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German Pages 238 [237] Year 2016
Günther Fischer / Manfred Prescher
An Tagen wie diesen Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Klaus Winninger, Salzburg, und Bettina Koch, München Satz: Martin Vollnhals, Neustadt a. d. Donau Einbandabbildung und Einbandgestaltung: Christian Hahn, Frankfurt a. M. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3388-9
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3417-6 eBook (epub): 978-3-8062-3418-3
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte Alle Songzeilen von A bis Z Alle Namen von A bis Z
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Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, dies ist nun schon das sechste Buch, das wir gemeinsam veröffent lichen. Wir hoffen, dass es Sie wieder unterhält und ein paar interessante, Ihnen womöglich unbekannte Aspekte zu Ihren Lieblings liedern liefert. Auf jeden Fall bietet dieses Buch Anknüpfungspunkte für interessante Gespräche: „Wie war das noch gleich …?“, „Wusstet ihr eigentlich, dass …?“. Man darf auch mal ein Schlauberger sein – denn an Unwissenheit geht die Welt eher zugrunde als an zu viel musikalischer Information. Es ist also alles beim Alten bei uns? Nein, dieses Buch hat sich für uns beide zu einer besonders wichtigen Herausforderung entwickelt. Denn wenn einer der beiden Autoren auf dem OP-Tisch ein zweites Leben geschenkt bekommt, während der andere um einen sehr wichtigen Menschen und Freund bangt, dann ordnet sich vieles im Leben wie auch im kreativen Schaffen neu. Insofern ist dieser dritte Band unserer Reihe rund um die wichtigsten Songzeilen für uns besonders essenziell. Wir haben unsere Freundschaft neu begründet und dieses Buch besonders lieb gewonnen. Es war, für jeden von uns und für unser Verhältnis zueinander, gleichsam eine gemeinsame kulturelle Rehabilitationsmaßnahme mit reinigender Wirkung. Viele Songs haben deswegen für uns eine neue Bedeutung bekommen – etwa „You’ve Got A Friend“ von Carole King. Natürlich erzählen wir Ihnen, wie gewohnt, die eigentliche und wahre Geschichte hinter diesem und den anderen Songs – aber wir würden uns freuen, wenn Sie auch ein wenig von dem besonderen Spirit dieses Buches spüren. Denn egal, ob wir von den Bee Gees, von Little Richard, Prince, Adele, Udo Lindenberg oder Black Sabbath erzäh7
len: Wir versuchen stets verständlich zu machen, wie kostbar es ist, dass wir Musik hören und genießen können – und dass sie unmittelbar unsere Seelen oder unsere Herzen erreicht. Ein Buch ist immer noch ein sehr analoges Produkt. Aber wir wollen Ihnen auch etwas Digitales schenken: Wenn Sie uns eine Email an [email protected] schicken, bekommen Sie als kleines Dankeschön eine Spotify-Playlist (Danke, Samuel!), in der alle Songs unseres Buches gelistet sind. Das heißt: einfach anklicken und – hören. Mehr denn je möchten wir unseren Partnerinnen Bettina Koch und Ilka Schöning für ihre kompetente, kritische und sehr liebevolle Unterstützung danken. Ihnen, unseren Lesern, wünschen wir einmal mehr viel Kurzweil beim Schmökern – und vielleicht werden Sie auch auf das eine oder andere Ihnen unbekannte Lied neugierig. Das würde uns sehr freuen. Günther Fischer & Manfred Prescher
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Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte „Hop on the bus, Gus / You don’t need to discuss much“ aus: „50 Ways To Leave Your Lover“ von Paul Simon Am Anfang stand ein Lied – und dieses Lied ging Paul Simon nicht aus dem Kopf: Nach der Trennung von seinem Partner Art Garfunkel („The Sound of Silence“) im Jahr 1972 hörte er sich die Stücke an, die ihn als jungen Menschen dazu gebracht hatten, Songs zu schreiben. Simon stöberte in der eigenen Plattensammlung, zog Folk- und Bluesperlen aus vergangenen Zeiten heraus. Einer dieser Klassiker war Willie Dixons Lied „29 Ways (to my baby’s door)“. Darin beschrieb Dixon („(I’m Your) Hoochie Coochie Man“) die Sehnsucht, die ihn stets zur Liebsten treibt: „I got 29 ways just to get to my baby’s door / And if she needs me I can find about two or three more.“ Paul Simon drehte den Spieß um: Zu Hippiezeiten waren wechselnde Beziehungen üblich und machten es häufiger nötig, einem Liebhaber Lebewohl zu sagen. Also waren Tipps zur Trennung gefragt – „50 Ways To Leave Your Lover“ eben. Der Songwriter beginnt mit einer Analyse: „The problem is all inside your head she said to me / The answer is easy if you take it logically / I’d like to help you in your struggle to be free.“ Und wieder: „There must be fifty ways to leave your lover.“ Geschildert wird das Ganze aus der Sicht einer Frau, die nicht nur einen Lover loswerden will, sondern deren fünf – Jack, Stan, Roy, Gus und Lee. Für jeden hat sie einen speziellen Rat parat, zum Beispiel „Hop on the bus, Gus.“ 50 Wege zeigt der Song nicht auf, aber 9
er gibt die Richtung für weiterführende Überlegungen vor, einen Geliebten schnell und ohne viel Gezeter loszuwerden: „But I’ll repeat myself at the risk of being crude / There must be fifty ways to leave your lover / Fifty ways to leave your lover.“ Der Song erschien 1975 auf Simons drittem Soloalbum „Still Crazy After All These Years“. Dieser LP-Meilenstein enthielt neben den „50 Ways“ und dem altersweisen Titelstück auch das letzte gemeinsam mit Ex-Partner Garfunkel aufgenommene Lied „My Little Town“. Doch die Tipps zur Liebhaberbeseitigung zogen besonders weite Kreise: Die US-amerikanischen Lesben kürten Simons Song zu ihrer Hymne. Und so erhielten mit „50 Ways To Leave Your Lover“ nicht nur Jack, Stan, Roy, Gus und Lee den Laufpass, sondern die Männer an sich. mp Original: Paul Simon: „Still Crazy After All These Years“ (1975, Warner, LP) Andere Version: Willie Dixon: „29 Ways (To My Baby’s Door)“ (1956, Checker, Single)
„We were young and strong / We were running against the wind“ aus: „Against the Wind“ von Bob Seger & The Silver Bullet Band Sentimental-grüblerisch wie nie und ungewohnt balladesk singt Bob Seger über den Einfluss, den die Zeit auf die Ambitionen, Ziele und Handlungen eines Menschen hat. Über den Widerspruch zwischen dem Wunsch, stetig vorwärts zu kommen und dabei den gesunden Menschenverstand und seine Integrität nicht zu verlieren. Zu Beginn ist es noch das aufregende Leben der Jugend, voller Leidenschaft, Liebe und Energie, „like a wildfire out of control“, aber die Jahre vergehen, der Protagonist fühlt sich allein und nur von falschen Fremden umgeben („And the years rolled slowly past / And I found myself alone / Surrounded by strangers I thought were my friends“) und hat wohl öfters mal falsche Entscheidungen getroffen, die ihn vom Weg abkommen ließen („Guess I lost my way / There were oh so many roads“). Fast seufzend fügt er mit der ebenfalls sehr bekannt gewordenen Formulierung die etwas bittere Erkenntnis hinzu: „Wish I didn’t know now what I didn’t know then“ – „Ich wünschte, ich wüsste heute nicht, was ich auch einst nicht wusste“. 10
Im Refrain und in der Titelzeile erinnert der Rocker dann immer wieder an das Gefühl, mit dem alle Menschen ins Leben starten, an das sie immer wieder gerne zurückdenken – und spricht damit so vielen Menschen aus der Seele, dass sich der Song weltweit in den Charts festsetzt: „We were young and strong / We were running against the wind“ – „Wir waren jung und stark / wir rannten gegen den Wind“, wir setzten uns gegen alle Widerstände durch … „Against The Wind“ war für Bob Seger, die 1945 in Detroit geborene amerikanische Rockmaschine, das erste und bis heute einzige Nummer-1-Album. Es blieb sechs Wochen an der Spitze der BillboardCharts und stieß Pink Floyds „The Wall“ vom Thron. Seger, der vor allem seit seinen mit der Silver Bullet Band eingespielten Alben „Live Bullett“ (1976) und „Night Moves“ (1976) als Garant für schnörkellose und energiegeladene Rockmusik galt, überraschte mit diesem Album und mit dem 1980 erschienenen Titelsong viele seiner Fans. „Against The Wind“ gewann 1981 einen Grammy für die „Best Rock Performance by a Duo or Group with Vocal“. Drei Jahre später spielte die Country-Supergroup The Highwaymen (Kris Kristofferson, Johnny Cash, Waylon Jennings, Willie Nelson) eine wunderbare Coverversion des Songs für ihr Debütalbum ein, US-Star Garth Brooks veröffentlichte eine sehr eigene Version des Songs 2013 auf „Blame It All on My Roots: Five Decades of Influences“ gf Original: Bob Seger & The Silver Bullet Band: „Against the Wind“ (1980, Capitol, LP) Andere Versionen: The Highwaymen: „Highwayman“ (1984, Columbia, CD) Garth Brooks: „Blame It All on My Roots: Five Decades of Influences“ (2013, Pearl, 6 CDs + 2 DVDs)
„Tomorrow is a busy day, we got things to do / We got eggs to lay, we got ground to dig“ aus: „Ain’t Nobody Here but Us Chickens“ von Louis Jordan & His Tympany Five Klappern gehört zum Handwerk, das heißt, dass es dem Erfolg zuträglich ist, sich als unverwechselbares Unikat zu vermarkten. Ma11
donna hat das vorexerziert, Lady Gaga auch, Little Richard, Chuck Berry oder James Brown ein paar Jahrzehnte vorher ebenfalls. Die drei Letztgenannten gelten als Pioniere der Selbstvermarktung, aber sie haben aktiv bei einem gelernt, der schon in den frühen 1940erJahren um die Macht der Public Relations wusste. Im Begleitbuch zur 9-CD-Box „Louis Jordan: Let the Good Times Roll – The Complete Decca Recordings, 1938–1954“ erfahren wir, dass der 1908 im USBundesstaat Arkansas geborene Louis Jordan genau wusste, was er tat: Man verwende, so rät er, lustige Wörter, mache jede Menge Unfug auf der Bühne und kleide sich extravagant. Jordan gab also dem Affen Futter, er markierte den Altsaxofon-Beschwörer, er trug Turban, schräge Brillen – natürlich ohne Glas – und bunte Anzüge. So positionierte er sich mediengerecht als Unikat. Seine Outfits oder die besonderen Auftritte, bei denen er schon mal im Krebsgang durch ein Stadion lief und dabei sein Instrument munter weiterspielte, harmonierten prächtig mit seinem Gespür für unglaublich eingängige Songs. In Verhandlungen mit der Plattenfirma Decca sorgte Jordan persönlich dafür, dass die ab 1940 in Mode gekommenen Musikboxen mit seinen Platten bestückt wurden. Das brachte ihm den Spitznamen „The King Of Jukebox“ ein. Nebenbei hat er den Rock’n’Roll erfunden, wie Little Richard in einem Interview mit dem Autor betonte und Nick Tosches in seinem lesenswerten Buch „Unsung Heroes of Rock’n’Roll: The Birth of Rock in the Wild Years before Elvis“ beschreibt. Das geschah allerdings eher aus ökonomischen Gründen, denn während des Zweiten Weltkriegs erwiesen sich Big Bands als zu teuer im Unterhalt. Jordan gründete seine Tympany Five – Standbass, Schlagzeug, Piano, Trompete, Saxofon, dazu Gesang, Kennzeichen: ein oft sehr schneller Rhythmus. Was Jordans Band auf das Parkett bzw. auf Schellackplatten zauberte, das rockte und rollte. Einige der Songs wurden ein gutes Jahrzehnt später von weißen Kids geliebt und neu interpretiert, etwa „Caldonia“, „Let the Good Times Roll“ oder „Cho Choo Ch’Boogie“, das erste Lied, das sich in USA mehr als eine Million Mal verkaufte, obwohl Plattenspieler noch nicht flächendeckend verbreitet waren. Jordan war ein absoluter Superstar, er sang mit Ella Fitzgerald oder Bing Crosby im Duett, hatte zwischen 1942 und 1951 sage und schreibe 57 große Hits in den R&B-Charts, stand mit 12
18 Songs stolze 113 Wochen lang an der Spitze. Viele seiner Erfolge trugen tatsächlich lustige oder makabre Titel, etwa „Five Guys Named Moe“, „Jack, You’re Dead“, „I Like ’Em Fat Like That“ oder „What’s the Use of Getting Sober (When You Gonna Get Drunk Again)“. Drei seiner Hits hatten das Wort „Chick“ – auf Deutsch „Hühnchen“ – im Titel. Jordan reklamierte für sich, dass er dieses Synonym für Mädchen bzw. Frau erfunden habe. Der Slangausdruck war allerdings schon Anfang des 20. Jahrhunderts geläufig. So verweist das von der Songwriterin Joan Whitney Kramer und ihrem Mann Alex geschriebene „Ain’t Nobody Here but Us Chickens“ zumindest auf einen populären Witz um einen Hühnerdieb hin, der anno 1908 in der Zeitschrift Everybody’s Magazine erschien. Dort stand: „Deed, sah, dey ain’t nobody hyah ‚ceptin‘ us chickens“ und die merk würdige Mehrzahl „chickens“ gehörte in den 1920er-Jahren in der Stummfilmreihe „Die kleinen Strolche“ („Our Gang“) zum Standard. Jordans „Chickens“ ist oberflächlich ein harmloses Kinderlied, in dem die fleißigen Hühner nur schlafen wollen, damit sie tags darauf wieder im Boden nach Würmern scharren und Eier legen können. Unter der harmlosen Oberfläche lässt sich der Song auch als Umschreibung für ein Bordell deuten. Aber Prostitution war und ist in den USA verboten. Farmer John und sein Gewehr stehen daher für Polizei, also für das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung. Als er im Hühnerstall nach dem Rechten schauen will, sind die Hühner entrüstet: Sie erklären dem Bauern, dass sie allein im Stall sind und verweisen auf ihr Ruhebedürfnis. „Tomorrow is a busy day, we got things to do / We got eggs to lay, we got ground to dig“ – „Morgen ist ein arbeitsreicher Tag, wir haben zu tun / Wir müssen Eier legen, wir müssen im Boden graben“. Jordans „Ain’t Nobody Here but Us Chickens“ erscheint 1946 mit der ebenfalls erfolgreichen B-Seite „Let the Good Times Roll“ und bleibt bis heute im Gedächtnis. Es wird 1948 vom britischen Bandleader Joe Loss, in dessen Formation später der Vater von Elvis Costello sang, neu aufgenommen. Später covern es dann unter anderem James Brown und Lisa Stansfield und es wird passenderweise 2011 in Louis Jordans Version für den Soundtrack des düsteren Computerspiels „L.A. Noire“ verwendet. Jordans weitere Hühner13
Songs „That Chicks Too Young To Fry“ (1946) und „The Chicks I Pick Are Slender And Tender And Tall“ (1943) sind zwar ebenfalls Klassiker, aber bei weitem nicht so schlingelig-charmant. mp Original: Louis Jordan & His Tympany Five: „Ain’t Nobody Here but Us Chickens“ (1946, Decca, Schellacksingle) Andere Versionen: Joe Loss & His Band: „Ain’t Nobody Here but Us Chickens“ (1948, Columbia, Schellacksingle) James Brown: „Showtime“ (1964, Smash Records, LP) Lisa Stansfield: „Swing OST“ (1999, BMG Soundtracks, CD)
„Girl I’m sorry I was blind / You were always on my mind“ aus: „Always on My Mind“ von Elvis Presley Der Countrysänger und Songwriter Wayne Carson Thompson, der unter anderem die Hits „The Letter“ für die Box Tops oder „Keep On“ für Bruce Channel schrieb, hat sich 414 Lieder urheberrechtlich schützen lassen. Viele davon waren sehr erfolgreich, eines aber überragt bis heute alle anderen: „Always on My Mind“, das in Kooperation mit seinen Studiokumpanen John L. Christopher Jr. und Mark James entstand. Zwei Grammys gab es 1982 für den Song, der über 300 Mal gecovert wurde – und dessen Erfolgsgeschichte Thompson überraschte. Denn der hat, so wird kolportiert, das Stück angeblich innerhalb von nur zehn Minuten zuhause in Springfield am heimischen Küchentisch „zusammengezimmert“ – die eher traurigen Worte „Girl I’m sorry I was blind / You were always on my mind“ inklusive. Sie beschreiben einen Zustand, den viele Leute kennen: Man merkt erst nach dem Ende einer Beziehung, was man am Partner hatte. Und der geht einem dann nicht mehr aus dem Sinn. Die schwelgerische Melodie unterstreicht das Herzensleid nachdrücklich und durchaus auch kitschig. Deshalb wohl rissen sich sofort nach der Entstehung Künstler um „Always on My Mind“. Binnen weniger Monate entstanden gleich drei recht erfolgreiche Version, zwei davon im Herbst 1971. Wobei die Aufnahme der in den späten 1950er- und 1960er-Jahren sehr erfolgreichen Sängerin Brenda Lee („Sorry“) als Original gilt. Praktisch zeitgleich war die Soulsängerin 14
Gwen McCrae, Ehefrau des Sängers George McCrae („Rock Your Baby“), im Studio und nahm eine sehr elegante „You Were Always on My Mind“ betitelte Variante auf. Kurz darauf folgte Elvis Presley. Der King suchte nach Songs, mit denen er die Trennung von Priscilla verarbeiten und kommentieren konnte. Das Ergebnis war die Single „Seperate Ways“ mit dem thematisch perfekt passenden „Always on My Mind“ als B-Seite. Die Platte verkaufte sich allein in den USA in kurzer Zeit mehr als 500.000 Mal, änderte aber nichts am Beziehungsende der Presleys. Am 9. Oktober 1973, rund eineinhalb Jahre nach Elvis’ schwermütigem Gang ins Studio, wurde die Ehe getrennt. Das Flehen im Song und Zeilen wie „Tell me, tell me that your sweet love hasn’t died / Give me, give me one more chance / To keep you satisfied, satisfied“ – auf Deutsch „Sag mir, sag mir, dass deine süße Liebe nicht gestorben ist / Gib mir, gib mir noch eine Chance / Um dich zu befriedigen, zu befriedigen“ – war umsonst. Zum Millionenseller wurde das Lied erst in einer Aufnahme, die am 11. Oktober in Nashville entstand, im Studio des Produzenten, Songwriters und Gitarristen Lincoln Wayne „Chips“ Moman. Moman, der neben Hits auch das legendäre Album „From Elvis in Memphis“ und damit Songs wie „In the Ghetto“ oder „Suspicious Minds“ verantwortete, saß an den Reglern, als Willie Nelson seine liebevollwehmütige Version einspielte. Etwas knarziger tat er das 1998 noch mal im Verbund mit Johnny Cash – für den intimen TV-Konzertmitschnitt „VH1 Storytellers: Johnny Cash & Willie Nelson.“ Nelson war ein Superstar, der selbst als Songwriter sehr erfolgreich war – bereits seit 1957 nahm er Platten auf und von Anfang an wurden Coverversionen seiner Lieder Hits in verschiedenen Genres. „Hello Walls“, „Funny How Time Slips Away“ oder „Night Life“ werden von verschiedensten Künstlern aufgenommen. Er selbst hat ebensowenig Berührungsängste, veröffentlicht neben Countrysongs auch Jazz, Blues, Klassik oder Reggae. Einen guten Popsong wie „Always on My Mind“ lässt Willie Nelson nicht links liegen. Das Lied wird aber nicht nur ein weltweiter Hit und Nummer eins in den Countrycharts, es wird in dieser Kategorie sowohl 1982 als auch 1983 zur meistverkauften Platte des Jahres – das schaffte vorher und nachher kein anderes Stück. Aber auch danach hatten sich die 15
enschen noch nicht satt gehört an dem Rührstück, weitere KünstM ler waren damit erfolgreich, besonders Neil Tennant und Chris Lowe, besser bekannt als Pet Shop Boys. Das Duo präsentierte ihre Eurodance-Version zunächst im August 1987 – anlässlich des zehnten Todestages von Elvis Presley – im britischen TV-Spezial „Love Me Tender“. Man war überwältigt von der Zuschauerreaktion, veröffentlichte das Lied gemeinsam mit „Do I Have To?“ auf Single und schaffte es in verschiedenen Ländern, darunter in Deutschland, an die Spitze der Hitparade. Im Gegensatz zu Elvis, Brenda Lee oder Willie Nelson verzichtete das Synthiepop-Duo dabei weitgehend auf Emotionen. Von der Wehmut war bei den Pet Shop Boys nicht mehr viel übriggeblieben, aber das passte schon in die Zeit: Ende der 1980er-Jahre wurden Partner nicht mehr für die Ewigkeit, sondern als „Lebensabschnittsbegleiter“ gesucht. mp Original: Brenda Lee: „Brenda“ (1973, MCA LP) Andere Versionen: Gwen McCrae: „You Were Always on My Mind“ (1972, Columbia, Single) Elvis Presley: „Seperate Ways“ (1972, RCA, Single) Willie Nelson: „Always on My Mind“ (1982, Columbia, LP) Pet Shop Boys: „Introspective“ (1988, Parlophone, CD)
„Don’t wanna be an American Idiot“ aus: „American Idiot“ von Green Day Punk war schon tot. Bis Billie Joe Armstrong (Gitarre, Gesang), Tré Cool (seit 1990 an den Drums) und Mike Dirnt (Bass) kamen: Mit ihren Alben „39/Smooth“ (1990), „Kerplunk!“ (1992), „Dookie“, (1994) „Insomniac“ (1995), „Nimrod“ (1997) und „Warning“ (2000) belebten sie nicht nur eine fast verschwundene Musikgattung neu, reicherten sie mit einer Prise Pop an und wurden zu Stars. Heute sind sie mit mehr als 65 Millionen verkauften CD sogar ein gewichtiger Teil des bei dieser Art Band sonst so verhassten Establishments. Nach „Warning“ kam der Einbruch. Schreibblockaden, mangelnde Inspiration und gegenseitiges Misstrauen hemmten die Band. Erst eine Therapie mit vielen Gesprächen half weiter und trug dazu 16
bei, dass die Musiker das Vertrauen in ihre Fähigkeiten zurückgewannen. Das Comeback 2004 geriet dann zum veritablen Paukenschlag: „American Idiot“ stieg auf Platz eins in den US-Albumcharts ein, präsentierte eine Rockoper à la „Quadrophenia“ von The Who und warf mit „American Idiot“, „Holiday“, „Boulevard of Broken Dreams“, „Wake Me Up When September Ends“ und „Jesus of Sub urbia“ gleich fünf Hitsingles ab. Aber: Rockoper ist eigentlich genau das, was Punks nie machen wollten. Im Grunde ist diese Rockoper ein Beziehungsdrama – allerdings eines mit starker politischer Schlagseite. „American Idiot“, der Titelsong, die erste Nummer des Albums und die erste Singleauskopplung, gibt die Richtung vor. Das Lied stellt eine scharfe Abrechnung mit der Politik der Vereinigten Staaten unter George W. Bush dar. Nach dem Angriff aufs World Trade Center am 9.11.2001 ließ der US-Präsident seine Truppen im Irak einmarschieren, während sein Außenminister Colin Powell vor dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen seine „Schandfleck“-Rede hielt und im Grunde die ganze Welt belog, als er von den angeblichen Massenvernichtungswaffen des damaligen und später getöteten Präsidenten des Irak, Saddam Hussein, sprach. Der Text von Billy Joe Armstrong fängt diese damalige Stimmung in Amerika gleich zu Beginn des Songs in prägnanten Zeilen ein, das Gefühl, von den Politikern belogen zu werden: „Don’t wanna be an American idiot, / Don’t want a nation under the new media. / And can you hear the sound of hysteria?“ („Will kein amerikanischer Idiot sein / Will keine Nation unter neuen Medien. / Und kannst du den Klang der Hysterie hören?“). Nicht ohne seinem Land „subliminal mind fuck“, also eine „unterschwellige Hirnverblödung“, zu attestieren. Seine mit peitschenden Akkorden vorgetragene Abrechnung kulminiert in einem mitreißenden Singalong-Refrain, in dem er ein ihm fremd gewordenes Land und die Manipulation durch die Medien beschreibt: „Welcome to a new kind of fusion / All across the alien nation / Where everything isn’t meant to be okay. // Televisions dreams of tomorrow / We’re not the ones who’re meant to follow / For that’s enough to argue“ – „Willkommen zu einer neuen Art der Spannung / In der ganzen fremden Nation / Wo alles nicht in Ord17
nung sein soll. // Das Fernsehen träumt zwar von morgen / Wir aber sind nicht die, die folgen sollten / Da gibt’ genug zu streiten.“ Früher war Punk einfach ein großes Dagegen, Funpunk wiederum wollte nur unterhalten. Green Day dagegen luden ihre Musik politisch auf, versuchten, sich zum Sprachrohr eines irgendwo immer noch existierenden, anderen Amerikas zu machen. Das war ebenso überraschend und neu wie der Umstand, dass die Band auf dem gleichnamigen Album mit „Jesus of Suburbia“ den längsten Punksong überhaupt veröffentlichte – Spielzeit: neun Minuten und sieben Sekunden. Da kann man nur mit den Ärzten fragen: Ist das überhaupt noch Punkrock? Das Album gewann 2005 den Grammy in der Kategorie „Best Rock Album“. Eine Coverversion des Songs stammt von Richard Cheese, die Rocksängerin Avril Lavigne spielte ihre Version 2005 auf ihrer „Bonez Tour“ und Weird Al Yankovic nahm unter dem gf Titel „Canadian Idiot“ sogar eine Parodie auf. Original: Green Day: „American Idiot“ (2004, Reprise CD) Andere Versionen: Richard Cheese and Lounge Against The Machine: „Aperitif for Destruction“ (2005, Surfdog Records, CD) Weird Al Yankovic: „Straight Outta Lynwood“ (2006, Volcano, CD)
„Einmal fassen, tief im Blute fühlen / Dies ist mein und ist es nur durch dich“ aus: „Am Fenster“ von City Manchmal muss man ein wenig schummeln, um das zu erreichen, was einem wichtig ist. So geschehen bei City, einer Rockband aus der ehemaligen DDR. Der Song „Am Fenster“ sollte auf das Debütalbum der Band, stieß bei der staatseigenen Plattenfirma Amiga aber auf Ablehnung. Die Gründe: Überlänge und der Einsatz einer Geige, ein Instrument, das in der Rockmusik der damaligen Zeit eher un üblich war und entsprechend selten zum Einsatz kam. Bei City aber schon: Die Musiker experimentierten zu dieser Zeit gerade mit bulgarischer Folkmusic. 18
Nach allen Aufnahmen für die erste Langspielplatte der Band war noch Studiozeit übrig, quasi zur freien Verwendung. City durfte noch einen Song einspielen, musste aber vorab versprechen, ihn nur für den Eigengebrauch zu verwenden und nicht zu veröffentlichen. Weil die Zeit drängte, nahmen die Musiker den Song live auf Band auf. Noch am selben Tag ging der Geiger Georgi Gogow zu einem Redakteur der in der DDR gern gehörten Sendung „Beatkiste“ und bat darum, den Song im Radio vorzustellen. Die Begeisterung der Hörer war groß, sie stürmten die Plattenläden und wollten ein Lied kaufen, das es weder als Single noch auf einer Platte gab. Die Plattenfirma Amiga geriet unter Zugzwang – und „Am Fenster“ entwickelte sich zum Hit. Der melancholische Text stammt von der heute fast vergessenen DDR-Schriftstellerin Hildegard Maria Rauchfuß. Um seine Schwermut zu verstehen, muss man sich die damalige Zeit vergegenwärtigen: Deutschland war zweigeteilt – hier die westlich orientierte Bundesrepublik (BRD), dort die kommunistisch dominierte Deutsche Demokratische Republik (DDR). Seit 1961 existierte die Berliner Mauer, jeder Grenzübertritt geriet zur Schikane, wenn man als Westdeutscher in den Osten wollte. Ostdeutsche wiederum mussten Ausreiseanträge stellen, die meist abgelehnt wurden. Der Alltag war von der Staatssicherheit überwacht und es mangelte an fast allem. Kein Wunder, dass viele Menschen den Fokus auf enge Zweisamkeit legten: „Einmal wissen, dieses bleibt für immer / Ist nicht Rausch, der schon die Nacht verklagt“ heißt es drängend gleich zu Beginn. Kein stürmischer One-Night-Stand soll es also sein, sondern eine Verbindung, die auf Dauer angelegt ist. Das Zurückgeworfensein auf eine Beziehung, die Tatsache, das alles Marode um einen herum nur durch einen Partner ausgeglichen und aufgewertet werden kann, ist in der doppelt gesungenen Zeile „Einmal fassen, tief im Blute fühlen / Dies ist mein und ist es nur durch dich“ wunderbar getroffen. Zwei Zeilen des Liedes fangen zudem ein ganz anderes Gefühl ein – den Wunsch eines Menschen, nicht mehr eingesperrt zu sein, dem Leben anderer nicht nur von außen zusehen zu müssen, sondern daran teilzuhaben: „Nicht die Stirne mehr am Fenster kühlen“ und „(…) flieg’ ich durch die Welt“. Dieser letzte Halbsatz voller Sehn19
sucht wird dreimal wiederholt und von der elegisch klingenden Geige untermalt. Der Drang eines Menschen nach Freiheit ist selten eindringlicher in Szene gesetzt worden. Aufgrund des Erfolgs musste die Plattenfirma Amiga die 1977 erschienene Single viermal nachpressen – es wurden rund eine Million Stück verkauft –, außerdem durfte die Band City danach in Westdeutschland auftreten – ein Privileg, das DDR-Künstlern selten zuteil wurde. „Am Fenster“, die gleichnamige LP, erschien 1978 nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD und in Griechenland. City gewann dort als dritte ausländische Band überhaupt eine Goldene Schallplatte. Insgesamt wurden Single und LP über zehn Millionen Mal verkauft, das Lied „Am Fenster“ gilt heute als der DDRgf Rockklassiker überhaupt. Originale: City: Am Fenster (1977, Amiga, Single) City: Am Fenster (1978, Amiga, LP)
„Atemlos durch die Nacht, / bis ein neuer Tag erwacht. / Atemlos einfach raus, / deine Augen ziehen mich aus!“ aus: „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer Wer sich mit dem Phänomen Helene Fischer beschäftigt, muss sich inzwischen wundern, dass sie immer noch in einem Atemzug mit Beatrice Egli, Kristina Bach oder Andrea Berg genannt wird und in allen Schlagersendungen des deutschen Fernsehens auftritt. Immerhin: In fast allen TV-Shows, in denen sie zu Gast ist, wird ihr längst der singuläre Sonderstatus eines Superstars zugestanden. Mit ihrem Sauberfrau- und Sonnenschein-Image, ähnlich wie das der US-Stars Shania Twain und Céline Dion, sticht sie tatsächlich heraus. Ihr Drang zur Perfektion trägt ihr eine Menge Bewunderung ein. Die Farben der Scheinwerfer und Lichtkaskaden sind wie selbstverständlich auf ihre Kostüme abgestimmt. Und sie verkauft CDs und Downloads in Hülle und Fülle: Bis Ende 2015 waren es rund zehn Millionen. Die 1984 im sibirischen Krasnojarsk als Jelena Petrowna Fischer geborene Allroundkünstlerin nahm schon als Schülerin an Musical20
kursen teil und absolvierte nach dem Realschulabschluss 2000 die „Stage & Musical School“ in Frankfurt. Bereits während ihrer Ausbildung erhielt sie erste Engagements. Seither singt Helene Fischer tanzt, choreografiert ihre Show, castet die Tänzer und umgibt sich mit den besten Arrangeuren, Produzenten und Songschreibern, die in ihrem Genre zu haben sind. „Atemlos durch die die Nacht“ hat Sangeskollegin Kristina Bach geschrieben – er war der letzte Song, den Fischer für ihre CD „Farbenspiel“ aufnahm. Der Text erzählt von einer intensiven Begegnung zweier frisch verliebter Menschen („Lust pulsiert auf unserer Haut, / (…) / Spür’ was’ Liebe mit uns macht“), die jede Minute auskosten wollen („Wir zieh’n durch die Straßen und die Clubs dieser Stadt, / Das ist unsre Nacht, wie für uns beide gemacht“). Im Refrain spricht er auch von der körperlichen Anziehungskraft: „Atemlos durch die Nacht, / bis ein neuer Tag erwacht. / Atemlos einfach raus, / deine Augen ziehen mich aus!“ Der Song beschreibt damit eine Situation, die irgendwann jeder schon einmal erlebt hat und an die man sich gerne zurückerinnert. „Atemlos“ entwickelt sich zu einem Song, der mit einem gewissen Augenzwinkern zwischen Pop und Schlager oszilliert. Musikalisch wird er von einem lupenreinen Discofox getragen, was seinem Erfolg sicher nicht geschadet hat – dieser Rhythmus ist von der nieder bayrischen Dorfdisco bis zur nordfriesischen Teestube jedem vertraut und taugt selbst noch für die späten Stunden einer großstädtischen Party. Der Erfolg des Songs zog natürlich Neider aufs Parkett: Der Musikproduzent Jack White erhob eher kuriose Plagiatsvorwürfe – es ging um das „oho oho“ im Song –, die US-Sängerin Rosanne Cash, Tochter von Johnny Cash, wollte Ähnlichkeiten mit ihrem Country-Song „Land of Dreams“ erkennen. Ob die Vorwürfe ausgeräumt und beigelegt sind, war Anfang 2016 noch nicht geklärt. Aber beide Songs weisen, hört man sie hintereinander, tatsächlich Ähnlichkeiten auf. Die Single „Atemlos durch die Nacht“ und die dazugehörige CD „Farbenspiel“ waren derart erfolgreich, dass Helene Fischer wieder einen Schritt mehr wagte und für die folgende Tournee statt Konzerthallen große Stadien buchte. Die Tournee war schnell ausver21
kauft und die Show natürlich – perfekt. Sie war mit Tänzern, einer 250-Leute-Crew und vier Leinwänden neben der Bühne unterwegs – Dimensionen, die man bis dahin im Schlagergewerbe nicht kannte. Am Ende der Tournee sang Helene Fischer als letztes Lied überhaupt gf einen Song von Tina Turner: „Simply The Best“. Original: Helene Fischer: „Farbenspiel“ (2013, Polydor, CD)
„Way down below the ocean where I wanna be she may be“ aus: „Atlantis“ von Donovan Ausgerechnet das 1968 als Single erscheinende „Atlantis“ wurde zu Donovans größtem Erfolg. Dabei ist das Lied mit fünf Minuten Länge alles andere als radiotauglich, zum anderen besteht es fast zur Hälfte aus gesprochenem Text. Zudem wird nur eine Zeile richtig gesungen: „Way down below the ocean I wanna be she may be.“ Der 1946 in Glasgow als Donovan Phillips Leitch geborene Singer-Songwriter ist einer der großen Märchenerzähler des Pop (so wie Nick Drake und Jon Anderson, Sänger der Progrock-Band Yes). In der ruhig gesprochenen Einführung des Songs breitet er eine etwas abenteuerliche und von historischen Fakten befreite Geschichte aus: Atlantis, so Donovan, sei nicht nur eine hochentwickelte, vorsintflutliche Zivilisation gewesen, ihre Kolonisten seien auch die mythologischen Götter unserer Antike. In Kenntnis ihres Schicksals hätten die Bewohner von Atlantis ihre Meister einst mit Schiffen in Sicherheit geschickt („Knowing her fate, Atlantis sent out ships to all corners of the Earth / On board were the Twelve: The poet, the physician, the farmer, the scientiest / The magician and the other so-called Gods of our legend“). Sie seien es gewesen, die den bis dahin primitiv dahinvegetierenden Menschen die Zivilisation und die Kultur brachten, selbst das ägyptische Zeitalter der Pharaonen sei da nur ein Relikt der atlantischen Kultur: „The great Egyptian age is / But a remnant of The Atlantian culture. / The antediluvian kings colonised the world / All the Gods who play in the mythological dramas / In all legends from all lands were from far Atlantis.“ 22
Diese Art fantasievoller Geschichtsverklärung fiel bei der dama ligen Gegenkultur natürlich auf fruchtbaren Boden – die Hippies träumten sich schließlich gerne mal in andere Welten weg. Damit begeisterte Donovan nicht nur seine Fans, er war auch ziemlich nah am damaligen Zeitgeist, der sich unter anderem in den Büchern von Erich von Däniken widerspiegelte und bis heute in zahlreichen TVSerien lebendig ist (z. B. in „Stargate Atlantis“). Anno 1968 ist es trotzdem die Liebe, die wirklich zählt. Weswegen nach den zwei letzten gesprochenen Worten „Hail Atlantis!“ die mit Verve gesungene Zeile folgt: „Tief unterm Ozean möchte ich sein, sie ist vielleicht auch da“ („Way down below the ocean I wanna be she may be“). Aus dem ernst vorgetragenen Geschichtsunterricht in Mythologie wird so übergangslos ein leidenschaftliches Liebeslied, mit einer Angebeteten, die nicht zu erreichen ist. Kein Wunder, weilt sie doch im fernen Atlantis, tief unterm Ozean. Wahrscheinlich. So bleibt nur die Hoffnung: „I wanna see you some day / (…) / My antediluvian baby“. Wer immer die vorsintflutliche Schönheit auch sein mag. Schon kurz nach Erscheinen wurde der Song zum weltweiten Erfolg. Er landete zwar nur in der Schweiz auf Platz eins der Charts, tummelte sich aber sonst fast überall in höheren Regionen – unter anderem Platz zwei in Deutschland und Südafrika, Platz vier in Österreich, Platz sieben in den USA. Über die Jahrzehnte entwickelte er sich zum immer wieder gespielten Evergreen. 2001 nahm Donovan seinen weltentrückten Song für den Abspann des Walt-DisneyFilms „Atlantis: The Lost Empire“ („Atlantis – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“) mit der deutschen Girlgroup No Angels neu auf und landete mit „Atlantis 2002“ noch einmal auf Platz fünf der deutschen Charts. gf Original: Donovan: „Barabajagal“ (1969, Epic, LP) Andere Versionen: Soundtrack: „Atlantis: The Lost Empire“ (2001, Warner, CD) No Angels: „Now … Us“ (2002, Cheyenne/Polydor, CD)
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„Ein Hoch auf uns uns / Auf dieses Leben / Auf den Moment / Der immer bleibt“ aus: „Auf uns“ von Andreas Bourani 2006 – die „Heim-WM“ in Deutschland: Die Hymne der Fußballfans war „’54, ’74, ’90, 2006“ der Münchner Band Sportfreunde Stiller. Aber noch ein zweiter Song fand damals den Weg in die Herzen der Massen – „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo. Ursprünglich ganz und gar nicht auf Fußball gemünzt passte er trotzdem ganz gut: Denn die deutsche Nationalelf musste den Pfad in Richtung viertem Stern im Halbfinale verlassen und wurde Dritter. Acht Jahre später war es dann soweit: Nach dem 7:1 über den Gastgeber und Favoriten Brasilien im Halbfinale brachte schließlich Mario Götzes Tor gegen Argentinien den seit 1990 ersehnten WM-Titel. Das Lied, das sich diesmal während des Wettbewerbs durchsetzte, stammt von Andreas Bourani. Noch heute ist Bouranis „Auf uns“ mit den einprägsam positiven Zeilen „Ein Hoch auf uns / Auf dieses Leben / Auf den Moment / Der immer bleibt“ zu hören, wenn es in Deutschland etwas zu feiern gibt. Ob Geburtstag, Hochzeit, Wahlsieg, Handballeuropameisterschaft oder Fußball-WM – die Zeilen „Ein Hoch auf das, was vor uns liegt / Dass es das Beste für uns gibt / Ein Hoch auf das, was uns vereint / Auf diese Zeit / Ein Hoch auf uns / Auf diesen Moment / Der immer bleibt“ passen immer. Sie haben ein bisschen ’was von Kindergeburtstag beziehungsweise von „Hoch soll er leben“, aber was spricht dagegen, einfach zu feiern? Und vielleicht mal Flüchtlingskrise, Krieg, Terror oder Brexit auszuklammern? Der wahrscheinlich als Sohn nordafrikanischer Eltern 1983 in Augsburg geborene Songwriter drückte eben nicht nur das nationale Hochgefühl von 2014 mit seinem „Auf uns“ perfekt aus. Eigentlich heißt Bourani nach seinen Adoptiveltern Andreas Stiegelmair, aber der bayrische Nachname war nicht unbedingt erfolgsfördernd. Sein Talent als Sänger und Songschreiber wurde 2010 entdeckt. Er erhielt einen Plattenvertrag, ging beim BundesvisionsSongcontest 2011 mit „Eisberg“ als Zehnter eher unter, startete als Musiker dennoch durch. „Eisberg“ war die zweite Single aus dem Debütalbum „Staub & Fantasie“, die erste hieß „Nur in meinem 24
Kopf“ und verkaufte sich rund 150.000 Mal. Drei Jahre später, am 9. Mai, erschien „Hey“, die zweite CD Bouranis. Zwei Wochen vorher wird als Vorabsingle „Auf uns“ veröffentlicht. Bis zum ersten Spiel der deutschen Elitekicker dauert es noch etwas mehr als eineinhalb Monate. Zeit, in der das Fußballfieber täglich weiter stieg – und mit ihm der Erfolg von „Auf uns“. 675.000 Exemplare wurden schließlich verkauft, auf den Playlists der Radiostationen findet man das Lied noch heute. Und nach dem schönen 4:1 Auftaktsieg, den die Nationalmannschaft am 16. Juni gegen Portugal einfuhr, war „Auf uns“ endgültig in Brasilien angekommen. mp Original: Andreas Bourani: „Hey“ (2014, Vertigo CD)
„Come, Mister tally man, tally me banana / Daylight come and me wan’ go home “ aus: „Day-O (The Banana Boat Song)“ von Harry Belafonte Mitte der 1950er-Jahre packte die US-Amerikaner das Fernweh – sie entdeckten die „West Indies“ und damit den Sound des Calypsos für sich. Waren sie in den zwei Dekaden zuvor noch daran interessiert, die typische Musik speziell aus Trinidad und Tobago wirtschaftlich zu nutzen, also die Einheimischen mit Platten ihrer lokalen Helden zu versorgen, setzten nun sogar etablierte Hollywood-Mimen wie Robert Mitchum oder George Clooneys Tante Rosemary auf die karibischen Klänge und nehmen Calypso-Platten auf. Ein Künstler wurde dank des Folk-Booms und im Zuge des Calypso-Hypes sogar zum absoluten Superstar: Bereits die ersten drei LPs des in New York als Sohn einer jamaikanischen Hilfsarbeiterin und eines Seefahrers aus Martinique geboren Harry Belafonte verkauften sich prächtig – jede übertraf die vorige. Während das Debüt „Mark Twain And Other Folk Favorites“ 1954 weitgehend ohne Calypso-Einfluss 500.000 Mal über die Ladentische ging, waren es beim Nachfolger „Belafonte“ 1956 schon 750.000 Exemplare. Im gleichen Jahr erschien „Calypso“ und wurde das erste Album, das sich in den USA eine Million Mal verkaufte. Die Plattenfirma RCA Victor dürfte ausgesprochen glücklich darüber gewesen sein, denn sie hatte neben 25
Belafonte auch Elvis Presley im Programm – und damit die beiden größten Umsatzträger jener Zeit. Der smarte Belafonte war zeitweilig sogar erfolgreicher als der King, was auch am Opener des „Calypso“-Albums lag – „Day-O (The Banana Boat Song)“ war ein Mega-Hit. Allerdings einer, der mit einem Etikettenschwindel vermarktet wurde, wie der renommierte Autor Colin Escott im Begleitbuch zur Fünf-CD-Box „Harry Belafonte – Island In The Sun“ feststellt: „Der Schlüsselsong des Albums war ‚DayO (The Banana Boat Song)‘, die Geschichte dahinter ist nicht ganz klar, aber es ist schon ironisch, dass der Song als Calypso veröffentlicht wurde, ohne einer zu sein.“ Escott erklärt, dass das Lied eigentlich aus Jamaika und eben nicht aus Trinidad stammt. Die erste bekanntere Plattenaufnahme heißt noch „Day Dah Light“ und stammt aus Kingston. Der Sänger Edric Connor ist allerdings auf Trinidad geboren – so dass sich der Kreis zum Calypso doch ein Stück weit schließt. Auch in den USA und Großbritannien wurde der Song von verschiedenen Künstlern wie Shirley Bassey, der Folk-Formation The Tarriers oder dem Countrysänger Jimmie Rodgers aufgenommen und dank Shaggy kehrte er 1993 sogar wieder nach Jamaika zurück. Es ist jedoch die Aufnahme von Belafonte, die wirklich Zeiten überdauert – oder eigentlich sind es sogar gleich zwei Versionen, die unvergesslich werden. Denn die Single, die RCA Victor unter der Bestellnummer 47-6771 veröffentlicht, enthält „Day-O (The Banana Boat Song“) und „Star-O“. In „Day-O“ bricht der Morgen an und der Arbeiter, der im Hafen von Kingston die Bananen auf die Frachter verlädt, möchte nach Hause gehen. Er hat die Nachtschicht hinter sich, ist froh, dass er nicht in der Hitze des Tages schuften muss und bittet um das wohlverdiente Geld: „Come, Mister tally man, tally me banana / Daylight come and me wan’ go home “ – „Bitte, Herr Zahlmeister, zahl mir die Bananen / Das Tageslicht kommt und ich will heim“. Auf „Star-O“ wird die gleiche Geschichte von der Schicht in der gleißenden Sonne aus erzählt. „Banana Boat“ ist ein Popsong, der harte Arbeit beschreibt – solche Texte hatten Mitte der 1950er-Jahre Konjunktur: Kurz bevor Belafonte sein in unterschiedlichen Schreibweisen veröffentlichtes Stück Sozialromantik in die US-Hitparaden brachte, wurde der erste Platz dort von Tennessee Ernie Fords Aufnahme des inhaltlich ähnlichen 26
„Sixteen Tons“ blockiert. Für Harry Belafonte weurden „Day-O“ und „Star-O“ zu Meilensteinen einer Weltkarriere. Dass der Künstler es mit der politischen Botschaft tatsächlich ernst meinte, wurde rasch klar. Er kämpfte gegen die Apartheid im eigenen Land, engagierte sich weltweit gegen Rassendiskriminierung, gegen den Vietnamkrieg, Atomkraft oder soziale Ungerechtigkeit. Seit 1987 ist er als „Botschafter des guten Willens“ für die UNICEF im Einsatz. mp Original: Edric Connor & The Caribbeans: „Songs From Jamaica“ (1954, Argo, LP) Andere Versionen: Harry Belafonte: „Calypso“ (1956, RCA, LP) Harry Belafonte: „Star-O“ (1956, RCA, Single) The Tarriers: „The Banana Boat Song“ (1956, Glory, Single) Shirley Bassey: „The Bewitching Miss Bassey“ (1957, Philips, LP) Jimmie Rodgers: „Honeycomb And Kisses Sweeter Than Wine“ (1963, Dot, LP) Shaggy: „Boombastic“ (1995, Virgin, CD)
„Showin’ how funky and strong is your fight / It doesn’t matter who’s wrong or right“ aus: „Beat It“ von Michael Jackson Als am 30. November 1982 die von Quincy Jones produzierte LP „Thriller“ erschien, das sechste Soloalbum von Michael Jackson, wurde sie in Windeseile zur meistverkauften Schallplatte aller Zeiten – und der Sänger zum „King of Pop“. Die Zahlen schwanken, es wurden bis heute – je nach Quelle – zwischen 65 und 109 Millionen Exemplaren davon abgesetzt. „Thriller“ besteht aus neun Songs, sieben davon wurden als Single ausgekoppelt und schafften es samt und sonders in die Top Ten der US-Charts. Da konnte der damals als vermeintlicher Rivale titulierte Prince ökonomisch nicht mithalten. Aber auch die anderen Werke „Jackos“ verblassten dagegen, obwohl sie ebenfalls sehr erfolgreich waren. „Beat It“ war die dritte Single aus dem Mammut-Album, nach „Billie Jean“ und „This Girl Is Mine“, einem Duett mit Paul McCartney. Der von Jackson geschrieben Song zeigt den Sänger von seiner härteren Seite. Das liegt auch an der E-Gitarre, die Van Halens Mastermind Eddie Van Halen („Jump“, „Why Can’t This Be Love“) 27
beisteuerte. Das Riff ist deftig genug, um „Beat It“ als Rocksong erkennen zu lassen, der im Vergleich zu „Billie Jean“ rhythmisch weniger vertrackt klingt. Und es ist so einprägsam, dass „Beat It“ aus den vielen großen Hits des Albums herausragt. Auch die Rhythmusgitarre, die Steve Lukather von Toto („Hold The Line“, „Africa“) spielt, sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert. Es wurde immer wieder kolportiert, dass Jackson den Song eigentlich nicht schreiben wollte. Aber Produzent Quincy Jones hatte das Ziel ausgegeben, möglichst viele unterschiedliche Stile auf einem Album zu vereinen. Der ebenfalls von Jones verantwortete Vorgänger „Off The Wall“ war fast ausschließlich an Soul und Funk orientiert und hatte über 20 Millionen Stück abgesetzt. Daher ging der Produzent davon aus, dass sich noch mehr Käufer für Jacksons Musik finden ließen, wenn sie zusätzlich die Rockfans von Foreigner, Toto oder Van Halen ansprechen würde. Gut möglich, dass Michael Jackson zunächst „beat it“, also „verpiss dich“, dachte und die Idee insgeheim verfluchte. Aber das Ergebnis überzeugte ihn dann doch. Denn es gelang, einen Rocksong zu schreiben, der auch in der Disco funktioniert – und in vielen Ländern gleichzeitig mit „Billie Jean“ in den Top five der Hitlisten stand. Michael Jackson hasste Gewalt, und um diese tiefe Abscheu geht es in dem Lied: „Showin’ how funky and strong is your fight / It doesn’t matter who’s wrong or right“ Der Sänger fordert dazu auf, kein „Macho man“ zu sein und ist sich sicher, dass es keine Rolle spielt, aus welchen Gründen man sich prügelt, verletzt oder gar umbringt. „Beat It“ war Jacksons Statement gegen die Bandenkriege, die in den Slums der US-Metropolen tobten. Das zeigt auch das Video, das Bob Giraldi mit einem für damalige Verhältnisse riesigen Budget von 150.000 Dollar drehte. Für die Plattenfirma CBS war das zu viel Geld, sodass Jackson den Clip aus eigener Tasche bezahlte. Es war eine lohnende Investition, denn der Kurzfilm trug maßgeblich zum Erfolg des Songs bei: 18 Tänzer und 80 echte Gangmitglieder bewegten sich gemeinsam mit Jackson, nach Anleitung des Choreographen Michael Peters, durch ein Ghetto-Szenario, das wie eine moderne Version der „West Side Story“ aussieht. „Beat It“ verband Rock und Funk – und wurde so zur Blaupause für Crossover-Hits wie „Walk this Way“ von Run DMC. Deren 28
itglied Joseph Simmons erzählte dem Autor in der Radiosendung M „Ghettoblaster“, dass „Beat It“ sie dazu brachte, einen Hit der Hardrocker von Aerosmith mit Raps und Beats zu versehen. Und dann ist da noch „Weird Al“ Yankovic, der sich in seiner Parodie „Eat It“ über die Essgewohnheiten seiner Landsleute lustig machte. Der Song wurde in den Staaten ebenfalls ein Hit – auch hier mithilfe eines Videos: Yankovic drehte seinen Schabernack im Set von „Beat mp It“ und setzte zum Teil dieselben Akteure ein. Original: Michael Jackson: „Thriller“ (1982, Epic, LP) Andere Versionen: „Weird Al“ Yankovic: „‚Weird Al’ Yankovic in 3-D“(1984, Scotti Brothers, LP)
„Bésame, bésame mucho / Como si fuera esta noche“ aus: „Bésame mucho“ von Emilio Tuero Eine Oper und das Verlangen einer jungen Frau führten zu einem der größten Latino-Hits aller Zeiten. Am Anfang war da eine Melodie eines Liebesliedes des spanischen Komponisten Enrique Granados – „Quejas o la maya el ruiseñor“ ist ein sehr romantisches trauriges Stück. Und eines, das dem Publikum wie dem Komponisten so gut gefiel, dass er es zunächst in einem Klavierzyklus und dann 1915 als Arie für seine Oper „Goyescas“ verwendete. Ein musikalisch hochbegabter Teenager, die Mexikanerin Consuelo Velázquez, hörte das Stück in den 1930er-Jahren, fand Gefallen an dem romantisch überhöhten Lied und adaptierte die Melodie für ihr „Bésame mucho“. Als sie den Song schrieb, hatte sie – das betonte sie in verschiedenen Interviews – noch keinen Mann geküsst. Aber sie sehnte sich danach – daher die flehentlichen Zeilen: „Bésame, bésame mucho / Como si fuera esta noche“ – „Küsse mich, küss mich ganz fest / Küss mich als wär’s heut Nacht zum allerletzten Mal“. Es dauerte noch bis in die 1940er-Jahre, bis der Song seinen Siegeszug um die Welt antrat: Damals entdeckte die amerikanische Musikindustrie den langsam swingenden Gassenhauer. Laut Bill board ist es das dritterfolgreichste Latino-Stück aller Zeiten und wurde von unzähligen Künstlern auf ihre jeweilige Weise interpre29
tiert. Bei Youtube existieren Videos von Consuelo – sie sitzt am Klavier und spielt ihren wichtigsten Song. Ob es jemals Platten damit gab, ist unbekannt. Was wir aber wissen, ist, dass sie sich zeitlebens für die Urheberrechte lateinamerikanischer Künstler einsetzte – besonders lautstark zwischen 1979 und ’82, als man sie als Abgeordnete ins mexikanische Parlament wählte. Auch wenn sich Consuelo Velázquez nie groß über ihr eigenes Leben beschwert hat, kann man davon ausgehen, dass ihr weit mehr Tantiemen zugestanden hätten, als sie bekam – denn ihr Lied wurde zum Evergreen. Die erste bekannte mexikanische Aufnahme stammt vom Bandleader Emilio Tuero, der „Bésame mucho“ 1941 mit der in Mexiko bekannten Sängerin Chela Campos einspielte. Zeitgleich existierten zwar mehrere Versionen des Songs, aber es ist davon auszugehen, dass diese auch im Süden der USA recht beliebte Variante den Sänger und Komponisten Sunny Skylar dazu animierte, einen englischen Text dafür zu schreiben und eine Platte davon aufzunehmen. Echte Hits landete Ende 1943 der Swing-Großmeister Jimmy Dorsey und sein Kollege Andy Russell. Doch die Dorsey-Version, die von den flirrenden Stimmen des gemischten Sänger-Duos Kitty Kallen und Bob Eberly geprägt wird, hielt sich sieben Wochen auf Platz eins der Charts und wurde zum absoluten Latin-Swing-Klassiker. Was dann mit dem Song passierte, katapultierte ihn aber aus der Reihe der Tanzschulen-Standards heraus: Er wurde stil- und generationsübergreifend gecovert, vom Jazzgitarristen Wes Montgomery genauso wie von King Curtis, den Coasters, von Natalie Cole, Placido Domingo und gleich zweimal gleich von den Beatles. Ein paar Mal wurde es wieder zurück nach Mexiko gebracht – unter anderem 1957 vom Soundtüftler Esquivel und 2011 von der Rockband Zoé. Es gibt finnische, koreanische, deutsche, japanische oder auch australische Versionen – so etwas nennt man dann wohl Welthit. mp Original: Emilio Tuero: „Bésame Mucho“ (1941, vermutlich RCA Mexiko, Schellacksingle) Andere Versionen: Jimmy Dorsey: „Bésame mucho“ (1943, Decca, Schellacksingle) Wes Montgomery: „Boss Guitar“ (1963, Riverside, LP) The Beatles: „Anthology 1“ (1962/1995, Apple, CD)
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„She cried ‚Oh Willie, don’t murder me / I’m not prepared for eternity’“ aus: „Banks of the Ohio“ von Diversen In Zeiten vor Youtube, Twitter und Facebook wurden Nachrichten, wenn sie es denn wert waren, in Form von Liedern weitergegeben. Heftige Tragödien und grausige Verbrechen fesselten die Amerikaner so sehr, dass sich hauptberufliche Songschreiber der Stoffe annahmen. Die sogenannten „Mörderballaden“ entstanden. Doc Watson gehört zu den Musikern, die diese Tradition aufnahmen und weiterführten, ebenso Bill Monroe, Sis Cunningham, Woody Guthrie oder Pete Seeger. Billy Roberts stellte sich mit seinem „Hey Joe“ ebenfalls in diese Reihe, Bob Dylan steuerte unter anderem seinen Song „Hurricane“ bei, auch der australische Musiker Nick Cave veröffentlichte mit seiner Band The Bad Seeds eine einschlägige Songsammlung: „Murder Ballads“ erschien 1996. „Banks of the Ohio“ ist das prototypische Beispiel einer klassischen Mörderballade. Bis heute weiß niemand, wer dieses Lied geschrieben hat. Die Smithsonian Institution in Washington D.C. vermutet, dass es irgendwann im 19. Jahrhunderts entstanden ist. Es erzählt eine anrührende Liebesgeschichte, die leider ein dramatisches Ende nimmt. Ein gewisser Willie lädt seine Freundin zu einem Spaziergang am Ohio River ein, um ihr da einen Heiratsantrag zu machen: „I asked my love to take a walk / Take a walk just a little way / Down beside where the waters flow / Down at the banks by the Ohio“. Nur leider lehnt sie ab: „I asked her if she’d marry me / And my wife forever be / She only turned her head away / And no other words to say“ („Ich fragte sie, ob sie mich heiraten würde / und für immer meine Frau sein / Sie drehte nur ihren Kopf weg“). Wütend über die Zurückweisung rammt er ihr ein Messer in die Brust („I plunged a knife in her dreast“), während sie ihn mit der berühmt gewordenen Zeile verzweifelt anfleht: „‚Oh Willie, don’t murder me / I’m not prepared for eternity‘“(„‚Oh Willie, bring mich nicht um / In bin noch nicht bereit für die Ewigkeit‘“). Zu spät wird Willie klar, was er getan hat: „I cried ‚Oh Lord, what have I’ve done?‘ / I’ve killed the only girl I love“ („Ich schrie: ‚Oh Gott, was hab ich getan?‘ habe das einzige Mädchen umgebracht, das ich liebe“). 31
Fast jeder Künstler, der das Lied spielte, nahm größere oder kleinere Änderungen am Text vor, manchmal wurde auch das Geschlecht angepasst – so geschehen bei Olivia Newton-John. Der Grund konflikt aber blieb bis heute gleich. Die einfachen klaren Worte, die schlichte, aber verführerische Melodie, das für jedermann versteh bare Ereignis – schnell wurde das Lied zum Traditional und unzäh lige Male aufgenommen, erstmals am 12. August 1927 von Red Patterson’s Piedmont Log Rollers. Viele weitere Einspielungen folgten – so von Joan Baez, Pete Seeger und Johnny Cash. Der 2004 verstorbene Cash, der sein ganzes Musikerleben lang immer wieder solche Balladen eingespielt hatte, stellte 2000 die wichtigsten auf seiner Platte „Murder“ vor – „Delia’s Gone“ zum Beispiel. „Banks of the Ohio“ ist auf „Murder“ noch nicht dabei, es erschien erst drei Jahre später auf der ersten, „Who’s Gonna Cry“ betitelten CD des gf Boxsets „Unearthed“. Versionen: Joan Baez: „Vol. 2“ (1961, Vanguard, LP) Olivia Newton-John: „If Not for You“ (1971, Festival, LP) Johnny Cash: „Unearthed“ (2003, Universal, Box-Set/5 CDs) Pete Seeger: „American Favorite Ballads“ (2006, Smithsonian Folkways, CD)
„Like a bird on the wire / Like a drunk in a midnight choir / I have tried in my way to be free“ aus: „Bird on the Wire“ von Leonard Cohen Dem 1934 in Montreal/Kanada geborenen Lyriker und Sänger Leonard Cohen verdanken wir viele Klassiker: „Suzanne“ zum Beispiel, „So long, Marianne“, „First We Take Manhattan“, „Hallelujah“ oder „Ain’t No Cure for Love“. Ein Lied aber wurde über die Jahrzehnte zum Markenzeichen für den romantischsten aller Melancholiker: „Bird’s on the Wire“, aufgenommen im September 1968 in Nashville. Wie viele seiner frühen Songs ist „Bird on the Wire“ stark autobiografisch. In den 1960er-Jahren des letzten Jahrhunderts lebte Cohen mit seiner Freundin Marianne auf der griechischen Insel Hydra, wo er ein Haus besaß. Marianne, von der er sich später 32
wundervoll musikalisch verabschieden wird, half ihm aus einer tiefen Depression heraus, indem sie ihm einfach seine Gitarre in die Hand drückte. Cohen begann, „Bird on the Wire“ zu schreiben – und ließ sich dabei von einem Vogel inspirieren, der auf einer der erst vor kurzem auf Hydra errichteten Telefonleitungen saß. Nachdenklich wandert er im Song mit leicht schrägen Vergleichen durch seine Gedanken („I have tried in my way to be free / Like a worm on the hook“ – „Ich habe auf meine Art versucht, frei zu sein / Wie ein Wurm am Haken“), er bemüht märchenhaft wirkende Bilder („Like a knight from some old-fashioned book“ – „Wie ein Ritter aus einem altmodischem Buch“; oder: „Like a beast with the horn“ – „Wie ein Tier mit Horn“) und wühlt tief in seiner Verzweiflung, wie ein Betrunkener, der um Mitternacht rumgrölt („Like a drunk in an midnight choir“) und weint um jeden, der die Hand nach ihm ausstreckt („I have torn everyone who reached out for me“). Seine Geliebte und Partnerin bittet er, es einfach zu übersehen, wenn er wieder einmal unfreundlich war („And if I have been unkind / I hope that you will just let it go by“) und er beteuert, wenigstens zu ihr nie unehrlich gewesen zu sein („And if I have been untrue / I hope you know it was never to you“). Cohen schrieb den Song damals in einem Motel in Hollywood fertig. Erst einmal. Denn wirklich fertig wurde der Song nie: Über die Jahre nahm Cohen immer wieder kleine Änderungen vor, fügte Zeilen oder Strophen hinzu und ließ sie später wieder weg – „Bird on the Wire“ ist work in progress. Wann immer Cohen es live spielt – er spielt es immer noch, und bis weit in die 1980er-Jahre stellte er es sogar an den Anfang jedes Konzertes –, ist eine andere Version zu hören. Ein Bild aber blieb über die Jahrzehnte gleich und verfestigte sich sogar zum Image, das Cohen zuwuchs: er selbst als „Bird on the Wire“, als Vogel, der einen fragilen Drahtseilakt zwischen Musik, Lyrik und Publikum vollzieht. Wie schon bei „Suzanne“ war es erneut die amerikanische Sängerin Judy Collins, die den Song als erstes einspielte und veröffentlichte: als Countrynummer auf ihrem 1968 erschienenen Album „Who Knows Where the Time Goes“. Cohen selbst folgte erst ein Jahr später: Er präsentierte „Bird on the Wire“ 1969 auf seiner LP 33
„Songs from a Room“. Auf der Rückseite dieser LP ist Cohens geliebte Marianne abgebildet. gf Original: Leonard Cohen: „Songs from a Room“ (1969, Columbia, LP) Andere Versionen: Judy Collins: „Who Knows Where the Time Goes“ (1968, Elektra, LP) Joe Cocker: „Mad Dogs & Englishmen“ (1970, A&M, DoLP)
„No change, I can change, I can change, I can change, / But I’m here in my mold“ aus: „Bittersweet Symphony“ von The Verve Es ist für Großbritannien ein ereignisreiches Jahr: Lady Di, die Princess of Wales, stirbt in Paris. Die Schriftstellerin Joanne K. Rowling veröffentlicht mit „Harry Potter und der Stein der Weisen“ den ersten Band ihrer berühmten Jugendbuchreihe, und Tony Blair gelingt mit seiner Labour Party ein überwältigender Wahlsieg. Nach bleiernen Jahren unter Margaret Thatcher und John Major will Blair das Land wieder grundlegend in Schwung bringen. Den Soundtrack zur Stimmung im Land vor Blair liefert die Britpop-Band The Verve mit ihrem Song „Bittersweet Symphony“ veröffentlicht im Juni 1997. Thatchers konservative Politik hat zum Stillstand im Land geführt. Nur das Geldverdienen zählt, bis zum Tod: „You’re a slave to money then you die“. Auswege oder andere Möglichkeiten scheinen nicht in Sicht: „I’ll take you down the only road I’ve ever been down.“ Jeder scheint in seiner Rolle gefangen. Die gesellschaftlichen Schranken verhindern jede Veränderung, auch wenn sie vielleicht möglich wären. Ein Umstand, den der Sänger und Texter Richard Ashcroft in der zentralen Zeile des Songs bitter beklagt: „No change, I can change, I can change, I can change, / But I’m here in my mold („Keine Veränderung, ich kann es ändern, ich kann es ändern, ich kann es ändern / Aber ich bin hier in meinem Trott“). Und das, obwohl soviel mehr in ihm stecken würde: „But I’m a million different people“. Die unentwegt wiederholte Melodie verstärkt den Eindruck
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von Gleichgültigkeit und vorbestimmten Wegen, denen man sich als Einzelner nicht entziehen kann. Die musikalische Vorlage des Songs bildet die instrumentale Version des Rolling-Stones-Song „The Last Time“ – übrigens der erste Nr-1-Hit der Stones in Großbritannien –, die das Andrew Oldham Orchestra Mitte der 1960er-Jahre eingespielt hat. Oldham war in den Anfangsjahren der Stones deren Manager, betätigte sich aber auch musikalisch und ließ sein Orchester ihre größten Hits nach spielen. „The Last Time“ mutierte bereits bei ihm zur „Bittersweet Symphony“. Die von Geigen intonierte Grundmelodie wiederholen The Verve fast wie in einem Loop und erzeugen so den monotonen Sog, der ihn auszeichnet. Aber erst der Text von Ashcroft macht jedem Hörer klar, dass die Unausweichlichkeit des vorgezeichneten Lebenslaufs nichts Anderes als ein bittersüßes Ereignis ist. Leider machten The Verve beim Einholen der Rechte einen Fehler. Sie erhielten zwar von Decca, der Plattenfirma der Stones, die Erlaubnis, das Sample zu verwenden. Sie übersahen aber, dass die Verwertungsrechte aller Stones-Songs aus den 1960er-Jahren bei Allen Klein – ebenfalls ein ehemaliger Stones-Manager – und dessen Musikverlag Abkco lagen. Klein klagte, und den folgenden Lizenzund Rechtsstreit verlor die Band, obwohl es im Grunde nur um die Abfolge von fünf Tönen ging. Seither fallen alle Lizenzeinnahmen an die Firma Abkco und die Rolling Stones. Auch mussten The Verve einen Teil der Verkaufserlöse ihres Nr-1-Albums „Urban Hymns“ abtreten. „Bittersweet Symphony“ wurde zum Sommerhit des Jahres 1997. Für kurze Zeit spielte The Verve, die ein relativ schmales Werk von nur vier – sehr erfolgreichen – Platten vorgelegt haben, in einer Liga mit anderen Britpop-Bands wie Pulp oder Oasis. gf Original: The Verve: „Urban Hymns“ (1997, Virgin, CD) Andere Versionen: The Rolling Stones: „The Last Time“ (1965, Decca, Single) The Andrew Oldham Orchestra: „Play the Rolling Stones Vol. 2“ (1966, London, LP)
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„Black hole sun / Won’t you come / And wash away the rain?“ aus: „Black Hole Sun“ von Soundgarden Es war die Hoch-Zeit der nordamerikanischen Stadt Seattle: Zahlreiche junge Musiker und Bands gossen ihre Wut und ihren Wunsch nach Veränderung in kompromisslose Rockmusik, die schon bald Grunge genannt wurde. Es dauerte nicht lange, bis Namen wie Nirvana, Pearl Jam, Alice in Chains oder eben Soundgarden den Rockfans weltweit ein Begriff waren. Mit „Ultramega OK“ (1988), „Louder Than Love“ (1989) und dem erfolgreichen Album „Badmotorfinger“ (1991) hat sich die 1984 gegründete Band den Ruf einer hart musizierenden Combo erspielt. Für das vierte Album „Superunknown“ (1994) schrieb der Sänger und Drummer Chris Cornell dann die melodische Powerballade „Black Hole Sun“ – das Lied und die zugehörige Platte wurden zum größten Erfolg der Band. 2014 erklärte Cornell in einem Interview mit dem US-Magazin Entertainment Weekly, dass er den Titel einem Nachrichten sprecher verdanke, den er wohl missverstanden habe. Was der genau sagen wollte, weiß Cornell nicht mehr, aber „Black Hole Sun“ klang nach einer Wortkombination, die Gedankenspiele auslösen würde. Genauso wirkt der Text, der dazu entstand, surreal, verrätselt und mystisch. Worte werden um der Worte willen aneinandergereiht, und er spielt mit Assoziationen – christlichen zum Beispiel: Der Himmel verdunkelt sich, bis er wie tot wirkt („’Neath the black, the sky looks dead“), er schickt die Hölle weg („Heaven send / Hell away“) und eine Schlange liegt im Weg („Lies the snake“). Eine der berühmtesten Zeilen des Textes, „Times are gone for honest man“ erklärte Cornell so: „Es ist inzwischen ziemlich schwierig für einen Menschen, sein eigenes Leben zu leben und seine eigene Freiheit zu finden. Es wird sogar immer schwieriger, und es bringt immer mehr desillusionierte Menschen hervor, die unehrlich und zornig sind und alles tun, um in den Besitz der Dinge eines anderen zu kommen.“ Die Band benannte sich übrigens nach einer Skulptur gleichen Namens, die in Seattle steht. Im Volunteer Park auf dem Capitol 36
Hill, befindet sich außerdem ein weiteres Kunstobjekt, das vom japanisch-stämmigen Künstler Isamu Noguchi gestaltet wurde. Es heißt „Black Sun“ und sieht aus wie ein riesiges schwarzes Donut. Wer hindurchsieht, erblickt in der Ferne die „Space Needle“, Seattles Wahrzeichen. Gut möglich, das Cornell in seiner Fantasie und im Song beides zusammenfügte. Dem britischen Rockmagazin Kerrang! erzählte Cornell, dass er den Song in nur 15 Minuten geschrieben habe. Dafür war der Erfolg mehr als beachtlich: Er erschien im Mai 1994, chartete weltweit, zog zahlreiche Coverversionen nach sich und wurde ein Jahr später mit dem Grammy ausgezeichnet: für die „Best Hard Rock Performance“. Das dazugehörige Video, das die gleiche irritierende und verstörende Stimmung verströmt wie der Text des eingängigen Songs und von Howard Greenhalgh gedreht worden war, bekam den MTV Video Music Award. Chris Cornell zum letzten, diesmal im britischen Musikmagazin Uncut: „Ich mag das Lied, weil es mich an die Syd-Barrett-Ära von Pink Floyd erinnert, an die Art, etwas Dunkles fröhlich zu übertünchen. So ein Lied kann ich nicht planen oder absichtlich schreiben. gf Es passiert dir einfach. Wie ein Unfall.“ Original: Soundgarden: „Superunknown“ (1994, A&M, CD) Andere Versionen: Paul Anka: „Rock Swings“ (2005, Verve, CD) Peter Framptom: „Fingerprints“ (2006, A&M, CD)
„Black is black / I want my baby back“ aus: „Black Is Black“ von Los Bravos Die Geschichte begann in Berlin. Dort lebte Anfang der sechziger Jahre der Sänger Michael Kogel. Richtig erfolgreich war er nicht, nur der Song „Der Knüller Mausi Müller“, den er mit seiner Gruppe Michael & The Firebirds aufnahm, wurde halbwegs bekannt. Seine Karriere kam erst voran, als ihn der Produzent Nils Nobach mit dem spanischen Quartett Los Bravos zusammenbrachte. 37
Kogel, der sich später als Solist das Pseudonym Mike Kennedy zulegte, zog mit Sack und Pack auf die iberische Halbinsel und versuchte, mit Los Bravos den Song „Black Is Black“ aufzunehmen. Die vier Spanier aber waren den Anforderungen des Musikbusiness nicht gewachsen. Mit ihnen, das wurde Kogel schnell klar, würde es der einprägsame Satz „Black is black / I want my baby back“ garantiert nie zum Hit bringen. Der Sänger reagierte prompt, reiste nach England und spielte das Lied mit britischen Studio musikern ein. Los Bravos wurden zum Blickfang für TV-Shows und Plattencover degradiert. Der Song vom liebeskranken Jungen wurde 1966 zum einzigen Welthit für Kogel. Mit Los Bravos erreichte er noch ein paar Mal die britischen Top 40 – zum Beispiel mit „I Don’t Care“. Bevor der Berliner eine höchst erfolgreiche Solokarriere in Spanien startete, glückte ihm und seiner Gruppe etwas, das Kogel damals noch gar nicht richtig einschätzen konnte: Los Bravos war die erste Popband, die in einem Werbespot für Coca-Cola agierte. Der liebenswerte Kurzfilm spielt in einer Landschaft, die halb Schloss- und halb Freizeitpark ist – mittendrin vergnügt sich das Quintett und preist die braune Brause mit diesem flotten Lied. Während Los Bravos heute weitgehend vergessen sind, ist ihr Lied vom verlassenen Jungen, der seiner Liebsten hinterher trauert, zum Evergreen geworden. Im Winter 1977/1978 war das Lied in Deutschland noch einmal ganz oben in den Charts zu finden – erneut von einem One-Hit-Wonder eingespielt: der Discoformation mp Belle Epoque. Original: Los Bravos: „Black Is Black“ (1966, Decca, LP) Andere Version: Belle Epoque: „Black Is Black“ (1977, Polydor, Single)
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„Bloß deine blauen Augen machen mich so sentimental, so blaue Augen / Wenn du mich so anschaust wird mir alles andere egal“ aus: „Blaue Augen“ von Neonbabies „Blaue Augen“ war kein großer Hit, Platz 48 war das Höchste der Gefühle für die Berliner Band Ideal – und nach nur sechs Wochen verließ man die Charts auch schon wieder. Trotzdem ist dieses Lied einer der Evergreens der sogenannten Neuen Deutschen Welle und die Zeilen „Bloß deine blauen Augen machen mich so sentimental, so blaue Augen / Wenn du mich so anschaust wird mir alles andere egal“ haben sich zu geflügelten Worten entwickelt. Man kennt den Song – dank vieler Coverversionen, etwa von den Prinzen, Blümchen, Yvonne Catterfeld oder Gunter Gabriel. Aber die meisten Menschen dürften das vermeintliche Original doch von Ideal im Kopf haben. Geschrieben hat es der Kopf der kurzlebigen, mit drei Alben in die Popgeschichte eingegangenen Formation: Annette Humpe. Die umtriebige Frau Humpe, die zum Beispiel mit Ich & Ich erfolgreich war und unter anderem Nena, Udo Lindenberg, DÖF („Codo“) oder die Avantgarde-Band Palais Schaumburg produzierte, hatte 1980 fast zeitgleich zwei Bands am Start. Gemeinsam mit ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester Inga gründete sie 1979 die Neonbabies – und die nahmen eine wesentlich schrillere erste Version von „Blaue Augen“ auf. Erschienen ist diese Variante auf der Debüt- EP der Gruppe und 1981 auf dem Album „Neonbabies“. Beide Platten gingen – erst recht im Vergleich zum 1980 erschienenen, schlicht „Ideal“ betitelten ersten LP der zweiten Formation von Annette Humpe – unter. Denn dieses bei Innovative Communication, dem Label des Synthesizer-Spezialisten Klaus Schulze erschienene Werk verkaufte sich mehr als 250.000 Mal. „Ideal“ war damit das erste Produkt eines Independent Labels, das in Deutschland mit einer goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde. Gerechnet hatte Schulze mit dem Erfolg natürlich nicht – er kalkulierte, dass sich die LP 20.800 Mal verkaufen müsse, um sich zu rentieren. Mancher Ideal-Fan dürfte sich auf jeden Fall über das Album gewundert haben. Schließlich musste die Scheibe auf „Single- 39
Tempo“, also mit 45 Umdrehungen pro Minute, abgespielt werden, was angeblich für einen besseren Klang sorgen sollte. Seltsam war das schon, zumal man zeitgleich in den USA Rap- oder HouseMaxi-Singles mit 33 Umdrehungen zu produzieren begann – aus dem gleichen Grund. Auch die Band Ideal war ungewöhnlich: Neben der hochbegabten Annette Humpe, die im Alter von sechs Jahren mit dem Klavierunterricht begann und in Köln unter anderem Komposition studierte, bildeten der versierte Jazzbassist Ernst Ulrich Deuker und der 2007 früh verstorbene, vom Blues und Jazz beeinflusste Frank Jürgen „Eff Jott“ Krüger die Band. Gitarrist Krüger ist auf dem Albumdebüt als Sänger des schneidend-markant vorgetragenen „Hundsgemein“ zu hören. In „Blaue Augen“ erzählt Annette Humpe mit einer Stimme, die zugleich kieksig und gelangweilt klingt, dass ihr der Kampf um Geld und Statussymbole völlig egal sei. Weil eben nur der Scheich wirklich reich sei und sie sich für den halben Luxus nicht „krummlegen“ wolle. Sie bleibt „kühl, kein Gefühl“. Heißer wird es erst, wenn sie an die blauen Augen des Liebsten denkt – ein Bild, dass aus Schlagern wie Roy Blacks „Du hast so wunderschöne blaue Augen“ bekannt ist und das sie aufgreift. Auf der B-Seite der Single präsentieren sich Ideal ebenso farbig und thematisch perfekt passend: In „Rote Lippen“ beziehen sie sich auf Cliff Richards deutsche Version des von Jerry Leiber und Mike Stoller geschriebenen „Lucky Lips“ – „Rote Lippen soll man küssen, ein Vulkan macht dich an / Sex und Geld, Sex und Geld / Haben, Haben, Haben, Haben, Ha’m“. mp Original: Neonbabies: „Neonbabies“ (1980, Good Noise, LP) Andere Versionen: Ideal: „Ideal“ (1981, Innovative Communication, LP) Die Prinzen: „Alles nur geklaut“ (1983, Hansa, CD) Blümchen: „Jasmin“ (1998, Control, CD) Yvonne Catterfeld: „Meine Welt“ (2003, RCA, CD) Gunter Gabriel: „Sohn aus dem Volk“ (2009, Warner, CD)
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„Is this the real life? Is this just fantasy? / Caught in a landslide, no escape from reality“ aus: „Bohemian Rhapsody“ von Queen Alles an diesem Song ist bombastisch, pompös, überbordend: die Art der Produktion, die Komposition und der Erfolg. Die von Freddie Mercury (Gesang), Brian May (Gitarre), Roger Taylor (Bass) und John Deacon (Schlagzeug) 1970 in London gegründete Band benötigte, um nur ein paar Dinge zu nennen, sechs Tonstudios – das Rockfield Studio in Mornmouthshire/Wales, das Roundhouse Studio, die Sarm Studios, Scorpio Sound und die Wessex Studios in London –, sie nahmen über 180 Overdubs auf, 84 Stunden gingen für die Gesangsharmonien drauf, die auf insgesamt 120 Stimm spuren zur Verfügung standen. Allein für die Aufnahme des so stimmgewaltig hinausgeschmetterten Wortes „Galileo“ braucht die Band drei Wochen, ebenso für den sogenannten Opernteil des Songs. Die Musiker arbeiteten analog, zum Beispiel mit einem 24-Spur-Aufnahmegerät, und schrieben am Schluss voller Stolz aufs Cover der dazugehörigen LP „A Night at the Opera“: „Made without synthesizers“. Freddie Mercury hat den Song geschrieben und ihn nicht ohne Grund „Bohemian Rhapsody“ genannt. Unter einem Bohémien versteht man in aller Regel einen unkonventionell lebenden Menschen, der mit allen Sinnen genießt – egal, ob es sich um Essen, Trinken oder Kultur handelt – und dafür auch das notwendige Wissen mitbringt. Eine Rhapsodie wiederum ist ein Musikstück, das an keinerlei Formvorgaben gebunden ist und dessen musikalische Themen nur lose miteinander verbunden sind – ein berühmtes Werk ist zum Beispiel die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin. Queens „Rhapsody“ ist denn auch der seltene Fall eines Rocksongs, der keine Strophenform und keinen Refrain im eigentlichen Sinn aufweist. Seine sechs Teile – Intro, Ballade, Gitarrensolo, Opernteil, Hardrock, Outro – haben bis auf kleine Melodiefetzen kaum etwas gemeinsam. Der Song beginnt mit einem mehrstimmigen A-capella-Gesang und den einleitenden Zeilen „Is this the real life? Is this just fantasy? / Caught in a landslide, no escape from reality?“, die in Frage stellen, 41
ob die nun folgenden Ereignisse pure Imagination oder schlicht Realität sein werden: „Ist es das wirkliche Leben? Oder ist es nur Fantasie? / Gefangen in einem Erdrutsch / kein Entkommen aus der Realität“ Aber man müsse nur die Augen öffnen, zu den Himmeln blicken und schauen: „Open your eyes, look up tot he skies and see“. Nun folgt pure Dramatik, eine Geschichte, die sich als Opernstoff eignet. Der Erzähler spricht von sich als armen Jungen, der keine Sympathie benötigt und sich einfach treiben lässt: „I’m just a poor boy, I need no sympathy / (…) / Anyway the wind blows / Doesn’t really matter to me“. Eines Tages aber erschießt er einen Mann, eine Tat, die er seiner Mutter beichtet und die Mercury balladenhaft vorträgt: „Mama, just killed a man / Put a gun against his head / Pulled my trigger, now he’s dead“. Der Junge weiß auch, dass er dafür wird büßen müssen, was ihm ganz und gar nicht egal ist: „Too late, my time has come“ heißt es im Text, und weiter „Mama, ooh I don’t wanna die“. Doch es ist tatsächlich längst zu spät – und damit beginnt, nach Brian Mays eindrucksvollem Gitarrensolo, der opernhafte Teil: „I see a silhouetto of a man“ erschrickt der Mörder, und bald darauf ist klar, wessen Silhouette es ist: „Beelzebub has the devil put aside for me.“ Blitz und Donner erschrecken den Schuldigen („Thunderbolt and lightning, very very frightening me“) und er weiß, dass die Hölle („monstrosity“) auf ihn wartet. Am Ende möchte der arme Sünder nur noch flüchten –„Oh, mamma mia, mamma mia, mamma mia, let me go“ –und ergibt sich schließlich in sein Schicksal: „Nothing really matters to me“. Womit der Bogen zum Anfang des Songs gespannt wäre. Die Bühnenbilder zum Geschehen könnte man sich richtig gut vorstellen. Die New York Times lobte den fatalistischen Text, während Freddie Mercury bis zu seinem Tod und die anderen Musiker bis heute jede Erklärung verweigern. In Lesley-Ann Jones 2012 erschienenem Buch „Freddie Mercury: The Definitive Biography“ kommt der Sänger so zu Wort: „Ich denke, die Menschen sollten ihn sich einfach anhören, darüber nachdenken und sich ihre eigene Meinung bilden. ‚Bohemian Rhapsody‘ kam nicht aus dem Nichts. Ich recherchierte auch ein bisschen, obwohl der Song durchaus ironisch 42
und eine Art Pseudo-Oper ist. Aber warum nicht?“ Vielleicht verweist der Titel der LP „A Night at the Opera“ auch deswegen auf einen Film der Marx Brothers. Dieses ungewohnte und komplexe Stück Musik überforderte Queens Plattenfirma EMI: Sie verlangte zunächst die Streichung des Mittelteils und der Opernpassage. Die Plattenbosse prophezeiten der Band sogar einen gigantischen Misserfolg. Die Musiker aber blieben hartnäckig, und baten Kenny Everett, DJ bei Capitol Radio, das Stück an einem Wochenende im Radio zu testen. Everett tat ihnen den Gefallen, ließ zunächst aber nur Teile des Songs hören. Aufgeregte Anrufer wollten mehr – also spielte Everett den ganzen Song, insgesamt dann 14 Mal. Am Montag darauf wollten Horden von Fans die Single kaufen und erfuhren in den Plattenläden, dass sie noch nicht erschienen war. Der Rest ist Musikgeschichte. Die ungekürzte Single (Spielzeit 5:55 Minuten) erschien am 31. Oktober 1975. Der Song erklomm bereits Ende November Platz eins der britischen Hitparade, wo er neun Wochen lang verharrte – er war der erste Nummer-1-Hit der Band „Bohemian Rhapsody“ entwickelte sich schnell zum weltweiten Erfolg und verkaufte sich millionenfach. 16 Jahre später, nach Freddie Mercurys Tod, wurde der Song am 15.12.1991 noch einmal veröffentlicht – und kletterte erneut für fünf Wochen an die Spitze gf der Charts. Original: Queen: „A Night at the Opera“ (1975, EMI, LP) Andere Versionen: London Symphony Orchestra: Rock Classics“ (1977, Sony, LP) Hayseed Dixie: „Killer Grass“ (2010, Cooking Vinyl, CD)
„All the leaves are brown, and the sky is grey“ aus: „California Dreamin’“ von The Mamas & the Papas Ein bisschen Heimweh, ein kleiner Spaziergang, drei kurze Strophen – fertig ist der Song, der heute als eine der Flower-Power-Hymnen überhaupt gilt. Mit seinem Optimismus, seiner Frische und seiner unbestimmten, lebensbejahenden Sehnsucht verkörpert er alles, was 43
den Summer of Love auszeichnen sollte: „California Dreamin’“, gesungen von der US-Vokalgruppe The Mamas & the Papas. Seit 1962 waren Michelle und John Phillips, die den Song geschrieben haben, verheiratet und lebten in New York. 2012 erinnert sich Michelle in einem Radiointerview mit Spinner, Teil des Aol- Medien- und Radioverbunds in den USA, wie der Song entstand: „Es war ein eigenartig kalter Winter, zumindest für mich“, so Michelle, „denn ich stamme ja aus dem sonnigen Kalifornien. John tigerte nachts in der Wohnung herum, arbeitete an Melodien und Texten und brachte mir eines Morgens die ersten Verse dieses Songs.“ John Phillips entwickelte ein Lied über das seltsame Gefühl, dass man eigentlich an einen anderen Platz gehöre, inspiriert von Michelles Heimweh: „All the leaves are brown, and the sky is grey / (…) I’d be safe and warm, if I was in L.A. / California dreaming, on such a winter’s day“ – „Alle Blätter sind braun, und der Himmel ist grau / Von Kalifornien träumend, an einem solchen Wintertag.“ Nur wenige Tage vorher war Michelle spazieren gegangen („I’ve been for a walk“), und hatte dabei die St. Patrick’s Cathedral besichtigt – was sie in die zweite Strophe einfließen ließ: „Stopped into the church, I passed along the way“. John mochte diesen Teil des Textes nicht, weil er, so Michelle, „unerfreuliche Erinnerungen an seine strenge Konfessionsschule hatte. Aber ihm fiel nichts Besseres ein, also ließ er ihn stehen. Zum Glück.“ Eigentlich war der Song als Nachfolgesingle für Barry McGuires Hit „Eve of Destruction“ geplant und dafür auch vom Ehepaar Phillips geschrieben worden. Die Musiker befanden sich bereits im Studio. Michelle und John waren mit The Mamas & the Papas als Backgroundsänger eingeplant. Doch sie sangen dermaßen perfekt, dass die anwesenden Verantwortlichen von Dunhill Records, darunter Labelinhaber Lou Adler, der Gruppe einen eigenen Plattenvertrag anboten. An den bereits vorhandenen Aufnahmen änderten The Mamas & the Papas dann nur noch die Leadstimme und das Mundharmonikasolo – sie ersetzten es durch einen von Clifford „Bud“ Shank gespielten Querflötenpart. Dieses Stück zählt heute zu den bekanntesten Flötensolos der Rockmusik. Die Vokalgruppe, zu der neben dem Ehepaar Phillips noch die Sängerin Cass Elliot und der Sänger Denny Doherty gehörten, über44
zeugte mit ihrem raffiniert-mehrstimmigen und kontrapunktischen Gesang nicht nur die Plattenmanager – mit „California Dreamin’“ feierten sie einen gigantischen Erfolg: Die Single kam im Dezember 1965 auf den Markt und entwickelte sich im Lauf des Jahres 1966 zum Millionenseller. Die Nachfolgesingles „Monday, Monday“, „Go Where You Wanna Go“ und „Dedicated to the One I Love“ waren genauso erfolgreich. Danach zerbrach die Gruppe – an Alkogf hol, Drogen und internen Liebeleien. Original: The Mamas & the Papas: „If You Can Believe Your Eyes and Ears“ (1966, Dunhill, LP) Andere Versionen: Wes Montgomery: „California Dreaming“ (1966, Verve, LP) America: „In Concert“ (1995, King Biscuit, CD) The Carpenters: „As Time Goes By“ (2001, A&M, CD) Diana Krall: „Wallflower“ (2015, Verve, CD)
„Like the ceiling can’t hold us / Now, can I kick it? / Thank you / Yeah I’m so damn grateful“ aus: „Can’t Hold Us “ von Macklemore & Ryan Lewis Wenn es typische Hip-Hop-Stars gibt, dann ist Ben „Macklemore“ Haggerty ganz sicher keiner. Er ist kein Afroamerikaner, gibt sich oft sehr politisch und seine Texte hauen selten auf den Putz. Da er selbst schon einschneidende Drogenerfahrung sammelte, weil er, wie er 2012 dem Magazin Juice gegenüber erwähnte, seinem Idol Lil Wayne nacheifern wollte, ist er sich seines Einflusses auf die Kids bewusst. Er reimt daher explizit gegen die fatale Sucht und setzt sich – wie im Hit „Same Love“ – für gleichgeschlechtliche Liebe ein. Auch das ist im Rap-Business eher selten. Ganz nebenbei ist sein musikalischer Kosmos sehr breit, Indierock-Sounds oder klassischer Funk werden in die Stücke genauso eingebettet wie Jazz, Soul oder „klassischer“ Rap der 1980er -Jahre. Macklemore kommt aus Seattle, der Stadt des Grunge, sein kongenialer Partner Ryan Lewis aus Spokane im US-Bundesstaat Washington. Der Produzent Lewis, der nebenbei ein versierter Fotograf ist, lernte Haggerty über das Internet, genauer über MySpace, 45
kennen – und machte ein Shooting mit ihm. Zunächst war er dann für die Außendarstellung des noch erfolglosen Rappers zuständig, aber ab 2009 wurde er zum musikalischen Mitstreiter und produzierte seine Tracks. Der Durchbruch kam auf leisen Sohlen – dann aber gewaltig. Am 9. Oktober 2012 erschien das Album „The Heist“, das vier Singles abwarf, drei davon weltweit mit Platin- oder Gold-CDs veredelt. Die erste davon war „Can’t Hold Us“, die über ein Jahr vor „The Heist“ erschien und zunächst in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Erst mit der dritten Auskopplung „Thrift Shop“, einer Liebeserklärung an Secondhandshops und gebrauchte Klamotten, kam der Durchbruch. Die Vorgänger-Singles „Can’t Hold Us“ und „Same Love“ wurden im Windschatten zu gigantischen Hits und Macklemore & Ryan Lewis zu Szene-übergreifend akzep tierten Stars, die auf Rap-Events genauso auftraten wie auf Rockfestivals. „Like the ceiling can’t hold us / Now, can I kick it? / Thank you / Yeah I’m so damn grateful“ – auf Deutsch: „Die Decke kann uns nicht aufhalten / Kann ich jetzt durchstarten? / Ich danke euch / Ja, ich bin so verdammt dankbar“ – diese Zeilen widmet Macklemore seinen zunächst wenigen, aber treuen Fans. Denn die, die sein Potenzial schon auf „The Unplanned Mixtape“ von 2009 erkannten, konnten nun mit ihm durchstarten. Wie viele seiner Fans wussten, dass jenes „can I kick it?“ im Text ein Zitat der von Macklemore verehrten Hip-Hop-Pioniere A Tribe Called Quest ist? Er spürte auf jeden Fall 2011, dass die Zeit der Poetry Slams vorbei war und er etwas „Großes“ abgeliefert hatte. Etwas, „wie Kanye West oder Lil Wayne. Leute, die auf dem Level sind. Ich will mit solchen Künstlern verglichen werden“. Das sagte er noch 2012 dem Magazin Juice – und war da schon aus deren langem Schatten getreten. Seit frühester Jugend war Hip-Hop seine Triebfeder, das beschreibt er auch in „Can’t Hold Us“: In diversen Interviews gibt er zu Protokoll, dass er den Traum, ein erfolgreicher Rapper zu werden, schon mit 14 hegte und verfolgte. Dass er fast 30 Jahre alt werden und sein Geld in der Zwischenzeit unter anderem als Sozialarbeiter in einer Jugendhaftanstalt verdienen musste, hat seinen Texten mit Sicherheit nicht geschadet. Aufgehalten hat ihn keiner, 46
er ist durch die Decke gegangen – und dafür darf man den Fans auch mal dankbar sein. mp Original: Macklemore & Ryan Lewis: „The Heist“ (2012, Macklemore LLC/CD)
„And the cat’s in the cradle and the silver spoon / Little boy blue and the man in the moon“ aus: „Cat’s in the Cradle“ von Harry Chapin Generationenkonflikte aller Art existieren, seit es Eltern und ihre Kinder gibt. Kein Wunder also, dass sie immer wieder ein dankbares Thema für Popsongs sind: 1970 feierte Cat Stevens zum Beispiel mit „Father & Son“ einen großen Erfolg, einem gesungenen Dialog zwischen einem Vater und seinem Sohn. Harry Chapin, 1942 in New York geborener Sänger und Songwriter, griff das Thema gemeinsam mit seiner Frau Sandy auf – allerdings gaben sie dem Song eine sehr aktuell anmutende, karrierekritische Perspektive: Sie erzählen aus der Sicht eines Vaters die bittere Geschichte einer Entfremdung, die durch Abwesenheit und Arbeit eintritt. Der Nachwuchs kommt zwar auf dem üblichen Weg zur Welt („He came to the world the usual way“), allerdings ist der Vater gerade unterwegs, als der Kleine das Laufen lernt – er will weiter eigene Pläne verfolgen und muss Rechnungen bezahlen: „But there were plans to catch and bills to pay / He learned to walk while I was away.“ Sein Trost: Voller Stolz kräht der Sohnemann immer wieder, dass er wie sein Vater werden möchte: „He’d say ‚I’m gonna be like you, dad‘“ – „Er sagt, ich werde wie du, Dad.“ Nach diesem Muster geht es weiter. Der Sohn ist plötzlich zehn Jahre alt, doch Papa hat wieder keine Zeit zu spielen: „When my son turned ten just the other day / Said: ‚Thanks for the ball, dad, come on and let’s play / Can you teach me to throw?‘ I said: ‚Not today, / I got a lot to do.‘ He said: ‚That’s okay.‘“ – „Als mein Sohn zehn war, / sagte er: ‚Danke für den Ball, Dad, komm und lass uns spielen. / Kannst Du mir das Werfen beibringen?‘ Ich sagte: ‚Nicht heute, / ich habe so viel zu tun.‘ Er sagte: ‚Das ist okay.‘“ Aber leise schwört 47
der nicht mehr ganz so Kleine dann: „I’m gonna be like him“ – „Ich werde wie er.“ Als der Sohn eines Tages vom College heimkommt, will der Vater voller Stolz endlich einmal mit ihm reden. Doch der interessiert sich nur für Daddys Auto: „What I’d really like, Dad, is to borrow the car keys / See you later, can I have them, please?“ Dann geht der Vater in Rente, ruft seinen Sohn an und würde ihn gerne sehen. Doch der hat keine Zeit … Mit Schrecken muss der Vater erkennen, dass es nun zu spät ist und sich eingestehen: „He’d grewn up just like me / My boy was just like me.“ – „Er ist wie ich aufgewachsen / Mein Junge war wie ich.“ Der regelmäßig zwischen den Strophen eingestreute Refrain „And the cat’s in the cradle and the silver spoon / Little boy blue and the man in the moon / Little boy blue“ lässt sich nicht angemessen ins Deutsche übertragen: „Cat’s in the cradle“ ist ein Kinderspiel, für das man Finger, Fäden und Stäbchen braucht, ein „silver spoon“ der silberne Löffel, den man üblicherweise zur Taufe geschenkt bekommt und „little boy blue“ die Koseform für einen traurigen kleinen Jungen. Die letzten beiden Zeilen verbergen aber das lebenslang gebrochene Versprechen des Vaters: „‚When you coming home, dad?‘ I don’t know when / We’ll get together then, son, you know we’ll have a good time then“ – „‚Wann kommst du nach Hause, Dad?‘ Ich weiß nicht, wann, / aber dann werden wir zusammen sein, du weißt, dass wir dann eine gute Zeit haben werden.“ Das Ehepaar Chapin schrieb den Song zur Geburt seines Sohnes Josh und wohl auch ein wenig als Warnung an sich selbst. Die scharf beobachtete und unsentimental vorgetragene Folkballade schaffte es im Dezember 1974 an die Spitze der amerikanischen Hitparade, blieb allerdings der einzige Nummer-1-Hit Chapins. 18 Jahre später nahm sich die amerikanische Rockband Ugly Kid Joe der Ballade an. Ihre rockige Version, zu der auch ein berührendes Video gehörte, landete ebenfalls in den Top Ten der Billboard-Charts. 1981 starb Chapin bei einem Autounfall, sein Sohn war da gerade einmal sieben Jahre alt. Als Erwachsener erzählte Josh dann mehr als einmal in Interviews, dass die unterschiedlichsten Menschen – wenn sie erfuhren, wer er war – ihm unbedingt von ihrem Verhältnis gf zu ihrem Vater erzählen wollten … 48
Original: Harry Chapin: „Verities & Balderdash“ (1974, Elektra, LP) Andere Version: Ugly Kid Joe: „America’s Least Wanted“ (1992, Mercury, CD)
„Caught beneath the landslide / In a champagne supernova“ aus: „Champagne Supernova“ von Oasis „Dunkel war’s, der Mond schien helle / schneebedeckt die grüne Flur / als ein Wagen blitzeschnelle / langsam um die Ecke fuhr“ – dieses Gedicht, von dem niemand weiß, wer es geschrieben hat, ist praktisch Allgemeingut. Zeile für Zeile lebt es von widersprüchlichen Gegenüberstellungen, von den sogenannten Oxymora. Ähnlich funktioniert das von Noel Gallagher geschriebene Lied „Champagne Supernova“, das zum perfekten, über sieben Minuten langen Finale der CD „(What’s the Story) Morning Glory?“ wurde: „ Slowly walking down the hall / Faster than a cannon ball“ („Laufe langsam die Halle runter / schneller als eine Kanonenkugel“) heißt es da. Im Interview mit dem Auto gab Gallagher zu Protokoll, dass er überhaupt keine Ahnung habe, was ihn da beim Reimen geritten habe – auch der Times erzählte er, dass er nicht wüsste, worum es in „Champagne Supernova“ ginge. Aber, so der kreative Kopf der erfolgreichsten Britrock-Formation der 1990er-Jahre zur altehrwürdigen Londoner Tageszeitung: „Wollen Sie mir etwa erzählen, dass 60.000 Leute, die beim Konzert mitsingen, nicht wissen, was es bedeuten soll? Es bedeutet für jeden etwas Anderes.“ „Champagne Supernova“ ist wie das Leben, zumindest das der ungleichen Brüder Noel und Liam, die in beziehungsweise in der Nähe von Manchester geboren sind – es mäandert zwischen extremen Polen hin und her. Die beiden Typen küssten sich manchmal und schlugen sich häufiger. Wie kleine Kinder balgten sie sich, allerdings mit deutlich mehr Durchschlagskraft – was entscheidend zum kreativen Potential ihrer 1991 gegründeten Band Oasis beitrug. Größenwahnsinnig waren sie damals beide, sie wollten die Pilzköpfe aus Liverpool in puncto Erfolg und Bedeutung überflügeln, ein Ansporn, der speziell den Beatles-Fan Noel Gallagher antrieb. Oasis wurden Megastars, alle sieben Langspielplatten der Gruppe erreich49
ten Platz eins der Charts im Heimatland, das Debüt mit dem ebenfalls widersprüchlichen Titel „Definitely Maybe“ hielt sich ab Herbst 1994 gewaltige 231 Wochen in der britischen Albumhitparade. Der Nachfolger „(What’s the Story) Morning Glory?“ blieb ab Spätherbst 1995 sogar für 238 Wochen drin. Es ist aber auch ein perfektes Album, mit zehn perfekten Songs, von denen vier – nämlich „Some Might Say“, „Roll With It“, „Wonderwall“ und „Don’t Look Back in Anger“ auch riesige Singlehits wurden. „Champagne Supernova“ wurde nur in einigen Ländern ausgekoppelt, etwa in Nordamerika, wo es im Collegeradio immer wieder nachgefragt wurde. Auf den Oasis-Konzerten musste es einfach gespielt werden, um friedlich das Feuerzeug anzuklicken und den Nachbarn schubsen zu können – so viel Widerspruch muss sein. Denn: „Someday you will find me / Caught beneath the landslide / In a champagne supernova / A champagne supernova in the sky“ („Eines Tages wirst du mich finden / Gefangen unter einem Erdrutsch / In einer Champagner-Explosion / Einer Champagner-Explosion im Himmel“). Eine Supernova ist eine unvorstellbare Explosion, sie ist das letzte Aufbäumen eines sterbenden Sterns. Der erlischt dann in einem gigantischen Knall. Bei Oasis war das ähnlich und gut möglich, dass Noel Gallagher das Ende der Band beim Schreiben schon ahnte. Die Streitigkeiten mit seinem Bruder eskalierten, obwohl der zwischendurch schon mal Songs beisteuern „durfte“, was der Qualität ihrer CDs aber eher wenig zuträglich war. Das Ende mit Schrecken kam dann 2009. Mittlerweile ist Liam samt seines offensiv angekündigten Projekts Beady Eye in der Versenkung verschwunden, während Noel Gallaghers High Flying Birds in Großbritannien immer noch ein breites Publikum finden. Das ist freilich kein Wunder, der Mann schreibt Songs, die von Oasis sein könnten – und einige waren sicher auch dafür gedacht. Die Beatles sind allerdings immer noch berühmter. mp Original: Oasis: „(What’s the Story) Morning Glory?“ (1995, Creation Records, CD)
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„Sweet child in time, you’ll see the line“ aus: „Child in Time“ von Deep Purple Die vom Keyboarder Jon Lord gespielten Töne des Orgelintros sind unverkennbar und unglaublich einprägsam: Einmal gehört, kann man sie nicht wieder vergessen. Nur: Sie stammen nicht von Lord oder Deep Purple, sie sind dem Song „Bombay Calling“ entnommen, der sich auf dem Debütalbum der US-Rockband It’s A Beautiful Day von 1969 findet. Die Musiker von Deep Purple kannten dieses Lied, weil sie ein paar Jahre zuvor noch im Vorprogramm der Amerikaner spielten. Von diesen identischen Tönen ausgehend entwickeln die englischen Hardrocker dann ihren epischen, über zehn Minuten langen Song „Child in Time“. „Wir wollten den Kalten Krieg zum Thema machen“, erzählte der Sänger Ian Gillan 2002 in einem Interview mit der indischen Tageszeitung Mid Day. „Der Song reflektiert einfach die Stimmung dieser Zeit.“ Damit hat Gillan kurz und bündig Zeilen wie „Sweet child in time, you’ll see the line / The line that’s drawn between good and bad“ erklärt: „Süßes Kind der Zeit, du wirst die Linie erkennen / Die Linie, die zwischen Gut und Böse gezogen ist.“ In den dunklen und kurzen Versen finden sich denn auch immer wieder Anspielungen auf Waffen und Krieg: Blinde schießen auf die Welt („See the blind man, shooting at the world“), Kugeln fliegen und fordern ihren Tribut („Bullets flying, ohhh taking toll“) und Querschläger drohen („Wait for the ricochet“), weswegen man besser den Kopf einziehen sollte („Ohhh bow your head“). Kalter Krieg – das hieß Anfang der 1970er-Jahre Osten gegen Westen, Kommunismus gegen Kapitalismus, der sogenannte Eiserne Vorhang in Europa („the line“), Russen gegen Amerikaner. Weil die aber gerade in den Vietnamkrieg verstrickt waren, verstand man in den USA das Lied als Protestsong gegen diese unselige Auseinandersetzung im fernen Asien, in die Russen und Amis gleichermaßen involviert waren. Diese Einschätzung lag in den USA wohl nahe, weil die ersten Alben der Band hier viel größeren Erfolg gehabt hatten als in deren Heimatland Großbritannien: Sie hatten eine Stimme … Ian Gillan intoniert den Text dieses Songs mal leise flüsternd, kräftig zupackend oder heiser schreiend und stellt dabei seine 51
mehroktavige Stimme und seine Qualitäten als Shouter unter Beweis. Gitarrist Ritchie Blackmore steuert seine Powerchords und ein zweiminütiges Solo bei. Live inszenierte die Band den Song als Duell zwischen dem Gitarristen Blackmore und dem klassisch geschulten Keyboarder Lord, was besonders gut auf ihrem Livealbum „Made in Japan“ nachzuhören ist. „Child in Time“, in Juni 1970 veröffentlicht, war kein großer Single-Hit, gilt heute aber als eine der großen Hardrock-Balladen überhaupt. Mit der dazugehörigen LP „Deep Purple in Rock“ schaffte die Band schließlich den weltweiten Durchbruch. In den Credits ist die ganze Band als Verfasser angegeben, fast könnte man meinen, sie hätten sich den Song auf illegale Weise angeeignet. Deep Purple aber haben auf eine andere Weise bezahlt: Sie gaben ihren Rocksong „Wring The Neck“ an It’s A Beautiful Day weiter, die ihn adaptierten, zur flotten Swingnummer umbauten und ihn unter dem Titel „Dan and Dewey“ auf ihrem zweiten Album „Marrying Maiden“ gf (1970) veröffentlichten. Originale: It’s A Beautiful Day: „Ist A Beautiful Day“ (1969, CBS, LP) Deep Purple: „Deep Purple In Rock“ (1970, Parlophone, LP) Andere Version: Deep Purple: „Made in Japan“ (1972, Parlophone, DoLP)
„I’m useless, but not for long / The future is coming on“ aus: „Clint Eastwood“ von Gorillaz Nein, der berühmte Schauspieler, der Regisseur und zweifache Oscargewinner, dem wir großartige Filme wie „Erbarmungslos“ oder „Mystic River“ verdanken, kommt in dem nach ihm benannten Lied der Gorillaz nicht vor. Und ob er den Song, beziehungsweise dessen Inhalt zu schätzen wüsste, wie Damon Albarn, Kopf und Erfinder der Affenbande, vermutet, sei dahingestellt. Wir wissen nicht einmal, ob er das Stück überhaupt je gehört hat, kam es doch in den USA nur bis auf Platz 57 der Charts. Auf jeden Fall würde Clint keinen Opel oder Vauxhall Zafira fahren – trotzdem wurde der Song im Werbespot für diesen Familientransporter eingesetzt. 52
Zu den Figuren der späten Filme Eastwoods, etwa zum zunächst mürrischen und fremdenfeindlichen Walt Kowalski in „Gran Torino“ oder der tragischen Vaterfigur Gus Lobel in „Back In The Game“ würde „Clint Eastwood“ schon eher passen als zu einem eher biederen Van. Denn beide Männer entwickeln sich aus ihrer Isolation heraus letztlich positiv – und tragen dabei auch den Rucksack, den ihnen das Leben auf den alt gewordenen Buckel schnürte: Der Song ist eine Hymne an das Versagen beziehungsweise an die Chancen, die sich daraus ergeben. Anders etwa als „Loser“ von Beck oder „Creep“ von Radiohead bleibt „Clint Eastwood“ nicht im Selbstmitleid oder in der Selbstaufgabe stecken: „I ain’t happy, I’m feeling glad / I got sunshine in a bag / I’m useless but not for long / The future is coming on“ („Ich bin nicht glücklich, ich fühle mich froh / Mir scheint die Sonne aus dem Arsch / Ich bin zu nix zu gebrauchen, aber das hält nicht lange an / Die Zukunft steht vor der Tür“). „Sunshine in a bag“ ist außerdem ein Ausdruck für: ein Tütchen Marihuana dabei haben. Das wirkt schon irgendwie, als hätten die Gorillaz die vermeintlichen Tipps aus Sean Brummels aka Tommy Jauds Bestseller „Einen Scheiß muss ich“ lange vor ihrer Veröffentlichung als Buch gelesen – man kann auch als vermeintlicher Versager und an den Normen der Gesellschaft gescheiterter Mensch prima leben. Während der Weg zu dieser Einsicht in den EastwoodFilmen ein sehr langer und steiniger ist, funktioniert das im Lied über einen eingängigen Groove und die Raps des Kaliforniers Del Tha Funkee Homosapien („Mistadabolina“). Der Silberrücken der Gorillaz ist der umtriebige Brite Damon Albarn, der mit der Britpop-Band Blur für Furore sorgte, mit seinem Projekt The Good, The Bad & The Queen oder auch als Solist wunderbare CDs veröffentlichte. Zusammen mit Jamie Hewlett, dem Zeichner und Co-Autor der Comic-Reihe „Tank Girl“, entwarf er eine Gruppe, die es in der Realität gar nicht gibt. Die Figuren 2D (Gesang und Keyboard), Murdoc (Bass), Noodle (Leadgitarre) und Russell Hobbs (Schlagzeug) verbinden Graffiti-Ästhetik mit der Optik moderner Graphic Novels – und sind im Gegensatz zu anderen gezeichneten Gruppen, etwa den Ende der 1960er-Jahre erfolgreichen Archies („Sugar, Sugar“) oder von Alvin & The Chipmunks nicht auf mehr oder minder erfolgreiche Comics zurückzu53
führen. Die Gorillaz, als Band gegründet und gezeichnet, schafften es sogar ins Guinness-Buch der Rekorde – als „erfolgreichste virtuelle Band“. Denn von ihrem Debüt „Gorillaz“ wurden mehr als sieben Millionen Exemplare verkauft. Die Nachfrage nach drei Folgealben „Demon Days“, „Plastic Beach“ und „The Fall“ sank sukzessive, trotz teilweise wunderbarer Sounds. Es fehlte schlicht ein Hit wie „Clint Eastwood“. Trotzdem: Damon Albarn ließ verlauten, dass die Gorillaz nach ihrem Aus im Jahre 2010 tatsächlich wieder zusammenkommen sollen. Jamie Hewlett hat angeblich schon die Stifte gespitzt und sowohl Tusche als auch Papier auf Vorrat gekauft. mp Original: Gorillaz: „Gorillaz“ (2001, Parlophone, CD)
„And I hope that you are having the time of your life / But think twice, that’s my only advice“ aus: „Crazy“ von Gnarls Barkley Sind wir denn nicht alle irgendwie verrückt? In bestimmten Teilbereichen ganz sicher, denn als „verrückt“ oder „wahnsinnig“ gilt, wer sich außerhalb der gesellschaftlichen Normen aufhält, und das kriegt so ziemlich jeder mal hin. Sänger CeeLo Green, der sich schon als Mitglied der Hip-Hop-Crew Goodie Mob inhaltlich mit der Frage, was eigentlich normal sei, beschäftigte, und sein Partner, der Produzent Danger Mouse grooven als Gnarls Barkley in die Psychose – ihr größter Hit „Crazy“ führt uns gleich mit den ersten Zeilen mitten hinein: „I remember when, I remember, I remember when I lost my mind / There was something so pleasant about that place / Even your emotions had an echo / In so much space / And when you’re out there / Without care / Yeah, I was out of touch / But it wasn’t because I didn’t know enough / I just knew too much / Does that make me crazy?“ – oder auf Deutsch: „Ich erinnere mich noch, ich erinnere mich noch daran, als ich meinen Verstand verlor / Da war etwas so Angenehmes an diesem Ort / Sogar deine Gefühle schallten zurück / Bei so viel Platz / Und wenn du da draußen bist / Ohne Rücksicht / Ja, ich bin übergeschnappt / Aber es 54
war nicht, weil ich zu wenig wusste / Ich wusste einfach zu viel / Macht mich das verrückt?“ Das Lied erzählt auch von den Gefühlen am Ende einer Beziehung. Davon, wie der andere einen einschätzt, wenn all das S chöne, was ein Paar verband, Vergangenheit ist – als krank oder verrückt, vielleicht sogar gefährlich. Gnarls Barkley drehen im zweiten Teil des Songs den Spieß um und erklären ebenso die Gegenseite für verrückt. Doch mit der für Hip-Hop-Tracks recht normalen Egomanie behaupten sie nicht nur, dass die Ex ohnehin nicht alle Zacken in der Krone habe, sie strotzen vor Selbstbewusstsein: „Und dass ich lebe, ist kein Zufall – ich bin da / Und sterben werde ich erst, wenn ich hier fertig bin.“ Aber das heißt ja nun nicht, dass der Protagonist deshalb normal sein muss. In modernen Therapien lernt man schließlich, dass es ein Lebensziel sein kann, das eigene Verrücktsein zu überwinden. Dass einen der Partner dabei „triggert“, wie das neudeutsch heißt, ist dann angeblich gut. Die Empfehlung an die Ex ist einfach: „And I hope that you are having the time of your life / But think twice, that’s my only advice / ome on now, who do you, who do you, who do you, who do you think you are?“ („Und ich hoffe du hast gerade die beste Zeit deines Lebens / Aber denke zweimal nach, das ist mein einziger Rat / Also los, wer bist du? Wer bist du? Wer bist du? Was denkst du, dass du bist?“). Spätestens ab diesem Moment wird der Text von „Crazy“ auch noch recht philosophisch. Die meisten Menschen, die 2006 die Single und das dazugehörige, witzig mit „St. Elsewhere“ betitelte Album kauften, gaben sich wohl von vornherein eher dem verrückten Rap-Gesang von Cee-Lo Green und dem ebenso vertrackten wie tanzbaren Beat von Danger Mouse hin – und wunderten sich höchstens über den verrückten Namen des Projekts. CeeLo Green erklärte in diversen Interviews, wie man auf die ausgefallene Wortverbindung gekommen sei. Der erste Teil leitet sich vom englischen „to gnarl“, auf deutsch: „knurren“, ab. Mit „Barkley“ verweisen sie dann zwar auch auf „bellen“, aber eigentlich meinen sie damit die Basketball-Legende Charles Barkley. Der Sportler gewann zwar weder mit den Philadelphia 76ers noch mit den Phoenix Suns oder den Houston Rockets die Meisterschaft in 55
der NBA, aber er war Teil des US-Dreamteams, das bei den Sommerspielen 1992 in Barcelona und vier Jahre später in Atlanta, der Heimatstadt von CeeLo Green, deutlich überlegen olympisches Gold holte. Für Gnarls Barkley war „Crazy“ der mit Abstand größte Hit, die Nachfolgesingle, das an den Motown-Klassiker „Smiling Faces Sometimes“ von The Undisputed Truth angelehnte „Smiley Faces“ erreichte in England noch Platz zehn. Das zweite Album „The Old Couple“, nach dem auf einem Broadwaystück basierenden Film „Ein seltsames Paar“ oder der TV-Serie dazu („Männerwirtschaft“) benannt, ging schnell unter. Erwähnt sei noch, dass die knarzigen Violent Femmes „Crazy“ 2008 für iTunes coverten – weil Gnarls Barkley auf „St. Elsewhere“ deren „Gone Daddy Gone“ aufnahmen. „Crazy“, das angeblich von Soundtracks zu Italowestern inspiriert wurde, erlangte 2014 noch einmal eine ziemliche Berühmtheit: Es wurde im Oscar-prämierten Film „Birdman“ von Alejandro González Iñárritu („The Revenant“) verwendet. Eine ziemlich verrückte Sache für ein acht Jahre altes Lied. Aber, wie heißt es am Ende des Songs: „Vielleicht sind wir alle verrückt? Vermutlich schon.“ mp Original: Gnarls Barkley: „St. Elsewhere“ (2006, Warner CD) Andere Version: Violent Femmes: „Crazy“ (2008, Apple iTunes, digitale Single)
„Da fliegt mir doch das Blech weg“ aus: „Das Blech“ von Spliff Der musikalische Ursprung von Spliff (der Name ist ein Slangausdruck für einen Joint) liegt im politischen Berlin der siebziger Jahre. Reinhold Heil (Keyboards, Gesang), Herwig Mitteregger (Drums, Gesang), Bernhard Potschka (Gitarre, Gesang) und Manfred „Manne“ Praeker (Bass, Gesang) machen sich zunächst unter dem Namen Lokomotive Kreuzberg in der lokalen Rock-Kabarett-Szene einen Namen. 1977 hängen sich die vier Lokomotivführer dann an den Zug der aus der DDR emigrierten, exzentrischen Nina Hagen – und werden zur Nina Hagen Band. Nach nur zwei Alben stellt der 56
kommende Weltstar – so Hagens Selbsteinschätzung – seine Band buchstäblich aufs Abstellgleis. Die Band wird zu Spliff und bekommt von der Berliner „Fabrik Rakete“, der Kreativzelle des Fotografen Jim Rakete, kräftige Starthilfe – in Form von für die Musikbranche damals unüblichen Marketing- und PR-Gags: Die erste LP namens „Spliff Radio Show“ lässt er in Holzkisten vernageln und so an die Medien schicken. Die zweite Spliff-LP, der die Bestellnummer 85555 als Titel dient, ist wie eine glänzende Tafel Schokolade verpackt. Was die Band neben den hervorragenden musikalischen Fertigkeiten vor allem auszeichnet, ist ihre Art, griffig und witzig zu texten und dabei immer wieder Formulierungen zu finden, die schnell ins Alltagsdeutsch eingehen – die Kabarett-Erfahrung der Anfangsjahre zahlt sich nun aus. Das Lied „Das Blech“ ist dafür ein besonders gelungenes Beispiel. Die Geschichte, die es erzählt, geht auf eine Beobachtung der Band bei einem Besuch in einer von Amerikanern dominierten Diskothek zurück: „Überall wird rumerzählt, dass hier die Frauen sind. / Da fliegt mir doch das Blech weg.“ Aber: „Ich seh’ einen schicken schwarzen Mann / Er sieht ein Mädchen und quatscht sie an.“ Und er macht sie richtig an: „Er sagt: Komm, steh auf, geh aufs Parkett / Schüttel, was du hast, denn du bist kein Brett.“ Darf das sein? Neidischer Kommentar: „Da fliegt mit doch das Blech weg.“ Dann kommen auch noch Vorwürfe: „Er sieht mich an wie ein Kühlergrill und sieht genauso aus wie James Brown. / Er fragt mich: Wann hört ihr endlich damit auf, uns’re schwarze Musik zu klau’n?“ Die Antwort: „Dann sag ich: Alter, ich steh nun mal auf Jazz und Funk / Bei Wagner muss ich kotzen, bei Mozart werd’ ich krank.“ „Das Blech“ ist seit 1983, als der Song die Charts stürmt, eine feststehende Wendung für – je nach Kontext – ziemlich viele Gefühle: Erstaunen, Begeisterung, Verärgerung. Für Spliff ist „Das Blech“ der letzte Hit (zuvor gab’s „Déjà Vu“ und „Carbonara“): Die Band veröffentlicht mit „Schwarz auf Weiß“ 1984 noch ein Album und löst sich 1985 auf. gf Original: Spliff: „Herzlichen Glückwunsch“ (1983, CBS, LP)
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„Sie ist ein Model und sie sieht gut aus / Ich nähm’ sie heut’ gerne mit zu mir nach Haus“ aus „Das Modell“ / „Das Model“ von Kraftwerk Die Musik der Düsseldorfer Formation Kraftwerk war in den 1970er-Jahren sehr innovativ, sie setzten frühzeitig zuerst auf Vocoder, dann auf Prozessoren und beeinflussten alle wesentlichen Dance-Styles – von House und Hip-Hop über den Elektropop von Pet Shop Boys, OMD oder auch Depeche Mode bis hin zum Teutonenrock von Rammstein. Ihre Texte waren dabei stets sehr knapp und kürzelhaft – aber das heißt nicht, dass es dazu keine Geschichten zu erzählen gibt. So existierte die Frau aus „Das Model“, immerhin der einzige Song der Gruppe, der – in Großbritannien als „The Model“ – Nummer eins der Charts war, tatsächlich. Die Zeilen stammen von Emil Schult. Der in der Bauhaus-Stadt Dessau geborene Maler und Dichter war 1971 und 1972 Mitglied von Kraftwerk, er spielte Gitarre, ein Instrument, das spätestens ab 1974 mit der LP „Autobahn“ keine Rolle mehr für die Musik der Band spielen sollte. Schult blieb den nun völlig auf Elektronik und technoide Klänge setzenden Musikern um Ralf Hütter und Florian Schneider aber trotzdem eng verbunden. So gestaltete er die Cover der Platten „Autobahn“ und „Trans Europa Express“, verfasste aber auch etliche Texte, etwa für die Songs „Spiegelsaal“, „Trans Europa Express“, „Taschenrechner“ oder „Electric Café“. Sein größter Wurf war aber „Das Modell“ von der 1978er-LP „Die Mensch-Maschine“. Schult komponierte auch eine Melodie dazu, aber weil die für Kraftwerk zu „rockig“, klang, schrieben Karl Bartos und Ralf Hütter einfach eine neue Musik. Man kann das nachvollziehen: Schult verliebte sich bis über beide Ohren in eine wunderschöne Frau, ein Model. Diese Lady inspirierte ihn aber nicht unbedingt zu einem „klassischen Lovesong“, im Gegenteil. Durch die kühle Stimme Hütters und die distanzierten Zeilen „Sie ist ein Model und sie sieht gut aus / Ich nähm’ sie heut gerne mit zu mir nach Haus“ wird die Frau auf ihre Schönheit reduziert. Im weiteren Verlauf des Textes klingt Kritik an dieser Oberflächlichkeit an, am männlichen Verhalten – „sie wird von allen Männern abgecheckt“ – ebenso wie an der gesellschaftlich akzeptierten Sexu58
alisierung („Im Scheinwerferlicht ihr junges Lächeln strahlt / Sie sieht gut aus und Schönheit wird bezahlt / Sie stellt sich zur Schau für das Konsumprodukt / Und wird von Millionen Augen angeguckt“). Wer will, kann da das Wort „Prostitution“ aus den Zeilen herauslesen. Auf jeden Fall aber hat Schult dieser bis heute in der Öffentlichkeit unbekannten Frau ein Denkmal gesetzt – genau wie dem Kellner, der die Zeile „sie trinkt im Nachtclub immer Sekt“ mit seinem „korrekt“ erweitert. Der Mann arbeitete zur Zeit der Entstehung der „Mensch-Maschine“ tatsächlich in einer Düsseldorfer Szenekneipe, in der sich die Kraftwerk-Entourage regelmäßig traf. Angeblich fragte er seine Gäste standardmäßig „Hallöchen, Sekt?“ und die antworteten – wenn sie zum Inner Circle gehörten – dann prompt mit „korrekt“. Als Elektropop und New Wave das große Ding waren, wurde „Das Model“, rund drei Jahre nach der LP „Die Mensch-Maschine“ als Single in England veröffentlicht – und kam dann auch in die deutsche Hitparade: Rang sieben erreichte Kraftwerk mit ihrem größten Hit. Übertroffen wurde diese Platzierung aber von Rammstein, die ihrem Vorbild 1997 die Ehre zu Teil werden ließen und den Song coverten. Geschrieben mit zwei „l“, wie bei Kraftwerk bis zur Veröffentlichung der remasterten Neuauflagen ihrer Alben im Jahr 2009 und natürlich deutlich härter, erreichten die Berliner mit ihrer mp Version Platz fünf. Original: Kraftwerk: „Die Mensch-Maschine“ (1978, Kling Klang, LP) Andere Version: Rammstein: „Das Modell“ (1997, Universal Music, Single)
Sisters, brothers and the whities / Blacks and the crackers / Police and their backers / They’re all political actors“ aus: „(Don’t Worry) If There’s a Hell Below “ von Curtis Mayfield Der am 3. Juni 1942 in Chicago geborene Curtis Mayfield gehört zu den wichtigsten Soulstars, was nicht nur an seinem einzigartigen Falsett liegt. Es sind vor allem die kritischen und hochpolitischen Texte, die ihn aus der Menge begnadeter Sänger herausheben. 59
Schon 1956, als er mit seinem Freund Jerry Butler die Band The Roosters gründete, wollte er nicht nur belanglose Lovesongs schreiben. Zum Quintett erweitert, feierten sie als Impressions dennoch mit der Liebesschnulze „For Precious Love“ einen ersten Hit. Weitere, etwa das wunderschöne „Gypsy Woman“, folgten erst Mitte der sechziger Jahre. Die Gruppe um die charismatischen Kreativköpfe Butler und Mayfield trennte sich dann für einige Jahre im Streit, um später noch erfolgreicher den Soul der „Windy City“ Chicago zu repräsentieren. 1970 verließ Mayfield endgültig die Impressions, Butler folgte nur wenige Zeit später. Beide sind als Solisten erfolgreich, doch Curtis wollte nicht nur Sänger und Autor sein. Er gründete sein eigenes Label „Curtom“, das sich auch der Talentsuche widmete, und nahm zu sozialen Problemen Stellung: Drogenhandel, mangelnde Bildungschancen in den Ghettos, Verelendung und Einsamkeit waren seine Themen in den 1970er-Jahren. Seine Texte beschreiben schonungslos die Realität, er sah sich selbst als Chronist der gesellschaftlichen Zustände. Während James Brown trotzig „Say It Loud, I’m Black and I’m Proud“ sang, zeigte Mayfield der Welt in Songs wie „Freddie’s Dead“, „Cannot Find A Way“ oder „Future Shock“ die Hinterhöfe des Amerikanischen Traums – schmutzig, verwahrlost und deprimierend. Auf jeder Platte sagte er aber auch, dass es Hoffnung gibt, dass man selbst das Beste aus der Situation machen müsse. Schon das Solodebüt, die ohne die Impressions eingespielte LP „Curtis“, offenbarte beide Seiten: „Wild and Free“, „Power to the People“ und „We the People Who Are Darker Than Blue“ wurden zu Mayfield-Klassikern der positiven, weil Hoffnung und Selbstbewusstsein gebenden Art. Der erste Song auf dem Album aber, „(Don’t Worry) If There’s a Hell Below“, ist ein kritischer Kommentar: Er fängt mit der gesprochenen Feststellung an, dass nichts und niemand, weder Schwarze noch Weiße, weder Polizisten noch Dealer, unpolitisch sind. Die Großen und Mächtigen betrügen das Volk, vergiften das Wasser – „Pimping people is the rule / Polluted water in the pool“ – und beschwichtigen: „And Nixon talking about don’t worry / He says don’t worry.“ Die Untertanen sind freilich keinen Deut besser: „Everybody is praying / And everybody’s saying / But when come time to do / Everybody’s laying“. Und: „Everybody 60
smoke / Use the pill and the dope / Educated fools / From uneducated schools“. Mayfield skizziert das Bild einer kranken Gesellschaft, in der jeder seinen Teil dazu beiträgt, dass sie so ist, wie sie ist: „And if there’s a hell below / We’re all gonna go“ – wenn es eine Hölle gibt, sind wir alle auf dem Weg dorthin. Das Lied erreichte immerhin Platz drei in den R&B- und Position 29 in den Popcharts, das Album „Curtis“ kam unter die Top 20. Das Cover zeigt einen auf einer Wiese sitzenden Mayfield im zitronengelben Anzug, der selbstbewusst und hoffnungsvoll ins weite Land, in die Zukunft schaut. Der Glaube, dass sich alles zum Guten wenden kann, und seine positive Grundstimmung blieben Teil seines Schaffens, selbst nachdem er infolge eines Bühnenunfalls im August 1990, bei dem ihm ein Lichtmast auf den Rücken fiel, querschnittsgelähmt war. Mayfield fiel es daraufhin schwer, Gitarre zu spielen, er plagte sich bei den Aufnahmen zu seiner letzten Platte „New World Order“ (1996). Dennoch strahlt auch dieses Werk Wärme und Zuversicht aus, selten klang sein Falsett freundlicher und liebevoller. Drei Jahre später starb Curtis und hinterließ Songs, die menschliche Unzulänglichkeiten beschreiben und analysieren, ohne sie – und das ist Mayfields Stärke als Texter – zu verurteilen. mp Original: Curtis Mayfield: „Curtis“ (1970, Curtom, LP)
„I wanna be what the people see / I wanna dance with Emily“ aus: „Emily“ von Adam Green Emily ist ein sehr gebräuchlicher Name im englischen Sprachraum. Dementsprechend wurden Damen, die so heißen, schon öfter besungen, nie aber auf so explizite Weise. Denn in Adam Greens kleiner, folkiger Schlingelei geht es um Sex mit Minderjährigen, um Gewalt, um Anspielungen auf schmutzige Genitalien und den Blowjob. Wie immer bei dem 1981 im Bundesstaat New York geborenen Urenkel von Franz Kafkas Verlobter Felice Bauer ist dabei alles recht verschwurbelt. Fragt man Adam Green, was seine Zeilen bedeuten, sagt er – wie es auch dem Autor gegenüber praktiziert hatte 61
–, dass er das „beim besten Willen“ nicht wisse. Es sind Assoziationsketten, die die Grenze des Geschmacklosen öfter mal überschreiten. Aber Green ist dabei so verschmitzt-charmant, dass er dafür wahrscheinlich auch bei Frauenrechtlerinnen ein Lächeln oder eine Streicheleinheit erntet. Green, der Dada-Poet, war anfänglich musikalisch sehr limitiert, weshalb man seine Folksongs der Low-Fi-Bewegung zuordnete. Im Interview betonte er aber, dass er mit seiner Band Moldy Preaches oder auf seiner ersten Solo-CD „Garfield“ gar nicht absichtlich „billig“ klingen wollte – er konnte es einfach nicht besser. Charmant waren frühe Stücke wie die erste Single „Dance With Me“ aber schon. Mit „Gemstones“, Album Nummer drei, und dem Song „Emily“ kam dann – zumindest in Deutschland – der Durchbruch. Die CD erreichte Platz vier in den Charts, der Song wurde zum Indie-Gassenhauer. Die fröhliche, fast naive Melodie gepaart mit seltsamen Zeilen wie „Emily, sweet baby, won’t you be my wife? / Cutting me wide open with a kitchen knife“ („Emily, süßes Kind, willst Du nicht meine Ehefrau sein? / Schneidest Du mich dann mit dem Küchenmesser weit auf“) oder „Jenny’s got a mousehole full of pigeon scum / On top a mountain made of bubble gum („Jenny hat ein Mauseloch voll mit Taubendreck / Oben drauf einen Berg aus Kaugummi“) lassen viel Interpretationsspielraum zu, weshalb Green in mancher Rezension in die Nähe zu Bob Dylan rückte – und damit dann doch ziemlich überhöht wurde. Neben Emily kommen weitere aus Popsongs bekannte Damennamen vor: Jennifer und Eleanor heißen die Frauen, mit denen der Protagonist durch die Nacht und durchs Bett tanzen will. Bei Eleanor soll es dann aber die Auslegeware sein: „Mädchen, wenn ich dich auf dem Perserteppich nehme / Ist das die Art von Film, von der ich träume“. Und: „I’ll tell you something that you’d think I know / I got two tickets to the sold out show / Some of the fellas like to think I’m Greek / I wanna love you maybe three days a week“, auf deutsch: „Ich erzähle dir was, von dem du denkst, ich weiß es / Ich habe zwei Karten für das ausverkaufte Konzert / Einige Leute glauben, dass ich Grieche bin / Ich will dich lieben, vielleicht dreimal pro Woche“. So viel Nonsens auf einmal? Nun, „Emily“ wurde ein Hit, das Album „Gemstones“ brachte Green 62
2005 den „Echo“ in der Kategorie „Newcomer des Jahres international“ und zog das wunderschöne Vorgängerwerk „Friends of Mine“ ebenfalls in die Charts. Danach ging es, weil die Stücke sich doch zu sehr ähnelten, abwärts. Aber für kurze Zeit gab Adam Green vielen Leuten, was sie wollten – oder, um es mit seinen Worten zu sagen: „I wanna be with what the people see / I wanna dance with Emily“ („Ich will dabei sein, bei dem, was alle Leute sehen / ich will mit Emily tanzen“). mp Original: Adam Green: „Gemstones“ (2004, Rough Trade, CD)
„It’s alive, afraid, a lie, a sin / It’s magic, it’s tragic, it’a loss, it’s a win“ aus: „Epic“ von Faith No More Das Rap-Trio Run DMC kreuzte 1986 den zu diesem Zeitpunkt elf Jahre alten und von der australischen Hardrockband Aerosmith stammenden Song „Walk This Way“ mit ihren Reimen. Es verhalf ihm damit zu neuen Hitparadenehren und befeuerte gleichzeitig eine neue musikalische Entwicklung – den genreübergreifenden Stilmix namens Crossover. Faith No More, 1982 vom Schlagzeuger Mike Bordin und Bassisten Billy Gould in San Francisco gegründet, musste keine vorgefundenen Songs mehr mit ihrem Stil mischen. Die Band vermengte von Anfang an in ihrer Musik Heavy Metal, Funk, Punk und Rap. Die Musiker galten damit bald auch als Gründerväter des Crossover und kamen schnell zu Ruhm. Bei „Epic“, als zweite Single aus ihrem 1989 erschienen zweiten Album „The Real Thing“ ausgekoppelt, mischen sie Rap und Heavy Metal. Mit der Anfangszeile des Textes „Can you feel it, see it, hear it today?“ („Kannst du es heute fühlen, sehen, hören?“) verweisen sie zudem auf andere Gründerväter des harten Rock, auf The Who und ihren Song „See Me, Feel Me“ aus deren Rockoper „Tommy“,. Allerdings ziehen sie sofort eine andere Schlussfolgerung als der zeitweise blinde Protagonist der Who: „If you can’t, then it doesn’t matter anyway“ – „Wenn du es nicht kannst, dann ist es auch irgendwie egal“. Weil, wie Mike Patton mit seiner 63
Punkattitüde über donnernde Gitarrenakkorde hinweg im Refrain singt: „You want it, but you can’t have it all“ („Du willst es, aber du kannst nicht alles haben“). Weil aber in einem Song, der sich „Epic“ nennt, also „gewaltig“, „monumental“ oder „episch“, auch die ganze Welt drin stecken muss, arbeitet die Band im Text mit vielen Antonymen, sogenannten Gegensatzpaaren. Zum Beispiel in der Zeile „It’s alive, afraid, a lie, a sin / It’s magic, it’s tragic, it’a loss, it’s a win“ („Es lebt, es ist erschrocken, es ist eine Lüge, eine Sünde / Es ist magisch, es ist tragisch, es ist ein Verlust, es ist ein Gewinn“). Aber immer wieder warnt der Sänger im Refrain, dass das Leben in all seiner positiven und negativen Fülle einfach nicht zu haben sei – dahinter verbirgt sich natürlich eine ganz gehörige Portion Zivilisationskritik. Run DMC haben eine wahre Crossoverhysterie ausgelöst und für Bands wie Living Colour, Beastie Boys oder Red Hot Chili Peppers den Boden bereitet. In „Epic“ trafen erneut verzerrte Gitarren mit harten Riffs auf rasant-rhythmische Textzeilen – eine Mischung, die viele begeisterte. Der Song wurde ebenfalls zum Crossover-Hit und kletterte weltweit in allen Charts bis in die oberen Ränge. In den USA war es sogar der einzige Top-Ten-Hit, den die Band je verbuchte. gf Original: Faith No More: „The Real Thing“ (1989, PolyGram, CD)
„And everybody hurts sometimes“ aus: „Everybody Hurts“ von R.E.M. Nein, der Song von R.E.M. ist mit dem gleichnamigen Girlie-RockSchmachtfetzen der Kanadierin Avril Lavigne weder verwandt noch verschwägert. Doch stand die emotionale Ballade von Michael Stipe & Co. vielleicht Pate für eine Episode einer der besten Fernsehserien aller Zeiten. Denn in der vierten Staffel der „Sopranos“ heißt eine Folge „Everybody Hurts“, und in dieser wird die Hauptfigur, Mafiaboss Tony Soprano, wegen des Selbstmords seiner Ex-Geliebten Gloria von Gewissensbissen geplagt. Auch andere Protagonisten 64
verwickeln sich in körperliche oder seelische Grausamkeiten. Das von Michael Stipe, Bill Berry, Mike Mills und Peter Buck, also von allen vier Mitgliedern der 1980 in Athens, Georgia gegründeten Band, geschriebene Lied kommt in der Episode nicht vor. Aber „And everybody hurts“ („und jeder verletzt jeden“) ist die ideale Zeile, sie passt so perfekt wie das Lied, das düster, traurig und auf eine kraftvolle Art Seelenqualen ausdrückt. „Der Text ist so atypisch einfach, weil er sich an Teenager richtet“, führt Bassist Mike Mills im Begleittext zum Sampler „In Time – The Best of R.E.M. 1988 – 2003“ aus. Wirkt er vielleicht deshalb so, als könnte er aus einem Soundtrack der in den 1990er-Jahren so erfolgreichen Horrorfilme rund um pubertierende Jugendliche stammen? Oder als wäre er für die von Joss Whedon erfundene TV-Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ geschrieben worden? Die HorrorShow sorgte ab 1997 und damit rund fünf Jahre nach der ersten Veröffentlichung von „Everybody Hurts“ auf dem Album „Automatic for the People“, für Furore. Dazu Mills: „Ich habe nie eine Folge von ‚Buffy‘ gesehen.“ Dass der Song schon 1992 im vor der Serie entstandenen „Buffy“-Hollywood-Film eine tragende Rolle spielte, ist ihm aber nicht entgangen: „Die Idee, dass eine Highschool das Tor zur Hölle sein sollte, fand ich wunderbar realistisch“, wie er in den Liner Notes zur „Best Of“-CD zu Protokoll gibt. „Everybody Hurts“ ist nach „Drive“, „Man on the Moon“ und „The Sidewinder Sleeps Tonight“ die vierte von insgesamt sechs Singles aus einem Jahrhundertwerk. Viele Bands scheitern nach dem Durchbruch schon mit ihrer zweiten Platte. Auch R.E.M., die mit ihrer siebten LP „Out of Time“ vom Independent-Label I.R.S. Records und dessen Indie-Rock-Umfeld zu Warner Brothers wechselten, mussten sich mit dem gigantischen Erfolg ihrer Singles „Losing My Religion“ und „Shiny Happy People“ auseinandersetzen. Das Ergebnis war ein kommerziell ebenso erfolgreiches Album, das den Vorgänger musikalisch jedoch überflügelte. Etwas Unbehagen gab es vorab schon, so Peter Buck im US-Rolling Stone. Der Gitarrist warnte: „Es klingt nicht wirklich nach uns“ – „Automatic For the People“ steht aber, das muss man heute feststellen, tatsächlich über den anderen, großartigen Longplayern der Gruppe. Das liegt auch an John Paul Jones. Der Bassist und Keyboarder von Led Zeppelin 65
a rrangierte die Streicher, die die Platte und auch den Song „Every body Hurts“ in teilweise unheilverkündendem Moll prägen. mp Original: R.E.M.: „Automatic for the People“ (1992, Warner, CD)
„The girls won’t touch me, ’cause I got a misdirection“ aus: „Final Solution“ von Pere Ubu Alfred Jarrys 1896 uraufgeführtes Stück „Ubu Roi“ wird Namensgeber einer 1975 in Cleveland, Ohio, gegründeten Gruppe. Das Stück des im Alter von nur 34 Jahren verstorbenen geistigen Vaters des Surrealismus beginnt mit dem verunstalteten französischen Wort „mertre“, das auf deutsch meist mit „Schreiße“ übersetzt wird. Dieser innovative Fluch passt auch zum Sextett Pere Ubu. Mit Jarry hat die Band um David Thomas einiges gemeinsam: Wie der Schriftsteller wird sie nicht berühmt, sondern nur von einer überschaubaren Anhängerschaft kultisch verehrt. Eine weitere Pa rallele: Auch Pere Ubu sind Vorbilder für eine jüngere Künstlergeneration. Ihr Stil ist von Anfang an punkig, enthält aber fremdartige Elemente aus Jazz oder Country, der heimlichen Liebe von Thomas. Das Sextett ist meisterlich im gemeinsamen Komponieren, aber auch im Zerstören von hübschen Melodien. Viele ihrer Songs werden mutwillig ihrer Schönheit beraubt und strahlen deshalb einen morbiden Charme aus. Was auch für „Final Solution“ gilt. „Endlösung“ ist ein harter Titel für einen Song, der die Einschränkungen durch eine nicht näher genannte Behinderung thematisiert: „The girls won’t touch me / ’Cause I got a misdirection“. Das Lied wird im Frühjahr nach „30 Seconds over Tokyo“ 1976 zur zweiten Single der Band und gehört zu den ersten Liedern, die Pere Ubu auf ihren Konzerten spielen: Beim legendären Auftritt im New Yorker Kultschuppen „Max’s Kansas City“, auf dessen Bühne auch The Velvet Underground („I’m Waiting for the Man“) oder Patti Smith („Because the Night“) spielen, wird „Final Solution“ live uraufgeführt. Obwohl es auf keiner regulären LP der Band zu finden ist, gehört es zu den wichtigsten und immer wieder gespielten Liedern von Pere Ubu. 66
Der Text beschreibt einen Minderwertigkeitskomplex, der so übermächtig ist, dass nur der Tod bleibt: „I don’t need a cure / Need a final solution“, singt Thomas zu einer eher ruhigen Melodie. Im Interview erzählt er, dass das Lied eine autobiographische Komponente hat und so manchen Moment des Selbsthasses in seinem Leben beschreibt. Der Sänger und Songwriter ist beispielsweise korpulent und damit optisch nicht unbedingt der Typ Mann, aus dem Sexsymbole gemacht sind. Aber Thomas sagt das mit einem Augenzwinkern: Man kann also davon ausgehen, dass sein Statement ein Körnchen Wahrheit enthält, das Lied aber eine satirische Überzeichnung darstellt: „The girls won’t touch me / ’Cause I got a misdirection“. Für seine Behinderung gibt es kein Rezept. Die Optionen, die das Nachtleben bietet, sind für ihn nicht existent: „And livin’ at night isn’t helpin’ my complexion“. Thomas macht die Behinderung dafür verantwortlich, dass sich keine Frau für den Protagonisten des Liedes interessiert und er sich deshalb selbst für lebensunswert hält: „It seems I’m the victim of natural selection“. Und dafür gibt es keine Heilung – „Don’t need a cure / Need a final solution“. Die Nähe zu faschistischen Begriffen wie „Endlösung“ oder „Auslese“ signalisiert auf satirisch überzeichnete und sarkastische Weise, wie schlimm es um den Mann steht. Das Lied ist, wie Thomas sagt, eine „Fünf-Minuten-Schocktherapie“ und wahrscheinlich ein Grund dafür, dass die Band immer noch existiert und ihr kreativer Kopf weiterhin lebt. Pere Ubu klingen heute noch so, als wollten sie mit vielen Worten nur „Mertre, was für ein Hundeleben“ sagen. mp Original: Pere Ubu: „Max’s Kansas City 1976“ (1996, Roir, CD) Andere Version: Pere Ubu: „Final Solution“ (1976, Hearthan Records, Single)
„It’s not time to make a change / Just relax, take it easy“ aus: „Father and Son“ von Cat Stevens Diesen Song schrieb Cat Stevens für ein Musical, das unter dem Namen „Revolussia“ geplant war. Es sollte von einem Jungen erzählen, der gegen den Willen seines Vaters an der Russischen Revolution 67
teilnehmen möchte. 1968 aber erkrankte Stevens an Tuberkulose, verlor einen seiner Lungenflügel und musste eine Auszeit von mehr als einem Jahr nehmen. Das Musicalprojekt wurde deswegen auf Eis gelegt – und nie wieder aufgenommen. Übrig blieb „Father and Son“: Ein Song, der, von allen politischen Bedeutungen befreit, den ewigen Konflikt zwischen Alt und Jung beschreibt. Cat Stevens verleiht seinem Text zwei Stimmen: die des Vaters und jene des Sohns. Den Vater gestaltet der 1948 in London geborene Sänger und Songwriter urig tief, sobald der Sohn anhebt, singt Stevens eine Oktave höher. Der musikalische Dialog thematisiert die unausweichliche Abnabelung vom Elternhaus. Der Vater versteht den Wunsch des Sohnes nicht, ein eigenes Leben führen zu wollen und versucht, ihn mit altbackenen Ratschlägen zurückzuhalten: „It’s not time to make a change / Just relax, take it easy“ – „Es ist nicht an der Zeit, etwas zu ändern / Entspann doch erst mal, nimm’s leicht“. Sein Lebensentwurf sei richtig gewesen, und an all der Unruhe nur sein jugendliches Alter und seine Unwissenheit schuld: „You’re still young, that’s your fault / There’s so much you have to know / Find a girl, settle down / If you want you can marry / Look at me: I am old but I’m happy“ – „Du bist noch jung, das ist dein Fehler / Du musst noch so viel lernen / Find ein Mädchen, werde sesshaft / Wenn du willst, kannst du heiraten / Schau mich an / Ich bin alt, aber glücklich.“ Der Sohn wiederum kann nicht genau erklären, was ihn umtreibt. Aber er weiß, dass es an der Zeit ist, sein Leben und sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Er beklagt auch, dass sein Vater nicht zuhört: „How can I try to explain? / ’Cause when I do, he turns away again/ (…) From the moment I could talk / I was ordered to listen / Now there’s a way and I know / That I have to go away.“ – „Wie soll ich es erklären? / Denn wenn ich’s tu, dann wendet er sich wieder ab. / (…) / Von dem Moment an, als ich reden konnte / Musste ich zuhören / Aber jetzt sehe ich einen Weg und ich weiß / Dass ich gehen muss.“ Ein letztes Mal versucht der Vater noch, den Sohn zu halten – allerdings mit denselben hilflosen Sätzen wie zuvor. Auf die Frage, ob dieser Song autobiografisch sei, gab Cat Stevens dem Musikmagazin Disc 1972 zur Antwort: „Ich habe meinen Vater nie wirklich verstanden, aber er ließ mich immer machen, was 68
ich wollte – er ließ mich gehen. ‚Father and Son‘ ist für jene Menschen, die sich nicht losreißen können.“ Der gesungene Dialog zwischen Vater und Sohn, der mehr einem Aneinander-vorbei-Reden gleicht, wurde 1970 ursprünglich nur als B-Seite der Single „Moon Shadow“ veröffentlicht, bevor er dann seinen Weg auf Stevens’ Hitalbum „Tea for the Tillerman“ fand. Er entwickelte sich danach schnell zu einem All-Time-Klassiker im Pop-Repertoire, von dem etliche Coverversionen existieren. Nur vier Jahre später sang Johnny Cash ihn mit seiner Stieftochter Rosie Nix Adams, unter dem leicht veränderten Titel „Father and Daughter“. Fast dreißig Jahre später spielte Cash den Song für „Unearthed“ noch einmal ein, diesmal mit der amerikanischen Sängerin Fiona Apple. 1995 nahm sich die irische Boygroup Boyzone des Liedes an und landete mit ihrer Version weltweit in den Charts. Auch Cat Stevens selbst hat „Father and Son“ in leicht abgewandelten Versionen mehrfach neu aufgenommen, zuletzt 2003 im Duett mit Ronan Keating, dem Ex-Sänger von Boyzone, der die Stimme des Sohnes übernahm. Stevens firmierte zu diesem Zeitpunkt längst unter dem Namen Yusuf Islam, da er Ende 1977 zum Islam konvertiert war. Auch diese Aufnahme wurde wieder ein großer Erfolg. gf Original: Cat Stevens: „Tea for the Tillerman“ (1970, Island, LP) Andere Versionen: Johnny Cash: „Junkie and the Juicehead Minus Me“ (1974, Columbia, LP) Boyzone: „Said and Done“ (1995, CD) Ronan Keating: „10 Years of Hits“ (2004, Polydor, 5 CDs) Johnny Cash & Fiona Apple: „Unearthed“ (2003, Universal, CD)
„I’m a firestarter, twisted firestarter“ aus: „Firestarter“ von The Prodigy Ausgerechnet in Großbritannien, dem Mutterland der Pop- und Rockmusik, landete dieser Song Ende des letzten Jahrtausends auf dem Index. „Firestarter“ kam im April 1996 als Vorabsingle zum Album „The Fat of the Land“ auf den Markt und wurde in der BBCMusiksendung „Top of the Pops“ samt Video vorgestellt. Kurz darauf brach ein Entrüstungssturm über die BBC herein, Beschwerde69
briefe empörter Eltern stapelten sich in der Sendezentrale, von einem „schändlichen“ und „provozierenden“ Text war die Rede und von einem sich „obszön“ gebenden Keith Flint, der bei dieser Nummer zum ersten Mal als Sänger der Band fungierte. Der Protest und die Kontroverse um den Song nahmen in den zeitgenössischen Medien breiten Raum ein, die BBC strahlte Lied samt Video nicht mehr aus. Der Song entwickelte sich trotzdem zum internationalen Hit. Der Zorn der Hörer und Seher ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. Schließlich hatten sich Punkbands wie Sex Pistols oder The Clash schon zwanzig Jahre zuvor ähnlich wütend präsentiert – damals vor allem gegen die Perspektiven- und Chancenlosigkeit der englischen Jugend. Doch inzwischen waren elf dürre Jahre unter Margaret Thatcher und sieben Jahre unter John Major ins Land gezogen. Die konservative Politik ließ das Land regelrecht verknöchern. Plötzlich wirkten Zeilen wie „I’m the trouble starter / Punkin’ instigator / I’m the fear addicted / Danger illlustrated“ – auf Deutsch: „Ich bin der, der Ärger macht / Der fürchterliche Anstifter / Ich bin der Furcht verfallen / Die illustrierte Gewalt“ wieder verstörend. Wenn Sänger Flint im schwarzweiß gedrehten Video „I’m the bitch you hated / Filth infatuated / I’m the pain you tasted / Fell intoxicated“ – auf Deutsch: „Ich bin die Schlampe, die du gehasst hast / Vom Abschaum verzaubert / Ich bin der Schmerz, den du geschmeckt hast / Dem du berauscht verfallen bist“ – singt und sich dazu höhnisch die Lippen leckt, dann ist die Provokation perfekt. Immer wieder wiederholt Flint im Song, der keinen Unterschied zwischen Strophen und Refrain kennt, auch zwei Zeilen, die wohl aufrüttelnd wirken sollen: „I’m the firestarter / Twisted firestarter“ – „Ich bin der Brandstifter / Der verdorbene Brandstifter“. Musikalisch lebt alles nicht nur vom trotzig-rotzig vorgetragenen Text, sondern vor allem von den massiv und wuchtig hämmernden Break Beats und aggressiven Synthie-Klängen. „Firestarter“ verwendet zudem Samples aus den Songs „S.O.S.“ von der amerikanischen Indie-Rock-Band The Breeders und „Close (to the Edit“) von The Art of Noise und ist ein Musterbeispiel für die mitreißende Verwendung der sogenannten Big Beats – ein Sound, den auch Musiker wie The Chemical Brothers, The Crystal Method oder Fatboy Slim nicht besser hinbekommen haben. 70
War die Anfangsphase von The Prodigy noch von der Rave-Kultur, Hardcore-Techno, Elektro-Industrial und Acid House geprägt, so integrierten sie bald auch Stilelemente von Drum ’n’ Bass, Jungle und Trip-Hop in ihre Musik und entwickelten so einen ganz eigenen Stil. Die Band, die sich nach einem Moog-Synthesizer benannt hat, vom DJ und Keyboarder Liam Howlett 1990 in Braintree/Essex zusammenstellt wurde und zu der neben Sänger Flint auch noch MC Maxim aka Keith „Maxim“ Palmer gehört, feierte schon mit dem Vorgängeralbum „Music for the Jilted Generation“ („Musik für die sitzengelassene Generation“, 1994) einen großen Erfolg. Mit „Firestarter“ – dem ersten Nummer-1-Hit der Band in Großbritannien –, der Nachfolgesingle „Breathe“ und dem dazugehörigen Album gf schaffte sie dann den weltweiten Durchbruch. Original: The Prodigy: „The Fat of the Land“ (1997, XL, CD)
„We’ve been spending most of our lives / Living in the Gangsta’s paradise“ aus: „Gangsta’s Paradise“ von Coolio Als 1976 der Song „Pastime Paradise“ herauskam, war er Teil der großartigen Doppel-LP „Songs In The Key Of Life“, mit der Stevie Wonder seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte. Überhaupt waren die 1970er-Jahre – beginnend mit dem Album „Where I’m Coming From“ und endend mit „Stevie Wonder’s Journey Through The Secret Lives Of Plants“ – die beste, weil am meistenkreative Phase in seiner langen Karriere. Insgesamt sieben Meisterwerke entstanden zwischen 1971 und 1979, und jedes Mal erweiterte Wonder seine Möglichkeiten beziehungsweise den musikalischen Horizont seiner Fans. In „Past Time Paradise“ ersetzte zum Beispiel – erstmals in einem Popsong – ein Synthesizer eine komplette Streicher-Formation. Der bis heute legendäre Yamaha GX-1 prägt auch den Sound von Coolios Welthit „Gangsta’s Paradise“ aus dem Jahr 1995. Der Rapper aus Pennsylvania („Fantastic Voyage“, „C U When U Get There“) verwendete nicht nur die Melodie, er übernahm auch das Tempo und die Instrumentierung des Originals von Stevie Wonder. 71
Textlich blieb Coolio ebenfalls nah an der Vorlage, aber er setzte deutlich mehr auf das gesprochene, gerappte Wort – und erschuf so einen der großen Hits der späten Gangster-Rap-Ära. Diese Vorgehensweise war ziemlich normal damals, so übernahmen etwa N.W.A., die Superstars des Gangster Rap, auch Bert Berns’ „Twist And Shout“ (Top Notes, The Isley Brothers, The Beatles) oder „Automobile“ von Parliament. Veränderte Textzeilen ergeben einen neuen Sinn: Aus „They’ve been spending most their lives / Living in a pastime paradise“ („Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens damit, / in einem vergangenen Paradise zu leben“) und der beobachtenden Titelzeile wird bei Coolio das in der persönlicheren Wir-Form gehaltene „We’ve been spending most of our lives / Living in the Gangsta’s paradise“ („Wir verbringen die meiste Zeit in unserem Leben damit / In einem Gangsterparadies zu leben“). Wo Stevie Wonder mahnend die Konsequenzen in einzelnen Schlagwörtern wie „Isolation“, „Ausbeutung“, „Verstümmelung“ oder „Ausgrenzung“ anpricht und „Ausschweifungen“ oder „Rassenunterschiede“ als das zentrale Böse in der Welt anprangert, beschreibt Coolio ein desillusioniertes, chancenloses Leben, das alles andere als ein Paradies ist: Der im Song 23-jährige Ich-Erzähler sagt, dass ihn sogar seine Mutter für verrückt hält, und er der böse Bube ist, dem die Kids im Ghetto nacheifern. Der Tod ist nur einen Herzschlag weit entfernt und bis jetzt – hier fällt Coolio ins „Du“ – sind es die anderen, „die ins Gras beißen“. Aber er weiß nicht, ob er seinen 24. Geburtstag noch erleben wird: „Ich bin ein durchgeknallter Gangster und mein Lebensmotto ist ‚friss oder stirb‘“, beschreibt er sich und seine Lebensrealität. Am Schluss fragt er fast schon flehend „Sag mir, warum sind wir zu blind zu erkennen, dass wir uns immer nur gegenseitig verletzen?“, während Stevie Wonder die Zeilen „Shame to anyone lives / Living in a pastime paradise“ („Schande über jeden / Der in einem vergangenen Paradies lebt“) singt. Coolios Text ist ein Statement der Zerrissenheit, das sich unmittelbar auf die in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren eskalierenden und in blutigenKämpfen ausufernden Bandenkriege unter afroamerikanischen Gangs und Jugendgruppen mit lateinamerikanischen Wurzeln bezieht. Speziell in der Metropole Los Angeles koste72
ten die Auseinandersetzungen unzählige Leben, wo Bloods, Crips und teilweise auch Mara Salvatrucha unerbittlich gegeneinander kämpften, um die Vormachtstellung im Drogenhandel zu erlangen. Erst 1992 – nach den Unruhen, die Ende April und Anfang Mai 53 Todesopfer forderten – schlossen Bloods und Crips ein Abkommen, das ein wenig Ruhe brachte. Dadurch ging speziell die Zahl der „Drive-by-Shootings“, also der Attentate aus fahrenden Autos heraus aber auch die der Morde allgemein zurück. Ein Paradies ist South Central L.A. jedoch bis heute nicht. Coolios Song wurde zum Welthit, auch weil er das zentrale Stück des Soundtracks zum erfolgreichen Hollywood-Streifen „Dangerous Minds – Wilde Gedanken“ war. In dem Film spielt Michelle Pfeiffer eine engagierte Lehrerin, die sich mit den vielen Problemen ihrer Highschool-Schüler beschäftigen muss. „Gangsta’s Paradise“ steht dabei für den Konflikt zwischen Zukunftsangst, Selbstfindung, Starkseinwollen, Aggression und Bedürfnis nach Liebe. Die Kids hören natürlich pausenlos Hip-Hop, neben Coolio auch 24K oder mp Big Mike. Original: Coolio: „Gangsta’s Paradise“ (1995, Tommy Boy Records, CD) OST: „Dangerous Minds“ (1995, MCA, CD) Vorlage: Stevie Wonder: „Songs in the Key of Live“ (1976, Motown, LP)
„If you wanna be with me, baby, there’s a price to pay / I’m a genie in a bottle“ aus: „Genie in a Bottle“ von Christina Aguilera Songs entstehen auf vielfältigste Art und Weise. Da gab es die Tin Pan Alley in New York, in der zum Beispiel Cole Porter komponierte, die Motown-Songwriter, die in Detroit Hits wie am Fließband lieferten, oder das elfstöckige Brill Building am New Yorker Broadway mit seinem fest angestellten Liederschreibern, das einem regelrechten Song-Think-Tank glich. Später waren es legendäre Songwriter-Duos wie Jerry Leiber / Mike Stoller, Gerry Goffin / Carole King, Mick Jagger / Keith Richards und John Lennon / Paul McCartney 73
oder singuläre Begabungen wie Bob Dylan und Bruce Spingsteen, die unvergessliche musikalische Momente schufen. Das hat sich inzwischen dramatisch geändert. Heute entstehen vor allem die Mainstream-Songs in sogenannten „Songwritercamps“ mit ihren „Pitches“ – die Lieder werden quasi im Wettbewerb geschrieben und anschließend unterschiedlichen Interpreten angeboten. Oder sie werden per Computer in einer Hitfabrik wie der des Schweden Max Martin programmiert, dem allein in den USA schon 21 Nummer-1-Hits gelangen und der unter anderem äußerst erfolgreich die Backstreet Boys, Britney Spears, Céline Dion, Katy Perry oder Taylor Swift mit Songs belieferte. Was immer wieder neu gesucht wird, sind die perfekte Zeile und die eingängigste Hook, das heißt: Melodielinie. Dafür verantwortlich sind Menschen, die sich mit neuen Berufsbezeichnungen schmücken und meist im Hintergrund bleiben oder höchstens klein gedruckt in den Credits auftauchen. Sie sind die Beat Producer, welche die instrumentale Musik fabrizieren. Die Texter, die sich der Perfektion der Songlyrics annehmen. Und die sogenannten Topliner, die die Gesangsmelodien perfektionieren. Der Beat-Experte verändert – je nach Künstler, für den produziert wird, die Rhythmen und Sounds. Der Texter sucht datengestützt und softwareoptimiert nach der einen unvergesslichen Zeile und dem eingängigsten Refrain. Der Topliner nach der Melodie oder dem Melodieteil, also der Hookline, an der alles hängt und die sich möglichst unauslöschlich in den Köpfen der Hörer einnisten soll. Diese Einleitung muss sein. Denn Christina Aguilera gehört zu dieser neuen Generation von Künstlern, die sich ihre Songs maßschneidern lassen. Aguileras Debüt-Song, der auf einem ursprünglich achttaktigen Loop aufbaut, schrieb das Songwriter-Team Steve Kipner, David Frank und Pam Shayne. Sie boten ihn zunächst verschiedenen Plattenfirmen an und waren mit Aguilera als Interpretin zunächst nicht einverstanden – sie kannten ihre Stimme nur von „Reflections“, einem Song aus dem Disney-Zeichentrickilm „Mulan“. Erst nach einem Vorsingen war das Team überzeugt. Allerdings musste der anfangs noch hart und kraftvoll klingende Song um Einiges weicher abgemischt werden, um Aguileras verletzlich wirkendem Charakter besser zu entsprechen. 74
Der Song sollte ursprünglich „If You Wanna Be With Me“ (frei übersetzt: „Wenn Du mit mir gehen möchtest“) heißen, Kipner änderte ihn später zu „Genie in a Bottle“ („Flaschengeist“). Der Text erzählt im Grunde keine eigene Geschichte, entstand weitestgehend durch Improvisation und wurde möglichst aufmerksamkeitsheischend zusammengepuzzelt: Es wimmelt von scheinbar unschuldigen, aber doch zweideutigen Anspielungen auf Sex und erwachende Erotik. „You’re licking lips / And blowing kisses my way“ („Du leckst deine Lippen / Und bläst Küsse zu mir rüber“) heißt es da, oder „Hormones racing at the speed of light“ („Die Hormone rasen mit Lichtgeschwindigkeit“), „My body’s saying let’s go“ („Mein Körper sagt: Los geht’s“) und „I can make your wish come true“ („Ich kann deine Träume wahr werden lassen“). Allerdings gibt es das nicht umsonst: „There’s a price to pay“ – ob mit Geld oder Gefühlen zu bezahlen ist, bleibt wohl absichtlich offen. Die Formulierung „I’m a genie in a bottle / You gotta rub me the right way“ („Ich bin ein Flaschengeist / Du musst mich auf die richtige Art reiben“) weckt Assoziationen nicht nur zu den Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Die geplante Provokation löste prompt in den Medien einen kleinen Skandal aus, womit dem Song weitere Aufmerksamkeit sicher war. Das Kalkül ging auf: Der Song, das Ergebnis kommerzialisierter Kreativität, verkaufte sich blendend und verhalf Christina Aguilera zu einem Einstand mach Maß. „Genie in a Bottle“ wurde am 22. Juni 1999 veröffentlicht und stürmte unmittelbar darauf für mehrere Wochen an die Spitze der Billboard-Charts. Aguileras Karriere, die inzwischen mit fünf Grammys und 27 Billboard Music Awards ausgezeichnet wurde, nahm Fahrt auf. gf Original: Christina Aguilera: „Christina Aguilera“ (1999, RCA, CD)
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„Every morning about this time, she get me out of my bed, a-crying get a job“ aus: „Get a Job“ von The Silhouettes Doo Wop ist eine leider etwas in Vergessenheit geratene Stilrichtung, die in den Großstädten Nordamerikas entstand. Sie prägte unter anderem The Beatles und ihren mehrstimmigen Gesang entscheidend, aber auch Surf-Bands wie The Beach Boys, Girlgroups wie The Ronettes oder The Shangri-Las sowie Motown-Formationen wie The Supremes, The Temptations oder The Four Tops. Seit den späten 1930er-Jahren, besonders aber zwischen 1948 – dem Jahr, in dem The Orioles ihr stilbildendes „It’s too Soon to Know“ aufnahmen – und 1963, in dem Gene Chandler mit „Duke Of Earl“ einen Schlusspunkt setzte, waren vor allem männliche Vokalgruppen sehr erfolgreich. Die meisten davon, etwa The Platters, The Clovers, The Coasters, The Penguins, The Danleers oder The Dominoes, bestanden aus Afroamerikanern, einige weiße Gruppen gab es auch, die meisten waren italienischstämmig – wie zum Beispiel Dion & The Belmonts oder The Elegants. Alle aber einte, dass der Gesang präzise und sehr harmonisch von allen Stimmlagen, also von Tenor, Bariton, Bass und einem beziehungsweise zwei Lead-Sängern geprägt war. Viele der Gruppen wie The Silhouettes aus Philadelphia hatten nur einen Hit. Sie tourten zwar mit Größen wie Jackie Wilson oder Sam Cooke und nahmen einige wirklich hübsche Singles wie „Headin’ for the Poorhouse“ oder „I Sold My Heart to the Junkman“ auf – aber nur „Get a Job“ schaffte es in die Charts und gehört in den USA bis heute zu den Pop-Klassikern. Das Lied kann man in diversen Filmen wie „American Graffiti“, „Good Morning Vietnam“, „Stand By Me“ und – selbstredend – in der Komödie „Get a Job“ hören. Es passt praktisch immer. Geschrieben wurde der schmissige Song mit seinen eingängigen Lautmalereien „sha na na“ und „dip dip dip dip“ von Earl Beal, Raymond Edwards, Richard Lewis und William Horton, den vier Mitgliedern der Silhouettes. Der eigentliche Text stammt aus der Feder vor Richard Lewis, der das Lied mit seiner Tenorstimme veredelte. Auf der Seite www.thesilhouettes.org erzählt er, dass er die Idee zu „Get a Job“ bereits seit 1950 mit sich herumtrug: „Als ich in den 76
frühen 1950er-Jahren beim Militärdienst war und nicht nach Hause kam, meinte meine Mutter, dass ich alles versuchen sollte, einen Job zu bekommen.“ Im Lied ist es die Ehefrau, die ihren faulen Mann drängt, einen Job zu finden – „After breakfast every day / She throws the want ads right my way / And never fails to say / Get a job“ („Jeden Tag nach dem Frühstück / Wirft sie mir die Anzeigen hin / Und immer wieder sagt sie / Such dir einen Job“). Sie bezeichnet ihn sogar als Lügner: „And when I go back to the house / I hear the woman’s mouth / Preaching and a-crying / Tell me that I’m lying about a job / That I never could find“ („Und wenn ich nach Hause zurückkomme / Höre ich die Stimme der Frau / predigend und anklagend / Wirft mir vor / Dass ich sie anlüge, was den Job betrifft, / den ich nie finden konnte“). Aber trotz der an sich eher schwierigen, nach einer handfesten Beziehungskrise klingenden Worte, ist „Get a Job“ unbeschwert, fröhlich und unglaublich mitreißend. Den Silhouettes gelang es damit ein einziges Mal in ihrer rund zwölf Jahre dauernden Karriere, den perfekten Popsong zu schreiben und aufzunehmen. Selbst Neil Young erwies diesem Lied seine Referenz und coverte es 2012 mit mp seiner Band Crazy Horse. Original: The Silhouettes: „Get AaJob“ (1957, Junior, Single) Andere Version: Neil Young & Crazy Horse: „Americana“ (2012, Reprise, CD)
„Oh girls they wanna have fun“ aus: „Girls Just Wanna Have Fun“ von Robert Hazard Das Lied beschreibt eine typische Situation – zumindest für Mädchen: Der Vater ruft der Tochter hinterher, möchte wissen, wo sie ist und was sie macht. Sie fühlt sich kontrolliert, will doch eigentlich nur ihren Spaß haben. In Cindy Laupers Hit aus dem Jahre 1983 heißt es: „The phone rings in the middle of the night / My father yells: ‚What you gonna do with your life? / Oh daddy dear you know you’re still number one / But girls they wanna have fun“ („Das Telefon klingelt mitten in der Nacht / Mein Vater schreit ‚Was machst du 77
aus deinem Leben?‘ / Oh lieber Vater, du weißt, du bist immer noch meine Nummer eins / Aber Mädchen wollen einfach nur ihren Spaß haben“). Der eifersüchtige und ängstliche Dad macht sich Sorgen. Würde er das bei einem Sohn im selben Maße tun? Vermutlich nicht – und genau das ist es, was weibliche Teenager zu Recht als ungerecht empfanden und empfinden. Für den weltweiten Erfolg von „Girls Just Wanna Have Fun“, das in den USA mit doppeltem Platin ausgezeichnet wurde, ist sicher nicht nur die eingängig-fröhliche Melodie verantwortlich. Es sprach den Mädels einfach aus der Seele. Dabei stammt das Lied ursprünglich von einem Mann, der es damit aber nur zu einer Demo-Aufnahme brachte: Robert Rimato, alias Robert Hazard („Change Reaction“) schrieb es 1979 – aus der Sicht eines Mannes, der Mädchen unterstellt, dass sie nur ihren Spaß haben wollen. Die New Yorkerin Cindy Lauper erzählt die Geschichte jetzt aber aus der weiblichen Sicht, was den Text viel dringlicher erscheinen lässt. Im witzigen, absichtlich klischeeüberladenen Video wurde Cindys Mom von ihrer echten Mutter gespielt, den besorgten Vater, der seine Tochter nicht loslassen will, mimte der Schauspieler und Wrestler Lou Albano. „Girls Just Wanna Have Fun“ ist hier die zeitlose Hymne der selbstbewusst sich von ihren Eltern lösenden Mädchen – und stammt von Cindy Laupers Debütalbum: „She’s So Unusual“ erschien im Dezember 1983 und wartete mit vier weiteren US-Top-Ten-Hits auf. Der neben „Girls … “ bekannteste ist wohl das bald darauf von Miles Davis’ Wehmuts-Trompete geadelte „Time After Time“. Den Erfolg ihres Erstlings, der sich weltweit bislang über 16 Millionen Mal verkaufte, konnte Cindy Lauper nie – wiederholen, der Nachfolger „True Colors“ steht aktuell bei sieben Millionen Exemplaren, ihre weiteren Alben gingen allesamt unter. Aber „Girls Just Wanna Have Fun“ ist unsterblich – Lauper veröffentlichte 1994 sogar eine mp neue Version davon. Original: Robert Hazard: „Girls Just Wanna Have Fun“ (1979, Demoaufnahme für RCA) Andere Versionen: Cindy Lauper: „She’s So Unusual“ (1983, Epic, LP) Cindy Lauper: „Twelve Deadly Cyns… and Then Some“ (1994, Epic, CD) Miley Cyrus „Breakout“ (2008, Hollywood Records, CD)
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„Who is the girl, wearing nothing but a smile and a towel in the picture on a billboard in a field near the big old highway?“ aus: „Girl on the Billboard“ von Del Reeves Wie heißt es in Helge Schneiders Lied „Gartenzaun“? „Das ganze Geld mit Quatsch verdient / Und dann der Garten an der falschen Seite / Das ist Scheiße“ – denn dadurch wird es ganz schwierig, dem Hobby „Frauenschauen“ zu frönen. Dass diese Leidenschaft als sexistisch und damit als verpönt anzusehen ist, dürfte Helge Schneider gewusst haben, aber dem Scherzkeks war das erst einmal egal. Dabei muss man nicht unbedingt am Gartenzaun stehen und die sprichwörtlichen Maulaffen feil halten, wie man so schön sagt. Schöne Frauen werden seit jeher auf Werbeplakaten sexualisiert und auf den Körper reduziert. Das war schon 1965 so, als der Countrysänger Del Reeves seinen größten Hit „Girl on the Billboard“ veröffentlichte. Der Sänger aus Sparta/North Carolina war von 1961 an und bis in die mittleren 1980er-Jahre hinein konstant in den Country-Charts vertreten – aber besonders erfolgreich war er mit Liedern über aktives Mädchenbeobachten. Denn direkt nach dem von Hank Mills geschriebenen „Girl on the Billboard“ kam er mit dem thematisch recht ähnlichen „The Belles of the Southern Bell“ noch mal in die Top Five. Reeves versucht sich in seinem Truckersong als schmachtender Fernfahrer, der irgendwo im Niemandsland auf seinem Weg von St. Louis nach Chicago an einem sehr offenherzigen Plakat vorbeifährt. Die Lady, die nichts trägt als ihr bezauberndes Lächeln und ein Handtuch, bringt sein Blut dermaßen in Wallung, dass er schließlich die Kontrolle über den Lkw verliert und dessen Teile quer über die Route 66 streut – „Who is the girl / wearing nothing but a smile and a towel in the picture on a billboard in a field near the big old highway?“ („Wer ist das Mädchen / Das nichts anhat als ein Lachen und ein Handtuch auf dem Foto auf der Plakatwand in einem Feld in der Nähe des großen, alten Highways?“). Die deutsche Version von „Girl on the Billboard“ kam erst 1977 auf den Markt. Text und Interpretation, einschließlich des einprägsamen „A dedledei dom, a dedledei dom“ zu Beginn jeder Strophe, entsprechen dem Original. Bloß, dass die Schöne in Truck Stops 79
„Die Frau mit dem Gurt“ eben kein Handtuch, sondern den Sicherheitsgurt auf der nackten Haut trägt. Das Lied bezog sich nämlich auf ein Plakat, das als Teil der Kampagne „Erst gurten – dann starten“ Autofahrer dazu bewegen sollte, sich anzuschnallen. Offiziell eingeführt wurde die Gurtpflicht in Deutschland zwar schon am 1. Januar 1976, allerdings wurde damals kein Bußgeld verlangt, wenn man ungeschützt „erwischt“ wurde. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schrieb Ende 2010, dass laut einer Umfrage zwar 90 Prozent der Autofahrer einsahen, dass der Gurt Leben retten konnte, ihn aber mehrheitlich nicht nutzten. Die Ängste waren sehr irrational und aus heutiger Sicht unverständlich: Man befürchtete, bei einem Brand nicht rechtzeitig aus dem Fahrzeug beziehungsweise an das Löschgerät zu kommen – oder bei einem Sturz in ein Gewässer ertrinken zu müssen. Dass dies so selten passierte, dass diese Unfallart gar nicht in der Statistik erfasst wurde, interessierte die verängstigten Bundesbürger nicht. Viele Frauen befürchteten ohnehin mehr, der Gurt könnte auf Dauer ihren Busen flachdrücken. Sicher war das Plakat nicht maßgeblich dafür verantwortlich, aber letztlich setzte sich das Sicherheitsbewusstsein durch – die Zahl der Toten im Straßenverkehr ging seit den 1970er-Jahren stark zurück. Für Truck Stop, die Cowboys aus Hamburg, war „Die Frau mit dem Gurt“ der erste größere Erfolg. Er stammt wie die nächste Hitsingle „Ich möcht’ so gern Dave Duddley hörn“ aus ihrem dritten Studioalbum „Zu Hause“. 1979, rund eineinhalb Jahre nach ihrem „A dedledei dom, a dedledei dom“ nahmen die Hamburger mit „Take it easy, altes Haus“ am deutschen Vorentscheid für den Grand Prix d’Eurovision teil. Del Reeves hatte zu dieser Zeit mit dem schönen „Dig Down Deep“ und mit „Take Me to Your Heart“ zwei kleinere Hits, die aber nur bei Country-Radiosendern in den USA häufig gespielt wurden. mp Original: Del Reeves: „Del Reeves Sings Girl on the Billboard“ (1965, United Artists, LP) Andere Version: Truck Stop: „Zu Hause“ (1977, Metronome, LP)
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„So goodbye yellow brick road / Where the dogs of society howl“ aus: „Goodbye Yellow Brick Road“ von Elton John Bei uns ist das 1900 erschienene Kinderbuch „Der Zauberer von Oz“ (im Original: „The Wizard of Oz“), geschrieben von Lyman Frank Baum, fast unbekannt. In Amerika dagegen gehört es zum Allgemeingut. Das Märchen von der kleinen Dorothy mit den roten Schuhen, die den Zauberer sucht, um wieder nach Hause auf ihre Farm zu finden und auf ihrem Weg den Zinnsoldaten kennenlernt, der gerne ein echtes und mitfühlendes Herz hätte, und den lieben Löwen, der gerne etwas mutiger wäre, ist einfach nur bezaubernd. 1939 wurde die Geschichte von Walt Disney mit Judy Garland in der Hauptrolle verfilmt. Als einer von nur drei Filmen ist „Der Zauberer von Oz“ heute Teil des Weltkulturerbes der Unesco. Elton Johns langjähriger Texter Bernie Taupin sah diesen Film bereits als Kind – und benutzte das Märchen Jahrzehnte später mit dem britischen Musiker als Allegorie für Menschen, die zu lange irgendwelchen Erfolgen und falschen Zielen nachjagen. So heißt es gleich in der ersten Strophe „When you are gonna come down? / When are you going to land? / I should have stayed on the farm“ („Wann kommst du wieder auf den Boden? / Wann wirst du landen? / Ich hätte auf der Farm bleiben sollen“). Die „yellow brick road“, die mit gelben Ziegelsteinen gepflasterte Straße, ist der Weg, der zum Zauberer führt. Aber auch der kann im Märchen nur erklären, dass der Weg zu ihm umsonst war. Das gute Leben, das der Besucher suche, so der Magier, befände sich schließlich an dem Ort, den er verlassen habe. Er könne nicht viel mehr tun, als ihm den Weg zurück zu zeigen. Bleibt die Frage: Warum diese Straße überhaupt betreten? Die „yellow brick road“ führt ohnehin nur zu einer entseelten Showund Glitzer-Welt. Dorthin, wo die Gesellschaftslöwen heulen („Where the dogs of society howl“) oder scheinbar das gute Leben nur lockt: „You can’t plant me in your penthouse / I’m going back to my plough“ („Du kannst mich nicht in dein Penthouse verpflanzen / Ich kehre zu meinem Pflug zurück“). Irgendwann reift beim Suchenden die Erkenntnis: „Oh, I finally decided my future lies / Beyond the yellow brick road“ („Oh, ich habe endlich entschieden, dass meine Zukunft / Jenseits der Straße mit den gelben Ziegelsteinen liegt“). 81
Das gesellschaftskritische Lied landete wie das gleichnamige Doppelalbum, das noch andere Hits wie „Bernie And The Jets“, „Sweet Painted Sister“ und „Candle in the Wind“ – die spätere Lady-Di-Hymne – abwarf, weltweit in den Charts und gilt heute, obwohl im typischen Sound der 1970er-Jahre produziert, als eines der besten, das Elton John jemals aufgenommen hat. gf Original: Elton John: „Goodbye Yellow Brick Road“ (1973, MCA, DoLP)
„Go west – life is peaceful there / Go west – lots of open air / Go west – to begin life new / Go west – this is what we’ll do“ aus: „Go West“ von Village People Ein Indianer, ein Cowboy, ein Bauarbeiter, ein Indianer, ein Cowboy, ein Soldat und ein Rocker – das sind die maskulinen Abziehbilder, denen die speziell für ein homosexuelles Umfeld gecastete Formation Village People rein optisch entspricht. Wenn es um den Song „Go West“ geht, sollte eigentlich ein Dieb hinzukommen, doch der entspricht nicht den gängigen Rollenklischees. Die Melodie des Songs scheint geklaut – und zwar von der sowjetischen Nationalhymne und teilweise vom „Kanon in D“ des Nürnberger Komponisten Johann Pachelbel. Den Titel wiederum entnahm man dem gleichnamigen, höchstturbulenten Marx-Brothers-Film-(1940, deutscher Titel „Die Marx Brothers im Wilden Westen), in dem Groucho und Co. genauso mit den Klischees spielen wie die Village People. Gleich zeitig bezieht er sich wie auch die Marx Brothers auf das „Destiny Manifest“ aus dem 19. Jahrhundert mit dem göttlichen Auftrag für die USA, sich über den gesamten Kontinent auszubreiten: Mit dem Slogan „Go West, Young Man!“ wurden damals junge Leute dazu aufgerufen, den „Wilden Westen“ zu besiedeln. Village People wollten speziell die Gay Community nach San Francisco locken – die Stadt, in der Freizügigkeit und Toleranz gelebt wurden. Zumindest bis Aids kam. Schon ihr erster Hit, die mehr als zehn Minuten lange DiscoHymne „San Francisco (You’ve Got Me)“ wurde Nummer eins der US-Dance-Charts. Man reduziert die Gruppe, die tatsächlich ein 82
gutes Dutzend erfolgreicher Titel aufzuweisen hat, heute aber meist auf ihren Evergreen „Y.M.C.A.“ Auch „Go West“ bringt kaum jemand mit dem schillernden Sextett in Verbindung, denn die lust betonten Zeilen „Go west – life is peaceful there / Go west – lots of open air / Go west – to begin life new / Go west – this is what we’ll do“ („Auf nach Westen – das Leben ist friedlich / Auf nach Westen – jede Menge Frischluftvergnügen / Auf nach Westen – um das Leben neu zu beginnen / Auf nach Westen – das ist es, was wir tun“) wurden erst viel später zum Welthit: Im September 1993, also14 Jahre nach der Aufnahme der Village People, haben die Pet Shop Boys „Go West“ mit enthusiastisch marschierenden Synthesizern aufgepeppt. Neil Tennant und Chris Lowe waren sich der Herkunft des Songs bewusst: Das computeranimierte Video zu „Go West“ steckt voller sowjetischer Symbole. Uniformierte Rotarmisten marschieren darin letztlich zur Freiheitsstatue und damit in den Goldenen Westen. Die Version der Pet Shop Boys blieb kein Geheimtipp in der Schwulenszene, sie erreichte binnen weniger Wochen den ersten Platz der Pop-Charts und überwand die Türsteher aller DanceClubs. Als „Go West“ zweieinhalb Monate nach seiner Veröffentlichung auch noch von den Fußballfans entdeckt wurde, war ihm ewiger Kultstatus sicher: Während des UEFA-Cup-Achtelfinalspiels zwischen Borussia Dortmund und Bröndby Kopenhagen (1:0) sangen die Fans der Westfalen „Olé, jetzt kommt der BVB“ nach der „klassischen“ „Go West“-Melodie. Anhänger von West Bromwich Albion, Arsenal London, Schalke 04 und anderer Vereine skandieren das Lied bis heute regelmäßig in ihren Stadien. In Deutschland wird meist „Steht auf, wenn ihr Schalker, Sechzger oder Club-Fans seid“ gesungen. So hat sich eine Glitzer-Pop-Hymne zu einem hitzigen Verbrüderungschor für die Fußballfan-Massen entwickelt. mp Original: Village People: „Go West“ (1979, Casablanca Records, LP) Andere Versionen: Pet Shop Boys: „Very“ (1993, Parlophone, CD) J.B.O.: „Laut“ (1997, Lawine, CD)
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„An der Umgehungsstraße / Kurz vor den Mauern unserer Stadt / Steht eine Nervenklinik / Wie sie noch keiner gesehen hat“ aus: „Goldener Reiter“ von Joachim Witt Dass Joachim Witt mal mehr, mal weniger erfolgreich durch die deutsche Kulturlandschaft irrlichtert, dürfte die wohl zutreffendste Beschreibung sein. Irgendwann Mitte der 1970er-Jahre beschloss der 1949 in Hamburg geborene Witt, sich ganz der Musik zu widmen. Ohne jeglichen kommerziellen Erfolg nahm er unter dem Pseudonym „Julian“ für die Plattenfirma Metronome die Single „Ich bin ein Mann“ auf. Weil es mit der Musik also zunächst nicht so recht klappen wollte, absolvierte er noch eine Schauspielausbildung und war bald am Hamburger Thalia Theater engagiert. Die zwei Eckpfeiler des Witt’schen Lebens waren damit eingeschlagen. 1976 gründete er die Band Duesenberg, brachte drei Platten heraus, feierte kleinere Erfolge, versuchte sich dann wieder als musikalischer Solist – und hatte Glück. Gleich mit seinem ersten Album „Silberblick“, im Dezember 1980 veröffentlicht, geriet er in den Sog der Neuen Deutschen Welle, die auch ihm zu einem raketengleichen Aufstieg verhalf. Auf „Silberblick“ fand sich auch sein erster großer Hit: „Goldener Reiter“. „An der Umgehungsstraße / Kurz vor den Mauern unserer Stadt / Steht eine Nervenklinik / Wie sie noch keiner gesehen hat“ heißt es gleich zu Beginn des Songs. Wer jetzt aber tatsächlich an ein Nervensanatorium dachte, ging fehl. Witt meinte hier, in der typisch NDW-trotzigen Art vorgetragen, die Theodor-Körner-Kaserne in Lüneburg, die tatsächlich direkt an einer Umfahrungsstraße liegt und in der er seinen Wehrdienst abgeleistet hat und in der man „noch verrückter gemacht wird“. Das Panzeraufklärungslehrbataillon 3 wiederum, das hier stationiert war, trug einen goldenen Reiter in seinem Wappen. Zeilen wie „Lebensbedrohliche Schizophrenie / Neue Behandlungszentren / Bekämpfen die wirklichen Ursachen nie“ lassen natürlich an Nervenkrankheiten denken – wie es auch die Krankenschwestern im dazugehörigen, in Hamburg gedrehten Video suggerieren. Witt könnte aber genauso gut die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gemeint haben, unter der viele Soldaten nach ihrer Heimkehr von einem Krisenschauplatz leiden. 2014 84
erzählte Witt in einem Interview mit dem NDR, das sich sein Song auch auf Sydney Pollacks Streifen „Der elektrischer Reiter“ bezieht, in dem die Hauptfigur eine leuchtende Uniform trägt. Die Single „Goldener Reiter“, im Mai 1981 veröffentlicht, schaffte es bis auf Platz zwei der deutschen Charts und verkaufte sich rund 250.000 Mal. 1995 veröffentlichte Witt unter dem Titel „Golden Raver“ dann noch eine Technoversion, die in den einschlägigen Clubs gut lief und die in Zusammenarbeit mit Komakino entstand An diesen Erfolg konnte Witt erst wieder mit der Single „Die Flut“(1998, 750.000 Mal verkauft) und dem Album „Bayreuth I“ (500.000 Mal verkauft) anknüpfen. 2012 erregte er mit „Gloria“, einem weiteren militärkritischen Lied, noch einmal gesteigerte Aufmerksamkeit – vor allem mit dem Video, das sexuelle Übergriffe von gf Soldaten thematisierte. Original: Joachim Witt: „Silberblick“ (1980, WEA, LP)
„I try to be like Grace Kelly, / but all her looks were too sad“ aus: „Grace Kelly“ von Mika Wer erinnert sich nicht an das Cover der Beatles-LP „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“? An dieses fröhliche Gewimmel von bekannten und nicht so bekannten Figuren der damals aktuellen PopSzene? Oder an George Dunnings kunterbunten Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ von 1968, grundiert mit Beatles-Songs? Gehören Sie dazu? Dann haben Sie bereits eine Ahnung davon, wie die Plattenhüllen der Single „Grace Kelly“ und von Mikas Debütalbum aussehen und warum er es „Life in Cartoon Motion“ genannt hat: pure psychedelische Pracht und Comic-Artworks, wie sie auch die Cover der Cream-LPs „Disraeli Gears“ oder „Wheels of Fire“ zierten. Soll heißen: Mika zitiert gerne. Er tut das in jeder Hinsicht, auch in seiner Musik, und da mit Vorliebe die 1970er- und 1980er-Jahre. Der Multiinstrumentalist, als Sohn einer Libanesin und eines USAmerikaners 1983 in Beirut geboren, präsentiert seinen Song „Grace Kelly“ als eine irrlichternde Mischung aus einer Prise Freddie Mercury, was die Stimme und das Klavier betrifft, ein wenig David Bo85
wie, was die Attitüde betrifft, und einem Sound, bei dem die frühe Disco-Kultur mehr als nur durchklingt. Wer will, hört die Bee Gees, auch den Glamrock eines Barry Blue oder den britischen Schlagersänger John Kincade („Dreams are Ten a Penny“). Aus der Ferne ähnelt die Melodie zudem dem frühen 1970er-Hit „See My Baby Jive“ von Roy-Woods Band Wizzard, der 1973 an der Spitze der britischen Charts stand. Mit dem Text von „Grace Kelly“ verhält es sich ähnlich: Er ist ein vor sich blubberndes Konglomerat von Fragen, die der Protagonist nur stellt, weil er jemanden kennenlernen möchte, aber nicht weiß, wie er das am besten anstellen soll. Er versucht Einiges: „I try to be like Grace Kelly / but all her looks were too sad“ („Ich versuche, wie Grace Kelly zu sein / aber sie blickte immer zu traurig“). Er bietet an, braun sein zu können oder auch blau, er könnte ein violetter Himmel sein oder ganz einfach: „I could be anything you like“ („Ich könnte alles sein, was du willst“). Mehr kann er nicht anbieten, weswegen er die Anlehnung nicht versteht: „Why don’t you like me?“ („Warum magst du mich nicht?“) Nachdem „Grace Kelly“ im Internet bereits erfolgreich kursierte, wurde es am 14. Januar 2007 veröffentlicht und landete umgehend an der Spitze der damals noch jungen britischen Download-Charts. Nur eine Woche später rangierte die auf einem physischen Tonträger veröffentlichte Single ebenfalls auf Platz eins. Bis heute hat Mika, der als Michael Holbrock Penniman geboren wurde und damit den gleichen Nachnamen wie die Rock’n’Roll-Legende Little Richard trägt, von seinem Debütalbum fast sechs Millionen Stück verkauft. gf Seine weiteren Platten gingen jedoch unter. Original: Mika: „Life in Cartoon Motion“ (2007, Island, CD)
„Green door, what’s the secret you’re keepin’“ aus: „Green Door“ von Shakin’ Stevens Einmal Rock’n’Roller, immer Rock’n’Roller. Das ist kurz und bündig zusammengefasst die Karriere des Shakin’ Stevens. Er kam 1948 als Michael Barratt in Cariff/Wales zur Welt, fing früh an zu musi86
zieren und schaffte es 1969 mit seiner Band Shakin’ Stevens and the Sunsets sogar ins Vorprogramm der Rolling Stones. Sie tourten sieben Jahre fast ununterbrochen und nahmen etliche Platten auf, ohne den Durchbruch zu schaffen. Die aufkommende Disco-Welle machte der Rock’n’Roll-Band dann den Garaus. Die Karriere stockte, und die Durstrecke überdauerte Stevens als Elvis-Darsteller in ein Londoner Musical – bis Rock’n’Roll und Rockabilly im Gefolge der Stray Cats und anderen Formationen ein kleines Revival feierten. Plötzlich hatte auch Stevens Erfolg und landete 1980 mit „Marie, Marie“ und „This Ole House“ (A- und B-Seite derselben Single) gleich einen Doppelerfolg. Stevens’ Version von „Green Door“ erschien ein knappes Jahr später, am 17. Juli 1981, und stürmte sofort die Charts. Geschrieben wurde „Green Door“ bereits 1956, von Bob „Hutch“ Davie und Marvin Moore, und gesungen vom US-Sänger Jim Lowe, der damit im November 1956 auf Platz eins der Billboard- Charts rangierte und dort Elvis Presley mit seinem Schmachtfetzen „Love Me Tender“ verdrängte. 1964 gelang es Bill Haley sogar, mit diesem Song für sich ein kleines Comeback einzuläuten. Der Text beschreibt nonchalant, etwas subversiv, aber humorvoll die Anziehungskraft eines mysteriösen Clubs hinter einer grünen Tür, durch die die Töne eines Klaviers dringen, hinter der sich offenbar „a happy crowd“ („eine glückliche Menschenmenge“) aufhält, die raucht und sich gut unterhält („laugh a lot“ – „lachen viel“). Nur: Der Sänger darf nicht eintreten, was ihn kräftig wurmt: „Knocked once, tried to tell ’em I’d been there / Doors slammed, hospitality’s thin there / Wonder just what’s goin on in there“ („Habe einmal angeklopft, habe versucht, ihnen zu sagen, dass ich jetzt da bin / Doch die Türen schlagen zu, Gastfreundschaft ist hier nicht sehr ausgeprägt / Ich frage mich, was da drinnen los ist“). Immer wieder wundert sich der Sänger: „Green door, what’s the secret you’re keepin’?“ („Grüne Tür, welches Geheimnis verbirgst du bloß?“) Über die Jahre hielten sich zwei Gerüchte, was mit dem Club und der grünen Tür gemeint sein könnte. Zum einen dachten viele an das Gateways, Londons ersten Club für Lesben, der von 1930 bis 1985 existierte, sich in der Bramerton Street im Stadtteil Chelsea 87
befand und den man nur durch einer grüne Eingangstür betreten konnte. Später brachten manche den Pornofilmklassiker „Behind the Green Door“ als mögliche Inspirationsquelle ins Spiel, dessen Geschehnisse sich ebenfalls hinter einen grünen Tür abspielen. Der Film entstand allerdings erst 1972 – vermutlich verlief die Inspiration also umgekehrt. Wie auch immer: Stevens surfte in den 1980er-Jahren auf einer riesigen Erfolgswelle. 35 seiner Songs, sehr oft Coverversionen von Rock’n’Roll-Klassikern, kamen in die Top 40. Viermal schafften sie es sogar bis ganz nach oben in den Charts. „Shaky“, jene Langspielplatte, die mit „Mona Lisa“ und „You Drive Me Crazy“ noch zwei weitere Hits abwarf, sollte jedoch Shakin’ Stevens einziges Nummer1-Album in Großbritannien bleiben. gf Original: Shakin’ Stevens: „Shaky“ (1981, Epic, LP)
„Because I’m happy / Clap along if you feel like a room without a roof“ aus: „Happy“ von Pharrell Williams Sie verbreiten gute Laune und niemand weiß so recht, wo sie plötzlich hergekommen sind: Songs wie „Don’t worry be happy“ (1988) von Bobby McFerrin, „All I Wanna Do“ (1993) von Sheryl Crow oder „MfG“ (1999) von den Fantastischen Vier. Seit 2013 können wir auch „Happy“ von Pharrell Williams dazuzählen. Es gab in diesem Jahr kein Radio, keinen PC und keinen Lautsprecher, aus dem das Lied nicht tönte. Das betont rhythmisch und im Falsett gesungene Lied erzählt keine Geschichte – es fordert einfach auf, glücklich zu sein, Negatives zu ignorieren, das Leben zu feiern und findet dafür ein paar nachvollziehbare und ein paar unsinnige Gründe. Mal geht für den Sänger die Sonne auf, wenn die Freundin da ist („Sunshine, she’s here“), mal fühlt er sich leicht wie ein Heißluftballon, bereit in den Weltraum zu entschweben („I’m a hot air balloon that could go to space“), mal ist er nur glücklich und nichts kann seine Laune trüben: „Happy – Bring me down, can’t nothin’“ („Glücklich – Mich runter88
ziehen, nichts schafft das“), oder „Happy – Bring me down, your love is too high“ („Glücklich – Mich runterziehen, deine Liebe ist zu stark“). Und es lädt den Hörer fortwährend ein, mitzumachen, wenn er sich genauso fühlt: „Because I’m happy / Clap along if you feel like a room without a roof“ („Denn ich bin glücklich / Klatsche mit, wenn du dich wie ein Raum ohne Dach fühlst“) oder: „Because I’m happy / Clap your hands, if you feel like happiness is the truth“ („Denn ich bin glücklich / Klatsche mit, wenn du fühlst, dass Glück die Wahrheit ist“). Eine Zeit lang war Pharrell Williams der Tausendsassa der Popmusik. Er produzierte laufend Songs für andere Musiker produziert oder lieh ihnen ihre Stimme– darunter das französische House-Duo Daft Punk, die Rapper Jay-Z, Nelly und Snoop Dogg sowie die R&B- und Pop-Stars Robin Thicke, Beyoncé, Miley Cyrus, Justin Timberlake, Madonna und Britney Spears. Pharrell hat zwei eigene Longplayer veröffentlicht und macht inzwischen auch Mode. Die Zahl der Preise, mit denen er prämiert wurde, ist kaum noch zu überschauen. „Happy“ erschien zuerst auf dem Soundtrack zum Film „Ich – Einfach unverbesserlich 2“ und wurde von Pharrell erst ein Jahr später auf seinem Album „Girl“ veröffentlicht – es war sein erster Nummer-1-Hit als Solokünstler. Das Lied chartete weltweit und wurde im September 2015 in Deutschland mit einer inzwischen selten gewordenen diamantenen Schallplatte ausgezeichnet – für eine Million verkaufte Exemplare. Weltweit war es 2014 mit über 14 Millionen Verkäufen (Singles und Downloads) der erfolgreichste Song überhaupt. Für seine Liveversion des Lieds heimste Pharrell noch einen Grammy für die beste Pop-Darbietung ein. Die 24-stündige Videoinstallation zum Lied wurde als Musikvideo des Jahres ausgezeichnet. Selbst eine Oscar-Nominierung als bester Filmsong war noch drin. Wenn das alles nicht glücklich macht. gf Originale: OST: „Despicable Me 2“ (2013, Black Lot Music, CD) Pharrell Williams: „Girl“ (2014, i Am Other, CD)
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„A merry merry Christmas and a happy New Year / Let’s hope it’s a good one without any fear“ aus: „Happy Xmas (War Is Over)“ von John Lennon & Yoko Ono / Plastic Ono Band Dieses Lied ist ein Weihnachtslied. Es stellt gleichzeitig den Höhepunkt einer Phase dar, in der Yoko Ono und John Lennon mehrere öffentlichkeitswirksame Happenings für den Weltfrieden – Amerika führte gerade in Vietnam Krieg und weite Teile des Landes protestierten dagegen – veranstaltet haben. Das mag aus heutiger Sicht naiv wirken, aber Ono und Lennon meinten es todernst, sie begeisterten und überzeugten gerade deswegen sehr viele Menschen. Die japanische Fluxus-Künstlerin und der Beatle heirateten im März 1969 und feierten ihre Flitterwochen öffentlich – als einwöchiges „Bed-In“. Ab dem 26. März gaben sie täglich im Hilton-Hotel in Amsterdam vom Bett aus Interviews, um so ein Zeichen für den Frieden zu setzen. Später wiederholten sie die Aktion in Montreal. Zuvor flogen sie aber noch nach Wien, wo sie gemeinsam in einen Sack schlüpften und so eine Pressekonferenz gaben. Mit der ebenfalls 1969 gegründeten Plastic Ono Band nahmen sie als ersten Song das programmatische „Give Peace A Chance“ auf – ein Top-20-Hit. Ab Dezember 1969 organisierten sie eine Plakat- und Posterkampagne, die in New York, Los Angeles, Toronto, Tokio, Rom und Berlin zu sehen war. Die Aufschrift lautete: „War is over! If You want it. Happy Christmas from John & Yoko“ („Der Krieg ist aus! Wenn Du es willst. Fröhliche Weihnachten von John & Yoko“). Diese Zeile wurde zum Ausgangsunkt des Songs und findet sich auch unverändert im Text wieder. Die Zeilen des Liedes sind so allgemein gehalten, dass jeder sich angesprochen fühlen kann: „And so this is Christmas / I hope you have fun / The near and the dear ones / The old and the young“ („Das ist also Weihnachten / Ich hoffe, Du ha st Spaß / Die mir Nahen und die Lieben / Die Alten und die Jungen“) singt Lennon, und versucht dabei, alle Menschen zu umarmen: die Schwachen und die Starken („For weak and for strong“), die Reichen und die Armen („For rich and the poor ones“), die Schwarzen und die Weißen („For black and white“) sowie die Gelben und die Roten („For yellow and 90
the red ones“). Ein kleiner Appell darf nicht fehlen: „Let’ stop all fight now“ („Lasst uns alle Kämpfe beenden“). Denn nur dann, so suggeriert das Lied, können wir wirklich auf ein fröhliches Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr hoffen, in dem wir gut und ohne jede Angst leben: „A merry merry Christmas and a happy New Year / Let’s hope it’s a good one without any fear“. Als die Aufnahmen fast beendet waren, holten Ono und Lennon noch einen Kinderchor hinzu: den Harlem Community Choir, einen Gemeindechor, in dem Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren sangen. Dieser Chor ist auch auf dem Cover der Single zu sehen. Wenn Kinder von Krieg und Frieden singen und dazu die üblichen Weihnachtsliedzutaten erklingen, also Glockenspiel und Glockenstäbe – wem geht da nicht das Herz auf? „Happy Xmas (War Is Over)“ erschien im Dezember 1971 in den USA, anderswo aber aufgrund von rechtlichen Problemen erst im November 1972, also fast ein Jahr später. Das Lied stieg schnell in die Charts ein, wurde aber kein großer Hit. Es kam in Großbritannien bis auf Platz zwei, in Deutschland aber nur auf Platz 40. Über die Jahre entwickelte es sich allerdings zu einem der meist gespielten Weihnachtslieder weltweit. Jahrelang gab es den Song übrigens nur als Single. Als Teil eines Albums erschien er später nur auf der formidablen John-Lennon-Compilation „Shaved Fish“ in Form eines Medleys mit „Give Peace a Chance“ und auf der Werkschau „The John Lennon Anthology“, aber auch da in einer alternativen Abmischung. Jahre später, im letzten großem Interview, das er dem Journalisten David Sheff im Dezember 1980 für den Playboy gab, ordnete John Lennon das Weihnachtslied noch einmal klar ein: „‚Happy Xmas‘ haben Yoko und ich gemeinsam geschrieben. Es heißt darin: ‚War is over, if you want it‘. Das war immer noch dieselbe Message – der Gedanke, dass wir genauso verantwortlich sind, wie der Mann, der die Knöpfe drückt. Solange die Menschen die Vorstellung haben, dass sie keine Macht haben, haben sie keine Macht.“ Dass ausgerechnet dieser Mann, der sich wie kaum anderer den Frieden und die Weltverbesserung auf seine Fahnen geschrieben hatte, am 8. Dezember 1980 eines gewaltsamen Todes sterben musste, ist eine bittere Fußnote nicht nur der Popgeschichte. gf 91
Original: John Lennon & Yoko Ono / Plastic Ono Band with The Harkem Community Choir: „Happy Xmas (Was Is Over)“ (1971, Apple, Single) Andere Versionen: John Lennon: „Shaved Fish“ (1975, Apple, LP) John Lennon: „The John Lennon Collection“ (1982, Geffen, LP)
„I’ve been locked inside your heart-shaped box for weeks“ aus: „Heart-shaped Box“ von Nirvana Als im September 1993 „In Utero“, das dritte und letzte von Hardcore-Punk-Attentäter Steve Albini produzierte Studioalbum Nirvanas erschien, war dies ein Fingerzeig auf das, was noch passieren sollte. Im Nachhinein ist man immer schlauer, doch rund sieben Monate nach der Veröffentlichung der Platte nahm sich Kurt Cobain, der kreative Kopf des Grunge-Trios, das Leben. Die grausigen Details dazu sind bekannt, die wahren Beweggründe und das, was in Cobains Kopf und Seele vorging, bleiben für immer verschlossen. Am ehesten zugänglich wird die Seelenqual des Künstlers auf der musikalisch eher unzugänglichen LP „In Utero“, die passenderweise eigentlich „I Hate Myself and Want to Die“ hätte heißen sollen: Lieder wie „Dumb“, „All Apologies“ oder „Rape Me“ zeigen die Zerrissenheit des 1967 in Aberdeen/Washington geborenen Musikers. Er hadert mit sich, seinem Leben, mit der Gesellschaft, mit dem raschen und überwältigenden Ruhm, den das Vorgängerwerk „Nevermind“ mit den Hits „Smells Like Teen Spirit“ und „Come as You Are“ mit sich brachte. Allein in den USA verkaufte sich das Album zehn Millionen Mal. „Heart-Shaped Box“ war die erste Single aus dem düsteren Album. Der Song ist eine intensive Beschäftigung mit dem weiblichen Körper, und da speziell mit der Vagina. Genau diese bezeichnet der Titel des Songs, den man auch mit „herzförmige Schachtel“ übersetzen könnte. Die Bilder, die Cobain verwendet, sind konfus, überfrachtet mit Symbolik und man hat beim Zuhören das Gefühl, einem auch von Frauen zutiefst verletzten, vor allem aber selbst sehr schwachen Mann zu begegnen. Einem, der sich selbst an Engelshaar und Baby-Atem noch schneiden könnte. Der abhängig ist von dem, was 92
ihm eine Frau gibt, der sich nicht abgenabelt hat und das auch nicht will – „Throw down your umbilical noose / So I can climb right back“ („Wirf deine Nabelschnur herunter / Damit ich sofort zurückklettern kann“). Am liebsten möchte er wohl zurück in die Gebärmutter kriechen („in utero“). Aber auch die intime Nähe zu einer Frau ist nichts, was ihm gut täte. „I’ve been locked inside your heart-shaped box for weeks“ („Ich bin wochenlang in deiner herzförmigen Box eingeschlossen gewesen“). Er ist schwach – und sie? Sie beäugt ihn wie ein Fisch seine Beute. Das Lied ist ausweglos, es drückt Abhängigkeit, Unterwürfigkeit und Selbstaufgabe aus. Denn, wenn wir Cobains Witwe Courtney Love glauben, dann lebte sie in den gut zwei Jahren, die sie verheiratet waren, mit einem Mann zusammen, der täglich davon sprach, sich umbringen zu wollen. Courtney Love erzählte dies 1995, im ersten Interview nach Cobains Freitod, dem US-Magazin Rolling Stone. Ganz nebenbei hat „Heart-Shaped Box“ auch bewusst provoziert, denn im Text wird das Wort „Hymen“, also „Jungfernhäutchen“, verwendet – und das ist in den vor den Kulissen doch recht prüden USA verboten. „Broken hymen of your highness“ („gerissenes Jungfernhäutchen deiner Hoheit“) lautet die Zeile. Dazu meinte Bassist Krist Novoselic´ zur Zeitschrift „Musician“: „Im Rahmen der Zensurgesetze würde man das Recht brechen, wenn man die Zeile ‚Broken hymen of your highness‘ als normalen, natürlichen Teil der weiblichen Anatomie mit einem Teenager diskutieren würde.“ Aber was ist bei Nirvana schon normal? Im von Anton Corbijn (U2, Herbert Grönemeyer, Depeche Mode, Nick Cave…) gedrehten Video werden zum Beispiel Föten von einem jungen Mädchen in Ku-KluxClan-Kutte „geernet“ – Bilder über Bilder. Sicher, es gibt schreck lichere, symbol-übersätere Videos, etwa jenes zu „Penetrate You“ von Nine Inch Nails, aber „Heart-Shaped Box“ zeigt noch unmittelbarer die Abgründe einer gepeinigten Seele. mp Original: Nirvana: „In Utero“ (1992, Warner, CD)
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„Hello, it’s me / I was wondering if after all these years / You’d like to meet, to go over / Everything“ aus: „Hello“ von Adele Sachen gibt’s, die kann es eigentlich gar nicht geben – oder doch? Der Soulstar Lionel Richie landete 1984 einen Riesenhit mit dem Song „Hello“. Im Zuge des noch größeren Erfolges des gleichnamigen Liedes von Adele wollte Richie sich bereits im Dezember 2015, nur wenig mehr als ein Monat nach Veröffentlichung der Single der Engländerin, den Titel urheberrechtlich schützen lassen. Besonders weit sind seine Anwälte allerdings damit nicht gekommen, denn „Hallo“ ist nun mal ein doch recht typisches Standardwort. Eines muss aber auch konstatiert werden – die gewisse Ähnlichkeit bei einer der zentralen Zeilen beider Songs. Auch wenn die 1988 in London geborene Adele Laurie Blue Adkins noch nicht geboren war, als der ehemalige Kopf der Commodores („Easy“, „Three Times a Lady“, „Brick House“) die Charts mit seiner Begrüßungsformel eroberte, ist es wohl doch so, dass sie die Richie-Ballade kennt. Adeles Lied beginnt mit den Zeilen „Hello, it’s me / I was wondering if after all these years / You’d like to meet, to go over / Everything“ („Hallo, ich bin es / Ich hab mich gefragt, ob du dich nach all den Jahren / Mit mir treffen möchtest, um uns auszusprechen“) – und die sind durchaus nicht so weit weg vom Refrain des Motown-Klassikers von Richie: „Hello, is it me you’re looking for?“ („Hallo, bin ich es, den du willst?“). Aber abgesehen davon – und dem Umstand, dass beide Stücke Balladen sind, sind das auch schon alle Gemeinsamkeiten. Selbst wenn verschiedene englische Zeitungen, etwa der Daily Telegraph, anmerken, beide Lieder wären sich auch musikalisch mehr als „nur“ sehr ähnlich, hat Adele wohl nicht wirklich geklaut. Im Gegensatz übrigens vielleicht zu Lionel Richie. Der Künstler musste sich schließlich vor Gericht verantworten, weil sein „Hello“ und Marjorie Hoffmann Whites’ 1978er-Song „I’m Not Ready to Go“ tatsächlich sehr ähnlich sind. Adele jedenfalls erzählt in ihrem „Hello“ von Liebeskummer und dem Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben. Das gemeinsam mit ihrem Produzenten Greg Kurstin geschriebene, sehr opulente Lied zeigt Wehmut, große Gefühle, bittet den Ex um Verzeihung und be94
schreibt das, was wohl tatsächlich nach einem Beziehungsende in ihr vorgegangen sein dürfte: Während sie den Song schrieb, trennte sie sich von ihrem Verlobten Simon Konecki, dem Vater ihres Sohnes Angelo. „Es heißt ja: Die Zeit heilt alle Wunden … Ich bin in Kalifornien und denke gerade daran, wie das mit uns früher mal war, als wir noch jünger und frei waren. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlte damals, bevor die Welt vor unseren Füßen auseinanderbrach …“ Und: „Typisch. Ich rede mal wieder nur von mir selbst. / Entschuldige, ich hoffe, dir geht’s gut“ („It’s so typical of me to talk about myself / I’m sorry I hope that you’re well“). Mittlerweile sind die beiden wieder zusammen. Aber ob das an Adeles Lied liegt, ist nicht bekannt. „Hello“ wurde am 23. Oktober 2015 als Vorabsingle ihres dritten Albums „25“ veröffentlicht – und stürmte in Windeseile weltweit die Hitparaden. „25“, wie die Vorgänger „19“ und „21“ nach Adeles Alter während des Schreibens der Lieder benannt, wurde zum globalen Riesenerfolg. Adele verkauft Unmengen von Tonträgern – und das in einer Zeit, in der ganze Alben immer weniger Absatz finden: Vom Debütalbum „19“ wurden bislang – Stand 1. April 2016 – weltweit sieben Millionen Exemplare abgesetzt, von „21“ sind es über 31 Millionen und das aktuelle Werk steht auch schon bei mehr als 19 Millionen Stück. Adele ist ein Weltstar, der mit Liedern wie „Hello“ sehr vielen Menschen aus der Seele spricht. Da mp kann Lionel Richie machen, was er will. Original: Adele: „25“ (2015, XL, CD)
„We come on the sloop John B. / My grandfather and me“ aus: „Histe Up The John B. Sails“ von Cleveland Simmons Group Dieses Lied wurde unglaublich oft und von den verschiedensten Künstlern gecovert. Auch die Big Band der Bundeswehr hat es aufgenommen. Ein Wunder ist das nicht, denn „Sloop John B.“ ist ein Shanty, in dem es um Heimweh geht. Egal, ob man das Lied unter diesem Titel, in seinen diversen Abwandlungen oder als „I Wanna Go Home“ kennt – stets geht es darum, seine Wurzeln und das 95
Zuhause wiederzufinden. Auch die teilweise unterschiedlichen Strophen ändern daran nichts. Besonders bekannt ist das Lied in der Hitversion der Beach Boys, die es 1966 für ihr bahnbrechendes Album „Pet Sounds“ aufnahmen. Sie bezogen sich dabei auf eine Interpretation des Kingston Trios („Tom Dooley“), die ihrerseits von den Weavers um Pete Seeger beeinflusst waren. Seeger hatte ein Gespür für unbekannte Folkstücke, die er praktisch überall fand – wie beispielsweise auch das von den Tokens bekannte „The Lion Sleeps Tonight“. Die Tokens nahmen „Sloop John B.“ übrigens ebenfalls auf. Erstmals zitiert wird das Lied im 1917 erschienenen Roman „Pieces Of Eight“ von Richard Le Galliene, es ist aber davon auszugehen, dass es bereits vorher schon in der Karibik gesungen wurde. Aufnahmen aus dieser frühen Zeit sind nicht bekannt, was auch daran liegt, dass erst mit dem Interesse der wachsenden US-Plattenindustrie in den 1930er-Jahren am regionalen Markt der „Westindies“ tatsächlich Studios gegründet und Platten gepresst wurden. Die früheste, heute noch auffindbare Version von „Sloop John B.“ heißt „„Histe Up The John B. Sails“ und stammt von der Cleveland Simmons Group. Dass deren Variante überhaupt zustande kam, lag am Philosophen und Musikforscher Alan Lomax, der die Gruppe auf den Bahamas entdeckte und ihre Musik puristisch, auf freiem Feld, aufzeichnete. Die Beach Boys brachten das Lied schließlich weltweit in die Hitparaden – obwohl Brian Wilson, der kreative Kopf der Band, zunächst vehement gegen das Volkslied war. Doch Al Jardine, der Rhythmusgitarrist der Beach Boys, war ein Folk-Kenner und liebte das karibische Stück – er überzeugte Wilson von dem eigentlich nur auf drei Akkorden basierenden Song. Die Opulenz der Aufnahme macht den Unterschied: Unter anderem sind Flöten, Horn, Glockenspiel, Orgel und Klarinette in „Sloop John B.“ zu hören. Der Song wurde ein Welterfolg und verkaufte sich – im Gegensatz zum zunächst mäßig erfolgreichen Album „Pet Sounds“ – prächtig. Es verband den Surfsound der frühen Beach Boys mit den komplexen Arrangements, die Wilson ab Mitte der 1960er-Jahre vorschwebten. Am Inhalt des Songs änderte das freilich nichts: Beginnend mit den Zeilen „We come on the sloop John B. / My grandfather and me“ („Wir waren auf der Sloop John B. / Mein Großvater und 96
ich“) beschreibt er eine Bootsfahrt. Eine „Sloop“ ist eine einmastige, maximal 4,88 Meter lange Schaluppe, die in der Karibik für den Gütertransport eingesetzt wurde. Die „John B.“, benannt nach ihrem Kapitän, dem auf den Bahamas lebenden Waliser John Bethel, gab es wohl wirklich. Die Geschichte, die sich auf seinem Schiff angeblich abspielte, mochte sich ebenfalls so zugetragen haben: Großvater und Enkel gerieten volltrunken in einen handfesten Streit – der Ich-Erzähler wünscht sich darauf hin, möglichst schnell nach Hause zu kommen und sich auch räumlich von seinem Vermp wandten zu lösen. Original: Alan Lomax: „ Bahamas 1935: Chanteys & Anthems from Andros & Cat“ (1999, Rounder Records, CD) Andere Versionen: The Weavers: „(The Wreck of the) John B“ (1950, Decca, Schellacksingle) Blind Blake & His Royal Victoria Hotel Calypso Orchestra: „Histe Up The John B Sails“ (1952, Art Records, Schellacksingle) The Kingston Trio: „The Kingston Trio“ (1958, Capitol, LP) Johnny Cash: „Songs Of Our Soils“ (1959, Columbia, LP) The Tokens: „The Lion Sleeps Tonight“ (1961, RCA, LP) Jerry Butler: „Folk Songs“ (1963, Vee Jay, LP) Them: „The Angry Young Them“ (1965, Decca, LP) The Beach Boys: „Pet Sounds“ (1966, Capitol, LP)
„Ficken, bumsen, blasen / Alles auf dem Rasen“ aus: „Hofgarten“ von Die Toten Hosen Wir schreiben das Jahr 1983: Die Überreste der Düsseldorfer Chaosdilettanten ZK haben ein turbulentes erstes Jahr unter dem Namen Die Toten Hosen hinter sich gebracht. Drei Singles, darunter das legendäre „Bommerlunder“ mit dem beigelegten Schnapsfläschchen, haben den Ruf der Band als Aushängeschild des Fun-Punk begründet. Außerdem „desertierte“ (Originalton Tote Hosen) Gitarrist Walter zu den Zeugen Jehovas, und die erste eher schwach besuchte Deutschlandtour bringt wegen des Plakates Feministinnen auf die Palme: Unter dem Motto „Roswitha kommt nicht, aber die Toten Hosen“ zeigt die Konzertankündigung eine nackte, dicke Frau, dem Betrachter das Gesäß hinreckend. 97
Aber die Band lässt sich nicht festlegen, schreibt auch kritische Songs wie „Armee der Verlierer“. Das gilt ebenso für die 1983 unter Einsatz aller verfügbaren Geldmittel produzierte Debüt-LP „Opel Gang“: Neben ernsteren Stücken wie „Ülüsü“ und „Modestadt Düsseldorf“ befinden sich darauf mehrere lustige – darunter ein kleines Lied, das zum Allgemeingut wird: „Hofgarten“. Die Zeile „Ficken, bumsen, blasen / Alles auf dem Rasen“ ziert noch Jahre später T-Shirts, wird Handylogo und führt ein prächtiges Schmuddelwitzdasein. An dem zwielichtigen Image des Hits sind die Toten Hosen nicht unschuldig, wie Sänger Campino in einem Interview einräumt. In der Urversion des Songs tollt die Band durch den als Sextreff berüchtigten Hofgarten, riskiert einen Blick „unter die Büsche“ und propagiert – dies alles in nur elf Zeilen – auf charmante Art und Weise sexuelle Freizügigkeit: „Hey Breiti! / Ich bin’s, Kuddel! / Lass mich doch auch mal! / Du bist ja gar nicht Kuddel / Du bist ja Trini.“ Wieder nur ein knappes und erneut turbulentes Jahr später sind die Toten Hosen beim britischen Radioguru John Peel eingeladen. Die dabei entstandene Rundfunksession findet sich auf der B-Seite der Maxi-Single „Liebesspieler“. Zum Schluss der Aufnahme gibt’s eine verschärfte Version von „Hofgarten“. Die beginnt mit den Worten „Rot ist die Liebe / Schwarz ist das Loch / Auch wenn es weh tut / Rein muss er doch“, variiert den ursprünglichen Reim mit „Ficken wie die Hasen“ und erweitert ihn schließlich: „Und ist der Rasen nass / Macht’s auch im Stehen Spaß.“ Für Campino ist der Bogen damit überspannt, er sieht die PeelVersion als Schluss- und Höhepunkt der Quatschphase sowie als Abschluss der „Opel Gang“-Ära. Von da an nimmt die Ernsthaftigkeit zu, obwohl die Hosen auch auf den folgenden Alben „Damenwahl“ und „Auf dem Kreuzzug ins Glück“ keine Band von Traurigkeit sind. mp Originale: Die Toten Hosen: „Opel Gang“ (1983, Totenkopf, LP) Die Toten Hosen: „Liebesspieler/John Peel Session“ (1984, Virgin, Maxi-Single)
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„You ain’t nothin but a hound dog / Cryin’ all the time“ aus: „Hound Dog“ von Big Mama Thornton Als der späte Frank Sinatra live zum ersten Mal das Lied „The Girls I Never Kissed“ von Jerry Leiber und Mike Stoller sang, wies er darauf hin, dass das besonders in den 1950er -und auch noch in den 1960er-Jahren sehr erfolgreiche Songwriterduo „all die Hits von Elvis“ geschrieben habe. Das stimmt zwar nicht ganz, aber immerhin übernahm der King 24 Songs der beiden, elf davon kamen in die Charts, sieben wurden zu Millionenseller – darunter „Don’t“, „Jailhouse Rock“ und „Hound Dog“. Liest man die ebenfalls „Hound Dog“ benannte Biografie von Leiber und Stoller, erfährt man, dass sie mit Presley bestens auskamen, sich aber mit dessen Manager Colonel Parker zerstritten. Sonst wäre die Zusammenarbeit sicher noch größer ausgefallen – und Sinatra hätte mit seinem Statement vielleicht noch richtiger gelegen. „Hound Dog“ haben der Texter Jerry Leiber und Komponist Mike Stoller nicht für Elvis, sondern für die ebenso schwergewichtige wie stimmgewaltige Bluessängerin Willie Mae „Big Mama“ Thornton geschrieben und im August 1952 auch mit ihr aufgenommen. Die Band, die das schnelle R&B-Stück begleitete, war die des ebenfalls begnadeten Songwriters Johnny Otis („Willie and the Hand Jive“). Dazu singt Big Mama Thornton mit einer wütenden, messerscharfen Stimme die Geschichte eines Mannes, der ihr übel mitgespielt hat. Ihr Fazit: „You ain’t nothin but a hound dog / Cryin’ all the time“ („Du bist nichts als ein Jagdhund / Heulst die ganze Zeit“). Nun, eigentlich – und diese Doppeldeutigkeit beabsichtigte der wortgewandte Jerry Leiber – bezeichnet „hound dog“ umgangssprachlich auch einen egoistischen Frauenhelden. Aber Thorntons textlich recht deftige Version, die im Januar 1953 bei Peacock erschien, wird vom Hundegebell der Otis Band geprägt. In den Popcharts hat die afroamerikanische Sängerin mit ihrem Song über eine verletzte Frau keine Chance, aber dennoch verkauft sich „Hound Dog“ über 500.000 Mal. Das Lied wird rasch ein paar Mal gecovert – unter anderem von Freddie Bell & The Bellboys. Deren Produzent Bernie Lowe verlangte vor der Aufnahme von der Band, dass sie doch die handfesten 99
Teile ersetzen. Und so wurde aus der Zeile „You can wag your tail / But I ain’t gonna feed you no more“ („Du kannst mit dem Schwanz wedeln / Aber ich werde dich nicht mehr füttern“ ) das unverfängliche „Well, you ain’t never caught a rabbit / And you ain’t no friend of mine“ „(Nun, du hast noch nie ein Kaninchen gefangen / Und wirst nie mein Freund“). Elvis Presley hörte die Version der Bellboys irgendwann im April oder Mai 1956 und war sofort begeistert. Mit seiner Live-Combo Scotty Moore (Gitarre), Bill Black (Bass) und D. J. Fontana präsentierte den nun betont rockigen, schnellen Song am 5. Juni 1956 und nahm ihn in gleicher Formation am 2. Juli für RCA auf. Der Rest ist Geschichte: Presleys Version von „Hound Dog“ wurde zu einer der meistverkauften Singles aller Zeiten. mp Original: Big Mama Thornton: „Hound Dog“ (1953, Peacock, Single) Andere Versionen: Freddie Bell & The Bellboys: „Hound Dog“ (1955, Teen Records, Single) Elvis Presley: „Hound Dog“ (1956, RCA, Single)
„But I don’t feel like dancin’ when old Joanna plays / My heart could take a chance but my two feet can’t find a way“ aus: „I Don’t Feel Like Dancin’“ von Scissor Sisters Wie sagte Disco Stu, der kultige Kenner des guten Grooves, über diesen speziellen Sound, der in den späten 1970er-Jahren die Hedonisten in die Clubs trieb? „‚Burn baby burn! Disco Inferno‘ – heiße Zeiten waren das, als das Deo nicht nur vor Schweißgeruch schützen, sondern auch noch Feuersbrünste und Hitzewallungen bekämpfen musste. Oder, wie schon Alf sagte: ‚Löscht nicht den Vorhang, löscht mich!‘“ Die Ära, in der Funk endgültig in der weißen Mittelschicht angekommen und via „Saturday Night Fever“ und John Travolta als Tony Manero weltberühmt wurde, beschreibt Stu im Webmagazin Evolver.at ausführlich – den Mainstream genauso wie den Underground. Der wurde anno 1977 auch schon durch die homosexuelle Community, die sich gerade an die ersten öffentlichen Outings wagte, bestimmt. Village People waren ein Aushän100
geschild, doch schon 1974 hatten Disco Tex & His Sex-O-Lettes mit „Get Dancin’“ einen veritablen Hit in der Schwulen- und Lesben-Szene. Der Song könnte so etwas wie die Blaupause für den 2006 veröffentlichten Neo-Disco-Track „I Don’t Feel Like Dancin’“ der New Yorker Scissor Sisters sein. Gemeinsam mit Leo Sayers 1976er-Hit „You Make Me Feel Like Dancing“ und der PianoLine von „December 1963 (Oh What A Night)“ der Four Seasons ist er es letztlich auch. Die eigentliche Disco-Zeit mag schon einige Jahrzehnte zurückliegen, feierte aber immer wieder ein Revival. Mitte der 2000er- Jahre konnte man unter anderem zu Mika und „Grace Kelly“, zu Gossips „Standing in the Way of Control“ und eben zu den Scissor Sisters tanzen – die beiden letztgenannten Stücke stammen eindeutig aus dem kreativ-bunten Gay-Umfeld. Geschrieben wurde der Track, der unter anderem in Deutschland und Großbritannien bis auf Platz eins der Charts kam, nicht von der 2001 in New York gegründeten Band, sondern von Multiinstrumentalist Scott „Babydaddy“ Hoffman, Scissors-Sänger Jason Sellards – und von Elton John. Dessen „Philadelphia Freedom“ war übrigens – in der Version der Phillysound-Truppe MFSB – 1975 ein großer Disco-Erfolg. Auf jeden Fall tönt „I Don’t Feel Like Dancin’“ modern und retro zugleich. Angeblich wurde es teilweise am PC-Urahn Commodore 64 komponiert, dennoch klingt der Song mitreißend aktuell. Er animiert zum Tanzen – was im Widerspruch zum Text steht. Aber Appetit kommt nun mal öfter beim Essen: „But I don’t feel like dancin’ / When the old Joanna plays / My heart could take a chance / But my two feet can’t find a way / You think that I could muster up a little soft, shoop devil sway / But I don’t feel like dancin’ / No sir, no dancin’ today“ („Aber mir ist nicht nach tanzen / Wenn Old Joanna aufgelegt wird / Mein Herz könnte die Gelegenheit nutzen / Aber meine Füße finden keinen Weg / Du denkst, dass ich ein bisschen Zärtlichkeit aufbringen könnte / Aber mir ist nicht nach tanzen / Nein Sir, heute kein Getanze“). Bleibt die Frage, wer die „Old Joanna“ ist, zu der die Scissor Sisters nicht tanzen können: Es handelt sich auf jeden Fall um keine Sängerin, zu deren balladesken Liedern man engumschlungen tanzt. Der Begriff kommt aus dem Cockney-Slang und bezeichnet ein Pia101
no – und tatsächlich wird „I Don’t Feel Like Dancing“ auch von Klavierspiel mitgeprägt. Wer das beigesteuert hat? Elton John. mp Original: Scissor Sisters: „Ta-Dah“ (2006, Polydor, CD)
„I gotta feeling / that tonight’s gonna be a good night / that tonight’s gonna be a good good night“ aus: „I Gotta Feeling“ von Black Eyed Peas Mit Fröhlichkeit Erfolg haben ist nicht immer einfach. Den ersten Versuch der Hip-Hop-Band Black Eyed Peas, die sich 1989 in Los Angeles formierte, ging jedenfalls gründlich schief: Sie unterschrieben ihren ersten Plattenvertrag bei Ruthless Records, dem Plattenlabel des Gangsta-Rappers Eazy-E, der sich seine Lorbeeren mit der Hip-Hop-Formation N.W.A. (Niggers With Attitude) verdient hatte. Die Band arbeitete jedenfalls mehrere Jahre an ihrem ersten Album, das jedoch nie erscheinen sollte: Die für die Black Eyed Peas so positiven vibes, so Eazy-E damals, passten nicht zu seinem Label. Doch will.i.am (Klarname: William Adams), apl.de.ap (Allan Pineda Lindo), Taboo (Jaime Luiz Goméz) und Fergie (Stacy Ann Ferguson) machten unverdrossen weiter, unterschrieben bei Interscope, ihrer neuen Plattenfirma und feierten bereits mit dem zweiten Album „Elephunk“ und dem dritten namens „Monkey Business“ Millionenerfolge. Dann kam „The E.N.D.“ – die Abkürzung steht für „The Energy Never Dies“ – und der Erfolg in einer Größenordnung, wie ihn sich die Musiker selbst wohl kaum vorstellen konnten. „I Gotta Feeling“ war nach „Boom Boom Pow“ die zweite Single-Auskopplung des Albums. Ein mitreißender Rhythmus in Text und Musik sowie eine fröhliche Melodie: Mehr brauchte es nicht, um weltweit die Menschen zu begeistern. Eigentlich ist das Lied nicht viel mehr als die unverblümte Aufforderung, zu feiern und, wie es so schön heißt, die Nacht zum Tage zu machen: „I gotta feeling / that tonight’s gonna be a good night / that tonight’s gonna be a good good night“ („Ich hab so das Gefühl / dass heute Nacht eine gute Nacht wird / dass heute Nacht eine gute, gute Nacht wird“) rappen die vier Musiker gut gelaunt vor sich hin. Offen102
sichtlich gibt es auch einen Grund dafür, da endlich Geld da ist („I got my money (I’m paid)“, auf deutsch: „Ich hab mein Geld (Ich wurde bezahlt)“), das auf den Kopf gehauen werden kann („Let’s spend it up“), und wenn es für etwas komplett Sinnloses ist, wie ein Dach abzufackeln („Let’s burn the roof“). Und immer wieder die Aufforderung: „Jump off the sofa (…) Let’s do it“ („Spring runter vom Sofa (…) Los jetzt“). Den Song hat der französische House-Musiker und DJ David Guetta produziert. Und bislang wurde alles, was Guetta anfasste, zum gigantischen Erfolg, so auch „I Gotta Feeling“: Die Single stieg direkt auf Platz zwei der Billboard Hot 100 ein, direkt hinter „Boom Boom Pow“, der anderen Single der Black Eyed Peas. Doppelführung also für die Hip-Hop-Crew. Nur eine Woche später tauschten die beiden Nummern die Plätze: „I Gotta Feeling“ stand nun an der Spitze der US-Charts und blieb dort 14 Wochen. Dazu stürmte der Song in 25 weiteren Staaten auf Platz eins. Weitere Rekorde purzelten: 2010 teilte MTV mit, dass bislang kein anderer Song auf iTunes öfter heruntergeladen worden war. Im März 2011 war „I Gotta Feeling“ der erste Song, der es allein in den USA auf sieben Millionen digitale Verkäufe brachte, bis heute sind es rund neun Millionen. Die Single wurde einmal mit Gold, 27-mal mit Platin und einmal mit Diamant ausgezeichnet und gewann zudem einen Grammy für die „Best Pop Performance by a Duo or Group with Vocals“. Mehr Erfolg geht eigentlich nicht. Ein paar Jahre durfte sich der Song sogar als der erfolgreichste des 21. Jahrhunderts fühlen. Doch dann veröffentliche Pharrell Williams seinen Knaller „Happy“ – und all diese Rekorde wurden noch einmal getoppt. gf Original: Black Eyed Peas: „The E.N.D.“ (2009, Interscope, CD)
„Because you’re mine, I walk the line“ aus: „I Walk the Line“ von Johnny Cash Es gibt Hits und Songs, die einen Künstler sein Leben lang begleiten. „I Walk the Line“ war für Johnny Cash und wohl auch für 103
seine Fans über Jahrzehnte hinweg von zentraler Bedeutung. Er nahm es immer wieder auf und spielte es praktisch bei jedem Konzert. Das Lied kam ursprünglich am 1. Mai 1956 – mit der B -Seite „Get Rhythm“ – als Cashs dritte Single auf dem Sun-Label von Sam Phillips (Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison) heraus. Gemeinsam mit seinen Tennessee Two, also mit dem famosen Gitarristen Luther Perkins und dem Bassisten Marshall Grant, hatte Cash zuvor schon zwei große Hits in den Country-Charts – nämlich „Cry! Cry! Cry!“ (Platz 14) und „So Doggone Lonesome“ (Platz vier). Die Sun-Single mit der legendär gewordenen Nummer 241 wurde dann zum ersten Nummer-1-Hit für Johnny Cash – und hat alle Phasen seines Lebens schadlos überstanden. Genauso wie der „Boom-Chaka-Boom“-Rhythmus, der – aus der Not geboren – die ersten Aufnahmen Cashs prägte, später aber einfach dazu gehörte: Weil die Tennessee Two keinen Schlagzeuger hatten, ließ der Sänger, der außerdem die Rhythmusgitarre spielte, Papier hinter die Saiten klemmen. Der Drummer W.S. Holland kam erst 1960 zur Band von Cash. Geschrieben hat Cash den Song für seine damalige Frau Vivien Liberto, mit der er vier Töchter bekam, die älteste – Rosanne Cash – wurde selbst zum Country-Superstar. Cash heiratete seine Vivien 1954, nachdem er die Air Force und seine Stationierung im bayrischschwäbischen Landsberg hinter sich hatte. Ihr widmete er die berühmten Zeilen „I keep a close watch on this heart of mine / I keep my eyes wide open all the time / I keep the ends out for the tie that binds / Because you’re mine, I walk the line“ („Ich wache streng über mein Herz / Ich halte meine Augen immer offen / Ich halte die Fesseln offen, die mich binden könnten / Weil du mein bist, bleib ich dir treu“). Er schrieb, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, dass er den Versuchungen, die das Leben eines Stars mit sich brachte, widerstehen könne und ihr treu bleiben würde. In ihrer 2007 im Verlag Scribner erschienenen Biografie „I Walked The Line – My Life With Johnny“ schrieb die zwei Jahre zuvor verstorbene erste Frau des Sängers, dass sie immer wusste, dass das Lied für sie bestimmt war. Natürlich, auch das ist zu lesen, wusste sie, dass er nicht treu war und auch, dass er sich in eine Frau verliebte, die er in den späten 1950er-Jahren kennengelernt hatte, die ihn ab 1961 auf Kon104
zertreisen begleitete und mit ihm sang: June Carter. Johnny Cash mochte bereits als Kind die Musik der Carter Family („I Never Will Marry“, „My Clinch Mountain Home“) und war begeistert von June. Am 22. Februar 1968 – während einer Show im kanadischen Ontario – machte der Country-Star June Carter tatsächlich einen Antrag. Als die beiden am 1. März ’68 in Franklin/Kentucky den Bund fürs Leben schlossen, war die Ehe mit Vivian längst passé. „I Walk the Line“ sollte diese Beziehung und seine ursprüngliche Bedeutung locker überleben. 2005 kam die Hollywood-Biografie von Johnny Cash in die Kinos. Der Songtitel wurde auch zum Namensgeber des Streifens, in dem Joaquin Phoenix als Cash, Reese Witherspoon als June Carter und Ginnifer Goodwin als Vivian Liberto glänzten. Regisseur James Mangold („Kate und Leopold“, „Wolverine: Weg des Kriegers“) legte dem Film den ersten Teil von „Cash: Die Autobiografie“ (Palmyra Verlag) zugrunde. Für ihre Rolle als Cashs zweite Ehefrau in „Walk the Line“ wurde Witherspoon 2006 mit dem Oscar ausgezeichnet, mp im Film sang Phoenix den Song – und das recht ordentlich. Original: Johnny Cash: „With His Hot and Blue Guitar“ (1957, Sun Records, LP) Andere Version: OST: „Walk the Line“ (2005, Wind-Up Records, CD)
„I’ve got all my life to live / I’ve got all my love to give / I will survive“ aus: „I Will Survive“ von Gloria Gaynor Die vielleicht ergreifendste Version von „I Will Survive“ singt die große Souldiva Gladys Knight auf ihrem 1998er- Konzertmitschnitt „Live at the Roxy“: Sie verbindet die bekannten Zeilen des Discohits aus dem Jahre 1978 mit dem hymnischen „Free Again“. Denn genau darum geht es – und genau deshalb spricht das Lied von Freddie Perren und Dino Fekaris besonders Frauen aus der Seele. Mit seiner Botschaft erinnert es an „Cry Me a River“, das Dinah Washington zwei Jahrzehnte zuvor populär machte: Es geht um eine Frau, die von ihrem Ex bitter enttäuscht ist. Die Geschichte ist tausendmal 105
erlebt und erlitten worden – sei es nun, weil der Mann, mit dem die Frau ein Kind zeugen wollte, plötzlich abhaut, oder weil sich der Traumprinz als untreuer Casanova und Lügner entpuppt. In „I Will Survive“ erfolgt zuerst der Zusammenbruch, die Ich-Erzählerin geht durch die Hölle, leidet und droht zu zerbrechen. Aber genau das passiert dann nicht. Sie ist stark, sie überlebt: „I’ve got all my life to live / I’ve got all my love to give / I will survive“ („Ich hab all mein Leben zu leben / Ich habe all mein Leben zu geben / Ich werde überleben“). Plötzlich ist sie, wie Gladys Knight singt, wieder frei und hat die Fesseln der Beziehung und die bedrückende Seelenpein hinter sich gelassen. Deshalb macht auch der flotte Disco-Rhythmus von Gloria Gaynors’ Hitversion aus den späten 1970er-Jahren Sinn – das Leben der Frau kommt einfach wieder in Schwung. Oder, um es mit George Clinton beziehungsweise Funkadelic zu sagen: „Free your mind and your ass will follow“ („Befreie deinen Verstand und dein Arsch wird folgen“). Gloria Gaynor war außerdem eher eine Discoqueen, deren Musik in den 1960er-Jahren beim Soul wurzelt. Ihre wichtigen Tracks funktionierten oft in den Clubs, schafften es aber nicht auf vordere Ränge in den Charts. Sie füllte große Hallen, ohne übermäßig viele Platten zu verkaufen. Ihr Debütalbum als Solosängerin erschien 1974 und warf – abgesehen von „I Will Survive“ – die größten Hitparadenrenner ab: „Never Can Say Goodbye“ und das schwungvolle Four-Tops-Cover „Reach Out, I’ll Be There“ schafften es auf Platz 13 beziehungsweise fünf. Die Überlebenshymne, die Marc Huff arrangierte, war sowohl in den Discos als auch in den Charts erfolgreich. Wie viele andere Dancefloor-Tracks wurde auch „I Will Survive“ von der Gay-Community begeistert aufgenommen. Der Song entwickelte sich zum Klassiker und tauchte immer wieder in Hollywoodfilmen auf – etwa dem Animationshit „Rio 2 – Dschungelfieber“, im skurrilen „Men in Black II“ oder, perfekt passend, in „Coyote Ugly“. Das beeindruckendste Stück Film stammt von der australischen Künstlerin Jane Korman, die 2010 ihren Vater Adam „Adolek“ Kohn zu Gaynors Song 4:20 Minuten lang unter anderem in Auschwitz und Dachau tanzen ließ – Kohn überlebte den Holocaust im Vernichtungslager Auschwitz. Gloria Gaynors Lied hat viele Menschen bewegt und begeistert, was insofern erstaunt, weil „I 106
Will Survive“ zunächst nur als B-Seite des Songs „Substitute“ veröffentlicht wurde. Die Plattenfirma glaubte schlicht nicht an das Potenzial des Liedes. mp Original: Gloria Gaynor: „Love Tracks“ (1978, Polydor, LP) Andere Versionen: Gladys Knight & The Pips: „Touch“ (1981, Columbia, LP) Cake: „Fashion Nugget“ (Capricorn Records, CD) Gladys Knight & The Pips: „Live at the Roxy“ (1998, Columbia, CD) Robbie Williams: „Supreme“ (2000, Chrysalis, Maxi-CD)
„I’m walkin’ / Yes indeed, I’m talkin’ / By you and me, I’m hopin’ / That you’ll come back to me, yeah, yeah“ aus: „I’m Walkin’“ von Fats Domino Es ist nun auch schon wieder ewig und drei Tage her: In einem Werbespot der Tankstellenkette Aral von 1993 vergaß ein scheinbar vielbeschäftigter Mann, sein Auto rechtzeitig mit Kraftstoff zu versorgen und blieb liegen. Da er nicht zu irgendeiner „Tanke“, sondern eben zu Aral wollte, musste er sich mit dem Kanister auf den Weg machen – „I’m Walkin’“ eben. Auch wenn der Kraftfahrer heutzu tage durch aufdringliches Piepsen auf die Ebbe im Tank hingewiesen wird und also gar nicht mehr in solch eine Verlegenheit kommt – das Filmchen ist im Gedächtnis geblieben. Das liegt ganz sicher auch am Lied, das das Ganze untermalte: „I’m Walkin’“ von Fats Domino gab mit seinem straighten, an Klatschen erinnernden Rhythmus die schwungvolle Richtung vor. Der zeitlose Song hatte damals aber auch schon stolze 36 Jahre auf dem Buckel. Geschrieben wurde „I’m Walkin’“ von Antoine „Fats“ Domino und seinem Dauerpartner, Produzenten und Entdecker Dave Bartholomew („My Ding-A-Ling“). Im Text dreht es sich nicht um ein havariertes Auto – obwohl auch Songs zu dieser speziell in den Weiten des US-Südens fatalen Problematik aus Dominos Heimat New Orleans kommen. Man denke nur an „My Old Car“ von Lee Dorsey. Bei Domino wird traditionell eher gelaufen, etwa auch in „Walking to New Orleans“, „Did You Ever Saw a Dream Walking“ oder „I Want to Walk You Home“, die erst nach „I’m Walkin’“ erschienen. „I’m 107
Walkin’“ ist auch deshalb typisch für Domino, weil es – wie etwa „Sick and Tired“, „There Goes My Heart Again“ oder „It Keeps Raining“ – das Ende eine Beziehung beschreibt. Hier läuft der Protagonist in Gedanken an die Geliebte durch die Gegend und wünscht sie sich zurück: „I’m walkin’ / Yes indeed, I’m talkin’ / By you and me, I’m hopin’ / That you’ll come back to me, yeah, yeah“ („Ich laufe / Ja, tu ich, und ich rede / Über dich und mich, ich hoffe / Dass du zu mir zurückkommen wirst, yeah yeah“). Fats Domino, der selbsternannte „Natural Born Lover“, hatte seinen ersten Hit 1949 mit der B-Seite seiner Debütsingle „Detroit City Blues“: Das ebenfalls zusammen mit Dave Bartholomew geschriebene „The Fat Man“, das auf dem New-Orleans-Standard „Junker’s Blues“ basiert und 1952 auch noch als „Lawdy Miss Clawdy“ zum Erfolg wurde, markierte den Beginn der beispiellosen Karriere des schwergewichtigen Künstlers: Zwischen 1949 und 1962 schafften es über 50 seiner Songs in die Top 20 der R&B-Charts, im selben Zeitraum war er 35 Mal in den Top 40 der Pop-Hitparade vertreten – da kam auch King Elvis nicht mit. Neben „I’m Walkin’“ sind unter anderem seine Versionen von „Jambalaya“ oder dem direkt vor „I’m Walkin’“ veröffentlichten „Blueberry Hill“, sowie „My Girl Josephine“, „Blue Monday“ oder „Ain’t That a Shame“ mp zu Evergreens geworden. Original: Fats Domino: „Here Stands Fats Domino“ (1957, Imperial, LP) Andere Versionen: Ricky Nelson: „A Teenager’s Romance“ (1957, Verve, Single) Tom Petty & The Heartbreakers: „Goin’ Home: A Tribute to Fats Domino“ (1996, Capitol, CD)
„Ich küsse ihre Hand, Madame, und träum’, es war ihr Mund / Ich bin ja so galant, Madame, und das hat seinen Grund“ aus: „Ich küsse ihre Hand, Madame“ von Richard Tauber Richard Denemy, der uneheliche Sohn einer Soubrette und eines Schauspielers, war der Superstar in den 1920er-Jahren. Als Richard Tauber verzauberte er die Massen, als die Schallplatte und das Radio 108
ihren Siegeszug antraten. Aber zunächst machte sich der gebürtige Linzer einen Namen als Opernsänger, speziell als Mozart-Interpret. Die leichte Muse brachte ihm endgültig den Durchbruch – speziell das charmante Chanson „Ich küsse ihre Hand, Madame“, das man bis heute mit seinem Namen verbindet. Ob er es tatsächlich als erster Künstler aufnahm, darf bezweifelt werden – aber Tauber machte es populär. Von ihm existierten zeitgleich rund ein halbes Dutzend Interpretationen. Komponiert wurde der langsame Tango vom Schlesier Ralph Erwin, der Text stammt vom Wiener Fritz Rotter. Wann die beiden das Lied geschrieben haben, ist ungewiss. Es muss wohl so um 1925 gewesen sein. Auf jeden Fall war es zu einer Zeit, da Männer ihre Traumfrau noch umgarnten, statt sie mit handfesten Äußerungen direkt zum Liebesakt zu bewegen. Die Zeilen haben etwas Schwärmerisches, etwas, das suggeriert, dass sich da eine Liebe entspinnt. Allerdings hat die Hauptfigur einen Plan – und der ist gar nicht so anders als ihn Männer heute verfolgen. „Ich küsse Ihre Hand, Madame, und träum’, es war ihr Mund / Ich bin ja so galant, Madame, und das hat seinen Grund / Hab’ ich erst ihr Vertrau’n, Madame, und ihre Sympathie / Wenn Sie erst auf mich bau’n, Madame / Ja, dann werden sie schau’n, Madame / Küss’ ich statt ihrer Hand, Madame, nur ihren roten Mund.“ Männliches Selbstbewusstsein par excellence. Was so ritterlich klingt, ist beileibe nicht selbstlos: Es geht um Verführung, nur, dass Rotter nicht holzhammermäßig Liebe auf Triebe reimt. Etwa ein Jahr, nachdem Tauber das Lied bekannt gemacht hat, wird es zum Titelstück eines der letzten Stummfilme der Ufa. Robert Land, der eigentlich Robert Liebmann hieß, drehte den Streifen um einen nach der Oktoberrevolution verarmten Adeligen, der sich in eine neureiche Lady verliebt. Die Hauptrollen spielten der damalige Star Harry Liedtke und die noch unbekannte, von Land entdeckte Marlene Dietrich, die vorher auf Nebenrollen – etwa unter der Ägide von Harry Piel – abonniert war. Auch dabei: Richard Tauber, der Liedtke in einer Szene seine Stimme lieh. Interessanterweise hatte der Stummfilm „Ich küsse ihre Hand, Madame“ eine zweiminütige Tonspur – und da war Tauber zu hören. Ihn kannte das Publikum. Liedtke war zwar ein guter Mime, konnte aber nicht singen. 109
Zur gleichen Zeit war das Lied bereits in Übersee angekommen – Joe Young und Sam M. Lewis versahen es 1929 mit einem neuen, nur auf den ersten Blick ähnlichen Text: „In dreams I kiss your hand, madame / Your dainty fingertips / And while in slumberland, madame / I’m begging for your lips / I have’t any right, madame / To do the things I do…“ – in der englischen Version geht es um einen Mann, der sich nach einer bereits vergebenen Frau sehnt und von ihr träumt: „In Träumen küsse ich ihre Hand, Madame / Ihre zier lichen Fingerspitzen / Und während ich im Schlummerland bin, Madame / Lechze ich nach ihren Lippen / Ich habe kein Recht, Madame / Die Dinge zu tun, die ich tue …“. Bereits 1930 wurde das Lied in den USA ein Hit – in der Version des Saxofonisten und Bandleaders Rudy Vallée. Noch erfolgreicher wurde „I Kiss Your Hand, Madame“ in der Version des Orchesters Leo Reisman – und als Erkennungsmelodie der erfolgreichen, landesweit ausgestrahlten Sendung „Campbell Soup Radio Show“. Heute verbindet man das Lied in den Vereinigten Staaten am ehesten mit Bing Crosby, der, wie zwanzig Jahre zuvor Tauber, dem Song seinen Stempel auch in einem Film aufdrückte: Im von Billy Wilder gedrehten Hollywood-Musical „The Emperor Waltz“ sang Crosby „I Kiss Your Hand, Madame“ – das Stück erreichte gemeinsam mit den anderen drei Songs des Soundtracks, die als EP veröffentlicht wurden, Platz zwei der US-Charts und wurde zum Evergreen. „Ich küsse ihre Hand, Madame“ wurde unzählige Male gecovert, von Earl Bostic, Perry Como, Max Raabe oder The Manhattan Transfer, die es 1978 erneut für einen Film aufnahmen – für den deutschen Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ mit David Bowie in der Rolle des „Titelhelden“ Paul. mp Original: Richard Tauber: „Ich küsse ihre Hand, Madame“ (1928, Odeon, Schellacksingle) Andere Versionen: Rudy Vallée: „I Kiss Your Hand, Madame“ (1929, Brunswick, Schellacksingle) Leo Reisman Orchestra: „I Kiss Your Hand, Madame“ (1929, Victor, Schellacksingle) Bing Crosby: „The Emperor Waltz“ (1947, Decca, Schellack-EP) Earl Bostic: „Plays Sweet Tunes Of The Roaring 20’s“ (1959, King, LP) OST: „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ (1978, Ariola, LP) Max Raabe & Das Palastorchester: „Heute Nacht oder nie“ (2008, SPV, CD)
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„In the summertime when the weather is high / You can stretch right up and touch the sky“ aus: „In the Summertime“ von Mungo Jerry „Boombastic“ von Shaggy (1995), „Macarena“ von Los Del Rio (1996), „Mambo No. 5“ von Lou Bega (1999) „The Ketchup Song“ von Las Ketchup (2002) oder „Crazy“ von Gnarls Barkley (2006) – diese Songs und noch einige mehr habe eines gemeinsam: Sie waren Sommerhits. Der Sommerhit schlechthin aber ist „In the Summertime“ von Mungo Jerry, das Lied, das seit mehr als 45 Jahren immer dann in den Radios läuft, wenn der Winter sich verabschiedet. Geschrieben hat es Ray Dorset, der Gitarrist der gerade neu gegründeten Band, der zu diesem Zeitpunkt als Techniker bei einem englischen Uhrenhersteller arbeitete und eigentlich Musiker werden wollte. Er benötigte für den Song angeblich nur zehn Minuten. 2010 erzählte er dem deutschen Magazin Focus, dass er „eines Tages die Melodie im Kopf hatte. Am Morgen danach nahm ich Papier und Stift und schrieb den Text. Ich brauchte nicht nachzudenken. Die Worte flossen einfach. Es war ein Geschenk Gottes.“ Der Song hat keinen Refrain und seinen Titel hört man nur am Anfang und in der Mitte der Aufnahme. Der Text feiert einfach nur die Leichtigkeit des Lebens, das Gefühl der Sorglosigkeit, das sich einstellt, wenn die Tage wieder warm werden und die Kleider leicht. „In the summertime when the weather is high / You can stretch right up and touch the sky“ („Im Sommer, wenn das Wetter gut ist / kannst du dich richtig dehnen und den Himmel berühren“). Vielleicht könnte man heute nicht mehr so unreflektiert dazu auffordern, den Mädchen und dem Alkohol nachzujagen. „You got women on your mind / Have a drink, have a drink / Go out and see what you can find“ („Hast Du Frauen im Kopf / Dann trink etwas, dann trink etwas / Geh raus und schau was du finden kannst“) singt Dorset und fordert dazu auf, die ganze Welt zu umarmen und einfach zu tun, was man will („We love everybody, but we do as we please“). Dazu entfaltet die Band mit Kontrabass (Mike Cole), Honky-Tonk-Piano (Colin Earl), Banjo und Stomp Box (Ray Dorset) einen zwingenden Sound, der zwischen Blues, 111
Skiffle und Latin vibriert und auch Jahrzehnte später nicht veraltet klingt. „In the Summertime“ war 1970 die erste Single, die Mungo Jerry veröffentlichten, das dazugehörige Album erschien erst einige Monate später. Der Song war auch gleich der größte Hit der Band. Im Juni 1970 stand er an der Spitze der britischen Charts, einige Wochen später in weiteren 26 Staaten. Bis heute wurde der Text des Songs in mehr als 40 Sprachen übersetzt, darunter Chinesisch. Es gibt unzählige Coverversionen, unter anderem von Bob Dylan, Elton John oder Billy Idol. Und es gibt das Lied als Heavy Metal, Hop-Hop oder Reggae. 25 Jahre nach seinem Erscheinen, pünktlich zum Jubiläum, wurde es für den jamaikanischen Reggae-Musiker Shaggy noch einmal zu einem Hit. Bis heute hat sich der Song weit über 40 Millionen Mal verkauft. gf Original: Mungo Jerry: „Electronically Tested“ (1971, Dawn, LP) Andere Version: Shaggy: „Boombastic“ (1995, Virgin, CD)
„It’s a long way to the top if you wanna Rock ’n’Roll“ aus: „It’s a Long Way to the Top (If You Wanna Rock’n’Roll)“ von AC/DC Die Sache mit dem Debütalbum der australischen Band AC/DC muss man erklären: Als die Gruppe von Großbritannien aus wieder auf den fünften Kontinent zog und sich unter die Fittiche von George Young und dessen Partner Harry Vanda begaben, wollten sie dort berühmt werden. George Young, der ältere Bruder von Malcolm und Angus, war froh, die in Schottland geborenen „Jungs“ wieder zuhause zuhaben – und er kannte das Musikgeschäft. Gemeinsam mit Vanda war er bei den Easybeats und hatte unter anderem mit „Friday on My Mind“ einen Riesenhit. Als Produzenten machten die beiden AC/DC zu Superstars. Ihr erstes Album hieß „High Voltage“ und wurde im Februar 1975 zunächst ausschließlich in Australien veröffentlicht. Der Rest der Welt bekam eine gleichnamige LP erst ein Jahr später „beschert“ – da war in der Heimat bereits der Nachfolger „T.N.T.“ erschienen. Um die Verwirrung komplett zu machen: Diese 112
Scheibe erschien weltweit bis heute nicht, oder doch? „High Voltage“, wie wir Europäer das kennen, besteht zu weiten Teilen aus den Songs von „T.N.T.“. Dazu kommen zwei Stücke vom australischen Erstling. Mit einem davon starten alle Versionen von „High Voltage“ – mit „It’s a Long Way to the Top (If You Wanna Rock’n’Roll)“. Das Lied gehört nicht zu den allergrößten Hits der Band, ist aber einer ihrer absoluten Klassiker, und die Titelzeile wurde zum geflügelten Wort. Der Text beschreibt zum einen den harten Weg zum Erfolg: Wer Rockstar werden will, muss viele Konzerte geben, durch das Land reisen und zu Beginn in versifften Billighotels wohnen – „it’s a long way to the top if you wanna Rock’n’Roll („es ist ein langer Weg an die Spitze, wenn du Rock’n’Roll-spielen willst“). Ganz nebenbei, und durchaus typisch für AC/DC, ist der von Angus und Malcolm Young, sowie von Sänger Bon Scott geschriebene Album-Opener auch zweideutig. Schließlich bezeichnet „Rock’n’Roll“ umgangssprachlich auch den Geschlechtsverkehr. Man kann den zentralen Satz also auch so deuten: „Es ist ein langer Weg, wenn du mit einer Frau schlafen willst“ – man muss die Dame für sich begeistern, sie anmachen, mit ihr ausgehen und ein ausgedehntes Vorspiel gehört schließlich auch dazu. Wer sowieso vom Tourleben gestresst ist, kann da schon mal in Kalamitäten kommen. Musikalisch interessant ist der Mittelteil mit den markanten Dudelsackklängen. Die steuerte Bon Scott bei, weil Produzent George Young zu Ohren gekommen war, dass Scott zuvor Teil einer Dudelsackformation war. Allerdings gab der Sänger offen zu, dass er dort Schlagzeuger war. Das machte aber nichts, er „fuchste“ sich ins Metier und verlieh „It’s a Long Way…“ eine sehr eigene Note mit seinem Spiel. Das Lied wurde auch ein paar Mal recht interessant gecovert, unter anderem von den geistesverwandten Motörhead und vom erfolgreichen 1950er-Jahre-Charmeur Pat mp „Speedy Gonzales“ Boone. Original: AC/DC: „T.N.T.“ (1976, Albert Productions, LP) AC/DC: „High Voltage“ (1976, Atlantic, LP) Andere Versionen: Pat Boone: „In a Metal Mood: No More Mr. Nice Guy“ (1997, Hip-O Records, CD) Verschiedene: „Thunderbolt: A Tribute to AC/DC“ (1997, Derock, CD)
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„Kann das wirklich Sünde sein / wenn man immerzu an einen nur denkt / wenn man einmal ihm alles schenkt / vor Glück?“ aus: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ von Zarah Leander Er lief zur falschen Zeit: Der UFA-Film „Der Blaufuchs“, gedreht von Viktor Tourjansky mit Zarah Leander, Willy Birgel, Paul Hörbiger und Karl Schönböck in den Hauptrollen, kam 1938 in die Kinos. Hätte man die kleine Geschichte über den nur an seinen Fischen interessierten Privatdozenten Stephan Paulus und die sich von ihm im Stich gelassen fühlenden Ehefrau Ilona in Hollywood gedreht, wäre vielleicht eine prima Screwball-Komödie entstanden. Fünf Jahre nach der nationalsozialistischen Machtergreifung interessierten sich in Deutschland aber nur wenige Menschen für leichte Unterhaltung. Der für die 1930er-Jahre so typische Mix aus Komödie und Liebesfilm floppte und ist heute weitgehend vergessen. Leander, der Star dieser Jahre, legte nach diesem Misserfolg und wegen des Krieges eine zehnjährige Pause ein. Was aber blieb, ist ihr unsterblich gewordenes Lied, das die Sehnsucht einer Frau nach Aufmerksamkeit und Liebe thematisiert. Ilona, gespielt von der 1907 in Karlstad/Schweden geborenen Leander, gibt zunächst nur vor, ihren Mann betrogen zu haben – um ihn eifersüchtig zu machen. Dann aber verliebt sie sich wirklich und lässt sich schließlich nach heftigem Werben auf die neue Beziehung ein. Auch, weil sie ihren Mann inzwischen gut bei einer Freundin aufgehoben weiß. Das aber ist ein Verhalten, an dem eine konservativ ausgerichtete Gesellschaft Anstoß nimmt. Weswegen es gleich in der ersten Strophe heißt: „Jeder kleine Spießer macht / Das Leben mir zur Qual / Denn er spricht immer nur von Moral“. Doch Ilona begehrt auf: „Kann das wirklich Sünde sein / Wenn man immerzu an einen nur denkt / Wenn man einmal ihm alles schenkt / Vor Glück?“ Zarah Leander spricht wohl vielen Frauen aus der Seele, wenn sie singend so etwas wie ein frühes Selbstbestimmungsrecht einfordert: „Niemals werde ich bereuen, was ich tat und was aus Liebe geschah / Das müsst ihr mir schon verzeihen, dazu ist sie ja da“. Und sie setzt noch oben drauf: „Liebe kann nicht ohne Sünde sein / Doch wenn sie es wär’, dann wär’s mir egal / Lieber will ich sündigen mal, als ohne Liebe sein / (…) Ich bleib’ immer nur der Liebe treu.“ 114
Der zu der Zeit sehr erfolgreiche Schlagertexter Bruno Balz (1902-1988) schrieb die Verse, die Musik komponierte Lothar Brühne. Der homosexuelle Balz wurde wegen seiner Neigung mehrfach von den Nazis verhaftet und gefoltert, überlebte das Terror regime jedoch. Zarah Leander, damals der höchstbezahlte weibliche Filmstar im nationalsozialistischen Deutschland und von Propagandaminister Joseph Goebbels hofiert, war mit Balz befreundet, der ihr und dem dunklen Timbre ihrer tiefen Stimme das Lied auf den Leib schrieb. Eingespielt hat sie es mit dem Odeon-Künstlerorchester unter der Leitung von Brühne. Bis weit in die 1970er-Jahre galt die Leander als Ikone der Homosexuellen-Gemeinde. Immer wieder wurde das Lied neu interpretiert, sehr gerne von Damenimitatoren und Travestiekünstlern. Eine zärtlich-raue Version stammt von Udo Lindenberg und seinem Panikorchester. gf Original: Zarah Leander: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ (1938, Odeon, Schellack-Single) Andere Version: Udo Lindenberg: „Udopia“ (1981, Telefunken, LP)
„One fine day I’m gonna be the one / To make you understand / Oh, yeah, I’m gonna be your man“ aus: „Keep On Running“ von The Spencer Davis Group Chris Blackwell, der auf Jamaika geborene und erfolgreiche Eigentümer der Plattenfirma Island Records, war es, der westliche Hörer mit der Reggaemusik vertraut und sie dank Bob Marley auch weltweit bekannt machte. Im Fall der Spencer Davis Group fungierte er als Katalysator. Er brachte Jackie Edwards, einen seiner jamaikanischen Künstler und Songwriter, nach London und bat ihn um ein Stück für die junge britische Band. Edwards präsentierte „Keep On Running“ – als Ska-Version. Steve Winwood, der Sänger und Keyboarder der Band, nahm sich des Songs von Egwards an und wandelte ihn zur souligen Rocknummer.
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The Spencer Davis Group war 1963 in Birmingham gegründet worden und hatte bereits einige kleinere Erfolge gefeiert. Mit „Keep On Running“ landeten sie ihren ersten großen Hit – er stand bereits kurz nach seinem Erscheinen im November 1965 an der Spitze der britischen Charts. Es ist ein kleines Sehnsuchtslied, das von einem Jungen erzählt, der sich stetig bemüht („Keep On Running“), ein Mädchen von sich zu überzeugen, selbst wenn jeder ob seiner hoffnungslosen Bemühungen über ihn redet und lacht („Everyone is talking about me (…) Everyone is laughing at me“). Aber er gibt nicht auf: „One fine day I’m gonna be the one / To make you understand / Oh, yeah, I’m gonna be your man“ – „Eines Tages werde ich der sein / Der dich verstehen lässt: / Oh ja, ich werde dein Mann sein“. Was den Song so speziell macht, ist der orgellastige Sound und die Stimme des erst 17-jährigen Winwoods: soulig, kehlig, mit dunklem Timbre, eine Stimme, wie man sie sonst nur von schwarzen Sängern kennt. Im Buch „1000 UK #1 Hits“, geschrieben von Jon Kutner und Spencer Leigh, erinnert sich Gitarrist Spencer Davis: „1966 hatte noch niemand in den USA ein Foto der Band gesehen, und die Radiosender waren klar in schwarz und weiß geteilt. ‚Keep On Running’ lief in den schwarzen Sendern. Aber als die das Bild mit den strahlenden weißen Jungs sahen, verschwand der Song blitzschnell von den Playlists. Wir hatten keine Chance mehr.“ Weil der große Durchbruch ausblieb, verließ Steve Winwood 1967 The Spencer Davis Group, gründete im Alter von 19 (!) die Band Traffic und startete später eine höchst erfolgreiche Solo-Karriere. Die Rockgeschichgf te nahm ihren Lauf. Original: The Spencer Davis Group: „The Second Album“ (1966, Fontana, LP)
„Koa Hiatamadl mog i net / Hot koane dicken Wadl net / I mog a Madl aus da Stadt / wos dicke Wadln hat“ aus: „Koa Hiatamadl“ von Hubert von Goisern und die Alpinkatzen Wer im Winter 1992/93 auf Österreichs Skipisten unterwegs war, an den diversen Liften Schlange stehen musste oder in den entsprechenden Hütten einkehrte, der hatte eigentlich keine Chance: In allen 116
privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern in Österreich und Bayern lief der Song „Hiatamadl“ von Hubert von Goisern in „heavy rotation“, untermalte jede Form von Hüttengaudi. Gefühlt war das Lied immer und überall zu hören, sogar noch beim Abendessen im Hotel, falls Habpension gebucht war. Aber was zum Teufel sang der Kerl, der als Hubert Achleitner 1952 im österreichischen Goisern (Salzburg) auf die Welt kam, da eigentlich? Schon am Anfang ruft er empört: „Es großaugaden, schiachschauadn, schochtlzottigen, hohlwangatn Weiba! Mogst mi du nit, mog i di!“ Für all die, die das österreichische, in diesem Fall salzburgische Idiom nicht beherrschen oder verstehen, der Versuch einer Übersetzung: „Ihr großäugigen, bös guckenden, großmütterlich frisierten, hohlwangigen Weiber! Magst du mich nicht, mag ich dich!“ Wen mag er nun, wer mag ihn? Genau darum geht es im Rest des Liedes: „Wann i ma um a Dirndl schau / Dann woas i scho genau / Rund muass sei / und a wengl resch“ (auf Deutsch: „Wenn ich mir ein Mädchen such / Dann weiß ich schon genau / Rund muss sie sein / Und ein wenig stramm“). In dieser Tonlage geht es weiter: „De meistn Weiba hobn a Gstell / Zaunduerr und moga iwa da Wöll / Mei, oh mei / A solchane de kunt’z nia sei“ („Die meisten Frauen haben eine / Zaundürre Figur und sind mager überall / Mei, oh mei / So eine, die könnte es nie sein“). Dann beurteilt der Sänger zwei Frauen auch noch persönlich: „De Oane mit de greanan Hoar / Is schena no wia vorigs Jahr / Hot a grad / Net wenig auf da Wog. / (…) / De Anamirdl kenn i scho / Do renn i liaba glei davo / Is nix dran / Net hint und net voran“ („Die eine mit den grünen Haaren / ist schöner noch als im vorigen Jahr / bringt auch gerade / nicht wenig auf die Waage. / (…) / Die Annemarie kenne ich schon / Vor der laufe ich lieber gleich davon / An der ist nichts dran / Nicht hinten und nicht vorne“). Wonach er sich sehnt, gibt er dann im Refrain preis: „Koa Hiatamadl mog i net / Hot koane dicken Wadl net / I mog a Madl aus da Stadt / wos dicke Wadln hat“ („Ich mag kein Hirtenmädchen / Da hat keine dicken Waden / Ich mag ein Mädchen aus der Stadt / das dicke Waden hat“). Mit „Hiatamadl“ ist natürlich, ganz wie es der Name vermuten lässt, tatsächlich eine Frau gemeint, die als Sennerin auf den Bergen 117
Tiere hütet oder Käse produziert. Der sogenannte „Hiatamadl“ ist allerdings auch ein in Bayern und Österreich sehr populärer Volkstanz. Goisern nimmt nun die Musik des Tanzes, verrockt und betextet ihn verschmitzt und verschmilzt so in seinem Lied zwei Welten auf clevere Weise: hier die Volkskultur mit Dialekt, populär und weit verbreitet, da die den meisten Ohren sehr vertraute Rockmusik. „Koa Hiatamadl“ war 1992 die zweite Singleauskopplung aus dem Album „Aufgeigen statt niederschiassen“ und bringt Goisern und seinen Alpinkatzen – Stefan Engel (Keyboards), Wolfgang Maier (Drums), Reinhard Stranzinger (Gitarre), Sabine Kapfinger alias „Alpnine Sabine“ und später „Zabine“ (Gesang) – den Durchbruch. Das Lied landete auf Platz zwei der österreichischen Charts, blieb 14 Wochen und wurde auch international beachtet. Ein ähnlicher Erfolg gelang dem Musiker Goisern erst 19 Jahre später wieder: mit der Nummer-1-Single „Brenna tuats guat“. Das Abschiedskonzert der Alpinkatzen, das vom Regisseur Joseph Vilsnaier und seiner Frau Dana Vávrová mitgefilmt wurde, fand am 1. November 1994 im Münchner Circus Krone statt. Beim Gespräch mit dem Autor sagte Hubert von Goisern damals: „Momentan reicht es. Das ‚ Hiatamadl hat es mir war ermöglicht, zehn Jahre lang die Musik zu machen, die ich machen wollte. Aber jetzt bin ich ganz froh, es mal eine Zeit lang nicht mehr spielen zu müssen.“ gf Original: Hubert von Goisern und die Alpinkatzen: „Aufgeigen statt niederschiassen“ (1992, BMG, CD)
„There’s too many men / Too many people / Making too many problems“ aus: „Land of Confusion“ von Genesis Ronald Reagan küsst morgens statt seiner Ehefrau Nancy einen Affen, der zwischen den beiden im Bett liegt. Später reitet er in der blauroten Superman-Uniform durchs Bild, unermüdlich unterwegs, um eine sehr ungeordnete Welt zu retten. Abends, wieder im Bett, hat er zwei rote Knöpfe zur Auswahl: „Nuke“ und „Nurse“. Weil er 118
schlecht sieht, drückt er natürlich auf den falschen Knopf und löst, statt die Krankenschwester herbeizurufen, versehentlich eine Atomexplosion aus. Ein wenig wundert er sich noch über den Lärm. Mit galligem Humor gestalteten Peter Fluck und Roger Law, die Schöpfer der satirischen britischen TV-Show „Spittting Image“, mit ihren parodistischen Puppenfiguren das Video zum einzigen GenesisSong, der sich dezidiert mit politischen Verwicklungen auseinandersetzt. In diesem Fall mit dem Klima der Angst und Aggression während des Kalten Krieges, als US-Präsident Reagan, die britische Regierungschefin Margaret Thatcher und der russische Präsident Michail Gorbatschow regierten. „I must’ve dreamed a thousand dreams / Been haunted by a million screams / I can hear the marching feet / They’re moving into the street“ („Ich hab wohl tausend Träume geträumt / Wurde von Millionen Schreien gejagt / Ich kann die marschierenden Füße hören / Sie bewegen sich in die Straße hinein“) heißt es gleich zu Beginn des von markanten Rhythmen unterlegten Songs. Bald darauf zieht Sänger Phil Collins ein nüchternes Fazit: „Too many men / Too many people / Making too many problems / And not much love to go round / Can’t you see / This is a land of confusion“ („Zu viele Männer / zu viele Menschen / machen zu viele Probleme / Und nicht allzu viel Liebe / Kannst du es nicht sehen / Das ist ein Land in Unordnung“). Wenn alle Politiker nicht mehr wissen, wie die anstehenden Probleme zu lösen sind, dann müssen eben andere Kräfte zu Hilfe gerufen werden: „Ooh superman where are you now / When everything’s gone wrong somehow / The men of steel, the men of power / Are losing control by the hour“ („Ooh Superman, wo bist du jetzt / Da alles irgendwie schief läuft / Die stählernen Männer, die Männer mit Macht / Verlieren zur Stunde die Kontrolle“). Den bitteren Text hat Mike Rutherford, der Gitarrist der Band, geschrieben. Für die Musik zeichnete die ganze Band verantwortlich, zu der neben Collins und Rutherford auch noch der Keyboarder Tony Banks gehörte. „Land of Confusion“ wurde als dritte Single aus dem Erfolgsalbum „Invisible Touch“ ausgekoppelt, das mit dem Titelsong, „Tonight, Tonight, Tonight“ und „In Too Deep“ noch weitere Hits abwarf. Der Song chartete weltweit, nur der Titelsong war noch erfolgreicher. Die ehemalige Progressive-Rockband Gene119
sis kam damit endgültig im Mainstream an und verkaufte weltweit mehr als 15 Millionen Alben. Im Video tauchen auch die Bandmitglieder als Puppen auf, ebenso wie zahlreiche andere zeitgenössische Akteure – unter anderem Jimmy Carter, Henry Kissinger, Prince Charles, Idi Amin, Ayatollah Khomeini und Leonid Breschnew. Für die Macher der TV-Serie „Spitting Image“ war es der Durchbruch. Fast zwanzig Jahre später brachte die amerikanische Heavy-Metal-Band Disturbed eine kompromisslos-wütende Coverversion heraus – das Video dazu war diesgf mal ein Zeichentrickfilm. Original: Genesis: „Invisible Touch“ (1986, Virgin, CD) Andere Version: Disturbed: „Ten Thousand Flats“ (2005, Reprise, CD)
„Lazy sunday afternoon, I’ve got no mind to worry“ aus: „Lazy Sunday“ von The Small Faces „Ah wouldn’t it be nice to get on with the neighbours“: Es wäre doch zu schön, wenn man sich mit seinen Nachbarn gut verstehen würde und den müden Sonntagnachmittag („Lazy sunday afternoon“) genießen könnte, einfach, weil man den Kopf gerade nicht frei hat, um sich um anderes zu kümmern („I’ve got no mind to worry“). Man will die Augen schließen und wegdriften („I close my eyes and drift away“), aber da ist Mrs. Jones, die keine Langhaarigen möchte („They’ve got no room for ravers“), dem Betroffenen auf den Schädel schlägt („they bang on me wall“), ihn verletzt („They doing me crust“) und seine drogengeschwängerte Regen bogen-Träumereien („Here we all sittin’ in a rainbow“) unterbinden möchte. Mit herrlichen Witz und einer Prise Arroganz schildert Gitarrist und Sänger Steve Marriott, der den Song mit seinem Bandkollegen und Bassisten Ronnie Lane schrieb, den Kleinkrieg mit seinen Nachbarn. Es ist nicht nur die einfache und mitreißende Melodie, die sich hartnäckig im Ohr festsetzt: Steve Marriott singt weite Teile des Textes in einem ausgeprägten Cockney-Akzent. „Cor blimey“ ist dafür 120
ein schönes Beispiel – man kann es mit „Teufel nochmal!“ übersetzen. Erst am Ende des Songs kehrt Marriott, 1947 im Londoner East End geboren, wieder zum „normalen“ Englisch zurück. Er löste damit eine Wette ein, die er mit der Konkurrenzband The Hollies laufen hatte – die hatten ihm nämlich unterstellt, dass er wohl nie in seinem eigenen Akzent singen würde. Die Plattenfirma veröffentlichte „Lazy Sunday“ im April 1968 gegen den Willen der Band als Single. Der Song, der eigentlich nur als Albumfüller gedacht war, kletterte bis auf Platz zwei der britischen Charts und wurde zum größten Hit der Band. Das dazugehörige Konzeptalbum „Ogdens’ Nut Gone Flake“ erschien im Mai darauf – das Album belegte sechs Wochen lang Platz eins der britischen LP-Charts, es war das erfolgreichste britische Album des Jahres 1968. Ein besonderer Gag mag dazu beigetragen haben: Es erschien in einer bunten Hülle, die die Form einer runden, flachgedrückten Tabakdose hatte. Danach zerbrach die 1965 in London entstandene Band, die zuvor mit „Itchycoo Park“, „Little Tin Soldier“ und „Here Come the Nice“ noch andere Hits verbucht hatte, am hohen Erwartungsdruck. Steve Marriott schloss sich Peter Framptons neu gegründeter Bluesrock-Formation Humble Pie an, der Rest Musiker verstärkte sich mit Rod Stewart als Sänger und Ron Wood an der Gitarre. Wood kam von der gerade aufgelösten Jeff Beck Group und spielt inzwischen seit mehr als 40 Jahren bei den Rolling Stones. Die neu formierte Combo tilgte das „Small“ aus ihrem Namen und musizierte gf von nun an als The Faces. Original: The Small Faces: „Odgens’ Nut Gone Flake“ (1968, Immediate, LP)
„Like a virgin / Touched for the very first time“ aus „Like a Virgin“ von Madonna „Material Girl“ und „Like A Virgin“, die beiden erfolgreichsten Singles aus Madonnas 1984er-Debütalbum „Like a Virgin“, sind die Blaupausen für ihre spätere Karriere. Sie betonte gegenüber dem USMagazin Rolling Stone, dass sie immer wieder mit den Rollenmus121
tern spielte, denen sie sich bereits in diesen frühen Songs bediente. Sie sei zwar weder materiell veranlagt noch Jungfrau, aber sie spielte immer wieder mit den Klischees und inszenierte sich als verwöhntes Mädel, das selbstbewusst die eigene weibliche Identität sucht und ihre Sexualität auslotet. Ganz nebenbei war „Like a Virgin“ – wie später zum Beispiel auch „Hung Up“ – ziemlich zusammengeklaut. Der von Billy Steinberg und Tom Kelly, die bald darauf auch Cyndi Laupers „True Colors“ fabrizierten, geschriebene Song wird von einer Basslinie geprägt, die mit großem Wiedererkennungseffekt von Michael Jacksons „Billie Jean“ und dem Four-Tops-Hit „I Can’t Help My self“ inspiriert ist. Der Text hingegen ähnelt dem Foreigner-Song „Feels Like the First Time“. Aber Madonna macht „Like a Virgin“ zu ihrem ureigenen Ding, das clever auf Hit getrimmt war. Auch wenn sie, wie sie dem amerikanischen Rolling Stone erzählte, nie gedacht hätte, dass diese beiden Songs derart wegweisend für sie sein würden. Dazu gehörte – wie bei Madonna von Anfang an üblich – die passende Inszenierung, die die Künstlerin zur Ikone werden ließ: So präsentierte sie den Song bei den MTV Music Awards 1984, in dem sie in einem Brautkleid auf einer überdimensionalen Torte tanzte und sang. Die unbefleckte Reinheit, für die der weiße Hochzeitsfummel steht, kontrastiert mit dem lüstern vorgetragenen „When your heart beats, and you hold me, hold me“ („Wenn dein Herz schlägt, und du hältst mich, hältst mich“). Sie will die Liebesnacht zelebrieren wie ein erstes Mal, das hier freilich schöner, romantischer und sinnlicher wirkt als es in der Realität häufig der Fall ist. Das Ungestüme und Ungelenke, das mühsame Entdecken des eigenen Selbst und des anderen wird hier zur erotischen Reise in ein herrliches Reich der Zweisamkeit. „Like a virgin / Touched for the very first time“ („Wie eine Jungfrau / Zum allerersten Mal berührt“) ist gleichzeitig unschuldig-naiv und selbstbewusst-feminin – genau so wie das Image, das Madonna danach noch lange spielerisch weiterpflegen sollte. Der Song, der sich in kurzer Zeit allein in den USA über eine Million Mal verkaufte, wurde auch öfter gecovert – am witzigsten von der Post-Punk-Band Lords of the New Church. Schon das Bild, 122
das die Maxi Single zierte, hatte es in sich: Die Gruppe hielt ihren Sänger Stiv Bators, der ein weißes Brautkleid trug und sich dabei so breitbeinig präsentierte, dass man sein Gemächt sehen konnte, in den Armen. Madonnas Sinnlichkeit wurde ins Vulgäre verschoben. mp Original: Madonna: „Like Virgin“ (1984, Sire, LP) Andere Version: Lords of the New Church: „Like a Virgin“ (1985, Illegal Records, Maxi-Single)
„Männer sind so verletzlich / Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich“ aus: „Männer“ von Herbert Grönemeyer Für deutschsprachige Musik wurde die Nummernfolge „4630“ quasi magisch. Eigentlich stand sie vor der Wiedervereinigung und vor dem dritten Weltmeistertitel für die so nicht mehr existente Postleitzahl der Stadt Bochum. Mittlerweile verbindet man sie nur noch mit dem fünften Studioalbum des damals singenden Schauspielers, längst aber zum schauspielernden Sänger gewordenen Herbert Grönemeyer. Die 1984 erschienene LP „4630 Bochum“ ist das erste von bislang zehn Werken, mit denen der vormals eher erfolglose Sänger und Songschreiber auf Platz eins der Albumcharts kam – die anderen neun Platten, die danach folgten, schlossen mühelos daran an. Grönemeyer, der eigentlich nicht in der Stadt an der Ruhr, sondern in Göttingen zur Welt kam, dort aber aufwuchs und sich seine ersten Meriten als Theatermime verdiente, wurde über Jahrzehnte hinweg einer der erfolgreichsten deutschsprachigen PopKünstler: Allein von „4630 Bochum“ wurden bislang knapp drei Millionen Exemplare verkauft. Drei Singles warf die Platte ab, neben „Alkohol“ und der erst durch Oli P. zum Riesenhit gewordenen Ballade „Flugzeuge im Bauch“, war es der Top-Ten-Hit „Männer“ – ein Lied, das zur rechten Zeit ein wichtiges Thema anschnitt. Während sich Frauen drauf einigen konnten, dass das „Land neue Männer braucht“, wie Ina Deter zwei Jahre zuvor sang, waren die selbsternannten „Herren der 123
Schöpfung“ ob ihres Geschlechter- und Rollenverständnisses ziemlich verunsichert. War der Macho tot? Sollte man sich zum einfühlsamen Softie entwickeln? Wie könnte eigentlich ein Mannsein funktionieren, das Frauen nicht unterdrückt und sich mit ihnen die Hälfte des Planeten gleichberechtigt teilt? „Wann ist der Mann ein Mann?“ fragt Grönemeyer in den gesellschaftlichen Diskurs hinein – und beschreibt in stereotypen Bildern, wie Männer gesehen werden: Sie haben Muskeln und sind stark, Schwäche zeigen sie gar nicht, geweint wird heimlich. Männer baggern wie blöde, sind stark und kriegen einen Herzinfarkt, aber sie nehmen einen auch in den Arm und geben Geborgenheit. Im Refrain heißt es „Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht / Außen hart und innen ganz weich / Werden als Kind schon auf Mann geeicht“. „Wann ist ein Mann ein Mann?“. Diese Frage beantwortete Grönemeyer nicht. Wie sollte er auch? Darüber streiten sich die Genderforscher nicht erst seit 1984 – und immer noch herrscht Verunsicherung. So forderte der Autor Nils Pickert Anfang Juni 2015 in einem Artikel in Der Freitag „Solidarität mit Frauen“ und beschrieb, „warum Feminismus uns alle angeht“. Pickert bekam dafür in der virtuellen Welt nicht nur unterstützende Worte anderer Männer, sondern jede Menge hämischer bis beleidigender Worte zu lesen – übrigens auch von Frauen. Und wo wir schon mal bei Frauen sind: Die Erlanger SpaßrockKombo J.B.O. drehte 1995 auf ihrem vergoldeten Album „Explizite Lyrik“ den Spieß um – und beschrieb, was die Damen angeblich so alles ausmacht. Unter anderem heißt es da „Manche Frau ist schwer manche leicht / Außen hart und innen ganz weich / Werd’n als Kind schon auf blond gebleicht / Wann ist ne Frau ne Frau?“. Das nicht ernst gemeinte, im Vergleich zu Grönemeyers „Männer“ noch wesentlich klischeehaftere Lied beginnt so: „Frauen machen uns arm / Frauen sind dekorativ / Frauen weinen mit Absicht / Frauen sind einfach nicht objektiv / Oh, Frauen sind so verletzlich / Frauen sind auf jeder Party einfach unersetzlich.“ Es scheint wohl so, dass auch die Männer noch an ihrem Frauenbild arbeiten müssen. Und Herbert Grönemeyer? Der hat es geschafft, dass man beim Kosenamen „Herbie“ nicht mehr sofort an Disneys tollen VW Käfer denkt. mp 124
Original: Herbert Grönemeyer: „4630 Bochum“ (1984, EMI, LP) Andere Version: J.B.O.: „Explizite Lyrik“ (1995, Musical Tragedies, LP)
„Denn du bist, was du isst“ aus: „Mein Teil“ von Rammstein Der zentrale Satz des Liedes ist natürlich wahr: Die einen ernähren sich zugleich makroökonomisch und mikrobiologisch, also von Kleinstmengen aus dem teuren Bioladen, die anderen von Fast Food. Und dann ist da noch Armin Meiwes, der „Kannibale von Rotenburg“: Der psychisch gestörte Mann suchte via Internet nach Menschen, die sich von ihm auffressen lassen wollten. Im Diplomingenieur Bernd Jürgen Armando Brandes fand Meiwes schließlich ein Opfer, das freiwillig zuerst seinen Penis zum Verzehr freigab und sich dann umbringen ließ. Die makabre Geschichte wurde von Musikern und Theatermachern verarbeitet und dann zum Thema eines Rocksongs. Rammsteins „Mein Teil“ kam am 26. Juli 2004, rund drei Jahre nach der schrecklichen Tat auf den Markt und lieferte den Soundtrack zum Prozess gegen Meiwes. Rammstein erreichten mit dem Lied Platz zwei der deutschen Charts und wurden in den USA für einen Grammy in der Kategorie „Best Metal Performance“ nominiert. Die zehn Jahre zuvor gegründete Formation, die das international erfolgreiche Aushängeschild der „Neuen Deutschen Härte“ ist („Engel“), schaffte mit „Mein Teil“ eine gezielte Provokation. In Interviews gaben die Bandmitglieder aber zu Protokoll, dass sie sich über den Stellenwert des Kannibalen in den Medien wundern, die Welt habe doch schließlich wichtigere Probleme. Dass Rammstein mit dem Lied auch brüskieren wollten, ist aber ebenso klar. Im Fritz Magazin, der Jugendbeilage der Salzburger Nachrichten, erläuterte Gitarrist Paul Landers die Intention. Auf die Frage „Euer Lied ‚Mein Teil‘: Ist das der versprochene KannibalenSong?“ antwortet der Musiker: „Ja, das ist das Lied zu dem einen, der den anderen nach ’ner Annonce gegessen hat. Damit haben wir vielleicht bei manchen ein Tabu gebrochen. Dabei war das Thema 125
damals in den Medien ganz groß. Und wir sind ja im Gegensatz zu den ganzen Zeitungen, die sich sensationslüstern auf den armen Mann gestürzt haben, Jahre hinterher und bei weitem nicht so massiv. Wir machen jetzt halt ein Lied darüber, aber a) künstlerisch und b) wenn nicht wir ein Lied drüber schreiben, wer sonst? Das Thema bietet sich ja regelrecht an.“ Die Wellen schlugen jedenfalls hoch. Bild schrie entrüstet auf: „Ekelhaft!“. Der Spiegel kritisierte „Mein Teil“ als „dreiste Skandalinszenierung“. Besonders heftig war die Reaktion in christlichen Kreisen. Im Blog Soulsaver.de war davon die Rede, dass die Bibel derartig abartige Dinge wie Kannibalismus verurteile. Ganz abge sehen davon, dass man den Beweis schuldig blieb und keine passende Stelle aus der Heiligen Schrift nannte, wurde im Zusammenhang mit Meiwes’ Tat wie so oft auch die Frage gestellt, wo die Grenzen für Kunst und Künstler verlaufen. Rammstein dürften sich über die Reaktionen aber gefreut haben. Die Provokation war gelungen und reichte bis in die Familien der Nation. Landers im Fritz Magazin: „Wir machen keine Musik für Eltern, eher für Kinder, die ihre Eltern ärgern wollen.“ Und das gelang mit „Mein Teil“ auch deshalb so gut, weil das Sujet des Songs an tief verwurzelte Ängste rührt und ein Thema anspricht, das für die moralisch doch so gut verankerten Bürger des 21. Jahrhunderts einen ebenso ekligen wie faszinierenden Blick in menschliche Abgründe bietet. Den Grammy gewannen Rammstein übrigens nicht, der ging an die ebenfalls oft provozierende Formation Slipknot und ihren Kracher „Before I Forget“. Eine witzige Randnotiz stellte die Coverversion der US-Hillbilly-Spaßvögel von Hayseed Dixie dar: Selten wurde die deutsche Sprache so kannibalisiert. mp Original: Rammstein: „Reise Reise“ (2004, Motor, CD) Andere Version: Hayseed Dixie: „Weapons of Grass Destruction“ (2007, Cooking Vinyl, CD)
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„I send an SOS to the world / I hope that someone gets my / message in a bottle“ aus: „Message in a Bottle“ von The Police „Roxanne“ aus dem Debütalbum „Outlandos d’Amour“ war noch ein Hit, der erst mit ein paar Monaten Verspätung zündete. Ganz anders verhielt es sich dann schon mit „Message in a Bottle“, der Vorabsingle zum zweiten Police-Album „Regatta de Blanc“: Der Song kam im September 1979 auf den Markt – und stand schon kurze Zeit später an der Spitze der britischen Charts. Er war übrigens der erste Nummer-1-Hit der Band in Großbritannien. Der Text erzählt von einem Schiffbrüchigen, für den sich ein einsamer Tag an den anderen reiht („Another lonely day and no one here but me“) und der vor seiner Verzweiflung gerettet werden möchte: „Rescue me before I fall in despair“. Was bleibt, ist die Idee, die es schon in unzählige Romane und Filme geschafft hat – er schreibt eine Flaschenpost: „I send an SOS to the world / I hope that someone gets my / Message in a bottle“ („Ich sende ein SOS in die Welt / Ich hoffe, dass irgendwer meine / Flaschenpost erhält“). Ein Jahr vergeht, er ist immer noch allein und hat nur noch seine Hoffnung, die ihn aufrecht hält: „Only hope can keep me together“. Eines morgens aber hat es hunderte Millionen Flaschen gleichen Inhalts an seiner Küste angeschwemmt und er erkennt, dass er nicht alleine dabei ist, sich allein zu fühlen: „Walked out this morning, I don’t believe what I saw / A hundred billion bottles washed up on the shore / It seems I’m not alone at being alone“. Der Gedanke hat auch etwas ungemein Versöhnliches: Wenn viele in der Masse alleine sind, ist eigentlich keiner mehr wirklich einsam. Vielleicht fühlten sich deswegen so viele Menschen davon angesprochen – außer in den USA (Platz 74) landete der Song weltweit in den Charts. Sting, Sänger und Bassist der dreiköpfigen Band, sagte 1993 dem britischen Magazin Q: „Es ist ein gutes Lied, es bewegt mich. Mir gefällt, dass es – obwohl es von Einsamkeit und Entfremdung handelt – trotzdem Trost spendet.“ Die 1977 von Bassist und Sänger Sting, Drummer Stewart Copeland und Gitarrist Andy Summers in London gegründete Band war die erste international erfolgreiche Band, die Elemente von Ska und 127
Reggae auf markante Weise in ihrer New-Wave-Musik verwendete. Auch „Message in a Bottle“ lebt von dieser ungewohnten Mischung, die im damaligen Großbritannien schon vielen vertraut, jedoch noch kaum erfolgreich war. Zuvor gelang nur Eric Clapton mit seiner Coverversion von Bob Marleys „I Shot the Sheriff“ (1974) ein Comeback-Hit, weitere reggaefizierte Hits blieben dennoch die Ausnahme. Bis The Police kamen: Vier der fünf Studioalben, die die Band bis zu ihrem vorläufigem Ende 1983 veröffentlichte, landeten auf Platz eins der britischen Albumcharts. Auch der Spiegel zollte 1981 Anerkennung: „Auf ihren drei ersten Langspielplatten, geheimnisvoll poetisch betitelt ‚Outlandos d’Amour‘, ‚Regatta de Blanc‘ und ‚Zenyatta Mondatta‘, präsentieren Police einen völlig neuen, unverwechselbaren Stil fern von gängigen Rock-Klischees. Ihre Musik ist die originelle Verschmelzung des schwarzen jamaikanischen Reggae mit schnellem weißem New-Wave-Rock, sie wechselt geschickt Rhythmus und Lautstärke, sie lebt – vor allem im Konzert – von spannenden Improvisationspassagen, phantasievoller gf Klangfarben-Malerei und mitreißenden Steigerungen.“ Original: The Police: „Regatta de Blanc“ (1979, A&M, LP)
„Liebling, lass uns tanzen, das tut dem Blutdruck gut. / Liebling, lass uns tanzen, denn tanzen darf ein jeder Jud.“ aus: „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ von Marius Müller-Westernhagen Rumpelnder Bluesrock aus deutschen Landen, rau und ehrlich runtergespielt. Mit einem Text, den man aus guten Gründen als unsinnig abtun kann, der aber durch seinen Rhythmus und seine Nähe zu Kinderreimen doch im Gedächtnis bleibt. Präsentiert wird „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ von einem Marius Müller-Westernhagen in Jeans und Lederjacke, der nach drei leidlich erfolglosen Langspielplatten immer noch den rebellischen Jugendlichen mimt, den sympathischen, etwas vorlauten Typen, der es mit der ganzen Welt aufnehmen muss. Ein wenig street credibility aus dem Ruhrpott eben. 128
Es sind eigentlich nur unbotmäßige Reizworte, mit denen der Text seine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, Jud zum Beispiel: „Liebling, lass uns tanzen, das tut dem Blutdruck gut. / Liebling, lass uns tanzen, denn tanzen darf ein jeder Jud.“ Oder Neger: „Neger, die sind dunkel, im Dunkeln lässt sich’s munkeln.“ Auch etwas Ordinäres muss sein: „Pippi ist kein Name und auch kein Getränk. / Und mancher muss schon rennen, wenn er nur an Pipi denkt.“ Und ein bisschen Kapitalismuskritik: „Glaubst an den lieben Gott? Oder an Guevara? / Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt in bar – aauh.“ Das alles wirkt ungefähr so provozierend wie der von Hormonen gesteuerte Aufstand eines Pubertierenden, der seinen Eltern die ersten patzigen Antworten gibt … Immerhin muss man dem 1948 in Düsseldorf geborenen Marius Müller-Westernhagen zugute halten, dass er mit „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ eine Zeile geprägt hat, die noch heute jeder kennt. Fast parallel dazu verlief sein Aufstieg als Schauspieler. Schon 1976 drehte Westernhagen mit dem Regisseur Peter F. Bringmann „Aufforderung zum Tanz“ und spielte da zum ersten Mal die Figur des Fernfahrer Theo Gromberg. 1980 kommt mit „Theo gegen den Rest der Welt“ die äußerst erfolgreiche Fortsetzung – in Film wie auf Platte verkörperte Westernhagen den Kumpel-Typ. 2009 blickte er in der FAZ auf diese Zeit zurück: „Diese Erfolge habe ich genutzt und die Rolle deshalb weitergespielt. Aber das war nicht ich. Die Platten waren Milieustudien. Schauspieler und Musiker müssen eine Kunstwelt schaffen, sonst entsteht nur Reality-TV.“ „Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“ ist Westernhagens vierte Langspielplatte, sie wurde vom Ex-Amon-Düül 2-Bassisten Lothar Meid produziert und kam 1978 auf den Markt. Der Erfolg der Platte und der gleichnamigen Single bescherten ihm jedenfalls den Durchbruch als Musiker. Das Album hat sich bis heute rund 1,5 Millionen Mal verkauft. Aber erst 1989 gelang ihm mit „Halleluja“ gf wieder ein ähnlicher Erfolg. Original: Marius Müller-Westernhagen: „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ (1978, WEA, LP)
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„I think it’s time for you my friend / To stop pretending that you are a / Moviestar oh Moviestar“ aus: „Moviestar“ von Harpo Ein Urteil ist schnell gefällt: Gewogen und für zu leicht befunden. Damit aber wird man diesem radikal eingängigen Lied nicht gerecht. Denn der Text hat es in sich – Harpo geht mit einem eitlen Selbstdarsteller ins Gericht, der sich zu Höherem berufen wähnt, in der Realität aber erfolglos ist und nur in TV-Werbeclips zu sehen ist. Dass Harpo seinen Song leicht und verführerisch intonierte und live immer barfuß sowie mit einem Spazierstock samt Fahrradklingel vortrug, lässt ihn fast schon kabaretthaft wirken. Mal fühlt sich der Protagonist des Songs wie Steve McQueen („You feel like Steve McQueen / When you’re driving in your car“), mal hält er sich für James Bond („And you think you look like James Bond / When you’re smoking your cigar“), dann wieder für James Dean („It’s so bizarre you think you are / A new kind of James Dean“). Aber bisher gabs nur einen einzigen winzigen Werbe-Auftritt für ihn („But the only thing I’ve ever seen of you / Is a commercial spot on the screen“). Statt im Lear Jet unterwegs zu sein, muss er im Lebensmittelladen arbeiten, und, wie enttäuschend, Ingmar Bergman hat auch keine Zeit für ihn („You should belong to the jet set / Fly your own private lear jet / But you worked in a grocery store / (…) / So you went to Sweden to meet Ingmar Bergman / He wasn’t there or he just didn’t care“) … Der Möchtegernstar verweigert sich der Realität, wirkt wie erstarrt und will nicht wahrhaben, dass sich seine Träume verflüchtigt haben. Der Sänger stellt das in drei dürren Zeilen mit trockenem Humor fest: „The frozen hero / Your words are zero / When your dreams had vanished into dark / Along the go that you want to know“. Deswegen die Aufforderung, sich endlich die bittere Wahrheit einzugestehen: „I think it’s time for you my friend / To stop pretending that you are a / Moviestar oh Moviestar“. „Moviestar“ erscheint 1976 und stürmt sofort die Hitparaden: Platz eins in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Schweden und Norwegen. In Holland erreicht der Song Platz drei, in Großbritannien immerhin noch Platz 24. In Deutschland hält sich das 130
Lied über 30 Wochen in den Charts – es ist der Sommerhit des Jahres. Abba-Sängerin Anni-Frid Lyngstad singt in der englischen und schwedischen Fassung übrigens die Backing Vocals. Überhaupt Abba: Deren Manager Stig Anderson ist auch der Manager von Harpo und will ursprünglich, dass Benny Andersson und Björn Ulvaeus Harpo ihn auch produzieren, was aber aus Zeitgründen nicht zustande kommt. Harpo, 1950 als Jan Harpo Torsten Svensson im schwedischen Bandhagen nahe Stockholm geboren, legte in der Folge keine typische Popstar-Karriere hin. Er war aber kein One-Hit-Wonder: Nach „Moviestar“ feierte er noch mit „Motorcycle Mama“ und „Horoscope“ große Erfolge. Da er alle Songs selbst schrieb, ermöglichten ihm die Tantiemen von „Moviestar“, sich den Bauernhof Vickyby in Südschweden zu kaufen, wo er bis heute lebt und Rennpferde züchtet – auch wenn ihm eines seiner Pferde vor mehr drei Jahrzehnten beim Aufwärmtraining ins Gesicht trat und einen Sehnerv beschädigte. Harpo, der immer noch auftritt, malt und Kinderbücher schreibt, ist seither auf dem rechten Auge blind. Aber er arbeitet im Stockholmer Studio von Ex-Abba Benny Andersson an einer neuen Platte: „Es ist das schönste Studio, das ich kenne.“ gf Original: Harpo: Moviestar (1975, EMI, LP)
„Hey! Mr. Tambourine Man, play a song for me / I’m not sleepy and there ain’t no place I’m going to“ aus: „Mr. Tambourine Man“ von Bob Dylan Niemand singt bekanntlich wie Bob Dylan – und viele Musikfans finden das auch gut so. Auf jeden Fall wurden viele seiner Songs in Versionen anderer Interpreten zu Riesenhits, man kennt sie unter anderem von Manfred Mann, der sowohl in den 1960er- als auch in den 1970er-Jahren mit Dylan-Interpretationen erfolgreich war, von den Hollies, von Johnny Cash, Jimi Hendrix, Stevie Wonder oder Them. Auch Nick Cave, P.J. Harvey, Patti Smith oder The White Stripes veredelten die Vorlagen, die ihnen der 1941 in Duluth/Minnesota geborene Songwriter lieferte. Ein echter und sehr eigenständi131
ger Klassiker gelang den Byrds um Roger McGuinn und Gene Clark 1965 mit ihrer Version. Worum es in dem Lied geht, ist aber in jeder Variante eher fraglich. Vermutlich, so wird immer wieder von Dylanologen hineingeheimnist, sucht der Ich-Erzähler bei seinem Dealer, dem „Mr. Tambourine Man“ nach Drogen, die ihn besser durch den Tag, vor allem aber durch die Nacht bringen: „Hey! Mr. Tambourine Man, play a song for me / I’m not sleepy and there ain’t no place I’m going to“ („Hey! Herr Tamburin Mann, spiel ein Lied für mich / Ich bin nicht müde und weiß nicht, wo ich hingehen soll“). Deutlicher wird der Bezug zu LSD oder Haschisch in Zeilen wie diesen: „Take me for a trip upon your magic swirling ship“ („Nimm’ – mich für eine Reise auf dem Zauber wirbelnden Schiff“) oder „Then take me disappearin’ through the smoke rings of my mind“ („Dann nimm’ mich mit, bis ich durch die Rauchringe meines Geistes verschwinde“). Diese letzte Zeile kommt in der Version der Byrds nicht vor – was, auch unabhängig vom „anrüchigen“ Inhalt, logisch ist. Denn die 1964 in Los Angeles gegründete Band verband nicht nur Dylans Folk mit Rock, sie dampfte den im Original knapp fünfeinhalb Minuten langen Song gnadenlos auf 2:18 Minuten ein. Die Byrds übernahmen neben dem Refrain auch nur eine der vier Strophen des ursprünglichen Textes. Diese Verdichtung verwandelte das surreale, angeblich vom französischen Dichter Arthur Rimbaud und speziell von dessen 1871 erschienen Poem „Le Bateau ivre“ („Das trunkene Schiff“) beeinflusste Lied in einen Charts-tauglichen Ohrwurm. Bei Bob Dylan ist „Mr. Tambourine Man“ der Auftakt der zweiten Seite seines fünften, sehr erfolgreichen Albums „Bring It All Back Home“, auf dem unter anderem mit „Subterranean Homesick Blues“, „Maggie’s Farm“ oder dem in der Version von Them erfolgreichen „It’s All Over Now, Baby Blue“ weitere seiner Klassiker zu finden sind. Dylans LP erschien am 22. März 1965 bei Columbia, nur wenige Tage später – am 12. April – wurde die ByrdsSingle mit der B-Seite „I Knew I’d Want You“ beim selben Label veröffentlicht. Das dazugehörige Debütalbum der Byrds erschien im Juni ’65 und erhielt mit „Chimes Of Freedom“, „Spanish Har132
lem Incident“ und „All I Really Want to Do“ gleich drei weitere, höchst gelungene Dylan-Interpretationen. mp Original: Bob Dylan: „Bring It All Back Home“ (1965, Columbia, LP) Andere Versionen: The Byrds: „Mr. Tambourine Man“ (1965, Columbia, LP) Stevie Wonder: „Down To Earth“ (1966, Motown, LP) Melanie: „Born to Be“ (1968, Buddah Records, LP) William Shatner: „The Transformed Man“ (1968, Decca, LP) Bob Sinclair: „Born in 69“ (2009, Yellow Productions, CD)
„Have you seen my wife, Mr. Jones?“ aus: „New York Mining Desaster 1941“ von Bee Gees Das muss man sich erst mal vorstellen: Die Bee Gees, also die Brüder Barry, Maurice und Robin Gibb, nach „Saturday Night Fever“ (1977) mit John Travolta in der Hauptrolle die Superstars der Disco-Ära, verdienten sich ihre Überfahrt von Australien nach Southampton in Großbritannien an Bord des Dampfschiffes „Fairsky“ als – Bordkapelle. In Australien hatten sie 1966 mit „Spick und Specks“ zwar schon einen ersten Hit gehabt, der dort bis auf Platz zwei der Charts kam, nun aber wollten sie am 24. Februar 1967 bei der Robert Stigwood Organisation (RSO) vorspielen, um sich zu präsentieren und einen Plattenvertrag zu ergattern. Sie schafften es. Allerdings war RSO mit der ersten Aufnahme, einem Song namens „Town of Tuxley, Toymaker, Part 1“, äußerst unzufrieden. Es musste also schnell ein neues Lied her. Barry und Robin Gibb gingen dafür ins Treppenhaus bei Polydor Records. Der Aufzug rumpelte gerade hinter ihnen vorbei, als plötzlich der Strom ausfiel. Da hatten sie ihre Idee: Sie stellten sich vor, wie es wäre, in einer Mine gefangen zu sein – und im Song erzählen sie die Geschichte eines Minenarbeiters, der in einer unterirdischen Höhle festsitzt. Er zeigt seinem Kollegen wehmütig ein Foto seiner Frau, während sie ohne Hoffnung auf ihre Rettung warten: „It’s just a photograph of someone that I knew“. Und dann folgt die Frage: „Have you seen my wife, Mr. Jones?“ („Haben Sie sie mal kennengelernt, Herr Jones?“). Aber er solle bitte nicht zu laut sprechen, denn sonst verursache er 133
noch einen Erdrutsch: „Don’t go talking too loud, you’ll cause a landslide“. Ab der zweiten und vor allem dann in der dritten Strophe tragen die Bee Gees den Text zunehmend langsamer vor – so als ob sie klarmachen wollten, dass die Zeit des Minenarbeiters nun langsam abläuft. Auch die Drums werden dramatisch lauter eingepegelt. In den Liner Notes zu ihrem 1990 erschienenen Box-Set „Tales from the Brothers Gibb“ erzählen die Bee Gees, dass der Song auch vom fatalen Bergwerksunglück in Aberfan/Wales beeinflusst war. Bei dem Erdrutsch, der im Oktober 1966 ausgerechnet die Schule des Dorfes erfasste, waren 118 Kinder und 28 Erwachsene ums Leben gekommen. Das besungene Unglück in „New York Mining Desaster 1941“ war der erste Song, den die Bee Gees 1967 schrieben und die erste Single, die international veröffentlicht wurde. Sie landete fast überall in den Charts und leitete die weltweite Karriere der Brüder-Band ein. Um ein Missverständnis aufzuklären: Die dazugehörige, sehr psychedelisch angehauchte LP kam zwar unter dem Namen „Bee Gees’ 1st“ auf den Markt, war aber keineswegs der erste Longplayer der Band. Die Platte, deren Cover Klaus Voormann entwarf – zuvor hatte er die Hülle der Beatles-LP„Revolver“ gezeichnet –, war nur die erste, die ebenfalls weltweit zu haben war. Die beiden anderen, „The Bee Gees Sing and Play 14 Barry Gibb Songs“ (1965) und „Spicks and Specks“ (1966), gab es nur in Australien und Neuseeland. gf Original: Bee Gees: „1st“ (1967, Polydor, LP)
„Gonna be some sweet sounds / Coming down on the nightshift“ aus: „Nightshift“ von The Commodores Was wären die Commodores ohne Lionel Richie? Die letzte der „großen“ Gesangsgruppen des Motown-Labels – nach den Four Tops, den Supremes, den Jackson Five oder den Temptations – hatte mit ihrem Leadsänger eine ganze Reihe großer Hits, etwa „Easy“, „Brick House“ oder „Three Times a Lady“. 1982 stieg Richie nach fast eineinhalb Jahrzehnten Bandzugehörigkeit aus, um Solo zum Weltstar zu werden. Die Commodores machten ohne ihn weiter und 134
veröffentlichten am 31. Januar 1985 den erfolgreichsten Song, den sie ohne Lionel Richie zustande brachten. In den Refrain-Zeilen „Gonna be some sweet sounds / Coming down on the nightshift“ („Es werden süße Klänge sein / Die uns während der Nachtschicht begleiten“) klingt an, dass es im Lied explizit um Musik geht – genauer um zwei R&B- beziehungsweise Soul-Sänger, die im Jahr zuvor viel zu jung verstorben waren. Beide Künstler werden im Text mit ihrem Vornamen erwähnt, die Melodie zitiert jeweils einen ihrer großen Hits: Auf der einen Seite ist da Marvin Gaye, der Mann mit der unverwechselbaren, ebenso markanten wie auch samtenen Stimme, dessen „What’s Going On“ anklingt. Der Motown-Star, der in den 1960er- und 1970er-Jahren sehr erfolgreich für das Label aktiv war und 1982 mit „Sexual Healing“ noch einen großen Erfolg für Columbia landen konnte, starb am 1. April 1984. Er wurde einen Tag vor seinem 45. Geburtstag von seinem Vater, Marvin Gay Sr., erschossen. Auf der anderen Seite ist da Jackie Wilson, der bei der Doo-WopFormation The Dominoes begann und in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren einige große Hits wie „Lonely Teardrops“, „Night“ oder „Baby Workout“ hatte. Sein erster Chart Erfolg „Reet Petite (The Sweetest Girl in Town)“ aus dem Jahr 1957 wurde dank eines Levis-Werbespots 1986 zu einem europaweiten Top-Ten-Hit. Auch Wilsons Tod war tragisch: Am 29. September 1975 erlitt- er während eines Konzertes einen Herzanfall und stürzte von der Bühne. Er lag dann bis zu seinem Ableben am 21. Januar 1984 im Koma. Die Commodores nahmen „Nightshift“ im Jahre 2010 noch einmal auf – dieses Mal widmeten sie den Song dem am 25. Juni 2009 im Alter von knapp 39 Jahren verstorbenen „King of Pop“ Michael Jackson. Sie ersetzten sowohl Marvin Gayes als auch Jackie Wilsons Namen durch „Michael“ und zitierten sowohl aus „I’ll Be There“ von den Jackson Five als auch aus Jackos Solohit „Rock With You“. Allerdings nahm kaum jemand diese neue Version von mp „Nightshift“ zur Kenntnis. Original: The Commodores: „Nightshift“ (1985, Motown, LP)
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„So close, no matter how far / Couldn’t be much more from the heart / Forever trust in who we are / And nothing else matters“ aus: „Nothing Else Matters“ von Metallica Es sind immer wieder Hardrock- und Metal-Bands, die die schönsten Balladen schreiben. Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ und Deep Purples „When A Blind Man Cries“ sind wunderbare Beispiele dafür. Ein weiteres gelingt Metallica mit der Powerballade „Nothing Else Matters“, die sogar zweimal veröffentlicht wurde. James Hetfield, Sänger und Gitarrist von Metallica, entwarf die ersten Takte des Songs, als er mit seiner damaligen Freundin tele fonierte.Und zwar, so die Fama, nur mit seiner rechten Hand, weil er in der anderen den Hörer hielt. Das ist der Grund, warum das Lied in e-Moll entstand – für diesen Akkord braucht man die linke Hand nicht unbedingt. Gleich die ersten Zeilen nehmen direkten Bezug auf seine Beziehung, auch wenn er wieder, wie so oft, auf Tour ist: „So close, no matter how far / Couldn’t be much more from the heart / Forever trust in who we are / Nothing else matters“ – „So nah, und egal wie weit weg / Mehr könnte vom Herzen nicht kommen / Wir vertrauen immer darauf, wer wir sind / Nichts anderes zählt.“ Viele andere Zeilen dieses Liedes reflektieren ebenfalls die Beziehung zu einer bestimmten Person: „Never opened myself this way / Life is ours, we live it our way“ – „Noch nie in meinem Leben habe ich mich so geöffnet / Das Leben gehört uns, wir leben es nach unserer Art.“ Oder: „Trust I seek and I find in you / Every day for us something new“ – „Ich suche Vertrauen und finde es in Dir / Jeder Tag ist für uns etwas Neues“ und immer wieder: „Nothing Else Matters“. Nichts anderes zählt. Hetfield schrieb den Song erst mal nur für sich. Zufällig hörte ihn irgendwann der Drummer Lars Ulrich und überredete seinen Sänger, das Lied doch der Band zur Verfügung zu stellen. 2013 erzählte Hetfield in einem Interview mit dem Spiegel, was ihn zunächst zögern ließ: „Ich dachte, ich mache mich angreifbar. Ich habe in dem Lied mein Herz ausgestellt und hatte Angst, dass die Leute darauf herumtrampeln.“ Das Gegenteil ist der Fall. Die doch sehr allgemein gehaltenen Zeilen wirken wie eine Folie, die jeder ganz individuell mit Inhalt 136
füllen kann. Und wer hat nicht schon mal das Gefühl gehabt, dass nichts anderes im Leben zählt als … „Nothing Else Matters“, als dritte Single aus dem fünften Album der Band ausgekoppelt, wurde weltweit zum Erfolg und blieb 85 Wochen in den deutschen Charts. Metallica, die bis dato kaum Balladen geschrieben haben, erhielten zudem einen Grammy für die beste Metal-Performance. Seither haben Metallica den Song weit über 1000 Mal gespielt, stets in unterschiedlichen Längen und instrumentalen Besetzungen. Für das Live-Album „S&M“ – der Titel steht in diesem Fall nicht etwas für Sadomasochismus, sondern für „Symphony and Metallica“ – entstand 1999 eine weitere Version: Metallica arbeiteten mit dem Dirigenten Michael Kamen und dem San Francisco Symphony Orchestra zusammen. Die orchestrierte Live-Version der Ballade veröffentlichten Metallica als „Nothing Else Matters 99“. In Deutschland stieg die Single bis auf Platz zwei der Charts. Wie sehr die Ballade die Musikwelt prägte, zeigt nicht nur die hohe Zahl an Coverversionen – fast 100 bis heute –, sondern auch die Tatsache, dass das musikalische Spektrum ungewöhnlich groß ausfällt: vom Indierock über Jazz bis hin zu Klassik- und Chorversionen ist alles dabei. Sogar die Wiener Sängerknaben haben das Lied gf interpretiert. Original: Metallica: „Metallica“ (1991, Elektra, CD) Andere Version: Wiener Sängerknaben: „Wiener Sängerknaben goes Pop“ (2002, EMI, CD)
„One scotch, one bourbon and one beer“ aus: „One Scotch, One Bourbon, One Beer“ von Amos Milburn Richtig, bei Amos Milburn heißt der Song „One Scotch, One Bourbon, One Beer“ – erst in den Versionen von John Lee Hooker wird der amerikanische Whiskey vor dem Hochprozentigen aus Schottland genannt. Geschrieben hat diese sehr deutliche Bitte an den Barmann, sich doch mit dem Servieren der Bestellung zu sputen, Rudy Toombs, der unter anderem den ebenfalls alkoholisch „durchtränkten“ Doo-Wop-Klassiker „One Mint Julep“ für die Clovers, oder 137
auch „Teardop In My Eyes“ für die Blues’n’Soul-Diva Ruth Brown verfasste. Der 1927 in Texas als Joseph Amos Milburn geborene Sänger und Pianist nahm den Song mit seiner Band Aladdin Chickenshackers 1953 auf und machte ihn zu einem großen Hit. Der Wunsch an den Kellner erreichte immerhin Platz zwei in den R&B-Charts. Milburn, den zumindest hierzulande kaum jemand kennt – auch, weil seine große Zeit die kargen, europäischen Nachkriegsjahre waren – reihte in den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren Hit auf Hit. Viele seiner bekanntesten Songs thematisieren den Alkohol, etwa „Let Me Go Home, Whiskey“, direkt vor „One Scotch…“, „Bad, Bad Whiskey“, „Good, Good Whiskey “(!) – und unmittelbar nach „One Scotch…“ – „Vicious Vodka“, „Thinking and Drinking“ oder „Let Me Go Home, Whiskey“. Die Zeile „One Scotch, One Bourbon, One Beer“ wurde unsterblich – und mit ihr ein Lied, das beschreibt, wie man durch Alkohol vergisst, also „gut drauf kommt“. Und das liegt am BluesGroßmeister John Lee Hooker („Dimples“, „Boom Boom“, „I’m In the Mood“), der den Song erstmals 1966 und dann immer wieder aufnahm. In seiner Ur-Version spricht Hooker lässig mit dem Barkeeper – diese Situation kennt man aus vielen Liedern und Filmen: Der einsame Mann hängt in der Kneipe ab und lässt sich – weil auf kurzfristiges Vergessen der Lebensumstände hoffend – volllaufen: „And then I sit there, drinkin’, gettin’ high, mellow, knocked out, feelin’ good /About that time I looked on the wall, at the old clock on the wall / About that time it was ten-thirty then / I looked down the bar at the bartender, he said / Whatdo you want, Johnny? / One bourbon, one scotch and one beer“ („Und dann sitze ich hier, trinke, werde besoffen, werde mild, breche zusammen, fühle mich gut / Irgendwann schaute ich an die Wand, die alte Uhr an der Wand / Irgendwann war es 22:30 Uhr / Ich schaute rüber zur Bar und der Barmann sagte / Was willst du, Johnny? / Einen Bourbon, einen Scotch und ein Bier).“ John Lee Hooker machte sich den Milburn-Hit so zu eigen, dass niemand auf die Idee kam, die Säuferhymne an das einsame, nächtliche Gelage wäre schon vor seiner Aufnahme dagewesen. Während Hooker verschwitzt und wohl auch eher abgerissen in der Kneipe 138
abhängt, gibt Milburn den verzweifelten, aber perfekt gekleideten Burschen – beide Varianten sind bis heute stimmig und auf ihre Art großartig. Eine Randnotiz für alle, die Amos Milburn entdecken wollen: 1963, also am Spätabend seiner Karriere, nahm der Star eine wunderbare, aber vergessene LP namens „The Return of the Blues Boss“ für Motown auf. Sie sollte wohl auch John Lee Hooker zeimp gen, wer der König des Blues ist. Original: Amos Milburn: „One Scotch, One Bourbon, One Beer“ (1953, Aladdin, Schellack-Single) Andere Versionen: John Lee Hooker: „The Real Folk Blues“ (1966, Chess Records, LP) George Thorogood: „George Thorogood & The Destroyers (1977, Rounder Records, LP) John Lee Hooker: „Chill Out“ (1995, Point Blank, CD)
„On the road again / Just can’t wait to get on the road again“ aus: „On the Road Again“ von Willie Nelson Die Zeilen sind ein romantisches Statement, das verschiedene Musikwelten und -epochen miteinander verbindet: „On the road again: / Just can’t wait to get on the road again. / The life I love is making music with my friends, / And I can’t wait to get on the road again“ weist zurück in die Radio- und TV-losen Zeiten, als die Hobos, also auf Güterzügen schwarzfahrende Bänkelsänger, allen Überlebenskämpfen ihres kargen Alltags zum Trotz als die wichtigsten Geschichtenerzähler im weiten, wilden Land außerhalb der US-amerikanischen Metropolen verehrt wurden. Wilf Carter oder Jimmie Rodgers setzten diesen Männern Denkmäler, lange bevor Johnny Cash oder Waylon Jennings ihrerseits das Hohelied auf die bahnfahrende Musikantenzunft anstimmten. Doch Nelsons Text ist auch ein Brückenschlag zur Rockmusik, die ihre Version des Tourlebens zwischen Highways und Hotels, zwischen Konzerthallen und wechselnden Kurzzeitbeziehungen bis in die Klatschspalten der Zeitungen hinein zelebrierte. An der Schnittstelle zwischen Hobo-Hymne und Rock-Mythos operierte zum Beispiel auch die Band Grateful Dead, die das aus den 1920er-Jahren stam139
mende Traditional „On the Road Again“ – nur verwandt, nicht identisch mit Nelsons Song – aufnahm. „The life I love is making music with my friends“, singt Willie Nelson in seinem 1976 veröffentlichten Lied und stellt mit diesem Satz auch sein privates Dilemma als Musiker dar: Der 1933 in Fort Worth, Texas geborene Songwriter wurde 1960 von der aufstrebenden Country-Metropole Nashville angelockt, schrieb Hits wie „Crazy“ oder „Funny How Time Slips Away“ und nutzte erfolgreich die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, die das MusikBusiness in dieser Stadt den Sängern und Autoren bot. In den späten 1960er-Jahren begann er sich gegen die zusehends vehementeren Reglementierungen zu wehren, die die Musikmaschinerie in Nashville den Künstlern aufdrückte: Der Einheitssound, präsentiert von adretten, kurzhaarigen, Charts-tauglichen Sänger- Marionetten, war nicht länger Nelsons Welt. 1970 ging sein Haus – einige Zeitgenossen behaupteten, von ihm selbst in Brand gesetzt – in Flammen auf. Er packte seine verbliebenen Habseligkeiten, ging zurück nach Texas, ließ sich die Haare wachsen und verweigerte dem Country-Mainstream von diesem Zeitpunkt an die Gefolgschaft. Zusammen mit Waylon Jennings, Kris Kristofferson und David Allen Coe bildete er die wichtigste Keimzelle der „Outlaw-Bewegung“, die optisch mehr mit harten Rockern zu tun hatte und inhaltlich auf Rebellion gegen das musikalische Establishment aus war. Die Outlaws besangen die Freiheit, Musik von jedem Ort aus machen zu können, erzählten vom Straßenleben als singender Wandersmann und ließen so einen Ur-Mythos Amerikas neu aufleben. „On the Road Again“ wurde zu ihrer Erkennungsmelodie. Passenderweise wurde das Stück nicht auf einer Studio-Platte, sondern auf der LP „Willie Nelson Live“ zuerst veröffentlicht. Der Song versuchte die Tatsache auszublenden, dass die Musikindustrie in den 1970er-Jahren schon längst die hintersten Winkel der westlichen Welt erreicht und die Hobos überflüssig gemacht hatte. Nelson stemmte sich trotzig dagegen und beschrieb sich und seine Kumpane mit Worten wie „Like a band of gypsies we go down the highway“. Das Stück bildet noch heute den Abschluss eines jeden Konzertes des Sängers. mp Original: Willie Nelson: „Willie Nelson Live“ (1976, RCA, LP)
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„Can you help me occupy my brain?“ aus: „Paranoid“ von Black Sabbath Ozzy Osbourne, der 1948 in Birmingham geborene Sänger der Heanvy-Metal-Band Black Sabbath und selbst ernannte Prince of Darkness, kann durchaus witzig sein. In seiner 2011 erschienene Autobiografie „I Am Ozzy“ erzählt er von dem Moment, als er seinem Vater stolz das erste Black-Sabbath-Album zeigte: „Ich sehe ihn noch vor mir, wie er an seiner Lesebrille rumfummelte und sich das Cover vor die Nase hielt. Dann schlug er das Album auf und sagte: ‚Hmm, bist du sicher, dass sie keine Fehler gemacht haben?‘ – ‚Was meinst du damit?‘ – ‚Dieses Kreuz steht auf dem Kopf‘!“ Die Schulfreunde Osbourne, Tomy Iommi (Gitarre), Geezer Butler (Bass) und Bill Ward (Drums) gründeten die Band 1969 in Birmingham und nahmen ihr Debütalbum „Black Sabbath“ in angeblich nur zwölf Stunden auf. Das noch sehr blueslastige Album beginnt mit unheilschwanger klingenden Glocken und läutet mit dem Tritonus – auch Teufelsakkord genannt – den ersten Song ein, bevor es mit düsterer und melancholischer Musik weitergeht. Zum Klangbild passte das Cover: eine verfallene Wassermühle im Wald, im Gestrüpp eine Frau in Schwarz und im Gatefold das umgedrehte lateinische Kreuz. Die Platte erreichte in Großbritannien die Top Ten und hielt sich in den USA länger als ein Jahr in den Charts. Bis heute hat sie sich rund zwei Millionen Mal verkauft. Bereits sechs Monate später brachte die Band „Paranoid“ heraus, als Vorbote des kommenden gleichnamigen Albums. Fast alle Songs waren im Umfeld der ersten Platte entstanden, nur der Blues war verschwunden. Die Musik war, bis auf wenige Ausnahmen, kompromisslos hart, zupackend und düster. In „Paranoid“ besingt Osbourne nun einen Mann, der meint, den Verstand zu verlieren, weil er Entscheidung trifft, die er selbst nicht versteht und der mit seinen Gefühlen nicht im Einklang ist. „Finished with my woman / ‘Cause she couldn’t help me with my mind“ („Hab mit meiner Frau Schluss gemacht / Weil sie mir mit meinem Verstand nicht helfen konnte“) beklagt er mit einfachen Worten und fühlt sich von seiner Umwelt zurückgewiesen: „People think I’m insane / 141
ecause I am frowning all the time“ („Die Menschen denken, ich B sei krank / Weil ich die ganz Zeit die Stirn runzle“). Dabei weiß er nur zu genau, was mit ihm los ist: „Make a joke and I will sigh / And you will laugh and I will cry / Happiness I cannot feel / And love to me is so unreal“ („Mach einen Witz und ich werde seufzen / Und die wirst lachen und ich werden weinen / Glück kann ich nicht fühlen / Und Liebe ist für mich so unwirklich“). Kein Wunder also, dass er um Hilfe ruft: „Can you help me occupy my brain?“ („Kannst Du mir helfen, mein Gehirn zu erobern?“). Den verzweifelten Satz singt Orbourne genau einmal, allerdings heult er dabei wie ein verletzter Wolf. Iommi hat dazu eines der einprägsamsten Riffs der Rockgeschichte gefunden und prügelt es gemeinsam mit dem Bassisten Butler stakkatoartig aus seinem Instrument heraus. Das nur 2:43 Minuten lange Stück Musik, das gemeinsam mit anderen das Genre Hevy Metal definieren sollte und dennoch „nur“ als Lückenfüller entstand, schrieb die Band angeblich in nur fünf Minuten. In Großbritannien landete der wüste Song auf Platz vier der Charts, in den USA blieb er in den unteren Rängen hängen. Mit dem dazugehörigen Album gilt er heute jedoch als wegweisend für das Genre. „Paranoid“ wurde eines der erfolgreichsten Alben des Jahres 1970. Bis heute hat es sich rund fünf Millionen Mal verkauft. Nur mit dem Cover war die Band nie zufrieden. Ursprünglich sollte die Platte den Titel „War Pigs“ bekommen, was der Plattenfirma in Zeiten des Vietnamkrieges aber nicht opportun erschien. Der Titel änderte sich, das Cover blieb gleich. „Was zur Hölle hat ein Typ im Schweinskostüm mit einem Schwert in der Hand mit einem Paranoiden zu tun?“ ärgerte sich Ozzy noch Jahre später gf über das nun unpassende Bild. Original: Black Sabbath: „Paranoid“ (1970, Vertigo, LP)
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„Penny Lane is in my ears and in my eyes / There beneath the blue suburban skies“ aus: „Penny Lane“ von The Beatles Sie hatten am 19. August 1966 in San Francisco ihr letztes LiveKonzert gegeben und beschlossen, dass sie sich als Band nur noch im Studio weiterentwickeln könnten. Mit „Elananor Rigby“ veröffentlichten sie kurz danach auch zum ersten Mal eine Single, die „nur“ auf Platz zwei der Charts landete, „was nach fünf oder sieben Nummer-1-Hits in Folge“, so Schlagzeuger Ringo Starr in einem Interview, „den enormen Erfolgsdruck von uns nahm“. Dann nahmen die Beatles zwei Songs in Angriff, die konkrete Orte ihrer gemeinsamen Vergangenheit zum Thema hatten: In „Strawberry Fields Forever“ erinnerte sich John Lennon an das gleichnamige Kinderheim der Heilsarmee, in dessen Hinterhof er gerne spielte, und Paul McCartney in „Penny Lane“ an die Straße in Liverpool, in der er und John regelmäßig verabredeten waren. Lennons Zuhause war damals in der Newcastle Road in Liverpool. An der Haltestelle Ecke Church Road musste Paul damals auf den Bus warten, um John zu besuchen oder um mit ihm in die Innenstadt zu fahren. In einem Interview mit dem Clash-Magazin erklärte Paul 2009: „‚Penny Lane‘ war zwar nostalgisch angehaucht, aber auch ein realer Platz, den John und ich kannten. Es war eigentlich ein Busbahnhof, an dem ich umsteigen musste, um ihn zu besuchen oder umgekehrt. Wir hingen da also ziemlich oft herum – und wir kannten beide die Dinge, die dann im Lied landeten.“ Alle erwähnten Orte und Personen des Liedes stammen also aus McCartneys Erinnerungen. Während er wartete, beobachtete er alltägliche Dinge und Menschen: einen Friseur, der in seinem Salon Fotos von allen Leuten zeigt, die er kennt, viele schauen einfach so hinein, um „Hallo“ zu sagen: „In Penny Lane there is a barber showing photographs / Of every head he’s had the pleasure to know / And all the people that come and go / Stop and say hello“. Im Gespräch mit den Machern von „The Beatles Antho logy“ erinnert sich McCartney: „Der Friseur hieß Bioletti und er hatte so ein Album mit verschieden Frisuren – bei Gefallen bestellte man dann die entsprechende, die mit der Nummer drei eben 143
oder so…“ Dann ist die Rede von einem seltsamen Bankangestellten auf einem Motorrad, der selbst bei strömendem Regen nie einen Mack, einen gummierten Regenmantel, trägt, und über den die Kinder hinter seinem Rücken lachen („On the corner is a banker with a motorcar / The little children laugh at him behind his back / And the banker never wears a mac in the pouring rain / Very strange“), von einem Feuerwehrmann mit einer Sanduhr und einem Porträt der Queen in der Tasche, („… there is a fireman with the hourglass / And in his pocket is a portrait oft he Queen“ und von einer hübschen Krankenschwester, die Mohnblumen verkauft („A pretty nurse is selling poppies from a tray“). Immer wieder blickt Paul McCartney dabei in den Himmel, während seine Gedanken in die Vergangenheit abschweifen und er die Bilder und die Geräusche nicht vergessen kann: „Penny Lane is in my ears and in my eyes / There beneath the blue suburban skies“ („Penny Lane ist in meinen Ohren und in meinen Augen / Da unter dem blauen Vorstadthimmeln“). Die gesungene Jugenderinnerung wurde am 13. Februar 1967 zusammen mit „Strawberry Fields Forever“ als Single mit zwei ASeiten veröffentlicht. Die beiden Stücke waren ihnen gleich wichtig; keinem wollte oder konnte die Gruppe den Vorzug geben und damit das andere auf die B-Seite verbannen. „Penny Lane“ landete weltweit als nächster Beatles-Titel wieder auf Platz eins der Charts und wurde trotzdem nur auf dem Soundtrack-LP zur „Magical Mystery Tour“ veröffentlicht. Bis vor wenigen Jahre wurden in Liverpool immer wieder die blechernen „Penny Lane“-Straßenschilder geklaut – bis sie die Stadtverwaltung durch gemalte Varianten ersetzte. Eine interessante Coverversion veröffentlichte Udo Lindenberg 1978: Sein Lied „Reeperbahn“ folgt in der Musik zwar „Penny Lane“, im Text setzt er allerdings dem Hafen in Hamburg, den Jungs aus Buxtehude und dem Rotlichtviertel Reeperbahn ein wehmütiges Denkmal. gf Originale: The Beatles: „Penny Lane / Strawberry Fields Forever“ (1967, Parlophone, Single) The Beatles: „Magical Mystery Tour“ (1967, Parlophone, LP) Andere Version: Udo Lindenberg: „Rock Revue“ (1978, Telefunken, LP)
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„People are people, so why should it be / You and I should get along so awfully?“ aus: „People Are People“ von Depeche Mode Menschen sind nun mal Menschen – und dabei sein ist alles, möchte man dieser vermeintlichen Binsenweisheit beifügen. Es ist ein Satz, der nach dem bekannten Phrasenschwein der Sendung „Doppelpass“ klingt, wie „Ein Spiel hat 90 Minuten“ oder „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“. Vielleicht hat es der von Martin L. Gore geschriebene Elektropop-Song deshalb zur offiziellen Hymne für ein sportliches Großereignis geschafft? Auf jeden Fall startete die ARD ihre Berichterstattung von den 23. Olympischen Sommerspielen stets mit der ebenso unterkühlten wie eingängigen Synthie-Melodie „People Are People“ von Depeche Mode. Der Song wurde als Vorbote des vierten, teilweise in den Berliner Hansa Studios aufgenommenen Depeche-Mode-Albums „Some Great Reward“ als Single veröffentlicht – und wurde wie der Nachfolger „Master And Servant“ nicht nur zum großen Hit in Deutschland, sondern zum Klassiker im Werkkatalog der britischen Band. Ganz neu war die Arbeitsweise, die der Gruppe Zeit und auch Geld sparen sollte: Weite Teile der Musik wurden auf dem Computer vorprogrammiert und – wie damals bei House- oder Hip-HopKünstlern üblich – wie Samples eingesetzt. Einzig der Gesang wurde tatsächlich vollständig in Berlin aufgenommen. Witzig sind die Sprachfetzen, die in „People Are People“ zu hören sind: Sie stammen nicht von der Band, Sänger David Gahan hat sie während eines Fluges mit einem handelsüblichen Walkman aufgenommen und ebenfalls ins Stück hineingesampelt. Schließlich gehört das mehr oder minder gedankenlose Geplapper auch zum Menschsein. Oft genug wird erst geredet und dann nachgedacht, was mindestens zu Verwerfungen in der Kommunikation, oft aber auch zu großen Problemen führt. Das verbindet aber auch alle Menschen – egal, welcher Hautfarbe, welcher Religion oder sonstiger Dinge, für die sie in der Regel nichts können. „People are people, so why should it be / You and I should get along so awfully? / People are people, so why should it be / You and I should get along so awfully? / So we’re different colours and we’re different 145
creeds / And different people have different needs / It’s obvious you hate me though I’ve done nothing wrong / I’ve never even met you, so what could I have done? / I can’t understand / What makes a man / Hate another man / Help me understand“ („Menschen sind Menschen, also warum sollte es sein / Dass du und ich so schrecklich miteinander umgehen? / Wir haben verschiedene Hautfarben und wir haben verschiedene Glauben / Und verschiedene Menschen haben verschiedene Bedürfnisse / Es ist offensichtlich, dass du mich hasst, obwohl ich nichts falsch gemacht habe / Ich habe dich noch nicht mal getroffen, was also könnte ich Dir getan haben? / Ich kann nicht verstehen / Was einen Mensch dazu bringt, / einen anderen zu hassen / Hilf mir, das zu verstehen.“). Diese Zeilen richtete Gore explizit an Rassisten, Glaubenskrieger und Menschen, die in ihren Vorurteilen gefangen sind. Heute, gut drei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von „People Are People“, ist der Song aktueller denn je. Gerade nach den Terroranschlägen, die längst Europas Metropolen erreicht haben, steht man fassungslos vor dem Hass, der Menschen andere Menschen töten lässt. Auch der Fremdenfeindlichkeit, die Leuten entgegenschlägt, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und bei uns Schutz suchen, kann man mit den Worten von Depeche Mode begegnen. Sind wir Menschen nicht alle Menschen? Die einen leider mehr als andere, muss man konstatieren. Zur Olympiade passt der Text natürlich auch – denn bei den Spielen trifft sich die Welt, um möglichst friedlich zu mp feiern. So die romantische Vorstellung. Original: Depeche Mode: „Some Great Reward“ (1984, Mute, LP) Andere Versionen: Depeche Mode: „People Are People – Adrian Sherwood’s On-USound Mix“ (1984, Mute, Maxisingle) Götz Alsmann & The Sentimental Pounders: „Saratoga Suitcase“ (1985, Metronome, LP)
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„He’s a pinball wizard, there has to be a twist“ aus: „Pinball Wizard“ von The Who Da hatte sich Frust aufgestaut: Statt hochenergetischer Hitkracher sollte nun ein ambitioniertes Konzeptalbum der ehemaligen ModBand The Who die Anerkennung bringen, die Gitarrist Pete Townshend bis dahin vor allem in der Musikpresse so schmerzlich vermisste. Er komponierte also fast im Alleingang gleich eine ganze Rockoper: „Tommy“, die Geschichte der Heilung des schwer traumatisierten, blinden, stummen und tauben Jungen Tommy Walker, gehört inzwischen zu den unangefochtenen Klassikern der anspruchsvollen Rockmusik. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Tommys Heilung ist der Gewinn der Flipper-Weltmeisterschaft. In „Pinball Wizard“, einem der erfolgreichsten und wichtigsten Songs der Rockoper, besingt die Band diese Meisterleitung. Gitarrist Townshend schrieb in seiner 2012 erschienenen Autobiografie „Who Am I“, dass der Song nur entstand, um den renommierten Musikjournalisten Nik Cohn – eine seiner Kurzgeschichten wurde1975 zur Grundlage des Discoklassiker-Films „Saturday Night Fever“ – zu einer besseren Kritik für das Album „Tommy“ zu bewegen. Der hatte das ganze Projekt nach dem Anhören einer Vorabversion zwar als ziemlich gut, aber auch als zu ernst und zu humorlos bezeichnet. Townshend wiederum wusste, dass Cohn an einem Roman über eine junge FlipperSpielerin arbeitete. Nur einen Tag nach dem Gespräch schrieb Townshend „Pinball Wizard“ – und verlieh der Figur Tommy damit eine Prise mehr psychologische Glaubwürdigkeit. Cohn war begeistert – und vergab die Höchstwertung. In kurzen knappen Zeilen werden die Fähigkeiten des taubstummen und blinden Tommy geschildert, der starr am Flipperautomat steht, ein Teil der Maschine wird („He stands like a statue / Becomes part oft the machine“), dabei völlig ruhig bleibt und sich völlig auf seine Intuition verlässt („Always playing clean / He plays by intuition“). Die anderen sehen ihm bewundernd zu: „That deaf dumb and blind kid / Sure plays a mean pinball“ („Dieses taubstumme und blinde Kind / Spielt sicher verdammt gut Flipper“). Erst im Refrain wird das Geheimnis seines Erfolges Preis gegeben: 147
„He’s a pinball wizard, there has to be a twist / A pinball wizard, s’got such a supple wrist“ („Er ist ein Flippergenie, es muss eine bestimmte Drehung sein / Ein Flippergenie, das so ein geschmeidiges Handgelenk hat“). Der knapp drei Minuten lange, geschmeidige und mitreißende Rocksong kam im März 1969 als Single auf den Markt, kletterte in Großbritannien bis auf Platz vier der Charts, kam in den USA bis auf Platz 19 der Billboard Hot 100. Er trug Einiges dazu bei, Townshends Rockoper populär und erfolgreich zu machen: Das Doppelalbum landete in UK aus Platz zwei, in den USA auf Platz vier. Sechs Jahre später verfilmte der Regisseur Ken Russel die Geschichte um Tommy Walker und besetzte alle wichtigen Rollen mit damaligen großen Stars der Rockmusik und des Films. Tina Turner spiele die „Acid Queen“, Jack Nicholson gab den „Doctor“, Eric Clapton verkörperte den „Prediger“ und The-Who-Sänger Roger Daltrey Tommy Walker. Elton John wiederum war der „Local Lad“, der den blinden Tommy besingt. Seine Klavier-betonte Version von „Pinball Wizard“ wurde, wie das Soundtrack-Album ebenfalls, zum großen Erfolg: Eltons Single kam bis auf Platz sieben der gf US-Charts. Original: The Who: „Tommy“ (1969, Polydor, DoLP) Andere Versionen: OST: „Tommy by The Who“ (1975, Polydor, DoLP) The Who: „Live at Leeds. Deluxe Edition“ (2001, MCA, 2 CDs)
„In the name of love / What more in the name of love“ aus: „Pride (In the Name of Love)“ von U2 Große Hymnen, große Menschen, große Themen: Darunter macht’s der missionarisch veranlagte U2-Sänger Bono oft nicht. Der Song „Pride“ ist dezidiert dem am 4. April 1968 in Memphis erschossenen Friedens- und Antirassismuskämpfer Martin Luther King gewidmet. Auch Jesus spielt eine gewisse Rolle, und, wenn man es in diesem Fall weiter gefasst verstanden wissen will, Märtyrer im Allgemeinen. 148
In der ersten Strophe- des Liedes, das wohl mit voller Absicht wie ein hymnisches Gebet klingt, singt Bono von einem Mann der Widerstand leistet („One man he resist“) und der mit einem Kuss betrogen wird („One man betrayed with a kiss“). Alle, die mit der Lehre der christlichen Religion einigermaßen vertraut sind, werden wissen, dass damit der Judaskuss und Jesus gemeint sind. Schon in der nächsten Strophe aber wird Bono konkret: „Early morning, April four / Shot rings out in the Memphis sky / Free at last, they took your life / They could not take your pride“ („Früh am Morgen, vierte April / Ein Schuss peitscht in den Himmel von Memphis / Letztlich ungestraft nahmen sie dir das Leben / Aber deinen Stolz konnten sie dir nicht nehmen“). Leider enthält die Zeile „Early morning …“ einen historischen Fehler: King wurde nicht morgens, sondern abends erschossen. Wenn U2 den Song live ins Programm nehmen, singt Bono seit Jahren schon eine korrigierte Version. Die Formulierung „Free at last …“ wiederum ist eine Anspielung auf die seit Jahrzehnten wabernden Gerüchte, dass neben dem geständigen und verurteilten Attentäter James Earl Rey auch eine umfangreiche staatliche Verschwörung im Hintergrund am Mord beteiligt war. Wie auch immer: So wie Jesus einst dazu aufforderte, seinem Feind auch noch die zweite Wange hinzuhalten, so fordern auch U2 im Refrain dazu auf, trotz allem immer nur mit Liebe zu handeln: „In the name of love / What more in the name of love“ („Im Namen der Liebe / Was sonst als im Namen der Liebe“). Eigentlich sollte dieser Song eine Abrechnung mit Ronald Reagan werden. Bono wollte „über Reagans arroganten Stolz schreiben, der zu nichts Anderem als zu einem nuklearen Wettrüsten geführt hat. Das hat leider nicht funktioniert“, erzählte er dem US-Musikmagazin New Musical Express. „Da erinnerte ich mich, dass ein weiser alter Mann einst zu mir sagte, ich solle die Dunkelheit nicht mit Licht bekämpfen, sondern das Licht einfach stärker strahlen lassen. Es wurde mir klar, dass ich Reagan zu viel Wichtigkeit zugestand und dachte plötzlich an Martin Luther King. Wir stärkten also lieber das Positive statt des Kampfes mit dem erhobenen Zeigefinger.“ Der Song, im September 1984 veröffentlicht, chartete weltweit, kam in Großbritannien sogar auf Platz drei. Längst stellt er einen 149
Klassiker im umfangreichen U2-Repertoire statt und ist bis heute Bestandteil ihrer Live-Auftritte. gf Original: U2: „The Unforgettable Fire“ (1984, Island, LP) Andere Versionen: Civillés & Cole (C+C Music Factory): „Pride (In the Name of Love)“ (1991, Columbia, Maxisingle) The Royal Philharmonic Orchestra: „Pride: The Royal Philharmonic Orchestra Plays U2“ (1999, Music Club Records, CD) The Persuasions: „Sing U2“ (2005, Chesky, CD)
„Pure Vernunft darf niemals siegen / Wir brauchen dringend neue Lügen“ aus: „Pure Vernunft darf niemals siegen“ von Tocotronic Schon der Name „Tocotronic“ verdeutlicht, wie sehr die „Diskurs rock“-Band aus der sogenannten „Hamburger Schule“ um den wortgewaltigen Poeten Dirk von Lowtzow auf der Suche nach Begrifflichkeiten und Slogans fündig wird – und vor allem auch, wo. Der Name der Gruppe lehnt sich an die japanische Mini-Spielekonsole Tricotronic an. Diesen Vorläufer des Game Boy produzierte Nintendo von 1980 bis Mitte der 1990er-Jahre. Von Lowtzow erzählte dem Autor in einem Radiointerview, dass er und die anderen Gründungsmitglieder – Jan Müller (Bass), Arne Zank (Keyboard, Schlagzeug) – tatsächlich auf dem Gerät herumgespielt hätten. Ein Wunder ist es daher wohl nicht, dass das erste Album „Digital ist besser“ heißt – und gleich einen echten Slogan folgen ließ. Andere Werke des norddeutschen Quartetts sind „Wir kommen, um uns zu beschweren“ oder „Pure Vernunft darf niemals siegen“. Tocotronic, die seit 1999 mit jeder Platte mindestens Platz drei der deutschen Albumcharts erreichen, füllen die kürzelhaften Sentenzen, die man theoretisch als Button an der Jacke tragen könnte, aber auch mit Inhalt. Dabei wählt von Lowtzow poetische Worte, die er immer wieder ironisch bricht. Beim Titelsong des siebten Longplayers „Pure Vernunft darf niemals siegen“ ist das besonders deutlich: „Pure Vernunft darf niemals siegen / Wir brauchen dringend neue Lügen / Die uns 150
durchs Universum leiten / Und uns das Fest der Welt bereiten / Die das Delirium erzwingen / Und uns in schönsten Schlummer singen / Die uns vor stumpfer Wahrheit warnen / Und tiefer Qualen sich erbarmen / Die uns in Bambuskörben wiegen / Pure Vernunft darf niemals siegen“. Tatsächlich wurde der Liedtext auch für Gottesdienste eingesetzt – Beispiele dafür finden sich im Internet. Sogar Paps Benedikt XVI. mahnte anno 2011, bei seiner Rede im Deutschen Bundestag mit Lowtzows Worten: „Pure Vernunft darf niemals siegen.“ Der Glauben ist natürlich das Gegenteil von Vernunft. Seit Immanuel Kant fragte, „was denn nun eigentlich Aufklärung“ sei, seit Voltaire, Descartes oder Newton wird Vernunft mit Wissen gleichgesetzt. Und Glauben ist allerhöchstens eine Ahnung, aber „nix Gwiss woass ma ned“. Dieser weise Satz, den der in Oberbayern legendäre Finessensepperl schon im 17. Jahrhundert von sich gab, stimmt halt nun mal bis heute. Mit der Vernunft kommt man aber auch nicht weit – sie ist immer wieder Auslegungssache. Ist es vernünftig, auf Atomkraft, Hedgefonds und Waffenlieferungen in Krisengebieten zu setzen? Das ist Ansichtssache. Wer Gewinnmaximierung für vernünftig hält, wird vielleicht zu allen drei Punkten „ja“ sagen. Aber von Lowtzow bricht nicht wirklich eine Lanze für die Unvernunft, er singt von Bambuskörben, von Delirium und – fast wie Novalis in den „Hymnen der Nacht“ – vom „schönsten Schlummer“. Er fordert neue Lügen statt stumpfer Wahrheit. Sollen wir belogen werden? Oder geht es darum, scheinbare Wahrheiten ad absurdum zu führen und über den Umweg der Lüge richtig von falsch zu unterscheiden, wie Pablo Picasso 1923 postulierte: „Wir alle wissen, dass Kunst nicht die Wahrheit ist. Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt, wenigstens die Wahrheit, die wir als Menschen begreifen können.“ In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fragten Patrick Bahners, Andreas Rosenfelder und Klaus Ungerer anlässlich der Albumveröffentlichung 2005, ob man den Slogan „Pure Vernunft darf niemals siegen“ als Ausdruck eines Neokonservatismus deutscher Provenienz und als Rehabilitierung dunkler Seelenkräfte auffassen könne. Lowtzow antwortete damals: „Gewiss führt einen das mystische Raunen in ein gefährliches Gebiet. 151
Aber im Moment erscheint das sehr reizvoll. Auch weil auf angrenzenden Feldern ähnlich operiert wird … Ein Gegengift gegen den herrschenden Reality-Wahn und diesen Authentizitätsterror eines ‚Jeder muss sein wahres Gesicht zeigen, wir können endlich wieder von Mensch zu Mensch reden‘. Da spiegelt man sich doch lieber in einem Tier.“ mp Original: Tocotronic: „Pure Vernunft darf niemals siegen“ (2005, L’age d’or, CD)
„By the rivers of Babylon, there we sat down / ye-eah we wept, when we remembered Zion“ aus: „Rivers of Babylon“ von The Melodians Die Bibel schafft es tatsächlich ab und an mal in die Hitparaden – zwei Mal sogar auf besondere Art und Weise: Einmal, 1965, als die Byrds die Zeilen aus dem „Kohelet“ in „Turn! Turn! Turn! (To Everything There Is a Season)“ in der Popmusik unsterblich machten – und einmal 13 Jahre später. Da erreichte die von Frank Farian erfundene Gruppe Boney M. mit Zeilen aus den Psalmen 19 und 137 weltweit erste Plätze in den Charts. „Rivers of Babylon“ ist einer von 13 Top-Ten-Hits von Farians Popcomboin Deutschland – und unter ihren acht Nummer-1-Songs der erfolgreichste. Mit der ebenfalls beliebten B-Seite „Brown Girl In The Ring“ blieb „Babylon“ insgesamt gewaltige 17 Wochen lang an der Spitze der Hitparade. Wie bei den Byrds ein Jahrzehnt vorher erinnerte sich niemand daran, dass es das jeweilige Lied bereits vorher schon gegeben hatte. Bei „Rivers Of Babylon“ war auf der Original-Single des Hansa-Labels nicht einmal ein Urheber vermerkt. Der geschäftstüchtige Frank Farian wusste, dass es offiziell keinen Rechteinhaber für „Rivers of Babylon“ gab. Dafür hatte er mit der B-Seite Probleme: Peter Herbolzheimer konnte beweisen, dass Farians „Brown Girl in the Ring“ mit dem gleichnamigen Lied, das der rumäniendeutsche Bandleader 1975 für die LP „Caribbean Rock“ der Formation Malcolm’s Locks arrangierte, identisch war. Der von Malcolm’s Locks, einem aus St. Lucia stammenden Mitglieds der Les Humph152
ries Singers, geschriebene Song, ähnelt dem B-Seiten-Hit von Boney M. mehr als deutlich. Dass „Rivers of Babylon“ ebenfalls nicht vom umtriebigen Frank Farian stammt, sprach sich erst im Zuge des Plagiatsprozesses um „Brown Girl in the Ring“ herum. Die Welt war damals eben noch nicht so vernetzt, wie sie es heute ist. Darum nahm in Deutschland kaum jemand zur Kenntnis, dass das Lied bereits 1970 auf dem englischen Reggae- und Ska-Label Trojan veröffentlicht worden war. Mangels Vertriebspartnern beschränkte sich der letztlich bescheidene Erfolg, den der Jamaikaner Tony Brevett – Bruder des legendären Skatalites-Bassisten Lloyd Brevett – und seine Melodians mit „Rivers of Babylon“ hatten, auf Großbritannien und die Karibik. Der typische, von Ska-Produzent Leslie Kong fabrizierte swingende Rocksteady-Groove unterscheidet sich deutlich von der fast schlagerhaften Reggae-Soul-Variante von Boney M. Doch beide Versionen „zwingen“ den biblischen Text in einen positiven, tanzbaren Rhythmus. Die Kernbotschaft der von den Melodians-Mitgliedern Trevor McNaughton und Brent Dowe geschriebenen Zeilen bezieht sich eindeutig auf den Psalm 137 – deren zentrale Botschaft wird wortwörtlich übernommen: „By the rivers of Babylon, there we sat down / Ye-eah we wept, when we remembered Zion“ (im Deutsch der Martin-Luther-Bibel: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“). Auch der 19. Psalm spielt eine entscheidende Rolle: „Let the words of my mouth / And the meditation of my heart / Be acceptable in thy sight / Here tonight“ (Luther in Vers 15: „Lass dir wohl gefallen die Rede meines Mundes und das Gespräch meines Herzens vor dir, Herr / Mein Hort und mein Erlöser“). Eine weitere interessante Version des Songs findet sich auf der B-Seite der Melodians-Platte. Bei Trojan war es seinerzeit – wie auch bei anderen Ska-Labels – üblich, auf einer Single zwei Künstler unterzubringen. „Babylon Version“ von Beverley’s All Stars groovt deutlich funkiger als die Variante der Melodians. Eben jene Beverley’s All Stars waren übrigens mit ihrem famosen „My Precious Man (The World“) auf der britischen Originalsingle des ersten weltweiten Reggae-Millionensellers zu hören – auf dem eben153
falls von Leslie Kong produzierten „Israelites“ von Desmond Dekker & The Aces. mp Original: The Melodians: „Rivers of Babylon“ (1970, Trojan Records, Single) Andere Versionen: Beverley’s All Stars: „Babylon Version“ (1970, Trojan Records, Single) Boney M.: „Nightflight to Venus“ (1978, Hansa, LP)
„And if I only could, I’d make a deal with God / And I’d get Him to swap our places / Be running up that road / Be running up that hill / Be running up that building“ aus: „Running Up That Hill (A Deal With God)“ von Kate Bush Warum Kate Bush, 1958 in Bexleyheath/Kent geboren und 15-jährig als Talent vom Pink-Floyd-Gitarristen David Gilmour entdeckt, auf dem Cover der Single mit Pfeil und Bogen posierte, bleibt wohl für immer ein Rätsel. Will sie einem davonlaufenden Mann einen Pfeil hinterherjagen? Mit Sicherheit aber empfand sie Mann und Frau als zwei völlig unvereinbare Wesen, woran offenbar auch lang andauernde Beziehungsarbeit nichts ändern kann. 1992, sieben Jahre nach Veröffentlichung, gab sie in einem Radiointerview mit Richard Skinner jedenfalls zu Protokoll: „Ich habe versucht zu sagen, dass ein Mann und eine Frau sich einfach nicht verstehen können, eben weil sie Mann und Frau sind. Aber wenn wir mal die Rollen tauschen, den Platz des jeweils anderen für eine Weile einnehmen könnten, dann wären wir sehr überrascht, denke ich! Das würde auch zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führen.“ Allerdings hatte sie eine sehr spezielle Vorstellung davon, wie das umzusetzen sei: „Der einzige Weg, wie es gehen könnte, wäre entweder ein Pakt mit dem Teufel oder ein Handel mit Gott!“ Tatsächlich sollte „Running Up That Hill“ ursprünglich mit dem Titel „A Deal With God“ veröffentlicht werden, aber die Plattenfirma meldete schwere Bedenken an: Es gebe zu viele religiös geprägte Länder, in denen ein Lied mit Gott im Titel boykottiert werden würde. Kate Bush dazu: „Es hieß, Italien und Frankreich 154
würden es nicht spielen, Australien nicht und Irland schon gar nicht …“ Den Zusatz „A Deal With God“ gab es deswegen auch nur auf der LP, aufs Cover der Single wurde er nicht gedruckt. Wie auch immer: Melodie und Text – und die Klänge des Fairlight-Synthesizers – erweisen sich als ebenso zeitlos wie die ewige Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau. „Du willst mich nicht verletzen, aber schau, wie tief die Kugeln eingedrungen sind“ („You don’t wanna hurt me / But see how deep the bullett lies“), singt Kate Bush, gibt die Hoffnung nicht auf („You, it’s you and me / It’s you and me, you won’t be unhappy“) und schlägt schlussendlich den Erfahrungsaustausch vor („Come on darling, let’s exchange the experience“). Den aber muss ein anderer bewerkstelligen: „Wenn ich könnte, würde ich einen Handel mit Gott machen, ich würde ihn dazu bringen, unsere Plätze zu tauschen, diese Straße rauf zu rennen, diesen Hügel, dieses Gebäude …“ („And if I only could, I’d make a deal with God / And I’d get Him to swap our places / Be running up that road / Be running up that hill / Be running up that building“). Kate Bushs Song entpuppte sich zwar nicht als der große Chartbreaker, platzierte sich aber in vielen europäischen Hitlisten in den Top Ten, landete auf Platz 30 in den Billboard Hot 100 und entwickelte sich über die Jahre zum Dauerbrenner und zur Blaupause vieler Beziehungslieder. Der Song wurde auch gerne gecovert – unter anderem von der niederländischen Symphonic-Metal-Band Within Temptation und der Londoner Alternative-Rock-Band Placebo, die das Lied mit zentnerschweren Beats unterlegten. gf Original: Kate Bush: „Hounds of Love“ (1985, Novercia/EMI, LP) Andere Versionen: Within Temptation: „Running Up That Hill“ (2003, Gun, CD-Single) Placebo: „Covers“ (2007, People Like You Records/EMI, CD)
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„Comb your hair and paint and powder / You act proud and I’ll act prouder / You sing loud and I’ll sing louder / Tonight we’re settin’ the woods on fire“ aus: „Settin’ the Woods on Fire“ von Hank Williams Als Hank Williams in der Silvesternacht am 1. Januar 1953 tot auf dem Rücksitz seines Autos gefunden wurde, war der gerade mal 29 Jahre alte Superstar auf dem Weg zu einer Show nach Canton im Bundesstaat Ohio. Die offizielle Todesursache war Herzinfarkt, aber der morphium- und alkoholsüchtige Sänger erlag einem zu heftigen Cocktail aus Whiskey und Medikamenten. Zum Zeitpunkt seines Ablebens ging es Williams dreckig, seine Ehe war kaputt, er fühlte sich ausgebrannt – aber er landete Hit auf Hit. Seit seinem ersten Top-Hit „Move It On Over“ von 1947 schafften es 22 Lieder unter die ersten zehn der amerikanischen Hitparade, viele davon wurden Nummer eins und in R&B- oder Pop-Versionen ebenfalls zum Erfolg. Unmittelbar vor seinem Tod erschien das programmatische „I’ll Never Get Out of This World Alive“ („Ich werde diese Welt niemals lebend verlassen“), das dem eher launigen, von seinem Produzenten Fred Rose und Edward Nelson geschriebene „Settin’ the Woods on Fire“ folgte. In „Settin’ the Woods on Fire“ beschreibt Williams ein Pärchen, das durch die Kneipen (die sogenannten „Honky Tonks)“ zieht und dabei eine Menge Spaß hat. Wobei der männliche Part, der Ich-Erzähler, die Frau mitreißt: „Comb your hair and paint and powder / You act proud and I’ll act prouder / You sing loud and I’ll sing louder / Tonight we’re settin’ the woods on fire“ („Kämm deine Haare und schmink dich / Du benimmst dich stolz, doch ich werde mich stolzer benehmen / Du singst laut und ich werde lauter singen / Heute Nacht lassen wir es krachen.“). Nur diese eine Zeile gilt als Indiz dafür, dass der Sänger mit einer Frau um die Häuser zieht, die anderen Textpassagen lassen sich auch auf einen Kumpel übertragen: „You’ll be broke but I’ll be broker / Tonight we’re settin’ the woods on fire“ „(Du wirst pleite sein, aber ich werde es noch mehr sein / Heute Nacht lassen wir es krachen“). Williams, der in seinen Texten immer ein Meister des Wortspiels war, verklausulierte in dem Satz „Settin’ the Woods on Fire“ aber 156
auch den Geschlechtsverkehr. So bezeichnet „Wood“ auch den erigierten Penis – „Morning Wood“ steht übrigens für die „Morgenlatte“ –, die Titelzeile lässt sich dementsprechend auch mit „wir treiben es eine Nacht lang miteinander“ übersetzen. Eine weniger eindeutige Formulierung wäre 1952 wohl nicht durch die US-Zensur gegangen. Die hat kurz vorher überraschenderweise den „Sixty Minute Man“ der Dominoes ignoriert. Aber auch dieser Song umschrieb eher das unmissverständlich sexuell Gemeinte als es klar zu benennen. Hank Williams jedenfalls hat mit „Settin’ the Woods on Fire“ einen echten Party-Klassiker hinterlassen. Die B-Seite wurde ebenfalls zum Evergreen: „You Win Again“, das unter anderem auch Ray Charles coverte. mp Original: Hank Williams: „Settin’ the Woods on Fire“ (1952, MGM, Schellack-Single) Andere Versionen: George Jones: „George Jones Salutes Hank Willams“ (1960, Mercury, LP) Jerry Lee Lewis: „Jerry Lee Lewis at Sun Records“ (2016, Bear Family, 18-CD-Box)
„Remember when you were young / You shone like the sun / Shine on you crazy diamond“ aus: „Shine On You Crazy Diamond“ von Pink Floyd Mit „Dark Side of the Moon“ hatte die Band 1973 einen kreativen und kommerziellen Volltreffer gelandet: Rund 15 Jahre (!) blieb die Platte in den Billboard Top 100 und machte Pink Floyd endgültig zu Superstars des Rock. Bassist Roger Waters, der fast alle Songs und Texte verantwortete, war nie zuvor kreativer. Der monumentale Erfolg erlaubte der Band, die ja seit 1968 fast ununterbrochen auf Tour war, im Anschluss endlich eine Pause einzulegen und sich auch um andere Künstler zu kümmern. Gitarrist David Gilmour entdeckte in dieser Zeit unter anderem Kate Bush, Schlagzeuger Nick Mason produzierte die Platte „Rock Bottom“ des Ex-Soft-Machine-Musikers Robert Wyatt. Irgendwann stellte sich trotzdem die Frage nach dem Nachfolgealbum – und Pink Floyd legten 1975 mit „Wish You Were Here“ ein 157
weiteres Meisterwerk vor. Die Band widmete es dem bereits 1968 ausgeschiedenen Pink-Floyd-Gründer Syd Barrett. Es ist vor allem die in zwei Teilen (Parts 1-5, Parts 6-9) präsentierte Song-Suite „Shine On You Crazy Diamond“ – erstmals auf der Tour 1974 live vorgestellt –, in der die Musiker eindrücklich von ihrem früh verglühten und 2006 verstorbenen Genie Abschied nahmen. Zeilen wie „Come on, you raver, you seer of visions, / Come on you painter, you piper, you prisoner, and shine!“ („Komm, du Schwärmer, du Visionär / Komm du Maler, du Dudelsackpfeifer, du Gefangener, und leuchte!“) erinnern fast hymnisch an den einst so kreativen Musiker. Die Titelzeile „Remember when you were young? / You shone like the sun / Shine on you crazy diamond“ („Erinnerst du dich, als du jung warst? / Du strahltest wie die Sonne. / Strahle weiter, du verrückter Diamant“) bündelt alles, was die Floyds einst mit Barrett verband. Gleichzeitig wünschen sie ihm, dass sich nichts geändert haben möge … Aber schnell verdüstert sich die Stimmung: „Now there’s a look in your eyes, like black holes in the sky“ („Jetzt ist ein Blick in deinen Augen wie schwarze Löcher am Himmel“) und „Threatened by shadows at night, and exposed to the light“ („Nachts bedroht von Schatten und dem Licht ausgesetzt) beschreiben sein Abdriften in den von Drogen befeuerten Irrsinn. Musikalisch lebt der Song von Gilmours Vier-Ton-Gitarrenriff, das gerne auch als „Geisterriff“ bezeichnet wird (zu hören ab Laufzeit 3:54 Minuten), von seinem sich sofort ins Bewusstsein einbrennenden, ikonografischen Solo sowie den weichen und melancholischen Orgelklängen des Keyboarders Rick Wright. Bassist Roger Waters beginnt gar erst nach fast neun Minuten zu singen. „Wir wollten der Musik Zeit und Raum geben“, so Gilmour, „bevor wir Waters genialen Text in Szene setzten.“ Alle fünf Songs des Albums können als die Beschreibung des Aufstiegs und Falls eines Rockstars gehört werden. Folgerichtig steht der zweite Teil der Song-Suite am Ende des Albums und bietet Variationen der musikalischen Themen des ersten Teils. Vor allem der von Wright geschriebene Part 9 wirkt wie ein Trauermarsch. Während der Aufnahmesessions in den Abbey Road Studios bekam die Band am 5. Juni unerwarteten Besuch. „Als ich in den Re158
gieraum schlenderte“, erinnert sich Nick Mason in „Inside Out“, seinem Porträtbuch der Band, „bemerkte ich dort einen großen, fetten Kerl mit kahl rasiertem Kopf, der einen alten abgerissenen Regenmantel trug, eine Plastiktüte in der Hand hielt und mich mit einem im Grunde freundlichen, aber geistesabwesenden Gesichtsausdruck ansah. (…) Schließlich fragte mich David, ob ich nicht wüsste, wer das sei. Selbst dann konnte ich den Mann noch nicht einordnen, und David musste mir erst die Augen öffnen – es war Syd. (…) Syds körperliche Verfassung traf mich wie ein Schlag.“ Auch der typische Pink-Floyd-Sound, dieser so oft als elegisch bezeichnete Flow, wurzelt in dieser Begegnung, so Nick Mason: „Abgesehen von den merkwürdigen Umständen seines Besuchs müssen wir Syd zugestehen, dass er bei diesem Stück als Katalysator gewirkt hat. Der Songtext stand bereits fest, doch Syds Stippvisite unterstrich die Melancholie und beeinflusste die endgültige Version. Für mich ist es immer noch der ergreifendste Moment des ganzen Albums, wenn die letzten Töne ausklingen und Rick wehmütig ein paar Melodiefetzen von ‚See Emily Play‘ in den oberen Oktaven anspielt.“ Wer nachhören möchte: im zweiten Teil der Suite, Part 9, ab Laufzeit 12:07 Minuten. Jahre später gab auch der 2008 verstorbene Keyboarder Wright zu Protokoll: „An ‚Wish You Were Here‘ und vor allem am Song ‚Shine On …‘ würde ich noch heute keinen einzigen Ton und keinen Klang verändern.“ gf Original: Pink Floyd: „Wish You Were Here“ (1975, EMI, LP)
„Ja, Rosi hat ein Telefon / Auch ich hab’ ihre Nummer schon / Unter zwounddreißig sechzehn acht / herrscht Konjunktur die ganze Nacht“ aus: „Skandal im Sperrbezirk“ von Spider Murphy Gang Es ist ja nicht so, dass München ein Sündenpfuhl biblischen Aus maßes gewesen wäre. Aber seit 1978 amtierte der erzkonservative Erich Kiesl von der CSU als Oberbürgermeister, der die Polizei der bayerischen Landeshauptstadt gleich mal damit beschäftigte, Straßenmusiker und Pflasterkünstler handgreiflich zu entfernen. Ihm zur Seite 159
stand unter anderem der Scharfmacher Peter Gauweiler, der als Kreisverwaltungsreferent ab 1982 die sogenannten Schwarzen Sheriffs durch die Stadt patrouillieren schickte. Sicherheit und Sauberkeit waren in den Augen der beiden konservativen Politiker das Wichtigste – weswegen auch eine neu gestaltete Sperrkreisverordnung die innerstädtische Prostitution an den Stadtrand verdrängen und so eine bessere Moral in der Isar-Metropole garantieren sollte. Dieses Vorhaben war eine Steilvorlage für die Spider Murphy Gang, die 1977 von Günther Sigl (Bass, Gesang), Michael Busse (Keyboards), Gerhard „Barney Murphy“ Gmell (Gitarre) und Franz Trojan (Schlagzeug) in München gegründet worden und bis dahin nur als Rock’n’Roll-Combo lokal einigermaßen bekannt war. In ihrem Song „Skandal im Sperrbezirk“ spießten sie die neuen lustfeindlichen Umstände lustvoll auf: „In München steht ein Hofbräuhaus / doch Freudenhäuser müssen raus / damit in dieser schönen Stadt / das Laster keine Chance hat“ singt Sigl gleich in der ersten Strophe. Aber es gibt eine Dame, und das ist der besungene Skandal, die weiterhin im Sperrbezirk tätig ist, sodass kein Notstand verspürender Mann lange suchen muss: „Doch jeder ist gut informiert / Weil Rosi täglich inseriert / Und wenn dich deine Frau nicht liebt / Wie gut, dass es die Rosi gibt“. Die überaus erfolg reiche Tätigkeit dieser Dame hat zudem ein regelrechtes Drama zur Folge: „Und draußen vor der großen Stadt / Stehen die Nutten sich die Füße platt“. Das humorvoll spottende Lied kam im Herbst 1981 auf den Markt und stand ab Anfang 1982 auf Platz eins der Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er blieb bis heute der einzige Nummer-1-Hit der Band. Der Erfolg zeitigte allerdings skurrile Folgen: Weil im Liedtext das Wort „Nutten“ vorkommt, boykottierten etliche Radiosender in Bayern das Lied (der bayerische Bannstrahl hatte zwei Jahre zuvor auch Frank Zappas „Bobby Brown“ getroffen). Und da gab es noch die Strophe mit der Nummer: „Ja, Rosi hat ein Telefon / Auch ich hab’ ihre Nummer schon / Unter zwounddreißig sechzehn acht / herrscht Konjunktur die ganze Nacht“. 2014 erzählte Sigl in einem Interview mit der Mainpost: „32168 war auf einmal die berühmteste Telefonnummer Deutschlands. In München hatten wir die Nummer gecheckt, die gab’s da 160
damals nicht, in anderen Städten aber schon. Einige Jugendliche haben sich da einen Spaß gemacht, angerufen und blöd dahergeredet. Na ja, wir haben damals einige Rufnummernänderungen bezahlt und zahlreiche Blumensträuße als Entschuldigung quer durch Deutschland geschickt.“ Bis heute wurde diese Rufnummer in München übrigens nicht wieder vergeben. gf Original: Spider Murphy Gang: „Dolce Vita“ (1981, EMI, LP)
„Climb up on Solsbury Hill / I could see the city light“ aus „Solsbury Hill“ von Peter Gabriel Mit „Trespass“ (1970) „Nursery Crime“ (1971), „Foxtrot“ (1972) und „Selling England by the Pound“ (1973) haben Genesis zunehmend erfolgreichere Progressive-Rock-Alben vorgelegt. Dann kam 1974 das Doppel- und Konzeptalbum „The Lamb Lies Down on Broadway“. Das Werk, randvoll mit Satiren auf Mythologie, sexuelle Revolution, Werbung und Kommerz, schrieb Sänger Peter Gabriel fast im Alleingang. Nach der folgenden erfolgreichen Welttournee, auf der die Musiker das Album mit allerlei Brimborium vorstellte, verabschiedete sich Gabriel in Richtung Solokarriere. Phil Collins, bis dahin Schlagzeuger der Band, übernahm das Mikro fon und führte Genesis in den nächsten Jahren konsequent in den Mainstream-Rock. Als Debütsingle und Vorbote seines Soloalbums veröffentliche Peter Gabriel die Single „Solsbury Hill“. Er hatte das Stück direkt nach seinem Ausstieg bei Genesis geschrieben. In Daryl Easleas 2013 erschienener Biografie „Without Frontiers: The Life & Music of Peter Gabriel“ erinnert er sich: „Es geht darum, dass man darauf vorbereitet sein sollte, etwas zu verlieren – die Dinge, die du nur vielleicht bekommst. Es ging ums Loslassen.“ Was Gabriel loslassen wollte und musste, ist klar: seine führende Rolle bei Genesis. Weswegen der Protagonist in seinem Song erst einmal auf einen Hügel steigt, um den Kopf klar zu bekommen: „Climb up on Solsbury Hill / I could see the city light / Wind was blowing, time stood still“ („Kletterte auf den Solsbury Hill / Ich konnte die Lichter der Stadt 161
sehen / Der Wind blies, die Zeit stand still“). Viele weitere Formulierungen verweisen auf den Zwiespalt, in dem sich Gabriel befunden haben muss: „Standing, stretching every nerve / I had to listen, had no choice / I did not believe the information“ („Stand da, jeder Nerv war angespannt / Ich musste zuhören, hatte keine Wahl / Ich glaubte den Hinweisen nicht“) heißt es da, oder, auf den Konzert- und Tourneestress anspielend: „Though my life was in a rut / Till I thought of what I’d say / Which connection I should cut / I was feeling part of the scenery / I walked right out of the machinery“ („Doch mein Leben verläuft in einer unveränderbaren Spur / Bis ich darüber nachdachte, was ich sagen würde / Welche Verbindung ich abbrechen sollte / Ich fühlte mich als Teil des Geschehens / Ich verließ geradewegs die Tretmühle“). Das ist mehr als deutlich, dennoch klopft ihm ob der bevorstehenden Veränderung das Herz bis zum Hals: „My heart going boom boom boom.“ Tony Banks, Keyboarder und Gründungsmitglied der Band, bestätigte später, dass der Song tatsächlich Gabriels Entscheidung, Genesis zu verlassen, thematisiere. Aber: Man könne ihn auch ein einem ganz anderen Sinn verstehen: als eine Art Erweckungserlebnis eines Menschen, der endlich den für ihn richtigen Weg findet. Den „Solsbury Hill“ gibt es übrigens wirklich – er liegt in der Grafschaft Somerset in Großbritannien. Im Text taucht er nur in der ersten Zeile auf, weil er lediglich als Metapher gebraucht wird. Vielleicht liegt es daran, dass der Song so viele Menschen anspricht, sich bis heute im Live-Repertoire von Gabriel wiederfindet und das Publikum fast jede Zeile aus voller Kehle auswendig mitsingt – trotz des eher widerspenstigen 7/4-Takts. „Solsbury Hill“ war auch nie ein großer Hit – Top 20 in den UK, Platz 68 in den amerikanischen Billboard Top 100 –, hat sich aber über die Jahre zum Klassiker gemausert und wird immer wieder gerne gecovert oder als Filmmusik eingesetzt. Zum Beispiel 2001 in „Vanilla Sky“, dem Film, nach dessen Drehargf beiten Tom Cruise und Penélope Cruz ein Paar waren. Original: Peter Gabriel: „Peter Gabriel“ (1977, Charisma, LP) Andere Versionen: Erasure: „Other People’s Songs“ (2003, Mute, CD) Steve Hunter: „The Manhattan Blues Project“ (2013, deacon, CD)
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„And afterwards we drop into a quiet little place / And have a drink or two / And then I go and spoil it all / By saying something stupid / Like: ‚I love you‘“ aus: „Somethin’ Stupid“ von Carson And Gaile Die Liebe ist bekanntlich ein seltsames Spiel, wie bereits Connie Francis vor Jahr und Tag sang. Perfekt beschreibt sie damit den Zustand, der eintritt, wenn ein Pärchen an einem romantischen Abend, an dem praktisch alles stimmt, zueinander findet – und dann die falschen Worte fallen – jenes „Somethin’ Stupid“. Das Lied, das man in der vermeintlichen Originalversion von Papa Frank Sinatra und Tochter Nancy, oder in der Aufnahme von Robbie Williams und Filmstar Nicole Kidman kennt. Die Zeilen sind praktisch unsterblich, weil sie auch ziemlich unkitschige Beschreibungen eines sehr magischen, ruhigen Glücksmomentes sind, wie ihn Verliebte beim „Chill-out“ nach der lauten Party öfter erleben. Genauso, wie die Zerstörung des schönen Augenblicks auch. Denn der Ich-Erzähler kann die Klappe nicht halten und sagt die bedeutungsschweren Worte „Ich liebe dich“ – und verwandelt die Leichtigkeit plötzlich in Schwere: „And afterwards we drop into a quiet little place / And have a drink or two / And then I go and spoil it all / By saying something stupid / Like: ‚I love you‘“ („Und hinterher, als wir in dieses stille, kleine Lokal gingen / Um uns ein, zwei Drinks zu gönnen / Habe ich wieder alles verdorben / Weil ich so etwas Dummes wie ‚ich liebe dich‘ sagte“). Geschrieben wurde der sehr verhalten swingende Song von Clarence Carson Parks, einem Mitglied der leidlich erfolgreichen Greenwood Country Singers, die er zusammen mit seinem Bruder Van Dyke Parks gründete. Das Liebeslied schrieb Parks für seine Firma Greenwood Musik und nahm es 1966 mit seiner Frau Gaile Foot auf. Die beim Kapp-Label veröffentlichte Single floppte genauso wie die gemeinsame Duett-LP „San Antonio Rose“. Frank Sinatra kam nun auf Umwegen zu dem für ihn nicht sehr typischen Lied: Parks’ Manager spielte es Mo Oslin, dem zweithöchsten Mann in Sinatras Imperium – Vizechef seiner Firma Reprise Records – vor. Der mochte es und dachte, es wäre genau das richtige Stück für ein Duett des damals 51-jährigen „Ol’ Blue Eyes“ mit seiner 26-jähri163
gen Tochter Nancy. Oslin musste nur die beiden Produzenten der Sinatras – auf der Franks Seite Jimmy Bowen und auf Nancys den sehr komplizierten Lee Hazlewood – überzeugen. Letzterer war zunächst nicht begeistert, vor allem, weil er mit Nancy Sinatra eine Reihe von Hits hatte, so im Jahr zuvor den Nummer-1-Gassenhauer „These Boots Are Made For Walkin’“. Nach der Einigung ging es aber zügig voran: Am 1. Februar 1967 wurde das Lied – unter Beibehaltung des Tempos der ParksFassung – mit einem sanftem, sehr zurückhaltend-eleganten Arrangement des Country-Gitarristen Billy Strange aufgenommen. Gemeinsam mit der schönen B-Seite „I Will Wait For You“ erschien die Single auch noch im Februar und wurde zum Welthit. Von Mo Oslin ist überliefert, dass er Bedenken hatte, weil hier ja Vater und Tochter ein sinnliches Liebeslied intonierten und das als anrüchig angesehen werden könnte. Aber die familiäre Konstellation hat niemanden gestört. Eine weitere, sehr schöne Version des Songs entstand bereits kurz darauf: Marvin Gaye und seine Duettpartnerin Tammi Terrell nahmen für Motown eine sehr liebevolle Soulvariante auf. Noch einmal zu einem weltweiten Hit wurde „Somethin’ Stupid“ im Jahr 2001: Der britische Popstar Robbie Williams nahm das Lied gemeinsam mit der auf Hawaii geborenen und in Australien aufgewachsenen Schauspielerin Nicole Kidman für sein Album „Swing When You’re Winning“ auf. Damit bewies das ehemalige Mitglied der Teenieband Take That, dass er tatsächlich auch mit lässigem mp Swing umgehen kann. Original: Carson And Gaile: „San Antonio Rose“ (1966, Kapp Records, LP) Andere Versionen: The Weavers: „Somethin’ Stupid’“ (1967, Reprise, Single) Marvin Gaye & Tammi Terrell: „United“ (1967, Tamla, LP) Robbie Williams: „Swing When You’re Winning“ (2001, Chrysalis, CD)
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„Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow / Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin“ aus: „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg & das Panikorchester Udo Lindenberg hatte ein Fable für die DDR. Er wusste, dass hinter dem Eisernen Vorhang viele Fans an seinen Lippen hingen und seine schnoddrig-offene Art schätzten. Bereits 1973 sang er in „Mädchen aus Ostberlin“ über den zwangsweise reglementierten innerdeutschen Verkehr. Seine Platten wurden – da verboten – zuhauf in den „Osten“ geschickt und dort auf Tonband aufgezeichnet. Udo war der Superstar, was ihm klar war: Genau das ließ er die Machthaber im Arbeiter- und Bauernstaat 1983 auch musikalisch wissen: „Ich weiß genau, ich habe furchtbar viele Freunde / In der DDR und stündlich werden es mehr.“ In „Sonderzug nach Pankow“ redete er den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker im Rahmen eines imaginären Besuchs vor Ort direkt und unverstellt an. Er wollte nach Pankow, weil in diesem Berliner Bezirk das Schloss Schönhausen steht. Das Barockschloss war von 1949 an Amtssitz des einzigen „Präsidenten der Republik, Wilhelm Pieck, der bis zu seinem Tod im Jahr 1960 dort residierte. Danach beherbergte es vier Jahre lang den Staatsrat – Lindenberg zeigte, dass er die Geschichte des „anderen Deutschland“ kannte. Kein Poltisprech, auch keine Sozialistenworthülsen – Udo blieb einfach Udo: „Honey, ich glaub’, Du bist doch eigentlich auch ganz locker / Ich weiß, tief in dir drin, bist Du eigentlich auch’n Rocker / Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an / Und schließt Dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio.“ Natürlich war der im Saarland geborene Honecker alles andere als ein Rocker, sonder n ein echter Hardliner, der bald darauf von der Geschichte überrollt wurde – und er war zunächst mal nicht angetan von Lindenbergs Versen. Besonders die Zeilen „Och, Erich ey, bist Du denn wirklich so ein sturer Schrat / Warum lässt Du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat?“ dürften ihm nicht gefallen haben. Fakt ist aber, dass Lindenberg 1979 tatsächlich offiziell Auftrittsverbot in der DDR bekam: Kurt Hager, Chefideologe und Kulturverantwortlicher innerhalb der SED, hatte ein klares Statement gegen den 165
westdeutschen Künstler abgegeben: Lindenberg bat am 5. März 1979 in einem Interview mit dem SFB, dass man ein Einsehen haben möge. Er würde gern für seine Fans ins Ostberlin spielen. Das Staatliche Komitee für Rundfunk zeichnete das Gespräch auf – und Hager versah es handschriftlich mit dem lapidaren, aber eindeutigen Satz „Auftritt in der DDR kommt nicht in Frage“. Diesem Beschluss setzt Lindenberg am Ende des Liedes die russischen Worte „Towarischtsch Erich, meschdu protschim, Werchowny Sowjet ne imejet nitschewo protiw gastrolej gospodina Lindenberga w GDR!“ (auf Deutsch: „Genosse Erich, im Übrigen hat der Oberste Sowjet nichts gegen ein Gastspiel von Herrn Lindenberg in der DDR!“) entgegen. Lindenberg schickte die Platte direkt an Honecker – mit einem Begleitbrief: „Lass doch nun auch mal einen echten deutschen Klartext-Rocker in der DDR rocken. Zeig Dich doch mal von Deiner locker-menschlichen und flexiblen Seite, zeig uns Deinen Humor und Deine Souveränität und lass die Nachtigall von Billerbeck ihre Zauberstimme erheben. Sieh das alles nicht so eng und verkniffen, Genosse Honey, und gib dein Okay für meine DDR-Tournee“. Tatsächlich erlaubte man Lindenberg und seinem Panikorchester dann, in der DDR aufzutreten: Am 25. Oktober fand – im Rahmendes „Festivals des Friedens“ – Udos einziges ostdeutsches Konzert vor der Wende im Ostberliner Palast der Republik statt. Von den 4.200 Zuschauern im Saal war die Mehrheit Mitglied der FDJ, zigtausende Lindenberg-Fans versammelten sich vor dem Gebäude. Den „Sonderzug nach Pankow“ sang er – auf Wunsch der Staatsführung – nicht, eine Tournee für das Jahr darauf wurde im Februar 1984 abgesagt. Lindenbergs Song, der eigentlich von Mack Gordon (Text) und Harren Warren (Musik) bereits im Jahr 1941 während einer Fahrt mit dem „Birmingham Special Train“ der Southern Railway entstanden ist, war aber längst ein Riesenhit. Gordon und Warren schufen einen absoluten Klassiker, der als „Chattanooga Choo Choo“ in der Aufnahme des Bandleaders Glenn Miller bereits 1941 an die Spitze der US-Charts gelangte und dort neun Wochen lang blieb. Der Swingklassiker wurde ursprünglich für den Film „Adoptiertes Glück“ verwendet – und ist dort von Glenn Miller und seinem Orchester, das von den (Four) 166
Modernaires unterstützt wird, zu hören. Weitere Coverversionen folgten. mp Original: Glenn Miller And His Orchestra feat. Tex Beneke And The (Four) Modernaires: „Chattanooga Choo Choo“ (1941, Bluebird, Schellacksingle) Andere Versionen: Cab Calloway: „Chattanooga Choo Choo“ (1941, Conqueror, Schellacksingle) Bill Haley & His Comets: „Chattanooga Choo Choo“ (1954, Essex, Single) Harper’s Bizarre: „Anything Goes“ (1967, Warner, LP) Udo Lindenberg & das Panikorchester: „Odyssee“ (1983, Polydor, LP)
„There’s a lady who’s sure all that glitter is gold / And she’s buying a stairway to heaven“ aus: „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin „There’s a lady who’s sure all that glitter is gold / And she’s buying a stairway to heaven“: Wer bloß ist die Dame, die meint, dass all der Glitzer um sie herum aus Gold besteht? Und sich die dann mit diesem Talmi auch noch eine Treppe in den Himmel, also die Stufen ins Glück erwirbt? Von nichts Anderem singt Robert Plant, der den Song gemeinsam mit dem Gitarristen Jimmy Page geschrieben hat, in diesen ersten beiden Zeilen. Und er setzt fort: „When she gets there, she knows if the stores are all closed / With a word she can get what she came for“ („Wenn sie dort ankommt, weiß sie, dass selbst wenn die Läden geschlossen sind, / sie mit einem Wort alles bekommt, wofür sie gekommen ist“). Welche Frau mit der ‚Lady‘ gemeint ist, hat Plant nie konkret beantwortet. Er gab stets nur einen vagen Hinweis: „Meine Hand schrieb diese ersten Wörter – die mit der Lady, dem Glitter und dem Gold – quasi von alleine. Ich saß bloß da, starrte auf die Wörter – und dann sprang ich fast aus meinem Sitz“, erzählte Plant 1998 in einem Interview mit Total Guitar. „Ich wusste, da kam was Einzigartiges.“ Der Rest des Textes entstand dann nach und nach assoziativ. Nach einer Erklärung gefragt, gab Plant zur Antwort. „Da ist schon auch etwas Zynisches dabei, bei dem Gedanken an eine Frau, die jederzeit alles bekommt, was sie will – ohne nur daran zu denken, in irgendeiner Form auch etwas zurückzugeben.“ 167
Der große Rest des Textes wirkt kryptisch und bietet deswegen große Spielräume für jegliche Form von Interpretation. Fundamentale Christen waren sich zum Beispiel sicher, dass Gitarrist Page satanische Hinweise darin versteckt hat, schließlich war bekannt, dass er den Okkultisten Aleister Crowley verehrte. 1985 erklärte Plant dem Rolling Stone, dass auch seine aktuelle Lektüre den Text beeinflusst hätte – so grübelte er damals gerade über den Büchern des schottischen Schriftstellers und Okkultisten Lewis Spence (1874–1955), vor allem dessen Werk „Magic Arts in Celic Britain“, dass sich unter anderem mit der Artuslegende und dem Heiligen Gral auseinandersetzt. Andere wiederum hielten den Song für die Geschichte einer Frau, die im Drogensumpf versinkt. Irgendwann und weil die Fragen kein Ende nahmen, erklärte Plant, dass er sich auch von J.R.R. Tolkiens „Hobbit“ inspirieren ließ. Über alle Interpretationsspielräume hinweg bündelt „Stairway to Heaven“, diese Melange aus Folk und Rock, sämtliche musikalische Stärken von Led Zeppelin. Nach dem fast zärtlich gesungenen und dem von Keyboarder John Paul Jones arrangierten, nach Blockflöten klingenden Einstieg, baut sich der Song organisch auf. Die E-Gitarren setzen ein, und erst nach langen viereinhalb Minuten treibt John Bonham mit seinem Schlagzeug den Song weiter voran. Was folgt, ist das Gitarrensolo von Jimmy Page – bis heute eines der beeindruckendsten und mehr als einmal zum besten der Rockgeschichte gewählt – sowie ein kurzes Heavy-Metal-Gewitter. Dann klingt der Song leise aus. Sänger Robert Plant zieht in der knapp über acht Minuten langen Powerhymne sowieso alle Register seines Könnens: von leise melodisch über kraftvoll zupackend bis hin zu lautem Shouten. „Stairway to Heaven“ erschien auf dem schlicht als „Led Zeppelin IV“ betitelten vierten Album der Band, das sich bis heute rund 40 Millionen Mal verkauft hat. Der Song selbst wurde nie als Single veröffentlicht, hat sich aber dennoch zu einem der bekanntesten und beliebtesten der Rockgeschichte entwickelt, wurde mit fast allen Preisen bedacht, die zu haben sind und rangiert in allen Listen stets auf dem ersten oder auf einem anderen vorderen Platz – so wurde er zum Beispiel 1994 in die „Rock and Roll Hall of Fame’s 500 Songs“ aufgenommen und belegte im Magazin Classic Rock den ersten Platz in der Liste „Ten of the Best Songs Ever!“. 168
Gitarrist Page hat mit den Jahren allerdings eine gewisse Distanz aufgebaut. In einem Interview mit VH-1 bezeichnete er „Stairway to Heaven“ etwas abschätzig als „diesen Wedding Song, den er manchmal am liebsten vergessen würde“. Was ihn aber nicht davon abhielt, ihn beim ersten und einzigen Auftritt der Band nach mehr als 30 Jahren, beim Ahmet-Ertegün-Gedenkkonzert 2012 in der Londoner O2-Arena, wieder zu spielen. gf Original: Led Zeppelin: „Led Zeppelin IV“ (1971, Atlantic, LP) Andere Version: Dread Zeppelin: „5,000,000“ (1991, I.R.S., CD)
„Well, then what can a poor boy do / Except to sing for a rock’n’roll band?“ aus: „Street Fighting Man“ von The Rolling Stones Drei Minuten Spielzeit, drei Strophen nur, drei Zweizeiler, die vielfältigste Interpretationen erlauben und ein kokettierender Refrain: Fertig ist „Street Fighting Man,“ einer der politischsten, aber auch ein ziemlich doppelbödiger Stones-Song. Im Mai 1968 besuchte Stones-Sänger Mick Jagger in London eine Antikriegs-Demonstration vor der amerikanischen Botschaft – die Soldaten der USA waren gerade mit der aggressiven Tet-Offensive des Vietcong konfrontiert – und erlebte das harte Durchgreifen der britischen Polizei, die 25.000 Menschen gewaltsam unter Kontrolle halten wollte, auch durch den Einsatz von Pferden, die mit Uniformierten in die Menge ritten: „Ev’rywhere I hear the sound of marching, charging feet, boy / ’Cause summer’s here and the time is right for fighting in the street, boy“ („Überall höre ich den Klang der marschierenden, stampfenden Füße, Junge / Weil hier jetzt Sommer ist und die richtige Zeit, um auf den Straßen zu kämpfen“) heißt es gleich zu Beginn des Songs. 1995 erzählte Jagger im Interview mit Jann Wenner im Rolling Stone, dass, „diese Ereignisse die Inspiration waren. Es war ein solcher Kontrast, denn London war sehr ruhig, während es in Frankreich zu dieser Zeit sehr seltsam war. Damals hielt ich all diese Proteste für ein gutes Ding.“ 169
Der nächste Zweizeiler zu Beginn der zweiten Strophe ist eine direkte Anspielung auf den damals in London lebenden und heute in Oxford lehrenden britischen Autor, Filmemacher und Historiker Tariq Ali, der aus Pakistan stammte und der immer wieder öffentliche Demonstrationen gegen Pakistans Militärdiktatur organisierte: „Hey! Think the time is right for a palace revolution / But where I live the game to play is compromise solution“ („Hey! Ich denke, es ist Zeit für eine Palastrevolution / Aber wo ich lebe, sucht man eigentlich die Lösung im Kompromiss“ – wobei der Satz mit der Palastrevolution laut Band von Ali stammte. Klingt der Wunsch nach Kompromiss noch versöhnlich, so wird Jagger im Zweizeiler zu Beginn der dritten Strophe aggressiv und kämpferisch: „Hey! Said my name is called disturbance / I’ll shout and scream, I’ll kill the king, I’ll rail at all his servants („Hey! Man sagt mein Name ist Störung / Ich werde schreiben und brüllen, ich werde der König killen, ich werde all seine Untertanen verfluchen“). Es ist nicht anzunehmen, dass sich Jagger zur Speerspitze all dieser Unruhen hatte machen wollen. Im Gegenteil: Er könne, so singt er im Refrain, ohnehin nicht anderes tun als in einer Band zu singen: „Well, then what can a poor boy do / Except to sing for a rock’n’roll band?“ Wobei er sicher nichts dagegen hatte, dass eine Prise Straßenkämpfe-Image auf ihn, den armen Jungen bürgerlicher Herkunft, abfärbte. Zumal es im verschlafenen London für Straßenkämpfer ohnehin keinen Platz gibt: „’Cause in sleepy London town / There’s just no place for a street fighting man“. So viel Koketterie durften sich trotz aller Sensibilität für die Zeitläufte wohl nur die Stones erlauben. Wie eigentlich immer treibt das von Gitarrist Keith Richards gespielte Riff den Song unerbittlich voran. „Street Fighting Man“ erschien am 31. August 1968 als Vorabsingle des Albums „Beggars Banquet“, kam in den Charts aber nur bis auf Platz 48. Der Grund: Viele Radiosender weigerten sich, einen Song mit einem staatsfeindlichen Text zu spielen. Jagger kommentierte lapigar: „Boykotte haben uns noch nie geschadet. Außerdem wäre es ja ziemlich dumm, eine Revolution ausgerechnet mit einer Schallplatte zu beginnen.“ Über lange Jahre gehörte der Song dann zum Standardprogramm bei Live-Auftritten der Rolling Stones. 170
Bruce Springsteen spielte „Street Fighting Man“ 1985, im Rahmen seiner „Born In The USA“-Tour einige Male als Zugabe und urteilte dann über die Pseudo-Provokation der Stones: „Diese eine Zeile ‚What can a poor boy do exept to sing in a rock and roll band‘ ist eine der größten Rock’n’Roll-Zeilen aller Zeiten. (…) Das Lied hat etwas von einem Am-Rande-des-Abgrunds-Ding. Und das ist gf lustig, da steckt Humor drin.“ Original: The Rolling Stones: „Beggars Banquet“ (1968, Decca, LP) Andere Versionen: Rod Stewart: „An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down“ (1969, Vertigo, LP) Rage Against The Machine: „Renegades“ (2000, Epic, CD)
„Oh brother, are you gonna leave me, wastin’ away / On the streets of Philadelphia“ aus: „Streets of Philadelphia“ von Bruce Springsteen Anfang der 1980er-Jahre litten immer mehr Menschen unter Aids, an dieser Immunschwächekrankheit, mit der noch niemand umzugehen wusste, gegen die es noch keine ärztliche Hilfe gab und die jahrelang als Schwulen-Seuche verschrien war. 1993 kam dann „Philadelphia“ ins Kino, der erste Hollywood-Film, der sich kritisch mit dem diskriminierenden Umgang und der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Erkrankten und Homosexuellen auseinandersetzte. In den Hauptrollen: Tom Hanks und Denzel Washington. Jonathan Demme, der Regisseur des Films, war auf der Suche nach Musik und fragte Springsteen, ob er einen Song zum Soundtrack beisteuern würde. Dieser Bitte kam der US-Rocker nach – und präsentierte ein für seine Verhältnisse sehr ungewöhnliches Stück, eine Art melodisches Klagelied. Er spielte fast alle Instrumente selbst, programmierte den Synthesizer und den Drumcomputer. Nur der Bass und der Backgroundgesang wurden von Tommy Simms beigesteuert. Im Text wiederum findet er Bilder und Worte, die treffend den Zustand des von Hanks gespielten Anwalts beschreiben, der an Aids erkrankt ist und der mit sich, seinem sich verändernden Körper, 171
der Angst um seinen Partner sowie dem Unverständnis seiner Umwelt zurechtkommen muss. Er irrt einsam durch die Straßen seiner Stadt, bis die Füße nicht mehr können („I walked the avenue / ’Til my legs felt like stone“), er vermisst verstorbene Freunde („I hear the voices of friends/ Vanished and gone“) und erkennt sich im spiegelnden Fenster selbst nicht wieder, weil ihn die Krankheit derart ausgezehrt hat („I was unrecognizable to myself / Saw my reflection in a window and didn’t know my own face“). Vor allem aber hat er Angst, dass an seiner Krankheit seine Partnerschaft zerbricht: „Oh brother, are you gonna leave me, wastin’ away / On the streets of Philadelphia? („Oh Bruder, verlässt du mich jetzt, muss ich alleine verrecken, / auf den Straßen von Philadelphia?“). Ungewöhnlich ist, dass der Springsteen den Text diesmal nicht singt, sondern in einer Art Sprechgesang vorträgt. Für den Mut, das zu dieser Zeit sehr unpopuläre Thema öffentlich zu machen, wurden alle Beteiligten hoch belohnt: Tom Hanks gewann den ersten Oscar seiner Filmkarriere und Springsteens Song, der 1993 auf dem Soundtrack zum Film und erst im Frühjahr 1994 als Single veröffentlicht wurde, stürmte weltweit die Charts. Mit Platz zwei erreichte der Song außerdem die bis heute höchste Platzierung Springsteens in Großbritannien. Zudem wurde er mit einem Oscar als bester Filmgf song und mit vier (!) Grammys prämiert. Original: OST: „Philadelphia“ (1993, Epic, LP)
„Do you like good music / That sweet soul music / Just as long as it’s swingin’ / Oh yeah, oh yeah“ aus „Sweet Soul Music“ von Arthur Conley Speziell in den 1960er-Jahren – als die Soulmusik aus dem Rhythm & Blues herausgewachsen war – feierten viele Künstler die neue Musikrichtung, die mit Labels wie Motown, Stax, Atlantic oder auch Goldwax für Furore sorgte, mit Namedropping und Würdigungen. Joe Tex hob in „I’m A Man“ James Brown und Rufus Thomas 172
ervor, King Curtis in „Memphis Soul Stew“ das Instrumentarium, h das für den „guten Groove“ gebraucht wird. Am tollsten trieb es aber der in Atlanta, Georgia, geborene Arthur Conley mit seiner zweiten Single, die er 1967 für Otis Reddings’ Label Jotis Records im schon damals legendären FAME-Studio in Muscle Shoals aufnahm. Conley, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits rund acht Jahre lang mit eher mäßigem Erfolg als Sänger versuchte, schrieb „Sweet Soul Music“ gemeinsam mit Redding. Das Lied basierte deutlich erkennbar auf dem Stück, mit dem das erste posthum erschienene Sam-Cooke-Album „Shake“ begann. Der Titeltrack, der im Januar 1965 veröffentlichten LP wird zur Blaupause für Conleys Riesenhit. Dazu verwendete er als Intro ein Riff, das Elmer Bernstein für den Film „Die glorreichen Sieben“ ersann. Mit diesen Zutaten konnte die Party beginnen: „Do you like good music / That sweet soul music / Just as long as it’s swingin’ / Oh yeah, oh yeah“ („Magst du gute Musik / Diese süße Soulmusik / So lange sie swingt / Oh ja, oh ja“). Viel Text hat „Sweet Soul Music“ nicht, aber – im Gegensatz zu den Commodores und ihr auf gerade verstorbene Soulstars gemünztes „Nightshift“ – zeichnete sich Conleys Hit durch kraftstrotzende Jugendlichkeit, Power und Vorwärtsdrang aus. Damals, 1967, schien alles möglich – politisch, gesellschaftlich und auch musikalisch. Speziell mit den Künstlern und ihren Hits, die im Text genannt werden: „Spotlight on“ Lou Rawls („Love Is a Hurting Thing“), Wilson Pickett („Mustang Sally“), Sam & Dave („Hold On I’m Coming“), Smokey Robinson & The Miracles („Going to a Go-Go“) und auch Otis Redding („Fa-Fa-Fa-Fa-Fa“). Von James Brown, dem „Gottvater des Soul“, findet man in „Sweet Soul Music“ keinen seiner vielen bekannten Songs, Conley bezeichnet ihn einfach als „King of Them All“, als „König von all den Genannten“. Der Mentor Otis Redding wird zum Schluss noch mal speziell gewürdigt: „Otis Redding got the feeling“ („Otis Redding hat das richtige Gefühl“) heißt es im Outro des Songs. Otis Redding ahnte rasch, dass das funkig-swingende Lied ein Hit werden könnte – und bot es daher dem Atlantic-Label an, das seit den späten 1940er-Jahren immer erfolgreicher auf dem Markt aktiv war und unter anderem auch viele Hits von Stax unter die 173
Leute brachte. Denn Atlantic hatte eine US-weite Vertriebsstruktur, über die Jotis nicht verfügte – auch in Europa waren die meisten Veröffentlichungen erhältlich. So kam „Sweet Soul Music“ auf dem Atlantic-Unterlabel Atco heraus und wurde zum Welthit. In den USA schaffte es das Lied sowohl in den „R&B“-Charts als auch in der Popliste bis auf Platz zwei. Es wurde der mit Abstand größte Erfolg des Sängers. Im Jahr darauf schaffte er es mit „Funky Street“ ein zweites und letztes Mal in die Top Ten der „R&B“-Liste. mp Original: Arthur Conley: „Sweet Soul Music“ (1967, Atco, LP) Grundlage Sam Cooke: „Shake“ (1965, RCA, LP) Andere Versionen: The Jam: „The Modern World“ (1977, Polydor, EP) Diana Ross „Red Hot Rhythm & Blues“ (1987, Funky Town Grooves, CD) James Brown: „Live at The Apollo, Vol. II – Deluxe Edition“ (2001, Universal Music, Do-CD)
„An Tagen wie diesen / wünscht man sich Unendlichkeit“ aus: „Tage wie diese“ von Die Toten Hosen Da musste die Band aus Düsseldorf erst dreißig Jahre alt werden, um eine Hymne zu erschaffen, die nahezu immer und überall funktioniert. Waren die Toten Hosen am Anfang ihrer langen Erfolgskarriere eine Punkband, die ihr Fan-Klientel vorzugsweise mit Trinkliedern und lustigen Songs zum Mitgrölen sukzessive erweiterte, wuchs der eigene Anspruch an die Texte im Laufe der Zeit. Gesellschafts politische Themen, der Tod und das Leben in all seinen Facetten wurden zum Thema – und die Toten Hosen zu Größen, deren Alben vielfach platinveredelt wurden. An ihrem 30. Geburtstag, den sie mit dem Doppelalbum „Ballast der Republik“ feierten, waren Sänger Campino, der bürgerlich eigentlich Andreas Frege heißt, und seine Band längst schon im Olymp der Deutschen Rockmusik angekommen. Ein weiterer Aufstieg schien nicht mehr möglich – doch dieses eine Lied, dessen Lyrics Campino zusammen mit der österreichischen Schauspielerin Birgit Minichmayr schrieb, sollte ihr größter Hit werden. Natürlich lag es auch an der Melodie, die Andreas von 174
Holst, besser bekannt als Kuddel, beisteuerte. Der Gitarrist der Hosen hatte sich, so steht immer wieder zu lesen, dabei vom HardrockHit „Black Betty“ von Ram Jam inspirieren lassen. Abgesehen von einer ähnlich extremen Eingängigkeit, die praktisch immer und überall funktioniert, ist aber keine besondere Ähnlichkeit zu erkennen. „Tage wie diese“ ist eindeutig ein Song der Toten Hosen. Insgesamt war dieses Lied 85 Wochen lang in der deutschen Singlehitparade zu finden und wurde ihr zweiter Nummer-1-Hit nach „Zehn kleine Jägermeister“ aus dem Jahr 1996. Doch der Song war nicht nur ein Ohrwurm, er durchdrang die Gesellschaft. „An Tagen wie diesen / wünscht man sich Unendlichkeit / An Tagen wie diesen / Haben wir noch ewig Zeit / Wünsch ich mir Unendlichkeit“ schienen überall zu passen: Für die Deutschen war das Lied während der Fußballeuropameisterschaft 2012 der persönliche Überhit – es war, wie die Rheinische Post seinerzeit anmerkte „der Soundtrack zum Hochgefühl“. Wo stieß man nicht auf „Tage wie diese“? Es wurde beim Feuerwehrfest gespielt, 2013 bei der Wiederwahl der Bundeskanzleri Angela Merkel, beim Schulausflug und vermutlich auch beim Zapfenstreich der Bundeswehr. Sogar Helene Fischer sang es auf diversen Konzerten, trotz oder wegen der eigenen Hymne „Atemlos durch die Nacht“, die sie im Programm hat. Das Lied begleitete unfreiwillig echte Katastrophen wie die heftig unwirtlichen Schlussminuten der Bundesligarelegation zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC am 15. Mai 2012. Dort wurden aus beiden Fanlagern bengalische Feuer auf den Rasen geworfen, der Schiedsrichter von Spielern attackiert und der Platz vor dem offiziellen Abpfiff von Düsseldorfer Fans gestürmt. Campino, selber Anhänger der Fortuna, war unmittelbar im Anschluss an das Match unter anderem auch deshalb betroffen, weil ausgerechnet das Lied seiner Band dieses Chaos untermalt hatte. Im Rahmen einer friedlichen Aufstiegsfeier hätte „Tage wie diese“ gepasst – hier wirkte die moderne Variante von Walter Rothenburgs Karnevalschlager „So ein Tag so wunderschön wie heute“ unfreiwillig zynisch. Gespenstischerweise passte der Song doch, weil Chaoten unter einem gelungenen Tag wohl etwas Anderes verstehen als der Rest der Menschheit oder die Toten Hosen. mp Original: Die Toten Hosen: „Ballast der Republik“ (2012, JKP, Do-CD/CD)
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„Well, I’m running down the road / Tryin’ to loose my load“ aus: „Take it Easy“ von Eagles Mit dem so locker und leicht, nach Kalifornien und Sonne klingenden Song „Take it Easy“ starteten die Eagles in ihre Karriere – und mit der wohl einzigen obszönen Zeile, die sich in all ihren Liedern überhaupt finden lässt. „Well, I’m running down the road / Tryin’ to loose my load“ („Also, ich lief die Straße runter / und versuchte meine Ladung los zu werden“) heißt es gleich zu Beginn, und damit ist nicht nur der Wochenendeinkauf gemeint, der mit einem Pick-up nach Hause transportiert wird. Der Sänger will es doppeldeutig verstanden wissen: Er will auch den der Inhalt seiner Hoden loswerden. Bloß bei wem? Denn da gibt es ein Problem: „I’ve got seven woman on my mind“ („Mir fallen sieben Frauen ein“). Doch keine passt so richtig: „Four that wanna own me“ („Vier, die mich ganz haben wollen“), „Two that wanna stone me“ („Zwei, die mich steinigen wollen“) und „One says she’s a friend of mine“ („Eine sagt, sie ist mein Freund“). Aber weil das Problem noch nicht so ganz bedrängend ist und wir in Kalifornien sind, kann man es auch ganz entspannt angehen: „Tak it Easy“ – „Nimm es leicht“. Die Fahrt geht weiter, und plötzlich findet sich der Sänger in einem kleinen Städtchen wieder: „Well, I’m standing on a corner in Winslow, Arizona / And such a fine sight to see / It’s a girl, my Lord, in a flatbed Ford / Slowin’ down to take a look at me“ („Also, da steh ich an einer Ecke in Winslow, Arizona, / Und was ist das für ein schöner Anblick / Es ist ein Mädchen, mein Gott, in einem roten Pritschenwagen von Ford / Sie wird langsamer, um mich anzusehen“). Keine Rede mehr von den anderen Frauen, er fordert sie auf, ihn einsteigen zu lassen: „So open up, I’m climbin’ in“ („Mach auf, ich steig ein“). Nicht ohne das Problem mit seiner Ladung anzusprechen und „Take it Easy“ und die Bemerkung „Though we will never be here again“ („Aber wir werden eh nie wieder hier sein“) hinzuzufügen. Der von Jackson Browne („Running on Empty“) und Gitarrist Glenn Frey geschriebene und von den Eagles aufgenommene Country-Folksong erschien am 1. Mai 1972, schaffte es bis auf Platz zwölf der Billboard Top 100, wurde mit seiner fröhlichen Melodie und 176
dem perfekten Satzgesang auf Anhieb zum signature song der Band und ist bis heute Bestandteil jedes ihrer Konzerte. Der Singer-/Songwriter Browne spielte das Lied ein Jahr später für sein zweites Soloalbum „For Everyman“ noch einmal ein, diesmal mit dem musikalischen Tausendsassa David Lindley an der Gitarre. Eine amüsante Ehre erwies das Städtchen Winslow, das im Navajo County mitten in Arizona liegt, dem Song: 1999 eröffnen die Stadtväter den „Standin’ on the Corner Park“, der Bildhauer Ron Adams gestaltete dafür eine lebensgroße Statue von Jackson Browne mit Gitarre, die seither an der Ecke zum Eingang steht. Ein echter Flatbed Truck von Ford parkt am Straßenrand, und an der Mauer gegenüber hat der Maler John Pugh ein Trompe-l’oeil-Bild angebracht, das die Fahrerkabine des Ford zeigt – darin eine blonde Frau, gf die zu Browne blickt. Original: Eagles: „Eagles“ (1972, Asylum, LP) Andere Version: Jackson Browne: „For Everyman“ (1973, Asylum, LP)
„Would you know my name / If I saw you in heaven?“ aus: „Tears in Heaven“ von Eric Clapton Es gibt Lieder, über die würde man am liebsten kein Wort verlieren und nicht über sie schreiben. Nicht, weil sie nicht gelungen oder schön oder wichtig wären, sondern weil sie zu bedrängend und traurig sind. „Tears in Heaven“ ist ein solcher Fall: Eric Clapton wollte Filmmusik für das Drogendrama „Rush“ komponieren, als eine private Tragödie einen Song des Soundtracks zu einer der berührendsten Trauerballade der Rockgeschichte werden ließ. Am 20. März 1991 fiel Eric Claptons vierjähriger Sohn Conor in New York City aus einem Fenster im 53. Stock, wo er mit seiner Mutter bei deren Freund zu Besuch war. Der kleine Junge schlug aufs Dach des wesentlich niedrigeren Nachbargebäudes und war sofort tot. Clapton traf kurz darauf am Unfallort ein – er hatte seinen Sohn abholen wollen. Nur wenige Monate zuvor, im August 1990, hatte Clapton seinen Freund und Musikerkollegen Stevie 177
Ray Vaughan sowie zwei seiner Roadies bei einem Hubschrauberabsturz verloren. Als Eric Clapton nach Monaten wieder zu arbeiten begann, unter anderem am Soundtrack, schrieb er gemeinsam mit Will Jennings („Up Where We Belong“, „My Heart Will Go On“) einen weiteren Song für den Film. In bestürzend einfachen Worten verarbeitete er seinen Verlust und seine Trauer. „Would you know my name / If I saw you in heaven? / Would it be the same / If I saw you in heaven?“ („Würdest du meinen Namen kennen, / wenn ich dich im Himmel sähe? / Würde es dasselbe sein, / wenn ich dich im Himmel träfe?“) heißt es in der ersten Strophe. In den folgenden Zeilen besinnt er sich darauf, stark sein und weitermachen zu müssen („I must be stron g and carry on“), denn er wisse, dass er noch nicht in den Himmel gehöre („’Cause I know I don’t belong / Here in heaven“). Dann stellt Clapton erneut voller Trauer einfache Fragen: „Would you hold my hand“ („Würdest du meine Hand halten?“) oder „Would you help me stand?“ („Würdest du mich stützen?). Er vertraut auch nicht der Zeit, die angeblich alle Wunden heilt („Time can break your heart“ – „Die Zeit kann dein Herz brechen“). Nur einer Sache ist er sich sicher: „And I know there’ll be no more / Tears in heaven“ („Und ich weiß, im Himmel wird es keine Tränen mehr geben“). Die solcherart in Verse gegossene Trauer sprach vielen aus der Seele. Jeder, der schon einmal den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten musste, verstand, wovon Clapton sang. „Tears in Heaven“ erschien im Januar 1992 und wurde international zum Erfolg. Kurz nachdem die mit Band eingespielte Single und der Soundtrack erschienen waren, nahm Clapton an einer „MTV Unplugged“-Sendung teil. Dafür nahm er das Lied in der bis heute fast ausschließlich bekannten akustischen Version noch einmal auf – die CD, die das Live-Konzert dokumentiert, verkaufte sich millionenfach. Bis heute hat Clapton viele Preise für sein Trauerlied gewonnen. 2004 gab er bekannt, „Tears in Heaven“ und „My Father’s Eyes“, seinen anderen Abschiedssong, nicht mehr live zu spielen. „Ich fühle den Verlust, der beim Spielen dieser Songs eine so wichtige Rolle hat, nicht mehr“, erklärte er auf MSN.com. „Ich muss zu den Ge178
fühlen in dieser Zeit, als ich sie schrieb, immer wieder eine Beziehung aufbauen. Aber jetzt sind sie weg, und ich will wirklich nicht mehr, dass sie zurückkommen. Noch nicht einmal teilweise. Ich habe jetzt ein anderes Leben.“ Nur bei bestimmten Anlässen wolle er eine Ausnahme machen und den Song noch einmal spielen. Ein solcher Anlass bot sich 2015, als Clapton am 21. Mai in der Londoner Royal Albert Hall seinen 70. Geburtstag feierte und diesen Abend dem nur eine Woche zuvor verstorbenen Bluesmusiker B.B. gf King widmete. Original: OST: „Rush“ (1992, Reprise, CD) Andere Versionen: Eric Clapton: „Unplugged“ (1992, Reprise, CD) Joshua Redman: „Wish“ (1993, Warner, CD) Paul Anka: „Rock Swings“ (2005, Verve, CD)
„Well, that’ll be the day, when you say goodbye / Yes, that’ll be the day, when you make me cry / You say you’re gonna leave, you know it’s a lie / ’Cause that’ll be the day when I die“ aus: „That’ll Be the Day“ von The Crickets Was Buddy Holly in „That’ll Be the Day“ singt, würde man heute als emotionale Erpressung bezeichnen: „Well, that’ll be the day, when you say goodbye / Yes, that’ll be the day, when you make me cry / You say you’re gonna leave, you know it’s a lie / ’Cause that’ll be the day when I die“ (Nun, der Tag, an dem du von mir gehst / Ja, das wird der Tag sein, an dem du mich zum Weinen bringst / Du sagst, dass du mich verlässt, aber du weißt, dass das eine Lüge ist / Weil das der Tag sein wird, an dem ich sterbe“). Das ließe sich heute wohl nicht mehr so einfach in einen Song stecken. Ein Mann sagt, dass er sich umbringt, weil ihn die Liebste verlässt. Er gibt ihr die Schuld, weil er wegen ihr weint. Wundersamerweise ist Charles Hardin Holley, wie Buddy Holly mit bürgerlichem Namen hieß, auf die Zeile gar nicht im Kontext von Liebeskummer gestoßen. Er sah, gemeinsam mit Jerry Allison, dem Schlagzeuger seiner Band The Crickets und dem – wie Holly 179
– aus Lubbock/Texas stammenden Songwriter Sonny Curtis, John Fords Westernmonument „The Searchers“ („Der schwarze Falke“). In dem Streifen, der als einer der besten Filme aller Zeiten gilt, spielt John Wayne den Kriegsheimkehrer Ethan Edwards, der sich auf die Suche nach zwei von Indianern verschleppten Mädchen begibt – und zugleich einen Rachefeldzug startet. Edwards sagt wenig, sein zentraler Satz ist ebenso apokalyptisch wie klar – eben „that’ll be the day“ („der Tag wird kommen“). Holly und Allison schrieben den Song, der in England an die Spitze der Charts und in den USA bis auf Platz zwei kam. Er gehört zu den Klassikern der 1950er-Jahre und wurde 1976 sehr erfolgreich von Linda Ronstadt gecovert. Von Holly selbst gibt es zwei Versionen aus dem Jahr 1957 – bedingt durch Differenzen innerhalb des Unternehmens Decca: Die erste Variante wurde im Juli 1956 in Nashville aufgenommen, man findet sie auf dem 1958erAlbum „That’ll Be the Day“ und auf der B-Seite der Single „Rock Around With Ollie Vee“. Die Hit-Version entstand im Februar 1957 in Clovis, New Mexico und wurde drei Monate später beim Decca-Unterlabel Brunswick veröffentlicht. Holly, der zeitweise zwei Plattenverträge bei derselben Firma hatte, wurde dort nicht als Interpret erwähnt – den Hit landeten offiziell die Crickets. Buddy Hollys Biografie ist bekannt: Er startete in den frühen 1950er-Jahren gemeinsam mit ein paar Kumpels aus seiner Heimatstadt Lubbock. Aus diesem Freundeskreis wurden dann die Crickets, die dank des Musikproduzenten Bob Thiele bei Decca unterkamen und beim Unterlabel Coral veröffentlichen durften. Nach ersten Erfolgen sollte Holly noch massentauglicher als Solist vermarktet werden. Im Januar 1959 gründete der Sänger eine neue Begleitband, zu der als Gitarrist der spätere Countrystar Waylon Jennings gehörte. Knapp einen Monat später, am 3. Februar 1959, kam Holly gemeinsam mit Big Bopper und Ritchie Valens bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Jennings überlebte, weil er den letzten freien Platz in der Maschine beim Kartenspiel an Holly verloren hatte. Auch wenn die Musik nicht an jenem Wintertag starb, wie Don McLean in „American Pie“ singt – mit dem beim Unglück gerade mal 22 Jahre alten Buddy Holly ging ein riesiges Talent viel zu früh. mp 180
Original: Buddy Holly: „That’ll Be the Day“ (1958, Decca, LP) Andere Versionen: The Crickets: „The Chirping Crickets“ (1957, Brunswick, LP) Linda Ronstadt: „Hasten Down the Wind“ (1976, Asylum, LP)
„Do not forsake me, oh my darlin’ / On this, our weddin’ day “ aus: „The Ballad of High Noon“ von Tex Ritter Egal, ob es nun „The Ballad of High Noon“, „High Noon (Do Not Forsake Me)“ oder „Do Not Forsake Me, O My Darlin’“ heißt, das vom großen, durch seine Arbeiten für Frank Capra bekannt gewordenen Filmkomponisten Dimitri Tiomkin („Mr. Deeds geht in die Stadt“, „Engelsgesicht“, „Bei Anruf Mord“, „Rio Bravo“) geschriebene und von seinem langjährigen Partner Ned Washington getextete Lied ist eines der wichtigsten Musikstücke Hollywoods. Und das beileibe nicht nur, weil es in der Soundtrack-Version des texanischen Sängers und Schauspielers Tex Ritter („Rye Whiskey“, „Wichita“, „The Wayward Wind“) ein großer Hit war. Denn selten hat ein einzelnes Stück Musik einen Film so geprägt wie eben jenes „High Noon“ – ähnlich gut funktioniert die untrennbare Symbiose von Handlung und Komposition in Carol Reeds „Der dritte Mann“, wo Anton Karras’ Zither die düstere Handlung untermalt. Fred Zinnemanns („Verdammt in alle Ewigkeit“, „Das siebte Kreuz“, „Der Schakal“) Meisterwerk „High Noon“ – „Zwölf Uhr mittags“ aus dem Jahr 1952 wurde mit vier Oscars ausgezeichnet, darunter mit dem für das beste Lied. Darin ist der Song von Tiomkin allgegenwärtig. Einmal ist es sogar nur die Trommel, die den Herzschlag des von Gary Cooper gespielten Ex-Marshall Will Kane wiedergibt. Der wartet darauf, dass der Gangster Frank Miller, den er fünf Jahre zuvor ins Kittchen gebracht hat, mit seiner Bande auftaucht und Rache nimmt. Doch Kane ist kein Gesetzeshüter mehr, er hat eben erst die Quäkerin Amy geheiratet, dargestellt von Grace Kelly – und ihr zuliebe den gefährlichen Job an den Nagel gehängt. Doch die Vergangenheit holt Kane unerbittlich ein. Er muss sich ihr stellen, selbst wenn Amy ihn flehentlich bittet, mit ihr 181
zu gehen. Aber Kane ist sich sicher, dass er auf der Flucht bleiben müsste, so lange Miller nicht gestellt ist oder gewonnen hat. Während Kane auf den Zug wartet, der den Killer und seine Gang bringen wird, rückt der Zeiger der Uhr unerbittlich weiter Richtung Mittag, der Song spiegelt eindringlich die Angst, die stoische Bitterkeit und die Hoffnung, dass die Liebste bleiben möge: „Do not forsake me, oh my darlin’ / On this, our weddin’ day“ (Bitte verlass mich nicht, mein Liebling / an diesem, unserem Hochzeitstag“). Kurz vor Schluss des Filmes hält es Amy nicht mehr aus – und geht. Ob er sie je wieder sieht? Das weiß Marshall nicht, er weiß auch nicht, ob er den Mittag überlebt. Die Chancen stehen schlecht, aber er muss tun, was getan werden muss. Dazu klingt die Bitterkeit der traurig-sanften Ballade, er hat sie ständig im Ohr: „Do not forsake me, oh my darlin’ / On this, our weddin’ day“. Eine Randnotiz: Der Songwriter und Krimiautor Kinky Friedman spricht in seinen Romanen immer dann von „Gary Cooper Time“, wenn er 12 Uhr mittags meint.mp Original: Dimitri Tiomkin: „High Noon“ (2013, Film Score Classics, CD) Andere Versionen: Tex Ritter: „High Noon (Do Not Forsake Me)“ (1952, Capitol, Single) Frankie Laine: „High Noon (Do Not Forsake Me)“ (1952, Columbia, Single)
„Hello-hurray, what a nice day / For the Eton Rifles, Eton Rifles“ aus: „The Eton Rifles“ von The Jam Das Eton College, in der Grafschaft Berkshire gelegen, ist eine altehrwürdige Lehranstalt: Sie wurde, zunächst für mittellose, aber begabte Schüler im Jahr 1440 von Heinrich VI. gegründet. Im Lauf der Zeit entwickelte sich Eton zu einer Eliteschule. Derzeit werden dort 1300 Jungen im Alter von 13 bis 18 Jahren unterrichtet, die Eltern zahlen pro Schuljahr und Kind mehr als 37.000 britische Pfund, was in etwa 45.600 Euro entspricht. Viele prominente Persönlichkeiten durchliefen das Institut, George „1984“ Orwell zum Beispiel, Ian „007“ Fleming oder Hugh „Dr. House“ Laurie. Premierminister ab182
solvierten Eton ebenfalls, darunter der letzte Regierungschef, der konservative Politiker David Cameron. Jener Cameron äußerte 2008, dass der Song der britischen ModBand The Jam eines seiner absoluten Lieblingslieder sei – eben weil er in Eton lernen durfte. Daraufhin entbrannte ein Streit mit Paul Weller, dem Kopf der nach zehnjähriger Existenz im Jahre 1982 aufgelösten Gruppe Jam. Weller, der danach mit The Style Council und auch als Solist sehr erfolgreich war, fühlte sich missverstanden. Denn „The Eton Rifles“ ist für ihn ein Protestsong, und zwar einer, der die Klassenunterschiede im Königreich anprangert. So heißt es gleich zu Beginn hämisch: „Sup up your beer and collect your fags / There’s a row going on down near Slough / Get out your mat and pray to the West / I’ll get out mine and pray for myself („Trinkt euer Bier und raucht eure Glimmstengel / Eine Gruppe von euch geht runter in die Nähe von Slough / Holt eure Matten raus und betet für den Westen / Ich hole meine und bete für mich“). Im Kern des Liedes steht das Eaton College Rifle Corps, für Weller eine paramilitärische Einheit, die an Waffen trainiert wird und die Werte des Establishments im Zweifelsfall zu verteidigen hat. „Welchen Teil des Liedes hat Cameron denn nicht verstanden? Es ist kein lustiges Trinklied für die Kadetten“, beschwerte sich Weller im Politmagazin New Statesman. „Tory“ David Cameron seinerseits erklärte, dass er 1979, also im Entstehungsjahr des Songs, auf dem Eton College war und mit Freunden Sex Pistols oder The Jam hörte. Er könne also sehr wohl verstehen, was der Labour-Anhänger Weller da über und um Eton gedichtet habe. Das martialisch gerufene „Hello-hurray, what a nice day / For the Eton Rifles, Eton Rifles“ („Hallo, hurra, was für ein schöner Tag / Für die Eton Rifles, Eton Rifles“) erinnert an die Schlachtgesänge aus dem Ersten Weltkrieg und ist eigentlich nicht falsch interpretierbar. Aber man kann den Song durchaus auf witzige Weise kopieren – was die Funpunks von Tenpole Tudor 1981 in ihrem Hit „Swords of a Thousand Men“ bewiesen. „Eton Rifles“ wurde knapp zwei Jahre vorher, am 3. November 1979, in Großbritannien als Single veröffentlicht – als Vorbote des vierten, vom Magazin New Musical Express als „Album des Jahres“ ausgezeichneten Werks „Setting Sons“, und erreichte Platz drei 183
der Inselcharts. Es war der bis dato größte Erfolg einer Formation, deren Anhängerschaft seit den ersten beiden LPs „In the City“ und „This is the Modern World“ kontinuierlich wuchs. Nach „Eton Rifles“, der einzigen ihrer Top-Ten-Singles, für das übrigens kein Video gedreht wurde, erreichten vier weitere Songs der Band Platz eins und sind heute Klassiker des Mod-Revivals – so etwa „Town Called Malice“ oder „Going Underground“, der direkte Nachfolger von „The Eton Rifles“. Dass sich The Jam sehr am Sound der Kinks, der Yardbirds oder der Small Faces orientierten, die ihrerseits unmittelbar aus dem Mod-Umfeld stammten, ist bei diesen Hits unüberhörbar. Dabei, das ist nachzulesen in „Absolute Beginners“, Colin MacInnes’ großartiger Mileustudie über die britische Jugendkultur der späten 1950erJahre, standen die Mods zunächst auf Jazz, etwa den von Miles Davis oder Thelonious Monk. Paul Weller näherte sich dieser Musik mit seiner zweiten Band The Style Council dann wieder an, er vermischte dort Barswing und Soul zu flirrenden Songs wie „My Ever mp Changing Moods“ oder „Walls Come Tumbling Down!“. Original: The Jam: „Setting Sons“ (1979, Polydor, LP)
„You can crush us, you can bruise us / But you’ll have to answer to, oh, guns of Brixton“ aus: „The Guns of Brixton“ von The Clash Schreckliche Bilder waren 1981 zu sehen: Der „Winter of Discontent“ (Winter der Unzufriedenheit) ging gerade zu Ende, Großbritannien ächzte unter horrenden Schulden, als die Flammen loderten, vor denen sich schwarz und martialisch die Schattenrisse behelmter Soldaten abzeichneten, Wurfflaschen mit flüssigem Feuer durch die Luft flogen und zuckendes Blaulicht die Nacht zerriss. „London wird nach dieser Nacht nicht mehr sein wie zuvor“, erklärte ein Nachrichtensprecher vor der rauchenden Ruine eines Wohnhauses. Marodierende Jugendliche hatten es niedergebrannt. Jene Tage sind als die Brixton Riots in die britische Zeitgeschichte 184
eingegangen. Man zählte damals rund 350 Verletzte, mehr als 200 geplünderte Pubs und Geschäfte sowie mehr als 100 ausgebrannte Autos – die Hälfte davon Polizeiwagen. Wut. Wut war das vorherrschende Gefühl. Wut trieb schon die Single „White Riot“ an, die The Clash 1977 auf ihrem Debütalbum veröffentlichten. Zwei Jahre später bewies die Band nahezu hellseherische Fähigkeiten: „You can brush us / You can bruise us / But you’ll have to answer to / the guns of Brixton“ („Du kannst uns zerstören / Du kannst uns zerquetschen / Aber Du wirst antworten müssen / den Gewehren von Brixton“) skandierte Bassist Paul Simonon, der das Lied geschrieben und dafür eigens Gitarre spielen gelernt hat, zum hart schunkelnden Reggae-Rhythmus und nahm damit die Ereignisse visionär vorweg. Was passierte 1981 überhaupt? Die heftigsten Riots der Nachkriegszeit, die sich 1985 sogar wiederholen sollten, entzündeten sich am Vorgehen der Londoner Polizei. Die Hälfte der damals 16bis 19-Jährigen Schwarzen war arbeitslos, es herrschte Wohnungsnot, Ghettos hatten sich gebildet und ein eigenes Gesetz erlaubte es den Mitgliedern der Special Patrol Group (SPG), verdächtige Personen willkürlich festzuhalten und zu kontrollieren. Also filzten die Beamten seit Monaten Jugendliche ganz offen auf der Straße. Sie wollte, so hieß es, Drogendealer fassen, drangsalierten aber zu viele Unschuldige. Bei der schwarzen Community war das Gesetz verhasst, sie empfand es als puren Rassismus. Paul Simonon war in Brixton aufgewachsen, er kannte die Probleme, hatte Freunde unter den Schwarzen, von denen gerade hier viele aus Jamaika stammten. Auch deswegen greift der Text einen populären jamaikanischen Mythos auf, den des Rude Boy. Der erste Vertreter dieses jamaikanischen Outlaws war ein Mensch namens Ivanhoe „Ivan“ Martin (1924–1948), auch als „Rhyging“ bekannt, der, ungerechterweise eingesperrt und mehrfach ausgebrochen, schließlich von der Polizei erschossen worden war. Dieser Rude Boy hatte durch den 1972 gedrehten Film „The Harder They Come“ mit dem Reggaemusiker Jimmy Cliff weltweite Verbreitung gefunden. Simonons Text spielt überdeutlich darauf an: „You see he feels like Ivan / Born under the Brixton sun / His game is called surviving / At the end of The Harder They Come“ („Verstehe, er 185
fühlt sich Ivan / Geboren unter Brixtons Sonne / Sein Spiel heißt überleben / Am Ende von They Harder They Come“). Immer wieder thematisiert der Text die Härte und die Gewalt: „When they kicked your front door / How you gonna come? / With your hands on your heads/ Or on the trigger of your gun?“ („Wenn sie an deine Tür klopfen, / wie wirst du herauskommen? / Mit den Händen über dem Kopf oder mit dem Finger am Abzug?“) heißt es da, oder: „When the law break in / How you gonna go? / Shot down on the pavement / Or waiting on death row?“ („Wenn das Gesetz einbricht, / wie wirst du dann sterben? / Niedergeschossen auf dem Bürgersteig / oder wartend im Todestrakt?“). Am Ende hinterlässt der Song das Gefühl purer Ausweglosigkeit. The Clash, die als Punkband begannen, veröffentlichten „The Guns of Brixton“ auf ihrem Doppelalbum „London Calling“. Paul Simonon, Joe Strummer (Gesang, Gitarre) und Mick Jones (Gitarre, Gesang) stellten ihre musikalische Vielfältigkeit und ihr politisches Engagement unter Beweis: Mit der Wut der Arbeiterklasse und der Unterprivilegierten sowie mit ihrer Mischung aus Reggae, Ska, Rockabilly und Punk rebellierten sie gegen das Establishment. gf Original: The Clash: „London Calling“ (1979/2009, CBS, DoLP/CD) Andere Versionen: Die Toten Hosen: „Nur zu Besuch. Unplugged im Wiener Burgtheater“ (2005, JKP, CD) Jimmy Cliff: „Rebirth“ (2012, Universal, CD)
„I’ve got the power / I’ve got the power… hey yeah heh“ aus: „The Power“ von Power Jam featuring Chill Rob G Ein wirklich eingängiges Gitarrenriff, das sich durch den Song zieht, ein tiefer Groove und eine Rap-Einlage – fertig war einer der größten Disco-Hits der frühen 1990er -Jahre. Die Frankfurter Produzenten und Eurodance-Pioniere Michael Münzing und Luca Anzilotti ließen ihr „The Power“ mit der Hookline „I’ve got the power“ auf die Clubs los – und setzten mit dem sehr eingängig-kraftvollen Stück 186
Maßstäbe. Inwieweit der Track, den man heutzutage nur noch mit Snap! verbindet, wirklich von den beiden geschrieben wurde, lässt sich nicht mehr exakt sagen. Fakt ist, dass der Song ursprünglich mit dem Rapper Robert Frazier alias Chill Rob G aufgenommen und auf dem Hip-Hop-Label Wild Pitch Records herausgebracht wurde. Wild Pitch, das unter anderem innovative Projekte wie Gang Starr, Main Source oder UMC förderte, hatte mit dem Stück aber kein Glück: Es gab Probleme mit den Samples, so dass die Variante, die unter Power Jam featuring Chill Rob G firmierte, unterging. Was war geschehen? Eigentlich etwas, was damals in den späten 1980er-Jahren immer wieder passierte: Man kümmerte sich nicht um die Rechteinhaber der gesampelten Elemente – hier waren es Teile aus „King Of The Beat“ von Mantronix, „Love’s Gonna Get You“ von Jocelyn Brown und Chill Rob Gs eigenes „Let the Words Flow“. Münzing und Anzilotti zogen die Reißleine, zumal die US-Aufnahme von Chill Rob G sowieso floppte, und nahmen das Stück mit dem Rapper Turbo B. unter dem Namen Snap! neu auf. Dieses Mal waren keine Plagiate enthalten – aber die machten ohnehin nicht den Unterschied. Obwohl die Snap!-Ver sion ähnlich klang, hatte sie etwas, was dem Original fehlte: Power. Die beiden Produzenten legten einen Zahn zu, die flau klingende Ursprungsvariante wurde durch eine mächtig hochgepeitschte Aufnahme ersetzt – erst damit wurde die selbstbewusste Behauptung „I’ve got the power“ („Ich habe die Kraft“ oder „Ich habe die Macht“) wirklich glaubhaft. Mit Snap! und dem für das Projekt erfundene Logo mit dem Fingerschnippen, das sicher absichtlich an das Signet des Stax- Labels erinnert, wurde der Song zum Welthit. In Großbritannien kam er bis an die Spitze der Charts, in Deutschland und den USA bis auf Platz zwei. Das Duo Münzing/Anzilotti machte als Snap! erfolgreich weiter und hatte noch eine Reihe formidabler Hits, etwa „Ooops Up“, „Cult of Snap“ und den Gassenhauer „Rhythm Is a Dancer“. mp Original: Power Jam featuring Chill Rob G: „The Power“ (1989, Wild Pitch Records, Maxi-Single) Andere Version: Snap!: „World Power“ (1990, Ariola, CD)
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„I walked into an empty room / And suddenly ma heart goes boom / It’s an ochestra of angels / And they’re playing with my heart“ aus: „There Must Be an Angel (Playing with My Heart)“ von Eurythmics Die Eurythmics, das 1980 von der Sängerin und Keyboarderin Annie Lennox sowie dem Sänger und Gitarristen David A. Stewart gegründete Popduo, hatte mit „In the Garden“ (1981), „Sweet Dreams (Are Made of This)“ (Anfang 1983) und „Touch“ (Ende 1983) drei sehr unterschiedlich erfolgreiche Alben veröffentlicht. Allerdings waren sie sehr Synthie-lastig ausgefallen. Für das vierte Album „Be Yourself Tonight“ sollte also eine musikalische Stilkorrektur her – und der Motown-Sound das Vorbild sein. Mit „There Must Be an Angel“ entstand bei diesen Bemühungen ein geschmeidig und euphorisch klingender Popsong über ein Mädchen, das sich offensichtlich gerade frisch verliebt hat, deren Gefühle und Hormone überschießen und die völlig verwirrt ist – was der Text einigermaßen intellektuell verbrämt beschreibt. Niemand auf der Welt fühle wie sie, sie sei von lauter Glückseligkeit überzogen und komplett durcheinandergewirbelt („No-one on earth could feel like this. / I’m thrown and overblown with bliss.“), glaube zu halluzinieren, als sie Engel feiern sieht („I must be hallucinating / Watching angels celebrating“) und hoffe, dass ihr das dabei helfe, ihre ausgerenkten Sinne wieder zu reaktivieren („Could this be reactivating / All my senses dislocating?“). All das sei ihr zudem ziemlich plötzlich zugestoßen: „I walked into an empty room / And suddenly ma heart goes boom / It’s an ochestra of angels / And they’re playing with my heart“ („Ich spazierte in einen leeren Raum / und plötzlich schlug mein Herz bis zum Hals / Es ist ein Orchester aus Engeln / und sie spielen mit meinem Herz“). Die Aufnahmen für die CD fanden in Paris statt, weil andere Einflüsse eine Rolle spielen sollten, und prompt sind mehr Soul- und Rockelemente in der Musik zu hören, sogar ein Duett mit dem SoulStar Aretha Franklin („Sisters Are Doin It for Themselves“) ist mit dabei. Nur für die Aufnahme von „There Must Be an Angel“ buchten die Eurythmics ein Tonstudio in Los Angeles. Der Grund war, dass Stevie Wonder versprochen hatte, die Mundharmonika beizu188
steuern – was dem Song tatsächlich sein spezielles Flair verleiht. Später erinnerte sich Annie Lennox, dass Wonder zwar zu spät zu den Aufnahmen kam, meinte aber: „Dieser Mann ist ein ausgezeichneter Musiker, auf den es sich lohnt zu warten.“ Die Single wurde einen Monat nach dem zugehörigen Album im Juni 1985 veröffentlicht und entwickelte sich zum ersten Nummer1-Hit des Duos in Großbritannien. 14 Jahre später, anlässlich der Verleihung der „Brit Awards 1999“ spielten sie den Song live noch gf einmal mit Stevie Wonder. Original: Eurythmics: „Be Yourself Tonight“ (1985, RCA, LP) Andere Version: No Angels: „Elle’ments (Specials Winter Edition)“ (2001, Polydor, CD)
„They ain’t makin’ Jews like Jesus anymore“ aus: „They Ain’t Makin’ Jews Like Jesus Anymore“ von Kinky Friedman Einen wie Kinky Friedman nennt man normalerweise Unikum oder Original. Das ist ganz in Friedmans Sinn, denn „Kinky“ bedeutet pervers oder verquer. Seine einzigartige Biografie verrät, dass der Spitzname – den er ursprünglich seiner krausen Frisur verdankt – perfekt passt: Richard Friedman ist 1944 in Rio Duckworth geboren und Texaner mit Leib und Seele. Sein Vater war nicht nur Universitätsprofessor und Farmer in Personalunion, sondern auch Jude – im Land der Rednecks keine „gute Religionswahl“, wie Friedman betont. Er selbst machte zunächst Surfmusik im Stil der Beach Boys, ging dann als Soldat mit einem Friedenskorps nach Borneo und kehrte nach drei Jahren harten Kampfes mit den militärischen Regeln in die USA zurück. Daheim gründet Friedman seine zweite Band, die Texas Jewboys, ist mit den Countrylegenden Billy Joe Shaver und Willie Nelson befreundet und tourt im Vorprogramm von Bob Dylan („Blowin’ in the Wind“). Er nimmt eine Reihe von zeitlosen, allerdings kaum wahrgenommenen Songs auf, etwa „Sold American“, „Get Your Biscuits in the Oven and Your Buns in the Bed“ und „Before All Hell Breaks Loose“. 189
Als Autor hintersinniger Krimis wie „Gott segne John Wayne“, „Greenwich Killing Time“ oder dem Willie Nelson gewidmeten „Straßenpizza“ war Friedman erfolgreicher: Die Hauptfigur ist– natürlich! – der Detektiv Kinky Friedman, der Zigarren, Espresso, Whiskey sowie seine Katze liebt und sich über seine Jahre als Songwriter lustig macht. Und er macht sich philosophisch wertvolle Gedanken über Dinge, die für den Durchschnittsmenschen kaum miteinander zu tun haben: „Eine der wenigen Gemeinsamkeiten von Cowboys und Juden ist, dass sie im Haus Hüte tragen und dem einen gewissen Grad von Bedeutung beimessen. Hank Williams („I’ll Never Get Out of This World Alive“) trug seinen Hut im Haus. Davy Crockett ebenfalls. Ein Freund von mir, Bob McLane, der früher Vorsitzender des ‚Schwule-Texaner-für-Bush‘-Komitees war, erzählte mir, dass George Bush immer den Hut abnahm, wenn er irgendwo reinkam. Das ist ein weiterer guter Grund, im Haus einen Hut zu tragen.“ Wie in seinen Liedern findet man auch in seinen Büchern den einen oder anderen bösen Spruch zum Thema Religionen: „Der einzige Fehler von Südstaatenbaptisten ist, dass man sie bei der Taufe nicht lang genug unter Wasser hält.“ Mit dem Judentum geht Friedman mal sanft und wohlwollend, mal zynisch um. Ein Beispiel dafür ist sein 1974 geschriebenes „They Ain’t Makin’ Jews Like Jesus Anymore“, das er heute noch auf jedem Konzert und bei den regelmäßigen Auftritten in der New Yorker „Imus In The Morning“-Radioshow spielt. Längst ist die Titelzeile zum geflügelten Wort geworden und bekannter als ihr Schöpfer. Der zieht in dem Song über die Engstirnigkeit auch der Juden her: „We Jews believe it was Santa Clause that killed Jesus Christ.“ Ein Dialog zwischen Kinky und einem „Redneck in a bowling shirt“ über Politik, Religion und Rassismus gipfelt in einer Tracht Prügel für den Rassisten und der Feststellung „No, they ain’t makin’ Jews like Jesus anymore / We don’t turn out the other cheek the way we done before“ – Juden wie Jesus werden heute einfach nicht mehr hergestellt, und die andere Wange halten wir auch nicht mehr hin … mp Original: Kinky Friedman: „Kinky Friedman“ (1974, ABC, LP)
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„Nothing more to say, no more ace to play“ aus: „The Winner Takes It All“ von Abba So fühlt sich wohl die endgültige Kapitulation an, wenn eine Frau ihren Mann an eine andere verliert. Sie hat zwar um ihn gekämpft, musste aber letztlich doch die Waffen strecken und ihn ziehen lassen. Sie will noch nicht einmal mehr darüber reden: „I don’t wanna talk / About things we’re gone through / Though it hurts me / Now it’s history“ („Ich will nicht mehr reden / Über die Dinge, die wir durchgemacht haben / Denn es tut mir weh / Aber das ist jetzt Geschichte“). Und sie weiß, dass sie alles versucht hat: „I’ve played all my cards, and that’s what you’ve done too / „Nothing more to say, no more ace to play“ („Ich habe alle meine Karten ausgespielt, und du hast das auch getan / Mehr bleibt nicht zu sagen, da ist kein Ass mehr auszuspielen“). Der große Rest ist Trauer („But I was a fool, playing by the rules“ – „Aber ich verrückt, nach den Regeln zu spielen“), Abschied („The loser has to fall“ – „Der Verlierer muss nachgeben“), Erinnerung („I was in your arms, thinking I belonged there“ – „Ich lag in deinen Armen und dachte, ich gehöre dort hin“) sowie die bittere Erkenntnis, dass der Sieger alles bekommt („The winner takes it all“) und der Verlierer sich klein fühlt („The loser’s standing small“). Wie Carl Markus Palm in seiner Abba-Biografie „Licht und Schatten“ schreibt, wusste die Band unmittelbar nach den Aufnahmen, dass ihnen nach vielen Hits ein weiterer Volltreffer gelungen war: Als zum ersten Mal der komplette Song abgespielt wurde, mussten viele der Beteiligten im Studio weinen. Die absteigenden Klavierfiguren von Benny Andersson, die immer wieder zu hören sind, der wehmütige Gesang von Agnetha Fältskog sowie die Melancholie in Melodie und Text, den Björn Ulvaeus mit Hilfe einer Flasche Whisky angeblich innert einer Stunde schrieb, ließen niemanden unberührt. Weil Ulvaeus sich zudem gerade von Fältskog hatte scheiden lassen und der Text eine zerbrochene Liebesbeziehung thematisierte, dachten viele, dieser Song wäre biografisch – was Ulvaeus immer bestritten hat. Er beteuert bis heute, dass er sich von seiner Scheidung nur habe inspirieren lassen. Fältskog 191
wiederum fand die Nummer umwerfend und bezeichnete ihm immer wieder als „besten Abba-Song überhaupt“. Die Aufnahmen für Abbas achtes Album „Super Trouper“ begannen im Februar 1980, es erschien im November. Aber bereits am 21. Juli 1980 wurde „The Winner Takes It All“ als Vorabsingle veröffentlicht, landete umgehend in 21 Ländern in den Top Ten, auch in den USA, und ganz oft an der Spitze der Charts – zum Bespiel in Großbritannien. Das Lied zählt zu den am häufigsten gecoverten und übersetzten Abba-Songs, bis heute sind rund 50 Neuinterpretationen bekannt. Die deutsche Version „Nur Sieger steh’n im Licht“ sang Marianne Rosenberg, im Musicalfilm „Mamma Mia!“ wagte sich die Hauptdarstellerin Meyl Streep an den Song. Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus wurden am 2. Juli 1980 offiziell geschieden. gf Original: Abba: „Super Trouper“ (1980, Polar, LP) Andere Versionen: Marianne Rosenberg: „Ich brauche dich“ (1981, Electrola, LP) OST: „Mamma Mia!“ (2008, Polydor, CD)
„Aha, ich hoffe, dass es geschieht, ich bin verliebt, / doch ich habe keinen Plan, ob es dich gibt“ aus: „Traum“ von Cro So ganz ist noch nicht klar, ob Cro, 1990 in Mutlangen als Carlo Waibel geboren, tatsächlich ein Rapper sein will. Bislang steht nur fest: Die Musik des stets mit Panda-Maske auftretenden Sängers oszilliert zwischen deutschsprachigem Pop und Rap. In jedem Fall ist er erfolgreich: Im Juli 2012 erschien sein Debütalbum „Raop“ und enterte Platz eins der deutschen Charts, im selben Monat befanden sich alle fünf (!) seiner bis dahin veröffentlichten Singles gleichzeitig in den Top 100. Es dauerte fast zwei Jahre, bis mit „Traum“ der nächste Song erschien. Mit fröhlich dahingerapptem Text beschreibt Cro die Suche nach der idealen Frau. Längst ist er bereit für den gemein samen Urlaub („Yeah, Baby, nimm’ meine Hand / Ich hab alles 192
schon gepackt / Komm wir beide gehen weg von hier“), wobei ein bisschen Rapper-Attitüde sein muss („Sieh der Jet ist schon getankt / Ich hab Geld auf der Bank“). Aber eigentlich weiß er nicht, ob es seine Traumfrau, die ihm seine Einsamkeit nehmen soll, überhaupt gibt („Ich fühl mich so allein / Weiß nicht, ob es dich gibt“). Vor seinem Ideal kann jedenfalls kein anderes weibliches Wesen bestehen („Jeden Tag unterwegs, und ich seh’ viele Girls / (…) / Die behaupten sie wär’n Du / Doch ich sage, Mann, das stimmt doch nicht“), weswegen ihm momentan nichts anderes übrig bleibt, als nur von ihr zu träumen („Doch manchmal träum ich nur von Dir / (…) / Denn ich wär heut so gern bei dir“) und zu hoffen, dass dieses Mädchen irgendwo da draußen herumläuft: „Aha, ich hoffe, dass es geschieht, ich bin verliebt, / doch ich habe keinen Plan, ob es dich gibt.“ Die Beats hinter den lässig hingeworfenen Versen kreierten die Musik-Produzenten Freedo und Shuko, letzterer hat schon für Kollegah und Sido gearbeitet. Im Mai 2014 kam „Traum“ auf den Markt, legte als digitale Single den besten Download-Start seit drei Jahren hin und stieg in den normalen Charts auf Platz eins ein, wo das Lied vier Wochen lang blieb. Auch in Österreich und der Schweiz setzte sich dieser Sehnsuchtssong an die Spitze. Das dazugehörige Album „Melodie“ landete ebenfalls auf dem ersten Platz – womit auch Cro belegte, dass es deutschsprachige Rapalben seit einiger gf Zeit regelmäßig an der Spitze der Albumcharts schaffen. Original: Cro: „Melodie“ (2014, Chimperator, CD)
„Tutti Frutti, aw rooty / A wop-bom-a-loo-mop a lomp bom bom“ aus: „Tutti Frutti“ von Little Richard Eigentlich ist Little Richard gar nicht klein – der als Richard Wayne Penniman in Macon/Georgia geborene Sänger und Pianist misst immerhin 1,77 Meter. Den Spitznamen bekam er aber schon als Kind, weil sein Wachstum verzögert einsetzte. Penniman, eines von 13 Kindern, wuchs in einer nach außen hin sehr christlichen Familie auf. Allerdings verdiente sein Vater Bud sein Geld, indem er selbst193
gebrannten Schnaps verkaufte. Little Richard bewegt sich denn auch bis heute als Kunstfigur, die zwischen verrücktem Beau, religiösem Eiferer und unbändiger, auch sexueller Energie oszilliert. Schon früh entdeckte er nicht nur die Musik, sondern auch sein Faible für extravagante Kleidung und Haarschnitte. Mit 14, als er die Schule abbrach und in Vaudeville-Shows auf Jahrmärkten auftrat, hatte er bereits die Pompadour-Frisur, die in den mittleren und späteren 1950er-Jahren eines seiner Markenzeichen werden sollte. Richard merkte auch, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte, was in seinen Songs keine Rolle spielte: Die drehten sich um Mädchen und Frauen, etwa in „The Girl Can’t Help It“, „Long Tall Sally“, „Jenny Jenny“ oder eben in „Tutti Frutti“ – in diesem Fall sogar um zwei, nämlich Sue und Daisy. Sue weiß, was sie machen muss („knows just what to do“) und Sally macht ihn meistens verrückt („she almost drives me crazy“). Der italienische Begriff „Tutti Frutti“ heißt in etwa „alle Obstsorten“, bei Little Richard könnte er mit „Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau’n“ übersetzt werden. Dass der schnelle Rock’n’RollSong zum Klassiker wurde, liegt nur zum Teil am einfachen Text mit dem für die Ära gar nicht untypischen lautmalerischen Refrain „Tutti Frutti, aw rooty / A wop-bom-a-loo-mop a lomp bom bom“, sondern an der umwerfenden Präsenz Little Richards. Richards wurde 1953 vom Produzenten, Manager und Musiker Johnny Otis („Willie and the Hand Jive“) entdeckt und zu Peacock Records gebracht. Nach einem heftigen Streit um Tantiemen vermittelte ihn der Sänger Lloyd Price („Lawdy Miss Clawdy“, „Stagger Lee“) an sein Label Specialty Records. Dort war man von seiner Energie und Präsenz angetan und lud ihn zu einer ersten Session ins Cosima Studio nach New Orleans. Vier weitere Aufnahmerunden für Specialty sollten zwischen 1955 und 57 folgen, doch gleich am Anfang, im September 1955, wurden unsterbliche Songs wie „Good Golly Miss Molly“ – noch eine Frau in der Karriere Richards –, „Long Tall Sally“ und eben „Tutti Frutti“ mitgeschnitten. Der Song wird von Lautmalereien geprägt: „A wop-bom-a-loomop a lomp bom bom“ singt beziehungsweise schreit Richard zu Beginn – und man merkt, dass sein Stil bei allen Manierismen, die ihn auszeichnen, von Blues-Shoutern wie Walter Brown oder 194
H-Bomb Ferguson beeinflusst ist. Im Intro von „Tutti Frutti“ aber gibt er mit der Stimme das Schlagzeug und damit den Rhythmus vor. Dabei wurde genau diese entscheidende Zutat eher zufällig beigemengt. Denn Richard war nicht ganz zufrieden, ihm gelangen die bluesigen Songs des 13. September zwar ordentlich, aber eben nicht aufsehenerregend. Also hämmerte er tags drauf auf sein Klavier ein – und geriet mit seinem „A wop-bom-a-loo-mop a lomp bom bom“ aus dem Stand in pure Raserei. Das von Little Richard mitgeschriebene „Tutti Frutti“ wurde zum Riesenhit, verkaufte sich kurz nach Erscheinen im November 1955 über drei Millionen Mal und wurde umgehend unter anderem von Pat Boone und Elvis Presley gecovert. Eine witzig-minimalistische Variante sollte knapp drei Jahrzehnte später folgen: Trio gelang mit ihrer Version von „Tutti Frutti“ ein Hit in Neuseeland. mp Original: Little Richard: „Here’s Little Richard“ (1957, Specialty Records, LP) Andere Versionen: Pat Boone: „Tutti Frutti“ (1955, Dot, Single) Elvis Presley: „Elvis Presley“ (1956, RCA, LP) Trio: „Bye Bye“ (1983, Mercury, LP)
„Ich kann mich gar nicht entscheiden / ist alles so schön bunt hier“ aus: „TV Glotzer“ von Nina Hagen Band 1976 musste Nina Hagens Stiefvater, der Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann, in die BRD umziehen – die DDR hatte den ihr unbequemen Kritiker einfach ausgebürgert. Die 1955 in Ost-Berlin geborene Hagen hatte 1974 eine einjährige Gesangsausbildung am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst der DDR als „staatlich geprüfte Schlagersängerin“ abgeschlossen und gleich mit ihrer ersten Veröffentlichung bei der staatlichen Plattenfirma Amiga „Du hast den Farbfilm vergessen“ einen veritablen Hit mit ihrer Band Automobil. Nach einem kleinen Umweg über die Punkszene in Großbritannien folgte sie 1977 Biermann in den Westen. 195
Noch im Herbst 1977 gründete sie in Westberlin dann mit den Kreuzberger Musikern Bernhard Potschka (Gitarre), Herwig Mitteregger (Drums), Manfred „Manne“ Praeker (Bass) und Reinhold Heil (Keyboards) die Nina Hagen Band. Schon 1978 erschien ihr Debütalbum und als erste Single daraus „TV Glotzer“ – eine Coverversion von „White Punks on Dope“, ein Song, den die Tubes aus San Francisco 1975 veröffentlicht hatten. Nina Hagen hat, noch vor ihrer Auswanderung, dafür allerdings einen neuen Text geschrieben – aus der Perspektive eines Ostdeutschen, der, weil er sein Land nicht verlassen darf, auf seinem Sofa vor dem TV-Gerät hockt und sich wenigstens mit Hilfe des westdeutschen Fernsehens imaginär verdrückt: „Ich schalt die Glotze an / Die Daltons, Waltons, everyone / Ich glotz’ von Ost nach West“ heißt es da, und des Lebens im damaligen Ostdeutschland überdrüssig: „Ich bin so tot! / War das nun schon mein Leben?“ Das Problem ist nur, das es zu viele West-Programme gibt und die so vieles versprechende Konsum- und Werbewelt: „Ich kann mich gar nicht entscheiden / ist alles so schön bunt hier / Ich glotz TV (sie glotzt TV) / Wau!“ singt Hagen dann im Refrain mit einer schrillen, fast überschnappenden Stimme – gerade deswegen bleibt diese Zeile über Jahrzehnte nachdrücklich im Gedächtnis. Im August 1979 wurde die Single „TV Glotzer“ auch in Großbritannien veröffentlicht. Das Debütalbum wiederum erhielt in Deutschland durchwegs gute Kritiken und gilt heute als musikalischer Wegbereiter für alles, was mit der Neuen Deutschen Welle kommen sollte. Mit „Unbehagen“ erschien 1979 noch ein zweites Album der Band, dann überwarf die Sängerin sich mit den vier Musikern, die ihr Unberechenbarkeit und egozentrische Starallüren vorwarfen. Nina Hagen startete daraufhin eine Solokarriere, wie ihre Mutter Eva-Maria auch als Schauspielerin. Die anderen traten fortan unter dem Namen Spliff auf und hatten mit „Heut’ Nacht“, „Carbonara“ und oder „Das Blech“ einige beachtliche Erfolge. gf Original: The Tubes: „The Tubes“ (1975, A&M, LP) Andere Version: Nina Hagen Band: „Nina Hagen Band“ (1978, CBS, LP)
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„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ aus: „Über den Wolken“ von Reinhard Mey Wer in den 1970er-Jahren aufwuchs, kam am schon etwas älteren „Yesterday“ der Beatles genauso wenig vorbei wie an Rod Stewarts „Sailing“ oder eben an Reinhard Meys „Über den Wolken“. So hörte sie sich damals an, die musikalische Sozialisation am Lagerfeuer oder auf der Klassenfahrt. Mit „Über den Wolken“ ließ es sich eben gar zu gut aus dem Alltag wegträumen. Dabei schrieb der 1942 in Berlin geborene Musiker und Liedermacher Mey, der in Frankreich unter Frédérik Mey Karriere machte, das Lied wohl mehr für sich. Mey, der als begeisterter Hobby flieger gilt, erwarb schon 1973 eine Privatpilotenlizenz, die er schon drei Jahre später um die Instrumentenflugberechtigung erweiterte. 1984 kam die Kunstflug-Berechtigung hinzu. 2008 erzählt er dem Berliner Tagesspiegel: „Das Lied handelt vom Flugplatz Wilhelmshaven, wo ich meine Fluglizenz gemacht habe.“ „Über den Wolken“ wurde 1974 veröffentlicht – also ein Jahr, nachdem Mey seine erste Lizenz erhalten hatte. Vielleicht durfte er da noch nicht so oft fliegen, wie er gerne wollte – jedenfalls sieht der Protagonist des Songs einem abhebenden Flugzeug sehnsüchtig hinterher: „Wind Nord/Ost, Startbahn null-drei / Bis hierher hör’ ich die Motoren / Und es dröhnt in meinen Ohren / Und der nasse Asphalt bebt / Wie ein Schleier staubt der Regen / Bis sie abhebt und sie schwebt / Der Sonne entgegen“. Das Warten geht für den Möchtegernpiloten aber noch ein wenig weiter: „In den Pfützen schwimmt Benzin / Schillernd wie ein Regenbogen / Wolken spiegeln sich darin / Ich wär’ gern mitgeflogen“. Es ist aber vor allem der Refrain, der die Menschen übers Fliegen hinaus zum Träumen verleitet, zur zeitweiligen Flucht aus Alltag und Realität verführt: „Über den Wolken / Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein / Alle Ängste alle Sorgen / Sagt man / Blieben darunter verborgen / Und dann / Würde was uns groß und wichtig erscheint / Plötzlich nichtig und klein“. Von Reinhard Mey selbst stammt die französische Adaptation „Au-dessus des nuages“ sowie die niederländische Version „Boven de wolken“. Und: Wer mit so leichter Hand schreibt und kleine 197
Alltagsbeobachtungen zu stimmigen Bildern bündelt, zu seinen Texten so feine Melodien findet und damit bewegende Gefühle evoziert, der darf sich als Großer fühlen. Reinhard Mey jedenfalls ist in seinem Segment einzigartig. gf Original: Reinhard Mey: „Wie vor Jahr und Tag“ (1974, Odeon, LP)
„Über sieben Brücken musst du gehn / sieben dunkle Jahre überstehn / siebenmal wirst du die Asche sein / aber einmal auch der helle Schein“ aus: „Über sieben Brücken musst du gehn“ von Karat Karat war in den 1970er -und 1980er-Jahren eine der erfolgreichsten Bands der DDR. Während sie bis heute im Westen auf ihren in diesem Teil Deutschlands bekanntesten Song „Über sieben Brücken musst du gehen“ reduziert werden, hatten sie auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs viele Hits, die sich in den Jahresbestenlisten weit oben platzierten – etwa „Märchenzeit“, „Das Monster“, „Marionetten“, „Schwanenkönig“ oder „Der blaue Planet“. Ihr einziger Nummer-1-Song war aber nicht das „Brücken“-Lied, sondern „König der Welt“, das 1978 das beliebteste Popstück der DDR war – knapp vor „Sieben Brücken“. Die Band um den Bassisten Henning Protzmann wurde 1975 gegründet, weil Protzmann merkte, dass seine Jazz-Rock-Formation Panta Rhei beim Publikum nicht mehr so gut ankam wie zu Beginn des Jahrzehnts. Also formierte er Karat, die schon in den ersten Jahren immer wieder umbesetzt wurden. Konstante Mitglieder waren nur der Keyboarder Ulrich „Ed“ Swillms und – bis zu seinem Tod im Jahr 2004 – der Gitarrist und Sänger Herbert Dreilich. „Über sieben Brücken musst du gehn“ ist das Titellied des zweiten, beim Staats-Label Amiga erschienenen Karat-Albums – und das Finale der LP. Generell sind die Texte der Band eher lyrisch, gesellschaftliche Bezüge werden in sanfte, poetische Worte gehüllt. „Über sieben Brücken“ erzählt eine Liebesgeschichte, ein wenig wie Udo Lindenbergs „Mädchen aus Ost-Berlin“, die genauso wahr gewesen sein könnte. Helmut Richter, der in den 1970er-Jahren in Leipzig 198
lebende Schriftsteller Journalist und Absolvent des renommierten, nach dem Dichter und Kulturminister benannte „Johannes R. Becher Institut für Literatur“, verwendete die Zeilen „Über sieben Brücken musst du gehen“ zunächst in seiner Kurzgeschichte. Erzählt wird die tragische Lovestory von Gitta, die sich in einen jungen Polen verliebt. Sie geht die beinahe unmöglich zu führende Beziehung immer wieder durch, fühlt sich letztlich hilflos. „Manchmal scheint man immer nur im Kreis zu gehen“, denkt sie – und sehnt sich nach der behüteten Kindheit und dem Schaukelpferd zurück. Die zentralen Zeilen des Refrains bilden die Klammer, zeigen den Kampf, den die Liebe zu gehen hat, gleichzeitig erinnern sie an das ebenfalls in der DDR geschriebene und erschienene Brecht-Gedicht „Sieben Rosen“. Für das Lied wählt Richter Worte, die hüben wie drüben ankamen: „Über sieben Brücken musst du gehn / sieben dunkle Jahre überstehn / siebenmal wirst du die Asche sein / aber einmal auch der helle Schein“. Die eingängige Melodie steuerte dann Tastenmann Ed Swillms bei. Karat waren tatsächlich auch in der Bundesrepublik erfolgreich. Innerhalb von zwei Jahren verkauften sie 800.000 Exemplare ihrer LP „Über sieben Brücken“ – und fielen auch Peter Maffay auf. Der Sänger besuchte die Band 1980 nach einem Konzert in Wiesbaden und fragte höflich, ob er „Über sieben Brücken musst du gehn“ aufnehmen dürfe. Karat stimmten zu und Maffay ging ins Studio. Seine Version wurde noch erfolgreicher, was weniger damit zu tun hatte, dass er ein Saxofonsolo beifügte. Es waren wohl seine enorme Popularität und die Tatsache, dass es Karat seinerzeit offiziell untersagt war, in der Bundesrepublik aufzutreten oder Fernsehtermine zu absolvieren. Maffay nahm den Song mit der ostdeutschen Band 1990 dann noch einmal gemeinsam auf, für das Karat-Album „…im nächsten Frieden“. Das Lied wirkt heute noch, besonders mp durch seine Poesie. Original: Karat: „Über sieben Brücken“ (1979, Amiga, LP) Andere Versionen: Peter Maffay: „Revanche“ (1980, Metronome, LP) Karat: „… im nächsten Frieden“ (1990, Amiga, CD)
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„I love the sound of you walking away“ aus: „Walk Away“ von Franz Ferdinand Benannt hat sich die 2001 im schottischen Glasgow gegründete und dem neuen Britpop zuzurechnende Band nach dem österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand, der 1914 in Sarajevo ermordet wurde. Die Band rund um Sänger und Gitarrist Alex Kapranos besteht bis heute darauf, dass ihr Name deutsch ausgesprochen wird. Der Lead-Gitarrist Nick McCarthy besuchte im oberbayerischen Bad Aibling das Gymnasium, studierte in München Klavier und Kontrabass und spielte fast fünf Jahre beim Münchner MusikerKollektiv Embryo. Das Lied „Tell Her Tonight“ stellte die Band in einer deutschsprachigen Version eine Zeit lang zum Download auf ihre Website, und am des Ende Songs „Dart Pleasures“ – beide Nummern sind auf dem Debütalbum „Franz Ferdinand“ zu finden – ist der zum Kult gewordene Satz „Ich heiße superfantastisch! Ich trinke Schampus mit Lachsfisch!“ zu hören. Das war es aber noch nicht mit den deutschen Spuren im Wirken der Band. Das Gitarrenriff des so flott groovenden Rocksongs „Walk Away“ nimmt leichte Anleihen bei Kraftwerks „Das Modell“. Beide Songs drehen sich zudem um eine Frau, allerdings ist es bei Franz Ferdinand kein hübsches Model, sondern eine, die ihre Beziehung beenden und ihren Freund loswerden möchte. Immer wieder fragt sie ihn „Why don’t you walk away?“ („Warum gehst du nicht weg?“) es würden deswegen schließlich weder Gebäude einstürzen („No buildings will fall down“) oder die Sonne gar den Himmel verschlucken („the sun won’t swallow the sky“). Schließlich dreht sie die Frage um und teilt ihm kühl und lapidar mit, dass sie den Klang seines Weggehens liebt: „I love the sound of you walking away“. Als nicht einmal diese Provokation nutzt, sticht sie ihn in einer ruhigen Nacht mit ihrem Stiletto nieder („The stab of stiletto on a silent night“), woraufhin Churchill Mao Tse Tung auf die Schulter klopft, Stalin lächelt und Hitler lacht („Stalin smiles, Hitler laughs / Churchill claps Mao Tse Tung on the back“). Ob spöttisch oder höhnisch, bleibt offen. Aber einmal mehr ist etwas Deutsches mit im Spiel.
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Im Oktober 2005 erschien das zweite Album „You Could Have It So Much Better“ und blieb monatelang an der Spitze der Charts. Die Single „Walk Away“ wurde erst im Dezember 2005 ausgekoppelt und schaffte es auf Platz 13 der britischen Charts. gf Original: Franz Ferdinand: „You Could Have It So Much Better“ (2005, Domino, CD)
„We didn’t start the fire / It was always burning / Since the world is turning“ aus: „We Didn’t Start the Fire“ von Billy Joel Es ist eine Geschichte, die Billy Joel, 1949 in der New Yorker Bronx als William Martin Joel geboren, immer wieder erzählen sollte. Unter anderem im Rolling Stone: Er traf, gerade 40 geworden, in einem Studio einen Freund von Sean Lennon, der gerade 21 geworden war. „Es war eine fürchterliche Zeit bis zu meinem 21. Geburtstag“, meinte dieser und dachte an Aids, Crack und den Kalten Krieg. „Ich erinnere mich an meine Zeit damals“, gab Joel zur Antwort. „Es war auch für uns fürchterlich. Wir hatten Vietnam, Drogen- und Bürgerrechtsprobleme, alles schien schrecklich zu sein.“ Der junge Freund antwortete: „Ja, ja, aber es war anders für dich. In den 1950er Jahren warst Du ja ein Kind, und jeder weiß, dass damals nichts Aufregendes passiert ist.“ „Warte kurz“, erwiderte Joel ungehalten, „hast du noch nie vom Korea-Krieg, vom Aufstand in Ungarn oder den Auseinandersetzungen um den Suez-Kanal gehört?“ So geschichtsvergessen könne man doch nicht sein, dachte sich Joel – und die Idee für „We Didn’t Start the Fire“ war geboren. Von behüteter Kindheit in den 1950er-Jahren konnte wirklich keine Rede sein. Er sei in ständiger Angst vor der Wasserstoffbombe aufgewachsen, erzählte Billy Joel im Oktober 1989 der New York Times. „Als ich ein Kind war, haben wir alle gedacht, wir könnten jede Minute in Fetzen gerissen werden.“ Auch deswegen habe ihn das unbedarfte Gerede des Jungen im Studio wütend gemacht. „Harry Truman, Doris Day, Red China, Johnny Ray…“ – Vers für Vers reihte Billy Joel nun chronologisch Schlagworte aneinander – Namen, Orte, Ereignisse. Zwei Zeilen pro Kalenderjahr, begin201
nend in Geburtsjahr Joels – bis zum Attentat auf John F. Kennedy 1963 („JFK blown away, what else do I have to say“). Danach geht es in Sprüngen weiter bis 1989, als in Peking Panzer über den Platz des Himmlischen Friedens rollten („China’s under martial law“, auf Deutsch: „China unter Kriegsrecht“). Im Schnelldurchlauf lässt der Song die Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte Revue passieren. Der Boxer Joe DiMaggio, der mal mit Marilyn Monroe verheiratet war, wird ebenso erwähnt wie James Dean, Richard Nixon, der Roman „Catcher in the Rye“ („Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger), Prokofiev, Rockefeller, Toscanini, die Autoren Jack Kerouac und Ernest Hemingway sowie Papst Paul VI. (verantwortete das bis heute die katholische Kirche prägende Zweite Vatikanische Konzil), Malcolm X und Woodstock. Neben vielen weiteren Ereignissen kommt auch die Musik nicht zu kurz: Joel besingt den Schmusepianisten Lieberace, „Rock Around the Clock“ von Bill Haley, Elvis Presley, Chubby Checker, Bob Dylan, die „British Beatlemania“, Woodstock, Punk Rock und den „Rock and roller cola wars“, eine Auseinandersetzung zwischen Coca-Cola und Pepsi, in der Michael Jackson, die Sängerin Paula Abdul und lukrative Werbeaufträge eine große Rolle spielten. „We didn’t start the fire / It was always burning / Since the world is turning“ („Wir haben das Feuer nicht entfacht / Es hat schon immer gebrannt / Seit die Welt sich dreht“) heißt es dann im Re frain, der versucht, dem Ganzen noch etwas Positives abzuringen: „We didn’t light it, but we tried to fight it“ („Wir haben es nicht entzündet, aber wir haben versucht, es zu bekämpfen“). Die stakkatoartig gesungene Weltgeschichte mit der einprägsamen Melodie erschien am 27. September 1989, als Auskopplung aus dem Album „Storm Front“ (das mit „Leningrad“ einen weiteren Hit enthielt), und bescherte Billy Joel seinen dritten Nummer1-Hit. „We Didn’t Start the Fire“ kam zudem in einem perfekten Moment: Zwischen Ost- und Westdeutschland fiel die Mauer, der Eiserne Vorhang war Geschichte. Weltweit wurden die Menschen gf Zeugen eines unerwartet friedlichen Jahrhundertereignisses. Original: Billy Joel: „Storm Front“ (1989, Columbia, CD)
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„We have all the time in the world / Just for love / Nothing more, nothing less / Only love“ aus: „We Have All the Time in the World“ von Louis Armstrong „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ ist der sechste Film rund um die vom Ex-Geheimagenten Ian Fleming erfundene Figur James Bond. Es ist ein typischer 007-Streifen, und doch ist dieses Mal alles anders: Nicht mehr Sean Connery spielt den Womanizer und Weltenretter mit der Lizenz zum Töten – der Schotte schlüpft erst im siebten Abenteuer „Diamantenfieber“ noch einmal in die Rolle, bevor dann Roger Moore ran darf. Es ist der australische Dressman George Lazenby, der Bond gibt und seine Sache gut macht. Anders ist auch, dass der Schwerenöter in diesem Streifen heiratet – nämlich die von der unvergleichlichen Diana „Emma Peel“ Rigg gespielte Contessa Teresa di Vincenzo. Die leider im Auftrag des von Telly „Kojak“ Savalas eindrucksvoll fies gegebenen Superschurken Blofeld umgebracht wird. Das zentrale Lied, das während der tragischen Love Story zu hören ist, wurde vom bis heute ältesten Künstler gesungen, der Lieder für 007 beisteuern durfte. Als der Film nämlich am 19. Dezember 1969 in die deutschen Kinos kam, war Louis Armstrong, der Interpret des Songs, bereits 68 Jahre alt und sollte gut eineinhalb Jahre später nach einem Herzinfarkt sterben. Seinen ersten Top-Ten-Hit hatte der in New Orleans geborene und als „Satchmo“ verehrte Bandleader, Musiker, Sänger und Schauspieler im Sommer 1926 mit dem Swing „Muskrat Ramble“, seinen letzten mit der in Großbritannien im Jahre 1968 am meisten verkauften Single „What A Wonderful World“. Der von John Barry („Jenseits von Afrika“, „Der mit dem Wolf tanzt“), dem Chef-Komponisten der Bond-Serie, geschriebene Song „We Have All The Times In The World“ wurde nicht mal Titellied für „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, in diesem Film beginnt alles mit einem Barry-Instrumental. Aber das Lied ist immer wieder zu hören, begleitet Bond und seine große Liebe in den Untergang. Die wunderschönen, mit sanft kratziger Stimme vorgetragenen, romantischen Zeilen „We have all the time in the world / Just for love / Nothing more, nothing less / Only love“ („Wir haben alle 203
Zeit der Welt / Nur für die Liebe / Nicht mehr und nicht weniger / Nur Liebe“) stammen von Hal David, dem Text-Partner von Burt Bacharach. Es ist ein unsentimental hingehauchter Lovesong, der wirklich das Herz erreicht – und deshalb zu den besten Bond- Liedern gehört. „Im Angesicht Ihrer Majestät“ wird bis heute im Werk-Kontext nicht in dem Maße gewürdigt wie sein müsste. Denn erstens ist es einer der besseren Filme der Reihe und zweitens wird gerade die Liebeshandlung in den aktuellen Streifen mit Daniel Craig (vor allem in „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“) mp wieder aufgegriffen. Original: OST: „On Her Majesty’s Secret Service“ (1969, United Artists, LP) Andere Version: David Arnold featuring Iggy Pop: „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“ (1997, Sire, CD)
„Oh, deep in my heart, I do believe / We shall overcome someday“ aus: „We Will Overcome“ / „We Shall Overcome“ von Joe Glazer & The Elm City Four Dieses Gospelstück, das die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung transportiert, passt immer und überall – 1963 beim Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit genauso wie zum Hippie-Festival Woodstock (1969), zu den Demos der Bürgerrechtsbewegung in den USA, zum Anti-Apartheidskampf in Südafrika, zur Friedensbewegung in Deutschland und Westeuropa und zum Unabhängigkeitskrieg, mit dem sich Bangladesch – das ehemalige Ostpakistan – 1971 von Pakistan ablöste. Ab und an wurde die eine oder andere Zeile des einfach gehaltenen und daher leicht mitzusingenden Liedes geändert – schon passte es perfekt in den jeweiligen Kontext. Martin Luther King zitierte am 31. März 1968 in Memphis aus dem Lied – kurz bevor er in der Hauptstadt Tennessees ermordet wurde. Nach seinem Tod sangen Zehntausende „Oh, deep in my heart, I do believe / We shall overcome someday“ (Oh, tief in meinem Herzen glaube ich / Wir werden es eines Tages überwinden“) zu Ehren des Bürgerrechtlers. 204
Der Text stammt im Großen und Ganzen bereits aus dem Jahr 1903: Geschrieben hat ihn der Pfarrer Charles Albert Tindley als „I’ll Overcome Someday“ („Ich werde es eines Tages überwinden“) – und natürlich geht es bei ihm darum, die irdische Pein hinter sich zu lassen und nach dem Tod gen Himmel aufzufahren. Sicher ist, dass das an sich religiös verankerte Lied rasch Allgemeingut wurde, aber erst ab 1945 wirklich auch als Protestsong berühmt wurde. Patin dafür war die Gewerkschafterin Zilphia Horton, die den Text und die Melodie in ihren Highlander Songbooks im Mai 1945 veröffentlichte. Horton brachte das Lied kurz darauf den streikenden, meist schwarzen Arbeiterinnen der „Food and Tobacco Workers Union“ bei – und die setzten es im Kampf gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei der American Tobacco Company ein. Tatsächlich half der trostreiche Song beim fünf Monate dauernden Streik gegen Frustration und Kälte: Die Arbeiterin Lucille Simmons gilt als erste, die den Gospel sang, der damals noch „We’ll Overcome (I’ll Be Alright)“ hieß – und ihren Kolleginnen Mut damit machte. 1948 wurde Pete Seeger auf das Stück aufmerksam. Als Direktor der Folk-Organisation People’s Songs sorgte er dafür, dass Noten und Worte in der dritten Ausgabe der Verbandszeitschrift People’s Song Bulletin als „We Will Overcome“ veröffentlicht wurden – und zwar mit einleitenden Worten von Zilphia Horton, die Seeger persönlich das Lied beibrachte. Die vermutlich erste Plattenaufnahme stammt aus dem Jahr 1950: von Joe Glazer & The Elm City Four. Als „We Shall Overcome“ erschien er erstmals 1952 – eingespielt von Laura Duncan & The Jewish Young Singers. Danach wurde es sehr oft gesungen und auch auf Tonträger gebannt, von Pete Seeger natürlich, aber auch von Bruce Springsteen, der das Lied auf seiner Tribut-CD „We Shall Overcome: The Seeger Sessions“ neu interpretierte. Die bekannteste Version ist aber die, die 1963 den Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit untermalte und bereits damals von über 300.000 Menschen gehört wurde: Joan Baez schaffte es damit, dass sich die Menschen vor Ort miteinander verbündeten, sie stärkte die Solidarität der Demonstranten. Nachzuhören ist es auf dem Livealbum „Joan Baez In Con205
cert, Part 2“ aus dem gleichen Jahr. Bob Dylan schrieb damals übrigens die Liner Notes zu der Langspielplatte. mp Original: Joe Glazer & The Elm City Four: „Eight New Songs For Labor“ (1950, CIO Department of Education and Research, LP) Andere Versionen: Laura Duncan & The Jewish Young Singers: „We Shall Overcome“ (1952, Hootenany, Single) Joan Baez: „Joan Baez In Concert, Part 2“ (1963, Vanguard, LP) Pete Seeger: „We Shall Overcome – Recorded Live at His Historic Carnegie Hall Concert June 8, 1963“ (1965, Columbia, LP) Bruce Springsteen: „We Shall Overcome: The Seeger Sessions“ (2006, Columbia, CD)
„Maybe I’m just too demanding / Maybe I’m just like my father too bold / Maybe you’re just like my mother / She’s never satisfied / Why do we scream at each other / This is what it sounds like / When doves cry“ aus: „When Doves Cry“ von Prince Als Prince, der mit vollem Namen Prince Roger Nelson heißt, am 21. April 2016 im Alter von nicht ganz 58 Jahren starb, gab es außerordentlich viele Nachrufe und betroffene Statements – etwa von Kollegen und Freunden wie Stevie Wonder oder Madonna. Auch der als Musikliebhaber bekannte, bis End 2016 amtierende US- Präsident Barack Obama fand Worte, die weit über das übliche Maß an posthumer Würdigung hinausgingen. In den Medien wurde er immer wieder als das Genie gefeiert, das in den 1990er-Jahren im Kampf um Rechte an seiner Musik seinen Namen aufgab und sich auf ein Symbol zurückzog und dann 2004 mit dem Album „Musicology“ ein grandioses Comeback gab . Diese Phase in der Karriere von Prince fasste Wolfang Schütz in der Allgäuer Zeitung so zusammen: „Völlige Souveränität über seine eigenen Belange war sein Antrieb. So verzichtete er, der zwischendurch noch Welthits für andere komponierte, auf höchstdotierte Plattenverträge, um sich jeglichen Einspruch zu verbitten, und war so der erste Superstar, der seine Musik selbständig im Internet vertrieb.“ 206
In den 1980er-Jahren galt er lange Zeit als Konterpart zu Michael Jackson. Die Frage, wer denn nun der echte „King of Pop“ war, ließ sich an Verkaufszahlen messen – dann war „Jacko“ klar der König. Man konnte – und kann – aber auch die Kreativität und das musikalische Können anführen. Spätestens mit dem 1987er-Doppelalbum „Sign O’ The Times“, bei dem Prince alle Instrumente spielte, produzierte, arrangierte und selbstverständlich auch die Songs schrieb, war klar, wer in diesem Bereich der King ist. Dazu kam, dass Princes Gesamtwerk von dem Album „Purple Rain“ von 1984 bis „Love Symbol“ aus dem Jahr 1992 jedes Jahr um ein weiteres Meisterwerk wuchs. 1988 waren es mit dem „Black Album“ und „Lovesexy“ sogar zwei, wobei „Sign O’ The Times“ aus dem Jahr 1987 ein Doppelalbum war, das eigentlich aus vier LPs bestehen hätte sollen. Am 25. Juni 1984 startete Prince mit der Veröffentlichung seines sechsten Albums „Purple Rain“ durch. Waren die vorangegangenen Platten, einschließlich der erfolgreichen Doppel-LP „1999“, noch geprägt von der Suche nach der Eigenständigkeit, fielen dennoch schon damals Hits wie „Little Red Corvette“ oder das für Chaka Khan geschriebene „I Feel For You“ ab. „Purple Rain“ hielt sich 24 Wochen an der Spitze der US-Albumcharts und vier der fünf ausgekoppelten Singles erreichten die Top Ten – nämlich „When Doves Cry“, „Let’s Go Crazy“, „Purple Rain“ und „I Would Die 4 U“. Jenes „When Doves Cry“ wird immer wieder genannt, wenn man die bisher zugänglichen Teile von Princes Œuvre auf nur einen einzigen Song eindampfen müsste. Ein Wunder ist das nicht, denn der Rhythmus ist vertrackt, die Instrumentierung trotz harter Gitarre eher sanft – und obwohl kein Bass eingesetzt wird, eignet sich der Song hervorragend als Dancetrack. Übrigens hat Prince auch hier alle Instrumente selber gespielt, obwohl auf der Platte die Begleitband The Revolution genannt wird. Am Anfang des Entstehungsprozesses von „When Doves Cry“ stand eine Anfrage: Albert Magnoli, Regisseur des Spielfilm-Musicals „Purple Rain“, bat um einen Song, der die Konflikte zwischen einem jungen Erwachsenen und seinen Eltern thematisieren sollte. Kolportiert wird, dass Prince am Tag darauf mit „When Doves Cry“ und „Purple Rain“ vor ihm stand. Den Konflikt, beziehungs207
weise die Frage, was man von dem, was die Elterngeneration einem vorlebte, in eine Beziehung mit einbringt und was das bedeutet, fasst der Künstler in sehr einprägsamen Worten zusammen – dieser Umstand dürfte dazu beigetragen haben, dass das Lied 1984 in den USA zur meistverkauften Single wurde: „Maybe I’m just too demanding / Maybe I’m just like my father too bold / Maybe you’re just like my mother / She’s never satisfied / Why do we scream at each other / This is what it sounds like / When doves cry“ („Vielleicht verlange ich einfach zu viel / Vielleicht bin ich einfach wie mein Vater zu draufgängerisch / Vielleicht bist du einfach wie meine Mutter / Sie ist nie zufrieden / Warum schreien wir uns gegenseitig an? / So klingt es wenn Tauben weinen“). Im Video steigen die Tauben gleich zu Anfang auf, während sich der Künstler im Verlauf des Filmchens lasziv aus der Badewanne erhebt – diese Szene ist auch im mp Streifens „Purple Rain“ zu sehen. Original: Prince: „Purple Rain“ (1984, Warner, LP) Andere Versionen: MC Hammer: „Please Hammer, Don’t Hurt ’Em“ (1990, Capitol, CD) Ginuwine: „Ginuwine … the Bachelor“ (1996, 550 Music, CD)
„I can’t live if living without you“ aus: „Without You“ von Badfinger Eigentlich geht es um nichts – und doch um alles. Eine Mann und eine Frau treffen sich, verbringen eine gemeinsame Nacht und trennen sich wieder. Doch dieses Ereignis hat unterschiedliche Folgen: Er kann sie und diesen Abend nicht vergessen („Well, I cant’t forget this evening“), während er zugleich an ihrem Gesicht ablesen kann, dass es für sie eben nicht mehr war als ein Onenight-stand („And your face when you were leaving“) und realisieren muss, dass es nur eine von viele Geschichten sein wird, die so vorhersehbar zu Ende gehen („But I guess that’s just the way the story goes“). Nichtsdestotrotz vermisst er sie und meint, dass er ohne sie sein Leben nicht leben kann („I can’t live if living without you“). Bitter realisiert er, dass er sie bei sich hatte, sie aber 208
wieder gehen ließ („I had you there, but then I let you go“). Mehr passiert nicht. Diese melancholische Liebesballade aus dem Jahr 1970 stammt von der schottisch-walisischen Band Badfinger und wurde von den Mitgliedern Peter Ham und Thomas Evans geschrieben. Dem Text liegt ein reales Ereignis zugrunde: Evans war gerade in Deutschland auf Tour, als er sich in Köln in seine zukünftige Frau Marianne verliebte, die aber kurz darauf nach London auswanderte – Grund genug für ein trauriges Liebeslied. Zwischen Thomas und Marianne entwickelte sich dann eine strapaziöse On-off-Beziehung, die einen tragischen Ausgang nahm: Anfang 1975 geriet die Band in so starke gesetzliche und finanzielle Schwierigkeiten – vor allem mit der Steuer –, dass sich der sensible Ham und der enttäuschte Evans, die Autoren des Songs, im April des Jahres das Leben nahmen. Bittere Pointe: Nur einen Monat später, im Mai, kam Hams Tochter zur Welt. Die doch sehr raue Badfinger-Version des Songs wurde nie als Single veröffentlicht. Andere Musiker erkannten das Potenzial des Songs sehr wohl. Zu Ihnen gehörte Harry Nilsson, der das Lied 1971 mit Gary Wright am Klavier, Klaus Voormann am Bass und Chris Spedding an der Gitarre wunderbar weich einspielte und damit den größten Erfolg seiner Karriere erzielte: Seine Fassung landete auf Platz eins der Charts in Großbritannien und in den USA und verkaufte sich über eine Million Mal. Nilsson gewann dafür einen Grammy, und das Musikmagazin Melody Maker kürte die Single 1972 zur „Platte des Jahres“. 22 Jahre nach Nilsson coverte auch die US-Sängerin Mariah Carey den Song für ihr drittes Album „Music Box“ und veröffentlichte die Maxi-CD am 22.1.1994 – nur eine Woche, nachdem Harry Nilsson an einem Herzinfarkt gestorben war. Das Lied wurde zu Careys größtem Erfolg in Europa, wo es kurz nach Erscheinen die Charts in Großbritannien, Deutschland, Österreich und der Schweiz anführte. Heute existieren von dem tragisch umflorten Liebeslied rund 180 Coverversionen, unter anderem von Air Supply, Shirley Bassey, Katie Melua und Chris de Burgh. 1989 beschrieb Paul McCartney auf VH-1 die Ballade als „den größten Killersong aller Zeiten“. gf 209
Original: Badfinger. „No Dice“ (1970, Apple, LP) Andere Versionen: Harry Nilsson: „Nilsson Schmilsson“ (1971, RCA, LP) Shirley Bassey: „And I Love You So“ (1972, UA, LP) Air Supply: „The Earth Is …“ (1991, Giant, CD) Mariah Carey: „Music Box“ (1993, Columbia, CD)
„Work with me, Annie / Let’s get it while the gettin’ is good“ aus: „Work With Me Annie“ von Hank Ballard & The Midnighters Anfang der 1950er-Jahre waren Lieder mit anzüglichen Texten und explizit sexueller Konnotation speziell bei der afroamerikanischen Bevölkerung in den Städten sehr beliebt. Viele der Stücke, wie etwa der „Rotten Cocksucker’s Ball“ von den Clovers („One Mint Julep“, „Love Potion No. 9“) oder „Big Long Slidin’ Thing“ von Dinah Washington („Cry Me a River“, „What a Difference a Day Makes“) wurden nur verstohlen unter der Ladentheke angeboten. Schwarze Stars hatten häufig weniger Angst um ihre Karriere als weiße, weshalb die „versauteren“ Songs wohl ihre Domäne blieben. Darunter waren sogar viele Sängerinnen, die in ihren Songs selbstbewusst die Bedürfnisse von Frauen schilderten. Noch erstaunlicher ist, dass in den prüden US-Nachkriegszeiten einige der Stücke an der Zensur vorbei in die Charts kamen – zum Beispiel „Sixty Minute Men“ von den Dominoes, ein Song, der 1951 beeindruckende 14 Wochen an der Spitze der R&B-Charts stand. Dieser Song – und sicher auch sein immenser Erfolg – begeisterte den 1927 als John H. Kendricks in Detroit geborenen Sänger Hank Ballard so sehr, dass er Ende 1953 seinen schnellen Blues „Work with Me Annie“ schrieb, im Januar 1954 aufnahm und nur wenige Wochen später bei Federal Records veröffentlichte. Der Text ist nicht nur für damalige Verhältnisse sehr besitzergreifend und explizit: „Annie, please don’t cheat / Give me all my meat“ („Annie, bitte betrüg mich nicht / Gib mir die Pussy, die mir gehört“). Heute würde man den Song schon deshalb nirgends spielen, weil er das weibliche Selbstbestimmungsrecht völlig missachtet. Aber 1954 funktionierte der flotte Track prächtig. Immerhin stand er sieben Wochen an der Spitze der R&B-Hitparade und verkaufte 210
sich über eine Million Mal. Annie wurde noch im selben Jahr in „Annie Had a Baby“ und „Annie’s Aunt Fannie“ erneut zum Objekt der Begierde. 1955 schlug die Sängerin Etta James mit einer ebenso eindeutigen Antwort zurück – mit „The Wallflower“, das auch unter „Work Me Henry“ oder „Roll with Me Henry“ veröffentlicht wurde. Neben Ballard und Etta wird hier noch ihr Entdecker und Produzent Johnny Otis als Autor geführt. Auch dieser Song wurde ein Hit – besonders in der entschärften Variante „Dance with Me Henry“ von Frieda Lipschitz, dank Hits wie „Seven Lonely Days“ oder „Kiss of Fire“ unter dem Namen Gloria Gibbs bekannt. In dieser „Sauberfrau“-Version kam Ballards Melodie bis auf Platz eins der Pop-Charts. mp Original: Hank Ballard & The Midnighters: „Work with Me Henry“ (1954, Federal Records, Single) Andere Versionen: Etta James: „The Wallflower“ / „Roll with Me Henry“ (1954, Chess Records, Single) Gloris Gibbs: „Dance with Me Henry“ (1955, Mercury, LP)
„Set me free, why don’t cha babe / Get out my life, why don’t cha babe“ aus: „You Keep Me Hanging On“ von The Supremes Das Tamla-Motown-Imperium von Barry Gordy warb in den 1960er-Jahren mit dem Satz „The Sound of Young America“. Was durchaus passte: Die Hitschmiede veröffentlichte Hits am Fließband, Autorenteams wie Holland-Dozier-Holland, Whitfield-Strong oder der hochbegabte William „Smokey“ Robinson schrieben für die musikalischen Aushängeschilder des Unternehmens, was das Zeug hielt: Die Temptations, Marvin Gaye, die Four Tops, Martha Reeves & The Vandellas, der junge Stevie Wonder oder Smokey Robinson & The Miracles wurden zu Stars. Allerdings mussten sie sich mühsam von der finanziellen und künstlerischen Ausbeutung, die der afroamerikanische Protokapitalist Gordy ausübte, befreien. Wonder, Gaye oder Diana Ross gelang das in den 1970er-Jahren. 211
Die 1944 geborene Ross war gemeinsam unter anderem mit Mary Wilson und Florence Ballard Teil des Trios The Supremes. Dieser Name stand, trotz wechselnder Besetzung, für ein extrem erfolgreiches Trio – es war nicht nur die größte Hitmaschine Motowns, es war teilweise in den USA sogar erfolgreicher als die Beatles. Witzigerweise huldigten die Supremes den Pilzköpfen bereits 1964 mit dem Album „A Bit Of Liverpool“, wo sie unter anderem Smokey Robinsons auch durch die Beatles bekanntes „You Really Got a Hold On Me“ und fünf Lennon-McCartney-Songs coverten. Allein zwischen 1964 und „Where Did Our Love Go“ und „The Happening“ von 1967 entstanden in den zurecht „Hitsville“ genannten Studios von Motown zehn Nummer-1-Hits – fünf davon in Folge – mit der Formation, die vorher als The Primettes eine eher erfolglose Girlgroup war: „You Can’t Hurry Love“, „Baby Love“ oder „Back in My Arms Again“ heißen die Gassenhauer, die das typische, perfekt produzierte Flair der Detroiter Company verströmten. Am 12. Oktober 1966 veröffentlichte Motown das von den von Brian Holland, seinem Bruder Edward Holland und Lamont Dozier – eben Holland-Dozier-Holland – geschriebene Lied „You Keep Me Hanging On“ („Du hältst mich weiter am Haken“), das tatsächlich wie ein sehr flotter, poppig instrumentierter Gospelsong wirkt. Im Lied wünscht sich eine Frau, dass der Ex sie endlich freigeben möge. Der hat sich schließlich schon von ihr verabschiedet – „Why don’t you get out of my life / And let me make a new start? / Let me get over you / The way you’ve gotten over me“ (Warum verschwindest du nicht aus meinem Leben / Und lässt mich neu anfangen? / Lass mich über dich hinwegkommen / Genauso, wie du über mich hinweggekommen bist“). Sie wiederholt ihren Wunsch gebetsmühlenartig: „Set me free, why don’t cha babe / Get out my life, why don’t cha babe“ („Gib mich frei, warum lässt du mich nicht los, Baby / Verschwinde aus meinem Leben. Warum machst Du das nicht, Baby?“). Man ahnt, dass der Typ womöglich schon mit einer neuen Flamme herumpoussiert und spürt das seelische Drama, trotz der an sich flotten, durchaus tanzbaren Produktion von „You Keep Me Hanging On“. Der Song würde tatsächlich auch als Ballade funktionieren, aber hier nimmt eine Frau noch mal alle Kraft zu212
sammen, um sich loszulösen. Mehr Drama bekommt man in 2:45 Minuten nicht unter – und natürlich wurde das Lied Nummer eins in den USA, in Deutschland kam es immerhin bis auf Platz acht der Hitparade. Gecovert wurde die ebenso einfache wie schlicht umwerfende Melodie mit dem herzzerreißenden Text oft – unter anderem von Rod Stewart, Kim Wilde, Tom Jones oder Psychedelic-Rockband Vanilla Fudge. mp Original: The Supremes: „The Supremes Sing Holland-Dozier-Holland“ (1967, Motown, LP) Andere Versionen: Vanilla Fudge: „You Keep Me Hangin’ On“ (1967, Atco, Single) Tom Jones: „13 Smash Hits“ (1967, Decca, LP) Rod Stewart: „Foot Loose & Fancy Free (1977, Warner, LP) Kim Wilde: „Another Step“ (1986, MCA, LP)
„I told you, I was trouble / You know I’m no good“ aus: „You Know I’m No Good“ von Amy Winehouse Über die hochtalentierte, 1983 in Southgate/London geborene und 2011 viel zu früh gestorbene Sängerin und Songschreiberin Amy Winehouse wissen wir einiges – ihre Entwicklung, ihre Entdeckung, ihren Erfolg, aber auch ihre Alkohol- und Drogensucht – nicht zuletzt durch ihre autobiografischen Texte. „Rehab“, das Lied über ihre Weigerung, sich helfen zu lassen und sich einer Entziehungskur zu unterziehen, wurde gar ihr größter Erfolg. Es erschüttert immer wieder, wie genau die Sängerin sich im Blick hatte. In „You Kow I’m No Good“ verarbeitete sie ihre schwierige Beziehung zu Blake Fielder-Civil, den sie 2007 heiratete, von dem sie sich 2009 scheiden ließ und mit dem sie kurz vor ihrem Tod wieder zusammenkam. Man schlug sich, man vertrug sich, Drogen, Gewalt, Beschimpfungen inklusive. Vor allem Amys Vater Mitch stemmte sich gegen diese zerstörerische Liebe, weil er sie dafür verantwortlich machte, dass seine Tochter neben den Alkoholproblemen noch welche mit Drogen bekam.
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Sie versucht von ihm loszukommen, lässt sich mit anderen ein, was ihr Partner natürlich sofort merkt: „Meet you downstairs in the bar and hurt“ („Treffe dich unten in der Bar, verletzt“) notiert sie und stellt fest, dass auch er neugierig ist: „You say, ‚What did you do with him today?‘ / And sniffed me out like I was Tanqueray“ („Du sagst ‚Was hast Du heute mit ihm gemacht?‘ / Und schnüffelst an mir herum als wäre ich billiger Gin“). Auch der Sex mit dem anderen hilft nicht: „Upstairs in bed with my ex-boy / He’s in place but I can’t get joy“ („Oben im Bett mit meinem ExFreund / Er macht alles richtig, aber ich spüre keine Lust“). Also rennt sie wieder aus der Wohnung, um den richtigen zu treffen und um ihm zu versichern, dass sie sich entschieden hat („Run out to meet you, chips and pitta / You say, ‚when we married“, ‚cause you’re not bitter / ‚There’ll none oh him no more‘“; auf Deutsch: „Renne raus, um dich zu treffen bei Chips und Fladenbrot / Du sagst, ‚wenn wir verheiratet sind‘, denn du bist nicht verbittert / ‚Mit ihm wird nichts mehr laufen‘). Das Hin und Her des so unglücklich verliebten Mädchens gipfelt in einer bitteren Selbstanklage: „I cheated myself / Like I knew I would / I told you I was trouble / You know I’m no good“ („Ich habe mich selbst betrogen / Wie ich es vorausgesehen habe / Ich sagte dir, ich bedeute Ärger / Du weißt, ich tauge nichts“). Sie war zu diesem Zeitpunkt aber offenbar nicht in der Lage zu erkennen, dass ihr zukünftiger Ex-Mann ein gerüttelt Maß zu ihren Problemen beigetragen hatte – immerhin deuten einige Anspielungen im Text darauf hin, dass so etwas wie ein Erkenntnisprozess begonnen hat. Die wie eine Soulnummer aus den 1960er-Jahren klingende Single erschien am 8. Januar 2007, stieg sofort in die Charts ein und erreichte Platz 18. Der Song war die zweite Auskopplung aus ihrem von Mark Ronson und Salaam Remi produzierten Erfolgsalbum „Back To Black“, das sich bis heute (Stand April 2016) gf rund 25 Millionen Mal verkaufte. Original: Amy Winehouse: „Back to Black“ (2006, Island, CD)
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„Oh you make me feel mighty real / You make me feel mighty real“ aus: „You Make Me Feel (Mighty Real)“ von Sylvester Noch bevor die Discokugel glitzerte und sich speziell homosexuelle Hedonisten in den Clubs tummelten, war Sylvester James Mitglied der Transvestiten-Funk-Gruppe The Crockettes. Ähnlich wie später Village People spielten sie mit Klischees, was den schwulen Sänger mit Hang zu extremen Outfits begeisterte. James, der bei seiner Großmutter, der Jazzsängerin Julia Morgan aufwuchs und von ihr lernte, liebte Soul und Funk. Als er die Crockettes 1973 verließt, gründete er die Formation Sylvester & The Hot Band, deren zwei LPs „Sylvester & The Hot Rod Band“ und „Bazaar“ heute sehr gesucht sind. Sie klingen wie eine Mischung aus dem Phillysound der O’Jays („Backstabbers“), dem tiefen Groove der Ohio Players („Love Rollercoaster“) und dem Soul der Detroit Emeralds („Feel the Need In Me“). Mitte der 1970er-Jahre entdeckte Sylvester den Disco-Sound und die Styling-Möglichkeiten, die der neue Trend bot. Er spielte mit Geschlechterimage, war 1979 zum Beispiel in der Janis-JoplinBio „The Rose“ als Drag Queen zu sehen, gab unterschiedliche Geburtsdaten an – noch heute weiß man nicht, ob er 1945, 46, 47 oder gar 48 zur Welt kam – und ließ seinem feinen Falsett freien Lauf. Die Stimme klang weiblich, aber das passte. Seine beiden Begleitsängerinnen Martha Wash und Izora Rhodes, die Two Tons o’ Fun, hatten deutlich tiefere, maskulinere Stimmen. Die beiden Damen wurden später übrigens als The Weather Girls mit „It’s Raining Men“ selber zu Disco-Stars. Sylvester selbst kämpfte für die Rechte von Minderheiten, setzte sich speziell für die gesellschaftliche Anerkennung Homosexueller ein, wie das Online-Portal Popmatters. com erklärt. Dort ist auch zu lesen, wie er sich selbst begriff: „Wenn ihn Leute fragten, in welche Schublade er passe, ob er ein Aktivist für Schwulenrechte, eine Drag Queen oder was auch immer sei, hätte er stets einfach und stolz ‚ich bin Sylvester‘ geantwortet.“ Sylvester jedenfalls fühlte sich in der Diskothek wohl – und genau das drückt der wenige Text von „You Make Me Feel (Mighty Real)“ aus. Auch wenn es in den Lyrics um Küsse geht und um das, was nach der Party passiert, ist der Track eine Liebeserklä215
rung an den Dancefloor: „Oh you make me feel mighty real / You make me feel mighty real“ („Du machst, dass ich mich mächtig lebendig fühle / Du machst es, dass ich mich mächtig lebendig fühle“) skandiert Sylvester immer und immer wieder in den höchsten Sirenentönen. Der Song erreichte die Charts, allerdings kam er nur in Großbritannien in die Top Ten, in den USA schaffte er es – als B-Seite von „Dance (Disco Heat“) – unter die ersten 40. Aber speziell die 6:39 Minuten lange Maxi-Single wurde in den Clubs rasch zum Dauerbrenner. Dass sich auch das Format der Single in 12-Zoll-LP-Größe ab 1976 zu einem Riesenerfolg entwickelte, lag speziell an Disco-Hits, wie dem zuerst 1978 im Vereinigten Königreich und dann im Februar 1979 in den USA veröffentlichten „You Make Me Feel (Mighty Real)“. Bis 1983, als die Disco-Ära auch kommerziell abzuebben begann, hatte er noch einige große Hits in der Dance-Hitparade – etwa „Can’t Stop Dancing“, „Body Strong“, „Do You Wanna Funk“ oder „Don’t Stop“. Am 16. Dezember 1988 starb der leidenschaftliche Hedonist, dem man analog zu Gloria Gaynor („I Will Survive“ und Donna Sumer („I Feel Love“) öfter mal despektierlich als „Disco Queen“ bezeichnete, an Aids. „You Make Me Feel (Mighty Real)“ funktionierte auch als Teil eines auf Durchtanzen angelegten Live-Doppelalbums: Etwas mehr als zehneinhalb Minuten dauert die Verison auf Sylvesters 1979erMeisterwerks „Living Proof“. Und: 1989 coverte Jimmy Sommerville, der vorher ein Teil der Communards und von Bronski Beat war, den Song überaus erfolgreich – und trug ihn ebenfalls mit Falsettstimme vor. mp Original: Sylvester: „Step II“ (1978, Fantasy, LP) Andere Versionen: Sylvester: „Living Proof“ (1979, Fantasy, Do-LP) Jimmy Sommerville: „Read My Lips“ (1989; London, CD)
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„You never close your eyes anymore“ aus: „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ von The Righteous Brothers Was ist, wenn eine Liebe und das Gefühl dafür sterben? Von nichts Anderem handelt „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“, einer der erfolgreichsten Popsongs aller Zeiten. Es sind viele Kleinigkeiten, an denen er merkt, das vieles nicht mehr stimmt: Sie schließt ihre Augen nicht mehr, wenn er ihre Lippen küsst („You never close your eyes anymore when I kiss your lips“) und die einstige Zärtlichkeit bei ihren Berührungen fehlt („And there’s no tenderness like before in your fingertips“), obwohl sie sich sehr bemüht, es ihn nicht merken zu lassen („You’re trying hard not to show it, baby“). Ihre Augen blitzen ihm kein Willkommen mehr entgegen, wenn er sich ihr nähert (Now there’s no welcome look in your eyes when I reach to you“), sie beginnt, ständig an ihm herumzukritteln („And now you’re starting to critisize the things I do“), er könnte heulen, („It makes me feel like crying“) weil etwas Schönes im Begriff ist zu sterben („’Cause something beautiful is dying“). Alles was bleibt, ist die große Trauer darum, dass ihr dieses liebende Gefühl verloren gegangen ist: „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“. In der Bridge, also im Mittelteil des Songs, unternimmt der Betroffene einen letzten Versuch, fällt vor der Angebeteten auf die Knie und bitte sie, ihre Liebe, die etwas so Besonderes war, nicht einfach davongleiten zu lassen: „Baby, I get down on my knees for you / (…) / We had a love you won’t find everyday / So don’t let it slip away.“ Geschrieben haben den Song Barry Mann und seine Frau Cynthia Weil aus dem Brill Building, die eines Tages im Hotel den FourTops-Hit „Baby I Need Your Lovin’“ hörten und daraufhin beschlossen, ebenfalls eine Ballade zu schreiben. Sie stellten das Lied dem späteren Produzenten Phil Spector vor, der sofort begeistert war und den Mittelteil beisteuerte, für den er sich wiederum an dem Song „Hang On Sloopy“ von Ramsey Lewis orientierte. Anschließend bot das Trio den Song den Righteous Brothers an. Die rechtschaffenen Brüder, so der Name auf Deutsch, zögerten nicht lange, griffen zu und nahmen das Lied zwischen August und November 1964 in den Gold Star Studios in Los Angeles auf – un217
ter den Fittichen von Spector. Der arbeitete einmal mehr mit seinem berühmten „Wall of Sound“ – er verdoppelte und verdreifachte Musikspuren, arbeitete mit Überorchestrierung und Geräuschen, setzte damals noch ungewohnte Klänge wir Glocken ein und verpasste den Liedern so einen dichten, voluminösen Klang. „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ gilt heute als besonders gelungenes Beispiel für diese Art der Produktion – Spector hat einen der größten Momente der Popgeschichte geschaffen. Die Single der Righteous Brothers, die keine wirklichen Brüder waren, sondern ein Gesangsduo bestehend aus Bill Medley und Bobby Hatfield, erschien im November 1964. Der Song chartete weltweit und schoss in Großbritannien und den USA sogar sofort auf Platz eins der Charts. Inzwischen ist die Originalfassung der meistgespielte Song der Welt – und hat damit „Yesterday“ von den Beatles überrundet. „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ gehört auch zu den wenigen Nummer-1-Hits, die gleich dreimal in die Top-20Charts aufstiegen – zu den erfolgreichen Coverversionen gehörten die Aufnahmen von Cilla Black (Platz zwei in UK), Dionne Warwick (Platz 16 in den USA) und Hall & Oates (Platz 12 in den USA). gf Original: The Righteous Brothers: „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ (1965, Philles, LP) Andere Versionen: Cilla Black: „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ (1965, Parlophone, Single) Dionne Warwick: „Soulful“ (1969, Scepter, LP) Roberta Flack & Donny Hathaway: „Roberta Flack & Donny Hathaway“ (1972, Atlantic, LP) Long John Baldry: „Baldry’s Out“ (1979, EMI, LP) Hall & Oates: „Voices“ (1980, RCA, LP)
„I believe in miracles / Since you came along / Where you from / You sexy thing“ aus: „You Sexy Thing“ von Hot Chocolate 1969 debütieren Sänger Errol Brown und Bassist Tony Wilson auf dem Beatles-Label Apple mit einer Version des John-Lennon-Songs 218
„Give Peace A Chance“. Ein Jahr später geben Brown und Wilson ihrer Band den Namen Hot Chocolate – und haben mit „Love Is Life“ sofort ihren ersten Hit. Damit beginnt eine unglaubliche Erfolgsserie: Bis 1980 wird die Band jedes Jahr einen Song in den oberen Rängen der Hitparade haben – darunter die Tophits „No Doubt About It“, „Every 1’s A Winner“ und „So You Win Again“. 1975 ist das Jahr, in dem Hot Chocolate mit „You Sexy Thing“ erfolgreich sind – die Single steigt auf Platz acht in Deutschland und auf Platz zwei in Großbritannien (die Spitze der Hitparade blockiert dort Queens „Bohemian Rhapsody“). Errol Brown schrieb das Lied für die Frau, die er zu dieser Zeit kennenlernt und mit der er bis heute verheiratet ist. Sie ist sein „sexy thing“. Jede einzelne Zeile dieses Songs ist ein Kompliment – selten dürfte einer Frau ein schöneres Geschenk gemacht worden sein: Er ist verblüfft („Where did you com from baby“) und begeistert, weil sie ihn von seiner Einsamkeit befreit („Yesterday I was one of a lonely people / Now you’re lying close to me / Making love to me“). Daran, dass er sie natürlich auch sexy findet, lässt er keinen Zweifel: „You sexy thing“ singt er am Ende des Songs zwanzig Mal. So dauerhafte Ehen sind im Popbusiness immer noch die Ausnahme – obwohl sich Errol schon 1975 sicher war, dass ihm ein Wunder begegnet ist: „I believe in miracles / Where you from / You sexy thing.“ 22 Jahre später kommt der Song in der Filmkomödie „Ganz oder gar nicht“ („The Full Monty“) von Peter Cattaneo zum Einsatz – mit dem Ergebnis, dass er 1997 noch einmal bis auf Platz gf sechs der britischen Charts steigt. Original: Hot Chocolate: „Hot Chocolate“ (1975, RAK, LP) Andere Version: Tom Tom Club: „Dark Sneak Love Action“ (1991, Sire, CD)
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„Winter, spring, summer or fall / All you have to do is call / And I’ll be there“ aus: „You’ve Got a Friend“ von Carole King / James Taylor Stell dir vor: Du liegst im Krankenhaus, hast gerade eine lange und schwere, weil lebensrettende Operation hinter dich gebracht, die Tage und die Nächte reihen sich unterschiedslos aneinander, du fühlst dich einsam und allein und die dunklen Stunden wollen kein Ende nehmen – in diesem Moment ruft dich jemand an. Dein ältester und bester Freund, den du noch aus Jugendjahren kennst. Und ab sofort ruft er fast täglich an, erkundigt sich und hört immer wieder geduldig zu. Wenn das passiert, dann ist eines klar: „You’ve got a friend“ – „Du hast einen Freund“. Die amerikanische Songwriterin Carole King schrieb den Song 1971, bei den Aufnahmen half der Sänger, Gitarrist und Songwriter James Taylor. King erzählte dem Musikmagazin Rolling Stone, dass ihr Lied die Antwort auf eine Textzeile gewesen sei, die sie in Taylors Hit „Fire and Rain“ gehört hatte: „I’ve seen lonely times when I could not find a friend“ („Ich hatte einsame Zeiten, als ich keinen Freund finden konnte“). In warmen Worten beschrieb sie dann, wie wertvoll ein guter Freund ist: „When you’re down in troubles / And you need some loving care/ And nothing, whoa nothing is going right / Close your eyes and think of me / And soon I will be there / To brighten up even your darkest nights“ („Wenn es dir schlecht geht und du in Schwierigkeiten bist / Und du liebevolle Zuwendung brauchst / Und nichts, wirklich nichts richtig läuft / Dann schließ deine Augen, denk an mich und schon bald bin ich da / Um selbst deine dunkelsten Nächte zu erhellen“). Und wer wirklich in Not sei, müsse gar nicht viel tun: „You just call out my name / And you know wherever I am / I’ll come running, oh yeah baby / To see you again / Winter, spring, summer or fall / All you have to do is call / And I’ll be there, yeah, yeah, yeah / You’ve got a friend“ („Ruf nur meinen Namen / Und du weißt, wo immer ich bin / Ich werde gelaufen kommen / Egal, ob Winter, Frühling, Sommer oder Herbst / Du musst nur anrufen / Und ja, ich werde das sein / Du hast einen Freund“). 220
Dem Rolling Stone erzählte King, dass sich „das Lied durch mich hindurch und von alleine schrieb, es kam von irgendwo außerhalb. Als James es hörte, wollte er es unbedingt sofort aufnehmen“. Sie veröffentlichte ihre Hymne an die Freundschaft im März 1971 auf ihrem Erfolgsalbum „Tapestry“. James Taylors Version kam nur einen Monat später, im April. Ihm gelang damit der ein zige Nummer-1-Hit seiner Karriere. Das Erstaunliche ist, dass bis heute beide Versionen präsent sind – sie stehen gleichberechtigt nebeneinander. Für das Lied gab es auch zwei Grammys – den einen erhielt King in der Kategorie „Song des Jahres“ und den anderen Taylor in der Kategorie „Beste männliche Gesangsdarbietung des Jahres – Pop“. Coverversionen gibt es sonder Zahl, unter anderem von Barbra Streisand, Céline Dion, Shania Twain, Gloria Estefan und Dusty Springfield, deren Einspielung erst posthum veröffentlicht wurde. gf Original: Carole King: „Tapestry“ (1971, LP) Andere Versionen: James Taylor: „Mud Slide Slim and the Blue Horizon“ (1971, Warner, LP) Barbra Streisand: „Barbra Joan Streisand“ (1971, Columbia, LP) Dusty Springfield: „Dusty in Memphis – Deluxe Edition“ (1999, Rhino, CD)
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Alle Songzeilen von A bis Z A merry merry Christmas and a happy New Year, let’s hope it’s a good one without any fear (John Lennon & Yoko Ono / Plastic Ono Band) 90 Aha, ich hoff’ dass es geschieht, ich bin verliebt, doch hab keinen Plan ob es Dich gibt (Cro) 192 All the leaves are brown, and the sky is grey (The Mamas & The Papas) 43 An der Umgehungsstraße, kurz vor den Mauern unserer Stadt, steht eine Nerven klinik wie sie noch keiner gesehen hat (Joachim Witt) 84 An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit (Die Toten Hosen) 174 And afterwards we drop into a quiet little place and have a drink or two, and then I go and spoil it all by saying something stupid like ‚I love you’ (Carson and Gaile) 163 And everybody hurts sometimes (R.E.M.) 64 And I hope that you are having the time of your life, but think twice, that’s my only advice (Gnarls Barkley) 54 And if I only could, I’d make a deal with God, and I’d get Him to swap our places, be running up the road, be running up the hill, be running up that building (Kate Bush) 154 And the cat’s in the cradle and the silver spoon, little boy blue and the man on the moon (Harry Chapin) 47 Atemlos durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht, atemlos einfach raus, deine Augen ziehen mich aus (Helene Fischer) 20 Because I‘m happy, clap along if you feel like a room without a roof (Pharrell Williams) 88 Because you’re mine, I walk the line (Johnny Cash) 103 Bésame, bésame mucho, como si fuera esta noche (Emilio Tuero) 29 Black hole sun, won’t you come and wash away the rain? (Soundgarden) 36 Black is black, I want my baby back (Los Bravos) 37 Bloß deine blauen Augen machen mich so sentimental, so blaue Augen, wenn du mich so anschaust wird mir alles andere egal (Neonbabies / Ideal) 39 But I don‘t feel like dancin‘ when old Joanna plays, my heart could take a chance but my two feet can‘t find a way (Scissor Sisters) 100 By the rivers of Babylon, there we sat down, ye-eah we wept, when we remembered Zion (The Melodians / Boney M.) 152
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Can you help me occupy my brain? (Black Sabbath) 141 Caught beneath the landslide, in a champagne supernova (Oasis) 49 Climbing up on Solsbury Hill, I could see the city light (Peter Gabriel) 161 Comb your hair and paint and powder, you act proud and I’ll act prouder, you sing loud and I’ll sing louder, tonight we’re settin’ the woods on fire (Hank Williams) 156 Come, Mister tally man, tally me banana, daylight come and me wan’ go home (Harry Belafonte) 25 Da fliegt mir doch das Blech weg (Spliff) 56 Denn du bist, was du isst (Rammstein) 125 Do not forsake me, o my darlin’, on this, our wedding day (Tex Ritter) 181 Do ya like good music? That sweet soul music, just as long as it’s swingin’, oh yeah, oh yeah (Arthur Conley) 172 Don’t wanna be an American Idiot (Green Day) 16 Down beside where the waters flow, down by the banks of the Ohio (Traditional) Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben, auf den Moment, der immer bleibt (Andreas Bourani) 24 Einmal fassen, tief im Blute fühlen, dies ist mein und ist es nur durch dich (City) 18 Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow? Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin (Udo Lindenberg) 165 Every morning about this time, she get me out of my bed, a-crying get a job (The Silhouettes) 76 Ficken, bumsen, blasen, alles auf dem Rasen (Die Toten Hosen) 97 So close, no matter how far, couldn’t be much more from the heart, forever trust in who we are, and nothing else matters (Metallica) 136 Girl I’m sorry I was blind, you were always on my mind (Elvis Presley) 14 Gonna be some sweet sounds, coming down on the nightshift (The Commodores) 134 Go west – life is peaceful there, go west – lots of open air, go west – to begin life new, go west, this is what we’ll do (Village People / Pet Shop Boys) 82 Green door, what’s that secret you’re keepin’ (Shakin’ Stevens) 86 Have you seen my wife, Mr. Jones? (Bee Gees) 133 He’s a pin ball wizard, there has to be a twist (The Who) 147 Hello it’s me, I was wondering if after all these years you’d like to meet, to go over everything (Adele) 94 Hello-hurrah, what a nice day for the Eton Rifles (The Jam) 182 Hey! Mr. Tambourine Man, play a song for me, I’m not sleepy and there ain’t no place I’m going to (Bob Dylan) 131 Hop on the bus, Gus, you don’t need to discuss much (Paul Simon) 9 I believe in miracles since you came along, where you from, you sexy thing (Hot Chocolate) 218 I can’t live if living is without you (Badfinger / Harry Nilsson) 208
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I gotta feeling that tonight’s gonna be a good night, that tonight’s gonna be a good good night (Black Eyed Peas) 102 I love the sound of you walking away (Franz Ferdinand) 200 I think it’s time for you my friend, to stop pretending that you are a moviestar (Harpo) 130 I told you, I was trouble, you know I’m no good (Amy Winehouse) 213 I try to be like Grace Kelly, but all her looks were too sad (Mica) 85 I walk into an empty room, and suddenly my heart goes boom. It’s an orchestra of angels and they’re playing with my heart (Eurythmics) 188 I wanna be what the people see, I wanna dance with Emily (Adam Green) 61 I send an SOS to the world, I hope that someone gets my message in a Bottle (Police) 127 I’m a firestarter, twisted firestarter (The Prodigy) 69 I’m useless, but not for long, the future is coming on (Gorillaz) 52 I’m walkin’, yes indeed, I’m talkin’, but you and me I’m hopin’ that you’ll come back to me, yeah, yeah (Fats Domino) 107 I’ve been locked inside your heart-shaped box for weeks (Nirvana) 92 I’ve got all my life to live, I’ve got all my love to give, I will survive (Gloria Gaynor) 105 I’ve got the power, I’ve got the power … hey yeah yeah (Power Jam feat. Chill Rob G) 187 Ich kann mich doch gar nicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier (Nina Hagen Band) 195 Ich küsse ihre Hand, Madame, und träum, es wär‘ ihr Mund ich bin ja so galant, Madame, und das hat seinen Grund (Richard Tauber) 108 If you wanna be with me, baby there‘s a price to pay, I‘m a genie in a bottle (Christina Aguilera) 73 In the name of love, what more in the name of love (U2) 148 In the summertime when the weather is high, you can stretch right up and touch the sky (Mungo Jerry) 111 Is this the real life? Is this just fantasy? Caught in a landslide, no escape from reality (Queen) 41 It’s a long way to the top if you wanna Rock’n’Roll (AC/DC) 112 It’s not time to make a change, just relax, take it easy (Cat Stevens) 67 It’s alive, afraid, a lie, a sin, it’s magic, it’s tragic, it’s a loss, it’s a win (Faith No More) 63 Ja, Rosi hat ein Telefon, auch ich hab’ ihre Nummer schon, unter zwounddreißig sechzehn acht herrscht Konjunktur die ganze Nacht (Spider Murphy Gang) 159 Kann das wirklich Sünde sein, wenn man immerzu an einen nur denkt, wenn man einmal ihm alles schenkt vor Glück? (Zarah Leander) 114 Koa Hiatamadl mag i net, hot koane dicken Wadln net, i mog a Madl aus da Stadt, wos dicke Wadln hat (Hubert von Goisern & die Alpinkatzen) 116 Lazy Sunday afternoon, I‘ve got no mind to worry (The Small Faces) 120 Liebling, lass uns tanzen, das tut dem Blutdruck gut. Liebling, lass uns tanzen, denn tanzen darf ein jeder Jud (Marius Müller-Westernhagen) 128
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Like a bird on the wire, like a drunk in a midnight choir, I have tried in my way to be free (Leonard Cohen) 32 Like a virgin, touched for the very first time (Madonna) 121 Like the ceiling can’t hold us, now, can I kick it? Thank you. Yeah I’m so damn grateful (Macklemore & Ryan Lewis) 43 Männer sind so verletzlich, Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich (Herbert Grönemeyer) 123 Maybe I‘m just too demanding, maybe I‘m just like my father too bold, maybe you‘re just like my mother, she‘s never satisfied. Why do we scream at each other, this is what it sounds like when doves cry (Prince) 206 No change, I can change, I can change, I can change, but I’m here in my mold (The Verve) 34 Nothing more to say, no more ace to play (Abba) 191 Oh brother are you gonna leave me, wastin’ away on the streets of Philadelphia (Bruce Springsteen) 171 Oh deep in my heart, I do believe, we shall overcome someday (Joe Glazer & The Elm City Four / Pete Seeger) 204 Oh Girls just wanna have fun (Robert Hazard) 77 Oh you make me feel mighty real, you make me feel mighty real (Sylvester) 215 On the road again, just can’t wait to get on the road again (Willie Nelson) 139 One fine day I’m gonna be the one, to make you understand, oh, yeah, I’m gonna be your man (The Spencer Davis Group) 115 One scotch, one bourbon, one beer (Amos Milbourn / John Lee Hooker) 137 Penny Lane is in my ears and in my eyes, there beneath the blue suburban skies (The Beatles) 143 People are people so why should it be, you and I should get along so awfully (Depeche Mode) 145 Pure Vernunft darf niemals siegen, wir brauchen dringend neue Lügen (Tocotronic) 150 Remember when you were young, you shone like the sun, shine on you crazy diamond (Pink Floyd) 157 Set me free, why don‘t cha babe, get out my life, why don‘t cha babe (The Supremes) 211 She crie ‘Oh Wllie, don’t murder me, I’m not prepared for eternity’ (Diverse) 31 Showin’ how funky and strong is your fight, it doesn’t matter who’s wrong or right (Michael Jackson) 27 Sie ist ein Model und sie sieht gut aus, ich nähm’ sie heut› gerne mit zu mir nach Haus (Kraftwerk) 58 Sisters, brothers and the whities, blacks and the crackers, police and their backers, they’re all political actors (Curtis Mayfield) 59 So goodbye yellow brick road, where the dogs of society howl (Elton John) 81 Sweet child in time, you’ll see the line (Deep Purple) 51
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The girls won’t touch me, ’cause I got a misdirection (Pere Ubu) 66 There’s a lady who’s sure all that glitters is gold, and she’s buying a stairway to heaven (Led Zeppelin) 167 There’s too many men, too many people, making too many problems (Genesis) 118 They ain’t makin’ Jews like Jesus anymore (Kinky Friedman) 189 Tomorrow is a busy day, we got things to do, we got eggs to lay, we got ground to dig (Louis Jordan) 11 Tutti Frutti, aw rooty, a wop-bom-a-loo-mop a lomp bom bom (Little Richard) 193 Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein (Reinhard Mey) 197 Über sieben Brücken musst du gehen, sieben dunkle Jahre überstehen, sieben Mal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein (Karat / Peter Maffay) 198 Way down below the ocean where I wanna be, she may be (Donovan) 22 We come on the sloop John B, my grandfather and me (Cleveland Simmons Group) 95 We didn’t start the fire, it was always burning since the world is turning (Billy Joel) 201 We have all the time in the world, just for love, nothing more, nothing less, only love (Louis Armstrong) 203 We were young and strong, we were runnin’ against the wind (Bob Seger) 10 We’ve been spending most of our lives, living in the Gangsta’s paradise (Coolio / Stevie Wonder) 71 Well that’ll be the day when you say goodbye, yes that’ll be the day when you make me cry, you say you’re gonna leave, you know it’s a lie, ‘cause that’ll be the day when I die (Buddy Holly) 179 Well, I’m running down the road, tryin’ to loosen my load (Eagles / Jackson Browne) 176 Well, then what can a poor boy do, except to sing in a rock’n’roll band ? (The Rolling Stones) 169 Winter, spring, summer or fall, all you have to do is call, and I’ll be there (Carole King / James Taylor) 220 Who is the girl, wearing nothing but a smile and a towel in the picture on a billboard in a field near the big old highway? (Dal Reeves) 79 Work with me, Annie, let’s get it while the gettin’ is good (Hank Ballard & The Midnighters) 210 Would you know my name, if I saw you in heaven? (Eric Clapton) 177 You ain’t nothin but a hound dog, cryin’ all the time (Big Mama Thornton / Elvis Presley) 99 You can crush us, you can bruise us, but you’ll have to answer to, oh, guns of Brixton (The Clash) 184 You never close your eyes anymore (The Righteous Brothers) 217
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Alle Namen von A bis Z Fett gedruckte Seitenzahlen verweisen auf eine im Buch beschriebene Songzeile des Künstlers
24K 73 A Tribe Called Quest 46 Abba 131, 191, 192 Abdul, Paula 202 AC/DC 112, 113 Achleitner, Hubert 117 Adams, Ron 177 Adams, Rosie Nix 69 Adams, William 102 Adele 7, 94, 95 Adkins, Adele Laurie Blue 94 Adler, Lou 44 Aerosmith 29, 63 Aguilera, Christina 73, 74, 75 Air Supply 209, 210 Aladdin Chickenshackers 138 Albano, Lou 78 Albarn, Damon 52, 53, 54 Albini, Steve 92 Ali, Tariq 170 Alice in Chains 36 Allison, Jerry 179, 180 Alpine Sabine 118 Alvin & The Chipmunks 53 America 45 Amin, Idi 120 Amon Düül 129 Anderson, Jon 22 Anderson, Stig 131 Andersson, Benny 131, 191 Anka, Paul 37, 179 Anzilotti, Luca 186, 187 apl.de.ap 102 Apple, Fiona 69
Armstrong, Billie Joe 16, 17 Armstrong, Louis 203 Arnold, David 204 Ashcroft, Richard 34, 35 Automobil 195 Bach, Kristina 20, 21 Bacharach, Burt 204 Backstreet Boys 74 Badfinger 208, 209, 210 Baez, Joan 32, 205, 206 Bahners, Patrick 151 Ballard, Florence 212 Ballard, Hank 210, 211 Balz, Bruno 115 Banks, Tony 119, 162 Barkley, Charles 55 Barratt, Michael 86 Barrett, Syd 37, 158 Barry, John 203, Bartholomew, Dave 107, 108 Bartos, Karl 58 Bassey, Shirley 26, 27, 209, 210 Bators, Stiv 123 Bauer, Felice 61 Baum, Lyman Frank 81 Beady Eye 50 Beal, Earl 76 Beastie Boys 64 Becher, Johannes R. 199 Beck 53 Bee Gees 7, 86, 133, 134 Bega, Lou 111 Belafonte, Harry 25, 26, 27
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Belle Epoque 38 Benedikt XVI. 151 Berg, Andrea 20 Bergman, Ingmar 130 Berns, Bert 72 Bernstein, Elmer 173 Berry, Bill 65 Berry, Chuck 12 Bethel, John 97 Beverley’s All Stars 153, 154 Beyoncé 89 Big Bopper 180 Big Mama Thornton 99, 100 Big Mike 73 Bill Haley & His Comets 167 Birgel, Willy 114 Black Eyed Peas 102, 103 Black Sabbath 7, 141, 142 Black, Bill 100 Black, Cilla 218 Black, Roy 40 Blackmore, Ritchie 52 Blackwell, Chris 115 Blair, Tony 34 Blind Blake & His Royal Victoria Hotel Calypso Orchestra 97 Blue, Barry 86 Blümchen 39, 40 Blur 53 Bob Seger & The Silver Bullet Band 10, 11 Bond, James 130, 203, 204 Boney M. 152, 153, 154 Bonham, John 168 Bono 148, 149 Boone, Pat 113, 195 Bordin, Mike 63 Bostic, Earl 110 Bourani, Andreas 24, 25 Bowen, Jimmy 164 Bowie, David 110 Boyzone 69 Brandes, Bernd Jürgen Armando 125 Breschnew, Leonid 120 Brevett, Lloyd 153 Brevett, Tony 153 Bringmann, Peter F. 129
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Bronski Beat 216 Brooks, Garth 11, 12, 13, 14, 57, 60, 172, 173, 174 Brown, Errol 218, 219 Brown, James 12 Brown, Jocelyn 187 Brown, Ruth 138 Brown, Walter 194 Browne, Jackson 176, 177 Brummel, Sean 53 Brühne, Lothar 115 Buck, Peter 65 Burgh, Chris de 209 Bush, George 190 Bush, Kate 154, 155, 157 Busse, Michael 160 Butler, Geezer 141 Butler, Jerry 60, 97 Cake 107 Calloway, Cab 167 Cameron, David 183 Campino 98, 174, 175 Campos, Chela 30 Capra, Frank 181 Carey, Mariah 209, 210 Carson and Gaile 163, 164 Carter, Jimmy 120 Carter, June 105 Carter, Wilf 139 Cash, Johnny 11, 15, 21, 32, 69, 97, 103, 104, 105, 131, 139 Cash, Rosanne 21, 104 Cattaneo, Peter 219 Catterfeld, Yvonne 39, 40 Cave, Nick 31, 93,131 Channel, Bruce 14 Chaosdilettanten ZK 97 Chapin, Harry 47, 48 Chapin, Josh 48 Charles, Ray 157 Checker, Chubby 202 Cheese, Richard 18 Chendler, Gene 76 Chill Rob G 186, 187 Christopher Jr., John L. 14 Churchill, Winston 200
City 18, 19 Civillés & Cole 150 Clapton, Eric 128, 148, 177, 178, 179 Clark, Gene 132 Cleveland Simmons Group 95, 96 Cliff, Jimmy 185, 186 Clinton, George 106 Clooney, George 25 Clooney, Rosemary 25 Cobain, Kurt 92, 93 Cocker, Joe 34 Coe, David Allen 140 Cohen, Leonard 32, 33, 34 Cohn, Nick 147 Cole, Mike 111 Cole, Natalie 30 Collins, Judy 33, 34 Collins, Phil 119, 161 Colonel Parker 99 Como, Perry 110 Conley, Arthur 172, 173, 174 Connery, Sean 203 Connor, Edric 26 Cooke, Sam 76, 173, 174 Cool, Tré 16 Coolio 71, 72, 73 Cooper, Gary 181, 182 Copeland, Stewart 127 Corbijn, Anton 93 Cornell, Chris 36, 37 Costello, Elvis 13 Craig, Daniel 204 Crazy Horse 77 Cream 85 Cro 192, 193 Crockett, Davy 190 Crosby, Bing 12, 110 Crow, Sheryl 88 Crowley, Aleister 168 Cruise, Tom 162 Cruz, Penélope 162 Cunningham, Sis 31 Curtis, Sonny 180 Cyrus, Miley 78, 89 Daft Punk 89 Daltrey, Roger 148
Danger Mouse 54, 55 Däniken, Erich von 23 David, Hal 204 Davie, Bob „Hutch“ 87 Davis, Miles 78, 184 Davis, Spencer 116 Day, Doris 202 Deacon, John 41 Dean, James 130, 202 Deep Purple 51, 52, 136 Del Reeves 79, 80 Del Tha Funkee Homosapien 53 Demme, Jonathan 171 Denemy, Richard 108 Depeche Mode 58, 93, 145, 146 Descartes, René 151 Desmond Dekker & The Aces 154 Deter, Ina 123 Detroit Emeralds 215 Deuker, Ernst Ulrich 40 Die Fantastischen Vier 88 Die Prinzen 39, 40 Die Toten Hosen 97, 98, 174, 175, 186 Dietrich, Marlene 109 DiMaggio, Joe 202 Dion & The Belmonts 76 Dion, Céline 20, 74, 221 Dirnt, Mike 16 Disco Stu 100 Disco-Tex and His Sex-O-Letters 101 Disney, Walt 23, 74, 81, 124 Disturbed 120 Dixon, Willie 9, 10 DÖF 39 Doherty, Denny 44 Domingo, Placido 30 Domino, Fats 107, 108 Donovan 22, 23 Donovan, Philips Leitch 22 Dorset, Ray 111 Dorsey, Jimmy 30 Dorsey, Lee 107 Dozier, Lamont 211, 212 Drake, Nick 22 Dread Zeppelin 169 Dreilich, Herbert 198 Dunning, George 85
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Dylan, Bob 31, 62, 74, 112, 131, 132, 133, 189, 202, 206 Eagles 176, 177 Earl, Colin 111 Easlea, Daryl 161 Eastwood, Clint 52, 53, 54 Eazy-E 102 Eberly, Bob 30 Edric Connor & The Caribbeans 27 Edwards, Jackie 115 Edwards, Raymond 76 Egli, Beatrice 20 Elliot, Cass 44 Embryo 200 Engel, Stefan 118 Erasure 162 Ertegün, Ahmet 169 Erwin, Ralph 109 Escott, Collin 26 Esquivel 30 Estefan, Gloria 221 Eurythmics 188, 189 Evans, Thomas 209 Everett, Kenny 43 Faith No More 63, 64 Fältskog, Agnetha 191, 192 Farian, Frank 152, 153 Fatboy Slim 70 Fekaris, Dino 105 Fergie 102 Ferguson, Robert „H-Bomb“ 195 Ferguson, Stacy Ann 102 Fielder-Civil, Blake 213 Fischer, Helene 20, 21, 22, 175 Fischer, Jelena Petrowna 20 Fitzgerald, Ella 12 Flack, Roberta 218 Fleming, Ian 182, 203 Flint, Keith 70, 71 Fluck, Peter 119 Fontana, D.J. 100 Foot, Gaile 163 Ford, John 180 Foreigner 28, 122 Frampton, Peter 121
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Francis, Connie 163 Frank, David 74 Franklin, Aretha 188 Franz Ferdinand 200, 201 Frazier, Robert 187 Freddie Bell & The Bellboys 99, 100 Freedo 193 Frege, Andreas 174 Frey, Glenn 176 Friedman, Kinky 182, 189, 190 Friedman, Richard 189 Funkadelic 106 Gabriel, Gunter 39, 40 Gabriel, Peter 161, 162 Gahan, David 145 Gallagher, Liam 49, 50 Gallagher, Noel 49, 50 Gang Starr 187 Garfunkel, Art 9, 10 Garland, Judy 81 Gauweiler, Peter 159 Gay, Marvin Sr. 135 Gaye, Marvin 135, 164, 211, 212 Gaynor, Gloria 105, 106, 107, 216 Genesis 118, 119, 120, 161, 162 Gibb, Barry 133, 134 Gibb, Maurice 133 Gibb, Robin 133, 134 Gibbs, Gloria 211 Gillan, Ian 51 Gilmour, David 154, 157, 158 Ginuwine 208 Giraldi, Bob 28 Gladys Knight & The Pips 107 Glenn Miller and His Orchestra feat. Tex Beneke And The Four Modernaires 167 Gmell, Gerhard „Barney Murphy“ 160 Gnarls Barkley 54, 55, 56, 111 Goebbels, Joseph 115 Goffin, Gerry 73 Gogow, Georgi 19 Goisern, Hubert von 116, 117, 118 Goméz, Jaime Luiz 102 Goodie Mob 54 Goodwin, Ginnifer 105
Gorbatschow, Michail 119 Gordon, Mack 166 Gordy, Barry 211 Gore, Martin L. 145, 146 Gorrillaz 52, 53, 54 Gossip 101 Götz Alsmann & The Sentimental Pounders 146 Götze, Mario 24 Gould, Billy 63 Granados, Enrique 29 Grant, Marshall 104 Grateful Dead 139 Green Day 16, 18 Green, Adam 61, 63 Green, CeeLo 54, 55, 56 Greenhalgh, Howard 37 Greenwood Country Singers 163 Grönemeyer, Herbert 93, 123, 124, 125 Guetta, David 103 Guthrie, Woody 31 Hagen, Eva-Maria 196 Hagen, Nina 56, 195, 196 Hager, Kurt 165, 166 Haggerty, Ben „Macklemore“ 45 Haley, Bill 87, 202 Hall & Oates 218 Ham, Peter 209 Hanks, Tom 171, 172 Harper’s Bizarre 167 Harpo 130, 131 Harvey, P.J. 131 Hatfield, Bobby 218 Hathaway, Donny 218 Hayseed Dixie 43, 126 Hazard, Robert 77, 78 Hazlewood, Lee 164 Heil, Reinhold 56, 196 Heinrich VI. 182 Hemingway, Ernest 202 Hendrix, Jimi 131 Herbolzheimer, Peter 152 Hetfield, James 136 Hewlett, Jamie 53, 54 Hitler, Adolf 200 Hoffman, „Babydaddy“ Scott 101
Hoffmann White, Marjorie 94 Holland, Brian 211, 212 Holland, Edward 211, 212 Holland, W.S. 104 Holley, Charles Hardin 179, 180, 181 Holly, Buddy 179, 180, 181 Holst, Andreas von 175 Honecker, Erich 165, 166 Hooker, John Lee 137, 138, 139 Horton, William 76 Horton, Zilphia 205 Hot Chocolate 218, 219 Howlett, Liam 71 Hörbiger, Paul 114 Hubert von Goisern & die Alpinkatzen 116, 117, 118 Huff, Marc 106 Humble Pie 121 Humpe, Annette 39, 40 Humpe, Inga 39 Hunter, Steve 162 Hütter, Ralf 58 Ideal 39, 40 Idol, Billy 112 Iñárritu, Alejandro González 56 Iommi, Tommy 141, 142 Islam, Yusuf 69 It’s A Beautiful Day 51, 52 J.B.O. 83, 124, 125 Jackson, Michael 27, 28, 29, 122, 135, 202, 207 Jagger, Mick 73, 169, 170 James, Etta 211 James, Mark 14 Jardine, Al 96 Jarry, Alfred 66 Jaud, Tommy 53 Jay-Z 89 Jeff Beck Group 121 Jennings, Waylon 11, 139, 140, 180 Jennings, Will 178 Joe Glazer & The Elm City Four 204, 205, 206 Joel, Billy 201, 202 Joel, William Martin 201
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John, Elton 81, 82, 101, 102, 112, 148 Jones, George 157 Jones, John Paul 65, 168 Jones, Mick 186 Jones, Quincy 27, 28 Jones, Tom 213 Jordan, Louis 11, 12,13, 14 Kafka, Franz 61 Kallen, Kitty 30 Kamen, Michael 137 Kant, Immanuel 151 Kapfinger, Sabine 118 Kapranos, Alex 200 Karat 198, 199 Karras, Anton 181 Keating, Ronan 69 Kelly, Grace 85, 86, 101, 181 Kelly, Tom 122 Kendricks, John H. 210 Kennedy, John F. 202 Kennedy, Mike 38 Kerouac, Jack 202 Khan, Chaka 207 Khomeini, Ayatollah 120 Kidman, Nicole 163, 164 Kiesl, Erich 159 Kincade, John 86 King Curtis 30, 173 King, B.B. 179 King, Carole 7, 73, 220, 221 King, Martin Luther 148, 149, 204 Kipner, Steve 74, 75 Kissinger, Henry 120 Klein, Allen 35 Knight, Gladys 105, 106, 107 Kogel, Michael 37, 38 Kohn, Adam „Adolek“ 106 Kollegah 193 Komakino 85 Konecki, Simon 95 Kong, Leslie 153, 154 Korman, Jane 106 Kowalski, Walt 53 Kraftwerk 58, 59, 200 Krall, Diana 45 Kramer, Alex 13
232
Kramer, Joan Whitney 13 Kristofferson, Kris 11, 140 Krüger, Frank Jürgen „Eff Jott“ 40 Kuddel 175 Kurstin, Greg 94 Kutner, Jon 116 Lady Di, Princess of Wales 34, 82 Lady Gaga 12 Laine, Frankie 182 Land, Robert 109 Landers, Paul 125, 126 Lane, Ronnie 120 Las Ketchup 111 Lauper, Cindy 77, 78, 122 Laura Duncan & The Jewish Young Singers 205, 206 Laurie, Hugh 182 Lavigne, Avril 18, 64 Law, Roger 119 Lazenby, George 203 Le Galliene, Richard 96 Leander, Zarah 114, 115 Led Zeppelin 65, 136, 167, 168, 169 Lee, Brenda 14, 16 Leiber, Jerry 40, 73, 99 Leigh, Spencer 116 Lennon, John 143 Lennon, Sean 73, 90, 91, 92, 201, 212, 218 Lennox, Annie 188, 189 Leo Reisman Orchestra 110 Lewis, Jerry Lee 104, 157 Lewis, Ramsey 217 Lewis, Richard 76 Lewis, Ryan 45, 46, 47 Lewis, Sam M. 110 Liberto, Vivian 105 Liebmann, Robert 109 Liedtke, Harry 109 Lil Wayne 45 Lindenberg, Udo 7, 39, 115, 144, 165, 166, 167, 198 Lindleyy, David 177 Lipschitz, Frieda 211 Little Richard 7, 12, 86, 193, 194, 195 Living Colour 64
Lobel, Gus 53 Lokomotive Kreuzberg 56 Lomax, Alan 96, 97 London Symphony Orchestra 43 Long John Baldry 218 Lords of the New Church 122, 123 Los Bravos 37, 38 Los Del Rio 111 Loss, Joe 13 Louis Jordan & His Tympany Five 11, 12, 14 Lounge Against The Machine 18 Love, Courtney 93 Lowe, Bernie 99 Lowe, Chris 16, 83 Lowe, Jim 87 Lowtzow, Dirk von 150, 151 Lukather, Steve 28 Luther, Martin 153 Lyngstad, Anni-Frid 131 MacInnes, Colin 184 Macklemore 45, 46, 47 Madonna 89, 121, 122, 123, 206 Maffay, Peter 199 Magnoli, Albert 207 Maier, Wolfgang 118 Main Source 187 Major, John 34, 70 Malcolm X 202 Malcolm’s Locks 153 Manero, Tony 100 Mangold, James 105 Mann, Barry 217 Mann, Manfred 131 Mantronix 187 Mao Tse Tung 200 Marley, Bob 115, 128 Marriott, Steve 120, 121 Martha Reeves & The Vandellas 211 Martin, Ivanhoe „Ivan“ 185 Martin, Max 74 Marx Brothers 43, 82 Marx, Groucho 82 Mason, Nick 157, 159 May, Brian 41, 42 Mayfield, Curtis 59, 60, 61
MC Hammer 208 MC Maxim 71 McCarthy, Nick 200 McCartney, Paul 73, 143, 144, 209, 212 McCrae, George 15 McCrae, Gwen 15, 16 McFerrin, Bobby 88 McGuinn, Roger 132 McGuire, Barry 44 McLane, Bob 190 McLean, Don 180 McQueen, Steve 130 Medley, Bill 218 Meid, Lothar 129 Meiwes, Armin 125, 126 Melanie 133 Melua, Katie 209 Mercury, Freddie 41, 42, 43, 85 Metallica 136, 137 Mey, Frédérik 197 Mey, Reinhard 197, 198 MFSB 101 Michael & The Firebirds 37 Mika 85, 86, 101 Milburn, Joseph Amos 137, 138, 139 Miller, Glenn 166, 167 Mills, Hank 79 Mills, Mike 65 Minichmayr, Birgit 174 Mitchum, Robert 25 Mitteregger, Herwig 56, 196 Moman, Lincoln Wayne „Chips“ 15 Monk, Thelonious 184 Monroe, Bill 31 Monroe, Marylin 202 Montgomery, Wes 30, 45 Moore, Marvin 87 Moore, Roger 203 Moore, Scotty 100 Motörhead 113 Müller, Jan 150 Mungo Jerry 111, 112 Münzing, Michael 186, 187 N.W.A. 72, 102 Naidoo, Xavier 24 Nelly 89
233
Nelson, Edward 156 Nelson, Ricky 108 Nelson, Willie 11, 15, 16, 139, 140, 189, 190 Nena 39 Neonbabies 39, 40 Newton-John, Olivia 32 Newton, Isaac 151 Nicholson, Jack 148 Nilsson, Harry 209, 210 Nina Hagen Band 56, 195, 196 Nine Inch Nails 93 Nirvana 36, 92, 93 Nixon, Richard 60, 202 No Angels 23, 189 Nobach, Nils 37 Nocguchi, Isamu 37 Noel Gallagher & The Flying High Birds 50 Novalis 151 Novoselic, Krist 93 Oasis 35, 49, 50 Ohio Players 215 Oldham, Andrew Loog 35 Oli P. 123 OMD 58 Ono, Yoko 90, 91, 92 Orbison, Roy 104 Orwell, George 182 Osbourne, Ozzy 141, 142 Oslin, Mo 163, 164 Otis, Johnny 99, 194, 211 Pachelbel, Johann 82 Page, Jimmy 167, 168, 169 Palais Schaumburg 39 Palm, Carl Markus 191 Palmer, Keith „Maxim“ 71 Panta Rhei 198 Parks, Clarence Carson 163, 164 Parks, Van Dyke 163 Parliament 72 Patton, Mike 63 Paul VI. 202 Pearl Jam 36 Peel, John 98
234
Penniman, Michael Holbrock 86 Penniman, Richard Wayne 193 Pere Ubu 66, 67 Perkins, Luther 104 Perren, Freddie 105 Perry, Katy 74 Pet Shop Boys 16, 58, 83 Peters, Michael 28 Pfeiffer, Michelle 73 Phillips, John 44 Phillips, Michelle 44 Phillips, Sam 104 Phoenix, Joaquin 105 Picasso, Pablo 151 Pickert, Nils 124 Pickett, Wilson 173 Pieck, Wilhelm 165 Piel, Harry 109 Pineda-Lindo, Allan 102 Pink Floyd 11, 37, 154, 157, 158 Placebo 155 Plant, Robert 167, 168 Plastic Ono Band 90, 91 Pollack, Sydney 85 Pop, Iggy 204 Porter, Cole 73 Potschka, Bernhard 56, 196 Power Jam 186, 187 Power Jam featuring Chill Rob G 186, 187 Praeker, Manfred „Manne“ 56, 196 Presley, Elvis 14, 15, 16, 26, 87, 99, 100, 104, 195, 202 Presley, Priscilla 15 Price, Lloyd 194 Prince 7, 206, 207, 208 Prince Charles 120 Prince, Roger Nelson 206 Prokofiev, Sergej 202 Protzmann, Hennig 198 Pulp 35 Queen 41, 43, 219 Raabe, Max 110 Radiohead 53 Rage Against The Machine 17
Rakete, Jim 57, 59, 125, 126 Ram Jam 175 Rammstein 58 Rauchfuß, Hildegard Maria 19 Rawls, Lou 173 Ray, Johnny 202 Reagan, Nancy 118 Reagan, Ronald 118, 119, 149 Red Hot Chili Peppers 64 Red Patterson’s Piedmont Log Rollers 32 Redding, Otis 173 Redman, Joshua 179 Reed, Carol 181 Reisman, Leo 110 R.E.M. 64, 65, 66 Remi, Salaam 214 Rey, James Earl 149 Rhodes, Izora 215 Richard, Cliff 40 Richards, Keith 73, 170 Richie, Lionel 94, 95, 134, 135 Richter Helmut 198, 199 Rigg, Diana 203 Rimato, Robert 78 Rimbaud, Arthur 132 Ritter, Tex 181, 182 Roberts, Billy 31 Robinson, William „Smokey“ 211, 212 Rodgers, Jimmie 26, 27, 139 Ronson, Mark 214 Ronstadt, Linda 180, 181 Rose, Fred 156 Rosenberg Marianne 19 Rosenfelder, Andreas 151 Ross, Diana 174, 212 Rotter, Fritz 109 Rowling, Joanne K. 34 Run DMC 28, 63, 64 Russell, Andy 30 Rutherford, Mike 119 Salinger, J.D. 202 Sam & Dave 173 San Francisco Symphony Orchestra 137 Savalas, Telly 203 Sayer, Leo 101
Schneider, Florian 58 Schneider, Helge 79 Schult, Emil 58, 59 Schulze, Klaus 39 Schönböck, Karl 114 Scissor Sisters 100, 101, 102 Scott, Bon 113 Seeger, Pete 31, 32, 96, 205, 206 Seger, Bob 10, 11 Sellards, Jason 101 Sex Pistols 70, 183 Shaggy 26, 27, 111, 112 Shakin’ Stevens 86, 87, 88 Shank, Clifford „Bud“ 44 Shatner, William 133 Shaver, Billy Joe 189 Shayne, Pam 74 Sheff, David 91 Sido 193 Sigl, Günther 160 Simmons, Joseph 28 Simmons, Lucille 205 Simon, Paul 9, 10 Simonon, Paul 185, 186 Sinatra, Frank 99, 163, 164 Sinatra, Nancy 163, 164 Sinclair, Bob 133 Skinner, Richard 154 Skylar, Sunny 30 Slipknot 126 Smith, Patti 66, 131 Smokey Robinson & The Miracles 173, 211 Snap! 187 Snoop Dogg 89 Soft Machine 157 Sommerville, Jimmy 216 Soundgarden 36, 37 Spector, Phil 217, 218 Spedding, Chris 209 Spence, Lewis 168 Spliff 56, 57, 196 Sportfreunde Stiller 24 Springfield, Dusty 221 Springsteen, Bruce 171, 172, 205, 206 Stalin, Josef 200 Stansfield, Lisa 13, 14
235
Starr, Ringo 143 Steinberg, Billy 122 Stevens, Cat 47, 67, 68, 69 Stewart, David A. 188 Stewart, Rod 121, 171, 197, 213 Stiegelmair, Andreas 24 Sting 127 Stipe, Michael 64, 65 Stoller, Mike 40, 73, 99 Strange, Billy 164 Stranzinger, Reinhard 118 Stray Cats 87 Streep, Meryl 192 Strummer, Joe 186 Summers, Andy 127 Svensson, Jan Harpo Torsten 131 Swift, Taylor 74 Swillms, Ulrich „Ed“ 198 Sylvester 215, 216 Sylvester & The Hot Band 215 Taboo102 Take That 164 Tarrell, Tammi 164 Tauber, Richard 108, 109, 110 Taupin, Bernie 81 Taylor, James 220, 221 Taylor, Roger 41 Tennant, Neil 16, 83 Tennessee Two 104 Tenpole Tudor 183 Thatcher, Margaret 34, 70, 119 The Andrew Oldham Orchestra 35 The Archies 53 The Art of Noise 70 The Bad Seeds 31 The Beach Boys 76, 96, 97, 189 The Beatles 30, 49, 50, 72, 76, 85, 134, 143, 144, 197, 212, 218 The Box Tops 14 The Breeders 70 The Byrds 132, 133, 152 The Carpenters 45 The Carter Family 105 The Chemical Brothers 70 The Clash 70, 184, 185, 186 The Clovers 76, 137, 210
236
The Coasters 30, 76 The Commodores 94, 134, 135, 173 The Communards 216 The Crickets 179, 180, 181 The Crockettes 215 The Crystal Method 70 The Danleers 76 The Dominoes 76, 135, 157, 210 The Easybeats 112 The Elegants 76 The Faces 121 The Four Modernaires 166 The Four Seasons 101 The Four Tops 76, 106, 122, 134, 211, 217 The Good, The Bad & The Queen 53 The Harlem Community Choir 91, 92 The Highwaymen 11 The Hollies 121, 131 The Impressions 60 The Isley Brothers 72 The Jackson Five 132, 135 The Jam 174, 182, 183, 184 The Kingston Trio 96, 97 The Kinks 184 The Les Humphries Singers 152, 153 The Mamas & the Papas 43, 44, 45 The Manhattan Transfer 110 The Melodians 152, 153, 154 The Midnighters 210, 211 The O’Jays 215 The Orioles 76 The Penguins 76 The Persuasions 150 The Platters 76 The Police 127, 128 The Primettes 212 The Prodigy 69, 71 The Righteous Brothers 217, 218 The Rolling Stones 35, 87, 121, 169, 170, 171 The Ronettes 76 The Roosters 60 The Royal Philharmonic Orchestra 150 The Shangri-Las 76 The Silhouettes 76, 77 The Skatalites 153
The Small Faces 120, 121 The Spencer Davis Group 115, 116 The Style Council 183, 184 The Supremes 76, 134, 211, 212, 213 The Tarriers 26, 27 The Temptations 76, 134, 211 The Texas Jewboys 189 The Tokens 96, 97 The Undisputed Truth 56 The Velvet Underground 66 The Verve 34, 35 The Weather Girls 215 The Weavers 96, 97, 164 The White Stripes 131 The Who 17, 63, 147, 148 The Yardbirds 184 Them 97, 131, 132 Thicke, Robin 89 Thiele, Bob 180 Thomas, David 66, 67 Thomas, Rufus 172 Thompson, Wayne Carson 14 Thornton, Willie Mae „Big Mama“ 99, 100 Thorogood, George 139 Timberlake, Justin 89 Tindley, Charles Albert 205 Tiomkin, Dimitri 181, 182 Tolkien, J.R.R. 168 Tom Petty & The Heartbreakers 108 Tom Tom Club 219 Toombs, Rudy 137 Top Notes 72 Toscanini, Arturo 202 Tosches, Nick 12 Toto 28 Townshend, Pete 147, 148 Traffic 116 Travolta, John 100, 133 Trojan, Franz 160 Truck Stop 79, 80 Truman, Harry 202 Tuero, Emilio 29, 30 Turbo B. 187 Turner, Tina 22, 148 Twain, Shania 20, 221 Twain, Mark 25
Two Tons o’Fun 215 U2 93, 148, 149, 150 Udo Lindenberg & das Panikorchester 115, 165, 166, 167 Ugly Kid Joe 48, 49 Ulrich, Lars 136 Ulvaeus, Björn 131, 191, 192 UMC 187 Ungerer, Klaus 151 Vallée, Rudy 110 Valens, Ritchie 180 Van Halen 27, 28 Van Halen, Eddie 27 Vanda, Harry 112 Vanilla Fudge 213 Vaughan, Steve Ray 177, 178 Vávrová, Dana 118 Velázquez, Consuelo 29, 30 Village People 82, 83, 100, 215 Vilsmaier, Joseph 118 Violent Femmees 56 Voltaire 151 Voormann, Klaus 134, 209 Wash, Martha 215 Ward, Bill 141 Warren, Harren 166 Warwick, Dionne 218 Washington, Denzel 171 Washington, Dinah 105, 210 Washington, Ned 181 Waters, Roger 157, 158 Wayne, John 180, 190 Weil, Cynthia 217 Weller, Paul 183, 184 Wenner, Jann 169 West, Kanye 46 Westernhagen, Marius-Müller 128, 129 White, Jack 21 Wiener Sängerknaben 137 Wilde, Kim 213 Wilder, Billy 110 will.i.am 102 Williams, Hank 156, 157, 190 Williams, Pharrell 88, 89, 103
237
Williams, Robbie 107, 163, 164 Wilson, Brian 96 Wilson, Jackie 135 Wilson, Mary 212 Wilson, Tony 218 Winehouse, Amy 213, 214 Winwood, Steve 115, 116 Witherspoon, Reese 105 Within Temptation 155 Witt, Joachim 84, 85 Wizzard 86 Wonder, Stevie 71, 72, 73, 131, 133, 188, 189, 206, 211, 212 Wood, Ron 121 Wood, Roy 86 Wright, Gary 209
238
Wright, Rick 158, 159 Wyatt, Robert 157 Yankovic „Weird“ Al 18, 29 Yes 22 Young, Angus 112, 113 Young, George 112, 113 Young, Joe 110 Young, Malcolm 112, 113 Young, Neil 77 Zabine 118 Zank, Arne 150 Zappa, Frank 160 Zinnemann, Fred 18 Zoé 30