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German Pages XIII, 153 [158] Year 2020
Andreas Gräßer
Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen Ein Kompendium 3. Auflage
Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen
Andreas Gräßer
Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen Ein Kompendium 3., durchgesehene Auflage
Andreas Gräßer Seeheim-Jugenheim Hessen, Deutschland
ISBN 978-3-658-31032-5 ISBN 978-3-658-31033-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2012, 2017, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Reinhard Dapper Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Für Studierende der Elektrotechnik, der Mechatronik und ähnlicher Studiengänge im Grund- und Hauptstudium. Überblick über die wichtigsten Verfahren, Verdeutlichung der Prinzipien und Zusammenhänge, Beschränkung auf das Wesentliche. Berücksichtigung numerischer Verfahren, die für die Analyse nichtlinearer Schaltungen unerlässlich sind. Derartige Verfahren sind auch die Grundlage von Schaltungssimulatoren. Das Kompendium enthält darüber hinaus auch einen „Crashkurs PSpice“. Dieser Kurs beinhaltet eine Kurzbeschreibung und eine Kurzbedienungsanleitung des bekannten Schaltungssimulators PSpice. Dabei wird eine kostenlos erhältliche Demo-Version zugrunde gelegt. Deutschland
Andreas Gräßer
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Vorwort zur ersten Auflage
Die Studierenden der Elektrotechnik und der Mechatronik an Hochschulen und Universitäten werden im Grund- und Hauptstudium mit vielen Analyseverfahren für elektrische Schaltungen konfrontiert, sei es in der Gleichstromtechnik, der Wechselstromtechnik, der Regelungstechnik oder ähnlichen Disziplinen. Dabei werden verschiedene Verfahren behandelt und die Studierenden verlieren manchmal den Überblick, wann welches Verfahren eingesetzt werden kann und wo die jeweiligen Grenzen, Besonderheiten und Verwandtschaften liegen. Dieses Buch soll in kurzer und prägnanter Form diesen Mangel beheben, das Verständnis und den Überblick fördern. Erstaunlicherweise werden in den meisten Elektrotechnik-Kursen und Elektrotechnik-Grundlagenbüchern immer die gleichen „klassischen“ Analyseverfahren sehr ausführlich behandelt. Numerische Verfahren, die für die Analyse nichtlinearer Schaltungen unerlässlich sind und die selbstverständlich auch die Grundlage für Schaltungssimulatoren bilden, werden dagegen meist ignoriert. Der Autor ist der Meinung, dass die numerischen Verfahren im Computerzeitalter zum elektrotechnischen Allgemeinwissen gehören sollten. Im vorliegenden Buch werden sie deshalb berücksichtigt. Die Kenntnis dieser Verfahren erleichtert beispielsweise die Anwendung von Simulationsprogrammen erheblich (die Wahl optimaler Simulationsparameter wird einfacher, Simulationsergebnisse können besser interpretiert werden usw.). Darüber hinaus können die beschriebenen numerischen Verfahren auch auf ganz andere Problemfelder übertragen und dort nutzbringend angewendet werden. Die beschriebenen numerischen Verfahren sind übrigens erstaunlich einfach zu verstehen. Um das Buch abzurunden, wird noch eine Kurzbeschreibung des bekannten Schaltungssimulators PSpice angefügt. Dabei wird erläutert, wie man sich die
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Vorwort zur ersten Auflage
Demoversion des Programms kostenlos beschaffen kann, was das Programm leistet und wie man es bedient. Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um vom vorliegenden Buch besonders zu profitieren? Wichtig ist, dass man sich schon mit den Grundlagen der Elektrotechnik und der Mathematik, wie sie im ersten Jahr an Hochschulen und Universitäten gelehrt werden, auseinandergesetzt hat. Die Berechnung einfacher Schaltungen mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes und der Kirchhoffschen Regeln sollte kein Problem sein. Die komplexe Rechnung, der Einsatz der komplexen Rechnung in der Wechselstromtechnik und die Fourier-Analyse sollten ebenfalls schon bekannt sein. Diese Dinge werden im Buch in den ersten vier Kapiteln kurz wiederholt, vertieft und vielleicht auch etwas anders dargestellt, um alles ein bisschen verständlicher zu machen. Nach dieser Wiederholung versucht der Autor durch sukzessive Erweiterungen dieser Verfahren den Studierenden die Fourier-Transformation und die Laplace-Transformation nahezubringen. Falls Studierende noch nichts von diesen Transformations-Verfahren gehört haben, sollte das kein Problem sein. In den letzten Kapiteln werden dann numerische Verfahren behandelt, auch da werden keine speziellen Vorkenntnisse erwartet. Woher nimmt der Autor nun die Berechtigung, ein solches Buch zu schreiben? Er war jahrelang an der Hochschule Darmstadt als Dozent im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik tätig und bildet sich deshalb ein, die Stärken, Schwächen und Nöte der Studierenden zu kennen. Er leitet daraus ab, dass er den Studierenden mit dem vorliegenden Buch helfen kann. Das Buch möchte der Autor übrigens Neo, seinem kleinen Enkel, widmen. Momentan wird Neo wohl noch nicht viel Interesse an dem Buch bekunden, aber das kann sich im Laufe der Zeit vielleicht ändern! Seeheim November 2011
Andreas Gräßer
Vorwort zur zweiten Auflage
Die zweite Auflage ist im Wesentlichen mit der ersten Auflage identisch. Allerdings sind einige Ergänzungen eingefügt worden. Dadurch soll die Verständlichkeit des Stoffes verbessert werden. Darüber hinaus sind etliche Korrekturen von inzwischen festgestellten Fehlern vorgenommen worden. Die zweite Auflage dieses Buches möchte ich meinen beiden kleinen Enkeln, Neo und Levi, widmen. Deren Interesse an der Analyse elektrischer Schaltungen hält sich zwar in Grenzen, aber vielleicht ändert sich das noch. Seeheim August 2017
Andreas Gräßer
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Inhaltsverzeichnis
1
Grundlegende Zusammenhänge und Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Bauelementegleichungen und Kirchhoffsche Regeln . . . . . . . . . . 1 1.3 Lineare- und nichtlineare Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.4 Instationäre- und stationäre Zustände, Transientenanalyse. . . . . . 4 1.5 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2
Lineare Schaltungen (Widerstände), gleichförmige Erregungen, Knotenpotenzial-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Knotenpotenzial-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.3 Erweiterung des Knotenpotenzial-Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), gleichfrequente sinusförmige Erregungen, stationäre Zustände, komplexe Rechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Sinusförmige Größen, komplexe Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3 Analyse im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.4 Anwendung der komplexen Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.6 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
XI
XII
Inhaltsverzeichnis
4
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige periodische Erregungen, stationäre Zustände, Fourier-Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.2 Fourier-Analyse, Superpositionsgesetz, komplexer Frequenzgang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.3 Entwicklung eines neuen Lösungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.4 Lösungspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.5 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
5
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Fourier-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.2 Erweiterung der Fourier-Analyse auf nichtperiodische Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.3 Fourier-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.4 Lösungsplan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.5 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
6
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Laplace-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6.2 Der Weg zur Laplace-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6.3 Laplace-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6.4 Lösungspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 6.5 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Euler-Verfahren. . . . . . . 93 7.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 7.2 Ersatzschaltbilder für Spule und Kondensator. . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.3 Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.4 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
8
Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden), gleichförmige Erregungen Newton-Rhapson-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 8.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 8.2 Schnittpunktmethode, Newton-Rhapson-Verfahren . . . . . . . . . . . 104
Inhaltsverzeichnis
8.3 8.4 9
XIII
Mathematische Formulierung des Newton-Rhapson-Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Nichtlineare Schaltungen (beliebige Bauelemente), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Euler- und Newton-Rhapson-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 9.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 9.2 Kombination von Euler- und Newton-Rhapson-Verfahren. . . . . . 113 9.3 Modellbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 9.4 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
10 Crashkurs PSpice. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 10.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 10.2 Daten, Fakten, Installation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 10.3 Schaltungseingabe und Netzliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 10.4 Simulation einer RC-Schaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 10.5 Simulation eines Transistorverstärkers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.6 Zusammenfassung und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
1
Grundlegende Zusammenhänge und Begriffe
1.1 Einführung In Kap. 1 werden einige der in den nächsten Kapiteln immer wieder benötigten Gleichungen, Regeln und Definitionen zusammengestellt. Dabei handelt es sich um eine Zusammenfassung und Wiederholung. Der Autor geht davon aus, dass der Leser sich mit diesen Grundlagen bereits auseinandergesetzt hat.
1.2 Bauelementegleichungen und Kirchhoffsche Regeln Die Bauelementegleichungen für Widerstände, Spulen, Kondensatoren und die Kirchhoffschen Regeln bilden die Grundlage jeder Schaltungsanalyse und sollen deshalb hier noch einmal aufgelistet werden. Idealer Widerstand (Ohmscher Widerstand R)
(1.1) Ideale Spule (Induktivität L)
(1.2) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_1
1
2
1 Grundlegende Zusammenhänge und Begriffe
Idealer Kondensator (Kapazität C)
(1.3) Kirchhoffsche Knotenregel K
ik = 0
(1.4)
k=1
Die Summe aller auf einen Knoten zu- und abfließenden Ströme ist Null. Bei der Summenbildung muss eine Vereinbarung getroffen werden, ob die zum Knoten fließenden Ströme oder die vom Knoten wegfließenden Ströme positiv bzw. negativ gewertet werden sollen. Kirchhoffsche Maschenregel K
uk = 0
(1.5)
k=1
Die Summe aller Spannungsabfälle in einem geschlossenen Maschenumlauf ist Null. Bei der Summenbildung muss eine Vereinbarung getroffen werden, welche Spannungs-Richtungen bei einem Umlauf positiv bzw. negativ gewertet werden sollen. Spannungs- und Strompfeile Wenn man eine Schaltungsanalyse mithilfe der Bauelementegleichungen und der Kirchhoffschen Regeln durchführt, muss man Spannungs- und Strompfeile für die gesuchten Größen und die zur Berechnung benötigten Hilfsgrößen in die Schaltung einfügen. In Abb. 1.1 sind die entsprechenden „Bepfeilungsregeln“ angedeutet. Bei Quellen sind Spannungs- und Strompfeile entgegengesetzt gerichtet anzugeben, ansonsten werden Spannungs- und Strompfeile immer gleichgerichtet angenommen. Die Ergebnisse einer Schaltungsanalyse sind dann folgendermaßen zu interpretieren:
3
1.3 Lineare- und nichtlineare Schaltungen uQ Zweige mit Quellen:
Zweige ohne Quellen:
uQ iQ
i
iQ
u oder
u
i
u
u
Abb. 1.1 Bepfeilungsregeln
Positive Ergebnisse: Die angenommenen Spannungs-/Stromrichtungen sind richtig Negative Ergebnisse: Die angenommenen Spannungs-/Stromrichtungen sind falsch
1.3 Lineare- und nichtlineare Schaltungen In diesem Buch werden häufig die Begriffe „linear“ und „nichtlinear“ verwendet. Deshalb erscheint es angebracht, diese Begriffe etwas zu verdeutlichen. Lineare Schaltungen Schaltungen werden als linear bezeichnet, wenn eine Änderung einer erregenden Größe eine entsprechende proportionale Änderung der von der erregenden Größe abhängigen Größen zur Folge hat. Das soll an Hand eines Beispiels in Abb. 1.2 verdeutlicht werden. In Abb. 1.2a ist eine Schaltung dargestellt, die aus einem Widerstand R und einem Kondensator C besteht, ein sogenanntes RC-Glied. Der Kondensator sei zum Zeitpunkt t = 0 ungeladen. Die Schaltung wird nun in einem ersten Gedankenexperiment mit einer Sprungfunktion ue(t 0: Sinus bzw. Kosinus ist nach links verschoben, zu früher Startpunkt, voreilender Sinus bzw. Kosinus (vgl. Diagramme oben) φ < 0: Sinus bzw. Kosinus ist nach rechts verschoben, zu später Startpunkt, nacheilender Sinus bzw. Kosinus Abb. 3.1 Sinus- und Kosinusfunktion
Wenn man diese beiden Gleichungen addiert und einige kleinere Umformungen vornimmt, erhält man den folgenden Ausdruck für eine Kosinusfunktion:
uˆ cos(ω t + φ) =
uˆ j(ω t+φ) (e + e−j(ω t+φ) ) 2
(3.1)
Über eine Subtraktion der beiden Eulerschen Gleichungen kann man zu einem entsprechenden Ausdruck für die Sinusfunktion gelangen. Nun eine zweite Bemerkung zur komplexen Rechnung. Sie bezieht sich auf Gleichungen, die aus Paaren komplexer Größen bestehen, bei denen die Paare aus jeweils einer komplexen Größe und der dazu konjugiert komplexen Größe gebildet werden. Derartige Gleichungen sind insgesamt nicht komplex, da die einzelnen Paare ja immer reelle Größen bilden (vgl. auch Gl. 3.1). Gleichungen dieser Art kann man immer in zwei komplexe Gleichungen aufspalten. Letzteres
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3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
soll durch Abb. 3.2 verdeutlicht werden (dort wird gezeigt, wie man Gl. 3 in die Gl. 1 und 2 aufspalten kann).
3.3 Analyse im Zeitbereich Zunächst soll an Hand eines Beispiels dargestellt werden, wie man eine Wechselstromanalyse ohne Anwendung der komplexen Rechnung durchführen könnte. Die Lösung wird allerdings nur grob angedeutet. Das Beispiel soll zeigen, dass eine klassische Analyse immer auf die Lösung einer Differentialgleichung führt und deshalb mit viel Aufwand verbunden ist. Diese Lösungsmethode wird auch als Analyse im Zeitbereich bezeichnet, sie wird dadurch von der Analyse mithilfe der komplexen Rechnung, der Analyse im komplexen Bereich, abgegrenzt. Beispiel LR-Glied i(t) ue(t) = ûe cos (ωt+φe)
L
0
u(t)
R
Gegeben: Die kosinusförmige Eingangsspannung mit ûe, ω, φe und die Bauelemente L, R
ua(t)
Gesucht: Die sich im stationären Zustand einstellende Ausgangsspannung ua(t)
Im
c
a
Gl.1 :
b
*
Re
b
*
*
c
*
*
*
Gl.2 : c = a + b −−−−−−−−−−−− Gl.3 :
a
c = a+b
*
*
c+c = a+a +b+b
Addieren der Gl.1 und Gl.2 zur Gl.3
Abb. 3.2 Rechnen mit konjugiert komplexen Größen
*
Aufspalten der Gl.3 in Gl.1 und Gl.2
3.3 Analyse im Zeitbereich
23
Lösung: Wegen Gültigkeit der Maschenregel (1.5) und der Bauelementegleichung (1.2) erhält man:
ue (t) = ua (t) + u (t)
bzw.
ue (t) = ua (t) + L
di(t) dt
ua (t) folgt: (3.2) R L dua (t) ue (t) = ua (t) + R dt Die Gl. (3.2) ist die systembeschreibende Differentialgleichung (DGL) des LR-Gliedes. Da für unsere Eingangsgröße ue (t) = uˆ e cos(ω t + φe ) gilt, müssen im stationären Zustand alle Spannungen und Ströme in der Schaltung ebenfalls kosinusförmige Verläufe annehmen, allerdings mit unterschiedlichen Amplituden und Phasen (vgl. Satz von der Erhaltung der Sinusform, Abschn. 3.2) Für die Ausgangsspannung muss also gelten: h. unsere Aufgabe reduziert sich auf die ua (t) = uˆ a cos(ω t + φa ). D. Bestimmung der Amplitude uˆ a und der Phase φa. Wenn man nun in Gl. (3.2) ue (t) = uˆ e cos(ω t + φe ) und ua (t) = uˆ a cos(ω t + φa ) einsetzt, erhält man: Mit
i(t) =
uˆ e cos(ω t + φe ) = uˆ a cos(ω t + φa ) −
L ω uˆ a sin(ω t + φa ) R
Mit Hilfe von Additionstheoremen kann man die links und rechts vom Gleichheitszeichen in obiger Gleichung stehenden Terme in die folgende Form überführen:
uˆ e cos φe cos ωt − uˆ e sin φe sin ωt = uˆ a cos φa cos ωt − uˆ a sin φa sin ωt − −
L ω uˆ a cos φa sin ωt R
L ω uˆ a sin φa cos ωt R
Diese Gleichung kann etwas geordnet werden:
(ˆue cos φe ) cos ω t − (ˆue sin φe ) sin ω t = L L (ˆua cos φa − ω uˆ a sin φa ) cos ω t − (ˆua sin φa + ω uˆ a cos φa ) sin ω t R R
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3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Über einen Koeffizientenvergleich können aus obiger Gleichung zwei neue Gleichungen gewonnen werden (die jeweiligen Klammerausdrücke vor cosω t und sinω t müssen identisch sein!):
L ω uˆ a sin φa R L uˆ e sin φe = uˆ a sin φa + ω uˆ a cos φa R
uˆ e cos φe = uˆ a cos φa −
Damit erhalten wir zwei Gleichungen mit den zwei unbekannten Größen uˆ a und ϕa. Diese Größen können unter Zuhilfenahme von Additionstheoremen und von diversen trigonometrischen Formeln mühsam berechnet werden, man erhält schließlich:
uˆ e uˆ a = 2 1 + ωRL φa = φe − arctan
ωL R
Die Differenz φa − φe wird als Phasenverschiebung zwischen ue (t) und ua (t) bezeichnet. In unserem Beispiel ergibt sich φa − φe = − arctan(ωL/R) . Wir haben nun uˆ a und ϕa berechnet. Damit ist die Ausgangsspannung vollständig bestimmt, sie muss ja aufgrund der vereinbarten Voraussetzungen genau wie die Eingangsspannung kosinusförmig verlaufen und sie muss die Amplitude uˆ a und die Phase φa aufweisen. Wir können also schreiben:
uˆ e ωL ua ( t) = ω L 2 cos (φe − arctan R ) 1+ R Wenn man im Beispiel oben als erregende Größe statt ue (t) = uˆ e cos(ω t + φe ) die Sinusfunktion ue (t) = uˆ e sin(ω t + φe ) gewählt hätte, müsste die Ausgangsspannung einen sinusförmigen Verlauf mit der Amplitude uˆ a und der Phase φa aufweisen. Die Ausgangsspannung hätte dann also folgenden Verlauf:
uˆ e ωL ua ( t) = ω L 2 sin (φe − arctan R ) 1+ R Der Leser, der versucht hat, den oben angedeuteten Lösungsweg nachzuvollziehen, wird sicherlich mit dem Autor übereinstimmen: Die Analyse im Zeit-
3.4 Anwendung der komplexen Rechnung
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bereich ist mit einem unzumutbar großem Rechenaufwand verbunden. Man muss also nach besseren Lösungsmöglichkeiten Ausschau halten. Ein entsprechender Ansatz wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. ◄
3.4 Anwendung der komplexen Rechnung Wir wollen wieder die Beispielsschaltung aus Abschn. 3.3 (LR-Glied) aufgreifen. Im vorangegangenen Abschnitt wurde die systembeschreibende DGL (3.2) abgeleitet, sie lautete:
ue (t) = ua (t) +
L dua (t) R dt
Für ue (t) und ua (t) wollen wir nun die Kosinusfunktion in der Form gemäß Gl. (3.1) benützen:
ue (t) = uˆ e cos(ω t + φe ) =
uˆ e j(ω t+φe ) (e + e−j(ω t+φe ) ) 2
(3.3)
ua (t) = uˆ a cos(ω t + φa ) =
uˆ a j(ω t+φa ) (e + e−j(ω t+φa ) ) 2
(3.4)
In der systembeschreibenden DGL werden jetzt die Größen ue (t) und ua (t) durch die rechten Terme der Gl. (3.4) und (3.5) ersetzt. Damit erhält man:
uˆ e j(ω t+φe ) + e−j(ω t+φe ) ) (e 2 uˆ a uˆ a L d(ej(ω t+φa ) + e−j(ω t+φa ) ) = (ej(ω t+φa ) + e−j(ω t+φa ) ) + 2 2 R dt Nun kann die Differentiation nach der Zeit durchgeführt werden, man erhält:
uˆ a uˆ e j(ω t+φe ) + e−j(ω t+φe ) ) = (ej(ω t+φa ) + e−j(ω t+φa ) ) (e 2 2 uˆ a L + (jω ej(ω t+φa ) − jω e−j(ω t+φa ) ) 2 R Die Differentiation nach der Zeit geht hier offensichtlich in eine einfache Multiplikation mit +jω bzw. −jω über.
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3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Die obige Gleichung kann mit 2 multipliziert werden, man kann t = 0 setzen und man kann ω vor die rechte Klammer „ziehen“. Dadurch erhält man die nächste Gleichung:
uˆ e (ejφe + e−jφe ) = uˆ a (ejφa + e−jφa ) + uˆ a
ωL ( j ejφa − j e−jφa ) R
(3.5)
Das Verschwinden der Zeit in der Gl. (3.5) ist kein schwerwiegender Informationsverlust. Gemäß der getroffenen Voraussetzungen gilt ja der Satz von der Erhaltung der Sinusform (vgl. Abschn. 3.2). Wir benötigen zur Spezifizierung der Ausgangsgröße also nur uˆ a und φa. Gl. (3.5) besteht aus Paaren von komplexen Größen und den dazu konjugiert komplexen Größen. Man erkennt diesen Sachverhalt, wenn man j = ej(π/2) und −j = e−j(π/2) setzt und die multiplikativ verknüpften Exponentialfunktionen zusammenfasst. Gemäß Abb. 3.2 kann die Gleichung deshalb in zwei Gleichungen aufgespalten werden:
uˆ e ejφe
jωL jφa e R
(3.6)
jωL −jφa e R
(3.7)
= uˆ a ejφa + uˆ a
uˆ e e−jφe = uˆ a e−jφa − uˆ a
Wir wollen nur die Gl. (3.6) weiter verfolgen. Gl. (3.7) benötigen wir nicht mehr. Gl. (3.6) wird zunächst nach uˆ a ejφa aufgelöst, man erhält:
uˆ a ejφa =
uˆ e ejφe 1+
jωL R
Die komplexe Größe im Nenner der rechten Seite obiger Gleichung wird nun in die Exponentialform gewandelt:
uˆ e ejφe uˆ a ejφa = 2 j arctan e 1 + ωL R
ωL R
Nach einigen weiteren Umformungenuˆergibt sich: e j(φe −arctan uˆ a ejφa = ωL 2 e 1+ R
ωL ) R
3.4 Anwendung der komplexen Rechnung
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Aus der letzten Gleichung können über einen Koeffizientenvergleich uˆ a und φa ermittelt werden (die vor den Exponentialfunktionen stehenden Größen sowie die im Argument der Exponentialfunktionen hinter dem j stehenden Größen müssen identisch sein, damit die Gleichung „aufgeht“). Man kann also „ablesen“:
uˆ e uˆ a = 2 , 1 + ωL R
φa = φe − arctan
ωL R
bzw.
uˆ e ωL ua ( t) = ω L 2 cos (φe − arctan R ) 1+ R Der Aufwand, um zur Lösung zu gelangen, erscheint zunächst wieder hoch. Aber man kann den Rechenweg stark vereinfachen! Wenn man nämlich in der systembeschreibenden DGL (3.2) ue (t) und ua (t) sofort durch die komplexen Größen ue = uˆ e ejφe und ua = uˆ a ejφa ersetzt und statt des Operators d/dt gleich die komplexe Größe jω einträgt, kommt man sofort, ohne Umweg, zu der Gl. (3.6). Der Leser sollte es ausprobieren! Wie kommt das? In der ursprünglichen Rechnung wurden für ue (t) und ua (t) die auf der rechten Seite der Gl. (3.3) und (3.4) stehenden Terme eingesetzt. Im Verlauf der Rechnung wurde dann aber der Faktor 1/2 „herausmultipliziert“, es wurde t = 0 bzw. ωt = 0 gesetzt und nur die komplexe Gl. (3.6) wurde weiterverfolgt, Gl. (3.7) wurde nicht mehr berücksichtigt (damit verschwanden alle konjugiert komplexen Terme). Beim vereinfachten Ansatz werden diese Operationen sozusagen vorgezogen. Letzteres gilt auch für die Ableitung der Ausgangsgröße nach der Zeit. In der ursprünglichen Rechnung wurde diese Ableitung explizit durchgeführt. Wegen des Ersatzes der Kosinusfunktion durch Exponentialfunktionen und wegen der „Nichtberücksichtigung“ der konjugiert komplexen Terme kann diese Ableitung als eine Multiplikation mit jω interpretiert werden. Beim vereinfachten Ansatz verschwindet die Zeitabhängigkeit schon am Anfang des Rechenweges, aber die Differentiation muss trotzdem berücksichtigt werden. Das kann dadurch geschehen, dass man d/dt in der Gl. (3.2) einfach durch jω ersetzt. Durch diese vorgezogenen Operationen vereinfacht sich der Rechenweg offensichtlich beträchtlich!
28
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne Im vorigen Abschnitt wurde ein Weg zur Vereinfachung der Analyse von Wechselstromschaltungen aufgezeigt. Dieser Weg wird jetzt noch einmal in einer schematisierten und verallgemeinerten Form dargestellt (Lösungsplan 1). Anschließend wird eine Variante dieses Lösungsplans aufgezeigt und ebenfalls wieder in einer schematisierten Form abgebildet (Lösungsplan 2). Bevor die Lösungspläne erläutert werden, soll aber unsere Problemstellung noch einmal präzisiert werden, vgl. Abb. 3.3. Lösungsplan 1 Der Lösungsplan ist in Abb. 3.4 dargestellt und sollte nach der Lektüre des vorangegangenen Abschnittes verständlich sein. Einige ergänzende Bemerkungen zum Plan sind aber sicherlich hilfreich. Gemäß Plan muss zunächst die systembeschreibende DGL der in Betracht gezogenen Schaltung aufgestellt werden. Die systembeschreibende DGL für ein lineares Übertragungsglied hat die folgende Form: ue (t) ist die Eingangsgröße, ua (t) die Ausgangsgrößen der Schaltung. Die
a1 ue (t) + a2
due (t) d 2 ue (t) dua (t) d 2 ua (t) + · · · = b u (t) + b b + ··· + a3 + 1 a 2 3 dt dt 2 dt dt 2 (3.8)
Koeffizienten a1, a2, a3, …, b1, b2, b3, … hängen von der Struktur der Schaltung ab. Je nach Schaltung kann die DGL von erster oder höherer Ordnung sein.
Gegebene Eingangsgröße:
ue (t ) = uˆ e sin(ω t + ϕ e ) bzw. ue (t ) = uˆ e cos(ω t + ϕ e )
Gesuchte Ausgangsgröße:
u a (t ) = ?
Lineares Übertragungsglied (= lineare Schaltung mit einer Eingangsund einer Ausgangsgröße) stationärer Zustand, sinusförmige Erregung (die Elemente der Schaltung R, L, C sind bekannt!)
Wegen der in der „Box“ oben aufgelisteten Voraussetzungen ist die gesuchte Ausgangsgröße sinusbzw. kosinusförmig, die Analyse kann sich deshalb auf die Ermittlung der Amplitude und der Phase der Ausgangsgröße beschränken!
Abb. 3.3 Problemstellung, Analyse von Wechselstromschaltungen
3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne
29
Eingangsgröße:
Gesuchte Ausgangsgröße:
u e (t ) = uˆ e sin( ω t + ϕ e )
u a (t ) = uˆ a sin( ω t + ϕ a )
bzw. u e (t ) = uˆ e cos( ω t + ϕ e )
bzw. u a (t ) = uˆ a cos( ω t + ϕ a )
Systembeschreibende DGL der in Betracht gezogenen Schaltung:
du e d 2ue + a3 + ⋅⋅ = dt dt 2 2 du d ua b1u a + b2 a + b3 + ⋅⋅ dt dt 2 a1u e + a 2
Zeitbereich Rücktransformation
Transformation Komplexer Bereich Transformierte DGL:
a1 u e + a 2 jω u e + a3 ( jω ) u e + ⋅⋅ =
Gesuchte Ausgangsgröße:
2
b1 u a + b2 jω u a + b3 ( jω ) u a + ⋅ ⋅ 2
u a = G ( jω ) u e = uˆ a e jϕ a
mit
u e = uˆe e jωϕe , u a = uˆ a e jωϕa
u a bzw. G( jω ) berechnen Das geht sehr einfach, die systembeschreibende DGL ist ja durch die Transformation in den komplexen Bereich in eine einfache algebraische Gleichung übergegangen!
Abb. 3.4 Analyse von Wechselstromschaltungen, Lösungsplan 1
Anschließend wird die DGL aus dem Zeitbereich in den komplexen Bereich transformiert. Aus dem Beispiel in Abschn. 3.4, mit dessen Hilfe die komplexe Rechnung abgeleitet worden ist, ergibt sich die Transformationsvorschrift: Summen bzw. Differenzen bleiben erhalten, die Größen ue (t), ua (t) sowie der Operator d/dt
30
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
müssen durch ue = uˆ e ejφe, ua = uˆ a ejφa und jω ersetzt werden. Falls die systembeschreibende DGL von höherer Ordnung ist, müssen wegen der besonderen „Ableitungseigenschaften“ der Exponential-funktionen (d n /dt n ejωt = (jω)n ejωt, n = 1, 2, …) auch noch die Operatoren d 2 /dt 2, d 3 /dt 3 … durch (jω)2, (jω)3 … ersetzt werden. Im komplexen Bereich „mutiert“ die DGL zu einer einfachen algebraischen Gleichung. Der Zusammenhang zwischen ua und ue kann nun leicht ermittelt werden, er hat die Form ua = G(jω) ue. Dabei ist G(jω) ein komplexer Proportionalitätsfaktor. Die Bestimmung von ua ist also offensichtlich gleichbedeutend mit der Bestimmung von G(jω). Der Faktor G(jω) wird auch als komplexer Frequenzgang bezeichnet. Dieser Faktor ist von großer Bedeutung, in ihm ist die Struktur der in Betracht gezogenen Schaltung (sozusagen in codierter Form) enthalten. Näheres dazu in Kap. 4. Die im komplexen Bereich ermittelte Ausgangsgröße ua muss nach Betrag uˆ a und Phase φa aufgelöst werden. Dann kann man kann die Ausgangsgröße im Zeitbereich sofort angegeben. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Rücktransformation aus dem komplexen Bereich in den Zeitbereich. Der Lösungsplan soll nun noch durch ein Beispiel verdeutlicht werden. Beispiel R1LR2-Glied iL iR1 ue(t) = ûe sin (ωt+φe)
iR2 Gegeben: Die sinusförmige Eingangsspannung mit ûe, ω, φe und die Bauelemente L, R1, R2
0
R1
L
R2
ua(t)
Gesucht: Die sich im stationären Zustand einstellende Ausgangsspannung ua(t)
Lösung: Schritt 1, Aufstellen der systembeschreibenden DGL Mithilfe der Bauelementegleichungen und der Kirchhoffschen Regeln (vgl. Kap. 1) können die folgenden Gleichungen aufgestellt werden:
3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne
31
ue = R1 iR1 + ua bzw.
ue = R1 (iL + iR2 ) + ua ua bzw. iR2 = R2 ˆ 1 ua dt bzw. iL = L
ua = R2 iR2 ua = L
diL dt
Wenn man im obigen Gleichungssystem die zweite und dritte Gleichung in die erste Gleichung „einbaut“, erhält man: ˆ ua 1 ue = R1 ( ua dt + ) + ua L R2 Über eine Differentiation nach der Zeit und einige kleinere Umformungen erhält man dann schließlich die systembeschreibende DGL: R1 + R2 dua R1 due = ua + dt L R2 dt Schritt 2, Transformation in den komplexen Bereich R1 + R2 R1 jω ue = jω ua ua + L R2 Schritt 3, Rechnen im komplexen Bereich Aus der obigen Gleichung kann uasofort berechnet werden, man erhält nach einigen kleineren Umformungen:
ua = G(jω) ue =
R1 +R2 R2
1 ue R1 − j ωL
(3.9)
Wenn man nun für ua , ue die Ausdrücke uˆ a ej φa , uˆ e ejφe einsetzt und die komplexe Größe im Nenner der letzten Gleichung noch in die Exponentialform überführt, ergibt sich der folgende Ausdruck:
uˆ a ej φa = uˆ a ej φa =
uˆ e ej φe 2 2 R R2 −j arctan ωL(R1 +R R1 R1 +R2 ) 1 2 + ωL e R2
R1 +R2 R2
uˆ e 2
+
R 2 1 ωL
e
R R2 j φe +arctan ωL(R1 +R 1 2)
bzw.
32
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Mittels eines Koeffizientenvergleichs können nun Amplitude und Phase der gesuchten Ausgangsgröße sofort angegeben werden: uˆ e R1 R2 uˆ a = , φ = φ + arctan a e 2 2 ωL(R1 + R2 ) R1 +R2 R1 + R2 ωL Schritt 4, Rücktransformation in den Zeitbereich Gemäß Transformationsvorschrift (vgl. Lösungsplan) ergibt sich:
R1 R2 uˆ e sin φ + arctan ua (t) = e 2 2 ωL(R1 + R2 ) ◄ R1 R1 +R2 + R2 ωL Lösungsplan 2 Die Probleme beim Rechnen im Zeitbereich (vgl. Abschn. 3.3) sind auf die Bauelementegleichungen von Spule (Gl. 1.2) und Kondensator (Gl. 1.3) zurückzuführen. Diese Bauelemente werden durch „kleine“ Differentialgleichungen beschrieben. Bei der Analyse einer Schaltung mit derartigen Bauelementen taucht deshalb immer eine DGL auf und die Lösung einer solchen Gleichung ist bekanntlich umständlich und schwierig. Deshalb macht der Umweg über den komplexen Bereich Sinn. Beim Lösungsplan 1 wurde die gesamte systembeschreibende DGL in den komplexen Bereich transformiert und dadurch wieder in eine leicht zu handhabende algebraische Gleichung umgewandelt. Eine andere Möglichkeit (Lösungsplan 2) besteht darin, die Bauelementegleichungen für Widerstand, Spule und Kondensator von vornherein in den komplexen Bereich zu transformieren. Dadurch gehen die DGLs für Spule und Kondensator (wegen d/dt → jω) in algebraische Gleichungen über und erhalten eine dem Ohmschen Gesetz ähnliche Form. Man kann dann im komplexen Bereich mit einem verallgemeinerten Ohmschen Gesetz rechnen. Selbstverständlich können im komplexen Bereich auch die Kirchhoffschen Gesetze angewendet werden, da ja bei der Transformation vom Zeit- in den komplexen Bereich Summen bzw. Differenzen erhalten bleiben. Somit können alle Methoden und Regeln der Gleichstromtechnik (z. B. Spannungsteilerformel, Knotenpotenzial-Verfahren) wie üblich angewendet werden. Der einzige Unterschied: Man muss immer mit komplexen Größen hantieren! Zur Verdeutlichung dieses Weges sollen Abb. 3.5 (Korrespondenztabelle) und Abb. 3.6 (Lösungsplan 2) dienen.
33
3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne
Zeitbereich
Komplexer Bereich
u (t ) i (t )
u = uˆ e jω ϕ i = iˆe jω ϕ
jω
d / dt 2
2
3
3
d / dt d / dt
( jω ) 2 ( jω )3
…
…
u = Ri u = L di dt i = C du dt
u = (R ) i u = ( jω L ) i
i = ( jω C ) u bzw.
u = (1 jω C ) i
Verallgemeinertes Ohmsches Gesetz:
u =Zi Z bzw. Y = 1 / Z : Widerstand bzw. Leitwert im komplexen Bereich.
Z R = R bzw. Z L = jωL bzw. Z C = 1 / jωC : Ohmscher Widerstand bzw. Spule bzw. Kondensator im komplexen Bereich. K
∑u k =1
k
K
∑i k =1
k
(t ) = 0
(t ) = 0
K
∑u k =1
k
K
∑i k =1
k
=0 =0
Abb. 3.5 Korrespondenztabelle Zeitbereich ↔ komplexer Bereich
In Abb. 3.5 sind Spannung und Strom, der Differentialoperator, die Bauelementegleichungen sowie die Kirchhoffschen Regeln im Zeitbereich und in transformierter Form im komplexen Bereich nebeneinander gestellt. Man bezeichnet eine solche Zusammenstellung als Korrespondenztabelle. Mit Hilfe von Abb. 3.5 soll auch das schon oben erwähnte verallgemeinerte Ohmsche Gesetz verdeutlicht werden.
34
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Eingangsgröße:
Gesuchte Ausgangsgröße:
u e (t ) = uˆ e sin( ω t + ϕ e )
u a (t ) = uˆ a sin( ω t + ϕ a )
bzw. u e (t ) = uˆ e cos( ω t + ϕ e )
bzw. u a (t ) = uˆ a cos( ω t + ϕ a ) Zeitbereich
Transformation
Rücktransformation Komplexer Bereich
Transformierte Schaltung:
Gesuchte Ausgangsgröße:
u e = uˆ e e jϕe , u a = uˆ a e jϕ a , ⋅ ⋅ R,
j ωL , 1 / j ω C ⋅ ⋅ ⋅
u a = G ( jω ) u e = uˆ a e jϕ a
u a bzw. G ( jω ) berechnen Unter Zuhilfenahme der Knotenund Maschenregel sowie des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes
Abb. 3.6 Analyse von Wechselstromschaltungen, Lösungsplan 2
In Abb. 3.6 ist der neue Lösungsweg bzw. Lösungsplan wieder in schematisierter Form dargestellt. Man erkennt, dass bei diesem Lösungsweg quasi die gesamte Schaltung transformiert wird, unter Einschluss aller Systemgrößen und Bauelemente. Anschließend wird noch ein Beispiel angeführt, um möglichst alle Unklarheiten zu beseitigen. Als Beispiel wollen wir nun noch einmal das R1LR2-Glied aufgreifen, das bereits zur Verdeutlichung von Lösungsplan 1 diente.
3.5 Vereinfachte Vorgehensweise, Lösungspläne
35
Beispiel R1LR2-Glied iL iR1
iR2
ue(t) = ûe sin (ωt+φe)
Gegeben: Die sinusförmige Eingangsspannung mit ûe, ω, φe und die Bauelemente L, R1, R2
0
R1 L
R2
ua(t)
Gesucht: Die sich im stationären Zustand einstellende Ausgangsspannung ua(t)
Lösung: Schritt 1, Transformieren der gesamten Schaltung in den komplexen Bereich Die transformierte Schaltung unterscheidet sich von der ursprünglichen Schaltung dadurch, dass alle Bauelemente durch ihren komplexen Widerstand charakterisiert sind und dass alle Systemgrößen als komplexe Größen auftreten.
iL
i R2
i R1 R1 ue
0
jω L
R2
ua
Schritt2, Rechnen im komplexen Bereich Die transformierte Schaltung kann jetzt wie eine Gleichstromschaltung behandelt werden. Das bedeutet insbesondere, dass man auf alle Bauelemente (also auch für den Energiespeicher Spule) das verallgemeinerte Ohmsche Gesetz anwenden kann und dass keine DGL auftritt. Die Berechnung der Ausgangsgröße kann nun sehr einfach vonstatten gehen. Man stellt zunächst mithilfe der Kirchhoffschen Regeln und dem verallgemeinerten Ohmschen Gesetz folgende Gleichungen auf:
ue = R1 (iL + iR2 ) + ua ua = R2 iR2 ua = jωL iL
ua R2 1 u bzw. iL = jωL a
bzw. iR2 =
36
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Wenn man im obigen Gleichungssystem die zweite und dritte Gleichung in die erste Gleichung einsetzt, erhält man:
ue = R1 (
u 1 ua + a ) + ua jωL R2
Aus dieser Gleichung gewinnt man sofort die nächsten Gleichungen:
ua = G(jω) ue =
R1 jωL
1 ue = 2 + R1R+R 2
R1 +R2 R2
1 ue R1 − j ωL
Die letzte Gleichung ist identisch mit Gl. (3.9), vgl. das Beispiel zum Lösungsplan 1. Der weitere Lösungsweg kann dort nachgelesen werden. Da die transformierte Schaltung wie eine Gleichstromschaltung behandelt werden kann, ist auch ein anderer Rechenweg möglich. Die Schaltung hat ja die Form eines Spannungsteilers mit den komplexen Widerständen Z LR2 und Z R1:
Z LR2 =
1 = Y L + Y R2
1 jωL
1 +
1 R2
,
Z R1 = R1
Über die Spannungsteilerformel kann man dann sofort den Zusammenhang zwischen ua und ue angeben, es gilt: 1
Z LR2 ua = u = Z LR2 + Z R1 e
1 + R1 jωL 2
1 1 + R1 jωL
+ R1
2
ue =
1 R1 jωL
+
R1 R2
+1
ue
Mittels einer kleinen Umformung kommt man dann wieder auf eine Gleichung, die identisch mit Gl. (3.8) ist:
ua = G(jω) =
R1 +R2 R2
1 ue R1 − j ωL
Die weitere „Rechnerei“ kann den Ausführungen zu Lösungsplan 1 entnommen werden, hier nur das Ergebnis: uˆ e R1 R2 uˆ a = , φ = φ + arctan a e 2 2 ωL(R1 + R2 ) R1 +R2 R1 + R2 ωL
3.6 Zusammenfassung und Ergänzungen
37
Schritt 3, Rücktransformation in den Zeitbereich R1 R2 uˆ e sin φ + arctan ua (t) = e 2 2 ωL(R1 + R2 ) R1 R1 +R2 + R2 ωL Damit ist die Aufgabe gelöst! ◄
3.6 Zusammenfassung und Ergänzungen In Kap. 3 wird die Anwendung der komplexen Rechnung in der Wechselstromtechnik ausführlich erläutert. Mithilfe dieses Verfahrens können lineare Schaltungen bei sinusförmiger Erregung und bei ausschließlicher Betrachtung des stationären Zustandes analysiert werden. Es wird dargestellt, dass durch den Trick mit der komplexen Rechnung die im Zeitbereich auftretenden Probleme (man muss Differentialgleichungen lösen!) vermieden werden. Darüber hinaus wird demonstriert, dass bei der Schaltungsanalyse im komplexen Bereich die Kirchhoffschen Regeln und ein verallgemeinertes Ohmsches Gesetz gelten. Damit können alle in der Gleichstromtechnik üblichen Regeln und Analyseverfahren (z. B. das Knotenpotenzial-Verfahren) übernommen werden. Hier noch ein paar Hinweise und Ergänzungen: In diesem Kompendium werden sinusförmige Spannungen und Ströme über Amplituden und Phasen charakterisiert. Die Transformationsvorschrift für den Übergang vom Zeit- in den komplexen Bereich lautet deshalb: u(t) → u = uˆ ejφ bzw. i(t) → i = ˆiejφ. In der Wechselstromtechnik interessiert man sich dagegen mehr für Effektivwerte, deshalb wird dort die folgende Variante der obigen Transformationsvorschrift verwendet: u(t) → U = U ejφ bzw. i(t) → I = Iejφ. Dabei sind U und I die Effektivwerte von Spannung und Strom. Da Amplituden und Effektivwerte bei sinusförmigen Größen über die linearen Beziehungen √ √ U = uˆ / 2, I = ˆi/ 2 verknüpft sind, ist es ziemlich egal, welche Transformationsvorschrift man verwendet (nur beim Übergang in den Zeitbereich muss evtl. ein Effektivwert in eine Amplitude umgerechnet werden!). Es sollte hier auch noch erwähnt werden, dass man in der Wechselstromtechnik die in den Lösungsplänen 1 und 2 vorgeschriebenen Transformationen und Rücktransformationen normalerweise gar nicht ausführt, man verbleibt im komplexen Bereich. D. h. es werden Effektivwerte und Phasen von erregenden Größen vorgegeben. Daraus kann man Effektivwerte und Phasen von gesuchten Größen direkt im komplexen Bereich ermitteln.
38
3 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Es soll hier ebenfalls noch erwähnt werden, dass man die in einer Schaltung auftretenden Spannungen und Ströme in transformierter Form in der komplexen Ebene als Zeiger darstellen kann. Damit gewinnt man sogenannte Zeigerdiagramme. An Hand derartiger Diagramme können die unterschiedlichen Amplituden bzw. Effektivwerte und Phasen der verschiedenen Größen veranschaulicht werden. Auch komplexe Widerstände sowie komplexe Leitwerte können als Zeiger in der komplexen Ebene dargestellt werden. Jetzt noch ein paar Hinweise: In den Kap. 3 bis 6 werden der Einfachheit halber ausschließlich lineare Übertragungsglieder (lineare Schaltungen mit einer Eingangs- und einer Ausgangsgröße) in Betracht gezogen. Als Ein- und Ausgangsgrößen sind in den Lösungsplänen immer Spannungen angegeben, aber diese Größen stehen dabei stellvertretend für beliebige Ein- oder Ausgangsgrößen, d. h. nicht nur für Spannungen, sondern auch für Ströme. Alle Lösungspläne, die in den Kap. 3 bis 6 vorgestellt werden, können übrigens leicht erweitert werden, sodass sie auch die Analyse von Schaltungen mit mehreren Ein- und/oder Ausgangsgrößen gestatten.
4
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige periodische Erregungen, stationäre Zustände, Fourier-Analyse
4.1 Einführung In Kap. 4 werden wieder lineare Schaltungen mit Energiespeichern (Spulen und Kondensatoren) im stationären Zustand in Betracht gezogen. Allerdings werden diesmal beliebige periodische Erregungen zugelassen. Letztere können mithilfe einer Fourier-Analyse auf sinusförmige Bestandteile zurückgeführt werden. Die Einflüsse der einzelnen sinusförmigen Bestandteile auf die Ausgangsgröße können recht einfach mithilfe der komplexen Rechnung unter Einbeziehung des komplexen Frequenzgangs ermittelt werden. Wegen Gültigkeit des Superpositionsgesetzes (vgl. Abschn. 4.2) kann man dann die Ausgangsgröße über eine einfache Summenbildung bestimmen. Dem Leser dieses Kompendiums sollte die Fourier-Analyse schon bekannt sein, aber eine kurze Wiederholung ist sicherlich sinnvoll. Anschließend folgen noch einige Bemerkungen zum komplexen Frequenzgang, danach wird das hier angedeutete Lösungsverfahren detailliert beschrieben.
4.2 Fourier-Analyse, Superpositionsgesetz, komplexer Frequenzgang Die Fourier-Synthese und -Analyse sind für das Verständnis vieler technischer Zusammenhänge und Analyseverfahren von außerordentlicher Bedeutung. Deshalb im Folgenden die bereits in der Einführung versprochene Wiederholung. Anschließend folgen, wie ebenfalls schon angekündigt, noch einige Bemerkungen zum komplexen Frequenzgang.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_4
39
40
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Fourier-Analyse Der Mathematiker Fourier hat nachgewiesen, dass durch die Addition einer Gleichgröße (Sinusgröße mit der Kreisfrequenz 0), einer Grundschwingung (Sinusgröße mit der Kreisfrequenz ω1) und Oberschwingungen (Sinusgrößen mit den Kreisfrequenzen 2ω1, 3ω1, 5ω1 usw.) beliebige periodische Größen mit der Kreisfrequenz ω1 „konstruiert“ werden können. Dieses Konstruktionsverfahren wird Fourier-Synthese genannt. Die Amplituden und Phasen der einzelnen Sinusgrößen bestimmen die Form der so zusammengesetzten periodischen Größe. Um dieses Prinzip zu verdeutlichen, wird in Abb. 4.1 dargestellt, wie man durch Addition von nur drei Sinusschwingungen mit den Kreisfrequenzen ω1, 3ω1 und 5ω1 eine angenäherte Rechteckimpulsfolge erzeugen kann. Wenn man noch weitere Oberschwingungen mit den richtigen Frequenzen und Amplituden berücksichtigen könnte, würde die Rechteckimpulsfolge immer perfekter. Wenn es möglich ist, beliebige periodische Größen über eine Fourier-Synthese zu erzeugen, muss auch der umgekehrte Weg möglich sein, nämlich das Zerlegen einer beliebigen periodischen Größe in eine Gleichgröße, eine Grundschwingung und Oberschwingungen. Eine derartige Zerlegung wird Fourier-Analyse genannt. Die Fourier-Analyse besteht also darin, für eine bestimmte Schwingungsform die Gleich-größe U0 sowie die Amplituden uˆ n und die Phasen ϕn der Grundschwingung (n = 1) und der Oberschwingungen (n = 2, 3, ….) zu ermitteln. Im Folgenden werden die dazu nötigen Formeln, die der Mathematiker Fourier ermittelt hat, angegeben. Auf eine Ableitung dieser Formeln wird verzichtet. Fourier-Reihe, Kosinusform ( n = 1, 2, · · · , ∞ )
u(t) 1V
t
u (t ) = 1 V sin ω1 t + 0,33 V sin 3ω1 t + 0,2 V sin 5ω1 t
Abb. 4.1 Fourier-Synthese, Erzeugung einer angenäherten Rechteckimpulsfolge
4.2 Fourier-Analyse, Superpositionsgesetz, komplexer Frequenzgang
u(t) = U0 +
∞
uˆ n cos(n ω1 t + ϕn )
41
(4.1a)
n=1,2,··
mit
T
1 U0 = T
ˆ+ 2
u(t)dt
− T2
uˆ n = an2 + bn2 ,
an =
2 T
ϕn = − arctan
bn an
+ T2
ˆ
u(t) cos(nω1 t)dt,
bn =
− T2
(4.1b) + T2
2 T
ˆ
u(t) sin(nω1 t)dt
− T2
In der Fourier-Reihe Gl. (4.1a) und (4.1b) können statt der Kosinusglieder auch Sinusglieder eingesetzt werden. Dann muss die oben angegebene Bestimmungsgleichung für ϕn entsprechend geändert werden. Man kann die Fourier-Reihe auch als Summe von Kosinus- und Sinusgliedern darstellen. Eine weitere Möglichkeit der Formulierung der Fourier-Reihe besteht darin, dass man mittels der Eulerschen Formeln die Kosinusglieder in Gl. (4.1a) und (4.1b) durch komplexe Exponentialfunktionen ausdrückt, vgl. Gl. (3.1). Wenn man dies tut und noch einige Umrechnungen vornimmt, erhält man die Fourier-Reihe in einer komplexen Form. Diese Form der Fourier-Reihe ist zunächst recht unanschaulich, sie wird aber häufig benützt, da sie sehr kompakt ist und mathematisch gut ausgewertet werden kann. Deshalb soll sie hier auch angeführt werden. Fourier-Reihe, komplexe Form (n = 0, ±1, ±2, . . . , ±∞)
u(t) =
+∞ n=−∞
un ej n ω1 t
(4.2a)
42
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
mit
T
1 un = T
ˆ+ 2
u(t)e−j n ω1 t dt
(4.2b)
− T2
Auf ein Beispiel zur Fourier-Analyse bzw. Fourier-Reihenentwicklung soll hier verzichtet werden. In den einschlägigen Mathematik- und Elektrotechnik – Büchern sind die Reihenentwicklungen für die wichtigsten periodischen Funktionen (Rechteck-, Dreieck-, Sägezahnimpulsfolgen usw.) aufgelistet, man muss also nur in den seltensten Fällen selber rechnen. Superpositionsgesetz In diesem Kapitel werden nur lineare Schaltungen in Betracht gezogen. In Abschn. 1.3 wird erläutert, was eine lineare Schaltung charakterisiert. Hier soll noch angefügt werden, dass für lineare Schaltungen das Superpositionsgesetz gilt, es lautet: In einer linearen Schaltung mit mehreren Quellen sind alle in der Schaltung auftretenden Spannungen bzw. Ströme als Summe der Teilspannungen bzw. Teilströme darstellbar, die sich ergeben, wenn man jeweils nur eine Quelle wirken lässt und wenn man die gerade nicht berücksichtigten Spannungs- bzw. Stromquellen durch Kurzschlüsse bzw. Unterbrechungen ersetzt.
Komplexer Frequenzgang In Abschn. 3.5 wurde bereits dargestellt, dass der Zusammenhang zwischen der komplexen Ausgangsgröße und der komplexen Eingangsgröße ue eines linearen Übertragungsgliedes über die Beziehung ua = G(jω) ue angegeben werden kann. Dabei ist G(jω) ein komplexer Proportionalitätsfaktor, der als komplexer Frequenzgang bezeichnet wird. Wie schon in Abschn. 3.5 erwähnt, steckt in G(jω) sozusagen in codierter Form die Struktur der Schaltung. Der Clou dabei: Der Ausdruck G(jω) gilt für alle Frequenzen. Anhand von G(jω) kann ermittelt werden, wie das Übertragungsglied sinusförmige Größen verschiedener Frequenzen überträgt. Dabei wird nur der stationäre Zustand berücksichtigt, das ist ja auch die Voraussetzung für die Anwendung der komplexen Rechnung.
4.2 Fourier-Analyse, Superpositionsgesetz, komplexer Frequenzgang
43
In Abb. 4.2 ist noch einmal ein lineares Übertragungsglied als Black Box dargestellt. Im Bild wird darüber hinaus der komplexe Frequenzgang in Betrag und Phase aufgegliedert. Der Betrag von G(jω) wird als Amplitudengang und die Phase von G(jω) wird als Phasengang bezeichnet. Der Amplitudengang G(ω) gibt offensichtlich das Verhältnis der Amplituden von Ausgangs- und Eingangsgröße in Abhängigkeit von der Frequenz an, der Phasengang ϕ(ω) beinhaltet die Phasenverschiebung zwischen Ein- und Ausgangsgröße, ebenfalls in Abhängigkeit von der Frequenz. Bei dem oben dargestellten Übertragungsglied werden Spannungen als Einund Ausgangsgröße angenommen. Selbstverständlich könnten stattdessen auch Ströme stehen. Durch die Schreibweise ue (jω), ua (jω) und G(jω) wird betont, dass Erregungen mit verschiedenen Kreisfrequenzen in Betracht gezogen werden können und dass es sich um komplexe Größen handelt. Dem Leser ist vielleicht auch aufgefallen, dass der komplexe Frequenzgang G(jω) ohne den sonst bei komplexen Größen üblichen Unterstrich auskommen muss. Das ist inkonsequent, aber in der gesamten Literatur üblich. Beim Amplitudengang und beim Phasengang steht in der Klammer nur ω und nicht jω, das ist ok, denn diese Größen sind ja reell. Die grafische Darstellung von G(ω) und ϕ(ω) über der Kreisfrequenz ist sehr hilfreich, um das Übertragungsverhalten linearer Übertragungsglieder für sinus-
Komplexe Eingangsgröße:
Komplexe Ausgangsgröße:
u e ( jω ) = uˆ e (ω ) e jϕ e (ω )
u a ( jω ) = uˆ a (ω )e jϕa (ω ) Lineares Übertragungsglied
G ( jω ) =
u a ( jω ) = komplexer Frequenzgang u e ( jω )
G ( jω ) = G (ω )e jϕ (ω ) =
uˆ a (ω ) e jϕ a (ω ) uˆ a (ω ) j (ϕ a (ω )−ϕ e (ω )) = e uˆ e (ω ) e jϕe (ω ) uˆ e (ω )
G (ω ) = Betrag des komplexen Frequenzgangs = Amplitudengang ϕ ( jω ) = Phase des komplexen Frequenzgangs = Phasengang Abb. 4.2 Erläuterungen zum komplexen Frequenzgang G(jw)
44
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
förmige Größen zu visualisieren. Dabei wird häufig ein Bodediagramm verwendet. In einem solchen Diagramm werden 20 log G(ω) über log ω sowie ϕ(ω) über log ω aufgetragen. Durch die Logarithmierung ergeben sich erhebliche zeichnerische Vereinfachungen, Näheres dazu kann der Literatur entnommen werden.
4.3 Entwicklung eines neuen Lösungsverfahrens Im vorigen Abschnitt wurden einige Begriffe und Zusammenhänge erläutert. Daraus soll jetzt über einen Kombinationsprozess ein neues Lösungsverfahren entwickelt werden. Wie das funktioniert, wird bereits in der Einführung zu Kap. 4 kurz dargestellt. Wir wollen uns eine Wiederholung sparen und das neue Lösungsverfahren an Hand eines einfachen Beispiels beschreiben. Beispiel RC-Glied
R
ue(t)
0 ua(t)
C
Gegeben: Die periodische Eingangsspannung mit ûe, T bzw. ω1 = 2π/T sowie die Bauelemente R und C Gesucht: Die sich im stationären Zustand einstellende Ausgangsspannung ua(t)
ue(t) ûe
T/2
T
t
Lösung: Schritt 1, Fourier-Analyse der Eingangsspannung durchführen. Die Reihenentwicklung mithilfe der Gl. (4.1a) und (4.1b) wollen wir nicht durchführen, das Ergebnis kann der Literatur entnommen werden, es gilt:
4.3 Entwicklung eines neuen Lösungsverfahrens
ue (t) = Ue0 +
∞
45
uˆ en cos(nω1 t + ϕen )
n=1,3,5...
mit
Ue0 =
2ˆue π uˆ e , uˆ en = , ϕen = − 2 nπ 2
Wenn man die Reihenentwicklung explizit durchführen würde, könnte man erkennen, dass die Amplituden der Oberschwingungen der Ordnung 2, 4, 6 usw. Null sind, deshalb gilt für diese Reihenentwicklung: n = 1, 3, 5, … Wir können also die Eingangsgröße ue (t) offensichtlich als Summe von unendlich vielen Spannungsquellen ansehen, die in Reihe geschaltet auf das RC-Glied einwirken: R
0
U e0 uˆ e1 cos(1ω1t + ϕ e1 )
C uˆ e3 cos(3ω1t + ϕ e3 )
ua(t)
Da eine lineare Schaltung vorliegt, gilt das Superpositionsgesetz. Deshalb kann man die folgende Lösungsmethode ins Auge fassen: Man schließt alle Quellen im Bild oben in Gedanken kurz, ausgenommen die Gleichspannungsquelle. Nun berechnet man die daraus folgende Teil-Ausgangsgröße. Dann schließt man wieder alle Quellen kurz, ausgenommen die Wechselspannungsquelle mit der Kreisfrequenz 1ω1. Man berechnet nun erneut die daraus folgende Teil-Ausgangsgröße. Jetzt schließt man wieder alle Quellen kurz, diesmal wird die Wechselspannungsquelle mit der Kreisfrequenz 3ω1 ausgenommen. Anschließend erfolgt wieder die Berechnung der sich daraus ergebenden Teil-Ausgangsgröße.
46
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Dieses Verfahren wird fortgeführt. Wenn man genügend viele Schritte dieser Art „erledigt“ hat, werden alle berechneten Teil-Ausgangsgrößen addiert. Damit erhält man die gesuchte Ausgangsgröße, allerdings nur näherungsweise, da man die oben angedeuteten Schritte nicht unendlich oft durchführen kann. Man kann aber davon ausgehen, dass das Verfahren relativ schnell konvergiert, da die Amplituden der Oberschwingungen höherer Ordnung immer kleiner werden. Schritt 2, Berechnung der Teil-Ausgangsgrößen im Frequenzbereich Wie kann man das im Schritt 1 angedeutete Verfahren nun praktisch durchführen? Der Leser ahnt es schon, das geht mithilfe der komplexen Rechnung sehr einfach. Zunächst soll die Beispiels-Schaltung in den komplexen Bereich transformiert werden. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang allerdings immer vom Frequenzbereich gesprochen, als Hinweis darauf, dass man es jetzt nicht nur mit einer, sondern mit verschiedenen Frequenzen zu tun hat. Wir wollen uns im Folgenden dieser Terminologie anschließen. Hier nun die in den Frequenzbereich transformierte Schaltung: R
0 1 jω C
u e ( jω )
u a ( jω )
Teil-Eingangsgrößen im Frequenzbereich:
Teil-Ausgangsgrößen im Frequenzbereich:
U e 0 , u en = uˆ en e jϕ en
U a 0 , u an = uˆ an e jϕ an
mit n = 1, 3, 5, ......
mit n = 1, 3, 5, ......
An Hand obiger Schaltung kann mithilfe der Spannungsteilerformel der komplexe Frequenzgang G(jω) der Schaltung sofort ermittelt werden:
ua (jω) =
1 jωC
R+
1 jωC
ue (jω) =
1 u (jω) = G(jω) ue (jω) 1 + jωRC e
Damit hat man den komplexen Frequenzgang G(jω) bestimmt. Er kann in Betrag und Phase aufgegliedert werden, sodass man auch noch den Amplitudengang G(ω) und den Phasengang ϕ(ω) erhält:
G(j ω) =
1 , 1 + j ωRC
1 , G(ω) = 1 + (ωRC)2
ϕ(ω) = − arctan(ωRC)
4.3 Entwicklung eines neuen Lösungsverfahrens
47
Nach diesen Vorbereitungen können nun die Teil-Ausgangsgrößen im Frequenzbereich sehr einfach berechnet werden. Zunächst soll ermittelt werden, welche Teil-Ausgangsgröße die Teil-Eingangsgröße Ue0 erzeugt. Da man eine Gleichgröße als sinusförmige Größe mit der Frequenz 0 und der Amplitude Ue0 auffassen kann, liegt es nahe, die Berechnung von Ua0 mithilfe des Amplitudenganges (für ω = 0 spezifiziert) zu erledigen:
Ua0 = G(ω = 0) Ue 0 = Ue0 Die Berechnung der restlichen Teil-Ausgangsgrößen kann nun wie üblich mithilfe des komplexen Frequenzgangs erfolgen (n = 1, 3, 5, . . .):
uan = G(jnω1 ) uen = G(nω1 )ejϕ(nω1 ) uˆ en ejϕen = G(nω1 )ˆuen ej(ϕ(nω1 )+ϕen ) = uˆ an ejϕan Es gilt also:
uˆ an = G(nω1 )ˆuen , ϕan = ϕ(nω1 ) + ϕen Schritt 3, Rücktransformation der Teil-Ausgangsgrößen in den Zeitbereich
Ua0 → G(0)Ue0 u−
an
→ G(nω1 )ˆuen cos(nω1 t + ϕan )
(n = 1, 3, 5, . . .) Schritt 4, Summation Gesamt-Ausgangsgröße
ua (t) = G(0)Ue0 +
∞
im
Zeitbereich
zwecks
G(nωn )ˆuen cos(nω1 t + ϕan )
Bildung
der
n = 1, 3, 5, . . .
n=1,3,5...
Die Spezifikationen für Ue0 , uˆ en , ϕen , G(nω1 ), G(0), ϕ(nω1 ), ϕan können Lösungsschritt 1 und Lösungsschritt 2 entnommen werden:
Ue0 =
uˆ e , 2
uˆ en =
2ˆue , nπ
π ϕen = − , 2
(vgl. Schritt 1)
1 , G(nω1 ) = 1 + (nω1 RC)2
G(0) = 1,
(vgl. Schritt 2)
ϕ(nω1 ) = − arctan(nω1 RC),
ϕan = ϕ(nω1 ) + ϕen
(vgl. Schritt 3)
48
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Damit ist die Ausgangsgröße vollständig spezifiziert! Wie bereits erwähnt, kann man bei der Summenbildung nur eine endliche Zahl von Summanden berücksichtigen, man kann die Ausgangsgröße also nur näherungsweise berechnen. ◄
4.4 Lösungspläne Im vorangegangenen Abschnitt wurde an Hand eines Beispiels erläutert, wie die Ausgangsgröße eines linearen Übertragungsgliedes bei periodischer Erregung für den stationären Zustand berechnet werden kann. Daraus sollen nun einfach handhabbare Lösungspläne abgeleitet werden. Lösungsplan 1 Der erste Lösungsplan wird in Abb. 4.3 dargestellt. Er gibt ziemlich genau die im vorangegangenen Beispiel erläuterte Vorgehensweise wieder, allerdings in verallgemeinerter und übersichtlicherer Form. Falls der Leser dieses Beispiel „durchgearbeitet“ hat, müsste er Abb. 4.3 eigentlich sofort verstehen und anwenden können. Lösungsplan 2 Der zweite Lösungsplan wird in Abb. 4.4 dargestellt. Er entspricht Lösungsplan 1, mit einem Unterschied: Er beruht auf der Fourier-Reihe in der komplexen Form gemäß Gl. (4.2a) und (4.2b). Wegen der Verwendung der Fourier-Reihe in der komplexen Form verliert der Plan gegenüber Lösungsplan 1 an Anschaulichkeit. Dafür ist er kompakter und besser nutzbar für eine weitergehende Schaltungsanalyse. Dazu mehr im Kap. 5.
4.5 Zusammenfassung und Ergänzungen In diesem Kapitel wird zunächst die Fourier-Analyse erläutert. Mithilfe der Fourier-Analyse kann jede periodische Erregung in eine Gleichgröße, eine sinusförmige Grundschwingung und sinusförmige Oberschwingungen zerlegt werden. Darüber hinaus wird in Kap. 4 das Superpositionsgesetz vorgestellt. Ferner wird erläutert, was es mit dem komplexen Frequenzgang auf sich hat. Dann wird dargestellt, dass man diese Formeln und Zusammenhänge zu Lösungsplänen kombinieren kann. Diese Pläne gestatten die Berechnung der Ausgangsgröße eines linearen Übertragungsgliedes bei beliebiger periodischer Erregung und bei
49
4.5 Zusammenfassung und Ergänzungen Eingangsgröße:
Gesuchte Ausgangsgröße:
u e (t ) = beliebige periodische Größe mit
u a (t ) = U a 0 +
der Periodendauer T bzw. der Grundkreisfrequenz ω1 =2π/T
∞
∑ uˆ
n =1, 2 ,..
an
cos( nω 1 t + ϕ an )
Fourier-Reihe der Eingangsgröße:
u e (t ) = U e 0 +
∞
∑ uˆ
n =1, 2 ,..
mit U e 0 , uˆ en , ϕ en
en
cos( nω1 t + ϕ en ) gemäß
Gleichung (4.1). Zeitbereich Rücktransformation
Transformation Frequenzbereich
Transformierte Schaltung:
Gesuchte Teil-Ausgangsgrößen:
u en = uˆ en e jωϕ en ,
U a 0 = G (0) U e 0
R , jω L , 1 jω C
u an = G ( j nω1 ) u en = uˆ an e jϕ an
Komplexen Frequenzgang G ( jω ) berechnen Unter Zuhilfenahme der Knoten- und Maschenregel sowie des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes
Abb. 4.3 Analyse von linearen Schaltungen, stationärer Zustand, beliebige periodische Erregung, Lösungsplan 1 (Es gilt: n = 1, 2, . . . , ∞)
ausschließlicher Betrachtung des stationären Zustandes. Mithilfe dieser Lösungspläne können die Berechnungen sehr schematisch und einfach durchgeführt werden. Trotz dieser offensichtlichen Vorteile spielt dieses Lösungsverfahren in der Praxis keine große Rolle, da die auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse schwer auswertbar sind (man muss eine Summe mit vielen Gliedern berechnen, das ist ziemlich unbequem).
50
4 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Eingangsgröße:
Gesuchte Ausgangsgröße:
u e (t ) = beliebige periodische Größe mit
u a (t ) =
der Periodendauer T bzw. der Grundkreisfrequenz ω1 =2π/T
+∞
∑u
n = −∞
an
e j n ω 1t
Fourier-Reihe der Eingangsgröße:
u e (t ) =
+∞
∑u
n = −∞
en
e j n ω 1t
mit
u en =
1 T
+T / 2
∫ u (t ) e
− j nω 1t
dt
−T / 2
Zeitbereich Rücktransformation
Transformation Frequenzbereich
Transformierte Schaltung:
Gesuchte Teil-Ausgangsgrößen:
u en , R, jω L, 1 jω C
u an = G ( j nω1 ) u en
Komplexen Frequenzgang G ( jω ) berechnen Unter Zuhilfenahme der Knoten- und Maschenregel sowie des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes
Abb. 4.4 Analyse von linearen Schaltungen, stationärer Zustand, beliebige periodische Erregung, Lösungsplan 2 (Es gilt: n = 0, ±1, ±2, . . . , ± ∞)
4.5 Zusammenfassung und Ergänzungen
51
Trotzdem ist es sinnvoll, dieses Lösungsverfahren ausführlich zu behandeln, denn es bildet die Grundlage für weitergehende Analyseverfahren (Fourier- und Laplace-Transformation). Diese Verfahren werden in den nächsten Kapiteln beschrieben. Hier noch eine Ergänzung: Der Leser erinnert sich noch an den Satz von der Erhaltung der Sinusform (vgl. Abschn. 3.2). Dieser Satz besagt, dass in einer linearen Schaltung bei Erregung mit sinusförmigen Größen gleicher Frequenzen alle Systemgrößen rein sinusförmig sind. Den Ausführungen in Kap. 4 kann nun entnommen werden, dass in einer linearen Schaltung bei Erregung mit sinusförmigen Größen verschiedener Frequenzen bzw. bei Erregung mit nicht-sinusförmigen periodischen Größen die Systemgrößen nicht mehr sinusförmig sind!
5
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Fourier-Transformation
5.1 Einführung In den bisherigen Kapiteln haben wir uns auf die Analyse linearer Schaltungen im stationären Zustand beschränkt. D. h. wir haben die Vorgänge in einer Schaltung ausgeblendet, die sich direkt nach einem Schaltvorgang abspielen. Oftmals sind derartige Vorgänge aber von großem Interesse, z. B. in der Regelungstechnik. Dort will man wissen, wie bestimmte Systemgrößen reagieren, wenn sich Sollwerte oder Störgrößen plötzlich ändern. Analysen, die Schaltvorgänge mit einbeziehen, werden als Transiente nanalysen bezeichnet (vgl. Abschn. 1.4). Es gibt nun verschiedene Ansätze, um eine Transientenanalyse durchzuführen. Eine naheliegende Methode besteht darin, dass man die DGL der in Betracht gezogenen Schaltung aufstellt und in klassischer Art und Weise im Zeitbereich löst. Zur Erinnerung an den Mathematikunterricht: Man ermittelt zunächst eine spezielle bzw. partikuläre Lösung der DGL, dann ermittelt man die allgemeine Lösung der homogenen DGL. Durch Addition dieser Lösungen ergibt sich dann die unendlich große Lösungsmenge der ursprünglichen DGL. Über die sogenannten Anfangswerte (Näheres dazu wird im Kap. 6 vermittelt) wird dann die für das vorliegende Problem passende Lösung aus der Lösungsmenge „herausgefischt“. Diese relativ aufwendige Methode soll in diesem Kompendium nicht weiter verfolgt werden (vgl. auch Abschn. 3.3). Wir wollen in den nächsten Abschnitten eine andere Möglichkeit für eine Transientenanalyse favorisieren. Diese Methode basiert auf den in Kap. 4 vermittelten „Wissenselementen“. In Kap. 4 wird ja dargestellt, wie man mithilfe der Fourier-Analyse, des Superpositionsgesetzes und der komplexen Rechnung die Ausgangsgröße
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_5
53
54
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
einer linearen Schaltung bei Erregung mit einer beliebigen periodischen Größe berechnen kann, allerdings nur für den stationären Zustand. Im Folgenden wird nun gezeigt, dass man die Fourier-Analyse auch auf nichtperiodische Größen ausweiten kann. Damit ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Man könnte dann z. B. (ähnlich wie in den Abb. 4.3 und 4.4 dargestellt) ganz schematisch ermitteln, wie eine Schaltung reagiert, wenn beispielsweise ein einzelner Impuls als Erregung auftritt. Damit wäre der Weg für eine einfache Transientenanalyse eröffnet. Dieser Weg soll deshalb hier weiterverfolgt werden, er führt zur sogenannten Fourier-Transformation.
5.2 Erweiterung der Fourier-Analyse auf nichtperiodische Vorgänge In der Einführung wurde bereits angedeutet, dass die Fourier-Analyse auch auf nichtperiodische Größen angewendet werden kann. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, wie das funktioniert. In Abb. 5.1 wird zunächst gezeigt, dass durch den Übergang T → ∞ eine periodische Größe in eine nichtperiodische Größe übergeht. Eine Rechteckimpulsfolge wird auf diese Weise zu einer Sprungfunktion, eine Sägezahnimpulsfolge wird zu einer Rampenfunktion usw. Rechteckimpulsfolge wird für T → ∞ zur Sprungfunktion:
u(t)
u(t)
T/2
T
t
t
Sägezahnimpulsfolge wird für T → ∞ zur Rampenfunktion:
u(t) u(t)
T/2
T
t
t
Abb. 5.1 Zusammenhang zwischen periodischen- und nichtperiodischen Größen (Beispiele)
5.2 Erweiterung der Fourier-Analyse auf nichtperiodische Vorgänge
55
Der aufmerksame Leser wird vielleicht einwenden, dass die auf diese Weise erzeugten Funktionen genau genommen doch periodisch bleiben. Eine Wiederholung findet ja statt, wenn auch erst im Unendlichen. Aber dieser Schönheitsfehler ist unerheblich. Die nach T/2 bzw. vor –T/2 auftretenden Funktionswerte sind wegen T → ∞ soweit weg, dass sie in keinerlei Hinsicht irgendwelche Einflüsse auf irgendwelche Berechnungen ausüben können. Mit den eben entwickelten Vorstellungen kann man sich im Umkehrschluss jede nichtperiodische Größe u(t) als periodische Größe mit unendlich großer Periodendauer vorstellen. Konsequenterweise müsste diese Größe dann auch einer FourierAnalyse zugänglich sein, allerdings in etwas modifizierter Form: Die in Kap. 4 vorgestellten Gleichungen für die Reihenentwicklung müssten einer Grenzwertbetrachtung unterzogen werden, sodass sie auch für T → ∞ tauglich werden. Im Folgenden soll erläutert werden, wie man sich diese Grenzwertbildung in etwa vorstellen muss. Auf eine genaue Ableitung wird verzichtet. Näheres kann der mathematischen Spezialliteratur entnommen werden. Grenzwertbildung Wir gehen von der Fourier-Reihe in komplexer Form aus, vgl. Gl. (4.2a) und (4.2b). Wir wollen diese Gleichungen der Übersicht halber hier noch einmal „abschreiben“. Für beide Gleichungen gilt n = 0, ±1, ±2, ±3, . . .
Diese Gleichungen werden über elementare Umformungen (Erweiterungen, Anwenden der Beziehung ω1 = 2π/T usw.) für den Grenzübergang vorbereitet. Da mit wachsendem T die komplexe Größe un gemäß Gl. (4.2b) immer kleiner wird, ist es im Sinne einer leichteren Grenzwertbildung nützlich, eine Größe (un T ) zu bilden:
56
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Jetzt folgt der Grenzübergang T → ∞: Mit wachsendem T wird ω1 = 2π/T immer kleiner. In Gl. (5.1a) geht deshalb mit dem Grenzübergang die Kreisfrequenz ω1 in dω und die Summe in ein Integral über. Da mit wachsendem T die Kreisfrequenz ω1 kleiner wird, rücken die Oberschwingungen . . . nω1 , (n + 1)ω1 . . . immer enger zusammen. Das diskrete Frequenzspektrum geht in ein kontinuierliches Frequenzspektrum über. Letzteres enthält nach dem Grenzübergang alle Frequenzen. In den Gl. (5.1a) und (5.1b) geht deshalb mit dem Grenzübergang nω1 in ωüber. Beim Grenzübergang soll (un T ) in eine Größe übergehen, die mit U(jω) bezeichnet wird.
Fourier-Integral und komplexe Spektraldichte Das Integral in Gl. (5.2a) wird Fourier-Integral genannt, die Größe U(jω) wird als komplexe Spektraldichte bezeichnet. U(jω) hat übrigens nicht die Dimension Volt, wie man vielleicht bei oberflächlicher Betrachtung vermuten würde, sondern die Dimension Voltsekunde. Das folgt aus Gl. (5.2b). In dieser Gleichung ist im Integranden eine Spannung u(t)aufgeführt und es wird über die Zeit integriert. Die Größe u(t) haben wir aber nur stellvertretend für beliebige Zeitfunktionen gewählt. Im Integranden könnte auch der Strom i(t) stehen. Dann wird die Spektraldichte entsprechend mit I(jω)bezeichnet. Diese Größe hätte die Dimension Amperesekunde. Bei der komplexen Größen U(jω) und I(jω)wird aus Bequemlichkeit auf den sonst bei komplexen Größen üblichen Unterstrich verzichtet. Transformationen Die Berechnung von U(jω) über die Gl. (5.2b) kann als eine Transformation vom Zeitbereich in den Frequenzbereich aufgefasst werden:
5.2 Erweiterung der Fourier-Analyse auf nichtperiodische Vorgänge
ˆ+∞ u(t) → U(jω) mit U(jω) = u(t) e−j ω t dt
57
(5.3)
−∞
Häufig wird auch die Abkürzung U(jω) = F[u(t)] benützt! Die Berechnung von u(t) über die Gl. (5.2a) kann entsprechend als eine Rücktransformation vom Frequenzbereich in den Zeitbereich aufgefasst werden:
U(jω)
1 → u(t) mit u(t) = 2π
ˆ+∞ U(jω) ej ω t dω
(5.4)
−∞
Häufig wird auch die Abkürzung u(t) = F −1 U(jω) benützt! Aus der Literatur kann man entnehmen, dass das Integral in Gl. (5.3) gebildet werden kann, wenn die folgenden Integrationsbedingungen erfüllt sind: Die Transformation gemäß Gl. (5.3) ist möglich, wenn u(t) den Dirichletschen Bedingungen genügt: Die Funktion darf in jedem endlichen Intervall nur eine endliche Anzahl von Minima und Maxima und endlich viele Sprungstellen aufweisen, wobei die Sprunghöhen endlich sein müssen.+∞ ´ |u(t)|dt gesichert sein. Darüber hinaus muss die Existenz des Integrals −∞
Die Notwendigkeit der Existenz des obigen Integrals bedeutet, dass u(t → ± ∞) = 0 gelten muss. Die Transformation Gl. (5.3) kann also beispielsweise nicht ohne weiteres durchgeführt werden, wenn u(t) eine Gleichsprungerregung beschreibt. Das ist natürlich sehr nachteilig. Die Transformationen beinhalten noch einige interessante Eigenschaften, es gelten beispielsweise die folgenden Zuordnungen, wenn eine Transformation vom Zeit- in den Frequenzbereich vorgenommen wird:
du(t) Transformation −→ jω U(jω) dt
(5.5)
dun (t) Transformation −→ (jω)n U(jω) n=1,2,3 dt n
(5.6)
58
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Transformation
u1 (t) + u2 (t) + · · ·
−→
U1 (jω) + U2 (jω) + · · ·
(5.7)
Die Gültigkeit von Gl. (5.5) kann leicht nachgewiesen werden. Zunächst wollen wir uns an die Transformation von u(t)gemäß Gl. (5.3) erinnern:
ˆ+∞ u(t) → U(jω) = u(t) e−j ω t dt −∞
Entsprechend kann die Transformation von du/dt formuliert werden:
ˆ+∞
du(t) −j ω t dt e (5.8) dt −∞ ´ ´ Über die Anwendung der partiellen Integration ( u ′ v dt = − uv′ dt + uv) kann nun das obige Integral umgeformt werden: du(t) → dt
ˆ+∞
du(t) −jωt dt = − e dt
ˆ+∞ +∞ u(t)(−jω)e−jωt dt + u(t)e−jωt −∞
−∞
−∞
ˆ+∞ +∞ = jω u(t)e−jωt dt + u(t)e−jωt −∞ −∞
Da die Integrationsbedingungen für die Fourier-Transformation erfüllt sein müssen, kann man von u(t → ± ∞) = 0 ausgehen. D. h. der in obiger Gleichung in den eckigen Klammern stehende Term muss Null sein. Es gilt also unter Berücksichtigung der Gl. (5.3):
ˆ+∞ −∞
du(t) −j ω t dt = jω e dt
ˆ+∞ u(t)e−jωt dt = jωU(jω)
−∞
Aus der Transformationsvorschrift Gl. (5.8) und obiger Gleichung ergibt sich somit:
5.3 Fourier-Transformation
du(t) → dt
59
ˆ+∞
du(t) −j ω t dt = jω U(jω) e dt
−∞
Damit ist Gl. (5.5) bewiesen. Die Zusammenhänge Gl. (5.6) können auf die gleiche Art abgeleitet werden. Die Ableitung von Gl. (5.7) ist extrem einfach, man muss nur die Summenregel der Integralrechnung anwenden. Nun genug mit der Theorie! Der Leser lernt ja in diesem Kapitel viele neue, abstrakte Begriffe kennen, er muss (zumindest prinzipiell) einen Grenzübergang nachvollziehen und er wird mit vielen mathematischen Überlegungen konfrontiert. Er wird sich fragen: Wozu das alles? Der Leser ahnt es hoffentlich bereits, daraus kann tatsächlich ein praxistaugliches Lösungsverfahren abgeleitet werden, näheres dazu in den nächsten Abschnitten.
5.3 Fourier-Transformation In diesem Abschnitt sollen alle abstrakten Wissenselemente aus dem vorangegangenen Abschnitt zu einem neuen Lösungsverfahren zusammengefasst werden. Das neue Verfahren wird Fourier-Transformation genannt. In Abschn. 5.2 wird deutlich gemacht, dass man auch nichtperiodische Größen einer Fourier-Analyse unterziehen kann. Damit liegt die Idee nahe, den Lösungsplan von Abb. 4.4 so zu modifizieren, dass er auch für nichtperiodische Erregungen gilt und somit auch Transientenanalysen umfasst. Um das zu bewerkstelligen, sollte sich der Leser den Lösungsplan gemäß Abb. 4.4 noch einmal vor Augen führen. Mit den Erkenntnissen aus Kap. 5 kann dieser Plan dann „umgeschrieben“ werden, sodass er auch für nichtperiodische Erregungen gilt. Hier nun das Ergebnis dieses „Umschreibeprozesses“ (zur Erleichterung wird der Lösungsplan gemäß Abb. 4.4 noch einmal aufgeführt und neben den modifizierten Plan gestellt).
60
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Einige Bemerkungen zum modifizierten Lösungsplan: Die Vorschriften für die Transformation aus dem Zeit- in den Frequenzbereich bzw. aus dem Frequenz- in den Zeitbereich liefern die Gl. (5.3) und (5.4). Durch die Transformation vom Zeit- in den Frequenzbereich werden aus Spannungen u(t) bzw. Strömen i(t) komplexe Größen U(jω) bzw. I(jω). Diese abstrakten „Rechengrößen“ sind weder Spannungen noch Ströme. Sie weisen ja nicht einmal die Dimension Volt oder Ampere auf! Man kann diese Größen aber als „Quasispannungen“ bzw. „Quasiströme“ auffassen, mit denen man wie mit richtigen Spannungen bzw. Strömen hantieren kann. Wegen Gültigkeit der Gl. (5.5) bis (5.7) gestaltet sich die Rechnerei im Frequenzbereich so einfach, wie man das von der „Gleichstromtechnik“ her gewohnt ist: Die Bauelementegleichungen für Spule und Kondensator (ursprünglich DGLs) gehen in eine dem Ohmschen Gesetz ähnliche Form über, man kann also mit einem verallgemeinerten Ohmschen Gesetz rechnen. Darüber hinaus kann man auf
5.4 Lösungsplan
61
U(jω) bzw. I(jω) die Kirchhoffschen Regeln anwenden usw. Eine solche „Rückführung“ auf die „Gleichstromtechnik“ haben wir schon im Rahmen der Anwendung der komplexen Rechnung kennengelernt, dort allerdings beschränkt auf sinusförmige- bzw. periodische Erregungen und stationäre Zustände (vgl. die Kap. 3 und 4). Da im Frequenzbereich statt DGLs nur einfache algebraische Gleichungen auftreten, hat der Zusammenhang zwischen der gesuchten Größe Ua (jω) und der erregenden Größe Ue (jω) im Frequenzbereich folgende Form: Ua (jω) = F(jω) Ue (jω). Der Proportionalitätsfaktor F(jω) beinhaltet die Struktur der Schaltung und entspricht dem in Abschn. 3.5 eingeführten komplexen Frequenzgang G(jω).
5.4 Lösungsplan Im vorangegangenen Abschnitt wird dargestellt, wie der Lösungsplan gemäß Abb. 4.4 so modifiziert werden kann, dass Transientenanalysen möglich werden. In diesem Abschnitt soll das neue Verfahren verdeutlicht werden. Dazu werden zunächst die in den Gl. (5.5) bis (5.7) enthaltenen Informationen noch einmal in Form einer Korrespondenztabelle, siehe Abb. 5.2, übersichtlich zusammengefasst. Anschließend wird das neue Lösungsverfahren mittels eines Lösungsplans, siehe Abb. 5.3, visualisiert. Der Plan ist ähnlich aufgebaut wie die bereits in den Kap. 3 und 4 vorgestellten Lösungspläne. Anschließend wird der neue Lösungsplan noch durch ein Beispiel verdeutlicht. Beispiel RC-Glied
R ue (t)
0 ua(t)
C
Gegeben: Die Eingangsspannung ue(t) mit ûe, t1 sowie die Bauelemente R und C Gesucht: Die Ausgangsspannung ua(t)
ue(t) ûe
t1
t
62
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Zeitbereich
Frequenzbereich
u (t ) i (t )
U ( jω ) I ( jω ) jω
d / dt 2
2
3
3
d / dt d / dt
( jω ) 2 ( jω )3
…
…
u = Ri u = L di dt i = C du dt
U ( jω ) = ( R ) I ( jω ) U ( jω ) = ( jω L ) I ( jω )
I ( jω ) = ( jω C ) U ( jω ) bzw. U ( jω ) = (1 jω C ) I ( jω )
Verallgemeinertes Ohmsches Gesetz:
U ( jω ) = Z ( jω ) I ( jω ) Z(jω) bzw. Y(jω) = 1 / Z ( jω ) : Widerstand bzw. Leitwert im Frequenzbereich.
Z R (jω) = R bzw. Z L (jω) = jωL bzw. Z C (jω) = 1 / jωC : Ohmscher Widerstand bzw. Spule bzw. Kondensator im Frequenzbereich. K
∑u k =1
k
K
∑i k =1
k
(t ) = 0
(t ) = 0
K
∑U k =1 K
∑I k =1
k
k
( jω ) = 0
( jω ) = 0
Abb. 5.2 Korrespondenztabelle Zeitbereich ↔ Frequenzbereich – Fourier-Transformation
Lösung: Schritt 1, Transformation in den Frequenzbereich (Eingangsgröße und Schaltung). Zunächst wird die Eingangsgröße transformiert. Die Transformationsvorschrift liefert Gl. (5.3):
5.4 Lösungsplan Eingangsgröße:
ue (t)
63
ue (t)
Gesuchte Ausgangsgröße:
u a (t) =
1 2π
+∞
∫ U ( jω ) e a
jω t
dω
−∞
Zeitbereich Rücktransformation
Transformation Frequenzbereich
Transformierte Schaltung:
Gesuchte Ausgangsgröße:
+∞
U e ( jω ) = ∫ u e(t) e − j ω t dt ,
U a ( j ω ) = F ( j ω ) U e ( jω )
−∞
R, jω L, 1 jω C
Ua ( jω ) bzw. F ( jω ) berechnen Unter Zuhilfenahme der Knoten- und Maschenregel sowie des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes
Abb. 5.3 Transientenanalyse von linearen Schaltungen über die Fourier-Transformation, Lösungsplan
ˆ+∞ Ue (jω) = ue (t) e−j ω t dt −∞
Das Integral kann nun für unsere Eingangsgröße spezifiziert und gelöst werden:
Ue (jω) =
ˆt1
uˆ e e−jωt dt = uˆ e
0
=
1 −jωt e −jω
t1 0
uˆ e −jωt1 uˆ e e −1 = 1 − e−jωt1 −jω jω
64
5 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Die in den Frequenzbereich transformierte Schaltung sieht folgendermaßen aus: R
0 1 jω C
U e ( jω )
U a ( jω )
Schritt 2, Rechnen im Frequenzbereich. Die transformierte Schaltung kann nun wegen Gültigkeit der Korrespondenzliste Abb. 5.2 wieder wie eine Gleichstromschaltung behandelt werden, man kann deshalb auch die Spannungsteilerformel anwenden:
Ua (jω) =
1 jωC
R+
1 jωC
Ue (jω) =
1 Ue (jω) = F(jω) Ue (jω) 1 + jωRC
Schritt 3, Fourier-Rücktransformation in den Zeitbereich Nun wird die im Frequenzbereich ermittelte Ausgangsgröße der F ourierRücktransformation unterzogen. Die entsprechende Vorschrift liefert Gl. (5.4):
1 ua (t) = 2π
ˆ+∞ ˆ+∞ 1 jωt Ua (jω)e dω = F(jω)Ue (jω)ejωt dω 2π −∞
−∞
Wenn man nun die in den vorangegangenen Lösungsschritten ermittelten Ausdrücke für F(jω) und Ue (jω) in die letzte Gleichung einsetzt, erhält man das Ergebnis:
1 ua (t) = 2π
ˆ+∞ F(jω)Ue (jω)ejωt dω −∞
1 = 2π
ˆ+∞ −∞
1 uˆ e 1 − e−jωt1 ejωt dω · 1 + jωRC jω
5.5 Zusammenfassung und Ergänzungen
65
Das Integral müsste nun noch gelöst werden, darauf wollen wir hier verzichten. Wenn man die Fourier-Transformation in der Praxis anwendet, werden die im Verlauf der Rechnung auftretenden Integrale sowieso nur selten berechnet. Man benutzt vielmehr Tabellen, in denen fast alle der im Verlauf von Transformationen bzw. Rücktransformationen auftretenden Integrale mit den entsprechenden Lösungen aufgelistet sind. ◄
5.5 Zusammenfassung und Ergänzungen In diesem Kapitel wird zunächst veranschaulicht, dass auch nichtperiodische Größen einer Fourier-Analyse unterzogen werden können. Damit ergibt sich die Möglichkeit, einen bereits in Kap. 4 vorgestellten Lösungsplan zu erweitern, sodass mithilfe der Fourier-Analyse auch Transientenanalysen durchgeführt werden können. Diese Möglichkeit wird nun aufgegriffen und es wird gezeigt, wie der „alte Lösungsplan“ weiter entwickelt werden kann. Man gelangt zu einem Verfahren, es wird kurz als Fourier-Transformation bezeichnet, mit dessen Hilfe lineare Schaltungen bei prinzipiell beliebigen Erregungen unter Einschluss instationärer Zustände analysiert werden können. Dieses Verfahren ist zwar sehr abstrakt und unanschaulich, aber es kann recht formal und schematisiert durchgeführt werden. Auch die im Verlauf des Lösungsprozesses auftretenden schwierigen Integrale stellen keine unüberwindliche Hürde dar. Es existieren Tabellen, aus denen die Lösungen für fast alle auftretenden Integrale einfach entnommen werden können. Das Verfahren hat aber auch einen großen Nachteil: Es funktioniert nur, wenn die Integrationsbedingungen für die Transformation (vgl. Abschn. 5.2) erfüllt sind. Diese Bedingungen werden von einigen wichtigen Erregungsarten (man denke z. B. an eine Gleichsprungerregung) nicht erfüllt. Aber auch dafür gibt es selbstverständlich eine Lösung: Durch relativ einfache Modifikationen der Transformationsgleichungen kann dieser Nachteil behoben werden. Im nächsten Kapitel wird erläutert, wie das funktioniert.
6
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Laplace-Transformation
6.1 Einführung In Abschn. 5.5 wurde auf einige Mängel der Fourier-Transformation aufmerksam gemacht. Besonders unangenehm ist, dass die Fourier-Transformation bei einigen besonders wichtigen Erregungsarten nicht funktioniert. In Kap. 6 wird gezeigt, dass man die Transformationsvorschriften so ändern kann, dass dieser Nachteil behoben wird, ohne dass die Vorteile der Fourier-Transformation verloren gehen. Das auf diese Weise gewonnene neue Analyseverfahren wird als Laplace-Transformation bezeichnet. Die Laplace-Transformation ist ähnlich unanschaulich und abstrakt wie die Fourier-Transformation. Aber sie kann leicht schematisiert werden und sie erlaubt ein „rezeptartiges“ Vorgehen. Die Durchführung von Transientenanalysen wird durch dieses Verfahren sehr vereinfacht, deshalb spielt die Laplace-Transformation in der Elektrotechnik eine große Rolle.
6.2 Der Weg zur Laplace-Transformation Die für die Fourier-Transformation charakteristischen Transformationsgleichungen (5.3) und (5.4) sollen nun modifiziert werden, um die Schwierigkeiten, insbesondere bei der Behandlung von Gleichsprungerregungen, zu beheben. Man gelangt damit zu „neuen“ Transformationsgleichungen, die die Basis für die Laplace-Transformation bilden. Bei den folgenden Betrachtungen wird auf mathematische Strenge verzichtet. Dem Leser dieses Kompendiums soll der mathematische Hintergrund aber zumindest plausibel gemacht werden, um
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_6
67
68
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
seine Neugier zu befriedigen und um das Verständnis der Laplace-Transformation zu erleichtern. Details können der Spezialliteratur entnommen werden. Hier zur Erinnerung noch einmal die ursprünglichen Transformationsgleichungen der Fourier-Transformation:
Modifikationen der Transformationsgleichung Gl. (5.3) Um die Konvergenz des Integrals in Gl. (5.3) (beispielsweise auch für Gleichsprungerregungen) zu sichern, liegt es nahe, in den Integranden einen „Abklingfaktor“ e−σ t einzufügen. Dabei stellt σ eine reelle Größe, die sogenannte Abklingkonstante, dar. Durch geeignete Wahl von σ kann man erreichen, dass das Integral dann für fast jede Funktion u(t) konvergiert. Wegen des Einfügens des Abklingfaktors in die Transformationsgleichung werden allerdings die Schwierigkeiten bei der Integration für t → − ∞ noch verstärkt. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, wird die untere Grenze des Integrals von −∞ auf 0 gesetzt. Durch diese Modifikationen erhält man nun die folgende Gleichung:
ˆ+∞ ˆ+∞ −σ t −j ω t U(jω) = u(t) e e dt = u(t) e−(σ +j ω)t dt 0
0
Wenn man jetzt noch die Abkürzung s = σ + jω einführt und dazu passend U(jω) in U(s) umbenennt, erhält man eine Variante der „alten“ Transformationsvorschrift. Die Berechnung von U(s) über die folgende Gleichung kann als eine Transformation von u(t) aus dem Zeitbereich in einen Bildbereich aufgefasst werden (man spricht hier vom Bildbereich statt vom Frequenzbereich, um eine Abgrenzung von der ursprünglichen Fourier-Transformation zu gewinnen):
ˆ+∞ u(t) → U(s) mit U(s) = u(t) e−s t dt −∞
Häufig wird auch die Abkürzung U(s) = L[u(t)] benützt!
(6.1)
6.2 Der Weg zur Laplace-Transformation
69
Diese Transformationsvorschrift wird in der Laplace-Transformation verwendet, deshalb auch die Abkürzung L[u(t)] Modifikationen der Transformationsgleichung Gl. (5.4) Die Änderungen an Gl. (5.3) bedingen selbstverständlich auch Änderungen an Gl. (5.4). Dazu nun die nächsten mathematischen Betrachtungen. Wir wollen zunächst Gl. (6.1) „zurückentwickeln“, d. h. wir wollen die Exponentialfunktion im Integranden wieder in zwei Anteile zerlegen. Damit gewinnen wir die Gl. (6.1a). Diese Gleichung wird nun mit Gl. (5.3) verglichen:
Der Vergleich ergibt: Man kann U(s) als die gemäß Fourier-Transformation in den Frequenzbereich transformierte Funktion u(t) e−σ t auffassen. Entsprechend muss dann gemäß der Rücktransformationsgleichung Gl. (5.4) gelten:
u(t)e
−σ t
1 = 2π
ˆ+∞ U(s) ej ω t dω −∞
Um die Funktion u(t) zu erhalten, muss e−σ t von der linken Seite auf die rechte Seite „verschoben“ werden. Wenn man dann noch die schon oben eingeführte Abkürzung s = σ + jω einfügt, erhält man:
1 u(t) = 2π
ˆ+∞ ˆ+∞ ˆ+∞ 1 1 σt j ω t (σ +jω)t U(s) e e dω = U(s) e dω = U(s) est dω 2π 2π −∞
−∞
−∞
Wegen s = σ + jω gilt ds = 0 + jdω bzw. dω = 1 j ds. Somit kann in obiger Gleichung auch noch dω durch 1 j ds ersetzt werden. Da nun über ds integriert wird, müssen die Integrationsgrenzen angepasst werden: ω = ±∞ muss durch s = σ ± j∞ ersetzt werden. Mit der so gewonnenen Gleichung kann eine Rücktransformation von U(s)aus dem Bildbereich in den Zeitbereich durchgeführt werden:
70
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
1 U(s) → u(t) mit u(t) = 2π j
σˆ+j∞
U(s) est ds
(6.2)
σ −j∞
Häufig wird auch die Abkürzung u(t) = L −1 [U(s)] benützt! Damit haben wir die Rücktransformationsvorschrift für die Laplace-Transformation erhalten, darauf soll auch die Abkürzung L −1 [U(s)] hindeuten. Bleiben die Vorteile der Fourier-Transformation erhalten? Wir haben nun durch formale mathematische Operationen neue Transformationsvorschriften entwickelt. Jetzt muss die Frage geklärt werden, ob diese Vorschriften sinnvoll sind, d. h. ob im Bildbereich DGLs wieder in algebraische Gleichungen übergehen usw. (so wie wir das bereits von der komplexen Rechnung oder der Fourier-Transformation her gewöhnt sind). Diese Frage kann (das wird den Leser dieses Kompendiums wohl nicht überraschen) mit „ja“ beantwortet werden. Es gelten beispielsweise die folgenden Zusammenhänge:
du(t) dt du2 (t) dt 2 dun (t) dt n
Transformation
−→
Transformation
−→
Transformation
−→
s U(s) − u(0)
s2 U(s) − su(0) −
sn U(s) − sn−1 u(0) − sn−2
n=1,2,3...
a1 u1 (t) + a2 u2 (t) + . . .
n−1 du(t) u(t) 0 d − · · −s dt t−0 dt n−1 t−0
Transformation
−→
du(t) dt t=0
a1 U1 (s) + a2 U2 (s) + . . .
(6.3)
(6.4)
(6.5)
(6.6)
Man erkennt: Im Bildbereich gehen Differentiationen nach der Zeit in Multiplikationen mit s über. Zusätzlich enthalten die abgeleiteten Funktionen im Bild bereich aber auch noch die Werte u(0), du(t) dt t=0usw. Das ist neu gegenüber der Fourier-Transformation, aber nicht verwunderlich, wenn man sich noch an die Ableitung der Gl. (6.1) erinnert. Im Rahmen dieser Ableitung wird in den Integranden des ursprünglichen Transformationsintegrals ein Abklingfaktor eingefügt, um das Konvergenzver-
6.2 Der Weg zur Laplace-Transformation
71
halten zu verbessern. Wegen dieser Änderung muss (um neue Schwierigkeiten zu umgehen) die untere Grenze des Integrals auf t = 0 gesetzt werden. Man berücksichtigt also nur noch die Zeit von t = 0 (Schaltzeitpunkt) bis t → . +∞ Die „Vergangenheit“ muss deshalb durch Vorgabe der Werte u(0), du(t) dt t=0 usw. berücksichtigt werden. Wie man diese Werte bestimmen kann, wird in Abschn. 6.3 ausführlich erläutert. Nun wollen wir auch noch andeuten, wie die oben aufgelisteten Zusammenhänge Gl. (6.3) bis (6.6) nachgewiesen werden können. Die Ableitung der Gl. (6.3) wird uns sehr leicht fallen, wir können analog vorgehen wie beim Beweis der Gl. (5.5) in Abschn. 5.2. Zunächst wollen wir uns an die Transformation von u(t) gemäß Gl. (6.1) erinnern:
ˆ+∞ u(t) → U(s) = u(t) e−st dt 0
Entsprechend kann die Transformation von du/dt formuliert werden:
du(t) → dt
ˆ+∞
du(t) −s t e dt dt
(6.7)
0
´ ´ Über die Anwendung der partiellen Integration ( u′ v dt = − u v′ dt + uv) kann nun das Integral oben umgeformt werden: ˆ+∞
du(t) −s t e dt = − dt
0
ˆ+∞ ˆ+∞ +∞ +∞ u(t)(−s)e−s t dt + u(t)e−s t 0 = s u(t)e−st dt + u(t)e−s t 0 0
0
Die eckige Klammer oben wird nach Einsetzen der Grenzen zu −u(0), damit ergibt sich unter Berücksichtigung der Gl. (6.1):
ˆ+∞
du(t) −s t e dt = s dt
ˆ+∞ u(t)e−st dt − u(0) = sU(s) − u(0) 0
0
Aus der Transformationsvorschrift Gl. (6.7) und obiger Gleichung ergibt sich:
du → dt
ˆ+∞ 0
du(t) −st e dt = s U(s) − u(0) dt
72
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Damit ist Gl. (6.3) auch schon bewiesen! Die Zusammenhänge Gl. (6.4) und (6.5) können auf die gleiche Art abgeleitet werden. Die Ableitung von Gl. (6.6) ist ganz einfach, man muss nur die Summenregel der Integralrechnung bemühen. Darüber hinaus muss man noch berücksichtigen, dass ein konstanter Faktor im Integranden vor das Integral gezogen werden kann.
6.3 Laplace-Transformation Im vorangegangenen Abschnitt wurde angedeutet, wie sich aus der Fourier-Transformation die Laplace-Transformation ableitet. Das soll jetzt etwas konkretisiert werden. Wir wollen zunächst eine Übersicht über den „neuen“ Lösungsweg vermitteln und anschließend noch einige Besonderheiten erläutern. Übersicht über den Lösungsweg Lösungsschritt 1: DGL im Zeitbereich aufstellen Zuerst muss mithilfe der Kirchhoffschen Regeln und der Bauelementegleichungen die DGL für das in Betracht gezogene lineare Übertragungsglied aufgestellt werden. Gemäß Kap. 3, Gl. (3.8), hat die systembeschreibende DGL für ein lineares Übertragungsglied prinzipiell die folgende Form:
due (t) d 2 ue (t) dua (t) + · · · = b1 ua (t) + b2 + a3 dt dt 2 dt d 2 ua (t) + ··· + b3 dt 2
a1 ue (t) + a2
(6.8)
ue (t) ist die Eingangsgröße, ua (t) die Ausgangsgröße der Schaltung. Die Koeffizienten a1, a2, a3, …., b1, b2, b3 ….. hängen von der Struktur der Schaltung ab. Lösungsschritt 2: Eingangsgröße und DGL in den Bildbereich transformieren Die Eingangsgröße wird über Gl. (6.1) transformiert. Als Ergebnis erhält man Ue (s) Die Transformation der DGL in den Bildbereich kann mittels der Gl. (6.3) bis (6.6) geschehen. Die DGL Gl. (6.8) geht dabei in die folgende einfachere algebraische Gleichung über:
6.3 Laplace-Transformation
73
due (t) ) + ··· = dt t=0 dua (t) 2 ) + ··· = b1 Ua (s) + b2 (sUa (s) − ua (0)) + b3 (s Ua (s) − sua (0) − dt t=0
a1 Ue (s) + a2 (sUe (s) − ue (0)) + a3 (s2 Ue (s) − sue (0) −
(6.9)
Aus dieser Gleichung kann die Ausgangsgröße Ua (s) leicht berechnet werden, vorausgesetzt man hat vorher die Werte ue (0), due (t) dt t=0 , . . . , ua (0), dua (t) dt t=0 , . . .ermittelt. Wie das bewerkstelligt werden kann, wird etwas später eingehend erläutert. Lösungsschritt 3: Ausgangsgröße in den Zeitbereich rücktransformieren Die im Bildbereich ermittelte Ausgangsgröße Ua (s) kann nun mittels Gl. (6.2) in den Zeitbereich rücktransformiert werden, damit erhält man die gesuchte Größe ua (t). Noch einige Bemerkungen zum Lösungsweg Im Rahmen der Lösungsschritte 2 und 3 müssten eigentlich wegen der Transformationsvorschriften Gl. (6.1) und (6.2) schwierige Integrale gelöst werden. Das ist aber in der Praxis nicht nötig. Es existieren umfangreiche Tabellen, in denen praktisch alle der im Verlauf von Transformationen und Rücktransformationen auftretenden Integrale mit den entsprechenden Lösungen aufgelistet sind. Eine solche Tabelle wird in Abschn. 6.4 vorgestellt. Der Lösungsweg kann vereinfacht werden, wenn die Energiespeicher in der Schaltung zum Schaltzeitpunkt ungeladen sind. Näheres dazu ebenfalls in Abschn. 6.4. Zustandsgrößen, Anfangswerte, Stetigkeitsbedingung Etwas weiter oben wurde darauf hingewiesen, dass die Ermittlung der Werte ue (0), due (t) dt t=0 , . . . , ua (0), dua (t) dt t=0 , . . .im Rahmen der Berechnung von Ua (s) erforderlich ist (Lösungsschritt 2). Um insbesondere die Ermittlung der mit „a“ indizierten Größen zu verstehen, müssen noch einige Begriffe und Zusammenhänge erläutert werden, das soll hier geschehen. Die Einschwingvorgänge nach einem Schaltvorgang (wir wollen immer annehmen, das der Schaltvorgang zum Zeitpunkt t = 0stattfindet) können sehr unterschiedlich verlaufen, sie sind abhängig von der erregenden Größe, der Schaltungsstruktur und den Ladezuständen der in der Schaltung enthaltenen
74
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Spulen und Kondensatoren zum Schaltzeitpunkt. Die Ladezustände bzw. Energieinhalte WL und WC von Spulen L und Kondensatoren C werden durch die Spulenströme iL und die Kondensatorspannungen uC bestimmt, denn es gilt:
WL =
1 L iL (t)2 2
bzw. WC =
1 C uC (t)2 2
Die Größen iL (t) und uC (t) werden deshalb auch als Zustandsgrößen bezeichnet. Die Werte der Zustandsgrößen zum Schaltzeitpunk werden Anfangswerte genannt. Im Rahmen einer Transientenanalyse müssen zunächst die Anfangswerte bestimmt werden, mit ihrer Hilfekönnen dann die für die weitere Berechnung notwendigen Werte ua (0), dua (t) dt t=0 usw. bestimmt werden. Wie kann man nun die Anfangswerte ermitteln? Dazu muss man sich noch einmal die Bauelementegleichungen von Spule und Kondensator vergegenwärtigen, es gelten gemäß der Gl. (1.2) und (1.3) die folgenden Beziehungen:
uL (t) = L
diL (t) dt
und
iC (t) = C
duC (t) dt
Aus diesen Gleichungen kann abgeleitet werden, dass ein Stromsprung an der Spule bzw. ein Spannungssprung am Kondensator unmöglich ist. Diese Sprünge würden einen unendlich hohen Wert der jeweiligen Ableitung und damit der Spannung an der Spule bzw. des Stromes durch den Kondensator erfordern. Beides ist aus energetischen Gründen nicht möglich. Aus diesem Sachverhalt heraus kann man die Stetigkeitsbedingungen für Spule und Kondensator formulieren, sie lauten: Spulenströme und Kondensatorspannungen können nur stetig (nicht sprunghaft) verlaufen, deshalb müssen bei Schaltvorgängen die folgenden Bedingungen erfüllt sein: iL (0− ) = iL (0) = iL (0+ ) bzw. uC (0− ) = uC (0) = uC (0+ ).
Dabei symbolisiert iC (0µ ) bzw. uC (0µ ) den linken bzw. rechten Grenzwert, der sich ergibt, wenn man von t = µ∞ ausgehend dem Wert t = 0unendlich nahe kommt, ihn aber nicht erreicht bzw. überschreitet. Mithilfe der Stetigkeitsbedingungen können die Anfangswerte bestimmt werden. Es ist nämlich recht einfach, die „kurz“ vor dem Schaltvorgang auftretenden Spulenströme und Kondensatorspannungen zu bestimmen. Diese
6.3 Laplace-Transformation
75
Ströme und Spannungen müssen dann, wegen der Stetigkeitsbedingungen, mit den Anfangswerten identisch sein. In einem Beispiel soll diese Verfahrensweise etwas später noch verdeutlicht werden. Ermittlung der Ein- und Ausgangsgrößen sowie deren Ableitungen für t = 0 Nach diesen Vorbereitungen soll nun endlich geklärt werden, wie man die für die Laplace-Transformation erforderlichen Größen ue (0), due (t) dt t=0 , . . . , ua (0), dua (t) dt t=0 , . . . bestimmen kann. Zunächst zur Bestimmung der mit „e“ indizierten Größen: Die Bestimmung dieser Werte ist einfach, denn sie beziehen sich ja auf die Eingangsgröße, deren zeitlicher Verlauf selbstverständlich als bekannt vorausgesetzt werden kann. Allerdings gibt es eine „Unklarheit“: Was ist, wenn sich exakt zum Schaltzeitpunkt eine Eingangsgröße ue (t) sprungartig ändert, z. B. von 5 V auf 10 V? Gilt dann ue (0) = 5 V oder ue (0) = 10 V? Da die Transformationsvorschrift Gl. (6.1) nur das Zeitintervall ab t = 0 bis t = +∞ erfasst, liegt es nahe, immer mit dem rechtsseitigen Grenzwert ue (0+ ) zu rechnen (was man unter diesem Grenzwert versteht, ist bereits oben erläutert worden). Für unser Beispiel bedeutet das: Wir müssen ue (0+ ) = 10 V wählen. In der mathematischen Spezialliteratur kann man nachlesen, dass diese Überlegungen richtig sind. Selbstverständlich gelten die eben angestellten Überlegungen auch für die Ausgangsgröße und die Ableitungen der Ein- und Ausgangsgröße zum Schaltzeitpunkt. Wir müssen also strenggenommen in den Gl. (6.3), (6.4), (6.5) und (6.9) jede 0 durch 0+ ersetzen. Ab jetzt soll das auch immer geschehen. Nun die Bestimmung der mit „a“ indizierten Größen: Oben wird ja beschrieben, wie die Anfangswerte und die Eingangsgrößen sowie deren Ableitungen für t = 0 bestimmt werden können. Wenn man diese Größen spezifiziert hat, ergeben sich alle weiteren Spannungen und Ströme in der Schaltung zum Schaltzeitpunkt zwangsläufig bzw. können durch Anwendung der üblichen „elektrotechnischen Rechenregeln“ bestimmt werden. Wie das im Einzelnen gemacht werden kann, soll an Hand eines Beispiels verdeutlicht werden. In diesem Beispiel geht es um die Ermittlung eines Stromes, deshalb wird neben dem Symbol U(s)auch das Symbol I(s) verwendet. Für I(s) gelten selbstverständlich sinngemäß die gleichen Transformationsvorschriften und Rechenregeln wie für U(s).
76
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Beispiel Schwingkreis
Lösung: Zwecks Ermittlung der gesuchten Größen müssen wir zunächst die Anfangswerte bestimmen. Vor dem Schaltvorgang liegt die Gleichspannung U1 am Schwingkreis. Da der Kondensator für Gleichströme wie ein offener Schalter wirkt, gelten folgende Zusammenhänge:
iL (t < 0) = 0, uC (t < 0) = U1 Wegen der Stetigkeitsbedingungen gilt deshalb für die Anfangswerte:
iL (0) = 0, uC (0) = U1 Nun zu den gesuchten Größen ue (0+ ),
ia (0+ ),
dia (t) dt t=0+:
Die Größe ue (0+ ) ergibt sich direkt aus der vorgegebenen Schaltung, es gilt ue (0+ ) = U2 Die Größe ia (0+ ) ist ebenfalls sehr leicht zu ermitteln, da ia (0+ ) = iL (0+ ) gilt und der Anfangswert iL (0) bereits bekannt ist. Darüber hinaus gelten die Stetigkeitsbedingungen, sodasswiria (0+ ) = 0 erhalten. Die Berechnung von dia (t) dt t=0+ gestaltet sich etwas aufwendiger. Wir müssen die Kirchhoffsche Maschenregel auf unsere Schaltung für t = 0+ anwenden: dia (t) ue (0+ ) = R ia (0+ ) + L + uC (0+ ) dt t=0+
6.4 Lösungspläne
77
Da ue (0+ ) = U2, ia (0+ ) = 0 und uC (0+ ) = U1 gelten, folgt aus obiger Gleichung: dia (t) dia (t) U2 − U1 U2 = L + U bzw. = 1 dt t=0+ dt t=0+ L Damit haben wir alle gesuchten Größen ermittelt! ◄
6.4 Lösungspläne Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargestellt, wie eine Transientenanalyse mittels der Laplace-Transformation prinzipiell durchgeführt werden kann. In diesem Abschnitt wird das Verfahren verdeutlicht. Dazu werden zunächst zwei Korrespondenztabellen vorgestellt. Abb. 6.1 zeigt eine Tabelle, in der korrespondierende Rechenoperationen im Zeitbereich und im Bildbereich nebeneinander gestellt sind. In dieser Tabelle sind die in den Gl. (6.3) bis (6.6) enthaltenen Informationen noch einmal übersichtlich zusammengefasst. Dieses Bild zeigt übrigens eine bisher noch nicht erwähnte Besonderheit: Wenn die Anfangswerte des in Betracht gezogenen Übertragungsgliedes Null sind, d. h. wenn für alle Spulen bzw. Kondensatoren i(0) = i(0+ ) = 0 bzw. u(0) = u(0+ ) = 0 gilt, kann man wieder mit einem verallgemeinerten Ohmschen Gesetz rechnen. Da im Bildbereich auch die Kirchhoffschen Regeln gelten, kann dann mit den Methoden der Gleichstromtechnik gearbeitet werden, genau wie bei der Anwendung der komplexen Rechnung und der Fourier-Transformation. Das ist natürlich sehr praktisch! Abb. 6.2 zeigt eine weitere Tabelle. In dieser Tabelle sind korrespondierende Funktionen im Zeitbereich und im Bildbereich nebeneinandergestellt. Die Bildfunktionen U(s) ergeben sich durch Transformationen der Zeitfunktionen u(t) mithilfe der Gl. (6.1). Umgekehrt ergeben sich die Zeitfunktionen u(t) durch Rücktransformationen der Bildfunktionen U(s) mithilfe der Gl. (6.2). Der „normale“ Anwender der Laplace-Transformation muss deshalb keine schwierigen Integrale lösen, er muss in den Tabellen nur nach den passenden Korrespondenzen suchen. Anhand von Beispielen wird etwas später gezeigt, wie derartige Tabellen anzuwenden sind (man sollte sich bei den unzähligen Mathematikern bedanken, die fast alle in der Praxis auftauchenden Integrale bereits „geknackt“ haben!).
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6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Abb. 6.1 Korrespondenztabelle Zeitbereich ↔ Bildbereich – Laplace-Transformation (Auswahl)
6.4 Lösungspläne
79
Abb. 6.2 Korrespondenztabelle für Funktionen bei Anwendung der Laplace-Transformation (Auswahl)
Nachdem der Leser sich etwas mit den Korrespondenztabellen vertraut gemacht hat, sollen nun zwei Lösungspläne, mit denen Transientenanalysen sehr schematisch durchgeführt werden können, vorgestellt werden.
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6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Lösungsplan 1 – Anfangswerte beliebig In Abschn. 6.3 wurde die Transientenanalyse mittels der Laplace-Transformation bereits skizziert. Der Lösungsplan in Abb. 6.3 lehnt sich weitgehend an diese Ausführungen an und sollte deshalb schnell verständlich sein. Lösungsplan 1 ist universell einsetzbar, egal ob alle Anfangswerte Null sind oder ob davon abweichende Anfangswerte vorliegen. Da im Bildbereich statt DGLs nur algebraische Gleichungen auftreten, hat der Zusammenhang zwischen der gesuchten Größe Ua (s) und der erregenden Größe Ue (s) im Bildbereich die folgende Form: Ua (s) = G(s) Ue (s) + K(s). Der Proportionalitätsfaktor G(s) wird Übertragungsfunktion genannt. Er beinhaltet die Struktur der Schaltung und entspricht dem in Abschn. 3.5 eingeführten komplexen Frequenzgang G(jω) und der in Abschn. 5.3 eingeführten Größe F(jω) . Die Übertragungsfunktion spielt in der Regelungstechnik und in verwandten Disziplinen eine sehr große Rolle, sozusagen als „Kurzbeschreibung“ linearer Übertragungsglieder. Im Faktor K(s) „stecken“ die Anfangswerte. Wenn alle Anfangswerte Null sind, gilt auch K(s) = 0. Lösungsplan 2 – alle Anfangswerte identisch Null Etwas weiter oben wurde an Hand der Korrespondenztabelle Abb. 6.1 gezeigt, dass man im Bildbereich wieder mit den Methoden der Gleichstromtechnik arbeiten kann, wenn alle Anfangswerte Null sind. Diese Erkenntnis ist in Lösungsplan 2 eingeflossen (Abb. 6.4). Lösungsplan 2 ist ganz analog aufgebaut wie der Lösungsplan 2 für die Analyse von Wechselstromschaltungen (Abb. 3.6) und wie der Lösungsplan für die Fourier-Transformation (Abb. 5.3). Der Plan 2 sollte deshalb leicht verständlich sein. Nun sollen einige Beispiele folgen, um Unklarheiten zu beseitigen. Beispiel RL-Glied, sprungförmige Erregung i (t ) S
U2
U1
u e (t )
R
0
L
u a (t ) = ?
Der Schalter S wird zum Zeitpunkt t = 0 unendlich schnell umgelegt. Gegeben: R, L, U1, U2 Gesucht: ua(t)
6.4 Lösungspläne Eingangsgröße:
ue (t)
81
ue (t)
Gesuchte Ausgangsgröße (vgl. Gl. (6.2)):
u a (t ) =
σ + j∞
1
U a ( s ) e st ds 2π j σ −∫j∞
Systembeschreibende DGL aufstellen (vgl. Gl. (6.8)):
a1u e + a 2
du e du + ⋅ ⋅ ⋅ = b1u a + b2 a + ⋅ ⋅ ⋅ dt dt Zeitbereich Rücktransformation
Transformation Bildbereich Transformierte Eingangsgröße (vgl. Gl. (6.1)): +∞
U e ( s ) = ∫ u e(t) e
− st
dt
0
Transformierte DGL (vgl. Gl. (6.9)):
Gesuchte Ausgangsgröße:
U a ( s ) = G ( s )U e ( s) + K ( s )
a1U e ( s ) + a 2 (sU e ( s ) − u e (0 + ) ) + ⋅ ⋅ ⋅ =
b1U a ( s ) + b2 (sU a ( s) − u a (0 + ) ) + ⋅ ⋅ ⋅
Anfangswerte ermitteln, Ein- und Ausgangsgrößen sowie deren Ableitungen für t = 0+ ermitteln (u e (0 + ), ⋅ ⋅ ⋅ , u a (0 + ), ⋅ ⋅ ⋅)
U a (s) bzw. G ( s ), K ( s ) berechnen Das geht einfach, die systembeschreibende DGL ist ja durch die Transformation in den Bildbereich in eine einfache algebraische Gleichung übergegangen!
Abb. 6.3 Transientenanalyse von linearen Schaltungen über die Laplace-Transformation, Lösungsplan 1, Anfangswerte beliebig
82
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Eingangsgröße:
ue (t)
Gesuchte Ausgangsgröße (Gleichung (6.2)):
ue (t)
u a (t ) =
σ + j∞
1
U a ( s ) e st ds 2π j σ −∫j∞
Zeitbereich Transformation
Rücktransformation Bildbereich
Transformierte Eingangsgröße (vgl. Gl. 6.1)): +∞
U e ( s ) = ∫ u e(t) e
− st
dt
Gesuchte Ausgangsgröße:
U a (s) = G (s) U e (s)
0
U a (s) bzw. G (s ) berechnen Unter Zuhilfenahme der Knoten- und Maschenregel sowie des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes
Abb. 6.4 Transientenanalyse von linearen Schaltungen über die Laplace-Transformation, Lösungsplan 2, Anfangswerte Null
Lösung: Da vor dem Schaltzeitpunkt eine Spannung an der Schaltung liegt, sind die Anfangswerte ungleich Null. Deshalb muss Lösungsplan 1 benützt werden. Schritt 1, Aufstellen der systembeschreibenden DGL Mit der Kirchhoffschen Maschenregel erhält man folgende Gleichung:
ue (t) = R i(t) + ua (t) Über die Bauelementegleichung für die Spule kann man einen Ausdruck für i(t) gewinnen: ˆ di(t) 1 ua (t) = L → i(t) = ua (t)dt dt L
6.4 Lösungspläne
83
i(t) wird nun in die oberste Gleichung eingesetzt, anschließend wird differenziert. Damit erhält man die gewünschte DGL: ˆ 1 due (t) R dua (t) ue (t) = R ua (t)dt + ua (t) bzw. = ua (t) + L dt L dt Schritt 2, Eingangsgröße in den Bildbereich transformieren Bei der Eingangsgröße ue (t) handelt sich um eine Sprungfunktion (U1 → U2). Mithilfe des Linearitätsgesetzes (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 1 (Abb. 6.2) kann die Eingangsgröße im Bildbereich sofort angegeben werden, es gilt:
Ue (s) =
U2 s
In diesem sehr einfachen Fall könnte man Ue (s) auch leicht über die Transformationsgleichung Gl. (6.1) bestimmen, wir wollen das aus Übungsgründen einmal durchführen. Zunächst zur Erinnerung noch einmal Gl. (6.1):
ˆ+∞ u(t) → U(s) mit U(s) = u(t) e−st dt 0
Die Integration beginnt bei Null (exakter bei 0+), wir können deshalb schreiben:
ˆ+∞ ˆ+∞ U2 1 −st ∞ −st −st U(s) = U2 e dt = U2 e dt = U2 − e = s s 0 0
0
Damit sind wir schon zum erwarteten Ergebnis gelangt. Dabei haben wir für die Abklingkonstante σ (vgl. Abschn. 6.2) stillschweigend σ > 0 angenommen, sonst würde das Integral nicht konvergieren. Schritt 3, DGL in den Bildbereich transformieren Mithilfe des Linearitätsgesetzes und der Differentiationsregeln (Abb. 6.1) kann man die Transformation sofort durchführen, man erhält:
sUe (s) − ue (0+ ) =
R Ua (s) + sUa (s) − ua (0+ ) L
84
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Schritt 4, Anfangswert sowie Ein- und Ausgangsgröße für t = 0+ ermitteln Vor dem Schaltzeitpunkt gilt für den Spulenstrom: i(t < 0) = U1 /R (die Spule wirkt ja vor dem Schaltvorgang wie ein Kurzschluss!). Wegen der Stetigkeitsbedingung gilt dann für den „Spulenstrom-Anfangswert“ i(0) = U1 /R. Zum Zeitpunkt t = 0+ gilt wegen der sprungförmigen Erregung ue (0+ ) = U2. Der Spannungsabfall an R nimmt wegen i(0) = i(0+ ) = U1 /R den Wert U1 an. Nach der Kirchhoffschen Maschenregel muss deshalb ua (0+ ) = U2 − U1 gelten. Schritt 5, Ausgangsgröße im Bildbereich berechnen Die in Schritt 4 ermittelten Werte für ue (0+ ) und ua (0+ ) werden in die transformierte DGL (Schritt 1) eingesetzt, man gelangt zur folgenden Gleichung:
sUe (s) − U2 =
R Ua (s) + sUa (s) − (U2 − U1 ) L
Damit hat man die Bestimmungsgleichung für Ua (s) ermittelt. Aus dieser Gleichung kann die gesuchte Größe leicht ermittelt werden, man erhält:
Ua (s) =
s U1 Ue (s) − = G(s) Ue (s) + K(s) s+L R s+L R
(Zur Erinnerung: G(s) ist die Übertragungsfunktion, sie beschreibt die Struktur der Schaltung. Über den Faktor K(s) werden die Anfangswerte berücksichtigt. Näheres kann bei den Erläuterungen zu Lösungsplan 1 nachgelesen werden). In Schritt 2 haben wir bereits unsere Eingangsgröße im Bildbereich ermittelt, diese Funktion setzen wir in die Gleichung oben ein. Damit haben wir die gesuchte Größe im Bildbereich vollständig bestimmt:
Ua (s) =
s U1 U2 U2 U1 U −U = − = 2 1 − s+L R s s+L R s+L R s+L R s+L R
Schritt 6, Rücktransformation der Ausgangsgröße in den Zeitbereich Die Rücktransformation kann mithilfe des Linearitätsgesetzes (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 2 (Abb. 6.2) erfolgen, man erhält:
ua (t) = (U2 − U1 ) e−(L/R)t ◄
6.4 Lösungspläne
85
Beispiel R1R2C-Glied, sprungförmige Erregung R1
S U
ue (t )
Der Schalter S wird zum Zeitpunkt t = 0 unendlich schnell umgelegt.
0 C
u a (t ) = ?
R2
Gegeben: R1 R2, C, U Gesucht: ua(t)
Lösung: Wegen des parallel zum Kondensator liegenden Widerstandes R2 muss C vor dem Schaltzeitpunkt entladen sein. Der Anfangswert ist also Null, Lösungsplan 2 kann verwendet werden. Schritt 1, Eingangsgröße in den Bildbereich transformieren Bei der Eingangsgröße ue (t) handelt sich um eine Sprungfunktion (0 → U ). Mithilfe des Linearitätsgesetzes (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 1 (Abb. 6.2) kann die Eingangsgröße im Bildbereich sofort angegeben werden, es gilt:
Ue (s) =
U s
Schritt 2, Ausgangsgröße im Bildbereich berechnen Da der „Kondensatorspannungs-Anfangswert“ Null ist, kann man mit den Methoden der Gleichstromtechnik rechnen, z. B. mit der Spannungsteilerformel:
Ua (s) =
1 R2
R1 +
1 +sC 1 R2
1 +sC
Ue (s) = R1
1
1 R2
Ue (s) = G(s) Ue (s) + sC + 1
(G(s) ist die Übertragungsfunktion unseres R1R2 C-Gliedes)
86
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Wenn man jetzt für Ue (s) den im vorangegangenen Schritt ermittelten Ausdruck in die obere Gleichung einsetzt, erhält man:
Ua (s) = R1 =
1
1 R2
U = + sC + 1 s
·
R1 +R2 R2
U 1 · + sR1 C s
U 1 R1 C R1 +R2 + s s R1 R2 C
Schritt 3, Rücktransformation der Ausgangsgröße in den Zeitbereich Mit dem Linearitätsgesetz (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 3 (Abb. 6.2) kann die Rücktransformation vorgenommen werden und man erhält die gesuchte Größe:
ua (t) =
R2 U t 1 − e− τ mit R1 + R2
τ=
R1 R2 C R1 + R2 ◄
Beispiel R1R2L-Glied, sprungförmige Erregung i R (t ) + i a ( t ) R1 S
U1
U2
u e (t )
i R (t )
i a (t ) = ? R2
L
Der Schalter S wird zum Zeitpunkt t = 0 unendlich schnell umgelegt. Gegeben: R1, R2, L, U1, U2 Gesucht: ia(t)
Lösung: Da vor dem Schaltzeitpunkt eine Spannung an der Schaltung liegt, sind die Anfangswerte ungleich Null. Deshalb muss Lösungsplan 1 benützt werden. Schritt 1, Aufstellen der systembeschreibenden DGL Mit der Kirchhoffschen Maschenregel erhält man folgende Gleichung:
ue (t) = R 1 (iR (t) + ia (t)) + L
dia (t) dt
6.4 Lösungspläne
87
Da die Spannungen an R2 und L identisch sein müssen, kann man schreiben:
iR (t)R2 = L
dia (t) dt
bzw. iR (t) =
L dia (t) R2 dt
Wenn man nun iR (t) in die oberste Gleichung einsetzt, erhält man die gesuchte DGL: ue (t) = R1
L dia (t) dia (t) + ia (t) + L R2 dt dt
bzw. ue (t) = R1 ia (t) + L
R1 + R2 dia (t) R2 dt
Schritt 2, Eingangsgröße in den Bildbereich transformieren Bei der Eingangsgröße ue (t) handelt sich um eine Sprungfunktion (U1 → U2 ). Mithilfe des Linearitätsgesetzes (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 1 (Abb. 6.2) kann die Eingangsgröße im Bildbereich sofort angegeben werden, es gilt:
Ue (s) =
U2 s
Schritt 3, DGL in den Bildbereich transformieren Mithilfe des Linearitätsgesetzes und der Differentiationsregeln (Abb. 6.1) kann man die Transformation sofort durchführen, man erhält:
Ue (s) = R1 Ia (s) + L
R1 + R2 (sIa (s) − ia (0+ )) R2
Schritt 4, Anfangswert sowie Ausgangsgröße für t = 0+ ermitteln Vor dem Schaltzeitpunkt gilt für den Spulenstrom: ia (t < 0) = U1 /R1 (die Spule wirkt ja vor dem Schaltvorgang wie ein Kurzschluss!). Wegen der Stetigkeitsbedingung gilt dann für den „Spulenstrom-Anfangswert“ ia (0) = U1 /R1. Wegen der Stetigkeitsbedingung gilt dann auch ia (0+ ) = U1 /R1 Schritt 5, Ausgangsgröße im Bildbereich berechnen Der in Schritt 4 ermittelte Wert für ia (0+ )wird in die transformierte DGL (Schritt 3) eingesetzt, man gelangt zur folgenden Gleichung: R1 + R2 U1 Ue (s) = R1 Ia (s) + L sIa (s) − R2 R1
88
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Aus dieser Gleichung kann die gesuchte Größe ermittelt werden, man erhält nach einigen Zwischenrechnungen: R +R
Ia (s) =
LU1 R11 R22 1 U (s) + e 2 2 R1 + sL R1R+R R1 + sL R1R+R 2 2
Nach einigen weiteren Umformungen erhält man schließlich:
Ia (s) =
R2 · L(R1 + R2 )
1 R1 R2 L(R1 +R2 )
+s
· Ue (s) +
U1 · R1
1 R1 R2 L(R1 +R2 )
+s
= G(s)Ue (s) + K(s) (G(s) ist die Übertragungsfunktion unseres R1R2L-Gliedes, K(s) berücksichtigt den Anfangswert) In Schritt 2 haben wir bereits unsere Eingangsgröße im Bildbereich ermittelt, diese Funktion setzen wir in die Gleichung oben ein. Damit haben wir die gesuchte Größe im Bildbereich vollständig bestimmt:
Ia (s) =
R2 U2 · L(R1 + R2 )
1 R1 R2 L(R1 +R2 )
U + 1 · R1 +s s
1 R1 R2 L(R1 +R2 )
+s
Schritt 6, Rücktransformation der Ausgangsgröße in den Zeitbereich Mit dem Linearitätsgesetz (vgl. Abb. 6.1) und den Korrespondenzen 2 und 3 (vgl. Abb. 6.2) kann die Rücktransformation vorgenommen werden und man erhält die gesuchte Größe: U U2 U2 t 1 −t ia (t) = e τ = 1 − e− τ + R1 R R1 1 U − U L(R1 + R2 ) t 1 2 ◄ + e− τ mit τ = R1 R1 R2
6.4 Lösungspläne
89
Beispiel RC-Glied, linear ansteigende Erregung R
ue (t )
0 u a (t ) = ?
C
Gegeben: R, C, U, T Gesucht: u a (t )
ue (t )
t≤0
=0
u e (t ) = t
=
U t T
t>0
Lösung: Da vor dem Schaltzeitpunkt keine Spannung an der Schaltung liegt, sind die Anfangswerte identisch Null. Deshalb kann Lösungsplan 2 benützt werden. Schritt 1, Eingangsgröße in den Bildbereich transformieren Bei der Eingangsgröße ue (t) handelt sich für t > 0 um eine linear ansteigende Funktion. Mithilfe des Linearitätsgesetzes (Abb. 6.1) und der Korrespondenz 6 (Abb. 6.2) kann die Eingangsgröße im Bildbereich ermittelt werden, es gilt:
Ue (s) =
U 1 T s2
Schritt 2, Ausgangsgröße im Bildbereich berechnen Da der „Kondensatorspannungs-Anfangswert“ Null ist, kann man mit den Methoden der Gleichstromtechnik rechnen, z. B. mit der Spannungsteilerformel:
Ua (s) =
1 sC 1 sC
+R
Ue (s) =
1 Ue (s) = G(s)Ue (s) 1 + sRC
(G(s) ist die Übertragungsfunktion unseres RC-Gliedes)
90
6 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Wenn man jetzt für Ue (s) den im vorangegangenen Schritt ermittelten Ausdruck in die obere Gleichung einsetzt, erhält man:
Ua (s) =
1 1 1 U U = T (1 + sRC) s2 TRC (1/RC + s)s2
Schritt 3, Rücktransformation der Ausgangsgröße in den Zeitbereich Mit dem Linearitätsgesetz (vgl. Abb. 6.1) und der Korrespondenz 4 (vgl. Abb. 6.2) kann die Rücktransformation vorgenommen werden und man erhält die gesuchte Größe:
ua (t) =
1 1 U U 1 t t − RC − RC − 1 + − 1 + = e t RC t e TRC 1 RC 2 RC T RC ◄
6.5 Zusammenfassung und Ergänzungen In diesem Kapitel wird die Laplace-Transformation abgeleitet. Mit Hilfe dieses Verfahren können Transientenanalysen linearer Schaltungen durchgeführt werden, bei nahezu beliebigen Erregungen. Ähnlich wie bei der komplexen Rechnung und der Fourier-Transformation werden dabei Transformationen durchgeführt, dadurch gehen DGLs in einfache algebraische Gleichungen über und der Rechenaufwand wird geringer. Das Verfahren ist allerdings ziemlich abstrakt und die Transformationsvorschriften beinhalten schwierig zu berechnende Integrale. Trotzdem spielt die Laplace-Transformation in der Elektrotechnik und in verwandten Gebieten eine große Rolle. Dafür sind im Wesentlichen zwei Gründe maßgebend: • Das Verfahren kann sehr schematisch, ja fast rezeptartig, durchgeführt werden. Entsprechende Lösungspläne werden in diesem Kapitel vorgestellt. • Es existieren sogenannte Korrespondenztabellen, in denen Rechenregeln und Funktionen im Zeit- und Bildbereich nebeneinandergestellt sind. Der Anwender der Laplace-Transformation braucht deshalb normalerweise die in den Transformationsvorschriften enthaltenen Integrale nicht zu lösen, seine Arbeit beschränkt sich auf die Suche nach passenden Korrespondenzen. In Kap. 6 sind Auszüge aus derartigen Korrespondenztabellen aufgeführt, um zu demonstrieren, wie man diese Tabellen prinzipiell einsetzen kann. Wenn man die
6.5 Zusammenfassung und Ergänzungen
91
Laplace-Transformation ernstlich betreiben will, muss man auf umfangreichere Tabellen zurückgreifen. Darüber hinaus muss man sich weitere Rechenregeln aneignen (Ähnlichkeitssatz, Verschiebungssätze, Faltungssatz usw.). In vielen Fällen ist die Bildfunktion auch so aufgebaut, dass sie sich in Partialbrüche zerlegen lässt. Für die Rücktransformation der einzelnen Partialbrüche existieren meist geeignete Korrespondenzen. Mittels des Linearitätsgesetzes kann dann die gesuchte Größe im Zeitbereich gebildet werden. Für den Leser dieses Kompendiums, der die Grundlagen der Laplace-Transformation verstanden hat, ist es bestimmt kein Problem, sich diese Dinge anzueignen. Es gibt viele Bücher und Internetseiten, die dabei hilfreich sein können.
7
Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, EulerVerfahren
7.1 Einführung In den Kap. 5 und 6 wurden die Fourier- und Laplace-Transformation abgeleitet und erläutert. Mit diesen Verfahren können Transientenanalysen von linearen Schaltungen durchgeführt werden. In Kap. 7 wird nun ein weiteres Verfahren mit einem ähnlichen Einsatzgebiet vorgestellt. Es handelt sich dabei um das Euler-Verfahren. Mittels des Euler-Verfahrens können, in Verbindung mit dem Knotenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus, Transientenanalysen von linearen Schaltungen durchgeführt werden. Die Schaltungen dürfen Widerstände, Spulen, Kondensatoren sowie Spannungs- und Stromquellen mit nahezu beliebigen zeitlichen Spannungs- und Stromverläufen enthalten. Das Verfahren ist sehr einfach zu verstehen und ziemlich universell einsetzbar. Das klingt alles sehr gut, aber es gibt natürlich einen „Pferdefuß“. Es handelt sich dabei um ein numerisches Verfahren. Derartige Verfahren benötigen sehr viele (wenn auch einfache) Rechenschritte, man nähert sich der Lösung iterativ, d. h. schrittweise, ohne die exakte Lösung jemals zu erreichen. Ein solches Verfahren kann man also offensichtlich nicht mehr „per Hand“ durchführen, wie beispielsweise die Laplace-Transformation, man benötigt einen PC und ein entsprechendes Programm. Aber ist das wirklich ein Nachteil? Einen PC hat fast jeder und die entsprechende Software könnte man sogar selber entwickeln. Letzteres ist aber gar nicht nötig, man kann sich Simulationsprogramme für elektrische Schaltungen kostenlos herunterladen. Derartige Programme beinhalten u. a. das Euler-Verfahren.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_7
93
94
7 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Nun noch das Argument mit der Genauigkeit: Da ein PC bekanntermaßen schnell ist, kann er sehr viele Schritte in einer angemessenen Zeit durchführen, die Lösung kann deshalb der exakten Lösung beliebig nahe kommen. Warum sollte man sich nun mit dem Euler-Verfahren auseinandersetzen? Man kann Simulationsprogramme ja auch benützen, ohne zu wissen wie sie funktionieren. Das ist richtig, aber man kann die Programme viel besser einsetzen und die Ergebnisse besser deuten, wenn „Hintergrundkenntnisse“ vorhanden sind. Außerdem sollte ein Student der Elektrotechnik oder verwandter Gebiete schon wissen, wie solche Programme prinzipiell aufgebaut sind, auch im Hinblick auf die Entwicklung anderer Simulationsprogramme, in denen ähnliche Methoden verwendet werden können. Nun noch ein Hinweis: Wegen der Einbindung des Knotenpotenzial- Verfahrens in das Euler-Verfahren wird in den nächsten Abschnitten immer mit Leitwerten und Stromquellen (anstatt mit Widerständen und Spannungsquellen) gerechnet. In Kap. 2 ist das Knotenpotenzial-Verfahren ja ausführlich beschrieben, gegebenenfalls sollte der Leser dieses Kapitel noch einmal überfliegen, um sich das Wesentliche ins Gedächtnis zurückzurufen.
7.2 Ersatzschaltbilder für Spule und Kondensator Das Euler-Verfahren ist ziemlich leicht zu verstehen, das wird zumindest in der Einführung behauptet. Das ist aber tatsächlich wahr, man verwendet einen ganz einfachen Trick: Die ursprünglich durch Differentialgleichungen beschriebenen Zusammenhänge zwischen Spannung und Strom an Spule (Gl. 1.2) und Kondensator (Gl. 1.3) werden durch Differenzengleichungen angenähert. Daraus können Ersatzschaltbilder für diese Elemente abgeleitet werden, die nur aus Widerständen und Stromquellen bestehen. Man erreicht damit eine Rückführung von Schaltungen mit Energiespeichern auf einfachste Widerstands- bzw. Leitwert-Schaltungen. Letztere können dann mit dem leicht programmierbaren Knotenpotenzial-Verfahren analysiert werden. Wir wollen zunächst die neuen Ersatzschaltbilder für die Spule und den Kondensator ableiten. Ableitung eines Spulen-Ersatzschaltbildes für den Zeitpunkt tn Der exakte Zusammenhang zwischen der Spannung an einer Spule und dem Strom durch diese Spule, speziell für den Zeitpunkt tn formuliert, sieht folgendermaßen aus:
7.2 Ersatzschaltbilder für Spule und Kondensator
u(tn ) = L
95
di(t) dt t=tn
Wenn man es nicht so genau nimmt, kann man in der obigen Spulengleichung di durch die Differenz von zwei aufeinanderfolgenden Funktionswerten für die Zeitpunkte tn und tn−1 ersetzen. Dann muss man selbstverständlich auch dt durch das Zeitintervall t = tn − tn−1 substituieren. Damit gelingt der Übergang von der Differentialgleichung zur Differenzengleichung: Schrittweite ∆ t = t n − t n −1
i(t)
u(t n ) ≈ L
i(t n ) − i(t n −1 ) Δt
i (t 0 ) i(t1 )
t0
i(t n−1 )
tn −1
t1
i(t n ) tn
t
Man sieht sofort, dass die Differenzengleichung der exakten Gleichung umso genauer entspricht, je kleiner die Schrittweite t gewählt wird. Wenn man die Abkürzung GL = t L (GL hat die Dimension eines Leitwertes) einführt, kann die obige Näherungsgleichung auch folgendermaßen formuliert werden:
u(tn ) ≈
L L 1 1 i(tn ) − i(tn−1 ) i(tn ) − i(tn−1 ) = �t �t GL GL
Obige Gleichung kann nach i(tn ) aufgelöst werden, man erhält:
i(tn ) ≈ GL u(tn ) + i(tn−1 ) Aus der letzten Gleichung kann schließlich das in Abb. 7.1 dargestellte Ersatzschaltbild der Spule für den Zeitpunkt tn abgeleitet werden. Das Ersatzschaltbild
i (t n )
u (t n )
GL
GL u (t n )
i(t n−1 )
GL = und
Δt L
Δ t = t n − t n −1 = Schrittweite
Abb. 7.1 Ersatzschaltbild einer Spule L für den Zeitpunkt tn
96
7 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
gibt die durch die obige Gleichung beschriebene Aufteilung des Stromes i (tn ) in die Teilströme GL u(tn ) und i (tn−1 ) exakt wieder. Ableitung eines Kondensator-Ersatzschaltbildes für den Zeitpunkt tn Der exakte Zusammenhang zwischen der Spannung an einem Kondensator und dem Strom durch diesen Kondensator, speziell für den Zeitpunkt tn formuliert, sieht folgendermaßen aus:
i(tn ) = C
du(t) dt t=tn
Diese Gleichung kann man wieder, genau wie oben für die Spule beschrieben, durch eine Differenzengleichung annähern: Schrittweite ∆ t = t n − t n −1
u (t )
i(t n ) ≈ C
u(t n ) − u(t n −1 ) Δt
u(t 0 ) u(t1 )
t0
u (t n −1 )
tn −1
t1
u(t n )
tn
t
Mit der Abkürzung GC = C t (GC hat die Dimension eines Leitwertes) kann nun geschrieben werden: i(tn ) ≈
C C u(tn ) − u(tn−1 ) = GC u(tn ) − GC u(tn−1 ) �t �t
Aus der letzten Gleichung ergibt sich dann das in Abb. 7.2 dargestellte Ersatzschaltbild für den Kondensator.
i (t n ) u (t n )
GC u (t n )
GC
GC u (t n−1 )
GC =
C Δt
und Δ t = t n − t n −1 = Schrittweite
Abb. 7.2 Ersatzschaltbild eines Kondensators für den Zeitpunkt tn
7.3 Euler-Verfahren
97
7.3 Euler-Verfahren Wie kann man nun mithilfe der in Abschn. 7.2 erworbenen neuen Kenntnisse Schaltungsanalysen durchführen? Wir wollen das zunächst prinzipiell erläutern, anschließend sollen mittels eines Beispiels Details geklärt werden. Prinzipielle Vorgehensweise Mithilfe der eben entwickelten Ersatzschaltbilder für Spule und Kondensatoren können Schaltungen, die Spulen und Kondensatoren enthalten, in einfachere Widerstandsschaltungen umgewandelt werden. Allerdings taucht in diesen Schaltungen neben der aktuellen Zeit tn auch die „Vergangenheit“ tn−1 auf. D. h., wenn für den Zeitpunkt tn das Knotenpotenzial-Verfahren und der Gauß-Algorithmus angewendet werden sollen, müssen alle Spulenströme und alle Kondensatorspannungen vom vorherigen Zeitpunkt tn−1 bekannt sein. Deshalb ist bei der Analyse derartiger Schaltungen ein schrittweises Vorgehen notwendig. Das Schaltbild muss zunächst für den Zeitpunkt t1 = t0 + 1 · t spezifiziert werden. Dabei soll t0 der Zeitpunkt des Beginns der Analyse sein (diesen Zeitpunkt kann man auch als Schaltzeitpunkt auffassen). Für diesen Augenblick müssen die Anfangswerte bekannt sein, das sind gemäß Abschn. 6.3 die Spulenströme und die Kondensatorspannungen zum Zeitpunkt t0 . Im Allgemeinen geht man von t0 = 0 aus. Mit den Anfangswerten kann das Ersatzschaltbild für den Zeitpunkt t1 vollständig spezifiziert werden, sodass mit Hilfe des Knotenpotenzial-Verfahrens und des Gauß-Algorithmus alle Knotenspannungen, die gesuchte Ausgangsgröße sowie alle Spulenströme und Kondensatorspannungen berechnet werden können. Die neu berechneten Spulenströme und Kondensatorspannungen (gültig für den Zeitpunkt t1 ) müssen abgespeichert werden, sie werden für den folgenden Schritt benötigt. Anschließend wird die Schaltung nacheinander für die Zeitpunkte t2 = t0 + 2 · t, t3 = t0 + 3 · t usw. berechnet. Die Vorgehensweise ist dabei immer genau wie im ersten Schritt. Zur Spezifizierung der jeweiligen Ersatzschaltbilder werden die im vorangegangenen Schritt berechneten Spulenströme und Kondensatorspannungen herangezogen. Nach einer vorgegebenen Anzahl von Schritten kann das Verfahren abgebrochen werden. Die berechnete Ausgangsgröße liegt bei diesem Verfahren selbstverständlich nur für diskrete Zeitpunkte t1 , t2 , . . . vor. Wenn man die Schrittweite t klein genug wählt, ist eine quasikontinuierliche und genügend genaue Darstellung der gesuchten Größe möglich.
98
7 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Beispiel
Anhand des folgenden Beispiels soll nun die Vorgehensweise bei der Schaltungsanalyse mit dem Euler-Verfahren verständlicher dargestellt werden. Beispiel Reihenschwingkreis: Gegeben: R, L, C , Anfangswerte u C (t 0 ), iL (t 0 )
C Ri
uC (t )
i L (t ) L
u L (t ) = ?
Spannungsquelle
u S (t ) mit Ri
u S (t ) -Verlauf mit uˆ , t 0 , T
u S (t ) uˆ
u S (t ) R
t0
t0 + T
t0 + 2 T
t
Gesucht: Verlauf von u L (t ) für t 0 ≤ t ≤ t end
Vorbereitungsschritte für die Lösung: • Spannungsquelle mit Innenwiderstand durch äquivalente Stromquelle ersetzen (vgl. Abb. 2.1). • Widerstand R durch Leitwert G = 1/R ersetzen. • Spule und Kondensator durch Ersatzschaltbilder gemäß Abb. 7.1 und 7.2 ersetzen. Den Stromquellen werden zunächst noch keine Werte zugeordnet. • Bezugsknoten wählen, Knoten nummerieren. • Schrittweite wählen, z. B. tend /1000.
7.3 Euler-Verfahren
99 1
Gi =
GC =
1 Ri
C Δt 2
u1 GL =
Δt L
Kondensator
uL = ?
u2
3
u3
G
Spule
0, Masse
◄ Lösungsschritt 1 (t1 = t0 + 1 · � t): • Ersatzschaltbild für den Zeitpunkt t1 spezifizieren. Der Wert der Eingangsspannung für den Zeitpunkt t1 , uS (t1 ) kann einer Wertetabelle entnommen oder über die Sägezahnfunktion berechnet werden. iL (t0 ) bzw. uC (t0 ) sind die Anfangswerte der Spule bzw. des Kondensators.
100
7 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) … 1
GC uC (t0 )
u C (t 1 ) GC
uS (t 1 ) Gi u1 ( t 1 )
2
Gi
i L (t 1 )
Kondensator
i L (t0 )
u L (t 1 ) = ?
GL
u 2 (t 1 )
3
u 3 (t 1 )
Spule
G
0, Masse
u1 (t1 ), u2 (t1 ), u3 (t1 ) • Knotenspannungen mithilfe Knotenpotenzial-Verfahrens und des Gauß-Algorithmus berechnen. • Gesuchte Größe berechnen: uL (t1 ) = u2 (t1 ) − u3 (t1 ) . • Gesuchte Größe plotten: u L (t )
des
.
t1
t
• Strom durch die Spule berechnen: iL (t1 ) = GL (u2 (t1 ) − u3 (t1 )) + iL (t0 ) . • Spannung am Kondensator berechnen: uC (t1 ) = u1 (t1 ) − u2 (t1 ) . Die für den Zeitpunkt t1 berechneten Größen iL (t1 ) und uC (t1 ) werden zur Spezifizierung des Ersatzschaltbildes für den Zeitpunkt t2 (Lösungsschritt 2) als „neue Anfangswerte“ benötigt.
7.3 Euler-Verfahren
101
Lösungsschritt 2 (t2 = t0 + 2 · � t): • Ersatzschaltbild für den Zeitpunkt t2 spezifizieren. • Der Wert der Eingangsspannung für den Zeitpunkt t2 , uS (t2 ) kann einer Wertetabelle entnommen oder über die Sägezahnfunktion berechnet werden. iL (t1 ) bzw. uC (t1 ) sind die im vorangegangenen Lösungsschritt berechneten „neuen Anfangswerte“. 1
GC uC (t1 )
u C (t 2 ) GC
uS (t 2 ) Gi
2
u1 ( t 2 )
Kondensator
i L (t 2 )
Gi
i L (t1 )
u L (t 2 ) = ?
GL
u 2 (t 2 ) 3
u 3 (t 2 )
Spule
G
0, Masse
• Knotenspannungen u1 (t2 ), u2 (t2 ), u3 (t2 ) mithilfe des Knotenpotenzialverfahrens und des Gauß-Algorithmus berechnen. • Gesuchte Größe berechnen: uL (t2 ) = u2 (t2 ) − u3 (t2 ). • Gesuchte Größe plotten:
u L (t )
.. t1 t 2
t
• Strom durch die Spule berechnen: iL (t2 ) = GL (u2 (t2 ) − u3 (t2 )) + iL (t1 ). • Spannung am Kondensator berechnen: uC (t2 ) = u1 (t2 ) − u2 (t2 ) .
102
7 Lineare Schaltungen (Widerstände, Spulen, Kondensatoren) …
Die für den Zeitpunkt t2 berechneten Größen iL (t2 ) und uC (t2 ) werden für die Spezifizierung des Ersatzschaltbildes für den Zeitpunkt t3 (Lösungsschritt 3) als „neue Anfangswerte“ benötigt. Lösungsschritt 3, 4, …, n (t3 = t0 + 3 · � t, t4 = t0 + 4 · � t, . . . , tn = t0 + n · � t): Das Verfahren wird, wie in den Lösungsschritten 1 und 2 beschrieben, weitergeführt. Wenn tn > tend gilt, wird das Verfahren abgebrochen.
7.4 Zusammenfassung und Ergänzungen In Kap. 7 wird das Euler-Verfahren beschrieben. Dieses Verfahren muss mit dem Knotenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus kombiniert werden. Es ermöglicht die Transientenanalyse von RLC-Schaltungen, bei fast beliebigen Erregungen. Dabei handelt es sich um ein numerisches Verfahren, die Anwendung erfordert deshalb einen PC und entsprechende Software. Das Euler-Verfahren ist sehr einfach zu verstehen und es kann leicht in einen computergerechten Algorithmus umgesetzt werden. Das Verfahren ist Bestandteil nahezu aller Schaltungssimulatoren. An Hand des im vorangegangenen Abschnitt behandelten Beispiels kann man bereits die Struktur einer entsprechenden Software erkennen. Dabei muss selbstverständlich die zu analysierende Schaltung intern im Computer in Form einer Netzliste vorliegen (der Leser erinnert sich vielleicht: Die Netzliste wird schon in Abschn. 2.2 erwähnt und kurz erläutert).
8
Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden), gleichförmige Erregungen Newton-Rhapson-Verfahren
8.1 Einführung In allen vorangegangenen Kapiteln haben wir uns mit der Analyse linearer Schaltungen beschäftigt. In diesem Kapitel wollen wir einen Schritt weiter gehen, wir wollen erstmals nichtlineare Schaltungen in Betracht ziehen. Dabei werden wir uns auf ganz einfache Schaltungen, die aus Widerständen, Dioden und Quellen bestehen, beschränken. Das ist vielleicht nicht allzu aufregend, derartige Schaltungen sind ja seltene Spezialfälle. Aber wir werden in Kap. 9 sehen, dass wir das Verfahren mit anderen Methoden kombinieren können, sodass die Analyse nahezu beliebiger Schaltungen möglich wird. Der Leser ahnt es sicherlich bereits: Die Analyse nichtlinearer Schaltungen ist, wenn man von ganz einfachen Schaltungen einmal absieht, nur mit numerischen Verfahren möglich. In Kap. 7 haben wir ja bereits ein erstes numerisches Verfahren, das Euler-Verfahren, vorgestellt. Jetzt werden wir ein zweites Verfahren dieser Art kennen lernen. Es handelt sich dabei um das Newton-Rhapson-Verfahren. Mithilfe dieses Verfahrens können, in Verbindung mit dem K notenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus, auch umfangreiche nichtlineare Schaltungen analysiert werden. Wir betrachten im Folgenden ausschließlich Schaltungen, die Widerstände und Dioden enthalten. Dabei stehen die Dioden stellvertretend für viele andere nichtlineare Bauelemente. Die Ausführungen können leicht auf nichtlineare Widerstände unterschiedlichster Art, auf Varistoren usw., übertragen werden.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_8
103
104
8 Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden) …
8.2 Schnittpunktmethode, Newton-RhapsonVerfahren In diesem Abschnitt sollen zwei grafische Methoden zur Analyse nichtlinearer Schaltungen vorgestellt werden, die Schnittpunktmethode und die grafische Version des Newton-Rhapson-Verfahrens. Wir wollen uns bei der Erläuterung dieser Verfahren immer auf das im Folgenden dargestellte extrem einfache Beispiel beziehen. Beispiel Diodenschaltung:
Ri
R
uq
Gegeben:
iDA D
u q , Ri , R, Diode D u DA
Gesucht: Arbeitspunkt A der Diode
u DA , iDA
Um uns das Leben noch weiter zu erleichtern, wollen wir in den folgenden Ausführungen auch nur idealisierte Dioden gemäß Abb. 8.1 in Betracht ziehen.
i Sperrbereich
Anode
i=0
i u
Kathode
Durchlassbereich
Uu i = I S e T − 1 I S = Sättigungsstrom ≈ 10-13A (20°C) U T = Temperaturspannung ≈ 26·10-3V (20°C)
u
Abb. 8.1 Diodenkennlinie (idealisiert)
8.2 Schnittpunktmethode, Newton-Rhapson-Verfahren
105
Grafische Lösung mithilfe der Schnittpunktmethode Im Rahmen der Elektrotechnik-Ausbildung wird normalerweise nur erläutert, wie man ganz einfache Schaltungen mit nur einem nichtlinearen Bauelement mittels der Schnittpunktmethode analysieren kann. Wir wollen diese Methode als Vorbereitung für das Newton-Rhapson-Verfahren kurz erläutern. Man kann unsere obige Beispiels-Diodenschaltung in einen linearen Teil (links) und einen nichtlinearen Teil (rechts) aufgliedern:
Ri
R
uq
i
i u
u
D
Der Zusammenhang zw. i und u des linearen Teils kann mithilfe der Kirchhoffschen Regeln schnell gewonnen werden:
u = uq − (Ri + R) i
→
i=
uq − u Ri + R
Der Zusammenhang zwischen i und u des nichtlinearen Teils wird gemäß Abb. 8.1 über eine Exponentialfunktion beschrieben. Wenn man nun beide Zusammenhänge in einem Diagramm als Kurve darstellt, ergibt sich der gesuchte Arbeitspunkt A als Schnittpunkt beider Kurven und damit ist das Problem auch schon gelöst. Man kann die gesuchten Größen uD A und iD A einfach „ablesen“.
106
8 Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden) …
i Arbeitsgerade
i=
uq Ri + R
uq − u
Diodenkennlinie
Ri + R
A
u i = I S e U T − 1
i DA
u DA
uq
u
Grafische Lösung mithilfe des Newton-Rhapson-Verfahrens Nun soll eine weitere Methode zur Lösung unserer Beispielsaufgabe Diodenschaltung (siehe oben) vorgestellt werden. Der Lösungsweg soll anhand von Abb. 8.2 und mithilfe des anschließenden Textes erläutert werden. Der Leser dieses Kompendiums sollte deshalb Bild und Text (wenn möglich) gleichzeitig vor Augen haben. Hier nun die versprochenen Erläuterungen zum Bild: Zunächst wird ein beliebiger „Startpunkt“ A0 auf der Diodenkennlinie als Arbeitspunkt deklariert. Man kann z. B. mit A0 (uD 0 = 0) beginnen. Dann wird an die Diodenkennlinie im Punkt A0 die Tangente T 0 gelegt. Diese Tangente schneidet die Arbeitsgerade in S 1 . Durch S 1 wird nun eine vertikale Linie gelegt, die die Diodenkennlinie in A1 (uD 1 ) schneidet. Jetzt wird die beschriebene Prozedur wiederholt, allerdings vom neuen Arbeitspunkt A1 ausgehend. Dort wird eine Tangente T 1 angelegt, die die Arbeitsgerade in S 2 schneidet. Die durch S 2 gelegte vertikale Linie schneidet nun die Diodenkennlinie in A2 (uD 2 ) . Diese Prozedur wird fortgesetzt, man gelangt zum neuen Arbeitspunkt A3 (uD 3 ) . Man könnte nun fortfahren und Arbeitspunkte A4 (uD 4 ),A5 (uD 5 ) usw. erzeugen. Man erkennt, dass sich die neuen Arbeitspunkte immer mehr (und ziemlich schnell) dem exakten Arbeitspunkt A nähern. Gleichzeitig rücken die neu erzeugten Arbeitspunkte immer enger zusammen. Wenn die ermittelten Arbeitspunkte genügend eng aneinander gerückt sind, kann das Verfahren abgebrochen werden.
107
8.2 Schnittpunktmethode, Newton-Rhapson-Verfahren
i
A1
A2
Arbeitsgerade
T1
T2
A3 A
S3
Diodenkennlinie
S2 A Start
0
u D0
T
0
S1 u
u D3
u D2
u D1
Abb. 8.2 Prinzip des Newton-Rhapson-Verfahrens
Das grafisch/numerische Newton-Rhapson-Verfahren wirkt kompliziert und man sieht zunächst keinen Vorteil gegenüber der Schnittpunktmethode. Aber man kann die eben anhand von Abb. 8.2 dargestellte Vorgehensweise auch mathematisch formulieren und damit für ein Simulationsprogramm „qualifizieren“.
108
8 Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden) …
8.3 Mathematische Formulierung des NewtonRhapson-Verfahrens Um das Newton-Rhapson-Verfahren mathematisch formulieren zu können, müssen wir zunächst die in Abb. 8.2 eingezeichneten Tangenten T 0, T 1, … durch Gleichungen beschreiben. Anschließend kann der Lösungsprozess gemäß Abb. 8.2 in eine mathematische Form überführt werden. Tangentengleichungen Die Tangenten T m (m = 0, 1, 2, …) sind durch einfache Geraden-Gleichungen darstellbar. Bei Verwendung der Punkt-Steigungsform können die Tangenten folgendermaßen beschrieben werden:
i − iD m = GD m (u − uD m )
(8.1)
Dabei sind iD , uD die Koordinaten des Arbeitspunktes A und GD ist die Steigung der Diodenkennlinie im Arbeitspunkt Am. iD m kann man wegen des exponentiellen Zusammenhangs mit uD m (vgl. Abb. 8.1) auch durch folgenden Ausdruck ersetzen: m uD m UT iD = IS e −1 (8.2) m
m
m
m
Die Steigung GD m kann über die Ableitung der Diodenkennlinie gewonnen werden: d Uu IS uUD m GD m = IS e T − 1 e T = (8.3) du UT u=uD m Wenn man den Ausdruck Gl. (8.2) in die Tangentengleichung Gl. (8.1) einsetzt und diese Gleichung anschließend nach i aufgelöst, erhält man folgenden Zusammenhang: m uD u UT i = GD + IS e − 1 GD m uD m Mit der Abkürzung
ID
m
m uD UT = IS e − 1 GD m uD m
erhält die Tangentengleichung wieder eine einfachere Form:
8.3 Mathematische Formulierung des Newton-Rhapson-Verfahrens
109
i = GD m u + ID m
(8.4)
Über Gleichung Gl. (8.4) wird die Aufteilung eines Stromes i in die Teilströme GD m u und ID m beschrieben. Ein Ersatzschaltbild, welches diesen Zusammenhang widerspiegelt, zeigt Abb. 8.3. Alle möglichen i, u Paare, die auf der Tangente am Arbeitspunkt Am (uD m ) liegen, werden durch die Tangentengleichung und das Ersatzschaltbild gleichermaßen beschrieben. Computergerechte Umsetzung des Newton-Rhapson-Verfahrens Wir wollen nun wieder unser Beispiel Diodenschaltung (Quelle, Widerstand, Diode, siehe oben) aufgreifen und andeuten, wie man den Arbeitspunkt der Diode mithilfe eines Simulationsprogrammes berechnen könnte. Das Verständnis des Lösungsweges wird erleichtert, wenn man sich parallel zu den folgenden Ausführungen neben der Diodenschaltung immer Abb. 8.2 vor Augen hält. Vorbereitungsschritte für die Lösung: • Wahl des Startpunktes A0. Im Beispiel wird uD 0 = 0 gewählt. • Spannungsquelle mit Innenwiderstand in der Diodenschaltung durch äquivalente Stromquelle ersetzen: G = 1/ R
u q Gi Gi = 1 / Ri
iDA u DA
D
• Es muss noch ein Abbruchfaktors ε vereinbart werden (Erklärung folgt unten).
i GDm u
u
GDm
I Dm
uD uD I = S e U T , I Dm = I S e U T − 1 − G Dm u Dm UT m
mit G D
m
m
Abb. 8.3 Ersatzschaltbild für die Tangente T m am Arbeitspunkt Am (uD m )
110
8 Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden) …
Lösungsschritt 1 (Ermittlung von uD 1): Gemäß Abb. 8.2 ist uD 1 über den Schnittpunkt der Tangente T 0mit der Arbeitsgeraden definiert. Deshalb kann man uD 1 über eine Schaltung berechnen, die sich aus dem linearen Teil der Beispielsschaltung und dem Ersatzschaltbild der Tangente T 0 (vgl. Abb. 8.3) zusammensetzt. 0
Ersatzschaltbild der Tangente T am Arbeitspunkt A0 u D0 der Diode
Linearer Teil der Diodenschaltung
( )
G
iD1
uD0
I D0
u q Gi
u
Gi
1 D
G
0 D
I G = S e UT UT 0 D
uD I D0 = I S e UT − 1 − GD0 uD0 0
In der obigen Schaltung sind alle Elemente bekannt. Im Vorbereitungsschritt wurde uD 0 = 0 gewählt, damit können die Größen GD 0und ID 0 berechnet werden. An Hand des Schaltbildes kann nun mittels des Knotenpotenzial-Verfahrens und des Gauß-Algorithmus uD 1 berechnet werden. Lösungsschritt 2 (Ermittlung von uD 2): 2 Gemäß Abb. 8.2 ist uD über den Schnittpunkt der Tangente T 1 mit der Arbeits2 geraden definiert. Deshalb kann man uD über eine Schaltung berechnen, die ähnlich wie die in Lösungsschritt 1 verwendete Schaltung aussieht. Der einzige Unterschied: Man muss diesmal das Ersatzschaltbild der Tangente T 1 verwenden. 1
Ersatzschaltbild der Tangente T am Arbeitspunkt A1 u D1 der Diode
Linearer Teil der Diodenschaltung
( )
G u q Gi Gi
i D2 u D2
uD1
I D1 G
1 D
GD1 =
I S UT e UT
uD I = I S e UT − 1 − GD1 uD1 1
1 D
8.4 Zusammenfassung und Ergänzungen
111
Zur Spezifizierung der Größen GD 1 und ID 1 wird diesmal der im vorangegangenen Lösungsschritt berechnete Wert uD 1 verwendet. Damit sind alle Größen in der Schaltung bekannt und uD 2 kann wieder mittels des Knotenpotenzial-Verfahrens und des Gauß-Algorithmus berechnet werden. Lösungsschritt 3, 4, … (Ermittlung von uD 3, uD 4 …): Das Verfahren wird, wie in den Lösungsschritten 1 und 2 beschrieben, weitergeführt. Anhand von Abb. 8.2 wurde schon gezeigt, dass sich die nacheinander ermittelten Arbeitspunkte immer mehr dem exakten Arbeitspunkt A nähern und gleichzeitig immer enger zusammenrücken. Letzteres kann zur Formulierung einer Abbruchbedingung verwendet werden. Das Verfahren wird abgebrochen, wenn folgende Bedingung gilt: uD m − uD m−1 ≤ ε. Der Abbruchfaktor ε wird je nach Genauigkeitsansprüchen mehr oder weniger klein gewählt. Verallgemeinerung des Verfahrens Wenn man das eben erläuterte Verfahren auf eine Schaltung mit mehreren Dioden anwenden will, ist die Vorgehensweise prinzipiell genau wie schon beschrieben. Nur die in jedem Lösungsschritt erzeugte Schaltung ist etwas komplexer. Sie besteht aus dem linearem Teil und den daran angefügten Ersatzschaltbildern für jede einzelne Diode. Abb. 8.4 zeigt das für den Lösungsschritt m gültige Ersatzschaltbild für eine Schaltung mit n Dioden. Die Größen GDi m−1, IDi m−1 (i = 1, 2, 3 … n) werden dabei mit den im Lösungsschritt m − 1 berechneten Spannungen uDi m−1 spezifiziert. Auf die im Lösungsschritt m erzeugte lineare Schaltung kann wieder das Knotenpotenzial-Verfahren und der Gauß-Algorithmus angewendet werden, die aktuellen Spannungen uDi m können berechnet werden usw.
8.4 Zusammenfassung und Ergänzungen In Kap. 8 wird das Newton-Rhapson-Verfahren beschrieben. Dieses Verfahren muss, ähnlich wie das Euler-Verfahren, mit dem Knotenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus kombiniert werden. Es ermöglicht dann die Analyse nichtlinearer Schaltungen ohne Energiespeicher. Beim Newton-Rhapson-Verfahren handelt es sich wieder um ein numerisches Ver fahren, die Anwendung erfordert deshalb einen PC und entsprechende Software.
112
8 Nichtlineare Schaltungen (Widerstände, Dioden) …
Linearer Teil der Schaltung
iDm1
u Dm1
Ersatzschaltbild der Tangente TD1m−1 am Arbeitspunkt AD1m−1 der Diode D1
GDm1−1
I Dm1 −1
mit GDim −1 =
IS e UT
u Dim -1 UT
u Di I Dim-1 = I S e U T − 1 − GDim-1 u Dim −1 m -1
Ersatzschaltbild der Tangente TDnm −1 am Arbeitspunkt ADnm−1 der Diode Dn
i
m Dn
u
m Dn
G Dnm−1
I Dnm−1
(i = 1, 2, ....... , n)
Abb. 8.4 Ersatzschaltbild einer Schaltung mit n Dioden für Lösungsschritt m
Auch das Newton-Rhapson-Verfahren kann leicht in einen computergerechten Algorithmus umgesetzt werden. Das Verfahren ist deshalb Bestandteil nahezu aller Schaltungssimulatoren. An Hand des in Abschn. 8.3 behandelten Beispiels kann man erkennen, wie eine entsprechende Software in etwa aussehen könnte.
9
Nichtlineare Schaltungen (beliebige Bauelemente), beliebige Erregungen, Transientenanalyse, Euler- und Newton-Rhapson-Verfahren
9.1 Einführung In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Leser dieses Kompendiums mit dem Euler- und dem Newton-Rhapson-Verfahren konfrontiert. Mithilfe des Euler-Verfahrens können Transientenanalysen von linearen Schaltungen durchgeführt werden. Das Newton-Rhapson-Verfahren gestattet die Analyse von Schaltungen, die nichtlineare Bauelemente, z. B. Dioden, enthalten können. Der Gedanke liegt nahe, beide Verfahren zu „verheiraten“, sodass Transientenanalysen von Schaltungen möglich werden, die neben Widerständen, Spulen, Kondensatoren auch Dioden, enthalten können. In diesem Kapitel wird dieser Gedanke aufgegriffen und ein entsprechendes Verfahren entwickelt. Darüber hinaus wird noch gezeigt, dass man das „Kombiverfahren“ relativ leicht erweitern kann, sodass auch andere Bauelemente (z. B. Transistoren) in die Schaltungsanalyse einbezogen werden können. Diese Möglichkeit wird dadurch eröffnet, dass man viele Bauelemente durch Modelle ersetzen kann, die aus elementaren, d. h. für die beschriebenen Analyseverfahren „kompatiblen“ Bauelementen bestehen.
9.2 Kombination von Euler- und Newton-Rhapson Verfahren Wenn eine Schaltung analysiert werden soll, die neben Widerständen, Spulen und Kondensatoren auch Dioden enthält, kann man zunächst das Euler-Verfahren (vgl. Kap. 7) anwenden. D. h. man kann für den Zeitpunkt t1 eine Schaltung erzeugen, die nur noch aus Widerständen bzw. Leitwerten, Dioden und
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_9
113
114
9 Nichtlineare Schaltungen (beliebige Bauelemente) …
Stromquellen besteht (Spulen und Kondensatoren sind ja durch Ersatzschaltbilder substituiert worden, vgl. die Abb. 7.1 und 7.2). Die ursprüngliche Schaltung ist damit für das Newton-Rhapson-Verfahren (vgl. K 8) „tauglich“ gemacht worden. Mithilfe dieses Verfahrens (in Kombination mit dem Knotenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus) können alle Knotenspannungen, die gesuchten Größen sowie alle für den nächsten Lösungsschritt erforderlichen Systemgrößen für den Zeitpunkt t1 berechnet werden. Nun wird das Verfahren wiederholt: Die im vorangegangenem Schritt mithilfe des Euler-Verfahrens erzeugte Schaltung wird für den Zeitpunkt t2 spezifiziert Anschließend kann wieder das Newton-Rhapson-Verfahren angewendet werden, sodass man alle Knotenspannungen, die gesuchten Größen sowie alle für den nächsten Lösungsschritt erforderlichen Systemgrößen für den Zeitpunkt t2 ermitteln kann. In gleicher Weise „hangelt“ man sich dann vorwärts, man ermittelt die gewünschten und für den nächsten Schritt notwendigen Größen für die Zeitpunkte t3 , t4 , t5 , . . .. Wenn die Schrittweite passend gewählt wird, können auf diese Weise die gesuchten Größen genügend genau ermittelt werden. Nach einer vorgegebenen Zeit wird das Verfahren abgebrochen. Nach dieser Beschreibung soll nun das Verfahren über zwei Darstellungen verdeutlicht werden. Das Verständnis dieser Darstellungen dürfte nicht schwerfallen, wenn man das Euler- und Newton-Rhapson-Verfahren verstanden hat und sich die zugrunde liegenden Prinzipien immer wieder vor Augen führt. Bei den folgenden Darstellungen handelt es sich um Anlehnungen an Nassi-Shneiderman-Diagramme, die auch als Struktogramme bezeichnet werden. Der Autor geht davon aus, dass diese Darstellungen dem Leser bekannt sind. Aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte: Die Darstellungen sind eigentlich selbsterklärend. In unserem Fall werden ja nur Anweisungsblöcke sowie einfache Wiederholungsstrukturen mit nachfolgenden Bedingungsprüfungen verwendet. Näheres kann beispielsweise Wikipedia entnommen werden. Man erkennt an Hand der folgenden Darstellungen, dass ein Simulationsprogramm gar nicht so kompliziert sein muss. Wer etwas Erfahrung mit Programmiersprachen wie C, C++, Java o. ä. hat, kann sich bestimmt gut vorstellen, wie ein solches Programm aussehen müsste. Aber „professionelle Simulationsprogramme“ sind selbstverständlich sehr umfangreich und komplex. Dort werden zwar die hier erläuterten Verfahren eingesetzt, aber zusätzlich werden viele mathematische Methoden integriert, die der Steigerung der Geschwindigkeit und der Genauigkeit dienen. So werden beispielsweise viele
9.2 Kombination von Euler- und Newton-Rhapson-Verfahren
115
„Tricks“ zur schnelleren Bewältigung der Matrix-Operationen eingebaut. Ferner wird keine konstante Schrittweite ∆t verwendet, die Schrittweite wird vielmehr an die Änderungen der berechneten Größen pro Zeiteinheit angepasst (wenn schnelle zeitliche Änderungen absehbar sind, wird die Schrittweite verkleinert und umgekehrt). Ferner wird das Euler-Verfahren mit dem BDF-Verfahren (Backward Differentiation Formula) kombiniert. Dabei wird nach einer Anlaufrechnung durch mehrere schon berechnete Stützpunkte eine Kurve gelegt. Mithilfe dieser Kurve kann dann der nächste Stützpunkt schneller und genauer berechnet werden. Programmstruktur Transientenanalyse mittels Newton-Rhapson-Verfahren, Vorbereitungsschritte
Euler-
und
Knotenpotenzial-Verfahren vorbereiten: Alle Spannungsquellen durch äquivalente Stromquellen ersetzen (vgl. Abb. 2.1). Bezugsknoten wählen, restliche Knoten nummerieren. Euler-Verfahren vorbereiten: Zeitbereich (t0 ….. tend) für die Transientenanalyse wählen. Schrittweite ∆t wählen. Anfangswerte iL1(t0), iL2(t0), … , uC1(t0), uC2(t0), … für alle Spulen und Kondensatoren wählen. Alle Spulen und Kondensatoren durch Ersatzschaltbilder gemäß Abb. 7.1, Abb. 7.2 ersetzen (den Stromquellen in diesen Ersatzschaltbildern werden noch keine Werte zugeordnet). Newton-Raphson-Verfahren vorbereiten: Alle Dioden durch Ersatzschaltbilder gemäß Abb. 8.3 ersetzen. (den Leitwerten und Stromquellen in diesen Ersatzschaltbildern werden noch keine Werte zugeordnet). Allen Dioden Startpunkte bzw. vorläufige Arbeitspunkte uD10, uD20, …. zuordnen. Abbruchfaktor ε wählen n=0
Programmstruktur Transientenanalyse mittels Euler- und N ewtonRhapson-Verfahren Die kursiv dargestellten Anteile im Diagramm beziehen sich auf das Newton-Rhapson-Verfahren und könnten entfallen, wenn die zu analysierende Schaltung keine Dioden enthält.
116
9 Nichtlineare Schaltungen (beliebige Bauelemente) …
Abb.
Abb.
Abb.
9.3 Modellbildung
117
9.3 Modellbildung Im vorigen Abschnitt wurde erläutert, wie ein Simulationsprogramm für eine Transientenanalyse prinzipiell funktionieren könnte. Dabei werden nur Schaltungen in Betracht gezogen, die Quellen, Widerstände, Spulen, Kondensatoren und Dioden enthalten dürfen. Wie kann man nun weitere Bauelemente, z. B. Operationsverstärker oder Transistoren, in eine Transientenanalyse einbinden? Die Lösung dieses Problems ist wieder ganz einfach: Fast alle nichtelementaren Bauelemente können auf Modelle, d. h. Ersatzschaltbilder, zurückgeführt werden, die nur aus Quellen, Widerständen, Spulen, Kondensatoren und Dioden bestehen. Derartige Modelle können dann relativ leicht in die bereits beschriebenen Verfahren eingebunden werden. Ein Operationsverstärker kann z. B. über eine einfache Schaltung modelliert werden, die aus Widerständen und einer durch die Eingangsspannung gesteuerten Quelle besteht. Dieses Grundmodell kann selbstverständlich durch Hinzufügen weiterer Elemente verfeinert werden. Als Beispiel soll jetzt etwas ausführlicher dargestellt werden, wie man einen Transistor modellieren kann. Das Grundmodell eines NPN-Transistors besteht aus einer Diode und einer gesteuerten Stromquelle: Kollektor
C
Basis
iC = β i B bzw. iC = α i D
iB
β = Stromverstärkungsfaktor Emitterschaltung
B D
iD
α = Stromverstärkungsfaktor Basisschaltung
Emitter
E
Dieses einfache Modell ist selbstverständlich ziemlich unzureichend. Beim realen Transistor kann die Steuerspannung beispielsweise zwischen Basis und Emitter (Vorwärtsbetrieb) oder zwischen Basis und Kollektor (Rückwärtsbetrieb) gelegt werden. Beim einfachen Modell oben wird nur der Vorwärtsbetrieb
118
9 Nichtlineare Schaltungen (beliebige Bauelemente) …
berücksichtigt. Wie dieser Mangel recht einfach behoben werden kann, wird im nächsten Bild gezeigt. Links im Folgenden Bild findet man das Modell für den Vorwärtsbetrieb, in der Bildmitte ist das entsprechende Modell für den Rückwärtsbetrieb zu sehen und rechts sieht man eine Kombination beider Modelle. Modell Vorwärtsbetrieb
Modell Rückwärtsbetrieb
α f = Stromverstärkungsfaktor
α r = Stromverstärkungsfaktor Steuernde Spannung liegt zw. Basis und Kollektor.
Steuernde Spannung liegt zw. Basis und Emitter.
C
B
iC
α f i D1
iD2
u D2
D2
B
iD 2 D2
iB B
D1
i D1 E
C
C α f i D1
u D1
Kombination der Modelle Vorwärts- + Rückwärtsbetrieb
α r iD 2
E
i D1
D1 α r iD 2
E
iE
Das „Kombinationsmodell“ (es wird nach seinen Erfindern als bers-Moll-Modell bezeichnet) ist schon recht brauchbar. Man sollte aber E noch Widerstände und Kondensatoren zur Nachbildung der Bahnwiderstände (rBB , rCC , rEE ) und Sperrschichtkapazitäten (CE , CC ) hinzufügen. Damit gewinnt man ein sehr gutes Modell, in dem auch die Frequenzabhängigkeit der Verstärkung realer Transistoren zum Ausdruck kommt. Dieses sogenannte erweiterte E bers-Moll-Modell wird in Abb. 9.1 gezeigt. Es ist sehr realistisch und wird in Simulationsprogrammen verwendet.
9.4 Zusammenfassung und Ergänzungen
119
Abb. 9.1 Erweitertes Ebers-Moll-Modell eines NPN-Transistors
iC
C rCC
iB
iD 2
α f i D1
CC
D2
rBB
B
CE
i D1
D1
α r iD2 rEE
iE
E
9.4 Zusammenfassung und Ergänzungen Kap. 9 ist die Krönung dieses Kompendiums! Der aufmerksame Leser, der zumindest die Kapitel über das Euler- und das Newton-Rhapson-Verfahren durchgearbeitet hat, erfährt in Kap. 9, wie Schaltungs-Simulationsprogramme (z. B. PSpice) grundsätzlich aufgebaut sind. Diese Programme sind sehr mächtig, es gibt für fast alle auf dem Markt befindlichen Bauelemente passende Modelle, die in Bauelemente-Bibliotheken abgelegt werden können. Solche Bibliotheken sind besonders wichtige Bestandteile von Schaltungs-Simulationsprogrammen. Mithilfe derartiger Programme und Bibliotheken können fast alle Schaltungen am PC entwickelt und untersucht werden. Die Arbeit mit Lötkolben, Oszilloskop usw. wird dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt. Im nächsten Kapitel wird gezeigt, wie man erste Erfahrungen mit einem professionellen Schaltungssimulator gewinnen kann.
Crashkurs PSpice
10
10.1 Einführung In den bisherigen Kapiteln haben wir die wichtigsten Analysemethoden für elektrische Schaltungen behandelt. Dabei sind auch numerische Verfahren berücksichtigt worden. Letztere bilden in Kombination mit dem Knotenpotenzial-Verfahren und dem Gauß-Algorithmus die Grundlage für rechnergestützte Schaltungssimulatoren. Profi-Schaltungsentwickler arbeiten selbstverständlich mit Simulationsprogrammen und sparen dadurch Zeit und Geld. Studierende sollten ebenfalls derartige Werkzeuge benützen. Man kann dann z. B. überprüfen, ob „per Hand“ gewonnene Analyseergebnisse richtig sind, man kann Versuchsschaltungen planen und testen und vieles mehr. Darüber hinaus wird auch erwartet, dass ein angehender Ingenieur mit derartigen Programmen arbeiten kann. Der Leser dieses Kompendiums ist sicherlich besonders daran interessiert, Schaltungssimulatoren einmal selbst auszuprobieren. Er wird davon profitieren, dass er Hintergrundwissen besitzt. Dadurch kann er Simulationsparameter gezielter wählen und Simulationsergebnisse besser interpretieren. Wer „Simulations – Know How“ erwerben will, kann beispielsweise von der Firma Cadence Design Systems in Kalifornien eine kostenlose Demoversion des Schaltungssimulators PSpice herunter laden. Diese Version beschränkt den Umfang der Schaltungen auf 50 Bauelemente (darunter selbstverständlich auch Dioden, Transistoren, Operationsverstärker usw.). Damit kann man schon eine ganze Menge anfangen. Die Vollversion wäre natürlich besser, ist aber für den „Normalbürger“ unbezahlbar. Die Ausführungen in diesem Kapitel beziehen sich auf die oben erwähnte Demoversion. Dabei wird die Version 16.5 zugrunde gelegt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2_10
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122
10 Crashkurs PSpice
Die Bedienung von PSpice ist leider nicht ganz einfach. Der Autor dieses Kompendiums versucht nun die schwierige Aufgabe zu lösen: Er will den Anfängern einen leichten Einstieg in PSpice vermitteln, will aber gleichzeitig den Umfang dieses „Crashkurses“ klein halten. Das bedeutet, dass nur das wirklich Wesentliche für den Einstieg in das Programm vermittelt werden kann, sozusagen die ersten Schritte. Wenn man diese Schritte beherrscht, hat man allerdings sehr gute Chancen, die vielen anderen Möglichkeiten des Programms selbst zu erkennen und zu erforschen. Natürlich kann auch das Internet oder die Spezialliteratur weiterhelfen. Bei der Beschreibung der Demoversion von PSpice wird vorausgesetzt, dass der Leser einige Erfahrung mit PCs mitbringt, mit „Fenstern“ umgehen kann, mit Datei- und Menüstrukturen vertraut ist und auch schon mal ein Zeichenprogramm benützt hat und weiß, wie man Objekte markiert, verschiebt, löscht usw. Der Leser sollte darüber hinaus eine große Experimentierfreudigkeit mitbringen, nur so kann er die vielen Möglichkeiten von PSpice nach und nach „spielend“ entdecken. Noch ein paar Worte zur Geschichte von Schaltungssimulatoren: Bereits 1965 hat die Entwicklung eines „Ursimulators“ SPICE an der Universität Berkeley in Kalifornien begonnen. SPICE ist eine Abkürzung für Simulation Program with Integrated Circuit Interface. Das ursprüngliche SPICE verfügt über keine komfortable Bedienoberfläche, ist aber als Public Domain Software kostenlos erhältlich. Im Laufe der Zeit haben verschiedene Firmen SPICE mit einer zeitgemäßen Bedienoberfläche versehen. Diese Versionen sind allerdings nicht mehr kostenlos erhältlich. PSpice von der Firma Cadence ist ein Beispiel für ein solches Derivat des ursprünglichen Programms. Das P in PSpice soll übrigens darauf hinweisen, dass das Programm auch auf PCs lauffähig ist. Das scheint heutzutage selbstverständlich, war aber vor nicht allzu langer Zeit sensationell.
10.2 Daten, Fakten, Installation Mit Hilfe von PSpice können lineare und nichtlineare Schaltungen in den Rechner eingegeben und anschließend simuliert werden. Dabei können verschiedene Analysearten gewählt werden:
10.2 Daten, Fakten, Installation
123
• Time Domain (Transient) = Transientenanalyse Das ist die umfassendste Analyseart, bei der alle Spannungen/Ströme/ Leistungen der zu untersuchenden Schaltung ermittelt und als Funktion der Zeit dargestellt werden können. Dabei werden auch Schaltvorgänge, die Einund Ausschwingvorgänge zur Folge haben können, mit berücksichtigt. • Bias Point = Arbeitspunktanalyse Mithilfe dieser Analyseart können Arbeitspunkte, beispielsweise von Transistorverstärkern, berechnet werden. Dazu werden Signalquellen ignoriert, nur die für den Betrieb notwendigen Gleichspannungs- bzw. Gleichstromquellen werden berücksichtigt. Kondensatoren können deshalb als Unterbrechungen, Spulen als Kurzschlüsse interpretiert werden. • DC Sweep = „Kennlinienschreiber“ Diese Analyseart ist verwandt mit der Arbeitspunktanalyse, nur die Ergebnisse werden anders präsentiert. Bei der Arbeitspunktanalyse werden einzelne Spannungs- und Stromwerte ausgegeben, beim DC Sweep können Kennlinien erzeugt werden (z. B. die I/U Kennlinie einer Diode). • AC Sweep/Noise = Wechselstromanalyse Mithilfe dieser Analyseart können Schaltungen im stationären Zustand untersucht werden, die mit „kleinen“ sinusförmigen Signalen erregt werden. Wegen der als gering vorausgesetzten Aussteuerungen können nichtlineare Kennlinien, beispielsweise von Transistoren, durch lineare Kennlinien angenähert werden. Bei dieser Analyseart kann die Frequenz einer erregenden Größe auch automatisch verändert werden (Sweep-Funktion), sodass Bodediagramme erzeugt werden können. Des Weiteren können Rauschanalysen, Monte-Carlo-Analysen, Fourier-Analysen usw. durchgeführt werden. Darüber hinaus können auch digitale Schaltungen und gemischt analog/digitale Schaltungen simuliert werden. Wie oben schon erwähnt, kann eine Schaltung mittels der Transientenanalyse „allumfassend“ untersucht werden. Warum werden dann noch andere Analysearten angeboten? Der Grund ist sehr einfach, man kann bei den spezielleren Analysearten mit einfacheren Rechenmethoden auskommen und Rechenzeit sparen. Wir wollen uns im Folgenden nur mit der Transienten- und Arbeitspunktanalyse analoger Schaltungen beschäftigen, die anderen Analysearten kann der interessierte Leser dann selbst „erforschen“. Es soll noch erwähnt werden, dass Bauelementesymbole, Bezeichnungen elektrischer Größen usw. bei PSpice den amerikanischen Normen entsprechen. Im Abb. 10.1 sind die deutschen und amerikanischen Symbole für Widerstände und Spulen nebeneinandergestellt.
124
10 Crashkurs PSpice
Widerstand Deutsches Symbol
Widerstand Amerikanisches Symbol
Spule Deutsches Symbol
Spule Amerikanisches Symbol
Abb. 10.1 Deutsche und amerikanische Symbole für Widerstände und Spulen
Man kann zwar eine Umschaltung auf deutsche Normen vornehmen, in dieser Kurzbeschreibung soll aber darauf nicht extra eingegangen werden. Nun einige Informationen zu den in PSpice verwendbaren Zahlenformaten und numerischen Kürzeln. Anschließend wird dann die Installation der PSpice-Demoversion beschrieben. Zahlenformate Als Zahlenformate sind „integer“ (z. B. 21) und „floating“ (z. B. 3.14) erlaubt. Statt Kommas müssen Punkte verwendet werden. Numerische Kürzel
f: femto p: pico k: kilo
n: nano u: micro m: milli
meg: mega g: giga t: terra
e: 10-er Exponent
PSpice unterscheidet nicht zwischen Klein- und Großschreibung. Man kann also beispielsweise m oder M für „milli“ verwenden. Das numerische Kürzel muss immer ohne Leerzeichen direkt hinter der Zahl stehen. PSpice erkennt nur die oben angegebenen Kürzel. Wenn andere, für PSpice nicht bekannte Buchstaben bzw. Buchstabenfolgen direkt hinter den Zahlen stehen, werden sie ignoriert. Man kann also z. B. 10 V schreiben, um anzudeuten, dass man 10 V meint. Installation Der Autor hat die PSpice-Demoversion direkt von der PSpice Vertreiber-Firma Cadence herunter geladen. Im Folgenden soll kurz skizziert werden, wie man dabei vorgehen muss. Hier wird die Installation für Windows 7 beschrieben. Bei anderen Betriebssystemen und anderen Rechner-Konfigurationen sieht der Download-Vorgang sicherlich etwas anders aus. Darüber hinaus werden die Download-Verfahrensweisen wohl auch von der Fa. Cadence ab und zu geändert. Der Autor hat die Demoversion 16.5 heruntergeladen, diese Versionsnummer kann sich natürlich auch schnell ändern. In den folgenden Anweisungen muss dann statt 16.5 die aktuellere Nummer eingesetzt werden.
10.2 Daten, Fakten, Installation
125
Nun die versprochenen Erläuterungen der „Download-Prozedur“: Registrieren bei Cadence • Die Website der Firma Cadence aufrufen: www.cadence.com • Log In wählen • Don’t have an account? Create one now wählen Jetzt müssen Sie Ihre E-Mail Adresse eingeben und den Anweisungen folgen. Im Laufe des Registrierungsprozesses werden Sie aufgefordert, ein Password zu kreieren (beim Autor hat es mit einer 7-stelligen Folge aus Klein-, Großbuchstaben und Zahlen geklappt). Darüber hinaus folgt noch eine Security Question und Sie müssen eine entsprechende Antwort eingeben. Herunterladen der Demoversion • Einloggen bei Cadence • Nach OrCAD Downloads suchen (OrCAD ist eine Firma, die früher PSpice vertrieben hat und dann von Cadence übernommen wurde). Dabei sollte man sich der Suchfunktion bedienen, dann findet man die Downloads am einfachsten. Das Suchergebnis zeigt evtl. mehrere OrCAD Download-Möglichkeiten an, dann muss man so lange herumklicken, bis man zur folgenden Liste gelangt:
OrCAD Downloads CIS Admin Tool 10.x CIS Admin Tool 16.2 MYRIAD Capture Viewer OrCAD Capture/OrCAD Capture CIS ViewReader OrCAD CIS Wizard PSpice Schematics Installer MYRIAD Capture Viewer Third-party translator OrCAD Demo Software OrCAD 16.5 Demo Software (All Products) OrCAD 16.5 Demo Software (Capture and PSpice only) Request Physical Demo Media for OrCAD 16.5
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10 Crashkurs PSpice
Wie oben bereits dargestellt, muss man dann OrCAD 16.5 Demo Software (Capture and PSpicce only) ankreuzen. Nach einem „Klick“ auf die Submit-Taste wird alles ganz einfach, Sie müssen nur den Anweisungen folgen. Das Programmpaket (immerhin 495 Mbyte) wird dann auf ihren Rechner geladen und normalerweise unter dem Ordner Downloads abgelegt. Dort können Sie das Programm starten und die Installation beginnt. Danach müssen Sie nur den Anweisungen folgen und warten, bis alles fertig ist. Dabei wird auf Ihrem lokalen Datenträger ein Ordner OrCAD mit weiteren Unterordnern und Dateien angelegt. Den Pfad zum Ordner OrCAD können Sie im Laufe der Installation selbstverständlich beeinflussen, entsprechende Abfragen begleiten den Installationsprozess. Im Internet findet man viele andere Download-Möglichkeiten einer PSpiceDemoversion, man muss nur ein bisschen „googeln“. Wenn man sich dieser Möglichkeit bedient, wird man aber feststellen, dass meistens nur ältere Versionen zum Herunterladen bereitstehen. Das ist an sich nicht weiter schlimm. Aber die Bedienoberfläche hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert, eine alte Version passt dann evtl. nicht zu den nachfolgenden Beschreibungen. Aber mit etwas „Probiererei“ könnte man sicherlich auch diese Hürde meistern.
10.3 Schaltungseingabe und Netzliste Ein wichtiger Teil eines Simulationsprogramms ist die Schaltungseingabe. PSpice enthält deshalb den Schaltungseditor Capture. Das ist ein Zeichenprogramm, mit dessen Hilfe elektrische Schaltungen und „simulationsrelevante“ Parameter in den Rechner eingegeben werden können. Die Schaltungseingabe soll an Hand einer einfachen RC-Schaltung demonstriert werden. Um die Schaltungseingabe mit Capture zu beginnen, muss PSpice aus dem Windows-Startmenü heraus aufgerufen werden. Das geschieht durch Anklicken der Schaltfläche Start. Dann werden nacheinander die Menüelemente Alle Programme, Cadence, OrCAD 16.5 Lite, OrCAD Capture CIS Lite angeklickt und auf dem Bildschirm erscheint das Fenster OrCAD Capture CIS Lite [Start Page]. CIS ist die Abkürzung für Component Information System. Der Programmaufruf kann selbstverständlich vereinfacht über ein Icon erfolgen, wenn man eine entsprechende Verknüpfung erstellt hat. Es muss noch erwähnt werden, dass das Programm nur funktioniert, wenn der Rechner per Funk oder Netzwerkkabel mit dem Internet in Kontakt treten kann. Beim Startvorgang wird nämlich eine „Startseite“ von Cadence angefordert, wenn das nicht möglich ist, erscheint eine entsprechende Fehlermeldung.
10.3 Schaltungseingabe und Netzliste
127
Nach dem Programmstart muss ein neues Projekt angelegt werden. Dazu wird über die obere Menüzeile des Fensters die Menüfolge File > New > Project betätigt. Jetzt öffnet sich ein weiteres kleineres Fenster. In dieses Fenster wird nun der Name des neuen Projektes, er soll RC-Schaltung lauten, eingetragen. Ferner muss das neben Analog or Mixed A/D angeordnete Optionsfeld angeklickt werden. Nach dem Klick auf die OK-Taste öffnet sich schon wieder ein kleines Fenster, dort muss nun das neben Create a blank project befindliche Optionsfeld gewählt und die OK-Taste betätigt werden. Das Ergebnis dieser Aktionen ist in Abb. 10.2 zu sehen. Einige Hinweise zu Abb. 10.2: Über die Zeichenfläche wird die zu simulierende Schaltung in den PC eingegeben. Im Verzeichnis-Fenster finden Sie die für das Arbeiten mit PSpice relevanten Verzeichnis- und Dateistrukturen. Dort können Sie schon den Pfad rc-schaltung > SCHEMATIC1 > PAGE1 erkennen. Eine über die Zeichenfläche in den Rechner eingegebene Schaltung wird unter PAGE1 abgespeichert. Über Session Log teilt uns PSpice wichtige Informationen mit, z. B. Fehlermeldungen. Das Session Log Fenster können Sie auch schließen. Über das Windows Menü (Anklicken der Schaltfläche auf der oberen Menüleiste) können Sie das Session Log-Fenster wieder aktivieren. Nun soll zunächst erläutert werden, wie man Bauelemente auswählt und manipuliert. Anschließend wird gezeigt, wie Bauelemente „verdrahtet“ werden, sodass eine Schaltung entstehen kann. Auswahl und Manipulation von Bauelementen Dazu müssen Sie zunächst das Place Part-Fenster öffnen. Das geschieht durch Anklicken des in Abb. 10.2 gekennzeichneten Place Part-Symbols. Nach diesem Klick ergibt sich die in Abb. 10.3 dargestellte Ansicht (natürlich zunächst noch ohne Bauelemente auf der Zeichenfläche). Die Auswahl von Bauelementen soll nun anhand von Abb. 10.3 erläutert werden. In PSpice gibt es verschiedene Bibliotheken, die jeweils eine Gruppe von Bauelementen enthalten. Im Place Part-Fenster finden Sie etwa in der Mitte unter dem Schriftzug Libraries zwei Symbole (ein Kästchen und ein Kreuz). Durch Anklicken des Kästchen-Symbols öffnet sich ein Fenster und sie können die im Ordner library und die im darunter gelagerten Ordner pspice enthaltenen Bibliotheken erkennen. Durch markieren einzelner Bibliotheken und betätigen der Schaltfläche öffnen können die Bibliotheken, die Sie für ihr Projekt benötigen, in das Place Part-Fenster geladen werden. Um die Übersicht zu behalten, sollten
128 Umschaltmöglichkeit zwischen Start-Page (Startseite), RC-Schaltung (Verzeichnisfenster, zeigt den Pfad zum Projekt RC-Schaltung) , Page 1 (Zeichenfläche für die Schaltung)
10 Crashkurs PSpice Place Part-Symbol (ein symbolisiertes IC mit einem + Zeichen). Hier Klicken, um das Place Part-Fenster zu öffnen
Zeichenfläche
Session Log
Abb. 10.2 PSpice-Fenster
Sie zunächst nur die im Ordner pspice gelagerten „Grundbibliotheken“ analog, source und eval in das Place Part-Fenster transferieren. Das reicht für unsere ersten Experimente. Später können Sie dann die anderen Bibliotheken „erforschen“. Falls Sie einzelne Bibliotheken aus dem Place Part-Fenster entfernen wollen, müssen Sie die entsprechende Bibliothek markieren und das Kreuz-Symbol betätigen. Wenn Sie nun eine der in das Place Part-Fenster geladenen Bibliotheken markieren, erscheinen etwas weiter oben unter der Rubrik Part List alle in dieser Bibliothek enthaltenen Bauelemente. Wenn Sie dann ein Bauelement markieren, sehen Sie etwas weiter unten das Symbol des ausgewählten Elementes. Wenn Sie ein Bauelement ausgewählt haben, kann es durch Anklicken des Place Part-Symbols im Place Part-Fenster mit der Maus auf die Zeichenfläche verschoben werden. Durch einen Klick auf die linke Maustaste wird es abgelegt. Per „Maus und Linksklick“ können weitere Bauelemente des gleichen Typs an anderen Stellen der Zeichenfläche abgelegt werden. Der Vorgang wird erst beendet, wenn die rechte Maustaste angeklickt und End Mode gewählt wird.
10.3 Schaltungseingabe und Netzliste
129
Versuchen Sie nun die in Abb. 10.3 dargestellten Bauelemente auf die Zeichenfläche zu holen. Die Spannungsquelle finden Sie in der Bibliothek SOURCE unter dem Bauelementenamen VDC. Widerstand und Kondensator können der Bibliothek ANALOG als Bauelemente R und C entnommen werden. Der Schalter ist in der Bibliothek EVAL unter dem Namen Sw_ tClose zu finden. In PSpice braucht jede Schaltung unbedingt einen Ground (Bezugspunkt, Erde, Masse). Das ist darin begründet, dass PSpice das KnotenpotenzialVerfahren, vgl. Kap. 2, beinhaltet. Bei diesem Verfahren werden ja zunächst die Knotenspannungen berechnet. Voraussetzung dafür ist die Definition eines Bezugsknotens, der in PSpice über ein spezielles Symbol gekennzeichnet werden muss. Den für analoge Schaltungen erforderlichen Ground bekommen Sie durch Anklicken des Ground-Symbols auf den Menüleisten rechts an der Zeichenfläche (vgl. wieder Abb. 10.3). Wenn dieses Symbol angeklickt wird, öffnet sich ein Fenster. Durch Wahl von Library CAPSYM, Symbol 0 und Betätigung der OK-Taste kann man das Symbol auf die Zeichenfläche holen und genau wie andere Bauelemente manipulieren. Die Bauelemente auf der Zeichenfläche sind zunächst relativ klein, man kann sie durch Anklicken der Lupensymbole auf der oberen Menüleiste, vgl. die Bilder.10.2 oder 10.3, vergrößern und natürlich auch wieder verkleinern. In Abb. 10.3 ist eine solche Vergrößerung bereits vorgenommen worden, damit der Leser überhaupt etwas erkennen kann.
Ground-Symbol
Place Part-Fenster
Place Part-Symbol (vgl. Bild 10.2)
Bauelemente, die in der gerade markierten Bibliothek enthalten sind
BauelementeBibliotheken
Symbol des gerade markierten Bauelementes
Abb. 10.3 Auswahl von Bauelementen
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10 Crashkurs PSpice
Die Bauelemente-Körper kann man zwecks Markierung Anklicken. Danach können sie verschoben oder durch Betätigen der Löschtaste von der Zeichenfläche entfernt werden. Die markierten Bauelemente können auch um 90° gedreht werden. Das geht am einfachsten über die Betätigung der rechten Maustaste und Wahl von rotate (alles ähnlich wie bei fast allen Zeichenprogrammen, da haben die Leser dieses Kompendiums bestimmt bereits Erfahrungen gesammelt und eine genauere Erklärung erübrigt sich). Durch einen Doppelklick auf die Bauelemente-Bezeichnungen bzw. die Bauelemente-Werte werden Display Property-Fenster geöffnet und man kann Bezeichnungen bzw. Bauelemente-Werte ändern. Durch einen Doppelklick auf den Bauelemente-Körper öffnet sich ein größeres Property Editor-Fenster und man kann weitere Bauelemente-Eigenschaften definieren (wir werden später noch darauf zurückkommen). Verbinden von Bauelementen, Aufbau einer Schaltung Wir wollen nun die in Abb. 10.4 dargestellte Schaltung aufbauen. Es ist ratsam, zunächst die Bauelemente zu verschieben, sodass sie etwa die im Bild dargestellten Positionen einnehmen. Anschließend sollten Sie die Bezeichnungen und Werte der Bauelemente ändern und den Vorgaben im Bild anpassen. Nach der Platzierung der Bauelemente kann „verdrahtet“ werden. Das ist wieder sehr einfach: • Anklicken des Place Wire-Symbols (Abb. 10.4). • Maus verschieben, bis der Mauszeiger (jetzt in Form eines Fadenkreuzes) im Zeichenfenster an einem Bauelemente-Anschluss, einem Draht oder an einer anderen Position angelangt ist. • Linke Maustaste betätigen, Maus mit Fadenkreuz zur nächsten Position fahren, linke Maustaste wieder betätigen. • Evtl. wie im zweiten Schritt beschrieben eine weitere Verbindung legen oder das Verfahren durch Betätigung der rechten Maustaste und Wahl von End Wire beenden. Wenn ein „Draht“ an einem Bauelemente-Anschluss oder einem anderen „Draht“ beginnt oder endet, wird das von PSpice automatisch als elektrische Verbindung gewertet. Die angelegten Verbindungen können wie üblich markiert und gelöscht werden. Wenn die Schaltung fertig gezeichnet ist, können Bauelemente oder Drähte markiert und mit der linken Maustaste gezogen werden. Dadurch kann die Schaltungsstruktur übersichtlicher gestaltet werden. Darüber hinaus kann damit
10.3 Schaltungseingabe und Netzliste
131
Place WireSymbol
Voltage/Level Marker, kann von der oberen Menüleiste zum Kondensator „gezogen“ werden
Abb. 10.4 RC-Schaltung
auch getestet werden, ob alle Verbindungen „ok“ sind. Wenn nicht, merkt man beim Ziehen, dass der Draht plötzlich in der Luft hängt. In Abb. 10.4 ist noch ein sogenannter Voltage/Level Marker in der Schaltung zu erkennen. Damit erreicht man, dass beim Simulieren der Schaltung die Spannung zwischen dem markierten Punkt und dem Ground automatisch angezeigt wird. Wie bekommt man nun diesen Marker an die richtige Stelle? Zunächst muss das Voltage/Level Marker-Symbol auf der oberen Menüleiste (vgl. Abb. 10.4) angeklickt werden. Nun wird der Marker mit der Maus an die gewünschte Stelle geführt. Durch einen Klick auf die linke Maustaste wird der Marker „befestigt“. Anschließend können weitere Marker positioniert werden oder man beendet den Vorgang durch einen Klick auf die rechte Maustaste und Wahl von End Mode. Die Marker können übrigens wie Bauelemente jederzeit markiert, gelöscht und gedreht werden. Man muss bei der oben beschriebenen Prozedur allerdings berücksichtigen, dass der Marker nur an Bauelemente-Anschlüssen und Drahtverbindungen befestigt werden kann (diese Stellen kann man durch Anklicken von Bauelemente-Anschlüssen oder Drähten erkennen). Neben dem Voltage/Level Marker gibt es noch weitere Marker, z. B. den Current Marker (in der oberen Menüleiste rechts vom Voltage/Level Marker). Mithilfe dieses Markers kann man erreichen, dass beim Simulieren der Schaltung der Strom an der markierten Stelle automatisch angezeigt wird. Dieser Marker
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10 Crashkurs PSpice
kann allerdings nur an Bauelemente-Anschlüssen befestigt werden. Ansonsten funktioniert alles genau wie beim Voltage/Level Marker. Ein im Schaltbild angebrachter Current Marker zeigt nur auf einen Bauelemente-Anschluss. Ein Strompfeil wird nicht direkt sichtbar. Letzterer ist aber doch, wenn auch unsichtbar, definiert. Der (unsichtbare) Strompfeil ist immer vom Marker zum nächstliegenden Bauelement gerichtet! Wenn Sie den Marker in unserer Beispiels-Schaltung z. B. links am Widerstand anbringen, ist das gleichbedeutend mit einem von links nach rechts weisendem Strompfeil. Wenn Sie den Marker rechts anbringen, ist der Pfeil anders herum anzunehmen. Da eine Stromrichtung als positiv gewertet wird, wenn der Strom in Pfeilrichtung fließt, müssen sich dann auch die Simulationsergebnisse (im Vorzeichen) unterscheiden. Erstellen einer Netzliste Die Schaltungseingabe für unsere RC-Schaltung ist nun abgeschlossen, aber mit der Schaltungssimulation müssen wir noch etwas warten. Die Schaltung muss erst in eine Liste umgewandelt werden, die dann die Grundlage für das eigentliche Simulationsprogramm bildet. Diese Liste wird als Netzliste bezeichnet. Im Abschn. 2.2 (Knotenpotenzial-Verfahren) wurde bereits erläutert, wie eine solche Liste grundsätzlich strukturiert sein muss. Im Rahmen der Erstellung der Netzliste werden alle Schaltungsknoten mit Nummern versehen. Dann werden alle Bauelemente, deren Eigenschaften und die Nummern der Knoten, an denen die Bauelemente angeschlossen sind, in die Netzliste eingetragen. In der Liste wird also die Schaltungsstruktur exakt abgebildet. Zwecks Erstellung der Netzliste muss in der oberen Menüzeile des PSpice-Fensters (vgl. z. B. Abb. 10.4) die Schaltfläche PSpice angeklickt und Create Netlist gewählt werden. Wenn alles klappt, erscheint dann im Session Log-Fenster der Hinweis: PSpice netlist generation complete. Bei einer Fehlermeldung müssen Sie alles überprüfen. Oftmals sind Verbindungen nicht „ok“, das wird über die Fehlermeldung Unconnected pin mitgeteilt (durch „ziehen“ an Bauelementen oder Verbindungen können nicht verbundene Elemente erkannt werden, vgl. den entsprechenden Hinweis weiter oben unter der Rubrik „Verbinden von Bauelementen“). Die Netzliste kann man sich auch anschauen. Dazu muss in der oberen Menüzeile des PSpice-Fensters die Schaltfläche PSpice angeklickt und view Netlist gewählt werden. Im Folgenden ist eine vereinfachte Netzliste für unsere RC-Schaltung abgebildet.
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10.3 Schaltungseingabe und Netzliste
In den Spalten 2 und 3 der Tabelle in Abb. 10.5 erkennt man die von PSpice automatisch vergebenen Knotennummern, zwischen denen die in Spalte 1 aufgelisteten Bauelemente angeschlossen sind. Den Knotennummern ist ein N (von Node = Knoten) vorangestellt. Nach welchem Prinzip PSpice die Knoten der Schaltung nummeriert, blieb dem Autor bisher verschlossen, aber das ist auch unwichtig. Entscheidend ist die Eindeutigkeit. Man erkennt für unsere Beispiels-Schaltung: Der Knoten N00813 liegt zwischen Quelle(+) und Schalter, der Knoten N005011 liegt zwischen Schalter und Widerstand und der Knoten N0613 liegt zwischen Widerstand und Kondensator. Der Knoten 0 (Bezugsknoten, Ground) verbindet Quelle(-) und Kondensator. Wenn eine Schaltung Bauelemente mit mehr als zwei Anschlüssen enthält, werden in der Liste weitere Spalten mit Knotennummern angelegt. Darüber hinaus gibt es noch eine (oben nicht dargestellte) Spalte, in der Bauelemente-Parameter abgelegt werden. Dort könnten Sie beispielsweise erkennen, dass der Schalter als nicht ideal angenommen wird, er hat einen von Null abweichenden Widerstand im geschlossenem Zustand, er wechselt den Zustand von einem zum anderen Schaltzustand nicht unendlich schnell usw. Wenn Sie Ihre eigene Netzliste aufrufen, kann das Ergebnis von der obigen Tabelle abweichen. Die Knotennummern und die Reihenfolge der Eintragungen hängen davon ab, in welcher Reihenfolge Sie Bauelemente eingegeben haben, was für Änderungen Sie durchgeführt haben usw. Wenn alles gut gegangen ist, existiert nun eine Netzliste für unsere RC-Schaltung. Nun steht einer Schaltungssimulation nichts mehr im Wege. Vorher sollte der Leser aber alles speichern und das Programm (der Übung halber) beenden. Zu diesem Zweck wird die Schaltfläche File gewählt. Danach erfolgt die übliche Prozedur (Speichern und Abmelden), alles wie von anderen Programmen her gewohnt.
PSpice- BauelementeKennzeichen sowie die vom Benützer zugeordneten Namen V_Quelle R_Widerstand C_Kondensator X_Schalter
Knoten 1 der Bauelemente
Knoten 2 der Bauelemente
Werte der Bauelemente
N00813 N005011 0 N00813
0 N00613 N00613 N005011
12V 1k 1u
Abb. 10.5 Netzliste für die RC-Schaltung
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10 Crashkurs PSpice
10.4 Simulation einer RC-Schaltung Sie sollten nun PSpice (wie in Abschn. 10.3 beschrieben) wieder starten und mit dem bereits begonnenen Projekt RC-Schaltung fortfahren. Dazu müssen Sie File Anklicken und dann nacheinander die Menüelemente Open, Project und RC-Schaltung wählen. Dann müsste die Schaltung wieder auf der Zeichenfläche erscheinen (es sei denn, Sie haben bei der letzten Sitzung das Zeichenfenster geschlossen, dann müssen Sie über den Pfad rc-Schaltung > SCHEMATIC1 > PAGE1 im Verzeichnis-Fenster die Schaltung wieder öffnen). Um übersichtliche Verhältnisse zu schaffen, sollten Sie in der Schaltung zunächst nur den Voltage/Level Marker belassen. Evtl. vorhandene andere Marker sollten gelöscht werden. Die Simulation erfordert nun einige Vorbereitungen. Eingabe der Simulationsparameter PSpice weiß genau, was für eine Schaltung vorliegt. Die entsprechende Netzliste ist erstellt. Aber was wollen wir nun eigentlich mit der Schaltung machen? Wir wollen eine Transientenanalyse durchführen. D. h. wir wollen herausfinden, wie der Spannungsverlauf am Kondensator aussieht, wenn der Schalter zum Zeitpunkt t = 0 geschlossen wird. Die Schließzeit TCLOSE des Schalters ist bereits auf Null gestellt, vgl. Abb. 10.4. Für eine Transientenanalyse müssen noch Anfangswerte (Initial Conditions IC) vorgegeben werden. Das sind gemäß Abschn. 6.3 die zum Schaltzeitpunkt an den Kondensatoren anliegenden Spannungen bzw. die zum Schaltzeitpunkt durch die Spulen fließenden Ströme. Damit werden die Ladezustände dieser Elemente zum Schaltzeitpunkt beschrieben. Davon wiederum hängen die Verläufe von Einschwingvorgängen ab. Die Eingabe der Anfangswerte erfolgt durch einen Doppelklick auf die jeweiligen Bauelemente-Körper. Dadurch wird das Property Editor-Fenster geöffnet und man kann die jeweiligen Werte in die mit IC gekennzeichnete Zelle eintragen (falls diese Zelle nicht zu erkennen ist, muss in der Leiste im oberen Bereich des Fensters zunächst Filter by angeklickt und Orcad PSpice gewählt werden. In der Leiste im unteren Bildbereich muss Parts gewählt werden). Für IC können positive und negative Werte eingeben werden. Wie diese Vorzeichen mit den entsprechenden Spannungs- oder Stromrichtungen im Schaltbild zusammen hängen, soll weiter unten geklärt werden. Wir wollen zunächst annehmen, dass der Kondensator in unserer Beispiels-Schaltung zum Schaltzeitpunkt ungeladen ist, wir tragen deshalb IC = 0 ein.
10.4 Simulation einer RC-Schaltung
135
Falls man keine Anfangswerte eingibt, werden von PSpice Werte vorgegeben. Es werden Werte verwendet, die einen möglichst kurzen Einschwingvorgang bedingen. Denn oft ist nur der eingeschwungene Verlauf einer elektrischen Größe von Interesse. Wenn man sich also speziell für einen Einschwingvorgang interessiert, sollte man die Anfangswerte immer selbst spezifizieren. Wir müssen PSpice noch mitteilen, dass wir eine Transientenanalyse durchführen wollen. Dazu wird oben im PSpice-Fenster auf die Schaltfläche PSpice geklickt und New Simulation Profile gewählt. Nun öffnet sich das New Simulation-Fenster. Unter der Rubrik Name sollten Sie z. B. Trans1 eintragen, unter der Rubrik Inherit From müssen Sie None wählen. Jetzt muss auf Create geklickt werden und ein weiteres Fenster, das Simulation Settings-Fenster, öffnet sich (je nach Vorgeschichte kann auch zunächst nur eine blinkende Schaltfläche in der unteren Menüleiste erscheinen, die dann angeklickt werden muss). Nun müssen Sie wieder einige Eintragungen vornehmen: Unter der Rubrik Analysis type wird Time Domain (Transient) gewählt, unter der Rubrik Options kreuzen Sie bitte General Settings an. In den rechten Feldern tragen Sie unter Run to time den Wert 4 m und unter Start Saving data after den Wert 0 ein. Das bedeutet, dass die Simulation den Zeitbereich tstart = 0 bis tend = 4 ms umfasst. Unter Maximum step size sollten Sie 4u eintragen. Step size heißt Schrittweite. PSpice benützt ja das in Kap. 7 beschriebene Euler-Verfahren, dort wird erläutert, was es mit der Schrittweite auf sich hat. PSpice verwendet eine variable Schrittweite. Das Programm vergrößert/verkleinert beispielsweise die Schrittweite automatisch, wenn die Änderungen der berechneten Größen pro Zeiteinheit kleinere/größere Werte annehmen (damit kann Rechenzeit gespart werden!). Über die Eingabe von Maximum Step size wird die größtmögliche Schrittweite vorgegeben. Je kleiner Maximum step size gewählt wird, desto genauer wird die Analyse, aber die Rechenzeit steigt! Ein Kompromiss muss gefunden werden. Man sollte experimentieren (zu kleine Schrittweiten machen sich dadurch bemerkbar, dass die U/I Verläufe wie aus Geraden zusammengesetzt und nicht wie „richtige“ Kurven aussehen). Sicherheitshalber soll das ausgefüllte Formular in Abb. 10.6 abgebildet werden. Simulation Jetzt wird das Simulation Settings-Fenster über die OK-Taste geschlossen und wir können die Simulation starten. Dazu wird oben im PSpice-Fenster auf die Schaltfläche PSpice geklickt, dann wird Run gewählt. Nun erscheint eine blinkender Schaltfläche in der unteren Menüleiste Ihres Displays. Wenn Sie
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10 Crashkurs PSpice
Hier wird angezeigt, welches Simulationsprofil gerade angelegt bzw. benützt wird. Manchmal ist es sinnvoll, mehrere Profile anzulegen. Dann kann man hier eine Auswahl treffen.
Abb. 10.6 Erstellung des Simulation Profiles für die RC-Schaltung
diese Schaltfläche anklicken, erscheint das Probe-Fenster (Oszilloskop-Fenster). Wenn Sie alles richtig gemacht haben, müsste jetzt die bestimmt schon erwartete exponentielle Ladekurve des Kondensators in voller Größe sichtbar werden, vgl. Abb. 10.7. Nach diesem Erfolgserlebnis sollten Sie experimentieren. Setzen Sie verschiedene Marker in die Schaltung, ändern Sie Bauelementewerte und starten Sie anschließend die Simulation. Sie können auch Simulationsparameter wie Maximum step size oder run to time ändern. Dazu müssen Sie über PSpice > Edit Simulation Profile die neuen Werte eintragen. Sie können auch die Struktur der Schaltung ändern (Bauelemente hinzufügen usw.). Wenn Sie letzteres getan haben, müssen Sie allerdings vor der Simulation über PSpice und create Netlist eine neue Netzliste erzeugen. Probe-Fenster Im Probe-Fenster (Oszilloskop-Fenster) werden die Simulationsergebnisse der Transientenanalyse veranschaulicht. Es können mehrere Spannungs- und/oder Stromverläufe gleichzeitig dargestellt werden (Achtung, das kann unübersichtlich werden!). Wenn in einer Schaltung keine Marker angebracht sind, ist das Probe-Fenster nach einer Simulation zunächst leer. Dann sollte man auf die Schaltfläche Trace klicken und Add Trace wählen. Dann öffnet sich das Add Traces-Fenster. In
10.4 Simulation einer RC-Schaltung
137
Abb. 10.7 Probe-Fenster (SCHEMATIC1-Trans1) mit dem Simulationsergebnis
diesem Fenster befindet sich in der linken Hälfte eine Liste mit Bezeichnungen wie V(N00613), V(Kondensator:1), I(Kondensator:1) usw. Diesen (mehr oder weniger verständlichen) Bezeichnungen sind bestimmte Spannungen und Ströme in der Schaltung zugeordnet. Wenn man diese Bezeichnungen anklickt, werden sie in die Trace Expression-Zeile übernommen. Wenn man dann die OK-Taste betätigt, erscheinen die entsprechenden Spannungs- und Stromverläufe im Probe-Fenster. Etwas weiter unten in diesem Abschnitt finden Sie noch nähere Erläuterungen zu der von PSpice verwendeten „Namenskonvention“. Unter den Diagrammen im Probe-Fenster sind für alle dargestellten Verläufe die entsprechenden Bezeichnungen aufgeführt. Zusätzlich sind den Bezeichnungen Symbole zugeordnet, die auch in den entsprechenden Spannungs- und Stromverläufen
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10 Crashkurs PSpice
auftauchen. Dadurch ist eine Zuordnung möglich. Durch Anklicken einer Spannungsoder Strombezeichnung und anschließendes Betätigen der Taste Entf kann der entsprechende Verlauf aus dem Fenster entfernt werden. Es ist auch möglich, einen Spannungs- oder Stromverlauf zu vermessen. Dazu muss aus der oberen Menüzeile des Probe-Fensters die Menüfolge Trace > Cursor > Display betätigt werden. Wenn man dann auf die linke Maustaste klickt, erscheint ein Fadenkreuz, das mit der Maus an jede Stelle des Spannungs- oder Stromverlaufes gezogen werden kann. Die entsprechenden Werte (Spannung bzw. Strom und Zeit) werden in einem „Extrafenster“ unterhalb des Probe-Fensters angezeigt. Wenn mehrere Verläufe gleichzeitig im Probe- Fenster angezeigt werden, kann das Fadenkreuz durch Anklicken entsprechender Symbole auf die gewünschte Kurve umgeschaltet werden. Über die Betätigung der Menüfolge Trace > Cursor > Display kann das Fadenkreuz wieder abgeschaltet werden. Man könnte hier noch viele Möglichkeiten zur Optimierung der Darstellung der Kurven, zur Auswertung der Kurvenverläufe usw. anführen. Man kann beispielsweise über die Menüfolge Plot > Add Plot to Window mehrere Diagramme mit verschiedenen Koordinatensystemen erzeugen. Man kann ferner über Tools > Options > Color Settings die Farben des Hintergrundes und des Koordinatensystems des Probe-Fensters ändern. Durch Anfahren einer Kurve mit der Maus und einem Mausklick rechts kann über Trace Properties die Kurvenfarbe variiert werden usw. Durch Probieren und Experimentieren kann der interessierte Leser alles alleine herausfinden. Ergänzungen zu den Anfangswerten Anfangswerte sind Spannungen oder Ströme und damit gerichtete Größen. Wie definiert man nun die Richtungen der Anfangswerte? Dazu muss man die Netzliste der Schaltung vor Augen haben. Über die Netzliste kann man erkennen, welche Anschlüsse der Kondensatoren und Spulen als Knoten 1 und Knoten 2 deklariert sind (vgl. Abb. 10.5). Wenn man einen positiven Spannungswert als Anfangswert für einen Kondensator eingibt, ist die Spannung vom Knoten 1 zum Knoten 2 gerichtet. Bei einem negativen Anfangswert ist es genau umgekehrt. Wenn man einen positiven Stromwert als Anfangswert für eine Spule eingibt, fließt der Strom vom Knoten 1 zum Knoten 2. Bei einem negativen Anfangswert ist es genau umgekehrt. Bezogen auf unser RC-Beispiel (vgl. Abb. 10.4 und 10.5) bedeutet das: Wenn Sie als Anfangswert für den Kondensator z.B +15 V eingeben, ist diese Spannung vom Knoten 0 zum Knoten N00613 gerichtet. Ein entsprechender
10.4 Simulation einer RC-Schaltung
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Spannungspfeil geht also vom Ground zum anderen Ende des Kondensators. Wenn man dort einen Voltage/Level Marker anbringt, simuliert und das Ergebnis im Probe-Fenster betrachtet, wird man feststellen: Der Spannungsverlauf beginnt bei −15 V. Wenn man das Vorzeichen des Anfangswertes wechselt, beginnt der Spannungsverlauf bei +15 V. Ergänzungen zum Probe-Fenster Oben wurde bereits erwähnt, dass sich im Add Traces-Fenster (ein „Unterfenster“ des Probe-Fensters) eine Liste mit allen Spannungen und Strömen der gerade simulierten Schaltung befindet. Diese Größen sind allerdings mit teilweise zunächst unverständlichen Bezeichnungen versehen. Wie kann man diese Bezeichnungen interpretieren? Anhand der in Abb. 10.8 aufgelisteten Beispiele soll das geklärt werden. Um dieses Schema richtig zu verstehen, muss man sich wieder die Netzliste der in Betracht gezogenen Schaltung vor Augen führen. Dann erkennt man, wo Knoten N00613, Knoten 2 des Widerstandes, Knoten 1 des Kondensators usw. in unserer RC-Schaltung zu finden sind. Weitere Ergänzungen Wir haben in unserer Schaltung der Einfachheit halber keine Spule eingebaut. Das könnten Sie aber ändern. Spulen können der Bibliothek ANALOG entnommen werden und sind dort mit L gekennzeichnet. Wenn Sie eine Spule auf die Zeichenfläche „ziehen“, werden Sie sich vielleicht wundern. Ein Spulenanschluss ist mit einem Symbol (Sternähnlich) versehen. Dieses Zeichen spielt für uns keine Rolle, es hat folgende Bedeutung: Mit PSpice kann man auch Verkopplungen von Spulen untereinander über deren magnetische Felder in eine Simulation mit einbeziehen. Dabei muss beachtet werden, ob die magnetischen Felder der Spulen bei einer bestimmten Stromrichtung gleichsinnig oder gegensinnig gerichtet sind. Um solche Dinge berücksichtigen zu können, muss ein Spulenanschluss gekennzeichnet sein.
V(N00613) V(Widerstand :2) I(Kondensator:1)
Spannung zwischen dem Knoten N00613 und Ground Spannung zwischen Knoten 2 des Widerstandes und Ground Strom durch den Kondensator. Dieser Strom wird positiv gewertet, wenn er vom Knoten 1 des Kondensators ausgehend zum Kondensator fließt
Abb. 10.8 Erläuterungen zu den Bezeichnungen im Add-Traces-Fenster
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10 Crashkurs PSpice
Nun noch ein weiterer Hinweis: Wir haben in unsere RC-Schaltung einen Schalter eingebaut, wir wollen ja einen Schaltvorgang analysieren. Aber man kann diesen Schalter auch weglassen und Spannungsquelle und Widerstand direkt verbinden. Wenn man dann dem Kondensator einen Anfangswert 0 zuordnet und eine Transientenanalyse startet, bekommt man wieder das gleiche Ergebnis wie oben in Abb. 10.7 dargestellt. Das funktioniert natürlich auch mit anderen Anfangswerten. Der Schalter hat in unserer Schaltung also eigentlich nur einen dekorativen Wert.
10.5 Simulation eines Transistorverstärkers Als zweites Beispiel wollen wir eine etwas anspruchsvollere Schaltung ins Auge fassen. Wir wollen einen Transistorverstärker simulieren. Dazu müssen Sie zunächst ein neues Projekt starten. Die entsprechende Vorgehensweise wurde in Abschn. 10.3 ausführlich erläutert. Natürlich muss das neue Projekt auch einen passenden Namen bekommen, Sie können es beispielsweise Transistorverstärker nennen. Danach muss die Schaltungseingabe erfolgen. Die fertige Schaltung des Verstärkers ist in Abb. 10.9 dargestellt. Die Schaltungseingabe erfolgt wieder gemäß den Erläuterungen in Abschn. 10.3. Als Transistor wird der universell einsetzbare N PN-Kleinsignaltransistor 2N222 verwendet. Er kann der Bibliothek EVAL entnommen werden. Dort wird dieser Transistor mit Q2N222 bezeichnet. Q ist in PSpice ein Kennbuchstabe für einen Transistor. Als Signalquelle für diese Schaltung dient die Quelle VSIN aus der Bibliothek Source, die eine sinusförmig verlaufende Spannung erzeugt. Frequenz FREQ, Amplitude VAMPL und Offsetspannung VOFF der Quelle VSIN sollten Sie gemäß Abb. 10.9 einstellen (unter Offsetspannung versteht man eine der Sinusspannung additiv überlagerte Gleichspannung). Der Wert von AC spielt für die Transientenanalyse keine Rolle, Sie können einen beliebigen Wert eingeben (AC wird in der Wechselstromanalyse, vgl. Abschn. 10.2, benötigt und repräsentiert dort einen Amplitudenwert). Aus welchen Bibliotheken die Widerstände, Kondensatoren und die Gleichspannungsquelle entnommen werden, ist Ihnen ja schon vom RC-Beispiel her bekannt. Jetzt kann eine Netzliste erzeugt werden, die entsprechende Vorgehensweise können Sie wieder Abschn. 10.3 entnehmen.
10.5 Simulation eines Transistorverstärkers
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Abb. 10.9 Transistorverstärker
Simulation – Arbeitspunktanalyse Nun soll simuliert werden, allerdings wollen wir zunächst eine Bias Point-Analyse oder Arbeitspunktanalyse vornehmen. In Abschn. 10.2 wurde bereits erläutert, was es damit auf sich hat. Wir wollen diese Analyse auf unser Beispiel „Transistorverstärker“ anwenden. Damit können wir ermitteln, welche Spannungen und Ströme in der Schaltung auftreten, wenn die Signalquelle ignoriert und nur die Gleichspannungsquelle berücksichtigt wird. Die in der Schaltung enthaltenen Kondensatoren verhalten sich dann wie Unterbrechungen (evtl. in einer Schaltung enthaltene Spulen würden als Kurzschlüsse interpretiert). Um eine solche Analyse durchzuführen, müssen wir zunächst ein neues Simulationsprofil anlegen, d. h. wir wählen PSpice > New Simulation Profile. Das uns schon in Abschn. 10.5 begegnete New Simulation-Fenster öffnet sich. Unter
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10 Crashkurs PSpice
der Rubrik name sollten Sie z. B. Bias1 eintragen. Unter der Rubrik Inherit From müssen Sie None wählen. Anschließend muss auf Create geklickt werden. Jetzt öffnet sich das Simulation Settings-Fenster, vgl. wieder Abschn. 10.4. Wir müssen nun folgende Eintragungen wählen:
Analysis type: Bias Point Options: General Settings Nun kann die OK-Taste betätigt und die Simulation über PSpice > Run gestartet werden. Dann öffnet sich das uns schon bekannte Probe-Fenster. Dieses Fenster ist allerdings für die Arbeitspunktanalyse nicht relevant, da ja keine zeitlich veränderlichen Spannungen bzw. Ströme ermittelt werden. Deshalb sollten Sie das Fenster schließen. Das Ergebnis unserer Aktionen ist in Abb. 10.10 zu sehen, vorausgesetzt Sie haben die „Spannungstaste“, vgl. Abb. 10.10, eingeschaltet. In Abb. 10.10 werden nur die „Arbeitspunktspannungen“ angezeigt. Sie können natürlich stattdessen oder zusätzlich Ströme oder Leistungen einblenden. Die gerade angezeigten Werte kann man Anklicken und „wegziehen“. An Hand der dann sichtbar werdenden gestrichelten Linien wird evtl. genauer erkennbar, auf welche Punkte in der Schaltung sich diese Werte beziehen. Spannungswerte geben immer die Spannung zwischen diesem Punkt und dem Ground an. Bei Stromwerten ist es etwas komplizierter, es wird ja kein Strompfeil eingeblendet. Hier gilt die Regel: Man muss sich den Strompfeil immer von der Stelle des eingeblendeten Stromwertes zum dazugehörigen Bauelement gerichtet vorstellen. Wenn der Stromwert positiv ist, fließt der Strom also in Richtung dieses virtuellen Strompfeiles. Bei einem negativen Wert ist es genau umgekehrt (vgl. die Regeln im Zusammenhang mit den Current Markern, Abschn. 10.3). Jetzt sollten Sie wieder experimentieren. Sie könnten z. B. Bauelementewerte ändern und anschauen, wie sich der Arbeitspunkt verschiebt. Simulation – Transientenanalyse Nun wollen wir eine Transientenanalyse unseres Verstärkers durchführen. Wie in Abschn. 10.4 detailliert beschrieben und oben nochmals wiederholt, müssen wir dafür wieder ein neues Simulationsprofil anlegen. D. h. wir öffnen das New Simulation-Fenster und tragen dort den Namen, z. B. Trans1, ein. Unter der Rubrik Inherit From tragen Sie wieder None ein. Im Simulation Settings-Fenster sollten Sie nun folgende Eintragungen vornehmen:
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10.5 Simulation eines Transistorverstärkers
Analysis type: Options: Run to time: Start Saving data after: Maximum step size:
Time Domain (Transient) General Settings 10 m 0 1u
Nun kann die OK-Taste betätigt werden und anschließend kann die Simulation über PSpice > Run gestartet werden. Wenn wir alles richtig gemacht haben, können wir jetzt das in Abb. 10.11 abgebildete Simulationsergebnis sehen. Das in Abb. 10.11 dargestellte Ergebnis setzt voraus, dass wir für die Kondensatoren C1 und C2 keine Anfangswerte eingegeben haben. Wie in Abschn. 10.4 erwähnt, werden dann von PSpice Werte vorgegeben. Diese Werte werden so gewählt, dass sich ein möglichst kurzer Einschwingvorgang ergibt. Aus Abb. 10.10 können Sie entnehmen, dass sich die Kondensatoren nach dem Einschaltvorgang auf etwa 688.3 mV bzw. 6.57 V aufladen müssen. PSpice wird diese Werte deshalb als Anfangswerte einsetzen und dadurch den Einschwingvorgang verkürzen. Wenn Sie den Anfangswert 0 V für C1 und C2 eingeben, dauert der Einschwingvorgang sehr lange. Ausprobieren!
Über diese Tasten können Spannungen u./o. Ströme u./o. Leistungen eingeblendet werden. In der Abbildung ist nur die „Spannungstaste“ betätigt.
Abb. 10.10 Ergebnisse der Arbeitspunktanalyse
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10 Crashkurs PSpice
Anhand von Abb. 10.11 ist zu erkennen, dass der Verstärkungsfaktor der Schaltung etwa 160 beträgt (Amplitude der Ausgangsspannung = 1.6 V, Amplitude der Eingangsspannung = 10 mV). Verwendung einer anderen Signalquelle für den Transistorverstärker Der Verstärker gemäß Abb. 10.10 wird mit einer sinusförmig verlaufenden Spannung erregt (VSIN). Natürlich ist es auch von Interesse, wie sich eine Schaltung verhält, wenn sie mit impulsförmigen Signalen erregt wird. PSpice stellt deshalb entsprechende Quellen zur Verfügung, z. B. die Quelle VPULSE aus der Bibliothek Source. Diese Quelle liefert eine Spannung mit dem in Abb. 10.12 dargestellten Verlauf.
Abb. 10.11 Ergebnisse der Transientenanalyse
10.5 Simulation eines Transistorverstärkers
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u(t) V2
V1 t TD
TR
PW PER
V1 / V2 TD TR / TF PW / PER
= = = =
TF PER
Spannungspegel 1 / 2 Verzögerungszeit (die Impulsfolge startet nach der Zeit TD) Anstiegszeit / Abfallzeit Pulsweite / Periodendauer
Abb. 10.12 Impulsspannungsquelle VPULSE mit Parametern
Nach Aufruf von VPULSE müssen die in Abb. 10.12 aufgelisteten Parameter spezifiziert werden. Das geschieht wie üblich durch „Anklicken“ der entsprechenden Felder und Eingeben der gewünschten Werte. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Zusammenhang PER ≥ TR + PW + TF gilt. Die Quelle VPULSE ist besonders interessant, weil man durch geschickte Wahl der Parameter sehr interessante Spannungsverläufe erzeugen kann. Hier einige Beispiele: Impulsfolge, Start zum Zeitpunkt t = 0, von 0 auf 5 V ansteigend, unendlich steile Flanken, Periodendauer 10 ms, Tastverhältnis 1:1: V1 = 0, V2 = 5 V, TD = 0, TR = 0, TF = 0, PW = 5 ms, PER = 10 ms. Spannungssprung zum Zeitpunkt t = 0, unendlich steiler Anstieg von 0 V auf 5 V: V1 = 0, V2 = 5 V, TD = 0, TR = 0, TF = 0. Für PW und PER müssen Sie eine „angemessen lange Zeit“ eingegeben, z. B. 10 s. Es muss gelten PW = PER. Einzelimpuls, Start zum Zeitpunkt t = 0, von 0 auf 5 V ansteigend, unendlich steile Flanken, Pulsweite = 10 ms: V1 = 0, V2 = 5 V, TD = 0, TR = 0, TF = 0, PW = 10 ms. Für PER müssen Sie eine „angemessen lange Zeit“ eingegeben, z. B. 10 s. Rampenfunktion, Start zum Zeitpunkt t = 0, Anstieg von 0 V ausgehend, Steigung 1 V/1 s:
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10 Crashkurs PSpice
V1 = 0, V2 = 100 V, TD = 0, TR = 100 s, TF = 0, PW = 0, PER = 100 s. Sie haben es sicher schon bemerkt: Der Spannungssprung und der Einzelimpuls können durch obige Vorgaben nur angenähert gebildet werden. Genau genommen müsste man dort für PW und PER einen unendlich hohen Wert einsetzen. Das geht aber nicht, deshalb können Sie nur eine „angemessen lange Zeit“ eingeben, die im Sekundenbereich liegen kann (das ist für die meisten in der Elektrotechnik ablaufenden Vorgänge praktisch unendlich lang). Die Rampenfunktion wird ebenfalls nur angenähert gebildet, dort müsste man genaugenommen für V2 und TR einen Wert einsetzen der gegen unendlich geht. Nun sollten Sie wieder experimentieren. Ersetzen Sie in unserer Beispielsschaltung VSIN durch VPULSE, Wählen Sie beispielsweise folgende Parameter:
Abb. 10.13 Impulsverhalten des Transistorverstärkers
10.6 Zusammenfassung und Ergänzungen
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V1 = 0, V2 = 10 mV, TD = 0, TR = 0, TF = 0, PW = 0.5 ms, PER = 1 ms Nun sollten Sie die Netzliste neu erstellen, um eventuelle Fehleingaben zu erkennen. Dann kann wie üblich simuliert werden. Das ursprünglich für die Transientenanalyse des Verstärkers erstellte Simulationsprofil kann beibehalten werden. Das Simulationsergebnis ist in Abb. 10.13 zu sehen. Man erkennt sehr gut den Einschwingvorgang. Ferner erkennt man, dass der Verstärker die Impulse recht gut übertragen kann. Jetzt sollten Sie wieder ungehemmt experimentieren. Sie könnten beispielsweise die Periodendauer der Impulsfolge ändern oder andere Parameter variieren.
10.6 Zusammenfassung und Ergänzungen Der Crashkurs ist nun zu Ende und der Autor hofft sehr, dass dem Leser die ersten Schritte mit PSpice leicht gefallen sind. Jetzt sollte weiter experimentiert werden, um nach und nach die vielfältigen Möglichkeiten des Programms zu erforschen. Nun noch ein paar letzte Ratschläge: Es ist sinnvoll, zunächst sehr einfache Schaltungen zu simulieren, sodass man eine Chance hat, die Simulationsergebnisse zu kontrollieren. Komplexere Schaltungen können meist in einfachere Teilschaltungen untergliedert werden. Diese Teilschaltungen sollten dann einzeln getestet werden, bevor man die Gesamtschaltung aufbaut. Der Autor hat auch die Erfahrung gemacht, dass die Simulationsergebnisse oft überraschend sind, die Ergebnisse entsprechen nicht den Erwartungen. Dann sollte man die Schaltung und deren Funktion noch einmal genau überdenken. Meist stellt sich heraus, dass man beim Schaltungsdesign etwas falsch gemacht hat, die Simulation deckt solche Fehler gnadenlos auf. Aber man kann sich trösten: Die Bauelemente können sich nicht, wie in einer realen Versuchsschaltung, in Rauch auflösen. Wenn sich der Leser für die Schaltungssimulation begeistert hat, will er sicherlich auch weiterführende Fachbücher zu Rate ziehen. Im Literaturverzeichnis sind mehrere ausgezeichnete Bücher mit vielen Übungsbeispielen zu diesem Thema aufgelistet. In einem der angeführten Titel wird das Simulationsprogramm MICRO-CAP erwähnt. Dieses Programm basiert genau wie PSpice auf dem „Ursimulator“ SPICE. Auch für MIKRO-CAP existiert eine kostenlose Demoversion. Viel Spaß beim Experimentieren!
Literatur
Mathematische Grundlagen Papula L (2009) Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Band 1, 2, 3. Vieweg +Teubner, Wiesbaden
Elektrotechnische Grundlagen Weißgerber W (2007) Elektrotechnik für Ingenieure, Band 1, 2, 3. Vieweg +Teubner, Wiesbaden Führer A, Heidemann K, Nerreter W (2006) Grundgebiete der Elektrotechnik, Band 1, 2. Hanser, München Clausert H, Hinrichsen V, Stenzel J, Wiesemann G (2011) Grundgebiete der Elektrotechnik, Band 1, 2. Oldenbourg, München Hagemann G (2011) Grundlagen der Elektrotechnik. AULA-Verlag, Wiebelsheim Fleischmann D (1999) Basiswissen Elektrotechnik. Vogel Verlag, Würzburg Gräßer A, Wiese J (2001) Analyse linearer elektrischer Schaltungen. Hüthig Verlag, Heidelberg
Elektronik, Regelungstechnik und Mechatronik Zastrow D (2011) Elektronik. Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden Zacher S, Reuter M (2011) Regelungstechnik für Ingenieure. Vieweg +Teubner, Wiesbaden Froriep R, Mann H, Schiffelgen H (2000) Einführung in die Regelungstechnik. Hanser, München Gerth W, Heimann B, Popp K (2001) Mechatronik. Fachbuchverlag, Leipzig
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2
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Literatur
Numerische Verfahren in der Elektrotechnik Calahan D (1973) Rechnergestützter Schaltungsentwurf. Oldenbourg, München, Wien Gräßer A (1995) Analyse und Simulation elektronischer Schaltungen. Vieweg, Wiesbaden
Schaltungssimulation Beetz B (2008) Elektroniksimulation mit PSPICE. Vieweg +Teubner, Wiesbaden Baumann P (2010) Sensorschaltungen (mit PSPICE). Vieweg +Teubner, Wiesbaden Vester J (2010) Simulation elektronischer Schaltungen mit MICRO-CAP. Vieweg +Teubner, Wiesbaden Heinemann R (2009) PSPICE, Einführung in die Elektroniksimulation. Hanser, München
Stichwortverzeichnis
A Abklingfaktor, 68, 70 AC Sweep/Noise, 123 Additionstheorem, 23 Algorithmus, 10, 14, 16, 18, 93, 97, 102, 111 Amplitude, 23, 24, 37, 40, 43 Amplitudengang, 43 Anfangswert, 73, 76, 80, 84, 85, 87, 97, 102
B Bauelementegleichung, 1 Bereich, komplexer, 33 Bezugsknoten, 9 Bezugspotenzial, 9 Bias Point, 123, 141 Bildbereich, 68, 69, 72, 77
C Capture, 126
D DC Sweep, 123 Diagonalkoeffizient, 13 Differentialgleichung, systembeschreibende, 23 Diode, 103, 104
E Ebers-Moll-Modell, 118 erweitertes, 119 Effektivwert, 37 Energiespeicher, 5, 39 Ersatzschaltbild, 94 einer Spule, 94, 95 eines Kondensators, 96 Euler-Verfahren, 93, 97 Eulersche Formeln, 20 Exponentialfunktion, 27, 41
F Fourier-Analyse, 40, 44, 48 Fourier-Integral, 56 Fourier-Reihe komplexe Form, 41 Kosinusform, 40 Fourier-Synthese, 40 Fourier-Transformation, 54, 58, 59, 65, 67, 70 Frequenzbereich, 46, 56, 60, 62 Frequenzgang, komplexer, 39, 42
G Gauß-Algorithmus, 16 Gleichgröße, 40, 47, 48 Grenzwert, 75
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Gräßer, Analyse linearer und nichtlinearer elektrischer Schaltungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31033-2
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Stichwortverzeichnis
Grenzwertbildung, 55 Größe, nichtperiodische, 55
Q Quelle, gesteuerte, 15
I Integrationsbedingung, 57
R Rechnung, komplexe, 19 Rücktransformation, 30, 32, 37, 47, 57, 69, 84, 86, 88, 90
K Kirchhoffsche Maschenregel, 1 Knotenpotenzial-Verfahren, 9, 15, 94 Knotenspannung, 10 Koeffizientenvergleich, 24, 27, 32 Kondensator, idealer, 2 Korrespondenztabelle, 77–80, 90
L Laplace-Transformation, 67, 72, 77, 90, 91, 93
M Maschenstrom-Verfahren, 18 Modell, 117, 118 Monte-Carlo-Analyse, 123
N Netzliste, 14, 126, 132, 138 Newton-Rhapson-Verfahren, 103, 104, 106, 108 Nicht-Diagonalkoeffizient, 13
O Ohmsches Gesetz, verallgemeinertes, 37
P Phase, 23, 24, 30 Phasengang, 43 Phasenverschiebung, 24 PSpice, 121
S Satz von der Erhaltung der Sinusform, 20 Schaltung lineare, 9, 93 nichtlineare, 4, 103, 113 Schaltungsanalyse im komplexen Bereich, 37 Schaltungssimulator, 121 Schaltvorgang, 5, 6 Schnittpunktmethode, 104 Schrittweite, 115, 135 Spannungsquelle, 13, 15 ideale, 15 Spektraldichte, komplexe, 56 Spule, ideale, 1 Startpunkt, 106 Stetigkeitsbedingung, 74 Stromquelle, 14 Superpositionsgesetz, 39, 42
T Tangentengleichung, 108 Time Domain, 123, 135 Transformation, XII, 31, 56, 57, 59, 65, 67, 68, 87 Transientenanalyse, 93
U Übertragungsglied, lineares, 43, 72
V Verfahren, numerisches, 93
Stichwortverzeichnis W Widerstand, idealer, 1
Z Zeiger, 38 Zeigerdiagramm, 38 Zeitbereich, 22, 32, 37, 47, 56, 64, 68, 69, 72, 135
153 Zustand instationärer, 6, 7 stationärer, 5 Zustandsgröße, 73 Zweigspannung, 9