder deutschen Großbank erbringen zu dürfen. cc) Schließlich gehören in die Klageanträge auch Ausführungen für den Fall, dass die beklagte Partei den Anspruch sofort ganz oder teilweise anerkennt und wie zu verfahren ist, falls die beklagte Partei ihre Verteidigungsbereitschaft bei schriftlichem Vorverfahren nicht rechtzeitig genug anzeigt. 44

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 4. Halbsatz ZPO fordert das Gericht in den Fällen der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens die beklagte Partei auf binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift anzuzeigen, ob sie sich gegen die Klage verteidigen will. Gemäß § 331 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann der Kläger für den Fall, dass die Verteidigungsanzeige nicht fristgerecht beim Gericht eingeht, Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren stellen. Dieser Antrag kann gemäß § 331 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch bereits in der Klageschrift gestellt werden und sollte dort auch gestellt werden. Der Vorteil liegt darin begründet, dass der Kläger sehr schnell an ein sofort vollstreckbares (Versäumnis-)Urteil gelangt und seinen Anspruch zu realisieren vermag. Angesichts der oft monatelangen Dauer deutscher Zivilprozesse eine erhebliche Zeitersparnis. Beispiel Darüber hinaus wird beantragt, für den Fall, dass das Gericht das schriftliche Vorverfahren anordnet und der Beklagte den Anspruch ganz oder teilweise anerkannt, im schriftlichen Verfahren Anerkenntnisoder Teilanerkenntnisurteil zu erlassen, und für den Fall, dass der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig anzeigt, Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren gemäß § 331 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu erlassen. Eine besondere Klageart der Leistungsklage stellt der Urkunden- und Wechselprozess (§§ 592 ff. ZPO) dar. Hier ist beim Urkundenprozess im Antrag bereits auszuführen, dass die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere im Urkundenprozess geltend gemacht werden. Beispiel Es wird beantragt, zu erkennen, der Beklagte wird im Urkundsprozess verurteilt, an den Kläger 5.000,00 Euro zu zahlen. Entsprechend ist im Wechselprozess auszuführen, dass in einem Wechselprozess (§ 604 Abs. 1) geklagt werden. Beispiel Es wird beantragt, den Beklagten im Wechselprozess zu verurteilen, an den Kläger 5.000 Euro zu zahlen. dd) Im selbständigen Beweisverfahren richtet sich der zu stellende Antrag nach den Vorgaben des § 487 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO. Er entspricht im Wesentlichen dem Inhalt eines richterlichen Beweisbeschlusses. Beispiel Es wird beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass der durch den Antragsgegner eingebaute Sicherheitsschalter im elektrischen Verteilerkasten im Hause des Antragstellers, Nordstrasse 6 in 41460 Neuss, schadhaft war und hierdurch ein Brand des Verteilerkastens verursacht worden ist, Sachverständigengutachten nach Auswahl des Gerichtes einzuholen. 45

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Begründung: (…) Die Versorgung des Hauses des Antragstellers mit elektrischem Strom ist nur durch einen intakten Verteilerkasten mit entsprechenden Sicherungen möglich. Insoweit ist es erforderlich, dass die zerstörte elektrische Einrichtung des Hauses unverzüglich ausgetauscht und ersetzt wird. Nach einem Ausbau ist es jedoch nicht mehr möglich, die genaue Schadenursache zu rekonstruieren und insbesondere die Ursächlichkeit des Schadens aufgrund des, seitens des Antragsgegners eingebauten, Sicherheitsschalters nachzuweisen. Der Antragsteller kann mit dem Austausch nicht zuwarten, da er, wie bereits ausgeführt, nur durch diese Maßnahme wieder mit elektrischer Energie versorgt werden kann. Der Antragsgegner hat bereits in Abrede gestellt, Verursacher des Schadens zu sein (…). 4. Die Klageänderung a) Ausgangslage Im Laufe eines Prozessrechtsverhältnisses kann der Fall eintreten, dass eine Änderung des Streitgegenstandes erforderlich wird. aa) Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff setzt sich der Streitgegenstand aus Klageantrag und dem hierzu vorgetragenen Lebenssachverhalt zusammen. Eine Klageänderung liegt daher vor, wenn entweder der Klageantrag geändert wird, sich der vorgetragene Lebenssachverhalt ändert oder beides geändert wird. Der umfassendste Fall der Klageänderung ist daher derjenige, in welchem nicht nur der Klageantrag, sondern auch der zu Grunde liegende Lebenssachverhalt komplett ausgewechselt wird. bb) Bei der Frage, ob eine derartige Auswechselung überhaupt zulässig ist, muss geprüft werden, ob bereits eine ordnungsgemäße Klageerhebung im Sinne des § 261 Abs. 2 ZPO vorgelegen hat. cc) Gemäß § 263 ZPO ist darüber hinaus die Einwilligung des Beklagten bzw. seine rügelose Einlassung auf die Klageänderung erforderlich oder es muss eine Sachdienlichkeit der Klageänderung durch das Gericht bejaht werden. Ist einer dieser Fälle gegeben, soll die auswechselnde Klageänderung unproblematisch möglich sein. Weitere klassische Fälle der Klageänderung sind die Änderungen der Tatbestände des § 264 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO. dd) Im Rahmen des § 264 Nr. 2 ZPO bleibt der der ursprünglichen Klage zu Grunde liegende Lebenssachverhalt unverändert. Eine Änderung erfährt lediglich der Klageantrag bezüglich einer Haupt- oder Nebenforderung. Aus der Formulierung ergibt sich selbst, dass im Fall des § 264 Nr. 2 ZPO eine Klageänderung immer zulässig sein muss, da diese von Gesetzes wegen zugelassen wird. Auf eine Zustimmung des Beklagten oder eine subjektiv gründende Bejahung der Sachdienlichkeit seitens Gerichtes kommt es daher nicht an. Entsprechend ermöglicht § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls, bei unverändert zu Grunde liegendem Lebenssachverhalt, die Auswechselung des „ursprünglich geforderten Gegenstandes „in einen anderen“, da aufgrund einer „später eingetretenen Veränderung“ ein anderer Gegenstand gefordert werden soll. 46

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

Die Klageänderung des § 264 betrifft insoweit im Rahmen der Ziffern 2 und 3 nur eine Klageänderung bei unverändert zu Grunde liegenden Lebenssachverhalten. Soweit es im Sinne § 264 Nr. 2 ZPO eine teilweise Reduzierung des Klageantrages erforderlich wird, liegt hierin tatsächlich eine teilweise Klagerücknahme im Sinne des § 269 ZPO, mit der sich hieraus ergebenden Kostenfolge für den Kläger. Daher ist in einem solchen Fall jedenfalls zu prüfen, ob der ursprüngliche Klageantrag von vorne herein unzulässig oder unbegründet bezüglich des zurückgenommenen Teiles gewesen ist. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, weil der ursprüngliche Antrag zulässig und begründet war, wäre aus Zweckmäßigkeitserwägungen keine Teilrücknahme, sondern eine Erledigungserklärung abzugeben. b) Veräußerung der streitbefangenen Sache als Klageänderungsgrund Ebenfalls einen Fall der Klageänderung stellt die Veräußerung der streitbefangenen Sache im Sinne von § 265 Absatz 2 ZPO dar. Diese Fragestellung ist bereits im Rahmen des Kapitels „Klageantrag“ ausführlich besprochen worden. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. 5. Die Klagebegründung a) Aufbau Die Klagebegründung beginnt mit ihrer Überschrift und Bezeichnung als „Begründung“.

Ü

Hinweis: Die Bezeichnung „Gründe“ gehört in die Diktion des richterlichen Urteils und wird manchmal vor Klausurbearbeitern fälschlicher Weise auch bei der Klageschrift verwendet.

aa) Der Aufbau der eigentlichen Klagebegründung richtet sich aus der Natur der Sache heraus nach der Art des geltend gemachten Anspruches. Die Qualität einer Klagebegründung zeigt sich hierbei von Anfang an stets in einem nachvollziehbaren Aufbau. Zunächst ist durch einen Einleitungssatz die Art des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien zu konkretisieren. Beispiel Begründung: Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten einen Anspruch aus Werkvertrag geltend. oder Der Kläger ist Arbeitnehmer des Beklagten und begehrt Feststellung der Unwirksamkeit der ihm gegenüber durch den Beklagten ausgesprochenen Kündigung. oder Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall am … in … geltend. 47

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

bb) Sobald das Rechtsverhältnis entsprechend eingegrenzt ist, ist die erste Anspruchsgrundlage zu benennen, die nach aller Voraussicht dem Klageanspruch am ehesten zum Erfolg zu verhelfen vermag. Dies geschieht durch Benennung der Vorschrift und ihre Tatbestandsvoraussetzungen. Danach ist eine Darstellung des dem Anspruch zu Grunde liegenden Sachverhaltes erforderlich. Insoweit unterscheidet sich die Anfertigung einer Klageschrift nicht von dem späteren Urteil des Gerichtes, welches ebenfalls mit dem Tatbestand beginnt. Jedoch sollte bereits an dieser Stelle der „Tatbestand“ so ausgestaltet werden, dass er in einer Subsumtion mit den Tatbestandsmerkmalen der Anspruchsgrundlage verwoben wird. Der Bearbeiter hat dabei zunächst den zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt ausführen, dann den streitigen Sachverhalt und die dazugehörigen Beweisantritte. Der Aufbau sollte sich hierbei strikt an den Tatbestandselementen der Anspruchsgrundlage orientieren. Umso klarer der Sachverhalt unter die Anspruchsgrundlage unmittelbar subsumiert wird, um so eher wird der Prüfer (oder Richter) dem Gedankengang der Klage zu folgen vermögen und die Erfolgsaussichten der Klage steigen. cc) Soweit hilfsweise auch andere Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, schließen sich diese im Anschluss an. Hatte der Beklagte bereits außergerichtliche Einwendungen gegen den Anspruch des Klägers erhoben, ist hierauf ebenfalls abschließend dergestalt einzugehen, wieso diese Einwendungen gegen den Klageanspruch nicht verfangen. dd) Werden Zinsansprüche ab eines bestimmten Datums verlangt, ist auch dies nunmehr zu konkretisieren und mit Hinweis auf die §§ 285, 288, 291 BGB weiter auszuführen. ee) Schließlich sollte die Klagebegründung mit der Bitte um einen richterlichen Hinweis bezüglich eines gegebenenfalls weiteren, erforderlichen Sachvortrages abgeschlossen werden. Dies verpflichtet das erkennende Gericht, Bedenken gegen die Schlüssigkeit oder Zulässigkeit/Begründetheit der Klage rechtzeitig zu offenbaren. Nach der ZPO-Reform ist aufgrund § 139 ZPO das erkennende Gericht zwar grundsätzlich selbst verpflichtet, auf entsprechende Bedenken bezüglich der Schlüssigkeit/Substantiierung der Klagebegründung hinzuweisen. Dennoch empfiehlt es sich, dass Gericht auf diese Verpflichtung nochmals explizit hinzuweisen, um sich im Falle des Erfordernisses einer Berufung auf ein mögliches Versehen des Gerichtes auch tatsächlich berufen zu können. Beispiel Soweit das Gericht noch weiteren Sachvortrag für erforderlich erachtet, wird höflich um einen richterlichen Hinweis gem. § 139 ZPO gebeten. 48

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

ff) Den Abschluss der Klagebegründung stellt, dies sollte selbstverständlich sein, der Name und die Unterschrift des für den Schriftsatz verantwortlich zeichnenden Rechtsanwaltes dar. Im Anwaltsprozess ist die Unterschrift zwingend (§§ 78 Abs. 1, 130 Nr. 6 ZPO). b) Sonstige Formalien Auch in der Klausur sollte zumindest bekannt sein, dass die Klageschrift, zusammen mit einer beglaubigten, also einer zweiten unterschriebenen Abschrift der Klage, sowie einer einfachen Abschrift dem Gericht zuzuleiten ist. Die beglaubigte und einfache Abschrift stellt das Gericht nebst Anlagen dem Beklagten zu. Soweit mehrere Beklagte vorhanden sind, sind entsprechend viele einfache und beglaubigte Abschriften der Klageschrift seitens des Klägers beizufügen. Beispiel Klage An das Landgericht – Zivilabteilung – Werdener Str. 1 40227 Düsseldorf In Sachen der Frau Karin Abeling, Herzogstraße 23, 41749 Viersen, – Klägerin – Prozessbevollmächtigte: RAe Classen, Viersen gegen die Fa. Herman Bundhorst GmbH, v. d. d. Geschäftsführer Bernd Bundhorst, Am Wehrhan 26, 40211 Düsseldorf – Beklagte – wegen Forderung vorläufiger Streitwert: 11.500,– Euro bestellen wir uns gemäß anliegender Originalvollmacht vorliegend für die Klägerin. Im Termin zur mündlichen Verhandlung werden wir beantragen zu erkennen: I.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 11.500,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz seit dem 5.8.2008 zu zahlen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Für den Fall des Obsiegens oder Unterliegens der Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil oder die Abwehr der Zwangsvollsvollstreckung, soweit dieses einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist, auch durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft der Deutschen Bank in Viersen zu bewilligen. 49

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

IV. Für den Fall, dass die Beklagte den Anspruch bereits jetzt ganz oder zum Teil anerkennt im schriftlichen Verfahren Anerkenntnis- oder Teilanerkenntnisurteil zu erlassen. Für den Fall, dass die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Verfahren nicht rechtzeitig anzeigt, im schriftlichen Verfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO Versäumnisurteil zu erlassen. Bereits jetzt wird mitgeteilt, dass gegen die Übertragung der Angelegenheit auf den Einzelrichter diesseits keine Bedenken bestehen. Von der Anberaumung einer Güteverhandlung bitten wir jedoch abzusehen, da die Parteien bereits außergerichtlich Vergleichsgespräche erfolglos geführt haben. Begründung: Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten eine Forderung aus Werkvertrag gemäß § 433 Abs. 2 BGB geltend. I. Die Klägerin ist Inhaberin des Gartenbaubetriebes „Abeling-Gehölze“ in Viersen. Unter dem 20.6.2008 bestellte die Beklagte zum Zwecke der Erneuerung ihres Firmengeländes bei der Klägerin 30 Rotbuchen, Stammdurchmesser 20 cm, Höhe 3,80 bis 4,00 m, zum Gesamtpreis von 20.000 Euro incl. Mehrwertsteuer. Es wird klägerseits davon ausgegangen, dass dieser Sachverhalt unstreitig ist. Die Klägerin lieferte die bestellten 30 Rotbuchen am 1.7.2008 auf dem Firmengelände der Beklagten an und stellte sie dort fachmännisch auf. Beweis: Zeugnis des Mitarbeiters, Stefan Kuhn, zu laden über die Klägerin Diese Rotbuchen stellte die Klägerin der Beklagten sodann mit Rechnung vom 2.7.2008 unter Rechnungsnummer 20–138/08 in Rechnung. Beweis: Vorlage der Rechnung vom 2.7.2008 Die Beklagte hat auf diese Rechnung unter dem 10.7.2008 8.500 Euro an die Klägerin gezahlt. Nachdem bis zum 20.7.2008 weitere Zahlungen nicht eingegangen waren, hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 11.7.2008 unter Fristsetzung zum 4.8.2008 aufgefordert, den ausstehenden Restbetrag in Höhe von 11.500 Euro zu zahlen. Beweis: Vorlage der Mahnung vom 11.7.2008 Der Geschäftsführer der Beklagten meldete sich dann unter dem 13.7.2008 telefonisch bei einer Mitarbeiterin der Klägerin und teilte mit, dass die Beklagte weitere Zahlungen verweigere. Von den 30 Rotbuchen seien bereits 20 eingegangen. Er habe darauf hin einen Landschaftsgärtner eingeschaltet, der ihm bestätigt habe, dass die eingegangenen 20 Bäume an einer Krankheit gelitten hätten. Diese Krankheit sei bereits bei der Auslieferung vorhanden gewesen, so dass ein Mangel der gelieferten Ware bestanden habe. Entsprechend verweigere er die Zahlung des Restbetrages. Die Klägerin hat darauf hin ihren eigenen Landschaftsgärtner am 15.7.2008 zum Firmengelände der Beklagten geschickt. Dieser stellte fest, dass tatsächlich 15 der gelieferten Rotbuchen abgestorben und weitere 5 ebenfalls nicht mehr zu retten sein würden. Allerdings ist der Zustand der Bäume nicht auf eine Erkrankung zurück zu führen, sondern auf den Umstand, dass die Beklagte, entgegen ihrer Ankündigung, nur für insgesamt 10 Bäume eine Bewässerungsanlage installiert hatte, um die Anwachsperiode zu unterstützen. Die anderen Bäume waren aufgrund Wassermangels eingegangen. 50

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

Beweis: 1. Zeugnis des Herrn Ernst Rohschein, zu laden über die Klägerin 2. Sachverständigengutachten nach Auswahl des Gerichtes Da die Klägerin an dem Verlust der Bäume insoweit kein Verschulden trifft, sie vielmehr ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag vollumfänglich erfüllt hat, ist die Beklagte zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Da die Beklagte nach wie vor einen Ausgleich der Forderung ablehnt, war nunmehr Klage geboten. II. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 285, 286, 288, 291 BGB. Soweit das Gericht noch weiteren Sachvortrag für erforderlich erachtet, wird ausdrücklich um einen richterlichen Hinweis gebeten. V-Scheck über die einzuzahlenden Gerichtskosten ist beigefügt. Rechtsanwalt

II. Zusammenfassung Im Rahmen einer Anwaltsklausur im Zivilrecht wird, soweit der Sachbearbeiter auf Klägerseite tätig werden soll, in erster Linie ein Rechtsgutachten, verbunden mit der Anfertigung einer Klageschrift o. ä., in Betracht kommen. Wird der Rechtsanwalt für den Kläger tätig, muss er zunächst ermitteln, welches Vorgehen das Interesse des Mandanten am Besten umzusetzen vermag. Hierbei hat er zu prüfen, welche Anspruchsgrundlagen dem Begehren des Mandanten am ehesten zum Erfolg zu verhelfen vermögen. Subsidiäre Anspruchsgrundlagen sind alternativ zu erörtern. Soweit die Anspruchsgrundlagen feststehen, ist zu prüfen, ob diese mit den durch den Mandanten herbeigeschafften Beweismitteln untermauert werden können. Zuerst ist hierbei durch den Klausurbearbeiter zu prüfen, welches zuständige Gericht in Betracht kommt. Die Parteien des Rechtsstreites sind genau zu bezeichnen, wobei Vertretungsverhältnisse zu beachten sind. Liegt eine Mehrheit von Parteien auf Kläger- oder Beklagtenseite vor, ist mit besonderer Sorgfalt die Parteibezeichnung zu wählen. Regelmäßig handelt es sich hier um Fälle der Streitgenossenschaft oder auch subjektiver Klagehäufung. Während bei der einfachen Streitgenossenschaft es sich lediglich um eine äußere und lose Zusammenfassung mehrerer Klageansprüche handelt, welche durch den Kläger auch selbstständig und unabhängig hätten geltend gemacht werden können, handelt es sich bei der notwendigen Streitgenossenschaft um eine Personenmehrheit, deren Verbindung im Verfahren sich unmittelbar aus Rechtsgründen ergibt. So ist bei der prozessualen notwendigen Streitgenossenschaft festzustellen, dass die durch das Gericht begehrte Sachentscheidung nur einheitlich ausfallen kann und insoweit eine Rechtskrafterstreckung eintritt. Bei der materiell-rechtlichen notwendigen Streitgenossenschaft steht hingegen ein Recht materiell-rechtlich nur allen Prozessbeteiligten gemeinsam zu. Soweit eine Parteiänderung insbesondere nach Klageerhebung erforderlich ist, ist der Grund der Parteiänderung zu betrachten. Liegen Fälle des Todes, der Insolvenz oder Nacherbfolge einer Partei vor, ist im Einzelfall zu prüfen, ob der oder die Rechtsnachfolger automatisch in das Verfahren 51

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

eintritt/eintreten oder nicht. Dies ist stets dann zu bejahen, wenn Fälle des gesetzlichen Parteiwechsels betroffen sind. Wird hingegen die streitbefangene Sache veräußert, kann das Prozessrechtsverhältnis in unterschiedlicher Art und Weise seinen Fortgang nehmen. Insbesondere ist zu unterscheiden, ob eine Veräußerung der streitbefangenen Sache seitens des Klägers oder seitens des Beklagten vorliegt. Ein automatischer Eintritt des nunmehr das Recht Innehabenden erfolgt regelmäßig nicht automatisch, sondern in überwiegenden Fällen nur mit Zustimmung der bisherigen Prozessbeteiligten. Auch hier ist wiederum zu unterscheiden, ob eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsnachfolger eintreten wird oder nicht. Der Einzelfall ist hier besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen. In Fällen des gewillkürten Parteiwechsels vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Fall der Klageänderung gegeben ist. Die Zulässigkeit einer solchen Klageänderung richtet sich mithin auch nach Sachdienlichkeitserwägungen. Im Rahmen der Anfertigung einer Klageschrift ist besonderes Gewicht auf eine sorgfältige Formulierung des Klageantrages, welcher einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben muss, zu legen, wenn eine Leistungsklage erhoben wird. Die Frage der Klageart hat daher erhebliche Bedeutung, da in anderen Fällen ein solch vollstreckungsfähiger Inhalt nicht besteht. Soweit auf Klägerseite ein Fall der Prozesskostenhilfe in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat und der Kläger im Sinne des Prozesskostenhilferechtes bedürftig wäre. In einem solchen Fall kann eine Klage auch bedingt mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe eingereicht werden. Es handelt sich hierbei um den Ausnahmefall einer bedingten Klageeinreichung, die ansonsten dem deutschen Prozessrecht fremd ist. Genauso wie eine Änderung der Parteien, kann auch im Laufe des Verfahrens ein Erfordernis zur Änderung der Klage selbst eintreten. Nach dem sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff setzt sich der Streitgegenstand aus Klageantrag und dem hierzu vorgetragenen Lebenssachverhalt zusammen. Unter den Voraussetzungen des § 264 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO ist eine Klageänderung möglich. In anderen Fällen kommt es auf die Frage der Einwilligung des Beklagten oder Bejahung der Sachdienlichkeit seitens des Gerichtes an. In der Begründung des Anspruches sind Gegenargumente, soweit bereits bekannt, mit aufzugreifen und zu entkräften.

III. Checkliste 1. Welche Klageart verhilft dem Mandanten am ehesten zu seinem Recht? 2. Welche Anspruchsgrundlagen stützen das Mandantenbegehren? 3. Reichen die durch den Mandanten angegebenen Beweismittel aus, dem Anspruch zum Erfolg zu verhelfen? 4. Ist der Mandant bedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferechts? 52

B. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Klägers

5. Bestehen Zweifel an der Schlüssigkeit/Zulässigkeit/Begründetheit der Klage? 6. Haben sich vor oder nach Klageeinreichung Änderungen bei den Parteien ergeben? 7. Hat sich der Streitgegenstand nach Klageeinreichung geändert?

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C. Klausuraufgabe: Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten I. Die Ermittlung des Sachverhaltes 1. Prüfung des Verfahrensstandes In der Klausurpraxis ist eine Position des Klausurbearbeiters auf der Beklagtenseite weitaus häufiger anzutreffen, als eine Aufgabenstellung bezüglich einer Tätigkeit für den Kläger eines Zivilverfahrens. Dies hängt mit der besseren Darstellbarkeit des Sachverhaltes im Rahmen des dem Kandidaten zur Verfügung gestellten Aktenauszuges, sowie der Möglichkeit zusammen, vielfältigere Rechtsprobleme im Sachverhalt ansprechen zu können. Regelmäßig wird bei einer Aufgabenstellung auf „Beklagtenseite“ davon auszugehen sein, dass dem Klageanspruch aufgrund des Sachverhaltes dezidierte Gegenargumente entgegengesetzt werden können und auch müssen. Ein Sachverhalt, bei welchem der Bearbeiter nach der ersten und/oder zweiten Lektüre des Aufgabentextes zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage der Gegenseite wohl uneingeschränkt begründet ist, sollte daher zumindest ein erhebliches Misstrauen in die eigene Einschätzung an den Tag legen. Gleichzeitig sollte diese Einschätzung Anlass zu einer weiteren, gründlicheren Prüfung des eigenen Rechtsstandpunktes führen. Leider finden sich in Anwaltsklausuren nämlich immer noch (zu) häufig Einleitungen von Klausurbearbeitern, der im Sachverhalt durch den Kläger geltend gemachte Anspruch sei wohlbegründet, weshalb dem Beklagten zu einem sofortigen Anerkenntnis geraten wird. Die übrige Prüfung erfolgt dann, insoweit jedoch konsequent, als Hilfsgutachten. a) Stand des Verfahrens bei „Mandatsannahme“ Klausuren, bei welchen der Kandidat auf Beklagtenseite tätig werden soll, sind zunächst durch den Bearbeiter im Hinblick auf den konkreten Verfahrensstand anhand des Bearbeitervermerks einzuordnen. aa) Es ist daher zu fragen, ob bereits gerichtliche Entscheidungen vorliegen, die das Verfahren in einer bestimmten Hinsicht prozessual vorangetrieben haben und ob diese Entscheidungen zu Gunsten oder zu Lasten des Mandanten ergangen sind. Je nachdem, wie das Ergebnis lautet, ist die weitere Vorgehensweise zu planen. bb) Wie in der tatsächlichen anwaltlichen Praxis mag in einzelnen Punkten des Sachverhaltes sogar der Fall anzutreffen sein, dass der eigene Mandant die rechtlichen Gegebenheiten außergerichtlich bisher offensichtlich falsch beurteilt hat, so dass die Abgabe eines Anerkenntnisses (§§ 307, 93 ZPO) oder das Zulassen eines Versäumnisurteils kostenmäßig und rechtlich erforderlich und auch richtig erscheinen kann. Ein derartiges Ergebnis bedarf jedoch, wie bereits zu Beginn ausgeführt worden ist, sorgfältiger Prüfung und sollte tatsächlich nur dann vertreten werden, wenn der 54

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

Klausurbearbeiter sicher ist, keine entscheidenden Punkte im Sachverhalt übersehen zu haben. cc) Auf jeden Fall ist als Erstes zunächst der Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht genau zu ermitteln. Hierzu ist die genaue Kenntnis der Klageschrift unabdingbar. Die Prüfung beginnt dabei mit der Ermittlung des Datums der Zustellung der Klageschrift an den Mandanten, um die Fristen berechnen zu können. Genaues Augenmerk ist auf richterliche Verfügungen im Aufgabentext zu legen. Das erkennende Gericht wird entweder das schriftliche Vorverfahren angeordnet oder einen Termin zur Güteverhandlung/frühen ersten Termin bestimmt haben. Die dort gesetzten Fristen, insbesondere die richterliche Frist zur Verteidigungsanzeige und Klageerwiderung, sind in der Klausur genau zu beachten und auch in der späteren Klausurausformulierung nach Beginn und Ende mit den jeweiligen Daten zu benennen. Sollte, insbesondere bei der Frist zur Verteidigungsanzeige oder Klageerwiderung, die Frist bereits vor „Mandatserteilung“ durch den Mandanten selbst versäumt worden sein, ist besondere Vorsicht geboten. Der Mandant muss darüber belehrt (Zweckmäßigkeitsstation) werden, dass die Fristen versäumt wurden. Hieran schließt sich die Frage nach einer etwaigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an. dd) Danach sollte eine Strategie zur Klageerwiderung/gutachterliche Prüfung durchdacht werden, wobei im Rahmen einer etwaigen Wiedereinsetzung die Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft zu machen sind. Klausuren, die den Sachverhalt auf Beklagtenseite ansiedeln, haben ihr Schwergewicht wesentlich häufiger in der Erstellung eines materiell-rechtlichen Gutachtens zur Rechtslage, meist mit der ergänzenden Prüfungsaufgabe, lediglich die entsprechenden Anträge an das Gericht zu formulieren. Hier dürfte es ausreichen, wenn nach Erstellung des materiellen Gutachtens bezüglich etwaiger anzufertigender Schriftstücke (Klageerwiderung, Anträge auf einstweilgen Rechtsschutz o. ä.) nur die entsprechenden Formalien wie Parteibezeichnung und Aktenzeichen sowie der Antrag ausgeführt werden. Hinsichtlich der Begründung kann dann auf den Inhalt des Gutachtens und dessen Ergebnis Bezug genommen werden. b) Prüfung der zivilprozessualen Formalien Anhand der Klageschrift und/oder eines abgedruckten Urteils ist als nächster Schritt zu prüfen, ob der Mandant überhaupt als Beklagter aufgeführt und das zuständige Gericht angerufen wurde bzw. entschieden hat. aa) Rügeloses Einlassen würde andernfalls zum Rechtsverlust führen (§ 295 ZPO). Die sonstigen im Aufgabentext vorhandenen richterlichen Verfügungen sind zu beachten. So können sich in diesen Verfügungen auch bereits richterliche Hin55

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

weise finden, zu denen der Klausurbearbeiter selbstverständlich Stellung nehmen muss. Beispiel 1. Es wird dem Beklagten eine Frist zur Klageerwiderung von zwei Wochen eingeräumt. 2.

Der Kläger wird bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Kammer Bedenken gegen ihre Zuständigkeit hegt, da der Beklagte nach dem Sachvortrag des Klägers selbst keine Kaufmannseigenschaft besitzen dürfte und somit nicht die Kammer für Handelssachen, sondern die ordentliche Zivilkammer zuständig sein dürfte.

Wird, wie dies zivilprozessual vorgeschrieben ist, der Beklagte zunächst aufgefordert, sich innerhalb einer richterlich gesetzten Frist dazu zu erklären und mitzuteilen, ob er sich gegen die Klage zu verteidigen beabsichtige, ist zunächst diese Verteidigungsanzeige fristgerecht an das Gericht zu senden. Beispiel (…) bestelle ich mich vorliegend für den Beklagten. Es wird mitgeteilt, dass der Beklagte beabsichtigt, sich gegen die Klage zu verteidigen. Unterbleibt die rechtzeitige Verteidigungsanzeige, läuft der Beklagte Gefahr, alleine aus diesem Grund ein schriftliches Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen. Regelmäßig wird der Klausurtext aber kein besonderes Problem in diesem Bereich ansiedeln. bb) Im Rahmen der zu wählenden Verteidigungsstrategie folgt die Prüfung, inwieweit die Klage schlüssig erscheint. Am Beispiel der bereits oben genannten Prüfung der tatsächlichen Passivlegitimation des Mandanten würde dies bedeuten, dass nicht nur geprüft wird, ob der Mandant objektiv als Beklagter in der Klageschrift aufgeführt wird. Jetzt muss auch materiell-rechtlich geprüft werden, ob er auch wirklich passiv legitimiert ist. Beispiel Der Kläger hat mit einer GmbH i. G., vertreten durch die designierten Geschäftsführer und Gesellschafter A und B, einen Mietvertrag über ein gewerbliches Mietobjekt geschlossen. Die GmbH i. G. wird wegen eines Zerwürfnisses von A und B schließlich nicht ins Handelsregister eingetragen, der Gesellschaftsvertrag aufgelöst. Die ausstehenden Mietzinszahlungen klagt der Kläger gegen die GmbH i. G., vertreten durch A und B, gerichtlich ein. Hier wäre die Klage jedoch gegen A und B persönlich zu richten gewesen. Da die GmbH nicht zur Eintragung gelangte, ist diese auch nicht Vertragspartnerin geworden. Hingegen haften A und B als natürliche Personen für die Verbindlichkeiten aus dem geschlossenen Mietverhältnis persönlich. In erster Linie geht es also darum, ob nach dem Sachverhalt der geltend gemachte Anspruch schlüssig ist. Genau wie auf Klägerseite sind hierbei die durch den Sachverhalt angesprochenen Anspruchsgrundlagen zu ermitteln und diese unter den Sachverhalt zu subsumieren. 56

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

Gelangt man im Rahmen dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Klage schlüssig ist, wird der Klausurbearbeiter auf Beklagtenseite, mit Hilfe der Angaben des Beklagten im Sachverhalt zu ermitteln haben, ob der zunächst nur als schlüssig einzustufende Klägervortrag auch substantiiert ist. cc) Steht bereits hier fest, dass der Kläger offensichtlich falschen Sachvortrag liefert, muss der Bearbeiter jetzt im Rahmen der Planung seiner weiteren Vorgehensweise überlegen, ob möglicherweise hier ein Problem einer arglistigen Täuschung, eines sittenwidrigen Handels oder vorsätzlich rechtswidrigen Verhaltens durch den Aufgabensteller der Klausur eingearbeitet wurde. Hieraus kann sich ein völlig anderer Aufbau der Klageerwiderung ergeben, da insoweit dann der Beklagte die entsprechenden Beweismittel benennen müsste. Dennoch sollte der Klausurbearbeiter mit der Einschätzung, ein falscher Sachvortrag liege vor, ebenfalls eher zurückhaltend umgehen. Ein falscher Sachvortrag oder ein sittenwidriges Verhalten eines Klägers ist nach allgemeiner Erfahrung mit Klausuren des zweiten juristischen Staatsexamens eher die Ausnahme. 2. Beweismittel und Beweislastverteilung auf Beklagtenseite a) Beweismittel Da es in erster Linie Aufgabe des Klägers ist, den gegenüber dem Beklagten behaupteten Anspruch zu beweisen, ist es für die erfolgreiche Klausurbearbeitung auf Beklagtenseite wichtig, nicht diejenigen Beweistatsachen zu übersehen, für welche der Beklagte beweisbelastet ist. Als Grundsatz gilt für die Beklagtenseite, dass diese alle rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen geltend machen muss, um den Anspruch des Klägers zu Fall zu bringen. Beispiel Verjährung! Diese Einrede ist vom Gericht nur zu beachten, wenn der Beklagte sie auch erhebt. Nach allgemeiner Meinung darf das Gericht auf das Vorliegen der Einrede nicht einmal hinweisen, ohne dass ein Befangenheitsgrund anzunehmen ist. § 139 ZPO gilt insoweit nicht. Auf Beklagtenseite ist also zu ermitteln, aufgrund welcher Argumentationslinie der Beklagte den Anspruch des Klägers, nebst den ihn stützenden Beweismitteln, zu Fall bringen kann. Hierbei kann hinsichtlich der möglichen Beweismittel auf die Ausführungen unter Teil 1., 3. verwiesen werden. b) Beweislast Wesentlicher Aspekt bei der Prüfung in der Beklagtenstation ist daher die Beweislastverteilung. Der Beklagte muss genau prüfen, in welchem Umfang er dem Klagevortrag entgegentreten muss. aa) Findet man innerhalb der Klageschrift so ein Tatbestandsmerkmal, eine Behauptung im Geschehensablauf, für welche der Kläger ausschließlich beweisbelastet ist, aber keinen Beweis angetreten hat, so genügt das sogenannte einfache Bestreiten auf Beklagtenseite. 57

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Dies ist ausreichend, aber auch erforderlich. Verfehlt wäre es, im Sachverhalt einen „Gegenbeweis“ zu Gunsten des Beklagten zu suchen, denn dieser ist nicht erforderlich, um die anspruchsbegründe, aber unsubstantiierte Behauptung des Klägers zu Fall zu bringen. Selbstverständlich darf aber der unsubstantiierte Vortrag des Klägers auch nicht völlig unbehandelt bleiben, diesem ist durch einfaches Bestreiten entgegenzutreten. Unterlässt der Klausurbearbeiter das einfache Bestreiten, ist dies als ein Fall des prozessualen Anerkenntnisses zu werten und würde die Klausurbearbeitung deutlich abwerten. Hat der Kläger hingegen für die für ihn beweisbelastete Tatsache einen Beweisantritt aufgeführt, ist zumindest einfaches Bestreiten erforderlich. Der entsprechende Beweis ist dann durch das Gericht zu erheben. Gegebenenfalls wird der Beklagte aber einen Gegenbeweis anzutreten haben. bb) Behauptet man auf Beklagtenseite selbst eine Tatsache, für die der Beklagte beweisbelastet ist, so ist selbstverständlich ein entsprechender Beweisantritt erforderlich. Wann dies erforderlich wird, richtet sich vor allem nach der materiellen Rechtslage, muss daher durch den Klausurbearbeiter im Einzelfall entschieden werden.

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Hinweis: Die Verteidigung mit einfachem Bestreiten ist äußerst riskant. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass man selbst beweisbelastet gewesen wäre (etwa bei Umkehr der Beweislast), könnte dieses einfache Bestreiten als prozessuales Zugeständnis gewertet werden. Deshalb sollte das einfache Bestreiten nur dort erfolgen, wo man sich der Beweislastverteilung absolut sicher ist. Besser, in einem solchen Fall einen Beweisantritt anzutreten mit dem Hinweis „unter Protest gegen die Beweislast“.

Trägt man die beweisbedürftige Tatsache unter Beweisantritt nämlich nicht innerhalb der durch das Gericht gesetzten Frist vor, läuft man Gefahr, mit diesem Sachverhalt nicht mehr gehört („präkludiert“) zu werden, §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Generell kann zur Beweislastverteilung wie folgt ausgeführt werden: cc) Der Beklagte ist auf jeden Fall darlegungspflichtig und damit beweisbelastet für – rechtsverhindernde Tatsachen (z. B. § 105, 138 BGB), – rechtshemmende Tatsachen und selbstverständlich – rechtsvernichtende Tatsachen. Es ist eindeutig, dass der Kläger von sich aus derartige Tatsachen nicht vortragen muss und auch nicht vorgetragen haben wird, da die Schlüssigkeit seiner Klage hierdurch nicht berührt wird. 58

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

Vielmehr muss sich der Kläger zu derartigen Tatsachen erst äußern, wenn der Beklagte seinerseits zu diesen Tatsachen, die den Anspruch zu Fall bringen, etwas vorgetragen hat. Im Rahmen einer Klageerwiderung ist es daher besonders wichtig, derartige Tatsachen anzuführen, wobei stets die Erheblichkeit des Beklagtenvorbringens durch den Klausurbearbeiter vorrangig zu beachten ist. Es geht daher bei der Klageerwiderung immer darum, den schlüssigen Sachvortrag des Klägers zu Fall zu bringen. In den Fällen, in denen den Beklagten nicht die Darlegungslast trifft, also lediglich eine rechtlich andere Einschätzung als beim Kläger getroffen werden soll, kann der Beklagte sich gegebenenfalls auf einfaches Bestreiten zurückziehen.

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Hinweis: Die Klausuraufgabe ist daher stets genau auch unter dem Aspekt zu prüfen, welche im Klausurtext aufgeführten Beweismittel zur Beklagtenstation „gehören“ und ob diese den Beklagtenvortrag erst schlüssig machen oder sich als unsubstantiiertes Bestreiten gegenüber dem Klägervortrag darstellen.

3. Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit, Widerklage a) Streitverkündung Denkbar ist, dass bei der Ermittlung der Sach- und Rechtslage eine grundsätzliche Haftung des Beklagten das vorläufige Ergebnis der Beratung ist, jedoch der Mandant wegen der Handlung eines Dritten verantwortlich gemacht wird. Insoweit ist zu prüfen, ob und welcher Rückgriffsanspruch des Mandanten gegen den Dritten besteht und wie dieser geltend gemacht werden kann. Beispiel Ein Autohändler wird wegen Verkaufs eines Gebrauchtfahrzeuges in Anspruch genommen, da der Käufer durch einen Sachverständigen ermitteln konnte, dass eine Tachomanipulation vorlag. Im Rahmen der Beweisaufnahme kann zwar eruiert werden, dass der Händler keine Tachomanipulation vorgenommen hat, sondern der früherer Besitzer, jedoch haftet der Händler aus Händlergarantie. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, dem Dritten den Streit zu verkünden. Dies geschieht schriftsätzlich. Hierbei hat der Dritte das Recht, dem Streit entweder nach seiner Wahl auf einer Seite der Parteien beizutreten oder dies nicht zu tun (sog. Nebeninterventionswirkung gem. §§ 68, 72 ff. ZPO). Tritt er bei, kann er Angriffs- und Verteidigungsmittel wie die Partei des Rechtsstreites geltend machen und so den Verlauf des Rechtsstreites mitbestimmen. Dies ist auch sachgerecht. Durch die Streitverkündung entfalten die Feststellungen des Urteils nämlich auf jeden Fall unmittelbare Wirkung auch gegenüber dem Streitverkündeten, d. h. der Inhalt des Urteils kann in einem Folgeprozess unmittelbar gegen ihn eingeführt und verwendet werden. 59

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

b) Widerklage Eine besondere Problematik ergibt sich oftmals aus der Möglichkeit der Erhebung einer Widerklage, § 33 ZPO. aa) Voraussetzung für die Erhebung einer Widerklage ist die Identität der Parteien des Klageverfahrens auch im Rahmen der Widerklage mit der Maßgabe, dass insoweit die Parteirollen vertauscht sind. Die beklagte Partei des Ausgangsverfahrens erhebt nunmehr Klage gegen den Kläger des Ausgangsverfahrens („Konnexität“). Da die Widerklage die gleichen Voraussetzungen wie eine echte Klage besitzt, gelten die zur Prüfung eines Klageanspruches gemachten Ausführungen entsprechend. Eine besonders sorgfältige Vorbereitung einer Widerklage ist deshalb zu empfehlen. bb) Der Begriff der Konnexität entspricht hierbei dem des § 273 BGB und ist keinesfalls eng auszulegen. Ein derartiger Zusammenhang würde jedenfalls dann bestehen, wenn die Ansprüche auf einem gemeinsamen Rechtsverhältnis beruhen, wobei ein einheitlicher Lebenszusammenhang besteht, der inhaltlich auch zusammengehört. Soweit die Konnexität fehlen sollte, kann dieser Mangel durch rügelose Einlassung des Widerbeklagten über § 295 Absatz 1 ZPO beseitigt werden. cc) Hierbei steht für die Begründung der Widerklage der gesamte zwischen den Parteien mögliche Tatsachenvortrag zur Verfügung, so dass im Rahmen der Widerklage auch Ausführungen möglich sind, mit denen der Beklagte im Rahmen der Klage bereits präkludiert gewesen sein könnte (§ 296 ZPO). Begründung hierfür ist, dass die Widerklage kein Angriffsmittel des laufenden Verfahrens darstellt, sondern ein neues, insoweit eigenständiges Verfahren, gegen den Kläger eröffnet. Die Widerklage ist hierbei, wie jede echte Klage, nicht auf eine Gegenforderung begrenzt. In Betracht kommt auch eine Feststellungklage, etwa hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien. Geht es um die Frage eines für das Bestehen der Klageforderung vorgreiflichen Rechtsverhältnisses, so kann der Beklagte mit der Zwischenfeststellungswiderklage, § 256 Abs. 2 ZPO, das Gericht zunächst dazu veranlassen, das Bestehen des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses zu überprüfen und sich hierdurch manchmal eine bessere Position im Hinblick auf den Klageanspruch zu verschaffen. Umgekehrt ist es möglich, dass, soweit der Kläger Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt, der Beklagte widerklagend nunmehr auf Leistung klagt.

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Hinweis: Hieraus folgt auch, dass gemäß § 145 Absatz 2 ZPO für den Fall, dass das Gericht eine Konnexität von Klage und Widerklage nicht annehmen will, die Widerklage nicht etwa unzulässig oder Ähnliches wird, sondern dann als selbständige Klage nach Abtrennung weitergeführt wird.

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

dd) Da die Widerklage zur Hauptsacheklage nicht akzessorisch ist, entfällt die Widerklage auch nicht dann nachträglich, wenn die Hauptklage nicht fortgeführt wird. Die Hauptklage muss lediglich zu dem Zeitpunkt bei Gericht anhängig sein, zu welchem die Widerklage erhoben wird. ee) Einen Sonderfall bildet schließlich die Drittwiderklage. Diese richtet sich nicht nur gegen den Kläger, sondern gegen einen weiteren, bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten, Dritten. Anders als in den Fällen der Streitverkündung kommt die Drittwiderklage nur in solchen Fällen in Betracht, bei denen eine gesamtschuldnerische oder akzessorische Haftung des Dritten besteht. Zu prüfen ist hierbei jedenfalls, da ein echter Fall des § 33 ZPO nicht vorliegt, ob der Dritte einen begründeten Gerichtsstand beim bisherigen Streitgericht besitzt oder nicht. Ist dies zu verneinen, scheidet die Drittwiderklage von vorneherein aus. Da bei der Drittwiderklage eine bisher nicht am Prozess beteiligte Partei einbezogen wird, behandelt die Rechtsprechung zu Recht die Drittwiderklage als einen Fall der Parteierweiterung (§§ 263 ff. ZPO analog). Hieraus folgt, dass eine Einbeziehung des Dritten in den Rechtsstreit nur mit dessen Einwilligung erfolgen kann oder die Sachdienlichkeit seitens des Gerichtes im Sinne einer subjektiven Klagehäufung bejaht wird. Es ist daher auch fraglich, ob die Begrifflichkeit Drittwiderklage tatsächlich zu Recht erfolgt, da die Klage gegen den Dritten keine tatsächliche Widerklage ist. Es sind daher vielmehr die Vorschriften und Regeln der normalen Streitgenossenschaft gemäß den §§ 59, 60 ZPO zu beachten. Fehlen die Voraussetzungen, ist, wie bereits ausgeführt, eine Trennung der Verfahren herbeizuführen. c) Aufrechnung Neben der Möglichkeit der Erhebung einer Widerklage ist auch stets zu prüfen, ob dem Beklagten hinsichtlich der Klageforderung eine Aufrechnungsmöglichkeit zur Seite steht. Die Aufrechnung setzt materiell-rechtlich zunächst eine Aufrechnungslage voraus, d. h. dem Beklagten muss gegenüber dem Kläger eine fällige unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderung zustehen. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, ist eine Aufrechnung bereits nicht möglich, da das Gericht noch über die Begründetheit der Gegenforderung entscheiden müsste, so dass insoweit nur die Möglichkeit der Erhebung einer Widerklage bliebe. Ist hingegen bereits nicht sicher, ob die Klageforderung überhaupt Erfolg haben wird, ist lediglich eine Hilfsaufrechnung zu erklären. Wird die Klage abgewiesen, würde die Aufrechnung ins Leere laufen. Besonders zu beachten ist hierbei, dass eine Aufrechnung auch noch mit einem verjährten Anspruch möglich ist (§ 389 BGB), so dass die Frage, ob verjährte aufrechenbare Forderungen gegen den Kläger bestehen, stets zu thematisieren ist.

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II. Erstellung der Klageerwiderung 1. Aufbau der Klageerwiderung a) Vorüberlegung zur Zweckmäßigkeit Am Anfang der Klageerwiderung steht der Antrag des Beklagten zur Behandlung des Streitstoffes durch das Gericht. Eine stereotype Beantragung der Klageabweisung kann dabei in vielen Fällen nicht opportun erscheinen und zeigt auch oft eine mangelhafte Übersicht der Sach- und Rechtslage durch den Beklagtenvertreter. Soweit die gesamte oder ein Teil der Klageforderung berechtigt ist, ist ein entsprechendes Anerkenntnis abzugeben. Beispiele Es wird beantragt, die Klage abzuweisen. oder Es wird der Klageanspruch in Höhe von 2.000 Euro anerkannt. Im Übrigen wird beantragt, die Klage abzuweisen. aa) Stets ist zu berücksichtigen, dass ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO trotzdem zu einer Kostentragungspflicht der klagenden Partei führen kann und keineswegs eine Überbürdung der Kosten auf den Kläger stattfindet. Dies wird häufig in Klausurbearbeitungen übersehen. bb) Das sofortige Anerkenntnis, mit der Folge einer vollständigen Kostenbelastung des Klägers kommt nur dann in Betracht, wenn der Beklagte zur Klageerhebung keinen Anlass geboten hat. Dies wird grundsätzlich immer dann angenommen werden können, wenn der Beklagte sich nicht nachweisbar im Verzug befunden hat. In Betracht kommen hier die Fälle, wenn – der Verzugseintritt nach Klageerhebung eingetreten ist – der Beklagte keine tatsächliche Kenntnis von der Forderung hatte – der Beklagte keine Kenntnis vom Inhaber der Forderung hatte. So reicht es etwa im Falle eines Anspruches gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz sogar aus, wenn der Geschädigte den Schädiger außergerichtlich nicht zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hat, Klage einreicht und der Schädiger dann den Anspruch sofort anerkennt und den Schaden gleichzeitig reguliert. Die Rechtsprechung ist hier der Auffassung, dass der Geschädigte dem Schädiger zunächst die Möglichkeit zur Schadensregulierung außergerichtlich einräumen muss. Ansonsten würde der Schädiger mit einem entbehrlichen Verfahren überraschend überzogen. Eine eigene Ermittlung des Geschädigten und der Höhe des Schadens sei nämlich keine Pflicht aus dem schädigenden Ereignis.

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Hinweis: Ein sofortiges Anerkenntnis mit der Rechtsfolge des § 93 ZPO ist, ausgehend von dem Gesetzestext, nur dann anzunehmen, wenn die beklagte Partei tatsächlich keinen Anlass zur Klageerhebung geboten hat. Dies ist sehr eng zu

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

fassen. Auf die Kommentierungen zu § 93 ZPO ist zu verweisen. Zu beachten ist auch, dass, wenn der Beklagte eine Erklärung abzugeben oder eine Zahlung zu leisten hat, die Erklärung des Anerkenntnisses und die Vornahme der Erklärung/Zahlung zuvor oder gleichzeitig zu erfolgen hat. Ansonsten liegt ein sofortiges Anerkenntnis bereits nicht vor. Der Mandant ist entsprechend zu beraten. Beispiel Wird der Klageantrag, unter Protest gegen die Kostentragungsverpflichtung, hiermit sofort anerkannt. b) Erledigung der Hauptsache Hat der Beklagte die von ihm geforderte Handlung/Zahlung usw. zwischen Zustellung der Klageschrift und Klageerwiderung/mündlicher Verhandlung oder vor Zustellung der Klage inzwischen vorgenommen, ist von Beklagtenseite zunächst nicht zwingend eine Antrag auf Erledigung der Hauptsache zu stellen. Nicht der Beklagte ist verpflichtet, einen solchen Antrag zu stellen, sondern der Kläger, dessen Anspruch ja inzwischen erfüllt wurde. Der Beklagte kann vielmehr abwarten, ob der Kläger eine entsprechende Erledigungserklärung abgibt. Es empfiehlt sich jedoch, sollte im Klausurtext das Verfahren eine derartige Erklärung des Klägers nicht enthalten, darauf hinzuweisen, dass der Rechtsstreit durch Vornahme der Handlung/Zahlung erledigt ist. Gibt der Kläger eine Erledigungserklärung ab, ist zu entscheiden, ob der Beklagte sich der Erledigungserklärung anschließen soll oder nicht. aa) War die Klage ursprünglich, also bei Einreichung der Klageschrift, zulässig und begründet, empfiehlt sich die Abgabe der Erledigungserklärung für den Beklagten. Das Gericht hat dann nur noch die Kostenverteilung gemäß § 91a ZPO zu prüfen, ohne dass es zu einer Sachentscheidung befugt ist. bb) Bestehen hingegen Bedenken an der Zulässigkeit und/oder Begründetheit der Klage, ist keine Erledigungserklärung abzugeben, sondern der Beklagte muss weiterhin Klageabweisung beantragen. Nur so kann der Beklagte erreichen, dass das erkennende Gericht verpflichtet ist, in eine Prüfung der ursprünglichen Klage bezüglich der Zulässigkeit und Begründetheit einzutreten. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klage ursprünglich unzulässig oder unbegründet war, ist die Klage abzuweisen. Der Kläger hat dann die Kosten des Verfahrens zu tragen. cc) Der Beklagte ist allerdings auch nicht gehindert, seinerseits die Hauptsache für erledigt zu erklären. Ohne einen entsprechenden Antrag seitens des Klägers muss das Gericht jedoch weiterhin die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage prüfen und eine Sachentscheidung treffen. Den Rechtsstreit für erledigt zu klären, obliegt nämlich anschließend ausschließlich dem den Rechtsstreit führenden Kläger. Aus diesem Grund muss stets, wenn der Kläger sich der Erledigungserklärung nicht anschließt, der Beklagte zumindest hilfsweise Klageabweisung beantragen. Ansonsten würde der Kläger einen Titel erstreiten, aus dem er, obwohl Leistung erfolgte, nach wie vor vollstrecken könnte. 63

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

c) Fälle der Unzulässigkeit der Klage Denkbar, wenn auch in der Klausurpraxis eher selten anzutreffen, ist der Fall, dass der Anspruch des Klägers zwar begründet, die Klage jedoch unzulässig ist. Beispiel In Betracht kommt hier besonders eine Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes. In einem solchen Fall hat der Beklagte einen Antrag auf Klageabweisung zu stellen und sollte gleichzeitig Ausführungen zur Unzulässigkeit der Klage machen. Handelt es sich etwa um einen Fall der Anrufung des unzuständigen Gerichtes, muss insoweit der Kläger dann einen Verweisungsantrag an das zuständige Gericht stellen. Der Beklagte hat lediglich darauf zu achten, dass ein rügeloses Einlassen seinerseits, dass auch die Zuständigkeit des fälschlich angerufenen Gerichtes begründen würde, unterbleibt. Stellt der Kläger keinen Verweisungsantrag, wird die Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Beispiel Wird beantragt, die Klage bereits wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes abzuweisen. 2. Die Begründung in der Klageerwiderung a) Aufbau der Sachverhaltsdarstellung aa) Entsprechend dem Aufbau einer Klageschrift sollte auch die Klageerwiderung mit einem einleitenden Satz begonnen werden, um in den Streitstoff aus Beklagtensicht einzuführen. An diesen Einleitungssatz sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Beispiel Dem Kläger steht der gegenüber dem Beklagten behauptete Anspruch auf Werklohn nicht zu. bb) Soweit ein Teil der Klageforderung nach der Prüfung des Bearbeiters begründet sein sollte, ist vorab gesondert auszuführen, aus welchem Grunde und in welcher Höhe die Klage auch aus Sicht des Beklagten begründet ist und gegebenenfalls ein Anerkenntnis abzugeben. An dieser Stelle sind auch eventuelle Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage zu erheben. cc) Der zwischen den Parteien unstreitige Sachverhalt ist im Anschluss aufzugreifen. Dies kann durch die Formulierung erreicht werden, dass dieser oder jener Sachverhaltsteil als zwischen den Parteien „unstreitig gestellt“ werden kann. Das Gericht ist dann informiert, dass über diesen Teil nicht weiter Beweis erhoben werden muss. 64

C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

Soweit in der Klageschrift ein Teil des Sachverhaltes als unstreitig dargestellt wurde, tatsächlich aber streitig ist, wird hierauf ebenfalls zunächst einzugehen sein. Da das angerufene Gericht bereits die Klageschrift kennt, empfiehlt es sich, im Rahmen der Klageerwiderung dem Aufbau der Klageschrift zu folgen und den dort gemachten Aussagen und rechtlichen Schlussfolgerungen Schritt für Schritt entgegenzutreten. b) Darstellung der Beweissituation aus Beklagtensicht Der Beklagte sich intensiv im Rahmen der Klageerwiderung mit der Beweissituation auseinanderzusetzen. aa) Hierbei sollte sich der Verfasser einer Klageerwiderung stets vor Augen führen, für welche Beweistatsachen er wirklich beweisbelastet ist. Nur soweit ihn selbst die Beweislast trifft, sind Gegenbeweise aufzuführen. Ansonsten kann er sich auf pauschales Bestreiten zurückziehen, wie bereits oben ebenfalls ausführlich dargestellt wurde.

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Hinweis: Die beweisbelastete Partei hat den Beweis zu führen. Bringt nunmehr die nicht beweisbelastete Partei einen Gegenbeweis und bestätigen die Beweismittel jeder Partei im Rahmen der Beweisaufnahme die jeweilige Position der Partei, so liegt ein sog. non liquet vor. Prozessrechtlich führt dies dazu, dass durch die beweisbelastete Partei nicht der volle Beweis erbracht wurde, so dass die beweisbelastete Partei unterliegt.

bb) Besondere Vorsicht ist bei Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) geboten. Bestreiten mit Nichtwissen wurde bereits allgemein angesprochen und kommt immer dort in Betracht, wo der Beklagte selbst keine Kenntnis hat oder sich die Kenntnis eines Dritten nicht zurechnen lassen muss. Da oftmals im Rahmen eines laufenden Verfahrens nicht bekannt ist, welche Zurechnungskriterien das erkennende Gericht der Entscheidung zu Grunde legen wird, sollte das Bestreiten mit Nichtwissen auf den absoluten Ausnahmefall beschränkt werden. Sollte das Gericht das Bestreiten mit Nichtwissen nämlich als unzulässig erachten, ist diese Form des Bestreitens als prozessuales Zugeständnis verwertbar (§ 138 Abs. 3 ZPO). cc) Gegebenenfalls kann man ein substantiiertes Bestreiten, etwa mit einem Zeugen, schon vorbereiten und diesen Zeugen erst später benennen, wobei man jedoch auf etwaige Präklusionswirkungen achten muss.

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Hinweis: Daher ist es besser, anstatt einen Sachverhalt mit unzulässigem Nichtwissen zu bestreiten: Bestreiten unter Protest gegen die Beweislast: Zeugnis N. N.

Sowohl auf Kläger-, als auf Beklagtenseite, kann, soweit der zu benennende Zeuge namentlich noch nicht bekannt ist, daher das Zeugnis N. N. angegeben werden. Dies signalisiert dem Gericht, dass Name und Adresse des potentiellen Zeugen dem Prozessbevollmächtigten (noch) nicht bekannt sind, diese Angaben aber umgehend nachgereicht werden (können). 65

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Möglicherweise wird im Laufe des Rechtsstreites dennoch die Benennung des Zeugen nicht möglich werden, man läuft jedoch zumindest nicht Gefahr, dass der Vortrag von Anfang an als unsubstantiiert bewertet wird (Zöller/Greger, ZPO, § 356 Rz. 4) c) Rechtliche Ausführungen in der Klageerwiderung Selbstverständlich sollte der Beklagte ebenfalls rechtliche Ausführungen zum Klageanspruch/der Anspruchsgrundlage tätigen. Gerade in der Klausursituation stellt dies die eigentliche Bearbeitung der Klausuraufgabe dar. aa) Auch Anspruchsgrundlagen, die in der Klageschrift vielleicht nicht aufgeführt sind, die sich aber dem Gericht aufdrängen könnten, sind in der Klausur jedenfalls im Rahmen der gutachterlichen Prüfung/Hilfsgutachten zu behandeln. bb) Der Berechtigung des verlangten Zinsanspruches (§§ 288, 291 BGB) ist genaues Augenmerk zu widmen. Wurde ein höherer, als der derzeit gesetzliche Zinsanspruch (z. Zt.: fünf Prozentpunkte über dem Basiszinsatz bei Verbrauchern, bei anderen acht Prozentpunkte über dem Basiszinsatz) in der Klage begehrt und nicht weitergehend begründet, ist die Höhe des Zinsanspruches zu bestreiten. Der Kläger muss für einen derartigen weiteren Zinsschaden insoweit substantiierte Ausführungen machen, dass er selbst wegen der ausstehenden Klageforderung mit Bankkredit arbeitet und ihm insoweit ein Schaden entstanden ist. Fehlt eine derartige Begründung, unterliegt jedenfalls der überhöhte Zinsanspruch der Klageabweisung.

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Hinweis: Der Standardsatz, dass nicht berührtes Vorbringen bestritten wird, sollte die Klageerwiderung abschließen, um vielleicht übersehene Argumente der Klageschrift nicht unbestritten im Raum stehen zu lassen.

cc) Wie schon bei Anfertigung einer Klageschrift endet auch die Klageerwiderung mit der Bitte an das Gericht auf die Erteilung eines etwaigen richterlichen Hinweises, § 139 ZPO. Dadurch wird sicher gestellt, dass für den Fall, dass das Gericht eine Überraschungsentscheidung zu Lasten des Beklagten fällen sollte, die Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör im Berufungsverfahren noch deutlicher geltend gemacht werden kann. Noch deutlicher deshalb, da das Gericht eigentlich selbst strikt nach der Zivilprozessordnung gehalten ist, seine entsprechenden Hinweispflichten zu überwachen. Ist durch den Beklagten jedoch nochmals explizit auf die Hinweispflicht verwiesen worden, soll das Gericht noch stärker zur Erteilung des Hinweises verpflichtet sein. Beispiel Soweit das Gericht noch weiteren Sachvortrag für erforderlich erachtet, wird ausdrücklich um einen richterlichen Hinweis gebeten. Nicht berührtes Vorbringen der Gegenseite wird rein vorsorglich bestritten.

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C. Anwaltliche Tätigkeit auf Seiten des Beklagten

III. Zusammenfassung In ganz erheblichem Umfang gelten die Ausführungen, die bereits im Rahmen der Tätigkeit des Klausurbearbeiters für den Kläger gemacht worden sind, auch für den Beklagtenvertreter. Besonders wichtig ist hier ebenfalls die Ermittlung des konkreten Stands des Verfahrens zum Zeitpunkt der Klausurbearbeitung. Dem Bearbeitervermerk ist besondere Beachtung zu schenken, um etwaige Fragestellungen nicht zu übersehen. Da das Hauptgewicht anwaltlicher Klausurstellung im Bereich der theoretischen Vertretung eines Beklagten angesiedelt wird, entfaltet diese Sichtweise besondere Klausurrelevanz. Zu unterscheiden ist, ob eine gutachterliche Stellungnahme zum klägerischen Vorbringen und die Anfertigung etwaiger Anträge oder Schriftsätze an das Gericht verlangt oder ob lediglich die Anfertigung von Erwiderungsschriftätzen an das Gericht durch den Bearbeitervermerk vorgegeben wurde. Im Wesentlichen ist zu erwarten, dass der Klausurbearbeiter gutachterlich tätig werden soll. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, auch die durch den Sachverhalt angesprochenen prozessualen Fragen zu behandeln und hiernach im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegung den Mandanten zu beraten. Dies geschieht dann ausschließlich im Bereich der Zweckmäßigkeit am Ende der Klausur. Der Klausurbearbeiter wird sich auch intensiv mit der Frage einer Verteidigungsstrategie gegenüber dem Klageanspruch auseinanderzusetzen haben. Hierfür ist eine dezidierte Kenntnis der Beweislastverteilung unablässig. Soweit der Klausurbearbeiter nämlich zu dem Ergebnis kommt, dass der Vortrag des Klägers schlüssig erscheint, ist als Zentralaufgabe der Klausur zu prüfen, ob das klägerische Vorbringen auch substantiiert wurde. Soweit ein nicht substantiierter Sachvortrag des Klägers vorliegt, für welchen dieser jedoch beweisbelastet ist, genügt einfaches Bestreiten. Hingegen hat der Beklagte selbst die rechtsverhindernden, rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Tatsachen substantiiert vorzutragen. Insbesondere auf Beklagtenseite wird zu prüfen sein, ob eine Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit in Betracht kommt. Hier bieten sich an die Institute der Aufrechnung, Hilfsaufrechnung oder Streitverkündung, aber auch die Geltendmachung eines Gegenanspruches gegenüber dem bisherigen Kläger in Form der Widerklage. Im Rahmen der Anfertigung der schriftlichen Klageerwiderung ist stets zu ausführlich zu begründen, welches zweckmäßige anwaltliche Vorgehen dem Beklagten gegenüber empfohlen werden kann. In Fällen, in welchen die Klage offensichtlich sowohl schlüssig, als auch substantiiert ist, muss die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses geprüft werden. Hat der Beklagte auf die Klageforderungen Leistungen erbracht, sind die Voraussetzungen der übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Hauptsache zu berücksichtigen.

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Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

IV. Checkliste 1. In welchem prozessualen Stadium befindet sich das Verfahren? 2. Welche prozessualen Frist laufen/sind bereits abgelaufen? 3. Ist der Beklagte passiv legitimiert? 4. Ist die Klage zulässig und schlüssig? 5. Wird der Anspruch durch die in der Klage benannten Beweismittel untermauert? 6. Können der Anspruch oder die Beweismittel entkräftet werden? 7. Bestehen Einwendungen oder Einreden? 8. Besteht gegebenenfalls ein Regressanspruch gegenüber einem Dritten? 9. Besteht ein durchsetzbarer Gegenanspruch gegenüber dem Kläger?

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D. Die Berufung in Zivilsachen I. Zulässigkeit der Berufung 1. Voraussetzung der Berufung a) Gegenstand Endurteile Nach dem deutschen Zivilprozessrecht findet die Berufung grundsätzlich gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile deutscher Zivilgerichte statt. Es handelt sich also um die Endurteile von Amts- und Landgerichten in erster Instanz. aa) § 511 Abs. 2 ZPO grenzt insoweit die Statthaftigkeit der Berufung auf solche Endurteile näher ein, deren Beschwerdewert den Betrag von 600,00 Euro übersteigt, d. h. wenigstens eine Beschwer von 600,00 Euro und einem Cent erreicht sein muss oder dass das erstinstanzliche Urteil selbst eine Berufung ausdrücklich zugelassen hat. bb) Zu den Endurteilen zählen, neben den als solchen ausdrücklich oder mit dem Begriff Urteil bezeichneten Endurteilen, auch Schlussurteile, Teilurteile gem. § 301 ZPO, Zwischenurteile (§ 280 Abs. 2 ZPO) und selbst Ergänzungsurteile gem. §§ 321, 517 ZPO. Gegen das zweite echte Versäumnisurteil (zum ersten Versäumnisurteil, gegen welches nur Einspruch gemäß § 338 ZPO eingelegt werden kann, vgl. oben) findet die Berufung nur mit der Maßgabe statt, dass ein Fall schuldhafter Säumnis nicht vorgelegen hat. Allerdings kann in diesem Fall der Berufungsführer aufgrund § 514 Abs. 2 ZPO noch die fehlende örtliche Zuständigkeit des Gerichtes erster Instanz rügen (OLG Schleswig MDR 2007, 906) cc) Erlässt das Gericht erster Instanz ein Teilurteil bezüglich einer zwischen den Parteien umstrittenen Zuständigkeitsfrage das erstinstanzliche Gericht betreffend kann hiergegen jedoch keine isolierte Berufung eingelegt werden, da dies dem Gedanken der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung entgegenstehen soll, § 513 Abs. 2 ZPO. Dies gilt selbst dann, wenn das erstinstanzliche Gericht die Berufung ausdrücklich zugelassen, und sich das Teilurteil nur mit der Zuständigkeitsfrage beschäftigt hat. Allerdings ist teilweise zu Recht diskutiert worden, ob eine Berufung in diesem Sonderfall möglich sein soll, wenn ein willkürliches Handeln des Ausgangsgerichtes angenommen werden kann (OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 865). b) Beschwer aa) Die Frage, ob der Beschwerdewert erreicht ist, ist nicht immer sofort eindeutig zu beantworten. Obsiegt der Rechtsmittelführer mit einem Teil seines Klagebegehrens, ist festzustellen, ob derjenige Teil, in welchem er unterlegen ist, die Beschwerdesumme erreicht oder nicht. Hierbei handelt es sich um die sog. formelle Beschwer des Rechtsmittelführers (BGH NJW 1991, 704). Auszugehen ist dabei von dem zuletzt durch den Rechtsmittelführer in erster Instanz gestellten Prozessantrag. 69

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

bb) Eine formelle Beschwer wird insoweit auch in den Fällen bejaht, in welcher der Beschwerdeführer als Beklagter bereits die Unzulässigkeit der Klage, neben deren Unbegründetheit, ein gewendet hatte und die Klage ausschließlich wegen Unbegründetheit abgewiesen wurde. Insoweit stellt es stets eine Beschwer dar, wenn der Beschwerdeführer nur mit seinem Hilfsantrag durchdringt, da er diesbezüglich mit seinem Hauptantrag gescheitert, d. h. beschwert, ist. Der Beschwerdewert ergibt sich diesbezüglich entweder aus dem Haupt- oder auch dem Hilfsantrag. Gemäß § 294 ZPO ist dies glaubhaft zu machen. cc) Liegt ein Fall der Streitgenossenschaft vor, ist zunächst bei jedem Streitgenossen einzeln und für diesen das Vorliegen der Beschwerdesumme erforderlich. Erreichen die Streitgenossen jeder für sich nicht die Berufungssumme, ist aber, wenn die der Beschwer zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht deckungsgleich sind, eine Addition der Beschwerdesummen möglich. Soweit diese dann die Berufungssumme überschreiten, ist ebenfalls Berufungseinlegung möglich (Zöller/ Heßler, ZPO, § 511 Rz. 25 und Rz. 26). c) Zulassung der Berufung in anderen Fällen Ist der Beschwerdewert nicht erreicht, kann das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteilstenor die Berufung ausdrücklich zulassen. Dies ist dann angezeigt, wenn dies zur Fortbildung des Rechts oder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit erforderlich scheint. Ein förmlicher Antrag der Prozessparteien ist hierfür nicht vorgesehen, doch empfiehlt es sich, eine entsprechende Anregung an das Gericht schriftsätzlich vorzutragen. Letztlich entscheidet das erstinstanzliche Gericht jedoch die Frage der Berufungszulassung von Amts wegen. Das Gericht wird hierbei eine entsprechende Berufung in der Regel zulassen, wenn zu dem speziellen Rechtsproblem entweder überhaupt keine oder widerstreitende Rechtsauffassungen höherer Instanzgerichte vorliegen. Dies schafft Rechtsklarheit für den rechtsuchenden Bürger. 2. Form, Frist und Zuständigkeit a) Form aa) Die Berufungseinlegung hat gem. § 519 Abs. 1 ZPO schriftlich durch einen zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen. Das angegriffene Urteil ist mit Verkündungsdatum, Zustellungsdatum und Aktenzeichen genau zu bezeichnen. Zu fertigen ist ein vollständiges Rubrum mit der Überschrift „Berufung“. bb) Außerdem muss sich aus der Berufungseinlegung eindeutig ergeben, dass Berufung eingelegt wird. Der Schriftsatz ist durch den Rechtsanwalt mit seinem üblichen Namenszug zu unterzeichnen (BGH NJW 1989, 588), wodurch dieser die Verantwortung für die Berufungseinlegung übernimmt. Eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des erstinstanzlichen Urteils soll beigefügt werden, § 519 Abs. 3 ZPO. 70

D. Die Berufung in Zivilsachen

b) Frist Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt gemäß § 517 ZPO einen Monat ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu Händen derjenigen Partei, die das Rechtsmittel einlegen will und ist nicht verlängerbar. Unterbleibt die Zustellung eines schriftlichen Urteils, so ist die Berufung spätestens fünf Monate nach Verkündung des Urteils einzulegen. aa) Die Frist wird auch schon durch die Einlegung per Telefax oder ähnliche Fernübermittlungswege (Telegramm pp.) beim zuständigen Gericht gewahrt. Soweit teilweise in der Vergangenheit die Meinung vertreten wurde, der Rechtsanwalt, der sich eines Fernübermittlungsweges bedient, müsse sich den Eingang der Berufung durch Nachfrage bei der Geschäftsstelle des zuständigen Rechtsmittelgerichtes bestätigen lassen, um nicht bei fehlerhafter Übertragung ein Verschulden angelastet zu bekommen, so ist diese Auffassung heute nicht mehr haltbar. In Zeiten von modernen Arbeitszeitregelungen könnte dieses Erfordernis nämlich zu einer für den Rechtsanwalt nicht zu überwindenden Hürde führen. Allerdings wird der Rechtsanwalt zu kontrollieren haben, ob sein Sendebericht eine korrekte Übertragung des Schriftsatzes zum Berufungsgericht dokumentiert. Im Rahmen des Postweges darf der Rechtsanwalt hingegen stets darauf vertrauen, dass innerhalb der normalen Postlaufzeiten die Berufung eingeht. bb) Der Rechtsanwalt kann in zulässiger Weise die Frist bis zuletzt ausnutzen, so dass ein Verschulden bei Fristversäumnis nicht anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt etwa kurz vor Fristablauf auf dem Weg zum Gericht einen Unfall erleidet, ins Krankenhaus eingeliefert wird und hierdurch die Frist nicht gewahrt werden kann.

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Hinweis: Hingegen wurde bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden, dass ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorliegt, wenn dieser die Frist bis kurz vor Fristablauf ausnutzt, um dann die Berufung per Telefax einzulegen und die Übermittlung daran scheitert, dass das Empfangsgerät des Gerichtes überlastet ist oder aus anderen Gründen die Übermittlung innerhalb der Frist scheitert. Der Rechtsanwalt muss solche Möglichkeiten in Erwägung ziehen, und gegebenenfalls Alternativen vorhalten. So etwa einen am Ort ansässigen Kollegen bitten, dass diesem die Berufung zugesandt wird, damit dieser diese persönlich in den Hausbriefkasten des Gerichtes einlegt.

Neuerdings kommt auch die Übermittlung per Internet in Betracht, jedoch nur, soweit eine Unterschriftenzertifizierung des Rechtsanwaltes vorliegt und das Berufungsgericht über ein entsprechendes Gegensystem verfügt. Derzeit steckt diese Art der Übermittlung jedoch noch in den Anfängen. cc) Ist die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt worden, ist stets zu prüfen, ob ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorliegt oder ein Wiedereinsetzungsantrag erfolgreich sein könnte. Das Verschulden des Rechtsanwaltes wird insoweit dem Rechtsmittelführer zugerechnet. Auf jeden Fall ist die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in Betracht zu ziehen (vgl. oben) und ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. 71

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

c) Zuständigkeit Zuständiger Adressat für die Einlegung der Berufung ist das nächsthöhere Gericht, für Streitigkeiten erster Instanz vor den Amtsgerichten somit die Landgerichte (§ 72 GVG), bei erstinstanzlichen Landgerichtssachen die Oberlandesgerichte. Das Berufungsgericht ist hierbei das ausschließliche für die Berufungseinlegung zuständige Gericht (judex ad quem), nicht das erstinstanzliche Gericht (judex a quo). Wird versehentlich die Berufung beim Gericht der ersten Instanz eingelegt, so wird die Frist zur Berufungseinlegung erst gewahrt, wenn die Berufungsschrift durch das Gericht erster Instanz an das Berufungsgericht übermittelt wird und diese beim Berufungsgericht eingeht. Das Gericht erster Instanz soll aber zu einer möglichst zügigen Weiterleitung verpflichtet sein. Beispiel An das Landgericht – Berufungskammer – Berufung In Sachen des Herrn…………………………..

– Kläger und Berufungskläger – Prozessbevollmächtigte:

gegen Herrn ………………………………..

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigter I. Instanz: RA …… aus …… Aktenzeichen I. Instanz: …… des Amtsgerichtes …… Beschwerdewert: …… Euro lege ich hiermit namens und im Auftrag des Klägers und Berufungsklägers gegen das am … verkündete und am … zugestellte Urteil des Amtsgerichts … AZ.: …

Berufung ein. Anträge und Begründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Eine Urteilsausfertigung, deren Rückgabe erbeten wird, sowie 2 beglaubigte Abschriften sind beigefügt. Rechtsanwalt 72

D. Die Berufung in Zivilsachen

II. Die Berufungsbegründung 1. Zulässigkeit der Berufungsbegründung a) Form Die Berufungsbegründung muss ebenfalls schriftlich erfolgen und erneut eine Unterschrift eines zugelassenen Rechtsanwaltes tragen. Sie ist an das Berufungsgericht zu senden. Weitere Besonderheiten ergeben sich nicht.

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Hinweis: Eine Berufungsbegründungschrift ohne Unterschrift ist nicht wirksam. Eine Nachholung der Unterschrift ist nicht möglich.

b) Frist Die Berufung ist innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständig abgefassten Urteils gem. § 520 Abs. 2 ZPO, spätestens aber fünf Monate nach Verkündung, zu begründen. Es gelten die entsprechenden Grundsätze wie bei der Berufungseinlegung. Die Frist zur Begründung ist allerdings für den Berufungsführer auf Antrag durch das Berufungsgericht um einen weiteren Monat verlängerbar, wenn entsprechende Gründe glaubhaft gemacht werden und der Rechtsstreit hierdurch nicht unnötig verzögert wird. Eine einmalige Fristverlängerung ist ohne Zustimmung der Gegenseite, eine weitere Fristverlängerung nur mit Zustimmung der Gegenseite möglich. Insoweit soll sichergestellt werden, dass der Rechtsstreit durch die erneute Fristverlängerung jetzt keinesfalls ohne Zustimmung der Gegenseite verzögert wird. Diese Fristverlängerung ist zwingend vor Fristablauf zu beantragen. Einen Anspruch auf Fristverlängerung hat der Rechtsmittelführer jedoch nicht. Beispiel In Sachen … wird beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat, nämlich bis zum … zu verlängern. Begründung: Durch Arbeitsüberlastung des alleinigen Sachbearbeiters/wegen des Erfordernisses der Rücksprache mit den Rechtsmittelführer, der sich bis zum … im Jahresurlaub befindet/wegen Krankheit usw. ist eine Anfertigung der Berufungsbegründung innerhalb der Berufungsbegründungfrist nicht möglich. Da das Gericht noch nicht einmal einen Termin zur ersten Hauptverhandlung über die Berufung angeordnet hat, ist auch eine Verzögerung des Rechtsstreites ausgeschlossen. Es wird gebeten, dem Antrag insoweit zu entsprechen. 73

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

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Hinweis: Die meisten Gerichte werden ausdrücklich im Beschlusswege eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beschließen und dem Rechtsanwalt übermitteln. Da dies jedoch auch erst nach dem Tag des Fristablaufs geschehen kann, sollte in einem solchen Fall ergänzend eine stillschweigende Fristverlängerung beantragt werden. Weist das Gericht am letzten Tag – oder sogar später – den Antrag zurück, kann sich der Rechtsanwalt darauf berufen, dass er von einer stillschweigenden Fristverlängerung ausgegangen ist. Versäumt er wegen der zurückweisenden Entscheidung die Frist, liegt dann ein Exkulpationsgrund vor, da hier das Gericht die Fristversäumnis zu vertreten hat.

2. Begründetheit der Berufung a) Ausgangslage Die Anfertigung einer Berufungsbegründung bedeutet für den Berufungsführer seit der Reform der Zivilprozessordnung eine besonderes sorgfältige Prüfung der Berufungsmöglichkeiten. aa) Sollte die Anfertigung einer Berufung Gegenstand der Klausuraufgabe sein, hat sich die Prüfung an den engen nur eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten des Urteils erster Instanz auszurichten. Diesbezüglich ähnelt die Berufung in Zivilsachen inzwischen nach der ZPO-Reform sehr einer strafrechtlichen Revisionsbegründung, da auch hier keine echte zweite Tatsacheninstanz mehr gegeben ist, sondern das erstinstanzliche Urteil nur noch auf Rechtsfehler hin überprüft wird. Seit die Berufung keine neue echte Tatsacheninstanz (mehr) ist, sondern ausschließlich der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf Rechtsfehler oder fehlerhafte Tatsachenfeststellungen dient, ist Ausgangspunkt daher stets das angefochtene Urteil. Dies ergibt sich ausdrücklich aus der Vorschrift des § 513 Abs. 1 ZPO. bb) Entsprechend heißt es in § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO, dass die Berufung konkrete Anhaltspunkte darzulegen hat, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung des Gerichtes erster Instanz begründen oder gem. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO Rechtsfehler aufzeigen, die das angegriffene Urteil rechts fehlerhaft machen.

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Hinweis: Mit der Berufung kann daher keinesfalls die richterliche Beweiswürdigung erster Instanz mit der Maßgabe angegriffen werden, das Gericht hätte ein Beweismittel anders werten müssen, da die richterliche Beweiswürdigung, es sei denn, sie verstoße gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze, nicht überprüfbar ist. Leider ist auch in anwaltlichen Berufungsbegründungen oftmals der Satz zu lesen, der erkennende Richter hätte diese oder jene Zeugenaussage z. B. anders bewerten müssen.

Welche fehlerhaften oder lückenhaften Tatsachenfeststellungen ein Urteil erster Instanz aufweisen kann, ist nicht zu prognostizieren. Insoweit kann für die Klausurbearbeitung nur empfohlen werden, die entsprechenden Grundsätze für die Aufdeckung eines offensichtlich in sich unschlüssigen Tat74

D. Die Berufung in Zivilsachen

sachenvortrages, ganz klarer Lücken oder des Vorliegens eines Zirkelschlusses heran zu ziehen. Es empfiehlt sich diesbezüglich ausdrücklich die Konsultation eines Großkommentars zur ZPO im Rahmen der Klausurvorbereitung (Zöller/ Heßler, ZPO, § 520 Rz. 33 ff.) b) Anträge der Berufung aa) Genau wie in der Klageschrift hat der Rechtsmittelführer den Umfang seines rechtlichen Begehrens durch den Berufungsantrag einzugrenzen. Durch den Berufungsantrag wird klargestellt, inwieweit das angefochtene Urteil angegriffen werden soll. Gemäß § 528 Satz 2 ZPO ist durch das Berufungsurteil dem Rechtsmittelführer nur maximal das zuzusprechen, was er auch beantragt hat, ihm darf jedoch auch nicht abgesprochen werden, was ihm das erstinstanzliche Urteil bereits zuerkannt hatte (womit sich ebenfalls erneut die Nähe zum Strafrecht, hier dem sog. Verbot der reformatio in peius, widerspiegelt). bb) Allerdings kann der Berufungsantrag nicht alleine darauf gestützt werden, dass ein Verfahrensmangel vorliege und deshalb das Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückgewiesen wird. Durch Auslegung wird jedoch zu ermitteln sein, dass der Rechtsmittelführer sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt. Jedenfalls hat auch das Berufungsgericht im Rahmen des § 139 ZPO auf derartige Bedenken hinzuweisen und dafür Sorge zu tragen, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Beispiel Kläger ist vollständig in erster Instanz unterlegen: Es wird beantragt, unter Aufhebung des Urteils des …-gerichtes vom … Aktenzeichen … den Beklagten zu verurteilen … Euro an den Kläger zu zahlen. oder Kläger ist teilweise in erster Instanz unterlegen: Es wird beantragt, in Abänderung des Urteils des …-gerichtes vom … Aktenzeichen … den Beklagten zu verurteilen, weitere … Euro an den Kläger zu zahlen. oder Beklagter ist in erster Instanz unterlegen. Es wird beantragt, auf die Berufung das am … verkündeten Urteils des …-gerichtes dieses aufzuheben und die Klage abzuweisen. c) Aufbau der Berufungsbegründungsschrift aa) Als Einleitung der Berufungsbegründung empfiehlt sich, den Umfang der Anfechtung nochmals klar zu umreißen, damit das Berufungsgericht weiß, inwieweit überhaupt eine Anfechtung durch den Rechtsmittelführer gewünscht wird. 75

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

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Hinweis: Die früher in der Berufungsbegründung an den Anfang zu stellende Zusammenfassung des prozessualen Geschehens oder eine Sachverhaltsschilderung erster Instanz ist nicht mehr zu fertigen.

Beispiel I. Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Klageantrag abgewiesen, den der Kläger mit seiner Berufung weiterverfolgt. Das Urteil wird daher in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. (…) bb) Hieran haben sich die einzelnen Berufungsrügen anzufügen, wobei, wie bereits ausgeführt, insoweit nur Rechtsverletzungen oder mangelhafte Tatsachenfeststellungen des Gerichtes erster Instanz in Betracht kommen. Beispiel Im Einzelnen ist folgendes zu rügen: (…) II. Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit, § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO Es wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Rechtsirrig geht das Amtsgericht davon aus, dass … (es folgen Ausführungen zur Rechtslage) III. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung, § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO Das Amtsgericht kam auf Grund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass …. Dabei missachtete das Amtsgericht ausweislich seiner Urteilsgründe die Aussage des Zeugen A (Protokoll vom … S. …), ….

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Hinweis: Aber nicht: Das Amtsgericht hat die Aussage des Zeugen A falsch gewichtet. Dies wäre unzulässig.

cc) Auch im Rahmen der Berufungsinstanz können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel eingeführt werden, aber nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 520 Abs. 3 Nr. 4, 531 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsmittelführer müssen dabei unverschuldet bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz diese Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht zur Verfügung gestanden haben oder unbekannt gewesen sein. Ansonsten tritt Präklusionswirkung ein, § 531 Abs. 1 ZPO. Entsprechendes gilt wegen § 532 Satz 1 und Satz 2 ZPO auch für Rügen betreffend die Zulässigkeit der Klage. Beispiel IV. Bezeichnung und Rechtfertigung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel, § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung den Brief des Beklagten vom … aufgefunden, in dem dieser bestätigt, dass die Zahlung des Klägers als Darlehenshingabe erfolgte. Beweis: Vorlage des Briefes vom … Anlage 1 76

D. Die Berufung in Zivilsachen

Weiterer Sachvortrag ist im Rahmen des Berufungsverfahrens und nach Abgabe der Berufungsbegründung nur noch nach Maßgabe der §§ 263 ZPO, § 533 ZPO i. V. m. § 264 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO möglich, wobei keine weiteren Berufungsgründe mehr ausgeführt werden können. Gemäß § 533 ZPO ist jedoch auch in diesem Fall, wie bereits in der ersten Instanz, das Vorliegen der Einwilligung des Berufungsbeklagten erforderlich, wenn nicht das Gericht bereits die Sachdienlichkeit bejaht (Zöller/Heßler, ZPO, § 533 Rz. 7). Schließlich darf nicht übersehen werden, auch den gesamten Vortrag erster Instanz nebst dortigen Beweisantritten zum Gegenstand des Berufungsvorbringens zu machen. Beispiel V. Bezugnahme auf erstinstanzlichen Vortrag: Auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen des Klägers, insbesondere in den Schriftsätzen … einschließlich der dortigen Beweisantritte wird ergänzend Bezug genommen. Sollte das Berufungsgericht in der einen oder anderen Frage eine Ergänzung für erforderlich halten, wird um einen richterlichen Hinweis gem. § 139 ZPO gebeten. Beglaubigte und einfache Abschriften liegen an. Rechtsanwalt d) Anschlussberufung Der Berufungsbeklagte kann sich im Rahmen des § 524 Abs. 1 ZPO der Berufung des Berufungsklägers anschließen, soweit er innerhalb eines Monats ab Zustellung der Berufungsbegründung den Anschluss erklärt und eine eigene Beschwer geltend machen kann. Sie ist wie die eigentliche Berufung zu begründen und bleibt nur solange wirksam, wie auch der Berufungskläger seine Berufung aufrechterhält, § 524 Abs. 4 ZPO.

III. Zusammenfassung Die Berufung in Zivilsachen ist statthaft gegen Endurteile deutscher Zivilgerichte, soweit gesetzlich eine Möglichkeit zur Berufung besteht. Hierbei sind die Fälle zu unterscheiden, dass entweder der sog. Beschwerdewert von 600,00 Euro erreicht werden muss oder die Berufung durch das Gericht erster Instanz ausdrücklich zugelassen wurde. Eine solche Zulassung der Berufung ist möglich, wenn diese zur Fortbildung des Rechts oder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit erforderlich erscheint. Die Berufung ist zunächst binnen eines Monates ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber 5 Monate nach Urteilsverkündung, schriftlich beim Berufungsgericht einzulegen. Binnen einer Frist von 2 Monaten ab Zustellung des schriftlichen Urteils erster Instanz oder sechs Monaten ab dessen Verkündung ist die Berufung sodann schriftlich zu begründen. Eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung ist möglich, wenn Gründe hierfür glaubhaft gemacht werden. Eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist bedarf hingegen 77

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

einer ausdrücklichen Zustimmung des Berufungsbeklagten und darf den Rechtsstreit nicht verzögern. Es herrscht Anwaltszwang. Hierbei ist die Berufungsbegründung an enge Voraussetzungen geknüpft, wie sie insbesondere in § 520 Abs. 3 aufgeführt werden. Insoweit erinnert die Berufung des Zivilprozessrechtes erheblich einer strafrechtlichen Revisionsbegründung. Verfahrensmängel alleine begründen keine wirksame Berufung. Vielmehr muss eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das erstinstanzliche Gericht feststellbar sein oder ein Rechtsfehler vorgetragen werden. Eine Zusammenfassung des Sachverhaltes erster Instanz, wie dies vor der Reform des Zivilprozessrechtes üblich war, findet nicht mehr statt. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel können nur unter engen Voraussetzungen noch im Rahmen der Berufungsinstanz eingeführt werden. Die berufungsführende Partei hat substantiiert zu begründen, dass deren Vorlage im Verfahren erster Instanz durch sie unverschuldet nicht möglich war. Eine Anschlussberufung des zunächst nicht berufungsführenden Prozessgegners ist möglich. Dieser muss jedoch auch eine eigene Beschwer geltend machen. Hierbei ist die Anschlussberufung akzessorisch zur ursprünglich eingelegten Berufung und wird insoweit unwirksam, wenn der bisherige Berufungsführer seine Berufung zurücknimmt.

IV. Checkliste 1. Wann wurde die Entscheidung erster Instanz zugestellt? 2. Ist die Berufung des Mandanten statthaft? 3. Wann läuft die Frist zur Berufungseinlegung/Berufungsbegründung ab? 4. Welche Argumente sprechen für eine rechtliche Fehlbewertung des Sachvortrages erster Instanz? 5. Welche Argumente sprechen für eine fehlerhafte Beweisbewertung erster Instanz? 6. Sind neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz noch vor tragbar?

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E. Die Revision in Zivilsachen I. Die Zulässigkeit der Revision Für Klausuren im Rahmen des Anwaltsrechtes ist es mehr als unwahrscheinlich, dass eine Klausuraufgabe die Anfertigung einer Revisionsschrift beinhalten könnte. Dennoch sollten zumindest die Grundzüge des Revisionsrechtes in Zivilverfahren bekannt sein. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das deutsche Zivilprozessrecht grundsätzlich nur einen zweizügigen Instanzenzug kennt, also die dritte Instanz des Revisionsgerichtes überaus selten in Betracht kommt. 1. Statthaftigkeit Die Revision findet, genauso wie die Berufung, gegen von einem deutschen Zivilgericht erlassene Endurteile statt und zwar gegen die Urteile des Gerichtes erster Instanz (Sprungrevision) und Urteile des Berufungsgerichtes, soweit diese jeweils im Urteil die Revision zugelassen haben. Alternativ kann auch, soweit das Berufungsgericht die Revision nicht im Urteil zugelassen hat, durch die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 543 Abs. 1 ZPO beim Revisionsgericht die Zulassung der Revision überprüft werden. Die Revision findet nicht statt gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes, in welchem die Berufung verworfen wird. Aus diesem Grunde kommt auch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht, wenn die Verwerfung der Berufung seitens des Berufungsgerichtes im Beschlusswege erfolgt. Hier kann allenfalls noch eine Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs erhoben werden. 2. Zulassungsvoraussetzungen Die Revision soll zugelassen werden, soweit die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder ihre Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erforderlich erscheint, § 543 Abs. 2 ZPO. Auch eine Sprungrevision ist im deutschen Zivilrecht möglich, worauf bereits hingewiesen wurde. Diese wir nach § 566 Abs. 1 ZPO geregelt und findet gegen die in erster Instanz erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung der Berufung unterliegen würden, statt. Hierbei muss der Gegner jedoch in die Übergehung der Berufungsinstanz eingewilligt und das Revisionsgericht die entsprechende Revision zugelassen haben. Auch hier gilt wiederum, dass die Zulassung der Sprungrevision nur dann in Betracht kommt, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder zur Fortbildung des Rechtes oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 566 Abs. 4 ZPO. 3. Form und Frist Im Übrigen gelten hinsichtlich Form und Frist die gleichen Voraussetzungen wie im Rahmen der Berufung (§§ 548, 549 ZPO). 79

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Soweit eine Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt wird, ist diese bei einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen. Auch die Begründungsfrist bei der Revision entspricht der der Berufungsfrist. Eine entsprechende Verlängerung ist ebenfalls möglich (§ 551 Abs. 2 ZPO).

II. Begründetheit der Revision 1. Sach- und Verfahrensrügen Die Begründetheit der Revision ist gegeben, wenn eine wirksame Geltendmachung von Revisionsgründen, wie sie sich aus § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ergeben, vorgetragen wird. Zu unterscheiden ist zwischen Sach- und Verfahrensrügen. Ähnlich wie im Strafrecht hat bei Verfahrensrügen der Revisionsführer ausführlich darzulegen, dass das Berufungsurteil auf diesem Verfahrensfehler beruht. 2. Prüfungsumfang Das Revisionsgericht prüft hierbei einen etwaigen Verstoß gegen Bundes-, jedoch keinen Verstoß gegen Landesrecht. Bei einer Vertragsauslegung prüft das Revisionsgericht lediglich, ob die Berufungsinstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze verstoßen hat. Hingegen unterliegen einer vollständigen Überprüfung durch das Revisionsgericht Willenserklärungen und vertragliche Grundlagen sowie insbesondere allgemeine Geschäftsbedingungen. Die wesentlichen Vorschriften sind den §§ 305 ff. BGB zu entnehmen.

III. Zusammenfassung Die Revision kann als Klausuraufgabe im zweiten Staatsexamen praktisch ausgeschlossen werden. Kandidaten sollten sich jedoch merken, dass diese, wie die Berufung, gegen Endurteile deutscher Gerichte im Urteil des Ausgangsgerichtes zugelassen werden muss. Bei der Sprungrevision ist zusätzlich die Zustimmung des Prozessgegners erforderlich. Die Revision dient im Kern der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. In ihren formalen Anforderungen entspricht die Revision der zivilrechtlichen Berufung. Es können Sach- und Verfahrensrügen angebracht werden, wobei Gegenstand der Prüfung des Revisionsgerichtes ausschließlich Bundesrecht ist. 80

E. Die Revision in Zivilsachen

IV. Checkliste 1. Liegt ein Endurteil vor, gegen das Revision im Urteil zugelassen wurde? 2. Wenn ein Berufungsgericht entschieden hat, wurde ein Urteil gefällt? 3. Liegen Verfahrensfehler oder sachlich-rechtliche Fehler nach Bundesrecht vor?

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F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht I. Grundlagen der Zwangsvollstreckungsklausur 1. Die Aufgabenstellung in der Zwangsvollstreckungsklausur a) Ausgangslage Die in der Zwangsvollstreckungsklausur anzutreffende typische Aufgabenstellung wird sich auf die anwaltliche Tätigkeit des für den Schuldner tätig werdenden Rechtsanwaltes beziehen. Eine Fallgestaltung, dass der Bearbeiter auf Seiten des Gläubigers Tätigkeiten zu entfalten hat, ist in der Klausurpraxis der Justizprüfungsämter bisher wenig bis kaum bekannt und würde auch im Hinblick auf die zur Prüfung gestellten Sachund Rechtsfragen nicht verfangen. Soweit die anwaltliche Tätigkeit auch tatsächlich die Vertretung von Gläubigerinteressen erfasst, kann nur anempfohlen werden, die Standardwerke zur Zwangsvollstreckung und die dort vorhandenen Muster zu konsultieren. Regelmäßig wird in der Zwangsvollstreckungsklausur daher der Bearbeiter in Position des Anwaltes des Klägers, also des Schuldners, treten müssen. Neben den vorgesehenen Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechtes (§ 573 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 54 BeurkG für den Gläubiger und §§ 732, 766 ZPO für den Schuldner) sind es hierbei in erster Linie die möglichen Klagemöglichkeiten und Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechtes (§ 731 ZPO ausnahmsweise bezüglich des Gläubigers; §§ 766, 767, 768 ZPO bezüglich des Schuldners und § 771 ZPO bezüglich eines betroffenen Dritten), die Inhalt einer Prüfungsaufgabe sein werden. b) Übersicht über klausurrelevante Klagearten Ausgangspunkt jeder Falllösung im Zwangsvollstreckungsrecht sollte deshalb zunächst sein, sich durch die Lektüre des Aufgabentextes Klarheit darüber zu verschaffen, welcher Typus der Zwangsvollstreckungsklausur Inhalt der Klausuraufgabe ist. aa) Daher ist zunächst zu prüfen, welches Zwangsvollstreckungsorgan tätig geworden ist. Handelt es sich um eine Zwangsvollstreckungshandlung durch einen Gerichtsvollzieher, dann könnte ein Verstoß gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (§ 766 ZPO) in Betracht zu ziehen sein. Alternativ käme aber auch die Pfändung eines nicht im Eigentum des Schuldners stehenden Gegenstandes, also ein Fall der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), in Betracht. Hat hingegen das Vollstreckungsgericht, vorzugsweise der Rechtspfleger/die Rechtspflegerin, Tätigkeiten entfaltet, ist zu prüfen, ob Fehler im Klauselerteilungsverfahren bestehen könnten. 82

F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht

bb) Den weitaus häufigsten Fall stellen jedoch solche Fallgestaltungen dar, in welchem sich aus dem Aufgabentext ergibt, dass der Schuldner materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel erhebt. Dies sind die Fälle der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO). Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich hierbei gegen den bereits bestehenden rechtskräftigen Titel selbst und stellt damit den zivilprozessualen Ausnahmefall einer Rechtskraftdurchbrechung dar. Der Vollstreckungstitel wird hierdurch nicht aufgehoben, sondern nur seine Vollstreckbarkeit beseitigt. Mit der Vollstreckungsgegenklage kann der Schuldner allerdings nur solche Einwendungen geltend machen, die nach der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Vollstreckungstitels zu Gunsten des Schuldners entstanden sind. Ansonsten läge eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft vor, welche die Verpflichtung in einem laufenden Erkenntnisverfahren, alle Angriffs- und Verteidigungsmittel im streitigen Verfahren durch den Schuldner fristgerecht dem erkennenden Gericht zu unterbreiten, ad absurdum geführt würde. 2. Ermittlung des Mandantenbegehrens a) Ausgangspunkt Klausuraufgabe Auch im Rahmen der Zwangsvollstreckungsklausur ist dem Mandantenbegehren erhebliche und zentrale Aufmerksamkeit zu schenken. aa) Regelmäßig wird das primäre Mandantenbegehren in der Zwangsvollstreckungsklausur auf die unmittelbare Abwehr der jeweiligen Zwangsvollstreckungsmaßnahme gerichtet sein. Insoweit reicht es in der Zwangsvollstreckungsklausur niemals aus, die Prüfung und Klausurniederschrift auf die Rechtsbehelfe im ordentlichen Verfahren zu beschränken. Bei der Abwehr gegen einen Titel des Gläubigers ist stets zu bedenken, dass das Hauptsacheverfahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen regelmäßig nicht hindert. Förmliche Klageverfahren im Zwangsvollstreckungsrecht, wie etwa die Drittwiderspruchsklage oder die Vollstreckungsgegenklage, bedürfen erheblicher Zeit, so dass gerade bei Zwangsvollstreckungsverfahren stets die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes vorab immer mit zu prüfen ist.

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Hinweis: In Arbeitsgemeinschaften zeigt sich immer wieder, dass Rechtsreferendare die Dauer eines Hauptsacheverfahrens im Zwangsvollstreckungsrecht völlig falsch einschätzen. Es scheint die Auffassung zu bestehen, dass derartige Hauptsacheverfahren vorrangig durch die zuständigen Gerichte behandelt werden, so dass die tatsächliche Rechtslage binnen sehr weniger Wochen feststeht. Dies ist jedoch nicht der Fall, da auch im Vollstreckungsrecht ein ordentliches Erkenntnisverfahren zur Anwendung gelangt und eine rechtskräftige Entscheidung so gut wie nie vor einem etwaigen Beginn der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger vorliegen dürfte.

Eine Zwangsvollstreckungsklausur auf Schuldnerseite muss daher immer Empfehlungen und Maßnahmen zum Vollstreckungsschutz enthalten. 83

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

bb) Der Mandant ist gesondert auch über die Kostensituation bzw. das Kostenrisiko zu belehren, da die Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auch gesonderte Gebühren und Gerichtskosten auslösen. Schließlich ist zu prüfen, ob neben dem eigentlichen Vollstreckungsschutz auch noch weitergehende Ansprüche des Mandanten bestehen, die gegebenenfalls ergänzend geltend gemacht werden können. b) Nochmals: Gutachten- oder Urteilsstil aa) Sobald man durch die Lektüre des Aufgabentextes die Art der Fallgestaltung näher eingegrenzt hat (vgl. oben), ist im Rahmen der durch die Aufgabenstellung vorgegebenen Prozesssituation/Vollstreckungssituation die weitere prozessrechtliche Lage regelmäßig in Form eines Gutachtens zu prüfen. Bei der Zwangsvollstreckungsklausur kann zwar auch ein materiell-rechtliches Problem erheblichen Prüfungsraum einnehmen, jedoch ist das Vollstreckungsrecht als prozessuales Problem der Klausur vorrangig. Kommt zum Beispiel eine Drittwiderspruchsklage in Betracht, ist deren Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Begründetheit stets explizit zu erläutern. Ein immer wieder auftretendes Problem in der Klausursituation, teilweise auch im mündlichen Vortrag, ist hierbei die Frage, inwieweit insbesondere die Statthaftigkeit und Zulässigkeit ausführlich zu prüfen ist und ob vorzugsweise dann der Gutachten- oder Urteilsstil hierbei zur Anwendung gelangt. Eine pauschale Antwort gibt es hierauf selbstverständlich nicht. Grundsätzlich wird gelten können, dass, falls die Klausur Probleme im Rahmen der Statthaftigkeit oder Zulässigkeit ansiedelt, zu erwarten steht, dass diese Probleme durch den Aufgabentext explizit angesprochen werden. D. h., es werden sich für den Bearbeiter Hinweise finden, dass hier der Klausursteller ein Problem angesiedelt hat und dessen rechtliche Behandlung erwartet. Beispiel Aufgabentext: Der Mandant erwähnt, dass er gerne am Sitz seines belegenden Grundstückes klagen möchte, das „ursprüngliche Verfahren“ jedoch an seinem Wohnsitz und dem dort zuständigen Gericht angesiedelt ist. Hier ist selbstverständlich ausführlich zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, die vollstreckungsrechtliche Klage zum Ort des belegenen Grundstückes zu verlegen und welches Amts- oder Landgericht in Betracht kommt. bb) In einem solchen Fall sollte der Klausurbearbeiter den Gutachtenstil wählen, da voraussichtlich zu diesem Problem unterschiedliche Auffassungen in Literatur und/oder Rechtsprechung bestehen, deren Erörterung durch den Klausursteller erwartet werden. Ist das mögliche Problem, dass der Klausurtext offensichtlich anspricht, dem Bearbeiter unbekannt, sollte er versuchen, in den zur Verfügung stehenden Kommentaren herauszufinden, ob und welcher Streitstand hier vorliegt. Keinesfalls darf der Klausurbearbeiter, wenn ihm weder die eigentliche Problematik bekannt ist, noch er einen Hinweis in der Kommentarliteratur auffindet, über das erkannte Problem hinweggehen. 84

F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht

Hierdurch werden wichtige Punkte in der Klausur verschenkt, obwohl das Problem doch gesehen wurde. Der Klausurbearbeiter sollte sich in einem solchen Fall zumindest bemühen, eine eigenständige Argumentationslinie aufzubauen und zu einem abschließenden Ergebnis gelangen. Eine derartige Vorgehensweise wird sich sicher auszahlen und zu einer entsprechenden Benotung führen. cc) Zeigt der Aufgabentext hingegen keinerlei rechtliche Probleme zu einem Punkt der Statthaftigkeit oder Zulässigkeit auf, kann dieser Punkt im Urteilsstil abgehandelt werden.

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Hinweis: Liegt der Streitwert zum Beispiel deutlich über 5.000 Euro, sind längere Ausführungen, warum eine sachliche Zuständigkeit des Landgerichtes gegeben ist, in keinster Weise veranlasst. Hier genügt zunächst einmal der Hinweis auf § 71 Abs. 1 GVG. Bestehen jedoch Zweifel, wie hoch die Forderung ist, um was gestritten wird o. ä., sind dann entsprechende Ausführungen zu machen. Denkbar wäre dies etwa, wenn der Gläubiger nur aus einer Teilforderung vollstreckt.

Erkennt der Bearbeiter, dass bei einem bestimmten Prüfungspunkt der Zulässigkeit, etwa wie vorstehend ausgeführt hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit, ein Problem angesiedelt wurde, zu welchem unterschiedliche Auffassungen bestehen, ist zwingend in den Gutachtenstil zu wechseln. Die unterschiedlichen Rechtsmeinungen sind gegenüberzustellen, um schließlich der einen oder anderen Meinung den Vorzug zu geben. Dieses Ergebnis ist der Ausgangspunkt der weiteren Prüfung. Insoweit hat der Klausurbearbeiter von Fall zu Fall zu entscheiden, welcher formale Prüfungspunkt der Statthaftigkeit oder Zulässigkeit im Gutachtenstil behandelt werden muss und welcher im Urteilsstil als eindeutig abgehandelt werden kann. dd) Ist Prüfungsaufgabe hingegen die Anfertigung ausschließlich des eigentlichen Schriftsatzes oder der Klageschrift, ist lediglich das Ergebnis der Prüfung in die Zulässigkeit einzustellen, wobei hierbei dann der Urteilsstil zur Anwendung kommt. Die Erwägungen, die zur im Schriftsatz vertretenen Auffassung geführt haben, sind im Rahmen eines Hilfsgutachtens zu erörtern.

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Hinweis: Ein Klausurtyp „Anfertigung der entsprechenden anwaltlichen Schriftsätze“ ist als eher wenig wahrscheinlich einzustufen. Im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechtes haben immer noch stark gutachterlich ausgerichtete Klausuren ihr Schwergewicht. Dennoch soll nicht verkannt werden, dass die Justizprüfungsämter inzwischen einen sogenannten „Klausurenpool“ gebildet haben und insoweit verschiedene Justizprüfungsämter verschiedener Bundesländer ihre noch nicht gestellten Klausuraufgaben untereinander austauschen. In einigen Bundesländern werden hierbei Klausuren bevorzugt bei Klausurstellern in Auftrag gegeben, die die anwaltliche Tätigkeit in den Focus der Klausurbearbeitung rücken sollen. Hier sind in erster Linie anwaltliche Schriftsätze zu fertigen und die entsprechenden Vorüberlegungen ausschließlich hilfsgutachterlich zu erörtern. 85

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

c) Grundsätze zur Begründetheit im Rahmen der Zwangsvollstreckungsklausur Die Begründetheit einer Klage im Rahmen der Zwangsvollstreckung folgt den allgemeinen Regeln des Klageaufbaus. Hier sind keinerlei Besonderheiten zu beachten. aa) Zu unterscheiden ist nur, ob sich die Begründetheit des Begehrens aus der Art und Weise der Zwangsvollstreckung ergibt, somit die Regeln der Zwangsvollstreckung nicht eingehalten wurden, oder materiell-rechtliche Probleme (etwa Fälle der §§ 767, 771 ZPO) im Mittelpunkt der Fallgestaltung stehen. Im letzteren Fall wird sich die Prüfung primär auf die materiell-rechtliche Rechtslage zu beziehen haben. Bei einer Klausur diesen Typs steht daher nicht zu erwarten, dass zusätzlich erhebliche Probleme im Bereich des eigentlichen Zwangsvollstreckungsrechtes aufgeworfen werden. Derjenige Bearbeiter, der daher die Prüfung der materiell-rechtlichen Probleme zu Gunsten eines genauen Aufspürens scheinbarer Probleme des Zwangsvollstreckungsrechtes zurückstellt, wird ein zeitliches Problem in der Bearbeitung bekommen. Es empfiehlt sich daher, in derartigen Klausurkonstellationen zunächst die materielle Rechtslage ausführlich und gründlich zu prüfen, um dann etwaigen Problemen der Zulässigkeit näheres Augenmerk zu schenken. Sollte der Klausurbearbeiter feststellen, dass sein Zeitmanagement eine weitergehende ausführliche Darstellung der Probleme des Zwangsvollstreckungsrechtes nicht zulässt, ist es sicherer, die Prüfung der materiell-rechtlichen Rechtslage konsequent abzuschließen. Wie bereits ausgeführt wurde, ist in einer Zwangsvollstreckungsklausur die Frage einstweiligen Rechtsschutzes gegen drohende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers stets zu thematisieren. Welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen drohen, dürfte sich hierbei durch einen Hinweis im Klausurtext selbst finden.

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Hinweis: Solche Hinweise werden durch Klausursteller regelmäßig im Rahmen von Handlungen durch Zwangsvollstreckungsorgane erteilt. Beispielsweise kann hier genannt werden der Gerichtsvollzieher, der am Wohnsitz des Schuldners eine Nachricht hinterlässt, er hätte diesen nicht angetroffen, würde aber morgen wiederkommen. Oder, der Schuldner solle sich darauf vorbereiten, dass der Gerichtsvollzieher in einer Woche ab Datum des Benachrichtigungszettels die Zwangsräumung der Wohnung durchführen würde. Denkbar ist auch, dass der Mandant (Schuldner) mitteilt, der Gerichtsvollzieher habe Zutritt zu seinen Geschäftsräumen begehrt, er habe diesem aber Hausverbot erteilt. Schließlich: Der Mandant berichtet, der Gläubiger habe beim Gericht/Notar eine vollstreckbare Ausfertigung eines gegen ihn ergangenen Titels beantragt. Liegt eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme bereits vor, ist entsprechend zu prüfen, ob und wie diese noch rückgängig gemacht werden kann.

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F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht

bb) Ein Prüfungspunkt im Rahmen von einstweiligem Rechtsschutz ist stets, ob der Schuldner ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis zu seinen Gunsten geltend machen kann. Es handelt sich hierbei um eine Frage der Statthaftigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis ist wegen der drohenden Vollstreckung hierbei stets dann gegeben, wenn die ordentlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe wegen ihrer längeren Dauer nicht rechtzeitig greifen können (s. o.). Dennoch ist einstweiliger Rechtsschutz nur solange von einem Rechtsschutzinteresse getragen, wie die Zwangsvollstreckungsmaßnahme begonnen hat und tatsächlich noch andauert. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung soll das Rechtsschutzinteresse allerdings entfallen. Der Schuldner kann dann wegen der (rechtswidrigen) Vollstreckungsmaßnahme nur noch Schadenersatz vom Gläubiger verlangen, was teilweise seinem tatsächlichen Interesse nicht genügen könnte. Beispiel Beim Schuldner wird ein älteres Fahrzeug durch den Gerichtsvollzieher gepfändet und anschließend auch durch diesen versteigert. In der Versteigerung wird ein Erlös von 1.500,00 Euro erzielt. Nach Abzug der Kosten der Zwangsvollstreckung erhält der Gläubiger durch den Gerichtsvollzieher einen Betrag von 700,00 Euro ausgekehrt. Da die Zwangsvollstreckung beendet ist, kann der Schuldner zu diesem Zeitpunkt keinen wirksamen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mehr stellen. Obsiegt er in seiner Hauptsacheklage, etwa weil der Titel zu Unrecht erlangt wurde, wird die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht unwirksam. Da diese zum Zeitpunkt ihrer Durchführung rechtmäßig war, hat der Ersteigerer auch wirksam neues Eigentum an dem Fahrzeug begründen können. Ein Herausgabeanspruch an den Schuldner scheidet dadurch aus. Der Schuldner kann sich also nur an den Gläubiger halten, dessen Titel unwirksam war und der hierdurch durch die Zwangsvollstreckungsmaßnahme ungerechtfertigt bereichert ist. Der dem Schuldner insoweit zustehende Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB richtet sich auf das, was der Gläubiger ungerechtfertigt erlangt hat. Dies ist auf die Summe der Bereicherung in Höhe von 700,00 Euro begrenzt. Der Schuldner erhält somit zwar die 700,00 Euro, das Fahrzeug mag für ihn jedoch sicher einen weit höheren Wert besessen haben. Es zeigt sich also, welche überaus praktische Bedeutung der Umstand besitzt, rechtzeitig Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Gunsten des Schuldners zu begegnen.

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Hinweis: Ein in Klausuren häufig vorkommendes Problem ist die Frage, ob die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat. Dies wird dann unproblematisch sein, wenn das Vollstreckungsorgan bereits mit der unmittelbaren Vollstreckungsmaßnahme begonnen hat („Der Gerichtsvollzieher hat das Pfandsiegel bereits auf den zu pfändenden Gegenstand aufgebracht“). In den Fällen, in denen das Vollstreckungsorgan jedoch die Maßnahme erst ankündigt („Benachrichtigungsschreiben“), die Vollstreckungsmaßnahme also tatsächlich noch nicht begonnen hat, sieht die Rechtsprechung dennoch einen Fall des drohenden Rechtsverlustes. Steht die Maßnahme, nach Kenntnis des Schuld87

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

ners, nämlich unmittelbar bevor, sei es reine Förmelei, wenn deren Beginn abgewartet werden müsse. Hier kann der Schuldner sofort einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellen. In einem solchen Fall sei die Statthaftigkeit gegeben. Zu beachten ist auch, dass das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ein summarisches Verfahren ist. Der beantragende Schuldner hat mithin, anders als im Verfahren der Hauptsache, seinen Anspruch glaubhaft zu machen. Auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz wird verwiesen.

II. Zulässigkeit und Begründetheit ausgewählter Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts 1. Klage nach § 768 ZPO a) Zulässigkeit Die Klauselgegenklage findet gegen die qualifizierten Klauseln der §§ 726 Abs. 1, 727, 728, 729, 738, 742, 744, 745 Abs. 2 und 749 ZPO statt. Insoweit ist zunächst das Vorliegen einer derartigen Klausel im Rahmen der Statthaftigkeit bei der Zulässigkeit zu prüfen. b) Begründetheit Die Klage ist begründet, soweit die Voraussetzungen zur Erteilung der Klausel durch das zuständige Vollstreckungsorgan (§ 20 Nr. 12 RpflG; § 797 Abs. 2 ZPO) zu Unrecht angenommen wurden. Der Antrag lautet, die Zwangsvollstreckung aus der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig zu erklären. Beispiel Es wird beantragt, die Vollstreckung aus der Klausel … aus dem Titel … zu Gunsten des Gläubigers … für unwirksam zu erklären. Wird der Klage stattgegeben, so liegt ein echtes Vollstreckungshindernis i. S. d. §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO vor, da es sich bei der Klauselgegenklage um eine Gestaltungsklage handelt. Die Klage ist dann begründet, wenn zu Unrecht die Voraussetzungen für die Erteilung der qualifizierten Klausel bejaht worden sind. Die Ursache hierfür liegt in dem Umstand begründet, dass im Klauselerteilungsverfahren die Voraussetzungen für den Eintritt der Bedingung oder Befristung gem. § 726 Abs. 1 ZPO oder der anderen Voraussetzungen zur Erteilung einer qualifizierten Klausel nur durch formelle Nachweise geführt werden muss. Hingegen sind materielle Nachweise nicht im Klauselerteilungsverfahren zugelassen. Soweit derartige materielle Nachweise erbracht werden können, ist der Schuldner auf die Klage nach § 768 ZPO verwiesen. 88

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Hinweis: Während im Klauselerteilungsverfahren der Beweis ausschließlich mit qualifizierten Urkunden angetreten wird, gilt im Rahmen des Klageverfahrens § 286 ZPO in vollem Umfang. D. h., es stehen alle Beweismittel der ZPO zur Verfügung.

2. Erinnerung nach § 766 ZPO Die Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung richtet sich hingegen gegen Verstöße des Vollstreckungsgerichtes oder des Gerichtsvollziehers gegen vollstreckungsrechtliche Vorschriften.

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Hinweis: Entscheidungen des Vollstreckungsgerichtes oder Handlungen des Grundbuchamtes sind hingegen mit der sofortigen Beschwerde (§§ 793, 567 ff. ZPO) bzw. Grundbuchbeschwerde (§§ 71 ff. GBO) anzugreifen.

a) Zulässigkeit Ob ein Verstoß gegen eine vollstreckungsrechtliche Vorschrift tatsächlich vorliegt oder doch eine Entscheidung, ist, in Abgrenzung zur sofortigen Beschwerde, dadurch zu ermitteln, ob Gläubiger oder Schuldner rechtliches Gehör gewährt wurde. Fehlt es an der Erteilung rechtlichen Gehörs, so liegt ein Verstoß gegen zwingende vollstreckungsrechtliche Vorschriften vor und die Erinnerung ist statthaft. aa) Die Vollstreckungserinnerung ist gem. § 802 ZPO beim sachlich und örtlich zuständigen Vollstreckungsgericht, also dem Gericht der Vollstreckungshandlung (§§ 766 Abs. 1 Satz 1, 764 Abs. 2 ZPO), einzulegen und zwar schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle. Eine Frist ist gesetzlich nicht vorgesehen. bb) Der Antragsteller muss nachweisen, durch die angegriffene Vollstreckungshandlung beschwert, d. h. in seinen Rechten verletzt zu sein. Beschwert sein können aber auch Dritte, wie etwa der Drittschuldner, dem dann ein eigenes Antragsrecht zusteht. Schließlich ist auch ein Rechtschutzbedürfnis glaubhaft zu machen. Dieses ist gegeben, wenn die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorsteht, begonnen hat, aber noch nicht beendet ist (s. auch oben).

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Hinweis: Die Zwangsvollstreckung ist beendet, wenn der Gläubiger befriedigt wurde. Auch soweit einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tatsächlich nicht mehr rückgängig gemacht werden können, liegt Beendigung der Zwangsvollstreckung vor.

b) Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechtes verstoßen hat und noch nicht beendet ist. Beispiel Der Gerichtsvollzieher erscheint beim Schuldner unter Vorlage eines wirksamen Schuldtitels und verlangt Zahlung der geschuldeten Summe. Der Schuldner weigert 89

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

sich zu zahlen und schlägt dem Gerichtsvollzieher die Türe vor der Nase zu. Daraufhin verlangt der Gerichtsvollzieher Einlass mit dem Hinweis, er sei zu einer Taschenpfändung ermächtigt. Als der Schuldner nicht öffnet, kehrt der Gerichtsvollzieher nach einer Stunde mit der Polizei und einem Schlüsseldienst zurück, lässt die Wohnung des Schuldners gewaltsam durch den Schlüsseldienst öffnen, pfändet die ComputerAnlage des Schuldners und nimmt diese mit. Hier liegt ein Verstoß gegen Vorschriften der Zwangsvollstreckung vor, da der Gerichtsvollzieher den Gläubiger hätte veranlassen müssen, einen richterlichen Durchsuchungsbefehl aufgrund § 758 ZPO i. V. m. Art. 13 GG zu erwirken. 3. Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO a) Zulässigkeit aa) Die Vollstreckungsabwehrklage (auch Vollstreckungsgegenklage) ist statthaft, soweit der Schuldner materiell-rechtliche Einwendungen in zulässiger Weise gegen den Vollstreckungstitel selbst geltend machen kann. Aus diesem Grunde ist die Vollstreckungsabwehrklage auch die am häufigsten im Rahmen von Prüfungsaufgaben gestellte Klageart. bb) Auch hierbei ist Ziel der Klage nicht die Beseitigung des Titels, sondern die Beseitigung der Vollstreckbarkeit aus diesem Titel. Mit ihr kann der Schuldner solche rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwendungen geltend machen, die erst nach Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung entstanden sind, die dem Titel zu Grunde liegen (§ 767 Abs. 2 ZPO). Da es sich im Falle der Klage nach § 767 ZPO um eine ausnahmsweise Durchbrechung der Rechtskraft einer einmal getroffenen (gerichtlichen) Entscheidung handelt, sind strenge Anforderungen an die Möglichkeit einer solchen Rechtskraftdurchbrechung zu stellen. Der Grundsatz, dass der Schuldner alle Einwendungen im Rahmen der ihm gesetzten Fristen im Erkenntnisverfahren vorzubringen und gegebenenfalls zu beweisen hat, soll auch durch die Vollstreckungsabwehrklage nicht unterlaufen werden. Jedoch sind solche Einwendungen zu berücksichtigen, die der Schuldner nicht rechtzeitig, d. h. vor Ende der mündlichen Verhandlung vorbringen konnte. Hierbei kommt es auf die subjektive Kenntnis des Schuldners nicht an, sondern alleine auf deren objektives Vorliegen. Macht er die Einwendungen nicht rechtzeitig geltend, ist er mit diesen auch bei der Vollstreckungsabwehrklage präkludiert. Beispiel Zahlung des Schuldners nach der mündlichen Verhandlung. cc) Zuständig ist das Prozessgericht des Erkenntnisverfahrens, § 767 Abs. 1 ZPO. dd) Im Rahmen der Zulässigkeit sind hierbei immer Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis zu machen, mithin, dass ein vollstreckbarer Titel vorliegt und die Zwangsvollstreckung auch noch nicht beendet ist.

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Hinweis: Ist das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, etwa da ein sofort vollstreckbares Versäumnisurteil gegen den Schuldner vorliegt, gegen

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welches er Einspruch eingelegt hat, scheidet die Klage nach § 767 ZPO aus. Hier muss der Schuldner beim Prozessgericht einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung stellen. Ist hingegen Befriedigung des Gläubigers aufgrund erfolgreicher Zwangsvollstreckung eingetreten, scheidet eine Klage nach § 767 ZPO ebenfalls aus. Hier kann der Schuldner nur auf Herausgabe des durch die Zwangsvollstreckung Erlangten (§ 812 BGB) gegen den Gläubiger im normalen Erkenntnisverfahren klagen (s. o.). Der Antrag lautet, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil (Vollstreckungsbescheid usw.) ganz oder teilweise für unzulässig zu erklären. Beispiel Es wird beantragt, zu erkennen: Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichtes … vom … unter Az … wird für unzulässig erklärt. b) Begründetheit Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn die materiell-rechtliche Einwendung dem titulierten Anspruch derzeit oder dauerhaft hinsichtlich seiner Durchsetzbarkeit entgegensteht. Nach der herrschenden Rechtsprechung kommt es für die Rechtzeitigkeit der Einwendung auf den Zeitpunkt an, zu welchem diese hätte eingewendet werden können (BGH NJW 1980, 2527). Abzustellen ist auf die letzte mündliche Verhandlung, auf welche der der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegende Titel ergangen ist. Hierbei stellt sich das Hauptproblem, ob sich bei mehreren Schuldner jeder Schuldner ein Versäumnis des anderen Schuldners auch im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft vorliegt. Anders mag der Fall bei nicht notwendiger Streitgenossenschaft vorliegen, doch auch hier vertritt die Rechtsprechung eine eher restriktive Sichtweise. Im Zweifelsfall ist das Problem daher zu diskutieren und wenn, laut Sachverhalt die vorzubringende Einwendung bereits vor Ende der mündlichen Verhandlung einem der beteiligten bekannt war, der Klage nicht stattzugeben. 4. Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO a) Zulässigkeit aa) Ausgangspunkt der Drittwiderspruchsklage ist ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis oder jedenfalls ein gleich starker Anspruch des Berechtigten. Gegenstand dieser Klage ist ein im unmittelbaren Besitz des Schuldners stehender Vermögensbestandteil, welcher tatsächlich aber im Eigentum eines Dritten zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckungsmaßnahme gestanden und dennoch durch den Gläubiger beim Schuldner gepfändet wurde. Im Rahmen der Zwangsvollstreckungshandlung wird durch das handelnde Vollstreckungsorgan (regelmäßig durch den Gerichtsvollzieher) nicht, und muss auch nicht, materiell-rechtlich geprüft werden, welche Vermögensgegenstände im Be91

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sitz des Schuldners diesem tatsächlich auch eigentumsrechtlich zuzuordnen sind. Somit kann ein Vermögensgegenstand im Eigentum eines Dritten grundsätzlich gepfändet werden. Da die Vermutung des Eigentums im Zwangsvollstreckungsrecht an den unmittelbaren Besitz anknüpft, darf das Vollstreckungsorgan unproblematisch davon ausgehen, Eigentum des Schuldners zu pfänden, soweit Besitz des Schuldners festgestellt wird. bb) Statthaft ist daher die Drittwiderspruchsklage für den tatsächlichen Eigentümer des verstrickten Vermögensgegenstandes. Regelmäßig wird sich die Klage nach § 771 ZPO gegen den Vollstreckungsgläubiger richten, kann aber auch zusätzlich gegen den Vollstreckungsschuldner gerichtet sein, z. B. wenn noch ein Herausgabeanspruch tituliert werden muss, wobei dann einfache Streitgenossenschaft vorliegt (§§ 771 Abs. 2, 60 ZPO). Eine Besonderheit stellt insoweit die Pfändung in eine dem Schuldner nicht zustehende Forderung dar. Eine derartige Pfändung geht zunächst ins Leere (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 771 Rz. 16). Dennoch wird angenommen, dass aufgrund der fehlenden Überprüfungspflicht des Vollstreckungsorgans zunächst der Rechtsschein einer erfolgreichen Pfändung gesetzt wird, so dass auch in diesem Fall dem wahren Forderungsinhaber die Drittwiderspruchsklage zur Seite stehen soll. cc) Besonderes Augenmerk ist bei der Zulässigkeit der Klage nach § 771 ZPO auf die Frage des zuständigen Gerichtes zu legen. Zunächst richtet sich die örtliche Zuständigkeit hierbei zunächst wieder nach dem Gerichtsbezirk, in welchem die Zwangsvollstreckungshandlung erfolgte (§§ 771 Abs. 1, 802 ZPO). Die sachliche Zuständigkeit hingegen ist davon abhängig, ob es um die gesamte Gläubigerforderung geht oder der Wert des gepfändeten Vermögensgegenstandes diese deutlich unterschreitet (§§ 23 Nr. 1 GVG, 71 Abs. 1 GVG, § 6 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 ZPO). So kann der geringere Wert des gepfändeten Gegenstandes auch eine Zuständigkeit z. B. des örtlich zuständigen Amtsgerichtes begründen. dd) Das Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls bereits im Rahmen der Zulässigkeit zumindest kurz zu thematisieren. Hier gilt, dass die Zwangsvollstreckung begonnen, aber erneut nicht beendet sein muss.

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Hinweis: Die allgemein übliche Formulierung, dass der Kläger Eigentum haben muss, ist zu eng. Insoweit genügen auch ein Anwartschaftsrecht, Sicherungseigentum, auflösend bedingtes Eigentum oder sogar schuldrechtliche Ansprüche (vgl. §§ 433 Abs. 1, 546 Abs. 1, 604 Abs. 1, 667, 695 oder 2174 BGB). Auch Treuhandverhältnisse gehören hierzu (hierzu im Einzelnen instruktiv Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 771 Rz. 14 ff.). Insoweit räumen die §§ 809, 886, 766 ZPO dem Besitzer weitere Rechte ein.

Der Klageantrag lautet, die Zwangsvollstreckung in den Vermögensgegenstand … für unzulässig zu erklären. 92

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Ergänzend ist gegebenenfalls zu beantragen, den Schuldner zu verurteilen, den Vermögensgegenstand an den Kläger herauszugeben. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kommt erneut (s.o) nur noch ein Herausgabeanspruch gem. § 812 BGB in Betracht. b) Begründetheit Die Drittwiderspruchsklage hat Aussicht auf Erfolg, wenn der Vermögensgegenstand nicht dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen ist. Insoweit ist in der Klausursituation zu erwarten, dass hier der Bearbeiter einen dezidiert materiell-rechtlichen Lösungsansatz aufzeigt. Mithin ist auch die Drittwiderspruchsklage regelmäßig keine „echte“ Zwangsvollstreckungsklausur, sondern fragt primär materiell-rechtliches Wissen des zu Prüfenden ab. 5. Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO a) Zulässigkeit aa) Die Klage auf vorzugsweise Befriedigung ist ausschließlich auf die Pfändung beweglicher Sachen beschränkt. Der Kläger besitzt ein Recht an dem gepfändeten Gegenstand, das seine Befriedigung vor der Befriedigung des vollstreckenden Gläubigers gebietet (sog. Vorzugsrecht). Dies bedeutet, dass sich der Kläger nach § 805 ZPO nicht gegen die eigentliche Zwangsvollstreckung zu wehren vermag, ihm jedoch in der Verwertung des gepfändeten Gutes eine vorzugsweise Befriedigung vor dem anderen Gläubiger eingeräumt wird. Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob der Kläger die Möglichkeit hat, gegen den vollstreckenden Gläubiger nach § 771 ZPO vorzugehen. Ist dies nicht der Fall, kann er Klage nach § 805 ZPO erheben.

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Hinweis: Typische Fälle sind insoweit rein vertragliche Pfandrechte (§§ 1204 ff. BGB) oder auch gesetzliche Pfandrechte (§§ 562, 592, 647, 704 BGB; § 396 HGB) sowie die üblichen Pfändungspfandrechte. Auch Ansprüche aus deliktischer Haftung kommen insoweit in Betracht.

bb) Örtlich zuständig ist das Vollstreckungsgericht (§ 764 Abs. 2 ZPO) und sachlich das Gericht nach § 805 Abs. 2 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG, § 6 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 ZPO. cc) Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis sind insoweit ebenfalls stets veranlasst, da die Zulässigkeit der Klage davon abhängt, ob die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat und noch nicht durch Auskehrung des Erlöses an den vollstreckenden Gläubiger beendet ist. Ansonsten ist erneut nur wiederum die Möglichkeit einer (ordentlichen) Klage aufgrund der Vorschriften des Bereicherungsrechtes gegen den Gläubiger gegeben. 93

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Der Klageantrag lautet, den Kläger wegen seiner Forderung aus dem Reinerlös an der gepfändeten und verwerteten Sache vor dem Beklagten zu befriedigen. b) Begründetheit Dem Klageantrag ist stattzugeben, wenn dem Kläger ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung tatsächlich zusteht oder er zumindest ein gleichrangiges Recht wie der vollstreckende Gläubiger nachweisen kann. 6. Klage gemäß § 826 BGB auf Feststellung der Unwirksamkeit eines rechtskräftigen Titels a) Zulässigkeit aa) Wie bereits im Rahmen der vorherigen Ausführungen klargestellt, besteht eine der tragenden Säulen der Rechtssicherheit des Zivilrechts darin, dass Titel im Sinne des § 794 ZPO nur mit den im Rahmen des Zivilprozessrechtes vorgesehen Rechtsbehelfen angegriffen werden können. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass grundsätzlich ein solcher Titel, gegen welchen ein Rechtsbehelf nicht zur Verfügung steht, in Rechtskraft erwächst. So betrifft die scheinbare Ausnahme der Klagemöglichkeit nach §§ 767 ZPO ja auch tatsächlich nicht die Beseitigung des dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner zustehenden Titels, sondern hindert lediglich dessen Vollstreckbarkeit gegenüber letzterem. Die Rechtskraft des Titels wird auch durch die Vollstreckungsgegenklage nicht beseitigt. Damit trägt die Zivilprozessordnung letztendlich dem Erfordernis Rechnung, dass der Gläubiger sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich der Rechtskraft, darauf verlassen können muss, nunmehr gegenüber dem Schuldner vollstrecken zu dürfen, ohne sich der Gefahr einer Schadenersatzpflicht im Falle der nachträglichen Feststellung der Unrichtigkeit des Titels auszusetzen. Andererseits ist es auch dem Schuldner zuzumuten, dafür im Rahmen der durch die Zivilprozessordnung vorgesehenen Möglichkeiten Sorge zu treffen, dass ein unrichtiger Titel ihm gegenüber nicht rechtskräftig errichtet wird. bb) Die einzige Ausnahme von dem Verbot der Durchbrechung der Rechtskraft eines Titels findet sich in der Vorschrift des § 826 BGB (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rz. 50 ff.). cc) Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips soll § 826 BGB höchst ausnahmsweise die Rechtskraft eines Titels beseitigen können, wenn der Inhaber des Vollstreckungstitels seine formale Rechtstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage erschlichen hat (BGHZ 101, 380; BGHZ 103, 44; BGH NJW 1996, 658; BGH NJW 1998, 2818). b) Begründetheit aa) Voraussetzung der Begründetheit einer Klage gemäß § 826 BGB auf Beseitigung eines rechtskräftigen Titels ist daher, dass sich zum einen der Gläubiger der Unrichtigkeit des Titels bewusst ist, zum anderen aber auch besondere Umstände 94

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hinzutreten, die das Verhalten des Gläubigers als sittenwidrig und mit dem Gerechtigkeitsgefühl nicht vereinbar erscheinen lassen (vgl. Reichold in Thomas/ Putzo, ZPO, § 322 Rz. 51; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322, Rz. 74). Die Frage, ob der angegriffene Titel materiell-rechtlich unrichtig ist, ist zunächst nach den allgemeinen materiell-rechtlichen Grundsätzen zu prüfen. Darüber hinaus muss feststehen, dass dem Schuldner auch ein besonderes Schutzbedürfnis als Voraussetzung der Rechtskraftdurchbrechung zur Seite steht. bb) Dies bedeutet, dass der Schuldner selber nicht etwa durch eine nachlässige Prozessführung den gegen ihn erstrittenen Titel mitverschuldet hat. Die Fälle des § 826 BGB betreffen daher keinesfalls Fallgestaltungen, in welchen der Schuldner unter Missachtung des § 296 ZPO Angriffs- und Verteidigungsmittel vor Prozess nicht rechtzeitig vorgetragen hat und somit mit diesen ausgeschlossen wurde. Die Frage des Verschuldens des Schuldners im Vorprozess ist daher jeweils gesondert und sorgfältig zu prüfen. Es ist ein enger Maßstab anzulegen.

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Hinweis: Ein fehlendes Verschulden des Schuldners wird regelmäßig in solchen Fällen anzunehmen sein, in welchen ein Titel ohne mündliche Verhandlung gegen den Schuldner ergangen ist. Also insoweit regelmäßig die Fälle eines im Wege des Mahnverfahrens ergangenen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides. Auch hier wird jedoch zu prüfen sein, ob dem Schuldner ein Verschulden wegen Nichtbeachtung von Fristen, wie Widerspruchs- und Einspruchsfrist, zu Lasten zu legen sein wird. Entsprechende Hinweise auf ein gegebenenfalls mangelndes Verschulden werden sich jedoch dann sicher im Klausurtext auffinden lassen.

cc) Die Unrichtigkeit des Titels, von der der Gläubiger Kenntnis haben muss, kann dem Gläubiger auch erst nachträglich bekannt werden. Es soll hierbei ausreichen, wenn der Gläubiger von der Unrichtigkeit des Titels auch erst im Rahmen der gegen ihn gerichteten Klage aus § 826 BGB positive Kenntnis erlangt. Schließlich muss gegenüber dem Gläubiger durch den Schuldner ein sittenwidriges Verhalten nachgewiesen werden. Auch dies ist letztendlich Einzelfallfrage, die nur im Rahmen der jeweiligen Klausurstellung genau beurteilt werden kann. Es bedarf jedoch sicherlich eines Verhaltens des Gläubigers, welches Sittenwidrigkeit begründet (vgl. hierzu im Einzelnen Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 322 Rz. 51; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, vor § 322 Rz. 74). dd) Folge einer erfolgreichen Klage nach § 826 ZPO gegen einen rechtskräftigen Titel ist ein umfassender Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem zu Grunde liegenden Titel sowie ein etwaiger Schadensanspruch des Schuldners. Der Schadensanspruch ist hierbei auf Herausgabe des rechtskräftigen Titels gerichtet und auf Kompensation etwaiger Folgen schon durchgeführter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. 95

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

7. Einstweiliger Rechtsschutz a) Grundsätzliche Überlegungen Im Rahmen der Zwangsvollstreckungsklausur kommt ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung für den Mandanten keinesfalls in Betracht. Aufgrund der Dauer ordentlicher Gerichtsverfahren würde die im Wege der Zwangsvollstreckung verstrickte Sache längst versteigert, das gepfändete Guthaben längst dem Gläubiger überwiesen worden sein usw.. Im besten Falle hätte der unberechtigt in Anspruch genommene Schuldner einen Schadenersatzanspruch, im schlimmsten wäre der Gläubiger entreichert, so dass der Schuldner gemäß § 814 BGB leer ausginge. Aus diesem Grund muss im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechtes immer die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes geprüft und die erforderlichen Anträge gestellt werden. b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aa) Wenn zu Gunsten des Gläubigers kein rechtskräftiger Vollstreckungstitel besteht, kann Vollstreckungsschutz gem. § 769 ZPO oder § 570 Abs. 3 ZPO immer beantragt werden. Das Gericht hat dann zu entscheiden, ob die Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg hat und ob gegebenenfalls Sicherheit gestellt werden muss.

Ü

Hinweis: Die Sicherheitsleistung ordnet das Gericht nach billigem Ermessen an. Hierbei wird berücksichtigt, dass der Gläubiger ein Interesse daran hat, schnell seine Forderung realisieren zu wollen, da er sonst das Ausfallrisiko trägt, wenn der Schuldner in der Hauptsache nicht obsiegt und dann zahlungsunfähig wäre. Aufgrund der summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz entscheidet das Gericht daher bereits zu diesem Zeitpunkt, wie begründet – oder wenig begründet – es das Vorbringen des Schuldners erachtet.

Der Schuldner hat im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses darzulegen, dass der Gläubiger alsbald vollstrecken wird. Der Antrag ist an das Gericht der Hauptsache zu stellen. bb) Anders verhält sich der Fall, in welchem zu Gunsten des Gläubigers ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel bereits errichtet wurde. Hier kann der Schuldner einen entsprechenden Antrag nur nach Maßgabe der §§ 935 ff. ZPO, regelmäßig 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO bei dem Gericht der Hauptsache, zusammen mit der Einreichung der Hauptsacheklage, stellen. Der Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die Vollstreckung bereits begonnen, aber noch nicht beendet ist. Auch hier ist darzulegen, dass der Mandant ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis besitzt. Dies ist der Fall bei Vorliegen eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels und wenn die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat. cc) Der Anordnungsanspruch des Mandanten ergibt sich aus der Begründung des Hauptsacheverfahrens. 96

F. Die Anwaltsklausur im Zwangsvollstreckungsrecht

dd) Der Anordnungsgrund ist zu bejahen, weil im Falle der Verwertung dem Mandanten irreparable Folgen drohen, etwa wenn eine Auskehrung des Erlöses aus der Versteigerung einen immateriellen Schaden nicht zu ersetzen vermag. c) Sofortige Beschwerde, § 793 ZPO Besteht ein Haftbefehl gem. §§ 901 ff. ZPO gegen den Schuldner zur Erzwingung der Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung, kommt der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO in Betracht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 901 Rz. 9). aa) Diese ist bereits vor Übergabe des Haftbefehls zulässig, nämlich ab dem Zeitpunkt, sobald der Haftbefehl an das Vollstreckungsorgan auf den Weg gebracht wurde. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beginnt jedoch erst, wenn der Haftbefehl übergeben wurde (§ 909 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. Zöller/Stöber, ZPO, § 901 Rz. 13). bb) Die teilweise früher in der Literatur vertretene Auffassung, dass die Anordnung der Haft mit der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO angegriffen werden könne (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 901 Rz. 13; a. A. noch in der 21. Aufl.), ist heute überholt, sollte aber diskutiert werden. cc) Die sofortige Beschwerde ist begründet, wenn das Gericht zu Unrecht einen Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen hat, weil der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung tatsächlich nicht verpflichtet gewesen wäre. d) Gerichtliche Entscheidung aufgrund Widerspruchs aa) Soweit sich der Schuldner nicht bereit erklärt, die eidesstattlichen Versicherung abzugeben (Widerspruch), kann dieser auch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragen (Zöller/Stöber, ZPO, § 900 Rz. 22a). Gegebenenfalls ist zu beantragen, die Vollziehung des Haftbefehls vorläufig gemäß § 570 Abs. 3 ZPO einzustellen.

III. Zusammenfassung In der Zwangsvollstreckungsklausur ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen Vorschriften der Art und Weise der Zwangsvollstreckung vorliegt oder eine materiell-rechtliche Einwendung gegen die Vollstreckung selbst vorgebracht werden kann. Besonderes Augenmerk ist hierbei darauf zu richten, welches Recht beeinträchtigt wurde und ob insoweit dem Schuldner überhaupt ein die Zwangsvollstreckung hinderndes Recht zusteht, wie es z. B. im Falle des § 771 ZPO regelmäßig nicht der Fall ist. Insoweit ist auch stets zu prüfen, ob ein Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen ist. Nur insoweit, als ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargetan werden kann und die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat, aber noch nicht beendet ist, wird ein entsprechender Antrag Aussicht auf Erfolg haben. Ist die Zwangsvollstreckung bereits beendet, kommt nur ein Antrag auf Auskehrung des Erlöses der Zwangsvollstreckung in Betracht. 97

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

IV. Checkliste 1. Wurden die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch das zuständige Vollstreckungsorgan beachtet? 2. Bestehen vorrangige Rechte Dritter, die durch die Zwangsvollstreckung nicht berücksichtigt wurden? 3. Kann der Schuldner gegen den vollstreckten Titel in zulässiger Weise materiellrechtliche Einwendungen erheben? 4. Gibt es Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen? 5. Kann andernfalls der vollstreckende Gläubiger in Regress genommen werden?

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G. Ausgewählte Übungsfälle Bei den Übungsfällen handelt es sich um Originalausgaben aus früheren Klausurterminen für das zweite juristische Staatsexamen. Sie sollen aufzeigen, welche Erwartungen der Klausursteller an die Bearbeitung der jeweiligen Klausur gestellt hat. Hierbei sind die Lösungen nicht als abschließende Musterlösungen zu bewerten, sondern stellen eine mögliche Klausurbearbeitung dar.

I. Übungsfall Eins: „Die Eismacher“ 1. Sachverhalt

Kennziffer

Klausur 23-134 (Juli 2005) Die Aufgabe besteht (ohne Deckblatt) aus 10 Blatt. Der Aufgabentext ist zu Beginn auf Vollständigkeit zu überprüfen. Die Kennziffer ist in die dafür vorgesehene Rubrik einzutragen.

99

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Wamsler, van Dyck & Partner Rechtsanwlte und Notare William Wamsler Rechtsanwalt und Notar

Lydia van Dyck Rechtsanwltin

Corth Junghahn Rechtsanwalt Huestraße 22 44787 Bochum Tel.: 0234/342 12 12 Datum: 07.07.2005

Verfgung: 1. Vermerk: In der heutigen Sprechstunde erscheint: Herr Enzo Davico Breddestraße 12 44866 Bochum und bittet um Beratung in einer Zwangsvollstreckungssache. Der Mandant legt zunchst vor: – Kopie eines Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Hagen vom 20.10.2003 (Anlage 1) – Schreiben des RA Brinkmann vom 21.06.2005 (Anlage 2) – Rechnung der Fa. Gelato Bravo GmbH vom 27.03.2003 (Anlage 3) – Schreiben des RA Brinkmann vom 08.08.2003 (Anlage 4) – Gewerbeanmeldung vom 12.09.2003 (Anlage 5) Sodann schildert der Mandant folgenden Sachverhalt: Ich war bis zum 31.12.2002 Inhaber der Eisdiele „Die Eismacher“ in der Kortumstraße 40, 44787 Bochum. Zum 01.01.2003 habe ich die Eisdiele an Herrn Aldo Coppola bertragen. In das Handelsregister war ich nicht eingetragen. Vor ca. 6 Wochen war ein Gerichtsvollzieher bei mir und wollte von mir an die 2.000,– Euro. Er sagte, er habe einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 20.10.2003, nach dem ich einer Fa. Gelato Bravo GmbH 1.631,48 Euro plus Zinsen und Kosten bezahlen soll. Ich habe mit diesem Unternehmen nie in Geschftsverbindungen gestanden. Ich habe dies alles dem Gerichtsvollzieher gesagt und auch, dass ich nichts zahlen kçnne. Ich beziehe Arbeitslosenuntersttzung und habe auch kein Vermçgen. Der Gerichtsvoll100

G. Ausgewählte Übungsfälle

zieher hat sich in der Wohnung umgesehen, hat aber wohl nichts gefunden, was er htte mitnehmen kçnnen. Der Gerichtsvollzieher ist dann gegangen. Er hat mir aber auf meine Bitte hin eine Ablichtung des Vollstreckungsbescheides zugesandt. Ich habe dann bei der Fa. Gelato Bravo GmbH angerufen. Eine Sachbearbeiterin der Firma sagte mir, ich solle mich an Rechtsanwalt Brinkmann wenden. Der hat mir dann am 21.06.2005 geschrieben und noch Unterlagen beigefgt, die ich mitgebracht habe. Ich habe weder einen Mahnbescheid noch einen Vollstreckungsbescheid oder die Rechnung oder sonst ein Schreiben in dieser Sache erhalten. Ich war vom 25.09. bis 15.10.2003 und sodann vom 20.10. bis 08.11.2003 in Italien. Ich wohne erst seit dem 02.01.2004 unter der Anschrift Breddestraße 12, 44866 Bochum. Vorher habe ich in der Nhe meiner alten Eisdiele in der Kortumstraße 34, 44787 Bochum gewohnt. Das Haus Kortumstraße 34 hatte keinen Briefkasten, ich habe ein Postfach. Wenn ich gefragt werde, kann ich mich erinnern, dass ich tatschlich mal ein par Briefe vor meiner Haustr auf der Fußmatte gefunden habe, mçglicherweise waren auch Benachrichtigungsscheine dabei. Genau kann ich das aber nicht mehr sagen, weil ich die meisten Sachen ungelesen weggeworfen habe. Die bertragung an den Aldo Coppola ist damals nmlich nicht ohne Probleme abgelaufen. Dazu will ich gleich noch etwas sagen. Ich frage mich jetzt jedoch: Wie soll ich einen Prozess nachlssig fhren, wenn ich von den Bescheiden berhaupt nichts wusste? Kann man da nicht noch etwas machen? Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Rechnung vom 27.03.2003 und das Schreiben von A. Brinkmann gar nicht an mich, sondern an den Aldo Coppola gerichtet waren. Es kann nur so sein, dass die Fa. Gelato Bravo GmbH in Zusammenarbeit mit dem Coppola den Vollstreckungsbescheid gegen mich erschlichen hat, aus dem sie jetzt schamlos die Zwangsvollstreckung betreibt. Der Aldo Coppola ist bekannt dafr, dass er Rechnungen nicht zahlt. Wie ich schon erwhnt habe, hat es bei der bertragung zwischen mir und Aldo Coppola leider reichlich rger gegeben. Ich musste lange auf mein Geld warten. Der Laden ist nach der bernahme durch Coppola scheinbar nicht mehr so gut gelaufen. Eine ehemalige Mitarbeiterin aus der Eisdiele, die auch noch bei Coppola ttig war, hat mir auf Nachfrage Folgendes erzhlt: Im Sptsommer 2003 habe sie in der Eisdiele gearbeitet, als jemand von der Fa. Gelato Bravo GmbH auftauchte und mit Aldo Coppola sprechen wollte. Es sei damals schon um rckstndige Rechnungen gegangen. Das Geschft lief damals wohl schon schlecht. Jedenfalls sei wenig zu tun gewesen und die Mitarbeiterin habe immer lange auf ihr Geld warten mssen. Die Mitarbeiterin, sie heißt Nina Hosskamp und ist Studentin in Bochum, hat damals ein Gesprch mitbekommen, in dem Aldo Coppola geußert habe, dass er die offenen Rechnungen derzeit nicht zahlen kçnne. Er habe darauf hingewiesen, dass man ja mal versuchen kçnne, die Rechnungen bei dem Vorinhaber – also bei mir – geltend zu machen. Aldo Coppola wusste damals, dass ich nach Italien fahren wollte. Wir standen zu der Zeit noch in regelmßigem Kontakt, weil ich ja noch von ihm Geld zu kriegen hatte. Das hat Coppola bestimmt auch erzhlt. Der Mann von der Fa. Gelato Bravo habe mit dieser Auskunft wohl zufrieden gewirkt und habe gesagt, dass er dies versuchen wollte. Die Anschrift von Nina Hosskamp kann ich noch aus meinen alten Unterlagen heraussuchen. Inzwischen habe ich erfahren, dass Coppola pleite sein soll. Jedenfalls erzhlt man sich das in der Gastronomiebranche schon seit geraumer Zeit. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass Coppola versucht, seine Verbindlichkeiten auf andere abzuwlzen. Und der Fa. Gelato Bravo GmbH ist es ja auch egal, von wem sie ihr Geld bekommt. 101

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Es trifft zu, dass ich erst am 12.09.2003 bei der Stadtverwaltung war und die Eisdiele abgemeldet habe. Ich habe sie aber, wie gesagt, bereits zum 31.12.2002 aufgegeben. Das kann außer meiner Ehefrau, Chiara Davico, auch der Inhaber der in der Kortumstraße 28 befindlichen Bckerei, Herr Franz Mller, besttigen. Die ganze Ummelderei hatte ich immer vor mir hergeschoben. Am 14.06.2005 war der Gerichtsvollzieher erneut bei mir. Er sagte, ihm liege ein Antrag des RA Brinkmann auf Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor, und hndigte mir eine auf den gleichen Tag datierte Ladung zu einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 28.06.2005 aus. Zu dem Termin bin ich zwar hingegangen; ich habe mich jedoch geweigert, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, da ich mich hierzu aus den genannten Grnden nicht verpflichtet fhle. Der Gerichtsvollzieher sagte, dass er dies dem RA Brinkmann mitteilen und dass dieser wohl einen Haftbefehl beantragen werde. Danach habe ich zunchst nichts mehr gehçrt, bis heute Morgen der Gerichtsvollzieher wieder mit einem Schreiben vor meiner Haustr stand. Nach diesem Schreiben liege ihm der Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vor und ich solle am Mittwoch, den 20.07.2005, bei ihm zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erscheinen. Wie soll ich mich jetzt verhalten? Mich wundert, dass einfach ein Haftbefehl ergehen kann, ohne dass sich das Gericht einmal mit meinen Einwnden befasst hat. Der Mandant legt hierzu vor: – Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 14.06.2005 (Anlage 6) – Schreiben des Gerichtsvollziehers Kurz vom 07.07.2005 (Anlage 7) Als der Gerichtsvollzieher heute bei mir war, hat er mich gefragt, ob er sich nochmals umsehen kçnne. Dies habe ich bejaht. Im Hausflur vor meiner Wohnung stand eine alte Moto Guzzi 900. Diese hat Herr Guiseppe Pantani, ein Freund von mir, vor wenigen Tagen dort abgestellt. Er ist anschließend nach Italien verreist und kommt erst in einem Monat zurck. Die Maschine hat vielleicht noch einen Wert von 800–1.000 Euro. Der Gerichtsvollzieher hat sie mitgenommen. Ich habe dem Gerichtsvollzieher gesagt, dass das Motorrad einem Freund gehçre. Er hat gemeint, das interessiere ihn nicht. Ich habe gerade mit meinem Freund in Italien telefoniert. Dieser hat gemeint, ich solle mich um die Sache kmmern. Daher mçchte ich von Ihnen auch wissen, was Herr Pantani unternehmen kann. Der Mandant legt hierzu vor: – Kraftfahrzeugschein, ausgestellt auf Herrn Guiseppe Pantani, wohnhaft Hammer Straße 15 in 44866 Bochum (Anlage 8) Der Mandant erklrt weiter: Außerdem hat der Gerichtsvollzieher noch meine Computeranlage (Rechner, Monitor und Drucker) mitgenommen. Es handelt sich um einen Fujitsu-Computer, den es vor ein paar Jahren mal zu einem gnstigen Preis bei Aldi zu kaufen gab. Ich habe damals fr den PC etwa 2.100,– DM bezahlt. Das war ihm Jahr 2000. Die Gerte sind heute natrlich nicht mehr viel wert. Ich mçchte die Sachen aber trotzdem gerne wieder haben. Wie ich 102

G. Ausgewählte Übungsfälle

Ihnen ja bereits gesagt habe, bin ich derzeit arbeitslos. Ich bençtige den Computer, um Bewerbungen zu schreiben und mir auf den Seiten der Arbeitsagentur aktuelle Job-Angebote anzusehen. Da muss man immer ganz schnell sein, um mit einer Bewerbung berhaupt eine Chance zu haben. Unterlagen habe ich zu dem Computer nicht mehr. Meine Ehefrau weiß aber, dass ich mich regelmßig nach Job-Angeboten erkundige und monatlich etwa 20 Bewerbungen schreibe, vor allem im Bereich der Gastronomie. Eine Schreibmaschine habe ich nicht. Das she aber wohl auch zu unprofessionell aus. Der Mandant erklrt: Ich mçchte jetzt erst mal die dringenden Probleme wegen der Zwangsvollstreckung aus der Welt schaffen. Derzeit soll noch nicht geprft werden, ob ich irgendwelche Ansprche gegen Aldo Coppola habe. 3. Neues Mandat eintragen und Akte anlegen. 4. Wiedervorlage sodann

van Dyck, Rechtsanwltin

Hinweis des LJPA: Auf einen Abdruck der Anlagen 6 und 8 wird verzichtet. Sie haben den angegebenen Inhalt.

103

104

00-2117604-02-N

1) Fa. Gelato Bravo GmbH vertr. d.d. Geschäftsführer Luigi Gallo Husener Str. 274 44319 Dortmund

Antragsteller:

44787 Bochum

Herr Enzo Davico Kortumstraße 34

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Brinkmann und Fuchs Hakenstraße 11 44139 Dortmund

Weiters. innerh. d. Bereichs der BRD

Antragsgegner:

Geschäftsnummer des Amtsgerichts Bei Schreiben an das Gericht stets angeben

Anlage 1

Hinweis des LJPA: Vom Abdruck des Vollstreckungsbescheides im Übrigen wurde abgesehen

Kosten nach dem Wert der Hauptforderung: EUR ***** 260,76

0064

– Mahnabteilung –

*A

58081 Hagen

Amtsgericht Hagen

021

VOLLSTRECKUNGSBESCHEID

****1.631,48 EUR

****1.985,30 EUR

*******63,06 EUR

*******20,00 EUR *******10,00 EUR

******260,76 EUR

gez. Buschmann Rechtspfleger

Die Kosten des Verfahrens haben sich ggfls. um Gebühren und Auslagen für das Verfahren über den Vollstreckungsbescheid erhöht.

Auf der Grundlage des Mahnbescheids ergeht: Vollstreckungsbescheid wegen vorstehender Beträge.

Der Antragsteller hat erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei.

hinzu kommen laufende Zinsen: *11,500 % Jahreszinsen aus *****1.631,48 EUR seit dem 28.09.2003

ZINSEN: laufende, vom Gericht ausgerechnete Zinsen: *11,500 % Jahreszinsen aus *****1.631,48 EUR vom 27.05.03 bis 27.09.2003

IV.

SUMME:

NEBENFORDERUNGEN: Mahnkosten Auskünfte

KOSTEN wie nebenstehend

HAUPTFORDERUNG: Lieferung gem. Rechnung 9901451 vom 27.03.2003>

III.

II.

I.

Der Antragsteller macht folgenden Anspruch geltend:

vom 20.10.2003 aufgrund des am 26.09.2003 erlassenen und am 29.09.2003 zugestellten Mahnbescheids

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

G. Ausgewählte Übungsfälle

Brinkmann & Fuchs Anlage 2

Rechtsanwälte Gernot Brinkmann Rechtsanwalt

Herrn Enzo Davico

Guido F. Fuchs Rechtsanwalt Hakenstr. 11 44139 Dortmund Telefon 0231/571212 Telefax 0231/571213

Breddestraße 12 44866 Bochum

Sprechstunde nach Vereinbarung

Dortmund, 21. Juni 2005 Unser Zeichen: Gelato Bravo./. Davico

Sehr geehrter Herr Davico, anliegend übersende ich die Rechnung meiner Mandantin vom 27.03.2003, mein Schreiben vom 08.08.2003 und eine Ablichtung des Gewerberegisterauszuges der Stadt Bochum. Ich fordere Sie auf, die Kosten aus dem Vollstreckungsbescheid zur Vermeidung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen unverzüglich zu begleichen. Soweit Sie mir gesagt haben, Sie hätten den Mahnbescheid und den Vollstreckungsbescheid nicht erhalten, kann ich dazu nichts sagen. Dass Sie im Jahre 2003 teilweise in Italien in Urlaub waren, ist unerheblich. Wenn Sie ein Geschäft betreiben, müssen Sie auch dafür sorgen, dass Sie die Geschäftspost und gerichtliche Schreiben erhalten. Tun Sie dies nicht, ist Ihnen eine nachlässige Prozessführung vorzuwerfen. Nachdem Herr Coppola sich auf mein Schreiben vom 08.08.2003 hin geweigert hat, die Rechnungen zu bezahlen, habe ich bei der Stadt Bochum den anliegenden Gewerberegisterauszug eingeholt. Daraus hat sich Ihre (damalige) Anschrift ergeben und, dass Sie die Eisdiele erst am 12.09.2003 abgemeldet haben. Wenn Sie meinen, zu Unrecht in Anspruch genommen worden zu sein, steht es Ihnen frei, sich bei Herrn Coppola schadlos zu halten. Mit vorzüglicher Hochachtung

Brinkmann Rechtsanwalt

Deutsche Bank Dortmund BLZ 440 700 50 Kto.-Nr. 12340089 Dresdner Bank Dortmund BLZ 440 800 50 Kto.-Nr. 1071150

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Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Anlage 3 Gelato Bravo GmbH Husener Straße 274 44319 Dortmund

Eiscafé „Die Eismacher“ z. H. des Inhabers Herrn Aldo Coppola Kortumstraße 40 D-44787 Bochum

Rechnung-Nr.: Kunden-Nr.: Ihre Bestellung vom: Rechnungsdatum: Unsere USTUD-Nr.:

9901451 10666 13.03.2003 27.03.2003 DE811365862

Rechnung Artikelnr.

Bezeichnung

33249 77009 77002 77048 77049 77004 77010 33040 77019 77003 77044 77014 77041 78051 78055 78071 V-101A VAS-174 300

Aroma Nocciola 1:1000 Erdbeer Aroma 4:1000 Gelcreme Fl. 1 kg Melone Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Heidelbeer Essenz 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Himbeer Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Fiorpanna Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Tiramisu Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Kokosnuss Aroma 4:1000 Ananas Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Vanille Essenz 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Kirsch Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Kiwi Aroma 4:1000 Fl. 1 kg Banane Aroma 4:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Koffy EK. Aroma 1:1000 Fl 1 kg Papaya Aroma 1:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Amaretto Aroma 1:1000 Gelcrem Fl. 1 kg Milchpulver 26 % fett Sk. 25 kg. Glukose, trocken Sk. 25 kg Fruchtose Sk. 25 kg

Einh.

Menge

kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg kg

3,00 3,00 3,00 3,00 3,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 2,00 6,00 1,00 1,00 1,00 50,00 100,00 200,00

Nettosumme 7 %: 737,50 Nettosumme 16 %: 726,16

Einzelpreis G-Preis Euro St. 43,46 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 43,46 43,46 43,46 3,07 1,18 2,33

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2

Summe in Euro: 1.463,66 MwSt. 7 % zzgl. 51,63 MwSt. 16 % zzgl. 116,19 Rechnungsbetrag Euro 1.631,48

Zahlbar innerhalb 60 Tagen bis zum 26.05.2003 ohne Abzüge Bei Zahlung innerhalb 14 Tagen bis zum 10.04.2003 2,00 % Skonto = Euro 32,63

106

130,38 53,70 53,70 53,70 53,70 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 17,90 35,80 107,40 43,46 43,46 43,46 153,50 118,00 466,00

G. Ausgewählte Übungsfälle

Brinkmann & Fuchs Anlage 4

Rechtsanwälte Gernot Brinkmann Rechtsanwalt

Eiscafé „Die Eismacher“ z. H. des Inhabers Herrn Aldo Coppola Kortumstraße 40

Guido F. Fuchs Rechtsanwalt Hakenstr. 11 44139 Dortmund Telefon 0231/571212 Telefax 0231/571213

D-44787 Bochum

Sprechstunde nach Vereinbarung

Dortmund, 08. August 2003 Unser Zeichen: Gelato Bravo./. Davico

Sehr geehrte Damen und Herren, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass mich die Firma Gelato Bravo GmbH Husener Straße 274 44319 Dortmund mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hat. Der Grund meiner Beauftragung ist darin zu sehen, dass Sie meiner Mandantin aus deren Rechnung Nr. 9901451 vom 27.03.2003 noch einen Betrag in Höhe von 1.631,48 Euro schulden. Trotz diverser Mahnungen meiner Mandantschaft unmittelbar haben Sie bislang keine Zahlung geleistet, so dass ich Sie letztmalig unter Fristsetzung von 10 Tagen ab Datum meines Schreibens auffordere, das Versäumte nachzuholen. Sollten Sie diese Frist fruchtlos verstreichen lassen, werde ich meiner Mandantin anraten, die Forderung gerichtlich durchzusetzen. Für die diversen Mahnungen beansprucht meine Mandantin einen weiteren Betrag von 20,– Euro. Da Sie auch Anlass für meine Beauftragung gegeben haben, sind zudem die durch meine Inanspruchnahme angefallenen Kosten von Ihnen zu zahlen. Meine Kostennote liegt bei. Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Rechtsanwalt Hinweis des LJPA: Vom Abdruck der Kostennote wird abgesehen.

Deutsche Bank Dortmund BLZ 440 700 50 Kto.-Nr. 12340089 Dresdner Bank Dortmund BLZ 440 800 50 Kto.-Nr. 1071150

107

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Anlage 5

Stadt Bochum Der Oberbürgermeister

Gewerbe-Abmeldung 1) Im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister eingetragener Name Davico, Enzo 2) Familienname 3) Vorname Davico Enzo (…) 6) Geburtsdatum 7) Geburtsort 30.04.1960 Trento, Italien 8) Staatsangehörigkeit italienisch 9) Anschrift der Wohnung und Telefon-Nr. Kortumstraße 34, 44787 Bochum, 0234/407397 (…) 12) Anschrift der Betriebsstätte Kortumstraße 40, 44787 Bochum 13) Anschrift der Hauptniederlassung Kortumstraße 40, 44787 Bochum, (…) 15) Abgemeldete Tätigkeit Herstellung und Verkauf von Speiseeis (…) 17) Datum der Betriebsaufgabe 31.12.2002 18) Art des abgemeldeten Betriebs Industrie Handwerk Handel Sonstiges x (…) Die Abmeldung wird erstattet für (…) 20) eine Hauptniederlassung x (…) wegen (…) 23) vollständiger Aufgabe des Betriebs x (…) 27) Gründe für die Betriebsaufgabe Verkauf des Betriebs (…) 32) Datum 33) Unterschrift 12.09.2003

Hinweis des LJPA: Vom Abdruck der Gewerbeabmeldung im Übrigen wird abgesehen.

108

G. Ausgewählte Übungsfälle

Anlage 7

Stefan Kurz

Lindener Straße 31 44879 Bochum Telefon (0234) 45676 Telefax (0234) 45677

Gerichtsvollzieher

St. Kurz Lindener Straße 31 44879 Bochum

Herr Enzo Davico Breddestraße 12 44866 Bochum

Sprechstunden Dienstag: 13:30 Uhr – 15:00 Uhr Mittwoch: 10:00–11:30 Uhr DRII-2114/04 Bitte bei allen Schreiben angeben.

Bochum, den 07.07.2005

Sehr geehrter Empfänger ! In der Zwangsvollstreckungssache Fa. Gelato Bravo GmbH, Husener Straße 274, 44319 Dortmund gegen Sie liegt mir ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegen Sie vor. Sie erhalten hiermit l e t z t m a l i g Gelegenheit, am Mittwoch, 20. Juli 2005, um 10.00 Uhr in meinem Büro freiwillig zu erscheinen. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, müssen Sie mit Ihrer Verhaftung zur Tages- oder Nachtzeit – mit Unterstützung der Polizei – und der sofortigen Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt Bochum rechnen. Die Verhaftung ist in diesem Falle nur durch Zahlung des gesamten Schuldbetrages oder Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abzuwenden. Die Forderung beträgt ca. 2.000,– Euro.

Hochachtungsvoll

Gerichtsvollzieher 109

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Vermerk für die Bearbeitung Die Angelegenheit ist aus Anwaltssicht zu begutachten. Zeitpunkt der Begutachtung ist der 07.07.2005. Eine Sachverhaltsschilderung ist entbehrlich. Das Gutachten soll auch Überlegungen zur Zweckmäßigkeit des Vorgehens enthalten. Es soll mit einem zusammenfassenden Vorschlag enden. Soweit hinsichtlich des Vollstreckungsbescheides vom 20.10.2003 nach dem Ergebnis des Gutachtens ein Schriftsatz an ein Gericht für erforderlich gehalten wird, ist der Schriftsatz der Rechtsanwältin van Dyck zu entwerfen und ggf. die Anträge auszuformulieren. Andernfalls ist in einem Schreiben an den Mandanten darzulegen, weshalb ein Vorgehen gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 nicht in Betracht kommt. In beiden Fällen sind Bezugnahmen auf konkrete Passagen des Gutachtens zulässig. Soweit Maßnahmen gegen den Haftbefehl oder Vollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers Kurz in Betracht kommen, ist kein Schriftsatz oder Mandantenschreiben zu fertigen. Sollte eine Frage für beweiserheblich gehalten werden, so ist eine Prognose der Beweislage (z. B. Beweislast, Qualität der Beweismittel etc.) zu erstellen. Falls eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes für erforderlich gehalten wird, so ist dies im Gutachten zu erörtern. Sodann ist jedoch zu unterstellen, dass entsprechende Maßnahmen ohne Erfolg durchgeführt worden sind. Die Formalien (Ladungen, Zustellungen, Unterschriften, Vollmachten) sind in Ordnung. In dem Mahnbescheidsantrag ist das Amtsgericht Bochum als das Gericht bezeichnet, an das das Verfahren abgegeben werden soll. Der Bearbeitung ist der zur Zeit der Begutachtung geltende Rechtszustand zugrunde zu legen. Übergangsvorschriften sind nicht zu prüfen. II. Es ist davon auszugehen, dass die in der Rechnung vom 27.03.2003 sowie im Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 angegebenen Beträge jeweils rechnerisch richtig sind. Anlagen, von deren Abdruck abgesehen wurde, sind für die Bearbeitung nicht von Bedeutung. Bochum verfügt über ein Amts- und ein Landgericht. Zentrales Mahngericht i. S.d. § 689 Abs. 3 ZPO ist das Amtsgericht Hagen. III. In Ihrem eigenen Interesse bitte ich Sie, am Ende der Klausur anzugeben, a. welche Auflagen der zugelassenen Kommentare Sie benutzt haben und b. auf welchem Stand (Ergänzungslieferung) sich die von Ihnen benutzten Beck’schen Textausgaben befunden haben. Hinweis: Das von Ihnen benutzte Exemplar des Aufgabentextes wird nicht zu Ihren Prüfungsunterlagen genommen. 110

G. Ausgewählte Übungsfälle

2. Lösung a) Auslegung des Mandantenbegehrens Ausgangspunkt ist das bereits im Vermerk vom 7.7.2005 verdeutlichte Mandantenbegehren, die eigentliche, gegen ihn gerichtete, Vollstreckungsmaßnahme abzuwenden. Dies bedeutet zugleich, dass die Fragen etwaiger materiell-rechtlicher Rückgriffsansprüche des Mandanten gegen die Aldo Coppola oder die Gelato Bravo GmbH nicht Gegenstand der Prüfungsaufgabe sind. Bei der Lektüre des Sachverhaltes sollten sich für den Bearbeiter daher folgende Problemfelder ausschließlich ergeben: aa) Welches Vorgehen bietet sich gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 an, um dem Begehren des Mandanten – Abwehr des Vollstreckungsbescheides – zu entsprechen? bb) Welches Vorgehen bietet sich gegen den Haftbefehl an? cc) Wie kann auf die Pfändung des Motorrades und des Computers reagiert werden? b) Vorüberlegungen zu Maßnahmen gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 aa) Vorgehen gegen den Mahnbescheid vom 26.9.2003 Gegen einen Mahnbescheid steht dem Schuldner zunächst die Möglichkeit offen, binnen einer Frist von zwei Wochen Widerspruch einzulegen, §§ 694 Abs. 1, 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Der Widerspruch ist auch nach Erlass des Vollstreckungsbescheides binnen einer weiteren Frist von zwei Wochen nach Zustellung noch möglich und wird sodann als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid gewertet (§ 694 Abs. 2 ZPO). Da der Mandant nicht innerhalb der Widerspruchsfrist gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, die Frist zur Einlegung des Einspruches gegen den Vollstreckungsbescheid jedoch noch nicht abgelaufen ist, kann noch erfolgreich gegen den Vollstreckungsbescheid Widerspruch, richtiger aber als Einspruch zu wertender Widerspruch, eingelegt werden. bb) Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.10.2003 Die Einspruchsfrist der §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO war zum Zeitpunkt der Mandatserteilung noch nicht abgelaufen. Die insoweit von dem Mandanten gemachten Angaben, der Vollstreckungsbescheid sei ihm nicht bekannt gewesen, da er sich zum Zeitpunkt der Zustellung in Italien aufgehalten habe, ist unbeachtlich. Eine die Frist in Gang setzende Zustellung erfordert nicht die persönliche Übergabe (oder die Kenntnis) des Empfängers. Die Übergabe ist auch möglich an einen Vertreter (§ 170 ZPO), einen Zustellungsbevollmächtigten (§ 171 ZPO) oder einen Prozessbevollmächtigten (§ 172 ZPO). Auch die Ersatzzustellung ist möglich (§ 178 ZPO), sowie die Zustellung an eine andere Person, die in der Wohnung oder den Geschäftsräumen angetroffen wird. Scheidet die persönliche Übergabe aus, kommt eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten ebenfalls in Betracht (§ 180 ZPO). Hilfsweise ist die 111

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Zustellung an den Schuldner auch durch eine Niederlegung gem. § 181 ZPO möglich. Letztere ist dann angezeigt, wenn der Empfänger der Zustellung keinen (eigenen) Briefkasten unterhält. Ob ohne Vorhandensein eines Briefkastens eine Ersatzzustellung jedoch tatsächlich möglich ist, kann als umstritten betrachtet werden. Nach den Angaben des Mandanten dürfte jedoch eine Ersatzzustellung in Betracht kommen, zumal die Zustellung mit Datum 24.10.2003 durch den Zusteller beurkundet wurde. In diesem Falle erscheint es daher nicht opportun, einen Antrag auf Wiedereinsetzung gem. §§ 233 ff. ZPO zu stellen, da dieser keine Aussicht auf Erfolg hätte. Die Frist wurde gerade nicht versäumt, da der Schuldner geeignete Maßnahmen hätte treffen müssen, weil er Kenntnis von dem drohenden Vollstreckungsbescheid besaß. Jedenfalls steht aber § 234 Abs. 3 ZPO entgegen, da hier der Fristablauf vom 7.11.2003 bereits über ein Jahr verstrichen war. Verneint man die Möglichkeit der Ersatzzustellung mangels Briefkasten, könnte jedoch die ordnungsgemäße Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid bestritten werden. Daher wäre zu erwägen, ob vorsorglich ein Wiedereinsetzungsantrag, verbunden mit der Einlegung eines Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid, zu erheben ist. Jedenfalls empfiehlt es sich, gleichzeitig ein Akteneinsichtsgesuch gem. § 299 Abs. 1 ZPO zu stellen, um die Zustellungsproblematik näher einzugrenzen. Hat der Einspruch Erfolg, schließt sich das ordentliche, streitige Verfahren an. Andernfalls ist der Vollstreckungsbescheid mit den ordentlichen Rechtsmitteln dieses Verfahrens nicht mehr angreifbar. Somit könnte dem Mandantenbegehren nur noch entsprochen werden, wenn die Rechtskraft des bereits vorliegenden Vollstreckungsbescheides nachträglich beseitigt werden könnte. Dies ist ausschließlich aufgrund einer Klage gem. § 826 BGB denkbar. c) Klage gegen den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gem. § 826 BGB aa) Gegenstand der Klage Ist der Vollstreckungsbescheid, mithin ein Titel, rechtskräftig geworden, so kann dieser nur noch ausnahmsweise angegriffen werden, da hier eine echte Durchbrechung der Rechtskraft eintreten würde. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens auf wenige Fälle begrenzt. Vorliegend kommt hier als Anspruchsgrundlage für eine Durchbrechung der Rechtskraft eine Klage nach § 826 BGB in Betracht (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rz. 50 ff.). Hintergrund ist, dass im Falle einer möglichen Verletzung des Gerechtigkeitsgedankens als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips die Rechtskraft ausnahmsweise dann zurückzutreten hat, wenn der Inhaber des Vollstreckungstitels seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage erschlichen hat (BGHZ 101, 380; BGHZ 103, 44; BGH NJW 1996, 658; BGH NJW 1998, 2818). 112

G. Ausgewählte Übungsfälle

bb) Örtliche und sachliche Zuständigkeit als Probleme der Zulässigkeit der Klage Die örtliche Zuständigkeit einer derartigen Klage stützt sich auf § 32 ZPO, da eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. d. § 826 BGB unter die unerlaubten Handlungen fällt (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 32 Rz. 1). Örtlich zuständig ist das Gericht, an welchem die unerlaubte Handlung begangen wurde. Vorliegend dürfte dies der Bezirk des Amtsgerichtes Hagen sein, da hier Mahn- und Vollstreckungsbescheid durch den Gläubiger beantragt und sodann durch das Mahngericht erlassen wurden, aber alternativ auch der Bezirk des Amtsgerichtes Bochum, da hier die Zustellungen bewirkt wurden und zudem hier die Vollstreckungsmaßnahmen drohen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, dass an beiden Orten die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in Teilakten verwirklicht wird, zu diskutieren, wobei die Bejahung der örtlichen Zuständigkeit mit den vorstehenden Gründen mit guten Gründen sowohl für Hagen als auch für Bochum vertretbar erscheint. Hier steht dem Mandanten ein Wahlrecht aus § 35 ZPO zu. Angesichts des unter 5000,00 Euro liegenden Streitwertes (§ 23 Nr. 1 GVG) ist jedenfalls sachlich die Zuständigkeit des Amtsgerichtes unstrittig.

Ü

Hinweis: Erfahrene Bearbeiter werden aus ökonomischen Gründen dem Mandanten zur Klageerhebung am Wohnsitzgericht, also Bochum, raten.

Sonstige Probleme im Rahmen der Zulässigkeit der Klage sind nicht ersichtlich und daher auch nicht zu diskutieren. cc) Begründetheit der Klage Im Ergebnis würde die Begründetheit der Klage dazu führen, dass der Mandant einen Unterlassungsanspruch bezüglich der Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Titel zu seinen Gunsten geltend machen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Titel materiell-rechtlich unrichtig ist und der Gläubiger sich dieser Unrichtigkeit bewusst ist. Darüber hinaus müssen besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten der vollstreckenden Partei sittenwidrig erscheinen lassen (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rz. 51; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rz. 74). Der Vollstreckungsbescheid dürfte vorliegend zunächst materiell-rechtlich unrichtig sein. Der Mandant ist gegenüber der Fa. Gelato Bravo nicht Schuldner der am 13.3.2003 erfolgten Lieferung, welche am 27.3.2003 in Rechnung gestellt wurde. Sowohl Lieferung, als auch Rechnungslegung, erfolgten nämlich gegenüber der Fa. „Die Eismacher“, nicht gegenüber dem Mandanten. Insoweit wird hier der Inhaber der Firma selbst und ausschließlich aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet (sog. unternehmensbezogenes Geschäft, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB (§ 164 Rz. 2). Aufgrund des Umstandes, dass der Mandant den Eissalon im März 2003 nicht mehr betrieben hat und bereits ab dem 1.1.2003 Herr Aldo Coppola Inhaber des Eis113

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

salons war, folgt, dass der Mandant in das unternehmensbezogene Geschäft nicht mehr eingebunden war. Der Umstand der Gewerbeabmeldung des Mandanten erst zum 12.9.2003 ändert hieran nichts, da das Gewerberegister, etwa anders als das Handelsregister, keine formale Rechtsscheinhaftung begründet. Die weiterhin bestehende gewerbliche Anmeldung des Mandanten ist daher materiell-rechtlich ohne Bedeutung. Hinzu kommt, dass ausweislich der Rechnungslegung der Gelato Bravo GmbH vom 27.3.2003 sowie dem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 8.8.2003 nicht davon auszugehen ist, die Gelato Bravo GmbH habe angenommen, der Mandant sei Inhaber der Firma „Die Eismacher“ gewesen. Vielmehr wurden beide Schreiben an Herrn Aldo Coppola gerichtet. Gegebenenfalls im Falle des Bestreitens sind für die Frage des Zeitpunktes des Inhaberwechsels die Ehefrau des Mandanten und der benachbarte Bäckereiinhaber als Zeugen zu benennen. Die Unrichtigkeit des Titels ist auch nicht durch den Mandanten, etwa durch eine nachlässige Prozessführung, zu verantworten. Ein nachlässiger Schuldner verliert nämlich im Rahmen einer Klage gem. § 826 BGB das besondere Schutzbedürfnis als Voraussetzung der Rechtskraftdurchbrechung, soweit er die Unrichtigkeit des Titels mitverschuldet hat. Vorliegend hatte der Mandant den Betrieb bis Ende 2002 selbst geführt und ihn sodann an Herrn Aldo Coppola zum 1.1.2003 übergeben. Diesbezüglich hatte der Mandant keine Sorge dafür zu tragen, dass ihn auch noch Monate später Geschäftspost für den übergebenen Betrieb erreicht. Selbst wenn der Mandant ein entsprechendes Benachrichtigungsschreiben dennoch erhalten haben und er dieses unbeachtet weggeworfen haben sollte ändert sich hieran nichts. Denn jedenfalls war die Frist zur Einlegung des Einspruches am 8.11.2003 bereits abgelaufen. Die Unrichtigkeit des Titels war der Gelato Bravo GmbH auch bekannt. Wie sich aus der Adressierung der Rechnung und dem Anschreiben ihres Bevollmächtigten an Herrn Alto Coppola ergibt, war sich die Lieferantin bewusst, dass Vertragspartner nicht der Mandant, sondern der neue Inhaber, Herr Alto Coppola, war. Zudem ist es ausreichend, wenn die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Titels nachträglich, d. h. auch nach Rechtskraft des Titels, dem Gläubiger bekannt wird (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rz. 51; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rz. 74). Diese Kenntnis kann dem Gläubiger auch durch die schlichte Erhebung der vorliegenden Klage vermittelt werden. Das Verhalten der Gläubigerin erfüllt vorliegend die Annahme einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung. Die Gelato Bravo GmbH hat den Titel in Kenntnis der Unrichtigkeit erschlichen. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der Titel beispielsweise durch kollusives Verhalten zustande kommt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 38. Aufl. 2010, vor § 322 Rz. 74). 114

G. Ausgewählte Übungsfälle

Der Mandant hat vorliegend berichtet, dass sich die Gelato Bravo GmbH mit dem säumigen Aldo Coppola verständigt hat, um den ahnungslosen Mandanten in Haftung zu nehmen. Da hier die Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Mandanten liegt, ist als Beweis das Zeugnis der Mitarbeiterin Hosskamp anzubieten. Mit dieser wird der entsprechende Beweis auch nach aller Voraussicht geführt werden können. dd) Rechtsfolgen Dem Mandanten steht ein umfassender Anspruch auf Unterlassen der Zwangsvollstreckung sowie ein Schadenersatzanspruch zur Seite. Letzterer realisiert sich in Form eines Anspruches auf Herausgabe des Titels (Palandt/Sprau, BGB, 64. Auflage, § 826 Rz. 58; BGH NJW 1963, 1606, 1608) und Rückgängigmachung aller Zwangsvollstreckungsfolgen. d) Maßnahmen gegen den gegenüber dem Mandanten bestehenden Haftbefehl aa) Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, § 793 ZPO Gegen den Mandanten besteht ein Haftbefehl gem. §§ 901 ff. ZPO zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Hiergegen ist der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO gegeben (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 901 Rz. 9). Diese ist bereits vor Übergabe des Haftbefehls zulässig, nämlich ab dem Zeitpunkt, sobald der Haftbefehl an das Vollstreckungsorgan auf den Weg gebracht wurde. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beginnt jedoch erst, wenn der Haftbefehl übergeben wurde (§ 909 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 901 Rz. 13).

Ü

Hinweis: Hinweis: Von besonders aufmerksamen Bearbeitern dürften an dieser Stelle auch Ausführungen zur früheren Streitfrage bezüglich der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde erwartet werden.

Teilweise wurde in der Literatur zuvor vertreten, dass die Anordnung der Haft mit der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO angegriffen werden könne (Zöller/ Stöber, ZPO, § 901 Rz. 13; a. A. noch in der 21. Aufl.). Insbesondere sei dies der Fall, wenn das rechtliche Gehör des Schuldners verletzt worden ist (Stein/Jonas/Münzberg, zit. Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 901 Rz. 10). Die Rechtsprechung ging davon aus, dass jedenfalls bei gewichtigen Gesetzesverstößen die Erinnerung möglich sei, wobei letztlich die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf ausdrücklich offen gelassen wurde (OLG Oldenburg InFo 2001, 458). Inzwischen ist jedoch davon auszugehen, dass die sofortige Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf ist. 115

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

bb) Begründetheit der sofortigen Beschwerde Die sofortige Beschwerde ist begründet, wenn das Gericht zu Unrecht einen Haftbefehl gegen den Mandanten erlassen hat, wenn der Mandant zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet gewesen wäre. Die Voraussetzungen sind durch das Gericht von Amts wegen zu prüfen (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 900 Rz. 7). Vorliegend wird zu dem Ergebnis zu kommen sein, dass der Mandant zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet war. Die gegen den Titel durch den Mandanten vorgebrachten Einwendungen sind materiell-rechtliche. Solche Einwendungen sind im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht zu berücksichtigen, so dass das Vollstreckungsorgan diese Einwendungen auch nicht zu prüfen hat. Die sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl hat daher keine Aussicht auf Erfolg. cc) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Da gegen den Haftbefehl weiter keine (ordentlichen) Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, ist zu prüfen, ob dem Mandanten möglicherweise durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gestützt auf die Hauptsacheklage gem. § 826 BGB, zu seinem Ziel verholfen werden kann. Diese einstweilige Verfügung würde sich gegen die Vollziehung des Haftbefehls bis zur Entscheidung über die Hauptsache richten. Dies dürfte jedoch letztlich nicht in Betracht kommen, da ein solcher Beschluss keine Entscheidung im Sinne des § 775 Nr. 1 ZPO ist (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 775 Rz. 4). dd) Gerichtliche Entscheidung aufgrund Widerspruchs des Mandanten Möglicherweise hätte durch den Widerspruch des Mandanten im Termin vom 28.6.2005 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet zu sein, zunächst eine gerichtliche Entscheidung gem. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO ergehen müssen. Bevor eine entsprechende Entscheidung des Gerichtes ergangen ist, hätte das Gericht den Widerspruch nicht als unzulässig oder unbegründet verwerfen dürfen, da die Weigerung des Mandanten auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht grundlos i. S. d. § 901 Satz 1 2. Alternative ZPO. Der Haftbefehl hätte insoweit nicht erlassen werden dürfen (Zöller/Stöber, ZPO, § 900 Rz. 22a). Wegen § 900 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz ZPO war eine gerichtliche Entscheidung auch nicht entbehrlich. Denn auch dann, wenn der Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren unzulässige (materiell-rechtliche) Einwendungen erhebt, ist eine gerichtliche Entscheidung stets herbeizuführen. 116

G. Ausgewählte Übungsfälle

Daher ist zu beantragen, die Vollziehung des Haftbefehls vorläufig gemäß § 570 Abs. 3 ZPO auszusetzen, um eine Verhaftung des Mandanten am 20.7.2005 zu verhindern. e) Maßnahmen gegen die Pfändung des Motorrades aa) Erinnerung nach § 766 ZPO Es bestehen nach dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Zulässigkeit der Vollstreckungserinnerung problematisiert werden sollte. Bezüglich der Begründetheit ist entscheidend, ob die Voraussetzungen des § 808 ZPO vorgelegen haben. Der Gerichtsvollzieher prüft, ob sich der zu pfändende Gegenstand im Gewahrsam des Schuldners befindet. Da sich das Motorrad im Flur des Mandanten befunden hat, hatte dieser Gewahrsam inne, denn für die Annahme tatsächlicher Gewalt kann sich der Gegenstand auch in einem solchen Raum befindet, welcher dem sonstigen Machtbereich des Schuldners unterliegt (Zöller/Stöber, ZPO, § 808 Rz. 5). Die Eigentumsverhältnisse werden durch den Gerichtsvollzieher nicht geprüft. Die Erinnerung hat daher keine Aussicht auf Erfolg. bb) Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO Die Drittwiderspruchsklage steht u. a. dem Eigentümer einer im Rahmen der Zwangsvollstreckung betroffenen Sache im Gewahrsam des Schuldners zur Seite. Dritter im Sinne des § 771 ZPO ist auch derjenige, dem ein das Eigentum entsprechendes Recht zur Seite steht, der Schuldner nur ausnahmsweise, soweit er nur mit bestimmten Vermögensmassen haftet (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 771 Rz. 9). Ein solcher Fall ist jedoch nach dem Sachverhalt nicht gegeben, so dass die Erhebung der Drittwiderspruchsklage nicht in Betracht kommt. Allenfalls käme in Betracht, den Eigentümer des Motorrades zu bewegen, den Mandanten zur Prozessführung im eigenen Namen zu ermächtigen (gewillkürte Prozessstandschaft). Dies wäre dann möglich, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Mandanten an der Prozessführung nachgewiesen werden kann (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rz. 34). Der Umstand des reinen Besitzes reicht hierfür nicht aus, jedoch würde etwa ein Nutzungsrecht für ein derart schutzwürdiges Interesse streiten. Da der Sachverhalt hierzu jedoch keine weiteren Angaben enthält, ist im Zweifel das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses zu verneinen. f) Maßnahmen gegen die Pfändung des Computers aa) Erinnerung nach § 766 ZPO Die Möglichkeit, gegen die Pfändung des Computers des Mandanten nebst Zubehör mit der Vollstreckungserinnerung erfolgreich vorzugehen, dürfte nicht gege117

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

ben sein. Insoweit könnten nur Verstoße gegen Pfändungsverbote geltend gemacht werden, so gem. §§ 803, 811 ZPO, wie die Verwendung des zu pfändenden Gegenstandes im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit. In Betracht kommt zunächst daher nur das Vorliegen einer etwaigen, und insoweit unzulässigen, nutzlosen Pfändung nach § 803 Abs. 2 ZPO. Eine Pfändung ist demnach unzulässig, wenn der Wert des gepfändeten Sachgegenstandes nicht einmal im Rahmen der Verwertung zur Deckung der Vollstreckungskosten ausreicht. Dies wird man jedoch mit Sicherheit aufgrund des Sachverhaltes nicht annehmen können. Ferner kommt ein Verstoß gegen ein Pfändungsverbot gem. § 811 ZPO in Betracht. Versteht man den Computer als bloßes Unterhaltungsmedium des Haushaltes des Mandanten, dürfte dieser nicht unter den Begriff des Haushaltsgegenstandes nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fallen. Er könnte jedoch zu Arbeitsmittel gehören, die nicht pfändbar sind, da sie dem Erwerb des Schuldners dienen. Technische und wirtschaftliche Entwicklungen sind hierbei in die Argumentation mit einzubeziehen, also ob der Einsatz des jeweiligen technischen Hilfsmittels dem derzeitigen Stand der üblichen Berufsausübung entspricht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 811 Rz. 17, 28; a. A.: AG Kiel JurBüro 2004, 334). Ob auch die Anfertigung von Bewerbungen den Computer zu einem Arbeitsmittel macht, ist höchstrichterlich nicht entschieden. Hier bietet sich daher an, eine ausführliche Argumentation pro und contra im Gutachtenstil anzufertigen. Eine Bewerbung auf dem Gebiet der Gastronomie wird so beispielsweise nicht die gleichen Formalien erfordern, wie sie etwa bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz im kaufmännischen Bereich selbstverständlich sind. Man wird den Mandanten daher auch auf eine handschriftliche Bewerbung verweisen können. Der Mandant kann wohl auch nicht erfolgreich einwenden, er benötige den Computer zur Informationsbeschaffung. Bei der Agentur für Arbeit werden spezielle Computerterminals vorgehalten, um die entsprechenden Stellengesuche einsehen zu können. Das Vorhalten eines eigenen Computers wäre daher nicht erforderlich. Andererseits könnte argumentiert werden, in der heutigen Arbeitswelt werde auch bei Bewerbung um eine einfache Tätigkeit auf die Vorlage einer schriftlichen Bewerbung bestanden. Insoweit sei auch nicht sicher gestellt, dass die Agentur für Arbeit genug Terminals vorhalte, um jederzeit Einsicht in den Stellenmarkt zu halten. Angesichts der nicht entschiedenen Rechtsfrage sollte die für den Mandanten günstige Variante vertreten werden. In Betracht kommt schließlich noch ein Verstoß gegen § 811a ZPO. Möglicherweise hätte der Gerichtsvollzieher eine Ersatzpfändung vornehmen müssen, etwa durch Zurverfügungstellung einer Schreibmaschine als Ersatz. 118

G. Ausgewählte Übungsfälle

Allerdings ist hier der geringe Wert des Computers zu beachten, der eine erfolgreiche Austauschpfändung wohl scheitern lässt. Im Ergebnis wird die Erinnerung nur eingeschränkt Aussicht auf Erfolg haben. bb) Einstweilige Verfügung gem. § 935 ZPO In der Hauptsache wird für den Mandanten eine Klage aufgrund § 826 BGB zu erheben sein. Hiermit ist jedoch nicht zu verhindern, dass der Computer vor Abschluss des Klageverfahrens verwertet werden könnte, da das Hauptsacheverfahren regelmäßig wenigstens einige Wochen Zeit in Anspruch nehmen wird, bevor eine Entscheidung durch das erkennende Gericht zu erwarten steht. Der Verwertung des Gegenstandes ist daher nur durch den Antrag und entsprechenden Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Der Antrag ist gem. §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO bei dem Gericht der Hauptsache, hier dem Amtsgericht Bochum, zweckmäßiger Weise zusammen mit der Einreichung der Hauptsacheklage, zu stellen. Es ist darzulegen, dass der Mandant ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis besitzt. Dies ist vorliegend aufgrund des Umstandes zu bejahen, dass ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel besteht, gegen welchen Vollstreckungsschutz gem. § 769 ZPO oder § 570 Abs. 3 ZPO nicht (mehr) gegeben ist, und die Vollstreckung bereits begonnen, aber noch nicht beendet ist. Der Anordnungsanspruch des Mandanten ergibt sich aus der Begründung des Hauptsacheverfahrens. Der Anordnungsgrund ist zu bejahen, weil im Falle der Verwertung dem Mandanten irreparable Folgen drohen, da der Computer, und insbesondere die in ihm enthaltenen Daten, sodann für den Mandanten verloren wären. Die Auskehrung des Erlöses kann diesen immateriellen Schaden nicht ersetzen, genauso wenig die Beschaffung eines baugleichen Computers durch den Gläubiger. Sollte der Mandant jedoch mit seiner Hauptsacheklage nicht durchdringen, könnte der Gläubiger im Falle des Erlasses der einstweiligen Verfügung aus § 945 ZPO Schadensersatz vom Mandanten verlangen. g) Abschließender Vorschlag Dem Mandanten ist zu raten, gegen die Gelato Bravo GmbH eine Unterlassungsklage gem. § 826 BGB zu erheben. Außerdem sollte ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung mit dieser Klage verbunden werden. Aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten laut Sachverhalt ist auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen, der jedoch wegen der Eilbedürftigkeit keine bedingte Klageerhebung enthalten sollte. Mit Herrn Pantani sollte wegen einer etwaigen Drittwiderspruchsklage korrespondiert werden. 119

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

Außerdem ist dem Mandanten zu raten, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, da nicht erfolgreich gegen den Haftbefehl vorgegangen werden kann. Die Leistungsklage ist wie folgt zu formulieren: Beispiel An das Amtsgericht Zivilgericht – Bochum – KLAGE und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe des Herrn Enzo Davico, Bredderstraße 12, 44866 Bochum – Kläger– Prozessbevollmächtigte: RAe Wamsler, van Dyck & Partner, Bochum gegen die Firma Gelato Bravo GmbH, vertreten d.d. Geschäftsführer Luigi Gallo, Husener Str., 44319 Dortmund – Beklagte – wegen: Unterlassung u. a. vorläufiger Streitwert: 1.985,30 Euro bestellen wir uns vorliegend gemäß anliegender Prozessvollmacht für den Kläger. In der Sache werden wir beantragen zu erkennen: I.

Die Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes Hagen vom 26.09.2003 -002117604–02-N- für unzulässig zu erklären.

II.

Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, dem Kläger den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes Hagen vom 26.09.2003 -002117604–02-N- auszuhändigen und dem Kläger darüber hinaus die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Gegenstände, nämlich den Computer nebst Zubehör (genaue Bezeichnung), herauszugeben.

III. Gleichzeitig wird beantragt, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, dass die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung in den Computer nebst Zubehör (…) untersagt wird, und dem Beklagten im Falle der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis 250.000 EUR, hilfsweise Zwangshaft, anzudrohen. IV. Dem Kläger wird sowohl für das vorliegende Hauptsacheverfahren, als auch für das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin van Dyck bewilligt. Formular gem. § 117 ZPO betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers liegt nebst Anlagen an. 120

G. Ausgewählte Übungsfälle

Begründung: (Zur Begründung wird im Rahmen der Klausuraufgabe auf den Inhalt des zuvor erstellten Gutachtens verwiesen.) (…) van Dyck Rechtsanwältin

II. Übungsfall Zwei: „Ärger für die Bank“ 1. Sachverhalt

Kennziffer

Klausur C-II 113 (September 2003) Die Aufgabe besteht (ohne Deckblatt) aus 13 Blatt. Der Aufgabentext ist zu Beginn auf Vollständigkeit zu überprüfen. Die Kennziffer ist in die dafür vorgesehene Rubrik einzutragen.

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Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

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Rechtsanwälte Schüssler, Wertheim & Kollegen Hahnenstraße 10 50667 Köln

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KV 106-95 Vennhoff

Datum

23.09.2003

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Wertheim, wie bereits gestern telefonisch besprochen, übersenden wir Ihnen anliegend den „Vorgang“ Vennhoff mit der Bitte um alsbaldige rechtliche Überprüfung und Vorschlag der weiteren Vorgehensweise. Die anliegende Klage des Herrn Matthias Vennhoff ist uns (nebst Anlagen) am 19.09.2003 zugestellt worden. Der darin geschilderte Sachverhalt ist zutreffend. Insbesondere stimmt es, dass Herr Matthias Vennhoff, also der Kläger, keinerlei Kredite bei uns offen stehen hat. Dagegen hat der Bruder, Herr Wolfgang Vennhoff, die angegebenen Verbindlichkeiten gegenüber unserem Hause, wegen derer wir nun auch die Zwangsvollstreckung in das Grundstück Brüsseler Straße 32 betreiben. Wenn der Kläger meint, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld sei unzulässig, kann dies unsererseits nicht nachvollzogen werden. Der Wortlaut der Zweckerklärung vom 11.04.1995 ist unseres Erachtens doch eindeutig. Von einer Überraschung kann bei der Kürze der Urkunde wohl kaum die Rede sein. Der Kläger hätte dies seinerzeit ohne weiteres genauestens durchlesen können. Außerdem haben wir auch in der notariellen Urkunde vom 21.04.1995 auf die Zweckerklärung Bezug genommen. Dabei müssen wir allerdings einräumen, dass es sich bei der Zweckerklärung um einen Standardtext handelt, den unser Haus bei jeder Grundschuldbestellung so verwendet. Selbst wenn man die Sichtweise des Klägers unterstellt und davon ausgeht, dass eine Haftungserstreckung der Grundschuld an dem Miteigentumsanteil des Klägers auf die persönlichen Verbindlichkeiten des Herrn Wolfgang Vennhoff unwirksam ist, kann dies doch nur bedeuten, dass aus der Grundschuld am hälftigen Miteigentumsanteil des Klägers nicht vollstreckt werden darf. Dagegen kann es doch nicht angehen, dass durch den Erwerb der anderen Grundstückshälfte, nun plötz122

G. Ausgewählte Übungsfälle

lich auch die an diesem Miteigentumsanteil bestehende Grundschuld faktisch wertlos geworden ist. Hätte nämlich der Bruder des Klägers das hälftige Miteigentum behalten, dann könnte es doch wohl nicht fraglich sein, dass er mit diesem Anteil für seine eigenen Verbindlichkeiten haftet. In formaler Hinsicht drängen sich uns Bedenken in folgendem Punkt auf: Ist das Landgericht Köln überhaupt zuständig? Der ausschließliche Sitz unseres Hauses ist ja – wie Ihnen bekannt ist – in München. Zum Schluss noch ein Weiteres: Nachdem der Beschluss zur Anordnung der Zwangsversteigerung Herrn Matthias Vennhoff am 16.09.2003 zugestellt worden war, erschien dieser wutentbrannt in unseren Geschäftsräumen in Köln. Lautstark ereiferte er sich, es sei eine Unverschämtheit, wider besseres Wissen die Zwangsversteigerung zu betreiben. Obwohl unser Mitarbeiter, Herr Maik Klüter, den Kläger zu beschwichtigen versuchte, steigerte dieser sich weiter in die Situation hinein und beschimpfte unser Haus als „Bank, in der der Kunde nur abgezockt werde“, als „Bandit“ und als „ein einziger Sauhaufen, dem richtiges und seriöses Arbeiten ein Fremdwort ist“. Als Herr Klüger Herrn Matthias Vennhoff daraufhin aufforderte, solche Äußerungen künftig zu unterlassen, erwiderte Herr Vennhoff nur, er lasse sich keine Vorschriften machen. Das Ganze ist besonders peinlich, da zu diesem Zeitpunkt noch andere Kunden anwesend waren, die den Vorfall aufgrund der Lautstärke mitbekommen haben. Im Ernstfall können sowohl unsere Mitarbeiter Herr Maik Klüter, sowie die Kassiererin Frau Heike Mittendorf, den Vorfall bezeugen. Es widerspricht unserer Firmenphilosophie, dem Kläger nun deshalb Hausverbot zu erteilen. Wir möchten allerdings eine Wiederholung eines solchen Ereignisses, wie wir es im Verlaufe des Prozesses nicht für unwahrscheinlich halten, aber auf jeden Fall vermieden wissen. Wir bitten auch diesbezüglich um einen Ratschlag von Ihnen, wie hier vorgegangen werden kann. Mit freundlichem Gruß

ppa. Silke Wendler – Filialleitung Köln –

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Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

DR. PAUL-HANS BASDORF * PETER SCHLEUCH WILFRIED VAUGE RECHTSANWÄLTE * FACHANWALT FÜR ARBEITSRECHT

Hermannstraße 3 (City-Arkaden) 51443 KÖLN Postfach 78 56 44 51117 KÖLN Telefon (02202) 5 76 89 Telefax (02203) 5 76 90 Datum:

17.09.2003

Zeichen:

157/03 V/ha

Landgericht Köln Luxemburger Straße 101 50939 Köln

Vollstreckungsabwehrklage und Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung des Herrn Matthias Vennhoff, Paul-Löbe-Weg 40, 50769 Köln, Klägers, – Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Basdorf, Schleuch, Vauge in Köln – gegen Bankhaus Krumme AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Bernhard Liebeskind, Prannerstraße 15, 80333 München, Beklagte, wegen: Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. Winfried Müller in Köln, UR Nr. 223/95, vom 21.04.1995 für unzulässig zu erklären. Weiter beantrage ich, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. Winfried Müller in Köln, UR Nr. 223/95, vom 21.04.1995 einstweilen einzustellen.

Deutsche Bank Porz 7 376 176 (BLZ 370 700760) · Dresdner Bank Porz 6 762 288 (BLZ 370 800 40) · Postbank Köln 117615-505 (BLZ 370 100 50=

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G. Ausgewählte Übungsfälle

Begründung: Der Kläger und sein Bruder, Herr Wolfgang Vennhoff, erwarben Anfang 1995 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter ein Mehrfamilienhaus in Köln, Brüsseler Straße 32. Der Kläger und sein Bruder wurden infolge dessen zu je ½ als Eigentümer dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Beweis: Kopie Grundbuchauszug, Anlage K1 In der Folgezeit beschlossen der Kläger und sein Bruder, das Mehrfamilienhaus, welches Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet worden war, einer Generalsanierung zu unterziehen. Zur Finanzierung dieses Vorhabens wandten sie sich an die Beklagte, zu der der Kläger bereits Geschäftsbeziehungen unterhielt. Am 11.04.1995 schlossen der Kläger und sein Bruder, Herr Wolfgang Vennhoff, mit der Beklagten einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 300.000,00 DM. Beweis: Kopie Darlehensvertrag vom 11.04.1995, Anlage K2 Da das Darlehen über eine Grundschuld abgesichert werden sollte, unterzeichneten der Kläger und sein Bruder zugleich eine entsprechende Zweckerklärung. Beweis: Kopie Zweckerklärung vom 11.04.1995, Anlage K3 Am 21.04.1995 bestellten der Kläger und sein Bruder vor dem Notar Dr. Müller in Köln, UR Nr. 223/95 des Beklagten eine Grundschuld in Höhe von 300.000,00 DM, die an 1. Rangstelle in Abteilung III des Grundbuches für das Grundstück Brüsseler Straße 32 eingetragen wurde. In der vorgenannten Urkunde unterwarfen sich der Kläger und sein Bruder zudem der sofortigen Zwangsvollstreckung und zwar sowohl hinsichtlich der von ihnen persönlich übernommenen Schuld als auch bezüglich einer eventuellen Vollstreckung der Grundschuld. Beweis: Kopie der notariellen Urkunde vom 21.04.1995, Anlage K4 Das Darlehen wurde sodann in der Folgezeit in voller Höhe an den Kläger bzw. dessen Bruder ausgekehrt. Kurz nach Abschluss der Umbauarbeiten veräußerte der Bruder des Klägers mit notarieller Urkunde vom 24.07.1997, Notar Dr. Baum in Köln, UR Nr. 301/1997, seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück Brüsseler Straße 32 an den Kläger. Der Kläger wurde daraufhin als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld blieb hiervon unberührt. Die Beklagte wurde seinerzeit über die Veräußerung des Miteigentumsanteils informiert. Das mit Vertrag vom 11.04.1995 gewährte Darlehen wurde von dem Kläger vollständig zurückgeführt. Die letzte Rate wurde im März 2003 getilgt. Beweis (im Bestreitensfalle): Vorlage der Zahlungsbelege Trotzdem betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld, die zwischenzeitlich gekündigt wurde. So hat die Beklagte bei dem Amtsgericht Köln am 08.09.2003 die Zwangsversteigerung des Grundstücks Brüsseler Straße 32 beantragt. Ein entsprechender Anordnungsbeschluss im vom Amtsgericht Köln 125

Teil 1: Die Anwaltsklausur im Zivilrecht

am 15.09.2003, 11 K 192/03, erlassen worden und wurde dem Kläger am 26.09.2003 zugestellt. Beweis: Kopie Beschluss des Amtsgerichts Köln, 11 K 192/03, Anlage K5 Offensichtlich meint die Beklagte, sie könne sich aus der Grundschuld befriedigen, weil der Bruder des Klägers bei ihr Schulden in Höhe von 139.438,00 EUR nebst Zinsen hat. Diese Verbindlichkeiten stammen aus Krediten, die die Beklagte dem Bruder des Klägers im Jahr 2000 gewährt hat. Der Bruder des Klägers, der sich in einem Immobiliengeschäft verspekuliert hat, konnte diese Kredite nicht mehr bedienen, woraufhin die Beklagte die Kredite mit Schreiben vom 10.06.2003 fristlos gekündigt hat. In der Folgezeit vertrat die Beklagte gegenüber dem Kläger die Ansicht, die Grundschuld auf dem Grundstück Brüsseler Straße 32 sichere auch diese Verbindlichkeiten, die allein aus der Geschäftsbeziehung mit Herrn Wolfgang Vennhoff resultieren. Diese Auffassung geht indessen fehl. Die Beklagte beruft sich auf Ziffer 8 der notariellen Urkunde vom 21.04.1995 in Verbindung mit der Zweckerklärung vom 11.04.1995. Nach der Zweckerklärung, welche in dem Notartermin vom 21.04.1995 weder gesondert verlesen noch erläutert wurde, sollte die Grundschuld auch alle künftigen Forderungen der Beklagten gegen den Kläger und dessen Bruder – einzeln und/oder gemeinsam – decken. Diese Regelung dürfte jedoch nach der ständigen Rechtsprechung überraschend i. S. d. § 305c BGB und damit zugleich unwirksam sein, soweit der Kläger damit faktisch für Verbindlichkeiten seines Bruders einstehen soll. Schließlich hat der Kläger keinerlei Einfluss darauf, ob und in welcher Höhe sich sein Bruder künftig verschuldet. Eine derartige Haftung, die der Kläger nie wollte, würde sich letztendlich zu „einem Fass ohne Boden“ entwickeln. Die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld ist damit in zweierlei Hinsicht unzulässig: Zum einen hat der Kläger selbst keine Schulden mehr bei der Beklagten. Zum anderen hätte der Anordnungsbeschluss aus formalen Gründen nicht erlassen werden dürfen. Die Vollstreckungsklausel zur notariellen Urkunde vom 21.04.2003 wurde dem Kläger am 29.08.2003 zugestellt. Die Zwangsversteigerung wurde – wie bereits ausgeführt – am 08.09.2003, also gut eine Woche später beantragt. Damit ist die Wartefrist nicht eingehalten, so dass der Anordnungsbeschluss bereits aus formalen Gründen unwirksam ist. Der Klage und dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist damit stattzugeben.

Vauge, (Rechtsanwalt) 1 einfache und 1 beglaubigte Abschrift anbei. von einem Abdruck der Anlagen K1, K2 und K5 wurde abgesehen.

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Bankhaus Krumme ZWECKERKLÄRUNG FÜR GRUNDSCHULDEN Sicherungsabrede 1. Sicherungszweck Das Bankhaus Krumme AG wird Gläubigerin der auf dem Grundstück des/ der Herren Matthias und Wolfgang Vennhoff im Grundbuch von Köln, Gemarkung Köln-West, Flur 14, Flurstück 486, Gebäudeund Freifläche, groß 4.56 ar, Blatt 2334 des Grundbuchs beim Amtsgericht Köln nebst Zinsen und Nebenleistung einzutragenden Grundschuld: Laufende Nummer

Deutsche Mark

300.000,00 in Worten:

– dreihunderttausend -

Die Grundschuld(en) nebst Zinsen und Nebenleistung dient/dienen zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Bankhaus Krumme AG gegen Herrn Matthias Vennhoff, Paul-Löbe-Weg 40, 50769 Köln Herrn Wolfgang Vennhoff, Sandstraße 154, 50127 Bergheim aus allen einzeln oder gemeinschaftlich begründeten Verbindlichkeiten aus der Geschäftsverbindung mit der Bankhaus Krumme AG, insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten, Darlehen jeder Art und Wechseln, sowie aus Wechseln, die von Dritten hereingegeben werden, Bürgschaften, Abtretungen oder gesetzlichem Forderungsübergang. 2. Verrechnungsabrede Zahlungen an die Bankhaus Krumme AG werden auf die gesicherten persönlichen Forderungen und nicht auf die Grundschuld(en) verrechnet. 3. Freigabe der Sicherheiten Sobald die Bankhaus Krumme AG wegen aller ihrer Ansprüche – auch bedingter oder befristeter – gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie – auf entsprechendes Verlangen – verpflichtet, ihre Rechte aus der/dem Grundschuld(en) freizugeben.

Ort, Datum, Unterschrift Sicherungsgeber

Ort, Datum, Bankhaus Krumme AG

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Anlage K4

Vollstreckbare Ausfertigung

Notar

Dr. Winfried Müller Köln-Mülheim Clevischer Ring 78 Telefon (0221) 67 98 65 + 67 98 66 Telefax (0221) 67 98 67

Nachstehende Wiedergabe stimmt mit der Urschrift vollständig überein und wird

der Bankhaus Krumme AG mit Sitz in München

als AUSFERTIGUNG zum Zwecke der ZWANGSVOLLSTRECKUNG erteilt. Köln, den 24.04.1995

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UR-Nr. 233/95 Grundschuld Verhandelt in Köln am 21. April 1995 vor dem Notar Dr. Winfried Müller mit Amtssitz in Köln-Mühlheim erschien(en) heute

a) Herr Matthias Vennhoff, Paul-Löbe-Weg 40, 50769 Köln, geb. 06.01.1963 in Erftstadt, ausgewiesen durch BPA 349599345D