180 97 140MB
German Pages 532 [544] Year 1942
GRUNDRISS DER
GERMANISCHEN PHILOLOGIE UNTER MITWIRKUNG
ZAHLREICHER FACHGELEHRTER
BEGRÜNDET
VON
HERMANN PAUL WEIL. ORD. PROFESSOR DER DEUTSCHEN PHILOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN
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BERLIN
WALTER DE GRUYTER & CO VORMALS G. J. GÖSCHENSCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDL. — GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP. 1942
ALTNORDISCHE LITERATURGESCHICHTE VON
JAN DE VRIES
BAND I I : ÜBERGANG UND VORBEREITUNG (noo—1150) — AUFSTIEG UND WIEDERBELEBUNG (1150—1200) — DIE ZEIT DER VOLLENDUNG (1200—1250) — DER VERFALL DER ALTEN KUNSTFORMEN (1250—1300) — DAS SPÄTMITTELALTER
BERLIN
WALTER DE GRUYTER & CO VORMALS G. J. GÖSCHENSCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDL. — GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP. 1942
Archiv-Nr. 430542 — Printed in Germany Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35
INHALTSVERZEICHNIS Seite
Abkürzungen Kap. VI: Ubergang und Vorbereitung (§§131—151)
VII . . .
Kap. V I I : Aufstieg und Wiederbelebung (§§ 152—200) . . A. Das nordische Geistesleben in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (§§ 152—156) B. Die Skaldik (§§ 157—166)
1 67 67 81
C. Die Neubelebung der Eddadichtung (§§ 167—185)
118
D. Die Prosaliteratur (§§ 186—200)
165
1. Die norwegische Königssaga (§§ 186—195) . . . 165 2. Die Isländersaga (§§ 196—200) Kap. VIII: Die Zeit der Vollendung (§§201—250)
193 . . . .
209
A. Ausklang der alten Dichtformen (§§ 201—214) . . 209 B. Die Geschichtsschreibung auf Island (§§ 215—226) 242 C. Die Isländersaga (§§ 227—240)
274
D. Die wissenschaftliche Literatur (§§ 241—246) . . . 321 E. Die Übersetzungsliteratur (§§ 247—250)
344
Kap. IX: Der Verfall der alten Kunstformen (§§ 251—295) 357 A. Die Dichtung (§§ 251—254)
357
B. Geschichtliche und halbgeschichtliche Sagas (§§ 255 bis 259)
367
C. Die Isländersaga (§§ 260—275)
378
D. Die Fornaldarsaga (§§ 276—287)
426
E. Die wissenschaftliche Literatur (§§ 288—295) . . . 462 Kap. X : Das Spätmittelalter (§§ 296—300)
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Register
505
ABKÜRZUNGEN AaNO
Aarbeger for Nordisk Oldkyndighed og Historie
AfdA
Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur
ANF
Arkiv för nordisk Filologi
APhS
Acta Philologica Scandinavica
ASB
Altnordische Saga-Bibliothek
DS
Danske Studier
EM
Eddica Minora (herausgeg. von Heusler und Ranisch)
Fgr
Fagrskinna
Fiat
Flateyjarbök
FV
Fornvännen
GRM
Germanisch-Romanische Monatsschrift
Hkr
Heimskringla
IFR
islenzk Fornrit
JEGPh
Journal of English and Germanic Philology
MM
Maal og Minne
MPh
Modern Philology
NN Nph
Neophilologus
NTS
Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap
PBB
Paul und Braunes Beiträge
E. A. Kock, Notationes Norroenae
SGNL
Samfund til udgivelse af gammel nordisk Litteratur
Skj.
F. Jonsson, Skjaldedigtning
SNF
Studier i nordisk Filologi
TNTL
Tijdschrift voor Nederlandsche Taal en Letterkunde
UUÄ
Uppsala Universitets Arsskrift
ZfdA
Zeitschrift für deutsches Altertum
ZfdPh
Zeitschrift für deutsche Philologie
KAPITEL VI
Übergang und Vorbereitung (noo—1150) 131. In der Geschichte der westeuropäischen Kultur bedeutet das Jahr 1100 einen scharfen Einschnitt: das dunkle Mittelalter ist zu Ende, eine Zeit der Wiederbelebung fängt an. Man nennt deshalb das 12. Jahrhundert die zweite Renaissance, indem man als erste die Periode der Karolinger betrachtet, als das Studium und sogar das Nachahmen der Antike die kulturellen Bestrebungen beherrschte, und als dritte die eigentliche Renaissance am Ende des Mittelalters bezeichnet. Wiederbelebung der Antike ist der oft wiederholte Versuch, das geistige Leben zu der fast unerreichbaren Höhe der klassischen Kultur emporzuheben, sich durch ein erneutes Studium ihrer Kunstwerke ihre vorbildlichen Werte deutlich vor Augen zu stellen. Die Kirche hat oft gerade das Umgekehrte gepredigt, weil die Literaturwerke der Griechen und Römer von heidnischem Geist erfüllt sind und der wahre Christ die Werte des Lebens nur in der Bibel und den Werken der Kirchenväter suchen soll. Aber dennoch kehrt der europäische Mensch immer wieder zur antiken Kultur zurück, weil sie ja der Nährboden seiner eigenen christlichen Kultur gewesen ist. Das 12. Jahrhundert hat wieder einmal diesen Weg beschritten. Man fing wieder an, die lateinischen Verfasser zu lesen; man fand Gefallen an der sinnlich berauschenden Dichtung; man studierte die Sprache, die Grammatik und man versuchte selber ein Latein zu schreiben, das den edlen Vorbildern der Vergangenheit nicht unwürdig war. In ihren höchsten Leistungen erreichte dieses Zeitalter ein harmonisches Gleichgewicht zwischen künstlerischem Gestalten und intellektuellen Bestrebungen, das wir in der Person eines John von Salisbury wohl am schönsten ausgeprägt finden. Er war außerordentlich bewandert in den Werken von Cicero, den er als ein Muster seiner eigenen Prosa wählte z
d e V r i e s , Literaturgeschichte. Bd. II
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§131
und er ist davon überzeugt, daß man nicht literarisch gebildet heißen kann ohne die Kenntnis der klassischen Dichter und Geschichtsschreiber, Redner und Philosophen. In diesen Bestrebungen war die Schule von Chartres Mittelpunkt und Vorbild; hier lehrten die beiden bretonischen Brüder Bernard und Thierry, hier auch der berühmte Wilhelm von Conches. Die Begeisterung für die lateinischen Schriftsteller hat ganz natürlich dazu geführt, daß man jetzt auch wieder sich beflissen hat, die Sprache der Kirche und der Wissenschaft nach klassischem Muster zu bilden. Man hat dem Latein dieser Periode nachgerühmt, daß es im großen und ganzen fehlerfrei ist; in dem Reichtum des Vokabulars zeigt sich ein tiefgehendes Studium der antiken Schriftsteller bis zu einer pedantischen Verwendung von seltsamen Glossen oder Konstruktionen; man sieht jedenfalls, daß diese Menschen nicht nur lateinisch schrieben, sondern auch lateinisch dachten. Das zeigt sich audh darin, daß dieses Jahrhundert ein Höhepunkt des lateinischen Kirchengesangs war, vielleicht aber noch stärker in der merkwürdigen Dichtimg der Goliarden, die ihre überschäumende Lebensfreude, die zuweilen zu Sittenverwilderung entarten konnte, in kerngesunden lateinischen Liedchen ausgejubelt haben. Die Carmina Burana zeigen das „himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt" der damals sich an den Universitäten und Klosterschulen herumtummelnden Jugend. Eine Renaissance ist aber nie nur eine Wiederbelebimg der Antike. Wenn ein Volk oder ein Zeitalter sich wieder die klassische Kultur als Norm setzt, so hat sie sich schon innerlich zum Verständnis für die Antike durchgerungen und sie ist so weit gereift, daß die Gedanken zur Höhe der klassischen Dichter und Denker heranreichen. Deshalb zeigt sich in jeder Renaissance auch das Bestreben, das eigene Kulturleben in den arteigenen Formen zu gestalten; immer finden wir neben der oft etwas künstlichen Nachahmung der Antike auch die Äußerungen einer aus der Volksseele selbst gewachsenen Kirnst. In Frankreich, damals das Herzland Westeuropas, entwickeln sich in diesem Jahrhundert die chansons de geste und die Dichtung der Troubadours, jetzt entstehen die ersten Versuche des gothischen Baustils mit den ihm eigentümlichen Ogivbogen und jetzt auch die Glasmalerei. Die geistige Atmosphäre Westeuropas ist im 12. Jahrhundert so reich und lebendige daß hier bildende Kräfte wirksam sind, die
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DIE ZWEITE RENAISSANCE
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weit ausstrahlen können. In dieser Hinsicht war die katholische Kirche als eine alle Völker Europas umfassende Organisation besonders dazu geeignet, die kulturellen Bestrebungen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu den entlegensten Teilen unseres Weltteils zu führen; wo der Boden fruchtbar war, hat die ausgestreute Saat schnell Wurzel gefaßt. Auch Island wurde von diesem Strom berührt, aber in diesem weitabgewandten Ultima Thüle haben diese Impulse nicht in erster Linie eine tiefgehende Beschäftigung mit der klassischen Kultur herbeigeführt, sondern eine Wiederbelebung der im Volke selbst erhaltenen Tradition gezeitigt. 132. Die skandinavischen Fürsten haben sich eifrig bemüht, der Kirche den ihr zukommenden Platz zu geben. Der dänische König E I R I K R SVEINSSON hat selber den Papst in Rom besucht und ist auf einer Reise zum heiligen Land gestorben (s. § 112). Der norwegische König S I G U R D R , ein Sohn von M A G N Ü S B E R K E - I T R , hat nach einer ähnlichen Fahrt seinen Beinamen JÖRSALAFARI bekommen. Dieser Zug, der von mehreren Dichtern besungen und nach einigen Generationen sagenhaft ausgeschmückt wurde, hat nicht weniger als vier Jahren gedauert (1107—1111). Schon in Spanien fing er an die Ungläubigen zu bekämpfen; dort soll er Lissabon von den Sarazenen erobert haben. In Sizilien besuchte er R O G E R , dem er der Überlieferung nach den Königsnamen verliehen haben soll. Dann geht die Fahrt weiter nach Jerusalem, wo er zusammen mit König B A L D W I N die Stadt Sidon belagerte. Auf der Rückreise hat er den griechischen Kaiser A L E X I O S (den die nordischen Quellen K I R J A L A X nennen) und den späteren deutschen Kaiser LOTHAR den Sachsen besucht. Das waren also europäische Verhältnisse, mit denen er in Berührung kam, und er zeigte sich, wenn wir der isländischen Überlieferung Glauben schenken dürfen, den Umständen gewachsen. In der Stadt der Wunder Byzanz wurden auch von ihm Wunder erzählt. Schon seine Ankunft soll ein Ereignis für die verwöhnte Bevölkerung dieser Stadt gewesen sein, als er seine Flotte mit vollen Segeln dem Hafen zusteuern ließ. A L E X I O S soll ihn mit aller gebührenden Ehre empfangen und Spiele im Hippodrom veranstaltet haben. Mit verschwenderischer Pracht hat der norwegische König sich dort hervorgetan; damals beliebte Anekdoten wurden von ihm erzählt und geglaubt*). Das bedeutet nur, wie tief die skandinavische Welt von diesem sich durch prächtigen Aufwand nicht weni-
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§132
ger als durch ruhmreiche Kriegstaten auszeichnenden Zug beeindruckt worden ist. Hier können wir nicht mehr von einem reckenhaften Wikingertum reden, sondern vielmehr von dem mittelalterlichen Rittertum. Auch für die kirchlichen Interessen hat König SIGURD Verständnis gezeigt. Wir haben schon § 114 erzählt, daß er von seiner Reise ein herrlich geschmücktes Plenarium heimgenommen hat. In Jerusalem soll er von König BALDWIN einen Span des heiligen Kreuzes bekommen haben; demgegenüber hat er dem Patriarchen geloben müssen, daß er die Kirche mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln fördern, in seinem Lande einen Erzbischofsstuhl stiften und die Kirchenzehnten einführen sollte1). Um 1120 hat er das letzte Gelübde einlösen können, aber zur Ernennung eines Erzbischofs in Nidaros kam es erst einige Jahre nach seinem Tode (und zwar 1x52). Die Kirche hat natürlich kräftig dazu beigetragen, daß die westeuropäische Kultur auch in Norwegen Eingang gefunden hat, aber dazu haben die damals kräftig emporstrebenden Handelsstädte auch ebenfalls mannigfache Möglichkeit geboten1). Es war fast zur Gewohnheit geworden, daß die Herrschaft über Norwegen zwischen zwei Königen geteilt war. Das war schon der Fall gewesen in den Tagen von MAGNUS und H A R A L D S H A R D R A D I ; bis 1122 hatte auch SIGURDR mit seinem Bruder E Y S T E I N N zusammen regiert, und als er selber 1 1 3 0 gestorben war, mußte sein Sohn MAGNÜS wieder die Herrschaft mit dessen angeblichem Oheim HARALDR G I L L I teilen. Dieser war aus Irland gebürtig, hatte sich auf den Hebriden einem norwegischen lendrmaör zugesellt und diesem erzählt, daß er ein Sohn von MAGNÜS BERFCETTR sei. Als er 1129 nach Norwegen gekommen war, forderte er deshalb einen Teil des Landes, und als ein Gottesurteil seine Ansprüche als rechtmäßig erwiesen hatte, war er dazu berechtigt, die Königskrone zu tragen. Er war der erste einer Reihe von Abenteurern, die aus den westlichen Inseln als Kronprätendenten gekommen sind und in Norwegen Unruhe gestiftet haben. Ein zweiter war sein Zeitgenosse und Mitbewerber SIGURDR S L E M B I D J Ä K N , später kam der bedeutendste von allen: S V E R R I R SIGURDARSON.
Jetzt fängt eine Schreckenszeit für Norwegen an. In dem Kampf um die Macht zwischen den Kronprätendenten ging die königliche Autorität gänzlich verloren, und das war um so gefährlicher, als
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GESCHICHTLICHE EREIGNISSE IN NORWEGEN
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eben in dieser Zeit in allen skandinavischen Reichen der entscheidende Kampf zwischen der königlichen Gewalt und der Macht des Adels ausgetragen wurde; dieser wurde erst 1240 in Norwegen endgültig entschieden, als H A K O N H Ä K O N A R S O N nach dem Tode des Herzogs S K Ü L I die unbestrittene Alleinherrschaft erlangt hatte. Waren die fortwährenden Wirrnisse schon Ursache eines kulturellen Niedergangs in dem zerrütteten Lande, schlimmer noch war es, daß diese Kämpfe mit unsäglicher Rohheit und sittlicher Verwilderung ausgefochten wurden. Mit irischer Grausamkeit hat H A R A L D R G I L L I seinen Neffen M A G N U S behandelt, als er ihn 1135 gefangen genommen hatte: er hat ihm die Augen ausstechen, ein Bein abhauen und schließlich entmannen lassen. Und diesen unglücklichen Krüppel hat im nächsten Jahr der Sohn eines Pfaffen, S I G U R D R S L E M B I D J X K N , wieder aus seinem Kloster hervorholen lassen, um mit ihm sein ränkesüchtiges Spiel zu treiben. In dieser Zeit wird die Herrschaft sogar unter drei Mitregenten verteilt. Während der Jahre 1136—1139 regieren zusammen M A G N Ü S der Blinde und zwei Söhne des 1136 in seinem Bett ermordeten H A R A L D R G I L L I , nämlich I N G I K R Y P L I N G R und S I G U R D R . Aber in der Periode zwischen 1142—1155 müssen die beiden letztgenannten das Reich wieder mit einem aus Schottland gekommenen Abenteurer E Y S T E I N N teilen, der sich für einen Sohn des H A R A L D R G I L L I ausgab. Jedes Jahr tobt in irgendeinem Teil des unglückseligen Landes der Krieg, und die mächtigen Adelsgeschlechter verwenden die echten oder angeblichen Sprossen des königlichen Hauses, um damit ihre eigenen Interessen zu fördern. Bürgerzwisten kennzeichnen sich immer durch eine fast unglaubliche Grausamkeit; wenn einer das Unglück hatte in die Hände seiner Feinde zu fallen, wurde er verstümmelt oder geblendet. In der Schlacht bei Holm inn grä: zwischen M A G N Ü S dem Blinden und H A R A L D R G I L L I S Söhnen wurde SIGURDR S L E M B I DJXKN gefangen genommen und unter den schrecklichsten Martern zu Tode gebracht 4). Eine solche Zeit ist für die Pflege der Kunst nicht günstig. Wenn wir im Verlauf dieses Jahrhunderts die Kultur in Norwegen immer tiefer sinken sehen, bis um 1180 der Norweger T H E O D E R I C U S sich darüber beklagt, daß man die Geschichte seines eigenen Volkes aus dem Munde der Isländer erfahren muß, so dürfen wir diesen Verfall des geistigen Lebens der Auflösung der gesellschaftlichen Verhältnisse während dieser Schreckenszeit zuschreiben.
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§133
') So die Geschichte, daß er das Feuer mit Nüssen schüren ließ, als der Kaiser einmal verboten hatte, ihm Brennholz zu liefern, vgl. Hkr III, 499—5°o. Diese Anekdote wurde auch von Haraldr har8räöi erzählt (Fiat III, 295) und war im Mittelalter sehr beliebt; vgl. meine Bemerkungen ANF 47 (1930) S. 69—72. — 3) Ordericus Vitalis (Hist. Eccles. X S. 767, Ausg. Duchesne) erwähnt unter König Sigurds Regierung sechs norwegische Kaufstädte (nl. Bergen, Kongehelle, Nidaros, Sarpsborg, Oslo und Tünsberg), wohin die Reichtümer der ganzen Welt verschifft wurden. — 4) Vgl. H k r I I I , 279—280. — 4) V g l . H k r I I I , 366—367.
133. Island hatte während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine ruhige Zeit (die fridargld); die Familienfehden hatten allmählich nachgelassen und die Kirche hatte jetzt Gelegenheit, ihren Einfluß auszuüben. In diesen Jahren sind dort Bischöfe tätig gewesen, die sich durch vorbildlichen Lebenswandel und einen hohen Bildungsgrad auszeichneten. Am Anfang des Jahrhunderts war G I Z U R R ISLEIFSSON Bischof; seit 1083 hatte er seinen Sitz in Skalholt, wo er für die kirchliche Organisation mit Erfolg tätig gewesen ist (s. § 113). Als er aber sechzig Jahre alt geworden war, konnte er seine Visitationsreisen in dem ausgedehnten Gebiet seines Bistums nicht mehr machen und so hatten die Bewohner des nördlichen Teiles der Insel nur selten unmittelbare Berührung mit ihrem Kirchenfürsten. Hier regte sich deshalb der Wunsch, einen eigenen Bischofssitz in diesem Landesteil zu bekommen, und dieses Verlangen war um so berechtigter, als der nördliche Distrikt auch der volkreichste der ganzen Insel war. Bischof G I Z U R R war dazu bereit, diese Pläne zu fördern: er bestimmte ein Drittel seiner Einkünfte für das neue Bistum und wählte mit Zustimmimg des Volkes im Nordland den Priester J Ö N QGMUNDARSON zum Bischof. In jener Zeit war die kirchliche Organisation in Skandinavien neu eingerichtet worden. Der dänische König EIR'IKR SVEINSSON hatte während seines Besuchs in Rom 1098 von Papst P A S C H A L I S II. die Bewilligung zur Stiftung eines Erzbistums in Lund bekommen und schon 1104 wurde QZURR SVEINSSON mit dem pallium hekleidet. Dadurch waren die skandinavischen Völker in einer eigenen Kirchenprovinz vereinigt und wurden die Bande mit der deutschen Kirche, die ohnehin nur schwach gewesen waren, durchschnitten. Im Jahre 1106 wurde J6N QGMUNDARSON in Lund geweiht; als er nach Island zurückgekehrt war, ließ er sich in dem neuen Bischofssitz zu Hölar nieder, den der Priester I L L U G I B J A R N -
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KIRCHLICHE VERHÄLTNISSE A U F ISLAND
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dafür geschenkt hatte. J Ó N S erste Arbeit war es, dort eine Kirche zu bauen, die unter seinen Nachfolgern öfters verschönert und vergrößert wurde1). Bis 1121 hat J Ó N QGMUNDARSON mit kräftiger Hand sein Bistum verwaltet; als ein Beispiel seines eifrigen Bemühens für das Christentum erwähnen wir, daß er sogar die alten Namen der Wochentage, in denen die heidnischen Götter noch fortlebten, durch andere mit Ordnungszahlen gebildete Namen ersetzt hat. Auf die Sitten hielt er ein wachsames und strenges Auge; er hat die weichen und unzüchtigen Liedchen, die man nach ausländischer Mode wohl schon damals bei Tanzfesten gesungen hat (s. § 299), unter Androhung kirchlicher Strafen verboten4). Er blieb deshalb in dankbarer Erinnerung beim Volke leben, und als später die kirchliche Politik im Nordviertel einen eigenen Heiligen zu haben wünschte, wurde er dazu erwählt. Die Berechtigung dazu gab der fromme Eifer, mit dem Bischof JÓN die Interessen der Kirche gefördert, aber dadurch auch das geistige Leben Islands erheblich gesteigert hatte. Seine Nachfolger waren K E T I L L Ì>ORSTEINSSON (bis 1145) und B J Q R N G I L S S O N (bis 1162), die beide, wie wir noch sehen werden, die Stiftung der ersten Klöster veranlaßt haben (s. § 154). Im Bischofssitz des Südlandes, Skalholt, blieb G I Z U R R I S L E I F S S O N bis zu seinem Todesjahr 1118. Nach ihm kam !>ORLÄKR R U N Ó L F S S O N , der bis 1133 gelebt hat; die Überlieferung erzählt, daß er sich auf seinem Todesbett die Cura Pastoralis des Papstes GREGOR hat vorlesen lassen, ein Beweis dafür, daß er sich darum bemüht hat, eine Bücherei anzulegen. Sein Nachfolger war M A G N Ü S E I N A R S S O N , der die Kirche von Skalholt ausbessern ließ und im Jahre 1148 durch einen schrecklichen Brand in einem Gehöft zu Hitardair, wo mehr als 70 Menschen das Leben verloren haben, umgekommen ist. Kennzeichnend für diese Periode ist die Sorge für eine gute schulmäßige Ausbildung der Geistlichen. Wir haben § 113 schon die Schule von Haukadalr genannt, wo T E I T R ÌSLEIFSSON fast ein halbes Jahrhundert tätig gewesen ist; unter seinen Schülern waren Männer, wie die Bischöfe I>ORLXKR R O N Ó L F S S O N und B J Q R N G I L S S O N , oder der berühmte A R I INN F R Ò D I . So bald aber in Hólar der neue Bischofssitz gestiftet worden war, sollte auch hier eine Bildungsanstalt damit verbunden werden; das war die Arbeit von Bischof J Ó N QGMUNDARSON, der schon 1107 dort eine Schule einrichtete. Er wird wohl selber einen tätigen Anteil am UnterARSON
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§133
rieht genommen haben; von seinen Mithelfern werden nur ein gewisser Gisu F I N N A S O N , der dort die lateinische Sprache lehrte, und ein anderer, R I K I N N I , der die Singkunst und die Versifikation dozierte, genannt. Beide waren nicht einheimische Isländer; Gisu war aus Gautland gebürtig und R I K I N N I wird in unseren Quellen als Franzose angegeben, war aber, seinem Namen nach zu urteilen, wohl eher deutscher Herkunft, vielleicht also ein Mann aus dem südniederländischen Sprachgebiets). Neben diesen beiden Schulen gab es noch ein Bildungszentrum auf Island: das war Oddi im Südwesten der Insel, wo der weise SASMUNDR als Priester tätig war. Er hatte in seiner Jugend in Frankreich studiert und war 1 0 7 6 zusammen mit J 6 N QGMUNDARSON, der auf seiner Rückreise aus Rom Paris besucht hatte, über Deutschland zurückgekehrt. In Oddi hat S-EMUNDR sich angesiedelt und hier eine dem Heiligen Nikolaus gewidmete Kirche gestiftet. Bis 1133 hat er dort gewohnt und eine reiche schriftstellerische Wirksamkeit, von der wir bald berichten werden (s. § 136), entfaltet. In den folgenden Jahrhunderten bleibt Oddi ein Mittelpunkt, wo besonders die einheimische Tradition Islands mit Liebe gepflegt worden ist (s. § 156). Schließlich hat Bischof J6N auch die Gründung des ersten Klosters auf Island veranlaßt. Die nicht ganz zuverlässige Überlieferung erzählt^, daß er auf dem Frühlingsding in I>ingeyrar, als die Witterung so kalt war, daß die Erde nicht grünen konnte, gelobt haben soll, dort ein Kloster zu stiften, damit das schlechte Wetter nachlassen werde. Es hat aber ziemlich lange gedauert, bis endlich die Weihung des Klosters stattfinden konnte; das geschah erst 1 1 3 3 durch J 6 N S Nachfolger K E T I L L P O R S T E I N S S O N . Der erste Abt war V I L M U N D R i>ÖRÖLFSS0N, der selber in der Schule von Hölar unter J Ö N S Leitung ausgebildet worden war. Auch dieses Kloster wurde im Laufe der Zeit eine Pflegestätte der nationalen Kultur; einige Werke der altnordischen Literatur sind innerhalb ihrer Wände entstanden 5). *) Im Anfang des 12. Jahrhunderts finden wir eine rege Bautätigkeit im Norden; nach der Stiftung des Erzbistums Lund wurde dort die Kryptkirche gebaut, die schon 1 1 2 3 geweiht werden konnte. Als der Orkadenjarl HJCKON PALSSON 1122 von seiner Pilgerfahrt nach dem Heiligen Lande zurückgekehrt war, ließ er nach dem Vorbild der Heiligen Grabkirche in Jerusalem die Kirche von Orphir bauen. — ') Vgl. Biskupasggur I, 237: leikr sd var hserr mgnnum at kveöa skyldi karlmaSr til konu i dans blautlig
§134
WISSENSCHAFTLICHE BESTREBUNGEN
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kvasdi ok regilig, ok kona til karlmanns mansgngsvlsur. — 3) Vgl. N . Beckman, M M 1915 S. 194. Darf man ihm die altfranzösische Psalmenübersetzung zuschreiben, die in der isländischen Handschrift A M 618 4° bewahrt geblieben ist ? vgl. Beckman-Kaalund, Alfraeöi islönzk I I S. X X . — 4) S. BiskupasQgur I, S. 1 7 1 und 244. — 5) Und zwar Biographien norwegischer Könige (s. §§ 190 und 191), die Sverrissaga (s. § 192), vielleicht auch die Heiöarvigasaga (s. § 198).
134. Mit der geistlichen Bildung geht auch die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragen zusammen. Diese ist nicht in erster Linie die Folge einer jetzt plötzlich erweckten Aufgeschlossenheit für Probleme dieser Art, sondern vielmehr eines praktischen Bedürfnisses. Die Einführung der Zehnten machte, wie wir schon gesehen haben (s. § 113), eine Registrierung der Bevölkerung und des Besitzstandes notwendig, die in die Archive der Bistümer eingetragen werden mußten. Die Gewohnheit Annale anzulegen, in denen die wichtigsten Begebenheiten aufgezeichnet wurden, fand auch im Norden bald Eingang (s. § 136); wir dürfen annehmen, daß auf Island sicherlich seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts Annale gehalten wurden. Wenn wir zum Jahre 1104 lesen: Das erste Emporkommen des Feuers im Heklaberge, so ist das selbstverständlich eine Mitteilung, die nur auf Island aufgezeichnet werden konnte. Das gilt fast noch mehr für den weiteren Bericht, daß am Jultag so schreckliches Wetter tobte, daß die Menschen nicht zur Kirche gehen konnten und daß von denen, die es dennoch versuchten, mehrere umgekommen seien1). Das ist ja eine Begebenheit, die außerhalb Islands kaum Interesse geweckt haben wird. Die Sonnenfinsternis vom 30. März 1131, die in den Annalen aufgezeichnet wurde, war nur in den nördlichsten Teilen Islands eine totale und sie war für das unbewaffnete Auge nur bis zu einer Linie Pentlandfjord-Trondheim wahrnehmbar. Es liegt also auf der Hand, daß Island eigentlich das einzige Gebiet ist, wo man dieser Naturerscheinung Aufmerksamkeit genug geschenkt hat, um sie in den Annalen zu verzeichnen1). Für die Bestimmung der kirchlichen Feste war es notwendig, die Tage zu bestimmen, an denen sie abgehalten werden sollten, weil sie ja von Jahr zu Jahr wechselten. Daß man mit solchen komputistischen Berechnungen schon früh angefangen hat, beweist uns eine Notiz in der Islendingabök von A R I ; als er den Tod
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§134
des Bischofs G I Z U R R 1118 mitteilt, fügt er hinzu: „zwei Jahre später war ein aldamöt" 3). Wirklich war das Jahr 1120 ein solches, da zwei Mondkreislaufe von 19 Jahren einander abwechselten. Merkwürdigerweise haben wir in einer isländischen Handschrift (AM 732 a VII) eine Osterntafel (talbyrdingr), die mit dem Jahre 1121 anfängt1») und die deshalb wohl während des ersten Mondkreislaufes 1121—1139, oder vielleicht unmittelbar vorher, ausgerechnet worden ist. Ein schlagendes Beispiel für die Gründlichkeit, mit der diese Komputistik auf Island betrieben wurde, liefert der Priester B J A R N I BERGJ>6RSSON, dessen Zuname enn tglvisi zeigt, wie sehr man ihn darum bewunderte. Er war bei Bischof J6N in der Schule gewesen und zeigt sein Interesse für geschichtliche Dinge dadurch, daß er den Biographen von O L A F T R Y G G V A S O N , den Mönchen O D D R (s. § 190) und GUNNLAUGR (S. § 191) wertvolle Mitteilungen hat geben können. Von ihm wird erzählt, er solle behauptet haben, daß alle Mondmonate eine gleiche Länge haben und zwar 29 Tage 12 Stunden 44 Minuten und 25% Sekunden 5); wenn wir beachten, daß der Unterschied mit dem wirklichen synodischen Monat nur einige Sekunden beträgt, so ist eine solche Genauigkeit sehr bemerkenswert. Aber geradezu auffallend ist es, daß diese Berechnung, die schon PTOLEMÄUS bekannt war, erst durch SACROBOSCO im 13. Jahrhundert im Westen verbreitet wurde; hat B J A R N I auf eine oder andere Weise die 1134 erschienene arabische Übersetzung des A L F E R G A N I kennen gelernt6) ? Man hat diesem B J A R N I deshalb auch die Abhandlung über Komputistik zugeschrieben, die in der Rimbegla als Rlm I überliefert ist 7). Auch hier zeigt er sich wohl bewandert in der mittelalterlichen Literatur über diesen Gegenstand8). Deuten diese Arbeiten auf eine Bekanntschaft mit der gleichzeitigen Literatur im Auslande, so beweisen andere Mitteilungen, daß man auf Island auch selbst Wahrnehmungen machen konnte. Schon am Ende des 10. Jahrhunderts hat ein gewisser P O R S T E I N N S U R T R , Urenkel der berühmten U N N R IN DJTJPIJDGA, die sogenannte sumarauka eingeführt; man hatte also vor der Einführung des Christentums schon eine Zeitrechnung, die auf einem Wochenjahre von 364 Tagen beruhte, und als um 965 die Abweichung von dem wirklichen Sonnenjähr lästig wurde, hat !>ORSTEIN den Fehler dadurch behoben, daß er jedes siebente Jahr eine Schaltwoche einfügte?).
§135
ZEITRECHNUNGSKUNDE
Von ODDI HELGASON, auch STJQRN-ODDI genannt 10 ),
11 werden
Bemerkungen über den Sonnenlauf mitgeteilt; seine Angaben über die Stelle, wo die Sonne in den verschiedenen Jahresabschnitten auf- und untergeht, werden auf eigener Wahrnehmimg beruhen 1 1 ), weil solche Angaben auf dem Kontinente nicht bek a n n t sind. In diesem Zusammenhang erwähnen wir noch den A b t NIKOLÄS BERGSSON, der um 1155 seine Reise nach dem Heiligen L a n d in einem Itinerarium
beschrieben hat (s. § 155). Dort teilt
er eine Berechnung der Polhöhe mit, die er an dem Flusse Jordan ausgeführt haben soll; wiewohl die dabei angewandte Methode äußerst primitiv ist, weicht das Resultat um weniger als ein Grad von der wirklichen Höhe ab 1 3). ') Vgl. Fiat III, 5 1 1 : Eids uppkvöma en fysta i Heklufelli; vgl. BeckmanKaalund, Alfraeöi islenzk II (Kopenhagen 1914—1916) S. C X X V . — ») Vgl. N . Beckman, Xenia Lideniana (Stockholm 1912) S, 16—39 und MM 1919 S . 33. Er ist der Meinung, daß schon seit 1104 zeitgenössische Aufzeichnungen gemacht wurden und daß dieses Urannal mit der Kirche von Skälholt -verknüpft war. Dagegen ist H. Koht, Norsk Hist. Tidskr. V , 6 (1927) S . 31—40 der Ansicht, daß solche Mitteilungen auch in Ostertafeln aufgezeichnet werden konnten und deshalb nicht aus einem alten Annalwerk ^herzustammen brauchen. — 3) Islendingabök c. 10, 15. —4) Vgl. BeckmanKaalund z. a. S. S. X I I — X I V und dort beigefügte Reproduktion der Handschriftseite. — 5) Beckman-Kaalund z. a. S. S. 93. — 6) Vgl. Beckman, S N F 4 (1913) 7 S. 18—23. — 7) Die Handschrift ist von 1187, aber sie ist wohl eine Abschrift eines Originals von etwa 1150. — 8) Beckman-Kaalund 2. a. S. S. X V — X X X V weisen besonders auf die Tabula Gerlandi hin. Beckmans Datierung von Rim I (etwa 1150) wird von I>orkell t>orkelsson "bestritten (vgl. AaNO 1923 S. 158—178). — 9) Vgl. Aris Islendingabök c. 4, Landndmabök S. 42, 165, 240 und Beckman-Kaalund z. a. S. S. I V . — I0 ) Falls er nach B. M. Olsens Vermutung der Vater des Gesetzsprechers Styrk&rrOddsson gewesen ist, hat er in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gelebt; vgl. E>orkelsson z. a. S. S. 176. — " ) Vgl. B. M. Olsen, Um Stj0muOdda og Oddatölu in der Festschrift Kaalund 1914, S. 10—12 und Beckman in S N F 4 (1913) 7 S. I i — 1 8 und MM 1915 S. 199. — «) Vgl. BeckmanKaalund z. a. S. S. 23. — '3) Beckman, Nordisk Tidskrift 1935 S. 46ff. g i b t für den von ihm berechneten Winkel 31° n ' , für den wirklichen 320 an. 135. Eine wissenschaftliche Arbeit, wie sie in dieser Zeit auf Island betrieben wurde, setzt die Fähigkeit voraus, die Gedanken schriftlich festlegen zu können. Die kirchliche Bildimg brachte •die mittelalterliche Schreibkunst mit sich, und so lange man nur lateinische Schriften kopierte oder eigene Werke in der lateinischen
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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Sprache schrieb, war das ohnehin möglich. Die Geistlichen können sogar anfänglich die Annalnotizen, von denen wir § 134 gesprochen, haben, in dieser Sprache aufgestellt haben. Aber sobald das Bedürfnis kam, in der eigenen Volkssprache zu schreiben, erhob sich die Frage, wie man das lateinische Alphabet für die altnordischen Laute geeignet machen konnte. Dieses Bedürfnis stellte sich schon bald ein, als man die Landesgesetze schriftlich niederlegen wollte. Als BERGI>6RR HRAFNSSON zum ersten Mal Gesetzsprecher war, also im Jahre 1116 — soerzählt die Islendingabök1) — wurde der Entschluß gefaßt, die Gesetze aufzuschreiben; man sollte schon im nächsten Winter damit anfangen und zwar im Hause von H A F L I B I M Ä S S O N , der im nördlichen Viertel Islands auf Breidabölstaör in Vestrhöp wohnte. Der Auftrag lautete dahin, daß man die alten Rechtsbestimmungen den neuen Verhältnissen anpassen sollte und daß. die neuen Vorschläge (nymeeli) auf dem nächsten Allding genehmigt werden mußten. Während des Winters 1117—1118 wurde der Abschnitt der Bestimmungen über Kampf- und Totschlagvergehen (vlgslödi) aufgeschrieben1). Innerhalb von zehn Jahren war auch das christliche Recht schriftlich festgelegt. Es ist selbstredend, daß man sich zu dieser Arbeit nicht hätte entschließen können, wenn nicht schon früher rechtliche Dinge aufgeschrieben worden wären. Das Zehntenstatut, das Bischof G I Z U R R 1096 hatte zusammenstellen lassen, mußte natürlich schriftlich niedergelegt werden, und das wird wohl in der Landessprache gemacht worden sein 3). Wir besitzen ein Diplom, in dem die Preise der Handelswaren nach allgemeinem Landesrecht festgesetzt worden sind; es soll um 1100 erlassen worden sein und wurde deshalb schon damals aufs Pergament gebracht. Das alles beweist, daß schon am Ende des 11. Jahrhunderts auf Island in der Volkssprache geschrieben wurde. In einer Snorra Edda-Handschrift wird erzählt 4), daß ein gewisser I>ÖRODDR RÜNAMEISTARI auf Grund des dänischen Alphabets, von 16 Runenzeichen eine für seine Sprache geeignete Runenreihe zusammengesetzt habe, die neben die lateinische Schrift gestellt werden konnte. Diese Bemerkung stammt wohl von ÖLAFR HVITASKXLD her, der im 13. Jahrhundert lebte, wird aber gewiß aus einer älteren Schrift übernommen worden sein. In wieweit der Versuch I>6RODDS von Erfolg gekrönt wurde, können wir nicht beurteilen; jedenfalls scheint es unglaubhaft, daß man ausführ-
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WISSENSCHAFTLICHE
TÄTIGKEIT
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liehe Texte, wie das vlgslödi, mit Runen geschrieben haben sollte 5). Man hat sich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eifrig um ein für die isländische Sprache geeignetes Schreibsystem bemüht. Ein unbekannter Gelehrter 6 ) hat darüber eine Schrift verf a ß t , die als Erste grammatische Abhandlung bekannt ist7). Nach der eingehenden Untersuchung von A N K E H O L T S M A R K wissen wir, daß der Verfasser in England und Nordfrankreich ausgebildet wurde und seine Arbeit wahrscheinlich in Skälholt geschrieben hat. E r zeigt eine merkwürdig scharfe Wahrnehmungsgabe, und •es gelingt ihm ein System zu machen, das den höchsten Anforderungen der Sprache genügt. So unterscheidet er nicht nur zwischen kurzen und langen Vokalen, sondern auch zwischen nasalierten und unnasalierten, die er auch durch bestimmte diakritische Zeichen andeutet. Beispielsweise nenne ich die Vokale in den Wörtern far, fär, ramr, rämr, die er in seinem Schriftsystem far, fdr, rämr, ramrschreiben wollte. Obgleich die Praxis gelehrt hat, daß eine so genaue Unterscheidung nicht nötig ist und sie deshalb auch niemals zur Anwendung kam, zeigt sie dennoch, wie gewissenhaft der Verfasser sich die Sache überlegt hatte. Auch stellt er die Regel auf, daß Doppelkonsonanten mit einfacher Majuskel geschrieben werden sollen, führt für den gutturalen Nasallaut ein einfaches Zeichen ein und verwirft die englische Methode, den Ä-Laut nach seiner palatalen oder gutturalen Aussprache als c oder k zu schreiben, indem er für alle Fälle das Zeichen c wählt. Eine so frische Beobachtung der Wirklichkeit, die sich durch die gelehrte Tradition nicht beirren läßt, ist in so früher Zeit auch im übrigen Europa eine Seltenheit 8 ). Das Büchlein war für den Schulunterricht bestimmt; wenn wir bedenken, daß 1133 das Benediktinerkloster von i>ingeyrar gestiftet wurde (s. § 133), scheint es angebracht, sein Entstehen mit der Einrichtung der dortigen Schule in Verbindung zu bringen. U m so bemerkenswerter ist sodann, daß der Verfasser, der in der lateinischen Sprache gut bewandert war9), dennoch sich nicht •davor gescheut hat, diese schwierigen theoretischen Auseinandersetzungen in seiner eigenen Muttersprache niederzuschreiben. Wir können S. N O R D A L nur zustimmen, wenn er sagt, daß das Büchlein ein treffendes Beispiel für die Verbindung europäischer Gelehrtheit und selbständiger intellektueller Tätigkeit ist, die für die Isländer jener Zeit so kennzeichnend war 1 0 ).
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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i) C. 10, 9. — ») Vgl. M. Olsen, ANF 53 (1937) S. 116—117. — 3) Es gibt eine Reihe von Abschriften (Diplomatarium Islandicum I, 70—162), di& wohl auf eine Urschrift zurückgehen werden. —• 4) SnE II, 4; vgl. auch Dahlerup-Jönsson, Islands grammatiske Literatur i Middelalderen I I (SGNL Nr. XII, Kopenhagen 1884) S. 154. — 5) Das hat B. M. Olsen behauptet in seiner Abhandlung Runerne i den oldislandske Literatur (Kopenhagen 1883); er glaubt, daß Pöroddr seine Alphabetreform gerade gemacht h a t mit Hinsicht auf die Abschriften, die von der Hafliöaskrd gemacht werden sollten. — 6 ) Vigfüsson, Prolegomena zur Sturlungasaga S. X X X V I I I glaubt, daß deir Verfasser E>öroddr rünameistari war; Hermannsson, Islandica X X I I , S. 42—43 vermutet Eyjölfr Saemundarson; B. M. Olsen, Runerne usw. S. 96 und M. Olsen, ANF 53 (1937) S. 129 denken an Hallr Teitsson; Anne Holtsmark, En Islandsk Scholasticus fra det 12. Arhundre (Oslo 1936) S. 110—112 an Bischof Päll Jönsson. — 7) Vgl. DahlerupJönsson, Islands grammatiske Literatur I (SGNL XVI, Kopenhagen 1886). — 8 ) Man darf diese Schrift auf 1140—1150 ansetzen, vgl. Dahlerup-Jönsson z. a. S. S. IX, D. A. Seip NTS 9 (1938) S. 352—371 und M. Olsen, ANF 53 (1937) S. 109—115. A. Holtsmark denkt z. a. S. S. 75—76 an die Zeit zwischen 1170 und 1180. — 9) Er führt in seiner Arbeit ein Distichon von Cato an (vgl. z. a. S. S. 34). — I0 ) Einleitung zur Facsimile-Ausgabe des Codex Wormianus (Kopenhagen 1931) S. 9.
136. Der erste Verfasser, von dem wir sichere Kunde haben, ist S^MUNDR INN FRÖDI. E r ist 1056 aus einer damals wenig hervortretenden Familie geboren und machte in seiner Jugend eine Studienreise nach Frankreich; zusammen mit dem späteren Bischof J6N QGMUNDARSON (s. § 1 3 3 ) soll er wieder nach Island zurückgekommen sein 1 ). E r hat sich in Oddi als Priester angesiedelt und seinen Wohnort herrlich ausgestattet; er soll sogar dort eine dem Heiligen Nikolaus gewidmete Kirche gebaut haben 1 ). E r war ein hoch angesehener Mann, von den einsichtigen Menschen seiner Gelehrtheit halber gepriesen, vom abergläubischen Volk aber als ein Zauberer verschrien. Aus gelegentlichen Bemerkungen im isländischen Schrifttum ersehen wir, daß er sich mit geschichtlichen Arbeiten befaßt hat, aber Von ihm ist nichts erhalten geblieben. Das ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß nach ihm andere Schriftsteller gekommen sind, die ausführlicher von denselben Sachen gehandelt haben als er. In seiner Heimskringlanennt SNORRI ihn nirgends als eine seiner Quellen; das läßt sich nur dadurch erklären, daß er andere und bessere Nachrichten hatte, als S^EMUNDR ihm bieten konnte.
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SJEMUNDER
INN
FRÒDI
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Die kleine Zahl der Stellen, wo er genannt wird, macht es nicht leicht, sich eine Vorstellung von der Beschaffenheit seiner Arbeit zu machen. An einer Stelle aber haben wir ein wortgetreues Zitat von ihm bewahrt. In der Übersetzung der öläfssaga Tryggvasonar von ODDR SNORRASON (S. § 190) lesen wir, nachdem erst von OLAFS Einschreiten gegen die Zauberer (seidmenn) gesprochen ist: „Diese Sachen berichtet der weise Saemundr und er sagte also. In dem zweiten Regierungsjähre von Olaf Tryggvason sammelte er viel Volk und hielt ein Ding zu Staö in Dragseiö und er ließ nicht nach, den Mannen den rechten Glauben zu predigen bis sie die Taufe angenommen hatten. König Olaf zügelte sehr Raub und Diebstahl und Totschlag. Er gab seinem Volk gute Gesetze und den guten Glauben. So hat Saemundr über König Olaf in seinem Buch geschrieben." Darauf fährt der Übersetzer mit der Erzählung von den Zauberern fort, die er aus dem Lande vertrieben hat. Aus dem Zusammenhang ergibt sich zweifellos, daß die eben angeführte Stelle eine Interpolation 3), und daß sie eine wortgetreue Anführung von S.®MUNDS eigenen Worten ist. Wir entnehmen daraus, daß sein Buch kurze Notizen über die Regierung der norwegischen Könige enthalten hat*). Den Umfang dieser Arbeit können wir bestimmen durch eine Bemerkung im Gedichte Nöregs konunga tal, das ein ungenannter Verfasser am Ende des 12. Jahrhunderts gemacht hat (s. § 165). In der 40. Strophe sagt er, nachdem er Magnüs den Guten besprochen hat: Nun habe ich zehn Fürsten aufgezählt, die alle von Harald harfagri abstammen; ich habe ihr Leben so erzählt, wie es der weise Saemundr berichtet hat 5). Dieser hatte also die Biographien der norwegischen Könige von HÄLFDAN SVARTI bis zu MAGNUS' Tod 1047 zusammengestellt. Das Zitat in O D D S öläfssaga gibt uns eine Vorstellung von seiner Arbeit: eine kurze Charakteristik der Regierungstätigkeit der verschiedenen Könige. Er hat auch auf die Chronologie Gewicht gelegt, denn an einer andern Stelle berichtet O D D R 6 ) : Ssemund der Weise und Ari der Weise, deren Aussagen zuverlässig sind, stimmen darin überein, daß Häkon jarl das Land 33 Jahre nach dem Tode von Haraldr gräfeldr regiert hat. Dieselbe Neigung zur genauen Festlegung der historischen Ereignisse ersehen wir aus einer Bemerkung ARIS7) ; nachdem er erzählt hat, wie das Christentum auf Island eingeführt wurde.
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ÜBERGANG UND
VORBEREITUNG
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sagt er: „Und Ölafr Tryggvason fiel im Sommer desselben Jahres nach der Aussage des Priesters Saemundr". Daß S ^ M U N D R übrigens nicht nur über die norwegischen Könige, sondern auch über die Geschichte seines eigenen Volkes gesprochen hat, beweist eine Stelle in der Landndmabök8), wo die Entdeckung Islands durch N A D D O D D R erzählt wird. Diese kurze Bemerkung endet mit den Worten: „So berichtete der weise Priester Saemundr". Er hat also eine chronikartige Geschichte geschrieben, die hauptsächlich die norwegischen Könige behandelte, aber zu gleicher Zeit die wichtigsten Ereignisse auf Island dabei vermerkte. Wenn wir in den isländischen Annalen zum Jahre 1047 lesen, daß der Winter so streng war, daß die Wölfe über dem Eis von Norwegen nach Dänemark laufen konnten 9), so bemerken wir hier dasselbe Interesse für merkwürdige Naturerscheinungen, das auch den mittelalterlichen Annalwerken ihren eigentümlichen Charakter gibt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß SAEMUNDR Mitteilungen dieser Art in die norwegische Königsgeschichte verarbeitet haben sollte; vielmehr hat er sich auch mit einem Annalwerk befaßt, und wenn er ein Ereignis, das vor seiner Geburt stattgefunden hat, verzeichnen konnte, beweist das wieder, daß man auf Island schon lange solche Aufzeichnungen machte (s. § 134). Vielleicht hat er sogar nach mittelalterlicher Art sein Annalwerk bis zur Schöpfung zurückgeführt; von ihm wird jedenfalls erzählt, daß er behauptet habe, beim Entstehen der Welt soll die neugeschaffene Sonne im Osten und der volle Mond am Abend aufgegangen sein ,0 ). Wir dürfen deshalb wohl mit zwei geschichtlichen Arbeiten rechnen: mit einer Geschichte der norwegischen Könige, die auch gelegentliche Bemerkungen über isländische Verhältnisse enthielt, und einem Annalwerk. Die Sprache, in der er diese geschrieben hat, war gewiß die lateinische. Nicht nur darf man das annehmen, weil S ^ M U N D S Aufenthalt in Paris ihn mit der Gelehrtensprache des Mittelalters gut vertraut gemacht haben wird, sondern auch weil die isländische Überlieferung ARI als den ersten Schriftsteller bezeichnet, der in der Landessprache geschrieben haben soll. Das erklärt auch, daß seine Arbeit ganz verschollen ist; spätere Werke wie die Fagrskinna (s. § 222) haben auf diesem ersten Versuch weitergebaut 11 ) und als SNORRI seine Heimskringla schrieb, standen ihm so viele in der eigenen Sprache verfaßten Werke zur Verfügung, daß er an der kurzen lateinischen Schrift des S ^ M U N D R vorübergehen konnte").
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SIEMUNDR INN FRÒDI
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') Ari sagt in seiner islendingabók nur, daß die Rückkehr Ssemunds während der Gesetzsprecherperiode von Sigvatr Surtsson (also 1076—1083) stattgefunden hat. — ') Diese Mitteilung der Porldks saga ens helga (BiskupasQgur I, 320) scheint sehr zweifelhaft, weil am Ende des 11. Jahrhunderts der Nikolauskult sich eben erst in Westeuropa auszubreiten anfing (vgl. K. Meisen, Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendlande, Düsseldorf 1931). — 3) Vgl. auch Aöalbjarnarson, Om de norske Kongers Sagaer (Oslo 1937) S. 34. — 4) Die stark kürzende Stockholmhandschrift hat den Zusammenhang nicht richtig verstanden, weil sie Saemunds Worte nur auf die Geschichte der Zauberer bezieht. Merkwürdigerweise hat die moderne Forschung das auch angenommen; vgl. Gjessing in Festschrift Unger S. 127 und Hermannsson in Islandica XXII, S. 34. —5) Skj I, 582 Str. 40. — 6) Ausgabe F. Jónsson S. 90. — 7) islendingabók c. 5, 18. — 8) Ausgabe F. Jónsson (Kopenhagen 1900) S. 130 (Sturlubók c. 3). — 9) Vgl. Fiat. III, 507—508 und die Bemerkungen in § 134. — I0) Vgl. Beckman-Kaalund, Alfraeöi islenzk II, 91. — ") Vgl. Gjessing, Festschrift Unger S. 123—152. — ") Vgl. zusammenfassend Halldór Hermannsson, Ssemund Sigfüsson and the Oddaverjar, Islandica XXII (Ithaca, New York 1932). 137. ARI INN FRÒDI gehörte zu einem der angesehensten Geschlechter Islands 1 ). Mit stolzem Selbstbewußtsein hat er selber seinen Stammbaum mitgeteilt : er war ein Nachkomme in rechter Linie von ólafr feilan, einem Kleinsohn von Ólafr hviti, der wieder durch dessen Vorfahr Hälfdan hvitbeinn mit dem norwegischen Königsgeschlecht verwandt war. Durch die berühmte Unnr in djüpüöga stammte er auch von dem hersir-Geschlecht in Sogne ab, weil diese die Tochter von Ketill flatnefr war. Auch ARIS Mutter JÓREIDR war von vornehmem Geschlecht; sie war eine Urenkelin von Hallr af Siöu; so stand er zu den bedeutendsten Männern seiner Zeit, wie S^EMUNDR INN F R Ò D I , den Bischöfen J Ó N QGMUNDARSON, K E T I L L 1?ORSTEINSSON u n d MAGNÜS EINARSSON
in verwandtschaftlicher Beziehung. ARI wurde im Winter 1067—1068 geboren, verlor aber schon bald seinen Vater PORGILS, der im Breiöafjord ertrank. So kam er zu seinem Großvater, dem Goden GELLIR PORKELSSON in Helgafell; dieser aber machte am Ende seines Lebens eine Romfahrt und starb auf der Rückreise 1073 in Roskilde. Sieben Jahre alt mußte ARI also wieder seine Pflegestätte wechseln; aus unbekannten Gründen kam er jetzt zu HALLR Ì>ÓRARINSSON, der in Haukadalr nördlich von Skälholt wohnte. Hier blieb er bis zu HALLS Tode im Jahre 1089. 2
d e V r i e s , Literaturgeschichte. Bd, II
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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ARI hat seinen Pflegevater als einen kenntnisreichen und zuverlässigen Mann gekennzeichnet; er wußte sich noch zu erinnern, daß er drei Jahre alt (998) von I>ANGBRANDR getauft worden war. Er hatte sich im Ausland weit herumgetrieben und war mit König ÖLÄFR HARALDSSON befreundet gewesen. Von ihm hat der wißbegierige Knabe die Erfahrungen eines langen Lebens in einer vielbewegten Zeit gehört und dadurch wurde seine Aufmerksamkeit auf die Geschichte seines Landes gelenkt. In Haukadalr war er auch zusammen mit TEITR, dem Sohn des Bischofs ISLEIFR, den er nicht weniger seiner Gelehrsamkeit wegen bewunderte und der nach HALLS Tode dort mit dem Unterricht der jungen Menschen fortfuhr (s. § 133). Am Anfang seines Büchleins über Island *) nennt ARI als seine Quellen außer TEITR, den er als den klügsten Mann seiner Zeit preist, noch seinen Oheim PORKELL GELLISSON und PüRfoR, die Tochter von SNORRI GODI. Diese PÜRIDR wurde ihrer reichen Kenntnisse wegen auch hina spaka genannt; ARI rühmt diese Frau, die 1113 im 88. Lebensjahr starb, als margspqk und öljügfröd 3). PORKELL GELLISSON, der in Helgafell wohnte, wo ARI nach 1089 wohl wieder eingezogen sein wird, hatte in seiner Jugend Grönland besucht und konnte ihm deshalb von der Besiedelung dieses Landes berichten. In seiner Arbeit erwähnt ARI noch andere Personen, die ihm Auskünfte gegeben haben, wie Bischof GIZURR und MARKÜS SKEGGJASON, der eine dräpa auf den dänischen König EIRIKR SVEINSSON gemacht hatte (s. § 145), und der als Gesetzsprecher in den Jahren 1084 bis 1107 tätig war und der ihm die Einzelheiten über die Amtsperioden der Iqgsqgumetm geliefert hat. S^EMUNDR hat ihm, wie er selbst mitteilt, erzählt, daß der Tod von OLAF TRYGGVASON und die Bekehrimg Islands im selben Jahre stattfanden, aber er wird von ihm, der selber eine Geschichte der norwegischen Könige zusammengestellt hatte, wohl noch andere Mitteilungen bekommen haben4). SNORRI berichtet, daß ARI für die norwegische Geschichte auch Erkundigungen bei ODDR KOLSSON eingezogen hatte; dieser war ein Enkel von HALLR AF SIDU und also ebenfalls ein Verwandter ARIS, und hatte, wie wir § 1 1 5 schon gesehen haben, vieles in Norwegen bei I>ORGEIRR AFRXDSKOLL nachgefragt. Wenn ARI von SNORRIS Tochter PÜRIDR viel Wissenswertes gehört hat, wird er auch ihren Bruder HALDÖRR gekannt haben, der von seinen eigenen Abenteuern unter HARALDR INN HARDRXBI gerne erzählt h a t (s. § 1 1 5 ) , u n d der v o n EINARR PAMB-
§137
ARI INN FRÒDI
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selbst alle Umstände der Svolderschlacht gehört haben soll 5). Mit Hilfe so vieler und ausgezeichneter Gewährsmänner wurde ARI über die Geschichte Islands und Norwegens so genau unterrichtet, daß er es unternehmen konnte, seine Kenntnisse aufs Pergament festzulegen. Als er das vollendet hatte, zeigte er seine Arbeit, die er Islendingabök nannte, den Bischöfen J>ORLXKR und KETILL und dem weisen S^EMUNDR, damit sie ihr Gutachten darüber abgeben sollten. Weil KETILL 1122 Bischof geworden war und I>ORLAKR 1133 gestorben ist, muß diese Erstlingsarbeit zwischen diesen beiden Jahren abgefaßt worden sein6). Diese Fassung kennen wir aber nicht, weil die Bischöfe, wiewohl sie mit dem eingereichten Buche zufrieden waren, es dennoch erweitert wünschten. „Deshalb habe ich", sagt ARI, „eine neue Fassung über denselben Gegenstand geschrieben, unter Fortlassung der Stammtafeln und der Königslisten, und habe ich hinzugefügt, was mir seitdem genauer bekannt wurde und jetzt in dieser Fassung vollständiger berichtet wird als in der früheren". Dieser Satz am Anfang der Islendingabök^ — mit dem berüchtigten Namensatz der Germania von Tacitus zu vergleichen — hat der Forschung viele Schwierigkeiten bereitet 8 ). Wie ist es möglich, daß ein Buch, das die Handschrift mit Recht ein libellus Islandorum nennt, eine erweiterte und verbesserte Auflage einer älteren Fassung sein kann? Denn zwar wissen wir, daß er die Stammtafeln und die Königslisten in der zweiten Redaktion fortgelassen hat, aber was hat die ursprüngliche Islendingabök sonst noch mehr enthalten, falls das bewahrte Büchlein dazu eine Menge von Zusätzen bietet? Merkwürdigerweise hat SNORRI für seine Heimskringla die erste Redaktion zu Rate gezogen 9) und dennoch ist die zweite die einzige, die erhalten geblieben ist. Wir können dazu sagen, daß SNORRI für seine Geschichte gerade die konungaasfi nötig hatte und daß ihn die Mitteilungen über Island deshalb ziemlich gleichgültig ließen; nachdem aber die alte Fassung durch die Heimskringla überholt war, konnte sie der Vergessenheit preisgegeben werden. Was ARI auf den Wunsch der Bischöfe hinzugefügt hat, bezieht sich also nur auf die Geschichte Islands. Wie hat aber in dieser Hinsicht die erste Fassung ausgesehen, wenn die überlieferte Islendingabök eine erweiterte Bearbeitung davon war ? Denn man hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diese sonderbare Lücken ARSKELFIR
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ÜBERGANG UND
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zeigt und daß man ARI als einen Pfuscher betrachten möchte, wenn er diese Sammlung unzusammenhängender Notizen für eine Geschichte seiner Heimat ausgeben wollte. Die Besiedelungsgeschichte behandelt er eigentlich gar nicht; die Ansiedler, die er erwähnt, sind nur die bei der Landnahme beteiligten Ahnen seiner Gönner, der beiden Bischöfe. Er erzählt fast nichts über die inneren Familienfehden Islands, sagt auch nichts über die heidnischen Tempel oder die Entwicklung der Godenwürde10). Man kann es leicht verstehen, daß einige Forscher die erhaltene islendingabök nicht als die erweiterte Ausgabe des älteren Buches haben betrachten wollen " ) . War dieses noch unvollständiger und zeigte es noch weniger Zusammenhang zwischen den verschiedenen ziemlich willkürlich gewählten Aufzeichnungen ? Wer behauptet, daß die beiden Fassungen nicht stark von einander unterschieden gewesen seien "), geht zu leicht über die Schwierigkeiten hinweg. Wenn ARI es nach den Bemerkungen seiner Auftraggeber für nötig befand das Buch umzuschreiben, so haben wir doch nicht das Recht anzunehmen, daß es sich im Grunde nur um unbedeutende Erweiterungen handelte. Mit Recht bemerkt SCHNEIDER, daß das erhaltene Buch ausführlich über die kirchliche Geschichte Islands berichtet, und zwar über die Bekehrung und die Wirksamkeit der Bischöfe. Auch die Verfassungsgeschichte hat sein besonderes Interesse: er erzählt von U L F L J Ö T S Gesetzgebung, von der Einrichtung des Alldings und der Viertelsgerichte und erwähnt die Gesetzsprecher. Aber wenn er das in seiner ersten Fassung nicht erzählt hatte, was hat sie denn sonst enthalten ? ') Vgl. über ihn K. Maurer, Germania 15 (1870) S. 291—321 und Boga TH. Melsteö, Islendinga saga III (Kopenhagen 1916—1930) S. 198—216. — ») Ausgabe von W. Golther, ASB Nr. 1 (Halle 1923); Übersetzung von W. Baetke, Thüle Bd. 23 (Jena 1928) S. 41—57. — 3) Sveinsson, Ausgabe der Eyrbyggjasaga IFR Bd. 4 (Reykjavik 1935) S. XII—XIII glaubt, daß die Biographie von Snorri go3i in einer Beilage zur Melabök der Landnäma von ARI herrührt und daß er diese Mitteilungen von E> üriör bekommen haben soll. — 4) In seinem Stammbaum nennt Ari als seinen Ahnherrn Yngvi Tyrkia konungr. Diese wunderbare Anschauung kommt wohl letzten Endes aus der fränkischen Ursprungssage und da war es wohl Saemundr, der ihm davon etwas hat erzählen können (vgl. A. Heusler, Die gelehrte Urgeschichte im altisländischen Schrifttum). — 5) Fiat. III, 429—431. — 6 ) So schon Maurer, Über die Ausdrücke: altnordische, altnorwegische und isländische Sprache (München 1867) S. 57. — 7) islendingabök geröa eh
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ARIS ÌSLENDINGABÓK
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fyrst byskopum drum Porldki ok Katli ok syndak bxöi peim oh Ssemundi presii, en med pui at peim llkadi svd at hafa eäa Par vidr auka, pd skrifada eh pessa of et sama far, fyr ütan dttartglu ok konunga sefi oh jök pvl, es mer varö sidan kunnara oh rni es gerr sagt dpessi an dpeiri. Dieser Prolog steht an einer befremdenden Stelle; aus der Inhaltsübersicht in c. i, 3 geht auch hervor, daß sein Buch ursprünglich kein Vorwort enthalten hat; vgl. über diese Fragen E . Hagnell, Are Frode och hans författarskap (Lund 1928) S. 77 bis 82. — 8 ) Eine ausführliche Behandlung der früheren Ansichten gibt E. Hagnell z. a. S. S. 1—27. —9) Vgl. Bj. M. Olsen, AaNO 1885 S. 362f. — " ) Vgl. H. Schneider, Are und seine Bücher über Isländer und Island, ZfdA 66 (1929) S. 69—92. — ») So behauptet Bley, ZfdPhil. 32 (1900) S. 336—349, daß die Bischöfe ein Buch für den Schulunterricht gewünscht hätten, in dem das unumgänglich Notwendige stand, das jeder gebildete Isländer an historischem Wissen besitzen mußte. Aber was für einen Wert würden die Geschlechterlisten der vier landndmamenn für ein Schulbüchlein gehabt haben? — ») Vgl. E . Hagnell z. a. S. S. 124.
138. A. H E U S L E R hat darauf geantwortet: die Islendingabök, wie wir sie kennen, ist eben nicht die neue Fassung, sondern nur eine Reihe von Zusätzen, die ARI seinem ersten Buch beigegeben hat. Er soll also nicht einmal dazu gekommen sein, seine Arbeit in eine neue Form zu gießen; nein, er hat nur aufgeschrieben, was er nachher erfahren hatte, aber das „Nachtragsheftchen" hat er nicht als eine Reihe loser Notizen zur Erstlingsarbeit stehen lassen, sondern sie zu einer „verhältnismäßig geschlossenen, für sich lesbaren Broschüre" gestaltet. Wer später sich auf A R I S Werk berief, dachte an die um dieses Heftchen erweiterte Urfassung, die also zusammen abgeschrieben und verbreitet wurden1). Um so bemerkenswerter ist es dann, daß gerade der Nachtrag erhalten wurde, und das Hauptbuch verloren ging. Und wir fragen: Wenn ARI nur einen Zusatz hat liefern wollen, weshalb hat er da nachdrücklich mitgeteilt, daß er Stammtafeln und Königslisten fortgelassen hat ? Falls er nichts hinzuzufügen hatte, hätte er darüber schweigen können. Wir fragen weiter: War es für einen Verfasser, wie ARI einer war, bequemer, seine Zusätze in eine lesbare Form zu bringen, als sie in den alten Text einzuarbeiten ? Hat ihn eine so wenig elegante Lösung befriedigen können? Kann man eine solche Arbeit mit den Worten pd skrifada ek pessa öf et sama far andeuten ? Diese Lösung können wir also nicht gelten lassen. SCHNEIDER bietet eine andere Erklärung: der Libellus ist ein ganz anderes
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Buch geworden; es war ein eigentliches Islandbuch, eine allgemeine öffentliche Geschichte Islands, besonders der Kirche und des Rechts. Die erste Fassung war also etwas ganz Anderes; sie war eben die dttartolur, also ausführliche familiengeschichtliche Mitteilungen, ein richtiges Isländerbuch, das, nach der Art der späteren Landnämabök, die historischen Tatsachen geographisch ordnete. Die Königslisten gehören also gar nicht hierher; sie beziehen sich auf ein norwegisches Königsbuch, das ARI geschrieben haben soll. Und zu unserer Überraschung gelangt SCHNEIDER zum Ergebnis, daß SNORRI in seiner Vorrede der Heimskringla nicht auf die erste Fassung, sondern auf den erhaltenen Libellus hinzielt1). Obgleich in dieser Form SCHNEIDERS Auffassung unrichtig sein dürfte, zeigt sie doch vielleicht einen gangbaren Weg für eine befriedigende Lösung. Wir wissen aus ARIS Worten selbst, daß die erste Fassung Geschlechterlisten und ein Verzeichnis der norwegischen Könige enthalten hat. Das sind Dinge, die sich nicht leicht zu einem einheitlichen Ganzen vereinigen lassen und die einen durchaus anderen Charakterh aben als die uns bekannte Islendingäbök. Die erste Fassung bleibt uns deshalb eine nebelhafte Größe, weil wir hier die notwendige Einheit der Konzeption vermissen. Am besten können wir urteilen über die norwegische Geschichte, weil wir im isländischen Schrifttum mehrfach Hinweisungen auf ARIS Werk haben 3). Sie sind fast durchgängig rein chronologischer Art: So berichtet A R I I>ORGILSSON, daß HAKON Jarl 13 Jahre sein väterliches Erbteil in Trondheim vor HARALD GRAFELDS Tode verwaltet hat4). Das deutet auf ein annalartiges Werk hin, in das die geschichtlichen Daten eingetragen waren. Aber das Buch war dennoch etwas anderes als die mittelalterlichen Annale: es enthielt eben keine Jahreszahlen. Vielleicht hat er diese vermieden, weil gerade in seiner Zeit die Ansichten über die Datierung von Christi Geburt und deshalb über die richtige Zeitrechnung sehr schwankend warenS). Tatsache ist jedenfalls, daß er seine Arbeit nicht annalistisch hat aufbauen können, sondern nur in zeitgemäßer Reihenfolge die bedeutendsten Ereignisse erwähnt hat. Nun war es doch wohl unmöglich für einen mittelalterlichen Verfasser, einfach mitzuteilen z. B. beim Tode des heiligen OLAFS: ÖLÄFR war dreißig Jahre alt, als er fiel 6 ); er hat selbstverständlich darüber etwas mehr erzählt. Tatsächlich gibt es dafür auch eine Anweisung. SNORRI sagt in seiner Heimskringla:
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König O L A F war 15 Jahre König in Norwegen gewesen, den Winter einberechnet, als er zusammen mit Jarl S V E I N N im Lande war und den anderen, von dem wir eben berichtet haben; es war schon nach Jul, als er von seinem Schiff an Land stieg, wie jetzt erzählt worden ist. Diesen Abschnitt seiner Herrschaft {pessa grein kon•ungdöms hans) hat der Priester A R I I>ORGILSSON der Weise zuerst aufgeschrieben?). Die Worte pessa grein deuten auf einen Teil einer längeren Erzählung, nicht auf eine bestimmte kurze Reihe chronologischer Notizen. Natürlich, wir haben nicht das Recht, dabei an eine „vollständige Geschichte Norwegens" 8 ) zu denken, aber eine kurzgefaßte Darstellung war es doch ganz gewiß. Daß die späteren Prosawerke aus A R I S Arbeit nur die chronologischen Berechnungen angeführt haben, ist recht verständlich, denn diese waren seine eigene Arbeit, die der norwegischen Geschichte ihren Rückgrat gab und die Tatsachen selbst konnte man in anderen Werken, die nachher geschrieben wurden, weit ausführlicher finden. A R I S Königsgeschichte war also eine kurze Arbeit über die Regierung der norwegischen Heri scher, wobei er besondere Sorgfalt auf die chronologische Festlegung verwendet hatte. Die Zitate im isländischen Schrifttum reichen von H A K O N A D A L S T E I N S F Ö S T R I bis zum Tode O L A F S des Heiligen. Wir dürfen annehmen, daß er die Arbeit nicht weiter als bis zum Jahre 1030 fortgeführt hat 9). Diese norwegische Geschichte war aber, wie ich glaube, nur ein chronologischer Hintergrund für die eigentliche Islendingabök, die also von den bedeutenden Bewohnern seiner Heimat erzählte. Er nennt diesen Teil seiner Arbeit ättartQlur, und wenn wir dabei an die Landndmabök denken (s. § 140), so können wir uns das kaum anders vorstellen, denn als eine nach den Landesteilen geordnete Liste der angesehenen Familien, mit dem Vorfahr anfangend, der sich auf Island angesiedelt hatte und bis zu einem gewissen Zeitpunkt weitergeführt. Wenn wir beachten, daß ARI die Königsgeschichte nicht weiter als bis zum Jahre 1030 fortgesetzt hat, so dürfen wir wohl schließen, daß seine Stammtafeln auch nicht weiter gegangen sind; ist es Zufall, daß 1030 gerade das Jahr ist, mit dem die sagaQld abschloß und die fridarQld anfing ?
Wenn aber ARI die isländischen Familien während der Periode der Landnahme und der unruhigen Zeit, von der die Sagas handeln, verzeichnet hat, so hat er auch wohl über bedeutende Personen ein Wort fallen lassen, über das, was sie erlitten und geschaffen
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haben; sein Buch war nicht eine dürre Namenliste, sondern auch ein kurzer Überblick über die denkwürdigsten Ereignisse der Vergangenheit. Wir können uns aus der Landnämdbök eine Vorstellung machen, wie A R I S Buch beschaffen war. Hier war keine Veranlassung, von heidnischen Tempeln oder der Entwicklung der Godenwürde zu reden, aber als er von seinem eigenen Vorfahr E>6RBR GELLIR sprach, hat er doch wohl nicht versäumt mitzuteilen, daß dieser die Viertelsgerichte eingesetzt hatte. ARI hat also den beiden Bischöfen eine Arbeit vorgelegt, die eine Übersicht über die bedeutendsten Familien seiner Heimatinsel enthielt, an geeigneten Stellen mit einer kurzen Besprechung der wichtigsten Ereignisse ausgestattet. Er hat eine kurze Geschichte der norwegischen Könige hinzugefügt, um damit den chronologischen Rahmen festlegen zu können. Was haben die Auftraggeber an dieser Arbeit bemängelt ? Es war in gewissen Hinsichten unvollständig und unübersichtlich. Eine eigentliche Geschichte Islands war das Buch nicht geworden, weil die Ereignisse nach den Personen und nicht nach ihrem geschichtlichen Zusammenhang geordnet waren. „Du sollst jetzt das Buch zu einer richtigen Geschichte Islands machen", werden sie ihm gesagt haben, „ordne die hier und dort verstreuten Mitteilungen zu einer fortlaufenden Darstellung und führe sie weiter als bis zum Jahre 1030, weil doch die weit wichtigere Beschreibung, wie unsere Kirche eingerichtet und aufgebaut wurde, ebenfalls behandelt zu werden verdient. Du sollstfiar vidr auka, damit wir eine richtige Geschichte Islands bekommen". Deshalb hat ARI die ättartQlur und die konunga xfi fortgelassen, weil hier der gerügte Mangel nicht vorhanden war. Aber die Einlagen, die Bruchstücke der Geschichte enthielten, hat er jetzt übersichtlich geordnet und sich besondere Mühe gegeben, die Zeit nach 1030 weiter zu behandeln. Vielleicht kann man die Naht des alten und jungen Teiles in der verworrenen Aufeinanderfolge der capita 8—9 noch sehen. Nachdem er in c. 8 die Reihe der Gesetzsprecher bis S K A P T I ]>6RODDSSON, der in demselben Jahre wie O L A F der Heilige gefallen war, behandelt hat, fügt er kurz drei weitere Namen hinzu, die bis zum Jahre 1062 führen. Dann geht er auf Bischof isLEiFR über und erzählt von dessen Sohn T E I T R , der bei H A L L R I>ÖRARINSSON erzogen wurde, wo auch er selbst bis 1089 gewohnt hatte. Dann verfolgt er in kurzen Sätzen die Reihe der Gesetzsprecher bis zum Jahre 1083, um jetzt
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wieder zu Bischof ISLEIFR zurückzukehren. Er sucht, scheint es fast, eine Methode, um die Geschichte fortzusetzen, die er nicht an bestimmte Vorfälle, sondern an die Personen der weltlichen und geistlichen Würdenträger anknüpft. Die chronologische Reihenfolge zwingt ihn dazu, hin und her zu springen: erst die Gesetzsprecher bis zum Jahre 1062, dann ISLEIFR, der 1056 geweiht wurde, dann wieder Gesetzsprecher bis 1083, darauf ISLEIFS Tod im Jahre 1082 und sein Nachfolger Bischof GIZURR isLEiFSSON, der im Jahre 1118 gestorben ist. Nun folgen wieder die IqgsQgumenn bis 1122 und endlich die Bischöfe, die ARIS Zeitgenossen waren. Das ist eine konsequente Durchführung eines Prinzips, das nur mit Bezug auf Bischof ISLEIFR ins Schwanken geraten ist. Hier hat er vielleicht die Schwierigkeit überwinden müssen, die neue Fortsetzung an den alten Teil anzuknüpfen. Der Anfang bis zum Jahre 1030 wäre also nicht unmittelbar aus der ersten Fassung übernommen worden, sondern aus den Bemerkungen zusammengesetzt, die er in seinen Stammtafeln zu bestimmten Persönlichkeiten gemacht hatte. Wir stimmen also SCHNEIDER bei, daß der Unterschied der beiden Fassungen darin besteht, daß die erste geographisch, die zweite chronologisch angeordnet war. Aber der Hauptunter schied war dieser, daß durch die Anweisungen der beiden Bischöfe aus einer formlosen Genealogienreihe eine historische Übersicht der Geschichte Islands geworden war. Die erste wirklich geschichtliche Arbeit in der isländischen Literatur. ') Vgl. H e u s l e r , A N F 23 (1907) S. 319—337. — ») S n o r r i , d e r s e l b e r e i n e K ö n i g s g e s c h i c h t e s c h r i e b , e r w ä h n t ARIS B u c h als e i n e s e i n e r w i c h t i g s t e n Quellen u n d b e m e r k t , d a ß e r d a r i n a u c h bxdi konungaasfi i Nöregi ok Danmgrft ok svä i Englandi b e h a n d e l t e . W e i l diese in u n s e r e m libellus g e r a d e n i c h t v o r k o m m e n , h a t m a n d a r a u s gefolgert, d a ß S n o r r i die ä l t e r e F a s s u n g i m Auge h a t t e . Schneider r e t t e t sich aus der Schwierigkeit durch die Beh a u p t u n g , d a ß S n o r r i s B e m e r k u n g e i n e irrige E r i n n e r u n g a n ARIS P r o l o g sein soll, in d e m dieser j a g e s a g t h a t t e , d a ß e r die konunga-xfi n i c h t a u f g e n o m m e n h a t t e . I s t es g l a u b h a f t , d a ß e i n V e r f a s s e r w i e S n o r r i i n s e i n e m V o r w o r t so f l ü c h t i g ü b e r s e i n e Q u e l l e n g e r e d e t h ä t t e , w ä h r e n d er g e r a d e h i e r d i e G r u n d s ä t z e seiner k r i t i s c h e n M e t h o d e h a t a u s e i n a n d e r s e t z e n wollen ? — 3) Sie s i n d z u s a m m e n g e s t e l l t in H a g n e i l s B u c h S. 113—166. — 4 ) H k r I , 277. — 5) Vgl. B e c k m a n - K a a l u n d , Alfrseöi islenzk I I , S. C X X I — C X X I I . — «) H k r I I , 522. —7) H k r I I , 417. —•«) S. E . H a g n e l l z . a . S. S. 117; S c h r e i n e r .
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Saga og Oldfunn (Oslo 1927) S. 60—85. — 9) Auch G. Storm, Snoire Sturlassons Historieskrivning (Kopenhagen 1873) S. 16 vermutet aus anderen Gründen, daß Ari nur bis 1030 oder 1047 gegangen ist.
139. Eine Frage hat die Forschung lebhaft beschäftigt: hat ARI außer seiner Islendingabök noch mehr geschrieben und zwar eine Siedelungsgeschichte Islands (landndmabök) und ein Königsbuch1) ? Zuweilen hat man ihm sogar noch andere Werke aufgebürdet >). In einigen Sagawerken finden wir Hinweise auf Bemerkungen von ARI, die wir nicht in seiner Islendingabök zurückfinden. So lesen wir in der Eyrbyggja saga c. 7: I>örölfr Mostrarskegg heiratete in seinem Alter mit einer Frau, die Unnr hieß; einige behaupten, daß sie die Tochter von I»orsteinn rauöi gewesen sein soll, aber Ari !>orgilsson erwähnt sie nicht unter dessen Kindern. Von diesem t>orsteinn soll ARI auch den Tod in Caithness mitgeteilt haben; das berichtet jedenfalls die Laxdoela saga c. 4 und diese Saga führt in c. 78 noch einmal ARI dafür an, daß Snorri goöi ein Jahr nach dem Tode von König Olaf dem Heiligen gestorben ist. Das sind ja Mitteilungen, wie sie in einer Übersicht der isländischen Landnehmer und ihrer Nachkommen, also in einer Landndmabök, zu erwarten sind. Aber Mitteilungen dieser Art können ebenso gut in der älteren Fassung der islendingabök gestanden haben, falls diese die oben von mir angenommene Form gehabt hat. Wie dem auch sei, jedenfalls hat man wiederholt den Gedanken ausgesprochen, daß er neben seiner Geschichte der Isländer mindestens noch eine solche der norwegischen Könige geschrieben haben soll 3). Der Hinweis im Prolog der Heimskringla scheint ja darauf hinzudeuten, daß SNORRI ein ziemlich ausführliches Werk über die Königsgeschichte gekannt hat4). Ich glaube, durch die von mir gegebene Darstellung erledigen sich diese Fragen; denn die erste Fassung der Islendingabök war nichts anderes als eben eine ausführliche Reihe von Stammtafeln mit eingestreuten historischen Notizen, der eine kurze Übersicht über die norwegische Geschichte beigegeben worden war. Als ARI auf den Wunsch seiner Auftraggeber die zweite Fassimg fertiggestellt hatte, bekam dadurch die erste Redaktion den Charakter eines eigenen Buches, das in sich Existenzberechtigung genug hatte, um neben der uns überlieferten Islendingabök erhalten zu bleiben. Diese aber wurde bis auf uns gerettet, weil ihr kein ebenbürtiges Werk den Vorrang
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strittig machte, während der Inhalt der ersten Fassung in späteren und viel ausführlicheren Schriften überboten wurde. So verstehen wir auch, daß er für eine so stark gekürzte Fassung -das Wort auka hat verwenden können. Denn, wie schon mehrere Forscher bemerkt haben 5), ARI hätte besser von minka reden können. Als er aber die zweite Redaktion beendet hatte, konnte er mit deren Inhalt nur vergleichen, was er in seinen Genealogien gelegentlich an historischen Bemerkungen eingestreut hatte. Das andere, die dttartolur und die Königsliste, waren ja nicht mehr als eine Art Beilagen zu dem Buch, das er jetzt verfaßt hatte und dessen Inhalt im Vergleich zu den übereinstimmenden Teilen der ersten Fassung tatsächlich stark erweitert war. In seiner ersten Schrift war ARI noch ganz im Banne der auch von SiEMUNDR befolgten annalistischen Methode: eine Häufung von Materialien zu einer Geschichtsschreibung, ob diese nun Geschlechterlisten oder Regierungsjahre von Königen sind. Mit seiner Islendingabök, so wie wir sie kennen, hat ARI den entscheidenden Schritt zu einer richtigen Geschichtsschreibung getan. Mögen auch die Bischöfe durch ihren Rat ihm die Richtung gewiesen haben, er selber hat jedenfalls die Form gefunden und ihm gebührt die volle Ehre, als der Vater der isländischen Geschichtsschreibung zu gelten. Dieser erste Versuch hat selbstverständlich seine Schwächen und die Weise, wie das Buch zustandegekommen ist, macht es begreiflich, daß die Komposition an einigen Stellen •mangelhaft ist. Aber demgegenüber stehen Vorzüge, die nicht hoch genug angeschlagen werden können. An erster Stelle nennen wir die kühl-sachliche Behandlung der Tatsachen. Mag auch mitunter ein aus vollem Herzen hervorquellendes warmes Lobwort fallen, ARI bemüht sich darum, eine gewissenhafte und zuverlässige Darstellung der isländischen Geschichte zu geben. Damit hat er der ganzen späteren historischen Wissenschaft Islands seinen Stempel aufgedrückt; in S N O R R I S Heimskringla-Prolog wird mit offenen Worten der Grundsatz ausgesprochen (s. § 226), dem ARI in seiner ganzen Arbeit gefolgt ist. Für die Geschichte seiner Heimat konnte er nicht aus Büchern schöpfen, aber um so sorgfältiger hat er die mündliche Tradition "befragt und dabei seine Berichterstatter vorsichtig gewählt. Das sind alle kluge, erfahrene Leute, die durch ein vorzügliches Gedächtnis und ein hohes Alter eine zuverlässige Kunde der Ver-
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gangenheit hatten. Ist es doch fast ein Wunder, daß ein Mann, der um 1130 geschrieben hat, ein Ereignis des 10. Jahrhundertsnoch von einem Augenzeugen hat erzählen hören: H A L L R wußte sich ja noch zu erinnern, daß er im Jahre 998 von P A N G B R A N D R . getauft worden war. Bücher hat er nur für die Geschichte des Auslandes verwenden können. Die waren aber auf Island damals nicht leicht zu beschaffen; die einzige Quelle, die er erwähnt, ist die Passio SanctC Edmundi, die A B B O F L O R I A C E N S I S um 980 geschrieben hatte. Diese hat er deshalb herangezogen, weil er dort eine für die skandinavische Geschichte wichtige Jahreszahl zu finden glaubte: 870war dieser anglische König von I V A R R , dem Sohn von R A G N A R R L O D B R Ö K ermordet worden. Die Veranlassung zu der Verwendung: dieser Passio konnte außerdem diese gewesen sein, daß der Heilige Edmund 1122 auf einem Konzil zu Oxford kanonisiert worden war und deshalb auf ihn die Aufmerksamkeit der Isländer jener Zeit gelenkt wurde. Man hat natürlich nicht das Recht daraus zu schließen, daß ARI keine anderen europäischen Werke gelesen hat,, aber er hat sie nicht als Beweisstellen angeführt. Das Todesjahr des heiligen E D M U N D war der Angelpunkt der Chronologie, die er für seine Geschichte aufgestellt hat 6 ). Er hat sich darum bemüht, nicht nur die isländische Geschichte mit jener der norwegischen Könige zu synchronisieren?), sondern diese auch mit der allgemeinen europäischen Geschichte in Verbindung zu bringen. Es wäre aber unrichtig zu behaupten, daß er der erste gewesen sein sollte, der das versucht hätte; als er das Jahr 93a für den Anfang von H R A F N S Gesetzsprecherperiode ansetzt, bemerkt er: ein bis zwei Jahre vor dem Tode von H A R A L D R H Ä R FAGRI at tqlo spakra manna\ er hatte also schon Vorgänger, auf die er sich berufen konnte 8 ); zu diesen gehörte sicherlich SJEMUNDR„ der für seine Arbeit sich auch mit der Chronologie abfinden mußte (s. § 136). ARI hat sein Büchlein für sein Volk bestimmt und schrieb deshalb in seiner Muttersprache. Wir könnten das in einem gewissen Sinne Popularisierung der Wissenschaft nennen und vielleicht h a t der bescheidene Mann seine eigene Arbeit neben der lateinischen Schriftstellerei S^EMUNDS, dem er ja seinen ersten Versuch zur B e urteilung zuschickte, als einen allgemeinverständlichen Abriß betrachtet. Trotzdem wurde er gerade durch die Wahl der altnordischen Sprache der Vater der isländischen Geschichtsschreibung.
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Sein Werk hat den durchsichtigen klaren Stil der volkstümlichen Sprache, wie sie in den Bestimmungen der Gesetze und den Formeln des Gerichtsganges schon lange ausgebildet war. Gerade aber in der Sprache zeigt sich, daß es sich hier um einen ersten Versuch handelt, wissenschaftliche Dinge in altnordisches Sprachgewand zu kleiden. Bewandert wie er war in der lateinischen Sprache, befremdet es nicht, daß er, z. B. in ziemlich langen Parenthesen, dem klassischen Stil gefolgt ist, aber er hat sich von der lateinischen Rhetorik nicht beeinflussen lassen 9). Seine Darstellungsweise ist durchaus nicht einheitlich; zuweilen schreibt er mit lakonischer Kürze, an anderen Stellen nähert sich sein Buch dem gemächlich erzählenden Sagastil. Namentlich in der Geschichte von der Bekehrung Islands zeigt sich ein durchgebildeter Erzählstil mit der wörtlichen Anführung der damals gesprochenen Worte; A r i teilt mit, daß er diese Dinge von T e i t r gehört hat, der selber es von einem, der dabei gewesen war, hat erzählen hören. Für die Frage, welche Bedeutung die mündliche Überlieferung für die Bildung der Saga gehabt hat (s. §§ 141 —144), ist diese Stelle wichtig; es zeigt sich, daß man schon um 1100 die Ereignisse der isländischen Geschichte in einer frischen lebendigen Form darstellen konnte. ') S o urteilte schon R . K e y s e r , Nordmsendenes Videnskabelighed o g L i t e r a t u r i Middelalderen (Christiania 1866) S. 439; v g l . auch B j . M. Ölsen A a N O 1885 S. 365—371. —
2)
Vigfüsson, Prolegomena zur S t u r l u n g a s a g a
S . X X I X — X X V glaubt, d a ß er geschrieben h a t : K o n u n g a b ö k , L a n d n ä m a b ö k , fslendingabök, K r i s t n i s a g a und vielleicht a u c h eine Biographie v o n Bischof Ketill. — 3) So Gjessing, Undersegelse af K o n g e s a g a e n s fremvaext I ^Christiania 1873) S. 6; Schreiner, S a g a og O l d f u n n (Oslo 1927) S. 69 und H . Schneider, Z f d A 66 (1929) S. 85. — 4 ) V g l . Schreiner, T r a d i s j o n o g S a g a o m O l a v den hellige (Oslo 1926) S. i o f f . — 5) V g l . Maurer, G e r m a n i a 15 (1870) S. 309ff., F . Jönsson, L i t t . Hist. I I , 344—345 und Einl. zur A u s g a b e d e r i s l e n d i n g a b ö k (1930), E . Hagnell z. a. S. S. 9 0 — 9 1 . — 6 ) V g l . c. 3, 4 : H r a f n Haeingsson wurde Gesetzsprecher 60 Jahre nach E d m u n d s
Tod;
d a s w a r ein oder zwei Jahre v o r dem T o d e v o n H a r a l d r h ä r f a g r i ; c. 6, 18: Olaf T r y g g v a s o n fiel 130 Jahre nach E d m u n d s T o d , das waren also 1000 Jahre n a c h Christi G e b u r t ; c. 9, 1 5 : der Tod v o n Bischof Gizurr w a r 2 Jahre v o r d e m aldamöt (s. § 134), also 250 Jahre nach E d m u n d s Tod (also 1120). — 7) E r h a t d a b e i den F e h l e r g e m a c h t , die Regierungsjahre v o n Haraldr härfagri beträchtlich früher anzusetzen, als sie in W i r k l i c h k e i t w a r e n ; wie das g e k o m m e n ist, h a t A . G . v a n H a m e l , A N F 47 (1931) S. 1 9 7 — 2 1 5 auf überzeugende W e i s e e r k l ä r t . —
8)
A u c h ausländische A n n a l e h a t er wohl zu
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ÜBERGANG UND
R a t e ziehen können, vgl. E . auch im Schlußkapitel
seines
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VORBEREITUNG
Hagnell z. a. Buches
die
S.
S.
164. Daraus
stammt
A n g a b e über das Jahr
1118
(c. 10, 14), die m a n nicht als einen Beweis dafür verwerten soll, daß e r auch selber ein A n n a l verfaßt hätte. — 9) So urteilt Paasche, Norsk L i t . Hist. I, 254.
140. Von dem 1133 geborenen Bischof PORLXKR J>ORHALLSSOIT (s. § 153) wird erzählt, daß er in seiner Jugend von seiner Mutter asttvlsi und mannfrcedi gelernt hat'). Diese Wörter kommen auch sonst in der altnordischen Literatur vor. Der Verfasser der ersten grammatischen Abhandlung (s. § 135) teilt mit, ein neues Alphabet schaffen zu wollen, weil Lesen und Schreiben so ziemlich allgemein geworden waren; außer den gelehrten Arbeiten von ARI P O R G I L S S O N gab es damals schon Gesetze, fromme Erbauungsschriften und zttvlsi. Der Verfasser der Hungrvaka (s. § 219) redet von Gesetzen, Sagas und mannfrcedi. Aus diesen Stellen ergibt sich, daß mannfrcedi, eigentlich „Kenntnis von Menschen" weder Genealogien noch eigentliche Sagas waren; ich glaube deshalb, daß H A L L A S T E I N A R S D Ö T T I R ihrem Sohne E"ORLXKR nicht nur die Genealogien der eigenen, verwandten oder benachbarten Sippen mitgeteilt hat, sondern auch Anekdoten, die von mehreren Personen der Vergangenheit im Umlauf waren. Ein Werk wie die Landnämabok zeigt uns, wie ausgezeichnet xttvisi und mannfrcedi miteinander zusammengehen. In einem geschlossenen Bauerntum, wie es sich auf Island entwickelt hatte, sind die Sippenüberlieferungen gewöhnlich sehr zähe 1 ). Um so mehr gilt das für die vornehmen Geschlechter, die teilweise sogar aus dem norwegischen Patriziat hervorgegangen waren und sich ihrer Abstammung mit stolzem Selbstbewußtsein erinnerten 3). Im Anfang des 12. Jahrhunderts gelangt man dazu, diese Genealogien aufzuschreiben; sie gehören sogar zu den ersten Erzeugnissen des isländischen Schrifttums. Das mag wohl damit zusammenhängen, daß in dieser Zeit das Bedürfnis an solchen Kenntnissen gestiegen war. Die Einführung der Kirchenzehnten machte es schon notwendig, den Besitzstand der einzelnen Sippen genau zu verzeichnen, und man konnte sich dadurch angeregt fühlen, auch zu vermerken, wie man ehemals dieses Eigentum erworben hatte. Für die Rechtsverhältnisse der Sippe, wie Bußezahlungen, Vererbungen, Alimentationsverpflichtungen, waren die Geschlechterlisten notwendig, weil der Sippen-
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SIPPENÜBERLIEFERUNGEN
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verband sich bis zum fünften Glied (also zum Ururgroßvater) ausdehnte*). Auch ist es möglich, daß der Versuch, das ¿¿«fc-Recht einzuführen, mitgewirkt hat, denn in Norwegen konnte man dieses Recht nur bekommen, falls der Grundbesitz mindestens vier bis sechs Generationen lang in der Familie gewesen war 5). Wir haben schon bemerkt, daß ARI solche Genealogien angelegt hat. Eine vollständige Landnämabök wird es nicht gewesen sein; nur die Geschlechter der Bischöfe, der Gesetzsprecher und anderer wichtiger Personen wird er gesammelt haben, und zwar hauptsächlich aus dem südwestlichen Teile der Insel, wo er selber heimisch war. Aber auch andere waren auf diesem Gebiete tätig. Wir hören von einem gewissen B R A N D R , der Prior war 6 ) und seiner Geschlechtertafel nach ein Zeitgenosse A R I S gewesen sein muß; er hat am ausführlichsten über die Genealogien der Leute am Breiöafjord (Breidfirdinga kynslod) geschrieben?). Ein anderer war K O L S K E G G R Ä S B J A R N A R S O N , auch inn frödi genannt, von dem die Angaben in der Landnämabök über die Familien im Ostlande herstammen. Dieser ist kaum über den engen Rahmen einer sachlichen Genealogie hinausgegangen; was er hinzugefügt hat, sind einige Mitteilungen über die Umstände, unter denen die wichtigsten Landnehmer nach Island übersiedelten. So erzählt er von der Freundschaft zwischen H R O L L A U G R , dem Sohn des berühmten Jarls R Q G N V A L D R von Meere, und König H A R A L D R INN H A R F A G R I ; dieser hatte ihm ein Schwert, ein Trinkhorn und einen Goldring geschenkt, und K O L S K E G G R kann das dadurch außer Zweifel setzen, daß er selber das Horn gesehen hat 8 ). Die eben erwachte Schreiblust jener Zeit hat wohl auch in anderen Landesteilen dazu geführt, daß man die Erinnerungen an die alten Geschlechter gesammelt hat; aber aus der Landnämabök9) sehen wir jedenfalls, daß diese Sammeltätigkeit im Südwesten der Insel bedeutend eifriger als in den anderen Vierteln betrieben wurde; hier ist ja kaum ein Stückchen Land vergessen oder fortgelassen 10 ). Der Grund dazu war wohl, daß dieser auch der wichtigste Teil Islands war, aber wir dürfen auch dem Vorbilde A R I S in dieser Hinsicht eine große Bedeutung beilegen. Er hat wohl die Grundlage geschaffen, und aus den Geschlechtertafeln, die er in der ersten Fassung seiner Islendingabök aufgenommen hatte, sind bedeutende Teile der Landnämabök, die im Anfang des 13. Jahrhunderts für ganz Island zusammengefaßt wurde, hervorgegangen (s. §§ 220 und 292).
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Noch in einer anderen Hinsicht ist die Landndmabök wichtig. Die langen Geschlechtertafeln werden von reinen Erzählstücken unterbrochen, in denen Denkwürdigkeiten über eine Person oder ein Geschlecht mitgeteilt werden. Teilweise sind das Auszüge aus den Sagawerken und diese wurden natürlich erst später hinzugefügt, als der Geist des isländischen Schrifttums statt schöpferisch kompilatorisch geworden war. Aber daneben gibt es doch auch einfache anekdotenhafte Geschichten, Beispiele von mannfrcedi, wie sie E>ORLÄKS Mutter schon erzählt haben wird. Auch ARI — nahmen wir an — hat seine dttartglur nicht bloß als Genealogien eingerichtet, sondern auch sachliche Bemerkungen eingestreut, die ihm Stoff zur späteren Fassimg seines Buches geliefert haben. Ein Stück wie c. 3 7 7 der Sturlubök") gibt ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine gerundete Erzählung aus einem geschichtlichen Ereignis entwickeln konnte. Der Inhalt ist ein tragisches Exempel der Blutrache: ein Sohn widersetzt sich der zweiten Heirat seiner verwitweten Mutter und tötet den Werber; dessen Sohn aber überfällt den Mörder und erschlägt ihn. Solcherlei Geschichten gab es dutzendweis auf Island; weshalb wurde diese im Gedächtnis behalten? Weil sie sich zu einer eindrucksvollen Szene verdichtet hatte. Der Sohn kommt von seiner Gewalttat heim und sagt frohlockend eine Strophe, in der er seiner Mutter das Geschehene mitteilt. Und sie, in ihrer Liebe schmerzlich getroffen, sagt nur das eine unheilkündende Wort: „ D u hast durch diesen Totschlag Dir selbst Deinen eigenen Mörder erworben" {kvad kann hafa hgggvit ser hqfuäsbana). Eine Strophe als Kristallisationspunkt einer ganzen Situation, eine schlagende, lapidarische Antwort, wie sie auch die Sagas in Fülle bieten, das sind die Hebel, mit denen eine an sich belanglose Geschichte zu einer inhaltsvollen tragischen Szene gehoben werden können. Aber in diesen frdsagnir der Landndmabök finden wir die echte volkstümliche Kunst des Erzählens, die die Grundlage für die späteren meisterhaft ausgeführten Sagas bildet"). ') Biskupa SQgur (Kopenhagen 1858) I, 91. — *) Dasselbe gilt z. B. auch von deutschen Bauern, vgl. W. E. Peuckert, Deutsches Volkstum in Märchen und Sage, Schwank und Rätsel (Berlin 1938) S. 131. — 3) Um 1200 verteidigt König Sverrir auf einem Landsding die Ansprüche auf die Herrschaft, indem er sich als Sohn des Königs Sigurör Haraldsson und Gunnhildr ausgab ; Präinn und von Hrömundr Gripsson; die Saga enthielt manche Strophen. H R Ö L F R hatte diese Saga selber zusammengesetzt. Der Priester I N G I M U N D R E I N A R S S O N erzählte aber eine Saga von O R M R BARREYJARSKALD mit vielen Strophen und zum Schluß mit einem flokkr, den I N G I M U N D R selber gedichtet hatte 1 ). Die Quelle ist durchaus zuverlässig; wir haben mithin keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Mitteilung zu zweifeln. Die Ormssaga ist ganz verschollen; weil aber die Snorra Eiia einige Strophen von diesem Dichter anführt, ist er eine historische Person; die Saga war also eine wohl romantisch ausgeschmückte Dichterbiographie. Die andere Saga ist auch nicht erhalten; nur wissen wir, daß König SVERRIR sie mit besonderem Vergnügen gehört hat 2 ) und daß sie die Grundlage für die Griplur, eine rimur-Dichtung des 14. Jahrhunderts, bildet 3); weil diese rimur dieselben Hauptpersonen haben wie die Saga von H R Ö L F R af Skälmarnesi, dürfen wir behaupten, daß es auch diese Saga war, die, wenn auch nach jüngerem Geschmack umgearbeitet, noch im 14. Jahrhundert erzählt wurde. Diese Hrömundarsaga Gripssonar, wie wir sie wohl nennen dürfen, war eine typische Wikingersaga; sie berichtete von Personen, die lange vor der eigentlichen historischen Zeit lebten und kann deshalb mit dem später dafür eingeführten Namen fornaldarsaga angedeutet werden. 3
d e V r i e s , Literaturgeschichte. Bd. II
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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Die überraschende Mitteilung, daß schon so früh im 12. Jahrhundert Sagas erzählt wurden, wird keineswegs durch die an sich unbeweisbare Behauptung geschmälert, daß sie die ersten Beispiele der Sagakunst gewesen sein sollen*). Sie stimmten in dieser Hinsicht mit den späteren Sagas überein, daß sie ebenfalls mit Strophen ausgeschmückt waren. Über den Umfang läßt sich nur sagen, daß sie natürlich nicht den Romanen der Schreibezeit gleichgekommen sind, aber so klein wie die fräsagnir der Landnämabök waren sie auch nicht, denn sonst wären sie nicht als ganz besondere Belustigung der Hochzeit von Reykjahölar erwähnt (s. § 144)Die Saga steht also im Anfang des 12. Jahrhunderts deutlich vor unseren Augen; sie ist da und zwar in der Form, die sie bis zum Ende des isländischen Schrifttums behalten hat. Zwei Fragen drängen sich auf: wie steht es mit dem Stoff und wie mit der Form ? Und diese Fragen gelten für die beiden in der Sturlunga saga erwähnten Gattungen, für die historische Saga und für die romantische fornaldarsaga. Man ist gewöhnlich dazu geneigt, erstere als die ältere zu betrachten 5), hauptsächlich wohl weil in der Zeit der schriftlichen Überlieferung die fornaldarsaga eine entartete jüngere Schwester der „klassischen" Isländersaga zu sein scheint. Aber wenn wir unser Auge auf die mündliche Tradition richten, so ist es gar nicht abzusehen, weshalb das Erzählen von märchenhaften Abenteuern nicht eben so alt sein könnte wie von wahrheitsgetreuen Geschichten der Vergangenheit. Eins ist sicher: die Saga, die 1119 vorgetragen wurde, hatte einen ganz anderen Stil als die Werke, welche die frödir menn aufs Pergament brachten: eine Art tslendingabök war sie nicht. Sie ruhte noch ganz in der mündlichen Tradition, hatte dorther ihre Form bekommen und hat diese als schönstes Erbstück den Künstlern der Schreibezeit übermittelt. Wir müssen die mündliche Überlieferung verwandter Völker in anderen Zeiten befragen, wenn wir uns eine Vorstellung von jener früheren Sagakunst machen wollen. Sie wird ihre typische Form gerade dadurch bekommen haben, daß die Technik der geschichtlichen und der märchenhaften Erzählung in eins zusammengeflossen sind. Denn die geschichtliche Saga ist von Haus aus der nüchterne Tatsachenbericht. Die fräsagnir derLandnämabök zeigen uns deutlich die Keime der mündlichen Tradition: ein Memorabile, durch
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URFORMEN DER SAGA
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seinen bedeutsamen Inhalt schon wert, erhalten zu bleiben, durch seine Form geeignet, im Gedächtnis zu haften. Deshalb nicht ein unförmliches Gebilde, aber ein Ganzes, das sich um einen Kern gebildet hat oder auf eine eindrucksvolle Sprachgebärde hinausläuft. Eine Strophe, in der eine Situation einprägsam gestaltet wurde, kann einen solchen Kern bilden, aber auch ein wuchtiger Satz, der ein ganzes Schicksal zusammenfaßt. Eine zu d e r älteren Überlieferungsschicht gehörende Saga wie die Droplaugarsona saga (s. § 197)- hat mehrere solche Worte, die unvergeßlich sind. A l s Hjarrandi seinem Gegner Helgi durch die Zähne und die Lippe haut, sagt dieser: „Nie war ich schön von Aussehen, aber wenig hast Du das jetzt gebessert". Bald darauf stößt Qzurr Helgi einen Speer durch den Körper und als dieser versucht, ihn mit dem Schwerte einen Hieb zu versetzen, schleudert Qzurr den Speer fort, so daß Helgi ihn nicht erreichen kann. „ N u n ging ich zu langsam und Du ein wenig zu schnell" 6 ). Wirklich gesagt oder später erdichtet, ein solcher Spruch wird mit Bewunderimg von Geschlecht auf Geschlecht weitergetragen. Ein schönes Beispiel des volkstümlichen Stiles ist die Rede, die 1094 auf dem Ding am Oslofjord gehalten haben soll7). Mit malenden Sprichwörtern und Redensarten verhöhnt er seinen Gegner SIGURDE U L L B A N D : Damals warst D u so bange wie eine Maus in der Falle, konntest Du nach Luft schnappen wie eine Otter in der Schlinge." Fast immer ist es das ironische W o r t , das im entscheidenden Augenblick über den Sieger oder über den eigenen Untergang triumphiert und eben dadurch zu einem mit heroischem Geist erfüllten Spruch wird. Zu den Merkmalen des mündlichen Vortrags gehört auch die Dramatisierung der Handlung. Der volkstümliche Erzähler gibt nicht ein Referat in der indirekten Rede, sondern er führt die Personen redend ein; er liebt es auch jede Person in seiner Eigenart sprechen zu lassen. D a ß wir dabei nicht an die breit ausladenden und künstlich gebauten Gespräche der späteren Sagas denken müssen, ist selbstverständlich, und jedenfalls wurde die Form der Rede nicht dazu verwendet, den Charakter oder die Absichten des Sprechenden zu enthüllen. Das gehört alles zur literarischen Technik (s. § 227). Wir dürfen deshalb auch nicht erwarten, d a ß in den überlieferten Sagawerken Gespräche vorkommen, die aus der mündlichen Tradition erhalten sind, aber es ist möglich, d a ß S V E I N K I STEINARSSON
eine scharf gemeißelte Antwort von Geschlecht auf Geschlecht 3*
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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weitergegeben wurde und das Kernstück der späteren literarischen Form gebildet hat. ') Vgl. Sturlunga saga (Ausgabe Kaalund) I, 22. Über diese Stelle und die daran später hinzugefügten Interpolationen vgl. Heusler, Die Anfänge der isländischen Saga (Berlin 1914) S. 20—26. — l ) I n einem später hinzugefügten Satze der Sturlunga saga heißt es: enpessari sggu var skernt Sverri konungi,
ok kalladi kann sttkar lygisQgur skemtiligstar.
— 3) V g l . F . J ö n s s o n ,
Rimnasafn I (Kopenhagen 1905—1912) S. 351—408 und B. K. E>6rölfsson, Rimur fyrir 1600 (Kopenhagen 1934) S. 353—363. Die erhaltene Hrömundar saga Gripssonar geht aber auf die rimur zurück, vgl. E. Jönsson, Litt. Hist. IJ, 802. — 4) So urteilt Heusler z. a. S. S. 27. Dagegen J . Helgason, Norran Litteraturhistorie § 245. — 5) So auch Heusler z. a. S. S. 6. — 6 ) Vgl. Austfiröinga spgur (Ausgabe J . Jakobsen, Kopenhagen 1902—1903) S . 163: aldri var ek fagrleitr en lUit hefir pii um bcett u n d nü seinkaöa
ek en ßü
brxddir heldr. — 7) Morkinskinna (Ausgabe F. Jönsson, Kopenhagen 1932) S. 309—310.
142. Beim mündlichen Vortrag steht ein Erzähler einem Zuhörerkreis gegenüber. Sie üben beide einen entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung der Tradition aus. Jeder Erzähler hat seine individuelle Veranlagung; der eine neigt zu tragischen Situationen, der andere hat eine humoristische Natur; der eine will gewissenhaft eine ihm mitgeteilte Geschichte weitergeben, der andere liebt es, der Erzählung seine eigene persönliche Form zu geben. Wenn eine Geschichte von mehreren Generationen erzählt worden ist, so hat sie sich von ihrer ursprünglichen Form weit entfernen können. Aber auch die Zuhörer üben ihren Einfluß aus. Sie bilden das Urteil über die ihnen vorgetragene Geschichte: wenn sie nicht gefällt, wird sie nicht wiederholt und ist deshalb schnell vergessen. Wenn aber besondere Teile Beifall finden oder eine bestimmte Weise der Darstellung Eindruck macht, so wird der Erzähler diese Seite beim Vortrag stärker hervorkehren, um damit auch künftighin Erfolg zu haben. Es ist diese Wechselwirkung zwischen dem Erzähler und den Zuhörern, die die Richtung der Entwicklung der mündlichen Überlieferung bestimmt. Man darf vielleicht sagen, daß im engen Kreis der Familie der Tatsachenbericht genügen wird; man hört die Taten der Vorfahren schon deshalb gern, weil sie die Geschichte der eigenen Sippe bilden. Aber was uns die Sagas berichten, sind gewöhnlich Ereignisse, die das Leben einer ganzen Gegend berühren und in die
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DIE MÜNDLICHE SAGAERZÄHLUNG
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deshalb auch mehrere Familien verwickelt waren. Wenn man an Festtagen zusammengekommen war, namentlich bei den Gästereien der Julzeit, hat man diese alten Geschichten gerne erzählen hören und hier stellte sich schon die Forderung ein, die Zuhörer durch die gefällige Art der Darstellung zu fesseln. Wir wissen aber, daß die sagnaskemtun überall im Norden blühte. Das beweisen nicht nur die Beispiele, die wir in § 115 angeführt haben, sondern auch andere gelegentliche Bemerkungen in der Literatur 1 ). Als im Jahre 1135 der eben geweihte Bischof MAGNÖS EINARSSON nach Island zurückgekehrt war, erregte seine Ankunft auf dem Allding so großes Aufsehen, daß die Männer die Gerichtsverhandlungen im Stich ließen und sich um den Bischof zusammendrängten, der ihnen erzählte, was er im Auslände gehört und erfahren hatte 1 ). Die Laxdcela s a g a c. 45 erzählt, daß KJARTAN auf seiner Hochzeit die Gäste mit Erzählungen von seinen Reisen belustigte. Die Geschichte von HALDÖRR SNORRASON zeigt uns, daß man auch am norwegischen Königshof gute Erzähler zu schätzen wußte, und nicht anders war es in Dänemark der Fall. Darüber hat SAXO GRAMMATICUS eine hübsche Geschichte berichtet. Als 1167 der Bischof ABSALON mit einigen Schiffen in der Nähe von Korsör vor Anker lag, war in seinem Gefolge der Isländer ARNALDR (Saxo nennt ihn ARNOLDUS TYLENSIS), der frühere Ereignisse gut kannte und schön erzählen konnte. Als ABSALON ZU dem in Slagelse verweilenden König gerufen wurde, ging ARNALDR in seinem Gefolge mit, und der König fand an ihm so großes Gefallen, daß er den Bischof bat, ihn bei sich behalten zu dürfen3). Man schreibt ihm mehrere westnordische Sagen zu, die SAXO in seiner Arbeit mitgeteilt hat (s. § 195). In einigen Sagas wird berichtet, daß ein Mann hört, wie ein anderer erzählt, was mit ihm vorgegangen ist und dabei eine seine Ehre verletzende Darstellung der Ereignisse gibt; das veranlaßt ihn plötzlich hervorzutreten und den lügnerischen Erzähler zu töten4). Das ist freilich in dieser Form ein literarisches Motiv (s. § 274), aber es konnte sich nur bilden auf der Grundlage einer Wirklichkeit, in der das Berichterstatten über denkwürdige Ereignisse vor einem größeren Zuhörerkreis etwas ganz Gewöhnliches war. Eine Geschichte soll also nicht nur glaubwürdig, sondern auch interessant sein. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man die Frage, inwieweit die Saga-Überlieferung historisch zuverlässig
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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ist, betrachten. Der eine hält sie für ein geschichtliches Dokument ersten Ranges und übertreibt die Unveränderlichkeit einer während Jahrhunderten fortgepflanzten Tradition ; der andere wieder betrachtet sie nur als Romanwerke und setzt deshalb den Wert solcher Überlieferungen als Zeugnisse der Vergangenheit sehr niedrig an. Die Wahrheit liegt auch hier in der Mitte; man könnte die Sagas mit einem modernen Schlagwort „vie romancée" nennen. Denn dieses ist durchaus sicher: die Isländer haben an die Zuverlässigkeit dieser Überlieferungen geglaubt; die Besten dieses Volks haben sie verwendet, um darauf die Geschichte ihres Landes aufzubauen; sie haben wiederholt die Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen nachweisen könnens). Aber damit ist nicht alles gesagt. Denn mögen die Personen und die Begebenheiten an sich auch durchaus historisch sein, die Weise, wie sie dargestellt werden, ist das sicherlich nicht. Zuviel Interessen waren dabei beteiligt, als daß eine Geschichte unversehrt ihren Lauf durch die Jahrhunderte nehmen konnte. Schon der Standpunkt, auf dem die einzelne Familie stand, rückte das Geschehen der Vergangenheit in ein bestimmtes Licht; Übergriffe, die der eigenen Sippe nützlich waren, wurden bewundert; falls sie aber gegen sie gerichtet waren, wurden sie scharf getadelt. Immer stehen die handelnden Figuren früherer Zeiten in einem verklärten Licht; sie verlieren das Allzumenschliche und werden gewissermaßen zu Heroen der Vorzeit. Aber das alles hat hauptsächlich nur Bedeutung für die Art, wie man die Geschichte betrachtet; es braucht die Tatsachen selbst nicht zu berühren. Das ändert sich aber, sobald die Erzählung aus dem engen Familienkreise heraustritt. Die Leute auf der Hochzeit im Jahre 1119 verlangten in erster Linie eine Belustigung, und dann ist ein guter Wicz besser als eine treuherzige Wahrheit. Das Leben bietet zahlreiche Fälle, die unsere Aufmerksamkeit erregen, und wenn sie uns selbst betreffen, so berührt uns das unmittelbar. Aber was andere erfahren, interessiert uns nur, wenn die Ereignisse durch die besondere Art ihrer Verflechtung eine allgemeine Gültigkeit haben; man muß die Tatsachen auf eine bestimmte Weise zurechtrücken, damit sie ihre richtige Wirkung ausüben. Das eben haben die zunftmäßigen Erzähler immer wieder getan. Wir dürfen schon annehmen, daß H A L D Ö R R SNORRASON auf dem Allding nicht einen nüchternen Tatsachenbericht über seine
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GESCHICHTLICHER WERT DER SAGA
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Abenteuer im Mittelmeer gegeben, sondern die Dinge in ein interessantes Licht gerückt hat und seine Rolle ehrenvoll hat hervortreten lassen. Der Isländer, der diese Geschichte in Norwegen wieder vortrug, wird sich um die Wahrheit seiner Mitteilungen noch viel weniger gekümmert haben. Deshalb auch seine Verlegenheit, als er sie dem König selber, der bei den Begebenheiten die Hauptrolle gespielt hatte, hat vortragen müssen. Und welchen Erfolg hatte er? H A R A L D R H A R D R Ä D I sagte ihm: „Deine Geschichte dünkt mich sehr gut und in keiner Hinsicht schlechter als die Tatsachen selbst". Soll das bedeuten, daß die Saga des Isländers die reine Geschichte gewesen ist oder hat der König dabei geschmunzelt und gemeint, daß es nicht übel wäre, wenn seine Landsleute einmal hörten, wie ruhmreich er damals gekämpft hatte ? Wenn die Geschichte durch liebevolle Bewunderung verschönert wird, hört sie damit noch nicht auf, Geschichte zu sein. ') Münch, Det Norske Folks Historie I, i, 682 hat schon auf das Fabliau du Sacristain de Cluny hingewiesen, wo wir lesen: Usage est en Normandie Que qui herbergiez est quil die Fable ou chanson die ä l'hoste. Die gleiche Sitte hat sich auch in den entlegensten Teilen des nordischen Volkes erhalten. — J) Hungrvaka c. 13. — 3) Vgl. Saxo Grammaticus, Ausgabe Olrik-Rseder S. 459—1460. Man identifiziert diesen Amoldus gewöhnlich mit dem isländischen Dichter Arnaldr £>orvaldsson. — 4) Vgl. Heimskringla II, 251—252, Njäla c. 155 und Föstbroeöra saga c. 9. — 5) Einen treffenden Beweis der Zuverlässigkeit der Überlieferung gibt die Laxdcela saga; sie erzählt, daß I>orgerör i>orsteinsd6ttir, als sie sich in Norwegen verheiraten wollte, als Witwe die freie Verfügung über ihre Hand hatte; das ist tatsächlich in Einklang mit den Bestimmungen des älteren GulaJjingsgesetzes, während das für Island nicht gilt. Die Tradition hat diese Tatsache also festgehalten, obgleich der Fall sich in Norwegen zugetragen hatte.
143. Die Überlieferung hat sich also fortwährend geändert: die Zeitgenossen haben schon damit angefangen, und die Nachkommen haben das skrupellos weitergeführt. Diese Umgestaltungen wurden aber hauptsächlich durch die Forderungen der Erzählkunst veranlaßt. Wenn wir die schriftlichen Sagas lesen, die natürlich in manchen Hinsichten recht willkürlich mit der mündlichen Überlieferung verfahren sind, so können wir daraus dennoch ablesen, wie sich diese entwickelt hat.
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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Ich stelle voran die Heroisierung der Geschichte. Indem man die Taten und die Personen wachsen ließ, näherten sie sich allmählich den Vorstellungen, die man in der Heldensage gewohnt war; vielleicht dürfen wir sogar sagen, daß die Heldensage als eine Art Magnet auf diese geschichtliche Tradition wirkte. Je weiter die Vergangenheit zurückwich, um so stärker fühlte man, daß die Zeit der Landnahme und der darauffolgenden Ereignisse eine Hochblüte des Volksgeistes gewesen war. Der Bauer auf seinem Erbhof konnte nur staunen über die Tatkraft und die Entschlossenheit seines wikingernden Vorfahrs, der über das Weltmeer seinen Hochsitzpfeilern nachgesteuert war, bis er in einem isländischen Fjord den Anker ausgeworfen hatte. Die Menschen jener Zeit erregten die Bewunderung der Nachwelt. Als um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Gebeine E G I L S SKALLAGR'IMSSON ausgegraben wurden, da konnte man sehen, daß sie weit größer waren, als die Knochen normaler Menschen, und der Priester S K A P T I I>6RARINSSON hat den Schädel auf einen Zaunpfahl gesetzt; der war wunderbar groß und schwer und wie eine Muschelschale gefurcht1). Man hätte wahrhaftig damals nicht eine solche Anatomie mit diesem Schädel betrieben, wenn man nicht schon seltsame Geschichten von diesem E G I L L ZU erzählen wußte. Aber auch aus der Schicht des Volksglaubens sind mehrere Motive in die Saga-Überlieferung gekommen. Die Einöden im Innern Islands hat das Volk von jeher mit übernatürlichen Wesen bevölkert, und es ist deshalb verständlich, daß gerade die Ächtersaga Geschichten enthält, in denen der Held mit Trollen und Spukgestalten kämpfen muß«). Der Zauber, der an alten Grabhügeln haftet, hat zu mancherlei Sagen geführt, wie man die Schätze hat heben wollen und mit den toten Gespenstern tun das Gold hat ringen müssen; Motive dieser Art hat die fornaldarsaga gern verarbeitet. Die Wirkung eines Fluches, der an eine Waffe gebunden war, ist die gern geglaubte Erklärung dafür, daß ein Schwert in der Hand eines tüchtigen Mannes versagt hat. Träume und Vorbedeutungen begleiten das menschliche Leben und künden das unabänderliche Schicksal an. Das betrachten wir als eine romantische Ausschmückung der nackten Wirklichkeit, die keine Wunder und keine Magie kennt; aber die Menschen des Mittelalters haben daran geglaubt, und das mit einem Fluch beladene Schwert war ihnen nicht weniger Wirklichkeit als das Pferd, auf dem sie zum Nachbar geritten sind. Ihre Erfahrungswelt hat das
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WANDLUNGEN DER SAGATRADITION
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Übernatürliche, das wir grundsätzlich ausschließen, mit einbegriffen. Deshalb liegt ihnen auch die Welt des Märchens nicht so weit von der Wirklichkeit ab. Die Saga kennt dieselben Vereinfachungen des vielgestaltigen Lebens wie das Märchen. Wenn es zwei Brüder in einer Familie gibt, so bilden sie Gegensätze und der jüngere ist meistens der bessere. Er ist der OfenliegerS), der erst durch einen besonderen Anlaß aus seiner Dumpfheit erwacht und fürderhin glänzende Taten ausführt. In der Heidarviga saga (s. § 198) muß ein Berserker schwierige Arbeiten leisten, um sich dadurch die ersehnte Braut zu erwerben; das hat der Held so vieler Märchen auch erdulden müssen. Zuweilen sind ganze Märchen in die Saga eingegangen, oder jedenfalls eine geschlossene Reihe märchenhafter Motive 6 ); wir können nicht immer entscheiden, ob das in der mündlichen Tradition geschehen ist oder ob es die Arbeit eines fabulierenden Schriftstellers war. Ich möchte glauben, daß dies gerade so gut auf der naiven Stufe des volkstümlichen Erzählers denkbar ist, wie in der Zeit, da man die Sagas als glaubwürdige Geschichten der Vorzeit des kostbaren Pergaments würdig erachtete. ') Vgl. Egils saga c. 86. —: *) Vgl. J . van Ham, Beschouwingen over de literaire betekenis der Laxdcela saga (Amsterdam 1932) S. 134—142. — 3) Prinz, Die Schöpfung der Gislasaga Stirssonar S. 127—128. — 4) Vgl. Reykers, Die isländische Ächtersaga (Köln 1936) und J . Spoelstra, De vogelvrijen in de IJslandsche letterkunde (Haarlem 1938). — 5) Vgl. Egils saga c. 25 und Svarfdoela saga c. 2. — 6) Sveinsson h a t sie verzeichnet in seinem B u c h : Verzeichnis isländischer Märchenvarianten, FFC Nr. 83 (Helsinki 1929).
144. Wir nehmen also an, daß in der mündlichen Überlieferung schon Sagas bestanden haben, die nach äußerer sowohl wie innerer Form sich mit den späteren schriftlichen Sagawerken nahe berühren. Es wäre auch sonderbar, wenn auf dem Hochzeitsfest von Reykjahölar eine historische und eine forpaldarsaga erzählt worden wären, die nicht mit den späteren gleichartigen Literaturwerken in irgend einem Zusammenhang gestanden hätten. Und man würde noch weniger begreifen, wie die Sagaschreiber statt des sonst überall grassierenden oratorischen Stils der lateinischen Schriftsteller die frische, lebendige und natürliche Volkssprache so ausgezeichnet hätten behandeln können, wenn nicht
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ÜBERGANG UND
VORBEREITUNG
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eine mündliche Tradition diese stilistische Fähigkeit vorgebildet hätte. Immerhin, eine schriftliche Saga ist etwas anderes als eine mündliche Erzählung. Auf dem Pergament kann man in behaglicher Breite schreiben und eine weitläufige Komposition machen; jetzt gibt es keinen Hörerkreis, der kritisch dazwischenreden kann. Man kann sich die mündliche Saga kaum anders vorstellen als eine einfache Geschichte, die ein Konflikt mit raschen, schlagenden Zügen zu seinem Höhepunkt emportreibt; das Durcheinanderflechten zweier parallel miteinander laufenden Geschichten wird wohl Ausnahme gewesen sein; die zweisträngige Erzählung ist zwar der Volksüberlieferung nicht unbekannt 1 ), aber gelingt doch wohl nur dem ganz guten Sagamann. Eine kurze, einfache Erzählung nennt man Pättr. Nun gibt es Sagas — wie z. B. die Eyrbyggjasaga — die eine Aneinanderreihung ursprünglich selbständiger pxttir sind. Darf man deshalb schließen, daß die späteren Sagaverfasser die im Volke umlaufenden kurzen Geschichten miteinander verbunden haben, daß sie also für die chronologische Verknüpfung der Lebensgeschichte verantwortlich sind? Mehrere Forscher haben tatsächlich diese Ansicht verteidigt 1 ). Aber damit wird eine allgemeingültige Erklärung für die Entstehimg der Sagawerke größeren Umfangs keineswegs gegeben. Hier wiederholt sich derselbe Fehler, den die Forschung mit Hinsicht auf das literarische Epos gemacht hat; es sollte durch Zusammenfügung selbständiger Einzellieder entstanden sein. Genauere Betrachtung hat aber gezeigt, daß sich dieses nur ausnahmsweise feststellen läßt; die Einzellieder behandeln gewöhnlich denselben Stoff wie das epische Großlied; die Darstellung aber ist breiter, gemächlicher, episodenreicher hier als dort. Der Dichter hat also den Stoff von innen aus wachsen lassen; mag deshalb der Stoff gleichartig sein, literarisch betrachtet hat man es mit zwei ganz verschiedenen Erscheinungen zu tun. Dasselbe gilt augh für das Verhältnis zwischen J>attr und saga3). Der Umfang eines Jaättr ist beschränkt, aber sein Inhalt ist deshalb noch nicht der Bruchteil einer größeren Geschichte. Er ist ein in sich geschlossenes Ganzes, das deshalb von außerhalb desselben stehenden Erzählungen keine Vervollständigung braucht. Der f>attr kann ein bestimmtes Ereignis behandeln oder eine bestimmte Idee durchführen oder ein Menschenleben in knapper
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J>ÄTTR UND SAGA
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Skizzierung darstellen; er muß aber eine Einheit sein. Die Jugendgeschichte GRETTIRS bildet nicht einen J>attr, weil ihre Bedeutung im späteren Menschenschicksal beruht; der Kampf mit GLXMR oder die Geschichte von Bäröardalr sind jede für sich denkbar, falls nur der Zuhörer sie mit der ihm voraus bekannten Persönlichkeit GRETTIRS in Beziehung setzen kann. Das bedeutet also, daß der t>attr — wenn wir diesen Namen f ü r das mündliche Erzählstück verwenden — nicht so besonders kurz zu sein braucht. Das Gedächtnis der damaligen Menschen -war außerordentlich gut und die Geduld der Zuhörer erstaunlich. Aber die Erzählung konnte nur lang sein, wenn sie straffgebaut lind übersichtlich gegliedert war; eine Reihe innerlich unzusammenhängender Episoden hält sich nicht lange im Gedächtnis; aber wenn diese Episoden um einen gemeinsamen Mittelpunkt .gelagert sind — einen ausgeprägten Charakter oder eine tragende Idee — so wird sich das Gefüge nicht so leicht verschieben. BÄATH hat nachgewiesen, daß der Schicksalsgedanke, der in zahlreichen Sagas eine Rolle spielt 4), für die Komposition der Saga von großer Bedeutung gewesen ist 5). Man könnte denken, daß der Glaube a n ein Schicksal, das im Leben jedes Menschen waltet, den verschiedenen Abschnitten des Lebensverlaufes einen innern Zusammenhang gibt, der es einem Erzähler möglich macht, sie in -einer richtigen Reihenfolge zu behalten. Die Geschichten, die in Reykjahdlar erzählt wurden, waren eben keine J>aettir. Weder die Lebensgeschichte des Dichters ORMR, noch die episodenreiche Erzählung von HRÖMUNDR kann man als einen J)attr im üblichen Sinne auffassen. Die Frage ist nur: wie lang sind sie gewesen? Darüber gibt die Porgilssaga ok Haflida keinen näheren Aufschluß, aber man darf wohl sagen, daß die skemtan wohl nicht kürzer als eine Stunde gedauert haben wird und damit gelangt man schon zum Umfang der kleineren Saga-werke, wie der Bandamemna spga (s. § 268) oder der Gunnlaugs saga ormstungu (s. § 264). Wenn wir dem oben (s. § 115) angeführten Bericht der Morkinskinna trauen dürfen, war die Erzählung von den Jugendtaten, die HARALD der Gestrenge im Dienste des griechischen Kaisers vollbrachte, über dreizehn Abende verteilt. Der König hatte aber -dem Sagamann zuliebe es so eingerichtet, daß jedes Mal nur ein kurzes Stück vorgetragen wurde. Der Abschnitt in SNORRIS HeimsJtringla, der die Ütferdarsaga behandelt 6 ), ist, auch wenn man
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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alle dort angeführten Strophen hinzurechnet, sicherlich nicht lang genug, um eine ganze Julzeit dauern zu können. Wortwörtlich darf man also die Nachricht der Morkinskinna nicht nehmen; sie als spätere Fiktion ganz zu verwerfen, liegt aber auch kein. Grund vor. In der Darstellungsweise war also der mündliche Vortrag des Isländers mindestens so ausführlich wie SNORRIS Bericht,, der übrigens nur die geschichtlichen Tatsachen bringen wollte. Wenn wir beachten, daß HARALDS Jugenderlebnisse in der Morkinskinna den doppelten Umfang der Heimskringla haben, so wird jene die mündliche Tradition besser wiedergeben als der Auszug,, den SNORRI bietet 7). Für die Frage, ob mündliche Überlieferung oder schriftliches. Kunstwerk, sind auch die Stropheneinlagen von Bedeutung. Die in den Sagas auftretenden Personen sprechen bei verschiedenen. Anlässen, besonders in Augenblicken der Erregung oder auf den. Höhepunkten der Handlung 8 ), eine oder mehrere lausavlsur. Mögen diese auch für einen bedeutenden Teil erst von späteren Sagaschreibern hinzugefügt worden sein (s. § 71), jedenfalls gibt es deren eine stattliche Reihe, die als wirklich von den erwähnten. Personen gesprochen zu gelten haben. Es ist von vornherein zuzugeben, daß eine Stegreifstrophe, wenn sie den Mittelpunkt einer geschlossenen Episode bildet, von Generation auf Generation in mündlicher Überlieferung weitergegeben werden kann, aber daswerden doch wohl Ausnahmefälle gewesen sein. Das läßt sich vorL der Mehrzahl der in den Sagas vorkommenden lausavisur n u r schwerlich beweisen, und wenn man beachtet, daß in ihrer Weiterentwicklung diese Isländergeschichten immer freigebiger mit Stropheneinlagen werden, so soll man wohl eher an ein Kunstmittel dieser an das Pergament gebundenen Literaturgattung denken. Um die Strophen zu erklären, hat man wohl die irische Sage als Vorbild darstellen wollen; aber hier dienen die Verse nur dazu», die lyrischen und dramatischen Elemente der Erzählung durch dichterische Behandlung zu steigern, während sie in den Isländergeschichten vielmehr einen dokumentarischen Wert haben 9). Esist auch deshalb gar nicht nötig, an fremde Einflüsse zu denken,, weil sie sich aus der einheimischen Überlieferung durchaus erklären lassen. Unter den Fällen, wo schon die mündliche Sage Strophen enthalten hat, werden einen besonderen Platz die Biographien namhafter Skalden eingenommen haben: man kann.
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DIE STEGREIFSTROPHEN IN DER SAGA
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sich eine Kormäks saga, eine Hallfredar saga, eine Fostbrcedra saga •oder eine Egils saga nicht ohne die Weisen und Lieder, die von diesen Dichtern gesprochen wurden, vorstellen. Sie gehören ja zur Charakteristik der Helden dieser Erzählungen, und ihre Verfasser werden sich darum bemüht haben, diese so viel wie nur möglich anzuführen. Andrerseits aber war die Königssaga gewiß vorbildlich; in dieser dienten die Skaldenstrophen dazu, die •erzählten Ereignisse durch das Zeugnis zeitgenössischer Dichter zu erhärten; sie waren die zuverlässigsten Quellen, wie SNORRI das im Prolog seiner Heimskringla (s. § 226) überzeugend dargetan hat. Nun waren die Isländersagas nicht weniger Geschichte als die Biographien der norwegischen Könige, jedenfalls nach -der Auffassung der Isländer selbst. Sie handelten ja von Personen, die einmal gelebt hatten, deren Geschlecht man seit der Landnahme bis zur Gegenwart verfolgen konnte, deren Wohnsitze noch zu sehen waren, deren Taten wohl verbürgt schienen. Deshalb hat hier die Königssaga vorbildlich sein können, weil man sich eine historische Darstellung eben nicht anders vorzustellen vermochte als mit einer Reihe beweisender Strophen. Daß im Laufe der Zeit diese lausavisur mehr als stilistisches Merkmal denn als sachliche Dokumentierung gegolten haben, ist leichtverständlich, und so mag es sich zugetragen haben, daß mancher Verfasser, auch wenn ihm die Überlieferung keine Strophen darbieten konnte, darauf nicht verzichten wollte und selbstgemachte hinzufügte. Das Vorkommen der Stegreifstrophen in den Saga"werken läßt sich also durchaus aus den Voraussetzungen dieser Kunstgattung erklären. ' ) Man findet davon z. B . Beispiele in G r i m m s Märchen. — *) Besonders nachdrücklich B ä ä t h , Studier öfver kompositionen i n ä g r a isländska ä t t s a g o r 6RARINN LOFTUNGA und SIGVATR E>ÖRDARSON (s. § 109) verwendet worden war. Ebensowenig wie diese hat er die schwierige Versform fehlerfrei durchführen können; an manchen Stellen ist es ihm nicht gelungen, die Hendingen richtig anzubringen. Die Sprache ist im allgemeinen blaß und wenig persönlich; in den Schlußstrophen, die den König feiern, weil er sich im Wasser des Jordans gebadet und den heiligen Stätten reiche Gaben gespendet hat, versucht er, durch eine reichere Kenningtechnik die Sprache zu steigern, aber eben dadurch verrät er seinen Mangel an schöpferischer Kraft 1 ). Drei Stegreifstrophen, die von ihm überliefert worden sind, fügen dem Bilde des Dichters keinen neuen Zug hinzu. Der Dichter, der uns übrigens ganz unbekannt ist»), gehört zu den vielen anderen Hofskalden, die bei dem Worte Preislied stärker auf das erste als auf das zweite Glied geachtet zu haben scheinen.
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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Auch H A L D Ö R R S K V A L D R I ist uns als Person gänzlich unbekannt. Nur wissen wir, daß er ein typisches Beispiel der herumwandernden Skalden gewesen ist: er hat auf zahlreiche Fürsten seiner Zeit ein Preislied gedichtet und zwar in allen Teilen der skandinavischen Welt 3). Erhalten sind nur einige Strophen von einem Gedicht auf SIGURDR JÖRSALAFARI und von einem andern auf H A R A L D R Gilli4). Die Ütfarardrdpa gehört zu den chronikartigen Preisgedichten, die nicht viel mehr enthalten als die Aufzählung der ruhmreichen Waffentaten; wie SIGVATR das auch in seiner Vikingarvisur getan hatte (s. § 107), versieht er jedes Ereignis gewissenhaft mit einer Nummer. Auch gelingt es ihm, die barbarischen Eigennamen wie Sintre, Lizibön, Alkasse, Iviza in die dröttkvsettZeile einzupassen und prunkt sogar mit dem Fremdwort galeid. Das sind aber alles nur die Fingerfertigkeiten der Kunst, die dieser Berufsdichter natürlich ganz gut erlernt hatte. Die Sverris saga erzählt, daß M Ä N I , nachdem er aus Rom zurückgekehrt war (also um 1180), dem norwegischen König M A G N Ü S ERLINGSSON dieses Gedicht vorgetragen haben soll und daß es damals sehr gepriesen wurde5). Das läßt sich hören, weil das Lied die ruhmreichen Taten von König M A G N Ü S ' Großvater verherrlicht; der Fürst konnte darin während seines erbitterten Kampfes mit SVERRIR eine Stütze für seine gefährdete Stellung sehen. In dichterischer Hinsicht ist diese Ütfarardrdpa doch nur ein schwacher Abglanz der früheren lauttönenden Skaldenpoesie. Auch das Preislied auf H A R A L D R G I L L I , von dem nur zwei Strophen und drei Helminge überliefert sind, zeigt ihn nur als einen gewandten Verseschmied. Das Gedicht ist etwa 20 Jahre jünger als das andere, aber es zeigt merkwürdigerweise eine stärkere Abhängigkeit von älteren Dichtern 6 ). Kunstübung hat ihn nicht zu freierem Schaffen geführt, im Gegenteil ihn auf dem Weg der leichten, geistlosen Nachahmung weitergetrieben. *) Die Kenning Sgrva svgrgwlir bei Einarr skUaglamm (Skj I, 121 Str. 23) hat er in diesen Strophen zweimal nachgeahmt: als Yggs svan gcelir in Str. 6 und alsEndils svgrgaedir in Str. 5. Diese Kenning erinnert aber auch wieder an Jalfads svangceöir bei Gottormr (Skj I, 55 Str. 1). Die Umschreibung geirs gnystasrir ist fast wörtlich dieselbe wie geira gnijslcerir bei Gisli (Skj I, 97 Str. 8). Merkwürdig ist, daß I>örarinn sich an so alte Stellen anlehnt. — >) Eine Anekdote in einem Zusatzabschnitt der Heimskringla (III, 507—509) erzählt, wie er den wunderlichen Namen stuttfeldr bekommen haben soll. Sie ist wohl nichts anders als eine freie Paraphrase der lausavisa, die er ge-
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DIE HELDENLIEDER DIESER ZEIT
s p r e c h e n h a b e n soll (vgl. F . Jónsson, L i t . H i s t . I I , 61). — 3) So erzählt d a s die Skäldatal ( S n E I I I , 367). — 4) Skj I , 457—461. D i e XJtfararkvida,
ein
Lied auf K ö n i g Sigurd in fornyröislag ist bis auf eine Strophe vollständig untergegangen. — 5) Sverrissaga c . 85 : ok fekkfetta
kvsedi gódan róm, pitti
vel skemt. — 6 ) Vgl. die Zeile fljótmseltr honungr Jóta
( S t r . 2) m i t
vinar Jóta bei A r n ó r r (Skj I, 322 S t r . 4) und die K e n n i n g hrannbdls
ok
fljätmselts glgtudr
(Str. 3) m i t hoddglgtudr bei demselben (Skj I, 322 S t r . 3). B e i d e E n t l e h n u n g e n a n dasselbe Gedicht, nl. das Erblied auf H a r a l d r inn h a r ö r ä ö i . I n Str. 1 eri n n e r t valr nam at hylja
a n den Ausdruck varò va.lt at hylja
bei I>jóflolfr
Arnórsson (Skj I , 334 S t r . 7).
148. In seiner dräpa vergleicht E>ÓRARINN STUTTFELDR König mit der Heldenfigur HRÓLFR K R A K I , dem seine Mannen ebenso treu ergeben waren1). Und HALDÓRR SKVALDRI macht eine Anspielung auf die Hagbard-Sage, als er den Galgen grandmeidr Sigars fjanda nennt1), während er in einer Kriegerkenning den Namen Haddingr verwendet3). Das beweist, daß die Heldensage damals noch immer eine lebendige Tradition war. Von Heldenliedern, die dieser Periode zuzurechnen sind, wissen wir aber wenig. Die jüngeren Lieder über die Nibelungen, von denen wir § 123 schon gesprochen haben, können bereits im Anfang des 12. Jahrhunderts aus dem Süden eingewandert sein, aber die Lieder, die erhalten sind, zeigen wohl eine noch spätere Ursprungszeit. Vielleicht gehören einige Teile der überlieferten Helgilieder zu dieser Periode. SIGURDR
Wir haben schon bemerkt (s. § 127), daß das zweite Helgilied aus einem alten Kernstück besteht und aus einigen zweifellos jüngeren Stücken. Der erste Teil (Str. 1—13) enthält das romantische Motiv, daß ein Held sich in Frauenkleidern versteckt halten muß ; das wird in einer Prosa-Erzählung beschrieben, in die einige Strophen eingestreut sind. Darauf folgt ein Gespräch zwischen HELGI und der Walküre SIGRÜN, in dem ein eben beendigter Kampf behandelt wird. Das zweite Stück (Str. 30—38) ist ein Gespräch zwischen SIGRÜN und ihrem Bruder D A G R , der ihr mitteilt, daß er HELGI getötet hat. Der Schluß (Str. 40—51) enthält die durch BÜRGERS Lettore berühmt gewordene Sage, daß ein totes Gespenst sich die ihm zugesagte Braut holen kommt. Diese drei Stücke zeigen einerseits so viele Übereinstimmungen in Stil und Charakter, daß sie derselben Periode zugehören müssen ; es gibt aber auch zwischen ihnen so viele Gegensätze, daß sie
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§148
kaum einem einzigen Dichter zugeschrieben werden können. Ihnen gemeinsam ist der romantische Geist; das abenteuerliche Motiv fängt an, das Heldenhafte zu verdrängen; das Verhältnis zwischen Held und Walküre ist nicht viel mehr als das zwischen zwei Liebenden. Der Stil hat Merkmale der jüngeren Zeit; das schmückende Beiwort zeigt so späte Formen wie svinnhugadr (Str. n ) oder gullvaridr (Str. 45), baugvaridr (Str. 35); diese Beispiele sind über die drei Liedstücke gleichmäßig verteilt. Das Epitheton sudrcenn (Str. 45) stimmt ganz zum Gebrauch in der späten Nibelungenschicht. Der Einfluß der anderen Helgilieder ist überall zu spüren4). Berührungen mit den Nibelungenliedern sind namentlich im Anfangsteile deutlich nachweisbar5). Auffallend ist es, daß auch mit der Lokasenna Übereinstimmungen vorkommen6); sie sind aber wohl zu wenig zahlreich, um ihnen eine besondere Bedeutung beizumessen. Ein Wort wie ürsvalr, das sonst in der Eddadichtung ungebräuchlich ist, kommt in allen drei Stücken vor (Str. 13, 31, 44 und 45). Daneben gibt es auch Unterschiede. Der Kenningbrauch ist sehr ungleich: im Anfangsstück finden wir deren nur drei, in Str. 30—38 nur eine, im Schlußteil aber nicht weniger als zehn. Während dieser Dichter die Kenning also aus der Skaldenpoesie ohne Bedenken aufnimmt, zeigen die Verfasser der beiden anderen Stücke eine gewisse Zurückhaltung. Als H E L G I in Str. 8 skaldische Bilder verwendet wie bjgrn für „Held" oder Sit ara saddak für „ich tötete", sagt SIGRÜN bewundernd (Str. 12): Ich nenne dich scharfsinnig, weil Du Kriegsnachrichten in Schlachtrunen sagst (er l valrünum vigspjgll segir); hier zeigt sich die naive Bewunderung über die geheimnisvolle Bildersprache. Auch dem Inhalt nach gibt es Unterschiede. Das erste Stück ist eine romanhaft ausgeschmückte Heldengeschichte, die großenteils in der Form eines Rückblicksgedichtes erzählt wird. Der Verfasser von Str. 30—38 hat eine Vorliebe für formelhafte Dinge, wie den genauen Wortlaut einer Fluchformel oder die Zusammenstellung des Sühnegeldes. Der dritte Dichter liebt die schaurigen Szenen im Grabhügel, hat aber auch ein offenes Auge für die Natur, die er mit einigen malenden Zügen glücklich darzustellen versteht 7). Wir können deshalb nur sagen: die drei Stücke sind die Arbeit der Spätzeit. Ob sie in einem Guß als Umarbeitung des alten
§149
JÜNGERE HELGILIEDER
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Helgiliedes entstanden, oder ob sie allmählich daran festgewachsen sind, das ist eine Frage, die wir nicht entscheiden können. A u c h die Zeit, während der diese Strophenreihen entstanden sind, läßt sich schwer bestimmen. Der Anfang des 12. J a h r hunderts als Entstehungszeit ist wohl eher zu früh als zu spät a n gesetzt. ') S k j I, 462 Str. 1 : sem fyrr i fgr - freit hgfdu réti - konunga kyn - Kraka margspgkum. — ») Skj I, 461 Str. 3. — 3) Skj I, 460 Str. 2 : Haddings bardila herdir.—4) Vgl .biódi stokhinn (Str. 7 = H H I, 15), xtt ara saddak (Str. 8 vgl. H H 1,35), Ylfinga niör (Str. 8 und 47 = HH 1,5). Ein Ausdruck wie heldr er soemri (Str. 3) erinnert an HH I, 45 und ist auch kennzeichnend für die jüngere Poesie, die die gesitteten Formen bewundert. Im zweiten Bruchstück erinnert ein Ausdruck wie budlungr bazir i heimi an HHj 39 und 43, aber auch an Rm 14. Weiter enthält Str. 36 nicht weniger als drei Übereinstimmungen mit andern Helgiliedern : bregöi Ij&ma (vgl. H H I, 15), gullbitli vanr (vgl. gullbillud HH I, 42), una Ufi (vgl. HH I, 55, aber auch sehr geliebt in der jüngsten Nibelungenschicht). Im Schlußteil noch : dagsbrün se'a (Str. 43, vgl. HH I, 26), dggglitr (Str. 43, vgl. dgggóttr HH I, 47). — 5) Neben den in Fußnote 4 schon genannten Beispielen noch brimis eggjar (Str. 10, vgl. Sdr 14), trauör em ek trega at segia (Str. 30 vgl. Gör II, 10), einn veldr gllu bglvi (Str. 34, vgl. Sg 27 und Gör I, 25). — 6) Vgl. fat es litil vi (Str. 4 mit Ls 33), cer ertu oh Bruita (Str. 34, vgl. Ls 21), folks jadarr (Str. 42 vgl. dsa iaöarr Ls 35). — 7) Vgl. rodnar brautir für den leicht geröteten Morgenhimmel, Idta fglvan iä flugstig troia, das fahle Roß (des Todes und der Nacht) über den Himmelpfad westwärts traben lassen), beide in Str. 49 und in Str. 50 das schöne Bild er d asklimom ernir sitia.
149. A u c h die H e l g a k v i ö a H j g r v a r ö s s o n a r gehört in der F o r m , wie wir sie kennen, wohl dem 12. Jahrhundert an. Sie macht keinen einheitlichen E i n d r u c k ; die Teile aus denen sie besteht, sind sogar ganz verschiedener A r t und auch ungleichen Alters. Den Anfang bildet ein Prosastück mit einigen darin angeführten Strophen (Str. 1 — 5 ) ; hier wird nach der A r t einer fornaldarsaga die Geschichte der Eltern des Helden erzählt. Darauf folgt ein Gespräch zwischen H E L G I und der Walküre S V À V A (Str. 6—9), in dem er seinen Namen bekommt und ein herrliches Schwert als nafnfestr. J e t z t folgt die Rachetat, die der junge Held auszuführen hat. E r soll seinen Großvater mütterlicherseits, SVXFNIR, den H R Ó B M A R R getötet hatte, rächen und bittet in Str. 1 0 — 1 1 seinen V a t e r HJQRVARBR, ihm d a z u Hilfe z u leisten. Diese Strophen bilden den A u f t a k t zur weiteren Geschichte des Helden ;
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
§149
sie wird aber durch ein ganz aus diesem Rahmen fallendes Stück unterbrochen. Das ist die Hrimgerdarmäl (Str. 12—30), ein Scheltgespräch zwischen ATLI und der Riesentochter HRiMGERD. Wir finden hier dieselben unflätigen Beschuldigungen, wie in dem Wortwechsel, den SINFJQTLI und GUDMUNDR in H H I halten. Dieses Stück ist in ljööahattr gedichtet und sticht dadurch noch greller gegen das sonst in fornyröislag verfaßte Helgilied ab. Es ist wohl wahrscheinlich, daß es eine Nachahmung der Szene ist, die in den Liedern von Helgi dem Hundingtöter stand 1 ). Es ist merkwürdig, daß der Verfasser dieses Stückes einen Teil seines Sprachstoffes aus mythologischen Liedern geholt hat 2 ), wohl weil er die Wassernixe, mit der HELGI sich unterhält, zur übermenschlichen Welt rechnete. Jetzt wird in einer Prosaauflösung die Geschichte von HELGI weitergeführt. Er verlobt sich mit SVÄVA und geht wieder auf Kriegszüge. Sein Bruder HEDINN weist ein zauberkundiges Weib, das ihm Folge leisten will, schroff ab; sie rächt sich dadurch, daß sie ihn beim feierlichen Festtrunk (bragarfull) das Gelübde eingibt, sich mit SVÄVA ZU vermählen. Reumütig erzählt er das seinem Bruder, der diese Sachlage mit Fassung akzeptiert. Bald darauf findet er den Tod in einem Kampf mit ÄLFR, dem Sohne HR6DMARS. In einem Abschiedsgespräch mit SVÄVA bittet er sie, sich mit HEDINN zufrieden zu geben, und wiewohl sie sich dagegen sträubt, schließt das Lied so, daß die Möglichkeit dieser Lösung offen bleibt. Handlung hat das Lied fast gar nicht; die Erzählung ist ganz in Gespräche aufgelöst. Der Anfang mit der feierlichen Namengebung macht den Eindruck, als ob er für eine ausführliche Heldenbiographie den Auftakt bilden müßte. Aber diese wird hauptsächlich in den Prosareferaten mitgeteilt. Wie in den anderen Helgiliedern ist das Verhältnis von Held und Walküre breit ausgemalt, aber diese Walküre fällt, ganz wie die Brynhild der Nibelungensage, doch wieder in die Rolle der im väterlichen Hause verweilenden Königstochter zurück. Das Lied — oder besser die Sammlung von Bruchstücken — hat keine innere Haltung. Die Übereinstimmung mit den Liedern von Helgi dem Hundingtöter ist deutlich genug, aber das Verhältnis der beiden Sagenkreise ist schwierig zu bestimmet). Die Personen, die hier auftreten, machen den Eindruck, als ob sie aus verschiedenen Helden-
5 149
HELGAKVIDA HJQRVARDSSONAR
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Dreisen hergeholt wären: Helgi und Älfr aus der anderen Helgisage, Sväva, Sväfnir, Sigrlinn sind norddeutsche Namen. Dänisch sind HjQrvarör und Sigarr. In geographischer Hinsicht schwebt •das Gedicht völlig in einer phantastischen Nebelwelt: R Q Ö U I S vellir, Munarheimr, Rögheimr sind rein poetische Erfindungen. Der handgreifliche Name Nöregr (Str. 31) sticht gegen diese romantische Umwelt sonderbar ab. Die Geschichte des Helden hat auch einen versöhnlichen Verlauf. Als sein Bruder H E D I N N das verhängnisvolle Gelübde getan hat, scheint sich das Lied zu einem tragischen Konflikt zusammenzuballen, aber der Verfasser läßt mit kluger Vorsicht das Schicksal •walten und H E L G I durch den Kampf mit einem anderen Gegner •von der Bühne verschwinden. Und die Walküre bäumt sich nicht "trotzig gegen ihr Schicksal auf, sondern sagt fast klagend, daß sie gelobt hatte, nach H E L G I S Tod nicht einen fremden Mann zu heiraten. H E D I N N , der seinen Bruder zu rächen wünscht, zeigt sich in der letzten Strophe schon seiner Sache gewiß. Die Stimmung ist in diesem Lied deshalb auch nicht heroisch, sondern vielmehr christlich-versöhnlich. Als H E D I N N seinem Bruder reuevoll mit-teilt, welches törichte Gelübde er beim bragarfull getan hat, antwortet dieser: „Mach Dir keine Vorwürfe. Die Bierworte enthalten Wahrheit. Ich werde bald sterben. Dann wird alles wieder gut werden". Das ist eine Sprache, die wir sonst von den alten Helden nicht gewohnt sind; das ist nicht mehr die Schicksalsbereitschaft •der heidnischen Zeit, sondern die Ergebung in Gottes Willen. Dadurch schon ist es deutlich, daß das Lied in der christlichen Periode gedichtet wurde. Im Hauptstück (Str. 31—43) ist der ^Einfluß der anderen Helgilieder, und besonders von H H II, leicht festzustellen^. Von dorther hat der Verfasser also auch das Verhältnis Held-Walküre geholt, aber er hat die Trennimg der Liebenden zu einer rührenden Szene gestaltet, in der die Entsagimg vorherrscht. Tragischer als das erste Helgilied, das den Held auf dem •Gipfel seines Lebens verabschiedet, versöhnlicher als das zweite Helgilied, das mit der grausigen Szene im Grabhügel schließt, steht das Lied von Helgi Hj Qrvarösson seinem Charakter, und vielleicht auch dem Alter nach, zwischen diesen beiden. Die Dichter dieser Periode versuchen, das alte Heldenlied nach -dem Lebensgefühl ihrer Zeit umzugestalten; sie erreichen dabei aber nur eine Zwitterform, in der der neue Geist mit dem alten Stoffe ringt. Deshalb machen diese Lieder auch den Eindruck, zu
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ÜBERGANG UND
§150
VORBEREITUNG
einer Übergangszeit zu gehören; am Ende des Jahrhunderts entstehen mehrere Gedichte über die Nibelungentragödie, die ein viel gereifteres Können zeigen als die der Helgisage. Man muß aber dabei in Betracht ziehen, daß sie von der Überlieferung schonungslos behandelt worden sind: das Lied von Helgi HjQrvarösson scheint kaum mehr als ein Stück einer kurzen fornaldarsaga z a sein, die die Ereignisse fast auszugsweise mitteilte und nur einige Episoden in Dichtform bewahrt hatte. *) Darauf weist schon der Ortsname Varinsvlk von Varinsfjgrdr in H H I, 26 ist. — dgggvar pxrs
s)
hin, der eine Variation
V g l . dggg i djüpa dali (Str. 28) mit
{ dala falla (Vsp 19) und paöan kamr dggg um data (Vm 14);
dmdttigr (Str. 14 und 17) finden wir auch V s p 8. In Str. 25 stehen zwei Wörter, die auch in der H y m vorkommen, nl. hraunbüi und hundvlss
(vgl. H y m . 38)1
( H y m 5); weil dieses Gedicht aber viel jünger ist (s. § 172),
wird hier das Helgilied wohl der gebende Teil sein. — Germanische Heldensage I I ,
3) V g l . Schneider,
1 S. 2 6 4 — 2 7 1 . E s kann einen alten dänischen
Grundstock dieses Liedes gegeben haben (s. § 74). — 4 ) V g l . ina konungborna: (Str. 32 = H H II, 48),per er scemra (Str. 34 v g l . H H I I , 23), feil i morgun at Frekasteini
(Str. 39 v g l . H H I I , 26), budlungr baztr und sólo (Str. 39 und 43.
vgl. H H I I , 30 baztr i heimi), hvilo gervir (Str. 41 v g l . H H I I , 47). Weiter mit H H I die folgenden Berührungen : Itrborinn (Str. 37 = H H I, 9) und
bià
büna verOa (Str. 36 v g l . H H I, 22).
150. Auch andere Sagenstoffe scheinen in dieser Zeit zu erneuter Behandlung wieder aufgenommen worden zu sein. Wir finden i m H e r v g r l i e d e i n Beispiel dafür es ist auf der Grundlage des Hunnenschlachtliedes (s.§22) entstanden, mit dem es zusammen in der Hervararsaga (s. § 280) überliefert worden ist. Dort war das Schwert Tyrfingr das kostbare Erbstück, daß A N G A N TVR seinem Halbbruder nicht abtreten wollte, hier ist es ebenfallsein Familienstück, das A N G A N T V R mit sich ins Grab genommen hat und das seine Tochter H E R V Q R — die im älteren Lied seine Schwester ist — von ihm zurückfordert. Seinen jungen Charakter zeigt das HervQrlied schon durch seine Anlage: es ist ein reines Dialoggedicht., in dem nicht eine Handlung, sondern eine gewisse Situation beschrieben wird. Der Inhalt beweist es auch : ein junges Mädchen, das dem mit Heldengräbern verbundenen Spuk zu trotzen wagt, ist eine Gestalt desspäteren romantisierenden Geschmacks. Geschichten, die erzählen, daß ein tapferer Mann aus einem Grabhügel ein kostbares.
D A S HERVQRLIED
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Schwert hervorholt, oft nachdem er mit dem Toten darum hat ringen müssen, waren sehr beliebt und kommen besonders in der Wikingersaga vor; wir haben gesehen, daß schon auf der Hochzeit von Reykjahölar eine solche Geschichte erzählt wurde (s. § 141). Hier war das Besondere, daß ein Mädchen dieses Wagnis bestand. H E R V Q R gehört zu den kriegerischen Frauengestalten, wie die Walküren der Helgilieder oder die Brynhild-Sigrdrifa. Der Dichter hat mit den vorhandenen Sagenmotiven ganz frei geschaltet. Das Hunnenschlachtlied hat ihm nicht viel mehr als •einige Namen geliefert. In der Überlieferung war Tyrfingr das von Zwergen geschmiedete und mit einem Fluch beladene Schwert geworden und spielte hier also dieselbe Rolle wie Andvaris Ring in der Nibelungensage. Auch die Vorstellung des Flammenwalles, der A N G A N T V R S Grab umschließt, erinnert an die vafrlogi um B R Y N H I L D S Burg. Damit sind aber die wichtigsten Motive erwähnt, mit denen der Dichter sein Lied aufgebaut hat. In seiner Wortwahl ist er nichts weniger als ursprünglich. Besonders stark ist er von den Helgiliedern beeinflußt worden. Dorther stammt der Ortsname Munarvägr; daran erinnern auch einige Ausdrücke2). Wie das Lied von Helgi Hjgrvarösson zwischen mehreren fingierten Namen einmal Norwegen nennt, so tut das auch das HervQrlied3). Daneben hat der Dichter aus der Nibelungensage und besonders aus den Fäfnismäh) Anleihen gemacht. Die Vorstellung, daß Gift in einer Schwertklinge verborgen ist (Str. 27), finden wir auch mit Bezug auf S I G U R D S Schwerts). Dem Hunnenschlachtlied, das der Ausgangspunkt des HervQrliedes war, hat der Dichter die altertümlichen Zeilen wie hjalmi ok med brynju, rynd ok med reidi6) abgesehen. Nur in einem Fall können wir den Einfluß der Skaldenpoesie feststellen, denn der Ausdruck hyrr er d sveimun (Str. 5) erinnert so stark an hyrr sveimadi bei G ! S L ILLUGASON7), daß Zufall ausgeschlossen ist. Dadurch wissen wir, daß das HervQrlied nach 1104 gedichtet worden ist und weil es nur von diesem Skald beeinflußt wurde, ist es wohl nicht allzulange nach G'ISLS Erblied entstanden, in der Zeit also, -da es noch frisch im Gedächtnis war. Die Sprache des Liedes ist schlicht; es schließt sich in dieser Hinsicht der Eddapoesie an, der es auch manche Ausdrücke und Wendungen entlehnt hat8). Skaldisch sind nur einige wenige Kenningen, die über das Gedicht ungleich verteilt sind9). Trotzdem hat die Sprache nicht den echten, vollen Klang der alten
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ÜBERGANG UND
VORBEREITUNG
§151
Eddalieder; sie ist weich und wortreich; die entlehnten Zeilen, stechen nur zu deutlich durch einen spröderen Stil dagegen ab 10 ). Auch die Form des Gespräches ist nicht besonders glücklich gewählt, weil das Hinundhergerede zwischen Vater und Tochter am Rande des Grabhügels ermüdend wirkt. Der Anfang mit den» Gespräch zwischen H E R V Q R und dem Hirten ist im Grunde nur eine Wiederholung des späteren Wortwechsels11). Aber das alles verhindert doch nicht, daß wir einen gewissen Eindruck von der schaurigen Szene bekommen, wo das Mädchen in der feuerdurchsprühten Nacht mit dem Geist ihres Vaters spricht, nachdem der Grabhügel sich geöffnet hat. Wir stimmen denn auch überzeugt, in die letzten Worte der H E R V Q R ein: „Ich glaubte zwischen Leben und Tod zu schweben, als ringsum mir die Feuer loderten". ') Ausgegeben von Heusler-Ranisch, Eddica Minora nr. II. — ») V g l lofdunga niör (Str. 26) mit Ylfinga niOr (HH II, 47) und lofdungr ( H H I I , 36); rikstr und YQÖuls tialdi (Str. 17) vgl. beztr i heimi ( H H I I , 30); cer ok ervita (Str. 11 vgl. H H II, 34). Die Henning gjalfrmarr in Str. 26 ist eine Nachahmung von gjalfrdyr in H H I, 30. — 3) Vgl. Str. 24: en ek Nóregi nxdak gllum. —4) Vgl. Fm 40: mey veit ek eina . . . efpú geta msettir mit H e r v . Str. 21: mey veit ek enga und Str. 22 ef ek hafa msettak. In Str. 21: allr er hann útan eldi sveipinn = Fm 42. — 5) Vgl. Brot Str. 19. — 6) Str. 8; v g l . auch Str. 19. — 7) Nl. im Erblied auf König Magnús (Skj I, 410 Str. 5). — ») V g l . feiknstafir (Str. 11 = Grm 12); auch Wörter wie helgrind (Str. 14 v g l . Grm 22) und rnanns mjgtudr (Str. 27) gehören dazu. — 9) hugar muntún (Str. 1 5 ; vgl. Gísli Súrsson hugtún, S k j I, 98 Str. 9, also in einer Strophe, die auf die Guörün der Edda hindeutet); gjalfrmarr (Str. 26, schon oben mit gjalfrdijr in H H I, 30 verglichen); und rgduls Haid (eine Kenningart, die erst am E n d e des 12. Jahrhunderts auftritt, vgl. Meißner, Die Kenningar S. 106). Di& Umschreibung für Schwert: pann er Katar bryniur (Str. 20) erinnert an brynju hatr bei Gísli (Skj I, 100 Str. 19). — " ) Vgl. Neckel, Beiträge S. 328 bis. 329. — " ) Wohl der Szene mit dem seggr in Hunn. 3 nachgebildet (vgl. Neckel z. a. S. S. 264—265).
151. Das Eddagedicht Rígspúla ist nicht in der Handschrift der Lieder-Edda, sondern in dem Codex Wormianus der Snorra Edda überliefert worden. Es ist eins der merkwürdigsten und originellsten Gedichte des altnordischen Schrifttums, weil es den Ursprung der Stände zu erklären versucht. Ein Gott R Í G R wandert auf Erden und besucht drei Familien ungleicher Art, wo er jedesmal einen Sohn erzeugt. Die Eltern heißen Urgroßvater und Urgroßmutter (Ái und Edda), Großvater und Großmutter {Aß
§151
DIE RiGSI>ULA
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und Amma), Vater und Mutter (Fadir und Mödir). Im ersten ärmlich ausgestatteten Hause erzeugt er den Sohn Prsell, den Ahnherrn der Knechte. Dann kommt er in eine Familie, wo fleißige Arbeit einen gewissen Wohlstand geschaffen hat; hier wird Karl geboren, aus dem der Bauernstand hervorgegangen ist. Drittens gelangt er zu vornehmen Leuten, die einen Sohn Jarl bekommen, von dem die Adligen abstammen. Aus der Verbindung von diesem Jarl mit der Hersirtochter Erna werden mehrere Söhne geboren, von denen der jüngste Kotir heißt. Durch eine etymologische Spielerei wird dieser Konr ungr als der erste Konungr betrachtet. Das Lied ist leider nicht vollständig erhalten; es bricht mit der Rede eines weissagenden Vogels ab, der dem jungen Konr den Rat gibt, statt auf die Vogeljagd zu gehen Krieg zu führen und zwar mit den Königen Danr und Danpr, die reicher und mächtiger als er selbst sind. Man kann mit Heusler dieses Gedicht einen „mythus philosophicus" nennen 1 ). Der Mann, der es gemacht hat, beweist dadurch, daß er über die gesellschaftliche Ordnung nachgedacht hat und imstande war, dafür eine sinnvolle Erklärung zu geben. Sein Hintergedanke war wohl die Verherrlichimg des norwegischen Königstumes: der König ist die von Gott gewollte Krönung der gesellschaftlichen Hierarchie, und der verstümmelte Schluß des Gedichtes läßt ahnen, daß es die Absicht des Dichters war, den norwegischen König sich siegreich gegen die dänische Macht behaupten zu lassen. Politisch war das Lied also nicht weniger als philosophisch. Auch die Form des Gedichtes ist eigentümlich. Der name Rigspula setzt es in Verbindimg mit der Gattung der Merkverse (s: § 18); Namenreihen kommen auch häufig vor, um die aus den verschiedenen göttlichen Erzeugungen geborenen Kinder zu nennen. Aber diese machen nur einen kleinen Teil des Liedes aus. Der Name zielt wohl mehr hin auf den Inhalt des Liedes: dieser ist pragmatisch und lehrhaft. Der Form nach erinnert aber die Rlgspula viel mehr an die mittelalterliche Ballade, denn ganz wie diese liebt sie es, gleichartige Situationen mit demselben Wortlaut zu beschreiben 4 ). Die Ankunft des Gottes und dessen Empfang werden dreimal mit gleichlautenden Strophen ausgedrückt. Dadurch ist der Charakter dieses Liedes viel formelhafter, ja, man möchte sagen erstarrter, als das übrigens in der Eddadichtung der Fall ist. Aber die wortgenaue Wiederholung ist auch sinnvoll in den Plan des
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ÜBERGANG U N D
VORBEREITUNG
§151
Liedes eingebaut worden, und sie erreicht dadurch, daß das Einkehren des Gottes als eine feierliche Tat vorgestellt wird. In der Ballade ist die Wiederholung schon mehr eine reinliterarische Formel geworden. Über die Datierung des Liedes gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Einige Forschers) haben es zur vorchristlichen Zeit rechnen wollen, weil hier noch heidnischer Glaube vorherrschen sollte; aber RiGR—der nur in einer später hinzugefügten Prosa-Einleitung mit H E I M D A L L R gleichgesetzt wird — ist nur eine dichterische Fiktion; falls der Name das irische rl „König" wiedergibt, •weist das auf westliche Einflüsse. Es verschlägt auch nichts darauf hinzuweisen, daß Sklaven und Jarle im n . und 12. Jahrhundert nicht mehr da waren, denn die Namen prxll und jarl waren noch immer im Gebrauch, und der Dichter versetzt sich ja in eine Frühzeit, als die Stände noch geschaffen werden mußten. Falls mit dem «rsten König H A R A L D SCHÖNHAAR gemeint wäre, schließt das noch nicht aus, daß die Rigspula viel später gedichtet worden ist, denn H A R A L D hat ja immer als Stifter des norwegischen Königstums gegolten 4). Sprache und metrische Form weisen jedenfalls auf eine beträchtlich spätere Zeit. Die glatte Form der Strophen, die Auflösung der alten strengen Strophenform 5), Kurzzeilen wie ridodo augu6) legen eine solche Datierung schon nahe. Das Wort plögr ist ein ziemlich junges Lehnwort, auch Wörter wie kinga, kartr, kanna, frakka stehen in dem Verdacht, erst später eingewandert zu sein7). Die Zuredeform er statt des älteren pü, die erst durch die christlichritterliche Kultur eingeführt wurde8), kann das nur bestätigen, könnte sogar auf eine noch jüngere Entstehungszeit hindeuten. Die Haartracht des Bauern skgr var fyr enni deutet wohl auf das kurz über den Brauen abgeschnittene Stirnhaar, also der auch in den Sagas beschriebenen Mode gemäß9). Wenn wir noch hinzufügen, daß ein Gedicht auf die Apotheose des Königtums auch aus christlich-mittelalterlichen Anschauungen verstanden werden kann, so darf man wohl annehmen, daß es erst im 12. Jahrhundert, vielleicht sogar noch später gedichtet worden ist 10 ). Eine genauere Zeitbestimmung ist natürlich nicht möglich. Ich möchte behaupten, daß seit etwa der Mitte des 12. Jahrhunderts die geistige Atmosphäre geschaffen war, in der solch eine Arbeit denkbar ist. Es ist viel Gelehrsamkeit darin, weil es einen Versuch darstellt, die Lebensordnungen zu erklären und als göttliche Sat-
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DIE RIGSPULA
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zungen unanfechtbar zu machen. Es steckt aber auch viel Politisches darin; man möchte glauben, daß die Thronwirren nach dem Tode von S I G U R D R J Ö R S A L A F A R I in bestimmten Kreisen dazu geführt hatten, das Ansehen der Krone nach dem mittelalterlichen Ideal zu heben. Aber das Bedeutendste an diesem Gedicht ist die vorzügliche Beschreibung der einzelnen Stände; ihr äußerliches Vorkommen, ihre Tracht und ihre Lebensgewohnheiten werden jedesmal in kurzen aber scharfumrissenen Genrebildchen gezeichnet. Dadurch hat die Rigspula etwas Einzigartiges, das sie von allen anderen Eddaliedern unterscheidet; sie schwebt nicht in der poetisierten Welt der Heldendichtung, sondern sie zeigt das kühle und klare Auge für die Verhältnisse des alltäglichen Lebens. Mag das Sittengemälde für unsere Kenntnisse des frühmittelalterlichen Lebens in Norwegen deshalb auch besonders wichtig sein, es ist auch in dichterischer Hinsicht bemerkenswert, denn es zeigt, wie vielseitig die Kunstübung gewesen ist. Man kann die Rigspula nicht in eine bestimmte Kategorie einreihen; sie ist ein Werk, das ganz für sich steht. Zweifellos eine norwegische Schöpfung, beweist es auch wieder, wie wenig richtig die Behauptung ist, daß nach der Kolonisation Islands die Kunst sich dorthin geflüchtet hätte. Das „Norvegia non cantat" ist ein Trugschluß. Aber hier, weit stärker als auf Island, stand man mitten in der Gärung zweier Kulturwelten, die sich auseinandersetzen mußten, der christlich-mittelalterlichen und der heidnisch-nordischen Welt. Erstere hat in Norwegen mit weit größerer Kraft gewirkt als auf der weitentlegenen Saga-Insel; sie hat hier auch früher gesiegt. Ein Beispiel dieses Kulturkampfes ist auch die Rigspula — die wir deshalb auch eher zum 12. Jahrhundert rechnen möchten — weil die Vermischung von fornyröislag und balladenhaftem Versstil, von gelehrter Spekulation und einheimischem Überlieferungsgut, den Anteil der beiden Welten überzeugend dartut. ') Heusler, Die altgermanische Dichtung, S. 93. — *) Daß das Gedicht deshalb pula genannt sein sollte, wie F. Jönsson, ANF 33 (1917) S. 157—171 angenommen hat, ist wenig wahrscheinlich. — 3) F. Jönsson, Lit. Hist. I, 193 und ANF 33, S. 157—171; Paasche, Norsk Lit. Hist. I, 78—83; Mogk, Grundriß der germanischen Philologie1 II, 1 S. 602. —4) Anfang des II. Jahrhunderts befürworten Boer, Edda II, 365; H. de Boor in Schneiders Germanische Altertumskunde S. 367 und J . J. Young, ANF 50 (1934) S. 97—107. —5) Neckel, Beiträge S. 103—111. —') Kuhn, PBB 63 S. 182. — 7) Gering-Sijmons, Edda Kommentar I, 354; A. Heusler, Archiv für das 5
d e V r i e s , Literaturgeschichte. Bd. II
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ÜBERGANG UND VORBEREITUNG
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Studium der neueren Sprachen 116 S. 270—281. — 8) Neckel, Beiträge S. 118. — 9 ) V. Guömundsson in Hoops Reallexikon II, 346. — I0 ) Heusler, Die altgermanische Dichtung S. 93, Neckel, Beiträge S. 466, E. Noreen, Den norsk-isländska Poesien S. 94 denken sogar erst an das 13. Jahrhundert. So auch B. Pering, Heimdali (Lund 1941) S. 42, der aber die Möglichkeit erwägt, daß es auf nicht-nordischem Gebiet beheimatet ist und in diesem Fall wohl etwas früher datiert werden könne. Es ist jedenfalls zuzugeben, daß wir ein Lied wie die Rigs]>ula uns auch ganz gut in der Zeit von Häkon Häkonarson vorstellen können, als einerseits das mittelalterliche Königstum in Norwegen gesiegt hatte und andrerseits nach der Snorra Edda das Interesse für die heidnische Vorzeit wieder lebendig geworden war.
KAPITEL VII
Aufstieg und Wiederbelebung (1150—1200) A. Das nordische Geistesleben in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts 152. Von den unaufhörlichen Streitigkeiten zwischen mehreren Kronprätendenten machte die katholische Kirche dankbar Gebrauch, um ihre eigene Macht zu verstärken, und es ist ihr schon bald gelungen, über den Staat einen entscheidenden Sieg zu gewinnen. Wir haben schon erzählt (s. § 132), daß um 1150 drei Könige gleichzeitig in Norwegen regierten: SIGURDR M U N N R , EYSTEINN und I N G I . Die norwegischen Bischöfe haben in dieser Schwächung der königlichen Macht wohl den Anlaß gefunden, die Stellung der Kirche dadurch zu heben, daß Norwegen zu einer selbständigen Kirchenprovinz gemacht wurde. Sie haben den jungen kaum siebzehnjährigen INGI für ihre Pläne gewonnen und 1151 haben die Bischöfe Nidaros als Sitz des künftigen Erzbischofs erklärt und zu der neuen Würde Bischof HREIDARR gewählt. Dieser begab sich nach Rom, um von Papst EUGEN III. die Genehmigung dazu zu holen; er wurde dort zum Erzbischof geweiht, starb aber auf der Rückreise noch in Italien. Darauf hat der Papst die Sache selbst in die Hand genommen und den Kardinal N I K O LAUS BREKSPERE (der schon 1154 selbst als HADRIANUS IV. die Tiara bekam) nach Norwegen geschickt, um dort die Stellung der Kirche kräftig zu fördern. Als er am 20. Juli 1152 angekommen war, eröffnete er die Verhandlungen mit den Königen damit, daß er die vollkommene Selbständigkeit der Kirche forderte; während INGI dazu bereit war, haben die beiden anderen Könige sich dieser Forderung widersetzt, aber schließlich doch nachgeben müssen. So konnte der Bischof von Stavanger J 6 N BIRGISSON schon bald aus den Händen des Kardinals das Pallium empfangen. Aber N I K O L A U S hatte der Kirche große Vorteile ausbedungen: die neue Kirchens*
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A U F S T I E G UND
WIEDERBELEBUNG
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provinz, welche außer Norwegen auch die Kolonialgebiete Island, Grönland, die Färöer, Orkaden, Shetlandinseln und Man umfaßte, bekam ein neues kirchliches Recht, wobei der Einfluß der weltlichen Macht auf die Wahl der Geistlichkeit so weit wie möglich ausgeschaltet wurde. Als ein Beweis, daß die norwegische Kirche unmittelbar dem Papste unterstellt war, sollte jetzt der Peterspfennig erlegt werden. Die Wahl der Bischöfe wurde den neu eingerichteten Domherrkapiteln übertragen und also der königlichen Machtsbefugnis entzogen. Um auch die materiellen Verhältnisse der Kirche zu bessern, wurde bestimmt, daß Schenkungen und Erblassungen nicht wie früher bis zu einem Zehntel, sondern zu einem Viertel des Gesamtvermögens des Donators gestattet waren. In einer Hinsicht konnte der Kardinal seinen Willen nicht durchsetzen: als er von der Geistlichkeit die Einhaltung des Zölibats forderte, wurde das bestimmt abgelehnt1). Damit hatte die Kirche schon ihre Selbständigkeit weitgehend erobert; die politischen Verwicklungen sollten ihr aber die Gelegenheit bieten, ihre Macht noch weiter auszudehnen. Als kurz nacheinander die beiden Könige S I G U R D R M U N N R ( 1 1 5 5 ) und E Y S T E I N N ( 1 1 5 7 ) im Kampf gefallen waren, schien für I N G I die Lage bedeutend verbessert. Aber schon im Jahre 1157 wurde H Ä K O N H E R B I B R E I D R S I G U R B A R S O N , damals ein Knabe von kaum 10 Jahren, zum Nachfolger E Y S T E I N S ausgerufen, und als 1161 König I N G I in der Schlacht bei Oslo gefallen war, schien es wieder möglich, daß Norwegen in einer Hand vereinigt wurde. Im folgenden Jahre wurde H Ä K O N in einem Kampf mit E R L I N G R S K A K K I , einem Mann aus angesehenem Geschlecht in Hgröaland, erschlagen. Dieser E R L I N G R hatte aber im Jahre 1161 seinen kaum sechsjährigen Sohn zum König von Norwegen ausrufen lassen, und nach dem Fall H Ä K O N S wurde seine Macht von keinem anderen Prätendenten angefochten. Ihm fehlte aber die Legitimität, die den Andern als wahren oder vorgeblichen Nachkommen des Heiligen Olafs den Aufstieg zum Thron erleichtert hatte, und deshalb wünschte E R L I N G R ihn durch eine besondere Weihe auszuzeichnen. Er bat den Erzbischof E Y S T E I N N E R L E N D S S O N , den damals neunjährigen Knaben auf feierliche Weise in der Domkirche zu krönen, und dieser hat im Beisein des päpstlichen Legats S T E P H A N U S von Orvieto die Weihung an ihm vollzogen. Aber E R L I N G R hat die Erfüllung seines Ehrgeizes teuer erkaufen müssen; sein Sohn M A G N Ü S bekam Nor-
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DIE VERHÄLTNISSE IN NORWEGEN
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wegen als Lehen vom Heiligen Olaf, und als Zeichen dieses Verhältnisses sollte nach dem Tode jedes Königs die Krone auf den Olafsaltar gelegt werden. Weil die Bischöfe dadurch auch die Wahl des neuen Königs an sich gezogen hatten, war die Königsmacht in Norwegen von der kirchlichen Politik abhängig geworden. Fast fünfzehn Jahre hat M A G N Ü S das Reich ruhig verwalten können. Im Jahre 1177 kam aber ein Abenteurer, SVERRIR genannt, von den Färöern, der sich für den Sohn des Königs SIGURDR M U N N R ausgab und bald ein Gefolge von Anhängern um sich sammelte, die als Birkibeinar bekannt sind. Schon 1179 ist ERLINGR S K A K K I in einem Kampf gefallen, und nach manchen mit wechselndem Erfolg geschlagenen Schlachten wurde vier Jahre später auch M A G N Ü S getötet. Jetzt war SVERRIR wieder Alleinherrscher, und wenn auch mehrere Male neue Kronprätendenten ihm die Macht strittig machten, er hat immer die Oberhand behalten, bis er 1202 auf dem Krankenbette starb. SVERRIR war ein ganz besonderer Mensch, der darauf bedacht war, die königliche Macht wieder zu heben. Er kam dadurch bald in Streit mit der Kirche, aber er hat sich nicht davor gescheut, den Erzbischof EIRÜCR IVARSSON 1191 aus dem Lande zu verweisen. Dieser hat 12 Jahre lang in Dänemark eine Zuflucht finden müssen und natürlich den Schutz von Rom erlangt: Papst INNOCENZ I I I . hat König SVERRIR exkommuniziert. Aber SVERRIR weiß wenigstens in Norwegen seine Macht durchzusetzen und läßt sich 1194 durch die Bischöfe krönen. Natürlich hat der Erzbischof, als ein neuer Prätendent in I N G I , einem angeblichen Sohn von M A G N Ü S E R L I N G S SON aufstand, diesen kräftig unterstützt, aber obgleich seine Partei, die Baglar, die letzten Lebensjahre SVERRIRS sehr beunruhigt hat, ist er doch der Situation bis zu seinem Tode Herr geblieben. •) Vgl. Boga Meisted, Islendinga Saga I I I (Kopenhagen
1916—1930)
S. 241—245.
153. Nidaros statt Lund die kirchliche Metropole, das bedeutet für das isländische Volk ein Näherrücken der kirchlichen Macht; man kann sagen, daß das Jahr 1152 der Anfangspunkt für eine geschichtliche Entwicklung gewesen ist, die 1263—1264 mit dem Verlust der Unabhängigkeit endete. Nachdem der neue Erzbischof E Y S T E I N N ERLENDSSON die kirchlichen Interessen in Norwegen gesichert hatte, mußte er auch danach streben, in den weitergelegenen Teilen seiner Kirchenprovinz die Verhältnisse zu
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AUFSTIEG UND WIEDERBELEBUNG
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regeln. Auf Island fand er aber bei dieser Arbeit große Schwierigkeiten, weil das Volk sich nicht der kirchlichen Disziplin fügen wollte. Die friedliche Periode, die fridarQld, war schon längst vorüber. Statt eines wohlgeordneten Staatswesens war Island ein oligarchisches System geworden, in dem die mächtigen Häuptlinge einander befehdeten und immer mehr Macht und Besitz an sich rafften. Rücksichtslos wurden die Streitigkeiten untereinander ausgetragen; es war nicht mehr der Kleinkrieg zwischen einzelnen Familien, der durch die Blutrache veranlaßt wurde, sondern ganze Heere von hunderten Mannen standen einander gegenüber. Mit so grimmiger Wut wurde gekämpft, daß man sogar die Heiligkeit des Dings nicht mehr schonte. Schon 1121 standen auf dem Allding zwei Heere einander kampfbereit gegenüber. HAFLIDI MÄSSON, derselbe Mann, in dessen Haus I i 17—1118 der Anfang mit einer Kodifikation des isländischen Rechts gemacht wurde (s. § 135), war in diesem Jahre mit PORGILS ODDSSON, einem Häuptling des Westlandes, zusammengestoßen. Im Jahre 1120 kam es auf dem Allding schon zu einem blutigen Zusammentreffen, und es zeigte sich jetzt, wie sehr die Gesellschaft gefährdet war, als E>ORGILS ODDSSON, der deshalb zur Acht verurteilt wurde, ruhig auf seinem Gehöfte sitzen blieb und schon im nächsten Sommer mit 800 Mann zum Allding zog. Der drohende Kampf wurde vermieden durch die Vermittlung des Bischofs F>ORLÄKR und S/EMUNDR (s. § I96). Aber die Kämpfe wiederholten sich in immer gefährlicherer Art. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts sind die Häuptlinge EINARR PORGILSSON und HVAMM-STURLA miteinander in Streit geraten und leidenschaftlich wird durch Mordbrände und andere Gewalttaten der Vernichtungslust gefröhnt. Im Jahre 1171 kommt es zu einer förmlichen Schlacht auf der Saelingsdalheiöi, in der STURLA der Sieger ist; durch das Einschreiten einflußreicher Männer wie JÖN LOPTSSON und GIZURR HALLSSON wird schließlich die Feindschaft beigelegt. Der Frieden der isländischen Gesellschaft wird in dieser Periode wiederholt bedroht. Im Jahre 1163 war sogar auf der iQgretta selbst gekämpft worden, und dabei hatte der Priester HALDÖRR SNORRASON den Tod gefunden. Denn das war eben auch ein Mangel der damaligen Zeit, daß die Geistlichkeit ganz in die weltlichen Interessen verstrickt war und sich an den Streitigkeiten mit glei-
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DIE VERHÄLTNISSE AUF ISLAND
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chem Eifer beteiligte wie die Laien. Darin konnten auch die isländischen Bischöfe nicht viel Veränderung bringen. K L E N G R I>ORSTEINSSON, der Bischof von Hölar (1152—1176) und B R A N D R S/EMUNDARSON, der den Sitz in Skalholt innehatte (1163—1201), waren beide friedfertige Kirchenfürsten, die danach bestrebt waren, die streitenden Parteien zu versöhnen. Damit aber war im Augenblicke weder der Kirche noch dem Volke gedient; hier mußte eine starke Hand die Leitung übernehmen, um Island aus den Wirren zu einer geordneten Gesellschaft zu führen. Aber auch eine kräftige Persönlichkeit wie £>ORLÄKR I>ORHALLSSON hat das widerspenstige Volk nicht beugen können. I>ORLÄKR ist ein bedeutender Kirchenfürst gewesen. In seiner Jugend hatte er mehrere Jahre im Ausland verlebt und, wie so viele Leute jener Zeit, in Paris studiert 1 ). Nachher hatte er sich weiter in Lincoln ausgebildet. Im Jahre 1168 wurde er Prior des Klosters von E>YKKVIBykkviboer zu einem Muster von Frömmigkeit und gutem Lebenswandel gemacht hatte. Er war auch deshalb schon gesonnen, die kirchliche Disziplin mit größerer Strenge zu führen und hatte während seines langen Aufenthaltes im Auslande wohl die neuere Richtung der Kirchenpolitik kennen gelernt. Er hat sich sogar nicht davor gescheut, sich einem mächtigen Mann wie J6N LOPTSSON zu widersetzen und diesen mit dem kirchlichen Bann bedroht. Auch hat er darauf bestanden, daß man die Fasten und die Beichte besser einhalten sollte. Sein Kampf gegen die Sitte, Beiweiber zu haben»
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AUFSTIEG UND
WIEDERBELEBUNG
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hat ihn auch in manche Schwierigkeiten verwickelt. Aber der entschlossene Widerstand der Laien, die ihre eigenen Rechte unbeschnitten zu erhalten wünschten, hat seine Arbeit ergebnislos gemacht: weder die hierarchische Ordnung der isländischen Kirche noch die Besserung der Sitten hat er zuwege bringen können. Das einfache Volk aber hat ihm als treuen Schirmherrn der Gerechtigkeit geliebt, und schon fünf Jahre nach seinem Tode (1193) wurde er auf dem Allding heiligerklärt. Wir besitzen mehrere Briefe, die der Erzbischof E Y S T E I N N E R L E N D S S O N nach Island geschickt hat, in denen er die wüsten und unchristlichen Sitten rügtJ). Darin schreibt er: „Ich habe vernommen, daß es unter Ihnen Menschen gibt, die Priester geschlagen, verletzt und sogar getötet haben, während andere ihre Eheweiber vertrieben und Kebsen an deren Stelle genommen haben. Einige halten Weib und Kebsweib zusammen in ihrem Hause. Wenn aber die Bischöfe versuchen, sie deswegen zu bestrafen, wagen sie es, ihnen zu trotzen und weigern sie sich, einer gerechten Sühne sich zu unterwerfen". Das sind ja Zeichen für eine wenig christliche Gesinnung, und man muß sagen, daß zwei Jahrhunderte nach der Bekehrung das Christentum noch keine tiefen Wurzeln in die Seele der Isländer geschlagen hatte. ') In Paris haben weiter noch studiert um 1 1 5 0 der spätere Erzbischof EIRÌKR ÌVARSSON, u m 1 1 5 5 der spätere dänische Erzbischof ABSALON, u m 1 1 7 0 SAXO GRAMMATICUS, während der Erzbischof v o n Lund ANDERS SUNESSON u m 1 1 8 0 Magister in Paris gewesen ist. — S.
J)
Diplomatarium Islandicum I ,
218, 230, 258 und 260.
154. Dennoch wäre es übereilt, aus diesem Mißlingen der bischöflichen Versuche die Sitten zu mildern, zu schließen, daß die christliche Predigt ganz wirkungslos geblieben war. Kräftiger als die Mahnbriefe des Erzbischofs und das Einschreiten der beiden isländischen Bischöfe hat wohl die Stiftimg mehrerer Klöster im Laufe dieses Jahrhunderts gewirkt; denn sie beweisen, daß manche Menschen aus den Schrecknissen der damaligen Zeit innerhalb der Klostermauern Schutz und Frieden gesucht haben. Diese Klöster waren auch die Stellen, wo das geistliche Leben gedeihen konnte, aus denen auch noch vor dem Ende des 12. Jahrhunderts eine rege Wirksamkeit ausgestrahlt hat 1 ). Nach dem Kloster auf £>ingeyrar (s. § 133) wurde schon 1155 das Benediktiner-Kloster in M u n k a - P v e r à durch Bischof B J Q R N
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KLOSTERSTIFTUNGEN AUF ISLAND
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GILSSON von Hölar gestiftet. Hier hat der Abt NIKULAS BERGSSON bis zu seinem Tode 1159 gearbeitet und, wohl aus der auf seinen weiten Reisen gesammelten Erfahrung, eine Beschreibung des Heiligen Landes verfaßt 2 ). Zehn Jahre später wurde im Westen Islands, in H i t a r d a i r , ein Kloster gegründet; der Stifter war I>ORLEIFR BEISKALDI, der 1148 aus dem Brande von Hitardair glücklich gerettet worden war und später dafür auf diese Weise seinen Dank bezeugt hat. Zu größerer Blüte ist dieses Kloster aber nicht gelangt, und schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts scheint es aufgehoben worden zu sein.
Viel bedeutsamer wurde das Augustiner-Kloster, das 1168 in I > y k k v i b c e r i m Süden der Insel gestiftet wurde. Der Anfang war schon besonders glücklich, weil der erste Abt der spätere Bischof £>ORLÄKR I>ORHALLSSON war, der das Kloster musterhaft einrichtete. Im Laufe der Jahrhunderte ist es auch eine Pflegestätte der Kunst und Wissenschaft gewesen; hier arbeiteten der Dichter GAMLI KANÖKI (s. § 166) im 12. Jahrhundert, der Verfasser einer Alexandersaga BRANDR JÖNSSON (S. § 288) und der Bearbeiter einer Geschichte über Augustin RÜNÖLFR SIGMUNDARSON im 13. Jahrhundert, schließlich der Dichter der Lilja EYSTEINN ÄSGRIMSSON (s. § 296) im 14. Jahrhundert. Wieder einige Jahre später (1172) wurde das Kloster auf der Insel F l a t e y von QGMUNDR KÄLFSSON gestiftet und von Bischof KLENGR geweiht. Auch dieses gehörte zum Augustiner-Orden. Die Lage war aber nicht besonders günstig; 1184 siedelten die Mönche nach H e l g a f e l l am südlichen Ufer des Breiöifjords über. Wir wissen aus einem Gabebrief, den der erste Abt QGMUNDR KÄLFSSON für die Übersiedelung nach Helgafell ausgestellt hat, daß das Kloster damals schon eine Bibliothek von 100 Bänden besessen hat 3). Die Mönche werden sich deshalb befleißigt haben, den Bestand an Manuskripten zu vergrößern und auch selbständige Arbeiten gemacht haben. Wenn es richtig ist, daß die Eyrbyggja saga (s. § 239) hier entstanden^ und der Codex AM 194 8° mit typisch-mittelalterlichen wissenschaftlichen Betrachtungens) hier geschrieben worden ist, beweist das, wie vielfältig sich das geistige Leben in diesem Kloster entfaltet hat. Im Jähre 1186 stiftete der Bischof PORLAKR I>ORHALLSSON ein Nonnenkloster in K i r k j u b c e r (inder Nähe von Pykkvibcer). Von diesem Kloster ist nur wenig bekannt, wie das auch der Fall ist
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mit dem Kloster zu S a u r b c e r (bei dem E y j a f j g r ö r in Nord-Island), das Bischof BRANDR S^EMUNDARSON von Hölar im Jahre 1200 gestiftet hat. D a s alles deutet darauf hin, daß das kirchliche Leben in dieser Zeit auf manchen Gebieten tätig war. A u c h für den B a u und die Ausstattung der Kirchen wurde eifrig Sorge getragen. Als KL^ENGR 1152 von der Bischofsweihe zurückkehrte, hat er aus Norwegen Holz für eine neue Kirche mitgenommen, die sechs Jahre später feierlich eingeweiht wurde. Von MARKUS GISLASON, der u m 1190 eine Romreise gemacht hat, hören wir, daß er in Norwegen Holz gekauft und auf der Rückreise aus England Glocken mitgenommen h a t , um in Rauöasandr eine neue Kirche zu bauen 6 ). Die Zahl der Kirchen wuchs beträchtlich; als im Jahre 1200 der Bischof PALL JÖNSSON die Kirchen in seinem Bistum von Skalholt zählen ließ, g a b es deren schon die stattliche Zahl von 220. D a s bedeutet für die ganze Insel etwa 320 Kirchen, die zu ihrem Dienst nicht weniger als etwa 420 Priester benötigten?). D a ß auch diese kleinen Kirchen für die Verbreitimg der K u l t u r tätig waren, zeigt der Umstand, daß in einem abgelegenen Ort wie Ingunnarstaöir in K j ö s (Südwest-Island) zum Kircheninvent a r des Jahres 1180 ein lysisteinn gehörte 8 ); der dort amtierende Geistliche hat sich also mit dem Schreiben und Illuminieren von Büchern beschäftigt. *) S. über die isländischen Klöster J. Jönsson, Um klaustrin ä Islandi in Timarit hins islenzka Bökmentafjelags 8 (1887). — Vgl. Alfraeöi islenzk I, 2 3 : leidarvisir Nicholas
sjd ok borgaskipan
ok allr pessi frööleikr
abäta, er beedi var vitr ok vidfraegr, minnigr
er ritin at
fyrirsggn
ok margfröör, rddviss ok
rettordr (s. § 155). — 3) Vgl. Diplomatariuni Islandicum I, 280—282.
—
4) Vgl. Sveinsson, APhS 12 (1937) S. 75 und IFR XV S. XLVII. — 5) Alfraeöi islenzk I (Kopenhagen 1908). •— 6) Vgl. Biskupa scjgur I, 645. — 7) Vgl. Bogi Melsteö, Safn til SQgu Islands IV, 733. — 8) Dipl. isl. I, 266. 155. Die Schriften, die in den Klöstern geschrieben wurden, waren selbstverständlich in erster Linie religiöser A r t . Die älteste Handschrift, die wir besitzen, der Codex A M 237a fol, ist ein Fragment einer Homilie; durch die Übersetzung lateinischer Predigtsammlungen hat man den Priestern Stoff für ihre eigene Wirksamkeit geben wollen. Z u m 12. Jahrhundert darf man ebenfalls rechnen Übersetzungen aus der umfangreichen Legendenliteratur, wie von Maria, den Aposteln, Märtyrern und Heiligen,
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WISSENSCHAFTLICHE TÄTIGKEIT
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wie auch von den im Mittelalter besonders beliebten Dialogen 1 GREGORS des Großen ). Selbständige Arbeiten auf diesem Gebiet hat die Olafsverehrung angeregt; die norwegische Legende dieses Heiligen war sicherlich vor 1152 auf Schrift gestellt, weil man dem Kardinal NIKOLAUS BREKSPERE die Berechtigung der Heiligerkläxung OLAFS hat zeigen wollen. Bald wird dann auch dessen Lebensgeschichte zusammengestellt worden sein. Wir kennen diese Literatur nur aus Abschriften, die in viel späterer Zeit gemacht worden sind; weil aber diese Abschriften auch zuweilen recht einschneidende Umarbeitungen erfahren haben, können wir uns nur schwer eine Vorstellung davon machen, "wie diese Originalwerke des 12. Jahrhunderts ausgesehen haben. Aber aus dem was wir wissen, bekommen wir den Eindruck, daß man auf Island ein starkes Bedürfnis gefühlt hat, mit dem europäischen Schrifttum in Verbindung zu treten. Die zahlreichen Reisen von Isländern nach den Stätten der Gelehrtheit (wie Paris) oder des Glaubens (wie Rom und Jerusalem) haben Gelegenheit geboten, mit der Kultur im Ausland bekannt zu werden; manche Reisenden werden von dort Manuskripte heimgebracht haben, andere haben ihre eigenen Beobachtungen mitgeteilt. Als NIKOLXS BERGSSON 1155 Abt des neugegründeten Klosters i n Munka-I>vera geworden war, hat er eine kurze Beschreibung seiner Reise nach Jerusalem auf Schrift stellen lassen1). Sie hat •die Form eines Itinerariums (Leidarvisir) und gibt genau die Wegstrecken zwischen den einzelnen Ortschaften, die er besucht hat und eine kurze Beschreibung der Sehenswürdigkeiten in Rom und Jerusalem an. Wir haben schon bemerkt (s. § 134), daß er ein guter Beobachter der Himmelserscheinungen war, aber auch für Länder und Völker, die er kennen lernte, hatte er ein scharfes Auge. Er verzeichnet die Sagen über die Nibelungen und RAGNAR LODBRÖK, die mit bestimmten Orten verknüpft waren, aber er weiß auch zu berichten, daß bei Minden die deutsche Sprache sich ändert. Sachsen, so erzählt er weiter, war für die Nordleute •damals ein Vorbild für eine höfische Lebensführung, die in mancher Hinsicht von ihnen nachgeahmt wurde 3). Auch Laien haben sich als Verfasser solcher mittelalterlichen „Baedeker" betätigt; G I Z U R R HALLSSON, der 1149—1152 eine Reise nach Italien gemacht hat, soll seine Erfahrungen aufgeschrieben haben; das Buch, das leider verloren gegangen ist, hieß Flos Peregrinationis; •es braucht aber deshalb nicht lateinisch geschrieben gewesen zu
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sein, denn auch A R I S in der Muttersprache abgefaßtes Buch wurde ja Libellus Islandorum genannt. Mit der Komputistik hat man sich natürlich auch weiter beschäftigt; die um 1150 geschriebene, als Rim I bekannte Arbeit (s. § 134) wurde wiederholt kopiert und umgearbeitet. In einer Abschrift von 1187 steht eine Reihe von Randglossen, die zeigen, daß der Schreiber nicht nur die griechischen, sondern auch die arabischen Namen für einige Sterne und Sternbilder gekannt hat. Das ist aber sehr beachtenswert, weil in dieser Zeit solche Kenntnisse gar nicht allgemein verbreitet waren; dieser Verfasser war also mit der neuesten Literatur über diesen Stoff bekannt geworden^. Gegen das Ende des 12. Jahrhunderts wurden auch wissenschaftliche Werke allgemeinerer Art ins Isländische übersetzt. Von dem typisch mittelalterlichen P h y s i o l o g u s hat es eine Übersetzung gegeben, von der wir zwei Abschriften (um 1200) besitzen. Der Inhalt dieses Werkes ist nicht besonders wichtig, denn dieser ist eine kurze Beschreibung einiger recht fabelhafter Wesen und eine Anwendung auf christliche Lehrsätze. „Eine Ziege ist ein Tier, das die Griechen dorcas nennen und das auf lateinisch capra heißt. Salomo sagt, daß sie die höchsten Felsen liebt und in Gebirgstälern wohnt; sie hat so scharfe Augen, daß sie die Menschen in andern Gegenden sehen kann und unterscheidet, ob sie Pilger oder Jäger sind. So liebt auch unser Herr Jesus Christus die höchsten Felsen, das sind die Patriarche, Apostel und alle Heiligen". Besonderes Interesse haben aber die Zeichnungen, die dem Texte beigefügt sind, denn sie beweisen, daß man schon im 12. Jahrhundert auf Island illuminierte Handschriften anfertigte. Es ist deshalb sehr wohl möglich, daß man auch andere Bücher mit Bildern geschmückt hat, wenngleich davon kein einziges erhalten geblieben ist 5). Ein anderes Werk dieser Art ist der E l u c i d a r i u s , den H O N O von Autun geschrieben hatte6). Darin wird auf eine kurze und leicht verständliche Weise der Beweis geliefert, daß Gott als Mensch auf Erden geboren wurde und dort den Tod am Kreuze hat erleiden müssen. In der üblichen Form einer Wechselrede zwischen einem Magister und einem Discipel werden eine Reihe von Dingen behandelt, die wir nur kopfschüttelnd lesen können. Einiges ist fast albernes Geschwätz (z. B. der Beweis, daß Gott Vater und nicht Mutter gewesen ist), anderes wieder zeigt, wie die RIUS
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mittelalterliche Scholastik bis in die unbedeutendsten Dinge Ordnung geschaffen hatte: „Wie lange waren A d a m und E v a im Paradies?" fragt der Schüler, und die Antwort lautet: „Sieben Stunden". Denn Adam wurde in der Morgendämmerung geboren, ,am Mittag aber das Weib, und sie ist von der Schlange noch am selben Tage verführt worden. — Das ist aber nicht wichtig für unsere Betrachtung; die Frage ist ja nicht, welche Verirrungen die mittelalterliche Wissenschaft sich zu Schulden hat kommen lassen, sondern wie der isländische Übersetzer seine Aufgabe gelöst hat. Hier dürfen wir wieder den klaren, anspruchslosen Stil bewundern, m i t dem er das lateinische Original wiedergegeben hat. ') Paul Lehmann, Skandinaviens Anteil an der lateinischen Literatur und Wissenschaft des Mittelalters II (Sitz.-Berichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Abt. 1937 Heft 7) S. 35. — J ) Be-wahrt in der 1387 geschriebenen Handschrift AM 194 8° (vgl. Alfraeöi islenzk I, 12—23. — 3) S. 13: d Saxlandi erpiöd kurteisuzt, oh nema par Nordmenn rmart eptir at breyta. —4) Vgl. Beckman, Alfraeöi islenzk II, S. L X X X I V bis L X X X V . — 5 ) Vgl.H. Hermannsson, The Icelandic Physiologus, Islandica X X V I I (Ithaca, New York 1938). — ') Bewahrt in Cod. AM 674a 4° und in Hauksbök (s. Ausgabe F. Jönsson S. 470—499).
156. Wie wurde auch durch diese Bestrebungen der Horizont •der Isländer erweitert: Der Mönch in seiner Zelle sah über das wohlbekannte Stückchen Boden seines Klosters weit hinaus in die bezaubernde Pracht der sonnendurchglühten Mittelmeerländer. Er hörte nicht nur die altvertraute Geschichte der Bauernsippen seiner Heimatinsel, sondern vor seinem Auge entrollte sich ÖRARINSSON. Hier dürfte die Erklärung zu finden sein. Diese Dichter kamen mit einem guten Repertoire aus Island und haben in R Q G N V A L D R einen begeisterten Zuhörer gefunden. Sie haben seine eigene dichterische Begabung gefördert und ihn sogar — wie wir bald sehen werden — zu kritischen Arbeiten über die Skaldenpoesie ermuntert. Der Umstand, daß die Dichtkunst für RQGNVALDR eine angelernte Fertigkeit war, erklärt, daß er von älteren Skalden so viel übernommen hat. Hier fand er natürlich zahlreiche Kenningen mit mythologischen Namen, und es ist fast ergötzlich zu sehen, daß dieser christliche Fürst, der nach seinem Tode als Heiliger verehrt wurde, ohne Bedenken Namen wie Ullr, Grimnir, Hlin oder Ran verwendet 8 ). Das beweist schon, daß man sie nicht mehr ernst
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RQGNVALDR KALI
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genommen hat, sondern sie nur als poetische Floskeln betrachtete. Daß hiermit auch eine ganz andere Einstellung der heidnischen Vorzeit gegenüber zusammenhängt, werden wir an einer Arbeit ÜQGNVALDS zeigen, die wir jetzt besprechen werden. ') Am 20. August 1158 ist er gestorben und wurde schon 1192 kanonisiert. — 2) Vgl. meinen Aufsatz Een skald onder de Troubadours in den Verslagen « n Mededeelingen der Kon. Vlaamsche Academie (Gent 1938—1939) S. 703. — 3) Gering h a t diese ganze Geschichte als eine Fiktion betrachtet, vgl. ZfdPh 43, 1911, S. 428—443 und 46, 1915, S. 1—17. Dagegen F. Jönsson, Dansk Hist. Tidsskrift VIII, 4 (1912) S. 151—165 u. R. Meißner A N F 4 1 {1925) S. 140—191; vgl. auch meine Abhandlung S. 704—706. — 3) Vgl. meine Abhandlung S. 705—709. —4) Eine ähnliche Strophe ist von Haraldr haröräöi überliefert (s. Skj I, 329 Str. 5). Glümr Geirason erzählt von Haraldr gräfeldr daß er tölf ipröttir gekannt haben soll (Skj I, 68 Str. 13). — j6) Vgl. Haukstrindar Hlgkk (Skj I, 480 Str. 6) und hauhvallar skgr (Skj I, 482 Str. 15) mit Egils Kenning haukslrgnd (Skj I, 33 Str. 17); bengagls brse dir (auch in Str. 6) erinnert an gunnvala brasdir (Skj I, 45 Str. 12); Fröda meldr (Skj I, 482 Str. 15) vgl. Fröda mjgll (Skj I, 33 Str. 17); vineik (Skj I, 483 Str. 19) vgl. lauka eik (Skj I, 51 Str. 38); jaräar men (Skj I, 484 Str. 23) vgl. jaröar gjgrd (Skj I, 52 Str. 41). — 7) Grimnis sylgr (Skj I, 480 Str. 7) erinnert an Grimnis gjgf bei Ulfr Uggason (Skj I, 128 Str. 1); hellis •Gautr an hellis Kumrar bei Eilifr Goörünarson (Skj I, 142 Str. 13); unnviggs runnr (Skj I, 482 Str. 16) an unndyrs runnr bei Hallfr0Ör (Skj I, 161 Str. 19); •während die ganze Zeile unnviggs of haf sunnan auch bei Einarr skälaglamm vorkommt (Skj I, 124 Str. 3). Die Kenning undleygs Ullr (Skj I, 483 Str. 18) •erinnert an undlinns Ullr bei E>üriör pä (Skj I, 197 Str. 3) und unnviggs Ullr bei I>6rör Kolbeinsson (Skj I, 203); väpnhljöö (mit Reimwort pjöd; S k j I, 483 Str. 20) finden wir auch bei Oddr kikinaskäld (Skj I, 327 Str. 1); Jigrskord (Skj I, 483 Str. 21) vgl. hgrskorda bei Bjijrn hitdoelakappi (Skj I, 277 Str. 1); naddregn (Skj I, 485 Str. 25) auch bei Eyvindr skäldaspillir (Skj I, 57 Str. 2); die Zeilenpat mun nordr oh nordan naddregn kona fregna erinnern auffallend an pat mun vestr ok vestan oddregns homa pegna bei Hävarör halti (Skj I, 181 Str. 13); vgl. weiter noch die Zeile Itr drengr muna lengi (Skj I, 482 Str. 16) mit ungr drengr muna lengi bei Sigvatr (Skj I, 253 Str. 28), hüns, skrautligar bünir (Skj I, 481 Str. 9 = Halli berserkr, S k j I, 110 Str. 1, vgl. auch Sigvatr Skj I, 227 Str. 5) und die Zeile hildingi fimildum (Skj I, 482 Str. 14), die erinnert an hildingr enn fimildi bei T>6rarinn stuttfeldr (Skj I, 463 Str. 2). — 8) Vgl. undleygs Ullr (Str. 18), Grimnis sylgr (Str. 7), svalteigar Hlin (Str. 21) und Rdnheimr (Str. 16). 160. Die Orkneyinga saga erzählt, daß der Skald HALLR E>6Rzu J a r l RQGNVALDR gekommen ist und lange bei ihm verweilt hat. Sie haben gemeinsam den alten H ä t t a l y k i l l
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DIE SKALDIK
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gedichtet 1 ). Die Zeit des Entstehens ist ungenau angedeutet. Der Bericht der Saga steht in einem Teil, der die Ereignisse der Jahre1140—1148 behandelt; man hat deshalb gemeint, daß RQGNVALDR das Gedicht vor seiner Jerusalemfahrt gemacht haben soll. Aber die Darstellung der Saga läßt sich auch auf einen späteren Zeitpunkt beziehen. Mehrere Umstände machen es sogar wahrscheinlich, daß wir die Arbeit der beiden Dichter eher um 1155 als 1145 ansetzen sollen2). Der Hdttalykill ist ein eigentümliches Gedicht. Es besteht aus einer Reihe von Beispielen für altnordische Dichtformen, und zwar so, daß jedes Versmaß in zwei Strophen die Eigentümlichkeiten ihrer Form zeigt. Ursprünglich sollen es sogar fünf Strophen gewesen sein, aber weil das Lied zu lang gefunden wurde, hat man es später äuf zwei verkürzt. Als Stoff, den die Dichter in diesen Strophen behandeln, haben sie berühmte Personen aus der Sage und der Geschichte gewählt und zwar erst die Nibelungen, dann Ragnarr loöbrök und dessen Söhne, dänische und schwedische Sagenkönige wie Frööi, Haraldr hildit^nn und Hrölfr kraki und schließlich die norwegischen Könige von Haraldr harfagri bis Magnüs berfoettr. Das ist eine kluge Anlage, die überdies von einer ähnlichen Geistesart Zeugnis ablegt wie die fornaldarsaga: das Interesse für die alten Sagenhelden zeigt, daß der Blick bewundernd auf die Vergangenheit gerichtet war. Welchen Anteil jeder der beiden Dichter an dem Hdttalykill gehabt hat, wird nicht gesagt; gewöhnlich denkt man sich RQGNVALDR als den Mann, der den Entwurf machte und HALLR als den technischen Kenner der skaldischen Versmaße. Wenn wir beachten, daß die jüngere Überlieferung mehrere im Liede behandelten sagenhaften Personen (wie Ivarr, Bj gm, Sigurör, Hvitserkr und Svipdagr) mit dem berühmten Wiking Ragnarr loöbrök in Beziehung gebracht hat, so weist das auf einen orkadischen Gesichtskreis hin, denn hier zeugt der Runenstein von Maeshowe (s. § 162) noch davon, daß die Lodbroksöhne im zwölften Jahrhundert in der Volkstradition lebten 3). Daß RQGNVALDR den Stoff bestimmt hat, darf man wohl annehmen, aber weshalb soll er auch nicht selbst einen Teil der Strophen gedichtet haben? Seine eigenen Stegreifstrophen beweisen, daß. er dazu fähig war, und wir finden hier die Erinnerung an dieselben früheren Skalden wie im Hattalykill. Anne Holtsmark hat in ihrer wichtigen, diesem Gedichte gewidmeten Untersuchung die
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DER HATTALYKILL
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Möglichkeit erwogen, daß die beiden Dichter je eine Strophe jedes Versmaßes gemacht haben, und zwar RQGNVALDRdie erste und H A L L R die zweite 4). Das Gedicht ist übrigens ein Beispiel von Mangel an Methode; in dieser Hinsicht zeigt S N O R R I S Hättatal (s. § 212) den gelehrten Verfasser, während der Hattalykill eine Dilettantenarbeit ist 5). Strophen, die ihrem Charakter nach zusammengehören, stehen weit voneinander entfernt. Das Fehlen •der Hendingen kennzeichnet das munnvgrp, das in Str. 8, und die hättlausa, die in Str. 26 behandelt werden. Drei statt zwei Hendingen in einer Zeile haben das prihent und der dpi hQttr {Str. 6 und 9), die durch zwei Beispiele anderer A r t getrennt sind. Strophen, die mehr als sechs Silben in einer Zeile haben, sind Str. 4 (draughent), 14 (kimblabgnd) und 16 (hrynhent). Die Beispiele v o n refrün, wobei Wörter mit entgegengesetzter Bedeutung unmittelbar nebeneinander gestellt werden, sind Str. 20 (refrün en minni) und 28 (refrün en mein). Eine Strophe kann aus acht oder sechzehn kurzen Sätzen bestehen: das sextänmaelt wird i n Str. 21 und das ättmxlt in Str. 38 behandelt. Durch diese Anordnung erkennt man auch nicht das Prinzip der Unterscheidung zwischen diesen Variationen. Die zuletzt genannten Beispiele beziehen sich auf das Verhältnis von Inhalt und Form (hierzu gehört auch der langlokur in Str. 30). Man kann a u c h bestimmen, an welcher Stelle die Alliteration und die Assonanz stehen, wie z. B. im belgdrQgur (Str. 7) und skjdlfhent (Str. 41); d a s hat SNORRI mit fast pedantischer Genauigkeit getan. Man kann auf die Länge der Verszeilen achten; diese können entweder länger als die normale sechssilbige sein (wie Str. 4, 14, 16, 37), oder kürzer (st yft, wie Str. 13, 15, 25, 31). Endlich kann man auch die Reimbildungen unterscheiden (Str. 6, 10, 18, 23, 24, 25, 29, 33, 39)- Aber wenn man das alles durcheinander behandelt, "bekommt der Leser keinen klaren Eindruck der Artunterschiede. Wir sagen mit Vorbedacht: der Leser. Denn der Hattalykill ist eine Arbeit, die am Schreibtisch gemacht wurde. Zwar gibt er mehrere Versformen, die wir auch bei älteren Skalden angewandt finden 6 ), aber daneben viele andere, die sonst nirgends bezeugt und auch nur als willkürliche Spielarten zu betrachten sind. Das g i l t besonders von der refrün en meiri. Str. 35a lautet: Knutr säsk, herr hjösk, hlif gnast, r