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German Pages [241] Year 2015
Günther Fischer / Manfred Prescher
Alles klar auf der Andrea Doria Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte 2. Auflage
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG 2. Auflage 2015 © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Michael Sailer, München Gestaltung und Satz: Mario Moths, Marl Einbandgestaltung: Christian Hahn, Frankfurt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3209-7
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3210-3 eBook (epub): 978-3-8062-3211-0
I n h a l t
5 Vorwort
7 Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte
225 Register: Alle Songzeilen von A – Z
231 Register: Alle Namen von A – Z
Vorwort Es sind die wirklich coolen Songzeilen, die Zeiten und Moden überdauern: Wir erzählen zu 172 prägnanten Songzeilen 172 spannende, unterhaltsame und informative Geschichten. Wir beleuchten den Kontext, korrigieren Missverständnisse, charakterisieren die Menschen dahinter und erklären mitunter auch, wie ein Song mit dem anderen zusammenhängt. Doch was jeder Musikfan für sich selbst als cool und für die Ewigkeit bestimmt empfindet, hängt sehr davon ab, zu welcher Zeit er jung war, in welchem Umfeld er sozialisiert wurde und mit welcher Musik er aufgewachsen ist. Für den einen sind die Countrygeschichten von Hank Williams oder Johnny Cash das Größte, für den anderen Hardrocksongs von Deep Purple oder Uriah Heep, der dritte schwärmt vielleicht bis heute für die Teeniehymnen der Bay City Rollers oder von Take That, der vierte liebt den Blues à la John Lee Hooker. Megahits wie Celine Dions „My Heart Will Go On“ aus „Titanic“, einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, finden sich in unserer Auswahl ebenso wie eher unbekannte Stücke aus dem Underground. Die ältesten Songs – etwa „White Christmas“ von Bing Crosby – stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als sich Rundfunkgeräte, Jukeboxes und Plattenspieler rasant verbreiteten. Am anderen Ende der Pophistorie stehen Hits, die noch frisch und vertraut in den Ohren klingen – wie Eminems „Cleaning Out My Closet“, Julis „Perfekte Welle“ oder Lana Del Reys „Video Games“. Für die Auswahl, die wir zu treffen hatten, war nur eines wichtig: Die zitierte Songzeile muss Allgemeingut sein. Das trifft auf so unterschiedliche Sätze zu wie „Wir steigern das Bruttosozialprodukt“ von der deutschen Band Geier Sturzflug, Ina Deters „Neue Männer braucht das Land“, das konsumkritische „(I can’t get no) satisfaction“ der Rolling Stones und das Mythen bildende „I’ll never get out of this world alive“ von Hank Williams. Und es sind nicht immer nur die Hits, deren Refrains im Gedächtnis bleiben. Manche Lieder und ihre Zeilen sind schon lange in der Welt, wurden viele Male aufgenommen und interpretiert – und wirken irgendwann so, als wären sie immer schon da gewesen. Die Geschichte von „Delilah“ ist dafür ein wunderbares Beispiel. Oft bleibt auch nur die eine, die magische Zeile übrig – häufig, aber nicht immer der Titel des Liedes –, die den eigentlichen Song überdauert oder ihn sogar vergessen lässt: „Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“, „Keine Macht für niemand“, „Sex And Drugs And Rock’n’Roll“ und „Don’t Believe The Hype“ sind einige dieser zu Slogans gewordenen Liedzeilen. Meist stecken hinter den genialen Sätzen nicht nur musikalische Meilensteine, sondern witzige, manchmal auch tieftraurige Geschichten.
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Wir wünschen uns, dass dieses Buch einen Beitrag zur Objektivierung der sonst so oft unterschätzten populären Musik leistet und mithilft, vieles an notwendigem Wissen nicht verloren gehen zu lassen. Mit unserer Auswahl glauben wir eine stimmige Schnittmenge der letzten Jahrzehnte und der unterschiedlichen Musikgattungen erstellt zu haben. Trotzdem bleibt sie natürlich subjektiv. Wer also sein Lieblingslied oder seinen Lieblingsspruch vermisst, den müssen wir auf den nächsten Band voller Liedzeilen vertrösten. Wir hoffen, dass das Stöbern in diesem Buch – denn genau dafür ist es gedacht – genauso viel Spaß bereitet wie uns das Zusammentragen der Puzzleteile und das Verbinden der Einzelelemente zu den vorliegenden Geschichten. Vielleicht geht es Ihnen beim Lesen so, wie es uns beim Recherchieren und Schreiben gegangen ist: Wir wurden immer wieder neugierig auf die Songs und ihre unterschiedlichen Versionen. Zur Arbeit an „Alles klar auf der Andrea Doria“ gehörte zudem das Wühlen in unseren Plattensammlungen und deren lustbetonte Erweiterung auf Flohmärkten, in Plattenläden und Downloadportalen. Der Einfachheit halber und um ein schnelleres Auffinden des Lieblingsliedes oder der Lieblingszeile zu ermöglichen, haben wir die Texte alphabetisch nach Songtiteln (und nicht nach Liedzeilen) geordnet. Ein alphabetisches Register der Liedzeilen und eines der Band- und Personennamen findet sich im Anhang. Darüber hinaus bleibt nur, uns für die viele Geduld und das große Verständnis – vor allem bei nächtlichen Ruhestörungen durch exzessives Musikhören – zu bedanken: bei unseren Kindern Marvin, David, Sarah und Samuel sowie bei unseren strengen Mitleserinnen Bettina Koch und Martine Prescher. Wenn Sie uns schreiben möchten: [email protected] Günther Fischer / Manfred Prescher
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„One, two, three, four, five, six, nine or ten / Money can’t buy you back the love that you had then“ aus: „1234“ von Feist Es gibt Themen, die sind nicht wegzudenken aus der Popmusik, die für sie wie geschaffen scheint; Themen, die jede Generation von Musikern neu aufgreift, abwandelt und interpretiert: Liebe, Sehnsucht, Trennung. Um nichts anderes geht es auch in Feists so unschuldig gesungenem Song „1234“. Die Urversion des Liedes schrieb die australische Sängerin Sally Seltmann – und der Inhalt geht auf ein persönliches Erlebnis zurück: „Ich schrieb den Song, nachdem mir eine gute Freundin erzählt hatte, dass sie ihren Ehemann verlassen wird,“ sagt Seltmann. „Ich war bestürzt und fing an darüber nachzudenken, dass doch eigentlich wirklich jeder auf dieser Welt geliebt werden möchte – und dass man sich auch mit Geld diese intensiven Gefühle nicht wieder kaufen kann, die man am Anfang einer Beziehung spürt. Wenn man sich eben gerade frisch verliebt hat.“ Einige Generationen zuvor empfand eine andere Band genauso: The Beatles, die in „Can’t Buy Me Love“ die gleiche Einsicht zum Ausdruck bringen wie Seltman und Feist. Leslie Feist (so ihr voller Name) lernt den Song 2005 kennen, als Sally Seltmann während einer Tournee durch Kanada als Supportact mit ihr unterwegs ist. „Sallys Version des Songs war langsam, sehr zart und fast scheu“, erinnert sich Feist später, „und ich mochte ihn von Anfang an.“ Sie übernimmt ihn sofort in ihr Liveprogramm, zieht allerdings das Tempo an und schreibt zusätzliche Verse. Thema des Songs sollte nicht nur verlorene Liebe und die vergebliche Hoffnung sein, sie zurückzubekommen, sondern auch das diffuse Gefühl vieler Teenager, sich zwar verlieben, aber gleichzeitig auch dieses unbeschreibliche Gefühl von Freiheit behalten zu wollen, das man wohl nur in diesen Jahren verspürt: „One, two, three, four / Tell me that you love me more / Sleepless long nights / That is what my youth was for.“ „‚1234‘ wurde schnell zu dem Song, den ich live am liebsten spielte“, sagt Feist. Er kommt, wie sie bald feststellt, beim Publikum bestens an. Die Folge: „Es war klar, dass er auf meinem nächsten Album landen würde.“ Am 1. Mai 2007 erscheint Feists drittes Album „The Reminder“ – mit dem Song „1234“. Am 5. Mai startet Apple seine Werbekampagne für den neuen iPod Nano – und nutzt zur musikalischen Untermalung Feists Song. Die Folgen sind bekannt: „1234“ entwickelt sich zum veritablen Hit und ist bis heute Feists erfolgreichste Single. Oder anders formuliert: Ohne „1234“ wäre Feists Karriere nicht durchgestartet. gf Original: Feist: „The Reminder“ (2007, Polydor, CD)
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„And so it was that later / As the miller told his tale / That her face, at first just ghostly / Turned a whiter shade of pale“ aus: „A Whiter Shade Of Pale“ von Procol Harum Diesen Song gab es zunächst nur als Text – eine versponnene, leicht surrealistisch anmutende Geschichte eines Mädchens, das das Licht einen Fandango tanzen lässt, das voller Übermut Räder schlägt („Turned cartwheels ’cross the floor“), bis es sich seekrank fühlt („I was feeling kinda seasick“), und die Decke davonfliegen sieht („As the ceiling flew away“). Ist das alles nur ein Traum, eine Geschichte, die ein anonymer Müller erzählt und die ihr Gesicht wie von Geisterhand noch weißer als bleich werden lässt („As the miller told his tale / That her face, at first just ghostly / Turned a whiter shade of pale“)? Mit der weißen Schattierung hat es noch eine andere Bewandtnis: Texter Keith Reid ist gerade 20 Jahre alt, als er die ersten Verse des Songs schreibt, sie in einen Briefumschlag steckt und dem Pianisten Gary Brooker gibt, der damals noch bei der Band The Paramounts spielt. Durch Zufall trifft Reid ihn sechs Monate später wieder – und er erfährt lediglich, dass Brooker inzwischen die Musik dazu komponiert hat. Erneut vergehen sechs Monate, ohne dass etwas passiert – der Briefumschlag, den Brooker immer noch mit sich herumträgt, ist inzwischen ziemlich ausgeblichen, „a whiter shade of pale“. Dann aber geht es Schlag auf Schlag: Brooker nutzt für die schwerblütige Melodie Motive einer Bachkantate und spielt sie mit einer per Zeitungsannonce zusammengestellten Band im Keller einer Methodistenkirche ein. „A Whiter Shade Of Pale“ verkauft sich unmittelbar nach der Veröffentlichung im Frühjahr 1967 2,5 Millionen Mal und erreicht eine Gesamtauflage von fünf Millionen Stück. Ein Erfolg, der die Urheber völlig unvorbereitet trifft: Erst danach stellen Keith Reid und Gary Brooker die Band zusammen, die heute als Procol Harum bekannt ist. gf Original: Procol Harum: „Procol Harum“ (1967, Deram, LP)
„Alles klar auf der Andrea Doria“ aus: „Alles klar auf der Andrea Doria“ von Udo Lindenberg
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Mitternacht. Aus dem schwarz gestrichenen Vorbau des Eckhauses tönen Musikfetzen: ein treibender Bass, Orgelklänge, fetzige Gitarrenriffs, Bluesgesang und Beifallsrufe. Vor dem Eingang eine Menschentraube, und als die Tür aufgeht, sind hinter all den Köpfen ein schwarzer Musiker und seine Band auf der Bühne des kleinen Hamburger Clubs zu sehen.
Ort des Geschehens: Eppendorf, an der Ecke Lehmweg/Eppendorfer Weg. Zeit: Oktober 1976. Der Musiker auf der kleinen Bühne ist der Blueser Freddie King bei einem der letzten Konzerte vor seinem Tod, der Club heißt ganz bescheiden „Onkel Pös Carnegie Hall“. Es ist Udo Lindenbergs Lieblingsclub – er verewigte ihn bereits 1973 mit der Zeile „Bei Onkel Pö spielt ’ne Rentner-Band / Seit zwanzig Jahren Dixieland“ in seinem ersten großen Hit „Alles klar auf der Andrea Doria“. Lindenberg war selbst Mitglied von „Brunos Salon Band“, die er im Lied als Rentnerband bezeichnet und die einmal im Monat hier auftritt. Das „Onkel Pö“ hat seine beste Zeit in den Jahren 1975 bis 1981, als Musiker wie Randy Newman, Lou Reed, Willy DeVille, Southside Johnny, Patti Smith, Dexter Gordon, Jan Garbarek, Joachim Kühn, Pat Metheny und Dizzy Gillespie hier vor rund 250 Besuchern (dann ist der Club voll!) auftreten und dem Stimmakrobaten Al Jarreau gar der Durchbruch zur Weltkarriere gelingt. In diesem Club findet aber auch regelmäßig der „Ball der einsamen Herzen“ statt – wovon Lindenberg eigentlich singt: „Und dann Paula aus St. Pauli, die sich immer auszieht / Und Lola hat Geburtstag / Und man trinkt darauf, dass sie wirklich mal so alt wird / Wie sie jetzt schon aussieht.“ In den siebziger Jahren ist ein gewisser Gottfried Böttger (heute arbeitet er als Dozent für Medieninformatik) Pianist in Lindenbergs Panikorchester. Auch ihm ist eine launige Zeile gewidmet: „Gottfried heißt der Knabe da hinten am Klavier / Und für jede Nummer Ragtime kriegt er ’n Korn und ’n Bier.“ Doch Lindenberg ahnt, dass dieser leicht verrückten Welt, in der „Bernie Flottmann denkt, er wär ’n Astronaut“, und das „Groupie Rosa aufm Tisch tanzt“, der Untergang droht: „Und ich glaub, dass unser Dampfer bald untergeht / Aber sonst ist heute wieder alles klar / Auf der Andrea Doria.“ So wie das Passagierschiff „Andrea Doria“ am 25. Juli 1956 um 23.21 Uhr (unweit der Position, an der 44 Jahre zuvor die „Titanic“ sank) mit der „Stockholm“ zusammenstieß, so prallen auch im „Onkel Pö“ bald zwei Welten aufeinander: hier die Kneipengeher, Bar- und Nachtclubfans, dort die schicken Medien- und Management-Menschen, die große Stars hautnah erleben wollen. Das „Onkel Pö“ schließt 1985. gf Original: Udo Lindenberg: „Alles klar auf der Andrea Doria“ (1973, Telefunken, LP)
„Always look on the bright side of life“ aus: „Always Look On The Bright Side Of Life“ von Monty Python „Kopf hoch, Brian! Du weißt doch, wie es heißt. Ja. Es gibt Dinge im Leben, die sind nun mal nicht schön. Und das kann einen wirklich manchmal verrückt
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machen. Und dann passieren wieder Dinge, da schwörst und fluchst du nur. Und wenn du nun am Knorpel des Lebens herumkaust, sei nicht sauer deswegen. Nein. Pfeif dir doch eins. Denn pfeifen hilft dir, die Dinge auf einmal ganz anders zu sehen, verstehst du? Uuuund … always look on the bright side of life.“ Diese an sich hoffnungsvollen Worte werden in absolut hoffnungsloser Situation gesprochen: Sie sind Teil der abschließenden Kreuzigungsszene des Films „Das Leben des Brian“. Ein ebenfalls zum Tode Verurteilter sagt die Sätze zu Brian, der schon vor dem Richterspruch des Pilatus sein Kreuz zu tragen hat: Er kommt am selben Tag wie Jesus ausgerechnet im Stall neben dem Herrn zur Welt. Seine wenigen Erwachsenenjahre verbringt er auf der Flucht vor einer Meute, die ihn als Heiland ansieht. Die finale Kreuzigungsszene sorgte nach dem Kinostart im Jahre 1979 für Empörung unter Christen. Die Macher des Films hatten die Diskussionen um christliche Symbolik und biblische Bilder eingeplant; schon vor „Brian“ waren sie der Überzeugung, dass man über alles Witze machen kann. Religionskritik wollten sie jedoch nicht üben, wie Michael Palin immer wieder betont hat. Er und seine Mitstreiter Eric Idle, John Cleese, Terry Gilliam, Terry Jones und Graham Chapman, besser bekannt als Monty Python, änderten das Drehbuch ständig, kamen zum Beispiel rasch von der ursprünglichen Idee ab, Brian als verschollenen 13. Jünger Jesu darzustellen. Auch sollte der Film zunächst „Jesus Christ – Lust For Glory“ heißen. Das Sextett machte alles selbst; es führte Regie (Jones), baute die Tricksequenzen (Gilliam), schrieb gemeinsam das Drehbuch und ist in unzähligen Rollen zu sehen. Graham Chapman spielt zum Beispiel Brian, außerdem einen Weisen und den römischen Soldaten Schwanzus Longus. Produziert wurde „Das Leben des Brian“ von der 1978 gegründeten Firma Handmade Films. Die gehörte George Harrison, der ein Faible für das komische Sextett hatte. Der Ex-Beatle ist im Film in einer kurzen Szene zu sehen: Er spielt Herrn Papadopoulos, der Brian einen Berg zum Predigen beschafft. Musikalisch trug Harrison nichts zum Film bei, auch den Soundtrack produzierten die Pythons selbst. Schon in der BBC-Serie „Monty Python’s Flying Circus“, deren erste von 45 Folgen in Großbritannien am 5. Oktober 1969 ausgestrahlt wurde, zeigten sie ihr Talent als Komponisten und Texter komischer Songs. Es waren ihre Lieder, die den späteren Talkmaster Alfred Biolek zum Fan der Pythons machten; er importierte den „Fliegenden Zirkus“ nach Deutschland. Eingängige Songs finden sich auch in ihren Kinofilmen, vor allem in „Brian“ und im „Sinn des Lebens“ (1983), zum Beispiel „Every Sperm Is Sacred“, „Brian Song“ – oder eben „Always Look On The Bright Side Of Life“.
Der Song stammt aus der Feder von Eric Idle und wurde schon zum Filmstart ein Erfolg in Großbritannien. 1991 gelangte er in die deutschen Top Ten, ein Kulthit war er schon vorher. Das liegt auch an der prägnanten Melodie, aber erst recht an der makabren 27. und letzten Szene des Films: Die Gekreuzigten wiegen im Takt des Liedes ihre Köpfe hin und her. Sie pfeifen und versuchen, sich einen guten Abgang zu verschaffen: „For life is quite absurd / And death’s the final word / You must always face the curtain with a bow.“ Und: „You’ll see it’s all a show / Keep ’em laughing as you go / Just remember that the last laugh is on you / Always look on the bright side of life.“ Der Song geht langsam in den Abspann über, begleitet von den Worten: „Komm, wir wollen jetzt abhauen! Tja. Das wär’s. Siehst du? Ende der Fahnenstange.“ Damit ist der Film noch immer nicht zu Ende, denn die Monty Pythons nutzen die Hinrichtung zur Eigenwerbung: „Ach, übrigens: Diese Platte gibt’s zu kaufen. Sonja hat das Titellied gesungen, weißt du? Werdet ihr eigentlich für den Quatsch hier bezahlt? Damit macht ihr doch keine müde Mark! Also habe ich zu denen gesagt, ich habe gesagt: ‚Monty‘, habe ich gesagt, ‚mit dem Ding macht ihr nicht eine müde Mark!‘“ mp Original: Monty Python: „Life Of Brian“ (1979, Warner, LP)
„The day the music died“ aus: „American Pie“ von Don McLean Don McLean, am 2. Oktober 1945 in New Rochelle, New York, geboren, beschließt 1961 (als 16-Jähriger!), Profimusiker zu werden, und gastiert ab 1963 regelmäßig in den Clubs von Greenwich Village. Er nutzt jede Auftrittsmöglichkeit und entwickelt seine Songs unter dem Einfluss politischer Songwriter wie Pete Seeger, Phil Ochs und des frühen Bob Dylan. Der Durchbruch gelingt ihm im Sommer 1971 mit dem bis dahin längsten Song, der es je in eine Hitparade geschafft hat: „American Pie“ dauert 8 Minuten und 38 Sekunden. Der Song passt damals auf keine Single – weshalb er halbiert und der zweite Teil auf die Rückseite gepresst wird. Nur im Radio kann er dank Überblendung von einer Single auf eine andere in voller Länge durchgespielt werden. Den verrätselten Text des Liedes zu deuten, das weniger ein Popsong als ein großartiges Gedicht ist, beschäftigte in der Folgezeit Legionen von Fans und Kritikern und wurde sogar zum Thema von Englischstunden an Gymnasien. Don McLeans standhafte Weigerung, die Entstehung und Bedeutung des Textes zu erklären, trug enorm zur Mythenbildung bei. Nur eines ist sicher – weil es auf der einzigen Aussage beruht, die McLean je zu seinem Lied gemacht hat: „American Pie“ ist seine Reverenz an den
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Musiker Buddy Holly, der am 3. Februar 1959 im Alter von nur 22 Jahren bei einem Flugzeugabsturz starb. Viel zu jung. Dieser Meinung war nicht nur der damals 13-jährige Don McLean, der sich sein Taschengeld als Zeitungsbote verdiente und an diesem Tag die Schlagzeile vom Tod seines Idols lesen musste. Schließlich begann er wegen seiner Begeisterung für Buddy Holly Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben. Die emotionale Erschütterung aber, die ihn in jenem kalten Februar ereilte, beschreibt er gleich in den ersten Zeilen von „American Pie“ („But February made me shiver / With every paper I’d deliver / Bad news on the doorstep“). Er besingt Hollys Todestag als den Tag, an dem die Musik starb: „But something touched me deep inside / The day the music died“ – ein Bild, das er im Refrain empathisch überhöht und mehrmals wiederholt, denn da ist Hollys Todestag der Tag, an dem auch Don McLean „stirbt“ („This’ll be the day that I die“). Diese Zeile spielt zugleich auf Buddy Hollys größten Hit „That’ll Be The Day“ an. Mit der Titelzeile „Bye bye Miss American Pie“ wiederum feminisiert McLean die Rockmusik der fünfziger Jahre und macht deutlich, dass diese Musik auf ihn so unschuldig wie eine Jungfrau („Miss“) und frisch wie ein amerikanischer Apfelkuchen („Pie“) wirkt. Das Lied, das McLean zwölf Jahre nach Hollys Tod verfasste („A long long time ago / I can still remember, how that music used to make me smile“), geriet ihm aber auch zu einer scharf beobachteten Genreskizze, mit der er sich seinen Frust über den schleichenden Tod des amerikanischen Rock’n’Roll von der Seele schrieb. Alles, was nach Hollys Tod kam, erschien ihm künstlich und überproduziert. Ihm fehlten die Ursprünglichkeit, die echten Instrumente; die Künstler hielt er für korrumpiert und anfällig für Exzesse aller Art. Der Text der folgenden Strophen ist denn auch gespickt mit Anspielungen auf die Beatles, die Byrds, die Rolling Stones, Janis Joplin („I met a girl who sang the blues / And I asked her for some happy news / But she just smiled and turned away“ – eine kurze, traurige Hommage an die 1970 in Hollywood gestorbene Bluessängerin), Elvis Presley, Bob Dylan und andere mehr. Als ein Beispiel für viele können seine Verse über die kalifornische Band The Byrds stehen: „The Byrds flew off with a fallout shelter“ – mit „fallout shelter“ ist ein Atomschutzbunker gemeint, dessen Symbol auf dem Cover des Bob-Dylan-Albums zu sehen ist, das „Mr. Tambourine Man“ enthält. Mit diesem Song wiederum feierten die Byrds ihren ersten Hit, er brachte sie also „zum Fliegen“. Aber: „eight miles high and falling fast“ – „Eight Miles High“ ist einer der größten Hits der Band und einer der ersten wirklichen Drogensongs (was die Byrds zwar stets bestritten, was aber bis heute so verstanden wird). Das Ergebnis ihrer Drogensucht war der schnelle Absturz. McLeans nüchter-
nes Fazit: „It landed foul out on the grass.“ Bands wie die Byrds haben seiner Ansicht nach „foul“ gespielt, Hoffnungen betrogen, die Fans getäuscht und es sich mit Marihuana („grass“) bequem gemacht. Wer mehr wissen will: Im Internet findet sich eine Fülle von Websites, die weitere Hinweise geben. Freilich steht seit Jahrzehnten fest, dass die Musik an diesem Tag nicht gestorben ist ... Bittere Anekdote am Rande: Buddy Holly bestieg das Flugzeug auch deswegen, weil er zuvor das letzte Ticket im Kartenspiel gegen seinen Bassisten gewonnen hatte, den Countrymusiker Waylon Jennings. Die Single wurde 1972 für einen Grammy als „Song des Jahres“ nominiert, entwickelte sich zum Welthit (Platz eins in den USA, Platz zwei in Großbritannien, Platz neun in Deutschland) und verkaufte sich über sieben Millionen Mal. Das Album „American Pie“ (Platz eins in den USA, Platz drei in Großbritannien, Platz 31 in Deutschland) brachte es auf eine Auflage von drei Millionen Stück. Don McLean, der „mit einem Popstar nichts gemein hat“ (Melody Maker), wurde überschwänglich als „der neue Geschichtenerzähler der USA“ („Rolling Stone“) gefeiert – ein Lob, das die nächste Platte nicht überdauerte. McLeans Ruhm gründet sich bis heute vor allem auf „American Pie“ und die später folgende Single „Vincent“, eine Eloge auf den Maler Vincent van Gogh. Sehr vorausschauend aber ließ sich McLean schon Anfang der siebziger Jahre Begriffe und Zeilen wie „American Pie“ und „The day the music died“ urheberrechtlich schützen. Seither lautet einer seiner Standardsätze: „‚American Pie‘ bedeutet für mich, dass ich nie mehr arbeiten muss, wenn ich nicht will.“ Denn immer wenn die Teeniekomödie „American Pie“ und ihre Sequels im Kino laufen, als DVD über den Ladentisch gehen, wenn Madonna oder andere Musiker den Song neu interpretieren: Die Tantiemen landen in Don McLeans Tasche. gf Original: Don McLean: „American Pie“ (1971, United Artists, LP)
„Hey! Teacher! Leave them kids alone“ aus: „Another Brick In The Wall (Part 2)“ von Pink Floyd „The Wall“, die monumental wirkende Rockoper über den Aufstieg und Fall eines Rockstars, erscheint 1979 als Doppelalbum. Zwar steht der Bandname Pink Floyd („See Emily Play“) auf dem Cover, der eigentliche Urheber ist jedoch Bassist Roger Waters, der zu diesem Zeitpunkt in der Band das Ruder an sich gerissen und fast alle Stücke im Alleingang geschrieben hat. Das Werk erzählt die Geschichte des Rockmusikers Pink, der, vom Showbiz entmenscht und zunehmend den Bezug zur Realität verlierend, eine psychische Mauer von Wahnsinn, Paranoia und Entfremdung um sich herum erbaut. Diese Mauer muss, will
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Pink zu einem Leben als Mensch zurückfinden, wieder niedergerissen werden – was nur durch einen schmerzhaften Läuterungsprozess möglich wird. Der dreiteilige Song „Another Brick In the Wall (Part 1, 2, 3)“ beschreibt, wie Pinks Vereinsamung und Abkapselung schon in seinen Jugendjahren beginnt. Die Schuld daran wird dem Vater gegeben, der seinen Sohn früh im Stich lässt („Daddy’s flown across the ocean / Leaving just a memory / Snapshot in the family album“) und ihm damit einen der schwersten Ziegelsteine in seiner Psychomauer („another brick in the wall“) aufbürdet. Dass der Song zu Pink Floyds weltweit erstem und einzigem Nummereins-Singlehit wurde („Arnold Layne“ war 1967 in Großbritannien in den Top 20, „See Emily Play“ erreichte Platz sechs), hat mit einem Missverständnis zu tun: Die Millionen Kids, die die Single kauften, hörten darin einen Aufruf zur pubertären Revolte – ähnlich wie in Alice Coopers Sätzen „No more pencils / No more books / No more teacher’s dirty looks“ („School’s Out“, übrigens ebenfalls von Bob Ezrin produziert) sieben Jahre zuvor –, mit dem Lehrer als wohlfeilem Feindbild: „We don’t need no education / We don’t need no thought control / No dark sarcasm in the classroom“, singt sogar ein Schulchor und verbindet das mit einer Aufforderung, die irgendwann der Wunschtraum eines jeden Schülers war: „Hey! Teacher! Leave us kids alone!“ Das Thema der Isoliertheit und Bedeutungslosigkeit des – jungen – Menschen in der Massengesellschaft (der Mensch selbst ist auch „nur ein weiterer Stein in der Mauer“) und das Benennen diffuser Ängste erschienen damals vielen so brisant, dass die Single von Rundfunksendern wie der BBC boykottiert wurde. Dem Erfolg schadete das nicht. Es war indes das letzte Mal, dass es Pink Floyd gelang, ein Problem generationsübergreifend – immerhin war die Band zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als 15 Jahren im Geschäft – zu thematisieren. Danach zerbrach die Band gf Original: Pink Floyd: „The Wall“ (1979, Harvest, LP)
„Another saturday night and I ain’t got nobody“ aus: „Another Saturday Night“ von Sam Cooke
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Sam Cooke kommt 1931 als siebtes von acht Kindern eines Baptistenpredigers in Clarksdale, Mississippi, zur Welt. Schon als Kind singt er Gospels und wird mit 15 bereits Leadsänger der Soul Stirrers. Ähnlich wie Ray Charles entwickelt Cooke aus Gospel und Rock einen mitreißenden Soulstil, der viele andere Künstler beeinflussen wird, unter anderem Aretha Franklin („Respect“), Otis Redding („(Sittin’ On) The Dock Of The
Bay“), Wilson Pickett, Percy Sledge („When A Man Loves A Woman“) – und Rod Stewart („Maggie May“). In dem 1963 erschienenen „Another Saturday Night“ besingt er das Freizeitverhalten von Jugendlichen, die zumindest am Samstag, wenn der Wochenlohn ausbezahlt ist, ein wenig Spaß haben wollen – den aber nicht allein: „Another saturday night and I ain’t got nobody / I got some money cause I just got paid / Oh, how I wish I had someone to talk to.“ Aber einfach irgendeine soll es auch nicht sein: „Another fella told me / He had a sister who looked just fine / (…) / She had a strange resemblance / To a cat named of Frankenstein, oh no-oh!“ Eigentlich aber – und so ist das Lied auch entstanden – reflektiert Sam Cooke seine einsamen Abende während der Tourneen, wenn er jeden Abend nach dem Auftritt (und der Abrechnung der Abendkasse) in einer anderen Stadt sein Vergnügen suchen muss. Doch diese Suche ist vielen Jugendlichen vertraut: Unterlegt mit einem flotten R&B-Rhythmus schoss der Song sofort in die Hitparaden. Ein leichtes und unterhaltsames Liedchen – das hat durchaus seine Berechtigung in der schwarzen Community der USA, die oft genug erdenschwere Kämpfe um ihre Bürgerrechte austragen muss. Dass auch Sam Cooke eine andere Seite hatte, zeigt sein postum veröffentlichter Song „A Change Is Gonna Come“: Er gilt als Hymne der „Civil Rights“-Bewegung in den USA. Am 11. Dezember 1964 wurde Sam Cooke von der 55-jährigen weißen Managerin eines Hotels an der South Figueroa Street erschossen, weil er nach einer nächtlichen Party irrtümlich ihr Büro betreten hatte – in ziemlich derangierter Kleidung. gf Original: Sam Cooke: „Ain’t That Good News“ (1964, RCA, LP)
„You know I hate to ask / But are ‚friends‘ electric?“ aus: „Are ‚Friends‘ Electric?“ von Tubeway Army Es gibt kryptische Songtitel, die keiner versteht. Immer wieder wird versucht, den Inhalt eines Satzes zu erfassen, aber die Textanalyse scheitert. Das ist auch mit „Are ‚Friends‘ Electric?“ so, und es nützt nichts, dass sich Teile der Computer-Hacker-Szene diesen Satz auf die Fahne geschrieben haben. Auch sie wissen nicht, was Gary Numan, der Autor der Zeile, damit gemeint hat. Der Londoner Numan, der eigentlich Gary Anthony James Webb heißt, wird Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre zum Aushängeschild des Synthiepop, einer damals neuen musikalischen Strömung. Während
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überall noch der Punk wütet, hat der bleich geschminkte Engländer seine wilde Phase und die Band The Lasers schon hinter sich gelassen. Er wird – zunächst mit seiner Formation Tubeway Army, später solo – zum erfolgreichen Vorbild für die Elektronikbands der achtziger Jahre: Gruppen wie Depeche Mode („Enjoy The Silence“), OMD und Heaven 17 („(We Don’t Need This) Fascist Groove Thang“) entwickeln seinen Sound weiter. Als Numan mit seiner zweiten Tubeway-Army-LP „Replicas“ 1979 den Durchbruch schafft und mit „Are ‚Friends‘ Electric?“ wochenlang die britischen Charts anführt, belächelt ihn die Musikkritik und verhöhnt ihn als „Retortenbaby“. Dabei sind Numans Songs komplex und seine Texte beileibe keine albernen Schlager: In „Friends“ findet sich nicht nur die mystische Zeile „You know I hate to ask / But are ‚friends‘ electric?“ Das Lied beschreibt intensiv die Einsamkeit eines Verlassenen, der in einem Zimmer oder einer Zelle sitzt und der Beobachtung ausgesetzt ist: „It’s cold outside / And the paint’s peeling off of my walls / There’s a man outside / In a long coat, grey hat, smoking a cigarette.“ Numan stellt sich vor, dass die Menschen in naher Zukunft von unscheinbaren Robotern beschützt, bewacht und befriedigt werden: „Ich ging davon aus, dass Androiden unser Leben bestimmen werden und dass es ein freudloses und isoliertes Leben sein wird.“ Im Gegensatz zur Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk („Autobahn“) ist Numan kein technikgläubiger Computerguru – sein Song steckt voller Zweifel. Die naheliegende Deutung, dass er die Maschinenmenschen ironisierend als „Freunde“ bezeichnet, will er im Gespräch nicht bestätigen. Der Satz sei ihm „einfach so beim Rasieren eingefallen“. „Are ‚Friends‘ Electric?“, mit verfremdeter Gitarre, Bass, Schlagzeug und einem Minimoog-Synthesizer eingespielt, nutzt die Elektronik, um eine düstere Sicht auf die hoch technisierte Zukunft wirkungsvoll zu instrumentieren. Dem Beobachteten bleibt nur ein Fluchtweg, der Abschied: „So I find out your reasons / For the phone calls and smiles / And it hurts and I’m lonely / And I should never have tried / And I missed you tonight / So it’s time to leave / You see it meant everything to me.“ mp Original: Tubeway Army: „Replicas“ (1979, Beggar’s Banquet, LP)
„It is the evening of the day / I sit and watch the children play“ aus: „As Tears Go By“ von Marianne Faithfull
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Den Song „As Tears Go By“ schrieben Mick Jagger und Keith Richards („(I Can’t Get No) Satisfaction“, „Get Off Of My Cloud“) auf dringenden Wunsch des Managers der Rolling Stones, Andrew Loog Oldham. Dass es dazu
überhaupt kam, ist das Resultat einer ganzen Kette von Ereignissen. Marianne Faithfull, 1946 als Tochter eines Literaturprofessors und der Baroness Eva Sacher-Masoch in London geboren, war gerade mal 17 Jahre alt, als sie 1964 eine Party zur Veröffentlichung einer Single der Schauspielerin Adrienne Poster (die sich später Posta nannte) besuchte. Marianne begleitete ihren Freund John Dunbar, musterte aber frech und vorwitzig alle Männer im Raum – und darunter waren eben auch Mick Jagger und Andrew Oldham. Nur wenig später geschah – wie sie sich später erinnerte – etwas Unglaubliches. Der erste Satz, den Oldham zu ihr sagte, lautete: „Hey, möchtest du nicht eine Platte aufnehmen?“ Welches 17-jährige Mädchen würde dazu nein sagen? Die ersten Songs, die Oldham sie singen lässt, passen aber nicht zu Faithfulls Stimme. In seiner Not bittet Oldham Jagger und Richards inständig um einen Song – aber einen passenden: „Ich erzählte ihnen“, sagt er später in einem Interview, „dass sie eine Klosterschülerin ist und dass ich deswegen einen harmlosen Song ohne Sex will.“ Was zu so braven und die Tränendrüsen bearbeitenden Zeilen wie „It is the evening of the day / I sit and watch the children play“ oder auch „My riches can’t buy everything / I want to hear the children sing“ führt. Unschuldig sind aber nur die Zeilen: Die Klosterschülerin geht bald darauf mit Keith Richards, Mick Jagger und dem Stones-Gitarristen Brian Jones ins Bett und wird zur Femme fatale im Londoner Rockzirkus. Eigentlich sollte der Song „As Time Goes By“ heißen, wurde aber im Studio in „As Tears Go By“ umbenannt. Zum Singen ließ Marianne Faithfull sämtliche Lichter löschen – sie wollte aus Unsicherheit völlig im Dunklen sitzen. Kaum erschienen, stürmte der Song auf Platz neun der britischen Charts und wurde, so Faithfull, zum „Meilenstein meines unglaublichen Lebens“. Die Rolling Stones nahmen „As Tears Go By“ ein Jahr später auf. 1966 sang Marianne Faithfull den Song in dem Jean-Luc-Godard-Film „Made In USA“ in einer A-cappella-Version. Mick Jagger spielte ihn im selben Jahr mit einem Orchester auf Italienisch ein: „Con Le Mie Lacrime“. gf Original: Marianne Faithfull: „Marianne Faithfull“ (1965, Deram, LP), weitere Version: The Rolling Stones: „December’s Children (And Everybody’s)“ (1965, London, LP)
„Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn“ aus: „Autobahn“ von Kraftwerk Ein Autotür fällt zu, Sekunden später wird ein Motor gestartet, der Wagen fährt los, entfernt sich, zweimal ertönt eine Hupe – dann singt eine durch einen Vocoder verfremdete Stimme etliche Male das Wort Autobahn. So
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unspektakulär beginnt eines der folgenreichsten Musikstücke des 20. Jahrhunderts. Der lässig dahinblubbernde Rhythmus imitiert in der Folge eine gemütliche Autobahnfahrt – eine Fahrt freilich, die noch so idyllisch gewesen sein dürfte, wie die Covergrafik von Emil Schult unterstellt und die Verse es schildern. Die Idee zum Song kam der vierköpfigen Band übrigens während einer Autobahnfahrt in Ralf Hütters Volkswagen. Auch der monoton wiederholte Refrain „Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn“ (er wird jeweils viermal gesungen) suggeriert eine lange Fahrt – die LP-Version des Stücks dauert denn auch 22:43 Minuten. Die wenigen, naiv wirkenden Reime – „Vor uns liegt ein weites Tal / Die Sonne scheint mit Glitzerstrahl / Die Fahrbahn ist ein graues Band / Weiße Streifen, grüner Rand / Jetzt schalten wir das Radio an / Aus dem Lautsprecher klingt es dann …“ – erinnern zwar mit ihrer Unbeschwertheit an Songs der Beach Boys, das gesamte Lied von der Stimmung her auch an den Klassiker „Route 66“, aber mit dem Wort „Autobahn“ lenkt die Band die Aufmerksamkeit auf eine der deutschesten Errungenschaften überhaupt. Ein klareres und optimistischeres Bekenntnis zu ihrer deutschen Herkunft und eine deutlichere Absage an jedwede angloamerikanischen Einflüsse sind kaum möglich. „Autobahn“ erschien auf der vierten LP der Gruppe Kraftwerk und brachte ihr den weltweiten Durchbruch. Die auf vier Minuten gekürzte Version von „Autobahn“ schaffte als erste deutschsprachige Single den Sprung in die US-Charts: Sie stieg bis auf Platz 25. Das gleichnamige Album erreichte in den USA Platz fünf der Billboard-Charts und hielt sich dort vier Monate lang – ein sensationeller Erfolg für eine deutsche Band. In Großbritannien und Deutschland platzierte sich die LP, in Deutschland auch die Single in den Top Ten. Die hypnotische Ausstrahlung des 1974 erschienenen Songs sucht bis heute ihresgleichen. Über einem kaum variierten elektronischen Grundmuster liegt ein Teppich elektronisch verfremdeter Flöten- und Gitarrenklänge, wobei einer der ersten Moog-Synthesizer bei einer Plattenproduktion zum Einsatz kommt und gute Dienste leistet. Kraftwerk gelang mit „Autobahn“ die Pioniertat, zeitgenössische Elektronik mit der Dynamik von Rockmusik zu verbinden – die Band legte so, vor allem mit ihrem Erfolg in den USA, den Grundstein für ein ganzes Genre: Technopop. Und ohne Techno gäbe es heute keine Clubkultur, keine Clubmode, keine Designerdrogen, keine Love Parade und auch keinen Synthiepop. Übrigens: Kraftwerk wurde 1968 von Ralf Hütter und Florian Schneider in Düsseldorf gegründet – beide waren mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen befreundet. 1970 richteten sie sich ein Tonstudio ein und
benannten ihre Band nach einem imposanten Gebäude, das am anderen Ufer des Rheins steht – dem Kraftwerk Lausward. gf Original: Kraftwerk: „Autobahn“ (1974, Philips, LP)
„And the girl in the corner said / Boy, I wanna warn ya, it’ll turn into a ballroom blitz“ aus: „Ballroom Blitz“ von The Sweet The Sweet begannen ihre Karriere 1968 in der Besetzung Brian Connolly (Gesang), Mick Tucker (Gesang, Schlagzeug), Frank Torpey (Gitarre) und Steve Priest (Bass). Anfangs nannten sie sich Sweetshop. Im Sommer 1968 unterschrieben sie ihren ersten Plattenvertrag bei Fontana und änderten ihren Namen in The Sweet. Nach einer erfolglosen Single verließ Torpey die Band und wurde durch Mick Stewart ersetzt, für den nach drei weiteren Singles (bei EMI) Andy Scott einstieg. RCA bot der neuen Besetzung einen Plattenvertrag an, nachdem deren Produzent Phil Wainman sie mit den Songwritern Nicky Chinn und Mike Chapman bekannt gemacht hatte (die auch für Mud, Suzi Quatro und viele andere Songs schrieben und im Musikbusiness unter dem Firmennamen „Chinnichap“ berühmt wurden). Der Erfolg stellt sich ein, aber die Aufnahmen der Band bieten ein eigenartiges Bild: Bestehen die Chinnichap-A-Seiten aus seichtem, aber überaus erfolgreichem Bubblegumpop („Funny Funny“, „Co-Co“, „Poppa Joe“, „WigWam Bam“), so sind die von der Band selbst geschriebenen B-Seiten meist rockige Gitarrenkracher. Chinn und Chapman sind clever genug, das Bild zu vereinheitlichen. Ihre für die Band geschriebenen Songs gehen bald in Richtung Glamrock, bleiben aber radiotauglich. Der erste große Hit dieser Machart wird 1973 „Blockbuster“, bald gefolgt von „The Ballroom Blitz“. „The Ballroom Blitz“ sollte ursprünglich „Bar Room Blitz“ heißen: Chinn und Chapman hatten in der Nacht zuvor einmal mehr zu lange in diversen Bars abgehangen und brüteten am Morgen danach in Nicky Chinns Wohnung über dem Titel eines neuen Songs für The Sweet. Das jugendliche Image der Band passt jedoch nicht recht zu solchen Bars. „Plötzlich musste ich an die ganzen Dancehallclubs und umfunktionierten Ballsäle denken, in denen Anfang der siebziger Jahre all die Bands auftraten“, erinnerte sich Chinn später. „Sie waren voller Jugendlicher, die Stimmung stets am Kochen, die Stroboskopblitze zuckten durch die Nacht – und schon war der Titel da: Ballroom Blitz.“ Der Song simuliert den Auftritt einer Band („Are you ready, Steve? Aha. Andy? Yeah. Mick? Okay. Alright, fellas, let’s go!“) und feiert überschäumend diese Jugendkultur – mit Zeilen wie „Oh yeah, it was like lightning, everybody
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was frightening / And the music was soothing, and they all started grooving.“ Aber es sind nicht nur die Stroboskopblitze, die die Nacht erhellen. Der Songtext entsteht unter dem Eindruck eines Auftritts der Band in Kilmarnock 1973, wie der Bassist Steve Priest in seiner Autobiographie erzählt. Die Band wurde damals von der Bühne gejagt – in einem „Bombardement“ von Flaschen. Ein Mädchen verglich das sogar mit einem deutschen Bombenangriff auf Großbritannien im Zweiten Weltkrieg, „Blitz“ genannt: „And the girl in the corner said / Boy, I wanna warn ya, it’ll turn into a ballroom blitz.“ Dieses knackige Stück Musik toppte zur Enttäuschung von Chinn und Chapman zwar nie die Charts in Großbritannien, kletterte aber immerhin bis auf Platz zwei (Platz eins blockierte wochenlang das längst vergessene Simon Park Orchestra mit „Eye Level“) und erreichte 1975 in den USA die Top Five. Tia Carrera covert den Song 1992 für die Teenie-Kinoklamotte „Wayne’s World“ – ihre Version erreicht noch einmal Platz sechs der britischen Charts. gf Original: The Sweet: „The Ballroom Blitz“ (1973, RCA, Single)
„And the county judge, who held a grudge / Will search forevermore / For the band on the run“ aus: „Band On The Run“ von Paul McCartney & Wings
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Ein Song, der mit einem Paukenschlag beginnt: „Stuck inside these four walls, sent inside forever / Never seeing no one nice again like you / Mama, you.“ Für immer in engen vier Wänden eingesperrt und die Angst, nie wieder die Mama sehen zu können – was treibt den Mastermind der Wings, Ex-Beatle Paul McCartney („Yesterday“, „Let It Be“), dazu, so zu jammern und zu wüten? Es waren einschneidende Erlebnisse mit den Behörden, die ihm die Feder führten: Wie viele andere Musiker seiner Zeit ist auch Paul McCartney „kreativitätsfördernden“ Drogen nicht abgeneigt. Schon zu Beatles-Zeiten outet er sich als Kiffer und tritt mehr als einmal für die Legalisierung von Pot (Marihuana) ein. Nur logisch also, dass er des Öfteren mit offiziellen Stellen zu tun bekommt. 1973 wird er zu einer Geldstrafe von 100 Pfund verurteilt, weil er Marihuana angebaut hat – die vier Wände eines Polizeireviers hat er da mit Sicherheit kennen gelernt und eine Ahnung davon bekommen, wie es wäre, längere Zeit gesiebte Luft atmen zu müssen. Bitter beklagt er sich 1987 in einem Interview mit Timothy White, dass „sich Bands wie The Byrds und Eagles wie Desperados fühlten. Wegen Pot wurden wir geächtet.“ Mit leidigen Folgen: „And the county judge, who held a grudge / Will search for evermore / For the band on the run.“
Paul McCartney schreibt den Song kurz bevor er 1973 nach Lagos in Nigeria fliegt, um dort mit den Wings das ganze Album einzuspielen. Es wird zum erfolgreichsten seiner Karriere nach den Beatles: Es wirft einen Nummer-eins-Hit (den Titelsong) und drei weitere Top-Ten-Singles ab („Helen Wheels“ in den USA, „Jet“, „Mrs. Vanderbilt“), steht vier Wochen auf Platz eins der US-Charts und wird dort mit Dreifachplatin ausgezeichnet. Die Schwierigkeiten mit den Behörden aber bleiben: 1980 wird McCartney in Tokio mit 214 Gramm Marihuana im Handgepäck verhaftet – die Tournee der Wings wird daraufhin abgesagt. Auf Barbados kommt er 1984 erneut mit einem blauen Auge davon: Er muss als symbolische Strafe nur einhundert Dollar zahlen, um nach einer Verhaftung wegen Drogenmissbrauchs wieder freizukommen. g f Original: Paul McCartney & Wings: „Band On The Run“ (1973, Apple, LP)
„Be-bop-a-lula, she’s my baby“ aus: „Be-Bop-A-Lula“ von Gene Vincent Zugegeben, besonders geistreich ist der Text von „Be-Bop-A-Lula“ nicht. Neben der ständig wiederholten Titelzeile hat er nur wenige Sätze von der Qualität wie „She’s the queen of all teens“ zu bieten. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Einfältigkeit der Worte wurde Gene Vincents Song einer der größten Hits des Rock’n’Roll. Im Gegensatz zu anderen Hits der Ära, etwa „Shake, Rattle And Roll“, bedeuten die Titelsilben überhaupt nichts. „Sie klingen einfach gut“, sagte Vincent später. Gene Vincent ist eine der tragischen Gestalten des Rock’n’Roll: Ursprünglich pflegt der 1935 als Eugene Vincent Craddock in Norfolk, Virginia geborene Sänger ein Faible für Countrymusik. Seine frühesten musikalischen Versuche haben nichts mit Rock’n’Roll zu tun. Erst der gigantische Erfolg von Elvis Presley lässt ihn umschwenken. Zunächst covert er die Songs des King, erst später hat er mit eigenen Stücken Erfolg. Vincents Stimme ähnelt zwar der von Presley, aber Elvis ist das Original, Gene nur eine Kopie: Er hat keine erotische Ausstrahlung und wirkt auf der Bühne hüftsteif. Schuld daran ist ein Motorradunfall in Norfolk, der bleibende Schäden hinterlassen hat. Von allen Elvis-Klonen, die Mitte der fünfziger Jahre zuhauf vom Rock’n’Roll-Boom profitieren wollen, ist Vincent der Begabteste und Erfolgreichste. Das liegt hauptsächlich an „Be-Bop-A-Lula“. Der Song schafft es im Juni 1956 zwar nur bis auf Platz sieben der US-Charts, entwickelt sich jedoch zum Dauerbrenner. Sechs Alben nimmt Vincent zwischen 1957 und 1960 für das Label Capitol auf. Diese Langspielplatten hinterlassen einen bleibenden Eindruck bei Jim Morrison, dem künftigen Chef der Doors. Vincent ist für ihn der
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Grund, Rockmusiker zu werden. Am 13. September 1969 erfüllt sich Morrison einen Wunsch: Er holt Gene beim Toronto Rock Festival auf die Bühne. Im Januar 1970 veröffentlicht Vincent mit „I’m Back And I’m Proud“ ein famoses Comebackalbum. Lange freuen konnte sich der Rock’n’Roller über seinen Erfolg leider nicht mehr: Am 12. Oktober 1971 erlag er einer Magenblutung. mp Original: Gene Vincent: „Be-Bop-A-Lula“ (1956, Capitol, Single)
„Because the night belongs to lovers / Because the night belongs to us“ aus: „Because The Night“ von der Patti Smith Group
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Patti Smith schreibt „Because The Night“ gemeinsam mit Bruce Springsteen („Born In The U.S.A.“). Als ihr Journalisten deshalb ein Verhältnis mit ihm unterstellen, reagiert die 1946 in Chicago als Patricia Lee Smith geborene Sängerin und Liedermacherin mit einer simplen rhetorischen Frage: „Ist es wirklich so ungewöhnlich, wenn zwei Songwriter zusammenarbeiten?“ Als sie das Lied 1978 aufnimmt, ist sie nämlich bereits seit zwei Jahren mit Fred „Sonic“ Smith liiert. Kennengelernt hat sie den ehemaligen MC5-Gitarristen („Kick Out The Jams“), als sie auf der Tournee zu ihrer ersten LP „Horses“ in Freds Heimatstadt Detroit auftrat und eine Party am angeblich besten HotdogStand der Stadt gab. Noch ist ihr späterer Ehemann Fred mit einer anderen Frau verheiratet, doch Patti Smith widmet ihm die Zeilen „Because the night belongs to lovers / Because the night belongs to lust / Because the night belongs to lovers / Because the night belongs to us“ – wir gehören zusammen, singt sie beschwörend. Ein Liebeslied, noch bevor sie seiner Liebe sicher sein kann. Das erklärt indes noch nicht, warum sie diesen Song, der ihr einziger größerer Hit wird, zusammen mit Springsteen schreibt. Dass sich Springsteen und Smith über den Weg laufen mussten, war aber fast unausweichlich: Vielleicht trafen sie sich auf einer Ausstellung von Pattis Duzfreund, dem für seine ausgefallenen erotischen Fotografien bekannten Robert Mapplethorpe – von ihm stammt das schlichte Schwarzweißcover der Debüt-LP „Horses“. Vielleicht auch auf einer der anderen Partys und Vernissagen, die in Greenwich Village, dem Viertel der Kreativen und Alternativen, so oft stattfinden. Oder im CBGB: Patti gehörte zur aufstrebenden New Yorker Kunstszene und trat regelmäßig in dem legendären Punk-Club auf. Dort hing auch der im benachbarten New Jersey lebende Bruce öfter ab. „Because The Night“ bleibt allerdings die einzige Zusammenarbeit von Springsteen und Smith. Patti ist vom plötzlichen Erfolg des Songs und des Albums „Easter“ überrascht und fällt in ein Kreativitätsloch: Die Nachfolge-
LP „Wave“ ist ein ratlos und müde wirkendes Werk. Im April 1979 tritt sie im deutschen „Rockpalast“ auf – und auch da wirkt sie, obwohl frisch verheiratet, ausgebrannt und kraftlos. Ein Comeback wagt sie erst fast ein Jahrzehnt später: Das von Patti gemeinsam mit Ehemann Fred produzierte Album „Dream Of Life“ erscheint 1988 – es ist das uninspirierte Werk einer Künstlerin, die verzweifelt ihren persönlichen kreativen Weg sucht. Anfang der Neunziger versucht sie schließlich, den Tod ihres Freundes Mapplethorpe, der 1989 an Aids starb, musikalisch zu verarbeiten. Mit Songs wie „Farewell Reel“ und „Dead To The World“ findet sie allmählich zu sich selbst zurück und beginnt, zunächst zaghaft, mit der Arbeit an „Gone Again“. Der schöpferische Prozess, von ihr ohnehin schon als schmerzhaft empfunden, wird jäh unterbrochen, als am 4. November 1994 ihr Mann einem Herzinfarkt erliegt. Kurz darauf erleidet Pattis Bruder Todd das gleiche Schicksal, auch ihr langjähriger Wegbegleiter Robert Sohl, Keyboarder der Patti Smith Group, stirbt. Sie trotzt den Schicksalsschlägen, stellt „Gone Again“ fertig und geht zunächst mit Gedichten, dann auch mit den Songs auf Tour. Das Titelstück des Albums ist der letzte mit dem Gatten gemeinsam geschriebene Song. Und „Because The Night“ wird auf ewig ihr Liebeslied für Fred Smith bleiben. mp Original: Patti Smith Group: „Easter“ (1978, Arista, LP)
„Oh Biko, Biko, because Biko /The man is dead“ aus: „Biko“ von Peter Gabriel Ständig auf der Suche nach neuen Sounds und Rhythmen, entdeckte Peter Gabriel („Sledgehammer“) die afrikanische Musik für sich – und so auch die politischen Verhältnisse in Südafrika. In einem Interview mit der britischen Musikzeitschrift „Mojo“ erzählt der ehemalige Genesis-Sänger, dass er sich sehr schnell mit dem Führer der südafrikanischen Bürgerrechtsbewegung identifiziert habe: „Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass man ihn ermordet hat. Ich bin kein politischer Mensch – aber darüber wollte ich schreiben. Ich habe viel über ihn recherchiert – und schon war der Song fertig.“ Steve Biko, 1946 in King William’s Town in der Südafrikanischen Union geboren, studierte Medizin und engagierte sich schon während seiner Studienzeit für die Gleichberechtigung der schwarzen Kinder, Schüler und Studenten in Südafrika. 1968 gründete er die „South African Students Organisation“, kämpfte später als Mitglied und Führer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung BCM (Black Consciousness Movement) gegen die Apartheid. Im August 1977
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wird er verhaftet – und stirbt knapp vier Wochen später, noch in Haft, an den Folgen polizeilicher Folter. In einfachen, aber eindringlichen Versen beschreibt Gabriel Ereignisse und Gefühle: „September ’77 / Port Elizabeth, weather fine / It was business as usual / In police room 619.“ Folterungen sind an der Tagesordnung, auch die Tatsache, dass Menschen deswegen sterben: „Oh Biko – the man is dead.“ Der Schock ist groß, die Menschen sind traumatisiert, werden ihre Ängste selbst im Schlaf nicht los: „When I try to sleep at night / I can only dream in red / The outside world is black and white.“ Peter Gabriel singt seinen Song erstmals während seines Auftritts beim Reading Festival 1979. „Biko“ wird kein Riesenhit (Platz 38 in den britischen Charts), aber ein Dauerbrenner, der bei Konzerten regelmäßig frenetischen Jubel auslöst. „You can blow out a candle“, heißt es in der dritten Strophe voller Hoffnung, „but you can’t blow out a fire.“ Ohne die Wirkung von Popmusik überhöhen zu wollen: Die Ermordung Steve Bikos war der Anfang vom Ende für das südafrikanische Apartheidregime – und Gabriels Song hat mit Sicherheit ein wenig dazu beigetragen. gf Original: Peter Gabriel: „Peter Gabriel 3“ (1980, Charisma, LP), andere Version Simple Minds: „Street Fighting Years“ (1989, Virgin, LP)
„Billie Jean is not my lover / She’s just a girl who claims that I am the one“ aus: „Billie Jean“ von Michael Jackson
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Ende 1982 kommt ein Album auf den Markt, das Geschichte schreiben wird – „Thriller“ von Michael Jackson. Es verkauft sich allein in den USA über 29 Millionen Mal, weltweit wandern mehr als 65 Millionen Exemplare über die Ladentische. Die Platte hält sich phänomenale 37 Wochen auf dem ersten Platz der US-Charts, sieben der neun „Thriller“-Songs schaffen es in die Top Ten – wahrscheinlich ein Rekord für die Ewigkeit. Produziert wurde das Werk von Quincy Jones, der seine Karriere 1951 als Trompeter bei Lionel Hampton startete. Jones feierte riesige Erfolg als Jazzmusiker (legendär sind seine Arbeiten für Count Basie, Frank Sinatra und Cannonball Adderley), als Komponist von TV- oder Filmsoundtracks (etwa für „Getaway“ und „Die Farbe Lila“) und als Produzent der Sitcom „Der Prinz von Bel Air“ (mit Will Smith). Außerdem stand der 1933 in Chicago geborene Tausendsassa hinter Platten von Aretha Franklin, Chaka Khan oder eben Michael Jackson, der mit Jones erstmals 1979 bei den Aufnahmen zur LP „Off The Wall“ zusammenarbeitete.
Bis zu diesem Album kennt man den am 29. August 1958 in Gary, Indiana geborenen Michael Jackson praktisch nur von den Jackson 5. Die Kindertruppe mit Michael und seinen Brüdern Jermaine, Randy, Marlon und Tito hat Anfang der siebziger Jahre Hits wie „ABC“ und „I Want You Back“. Als 14-Jähriger ist Michael mit dem Album „Got To Be There“ und dem Nummer-eins-Hit „Ben“ auch ohne sie erfolgreich, doch erst durch die Zusammenarbeit mit Jones gelingt die Abnabelung von der Familie und die beeindruckende Karriere als Solokünstler. Deren Höhepunkt stellt das Monsteralbum „Thriller“ dar, an dessen beeindruckender Bilanz die folgenden Alben „Bad“, „Dangerous“ und „Invincible“ gemessen werden. Drei der „Thriller“-Songs werden sogar Nummer-eins-Hits, einer davon ist das von Jackson geschriebene „Billie Jean“. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der seine Partnerin mit der hübschen Billie Jean betrügt. Obwohl er immer wieder beteuert, dass dem nicht so sei („Billie Jean is not my lover“), will diese ihm auch noch ein Kind unterschieben: „She’s just a girl who claims that I am the one / But the kid is not my son.“ Ein Vaterschaftstest, wiederholte Unschuldsbeteuerungen und das Gerede der Leute – die Geschichte könnte aus einem Boulevardmagazin stammen. In Michael Jacksons Autobiografie „Moonwalk“ ist zu lesen, dass „Billie Jean“ nicht von einer realen Frau inspiriert sei. Der Song bündelt angeblich verschiedene Erlebnisse, die Michael und seine Brüder im Laufe ihrer Karriere hatten. Andererseits äußerte Jacksons Biograf J. Randy Taraborrelli die Vermutung, dass sich das Lied auf eine Begebenheit im Jahre 1981 bezieht. In „The Magic. The Madness. The Whole Story 1958 -2009“ behauptet Taraborrelli, Jackson habe damals brieflich die Mitteilung erhalten, er sei der Vater von Zwillingen. Sicher ist auf jeden Fall, dass „Billie Jean“ sehr nah am realen Leben ist. Nebenbei entwickelt Jackson zu diesem Lied den für ihn typischen abgehackten Tanzstil: eben den „Moonwalk“. Dieses Markenzeichen bringt ihm einen hochdotierten Werbevertrag mit dem Getränkehersteller Pepsi ein, der seine Koffeinbrause mit Jackson und „Billie Jean“ bewerben will. Im Spot soll Michael eine Treppe heruntertanzen und Nebel ihn dabei mystisch wirken lassen – doch es kommt anders: Gerade, als er „Billie Jean is not my lover“ singt, explodieren zwei Chemikalienkanister der Nebelmaschine, und seine haarspraygetränkte Frisur fängt Feuer. Im Krankenhaus von Los Angeles melden die Ärzte zur Erleichterung der Fans, dass der Künstler nur „eine Menge Haare verloren“ hat. Die Anwälte des Superstars verklagen den Hersteller der Substanz und erreichen eine Schadensersatzzahlung von 50 Millionen Dollar.
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Michael Jackson und Quincy Jones standen für den „Thriller“-Nachfolger „Bad“ noch ein weiteres Mal gemeinsam im Studio. „Bad“ verkaufte sich weltweit beeindruckende 26 Millionen Mal – und erfüllte dennoch nicht die Erwartungen von Jacksons Plattenfirma Sony. Die Messlatte lag zu hoch, der Künstler zerbrach zusehends am Erfolgsdruck – „Thriller“ war Jacksons Fluch und Segen zugleich. mp Original: Michael Jackson: „Thriller“ (1982, Epic, LP)
„But she’s a black magic woman“ aus: „Black Magic Woman“ von Fleetwood Mac bzw. Santana
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Peter Green verrät bis heute nicht, wer die geheimnisvolle schwarze Frau ist, die ihn verhext hat („You got your spell on me“), ihn fast durchdrehen („She’s trying to make a devil out of me“) und blind vor Liebe werden lässt („She’s got me so blind I can’t see“) – und der er mit seinem Song ein so wunderbares musikalisches Denkmal gesetzt hat. Der englische Ausnahmegitarrist Green gehörte zusammen mit John McVie, Mick Fleetwood und Jeremy Spencer zur Urformation der britischen Band Fleetwood Mac („Go Your Own Way“). Rau, rumpelig und sehr bluesbetont klingt der Song in ihrer Version – ganz so, wie es während des Bluesbooms im Großbritannien der sechziger Jahre angesagt ist. „Black Magic Woman“ wird im Frühjahr 1968 der erste Hit für die noch junge Band und stürmt die Top 40 der UK-Charts. In den USA werden die Band und ihre großartigen Songs – neben „Black Magic Woman“ sind „Albatross“ und „Oh Well“ beachtliche Hits im Vereinigten Königreich – schlicht ignoriert. Vielleicht ist also auch eine Prise Verbitterung dabei („Turnin’ my heart into stone“, singt Green in der letzten Strophe), wenn Green bis heute über die Identität der Dame schweigt. Schließlich ist es ein junger Musiker namens Carlos Santana, der den Song wenig später für sich entdeckt, seinem Soundkosmos einverleibt – und unsterblich macht. Die Geschichte des am 20. Juli 1947 geborenen Carlos Santana beginnt im Dorf Autlan in Mexiko, wo er schon als Fünfjähriger durch seinen Vater, einen Mariachi-Geiger, in die mexikanische Musik eingeführt wird. Einige Jahre später wechselt der junge Carlos von der Geige zur Gitarre – beeinflusst auch von einer neuen Musik namens Rock’n’Roll, die er im Radio hört. Später begeistert er sich für Blues und gründet 1966 die Santana Blues Band. Doch erst als er afrikanische, mexikanische und kubanische Polyrhythmen in seine Musik integriert und damit den Latinrock erfindet,
schafft Santana den Durchbruch – mit seinem historischen Auftritt beim Woodstock-Festival 1969. 1970 erscheint „Abraxas“, das zweite Album seiner Band Santana – ein brodelndes Gebräu aus Blues, Rock, Latinrhythmen und einer unnachahmlich singenden Gitarre. Den Song von Peter Green verknüpft Santana auf diesem Album mit „Gypsy Queen“, einem Stück des Jazzgitarristen Gábor Szabó – die Geburt eines Welthits! „Abraxas“ macht den Latinrocker Santana endgültig zum Superstar: Die anderen Hits – neben „Black Magic Woman“ noch „Oye Como Va“ und „Samba Pa Ti“ – trugen dazu bei, dass sich das Album bis heute mehr als fünf Millionen Mal verkauft hat. „I need you so bad / Magic woman, I can’t leave you alone“, barmt Green im letzten Vers. Doch es nützt nichts: Die Dame verlässt ihn und wendet sich einem anderem, erfolgreicheren Musiker zu. Green erlitt mit seiner Komposition das klassische Schicksal eines verlassenen Geliebten: Man kennt seinen Song „Black Magic Woman“ heute fast nur noch in Santanas Version. gf Original: Fleetwood Mac: „English Rose“ (1969, Epic, Compilation-LP), weitere Version: Santana: „Abraxas“ (1970, Columbia, LP)
„How many roads must a man walk down / Before you call him a man?“ aus: „Blowin’ In The Wind“ von Bob Dylan „Blowin’ In The Wind“ geht auf ein altes Spiritual zurück, das Bob Dylan („Knockin On Heaven’s Door“) leicht variierte und zu dem er einen neuen Text verfasste – um es als eigenen Song ausgeben zu können. Noch bevor er auf Platte erscheint, veröffentlicht Dylan den Text im damals wichtigsten Folkmagazin „Sing Out“ – einem Heft, das immer noch gibt. Der Song findet sich dann 1963 auf Dylans zweiter LP „The Freewheelin’ Bob Dylan“, auf der Dylan erstmals nur Eigenkompositionen versammelt – darunter Lieder, die heute längst Klassiker sind, zum Beispiel „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“, „Don’t Think Twice, It’s All Right“, „Corrina, Corrina“, „Masters Of War“ und „I Shall Be Free“. Bob Dylan setzt sich zu dieser Zeit im New Yorker Stadtteil Greenwich Village an die Spitze der Folkbewegung und verdichtet deren Gefühle zu packenden Songs. Gerade in „Blowin’ In The Wind“ fängt er die Stimmungslage einer vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und des sich verschärfenden Vietnamkrieges zunehmend skeptisch werdenden Generation besonders gut ein. Dylan stellt in den Strophen des Liedes nur Fragen – auf die es jedoch keine Antwort gibt: „How many years can a mountain exist / Before
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it’s washed to the sea?“ Oder: „How many times must a man look up / Before he can see the sky?“ Diese sehr poetisch formulierten Verse verweisen auf die abstrakte Vorstellung einer Ewigkeit, die eine historische Perspektive von Jahren oder Jahrhunderten verschwinden lässt. Sie gaukeln eine romantische Stimmung vor, die immer wieder durch das klare Bekenntnis zum Pazifismus und dem uralten humanistischen Ideal von der Freiheit des Individuums durchbrochen wird: „Yes, ’n’ how man times must the cannon balls fly / Before they’re forever banned? / (…) / Yes, ’n’ how many ears must one man have / Before he can hear people cry?“ Etwas später heißt es dann: „Yes, ’n’ how many years can some people exist / Before they’re allowed to be free?“ Anthony Scaduto schreibt dazu in seinem Buch „Bob Dylan. Die Biografie“: „Die Idee zu ‚Blowin’ In The Wind‘ kam ihm im Commons, einem Caféhaus in Greenwich Village, nach einer langen Diskussion über Bürgerrechte und Amerikas uneingelöste Versprechungen. Die Unterhaltung schlaffte schließlich ab und jeder starrte schweigend in sein Bierglas. Da kam ihm der Gedanke: Euer Schweigen verrät euch. Dylan machte sich auf einem Zettel Notizen, trank sein Glas leer, ging nach Hause und begann zu schreiben … Wie viele Straßen muss ein Mensch hinter sich bringen …? Wie viele Meilen muss eine Taube fliegen …? Dylans Antwort darauf ist vage, doch seine Fragen sind klar und deutlich.“ Es sind aber vor allem die ersten Verse, die das beschreiben, was für viele Jugendliche zum Inbegriff eines alternativen Lebensstils wurde: „How many roads must a man walk down / Before you call him a man? / Yes, ’n’ how many seas must a white dove sail / Before she sleeps in the sand?“ Vieles klingt hier an: das Wandervogelmotiv und das des ungebundenen Vagabunden, des Tramps, der sich zwar außerhalb der Gesellschaft bewegt und umherwandert, aber immer im Einklang mit der Natur lebt. Diese Zeilen spiegeln die Unruhe einer Generation wider, die der US-Schriftsteller Jack Kerouac einige Jahre zuvor in seinem Roman „On The Road“ überzeugend eingefangen hat – und die auch Dylan im Titel seiner Platte „The Freewheelin’ Bob Dylan“ wieder aufgreift: Dylan, der fahrende Sänger. Die Hilflosigkeit gegenüber all den politischen Ereignissen, die sich – so die Meinung der Folkies – kaum beeinflussen lassen, bündelt Dylan in der Titelzeile: „The answer, my friend, is blowin’ in the wind.“ Die Fragen aber, die Dylan in diesem Lied stellt, erweisen sich als so allgemeingültig, dass jede nachfolgende Generation das Lied – das es in Dylans Version nie in irgendeine Hitparade geschafft hat, mit dem aber Peter, Paul & Mary 1963 Platz zwei der US-Charts erreichten – immer wieder für sich neu entdeckt. Wer ein paar Ak-
korde auf der Gitarre beherrscht, der versucht sich zu Beginn meist an „Blowin’ In The Wind“ mit seiner betörend einfachen Harmoniefolge, die sich lediglich aus den Akkorden C-Dur, F-Dur, a-Moll und G7 zusammensetzt. gf Original: Bob Dylan: „The Freewheelin’ Bob Dylan“ (1963, Columbia, LP)
„I found my thrill on Blueberry Hill“ aus: „Blueberry Hill“ von Fats Domino Fats Domino ist der populärste Vertreter des klassischen R&B-Sounds aus New Orleans. Sein entspannter, gleichmäßig dahin rollender Boogie-WoogieStil am Klavier, ein gutmütig schnarrendes Saxofon und seine warme Stimme prägen eine ganze Serie von Hits: Allein zwischen 1955 und 1963 konnte er 36 Songs in den Top 40 der US-Charts platzieren. Einige der Nummern kletterten sogar bis in die Top Ten – darunter „Ain’t That A Shame“, „I’m Walking“, „Blue Monday“, „Walking To New Orleans“ und eben „Blueberry Hill“. „Blueberry Hill“ ist in der Reihe dieser Erfolgssongs die wohl ungewöhnlichste Aufnahme: Wenn Domino bei anderen Stücken, etwa seiner Hymne „The Fat Man“, ein langes Intro spielt, dann ist es meist ein schneller Boogie. Hier rollt das Klavier langsam und verstärkt in die Tiefe des Songs. Die E-Gitarre, sonst für den Rhythmus zuständig, übernimmt die Melodie, die Saxofone greifen melancholisch und lautmalerisch die Bilder des Textes auf – wunderbar gelungen bei der Zeile: „The wind in the willow played love’s sweet melody.“ Dominos „thrill“ ist ein sanfter Schauer … Das ungewöhnliche Arrangement des Songs ist einer unterhaltsamen Studiosession zu verdanken. 1956 reist Fats Domino mit seinem kongenialen Dauerpartner Dave Bartholomew und seiner Band nach Los Angeles, um dieses Lied aufzunehmen – ein Lied, das vor ihm schon Glenn Miller („Pennsylvania 6-5000“), Roy Acuff und Louis Armstrong („What A Wonderful World“) erfolgreich veröffentlicht haben und das – so die Legende – sein Vater über alles liebte. Alles ist am Aufnahmetag bereit, nur der Text fehlt – Domino singt, was er noch in Erinnerung hat, und ergänzt den Rest mit eigenen Versen. Verschiedene Einspielungen entstehen, zwei von ihnen werden anschließend zu einer zusammengefügt – so entsteht eines der wunderbarsten Liebeslieder der Welt. Selbst das Bluesraubein Eric Burdon geriet darüber ins Schwärmen: „Die wundervoll zärtlichen Gefühle in ‚I found my thrill on Blueberry Hill‘ – das ist wie Zauberei. Schlicht und einfach Zauberei.“ Der 1928 in New Orleans, Louisiana geborene Musiker Domino lernte das Klavierspielen von seinem Schwager, der ihm die Noten auf die Tasten schrieb. Und er verkaufte im Laufe seiner Karriere rund 70 Millionen Singles – mehr
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als jeder andere schwarze Musiker seiner Generation. Nicht das schlechteste Ergebnis für einen Selfmademusiker. gf Original: Fats Domino: „Blueberry Hill“ (1956, Imperial, Single)
„Hey there people, I’m Bobby Brown / They say I’m the cutest boy in town“ aus: „Bobby Brown“ von Frank Zappa
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„Bobby Brown“ ist der Beweis dafür, dass die Deutschen mit dem Englischen so ihre Probleme haben oder dass es sich als Weltsprache in diesem Zipfel der Erde noch nicht durchgesetzt hat. Anders ist nicht zu erklären, wieso Frank Zappas 1979 aufgenommener Song noch heute häufig und unzensiert im Radio zu hören ist. In Großbritannien und den USA stand das Lied von Anfang an ganz oben auf den Indexlisten der Sender. Das liegt unter anderem auch daran, dass früher generell keine Radiostation etwas in die Playlists aufnehmen wollte, was aus dem Hause Zappa kam. Der 1940 in Baltimore geborene Künstler galt als unberechenbarer Bürgerschreck, nicht nur wegen des berühmten Schwarzweißfotos, das ihn nackt auf der Kloschüssel sitzend zeigt. Immer wieder rührt er an die Grundfesten der Gesellschaft, zögert auch nicht, die Ikonen und Slogans der Linken zu zerstören. So unterlegte er das Motto der Vietnamkriegsgegner „Make Love not War“ mit Bildern aus Hardcorepornos. Regelmäßig baute er vulgäre und sexistische Sätze in seine Texte ein, um gegen die Prüderie des Bürgertums zu opponieren. Das nahm nur die provokanten Spitzen in seinen wenigen gefälligeren Songs zur Kenntnis, weil der von Innovatoren wie Karlheinz Stockhausen oder Igor Strawinsky beeinflusste Musiker Zappa sich ansonsten den Hörkonventionen entzog. „Bobby Brown“ ist allerdings ein extrem eingängiger Ohrwurm und das dazugehörige Album „Sheik Yerbouti“ Zappas wohl kommerziellstes Werk. In den USA würde trotzdem noch heute kaum jemand öffentlich das singen, was nach den einleitenden Worten „Hey there people, I’m Bobby Brown / They say I’m the cutest boy in town“ kommt. Zappa beschreibt einen karrieregeilen Typen: „I’m gonna get a good job and be real rich.“ Sexuelle Exzesse gehören zu Bobbys Alltag. Er nimmt sich, was er braucht, auch das Cheerleader-Girl, das ihm beim Papierkram hilft – „and may be later I’ll rape her“ („und hinterher vergewaltige ich sie vielleicht“). Er treibt es mit Männern und Frauen, gerät „zufällig“ in einen Sadomasozirkel („Eventually me and a friend / Sort of drifted along to S & M“), hat auch nichts gegen „Natursekt“ und dickere Gegenstände im Hintern („Put a spindle in my butt / Till it makes me scream“). Der Gipfel der Zappa’schen Unverschämtheit ist für die meisten Amerikaner
aber der Refrain: „ Oh God, I am the American dream / And I don’t think that I’m too extreme.“ Für Fans zwischen Flensburg und Graz hält die Single „Bobby Brown“ ein spezielles Schmankerl parat – die hierzulande veröffentlichte Platte birgt auf der B-Seite das Lied „Stick It Out“, dessen ebenfalls schweinischer Text zur Hälfte auf Deutsch gesungen wird: „Fick mich, du miserabler Hurensohn.“ Und als Zappa bei Thomas Gottschalks Bayern-3-Radioshow „Pop nach 8“ zu Gast war, wusste er längst, dass sein Hit von dem Sender extrem häufig eingesetzt wurde. Er brachte Gottschalk daher eine eigens für die Sendung produzierte deutsche Version von „Bobby Brown“ mit, die der Moderator auch auflegte. Es dauert keine 20 Sekunden, bis sie wieder vom Plattenteller flog, – und Zappa erreichte das, was er im angloamerikanischen Raum sofort geschafft hat: Sein Song wurde – zumindest in dieser Variante – vom Sender verbannt. Der österreichische Kultstar Kurt Ostbahn nahm 1992 eine deutsche Version namens „Bertl Braun“ auf, die vom Sender Ö3 ebenfalls nicht gespielt wurde: „Wia imma schwer im Trend / Tendier i imma mea in Richtung S und M / Vaschniat auf a Packl und hinta Gitta / Schlürf i Natursekt ausn Doppellita / O Gott, bin i stolz auf wos i bin / Mit ana Spindl im Oasch mocht des Lebn erst Sinn“, heißt es bei Ostbahn. mp Original: Frank Zappa: „Sheik Yerbouti“ (1979, Zappa, LP), weitere Version: Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie: „A blede Gschicht …“ (1992, Amadeo, CD)
„Born in the U.S.A. / I was born in the U.S.A.“ aus: „Born In The U.S.A.“ von Bruce Springsteen Seit seinen Anfängen ist der 1949 in Freehold, New Jersey, geborene Bruce Springsteen der singende Anwalt des sogenannten kleinen Mannes, also derjenigen US-Amerikaner, die auf Feldern, an Fließbändern oder in der Armee mühsam ihre Dollars verdienen. Nach etlichen Erfolgen gelang Springsteen 1984 mit „Born In The U.S.A.“ der ganz große Wurf. Der Titelsong des gleichnamigen Albums beschreibt in verstörenden Versen das Leben eines GIs, der erst in Vietnam kämpfen muss und zurück in der Heimat dann von allen im Stich gelassen wird – ein Schicksal, das viele US-Soldaten erleiden und erleben mussten (wie später auch nach dem ersten Golfkrieg). „Born down in a dead man’s town“, heißt es gleich zu Beginn – chancenlos geboren, findet man den einzigen Ausweg oft in der Armee: „Got in a little hometown jam / So okay put a rifle in my hands / Send me off to a foreign land / To go and kill the yellow man / Born in the U.S.A.“ Zurück in der Heimat ist der Exsoldat erneut chancenlos („Come back home to the refinery / Hiring man said‚ Son, if
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it was up to me‘“) und zieht eine pessimistische Schlussfolgerung: „I’m ten years burning down the road / Nowhere to run, ain’t got nowhere to go …“ Trotz dieser bitteren Zeilen, die natürlich auch eine deftige Kritik am Vietnamkrieg sind, wird der Song von vielen US-Amerikanern missverstanden und als eine Art neue Nationalhymne adaptiert. Ronald Reagan will den Song sogar im Wahlkampf für seine Zwecke einsetzen – was Springsteens Management höflich, aber bestimmt ablehnt. Mit „Born In The U.S.A.“ gelingt Springsteen der weltweite Durchbruch. Das Album wird am 4. Juni veröffentlicht – und landet am 7. Juli, kurz vor dem Start der gleichnamigen Tournee am 29. Juli, auf Platz eins der US-Charts. Die Single „Born In The U.S.A.“ klettert auf Platz neun und hält sich insgesamt 139 Wochen in den Charts. Auch die anderen aus dem Album ausgekoppelten Singles werden ausnahmslos Hits: „Cover Me“, „I’m On Fire“, „I’m Going Down“, „My Hometown“, „Dancing In The Dark“ und „Glory Days“ – diese Erfolgsquote hat Springsteen nie wieder geschafft. gf Original: Bruce Springsteen: „Born In The U.S.A.“ (1984, Columbia, LP)
„Get your motor runnin’ / Head out on the highway“ aus: „Born To Be Wild“ von Steppenwolf
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Detailaufnahmen sind zu sehen, von chromblitzenden Harley-Davidsons, so zärtlich aufgenommen, als streichelte ein Cowboy sein Pferd. Wyatt (gespielt von Peter Fonda) und Billy (gespielt von Dennis Hopper), zwei Dropouts, ziehen aus, die Freiheit zu suchen – in New Orleans, beim Mardi Gras. In Großaufnahme fliegt Wyatts Uhr in den Dreck: Es ist der Abschied von der zivilisierten Bürgergesellschaft, die Reise kann beginnen. Landschaft wird gezeigt, Räder rollen, endlos ziehen sich die einsamen Straßen von Amerika. Rockmusik. So fängt „Easy Rider“ an, der von Dennis Hopper gedrehte Bikerfilm, der das Lebensgefühl der Hippiegeneration und ihre romantischen Träume von endloser Freiheit und Glückseligkeit prototypisch einzufangen versucht. Ein Film, der heute Kultstatus besitzt. Doch jedes Gefühl braucht auch seinen Soundtrack. Ein gewichtiger Teil davon kam von der 1967 in Los Angeles gegründeten Band Steppenwolf, die sich nach einem Roman von Hermann Hesse benannte. In wenigen Zeilen und mit fetziger, treibender Rockmusik fängt sie die optimistische Aufbruchsstimmung dieser Zeit ein, kongenial zum Film passend: „Get your motor runnin’ / Head out on the highway / Lookin’ for adventure“ – raus auf den Highway, auf der Suche nach dem Abenteuer. Was auch immer kommen mag, das Glücksge-
fühl ist umfassend, die ganz Welt will umarmt werden: „Yeah darlin’, go make it happen / Take the world in a love embrace.“ Alles, was der gegen die Gesellschaft rebellierende Biker-Beatnik braucht, ist was zum Rauchen („I like smoke and lightning“), eine Maschine unter seinem Hintern („Heavy metal thunder“) und der Wind, der ihm um die Ohren bläst („Racin’ with the wind“). Sogar die drogengeschwängerte Schlüsselszene des Film – der LSD-Trip auf dem Friedhof, als Wyatt/Fonda seinen Kopf immer wieder an das Gesicht einer Frauenstatue schmiegt und von seiner Mutter redet, deren Liebe er „gesucht habe und die er hasse“, und dabei bis in den Tonfall die Worte von James Dean in Nicholas Rays Film „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ imitiert – findet ihre Entsprechung in einer kurzen Zeile des Songs: „And explode into space.“ Nur der optimistische Schluss des Liedes („We were born, born to be wild / We can climb so high / I never wanna die“) entspricht nicht dem des Films. Der Traum der beiden Aussteiger endet heftig und letal: Sie werden erschossen. Individuelle Freiheit scheitert an der Intoleranz der schweigenden, meist konservativen Mehrheit, die sich von Aussteigerträumen provoziert fühlt. Mars Bonfire, der Bruder des Steppenwolf-Schlagzeugers Jerry Edmonton, schrieb mit „Born To Be Wild“ die ultimative Bikerhymne, die zwar nur Platz zwei der US-Charts eroberte – deren Erfolg aber der Band, die in ihren musikalischen Mitteln doch eher beschränkt blieb, bis heute ein gutes Auskommen sichert. gf Original: Steppenwolf: „Steppenwolf“ (1968, ABC, LP)
„Aber hoazn toan ma Woazen / Und de Ruabn und den Kukuruz / Wann ma lang so weiter hoazen / Brennt da Huat“ aus: „Brenna tuats guat“ von Hubert von Goisern Die Autoren dieses Buches stammen aus Bayern bzw. Österreich – also grob gesehen aus dem süddeutschen Sprachraum – und haben wegen dieses Geburtsvorteils keinerlei Verständnisprobleme. Nun soll es aber auch Leser dieses Buches im restlichen Deutschland geben, weswegen zunächst wohl eine Übersetzung der Liedzeile nötig ist: „A jeder woaß, dass a Geld nit auf da Wiesen wachst, und essen ka ma’s a nit, aber brenna tat’s guat, aber hoazn toan ma Woazen und de Ruabn und den Kukuruz, wann ma lang so weiter hoazn, brennt da Huat.“ Auf Deutsch: „Jeder weiß, dass das Geld nicht auf der Wiese wächst. Und essen kann man es auch nicht, aber es brennt gut. Aber heizen tun wir mit Weizen, mit Rüben und Mais. Wenn wir noch lange so weiterheizen, brennt der Hut.“
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Die Botschaft ist eindeutig: Der österreichische „Alpenrocker“ Hubert von Goisern reibt sich an der missbräuchlichen Verwendung von Grundnahrungsstoffen wie zum Beispiel Weizen, der, statt zu Brot oder anderen Lebensmitteln verarbeitet, als Bioethanol in Benzintanks verfeuert wird – ab 2012 als Beimischung zum normalen Benzin auch in Österreich. Agrosprit also, der weltweit die Lebensmittelpreise treibt, und das trotz regelmäßig wiederkehrender Hungerkatastrophen. Weil mit Lebensmitteln aber auch an den Aktienbörsen spekuliert wird, geißelt er gleich in der nächsten Strophe die Gier nach Geld – beides gehört nicht nur für ihn untrennbar zusammen: „Wo is des Geld, des was überall fehlt, ja hat denn koana an Genierer …“ Auf Deutsch: „Wo ist das Geld, das überall fehlt, schämt sich denn überhaupt niemand mehr?“ Dass die Musik bei aller Eingängigkeit einen solchen Furor entfaltet und den unmissverständlichen Text wütend vorwärts treibt – allen voran Goisern selbst mit seiner Steirischen Harmonika –, hat auch einiges mit Goiserns Geschichte zu tun: Er lebte ab 1972 drei Jahre lang in Südafrika, lernte dort Armut und Apartheid aus nächster Nähe kennen. In einem Interview mit der österreichischen „Kronenzeitung“ merkt er im Oktober 2010 an, das Lied treffe „den Moment und die Situation, in der wir uns gerade befinden“. Und er ergänzt: „Wobei: Es trifft zu jeder Zeit zu, denn es gibt zu jeder Zeit Finanzund Staatskrisen.“ Dass Goisern mit seinem Protestsong, dessen Refrain „in einem Guss“ (Goisern) entstanden ist, den Nerv der Zeit trifft, zeigt der Erfolg: „Brenna tuat‘s guat“ ist Goiserns erster Nummer-eins-Hit in seiner inzwischen über 30-jährigen Musikerkarriere – selbst sein legendäres „Hiatamadl“, das er mit seiner früheren Band, den Original Alpinkatzen, einspielte, kam 1994 nicht über den zweiten Platz hinaus. In den österreichischen Charts hält sich „Brenna tuat‘s guat“ ab Herbst 2011 fünf Wochen an der Spitze, auch in Deutschland steigt der Song – als erste Goisern-Single überhaupt – in die Charts ein. gf Original: Hubert von Goisern: „EntwederUndOder“ (2011, Capriola, CD)
„Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt / Wir steigern das Bruttosozialprodukt“ aus: „Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug
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Geier-Sturzflug-Chef Friedel Geratsch wächst in Essen auf. Nach der Volksschule, mit 14 Jahren, beginnt er eine Lehre als Kaufmann im Elektrogroßhandel und arbeitet dort zehn Jahre lang. Mit knapp 24 wird er arbeitslos, weil er mit chronischer Kiefernhöhlenentzündung zu oft krank war. Anschließend engagiert er sich sozial, tapeziert, fährt Sperrmüll ab und verkauft auf dem
Flohmarkt. 1972 fängt er an, als Straßenmusiker aufzutreten, und versucht davon zu leben – was mehr schlecht als recht klappt. Das Lied vom Bruttosozialprodukt schreibt Friedel als Reflexion auf die zehn Jahre im Elektrogroßhandel. In der Firma mit 30 Angestellten hat er die sechs bergbaugeschädigten Rentner erlebt, die zwar eine dicke Rente bekamen, das Arbeiten aber trotzdem nicht lassen konnten und auf einem kleinen Posten im Lager oder im Magazin irgendetwas verwalteten. Verantwortungsvoll. Pflichtbewusst. Jeder darf in dieser kleinen Arbeitswelt etwas Besonderes sein. Jeder bekommt seinen Posten zugeschoben, der ihm das Gefühl gibt, zumindest für eine Sache der Boss zu sein. Und wenn er nur so etwas ist wie der Herrscher über die Reparaturen und das Großgerätelager: Scheine darf man immerhin ausfüllen, Pakete machen und Verantwortung dafür tragen, dass sie ordnungsgemäß zur Post kommen. Eine Aufgabe. Was Friedel voller Ironie beschreibt: „Wenn in der Montagehalle die Neonsonne strahlt / Und der Gabelstapelführer mit der Stapelgabel prahlt / Ja, dann wird wieder in die Hände gespuckt / Wir steigern das Bruttosozialprodukt.“ „Bruttosozialprodukt“ entstand schon 1972 – als Friedel noch Straßenmusiker war. „Klaus der Geiger“ aus Köln spielt es, auch die „Drei Tornados“, und Friedel selbst hat es ebenfalls auf Platte herausgebracht, Auflage: 1.000 Stück. Aber erst als die Plattenfirma Ariola Geier Sturzflug, die bis dahin vor allem in Jugendzentren und bei Studentenfesten aufgetreten sind, 1982 unter Vertrag nimmt, geht’s voran. Das kühle Kalkül der Plattenfirma: Dieser Titel verspricht im Zeichen der Wende Erfolg – Helmut Kohl tritt gerade an, Bundeskanzler zu werden. Das Lied entwickelt sich tatsächlich zum Hit, steigt auf Platz eins der deutschen Charts – weil niemand die Ironie des Textes wahrnimmt. In den ersten Wochen nach Vertragsunterzeichnung darf das Stück aber erst einmal nicht im Radio gespielt werden, weil die öffentlich-rechtlichen Sender Angst haben, dass ihnen parteipolitische Stimmungsmache vorgeworfen wird. Exakt am Tag nach der Kohl-Wahl dürfen Geier Sturzflug erstmals im Fernsehen auftreten, und die Kommentare sind eindeutig: „Zynische Ballade vom deutschen Arbeitsethos“ (Vorwärts), „Das neue Evangelium“ (Bunte), „Mailied, das die Gewerkschafter lieber nicht mehr mitsummen“ (Die Welt), „Parteitags-Song der CDU“ (Quick). Entgegen Friedels Absicht wird der Song zum Lied der Wende: „So viel Schwung, so viel Optimismus“, jubelt „Die Welt“. Die Platte verkauft sich in den folgenden Wochen über eine Million Mal, Geier Sturzflug landen mit „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ einen weiteren, etwas kleineren Hit und verabschieden sich bald wieder von den großen Musikbühnen. Die
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Tantiemen aber bescheren dem Musiker Friedel viele Jahre Urlaub, den er „auch richtig genossen hat“. gf Original: Dicke Lippe: „Jagdfieber“ (1977, Trikont, LP), erfolgreiche Version: Geier Sturzflug: „Heiße Zeiten“ (1983, Ariola, LP)
„And it seems to me you lived your life like a candle in the wind“ aus: „Candle In The Wind“ von Elton John
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Sie ist das dritte Kind des achten Earl Edward John Spencer und seit 1981 die Ehefrau von Prinz Charles. Diana Spencer bringt Leben ins steife englische Königshaus und kittet die bröckelnden Sympathiewerte der Monarchie mit ihrem Charme und ihrer Energie. Der Tod der „Königin der Herzen“ am 31. August 1997 schockiert nicht nur die Briten: Als ihr Mercedes auf der Flucht vor Paparazzi in Paris gegen einen Tunnelpfeiler rast und Diana dort um vier Uhr früh im Krankenhaus stirbt, trauert die Welt. Elton John, der mit Lady Di befreundet war, gräbt nach ihrem Tod einen seiner frühen Ohrwürmer aus, setzt sich mit seinem ehemaligen Texter Bernie Taupin in Verbindung und lässt „Candle In The Wind“ für die Trauerfeier in der Westminster Abbey umschreiben. „Goodbye, England’s rose / May you ever grow in our hearts“ („Auf Wiedersehen, Rose von England. / Mögest du in unseren Herzen auf ewig weiter wachsen“), singt Elton, am Flügel sitzend. Dem Künstler gelingt während des Gottesdienstes ein Moment voll zartem Pathos und Intimität inmitten von Medienrummel und gigantischer Anteilnahme. Als „Candle In The Wind“ nur wenige Tage später auf den Markt kommt, bricht die Platte alle Rekorde, verkauft sich 33 Millionen Mal und löst in Großbritannien sogar Bing Crosbys „White Christmas“ als erfolgreichste Single aller Zeiten ab. Nebenbei brachte der Hit auch das in den siebziger Jahren so erfolgreiche Team John/Taupin wieder zusammen. Die beiden hatten das Lied 1973 eigentlich für eine andere Ikone geschrieben – für Marilyn Monroe. Mit Zeilen wie „der junge Mann in der 22. Reihe, für den du viel mehr warst als ein Sexobjekt“ erinnerte sich der Sänger, der schon als Teenager für die Schauspielerin schwärmte, damals an frühe Kinoerlebnisse mit der Filmdiva. Am Morgen des 5. August 1962, an dem die Haushälterin Eunice Murray die Leiche der Monroe fand, war „der junge Mann“ erst 15 Jahre alt. Songtexter Taupin reflektiert in seinen Zeilen Elton Johns Kindheitserinnerungen an das kurze, intensive Leben von Marilyn Monroe. Als „Candle In The Wind“ auf Johns Album „Goodbye Yellow Brick Road“ erschien, lag der
mysteriöse Tod der Monroe bereits elf Jahre zurück. Die zur Trauerfeier von Diana entstandene Version hingegen ist eine direkte Reaktion auf den Tod der Freundin. Dass Marilyn Monroe und Diana Spencer mit ein und demselben Lied bedacht wurden, dürfte allerdings nicht nur an Bernie Taupins Bild der vom Wind gelöschten Kerze liegen, sondern auch an Elton Johns wundervoller Melodie. Das Lied passt auf beide Frauen, denn eines eint sie über den Tod hinaus: Sie waren zu ihrer Zeit stilprägend – und starben viel zu früh. „And it seems to me you lived your life like a candle in the wind.“ mp Original: Elton John: „Goodbye Yellow Brick Road“ (1973, DJM, LP), weitere Version: Elton John: „Candle In The Wind 1997“ (1997, Rocket, CD-Single)
„I drive a Rolls-Royce, ’cos it’s good for my voice“ aus: „Children Of The Revolution“ von T. Rex Es war kein Rolls-Royce, mit dem T.-Rex-Boss Marc Bolan am 16. September 1977 in den Tod raste, sondern ein Mini. Vielleicht hätte er mit einem massiven Rolls eine Überlebenschance gehabt? Am 11. Januar 2003 stirbt auch Bolans Partner, der Bongospieler Mickey Finn, im Alter von 55 Jahren. Damit ist der Glamrock-Dinosaurier T. Rex endgültig ausgestorben. Marc Bolan macht seine ersten Schritte ins Rampenlicht mit 15 Jahren als Model: Er ziert 1962 das Cover des englischen „Town“-Magazins. Drei Jahre später nimmt er drei Singles auf, die Flops werden. Mit Steve Peregrine Took gründet er 1967 das Duo Tyrannosaurus Rex, das drei halbwegs erfolgreiche LPs veröffentlicht. Nebenbei schreibt Bolan das poetisch-dadaistische Buch „The Warlock Of Love“. Bevor Tyrannosaurus Rex endgültig den Durchbruch schafft, trennt sich Bolan von Took und holt stattdessen Finn, den Bassisten Steve Currie und Schlagzeuger Bill Legend ins Boot. Auf Fotos sind allerdings stets nur Bolan und Finn zu sehen. Unter dem verkürzten Namen T. Rex beginnt der kometenhafte Aufstieg: „Hot Love“, „Get It On“, „Jeepster“, „Metal Guru“ – ein Hit folgt auf den anderen. Alle werden von Bolan geschrieben, der ein untrügliches Gespür für simpel-geniale Melodien und einprägsame Slogans hat: „She’s my woman in gold / And she’s not very old“, „Get it on / Bang a gong“ oder auch „20th Century toy / I wanna be your boy.“ In „Children Of The Revolution“ vom September 1972 spielt der von der britischen Musikzeitschrift „New Musical Express“ wegen seines Sex-Appeals und der wallenden Lockenpracht „Elfe Presley“ genannte Superstar mit dem Wort Revolution. Bolan unterstellt den Kids ein hedonistisches Bedürfnis
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nach Sex und Party: „Well you can bump and grind / If it’s good for your mind / Well you can twist and shout / Let it all hang out.“ Zudem lassen sich diese Kinder nicht beschummeln („But you won’t fool the children of the revolution“) und wollen den ihnen zustehenden Teil von Wohlstand und Luxus. Das gilt auch für Bolan, der mit den letzten beiden Zeilen des Songs vom Beobachter zum Icherzähler wird, der selbstironisch mit dem Statussymbol aus dem englischen Ort Crewe protzt: „I drive a Rolls-Royce / ’cos it’s good for my voice.“ Einen Führerschein hatte das Teenageridol übrigens nie ... mp Original: T. Rex: „Children Of The Revolution“ (1972, EMI, Single)
„I’m sorry, mama / I never meant to hurt you“ aus: „Cleaning Out My Closet“ von Eminem
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Er ist der erfolgreichste weiße Rapper aller Zeiten, einer, der aneckt und mit derben Versen zum Massenphänomen geworden ist. Besonders Schwulenorganisationen und Frauenrechtlerinnen kritisieren die Texte. Er kontert: „Wenn mich ein Kritiker frauenfeindlich oder homophob nennt, dann werde ich das auch sein. Wenn du mich für einen anständigen Kerl hältst, dann benehme ich mich auch anständig.“ Es bleibt dem Zuhörer überlassen, sich ein Bild von ihm zu machen. Er jongliert mit den Identitäten, ist gleichzeitig der Hip-Hop-Superstar Eminem, die Kunstfigur Slim Shady, die er 1997 mit der „Slim Shady EP“ einführt, und Marshall Bruce Mathers III, wie er mit bürgerlichem Namen heißt. Erst auf dem vierten Album „The Eminem Show“ erzählt Mathers ausschließlich und ungeschminkt von sich. Vorher wusste niemand, wann er von sich sprach und wann er sich hinter den erfundenen Personen versteckte. Er holt die Leichen aus dem Keller und rappt: „I’m sorry, mama / I never meant to hurt you / I never meant to make you cry / But tonight I’m cleaning out my closet.“ Er will seine Mutter eigentlich nicht verletzen, aber bei diesem gnadenlosen Seelengroßputz lässt es sich nicht vermeiden: In „Cleaning Out My Closet“ rechnet er mit ihr ab. Sie hat den Sprössling im Herbst 1999 auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz verklagt, weil er sie in einem Interview als „drogenabhängige, streitsüchtige Vagabundin“ bezeichnete. Im Song beschreibt er sie als „victim of the Munchhausen Syndrome“. Eminem geht noch weiter, beginnt die Aufarbeitung der Familientragödie im zweiten Vers mit dem Vater, der Frau und Sohn Knall auf Fall verlässt: „I wonder if he even kissed me goodbye“, und er verspricht, dass seiner eigenen Tochter Hailie so etwas nicht passieren
wird. Er will sie auch vor der Großmutter schützen, indem er den Kontakt verhindert, und droht Letzterer an: „But you’ll never see her / She won’t be even at your funeral.“ Der Hass, den Eminem/Mathers gegenüber seiner Mutter spürt, wird ungefiltert widergegeben und spricht vielen Jugendlichen aus der Seele: „My whole life I was made to believe I was sick when I wasn’t ’til I grew up, now I blew up / It makes you sick to your stomach, doesn’t it?“ Für sich persönlich hat er den Weg aus dem familiären Desaster gefunden: „You better lose yourself in the music“, rappt er in dem Hit „Lose Yourself“ aus seinem erfolgreichen Kinodebüt als Schauspieler „8 Mile“. Der Film spielte in den USA 120 Millionen Dollar ein und wirkt wie das optische Äquivalent zu „Cleaning Out My Closet“. Auch wenn die von Kim Basinger dargestellte Mutter weniger schrecklich wirkt, scheint Eminems Spiel auch deshalb so gelungen, weil die Figur des jungen Rappers Rabbit und das Umfeld im urbanen Sumpf von Detroit viele autobiografische Züge aufweisen: Die Mutter taumelt trunken durch eine zerstörerische Beziehung und verzockt das wenige Geld der Familie. Rabbit trottet durch das Ghetto, umgeben und ausgefüllt von Hoffnungslosigkeit. Er reimt, hat Talent als rappender Lyriker, aber er ist weiß. Erst am Schluss des Filmes wird seine Überlebens-Kunst zur Zukunftschance. Die Entsprechung im Lied: „Have you ever been hated or discriminated against? I have, I’ve been protested and demonstrated against / Picket signs for my wicked rhymes. Look at the times. Sick is the mind of the motha fuckin’ kid that’s behind.“ – „Wurdest du je gehasst oder diskriminiert? Ich schon, gegen mich wurde protestiert und demonstriert / Mahnende Aufkleber gegen meine verruchten Reime. Was sind das bloß für Zeiten? Krank ist der Geist des verdammten Kindes, das hinter all dem Aufruhr steckt.“ mp Original: Eminem: „The Eminem Show“ (2002, Aftermath, CD)
„Cocaine / Runnin’ all around my brain“ aus: „Cocaine“ u. a. von Jackson Browne Die genaue Herkunft des Liedes ist bis heute nicht geklärt. Sicher ist nur, dass eine der frühesten Einspielungen von Reverend Gary Davis stammt, einem sehr gläubigen Bluessänger und Gitarristen, von dem viele Stars – u. a. Eric Clapton – nicht nur lernten, sondern ihn auch oft kopierten. Davis’ Version ist eine eindringliche Warnung vor Drogenkonsum: „Coke’s not for horses, not for men / Doctor says it’s gonna kill me but he won’t say when“, heißt es in seinem „Cocaine Blues“.
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Es ist guter amerikanischer Brauch, Lieder, die quasi ins Allgemeingut übergehen, umzutexten – was bei „Cocaine“ der Fall ist. Eine der schönsten und anrührendsten Versionen stammt vom Songwriter Jackson Browne, der sie 1977 auf seinem Album „Running On Empty“ veröffentlicht. Browne nimmt die Songs dieses Albums unterwegs auf einer Tour durch die Vereinigten Staaten auf: Fünf Lieder werden live eingespielt, drei in Hotelzimmern, eines im Backstagebereich, eines im fahrenden Tourbus. Browne, das am schönsten singende gesellschaftliche Gewissen der USA, zeigt mit „Running On Empty“, dass das angeblich so glamouröse Leben als Star so fantastisch gar nicht ist – und beschreibt in seinen „Cocaine“-Zeilen die Erlebnisse während dieser Tour: „Headin’ down Scott, turnin’ up Main / Looking for the girl who sells cocaine.“ Der Konsum der Droge zeitigt mitunter eigenwillige Folgen: „You take Sally and I’ll take Sue / There ain’t no difference between the two.“ Die Musiker spielen „Cocaine“ im Hotelzimmer ein – Browne weiß, warum: „Late last night about a quarter past four / Ladanyi come knockin’ down my hotel room door / Where’s the cocaine – it’s runnin’ all around my brain.“ Der Songwriter ist aber klug genug, vor der verheerenden Wirkung der Droge zu warnen – und seine Fans so eventuell von der Nachahmung abzuhalten: „I was talking to my doctor down at the hospital / He said, ‚Son, it says here you’re twenty-seven / But that’s impossible / Cocaine – you look like you could be forty-five.‘“ Die Liste der „Cocaine“-Interpreten ist lang – mehr als nur ein Indiz dafür, dass das Thema Drogen bei Musikern durch die Jahrzehnte immer wieder eine große Rolle spielt: Nick Drake nahm den Song auf, ebenso Bob Dylan („Blowin’ In The Wind“, „Knocking On Heaven’s Door“), aber auch Townes Van Zandt und die Punkband UK Subs. Von Hannes Wader gibt’s sogar eine deutsch getextete Version. gf Original: Rev. Gary Davis: „Pure Religion And Bay Company“ (1957, Smithsonian Folkways, LP), weitere Version: Jackson Browne: „Running On Empty“ (1977, Asylum, LP)
„Come on Eileen / Oh I swear (what he means)“ aus: „Come On Eileen“ von Kevin Rowland & Dexy’s Midnight Runners
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Im Juli 1978 gründet der im englischen Wolverhampton als Sohn irischer Eltern geborene Kevin Rowland die Dexy’s Midnight Runners. Seine bis dahin vor sich hin dümpelnde Musikerkarriere bekommt einen Schub, die Zeit
der unbedeutenden Punkbands und des Tingelns durch winzige, schmutzige Clubs ist vorbei, denn schon „Geno“, die zweite Single der Band, wird im Vereinigten Königreich ein Riesenhit. Rowland schafft 1980 mit dem ersten Album „Searching For The Young Soul Rebels“ den Spagat zwischen flottem, an die Hits des Detroiter Soul-Labels Motown (u. a. Marvin Gaye, The Supremes, The Temptations) erinnernden Sound und keltisch gefärbten Fiedelklängen. Auf der Nachfolgeplatte „Too-Rye-Ay“ wird die Geige dann zum dominierenden Instrument. Auf dieser 1982 veröffentlichten LP befindet sich der Song, der Rowland und seine zu diesem Zeitpunkt achtköpfige Formation weltweit berühmt machte: „Come On Eileen“. Dieses schwungvolle Lied wird von der schmissigen Geige und von Rowlands hoher, melancholischer Stimme geprägt und hebt sich deutlich vom zeitgleich erfolgreichen Synthiepop von Bands wie Duran Duran oder Depeche Mode („Enjoy The Silence“) ab. Der Text beginnt mit einer Rückschau auf die fünfziger Jahre: „Poor old Johnny Ray sounded sad upon the radio / He moved a million hearts in mono.“ Damals ist die besungene Eileen noch ein Kind. Aus dem Radio klingen die Schnulzen von Johnnie Ray (in Rowlands Text fälschlicherweise „Johnny“ geschrieben). Der Sänger aus Dallas berührte mit Liedern wie „Just Walking In The Rain“ oder „The Little White Cloud That Cried“ tatsächlich Millionen Herzen. Bei seinen Konzerten kam es regelmäßig zu tumultartigen Szenen, rissen ihm weibliche Teenies regelrecht die Kleidung vom Leib. Rowland bezeichnet ihn als „poor old“, weil Ray als Zehnjähriger beim Spielen auf den Kopf fiel, weshalb er später schlecht hörte und seine Auftritte nur mit Mühe und Schmerzen durchstand. Eileen wächst zu einer jungen Frau heran und bekommt die Gefühle nicht mehr vom Schnulzenstar aus dem Radio geliefert, sondern erlebt sie nun selbst – „and we can sing just like our fathers“. Es ist die Zeit der ersten Liebe: „At this moment, you mean everything / With you in that dress, oh my thoughts I confess / Verge on dirty.“ Und: „Ah, come on Eileen“ – trau dich ruhig, genieße den Moment, auch wenn die Erwachsenen dagegen sind, dass wir es miteinander tun. Rowlands romantische Perspektive erinnert an die fünfziger Jahre. Damals war Teenagerliebe allerdings wirklich noch verboten, und sein kühner, vor juveniler Kraft strotzender Satz „But not us, no not us / We are far too young and clever“ könnte auch von Jerry Lee Lewis („Great Balls Of Fire“) stammen. „Come On Eileen“ ist ein altmodisches Stück eines hoffnungslosen Romantikers. Der selbsternannte „keltische Soulbruder“ Rowland singt nach dem Ende der Dexys Midnight Runners im Jahre 1985 noch öfter Schnulzen
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aus den fünfziger und sechziger Jahren – etwa auf „The Wanderer“, seinem Solodebüt von 1988: Darauf befindet sich neben dem von Dion stammenden Titelstück eine hübsche Version von Ray Prices „Heartache By The Numbers“. Im Sommer 2012 veröffentlicht Rowland auf einem Independentlabel die CD „One Day I’m Going To Soar“, die dort anschließt, wo die Dexys Midnight Runners in den achtziger Jahren aufhörten. Nur der Bandname wurde nun auf die bei Fans gebräuchliche Kurzform „Dexys“ minimiert. mp Original: Kevin Rowland & Dexys Midnight Runners: „Too-Rye-Ay“ (1982, Mercury, LP)
„Da da da, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“ aus: „Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“ von Trio
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Was da 1982 auf der Bühne steht, erinnert nur entfernt an eine Rockband: drei Gestalten, die kaum eine Miene verziehen und ziemlich verloren wirken. Es scheint, als wollten sie eher in einem Wohnzimmer auftreten. Ihr Equipment unterscheidet sich deutlich vom Instrumentarium anderer Gruppen, wahrscheinlich bringen sie es auf dem Rücksitz eines VW Käfer unter. Ein dreiteiliges Minischlagzeug, eine rote Plastikgitarre und eine tragbare Miniorgel, wie sie Kindern zum Geburtstag geschenkt wird – mehr brauchen Trio nicht, um Musik zu machen. Das Merkwürdige daran ist, dass auch im Konzertsaal nie das Gefühl aufkommt, dass irgendetwas fehlt. Gegründet wird Trio 1980 vom arbeitslosen Lehrer Stephan Remmler, seinem Schulfreund Kralle Krawinkel (Gitarre) und dem als Clown eher mäßig erfolgreichen Peter Behrens. Dessen Ruf als Drummer ist nicht gerade umwerfend; es geht das Gerücht um, dass man ihn in Cuxhaven für den schlechtesten Schlagzeuger der Gegend hält. Die drei ziehen nach Regente, einem Ortsteil im niedersächsischen Städtchen Großenkneten, und schreiben erste Lieder. Produziert werden sie vom Beatles-Studiomusiker und John-Lennon-Bassisten Klaus Voormann. Manager Louis Spillmann verschafft ihnen einen Vertrag bei Phonogram, und da sich die Band weigert, in Großstädten aufzutreten, schickt er sie auf Tour durch 50 Plattenläden. Bei diesen Auftritten wird „Da da da“ geboren. Remmler schreibt im Kommentar zu seiner 1990 erschienenen „Best Of“-CD „10 Jahre bei der Stange“: „Das Lied entstand während jener berühmt-berüchtigten Trio-Tour Herbst 81 bis Sommer 82, drei Auftritte pro Tag in drei verschiedenen Städten: mittags im Kaufhaus, nachmittags im Plattenladen und abends im Club. Es ist erst nachträglich auf die erste LP raufgekommen.“
Das stimmt, denn die schlicht „Trio“ betitelte Debütplatte präsentiert zwar auf dem Cover Adresse und Telefonnummer der Spaßvögel sowie musikalisch jede Menge minimalistischer Geniestreiche, doch von ihrer Hitsingle findet sich darauf zunächst nur die B-Seite „Sabine Sabine Sabine“. Als der Fehler behoben wird, ist „Da da da“ längst ein Welthit. Regisseur Dieter Meier dreht ein Video dazu, in dem auch Ideal-Sängerin Annette Humpe – sie singt die zweite Stimme – zu sehen ist. Die stoisch vorgetragenen deutsch-englischen Zeilen „Was ist los mit dir, mein Schatz / Geht es immer nur bergab / Geht nur das, was du verstehst / This is what you got to know / Loved you though it didn’t show“, ergänzt jeweils durch ein sinnfreies „aha“, gehen um die Welt. Das liegt neben dem simplen Text auch an der ungewöhnlichen Instrumentierung: Ein sturer, gnadenlos dominanter Beat, begleitet von einer kleinen Billigorgelmelodie. Trio landen mit ihrem reduzierten Sound und den minimalistischen Texten noch einige Hits, etwa „Anna Lassmichrein Lassmichraus“ und „Bum Bum“. Zwei Alben lang funktioniert diese Mischung; die ungewohnt üppig arrangierte LP Nummer drei „What’s The Password“ floppt im Jahr 1985 – wie auch der dazugehörige Trio-Kinofilm „Drei gegen Drei“. Kurz darauf trennt sich die Band. Als Gründe werden neben künstlerischen Differenzen auch Geldstreitigkeiten genannt – es heißt, dass sich Schlagzeuger Peter Behrens benachteiligt fühlte. Behrens brachte seine Trio-Erlöse durch, Krawinkel arbeitete wieder als Studiomusiker – unter anderen für Marius Müller Westernhagen –, und Stephan Remmler tauchte hin und wieder als Solokünstler in den Charts auf, aber an den Erfolg von „Da da da“ kam auch er nie mehr heran. Das Antiliebeslied wurde 1997 in den USA erneut zum Hit, weil VW es in einem TV-Werbespot einsetzte. mp Original: Trio: „Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“ (1982, Phonogram, Single)
„See that girl, watch that scene / Diggin’ the dancing queen“ aus: „Dancing Queen“ von ABBA Am 19. Juni 1976 heiratet der 30-jährige Carl XVI. Gustaf, König von Schweden, die 32-jährige deutsche Dolmetscherin Silvia Sommerlath aus Heidelberg. Die schwedische Band Abba, die sich zu diesem Zeitpunkt im Zenit ihrer Karriere befindet, schreibt schon 1975 einen Song dafür: Die öffentliche „Uraufführung“ von „Dancing Queen“ in ihrem Heimatland findet aber erst
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ein Jahr später live statt – während eines Galakonzerts am Vorabend der Hochzeit – und in Anwesenheit des Königs und seiner Braut. Augenzwinkernd unterstellt die Band der Braut, sich den König in einer Diskothek mehr oder minder bewusst geangelt zu haben: „You come in to look for a king / Anybody could be that guy (…) You’re in the mood for a dance / And when you get the chance … “ Zwar hätte jeder Junge beim Tanzen für sie zum König werden können – aber dass es dann doch ein echter war … Die Musiker wissen auch, dass die junge Silvia das probateste weibliche Mittel angewandt hat, um ihn neugierig zu machen – sie macht ihn heiß und zeigt ihm anschließend die kalte Schulter: „You’re a teaser, you turn ’em on / Leave ’em burning and then you’re gone …“ Der Refrain feiert die Freuden der Jugend und der Discoära: „You are the dancing queen / Young and sweet, only seventeen / dancing queen / Feel the beat from the tambourine / You can dance, you can jive / Having the time of you life / See that girl, watch that scene / Diggin’ the dancing queen.“ Der Siegeszug des pianobetonten Discostampfers überrascht selbst die erfolgsverwöhnten Musiker. Im September 1976 steht „Dancing Queen“ an der Spitze fast aller Charts: in Europa, in Australien und im Fernen Osten. Nur nicht in den USA: Zwar spielen einige Radiostationen den Song, aber dazu müssen die DJs die Mitte Oktober erschienene ABBA-LP „Arrival“ auflegen – als Single ist der Song noch nicht veröffentlicht. Ein Versäumnis, das die Plattenfirma Atlantic am 12. November behebt. Im April 1977 ist „Dancing Queen“ schließlich auch in den USA die Nummer eins. ABBA verkaufen allein in den Staaten sechs Millionen Singles, das Album „Arrival“ wird im April mit Gold ausgezeichnet. ABBAs Erfolgsgeschichte ist bis heute einzigartig: 1972 nehmen die Songwriter Björn Ulvaeus und Benny Andersson mit Unterstützung ihrer Bandkolleginnen, Björns Gattin Agnetha Fältskog und Anni-Frid „Frida“ Lyngstad, die Single „People Need Love“ auf. Der Song wird ihr erster größerer Hit. Daraufhin dürfen die Musiker an der schwedischen Vorausscheidung zum Grand Prix d’Eurovision de la Chanson teilnehmen. Noch unter der eher sperrigen Bezeichnung „Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid“ trällern sie „Ring Ring“ und landen aber nur auf Platz drei. Schließlich kommt die auch privat vollständig verbandelte Truppe (Anni-Frid und Benny sind mittlerweile ebenfalls ein Paar) auf den erfolgsträchtigen Bandnamen mit den Anfangsbuchstaben der Mitglieder – und der Erfolg nimmt seinen Lauf. Mit „Waterloo“, ihrer siebten Single, gewinnen sie 1974 den Grand Prix und werden auch weltweit Superstars. In den folgenden sieben Jahren bis zur Trennung 1983 erzielen die fantastischen Vier aus Schweden mit ihrem unverwechselbaren Popsound weltweit
25 Top-Five-Hits. Neunmal stehen sie in Deutschland und Großbritannien auf Platz eins der Charts, allerdings nur einmal in den USA – eben mit „Dancing Queen“. Bis 2006 verkauften sie weltweit rund 370 Millionen (!) Tonträger – immerhin ein gutes Drittel der Absätze der Beatles. gf Original: ABBA: „Arrival“ (1977, Polar, LP)
„I’m falling in love with your favorite song / I’m gonna sing it all night long / I’m gonna dance with somebody“ aus: „Dance With Somebody“ von Mando Diao Die Keimzelle von Mando Diao ist Borlänge, eine Stadt mit 40.000 Einwohnern in der schwedischen Provinz Dalama. Dort gründeten Björn Dixgård und der 2003 ausgeschiedene Keyboarder Daniel Haglund ihre Indieband. In Skandinavien gedeihen solche Formationen prächtig, wie anno 2012 unter anderem Breach oder Refused belegen. Zum internationalen Weltruhm reicht es meist deshalb nicht, weil der Weg zu den großen Plattenfirmen über England oder die USA führt. Das ist Dixgård und Haglund schon 1999 klar, als sie ihre Band Butler in Mando Diao umbenennen. Sie wissen, mit welcher Art von Musik es Schweden zu Weltruhm geschafft haben – Roxette, Ace Of Base und natürlich ABBA sind Markenzeichen des Pop. Millencollin haben sich mit ihrem Skatepunk ebenfalls etabliert. Mit den Hellacopters und Kent gehen Mando Diao in Skandinavien auf Tour und werden in der Heimatregion immer erfolgreicher. Doch erst ein glücklicher Zufall bringt das Quintett weltweit voran. Das Debütalbum „Bring ’Em In“, das überall gute Kritiken erntet, verkauft sich nur in Skandinavien hervorragend. In Deutschland liegt das daran, dass die Platte zunächst nur über Importkanäle erhältlich ist. Erst im Zuge des Schwedenbooms, der Formationen wie The Hives, The (International) Noise Conspiracy und Moneybother pusht, kann man den Erstling auch zwischen Flensburg und Garmisch erwerben. Ein weiterer Grund für das Interesse ist ein Werbespot des Handynetzbetreibers E-Plus, der den Song „Lady“ erfolgreich für seine Kampagne einsetzt. Mando Diao erkennen, dass ein Gespür für Marketing beim Sprung nach oben nicht schadet. Denn nur so kann der Standortnachteil ausgeglichen werden. Das zweite Album „Hurricane Bar“ schafft es in die Top 30 der deutschen Charts, Auftritte auf allen großen Festivals – von „Rock im Park“ und „Rock am Ring“ über „Hurricane“ bis „Southside“ – machen die Band noch bekannter und zementieren ihren Ruf als famose Liveband.
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Und ganz nebenbei sagen die Schweden nicht „nein“, wenn es um erfolgsfördernde Maßnahmen geht – ihr „Mean Street“ lief 2009 in dem rasanten Videospiel „Need For Speed Shift“, für das Game „NHL 10“ gehen sie sogar auf Promotiontour und „daddeln“ mit den Fans. Auch ihr größter Hit „Dance With Somebody“, der Disco mit Rock wirkungsvoll verbindet, wird „artfremd“ eingesetzt – als Teil der Erkennungsmelodie der 12. Staffel der von ABC in den USA ausgestrahlten TV-Show „Dancing With The Stars“. Im deutschen Pendant „Let’s Dance“ wird konsequenterweise zu diesem Stück getanzt, denn es orientiert sich an Hits der Scissor Sisters („I Don’t Feel Like Dancing“) und von Mika („Grace Kelly“), es steht auf einer Stufe mit „Heavy Cross“ von Gossip, die sich dem Discosound vom Punk her nähern. Textlich ist „Dance With Somebody“ ähnlich hedonistisch wie mancher Track aus den späten siebziger oder frühen achtziger Jahren (etwa Indeeps „Last Night A DJ Saved My Life“): „I’m falling in love with your favorite song / I’m gonna sing it all night long / I’m gonna dance with somebody“ („Ich verliebe mich in deinen Lieblingssong / Ich werde ihn die ganze Nacht lang singen / Ich werde mit jemandem tanzen“). Mit diesem Lied schafften es Mando Diao zum bislang einzigen Mal in die Spitzengruppe der deutschen Singlecharts – die höchste Position war Platz zwei, das Stück hielt sich 46 Wochen lang in der Hitliste. Das dazugehörige Album „Give Me Fire“ eroberte Platz eins und blieb 37 Wochen im Ranking vertreten. Ein Nachfolger für das am 13. Februar 2009 veröffentlichte Erfolgswerk lässt auch im Sommer 2012 noch auf sich warten, die Fans mussten sich derweil mit einem gelungenen „MTV Unplugged“-Sampler namens „Above And Beyond“ und vielen Konzerten trösten. mp Original: Mando Diao: „Give Me Fire” (2009, EMI, CD)
„I felt the knife in my hand and she laughed no more“ & „One more round, Delia’s gone“ aus: „Delilah“ von Tom Jones aus: „One More Round“, u. a. von The Kingston Trio
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Es gibt Songs, die kommen immer wieder. Sie werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Meist sind es nicht die positiven Storys, die ihre geistigen Väter überleben. Man denke nur an „Hey Joe“, die Moritat vom Mann, der seine Liebste umgebracht hat. In einigen Fällen wird ein und derselbe Handlungsablauf auf unterschiedliche Art und Weise erzählt, oft auch aus entgegengesetzten Blickwinkeln – so etwa in der tragischen Ballade von „Stagger Lee“: In zig Versionen besingen unter anderem James Brown („Say
It Loud, I’m Black And I’m Proud“), Wilson Pickett, Lloyd Price oder Nick Cave & The Bad Seeds („Where The Wild Roses Grow“) den Revolverhelden, den der Unglücksrabe Billy erfolglos um Gnade anbettelt. Etwas ganz Besonderes stellen die Variationen des bitterbösen Eifersuchtsdramas um Delia, Deliah beziehungsweise Delilah dar: Melodien und Texte sind nicht identisch, das Geschehen schon. Je nach Mut des Interpreten oder des die Ursprungsidee adaptierenden Autors und abhängig vom Zeitgeist wird der Mord an der Geliebten entweder offen angesprochen oder nur angedeutet. „One More Round“ ist längst amerikanisches Allgemeingut, der Ursprung des Volkslieds reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Wer für das Lied verantwortlich zeichnet, lässt sich nicht mehr sagen. Sicher ist aber, dass es in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts besonders populär war: Johnny Western, Harry Belafonte, Johnny Cash oder auch das Kingston Trio („Tom Dooley“) sangen es. Beim Kingston Trio wird nur vage angedeutet, dass etwas Schlimmes passiert: „Police was a-knockin’, knockin’ at my door / He said, son, I got to tell you, you ain’t gonna see your Delia no more.“ Belafontes Version wird deutlicher: „Tony shot his Delia / ’t was on a Saturday night / The first time that he shot her / She bowed her head and died.“ Beide Male wird mit „One more round“ angedeutet, dass die Untat nicht das Ende der Tragödie ist: Danach beginnt für den Mörder die Zeit des Leidens, des schmerzhaften Verlustempfindens und des Eingestehens der Schuld. Auch Johnny Cash nimmt sich schon Ende der fünfziger Jahre dieses Verbrechens an, doch bekannt wird erst die Neuaufnahme für „American Recordings“ (1994): Der Musiksender MTV setzt das dazugehörige Schwarzweißvideo auf den Index, weil es zu deutlich zeigt, was der wehrlosen, auf einen Stuhl gefesselten Delia zustößt: Sie wird von ihrem eifersüchtigem Liebsten mit mehreren Schüssen niedergestreckt. Für den Mörder beginnt auch in Cashs Version eine weitere, leidvolle Runde; der Geist der Toten verfolgt ihn: „But jailer, oh jailer / Jailer, I can’t sleep / ’cause all around the bedside / I hear the patter of Delia’s feet / Delia’s gone, one more round / Delia’s gone.“ Die Umsetzung des Stoffs, mit der der walisische „Tiger“ Tom Jones einen Welterfolg landete, versetzt den Zuhörer mitten hinein ins Geschehen. Er erfährt, wieso „Delilah“ sterben muss: Ein Mann kommt am Haus der Liebsten vorbei, sieht dort „the flickering shadows of love“ im Fenster und fällt aus allen Wolken. Zur Rede gestellt, lacht Delilah den Gehörnten aus – der ersticht sie im Affekt. „I felt the knife in my hand and she laughed
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no more.“ Tom Jones’ Täter bittet das Opfer um Verzeihung für das, was er im Affekt angerichtet hat. Und wie bei „One More Round“/„Delia’s Gone“ ist es die Gegenwart der Gesetzeshüter, die ihn zur Einsicht zwingt: „So before they come to break down the door / Forgive me Delilah / I just couldn’t take anymore.“ mp Versionen: Harry Belafonte: „Love Is A Gentle Thing“ (1958, RCA, LP), The Kingston Trio: „The Kingston Trio #16“ (1963, Capitol, LP), Tom Jones: „Delilah“ (1968, London, LP), Johnny Cash: „American Recordings“ (1994, American, CD)
„Drah di net um, der Kommissar geht um“ aus: „Der Kommissar“ von Falco
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Herbst 1981. Die Single „Der Kommissar“ kommt scheinbar aus dem Nichts. Der Text klingt ungewohnt, eine eigenwillige und faszinierende Kunstsprache, eine Melange aus Hochdeutsch, Wienerisch und Englisch, von einem gewissen Falco mehr gerappt als gesungen. Der Wiener Szenemusiker bezeichnet sich später unter Freunden – in leichter Selbstüberschätzung und doch nicht ganz zu Unrecht – gerne als „Godfather des weißen Rap“. Das Lied, das sich schnell zum Gassenhauer entwickelte, parodiert witzig und ebenso böse wie morbid die Wiener Rauschgiftszene. „Sie war jung, das Herz so rein und weiß / Und jede Nacht hat ihren Preis“, heißt es zu Beginn – „weiß“ und „Preis“ sind schon die ersten Hinweise auf Kokainkonsum. Wenige Zeilen später wird Falco deutlich: „Ich überleg’ bei mir, ihr Nas’n spricht dafür / Währenddessen ich noch rauche / Die ‚special places‘ sind ihr wohl bekannt.“ Drastisch beschreibt er dann das typische Ende eines Wiener Drogenlebens: „Und auch der Rest der coolen Gang / Sie rappen hin, sie rappen her / Dazwischen kratzen’s ab die Wänd’.“ Und fügt bitter hinzu: „Den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahr’n / Kennt heute jedes Kind.“ Im Refrain treibt Falco die Ironie auf die Spitze – denn ausgerechnet ein Vertreter der Staatsgewalt soll Verständnis zeigen: „Drah di net um, oh, oh, oh / Schau, schau, der Kommissar geht um, oh, oh, oh / Wenn er dich anspricht und du weißt warum / Sag ihm, dein Leben bringt dich um.“ Mit der Single „Der Kommissar“ wird der Musiker Johann „Hans“ Hölzel (so Falcos bürgerlicher Name; sein Künstlername geht auf den Ende der siebziger Jahre sehr erfolgreichen ostdeutschen Skispringer Falko Weißpflog zurück) zu einem der wenigen weltweit erfolgreichen Popstars aus Österreich: Im November 1981 ist Falco mit seinem „Kommissar“ Nummer eins in Österreich, zwei Monate danach steht er in Deutschland an der Spitze der Charts. Einige Wochen später ist er bereits die Nummer eins in weiten Teilen
Europas. In Kanada wird die Single vergoldet, in den USA erreicht selbst die deutschsprachige Version noch Platz 72 der Charts, in der englischsprachigen Coverversion der Band After The Fire dann sogar Platz fünf. Vermittelt durch den New Yorker DJ und Rap-Pionier Afrika Bambaataa wird die Nummer in amerikanischen Szene-Clubs zum Hit, führt sogar in Guatemala die Hitparade an. Weltweit werden rund sieben Millionen Singles verkauft – ein Erfolg, der alle Dimensionen sprengt, die österreichische Musiker bis dahin kennen. Ein Erfolg, den nur Falco selbst noch toppen kann: Mit „Rock Me Amadeus“ gelingt ihm 1985 sogar der Sprung an die Spitze der US-Charts. gf Original: Falco: „Einzelhaft“ (1982, Gig, LP), weitere Version: After The Fire: „Der Kommissar“ (1982, CBS, LP)
„Klatsch in die Hände / Und tanz den Mussolini“ aus: „Der Mussolini“ von DAF Falsch verstanden – oder doch nicht? 1981 fordern zwei Männer in Lederoutfits dazu auf, den Mussolini, den Adolf Hitler, den Kommunismus und den Jesus Christus zu tanzen. Die Aufforderungen werden durch Befehle wie „Beweg deinen Hintern“ und „Geh in die Knie“ präzisiert. Mehr als die Wiederholung der Namen, die Nennung von Hitler und Jesus in einem Atemzug und die Tanzinstruktionen hat der Text nicht zu bieten. Trotzdem wird er heiß diskutiert: Sind die Künstler – oder zumindest die von ihnen geschriebenen Zeilen – faschistisch? Ähnlich wie rund 15 Jahre später im Falle der Berliner Band Rammstein treffen Vorurteil und Unkenntnis auf geschickt kalkulierte Provokation. Der spanischstämmige Gabi Delgado-Lopez und sein Partner Robert Görl spielen mit Begriffen und Namen, die ganz offensichtlich so stark mit Bewertungen – bei Hitler und Mussolini extrem negativer Natur – vorbelastet sind, dass es genügt, „Tanz den Adolf Hitler“ zu singen und dabei so zu tun, als handelte es sich um einen martialischen Modetanz, um Entrüstung hervorzurufen. DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft), das Projekt der beiden, feiert mit dieser simplen und wirkungsvollen Masche drei Alben lang auch im Ausland riesige Erfolge. Aus der rechten Ecke kamen die beiden Provokateure indes nicht. Delgado-Lopez war, bevor er Teil von DAF wurde, Mitglied der Punkszene um den „Ratinger Hof“. Dieser Club im Düsseldorfer Vorort Ratingen bildete die Keimzelle verschiedener alternativer Musikprojekte und Bands wie Der Plan, Die Toten Hosen („Hofgarten“) oder Fehlfarben („Ein Jahr (Es Geht Voran)“).
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Deren Vorläuferband hieß Mittagspause und sang Alkoholgeschwängertes und Linkes, ein Mitglied der Gruppe war Delgado-Lopez. Das im damaligen Düsseldorfer Punk- und New-Wave-Zirkel übliche Mitgliederwechsel-Spiel führte zur fast gleichzeitigen Gründung von DAF und Fehlfarben. Kurt Dahlke und Michael Kemner gehörten beiden Formationen an. Der Sonderling im Verein war Robert Görl: Mit Punk hatte der klassisch ausgebildete Musiker bis dahin nicht viel zu tun. Die musikalische Schnittmenge zwischen Fehlfarben und DAF bildet der von beiden Crews aufgenommene Song „Kebabträume“ – bei Fehlfarben heißt er „Militürk“. Nach zwei Independentalben schrumpft die Deutsch Amerikanische Freundschaft 1980 zum Duo und unterschreibt einen Plattenvertrag beim Majorlabel Virgin. Delgado-Lopez und Görl reduzieren den Sound auf einfache Synthiemelodien und einen elektronisch-monotonen Beat. Sie gelten deshalb als wesentliche Wegbereiter für Techno. Auch mehr als zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung klingt „Der Mussolini“ neu und zeitgemäß. Die Kürzel- und Formelhaftigkeit aus der Anfangszeit der Band bleibt erhalten und wird verfeinert: Von „Kebabträume in der Mauerstadt / Türkkültür zwischen Stacheldraht / Neu-Izmir in der DDR / Atatürk der neue Herr“ zu „Geh in die Knie / Wackle mit den Hüften / Klatsch in die Hände / Und tanz den Mussolini“ ist es kein weiter Weg. mp Original: DAF: „Alles wird gut“ (1981, Virgin, LP)
„Ist es die da, die da am Eingang steht?“ aus: „Die da!?!“ von Die Fantastischen Vier
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Die Keimzelle des deutschen Hip-Hop liegt in Stuttgart: Ab 1988 sorgt das Terminal Team in der Schwabenmetropole in diversen Clubs für Furore. Die Umbenennung erfolgt 1989 auf einem „Batman“-Fest: Passend zum Superhelden im Fledermauskostüm wählt man spontan eine erfolgreiche Serie des Marvel-Verlags („X-Men“, „Spider-Man“) zum Projektnamen – „Die Fantastischen Vier“. Dann geht alles sehr schnell. Das Quartett unterschreibt 1991 bei der Plattenfirma Sony, nimmt eine erste LP („Jetzt geht’s ab“) auf und geht auf Deutschlandtour. Ein Jahr später klappert es auf Promotionreise Deutschlands Radiosender ab, im Gepäck die Single „Die da!?!“. Als die Gruppe beim Autor dieser Zeilen Station macht, wettet der, dass der Song in die Top Ten gelangen wird. Smudo hält dagegen – und verliert. Als er seinen
Wetteinsatz einlöst, rangiert „Die da!?!“ auf Platz zwei und das dazugehörige, nach einem Strategiespiel benannte Album „4 gewinnt“ ist ebenfalls ein Riesenerfolg. Der naive Charme von „Die da!?!“ macht das Lied zum ersten deutschen Hip-Hop-Hit: Smudo, der Thomas Freitag in der Bar trifft, erzählt ihm, dass er sich verliebt hat. Thomas ist neugierig: „Hey, ist es die da, die am Eingang steht? Oder die da – die dir den Kopf verdreht?“ Smudo antwortet „Nein“, und sein Gegenüber bohrt weiter: „Ist es die da, die mit dem dicken Pulli an, Mann?“ Aber auch die ist es nicht, die Traumfrau ist gar nicht da: „Nein, es ist die Frau, die freitags nicht kann.“ Sie hat Smudo den Kopf verdreht, er hat sie ausgeführt („gehört ja wohl dazu“), und dann erfährt er, dass Thomas sich in dieselbe Frau verguckt hat. Sie taucht plötzlich im Club auf: „Was? Das ist doch die da, um die es sich auch bei mir dreht.“ Im Schlepptau hat sie einen anderen: „Was, die da? Und wer ist dieser Mann? Ich glaube, das ist der Grund, warum sie freitags nicht kann.“ Mit dem plötzlichen Erfolg bricht für Die Fantastischen Vier die heile HipHop-Welt zusammen. Sie werden von den Medien vereinnahmt und machen Fehler, die sie später bereuen – so stellt die Gruppe den Hit für einen Werbespot zur Verfügung, was in der Hip-Hop-Community schlecht ankommt. Schon Ende des Jahres reflektieren sie in „Nur ein Traum“ (von der MaxiSingle „Lass die Sonne rein“) die Schattenseiten des Ruhms. Es spricht für die Qualität der Gruppe, dass sie am Ruhm nicht zerbricht, sondern reift. Mit weiteren Hits wie „Sie ist Weg“ und „Mfg“ legen Die Fantastischen Vier den Grundstein für ihre gemeinsame Firma Four Music. Mit ihr fördern sie eine Zeit lang gezielt Künstler wie Gentleman, Freundeskreis oder Afrob und übergeben die Company dann ab 2005 sukzessive an ihren Vertriebspartner Sony Music, der Four Music heute zu 100 Prozent besitzt. mp Original: Die Fantastischen Vier: „4 gewinnt“ (1992, Columbia, CD)
„I love the way you walk / I’m crazy ’bout your walk“ aus: „Dimples“ von John Lee Hooker „Blues ist die Wurzel jeglicher Musik, ob Jazz, Balladen oder Rock’n’Roll.“ Gebetsmühlenhaft wiederholte der 2001 verstorbene John Lee Hooker diesen Satz Zeit seines Lebens. Der Beweis seiner These ist schnell geführt: Die Rolling Stones, Animals, Yardbirds, die Spencer Davis Group, die Doors, ZZ Top, Canned Heat, Bob Dylan („Blowin’ In The Wind“, „Knocking On Heaven’s Door“), Bruce Springsteen („Born In The U.S.A.“) zählen „The Hook“ zu ihren
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wichtigsten musikalischen Ziehvätern, nicht wenige gingen durch seine Schule. Sogar David Bowie („Rock’n’Roll Suicide“, „Heroes/Helden“) bekennt sich zum großen alten Mann vom Mississippi: „Jeder hatte damals einen Blueshelden, unser Idol hieß John Lee Hooker.“ Hooker, geboren 1917 oder 1920 (er wusste es nie genau), stammt aus dem kleinen Örtchen Vance bei Clarksdale, Mississippi. Gitarre lernt er bei seinem Stiefvater Willie Moore, schon mit 14 absolviert er seine ersten Auftritte. Als er 1943 nach Detroit übersiedelt, ist das, was die nächsten Jahrzehnte seinen Stil ausmachen wird – die schrubbende Ein-Akkord-Gitarre, der rhythmisch stampfende Begleitfuß, der tiefe, kehlige Gesang –, bereits vollkommen ausgeformt. In Detroit arbeitet er tagsüber als Portier in einer Autofabrik und tritt nachts in örtlichen Clubs auf. Schon 1948 landet er mit seinem Song „Hobo Blues“ auf Platz fünf der R&B-Charts, „Crawling King Snake“ schafft es noch im selben Jahr auf Platz sechs. Mit „Boogie Chillen“, schroff, schneidend und tief im Deltablues verwurzelt, gelingt ihm endgültig der Durchbruch: Der Song klettert 1949 auf Platz eins der R&B-Charts. Ein Erfolg, den er erst 1951 mit „I’m In The Mood“, seinem größten Hit, wiederholt. 1956 veröffentlichte Hooker „Dimples“ als einen der ersten Songs für seine neue Plattenfirma Vee-Jay Records. Der Boogie entwickelte sich nicht zum großen Hit, gilt heute jedoch als Klassiker, weil er alle Qualitäten Hookers bündelt und prototypisch für seine Musik steht: Die Gitarre fungiert als Fortsetzung der Stimme, jede Stakkatonote wird sparsamst eingesetzt, eigens betont, das Klacken seiner eisenbeschlagenen Absätze gibt den Rhythmus vor. Die Atmosphäre, die er beschwört, wirkt beängstigend intensiv – wie es wohl auch zu einem Liebeslied wie „Dimples“ passt: „I love the way you walk / I’m crazy ’bout your walk“, gesteht Hooker mit rauer Stimme einer anonymen Schönheit, und: „I like the way you switch.“ Was ihn ganz besonders anzieht, gibt er in der dritten Strophe preis: „You got dimples in your jaw.“ Es sind diese Grübchen in ihrem Kinn, von denen er den Blick nicht abwenden kann: „You my babe, I got my eyes on you.“ Hooker spielte in seinem Leben unzählige Alben ein, viele unter seinem richtigen Namen, viele unter Pseudonym für alle möglichen Kleinlabels. Auch „Dimples“ nahm er immer wieder auf – es findet sich auf vielen Alben. 1989 feierte er mit seinem Album „The Healer“ ein spätes und grandioses Comeback: Die CD enthält zahlreiche Gastauftritte von Freunden und Fans, etwa Carlos Santana, Robert Cray, George Thorogood, Los Lobos und Charlie Musselwhite. „I’m In The Mood“, sein Duett mit Bonnie Raitt, brachte ihm sogar einen Grammy ein – eine späte Ehre für den Dinosaurier des Blues. 1991 wurde er in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen, und 2000 erhielt er bei
den Grammyverleihungen den „Lifetime Achievement Award“ für sein unglaubliches Lebenswerk. Was mehr als angebracht und überfällig war, glaubt man Carlos Santana: „Hören Sie Jimi Hendrix’ ‚Blues Child‘, hören Sie auf Van Morrisons Phrasierungen, hören Sie auf den Herzschlag der Natur“, meint der Meister des Latinrock. „All das steckt in Johns Herz, Fuß und Fingern. John Lee ist ein Ozean voller Inspiration.“ gf Original: John Lee Hooker: „Dimples“ (1956, Vee-Jay, Single), weitere Versionen: The Spencer Davis Group: „Sittin’ And Thinkin’ (1964, Fontana, Single), The Animals: „The Animals“ (1964, Columbia, LP), John Lee Hooker: „Don’t Look Back“ (1997, Pointblank, CD)
„I refuse to blow a fuse / They even had it on the news“ aus: „Don’t Believe The Hype“ von Public Enemy Produzent Rick Rubin (Slayer, Run DMC, Johnny Cash) nimmt 1986 für sein „Def Jam“-Label eine Rap-Formation unter Vertrag, die zu diesem Zeitpunkt bereits vier erfolgreiche Jahre im New Yorker Hip-Hop-Untergrund hinter sich gebracht hat: Public Enemy. Das Quintett besteht aus dem DJ Terminator X, dem stets mit einer riesigen Küchenuhr um den Hals auftretenden Flavor Flav, Hank Shocklee, dem durch antisemitische Äußerungen auffallenden Professor Griff und dem Textchef Carlton Ridenhour, besser bekannt als Chuck D. Unterstützt wird die Gruppe von der Bomb Squad, die für die Sounds verantwortlich ist, und einer uniformierten Wachmannschaft namens S1WS. Das martialische Äußere der Wachmannschaft unterstreicht die Bedeutung, die Public Enemy– zumindest anfänglich – haben soll: Die Mitglieder betrachten sich als musikalisches Aushängeschild der Nation of Islam. Später meint Ridenhour, die Raps von Public Enemy seien das CNN der schwarzen Bevölkerung, lieferten also Nachrichten, die nicht von Weißen vorgefiltert oder vorzensiert werden. Ob Public Enemy nun militante Black Muslims sind oder das Informationsorgan der nach Aufklärung verlangenden Ghettokids, sei dahingestellt: Wichtig sind die harten und zugleich literarisch ansprechenden Reime der Gruppe auf jeden Fall. Viele ihrer Titel wurden zu geflügelten Worten – etwa „911 Is A Joke“ als Umschreibung der Polizeiarbeit, „Fight The Power“ oder der Titel der zweiten, 1988 erschienenen LP „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“. Anspielend auf den „Million Man March“ von Martin Luther King und das Scheitern der afroamerikanischen
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Bürgerbewegung fordert der Slogan Zusammenhalt, Stärke und – daraus resultierend – Macht ein. Auf der Platte sind weitere griffige Parolen zu finden, eine davon wird zum Synonym für kritisches Hinterfragen: „Don’t Believe The Hype“ – nichts, was geschrieben steht oder gesagt wird, soll einfach und ohne Überprüfung geglaubt werden. Chuck D rappt: „Some writers I know are damn devils / For them I say don’t believe the hype …“ Hype, etwas künstlich in Gang Gesetztes, von mächtigen Instanzen Gesteuertes, kann alles sein – ein neuer Popsound, eine Haarmode oder der gezielt erreichte gesellschaftliche Konsens, auch der über Public Enemy, das Feindbild der republikanischen Presse: „Some claim that I’m a smuggler / Some say I never heard of ’ya / A rap burgler, false media / We don’t need it do we? / It’s fake that’s what it be to ’ya, dig me? / Don’t believe the hype …“ Die Anklage der Medien, der von Konzernen gesteuerten Meinungseinfalt wird in der ersten Person vorgetragen, ein Stilmittel, das Rapper einsetzen, um eigene Stärke und Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Und tatsächlich wirken die Tiraden kraftvoll und, bedingt durch den herrischen Tonfall und die beeindruckende Wortmenge, Furcht einflößend. Es scheint, als könnte Chuck D allein durch seine Sätze und den Nachdruck, mit dem er sie äußert, die übermächtigen Gegner in den Fernsehsendern, bei Plattenfirmen, im Weißen Haus besiegen: „Again I said I was a timebomb / In the daytime the radio’s scared of me / ’cause I’m mad, plus I’m the enemy / They can’t c’mon and play with me in primetime / ’cause I know the time, plus I’m gettin’ mine / I get on the mix late in the night / They know I’m livin’ right, so here go the mike, sike“ – das Mikrofon wird hier zur Waffe. Public Enemy lassen sich nicht korrumpieren; sie verlieren, als der Hype, den ihre Provokationen auslösen, verpufft, ihren Plattenvertrag und bringen ihre CDs fortan selbst unter die nicht mehr ganz so zahlreiche Fangemeinde. Dazu dient ihnen die Internetseite www.slamjamz.com, auf der man die Alben gegen Gebühr herunterladen kann, schon bevor sie in die Läden kommen. So verkaufen sie zwar weniger CDs, doch an jeder einzelnen davon verdienen sie mehr, denn Public Enemy steuern Vertrieb und Marketing selbst. „Wir genießen die Unabhängigkeit“, sagt Chuck D. Diesen Weg setzt die Formation bis heute konsequent fort – getreu dem Motto: „I refuse to blow a fuse / They even had it on the news / Don’t believe the hype …“ mp Original: Public Enemy: „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ (1988, Def Jam, LP)
„It’s Christmas time, and there’s no need to be afraid“ aus: „Do They Know It’s Christmas?“ von Band Aid Im Spätherbst 1984 beschließen Boomtown-Rats-Chef Bob Geldof („I Don’t Like Mondays“) und Ultravox-Sänger Midge Ure („Vienna“) unter dem Eindruck der TV-Bilder von Hungernden in Ostafrika, ein Lied zu schreiben und es mit vielen Prominenten einzuspielen. Sie wollen damit, so Geldof, eine möglichst große Menge Pop-Fans zum Kauf der Single bewegen. Der Erlös soll den Hungernden speziell im von der Dürre besonders betroffenen Äthiopien zu Gute kommen. Und so wird Band Aid aus der Taufe gehoben. Neben den Bands der beiden Initiatoren beteiligen sich weitere berühmte Popstars an dem Projekt, unter anderem Duran Duran, Boy George von Culture Club, Sting, Phil Collins, George Michael, Paul Weller und Mitglieder von Status Quo, Kool & The Gang, Heaven 17 und U2. Produziert von Trevor Horn („Video Killed The Radio Star“) singen sie ein aktualitätsbezogenes Weihnachtslied: „It’s Christmas time, and there’s no need to be afraid / At Christmas time“ – „Es ist Weihnachten, und man muss keine Angst haben / An Weihnachten.“ In der an die satten Europäer und US-Amerikaner gerichteten Botschaft wird auch erklärt, warum es Band Aid und den Song überhaupt gibt: „This Christmas time / The greatest gift they’ll get this year is life / Oooh, where nothing ever grows.“ Neun Millionen Dollar kommen zusammen – „Do They Know It’s Christmas“ wird damit das erfolgreichste Weihnachtslied nach dem Klassiker „White Christmas“ von Bing Crosby. Der Musiker und Produzent Quincy Jones („Billie Jean“) übernimmt von Geldof und Ure die Idee eines Songs als humanitäre Hilfeleistung und inszeniert ein ähnliches Schallplattenprojekt namens USA For Africa. Mitwirkende sind unter anderem Bruce Springsteen, Michael Jackson, Lionel Richie, Stevie Wonder und Bob Dylan. Bob Geldof fühlt sich durch den Erfolg der beiden All-Star-Tonträger bestätigt und plant „Live Aid“, ein einzigartiges Konzerthighlight, das via Fernsehschirm Milliarden Menschen erreichen wird. Am 13. Juli 1985 ist es so weit. Auftritte rund um den Erdball werden zu einem großen Ganzen verbunden; das Hauptaugenmerk liegt zwar auf den in Philadelphia und London stattfindenden Shows, eingespielt werden aber auch Beiträge aus Australien, Japan und Deutschland. Um zwölf Uhr mittags beginnt „Live Aid“ mit Status Quo, danach spielen Superstars wie David Bowie, die Dire Straits (mit Sting), Mick Jagger (mit Tina Turner), Phil Collins (um 15:27 Uhr in England, um 1:04 Uhr noch einmal in den Staaten – das Überschallflugzeug Concorde macht es möglich), Beach Boys, Bryan Ferry, Simple Minds, Tom Petty, Paul McCartney, Madonna,
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Queen, The Who, Santana (mit Pat Metheny) für die Menschen in Äthiopien. Erlös dieses Benefizspektakel: die gigantische Summe von 153 Millionen Dollar. Bob Geldof, der Urvater der hilfreichen Songs, wurde später von der Queen geadelt, war vom Riesenerfolg überwältigt, hielt eine Steigerung nicht für möglich und zog sich für längere Zeit ins Privatleben zurück. mp Originale: Band Aid: „Do They Know It’s Christmas?“ (1984, Phonogram, Single), USA For Africa: „We Are The World“ (1985, Columbia, LP)
„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht / Es geht voran“ aus: „Ein Jahr (es geht voran)“ von Fehlfarben
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„Wir wollen deutsch singen!“, lautet Anfang der achtziger Jahre die Devise für Hunderte von Bands. Pop-Produkte im Selbstvertrieb, Nonsens statt Konsens – die musikalische Welt und ihre Strukturen sollen, mal wieder, erobert werden. Und das möglichst ohne die großen alteingesessenen Plattenfirmen: Mittagspause, Fehlfarben, Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF, „Der Mussolini“), Der Plan – die „Düsseldorf-Connection“ ist die kreative Keimzelle der sogenannten Neuen Deutschen Welle. Sie alle, aber auch die Berliner Ideal und Malaria! sowie Hans-A-Plast aus Hannover kommen zumindest für einige Zeit mit neu gegründeten Independentlabels wie Ata Tak, ZickZack oder No Fun als experimentelle Basis aus. Als sich die Interpreten der NDW dann in den Charts tummeln, die Plattenindustrie endlich die erfolgversprechenden Zeichen der Zeit erkennt und hierzulande Deutsch für ein Jahr Englisch als Popsprache ablöst, heißt die Trumpfkarte „Frohsinn“: Nena, Spliff, Extrabreit, Geier Sturzflug, Trio – alles scheint möglich, die Grenzen zwischen genialem Quatsch und Ernsthaftigkeit lösen sich auf. Nur kurz vor dem raschen Ausbrennen eint sie alle das scheinbar hoffnungsfrohe Gipfelstürmermotto „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht / Es geht voran.“ Der Text stammt aus der Feder von Peter Hein, die Musik von Fehlfarben, deren Mitglieder von Bands wie DAF, Der Plan, SYPH und Mittagspause kommen. Hein, der zornig-deprimierte Sänger des Liedes, hatte mit der Zeile allerdings keineswegs eine positive Botschaft im Sinn. Der Song wird in Windeseile zur Szenehymne und 1980 zu dem Lied der Hausbesetzer- und Anti-Reagan-Bewegung („Graue B-Film-Helden regieren bald die Welt / Es geht voran“). Die drei Wörter „Es geht voran“ finden sich als Graffiti an unzähligen Häuserwänden, und Fehlfarben eilt plötzlich der Ruf voraus, eine politische Band zu sein – quasi eine aktuelle Version von Ton Steine Scherben, denen fast ein Jahrzehnt zuvor mit „Keine Macht für Nie-
mand“ ein ähnlich einprägsamer Slogan gelang. Aber auch von den Spontis, den frühen Autonomen, will sich Peter Hein nicht vereinnahmen lassen. Auf Konzerten ergänzt er die Originalstrophen durch ironische Seitenhiebe auf die Hausbesetzerszene. Mehr als zwanzig Jahre später, auf der FehlfarbenComeback-CD „Knietief Im Dispo“, präzisiert Hein seine distanzierte Haltung zu der vereinnahmten Zeile und dem missverstandenen Lied: „Sieh nie nach vorn, was hab’ ich denn da vorn verlor’n?“ Als die Single 1982, zwei Jahre nach Erscheinen der LP „Monarchie & Alltag“, erneut veröffentlicht und zum Hit wird, hat sich die Band längst unter die Fittiche einer großen Plattenfirma begeben. Eine Entwicklung, die Sänger Peter Hein nicht hinnehmen wollte, weshalb er konsequenterweise die Band verließ. Ja, so war das damals. gf Original: Fehlfarben: „Monarchie & Alltag“ (1980, Weltrekord, LP)
„Gott weiß, ich will kein Engel sein“ aus: „Engel“ von Rammstein Das ostdeutsche Sextett Rammstein wird von seinen Fans heiß geliebt und von Kritikern oft an den rechten Rand gerückt, mit einer unterstellten Nähe zum Skinhead-Bodensatz. Für diese Einschätzung verantwortlich sind hauptsächlich die Bühnenshows und die Videos der nach dem rheinlandpfälzischen Ramstein, dem Absturzort der italienischen Fliegerstaffel „Frecce Tricolori“, benannten Gruppe: Sechs Männer spielen mit pyrotechnischen Errungenschaften und zelebrieren eine Ästhetik gestählter, nackter Oberkörper, wie das die Regisseurin Leni Riefenstahl in „Triumph des Willens“ (1935) – einer Auftragsarbeit für Joseph Goebbels’ Propagandaministerium – und den beiden Filmen zur Berliner Olympiade von 1936 („Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“) vorexerzierte. Vielleicht weckt das martialischkühle, rollende „r“ von Sänger Till Lindemann bei manchem Zuhörer das Gefühl geistiger Nähe zu faschistischem Gedankengut, aber Rammsteins Texte spielen mit anderen Feuerquellen: Sie legen menschliche Urängste frei und erzählen von Begierde, Blut und zerstörter Unschuld oder aber von Strafe. Kunstvoll, wie von Riefenstahl geplant, wirkt auch die Karriere der Gruppe, die sich mit provokanten Tabubrüchen ein Image zurechtmodelliert. Ähnlich wie bei DAF und ihrem „Mussolini“-Hit ist es die Attitüde, die den Diskurs um ihre politische Ausrichtung anfacht. In den USA ist Rammstein einfach eine deutsche Band, die man häufig mit den Düsseldorfer Elektronikpionieren von Kraftwerk vergleicht. Kultregisseur David
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Lynch („Twin Peaks“, „Mulholland Drive“) setzt 1997 zwei Songs des Debütalbums „Herzeleid“ für sein gruseliges Rätselspiel „Lost Highway“ ein: „Heirate mich“ und „Rammstein“ („Rammstein / Ein Mensch brennt / Ein Flammenmeer“). Doch erst die Nachfolgeplatte „Sehnsucht“ wird auch in den Staaten ein Erfolg: Die CD verkauft sich mehr als eine Million mal, und die Single „Engel“ (in den USA mit englischsprachigem Gesang als „Angel“ veröffentlicht) ist ein Riesenhit. Metallisch-unterkühlt und mechanisch-monoton markiert dieses Lied den Prototyp des Rammstein-Sounds. Der Text deutet an, dass es sich als Sünder besser lebt und stirbt: „Wer zu Lebzeit gut auf Erden / Wird nach dem Tod ein Engel werden / Den Blick nach oben fragst du dann / Warum man sie nicht sehen kann.“ Das Leben nach dem Tod ist kein Zuckerschlecken, die Engel haben Angst: „Sie leben hinterm Sonnenschein / Getrennt von uns unendlich weit / Sie müssen sich an Sterne krallen / Damit sie nicht vom Himmel fallen.“ Da ist es nur logisch, dass man kein Engel sein will. Schlagzeuger Christoph Schneider und Bassist Oliver Riedel lassen das Lied wie ein Tanz im Hammerwerk des Teufels wirken und steuern es mit der Präzision einer Schweizer Uhr. Das Zusammenspiel der Musiker, die absolute Könner sind, ist perfekt: Riedel spielte zuvor bei den renommierten Inchtabokatables, Gitarrist Richard Z. Kruspe bei Das Elegante Chaos, aus denen die Undergroundstars Das Auge Gottes hervorgingen. Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz und Paul H. Landers (Gitarre) waren Teil der in der DDR berüchtigten linken Anarcho-Punk-Kombo Feeling B („Mix mir einen Drink“), Drummer Schneider trommelte sich durch etliche Independentkombos. Till Lindemann war Schlagzeuger bei einer unbekannten Formation namens First Arsch, und schon damals schrieb er Gedichte, die später von Rammstein vertont werden und unter dem Titel „Messer“ als Buch im Eichborn-Verlag erschienen sind. Einige der Mitglieder des ostdeutschen Sechsers haben ungewöhnliche Biografien vorzuweisen: Lindemann, Korbmacher von Beruf, war Jugendvizeeuropameister im Schwimmen, Kruspe ein in jungen Jahren erfolgreicher Ringer, Landers verbrachte seine Kindheit in Russland. Vielleicht machen gerade diese besonderen Lebenswege die Chemie der Band aus und ließen sie mit ihrem Abgesang auf das Paradies in Ost und West, ja selbst in Übersee zu Stars werden: „Goddamn an angel when I die / Heaven must be hell in the sky.“ mp Original: Rammstein: „Sehnsucht“ (1998, Motor Music, CD) 58
„Words are very unnecessary / They can only do harm“ aus: „Enjoy The Silence“ von Depeche Mode Ausgerechnet eine Band, die mit voluminösem Elektropop zu Weltruhm gelangt ist, singt 1990 das Hohelied der Stille: Knapp drei Jahre zuvor erschien ihre letzte CD „Music For The Masses“ mit Hits wie „Never Let Me Down Again“ oder „Strange Love“. Housebeats und Technosounds dominieren. Eine Tournee durch ausverkaufte Stadien belegt, dass die 1980 gegründete englische Formation auf dem Höhepunkt der Karriere angelangt ist und tatsächlich die Massen erreicht. Die Pause von drei Jahren nutzen Depeche Mode zur Neuorientierung; die Band lockert das strikte Synthesizerkorsett, verwendet sogar E-Gitarren. Ihre Musik wird dadurch vielschichtiger; sie enthält nun ruhige, beinahe elegische Elemente. Die gigantischen Shows der achtziger Jahre, die Leni-Riefenstahl-Optik der Band – all das soll der Vergangenheit angehören. Keyboarder Martin L. Gore glaubt, dass die Band von der Erwartungshaltung der Fans erdrückt wird. Hartnäckig halten sich in den ausgehenden achtziger Jahren und zu Beginn der neunziger Trennungsgerüchte. Den Superstartempel, den man sich erbaut hat, möchte man schleunigst verlassen – deshalb schreibt Gore „Enjoy The Silence“. Im Text wendet er sich gegen den Status der Band als Massenphänomen und beschreibt seine Sehnsucht nach Zurückgezogenheit und Ruhe: „All I ever wanted / All I ever needed / Is here in my arms.“ Er sucht nach Geborgenheit. Worte haben für ihn jeden Wert verloren, sie richten nur Schaden an: „Words are very unnecessary / They can only do harm / Enjoy the silence.“ Martin L. Gores Song ist auch eine Fortsetzung seines „Leave In Silence“ vom 1982er-Album „A Broken Frame“. Darin heißt es: „I can’t stand this emotional silence / Leave in silence“ – „Ich kann diese emotionale Stille nicht ertragen / Gehe in Stille.“ Schon damals bot der Rückzug in die Stille Gore eine Möglichkeit zur Flucht vor der brutalen Umwelt und dem eigenen Ruhm. Das Lied liefert die Vorlage für das nachdenkliche Meisterwerk „Enjoy The Silence“: „Words like violence / Break the silence / Come crashing in / Into my little world.“ „Enjoy The Silence“ wird – wider Gores Erwartung – ein Riesenhit: Der Song erscheint am 5. Februar 1990 als 25. Single der Band, erreicht nahezu überall in Europa die Top Ten und wird mit einem „BRIT Award“ als „beste britische Single“ ausgezeichnet. Auch das in London und Mailand aufgenommene Album „Violator“ wird ein Welterfolg – die Fans machen die Veränderungen mit. Zu den Bewunderern von Depeche Mode zählt
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die US-Songwriterin Tori Amos. Auf „Strange Little Girls“, ihrer 2001 erschienenen CD mit Coverversionen, interpretiert sie verhalten und zärtlich „Enjoy The Silence“. mp Original: Depeche Mode: „Violator“ (1990, Mute, CD), weitere Version: Tori Amos: „Strange Little Girls“ (2001, Atlantic, CD)
„Every breath you take / Every move you make“ aus: „Every Breath You Take“ von The Police
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Der Lehrer Gordon Matthews Sumner trug als Kind gelb-schwarz gestreifte Pullover. Seine Klassenkameraden erinnerte das Outfit an eine Biene, und so nannten sie ihn Sting, zu deutsch Stachel. Den Spitznamen behält er als Erwachsener bei, als er 1977 mit dem Gitarristen Andy Summers und dem Schlagzeuger Stewart Copeland The Police gründet. Das Trio verbindet eingängige Punkelemente mit ihrer gemeinsamen Vorliebe für Reggae und ist damit überaus erfolgreich – Songs wie „Roxanne“ und „Message In A Bottle“ werden Hits. 1983 ist die Gruppe auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt: Die Single „Every Breath You Take“ aus ihrem fünften Album „Synchronicity“ schafft es weltweit an die Spitze der Charts. In Deutschland bleibt es ihr einziger Top-Ten-Hit. Nach einer längeren Pause löst sich die Band 1987 auf, und Sting widmet sich seiner Solokarriere. Das von ihm geschriebene „Every Breath You Take“ weist musikalisch schon sehr in die Richtung seiner 1985 erschienenen ersten eigenen LP „The Dream Of The Blue Turtles“. Der Text hat es in sich: Ein Mann wird von der Liebsten verlassen – „Since you’ve been gone / I’ve been lost without a trace.“ Daraufhin verfolgt und beobachtet er sie ständig – „Every breath you take / Every move you make / Every bond you break / I’ll be watching you.“ Das damit verbundene Szenario von Telefonterror und Beobachtungsposten im Hauseingang gegenüber ihrer Wohnung lässt sich leicht dazu denken. Er ist immer um sie herum, bekommt jedes falsche Lachen, jedes gebrochene Versprechen mit. Ob der Mann am Ende – wie in Tom Jones’ „Delilah“ – zum Mörder wird, erzählt Sting nicht. Dafür umso mehr vom quälenden Gefühl der Eifersucht. „Every Breath You Take“ wird 1983 von dem schwarzen Sänger Otis Liggett noch einmal aufgenommen. Um seine Fassung rankt sich ein Mythos: Liggetts Stimme ähnelt so sehr der von Stevie Wonder („Superstition“), dass viele Fans des blinden Künstlers glauben, dieser habe das Police-Stück unter falschem Namen aufgenommen. Für die These spricht, dass Liggett nur diese eine Single
herausbrachte und danach in der Versenkung verschwand. Andererseits aber gab es so etwas in der Popgeschichte öfter. Liggetts Version ist nicht mehr erhältlich – im Gegensatz zum Original: Das ist längst zur Songikone der achtziger Jahre geworden. mp Original: The Police: „Synchronicity“ (1983, A&M, LP), weitere Version: Otis Liggett: „Every Breath You Take“ (1983, Emergency, Single)
„Everything I do, I do it for you“ aus: „(Everything I Do) I Do It For You“ von Bryan Adams „(Everything I Do) I Do It For You“ ist der Titelsong des Kevin-Costner-Films „Robin Hood – König der Diebe“ von 1991. Geschrieben hat ihn der Filmkomponist Michael Kamen, der 25 Jahre darauf warten musste, sein Lied gesungen zu hören. „Ich war einst Mitglied des New York Rock’n’Roll Ensemble“, erzählte Kamen dem Autor dieser Zeilen, „und ich spielte diese kleine Melodie mit der Band jeden Abend auf der Bühne – so oft, dass es den anderen schon bald zu viel war. Dabei hatte ich damals noch gar keinen Text …“ Jahre später bekommt Michael Kamen das Angebot, die Filmmusik zu Robin Hood zu schreiben: „Seit ich als Kind die TV-Serie mit Richard Greene gesehen habe, ist Robin Hood einer meiner großen Helden. Die Begeisterung wuchs sich damals regelrecht zur Obsession aus: In den Sommerferien rannte ich in den Adirondack-Wäldern nahe New York herum, war völlig in diesen Charakter versunken, schnitzte Pfeile und hielt Ausschau nach Maid Marian … Als ich das Angebot bekam, sagte ich natürlich sofort zu.“ Kamen trifft Kevin Reynolds, den Regisseur, und wenig später zeigt man ihm die ersten Filmszenen. „Die erste Szene, die ich sah“, erinnert sich Kamen, „war idyllisch: Robin Hood wäscht sich nackt unter einem Wasserfall. Plötzlich tritt Maid Marian auf die Lichtung, sieht Robin Hood – und ist erstaunt, verlegen und doch auch voller Verlangen. Alles zugleich. Ich sah das Gesicht von Elizabeth Mastrantonio, die die Marian spielt – und plötzlich war diese Melodie wieder da. Plötzlich wusste ich, wofür ich sie geschrieben hatte. Und ich war wieder das Kind, das durch die Wälder lief: Ich rief vor Begeisterung alle meine Freunde an und spielte ihnen die Melodie vor.“ Kamens Freunde sind nicht die einzigen, die die Melodie zu hören bekommen. Auch die Produktionsfirma in Los Angeles ist begeistert. Nur: Wer soll sie singen? Und wer schreibt den Text? Und vor allem: welchen Text? In letzter Minute, kurz vor Produktionsschluss des Films, schlägt die Plattenfirma, die den Soundtrack veröffentlichen will, Bryan Adams vor. „Ich sandte
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ihm also das Tape, auf dem ich die Melodie singe und mich dabei mit einer Harfe begleite“, erzählt Kamen. „Bryan rief sehr schnell zurück und fragte, worum es in dem Film überhaupt gehe. Ich erzählte ihm, dass es eigentlich ein Liebeslied ist. Und er solle doch auf die Szene im Film achten, in der Robin Marian fragt, ob sie dem König einen Gefallen tun und ihm eine Nachricht überbringen könne. Sie lehnt ab, fügt aber dann hinzu, dass sie für ihn, Robin, alles tun würde …“ Bryan ist begeistert. Nur vier Tage später trifft via FedEx bei Kamen ein Päckchen mit dem fertigen Song ein – und mit der wohl wichtigsten Zeile: „Everything I do – I do it for you.” Kamen: „Das gab dem Song genau die Bedeutung, die ich 25 Jahre zuvor unbewusst im Kopf gehabt hatte. Und mir war klar, dass es ein Hit ist.“ Auch dem kanadischen Rockmusiker Bryan Adams, der zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren kein Album mehr veröffentlicht hat, verhilft der Song zu einem gewaltigen Comeback: Für seine Rockballadenversion von „(Everything I Do) I Do It For You“ (er verzichtet klugerweise auf Kamens Idee, Cembalo und Laute zu verwenden) bekommt er einen Grammy. Der Song stürmt in 17 Ländern auf Platz eins der Charts und bleibt allein in den USA sieben Wochen an der Spitze der Hitparade. Er kommt sogar ins Guinness-Buch der Rekorde – weil er 1991 16 Wochen lang die britischen Charts anführt. gf Original: Soundtrack: „Robin Hood, Prince Of Thieves“ (1991, Morgan Creek, LP)
„You gotta fight for your right to party!“ aus: „Fight For Your Right“ von den Beastie Boys
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Ja, wo gibt’s denn so was? Fürs Recht auf Party zu kämpfen? Nicht auf Klassenkampf, Rassen- oder Geschlechtergleichheit aus sein? Der Slogan „You gotta fight for your right“ passt eigentlich besser ins Repertoire linker Punkbands wie The Clash. Wäre da nicht das ungewöhnliche Ziel, für das gestritten wird: „Paaaaaarty“. Wer diesen hedonistischen Aufruf formuliert, verrät der Text: „Your mom busted in and said ‚What’s that noise?‘ / Aw, mom, you’re just jealous – it’s the Beastie Boys.“ Aha, die biestigen Jungs also (das Wort „Beastie“ steht der Legende nach für „Beings Entering Anarchistic States Towards Internal Excellence“). Mike D (Mike Diamond), MCA (Adam Yauch), und Ad-Rock (Adam Horowitz), drei weiße Mittelstandskids, die Ende 1986 den Hip-Hop revolutionieren und zu Superstars in der von schwarzen Musikern dominierten Rap-Szene werden. Mit jugendlicher Unbekümmerheit, Songs wie „Fight For Your Right“, „No
Sleep Till Brooklyn“ und einem Debütalbum mit dem verballhornten JamesBond-Titel „Licence To Ill“ (das als erste Rap-LPPlatz eins der US-Albumcharts schafft) erreichen sie die weißen Kids, die dadurch den Hip-Hop für sich entdecken. Die Hits der Beastie Boys machen zudem Eminems („Cleaning Out My Closet“) Multiplatinalben erst möglich. Was der nicht ganz so sieht: Der erfolgreichste Rapper aller Zeiten streitet in Interviews jede Nähe zu den Beastie Boys ab und lästert gerne über die gutbürgerliche Herkunft des Trios. Aus den Slums kommen die Beasties nicht, sie mussten sich auch nicht im Rap-Wettstreit (Battle) gegen afroamerikanische Reimkünstler durchsetzen: Die Mitglieder des Trios wuchsen in geordneten Verhältnissen auf und standen anfangs auf Punk, was erste Veröffentlichungen zeigen. Zum Hip-Hop kamen sie eher zufällig: Produzent Rick Rubin, der damals Rapper wie Public Enemy („Don’t Believe The Hype“) – die später den Spruch der Beastie Boys in „Party For Your Right To Fight“ umwandelten – oder LL Cool J für sein Label Def Jam unter Vertrag hat, entdeckt die Band 1986. Die Beastie Boys sind genau die Richtigen für ein erfolgreiches Crossoverprojekt. „Crossover“ steht für die Verbindung sehr unterschiedlicher Stilrichtungen, etwa Rap und Metal oder Punk. Initialzündung für die Mischung aus Sprechgesang und Gitarrenriffs war eine Neuauflage von „Walk This Way“. Der Aerosmith-Hit von 1975 landet in einer gemeinsamen Version der Rockband und des Hip-HopTrios Run-D.M.C. im September 1986 auf Platz vier der US-Charts und löst die Crossoverhysterie aus. Die Beastie Boys profitieren davon und proben 1987 den Pennäleraufstand: „You wake up late for school – man you don’t wanna go / You ask your mom, ‚Please?‘ – but she still says ‚No!‘“ Also doch: raus aus den Federn und sich mit den Lehrern herumärgern. Mama, Papa und die Pauker – alle nörgeln unablässig, ziehen und zerren an einem herum, rappen die Beasties. Da hilft nur, für das Recht auf Party zu kämpfen – und hemmungslos zu feiern. Im Video zum Song sieht man, wie die Beastie Boys eine langweilige Fete ins Chaos stürzen, fassungslos daneben stehende Erwachsene inklusive. „Fight For Your Right“ steht für eine kurze, wilde Phase in der Karriere der Beastie Boys. Das Trio wird mit dem nächsten Album „Paul’s Boutique“ erwachsen. Zwar vermischen sie schon auf „Licence To Ill“ alles, was ihnen gefällt, aber später werden sie noch vielschichtiger, verwenden auch Jazzund Reggae-Elemente. Musikalisch geht es nicht mehr darum, den Kids den idealen Rabaukensoundtrack für ihre Party zu liefern. Mit den Meilensteinen „Check Your Head“ (1992), „Ill Communication“ (1994) und „Hello Nasty“ (1998) veröffentlichen sie komplexe und anspruchsvolle Hip-Hop-Alben und sind auch damit erfolgreich. Nebenbei unterstützen sie tatkräftig die tibeti-
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sche Unabhängigkeitsbewegung und den Dalai Lama, in dessen Begleitung das Trio immer wieder zu sehen ist. 1996 veranstalten die Beastie Boys erstmals ein „Free-Tibet-Concert“ genanntes Open Air. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Teenagerparty bereits ein Jahrzehnt zurück. Rap in Peace: Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung des achten (wenn man das instrumentale „Mix Up“ als siebtes zählt) Beastie-BoysAlbums „Hot Sauce Committee Part Two“ starb Adam MCA Yauch im Mai 2012 an Ohrspeicheldrüsenkrebs. mp Original: Beastie Boys: „Licensed To Ill“ (1986, Def Jam, LP)
„I shot a man in Reno / Just to watch him die“ aus: „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash
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Der Zweite Weltkrieg ist gerade ein paar Jahre vorbei und Johnny Cash („Ring Of Fire“) als Funker der US Air Force in Landsberg am Lech stationiert. Er spioniert die Funksprüche der Sowjets aus, eine Aufgabe, die ihn virtuell hinter den Eisernen Vorhang bringt: Seine Ohren hören weit hinein in Stalins Reich. Nebenbei spielt er Gitarre und unterhält die Soldaten mit Interpretationen der Songs von Hank Williams oder der Carter Family. Ab und zu gibt er auch eigene Lieder zum Besten, eines davon ist „Folsom Prison Blues“. Cash hat den Song 1952 geschrieben, nachdem er Crane Wilburs düsteres Gefängnisdrama „Inside The Walls Of Folsom Prison“ gesehen hat, das ihn bis in seine Träume verfolgt, wie er später sagen wird. Die Melodie, die er eins zu eins von Gordon Jenkins’„Crescent City Blues“ übernimmt, und der Text werden ihn sein Leben lang begleiten, er wird beide immer wieder aufnehmen, und die Fans werden bei Auftritten immer wieder nach diesem Hit verlangen. Dass das so kommen würde, war nicht abzusehen, als Cash das Stück 1956 in den legendären Sun-Studios in Memphis erstmals aufnahm. Die Geschichte, die der „Man in Black“ in der Ichform erzählt, ist ebenso ausweglos wie Hank Williams’ „I’ll Never Get Out Of This World Alive“, die Strafe für das Tun folgerichtig und lebenszerstörend: Der Protagonist begeht einen Mord. Er tötet nicht aus Rache, Gewinnsucht oder Hass. Der, der da in Reno umgebracht wird, muss sterben, weil der Erzähler einfach nur sehen will, wie er stirbt. Später erläuterte Cash in Interviews und auf der gemeinsam mit Willie Nelson eingespielten CD „VH-1 Storytellers“, was ihn an diesem unmenschlichsten aller Tatmotive faszinierte: „It was a very good evil reason, to kill a man just to watch him die“ – „es war ein sehr guter böser Grund, einen Mann zu töten, einfach nur um ihn sterben zu sehen.“
Im Verlauf von Cashs Abrechnung mit der nutz- und sinnlosen Gewalt wünscht sich der Erzähler, das Pfeifen der Lokomotive könnte seinen tiefen Blues mit sich forttragen. Mit dem Bild vom am Zuchthaus vorbeifahrenden Zug verstärkt Cash das Gefühl der Ausweglosigkeit des Gefangenseins. Das empfinden besonders die Insassen des Gefängnisses in Folsom, Kalifornien so. Dort, wo der Zug mehrmals am Tag die Freiheit symbolisiert, gibt Cash 1968 ein Konzert und beginnt den Auftritt mit einer umjubelten Version von „Folsom Prison Blues“. Die intime Stimmung im Hochsicherheitsknast und die Begeisterung des Publikums dokumentieren, dass der Song heimgekehrt ist: Er ist mehr als nur ein genretypischer Prison-Song. Aber nicht nur Häftlinge erkennen sich in dem Text wieder – Cash blickt mit dem Lied in seine eigenen Abgründe: „Ich habe nie jemanden umgebracht, aber das liegt vielleicht auch daran, dass ich meine dunkle Seite in den Liedern auslebe“, gab er in verschiedenen Interviews zu Protokoll. Wer den Song hört, spürt: Hier wird ein Monster besungen, das in Cash wie in jedem anderen Menschen schlummert. Die einen bekämpfen und besiegen dieses Untier, die anderen landen im Folsom Prison. mp Original: Gordon Jenkins: „Seven Dreams” (1953, Decca, LP), weitere Versionen: Johnny Cash: „Folsom Prison Blues“ (1956, Sun, Single), Johnny Cash: „At Folsom Prison“ (1968, Columbia, LP), Porter Wagoner: „The Cold Hard Facts Of Life“ (1967, RCA, LP)
„Fuck tha police, comin’ straight from the underground“ aus: „Fuck Tha Police“ von N.W.A. Mit dem Song „Fuck Tha Police“ und dem Album „Straight Outta Compton“ werden die Niggaz With Attitudes – kurz N.W.A. – 1988 nicht nur mit einem Schlag berühmt, sondern auch berüchtigt: Das Quintett aus Los Angeles und seine Plattenfirma handeln sich eine schriftliche Verwarnung des FBI ein; das Album ist eines der ersten, die einen „Parental Advisory“-Hinweis tragen müssen. Wie so oft bewirkt der Versuch der Tabuisierung das Gegenteil: Innerhalb eines knappen Jahres erreichen Eazy-E, Dr. Dre, MC Ren, Ice Cube und DJ Yella mit ihrem Album Platin. Im Gesamtwerk der sowohl von ihren Feinden als auch vom eigenen Management als „gefährlichste Band der Welt“ bezeichneten Gruppe nimmt „Fuck Tha Police“ eine Sonderrolle ein. Die meisten Rap-Storys von N.W.A. sind sexistisch, handeln von Partys und Drogenexzessen oder verherrlichen die alltägliche Gewalt in ihrer Heimatstadt Compton. Damit – und mit dem
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tiefen, basslastigen Funk, mit dem sie ihre Verse instrumentieren – werden sie zur Keimzelle des sogenannten Westcoast-Rap, der wegen der obszönen Sprache, gespickt mit „bitches“ (Huren), „hustlers“ (Zuhälter) und „killers“, auch „Gangsta Rap“ genannt wird. Aber „Fuck Tha Police“ ist anders: Es ist kein sprachliches Blutbad konkurrierender Gangs – sondern eine Aufforderung, sich gegen die Polizeigewalt zu wehren. Die Bandmitglieder bezeugen vor einem imaginären Gericht die Übergriffe der Cops gegen Afroamerikaner: „Ice Cube, treten Sie in den verdammten Zeugenstand! Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit / So wahr Ihnen Ihr schwarzer Arsch helfe?“ Unflätig und mit harschen Worten berichten die fünf Rapper weniger von den alltäglichen Übergriffen der Polizei als von dem, was sie dagegen zu tun gedenken. Getreu dem biblischen Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ will man zurückschlagen: „Ich mach sie jetzt fertig, nicht erst nächstes Mal / Rauche jedes Arschloch in der Pfeife, das mich anmacht / Oder mich bedroht / Ich bin ein martialischer Scharfschütze mit ’nem riesigen Blickfeld / Töte ’nen Polizisten oder zwei, sie können da nicht mithalten.“ N.W.A. präsentieren sich als hartgesottene Kampftruppe, die über Leichen geht. „Fuck tha police / Comin’ straight from the underground / Young nigga got it bad cuz I’m brown / And not the other color so police think / They have the authority to kill minority“: An einigen wenigen Stellen des Liedes wird deutlich, warum die fünf Rapper ihren verbalen Rachefeldzug starten – weil die Polizei die Macht hat, Schwarze wegen deren Hautfarbe zu töten. Dr. Dre, Kopf der HipHop-Gruppe N.W.A., erzählt in Interviews, dass solche Morde an Schwarzen den Text von „Fuck Tha Police“ erst möglich machten. 1987 und 1988 führten etliche von Polizisten herbeigeführte Todesfälle – etwa der des 39-jährigen, unbewaffneten Alfred Sanders aus dem New Yorker Stadtteil Queens – zu blutigen Demonstrationen, deren Hymne der N.W.A.-Song wird. Die Band schrieb nie wieder so ein Stück, die Musiker verfolgten später Soloprojekte. Dr. Dre wurde der erfolgreichste Produzent des Hip-Hop, sein Funk-Stil machte nicht nur eigene Platten wie „The Chronicle“ zum Hit: Er entdeckte Snoop Doggy Dogg und Eminem („Cleaning Out My Closet“) und formte sie zu Superstars. Gleichzeitig versuchte er, die zerstrittenen RapSzenen der Ostküste und der Westküste zu versöhnen, was ihm aber nicht gelang. MC Rens Soloversuche waren nicht erfolgreich, er verschwank immer wieder für längere Zeit von der Bildfläche, ebenso wie der später als Pornoregisseur tätige DJ Yella. Ice Cube brachte es mit radikalen politischen Alben wie dem gemeinsam mit Public Enemy („Don’t Believe The Hype“) produzierten „Amerikkka’s Most Wanted“ und als Schauspieler („Boyz In The Hood“)
zu Ruhm und Ansehen. Die schillerndste Figur, der schräge Frontmann Eric Wright mit der heiseren Stimme, besser bekannt als Eazy-E, erlebte noch nicht einmal das zehnjährige Jubiläum des Skandalsongs: Er starb 1996 an Aids. mp Original: N.W.A.: „Niggaz With Attitude“ (1988, Ruthless, LP)
„Wir waren geboren um zu leben mit den Wundern jener Zeit / Sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit“ aus: „Geboren um zu leben“ von Unheilig Durchs Dunkel ins Licht: So könnte man in aller Kürze den Weg des „Grafen“ beschreiben, der 2000 mit Grant Stevens und José Alvarez Bill die Band Unheilig gründete. Lange Jahre ist Unheilig nur in der „Schwarzen Szene“ ein Begriff. Das klingt bedrohlicher als es ist, immerhin zählt ziemlich viel zu dieser Szene: Dark Wave, Neofolk, Gothic, Medieval, Metal, Elektro und Industrial. Eine kleine Vorliebe für Fetische aller Art natürlich auch. Dieser Szene fühlt sich der Graf bis heute verbunden – wie er noch Ende 2010 dem Musikmagazin „Zillo“ erzählte. Sich als Vertreter dieser disparaten Musiknische plötzlich im Mainstream wiederzufinden – das hätte sich der Graf in seinen dunkelsten Nächten nicht träumen lassen. Am 19. Februar 2010 veröffentlicht er sein Album „Große Freiheit“. Das Album steigt direkt auf Platz eins der deutschen Albumcharts ein, die kurz zuvor ausgekoppelte Single „Geboren um zu leben“ begibt sich fast noch schneller auf Rekordkurs: Sie ist zwischen Februar 2010 und November 2011 unglaubliche 94 Wochen lang ununterbrochen in den deutschen Charts – lediglich „Heavy Cross“ von Gossip kann sich noch länger ohne Pause in der deutschen Hitparade halten. Alle deutschsprachigen Titel der Vergangenheit schlägt der Graf damit ohnehin aus dem Feld. Im März 2010 erzählt der Graf der „Bild“, der Tod eines engen Freundes sei der Anlass gewesen, dieses Lied zu schreiben: „Das hat mich tief getroffen. Im Prinzip habe ich meinem verstorbenen Freund diesen Erfolg mit zu verdanken. Denn ohne die furchtbare Tragödie hätte es das Lied so nicht gegeben.“ Dass Zeilen wie „Es fällt mir schwer, ohne dich zu leben, jeden Tag zu jeder Zeit einfach alles zu geben“ oder „Ich sehe einen Sinn, seitdem du nicht mehr bist / Denn du hast mir gezeigt, wie wertvoll mein Leben ist“ auch viele andere Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen tief berühren, erklärt den Erfolg des Liedes. Mag das Lied inzwischen auch ein Dauerbrenner bei Beerdigungen sein: Wenn der Graf seine tiefe und dunkle Stimme erhebt, bleibt niemand unbe-
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rührt. Bis dato war das nicht bei allzu vielen deutschen Songs der Fall – zuletzt bei Herbert Grönemeyers Trauerhit „Mensch“. Und das ist nicht die schlechteste Referenz. gf Original: Unheilig: „Große Freiheit“ (2010, Vertigo, CD)
„God save the Queen / The fascist regime“ aus: „God Save The Queen“ von den Sex Pistols
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Am 7. Juni 1977 schippert auf der Themse ein Boot am Westminster Palace vorbei, das den stolzen Namen „Queen Elizabeth“ trägt – eigentlich nicht weiter verwunderlich, schließlich feiert die englische Königin gerade ihr 25-jähriges Thronjubiläum. Was aber nicht ins Bild passt, sind die Passagiere: Der Manager der Sex Pistols, Malcolm McLaren, hat Journalisten und Fans eingeladen, um die Veröffentlichung der neuen Sex-Pistols-Single „God Save The Queen“ zu feiern. Riesige Planen an den Seitenwänden des Bootes preisen die Platte an. Abends tritt die Band auf eine improvisierte Bühne und donnert ihre Drei-Akkorde-Songs übers Wasser. Die Situation gerät – auch auf Grund von Alkohol und Drogen – außer Kontrolle. Bald darauf dreht der Kapitän enerviert den Strom ab, und die zu Hilfe gerufenen Polizeiboote eskortieren das Schiff an Land. Einige Menschen werden verhaftet, die Band entkommt jedoch über eine Seitentreppe. Am 28. Oktober erscheint schließlich das erste und einzige „echte“ Sex-Pistols-Album „Never Mind The Bollocks“ – der US„Rolling-Stone“ wird es zehn Jahre später zum „second greatest Rock’n’Roll album of all times“ ernennen. Die Sex Pistols kanalisieren in ihrer wütenden Musik den Zorn der Vorstadtjugend, die zu jener Zeit – in England herrscht hohe Arbeitslosigkeit, Streikwellen schwappen durchs Land, die von der Labour-Regierung angestrebte klassenlose Gesellschaft bleibt weiterhin Utopie – kaum Aussichten auf Bildung, Arbeitsplätze und ein besseres Leben hat. Die Musiker gehen ähnlich furios zu Werke wie mehr als zehn Jahre zuvor The Who mit „My Generation“: Mit wütend gebrüllten Texten, rauer und lauter Musik, mit provokantem Äußeren und dezidiert schlechtem Benehmen lehnten sie sich gegen falsche Glücksversprechen, marihuanavernebelte Hippieträume und die Leerformelmusik der sogenannten Supergroups auf. Ihr Motto: pure Verweigerung und Nihilismus. Nicht nur, dass die Sex Pistols in ihrer Punkhymne die britische Monarchie als faschistisches Regime brandmarken, sie prägen mit dem Schlagwort „No future“ auch einen Slogan, der für ganze Generationen von Jugendlichen relevant und gültig bleibt.
Seltsamerweise findet sich in dem Song auch die Zeile „We love our Queen.“ Sollte die antimonarchistische Haltung also bloße Attitüde gewesen sein? Ruft man sich in Erinnerung, dass die Band eigentlich nur ein Kunstprodukt war, erdacht und ins Leben gerufen von Malcolm McLaren, eingekleidet von der Designerin Vivienne Westwood, kann man durchaus unterstellen, dass das Projekt Sex Pistols von geplanten Provokationen und cleveren Marketingmaßnahmen lebte. 25 Jahre später bestätigte Sänger Johnny Rotten mit typisch britischem Humor und viel Ironie in einem Interview, er habe nie etwas gegen die Königin gehabt, sondern „in Wahrheit nur an ihr Höschen rankommen“ wollen. Und das ist wohl auch der Grund, weshalb die Single 2012 anlässlich des sechzigsten Thronjubiläums von Elizabeth II. wiederveröffentlicht wurde. gf Original: Sex Pistols: „Never Mind The Bollocks Here’s The Sex Pistols“ (1977, Virgin, LP)
„Goodness, gracious, great balls of fire!“ aus: „Great Balls Of Fire“ von Jerry Lee Lewis Der in den zwanziger Jahren entstandene Begriff Rock’n’Roll war ursprünglich eine sexuelle Metapher, und Lieder wie „Shake, Rattle And Roll“, eine frühe Rocknummer von Big Joe Turner, und das späte „My Ding-A-Ling“ von Chuck Berry sind die musikalische Umsetzung des frivolen Grundthemas. Diese beiden prototypischen Songs versteckten die Begierde hinter lustigem Kauderwelsch. Eine Verschleierungstaktik, die auch in den fünfziger Jahren noch üblich und bitter nötig war, wollte man als Musiker erfolgreich sein. Der 1935 in Ferriday, Louisiana, geborene Jerry Lee Lewis ging gleich zwei Schritte weiter: Er nahm Worte in den Mund, die damals kaum jemand zu sagen wagte, bot Journalisten in Interviews das „Arschlecken“ an und lebte so, als wäre er seinen Songs entsprungen. Er hielt auch nichts davon, die sexuellen Tendenzen in seinen Texten übermäßig zu tarnen: „Whole Lotta Shakin’ Goin’ On“ ist eine unverhohlene Aufforderung, es endlich miteinander zu treiben, und „Great Balls Of Fire“ beschreibt die explodierende Triebkraft. „Come on baby, drive me crazy / Goodness, gracious, great balls of fire“ („Komm, Baby, mach mich verrückt / Du lieber Himmel, riesige Eier in Flammen“), heißt es im Song. Und weiter: „Kiss me baby, woo feels good“ („Küss mich, Baby, verdammt, fühlt sich das gut an“). Die Bilder im Text sind eindeutig: Sie erforscht mit Lippen und Zunge seinen Mund, beide fühlen sich wie „Helden für diesen Tag“, wie es David Bowie zwei Jahrzehnte später ausdrü-
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cken wird. „I’m really nervous, but sure it’s fun“ („Ich bin wirklich nervös, aber es macht echt Spaß“), singt Lewis. Die Nervosität spiegelt sich im pulsierenden Rock wider: Es ist neu, es ist verboten, aber es ist geil, sagt dieser Song mit solchem Nachdruck, dass erst 13 Jahre später Led Zeppelin mit „Whole Lotta Love“ („I’m gonna give you every inch of my love“) Lewis toppen konnten. Jerry Lee Lewis war der böse Bube des frühen Rock’n’Roll, „The Killer“, wie ihn seine Fans heute noch nennen. Als er „Great Balls Of Fire“ 1956 aufnahm, landete er einen platzierten und festen Schlag in die Magengruben der Tugendwächter. Zwei Jahre später holt die Wirklichkeit das Lied ein – als Lewis Myra Gayle heiratet, die Tochter seines Bassisten und Onkels J. W. Brown, wird der 22-Jährige in den USA zum Geächteten, weil Myra zum Zeitpunkt der Eheschließung erst zarte 13 Jahre alt ist. Lewis erschütterte damit die moralischen Grundfesten der US-Gesellschaft: Er beging quasi Inzucht, hatte Sex mit Minderjährigen und heiratete einen Teenager. Das ruinierte die Karriere des „Killers“, wie die von Jim McBride hervorragend in Szene gesetzte filmische Biografie aus dem Jahre 1989 dokumentiert. Darin steht die selbstzerstörerische Beziehung zwischen Jerry Lee (gespielt von Dennis Quaid) und seiner Cousine (Winona Ryder) im Vordergrund. Titel des Streifens, logischerweise: „Great Balls Of Fire“. mp Original: Jerry Lee Lewis: „Great Balls Of Fire“ (1957, Sun, Single)
„I want to live / I want to give / I’ve been a miner for a heart of gold“ aus: „Heart of Gold“ von Neil Young
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Neil Young („Hey Hey, My My (Into The Black)“) ist ein Musiker mit zwei Seelen: zum einen der romantische Troubadour, der in Woodstock 1969 mit der Formation Crosby, Stills, Nash & Young und deren perfektem vierstimmigem Satzgesang populär wurde. Zum anderen der anarchische Outlaw, der wüste Rockorgien und Gitarreneruptionen produziert – vor allem mit seiner langjährigen Begleitband Crazy Horse. Im Oktober 1970 scheitert Neil Youngs erste Ehe – bald danach zieht er auf eine Ranch in San Mateo. Als er beim Einrichten ein paar schwere Holzplatten in die Höhe stemmt, erleidet er einen Bandscheibenvorfall. Die nächsten zwei Jahre verbringt Young halb zu Hause, halb im Krankenhaus. Eine Zeit lang kann er nur akustische Konzerte geben – er ist physisch nicht in der Lage, eine elektrische Gitarre zu heben. Bei zwei Konzerten im Dezember 1970 in der ausverkauften New Yorker Carnegie Hall schleppt er sich mit einer Hüftstütze über die Bühne. Sein Gesundheitszustand beeinflusst „Harvest“, auf dem sich
der Song „Heart Of Gold“ findet, nachhaltig: „Ich konnte nicht länger als vier Stunden pro Tag aufstehen“, erzählt er 1975 der Musikzeitschrift „Rolling Stone“. „Den größten Teil von ‚Harvest‘ habe ich in dieser Hüftstütze aufgenommen. Das ist der Hauptgrund, warum die Platte so weich klingt.“ Die Aufnahmen zu „Harvest“ (zwischendurch unterbrochen von einer Bandscheibenoperation) finden in Nashville statt – mit einer kleinen Band von Countrymusikern, die Young Stray Gators tauft. Ehe kaputt, Rücken kaputt, scheinbar einsam und allein – Young hat allen Grund, sich als introvertierter Romantiker zu präsentieren, auf der Suche nach dem verlorenen Paradies und ewigen Werten, vor allem im Song „Heart Of Gold“, bei dem ihn James Taylor und Linda Ronstadt gesanglich unterstützen: „I want to live, I want to give / I’ve been a miner for a heart of gold.“ Überall hat er es schon gesucht, dieses goldene Herz: „I’ve been to Hollywood, I’ve been to Redwood / I crossed the ocean for a heart of gold.“ So lange, dass er nur eines fürchtet – über der Suche alt zu werden: „And I’m getting old.“ Doch Young ist ein Schelm: Als er nach den Aufnahmen in Nashville auf seine Farm in San Mateo zurückkehrt, kommt er bereits mit seiner neuen Partnerin Carrie Snodgrass, die ihm bald sein erstes Kind schenken wird. Ein Freund hat den Kontakt zu der Schauspielerin hergestellt, nachdem Young sie in dem Film „Diary Of A Mad Housewife“ gesehen – und sich sofort in sie verliebt hat. Diese Geschichte erzählt er in einem anderen Song auf „Harvest“: „A Man Needs A Maid“ nennt sich das vom London Symphony Orchestra mit romantisch schwelgenden Geigen untermalte Stück. Youngs musikalisches Jammern hat Erfolg: Platz eins für das Album „Harvest“ auf beiden Seiten des Atlantiks, die Single „Heart Of Gold“ steht 1972 zwei Wochen auf Platz eins der Billboard-Charts und erreicht in Großbritannien immerhin die Top Ten. Angenehmer Nebeneffekt: Neil Young hat sich damit als Singer/Songwriter endgültig etabliert. gf Original: Neil Young: „Harvest“ (1972, Reprise, LP)
„It’s a cruel cruel world / To face on your own / A heavy cross / To carry along“ aus: „Heavy Cross“ von Gossip Das englische Wort Gossip lässt sich am ehesten mit „Klatsch und Tratsch“ übersetzen. Wie passend der Name für die Band um die schillernde Frontfrau Beth Ditto ist, wusste man bei der Gründung im Jahr 1999 sicher noch nicht. Die Gruppe wurde aber schnell zum Gesprächsthema, weil sie sich über die rigiden Denkmuster ihres feministischen Riot-Grrrl-Umfeldes hinwegsetz-
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te. Denn von Anfang an bevorzugten (damals noch The) Gossip nicht nur harten, „politisch korrekten“ Punk, sondern auch einen sehr hedonistischen Discogroove. Sie tourten mit Sonic Youth und den White Stripes, aber eben auch mit Le Tigre. Beth Ditto ist zudem selbstbewusst genug, um sich über gängige Schönheitsideale hinwegzusetzen und sich als starkes Sexsymbol zu vermarkten. Bei Konzerten kommt es schon mal vor, dass sie strippt und sich bis auf die Unterwäsche auszieht. Den Durchbruch schafft die in Portland im US-Bundesstaat Oregon lebende Band im Herbst 2006 mit der Discohymne „Standing In The Way Of Control“, die das Recht von Homosexuellen auf Eheschließung einfordert – und mit dem gleichnamigen Album. Stetig geht es weiter bergauf: ein Plattenvertrag beim Majorlabel Sony, die im Sommer 2009 veröffentlichte CD „Music For Men“, umjubelte Touren und Auftritte bei Festivals wie „Rock am Ring“/ „Rock im Park“. Die Single „Heavy Cross“ wird in Deutschland mit drei Mal Gold ausgezeichnet, schafft es bis auf Platz zwei und hält sich unglaubliche 97 Wochen in den Charts. Privat ist Beth Ditto, die auch für den exaltierten Modeschöpfer JeanPaul Gaultier über den Catwalk läuft, mit ihrer Assistentin Kristin liiert. Am 7. Mai 2012 teilte sie in „Bild“ mit, dass sie Frauen wie Angelina Jolie und Tilda Swinton anziehend findet. Wie wichtig der Begriff „Treue“ für Beth Ditto ist, lässt sich nicht sagen. In „Heavy Cross“ erklärt sie jedenfalls in knappen Worten, dass man in einer Beziehung zwangsläufig ein schweres Kreuz mit sich herumzutragen hat – vor allem weil alles ein Ende hat: „It’s a funny way to make ends meet / When the lights are out / On every street / It feels alright / But never complete / Without joy“ („Es ist eine seltsame Art, über die Runden zu kommen / Wenn die Lichter auf den Straßen alle aus sind / Es fühlt sich alles in Ordnung an / Aber niemals vollkommen / Ohne Freude“). Andererseits geht es nicht alleine: „It’s a cruel cruel world / To face on your own / A heavy cross / To carry along“ („Es ist eine grausame Welt / Wenn man es alleine mit ihr aufnehmen soll / Es ist ein schweres Kreuz / Das man mit sich herumtragen muss“), singt Beth schon zu Beginn des Songs. In Interviews verweist sie gerne darauf, dass sie bereits als Kind wegen ihrer Figur und ihrer sozialen Herkunft gehänselt wurde und sich alleine fühlte. So erzählte sie der „Süddeutschen Zeitung“ im November 2010: „Ich wurde zwar nicht gemobbt, aber natürlich musste ich mir ständig Sprüche zu meiner Figur anhören, denn ich war immer schon so kräftig gebaut.“ Und: „Alles, was jemals irgendwo von irgendwem über Dicke gesagt wurde, hab’ ich eh längst zu hören gekriegt.“ Beth Ditto stammt aus dem 1.000-Seelen-Örtchen Searcy in Arkansas, wo jeder jeden kennt und sogar das dickste Cheerleadermädchen noch dünner
war als sie: Daher versuchte sie irgendwann gar nicht mehr, den Vorstellungen der anderen zu entsprechen, wie sie der „Süddeutschen Zeitung“ verriet: „Der erste Teil der Lösung war die Erkenntnis: Ich werde niemals so cool wie die anderen sein. Ich war wie gesagt immer kräftig gebaut, ich hasste Sport. Also fing ich an, mich für Sachen ins Zeug zu legen, die andere albern fanden. Ich betreute das Jahrbuch. Ich trat dem Französischclub bei. Ich ging in den Chor.“ Schließlich lernte sie Menschen kennen, bei denen sie sich wohl fühlte, weil sie ein ähnlich schweres Kreuz zu tragen hatten – ihre Bandkollegen von Gossip. Erwähnt sei noch, dass Beth Ditto im Alter von 23 Jahren aufgrund einer Autoimmunschwäche sehr dünn wurde. „Damals trug ich nur noch Größe 38. Das war absolut verstörend.“ mp Original: Gossip: „Music For Men“ (2009, Columbia, CD)
„Hey hey, my my, Rock’n’Roll will never die“ aus: „Hey Hey, My My (Into The Black)“ von Neil Young Neil Young – der Mann, der so viele musikalische Haken geschlagen hat wie kaum ein anderer – veröffentlichte 1979 ein Lied, das ungewollt zum Statement für und zum Abgesang auf eine ganze Generation wurde. Der Sound des dazugehörigen Albums markiert eine völlige Abkehr vom Klang der siebziger Jahre und ist aus heutiger Sicht purer Grunge – noch bevor jemand die Bezeichnung für diese Art von Musik erfunden hatte. In den Lyrics des Liedes, das sich in einer akustischen („Out of the Blue“) und in einer punkigen Bandversion (mit Youngs Dauerbegleitern Crazy Horse eingespielt) auf dem Album findet, stellt Neil Young den Sänger John Lydon alias Johnny Rotten, den Kopf der Punkband Sex Pistols, auf eine Stufe mit Elvis – was von vielen mit Wut, Unverständnis und Kopfschütteln quittiert wurde. Doch dieser Vergleich soll eigentlich nur eine inhaltliche Kontinuität aufzeigen, die guter Rockmusik im Idealfall immer innewohnt: die des Willens zur Rebellion, zum Umsturz, zum Neuaufbau der Welt. Diese Traditionslinie ist aus Neil Youngs Sicht in diesem Fall mehr als eindeutig erkennbar – denn so provozierend, wie der laszive Hüftschwung von Elvis „the pelvis“ Presley auf die prüde US-Gesellschaft der fünfziger Jahre wirkte, so schockierend erschien auch Rottens Abgesang auf die britische Monarchie: „God save the Queen, the fascist regime“, sang er auf unnachahmlich rotzige Art. Das schnelle Leben des Rock’n’Roll, die kreative Rasanz auf Kosten von Lebenszeit und Zukunft – genauso verlief die kurze Karriere der Sex Pistols und mit ihr die Sturm-und-Drang-Periode des Punk. Als die drei Akkorde des
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Punkrock längst nicht mehr „This Year’s Model“ (Elvis Costello) sind, adelt Neil Young postum die jungen Wilden von gestern und ihre musikalische Kraftverschwendung: „It’s better to burn out than to fade away“ – besser kurz und heftig leben und dann verlöschen, als mit 60 den Rockopa zu geben. Als Kurt Cobain, der Frontmann der Grunge-Heroen Nirvana, 15 Jahre später Selbstmord beging, führte er in seinem Abschiedsbrief exakt diese Zeilen, die sich in der akustischen „Out of the Blue“-Version des Liedes finden, als Begründung für seinen drastischen Schritt an. Grunge, der vielversprechende musikalische Aufbruch, wird mit Cobains Tod genau in dem Moment zu Grabe getragen, als er die größte Breitenwirkung erreicht – und Neil Young, so sieht er es selbst, hat unabsichtlich dazu beigetragen. Die Folge: Young weigert sich für lange Zeit, den Song live zu spielen. Noch in Cobains Todesjahr 1994 antwortet er jedoch auf die Tragödie mit dem schnell eingespielten Album „Sleeps With Angels“, das zum einen bittere Vorwürfe an Cobains Witwe Courtney Love enthält (unter anderem den, sich als Künstlerin an Cobains Ruhm angehängt zu haben), zum anderen aber doch vorsichtigen Optimismus verbreitet (zu hören im Titeltrack und im Song „Change Your Mind“). Cobains Tod löste ein Umdenken bei Young aus, das ihn wohl selbst vor dem Ausbrennen bewahrte: Bereits seine nächste CD spielt er mit den Grunge-Überlebenden Pearl Jam ein – wie gewohnt mit brachialer Kraft und Wut – und schlägt damit ein weiteres Mal einen Haken auf seinem musikalischen Weg. gf Original: Neil Young: „Rust Never Sleeps“ (1979, Reprise, LP)
„Hey Joe, I heard you shot your woman down“ aus: „Hey Joe“ von Billy Roberts
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Manches Stück wird auf wundersame Art und Weise zum Evergreen: Als der Songwriter William Moses Roberts „Hey Joe“ 1962 schrieb und sich das USCopyright dafür geben ließ, war die tragische Geschichte des Mannes, der seine Frau umbringt und mit dem Gewehr den Tatort verlässt, nichts Besonderes. Story und Melodie wirkten fast schon altmodisch, sie zitieren Urbilder von Eifersucht, Trauer und Schmerz, wie sie in vielen Blues- und Countrysongs des 20. Jahrhunderts vorkommen. Erzählt wird darin die menschliche Tragödie, die durch übermächtige niedrige Instinkte, durch Suff, Neid und Besitzanspruch entsteht. Frühe Rockbands wie The Leaves und Love nahmen das Lied auf, es wurde bekannt, ohne dass es ein Hit war. Im Dezember 1966 erschien es
als Single – mit „Stone Free“ als B-Seite. 1967 wurde es in den USA als Teil einer der bahnbrechendsten Rockplatten aller Zeiten veröffentlicht: „Are You Experienced“, dem Debüt des Ausnahmegitarristen Jimi Hendrix,. Der 1942 in Seattle geborene Bluesfan adaptiert das Thema für die Neuzeit, indem er es mit einer tiefen Gitarre unterlegt, und suggeriert so dem Hörer, dass diese Geschichte nicht nur irgendwelchen Baumwollpflückern und Kuhhirten im Hinterland passieren kann, sondern jedem. Hendrix macht „Hey Joe“ in Großbritannien zum Hit. Die Begründung für die Tragödie bleibt dieselbe: Die „old lady“ wird erschossen, weil der Täter sie in flagranti mit einem anderen Mann erwischt. Doch Jimi geht weiter: Er singt, dass dieser Mann der Frau ein Gewehr gibt, um vortäuschen zu können, dass er sie in Notwehr erschossen hat. Begleitet wird die Erzählung von „ahs“ und „alrights“ – Floskeln, die unterstreichen, dass Jimis Täter nichts bereut. Wie in Roberts’ Vorlage gesteht er den Mord, nachdem er zu Beginn des Liedes gefragt wird: „Hey Joe, where you goin’ with that gun in your hand?“ Und wie in Roberts’ Original lässt er Joe von einer Flucht nach Mexiko träumen, einem Land, wo kein Strick auf ihn wartet. Doch die Variante auf „Are You Experienced“ ist nur eine von vielen. „Hey Joe“-Kenner Mike Franzen listet auf seiner Website http://heyjoeversions.wordpress.com über 1.600 Versionen des Songs auf – und das dürften längst nicht alle sein. Regelmäßig kommen neue Interpretationen hinzu. Bislang gehörte das blutrünstige Drama unter anderem zum Repertoire von Cher, Nick Cave („Where The Wild Roses Grow“), der Reggaeband Black Uhuru, The Who („My Generation“), Patti Smith („Because The Night“), von Soulmann Wilson Pickett, Bob Dylan („Blowin’ In The Wind“, „Knocking On Heaven’s Door“), den Red Hot Chili Peppers und der britischen Formation Stereo MC’s. Besonders empfohlen seien die Versionen von Deep Purple und Willy DeVille. Nach dem Original von Billy Roberts sucht man in den Veröffentlichungslisten allerdings vergebens. Sicher ist, dass die Garagenrockband The Leaves das Lied relativ früh aufnahm. Insgesamt existieren drei unterschiedliche Versionen von der kalifornischen Band. Für viele gilt ihre bei Mira erschienene Aufnahme von „Hey Joe“ als das Original. mp Original: The Leaves: „Hey Joe“ (1965, Mira, Single), weitere Versionen: Jimi Hendrix: „Hey Joe“ (1966, Polydor, Single), Deep Purple: „Shades Of Deep Purple“ (1968, Tetragrammaton, LP), Nick Cave & The Bad Seeds: „Kicking Against The Pricks“ (1986, Mute, LP), Willy DeVille: „Backstreets Of Desire“ (1994, Rhino, CD)
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„I’m on the highway to hell“ aus: „Highway To Hell“ von AC/DC
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Selten hat ein Song besser zum Sänger gepasst als „Highway To Hell“. Das von Angus Young, dessen Bruder Malcolm und Bon Scott geschriebene Lied wurde für Letzteren zum Abgesang: Der Mann, dessen Stimme klingt, als ob er mit in Whiskey eingelegten Reißnägeln gurgelt und dabei versucht, Sirenen zu imitieren, starb nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des Songs und des gleichnamigen Albums. Am 19. Februar 1980 erstickte der Alkoholiker in East Dulwich, einem Stadtteil Londons, an seinem Erbrochenen. Ronald Belford Scott kam am 9. Juli 1946 im schottischen Forfar zur Welt und verbrachte seine Kindheit im nahegelegenen Kirriemuir. 1952 übersiedelte er mit seinen Eltern nach Australien. Mit 20 sang er bei The Valentines, die mit der Single „Juliette“ 1970 die Top 30 des fünften Kontinents erreichten. Die Gruppe war berüchtigt für ihre Drogenexzesse, ihre Karriere scheiterte daran. 1974 steigt er bei AC/DC ein und prägt mit seiner eigenwilligen, kräftigen Stimme die Alben von „High Voltage“ bis „Highway To Hell“. Er war der Prototyp des Rock’n’Rollers, lebte den Mythos von „Sex & Drugs & Rock & Roll“ (Ian Dury), sein Motto hätte „Live Fast Die Young“ (The Circle Jerks) lauten können. Genau davon erzählt der Song, der das meistverkaufte der bis dahin fünf AC/DC-Studioalben eröffnet: „Livin’ easy, lovin’ free / Season ticket on a one way ride“ – nach dem Motto: Nimm dir alle Freiheiten, genieße das Leben, es führt dich ohnehin direkt in die Hölle. Auf dem Weg dorthin nimmt der Hedonist Fahrt auf, gibt sich ungezügelt und ungebremst dem Genuss hin: „No stop signs, speed limit / Nobody’s gonna slow me down / Like a wheel gonna spin it / Nobody’s gonna mess me around.“ Der Sänger ruft dem bereits wartenden Teufel zu, dass er in einer Rock’n’Roll-Band spielt und deshalb seinen Mitgliedsbeitrag für die Hölle längst entrichtet hat („Hey Satan, payin’ my dues / Playing in a rockin’ band“). Angus Young, Gitarrist und Kopf von AC/DC, hat in Interviews darauf hingewiesen, dass der Text auch Scotts Vorahnung seines nahenden Todes enthält: „I’m on the highway to hell / And I’m going down all the way / I’m on the highway to hell.“ Einen Grund, seinen Lebensstil zu ändern, gab es für den Sänger indes nicht. Sein Ableben war für die Fans der Gruppe ein Schock, für die Band selbst wurde es zum riesigen Problem, das fast das Ende der Erfolgsgeschichte bedeutet hätte – schließlich hatte Scott mit seinem Stil Songs wie „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“, „High Voltage“, „T.N.T.“ und „Whole Lotta Rosie“ geprägt. AC/DC dachten ans Aufhören, denn einen wie Scott
gibt’s kein zweites Mal. Aber letztlich beschloss die Band doch, einen Nachfolger zu suchen, der eine eigene, gänzlich andere Art des Gesangs pflegt – und wurde mit dem Engländer Brian Johnson fündig. mp Original: AC/DC: „Highway To Hell“ (1979, Atlantic, LP)
„I said I’m your hoochie coochie man“ aus: „Hoochie Coochie Man“ von Muddy Waters Schon in den vierziger und fünfziger Jahren zeigten Bluessongs wie John Lee Hookers „Let’s Make It“ oder das von Willie Dixon geschriebene „Hoochie Coochie Man“, dass schwarze Songwriter nicht gewillt waren, nur radiotaugliche Hits zu schreiben. Vielleicht schätzten sie aber auch ihre Chancen, im Radio gespielt zu werden, von vornherein als extrem gering ein und scherten sich deshalb kaum um Konventionen. Schließlich wurde Blues von Plattenfirmen und Rundfunkstationen als „Race Music“ („Rassenmusik“) abgetan und ignoriert. Dennoch avancierte die 1954 von Muddy Waters für das in Chicago ansässige Label Chess aufgenommene Urversion des „Hoochie Coochie Man“ zum Hit. Dixon, der wichtigste Hausautor von Chess, verpasst dem tiefen Groove dieses Bluesjuwels einen eindeutig zweideutigen Text voller sexueller Anspielungen und Anzüglichkeiten, gesungen aus der Perspektive eines omnipotenten und selbstbewussten Liebhabers: „I’m a hoochie coochie man / You’d better believe I’m him.“ Der Text verbindet das Versprechen wilder und ungezügelter Sexualität mit in biblische Bilder verpacktem Größenwahn. Der offen frivole Text wies Rock’n’Roll-Stücken wie „Great Balls Of Fire“ von Jerry Lee Lewis und „Shake, Rattle And Roll“ von Big Joe Turner den Weg durch die prüden fünfziger Jahre. Dass Dixon mit diesem Song dem damals weit verbreiteten Vorurteil von der sexuell übermächtigen schwarzen Männlichkeit absichtlich entsprach, kommt noch hinzu. Er persifliert die Angst verklemmter weißer Amerikaner, die „Neger“ könnten wie Heuschreckenschwärme über ihre Frauen herfallen – auch wenn der Text die Rassentrennung aufrecht erhält: „On the seventh hour / Of the seventh day / Of the seventh month / Seven black girls say / He was born for good luck / And you will see / I got seven hundred dollars, baby / Don’t mess with me“ („In der siebten Stunde / Des siebten Tages / Des siebten Monats / Sagen sieben schwarze Mädchen / Dass seine Geburt ein Glücksfall war / Das wirst auch du einsehen / Ich habe siebenhundert Dollar, Baby / Verarsch mich bloß nicht“). Diese Worte legt Dixon Muddy Waters in den Mund, der damit eine Welt scheinbar unwiderstehlicher Geilheit erschafft und mit seinem Geschlechts-
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teil prahlt: „I’ve got a black cat bone“ („Ich habe einen schwarzen Katzenknochen“). In zwei Strophen änderte die weiße Band Steppenwolf später den Text ab, ohne freilich die lüsterne Massivität von Dixons Zeilen zu zerstören. Eine schöne Umschreibung für den Penis ist den Hardrockern auf jeden Fall gelungen: „I got little John, the conquered“ („Ich habe hier den kleinen John, den Eroberten“). Dixons Einfluss auf die Rockmusiker war in den späten sechziger und in den siebziger Jahren besonders deutlich zu spüren: Die Allman Brothers und Eric Clapton coverten „Hoochie Coochie Man“ ebenfalls, die Rolling Stones verehrten Dixon, und Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ ist – wie die Band später zugeben musste – eine Adaption von Dixons „You Need Love“. Auch dieser Bluesklassiker ist gespickt mit deftigen Andeutungen. mp Original: Muddy Waters: „Hoochie Coochie Man“ (1954, Chess, Single), weitere Version: Steppenwolf: „Steppenwolf“ (1968, ABC, LP)
„On a dark desert highway, cool wind in my hair“ Aus: „Hotel California“ von Eagles
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Die Eagles verkörpern wie kaum eine andere Band den in Vinyl geronnenen Amerikanischen Traum. Mehr als einmal besangen sie mit verführerischen Melodien, perfektem Satzgesang und einprägsamen Refrains den Outlaw, der es trotz seines anfänglichen Außenseitertums zu Ruhm und Reichtum bringt – und hatten damit enormen Erfolg. Aber erst als sie die Schattenseiten des mühsam erreichten Erfolgs thematisierten, landeten sie den größten Hit ihrer Karriere. Schon die Bilder der ersten Zeilen von „Hotel California“ entführen den Hörer in eine Welt, wie er sie aus unzähligen Countrysongs und Hollywoodfilmen kennt: „On a dark desert highway, cool wind in my hair / Warm smell of colitas rising up through the air.“ Und dort, mitten in der Wüste, symbolisches Zeichen des Überflusses („Up ahead in the distance I saw a shimmering light“), steht plötzlich ein Hotel, sieht der Reisende eine unbekannte Schöne in der Tür stehen – und ist sich nicht ganz sicher, was er vorfinden wird: „This could be heaven or this could be hell.“ „Welcome to the (...) lovely place“, flüstern ihm viele Stimmen zu. Hotel California heißt der vielversprechende Ort, an dem jeder Gast zu jeder Zeit des Jahres ein Zimmer findet. Auch wenn der Reisende nicht mehr ganz klar im Kopf ist („My head grew heavy, and my sight grew dim“), wird erst einmal gefeiert: „Please bring me my wine / (…) / Mirrors on the ceiling / Pink champaign on ice“ – mit Wein, Spiegeln an der Decke und rosarotem
Champagner auf Eis. Allerdings ist dies ein Fest, dessen scheinbar fröhlicher Charakter trügt: „Some dance to remember / Some dance to forget.“ Und sarkastisch stößt die Erinnerung auf: „We haven’t had that spirit here since 1969“ – Woodstock mit seinen Idealen ist lange her. Mit den Zeilen „Her mind is Tiffany twisted / She’s got the Mercedes Benz“ werden zudem Janis Joplin, die Galionsfigur der Flower-Power-Generation, und der von ihr gecoverte Song „Mercedes Benz“ kräftig ironisiert. Deutlicher kann der Verdruss an einer Überflussgesellschaft, von der die Band ja ebenfalls in beträchtlichem Ausmaß profitiert, kaum artikuliert werden. Bitter geht der Text weiter: „We are all just prisoners here / Of our own device“ – klar, im goldenen Käfig lebt es sich schließlich hervorragend. Doch in einem letzten Reflex erinnert sich der Reisende, dass es eigentlich auch noch ein anderes Leben gab. Nur – es ist zu spät! Die letzten Zeilen des Liedes, die dieses Dilemma formulieren, zählen zu den bekanntesten der Rock- und Popgeschichte: „Last thing I remember / I was running for the door / I had to find the passage back to the place I was before / Relax, said the night man / We are programmed to receive / You can check out any time you like / But you can never leave.“ Die gallige Abrechnung mit Reichtum und Verschwendung, verpackt in bittersüße Melodien und garniert mit zwingenden Gitarrensoli, tat dem Erfolg keinen Abbruch: Die Single „Hotel California“ wurde der größte Hit der Eagles und gewann 1978 den Grammy für die Platte des Jahres. Die gleichnamige LP wurde ebenfalls für einen Grammy nominiert (der dann an Fleetwood Mac ging) und eines der erfolgreichsten Rockalben überhaupt. Womit sich die Band das irdische Leben im goldenen Käfig Kalifornien auf lange, lange Zeit sicherte. gf Original: Eagles: „Hotel California“ (1976, Asylum, LP)
„There is a house in New Orleans / They call the rising sun“ aus: „House Of The Rising Sun“ von The Animals Der US-Folkloreforscher Alan Lomax nahm an, dass die Melodie zu „House Of The Rising Sun“ ihren Ursprung in einer englischen Ballade aus dem 16. Jahrhundert hat, den Text schrieb er dem aus Middlesboro stammenden Sänger George Turner und dem in Manchester gebürtigen Dichter Bert Martin zu und veröffentlichte ihn 1941 in seinem Buch „Our Singing Country“. Über die afroamerikanischen Sklaven nahm das Lied seinen Weg in den Süden der USA – wo Bordelle im alltäglichen Sprachgebrauch als „Houses of the rising
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sun“ bezeichnet wurden. Die erste Aufnahme datiert bereits aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts und stammt vom schwarzen Bluesmusiker Texas Alexander, später kamen Interpretationen von Roy Acuff, Woody Guthrie („This Land Is Your Land“) und anderen hinzu. In einem Reiseführer namens „Offbeat New Orleans“ ist „The Rising Sun“ sogar mehr als nur ein geflügeltes Wort: Das echte „House of the Rising Sun“, so der Guide, soll von 1862 bis 1874 in 826–830 St. Louis Street gestanden haben, geleitet von Madame LeSoleil Levant – was ins Englische übersetzt „The Rising Sun“ heißt. Weltweit bekannt wurde der Song 1964 in der Interpretation der 1962 im britischen Newcastle-upon-Tyne gegründeten Band The Animals mit ihrem Sänger Eric Burdon. Die Band nahm im Text der Ballade aber eine drastische Änderung vor: Ursprünglich beklagt darin ein Mädchen sein Scheitern, weil es als Hure arbeitet („It has been the ruin of many a poor girl / And me, oh God, I’m one“). Gleichzeitig will sie andere davor warnen („Go tell my baby sister / Never to do what I have done“). In der Animals-Version ist es ein Junge, der seinen finanziellen Niedergang beweint: „It has been the ruin of many poor boys / And me, oh God I’m one.“ Wer nur wenig Geld und arme Eltern hat („My mother was a tailor / She sewed those new blue jeans …“) und dann noch zu viel Geld ins Bordell trägt, ist eben schnell pleite. Es dauerte nur rund 15 Minuten, den Song 1964 im Studio in London – unter Aufsicht des damals noch unbekannten Mickie Most („Mellow Yellow“, „Kids In America“) – zu produzieren. Der Erfolg kam ebenfalls schnell: Unmittelbar nach Erscheinen stand das Lied in Großbritannien und den USA auf Platz eins, in Deutschland auf Platz zehn der Charts und verkaufte sich 3,5 Millionen Mal. Selbst als Wiederveröffentlichung erreichte die Single 1982 noch einmal Platz elf der britischen Charts. gf Original: The Animals: „The Animals“ (US-Version, 1964, MGM, LP)
„‚I am‘, I said to no one there“ aus: „I Am … I Said“ von Neil Diamond
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Der 1596 geborene Philosoph René Descartes fasste das Wesen des modernen Menschen in seinem zentralen Satz „Ich denke, also bin ich“ („Cogito ergo sum“)– oder besser: „Ich zweifle, also bin ich“ – zusammen. Mehr als drei Jahrhunderte später verpackt der US-Songwriter Neil Diamond Zweifel und Selbstreflexion 1971 in dreieinhalb Minuten Popmusik. Diamond beschreibt die Zerrissenheit und Einsamkeit eines Menschen, der über den eingeschlagenen Lebensweg und die getroffenen Entscheidun-
gen nachsinnt: „L. A. ist schön, meistens scheint die Sonne, und die Stimmung ist entspannt“, stellt er fest. Aber eben auch: „Tja, ich bin in New York City geboren und aufgewachsen / Aber heute bin ich verloren zwischen zwei Küsten.“ Mit trotziger Stimme singt er: „‚I am’, I said / To no one there / And no one heard at all / Not even the chair.“ Obwohl es nicht stimmt, dass ihm niemand zuhört – schließlich war Diamond Anfang der siebziger Jahre ein Weltstar –, stecken in diesem Hit eine Menge privater Gedanken und das Gefühl, entwurzelt zu sein. Der 1941 in Brooklyn geborene Entertainer – der zu Beginn seiner Karriere erwog, sich den Künstlernamen Noah Kaminsky zuzulegen – ist New Yorker mit Leib und Seele. 1964 stürzte er sich in Schulden, mietete ein Büro im legendären Brill Building am Broadway und errang seine ersten Erfolge als Autor von Songs, die er für sich selbst schrieb, die dann aber u. a. die „Retortenband“ The Monkees aufnahm. Die TV-Serie um die Gruppe machte Diamonds „I’m A Believer“ und „A Little Bit Me, A Little Bit You“ zu Superhits. Etwa zur gleichen Zeit ging seine erste Ehe in die Brüche, und der Songwriter floh 1970 nach Los Angeles. Dort heiratete er erneut und landete Hit auf Hit: „Holly Holly“, „Cracklin’ Rosie“, „Song Sung Blue“ – sein in Deutschland erfolgreichstes Lied – und eben auch „I Am … I said“. Diamond pendelte während seiner fruchtbarsten Zeit nicht nur zwischen den US-Küsten hin und her, er war auch häufig in Deutschland zu Gast. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass sich der Multimillionär Mitte der siebziger Jahre im ehemaligen Salonwagen von Hermann Göring zu den Konzerten fahren ließ. Ob das stimmt, lässt sich nicht belegen, sicher ist aber, dass Diamonds einfühlsame Lieder auch in den Interpretationen anderer Künstler zu Erfolgen werden. Bestes Beispiel ist das Reggaestück „Red Red Wine“, das in der Version von UB 40 ein Welthit wurde. „Ich schreibe Songs, also bin ich“, könnte Neil Diamonds Lebensmotto sein. mp Original: Neil Diamond: „Stones“ (1971, Uni, LP)
„I bet you look good on the dancefloor” aus: „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ von Arctic Monkeys „Ich wette, du siehst auf der Tanzfläche verdammt gut aus“ – ein Satz wie ein Monument. Das kann jeder Teenager und Twen bestätigen, weil jeder irgendwann mal eine Lady anhimmelt, die beim Tanzen schnuckelig und sinnlich wirkt. Diese Zeile aus dem ersten Hit des englischen Quartetts Arctic Monkeys spricht Jungen jeden Alters an.
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Das allein erklärt aber nicht den Verkaufserfolg. Denn der Vierer aus der Musikstadt Sheffield, aus der unter anderem auch Tony Christie und der Songwriter Richard Hawley stammen, war schon populär, bevor am 23. Januar 2006 das erste Album auf den Markt kam. Es trägt den ebenfalls schönen Titel „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ („Was immer die Leute sagen, dass ich sei, genau das bin ich nicht“) und ist bis heute das Album, das sich in der Veröffentlichungswoche im Vereinigten Königreich am besten verkauft hat: 363.735 Exemplare wanderten über die Tresen der realen wie der virtuellen Plattenläden, allein an jenem 23. Januar waren es fast 120.000 Stück. Das Internet spielte für den Ruhm der Arctic Monkeys die zentrale Rolle. Denn ähnlich wie zum Beispiel bei Mika und seinem Hit „Grace Kelly“ kursierten viele Stücke der Band schon im weltweiten Netz. Noch vor der ersten Plattenveröffentlichung war die Fangemeinde so gewachsen, dass die Gruppe mühelos mittelgroße Hallen füllte. Eines der Lieder, das die Formation um den charismatischen Sänger und Gitarristen Alex Turner mit seinem Faible für schwarze beziehungsweise weiße Fender-Stratocaster-Gitarren ab 2003 als Demo-CD verteilte und die dann von Fans kopiert und ins Netz gestellt wurden, war „I Bet You Look Good On The Dancefloor“. Als Single erschien es am 17. Oktober 2005 – nachdem die Band mit ihrem punkigen Garagenrock etliche Gigs in ganz England absolviert hat. Das Independentlabel Domino, das auch mit der schottischen Gruppe Franz Ferdinand erfolgreich war, nahm sich der Arctic Monkeys und des massiven Internet-Hypes um Turner und Co. an und brachte den Song als CD- und Vinyl-Single und als iTunes-Download heraus. Im Dezember 2005 wählt der angesehene „New Musical Express“ Alex Turner zum „coolsten Mann des Planeten“. Der Sohn eines Musiklehrers und einer Deutschlehrerin nimmt den plötzlichen Ruhm gleichmütig hin. Denn erstens haben die Arctic Monkeys seit ihrer Gründung 2003 nie versucht, als „neue Beatles“ oder die „nächsten Oasis“ gehandelt zu werden. Turner betont immer wieder, dass diese in der britischen Musikpresse seit den Zeiten von T. Rex üblichen Vergleiche eher hinderlich seien. Der Zeitung „The Observer“ gegenüber formuliert er am 29. Mai 2011 andere Ziele: „Wir wollen eher besser als größer werden.“ Einen absoluten Höhepunkt in ihrer Karriere erleben die Arctic Monkeys in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 2012 um 1:05 Uhr Mitteleuropäischer Zeit: Bevor in London die XXX. Olympischen Spiele feierlich eröffnet werden, spielt die Band im Olympiastadion vor den Augen der Welt und der sichtlich irritierten Queen Elisabeth II. zwei Stücke – „Come Together“ von den Beatles und ihren Hit „I Bet You Look Good On The Dancefloor“. Eine quantitative Steigerung des Erfolgs ist ohnehin kaum noch möglich. Zwar wurden auch die Nachfolgealben „Favourite Worst Nightmare“, „Hum-
bug“ sowie „Suck It And See“ Nummer eins der britischen Albumcharts, aber nur das Debüt konnte sich fast ein Jahr lang in der britischen Hitliste halten. Alex Turner und seinen Mitstreitern gelang es tatsächlich, sich musikalisch stetig zu verbessern; cool ist der Gitarrist, der sein Instrument immer auf Brusthöhe zu spielen pflegt, selbstverständlich immer noch. Eine interessante Coverversion von „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ stammt übrigens von den Sugababes, deren „Push The Button“ die Arctic Monkeys im Oktober 2005 mit ihrem Song vom ersten Platz der Charts verdrängten. mp Original: Arctic Monkeys: „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ (2006, Domino, CD), weitere Version: Sugababes: „Red Dress“ (2006, Island, Single)
„I can’t get no satisfaction“ aus: „(I Can’t Get No) Satisfaction“ von The Rolling Stones Sänger Mick Jagger und Gitarrist Keith Richards („Get Off Of My Cloud“), die sich als Produzententeam seit 1974 „The Glimmer Twins“ nennen, schrieben 1965 diese Beathymne, deren hypnotisierend sich wiederholende Zeilen auf zweifache Art zu deuten sind: Zum einen dokumentieren die Worte die permanente Suche nach hedonistischer Befriedigung, die besonders Sexsymbol Jagger damals antrieb. Beziehungen hielten zu jener Zeit nie lange und fanden sich stets in der Regenbogenpresse des biederen Englands der sechziger Jahre wieder. Zum anderen richtete sich die Botschaft an eben dieses prüde England, das mit allen Mitteln versuchte, den Untergang des britischen Weltreiches vor sich selbst zu verheimlichen und das Anbrechen neuer Zeiten rigoros zu verhindern. Sie griff eine Gesellschaft an, in der Betonfrisuren den Mief des Empires konservierten und Pilzköpfe als radikal angesehen wurden: „I can’t get no satisfaction“ – „Ich finde keine Befriedigung.“ Und das, obwohl es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht wird: „’cause I try and I try and I try and I try“, heißt es im Text – aber auch der permanente Versuch bringt nichts. In der Widerspiegelung dieses sinnlosen Tuns liegt die Gesellschaftskritik des Hedonisten Jagger, der die Pseudobefriedigung durch Radio und Fernsehen anprangert: „Wenn ich fernsehe, kommt dieser Mann daher und erzählt mir, wie weiß mein Hemd werden kann; aber er kann kein Mann sein, weil er nicht dieselben Zigaretten raucht wie ich“, heißt es weiter. Der Hedonist verachtet die kollektive Freizeitgestaltung und die „nutzlosen Informationen“ („useless information“) einer Gesellschaft, die den „Weißen Riesen“ anbetet.
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„Satisfaction“ ist Teil eines Songzyklus, der die britische Normalogesellschaft der mittleren Sechziger beschreibt – „19th Nervous Breakdown“ und „Mother’s Little Helper“ zählen ebenfalls dazu. Die „Glimmer Twins“ sprechen nicht wie The Who in ihrem fast gleichzeitig erscheinenden Song „My Generation“ von sich („Hope I die bevor I get old“) – es sind die anderen, die Angepassten, die beschrieben werden. Erst vier schnelle und hektische Jahre später gab Jagger zu, dass auch sein eigener radikal lustbetonter Lebenswandel eine letztlich erfolglose Suche nach Befriedigung darstellte. Das Nachdenken begann, als der zweite Stones-Gitarrist Brian Jones die Exzesse nicht überlebte und am 3. Juli 1969 tot in seinem Swimmingpool aufgefunden wurde – keine vier Wochen nach seinem Rauswurf aus der Band. Was sich aber auch heute noch niemand so recht vorzustellen vermag: Der Jagger/Richards-Gassenhauer ist ein zutiefst dialektischer und konsumkritischer Song, dessen zwei Bedeutungen in der Zeile „I can’t get no satisfaction“ zueinander finden – auf der einen Seite der Narzisst, der in Exzessen Befriedigung sucht und sie nicht findet, auf der anderen die Mehrheit der Menschen, die stattdessen auf Fernsehshows und Konsum setzt und auch dort nicht findet, was sie sucht. Das prägnante Riff übrigens, mit dem der Song beginnt, fiel dem Gitarristen Keith Richards in einem Hotelzimmer ein – während er es aufnahm, schlief er ein und fand, wie er selbst gerne erzählt, beim Erwachen ein Band mit zwei Minuten Gitarrenspiel und vierzig Minuten Schnarchen vor. Laut Bassist Bill Wyman wurde „(I Can’t Get No) Satisfaction“ außerdem innerhalb der Band mit drei zu zwei Stimmen, gegen den Willen von Mick und Keith, zur Single bestimmt. Eine Entscheidung, die die beiden im Nachhinein wohl kaum bereut haben werden. mp Originale: The Rolling Stones: „(I Can’t Get No) Satisfaction“ (1965, Decca, Single), The Rolling Stones: „Out Of Our Heads“ (US-Version, 1965, London, LP)
„Tell me why / I don’t like Mondays“ aus: „I Don’t Like Mondays“ von den Boomtown Rats
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29. Januar 1979, Cleveland Elementary School in San Carlos, 8.30 Uhr morgens: Die 16-jährige Schülerin Brenda Spencer eröffnet das Feuer auf Mitschüler und Lehrer. Sechseinhalb Stunden lang hält sie die Schule in Schach. Als sie endlich überwältigt und festgenommen wird, hat sie zwei Menschen getötet und neun weitere verletzt. Im Oktober 1979 verurteilt ein Gericht sie zu zweimal 25 Jahren Gefängnis.
Dieser Amoklauf einer Schülerin fand lange vor demjenigen in der Columbine Highschool in Littleton, Colorado und dem am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt statt – und machte weltweit Schlagzeilen. Bob Geldof setzte das Ereignis mit seiner Band Boomtown Rats erschüttert in ein packendes Lied um, das ihnen noch im Sommer 1979 ihren zweiten Nummer-eins-Hit in Großbritannien bescherte. Verständnislosigkeit ist das vorherrschende Gefühl nach diesem Amoklauf – und dieses Gefühl spiegelt der Song wider: „The silicon chip inside her head / Gets switched to overload“, lauten die ersten Zeilen – irgendetwas in Brendas Kopf muss durchgeknallt sein. Die Frage nach dem Warum stellen sich auch die Eltern: „And Daddy doesn’t understand it / He always said she was good as gold / And he can see no reason / ’cause there are no reasons.“ Ihnen entzieht die Tat der Tochter den Boden unter den Füßen: „And mother feels so shocked / Father’s world is rocked / And their thoughts turn to / Their own little girl.“ Bitter wirken die Zeilen, die dann in wenigen Worten all den Aufruhr und das Entsetzen bündeln: Aus der Perspektive der Attentäterin steht heute Sterben auf dem Lehrplan („And school’s out early and soon we’ll be learning / That the lesson today is how to die“). Die Megafone machen einen Höllenlärm („And then the bullhorn crackles“), und ein Polizist nervt mit Fragen („And the captain tackles / With the problems and the hows and whys“). Auf die Frage nach den Gründen für ihren Amoklauf antwortet Brenda Spencer aber lediglich: „Ich mag Montage nicht.“ Diese Antwort lässt Eltern, Mitschüler und Ermittler fassungslos zurück, Geldof verpackt sie in den Refrain: „Tell me why! / I don’t like Mondays / I want to shoot the whole day down, down, down / Shoot it all down.“ Die echte Brenda Spencer sitzt noch immer im Gefängnis: 1993 bat sie erstmals um Begnadigung und vorzeitige Entlassung – ihre Bitte wurde abgelehnt. Sie versuchte es noch einmal im April 2001 und fand wieder keine Gnade. Der letzte Haftprüfungstermin fand am 13. August 2009 statt – abgelehnt. Sie muss wohl die volle Haftzeit absitzen. gf Original: The Boomtown Rats: „The Fine Art Of Surfacing“ (1979, Ensign, LP)
„I fought the law and the law won“ aus: „I Fought The Law“ von Bobby Fuller Four Anfang der sechziger Jahre ist Elvis zum Schmuseteddy mutiert, und Buddy Holly, der Hoffnungsträger des Rock’n’Roll, ist tot. Der Flugzugabsturz, der am 3. Februar 1959 nicht nur Holly, sondern auch Big Bopper und Teenie-Star
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Richie Valens das Leben kostete, wird in Don McLeans Riesenhit „American Pie“ als „The day the music died“ bezeichnet. Hollys Gitarrist Waylon Jennings hatte Glück: Er überließ dem grippekranken Big Bopper sein Flugticket und fuhr mit dem Rest der Begleitband im Bus. Nach Buddys Ende suchte sich seine ehemalige Band The Crickets, die nicht mit auf Tour gefahren war, mit David Box einen neuen Sänger. Tourgitarrist Jennings hingegen startete eine überaus erfolgreiche Countrykarriere. Vom Country kam auch Sonny Curtis, der schließlich Hollys Rolle bei den Crickets übernahm, obwohl er bis dahin eher wenig mit Rock’n’Roll zu tun hatte. Der in Texas aufgewachsene Curtis rettete zwar die angeschlagenen Crickets nicht, aber er schrieb über Jahrzehnte hinweg Hits für andere Künstler. Zwischen 1961 und 1989 wurde er allein fünfmal mit dem „Pop-Award“ der Rechteverwertungsgesellschaft BMI ausgezeichnet. 1964 erhielt er den Preis für „I Fought The Law“. Das Lied wurde viele Male aufgenommen: Die Crickets hatten es im Repertoire, ebenso Hank Williams Jr., The Clash, die US-Punks Dead Kennedys sowie Rockabilly-King Brian Setzer und seine Stray Cats. Die erfolgreichste Version stammt ebenfalls aus dem Rockabilly-Umfeld: Die Bobby Fuller Four (Bobby Fuller, sein Bruder Randy, Jim Reese und DeWayne Quirico) landeten damit 1965 einen Riesenhit. „I needed money ’cause I had none“, rechtfertigt Bobby seine Tat: „Robbin’ people with a six-gun“. Nun ist das Gesetz hinter ihm her, als Folge seines Verbrechens muss er fliehen, die Liebste verlassen und schließlich in der heißen Sonne Steine klopfen. Immerzu wiederholt der Sänger den zentralen Satz: „I fought the law and the law won.“ Ähnlich wie in Johnny Cashs „Folsom Prison Blues“ weiß der Protagonist in „I Fought The Law“, dass er die Konsequenzen für sein Handeln tragen muss. Schnell wurde die Band Bobby Fuller Four mit den Crickets auf eine Stufe gestellt, sollte Bobby das musikalische Erbe von Buddy Holly antreten. Aber auch er starb jung: Am 18. Juli 1966, nur vier Monate nachdem „I Fought The Law“ die Top Ten gestürmt hatte, wurde Fuller von Kohlenmonoxid vergiftet in seinem Auto aufgefunden. Der Gerichtsmediziner mochte sich nicht zwischen Selbstmord und Unfall entscheiden, aber Bandmitglieder und Fans glauben bis heute, dass der 23-Jährige von der Drogenmafia oder der Polizei umgebracht wurde. Was ohne Fullers mysteriösen Tod aus der Gruppe geworden wäre, lässt sich nicht sagen. Der Einfluss der Bobby Fuller Four auf die Rockmusik war trotz der nur sehr kurzen erfolgreichen Phase enorm: Joe Strummer von The Clash, Johnny Rotten von den Sex Pistols und Brian Setzer von den Stray Cats bezeichneten die Gruppe als Vorbild. mp Original: The Crickets: „In Style With The Crickets“ (1960, Coral, LP), weitere Version: Bobby Fuller Four: „I Fought The Law“ (1965, Mustang, Single)
„I heard it through the grapevine / Not much longer would you be mine“ aus: „I Heard It Through The Grapevine“ von Marvin Gaye Norman Whitfield und Barrett Strong („War“) schrieben für das in Detroit ansässige Label Motown jede Menge Hits: „Too Busy Thinking About My Baby“, „Ball Of Confusion“, „Papa Was A Rolling Stone“, „Just My Imagination“ – um nur vier davon zu nennen. Ihre Songs verbinden Kenner der Szene mit einer Phase der Umorientierung, die die 1959 von Barry Gordy Jr. gegründete Hitschmiede Motown durchmachte: Die seichten Liebeslieder, mit denen die Firma Mitte der sechziger Jahre die US-Hitparade dominierte, wurden von härteren und funkigeren Songs ersetzt. Die Erfolge von James Brown („Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“) und Sly Stone („There’s A Riot Goin’ On“) blieben auch den Motown-Chefs nicht verborgen: Der weiche Sound von tausend Geigen und ohrenschmeichelndem Gesang machte Platz für Bass, E-Gitarre und aggressivere Töne. Der Übergang zum Funk vollzog sich leise und fast unbemerkt im Jahr 1967. Besonders ein Lied markiert den Wandel: Whitfield/Strongs „I Heard It Through The Grapevine“, mit dem Gladys Knight & The Pips einen veritablen Hit landeten. Aber erst ein Jahr später und in der Version von Marvin Gaye wurde ein wegweisender Song daraus. Sein „Grapevine“ beginnt mit einem einprägsamen Basslauf, der auch zu späteren Motown-Aufnahmen passen würde. Der Text beschreibt ein typisches Souldrama, wie sie Motown auf dem Gipfel des Erfolgs zu Hunderten produzierte, mit den Supremes, den Four Tops oder eben Marvin Gaye. Gleichzeitig mit den musikalischen und inhaltlichen Entwicklungen veränderte sich auch der Stil der Sänger: Man erlaubte ihnen mehr Eigenständigkeit. Der 1939 in Washington, D. C., geborene Gaye betrat mit seiner Version von „Grapevine“ Neuland, er interpretiert das traurige Lied vom Ende einer Liebesbeziehung mit einer tiefen Verletzlichkeit. Die Zeilen „I heard it through the grapevine / Not much longer would you be mine / Oh I heard it through the grapevine / Oh and I’m just about to lose my mind“ füllt er mit Leben, indem er Enttäuschung, Trauer und Sehnsucht herausarbeitet. Verstärkt wurde Marvin Gayes Wandel vom austauschbaren Hitsänger zum charismatischen Künstler durch ein für ihn bedrückendes Erlebnis: Seine Duettpartnerin und gute Freundin Tammi Terrell starb am 16. Juli 1970 an einem Hirntumor. Gaye zog sich zurück, überdachte seine Karriere und nahm dann die ebenso einfühlsamen wie erfolgreichen Alben „What’s Goin’ On“ (1971) und „Let’s Get It On“ (1973) auf. Die warme und weiche Stimme, die diese Platten auszeichnet, hört man so zum ersten Mal auf „I Heard It Through The Grapevine“.
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Natürlich lässt sich das Lied auch völlig anders interpretieren, wie verschiedene Coverversionen zeigen: In Ike und Tina Turners Variante wird dieses „Ich weiß vom Hörensagen, dass du nicht mehr mir gehören willst“ fast schon wütend herausgeschleudert, die Temptations machten – wiederum produziert von Whitfield und Strong – tatsächlich ein Funkstück daraus, und die Country Rocker von Creedence Clearwater Revival wollten die Exfrau anscheinend durch bösen Zauber verfluchen. Ihre Aufnahme erschien 1970 auf der LP „Cosmo’s Factory“ und bringt den Basslauf des Originals nicht nur als Intro, sondern hält ihn über die gesamten 11:07 Minuten des Songs durch. Man bekommt dadurch das Gefühl, eine düstere, sich ständig wiederholende Zauberformel zu hören. mp Original: Marvin Gaye: „I Heard It Through The Grapevine“ (1968, Tamla, LP), weitere Versionen: Gladys Knight & The Pips: „Everybody Needs Love“ (1967, Soul, LP), Ike & Tina Turner: „ In Person“ (1969, Minit, LP), The Temptations: „Cloud Nine“ (1969, Gordy, LP), Creedence Clearwater Revival: „Cosmo’s Factory“ (1970, Fantasy, LP)
„I shot the sheriff / But I didn’t shoot no deputy“ aus: „I Shot The Sheriff“ von Bob Marley & The Wailers
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Dieses von Robert („Bob“) Nesta Marley 1973 für seine LP „Burnin’“ geschriebene Lied half gleich zwei Menschen in ihrem Leben weiter: Eric Clapton spielte es für sein 1974 erschienenes Album „461 Ocean Boulevard“ ein, landete damit einen weltweiten Hit und feierte in der Folge ein furioses Comeback. Dieser Erfolg wiederum lenkte die Aufmerksamkeit auf den Urheber des Songs und ebnete den Weg für die Musik, die Bob Marley & The Wailers spielten: Dank Clapton schafften Marley und der Reggae den Durchbruch in Europa und den Vereinigten Staaten. Wahrscheinlich war den wenigsten Hörern, die Claptons Version kauften, die wirkliche Bedeutung des Songs klar, der ursprünglich den Titel „I Shot The Police“ tragen sollte. Das Lied beschreibt eine Notwehrsituation („But I swear it was in self-defence“) und ist zugleich ein eindeutiges politisches Statement: „Sheriff John Brown always hated me / For what, I don’t know / Every time I plant a seed / He said kill it before it grow / He said kill them before they grow.“ Natürlich ist das eine Anspielung auf das Anpflanzen von Marihuana – der Droge, die in der Rastafari-Religion, der viele Jamaikaner anhängen, eine große Rolle spielt. Aber es ist auch eine allgemeine Metapher für Unterdrückung, ist die Klage darüber, dass jede selbstständige Regung eines Menschen, der sein Leben in die eigene Hand nehmen möchte, bekämpft wird.
Bob Marley selbst wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf und verbrachte die meiste Zeit seiner Kindheit auf der Straße. Er sah seine Musik von Anfang an als Vehikel, um die Religion der Rastas populär zu machen, um für die Einhaltung von Menschenrechten und gegen die Unterdrückung seines Volkes und der Völker Afrikas zu kämpfen. Sheriff John Brown symbolisiert dabei im Lied den direkten Abgesandten und Vertreter der Staatsmacht – weswegen Marley in seinem Lied ausdrücklich betont, dass nicht der Deputy, der für die alltägliche Ordnung zuständige und wichtige Hilfssheriff, gemeint ist: „I shot the sheriff / But I didn’t shoot no deputy.“ Die Tötung in Notwehr geschieht in dem Moment, in dem der Protagonist sein Leben in die eigene Hand nehmen, sich aus der von oben verordneten Unmündigkeit befreien will: „Freedom came my way one day / And I started out of town, yeah! / All of a sudden I saw sheriff John Brown / Aiming to shoot me down.“ Die Folge: „So I shot – I shot – I shot him down and I say / If I am guilty I will pay.“ Dem Mörder ist klar, was er getan hat – und er ist bereit, für seine Schuld zu büßen, falls er wirklich schuldig ist. Denn auch seine Motivation wird eindeutig formuliert: „Every day the bucket a-go a well / One day the bottom a-go drop out“ – frei übersetzt: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Ironie, dass es ausgerechnet ein auf Jamaika geborener Weißer war, der Marley, seiner Musik und dem Reggae allgemein auf dem Weg in die weite Welt half: Chris Blackwell, der erfolgreiche Eigentümer der Plattenfirma Island Records, produziert die meisten Platten von Marley und die vieler anderer Reggaemusiker auf eine Art und Weise, die westliche Hörgewohnheiten nicht mehr als nötig herausfordert. gf Original: Bob Marley & The Wailers: „Burnin’“ (1973, Tuff Gong, LP), weitere Version: Eric Clapton: „461 Ocean Boulevard“ (1974, RSO, LP)
„I’ll never get out of this world alive“ aus: „I’ll Never Get Out Of This World Alive“ von Hank Williams Tragische Ironie des Schicksals: Kurz nachdem dieser Song von Hank Williams erschienen war, starb der Sänger auf dem Rücksitz eines Autos. Als er in der Silvesternacht des Jahres 1952 an seinem Erbrochenen erstickte, war Hiram King Williams noch keine 30 – und nahm den Rock’n’Roll-Tod und dessen Mystifizierung vorweg. Die Parallele etwa zu Jimi Hendrix oder Jim Morrison ist unüberseh- und unüberhörbar: Williams, der einfache
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Songwriter aus dem ländlichen Alabama, wurde unfreiwillig zum Vorbild für das schnelle Leben am Limit und das nachfolgende harte Sterben. Morrisons Doors („Light My Fire“) spielten Hanks Song zwar nie in ihren Konzerten, aber ihr eigenes Lied „Summer’s Almost Gone“ lässt sich unter Umständen ebenfalls als Manifest der wild side des Rock’n’Roll und des Tributs deuten, der für die Exzesse bezahlt werden muss. Morrison und Williams wussten genau, wie dieses Leben aussieht und wo es unweigerlich hinführt, und sie sind mit ihrer Sichtweise nicht allein: Bei John Lee Hooker lautet die Zeile: „I’ll never get out of these blues alive.“ „No matter how I struggle and strive / I’ll never get out of this world alive“ – ganz egal, wie sehr du kämpfst und dich bemühst, lebendig gehst du nie von dieser Welt. Das Ende ist nicht schön, vermittelt uns Hanks traurige Stimme, es ist ein Verröcheln auf der Rückbank eines Cadillacs. Aber bis du dort landest, kannst du immerhin noch ein paar Tage Party feiern – „if whiskey won’t kill me, I’ll live ’til I die“, sang Tex Ritter augenzwinkernd schon 1948 in „Rye Whiskey“. Als Hank Williams sein Lied aufnahm, ahnte er nicht, dass es sein letzter Hit zu Lebzeiten sein würde. Der Hörer aber glaubt zu spüren, dass Williams weiß, was ihm bevorsteht: Die Uhr ist abgelaufen. mp Original: Hank Williams: „I’ll Never Get Out Of This World Alive“ (1952, MGM, Schellacksingle)
„You may say I’m a dreamer / But I’m not the only one“ aus: „Imagine“ von John Lennon
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„Der Tod eines Mannes, der sang und Gitarre spielte, überschattet heute alle Informationen aus Polen, dem Iran und aus Washington.“ Mit diesem Satz beginnt Walter Cronkite am 9. Dezember 1980 die Abendnachrichten des USFernsehsenders CBS. Der Tod von John Lennon ist auch die Topmeldung der Konkurrenten ABC und NBC. Wie ein Lauffeuer geht die Nachricht anschließend um die ganze Welt: David Chapman hat am Tag zuvor, am Montag, den 8. Dezember, etwa zehn Minuten vor 23 Uhr, John Lennon niedergeschossen. Lennon verblutet, stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Ausgerechnet der Mann also, der seit seiner Hochzeit mit Yoko Ono im März 1969 mit „Bed-ins“, Plakataktionen und dem Verschicken von Baumsamen an Staatsoberhäupter darum kämpfte, „dem Frieden eine Chance zu geben“ („Give Peace A Chance“ mit der Plastic Ono Band war 1969 Lennons erster Solohit), wurde Opfer einer grausamen Gewalttat. Sie traf einen Mann, der in einem seiner größten Erfolge, dem 1971 erschienenen Song „Imagine“,
den unverbesserlich optimistischen Visionär gab. In drei kurzen Strophen imaginiert er darin eine Welt ohne Götter („No religion too“), ohne Besitz („Imagine no possessions“), ohne Politik und Kampf („Imagine there’s no countries / It isn’t hard to do / Nothing to kill or die for“). Natürlich wusste er, dass das alles nur ein Traum ist – aber einer, den er nicht alleine träumt: „You may say I’m a dreamer / But I’m not the only one.“ Und voller Hoffnung fügt er hinzu: „I hope some day you’ll join us / And the world will live as one.“ Die Hoffnungen, die Lennon in „Imagine“ besingt, sprachen vielen Menschen aus der Seele: Das Lied und das gleichnamige Album kletterten weltweit in die Top Ten. Am Mischpult saß der Songwriter, Musiker und Ausnahmeproduzent Phil Spector („To Know Him Is To Love Him“), als Musiker waren außer John Lennon am Piano und ein paar Streichern nur Bassist Klaus Voormann und Schlagzeuger Alan White mit von der Partie. Das sparsame Arrangement, das perlende Klavier und die sehnsuchtsverlorene Melodie machen den Song zu einem der schönsten Ohrwürmer der Popgeschichte. Auch an den Hoffnungen auf eine bessere und friedliche Welt hat sich bis heute nichts geändert: Lennons „Imagine“ ist ein veritabler Evergreen. gf Original: John Lennon: „Imagine“ (1971, Apple, LP)
„I’m waiting for my man / Got twenty-six dollars in my hand“ aus: „I’m Waiting For The Man“ von The Velvet Underground Nie hätte Lou Reed gedacht, dass seine nach einem billigen Schundroman benannte Gruppe The Velvet Underground Generationen von Bands – etwa Sonic Youth, The Smiths oder The Strokes – nachhaltig prägen würde: Die Karriere der Band verlief schließlich nicht gerade erfolgreich. Allenfalls in New Yorker Künstlerkreisen erreichte sie Kultstatus. Als die Gruppe 1966 ihr legendäres Debütalbum – das mit der berühmten, von Andy Warhol gemalten Banane auf dem Cover – aufnimmt, besteht sie aus Reed, dem klassisch ausgebildeten walisischen Bratschisten John Cale (der damals schon mit dem Avantgardisten John Cage gearbeitet hat), dem unauffälligen Gitarristen Sterling Morrison, der unkonventionellen Schlagzeugerin Maureen „Mo“ Tucker und Nico. Pop-Art-Künstler Warhol hat bestimmt, dass das blonde Starlet Nico, das aus Köln stammt und eigentlich Christa Päffgen heißt, Mitglied der Velvets wird. Reed, der gegen Nico war, konnte sich nicht durchsetzen: Längst ist die Band Teil der kreativen Warhol-„Factory“. Andy Warhol will unbedingt ins Musikgeschäft einsteigen und seinem Vorbild, dem Beatles-Manager Brian Epstein, nacheifern. Doch die Gruppe,
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die er angeblich zufällig kennengelernt hat, ist viel zu wenig mit dem Massengeschmack der späten sechziger Jahre kompatibel. Gleichzeitig verhindern Drogenkonsum innerhalb der „Factory“ und mangelnde Professionalität der Beteiligten eine konsequente Karriereplanung. Schon während der Aufnahmen zu „Velvet Underground & Nico“ sind Velvet Underground zerstritten, und Nico wirft das Handtuch. John Cale verlässt die Band entnervt nach dem phänomenalen zweiten Album „White Light/White Heat“. Aber der Reiz der beiden ersten LPs der Velvets liegt darin, dass sich darauf die Spannungen zwischen den kreativen Köpfen Cale und Reed mit Gewalt entladen. So etwas Harsches und zugleich Fragiles hatte man bis zu diesem Moment noch nicht gehört. Während „White Light/White Heat“ weitgehend Cales Werk ist, prägte Reed das Debüt fast im Alleingang. „I’m Waiting For The Man“ verweist dabei textlich und musikalisch am deutlichsten auf die späteren Soloplatten des Songwriters. Erzählt wird die Geschichte eines Drogensüchtigen, der auf seinen Dealer wartet – „I’m waiting for my man / Got twenty-six dollars in my hand.“ Eine Situation, die auch den Musikern nicht unbekannt gewesen sein dürfte. Der Tonfall ist ebenso lakonisch wie in Reeds „Walk On The Wild Side“. Er singt: „Feel sick and dirty, more dead than alive / I’m waiting for my man.“ Später, als Velvet Underground längst Geschichte sind und allmählich von jüngeren Musikern entdeckt werden, ist „I’m Waiting For The Man“ eines der wenigen Stücke aus der Warhol-Epoche, die Reed auf seinen Konzerten immer noch spielt. mp Original: The Velvet Underground: „The Velvet Underground & Nico“ (1967, Verve, LP)
„In-a-gadda-da-vida / Honey, don’t you know that I love you?“ aus: „In-A-Gadda-Da-Vida“ von Iron Butterfly
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Das 17 Minuten lange Stück mit seinem monotonen, aber einprägsamen Gitarrenriff, dem fett tönenden Bass, dem schweren Orgelklang und dem mehr gemurmelten als gesungenen Text, das die Band Iron Butterfly 1968 veröffentlicht, entwickelt sich schnell zu der Hymne des Acidrock. Es macht in Diskotheken Furore, selbst Radio-DJs spielen es regelmäßig in voller Länge. Das melodische Drumsolo in der Mitte des Songs dient dem Österreichischen Fernsehen noch bis in achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts als Jingle für die Sportberichterstattung. Die 1966 in San Diego gegründete Band macht die Musikfans aber mit noch etwas anderem vertraut: „In-A-Gadda-Da-Vida“ ist einer der ersten Rocksongs, die eine ganze Seite einer Langspielplatte einnehmen.
Lange Jahre rätselten Fans und Kritiker, wofür die eigenartige Silbenkombination „In-A-Gadda-Da-Vida“ steht. Erst 1995 lüftete Keyboarder und Sänger Doug Ingle im britischen Magazin „Mojo“ das Geheimnis: Die Gruppe hatte zu der Zeit, als das Stück entstand, sehr, sehr wenig Geld und ernährte sich wochenlang vor allem von „Reis, Sandwiches und Wein“. Drummer Ron Bushy nahm deswegen sogar einen Job als Pizzaverkäufer an. Eines Abends wollte Ingle einen Song schreiben, machte gute Fortschritte – und bekam Hunger. Normalerweise brachte ihm Bushy das Essen von seinem Job mit, an diesem Abend verspätete er sich aber. Ingle begann Wein zu trinken – und der hatte auf nüchternen Magen verheerende Folgen: Als Bushy endlich eintraf, war Ingle sturzbetrunken. Auf die Frage seines Kollegen, welchen Titel der Song denn nun habe, stammelte er nur: „In-A-Gadda-Da-Vida“ – was aber eigentlich „In The Garden Of Eden“ hätte heißen sollen. Das „In-A-Gadda-Da-Vida“-Album hielt sich zwei Jahre lang in den Bestsellerlisten, verkaufte sich bis heute mehr als 30 Millionen Mal und wurde als erstes Album in der Geschichte der Schallplatte mit Platin ausgezeichnet. Ein Erfolg, den die Band nicht annähernd noch einmal erreichte. gf Original: Iron Butterfly: „In-A-Gadda-Da-Vida“ (1968, Atco, LP)
„As the snow flies / On a cold an’ grey Chicago mornin’ / A poor little baby child is born / In the ghetto“ aus: „In The Ghetto“ von Elvis Presley Wir schreiben das Jahr 1968, Elvis Presley bereitet gerade sein Comeback vor. Zu lange hat er in billig produzierten, zweitklassigen Filmchen den Strahlemann gespielt und unbedeutende Lieder geträllert. Seine Rückkehr gelingt mit Singles wie „Guitar Man“, „Big Boss Man“ und dem „Elvis Comeback Special“, das die US-Amerikaner vor die Fernsehgeräte lockt. Das darauf folgende Album „From Elvis In Memphis“ wird ein Riesenerfolg: Es zeigt auf beeindruckende Weise Presleys Vielseitigkeit, seine Liebe zur Countrymusik (er covert Hank Snows „I’m Movin’ On“), zum Soul (er singt „Only The Strong Survive“ von Jerry Butler) und überhaupt zu schönen Melodien – er nimmt Burt Bacharachs für Chuck Jackson geschriebenes Opus „Any Day Now“ auf. Doch das allerschönste Lied der LP ist das zwölfte und letzte: „In The Ghetto“. Der Song erscheint in den USA im April 1969 und erreicht Platz drei der Charts, in Deutschland wird er sogar Elvis’ einzige Nummer eins. Geschrieben hat „In The Ghetto“ der damals 26-jährige texanische Countrysongwriter Mac Davis. Zu einem eigenen Plattenvertrag hatte es Davis noch nicht gebracht, doch seine Stücke begeisterten den King, der eine ganze Reihe
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davon aufnahm: „Memories“ kommt unter die Top 40 der US-Hitparade, und „A Little Less Conversation“ wurde 2002 für einen Nike-Werbespot neu gemischt und daraufhin ein weltweiter Erfolg. Doch es war „In The Ghetto“, das Davis den Weg zu eigenen LPs – 1970 erschien das Debüt „Song Painter“ – und zu einigen Hits (zum Beispiel „Baby Dont’t Get Hooked On Me“ und „Burnin’ Thing“) ebnete. Das Rührstück von der Mutter, die an einem kalten, grauen Tag im Ghetto von Chicago ein Kind zur Welt bringt, zeigt die Qualitäten des Autors: Er schreibt einen Text, der zu Herzen geht, und eine Melodie, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist. Vergleicht man Davis’ spätere Aufnahmen von „In The Ghetto“ mit der des King, hört man deutlich, welchen Anteil Elvis am Gelingen des Stücks hat: Die Gefahr, dass der Song kitschig und gefühlsduselig klingt, ist groß, doch Presleys warme, soulige Stimme ist voller Einfühlungsvermögen, sie zeigt Zuneigung für den unweigerlich kriminell werdenden „angry young man“, der mit dem Gesicht nach unten, auf der Straße liegend, stirbt. Der Text skizziert den Hunger und die Ausweglosigkeit („And his hunger burns / So he starts to roam the streets at night / And he learns how to steel / And he learns how to fight / In the ghetto“). Der Leidensweg führt zwangsläufig vom grauen Morgen der Geburt des Ghetto-Babys zu dessen gewaltsamem Tod an einem anderen grauen Tag. Und mit dem Ende des jungen Mannes beginnt das Drama von Neuem: „As the young man dies / On a cold and grey Chicago mornin’ / Another little baby child is born / In The ghetto.“ Hoffnung, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, gibt es nur, wenn der Rest der Menschheit hilft: „People, don’t you understand / The child needs a helping hand / Or he’ll grow to be an angry young man some day.“ Mit Hall verstärkt, redet Elvis den Zuhörern ins Gewissen; es ist, als sänge er in einer riesigen Kathedrale: „Take a look at you and me / Are we too blind to see / Do we simply turn our heads / And look the other way.“ Der Song erklärt nicht, warum Menschen in einem heruntergekommenen Stadtviertel wie Watts (das Ghetto von Los Angeles) leben müssen und warum sie bei der Verteilung des Wohlstands benachteiligt werden – das wäre zu viel verlangt. Aber man hat auch nicht das Gefühl von plumper Effekthascherei. Ein Fan des Lieds ist der Australier Nick Cave („Where The Wild Roses Grow“): Er nahm es 1984 als erste Single seiner Band The Bad Seeds auf. Cave übernahm dabei Elvis’ Pathos und ließ „In The Ghetto“ noch verletzlicher und trauriger klingen. mp Original: Elvis Presley: „From Elvis In Memphis“ (1969, RCA, LP), weitere Versionen: Mac Davis: „Song Painter“ (1970, Columbia, LP), Nick Cave & The Bad Seeds: „In The Ghetto“ (1984, Mute, Single)
„Seems it never rains in southern California“ aus: „It Never Rains In Southern California“ von Albert Hammond Albert Hammond (*1943) ist Brite, verlebte seine Kindheit aber in Gibraltar. Schon mit 16 Jahren stieg er mit seinem Bruder und der Band Diamond Boys ins professionelle Musikgeschäft ein und veröffentlichte seinen Song „New Orleans“ – der klang allerdings noch ganz nach seinem großen Vorbild Buddy Holly. Als er 19 war, zog es ihn nach England, wo er 1966 den bei Radio Luxembourg unter Vertrag stehenden Moderator Mike Hazlewood traf. Zusammen versuchten sie sich als bezahlte Songschreiber für andere Interpreten. Ein Unterfangen, das schnell Früchte trug: Schon 1968 konnten sie mit dem Ohrwurm „Little Arrows“, interpretiert von Leapy Lee, den ersten Welthit verbuchen. Doch bald entschloss sich Hammond zum Umzug in die USA. Zuvor aber schrieb er noch in London einen Song, den er zwar erst in Los Angeles einspielte und veröffentlichte, der aber zur Initialzündung für seine gesamte weitere Karriere wurde: „It Never Rains In Southern California“. Hammond besingt in diesem Lied, wie er auf seiner Website erzählt, vor allem seinen schwierigen Start in Spanien und die Zeiten, als er von Gibraltar nach Spanien und von Spanien dann nach England wechselte: „Der Song beschreibt meine spanische Zeit, als ich vor Bahnhöfen um Geld bettelte, weil ich nichts zu essen hatte, es meinen Eltern aber nicht sagen wollte. Eines Tages kam mein Cousin aus dem Bahnhof, unterwegs in seine Flitterwochen. Er sah mich – ich erkannte ihn aber nicht sofort. ‚Du solltest dich schämen‘, meinte er, und: ‚Ich sag es deinem Vater.‘ Ich bettelte inständig, genau das nicht zu tun. Dann nahm er mich mit in sein Hotel, ließ mich baden, gab mir saubere Kleidung und etwas Geld. Und natürlich erzählte er alles meinem Vater.“ „Didn’t think before deciding what to do / All that talk of opportunities“: Junge Feuerköpfe, wie Hammond einst einer war, denken nicht lange nach, sie handeln. Auch wenn man sich dabei manchmal bis über beide Ohren in Schwierigkeiten stürzt, wie er voller Selbstmitleid singt: „Out of work, I’m out of my head / Out of self-respect, I’m out of bread / I’m underloved, I’m underfed / I wanna go home.“ Die Zeilen der dritten Strophe sind eindeutig seinem Cousin gewidmet: „Will you tell the folks back home I nearly made it / Had offers but don’t know which one to take / Please don’t tell them how you found me.“ Hammond besingt zwar seine Lebensgeschichte, doch solche und ähnliche Situationen haben viele Jugendliche erlebt, die sich von zu Hause
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abnabeln und nicht wissen, ob sie es schaffen werden, auf eigenen Füßen zu stehen. Der Song trifft damit die Stimmungslage einer ganzen Generation – obwohl der Refrain wie eine Warnung klingt: „It never rains in southern California / Seems I’ve often heard that kind of talk before“, beschreibt er die meist unausgesprochenen Hoffnungen, das Reagieren auf Hörensagen und Einflüsterungen. Auch wenn die Sache meist einen Haken hat: „But, girl, don’t they warn ya / It pours, man, it pours“ – „Mann, es gießt wie aus Kübeln …“ Hammond, der diesen Song zusammen mit Mike Hazlewood schrieb, musste sich in der Folge keine Sorgen mehr machen: Das Lied mauserte sich 1972 zu einem durchschlagenden Erfolg, stieg in den US-Charts bis auf Platz fünf, in Deutschland bis auf Platz neun, stand weltweit in den meisten Charts weit oben. Und viele Künstler coverten den Song: Agnes Chan und Sonny & Cher 1973, die Band Smokie sogar noch einmal im Jahr 2000. Als Solokünstler hatte Hammond zwar noch einige weitere Hits („The Free Electric Band“, „Everything I Want To Do“, „Down By The River“, „I’m A Train“), dann wurde es jedoch still um ihn. Seine Lieder sangen nun andere Stars – und diese Liste ist beeindruckend: Der Hollies-Hit „The Air That I Breathe“ (1974) stammt ebenso aus seiner Feder wie das von Art Garfunkel 1975 gesungene „99 Miles From L. A.“. Die Carpenters übernahmen 1976 sein „I Need To Be In Love“ in ihr Repertoire, und Leo Sayer sang 1977 sein „When I Need You“. 1984 veröffentlichten Julio Iglesias und Willie Nelson als Duo seinen Titel „To All The Girls I’ve Loved Before“. Mit der Albert-Hammond/ Diane-Warren-Komposition „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ feierte die Band Starship 1987 einen Hit, 1988 lieferte Hammond das von Whitney Houston gesungene Lied zur Sommerolympiade in Seoul: „One Moment In Time“. Auch Air Supply, Celine Dion, Chicago, Tina Turner („Nutbush City Limits“), Curtis Stigers, Elton John („Candle In The Wind“), Rod Stewart („Maggie May“) und Diana Ross interpretierten seine Songs. Wobei hinzugefügt werden muss, dass Albert Hammond immer die Melodien schrieb, die Texte aber oft mit Partnern entstanden: Neben Mike Hazlewood arbeitete er mit Diane Warren, John Bettis und Hal David, dem früheren Partner von Burt Bacharach, zusammen. Sein Heimatland Großbritannien hat Hammonds Verdienste um den Popsong inzwischen gewürdigt: Im Jahr 2000 wurde ihm von Queen Elizabeth der Titel eines „Officer of the Order of the British Empire“ verliehen. gf Original: Albert Hammond: „It Never Rains In Southern California“ (1973, Mums, LP) 96
„Let’s rock, everybody, let’s rock“ aus: „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley Der am 8. Januar 1935 als Sohn eines Baumwollpflückers und Fabrikarbeiters sowie einer Näherin geborene Elvis Aaron Presley kommt von Kindesbeinen an mit der ländlichen Musik des Südens in Berührung. Die Radiostationen in der Umgebung von Tupelo, Mississippi übertragen hauptsächlich Country, Honky Tonk und – für die vielen afroamerikanischen Einwohner – Blues, die Essenz des Rock’n’Roll. Der spätere King of Rock’n’Roll saugt die Lieder in sich auf, schon als Zehnjähriger belegt er bei einem Talentwettbewerb in der „Mississippi-Alabama Fair and Daily Show“ Platz fünf. Gitarre spielen bringen ihm zwei Onkel und ein Pastor bei. Die ersten Songs, die er singt, stammen unter anderem von Roy Acuff, Jimmie Rodgers und der Carter Family – Standards für die Menschen auf dem Land. Er wird dieser Musik sein ganzes Leben lang treu bleiben, immer wieder Countrylieder in sein Repertoire aufnehmen. Die erste, 1953 angeblich nur für seine Mutter Gladys aufgenommene Single „My Happiness“/„That’s When Your Heartaches Begin“ zeigt seine Wurzeln ebenso deutlich wie die bald darauf für Sun Records in Memphis produzierten Songs, etwa „That’s Alright (Mama)“, „Good Rockin’ Tonight“ oder „Mystery Train“. Bald tritt er auch in der überaus erfolgreichen Countryradioshow „Louisiana Hayride“ auf. Schon damals bewegt er seinen Körper auf eine unnachahmliche und erotische Art, die ihm 1956 den Spitznamen „the pelvis“ (das Becken) und Kritik von Jugendschützern und Tugendwächtern einbringt. Die Musik, die er macht, ist immer noch deutlich als Mischung von Country- und Blueselementen zu erkennen, was besonders für die schnelleren Stücke gilt, etwa „King Creole“ oder „Hound Dog“. Letzteres schrieb das Autorenteam Jerry Leiber und Mike Stoller ursprünglich für die Bluessängerin Big Mama Thornton. Ihre Aufnahme kommt Elvis’ Fassung recht nahe, doch Presley wird erst auf den Song aufmerksam, als er in Las Vegas die rockigere Version von Freddie & The Bellboys hört. Der Versuch, mit einem Song mehr Aufmerksamkeit zu erreichen, indem er von verschiedenen Sängern interpretiert wird, ist in den fünfziger Jahren gang und gäbe. Auch für Elvis, der zum Beispiel damals aktuelle Hits wie „Fever“ (von Peggy Lee) oder „Blue Suede Shoes“ (von Carl Perkins) adaptiert. Erst als Presleys Hüftschwung, Sexappeal und der Schmelz in seiner Stimme dazu führen, dass er von seiner Plattenfirma RCA als eigenständiger Künstler gesehen und als Markenzeichen eingestuft wird, darf er die Songs exklusiv singen – auch die von Leiber und Stoller. Die beiden haben jede Menge zu tun; sie schreiben Songs für die Coasters und Johnny Otis und begleiten
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die Filmkarriere des King. Sie komponieren und texten am Fließband für die billig produzierten Streifen „King Creole“ und „Jailhouse Rock“, für den allein dreißig Songs benötigt werden. Elvis spielt in „Jailhouse Rock“ („Rhythmus hinter Gittern“) den Heißsporn Vince Everett, der einen Fremden totschlägt, in den Knast wandert und dort erkennt, dass sein Gesang gut ankommt. Gleichzeitig wird er zynisch und bösartig. Wieder in Freiheit wird Vince ein Star, doch er bleibt arrogant und gefühlskalt. Eine Schlägerei, bei der er sich am Kehlkopf verletzt, und die große Liebe verändern sein Leben. Am Schluss feiert er eine Party im Gefängnis – mit Hüftschwung und einem Song, der textlich an Country- und Bluesstandards angelehnt ist. Viele dieser Lieder handeln vom Gefängnis: Jimmie Rodgers’ „In The Jailhouse Now“, Johnny Cashs „Folsom Prison Blues“ oder „Jailhouse Lament“ von Tex Ritter – meist wird dabei allerdings keine Party gefeiert, sondern um das vertane Leben getrauert. Elvis dagegen bittet zur Fete, und die Gefangenen toben: „The warden threw a party in the county jail / The prison band was there and they began to wail / The band was jumpin’ and the joint began to swing / You should’ve heard those knocked out jailbirds sing / Let’s rock, everybody, let’s rock.“ Auch der Aufseher beteiligt sich an der Party und erteilt Ratschläge: „Hey, Buddy, don’t you be no square / If you can’t find a partner, use a wooden chair.“ Am Ende geht es schließlich rund: „Everybody in the whole cell block / Was dancin’ to the Jailhouse Rock.“ 1980 feierte der Song ein würdiges Comeback: In der phänomenalen Schlussszene von John Landis’ Film „The Blues Brothers“ singen Elwood und Jake Blues das Lied – und die restlichen Gefängnisinsassen tanzen wie entfesselt auf den Tischen. mp Original: Elvis Presley: „Jailhouse Rock“ (1957, RCA, Single), weitere Version: Soundtrack: „The Blues Brothers“ (1980, Atlantic, LP)
„Keine Macht für niemand“ aus: „Keine Macht für Niemand“ von Ton Steine Scherben
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„Schreibt doch mal ein Lied für unseren Kampf“, soll Anne Reiche von der „Bewegung 2. Juni“ die Musikerkommune Ton Steine Scherben einst aufgefordert haben. Das Ergebnis war der Politpropagandasong „Keine Macht für Niemand“. Der Legende nach lehnte die Terrorgruppe dieses als „Hymne für den bewaffneten Kampf“ bestellte Lied dann aber als „Blödsinn, irrelevant
und für den antiimperialistischen Kampf unbrauchbar“ ab. Ob diese Anekdote stimmt oder nicht: Die Scherben schrieben, wie ihr Sänger Rio Reiser es einmal formulierte, „den Soundtrack der linken Bewegung“. 1972 erscheint die Doppel-LP „Keine Macht für Niemand“, der kleine Plastiksteinschleudern beiliegen – zu einer Zeit, da Jugendliche und Studenten leer stehende Häuser besetzen, gegen die verhasste Springerpresse demonstrieren, der Kapitalismus verteufelt wird, Straßenkämpfe und Wasserwerfer den Alltag dominieren. Ein tiefer Riss spaltet die Gesellschaft: Auf der einen Seite Schlaghosen und Frisuren, bei denen man nicht sagen kann, wo die Kopfbehaarung aufhört und der Bartwuchs beginnt, auf der anderen Seite adrette, kurz geschorene, Anzug und Schlips tragende Aufstiegs-Adepten, vergangenheitsselige Politiker und Wirtschaftslenker. In Musik übersetzt: Hier die Rolling Stones oder MC5, dort Heintje, Roy Black und Dieter Thomas Heck. Und bei allen Auseinandersetzungen immer mittendrin: die Scherben, einmal sogar parolenschwingend auf einem Bauwagen. Wofür sie, wie sie meinen, einen guten Grund haben: Die Einheit von Musik und Politik, Kunst und Leben ist für sie die oberste Maxime. Damit treffen sie das Lebensgefühl einer Jugend, die rebellisch und trotzig, träumerisch und ein wenig utopisch den Aufstand probt. Der tiefe Riss, der die Gesellschaft spaltet, hinterlässt seine Spuren auch im Song: „Ich bin nicht frei und kann nur wählen / Welche Diebe mich bestehlen, welche Mörder mir befehlen“, klagt die Band das deutsche Establishment an und unterstellt gleichzeitig, dass die nationalsozialistische Vergangenheit in Deutschland noch lange nicht aufgearbeitet ist. Nur wenige Zeilen später wütet Rio Reiser weiter, etwas holprig reimend: „Im Süden, im Osten, im Norden, im Westen / Es sind überall dieselben, die uns erpressen.“ Und: „In Augsburg, in München, Frankfurt und Saarbrücken / Es sind überall dieselben, die uns unterdrücken.“ Die bürgerliche Gesellschaft wird pauschal verurteilt, ein Befreiungsschlag ist nötig: „Reißen wir die Mauern ein, die uns trennen / Kommt zusammen, Leute. Lernt euch kennen / Du bist nicht besser als der neben dir / Keiner hat das Recht, Menschen zu regier’n.“ Für jene, die nicht wissen, wie das gehen soll, liefert der Song die Handlungsanweisung gleich mit: „Komm rüber Bruder, reih dich ein / Komm rüber Schwester, du bist nicht allein / Komm rüber Mutter, wir sind auf deiner Seite / Komm rüber Alter, wir woll’n das Gleiche.“ Fundamentalopposition oder Axel Springer goes Sponti: Anders, so die Vorstellung, kann die Veränderung der Gesellschaft nicht funktionieren. Mit rauem Klang und mächtig hämmerndem Beat kulminiert das Lied in der Zeile: „Schreibt die Parole an jede Wand / Keine Macht für niemand!“
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Auch wenn die Sprüche plakativ und aus heutiger Sicht manchmal naiv klingen, wie fast immer, wenn sich die Poesie dem Protest unterordnet: Keine andere deutsche Band der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte ein solches Gespür dafür, politische Parolen zu prägen, die im Gedächtnis bleiben – darunter „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“, „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“ und eben „Keine Macht für Niemand“. Würdige Nachfolger werden Ton Steine Scherben erst in den achtziger Jahren finden: mit der Band Fehlfarben und ihrem „Ein Jahr (Es Geht Voran)“ und der Politpunkcombo „Slime“, der die Bundesrepublik Parolen wie „Haut die Bullen platt wie Stullen“ und „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ verdankt. gf Original: Ton Steine Scherben: „Keine Macht für Niemand“ (1972, David Volksmund, LP)
„Let me be who I am / And let me kick out the jam“ aus: „Kick Out The Jams“ von MC5
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Manchmal genügt eine kurze, heftige Eruption, und alles verändert sich: 1976/77 bringen die Sex Pistols ein paar Singles („God Save The Queen“) und ein Album („Never Mind The Bollocks“) lang die Musikwelt durcheinander. Sie berufen sich wie andere Punkbands der Ära, etwa The Damned, The Clash und die Ramones, auf ein gemeinsames Vorbild: die Gruppe MC5. „MC“ steht für Motorcity, denn die fünf Musiker stammten aus der Autometropole Detroit. Das Quintett gründete sich 1964; 1967 machte es erste, zunächst unbeachtete Aufnahmen für das Independent-Label AMG. Ob es stimmt, dass AMG mit der Band nur Ärger hatte und hauptsächlich unflätige Worte aus den Songs herausschneiden musste, lässt sich heute nicht mehr überprüfen. Ein Großteil dieser Aufnahmen wurde erst – im Zuge der Punkbewegung – in den achtziger Jahren veröffentlicht. Nach dem Wechsel zum Majorlabel Elektra spielten MC5 drei Alben ein, doch nur das erste, die 1969er Live-LP „Kick Out The Jams“, erlangte Kultstatus. Ähnlich wie beim Debüt von Velvet Underground zwei Jahre zuvor hielt sich die direkte Resonanz in Grenzen. Erst mit den Jahren reiften die Erstlinge dieser beiden Gruppen zu Werken heran, die Generationen von Musikern beeinflussten. Als Rob Tyner, Fred „Sonic“ Smith, Wayne Kramer, Dennis Thompson und Michael Davis ihre Urform des Punk herausschreien, als sie 36 Minuten und 17 Sekunden lang die heile musikalische Hippiewelt verwüsten, ist dieser Veitstanz seiner Zeit voraus. Die Blumenkinder bekommen erst allmählich
mit, dass ihre Love-&-Peace-Ära sich dem Ende zuneigt. Und für die Hardrockfans von Deep Purple oder Led Zeppelin ist der Sound zu dilettantisch, zu offensichtlich hingeschludert. MC5-Sänger Rob Tyner schleudert beiden, Hippies wie Hardrockern, ein heftiges „Motherfucker!“ entgegen. Eigentlich sind die Zeilen des bahnbrechenden Songs schlichter, schlüpfrig geratener Rock’n’Roll: „You gotta have it baby / You can’t do without / When you get that feeling / You gotta sock ’em out.“ Der Titel „Kick Out The Jams“ ist eine doppeldeutige Aufforderung zur Ekstase: Beim Konzert, aber auch beim Sex soll man alles aus sich herausholen. Und: „Make you wanna keep-a-rockin’ / Till the morning comes.“ Rock’n’Roll steht wie schon in den fünfziger Jahren für Sex. Der Song ist damit nicht nur Vorläufer von Punk, sondern auch direkter Nachfahre von Jerry Lee Lewis’ „Great Balls Of Fire“, allerdings noch schmutziger, lasziver und wilder. Mit den beiden folgenden Platten „Back In The USA“ und „High Times“ wurden MC5 weniger politisch und wandten sich dem puren Rock’n’Roll zu, während etwa John Lennon mit dem Song „John Sinclair“ die Freilassung ihres wegen Haschisch zu zehn Jahren Gefängnis verurteilten Exmanagers forderte. Doch der Erfolg blieb nun aus: 1972 trennte sich die Band. Rob Tyners Soloplatten wurden kaum wahrgenommen, er starb 1991 an einem Herzinfarkt. Auch die teilweise hervorragenden Aufnahmen des Gitarristen Wayne Kramer blieben relativ unbeachtet. Fred „Sonic“ Smith schließlich heiratete die Songwriterin Patti Smith („Because The Night“) und starb 1994. „Kick Out The Jams“ hingegen ist unsterblich: Nach den Punks in den späten siebziger Jahren nahm sich ein knappes Jahrzehnt später Afrika Bambaataa, der Rapper, DJ und Urvater der Electroszene („Looking For The Perfect Beat“), noch einmal des Songs an. Seine Version erschien 1986 auf dem Album „Beware (The Funk Is Everywhere)“ und zeigte, dass das simple Stück nichts von seiner kolossalen Wucht verloren hat: Bambaataas „Motherfucker“ ist genauso böse und drohend wie das von Rob Tyner. mp Original: MC5: „Kick Out The Jams“ (1969, Elektra, LP), weitere Version: Afrika Bambaataa: „Beware (The Funk Is Everywhere)“ (1986, Tommy Boy, LP)
„We’re the kids in America“ aus: „Kids In America“ von Kim Wilde Vier Jahre lang, von 1958 bis 1962, war Marty Wilde einer der erfolgreichsten Sänger von Rock- und Popballaden in Großbritannien: 14 von ihm geschriebene oder zumindest gesungene Songs landeten in den britischen Charts, darunter „Teenager In Love“, „Sea Of Love“, „Ever Since You Said Goodbye“
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und „Rubber Ball“. Nach dem Ende seiner Solokarriere als Sänger drehte er Filme und schrieb Songs – für Status Quo („Rockin’ All Over The World“), Lulu, The Casuals und für seine 1960 in London geborene Tochter Kim. Mit „Kids In Amerika“ wurde sie 1981 zum Weltstar – ein Erfolg, an den sie erst 1986 mit ihrer Version des Marty-Wilde-Songs „You Keep Me Hanging On“ wieder anknüpfen konnte. Der Text von „Kids In America“ geht auf eine Beobachtung von Marty Wilde zurück: „Die amerikanischen Teenager haben mich zu dieser Zeit zu Tode erschreckt“, erklärte Kim Wildes Vater in Interviews. „Dieses harsche Benehmen und die coole Art, die manche der Youngsters an den Tag legten, ließen mich befürchten, dass die wahrscheinlich auch ohne Probleme in einen Laden marschieren und mit einer Maschinenpistole wieder herauskommen könnten.“ Von den ursprünglich vorgesehenen, ziemlich kritischen Zeilen des Songs bleibt in Kim Wildes harmloser Popversion nichts übrig – was wohl der Grund dafür ist, dass sich das von Mickie Most produzierte und auf Mainstream getrimmte Lied allein am ersten Tag 250.000 Mal verkaufte, zum weltweiten Hit entwickelte und zur Initialzündung für Kim Wildes Karriere wurde. Vierzehn Jahre später nahmen die Pop-Punker von der Bloodhound Gang den Song für ihre 1995 erscheinende CD „Use Your Fingers“ noch einmal auf – eine wütende, raue und musikalisch explosive Version. Und hier finden sich die Zeilen, auf die Kim Wilde verzichten musste und die die Situation vieler Jugendlicher auch in den neunziger Jahren treffend beschreiben: den Wunsch nach Veränderung („You know life is cruel life is never kind / We’ll make a new story / We’ll wrap it in glory“) ebenso wie die Wut auf eine immer unüberschaubarer werdende Welt („Outside the new day is dawning / Outside suburbia’s sprawling everywhere“). Und das bei Kim Wilde so fröhlich und stolz gesungene „We’re the kids in America“ wirkt plötzlich nur noch wie der Aufschrei einer Jugend, die sich im Stich gelassen fühlt. gf Original: Kim Wilde: „Kim Wilde“ (1981, RAK, LP), weitere Version: Bloodhound Gang: „Use Your Fingers“ (1995, Columbia, CD)
„Killing me softly with his song, killing me softly“ aus: „Killing Me Softly With His Song“ von Roberta Flack und von The Fugees
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Es gibt Songs, die bringen den Zuhörer zum Weinen, so unendlich traurig sind sie. Einer davon wird 1973 zum Welthit: „Killing Me Softly With His Song“. Charles Fox schrieb die Melodie zu Norman Gimbels melancholischem Text. Die zurückhaltende Stimme der damals 34-jährigen Sängerin
Roberta Flack beseelt das Stück und zieht den Hörer unweigerlich in die traurige Stimmung hinein. Roberta Flack, von Beruf eigentlich Musiklehrerin, ist eine der großen Souldiven. Sie nahm zwar erst 1969, also im Pop-untypischen Alter von 30 Jahren, ihre erste LP auf, landete jedoch bald Riesenhits wie „Feels Like Making Love“, „First Time Ever I Saw Your Face“ und „Killing Me Softly“. Ein wichtiger Baustein des Erfolgs war die Zusammenarbeit mit ihrem Collegefreund Donny Hathaway, der Robertas Fähigkeiten perfektionierte. Nicht nur die Duette mit ihm waren sehr erfolgreich, Donnys kongeniale Produktionen und Mischpultzaubereien veredelten auch Robertas Soloaufnahmen. Trotzdem stand Roberta Flacks Karriere unter keinem guten Stern: Der Selbstmord ihres Freundes Hathaway im Jahr 1978 warf sie persönlich und musikalisch aus der Bahn. Es ist, als träfe dieses „Killing Me Softly“ auf sie selbst zu. Auf ihren Tourneen in den achtziger Jahren weigerte sie sich, den Hit zu spielen. Später dann widmete sie ihn Donny Hathaway: „I heard he sang a good song / I heard he had a style / And so I came to see him / And listen for a while“ – mit diesen Zeilen begann sie dann live ihre Reminiszenz an den Freund und Kollegen. Doch „Killing Me Softly“ wurde ursprünglich für die Folksängerin Lori Lieberman geschrieben. Man verbindet den Song zwar mit der Version von Roberta Flack, aber auch andere Künstler nahmen ihn in ihr Repertoire auf. So feierte der Sänger Perry Como damit fast gleichzeitig mit Roberta 1973 in den USA einen Riesenhit – er machte aus dem männlichen „his“ einfach ein weibliches „her“. Ein weiteres Mal zum Welterfolg wurde der Song in der Version des Raptrios The Fugees. Die ursprünglich Refugees (Flüchtlinge) heißende Gruppe um Pras und Wyclef Jean, zwei US-Amerikaner haitianischer Abstammung, sowie die Sängerin Lauryn Hill, veränderte den Text: Der Sänger wird durch den DJ ersetzt, der als Teil einer Band mit seinen Dubplates (auf speziellem Material geschnittene, nur begrenzt haltbare DJ-Platten) für Verwüstung sorgt: „Strummin’ dub plates with our fingers / Eliminate sounds with our song / Killing a soundboy with this sound“. Lauryn Hill singt diese Strophe aus der Wir-Perspektive und mit einer an Roberta Flack erinnernden Stimme. Der Originalrefrain bleibt erhalten, wirkt aber durch das von Wyclef Jean lakonisch eingestreute „Yo L-Boogie, take it to the bridge“ weniger traurig. Eigenständig wird die Fugees-Version durch den Perspektivwechsel. Mal erzählt Lauryn von „uns“, mal spricht sie von einer Einzelperson. Besonders die schlichten Worte der Verletzung beeindrucken. Der Rapper ist es, der ihr Innerstes bloßstellt: „I felt all flushed with fever / Embarrassed by the crowd / I felt he found my letters / And read each one out loud / I prayed that he
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would finish / But he just kept right on / Strumming my pain with his fingers …“ Lauryn findet den Dreh zurück zum Refrain, ihr Schmerz scheint real, der Zuhörer glaubt zu spüren, wie die Gang über den Vortrag ihrer Briefe lacht. Aus dem mächtigen Song, der so schön ist, dass er aus sich heraus jemanden umbringen kann, wird bei den Fugees einer, der durch den bewusst gesetzten Text in voller Absicht mordet. mp Original: Lori Lieberman: „Lori Lieberman“ (1972, Capitol, LP), weitere Versionen: Roberta Flack: „Killing Me Softly“ (1973, Atlantic, LP), Perry Como: „And I Love You So“ (1973, RCA, LP), The Fugees: „The Score“ (1996, Sony, CD)
„U don’t have 2 be rich 2 be my girl“ aus: „Kiss“ von Prince
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Der Film „Under The Cherry Moon“ erinnert mit seiner Schwarzweißoptik an Humphrey-Bogart-Klassiker. Aber dem Epos um Geld, Musik und hübsche Frauen fehlt Bogeys gewisses Etwas. Da ist niemand, der auf die Frage nach der Nationalität mit „Trinker“ antwortet. Das Werk ist ein dröger Flop, was auch an Prince liegt, der nicht nur die Hauptfigur Christopher Tracy spielt, sondern auch Regie führt. Was auf Platten wie „Sign O’ The Times“ klappt, misslingt mit „Under The Cherry Moon“ völlig: die Besetzung aller Schlüsselpositionen mit einer einzigen Person – sich selbst. Deshalb trägt das zum Film gehörige Album nur einen dezenten Hinweis auf das Leinwandmachwerk, heißt aber ansonsten schlicht und einfach „Parade“. Höhepunkt der LP ist ein nur dreieinhalb Minuten langes Stück, das für die Discotheken auf knapp acht Minuten gestreckt wurde – „Kiss“. Prince erklärt darin einer Angebeteten (im Film sind es mehrere), worauf es ihm ankommt: Die Dame, die Herz und Lustzentrum erobert, muss weder schön noch reich oder gar cool sein. Sie braucht noch nicht einmal den „Denver-Clan“ anzuschauen. Beim Sex braucht er kein „dirty talking“; er steht auf die Art, wie sie sich nimmt, was sie braucht. Er sucht ein gestandenes Weibsbild, mit dem er aber nur die schönen Stunden verbringen will: „Women not girls rule my world.“ Und immer wieder das Wichtigste: „U don’t have 2 be rich / 2 be my girl / U don’t have 2 be cool / 2 rule my world / Ain’t no particular sign I’m more compatible with / I just want your extra time and your / Kiss.“ Stellt man sich Princes „Kiss“ erdiger und noch eine Spur lasziver vor, so landet man bei der Version, die die Electroband Art Of Noise 1988 mit Tom Jones aufnahm. Mit seinem hingehauchten „Baby, Kiss“ gelang dem walisischen „Tiger“ („Delilah“) der erste Hit seit mehr als einer Dekade. Zwei Jahre zuvor stand eine weitere Interpretation von „Kiss“ einige Wochen auf Platz
eins der britischen Independent-Charts: Mit einer Gitarrenbreitseite vertrieben Age Of Chance aus Leeds alle schwülstigen Elemente des Originals und änderten auch die Hauptaussage des Liedes. In ihrer Version lautet sie: „You have to be Prince if you want to dance / You have to get down with the Age Of Chance.“ mp Original: Prince: „Parade“ (1986, Paisley Park, LP), weitere Versionen: Art Of Noise featuring Tom Jones: „Kiss“ (1988, Polydor, Single), Age Of Chance: „Kiss“ (1986, Fon, Single)
„It’s gettin’ dark, too dark for me to see / I feel like I’m knockin’ on heaven’s door“ aus: „Knockin’ On Heaven’s Door“ von Bob Dylan Bob Dylan übertrifft an Vielseitigkeit jedes Chamäleon: Da gibt es Dylan, den Folksänger, dessen Hit „Blowin’ In The Wind“ längst ein Evergreen ist. Oder Dylan, den politischen Rebellen, dessen Lieder „The Times They Are A-Changin’“ und „Masters Of War“ bei Bürgerrechtsdemos und Friedensmärschen die Begleithymnen sind. Aber auch Dylan, den Erneuerer, dessen elektrifizierte Songs „Mr. Tambourine Man“ und „Like A Rolling Stone“ dem Folkpop ab 1965 eine neue Richtung geben; Dylan, den Poeten, dessen Texte längst auch Studienobjekte an Universitäten sind, und Dylan, den Religiösen, der auf Alben wie „Slow Train Coming“ seine Hinwendung zum Christentum dokumentiert. Weniger bekannt ist Dylan als Schauspieler und Komponist von Filmmusik. Doch auch diese beiden Bereiche finden sich im weiten Feld seiner Tätigkeiten: 1972 spielte er in „Pat Garrett jagt Billy The Kid“, einem Western von Sam Peckinpah, einen Folksänger. Er komponierte den Soundtrack und schrieb für die Schlüsselszene des Films – Sheriff Pat Garrett (James Coburn) musste seinen früheren Freund, den Outlaw William Bonney alias Billy the Kid (Kris Kristofferson), jagen und hat ihn getötet – einen seiner schönsten Songs: „Knockin’ On Heaven’s Door“. In wenigen Zeilen beschreibt Dylan die Seelenqual des Sheriffs, der einen alten Freund töten musste und nun weder seinen Beruf weiter ausüben kann noch seine Pistolen je wieder benutzen will: „Mama, take this badge off of me / I can’t use it anymore“ und „Mama, put my guns in the ground / I can’t shoot them anymore.“ Pat Garrett versinkt völlig in Melancholie und Depression: „It’s gettin’ dark, too dark for me to see“, oder, ein fast noch schöneres Bild: „That long black cloud is comin’ down.“ Und er ist sich sicher, etwas getan zu haben, was an die Ewigkeit rührt: „I feel like I’m knockin’ on heaven’s door.“
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Die einprägsamen Verse inspirierten viele Musiker zu Coverversionen – zwei der schönsten stammen von den Hardrockern Guns N’ Roses und von Fugees-Mastermind Wyclef Jean („Killing Me Softly“). Guns N’ Roses schafften es, Dylans orchestrierten Folksong in eine drängende, wütende und melancholische Rockballade zu transformieren. Wyclef Jean hingegen ließ sich bei seinem Remake nicht nur von jamaikanischen Rhythmen inspirieren, er schrieb auch den Text weiter und gedenkt darin dahingegangener Rapbrüder wie Tupac, Biggie Smalls und Big Pun ebenso wie der Opfer des Terroranschlags in New York: „To my people in the Twin Tower / We’re knock, knock, knockin’ on the heaven’s door …“ gf Original: Bob Dylan: „Pat Garrett And Billy The Kid (Soundtrack)“ (1973, Columbia, LP), weitere Versionen: Guns’n’Roses: „Use Your Illusion II“ (1991, Geffen, CD), Wyclef Jean: „Masquerade“ (2002, Columbia, CD)
„She came to me one morning, one lonely Sunday morning“ aus: „Lady In Black“ von Uriah Heep
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Eine Band auf der Suche nach ihrer musikalischen Linie und ein Hit mit großer Verspätung: Nach „Very ’eavy … Very ’umble“, Uriah Heeps krachendem Hardrockdebüt aus dem Jahre 1970, folgte 1971 mit „Salisbury“ eine bunt gemischte Langspielplatte, auf der sich neben knackigen Rocksongs („Bird Of Prey“), Balladen („The Park“) und Progressive-Rock-Experimenten (das über 16-minütige „Salisbury“) auch „Lady In Black“ findet. Der verrätselte Text des folkig und düster arrangierten Songs – der Chor verpasst ihm einen regelrechten Trauerflor – gibt nicht ein einziges Mal preis, wer die „Lady in black“ eigentlich ist. Sie taucht eines Sonntagmorgens einfach auf und verschwindet vier Strophen später unerkannt wieder („I saw her black cloak disappear“). Die Geschichte des Liedes wird aus der Perspektive eines Kriegers erzählt, der zunächst nur Kampf und Zerstörung im Sinn hat – bis er mit einer schwarz gewandeten Lady eine unheimliche, aber eindrucksvolle Begegnung hat. Es entspinnt sich folgendes Gespräch: „I said the need within some men / To fight and kill their brothers / (…) / And I begged her give me horses to trample down my enemy.“ Davon allerdings will die Dame in Schwarz überhaupt nichts wissen: „But she wouldn’t think of battle that reduces men to animals / So easy to begin and yet impossible to end.“ Der Krieger, der in der Lady seinen Todesengel zu erkennen glaubt, wünscht sich, von vielen Kämpfen ermattet („And destruction lay around me, from a fight I could not win“), zudem die endgültige Ruhe in seinem Leben herbei: „Oh lady lend your hand I cried, oh let me rest here by
your side.“ Erneut erteilt sie ihm eine Absage, zumindest vorläufig: „Have faith and trust in peace, she said and filled my heart with life.“ Eine Antwort, die dem Krieger zwar nicht das unmittelbare Leben leichter macht, ihn aber doch voller Hoffnung zurücklässt: „My labour is no easier but now I know I’m not alone“ – auch wenn der Tod der ständige Begleiter sein sollte. Die britische Band Uriah Heep hatte zwar im Laufe der siebziger Jahre mit einigen beachtlichen Singles (u. a. „Easy Livin’“ und „Sweet Lorraine“) einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, doch erst mit „Lady in Black“ wurden die Musiker zu Superstars: 1977, sechs Jahre (!) nach dem Erscheinen von „Salisbury“, wurde der Song zum dritten Mal als Single ausgekoppelt und diesmal sofort zum Hit – die schwarze Lady hielt sich mehr als zwei Monate in den Top Ten der deutschen Hitparade. Obwohl nichts in diesem Lied klar benannt wird und alles im Ungewissen bleibt, ist die Botschaft, die der Song transportiert, dennoch erstaunlich klar: Nur Frieden und die Liebe erlauben den Menschen ein ungefährdetes und erfülltes Leben. Diese Botschaft trifft 1978 in Deutschland ganz offensichtlich den Zeitgeist – der Kalte Krieg steuert gerade mit dem seit Langem geplanten und Ende 1979 verabschiedeten NATO-Doppelbeschluss auf seinen Höhepunkt zu. Insgesamt wurde „Lady In Black“ vier Mal veröffentlicht – und 2008 in der Schweiz sogar erneut zum Hit. Der angenehme Nebeneffekt: Auf diese Weise schafften es Uriah Heep, im Gedächtnis ihrer alten Fans zu bleiben und immer wieder neue zu gewinnen. gf Original: Uriah Heep: „Salisbury“ (1971, Vertigo, LP)
„Voulez-vous coucher avec moi ce soir?“ aus: „Lady Marmalade“ von LaBelle Ein Musikfan sitzt im Kino, sieht sich Baz Luhrmanns Filmmusical „Moulin Rouge“ an und schwelgt in einem farbenprächtigen und wohlklingenden Sinnesrausch. „Nicole Kidman kann ja richtig singen“, denkt er, und: „Dieses ‚Nature Boy‘, das ist doch David Bowie!?“ Er stößt im Film auf zwei Coverversionen und überlegt, von wem das Original ist. Bei „Your Song“ kommt er nach kurzem Nachsinnen darauf, dass es Elton Johns („Candle In The Wind“) erster Hit ist, den Ewan McGregor da zum Besten gibt. Aber was ist mit der frivolen Frage „Gitchi gitchi ya ya da da / Gitchi gitchi ya ya here / Mocca chocolata ya ya / Creole lady marmalade / Voulez-vous coucher avec moi ce soir? / Voulezvous coucher avec moi?“ – „Willst du mit mir schlafen?“ Von Christina Aguilera und Lil’ Kim? Das ist doch aus den siebziger Jahren, oder?
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Die Variante aus dem Hollywoodmusical ist schon Nummer eins der Charts, da überlegt der Fan immer noch, von wem das Original stammt. Er nervt Freunde und Bekannte, bis ein Soulkenner ihm verrät, dass der Song ursprünglich von LaBelle stammt, die mit „Lady Marmalade“ bereits 1975 einen Welthit landeten. „Von LaBelle? Da wäre ich nie drauf gekommen. Ich dachte eher an Donna Summer, die mit ‚Love To Love You Baby‘ ähnlich Frivoles sang.“ Dabei war das Quartett um die später auch solo erfolgreichen Künstlerinnen Patti LaBelle und Wynona „Nona“ Hendryx Mitte der siebziger Jahre auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt – ihr viertes Album „Nightbirds“ erreichte in den USA Platin. Chefin Patti LaBelle musste auf diesen Erfolg über eineinhalb Jahrzehnte warten, denn sie gründete ihre Gruppe schon 1958 unter dem Namen The Ordettes. Damals befand sie sich in direkter Konkurrenz zu Girlgroups wie den Supremes und Martha Reeves & The Vandellas, ohne an deren Hitbilanz heranzukommen. Dank einiger kleinerer Erfolge wie „I Sold My Heart To The Junkman“ und „Down The Aisle“ blieb die Gruppe zusammen, bis sie 1971 nach der Umbenennung in LaBelle mit dem gleichnamigen Album den Durchbruch schaffte. Das sinnliche „Lady Marmalade“ wird ihr größter Hit. Neben der charmanten, unschuldig gesungenen, aber eindeutig sexuellen Aufforderung traf auch die Musik den Puls der Zeit – als früher Disco-Funk, wie er Mitte der siebziger Jahre mit „Rock Your Baby“ von George McCrae oder „Rock The Boat“ von der Hues Corporation oft in den Charts zu finden ist. mp Original: LaBelle: „Nightbirds“ (1974, Epic, LP), weitere Version: Soundtrack: „Moulin Rouge“ (2001, Interscope, CD)
„Last night a DJ saved my life from a broken heart“ aus: „Last Night A DJ Saved My Life“ von Indeep
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Manchmal wird man mit nur einem Song unsterblich. Für einen zweiten Erfolg gleichen Kalibers reicht es nicht. Auch Indeep, die Funk-Crew aus New York, hatte nur einen Hit. Der allerdings gehört zu den Klassikern des Clubsounds: „Last Night A DJ Saved My Life“ war zwar in den Charts nur mittelmäßig erfolgreich, aber unter der Discokugel wurde der Song ein Renner. Die Band veröffentlichte nach diesem Song und dem gleichnamigen Album noch einige LPs, etwa „When Boys Talk“ und „Buffalo Bill“, aber die sind längst in den Tiefen der Popgeschichte verschollen. „Last Night A DJ Saved My Life“ ist anders, es beschreibt die Sehnsucht der Tanzenden nach Rettung durch einen Song, zu dem sich der Alltagstress und
die Liebesprobleme abschütteln lassen: „Last night a DJ saved my life from a broken heart / Last night a DJ saved my life / Last night a DJ saved my life with a song.“ Es ist das eine Lied, das alle auf die Tanzfläche treibt, das den Menschen ins Blut und in die Beine fährt und sie für kurze Zeit vom Kummer erlöst. Songwriter Michael Cleveland und seine Gruppe Indeep haben mit „Last Night“ so ein lebensrettendes Lied aufgenommen. Dich hat die Freundin verlassen? Dein Liebster betrügt dich gleich mit mehreren Frauen? Macht nichts, sagt der Text: „But when I turned on my radio / I found out all I needed to know.“ Der DJ im Rundfunk oder im Club hat den passenden musikalischen Trost parat, er sagt: „There’s not a problem that I can’t fix / Cause I can do it in the mix.“ Die Zahl der Mixes, die es von „Last Night A DJ Saved My Life“ gibt, lässt sich nicht feststellen, denn immer wieder tauchen neue Bearbeitungen des Songs in den Diskotheken auf. mp Original: Indeep: „Last Night A DJ Saved My Life“ (1982, Sound Of New York, LP)
„There will be an answer / Let it be“ aus: „Let It Be“ von The Beatles Wie und warum sich die erfolgreichste Popgruppe aller Zeiten getrennt hat, wird wohl nie völlig geklärt werden. Legenden, Märchen und jede Menge Spekulationen ranken sich besonders um die Aufnahmesessions zur allerletzten Beatles-LP in den Londoner Twickenham-Filmstudios. Auch die auf Hunderte von Nagra-Tonbänder gebannten Lieder und Dialoge – ein Teil davon ist bis heute verschollen – bringen wenig Licht ins Dunkel der Tage vom 2. bis 31. Januar 1969. Die letzten lebenden Beatles-Mitglieder, Paul McCartney und Ringo Starr, geben ebenfalls keine Auskunft. Auf jeden Fall ist anfangs nicht geplant, an einem neuen Beatles-Album zu arbeiten. Die Sessions finden ohne den Stammproduzenten George Martin statt, die Aufnahmen zur LP „Abbey Road“, dem vorletzten Werk der Fab Four, stehen erst nach den Tagen von Twickenham an. Dort werden auch einige der zukünftigen „Abbey Road“-Songs, etwa „Maxwell’s Silver Hammer“, erstmals geprobt. Man will einen Dokumentarfilm drehen, der den Studioalltag der Gruppe zeigt. Gleichzeitig sollen einige Stücke live vor einer Handvoll Fans eingespielt werden und demonstrieren, dass die Beatles („Yesterday“) immer noch eine Band sind. Das ist zumindest der Wunsch von Paul McCartney („Band On The Run“), der die Führung innerhalb des zerstrittenen, nur noch aus vier Individualisten bestehenden Quartetts übernimmt. McCartney will an die alten Zeiten erinnern und die Magie der frühen Jahre wieder herbeizaubern. Er denkt sogar
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daran, erstmals seit Februar 1966 wieder auf Tournee zu gehen. Paul ist jedoch der einzige, der das will. Besonders John Lennon weigert sich, er hat keine Lust auf Stress. Die Beatles stehen längst nicht mehr an erster Stelle bei ihm. Seine Partnerin Yoko Ono, Drogenpartys und politische Aktionen gegen den Vietnamkrieg haben einen höheren Stellenwert. Während die TwickenhamAufnahmen das Können der Beatles und ihre Spielfreude zeigen – die Band widmet sich mit Elan unterschiedlichsten Songs wie dem Kinderlied „Frère Jacques“ und „The Ballad Of Bonnie And Clyde“ –, dokumentieren die Streitigkeiten bei den Proben, dass die Band nicht mehr zu retten ist. Als erster merkt das George Harrison. Der Gitarrist scheitert mit den von ihm geschriebenen Liedern meist an der Übermacht von Lennon und McCartney. In Twickenham legt er unabsichtlich den Grundstein für seine Solokarriere: Einige Harrison-Stücke, so das wunderschöne „All Things Must Pass“, werden aufgenommen, aber gleich danach von den beiden Titanen verworfen. „All Things …“ wird später zum Titelsong von Harrisons erster Soloplatte. Am Freitag, den 10. Januar, gibt Harrison in Twickenham bekannt, dass er aussteigen will, und verlässt das Studio. Bis er am 15. wieder zurückkehrt, machen die Beatles als Trio weiter. Für Lennon ist der Ausstieg Harrisons kein Problem, er würde ihn am liebsten durch Eric Clapton ersetzen. Die Zusammenarbeit mit McCartney fällt ihm immer schwerer, ist bisweilen unmöglich. Längst schreibt jeder seine eigenen Songs, auch wenn als Autoren auf den LPs „Lennon/McCartney“ geführt werden. Die beiden Führungsfiguren haben sich auseinander gelebt, jeder versucht sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Die Zeit der Beatles geht in Twickenham zu Ende – trotz so brillanter Lieder wie „The Long And Winding Road“, „Across The Universe“, „One After 909“ und „Get Back“ – wie auch die Sessions ursprünglich genannt werden, ganz im Sinn von McCartneys Idee, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Ein Song liegt Lennon schwer im Magen, er hasst ihn, obwohl er als Koautor geführt wird: Es ist das vermutlich erstmals am 8. Januar 1969 aufgenommene McCartney-Stück „Let It Be“. Die Melodie ist eingängig, der Text steckt voller religiöser Bilder: Die Gottesmutter Maria steht in dunkler Stunde an der Seite des Erzählers – „speaking words of wisdom“. Und sie rät: „Let it be.“ Das Lied findet Worte des Trostes, McCartney umschreibt damit auch seine Hoffnungen für die Band: „There is still a chance that they will see.“ Jenes zentrale „Let it be“ lässt sich mit „Lass es zu“ übersetzen. Der Zuhörer soll sich Marias spiritueller Weisheit nicht verschließen. Gleichzeitig bedeutet „Let it be“ auch „Lass es sein“ – so gelesen wird das Lied zu einer ironisch geführten Auseinandersetzung McCartneys mit seinem Partner John Lennon.
In diesem Fall wäre es Lennon, der schlaue Sätze zu beinahe jedem Thema absondert („speaking words of wisdom“) und sich auf die Band besinnen soll („Let it be“). Aber auch er wird laut McCartney erkennen, was er an den Beatles hat: „For though they may be parted there is still a chance that they will see.“ Das Stück drückt McCartneys Sorge aus und seine Hoffnung, dass sich mit den Twickenham-Sessions das Blatt zum Guten wendet. Doch er täuscht sich. Die meisten der Aufnahmen verschwinden in den Archiven der bandeigenen Plattenfirma Apple Records, einige davon werden für eine heute sündhaft teure, weil kaum auffindbare Promotion-LP zusammengestellt, ein Dutzend wird vom Bombastproduzenten Phil Spector („To Know Him Is To Love Him“) nachbearbeitet. Diese zwölf Lieder erscheinen im Frühsommer 1970, über ein Jahr nach den letzten Studiotagen der Fab Four für die LP „Abbey Road“, als finales Album „Let It Be“. mp Original: The Beatles: „Let It Be“ (1970, Apple, LP), weitere Version: The Beatles: „Let It Be … Naked“ (2003, Apple, CD)
„Let’s stick together / C’mon c’mon, let’s stick together“ aus: „Let’s Stick Together“ von Bryan Ferry Bryan Ferry, der charismatische, 1945 in Washington, England, geborene Frontmann der exzentrischen britischen Band Roxy Music („Avalon“), veröffentlicht schon 1973 sein erstes Soloalbum „These Foolish Things“ – ein reines Coveralbum, gedacht als Erholung vom Songschreiben für die Band. Den weltweiten Durchbruch als Solokünstler schafft er aber erst 1976 mit seinem dritten Soloalbum „Let’s Stick Together“, das er wenige Monate nach der ersten Trennung von Roxy Music auf den Markt wirft. Hinter dem Schnellschuss verbirgt sich ein musikalischer Gemischtwarenladen aus B-Seiten, Coverversionen à la „It’s Only Love“ von den Beatles oder „Price Of Love“ von den Everly Brothers sowie Soloaufnahmen einiger älterer Roxy-Music-Songs wie „Re-Make/Re-Model“. Der Titelsong jedoch wird zu Ferrys erstem Welthit. Erstmals 1962 vom Urheber Wilbert Harrison (der 1959 mit „Kansas City“ Platz eins der USCharts erobert hatte) veröffentlicht, wurde der Song erst erfolgreich, als Harrison ihn 1969 unter dem Titel „Let’s Work Together“ neu aufnahm. Die weiße Bluesband Canned Heat coverte ihn 1970 und landete mit der Single ebenfalls einen Hit. In dieser Version ist es ein Arbeitersong, der die Schwierigkeiten der „working class people“ thematisiert: Mann und Frau heiraten und arbeiten – und trotzdem reicht es oft nicht zum Leben: „But now you never miss
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your water till your well is dry“ – ein trockener Brunnen kann keine Basis für eine gemeinsame Zukunft sein. Wenn beide arbeiten, leidet darunter auch die Familie: „Then if you’re stuck for a while consider our child / How can it be happy without its ma and pa.“ An einem Arbeitersong hat der dandyhafte Sänger mit dem damals noch vorhandenen Menjou-Bärtchen allerdings überhaupt kein Interesse – weshalb er sich an das doppeldeutige Original hält. Keine Rede mehr von gemeinsamer Arbeit – es geht nur noch um Sex, um eine gemeinsame Nacht. Bryan Ferrys Adaption macht aus dem Bluessong außerdem eine von einem prägnanten Saxofon vorangetriebene Rocknummer. Mag sein, dass ihm seine erotisch unterfütterte Interpretation dann doch etwas peinlich ist: Bryan Ferry spielt „Let’s Stick Together“ nur 1977 während einer Solotournee. Erst 1994, nach einer Unterbrechung von 17 Jahren, nimmt er seinen erfolgreichsten Song wieder ins Liverepertoire auf. gf Original: Bryan Ferry: „Let’s Stick Together“ (1976, E.G., LP), weitere Version: Canned Heat: „Future Blues“ (1970, Liberty, LP)
„I don’t care if you’re young or old / Get together and let the good times roll“ aus: „Let The Good Times Roll“ von Louis Jordan
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Die Hardrocker Molly Hatchet hatten dieses Lied im Repertoire, ebenso die Glamrockband Slade, die Rock’n’Roller Chuck Berry und Jerry Lee Lewis, die Animals und Blues-Superstar B. B. King, aber auch Dr. John, der es auf seiner legendären Platte „Gumbo“ veröffentlichte: „Let The Good Times Roll“. Das Stück swingt, es rockt und fordert gut gelaunt zur großen Party auf. Es hat alles, was ein Rock’n’Roll-Song haben muss – und das fast ein Jahrzehnt bevor Rock’n’Roll eine eigenständige Musikrichtung bezeichnet. Der Song beginnt mit den Worten: „Hey everybody have some fun / You only live for once and when you’re dead you’re done.“ Das letzte Geld soll an diesem Abend ausgegeben werden. Wofür, wird nicht verraten. Anzüglichkeiten, wie sie später in Rock’n’Roll-Hits wie „Shake, Rattle And Roll“ zum Ausdruck kommen, finden sich in diesem Text nicht. Wohl aber in anderen Stücken des Interpreten. Der 1908 in Brinkley, Arkansas geborene Saxofonist, Sänger und Songschreiber Louis Jordan nimmt darin kein Blatt vor den Mund. Bei Titeln wie „What’s The Use Of Getting Sober“, „The Chicks I Pick Are Slender, Tender And Tall“ oder „The Things I Want I Can’t Get At Home“ ging es ihm allerdings weniger um die Verherrlichung von Alkohol und Promiskuität als um Sätze, die anrüchig und damit einprägsam genug sind, um Erfolg
zu haben. Häufig artete das, was Jordan mit seiner Band, den Tympany Five, aufnahm, in lustige Clownereien oder durchgedrehte Wortspiele aus: „Never Let Your Left Hand Know What Your Right Hand’s Doin’“, „There Ain’t Nobody Here But Us Chickens“, „You Run Your Mouth And I Run My Business“ heißen einige seiner hauptsächlich für die Plattenfirma Decca eingespielten Songs. Von Fans wurde Jordan wohlmeinend, von Kritikern, die seinen Swing als wenig innovativ abtaten, eher abfällig „Mr. Jukebox“ genannt: Er hatte in den vierziger Jahren unzählige Tophits, zwischen 1943 und 1950 rangierten seine Songs 113 Wochen an der Spitze der Rhythm-&-Blues-Charts. Jordan landete dort 18 Nummer-eins-Hits, bis heute nur übertroffen von Aretha Franklin und Stevie Wonder. 54 Songs von Jordan kamen in die Top 10, nur James Brown brachte dort noch mehr Lieder unter. Besonders erfolgreich waren „Choo Choo Ch’ Boogie“ und „Ain’t Nobody Here But Us Chickens“, die jeweils über vier Monate auf Platz eins der R&B-Hitparade standen. Dieser Erfolg kam nicht von ungefähr. Jordan wusste, wie man zum Popstar wird, und stellte drei bis heute gültige Grundsätze für den Weg nach oben auf: „Du musst nicht verrückt sein, um einen Hit zu landen, aber es hilft“, und: „Benutze einige magische Worte wie Abracadabra, Mumbo Jumbo, HocusPocus, Decca Decca, Sis Boom Ba und so weiter.“ Das ist natürlich längst nicht alles, denn vermarktet werden muss das Ganze auch noch: „Nimm das Lied auf und spiel es immer wieder, und du wirst einen Riesenhit wie ‚Saturday Night Fish Fry‘ haben.“ Jordan belegte diese Thesen durch seine extravaganten Auftritte: Mal verkleidete er sich als Napoleon, mal als Mexikaner oder spielte, maskiert als Turban tragender Inder, sein Saxofon, als beschwörte er damit eine Königskobra. Als er am 26. Juni 1946 „Let The Good Times Roll“ aufnimmt, ist er längst der absolute Superstar. Sein Aufruf zur Party wird ein Riesenhit, einer, der die Zeiten überdauert und unsterblich wird. Seine Songs sind zeitlos, modern und für den Rock’n’Roll stilprägend – auch „Be-Bop-A-Lula“ und „Yakety Yak“ könnten durchaus Jordan-Titel sein … mp Original: Louis Jordan: „Let The Good Times Roll“ (1946, Decca, Schellacksingle)
„Come on baby, light my fire“ aus „Light My Fire“ von The Doors 1966 und 1967 sind aufregende Jahre: Martin Luther King kämpft für die Bürgerrechte der Schwarzen, Professor Timothy Leary rät seinen Studenten zum Gebrauch von LSD, wer nach „San Francisco“ fährt, trägt Blumen in den Haaren, und die Welt der träumenden Teenager ist voller psychedelisch-bun-
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ter Farben. Woodstock steht noch bevor, der Vietnamkrieg scheint vielen weit entfernt – und doch dräut aus Los Angeles bereits ein dunkler Engel namens Jim Morrison heran, der zur personifizierten Antithese dieser friedensbewegten Welt werden soll. 1965 fanden Sänger Jim Morrison, Gitarrist Robby Krieger, Keyboarder Ray Manzarek und Drummer John Densmore zusammen und gründeten The Doors. Die Band spielte zunächst in kleinen Bars, ab und zu kiffte sie sich in den Knast. 1966 schon schlossen die Doors einen Vertrag mit der Plattenfirma Elektra ab, 1967 erscheint ihr Debütalbum, das mit „Light My Fire“ ihren bis heute größten Hit enthält und der Band den Durchbruch bringt. Drei Wochen hält sich der Song auf Platz eins der US-Charts, die Single wird mit mehr als einer Million verkauften Exemplaren die erfolgreichste des Jahres 1967 (nach einer Auswertung der Zeitschriften „Billboard“ und „Cash Box“). Ein Erfolg, der das ganze Album mitreißt: Zwei Jahre steht „The Doors“ in den US-Charts (höchste Position: Platz zwei), von ihm werden ebenfalls mehr als eine Million Exemplare verkauft. Dass ausgerechnet das im Wesentlichen von Robby Krieger geschriebene „Light My Fire“ zum Hit wurde, verwundert nicht: Es ist das mit Abstand am fröhlichsten klingende Lied auf einem Album, das ansonsten ziemlich einzigartig Morrisons psychedelisch angehauchte Texte Morrisons mit düster forderndem und hartem Rock vereinigt. Aber auch „Light My Fire“ wirkt nur fröhlich, solange sich der Hörer den Text nicht weiter vergegenwärtigt. Voller Andeutungen verspricht Morrison darin einem anonym bleibenden Mädchen, ihr ungeahnte Erlebnisse zu verschaffen – ob sexueller oder anderer Art, bleibt offen: „You know that it would be untrue / You know that I would be a liar / If I was to say to you / Girl, we couldn’t get much higher.“ Die vierte Zeile wird als Aufforderung zum Drogenkonsum verstanden. Als Jim Morrison das Versprechen bricht, sie bei einem Auftritt in der legendären „Ed Sullivan Show“ verändert vorzutragen, kommt es zu einem der vielen Skandale, die den Weg der Band begleiten werden. Düstere Vorahnungen prägen eine weitere Strophe, in der Morrison den Blumenkindern jener Zeit ihre Zögerlichkeit und Unentschiedenheit vorwirft: „The time to hesitate is through / No time to wallow in the mire“ – zwei Jahre vor Woodstock erteilt er so auch den oft unumgänglichen Schlammbädern der gerade in Mode kommenden Open-Air-Konzerte eine Absage. Und er drängt zur Eile: „Try now, we can only lose /And our love become a funeral pyre“ – wer nicht im Hier und Jetzt intensiv lebt, der hat, so Morrison, schon verloren, verbrennt selbst die Liebe auf einem Scheiterhaufen. Das Bild des Scheiterhaufens prägt sich auch in anderer
Hinsicht ein: Es wird später viele Hörer immer wieder an den unseligen Vietnamkrieg denken lassen. Vor allem beim Refrain „Come on baby, light my fire / Try to set the night on fire“ spielt Morrison bei öffentlichen Auftritten mit seinem Image, gibt mal den selig lächelnden, in anderen Bewusstseinssphären schwebenden Magier, mal das erotisch animierende Sexsymbol – und unterstreicht so immer wieder die zweideutige Aussage des Textes. The Doors blieben lange Zeit fast ausschließlich ein US-amerikanisches Phänomen: „Light My Fire“ floppte damals in Europa, war nur unter Eingeweihten bekannt und begehrt. Erst im Mai 1991 wurde der Song anlässlich von Oliver Stones Film „The Doors“ in Europa als Single wieder veröffentlicht, kam am 1. Juni 1991 in die britischen Hitparaden und erreichte am 15. Juni als höchste Position Platz sechs. Damit wurde „Light My Fire“ – 24 Jahre nach der Erstveröffentlichung – endlich auch in Großbritannien und in der Folge ebenso in anderen Ländern Europas zum größten Hit der Doors. gf Original: The Doors: „The Doors“ (1967, Elektra, LP)
„Like a virgin, touched for the very first time“ aus: „Like A Virgin“ von Madonna Madonna Louise Veronica Ciccone aus Rochester, Michigan, möchte die Uhr am liebsten zurückdrehen. Zumindest entsteht dieser Eindruck, als sie 1984 die Single „Like A Virgin“ veröffentlicht. Sie ist zwar erst 26 Jahre alt, hat aber schon ziemlich viel erlebt – eine Jungfrau ist sie nicht, auch nicht auf künstlerischem Gebiet. Nach der Highschool lernte Madonna ein Jahr lang an der University of Michigan tanzen, ging dann nach New York und versuchte an Bühnen Fuß zu fassen, kam aber nirgends dauerhaft unter. Ein halbes Jahr lang arbeitete sie als Tänzerin in der Discorevue von Patrick Hernandez („Born To Be Alive“) in Frankreich. Zurück in New York, spielte sie in den erfolglosen Bands The Breakfast Club und Emmy sowie für 100 Dollar Gage in dem Softporno „A Certain Sacrifice“, um sich finanziell über Wasser zu halten. Nur wenige Monate später unterschrieb sie einen Plattenvertrag bei Sire Records und landete mit „Everybody“ ihren ersten Hit. Die für nur 5.000 Dollar produzierte Single verfehlte zwar die US-Charts, aber das naive Discostück erreichte immerhin Platz drei der Dance-Charts. Viele Rezensenten hielten Madonna zunächst für eine afroamerikanische Sängerin, aber bald entwickelte sie sich zum Markenzeichen. Mit „Everybody“ legte sie den Grundstein für ihre Weltkarriere.
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Niemand glaubt zu diesem Zeitpunkt daran, dass sie zu dem überragenden weiblichen Popstar der achtziger und neunziger Jahre werden wird – nicht mal Madonna selbst. Man ist einhellig der Meinung, sie sei ein Teeniestar, dessen Stern schnell wieder versinken wird. Das von Chics Nile Rodgers produzierte „Like A Virgin“ ist – neben Cindy Laupers „Girls Just Wanna Have Fun“ – die wichtigste Hymne der Girlies (lange vor dem „Wannabe“ der Spice Girls). Madonna trägt ein süßes Schulmädchenoutfit, das in der Folge die Boutiquen der Welt überschwemmen wird. Dazu singt sie: „Like a virgin / Touched for the very first time / Like a virgin / When your heart beats / Next to mine.“ Und stöhnt sinnlich: „Oh, oh, oh, oh, oh / Ooh, baby“ und „Feels so good inside“. Für Madonna ist das Girlie-Image nur eine von zahlreichen noch folgenden Rollen ihrer Karriere und „Like A Virgin“ nur ein Hit von vielen, die Spuren hinterlassen. Zum Beispiel bei der Punkband The Lords Of The New Church. Die Gruppe hat das Lied so oft im Radio gehört, dass sie 1985 eine eigene Version davon herausbringt. Auf dem Cover der Maxisingle liegt Sänger Stiv Bators den restlichen Lords in den Armen. Er trägt ein Brautkleid und eine Strumpfhose, aus der etwas quillt, was zumindest nicht nach Jungfrau aussieht – „Like a virgin / Touched for the very first time“. mp Original: Madonna: „Like A Virgin“ (1984, Sire, LP), weitere Version: The Lords Of The New Church: „Killer Lords“ (1985, IRS, LP)
„Well I met her in a club down in old Soho“ aus: „Lola“ von The Kinks
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Die Karriere der Londoner Gruppe The Kinks gleicht einer Pyramide, zumindest wenn man die Jahre von 1963 bis 1970 betrachtet: Ray Davies, sein Bruder Dave, Peter Quaife und Mick Ivory starteten zwar schon mit ihrer dritten Single „You Really Got Me“ durch, doch sie erhöhten ihren kreativen Output sukzessive. Den Gipfel erreichten sie in den Jahren 1967 und 1968. Kinks-Songs wie „Waterloo Sunset“ und „Autumn Almanach“ wurden Tophits in Großbritannien. Gleichzeitig veröffentlichten sie LP um LP. Ende 1968 befindet sich die Band in einer Schaffenskrise, man überlegt, ob eine Trennung nicht das Beste wäre. Letztlich verlässt zwar nur Bassist Peter Quaife ermüdet die Gruppe, doch er muss noch mit ansehen, wie das Album „The Kinks Are The Village Green Preservation Society“ gnadenlos floppt. Mit den Kinks geht es bergab, obwohl an der Songwriterkunst von Raymond Douglas Davies nichts auszusetzen ist. Nur einmal, im Jahr 1970, schafft die Band noch weltweit den Sprung in die Top Ten: „Lola“ wird ein Hit – und was für einer: Das lasziv gesungene „L-o-l-a Lola / Lo-lo-lo-lo Lola“ ist
bis heute ihre bestverkaufte Single. In ihrem Windschatten rutscht auch das komplexe Konzeptalbum „Lola Vs. The Powerman & The Money-Go-Round, Pt. 1“ in die Charts, aber der Hit überstrahlt Songs wie „Rats“ oder „This Time Tomorrow“. Auch die zweite Single „Apeman“ kann nicht mit der feschen Lola konkurrieren. Ein junger Mann lernt in einem heruntergekommenen Etablissement ein Mädchen kennen: „Well I met her in a club down in old Soho / Where you drink champagne and it tastes / Just like cherry cola / C-o-l-a cola.“ Schon die Frage nach dem Namen bringt ihn durcheinander: „I asked her her name / And in a dark brown voice / She said Lola / L-o-l-a Lola / Lo-lo-lo-lo Lola.“ Die beiden kommen sich näher, auch wenn ihm auffällt, dass mit Lola etwas nicht stimmt: „But I can’t understand / Why she walked like a woman / And talked like a man.“ Dass Lola ein Transvestit ist, lässt sich nicht verheimlichen („Girls will be boys and boys will be girls / It’s a mixed up, muddled up, shook up world“), dass dieser aber Lustgefühle zu wecken weiß, irritiert den Icherzähler doch sehr: „I pushed her away / I walked through the door / I fell to the floor / I got down on my knees / Then I looked at her and she at me / Well that’s the way that I want to stay.“ Eine bemerkenswerte deutsche Fassung schrieb 1984 der Rockliedermacher Heinz Rudolf Kunze. Er klebt dabei nicht am einzelnen Wort des Originals und erreicht so eine atmosphärisch dichte Version des Songs von Ray Davies: „Ist das nun Liebe oder ist das nur ein schwacher Trost? / Ich sage immer, was ich denke, und ich sagte: ‚Prost, / Auf dein Spezielles, Lola / L.O.L.A. Lola‘ / Girls heißen Alf und Boys heißen George / Nicht nur in London, sondern jetzt auch schon in Dortmund-Nord / Und er hieß Lola / Lalalala Lola.“ mp Original: The Kinks: „Lola Vs. The Powerman & The Money-Go-Round, Pt. 1“ (1970, Pye, LP), weitere Version: Heinz Rudolf Kunze: „Ausnahmezustand“ (1984, WEA, LP)
„I’m a loser baby / So why don’t you kill me“ aus: „Loser“ von Beck Die Punks sagten ihrer Generation eine hoffnungslose Zukunft ohne Chancen voraus. „There is no future in England’s dreaming“, sangen sie und riefen zum „White Riot“ gegen das „fascist regime“ auf. Viele Jahre später – Douglas Coupland hat inzwischen in seinem nach einer Punkband benannten Buch „Generation X“ die Jugend der achtziger Jahre beschrieben – isoliert ein 24-jähriger Folkmusiker aus Los Angeles den Einzelnen aus der Masse derer, die für sich keine Zukunft innerhalb des bestehenden Gesellschaftsgefüges sehen. 1994 fragt er in seinem Song „Loser“: „Ich bin ein Verlierer, Baby, warum bringst du mich nicht um?“
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Getauft als Bek David Campbell, hat er dem seltsamen Vornamen ein „c“ hinzugefügt und den Familiennamen seines deutschen Großvaters, des Malers Al Hansen, angenommen. Das Lied wird ein Riesenhit, es spricht vielen Menschen aus der Seele. Doch der Künstler fühlt sich missverstanden, hält er doch sein Leben mitnichten für unnütz: Beck schreibt seit Jahren Song um Song, veröffentlicht Album auf Album bei großen wie auch bei kleinen Firmen. Allein 1994, im Jahr seines Singlehits, bringt er drei Alben heraus. Nach dem Erfolg von „Loser“ und der CD „Mellow Gold“ stagniert Becks Karriere allerdings auf gleich bleibendem, nicht allzu hohem Niveau. Die Leiter nach ganz oben erklimmt der Querkopf somit nicht, manch einer wird ihn deshalb für einen Verlierer halten. Aber Verlierer sehen anders aus. Beck ist vielseitig, zieht sein Ding durch, entfaltet sich weiterhin zufrieden in seiner Nische und nutzt die Freiheit, Musikstile nach Belieben zu verbinden. „Loser“ ist folglich ironisch gemeint. Auf die Frage, was passiert wäre, wenn er keinen Hit gelandet hätte, antwortet er lapidar: „gar nichts“. Ob man ein Verlierer ist, hängt oft nur von der persönlichen Einstellung ab. Becks Text lässt auch die Option auf einen Sieg zu: Vor dem finalen „I’m a loser baby / So why don’t you kill me“ singt er die Zeile: „I’m a driver / I’m a winner / Things are gonna change / I can feel it.“ Sie ist akustisch kaum zu verstehen und steht auf dem Textblatt auch nur in Klammern – augenzwinkernd deutet Beck hier die Möglichkeit der Veränderung zum Guten an. mp Original: Beck: „Mellow Gold“ (1994, DGC, CD)
„That’s me in the corner / That’s me in the spotlight / Losing my religion“ aus: „Losing My Religion“ von R.E.M.
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„Irgendwann mal habe ich R.E.M. als eine Mischung aus ein paar Mollakkorden mit einem bisschen Nonsens beschrieben“, erzählt Michael Stipe, Sänger und Mastermind der US-Band R.E.M., 1992 in einem Interview mit dem US„Rolling Stone“. „‚Losing My Religion‘ hat diese Qualität. Man möchte immer mitsingen, und wenn es vorbei ist, will man weitersingen. Alle paar Jahre stoßen wir auf so einen Song. Ich hasse den Vergleich zwar, aber ‚Religion‘ ist vom Thema her sehr ähnlich wie ‚Every Breath You Take‘ von The Police. Es ist einfach ein klassischer Popsong über Besessenheit. Meiner Meinung nach sind die besten Songs immer die, in die sich jeder hineinversetzen und dann sagen kann: Ja, das bin ich.“ Die Songs, in die sich jeder hineinversetzen kann, sind auch die, die den Erfolg bringen. Mit dem 1991 erscheinenden Album „Out Of Time“ und den
ausgekoppelten Hitsingles „Shiny Happy People“ und „Losing My Religion“ verlieren R.E.M. endgültig den Status einer Independentband und werden zu millionenschweren Superstars im Rock’n’Roll-Geschäft. Die Zeilen des Songs und Stipes Bemerkung über Besessenheit werden aber erst verständlich, wenn man weiß, dass der Ausdruck „losing my religion“ nichts mit Religion zu tun hat, sondern eine in den US-Südstaaten gebräuchliche Redewendung ist. Sie besagt, dass man mit seinen Nerven am Ende und kurz davor ist, endgültig die Fassung zu verlieren. Ein Zustand, den Stipe nur zu gut kennt: 1985, nach zwei Jahren exzessiven Tourens mit der Band, war der Sänger nur noch ein Nervenbündel und erlitt einen völligen Zusammenbruch. Die kurze Zeile „That’s me in the corner / That’s me in the spotlight / Losing my religion“ erklärt den Vorfall: Vom Jungen an der Ecke zum Star im Scheinwerferlicht zu werden – da kann man schon mal die Fassung verlieren. Zudem war der Erfolg, den R.E.M. vor „Out Of Time“ schon hatten, ziemlich groß – „It’s bigger than you“ – und hat die Musiker ihrer Heimat und ihren zurück gebliebenen Freunden und Freundinnen entfremdet. Alles, was ihnen bleibt, sind Gedanken und Träume: „I thought that I heard you laughing / I thought that I heard you sing / (…) / But that was just a dream.“ Die von vielen missverstandene Formulierung „losing my religion“ hat weitere Folgen: In Israel, wo orthodoxe Juden auf die Medien großen Einfluss haben, muss der Song in „Oh Life“ umbenannt werden. In der kommunistischen Volksrepublik China dient er demokratisch gesinnten Studenten als Erkennungsmelodie, im katholischen Irland wiederum wird das Video zum Song verboten. Immerhin: R.E.M. werden 1992 für sieben Grammys nominiert, unter anderem für die Platte des Jahres und den Song des Jahres – für „Losing My Religion“. gf Original: R.E.M.: „Out Of Time“ (1991, Warner, CD)
„I know it isn’t true / Love is just a lie / Made to make you blue“ aus: „Love Hurts“ von Nazareth und von The Everly Brothers Längst gilt „Love Hurts“ als die Powerballade des Liebeskummers, voller Seelenpein und Weltschmerz, in deren wenigen Zeilen sich Teenager jeder Generation wiederfinden: „Love hurts, love scars / Love wounds and marks / Any heart not tough / Nor strong enough / To take a lot of pain.“ Dass Liebe manchmal mehr schmerzt als eigentlich gut tut, ist eine Lektion, die jeder Mensch in seinem Leben einmal lernen muss: „I’ve really learned a lot / Really learned a lot / Love is like a stove / Burns you when it’s hot / Love hurts …“
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Und dennoch: Manche Lieder brauchen Zeit. Der 1920 geborene Countrymusiker Boudleaux Bryant schrieb mit seiner Frau Felice seit Mitte der fünfziger Jahre Songs unter anderem für die Everly Brothers. „Love Hurts“ entstand Ende der fünfziger Jahre – in Erinnerung an eine schmerzhafte pubertäre Enttäuschung. Der Song, im Juli 1960 von den Everly Brothers in einer sehr melancholischen und langsamen Version aufgenommen und im Dezember auf dem Album „A Date With“ veröffentlicht, wird jedoch nicht als Single ausgekoppelt. Auch als Roy Orbison ihn 1961 als B-Seite veröffentlicht, hat er damit nur in Australien nennenswerten Erfolg. Jim Capaldi landet 1975 mit „Love Hurts“ seinen größten Hit in den britischen Charts (Platz vier). Bereits ein Jahr zuvor hat die 1968 in Dunfermline (Schottland) gegründete Band Nazareth mit der Nebelkrähe Dan McCafferty am Mikrofon den Song neu arrangiert, und nun entwickelt sich das Lied langsam, aber sicher zu einem der größten Hits der Rockgeschichte. Für die Band Nazareth bedeuten die Single und das Album „Hair Of The Dog“ (auf dessen US-Version der Song enthalten ist) den endgültigen Durchbruch zur Weltkarriere, die ihr in den folgenden 37 Jahren nicht weniger als 34 Silber-, Gold- und Platin-Auszeichnungen einbringt. gf Original: Nazareth: „Hair Of The Dog“ (US-Version, 1975, A&M, LP), weitere Versionen: The Everly Brothers: „A Date With“ (1960, Warner, LP), Roy Orbison: „Running Scared“ (1961, Monument, Single)
„I love to love you baby“ aus: „Love To Love You Baby“ von Donna Summer
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Donna Gaines kommt am 31. Dezember 1948 in Boston, Massachusetts, zur Welt. Bereits mit acht Jahren singt sie im Kirchenchor, und alle prophezeien der kleinen Donna und ihrer kräftigen Stimme eine große Karriere. Fast zwei Jahrzehnte später – sie hat inzwischen den Musiker Helmut Sommer geheiratet und sich in Donna Summer umbenannt – kennt man sie weltweit. Allerdings anders, als es die frommen Mitsänger ihrer Jugend erhofften: Donna Summer ist 1975 als „Stöhn-Muse“ (Der Spiegel) des Discozeitalters ein internationaler Star. Schuld am Image als „singender Vibrator“ ist der aufstrebende Produzent Giorgio Moroder, unter dessen Regie sie in München den hochenergetischen Discohit „Love To Love You Baby“ aufnimmt und, in einer abgedunkelten Kabine des Tonstudios sitzend, aus einer Laune heraus einen Orgasmus nach
dem anderen simuliert. In der Langfassung des Songs, die 16 Minuten und 50 Sekunden dauert, stöhnt sie 32-mal – ein echter „Marathon der Orgasmen“ (so die US-Zeitschrift „Time“). Die wenigen Zeilen Text, die sie dazu singen muss, sind eindeutig: „Do it to me again and again / You put me in such an awful spin“, und immer wieder: „Love to love you baby …“ Donna Summer nimmt den Erfolg mit Humor – zunächst. Auf die fast unvermeidliche Frage von Journalisten, ob sie bei der Aufnahme tatsächlich Hand an sich gelegt habe, antwortet sie trocken: „Ja. Ich habe meine Hände auf die Knie gestützt.“ Später jedoch erinnert sie sich ihrer christlichen Wurzeln – und streicht den Song für immer aus ihrem Liverepertoire. Am 17. Mai 2012 starb Donna Summer im Alter von 63 Jahren an Lungenkrebs. gf Original: Donna Summer: „Love To Love You Baby“ (1975, Casablanca, LP)
„Oh Maggie, I wish I’d never seen your face“ aus: „Maggie May“ von Rod Stewart Welcher pubertierende Junge träumt nicht manchmal von einer älteren und erfahrenen Freundin, die ihn voller Geduld und Liebe in die Freuden der Erotik einweist? Eine Erfahrung, die Rod Stewart ganz real gemacht hat, nur gab er – ganz Gentleman – den Namen der Dame nie bekannt. Diese Art Beziehung ist allerdings selten von Dauer, zu ungleich sind die Protagonisten. Wie wird man als Jungspund eine so liebeserfahrene Frau wieder los? Darüber schrieb Stewart 1971 einen mitreißenden Song: „Maggie May“. Der Text lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Der Erzähler weiß, dass er nur zum Amüsieren gut war, und fühlt sich benutzt („I know I keep you amused / But I feel I’m being used“), weil er wohl in erster Linie Maggies Einsamkeit vertreiben sollte („You lured me away from home / Just to save you from being alone“). Dabei war er eigentlich nur auf der Suche nach einer Freundin („All I needed was a friend to lend a guiding hand / But you turned into a lover“). Seine Verbitterung ist am Ende so groß, dass er sich wünscht, Maggie nie gesehen zu haben, und ankündigt, sie demnächst zu verlassen: „Oh Maggie, I wish I’d never seen your face / I’ll get on back home one of these days.“ Anno 1971 gehört Rod Stewart de jure noch den Faces an, de facto hat er die Gruppe längst zur Begleitband degradiert und nebenbei seine ersten beiden Soloplatten eingespielt. Schließlich ist es seine mit Sandpapier geschmirgelte und durch Unmengen von schottischem Whisky geölte Stimme, die auf Bühne und Platte für den Erfolg verantwortlich ist. „Every Picture Tells A Story“,
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seine dritte Solo-LP, noch mit Unterstützung der Faces-Kumpane eingespielt, dokumentiert am eindrucksvollsten die Extraklasse dieses Entertainers, der hier alle Facetten der Rockmusik zum Glänzen bringt: puren, schnörkellosen Rock’n’Roll im Titelsong, gospelinspirierten Blues in „Seems Like A Long Time“, harten Soulgroove in „(I Know) I’m Losing You“. „Maggie May“ steht 1971 in Großbritannien und den USA viele Wochen lang auf Platz eins der Charts und bringt Stewart den Durchbruch als Solokünstler. Und wer weiß: Hätte Stewart mit den Faces und als Solokünstler nicht diesen Erfolg gehabt, wäre er vielleicht Fußballprofi geworden: Einen Vertrag mit dem damaligen Drittligaclub Brentford F.C. hatte er vor seiner Karriere als Musiker schon in der Tasche. gf Original: Rod Stewart: „Every Picture Tells A Story“ (1971, Mercury, LP)
„A little bit of Monica in my life …“ aus: „Mambo No. 5“ von Lou Bega
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Münchner Oktoberfest 1999. Die Stimmung ist am Brodeln. Überall singen sie ein und dasselbe Lied, überall tanzen die Menschen dazu auf den Tischen, und auch der Sänger des Songs scheint in allen Bierzelten gleichzeitig zu sein: Lou Bega und seine Zeilen „One, two, three, four, five / Everybody in the car, so come on“ sind auf dem größten Volksfest der Welt genauso allgegenwärtig wie die von ihm besungenen Ladys – „A little bit of Monica in my life / A little bit of Erica by my side / A little bit of Rita’s all I need / A little bit of Tina’s all I see / A little bit of Sandra in the sun / A little bit of Mary all night long / A little bit of Jessica here I am / A little bit of you makes me your man.“ Aber das sind beileibe nicht alle Girls, hinter denen der Schwerenöter her ist: „I like Angela, Pamela, Sandra and Rita“, stellt der in München geborene Sohn italienischer und ugandischer Eltern gut gelaunt fest. Die charmante Machohymne ist aber nicht nur der Wiesnschlager schlechthin, sondern tatsächlich ein Welterfolg: Egal ob in London, Mailand oder Tokio – der Globus tanzt zum swingenden Groove von „Mambo No. 5“. Auch in den USA lieben sie Lou Bega – die Single erreicht die Top Ten, das dazugehörige Album „A Little Bit Of Mambo“ verkauft sich dort über zwei Millionen Mal. Etwas weiter südlich, auf Kuba, feiern die Menschen auf den Straßen zu Begas Sommerhit. Er selbst bewegt sich zwar elegant zum Rhythmus des Songs, aber Mambo tanzen kann er nach eigener Aussage nicht. Das ist im Ursprungsland des Mambo – in den Städten Havanna und Santiago de Cuba – natürlich anders. Begas moderne Variante geht auf einen berühmten Sohn der Zuckerinsel zurück: Dort wurde am 11. Dezember 1916 im
Städtchen Mantanzas Pérez Prado geboren. In den vierziger Jahren ist er ein absoluter Superstar in Mittel- und Südamerika, und in den fünfziger Jahren feiert er mit Hits wie „Patricia“ oder „Cherry Pink And Apple Blossom“ große Erfolge in den USA. Damals sind in den Vereinigten Staaten lateinamerikanische Klänge wie Calypso und Mambo angesagt – und Prado gilt als König des Mambo. 1956 erscheint die LP „Mambo By The King“. Sie enthält die Grundlage für Begas Nummer-eins-Song: Von Pérez Prados „Mambo No. 5“ stammen der Rhythmus, große Teile der Melodie und das „Huh“ – der einzige Text des Originals. Bega ergänzt den Song um eingängige, nach Bläsern klingende Synthesizersounds und um „Angela, Pamela, Sandra und Rita“. Eine anständige Geste, die allerdings erst ein längerer Rechtsstreit möglich machte: Trotz der gravierenden Änderungen ist als Autor auf der Single nur Prado angegeben. Der Kubaner bekam jedoch nicht mehr mit, wie sein Song die Welt eroberte und sowohl in Clubs als auch in Bierzelten gespielt wurde – er starb schon 1989. mp Original: Pérez Prado: „Mambo By The King“ (1956, RCA, LP), weitere Version: Lou Bega: „A Little Bit Of Mambo“ (1999, Lautstark, CD)
„Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“ aus: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher Ist es ein Rocksong oder doch eher ein Schlager? Drafi Deutschers „Marmor, Stein und Eisen bricht“ ist tatsächlich ein Zwitterwesen. Drafis englische Version „Marble Breaks, Iron Bends“ von 1966 kann man getrost für einen Rockhit halten. Rock’n’Roll und Beat standen in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren auch nicht unbedingt für tiefsinnige Texte, was Songs wie „Three Steps To Heaven“ von Deutscher-Vorbild Eddie Cochran oder „She Loves You“ von den Beatles stellvertretend für viele Hits der Epoche belegen. Das harte Gitarrenriff und das englisch klingende „Damm damm“, das auch den deutschen Text akzentuiert („Kann ich einmal nicht bei dir sein / Damm damm, damm damm / Denk daran, du bist nicht allein / Damm damm, damm damm“), stellten ebenfalls bewusst eine Nähe zu angloamerikanischen Hits her. Professor Christian Bruhn, bis 2009 Aufsichtratsvorsitzender der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), schrieb die Melodie, Günther Loose steuerte den simplen Text bei. Beide arbeiteten öfter zusammen, unter anderem für Roberto Blanco
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(„Ein bisschen Spaß muss sein“) und Katja Ebstein, die 1970 mit „Wunder gibt es immer wieder“ beim Grand Prix d’Eurovision Dritte wird. Auch für Drafi Deutscher waren sie mehr als einmal aktiv, einer seiner ersten Hits – „Cinderella Baby“ – stammt ebenfalls aus der Feder des erfolgreichen Teams. „Marmor, Stein und Eisen bricht“ ist der Versuch, einen Nachfolger für die deutschen Rock’n’Roller Ted Herold und Peter Kraus zu kreieren, einen, der das Zeug zum Beatstar hat. Mit dem damals 19-jährigen Berliner Drafi Deutscher glaubt man den Richtigen gefunden zu haben. Wäre Drafi Deutscher Engländer oder Amerikaner gewesen, er hätte ein Weltstar werden können. So aber scheitert er an der spießigen deutschen Gesellschaft: 1966 uriniert Drafi auf einer Feier betrunken aus dem Fenster. Die Justiz verurteilt den nach damaliger Gesetzeslage noch Minderjährigen zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1.000 Mark. Noch schlimmer ist freilich das Presseecho: Der Sänger wird als „Sittenstrolch“ bezeichnet. In einem Interview mit der Zeitschrift „Musik Szene“, das auf der Webseite www.drafideutscher.homepage.eu zu finden ist, erklärte der Künstler 1984, was damals in den sechziger Jahren passierte: „Es gab damals in Berlin eine Sexualmordserie – da waren drei oder vier Kinder auf übelste Weise umgebracht worden, die Polizei kam bei dem Fall nicht in die Hufe, und deshalb schoss die Presse tierisch gegen die Polizei. Genau in die Zeit kam mein Fall. Da haben die Bullen mich regelrecht vorgeführt – die haben mich verhört in dem Präsidium und mich dann vorne zum Haupteingang raus der Presse präsentiert. Ick nehme an, dass die von der schlechten Presse in dem anderen Fall ablenken wollten.“ Besonders „Bild“ rückte das harmlose Vergehen des Sängers in eine moralische Nähe zu diesen Verbrechen. Verkehrte Welt: In England förderte das ausschweifende Liebesleben der Rolling Stones („(I Can’t Get No) Satisfaction“, „Get Off Of My Cloud“) ihren Aufstieg , in der Bundesrepublik hingegen war Drafis goldene Zeit wegen des Skandals vorbei. Der 2006 verstorbene Sänger hat aber bis heute eine treue Fangemeinde, die natürlich auch diese unsterblichen Zeilen mit den populärsten grammatischen Fehlern des deutschen Schlagers immer wieder hören will: „Marmor, Stein und Eisen bricht / Aber unsere Liebe nicht / Alles, alles, alles geht vorbei / Doch wir sind uns treu.“ mp Original: Drafi Deutscher: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ (1965, Decca, Single) 124
„Freedom is just another word for nothing left to lose“ aus: „Me And Bobby McGee“ von Kris Kristofferson Die Szene ist an Traurigkeit kaum zu überbieten: Ein mittelloser, entwurzelter Mensch stromert durch die Welt – halt- und mutlos. Bis Bobby McGee kommt, ihn im Truck mitnimmt und ihm vorübergehend ein Zuhause gibt. Doch irgendwann, vor Salinas, trennen sich ihre Wege: Bobby will sesshaft werden und lässt den Wanderer einsam zurück. Der Refrain besingt den Fluch der Halt- und Grenzenlosigkeit: „Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, nichts mehr zu verlieren zu haben – weder im Herzen noch an irgendeinem Ort auf dieser Welt.“ Als persönliches Statement des 1936 in Brownsville, Texas, geborenen Songwriters Kris Kristofferson erzählt der Satz von den Schattenseiten des Musikerlebens und stellt eine frühe Abkehr von der in der Folk- und Countryszene verbreiteten Outlawromantik dar. Immerhin war Kristofferson bis dahin einer der Köpfe der Country-„Freiheitskämpfer“, deren optimistische Mottos wie „On The Road Again“ (Willie Nelson) oder „The road goes on forever and the party never ends“ (Robert Earl Keen und The Highwaymen) er jedoch mit diesen Worten entmystifiziert. Der Song wird später von anderen „Outlaws“ wie Willie Nelson, Waylon Jennings und David Allen Coe gecovert, die sich mit dieser Reverenz an Kristofferson auch zu den Schattenseiten ihres Lebensentwurfs bekennen. Berühmt wurde das zuerst von dem Honky-Tonk-Star Roger Miller erfolgreich aufgenommene Lied aber als musikalisches Vermächtnis der 1970 verstorbenen Stimme der Hippiebewegung, Janis Joplin. Auch Kristofferson rückte durch Lieder wie „Viet Nam Blues“ oder eben „Me And Bobby McGee“ in die Nähe der Blumenkinder – allerdings als einer, der ihren Nachruf verfasste. Über „Me And Bobby McGee“ sagte er später: „Als ich die Version von Janis hörte, wusste ich, dass mehr drinsteckte als die Einsamkeit eines einzelnen Mannes. Es war der Abgesang auf eine Epoche“ – und damit auf die Hippiebewegung und die von ihr propagierte absolute Freiheit des Individuums. „Wenn du alles machen kannst, hast du irgendwann keinen Halt mehr“, sagte Kristofferson nach Joplins Tod. Auch die Hippiekommune Grateful Dead sang 1971 dieses Lied – als Vietnamkrieg, Woodstock-Merchandising und die Zerschlagung der sozialen Proteste in den USA den Traum von „Love, peace and happiness“ längst hinweggefegt hatten. mp Original: Roger Miller: „Roger Miller“ (1969, Smash, LP), weitere Versionen: Gordon Lightfoot: „Sit Down Young Stranger“ (1970, Reprise, LP), Kris Kristofferson: „Me And Bobby McGee“ (1971, Monument, LP), Janis Joplin: „Pearl“ (1971, Columbia, LP), Grateful Dead: „ Grateful Dead“ (1971, Warner, LP)
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„Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt“ aus: „Mensch“ von Herbert Grönemeyer
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Der 1956 in Göttingen – und eben nicht in Bochum – geborene Herbert Arthur Wiglaf Clamor Grönemeyer ist nicht erst seit seiner ersten Nummereins-Single „Mensch“ der erfolgreichste Musiker im deutschsprachigen Raum. Doch dieses Lied und das gleichnamige Album ragen turmhoch aus dem Werk des Schauspielers, Sängers und Songwriters heraus. Für diese elfte Langspielplatte ließ sich Grönemeyer vier Jahre Zeit. Die Pause zwischen „Bleibt Alles Anders“ von 1998 und „Mensch“ wurde von schrecklichen Ereignissen diktiert, die Grönemeyers Leben veränderten. Er war sich oft nicht sicher, ob er überhaupt noch Lieder schreiben konnte. Es wäre nur logisch gewesen, wenn die Härte, mit der das Schicksal zuschlug, den ohnehin introvertierten Künstler für immer zum Schweigen gebracht hätte. Schon allein deshalb, weil er seine tiefen Gefühle, seine Trauer und den Kummer nicht vor aller Öffentlichkeit breittreten will. Was ist passiert? Im November 1998 verliert Grönemeyer innerhalb weniger Tage zwei Menschen, die ihm sehr viel bedeuten: Seine Frau Anna Henkel stirbt 45-jährig an Brustkrebs, Bruder Wilhelm 44-jährig an Leukämie. Vier Monate danach sagt er in einem der ersten Interviews, das Roger Willemsen für den „Stern“ führt, auf die Frage nach seinem Befinden: „Zwischen überwach und Zusammenbruch. Das wechselt sich ständig ab. Es gibt Momente, wo das Gehirn präzise knattert, wo ich mich auch sehr konzentriere, aber das Potenzial für solche Phasen ist gering. Die Zusammenbrüche sind massiv.“ Und: „Es ist wie ein Krieg, den ich durchmache, und ich muss warten, bis der Punkt kommt, wieder Fuß zu fassen.“ Von künstlerischer Perspektive kann damals noch keine Rede sein, dennoch blickt er in die Zukunft: „Die Farben werden nie wieder so aufgehen, wie sie mal aufgegangen sind. Aber sie werden anders aufgehen.“ Kurz nach der Veröffentlichung der CD „Mensch“ erklärt er die damalige Situation im WDR rückwirkend so: „Ich hatte nach den Schicksalsschlägen im November 1998 vor allem Angst: Ich verliere den zweiten Schatz, den ich in mir trage – Musik zu machen. Diese Platte überhaupt fertig gestellt zu haben, ist für mich ein Anlass zu enormer Zufriedenheit.“ Song und Album werden zum Ausdruck der Trauerarbeit. Ganz Deutschland nimmt Anteil daran, ohne dass man sich als Voyeur fühlen muss. Grönemeyer schreibt Texte auf hohem literarischen Niveau, hüllt den Schmerz und dessen Verarbeitung in Bilder, die nicht eindeutig mit dem Tod zu tun haben: „Wir haben den Regen gebogen / Uns Vertrauen geliehen“ heißt es in
„Der Weg“. Das könnte jedes Paar am Ende der Liebe oder vor dem Neubeginn singen. Und in „Mensch“ steckt unendlich viel Trost: „Oh, es ist okay / Alles auf dem Weg / Und es ist Sonnenzeit / Ungetrübt und leicht / Und der Mensch heißt Mensch / Weil er vergisst, weil er verdrängt / Weil er schwärmt und glaubt / Sich anlehnt und vertraut / Weil er lacht und weil er lebt.“ Nur die letzten beiden Wörter des Refrains weisen auf die Verstorbene hin: „Du fehlst!“ In einem Interview mit dem SWR3 wird Grönemeyer gefragt, ob er sich als Mensch verändert habe: „Nein, ich bin eher auf das Menschsein zurückgefallen. Man lernt in solchen Katastrophen, zu begreifen, wie klein und unwichtig man ist, wie beschränkt. Und wenn man das begreift, lernt man zu relativieren und auch zu verdrängen. Ich denke, wenn man nicht in der Lage wäre, solche Ereignisse zu verdrängen, würde man daran scheitern“, antwortet er. Es ist diese Erkenntnis, die „Mensch“ zu einem unglaublich großen und wichtigen Lied macht. mp Original: Herbert Grönemeyer: „Mensch“ (2002, Grönland, CD)
„Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz“ aus: „Mercedes Benz“ von Janis Joplin Ohne das Vorbild Joplin, ohne den zähen Kampf der Ausnahmesängerin gegen tradierte Vorurteile und Widerstände gäbe es wahrscheinlich keine Songschreiberinnen und/oder Interpretinnen wie Chrissie Hynde, es wäre keine Patti Smith denkbar, auch keine Melissa Etheridge, keine Alanis Morissette und wohl auch keine Madonna. Janis Joplin ist die Frau, die ihnen als eigenständige Künstlerin – wann gab es das vorher in der Rockmusik? – den Weg freigekämpft hat. Für diese Pionierarbeit zahlte sie einen hohen Preis: Sie führte ein unstetes Leben, verfiel den Drogen sowie dem Alkohol und verlor sich in zahlreichen Affären mit Männern und Frauen. Im September 1970 beginnt die 27-Jährige mit ihrer Full Tilt Boogie Band die Langspielplatte „Pearl“ – benannt nach Joplins letztem Spitznamen – einzuspielen. Mit auf ihrem wohl besten Album: ihre Interpretation des Kris-Kristofferson-Songs „Me And Bobby McGee“, „Cry Baby“ und „Try (Just A Little Bit Harder)“. Am 4. Oktober, die Produktion steht kurz vor dem Abschluss, wird sie plötzlich vermisst. Besorgte Freunde lassen ihr Hotelzimmer öffnen, doch die Hilfe kommt zu spät: Sie ist Stunden zuvor an einer Überdosis Heroin gestorben. Die im Januar 1971 postum veröffentlichte Platte wird zu Joplins erfolgreichstem
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Album: „Pearl“ hält sich 42 Wochen in den Billboard-Charts, davon neun Wochen auf Platz eins. Joplins früher Tod ist doppelt tragisch. Nicht nur dass die „Love, Peace and Happiness“-Bewegung der Hippies zwei Wochen nach Jimi Hendrix’ Drogentod am 18. September 1970 mit Joplin eine weitere ihrer Ikonen verliert, Joplin verliert auch ihren eigenen Kampf: Schon seit einiger Zeit hat sie versucht, mit professioneller Hilfe von den Drogen loszukommen. Ein dramatischer Rückfall bringt ihr den Tod. Hinzu kommt, dass der viel besungene „Summer of Love“ vorbei ist, dass sich die Ideale der Hippiebewegung als schal und leer erweisen, dass die Cleveren sich in bürgerliche Berufe flüchten und dort gutes Geld verdienen. Fast prophetisch besingt Janis Joplin diesen Abschied von einem Lebensentwurf in „Mercedes Benz“ (mit einer Minute und 47 Sekunden einer der kürzesten Rocksongs seiner Zeit) und braucht dazu nur wenige Zeilen: „My friends all drive Porsches“, beklagt sie, und dass sie leider noch so viel gutzumachen habe: „I must make amends.“ Und das, obwohl sie nie auf der faulen Haut lag: „Worked hard all my lifetime“, geht die Klage weiter. Der persönliche Erfolg bleibt auch aus, weil es ihr an Unterstützung mangelt: „No help from my friends.“ Getrieben und voller Unrast sehnt sie sich – wohl auch ein wenig augenzwinkernd – nach dem bürgerlichen Leben, das sie als Teenager fluchtartig verlassen hat: „Oh Lord, won’t you buy me a color TV?“ Die Frage allerdings, ob Joplins Wunsch, einen Mercedes, also das Statussymbol des Establishments, zu besitzen, tatsächlich ernst gemeint war oder nur eine weitere ihrer vielen fantasievollen Provokationen, wird nie mehr beantwortet werden können. gf Original: Janis Joplin: „Pearl“ (1971, Columbia, LP)
„Morning has broken / Like the first morning“ aus: „Morning Has Broken“ von Cat Stevens
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Wer noch vor ein paar Jahren zur Website von Cat Stevens (www.catstevens. com) surfte, las einen markanten und erstaunlichen Satz: „I never wanted to be a star …“ Ausgerechnet Stevens, der Millionenhits wie „Peace Train“, „Moonshadow“, „Lady d’Arbanville“ geschrieben hat, wollte das alles eigentlich nicht? Das hat sich nach einer langen Pause inzwischen wieder geändert: Wer die alte Adresse eingibt, wird seit Stevens Comeback 2006 unter dem Namen Yusuf Islam zu seiner neuen Website www.yusufislam.com weitergeleitet. Wer aber Informationen zu seiner Vergangenheit als charismatischer Singer/Songwriter sucht: Das ist vergebliche Mühe.
Rückblick: Cat Stevens wird als Steven Demetri Georgiou – er ist Sohn griechisch-schwedischer Eltern – 1948 in London geboren. Schon früh widmet er sich der Musik, komponiert und textet Songs. Die englische Plattenfirma Decca nimmt ihn unter Vertrag. Nach einigen Hits („I Love My Dog“, „Matthew And Son“) und stressigen Tourneen wird er 1968 mit Tuberkulose, die einen seiner Lungenflügel lahmlegt, in ein Krankenhaus eingeliefert: das vorläufige Ende seiner ersten Karriere. Nach seiner Entlassung aus dem Sanatorium beginnt 1970 das, was Cat Stevens bald sein zweites Leben nennt. Er schreibt nach wie vor Lieder – aber er ist ein anderer Mensch mit anderer Musik. Das bald adaptierte, aber erst 1972 als Single veröffentlichte „Morning Has Broken“ beschreibt die Gefühle eines Menschen, der sich das Leben zurückerobert hat und alles so intensiv wahrnimmt, als wäre es das erste Mal: „Morning has broken, like the first morning / Blackbird has spoken, like the first bird.“ Wie in einem Gebet folgen Zeilen wie „Praise for the springing, praise for the morning / Praise for the springing fresh from the word.“ Irrtümlicherweise wird Cat Stevens als Urheber des hymnischen Songs angesehen: „Morning Has Broken“ war aber ursprünglich eine gälische Kirchliedmelodie namens „Bunessan“, benannt nach einem Ort auf der schottischen Insel Mull. 1931 schrieb die britische Kinderbuchautorin Eleanor Farjeon einen neuen Text – es ist der, den wir heute kennen. 40 Jahre später nimmt Cat Stevens das Lied für seine LP „Teaser And The Firecat“ auf. Als es 1972 als Single veröffentlicht wird, platziert es sich sofort auf Platz sechs der USPopcharts und auf Platz eins der US-Easy-Listening-Charts (!). Bei der Aufnahme ist der klassisch ausgebildete Keyboarder Rick Wakeman (als Mitglied der Rockband Yes weltbekannt geworden) mit im Studio. Neben Stevens’ unnachahmlicher Interpretation des Liedes sind es vor allem Wakemans perlende Zwischenspiele auf dem Klavier, die es so unverwechselbar machen. Dennoch bleibt Wakeman jahrzehntelang irritiert, wie er noch im Jahr 2000 in einem BBC-Radio-Interview erzählte: „Zehn Pfund sollte ich für mein Klavierspiel bekommen. Ich habe sie nie erhalten. Und dann wurde ich noch nicht mal in den Credits erwähnt …“ 1978, nach der Veröffentlichung seiner Platte „Back To Earth“, macht Cat Stevens mit der Karriere Schluss. Sein drittes Leben beginnt: Er hat genug von Starruhm, Stress und Studios, nennt sich Yusuf Islam, tauscht seinen christlichen Glauben mit dem islamischen und zieht sich für lange Jahre zurück. Rückblickend gesehen wirkt „Morning Has Broken“ vor allem mit seinen fast religiösen Schlusszeilen („Mine is the sunlight, mine is the morning / Born of the one light, Eden saw play / Praise with elation, praise
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every morning / God’s recreation of the new day“) wie eine Vorankündigung des religiösen Wandels. Stevens’ viertes Leben beginnt 28 Jahre später, mit der Veröffentlichung der CD „An Other Cup“ im Jahr 2006 unter dem Namen Yusuf. Die größte Überraschung ist, dass der Sänger und Songwriter dabei musikalisch an seine alte Existenz anknüpft – ohne seinen neuen Glauben dafür preiszugeben. Er will sein altes und neues Leben in Einklang bringen, nur noch versöhnend wirken. Wohl auch deshalb entschuldigt er sich bei Rick Wakeman und zahlt ihm das lange überfällige Honorar (und ein bisschen mehr). Enorm viele Künstler haben „Morning Has Broken“ seit 1971 gesungen und eingespielt – darunter Judy Collins, Dana, Neil Diamond, Art Garfunkel, Daliah Lavi, Anni-Frid Lyngstad (ex-ABBA), Nana Mouskouri, Aaron Neville, Demis Roussos und Rick Wakeman. Der Song ist sogar unter dem Titel „Morgenlicht leuchtet“ (in einer deutschen Übersetzung von Jürgen Henkys) im Evangelischen Gesangbuch zu finden, unter der Nummer 455. Allerdings ist von all diesen Versionen meist keine Rede – Cat Stevens’ Interpretation überstrahlt einfach alle. gf Original: Cat Stevens: „Teaser And The Firecat“ (1971, Island, LP; 2008 als CD wieder veröffentlicht)
„My ding-a-ling, my ding-a-ling / Won’t you play with my ding-a-ling?“ aus: „My Ding-A-Ling“ von Chuck Berry
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Es ist eine Tragödie: Alle bezeichnen Chuck Berry („Roll Over Beethoven“) als Vorbild – die Rolling Stones, die Beatles, sogar Bob Dylan. Und doch erreichte der 1926 in St. Louis als Charles Edward Anderson Berry geborene Musiker nie die Chartspositionen von Elvis, Bill Haley oder Jerry Lee Lewis. Beim Blueslabel Chess war er der Erneuerer, der zusammen mit Bo Diddley den Weg in die moderne Rock’n’Roll-Ära wies. Er selbst verehrt Muddy Waters, der ihn einst in die Chicagoer Talentschmiede holte. Die Gitarrenintros seiner Songs sind so genial, dass sie noch ein halbes Jahrhundert später wie unzerstörbare Monolithen im Rockgebirge stehen. Deshalb behauptet auch Keith Richards: „Ohne Chucks Gitarrenriffs wäre ich nie und nimmer Rockmusiker geworden.“ John Lennon äußerte sich ähnlich, doch das weiße US-Publikum der fünfziger Jahre nahm davon wenig Notiz. Tophits wurden Berrys Lieder oft nur in den R&B-Charts, wo sich die Helden der schwarzen Amerikaner tummelten. Dafür werden seine Stücke, etwa „Maybellene“, „Johnny B. Goode“, „Roll Over Beethoven“ und „Sweet Little
Sixteen“, immer wieder gecovert. Letzteres verlor bei den Beach Boys den Beigeschmack der Päderastie und wurde unter dem Titel „Surfin’ U.S.A.“ 1963 ein Riesenhit, der wegen des Plagiats Berrys Anwälte auf den Plan rief. Berry selbst gefiel die Surfversion, die Platz drei der US-Charts erreichte – seine eigene war 1958 bis auf den zweiten Rang geklettert. Auf seinen ersten Nummer-eins-Hit musste Chuck Berry bis 1972 warten. Dieser gelang ihm im stolzen Alter von 46 Jahren mit einer Ode an den Penis: „My Ding-A-Ling“, 1952 von Fats Dominos Partner Dave Bartholomew in einer noch anrüchigeren Variante geschrieben und aufgenommen. 1972 spielte er das Album „The London Chuck Berry Sessions“ ein. Auf der Liveseite dieser Platte findet sich eine ungekürzte, 11:33 Minuten lange Version des Hits. Der Song unterscheidet sich kaum von den anderen Rocknummern, die Berry anderthalb Jahrzehnte zuvor eingespielt hatte. „My ding-a-ling, my ding-a-ling / Won’t you play with my ding-a-ling?“ – diese Zeilen hätten in den Fünfzigern, als etwa „Great Balls Of Fire“ von Jerry Lee Lewis oder „Shake, Rattle And Roll“ von Big Joe Turner heiß diskutiert und aus den Radios verbannt wurden, für ziemlichen Wirbel gesorgt. Doch die Zeiten haben sich geändert: 1972 wird das Lied überall gespielt. Man lächelt über das alt gewordene Bübchen, das nett und unschuldig fragt, ob jemand mit seinem Genital spielen will. Berrys Text provoziert niemanden mehr. Dem Rock’n’Roll geht’s ähnlich: Längst etabliert, ist er zur Gelddruckmaschine für die Musikkonzerne verkommen. Berry weiß das und lässt den Song deshalb mild ironisch enden: „And those of you who will not sing / Must be playing with your own ding-a-ling.“ mp Original: Chuck Berry: „The London Sessions“ (1972, Chess, LP), weitere Version: Dave Bartholomew: „My Ding-A-Ling“ (1952, King, Single)
„Hope I die before I get old“ aus: „My Generation“ von The Who Als The Who am 13. Oktober 1965 ins Studio gehen, ahnen sie nicht, welch gewaltigen Song sie in dieser Nacht einspielen werden. Zwar ist die Aufnahme von „My Generation“ erst nach einigen Anläufen perfekt, doch der Song fällt – wie das in derselben Nacht aufgenommene „I Can’t Explain“ – im Vergleich zu den vielen anderen Songs, die sich zu dieser Zeit in den Charts tummeln, völlig aus dem Rahmen: Keine harmonieseligen Vocals ertönen, kein „Schubi-du“-Chor, kein Mitsingrefrain. Stattdessen treiben John Entwistles knochentrockener Bass, Keith Moons pausenlos wirbelndes Schlagzeug und Pete Townshends verzerrt gewitternde Gitarrenakkorde den hochenergetischen
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Song unbarmherzig voran. Dem Sänger Roger Daltrey bleiben vor Wut und Kraft die Worte fast im Hals stecken. „Hope I die before I get old“, brüllt Daltrey ins Mikro und stottert rhythmisch weiter: „T-t-t-talkin’ ’bout my generation.“ Eine neue Generation meldet sich zu Wort, und die hat klare Vorstellungen: Wenn sich die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ändern – die Spießigkeit, die Engstirnigkeit, die Verbohrtheit, die Reglementierungen und die Dogmenreiterei –, dann „sterbe ich lieber, bevor ich alt werde …“ Die Zeile „People try to put us down“ ist der Vorwurf an die Altvorderen, den Kids ihren Spaß und ihre Ideen verbieten zu wollen und die Forderungen einer unzufriedenen und vorwärts drängenden Generation zu ignorieren. Stellvertretend für diese Jugend artikulieren The Who das vorherrschende Lebensgefühl: „The things they do look awful cold.“ Auf ausgedehnten Clubtouren spielten The Who „My Generation“ mit zerstörerischer Wut (am Schluss der Konzerte schlugen sie regelmäßig ihre Instrumente kurz und klein) und einer solchen Überzeugungskraft, dass sich der Song tatsächlich zur Jugendhymne entwickelte. Der klassische Generationenkonflikt, der hier so mitreißend artikuliert wird, ließ die Single bis auf Platz zwei der britischen Charts steigen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Zeile „Hope I die before I get old“ dem Autor des Songs, Pete Townshend, ein paar Jahrzehnte später ein wenig peinlich ist. Aus dem Konzertprogramm der Band ist der Song dennoch nie gestrichen worden – der Geist der Botschaft ist schließlich der gleiche geblieben. Als Statement einer Jugend, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und verändern will, ist der Song immer wieder von Neuem faszinierend und gültig. Es ist also kein Wunder, dass Oasis, Green Day und viele andere den Song coverten und selbst eine Band wie Limp Bizkit mit ihrem Crossover aus Rap, Rock und Nu Metal in ihrem gleichnamigen eigenen Song im Jahr 2000 Roger Daltreys Stottergesang zitierte. „My Generation“ – ein Song als Stimme nicht nur einer Generation. gf Original: The Who: „ My Generation“ (1965, Brunswick, LP)
„Once more you open the door / And you’re here in my heart / And my heart will go on“ Aus: „My Heart Will Go On“ von Celine Dion
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James Camerons Film „Titanic“ spielte 1997/1998 die unglaubliche Summe von über einer Milliarde Dollar ein, wurde mit Oscars überhäuft, machte Leonardo di Caprio und Kate Winslet zu Weltstars – und die Titelmelodie wurde
für Celine Dion 1998 ebenfalls zum Welthit und mit einem Oscar prämiert. Will Jennings schrieb den Text, der „Titanic“-Komponist James Horner die Musik. „Als James anrief und mir von dem Titanic-Projekt erzählte, war ich erst einmal skeptisch“, sagt Jennings. „Ich hatte zu viel Negatives über die Dreharbeiten gehört. Aber ich mochte die Melodie und die Figur Rose sofort.“ Nur: Wie sollte er den Text schreiben, ohne Filmszenen sehen zu können? Da erinnerte sich Jennings an eine Töpferin namens Beatrice Wood, die er ein paar Jahre zuvor in Ojai in Kalifornien kennen gelernt hatte. Wood war vor dem Ersten Weltkrieg die Liebhaberin von Marcel Duchamps in Paris und kehrte in den vierziger Jahren nach Kalifornien zurück. Jennings besuchte die Premiere eines Films, der auf ihrer Romanze in Paris und ihren späteren Abenteuern in Greenwich Village beruht. Später, auf der Premierenfeier, holte sich Jennings das obligatorische Glas Wein, „als plötzlich die Tür aufging – und da stand sie“, so Jennings. „Als sie mir die Hand gab, wusste ich sofort: Über sie muss ich schreiben, ich bekam sie nicht mehr aus meinem Kopf.“ „Every night in my dreams / I see you, I feel you“ oder „Once more you open the door / And you’re here in my heart / And my heart will go on“ – Zeilen, die perfekt zu Jennings’ Erlebnis und auch zur Liebesgeschichte von Rose passen. Die eigentliche Überraschung erlebt der Texter allerdings bei den Golden-Globe-Verleihungen, als er erstmals Regisseur James Cameron kennen lernt: „Ich erzählte ihm von dieser fast 100-jährigen Frau, die mir als Inspiration diente, und plötzlich begann er zu lachen: Auch er habe sich, beteuerte er, für die Figur der Rose von eben dieser Beatrice Wood inspirieren lassen.“ Beatrice Wood starb 1998 wenige Tage vor der Oscar-Verleihung im Alter von 104 Jahren. gf Original: Soundtrack: „Titanic“ (1997, Sony Classical, CD)
„Ich sprüh’s auf jede Wand: Neue Männer braucht das Land“ aus: „Neue Männer braucht das Land“ von der Ina Deter Band Mit 14 steht Ina Deter mit vier weiteren Mädchen als Skifflegruppe Lucky Girls in ihrer Heimatstadt Berlin zum ersten Mal auf der Bühne. Später zieht sie als „Klampfenelse“ (Deter über Deter) von Club zu Club und singt Lieder von Joan Baez und Bob Dylan. Nebenbei studiert sie Grafik, zieht 1969 wegen eines Jobs in einer Werbeagentur nach Köln, engagiert sich in einer Frauen-
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gruppe und vergisst darüber fast die Musik. 1974 nimmt sie den Song „Ich habe abgetrieben“ auf: ein freimütiges Bekenntnis zu einem bis heute heftig umstrittenen Thema. „Ausschlaggebend war dabei der kurzfristig abgesetzte Abtreibungsbeitrag von Alice Schwarzer in ‚Panorama‘“, sagte sie später. „Die Motivation war so stark, dass ich alle Hemmungen über Bord warf und mir meine Wut vom Leibe schrieb.“ Den Ruf der „Emanzenzicke“ ist sie seither nicht mehr losgeworden. Vier Jahre später steht sie in der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix d’Eurovision – das Rennen macht zwar der harmlose Les Humphries mit „Sing Sang Song“ (weil Tony Marshall disqualifiziert wird), doch Deters Wettbewerbsbeitrag „Wenn du so bist wie dein Lachen“ wird dennoch ihr erster größerer Erfolg. 1982 nimmt sie den Song auf, dessen Titel zum geflügelten Wort wird. „Neue Männer braucht das Land“, schlagzeilt sie frech – und hat dafür gute Gründe: „Ich erinnere mich immer noch sehr schmerzhaft daran, erst geliebt zu werden, wenn man sich die Liebe erarbeitet hat“, erzählt sie bald danach der „taz“. „Wenn ich nur an unsere Geburtstagsfeiern denke, wo Onkel Heinz allen immer was zugetraut hat, nur den weiblichen Familienmitgliedern nicht. Da habe ich Trotz entwickelt. Jetzt gerade, ihr Arschlöcher!“ Das Lied kommt 1982 genau zur richtigen Zeit. Die große Annäherung der Geschlechter hat sich totgelaufen, die Latzhosen, Vollbart und Birkenstocksandalen tragenden Softies sind – als Gegensatz zu den Chauvis – auch kein Erfolg versprechendes Männermodell. „Die Softies sind die Schlimmsten“, meint Deter. „Die erzählen dir, dass sie alles gerafft haben, wie viel Mühe sie sich geben und wie schwer sie es haben. Aber in Wirklichkeit wollen sie nur dein Mitleid und dich ausnutzen.“ Ihre Lösung des Problems: „Ich sprüh’s an jede Wand / Neue Männer braucht das Land.“ Der Ohrwurmcharakter des Liedes ist phänomenal – den Sendeanstalten öffentlichen Rechts ist die Botschaft dennoch nicht geheuer: Der Saarländische Rundfunk setzt den Song auf den Index, der NDR sieht in dem Graffitifreundlichen Refrain sogar eine Aufforderung zur Sachbeschädigung und reagiert mit einer Strafanzeige. Doch der Boykott hat nur eines zur Folge: Er sichert den Erfolg. Leid tut Ina Deter, dass sie sich im Gegensatz zu Don McLean und dessen Song „American Pie“ nie den Slogan patentieren ließ: „Das war mein größter Fehler.“ Gegen eine Jeans-Firma, die damit wirbt, prozessierte sie drei Jahre lang – und verlor in letzter Instanz. gf Original: Ina Deter: „Neue Männer braucht das Land“ (1982, Fontana, LP) 134
„Hast du etwas Zeit für mich / Dann singe ich ein Lied für dich / Von 99 Luftballons“ aus: „99 Luftballons“ von Nena Oktober 1982: Die Angst vor einem Krieg geht um. Die Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses, der die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland vorsieht, sorgt für Unruhe in der Bevölkerung und führt zu zahlreichen Demonstrationen. Während die Friedensbewegung wächst und sich in Aktionswochen gegen Cruise Missiles und Pershing II wehrt, besetzen am 25. Oktober US-Truppen die karibische Insel Grenada – für die Menschen weltweit ein Symbol der militärischen Aggressivität der USA. Die allgemeine Angst vor dem Atomkrieg, vor dem unberechenbaren USPräsidenten Ronald Reagan, dem zugetraut wird, dass er plötzlich auf den roten Knopf drückt und damit die Katastrophe auslöst, findet ihre Entsprechung auch in Popsongs: Mal wird direkt gegen den ehemaligen Schauspieler an der Spitze der Weltmacht agiert wie in „(We Don’t Need This) Fascist Groove Thang“ von Heaven 17, mal wird ein düsteres Endzeitszenario entworfen, in dem „graue B-Film-Helden die Welt regieren“ („Ein Jahr (Es Geht Voran)“ von Fehlfarben). Aber ein einfaches und scheinbar naives Lied drückt die Stimmung der Menschen am besten aus – Nenas im Januar 1983 veröffentlichtes „99 Luftballons“. Die 1960 in Hagen geborene Susanne Kerner und ihre Band werden zu den letzten Ikonen der abflauenden Neuen Deutschen Welle. Produziert von den Spliff-Musikern („Carbonara“) und ehemaligen Mitgliedern der Nina Hagen Band Reinhold Heil und Manfred Praeker, gelingen der Gruppe Nena eine Reihe von Hits, etwa „Nur geträumt“ und „Leuchtturm“. Aber die Geschichte von den 99 Luftballons, die als Symbol für den Frieden gen Himmel steigen, wird ihr größter Erfolg: Das Lied wird nicht nur in Deutschland Nummer eins, mit einem Jahr Verspätung erklimmt es sogar Platz zwei der US-Charts. „99 red balloons / Floating in the summer sky / Panic bells, it’s red alert / There’s something here from somewhere else / The war machine springs to alive“ – der direkte Vergleich mit dem deutschen Original offenbart, dass Nena in der englischen Version deutlichere Worte gegen Krieg und Militarismus findet: „99 Luftballons auf ihrem Weg zum Horizont / Hielt man für UFOs aus dem All / Darum schickte ein General / ’ne Fliegerstaffel hinterher / Alarm zu geben, wenn’s so wär.“ Was überall auf der Welt ankommt, ist Nenas schlichter, fast an ein Kinderlied erinnernder Gesang und die gelungene Schilderung des Albtraums, der musikalisch so überaus charmant verpackt worden ist: „99 Jahre Krieg / Ließen keinen Platz für Sieger / Kriegsminister gibt’s nicht mehr / Und auch keine Düsenflieger.“
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Am Ende malt Nena ein Bild der endgültig zerstörten Erde: „In this dust that was a city“ / „Seh’ die Welt in Trümmern liegen“. Zwischen den kaputten Resten der menschlichen Zivilisation findet sie einen roten Luftballon, den sie erneut fliegen lässt … mp Original: Nena: „Nena“ (1984, CBS, LP)
„Nights in white satin / Never reaching the end“ aus: „Nights In White Satin“ von The Moody Blues
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1967 ist in der Rock- und Popgeschichte ein Jahr der Experimente: Die Beatles lassen auf der LP „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ zu „A Day In A Life“ eine Heerschar von Streichern sinfonisch fiedeln, Procol Harum modellieren eine Bach-Kantate zum Dauerhit „A Whiter Shade Of Pale“ um – und The Moody Blues konzipieren den ersten Pop-Goes-Classic-Zwitter. Mit dem London Festival Orchestra unter dem Dirigenten Peter Knight skizzieren Justin Hayward, John Lodge, Graeme Edge, Mike Pinder und Ray Thomas auf „Days Of Future Passed“ einen Tagesablauf als poppig-sinfonische Synthese. Die Musik hat den Charakter eines Soundtracks und lässt lautmalerisch Bilder entstehen: Der noch junge Tag rekelt sich verschlafen („The Day Begins“), erst allmählich weichen die einlullenden Streicher quirligen Holz- und Blechbläsern, die voller Elan auftrumpfen („The Morning, Another Morning“, „Lunch Break, Peak Hour“). Mal separat, mal eng verwoben, mal verhalten, mal rockig geben die Moody Blues ihre stimmigen Pop-Harmonien dazu und entlassen den Hörer schließlich mit dem Schmuseklassiker „Nights In White Satin“ in die Nacht. Es gibt Bands, die bauen ihre ganze Karriere auf dem Erfolg eines Songs auf – die 1964 in London gegründete Band The Moody Blues gehört dazu. Der Erfolg ihrer ersten Single „Go Now“ verhilft ihnen zu Einnahmen in Höhe von 125.000 Dollar, doch das unsaubere Management lässt ihnen davon gerade einmal 600 Dollar übrig. 1966 treten sie mit den Beatles in den USA auf – pro Person wird ihnen da ein Taschengeld von drei Dollar täglich zugestanden. Die Malaise hat erst ein Ende, als sie 1972 – also sechs Jahre später – die Single „Nights In White Satin“ und die LP „Days Of Future Passed“ noch einmal veröffentlichen. Die Single steigt schnell auf Platz zwei der US-Charts – und bleibt der einzige große Hit von The Moody Blues. Die Band verkauft von LP und Single über die Jahre 16 Millionen Exemplare. Die Geschichte von „Nights In White Satin“ ist die vieler Teenager: „Als ich jünger war“, erzählt der Sänger und Gitarrist Justin Hayward, „schrieb ich viele Briefe an Mädchen, die mir untreu waren. Aber ich habe sie nie abgeschickt.
Das hat mich zu den Zeilen dieses Liedes inspiriert.“ Diese Zeilen sind deutlich: „Beauty I’d always missed / With these eyes before / Just what the truth is / I can’t say anymore.“ Und die einsamen Nächte scheinen für den an Liebeskummer leidenden Teenager kein Ende mehr zu nehmen: „Nights in white satin / Never reaching the end / Letters I’ve written / Never meaning to send.“ gf Original: The Moody Blues: „Days Of Future Passed“ (1967, Deram, LP)
„There are nine million bicycles in Beijing, that’s a fact“ aus: „Nine Million Bicycles“ von Katie Melua Tiflis/Georgien, Moskau/Russland, Belfast/Nordirland und Redhill/England: Das sind die Kindheitskoordinaten von Katie Melua, die erst 2005 die britische Staatsbürgerschaft annimmt, daneben aber die georgische behält. Ihre multikulturelle Herkunft hat sicher großen Anteil daran, dass es bereits auf ihrem ersten Album „Call Off The Search“ (2004 in Deutschland erschienen) von musikalischen Einflüssen nur so wimmelt: Jazz, Blues, Folk und eine Prise Rock bilden in den Songs eine herrlich faszinierende musikalische Melange. „Nine Million Bicycles“ findet sich auf Meluas zweiter CD „Piece By Piece“. Ihr Entdecker, Manager und Produzent Mike Batt, früher selbst erfolgreicher Musiker und Komponist der Titelmelodie von „Wetten dass …?“, schrieb das Lied nach einem gemeinsamen Besuch in Peking. Der Anlass: Melua schätzte beim Herumlaufen in der chinesischen Stadt, dass es mehr als neun Millionen Fahrräder in Peking geben müsse. Es ist nur eine kleine Bemerkung – aber Mike Batt macht daraus ein wundervolles Lied. Auch weil er und Melua im Text gekonnt mit großen Gegensätzen spielen: Von den profanen Fahrrädern spannt sich der Bogen bis zur ewigen Liebe („I will love you till I die“), von der Weltbevölkerung bis zu dem einen, dem die ganze Liebe gehört („There are six billion people in the world / More or less / And it makes me feel quite small / But you’re the one I love the most of all“). Mit der zweiten Strophe des Songs, in der sie mit ihrer so unschuldig klingenden Kleinmädchenstimme „We are twelve billion light years from the edge / That’s a guess / No one can ever say it’s true ...“ singt, handelt sie sich aber öffentlichen Ärger ein. Der studierte Physiker, Bestsellerautor und renommierte britische Wissenschaftsjournalist Simon Singh wirft ihr kurz nach der Veröffentlichung der Single in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ völlige Unkenntnis der Materie vor: „Wenn sie singt, dass das Ende des Universum zwölf Milliarden Lichtjahre entfernt und dass das noch dazu nur eine Schätzung sei, dann ig-
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noriert sie schlicht den Fortschritt, den die Astronomie in den letzten hundert Jahren gemacht hat“, schimpft Singh. „Das impliziert doch auch, dass das Universum nur zwölf Milliarden Jahre alt ist.“ Singh wütet weiter: „Sie mag ja poetische und melodische Gründe gehabt haben, es so zu formulieren. Aber die Arbeit von Tausenden Astronomen, die sich bemühen, unser Universum korrekt zu vermessen, einfach außer Acht zu lassen, ärgert mich schon sehr. Zumal ziemlich präzise Daten vorliegen, die auf 13,7 Milliarden Lichtjahre schließen lassen.“ Die Lösung des Konflikts wird dafür sehr britisch gehandhabt: Singh und Melua treffen sich, er erklärt ihr die Materie und schlägt ihr neue Verse vor, die sie augenzwinkernd und ironisch aufnimmt: „We are 13,7 billion light-years from the edge of the observable universe, that’s a good estimate with well-defined error bars / And with the available information, I predict that I will always be with you.“ Dem Erfolg der Single hat der vermeintliche Fehler nicht geschadet: Sie stieg bis auf Platz fünf der britischen Charts – Katie Meluas erster Top-Five-Erfolg überhaupt. Schon ihre erste CD hat sich weltweit 1,8 Millionen Mal verkauft und in Großbritannien sechs Mal Platin abgeräumt. Auch wenn Musikmonolithen wie die Beatles und die Rolling Stones nicht so schnell zu übertreffen sein werden, so setzt doch auch Melua Maßstäbe: Nach dem Erscheinen der CD „Piece By Piece“ brechen die Dämme, ist ihr Siegeszug nicht mehr zu stoppen. 2006 ist Katie Melua mit 22 Millionen verkauften CDs die erfolgreichste britische Künstlerin überhaupt. Und noch einen Rekord stellt sie auf, wenn auch einen der etwas anderen Art: Sie spielt am 3. Oktober 2006 auf dem Boden der Bohrinsel „Sea Troll“ in der Nordsee 303 Meter unter dem Meeresspiegel – es ist das bis dahin tiefste Unterwasserkonzert, das jemals stattgefunden hat. 22 Tonnen Material mussten zuvor zur Bohrinsel transferiert werden, 16 Hubschrauber und drei Schiffsladungen waren nötig. Dafür gibt es dann auch einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. Der Auftritt und die schwierigen Vorbereitungen dazu sind auf YouTube zu sehen. gf Original: Katie Melua: „Piece By Piece“ (2005, Dramatico, CD)
„How could they know just what this message means / The end of all my hopes, the end of all my dreams“ aus: „No Milk Today“ von Herman’s Hermits
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Im Februar 1964 schweben die Beatles („Yesterday“, „Let It Be“) in New York ein und erobern die USA im Triumphzug. Als ihr erster Film „A Hard Day’s Night“ – hierzulande „Yeah Yeah Yeah“ betitelt – anläuft, nimmt der Kult
um John, Paul, George und Ringo endgültig manische Ausmaße an. In ihrem Windschatten schafft fast jede Gruppe mit englischem Akzent in den Staaten den Sprung in die Charts. Die „Britische Invasion“, wie Zeitgenossen dieses Phänomen bezeichnen, führen 1964 die Animals („The House Of The Rising Sun“), Manfred Mann, Herman’s Hermits, die Troggs, die Searchers, die Zombies („She’s Not There“) und die Rolling Stones an. Gegen die Briten behaupten können sich zumindest zu jener Zeit nur die Beach Boys, die Four Seasons und die künftigen Motown-Superstars The Supremes mit ihrer Vorsängerin Diana Ross. Herman’s Hermits gingen aus der 1962 im englischen Manchester gegründeten Amateurband The Heartbeats hervor und entschlossen sich 1963, Profis zu werden. Die Band verdankte es vor allem dem gefälligen Aussehen (ein wenig wie ein junger US-Präsident Kennedy) und der glatten, eingängigen Stimme ihres Sängers Peter Blair Denis Bernard Noone, dass sie 1965 (allerdings nur in diesem Jahr) weltweit mehr Singles verkauften als die Beatles und bis zu ihrer Auflösung 1969 nicht weniger als 17 Top-Ten-Hits verbuchten. Doch die ganze Zeit über litt die Band unter einem Problem, das so beschrieben werden kann: gewogen und für zu leicht empfunden. Ihre Songs – oft von Mickie Most („Mellow Yellow“, „Kids In America“) produziert, Großbritanniens damaligem Topstudiomann – sind leicht konsumierbare Lieder, flotter Teeniebeat, typische Eintagsfliegen. Als ihre Karriere 1966 erste Ermüdungserscheinungen zeigt, lernen die Musiker den späteren 10cc-Gründer Graham Gouldman („I’m Not In Love“) kennen. Er will ihnen ein seriöseres Image verpassen und schreibt auch den Song „No Milk Today“ – es wird einer ihrer letzten, aber ihr größter Hit und erscheint auf der im Februar 1967 veröffentlichten LP „There’s A Kind Of Hush All Over The World“. Der Text des Liedes erzählt von einer verflossenen Liebe („No milk today, it wasn’t always so / The company was gay, we turn’d night into day / As music played, the faster did we dance / We felt it both at once, the start of our romance“) und schwelgt in Pathos und Melancholie: „How could they know just what this message means / The end of all my hopes, the end of all my dreams / How could they know a palace there had been / Behind the door where my love reigned as queen“). Ob mit „Milk“ zweideutig Sperma gemeint ist („gay“ kann beides heißen: schwul, aber auch lustig, vergnügt, fidel) oder doch nur die Milchflaschen, die in Großbritannien und den USA morgens fast jedem Haushalt geliefert werden („The bottle stands forlorn, a symbol of the dawn“), bleibt offen. Der Versuch, zu provozieren und sich als Musiker mit Tiefgang zu präsentieren, geht gründlich schief: Zu groß ist der Widerspruch zwischen dem
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adretten Auftreten der Band (immer im feschen Anzug), der fröhlich plätschernden Melodie und dem transportierten Inhalt. Da hilft es auch nicht, dass sie für das Originalcover der Single vor einer blanken Fabrikziegelmauer posieren. Hinzu kommt, dass 1967 auch die Beatles-LP „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ erscheint, die die Popmusik drastisch verändern wird. Die große Zeit der Hermits ist damit zwar endgültig vorbei, aber einige Fans bleiben: Für sie tingeln Peter Noone und Schlagzeuger Barry Whitwam mit zwei Besetzungen der Band noch heute durch die Lande. gf Original: Herman’s Hermits: „There’s A Kind Of Hush All Over The World“ (1967, EMI, LP)
„Whatever happened to / All the heroes? / All the Shakespearos?“ aus: „No More Heroes“ von The Stranglers
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Auf einer älteren, nicht mehr existierenden Homepage der Stranglers war eine kurze, aber stimmige Beschreibung der Texte zur zweiten LP der Band zu lesen: „Das Album ‚No More Heroes‘ fing den Geist von 1977 ein. Lyrisch das Beste …“ Das Jahr 1977 ist das Jahr des Punk, und die Songs der Stranglers fügen sich in den rüden Kontext prima ein. Besser jedenfalls als die Gruppe selbst, die sich ursprünglich Guildford Stranglers nannte. Denn Sänger Hugh Cornwell und seine Jungs sind keine Teenager mehr, die mit Sicherheitsnadel in der Backe gegen das Establishment aufbegehren. Sie sind eigentlich Teil der in den frühen siebziger Jahren entstandenen Pub-Rock-Szene, zu der zum Beispiel auch Dr. Feelgood („Milk And Alkohol“) und Brinsley Schwarz („Country Girl“) zählen. Den Punk nutzt die Gruppe jedoch als Karrieresprungbrett: Wenn das Chaos zum Image gehört, dann prügelt man eben unliebsame Zeitgenossen oder verwüstet Hotelzimmer. Auch zu politisch unkorrekten, sexistischen Sprüchen lässt man sich hinreißen: „Frauenbewegung ist okay, ich mag es immer, wenn sich eine Frau unter mir bewegt.“ Dieser Satz von Hugh Cornwall geistert durch alle Witzseiten, er findet sich an den Wänden unzähliger Schultoiletten. Die Texte ihrer Songs hingegen sind keine plumpen Anbiederungen an den Zeitgeist, schon das Debütalbum „Rattus Norvegicus“ (ebenfalls aus dem Jahr 1977) zeigt, dass die Stranglers mit wenigen Worten Stimmungen einfangen, in kluge Gedanken fassen und sie in rockigen Songs transportieren können. Besonders gut gelingt ihnen das mit einem Lied, das zum Evergreen wird: „No More Heroes“.
Besungen werden die untergegangenen Helden der Geschichte: „Whatever happened to Leon Trotsky? / He got an ice pick / That made his ears burn.“ Kommunist und Lenin-Mitstreiter Leo Trotzki (in englischsprachigen Ländern wird sein Name Leon Trotsky geschrieben) wurde in Mexiko von einem Agenten Stalins mit einem Eispickel traktiert und starb an den Verletzungen. Das geschah 1940, 37 Jahre bevor die Stranglers „No More Heroes“ aufnahmen. Im Gegensatz zum Text des Underground-Kulthits „Kill Yr Idols“ von Sonic Youth, der zum Meuchelmord an Vorbildern aufruft, zerstört die Band die Legenden nicht selbst. Das erledigt der Tod, auch wenn er im Song nicht genannt wird: Er ist die Antwort auf die Frage „Whatever happened to the heroes?“ Sie sterben und müssen vorher noch zusehen, wie ihr Lebenswerk in Flammen aufgeht: „Whatever happened to all the heroes? All the Shakespearos? / They watched their Rome burn.“ Einen Ausweg zeigt das Lied nicht auf, es vermittelt nur die Botschaft, dass alle Helden, und mögen sie noch so Hervorragendes geleistet haben, garantiert vergessen werden. Man kann es sich also sparen, nach Ruhm und Unsterblichkeit zu trachten. Ein anderer Song der LP „No More Heroes“ rät deshalb, im Hier und Jetzt zu leben, den Moment zu genießen, Vergangenheit und Zukunft zu vergessen: „Burning Up Time“. Punk intellektualisiert sich: Die Stranglers verbinden auch mit ihren nächsten Platten, mit dem Meisterwerk „Black And White“ und mit „The Raven“, die „No Future“-Attitüde des Punk mit einem kulturpessimistischen Überbau, der meilenweit entfernt vom Leben britischer Teenager der siebziger Jahre ist: Wer war eigentlich Trotzki? mp Original: The Stranglers: „No More Heroes“ (1977, United Artists, LP)
„Little darling, don’t shed no tears / No woman, no cry“ aus: „No Woman, No Cry“ von Bob Marley & The Wailers Die Zeile kann leicht missverstanden werden: „No woman, no cry“ heißt aber eben nicht „Keine Frau, kein Geschrei“, wie rigide angewandtes Schulenglisch vermuten ließe, sondern: „Nein, Frau, weine nicht.“ Bob Marley erzählt eine Geschichte, die von seinem Mentor Vincent „Tata“ Ford stammt: Eine Nachbarin steht nach einem heftigen Ehestreit weinend im Hof, dem „Government Yard“ im Kingstoner Stadtteil Trenchtown. Ford versucht sie zu trösten und widmet ihr dieses Lied: „No Woman, no cry / No woman, no cry / Little darling, don’t shed no tears / No woman, no cry“, und er wiederholt: „Everything’s gonna be alright.“
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Der 1945 als Sohn eines britischen Offiziers und einer Jamaikanerin geborene Robert Nesta Marley kennt nicht nur diese Geschichte, er kennt auch den Hof, in dem sie sich zugetragen hat: Dort parkt jahrelang der VW-Bus, mit dem er und seine Begleitband, die Wailers, durch Jamaika touren. Das Wrack des Fahrzeugs steht noch immer an diesem Platz und ist heute eine Pilgerstätte der Fans des Reggaekönigs. Marley nahm „No Woman, No Cry“ für sein 1974 erschienenes Album „Natty Dread“ auf, für ihn war die Ballade eine Hymne an die Frau an sich. Die Besungene steht für alle Mütter, Ehegattinnen und Freundinnen, die den Launen und der Macht der Männer ausgeliefert sind. Er singt von dem schwierigen Weg in eine bessere Zukunft: „Oh, good friends we’ve lost / Along the way / In this bright future / You can’t forget your past / So dry your tears, I say.“ Der tiefere Sinn des Liedes erschließt sich freilich erst im Verbund mit den anderen Songs der LP. Es steht inhaltlich zwischen realistischen Zustandsbeschreibungen („Talkin’ Blues“, „Them Belly Full (But We Hungry)“) und Aufforderungen zum Handeln („Lively Up Yourself“, „Rebel Music“, „Revolution“). „No Woman, No Cry“ ist als Single kein großer Hit, doch der Song wird zum häufig gecoverten und oft zitierten Evergreen: Die New Yorker Rapgruppe Naughty By Nature beschreibt 1991 zur Marley/Ford-Melodie das Aufwachsen eines weiteren „Ghetto Bastards“. Bei ihnen heißt der Song „Everything’s Gonna Be Alright“ und verkommt zum puren Zynismus. Diese Fassung landet in den USA in den Charts, aber erst die Fugees („Killing Me Softly With His Song“) machen das Lied tatsächlich zum Welthit. Ihre Version von „No Woman, No Cry“ erzählt ebenfalls von Sozialabbau und Hoffnungslosigkeit: „Bisschen Kohle, was zum Rauchen, zum Trinken / Meine Gang bin ich jetzt los. Saufen hilft / Als Einziges.“ mp Original: Bob Marley & The Wailers: „Natty Dread“ (1974, Tuff Gong, LP), weitere Versionen: Naughty By Nature: „Naughty By Nature“ (1991, Tommy Boy, CD), The Fugees: „The Score“ (1996, Ruffhouse, CD)
„They call it Nutbush, oh Nutbush, Nutbush city limits“ aus: „Nutbush City Limits“ von Ike & Tina Turner
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„Nutbush City Limits“ ist einer der wenigen Songs, die Tina Turner im Alleingang schrieb. Ihr damaliger Ehemann Ike produzierte das Lied, wie fast alle Songs des Duos. Die treibende Leadgitarre soll Marc Bolan von T. Rex („Children Of The Revolution“) gespielt haben, der das musikalische Ehepaar noch öfter unterstützte – unter anderem bei „Sexy Ida“ und „Baby, Get It
On“. Als „Nutbush City Limits“ im Mai 1973 die Charts hochklettert, ist das Duo Ike & Tina nach siebenjähriger Pause erstmals wieder in den britischen Top Ten vertreten. Mit dieser krachenden R&B-Nummer, den Text mehr nervös gehechelt als gesungen, setzt Tina Turner ihrer Geburtstadt Nutbush ein Denkmal. Annie Mae Bullock, so Turners Geburtsname, wuchs in einer Stadt auf, die aus nicht viel mehr als „einer Kirche, einer Kneipe, einer Schule und einer öffentlichen Toilette“ („Church house, gin house, school house, out house“) bestand. Sogar ihre frühere Adresse gibt sie bekannt: „Highway number 19“. Übersichtlich ist die Stadt, klein und sauber („The people keep the city clean“), das Leben klar geregelt („25 was the speed limit / Motorcycle not allowed in it / You go to store on Friday / And to church on Sunday“). Aber einem wilden, zappeligen und unternehmungslustigen Teenager setzt diese „Little ol’ town in Tennessee“, deren Menschen wochentags auf dem Feld arbeiten und an Feiertagen Picknick machen („You go to field on week days / And have picnic on labor day“), allzu enge Grenzen: „Nutbush city limits“. Immerhin: In dieser „Quiet little ol’ community“ lernt Annie Mae Bullock bei Kirchenvorführungen singen und tanzen, und im Jahrbuch ihrer Highschool ist vermerkt, dass sie sich als zukünftigen Beruf „Entertainer“ vorstellt. Ziemlich weitsichtig … Drei Jahre nach dem Hit überwindet Tina Turner dank dieses Erfolgs eine weitere Grenze: Sie bricht aus ihrer Ehe aus. Ehemann Ike kommt mit dem erstarkenden Selbstbewusstsein seiner Frau Tina nicht zu Rande, betrügt und prügelt sie regelmäßig und hält sie zeitweise wie eine Gefangene. Anfang Juli 1976 flieht Tina Turner, blutüberströmt, mit zugeschwollenem Gesicht, 36 Cents Bargeld und einer Kreditkarte aus einer gemeinsamen Suite im Hilton Hotel in Dallas, Texas. Am 29. März 1978 wird die Ehe geschieden. gf Original: Ike & Tina Turner: „Nutbush City Limits“ (1973, United Artists, LP)
„All my love, all my kisses / You don’t know what you’ve been missing“ aus: „Oh, Boy!“ von Buddy Holly Dieses Leben ist zu kurz: Buddy Holly blieben von der Aufnahme seines ersten Hits „That’ll Be The Day (When I Die)“ bis zu seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz am 3. Februar 1959 nur knapp zwei Jahre. Holly wurde lediglich 22 Jahre alt, seine Karriere dauerte gerade mal 20 Monate – zu wenig Zeit, um die Entwicklung vom Countryrocker zum Rockstar moderner Prägung oder zum Crooner wie Frank Sinatra (die Arrangements seiner späteren Songs wie „Everyday“ weisen in diese Richtung) zu vollenden.
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Mit Songs wie „That’ll Be The Day“, „Peggy Sue“ „Rave On“ oder eben „Oh, Boy!“ schuf er aber die Grundlage für die Pop- und Rockmusik der sechziger Jahre – was zunächst nicht allzu viele bemerkten. Zu den wenigen gehörten immerhin Don McLean, der Hollys Tod in seinem Song „American Pie“ verarbeitete, aber auch Paul McCartney („Band On The Run“), der Buddy Holly 1958 bei seiner Englandtournee sah und heute die Rechte an all seinen Songs besitzt. „Oh, Boy!“ erscheint 1957 als Single, vier Wochen nach „Peggy Sue“. Beide werden Hits, und sie gehören auch inhaltlich zusammen: „Peggy Sue“ ist zwar eine einzige Hymne auf ein Mädchen namens Cindy Lou, zu jener Zeit die Freundin des Holly-Schlagzeugers Jerry Allison – aber welches Mädchen will nicht so wunderbar angebetet werden wie eben diese Cindy Lou/Peggy Sue? „Oh, Boy!“ hingegen beschreibt den Übergang von der Anbetung zur entscheidenden Phase des Aufreißens, die gerade den Jungs – „Oh, Boy!“ – in der Regel viel Mut abverlangt: „Tonight there’ll be no hesitating / (…) / I’m gonna see my baby tonight!“ Aber der Junge weiß sehr wohl, was er tun muss, um sie auf seine Seite zu ziehen: „All my love, all my kisses, / You don’t know what you’ve been missing …“ Suggestiver und mitreißender kann das fiebrige Gefühl vor dem Beginn einer Liebesromanze wohl nicht intoniert werden. gf Original: The Crickets: „The ‚Chirping‘ Crickets“ (1957, Brunswick, LP)
„Here’s what I do with my money / I call Pennsylvania 6-5000“ aus: „Pennsylvania 6-5000“ von Glenn Miller & His Orchestra
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Was mag das nur für eine Zahl sein, die Glenn Miller und sein Orchester zum Titel eines Hits machten? Dass es sich um eine Telefonnummer handelt, die die Musiker im Rhythmus des Swingstücks rufen, erschließt sich aus dem Text: „I got a sweetie I know there / Someone who sets me aglow there / Gives me the sweetest ‚Hello there‘ / Pennsylvania 6-5000.“ Aber wem gehört sie? Eines steht fest: Die Nummer führt nicht zu einer Geliebten des Bandleaders Glenn Miller. Der König des Swing ist seit 1928 mit seiner Collegeliebe Helen Burger verheiratet und ihr absolut treu. Ihr widmet Miller 1940 sogar seine romantische „Moonlight Serenade“. Die Telefonnummer gehört vielmehr zu dem Hotel, in dem Glenn Miller und sein Orchester ab dem 4. Januar 1940 für drei Monate gastieren – dem Pennsylvania in New York, an der Ecke 7th und 33rd. Mit dem Song „Pennsylvania 6-5000“ beginnen sie schon am ersten Abend ihre Shows im „Valencia Ballroom“ der Nobelherberge. Das Stück wurde bereits einige Monate vorher von Jerry Gray und Carl Sigman geschrieben. Sigman hatte sich in eine Angestellte des Hotels ver-
liebt. Wer die Dame ist, die er mit den Worten „Maybe it sounds a bit funny / When I’m away from my honey / Here’s what I do with my money / I call Pennsylvania 6-5000“ erreichen will, lässt sich leider nicht mehr genau ermitteln. Vergleichbares kommt aber bis heute nicht gerade oft vor: Ein äußerst erfolgreicher Musiker überbringt die Liebesbotschaft eines anderen – direkt an den Arbeitsplatz der Angebeteten. In späteren Jahren heißt das Pennsylvania für kurze Zeit Statler Hilton – nimmt aber bald wieder seinen ursprünglichen Namen an. Eines aber bleibt in all der Zeit gleich: die Telefonnummer. Sie lautet noch heute 736-5000 oder eben PE 6-5000. mp Original: Glenn Miller & His Orchestra: „Pennsylvania 6-5000“ (1940, Bluebird, Schellacksingle)
„Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag / Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach“ aus: „Perfekte Welle“ von Juli Sunnyglade, der Vorläufer der Gießener Band Juli, hat die übliche Ochsentour hinter sich, gewann unter anderem den „Hessischen Rockpreis 2000“ und landete beim Deutschen Pop-Preis des Deutschen Rock & Pop Musikerverbands e.V. (DRMV) auf dem zweiten Platz – allerdings noch mit englischen Texten. Der Durchbruch kommt mit der charismatischen Sängerin Eva Briegel, der Umstellung auf deutsche Texte und mit einem neuen Namen: Im Juni 2002 tritt die Band erstmals unter dem Namen Juli auf. Erfolgreiche Konzerte folgen. Ende Juni 2004 veröffentlicht die Band ihre erste CD „Es ist Juli“ und den Song „Perfekte Welle“ als erste Single. Beide steigen in den Charts schnell nach oben, „Perfekte Welle“ ist der Sommerhit des Jahres und steht sogar Ende November noch auf Platz zwei der deutschen Charts. Da bricht, nach einem Erdbeben im Indischen Ozean, im Dezember 2004 die Tsunamikatastrophe über Südostasien herein: Die Flutwellen fordern mehr als 280.000 Tote. Noch im Dezember nehmen die meisten Radiosender aus Pietätsgründen den Juli-Song aus dem Programm. Es sind Zeilen wie „Jetzt kommt sie langsam auf dich zu, das Wasser schlägt dir ins Gesicht / Siehst dein Leben wie ein Film, du kannst nicht glauben, dass sie bricht“, die plötzlich seltsam doppeldeutig und fast schon sarkastisch wirken. Auch wenn die Band natürlich Verständnis für die Maßnahme hat, ist es doch ein herber Schlag, wenn der erste große Erfolg so abrupt ausgebremst wird. Dass der Pietätsstopp auch andere Bands betrifft, tröstet da kaum: „Land unter“ von Herbert Grönemeyer und „Die Flut“ von Witt/Heppner verschwin-
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den ebenfalls aus den Playlists vieler Radiosender. Auch für Joachim Witt, ein Urgestein aus der Zeit der Neuen Deutschen Welle, bedeutet der freiwillige Boykott eine kleine Katastrophe: „Die Flut“, 1998 erschienen, war und blieb sein größter Erfolg als Musiker. Dabei, und das ist das Unfaire an solchen Maßnahmen, hat der Inhalt des Songs „Perfekte Welle“ nicht das Geringste mit solchen Katastrophen zu tun. Im Gegenteil: Er erzählt aus dem Leben eines Surfers, der einfach auf der perfekten Welle reiten möchte und auf sie wartet – auch wenn die Zeit lang zu werden droht: „Mit jeder Welle kam ein Traum, Träume gehen vorüber / Dein Brett ist verstaubt, deine Zweifel schäumen über / Hast dein Leben lang gewartet, hast gehofft, dass es sie gibt / Hast den Glauben fast verloren, hast dich nicht vom Fleck bewegt.“ Bis sie dann eben endlich doch heran rollt. Der Song ist eine schöne Metapher für eine wichtige Erkenntnis: Eine Chance, die sich nach langem Warten endlich einstellt, sollte man dann auch nutzen. Die Band Juli jedenfalls hat ihre Chance trotz Tsunami genutzt: Mit rund 700.000 verkauften Exemplaren bleibt „Es ist Juli“ bis heute ihre erfolgreichste CD, der Song „Perfekte Welle“ ist immer noch der Höhepunkt bei jedem Konzert. gf Original: Juli: „Es ist Juli“ (2004, Island, CD)
„They tried to make me go to rehab / But I said ey no, no, no“ aus: „Rehab“ von Amy Winehouse
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Als die im Londoner Stadtteil Southgate geborene Amy Winehouse am 23. Juli 2011 tot in ihrer Wohnung aufgefunden wird, ist die Medienwelt wieder einmal fassungslos. Flugs wird der Sängerin eine zweifelhafte, postume Ehre zuteil: Die Presse nimmt sie in den ominösen „Club 27“ auf – denn: Viele Popstars und Musiker starben im Jahr vor ihrem 28. Geburtstag. Die Liste reicht vom Bluespionier Robert Johnson über Brian Jones von den Rolling Stones, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Doors-Sänger Jim Morrison bis hin zu Kurt Cobain. In den Medien aufgerollt wird die ganze Tragik dieses Lebens, das Sich-zu-Grunde-Richten der Amy Winehouse; noch einmal sind ihre verpatzten Konzerte ein Thema – etwa der desaströse, immer wieder untergebrochene Auftritt in Belgrad gut einen Monat vor ihrem Tod. Auch ihre Sucht liefert neuen Diskussionsstoff: Noch bevor die tatsächliche Todesursache bekannt wird, spekuliert man über die Gifte, die in ihrem Körper gefunden werden könnten. Wie sich herausstellt, wird aber „nur“ Alkohol entdeckt. Amy Winehouse hat sich mit Hochprozentigem vergiftet, die Gerichtsmedizin attestiert 3,38 Promille.
Die Alkoholprobleme von Amy Winehouse waren schon zu ihren Lebzeiten oft Gegenstand der Berichterstattung. Noch im Mai 2011 ließ sie sich – zum wiederholten Mal – in eine Suchtklinik einweisen. Der Aufenthalt im Londoner Spezialkrankenhaus „The Priority“ ist genauso wenig von Erfolg gekrönt wie die Therapieversuche zuvor. In „Rehab“, dem ersten Hit aus ihrem Erfolgsalbum „Back To Black“, erklärt sie zudem, dass sie überhaupt keinen Entzug brauche. Im Interview mit „Jetzt.de“ beschrieb sie die Intention des Songs so: „Mein damaliges Management fand, dass ich zu viel trinke, und wollte, dass ich einen Entzug mache. Ich habe meinen Dad gefragt, ob er das auch so sieht, und er hat gesagt: ‚Nein, Schatz, du musst da nicht hingehen.‘ Das hat mich beruhigt. Aus Neugier habe ich beschlossen, mir das Ganze doch mal anzuschauen. Aber genauso schnell wie ich drin war, war ich auch wieder draußen. Mein Problem war damals nicht der Alkohol, sondern dass ich unglücklich war. Ich habe getrunken, weil ich schlecht drauf war, das Trinken hat mich noch mehr runtergezogen, und so weiter.“ Wie im Interview müssen auch im Song „Rehab“ der Vater und seine Einschätzung als Rechtfertigung herhalten. Der Taxifahrer Mitchell Winehouse ist allerdings kaum kompetent, wenn es um die Bewertung des Ausmaßes der Krankheit seiner Tochter geht. Darüber hinaus singt Amy, sie könne von ihren Idolen Ray Charles und dem Soulsänger Donny Hathaway mehr lernen als von einer Suchtklinik. Dass ihre Trinkgewohnheiten und das darauf folgende Ausrasten in der Regenbogenpresse zum Dauerthema werden, das ihr musikalisches Talent in den Hintergrund drängt, ist schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Single „Rehab“ und des Albums „Back To Black“ im Herbst 2006 absehbar. Noch ein halbes Jahr später diktiert sie der „Jetzt.de“-Redakteurin Kaline Thyroff eine Einschätzung ins Mikrofon, die weitschweifig den zentralen Satz des Songs, „They tried to make me go to rehab / But I said ey no, no, no“ („Sie wollten, dass ich in die Entzugsklinik gehe / Aber ich sagte nein, nein, nein“), und den Medienhype rund um ihre Sucht umschreibt: „Für die Klatschpresse ist das Thema ein gefundenes Fressen. Ich finde nicht, dass ich ein Alkoholproblem habe. Ich bin jung und arbeite viel. Wenn ich freihabe, will ich Spaß haben – das ist doch normal. Natürlich kann ich auch ohne Alkohol Spaß haben, zum Beispiel indem ich Freunde bekoche oder Musik höre. Oft bin ich aber müde und habe keine Lust zu kochen oder will niemanden um mich haben. Außerdem herrscht bei mir zu Hause gerade totales Chaos, da brauche ich nicht unbedingt Gäste. Lieber gehe ich auf einen Drink woanders hin.“ „Rehab“ erwies sich als bittere Fehleinschätzung der eigenen Situation – und wurde ein weltweiter Hit. Für dieses Lied bekam Amy Winehouse drei Gram-
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mys, das von Mark Ronson und Salaam Remi produzierte Album „Back To Black“ verkaufte sich bis 2012 weltweit über 20 Millionen Mal. Insgesamt wurden fünf Singles ausgekoppelt, „You Know That I’m No Good“ ist als Nachfolgesingle von „Rehab“ sicher genauso symptomatisch und autobiografisch. Wer will, kann in dem Song nachhören, dass sich Amy Winehouse für einen verdorbenen Menschen hält. Nebenbei zeigen beide Lieder die Extraklasse der Sängerin und Songwriterin. Auf der Bonus-CD der „Deluxe Edition“ von „Back To Black“ findet sich ein sehr intimer Moment, der Amy zugleich verletzlich und stark zeigt: Sie singt Phil Spectors „To Know Him Is To Love Him“. mp Original: Amy Winehouse: „Back To Black“ (2006, Island, CD)
„Relax / Don’t do it / When you want to come“ aus: „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood
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Der Produzent und Musiker Trevor Horn („Video Killed The Radio Star“) ist sich sicher, einen Volltreffer gelandet zu haben, als er das neue Projekt des Big-In-Japan-Sängers Holly Johnson unter Vertrag nimmt. Die Liverpooler Gruppe nennt sich zuerst Hollycaust, um dann einen weniger umstrittenen Namen zu wählen: Mit der Schlagzeile „Frankie goes to Hollywood“ hat das US-Magazin „Variety“ einst die gerade startende Filmkarriere Frank Sinatras kommentiert. Die Band verteilt – noch bevor überhaupt ein Song auf dem Markt ist – T-Shirts mit erfundenen „Frankie says …“-Sprüchen zu sexuellen Fragen. Im Prinzip ist ihre Ende 1983 erscheinende Single „Relax“ die musikalische Aufbereitung dieser Slogans: Man braucht nur spaßeshalber mal dem Satz „Relax, don’t do it, when you wanna come“ ein „Frankie says“ beifügen, schon wird die Aufforderung, die Arbeit ruhen und sich beim Sex gehen zu lassen, zum Dr.-Sommer-Ratschlag. Frankie Goes To Hollywood bekennen sich von Anfang an zur Homosexualität ihrer beiden Sänger Holly Johnson und Paul Rutherford, aber der anzügliche Text richtet sich an alle – Schwule und Heteros. Zum vom HiNRG-Sound (= High Energy) inspirierten Groove des Stücks gesellen sich die affirmativen, wolllüstigen Worte: „My / My / Meohih – give it to me / Oh / Oh / Relax / Don’t do it, when you want to go to it.“ Der Song endet mit einem orgiastischen „Come!“. Dazwischen fordert Johnson dazu auf, es dem oder der anderen richtig zu besorgen: „But shoot it in the right direction.“ Der Band gelingt mit dem Debüt „Relax“ der Sprung auf Platz eins der britischen Charts, wo sich das Lied fünf Wochen lang hält. Die beiden Nach-
folgesingles „Two Tribes“ und „The Power Of Love“ erklimmen auf der Insel ebenfalls die Spitze der Hitlisten. Mit drei Nummer-eins-Hits in Folge die Karriere zu starten, haben im Vereinigten Königreich zuvor nur Gerry & The Peacemakers geschafft – 21 Jahre vor Frankie Goes to Hollywood. Alle drei Songs finden sich auf dem ersten Album der Band, der Doppel-LP „Welcome To The Pleasuredome“ – unter anderem zusammen mit dem über 13 Minuten langen, lasziven Titelstück, einer schweißtreibenden Version von Edwin Starrs „War“, Bruce Springsteens „Born To Run“ und „San Jose“ von Burt Bacharach. An dieses furiose Debüt, diese perfekte, in 16 Teile verpackte Swingerparty, reichen Johnson und Co. nie wieder heran: „Pleasuredome“ und „Relax“ sind nicht mehr zu toppen. mp Original: Frankie Goes To Hollywood: „Welcome To The Pleasuredome“ (1984, ZTT, LP)
„All I’m askin’ is for a little respect“ aus: „Respect“ von Aretha Franklin Die am 25. März 1942 in Memphis, Tennessee, geborene Pastorentochter Aretha Franklin fällt früh als Gospelsängerin auf: Schon mit zehn Jahren ist sie in der Detroiter Kirche ihres Vaters Clarence L. Franklin Vorsängerin, mit 13 besingt sie ihre ersten Spiritualplatten, mit 14 zieht sie als Solistin durchs Land. 1960 geht sie nach New York, will Popsängerin werden und wird von John Hammond, der treibenden Kraft hinter dem Bluesrevival der sechziger Jahre, für Columbia unter Vertrag genommen. Doch Hammond verkennt Franklins Qualitäten: Er will sie zu einer neuen Billie Holiday aufbauen, taucht ihre Stimme in süßliche Arrangements und lässt sie mit zweitklassigen Songs durch miese Schuppen tingeln. 1966 nimmt die auf schwarze Musik spezialisierte Konkurrenzfirma Atlantic Aretha Franklin unter ihre Fittiche. Das Album „I Never Loved A Man The Way I Loved You“, ihr Debüt bei dieser Firma, macht die bis dahin mäßig erfolgreiche Sängerin 1967 auf einen Schlag zur „First Lady Of Soul“. Ihr Südstaatensoul und das heiser-kehlige Timbre ihrer Stimme verbinden sich aufs Beste mit ihren improvisatorischen Fähigkeiten, die sie sich als Gospelsängerin erarbeitet hat. In ihren Songs – vor allem in „Respect“, der einige weibliche Forderungen bündelt – fordert sie Respekt und sexuelle Gleichberechtigung („All I want you to do, ooh, for me / Is give it to me when you get home“) und predigt gleichzeitig liebevolle Hingabe („Ooh, your kisses, ooh / Sweeter than honey, ooh“) – unerhört für eine Frau zu jener Zeit, erst recht für eine schwarze.
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Der Song stammt allerdings von einem Mann: von Otis Redding, der damit 1965 selbst einen Riesenhit hatte. Dass Aretha Franklin den Song aufnahm, hat eine kleine Vorgeschichte: Anfang 1967 belauscht der Motown-Kollege Smokey Robinson (einer seiner Hits ist „Tears Of A Clown“) hinter der Bühne des Regal Theater in Chicago unfreiwillig ein Gespräch zwischen Aretha und ihrem Kumpel Otis Redding („(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“). Otis nimmt Aretha auf den Arm, weil er gerade mit einem Song einen Hit feiert, den sie einige Jahre zuvor erfolglos für CBS aufgenommen hat: „Try A Little Tenderness“. Mit vor Wut blitzenden Augen gibt sie ihm zur Antwort: „Ist ja okay, Dummschwätzer! Aber ich werde mir jetzt einen deiner Songs vornehmen, und wenn ich mit ihm fertig bin, wirst du ihn nicht mehr wiedererkennen!“ Das Lied, das sie sich „vornimmt“, ist „Respect“. Produziert von Jerry Wexler, ist es Aretha selbst, die mit dem fordernd buchstabierten „R.E.S.P.E.C.T.“ eben diesen einfordert und mit ihren im Background singenden Schwestern Carolyn und Emmy der Aufnahme all die vielen, so zweideutig klingenden und den Song vorantreibenden „Sock it to me“Seufzer hinzufügt. Im April 1967 wird der Song veröffentlicht, im Juni steht er auf Platz eins der US-Charts, knackt die Top Ten der britischen Hitparade und verkauft sich weltweit millionenfach. Franklin gewinnt mit „Respect“ noch im gleichen Jahr zwei Grammys – für die beste weibliche R&B-Gesangsdarbietung und den besten R’n’B-Song. Die US-Schallplattenakademie wählt sie zur „Sängerin des Jahres“, die Illustrierte „Ebony“ kürt den Titel „Respect“ anschließend sogar zur „schwarzen Nationalhymne“. gf Original: Aretha Franklin: „I Never Loved A Man The Way I Loved You“ (1967, Atlantic, LP), weitere Version: Otis Redding: „Otis Blue: Otis Redding Sings Soul“ (1965, Stax, LP)
„One, two, three o’clock, four o’clock rock …“ aus: „(We’re Gonna) Rock Around The Clock“ von Bill Haley & His Comets
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Eines ist sicher: Kein Song wird mehr mit dem Aufkommen des Rock’n’Roll verbunden als dieser 25 Millionen Mal verkaufte Megahit. Dabei ist der Sänger nicht wirklich der Prototyp des jugendlichen Wilden, der zur Ganztagsparty aufruft und sie auch durchhält. Als Bill Haley und seine Comets das Lied 1954 aufnehmen, ist der Sänger bereits 29 Jahre alt. Er ist dicklich, die Haare lichten sich, und er sieht eher wie ein unscheinbarer Büroangestellter aus. Seine
Musikerkarriere dümpelte vor sich hin, bis er im Jahr vor seinem weltweiten Durchbruch mit „Crazy Man Crazy“ in den USA einen ersten Hit landete. Seine Mischung aus Country, Blues und schnellem Boogie änderte er nach den ersten Aufnahmen mit der Vorgängerband seiner Comets, den Four Aces, nur wenig. Aber die Zeit war wohl für seinen tanzbaren Stil noch nicht reif. Bill Haley ist nun über zehn Jahre lang im Geschäft, ein Profi, der den richtigen Riecher hat: Als er irgendwo in seinem Heimatbundesstaat Michigan unterwegs ist, hört er einen Song im Radio. Das Lied bleibt ihm im Ohr, und er spürt, wie ihn der Rhythmus fesselt: Es handelt sich um „Rock Around The Clock“. Die Version, die er hört, unterscheidet sich kaum von der, die er mit den Comets aufnehmen wird. Ein Unterschied ist jedoch, dass Sänger Sonny Dae etwa 70.000 Stück davon unter die Leute bringt. Dae veröffentlicht sein Original im Frühjahr 1954 – zu früh, um auf der Rock’n’Roll-Welle mitschwimmen zu können. Haley erkennt das Potenzial dieses Shuffles, er spielt ihn auch auf seinen Konzerten, darf ihn aber nicht aufnehmen. Er braucht ein Quäntchen Glück, um einen Hit zu landen, der acht Wochen lang Platz eins der US-Charts innehaben wird. Das Glück hat einen Namen, es heißt Richard Brooks. Der Regisseur sucht nach einem zündenden Song für die Leinwandumsetzung von Evan Hunters Teenagerdrama „Saat der Gewalt“ – und findet ihn in „Rock Around The Clock“. Nicht allzu oft gehen Musik und Film eine ähnlich perfekte Symbiose ein. Der Song wird 1956 selbst zum Titel eines Hollywoodstreifens. Haley spielt darin die Hauptrolle. Die magischen Zeilen „We’re gonna rock around the clock tonight / We’re gonna rock, rock, rock ’til broad daylight“ werden ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1981 nicht mehr loslassen: Obwohl er noch andere große Hits hat und auch „See You Later Alligator“ und seine Version von Joe Turners „Shake, Rattle And Roll“ Evergreens werden, kann sich keine andere Aufnahme Haleys mit diesem Chronometer des Rock’n’Roll messen. Sonny Daes Original findet sich dagegen nur noch in Musikarchiven, auf dem Sampler „You Heard it Here First“ und auf der bei Bear Family erschienenen 50-CD-Box „Die Geschichte der Popmusik“. mp Original: Sonny Dae & His Knights: „(We’re Gonna) Rock Around The Clock“ (1954, Arcade, Single), weitere Versionen: Bill Haley & His Comets: „(We’re Gonna) Rock Around The Clock“ (1954, Decca, Single), Bill Haley & His Comets: „Rock Around The Clock“ (1955, Decca, LP)
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„I got, you got, we got everybody / I’ve got the gift … it’s time to move your body“ aus: „Rock DJ“ von Robbie Williams
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Frühzeitig manifestiert sich in Robert Peter Maximillian Williams der Wunsch, umjubelt im Rampenlicht zu stehen: Mit 16 Jahren bricht er die Schule ab, um Superstar zu werden. Ein Zufall kommt ihm dabei zu Hilfe: Mutter Janet liest eine Anzeige in der Zeitung. Gesucht werden Mitglieder für ein Boygroupprojekt, und Janet meint, ihr Robert sei der Richtige dafür. Agent Nigel Martin-Smith will ein englisches Pendant zu den USamerikanischen New Kids On The Block kreieren und nimmt ihn und vier weitere Jungs 1990 unter Vertrag. Williams, der schon in der Schule den Klassenclown gab und halbprofessionell Theater spielte, wird als Teil von Take That zum Teenieschwarm. Bevor es so weit ist und das Quintett mit „Relight My Fire“ und „Back For Good“ Hits landet, tourt es durch britische Schwulenclubs. Schon damals fällt Martin-Smith auf, dass Williams über außergewöhnliche Entertainmentqualitäten verfügt. Am 13. Februar 1996 um 13 Uhr sind Millionen Mädchen auf der Welt völlig aufgelöst, als sie von der Trennung von Take That erfahren. Nach einigen letzten Auftritten bei Fernsehshows, etwa am 30. März 1996 bei „Wetten dass..?“ in Düsseldorf, ist endgültig Schluss. Schon vor der offiziellen Auflösung der Gruppe hing Williams mit zwei Oasis-Mitgliedern ab, den Brüdern Noel und Liam Gallagher („Champagne Supernova“), gemeinsame Drogenexzesse gingen durch die Regenbogenpresse. Dass er eine ernst zu nehmende Solokarriere in Gang bringen wird, glaubt damals kaum jemand, zumal Teeniestars meistens rasch in der Versenkung verschwinden. Doch Williams schafft es. Zunächst ist der Erfolg eher bescheiden und hauptsächlich auf England beschränkt, aber die ersten Soloalben „Life Thru A Lens“ und „I’ve Been Expecting You“ zeigen vor allem eines: Selbstbewusstsein. Einen großen Sprung macht seine Karriere im Jahr 2000 mit dem Album „Sing When You’re Winning“, das eine Reihe famoser Songs enthält – etwa „Kids“, ein Duett mit Kylie Minogue. Aber vor allem ist es Williams’ Charisma, was ihn mit „Sing When You’re Winning“ zum Superstar werden lässt. Mit Vertrauen aufs eigene Können und einer Prise Angeberei verkauft er seine Songs – und sich selbst. Er bringt sich als Nachfolger für James-BondDarsteller Pierce Brosnan ins Spiel; die Presse diskutiert, ob Robbie wirklich 007 werden kann. Optisch scheint das durchaus möglich, denn der 1,85 Meter große Frauenliebling hat einiges zu bieten: Im Video zu „Rock DJ“ legt Williams einen Striptease hin und zeigt seinen makellosen Körper. Das Lied ist eine schlüpfrige Einladung, es hier und jetzt mit ihm zu tun: „I got
/ You got / We got everybody / I’ve got the gift / Gonna stick it in the goal / It’s time to move your body.“ MTV und Viva verbannen das „Rock DJ“-Video, es wird nicht gesendet – anno 2000! Grund dafür ist nicht der Strip, sondern eine Art Veitstanz, bei dem der Zuschauer glauben könnte, dass Robbie sich seine Haut abzieht. Man meint sogar, das abgeschälte Glied des Sängers zu erkennen. Williams nutzt den Boykott der Musiksender geschickt zur Eigenwerbung, indem er in Interviews gegen die „verklemmten Typen bei MTV“ wettert. „Babylon back in business / Can I get a witness / Every girl, every man / Houston, can you hear me? / Ground control, can you feel me? / Need permission to land“ – der ebenso charmant wie fordernd geäußerte Wunsch nach sexuellem Höhenflug und Befriedigung wird ein Tophit. Williams wird später noch einmal gewinnträchtig auf Erotik setzen: Das Video zur Coverversion von „Something Stupid“ zeigte ihn 2001 beim Liebesspiel mit dem australischen Hollywoodstar Nicole Kidman. Der Clip wurde meist in einer entschärften Variante gezeigt, doch auch die zensierte Version führte dazu, dass die Boulevardpresse über ein Verhältnis zwischen Williams und der erst ein halbes Jahr zuvor von Tom Cruise geschiedenen Kidman spekulierte. Dem Erfolg der CD „Swing When You’re Winning“ waren solche Berichte nur förderlich: Der ehemalige Boygroupsänger erreichte damit den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. mp Original: Robbie Williams: „Sing When You’re Winning“ (2000, Chrysalis, CD)
„Time takes a cigarette“ aus: „Rock’n’Roll Suicide“ von David Bowie „Time takes a cigarette, puts it in your mouth“ – mit diesen Worten beschreibt David Bowies Kunstfigur Ziggy Stardust, dass die Welt sich unablässig dreht und selbst Superstars schnell verglühen. Eine LP lang erzählt der 1947 in Brixton geborene Sänger die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Ziggy Stardust und der „Spiders From Mars“ – so der Untertitel des Glamrock-Konzeptalbums, mit dem Bowie 1972 endgültig der Durchbruch gelang. Ziggy Stardust ist kein Mensch, sondern ein Außerirdischer, doch in der Realität des Showbusiness und der Medienmaschinerie teilen irdische Rockstars wie Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison sein Schicksal: Sie werden über Nacht berühmt, genießen den Ruhm und die Verehrung des Publikums, brennen aus und sterben früh. „You’re too old to lose it, too young to choose it“, so lautet Bowies bitterer Kommentar zu dieser Art von Schicksal.
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Der blonde Jüngling Ziggy staunt zunächst nicht schlecht über die Verehrung, die ihm auf der Erde entgegengebracht wird. Mit seiner Band – den Spiders From Mars – wird er zum Inbegriff des Rockstars. Der Preis für den Erfolg ist hoch: Ziggy bezahlt ihn schließlich mit dem Leben. Aber auch der Tod scheint Teil der Rolle zu sein, die das Geschäft verlangt: „You’re a rock’n’roll suicide“, singt Bowie aus der Warte eines kommentierenden und tröstenden Gottes. „You’re not alone!“ und „Oh gimme your hands!“ schreit er dem Sterbenden zu. Mit dem furiosen Finale von Song und LP erlischt Ziggys Leben. David Bowie („Heroes/Helden“) gibt mittlerweile zu, dass er in den frühen siebziger Jahren nicht weit davon entfernt war, genauso zu verglühen wie Janis oder Jimi: „Ich habe durch die Figuren meine eigenen Gefühle ausgedrückt“, sagte er anlässlich des 30. Geburtstages der „Ziggy Stardust“-Platte. Die Figur des Außerirdischen, der mit all seinen Wünschen und Hoffnungen an den irdischen Bedingungen scheitert, beschäftigte ihn auch in den Jahren nach der LP-Veröffentlichung. Mit einem weiteren Konzeptalbum – „Diamond Dogs“ – beerdigte er bereits 1974 den Rock-Alien ein zweites Mal und mit ihm gleich auch noch den Glamrock. In Nicolas Roegs Spielfilm „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1976) landet Bowie, diesmal als Schauspieler, unter dem Namen Thomas Jerome Newton auf der Erde, um dort eine Möglichkeit zu suchen, seinem allmählich austrocknenden Heimatplaneten zu helfen. Doch die toxischen Lebensbedingungen der menschlichen Zivilisation lösen einen nicht zu stoppenden Zerfallsprozess bei ihm aus … die feindliche Umwelt zerstört Ziggy erneut. mp Original: David Bowie: „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars“ (1972, RCA, LP)
„Rockin’ all over the world“ aus: „Rockin’ All Over The World“ von John Fogerty und Status Quo
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Die 1967 in El Cerrito, Kalifornien gegründete Band Creedence Clearwater Revival (C.C.R.) ist in den späten sechziger Jahren und zu Beginn der Siebziger die erfolgreichste US-amerikanische Rockformation. Die Gebrüder John und Tom Fogerty, Stu Cook und Doug Clifford verbinden erdigen Rock’n’Roll mit Countryelementen und – zu Beginn ihrer Karriere – psychedelischen Klängen. Gleichzeitig interessiert sich das Quartett für den Sound des Mississippideltas, für Zydeco und den tiefen Groove aus New Orleans. Mit ihrer eigenwilligen und einzigartigen Mixtur reihen sie Hit an Hit. Bis auf wenige Ausnahmen – Screamin’ Jay Hawkins’ „I Put A Spell On You“ und das von Marvin Gaye
bekannte „I Heard It Through The Grapevine“ – stammen diese Erfolge aus der Feder von John Fogerty. „Proud Mary“, „Bad Moon Rising“ und „Have You Ever Seen The Rain“ gehören zu seinen bekanntesten Songs. Abwärts geht es mit Creedence Clearwater Revival, als Tom Fogerty die Band 1971 verlässt, weil er die Dominanz des dreieinhalb Jahre jüngeren Bruders nicht mehr erträgt. Trotz des Misserfolgs seiner Soloversuche ist Tom nicht zur Rückkehr zu bewegen. John schreibt das fetzige „Rockin’ All Over The World“ 1972, kurz bevor C.C.R. sich endgültig auflösen. Er weiß, dass sein Bruder auf Rock’n’Roll steht, für ihn hat er „Travellin’ Band“ und „Fortunate Son“ komponiert. Doch Tom bleibt stur, lässt sich auch von dem Rocksong und den eingängigen Zeilen „Well I like it, I like it, I like it, I like it / I la-la-like it, la-la-la, here we go-oh! / Rockin’ all over the world“ nicht zurücklocken. John Fogerty steckte das Lied damals in die Ideenschublade und zog es erst 1975 zur Produktion seiner zweiten, einfach nur „John Fogerty“ benannten Solo-LP wieder heraus. Das Album beginnt mit dem Song, und es ging mit ihm unter: Obwohl es nach C.C.R. klingt, war es ein veritabler Flop. Der Song hingegen schafft es im zweiten Anlauf in die Hitparaden: Zwei Jahre nach der erfolglosen Fogerty-Aufnahme nimmt sich die englische Rockband Status Quo seiner an. Sie spielen ihn so, wie sie seit den frühen siebziger Jahren alle ihre Hits – etwa „Down Down“ oder „Roll Over Lay Down“ – spielen: hart und schnörkellos. Das Ergebnis: ein Welthit (außer in den USA). gf Original: John Fogerty: „John Fogerty“ (1975, Asylum, LP), weitere Version: Status Quo: „Rockin’ All Over The World“ (1977, Vertigo, LP)
„There’s a fire starting in my heart / Reaching a fever pitch / And its bringing me out of the dark“ aus: „Rolling In The Deep“ von Adele Adele Laurie Blue Adkins ist ein Phänomen. Nicht nur weil die mittlerweile 24-jährige Londonerin über reichlich Talent als Sängerin und Songwriterin verfügt, auch nicht weil sie bereits acht Grammys abgeräumt hat. Es ist vor allem die Art, wie sie ihre Karriere künstlerisch wie kommerziell zielstrebig und ohne Kompromisse vorantreibt. Man mag einwenden, dass ein erfolgreiches Debüt – und das war ihr Album „19“ im Jahr 2008 – Freiheiten ermöglicht, aber etliche Beispiele belegen, wie schwer es ist, sich im Business zu behaupten. So beschloss zum Beispiel die walisische Sängerin Duffy – nach ihrem weltweit erfolgreichen, mit einem Grammy ausgezeichneten Album „Rockferry“ und dem folgenden Flop „Endlessly“ – just in dem Moment eine zweijährige Pause einzulegen, als Adele richtig durchstartete.
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Adeles zweites Album „21“, wieder nach dem Alter benannt, in dem sie die Songs schrieb, kommt am 19. Januar 2011 auf den Markt und hält sich noch im Sommer des Folgejahres weltweit auf den vorderen Plätzen der Charts. Die Zahl der Superlative, die sich um das Werk ranken, wächst praktisch wöchentlich: „21“ ist das erste Album, das die Europäer mehr als eine Million Mal bei iTunes herunterladen, auch hat sich bis heute keine CD im 21. Jahrhundert öfter verkauft. Im Nachhinein gibt der Erfolg Adele Recht. Die Engländerin wählte die Tracks für die zweite Platte selber aus und holte ihren Wunschproduzenten an Bord: Angeblich überzeugte sie den viel beschäftigten Rick Rubin, der unter anderem Public Enemy, Slayer, Johnny Cash und Neil Diamond unter seine Fittiche nahm, am Telefon, den Job zu übernehmen. Gemeinsam mit Paul Epworth setzte Rubin die Vorstellungen von Adele perfekt um, die Künstlerin war fest entschlossen, sich musikalisch und textlich weiterzuentwickeln. War „19“ noch ein lyrischer Blick in ein Mädchenzimmer, so zeigt „21“ eine erwachsene, selbstbewusste Frau, die bereits auf einschneidende Erfahrungen mit Männern zurückblickt. Mit der ersten Single „Rolling In The Deep“, die sich nicht nur in den USA über ein Jahr in den Charts hält, spricht sie vielen Menschen aus der Seele. Das Album ist eine komplexe Zusammenfassung der verschiedenen Aspekte des Endes einer Beziehung und „Rolling In The Deep“ eine bittersüße, finale Beschreibung von Liebe und stürmischer Leidenschaft. Der zentrale Satz „There’s a fire starting in my heart / Reaching a fever pitch / And it’s bringing me out of the dark“ („Da ist ein Feuer, das in meinem Herzen zu brennen beginnt / Es bringt das Fass zum Überlaufen / Und mich aus der Dunkelheit“) beschreibt sowohl die Trauer als auch den Nachhall der Lust. Dem Berliner Stadtmagazin „Tip“ verriet Adele im März 2011, warum sie diesen Song unbedingt schreiben musste: „Vor allem ist es weniger kostspielig als ein Psychoanalytiker. Im Ernst, ich bin geschickt mit Worten, die ich zu Papier bringe. Das ist in einer direkten Konfrontation nicht unbedingt so. Ein Gespräch kann bei mir schon mal in einer Schlammschlacht enden. Die Gemüter erhitzen sich, jeder will noch eins draufsetzen, zack, das Ganze eskaliert.“ Auch in anderen Interviews beschreibt sich Adele als unberechenbar und kapriziös, vor allem im Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten. Für die Abrechnung mit dem Lebensabschnittspartner wählt die Hochbegabte also die Waffe, mit der sie am besten umgehen kann – und die sie wie einen guten Degen punktgenau für ihre Treffer nutzt. Ob die Worte „Finally I can see you crystal clear / Go ahead and sell me out and I’ll lay your ship bare“ ihren Ex tatsächlich beeindruckten, ist nicht bekannt. Aber gerade bei Frauen trifft sie mit dem Song ins Schwarze; sie spricht aus, was viele Damen ihren
Verflossenen mit auf den Weg geben möchten. Der funkige Discosound von „Rolling In The Deep“ und die eingängige Melodie, die Paul Epworth beisteuerte, markieren einen sehr lebendigen Neubeginn: Nach der Abrechnung ist die Trauer vorbei und das Leben geht munter weiter. mp Original: Adele: „21“ (2011, XL, CD)
„If you’re going to San Francisco / Be sure to wear some flowers in your hair“ aus: „San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair)“ von Scott McKenzie „Scott McKenzie“ ist ein Pseudonym: Der richtige Name des Musikers lautet Philip Wallach Blondheim. Seine Karriere begann Mitte der Fünfziger in der Doo-wop-Band The Abstracts, bei der auch das spätere The-Mamas-&-ThePapas-Mitglied John Phillips mitwirkt. Phillips komponiert und produziert den Song „San Francisco“, den Scott McKenzies so unnachahmlich singt. McKenzies Song kommt 1967 gerade recht: Zwar findet der Flower-PowerTaumel in San Francisco hauptsächlich im Stadtviertel Haight-Ashbury statt – die sehr eingängige Melodie aber trägt die naiv-romantischen Vorstellungen der Hippies in die weite Welt. Wer nach San Francisco fährt, so die Botschaft, sollte sich Blumen ins Haar stecken: „If you’re going to San Francisco / Be sure to wear some flowers in your hair.“ Denn dort wird der Besucher viele sanftmütige Menschen treffen („You’re gonna meet some gentle people there“), eine Zeit voller Liebe erleben („Summertime will be a love-in there“) und eine Generation, die nichts Geringeres will als die Welt verändern: „All across the nation such a strange vibration / People in motion / There’s a whole generation with a new explanation.“ Schwärmerische Träumereien – konkret wird der Song nicht, der als Werbung für das fünf Wochen nach seinem Erscheinen stattfindende Monterey Pop Festival dienen soll, bei dem bis zu 90.000 liebes- und friedensbewegte Menschen feiern, ohne dass die Polizei auch nur einmal eingreifen muss. Es ist jedoch gerade diese zwar aggressionsfreie, aber auch sehr ideenlose und naive Traumwelt der Blumenkinder, gegen die sich sehr bald Bands wie The Doors („Light My Fire“) wenden. Dass er den Song überhaupt singt, verdankt der 2012 verstorbene Scott McKenzie einem Zufall: Phillips wollte ihn eigentlich selbst intonieren, schlief aber während der Aufnahmen übermüdet im Studio ein. Die Studiozeit war nun mal gebucht, das Lied musste aufgenommen werden, also schnappte sich sein Freund McKenzie das Mikro und damit seinen einzigen weltweiten Hit. Erst viel später konnte er sich über einen weiteren Erfolg freuen: 1988 schrieb
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McKenzie gemeinsam mit John Phillips den Song „Kokomo“, der den Beach Boys fast 22 Jahre nach „Good Vibrations“ ihre vierte Nummer-eins-Single in den USA bescherte. gf Original: Scott McKenzie: „Voice Of Scott McKenzie“ (1967, Ode, LP)
„Say it loud / I’m black and I’m proud“ aus „Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“ von James Brown
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Anfang der neunziger Jahre brüllt die Hip-Hop-Gruppe Brand Nubian wütend „Say it loud, I’m black and proud!“ und ehrt damit James Brown. Die Songs des 1933 in South Carolina geborenen „Godfather Of Soul“ werden von vielen Rappern gesampelt oder zitiert. Die dabei meistverwendete Zeile ist „Say it loud“. Schon kurz nachdem Brown 1969 diese drei Wörter und den Slogan „I’m black and I’m proud!“ seinen schwarzen Brüdern und Schwestern zugerufen hat, werden sie Allgemeingut und inspirieren andere afroamerikanische Künstler zu ähnlich deutlichen politischen Statements. Sly Stones „Don’t Call Me Nigger, Whitey“ und „Message From A Black Man“ von den Temptations wollen – wie viele andere Lieder, etwa von Curtis Mayfield, Marvin Gaye oder Gil Scott-Heron – den Schwarzen Selbstbewusstsein und Stolz auf Herkunft und Hautfarbe vermitteln. Sogar im Kino tauchen verstärkt Afroamerikaner als Helden und vorbildfähige Charaktere auf. Berühmtestes Beispiel ist der von Richard Roundtree gespielte Detektiv John Shaft, der in drei erfolgreichen Actionfilmen weiße Vorbilder wie James Bond oder Frank Bullitt persifliert, vor Power strotzt und stets an die eigenen Qualitäten als Schnüffler und Liebhaber glaubt. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre ist James Brown der erfolgreichste und kreativste schwarze Künstler der USA. Wie „Say it loud“ werden auch Zeilen wie „Papa’s got a brandnew bag“ und „Get up, do your thing / Like a sex machine“ zu geflügelten Worten. Aber die Popstars dieser Zeit – und mit ihnen Brown – hinken wie auch die Filmemacher den sich zum Negativen verändernden politischen Bedingungen hinterher. „Say It Loud“ ist eigentlich schon der Abgesang auf ein Jahrzehnt des schwarzen Aufbegehrens, es wirkt im Nachhinein eher trotzig als zornig. Die wenigen Worte des Songs stehen für berechtigte, aber unerfüllte Wünsche und Hoffnungen („Now we demand a chance to do things for ourselves / We’re tired of beatin’ our head against the wall / And workin’ for someone else“) und den Willen, lieber in Freiheit zu sterben, als in Unterdrückung zu leben („We’d rather die on our feet / Than be livin’ on our knees“).
Brown weiß, dass die Schlacht verloren ist: Längst sind die Hoffnungsträger der Afroamerikaner eingesperrt, entmutigt oder tot. Besonders die Morde an Martin Luther King und Malcolm X treffen die Menschen empfindlich. X, der eigentlich Malcolm Little heißt, wird am 21. Februar 1965 umgebracht, der Hergang der Tat bleibt ungeklärt: Kamen die Mörder aus den Reihen des KuKlux-Klan oder waren es die radikalen Black Muslims der Nation Of Islam (NOI), deren Führung Malcolm X bis zum Zerwürfnis im Jahr 1964 angehörte? Am 4. April 1968 wird Martin Luther King in Memphis erschossen. Der Baptistenpfarrer wurde populär, als er 1955 in Montgomery zu einem Boykott der Omnibusse aufrief, um die Rassentrennung in den öffentlichen Verkehrsmitteln aufzuheben. Sein gewaltloser Widerstand gipfelte 1963 im historischen Marsch nach Washington und den berühmten Worten „I have a dream …“ 1964 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. Die Morde an den beiden Ikonen beschädigen das Selbstbewusstsein der Schwarzen. James Browns Song, exakt ein Jahr nach Kings Tod als Hommage veröffentlicht, bringt weder Chancengleichheit, noch verändert er die Bedingungen in den Ghettos – aber er steht für die kreative Hochphase afroamerikanischer Künstler. Der Trotz weicht allerdings schnell allgemeiner Resignation. Browns „Give It Up Or Turn It Loose“ vom Album „Ain’t It Funky“ (1970) und erst recht „There’s A Riot Goin’ On“ von Sly Stone (1971) sind Ausdruck der veränderten Bedingungen. Stone bezeichnet mit „Riot“ die Auslaufrille der ersten LP-Seite. Kein Gesang, keine Instrumente – die Stille ergibt ein sprach- und tonloses Dokument der Hoffnungslosigkeit. Browns „Say It Loud“ jedoch überdauert auch diese Zeit: „So if you feel good, real good / Scream it out loud if you black and you proud“, rappen Brand Nubian zwei Jahrzehnte später. mp Original: James Brown: „Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“ (1969, King, LP)
„No more pencils, no more books / No more teacher’s dirty looks“ aus: „School’s Out“ von Alice Cooper 1972 – die Bühne in der noch neuen Münchner Olympiahalle ist in gruselig dunkles Licht getaucht. Es verstärkt die geheimnisvolle Aura des Sängers. Der spielt mit Schlangen, Taranteln und dem Feuer. Er gibt den Exorzisten, den Elternschreck und den Albtraum, ist frühes Vorbild für Bands wie Marilyn Manson, Rammstein und Slipknot. Das geschminkte, nur entfernt menschenähnliche Showmonster auf der Bühne ist der 1948 in Detroit geborene Vincent Damon Furnier alias Alice Cooper.
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Bevor ihn Drogen- und Alkoholexzesse Mitte der siebziger Jahre in die Knie zwangen und er mit der LP „From The Inside“ Einblicke in seine verwüstete Seele gewährte, gab Cooper den bösen Buben des Glamrock. Doch er forderte keinen politischen Umsturz; sein Interesse an gesellschaftlichen Zusammenhängen galt ganz anderen Aspekten als etwa das der Rolling Stones mit ihrem „(I Can’t Get No) Satisfaction“. „School’s Out“ richtet sich im Gegensatz zu vielen anderen Songs seiner vier wichtigsten, zwischen 1971 und 1973 entstandenen Alben „Love It To Death“, „Killer“, „School’s Out“ und „Billion Dollar Babies“ direkt an die Jugendlichen. Die Nähe zu britischen Hits dieser Zeit, besonders zu „Teenage Rampage“ von The Sweet oder Marc Bolans „Children Of The Revolution“, ist evident: Alle drei Songs fordern, dass sich die Teenager gegen die Erwachsenen zur Wehr setzen, lassen die Kids aber ansonsten allein mit der Revolte. Doch in einem Punkt unterscheidet sich Coopers Song von den beiden anderen Hits: Bei „School’s Out“ beschleicht den Hörer das Gefühl, dass dieser Umsturz blutig sein wird. Der Rocksound ist wuchtig, es fehlt ihm jede Spur von Leichtigkeit. Schüler mit hohen Stimmen fallen – ähnlich wie bei „Another Brick In The Wall“ – in den Hauptgesang ein und wirken bedrohlich in ihrer Aggressivität: „No more pencils, no more books, no more teacher’s dirty looks“ – nie mehr werden Stifte und Bücher in die Hand genommen, und nie mehr müssen die schmutzigen Blicke der Lehrer ertragen werden. Denn die Schule ist aus. Zunächst schickt Alice die Kids in die Ferien, nur um ihnen dann zu versichern, dass die Schulzeit für immer und vollständig vorüber sei. Was in den Bildungseinrichtungen gelehrt wird, hat, so Coopers Unterstellung, mit dem realen Leben nichts zu tun. „Wir kennen keine Klasse, keine Prinzipien und keine Unschuld“, singt er. Die Kinder finden anstelle der Stifte und Bücher neues, im Text nicht näher definiertes Spielzeug. Beim Hörer entsteht der Eindruck, dass es sich bei diesen „new toys“ nicht um Püppchen und Modellautos handelt, sondern um Waffen, mit denen die juvenile Meute alles zu Bruch schlagen könnte. Mit der ebenfalls sehr erfolgreichen Nachfolgesingle „Elected“ wird Cooper die Kids auffordern, ihn zum Präsidenten zu wählen. Auf der Bühne der Olympiahalle zeigt er, was passieren könnte, wenn die Kids seinem Aufruf zur Revolte folgen: Ein Heer von Schlangen und giftigen Spinnen sowie das von Cooper erzeugte Flammenmeer würden die bestehenden Strukturen, das ewige „Das machen wir jetzt so, weil wir es schon immer so gemacht haben“ vergiften und verbrennen. Cooper spielt mit Horrorvisionen und gibt den Brandstifter, der die Biedermänner ausradieren will.
Spätestens nach Verlassen der Halle wird dem jugendlichen Fan klar, dass er nur eine Show gesehen hat. Das Leben, die Pauker und der ganze Rest umfangen ihn mit der kalten Nachtluft. mp Original: Alice Cooper: „School’s Out“ (1972, Warner, LP)
„Sex and drugs and rock and roll“ aus: „Sex & Drugs & Rock & Roll“ von Ian Dury & The Blockheads Die Zeit: Ende der siebziger Jahre. Der Tatort: London, Großbritannien. Der Mann, der uns vom Cover seiner 1977 erschienenen ersten Solo-LP „New Boots & Panties!!“ anblickt, widerspricht allen gängigen Vorstellungen, die sich Fans von einem Rock- oder Popstar machen: Ian Dury ist klein von Wuchs, nicht gerade eine Schönheit und auf diesem Bild noch dazu unvorteilhaft angezogen. Und wer ihn live erlebt, sieht ihn humpeln: Eine Kinderlähmung hat bleibende Schäden hinterlassen. Dafür sitzt dem Musiker, der mit seiner Pub-Rock-Band Kilburn & The High Roads zuvor schon in London zur Szenegröße aufgestiegen ist, der Schalk gewaltig im Nacken: Als seine Platte erscheint, treiben die Rolling Stones und viele andere Bands schon seit Jahren ihr Unwesen, machen nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit verwüsteten Hotelzimmern, zahllosen Drogenskandalen und Frauengeschichten von sich reden. Doch erst Ian Dury ist es, der in seinem Song all das, was ein wildes Rock’n’Roll-Leben ausmacht, in die griffige Formulierung „sex and drugs and rock and roll“ packt. Die Parole geht um die Welt – bündelt sie doch all das, wovor es selbsternannten Sittenwächtern und moralinsauren Kleinbürgern in der Regel graut. Wie in seinem anderen großen Hit „Hit Me With Your Rhythm Stick“ beschwört Dury auch in diesem Song ein Fest der Sinne: „Sex and drugs and rock and roll / Is all my brain and body need“, singt er ganz unverblümt und setzt hinzu: „Is very good indeed“. Er stellt den Hörer vor die Wahl: „Keep your silly ways or throw them out the window“, und er verspricht: „I know lots of other ways …“ Doch auch demjenigen, der den ganzen Tag lang einer ungeliebten Tätigkeit nachgehen muss, kann geholfen werden: „If all you ever do is business you don’t like / Sex and drugs and rock and roll …“ Zudem meint der humpelnde Star – mit seiner physischen Erscheinung kokettierend –, dass ein nettes Äußeres dem Spaß nicht unbedingt abträglich ist: „Every bit of clothing ought to make you pretty / You can cut the clothing, grey is such a pity“, und er empfiehlt augenzwinkernd seinen Schneider: „See my tailor, he’s called Simon / I know it’s going to fit.“
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Doch bei allen Vergnügungen sollte der Mensch auch Vorsicht walten lassen: „Here’s a little piece of advice / Don’t do nothing that is cut price“, so Dury. Das ist sein nur oberflächlich kaschierter Ratschlag, nicht auf wohlfeile Angebote oder billigen „Stoff“ hereinzufallen. Dann, und nur dann, bekommt jeder seinen Teil vom „Kuchen der Freiheit“: „Get your teeth into a small slice / The cake of liberty.“ Ein Schalk, wer Böses dabei denkt! gf Original: Ian Dury & The Blockheads: „New Boots & Panties!!“ (1977, Stiff, LP)
„You, your sex is on fire / Consumed with what’s to transpire“ aus: „Sex On Fire“ von Kings Of Leon
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„Sex On Fire“ ist im Herbst 2008 der Überraschungshit der Rockmusik, denn bis dahin waren die Kings Of Leon eher mit ihren Alben erfolgreich: Die ersten drei, „Youth & Young Manhood“, „Aha Shake Heartbreak“ und „Because Of The Times“, verkauften sich vor allem in Europa sehr ordentlich und wurden von den Kritikern gelobt, die Band ging sogar mit U2 auf Tour. Doch erst im Zuge der Single „Sex On Fire“ und dem Album „Only By The Night“ explodieren die Verkaufszahlen regelrecht. Für die vier jungen Männer aus der tiefsten Provinz der USA ist dieser Erfolg eine Überraschung, wie sie immer wieder betonen. Denn eigentlich haben sich Kings Of Leon fernab vom Medien- und Businesstrubel prima eingerichtet. Aufgewachsen sind sie in Talihina, Oklahoma, einem Dorf mit rund 1.200 Einwohnern. Gegründet wurde die Band 1999 als reine Familienangelegenheit: Die Brüder Caleb, Jared und Nathan Followill sowie ihr Cousin Matthew Followill fingen nach dem Umzug nach Nashville an, ihrer Vorstellung von Southern Rock zu frönen. Sie verbinden traditionelle Elemente von Blues und Country mit Einflüssen von Thin Lizzy, den Rolling Stones, The Clash, aber auch Velvet Underground. In den Texten geht es handfest zur Sache, allerdings bleibt immer ein Hauch von Zweifel am Treiben der Menschheit. Das liegt sicher ebenfalls an der familiären Prägung der Followills, denn Ivan Leon, der Vater des Brüdertrios, war lange Zeit Wanderprediger, und Sünde ist ein Wort, das sich die nach dem Followill-Großvater Leon benannte Band auch musikalisch einverleibt hat. Hörbar wird das besonders in den beiden größten Hits der Gruppe, in „Use Somebody“ und „Sex On Fire“: Sänger Caleb verschmilzt Lust und Leidenschaft des Moments mit den für ihn zwangsläufigen Konsequenzen. Beide Songs sind zugleich Lotterbett und Purgatorium – und diese Zerrissenheit, die sich in Caleb Followills ebenso wütender wie warnender Stimme offenbart, ist
durchaus typisch für Künstler aus dem tiefen Süden der USA. Man findet sie in den Liedern von Hank Williams, Johnny Cash und Lowell George (Little Feat) genauso wie in deren Biografien. Die zentrale Zeile „You, your sex is on fire / Consumed with what’s to transpire“ (zu Deutsch: „Deine Lust steht in Flammen / verzehrt sich nach dem, was jetzt geschehen wird“ drückt das Schmutzige aus, der restliche Text pointiert die Vergänglichkeit, die Hölle, die auf jeden Fall auf die Liebenden wartet: „Soft lips are open, knuckles are pale / Feels like you’re dying, you’re dying“ („Sanfte Lippen sind geöffnet, Knöchel sind blass / Fühlt sich an, als ob du sterben würdest“). Für das Lied, das ursprünglich gar nicht „Sex On Fire“ sondern „Socks On Fire“, „Cocks On Fire“ oder gar „Set Us On Fire“ heißen sollte, wurden Kings Of Leon 2009 für den Grammy in der Kategorie „Bester Rocksong“ nominiert. Der ging dann an Bruce Springsteen – ein Jahr später bekamen sie den Preis doch, für „Use Somebody“. Dabei mag Caleb Followill „Sex On Fire“ überhaupt nicht, wie er am 8. September 2008 dem „New Musical Express“ gegenüber betonte. Der Sänger zweifelte an der Qualität des Songs und wollte ihn zunächst gar nicht fertigstellen: „Ich hatte nur diese Melodie, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Eines Tages sang ich dann ‚this sex is on fire‘, und ich lachte. Ich fand es entsetzlich, aber der Rest der Band mochte es. Sie sagten: ‚Es ist gut, es ist sehr einprägsam.‘ Ich sagte ‚Fuck off!‘, aber ich schrieb den Song zu Ende.“ Mit dem Erfolg des Liedes kam vor allem Caleb nie zurecht, immer wieder mussten Konzerte abgesagt werden, weil der Sänger zu besoffen war. Einige sehr schlimme Versionen sind bei Youtube zu finden, viele hervorragende allerdings auch. Kolportiert wird, dass der Frontmann einmal mitten in „Sex On Fire“ hinter die Bühne musste, um sich zu erbrechen. Unbekannt ist, ob das an der Antipathie gegen den Hit lag oder am Hochprozentigen. mp Original: Kings Of Leon: „Only By The Night“ (2008, RCA, CD)
„Ah, shake, rattle and roll“ aus: „Shake, Rattle And Roll“ von Big Joe Turner Mit allem hat Joseph Vernon Turner gerechnet, nur nicht damit, ein Rock’n’RollStar zu werden. Zwar unterschreibt er 1951 einen Vertrag bei Ahmet Erteguns aufstrebendem Label Atlantic, das später mit Künstlern wie Clyde McPhatter, Aretha Franklin („Respect“), Otis Redding („(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“) und Led Zeppelin („Whole Lotta Love“) Furore machen wird, und stellt seinem Namen Joe Turner ein „Big“ voran. Er ist als Bluesmusiker durchaus erfolgreich und hat kleinere Hits wie „Still In The Dark“. Sein Stil ist wild, und sein Pianospiel macht auch traurige Stücke zu furiosen Rocknummern.
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Aber ein Rock’n’Roller ist er nicht. Schließlich hat er, als er 1954 diese bahnbrechende Aufnahme macht, seinen 42. Geburtstag bereits hinter sich – eigentlich zu betagt für diese Art Karriere, zudem schwarz und beileibe nicht so gelenkig wie Elvis, der Junge aus Tupelo, Mississippi. Aber Turner macht eine gute Figur bei Atlantic, schreibt Evergreens wie „Lipstick, Powder And Paint“ und „Flip, Flop And Fly“. Die rocken und rollen, fordern die Jugend zum Tanzen und zu anderen ekstatischen Bewegungen auf. Dabei macht Joe Turner nur, was er immer macht: Er hämmert auf dem Piano wilde Boogieläufe, deren halsbrecherische Geschwindigkeit selbst ein Jerry Lee Lewis („Great Balls Of Fire“) nur in Höchstform erreicht, und er spielt seinen Blues. Der heißt jetzt allerdings Rock’n’Roll und ist in diesen Jahren das große Ding. Turner besingt den Sündenfall, den lustvollen Tanz in den Untergang so kraftvoll und lasziv, dass seine Version des Songs von vielen Radiostationen gar nicht erst gespielt wird. „Ah, shake, rattle and roll / Well, you won’t do nothin’ to save your doggone soul“ („Ah, zittern, rütteln und rollen / Ach, du wirst nichts tun, um deine gottverdammte Seele zu retten“), bellt er ins Mikrofon. Wer einmal auf diesen Hochgeschwindigkeitszug von Song aufgesprungen ist, muss mitfahren. Abspringen ist nicht möglich, während Turner singt: „Well I can look at you till you ain’t no child no more.“ Wirst du volljährig, dann wird’s erst richtig heiß, suggeriert das Lied. Der Mann weiß, wovon er singt, er ist schließlich – im Gegensatz zu Elvis – kein Teenager mehr. „Shake, Rattle And Roll“, Turners wichtigster Song, wird zu einem der meistgecoverten der Ära: Carl Perkins, Johnny Otis, Conway Twitty, Bill Haley („Rock Around The Clock“), sogar der King höchstpersönlich nehmen den schlüpfrigen Kracher auf. Der vom Studiomusiker Jesse Stone unter dem Pseudonym Charles E. Calhoun geschriebene Text wird allerdings von weißen Sängern wie Haley entschärft – um die Vorstadtkids und deren Eltern nicht zu verschrecken. mp Original: Joe Turner & His Blues Kings: „Shake, Rattle And Roll“ (1954, Atlantic, Single)
„Short people got no reason to live“ aus: „Short People“ von Randy Newman
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Washington, Frühjahr 1978. Im feudalen Ballsaal des Hilton-Hotels, wo sonst Gesellschaften tafeln oder große Reden geschwungen werden, hängt diesmal ein überdimensionales Poster an der Wand. Es zeigt einen unauffälligen Biedermann, dessen Gesicht man im nächsten Augenblick normalerweise schon wieder vergessen hat. Pustekuchen: Die knapp 400 Gäste wollen genau das nicht. Entschlossen drängen sie sich an einen provisori-
schen Stand, an dem rohe Eier ausgegeben werden. Minuten später prasselt ein Trommelfeuer auf den Wandbehang nieder und überzieht das Riesenporträt mit einer glibberigen Masse. Verdottert wird: Mr. Randy Newman. Was ist passiert? Nicht viel: Einer der wichtigsten Rocksatiriker Amerikas hat mit „Short People“ ein Lied geschrieben, das Tausenden in den falschen Gehörgang gerutscht ist. Und so schreiten Abordnungen im Hilton und an zahlreichen anderen Orten zur symbolischen Bestrafung des Songwriters, weil seine Zeilen sie so sehr aufregen: „Kleine Menschen haben keinen Grund zu leben / Sie haben kleine Hände und kleine Augen / Sie laufen umher und erzählen große Lügen / Sie haben kleine Nasen und klitzekleine Zähne / Sie tragen Schuhe mit Plateausohlen an ihren schäbigen kleinen Füßen / Ich möchte diese kleinen Leute nicht um mich haben.“ Newmans ironischer Song wird völlig missverstanden als Hasstirade gegen einen Minderheit, dabei ist „Short People“ das vielleicht nachhaltigste und aufrichtigste Bekenntnis zu ihr – von Newman stellvertretend für alle ethnischen oder sozialen Minoritäten intoniert. Ein Missverständnis, das auch deshalb entsteht, weil nach der schnell aufflammenden Empörung niemand mehr die Zeilen in der Mitte des Songs hört oder hören will: „Short people are just the same / As you and I / All men are brothers / Until the day they die.“ Radiosender in Detroit und Boston setzen den Song auf den Index, nach massiven Protesten der Organisation „Little People Of America“ schließen sich weitere an. Der Verein „Shorties Are Smarter“ will sogar Paul Anka zu einem Gegensong bewegen, aber das 1,60 Meter große Ehrenmitglied lehnt dankend ab. Das Missverständnis erweist sich für den am 28. November 1943 in New Orleans geborenen Randall Stuart Newman letztlich als produktiv: Der „musician’s musician“ (er schreibt Songs für Three Dog Night, Judy Collins, Alan Price, Joe Cocker, Barbra Streisand, Sonny Terry & Brownie McGhee und andere) landet mit „Short People“ seinen einzigen Top-Ten-Hit – es ist der Erfolg, der ihn international bekannt macht. gf Original: Randy Newman: „Little Criminals“ (1977, Warner, LP)
„I’m sittin’ on the dock of the bay / Watching the tide roll away“ aus: „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“ von Otis Redding Reden ist seine Sache nicht, die Medien sind es noch weniger, das Singen dafür umso mehr: Musik ist alles, wofür Otis Redding lebt; in der ersten Hälfte der sechziger Jahre ist er der kreative Kopf des Musiklabels Stax in Memphis.
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Seine Auffassung von Soul erläutert er in einem seiner seltenen Interviews: „Soul ist ‚Fühlen‘, und junge Menschen in der ganzen Welt ‚fühlen‘ Dinge, wie sie es meines Wissens noch nie zuvor getan haben. Soul ist universell in seinem Verständnis.“ Gerade der Musiker aber, dem das Gefühl in seiner Musik alles bedeutet, erlebt seinen größten Erfolg nicht mehr: Redding, geboren am 9. September 1941 in Dawson, Georgia, stirbt am 10. Dezember 1967 beim Absturz seiner Privatmaschine in den Lake Monona bei Madison, Wisconsin, im Alter von nur 26 Jahren. Sein berühmtester Song, zwei Tage zuvor eingespielt, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht. Wehmut ist das vorherrschende Gefühl in diesem Lied, das die Geschichte eines jungen, schwarzen und heimwehkranken Arbeiters erzählt: „I left my home in Georgia / Headed for the Frisco bay / ’cause I’ve had nothing to live for / And look like nothin’s gonna come my way.“ Der Grund seiner Reise: Seit Jahren verlassen viele Schwarze den Süden der USA, wollen einem tristen und hoffnungslosen Leben entfliehen und sich in den industrialisierten Teilen des Landes, im Berg- oder Maschinenbau, in den Automobilfabriken oder in den Häfen der Großstädte ein neues Leben aufbauen. Doch allzu oft bleibt statt Arbeit nur Resignation – „Looks like nothing’s gonna change / Everything still remains the same / I can’t do what ten people tell me to do / So I guess I’ll remain the same, yes.“ Die Folge ist, dass ein Elend lediglich gegen ein anderes eingetauscht wird: „It’s two thousand miles I roamed / Just to make this dock my home.“ Hoffnungslosigkeit greift nach Raum und Zeit: „I’m sittin’ on the dock of the bay / Watching the tide roll away / Ooo, I’m just sittin’ on the dock of the bay / Wastin’ time.“ Die so deutlich durchklingende Resignation verbinden viele Hörer und Fans aber schon bald mit einem anderen Ereignis: Am 4. April 1968 wird Martin Luther King in Memphis ermordet. Der Tod des Friedensnobelpreisträgers von 1964 markiert das jähe Ende eines großen Traums der afroamerikanischen Community: des Glaubens ans friedliche Hineinwachsen in die US-amerikanische Gesellschaft. Otis Reddings Hit „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“ wirkt in diesen Monaten auf die traumatisierten Schwarzen wie ein melancholischer Rückblick auf uneingelöste Hoffnungen und Träume. Selten hat Reddings Stimme so rau geklungen wie auf dieser Aufnahme – doch das sind nur die Nachwirkungen einer gerade überstandenen Halsoperation. Auch Otis’ stimmungsvolles Pfeifen am Ende des Songs hat seinen Grund: Eigentlich soll er als Outro ein paar vom Gitarristen Steve Cropper geschriebene Worte sprechen. Leider vergisst er sie – und um seinen Fehler zu überspielen, pfeift er einfach die Melodie. Die endgültige, von Cropper produzierte Version des Songs hat Redding zudem nie gehört: Die Bläser wurden
aufgenommen, als Otis schon auf dem Weg zum Flughafen war. Nach seinem Tod fügt Cropper noch Meeresgeräusche und die Schreie von Seemöwen hinzu – die Erinnerung an einen Scherz im Studio, als Redding eine Seemöwe imitierte, als letzter melancholischer Gruß. „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“ entwickelt sich rasch zum Nummereins-Hit in den US-Popcharts und wird – als einzige Single des schwarzen Sängers – mit Gold und zwei Grammys ausgezeichnet. Otis Redding ist auf dem Weg zum Superstar, als der tragische Absturz seinen gerade beginnenden Höhenflug beendet. gf Original: Otis Redding: „The Dock Of The Bay“ (1968, Volt, LP)
„I want to be your sledgehammer / Why don’t you call my name“ aus: „Sledgehammer“ von Peter Gabriel 1986 wird aus dem innovativen und bereits relativ bekannten Künstler Peter Gabriel („Biko“) ein Popsuperstar. In diesem Jahr schafft der ehemalige Genesis-Frontmann, der ganz zu Beginn seiner Karriere wie sein späterer Gesangsnachfolger Phil Collins Schlagzeuger war, den endgültigen Durchbruch als Solist: Die Single „Sledgehammer“ wird Gabriels erster Nummer-eins-Hit – und im Schlepptau wird auch das Album „So“ ein weltweiter Erfolg. „Sledgehammer“ lebt von seinem funkigen Rhythmus und dem eindeutigzweideutigen Text: „Öffne deinen Fruchtkelch / weil ich deine Honigbiene sein will.“ Und immer wieder singt er vom Vorschlaghammer, der wuchtig und kraftvoll für Befriedigung sorgen kann: „I want to be your sledgehammer / Why don’t you call my name / You’d better call the sledgehammer / This can be your testimony / I’m your sledgehammer / Let there be no doubt about it.“ Außerdem verwendet Gabriel Kirmesmotive, um den Spaß am Sex und die dazugehörigen Bewegungen zu beschreiben: „Du könntest eine Achterbahn haben / Die immer auf und nieder fährt, durch alle Kurven / Du kannst in einem Autoskooter sitzen, immer stoßend / Dieses Vergnügen wird niemals enden.“ Selbstzweifel quälen den Icherzähler nicht: „All you do is call me / I’ll be anything you need.“ Mit dem Geld, das „So“ und „Sledgehammer“ einspielen, gründet Gabriel 1989 sein ambitioniertes Label Real World nebst eigenem Studiokomplex. Künstler aus aller Welt, etwa Farafina aus Südafrika oder die tibetanische Sängerin Yungchen Lhamo, bekommen die Möglichkeit, ihre Musik mit moderner Technik aufzunehmen und zu veröffentlichen. Gabriel selbst scheint damit zufrieden und vermeidet es, den Erfolg zu wiederholen.
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Als er für sein Album „Up“ (2002) den textlich und musikalisch an „Sledgehammer“ erinnernden Song „Burn You Up, Burn You Down“ aufnimmt, fällt ihm – kurz vor der Veröffentlichung der Platte – auf, wie ähnlich sich die beiden Songs sind. Er lässt ihn entfernen, und „Up“ erscheint ohne den potenziellen Hit. mp Original: Peter Gabriel: „So“ (1986, Charisma, LP)
„I found it hard, it was hard to find / Oh well, whatever, nevermind“ aus: „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana
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Natürlich konnte kein Fan anhand von drei, vier Zeilen erahnen, was passieren würde. Doch rückwirkend betrachtet weisen die ersten Worte von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ direkt auf den Selbstmord ihres Sängers und Vordenkers hin: „Load up on guns and bring your friend / It’s fun to lose and to pretend.“ Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob Kurt Donald Cobain damit tatsächlich seinen Tod skizzierte oder ob er nur das fatale Gefühl der Hoffnungslosigkeit einer Generation, einen „Teen Spirit“ der Verzweiflung, beschreibt. Der Song wird 1991 zur Hymne von Kids, die keine Perspektive für ihr Erwachsenenleben sehen – und damit zum größten Hit des Grunge. Dieser rockige Stil hat sich Ende der achtziger Jahre in und um Seattle entwickelt, wo auch die Band Nirvana, damals noch als Quartett unterwegs, lebt. Bands wie Soundgarden, Mudhoney, Pearl Jam oder Alice In Chains werden – bei aller Unterschiedlichkeit ihrer musikalischen Ansätze – gemeinsam zum Vorbild nachfolgender Gruppen wie Linkin Park und Nada Surf. Kurt Cobain ist die Lichtgestalt, deren Popularität seit dem zweiten Nirvana-Album das Genre überstrahlt. Er steht auf einer Stufe mit Doors-Frontmann Jim Morrison („Light My Fire“) oder Janis Joplin („Mercedes Benz“), um deren kurze, heftige Karrieren sich ebenfalls Mythen von in Texten gestreuten Todeszeichen ranken. Cobain ist charismatisch, er schafft zusammen mit seinen Partnern Jason Everman, Krist Novoselic und Chad Channing ein von Kritikern und Fans umjubeltes Albumdebüt auf dem unabhängigen Label Sup Pop. „Bleach“ erscheint 1989 und ist die Blaupause für den Erfolg, der mit dem Sprung zum Majorlabel Geffen Records schließlich gelingt. Zwei Jahre nach dem Erstling erscheint dort die als Trio (Cobain, Novoselic und der neu dazugekommene Dave Grohl) aufgenommene LP, die der Band den weltweiten Durchbruch bringt: „Nevermind“. Der erste Singlehit daraus ist „Smells Like Teen Spirit“.
Das Lied ist Ausdruck von tiefen Selbstzweifeln. Cobain singt: „Ich fühle mich dumm und ansteckend.“ Gleichzeitig ironisiert er, fast wie eineinhalb Jahre später Beck in seinem Song „Loser“, die empfundene Nutzlosigkeit: „Ich bin schlechter in dem, was ich am besten kann / Und für diese Gabe fühle ich mich gesegnet / Unsere kleine Gruppe gab es schon immer / Und wird es immer geben bis zum Ende.“ Er stellt im Gegensatz zu Beck sogar noch Forderungen an die Gesellschaft der Erwachsenen: „Hier sind wir, unterhaltet uns.“ Doch über allem liegt die erdrückende Hoffnungslosigkeit, selbst Cobains Lächeln zeugt davon: „And I forget just what I taste / Oh yeah, I guess it makes me smile / I found it hard, it was hard to find / Oh well, whatever, nevermind“ – „Und ich vergesse, was ich schmecke / O ja, ich vermute, das bringt mich zum Lächeln / Ich fand es schwer, es war schwer zu finden / Ach, was soll’s, vergiss es.“ Diese Einschätzung erweist sich als falsch: Cobain leidet unter dem Erfolg. Das Nachfolgealbum „In Utero“ ist ein Geniestreich, dessen Titel den Wunsch nach maximalem Rückzug ausdrückt, hin zum Ursprung, zurück in die schützenden Gebärmutter. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung dieses deprimierenden Meisterwerkes, am 5. April 1994, erschießt sich der Waffenfanatiker Cobain. In seinem Abschiedsbrief teilt er mit, dass ihm das Schreiben von Songs keinen Spaß mehr mache. Das kurze Schluss-Statement hinter einem nur 27 Jahre dauernden Leben ist der Satz „It’s better to burn out than to fade away.“ Die Worte stammen aus „My My, Hey Hey (Out Of The Blue)“, Neil Youngs 1979 entstandener Würdigung des Punkrock. Obwohl Cobain von nichts anderem als vom Ausbrennen und seiner Kraftlosigkeit schreibt und obwohl seine letzten Zeilen wie der traurige Schluss von „Smells Like Teen Spirit“ wirken, diskutieren die Fans auch andere mögliche Todesursachen, machen gar die Ehefrau des Sängers, die ehemalige Stripperin Courtney Love, dafür verantwortlich: Sie soll ihn mit Heroin vergiftet haben. Gerichtsmediziner finden in Cobains Leiche zwar eine Menge des Stoffs, die bei den meisten Menschen für den finalen goldenen Schuss reichen würde, jedoch keine Beweise für eine Schuld von Courtney Love. Andere glauben an einen schon in „Teen Spirit“ angedeuteten Selbstmordplan des Sängers und eifern ihrem Idol nach. Zynische Zeitgenossen verkaufen T-Shirts mit dem Aufdruck „Shoot your brain like Kurt Cobain“. All das trägt zum Mythos um Cobain bei, zum Rummel um einen Mann, der den Zirkus um seine Person gehasst hat und am Gewinnen zerbrochen ist: „Es macht Spaß zu verlieren“, singt er in seinem größten Song. mp Original: Nirvana: „Nevermind“ (1991, Geffen, CD)
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„Smoke on the water / A fire in the sky“ aus: „Smoke On The Water“ von Deep Purple
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Deep Purple sind am ersten Zenit ihrer Karriere angekommen: Mit dem Album „In Rock“ haben sie 1970 das Genre Hardrock gültig definiert, der Nachfolger „Fireball“ (1971) enthält aus Deep Purples Sicht viel experimentelles Material, die Single „Strange Kind Of Woman“ war zudem ein Hit in Großbritannien. Nach ihrer zweiten US-Tournee als Headliner und einer kurzen Urlaubspause will die Band im Casino von Montreux am Genfer See ihr nächstes Album einspielen. Eine Platte, „die zeigen wird, was Purples Zukunft wirklich ist“, wie Gitarrist Ritchie Blackmore einer Zeitung anvertraut. Das mobile Aufnahmestudio kommt am 3. Dezember 1971 in Genf an. Die Musiker müssen warten, weil Frank Zappa das Casino noch für ein Konzert gebucht hat. Sie wohnen im Hotel Eden au Lac („nur ein Stück die Straße runter“, wie sich Sänger Ian Gillan erinnert) und besuchen Zappas Konzert. Gegen Ende des Auftritts feuert ein verrückter Fan mit einer Leuchtpistole an die Hallendecke und setzt damit das Gebäude in Brand. Ein Vorfall mit dramatischen Folgen: Deep Purple verlieren ihre Aufnahmelocation – und komponieren, von diesem Ereignis inspiriert, den Hardrockhit überhaupt. Die Erinnerungen von Ian Gillan geben dem Song seinen Titel und seinen berühmten Refrain „Smoke on the water / A fire in the sky“: „Wir saßen danach in einer Bar, nur eine Viertelmeile vom Casino entfernt – es stand in hellen Flammen. Der Wind kam von den Bergen herab und trieb den Rauch und die Flammen über den See, und der Rauch hing wie ein Vorhang über dem See.“ „Smoke on the water“, kritzelt Bassist Roger Glover fasziniert auf eine Papierserviette und beschließt, das neue Album um einen weiteren Song zu bereichern. In wenigen Zeilen erzählt die Band darin die außergewöhnliche Geschichte: „We all came out to Montreux / On the lake Geneva shoreline / Frank Zappa and the Mothers / Were at the best place around / But some stupid with a flare gun / Burned the place to the ground.“ Um das geplante Album aufnehmen zu können, muss ein Ausweichquartier gefunden werden – die Wahl fällt auf das Grand Hotel von Montreux. Das ist im Winter eigentlich geschlossen, aber für die Band wird eine Ausnahme gemacht: Sie bekommt einen ganzen Korridor mit einigen Zimmern, muss allerdings über einen Balkon ins Hotel einsteigen. Kein Wunder, dass Blackmore die Aufnahmen als eher ungemütlich in Erinnerung hat: „Überall liefen Kabel durch die Räume. Um Playbacks anzuhören, musste man durch ein halbes Dutzend Türen und Zimmer, über zwei Balkone und die Feuertreppe runter zur Rückseite des Hotels und anschließend durch den Hof, wo es schneite.“
Auch diese Umstände finden sich in den Versen des Songs wieder: „We ended up at the Grand Hotel / It was empty, cold and bare / But with the Rolling truck Stones thing just outside / Making our music there / With a few red lights and a few old beds …“ Fast wie zum Trotz schreibt Ritchie Blackmore dafür sein eingängigstes und einprägsamstes Gitarrenriff und adelt den Song damit zur unvergesslichen Hardrockhymne. Diese kuriose Situation muss man sich vorstellen: Eine der bekanntesten Bands Großbritanniens spielt ihren erfolgreichsten Song und eines ihrer besten Alben in einem menschenleeren, ungeheizten Hotel ein – mit Kabelsalat auf den Gängen, dem Schlagzeug auf dem Flur und dem Keyboard vor der Hotelzimmertür. Der Erfolg des Songs und des Albums „Machine Head“ entschädigt Deep Purple aber für alle Kalamitäten: Sie katapultieren sich damit endgültig an die Spitze der Hardrock-Elite. gf Original: Deep Purple: „Machine Head“ (1972, Purple, LP)
„So long, Marianne / It’s time that we began / To laugh and cry and cry and laugh / About it all again“ aus: „So Long, Marianne“ von Leonard Cohen Man verfällt schnell der Melancholie von Leonard Cohen: dem monochromen Gesang und den schlichten, melodischen Gitarrenakkorden. Dabei sah es anfangs gar nicht so aus, als würde der am 21. September 1934 in Montreal geborene Cohen einmal mit der Musik sein Geld verdienen. Zwar lernte er mit 13 Jahren schon Gitarrespielen, doch gab es daneben noch andere prominente Begabungen. So gewann er 1955 (noch vor Abschluss seines Studiums) einen Preis für kreatives Schreiben. Die erfolgreiche Vertonung einiger seiner Gedichte (bereits 1966 veröffentlicht Judy Collins seinen Song „Suzanne“ auf ihrem Album „In My Life“) trägt dazu bei, dass Cohen Mitte der sechziger Jahre zumindest in Kanada kein Unbekannter mehr ist. Stets sind reale Erlebnisse die Folie seiner Gedichte, die später zu Songs werden. So auch 1959: Im Dezember reist Cohen nach Griechenland, wo er sich in der Künstlerkolonie auf der Insel Hydra, 65 Kilometer von Athen entfernt gelegen, niederlässt. Cohens britische Freundin Elizabeth ist in London geblieben – dafür lernt der Kanadier die intelligente und attraktive Norwegerin Marianne Jensen kennen, die damals mit dem Romanautor Axel Jensen verheiratet ist und mit ihm einen kleinen Sohn hat. Cohen reist Marianne bis nach Norwegen nach und lebt danach mit Unterbrechungen sieben Jahre lang mit ihr auf Hydra.
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Das Auf und Ab dieser Liebe beschreibt er in „So Long, Marianne“ in eindrucksvollen Versen: die Verrücktheit zu Beginn („I used to think I was some kind of gypsy boy“), den Schmerz, den zeitweilige Trennungen verursachen („Your letters say that you are beside me now / Then why do I feel alone?“), und die Trauer, als der Verlust endgültig wird („I see you’ve gone and changed your name again / And just when I climbed this whole mountainside / To wash my eyelids in the rain“). Der einprägsame Refrain schließlich ist der inbrünstige Versuch, all das Erlebte – das Schöne wie das Traurige – zu beschwören und noch einmal zu durchleben: „So long, Marianne, it’s time that we began / To laugh and cry and cry and laugh about it all again.“ Im August 1967 nimmt Cohen sein erstes Album „Songs Of Leonard Cohen“ auf, mit dem er seine Beziehungen zu Frauen, insbesondere die zu Marianne, reflektiert. Doch da ist Marianne, trotz aller Affären Cohens große Liebe in diesen Jahren, schon nach Oslo zurückgekehrt – die Gefühle von Verlust und Einsamkeit befruchten noch die Lieder seines nächsten Albums „Songs From A Room“, auf dessen Coverrückseite Marianne auch zu sehen ist. gf Original: Leonard Cohen: „The Songs Of Leonard Cohen“ (1967, Columbia, LP)
„I guess I don’t need that tough / Now you’re just somebody that I used to know“ aus: „Somebody That I Used To Know“ von Gotye
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Das melodische Klimpern des Xylofons zu Beginn: leicht wie ein Kinderlied, unbeschwert wie der Anfang jeder Liebe. Doch schnell mutiert der Song zu einer melancholischen Ballade – mit einem Thema, das jedem Menschen vertraut ist: Er erzählt vom Ende einer Beziehung und dem damit verbundenen Schmerz sowie von der Tatsache, dass der andere nichts mehr von einem wissen will und mit der Zeit zu jemandem wird, den man irgendwann einmal gekannt hat. Auch für Gotye, dessen Name eigentlich Wouter „Wally“ De Backer lautet und der das Lied in der Scheune seiner Eltern in Australien aufnahm, war ein solches Erlebnis der Grund, das Lied zu schreiben: „Ich hab’ da eine Exfreundin“, erzählte er dem australischen „Rolling Stone“ Anfang 2012. „Es ist fünf oder sechs Jahre her. Es ging ziemlich hässlich zu Ende, auch unangenehm, weil wir uns gegenseitig mehr verletzten, als es hätte sein müssen. Es hat sich hingezogen, obwohl ein klarer Schnitt das Beste gewesen wäre. Darum geht’s auch im Refrain. Eigentlich hatten wir beide längst verstanden, dass sich jeder von uns woanders hinbewegt. Wir haben uns seither auch nicht mehr gesehen.“
Das sind Gefühlsturbulenzen, die geschlechterübergreifend verstanden werden. Beklagt sich der Junge in den ersten Strophen noch darüber, dass sie ihn ziemlich kalt abserviert hat („But you treat me like a stranger / And that feels so rough“), so kommt bald auch das Mädchen zu Wort und macht aus ihrer Perspektive klar, dass sie durchaus gute Gründe hatte, sich so brüsk zu trennen: „Now and then I think of all the times you screwed me over (…) / And I don’t wanna live that way.“ Vorwürfe machen sie sich gegenseitig.Den weiblichen Part des Songs übernahm die neuseeländische Sängerin Kimbra. Die zwei Seiten eines Problems in einem Lied zu beleuchten, hat in der Pop- und Rockmusik eine lange Tradition: Cat Stevens zum Beispiel lässt in „Father & Son“ zwei Generationen miteinander sprechen – für die Stimme des Sohns wechselt Stevens in eine höhere Stimmlage. Meat Loaf wiederum hat in „Paradise By The Dashboard Light“ Ellen Foley an seiner Seite. Sie verlangt von ihm die Antwort auf die Frage „Will you love me forever?“ – bevor sie ihm erlaubt, weitere Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. Mit „Somebody That I Used To Know“ landet der Australier Gotye seinen ersten großen Hit. Im September 2012 ist der Song mit mehr als neun Millionen verkauften CDs und Downloads eine der erfolgreichsten Singles aller Zeiten. In Deutschland, Frankreich, Kanada, Australien, Großbritannien, den USA und 20 weiteren Ländern landet er auf Platz eins der Charts. Das Außergewöhnliche ist aber, dass nicht nur Gotye mit dem Lied berühmt wird. Kimbra befeuert damit auch ihre eigene Karriere und lenkt viel Aufmerksamkeit auf ihr 2012 erschienenes Debütalbum „Vows“. Im Januar 2012 veröffentlicht dann die kanadische Popband Walk Off The Earth ein Video auf Youtube, in dem sie ihre Version von „Somebody That I Used To Know“ vorstellt: Die fünf Musiker vertonen das Lied, indem sie gleichzeitig auf einer (!) Gitarre spielen – einer schlägt den Rhythmus, die vier anderen zupfen und singen. Ihr Erfolg schlägt das Original: Gotye kommt bis Mitte August 2012 auf rund 60 Millionen Aufrufe bei Youtube, die Version der Kanadier haben da schon über 130 Millionen Fans angesehen. Die Folge des Erfolgs: Sowohl Gotye als auch Kimbra und Walk Off The Earth starten noch 2012 ihre Welttourneen. gf Original: Gotye: „Making Mirrors“ (2011, Vertigo, CD), weitere Version: Walk Off The Earth: „Little Boxes“ (2012, Columbia, CD)
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„It was Stagger Lee and Billy / Two men who gambled late“ aus: „Stagger Lee“ von Lloyd Price
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Es geschieht in St. Louis, an Weihnachten 1895: Ein Mann namens Stack-a-lee oder Stacker Lee, Stagolee oder Staggerlee, jedenfalls bürgerlich Lee Shelton getauft und von Beruf Kutscher und Zuhälter, erschießt nach einem heftigen Streit einen Mann namens Billy Lyons, auch Billy the Lion oder Billy the Liar genannt. Billy, so geht die Legende, stirbt wegen eines Stetson-Huts im Wert von fünf Dollar, weil er beim Kartenspiel oder beim Würfeln gegen Stagger Lee gewonnen hat. Oder weil Stagger Lee schummelt und Billy dumm genug ist, ihn deswegen zur Rede zu stellen: „‚Stagger Lee‘, said Billy / ‚I can’t let you go with that / You have won all my money / And my brand-new Stetson hat.‘“ Der Streit eskaliert: Stagger Lee holt seinen Revolver und bedroht Billy („He said ‚You did me wrong, Billy‘ / And he pulled his .44“), der um sein Leben bettelt: „‚Stagger Lee‘, said Billy / ‚Oh, please don’t take my life! / I’ve got three hungry children / And a very sickly wife.‘“ Doch alles ist vergebens, Lee schießt und tötet: „Stagger Lee shot Billy / Oh, he shot that poor boy so hard / That a bullet went through Billy / And broke the bartender’s bar.“ Dieses letzte Bild aber – das von der Kugel, die Billy durchbohrt und in der Bar des Barkeepers einschlägt – wird, nicht zuletzt auch befördert durch viele Szenen in den Western Hollywoods, zum zeitlosen Inbegriff von Coolness und Tod. Stagger Lee mutiert in der weiteren Überlieferung vom Killer zum glorifizierten schwarzen Outlaw, der sich mutig gegen Weiße zur Wehr setzt. Es ist eine Moritat, die heute zum Mythenschatz des Schwarzen Amerika gehört und in unzähligen Variationen existiert. Schon 1925 gelingt der Bluessängerin Gertrude Pridgett, besser bekannt als Ma Rainey, mit dem „Stack O’Lee Blues“ ein Hit. Der 1933 in einem Vorort von New Orleans geborene Lloyd Price lernt die Geschichte in seiner Heimatstadt kennen – sie hat sich im dortigen French Quarter so oder so ähnlich schließlich unzählige Male abgespielt. Seine Version – mit schneidend scharfen Bläsersätzen, exaltiert singendem Chor („Go, Stagger Lee“) und romantischem Intro („The night was clear and the moon was yellow / And the leaves came tumblin’ down …“) – ist die mit Abstand erfolgreichste: Kurz nach dem Erscheinen 1958 steigt seine Single auf Platz eins der US-Charts – für die TV-Show „American Bandstand“ muss Price allerdings den Text „säubern“, weil er dem Moderator Dick Clark zu blutig ist. Die Geschichte erweist sich als so faszinierend und anziehend, dass die Liste der Musiker, die sie sich aneignen und ihre Interpretationen auf Platte veröffentlichen, schier endlos scheint: Cab Calloway („Stack O’Lee Blues“), Fats
Domino („Stack & Billy“), Bob Dylan („Stack a Lee“), James Brown („Stagger Lee“), Jesse Fuller („Stagolee“), Mississippi John Hurt („Stack O’ Lee Blues“), Memphis Slim („Stack Alee“), Doc Watson („Stack O’Lee“), Wilson Pickett („Stagger Lee“), Grateful Dead („Stagger Lee“), Nick Cave („Stagger Lee“) und andere mehr. gf Original: Ma Rainey: „Stack O’Lee Blues“ (1925, Paramount, Schellacksingle), weitere Versionen: Lloyd Price: „Stagger Lee“ (1958, ABC, Single), James Brown: „Cold Sweat“ (1967, King, LP), Wilson Pickett: „I’m In Love“ (1968, Atlantic, LP), Nick Cave & The Bad Seeds: „Murder Ballads“ (1996, Mute, CD)
„Ah, ha, ha, ha, stayin’ alive, stayin’ alive“ aus: „Stayin’ Alive“ von The Bee Gees Kurioser ist noch keine Band zum Erfolg gekommen als die Bee Gees mit „Stayin’ Alive“ und den anderen Hits aus dem Kultfilm „Saturday Night Fever“ mit John Travolta in der Hauptrolle. Die Vorlage zum Film lieferte eine Kurzgeschichte, die der britische Musikjournalist Nik Cohn im Juni 1976 im „New York Magazine“ veröffentlichte. Hellsichtig und begeistert sicherte sich Robert Stigwood, damals der Manager der Band, sofort die Filmrechte. Während die Dreharbeiten bereits laufen und John Travolta zu Songs von Stevie Wonder seine Tanzszenen absolviert, nehmen die Bee Gees in Frankreich ein neues Album auf. Stigwood setzt sich ins Flugzeug, besucht sie und beschreibt ihnen Story und Film: Tony Manero, 19-jähriger Angestellter eines Malerbetriebs, wird an jedem Samstag zum wilden Hengst der örtlichen Disco, wo er an einem Tanzwettbewerb teilnimmt – in einem weißen Discoanzug und einem schwarzen Hemd mit extrabreitem Kragen. Er verliebt sich in Stephanie und lebt auf der Tanzfläche seine Träume aus, die ihn schließlich nach New York führen ... In kürzester Zeit schreiben die Bee Gees ihre Songs, ohne eine einzige Szene des Films gesehen zu haben. Bereits „How Deep Is Your Love“, die erste Single, wird 1977 zum Welthit. Zudem brechen die Musiker mit einer althergebrachten Hollywoodtradition: Normalerweise sind Filmsong und Filmtitel identisch – ihrem Song aber geben sie statt „Saturday Night Fever“ den Titel „Stayin’ Alive“ und begründen das in Interviews: „Es gibt schon so viele blöde Songs mit diesem Titel“, sagt Maurice Gibb damals. Zudem entspricht der Titel „Stayin’ Alive“ auch dem Inhalt des Songs, der unverblümt vom Überleben in den Straßen von New York erzählt und damit dem im Film erzählten Leben von Tony Manero entspricht: „Well now, I get low and I get high / And if I can’t get
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either, I really try / Got the wings of heaven on my shoes / I’m a dancin’ man and I just can’t lose / You know it’s all right, it’s okay / I’ll live to see another day / We can try to understand / The New York Times effect on man.“ Der Song „Stayin’ Alive“ wird zum Inbegriff für eine Ära, ebenso wie weiße Anzüge und die zu der Zeit unvermeidlichen Schlaghosen. Der Soundtrack zum Film ist ein später Höhepunkt der Discowelle und markiert ihren beginnenden Niedergang, da sie leider bald zur Masche verkommt. Die Bee Gees allerdings, deren Karriere nach frühen Hits wie „Spicks And Specks“, „New York Mining Desaster“, „To Love Somebody“ oder „How Can You Mend A Broken Heart“ gerade etwas durchhängt, feiern mit dem Soundtrack ein grandioses Comeback: Nicht nur, dass sie mit „Night Fever“, „Too Much Heaven“, „Tragedy“ und „Love You Inside Out“ weitere Nummer-eins-Hits haben, auch das Doppelalbum verkauft sich über die Jahre mehr als 30 Millionen Mal. Allein in Deutschland werden im ersten Jahr mehr als eine Million Exemplare verkauft. Erst Gerry Raffertys Platte „City To City“ mit dem Hit „Baker Street“ verdrängt Monate später den Soundtrack von der Spitze der Charts. gf Original: Soundtrack: „Saturday Night Fever“ (1977, RSO, LP)
„Strangers in the night, exchanging glances“ aus: „Strangers In The Night“ von Frank Sinatra
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Das wievielte Comeback von Frank Sinatra ist „Strangers In The Night“? Ist es überhaupt eines? Bert Kaempfert, der Komponist des ursprünglich für Ronald Neames Film „A Man Could Get Killed“ („Willkommen Mr. B“) geschriebenen Songs, behauptet, er habe Frankieboy damit auf die Sprünge geholfen. Die Fans des Jahrhundertsängers („Theme From ‚New York, New York‘“) sehen das anders. Fakt ist allerdings, dass der Song zu den erfolgreichsten Spätwerken von Sinatra gehört und ihn in die Popcharts zurückkatapultiert. Ein Deutscher arbeitet für den größten Entertainer der Welt: Der am 16. Oktober 1923 in Hamburg geborene Bert „Fips“ Kaempfert wird – nachdem er in Deutschland unter anderem Freddy Quinns „Die Gitarre und das Meer“ produziert hat – vor allem im englischsprachigen Raum zum angesehenen und erfolgreichen Komponisten. Zunächst macht er das Volkslied „Muss i denn zum Städtele hinaus“ zu „Wooden Heart“ und so zum internationalen Hit für Elvis Presley. Kaempfert, der sich rühmt, die Beatles („Yesterday“, „Let It Be“) entdeckt zu haben, zieht in die USA und arbeitet mit den absoluten Topstars zusammen: Für Dean Martin schreibt er „I Can’t Help Re-
membering You“, für dessen Rat-Pack-Kumpel Sammy Davis Jr. „Lonely Is The Name“, Nat „King“ Cole wiederum singt Kaempferts „L-O-V-E“. Mit „Wonderland By Night“ ist der Hamburger selbst die Nummer eins der Hitparaden, doch zwei Songs machen ihn unsterblich: Das in mindestens 500 Versionen existierende „Spanish Eyes (Moon Over Naples)“ wird in der Originalaufnahme von Al Martino genauso zum Evergreen wie Sinatras „Strangers In The Night“. Die Melodie umschmeichelt den Text, der perfekt zu Sinatras Image passt. Der Nachtmensch und Partylöwe singt von zwei Fremden, die ihre Chance nutzen und zueinander finden: „Strangers in the night, exchanging glances / Wondering in the night, what where the chances.“ Sie tanzen gemeinsam durch die Nacht, die Stimmung ist erotisch aufgeheizt – „Yeah, woo-hoo! / I’m dancin’, dancin’ in the night / Hello stranger. C’mon, whoa.“ Ob sie sich dauerhaft näher kommen, ist ungewiss, aber in dieser einen Nacht funkt es zwischen den beiden. Sinatra gibt den erfahrenen Lebemann, und aus jeder Zeile – aus „We would fall in love before the night was through“ ebenso wie aus „In my heart I knew I must have you“ – ist herauszuhören, dass er solch prickelnde Situationen kennt und damit umzugehen weiß: „I say what’s on my mind / Let us be lovers. Yeah, it’s gonna be alright / For strangers in the night.“ Kaempfert fertigt einen weiteren musikalischen Maßanzug für Frankie an: 1967, ein Jahr nach der LP „Strangers In The Night“, singt Sinatra „The World We Knew (Over And Over)“ – und wieder wird Kaempferts Song auch Albumtitel. An den Erfolg von „Strangers“ kommt dieses hübsche Lied allerdings nicht heran. mp Original: Frank Sinatra: „Strangers In The Night“ (1966, Reprise, LP)
„Sunday, bloody Sunday“aus: „Sunday Bloody Sunday“ von U2 Der 30. Januar 1972 geht als „blutiger Sonntag“ in die an mörderischen Anschlägen und tödlichen Übergriffen reiche Geschichte Nordirlands ein: An diesem Tag treffen sich in Londonderry einige tausend Menschen, um gegen die wirtschaftliche und soziale Benachteiligung von Katholiken gegenüber Protestanten zu demonstrieren. Es ist bereits der zweite Versuch innerhalb einer Woche, sich Gehör zu verschaffen – die erste Kundgebung wurde von 300 Soldaten mit Gewalt aufgelöst. Die Weltöffentlichkeit ist entrüstet, und so rechnet niemand mit dem, was an diesem Sonntag passiert: 13 Menschen werden von britischen Fallschirmjägern getötet, ein vierzehnter erliegt einige Monate später seinen Verletzungen.
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Bis heute ist nicht geklärt, warum die militärische Eliteeinheit überhaupt eingesetzt wurde. Allerdings ist die Behauptung der damaligen Befehlshaber, dass man an diesem 30. Januar auf extrem gewaltbereite, mit Pistolen und Nagelbomben bewaffnete Demonstranten getroffen sei, nach einer jahrelangen Untersuchung widerlegt – die Getöteten waren unschuldig und unbewaffnet. Am 15. Juni 2010 bittet der britische Premierminister David Cameron die Nordiren öffentlich um Verzeihung. „The trenches dug within our hearts / And mother’s children, brothers, sisters torn apart / Sunday, bloody Sunday“ – der irischen Band U2 („I Still Haven’t Found What I’m Looking For“) bringt die Vertonung dieser tragischen Episode aus einem Jahrzehnte andauernden Gemetzel und des ersten „Bloody Sunday“ im November 1920 den weltweiten Durchbruch. Das Lied eröffnet die dritte, 1983 erschienene LP „War“. Schon seit ihrer Gründung 1976 wollte die Gruppe ein Lied über dieses Ereignis schreiben, doch es fiel ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. Die spätere musikalische Aufarbeitung mit „Sunday Bloody Sunday“ verzichtet zwar auf Schuldzuweisungen – ist aber doch eine einzige Anklage. Bono Vox’ Stimme transportiert die Verse voller Wut und Trauer: „Doch der Kampf hat schon begonnen / So viel ist verloren, aber sag mir, wer hat gewonnen? / Die Gräben sind ausgehoben in unseren Herzen / Und die Kinder der Mütter, Brüder, Schwestern sind zerfetzt / Sonntag, blutiger Sonntag / Sonntag, blutiger Sonntag.“ Und er wirft eine zentrale Frage aus Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“ erneut auf: Dylans „Yes, ’n how many ears must one man have / Before he can hear people cry?“ lautet bei U2 leicht abgewandelt „How long, how long must we sing this song, how long?“ mp Original: U2: „War“ (1983, Island, LP)
„Sunny, yesterday my life was filled with rain“ aus: „Sunny“ von Bobby Hebb
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Es gibt Lieder, die werden immer wieder aufgenommen, „Yesterday“ zum Beispiel oder „Hey Joe“. Aber kaum eines haben so viele unterschiedliche Künstler interpretiert wie „Sunny“: Die Reihe der Interpreten reicht von Soulsängern wie James Brown, Stevie Wonder und Marvin Gaye über Cher, Dusty Springfield und Boney M. bis zu Jazzmusikern wie Oscar Peterson, Ella Fitzgerald und Jimmy Smith. Selbst Schauspieler wie Robert Mitchum und Leonard „Mr. Spock“ Nimoy veröffentlichten ihre Version dieses Songs.
Das Lied wandert also quer durch alle Stilrichtungen und führt damit ein Leben, das dem seines Autors Bobby Hebb entspricht: Der 1938 in der Countrymetropole Nashville, Tennessee, geborene Songwriter, Sänger und Gitarrist ließ sich nicht auf einen Stil festlegen. Immer auf der Suche nach neuen Klängen zog er nach Chicago, dann nach New York und schließlich wieder nach Nashville, wo seine Wanderschaft einst begonnen hatte. Der 2010 verstorbene Hebb war einer der ersten Afroamerikaner, die in der „Grand Ole Opry“ auftraten: Dank seiner Darbietung in der wichtigsten Countryshow der USA wurde er von Roy Acuff entdeckt und Mitglied bei dessen Smokey Mountain Boys. Lang hielt er es dort nicht aus; er versuchte sich mit den späteren Soulstars Valerie Ashford, Nicolas Ashford und Melba Moore am mehrstimmigen Doo-Wop-Gesang, spielte mit Blues-Unikum Bo Diddley, der in Chicago über ihm wohnt, musizierte mit dem Jazzsaxofonisten Stanley Turrentine, der „Sunny“ später ebenfalls coverte, und arbeitete mit dem Countrygitarristen Chet Atkins zusammen. Hebb genoss Ansehen in allen Szenen, sein „Sunny“ ist in jedem Genre mehrfach zu finden – aber zum Superstar taugte er wegen seiner Unbeständigkeit nicht. Doch dieser eine Song, den alle so sehr lieben, wird 1966 sein einziger Riesenhit und macht ihn reich. Geschrieben hat er das Lied schon Ende 1963 – nur mochte es damals keiner haben. Zunächst einmal wollte sich Hebb mit der sanft swingenden Melodie und mit Zeilen wie „Sunny, yesterday my life was filled with rain“ selbst trösten: Mit diesem Song verarbeitete er den Tod seines Bruders Harold, der am 23. November 1963, einen Tag nach der Ermordung John F. Kennedys, vor dem Baron Club in Nashville in einen Streit geriet und erstochen wurde. Die Zeile steht für die Tage der Trauer. Die sind noch nicht vorbei, aber der Autor sieht schon Licht in der Finsternis: „The bright days are near.“ Es ist diese Hoffnung, die jeder nachempfinden kann oder doch in schweren Stunden so empfinden möchte, die „Sunny“ zum Hit machte und dazu führte, dass das Lied noch oft aufgenommen wurde: „Sunny, you smiled at me and really eased my pain.“ mp Original: Bobby Hebb: „Sunny“ (1966, Philips, LP), weitere Versionen: Robert Mitchum: „That Man“ (1967, Monument, LP), Stevie Wonder: „For Once In My Life“ (1968, Tamla, LP), Boney M.: „Take The Heat Off Me“ (1976, Hansa, LP). Nur „Sunny“ und sonst nichts, Verschiedene: „A Collection Of Various Interpretations Of Sunny“ (Roof) – diese CD enthält Bobby Hebbs Original, Verschiedene: „A Collection Of Various Interpretations Of Sunny Part 2“ (Roof)
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„When you believe in things that you don’t understand … / Superstition ain’t the way“ aus: „Superstition“ von Stevie Wonder
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Als Stevie Wonder im Herbst 1972 sein bahnbrechendes Album „Talking Book“ und die Single „Superstition“ veröffentlicht, ist der in Saginaw, Michigan, geborene Sänger, Pianist, Texter, Komponist und Produzent gerade mal 22 Jahre alt. Und doch ist das Multitalent zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Jahren ein Superstar. Der Künstler, der später mit der Doppel-LP „Journey Through The Secret Life Of Plants“ einfühlsam das geheime Leben der Pflanzen beschreiben wird, verlor sein Augenlicht kurz nach der Geburt. Eine Netzhauterkrankung und übermäßige Sauerstoffzufuhr im Brutkasten ließen Stevie erblinden, weshalb er sich schon als Kleinkind „intensiv mit Tönen beschäftigt“ und der Musik widmet. Mit elf Jahren wird er von der Detroiter Plattenfirma Motown für ihr Label Tamla unter Vertrag genommen und erreicht als Little Stevie Wonder schon nach zwei Jahren vordere Chartpositionen. Sein erstes Livealbum trägt den mutigen Titel „The 12 Year Old Genius“, und in den Annalen der US-Hitparade wird Wonder als der jüngste Musiker mit einem Nummer-eins-Hit – „Fingertips Part 2“ – geführt. 1965 rangierte „Uptight Everything’s Alright“ an die Spitze der R&B Charts des „Billboard Magazine“. Berühmt ist auch seine Interpretation von Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“. Noch als Teenager gründet Stevie seinen eigenen Musikverlag Jobete und kontrolliert – einige Zeit bevor andere Motown-Künstler, etwa Marvin Gaye („I Heard It Through The Grapevine“) und Diana Ross, sich vom Stildiktat der Company lösen – seinen kreativen Output selbst. Ein wichtiger Schritt zur künstlerischen Eigenständigkeit ist die LP „Talking Book“: Sie stellt eine auf zehn fantastische Songs verteilte Reise durch das Klanguniversum des Stevie Wonder dar. Die Fahrt beginnt mit dem luftig-lockeren „You Are The Sunshine Of My Life“, führt über das angejazzte „You And I (We Can Conquer The World)“ bis zur grandiosen, sich in schwindelerregende Höhen schraubenden finalen Liebeserklärung „I Believe (When I Fall In Love With You It Will Be Forever)“. Mittelpunkt der Platte ist allerdings das funkige „Superstition“. Im Text beschäftigt sich Wonder mit spirituellen Verirrungen und Aberglauben (Superstition), die sich Anfang der siebziger Jahre in den USA – und speziell in den Ghettos der Metropolen – ausbreiten. Der Sänger, selbst gläubiger Christ, sieht, wie im Zuge von Kriegsangst und gesellschaftlicher Haltlosigkeit radikale christliche Gruppierungen und unzählige, teilweise obskure Sekten
entstehen. Die Menschen versuchen sich im Deuten von Symbolen, gestehen ihnen aber zu viel Bedeutung zu: „Thirteen month old baby, broke the looking glass / Seven years of bad luck, the good things in your past.“ Vielleicht deutet die schwarze Katze, die den Weg ins Büro kreuzt, schon an, dass die Entlassung bevorsteht oder der Arbeitstag in einer persönlichen Katastrophe endet. Vielleicht fordert auch der Vietnamkrieg nur deshalb seinen Blutzoll, weil die Sterne gerade in einer für einen amerikanischen Sieg ungünstigen Konstellation stehen? Stevie Wonders Kommentar dazu: „Very superstitious, the devil’s on his way.“ Es ist einfach, Dinge, die man nicht versteht, durch Aberglauben erklären zu wollen – doch Wonder hält diese Praxis nicht für hilfreich: „When you believe in things that you don’t understand / Then you suffer / Superstition ain’t the way, no no no.“ mp Original: Stevie Wonder: „Talking Book“ (1972, Tamla, LP)
„I’m just a sweet transvestite from Transexual, Transylvania“ aus: „Sweet Transvestite“ vom Soundtrack „The Rocky Horror Picture Show“ Brad und Janet sind ein frisch verlobtes Spießerpärchen, das vor einem finsteren Gruselschloss eine Autopanne hat. Eigentlich wollen sie nur kurz telefonieren und sich vor dem niederprasselnden Regen schützen. Aber sie geraten zwischen die obskuren Personen, die das Anwesen bevölkern – die schrille Magenta, den stoisch-verschmitzten Diener Riff Raff und ihren Meister, den „süßen Transvestiten von Transexual in Transylvania“, Dr. Frank N. Furter. Dessen erster Auftritt ist effektvoll: Mit femininer Geste und in Strapsen begrüßt er die anwesende Schar der Sonderlinge – „How d’you do, I / See you’ve met my faithful handyman“ sind seine ersten, speziell an Janet und Brad gerichteten Worte. Der „Sweet Transvestite“ Frank erzählt, dass er vorhat, ein Wesen – „with blond hair and a tan“ – zu schaffen, das nur der Lustbefriedigung dient. Gleichzeitig fordert er das Paar auf, zu bleiben („Why don’t you stay for the night? / Or maybe a bite?“), und lässt dabei keinen Zweifel, dass er die beiden begehrt. Frank N. Furter stellt sich als bisexueller Herr der Lüste vor, seine Darbietung gehört zu den wichtigsten Szenen des 1975 uraufgeführten Filmmusicals „The Rocky Horror Picture Show“. Seitdem verführt das kultisch verehrte Werk von Regisseur Jim Sharman die Fans dazu, sich als Frank oder Riff Raff zu verkleiden und mit Reis um sich zu werfen, wenn der Meister die Stufen herabschreitend die Grenzen zwischen den Geschlechtern verwischt.
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Der 1946 im englischen Cheshire geborene Schauspieler Tim Curry spielt den Transvestiten so überzeugend, dass er es danach schwer hat, von der Rolle loszukommen. „Es ist, als wäre ich von Frank verflucht worden“, sagt er in einem Interview. Weil der Film über Jahre hinweg nicht aus den Kinos verschwindet, bleibt Curry als Botschafter der sexuellen Befreiung allgegenwärtig. Da hilft es auch nicht, dass der Künstler 1979 mit dem Song „I Do The Rock“ einen mittleren Hit landet, denn auch wer dieses Lied hört, denkt unweigerlich an die „Rocky Horror Picture Show“. Die Bühnenvorlage zum Film und auch die extrem eingängigen Songs stammen von Richard O’Brien. Der Schauspieler und Sänger wird 1972 aus dem Ensemble der Londoner „Jesus Christ Superstar“-Aufführung geworfen und ist daraufhin arbeitslos. Weil er Zeit hat, widmet er sich seiner Liebe zum Trash der fünfziger Jahre, sieht sich Filme wie „Tarantula“ oder „Creature From The Black Lagoon“ an und beginnt ein Stück im Stil der Epoche zu schreiben – Arbeitstitel: „They Came From Denton High“. Sein an Zitaten reiches Musical wird 1973 in einem winzigen Theater als „The Rocky Horror Show“ uraufgeführt. O’Brien spielt in der Bühnenfassung – wie später im Film – den Butler Riff Raff. Und einer seiner Freunde stolziert von Anfang an auf Stöckelschuhen durch die turbulente Mischung aus Sex und Rock’n’ Roll: Tim Curry. Das Musical ist immer ausverkauft, also wechselt die Crew in das King’s Road Theatre, doch auch dessen 500 Plätze sind dem Ansturm nicht gewachsen. Damals fürchtet sich O’Brien davor, dass Hollywood auf die Erfolgsshow aufmerksam werden könnte. Er glaubt, dass „Rocky Horror“ auf der Bühne am besten funktioniert. Ende 1973 wird aus seiner Vorahnung Realität: Der US-amerikanische Pop-Produzent Lou Adler – unter anderem verantwortlich für Carole Kings Hitalbum „Tapestry“ („(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“) – besucht eine Aufführung und ist begeistert. Er sichert sich die Rechte an O’Briens Stück und bringt es im Roxy Theatre in Hollywood auf die Bühne. Auch dort wird die „Rocky Horror Show“ ein Hit, und 20th Century Fox lässt die Leinwandfassung drehen. Doch die Premiere misslingt: Publikum und Kritik sind entsetzt, der Film fällt durch. Die Mischung aus schwülstig-dekadentem Cabaret und Rockmusical kommt nicht an. Die Presse lästert über die Leistung der Schauspieler und hat besonders einen Mann im Visier – Tim Curry. Erst als die „Rocky Horror Picture Show“ 1976 in New York in die Mitternachtskinos kommt, beginnt der Kult: Immer wieder und wieder besucht die stetig wachsende Fangemeinde die Vorstellungen, singt jede Zeile der Songs mit und liebt ihren Riff Raff, ihren von Meat Loaf („You Took The
Words Right Out Of My Mouth“) gespielten Eddie und besonders ihren „Sweet transvestite from Transexual, Transylvania“. mp Original: Soundtrack: „The Rocky Horror Picture Show” (1975, Ode, LP)
„In the backroom she was everybody’s darling“ aus: „ Walk On The Wild Side“ von Lou Reed Kaum eine Zeile, kaum ein Song wurde so oft missverstanden und fehlgedeutet wie das 1972 erschienene „ Walk On The Wild Side“. Die meisten Hörer beziehen diese Zeile auf Lou Reed selbst, halten sie für das Credo seiner Existenz. Sicher, er führt ein exaltiertes Leben, besingt in anderen Songs seine Alkohol- und Drogenexzesse, zeigt sich auf der Bühne im Transvestitenlook mit schwarz lackierten Fingernägeln sowie Plateauschuhen und provoziert gerne – ebenso wie auch Glamrock-Kollege David Bowie zu dieser Zeit – mit androgynem Auftreten. Doch „take a walk on the wild side“ ist nicht nur ein New Yorker Slangausdruck für „auf den Strich gehen“. Der Song atmet auch europäische Atmosphäre, besingt eine dekandente urbane Halbwelt, wie man sie in den zwanziger Jahren in Berlin, zu allen Zeiten in Paris und in den siebziger Jahren in New York erlebt. Mit lakonischer Musik und zynisch-derbem Sprechgesang setzt Lou Reed den Stars von Andy Warhols „Factory“ – Holly Woodlawn, Candy Darling, Joe „Sugar Plum Fairy“ Campbell, „Little“ Joe Dallesandro und Jackie Curtis – ein unvergängliches Denkmal. Alle sind auf der Suche nach hetero- oder homosexuellem Sex, nach Liebe, prostituieren sich oder verlieren sich im Drogenrausch. Die Bilder, die Reed dafür findet, führen den Hörer erst in die Irre, um ihn dann sanft aufzuklären. „Holly came from Miami, Fla.“, singt Reed, „Plucked her eyebrows on the way / Shaved her legs and then he was a she.“ Candy dagegen ist im Hinterzimmer jedem zu Diensten, der Lust hat: „In the backroom she was everybody’s darling.“ Geschickt spielt Reed zudem mit amerikanischen Mythen wie dem schnellen und intensiven Leben und benutzt die Todessehnsucht und den Rausch der Geschwindigkeit, die schon einen James Dean in seinem Porsche vorantrieben, als Metapher für Jackie Curtis’ Sucht nach Aufputschmitteln: „Jackie is just speeding away / Thought she was James Dean for a day.“ Reeds drastische und direkte, freizügige und schnörkellose Wortwahl – „a hustle here and a hustle there“ („hier und da auf den Strich gehen“), „even when she was giving head“ (die englische Umschreibung für Oralsex) – geht zurück auf den Einfluss von Beatliteraten wie William S. Burroughs und auf
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den Dichter Delmore Schwartz, den er als Student kennenlernte. Schon mit seiner Band Velvet Underground („I’m Waiting For The Man“) erwies er seinem Mentor eine Reverenz: „European Son (To Delmore Schwartz)“ heißt der letzte Song auf der ersten Velvet-Underground-LP. Die Welt, die Lou Reed in „ Walk On The Wild Side“ beschreibt, hat jedoch wenig gemein mit dem Selbstbild, mit dem sich Amerika in den siebziger Jahren identifiziert: Weiter weg von konservativen Werten auf der einen und friedensbewegten Hippie-Idealen auf der anderen Seite kann man nicht sein – der Song ist also auch eine deutliche Abrechnung mit Andy Warhols legendärer Künstlerclique, die Reed einst als Bandmitglied von Velvet Underground kennenlernte. Produziert haben die LP Reeds Bruder im Geiste David Bowie und dessen Gitarrist Mick Ronson. Bowie und Ronson sind die Garanten dafür, dass bei aller düsteren Geradlinigkeit der Glamrockfaktor nicht zu kurz kommt. „ Walk On The Wild Side“ ist bis heute die schillerndste Perle im Werk von Lou Reed, ein Meisterwerk in Moll und sein einziger Top-20-Hit als Solist. Es gab aber auch nie wieder ein so produktives textliches Missverständnis, was einen seiner Songs betrifft. gf Original: Lou Reed: „Transformer“ (1972, RCA, LP)
„Uyembube“ & „In the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight“ aus: „Mbube“ von Solomon Linda aus: „The Lion Sleeps Tonight“, unter anderem von The Tokens
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Möglicherweise hat sich eine solche Geschichte schon öfter so oder so ähnlich abgespielt – wer weiß, wie viele begnadete afrikanische Musiker in Vergessenheit geraten sind, während andere mit den von ihnen komponierten Melodien Ruhm und Reichtum ernteten? Einer, dessen Geschichte vielleicht stellvertretend für viele steht, ist Solomon Linda, ein Zulu aus Südafrika. Doch zunächst muss die Beziehung zwischen dem adeligen britischen Weltenbummler Sir Henry Loch und dem Ende des 19. Jahrhunderts berühmten afroamerikanischen Gospelsänger Orpheus McAdoo beleuchtet werden. Die beiden begegneten sich um 1880, während einer Australientournee des Musikers, und schlossen Freundschaft. Einige Jahre später wird Loch Hochkommissar der britischen Krone in Südafrika und lädt den Sänger zu einer Gastspielreise ein. Seine Kunst des synkopierten Singens wird von den Einheimischen erlernt und mit dem eigenen Stil vermischt. An dieser Stelle kommt der 1909 geborene Solomon Linda ins Spiel: Er komponiert Lieder, die die Rhythmik der Väter mit der importierten Moderne
mischen. Gemeinsam mit Griffith Motsieloa, dem ersten schwarzen Musikproduzenten am Kap, probiert er 1939 aus, wie die Sprachen Südafrikas – vor allem isiZulu und Afrikaans – zum synkopierten Gesang passen, und nimmt einige Lieder auf Wachsscheiben auf. Während der zweiten Session entsteht ein unspektakuläres Stück mit einer fast kindlichen Melodie – „Mbube“ (Löwe). Die Musiker von Lindas Band The Evening Birds sind zunächst eher gelangweilt und müssen den Song daher mehrmals einspielen. Der Refrain und das melancholische „Uyembube“ machen das Lied jedoch zum Hit unter den Zulu: Rund 100.000 Mal soll sich die in England gepresste Schellackplatte des Songs in Südafrika verkauft haben … Ein Welthit wird entdeckt: Der US-amerikanische Folkmusiker Pete Seeger bekommt eine der Platten in die Hände und nimmt den Song, den er für ein Volkslied hält, 1951 mit seiner Formation The Weavers auf, wobei er den Refrain jedoch missversteht. Als Autor wird auf der Platte „Paul Campbell“ genannt, ein Pseudonym für die drei Manager und Musikverleger der Weavers, die dann auch die Tantiemen für den Riesenerfolg von „Wimoweh“ kassieren. 1961 wird das Lied – erstmals unter dem Titel „The Lion Sleeps Tonight“ – in der Version der Tokens ein weltweiter Nummer-eins-Hit. Andere, ebenfalls erfolgreiche Versionen des Gassenhauers – zum Beispiel von Dave Newman und der Gruppe Tight Fit – folgen. Als Seeger erfuhr, wer der wahre Urheber des Songs war, zahlte er Solomon Linda 1.000 Dollar und wies seine Verleger an, seine Anteile künftig an Linda weiterzugeben, was diese jedoch nicht taten. In den siebziger Jahren ließ Seeger der Tochter des 1962 verstorbenen Urhebers rund 10.000 Dollar zukommen. Erst 2006 kam es zu einer gerichtlichen Einigung zwischen den Rechteinhabern und Lindas Erben; seitdem fließen deren Anteile an den Tantiemen in einen Treuhandfonds. mp Originale: The Tokens: „The Lion Sleeps Tonight“ (1961, RCA, LP), The Weavers: „Wimoweh“ (1951, Decca, Single). Das Original von Solomon Linda war in Europa und den USA lange Zeit offiziell nicht erhältlich, es erschien aber 2008 zusammen mit 19 weiteren Versionen von The Weavers, The Tokens, Desmond Dekker, Tight Fit und anderen auf dem Sampler „The Lion Sleeps Tonight“ (Classic Hits, CD).
„The night they drove old Dixie down“ aus: „The Night They Drove Old Dixie Down“ von The Band Das Album „The Band“, auf dem sich dieser Song befindet, erscheint 1969, klettert in den US-Charts bis auf Platz neun und entwickelt sich zur popu-
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lärsten Platte, die die Gruppe – die in Europa später als Begleitband von Bob Dylan bekannt wird– je veröffentlicht. Ein ungewöhnlicher Erfolg, schließlich enthält sie mit „The Night They Drove Old Dixie Down“ einen Song über den US-Sezessionskrieg, der – je nach Perspektive – als wehmütiger Rückblick auf den „alten Süden“ oder als kritiklose Verklärung verstanden werden kann. Das Stück erscheint in einer Zeit, da der Bürgerkrieg (immerhin über hundert Jahre danach!) in den USA immer noch ein großes Reizthema ist. Schon im Liedtitel wird auf eines der wichtigsten Ereignisse in der amerikanischen Geschichte Bezug genommen. „Dixie“ oder „Dixieland“ ist die in den USA populäre Bezeichnung für die Südstaaten, die sich im von 1861 bis 1865 dauernden Bürgerkrieg als Konföderation von den USA abspalteten. In der Nacht vom 2. auf den 3. April 1865 fällt eine der letzten Bastionen der Konföderierten – die von den Unionstruppen unter General Ulysses S. Grant belagerte und von General Robert E. Lee verteidigte Stadt Richmond. Der Fall der Stadt bedeutet das Ende der Südstaaten, General Lee unterschreibt die Kapitulation nur sieben Tage später. Geschrieben hat das Lied der Gitarrist der Band, Robbie Robertson. Ihm gelingt das Kunststück, fast jede Zeile mit authentischen Ereignissen aufzuladen. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Virgil Caine, einem ehemaligen Soldaten der Konföderierten: „Virgil Caine is the name, and I served on the Danville train.“ Die „Richmond and Danville Rail Road“ ist zu dieser Zeit die Eisenbahnlinie, die Nachschub nach Petersburg in Virginia befördert, wo General Lees Truppen ihre Verteidigungslinie für Richmond halten. Allerdings nicht lange: „’til Stoneman’s cavalry came and tore up the tracks again“. Auch Generalmajor George Stoneman, damals Befehlshaber des East Tennessee Districts, ist eine echte, ziemlich zwiespältige Figur: Dass es ihm und seinen Truppen gelingt, den Nachschub der Konföderierten zu unterbrechen, trägt zum Sieg der Nordstaaten bei. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Stoneman ist ein Anhänger des Prinzips „Total War“ – das heißt, die Zivilbevölkerung wird genauso bekämpft, ausgeplündert und niedergemetzelt wie die gegnerischen Soldaten. Die nächste Zeile wiederum ist ein deutlicher Hinweis auf das Leiden der Einwohner Richmonds: „In the winter of sixty-five, we were hungry, just barely alive“ – die Belagerung der Stadt dauerte volle elf Monate, vom Juni 1864 bis zum April 1865. In den nächsten beiden Strophen ist der Bürgerkrieg zwar vorbei, aber viele Gefühle bleiben lebendig: Der flüchtige Anblick des einst unglücklich agierenden Generals Robert E. Lee („Virgil, quick, come see: There goes Robert E. Lee!“) bedeutet Virgil Caine ebenso viel wie das Andenken an seinen Bruder, der in diesem unseligen Krieg sein Leben ließ: „Like my father before me, I will work
the land / And, like my brother before me, I took a rebel stand / He was just 18, proud and brave, when a yankee laid him in his grave / I swear by the mud below my feet / You can’t raise a Caine back up when he’s in defeat.“ Trotz, Stolz, Ärger, Widerstand: All das klingt in diesen Zeilen durch. Der Krieg ist zwar verloren, das Selbstwertgefühl bleibt jedoch unangetastet: „Just take what you need and leave the rest / But they should never have taken the very best.“ Dass der Untergang der Südstaaten überhaupt bedauert wird, dass man Sympathie für diese verschwundene Welt empfinden kann, ist als Haltung neu und ungewohnt, grenzt in den nördlicheren Staaten der USA fast an ein Sakrileg. Die Tatsache allerdings, dass das Lied zum Hit wird, deutet darauf hin, dass Robbie Robertson einen wunden Punkt getroffen hat, ein Ereignis thematisiert, das – bewusst oder unbewusst – stets in allen Köpfen präsent war. Die Musiker von The Band stammen indes fast alle aus Kanada. Das ist wohl mit ein Grund, warum ihnen ein gerüttelt Maß an Objektivität zugestanden wird. Der Song wurde in der Folgezeit von vielen Bands und Musikern gecovert – eine der erfolgreichsten Einspielungen stammt von der stets friedensbewegten Songwriterin Joan Baez. Sie nahm allerdings eine sinnentstellende Änderung vor: Aus dem General Robert E. Lee wird in ihrer Version ein Dampfschiff – womit sie Inhalt und Gefühle leider völlig verkitscht. Greil Marcus, einer der wichtigsten Chronisten US-amerikanischer Musikkultur und -geschichte, bezeichnet diese Version in seinem Buch „Mystery Train“ deswegen mit einigem Recht als „Meuchelversion“. gf Original: The Band: „The Band“ (1969, Capitol, LP), weitere Version: Joan Baez: „Blessed Are ...“ (1971, Vanguard, LP)
„The revolution will not be televised“ aus: „The Revolution Will Not Be Televised“ von Gil Scott-Heron Stilistisch festlegen ließ sich der 1949 in Chicago geborene Sänger, Literat und Komponist Gil Scott-Heron nicht: Er verband wie sein Vorbild John Coltrane Jazz mit Blues und dem Soul von Curtis Mayfield („(Don’t Worry) If There’s A Hell Below Us“). Gleichzeitig rappte er politische Texte – und das zu einer Zeit, als Public Enemy („Don’t Believe The Hype“) noch in der Grundschule das kleine Einmaleins lernten. Zu den Pionieren, die Anfang der siebziger Jahre den Sprechgesang entwickelten, gehörten neben James Brown („Say It Loud, I’m Black And Im Proud“, „Rapp Payback (Where Iz Moses)“) die Black Muslims von den Last Poets – und eben Gil Scott-Heron.
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Für ihn war Stilvielfalt keine Frage eines breit gefächerten musikalischen Geschmacks, wie er dem TV-Sender Arte erläuterte: „Kann sein, dass ‚The Bottle‘ Hip-Hop ist und ‚The Revolution Will Not Be Televised‘ eine Rapnummer. Meinetwegen! Es gibt so viele Arten zu kommunizieren, dass man keine auslassen und sich nicht nur auf eine konzentrieren sollte. Wir müssen in unserer Community so viele wie möglich ansprechen.“ Das 1971 geschriebene „The Revolution Will Not Be Televised“ eröffnet Scott-Herons zweite LP „ Pieces Of A Man“. Dass es in den achtziger Jahren wiederveröffentlicht und zum Vorbild politisch ambitionierter Hip-HopFormationen wie Public Enemy oder Boogie Down Productions wurde, lag an der Aktualität der Bilder. Scott-Heron greift mit dem Song die übermächtige weiße Gesellschaft an, die von der Popmusik über Nachrichtenauswahl und Bildung bis zum Privatleben des Einzelnen alles dominiert: „The revolution will not be right back after a message / ’bout a white tornado, white lightning, or white people / You will not have to worry about a dove in your bedroom, a tiger in your tank, or the giant in your toilet bowl / The revolution will not go better with coke.“ „Die Revolution wird nicht von Fernsehsendern übertragen, sie wird auch nicht von Xerox präsentiert“ – „The revolution will not be televised / The revolution will not be brought to you by Xerox.“ Gil Scott-Herons Text macht klar, dass man das Bewerten von Ereignissen nicht den Meinungsmachern der weißen Nachrichtennetzwerke überlassen soll. Das war für den 2011 verstorbenen ScottHeron neben sozialen Aspekten einer der wichtigsten Gründe für seine künstlerische Arbeit, wie er im Arte-Interview erläuterte: „Die Black Panther haben ein Frühstücksprogramm für Schulkinder. Ich spiele, damit sie genügend Geld dafür haben. Wenn Moslems eine Moschee bauen wollen, gehe ich dafür auf die Bühne. Wenn die Kirche aus der Nachbarschaft Kohle zusammenkratzt, damit die Menschen etwas zu essen haben, dann helfe ich auch dort. Ich unterstütze jede Organisation, die Positives für die schwarze Community leistet.“ gf Original: Gil Scott-Heron: „Pieces Of A Man“ (1971, Flying Dutchman, LP)
„The show must go on“ aus: „The Show Must Go On“ von Queen
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Am 5. Februar 1991 erscheint „Innuendo“, das 14. Studioalbum der englischen Gruppe Queen („We Will Rock You“). Das Cover zeigt John Deacon, Brian May, Roger Taylor und Freddie Mercury als Bajazzos, als bunt geschminkte Clowns. Es ist die letzte Platte, die das Quartett aufnimmt, denn der in Sansibar geborene Sänger Mercury stirbt am 24. November, erst 45-jährig, an Aids. Schon bei
den Aufnahmen zu „Innuendo“ ist er von der Krankheit gezeichnet, hat kaum noch Kraft, die Sessions durchzustehen, doch Fans und Medien bekommen davon nichts mit. Mercury betrachtet sein Leiden als Privatangelegenheit, und seine Bandkollegen halten gegenüber der Außenwelt dicht. Erst am Tag vor seinem Tod informiert Mercury, der seit 1989 weiß, dass er das tödliche Virus in sich trägt, die Welt von seiner Erkrankung und dem bevorstehenden Ende. Die gerade erschienene vierte Single aus „Innuendo“ bekommt plötzlich eine andere Bedeutung und verlässt die mittleren Chartpositionen in Richtung Spitze: „The Show Must Go On“. Das Lied, geschrieben von Gitarrist Brian May, ist der Schlusspunkt des Albums und ein Vermächtnis des Lebenswillens von Freddie Mercury: „The show must go on, the show must go on / Inside my heart is breaking / My make-up may be flaking / But my smile still stays on.“ Freddie singt diese letzten Worte, als kämen sie direkt aus seinem Herzen – als wollte er demonstrieren, dass er die Welt aufrecht verlässt. Kurz vor seinem Tod gibt es für ihn nur noch einen Wunsch: „Outside the dawn is breaking / But inside the dark, I’m aching to be free.“ Mag das Lied auch nicht zu den musikalisch besten Queen-Hits gehören, liegt doch Magie darüber: Die Parallelität der Ereignisse, die Veröffentlichung des Abschiedsliedes und Mercurys Sterben machen „The Show Must Go On“ zu einem Monument menschlicher Größe. Mercury stellt sich dem Sensenmann in Narrenpose und mit Clownskostüm: „The show must go on, the show must go on / I’ll face it with a grin / I’m never giving in / On – with the show.“ Autor May beschreibt seinen Freund so, wie er ihn sieht – stark und mutig: „Whatever happens, I’ll leave it all to chance.“ Und als Mann, der sich an theatralischen Auftritten erfreut: „I can fly – my friends.“ May widmet seinem langjährigen Weggefährten später ein weiteres Lied: „Too Much Love Will Kill You“ findet sich auf der aus letzten gemeinsamen Aufnahmen zusammengestellten, 1995 erschienenen CD „Made In Heaven“. mp Original: Queen: „Innuendo“ (1991, Parlophone, CD)
„Hello darkness, my old friend / I’ve come to talk with you again“ aus: „The Sound Of Silence“ von Simon & Garfunkel Innerhalb von nur dreieinhalb Jahren erscheint „The Sound Of Silence“ dreimal auf regulären LPs von Simon & Garfunkel: Zuerst markiert es einen frühen Karrierehöhepunkt, ist Meilenstein des kargen Folkdebüts „Wednesday Morning, 3 AM“ (Oktober 1964). Im Januar 1966 ist es der Hit auf dem Nachfolgealbum, das sogar „Sounds Of Silence“ heißt. Und schließlich wird es
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zur Hymne einer Generation, die auf der Suche nach der eigenen Erwachsenenidentität ist: Der Song ist das zentrale musikalische Thema in Mike Nichols’ Film „The Graduate“ („Die Reifeprüfung“) und findet sich natürlich auch auf dem Soundtrack vom Februar 1968. In diesem Film spielt Dustin Hoffman den ziellos durch das Leben stromernden Benjamin Braddock. Der Spross reicher Eltern weiß nicht, was er studieren soll, hat ein Verhältnis mit der Ehefrau eines mit den Braddocks befreundeten Paares und verliebt sich in deren Tochter. Die Verse „Hello darkness, my old friend / I’ve come to talk with you again“ beschreiben Benjamins Gefühl von Verlorenheit, von der absoluten Dunkelheit, die ihn umgibt, von der Leere, die er in sich spürt. Der Film wird auch deshalb ein Kassenschlager, weil er einer zwischen Wohlstand und Vietnamkrieg aufwachsenden Jugend aus der Seele spricht. Zudem bewegt sich „Die Reifeprüfung“ nahe an Paul Simons eigener Biografie. Der 1941 in Newark, New Jersey, geborene Autor des Liedes wächst als Sohn einer Musiklehrerin und eines Rundfunkmusikers wohlbehütet, wenn auch nicht reich, auf. Das Talent wird ihm in die Wiege gelegt, aber Paul ist sich nicht sicher, ob er es nutzen soll. Zwar landet er Mitte der fünfziger Jahre – im Alter von 15 Jahren (!) – mit seinem Kindergartenfreund Art Garfunkel unter dem Künstlernamen Tom & Jerry einen ersten kleineren Hit und komponiert für andere Künstler, beginnt später aber doch Jura zu studieren. Er beschreibt diese Zeit als Phase der Orientierungslosigkeit, als ein Hin- und Herlavieren zwischen dem Wunsch nach der Sicherheit einer bürgerlichen Karriere und der Freiheit des Künstlerdaseins. Die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen, lässt Simon zögern: Das Jurastudium schleppt sich über Jahre dahin und wird ohne Abschluss 1964 – fast gleichzeitig mit der ebenfalls dahindümpelnden Solokarriere – beendet. Es ist die gemeinsame Arbeit mit dem Ausnahmesänger Garfunkel, die die Weichen für eine erfolgreiche, wenn auch nicht besonders glückliche gemeinsame Zukunft stellt. Und natürlich ist es dieses Lied, dieser dreimal wiederkehrende Ausdruck des Alptraums der zwischenmenschlichen Kälte, der zum ersten Riesenhit des Duos wird. Im Text manifestiert sich auch die Angst vor der Einsamkeit inmitten einer anonymen Menschenmasse – „Ten thousand people, maybe more / People talking without speaking / People hearing without listening.“ Für Textdichter Paul Simon eine Horrorvorstellung: „People writing songs that voices never shared.“ Eine politische Komponente, wie etwa bei James Browns („Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“) Song „Talking Loud And Saying Nothing“, fehlt in diesem Lied. Es beschreibt einen einsamen Mann, der – wie es im Text heißt – in rastlosen
Träumen ohne Möglichkeit zur Kontaktaufnahme durch die Straßen läuft. Paul Simon drückt seine Angst vor der absoluten Sprachlosigkeit in Worten von betörender Schönheit aus. mp Original: Simon & Garfunkel: „Wednesday Morning, 3 AM“ (1964, Columbia, LP), weitere Versionen: Simon & Garfunkel: „Sounds Of Silence“ (1966, Columbia, LP), Simon & Garfunkel: „The Graduate“ (1968, Columbia, LP)
„I want to wake up in a city that never sleeps“ aus: „Theme From ‚New York, New York‘“ von Frank Sinatra Als Frank Sinatra („Strangers In The Night“) dieses Lied 1979 zum Welterfolg macht, liegt die ursprüngliche Version schon zwei Jahre zurück: Liza Minelli sang diese Widmung an die pulsierende Metropole als Titelsong in dem Film „New York, New York“. Martin Scorseses sentimentale, düstere Großstadtromanze mit Liza Minnelli und Robert DeNiro verschwand nach durchwachsenen Kritiken aber schnell aus den Lichtspielhäusern und dem Gedächtnis der wenigen Kinobesucher. Der Film spielt im Jahre 1945, nach Kriegsende und dem Atombombenabwurf über Hiroshima, und soll den auch in Katastrophenzeiten nie enden wollenden Schwung New Yorks zeigen. Der Musik aber fehlt der Pulsschlag der Millionenstadt, sie trägt Mitschuld am Flop des Streifens. Komponist John Kander und Texter Fred Ebb liefern einen solide swingenden Reigen, aus dem nur das Titelstück herausragt. Doch der Soundtrack ist zu altbacken produziert, die Stadt, die niemals schläft, reibt sich nur müde die Augen. Dabei sind Kander und Ebb ein erfahrenes Team, schrieben mit dem Musical „Cabaret“ und der Musik zu „Funny Lady“ Filmgeschichte. Frank Sinatra nahm „Theme From ,New York, New York‘“ 1979 für sein Album „Trilogy: Past Present Future“ zum ersten Mal auf. Der Song schien ihm auf den Leib geschrieben zu sein, weshalb er ihn live immer wieder zelebrierte. Für sein 1993 erschienenes Spätwerk „Duets“ spielte er es gemeinsam mit dem Crooner Tony Bennett ein. „I want to wake up in a city that never sleeps“ – diese unsterblichen Zeilen sind dem singenden Nachtschwärmer wie auf den stilvoll gekleideten Leib geschrieben: Sinatra, die Nachteule. Sinatra, der flirtet, liebt, Whiskey trinkt und das Leben genießt. Wenn etwa ein Sammy Davis Jr. längst müde in die Kissen fällt, lässt er seinem Lebenswillen freien Lauf: „Ich will die Nummer eins sein, der König auf dem Hügel, und ich werde es hier tun“, heißt es in „Theme From ‚New York, New York‘“. Frank nahm im Laufe seiner Karriere
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öfter Lieder auf, die diesen hedonistischen Anspruch an das Leben formulieren – etwa „I’m Gonna Live Till I Die“ oder „Mr. Success“. Doch als er sich den Text des Themas von „New York, New York“ zu eigen macht, naht sein 64. Geburtstag. 14 Jahre nachdem er ein wundervolles Album („September Of My Years“) lang den Herbst des Lebens beschrieben hat, will er sein Leben noch einmal genießen wie einst im Mai: Er ist auch im Alter „Young At Heart“, wie er sich schon 1953 in einem anderen Song rühmte. mp Original: Frank Sinatra: „Trilogy“ (1980, Reprise, LP)
„These boots are made for walking / And that’s just what they’ll do“ „These Boots Are Made For Walkin’“ von Nancy Sinatra
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Leicht hat Nancy Sinatra es nie gehabt. Als sie am 4. Juni 1940 in New Jersey zur Welt kommt, ist ihr Vater auf dem Weg, ein Star zu werden. Ihr ganzes Leben lang wird sie Daddy Frank Sinatra verehren und doch auch immer gegen seine künstlerische Übermacht ankämpfen. Mal zusammen mit ihm, etwa beim berühmten, von Robbie Williams („Rock DJ“) und Nicole Kidman 2002 erfolgreich gecoverten Duett „Something Stupid“ oder auf einer gemeinsamen zweiwöchigen Konzertreihe in Las Vegas 1982. Mal schnürt sie ihre Boots auch allein und geht ihren eigenen Weg in Richtung Nashville. Ihre ersten Erfolge verdankt sie einem Plattenvertrag bei der Firma Reprise Records, die bis 1963 ihrem Vater Frank gehört – und der hat seine Pläne in Bezug auf die Karriere der Tochter. „Ich war ein paar Jahre lang in den Charts, aber mir wurde nicht gestattet, mich künstlerisch zu entwickeln. Meine Alben waren hübscher anzuschauen als anzuhören“, schreibt Nancy in den Sinatra-Archiven. Und: „Ich war die Tochter des Direktors … war erfolgreich mit mittelprächtigem Material. Mein Wunsch, bessere und unterschiedliche Songs aufzunehmen, interessierte Reprise Records nicht.“ Diese bittere Einschätzung wird von Musikfans und -kritikern nicht geteilt. Die erfolgreiche Zeit auf Franks Label ist geprägt von der Zusammenarbeit mit dem eigenbrötlerischen, aber hochtalentierten Songwriter Lee Hazlewood. Lee schreibt ihren ersten Hit „So Long Babe“, singt mit ihr die Klassiker „Sand“ und „Some Velvet Morning“ und ist auch für den Song verantwortlich, der Nancy ein Leben lang verfolgen wird: „Es ist ein Markenname. Nancy und Boots. Sie gehören zusammen“, wird sie immer wieder sagen. Im Text geht es darum, einen Neuanfang zu wagen, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen: „You keep losing when you oughta not bet“ – du verlierst, wenn du besser gar nicht spielen solltest. Er wendet sich an ein ima-
ginäres Gegenüber, vielleicht auch an das zögernde Ich, das im Wettstreit mit seinem wagemutigeren Widerpart um Entwicklungsmöglichkeiten ringt: „You keep samin’ when you oughta be changin’.“ Vielleicht führt die Straße hin zur eigenständigen künstlerischen Persönlichkeit, weg vom Übervater? Nancy singt, was jedem bekannt ist – „Stiefel sind zum Gehen da.“ Sie intoniert diesen Satz cool und mit leicht zynischem Unterton. Doch bevor sie ihr Bündel packt und davonzieht, trampelt sie das Gegenüber nieder: „One of these days these boots are gonna walk all over you“, heißt es am Ende des Refrains. Und: „Are you ready boots? Start walkin’.“ Nach diesem Hit zog es die im Jahr zuvor geschiedene Sängerin in die Südstaatenmetropole Nashville, wo sie ihr Herz für die Countrymusik entdeckte. mp Original: Nancy Sinatra: „Boots“ (1966, Reprise, LP)
„This land is your land, this land is my land“ aus: „This Land Is Your Land“ von Woody Guthrie „This Land Is Your Land“ ist die inoffizielle Nationalhymne Amerikas – Woody Guthrie schrieb sie als Protest gegen Irving Berlins allzu frommes und patriotisches „God Bless America“. 1912 in Okemah, Oklahoma, einer der vielen Städte des Ölbooms, als Woodrow Wilson Guthrie geboren, zog er 1935 nach Kalifornien – mit Tausenden anderen Menschen, die vor der verheerenden, Existenzen vernichtenden Dürre flohen. Angesichts der sozialen Entwurzelung dieser Menschen, der Strapazen des landesweiten Trecks und des ärmlichen Daseins als Lohnknechte kalifornischer Plantagenbesitzer („As they stood there hungry I stood there asking …“) bleibt nicht viel Raum für Nationalstolz. Guthries Antihymne erinnert genau deswegen an das umfassende Versprechen Amerikas, dass dieses Land eigentlich allen gehört: „This land is your land, this land is my land / From California to the New York Island …“ Und: Der Sozialist Guthrie appelliert mit diesem Lied auch an die Solidarität der Wanderarbeiter, fordert sie auf, zusammenzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Kein Wunder, dass für Bruce Springsteen, dessen „Born In The U.S.A.“ von derselben Grundstimmung getragen ist, Guthries Lied „der beste Song ist, der je über Amerika geschrieben wurde“. Eine kleine Anekdote belegt die Popularität des 1940 geschriebenen und 1944 erstmals aufgenommenen Songs „This Land Is Your Land“: Als Guthrie mit seiner Familie nach New York übersiedelte, mussten seine Kinder eine neue Schule besuchen. Erstaunt stellten sie fest, dass ihre neuen Schulka-
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meraden das Lied ihres Vaters statt der US-Nationalhymne sangen. Und sie mussten zugeben, dass sie offenbar die einzigen waren, die den Text nicht kannten. Irving Berlins „God Bless America“ ist zwar eine Art inoffizielle Nationalhymne geblieben – „This Land Is Your Land“ aber hat die Herzen der Menschen erobert, die das Lied über die Jahrzehnte hinweg um unzählige zusätzliche Strophen ergänzt haben – je nach Bedarf. Die Version der Indianer zum Beispiel geht folgendermaßen: „This land is your land, it once was my land / Before we sold you Manhattan Island / You pushed our nations to the reservations / This land was stolen by you from me.“ Ein anderes Beispiel ist die Version der GIs in Vietnam: „This land is your land, but it isn’t my land / From the Mekong Delta to the Pleiku Highland / When we get shot at the ARVN flee / This land was meant for the V.C.!“ Woody Guthrie starb 1967 in New York nach jahrelangem Leiden an der unheilbaren Nervenkrankheit Chorea Huntington, die ihm seine Mutter vererbt hatte. Er hinterließ mehr als tausend Lieder. Viele davon sind heute Bestandteil des allgemeinen US-amerikanischen Liedguts – quasi komponierte Volkslieder. Guthrie beeinflusste schon zu Lebzeiten viele Musiker, unter anderem Joan Baez, Pete Seeger („A Wimoweh“/„The Lion Sleeps Tonight“) und Bob Dylan („Blowin’ In The Wind“, „Knockin’ On Heaven’s Door“), der Guthries Gesangsstil mit dem nasalen Timbre übernahm und ihm noch am Krankenbett viele seiner eigenen Lieder vorsang. gf Original: Woody Guthrie: „This Land Is Your Land“ (1944, Asch, Schellacksingle), weitere Version: Neil Young & Crazy Horse: „Americana“ (2012, Reprise, CD)
„Three steps to heaven“ aus: „Three Steps To Heaven“ von Eddie Cochran
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Der 1938 in Oklahoma City geborene Edward Ray Cochrane ist mit seinen streng nach hinten gegelten Haaren, eng anliegenden Jacketts und obligatorischen Slippern an den Füßen der typische Rocker der fünfziger Jahre. Er stammt aus der Mittelschicht und ist immer leicht vom Stigma des Verlierers umflort. Ein Rollenmodell, das es Millionen Jugendlichen leicht macht, sich mit einem Star zu identifizieren. Sein von Gitarren geprägter Stil (besonders gut zu hören auf seinen Hits „Summertime Blues“ und „C’mon Everybody“) lässt mehr als einen von ihnen zur Gitarre greifen – manchmal mit großen Folgen: Bei seiner Tournee 1960 durch England spielt Georgie Fame Klavier, und George Harrison sitzt im Publikum. Als Cochran 1957 seinen ersten Top-20-Hit hat („Sittin’ In The Balcony“), ist er mit 19 Jahren jung genug, um noch die Sprache seiner Fans zu sprechen
und über all das zu singen, was Teenager bewegt: resignative Aggression gegen die Verbote der Erwachsenenwelt („Summertime Blues“), den dringenden Wunsch, anders zu sein („Let’s Get Together“), oder das tief sitzende Bedürfnis, sich ganz einfach abzugrenzen („C’mon Everybody“). Der fröhliche Rockabillysong „Three Steps To Heaven“ ist vordergründig eine romantische Verklärung der Teenagerliebe (ganz ähnlich wie Buddy Hollys „Oh, Boy!“): „Step one – you find a girl to love / Step two – she falls in love with you / Step three – you kiss and hold her tightly / Well that sure seems like heaven to me.“ Allerdings hat das Lied einen düsteren Hintergrund: Voller Vorahnung schreibt Cochran auch Zeilen wie „And as I travel on / And things do go wrong / Just follow steps one, two, three“ ins Lied, äußert während der Aufnahmen im Studio, dass er ein ungutes Gefühl habe – als ob in nächster Zeit irgend etwas passieren würde. Am 17. April 1960, am Ende seiner Europatournee, verunglückt Eddie Cochran auf der Autofahrt zum Flughafen in der Nähe von London. Er ist sofort tot. Mit ihm im Auto sitzt Gene Vincent, der schwer verletzt überlebt. „Three Steps To Heaven“ erscheint postum – und wird zum Riesenhit. gf Original: Eddie Cochran: „12 Of His Biggest Hits“ (1960, Liberty, LP)
„To know know know him is to love love love him“ aus: „To Know Him Is To Love Him“ von The Teddy Bears Die Geschichte des 1940 in der New Yorker Bronx geborenen Phil Spector, der mit The Crystals und The Ronettes auch die ersten Girlgroups populär machte, fasziniert: Mit 21 ist er Chef der Artist-&-Repertoire-Abteilung von Liberty Records, kurz darauf gründet er mit Lester Sill das eigene Label Phillies und bringt in nie zuvor da gewesenem Tempo Hits heraus – als ersten „There’s No Other (Like My Baby)“ von den Crystals. Das wahre Talent des Phil Spector aber liegt hauptsächlich darin, einfache Kompositionen zu genialer Popmusik zu veredeln. Ganz gleich, mit welchen Interpreten er im Studio arbeitet: Eine Phil-Spector-Produktion mit ihrem „Wall Of Sound“Arrangement aus zigfach überspielten Rhythmusinstrumenten und dem über allem liegenden Glockenspiel ist immer als solche zu erkennen. Viele der Aufnahmen, die Spector in den sechziger Jahren für sein Phillies-Label produziert, gelten heute als Klassiker. Beispiele sind „He’s A Rebel“, „Da Doo Ron Ron“, „Then He Kissed Me“ (The Crystals), „Be My Baby“ und „Baby, I Love You“ (The Ronettes), „River Deep, Mountain High“ (Ike & Tina
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Turner), „You’ve Lost That Lovin’ Feeling“ und die „Unchained Melody“ mit den Righteous Brothers. Ein Mal aber singt Spector selbst, wenn auch nur im Hintergrund. Der Song heißt „To Know Him Is To Love Him“, und geschrieben hat er ihn für die 1958 formierte Gruppe The Teddy Bears. Die Titelzeile übernimmt Spector von einer Inschrift auf dem Grabstein seines Vater und macht daraus eines der schönsten Liebeslieder des Pop – mit wunderbaren Zeilen wie „Just to see him smile makes my life worthwhile“ und „Someday he will see that he was meant for me.“ Phil Spector ist da gerade mal 18 Jahre alt – und der Millionenerfolg des Songs bringt ihm einen Produzentenposten bei Atlantic Records ein. Als er für diese Stelle Los Angeles verlässt und nach New York geht, sieht er sich gezwungen, seiner Mutter zu versichern, dass er für den Fall, dass es mit der Musik nicht klappen sollte, über eine Art Notfallplan verfügt: Er will dann seine Erfahrungen als Gerichtsstenograf dazu benutzen, bei den Vereinten Nationen einen festen Job zu bekommen. Zum Glück für den Pop ist es dazu nie gekommen. Für einen anderen Musiker wird der leicht abgewandelte Song leider zur musikalischen Grabinschrift: „To Know You Is To Love You“ ist 1977 eine der letzten veröffentlichten Aufnahmen von Marc Bolan. Der Musiker, der Anfang der siebziger Jahre mit seiner Band T. Rex und Songs wie „Jeepster“, „Telegram Sam“, „Metal Guru“ und „Children Of The Revolution“ Hits wie am Fließband hat, stirbt am 16. September 1977. Seine Frau Gloria rast mit ihrem lilafarbenen Mini Clubman in einen Ahornbaum – Marc Bolan sitzt auf dem Beifahrersitz und ist sofort tot. gf Original: The Teddy Bears: „To Know Him Is To Love Him“ (1958, Dore, Single), weitere Version: Marc Bolan & Gloria Jones: „To Know You Is To Love You“ (1977, EMI, Single)
„Now he’s too old to rock’n’roll / But he’s too young to die“ aus: „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die“ von Jethro Tull
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Jethro Tull ist eine durch und durch britische Band. Das fängt beim Namen an, den Bandleader Ian Anderson auf einem Buch aus dem Jahr 1733 entdeckt: Jethro Tull heißt der Autor, das Werk trägt den Titel „The Horse-Hoeing Husbandry“ (ein Handbuch der Feldarbeit mit der von Tull konstruierten Drillsaatmaschine). Skurriler Eigensinn prägt auch die Musik der Gruppe, die 1968 ihre erste Single „Sunshine Day“ veröffentlicht und mit der Mischung aus Rock, britischer Folklore und Elementen klassischer Musik bald Erfolg
hat. Zum unverkennbaren Markenzeichen der Band wird allerdings Andersons Querflöte. Der weltweite Durchbruch gelingt Jethro Tull 1971 mit dem Album „Aqualung“ und dem stürmischen Song „Locomotive Breath“. Als späte Anerkennung bekommt die Band 1988 für die LP „Crest Of A Knave“ einen Grammy für das beste Hardrockalbum des Jahres – obwohl Metallica ebenfalls nominiert und eigentlich auch favorisiert sind. Eine echte Genugtuung, denn als 1976 das Album „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die“ erscheint, gilt die Band als altmodisch und überholt. Schuld daran sind Punkbands wie die Sex Pistols („God Save The Queen“), die wie ein Wirbelwind die Musikszene aufmischen. Jethro Tulls Reaktion ist eine Mischung aus Trotz und Zorn: Aggressiv ballt Anderson auf dem Cover des Albums die Faust – und zum Thema der Songs macht er einen alternden Rocker, der plötzlich wieder im Mittelpunkt des Interesses steht. Der Titelsong mit der berühmt gewordenen Zeile „Now he’s too old to rock’n’roll / But he’s too young to die“ beschreibt allerdings den Tod eines Rockers, der nicht verstanden hat, dass die Ungebundenheit und Unternehmungslust seiner Jugendjahre nicht ewig andauern kann. Seine Kleidung und seine Frisur wirken überholt („The old rocker wore his hair too long / Wore his trousers cuffs too tight / (…) / Death’s head belt buckle, yesterday’s dreams“), er trauert seinen Jugendfreunden nach („All of his mates are doing time / Married with three kids up by the ring road / Sold their souls straight down the line / (…) / They’ve thrown away their blue suede shoes“ – letzteres übrigens eine schöne und wehmütige Anspielung auf den Carl-Perkins-Hit aus dem Jahr 1956) und beschließt, eine letzte Runde auf seiner Harley-Davidson zu drehen: „So the old rocker gets out his bike / To make a ton before he takes his leave / (…) / And as he flies, tears in his eyes / His wind-whipped words echo the final take / And he hits the trunk road doing around 120 / With no room left to brake.“ Vieles klingt hier noch einmal an: der Wunsch, als Aussteiger aus der Gesellschaft leben zu können (was ja auch das Thema des Films „Easy Rider“ ist, zu dem Steppenwolf den großartigen Song „Born To Be Wild“ beisteuerten), ebenso wie die Hippiephilosophie „live fast, love hard, die young“. Nur ist Selbstmord natürlich keine Lösung. Aber, so Jethro Tulls implizite Botschaft, selbst wenn man für den Rock’n’Roll vielleicht zu alt scheint, ist man noch viel zu jung, um aufzuhören – „No, you’re never too old to rock’n’roll / If you’re too young to die.“ Der Beweis? Die meisten Punkbands sind passé, Anderson musiziert noch immer. Den kuriosesten Einsatz erlebt der Song, als US-Besatzungstruppen den Diktator von Panama, General Noriega, zur Aufgabe zwingen wollen: Sie be-
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schallen 1989 die vatikanische Botschaft, in die Noriega geflüchtet ist, mit verschiedensten Songs – unter anderem eben mit Jethro Tulls „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die“, aber auch mit weiteren auf die aussichtslose Situation Noriegas anspielenden Songs wie dem Hardrockklassiker „Highway To Hell“ von AC/DC. gf Original: Jethro Tull: „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die“ (1976, Chrysalis, LP)
„To everything (turn, turn, turn) there is a season (turn, turn, turn)“ aus: „Turn! Turn! Turn!“ von The Byrds
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Dieser musikalische Rekord wird wohl auf immer und ewig bestehen: Als die Byrds 1965 mit „Turn! Turn! Turn!“ Platz eins der US-Charts erreichen, ist der Text ihres Songs schon 3.000 Jahre alt. Die Zeilen stammen aus dem Alten Testament, und zwar aus dem Buch Kohelet. Es ist nicht das erste Mal, dass Worte aus der Bibel als Textvorlage für einen Song dienen. Johnny Cash zitiert in „Belshazzar“ aus Daniel 5:25. Und schon 1959 schrieb Folkstar Pete Seeger jenes „Turn! Turn! Turn!“, das die Byrds sechs Jahre später zum Welthit machen. Pete Seegers Lieder werden oft nachgespielt: Bob Dylan singt „We Shall Overcome“, Trini Lopez hat mit „If I Had A Hammer“ einen Riesenhit, und Jackson Browne widmet sich im Duett mit der Country-Queen Bonnie Raitt dem umgeschriebenen Volkslied „Kisses Sweeter Than Wine“. Die Byrds (Roger McGuinn, Gene Clark, David Crosby, Chris Hillman und Michael Clarke) haben ebenfalls eine Vorliebe für Fremdkompositionen. Auf ihrer zweiten, 1965 erschienenen LP „Turn! Turn! Turn!“ sind fünf der elf Songs Coverversionen. Allein zwei Vorlagen stammen von Bob Dylan: „The Times They Are A-Changin“ und „Lay Down Your Weary Tune“. Die Platte beginnt mit den zeitlosen, von Pete Seeger adaptierten Worten des Propheten: „Alles hat seine Stunde, und eine Zeit ist bestimmt für jedes Vorhaben unter dem Himmel.“ Dass die Bibelverse so populär werden, liegt an der unschlagbaren Verbindung aus drei perfekt zusammenpassenden Teilen: Da ist zunächst die Ohrwurmmelodie von Pete Seeger. Die wird durch den mehrstimmigen Gesang der Byrds ins fast schon überirdisch Schöne überhöht. McGuinn, Clark und Crosby haben ein Faible für diesen im Folk typischen Satzgesang. Schon mit ihrem erstem gemeinsamen Projekt, dem Trio The Jet Set, verfeinerten sie diese vom damals sehr erfolgreichen Kingston Trio („Tom Dooley“) übernommene Kunst. Als Byrds werden sie ihrerseits stilprägend für den Westcoast-Rock von
Buffalo Springfield, den Eagles oder Crosby (eben jener David Crosby, der bei den Byrds singt und Gitarre spielt), Stills, Nash & Young, kurz CSN&Y. Als dritter Bestandteil fügt sich der Text nahtlos ins musikalische Gesamtkunstwerk ein. Die Gegenüberstellungen des Predigers sind von zeitloser Schlichtheit und auch heute noch aktuell: „Eine Zeit, zu töten, eine Zeit zum Heilen“ und „eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden“, heißt es. Als Pete Seeger diese Bibelworte übernimmt, ist der Koreakrieg gerade mal sechs Jahre her, und auch der Zweite Weltkrieg liegt noch keine 15 Jahre zurück. Wiederum nur ein paar Jahre später sterben junge Amerikaner in Vietnam in einem fragwürdigen Krieg: „Eine Zeit, Steine zu werfen, und eine Zeit, Steine zu sammeln. Eine Zeit, zu umarmen, und eine Zeit, der Umarmung sich zu enthalten.“ Selten haben Verse so gültig das Zeitgeschehen in Worte gefasst. Das 20. Jahrhundert hat genug Kriege gesehen, es ist Zeit, sich zu umarmen. Songs für den Frieden werden Mitte der sechziger Jahre viele gesungen: Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“, Pete Seegers „Where Have All The Flowers Gone“ („Sag mir, wo die Blumen sind“) oder auch „Last Night I Had The Strangest Dream“ vom Simon-&-Garfunkel-Album „Wednesday Morning, 3. AM“. All diese Songs werden Hymnen der Blumenkinder, der Hippies, die Krieg und Hass durch Liebe ersetzen wollen. Dieser Wunsch ist nicht neu, er offenbart sich schon in den Zeilen des biblischen Predigers: „Eine Zeit, zu lieben, eine Zeit, zu hassen“, sagt er, lange bevor im Fernen Osten ein weiteres Mal die Absurdität des Krieges aufgezeigt wird. Die Vokalharmonien der Byrds und Seegers Melodie lassen zwar die Hoffnung keimen, das biblische Alter des Textes verdeutlicht indes, dass sich die Menschheit seit ihrer Frühzeit nicht verändert hat und wenig Anlass besteht, an eine Besserung zu glauben. mp Original: Pete Seeger: „The Bitter And The Sweet“ (1962, Columbia, LP), weitere Version: The Byrds: „Turn! Turn! Turn!“ (1965, Columbia, LP)
„It’s you, it’s you, it’s all for you / Everything I do“ aus: „Video Games“ von Lana Del Rey Es gibt kein Entkommen. Ende 2011 quillt „Video Games“ förmlich aus jedem Radio, tönt aus jeder Bar, aus allen Lautsprechern, seien sie nun privat oder öffentlich. Ein Lied, das mit seinem Erfolg wie nebenbei auch den Radiobegriff „heavy rotation“ neu definiert. Verzweifelt schwelgend beschwört da eine glamourös auftrumpfende Stimme die Liebe – mit einer Melodie, die sich wie schon lange keine andere mehr sofort im Ohr festsetzt: „Swinging in the backyard / Pull up in your fast car / Whistling my name …“
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Zu diesem Zeitpunkt weiß niemand genau, wer Lana Del Rey ist, diese Sängerin, deren Name an die fünfziger Jahre gemahnt und die mit ihrem divenhaften Aussehen an die goldenen Zeiten Hollywoods erinnert. Das Versteckspiel macht Sinn. Denn es gab, und das muss man wissen, knapp zwei Jahre zuvor diese große Stimme schon einmal auf CD: Nur war es die von Lizzy Grant. Unter diesem Namen nämlich wurde Lana Del Ray 1986 in der Kleinstadt Lake Placid im Bundesstaat New York geboren. Später lebte sie in Alabama, New Jersey und New York City, bis sie schließlich London zu ihrem Hauptwohnsitz machte. Allerdings wollte das Mädchen namens Lizzy damals niemand so recht hören. Also verwandelt sie sich in eine Kunstfigur mit wallendem Haar, aufgespritzten Lippen, Sehnsuchtsblick und gibt sich den Kunstnamen Lana del Rey. Und plötzlich ergänzen sich die Figur und die Musik, diese Debütsingle voller Schmacht, Sehnsucht und Schmerz, perfekt. Dazu passt auch, dass das Video zum Song im altmodischen, immer leicht verwackelten Super-8-Stil gefilmt ist. Die Folge: der Erfolg und rund 46 Millionen Youtube-Abrufe (Stand: Oktober 2012). Der Song selbst ist schlicht, ein wenig kitschig, ja, aber am Ende doch immer wahr. Denn wovon das Lied handelt, ist seit jeher ein zentrales Thema der Popmusik: Liebe. Im britischen Musikmagazin „Q“ erklärt sie ihren Song denn auch so: „Ich hatte eine Beziehung, in der ich das Gefühl hatte, von der Person, die ich liebte, immer getrennt zu sein; ich konnte eine gewisse Distanz nicht überwinden. Das hatte sicher Auswirkungen darauf, wie ich Songs schreibe. Zu lieben ist nicht für jeden schwierig, und es war auch für mich nicht immer schwierig, aber manchmal. Mich haben schon einige Männer so magnetisch angezogen, dass ich dachte: Ich würde dir überall hin folgen …“ Natürlich würde das Mädchen im Lied alles für ihren Geliebten tun, sich für ihn ausziehen („Watching me get undressed“) und ihn loben und ehren („I say you the bestest“). Und trotzdem nagen Zweifel an ihr, hat sich der Verdacht eingeschlichen, dass sie ihm nicht alles geben kann, was er haben möchte – ein Gefühl, das wohl jeder Frau vertraut sein dürfte: „Tell me all the things you want to do / I heard that you like the bad girls / Honey, is that true?“ Subtiler kann das Scheitern einer Beziehung nicht vorweggenommen werden. Del Rey erzählt in „Q“ auch: „Ich glaube, es tut uns körperlich und seelisch gut, wenn wir uns an Zeiten erinnern, in denen wir wirklich glücklich waren.“ Ob Retro wirklich die Zukunft für Lana Del Ray sein kann, wird sich noch erweisen müssen. „Video Games“ gelingt ihr zwingend. Der Rest des 2012 folgenden Albums „Born To Die“ klingt zwar ähnlich, dennoch schaffen es auch die Nachfolgesingles „Born To Die“ (Platz neun in Großbritannien) und „Summer-
time Sadness“ (Platz vier in Deutschland) in die Charts. Lana Del Ray hat einmal mehr gezeigt, was gute Popmusik in ihren großen Momenten auch immer wieder ist: eine unwiderstehliche Projektionsfläche für unsere Sehnsüchte. gf Original: Lana Del Rey: „Born To Die“ (2012, Interscope, CD)
„Video killed the radio star / In my mind and in my car“ aus: „Video Killed The Radio Star“ von The Buggles Veränderungen im Musikbusiness werden gerne als Katastrophe betrachtet: Das milliardenfache Herunterladen von Songs aus dem Internet droht die Branche zu ruinieren – bis Apple mit iTunes kommt. Die gleiche zerstörerische Kraft wird bereits drei Jahrzehnte vor dem Erfolg der Web-Tauschbörsen dem kollektiven Tausch privat aufgenommener Musikkassetten unterstellt. „Home recording is killing music“, so lautet die unheilschwere Parole. Und als Anfang der achtziger Jahre mit dem TV-Kanal MTV (Music Television) Musikvideos zur Kunstform werden und über die Visualisierung von Pop ein neuer Weg der Vermarktung entsteht, scheint das Ende des Radios nahe. Doch es kommt alles anders: Mit den achtziger Jahren und den neuen Privatsendern erlebt das Medium Rundfunk einen nicht für möglich gehaltenen Boom. Für Trevor Horn, den kreativen Kopf hinter den Buggles, steht nie außer Frage, dass Radio und Video nebeneinander bestehen können. 1979 nimmt er gemeinsam mit seinen Kumpels Bruce Wooley und Geoffrey Downes die spöttische Single „Video Killed The Radio Star“ auf, die ein weltweiter Superhit wird. MTV geht am 1. August 1981 um 12 Uhr offiziell auf Sendung. Als erstes Video flimmert ausgerechnet „Video killed the radio star / In my mind and in my car“ über die Bildschirme. Trevor Horn legt das Geld, das er mit dem Ulkhit verdient hat, gut an: Er gründet das Label ZTT, das wie kein zweites als Synonym für die Popmusik der frühen achtziger Jahre steht. Zu den von ihm produzierten Hits der Firma, etwa „Relax“ und „Two Tribes“ von Frankie Goes To Hollywood oder „Dr. Mabuse“ von Propaganda, werden stets aufwendige Videos produziert. Sogar die Altrocker von Yes, deren Mitglied Horn 1980 für kurze Zeit ist, beamt er 1983 mit dem Hit „Owner Of A Lonely Heart“ und dem Album „90125“ in die Neuzeit. Er wird folgerichtig 1983 vom „Rolling Stone“ zum „Produzenten des Jahres“ gewählt. Der Autor der Zeile „Video killed the radio star“ hat sich damit selbst widerlegt: Horns Hits werden im Radio rauf und runter gespielt. mp Original: Bruce Woolley & The Camera Club: „English Garden“ (1979, Epic, LP), weitere Version: The Buggles: „The Age Of Plastic“ (1980, Island, LP)
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„Walk like an Egyptian“ aus: „Walk Like An Egyptian“ von The Bangles Die Bangles, eine durch und durch amerikanische Girlieband aus Los Angeles mit Susanna Hoffs als aparter Vorsängerin, spielen reinsten Pop – eine verführerische Mischung aus Beatles-Harmonien, Byrds-Anklängen und einer Prise Garagenpunk. 1986 ist ihr Erfolgsjahr – gleich drei Songs erreichen die US-Top-30: das von Prince unter dem Pseudonym „Christopher“ geschriebene „Manic Monday“, „If She Knew What She Wants“ und der Nummer-eins-Hit „Walk Like An Egyptian“. Letzteres schrieb der Songwriter und Produzent Liam Sternberg, dem die Idee zur seltsam klingenden Titelzeile und zum Song während einer alkoholseligen Feier auf der Fähre von Dover nach Calais kam. Zurück in Los Angeles besuchte Sternberg einen Postershop am Hollywood Boulevard, kaufte ein Bild der ägyptischen Königin Nofretete, das er zu Hause an seine Wand pinnte – und sie dabei beschwor: „Mach den Song zur Nummer eins in den USA – und ich besuche dich in Ägypten!“ Ein Spaß, der ansteckend wirkte: Der Song beschreibt sogar die Bewegungen, die man ausführen muss, wenn’s ägyptisch aussehen soll („Line your feet astreet, bend your back / Shift your arm, then you pull a clock“) – der „Egyptian walk“ geht als Lied und als fröhliches Video um die Welt (Nummer eins in vier Ländern, auch in den USA, Platz drei in Großbritannien). Obwohl Sternberg ausgerechnet den Ägyptern unterstellt, ihren eigenen Gang nicht zu beherrschen („If they move too quick / They’re falling down like a domino“), ist er froh, dass sich dort niemand beleidigt fühlt. Er hält sein Versprechen, kann unbehelligt einreisen – und ist empört: „Ich konnte Nofretete nicht besuchen, weil niemand weiß, wo sie begraben ist …“ Die Fröhlichkeit des Songs ermunterte die Swinging Erudites zu einer obszönen Fassung („Walk With An Erection“), und knapp ein Jahr später spielt eine aufstrebende deutsche Band eine Coverversion ein: Auch Die Ärzte wollen „Gehn Wie Ein Ägypter“. gf Original: The Bangles: „Different Light“ (1986, Columbia, LP), weitere Versionen: Swinging Erudites: „Unchained Parodies“ (1987, 1 Dimensional Records, LP), Die Ärzte: „Ist das alles? (13 Höhepunkte mit den Ärzten)“ (1987, CBS, LP)
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„Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want“ aus: „Wannabe“ von Spice Girls Sie sind ein bunter Haufen: fünf Mädels, blond, schwarz- und rothaarig, der Kumpeltyp, die Selbstbewusste, die Naive, die Burschikose und die Intelligente. Für jeden ist eine dabei – das ist nur eine Erklärung dafür, dass Geri „Ginger Spice“ Halliwell, Mel „Scary Spice“ B, Mel „Sporty Spice“ C, Victoria „Posh Spice“ Adams (seit einigen Jahren Frau Beckham) und Emma „Baby Spice“ Bunton so viele Fans finden. Ende 1994 jedoch nennen sie sich noch Touch, perfektionieren in den Trinity-Studios in Knaphill bei London ihre Tanzschritte und nehmen sich zur Kontrolle auf Video auf. Als sie eines Tages vor der Kamera über ihre Zukunftshoffnungen sprechen, meint die damals 21-jährige Geri drastisch: „Ich bin ein echter Wannabe. Ich bin scharf auf Erfolg.“ Später erklärt sie, was sie damit gemeint hat: „Fühl dich gut“, proklamiert die Spice-Ideologin, „hab Spaß, sei selbstbewusst und schillernd, das Leben ist kurz genug!“ Diese „Wannabe“-Aussage ist der Grundtenor des ersten Spice-GirlsHits. „Ich sag’ dir, was ich will, was ich wirklich, wirklich will“, deklamiert das verführerische fünfstimmige Pop-Phänomen: „I wanna really really really really wanna zigazig ah.“ Dieses „zigazig“ wird erst in der letzten Strophe aufgelöst: „If you wanna be my lover, you gotta / Slam your body down and wind it all around.“ Sie wollen Sex und Spaß, fordern beides aktiv ein. Mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein zeigen die Spice Girls den Jungs, wo’s langgeht: Der Liebhaber, wenn er denn einer sein will, muss sich auch mit ihren Freundinnen verstehen – er ist austauschbar, aber „friendship never ends“. Sollte er nerven, wird er ebenfalls verabschiedet: „If you really bug me, then I’ll say goodbye.“ Gegen so viel Frische und Unverbrauchtheit (weitere Songs heißen zum Beispiel „Future Is Female“ und „It’s A Girl’s World“) wirkt sogar die immer gern provozierende Madonna plötzlich alt. Das Wort „Girl Power“ macht die Runde und elektrisiert die Popwelt: „Wannabe“ wird im Juni 1996 veröffentlicht, erreicht in 31 Ländern Platz eins der Charts und verkauft sich rund sechs Millionen Mal. Der Song wird zu der Girliehymne der neunziger Jahre und macht die Spice Girls weltweit zu Superstars und zu Vorbildern einer ganzen Generation junger Mädchen. Sogar für einen Lacherfolg in Großbritanniens Politik ist der Song gut: Der damalige Schatzkanzler Kenneth Clarke verteidigt seine Sparpolitik mit der berühmtesten Zeile des Songs: „Alles was ich will, alles was ich wirklich, wirklich will – ist eine starke Wirtschaft ohne Inflation.“ Nur einer kann all
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dem nichts abgewinnen: „Das Gute an ihnen ist“, grantelt Ex-Beatle George Harrison, „dass man sie sich wenigstens ansehen kann, wenn man den Ton wegdreht.“ gf Original: The Spice Girls: „Spice“ (1996, Virgin, CD)
„War, huh, what is it good for? Absolutely nothing“ aus: „War“ von Edwin Starr
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Ein Schrei geht um die Welt: Der 1942 in Nashville, Tennessee, geborene Sänger Edwin Starr wollte den Krieg anscheinend allein mit seiner zornigen Stimme bekämpfen. Fast so, als ginge es darum, ein böses Untier in die Flucht zu schlagen. Das Lied „War“ erschien 1970 beim Gordy-Label der in der Autostadt Detroit ansässigen Plattenfirma Motown („Motown“ ist die in Detroit gängige Kombination aus „motor“ und „town“). Das Unternehmen und seine Labels Tamla, Motown und Gordy produzierten in den sechziger Jahren unter dem Motto „The Sound of young urban America“ einen Hit nach dem anderen. Man kann die erfolgreichen Aufnahmen der Four Tops, der Temptations, der Supremes, von Marvin Gaye oder Smokey Robinson & The Miracles immer eindeutig der Company zuordnen: Die Macher entwickelten eine wohlklingende Corporate Identity. Auch Edwin Starr, der sich selbst nach seinem ersten Hit „Agent Double-O-Soul“ nennt, passt ins Firmengefüge. 1969 feiert er mit „I’m Still A Struggling Man“ und „25 Miles“ erste Erfolge für Motown. Zu diesem Zeitpunkt ist die heile Welt der Liebeslieder von „Stop! In The Name Of Love“ (Supremes), „Reach Out I’ll Be There“ (Four Tops) bis zu „I Heard It Through The Grapevine“ (Gaye) auch in „Hitsville Detroit“ vorbei. Die Morde an Martin Luther King und dem umstrittenen Black Muslim Malcolm X, die Desillusionierung der Afroamerikaner, der Vietnamkrieg – all das hinterlässt Kratzer im Lack des wunderschönen Motown-Soul. Zwei Songwriter – die meist gemeinsam agierenden Norman Whitfield und Barrett Strong – sind an der inhaltlichen Veränderung maßgeblich beteiligt. Es sind ihre Songs, die erfolgreich den Umschwung von seichtem Pop zu härterem Funk und zu realistischeren Texten wagen. Die beiden landen 1968 mit dem für die Temptations geschriebenen „Cloud Nine“ einen Hit, der gänzlich anders klingt als die sanften und harmonischen mehrstimmig vorgetragenen Minioperetten, für die das Quintett bis dahin stand: Das Stück ist hektisch, hart, es wird zur Blaupause für andere Welterfolge von Whitfield und Strong. Dabei setzen die beiden Autoren regelmäßig auf
die Temptations, gemeinsam feiern sie Hits wie „Runaway Child, Running Wild“ oder „Papa Was A Rolling Stone“. 1970 stürmt der Temptations-Song „Ball Of Confusion (That’s What The World Is Today“) in die Top Ten. Die Gruppe konkurriert in der Hitparade mit einem anderen Song des Songwriterteams Whitfield/Strong: „War“ von Edwin Starr. Beide Stücke liegen thematisch nah beieinander. Die beteiligten Künstler rivalisieren nicht nur auf dem Plattenmarkt, sondern auch hausintern: So nehmen die Temptations für ihre LP „Psychedelic Shack“ den Song „War“ auf, auf Starrs Platte „Involved“ findet sich dafür seine Variante von „Ball Of Confusion“. Innerhalb weniger Wochen entstehen mehrere, einander nahezu ebenbürtige Fassungen. Whitfield und Strong arbeiten stets mit mehreren Motown-Künstlern an Erfolg versprechenden Liedern. Die beste Aufnahme setzt sich dann in der Regel durch und wird so zum geplanten Hit. Edwin Starrs Version punktet gegen die der Temptations, weil er im Refrain die kräftigeren Akzente setzt: „War, huh / Good God!“ Sein Stöhnen, der Schrei gegen Ende des Stücks – es sind diese Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen: Starr stürmt noch vehementer gegen den Krieg an, die Einheit zwischen Sänger und Text ist vollkommen: „War, huh / It’s an enemy of all mankind / No point of war / ’cause you’re a man.“ Starr klagt an, verurteilt und lässt seinen Gefühlen freien Lauf: Krieg steht für Zerstörung unabhängigen Lebens, für die Tränen Tausender Mütter, für endgültig zerstörte Träume vieler junger Männer. Und immer wieder: „War, huh / What is it good for? / Absolutely nothing / Yeah.“ Hätten Whitfield und Strong das Stück nicht mit Edwin Starr aufgenommen, dann wäre es hundertprozentig in der Version der Temptations ein Welthit geworden. Der Song hat in jeder Version eine ungeheure Ausstrahlung – egal, ob sich die englische Popband Frankie Goes To Hollywood („Relax“), Bruce Springsteen & The E Street Band („Born In The U.S.A.“) oder die beiden Komödianten Jackie Chan und Chris Tucker im Film „Rush Hour“ an ihn wagen. Die Botschaft ist ohnehin so aktuell wie eh und je: „They say we must fight to keep our freedom / But Lord, there’s just got to be a better way.“ mp Original: Edwin Starr: „War & Peace“ (1970, Gordy, LP), weitere Versionen: The Temptations: „Psychedelic Shack“ (1970, Gordy, LP), Frankie Goes To Hollywood: „Welcome To The Pleasuredome“ (1984, ZTT, LP), Bruce Springsteen & The E Street Band: „Live 1975–85“ (1986, Columbia, CD) 205
„We will we will rock you“ aus: „We Will Rock You“ von Queen
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Zunächst einmal fällt der Beat des Schlagzeugers Roger Taylor auf. Er ist monoton, mehr ein massives, alles dominierendes Stampfen als der Rhythmus eines Popsongs: drei Schläge, die den Puls des Lebens und Vergehens signalisieren sollen – bumm, bumm, tschack. Grob, aggressiv und stoisch begleiten sie den Text, wie ein Panzer, den nichts und niemand aufhalten kann. Dazu singt Freddie Mercury, der exaltierte Sänger der Gruppe Queen („The Show Must Go On“), immer wieder kraftvoll und unbeugsam „We will we will rock you“ – „Wir werden es euch zeigen.“ Der Text erzählt von Aufstieg und Sturz, von Wachstum und Verfall: Buddy ist ein junger, starker Mann, der sich mit allen anlegt und eine Schande („a big disgrace“) für seine Eltern, für die Gesellschaft allgemein darstellt. Er zahlt Lehrgeld für seine Provokationen, landet im Dreck. Eine Strophe später bestimmt wieder er die Regeln, die Welt soll Buddy zu Füßen liegen. Sein Gesicht ist blutverschmiert. Noch einmal wird die Lebensuhr weiter gedreht, Buddy ist plötzlich alt, landet wieder im Schlamm. Dieses Mal ist er besiegt, muss zurück ins Glied, in die Masse der Durchschnittlichen: „Somebody better put you back into your place.“ Ein typischer Queen-Song ist das eingängig-einfältige „We Will Rock You“ nicht, aber was ist schon typisch für die Gruppe um den 1946 auf der Gewürzinsel Sansibar geborenen Sohn persischer Eltern, der ursprünglich nicht Freddie Mercury, sondern Farrokh Bulsara heißt? In ihrem Werk finden sich bombastische Miniopern wie „Bohemian Rhapsody“ oder „Somebody To Love“ ebenso wie „Sheer Heart Attack“, ein brachialer Rocksong. Festlegen lassen sich Queen nie, und manchmal gelingt es der vielseitigen Band sogar, eine erfolgreiche Idee noch einmal zum Hit zu machen. „We Will Rock You“ eröffnet das Album „News Of The World“ und geht nahtlos in „We Are The Champions“ über. Beide Stücke gehören zueinander, sie landen auf ein und derselben Single, beide werden im Verbund zu Evergreens, obwohl „Champions“ komplexer ist und eher zu den bombastischen Aufnahmen von Freddie Mercury, Brian May, John Deacon und Roger Taylor gehört. Und beide finden auch ihren Weg in die Fußballstadien dieser Welt: Im Falle des hymnischen „We Are The Champions“ erklärt schon der Titel, warum das so ist. Bei „We Will Rock You“ ist es, wie Mercury öfter betont hat, nicht der Text – denn der zeigt auf fatalistische Weise die Vergänglichkeit der Jungen und Wilden –, sondern sondern Taylors mächtiger Beat. Die bislang letzte Inkarnation des nur zwei Minuten und eine Sekunde kurzen Schlachtrufs bekommt der am 24. November 1991 verstorbene Front-
mann Mercury nicht mehr mit: „We Will Rock You“ heißt ein am 14. Mai 2002 im Londoner Dominion Theatre uraufgeführtes Musical, das die Biografien der Queen-Mitglieder und die Hits der englischen Ausnahmeband zum Thema hat. Natürlich findet sich auch „We Are The Champions“, der elegante Bruder des harschen Titelstücks, im Programm. „Somebody better put you back into your place“ – diese Zeile aus „We Will Rock You“ trifft für dieses Werk mit Sicherheit nicht zu. mp Original: Queen: „News Of The World“ (1977, EMI, LP)
„Wham bam thank you mam“ bzw. „Wham bam thank you ma’am“ aus verschiedenen Songs u. a. von: Hank Penny, Dean Martin, Charles Mingus, The Small Faces, David Bowie und Slade Wir sitzen mal wieder in feuchtfröhlicher Runde zusammen und diskutieren uns die Köpfe darüber heiß, woher der Satz „Wham bam thank you mam“ kommt. Der sei ja bekanntlich von The Sweet („Ballroom Blitz“), meint einer. Ein anderer antwortet ihm, dass er das bestimmt mit „Wigwam Bam“ verwechsle, und schon sind wir mittendrin in einer mit Halbwissen geführten Streiterei. Ein Dritter bringt gar Comics ins Spiel: Er meint sich zu erinnern, dass in der „Batman“-TV-Serie aus den sechziger Jahren ständig „Wham“ und „Bam“ in quietschbunten Sternen zu sehen sind, zumindest wenn Fäuste oder Kugeln fliegen. Der Mann hat recht, die Wörter sind den Heldenstorys um Superman, Batman und Co. entlehnt. Natürlich stimmt auch die Vermutung, dass die Glamrockzeit der siebziger Jahre „Wham bam thank you mam“ populär macht – auch wenn es nicht The Sweet sind, die diesen Satz singen. Er würde zwar gut zu „Hell Raiser“ und „Teenage Rampage“ passen, aber die in der Ära von Plateausohle und Vokuhila-Frisur erfolgreichen Varianten sind von David Bowie beziehungsweise Slade: Bowie („Rock’n’Roll Suicide“, „Heroes/Helden“) verwendet ihn auf „Ziggy Stardust“ im Song „Suffragette City“ – „Oh, wham bam thank you ma’am“, heißt es da. Slade führen den Satz sogar im Titel eines ihrer Hits: „Thanks For The Memory (Wham Bam Thank You Mam)“. Nun meldet sich der notorische Besserwisser in unserer Runde und wischt den Glamrockglitzer mit einem „Ich kenn zwei Versionen, die sind aus den sechziger Jahren“ beiseite. Er erfreut sich an unseren ratlosen Gesichtern und fährt fort: Die Small Faces haben ein Lied mit diesem Titel auf der B-Seite der Single „Afterglow (Of Your Love)“ – und die sei ja bekanntlich von 1969. Jazz-Innovator Charles Mingus hat sogar schon 1962 auf seiner Scheibe „Oh
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Yeah“ ein „Wham Bam Thank You Ma’am“ betiteltes Stück veröffentlicht. Und süffisant lächelnd fügt er hinzu, dass wir Banausen so was Feines ja nicht kennen würden. Doch auch unser Oberschlauberger darf nicht das letzte Wort haben: Die frühesten Aufnahmen stammen nicht von Mingus oder den Small Faces, sondern vom Country-Swing-Songwriter Hank Penny, der sein „Wham! Bam! Thank You, Ma’am!“ schon Ende der vierziger Jahre schrieb und es in den fünfziger Jahren gleich mehrmals einspielte. Seine Version wurde bereits 1950 gecovert – von Dean Martin. mp Originale: Dean Martin: „Wham Bam“ (1950, Capitol, Schellacksingle), Hank Penny: „Wham! Bam! Thank You, Ma’am“ (1950, King, Schellacksingle), Charles Mingus: „Oh Yeah“ (1962, Atlantic, LP), The Small Faces: „Afterglow Of Your Love“ (1969, Immediate, Single), David Bowie: „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars“ (1972, RCA, LP), Slade: „ Thanks For The Memory (Wham Bam Thank You Mam)“ (1975, Polydor, Single)
„And I think to myself, what a wonderful world“ aus: „What A Wonderful World“ von Louis Armstrong
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Es ist so, wie der schräge Komiker Helge Schneider in seinem Sketch „Der viereckige Trompeter“ behauptet: Louis Armstrong muss jede Nacht im Autoradio „What A Wonderful World“ singen. Dieser Song erschien 1968 – drei Jahre vor Armstrongs Tod – und wird wie kein zweiter mit ihm in Verbindung gebracht. Dabei konnte der singende Trompeter zu diesem Zeitpunkt bereits auf fünf erfolgreiche Jahrzehnte als Musiker zurückblicken. Schon als 15-Jähriger war der am 4. August 1901 – und nicht am 4. Juli 1900, wie er selbst behauptete – in New Orleans geborene Musiker ein angesehener Trompeter. Um die Zeit davor ranken sich Legenden und Mythen. Sicher ist jedoch, dass Mutter Mayann, eine Dienstmagd, kurz nach der Geburt vom Vater Willie verlassen wurde. Louis lebte in Armut, mal bei der Mutter, mal bei Großmutter Josephine. Mit elf entschloss er sich, von der Schule abzugehen und stattdessen mit der jüdischen Familie Karnofsky in einem alten Trödelwagen umherzureisen. Er spielte ein verbeultes altes Horn und lernte von der jüdischen Comedytruppe, wie man sich vor Publikum verhält. Als Vater Willie das Sorgerecht für Louis zugesprochen bekommt, ist der Sohn längst flügge: Er spielt Trompete in der Band des Posaunisten Kid Ory, zu der auch der Jazz-Erneuerer King Oliver gehört. Als Letzterer 1918 nach Chicago geht, wird Armstrong festes Mitglied von Kid Ory’s Jazz Band. Von
da an geht es mit ihm bergauf: 1923 macht er mit Oliver in Chicago erste Plattenaufnahmen und spielt in diversen Big Bands. Er wird oft schon als „bester Trompeter der Welt“ angekündigt und verdient für damalige Verhältnisse ordentliche 55 bis 75 Dollar die Woche. Viel davon gibt Armstrong für Haschisch (er nennt es „gage“) aus. 1926 singt er zum ersten Mal mit der berühmten heiseren Stimme: Mit „Heebie Jeebies“ wird sie zum Markenzeichen. In den dreißiger und vierziger Jahren wird er als Entertainer populär, tritt als Hauptattraktion im legendären Cotton Club auf, geht auf Europatournee, spielt den augenverdrehenden Uncle Satchmo (Armstrongs Spitzname) in Filmen wie „Artists And Models“, „Everyday’s A Holiday“ oder – an der Seite von Duke Ellington – „Cabin In The Sky“ und hat jede Menge Hits. Seine Aufnahmen mit Ella Fitzgerald gehören zum Besten, was der Jazz bis heute zu bieten hat, Rückschläge wie das erfolglose Musical „Swingin’ The Dream“ gibt es allerdings auch immer wieder. Die Bebopper der späten vierziger Jahre werfen ihm vor, dass er die Rassentrennung akzeptiert habe und die jahrelange Zusammenarbeit mit dem weißen Produzenten und Komponisten Joe Glaser ebenso verschweigt wie die enge freundschaftliche Beziehung, die die beiden verbindet. Viele Bebopper halten ihn für einen biederen „Onkel Tom“, der sich für die Weißen zum Affen macht. Seine musikalischen Verdienste und seine Vorbildfunktion sind indes unumstritten. Der berühmte Trompeter Dizzie Gillespie sagt über Armstrong: „Er und seine Musik haben mir das Leben gerettet.“ Satchmo bleibt auch in den fünfziger und sechziger Jahren aktiv, obwohl ihn 1959 und 1968 Herzinfarkte fast das Leben kosten. Er erfüllt sich den Wunsch, in Afrika auf Tournee zu gehen, und schafft 1964 mit dem von Glaser produzierten Song „Hello Dolly!“ aus dem gleichnamigen Broadwaymusical seinen größten Hit, der sogar die Beatles von Platz eins der US-Charts verdrängt. Für das James-Bond-Abenteuer „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ mit George Lazenby und Diana „Emma Peel“ Rigg singt er „We Have All The Time In The World“, sein letzter großer Erfolg indes ist das versöhnliche, von den arrivierten Songwritern George Davis Weiss und Bob Thiele geschriebene „What A Wonderful World“. Das Stück wird allerdings zu Armstrongs Lebzeiten nur in Europa ein Erfolg. Erst 1988 gelangt es durch den Einsatz im Hollywoodhit „Good Morning, Vietnam“ in die US-Charts. Armstrong beschreibt die Schönheit der Welt: „Ich sehe grüne Bäume, rote Rosen; ich sehe zu, wie die Kinder aufwachsen und viel mehr lernen, als ich je wissen werde.“ Und es ist, als ob der Sänger, der Elend, Drogenexzes se und diverse Beziehungsdramen ausgestanden sowie musikalische Moden überlebt hat und auch nicht am alltäglichen Rassismus zerbrochen ist,
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eine milde, versöhnliche Bilanz seines Lebens zieht: „And I think to myself / What a wonderful world.“ Die Welt ist wunderschön: „I see friends shaking hands / Sayin’ how do you do / They’re really sayin’ / I love you.“ Wahrscheinlich ist diese altersweise und positive Grundeinstellung, die Armstrongs sanfte Interpretation des Textes vermittelt, die Ursache dafür, dass dieser Song noch heute jede Nacht aus dem Autoradio klingt und die Herzen der Menschen auf ihren Wegen wärmt. mp Original: Louis Armstrong: „What A Wonderful World“ (1968, ABC, LP)
„When a man loves a woman / Can’t keep his mind on nothin’ else“ aus: „When A Man Loves A Woman“ von Percy Sledge
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Anfang der sechziger Jahre arbeitet der 1941 in Leighton, Alabama geborene Percy Sledge als schlecht bezahlter Krankenpfleger im Colbert County Hospital in seiner Heimatstadt – und das seit seinem Abgang von der Highschool. Am Wochenende tritt er mit der Esquires Combo in regionalen Clubs auf – ein willkommener Zusatzverdienst für den damals schon dreifachen Vater. Der DJ Quin Ivy gibt ihm 1966 schließlich den Rat, es als Solist zu versuchen. Ivy selbst liebäugelt mit einer Karriere als Plattenproduzent und verspricht Sledge, ihm zu helfen, seinen Song „When A Man Loves A Woman“ radiotauglich zu machen. Wie Zeile und Text aber wirklich entstanden, ist bis heute nicht klar – Sledge selbst kolportierte zwei verschiedene Geschichten. Version eins: Ursprünglich war der Song „Why Do You Leave Me Baby?“ betitelt. Die bessere Zeile, „When A Man Loves A Woman“, fiel ihm dann an einem regnerischen Novembersonntag zu Hause ein. Version zwei: Der Musiklehrer seiner alten Highschool bat ihn, bei einer Weihnachtsfeier zu singen. Gegen Ende der Party, als Andrew White auf dem Klavier einige melancholische Akkordfolgen spielte und Sledge einige Jack Daniels zu viel intus hatte, fielen ihm zu dieser Musik die entscheidenden Worte ganz plötzlich ein. Der Grund: Er war unglücklich verliebt. Die Verse des Songs bestätigen die zweite Version: „She can bring him such misery / If she is playing him for a fool / He’s the last one to know …“ Quin Ivy produziert tatsächlich den Song und veröffentlicht die Single auf seinem eigenen Label. Trotzdem schickt er auch ein Band an Jerry Wexler von Atlantic Records, der sofort die Rechte kauft. Ivy rauft sich noch heute die Haare, dass Sledge darauf verzichtet hat, sich die Autorenrechte zu sichern: Er überlässt sie zwei Musikern seiner Band The Esquires: dem Organisten Andrew
White und dem Bassisten Calvin Lewis, weil „die beiden doch auch irgendwie damit zu tun gehabt haben“. Jerry Wexler jedenfalls besteht darauf, den Song neu abzumischen – unter anderem weil ihm die Bläser zu wenig präsent sind. Als der Song bald nach seinem Erscheinen im Sommer 1966 in jedem Radio läuft, stellt sich heraus, dass beim Überspielen die Bänder verwechselt worden sind: Es ist die ursprüngliche, von Ivy produzierte Version zu hören. Mit „When A Man Loves A Woman“ schreibt Percy Sledge Musikgeschichte: Der Song erreicht auf Anhieb gleichzeitig Platz eins der Pop- und R&B-Charts – was bis dahin noch nie der Fall gewesen ist – und bringt der Plattenfirma Atlantic eine Goldsingle ein. Als eine Jeansfirma den Song 1987 in einem Werbefilm einsetzt, landet die schmachtende Liebeshymne erneut in den Hitparaden. Sledge, inzwischen Vater von zwölf Kindern, hat seinen großzügigen Verzicht auf die Rechte nie bereut: „Alle paar Jahre nimmt ein anderer Typ das Ding auf und kommt damit in die Charts. Dann verkaufen sich auch meine Platten wieder.“ Obwohl der Name Percy Sledge wohl für immer mit „When A Man Loves A Woman“ verbunden bleiben wird, sollte man nicht vergessen, dass es noch viele weitere wunderbare Songs von ihm gibt – unter anderem „Warm And Tender Love“ und „It Tears Me Up“. gf Original: Percy Sledge: „When A Man Loves A Woman“ (1966, Atlantic, LP)
„They call me the wild rose, but my name was Elisa Day“ aus: „Where The Wild Roses Grow“ von Nick Cave & The Bad Seeds + Kylie Minogue Das Szene ist gespenstisch, mystisch und zugleich sehr sinnlich: Die blonde Schönheit – im Video dargestellt von der australischen Popqueen Kylie Minogue – liegt von Rosen umspielt in einem idyllischen See. Sie ist tot. Der Sänger, Kylies Landsmann Nick Cave, singt lakonisch: „On the last day I took her where the wild roses grow / And she lay down on the bank, the wind light as a thief / As I kissed her goodbye, I said ‚all beauty must die.‘“ Sechs Jahre lang versuchte Cave, die eher in Dance-Gefilden erfolgreiche Minogue zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Als es dann 1995 klappt, hat ihr der düstere Undergroundstar die spektakuläre Rolle der sterbenden, in Weiß gekleideten Jungfrau zugedacht. Das Video wird heiß diskutiert, Cave jedoch bringt dieses mörderische und umstrittene Szenario seinen ersten und bis heute einzigen Top-Ten-Hit ein. Und Kylie Minogue feiert damit ein Comeback. Ein wenig wundert sie sich schon über das Zustandekommen des Duetts, wie sie im Backstage-Interview zur Sendung „Top Of The Pops“
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erzählt: „Ich hatte keine Ahnung, wer er ist.“ Sie sagt aber auch, Cave sei cool, sehr inspirierend und voll von unerwarteten Ideen. Nicholas Edward Cave ist am 22. September 1959 im australischen Warracknabeal als Sohn einer Bibliothekarin und eines Englischlehrers geboren. Sein mit Eifer begonnenes Kunststudium hängte er nach zwei Jahren an den Nagel, um Punkmusiker zu werden. Seine Formation The Boys Next Door landete mit der Coverversion des Nancy-Sinatra/Lee-Hazlewood-Songs „These Boots Are Made For Walking“ einen Hit in der Independentszene des fünften Kontinents. Überregional erfolgreich wurde die Gruppe, als Punk schon New Wave hieß und sie sich in The Birthday Party umbenannt hatte. Vier LPs und fünf EPs (Singles mit mindestens vier Stücken) später löst Cave die Formation auf – und gründet eine neue Band: Neben Birthday-PartySchlagzeuger Mick Harvey wird auch Blixa Bargeld, Frontmann der radikalen Berliner Gruppe Einstürzende Neubauten, ständiges Mitglied der Bad Seeds. Nick Cave hat endlich eine musikalische Heimat gefunden, kann seinen Hang zu morbiden Mordgeschichten, biblischen Gleichnissen und Countryballaden ausleben. Die Standfestigkeit der Band ist erstaunlich, denn Cave gibt sich jahrelang der Trunksucht und Drogenexzessen hin. Immer wieder überrascht er aber mit Meisterwerken von düsterer Schönheit. So veröffentlicht er nach dem stürmischen Spät-Punk-Debüt „From Her To Eternity“ das bluttriefende Epos „The Firstborn Is Dead“. Ein Roman („Und die Eselin sah den Engel“) von alttestamentarischer Wucht gehört ebenso zum Werk des Künstlers wie eine LP mit Coverversionen – die auch eine Variante des von Jimi Hendrix bekannten „Hey Joe“ enthält – und ein ruhiges Album mit wohlklingender Liebespoesie („The Boatman’s Call“). Den künstlerischen Wert des Songschreibers Nick Cave haben längst auch andere entdeckt: Metallica nahmen sein „Loverman“ auf, und Johnny Cash adaptierte seine tragische Miniatur über einen zum Tode auf dem elektrischen Stuhl Verurteilten („The Mercy Seat“). Cash ist eines von Caves wesentlichen Vorbildern. Zweimal coverte er Songs des Countrykönigs, bevor er 2002 endlich mit ihm zusammen Hank Williams’ „I’m So Lonely I Could Cry“ singen durfte. Das Duett mit Kylie Minogue passt perfekt in Caves Werk, es spielt mit der dunklen Seite der Seele. Überaus erfolgreich wird es, weil Kylie als Wasserleiche gleichzeitig unheimlich wirkt und doch auch sexy aussieht. Wer diese Elisa Day ist, die sie darstellt, bleibt ungewiss. Eine real existierende Person wird in der Moritat nicht besungen. Nick Cave äußerte in angetrunkenem Zustand, dass es sich um eine lautmalerische Umschreibung des Satzes „a lie a day“ handle. Nach dieser Deutung muss die Schöne sterben, weil sie zu oft
gelogen hat. Sie wird umgebracht, damit Cave – und mit ihm diejenigen, die den wunderschön morbiden Videoclip sehen – den Moment des In-SchönheitSterbens („all beauty must die“) zelebrieren kann. mp Original: Nick Cave & The Bad Seeds: „Murder Ballads“ (1996, Mute, CD)
„I’m dreaming of a white christmas / Just like the ones I used to know“ aus: „White Christmas“ von Bing Crosby 23778 – eine geschichtsträchtige Zahlenkombination. Diese fünf Ziffern sind die Bestellnummer einer besonderen Schellackplatte. Auf ihr befindet sich erstmals das von Irving Berlin geschriebene „White Christmas“. Von Bing Crosby gesungen, geht das Lied um die Welt, wird zig Male neu veröffentlicht und bleibt über Jahrzehnte mit bislang über 50 Millionen Exemplaren der meistverkaufte Song aller Zeiten – bis zu Elton Johns Würdigung für Lady Diana („Candle In The Wind“). Rechnet man allerdings noch die Erlöse der ebenfalls erfolgreichen Coverversionen hinzu, zum Beispiel von den Drifters, dann dürfte dem swingenden Weihnachtsklassiker die Spitzenposition vor Elton John noch Jahrzehnte lang sicher sein. Doch die zum Evergreen gewordene Version singt Bing Crosby. Der am 3. Mai 1903 als Harry Lillis Crosby geborene Sänger ist der Superstar der dreißiger und vierziger Jahre, er wird zum erklärten Vorbild für Frank Sinatra. Hits, die die Zeiten überdauern, hat der Entertainer viele – etwa „High Society“ oder „Joobala“. Die Mehrzahl seiner Schlager stammt aus Filmen, Crosbys Karriere als Sänger ist eng mit seinen Erfolgen in Hollywood verknüpft. Er ist das Vorbild für weitere schauspielernde Sänger, etwa Dean Martin und Elvis Presley. Auch „White Christmas“ wurde durch einen Film populär – „Holiday Inn“ mit Crosby und Fred Astaire in den Hauptrollen ist heute jedoch weitgehend vergessen. Irving Berlin schrieb für den Streifen verschiedene Gassenhauer, aber außer „White Christmas“ überdauert nur „Easter Parade“ das Produktionsjahr 1942. Die Lied gewordene Romantik, die sich in Zeilen wie „Where the treetops glisten / And children listen / To hear sleigh bells in the snow“ ausdrückt, ist der größte US-Hit während des Zweiten Weltkriegs. Am 3. Oktober 1942 erreicht die mit einem Oscar ausgezeichnete Platte erstmals Platz eins in den Charts, und bis zum Januar 1947 rangiert der Song weitere 16 Mal unter den Top 30. Dann muss Crosby den Song neu aufnehmen, weil das Masterband abgenutzt ist. Als Crosby „White Christmas“ zu Weihnachten 1941 erstmals spielte, ahnte er nicht, welches Potenzial in dem Lied steckt, das sich anfangs nur
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schleppend verkauft. Wie hartnäckig der Song immer wieder in den Hitlisten auftaucht, übersteigt die Vorstellungskraft aller Beteiligten: 1954 schaffen es zwei Interpretationen auf Platz eins. Neben Bing Crosbys Version wird auch die der Drifters zum Hit. Der Grund dafür ist erneut ein Film, der noch dazu „White Christmas“ heißt. Wieder sollen Crosby und Astaire gemeinsam vor der Kamera stehen, aber Meistertänzer Astaire sagt ab. Seine Rolle übernimmt schließlich der Komiker Danny Kaye. Bing Crosby singt wie schon zwölf Jahre zuvor: „I’m dreaming of a white Christmas / With every Christmas card I write.“ Der Film wird der größte Kassenschlager des Jahres 1954 und katapultiert auch das 2:06 Minuten kurze Lied erneut nach ganz oben. Der Ohrwurm hat Bing Crosby längst überlebt: Kurz nach dem Tod des Sängers am 14. Oktober 1977 tritt „White Christmas“ ein weiteres Mal einen weltweiten Siegeszug an. Auch heute, über 60 Jahre nachdem die legendäre Aufnahme mit der Nummer 23778 Platz eins erreicht hat, ist zu vermuten, dass der Evergreen viele aktuelle Hits demnächst wieder einmal hinter sich lassen wird. mp Original: Bing Crosby: „White Christmas“ (1942, Decca, Schellacksingle)
„I wanna riot / White riot / A riot of my own“ aus: „White Riot“ von The Clash
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Am 18. März 1977 erscheint „White Riot“, die Debütsingle der britischen Punkband The Clash, mit einem Coverbild, auf dem die Musiker Joe Strummer, Paul Simonon und Mick Jones in einer „Gesicht zur Wand, Beine auseinander“Pose zu sehen sind. Die Musik beginnt mit einer blechernen Polizeisirene und geht bald in den völlig überdrehten Refrain über, bei dem auch in England viele Punkfans nur „I wanna wa! Wa wa! Wa wa wa!“ verstehen. Den Text schrieb Strummer nach den Unruhen beim Notting Hill Carnival, dem Fest der karibischen Einwohner in dem Londoner Stadtteil, das zwanzig Jahre zuvor als kleine Veranstaltung begonnen hat. 1976 wird der Carnival von einem riesigen Polizeiaufgebot begleitet. Hier die Arbeitslosen und Unterprivilegierten, dort die Beschützer des Establishments – Aggressionen entstehen, und die Feier mutiert zum Riot, zum Aufstand, bei dem die Uniformierten und die größtenteils schwarzen Jugendlichen hart aufeinander prallen. Strummer und Simonon, die in dieser Gegend wohnen, bleiben nicht untätig, beteiligen sich an den Attacken gegen die Polizei und werfen selbst mit Steinen. Es ist ein Ereignis ganz nach dem Geschmack der Band: aufregend, gefährlich – und voller Punkqualitäten wie Anarchie, subversivem Aktionismus und politischer Gewalt.
Leider hält Strummer es mit der recht schlicht gestrickten Philosophie, dass Schwarze prinzipiell bei Problemen keine Skrupel haben, mit Steinen zu werfen („don’t mind throwing a brick“), während Weiße in der Schule strohdumm werden („where they teach you how to be thick“). Prompt wird der Song als rassistisch missverstanden sowie als Aufruf, Probleme mit Gewalt zu lösen, ganz gleich, ob man schwarz oder weiß ist. Für die Punkband The Clash ist er allerdings dennoch ein Einstand nach Maß – auch wenn „White Riot“ erst einmal unangenehme Folgen nach sich zieht: Studentenorganisationen verhindern oft, dass The Clash bei Unifeten gespielt werden, Stadt- und Kreisverwaltungen wollen sie nicht auftreten lassen. Dabei – und das wird in der Aufregung, die Strummers politische Naivität verursacht, übersehen – ist „White Riot“ nur der Ausdruck einer tief verwurzelten Sehnsucht: nämlich des Wunsches nach Veränderung in einer Zeit, in der Großbritanniens Monarchie unangefochten das Zepter schwingt, in der das Proletariat nicht nur mit Polizeistiefeln getreten, sondern auch von zunehmender Arbeitslosigkeit geplagt wird, in der das Fernsehen um elf Uhr abends den Sendebetrieb einstellt und entsetzliche Langeweile das britische Alltagsleben prägt. Dagegen zu revoltieren scheint jugendliche Pflicht – und diesem Gefühl geben The Clash eine Stimme, denn nichts anderes meint „a riot of my own“. Das ist auch der große Unterschied zur konkurrierenden Punkband The Sex Pistols („God Save The Queen“), deren von Malcolm McLaren kanalisierte Wut sich zwar aus den gleichen Quellen speist, die aber mit „Anarchy in the U.K.“ vollmundig zur allumfassenden Revolte aufruft. gf Original: The Clash: „The Clash“ (1977, CBS, LP)
„I’m gonna give you every inch of my love“ aus: „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin Eine kleine Zeile in einem großen Rocksong, eine Zeile, die man leicht überhört: „I’m gonna give you every inch of my love.“ Und doch sind diese zehn Wörter ein Quantensprung, ein Stück sexuelle Befreiung der Popmusik. Gesungen und gespielt wird der Song von einer englischen Band, die erst ein Jahr zuvor aus der Asche der Yardbirds entstanden ist und mit diesem Rockklassiker ihre höchst erfolgreiche LP „II“ einläutet. „I’m gonna give you every inch of my love“ – jeden Zentimeter meiner Liebe schieb’ ich dir rein … Lässt sich besser auf den Punkt bringen, worum es bei Rock’n’Roll geht? Sänger Robert Plant toppt das Ganze noch mit einem
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„Aaaah, wanna whole lotta love“. Die laszive Mischung aus Wollust und Wohlgefühl, aus Prahlerei und Penisfixiertheit macht diesen Song einzigartig. Led Zeppelin zelebrieren hier offenherzig das Hohelied der körperlichen Liebe. Bis zum Spätherbst des Jahres 1969 ist Sex in der Pop- und Rockmusik noch nie so eindeutig formuliert worden. Die in aller Regel prüde Gesellschaft zwang die Künstler zu originellen Umschreibungen wie „Great Balls Of Fire“ (Jerry Lee Lewis) oder „Shake, Rattle And Roll“ (Big Joe Turner). Auch der Begriff Rock’n’Roll selbst ist eine solche Umschreibung. Willie Dixon verwendet in seinem Bluesklassiker „Hoochie Coochie Man“ sogar biblische Bilder dafür. Doch erst Led Zeppelin ebnen den Weg zur direkten, unverblümten Aussage. Die Vorlage für „Whole Lotta Love“ stammt ebenfalls von Dixon: 1962 lieferte Muddy Waters’ Aufnahme seines “You Need Love” die Blaupause für den Hardrockhit. mp Original: Led Zeppelin: „II“ (1969, Atlantic, LP)
„Because maybe you’re gonna be the one that saves me / And after all you’re my wonderwall“ aus: „Wonderwall“ von Oasis
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Oasis standen in der Tradition britischer Bands wie The Who („My Generation“) oder The Jam. Texter Noel Gallagher gilt als einer der besten Songwriter im Vereinigten Königreich seit den erfolgreichen Tagen der Kinks und ihres kreativen Kopfes Ray Davies („Lola“). Und wie die Beatbands der sechziger Jahre wurden Oasis schnell berühmt-berüchtigt, weil sie Hotelzimmer verwüsten und in jedes skandalträchtige Fettnäpfchen treten: Schon zu Beginn ihrer Karriere stritt sich Noel öffentlich mit Bruder Liam – und verließ nach Handgreiflichkeiten vorübergehend die Band. Einer der ersten Hits des aus Manchester stammenden Quintetts, „Shakermaker“, ging durch die Medien, weil viele Hörer noch eine andere Version in den Ohren haben: Das Stück klingt stark nach einem Hit der siebziger Jahre, „I’d Like To Teach The World To Sing (In Perfect Harmony)“, einem 1971 für einen Coca-Cola-Werbespot aufgenommenen Song der New Seekers. Das alles wird von den Medien aufgebauscht, und Oasis sind längst Kult, als 1994 ihr Debütalbum „Definitely Maybe“ erscheint. Die CD wird in den Annalen als das sich „am schnellsten verkaufende Debüt“ der britischen Popgeschichte geführt. Und das Beste: Die Band schafft es, dem durch die Vorabsingles und die Medienpräsenz geschürten Rummel musikalisch gerecht zu werden. Ein Jahr später steigern sie sich noch – trotz diverser gruppeninterner Konflikte und öffentlich breit gewalzter Alkoholeskapaden von Raubein
Liam Gallagher – mit dem Album „(What’s The Story) Morning Glory?“. Noel schreibt wunderschöne Songs wie „Don’t Look Back In Anger“ oder „Champagne Supernova“, dessen Text voller widersprüchlicher Bilder steckt: „Slowly walking down the hall / Faster than a cannonball“ heißt es zum Beispiel in dem 7:28 Minuten langen, hippieesken Epos. Der größte Hit des Albums aber ist das erst als dritte Single ausgekoppelte „Wonderwall“. Warum vorher „Roll With It“ erschien, erklärt Noel Gallagher auf der Fansite www.oasisinet.com: „Es war wegen meiner Freundin Meg Matthews. Sie hatte eine Firma, die pleite ging, und sie war ein wenig traurig.“ Er versuchte daher, sie mit einem positiven Lied aufzubauen: „Roll With It“. Doch dann ist die Zeit reif für das schwärmerische Liebeslied „Wonderwall“. Der Text, der zwischen romantischer Verklärung („I don’t believe that anybody feels the way I do about you now“) und der Schilderung von Abhängigkeit („Because maybe / You’re gonna be the one that saves me / And after all / You’re my wonderwall“) pendelt, dürfte Meg mindestens genauso gut getan haben. Der Song besticht mit einer fantastischen Melodie, die sich sofort in den Gehörgängen festsetzt. Ein Geniestreich wie „Wonderwall“ gelang Oasis danach nicht mehr, obwohl die fünf folgenden Alben „Be Here Now“, „Standing On The Shoulder Of Giants“, „Heathen Chemistry“, „Don’t Believe The Truth“ und „Dig Out Your Soul“ zeigen, dass Noel Gallagher das Songwriting nicht verlernt hat. Mittlerweile sind die Brüder jedoch derart zerstritten, dass Noel Gallagher nach einer letzten Auseinandersetzung Ende August 2009 endgültig aussteigt. Der Rest der Formation arbeitet mit Liam in der Band Beady Eye weiter. Aber sowohl Liam als auch Noel – mit seiner Gruppe High Flying Birds – veröffentlichen CDs, die nur mittelmäßig erfolgreich sind. Auch wenn Noels Werk belegt, dass er der musikalische Kopf von Oasis war: Es kursieren Gerüchte, dass die Brüder wieder zusammenkommen werden. Geliebt haben sie sich schließlich auch zur Zeit von „Wonderwall“ nicht. mp Original: Oasis: „(What’s The Story) Morning Glory?“ (1995, Creation, CD)
„Yesterday all my troubles seemed so far away“ aus: „Yesterday“ von The Beatles Eigentlich ist „Yesterday“ ein winzig kleiner Song – von bescheidenen 2:03 Minuten Länge und gerade mal elf Zeilen Text. Der erzählt von einem Mann, dessen Glück jäh zu Ende gegangen ist: „There’s a shadow hanging over me / Oh, yesterday came suddenly.“ Doch dieses Lied ist mehr: Es ist einer der
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ersten Beatles-Hits, die sich ein Pilzkopf alleine ausgedacht hat. Obwohl Paul McCartney („Band On The Run“) und John Lennon auch noch auf dem letzten Album „Let It Be“ immer im Team als Komponist und Texter genannt werden, setzt sich die 1965 mit „Yesterday“ und der LP „Help!“ begonnene Arbeitsweise durch: Jeder schreibt für sich allein. Paul McCartney komponiert und textet „Yesterday“ – ein Lied, das Lennon überhaupt nicht gefällt. Er schreibt deswegen einen Song, der als Gegenstück gelten kann, weil er ebenfalls erklärt, wie leicht man das Liebesglück verlieren kann: „You’ve Got To Hide Your Love Away“. Lennon missfällt vor allem, dass bei „Yesterday“ die übrigen Beatles nicht mitspielen – Produzent George Martin arrangiert auf Wunsch McCartneys als Begleitung ein Streichquartett. Anfang Mai 1965, zu der Zeit, als der Film „Help!“ gedreht wird, erwacht Paul McCartney eines Morgens mit einer Melodie im Kopf. „Das ist großartig“, geht es ihm durch den Kopf, wie er sich Jahre später in einem Interview mit dem Schriftsteller Barry Miles erinnert, „was mag das wohl sein? Ich dachte: Nein, so was habe ich nie geschrieben. Aber ich hatte die Melodie – und das war das allergrößte Wunder.“ Zunächst nennt er das Lied, das noch keinen Text hat, „Scrambled Eggs“ und reimt munter drauflos: „Scrambled eggs, oh my baby, how I love your legs …“ Ende Mai macht McCartney ein paar Tage Ferien an der portugiesischen Algarveküste. Auf der langen Autofahrt von Lissabon in den Süden des Landes feilt er endlich an einem Text. „Wenn ich so lange in einem Auto sitzen muss“, sagt Paul in seinem Gespräch mit Miles, „dann schlafe ich entweder ein oder es geht etwas ab in meinem Kopf. Ich erinnere mich, dass ich über die Melodie nachdachte und auf einmal die Anfänge der Strophen hatte, die aus einem einzigen Wort bestanden. Ich baute die Idee aus: Scram-bled eggs, da-da da. Ich wusste, die Silben mussten zur Melodie passen, ganz klar: da-da da, yes-terday, sud-den-ly, fun-ni-ly, mer-ri-ly, und yesterday, das ist gut. All my troubles seemed so far away.“ Die entspannte Urlaubsstimmung trägt einiges zu dieser Zeile bei: „Es ist leicht, auf die -ays zu reimen: say, nay, today, away, play, stay. Es gibt einen Haufen Reime, und sie fallen einem leicht ein, so baute ich es seit dieser Reise Schritt für Schritt zusammen. Sud-den-ly, noch ein leichter Reim: e, me, tree, flea, we – und schon hatte ich die Grundlage für den Text.“ „Yesterday“ überragt schließlich die Stücke von „Help!“, selbst den Titelsong und Klassiker wie „Ticket To Ride“ oder die Buck-Owens-Coverversion „Act Naturally“. Kein Beatles-Song, auch nicht das oft gecoverte „Hey Jude“, wird von so vielen anderen Künstlern aufgenommen. Mehr noch: Es gibt überhaupt keinen Song, der häufiger neu interpretiert wird. Über 2.200 Versionen von „Yesterday“ sind bekannt. Die Bandbreite reicht von Udo Jürgens über die
„Goldfinger“-Sängerin Shirley Bassey und Ray Charles bis hin zu Countrystar Marty Robbins. Jazzgitarrist Wes Montgomery spielte McCartneys Evergreen ebenso ein wie Tom Jones („Delilah“), Mambokönig Tito Puente, Tammy Wynette („Stand By Your Man“), T. Rex („Children Of The Revolution“), Nana Mouskouri und die Heavy-Metal-Kombo Grave Digger. Selbst Frank Sinatra („Strangers In The Night“, „Theme From ‚New York, New York‘“) kann sich der Popminiatur nicht entziehen und singt die magischen Zeilen „Yesterday all my troubles seemed so far away / Now it looks as though they’re here to stay / Oh, I believe in yesterday.“ Die Beatles lassen nicht zu, dass „Yesterday“ in Großbritannien als Single veröffentlicht wird – sie haben das Gefühl, eine solche klassisch angehauchte Ballade könne ihrem Image als Rock’n’Roll-Band schaden. Aber sie sind auch deshalb gegen eine Auskopplung, weil sie in ihrer Heimat immer noch als harmonisch vereinte Band wahrgenommen werden wollen. Ein Image, auf das sie in den USA keine Rücksicht nehmen müssen: Dort erscheint der Song im September 1965 als Single. Zuvor schon wird er in der Ed-Sullivan-Show präsentiert: Paul singt das Lied alleine, per Playback begleitet vom Streichertrio. Die restlichen Beatles warten hinter der Bühne. „Yesterday“ ist heute der meistgespielte Song aller Zeiten. Vor einigen Jahren bereits wurde Paul McCartney ausgezeichnet, weil US-Radiosender das Lied sechs Millionen Mal gespielt hatten. Sechs Millionen Mal „Yesterday“ – das sind zweiundzwanzigeinhalb Jahre Nonstop-Play. Paul McCartney: „Dafür, dass mir die Melodie einfach so in einem Traum eingefallen ist, muss sogar ich zugeben, dass es ein phänomenaler Glücksfall war.“ Übrigens: Auch „Michelle“, den am zweithäufigsten gespielten Beatles-Song, hat Paul allein geschrieben. gf/mp Original: The Beatles: „Help!“ (1965, Parlophone, LP)
„It’s fun to stay at the Y.M.C.A.“ aus: „Y.M.C.A.“ von Village People In den Diskotheken der siebziger Jahre herrscht mehr Toleranz als in autonomen Kulturzentren und den Clubs der Schrammelrocker. Auf der Tanzfläche wird längst eingelöst, wofür viele auf der Straße noch kämpfen: Frauen, Schwarze und Schwule tanzen Seite an Seite – zur Musik der Bee Gees („Stayin’ Alive“) oder zu den Songs der ersten bekennenden homosexuellen Band der Popgeschichte: Village People. Die Village People stehen kostümiert auf der Bühne – als Polizist, Indianer, GI, Bauarbeiter, Cowboy und Lederfetischist – und verwandeln so ausgeprägt maskuline amerikanische Helden in homoerotisch lockende Starfi-
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guren. Dass die Band ausgerechnet die „Young Men’s Christian Association“ (Y.M.C.A.) zum Thema eines Liedes macht, zeugt von einer kräftigen Portion Ironie: Ein paar Homosexuelle singen über eine stockkonservative christliche Einrichtung und schildern das bunte Herbergstreiben in den Schlafsälen dieser einstigen Sammelunterkünfte, die in fast jeder größeren Stadt billige Übernachtungsmöglichkeiten anbieten. Mehr noch: Sie empfehlen sie sogar augenzwinkernd als Aufreißstätte für junge Schwule: „Young man, there’s a place you can go / I said young man, when you’re short on your dough / You can stay there, and I’m sure you will find / Many ways to have a good time.“ Das Fazit der lebensfrohen Stadtmenschen: „It’s fun to stay at the Y.M.C.A. / They have everything for young men to enjoy / You can hang out with all the boys / You can do whatever you feel.“ Die meisten Hörer werden 1978 den Text wohl ignoriert und vor allem Spaß an der mitreißenden Melodie und dem als typisch urban-amerikanisch angesehenen Discosound gehabt haben. Dabei ist die Retortenband das Produkt des französischen Produzenten Jacques Morali, der 1991 in Paris an Aids starb. Aber der Erfolg der Village People ebnete den Weg für andere Bands, die sich ebenfalls offen zu ihrer Homosexualität bekennen – zum Beispiel Frankie Goes To Hollywood („Relax“). gf Original: Village People: „Y.M.C.A.“ (1978, Casablanca, LP)
„B-b-b-baby, you ain’t seen nothin’ yet“ aus: „You Ain’t Seen Nothin’ Yet“ von Bachman-Turner Overdrive
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Die Wurzeln der Jukeboxhelden Bachman-Turner Overdrive reichen zurück bis zur Band Guess Who, deren größter Hit „American Woman“ (1970) war. Kurz nach deren Auflösung gründet Randy Bachman mit seinem Bruder Robbie, dem Bassisten C. F. Turner und Chad Allan, zuvor ebenfalls bei Guess Who, die Band Brave Belt. Nach zwei unspektakulären Platten wird Allan durch den dritten Bachman-Bruder Tim ersetzt und die Band in Bachman-Turner Overdrive umbenannt. Das Wort Overdrive stammt von einem gleichnamigen Truckermagazin – ein deutlicher Hinweis auf ihre schnörkellose Rockmusik. Nach zwei beachtlichen Charterfolgen 1974 („Let It Ride“ und „Takin’ Care Of Business“) steht die Band für ihr drittes Album im Studio. Längst ist genügend Material aufgenommen, nur der Song, der die nächste erfolgreiche Single sein könnte, fehlt noch. Zudem steht Ärger ins Haus, weil Gary, ein weiterer Bachman-Bruder, keine Lust mehr hat, die Band zu managen. Gary stottert ein wenig, und so kommt Randy Bachman auf die Idee, ein Lied mit einem
leicht gestotterten Text zu schreiben und ihm den fertigen Song zu schicken. „Aber das war“, sagt Randy später, „tatsächlich nur als Witz gemeint.“ Der Witz hat es in sich: Kaum ist der Song mit dem berühmten gestotterten „B-b-b-baby“ auf dem Markt, entwickelt er sich zum Monsterhit. Er wird zum Markenzeichen der Band und steht in sechs Ländern auf Platz eins – in den USA, in Kanada, Dänemark, Deutschland, Neuseeland und Südafrika. In Österreich übersetzen Ostbahn-Kurti & die Chefpartie den Song unter dem Titel „Na, Des Siech I Ned“ ins Wienerische, bei der Spider Murphy Gang heißt er 1989 auf Bairisch „Geh zoag ma doch dei Ding“. „Mein Bruder Gary hat nie über den Song gesprochen“, erinnerte sich Randy Bachman Jahre später. „Aber mit dem Stottern war es plötzlich vorbei. Ich weiß bis heute nicht, ob er das dem Song verdankt oder einer Therapie.“ gf Original: Bachman-Turner Overdrive: „Not Fragile“ (1974, Mercury, LP), weitere Versionen: Spider Murphy Gang: „In flagranti“ (1989, Intercord, LP) ,Ostbahn Kurti & die Chefpartie: „1/2 so wüd“ (1991, Amadeo, CD)
„’cause you make me feel like a natural woman“ aus: „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“ von Carole King Carole Kings Talent wird früh entdeckt. Schon im Alter von vier Jahren bekommt die 1942 in Brooklyn, New York, geborene Songwriterin Klavierunterricht. Im Teenageralter folgen die üblichen Banderfahrungen, bis sie am College den Studenten Gerry Goffin kennen und lieben lernt. Sie heiraten, bekommen zwei Kinder und bilden in der Folge eines der bedeutendsten Songschreiberduos der Pop- und Rock’n’Roll-Ära. Schon Ende der fünfziger Jahre hat Carol Joan Klein den Künstlernamen Carole King angenommen. In der Songschmiede Goffin/King entstehen Hits in großer Zahl: Für die Shirelles schreiben sie 1960 „Will You Love Me Tomorrow“, für Little Eva den ewigen Bestseller „The Loco-Motion“. Weitere Erfolge: „Up On The Roof“ für die Drifters und „One Fine Day“ für The Chiffons – Lieder, die noch heute manches gute Oldie-Album zieren. Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und der pazifistischen Gegenbewegung der Hippies entdeckt Carole ihre Leidenschaft für die Ideale der Blumenkinder. Zusammen mit Legenden wie Bob Dylan („Blowin’ In The Wind“, „Knocking On Heaven’s Door“), Donovan („Mellow Yellow“), Woody Guthrie („This Land Is Your Land“) und Pete Seeger („A Wimoweh“/„The Lion Sleeps Tonight“) leiht sie der Friedensbewegung ihre Stimme. In dieser Zeit zieht sie von New York nach Los Angeles, wo sie ihren zweiten Mann Charles Larkey
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kennen lernt, der Goffin nicht nur als Ehemann, sondern ab und zu auch als Songschreiber ablöst. Paradoxerweise schrieb Carole King „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“ – ein Lied, das die Liebe zu einem anderen Menschen in warmen, unglaublich poetischen Worten feiert – 1967 noch mit ihrem ersten Ehemann Gerry Goffin, zwar für Aretha Franklin, gemeint ist aber schon ihr Zweiter Ehemann: „When my soul was in the lost and found / You came along to claim it / And I didn’t know just what was wrong with me / Oh till your kiss helped me name it“, heißt es da über ihre Rettung als liebender Mensch. Nur wenige Zeilen später gibt sie sich bereits wieder eminent lebensfroh: „Now I’m no longer doubtful of what I’m living for / ’cause if I make you happy I don’t need to do no more.“ Inspiriert wurde der Song übrigens von Atlantic-RecordsMitinhaber Jerry Wexler, der King aus einem fahrenden Auto zurief, er wolle für Aretha einen Song über eine „natürliche Frau“. Der Song ist eine der schönsten Liebeserklärungen der Popgeschichte und entwickelte sich in der Interpretation von Aretha Franklin zu einem der größten Hits des Jahres 1967. Erst ab diesem Zeitpunkt will Carole King ihre Songs auch selbst singen. Eine goldrichtige Entscheidung: Mit „Tapestry“ lieferte Carole King 1971 eines der erfolgreichsten Alben ab, das eine Frau je eingespielt hat. Mit drauf: „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“, jetzt von King interpretiert, sowie Klassiker wie „It’s Too Late“, „You’ve Got A Friend“ und „Smackwater Jack“. „Tapestry“ stand zwischen 1971 und 2011 mehr als 300 Wochen in den US-Charts und verkaufte sich in diesen 40 Jahren weltweit rund 25 Millionen Mal. Es beeinflusste eine ganze Generation von Songschreibern: Carly Simon ebenso wie Jackson Browne und viele andere. Für „Tapestry“ erhält King 1971 vier Grammys. An diesen Erfolg konnte Carole King zwar nie wieder anknüpfen, trotzdem erreichten die folgenden Alben regelmäßig Goldstatus. 1977 zog sie in ein kleines Bergdorf in Idaho und engagierte sich in der Umweltschutzbewegung. Songs schreibt sie immer noch. 2012 zog sie sich aus dem Musikgeschäft zurück. gf Original: Carole King: „Tapestry“ (1971, Ode, LP)
„You took the words right out of my mouth“ aus: „You Took The Words Right Out Of My Mouth“ von Meat Loaf
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Eigentlich müsste für das, was Jim Steinman und der wegen seiner Leibesfülle Meat Loaf (Hackbraten) genannte Marvin Lee Aday 1977 als „Bat Out Of Hell“ veröffentlichen, der Begriff Rockoper erfunden werden, wenn es ihn
nicht längst gäbe. Er steht zum Beispiel für „Tommy“ und „Quadrophenia“, beide von The Who. Bei „Bat Out Of Hell“ bekäme das Wort eine gänzlich neue Bedeutung: Hier wird nicht über eine Doppel-LP hinweg eine Geschichte erzählt. Auf dieser Platte ist jedes der sieben Lieder eine eigene Oper mit Ouvertüre, Mittelteil und furiosem Finale. Der von Todd Rundgren produzierte Sound ist bombastisch, dicht und schwelgt im Überfluss. So will es Steinman haben, so erklärt er es den Verantwortlichen bei den Plattenfirmen, doch keiner versteht es. Erst als Rundgren die Produktion übernimmt, ist die Firma Cleveland Records bereit, „Bat Out Of Hell“ herauszubringen. Das opulente Werk wird zu einem Meilenstein der Rockgeschichte. Es verkauft sich allein in den USA über 14 Millionen Mal und begründet auch die gegenseitige Abhängigkeit von Steinman und dem als Eddie im Filmmusical „Rocky Horror Picture Show“ („Sweet Transvestite“) bekannt gewordenen Meat Loaf. Große Erfolge feiert er praktisch nur mit den gemeinsamen Alben „Dead Ringer“ und besonders den drei Folgen von „Bat Out Of Hell“ (die zweite mit dem Welthit „I Would Do Anything For Love“ erscheint 1993, die dritte 2006). Der Texter, Komponist und Arrangeur Steinman ist hingegen auch mit Arbeiten für Bonnie Tyler, Barbra Streisand, Celine Dion und die Düsterband Sisters Of Mercy halbwegs erfolgreich. Aber auch er wird an „Bat Out Of Hell“ gemessen. Besonders offensichtlich wird das bei Steinmans eigenem Album „Bad For Good“: Es ist perfekt produziert, doch Jims dünnes Stimmchen macht überdeutlich, dass etwas fehlt – Meat Loafs mächtige und zugleich verletzlich-zarte Interpretation. Steinman verzichtet auf den übergewichtigen Sänger, der nach nach den strapaziösen Tourneen sieben Monate lang keinen Ton herausbringt. Aber es ist eben diese außergewöhnliche Stimme, im gesunden Zustand kräftiger als jedes Orchester, die aus Steinmans lyrischen Sätzen magische Momente macht: „Like a bat out of hell / I’ll be gone when the morning comes“, „What’s it gonna be boy? Yes or no? – Let me sleep on it / I’ll give you my answer in the morning“, „I would do anything for love, but I won’t do that.“ Der Texter lässt Worte von schlichter Schönheit in epische Texte fließen, und der Sänger erweckt sie stöhnend, flüsternd oder schreiend zum Leben. Dieses geniale Zusammenspiel macht auch aus einem für Steinman/ Meat-Loaf-Verhältnisse gewöhnlichen Popsong wie „You Took The Words Right Out Of My Mouth“ eine Minioper, in der von Liebe und Begierde erzählt wird: „It was a hot summer night and the beach was burning / There was a fog crawling over the sand / When I listen to your heart I hear the whole world turning / I see the shooting stars / Falling to your trembling hands.“ Das Ganze gipfelt in einem Refrain, der wortreich, aber doch sehr eingängig
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ist: „You took the words right out of my mouth / It must have been while you were kissing me“ – „Du hast mir die Worte aus dem Mund genommen / Das muss passiert sein, als du mich geküsst hast.“ Der Song ist die erste Single aus dem Album „Bat Out Of Hell“, ein großer Hit wird er jedoch nicht. Nur zwischen dem wilden, über neun Minuten langen Titellied „Bat Out Of Hell“ und dem melancholisch-traurigen „Heaven Can Wait“ entfaltet er seine ganze Leichtigkeit, wird zum magischen Moment der Leidenschaft. mp Original: Meat Loaf: „Bat Out Of Hell“ (1977, Cleveland, LP)
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Alle Songzeilen von A - Z A little bit of Monica in my life … (Lou Bega) 122 Aber hoazn toan ma Woazen, und de Ruabn und den Kukuruz / Wann ma lang so weiter hoazen, brennt da Huat (Hubert von Goisern) 33 Ah, ha, ha, ha, stayin’ alive, stayin’ alive (The Bee Gees) 175 Ah, shake, rattle and roll (Big Joe Turner) 163 All I’m askin’ is for a little respect (Aretha Franklin/Otis Redding) 149 All my love, all my kisses, you don’t know what you’ve been missing (Buddy Holly) 143 Alles klar auf der Andrea Doria (Udo Lindenberg) 8 Always look on the bride side of live (Monty Python) 9 And I think to myself - what a wonderful world (Louis Armstrong) 208 And it seems to me you lived your life like a candle in the wind (Elton John) 36 And so it was that later, as the miller told his tale, that her face at first just ghostly, turned a whiter shade of pale (Procol Harum) 8 And the county judge, who held a grudge, will search forevermore for the band on the run (Paul McCartney & Wings) 20 And the girl in the corner said, boy, I wanna warn ya, it’ll turn into a ballroom blitz (The Sweet) 19 Another saturday night and I ain’t got nobody (Sam Cooke) 14 As the snow flies, on a cold an’ grey chicago mornin’, a poor little baby child is born, in the ghetto (Elvis Presley) 93
B-b-b-baby, you ain’t seen nothin’ yet (Bachman-Turner Overdrive) 220 Be-bop-a-lula, she’s my baby (Gene Vincent) 21 Because maybe, you’re gonna be the one that saves me, and after all you’re my wonderwall (Oasis) 22 Because the night belongs to lovers (Patti Smith Group) 216 Billy Jean is not my lover (Michael Jackson) 24 Born in the USA, I was born in the USA (Bruce Springsteen) 31 But she’s a black magic woman (Fleetwood Mac/Santana) 26
’cause you make me feel like a natural woman (Carole King) 221 Cocaine runnin’ all around my brain (u. a. Jackson Browne) 39 Come on baby, light my fire (The Doors) 113 Come on Eileen, oh I swear (what he means) (Dexy’s Midnight Runners) 40
Da da da, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht (Trio) 42 Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag (Juli) 145 Drah di net um, der Kommissar geht um (Falco) 48
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Every breath you take, every move you make (The Police) 60 Everything I do, I do it for you (Bryan Adams) 61 Freedom is just another word for nothing left to lose (Kris Kristofferson) 125 Fuck tha police, comin’ straight from the underground (N.W.A.) 65
Get your motor runnin’, head out on the highway (Steppenwolf) 32 God save the queen, the fascist regime (Sex Pistols) 68 Goodness, gracious, great balls of fire! (Jerry Lee Lewis) 69 Gott weiß, ich will kein Engel sein (Rammstein) 57
Hast du etwas Zeit für mich, dann singe ich ein Lied für dich, von 99 Luftballons (Nena) 135 Hello darkness, my old friend, I’ve come to talk with you again (Simon & Garfunkel) 189 Here’s what I doo with my money, I call Pennsylvania 6-5000 (Glenn Miller) 144 Hey hey, my my, Rock’n’Roll will never die (Neil Young) 73 Hey Joe, I heard you shot your woman down (Billy Roberts) 74 Hey! Teachers!! Leave them kids alone! (Pink Floyd) 13 Hey there people, I’m Bobby Brown, they say I’m the cutest boy in town (Frank Zappa) 30 Hope I die before I get old (The Who) 131 How could they know just what this message means, the end of all my hopes, the end of all my dreams (Herman’s Hermits) 138 How many roads must a man walk down, before you call him a man? (Bob Dylan) 27
‚I am‘, I said to no one there (Neil Diamond) 80 I bet you look good on the dancefloor (Arctic Monkeys) 81 I can’t get no satisfaction (The Rolling Stones) 83 I don’t care if you’re young or old, get together and let the good times roll (Louis Jordan) 112 I drive a Rolls-Royce, ’cos it’s good for my voice (T. Rex) 37 I fought the law and the law won (Bobby Fuller Four) 85 I found it hard, it was hard to find, oh well, whatever, nevermind (Nirvana) 168 I found my thrill on Blueberry Hill (Fats Domino) 29 I got, you got, we got everybody, I’ve got the gift … it’s time to move your body (Robbie Williams) 152 226
I guess I don’t need that tough / Now you’re just somebody that I used to know (Gotye) 172
I heard it through the grapevine, not much longer would you be mine (Marvin Gaye/Creedence Clearwater Revival) 87 I know it isn’t true, love is just a lie, made to make you blue (Everly Brothers/Nazareth) 119 I love the way you walk, I’m crazy ’bout your walk (John Lee Hooker) 51 I love to love you baby (Donna Summer) 120 I refuse to blow a fuse, they even had it on the news (Public Enemy) 53 I said, I’m your hoochie coochie man (Muddy Waters) 77 I shot a man in Reno, just to watch him die (Johnny Cash) 64 I shot the sheriff, but I didn’t shoot no deputy (Bob Marley) 88 I wanna riot, white riot, a riot of my own (The Clash) 214 I want to be your sledgehammer (Peter Gabriel) 167 I want to live, I want to give, I’ve been a miner for a heart of gold (Neil Young) 70 I want to wake up in a city that never sleeps (Frank Sinatra) 191 I’ll never get out of this world alive (Hank Williams) 89 I’m a loser baby, so why don’t you kill me (Beck) 117 I’m dreaming of a white Christmas (Bing Crosby) 213 I’m falling in love with your favorite song / I’m gonna sing it all night long / I’m gonna dance with somebody (Mando Diao) 45 I’m gonna give you every inch of my love (Led Zeppelin) 215 I’m just a sweet transvestite from Transexual, Transylvania (Tim Curry) 181 I’m on the highway to hell (AC/DC) 76 I’m sittin’ on the dock of the bay (Otis Redding) 165 I’m sorry, mama, I never meant to hurt you (Eminem) 38 I’m waiting for my man, got twenty-six dollars in my hand (The Velvet Underground) 91 Ich sprüh’s auf jede Wand: Neue Männer braucht das Land (Ina Deter Band) 133 If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair (Scott McKenzie) 157 In the backroom she was everybodys darling (Lou Reed) 183 In the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight (Pete Seeger) 184 In-a-gadda-da-vida, honey, don’t you know that I love you? (Iron Butterfly) 92 Ist es die da, die da am Eingang steht? (Die Fantastischen Vier) 50 227
It is the evening of the day, I sit and watch the children play (Marianne Faithfull) 16 It was Stagger Lee and Billy, two men who gambled late (Lloyd Price) 174 It‘s a cruel cruel world to face on your own, a heavy cross to carry along (Gossip) 71 It’s christmas time, and there’s no need to be afraid (Band Aid) 55 It’s fun to stay at the Y.M.C.A. (Village People) 219 It’s getting’ dark, too dark for me to see, I feel like I’m knockin’ on heaven’s door (Bob Dylan/Guns N’ Roses) 105 It’s you, it’s you, it’s all for you / Everything I do (Lana Del Ray) 199
Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt (Geier Sturzflug) 34 Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran (Fehlfarben) 56 Keine Macht für niemand (Ton Steine Scherben)98 Killing me softly with his song, killing me softly (Roberta Flack/The Fugees) 102 Klatsch in die Hände und tanz den Mussolini (DAF) 49
Last night a DJ saved my life from a broken heart (Indeep) 108 Let me be who I am, and let me kick out the jam (MC5) 100 Let’s rock, everybody, let’s rock (Elvis Presley) 97 Let’s stick together, c’mon c’mon, let’s stick together (Bryan Ferry) 111 Like a virgin, touched for the very first time (Madonna) 115 Little darling, don’t shed no tears, no woman no cry (Bob Marley) 141
Marmor, Stein und Eisen bricht (Drafi Deutscher) 123 Morning has broken, like the first morning (Cat Stevens) 128 My ding-a-ling, my ding-a-ling, won’t you play with my ding-a-ling (Chuck Berry) 130
Nights in white satin, never reaching the end (The Moody Blues) 136 No more pencils, no more books, no more teacher’s dirty looks (Alice Cooper) 159 Now he’s too old to Rock’n’Roll, but he’s too young to die (Jethro Tull) 196
Oh Biko, Biko, because Biko – the man is dead (Peter Gabriel) 23 Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz (Janis Joplin) 127 Oh Maggie, I wish I’d never seen your face (Rod Stewart) 121 On a dark desert highway, cool wind in my hair (Eagles) 78 Once more you open the door, and you’re in my heart, and my heart will go on (Celine Dion) 132 228
One more round, Delia’s gone (Kingston Trio/Tom Jones) 46
One, two, three, four, five, six, nine or ten / Money can’t buy you back the love that you had then (Feist) 7 One, two, three o’clock, four o’clock rock (Bill Haley) 150
Relax, don’t do it, when you want to come (Frankie Goes To Hollywood) 148 Rockin’ all over the world (John Fogerty/Status Quo) 154
Say it loud, I’m black and I’m proud (James Brown) 158 See that girl, watch that scene diggin’ the dancing queen (ABBA) 43 Seems it never rains in southern California (Albert Hammond) 95 Sex and drugs and rock and roll (Ian Dury) 161 She came to me one morning, one lonely Sunday morning (Uriah Heep) 106 Short people got no reason to live (Randy Newman) 164 Smoke on the water, a fire in the sky (Deep Purple) 170 So long Marianne, it’s time that we began to laugh and cry and cry and laugh about it all again (Leonard Cohen) 171 Strangers in the night, exchanging glances (Frank Sinatra) 176 Sunday, bloody Sunday (U2) 177 Sunny, yesterday my life was filled with rain (Bobby Hebb) 178
Tell me why! I don’t like Mondays (The Boomtown Rats) 84 That’s me in the corner, that’s me in the spotlight, losing my religion (R.E.M.) 118 The day the Music died (Don McLean) 11 The night they drove old Dixie down (The Band/Joan Baez) 185 The revolution will not be televised (Gil Scott-Heron) 187 The show must go on (Queen) 188 There are nine million bicycles in Beijing, that’s a fact (Katie Melua) 137 There’s a fire starting in my heart, reaching a fever pitch, and its bringing me out of the dark (Adele) 155 There is a house in New Orleans they call the rising sun (The Animals) 79 There will be an answer, let it be (The Beatles) 109 These boots are made for walking, and that’s just what they’ll do (Nancy Sinatra) 192 They call it Nutbush, oh Nutbush, Nutbush city limits (Ike & Tina Turner) 142 They call me the wild rose, but my name was Elisa Day (Nick Cave & The Bad Seeds + Kylie Minogue) 211 They tried to make me go to rehab, but I said ey no, no, no (Amy Winehouse) 146
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This land is your land, this land is my land (Woody Guthrie) 193 Three steps to heaven (Eddie Cochran) 194 Time takes a cigarette (David Bowie) 153 To everything (turn, turn, turn), there is a season (turn, turn, turn) (Bibel/The Byrds) 198 To know know know him is to love love love him (The Teddy Bears) 195
U don’t have 2 be rich 2 be my girl (Prince) 104 Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt (Herbert Grönemeyer) 126 Uyembube (Solomon Linda) 184
Video killed the radio star, in my mind and in my car (The Buggles) 201 Voulez-vous coucher avec moi ce soir? (LaBelle) 107
Walk like an Egyptian (The Bangles) 202 War, huh, what is it good for? Absolutely nothing (Edwin Starr) 204 Whatever happened to all the heroes? All the Shakesperoes? (The Stranglers) 140 We will we will rock you (Queen) 206 We’re the kids in America (Kim Wilde) 101 Well I met her in a club down in old Soho (The Kinks) 116 Wham bam thank you mam (Diverse) 207 When a man loves a woman, can’t keep his mind on nothin’ else (Percy Sledge) 210 When you believe in things that you don’t understand … superstition ain’t the way (Stevie Wonder) 180 Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn (Kraftwerk) 17 Wir waren geboren um zu leben mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit (Unheilig) 67 Words are very unnecessary, they can only do harm (Depeche Mode) 59
Yesterday all my troubles seemed so far away (The Beatles) 217 Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want (Spice Girls) 203 You gotta fight for your right to party! (Beastie Boys) 62 You know I hate to ask, but are ‚friends‘ electric? (Tubeway Army) 15 You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one (John Lennon) 90 You took the words right out of my mouth (Meat Loaf) 222 You, your sex is on fire / Consumed with what’s to transpire (Kings Of Leon) 162 230
Alle Namen von A - Z Atkins, Chet 179
Black Muslims 53, 159, 187
ABBA 43, 44, 45, 130
Bacharach, Burt 93, 96, 149
Black Uhuru 75
AC/DC 76, 77, 198
Bachman Turner Overdrive 220,221
Black, Roy 99
Bachman, Gary 220, 221
Blackwell, Chris 89
Bachman, Randy 220, 221
Blanco, Roberto 123
Bachman, Robbie 220 Bachman, Tim 220
Blondheim, Philip Wallach 157
Backer, Wouter de 172
Bloodhound Gang 102
Baez, Joan 133, 187, 194
Bob Marley & The Wailers 88, 89, 141, 142
10cc 139
Ace Of Base 45 Acuff, Roy 29, 80, 97, 179 Adams, Bryan 61, 62 Adderley, Cannonball 24 Adele 155, 156, 157 Adler, Lou 182 Ad-Rock (Adam Horowitz) 62
Band Aid 55, 56
Blackmore, Ritchie 170, 171
Bobby Fuller Four 85, 86
Aerosmith 63
Bargeld, Blixa 212
Afrika Bambaataa 49, 101
Basie, Count 24
Afrob 51
Basinger, Kim 39
After The Fire 49
Bassey, Shirley 219
Age Of Chance 105
Bartholomew, Dave 29, 131
Aguilera, Christina 107
Bators, Stiv 116
Bond, James 63, 152, 158, 209
Air Supply 96
Batt, Mike 137
Boney M 178, 179
Alexander, Texas 80
Beastie Boys 62, 63, 64
Bono 178
Alice In Chains 168
Beck 117, 118, 169
Allan, Chad 220
Bega, Lou 121, 122
Boogie Down Productions 188
Allison, Jerry 144
Behrens, Peter 42, 43
Amos, Tori 60
Belafonte, Harry 47, 48
Anderson, Ian 196
Bennett, Tony 191
Bowie, David 52, 55, 69, 107, 153, 154, 183, 184, 207, 208
Andersson, Benny 44
Berlin, Irving 193, 213
Boy George 55
Anka, Paul 165
Berry, Chuck 69, 112, 130, 131
Brand Nubian 158, 159
Arctic Monkeys 81, 82, 83 Armstrong, Josephine 208 Armstrong, Louis 29, 208, 210,
Bettis, John 96 Big Bopper 85, 86 Big Mama Thornton 97
Armstrong, Mayann 208
Big Pun 106
Armstrong, Willie 208
Biggie Smalls 106
Art Of Noise 104, 105
Biko, Steve 23, 24
Ashford, Nicolas 179
Bill Haley & The Comets 130, 150, 151 164
Ashford, Valerie 179 Astaire, Fred 213
Biolek, Alfred 10
Bogart, Humphrey 104 Bolan, Marc 37, 38, 142, 160, 196 Bomb Squad 53
Böttger, Gottfried 9
Brave Belt 220 Breach 45 Briegel, Eva 145 Brinsley Schwarz 140 Brooker, Gary 8 Brooks, Richard 151 Brosnan, Pierce 152 Brown, James 46, 87, 113, 158, 159, 178, 187, 190
231
Browne, Jackson 39, 40, 198, 222
Clapton, Eric 39, 78, 88, 89, 110
Crosby, Bing 5, 36, 55, 213, 214
Bruhn, Christian 123
Clark, Gene 198
Crosby, David 198, 199
Bryant, Boudleaux 120
Clarke, Kenneth 203
Bryant, Felice 120
Clarke, Michael 198
Crosby, Stills, Nash & Young (CSN&Y) 70
Buffalo Springfield 199
Cleese, John 10
Burdon, Eric 29, 80
Cleveland, Michael 109
Burger, Helen 144
Clifford, Doug 154
Burroughs, William S. 183
Cobain, Kurt 74, 149, 168, 169
Bushy, Ron 93 Butler, Jerry 93
Cage, John 91 Cale, John 91, 92 Calhoun, Charles E. 164 Calloway, Cab 174 Cameron, James 132, 133 Canned Heat 51, 111, 112 Carl XVI. Gustaf, König von Schweden 43 Carrera, Tia 20 Cash, Johnny 5, 47, 48, 53, 64, 65, 88, 98, 156, 163, 198, 212
Culture Club 55 Currie, Steve 37 Curry, Tim 182 Curtis, Sonny 86
Coburn, James 105
Dae, Sunny 151
Cochran, Eddie 123, 194, 195
Dahlke, Kurt 50
Cocker, Joe 165 Coe, David Allen 125 Cohen, Leonard 171, 172 Cohn, Nik 175 Cole, Nat „King” 177 Collins, Judy 130, 165, 171 Collins, Phil 55, 167 Coltrane, John 187 Como, Perry 103, 104 Connolly, Brian 19
Dalai Lama 64 Daltrey, Roger 132 Dana 130 Das Auge Gottes 58 Das elegante Chaos 58 David, Hal 96 Davies, Dave 116 Davies, Ray 116, 117, 216 Davis Jr., Sammy 177, 191 Davis, Mac 93, 94 Davis, Michael 100
Cave, Nick 74, 94, 175, 211
Cook, Stu 154
Chan, Agnes 96
Cooke, Sam 14, 15
Chan, Jackie 205 Channing, Chad 168
Cooper, Alice 14, 159, 160, 161
Chapman, David 90
Copeland, Stuart 60
Chapman, Graham 10
Cornwell, Hugh 140
Chapman, Mike 19
Costello, Elvis 74
Charles, Ray 14, 147, 219
Costner, Kevin 61
Cher 75, 96, 178
Coupland, Douglas 117
Chic 116
Cray, Robert 52
Chicago 96
Crazy Horse 70, 73, 194
Depeche Mode 16, 41, 59, 60
Chinn, Nicky 19
Creedence Clearwater Revival (CCR) 88, 154, 155
Der Graf 67
Chuck D. 53, 54 Christie, Tony 82
232
Cruise, Tom 153
Cronkite, Walter 90 Cropper, Steve 166, 167
Davis, Rev. Gary 39, 40 De Niro, Robert 191 Deacon, John 188, 206 Dead Kennedys 86 Dean, James 33, 183 Deep Purple 5, 75, 101, 170, 171 Delgado-Lopez, Gabi 49, 50 Densmore, John 114
Der Plan 49, 56 Deter, Ina 5, 133, 134
Dylan, Bob 11, 12, 27, 28, 29, 40, 51, 55, 75, 105, 106, 130, 133, 175, 178, 180, 186, 194, 198, 199, 221
Fleetwood Mac 26, 27, 79
DeVille, Willy 9, 75
Eagles 20, 78, 79, 199
Fogerty, Tom 154, 155
DeWayne, Quirico 86
Eazy-E 65, 67
Followill, Caleb 162, 163
Dexy’s Midnight Runners 40, 41, 42
Ebb, Fred 191
Followill, Ivan Léon 162
Ebstein, Katja 124
Followill, Jared 162
Di Caprio, Leonardo 132
Edge, Graeme 136
Followill, Matthew 162
Diamond Boys 95
Einstürzende Neubauten 212
Followill, Nathan 162
Ellington, Duke 209
Ford, Vincent „Tata” 141
Diddley, Bo 130, 179
Eminem 5, 38, 39, 63, 66
Fox, Charles 102
Die Ärzte 25, 202
Entwistle, John 131
Die Fantastischen Vier 50, 51
Epstein, Brian 91
Frankie Goes To Hollywood 148, 149, 205, 220
Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) 49, 50, 56, 57 Deutscher, Drafi 123, 124
Diamond, Neil 80, 81, 130, 156
Die Toten Hosen 49 Dion 42 Dion, Celine 5, 96, 132, 133, 223 Dire Straits 55
Epworth, Paul 156, 157
Fleetwood, Mick 26 Fogerty, John 154, 155
Fonda, Peter 32
Ertegun, Ahmet 163
Franklin, Aretha 14, 24, 43, 149, 150, 163, 222
Esquires Combo 210
Franklin, Clarence L. 149
Etheridge, Melissa 127
Franz Ferdinand 82
Extrabreit 56
Franzen, Mike 75
Ditto, Beth 71, 72, 73
Faces 121, 122
Dixgård, Björn 45
Faithfull, Marianne 16, 17
Freitag, Thomas 51
Dixon, Willie 77, 216
Falco 48, 49
Freundeskreis 51
DJ Terminator X 53
Fältskog, Agnetha 44
Full Tilt Boogie Band 127
DJ Yella 65, 66
Fame, Georgie 194
Fuller, Bobby 85, 86
Doc Watson 175
Farafina 167
Fuller, Jesse 175
Domino, Fats 29, 30, 174, 175
Farjeon, Eleanor 129
Fuller, Randy 86
Feeling B 58
Donovan 221
Gabriel, Peter 23, 24, 167, 168
Downes, Geoffrey 201
Fehlfarben 49, 50, 56, 57, 100, 135
Dr. Feelgood 140
Feist 7
Gallagher, Liam 152, 216, 217
Dr. John 112
Ferry, Brian 55, 111, 112
Gallagher, Noel 216, 217
Drei Tornados 35
Finn, Mickey 37
Garbarek, Jan 9
Duchamps, Marcel 133
First Arsch 58
Garfunkel, Art 96, 130, 190
Duffy 155
Fitzgerald, Ella 178, 209
Gaultier, Jean-Paul 72
Dunbar, John 17
Flack, Roberta 102, 103, 104
Gaye, Marvin 40, 87, 88, 154, 158, 178, 180, 204
Flavor Flav 53
Gayle, Myra 70
Duran Duran 41, 55 Dury, Ian 76, 161, 162
Freddie & The Bellboys 97
233
Geier Sturzflug 5, 34, 35, 36, 54 Geldof, Bob 55, 56, 85
Henkys, Jürgen 130
Grohl, Dave 168
Herman’s Hermits 138, 139, 140
General Noriega 197, 198
Grönemeyer, Herbert 68, 126, 127, 145
Genesis 23, 167
Grönemeyer, Wilhelm 126
Hesse, Hermann 32
Gentleman 51
Guns’n’Roses 106
Hill, Lauryn 103
George, Lowell 163
Guthrie, Woody 80, 193, 194, 224
Hillman, Chris 198
Georgiou, Steven Demetri 129 Geratsch, Friedel 34 Gerry & The Peacemakers 149
Haglund, Daniel 45 Haley, Bill 130, 150, 151, 164 Hammond, Albert 95, 96
Herold, Ted 124
Hitler, Adolf 49 Hoffman, Dustin 190 Hoffs, Susanna 202 Holiday, Billie 149
Gillan, Ian 170
Hammond, John 149
Gillespie, Dizzy 9
Holly, Buddy 12, 13, 85, 86, 95, 143, 144, 195
Hampton, Lionel 24
Gilliam, Terry 10
Hölzel, Hans 48
Hans-A-Plast 56
Gimbel, Norman 102
Hansen, Al 118
Hooker, John Lee 5, 51, 52, 53, 77, 90
Gladys Night & The Pips 87, 88
Harrison, George 10, 110, 194, 204
Hopper, Dennis 32
Glaser, Joe 209
Harrison, Wilbert 111
Glover, Roger 170
Horner, James 133
Harvey, Mick 212
Godard, Jean-Luc 17
Houston, Whitney 96
Hathaway, Donny 103, 147
Goebbels, Joseph 57
Hues Corporation 108
Hawley, Richard 82
Goisern, Hubert von 33, 34
Humpe, Annette 43
Hayward, Justin 136
Goffin, Gerry 221, 222
Humphries, Les 134
Hazlewood, Lee 192, 212
Gordon, Dexter 9
Hütter, Ralf 18
Hazlewood, Mike 95, 96
Gordy Jr., Barry 87
Hynde, Chrissie 127
Heaven 17 16, 55, 135
Gore, Martin L. 59
Hebb, Bobby 178, 179
Ian Dury & The
Göring, Hermann 81
Hebb, Harold 179
Ice Cube 65, 66
Görl, Robert 49, 50
Heck, Dieter Thomas 99
Ideal 43, 56
Gottschalk, Thomas 31
Heil, Reinhold 135
Idle, Eric 10, 11
Gotye 172, 173
Hein, Peter 56, 57
Iglesias, Julio 96
Gouldman, Graham 139
Heintje 99
Inchtabokatables 58
Grant, Lizzy 200
Hellacopters 45
Indeep 46, 108, 109
Grant, Ulysses S. 186
Hendrix, Jimi 53, 75, 89, 128, 146, 153, 212
Ingle, Doug 93
Grateful Dead 125, 175 Grave Digger 219 Gray, Jerry 144
234
Greene, Richard 61
Green, Peter 26, 27
Hendryx, Winona „Nona” 108 Henkel, Anna 126
Horn, Trevor 55, 148, 201
Blockheads 161, 162
Iron Butterfly 92, 93 Ivory, Mick 116
Jackson 5 25 Jackson, Chuck 93
Jackson, Jermaine 25
Kemner, Michael 50
Lavi, Daliah 130
Jackson, Marlon 25
Kennedy, John F. 179
Lazenby, George 209
Jackson, Michael 24, 25, 26, 55
Kent 45
Leapy Lee 95
Kerouac, Jack 28
Leary, Timothy 113
Khan, Chaka 24
Led Zeppelin 70, 78, 101, 163, 215, 216
Jackson, Randy 25 Jackson, Tito 25 Jagger, Mick 16, 17, 55, 83, 84
Kidman, Nicole 107, 153, 192
Lee, Peggy 97 Lee, Robert E. 186, 187
Jarreau, Al 9
Kilburn & The High Roads 161
Jenkins, Gordon 64, 65
Kimbra 173
Jennings, Waylon 13, 86, 125
King, B.B. 112
Lennon, John 42, 90, 91, 101, 110, 130, 218
King, Carole 182, 221, 222
Lewis, Calvin 211
King, Freddie 9
Lewis, Jerry Lee 40, 69, 70, 77, 101, 112, 130, 131, 164, 216
Jennings, Will 133 Jensen, Axel 171
Leiber, Jerry 97
Jensen, Marianne 171
King, Martin Luther 53, 113, 159, 166, 204
Jethro Tull 196, 197, 198
Kings Of Leon 162, 163
John, Elton 36, 37, 96, 107, 213
Kingston Trio 46, 47, 48, 198
Johnson, Brian 77
Knight, Peter 136
Lightfoot, Gordon 125
Johnson, Holly 148
Königin Nofretete 202
Lil’ Kim 107
Johnson, Robert 146
Kool & The Gang 55
Limp Bizkit 132
Jolie, Angelina 72
Kramer, Wayne 100, 101
Linda, Solomon 184, 185
Jones, Brian 17, 84, 146
Kraus, Peter 124
Lindemann, Till 57, 58
Jones, Mick 214
Krawinkel, Kralle 42
Lindenberg, Udo 8, 9
Jones, Quincy 24, 26, 55
Krieger, Robby 114
Little Eva 221
Jones, Terry 10
Kristofferson, Kris 105, 125, 127
Little Feat 163
Jones, Tom 46, 47, 48, 60, 104, 105, 219
Kruspe, Richard Z. 58
Joplin, Janis 12, 79, 125, 127, 128, 146, 153, 168
Kühn, Joachim 9
Jordan, Louis 112, 113
LaBelle 107, 108
Jürgens, Udo 218
Kunze, Heinz Rudolf 117
Lhamo, Yungchen 167 Lieberman, Lori 103, 104 Liggett, Otis 60, 61
LL Cool J 63 Loch, Sir Henry 184 Lodge, John 136 Lomax, Alan 79 Loose, Günter 123
LaBelle, Patti 108
Lopez, Trini 198
Kaempfert, Bert 176
Lana Del Ray 5, 199, 200, 201
Lorenz, Christian „Flake“ 58
Kamen, Michael 61
Landers, Paul. H. 58
Los Lobos 52
Kander, John 191
Landis, John 98
Love 74
Kaye, Danny 214
Larkey, Charles 221
Love, Courtney 74, 169
Keen, Robert Earl 125
Laupers, Cindy 116
Lucky Girls 133
Juli 5, 145, 146
235
Luhrmann, Baz 107
McGregor, Ewan 107
Moore, Willie 52
Lulu 102
McGuinn, Roger 198
Morali, Jacques 220
Lydon, John 73
McKenzie, Scott 157, 158
Moroder, Giorgio 120
Lynch, David 57, 58
McLaren, Malcolm 68, 69, 215
Morissette, Alanis 127
Lyngstad, Anni-Frid „Frida” 44, 130
Madonna 13, 55, 115, 116,
Morrison, Jim 21, 89, 114, 115, 146, 153, 168 Morrison, Sterling 91
127, 203
McPhatter, Clyde 163
Most, Mickie 80, 102, 139
Malaria 56
McVie, John 26
Motsieloa, Griffith 185
Malcolm X 159, 204
Meat Loaf 173, 182, 222, 223, 224
Mouskouri, Nana 130, 219
Mando Diao 45, 46 Manfred Mann 139 Manson, Marylin 159 Manzarek, Ray 114 Mapplethorpe, Robert 22, 23 Marcus, Greil 187 Marley, Bob 88, 89, 141, 142 Martha Reeves & The Vandellas 108 Martin, Bert 79 Martin, Dean 179, 207, 208, 231 Martin, George 109, 218 Martin-Smith, Nigel 152 Matthews, Meg 217 May, Brian 188, 189, 206 Mayfield, Curtis 158, 187 MC5 22, 99, 100, 101 MC Ren 65, 66 MCA (Adam Yauch) 62, 64 McAdoo, Orpheus 184 McBride, Jim 77 McCafferty, Dan 120 McCartney, Paul 20, 21, 55, 109, 110, 111, 144, 218, 219
236
McLean, Don 11, 12, 13, 86, 134, 144
McCrae, George 108
Meier, Dieter 43 Melua, Katie 137, 138 Memphis Slim 175
Mud 19 Mudhoney 168 Murray, Eunice 36 Musslewhite, Charlie 52
Mercury, Freddie 188, 189, 206
Nash, Graham 70, 199
Metallica 197, 212
Naughty By Nature 142
Metheny, Pat 9, 56
Nazareth 119, 120
Michael, George 55
Neame, Ronald 176
Mika 46, 82
Nelson, Willie 64, 96, 125
Mike D (Mike Diamond) 62
Nena 56, 135, 136
Miles, Barry 218
New Kids On The Block 152
Millencollin 45
New Seekers 216
Miller, Glenn 29, 144, 145
Newman, Dave 185
Mingus, Charles 207, 208
Newman, Randy 9, 164, 165
Minnelli, Liza 191 Minogue, Kylie 152, 211, 212 Mississippi John Hurt 175 Mitchum, Robert 178, 179 Mittagspause 50, 56 Molly Hatchet 112 Moneybother 45 Monroe, Marilyn 36, 37 Montgomery, Wes 219 Monty Python 9, 10, 11 Moon, Keith 131 Moore, Melba 179
Nichols, Mike 190 Nick Cave & The Bad Seeds 47, 75, 211, 213 Nico 91, 92 Nimoy, Leonard 178 Nina Hagen Band 135 Nirvana 74, 168, 169 Noone, Peter 139, 140 Novoselic, Krist 168 Numan, Gary 15, 16 N. W. A (Niggaz With Attitudes) 65, 66, 67
O’Brien, Richard 182
Pridgett, Gertrude 174
Oasis 82, 132, 152, 216, 217
Priest, Steve 19, 20
Ochs, Phil 11
Prince Charles of Wales 36
Oldham, Andrew Loog 16
Procol Harum 8, 136
Oliver, King 208
Professor Griff 53
Ono, Yoko 90, 110
Propaganda 201
Orbison, Roy 120 Original Alpinkatzen 34
Public Enemy 53, 54, 63, 66, 156, 187, 188
Ory, Kid 208
Puente, Tito 219
Ostbahn Kurti & Die Chefpartie 31, 221
Quaid, Dennis 70 Quaife, Peter 116
Ostbahn, Kurt 31
Quatro, Suzi 18
Otis, Johnny 97, 164
Päffgen, Christa 91
Queen 56, 188, 189, 206, 207
Palin, Michael 10
Queen Elisabeth 68, 96
Roeg, Nicolas 154
Patti Smith Group 22, 23
Quin, Ivy 210, 211
Ronson, Mick 184
Pearl Jam 74, 168
Quinn, Freddy 176
Ronstadt, Linda 71
Peckinpah, Sam 105
R.E.M. 118, 119
Roussos, Demis 130
Penny, Hank 207, 208
Rafferty, Gerry 176
Ross, Diana 96, 139, 180
Perkins, Carl 97, 164, 197
Rainey, Ma 174, 175
Rotten, Johnny 69, 73, 86
Peterson, Oscar 178
Raitt, Bonnie 52, 198
Roundtree, Richard 158
Petty, Tom 55
Rammstein 49, 57, 58, 159
Rowland, Kevin 40, 42
Phillips, John 157, 158
Ray, Johnnie 41
Roxette 45
Pickett, Wilson 15, 47, 75, 175
Ray, Nicholas 33
Roxy Music 111
Reagan, Ronald 32, 135
Rubin, Rick 53, 63, 156
Pinder, Mike 136
Red Hot Chili Peppers 75
Run DMC 53
Pink Floyd 13, 14
Redding, Otis 14, 150, 163, 165, 166, 167
Rundgren, Todd 223
Posta, Adrienne 17 Prado, Pérez 123
Reed, Lou 9, 91, 183, 184
Praeker, Manfred „Manne“ 135
Reese, Jim 86
Sacher-Masoch, Eva 17
Refused 45
Pras 103
Sanders, Alfred 66
Reid, Keith 8
Presley, Elvis 12, 21, 73, 93, 94, 97, 98, 176, 213
Santana Blues Band 26
Reinhold Heil 135
Santana, Carlos 26, 52, 53
Reiser, Rio 99
Sayer, Leo 96
Remmler, Stephan 42, 43
Scaduto, Anthony 28
Reynolds, Kevin 61
Schneider, Christoph 58
Price, Alan 165 Price, Lloyd 174, 175 Price, Ray 42
Prince 104, 105, 202
Richards, Keith 16, 17, 83, 84, 136 Richie, Lionel 55 Ridenhour, Carlton 53 Riedel, Oliver 58 Riefenstahl, Leni 57, 59 Rigg, Diana „Emma Peel” 209 Ritter, Tex 90, 98 Robbins, Marty 219 Roberts, Billy 74, 75 Robertson, Robbie 186, 187 Robinson, Smokey 150 Rodgers, Jimmie 97, 98 Rodgers, Nile 116
Ryder, Winona 70
S1WS 53
237
Schneider, Florian 18 Schneider, Helge 208 Schult, Emil 18 Schwartz, Delmore 184 Schwarzer, Alice 134 Scissor Sisters 46 Scorsese, Martin 191 Scott, Andy 19
Smith, Jimmy 178 Smith, Patti 9, 22, 23, 75, 101, 127
Springfield, Dusty 178 Springsteen, Bruce 22, 31, 32, 51, 55, 149, 163, 193, 205 Starr, Edwin 149, 204, 205
Smith, Todd 23
Starr, Ringo 109
Smith, Will 24
Starship 96
Smokey Mountain Boys 179
Status Quo 55, 102, 154, 155, 209
Scott, Bon 76
Smokey Robinson & The Miracles 204
Scott-Heron, Gil 158, 187, 188
Smokie 96
Steppenwolf 32, 33, 78, 197
Smudo 50, 51
Stereo MC’s 75
Snodgrass, Carrie 71
Sternberg, Liam 202
Snoop Doggy Dogg 66
Stevens, Cat 128, 129, 130, 173
Screamin’ Jay Hawkins 154 Seeger, Pete 11, 185, 194, 198, 199, 221 Seltmann, Sally 7 Setzer, Brian 86 Sex Pistols 68, 69, 73, 86, 100, 197, 215
Snow, Hank 93 Sohl, Robert 23 Sommer, Helmut 120 Sommerlath, Silvia 43
Sharman, Jim 181
Sonic Youth 72, 91, 141
Shocklee, Hank 53
Sonny Terry & Brownie McGhee 165
Singh, Simon 137, 138 Sigman, Carl 144 Simon & Garfunkel 189, 191
Sonny & Cher 96 Soul Stirrers 14 Soundgarden 168
Simon Park Orchestra 20
Southside Johnny 9
Simon, Carly 222
Spector, Phil 91, 111, 148, 195, 196
Simon, Paul 190, 191 Simonon, Paul 214 Simple Minds 24, 55 Sinatra, Frank 24, 143, 148, 176, 177, 191, 192, 213, 219 Sinatra, Nancy 192, 193, 212 Slade 112, 207, 208 Slayer 53, 156 Sledge, Percy 15, 210, 211 Slime 100
238
Smith, Fred „Sonic” 22, 23, 100
Slipknot 159
Spencer, Brenda 84, 85 Spencer, John 36 Spencer, Lady Diana 36, 37 Spice Girls 116, 203, 204 Spice, „Posh” 203 Spice, Emma „Baby” 203 Spice, Geri „Ginger” 203 Spice, Mel B „Scary” 203 Spice, Mel C „Sporty” 203 Spliff 56, 135 Springer, Axel 99
Steinman, Jim 222, 223
Stevens, Grant 67 Stewart, Rod 15, 96, 121, 122 Stigers, Curtis 96 Stigwood, Robert 175 Sting 55, 60 Stipe, Michael 118, 119 Stockhausen, Karlheinz 18, 30 Stoller, Mike 97 Stone, Jesse 164 Stone, Oliver 115 Stone, Sly 87, 158, 159 Stoneman, George 186 Strawinsky, Igor 30 Stray Gators 71 Streisand, Barbra 165, 223 Strong, Barrett 87, 204 Strummer, Joe 86, 214 Sugababes 83 Sullivan, Ed 114, 219 Summer, Donna 108, 120, 121 Summers, Andy 60
The Circle Jerks 76
The Ramones 100
Sunnyglade 145
The Clash 62, 86, 100, 162, 214, 215
The Righteous Brothers 196
Sweetshop 19
The Coasters 97
Swinton, Tilda 72
The Crickets 86, 144
Szabó, Gábor 27
The Crystals 195
T. Rex 37, 38, 82, 142, 196,
The Damned 100
Take That 5, 152
The Doors 113, 114, 115, 146, 157, 168
Taupin, Bernie 36, 37
The Drifters 213, 214, 221
Taylor, James 71
The Evening Birds 185
Taylor, Roger 188, 206
The Everly Brothers 111, 119, 120
Sumner, Gordon Matthews 60
219
Terminal Team 50 Terrell, Tammi 87 The Abstracts 157 The Allman Brothers 78 The Animals 53, 79, 80, 112, 139 The Band 185, 187 The Bangles 202 The Beach Boys 18, 55, 131, 139, 158 The Beatles 7, 109, 110, 111, 123, 130, 136, 138, 139, 140, 176, 202, 209, 217, 218, 219
The Four Aces 151 The Four Seasons 139 The Four Tops 87, 204 The Fugees 102, 103, 104, 106, 142 The Guess Who 220 The Heartbeats 139 The Highwaymen 125 The Hives 45 The Hollies 96 The (International) Noise Conspiracy 45 The Jam 216
The Rolling Stones 5, 12, 16, 17, 51, 78, 83, 84, 99, 124, 130, 138, 139, 146, 160, 161, 162 The Ronettes 195 The Shirelles 221 The Small Faces 207, 208 The Smiths 91 The Spencer Davis Group 51, 53 The Stranglers 140, 141 The Stray Cats 86 The Strokes 91 The Supremes 41, 87, 108, 139, 204 The Sweet 19, 20, 160, 207 The Teddy Bears 195, 196 The Temptations 41, 88, 158, 204, 205, The Tokens 184, 185 The Valentines 76 The Velvet Underground 91, 92, 100, 162, 184 The Weavers 185
The Kinks 116, 117, 216
The Who 56, 68, 75, 84, 131, 132, 216, 223
The Lasers 16
The Yardbirds 51, 215
The Last Poets 187
The Zombies 139
The Boys Next Door 212
The Leaves 74, 75
Thiele, Bob 209
The Breakfast Club 115
The Lords Of The New Church 116
Thomas, Ray 136
The Mamas & The Papas 157
Thorogood, George 52
The Bee Gees 175, 176, 219 The Birthday Party 212 The Boomtown Rats 55, 84, 85
The Buggles 201 The Byrds 12, 20, 198, 199, 202 The Carpenters 96 The Carter Family 64, 97 The Casuals 102 The Chiffons 221
The Monkees 80 The Moody Blues 136, 137 The Ordettes 108 The Paramounts 8 The Police 60, 61, 118
Thompson, Dennis 100 Three Dog Night 165 Thyroff, Kaline 147 Tight Fit 185 Ton Steine Scherben 56, 98, 99, 100
239
Took, Steve Peregrine 37
Voormann, Klaus 42, 91
Wood, Beatrice 133
Torpey, Frank 19
Wader, Hannes 40
Wooley, Bruce 201
Townshend, Pete 131, 132
Wakeman, Rick 129, 130
Wright, Eric 67
Travolta, John 175
Walk Off The Earth 173
Wyclef Jean 103, 106
Trio 42, 43, 56
Warhol, Andy 91, 183, 184
Wyman, Bill 84
Trotzki, Leonid 141
Warren, Diane 96
Wynette, Tammy 219
Tubeway Army 15, 16
Yes 201
Tucker, Chris 205
Waters, Muddy 77, 78, 130, 216
Tucker, Maureen „Mo” 91
Waters, Roger 13
Tucker, Mick 19
Weiss, George Davis 209
Tupac 106
Weißpflog, Falko 48
Young, Neil 70, 71, 73, 74, 169, 194,
Turner, Alex 82, 83
Weller, Paul 55
Yusuf Islam 128, 129
Turner, Big Joe 69, 77, 131, 163, 164, 216
Western, Johnny 47
Zappa, Frank 30, 31, 170
Westernhagen, Marius Müller 43
ZZ Top 51
Turner, C.F. 220 Turner, George 79
Westwood, Vivienne 69
Turner, Ike & Tina 88, 142, 143
Wexler, Jerry 150, 210, 211
Turner, Tina 55, 88, 96, 143
White, Andrew 210
Turrentine, Stanley 179
White Stripes 72
Tyler, Bonnie 223
Whitfield, Norman 87, 204
Tympany Five 113
Wilbur, Crane 64
Tyner, Rob 100, 101
Wilde, Kim 101, 102
Tyrannosaurus Rex 37
Wilde, Marty 101, 102
U2 55, 162, 177, 178
Willemsen, Roger 126
UB 40 81
Williams Jr., Hank 86
Ultravox 55
Williams, Hank 5, 64, 89, 90, 163, 212
Ulvaeus, Björn 44 Unheilig 67, 68 Ure, Midge 55
240
White, Alan 91
Williams, Robbie 152, 153, 192
Uriah Heep 5, 106, 107
Winehouse, Amy 146, 147, 148
USA For Africa 55, 56
Winehouse, Mitchell 147
Valens, Richie 86
Wings 20, 21
van Gogh, Vincent 13
Winslet, Kate 132
Van Zandt, Townes 40
Witt, Joachim 146
Village People 219, 220
Wonder, Stevie 55, 60, 113, 175, 178, 179, 180, 181
Vincent, Gene 21, 22, 195
Young, Angus 76 Young, Malcolm 76