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German Pages 352 [356] Year 2019
Lateinamerika-Studien Band 32
Lateinamerika-Studien Herausgegeben von Walther L. Bernecker Titus Heydenreich Gustav Siebenmann
Hanns-Albert Steger Franz Tichy Hermann Kellenbenz t
Schriftleitung: Titus Heydenreich Band 32
Amerikaner wider Willen Beiträge zur Sklaverei in Lateinamerika und ihren Folgen Herausgegeben von Rüdiger Zoller
Vervuert Verlag • Frankfurt am Main • 1994
Anschrift der Schriftleitung: Universität Erlangen-Nürnberg Zentralinstitut (06) Sektion Lateinamerika Bismarckstr. 1 D-91054 Erlangen
Gedruckt mit Unterstützung der Universität Erlangen-Nürnberg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Amerikaner wider Willen : Beiträge zur Sklaverei in Lateinamerika und ihren Folgen / hrsg. von Rüdiger Zoller. - Frankfurt am Main : Vervuert, 1994 (Lateinamerika-Studien ; Bd. 32) ISBN 3-89354-732-0 NE: Zoller, Rüdiger [Hrsg.]; GT;
©by the Editors 1994 Alle Rechte vorbehalten Druck: ROSCH-BUCH, D-96103 Hallstadt Printed in Germany
INHALT
Vorwort
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"Seefahrt und Handel sind die fümembsten Säulen eines Estats." Brandenburg-Preußen und der transatlantische Sklavenhandel im 17. und 18. Jahrhundert Nils Brübach, Bamberg
11
Südamerikafahrer am Kap der Guten Hoffnung Hermann Kellenbenzf, Warngau-Thannried
43
Sklavenaufstand - Revolution - Unabhängigkeit: Haiti, der erste unabhängige Staat Lateinamerikas Karin Schüller, Köln
125
Von der Geschichte zur Fiktion die Haitianische Revolution als gesamtamerikanisches Ereignis Hans-Jürgen Lüsebrink, Passau Quilombos: Sklavenaufstände im Brasilien des 17. Jahrhunderts Ana Maria Barros dos Santos, Natal
161
Formen der weiblichen afrikanischen Sklaverei in Brasilien Chirly dos Santos-Stubbe, Rio de Janeiro und Mannheim
175
Über die Kindheit der afrobrasilianischen Sklaven Hannes Stubbe, Rio de Janeiro und Mannheim
203
Sklavenfrage und Staatsfrage im Brasilien des 19. Jahrhunderts Jens Hentschke, Rostock
231
Franz Boas: Eine deutsche Quelle des Antirassismus Gilbcrto Freyres Vamireh Chacon, Brasilia
261
145
Die "questäo racial" in Brasilien. Einige Anmerkungen Detlev Schelsky, Nürnberg
269
Die Illusion des Konkreten. Zum System rassischer Klassifikation in Brasilien Yvonne Maggie, Rio de Janeiro
289
Aztec Slavery. A Historical Panorama of Anthropological Perspectives Robert D. Shadow/Maria Rodriguez-Shadow, Cholula
321
Die Autoren
349
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Vorwort Die Geschichte Lateinamerikas war seit seiner Eroberung durch Spanien und Portugal für fast vier Jahrhunderte auch eine Geschichte der Sklaverei in Lateinamerika - anfangs wegen der Versklavung der indianischen Bevölkerung, dann aufgrund des Imports afrikanischer Sklaven. Bis ins 19. Jahrhundert hinein schuf die Sklaverei die Basis für die wirtschaftliche Nutzung der Kolonien. Zwischen 1500 und 1800 wanderten ca. 6 Millionen Europäer in die Neue Welt, aber 10-12 Millionen Afrikaner1 wurden nach Amerika verschifft und so zu Amerikanern wider Willen, die einen durch Epidemien partiell entvölkerten Kontinent wieder mit "in Wert setzten". Die internationale, insbesondere angelsächsische Literatur zur Sklaverei "boomte" während der vergangenen Jahrzehnte derart, daß die Thematik bereits als "overstudied" eingeschätzt wurde. Allerdings lag der Schwerpunkt des Interesses regional auf dem Geschehen in Nordamerika und der Karibik; die Geschichte der Sklaverei in den iberischen Kolonien fand international nicht dasselbe Maß an Aufmerksamkeit, was leider auch ein Sprach- und Perzeptionsproblem zu sein scheint. In Brasilien bot zuletzt jedoch das Jahr 1988 mit seinem Gedenken an die Aufhebung der Sklaverei durch die Lei Aurea vor hundert Jahren Anlaß, die Geschichte der Sklaverei und ihre Folgen neu zu untersuchen und zu interpretieren. In der deutschen Historiographie zählt die neuzeitliche Sklaverei nicht gerade zu den häufig behandelten Themen. Darauf verwies schon 1990 Hans-Jürgen Puhle.2 Noch seltener sind deutsche Studien zur Sklaverei in Lateinamerika.3 Zu den bemerkenswerten Ausnahmen zählt das 1989 von Wolfgang Binder an der Universität Erlangen-Nürnberg organisierte und bewußt "interamerikanistisch" angelegte Kolloquium "Slavery in the Americas", dessen Ergebnisse inzwischen publiziert wurden.4 Thema des hier vorgelegten Sammelbandes ist "nur" die Sklaverei in Lateinamerika. Doch auch bei einer räumlichen Beschränkung auf Lateinamerika bieten sich höchst unterschiedliche Aspekte. Generell kann "Sklaverei" nicht als eine in Raum und Zeit statische, monolithische Institution verstanden werden, die schlichte Generalisierungen zuließe. Mit Peter Parish sehen wir die Sklaverei vielmehr als ein "system of many systems with numerous exceptions to every rule".5 Die seit den achtziger Jahren in der Literatur zur Sklaverei wahrnehmbare Verlagerung von Überblicksdarstellungen zu konkreten Regionalstudien hat auch hier ihre Gründe.
8
Vorwort
Eingeleitet wird der Sammelband von zwei Beiträgen zum Sklavenhandel. Nils Brübach thematisiert die Beteiligung Brandenburg-Preußens am transatlantischen Sklavenhandel und legt dabei den rein geschäftlichen Charakter dieser Aktivitäten offen; dagegen beobachtet Hermann Kellenbenz aus der Perspektive des Kaps der Guten Hoffnung die Endphase der Sklavenausfuhr während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der für ihn typischen quellenbasierten Art zeichnet Hermann Kellenbenz ein facettenreiches Bild der Bekämpfung des Sklavenhandels durch die Briten. Die beiden folgenden Aufsätze handeln vom Sklavenaufstand und der Unabhängigkeit Haitis; ein Ereignis, das nicht nur in den sklavenhaltenden Gesellschaften Amerikas heftige politische Reaktionen hervorrief, sondern auch unmittelbar zur literarischen Verarbeitung anregte. Während Karin Schüller den Weg zur Unabhängigkeit Haitis nachzeichnet, untersucht Hans-Jürgen Lüsebrink die Fiktionalisierung dieses Geschehens. Den Schwerpunkt des Bandes bilden Beiträge zu Sklaverei und Rassismus in Brasilien. Dorthin wurden von 1531 bis 1850 über vier Millionen Afrikaner verbracht, ein Drittel aller nach Amerika verschifften Sklaven. 6 Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die Mehrheit der Brasilianer schwarz - und das Wunder des seitdem stattfindenden Prozesses eines embranqueamenlo der Gesellschaft kann weder die physische Präsenz noch die kulturelle Bedeutung der Afrikaner im heutigen Brasilien "hinweg-morenisieren". 7 Und nichts wäre so falsch wie der Glaube an die Existenz einer nicht-rassistischen Gesellschaft im Brasilien unserer Tage. Es gibt also viele gute Gründe, gerade die Situation in Brasilien zu untersuchen. Die Geschichte der Sklaverei war immer auch eine Geschichte des Widerstands der Sklaven. Ana Maria Barros dos Santos erinnert in ihrem Beitrag an den Quilombo von Palmares und die Tradition der Sklavenaufstände in Brasilien. Die verschiedenen Formen der Sklaverei, denen die Afrikanerinnen in Brasilien ausgesetzt waren, untersucht Chirly dos Santos-Stubbe, während Hannes Stubbe die Geschichte der Kindheit der afrikanischen Sklaven beleuchtet. Häufig wird das Schicksal versklavter Frauen und Kinder in Darstellungen an den Rand gerückt, weil sie "statistisch" nur eine Nebenrolle spielen - hier wird dieses Bild nachhaltig korrigiert. Der politischen Auseinandersetzung um "Sklavenfrage und Staatsfrage im Brasilien des 19. Jahrhunderts" geht im folgenden Beitrag Jens Hentschke nach - eine Auseinandersetzung, an deren Ende die ehemaligen Sklavenhalter auch in der Republik wieder das Steuer in der Hand hielten.
Vorwort
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Die weiteren Aufsätze reflektieren den Umgang der Wissenschaft mit der Thematik von Sklaverei und Rassismus. Vamireh Chacón weist nachdrücklich auf den Einfluß von Franz Boas auf Gilberto Freyre hin, Detlev Schelsky geht den Diskussionen um die questäo racial in Brasilien nach, und Yvonne Maggie analysiert die Funktion der Hautfarben in und für die heutige brasilianische Gesellschaft, und zwar anhand ihres eigenen wissenschaftlichen Werdeganges wie der Diskussionen des Jahres 1988 in Brasilien. Gerade dieser Aufsatz bringt mit seinen für ein deutsches Publikum sicher ungewohnten Denkansätzen wohl einige altgewohnte Vorstellungen in Bewegung. Der abschließende Beitrag von Maria Rodriguez-Shadow und Robert D. Skadow über die Behandlung der aztekischen Sklaverei in der anthropologischen Literatur von Carlos Bosch und S. Chávez Hayhoe bis zu Yolotl González erinnert zum einen daran, daß die Institution der Sklaverei nicht an die europäische Kolonialgeschichte gebunden war. 8 Zum anderen wird die Zeitbezogenheit jeder historiographischen Arbeit hier überdeutlich - ein Fa(k)tum, dem selbstverständlich auch die hier vorgestellten Beiträge unterliegen. Ziel dieses Bandes konnte nicht das Präsentieren finaler "Wahrheiten" oder einer aktuellen Gesamtschau des Themas "Sklaverei" sein, vielmehr sollten punktuell Informationen vermittelt, Fragen gestellt und Überzeugungen relativiert werden. Wenn einige vermeintliche Selbstverständlichkeiten nach der Lektüre nicht mehr ganz so selbstverständlich wirken sollten, wäre dieses Ziel erreicht Zu den erfreulichen Pflichten zum Abschluß der "Sammeltätigkeit" als Herausgeber gehört es, den Beteiligten Dank zu sagen. Da diese Publikation nur außerhalb der "hauptamtlichen" universitären Strukturen erstellt werden konnte, war ihr Entstehen in hohem Maß auf den Goodwill aller Beteiligten angewiesen. Umso mehr und umso herzlicher ist den Autorinnen und Autoren zu danken, die ihre Beiträge und Thesen hier zur Diskussion stellen. Dank zu sagen ist aber auch all denen, deren Mitarbeit auf der "technischen" Ebene diese Publikation erst möglich machte. Ganz besonders danke ich hier Frau Margit Boscher für die Gestaltung der Druckvorlage, Prof. Dr. Rolf Walter für seine Hilfe bei der posthumen Veröffentlichung des Aufsatzes von H. Kellenbenz, Dr. Detlev Schelsky für konstruktive Kritik wie elektronische Konvertierungshilfe und Herrn R. Rössler für das Zeichnen der Karten. Der "institutionelle" Dank gilt der Universität Erlangen-Nürnberg für die Gewährung einer großzügigen Druckkostenbeihilfe und den Herausgebern der Lateinamerika-Studien für die stets bereitwillige Förderung des Projektes.
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Vorwort
Schließlich sei an dieser Stelle des verstorbenen Hermann Kellenbenz gedacht, dessen hier nun veröffentlichter Vortrag vor Jahren den Anstoß für die Konzipierung des Bandes gab. Professor Kellenbenz hat die Sektion Lateinamerika des Zentralinstituts (06) an der Universität Erlangen-Nürnberg wie die Lateinamerika-Studien mitbegründet und stets nachhaltig gefördert. Ihm bleiben der Herausgeber wie alle hier als Autoren und Mitarbeiter Beteiligten dankbar verpflichtet. Erlangen, im August 1993 Rüdiger Zoller
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Eine Diskussion der von Philip Curlin (1969) bis zu Barbara L. Solow (1991) und anderen vorgelegten Zahlenangaben kann hier nicht erfolgen - die Größenordnung als solche ist in der wissenschaftlichen Literatur aber unstrittig. Hans-Jürgen Puhle, Vorbemerkung, in: Themenheft "Sklaverei in der modernen Geschichte". In: Geschichte und Gesellschaft 16(1990)2, S. 137. Vgl. auch die dortigen Literaturangaben. Zuletzt u.a.: Jürgen Hell, Sklavenmanufaktur und Sklavenemanziptation in Brasilien (1500-1888). Berlin 1986; Matthias Röhrig Assun9äo, Pflanzer, Sklaven und Kleinbauern in der brasilianischen Provinz Maranhäo, 1800-1850. Frankfurt/M. 1993. Wolfgang Binder (Ed.), Slavery in the Americas. Würzburg 1993 (=Studien zur Neuen Welt, 4). Peter J. Parish, Slavery. History and Historians. New York 1989, S. 5. Vgl. hierzu Herbert Klein, Tráfico de Escravos, in: Estatísticas Históricas do Brasil. Séries Económicas, Demográficas e Sociais de 1550 a 1988. 2a ed. Rio de Janeiro (IBGE) 1990. "Statistisch" sank der "schwarze" Bevölkerungsanteil (cor preta) in Brasilien von 14,64% im Jahr 1940 auf 5,92% 1980. Vgl. Anuário Estatístico do Brasil, vol. 45. Rio de Janeiro 1984, S. 149. Die Realität der Sklaverei verschwand auch keineswegs mit der Abolition. Vgl. hierzu den Art. "Slavery" in Newsweek vom 4. Mai 1992, S. 8-15. Auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat noch im März 1993 einen Bericht vorgelegt, der von 20 Mio. Menschen, davon 7,5 Mio. Kindern spricht, die weltweit als kostenlose Arbeitskräfte - de facto als Sklaven - mißbraucht würden.
"Seefahrt und Handel sind die fürnembsten Säulen eines Estats" Brandenburg-Preußen und der transatlantische Sklavenhandel im 17. und 18. Jahrhundert Nils Brübach, Bamberg
Der transatlantische Sklavenhandel war eine der größten, erzwungenen Migrationen der Geschichte. Vom sechzehnten bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein wurden zwischen zehn und fünfzehn Millionen Schwarzafrikaner über den Atlantik nach Nord-, Mittel- und Südamerika gebracht. Besonderes Kennzeichen und Unterschied zu anderen Wanderungsbewegungen war der ökonomische Aspekt dieses erzwungenen "Exportes" von Menschen schwarzer Hautfarbe. Grund des Handels mit Menschen war der enorme Bedarf an Arbeitskräften in den Zuckerplantagen der Karibik und Südamerikas, den Tabak- und Baumwollplantagen auf der nördlichen Hälfte des Kontinentes, den Gold- und Silberminen Iberoamerikas. Zugrunde lag das handelspolitische Interesse in Sevilla, Lissabon, Amsterdam, Paris und London, aus Amerika den größtmöglichen Gewinn zum Nutzen des jeweiligen europäischen Landes zu ziehen. Europa, Afrika und Amerika wurden in einen Handelskreislauf eingebunden, der der Alten Welt den Nutzen aus der Neuen sichern sollte. Die Besiedelung und politische Durchdringung Afrikas standen dabei noch nicht im Mittelpunkt; die Bevölkerung des "schwarzen Kontinents" war nur als Abnehmer von europäischen Fertigwaren und als Lieferant derjenigen Arbeitskräfte von Interesse, die es den Europäern gestatteten, aus ihren Kolonien in der "neuen Welt" den größtmöglichen ökonomischen Nutzen zu ziehen. Der Sklavenhandel und die Sklaverei in Amerika wiesen dabei eine neue Qualität im Vergleich zur antiken und zur traditionellen afrikanischen Sklaverei auf. Bisher war der Status des Sklaven kein Parameter der Hautfarbe und er wurde nicht zu einem dinglichen Stück Inventar herabgewürdigt. Anders jedoch in Amerika, vor allem in Westindien, wo ein soziales Gefüge entstand, bei dem eine Minorität weißer Plantagenbesitzer einer Majorität schwarzer Sklaven gegenüberstand. Von Anfang an unterschied sich
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Nils Brübach
die Sklaverei in Westindien von der in den Festlandskolonien Nordamerikas. Das Verhältnis zwischen schwarzen und weißen Bewohnern war unausgewogener, die Schwarzen wurden von Beginn an als Sklaven eingeführt, um die Zukkerproduktion so schnell und so billig wie möglich zu maximieren. Die weißen Kolonisten entwickelten rechtliche und soziale Mechanismen, die dieses garantierten. Der ökonomische Nutzen aus der Arbeit schwarzer Sklaven in den Zuckerplantagen Westindiens schuf den Bedarf, gedeckt wurde er durch den erzwungenen Transport der Afrikaner aus ihrer Heimat über den Atlantik nach Westen. Der Sklavenhandel hatte ökonomische, demographische und soziale Folgen in Europa, Afrika und Amerika. In Europa entstanden Erzeugungsgebiete für Waren, mit denen sich in Afrika Sklaven kaufen ließen, in Afrika halfen die Bewohner der Küstenregionen durch die Verschleppung ihrer Landsleute aus dem Inneren des Kontinentes, den Bedarf der Europäer zu decken. In Amerika waren Afrikaner und Europäer in der Plantagenwirtschaft in ein für beide neues soziales und wirtschaftliches System eingebunden, welches die Güter erzeugte, nach denen in Europa und Asien eine wachsende Nachfrage herrschte. Der Sklavenhandel, die Plantagenwirtschaft und die hier erzeugten Güter hatten eine gewisse Bedeutung für die Entstehung einer Weltwirtschaft. 1 Im Jahre 1682 begann auch das Kurfürstentum Brandenburg-Preußen, sich am Sklavenhandel zu beteiligen. Vorbedingungen, Durchführung, Auswirkungen und der Umfang sollen in den folgenden Abschnitten dokumentiert werden. 2 Das nordostdeutsche Kurfürstentum war der letzte europäische Staat, der sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts im Überseehandel mit Westafrika und Westindien engagierte. Im Laufe dieser Unternehmungen baute es als einziges deutsches Territorium unter der Leitung des Großen Kurfürsten und des Niederländers Benjamin Raule eine für den außereuropäischen Handel taugliche Flotte aus bewaffneten Handelsschiffen auf und erwarb an der Goldküste in Westafrika Stützpunkte und an der dänischen Antilleninsel St. Thomas erhebliche Nutzungsrechte. 1
2
Vgl. Wolfram Fischer, Marvin Mclnnis, Jürgen Schneider (Eds.), The Emergence of a World Economy 1500-1914, Part I: 1500-1800; Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd.33,1, Wiesbaden 1986; Herman van der Wee et al., Debates and Controversies in Economic History, Leuven 1990; Hans Pohl (Ed.), The European Discovery of the World and its Economic Effects on Pre-Industrial Society, 1500-1800. Beiheft 87 zur VSWG. Stuttgart 1990. Grundlage der vorliegenden Studie: Nils Brübach, Brandenburg-Preußen im transatlantischen Sklavenhandel, Magisterarbeit, Universität Erlangen-Nürnberg, 1988.
Seefahrt und Handel
I.
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Ein schwieriger Beginn
Schon die ersten, der Gründung der afrikanischen Stützpunkte dienenden Fahrten brandenburgischer Schiffe waren mit einer Beteiligung am Sklavenhandel verbunden. Die zu erwartenden Gewinne sollten der Finanzierung der ursprünglichen Ausrüslungskosten und als Anreiz zu neuen Fahrten dienen. Die Initiative zur Teilnahme am Dreieckshandel ging vom kurfürstlichen "Oberdirektor in Seesachen", Benjamin Raule aus. Bereits in den Jahren 1676 und 1679 hatte dieser dem Kurfürsten Pläne zur Gründung einer Handelskompanie für Afrika und Amerika vorgelegt, die jedoch wegen des Krieges mit Frankreich abgelehnt worden waren. Erst am 30. Juni 1680 stimmte der Kurfürst dem Anliegen Raules zu: "Daß auf Anderer Kosten die Schiffahrt auf Guinee und ander Orten unter Unser Commis und Pavillon angefangen werde, lassen wir uns gefallen."3 Noch scheute Kurfürst Friedrich Wilhelm die Kosten und das finanzielle Risiko. Benjamin Raule rüstete daraufhin auf eigene Kosten zwei Fregatten, die "Wappen von Brandenburg" und die "Morian" unter den Kapitänen Joris Bartelsen und Philipp Pietersen Blonck zur Fahrt an die westafrikanische Küste aus. Der Kurfürst beteiligte sich nur durch die Abkommandierung von zwanzig Musketieren als militärische Besatzung der Schiffe und ließ die Instruktionen an die Kapitäne in seinem Namen ausstellen, trat also nach außen als Auftraggeber auf, um die beiden Schiffe vor dem Vorwurf, "Interlooper" zu sein und einem Zugriff fremder Handelskompanien zu schützen. Diese Gefahr drohte besonders von Seiten der Niederländer. Raule kündigte die Fahrt der beiden Fregatten vorsichtshalber dem Direktorium der niederländischen Westindienkompanie (WIC) an und bat um Duldung und Unterstützung, doch die WIC verwies darauf, daß ihr von den Generalstaaten das ausschließliche Privileg zum Handel mit Afrika und Westindien erteilt worden sei. Die WIC befürchtete, daß ihr Handelsmonopol von in fremden Diensten stehenden Landsleuten beeinträchtigt werden könn-
3
Richard Schuck, Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern, Leipzig 1889. Band 1 enthält den Textteil, Band 2 eine ausführliche Sammlung von über dreihundert Dokumenten zur Geschichte des kurfürstlichen Überseehandels. Hier: Bd.1, S.137 ff. und S.142.
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te, und setzte sich mit allen Mitteln zur Wehr. 4 Dessen ungeachtet liefen die "Wappen von Brandenburg" und die "Morian" am 17. September 1680 von Pillau aus an die afrikanische Westküste aus. In den Seepässen wurde der jeweilige Kapitän angewiesen "... sobald er segelfertig, sich nach der Küste von Guinea und Angola (zu) begeben, um daselbst Gold, Zähne, Getreide, Sklaven ... zu handeln."5 Die Sklaven sollten "..in Cadix, Lisbon, Canarie oder unter der Hand in einige Insuln, woselbst er wird zugelassen sein, mit Willen und Vorbewußt des kommandierenden Gouverneurs..." verkauft werden.6 Dazu sollten noch ein halbes Dutzend Afrikaner für die kurfürstliche Armee mit nach Europa gebracht werden. Weder der "Wappen von Brandenburg" noch der "Morian" gelang es jedoch, sich in größerem Maße am Sklavenhandel zu beteiligen. Die "Wappen von Brandenburg" wurde im Januar 1681 von zwei Wachtschiffen der WIC aufgebracht und von den holländischen Behörden in Elmina (im heutigen Ghana) beschlagnahmt. Die Besatzung wurde inhaftiert oder auf Schiffe der WIC verteilt. Der niederländische "Generaldirecteur über die Nord- und Südküsten Africas" begründete die Gewaltanwendung mit der angeblich niederländischen Herkunft des Kapitäns und der Ausrüster des Schiffes. Kapitän Joris Baitelsen wurde dazu noch beschuldigt, in den von der WIC beanspruchten Gebieten Handel getrieben zu haben. Die niederländischen Beamten in Elmina handelten mit großer Wahrscheinlichkeit nach einer Weisung aus Europa, denn aus dem Seepaß und der Segelorder war nur der Kurfürst als Auftraggeber zu erkennen. Weiterhin wurde von den Niederländern jedes Küstengebiet, "...wo nicht anderer Nation Fortressen und Stützpunct gelegen...", als Handelsgebiet beansprucht 7 Die Absicht der Niederländer war klar: Nachdem ihre politische Intervention vom Herbst 1680 nicht verhindern konnte, daß Kurbrandenburg erste Versuche einer Beteiligung am Überseehandel unternahm, sollte nun Gewaltanwendung von weiteren Aktivitäten abschrecken.8
4
Der Notenwechsel mit den Standpunkten beider Seiten ist ausfuhrlich dargestellt, in: Brübach, Brandenburg-Preußen im transatlantischen Sklavenhandel, S.76 ff und S.61 ff..
5
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O., Nr.46 und 47, S.95 ff.
6
Ebenda, S. 96 ff.
7
Schück, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.151 f.
8
Daß die Niederländer dabei insbesondere auch Benjamin Raule bekämpften, zeigt ein Brief des kurfürstlichen Marinerates Jan Pedy aus Amsterdam: "Die Haupt-
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Die "Morían", das zweite Schiff der Brandenburger, erreichte jedoch im August 1681 Pillau mit einer Ladung Goldstaub, Elfenbein und den vom Kurfürsten bestellten sechs Afrikanern. 9 Die Ladung des Schiffes wurde mit Gewinn verkauft, aus dem Gold prägte man die sog. "Guinea-Dukaten". Auf die Nachricht von der Kaperung der "Wappen von Brandenburg" durch die Niederländer reagierte der Kurfürst mit Protesten in Amsterdam und Den Haag. Die WIC ließ sich auf Verhandlungen um die Rückgabe des Schiffes ein; erst 1686 wurde die "Wappen von Brandenburg" zurückgegeben und die Niederländer zahlten eine Entschädigungssumme von 60.000 Gulden. 10 Die WIC nahm das brandenburgische Auftreten an der Goldküste sehr emsL Obwohl die "Morían" nur in sehr geringem Umfang Küstenhandel betrieben halte, sah sie bereits ihr proklamiertes Monopol in Gefahr. 11 Mit ähnlichen Argumenten, wie sie die Spanier gegen sie selbst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu Felde geführt hatten, versuchte die WIC Konkurrenz bereits im Keim zu ersticken. Aber gerade die Proklamationen, Intrigen und Unterdrückungsversuche waren es, die dem Unternehmen der Brandenburger einen so großen Stellenwert gaben, der weit über seine handelspoltische Bedeutung hinausging. Der Kurfürst setzte sich zur Wehr, er nahm für Raúles Initiative und zukünftige Überseehandelsfahrten die gleichen Freiheiten in Anspruch, wie die Niederländer während ihrer eigenen Expansion an der afrikanischen Küste und
sache ist wohl aber, daß Ew.Kf.Dl. mit dem Herrn Raule versehen sind, von dem sie (die Niederländer) wissen, daß er ein Mann ist, wie man (...) hier nicht viele findet, denn er ist einer ihrer ersten Regenten gewesen, der in allen Versammlungen gedient hat, vorzüglich ihre Stärke und Schwäche kennt und all' ihre Regierungsmaximen versteht. (...) Ich bin auch der Meinung, daß man, wenn sich irgend ein Mittel finden ließe, Raule insgeheim den Hals zu brechen oder ihn bei Ew.Kf.Dl. in Ungnade zu bringen, hierzu viele Tausender verwenden wtlrde.(...)". Schuck, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O., Nr.59. 9 10
11
Stadtarchiv Emden, Reg.l, Rep.2, Nr.225; Schück, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.149. Stadtarchiv Emden, a.a.O., Fo.37 ff. Hier findet sich ein Protokoll der Verhandlungen, aus dem hervorgeht, daß die Niederländer die Entschädigungssumme wirklich zahlten. Schück vermutet dies nur, vgl. Schtlck, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.201. Die "Morian" hatte zudem einen Schutz- und Handelsvertrag mit den Stämmen des "Kaps der drei Spitzen" abgeschlossen.
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in Amerika.12 Kurfürst Friedrich Wilhelm erkannte aber auch, daß der Handel mit Afrika einer politischen Basis bedurfte, wenn er geordnet und gewinnbringend abgewickelt werden sollte. Die zweite kurbrandenburgische Fahrt an die westafrikanische Küste war daher nicht mehr nur ein Privatunteniehmen Benjamin Raules mit kurfürstlicher Duldung, sondern der Beginn des Überseehandels durch den Kurfürsten selbst und mithin ein politischer Akt.
II. Stützpunkte in Afrika und Westindien 1. Afrika Benjamin Raule erkannte klar, daß ohne Stützpunkte in Afrika und Westindien die Beteiligung am Sklavenhandel für Kurbrandenburg ohne Aussicht auf Gewinnchancen bleiben mußte. Im Frühjahr und Sommer 1682 wurden die Fregatten "Kurprinz von Brandenburg" und erneut die "Morian" zur Reise nach Westafrika ausgerüstet. Beide Schiffe nahmen eine umfangreiche Ladung an Bord, die zur Durchführung von drei Aufträgen dienen sollte: Erstens war nach einer erneuten Kontaktaufnahme mit den afrikanischen "caboceers" am Kap der drei Spitzen alles Notwendige zur Gründung eines befestigten Handelspostens, Material zur Errichtung von Gebäuden, Werkzeuge, Handwerker und Waffen an Bord. 13 Zweitens trugen die Schiffe Waren, um Küstenhandel zu treiben. Die "Kurprinz von Brandenburg" hatte drittens eine Ladung an Bord, mit der Sklaven eingehandelt werden sollten.14 Zum Unterhalt der Sklaven an Bord waren ein großer Kupferkessel zur Nahrungsvorbereitung, eine Trommel, 50 Pfund Tabak und 200 Fußeisen vorgesehen.15 In den Segelordres der zwei Schiffe war 12
Die vom Rotterdamer Ratspensionär Hugo Grolius in seinem 1609 erschienenen Werk "Mare Liberum" vertretenen Thesen dienten den Brandenburgern als schlagkräftige Argumente.
13
Die "Morian" hatte im Jahr zuvor einen Schutzvertrag mit den Führern der Küstenstämme, den "caboceers" geschlossen.
14
Die Ladung bestand aus: 2093 Eisenbarren, 841 Pfund Kupferbarren, 3989 Pfund Kupferarmbänder, 3468 Pfund Messingkessel, 6648 Pfund Spiegel in unterschiedlichen Größen, 4747 Pfund Korallen, 1880 Stück Leinen. 1277 Stück Wolltuch, 240 Karabiner, 600 Musketen. Stadtarchiv Emden. Reg.l, Nr.279 a.
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Stadtarchiv Emden, Reg. 1, Nr. 109.
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festgelegt, daß die Schiffe bis zum Kap der drei Spitzen gemeinsam segeln sollten. Während die "Morían" alle ihre in Europa an Bord genommenen Waren im KUstenhandel gegen Gold, Elfenbein und Malagrettapfeffer eintauschte, sollte die "Kurprinz von Brandenburg" dem Kommandanten der Expedition, M a j o r Otto Friedrich von der Gröben, bei der Anlage des ersten Stützpunktes, dem späteren Fort Großfriedrichsburg, helfen. In den kurfürstlichen Befehlen waren sowohl Kapitän Voss von der "Kurprinz von Brandenburg" wie auch Major von der Gröben angewiesen, sich gegen eventuelle Übergriffe der Niederländer auch mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen. 16 Die Schiffe hatten sich aber soweit von den Stützpunkten anderer Nationen entfernt zu halten, daß sie nicht als "Interlooper" verdächtigt werden konnten. Die Niederländer hatten, um den Brandenburgern die Landung zu erschweren, überall an der Küste ihre Fahne gehißt. Zuvor war bereits der Küstenstreifen, an dem im Jahr zuvor die "Morían" gelandet war, ebenso wie eine in seiner Nähe gelegene "Negerei" zerstört worden. 1 7
Major von der Gröben wählte den Platz für den zu gründenden Stütz-
punkt angesichts der holländischen Feindseligkeiten nach strategischen Gesichtspunkten aus. Fort Großfriedrichsburg wurde auf einem Kalksteinplateau errichtet, das von zwei Mündungsarmen eines Flusses und Sumpf umgeben und somit zur Landseite gut zu verteidigen war. Zur See- und zur Landseite erhielt das quadratische, aus Ziegeln errichtete Fort vier Eckglacis sowie Vorwerke mit Kasematten, armiert mit schweren Schiffsgeschützen. In ihrem Schutz entstanden Lagerhäuser, eine Siedlung und vor allem die "Negerei" zur Unterbringung und Versorgung von Sklaven bis zu ihrem Abtransport nach Amerika. 1 8
Am
Neujahrstag 1683 wurde das Gebiet um die neue Feste unter dem Donner der Schiffsgeschütze für Kurbrandenburg in Besitz genommen, die Einwohner des
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Adam Jones, Brandenburg Sources for West African History, Wiesbaden 1985, Nr.3 und Nr.4; Schück, Kolonialpolitik, Bd.l, S. 164 ff; Bd.2, Nr. 64 und Nr.65, S.129 ff.
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Otto Friedrich von der Gröben, Guineische Reisebeschreibung, Marienwerder 1694, Reproduktion nach der Originalausgabe Berlin 1981, S.17 ff.
18
Von der Gröben, Reisebeschreibung, a.a.O., S.27. Von Großfiriedrichsburg gibt es zahlreiche Risse und Beschreibungen, nicht nur in brandenburgischen Quellen: John Barbot, Description dés cotes d'Affrique depuis la Cap Bojador jusque à celui de Lopo Gonzalves, 1688; Jones, Brandenburg Sources, a.a.O., Fig.9; Brandenburg-Preußen auf der Westküste von Afrika, hrsg. v. Großen Generalstab, Berlin 1885, Skizze 2; von der Gröben, Reisebeschreibung, a.a.O., S.32.
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Küstenstreifens stellten sich unter den Schutz des Kurfürsten. 19 Kapitän Pietersen Blonck wurde zum ersten Kommandanten der Festung ernannt. Zusammen mit einem Ingenieur und dreißig Soldaten übernahm er den weiteren Aufbau des Stützpunktes. Die Ankunft der Brandenburger an der Goldküste ließ einen neuen politischen Faktor hinzukommen. Ein Amtsträger der WIC schrieb dazu 1701: "Die Ankunft der Brandenburger teilte die Einwohner des Axim-Landes 20 , ein Teil unterwarf sich den Neuankömmlingen, aber der andere Teil blieb unter unserer Herrschaft." 21 Die Konkurrenz zweier europäischer Mächte um den Handel an diesem Teil der Goldküste verstärkte die Konflikte der Afrikaner untereinander. Die Holländer versuchten, die Brandenburger durch Überfälle unter ihrem Schutz stehender Afrikaner zu vertreiben. So berichtet Major von der Gröben, daß die Brandenburger während des Aufbaus von Großfriedrichsburg von "etlichen 1000 Mann" überfallen wurden, die aus Adom kamen, mit Musketen ausgerüstet waren und nur durch den Einsatz von schwerem Geschütz und von 200 armierten Schwarzen zurückgeschlagen werden konnten. 22 In den Jahren 1684 bis 1689 kam es zu einem Kleinkrieg zwischen Brandenburgern und Holländern an der Goldküste, Wachtschiffe der WIC hielten mehrfach brandenburgische Schiffe an, die Brandenburger ihrerseits kaperten mindestens fünf holländische Schiffe. Ein niederländischer Sklavenhändler wurde auf der Reede von Großfriedrichsburg von den Kanonen des Forts unter gezielten Beschuß genommen. 23 Die Holländer erreichten ihr Ziel nicht, die Brandenburger konnten ihre Angriffe genauso wie die der mit ihnen verbündeten Afrikaner zurückschlagen, ihren Einfluß an der Küste noch weiter ausbauen und südlich von Großfriedrichsburg in Taccorady und Akwida zwei weitere, durch Forts gesicherte Handelsposten errichten (Dorotheenschanze und Fort Sophie Charlotte). Besonders Taccorady war ein wertvoller Handelsposten, die ihm vorgelagerte Bucht bot
19 20
Die Inbesitznahme mit den Zeremonien, die ihren Eindruck auf die Afrikaner nicht verfehlte, ist beschrieben bei: von der Gröben, Reisebeschreibung, a.a.O., S.26 f. Das Gebiet um das Kap der drei Spitzen wurde vom afrikanischen Königreich Axim beansprucht, gehörte jedoch zum Enkassa-Gebiet. Es war Streitobjekt zwischen den Königreichen von Adom und Axim.
21
Vgl. Jones, Brandenburg Sources, a.a.O., S. 5.
22
von der Gröben, Reisebeschreibung, a.a.O., S.25.
23
Brandenburg-Preußen auf der Westküste von Afrika, a.a.O., S.27 ff.; Stadtarchiv Emden, Reg.l, Nr.51, Nr.279a.
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den sichersten Ankerplatz an der ganzen Küste. Auch wurden hier die für die Einschiffung der Sklavenladungen notwendigen Brandungskanus helgestellt. 24 Durch die Gründung der drei Handelsposten wurde das Monopol der niederländischen WIC an diesem Abschnitt der Goldküste aufgebrochen. Die brandenburgische Präsenz hatte die Auswirkung, daß die Afrikaner den Vorteil kürzerer Wege zu den europäischen Anbietern hatten; sie konnten durch die Konkurrenz zwischen zwei Anbietern Einfluß auf die Zusammensetzung und die Qualität der Warensortimente nehmen. Für die Brandenburger und die Niederländer wurde die Kalkulation für den Verkauf der Produkte in Afrika und damit für den Einkauf von Sklaven unsicherer. Die Preise für Pfeffer, Gold, Elfenbein und Sklaven stiegen zum Ende des 17. Jahrhunderts langsam an. Niederländer und Brandenburger führten einen intensiven Handelskrieg an der Goldküste und ab 1690 auch in Westindien, obwohl beide Staaten in den Kriegen gegen das Frankreich Ludwigs XIV. in Europa Verbündete waren. Es herrschte "no peace beyond the line". 25 Erst als Kurfürst Friedrich III. 1689 und 1696 das Ende der Auseinandersetzungen in Übersee zu einer Vorbedingung in den Augsburger und Haager Verhandlungen gegen Frankreich machte und die Gesandten der Generalstaaten gegen die WIC auf seine Seite brachte, normalisierten sich die Beziehungen. Zu Beginn der neunziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts legten die Brandenburger noch zwei weitere, kleinere Niederlassungen an der Gold- und an der Sklavenküste an. Auf dem "west Point", dem mittleren der Landvorsprünge am Kap der drei Spitzen wurde zum Schutz der Kommunikationslinien von Großfriedrichsburg zur Dorotheenschanze und als Beobachtungsposten für den Schiffsverkehr ein bewaffnetes Blockhaus errichtet. 26 Dem Beispiel der anderen Europäer folgend, erbauten die Brandenburger in Whydah an der Sklavenküste eine "Negerei" zur Sammlung und Überprüfung der menschlichen Frachten, bevor diese an Bord der Sklavenschiffe gebracht wurden. Bereits zwischen 1684 und 1688 hatten die Brandenburger in Whydah einen Posten unterhalten, der jedoch von den Holländern in ihre Gewalt gebracht worden war. 27
24
Jones, Brandenburg Sources, a.a.O., S.79, S.87 ff.
25
Vgl. Richard S. Dunn, Sugar and Slaves, New York, London 1973, S.3 - 46.
26
Jones, Brandenburg Sources, a.a.O., S.4.
27
Jones, Brandenburg Sources, Nr. 68 und Nr. 79.
Nils Briibach
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Neben der "Negerei" in Whydah besaß von den brandenburgischen Stützpunkten an der Goldküste nur Großfriedrichsburg Bedeutung für den Sklavenhandel. Hier wurden nicht nur die zur Kontrolle während der Mittelpassage benötigten "Tumpas" an Bord genommen, sondern den Reiseberichten Pater Labats, John Barbots und Willem Bosmans zufolge transportierten die bnndenburgischen Sklavenschiffe regelmäßig größere Kontingente der begehrten Arbeitskräfte von der Goldküste nach Westindien. 28 Auf den Lohnlisten von Großfriedrichsburg erscheinen regelmäßig Zahlungen an einen "Bomba", einen in der Festung lebenden freien Afrikaner, der als Dolmetscher und einheiirischer Kaufmann beim Einkauf der Sklaven mit verhandelte und dem weiterhin die Aufsicht über die Sklaven im Fort unterstand.29 Anhand der Fahrtroutin der brandenburgischen Schiffe kann angenommen werden, daß rund 15 Prozent der von ihnen nach Amerika transportierten Sklaven vor der Goldküste an B a d genommen worden waren. Auch von Arguin aus, dem letzten brandenburgischen Handelsposten in Afrika, wurden Sklaven in die Neue Welt transportiert. Die Insel Arguin liegt auf der gleichen geographischen Breite wie die Nordkaribik, am nördlichen Rand des Senegalbeckens. Bereits die Franzosen hatten von der Insel aus Sklavenhandel betrieben, bevor sie sie 1680 verließen und die Befestigungen sprengten. Zu Beginn des Jahres 168S trat ein brandenburgischer Kapitän mit den lokalen Herrschern in Kontakt, zwei Jahre später konnten die Brandenburger s:ch die ausschließlichen Handelsrechte sichern. Bis 1720 blieb der Handelsposten unter ihrer Kontrolle. Neben dem Sklavenhandel spielten vor allem der Export von Gummi Arabicum, Ambra, Straußenfedern, Gold und Elfenbein eine Rolle. 30
28
Donnan, Documents Dlustrative of the History of the Slave Trade to Anurica, 4 Bände. Washington D.C. 1930 -1935, Vol.1, S.282 ff, S.438 ff.
29
Jones, Brandenburg Sources, a.a.O., Nr.28-30, Nr.55.
30
Schlick, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.343 ff.
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Kartenskizze 1: Brandenburgische Stützpunkte an der afrikanischen Westküste um 1690
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2. Westindien "About twentieth December last, anived here four small frigates, between sixteen and thirty gun, under the command of four Flushingers, Captain Cornelis Reers Admiral, belonging to the Duke of Brandenburg, having letters of reprisal against the Spaniards..." 31 So beschrieb Sir Henry Morgan, früherer Bukanier und nun Vizegouverneur der englischen Zuckerkolonie Jamaika, in einem Bericht an seine Vorgesetzten in London das erste Auftauchen von brandenburgischen Schiffen in Westindien. Die kleine brandenburgische Flotte aus ursprünglich sechs Kriegsschiffen hatte Pillau in Ostpreußen im Juni 1680 mit mehr als 800 Mann Besatzung und 165 Kanonen an Bord verlassen. Ihr Auftrag war kein friedlicher: In Übersee sollten die Schiffe Seekrieg gegen Spanien führen. Bereits im englischen Kanal waren die Schiffe erfolgreich: ein großes spanisches Schiff, beladen mit Brüsseler Spitze, konnte erobert und unter Geleit nach Pillau gebracht werden, wo der Verkauf der Ladung der "Carolus Secundus" über 100.000 Thaler Erlös einbrachte. In Westindien wurden noch drei große und mehrere kleinere Prisen aufgebracht, die in Neuengland oder auf Jamaika verkauft wurden. Im Mai 1681 traf die brandenburgische Flotille wieder in ihrem Heimathafen ein. 32 Die Fahrt erbrachte nach Abzug der Kosten einen Gewinn von 139.000 Thalern 33 , sie erregte jedoch vor allem bei den Ostseeanrainern und den Niederlanden Aufsehen. Der Erfolg der brandenburgischen Aktionen und das Operieren eines größeren Schiffsverbandes außerhalb der Ostsee erregte Argwohn; König Christian V. von Dänemark warnte den Kurfürsten vor dem Bau größerer Kriegsschiffe. Die Niederlande fühlten sich besonders vom Abschluß eines Bündnis- und Subsidienvertrages zwischen Kurbrandenburg und Frankreich bedroht, in dem erstmalig eine andere europäische Macht die außereuropäischen Aktionen der Brandenburger anerkannte und ihre Unterstützung zusagte. 34 Auf die Schwäche der 31
Calendar of State Papers, Colonial Series Volume 11, America and the West Indies 1681-1685, ed.by. Noel W. Sainsbury et.al., London 1898, No.13.
32
H. Peter, Die Anfänge der brandenburgischen Marine 1675-1681, Berlin 1887, S.19 ff.
33 34
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O., Nr. 70a, S.161 f. "Geheime Defensiv-Allianz zwischen dem König Louis XIV. von Frankreich und dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, vom 12./22. Januar 1682",
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Brandenburger wies 1683 der schwedische Gesandte hin: "...der Kurfürst hat keinen Hafen in Amerika, und so war die Flotte gezwungen, umzukehren, ohne ihren Auftrag ausgeführt zu haben..." 35 Er bezog sich dabei auf eine weniger erfolgreiche Fahrt einer kurfürstlichen Flotille in die Karibik im Jahr 1682. Bereits im August 1681 hatte Benjamin Raule darauf hingewiesen, daß dem Kurfürsten ein eigener Stützpunkt in Westindien, der amerikanische "Dreieckspunkt" zur gewinnbringenden und kontinuierlichen Durchführung des Sklavenhandels fehlte. Raule wies in einem Brief an den Kurfürsten auf ein Angebot hin, in dem die zwei größten holländischen Sklavenhändler dem kurfürstlichen Marinerat Jan Pedy einen Transportvertrag für eine brandenburgische Handelskompanie angeboten hatten. Dem Kurfürst müsse es aber gelingen, dem dänischen König die Insel St. Thomas abzukaufen oder dort zumindest "...freien Access und Permission, daß man die Sclaven an die Insul bringen könne..." zu erreichen. 36 Zum ersten Mal wird hier die seit den 1670er Jahren von den Dänen beanspruchte Insel St. Thomas in der Gruppe der Jungfeminseln, südlich von Puerto Rico gelegen, für eine brandenburgische Nutzung in Erwägung gezogen. Die Insel lag in dieser Zeit für den Sklavenhandel besonders günstig. St. Thomas war nicht nur von Dänen besiedelt, sondern vor allem von Holländern und Franzosen. Sie lag nahe an den Gebieten, die den größten Bedarf an Sklaven hatten: Den nördlichen britischen Zuckerkolonien Antigua, St. Christopher, Nevis und Montserrat, sowie navigatorisch günstig zu den großen Antillen. In diesen Gebieten begann in dieser Zeit die Zuckerproduktion gerade zu expandieren. 37 Der von der "Royal African Company" belieferte Hafen war nach wie vor Jamestown auf Barbados, von dort erreichten nur unregelmäßig Sklavenlieferungen die anderen britischen Inseln. Die Pflanzer auf Antigua und St. Kitts, auf Montserrat und St. John achteten daher das Monopol der "Royal African Com-
vgl. Theodor von Mörncr, Kurbrandenburgs Staatsverträge 1601-1700, Berlin 1867, Nr.247 mit Anhang VII, S.715 ff; hier besonders Ait.9. 35 36 37
Zit. nach Waldemar Westergaard, The Danish West Indies under Company Rule 1671-1754, New York 1917, S.73. Schück, Kolonialpolitik Bd.l, a.a.O., S.147 ff. Zur "Zuckerrevolution" auf den britischen Antilleninseln, vgl. Dunn, Sugar and Slaves, a.a.O., S.117 ff und S.224 ff., sowie R.S. Sheridan, Sugar and Slavery, An Economic History of the British West Indies 1623-1775, Barbados 1974 S.148 ff. und S.234 ff.
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pany" kaum, wer immer in der Lage war, ihnen die begehrte "schwarze Handelsware" zu liefern, konnte auf gute Geschäfte hoffen. Bis 1685 waren es vor allem die Niederländer, die von der Unterversorgung der "Leeward-Islands" profitierten. In dieses Geschäft wollten sich die Brandenburger mit der Hilfe niederländischer Privatreeder einschalten. Bevor Benjamin Raule in kurfürstlichem Auftrag 1684 in Kopenhagen die Verhandlungen mit den Dänen aufnahm, halte es 1683/84 mehrere erfolglose Versuche gegeben, Zugang zu den französischen Inseln St. Vincent und St. Croix zu erlangen, 38 da "...die africanische Compagnie ohne einen Sclavenhandel auf America nicht emergieren kann...". 39 Benjamin Raule und der kurfürstliche Gesandte am dänischen Hof, v. Brandt, brachten die Verhandlungen mit dem dänischen Großkanzler Graf Gyldenlöve, den königlichen Räten Bierman und Reventow, Kommerziendirektor Gyldensparre und Admiral Niels Juel als Vertretern der dänischen Westindienkompanie bis zum November 1685 zum Abschluß. Die dänische Westindienkompanie litt zu dieser Zeit unter Finanzmangel und war schlecht organisiert. St. Thomas war zu diesem Zeitpunkt ohne Gouverneur und einen Handel mit der Insel gab es praktisch nicht. Die Dänen versuchten, eine Fusion zwischen ihrer Handelskompanie und der kurfürstlichen BAC zu erreichen, so hätten sie vor allem auch ein Nutzungsrecht an den brandenburgischen Stützpunkten in Westafrika erhalten, wo ihr einziges eigenes Fort zu einer Beute der Engländer geworden war. Der Große Kurfürst lehnte diese dänischen Vorstellungen aber ab, der Ende 1685 von ihm ratifizierte Vertrag mit seinen zwei Zusatzprotokollen vom März und Oktober 1686 diente den brandenburgischen Interessen dann auch sehr viel besser. Der Vertrag sollte dreißig Jahre in Kraft bleiben, gezählt von dem Tag an, an dem das erste brandenburgische Schiff auf der Insel eintreffen würde. Die Souveränität über die Insel lag nach wie vor beim dänischen König. Die Brandenburger erhielten das Recht, eine Niederlassung auf der Insel zu unterhalten, sie konnten ein Areal besetzen, groß genug zur Anlage einer Plantage mit zweihundert Sklaven. In den ersten drei Jahren sollte der Grund abgabenfrei sein, danach waren für je 100 Quadratfuß Land fünf Pfund Tabak, bzw. der entsprechende Geldwert zu erlegen. Weiterhin mußte auf alle ex- und importierten Güter ein Zoll von fünf Prozent des Waren-
38
Schück, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.192; Hans Georg Steltzer, Mit herrlichen Häfen versehen. Brandenburg-Preußische Seefahrt vor 300 Jahren, Berlin, Frankfurt 1981, S.l 12.
39
Schück, Kolonialpolitik, Bd.l, a.a.O., S.193, Fußnote 181.
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25
wertes entrichtet werden, zusätzlich ein Prozent Waagegebühr. Für den Sklavenhandel konnte jedes, mit einem Seepaß versehene Schiff den Hafen von Christiansfort auf der Insel anlaufen, die Brandenburger hatten sich aber dabei an die für die Dänen bindenden Handelsbeschränkungen zu halten. Für überzählige brandenburgische Sklaven hatten die dänischen Pflanzer das Vorkaufsrecht 40 In den Zusatzdeklarationen wurden einige Artikel näher erläutert oder aufgehoben. Die Brandenburger wurden zum einen nicht mehr verpflichtet, eine Plantage anzulegen, zum anderen wurden alle, im Hauptvertrag noch vereinbarten Handelsbeschränkungen aufgehoben.41 Für Kurbrandenburg brachten diese Abmachungen endlich den für den Sklavenhandel notwendigen Stützpunkt in Westindien. Besonders in den Zusatzabmachungen zum Vertrag setzten Raule und seine Berater durch, daß der Handel von und nach St. Thomas ohne Beschränkungen durchgeführt werden konnte. Für die Brandenburger galten die dänischen Handelsverbote mit England, Spanien und den Franzosen nicht. Gegenüber ihren Konkurrenten hatten sie somit einen klaren Vorteil. Raule war daran interessiert, einen Handelsstützpunkt zu errichten und sich nicht am Aufbau einer dänischen Plantagenkolonie zu beteiligen. Der Anbau von tropischen Produkten sollte nur solange betrieben werden, als er dem Hauptzweck - dem Sklavenhandel - dienlich war. Die Strategie der Brandenburger ähnelte der niederländischen in den 1650er Jahren 42 - Gewinne sollten aus dem Überseehandel erzielt werden, nicht durch Siedlungen und den Anbau von tropischen Produkten. Dänen und Brandenburger gingen somit von einem völlig unterschiedlichen Wertverständnis der westindischen Besitzungen aus und interpretierten die Bedeutung des Dreieckshandels anders. Die Dänen wollten ihn in einem abgeschlossenen System betreiben, Warenerzeugung und Warenverkehr sollten immer in dänischer Hand sein und unter Kontrolle der privilegierten Handelskompanie vor sich gehen. Gewinne waren gerade durch Ausschluß jeglicher Konkurrenz in einem abgeschlossenen Erzeuger- und Absatzmarkt zu erwirtschaften. Raule und den Brandenburgern ging es darum, allein aus einem an Angebot und Nachfrage orientierten Handel Gewinne zu erwirtschaften. Die Herkunft der Waren hatte geringe Bedeutung, wenn sie nur günstig einzuhandeln und gewinnbringend zu
40
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O. Nr.103, S.257 ff.
41
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, Nr. 109 und 116, S.278 ff, S.293 ff.
42
Dazu neuerdings: Johannes Postma, The Dutch Slave-Trade, Cambridge 1990.
26
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verkaufen waren. Ein solcher Handel mußte ohne Einschränkungen und ohne die Güter verteuernde Abgaben durchführbar sein. 43 Deswegen legte Raule in den Zusatzdeklarationen besonderen Wert auf die Beseitigung der im ursprünglichen Vertrag bestehenden Handelsbeschränkungen. Sofort nach dem Abschluß des Brandenburgisch-Dänischen Vertrags nahmen die Brandenburger den Handelsverkehr mit St. Thomas auf. Im August 1686 verließen die Fleute "Derfflinger" und die Schnau "Falke" als Teil eines insgesamt acht Schiffe umfassenden Verbandes den Hafen von Emden. Sechs Schiffe hatten Seepässe, die als ihr Fahrtziel St. Thomas auswiesen. Diese sollten auf der Dreiecksroute segeln. 44 Für zwei der Schiffe war unter Vermittlung Pedro van Belies in Rotterdam ein Liefervertrag über 400 bis 450 Sklaven nach St. Thomas abgeschlossen worden,"... da dann von den Hispaniern ... für baare Bezahlung wieder abgeholet werden." 45 Die "Derfflinger" und die "Falke" brachten den ersten brandenburgischen Kommerziendirektor für St. Thomas, Jean La Porte, und das zum Aufbau des Handelsstützpunktes notwendige Baumaterial zur Insel. Die Ausrüstungsliste der beiden Schiffe gibt Hinweise darauf, wie die neue Niederlassung geplant war und wer zu den ersten Bediensteten gehörte. 46 Die Schiffe hatten alle Materialien "...die zum Aufbau von Behausungen, Logen und Gärten..." notwendig waren, dazu Proviant und 30.000 Steine, die zum Bau eines steinernen Warenhauses verwendet wurden. Zur Einrichtung einer "Loge oder Negerei" zur Unterbringung der Sklaven nach ihrer Ankunft aus Afrika und vor dem Weiterverkauf waren eine Kücheneinrichtung, Bauholz, landwirtschaftliche Werkzeuge, Fußeisen und eine Schmiedewerkstatt mitgebracht worden. Unter den Bediensteten war neben Jean La Porte auch der als sein Stellvertreter und Buchhalter angestellte Amsterdamer Henrik Schölten. Beide hatten auch die Fracht der Schiffe und die Ausrüstung zusammengestellt. Zur Bewirtschaftung der Gärten und Anlage einer Plantage waren von Raule siebzehn französische Pflanzer angeworben worden. Als Pflanzer im Dienste der BAC (Bran-
43 44
Vgl. Stadtarchiv Emden, Acta I, Nr.279, fo. 101-103. Hermann Kellenbenz, Die Brandenburger auf St. Thomas, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas, Bd.2, Köln, Graz 1965, S.198.
45
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O., Nr.l 18, S.303.
46
Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, a.a.O., Nr.l 13, S.286 ff.
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27
denburgisch-Africanische Compagnie) ist in der Kostenabrechnung für die Fahrt für sie "Handgeld und Meisterlohn" enthalten. Wahrscheinlich waren es Hugenotten, die ihr Heimatland verlassen hatten. Im Jahre 1707 beschrieb Pater I^abat das brandenburgische Quartier auf der Insel als Siedlung, in der "...Hugenotten von den französischen Inseln und aus Europa leben". 47 Als weiterer Bediensteter auf St. Thomas ist der Kaufmann Jan van Campen nachweisbar, der angestellt wurde, um "...lang des Spaanse West-Indiens te handelen...". 48 Ganz besonders wichtig war ein holländischer Arzt mit seiner Medikamentenkiste, denn sowohl während des Transportes wie auch nach der Ankunft auf St. Thomas mußten die Sklaven vor dem Verkauf medizinisch versorgt werden. Je besser ihr Zustand war, desto günstigere Verkaufsergebnisse waren zu erwarten. 49 Die "Derfflinger" und die "Falke" erreichten nach viermonatiger Fahrt zum Jahresende 1686 St. Thomas. Beide Schiffe blieben etwa sechs Wochen vor der Insel, bevor sie nach Europa zurückkehrten. Die Frachtliste der "Falke" ist erhalten: Mit 220 Tonnen Holz, 32 Tonnen Zucker, 3 Tonnen Baumwolle, je einer Tonne Kakao, Tabak, Gewürzen, Schildpatt und Farbstoffen an Bord kehrte das Schiff nach Emden zurück. 50 Diese Fracht war durch den Verkauf einer Sklavenladung der "Wappen von Brandenburg" eingehandelt worden. 51
47 48 49
50
51
Jean-Baptiste Labat, Reisen nach Westindien, Nürnberg 1781 ff., Bd.6, S.285. Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, Nr. 113. S.288. Die Ausrüstungskosten beliefen sich auf 19.963 Thaler, 17 Groschen. Sie wurden aus dem Marineetat, sowie dem Verkauf von Kompanieaktien und aus einer Sklavenladung bezahlt. Vgl. Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, S.290. Stadtarchiv Emden, Reg.l, Nr. XIII.l, fo. 2 und 3. Hier findet sich die Frachtliste des Schiffes, sowie eine Abrechnung über den Verkauf der Waren: Der Verkauf des Zuckers brachte 11.797 Thaler ein, die Tabaksladung 2.956 Thaler, der Kakao 3.302 Thaler, Holz, Farbstoffe und Baumwolle 4.496 Thaler. Demnach hatte die Ladung dieses einen Schiffes die AusrUstungskosten beider Schiffe und einen Überschuß von mehr als 3.000 Thaler eingebracht. Die Frachtliste fmdet sich auch bei Hermann Kellenbenz, Die Brandenburger auf St. Thomas, a.a.O., S.198. In den dänischen Quellen taucht das Schiff unter dem Namen "Wapen" auf, vgl. Westergaard, The Danish West Indies, a.a.O., S.79 ff., sowie Appendix J, S.320 f.; aus den brandenburgischen Quellen wird deutlich, daß es sich um die "Wappen von Brandenburg" handelte, die zu dem von Raule Mitte 1686 ausgesandten Schiffsverband gehörte, und daß sie auf der Dreiecksroute via St. Thomas gefahren war. Schück, Kolonialpolitik, Bd.2, Nr. 123, und Nr.127, Stadtarchiv Emden, Regl, Nr.Xin.l, fo.4.
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Kartenskizze 2: Die Jungferninseln Besitzverhaltnisse und brandenburgische Stützpunkte um 1690
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