An H. G. Lewes: Eine Epistel [Reprint 2022 ed.] 9783112680483


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German Pages 36 [40] Year 1859

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An Göthe
Buch Suleika
An G. H. Lewes. Eine Epistel
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An H. G. Lewes: Eine Epistel [Reprint 2022 ed.]
 9783112680483

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A n G. H. Lewes eine Epistel von

Heinrich Siegfried.

•«?*

Berlin. Druck und Berlag von Georg Reimer.

1858.

A n G. H. Lewes eine Epistel von

Heinrich Siegfried. Kal t6 (f tog

nj oxotia fpatvsi,

xal rj (Jxozia avro ov xaitkaßev. Ioh. 1, 5.

Und das Licht scheinet in der Finsterniß, und die Finsterniß haben es nicht begriffen. Luther.

Isis zeigt sich ohne Schleier; Doch der Mensch er hat den Staar.

Göthe.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer. 1858.

An Göthe. Hast Du mir nicht reichlich ersezt im ersten Einklang mit meinem Herzen, alles was je mir konnte entzogen werden? Heute am dreißigsten März, acht Tage nach dem, welchen man als den Tag Deines Todes bezeichnet. Bettina.

Buch Suleika. Ach ich kann es nicht erwidern,

Wie ich auch daran mich freue; Gnüg' es dir an meinen Liedern, Meinem Herzen, meiner Treue! Göthe.

Und feierlich die Hände mir auf den Kopf legend:

„Wenn die Kraft

meines Segens etwas vermag, so sei sie dieser Liebe zum Dank auf dich über­ tragen." — Es war das einzigemal, wo er mich segnete, anno 24 am 5. Sep­

tember. Bettina.

Tie haben durch Ihr schönes Werk über Göthe's Leben und Schrif­

ten die mühseligen Arbeiten deutscher Professoren und Doktoren zu einem

Ballaste gemacht, der bei der ersten besten Gelegenheit, wenn wir Erleich­

terung brauchen,

über Bord

geworfen

werden kann.

Ihr Buch selbst

ist durch Frese's gewandte Uebersezung unserer Literatur eingereiht, und Deutschland weiß den hohen Werth dieser Erwerbung zu schäzen.

gerade darum will ich hier nicht loben, sondern tadeln:

Aber

Sie haben vier

ganz unverantwortliche Seiten über die genialste Schriftstellerin Deutsch­

lands geschrieben, Sie haben sich höchst ungerecht und unpassend gegen

die edelste und verehrungswürdigste Frau benommen — die Sie freilich

zu kennen nicht die Ehre haben. — Der erste Tadel trifft den Schrift­

steller, der zweite den Mann. Eh ich zur Sache komme, will ich Ihnen die Frage beantworten, die Sie vielleicht über meinen Beruf, gegen Sie aufzutreten, an mich rich­

ten. — Erstens bin ich ein Deutscher, und theile die Sympathie meines Volkes für die von Ihnen Angegriffene, deren „Briefwechsel,"

rode," gehören.

„Günde-

„Frühlingskranz" zu den unvergänglichen Blüthen unserer Poesie

(Auf alle Fälle erkläre ich hier zugleich, daß Sie diese Epistel

ohne irgendwelches Vorwissen der Frau von Arnim erhalten: ich wollte mich nicht der Gefahr eines Verbotes auösezen, welchem gehorsam zu sein,

Pflicht gewesen wäre, während mein Herz nicht abgelassen hätte, mir den Ungehorsam zu predigen.) — Die zweite Veranlassung find ich in Ihren Worten (Th. 2. S. 304 der Frese'schen Uebersezung): „Auf eine so öffent­

liche und bestimmte Beschuldigung mußte gleich die Erwiderung folgen, oder sie durfte als bewiesen gelten."

Nun, der Saz ist freilich grundfalsch.

Wer uns heute z. B. die Neuigkeit auftischte, daß Göthe's Gedichte lauter

Uebersezungen seien, wäre sicher, daß keine Feder sich gegen ihn rührte. Auch ist Columbus ohne Vertheidigung der Entdecker von Amerika ge­ blieben, obschon Grönland den Isländern früher bekannt war. Doch auf

Ihren Saz komm ich später.

Wenn Sie selbst an ihn glauben, so liegt

6 mir daran, Sie des Einwandes der Verjährung wider etwaige spätere

Angriffe gegen Ihre Behauptungen (die in Literaturgeschichten sicher nicht

ausbleiben werden) zu berauben. deutende Stellung ein,

Sie nehmen ferner bereits eine zu be­

als daß sich nicht aus Unwissenheit fahrlässige

Nachsprecher finden sollten, die zur Verbreitung des Falschen bekanntlich mehr, als der Urheber selbst, zu thun pflegen.

Denn „die Menge ist nicht

dazu geeignet, die Wahrheit sondern nur den Schein zu prüfen; den ge­

heimen Wegen einer tiefen Natur nachzuspüren, das Räthselhafte in ihr

aufzulösen ist ihr versagt, sie spricht nur ihre Täuschungen aus, erzeugt hartnäckige Vorurtheile gegen bessere Ueberzeugung, und beraubt den Geist

der Freiheit das vom Gewöhnlichen Abweichende in seiner Eigenthümlich­ keit anzuerkennen."

(Dedikation des „Briefwechsels" an den Fürsten Pück-

ler.) — Drittens endlich hat Ihr Buch mir genug Hochachtung gegen Sie eingeflößt, daß ich um Ihretwillen lebhaft bedauern würde, wenn Sie

nicht auch nach dem Abschluß Ihrer Untersuchungen noch geneigt wären sich zu überzeugen, daß Sie durch falsches Zeugniß zu falschem Spruche

verleitet sind.

Und hiemit wend ich mich zu Ihrem Abschnitt über „Bettina und

Napoleon," dessen ersten Theil (Frese 2, 301—304, Original 2, 361—365) ich kritisieren werde.

Ich wiederhole zu dem Ende Ihre eigenen Worte,

und unterbreche sie an schicklicher Stelle durch meine Illustrationen. —

Daß ich das Original neben die Frese'sche Uebersezung stelle, geschieht darum, weil Sie durch diese Uebersezung besonders bei uns bekannt ge­

worden sind; wenn wir aber entdecken werden, daß, wenigstens in diesem Abschnitte, der Uebersezer bei seiner Arbeit sich mehrfach Freiheiten genom­

men hat, welche Ihren Text entstellen, so erwart ich mein Bestreben, das Interesse der Wahrheit wie das Ihrige durch solche, ob auch oft nur still­

schweigende, Kritik wahrzunehmen, von Ihnen anerkannt zu sehn.

Denn

mir hätt ich es leichter gemacht, wenn ich Ihre Worte selbst übersezte. Gleich darauf, am 23. April [1807]

Wir müssen

On tlic 23rd of April Bettina came to Weimar. Wo must pause awhile to

dieser sonderbaren Erscheinung, die

consider this stränge figure, who fills

in der deutschen Literatur des neunzehn­ ten Jahrhunderts einen bedeutenden Plaz

a larger space in the literary history of the nineteenth Century than any other

einnimmt, etwas langer verweilen.

German woman.

kam Bettina nach Weimar.

bei

Auch ich muß hier verweilen, wenn auch nur einen Augenblick, um

Ihnen zu sagen, daß „sonderbar" (stränge) nicht der rechte Ausdruck ist,

wenn Sie sich nicht auf den prosaischeren Standpunkt Ihres Volkes stellen wollen, welches lieber durch Demonstration, die von außen kommt, versteht,

7 als die Seele öffnet, um auch die unbewiesene Wahrheit und Schönheit in

sich aufzunehmen.

Der Deutsche ist poetischer als der Engländer.

Diesem

kommt daher vieles Poetische, vielleicht, wenn er sich die Sache genau ensieht, alle Poesie etwas sonderbar oder fremdartig oder befremdend vor —

Also mag Bettina, die durch und durch Poesie ist,

dem Deutschen nicht.

den Engländern oft genug so vorkommen: aber in Deutschland dürfen Sie das nicht aussprechen, wenn Sie nicht hören wollen, daß Ihnen der Sinn fehle für das wahre Wesen dessen, was Sie sonderbar finden.

Every one knows ‘the cbild’ Bettina Brentano, — daughtcr of the Maximi­ liane Brentano with whom Goethe flirted at Frankfurt in the Werther days — wife of Achim von Arnim, the fantastic Romanticist --- the worshipper of Goethe and Beethoven — for some time the privileged favouritc of the king of Prussia — and whriter of that wild, but by no means veracious book, Goethe’s Correspondence with a Child.

Jeder kennt Bettina „das Kind," Bet­ tina Brentano, die Tochter jener Maxi­ miliane Laroche, mit der Göthe in der

Wertherzeit in freundlichem Verkehr stand,

die Frau Achim von Armm's, des phan­ tastischen

Romantikers,

die Verehrerin

Göthe's und Beethovens, eine Zeit lang­

hoch in Gunst bei Friedrich Wilhelm IV., und Verfasserin jenes wilden, aber keinesweges wahrhaften Buches „Göthe's

Briefwechsel mit einem Kinde."

Ueber die Wahrhaftigkeit des Briefwechsels später, aber das Beiwort

„wild"

ist wieder sehr übel gewählt.

sagt „ein wildes Kind,"

Brauche» Sie es hier, wie man

„ein wildes Mädchen" — oder verbinden Sie

den Sinn von Verwilderung damit? Ich fürchte, Sie denken sich unter einem Mädchen eine Art Nonnen, welche heiraten darf — — und der Ausdruck „wild" wird so hart als möglich gemeint sein.

Doch Sie haben

selbst gefühlt, daß hier Zweifel entstehn könnten, und die folgenden Zei­ len hinzugefügt: Sie gehört zu jenen Phantasten, denen alles erlaubt scheint.

Mehr Kobold als

Weib, aber nicht ohne Blize von Genia­

lität, die ganzen Bogen voll Unsinn Glan;

leihen, entzieht sie sich aller Kritik und spottet jedes Urtheils.

She is one of those phantasts to whom everything seems pennitted. More elf than woman, yet with flashes of genius which light up in spiendour whole chapters of nonsense, she defies criticism, and put« every verdict at fault.

Daß Bettina jedes Urtheils spotte, würden Sie wohl nicht geschrie­ ben haben, wenn Sie sich der Dedikation und des Vorwortes zum „Brief­ wechsel" erinnert hätten, welche Ihnen zu wiederholter Lektüre angelegent­

lich zu empfehlen ich mir die Freiheit nehme.

Aus Ihrem Urtheile freilich

wird sie sich wohl nicht viel machen, sondern nur darüber lachen, daß Sie

in einem Atemzuge behaupten, sie entziehe sich aller Kritik, und zugleich darauflos kritisieren, als hätten Sie eine alte Schuld abzutragen.

Die

8 „Ganze Bogen voll Unsinn" — verlangen

Kritik ist aber auch danach.

Sie, daß wir Ihnen das auf Ihr Wort glauben? Sie haben vielleicht außer dem Briefwechsel Nichts von Bettina gelesen, da allerdings ihre Sprache für einen Fremden schwierig genug sein muß: aber halten Sie

doch nicht Alles für Unsinn, dessen Sinn Ihnen nicht aufgegangen ist. —

Ich unterbrach Sie aber, als Sie im besten Zuge waren: Nimmt man's ernst mit ihr, so zucken die Kenner

die Achseln;

Brentano"

— damit

die

Brentanos

„sie

ist

gelten

in

ist

eine

alles gesagt:

Deutschland

nicht eben für verständig.

If you are grave with her, people shrug their shouldcrs, and saying 4 she is a Brentano,’ consider all settled. ‘At the point wherc the folly of others ceases the folly of the Brentano hegins,’ runs the proverb in Germany.

Sie sind wohl nicht von hier zu Hause? — Sie sind doch nicht so jung, daß Sie nicht eine Injurie von andern

Dingen unterscheiden könnten, auch nicht so alt, daß Sie Ungezogenheiten zu den Curialien des wissenschaftlichen Geschäftsstiles rechnen sollten. Frese

hat Ihnen hier übrigens einen schlechten Dienst erwiesen, indem er Ihre achselzuckenden „Leute" (people) zu „Kennern" stempelte: aber wer glaubt auch gleich Alles, waö Einem die Leute aufbinden wollen? Und Sie machen

aus eines Tropfen alberner Rede mit fröhlichem Gemüth ein deutsches Sprüchwort! Ich kenne die deutsä-en Sprüchwörter auch so ziemlich, und mehr als eines, dessen Sie sich füglich hätten erinnern sollen vor Ihrem

Versuch, uns zu einem neuen zu verhelfen — welches Sie schlüßlich auf dem Lager behalten. — Die Brentano's werden genug guten Humor be-

sizen, um Ihren absurden Vorwurf zu belächeln: Ihnen aber wünschte ich, Sie hätten die Bekanntschaft der Frau von Arnim und einiger Brentano's gemacht, dann würden Sie jenes Kenner-Volk entbehrlich gefunden und

nicht so ungereimtes Zeug in die Welt gesezt haben.

Und — nehmen Sie

mirs übel, wenn Sie wollen — hier tritt nicht, wie Sie in Ihrer Vor­

rede (Fr. 2, vii) hoffen, klar hervor, daß nur der Trieb nach Wahrheit

Sie geleitet, kein Parteidienst Sie irregeführt, keine persönliche Beziehung

Ihr Urtheil beschränkt hat.

Wenn Sie auch zu diesem Saze, wie Sie

sich dort ausdrücken, durch Einzelheiten gelangten, die Ihnen von sechs

verschiedenen Seiten zugingen, und Sie waren noch unparteiisch, so glau­

ben Sie, daß Ihre sechs Zuträger alle die Fehler hatten, die Sie ver­

meiden wollten.

Ob aber schon Ihr Gewissen Sie von dem Vorwurfe

der Leichtgläubigkeit freispräche: ist es gentlemanlike, sich so auszudrücken?

— Ich hörte heute zwei Gassenbuben einander schimpfen.

Als ihr Wör­

tervorrath einmal zu Ende war, und der liebenswürdige Diseurs stockte,

s kam der Eine auf den herrlichen Einfall, die Eltern des Andern zur Ziel­ scheibe seines WizeS zu machen: Sie können sich denken, der Gegner blieb ihm auch in der zweiten Instanz kein Wort schuldig. — Aber, mein Herr,

die Sie angreifen, sind Ihrer Waffe nicht kundig.

Seien Sie großmüthig!

Wir kommen zum folgenden Absaz. Ich möchte gegen Bettina nicht härter

sein als nöthig,

I do not wish be graver with Bettina than the occasion demands;

— jene Worte enthalten also keine Härte, oder eine nöthige — aber wenn ich ihrer Phantasterei auch al­

les Mögliche zu gute halte und ihr für die vielen bezeichnenden Anekdoten über Göthe dankbar Lin, die sie aus den Un­ terhaltungen mit seiner Mutter erhalten

hat: die Geschichte ihres Verhältnisses zu

Göthe muß ich ernsthaft nehmen, weil daraus ein eben so falscher wie kränken­

der Vorwurf gegen sein Andenken er­

but while granting fantasy its widest lieence, while grat esul to her for the many picturesque aneedotes she has preserved from the conversation of Goethe’s mother, I must consider the history of her relation to Goethe seriously, because out of it has arisen a Charge against bis memory which is very false and injurious.

wachsen ist.

Sonderbar! „Der Mann ist" doch, wie Sie selbst (Vorrede Fr. 2, vn)

sagen, „zu groß und zu gut, um unsere Liebe einzubüßen, weil er in eini­

gen Punkten unsern Tadel auf sich zieht": keinem Tadler ist es aber noch eingefallen, Göthe's Benehmen gegen Bettina mit demjenigen etwa gegen Friederike oder Lili auch nur zu vergleichen.

ner Weise gewähren lassen.

Bettinen hat Göthe nach sei­

Wer ihn deshalb tadelt, mag vom streng

sittlichen Standpunkte Recht haben: ist aber die Sache nicht der Art, daß, wenn Bettina ihm verziehen, es närrisch ist ihn deshalb anzugreifen? Manche arglose Leser ihres Bucheö, mö­ gen sie

auch von den leidenschaftlichen

Ausdrücken

ihrer Liebe zu Göthe und

von ihrem Benehmen gegen ihn halten

was sie wollen, fühlen sich durch seine

Kälte gegen sie tief verlezt,

Many unsuspecting readers of her book, whatever they may think of the passionate expressions of her love for Goethe, whatever they may think of her demeanour towards him, on first Corning into his presence, feel greatly hart at his coldness;

Was schadet das? Diese Leser sind nicht klug. während wieder andere noch heftiger dar­

über entrüstet sind, daß er diese tolle Leidenschaft unterhalten, und

Schmeicheleien

mit Gedichten

genährt habe

und

noch dazu in der selbstsüchtigen Absicht,

aus ihren Briefen Stoff für seine Gedichte zu entnehmen! Beide Au-

while others are still more indignant with him for keeping alive this mad passion, feeding it with poems and compliments, and doing this out of a selfish calculation, in Order that he might gather from her letters materials for his poems! In both these views

10 sichten beruhen auf einer vollständigen Verkennung des Sachverhalts.

there is complete misconception of the actual case.

So! Daß Göthe seiner Verehrerin Kälte gezeigt, ist richtig: ein ver­ ständiger Leser wird sichs aber ersparen, dadurch tief verlezt zu sein.

Daß

ihre Leidenschaft in seinen „Gedichten und Schmeicheleien" eine, wenn auch kärgliche, Nahrung fand, ist ferner richtig: wer sich über ihn deshalb hef­ tig entrüstet, könnte etwas Nüzlicheres thun.

Endlich, daß er den Brief­

wechsel in der Absicht unterhalten habe, aus ihren Briefen Stoff für seine Gedichte zu entnehmen, ist eine so abgeschmackte Annahme, daß es zu ver­ wundern ist, wie Sie, der Sie doch sonst auf alberne Meinungen, die Einer aufgestellt hat

oder doch vielleicht hätte, gebührendermaßen keine

Rücksicht nehmen — wie Sie diesen Vorwurf auch nur erwähnen kön­ nen! Wenn Sie noch gesagt hätten, man werfe ihm die selbstsüchtige Ab­ sicht vor, aus ihren Briefen Stoff für seine Lebensbeschrei­

bung zu entnehmen: da könnten Sie eine Lanze für ihn brechen.

So

aber kämpfen Sie nur mit Windmühlen. — Doch Sie sagen: In dem Briefwechsel freilich findet sich

True it is that the Corrcspondence

für die eine wie für die andere (Ansicht

furnishes ample evidence for both opi-

reichlicher Beweis, und

nions, and

— Verzeihen Sie! — Finden Sie ihn? Ich nicht.

Ich finde, daß

Göthe aus einigen Stellen ihrer Briefe Gedichte gemacht hat, wie er auch

sonst sogar fertige Gedichte umwandelnd sich aueignete (soll ich Ihnen außer

dem Erlkönig noch andere neunen?). Und wahrlich, in Bettinens Briefen liegt ein Scha; von Poesie: soll der große Dichter ihn finden und nicht

heben?

Wo ein paar Handbewegungen genügen, um den zarten Stoff so

zierlich zu formen, soll der Künstler ihn grämlich liegen lassen, weil er ihn geschenkt bekam?

Gewiß nicht! Immer bleiben die Briefe Bettinens,

Göthe's die Gedichte, wie der Pentelikon den Marmor, Praxiteles den Cupido hervorbringt, und — Jedem gehört das Seine.

Nicht wahr?

Sie selbst haben an einer andern Stelle jenes philisterhafte Verlangen wie sichs schickt abgefertigt. — Gewiß ward Göthe's künstlerischem Geist auch ein — von der Geberin wenig beabsichtigter — Kunstgenuß durch

ihre Briefe, worin die Glut der Begeisterung Formen gewann von so un­ geahnter Schönheit, daß die Klugheit des Verstandes darunter steht, wie

ein Kind unter dem Sternenzelt.

Wohl las er sie wiederholt, und ward

— der große Naturforscher — durch den Schöpfungsproceß, in welchem das Licht der Liebe ans dem dämmernden Chaos ihrer Empfindungen in tausend Farben und Gestalten hervorbrach, mehr vielleicht, gewiß aber

11 dauernder gefesselt, als durch ihre schwärmerische Zuneigung.

Wenn Sie

aber behaupten, in dem Briefwechsel finde sich ein Beweis dafür, daß Göthe

denselben unterhalten habe, um daraus Stoff für seine Gedichte zu entneh­ men, -so bleiben Sie den Beweis schuldig, und werden ihn immer schuldig bleiben.

Es ist also unniize Mühe, wenn Sie fortfahren:

gegen den Beweis läßt sich nur eines einwenden; dieses eine aber ist entscheidend:

against this evidence there is but one fact to be opposed, but the fact is decisive:

denn es ist schon alles entschieden, was der Entscheidung bedarf: die Verlezten und Entrüsteten sind albern, und unter Göthe's Gedichten sind einige,

deren Quellen in Bettina's Briefen zu finden.

Aber Sie haben noch Et­

was auf dem Herzen was heraus muß:

„Göthe's Briefwechsel mit einem Kinde" ist ein Roman des Kindes Bettina.

the Correspondence is a romance.

Das ist also Ihr schweres Geschüz!

Aufsehn werden Sie damit bei

uns nicht machen: Ihre Lärmkanone brummt ein altes Lied, welches ein Herr Riemer vor Jahren gedichtet hat, aber ohne besondern Succeß.

Einer

sang es ihm laut nach, ein Andrer summte es zwischen den Zähnen, dann

schwieg alles still, und das Lied war vergessen.

Jetzt legen Sie es neu

auf und geben es heraus mit obligater Schlachtmusik — kein übler Ge­

schmack an sich, denn das Lied ist so schlecht wie die Begleitung: aber daS Ganze ist doch zu mißtönend für deutsche Ohren. Sie fahren fort: Wäre die Schuldige nicht eine Frau Sie sprechen ja wie von einem überführten Verbrecher! Können, oder

wollen Sie sich nicht etwas mäßigen? — Sie wollen nicht, denn — (hört! hört!) und nicht eine Brentano,

Was die armen Brentano's Ihnen nur gethan haben mögen!

Doch

Sie kennen sie ja nicht, und es ist nur ein Kriegsgebrauch, auch der An­

gehörigen des Gegners nicht zu schonen.

Also: Hätte die Schuldige nicht

durch ihr Geschlecht immer noch einigen Anspruch auf rücksichtsvolle Be­

handlung — würde ferner ihr Vergehen dadurch nicht einigermaßen ge­ mildert, daß sie von HauS aus unverständig, also nicht völlig zurechnungs­ fähig ist, so--------- nun, was würden Sie sonst thun? so würde ich einen härtern Ausdruck geA harsher phrasc wonld be applied brauchen, were the offender a man, or not a Brentano, (Welchen denn? — Wissen Sie, daß Ihr Wüthen allmälig komisch wird?)

12 denn der Roman tritt nicht etwa als Dichtiing auf, welche die Wahrheit umspielt, sondern ganz ernsthaft als ein getreuer Beitrag zu Göthe's Lebensgeschichte.

for the romance is put forward as biographical fact; not as fiction playing around and among fact.

Gräßlich! Und wir haben ihn geglaubt!--------- Nun, soll der holde

Wahn zerreißen, so öffnen Sie uns die Augen.

Wie viel daran wahr ist, wie viel über­ trieben, wie viel rein erfunden, bin ich nicht in der Lage zu ermitteln;

Wir sind bereit.

How rauch is true, how rauch exaggeration, and how rauch pure invention, I am in no position to explain,

Ha! Edler „Kanadier!" Wenn Sie auch „Europa's übertünchte Höf­ lichkeit nicht" kennen, so wissen Sie doch, daß Ehrlichkeit auch eine Tugend ist; und Ihr Geständniß in diesem kritischen Augenblicke, Ihr Geständniß,

daß Sie selbst „nicht in der Lage sind" die Fälschung zu beweisen, derer Sie Frau von Arnim bezüchtigen — dies Geständniß verdient Europa's

Bewunderung. — Solang es also nur lose Wortspiele und muntres Scher­

zen galt, da nahmen Sie Alles auf Ihre eigene Kappe, jetzt aber, da die Sache ernst wird, ziehen Sie als kluger Feldherr sich auf einen sichern

Hügel zurück und schicken Ihre Truppen ins Feld.

Freilich, vor Troja

machten die Helden es anders: erst schimpften, dann hieben sie sich in Person.

Doch die Kriegskunst hat seitdem große Fortschritte gemacht.

Den von Ihnen beliebten klassischen Zungenkamps selbst aufzunehmen, hat Ihr Gegner sich „nicht in der Lage" befunden: sehen Sie aber wohl zu

von Ihrem Hügel, daß Ihre Truppen jetzt das Feld behaupten.

Wo sind

Ihre Lanzenknechte? — Da kommt der Hauptmann!

aber Niemer, der alte und vertraute Freund Göthe's, der bei Bettinas Be­ such in seinem Hause lebte, hat nachgewiesen, daß der Briefwechsel „ein No­ mau ist, der von der Wirklichkeit Zeit, Ort und Umstände entlehnt," und von andern Seiten

But Riemer, the old and trusted friend of Goethe, living in the house with him at the time of Bettina’s arrival, has shown the Correspondence to be a ‘romance wliich has only borrowed from reality the time, place, and circumstances;1 and from othcr sourccs

(Das ist die Völkerschaft der Kenner, welche aus dem Monde kommt,

blaue Brillen trägt wegen habitueller Augenschwäche, und sich von Riemer

anführen läßt.)

Bitte sehr: von andern Seiten

habe ich genug erfahren, um sowohl Göthe's Benehmen wie ihr eigenes in einem ganz andern Lichte zu sehen, als xfie in ihrem Buche anwendet.

I have learned enough to see both Goe­ thes conduct and her own in quite a different light from that presented in her work.

Da Sie hier Ihren Gewährsmann Riemer, der Alles zu verantwor­ ten hat, was Sie behaupten, als Göthe's alten und vertrauten Freund

13 vorstellen, so will ich die Gelegenheit gleich benuzen, einiges Allgemeine über Riemer beizubringen.

Der stolze Titel „Göthe's Freund" kam mir

so fremdartig vor, und mir fiel jener Biedermann ein, der sich auf seinen

Visitenkarten „ami de Beethoven” nannte.

Das war spaßhaft, nicht

wahr? Dann sah ich nach, wen ich wohl Göthe's Freund nennen möchte, und da fand ich denn Carl August, Schiller und Wieland.

Ich dachte

noch an manche Andere, ich dachte an Meyer, an Friz Stein, an — doch

genug, ich fand weiter Keinen, den ich „Göthe's Freund" nennen möchte. Sie nennen Riemer Göthe's Freund, Sie nennen ihn Göthe's alten und vertrauten Freund, als verstünde sich das von selbst. — Sie haben gewiß

schon einmal zu Ihrem Bedienten „mein Freund" gesagt: wie würd eS Ihnen nun gefallen, wenn einst in Ihrer Biographie besagter John als

„der Freund des Herrn Lewes" figurierte?

Sie zucken mit den Achseln.

Ja, die Sache hat doch ihre ernste Seite.

Ich wünsche von Herzen, daß Ihr Bedienter eine treue Seele sein möge, die Ihre Kleider gut bürstet und mit Ihnen nicht dieselbe Sorte raucht,

und Sie mögen seine Anhänglichkeit mit dankbarem Wohlwollen vergelten:

aber Freundschaft kann es nur geben, wo Jeder den Andern sich gleich­

stellt.

Und in diesem Sinne war Riemer nie Göthe's Freund, ob auch

Göthe selbst, wenn er ihn einem Fremden vorstellte, sich jedesmal des Ausdruckes „mein Freund" bedient hätte. Sie haben ein Buch von Heine gelesen — ich denke, es ist die „Ro­

mantische Schule" — worin er klar nachweist, daß Eckermann aus bloßem

Versehn nicht grün und mit Federn geschaffen ist. Heine spottet dort ohne Bitterkeit, und in der That verdienen die „Gespräche"

unsere Bewunde­

rung als ein für den Fleiß, die Treue, die Anspruchslosigkeit und die Be­

schränktheit ihres Verfassers gleich rührend beredtes Zeugniß. — Riemer ist ohne von Heine verglichen zu sein davongekommen, und hat dadurch

mehr vor Eckermann voraus, als er verdient. ist ungefähr gleich hoch anzuschlagen.

Der Fleiß dieser Beiden

Die Treue Eckermann's gleicht der

eines Bedienten — die Riemer'sche ist hündisch (wenn er diesen Saz schriebe,

würde er nqogxvvüv in Parenthese sezen).

Statt der Anspruchslosigkeit

aber besitzt Riemer einen gewaltigen Hochinuth: versteht er doch — wie das dem Leser der „Mittheilungen" sattsam klar wird — mehrere todte und lebende Sprachen! Hat er doch ein griechisches Wörterbuch geschrieben!

Hat er doch — seht, was der gelehrte Mann Alles kann! — hat er doch auch Verse gemacht! Bor Allem aber — beugt euch, ihr Sterblichen! vor Allem ist Riemer „ami de Goethe”! Seht diesen „ami,” der Tag

14 und Nacht bei Göthe nicht etwa Zutritt hat, nein, der Tag und Nacht

da sein muß, der Göthe's Briefe und Gedichte schreibt, der Göthe'S Pa­ piere ordnet, kurz — der Göthe's Schreiber ist, ob man nun ihn so, oder

Geheimschreiber, oder Sekretär nenne. Auf der Höhe dieses Postens ist dem Manne der Kopf in die Runde

gegangen, wie sich das bei Personen ereignet, die zum Schwindel neigen. Wie er in den „Mittheilungen" daherstolziert, ähnt er auf ein Haar Mal-

volio's Bruder.

Und dies ist mir ein sicheres Merkmal, daß er in der

vierten Eigenschaft, der Beschränktheit, gegen Eckermann ein Riese ist. Eckermann und Riemer haben durch die Herausgabe von Göthe's

Werken (Riemer würde „Edition" sagen) und durch ihre berühmten Bücher ihre Namen für immer an den ihres Herrn und Meisters geknüpft, und

es wird nicht nur für die gegenwärtige Betrachtung ersprießlich, sondern auch von allgemeinem Interesse sein, dein geistigen Verhältnisse des Einen

und des Andern zu Göthe einen Blick zu schenken.

Eckermann voll Pietät, Riemer voll Pietismus.

Beide sind Verehrer,

Riemer erinnert an ge­

wisse Kanzelredner, welche den Herrn lobhudeln — doch während sie die Schöpfung niederträchtig machen ihrem Schöpfer zu Ehren, schlägt Riemer

den allerdings logischeren Weg ein, und findet unter Göthe's Werken kei­ nes, welches den andern nachstünde.

Er hat ferner mit allen Pietisten

das gemein, daß er durch jede Kniebeugung vor seinem Gott ein Recht auf einen Fußtritt für die gesammte Menschheit zu erwerben glaubt, wozu

ein glänzender Beleg in seinem schlecht verhehlten Ingrimm gegen Schiller's Tell zu finden, welcher Tell eigentlich von Göthe, und seinem jezigen soge­ nannten Verfasser eigentlich nur vermittelst Nachschlüssel zugefallen ist. —

So zerreißt der treue Hund den Rock des Gastfreundes, welcher die von ihm bewachte Schwelle überschreitet. Riemer's Mittheilungen geben sich der armen

als ob sie das Neue Testament von Göthe wären. Evangelium bis zur Offenbarung.

unwissenden Menge,

Hier ist Alles, vom

Und wie sollte der nicht von Göthe

offenbaren können, der im Grunde mit ihm Eins ist, wie an folgender Stelle (Mitth. 1, 308) gar schön zu lesen: „In späterer Zeit, nach Schil­ lers Tode, und der Invasion der Franzosen, konnte er sGöthej weder Zeit noch Stimmung dazu gewinnen [bie natürliche Tochter fortzusezenj, so ost auch ich mit Andern ihn dazu anmahnten.

Die Zeiten hatten sich geän­

dert und wir [I] mit ihnen." — Wäre das Citat noch in der Ursprache

gegeben, wie der gelahrte Herr es sonst liebt, oder stünden Anführungs­ zeichen dabei; aber in dieser Fassung leidet unser Text nur eine Deutung:

15 Göthe konnte die Stimmung nicht gewinnen, um die natürliche Tochter zu beendigen, und — weint, ihr Musen — Riemer auch nicht.

„Wir fahren nach Hofe," sagte der Bediente als er hintenaufsprang. ES ist nicht jedes Mannes Sache, lauter guten Weizen auf seinem

Felde zu bauen.

Auf Riemer's Acker wuchs viel Unkraut, und das Ge­

treide ging so sehr ins Stroh, daß der Körnerertrag geringer ausfiel, als

zu erwarten stand.

Nun ist die Ernte aber vorbei; die Garben sind von

fleißigen Leuten rein ausgedroschen, der Ertrag ist verwerthet — wir ha­

ben davon Brot gegessen, und hie und da grünt schon die junge Saat. Sie kennen Riemer's Kapitel über Johannes Falk,

welcher, nebst

Frau von Arnim, „bei der löblichen Tendenz Göthen in ein Vortheilhaftes

Licht zu stellen, ja ihm alle Liebe und Ehre zu erweisen, dennoch durch die Verbreitung so vieles Einseitigen, halb ober ganz Falschen, ja Erlo­

genen mehr geschadet als genuzt haben" (Mitth. 1,18) soll.

Ueber Falk

hab ich keine Untersuchungen angestellt, wie weit seine Nachrichten authen­ tisch oder nicht seien: gefreut hab ich mich aber, daß Sie troz Riemer's

Unkenruf keinen Anstand nehmen, jenen leidenschaftlichen und ergreifenden „Ausbruch von Patriotismus" (Fr. 2, 296) Göthe's als historische That­

sache ohne Weiteres mitzutheilen — jene Worte voll Grimm und Rüh­

rung, als Carl August's Existenz durch Napoleon's erbärmliche Rachsucht

bedroht war:

„Und wenn es auch dahin mit ihm käme, wohin es mit

jenem Johann einst gekommen ist, daß beides sein Fall und sein Unglück

gewiß wäre, so soll uns das nicht irre machen, sondern mit einem Stecken in der Hand wollen wir unsern Herrn, wie jener Lukas Kranach den sei-

nigen- ins Elend begleiten und treu an seiner Seite aushalten.

Die Kin­

der und Frauen, wenn sie uns in den Dörfern begegnen, werden weinend die Augen aufschlagen und zu einander sprechen: das ist der alte Göthe

und der ehemalige Herzog von Weimar, den der französische Kaiser seines Thrones entfezt hat, weil er seinen Freunden so treu im Unglück war;

weil er den Herzog von Braunschweig, seinen Oheim, auf dem Todbette

besuchte; weil er seine alten Waffenkameraden und Zeltbrüder nicht wollte verhungern lassen!"

U. s. w.

Gern sezt ich die ganze Stelle her, damit sie von gewissen Leuten wieder einmal gefunden würde, welche über Göthe's politische Gesinnungs­ losigkeit sich zu erboßen lieben und in ihrem frommen Eifer nicht merken,

daß Sie damit gar nicht Sr. Excellenz Achillesferse treffen, sondern dem

alten Göthe nur einmal übers andre tölpisch auf die Zehen treten — eine ihm freilich ungewohnte Behandlung. Doch ich kann auf diese Abschwei«

16 fung um so füglicher verzichten, als noch Niemand glänzender als Sie

jene Verläumder auf die absurden Köpfe geschlagen hat. Nach vorerwähntem Citate glaubt ich, Sie hätten die apokrhphischen

Bestandtheile jenes Testamentes wohl erkannt.

Und nun kommen Sie auf

Bettina zu sprechen, und geben in der Hauptsache ein Excerpt von S. 31 bis 40 Bd. 1 der „Mittheilungen!" Wissen Sie denn nicht, daß diese zehn Seiten leeres Stroh sind? Sie haben es freilich noch einmal gedroschen,

aber die Frucht kommt nicht aus dem Flegel, sondern aus den Aehren, und Sie gewinnen kein Korn, wenn wir es gemeinschaftlich abermals durch­ dreschen.

Nun, Sie wollen es — es sei darum. Ein Mädchen wie ein Elfe, jung, heiß­

blütig, betet den großen Dichter aus der Ferne an, läßt ihn das in ihren Briefen

wissen, erweist seiner Mutter Aufmerk­

A young, ardent, elfin creature worships the great poet at a distance, whrites to teil him so, is attentive to bis mother

samkeiten,

Sie nennen jenes reizende Verhältniß Bettinens zu Göthe's Mutter „Aufmerksamkeiten erweisen?" — Darüber ist nicht zu streiten; der Eine

sagt „er macht ihr den Hof," der Andre „er liebt sie," und doch hat nur Einer Recht. — Ich glaube, wenn Sie ein Deutscher wären, würde der

Briefwechsel mit der Frau Rath Sie mehr erwärmt haben. Doch es sei:

sie erweist seiner Akuter Aufmerksamkeiten, die glücklich ist, ihren Sohn so vergöt­ tern zu hören und von ihm sich zu un-

terhalteu.

Er seinerseits ist betroffen von

ihrem außergewöhnlichen Geiste, ist ihr dankbar für Ihre Freundlichkeit

gegen

seine Mutter und schreibt ihr so herzlich

wie er kann, ohne sich in ein näheres Verhältniß einzulassen.

who gladly hears such praises of her son, and is glad to talk of him. He is struck witli her extraordinary mind, is grateful to her for the attentions to his mother, and whrites as kindly as he can without compromising himself. She comes to Weimar.

Sie kommt nach

Weimar,

Halt! Wenn Ihre Quelle hier auch bloß der „Roman" ist, so muß ich doch Akt davon nehmen, daß Sie selbigen Roman eben dichtend zu

umspielen anfangen.

Sie erzählen von Briefen Bettinens an Göthe und

seinen verständigen Antworten vor ihrem Besuch in Weimar? Ganz rich­ tig haben Sie diesen ersten Besuch auf den 23. April 1807 gesezt: der erste Brief an Göthe ist aber vom 15. Mai 1807 (Briefw. 1, 11 u. 123).

Wir Beide wollen auch in Kleinigkeiten genau sein.

Sie kommt also nach Weimar, fällt ihm in die Arme, schläft gleich bei

She falls into his arms and goes to

17 der ersten Unterredung auf seinem Schooße ein und trägt von der Zeit an ihre Ver­

ehrung

und Eifersucht unverholen zur

Schau.

So nämlich erzählt sie selbst.

sleep in bis lap on their first interview; and is ostentatious of her adoration and her jealousy ever afterwards. This is her öwn account;

D. h. von ihrem Besuche, das Andre erzählt sie nicht, sondern das steht in den Briefen. — Ist Ihnen denn die Geschichte von dem Besuche

so schauderhaft vorgekommen? — Vielleicht haben Sie auf Ihrem Hügel

einen Augenblick Zeit den mürrischen Sittenrichter abzulegen, und wenn

Sie den „Briefwechsel" etwa mit ins Feld genommen, so lesen Sie da­

selbst Seite 15—19 des 1. Bandes nochmals durch, aber nicht laut, damit Ihre Scharen nicht vom Kampf ablassen und sich um Sie sammeln, so süßer Rede zu lauschen, wie sie von Ihren Lippen sonst nicht gewohnt sind. — So! Sie legen das Buch weg, rücken die Brille zurecht und

fahren fort: Man steht, die Lage war für Göthe sehr unangenehm: er achtundfunfzig Jahre alt und angebetet von einem Mädchen, wel­

ches, obgleich schon eine Frau an Jahren,

wie ein Kind aussah, und angebetet zwar mit der halb wahnsinnigen, halb eigensin­

nigen Schwärmerei

einer Brentano —

and one sees that the position was very embarrassing for Goethe: a man aged fifty eight worshiped by a girl who, though a woman in years, looked like a child, and worshiped with the extravagance, partly mad and partly wilful of a Brentano — what could he do?

was sollte er machen?

Ungroßmüthiger Mann, der Sie schon wieder wie ein zorniger Schul­

meister Ihr Rohr die ganze Bank fühlen lassen, auf welcher der Schuldige sizt!

Mehr Gnade widerfuhr sogar Sodom und Gomorrha! — Wenn

Sie aber wüßten, wie komisch Ihr Flegelschlag dem Gebelle jenes treuen Mordax gleichklingt, der (Mitth. 1,32) von BettinenS „noch durch ein eigen

Brentano'scheS Ingrediens »Lanciertem Attachement" lärmt.

Sie schreiben

ja geradezu ab! Leugnen Sie, wenn Sie wollen; ein Schüler würde hier

auch leugnen, denn wörtliche Uebereinstimmung ist freilich nicht da.

Jezt aber, Hand aufs Herz, überlegen Sie sich noch einmal Göthe's Lage, mit welcher Sie solches Mitleid haben.

Was ist daran denn so

sehr unangenehm oder in Verlegenheit sezend, daß Sie ihm gar nicht zu helfen wissen? Er, ein Achtundfunfziger — aber Sie vergessen doch nicht,

daß eö der achtundfunfzigjährige Göthe ist; sie, „ein Mädchen wie eine Elfe, jung, heißblütig," von deren „außerordentlichem Geist" er „betroffen" ist: Göthe so angebetet — Sie finden das „sehr peinlich."

Nun, eS soll

Keiner besser haben als er will, also behüte Sie der Himmel vor ähn­ licher Unannehmlichkeit.

Was aber Göthe betrifft, so bedurft er zum

Glück Ihre- Rathes nicht.

Er war im höchsten Grad ergriffen 2

nett«

18 nett Sie es geschmeichelt — und ließ das Opfer dieses -ostbaren Weih­ rauchs so huldvoll sich Wohlgefallen, wie nur jemals Einer der seligen Götter.

Das war sein Gefühl der frommen Sterblichen gegenüber, und

er, der von Frau von Arnim sehr glücklich „das Genie der Oekovomie" genannt ist, er hatte nur eine Sorge: sich nicht zu sehr zu alterieren. —

Da Sie Göthe so gut kennen, mußten Sie das wissen.

Sie fragen

noch wie in Verzweiflung: „was sollte ex machen?" und statt sich mit der

in Göthe'S Natur gegebenen Antwort zu bedienen, stellen Sie ihn mit dialektischer Spaßhaftigkeit auf einen Dreiweg.

Ihnen ist bekannt, daß

es auf solchem Plaze schon vor mehreren tausend Jahren nicht geheuer

war, und so statten Sie den ersten der drei Wege, die vor dem Göthe Ihrer Mythe liegen, mit der vollen Scheußlichkeit eines kenntnißreichen

Antiquares aus.

Sie sagen nemlich:

— verzeihen Sie, daß ich den PerseuSschild gegen die Meduse anwende,

da ich in diesem Punkt etwas schwachnervig bin. — Sie sagen: Ein

Gentleman sah, daß sein Schuldner ihm aus Versehn tausend Thaler statt hundert bezahlte — was sollte der Gentleman thun? — Eine schwierige Frage.

Aber Ihr Scharfsinn antwortet:

Erstens, er konnte die tausend

Thaler einstecken und die Quittung über hundert zurückgeben. — Konnte

das der Gentleman? — Sie sind mir doch etwas zu heidnisch. Di« Gefahr ist vorüber, und ich lege den Schild ab.

oder [er konntej sie hart oder endlich dazu lächeln Kopf streicheln, wie man Kind liebkost. Rein, mein Herr,

zurückweisen, und ihr den ein drolliges

he could sternly represg 1t; or he could smile at 1t, and pat her head as one pats a whimsical, amusing child.

diese Eventualtheorie mag für den gut sein, der

die unbeneidete Ehre ihrer Erfindung hat: für Göthe war sie herzlich schlecht.

Dem Gotte behagte der Opferrauch ungemein wohl —

„Den Weihrauch schäzet man Kor allen Dingen;" — aber »ach einiger Zeit hatte er bei den Aethiopen zu thun, wo man

ihn auch gut bewirthete.

Noch stieg seitdem eine Weile der betäubende

Duft von BettiuenS Weihaltar zum Olymp auf, auch als sie schon wahr­ nehmen mußte, haß der Gott dieser Speise satt.

Noch hoffte sie auf ein

Zeichen wie ehmals des gnädigm Empfanges, und vertraute derselbm Veränderlichkeit, welche seine Neigung ihr eben entzogen hatte. Sie hoffte vergebens, Has Feuer erlosch. — Und wir wissen ja Alle, daß eS der Flamme versagt ist, denselben Gegenstand zweimal zu umfangen.

19 Ich überlasse gern allen Denen, welche den Briefwechsel kennen, die Entscheidung — Allen, die ihn nicht kennen sollten, die Wahl zwischen

meiner Auffassung und Ihrer spekulativen Darstellung, welche ich jezt bis

auf ein paar unvermeidliche Berichtigungen von Irrthümern in Thatsachen dhne weitere Anmerkungen bis zu dem Punkte gebe, wo Sie die Echtheit

des Briefwechsels zu prüfen ünfangen. Das waren die Wege, die ihm offen stan­ Er wählte beit lezteren, bis sie selbst

den.

durch das Uebermaaß ihrer Schwärmerei

zwang,

ihn

den zweiten einzuschlagen.

Zuerst machte ihm die Koketterie und Laune des Kindes Spaß, ihr hell glänzender

Verstand fesselte ihn; aber als ihre Ver­ ehrung zudringlich und ermüdend wurde,

mutzte er sie so oft zur Ruhe verweisen, daß ihm endlich allen Ernstes die Geduld

ausging.

Solch ein Verhältniß konnte

unmöglich fortdauern, das war klar. Sie

nahm sich Freiheiten wie ein Kind und

wollte doch nicht wie ein Kind behandelt sein.

Sie ward ihm zur Last.

Wie Riemer erzählt, klagte sie gleich bei diesem selben ersten Besuche

gegen

ihn über Göthe's Kälte.

These three courses were open to him, and only these. He adopted the last, until she foreed him to adopt the second; foreed him by the very impetuosity of her adoration. At first the child’s coqüettish, caprioioUs ways amuöed him; her bright-glancing intellect interested him; but when her demonstrations became obstrusive and fatiguing, she bad to be ‘called to Order’ so osten, that at last his patience was fairly wom out. The continuance of such a relation was obviously impossible. She gave herseif the licence of a child, and would not be treated as a child. She fatigued him. Riemer relates that during this very visit she complaiued to him of Goethe’s coldness.

„Bei diesem selben ersten Besuche" ist hoffentlich auch nach Ihrer Meinung eine etwas zu freie Interpretation von „during this very visit;”

wir Beide wissen vielmehr, daß von Bettinens drittem Besuche die Rede

ist.

Riemer nemlich erzählt (Mttth. 1, 35): „Bettina war diesmal mit

Schwestern und Bruder vom 1.—10. November [1807] in Weimar gewe­ sen, und am 10., wo sie jene Klage gegen mich führte, wieder abgereist."

Sie selbst haben Anfangs ganz richtig gesagt, daß Bettina am 23. April

dess. I. Göthe zuerst besuchte.

Aber auch zwischen dem

16. Juli und

1. August dess. I. war sie in Weimar gewesen (Briefw. 1,153ff.): und

nun den dritten Besuch zum ersten zu machen, wäre doch zu un-philo­ logisch. Diese Kälte, fügt er mit Recht hinzu,

war lediglich Geduld;

This coldness, he rightly says, was simply patience;

Sie haben aber eine Eitierntethode, bei der man die Geduld verlieren kann. Wenn Sie, was sehr löblich, nicht bei jedem entlehnten Worte mit

gelehrter Manieriertheit eine Stelle citieren, so müssen Sie doch nicht die entlehnten Worte travestieren, was sehr unlöblich. Bei Riemer (Mitth.

2*

20 1,32) lautet die Stelle: „Die Dame beklagte sich.............. daß Göthe so

wunderlich und sonderbar sich gegen sie zeige, das heißt in seiner Sprache: nur eben passiv verhielt." — Ist bei Ihnen „sich wunderlich und sonderbar zeigen" mit „Kälte," und „sich passiv verhalten" mit „Ge­ duld" ein für allemal synonym? Warum mißgönnen Sie Ihrem Leser dann die unschuldige Freude, selbst zu dieser Einsicht zu gelangen? —

Doch weiter: gegen ihr Andrängen konnte sie [bie Ge­

duld) freilich kaum Stand halten.

erste Besuch

Der

in Weimar dauerte nicht

a patience which held out with difficulty against such assaults. Bettina quitted Weimar to return in 1811,

lange; beim zweiten, im Jahre 1811,

(Da haben Sie Ihre Strafe: Wer nur die Uebersezung Ihres Bu­

ches liest, muß glauben, daß Sie über die Reihenfolge der Besuche sich in

der schönsten Confusion befinden!) gab sie ihm durch ihr eigenes Benehmen einen schicklichen Vorwand, ganz mit ihr

zu brechen — ein Vorwand, wie ich über­ zeugt bin, den er mit Freuden ergriff.

Was ich darüber von völlig verläßlicher Seite erfahren habe und in der Haupt­ sache für durchaus genau halte, ist fol­

gendes :

Eines Tages ging Bettina mit

Göthe's Frau nach der Kunstausstellung,

für die sich Göthe sehr interessirte; ihre

boshaften Bemerkungen, namentlich über

Heinrich Meyer, verlezten Christiane, die ihr scharf darauf diente. Wortwechsel

und

Beleidigung.

Es kam zum

endlich

zu

gröblicher

Göthe nahm seine schwer

gekränkte Frau

in

Bettinen sein Haus.

Schuz

und

verbot

Vergebens bat sie

bei einem folgenden Besuche Göthen um eine Zusammenkunft; er war entschlossen; er hatte einem Verhältnisse, welches nicht Freundschaft sein

konnte,

Verlegenheiten brachte,

sondern

nur

für immer ein

Ende gemacht.

Das ist die wirkliche Geschichte, so weit ich sie habe entwirren können.

when by her own conduct she gave him a reasonable pretext for breaking off the connexion; a pretext, I am assured, he gladly availed himself of. It was this. She went one day with Goethe’s wife to the Exhibition of Art, in which Goethe took great interest; and there her satirical remarks, especially on Heinrich Meyer, offended Christiane, who spoke sharply to her. High words rose, gross Insult followed. Goethe took the side of bis insulted wife, and forbade Bettina the house. It was in vain that on a subsequent visit to Weimar she begged Goethe to receive her. He was resolute. He had put an end to a relation which could not be a friendship, and was only an embarrassment.*) *) I give this story as it was told me, by an authority quite unexceptionable; nevertheless, in all such narratives there is generally some inaccuracy, even when relating to Contemporary events, and the details above given may not be absolutely precise, although the met result certainly is there expressed. Such being the real story, as far as I can disentangle it,

Da haben Sie was Rechtes entwirrt.

Doch ich seh Ihr Auge noch fragend auf dem Papiere ruhn und

21 mich in

der Ferne suchen: was wollen Sie? Ihre Anmerkung in der

Uebersezung? Ja, die müssen Sie nicht von mir fördern, die steht in der Uebersezung nicht, was ich um Ihretwillen bedaure, weil Sie darin selbst

unter Berufung auf eine „höchst unantastbare Autorität" (Wer ist denn die?

— Barnhagen? — Sie können mit Ihrer Geheimnißkrämerei zu ungerech­ testem Argwohn Veranlassung geben.) ein ernstes Bedenken gegen die Zu­

verlässigkeit der mitgetheilten Einzelheiten äußern. Herr Frese hat es mit

Ihnen doch gewiß gut gemeint (mit Frau von Arnim dafür noch weniger als Sie) und schadet Ihnen schon wieder durch eine so geringfügige Li­ cenz. — Aber angenommen auch, Sie hätten hier überall die reine Wahr­

heit ans Licht gestellt, so würde freilich jeder Club von Kaffeeschwestern

Ihnen mit Freuden ein Ehrendiplom ausstellen: aber eine ganz gemeine

Klatschgeschichte bleibt die Historie immer, und Sie sind sich schwerlich darüber klar geworden, ob Sie durch Veröffentlichung derselben Bettinen schaden, oder Christianen nüzen — kurz, was Sie eigentlich damit woll­

ten, wenn nicht klatschen.

Thatsache ist, daß Sie zuerst diese ärgerliche

Geschichte haben drucken lassen — Thatsache, daß Sie einem Vorfall auf

den Grund gekommen zu sein vorgeben, der Ihrem Riemer sogar unent­ hüllt (Mitth. 1, 36) geblieben ist.

Aber wenn Ihre höchst unantastbare Autorität Sie gar belogen hätte? Sie wissen doch, daß die Lüge nie geschäftiger ist, als wenn eö gilt Aer­

gerniß zu erregen, daß am Meisten gelogen wird, wo man am Wenigsten wissen kann: und Sie wissen, wie viel es mit solchen Anekdoten von be­

rühmten Personen, und ganz besonders von berühmten Frauen, gewöhnlich auf sich hat.

Für die gewissenhafte Kritik Ihres Berichtes geht Ihnen

üherdieS, was ich wiederholt beklagen muß, die persönliche Bekanntschaft der Frau von Arnim ab, und Sie hätten unter allen Umständen weiser

gehandelt, wenn Sie es verschmähten, hier den Vehse zu spielen. Eh ich die Fortsezung Ihres Referates mit Ihnen durchgehe, welche

Sie (in der Uebersezung) „Nachweis der Unächtheit des Bettina'schen Brief­

wechsels" titulieren, verweise ich Sie noch auf den Schluß des 2. Theiles

desselben, von S. 300 an. Briefe BettinenS.

Dort finden Sie die nach 1811 geschriebenen

Lesen Sie sie abermals durch, und wenn Sie dann

noch an die Wahrheit Ihrer Ermittelung glauben, so gehen Sie mit Ih­ rem Gewissen zu Rath, ob Sie nicht schöner gethan hätten still zu schwei­

gen. Endlich aber lesen Sie Göthe's eignen Bericht in den Annalen 1811, ben ich der Bequemlichkeit halber herseze; sehen Sie so viel „diplomatischen Euphemismus" darin, als Riemer (Mitth. 1, 36) nur immer will; lassen

22 Sie allein das Unzweideutigste als Wahrheit gelten: und achten darauf, in welcher Färbung Ihre ganze Darstellung, von Anfang bis zu Ende,

im Lichte dieser wenigen Zeilen von Göthe's Hand erscheint. Sie werden nicht zweifeln, daß dieser leuchtende Geist auch recht leuchtet. — Göthe sagt: „Das Ehepaar von Arnim hielt sich eine Zeit lang bei uns auf; ein altes Vertrauen hatte sich sogleich eingefunden; aber eben durch solche freie unbedingte Mittheilungen erschien erst die Differenz, in die sich die

ehemalige Uebereinstimmung aufgelös't hatte.

Wir schieden in Hoffnung

einer künftigen glücklichen Annäherung." —

Sie haben allerdings dem Verhältnisse „für immer ein Ende" ge­ macht und sind daher vielleicht nicht in der Lage,

in der freundlichen

Aufnahme, welche Bettinens Sohne bei Göthe kurz vor dessen Ende zu Theil wurde — es war der lezte Besuch, den Göthe empfing — ein

Symptom der würklich erfolgten Annäherung zu erkennen; Sie wissen fer­ ner nicht, mit welcher Verehrung der jezige Wolfgang Göthe der Frau von Arnim huldigt, und wie gern sie durch seine Augen sich an die des

Großvaters erinnern läßt. Ihr Urtheil ist gesprochen, der Stab gebrochen.

Lassen Sie uns zum Ende kommen. Prüfen wir jezt die Acchthcit de« BriefWechsels, insofern derselbe den beiden Ver­ würfen gegen Göthe, er sei abwechselnd

falt und zärtlich gegen sie gewesen und er habe ferner ihre Briefe als Stoff für

seine Gedichte benuzr, Vorschub leister.

Ich stehe zu Diensten.

wc havc now to examine thc authenticity of thc Correspondence, in as far as it gives Support to thc two charges: ist, oi Guethu's alternatc coldness and tcnderncss; 2d, of his using her letters as Materials for his poems.

Ich kann es mir sparen, hier meine frühere Ausführung über den Eindruck, welchen Bettinens Huldigung auf Göthe machte, zu wiederholen.

Sie ist entweder dort schon überzeugend genug gewesen, um jene Mischung

von Kälte und Zärtlichkeit zu erklären, oder sie würde auch zehnmal wie­ derholt nicht überzeugen.

Aber an Ihr früheres Wort erinnernd muß

ich wiederholen, daß diejenigen, welche Göthen aus diesem Wechsel einen

„kränkenden Vorwurf" machen, sich damit trösten mögen, daß sowohl Bet­

tina verziehen, als auch daß „der Mann zu groß und zu gut ist, um un­

sere Liebe einzubüßen, weil er in einigen Punkten unsern Tadel auf sich zieht" — ein Ausspruch so weise und schön in seiner Einfachheit, und nicht einmal gegen den Argwohn seines geistreichen Urhebers stark genug. Riemer bestreitet, daß er überhaupt zart-

That he was ever tender to her, is de-

lich gegen sie gewesen;

nied by Riemer;

Sie hätten sich auch besinnen können, eh Sie das hinschrieben.

Denn

ob Riemer auch sein ganzes Leben mit Göthe in einem Hause gewohnt

23 hätte: er war doch nicht sein Schatten? Was also bestreitet er eigentlich?

Ein freundliches Wort? einen Blick? den Besuch im Elephanten oder sonst einen der kleinen Züge aus ihrem persönlichen Verkehre, welche der Brief­ wechsel uns aufbewahrt? — Dies Was kann unerörtert bleiben. Riemer'-

Bestreiten geht in den Wind, eh nachgewiesen ist, daß Phhlax jedesmal in der Stube oder wenigstens vor der Thüre gelegen habe.

Aber

„Sv will der Spiz aus unserm Stall

Uns immerfort begleiten, Und seines Bellens lauter Schall

Beweis i nur, daß wir reiten,"

Spiz dann aber mitunter zu Hause eingesperrt worden, was ihm vielen „chagrin” verursacht haben mag. er fragt sehr mit Recht, wie es denkbar

sei, daß die Kält», über die sie bei ihrem

ersten

who pertinently asks how we are to believe that thc coldness, of which she complained during her

(„dritten," Herr Frese!) Besuche in Weimar geklagt habe, in ih­

rer Abwesenheit zu der Liebe sich erwärmt haben solle, die in den Sonetten glüht,

visit to Weimar, grew in her absence into the lover-like warmth glowing in the sonnets addressed to her.

welche er nach ihrer Behauptung an sie richtete.

Ob es an sich möglich sei, daß Jemand einer Liebenden sich kalt oder

— um einmal die authentischeren Worte zu gebrauchen — wunderlich und sonderbar zeige, und dann in ihrer Abwesenheit glühende Sonette an sie

richte, ist eine psychologische Frage, die, zumal wenn sichs um Göthe und Bettina handelt, wohl auch eine andre Beantwortung, als die Riemer'sche

zuläßt.

Viehoff z. B. sagt recht verständig (Göthe's Leben 4,247): „Dar­

auf läßt sich erwidern, daß es ganz wohl miteinander zu vereinigen sei,

wenn Göthe in den Briefen an Bettina sich gehaltener und gemessener zeigt und in den Gedichten einen leidenschaftlichen Ton anstimmt. In den

Briefen gab er sich wahr und seinen wirklichen Empfindungen entsprechend,

in den Sonetten ging er spielend in die glühenden Gefühle Bettinens ein.

Es war natürlich, daß der beinahe Sechszigjährige die romantische

Liebesgluth der jungen Verehrerin nicht in gleichem Maaße erwiderte; und wenn er auch dabei weniger kalt geblieben sein mag, als Riemer uns

glauben machen will, so mußte er doch Bedenken tragen, seine Empfindun­

gen brieflich in nackter Prosa auszusprechen, oder sie gar den Freunden und Bekannten in seiner Nähe zu gestehen. Und so beweis't es denn auch nicht- gegen seine Zuneigung für Bettina, wenn er am 11. Dezember 1807

sich hn Gespräche mit Riemer über sie „„nicht eben als leidenschaftlicher

24 Liebhaber, sondern nur als ein Bewunderer ihres geistreichen und barocken

Wesens"" erklärte.

Aber sehr willkommen mußte eS ihm jedenfalls sein,

daß gerade zu der Zeit, wo die südliche Dichtform, in welcher ein Petrarka seine tiefen Liebesempfindungen ausgesprochen hatte, ihm so lebhafte

Theilnahme abgewann, sich in Bettinens begeisterter Neigung ein so köst­ licher Gehalt zur Füllung jenes poetischen Gefäßes darbot.

Gegen eine

solche Annahme von der Entstehung der Göthe'schen Sonette sträubt sich Riemer, als eine die Würde des Dichters verlezende; und daher eben fließt

sein Bemühen, die Mittheilungen Bettinens zu verdächtigen.

„„So arm,""

sagte er, „„konnte Göthe'S Phantasie und Herz auch im sechszigsten Jahre nicht sein, daß er Empfindungen von Bettinen erst entlehnen mußte, um sie nur, wie ein griechischer HhpopheteS die begeisterten Naturlaute der

somnambulen Phthia, in Verse zu bringen.""

Allein wir wissen, daß

Göthe selbst in jünger» Jahren, wo die Quelle seiner Erfindungskraft ge­ wiß reich genug sprudelte, eS nicht verschmäht hat, manches fremde Bäch­ lein in den Strom seiner Poesie zu leiten.

Seine begeistertsten Verehrer,

seine ebenbürtigsten Beurtheiler erkennen dies an, und besorgen keineSwegeS, dadurch dem großen Dichter zu nahe zu treten." Diese Stelle, die von früherm Datum, als Ihr Buch ist, paßt Ihnen

offenbar nicht in Ihren Kram. — Sie helfen sich mit einem graziösen Gewiß ist das schon an fich nicht zu

This is not credible;

glauben;

Der Sprung war hoch und glücklich, denn Sie befinden sich wohlbehalten auf der andern Seite.

Aber sehen Sie sich gefälligst um: der Sprung

war so gut, daß die Barriere noch unberührt dasteht.

Doch lassen Sie

sie nur stehn und traben weiter, aber das Geheimniß wird vollends da­ durch auf gestatt, daß Riemer bestimmt leugnet, diese Sonette seien an sie gerich­

tet.

Göthe schickte sie ihr zu, wie andern

Freunden auch; aber geschrieben wurden

sie für eine ganz andere. ist sehr einfach.

Der Beweis

but the mystery is explained by Riemer’s distinct denial that the sonnets were address ed to her. They were sent to her, as to other friends; but the poems which she says were inspired by her, addressed to her, were in truth written for another. The proof is very simple.

Sie haben wohl Nichts dawider, daß wir vor Anhörung Ihres sehr einfachen Beweises uns gemeinschaftlich darüber aufklären, was hier zu

beweisen ist? Ich fürchte, diese Aufklärung wird schwieriger sein, als der

Beweis. Sie sagen: Göthe schickte Bettinen Sonette; wenn sie aber behauptet,

daß die ihr zugesandten von ihr selbst inspiriert und auch an sie gerichtet

SS seien, so irrt sie — die Sonette waren nicht an sie gerichtet, sondern an

eine Andere. Ist Ihnen die Sache jezt klar? — Nein. — Mir auch nicht.

suchen wir noch einmal dahinter zu kommen.

Ver­

Was soll nun eigentlich

nicht der Fall sein? Die Sonette, welche sie erhielt, waren nicht für sie — die Sonette, welche ihre Worte wiedergeben, sind nicht von ihr inspi­

So versteh ich Ihre Behauptung.

riert.

Zunächst sind wir dahin einverstanden, daß es sich um diejenigen Sonette Göthe's handelt, welche unter besonderer Ueberschrift mit dem Motto „Liebe will ich liebend loben, Jede Form sie kommt von oben."

in seinen Werken zusammenstehn. — Hat Bettina sich diese Sonette an­ geeignet? Nein.

Jener Sonette bei Göthe sind überhaupt siebzehn: aber

von diesen siebzehn finden sich im „Briefwechsel" nur acht. — Hat Bet­ tina sich diese acht dadurch angeeignet? Wir wollen sehn.

Erstens steht (Briefw. 1, 121) auf dem Blatte zwischen dem Brief­ wechsel mit Göthe's Mutter und dem mit Göthe ohne weitere Bemerkung „Mit Flammenschrist war innigst eingeschrieben" u. s. w.

Zweitens und drittens liegen (1,161 ff.) dem Briefe Göthe's vom 7. August 1807 die Sonette bei „War unersättlich »ach viel tausend Küssen" u. s. w.

und

„Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale" u. s. w.,

beide mit ein paar abweichenden Lesarten.

Die ganze Sendung gelangte

durch die Frau Rath an Bettina, wahrscheinlich mit ihrem Brief ohne Datum 1,54.

Aus Göthe's Worten: „Beiliegend gebe ich Dir einen Theil

derselben fDeiner fliegenden Blatters zurück" u. s. w. geht nicht hervor, ob er ihr beide Sonette zugedacht hatte; doch ist die Quelle des ersten in BettinenS Briefe vom 1. August (1,154), die des zweiten in ihrem Briefe

vom 2. August (1, 158) zu finden, und überdieß schreibt ihr die Frau Rath:

„Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geschrieben, die schenk ich

Dir, sie gehören dem Inhalt nach Dein." — Sie müssen das Alles gar nicht gelesen haben, sonst ist doch nicht zu begreifen, wie Sie die überein­ stimmenden Zeugnisse Bettinens, Göthe's und der Frau Rath übergehend

an den Einbildungen Riemer's ein Genüge finden können. Viertens, fünftens und sechstens hat Bettina ohne weitern Zusaz die

Sonette „Warum ich wieder ,um Papier mich wende" n. s. w., „Ein Blick von deinen Augen in die meinen" u. s. w.

36 „Wenn ich nun gleich das weiße Blatt dir schickte" u. s. w.

und

unter die ähnlichen Stellen ihrer Briefe 1, 183, 196 u. 198 gesezt.

Siebentens schickte Göthe mit seinem Briefe vom 4. Mai 1808 (1, 228) durch seine Mutter das Sonett „Als kleines art'ges Kind nach Feld und Auen" u. s. w.

an Bettina, welches sie mit Recht zu ihrem Briefe vom 15. März (1,208)

in Beziehung stellt.

(Die von Biehoff angemerkte Verschiedenheit der Les­

art „Deinen" statt „einen" im lezten Verse beruht wohl nur aus einem

Druckfehler in Göthe's Werken.

Es muß „Deinen" heißen.)

Achtens befindet sich in Göthe's Briefe 1, 345 die Charade: „Zwei Worte sind es, kurz, bequem zu sagen" u. s. w.

Erwähnt sei hier, daß Viehoff's Gründe mir ausreichend scheinen, um noch die Sonette „Freundliches Begegnen,"

„Das Mädchen spricht"

und „Reisezehrung" auf Bettina zu beziehen. Darauf kommt es aber nicht an, sondern darauf, welche jener acht Sonette sie sich angeeignet habe —

und das sind denn würklich vier: nemlich das zweite, dritte, siebente und

achte. Sie wollen nun also beweisen, daß diese vier Sonette nicht für Bet­ tina geschrieben wurden.

Oder was wollen Sie beweisen? Soll der Be­

weis etwa auch von allen übrigen Sonetten gelten? Sehr wohl! Nur er­ innern Sie sich, daß Bettina auf die übrigen seinen Anspruch macht. Was

Viehoff glaubt, was ich etwa glaube — ja, was Fran von Arnim weiß:

darauf kann es doch nicht ankommen.

Das Abdrucken der Sonette bei den

Parallelstellen ihrer Briefe ist keine Usurpation; und besäße Frau von

Arnim alle siebzehn nebst einigen darüber von Göthe's Hand geschrieben: sich angeeignet hat sie nur jene vier.

Ich darf wohl erwarten, daß Sie damit einverstanden sind.

Schlimm

genug aber, daß Sie auf mich gewartet haben, Ihnen über Dinge ein Licht auszustecken, die Sie ohne mich wissen konnten — als ein GötheKenner wissen mußten — als Schriftsteller endlich über Bettina und Göthe nur mit großer Verschuldung nicht kannten.

Jezt beweisen Sie, was Sie im Sinne haben.

Beweisen Sie, daß

die Sonette — jene vier nemlich! Mehr ist über die Forderungen — daß die Sonette nicht für Bettina geschrieben wurden. sei sehr einfach. Nemlich: Die Sonette waren fertig ehe Bettina nach Weimar kam, und hatten schon Niemern zur Durchsicht vorgelegen.

Sie sagten, der Beweis

These sonnets wcre written before she carne to Weimar, and bad already passed through Riemer’s hands, like other

works, for bis supervision.

27 Das ist stark! — Als ich Ihr Buch und diesen Abschnitt in der Uebersezung zum erstenmal las, war es diese Stelle, an der ich stuzte.

Bei Ihren früheren Ausfällen gegen die Brentano'S hatte ich geglaubt,

Sie sähen dieselben für die natürlichen Sekundanten der Frau von Arnim an; ich dachte, Sie brauchten vielleicht, da Sie gegen eine Dame zu Felde zogen, mit mildem Sinn einen Ableiter für Ihre Püffe, und leitete Ihr

Benehmen aus einer, freilich tadelnswerthen, Unbekanntschaft mit unsern Duellgesezen her.

Bei uns nemlich fechten die Sekundanten nicht mit,

sondern sind, sogar dem Strafgesezbuche gegenüber, geheiligte Personen,

welche zu verlezen infam ist.

Bettinens Besuche durchweg falsch zu nu­

merieren, war confuse, aber auf den ersten Anblick unwesentlich, und end­ lich gar nicht Ihr Werk.

Doch Ihre lezte Behauptung widersprach Allem,

was ich darüber zu wissen mir einbildete, so geradehin, daß ich meinen Augen nicht trauen wollte.

Und doch, da steht es, so oft ich auch lese:

„Die Sonette waren fertig, ehe Bettina nach Weimar kam, und hatten schon Riemern zur Durchsicht vorgelegen."

In meiner Noth hoff ich, daß Sie wieder einmal einen chronologischen Bock geschoffen haben.

Wann kam denn Bettina nach Weimar? — Zuerst, wie Sie wissen am 23. April 1807.

Ich habe Sie ferner darauf hingewiesen, daß sie

zwischen Göthe's halber Einladung vom 16. Juli dess. I. und dem 1. August

dort war (Briefw. 1,153); bei Gelegenheit dieses Besuches hatte ihr Göthe in einer Gesellschaft bei Wieland den Veilchenstrauß geschenkt, welcher spä­

ter in einer Schachtel mit Blonden und Spizen beim Umwerfen des Wa­

gens in den Main flog, und so bis nach Frankfurt geschwommen wäre, wenn Bettina ihn nicht aus dem Strom gerettet hätte. (Briefw. 1, 21 ff.) — Doch warum erzähl ich Ihnen das, da sie für solchen „Unsinn" Gott­

lob keinen Sinn haben! — Der dritte Besuch fällt nach Riemer's Bericht

in die Zeit vom 1. —10. November 1807. Und wann waren die Sonette fertig? — Sie begreifen, daß sie vor dem 23. April 1807 fertig gewesen sein müssen: oder der Bock ist da, und ein recht feister! — Sie schweigen? — So muß ich Riemern fragen, von

dem Sie ja Ihre Behauptung entlehnt haben.

Riemer sagt (1,34): „Die

nähere AuSeinandersezung dieser Unmöglichkeit [bie Sonette auf Bettina

zu beziehens kann hier nicht gegeben werden; nur so viel ist zu sagen, daß

ein Duzend dieser Sonette schon 1807, vom 29. November Adventus do-

mini an bis 16. December, in Jena verfertigt und durch meine Hand ge­ gangen,, Zeltern unter dem leztern Datum verheißen wurden" u. s. w.

Das

-8 hat Vieh off schon vor fünf Jahren „die Beweisführung schuldig bleiben" genannt (Göthe'S Gedichte erläutert 3, 36), und es gehört würklich nur guter Willen dazu, um einzusehn, daß Göthe sehr gut ein Duzend Sonette nach Advent machen konnte, ohne daß die beiden unterm 7. August dess. I.

an Bettina gesandten darunter sein mußten! Aber selbst diese mochten nach

Advent durch Riemer's Hand gegangen sein (sie erfuhren vielleicht damals die kleinen Veränderungen, derer ich oben gedachte); der ami wird sich doch nicht einbilden, daß Göthe ohne ihn Nichts „verfertigen" konnte, ob

man das Wort nun im Sinne von „fertig machen," oder als „machen"

überhaupt verstehe? — Uebrigens weiß ich kaum, ob es noch lohnt Ihnen

auseinander zu sezen, daß Ihr Prachtexemplar von einem Beweis im besten

Fall immer noch die vier lezten jener acht Sonette (die dem Jahr 1808 angehören) gar nicht berührt.

Denn es liegt so auf der Hand, daß eS

bei Ihrem Stillschweigen beinah gehässig auSsieht, wenn ich davon Ge­

rede mache.

Mais revenons —! Riemer wußte auch, an welche Dame diese leidenschaftlichen Liebesergüsse gerich­

tet waren, und wollte nur den Namen nicht nennen.

Ich habe keinen solchen

Grund zu schweigen, und kann einfach

Riemer moreover knew to whom these passionate sonnets were addressed, although he did not choose to name her. I have no such cause for concealment, and simply declare

erklären,

was Viehoff schon vor fünf Jahren mitgetheilt hat (Göthe'S Gedichte erl. 3, 53), daß Göthe die Sonette für Minna Herz­

lieb in Jena schrieb (von der wir gleich mehr hören werden), wie das schon das

Spiel mit ihrem Namen im lezten So­

nette (Herzlieb, Lieb Herz) hinlänglich

the sonnets to have been addressed to Minna Herzlieb, of whom we sh all hear more presently; as indeed the charade on her name, which closes the series (Herz-Lieb) plainly indicates.

andeutet.

(Bergl. über dies Sonett Viehoff, Göthe's Gedichte erl. 3, 55.) Und nicht nur diese Sonette, die Göthe

in Jena während Riemer's eigener An­ wesenheit und für eine Dame in Jena schrieb, hat Bettina sich angeeignet, son­ dern auch andere Gedichte, die, wie Rie­

mer wußte, zwischen 1813 u. 1819 ent­

standen, wo sie Achim von Arnim's Frau war und (seit 1811) keinen Zutritt in

Göthe's Haus hatte.

Not only has Bettina appropriated the sonnets which were composed at Jena while Riemer was with Goethe, and inspired by one living at Jena, but she has also appropriated poems known by Riemer to have been written in 1813— 19, she then being the wife of Achim von Arnim, and having since 1811 been resolutely exoluded from Goethe’s house.

Ueber dies „Aneignen" kein Wort mehr.

Mittheilen will ich Ihnen

SS nur noch, daß ich selbst ein Sonett, von Göthe'S Hand geschrieben, gelesen

habe, welches im Besize der Frau von Arnim und noch nirgends gedruckt

ist.

Vielleicht gestatten Sie ihr auch an diesem kein rechtmäßiges Eigen­

thum. Was die andern hier erwähnten Gedichte betrifft, so kann nur von

dreien aus dem Buche Suleika die Rede sein: „Als ich aus dem Euphrat schiffte" u. s. w. (Briefw. 1, 262), „Dieß zu deuten bin erbötig" u. s. w. (1, 263)

und „Wie mit innigstem Behagen" u. s. w. (2, 90); mehr sind im Briefwechsel nicht abgedruckt: oder Sie müßten den Eingang der Dedikation „Haben sie von Deinen Fehlen" u. s. w.

aus dem Buche der Betrachtung mit hieher zu rechnen erbötig sein. Die beiden ersten Gedichte gehören zusammen, und stehen unter dem

Texte deö Briefes vom 18. Juli 1808, wo Bettina den Traum erzählt,

welchen, nach Riemer, am 17. September 1815 Suleika nachgeträumt und Hatem gedeutet hat.

Riemer's Datum ist wahrscheinlich der richtige Tag

seiner Redaktion: aber in keinem Falle widerspricht seine Angabe weder

der Möglichkeit, noch dem Briefwechsel, der jedesmal nur diejenigen Ge­ dichte in den Text selbst aufnimmt, welche Bettina als von Göthe erhalten bezeichnet.

Die Deutung des Traumes ist im Briefwechsel eben nur als

zum Traume gehörend beigefügt, und Bettina hat nirgends ein anderes

Recht darauf beansprucht. Das dritte Gedicht schickte Göthe Bettinen mit dem Briefe vom 7. Juli

1809 zu, worin er sagte (2, 89), er habe es vorläufig für sie „heraus­ gehoben aus einer Reihe, die sich in guten Stunden allmählig vermehrt,

wenn sie Dir später einmal zu Gesicht kommen werden, so erkenne daran, daß, während Du glaubst, mein Gedächtniß für so schöne Vergangenheit wieder anfrischen zu müssen, ich unterdessen der süßesten Erinnerung in sol­

chen unzulänglichen Reimen ein Denkmal zu errichten strebe, dessen eigendste

Bestimmung es ist, den Wiederhall so zarter Neigung in allen Herzen zu erwecken."

Daß ami Riemer diesem Gedichte, welches allerdings erst 1819

gedruckt wurde, als Entstehungszeit die Jahre 1813—1819 zuweist, be­ deutet doch nur, daß es ihm nicht früher „durch die Hände" gegangen: daß es aber schon vor diesem Proceß existiert habe, folgt für jeden unbe­

fangenen Kritiker allein daraus, daß VerS 3 und 7 im Briefwechsel anders

lauten, als nach der Riemer'fchen Redaktion. — Sonderbar, daß derselbe Fall gerade mit jenen beiden Sonetten vom 7. August 1807 vorliegt, welche Riemer erst nach Advent dess. I. kennen lernte! —

30 Sie fahren fort: Einer Frau sein Haus verbieten und doch

Liebesgedichte an sie richten, ihren Zu­ dringlichkeiten

eine Kälte entgegensezen,

über die sie sich laut beklagt, und doch

Sonette an sie ausströmeu, in denen der

Puls der Leidenschaft heftig schlägt —

das ist ein Verfahren, welches auf da­ bloße Zeugniß des Bettina'schen „Brief­

To shüt your doör against & woman, and yet write love Verses to her; to respond so coldly to her demonstrations that she complains of it, and yet pour forth sonnets throbbing with passion, is a course of condtict certainly not 6rödible on evideiice Bilch as the CorreBpondence with a öhlld.

wechsels" nicht zu glauben ist.

Sie bedienen sich hier zum zweitenmale der Psychologie als Circttfür Ihre Kunstreiterstücke, und überheben mich der Mühe einer Kritik um­ somehr, als dieser Saz in seiner abstrakten Fassung völlig ohne Interesse

ist, nachdem die Leichtfertigkeit Ihrer Beweisführung für die thatsächlichen

Behauptungen zu Tage gekommen, worauf die lezte Betrachtung sich stüzt.

Glauben Sie auch, daß das Publikum sehr wohl weiß, wie solche Luft­ sprünge nur vom elastischen Schwungbrette möglich sind. Wir sind daher wenig überrascht, wenn Riemer weitergehend erklärt:

Hence we are less surprised to find Riemer declaring

(Jetzt kommt der Hauptschlag gegen die Echtheit des Briefwechsels!) „von einigen ihrer Briese kann man dreist sagen, sie seien nur da« in Prosa auf­

gedröselte meta- und paraphrastrie Poem Göthe's; denn man hört noch das Sylben-

that some of her lettres are little inore than meta- and paraphrases of Goethe1» poems, in which both rhythm and rhyme are still traceable.

maß hindurch mit der Wort- und Sazfolge."

Welch ein haarsträubender Unsinn! — Wenn, der das behauptet, „die

anderen Dinge, die er geschrieben, nicht besser verstanden hat, dann hätte sie wahrscheinlich meine Dienstmagd besser als er geschrieben."

Diese Worte

sind freilich schon über dreihundert Jahre alt, denn Michel Angelo (an Benedetto Barchi.

Guhl'S Künstlerbriefe 1,221) hat sie erfunden, lassen

Sie dieselben aber immer gegen Riemer gelten: es haben sich Bessere mehr

gefallen lassen müssen, und das unverdient.

Was aber das „Aufdröseln"

betrifft, so sind Riemer und Comp. doch wohl nicht das kompetente Tri­

bunal, um Frau von Arnim solche Strafarbeit zuzumuthen! — JedesfallS

mußten Sie, um Biehoff's treffende Worte aus dem Jahr 1854 (Göthe's

Leben 4, 250) — „Jene Partien unterscheiden sich in Ton und Ausdrucks­ weise durchaus nicht von Bettinens übriger Correspondenz" — um diese

Worte zu widerlegen, mußten Sie doch im Jahr 1855 etwas mehr thun, als Riemer über dies Thema abschreiben.

Schlüßlich erlaub ich mir, so

ungern ich auch immer wieder darauf zurückkomme, hier auch einmal einen

31 Kenner zu citieren, mit dessen Namen ich nicht hinter dem Berge zu halten brauche; Barnhagen von Ense schreibt an Viehoff (Göthe's Ged. erl. 3,34): „Es ist merkwürdig, wie frei Göthe sich Fremdes aneignete, und wie ent­ schieden er eS würklich in sein Eigenthum verwandelte, so daß aus der Nach­

weisung des Anlasses oder der Quelle, woher ihm ein Bild oder eine Wen­ dung gekommen, gar kein Tadel für ihn entstehen kann."

Der große Literat

führt noch ein paar Beispiele an, welche Sie, nach Bedürfniß, dort selbst

Nachlesen mögen: ein Beispiel liegt uns vor, und eS gehörte ein Riemer dazu, um es in der Weise mißzuverstehn, welcher sie applaudieren. — UebrigenS möcht ich Sie mir zu erklären bitten, da wir ja gerade philo­

sophieren, warum Sie nicht gleich auch annehmen, daß Bettina ihre Er­

zählungen von Göthe's Kindheit aus seiner Biographie listig herausgelesen

habe? Das wäre doch ein Aufwaschen gewesen; und Sie durften nur er­

wähnen, daß Wahrheit und Dichtung viel früher als der „Briefwechsel" erschienen, welcher ein Roman sei: so hatten Sie auf Ihre Art einen Be­

weis fertig, der sich neben Ihren übrigen Leistungen in dieser Gattung

wohl sehn lassen kann.

Doch Sie sind grämlich und mögen jezt nicht scherzen, also weiter.

Statt daß Göthe ihre Briefe zu Gedich­ ten verwendet habe, beschuldigt sie Riemer demnach, sie habe seine Gedichte ihrerseits in Briefe verwandelt.

So that instead of Goethe*» turning her letters into poems, Riemer accuses her uf turning Goethe’» poems into her let­ ters.

Sind e>ic nicht unbarmherzig, daß Sie so eine Abgeschmacktheit des

guten Riemer nach der andern — ein förmliches Narrenschneiden — ans Licht ziehen? Verlangen Sie in allem Ernste, daß dies unappetitliche zer­

rissene Wesen als Fehdehandschuh angesehn und noch des Aufhebens ge­ würdigt werde? — In der That! Denn:

Auf eine so öffentliche und bestimmte Be schuldigung mußte gleich die Erwiderung folgen, oder sie durfte als bewiesen gelten; aber seit fast zwei Jahrzehnten ist die Anschuldigung vor aller Welt, und eine Erwiderung fehlt noch immer.

An accusatiun so publie and so explicit — an accusation whicli ruined the whole authenticity of the Correspondence — should at once have been answered. The production of the originale with their post marks might have silenced accusers. But the accusation haa been fourteen years before the world, and no answer attempted.

Ti, sehen Sie! Der Abend naht, der dem Kampfe der Helden ein End, macht, nnd da wird Ihnen auch wieder so klassisch zu Muthe, daß Sie vom Hügel kommen, um vor Schlafengehn ein paar Späße zu machen. Aber diese Späße sind so grimmig, daß selbst Ihr Uebersezer nicht gewagt

32 hat, sie in ihrer ganzen Ironie wiederzugeben: er darf den Deutschen nicht sagen, daß Sie durch Riemer'S Beschuldigung „die ganze Autorität deS

„„Briefwechsels"" ruinirt" erachten — er übersezt nicht Ihren drolligen

Einfall, daß „die Produktion der Originale mit ihren Postzeichen die An­ kläger zum Schweigen gebracht hätte!"

Sie besizen einen unverwüstlichen

Humor. Die Briefe mit ihren Postzeichen producieren! Wem? Wie? Ei­

ner Prüfungskommission: LeweS Schäfer Düntzer? Wahrscheinlich.

Denn

Druckenlassen ist doch wohl auch Producieren? Und daß die Postmarken

nicht mit abgedruckt sind — über diesen Punkt Ihrer Interpellation eine

Aufklärung zu geben, erscheint bei gegenwärtiger Sachlage nicht räthlich. — Sie dringen hoffentlich mit parlamentarischem Takt auf keine andere

Erwiderung.

Was aber Riemer'S alten Handschuh betrifft, welcher ohne

Sie auch noch länger als zwei Jahrzehnte unangesehen da gelegen hätte — weil die Leute ihn gewöhnlich für ganz etwas Andres ansahen —: so

hat der liebe Gott bekanntlich vor Erschaffung der Welt auch den Fall schon vorgesehen, da er in einem Birkenwäldchen gesessen und Ruthen ge­

schnitten für Leute, die unnüze Fragen thun würden. Von selbigen Ruthen

ist noch ein großer Borrath. Stecken Sie immer eine hinter den Riemer'schen Spiegel, wenn Sie sich sonst vor seinen Flausen nicht sicher fühlen. Uebrigens glauben Sie nicht, daß ich Ausflüchte suche, um Ihnen

nicht ernsthaft antworten zu dürfen.

Hätten Sie mich nach einem philo­

logischen Beweise für die Echtheit des „Briefwechsels" gefragt, so würd ich Ihnen das Buch in die Hand gegeben haben, wir hätten es zusammen

gelesen, hätten — da Sie Zweifler sind — an den betreffenden Stellen das Für und Wider in der Bettina-Literatur mit einander erwogen: be­

sonders aber hätt ich Ihnen aus inneren Gründen dargelegt, wie Alles mit Allem in den Briefen harmoniere, wie Dies und Jenes nicht nach­ träglich eingeschoben, dieser und jener Umstand nicht erfunden, diese und

jene Stelle nicht ein aufgedröseltes Sonett sein könne — vielmehr das

Einzelne und das Ganze wahr und wahrhaftig sein müsse. Es steht dort Alles in so festem Zusammenhänge, daß, wenn Sie die geringste Kleinigkeit

bezweifeln, der Schluß, Bettina habe nie einen Brief an Göthe geschrieben, kaum vermeidlich — ja, die Folgerung möglich wird, daß es einen Göthe,

eine Bettina nie gegeben habe. — So hätten Sie sich daran erfreuen kön­

nen, eins der schönsten Bücher auch als durch und durch wahr zu sehn. Diesen Genuß sich zu verschaffen haben Sie einstweilen verschmäht — Sie können aber, auch ohne meine Hülfe, noch jeden Tag dazu kommen.

Einstweilen haben Sie Behauptungen, welche gegen die Echtheit des Brief-

33 Wechsels aus der Luft gegriffen sind, behaglich wieder in die Vuft geblasen,

und diese Blasen sind zerplazt. Daß ein paar absurde Behauptungen unwi derlegt geblieben sein sollen — von Viehoff nehmen Sie dabei keine Notiz —

hat die Behauptungen durch Verjährung wahr gemacht! — Ich habe gleich zu Anfänge meines Briefes bemerkt, daß es auf die Natur der Behaup­ tung ankommt.

Wenn Sie das nicht zugeben wollen, so dreht sich auch

die Sonne wieder um die Erde, weil Herr Schöpfer in Berlin es vor

ein paar Jahren bewiesen, und zwar schriftlich und gedruckt.

Und wenn

die Sonne sich um die Erde dreht, so soll auch der „Briefwechsel" ein Roman sein: ein Dienst ist des andern werth.

Doch selbst dann nicht!

Lesen Sie folgende Säze BettinenS, worin

sie die Echtheit ihres Buches behauptet, und sagen ehrlich, ob diese Säze nicht mehr als Riemer'S schelsüchtige Angriffe eine Erwiderung verlang­

ten, wenn sie nicht als unumstößlich gelten sollten?

Bettina schreibt dem Fürsten Pückler in der Dedikation:

„Dort [im

Parke von Muskaus hab ich Ihnen aus meinen Briefen und dem Tage­ buch an Göthe vorgelesen, Sie haben gern zugehört; ich gebe sie Ihnen

jezt hin, beschüzen Sie diese Blätter wie jene Pflanzen, und so treten Sie

abermals hier zwischen mich und das Vorurtheil derer, die schon jetzt noch

eh sie es kennen dies Buch als unecht verdammen und sich selbst um die

Wahrheit betrügen." Bettina sagt zweitens in der Vorrede: „Während ich beschäftigt war

diese Papiere für den Druck zu ordnen, hat man mich vielfältig bereden wollen, manches auszulassen oder anders zu wenden, weil es Anlaß geben könne zu Mißdeutungen.

Ich merkte aber bald, man mag nur da guten

Rath annehmen, wo er der eignen Neigung nicht widerspricht.

Unter

den vielen Rathgebern war nur einer, dessen Rath mir gefiel; er sagte: „„Dies Buch ist für die Guten und nicht für die Bösen: nur böse Men­ schen können es übel ausdeuten, lassen Sie alles stehen wie es ist, das

giebt dem Buche seinen Werth und Ihnen kann man auch nur Dank wis­ sen, daß Sie das Zutrauen haben, man werde nicht mißdeuten, was der gute Mensch nie mißverstehen kann.""

Dieser Rath leuchtete mir ein, er

kam von dem Faktor der Buchdruckerei von Trowitzsch und Sohn, Herrn

Klein, derselbe, der mir Druck und Papier besorgte, Orthographiefehler corrigirte, Komma und Punkt zurecht rückte,

und bei meinem wenigen

Verstand in diesen Sachen viel Geduld bewies." U. s. w.

Bettina schreibt endlich drittens eine halbe Seite weiter: „Auch dem Herrn Kanzler von Müller in Weimar sage ich Dank, daß er auf meine 3

34 Bitte sich bemühte, trog dem Drang seiner Geschäfte, meine Briefe aus

Göthe'S umfassenden Nachlaß hervor zu suchen; es sind jezt achtzehn Mo­ nate, daß ich sie in Händen habe, er schrieb mir damals:

„„So kehre

denn dieser unberührte Schaz von Liebe und Treue zu der reichen Quelle zurück von der er ausgeströmt! Aber eins möchte ich mir zum Lohn mei­

ner gemessnen Vollziehung Ihres Wunsches und Willens, wie meiner Ent­

haltsamkeit doch von Ihrer Freundschaft ausbitten. — Schenken Sie mir

irgend ein Blatt aus dieser ohne Zweifel lebenswärmsten Correspondenz; ich werde es heilig anfbewahren, nicht zeigen noch copiren lassen, aber mich zuweilen dabei still erfreuen, erbauen oder betrüben, je nachdem der Inhalt

sein wird;

immerhin werde ich ein zweifach liebes Andenken, einen

Tropfen gleichsam Ihres Herzbluts, das dem größten und herrlichsten Menschen zuströmte, daran besizen."" — Ich habe diese Bitte nicht be­ friedigt, denn ich war zu eifersüchtig auf diese Blätter, denen Göthe eine

ausgezeichnete Theilnahme geschenkt hatte, sie sind meistens von seiner Hand corrigirt, sowohl Orthographie als auch hie und da Wortstellung, manches ist mit Röthel unterstrichen, anderes wieder mit Bleistift, manches ist ein­

geklammert, anderes ist durchstrichen. — Da ich ihn nach längerer Zeit wieder sah, öffnete er ein Schubfach worin meine Briefe lagen, und sagte: „„Ich lese alle Tage darin.""

einen leisen Schauer.

Damals erregten mir diese Worte

Als ich jezt diese Briefe wieder las, mit diesen

Spuren seiner Hand, da empfand ich denselben Schauer, und ich hätte

mich nicht leichtlich von einem der geringsten Blätter trennen mögen. Ich

habe also die Bitte des Kanzlers von Müller mit Schweigen übergangen aber nicht undankbar vergessen; möge ihm der Gebrauch, den ich davon gemacht habe, beides meinen Dank und meine, Rechtfertigung beweisen."

Sie werden nicht böse sein, daß ich Ihnen so lange Stellen wörtlich abschreibe; erstens lesen Sie dieselben vermuthlich zum erstenmal, also ver­

helf ich Ihnen zu einer angenehmen Bekanntschaft, und zweitens gesteh

ich offen: ich konnte der Versuchung nicht widerstehn, ein paar duftende Blumen aus fremdem Garten in das mit scharfen Werkzeugen bearbeitete Erdreich zu pflanzen, damit Etwas da sei, woran ich selbst nach voll­

brachter Arbeit mich erquicke, und ein Jeder, der meine Arbeit prüfen kommt, sich freue.

Was sagen Sie aber zu den Protektoren? — Der Kanzler von

Müller ist hinüber gegangen, ohne sein Ehrenamt niedergelegt zu haben.

Der Fattor Herr Klein hat gleichfalls, wenn ich mich recht erinnere, vor

einigen Jahren Berlin und diese Erde verlassen: aber er schirmt das ihm

35 anvertraute Buch noch auf seinem jezigen Sterne, wo Hoffentlich auck

Herr Riemer weilt, da er wohl Alles bereut, was er darüber „mitgetheilt" hat, und für diejenigen bittet, die durch ihn abergläubig werden.

Nur der

jezt hochbetagte Fürst, dessen gefeierter Namen dem Briefwechsel voransteht, ist noch unter den Lebenden, und lächelt vielleicht, wenn ihm dies Blatt

zu Gesichte kommt, über die Thorheit, welcher das Allerwahrste als Dich­ tung erscheint — und gar die, welche die Wahrheit vertheidigen will. — Haben Sie wohl, wie es dem gewissenhaften Kritiker auf Ihrem

Standpunkte ziemt, Göthe's Briefwechsel mit einem Kinde als Roman

gelesen? Dann haben Sie bemerkt, daß eine solche Kunst, die Fäden der

Wahrheit mit denen der Dichtung zu verweben, unerhört ist in der Lite­ ratur: eine Kunst, welche das schärfste Auge überall nur Wahrheit er­

blicken läßt, und die Dichtung verhüllt, daß sie nirgends vor der Wahrheit zu Tage treten kann. Haben Sie von Frau von Arnim unbekannterweise eine so hohe Meinung, daß Sie diese Kunst ihr zutrauen? — Ich sage

Ihnen: Frau von Arnim hat mehr Genie, als Sie sich träumen lassen, aber dies Talent besizt sie nicht. Und — um zum Abschlüsse zu kommen — was Sie für Dichtung

halten, ist Poesie. Ihr Organismus aber erträgt es nicht, auf der Morgeuwolke gen Osten zu schweben; Ihre Wimper zuckt beim Glanze des

großen Lichtes. —

Der Vollständigkeit halber sez ich noch her, was Sie zum Schluffe sagen: Mit diesem Nachweis der Unächtheit des Bettina'schen Briefwechsels fallen auch

alle die Annahmen, welche man in Be­

zug auf Göthe's Benehmen darauf ge­

gründet hat, zu Boden.

In der That,

wenn man nur etwas nachdenkt, so er­ scheint die Annahme, Göthe habe ihre

Briefe zu dichterischem Stoff benuzt, als die

tollste Erdichtung; denn nicht nur

war er an eigener Erfindung verschwen­ derisch und an Stoff unerschöpflich, er zeichnete sich auch besonders dadurch aus,

daß er immer seinen eigenen Gefühlen und Erlebnissen Ausdruck gab, niemals

In conelusion, it is but necessary to add, that Bettinas work thus deprived of its authenticity, all those hypotheses whicli liave been built on it respecting Goethe’s conduct, fall to ground. Indeed, when one comes to think of it, the hypothesis of bis using her letters as poetic material does seem the wildest of all figments; for not only was he prodigal in Invention and inexhaustible in material, but he was especially remarkable for always expressing bis own feelings, bis own experience, not the feelings and experience of others.

den Gefühlen und Erlebnissen anderer.

Ich könnte Ihnen füglich überlassen, diese Zusammenfassung Ihrer früheren Untersuchungen auf der Höhe Ihrer jezigen Einsicht selbst um-

36 zuarbeiten; doch es drängt mich Ihnen zu beweisen, daß ich Ihnen wegen der Mühe nicht zürne, welche Sie mir gemacht, ja daß ich Ihnen für

manchen kleinen Kunstgriff, den ich Ihnen absah, dankbar bin. Sie brau­ chen nicht anders zu resümieren, als Sie gethan, denn ich will Ihnen diese Arbeit abnehmen; dafür unterschreiben Sie gefälligst den folgenden Revers, worin Sie nicht ohne Vergnügen Ihre eignen Worte erkennen

mögen: Mit diesem mißrathenen Nachweise der Unechtheit des Bettina'schen

Briefwechsels fallen auch alle die unnüzen Vertheidigungen, welche man

in Bezug auf Göthe's Benehmen darauf gegründet hat, zu Boden. In der That, wenn man nur etwas nachdenkt, so erscheint die Annahme,

Göthe habe ihre Briefe zu dichterischem Stoffe benuzt, als so natürlich, daß es nicht erst ausgesprochen werden durfte, um von Jedem gewußt

zu sein; denn nicht nur war sie an Erfindung verschwenderisch und an Stoff unerschöpflich, er zeichnete sich auch besonders dadurch aus, daß er mit derselben Leichtigkeit, mit welcher er seinen eignen Gefühlen und Erlebnissen Ausdruck gab, Fremdes sich aneignete und eS würklich

in sein entschiedenes Eigenthum verwandelte. Genießen Sie dies Gericht mit Gesundheit.

ES ist besser als Ihr

Pudding schon durch die Zuthat, die ich von Varnhagen entnommen habe.

Möge es Ihnen wohlschmecken am Abende nach der Schlacht. — Sehen Sie, die Sonne ist schon untergegangen, und die Schatten der Nacht ziehen auf.

Sie deklamiren zum Schluffe:

Damit scheiden wir von Bettina. und ich empfehle mich Ihnen.

Wc part here from Bettina

Königsberg, 9.—15. Januar 1858. Heinrich Siegfried.