Algebraiscbe Topologie [second ed.] 9783519122265, 9783322867858


175 69 28MB

German Pages 482 [499] Year 1994

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Cover page
Inhaltsverzeichnis
Bezeichnungen
I Geometrisch-Topologische Vorbereitungen
1 Beispiele fur Räume, Abbildungen und
topologische Probleme
1.1 Das Homoomorphieproblem
1.2 Identifizieren
1.3 Beispiele zum Identifizieren
1.4 Flächen
1.5 Mannigfaltigkeiten
1.6 Ankleben von Zellen
1.7 Topologische Gruppen, Gruppenoperationen und Orbiträume
1.8 Schwache Topologie
1.9 Das Homöomorphieproblem: Fortsetzung
2 Homotopie
2.1 Homotope Abbildungen
2.2 Ein erstes Beispiel zur Homotopie: Abbildungen
zwischen Kreislinien
2.3 Fortsetzung von Abbildungen und Homotopien
2.4 Homotopietyp
2.5 Notizen
3 Simplizialkomplexe und Polyeder
3.1 Grundbegriffe und Beispiele
3.2 Unterteilung und simpliziale Approximation
3.3 Freimachen durch Deformationen
3.4 Notizen
4 CW-Raume
4.1 Deftnitionen und grundlegende Eigenschaften
4.2 Konstruktion von CW -Räumen
4.3 Homoiopieeigenschaften von CW-Räumen
4.4 Notizen
II Fundamentalgruppen und Uberlagerungen
5 Die Fundamentalgruppe
5.1 Allgemeine Eigenschaften der Fundamentalgruppe
5.2 Die Fundamentalgruppe der Kreislinie
5.3 Der Satz von Seifert und van Kampen
5.4 Folgerungen aus dem Seifert-van Kampen-Satz
5.5 Freie Gruppen und Graphen
5.6 Gruppenbeschreibungen und CW-Räume
5.7 Beispiele von Fundamentalgruppen
5.8 Homotopietypen zweidimensionaler CW -Raume
5.9 Notizen
6 Überlagerungen
6.1 Grundbegriffe und Beispiele
6.2 Liften
6.3 Das Liftungsverhalten einer Überlagerung
6.4 Die universelle Überlagerung
6.5 Deckbewegungen
6.6 Klassifikation von Überlagerungen durch
Untergruppen der Fundamentalgruppe
6.7 Klassiflkation von Überlagerungen durch
Darstellungen der Fundamentalgruppe
6.8 Liften von Strukturen
6.9 Anwendungen der Überlagerungen in der
Gruppentheorie
7 Homologiegruppen von
Simplizialkomplexen
7.1 Definition der Homologiegruppen
7.2 Beispiele zur Homologie
7.3 Simpliziale Abbildungen und Homologiegruppen
7.4 Relative Homologiegruppen
7.5 Notizen
8 Algebraische Hilfsmittel
8.1 Abelsche Gruppen
8.2 Exakte Sequenzen
8.3 Kettenkomplexe
8.4 Kategorien und Funktoren
9 Homologiegruppen topologischer Riiume
9 Homologiegruppen topologischer Räume
9.1 Definition der Homologiegruppen
9.2 Exakte Homologiesequenzen
9.3 Der Homotopiesatz
9.4 Der Ausschneidungssatz
9.5 Homologie von Bällen und Sphären
9.6 Zelluläre Homologie
9.7 Vergleich von simplizialer und singulärer Homologie
9.8 Fundamentalgruppe und erste Homologiegruppe
9.9 Beispiele zur Homologie
9.10 Notizen
10 Homologie mit Koeffizienten
10.1 Einführung und Beispiele
10.2 Tensorprodukt
10.3 Torsionsprodukt
10.4 Das universelle Koeffiziententheorem
10.5 Homologiegruppen mit Koeffizienten
10.6 Beispiele und Anwendungen
10.7 Notizen
11 Einige Anwendungen der
Homologietheorie
11.1 Topologische Eigenschaften der Sphären
11.2 Lokale Homologiegruppen und Invarianzsätze
11.3 Orientierung triangulierbarer Mannigfaltigkeiten
11.4 Orientierung topologischer Mannigfaltigkeiten
11.5 Ein zweites Beispiel zur Homotopie: Abbildungen
zwischen Sphären
11.6 Der Fixpunktsatz von Lefschetz
11.7 Der Jordan-Brouwersche Separationssatz
12 Homologie von Produkten
12.1 Produktketten
12.2 Der Satz von Eilenberg-Zilber
12.3 Die Künneth-Formel
12.4 Das Homologie-Kreuzprodukt
12.5 Künneth-Formel mit Koefftzienten in einem
Korper
12.6 Homologie von Produkten von CW-Raumen
IV Cohomologie, Dualitat und Produkte
13 Cohomologie
13.1 Gruppen von Homomorphismen
13.2 Hom und Ext
13.3 Cohomologiegruppen von Kettenkomplexen
13.4 Das universelle Koeffiziententheorem
13.5 Simpliziale, singuläre und zelluläre Cohomologie
13.6 Beispiele zur Cobomologie
13.7 Notizen
14 Dualität in Mannigfaltigkeiten
14.1 Das cap-Produkt
14.2 Poincare-Dualität
14.3 Die duale Zerlegung einer Mannigfaltigkeit
14.4 Der duale Kettenkomplex
14.5 Beweis des Poincareschen Dualitätssatzes
14.6 Schnittzahlen
14.7 Verschlingungszahlen
14.8 Alexander- und Lefschetz-Dualität
14.9 Notizen
15 Der Cohomologiering
15.1 Das Cohomologie-Kreuzprodukt
15.2 Das cup-Produkt
15.3 Beispiele fur cup-Produkte und Anwendungen
15.4 Cup-Produkt und Schnittzahlen
15.5 Der Cohomologiering der projektiven Riiume
15.6 Cup-Produkt und Verschlingungszahlen
V Fortsetzung der Homotopietheorie
16 Homotopiegruppen
16.1 Mehrfacher Zusammenhang
16.2 Definition der Homotopiegruppen
16.3 Die Rolle des Basispunktes
16.4 Erste Methoden zur Berechnung von
Homotopiegruppen
16.5 Beispiele fiir Homotopiegruppen
16.6 Relative Homotopiegruppen
16.7 Die exakte Homotopiesequenz
16.8 Der Hurewicz-Satz
16.9 Folgerungen und Beispiele
17 Faserungen und Homotopiegruppen
17.1 Faserräume
17.2 Liften von Homotopien
17.3 Homotopiegruppen und Faserungen
18 Homotopieklassifikation von Abbildungen
18.1 Gerüstweise Konstruktion von Abbildungen und
Homotopien
18.2 Abbildungen in asphärische Räume
18.3 Hindernistheorie
18.4 Hindernisse gegen die Konstruktion von Schnitten
Literaturverzeichnis
Index
Symbole
Recommend Papers

Algebraiscbe Topologie [second ed.]
 9783519122265, 9783322867858

  • Commentary
  • With digital table of contents.
  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Mathematische Leitfaden Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. multo G. Kothe, Prof. Dr. K.-D. Bierstedt, Universitat-Gesamthochschule Paderborn, und Prof. Dr. G. Trautmann, Universitat Kaiserslautern

Algebraiscbe Topologie Eine Einfiihrung

Von Prof. Dr. rer. nat. Ralph StOcker und Prof. Dr. rer. nat. Heiner Zieschang Universitat Bochum 2., iiberarbeitete und erweiterte Auflage Mit zahlreichen Bildern, Beispielen und Ubungsaufgaben

B. G. Teubner Stuttgart 1994

Prof. Dr. rer. nat. Ralph StOcker Geboren 1941 in Freiburg (Breisgau), Studium in Frankfurt 196064, Promotion 1968 in Frankfurt, Habilitation 1974 in Bochum, seither apl. Professor fiir Mathematik an der Ruhr-Universitat Bochum, langere Aufenthalte in Bangkok. Prof. Dr. rer. nat. Heiner Zieschang Geboren 1936 in Kiel, Studium 1956-61 in Gottingen und Hamburg, Promotion 1961 in Gottingen, 1963/64 und 1967/68 Moskau, dazwischen Frankfurt, Habilitation 1965 in Frankfurt, seit 1968 ord. Professor fiir Mathematik an der Ruhr-Universitat Bochum, langere Aufenthalte in Ann Arbor, Madison, Minneapolis, Moskau, Paris, Santa Barbara, Toulouse.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme StOcker, Ralph: Algebraische Topologie: eine Einfiihrnng; mit zahlreichen Beispielen und Ubungsaufgaben / von Ralph Stocker und Heiner Zieschang. - 2., iiberarb. und erw. Aufl. - Stuttgart: Teubner, 1994 (Mathematische Leitfiiden) ISBN-13: 978-3-519-12226-5 e-ISBN-13: 978-3-322-86785-8 DOl: 10.1007/978-3-322-86785-8 NE: Zieschang, Heiner: Das Werk einschlieBlich alIer seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzuliissig und strafbar. Das gilt besonders fUr Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © B. G. Teubner Stuttgart 1994

Vorwort

Dieser Text ist eine Einfiihrung in die Algebraische Topologie. Ausgehend von geometrisch-topologischen Problemen und aufbauend auf einer Fiille von Anschauungsmaterial, das in Kapitel 1 bereitgestellt wird, werden algebraische Methoden zur Losung der topologischen Probleme entwickelt. lm Mittelpunkt steht aber immer die topologische Fragestellungj auf eine Vertiefung und Verallgemeinerung der algebraischen Begriffe um ihrer selbst willen haben wir verzichtet. Mit den zentralen Begriffen Homotopie und Homologie werden tietliegende Eigenschaften topologischer Raume beschrieben. Um das moglichst einfach deutlich zu machen, haben wir die Satze nicht immer in ihrer vollen Allgemeinheit bewiesen. Ein Beispiel mehr war uns oft lieber als eine Voraussetzung weniger. Dieses Buch ist daher kein Nachschlage-Werk. Viele interessante Gebiete der algebraischen Topologie werden nicht behandelt. Wir hoffen jedoch, daf3 dieser Text denjenigen einen Zugang zur Algebraischen Topologie ermoglicht, die dieses Gebiet zum ersten Mal kennenlemen, und daf3 sie nach dem Studium dieses Buches weiterfiihrende Standardwerke lesen konnen. Wir wiinschen uns aber auch, daf3 dieses Buch denen als Arbeitsunterlage helfen kann, die ldeen und Methoden der Algebraischen Topologie in anderen Gebieten der Mathematik verwenden wollen. Die Vorkenntnisse, die wir voraussetzen, werden fast alle in den Grundvorlesungen liber Analysis und Lineare Algebra vermittelt (wobei die Bedeutung des Ausdrucks "fast alle" natlirlich von der Stoffauswahl in diesen Vorlesungen abhangt). Konkreter: Wir nehmen an, daf3 Sie mit den Grundbegriffen der mengentheoretischen Topologie und mit den Grundbegriffen der Gruppentheorie vertraut sind (topologischer Raum, stetige Abbildung, kompakt, zusammenhangend, ... , Gruppe, Homomorphismus, Normalteiler, ... ). Studierenden ab dem 4. Semester sollte es moglich sein, sich in diesen Text einzulesen. Wir bedanken uns bei allen sehr herzlich, die uns geholfen haben. Die gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Teubner-Verlags hat unsere Arbeit sehr erleichtert. Wir freuen uns liber die schonen Skizzen, die im Teubner-Verlag angefertigt wurden. Herr Dr. P. Spuhler yom Teubner-Verlag hat uns wahrend der langen Zeit der Fertigstellung zuverliissig unterstlitztj ihm gilt unser besonderer Dank. Viele Studenten der Ruhr-Universitat haben uns bei der Fertigstellung des Manuskripts geholfen, insbesondere beim Lesen der Korrekturen: A. Ahuja, B. Beckmann-Gisa, U. Bleckmann, F. Fels, E. Gocke, M. Hellmund, C. Kaiser, K. Lange, R. Schiemann, J. Stienen, J. Tipp und A. Zastrowj ihnen allen und denen, die nicht genannt sein wollen, danken wir sehr. Und dann ist natiirlich Frau

IV Marlene Schwarz zu nennen: Sie hat den gesamten Text einschliefilich alier Symbole und Diagramnie unter Verwendung des Systems '!EX gesetzt, hat wieder und wieder Makros neu definiert und erganzt (Makros und Makros innerhalb von Makros sowie Trick-Makros sind vom Benutzer definierte Steuerbefehle an das '!EX-Programm) und hat dem Text mit grofiem Engagement das vorliegende erfreuliche BUd gegeben; ihr gilt unser ganz besonders herzlicher Dank. Bochum, Januar 1988

R. Stocker, H. Zieschang

Vorwort zur 2. Autlage Unsere Einfiihrung in die algebraische Topologie ist zu unserer Freude gut aufgenommen worden, so dafi nach kurzer Zeit eine neue Auflage moglich ist. Neben einer Reihe von Verbesserungen zahlreicher Schreib- und einiger mathematischer Fehler, fiir deren Auffinden wir den Lesern dankbar sind, ist dieser Auflage ein Abschnitt zur Homotopietheorie zugefiigt worden. Darin werden die hoheren Hdmotopiegruppen eingefiihrt, die grundlegenden Eigenschaften bewiesen und appetitanregende Anwendungen auf Faserungen und Hindernistheorie gegeben. Sehr herzlich mochten wir uns bei A. Jager, B. Karasch und K. Kroll bedanken, die uns bei der Erstellung der Druckvorlage eine grofie Last abnahmen, dabei aber immer wieder neue Fehler fanden und beseitigten. Bochum, September 1994

Hinweis zum Lesen Beispiel 1: Der Ausdruck 15.1.9 bedeutet Kapitel 15, Abschnitt 1, Aussage 9. Beispiel 2: Der Ausdruck 3.1.A2 bedeutet Kapitel 3, Abschnitt 1, Aufgabe 2. Das Ende eines Beweises wird durch 0 signalisiert. 0 direkt nach einem Satz bedeutet, dati der Satz nicht bewiesen wird. 1m Anhang werden erganzend einige Bezeichnungen erkliirt.

Inhaltsverzeichnis

I

Geometrisch-Topologische Vorbereitungen

1

1

Beispiele fiir Riiume, Abbildungen und topologische Probleme

1

1.1 Das Homoomorphieproblem

1

1.2 Identifizieren

8

2

1.3 Beispiele zum Identifizieren

12

1.4 Flii.chen

17

1.5 Mannigfaltigkeiten

26

1.6 Ankleben von Zellen

31

1.7 Topologische Gruppen, Gruppenoperationen und Orbitraume

36

1.8 Schwache Topologie

40

1.9 Das Homoomorphieproblem: Fortsetzung

42

Homotopie

47

2.1 Homotope Abbildungen

47

2.2 Ein erstes Beispiel zur Homotopie: Abbildungen zwischen

52

Kreislinien 2.3 Fortsetzung von Abbildungen und Homotopien

3

59

2.4 Homotopietyp

61

2.5 Notizen

68

Simplizialkomplexe und Polyeder

70

3.1 Grundbegriffe und Beispiele

70

3.2 Unterteilung und simpliziale Approximation

78

3.3 Freimachen durch Deformationen

83

3.4 Notizen

85

VI 4

CW-Riiwne

87

4.1 Definitionen und grundlegende Eigenschaften

87

4.2 Konstruktion von OW-Raumen

91

4.3 Homotopieeigenschaften von OW-Raumen

94

4.4 Notizen

99

II Fundamentalgruppe und Uberlagerungen 5

6

100

Die Fundamentalgruppe

100

5.1 Allgemeine Eigenschaften der Fundamentalgruppe

100

5.2 Die Fundamentalgruppe der Kreislinie

108

5.3 Der Satz von Seifert und van Kampen

110

5.4 Folgerungen aus dem Seifert-van Kampen-Satz

117

5.5 Freie Gruppen und Graphen

121

5.6 Gruppenbeschreibungen und OW-Raume

126

5.7 Beispiele von Fundamentalgruppen

131

5.8 Homotopietypen zweidimensionaler OW-Raume

141

5.9 Notizen

144

Uberlagerungen

146

6.1 Grundbegriffe und Beispiele

146

6.2 Liften

151

6.3 Das Liftungsverhalten einer Uberlagerung

155

6.4 Die universelle Uberlagerung

157

6.5 Deckbewegungen

161

6.6 Klassifikation von Uberlagerungen durch Untergruppen der Fundamentalgruppe

164

6.7 Klassifikation von Uberlagerungen durch Darstellungen der Fundamentalgruppe

166

6.8 Liften von Strukturen

168

6.9 Anwendungen der Uberlagerungen in der Gruppentheorie

171

VII III Homologietheorie 7

8

9

175

Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

175

7.1 Definition der Homologiegruppen

175

7.2 Beispiele zur Homologie

180

7.3 Simpliziale Abbildungen und Homologiegruppen

187

7.4 Relative Homologiegruppen

189

7.5 Notizen

194

Algebraische Hilfsmittel

195

8.1 Abelsche Gruppen

195

8.2 Exakte Sequenzen

202

8.3 Kettenkomplexe

205

8.4 Kategorien und Funktoren

210

Homologiegruppen topologischer Raume

215

9.1 Definition der Homologiegruppen

215

9.2 Exakte Homologiesequenzen

221

9.3 Der Homotopiesatz

223

9.4 Der Ausschneidungssatz

227

9.5 Homologie von BaIlen und Spharen

233

9.6 Zellulare Homologie

236

9.7 Vergleich von simplizialer und singularer Homologie

241

9.8 Fundamentalgruppe und erste Homologiegruppe

245

9.9 Beispiele zur Homologie

247

9.10 Notizen

252

10 Homologie mit Koeffizienten

253

10.1 Einfiihrung und Beispiele

253

10.2 Tensorprodukt

255

10.3 Torsionsprodukt

258

10.4 Das universelle Koeffiziententheorem

261

VIII

10.5 Homologiegruppen mit Koeffizienten

265

10.6 Beispiele und Anwendungen

268

10.7 Notizen

272

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

273

11.1 Topologische Eigenschaften der Spharen

273

11.2 Lokale Homologiegruppen und Invarianzsatze

275

11.3 Orientierung triangulierbarer Mannigfaltigkeiten

279

11.4 Orientierung topologischer Mannigfaltigkeiten

283

11.5 Ein zweites Beispiel zur Homotopie: Abbildungen zwischen Spharen 11.6 Der Fixpunktsatz von Lefschetz

288

11.7 Der Jordan-Brouwersche Separationssatz

299

12 Homologie von Produkten

295

305

12.1 Produktketten

305

12.2 Der Satz von Eilenberg-Zilber

308

12.3 Die Kiinneth-Formel

313

12.4 Das Homologie-Kreuzprodukt

315

12.5 Kiinneth-Formel mit Koeffizienten in einem Korper

319

12.6 Homologie von Produkten von CW-Raumen

321

IV Cohomologie, Dualitat und Produkte

325

13 Cohomologie

325

13.1 Gruppen von Homomorphismen

325

13.2 Hom und Ext

328

13.3 Cohomologiegruppen von Kettenkomplexen

330

13.4 Das universelle Koeffiziententheorem

332

13.5 Simpliziale, singulare und zellulare Cohomologie

337

13.6 Beispiele zurCphomologie

343

13.7 Notizen

347

IX 14 Dualitat in Mannigfaltigkeiten

14.1 Das cap-Produkt

349

14.2 Poincare-Dualitat

352

14.3 Die duale Zerlegung einer Mannigfaltigkeit

355

14.4 Der duale Kettenkomplex

359

14.5 Beweis des Poincareschen Dualitatssatzes

361

14.6 Schnittzahlen

365

14.7 Verschlingungszahlen

370

14.8 Lefschetz- und Alexander-Dualitat

376

14.9 Notizen

381

15 Der Cohomologiering

V

349

382

15.1 Das Cohomologie-Kreuzprodukt

382

15.2 Das cup-Produkt

385

15.3 Beispiele fUr cup-Produkte und Anwendungen

386

15.4 Cup-Produkt und Schnittzahlen

390

15.5 Der Cohomologiering der projektiven Raume

395

15.6 Cup-Produkt und Verschlingungszahlen

398

Fortsetzung der Homotopietheorie

404

16 Homotopiegruppen

404

16.1 Mehrfacher Zusammenhang

404

16.2 Definition der Homotopiegruppen

408

16.3 Die Rolle des Basispunktes

411

16.4 Erste Methoden zur Berechnung von Homotopiegruppen

416

16.5 Beispiele fUr Homotopiegruppen

420

16.6 Relative Homotopiegruppen

423

16.7 Die exakte Homotopiesequenz

428

16.8 Der Hurewicz-Satz

432

16.9 Folgerungen und Beispiele

438

x 17 Faserungen und Homotopiegruppen

442

17.1 Faserraume

442

17.2 Liften von Homotopien

446

17.3 Homotopiegruppen und Faserungen

450

18 Homotopieklassifikation von Abbildungen

455

18.1 Geriistweise Konstruktion von Abbildungen und Homotopien

455

18.2 Abbildungen in aspharische Raume

457

18.3 Hindernistheorie

460

18.4 Hindernisse gegen die Konstruktion von Schnitten (eine Skizze)

468

Literaturverzeichnis

470

Index

473

Symbole

483

XI

Bezeichnungen Hier ist eine Liste von Bezeichnungen, die wir ohne Erliiuterung benutzt haben: x oder {x}:

die einelementige Menge, die aus x besteht,

Mengendifferenz,

X\A:

-'

Funktionspfeil (X ~Y ist eine Funktion von X nach Y),

1--+'

Elementpfeil (x

~:

y unter

I,

wobei x E X und y E Y),

Inklusionspfeil (Fur X c Y ist X ~ Y die Funktion x 1--+ x. Wenn noch A C X und BeY und A c B, so ist (X,A) ~ (Y,B) ebenfalls die Inklusion x 1--+ x.)

A, ..4,..4: X x Y und

prj:

1--+

Inneres, Rand, AbschluB von A im Raum X (Ausnahme: 1.1.19),

nXj:

kartesisches Produkt,

Projektion des kartesischen Produkts auf den i-ten Faktor,

II xh: Xl xX2 - Y I xY2: Funktion (XbX2) (cp1.CP2): X - Y I IIA:

X

Y2:

Funktion x

Fur I: X - Y und A

c

1--+

1--+

(II(XI),h(X2)) mit Ii: Xi

(CPI(X),CP2(X)), wobei CPi: X-l'i

X und BeY und I(A)

cB

ist

entweder: IIA: A - Y die eingeschriinkte Funktion a 1--+ I(a), oder: IIA: A - B die durch I definierte Funktion a 1--+ I(a),

gl = 9 0 I: et

= exp t:

X - Z:

Komposition der Funktionen X~Y und Y ~Z,

Exponentialfunktion (meistens ist jedoch e eine Zelle).

-+

l'i,

I

Geometrisch-Topologische Vorbereitungen

1

Beispiele fur Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Die algebraische Topologie ist ein Teilgebiet der Topologie; der Zusatz algebraisch bedeutet, dafi algebraische Hilfsmittel benutzt werden, um topologische Probleme zu 16sen. Wer algebraische Topologie lernen will, mufi daher eine Vorsteilung von der Topologie haben, von der Vielfalt der konkreten Beispiele und Problem~, die sich hinter den Grundbegriffen topologischer Raum und stetige Abbildung veroergen. Viele Studenten begegnen der Topologie zuerst auf dem abstrakten Niveau der mengentheoretischen Topologie; sie lernen dort, daB folgenkompakt und kompakt nicht dasselbe ist und verwenden viel Scharfsinn, Raume zu konstruieren, die normal, aber nicht voilstandig regular sind. Um ail das geht es hier uberhaupt nicht. Aile Raume, die wir betrachten, sind geometrisch einfache Teilraume euklidischer Raume, oder sie sind aus solchen einfachen Teilraumen in bestimmter Weise zusammengesetzt; in der Regel haben sie aile topologischen Eigenschaften, die man in der mengentheoretischen Topologie kennenlernt. Und es geht nicht etwa um die Frage, wann ein Linde16f-Raum parakompakt ist [Boto, 10.9], sondern um ganz andere Probleme, von denen wir im folgenden einen Eindruck geben.

1.1 Das Homoomorphieproblem Wie ublich ist lR bzw. C der K6rper der reeilen bzw. komplexen Zahlen. Fur eine ganze Zahl n ~ 1 ist lRn der n-dimensionale euklidische Raum. Die Punkte des lRn sind die geordneten n-Tupel x = (Xl, ... ,X n ) reeiler Zahlen. Mit den Verknupfungen X

+ Y = (Xl + Yl, .. · ,Xn + Yn),

rx = (rxl, ... ,rxn ) (x,y E lRn

,

r E lR)

ist lRn ein reeiler Vektorraum. Durch Ixi = Jx~ + ... + x~ wird eine Norm auf lRn definiert, und zu ihr gehOrt die euklidische Metrik d(x,y) = Ix - YI. Diese Metrik induziert auf lRn die Standardtopologie: eine Menge U C lRn ist offen, wenn zu jedem X E U ein c > 0 existiert mit {y I Ix - YI < c} c U. Wenn wir von lRn als

2

1 Beispiele rur Raume, Abbildungen und topologische Probleme

topologischen Raum sprechen, ist immer diese Topologie gemeint. Teilmengen des JRn tragen, wenn nichts anderes gesagt ist, die Relativtopologie. 1.1.1 Verabredungen, Unter JRO wird der Punkt 0 E JR verstanden. Durch die Bezeichnung ((Xl, ... ,xm),(Yl, ... ,Yn)) = (XI, ... ,Xm ,Yl, ... ,YlI.) identifizieren wir JRm x JRn mit JRm+n. Dabei geht die Produkttopologie auf JRm x JRn in die Topologie von JRm+n iiber. Wir identifizieren JRn mit dem Teilraum JRn x 0 C JRn+1 , indem wir (Xl, ... , Xn) = (XI. . .. , Xn , 0) setzenj es ist also JRn c JRn+l. Wir identifizieren JR2 mit C durch (X, y) = X + iy, wobei i die imaginiire Einheit ist. Wir ruhren jetzt einige wichtige Teilraume der euklidischen Raume ein. 1.1.2 Definition Fiir n

~

0 setzen wir:

Dn = {x E JRn Ilxl ~ 1}: n-dimensionaler Einheitsball, s.n-l = {x E JRn Ilxl = 1}: (n - l)-dimensionale Einheitssphiire, n-dimensionale Einheitszelle, nn = {x E JRn Ilxl < 1}: n-dimensionaler Einheitswurfel, [n = {x E rio ~ Xi ~ 1}: in = {X E [n I ein Xi ist 0 oder 1}: Rand von [n im JRn, [ = [1 = [0,1]: Einheitsintervall. Ein topologischer Ra1¥ll heiJ3t n-Ball bzw. (n -l)-Sphiire bzw. n-Zelle, wenn er zu Dn bzw. sn-l bzw. nn homOomorph ist. Bille und Sphiiren sind kompakt und, mit Ausnahme von So, wegzusammenhangendj eine O-Sphiire besteht aus zwei isolierten Punkten. jjn bzw. sn-l ist das Innere bzw. der Rand von Dn in JRn. Wegen JRo = 0 sind O-BWe und O-Zellen Punkt~, ferner ist S-1 = 0. Es ist Dl = [-1,1] und iJl = (-1,1). 1m JR2 ist D2 bzw. [)2 die abgeschlossene bzw. offene Kreisscheibe mit Mittelpunkt 0 und Radius 1. Entsprechend ist D3 bzw. iJ3 die abgeschlossene bzw. offene Vollkugel im JR3 mit Mittelpunkt 0 und Radius 1. Statt l-Sphiire oder 2-Zelle sagt man auch oft Kreislinie bzw. oJJene Kreisscheibe. Das Hauptproblem der Topologie ist das Homoomorphieproblem: Gegeben seien zwei topologische Raume X und Yj man entscheide, ob X und Y homoomorph sind (Bezeichnung dafiir: X ~ Y). Es ist klar, wie dieses Problem anzugreifen ist. Um X ~ Y zu beweisen, mufi man einen Homoomorphismus f: X -+ Y konstruieren. Will man X ';ft Y zeigen, so mufi man eine topologische Eigenschaft von X angeben, die Y nicht hat. Wenn man weder eine solche topologische Eigenschaft noch einen Homoomorphismus findet, bleibt das Problem offen. 1.1.3 Beispiel Es sei f: JRn

-+

JRn eine bijektive affine Abbildung, also

wobei (aij) eine reguliire (n, n )-Matrix iiber JR ist. Dann sind rur X C JRn die Raume X und f(X) homoomorph. Wenn man also einen Teilraum des JRn verschiebt, dreht,

1.1 Das Homoomorphieproblem

3

spiegelt, streckt, staucht, schert usw., erhiilt man einen homoomorphen Teilraum. Insbesondere ist der abgeschlossene Ball {y E ~n I Ix - yl ~ r} um x E ~n vom Radius r > 0 homoomorph zu Dn. 1.1.4 Beispiel Die Funktion f: fy1 -+~, f(x) = x(1-lxl)-1, ist ein Homoomorphismus, wie man sofort an ihrem Graph erkennt. Sie dehnt das offene Intervall auf ~ aus. Durch Konstruktion ahnlicher Funktionen sieht man, dal3 jedes Intervall in ~ zu I oder [0,1) oder ~ homoomorph ist. 1.1.5 Beispiel Einen Homoomorphismus f: fyn -+ ~n erhiilt man, indem man jeden Durchmesser von fJn wie im vorigen Beispiel auf die Gerade durch diesen Durchmesser .abbildet, also f(x) = x(1-lxl)-1, wobei x E fyn. Die Umkehrfunktion f- 1: ~n -+ nn ist f-l(y) = y(l + Iyl)-l, wobei y E ~n. Hieraus folgt: 1.1.6 Satz Der ~n ist eine n-Zelle. Wegen ~m X ~n = ~m+n ist daher das topologische Produkt einer m-Zelle und einer n-Zelle eine (m + n)-Zelle. 0

Viele Beispiele fUr Homoomorphismen ergeben sich durch Projektionen. Projiziert man den Rand eines Wiirfels im ~3 vom Mittelpunkt aus auf die umschriebene Sphare, so erhiilt man einen Homoomorphismus zwischen Wiirfelrand und Sphare. Der im ersten Quadranten des ~2 liegende Ast der Hyperbel xy = 1 ist homoomorph zur offenen Strecke von (1,0) nach (0,1), wie man durch Projektion vom Nullpunkt aus sieht. Mit solchen Konstruktionen erhiilt man auch den folgenden Satz 1.1.8. 1.1. 7 Definitionen (a) Eine Teilmenge W C ~n heiBt konvex, wenn sie mit je zwei Punkten x,y E W auch die Punkte (1 - t)x + ty der Verbindungsstrecke enthiilt, 0 ~ t ~ 1.

(b) Ein Raumpaar (X, A) besteht aus einem topologischen Raum X und einem Teilraum A C X. Eine stetige Abbildung f: (X, A) -+ (Y, B) von Raumpaaren ist eine stetige Abbildung f: X -+ Y mit f(A) c B. Wenn f ein Homoomorphismus von X auf Y ist und f(A) = B gilt, so heiBt f ein Homoomorphismus von Paaren, und wir schreiben f: (X, A) ~ (Y, B). 1.1.8 Satz Sei X C ~n eine kompakte, konvexe Teilmenge, deren Inneres

i

im

~n nicht leer ist. Dann gibt es einen Homoomorphismus f: (X, X) -+ (Dn, sn-l) von Paaren, wobei X der Rand von X im ~n ist. Insbesondere ist X ein n-Ball

und

X eine (n - l)-Sphiire.

Be wei s Sei Xo E i ein fester Punkt. Fur x EXist x der einzige Randpunkt von X, der auf der in Xo beginnenden Halbgeraden durch x liegtj andernfalls ware X nicht konvex oder Xo nicht innerer Punkt von X. Daher wird eine Abbildung X -+ sn-l durch x I-> (x - xo)(lx - xol)-l definiert, die bijektiv und stetig, also

4

1 Beispiele fur Raume, Abbildungen und topologische Probleme

ein Homoomorphismus ist (weil X kompakt ist). Durch radiale Fortsetzung erhalt man einen Homoomorphismus von Paaren

x -xo 1((1-t)xo +tx)=t l I· x - Xo

o 1.1.9 Beispiel Der Wiirfel r c jRn ist eine kompakte, konvexe Teilmenge mit nicht leerem Inneren. Also ist (In, jn) ~ (Dn, sn-l). Insbesondere ist rein n-Ball und jn eine (n - 1)-Sphare. 1.1.10 Beispiel Das Produkt DP x Dq C jRp+q ist eine kompakte, konvexe Teilmenge mit nichtleerem Inneren und Rand DP x Sq-l U Sp-l X Dq, vgl. 1.1.A1. Also ergibt sich (DP x Dq, DP X Sq-l U Sp-l x Dq) ~ (Dp+q, Sp+q-l). Insbesondere ist DP x Dq ein (p + q)- Ball und DP x Sq-l U Sp-l X Dq eine (p + q - 1)-Sphare (man zeichne Skizzen fiir p+q ~ 3). Ein expliziter Homoomorphismus 1 zwischen diesen Paaren ist gegeben durch 1(0,0) = 0 und fiir (x, y) =I (0,0): _

1(x,y)-

{(IXI2~rJI2)1/2(X'Y)

Ixl (lxI2+IYI2)1/2 (x, y)

fiir .. fur

Ixl ~ Iyl, Iyl ~ IxI-

Dabei ist x E DP und y E Dq. Aus diesem Beispiel folgt: 1.1.11 Satz Das topologische Produkt eines m-Ballsund eines n-Balls ist ein (m + n)-Ball. 0

Abb. 1.1. 1

Abb.1.1.2

Abb.1.1.3

1.1.12 Beispiel Es ist klar, dafi 1.1.8 falsch wird, wenn man eine der Voraussetzungen "kompakt, konvex oder .i =I 0" weglafit. Die Beweisidee von 1.1.8, die Menge X durch Projektion in Dn zu verbiegen, la:f3t sich jedoch manchmal auch bei nicht konvexen Mengen wie in Abb. 1.1.1 anwenden; die Projektionsstrallien sind hierbei keine Geraden mehr. Ebenso sieht man, da:f3 die in Abb. 1.1.2 skizzierte Teilmenge des ]R3 (einschlie:Blich Innerem) ein 3-Ball ist. Dagegen versagt diese Methode bei der Menge X in Abb. 1.1.3, die kein 2-Ball ist (nach Abschnitt 2.2 konnen Sie das beweisen). .

1.1 Das Homoomorphieproblem

5

1.1.13 Beispiel Wir konstruieren einige Homoomorphismen im Zusammenhang mit sn. Die nordliche bzw. sudliche Hemisphiire von sn ist

D+.

= {x E sn I Xn+l

2: o} bzw.

D~

= {x E sn I Xn+l

::; a}.

Es ist D+. U Dr:.. = sn und D+. n Dr:.. = sn-l ist der Aquator von sn (beachte 1.1.1). Die Punkte P± = (O, ... ,O,±l) E sn heiJ3en Nord- bzw. Sudpol von sn. Durch Orthogonalprojektion erhiilt man Homoomorphismen

Die beiden Hemisphiiren von sn sind also n-Biil.le. Die stereographische Projektion p: sn\p+ -+ Rn ist der wie folgt definierte Homoomorphismus: fur x E sn\p+ ist p(x) der Schnittpunkt der Geraden durch P+ und x mit der Hyperebene Rn c Rn+l. Man rechnet fUr x E sn\p+ und y E Rn folgendes nach:

Zu jedem Punkt Xo E sn gibt es einen Homoomorphismus sn -+ sn, der Xo abbildet (z.B. eine Drehung). Daher ist sn\xo ~ sn\p+ ~ Rn, also: 1.1.14 Satz Fur jeden Punkt Xo E sn ist sn\xo eine n-Zelle.

I--f

P+

o

1.1.15 Beispiele Oft kann man Homoomorphismen konstruieren, indem man die Riiume in geeignete Teilriiume zerlegt. Wir geben einige Beispiele. (a) Rn\o besteht aus den Halbgeraden bx I "f > O} mit x E sn-l. Daraus erhiilt man sn-l X (0,00) ~ Rn\o durch (x,"f) I--f "fX. Wegen (0,00) ~ R ergibt sich sn-l X R ~ Rn\o, etwa durch (x, t) I--f etx.

(b) Dn \ 0 besteht aus den Halbstrecken bx I 0 < "f ::; I} mit x E sn-l. Daraus folgt sn-l X (0, 1] ~ Dn\o. Fur 0 < r < 1 ist (0, 1] ~ (r,l]. Deshalb ist Dn\o homoomorph zu {y E Dn I r < Iyl ::; I} durch "fX I--f ((1 - "f)r +o"f)x. Man kann also wie in Abb. 1.1.4 "Locher aufblasen ". Genauso ist sn\p+ ~ Dr:...

Abb.1.1.4

6

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

° :;

t < I} mit (c) Dn\p+ besteht aus den Halbstrecken {(I - t)x + tP+ I x E sn-l\p+. Daher ist (sn-l\p+) x [0, 1) ~ Dn\p+ durch (x, t) f-+ (l-t)x+tP+. Weil die Umkehrung der stereographischen Projektion p-l: ~n-l -+ sn-l\p+ ein Homoomorphismus ist, erhiilt man durch (y,t) f-+ (1 - t)p-l(y) + tP+ eine Homoomorphie ~n-l X [0,1) ~ Dn\p+ . Weil schliefilich [0,1) ~ [0,(0) ist, ergibt sich ein Homoomorphismus zwischen Dn\p+ und dem euklidischen Halbraum ~+ = ~n-l X [0,(0), vgl. Abb. 1.1.5.

Abb. 11.5

II j I !.

Nach diesen Beispielen fUr Homoomorphie suchen wir Beispiele fur Nicht-Homooist das trivial, und fur morphie. sn und ~n sind nicht homoomorph; fur n = n > folgt es daraus, dafi sn kompakt ist und ~n nicht. Ebenso sind Dn und ~n fur n > nicht homoomorph. Damit ist aber schon SchluB. Die naheliegenden Homoomorphieprobleme

°

°

°

konnen wir mit solchen einfachen Schlussen nicht losen (in Abschnitt 11 wird die Losung trivial sein). Wir mussen topologische Eigenschaften finden, mit denen man diese und andere Raume unterscheiden kann, und es ist gerade einer der Hauptinhalte der algebraischen Topologie, solche Eigenschaften zu beschreiben. Ein Beispiel dazu ist der folgende tiefliegende Satz: 1.1.16 Satz (Invarianz des Gebietes) Es seien X, Y c ~n zueinander homoomorphe Teilraume des ~n und X sei offen im ~n. Dann ist Y offen im ~n .

Man beachte, daB nur die Existenz eines Homoomorphismus f: X -+ Y vorausgesetzt ist, nicht etwa die Existenz eines Homoomorphismus f: ~n -+ ~n mit f(X) = Y; sonst ware die Aussage trivial. Der Satz sagt aus, daB "Offen-Sein-im~n" eine topologische Invariante der Teilraume des ~n ist. Wir werden 1.1.16 erst in 11.7 mit Mitteln der Homologietheorie beweisen, aber wir werden einige wichtige Folgerungen aus diesem Satz schon in diesem einfuhrenden Kapitel benutzen (naturlich werden diese Folgerungen beim Beweis in 11.7 nicht gebraucht). Wie bedeutend der Satz von der Gebietsinvarianz ist, erkennt man daran, daB aus ihm wichtige und nicht triviale "Nicht-Homoomorphie-Satze" folgen (die wir in 11.2 noch mit anderen Mitteln beweisen werden): 1.1.17 Satz (Invarianz der Dimension) Aus m

und Dm ¢ Dn.

i= n folgt

~m

¢

~n

und sm ¢ sn

1.1 Das Homoomorphieproblem

7

Be wei s Fur m < n ist ]Rm c ]Rn nicht offen in ]Rn, aber ]Rn c ]Rn ist offen in ]Rn. Nach 1.1.16 sind daher ]Rm und ]Rn nicht homoomorph. Aus sm ~ sn und 1.1.14 folgt ]Rm ~ ]Rn, also m = n nach schon Bewiesenem. Sei m < n und sei f: Dm -+ Dn ein Homoomorphismus; dann ist iJn c ]Rn homoomorph zu f- 1 (iJn) c Dm c ]Rm C ]Rn, was wieder 1.1.16 widerspricht. 0 1.1.18 Satz (Invarianz des Randes) Jeder Homoomorphismus f: Dn sn-1 auf sn-1 abo

-+

Dn bildet

Beweis Sei x E sn-l und z = f(x) E iJn. Fur kleines c: > 0 ist U = {y E ]Rn I Iy-zl < c:} eine in Dn liegende offene Teilmenge des ]Rn. Das Urbild f-1(U) c]Rn ist homoomorph zu U, aber wegen f-1(U) C Dn und f-1(U) n sn-1 :j:. 0 nicht 0 offen im ]Rn. Das widerspricht 1.1.16. Mit diesem Satz kann man definieren, was der Rand eines Balles ist: 1.1.19 Definition Sei A ein n-Ball und f: Dn -+ A ein Homoomorphismus. Dann heiJ3t die (n - 1)-Sphiire A = f(sn-l) der Rand von A; man erhalt einen Homoomorphismus von Paaren f: (Dn,sn-l) -+ (A,A). 1st g: Dn -+ A auch ein Homoomorphismus, so ist g-l f(sn-1) = sn-1 nach 1.1.18, also f(sn-1) = g(sn-1); daher ist die Definition von A unabhangig von der Wahl von f. 1.1.20 Beispiel Sei X ein topologischer Raum. Fur Xo EX sei Z(xo) die Anzahl der Zusammenhangskomponenten von X\xo. 1st f: X ---+ Y ein HomOomorphismus und f(xo) = Yo, so wird X\xo unter f homoomorph auf Y\Yo abgebildet, und daher ist Z(xo) = Z(Yo). Damit erhalt man ein Homoomorphiekriterium. Z.B. ist Sl ¢ I, weil Z(x) = 1 ist fUr alle x E s1, wallrend fUr ~ E I gilt Za) = 2. Mit solchen Argumenten kann man als Ubung zum Homoomorphiebegriff die Buchstaben des Alphabets (aufgefaJ3t als Teilriiume des ]R2) A,B,C,D,E,F,G,H,I,J,K,L,M,N,O,P,Q,R,S,T,U,v,W,X,Y,Z

nach Homoomorphie klassifizieren. Z.B. ist Q ¢ H, weil es in H zwei Punkte x mit Z(x) = 3 gibt, in Q nur einen. "'---'c-~-

f (K )

Abb. 1.1.6

1.1.21 Beispiel Das topologische Produkt S1 x Sl heiJ3t Torus oder Torusfiache. S1 x Sl ist homoomorph zu der Rotationsfl.iiche im ]R3, die durch Rotation des

8

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Kreises (Xl - 2)2 + X~ = 1 in der Xl, x3-Ebene urn die x3-Achse entsteht, vgl. Abb. 1.1.6. Wir zeigen, daf3 es keinen Homoomorphismus f: 8 1 x 8 1 --+ 8 2 gibt. Auf dem Torus gibt es Kreislinien, etwa K = 1 X 8 1 , die den Torus nicht zerlegen, d.h. 8 1 x 8 1 \K ist zusammenhiingend. Ware f ein Homoomorphismus, so ware f(K) C 8 2 wie in Abb. 1.1.6 eine Kreislinie, die 8 2 nicht zerlegt. Das widerspricht dem bekannten Jordanschen Kurvensatz (vgl. 11.7.7): Jede Kreislinie in 8 2 zerlegt 8 2 in zwei Zusammenhangskomponenten. Wenn man also diesen Satz als bewiesen voraussetzt, folgt die Nicht-Homoomorphie von Torus und Sphare. Den beiden vorigen Beispielen liegt dieselbe Idee zugrunde: man betrachtet hahere Zusammenhangseigenschaften topologischer Raume, indem man untersucht, ob ein Raum durch Punkte oder Kreislinien zerlegt wird oder nicht. Diese Idee wird spater in oer Homologietheorie prazisiert werden.

Aufgaben loI.AI Beweisen Sie folgende Aussagen: (a) Sind X, Y topologische Rii.ume mit Teilrii.umen A C X, BeY, so hat A x B in X x Y den Rand A x B u A x E. (b) 1st A C Ji.m bzw. B C Ji.n konvex, so auch A x B C Ji.m+n. 1.I.A2 Die konvexe Hillle von A C Ji.n ist der Durchschnitt aller konvexen Teilmengen des Ji.n, die A enthalten. Zeigen Sie: Die konvexe Riille von endlich vielen Punkten xo, ... , Xq E Ji.n besteht aus allen Punkten l:f=o AiXi mit l:f=o Ai = 1 und

AO, ... ,Aq

~

o.

1.I.A3 Sei R die in 1.1.21 enannte Rotationsflii.che. Zeigen Sie: (a) R hat die Gleichung ( X2 + y2 - 2)2 + z2 = 1. (b) Durch (x, y) I-t ((2+Ydxt. (2+Y1)X2, Y2) wird ein Homoomorphismus von 8 1 x 8 1 auf R definiert; dabei sind X = (Xl, X2) und Y = (Yt. Y2) Punkte von 8 1 . (c) Nimmt man zu R das nlnnere" im Ji.3 hinzu, so erhii.lt man einen Volltorus V C Ji.3. Die Zuordnung aus (b) liefert einen Homoomorphismus von 8 1 X D2 auf V; dabei ist jetzt X E 8 1 und Y E D2. 1.I.A4 Zu x,Y E j;n gibt es einen HomOomorphlsmus f: Dn

--+

Dn mit f(x) = y.

1.2 Identifizieren Unter den vielen Methoden, topologische Raume zu konstruieren, ist fUr uns die wichtigste die Identifizierungsmethode. Wir stellen zuerst die aus der mengentheoretischen Topologie bekannten Begrif£e und Satze zusammen. Die Beweise sind alle sehr leicht (auJ3er dem von 1.2.13, siehe [Dold, V.2.13] oder [Schubert, 1.7.9 Satz 5]); es ist einfacher, sie sich selbst zu iiberlegen, statt z.B. in [Boto] oder [Schubert] zu suchen.

1.2 Identifizieren

9

1.2.1 Definition Sei X ein topologischer Raum und sei ReX x X eine Aquivalenzrelation auf der Menge X. Statt (x, y) E R schreiben wir meistens x "" R yoder x "" y. Die Aquivalenzklasse von x E X wird mit (x) = (x) R = {y E X I y "" x} und die Menge der Aquivalenzklassen mit XI R = {(x) I x E X} bezeichnet. Die durch p(x) = (x) definierte Funktion p: X -+ XIR heiBt die Projektion von X auf XI R. Die feinste Topologie auf XI R, bezuglich der p stetig ist, hei:l3t die Quotiententopologie auf X I R, und die Menge X I R, versehen mit dieser Topologie, heiBt Quotientenraum oder Faktorraum von X nach R. Fur eine Menge A C X set zen wir A* = p-1p(A) = {x E X I x"" a fUr ein a E A}. 1.2.2 Satz Eine Menge B C XIR im Quotientenraum ist genau dann offen (abgeschlossen), wenn ihr Urbild p-1(B) eXes ist. Die Projektion p: X -+ XI R ist stetig und surjektiv; sie ist genau dann offen (abgeschlossen), wenn fur jede offene 0 (abgeschlossene) Menge A C X die Menge A* C X offen (abgeschlossen) ist.

Man benutzt folgende Sprechweisen: Der Raum XI R entsteht aus X durch Identifizieren aquivalenter Punkte. Oder: XI R entsteht aus X, indem man je zwei Punkte x, y E X mit x "" y miteinander verklebt. Die Aquivalenzrelation R wird meistens dadurch beschrieben, da:13 ein erzeugendes System von Relationen angegeben wird. Sprechen wir z.B. von der durch 0"" 1 und 1"" 2 gegebenen Aquivalenzrelation auf lR, so ist damit gemeint, daB auch 1 "" 0, 2 "" 1, 0 "" 2, 2 "" 0 und x "" x fUr aile x E ~ gilt, und daB x nicht aquivalent ist zu y £iir aile ubrigen Paare (x,y) E ~2. In diesem Sinn sind aile folgenden Beispiele zu verstehen. 1.2.3 Beispiele (a) Sei R die Aquivalenzrelation 0"" 1 auf I. Dann besteht I I R aus den Punkten (0) = (1) und (t) mit 0 < t < 1. Zeigen Sie, da:13 durch f( (t» = exp 27rit eindeutig eine Funktion f: I I R -+ S1 definiert wird und daB f ein Homoomorphismus ist! Durch Verkleben der Endpunkte von I entsteht also eine Kreislinie. Beachten Sie in Abb. 1.2.1, wie sich Umgebungen der Punkte 0,1 E I zu einer Umgebung des Punktes f((O» = f((l» E S1 zusammensetzen.

(b) Auf 12 sei R' die Aquivalenzrelation (s,O) "" (s, 1) fur 0 :::; s :::; 1. Jetzt erhalt man durch (s, t) t-+ (s, exp 27rit) einen Homoomorphismus 12 I R' -+ S1 X I. Der Zylinder S1 xl entsteht aus dem Quadrat durch Verkleben von Ober- und Unterkante, vgl. Abb. 1.2.1. (c) Auf 12 sei S die Aquivalenzrelation (s,O) "" (s,l) und (0, t) "" (1, t) fUr aile s, tEl. Jetzt wird Ober- mit Unterkante und linke mit rechter Kante verklebt. (s,t) t-+ (exp27ris, exp27rit) ist ein Homoomorphismus von 12 1S auf den Torus S1 x S1, vgl. Abb. 1.2.2. 1.2.4 Satz Sei f: X -+ Y eine stetige Abbildung, die vertriiglich ist mit gegebenen Aquivalenzrelationen R bzw. S auf X bzw. Y (das bedeutet: aus x ""R x' folgt f(x) ""S f(x'». Dann wird durch f((X)R) = (J(x»s eine stetige Abbildung 1: XI R -+ Y IS definiert; sie heiflt die durch f definierte oder die von f induzierte

10

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Abbildung. Wenn I ein Homoomorphismus und 1-1: Y -+ X ebenlalls mit den 0 Relationen vertriiglich ist, so ist /: XI R -+ YI S ein Homoomorphismus.

I: · c: a

::

a

· C: Q kll!bl!n

kll!bl!n

a

Abb. 12.1

Abb. 12.2

Abb.123

Die letzte Aussage ist ein standig benutztes Kriterium fUr die Homoomorphie von Quotientenraumen. Z.B. ist das Quadrat in Abb. 1.2.2 zu der Menge X in Abb. 1.2.3 homoomorphj identifiziert man daher in X gegenuberliegende RandbOgen wie die Skizze andeutet, so entsteht ebenfalls ein Torus. Nimmt man in Satz 1.2.4 als Relation auf Y die Gleichheit, so erhalt man folgendes: 1.2.5 Satz Sei I: X -+ Y stetig und mit der Aquivalenzrelation Raul X vertriiglich (das bedeutet: aus x "'R x' lolgt I(x) = I(x')). Dann wird durch f((X)R) = I(x) eine stetige Abbildung /: XI R -+ Y definiert. 0

Fur z E XI R ist p-l(Z) C X eine Aquivalenzklasse in X, besteht also i.a. aus vielen Punkten. Dafi I: X -+ Y mit R vertraglich ist, bedeutet, dafi die Menge Ip-l(Z) in Y aus genau einem Punkt besteht, und dieser ist dann f(z). Daher kann man 1.2.5 auch so formulieren: 1.2.6 Satz 1st I: X stetig.

-+

Y stetig und Ip-l eindeutig, so ist Ip-l: XIR

-+

Y 0

1.2 Identifizieren

11

Beim Ubergang von X zu XI R werden auch die Teilraume von X verandert. Jede Diagonale im Quadrat 12 wird in (c) von 1.2.3 zu einer Kreislinie identifiziert, wahrend sie in (b) homoomorph in den Quotientenraum abgebildet wird. Allgemein gilt folgendes: 1.2.7 Satz Ist fur A C X die Menge A* = p-lp(A) C X offen oder abgeschlossen, so entsteht der Teilraum p(A) C XI R, indem man iiquivalente Punkte von A* identijiziert. Mit anderen Worten: Die Teilraumtopologie auf p(A) stimmt iiberein mit der Quotiententopologie auf A* I R. 0 1.2.8 Beispiel Sei A C X eine offene oder abgeschlossene Menge, so dal3 jeder Punkt von A unter der Relation R nur zu sich selbst aquivalent ist. Dann ist A = A * = A * I R und es folgt, dal3 piA: A -+ X I Reine Einbettung ist. Z.B. wird in 1.2.3 (c) das offene Quadrat P. homoomorph in den Torus abgebildet. 1.2.9 Definition Sei f: X -+ Y eine stetige, surjektive Abbildung. Sei R(f) folgende Aquivalenzrelation auf X: x'" x', wenn f(x) = f(x' ). Die Abbildung f hei£t eine identijizierende Abbildung, wenn eine der folgenden aquivalenten Bedingungen gilt: (a) 1: XI R(f) -+ Y ist ein Homoomorphismus. (b) Genau dann ist A C Y offen (abgeschlossen), wenn f-l(A) eXes ist. (c) Eine Abbildung g: Y -+ Z, wobei Zein beliebiger Raum ist, ist genau dann stetig, wenn gf: X -+ Z es ist.

Die Topologie auf Y ist dann durch fund die Topologie auf X eindeutig bestimmt; sie hei£t die Identijizierungstopologie beziiglich f. Die Projektion p in 1.2.1 ist identifizierend; jede identifizierende Abbildung unterscheidet sich von einer solchen Projektion nur um einen Homoomorphismus. 1.2.10 Satz (a) Jede stetige, surjektive und offene (abgeschlossene) Abbildung ist identijizierend. Jede stetige, surjektive Abbildung eines kompakten Raumes auf einen Hausdorffraum ist abgeschlossen und daher identijizierend. (b) Sei f: X -+ Y identijizierend und g: Y -+ Z stetig und surjektiv. Genau dann ist 9 f identijizierend, wenn 9 es ist. 0 1.2.11 Satz Sei p: X -+ Y identijizierend und f: X eindeutig ist, ist Jp-l: Y -+ Z stetig (vgl. 1.2.6).

-+

Z stetig. Wenn fp-l 0

1.2.12 Satz Sei J: X -+ Y identijizierend. Sei BeY offen oder abgeschlossen und A = J-l(B) eX. Dann ist JIA: A -+ B identijizierend (vgl. 1.2.7). 0

Eine folgenreiche Tatsache, die zu weitreichenden Untersuchungen in der mengentheoretischen Topologie gefiihrt hat, ist, daB Produkt- und Quotiententopologie

12

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

nicht miteinander vertraglich sind. Sind X, Y Raume mit Aquivalenzrelationen R bzw. S, so hat man auf X x Y die Aquivalenzrelation R x S: (x, y) "'- (x', y/), wenn x "'- R x' und y "'-8 y'. Die Abbildung X x Y/ Rx S -+ X/ Rx Y / s, (x, y) 1-+ ((x), (y)) ist bijektiv und stetig, aber La. kein Homoomorphismus. Ein wichtiges Resultat ist jedoch folgendes, wobei durch id y die 1dentitatsabbildung von Y bezeichnet wird: 1.2.13 Satz 1st f: X -+ X' identijizierend und Y lokalkompakt, so ist die Abbildung f x idy: X x Y -+ X' x Y identijizierend. 0 1.2.14 Korollar Die obige Abbildung X x Y/R x S -+ X/R x Y/S ist dann ein 0 Homoomorphismus, wenn X und Y/S (oder X/R und Y) lokalkompakt sind.

1.3 Beispiele zum Identifizieren Wir stellen einige Standardkonstruktionen von Quotientenraumen vor. 1.3.1 Definition und Satz (a) Sei A c X ein abgeschlossener Teilraum. Zwei Punkte von X heiften iiquivalent, wenn sie gleich sind oder beide in A liegen. X/A ist der Quotientenraum von X nach dieser Aquivalenzrelation. Die gemeinsame Aquivalenzklasse der Punkte von A wird mit (A) E X/A bezeichnet. Fur die Projektion p: X -+ X/A gilt peA) = (A). Man sagt, X/A entsteht aus X durch Identijizieren von A zu einem Punkt. Wenn wir von X/A reden, setzen wir immer voraus, daft A in X abgeschlossen ist (damit 1.3.3 gilt). (b) Eine stetige Abbildung f: (X, A) -+ (Y, B) von Raumpaaren induzierl nach 1.2.4 eine stetige Abbildung!: X/A -+ Y/B. 1st f ein Homoomorphismus von 0 Paaren, so ist 1 ein Homoomorphismus. 1.3.2 Definition Eine stetige Abbildung von Raumpaaren f: (X, A) -+ (Y, B) heH3t ein relativer Homoomorphismus, wenn X\A unter f homoomorph auf Y\B abgebildet wird. Aus 1.2.7 folgt: 1.3.3 Satz Die Projektion p: (X, A) phismus.

-+

(X/A, (A)) ist ein relativer Homoomor0

1.3.4 Beispiele 1st A = 0 oder A = {Punkt}, so ist X/A = X. Aus 1.2.3 (a) folgt, dafi I/j ~ S1 ist. Wenn X kompakt ist, ist X/A wegen 1.3.3 die Einpunktkompaktifizierung von X\A (vgl~ [Boto, 8.20]). Z.B. ist Dn / sn-1 fUr n > 0 die Einpunktkompaktifizierung von nn ~ ~n , ist also homoomorph zu sn. Dieses Beispiel ist besonders wichtig, und wir untersuchen es genauer.

1.3 Beispiele zum Identifizieren

13

1.3.5 Beispiel Wir definieren eine Abbildung An: Dn _ sn dureh

dabei ist X E sn-l und 0 S t S 1. Man uberzeuge sieh, dal3 An oeine stetige Abbildung ist mit An(sn-l) = eo = (1,0, ... ,0) E sn, und daB Dn unter An homoomorph auf sn\eo abgebildet wird. Also ist An: (Dn,sn-l) _ (sn,eo) ein relativer Homoomorphismus. Die induzierte Abbildung 5. n : Dn / sn-l _ sn ist ein Homoomorphismus (sie ist stetig und bijektiv, und Dn / sn-l ist kompakt). 1.3.6 Beispiel 1st X ein Raum, so ist X x I der Zylinder uber X. Die Teilriiume X x 0 und X x 1 (Boden und Dach des Zylinders) sind abgesehlossen in X x I. Der Quotientenraum ex = X x 1/ X x 1 heiBt der Kegel uber X mit Spitze (X xl). Er besteht aus den Punkten (x, t) mit x E X und tEl, wobei (x, 1) = (x', 1) ist fUr alle x,x' EX. Aus 1.2.7 folgt, dal3 x f-+ (x,O) eine Einbettung X - ex ist; X ist als Boden im Kegel enthalten. Ein Beispiel: es n ist homoomorph zu Dn+l durch (x, t) f-+ (1 - t)x. 1.3.7 Definition Gegeben seien topologisehe Riiume Xj (j E J = Indexmenge) und in jedem dieser Riiume ein fester Punkt x~ E Xj; wir setzen voraus, dal3 x~ abgesehlossen ist in Xj (was z.B. gilt, wenn Xj hausdorffseh ist). In der topologisehen Summe L Xj ist dann A = {x~ I j E J} ein abgesehlossener Teilraum. Der Quotientenraum V Xj = L Xj / A heiBt die Einpunktvereinigung der Riiume Xj bezuglieh der Punkte x~. Wir setzen XO = (A) E VXj . 1st p: EXj - VXj die Projektion, so ist p(x~) = x O fUr alle j E J. 1m Fall, daB J = {I, ... , n} eine endliehe Indexmenge ist, sehreiben wir Xl V '" V Xn statt VXj .

Aus 1.2.2 folgt, dal3 peine abgesehlossene Abbildung ist, und daraus ergibt sich folgender Satz, der den Namen "Einpunktvereinigung" reehtfertigt: 1.3.8 Satz Die Einschriinkung plXj: Xj - V Xj ist eine Einbettung; sie heiflt die Standardeinbettung von Xj naeh V X j . Der Raum V Xj ist die Vereinigung der zu Xj homoomorphen Teilriiume p(Xj) und fur i =I- jist p(Xi ) n p(Xj) = xO. 0

Aus 1.2.4 erhiilt man den folgenden Satz, den wir der Deutliehkeit halber nur fur endliehe Indexmengen formulieren: 1.3.9 Satz (a) Stetige Abbildungen Ii: Xj - Xj mit fi(x~) = x'l induzieren eine stetige Abbildung h V ... V fn: Xl v ... V Xn - X~ v ... V X~ durch (Xj) f-+ (fi(Xj).

(b) Stetige Abbildungen gj: Xj - Y mit gi(X?) = gj(x~) induzieren eine stetige 0 Abbildung (gl, ... ,gn): Xl V ... V Xn - Y durch (Xj) f-+ gj(Xj).

14

1 Beispiele fur Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Endliche Einpunktvereinigungen lassen sich auch auf andere Weise beschreiben. Es sei i j : Xj -+ Xl X .,. X Xn die Abbildung Xj f--+ (x~"",X~_l,Xj,X~+l""'X~), Das Bild von ij ist die j-te Koordinatenachse T j --

°

xlo X .•. X Xj_l X

Xj

0 0 X Xj+l X ... X Xn

im topologischen Produkt. Wie der folgende Satz zeigt, kann man Xl V ... V Xn auch als Vereinigung dieser Koordinatenachsen definieren (was wir gelegentlich auch tun werden).

Abb. 1.3.2

1.3.10 Satz Die Abbildung (il, ... ,i n ): Xl V ... V Xn -+ Xl den Raum Xl V ... V Xn homoomorph auf die Vereinigung T = Koordinatenachsen ab (vgl. Abb. 1.3.1).

X ..• X Xn

TI U '"

bildet

U Tn der 0

1.3.11 Beispiel Bei unendlicher Indexmenge ist 1.3.10 i.a. falschj man muf3 auf die Topologie am Punkt Xo achten! Als Beispiel betrachten wir die Einpunktvereinigung X = Sf V V ... von unendlich vielen Kreislinien SJ = Sl, wobei x~ = 1 ist. Die Umgebungen von xO in X sind von der Form UI U U2 U ... , wobei Uj ein Kreisbogen um 1 in SJ istj insbesondere besitzt xO weder eine kompakte Umgebung noch eine abzahlbare Umgebungsbasis. Folglich ist X weder lokalkompakt noch metrisierbar. Dagegen ist s1 x Si x ... ein kompakter metrischer Raum, also ist X nicht in Sf x Si x ... einbettbar. Sei Y die in Abb. 1.3.2 skizzierte Vereinigung der Kreise (x - 1/n)2 + y2 = 1/n 2 mit n ~ 1, versehen mit der Relativtopologie des ~2. Dann ist X nicht zu Y homoomorphj jede Umgebung von (0,0) in Y enthalt alle Kreislinien bis auf endlich viele.

si

Eine wichtige Konstruktion von Quotientenraumen ist das Verkleben von Raumenj es enthalt die vorigen Beispiele als Spezialfalle. 1.3.12 Definition Gegeben sei X:) A.L Y, wobei A ein abgeschlossener Teilraum von X und f eine stetige Abbildung ist. Auf der topologischen Summe X + Y sei R die von a'" f(a) fUr alle a E A erzeugte Aquivalenzrelation. Der Quotientenraum YUf X = (X +Y)/ R besteht aus den Punkten (x) und (y) mit (a) = (J(a)) fur alle a E A. Er entsteht also, indem man jeden Punkt von A mit seinem Bild unter f identifiziert. Sprechweise (Abb. 1.3.3): Y Uf X entsteht aus Y, indem man mit der

1.3 Beispiele zum Identifizieren \

y

\

\

\

x

f

f....o-.-)

f

15

ongeklebtes X

~\ /r", x

Abb.113

Klebeabbildung f den Raum X an Y klebt. Unter der Relation R werden Punkte a, a l mit f( a) = f( a l ) identifiziert. Verschiedene Punkte von Y werden jedoch nicht miteinander identifiziert. Mit 1.2.7 folgt: 1.3.13 Satz 1st p: X + Y ---> Y Uf X die Projektion, so ist plY: Y ---> Y Uf X eine Einbettung. Bezeichnet man also fur y E Y den Punkt p(y) = (y) wieder mit y, so ist Y als abgeschlossener Teilmum in Y U f X eingebettet. 0 1.3.14 Satz Die Projektion piX: X ---> Y Uf X bildet X\A auf (Y Uf X)\Y homoomorph ab, d.h. piX: (X, A) ---> (Y U f X, Y) ist ein relativer Homoomorphismus. 0

Der Raum Y U f X besteht also aus zwei Teilen: der eine ist zu X\A homoomorph, der andere zu Y. Wie YUfX an der Grenze dieser beiden Teile aussieht, hangt von der Klebeabbildung abo - Aus 1.2.6 erhalt man das folgende wichtige Kriterium zur Konstruktion stetiger Abbildungen auf Y Uf X: 1.3.15 Satz Gegeben seien X ::::> A L Y und stetige Abbildungen cp: X ---> Z und ---> Z mit cplA = 'l/J 0 f. Sei cp + 'l/J: X + Y ---> Z die Abbildung, die auf X mit cp und auf Y mit'l/J iibereinstimmt. Dann ist (cp + 'l/J) 0 p-l: Yu f X ---> Z wohldefiniert 0 und stetig.

'l/J: Y

1.3.16 Beispiele 1m Fall X::::> AL Y = {Punkt} ist Y Uf X = X/A. X::::> {xo}.E., Y ist YU g X ~ X V Y. YUh X ~ (X/A) V Y.

1st X

::::>

1m Fall

A ~ Y und h(A) ein Punkt, so ist

Man kann jetzt zahlreiche Fragen stellen, z.B. wie sich Y U f X andert, wenn man (X, A) oder Y durch eine homoomorphe Kopie ersetzt, was mit Teilraumen von X beim Verkleben geschieht uSW. Wir iiberlassen das dem Leser und betrachten nur noch die folgende Situation, die ofters auftritt. 1.3.17 Beispiel Es seien A c X und BeY abgeschlossene Teilraume und f: A ---> B ein Homoomorphismus. Dann konnen wir X und Y mit dem Homoomorphismus f zu einem Raum Z verkleben: mit der Bezeichnung von 1.3.12 ist Z = Y Ujf X, wobei j: B ~ Y die Inklusion ist (wir schreiben dafiir auch einfach Z = Y Uf X). Aus 1.2.7 und 1.3.13 folgt, daB X und Y in Z eingebettet sind und daB Z. = X U Y und X n Y ~ A ~ B ist.

16

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Wer aus dieser Darstellung von Z den SchluB zieht, daB Z durch die Paare (X, A) und (Y, B) bestimmt ist, der irrt: La. hangt Z wesentlich vom Klebehomoomorphismus f: A - B ab (vgl. 1.4.9 und insbesondere 1.9.3)! Das folgende Kriterium, wann zwei Klebehomoomorphismen homoomorphe Quotientenraume liefern, folgt aus 1.2.4: I

I'

1.3.18 Satz Seien X ::J A--tB c Y und X' ::J A' --B' c Y' gegeben. Wenn es Homoomorphismen F: (X,A) - (X',A') und G: (Y,B) - (Y',B') dieser Raumpaare mit (GIB) 0 f = l' 0 (FIA) gibt, so sind die Riiume Y UI X und Y' U f' X' homoomorph. 0 1.3.19 Beispiele (a) 1st Z = XuY Vereinigung abgeschlossener Teilraume X und Y mit XnY = A, so kann man X und Y mit idA: A - A verkleben; der entstehende Raum ist homoomorph Z. Verklebt man X und Y mit einem Homoomorphismus f: A - A, der sich zu einem Homoomorphismus X - X oder Y - Y fortsetzen laBt, so ist ebenfalls Y UI X ~ Z.

(b) Jeden Homoomorphismus f: sn-l - sn-l kann man radial zu einem Homoomorphismus F: Dn _ Dn fortsetzen durch F(tx) = tf(x) fUr x E sn-l und tEl. Daher folgt: Verklebt man zwei Kopien von Dn mit einem Homoomorphismus f: sn-1 _ sn-1 der Rander, so entsteht sn. (c) Sei g: X - X ein Homoomorphismus. Wir betrachten I

.

X x [-1,0] ::J X x O-X x O~X x [0,1]' f(x,O) = (g(x),O).

Durch F(x, t) = (g(x), t) wird der Homoomorphismus f auf X x [-1,0] fortgesetzt. Aus 1.3.18 folgt daher (X x [0,1]) UI (X x [-1,0]) ~ X x [-1,1]: Wenn man zwei Zylinder verklebt, entsteht wieder einer. Aufgaben 1.3.Al Beweisen Sie 1.3.10. 1.3.A2 (S1 x S1) / (S1 V S1) ist homoomorph zu S2. 1.3.A3 ]Rn / Dn ist homoomorph zu ]Rn; ]Rn / f;n ist nicht hausdorffsch. 1.3.A4 Eine stetige Abbildung f: X eine stetige Abbildung Cf: CX - CY.

Y induziert durch (Cf)«(x, t)) = (f(x), t)

1.3.A5 Der Raum EX = CX/X heifit die Einhangung von X. Zeigen Sie: (a) f: X - Y induziert Ef: EX - EY. (b) EDn ~ Dn+1 und ES n ~ sn+1.

1.4 FUichen

17

1.4 Fliichen 1.4.1 Definition Ein topologischer Raum F heiJ3t eine Flache, wenn jeder Punkt von F eine zu D2 homoomorphe Umgebung besitzt; damber hinaus set zen wir immer voraus, daB F hausdorffsch ist und die Topologie von F eine abzahlbare Basis besitzt (vgl. 1.4.A7 und 1.8.2). Sei A ::::; D2 eine Umgebung von x E Fund sei f: A -+ D2 ein Homoomorphismus. Je nachdem, ob f(x) E 51 oder f(x) E fj2 ist, heiBt x ein Randpunkt oder ein innerer Punkt von F (Abb. 1.4.1); mit dem Satz von der Invarianz des Gebiets zeigt man, daB diese Definition von der Wahl von A und f unabhiingig ist. Die Menge der Randpunkte bzw. der inneren Punkte von F wird mit of bzw. Fbezeichnet; es folgt F = FuoF und FnoF = 0. Wenn of = 0 ist, heiBt F unberandete Flache. Eine unberandete kompakte Fliiche heiJ3t geschlossen.

Abb. 1.4.1

Abb. 1.4.2

Warnung: Diese Begriffe "Inneres" und "Rand" haben nichts zu tun mit den genauso bezeichneten Begriffen, die man in der mengentheoretischen Topologie lernt! 1st A ein Teilraum des Raumes X, so ist erkliirt, was ein innerer Punkt von A in X bzw. ein Randpunkt von A in X ist, und die Menge dieser Punkte ist das Innere A bzw. der Rand A von A in X. Hier ist der Zusatz "in X" wichtig; was Inneres und Rand von A sind, hiingt vom umgebenden Raum X abo In 1.4.1 dagegen hat man nur die Fliiche F, keinen umgebenden Raum; ob ein Punkt innerer Punkt oder Randpunkt ist, hiingt von der topologischen Gestalt der Fliiche in der Nahe des Punktes abo Natiirlich kann diese gleiche Bezeichnung verschiedener Begriffe zu MiJ3verstiindnissen fiihren (fiir F wie in Abb. 1.4.1 ist of eine Kreislinie; als Teilraum des R3 betrachtet besteht F jedoch aus lauter Randpunkten); man muJ3 eben aufpassen. - Wie in 1.1.18 beweist man: 1.4.2 Satz Ein Homoomorphismus F auf of' abo

-+

F' von Flachen bildet of homoomorph 0

Die lokale Gestalt der Fliiche bei einem Randpunkt kann man noch genauer beIn der Niihe von z E of sieht das Tripel z E of c F topologisch so

schr~iben:

18

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

aus wie (0,0) E Dl X 0 C Dl X I; insbesondere liegt z im Inneren eines ganz aus Randpunkten bestehenden Randbogens: 1.4.3 Satz Zu jedem Randpunkt z von F gibt es eine Umgebung W von z in Fund einen Homoomorphismus h: Dl x 1-+ W mit h(O, 0) = z und h(Dl x 0) = WnBF. Beweis Sei f: A -+ D2 mit J(z) E 8 1 wie in 1.4.1 und U eine offene Umgebung von z in F mit z E U c A. Aus dem Satz tiber die Invarianz des Gebietes erhalten wir J(U n BF) = J(U) n 8 1 . In der offenen Umgebung J(U) von J(z) in D2 findet man mit dem in 1.1.15 (c) konstruierten Hom60morphismus leicht eine Rechteckumgebung der verlangten Art; diese transportiert man mit J- 1 nach F und erhalt W. 0 Die in Abb. 1.4.2 skizzierten Teilmengen des 1R3 sind keine Flachen; hier gibt es Punkte, die keine zu D2 homoomorphe Umgebung haben. In den folgenden Beispielen tiberlassen wir den Nachweis, daf3 es sich um Flachen handelt, dem Leser. Die Bedingung "hausdorffsch" und "abzahlbare Basis" sind jeweils klar; man sollte jedoch die Existenz von Umgebungen, die homoomorph D2 sind, in jedem Einzelfall beweisen, indem man mit Methoden wie in 1.1 die entsprechenden Homoomorphismen konstruiert. 1.4.4 Beispiele Unberandete, nicht geschlossene Flachen sind die Ebene 1R2, der unendliche Zylinder 8 1 x IR, und im 1R3 die einschaligen Hyperboloide (sie sind homoomorph zu 8 1 x IR), die zweischaligen Hyperboloide (sie sind homoomorph zur topologischen Summe 1R2 + 1R2 ), die Paraboloide (sie sind homoomorph zu 1R2) oder die in Abb. 1.4.3 und 1.4.4 skizzierten Flachen. Entfernt man in einer unberandeten Flache endlich viele Punkte (oder unendlich viele, die sich nicht haufen), so erhalt man eine unberandete Flache. Es sei P die Vereinigung aller achsenparallelen Geraden im 1R3 mit ganzzahligem Abstand zu den Achsen, und F C 1R3 sei die Menge aller Punkte, die von P den Abstand 1/4 haben; dann ist F eine unberandete Flache.

,

\

I

I

o o o

I

,

\

Abb.14.3

Abb. 14.4

1.4 FUichen

19

1.4.5 Beispiele D2 ist eine FHiche mit Rand 8 1 . Die Halbebene ~ x [0, 00) ist eine FUiche mit Rand R Der Zylinder 8 1 x [ ist eine Flache, des sen Rand aus zwei Kreislinien besteht. Weitere Flachen mit Rand sind in Abb. 1.4.4 skizziert. Entfernt man n 2:: 1 Punkte in 8 1 x 1, so entsteht aus 8 1 x [ eine Flache, deren Rand aus 8 1 x 0 und aus n Kopien von ~ besteht; im Fall n = 5 ist sie eine der Flachen in Abb. 1.4.4 (!). 1.4.6 Beispiel Das interessanteste Beispiel einer Flache mit Rand ist das folgende: Auf [2 sei R die Aquivalenzrelation (8,0) '" (1 - 8,1). Der Quotientenraum M = [2/ R - und jeder dazu homoomorphe Raum - heiBt ein Mobiusband. Wie in 1.2.3 (b) werden unter R Ober- und Unterkante des Quadrats identifiziert, jetzt aber gegensinnig, vgl. Abb. 1.4.5. Es ist klar, daB Meine Flache und aM:::::J 8 1 ist; hieraus folgt mit 1.4.2, daB Mobiusband und Zylinder nicht homoomorph sind. M besteht aus den Punkten (8, t) mit 8, t E [ und (8,0) = (1 - 8,1). Wir definieren f: M ---+ ~3 durch f((8,t)) = (XllX2,X3), wobei

Xl

= 2 cos 27rt + (28 -

1) cos trt . cos 27rt

X2 = 2 sin 27rt + (28 - 1) cos trt . sin 27rt

X3 = (28 - 1) sin 7rt. Diese Abbildung ist eine Einbettung, d.h. Mist in der Tat zu der in Abb. 1.4.5 skizzierten Teilmenge des ~3 hom60morph! Diese Teilmenge entsteht dadurch, daB der Mittelpunkt einer Strecke der Lange 2 auf dem Kreis (x - 2)2 + y2 = 4, z = 0 verschoben wird und sich die Strecke gleichzeitig um ihren Mittelpunkt um den Winkel 7r dreht . - Wir machen am Mobiusband einen Begriff anschaulich klar, der im folgenden benutzt wird, den wir aber erst in 11.3 prazisieren werden. Auf einer Flache F betrachten wir ein Achsenkreuz mit den Koordinatenachsen 1 und 2 und verschieben es auf der Flache, bis es wieder in die Ausgangslage zuruckkommt. Wenn es danach, bei beliebigem Verschiebungsweg, wie vorher aussieht, heiBt F orientierbar. Wenn es dagegen einen Verschiebungsweg gibt, bei dem es sich in sein Spiegelbild verwandelt, heiBt F nicht-orientierbar. Man mache sich an Abb. 1.4.6 klar, daB der Torus in diesem anschaulichen Sinn orientierbar ist, das Mobiusband dagegen nicht.

"

a

If!:.

a Abb. 1.4.5

Abb.1.4.6

Bevor wir die wichtigsten Beispiele fur Flachen betrachten, die geschlossenen, geben wir Methoden zur Konstruktion von Flachen an. Zunachst kann man in eine Flache "Locher schneiden ":

20

1 Beispiele fUr Riiume, Abbildungen und topologische Probleme

1.4.1 Satz Sei F eine Flache und seien iI, ... ,/k: D2 gen, also h(D2) n h(D2) = 0 fur i "I j. Wir setzen

Dann ist F*

= F\(Ih u ... U 15k ) eine Flache

-+

F disjunkte Einbettun-

mit Rand of*

= of U S1 U .. . U Sk.

o

Seien Fund F' Fliichen und sei ReF bzw. R' c F' eine Zusammenhangskomponente von of bzw. of' . Sei ferner g: R -+ R' ein Homoomorphismus. Wir fassen g auch als Abbildung F ~ R~ F' auf und konnen daher wie in 1.3.12 den Raum F' Ug F bilden. Sei p: F + F' -+ F' Ug F die Projektion.

1.4.8 Satz Mit diesen Bezeichnungen gilt: Der Raum X = F'UgF ist eine Flache. Die Abbildungen plF und PiP' sind abgeschlossene Einbettungen, und es ist X

= p(F) U p(F') und p(F) n p(F') = p(R) = p(R').

Der Rand von X ist AX

= p(oF\R) U p(oF'\R') .

Die Fliiche X entsteht wie in Abb. 1.4.7 aus Fund F' durch Verkleben der Randkomponenten R und R'. Sie besteht aus einer Kopie von Fund aus einer von F', die sich in den verklebten Riindern schneiden. Man kann zwei Fliichen auch liings mehrerer Randkomponenten verkleben. Beweisskizze zu 1.4.8. Sei W eine Umgebung von z E R und W' eine Umgebung von z' = g(z) E R' in F' . Der Hauptschritt des Beweises ist folgender: man zeige, daB W und W' in X zu einer Umgebung A ~ D2 von x = (z) = (z') E X verklebt werden, so daB x im Inneren von A liegt. Man wiihlt W ~ D1 X lund W' ~ D1 X I als Reckteckumgebungen wie in 1.4.3, die man so konstruiert, daB g(W n R) = W' n R' ist. Klebt man W mit glW n R an W' , so erhiilt man dasselbe (bis auf Homoomorphie) , wie wenn man D1 x I mit einem Homoomorphismus D1 x 0 -+ D1 X 0 C D1 X I an eine zweite Kopie von D1 x I klebt. Aus 1.3.19 (c) folgt, daB man D1 x I ~ D2 erhiilt, und daraus ergibt sich 1.4.8. Bei der Ausfiihrung der Details muB man u.a. die vor 1.3.17 angeschnittenen Probleme untersuchen. 0 F

c::> Abb. 1.4.7

F'

X \ I

\

,,

\

I

,

I

, c:> ,,

I

, \

I

I

I

Abb. 1.4.8

1.4 FHichen

21

1.4.9 Beispiel 1st g: SI -+ SI ein Homoomorphismus, so bezeichnet SI x 1/ g den Quotientenraum des Zylinders SI x 1, der durch Identifizieren von (x,O) mit (g(x), 1) entsteht. Aus 1.4.8 folgt, daB SI xl / g eine Fliiche ist: sie entsteht aus den beiden Zylindern SI x [0,1/2] und SI x [1/2,1]' indem man die Randkomponenten SI x 1/2 identisch und SI x 0 mit SI x 1 wie oben verklebt. 1m Fall g = id ist SI x 1 lid ~ SI x SI durch (x, t) f--+ (x, exp 27rit). Sei s: SI -+ SI die Abbildung s(x) = x (konjugiert komplexe Zahl). Sei A C SI xl der in Abb. 1.4.8 skizzierte Streifen und sei p: SI xl -+ SI X l/s die Projektion. Aus 1.2.7 folgt, daB p(A) ein Mobiusband in SI xl / s ist. Es ist plausibel (und nach 11.4leicht zu beweisen), daB ein Torus kein Mobiusband enthalten kann. Daher ist SI x 1/ s nicht homoomorph zum Torus SI xl lid. Dieses Beispiel (die Kleinsche Flasche, vgl. Abb. 1.4.14) zeigt, da:B die Fliiche F' U g F in 1.4.8 i.a. nicht nur von F, R und F', R', sondern auch vom Klebehomoomorphismus g abhiingt. 1.4.10 Beispiel Wir schneiden in eine Fliiche F zwei Locher wie in 1.4.7 und erhalten eine Fliiche F* mit of* = of U SI U S2' Wir verkleben F* mit S1 xl wie in 1.4.8 iiber Homoomorphismen SI x 0 -+ Sl und SI x 1 -+ S2' Die resultierende Fliiche F+ entsteht aus F durch Ankleben eines Henkels, vgl. Abb. 1.4.9. Wie in 1.4.9 ist F+ nicht durch F bestimmt, sondern hiingt von der Art des Verklebens abo Man kann an eine Fliiche F natiirlich mehrere Henkel (wenn F nicht kompakt ist, sogar unendlich viele) kleben.

Abb.1.4.9

1.4.11 Beispiel Wir schneiden in zwei Fliichen Fund F' Wle III 1.4.7 je ein Loch und verkleben F* mit F'* wie in 1.4.8 iiber einen Homoomorphismus der Lochriinder. Die resultierende Fliiche F#F' hei:Bt eine zusammenhiingende Summe von Fund F'. Der unbestimmte Artikel soil darauf hinweisen, daB es analog zu 1.4.9 denkbar ist, daB F#F' nicht nur von Fund F' abhiingt, sondern auch von der Art des Verklebens. (Das ist jedoch nicht so: F#F' ist durch Fund F' bis auf Homoomorphie eindeutig bestimmt. 1m Fall geschlossener Fliichen folgt das aus dem Klassifikationssatz 1.9.1.) 1.4.12 Beispiel Sei F eine Fliiche mit Rand of i= 0. Das Produkt F x SO besteht aus den Kopien F x (-1) und F x 1 von F. Wir identifizieren in F x SO fUr jeden Punkt x E of die Punkte (x, -1) und (x,l). Der Quotientenraum ist analog zu

22

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

1.4.8 eine unberandete Flache; sie heillt die Verdopplung von Fund wird mit 2F bezeichnet. Z.B. ist 2D2 ~ 8 2 und 2(8 1 x I) ~ 8 1 X 8 1 . Man mache sich klar, daB man mit diesen Konstruktionen eine ungeheure Vielfalt von Flachen konstruieren kann. Wir vervollstiindigen unsere Beispielserie, indem wir zum SchluB dieses Abschnitts die geschlossenen Flachen betrachten. Ais Beispiele kennen wir bisher die Sphiire 8 2 , den Torus 8 1 x 8 1 und die FHi.che 8 1 x 1/ s aus 1.4.9. Es gibt jedoch noch mehr.

Abb. 1.4.10

1.4.13 Bemerkung Sei 9 ~ 1 eine ganze Zahl. Wir geben verschiedene Methoden an, eine Flache zu konstruieren. (a) Sei D~ C llt2 eine Kreisscheibe mit 9 disjunkten Lochern wie in 1.4.7. Dann ist der Rand der Teilmenge D~ x I C llt3 eine FHi.che A g • (b) Sei D~ wie eben. Dann ist 2D~ eine Flache B g • (c) Sei T = 8 1 X 8 1 der Torus und Cg = T# ... #T eine iterierte zusammenhiingende Summe von 9 Exemplaren von T. (d) Man klebt 9 Henkel an 8 2 wie in 1.4.10, jedoch so, daB die resultierende Flache Dg nicht wie in 1.4.9 ein Mobiusband enthiilt. Man kann beweisen, daB diese Flachen bis auf Homoomorphie durch 9 eindeutig bestimmt sind (also unabhiingig von den anderen Daten der Konstruktion) und daB Ag ~ Bg ~ Cg ~ Dg ist (vgl. Abb. 1.4.10 im Fall 9 = 3). Wir geben im folgenden eine andere Definition dieser Flachen. Sie hat den Nachteil, daB sie geometrisch unanschaulicher ist, aber den Vorteil, da:6 man mit ihr besser rechnen kann.

1.4.14 Definition und Satz Fur 9 ~ 1 sei E 4g C llt2 das regulare 4g-Eck mit den Ecken Zn = exp(27rin/4g), wobei n = 1, ... , 4g. Dann ist E 4g eine kompakte konvexe Teilmenge des llt2 • Wir erzeugen eine Aquivalenzrelation R auf E 4g , indem wir die folgenden Randpunkte von E 4g als aquivalent erkliiren (dabei ist 0 ::; t ::; 1 und j = 1, ... ,g; ferner ist Z4g+1 = Zl zu setzen):

(1 (1 -

+ tZ4 j-2 '" (1 - t)Z4j + tZ4j-1 t)Z4j-2 + tZ4j-1 '" (1- t)Z4j+1 + tZ4j t)Z4j-3

1.4 FHichen Z,

23

Z,

Zz

Abb. 1.4.11

Der Quotientenraum Fg = E 4g / R ist eine geschlossene Flache. Diese (und jede dazu homoomorphe) Flache heiflt eine geschlossene orientierbare Flache vom Geschlecht g. Unter einer geschlossenen orientierbaren Flache Fo vom Geschlecht 0 versteht man einfach eine 2-Sphare. Die Relation R identifiziert paarweise die Randstrecken von E 4g miteinander. Wir verabreden folgendes: Zwei Randstrecken, die miteinander identifiziert werden, bezeichnen wir mit dem gleichen Symbol. AuJ3erdem fassen wir die Randstrecken als gerichtete Strecken auf, wobei die Richtung so zu wahlen ist, daB Anfangs- mit Anfangspunkt und End- mit Endpunkt identifiziert wird (vgl. Abb. 1.4.11).

G~:-~=)/

pIAl

plkl

plBI

Jetzt ist besser zu sehen, was in 1.4.14 geschieht: Fg entsteht aus E 4g , indem man gleichbezeichnete Randstrecken in Pfeilrichtung identifiziert. Man erkennt, daJ3 FI ein Torus ist. Fiir 9 2: 1 untersuchen wir Fg durch Induktion nach g. Sei p: E 4g -+ Fg die Projektion. Die Strecke k von ZI nach Z5 zerlegt E4g in Teile A, B mit An B = k. Wegen p(zd = p(Z5) und 1.2.7 ist p(k) c Fg eine Kreislinie. Identifiziert man in A bzw. in B zunachst nur die Punkte ZI und zs, so erhiilt man ofl'enbar ein Quadrat bzw. ein (4g - 4)-Eck, in dem eine ofl'ene Kreisscheibe fehlt (deren Rand das Bild von kist). Fiihrt man jetzt die iibrigen Identifikationen aus, so sieht man, daJ3 p(A) ein gelochter Torus und p(B) eine gelochte Flache Fg- I ist (wir nehmen induktiv an, daB Fg- I eine Flache ist). Wegen Fg = p(A) U p(B) und p(A)np(B) = p(k) entsteht Fg aus diesen Flachen durch Verkleben der Lochriinder.

1 Beispiele fUr Riiume, Abblldungen und topologische Probleme

24

Daher folgt aus 1.4.8, daB Fg eine Fliiche und Fg ~ Fl #Fg-l ist. Gleichzeitig sehen wir, daB wir uns Fg wie in 1.4.13 vorstellen durfen. Vgl. Abb. 1.4.12. Das niichste Beispiel einer geschlossenen Flache ist die reelle projektive Ebene, die Sie aus der Geometrie kennen. 1.4.15 Beispiel Fur X,y E IR3\0 gelte x '" y, wenn x = >..y ist fUr ein >.. E R.. Der Quotientenraum von IR3\0 nach dieser Aquivalenzrelation ist die projektive Ebene p2. Die Punkte von p2 sind die (x) = (Xl. X2, X3) mit x i= 0, und (x) = (y) gilt genau dann, wenn x = >..y ist fUr ein ).. E III Man kann (x) als die Gerade durch 0 und x im IR3 auffassen (genauer: diese Gerade ohne 0); also besteht p2 aus allen Geraden durch 0 in IR3. Die Topologie ist klar: Eine Umgebung der Geraden (x) besteht aus allen Geraden durch 0, die einen Doppelkegel mit Mittellinie (x) bllden. Well ein Querschnitt des Kegels zu D2 homoomorph ist, ist p2 eine unberandete Fliiche. Die Kompaktheit folgt aus dem niichsten Satz. 1.4.16 Satz Sei R die Aquivalenzrelation x '" -x aul S2. Dann ist S2 / R zu p2 homoomorph. Die projektive Ebene entsteht also aus S2, indem man je zwei Diametralpunkte miteinander identifiziert.

Beweis Sei I: S2 -+ p2 die Abblldung I(x) = (x). Well jede Gerade durch 0 in IR3 die S2 in einem Paar von Diametralpunkten schneidet, ist I surjektiv und R(f) = R. Nach 1.2.10 ist I identifizierend. 0 1.4.17 Satz Sei R' die lolgende Aquivalenzrelation aul D2: x '" -x fUr x E S1. Dann ist D2 / R' ~ p2. Die projektive Ebene entsteht also aus D2, indem man je zwei diametrale Randpunkte miteinander identifiziert.

Beweis Die Abblldung g: D2 identifizierend und R(g) = R'.

-+

p2, g(x)

= (Xl.X2, v1-lxI2)

ist ebenfalls 0

Sei I: S2 -+ p2 die identifizierende Abblldung I(x) = (x). Seien A, B C S2 folgende Teilmengen von S2:

A

1 = {x E S21 X2 ::; 0 und IX31 ::; 2"}'

B

1 = {x E S21 X3 ~ 2"}.

B wird unter I homoomorph abgebildet, daher ist D = I(B) eine Kreisscheibe in p2. Die Menge A ist homoomorph zu 12 unter einem Homoomorphismus, der die Relation x '" -x in die Relation (s,O) '" (1 - s, 1) aus 1.4.6 uberfiihrt. Daher ist M = I(A) nach 1.2.4 und 1.4.6 ein Mobiusband. Weil offenbar p2 = DUM und D n M = l(aB) ist, haben wir gezeigt: 1.4.18 Satz Die projektive Ebene p2 ist die Vereinigung p2 = MuD eines Miibiusbandes M und einer Kreisscheibe D, deren Durchschnitt MnD = aM = aD der g.emeinsame Rand von M und D ist. 0

1.4 Fliichen

25

Diese Darstellung macht es plausibel, daf3 man p2 nicht in den lIl3 einbetten kann. Dasselbe gilt £iir die folgenden Fliichen und das ist auch der Grund, warum diese Fliichen zuniichst unanschaulicher sind als die vorigen Beispiele.

1.4.19 Bemerkung Fur eine Zahl 9 ~ 1 konstruieren wir folgende Fliichen. (a) Die zusammenhangende Summe p2# ... #p2 von 9 Kopien von p2. (b) Wir schneiden in 8 2 9 Locher und kleben in jedes Loch eine Kopie des Mobiusb andes M (uber einen Homoomorphismus aM ~ Lochrand). Man kann zeigen, daf3 diese Fliichen durch 9 eindeutig bestimmt und zueinander homoomorph sind. (Insbesondere gilt im Fall 9 = 1: FUr jeden Homoomorphismus f: 8 1 ~ aM c M= Mobiusband ist M Uf D2 eine projektive Ebene.) Wir geben im folgenden eine andere Definition dieser Fliichen, die zu 1.4.14 analog ist:

1.4.20 Definition und Satz Fur 9 ~ 2 sei E 2g C lIl2 analog zu 1.4.14 das regulare 2g-Eck mit den Ecken Zl, ... Z2g. Wir erzeugen eine Aquivalenzrelation R' auf E 2g , indem wir folgende Randpunkte von E 2g als aquivalent erklaren (dabei ist o ~ t ~ 1, j = 1, ... ,g und Z2g+1 = Zl zu setzen):

Der Quotientenraum N g = E 2g 1R' ist eine geschlossene Flache. Diese (und jede dazu homoomorphe) Flache heij3t eine geschlossene nicht-orientierbare Flache vom Geschlecht g. Unter einer geschlossenen nicht-orientierbaren Flache Nl vom Geschlecht 1 versteht man eine zu p2 homoomorphe Flache. Mit Vereinbarungen wie nach 1.4.14 entsteht N g aus E 2g , indem man gleichbezeichnete Strecken identifiziert (Abb. 1.4.13 £iir 9 = 2,3). Uberlegungen wie dort zeigen, daf3 N g ~ N g - 1#N1 ist. Daraus folgt, daf3 N g die in 1.4.19 erwahnte Flache ist. Die Flache N2 hat noch einen besonderen Namen: Es ist die Kleinsche Flasche. Wir iiberlassen dem Leser den Nachweis, daf3 N2 homoomorph zur Flache 8 2 x lis in 1.4.9 ist, benutzen dies aber, um eine Vorstellung von N2 zu geben. Die Klebevorschrift in 8 2 xl / s ist in Abb. 1.4.14 skizziert; man mache sich anschaulich klar, daf3 man diesen Klebeprozefi nicht wie in Abb. 1.2.2 im lIl3 realisieren kann. Wir stellen uns den Zylinder aus einem Material vor, das sich selbst durchdringen kann und verbiegen ihn mit einer Selbstdurchdringung bis die beiden Randkreislinien so nebeneinander liegen, daf3 wir sie verkleben konnen (Abb. 1.1.14). Das Resultat ist ein Modell der Kleinschen Flasche, die mit einer Selbstdurchdringung im lIl3 liegt.

1.4.21 Bemerkung Die Bezeichnungen "orientierbare bzw. nicht-orientierbare Flache" sind bis auf weiteres nur Namen, mit denen wir die Flachen Fg bzw. Nh unterscheiden. Erst in 11.3 werden wir die Orientierbarkeit prazise definieren; dann wird sich in 11.3.7 (a) ergeben, daf3 die "orientierbaren" Flli.chen orientierbar und die "nicht-orientierbaren" nicht orientierbar sind.

26

1 Beispiele fiir Raume, Abbildungen und topologische Probleme '1

'2

-

-----Abb.1.4.13

Abb. 1.4.14

Aufgaben 1.4.Al Konstruieren Sie eine Flii.che, deren Rand aus einer vorgegehenen (endlichen oder unendlichen Anzahl) von Kopien von R und 8 1 hesteht. 1.4.A2 Identifiziert man den Rand eines Mohiushandes zu einem Punkt, so erha.J.t man die projektive Ehene. 1.4.A3 Die Verdopplung des Mohiushandes ist eine Kleinsche Flasche. 1.4.A4 Sei J: 8 2 -+ R4 die Ahhildung (X1,X2,X3) 1-+ (x~ - X~,X1X2,X1X3,X2X3). Zeigen Sie, daB der Bildraum J(8 2 ) C R4 homOomorph zur projektiven Ehene ist. 1.4.A5 Es seien A, B C 8 1 zwei disjunkte Kreishogen, die heide zu 1 homoomorph sind. Identifiziert man in der topologischen Summe 12 + D2 die Strecke 1 X 0 mit A und die Strecke 1 x 1 mit B Ueweils mit einem festen Homoomorphismus), so erha.J.t man einen Raum X, der "aus D2 durch Anklehen eines Streifens" entsteht. Zeigen Sie, daB X entweder ein Ring (d.h. homOomorph zu 8 1 xl) oder ein Mohiushand ist. 1.4.A6 Welche Fliichen mit Rand erha.J.t man, indem man an D2 zwei Streifen kleht?

1.4.A7 Identifiziert man in R2 X 8° fUr alle x "# 0 den Punkt (x, -1) mit dem Punkt (x, 1), so entsteht ein Raum X, der nicht hausdorffsch ist, in dem aher jeder Punkt eine zu D2 homOomorphe Umgehung hesitzt.

1.5 Mannigfaltigkeiten Ersetzt man in 1.4.1 die Dimensionszahl2 durch eine beliebige Dimension, so erMlt man den Begriff der Mannigfaltigkeit. 1.5.1 Definition Ein topologischer Raum heH3t eine n-dimensionale topologische MannigJaltigkeit (kurz: n-MannigJaltigkeit), wenn jeder Punkt von Meine zu Dn

1.5 Mannigfaltigkeiten

27

homoomorphe Umgebung besitzt; dariiber hinaus set zen wir immer voraus, dafi M hausdorffsch ist und dafi die Topologie von Meine abzahlbare Basis besitzt. Wie bei Flachen definiert man den Rand 8M und das Innere M von M, also auch die Begriffe unberandet und geschlossen. Auch die folgenden Satze beweist man wie bei Flachen; denn alle diese Aussagen folgten in 1.4 aus dem Satz von der Invarianz des Gebiets, und dieser gilt in allen Dimensionen. 1.5.2 Satz Ein Homoomorphismus M homoomorph auf 8N abo

~

N von Mannigfaltigkeiten bildet 8M 0

1.5.3 Satz Zu jedem Randpunkt zeiner n-Mannigfaltigkeit M (n > 0) gibt es eine Umgebung W von z in M und einen Homoomorphismus.h: Dn-1 x I ~ W mit h(O,O) = z und h(Dn-1 x 0) = W n 8M. 0 1.5.4 Korollar 1st 8M

#- 0,

so ist 8M eine unberandete (n -l)-Mannigfaltigkeit.

o

1.5.5 Satz 5ei Meine n-Mannigfaltigkeit und seien il, ... , fk: Dn junkte Einbettungen, also Ii (Dn) n Ii (Dn) = 0 fur i #- j. Wir setzen

~

M dis-

Dann ist M* = M\(th U ... U Dk) eine n-Mannigfaltigkeit, und der Rand von M* 0 ist 8M* = 8M U 51 U ... U 5k. . 1.5.6 Satz 5eien M und M' n-Mannigfaltigkeiten und sei R bzw. R' eine Zusammenhangskomponente von 8M bzw. 8M'. 1st g: R ~ R' c M' ein Homoomorphismus, so ist M' U g Meine n-Mannigfaltigkeit, und es gelten die analogen Aussagen 0 wie in 1.4.8.

Aus 1.1.10 erhalt man: 1.5.7 Satz 1st M bzw. N eine m- bzw. n-Mannigfaltigkeit, so ist M x N eine 0 (m + n)-Mannigfaltigkeit mit Rand 8(M x N) = M x 8N U 8M x N. 1.5.8 Beispiele (a) Eine O-Mannigfaltigkeit ist wegen DO={Punkt} dasselbe wie ein diskreter Raum aus endlich oder abziihlbar vielen Punkten. Jede zusammenhiingende 1-Mannigfaltigkeit ist zu ~, 51, I oder [0,00) homoomorph, vgl. 1.5.A2. Die 2-Mannigfaltigkeiten sind die Flachen. Das Produkt einer der Flachen in 1.4 mit ~, 51, I oder [0,00) bzw. das Produkt von zwei Flachen aus 1.4 ist eine 3- bzw. 4-Mannigfaltigkeit. Es sei D; wie in 1.4.13 (a) eine Kreisscheibe mit 9 ~ disjunkten Lochern; jeder zu D~ x I homoomorphe Raum Vg heiBt ein Henkelkorper oder Vollbrezel vom

°

28

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

Geschlecht gj fUr 9 = 1 heillt er ein Volltorus. Vg ist eine 3-Mannigfaltigkeit, deren Rand die Flaehe Fg ist. Der Henkelkorper Vs ist in Abb. 1.4.10 skizziert, wobei jetzt jedoch das "Innere" der dortigen Flachen (als Teilraume des R3 betrachtet) hinzuzunehmen ist. (b) Die Sphare sn ist eine geschlossene, der Rn eine unberandete, nieht geschlossene Mannigfaltigkeit. Der Halbraum Rn-l x [0,00) und der Ball Dn sind n-Mannigfaltigkeiten mit Rand Rn-l bzw. sn-l.

(c) Wie in 1.4.10 kann man an eine n-Mannigfaltigkeit M den Henkel klebenj denn naeh 1.5.7 ist 8(sn-1 x I) = sn-1 X 0 U sn-1 X 1.

sn-l X

I

(d) Sind M 1, M2 n-Mannigfaltigkeiten, so wird wie in 1.4.11 erklart, was eine zusammenhangende Summe M1 #M2 ist. Der in 1.4.11 erwahnte Satz, daB die Summe eindeutig bestimmt ist, ist in Dimension> 2 falseh. Hier hangt M1 #M2 wesentlieh von der Art des Verklebens ab, vgl. 15.4. (e) 1st Meine n-Mannigfaltigkeit mit 8M =1= 0, so ist wie in 1.4.12 die Verdopplung 2M eine unberandete n-Mannigfaltigkeit. Z.B. ist 2Dn ~ sn. Durch Mixen und Iterieren dieser Konstruktionen kann man sich beliebig viele Beispiele fUr Mannigfaltigkeiten bilden. Wir betraehten einige konkrete Fane.

Abb. 1. 5.1

1.5.9 Beispiel Die Teilraume D 2 xS 1 und S1 XD2 von D2 XD2 sind Volltori, deren Durehschnitt ihr gemeinsamer Rand S1 x S1 ist. Aus 1.1.10 folgt D2 x S1 US1 X D2 ~ S3, d.h. die 3-Sphare S3 ist Vereinigung zweier Volltori. Man kann das aueh wie folgt einsehen. S3 entsteht wie in Abb. 1.5.1 aus zwei 3-Banen D und D', indem man deren Randspharen iiber einen Homoomorphismus verklebt, vgl. 1.3.19 (b). Wir entfernen aus D wie in Abb. 1.5.1 das 1nnere Z eines zu D2 x I homoomorphen Zylindersj der resultierende Raum V = D\Z C S3 ist ein Volltorus. Der zweite Volltorus V' c S3 ergibt sieh, indem man den AbschluB des aus D entfernten Zylinders zu D' hinzunimmt: V' = D' U Z entsteht durch Verkleben von Z und D' wie in Abb. 1.5.1 und ist ein Volltorus. Also ist S3 = DUD' = V U V' in zwei Volltori V und V' mit gemeinsa,n;tem Rand V n V' = 8V = 8V' zerlegt. 1.5.10 Beispiel Die Abbildung I: S1 x S1 -+ S1 X S1, I(z,w) ~ (ZIlWb,zcWd), wobei a, b, c, d ganze Zablen sind mit ad - bc = ±1, ist ein Homoomorphismus. Um eine Vorstellung von I zu bekommen, betrachten wirdie Kurve k(t) = (exp21rit, 1) auf dem Torus, die den Kreis S1 x 1 parametrisiert. Sie wird unter I auf die Kurve Ik( t) = (exp 21riat, exp 21rict) abgebildet, die lal mal in Richtung S1 x 1 und Icl mal

1.5 Mannigfaltigkeiten

29

in Richtung 1 x S1 urn den Torus lauft (Abb. 1.5.2 im Fall a = 2, c = 3). Verklebt man die Volltori D2 x 8 1 und 8 1 x D2 langs ihrer Rander unter I, so entsteht eine geschlossene 3-Mannigfaltigkeit M = M(: :). Wie die Sphare Sa, so ist auch M Vereinigung zweier Volltori, jedoch ist M i.a. nicht zu S3 homoomorph (vgl. 1.9.3). 1m Unterschied zu 1.3.19 (b) hangt also eine Mannigfaltigkeit, die durch Verkleben zweier Volltori entsteht, wesentlich von der Art des Verklebens abo N

z,

Abb.1.5.3

s

1.5.11 Beispiel In Verallgemeinerung dieses Beispiels verkleben wir die Rander zweier Henkelkorper V und V' vom gleichen Geschlecht mit einem Homoomorphismus I: 8V --+ 8V' c V'. Nach 1.5.6 entsteht eine geschlossene 3-Mannigfaltigkeit M = V' UJ V. Man nennt das Tripe! (V, V',!) eine Heegaard-Zerlegung von M.

Auch die Konstruktionen in 1.4.14 und 1.4.20 kann man in hOhere Dimensionen iibertragen, wobei man viel mehr Moglichkeiten hat als im zweidimensionalen Fall. Wir beschr8.nken uns auf das folgende Beispiel. 1.5.12 Beispiel Wir betrachten wie in Abb. 1.5.3 einen linsenfOrmigen 3-Ball B c lR.3 , dessen Aquator durch p ~ 2 Punkte Z1, ••• zp in p gleich lange Bogen zerlegt ist. Durch Projektion von den Polen N und 8 wird 8B in 2p kongruente Segmente zerlegt. Wir identifizieren das Segment Zi, Zi+1. N kongruent mit dem Segment zi+q, zi+q+1. 8j dabei ist q eine feste zu p teilerfremde Zahl mit 1 $ q < p, und die Indizes sind modulo p zu betrachten. Der entstehende Quotientenraum ist eine geschlossene 3-dimensionale Mannigfaltigkeit (Beweis!), der sog. Linsenraum

L(p,q).

Natiirlich ist es schwierig, eine geometrische Vorstellung von diesen 3-Mannigfaltigkeiten zu bekommen (wir kennen ja noch gar keine Methoden, urn geometrisch-topologische Eigenschaften solcher Raume zu beschreiben). Wir werden spater, wenn wir mehr Methoden entwickelt haben, auf diese Beispiele zuriickgreifen. - Das vorlaufig letzte Beispiel sind die hOherdimensionalen projektiven Raume. 1.5.13 Definition 1m folgenden ist K der Korper lR. der reellen Zahlen oder der Korper C der komplexen Zahlen oder der Schiefkorper JH[ der Quaternionen. Ferner sei d = 1,2 oder 4, je nachdem, ob K = ~ Coder JH[ ist. Als Punktmenge ist 1< = lR.d , daher ist K ein topologischer Raurn. Dann ist der K-Vektorraum K n +1 = K x ... x K (n + 1 Faktoren, n ~ 0) ebenfalls ein topologischer Raum (den man

30

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

mit Rd(n+1) identifizieren kann). Zwei Punkte X,Y E Kn+1\o hei:Ben aquivalent, wenn x = AY ist fUr ein A E K. Der Quotientenraum pn(K) = (Kn+1\o)/ '" hei:Bt der n-dimensionale projektive Raum i.i.ber K (das Wort "Dimension" bedeutet hier "Dimension iiber K"j die topologische Dimension ist dn, wie wir gleich sehen). - POCK) ist ein Punkt. P2(R) = p2 ist die projektive Ebene aus 1.4.15 (die man daher auch die reelle projektive Ebene nennt)j wir schreiben analog pn statt pn(R). 1.5.14 Satz pn(K) ist eine geschlossene, zusammenhiingende dn-dimensionale

Mannigfaltigkeit. Ferner ist pl(K)

~

Sd.

Beweis Den Beweis der Aussagen "hausdorffsch" und "abzahlbare Basis" iiberlassen wir dem Leser. Fiir 1 ~ i ~ n+ 1 sei Ui = {(Xl, ... ,Xn+l) E pn(K)lxi f. O}; diese Menge ist offen in pn(K) und vermoge

hi: Rdn = K n - Ui , (YI, ... ,Yn) ~ (YI, ... ,Yi-l, 1,Yi,··· ,Yn) hi 1 : Ui - Rdn = K n , (Xl, ... ,Xn+1) ~ ( ... ,xi-Ixil,Xi+lxil,···) zum Rdn homoomorph. Daraus und aus pn(K) = U1 U ... U Un+1 folgt, da:B pn(K) eine unberandete Mannigfaltigkeit ist. Die Sphare sd(n+l)-l ist in Kn+1 = Rd(n+l) enthalten als Menge der Punkte (Xl> . .. , X n+1) mit IXll2 + ... + IXn+112 = 1. Die Abbildung P. sd(n+l)-l _ pn(K), (Xl> . .. ,Xn+l )

~

(Xl,··" Xn+l )

ist stetig (als Einschrankung der Projektion Kn+l\o _ pn(K)) und surjektiv (ein Urbild von (X) ist (AXI, ... , AXn+I), wobei A = (IX112 + ... + IXn+112)-1/2). Daher ist pn(K) ein stetiges Bild dieser Sphare, also kompakt und zusammenhangend. 1m Fall n = 1 ist das Komplement von U1 ~ Rd der Punkt (0, 1). Daher ist pl(K) eine Einpunktkompaktifizierung von Rd, somit zu Sd homoomorph. 0 1.5.15 Definition 1st Meine n-Mannigfaltigkeit, so besitzt jeder Punkt X E M bzw. X E 8M eine offene Umgebung U in M, die zu Rn bzw. zum Halbraum R+. = Rn - l x [0,00) homoomorph ist (im Fall X E 8M folgt das aus 1.5.3). 1st f: Rn - U bzw. f: R+ - U ein Homoomorphismus, so hei:Bt das Paar (f, U) ein lokales Koordinatensystem oder eine Karle auf Mj man kann in einer solchen Karte die Punkte f (YI, ... , Yn) E U eindeutig durch ihre K oordinaten YI, ... , Yn beschreiben. Ein System von Karten, das die n-Mannigfaltigkeit iiberdeckt, hei:Bt ein Atlas auf M. 1.5.16 Beispiele Auf Sn findet man durch stereographische Projektion vom Nordpol und vom Siidpol einen aus zwei Karten bestehenden Atlas. Die Karten (hi, Ui ) im Beweis von 1.5.14 bilden einen Atlas aus n + 1 Karten auf pn(K).

1.6 Ankleben von Zeilen

31

1.5.17 Definition Sind (I, U) und (g, V) zwei Karten auf M mit Un V f. 0, so hei£t die Funktion g-lf: f-1(U n V) -.. g-l(U n V) C IRn Kartenwechsel oder Koordinatentransformation. Sie beschreibt den Zusarnmenhang zwischen den verschiedenen Koordinaten in UnV. Die Menge f-l(UnV) ist offen in IRn (oder IR+.). Wenn samtliche partieilen Ableitungen beliebiger Ordnung der Funktion g-l f in f-l(U n V) existieren und stetig sind, hei£en die Karten (I, U) und (g, V) differenzierbar vertriiglich. Ein Atlas auf M, in dem je zwei Karten differenzierbar vertraglich sind, hei£t ein difJerenzierbarer Atlas auf M. Eine Mannigfaltigkeit, auf der ein differenzierbarer Atlas gegeben ist, hei£t eine difJerenzierbare Mannigfaltigkeit. 1.5.18 Beispiele Es ist nicht schwer nachzurechnen, daB die Atlanten in 1.5.16 differenzierbar sind. Also sind 8 n und pn(K) mit diesen Atlanten differenzierbare M annigfaltigkeit en. Mit einiger Muhe kann man auf allen Flachen und Mannigfaltigkeiten, die uns bisher begegnet sind, differenzierbare Atlanten finden. Viel erstaunlicher ist es, daB es Mannigfaltigkeiten gibt (sogar schon in der Dimension 4, wie man seit kurzem wei£), die keine differenzierbaren Atlanten besitzen.

Warum differenzierbare Mannigfaltigkeiten ein besonderes Interesse verdienen, konnen wir hier nicht naher ausfuhren und verweisen dazu auf Bucher uber Differentialtopologie ([Brocker-Janich], [Hirsch]). Aufgaben loS.Al 1st Meine geschlossene n-Mannigfaltigkeit, so ist 2( M x 1) ~ M

X

8 1•

l.S.A2 Jede zusammenhiingende 1-Mannigfaltigkeit ist homoomorph zu JR, 8 1 , I oder [0,(0). (Wenn Sie keine Idee haben: [Fuks-Rohlin, Chapt. 3, §1, 15].)

ee,

l.S.A3 Die Punkte von D3 kann man als Paare (z, t) mit Izl2 + t 2 ::::; 1, z E t E JR, schreiben. Zeigen Sie: identifiziert man jeden Punkt (z, t) E D~ mit dem Punkt (exp(27riq/p)z,-t) ED=-, so entsteht der Linsenraum L(p,q) aus 1.5.12. loS.A4 Der Linsenraum L(2, 1) ist zu P3(1R) homoomorph. loS.AS Aus q == ±ql mod p oder qql

==

±1 mod p folgt L(p, q) ~ L(p, ql).

loS.A6 Sei f: Pl(e) -.. folgende Abbildung: Fiir x = (Zl' Z2) E pl(e) und Z2 = 0 ist f(x) E 8 2 der Nordpol von 8 2; andernfalls ist f(x) E 8 2 das Urbild der komplexen Zahl zl/ Z2 unter der stereographischen Projektion. Zeigen Sie, daB f ein Homoomorphismus ist.

82

1.6 Ankleben von Zellen Wir betrachten noch einmal das Verkleben von Raumen aus 1.3.12 in einem wichtigen Spezialfall:

32

1 Beispiele fiir Raume, Abbildungen und topologische Probleme

1.6.1 Definition 1st J: 8 n - 1 - X eine stetige Abbildung (n ~ 1), so konnen wir wie in 1.3.12 den Raum X U J Dn bilden. Wir fiihren folgende Bezeichnungen ein:

+X

_ X U J D n Projektion auf Quotientenraum, en = p(.zjn) eX UJ D n eine n-Zelle (nach 1.3.14),

p: D n i

= piX:

X'-+ X UJ D n die Inklusion (nach 1.3.13).

Dann ist Xu J Dn Vereinigung von X und en, und wir schreiben in Zukunft X U en statt Xu J Dn. Sprechweise: X U en entsteht aus X durch Ankleben der Zelle en mit Klebeabbildung J: 8 n- 1 - X. Um die Klebeabbildung hervorzuheben, schreiben wir auch Xu J en oder X U ej statt X U en. Der Raum X U en besteht nach 1.3.13 aus den Punkten x E X und (z) = p(z) E en, wobei z E Dn, und fiir z E 8 n- 1 gilt (z) = J(z), vgl. Abb. 1.6.1. 1m Fall n = 0 definieren wir: eine O-Zelle an X kleben bedeutet, einen isolierten Punkt hinzuzunehmen, d.h. X U eO ist die topologische Summe von X und der O-Zelle eO.

sn-,C :>

f

x

Abb.1.6.1

Nach 1.3.13 ist X ein abgeschlossener Teilraum von X U en und nach 1.3.14 ist plDn: (Dn, 8 n- 1 ) _ (X U en ,X) ein relativer Homoomorphismus. Es ist leicht zu sehen, dal3 mit X auch X U en hausdorffsch ist. Umgekehrt gilt: 1.6.2 Satz 8ei X ein abgeschlossener Teilraum des Hausdorffraumes Z, und es gebe einen relativen Homoomorphismus F: (Dn, 8 n- 1 ) _ (Z, X). Dann entsteht Z aus X durch Ankleben einer n-Zelle mit Klebeabbildung J = FI8 n- 1 : 8 n- 1 - X. Genauer: Istj: X '-+ Z undp: Dn+x - XUe n , so ist (F+j)op-l: XUe n _ Z ein Homoomorphismus.

Beweis Nach 1.3.15 ist 9 = (F + j) 0 p-l wohldefiniert und stetig. Auf X ist 9 die Identitat, und en wird unter 9 homoomorph auf Z\X abgebildet; daher ist 9 bijektiv. Weil j und F abgeschlossene Abbildungen sind (letztere, weil Dn kompakt und Z hausdorffsch ist), ist 9 auch abgeschlossen, also ein Homoomorphismus. 0 1.6.3 Satz Ist J: 8 n- 1 - X stetig und surjektiv, so ist plDn: Dn _ X U en eine identijizierende Abbildung. Also entsteht X U en aus Dn, indem man je zwei Punkte y,z E 8 n- 1 mit J(y) = J(z) miteinander identijiziert. 0

1.6 Ankleben von Zellen

33

1.6.4 Beispiele (a) 1m Fall f: sn-l --+ X = {Punkt} ist X U en ~ Dnjsn-l ~ sn. (b) 1st f: sn-l --+ X konstant, so ist X U en ~ X V (Dn jsn-l) ~ X V sn. (c) 1st f = id: sn-l --+ sn-l, so ist sn-l U en ~ Dn nach 1.6.3. (d) 1st f: sn-l '--+ Dn die 1nklusion, so ist Dn Uf en ~ sn. 1.6.5 Definition Wir betrachten die projektiven Raume pn(K) aus 1.5.13. Wie in 1.1.1 identifizieren wir Kn = Kn xO c K n+l und erhalten dadurch Einbettungen pOCK) c pl(K) c ... C pn-I(K) C pn(K) c ...

wobei pn-I(K) aus allen Punkten (Xl, ... ,Xn ) = (X}, ... ,Xn,O) E pn(K) besteht. Wie in 1.5.13 ist K = IRd mit d = 1,2 oder 4. Fur Xi E Kist IXil die euklidische Norm auf K und fur X = (x}, ... ,xn ) E Kn ist Ixi = (lxd 2 + ... + Ix n 12 )l/2 die euklidische Norm auf IRdn = Kn. Die Menge aller X E Kn mit Ixi ::; 1 bzw. Ixi = 1 ist der Ball Ddn bzw. die Sphiire sdn-l. Wir definieren F: D dn

--+

P·. sdn-l

pn(K),

--+

-lxl) fUr Ixi ::; 1, ( X}, ... , Xn ) fU·r IXI = 1.

F(x) = (Xl, ... ,Xn , 1

pn-I(K),

p() X =

Analog zu 1.4.16 und 1.4.17 enthaIt man daraus verschiedene Beschreibungen der projektiven Raume: 1.6.6 Satz Die Abbildung p: sdn-l --+ pn-I(K) ist identijizierend, und genau dann gilt p(x) = p(y), wenn X = )..y ist fur ein ).. E K mit 1)..1 = 1. Also entsteht pn-I(K) aus sdn-l, indem man solche Punkte x, y miteinander identijiziert. 0 1.6.7 Satz Die Abbildung F: (Ddn, sdn-l) --+ (pn(K), pn-I(K)) ist ein relativer Homoomorphismus mit Flsdn-1 = p. Daher gilt: (a) pn (K) entsteht aus Ddn, indem man je zwei Punkte x, y E sdn-l identijiziert, fur die X = )..y ist fur ein ).. E K mit 1)..1 = l. (b) pn(K) entsteht aus pn-l(K) durch Ankleben einerdn-Zelle mit Klebeabbildung p: sdn-l --+ pn-l(K).

Beweis Die Aussage Flsdn-l = p ist klar. Die Menpe Un+! = pn(K)\pn-I(K) ist uns schon im Beweis von 1.5.14 begegnet. 1st h-;:+l: Un+1 --+ IRd,., = Kn der dort angegebene Homoomorphismus, so ist -l h n+l

O

F Ddn\sdn-l :

--+

1llldn

IN.

(Xl

xn

,x ....... --I-I'···' --1-1 I-x I-x

)

wie in 1.1.5 ein Homoomorphismus. Daher ist Fein relativer Homoomorphismus; 0 der Rest folgt aus 1.6.2 und 1.6.3.

34

1 Beispiele fiir Riiume, Abbildungen und topologische Probleme

1.6.8 Beispiel Klebt man an PO(K) = eO = {Punkt} eine d-Zelle, so entsteht pl(K) - woraus sich wieder Pl(K) ~ Sd ergibt. Klebt man an Pl(K) geeignet eine 2d-Zelle, so entsteht P2(K) usw. Wir beschreiben diesen Sachverhalt durch folgende Gleichungen (wobei wir jetzt die Fiille K = lR, Coder JH[ unterscheiden): pn(l~.)

pn(C) pn(JH[)

= eO U e1 U e2 U ... U en,

= eO U e2 U e4 U ... U e2n ,

= eO U e4 U e8 U ... U e4n .

Die projektiven Riiume sind also Vereinigungen von Zellen; wir werden spiiter sehen, wie niitzlich diese Darstellung ist, um topologische Eigenschaften dieser Riiume zu beschreiben. 1.6.9 Definition 1m Produktraum SI x ... X SI (r ~ 1 Faktoren) ist die j-te Koordinatenachse Tj = SJ eine Kreislinie (vgl. 1.3.10; Basispunkt in SI ist die komplexe Zahl 1), und Sf V ..• V S~ = Tl U ... U Tr ist die Einpunktvereinigung von r Kreislinien. Fiir j = 1, ... , r undn E Z sei ij: SI -+ Sf V ... V S~ die Abbildung ij(z) = (1, ... ,1, zn, 1, ... ,1), wobei zn an j-ter Stelle steht (dabei ist z E SI C C und zn die n-te Potenz der komplexen Zahl z). Insbesondere ist i} = ij die Inklusion. Fiir festes m ~ 1 und 1 ~ k ~ m setzen wir

Bk

= {exp -27rit m

I k-l ~ t ~ k}, Jk: Bk

-+

27rit. ~ exp(27rz(t-k+l)).

s1, exp(-) m

Bk ist ein Kreisbogen der Lange 27r 1m und !k wickelt diesen Bogen um SI. Wir bezeichnen fUr beliebige Zahlen 1 ~ it, ... ,jm ~ r und nl, ... ,nm E Z mit

diejenige Abbildung, die auf Bk mit

ij: 0 Jk iibereinstimmt (k = 1, ... ,m).

Diese Abbildung ist leicht zu verstehen: Wenn der Punkt x E SI, beginnend bei 1 E SI, die Kreislinie SI durchliiuft, so durchliiuft sein Bildpunkt zuerst Inll-mal SJ1' dann In21-mal SJ2 usw., und zwar in gleicher oder entgegengesetzter Richtung wie x, je nachdem, ob nk positiv oder negativ ist. Mit jeder dieser Abbildungen kann man an Sf V ... V S~ eine 2-Zelle kleben und erhiilt dadurch beliebig viele Beispiele zu 1.6.1; wir untersuchen einige davon. 1.6.10 Beispiel Sei r = 1 und gn = ii: SI -+ Sf = SI, also gn(Z) = zn. Klebt man an SI mit gn eine 2-Zelle, so entsteht ein Raum SI Un e2. Es gilt SI Uo e2 ~ SI V S2, SI Ul e2 ~ D2, S2 Uk e2 ~ SI U-k e2.

Nach 1.6.3 erhiilt man SI Un e2 auch dadurch, daJ3 man in D2 je zwei Punkte x, y E SI C D2 mit xn = yn identifiziert. Fiir n = 2 bedeutet das, daJ3 Diametralpunkte

1.6 Ankleben von Zellen

35

auf Sl identifiziert werden, und daher ist Sl U2 e2 ~ p2 nach 1.4.17. Dieses Beispiel liiBt sich wie folgt verallgemeinern. 1.6.11 Satz Klebt man fur 9 2 1 mit der Abbildung . . '-1 '-1 . Zl . Z2 • Zl . Z2 •••.. Z2g-1

. '-1 '-1 Sl . Z2g . Z2g-1 . Z2g : ·2·2 ·2 Sl Zl • Z2 .••.• Zg:

-+

Sl1 V ...

-+

Sl1

V .••

Sl2g b ZW. V Sl9 V

eine 2-Zelle an, so erhalt man die Flache Fg bzw. die Flache N g (vgl. Abb. 1.6.2).

Abb. 1.6.2

Beweis Wir beweisen nur die erste Aussage. Sei f: Sl -+ Si V ... V S~g die angegebene Abbildung und Xg = Si v ... V S~g Uf e2. Nach 1.6.3 ist Xg ~ D 2/R', wobei R' folgende Aquivalenzrelation auf D2 ist: fur x, y E Sl C D2 ist x rv y, wenn f(x) = f(y). Aus der Definition von f liest man folgendes ab: Sl ist in 4g Bogen Bl, ... , B4g eingeteilt und R' identifiziert B1 mit B 3 , B2 mit B4 usw., und zwar jeweils gegensinnig. Andererseits ist Fg = E 4g / R wie in 1.4.14. Der Homoomorphismus E 4g -+ D2, tx f-+ tx/lxl mit x E 8E4g , 0 :::; t :::; 1 und sein Inverses sind mit den Relationen R und R' vertriiglich; aus 1.2.4 folgt daher Fg ~

D2 /R'.

0

Die Einpunktvereinigung si V ... V S~g kann man also so in Fg einbetten, daB das Komplement eine 2-Zelle ist. Man sagt, daB man Fg durch 2g Kreislinien zu einer 2-Zelle "aufschneiden" kann. Dasselbe geht bei N g schon mit 9 Kreislinien. Man kann an einen Raum gleichzeitig mehrere, sogar unendlich viele Zellen kleben: 1.6.12 Definition Seien Ii: sn-1 -+ X stetige Abbildungen (j E J = Indexmenge). Wir geben J die diskrete Topologie und betrachten folgende Riiume und Abbildungen:

D n x J:::> sn-1 p: X

+ (Dn

X

x J)

J -+

L. X, X

Uf

f(z,j) = fj(z), (Dn x J) = Y.

Wir sagen, daB Y aus X durch Ankleben der Zellen e'J p(J5n x j) mit den Klebeabbildungen Ii entsteht und schreiben Y = X U Uj e'J. Die Bemerkungen aus 1.6.1ubertragen sich sinngemiifi.

36

1 Beispiele £iir Raume, Abbildungen und topologische Probleme

1.6.13 Beispiele (a) 1m. Fall h: sn-l --+ X = {Punkt} ist Xu Uj ej ~ VjS']. Zum Beweis ist zu zeigen: Dn x J/sn-l x J ~ VjS']. Well sn x J die topologische Summe der Spharen sn x jist, ist VjS; ~ sn x J/eo x J. 1st An wie in 1.3.5, so ist 9 = An X id: (Dn X J, sn-l X J) --+ (sn x J, eo x J) ein relativer Homoomorphismus. Die induzierte Abbildung g: Dn x J / sn-l X J --+ sn x J / eo x Jist stetig, bijektiv und identifizierend (weil 9 es nach 1.2.13 ist und wegen 1.2.10 (b)), also ein Homoomorphismus. (b) Seien ft, /2: sn-l --+ X gegeben. Dann ist Xu ei U e~ homoomorph zu dem Raum, der aus Xu ei entsteht, indem man mit sn-l ~ X '-+ X U ei, eine Zelle anklebt. Ob man also gleichzeitig oder hintereinander anklebt, spielt keine Rolle. (c) Klebt man an sn-l zwei n-Zellen mit id: sn-l --+ sn-l, so entsteht sn. Aufgaben t.6.At Klebt man mit I: sn-l an Dn-l, so entsteht sn.

--+

Dn-l, (Xl,"" Xn)

I-t

(Xl"'" xn-d, eine Zelle

1.6.A2 Konstruieren Sie explizit eine Abbildung I: S2 --+ S2 VSl , so daJ3 (S2 VSI ) Uf e3 homoomorph ist zu S2 X Sl. 1.6.A3 Sei f: Sl --+ S1 U Dl folgende Abbildung: I( exp 21Tit) ist exp 41Tit fUr 0 ~ t ~ 1/4 und 8t - 3 fur 1/4 ~ t ~ 1/2 und exp 1Ti(2 - 4t) fiir 1/2 ~ t ~ 3/4 und 8t - 7 fUr 3/4 ~ t ~ 1. Zeigen Sie, daJ3 (SI U Dl) Uf e2 ein Mobiusband ist.

1. 7 Topologische Gruppen, Gruppenoperationen und Orbitraume 1.7.1 Definition 1st G sowohl eine Gruppe als auch ein topologischer Raum, so hei13t G eine topologische Gruppe, wenn die Funktionen G x G --+ G, (x,y) I-t xy, und G --+ G, X I-t x-I, stetig sind (dabei hat G x G die Produkttopologie; bei additiv geschriebener Gruppe ist xy bzw. X-I durch x+y bzw. -X zu ersetzen). Zwei topologische Gruppen G und H sind isomorph, wenn es eine Abblldung I: G --+ H gibt, die sowohl ein Gruppenisomorphismus als auch ein Homoomorphismus ist.

Jede Gruppe Gist eine topologische Gruppe, wenn man die Menge G mit der diskreten Topologie versieht. Sind G und H topologische Gruppen, so ist G x H mit koordinatenweiser Verkniipfung und Produkttopologie eine topologische Gruppe. Der]Rn ist mit der Vektoraddition und die Sphare S1 bzw. S3 mit der Multiplikation von komplexen Zahlen bzw. Quaternionen eine topologische Gruppe (die Topologie

1. 7 Topologische Gruppen, Gruppenoperationen und Orbitraume

37

ist jeweils die Standardtopologie). Wichtige Beispiele sind die Matrizengruppen, die man aus der linearen Algebra kennt.

1.7.2 Beispiele Topologische Gruppen sind:

= Menge der invertierbaren reellen (n,n)-Matrizen, O(n) = Menge der orthogonalen (n,n)-Matrizen, SO(n) = Menge der orthogonalen (n, n)-Matrizen mit Determinante 1.

GL(n,R)

Die Verknupfung ist die Matrizenmultiplikation, und die Topologie ist die Teilraumtopologie im Rn 2 (man kann jede (n, n)-Matrix als Punkt im Rn 2 auffassen). Ersetzt man R durch C, so erhii.lt man die folgenden topologischen Gruppen: GL(n, C)

= Menge der invertierbaren komplexen (n, n)-Matrizen,

U(n) = Menge der unitiiren (n, n)-Matrizen, SU(n)

= Menge der unitiiren (n, n)-Matrizen mit Determinante 1.

GL(n, R) bzw. GL(n, C) ist ala offener Teilraum von Rn 2 bzw. von

cn = R2n 2

2

eine unberandete, nicht kompakte Mannigfaltigkeit der Dimension n 2 bzw. 2n2. Es ist SO(n) x SO ~ O(n) und SU(n) x Sl ~ U(n)j einen Homoomorphismus

erhii.lt man, indem man dem Paar (A, z) die Matrix zuordnet, die aus der Matrix A durch Multiplikation der erst en Zeile mit z entsteht. (Vorsicht: diese Zuordnung ist kein Isomorphismus topologischer Gruppen!) SO(n) und SU(n) sind wegzusammenhangend. Also ist auch U(n) wegzusammenhangend, wiihrend O(n) aus zwei Wegekomponenten besteht, die beide zu SO(n) homoomorph sind. SO(n) bzw. SU(n) sind geschlossene Mannigfaltigkeiten der Dimension n(n -1)/2 bzw. n 2 -1. Fur kleine Werte von n gelten die Beziehungen SO(1) = SU(1) = {Punkt}, SO(2) ~ U(I) ~ Sl, SU(2) ~ S3

(als topologische Gruppen). Die 3-dimensionale Mannigfaltigkeit SO(3) ist zum projektiven Raum p3 homoomorph (6.1.A6). 1. 7.3 Definition Es sei G eine topologische Gruppe und X ein topologischer Raum. Eine Operation von G auf X ist eine stetige Funktion

GxX

-+

X, Schreibweise (g,x)

f-+

gx,

so dafi fUr alle g, g' E G und x E X die folgenden Bedingungen gelten: g(g'x)

= (gg')x und Ix = x.

Man sagt auch, dafi G (bezuglich der gegebenen Funktion G x X -+ X) auf X operiert. Fiir x E X heiBt die Teilmenge Gx = {gx I 9 E G} c X der Orbit von x.

38

1 Beispiele fiir Riiume, Abbildungen und topologische Probleme

Zwei Punkte x, x' E X heiBen G-iiquivalent, wenn Gx = Gx' iS~1 d.h. wenn es ein 9 E G mit x = gx' gibt. Der Quotientenraum von X nach dieser Aquivalenzrelation heiBt der Orbitraum und wird mit X/G bezeichnet; seine Punkte sind die Orbits Gx mit x E X, die wir wegen 1.2.1 auch mit (x) = Gx bezeichnen (x EX). Fiir festes 9 E Gist die Abbildung X ~ X, x ~ gx, ein Homoomorphismus (mit Inversem x ~ g-lx). DaB G auf X operiert, bedeutet also folgendes: Jedem 9 E Gist ein Homoomorphismus von X zugeordnet; dem Produkt zweier Gruppenelemente entspricht die Komposition der Homoomorphismen, und dem neutralen Element 1 E G entspricht die Identitiit idx: X ~ X. Wenn G die diskrete Topalogie hat, ist die Stetigkeit von G x X ~ X iiquivalent dazu, daB die Abbildung X -+ X, x ~ gx, fiir aile 9 E G stetig ist. 1.7.4 Beispiele (a) Die Gruppe Sl operiert auf dem Raum C durch S1 x C ~ C, (A, z) ~ AZ (Multiplikation komplexer Zahlen). Der Orbit (z) von 0 =I- z E C ist der Kreis um o vom Radius Izl; der Orbit des Nuilpunkts ist (0) = O. Der Orbitraum C/ Sl ist homoomorph zu [0,00). (b) Sei G = {I, a±1, a±2, . .. } die von einem Element a erzeugte unendliche zyklische Gruppe. G operiert auf][{2 durch G x ][{2 ~ ][{2, (an, (Xl, X2)) ~ (Xl + n, X2). Der Orbit von x = (X1,X2) besteht aus allen Punkten (Xl +n,x2) mit n E Z; er ist ein diskreter Teilraum von ][{2. Der Orbitraum ][{2/G ist homoomorph zu Sl x ][{; ein Homoomorphismus ist durch (x) ~ (exp27rix1,X2) gegeben. (c) Die zweielementige Gruppe SO = {-I, I} operiert auf sn durch SO x sn ~ sn, (e,x) ~ eX; der Orbitraum ist pn(][{). Analog dazu kann man 1.6.6 jetzt so interpretieren, daB Sl bzw. S3 auf s2n-1 bzw. S4n-1 operiert; der Orbitraum ist pn-1(C) bzw. pn-1(lHI).

Was niitzt es, wenn man weiB, daB eine Gruppe G auf einem Raum X operiert? Zunachst gar nichts, weil die Operation G x X ~ X trivial sein kann (d.h. gx = x stets; dann ist Gx = X und X/G = X). Wenn wir jedoch diesen Fall ausschlieBen, so kann die Information, daB G auf X operiert, niitzlich sein zur Untersuchung von X: man versucht, aus der topologischen Gestalt der Orbits und des Orbitraums Folgerungen fiir die Topologie von X zu ziehen. Aus der Existenz der Operation folgt, daB X gewisse Symmetrien hat. Wenn z.B. der Teilraum X C ][{3 spiegelsymmetrisch zu einer Ebene oder rotationssymmetrisch zu einer Geraden liegt, so operiert SO bzw. Sl auf X (durch Spiegelung an der Ebene bzw. Drehungen um die Gerade). - 1m folgenden benutzen wir den Begriff der Operation, um neue Beispiele fiir Mannigfaltigkeiten zu geben. 1. 7.5 Definition G operiert Jrei (genauer: fixpunktJrei) auf X, wenn gx =I- X ist fiir alle x E X und aile 9 E G mit 9 =I- 1; das bedeutet, daB fUr 1 =I- 9 E G der Homoomorphismus X -+ X, x ~ gx, keinen Fixpunkt hat.

,1.7.6 Satz G sei eine diskrete endliche Gruvve. die frei auf der n-dimensionalen.

1. 7 Topologische Gruppen, Gruppenoperationen und Orbitraume

39

geschlossenen Mannigfaltigkeit M operierti dann ist der Orbitraum MIG ebenfalls eine n-dimensionale, geschlossene Mannigfaltigkeit. Be wei s Sind gl = 1, g2, ... , gk die Elemente von G, so besteht fiir x E M der Orbit (x) E MIG aus den Punkten x,g2X, ... ,gkX.' Nach Voraussetzung hat x eine zu Dn homoomorphe Umgebung A mit x E A. Wii.hlt man A klein genug, so ist A n giA = 0 fiir i = 2, ... , k. Dann wird A unter der identifizierenden Abbildung M - A1IG homoomorph auf eine Umgebung B von (x) abgebildet, und es ist (x) E B und B ~ Dn. Also hat MIG die lokale Eigenschaft einer unberandeten Mannigfaltigkeit. Wir iiberlassen dem Leser den Nachweis, da:B MIG kompakt (insbesondere hausdorfIsch) ist und da:B die Topologie von MIG eine 0 abzii.hlbare Basis hat. 1.7.7 Beispiel Wir fassen die Sphare S2k-l als Menge aIler (Zl!"" Zk) E Ck mit IZll2 + ... + IZkl2 = 1 auf (k ~ 2). Seien p ~ 2 und 1 ::; ql! ... , qk < p ganze Zahlen, wobei die qi teilerfremd zu p sind. Sei Ep = {z Eel zP = I} C C die Gruppe der pten Einheitswurzeln (eine zyklische Gruppe der Ordnung p, erzeugt von exp 27ri I p). Sie operiert fixpunktfrei auf S2k-l durch Z . (Zl! ... , Zk) = (zQl Zl, ... , zQk Zk). Der Orbitraum L 2k-l (p; ql! ... , qk) = S2k-l I Ep ist eine geschlossene Mannigfaltigkeit der Dimension 2k - 1; er hei:Bt der (2k - 1)-dimensionale Linsenraum vom Typ (P;ql, ... ,qk).

Aufgaben

x + n und jR/Z ~ Sl. 1.7.A2 Z operiert auf jR2 durch (n, (Xl! X2)) f-+ (Xl + n, X2) und jR2 IZ ~ Sl X llt 1.7.A3 Z operiert auf jR2 durch (n,(xl,x2)) f-+ (Xl + n,(-I)nx2 ), und JR.2/Z ist homoomorph zu M\8M, wobei M ein Mobiusband ist. 1.7.A4 Z2 operiert aufjR2 durch ((m,n),(Xl!X2)) f-+ (Xl +m,x2 +n), und jR2/Z2

1.7.AI Z operiert auf jR durch (n,x)

f-+

ist ein Torus. 1. 7.A5 Sei G die Gruppe von HomOomorphismen des jR2, die von den Homoomorphismen (Xl,X2) f-+ (Xl + l,x2) und (Xl,X2) f-+ (-Xl,X2 + 1) erzeugt wird. Zeigen Sie,da.f3 JR.2 I G eine Kleinsche Flasche ist.

=

1.7.A6 Durch Rotation des Kreises (x - 3)2 + z2 1 um die z-Achse entsteht im jR3 ein Torus T, auf dem die zweielementige Gruppe SO = {-I, I} in verschiedener Weise operieren kann. Zeigen Sie: (a) Bei der Operation (-1) . (x, y, z) = (x, -y, -z) ist T I SO eine 2-Sphare. (b) Bei der Operation (-1) . (x, y, z) (-x, -y, z) ist T I SO ein Torus. (c) Bei der Operation ( -1) . (x, y, z) = (-x, -y, - z) ist T I SO eine Kleinsche Flasche.

=

1.7.A7 Es ist L3(p; q, 1) ~ L(p, q) und L 2k-l(2; 1, ... , 1) ~ P2k-l(jR).

40

1 Beispiele fiir Raume, Abbildungen und topologische Probleme

1.8 Schwache Topologie Bei der Konstruktion topologischer Raume wird man gelegentlich mit folgendem Problem konfrontiert: Gegeben ist eine Menge X, die Vereinigung von Teilmengen Aj eXist, und jede dieser Teilmengen Aj ist ein topologischer Raum. Kann man dann auf der Menge X in natiirlicher Weise eine Topologie definieren? Fiir unsere Zwecke geniigt es, den folgenden Spezialfall zu betrachten: 1.8.1 Definition und Satz Sei X eine Menge (kein Raum!) und sei {Aj I j E J} eine Familie von Teilmengen von X, so daft folgendes gilt: (i) Fur jedes j E Jist Aj ein topologischer Raum. (ii)

Fur i,j E J induzieren Ai und Aj die gleiche Topologie auf Ai Ai n Aj ist ein abgeschlossener Teilraum von Ai und A j .

(iii)

Es ist X

n Aj ,

und

= UjAj .

Dann erhiilt man wie folgt eine Topologie auf x: eine Menge A eXist abgeschlossen in X, wenn An Aj abgeschlossen ist in Aj fur alle j E J. Diese Topologie heiftt die schwache Topologie auf X beziiglich {Aj I j E J}. Es gelten die folgenden Aussagen: (a) Die Relativtopologie von Aj in X ist die gegebene Topologie auf A j , und Aj ist ein abgeschlossener Teilraum von x. (b) Sei L: Aj die topologische Summe der Aj und sei p: L: Aj -+ X die Abbildung, die auf Aj mit der Inklusion Aj ~ X ubereinstimmt; dann ist p identijizierend. Die schwache Topologie ist also ein Spezialfall der Quotiententopologie; daraus folgt: (c) Eine Menge U eXist genau dann offen in X, wenn Un Aj offen ist in Aj fUr alle j E J. (d) Eine Abbildung f: X -+ Y ist genau dann stetig (Y ein beliebiger Raum), wenn flAj stetig ist fUr alle j E J. 0

Abb. 1.8.1

1.8.2 Beispiel Die Menge X sei Vereinigung von iiberabzahlbar vielen Quadraten A j , die wie in Abb. 1.8.1 nebeneinander liegen (die Abbildung vermittelt deshalb eine falsche Vorstellung, weil X nicht in den ]R2 pafitj X ist viellanger als eine reelle Gerade). Wir versehen X mit der schwachen Topologie beziiglich dieser Quadrate (die jeweils die Standardtopologie haben). Jedes abzahlbare Teilstiick von X sieht

1.8 Schwache Topologie

41

topologisch so aus wie der Streifen ~xI. Jeder Punkt von X hat wie bei einer Flache eine zu D2 homoomorphe Umgebung, insbesondere ist X lokalkompakt. Global hat X jedoch ganz andere Eigenschaften: die Topologie besitzt keine abziihlbare Basis, es gibt in X keine abziihlbare dichte Teilmenge. (Vergleichen Sie hierzu 1.8.A1.) 1.8.3 Satz Sei {Ai I j E J} eine abgeschlossene, lokal-endliche Uberdeckung des Raumes X (lokal-endlich heijJt: jeder Punkt von X besitzt eine Umgebung, die nur endlich viele Ai triJJt). Dann stimmt die Topologie auf X iiberein mit der schwachen 0 Topologie beziiglich {Ai I j E J}. 1.8.4 Beispiel 1st der Raum X = Al U ... U An Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen, so hat er die schwache Topologie beziiglich AI,·.·, An. Daher ist eine Abbildung f: X --t Y genau danIi stetig, wenn flAi stetig ist fUr i = 1, ... ,n: ein einfaches und wohlbekanntes Stetigkeitskriterium.

Eine ganz andere Situation als in 1.8.2 liegt in folgendem Beispiel vor, das haufig auftritt. 1.8.5 Definition Es sei Al C A2 C ... eine aufsteigende Folge topologischer Raume, wobei jeder ein abgeschlossener Teilraum des folgenden ist. Dann ist die Vereinigung A = U::"=l An, versehen mit der schwachen Topologie beziiglich {An I n ~ I}, ein topologischer Raum. Es heif3t A der Limes der An, und wir schreiben A = limn An. In der Folge Al C A2 C ... CAn C A n+l C ... c A = limn An ist jedes An ein abgeschlossener Teilraum von A. 1.8.6 Beispiel Nach 1.1.1 bilden die euklidischen Raume eine aufsteigende Folge und daher ist ~oo = limn Rn definiert. Die Punkte von ~oo sind die reellen Zahlenfolgen (XI,X2, .. . ), die ab einer Stelle konstant gleich Null sind. Sei x = (Xl, ... , Xk, 0, 0, ... ) E ~k C ~oo ein fester Punkt und sei U eine offene Umgebung von X in ROO. Fur n ~ kist U n ~n eine Umgebung von x in Rn. Daher gibt es ein en > 0 mit Un(x, en) = {y E Rn I Iy - xl < en} C U n ~n. Es folgt V = Uk(X,ek) U Uk+I(X,ek+1) U ... C U. Umgekehrt ist diese Menge V fiir jedes Folge ek, ek+1, ... positiver Zahlen eine Umgebung von x, und die samtlichen V bilden eine Umgebungsbasis von x. Daraus folgt, daf3 x keine abzahlbare Umgebungsbasis besitzt. ~oo ist nicht metrisierbar. Weil V nicht kompakt ist, ist ~oo nicht lokalkompakt. Der Leser mag sich fragen, warum es nicht verniinftiger ist, Un ~n als metrischen Raum mit der euklidischen Metrik Ix - yl = (I:n(Yn - x n )2)1/2 zu betrachten. Eine Umgebungsbasis von x E ~k C Un ~n bilden die Mengen U(X,e) = {y I Iy - xl < e} = Uk(X,e) U Uk +1 (x, e) U .... Daher ist die schwache Topologie feiner als die von der Metrik induzierte Topologie. Welche Topologie verniinftiger ist, hangt von der Zielsetzung abo Wenn wir wollen, daf3 1.8.1 (d) gilt (d.h. f: ROO --t Y ist stetig, wenn alle fl~n es sind), dann ist die schwache Topologie die stiirkere. Die Funktion f: Un ~n --t ~ f(x) = Xl +X2 +X3 + ... ist namlich unstetig beziiglich der euklidischen Metrik, obwohl fl~n stetig ist fUr alle n ~ 1. ~o C RI C ... ,

42

1 Beispiele fUr Riiume, Abbildungen und topologische Probleme

1.8.7 Beispiele In den folgenden Beispielen mache man sich die Topologie der Limesriiume analog zu 1.8.6 kIar. (a) Aus den Sphiiren SO C Sl C ... erhiilt man die unendlich-dimensionale Sphiire soo = limn sn. Sie ist der Teilraum aller x E JRoo mit :En X~ = 1. (b) Aus der Folge der projektiven Riiume in 1.6.5 entsteht der unendlich-dimensionale projektive Raum POO(K) = limn pn(K). 1m Fall K = JR entsteht POO(JR), indem manjeden Punkt x E soo mit seinem Diametralpunkt -x E soo identifiziert. (c) Die Gruppe O(n) kann man als Untergruppe von O(n + 1) auffassen, indem man jede Matrix A E O( n) mit der Matrix

C

A

oDEo(n+l)

identifiziert. Auf diese Weise ist O(n) C O(n + 1) eine Untergruppe und ein abgeschlossener Teilraum (also eine topologische Untergruppe). Der Limesraum o = limn O(n) heiBt die unendlich-dimensionale orthogonale Gruppe. Er ist eine topologische Gruppe, wobei wie folgt multipliziert wird: Zu A, B EO gibt es ein n mit A, BE O(n), und daher ist AB E O(n) cO definiert. (d) Analog definiert man die folgenden unendlich-dimensionalen topologischen Gruppen: SO = limn SO(n), U = limn U(n), SU = limn SU(n).

Aufgaben 1.8.Al Machen Sie sich wie folgt die Details von 1.8.2 klar: Es gibt eine uberabzahlbare, linear geordnete Menge J ohne grofites und kleinstes Element mit den Eigenschaften: (a) Fur i < j in Jist die Menge {k E J I i < k < j} endlich oder abzahlbar. (b) Fur i E J hat die Menge {k E J I i < k} ein kleinstes Element; dieses wird mit i + 1 bezeichnet. Die Menge X aus 1.8.2 entsteht aus 12 X J durch Identifizieren der Punkte (1, t,j) und (0, t,j + 1), wobei t E 1 und j E Jist. 1.8.A2 Sei xn E UnJRn der Punkt, dessen erste n Koordinaten alle gleich lin sind und dessen ubrige Koordinaten alle Null sind. Untersuchen Sie die Folge Xl, X2, X3, ••• in UnJRn und in JRoo auf Konvergenz, und beweisen Sie die Aussage am Ende von 1.8.6.

1.9 Das Homoomorphieproblem: Fortsetzung Nachdem wir einige Begriffe und Beispiele aus der Topologie vorgestellt haben, konnen wir die Uberlegungen aus 1.1 etwas priiziser fassen. Das Homoomorphieproblem lautet wie folgt: Gegeben sei eine "interessante und angreifbare" Klasse

1.9 Das Homoomorphieproblem: Fortsetzung

43

topologischer Raumej das Problem ist, diese Raume nach Homoomorphie zu klassifizieren. "Interessant" bedeutet, daB diese Raume in der Topologie, in anderen Bereichen der Mathematik oder in auf3ermathematischen Anwendungen relevant sein sollten, und "angreifbar", daB es eine Chance geben muf3, dieses Homoomorphieproblem zu lOsen (z.B. ist es ebenso uninteressant wie hoffnungslos, Raume der Form 8 1 Uf e2 mit f: 8 1 --t 8 1 nach Homoomorphie zu klassifizieren). Interesse beanspruchen diirfen die Mannigfaltigkeiten, die in vielen Teilen der Mathematik und ihrer Anwendungen eine wichtige Rolle spielen. Bleiben wir bei diesen und betrachten wir einen ersten Homoomorphieklassifikationssatz: 1.9.1 Satz Jede zusammenhiingende geschlossene Flache Fist zu einer der Flachen Fo, Ft. F2 , ••• , Nt. N 2 , .•• homoomorphj je zwei dieser Flachen sind nicht ho0 moomorph. Die erste Aussage gebOrt in die geometrische Topologie, vgl. etwa [Seifert-Threlfall], [Stillwell], [Massey 1], [Moise], [ZVC]: man muf3 mit geometrisch-topologischen Methoden einen Homoomorphismus zwischen Fund einer der genannten Flachen konstruieren. Die zweite Aussage beweist man mit Algebraischer Topologie, in der die topologischen Invarianten definiert werden, mit denen man die Flachen unterscheiden kann (vgl. 5.7 und 9.9). Die Geschichte von Satz 1.9.1 geht weit ins letzte Jahrhundert zuriick. Riemann (1851) zeigte, daB die Flachen Fg , ailgemeiner die unberandeten orientierbaren Flachen, die "richtigen Flachen" sind, auf denen man Funktionentheorie treiben kann. Mobius (1863) stellte Fg wie in 1.4.13 (d) als Sphare mit 9 Henkeln dar, Klein (1876) klarte den Begriff der nicht-orientierbaren Flache und Dyck (1888) untersuchte deren Homoomorphieklassifikation, die aber erst durch Dehn, Heegaard (1907) und schlief3lich durch den Satz von Rado (1923) vollstandig wurde (vgl. 3.1.9 (c)). Eine Dimension bOher, bei 3-Mannigfaltigkeiten, ist man von einer Losung des Homoomorphieproblems noch weit entfernt, obwohl es dazu umfangreiche und tiefliegende Untersuchungen gibt (und fUr alle Dimensionen n > 3 kann man sogar beweisen (Markov 1958), daB es keinen Algorithmus zur Homoomorphieklassifikation aller n-Mannigfaltigkeiten gibt). Der erste Begriff, den es zu klaren gilt, ist die Orientierbarkeit. Wenn man in einer 3-Mannigfaltigkeit M ein Achsenkreuz mit den Achsen 1,2,3 so verschieben kann, daB nach Riickkehr zum Ausgangspunkt die Achsen 1,2 unverandert sind, daB aber die Achse 3 in die entgegengesetzte Richtung zeigt wie vorher, wenn man also ein Objekt in M durch "Verschieben in sein Spiegelbild verwandeln kann", so heif3t M nicht-orientierbar (vgl. 11.4). Die beschrankte raumliche Anschauung, die der uns umgebende Raum von hier bis zum Mond oder zur Sonne vermittelt, macht die Vorstellung schwer, daB es so etwas iiberhaupt gibt. Hier ist ein Beispiel: das topologische Produkt eines Mobiusbandes mit einer Kreislinie ist eine 3-Mannigfaltigkeit mit einem Torus als Rand, und deren Verdopplung ist eine geschlossene, nicht-orientierbare 3-Mannigfaltigkeit. 1.9.2 Satz Jede geschlossene orientierbare 3-Mannigfaltigkeit M besitzt eine Heegaar,d-Zerlegung wie in 1.5.11, entsteht also aus zwei Henkelkorpern V und V' vom

44

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

°

Gesehleeht 9 ~ dureh Verkleben der Riinder BV und BV' mit einem Homoomorphismus I: BV -+ BV'. 0 Dieser Satz, der auf Dyck (1884) und Heegaard (1898) zuruckgeht, macht mit einem Schlag klar, wie wichtig die Technik des Verklebens ist. Das Homoomorphieproblem fUr die genannten Mannigfaltigkeiten ist zuriickgefUhrt auf die Untersuchung von Homoomorphismen von Flachen und die Frage, wann zwei Raume der Form V' U f V homoomorph sind.

1.9.3 Beispiel Sei M = M(~~) = (8 1 X D2) Uf (D2 a,/3,-y,6 E {-I, I} und m,n E Z, so gilt fUr die Zahlen

X

8 1 ) wie in 1.5.10. 1st

= a-ya, b' = /3-yb-ma/3-ya, e' = naa+aOc, d' = n/3b+/36d-mna/3a-ma/36e die Gleichung a'd' - b'e' = a/3-y6(ad - be) = ±lj daher ist auch M' = M(~: ~:) definiert. Fur c = ±1 sei hE: D2 -+ D2 die Abbildung h1(Z) = z bzw. h_1(Z) = Z. a'

Die Abbildungen F: D2 x 8 1 -+ D2 X 81, F(z, w) = (ha.(z)w m , wf3), und G: 8 1 x D2 -+ 8 1 X D2, G(z,w) = (Z'Y,Znhli(W)), sind Homoomorphismen, und es ist (G18 1 x 8 1 ) 0 1= f' 0 (F18 1 X 8 1 ), wobei I' die zu M' gehOrende Klebeabbildung ist. Folglich ist M :::::: M' nach 3.1.18. Wir betrachten SpeziaWille. 1m Fall a = ist b, e E {-I, I} und mit a = e, /3 = b, -y = 6 = 1, m = 0, n = -bd wird a' = d' = 0, b' = c' = 1, also M : : : M(~~) : : : 8 2 x 8 1 . 1st a < 0, so set zen wir a = -1, /3 = -y = 6 = 1, m = n = und erreichen a' > OJ also konnen wir gleich a > annehmen. 1st ad - be = -1, so setzen wir a = /3 = -y = 1, 6 = -1, m = n = und erhalten a' = a> und a'd' - b'e' = Ij also durfen wir a > und ad - be = 1 voraussetzen. 1st auch ad = be = 1, so ist e = e + na, d = d + na fUr ein n E Z. Nimmt man oben dieses n und a = /3 = -y = 1, m = 0, so folgt M :::::: M(~ ~). Folglich ist M durch die Zahlen a und b bis auf Homoomorphie bestimmt, und wir schreiben daher M(a,b) statt M(~ ~). Setzt man a = /3 = -y = 6 = 0, n = 0, so ergibt sich M(a, b) :::::: M(a, b - ma) fUr alle m E Z. Fur a = 1 folgt mit m = b die Homoomorphie M(I,b):::::: M(I,O):::::: M(~ n:::::: 8 3 . Fiir a > 1 kann man b modulo a reduzieren und 1 ~ b < a erreichen. Resultat: Jede der Mannigfaltigkeiten aus 1.5.10 ist homoomorph zu 83, 8 2 X 8 1 oder M(a,b), wobei a und b teilerfremd sind und 1 ~ b < a ist.

°

°

°

°

° °

1.9.4 Satz Diese Manniglaltigkeit M(a, b) ist zum Linsenraum L(a, b) homoo-

morpho

0

Der Beweis ist ein schones Beispiel zum Identifizieren [Stillwell, 8.3.4]. Man bohrt aus der Linse in Abb. 1.5.3 einen senkrechten Zylinder aus, dessen Mittelachse die Strecke von 8 nach N ist. 1m Quotientenraum ist dieser Zylinder und sein Komplement ein Volltorus, und man zeigt, dafi diese genauso verklebt sind wie die beiden Volltori zu M(a, b).

1.9.5 Satz Die Linsenriiume L(p, q) und L(p', q') sind genau dann homoomorph, 0 wenn p = p' ist und wenn q == ±q' mod p oder qq' == ±1 mod p gilt.

1.9 Das Homoomorphieproblem: Fortsetzung

45

Dafi die Bedingung hinreichend ist, folgt aus einfachen geometrischen Konstruktionen, vgl. 1.5.A5. Um ihre Notwendigkeit zu beweisen, braucht man Invarianten, um die Raume zu unterscheiden. Die Invarianten, die wir in diesem Buch entwickeln, sind die Fundamentalgruppen, die Homologiegruppen, die Schnitt- und Verschlingungszahlen und die Cohomologieringe. Aber all das geniigt nicht zur Homoomorphieklassifikation der Linsenraume; man braucht schiirfere Methoden, die zum Beweis von 1.9.5 von Reidemeister (1935) entwickelt wurden und deren Beschreibung den Rahmen dieses Buches sprengt. - Die Homoomorphieklassifikat ion der 3-Mannigfaltigkeiten, fiir die 1.9.5 ein Musterbeispiel ist, wurde nach Vorarbeiten von Listing (1847), Betti (1871), Dyck (1884) von Poincare in den Jahren 1892-1904 systematisch in Angriff genommen: die Geburtsjahre der Algebraischen Topologie. Dafi die Fundamentalgruppe zur Homoomorphieklassifikation nicht ausreicht, zeigen die von Tietze (1908) entdeckten Linsenraume (wie allerdings erst Alexander 1919 beweisen konnte). Ungekliirt ist aber immer noch, ob die sog. Poincaresche Vermutung richtig ist, daB jede einfach-zusammenhiingende geschlossene 3-Mannigfaltigkeit zur Sphiire S3 homoomorph ist. Eine Verallgemeinerung des Homoomorphieproblems ist das Einbettungsproblem: Gegeben sind topologische Raume X und Yj man entscheide, ob man X in Y einbetten kann, d.h. ob X zu einem Teilraum von Y homoomorph ist. Z.B. kann man Sl nicht in ]R einbetten (wohl aber in ]Rn fUr n > 1), die projektive Ebene nicht in ]R3 (wohl aber in ]R4, vgl. 3.1.22), und jede n-Mannigfaltigkeit kann man in den ]R2n+1 einbetten, vgl. [Hurewicz-Wallmann, chapter V]. Wenn Xc Y ein Teilraum ist, will man wissen, "wie X in Y drin liegt". Wird z.B. Y von X in verschiedene Wegekomponenten zerlegt? Die Mittellinie des Mobiusbandes ist eine Kreislinie, die das Mobiusband nicht zerlegt; jede Kreislinie im ]R2 zerlegt ]R2 (Jordanscher Kurvensatz, 11.7.6 (b)), aber keine Kreislinie im ]R3 zerlegt den ]R3 (vgl. 11.7.6 (a)). SchlieBlich ist die Frage interessant, wie viele Einbettungen X - Y es gibt: 1.9.6 Definition Zwei Einbettungen f, g: X - Y heiBen topologisch iiquivalent, wenn es einen Homoomorphismus h: Y - Y mit 9 = h 0 f gibt. Je zwei Einbettungen f, g: Sl _ JR2 sind nach dem Satz von Schonflies aquivalent (vgl. 11.7.8 (d)), aber im Fall f,g: Sl _]R3 wird die Situation interessanter. 1.9.7 Definition 1st f: Sl _ ]R3 eine Einbettung, so heiBt K = f(Sl) C ]R3 ein K noten (im ]R3). Zwei Knoten K, K' C ]R3 sind iiquivalent, wenn es einen Homoomorphismus f: ]R3 _]R3 mit K' = f(K) gibt. Z.B. ist Ko = {x E ]R3 I x~ + x~ = 1, X3 = O} C ]R3 ein Knotenj man nennt ihn (und jeden dazu aquivalenten) den trivialen Knoten. Wenn man eine Schnur beliebig kompliziert verknotet und dann die Enden zusammenklebt, hat man ein homoomorphes Bild von Sl im ]R3, also einen Knoten. Die Kurve auf dem rechten Torus in Abb. 1.5.2 ist, als Teilmenge des ]R3 betrachtet, ein Knoten, die sog. "Kleeblattschlinge". Es scheint anschaulich klar, dafi sie kein trivialer Knoten ist, aber wie kann man das beweisen? Wenn die Knoten K, K' C ]R3 aquivalent sind,

46

1 Beispiele fUr Raume, Abbildungen und topologische Probleme

mussen ihre "Auf3enraume" ]R3\K und ]R3\K' homoomorph sein, und dies sind zwei 3-dimensionale (nicht kompakte) Mannigfaltigkeiten. Also werden wir wieder auf das Homoomorphieproblem gefUhrt. Gleichzeitig ergibt sich eine riesige Serie neuer Beispiele fUr 3-Mannigfaltigkeiten: man nimmt einen Knoten K C ]R3 C 8 3 (wobei ]R3 = 8 3 \ Nordpol) und entfernt aus 8 3 eine kleine schlauchfOrmige offene Umgebung von K. Ubrig bleibt eine kompakte 3-Mannigfaltigkeit, deren Rand ein Torus ist. Fur die Knotentheorie, in der man u.a. versucht, alle Knoten im ]R3 nach Aquivalenz zu klassifizieren, ist folglich die Homoomorphieklassifikation solcher 3Mannigfaltigkeiten ein wichtiges Problem. Unsere Einfiihrung ware unvollstandig ohne eine Erwahnung der hOheren Dimensionen. Die meisten Fragestellungen kann man verallgemeinern, wie wir schon in 1.5 gesehen haben, und die Methoden der Algebraischen Topologie, die wir vorstellen werden, konnen mit Erfolg auf Raume beliebiger Dimension angewandt werden. Es ist jedoch an dieser Stelle nicht sinnvoll, dafiir genauso ausfUhrliche Beispiele zu geben wie oben; denn da der uns umgebende Raum nur eine kleine Dimension hat, konnen wir uns nicht auf die geometrische Anschauung berufen. Z.B. ist es anschaulich klar, was zwei "verschlungene Kreislinien" im ]R3 sind; ob aber eine 2Sphare mit einer 3-Sphare, die beide im ]R6 liegen, verschlungen sein kann, entzieht sich unseter Vorstellung (sie kann: 11.7.10). Wir mussen erst Hilfsmittel, Methoden und parallel dazu die "hoherdimensionale Anschauung" entwickeln, und damit wollen wir jetzt endlich anfangen. Aufgaben lo9.AI Machen Sie sich Satz 1.9.1 an folgenden Aussagen klar (Hinweis: die nach 1.9.1 genannte Literatur): (a) Eine geschlossene Flache ist durch ihren Orientierbarkeitstyp und ihr Geschlecht bis auf Homoomorphie eindeutig bestimmt. (b) Verdoppelt man die kompakten Flii.chen in Abb. 1.4.4, so erhii.lt man geschlossene orientierbare Flachen vom Geschlecht 2 bzw. 3. (c) Schneidet man in einen Torus ein Loch und klebt man an den Lochrand ein Mobiusband, so entsteht die Flache N 3 • Mit anderen Worten: Es ist (81 X 8 1 )#P2 ~ N 3 . (d) Es ist Fg#Nh ~ N 2g+h fiir 9 ~ 0 und h ~ 1. 1.9.A2 Man kann Satz 1.9.1 fiir kompakte Flachen mit Rand wie folgt verallgemeinern (Hinweis: die nach 1.9.1 genannte Literatur): (a) 1st F eine kompakte Flache mit of #- 0, so ist of die topologische Summe von endlich vielen Kreislinien (b) Klebt man an jede dieser Kreislinien eine Kreisscheibe D~ mit einem Homoomorphismus oD~ -+ 8}, so erhii.lt man eine geschlossene Flache F, die durch F bis auf Homoomorphie eindeutig bestimmt ist. (Daher kann man definieren, was Geschlecrt und Orientierbarkeitstyp von Fist: es ist dasselbe wie bei F.) (c) Kompakte Flachen werden bis auf Homoomorphie klassifiziert durch Geschlecht, Orientierbarkeitstyp und Anzahl der Randkomponenten.

8f, ... ,8t.

2

Homotopie

Homotopie ist einer der wichtigsten Grundbegriffe der Topologie. Die Grundzuge der Homotopietheorie, die in diesem Paragraphen dargestellt werden, sind fiir das Verstandnis alier folgenden Abschnitte unerlafilich.

2.1 Homotope Abbildungen 2.1.1 Definition Es seien X und Y topologische Raume. Eine Homotopie von X nach Y ist eine Schar ht : X Y von Abbildungen, wobei der Parameter t das Einheitsintervali I = [O,IJ durchlauft, so dafi folgende Bedingung erfiillt ist: die Funktion H: X x I Y, H(x, t) = ht(x), ist stetig (dabei hat X x I die Produkttopologie). Zwei stetige Abbildungen J, g: X Y heifien homotop, Bezeichnung J ~ g: X Y, wenn es eine Homotopie h t : X -+ Y mit ho = J und hl = 9 gibt. Die Schar ht oder die zugehorige Abbildung H heifit dann eine Homotopie von J nach gj wir schreiben dafur h t : J ~ 9 oder H: J ~ g. -)0

-)0

-)0

-)0

9

y g(xl X

.

x

-

\

., g(XI

~1 3 4 1

ht

Y

H

2-

I

/ .l -- f(xl -- f(XI

Abb. 2.1.1

., ~ \

t

1 4

-X

~

f

/

1-

--

Abb. 2.1.2

Man hat sich das ganz anschaulich vorzustellen: In der Zeit von t = 0 bis t = 1 wird wie in Abb. 2.1.1 die Abbildung J stetig in die Abbildung 9 deformiert. Fur jeden Punkt x E X wird der Punkt J(x) langs des Weges t ~ ht(x) in Y in den Punkt

48

2 Homotopie

g(x) bewegt, und wegen der Stetigkeit von H bewegen sich die Bilder benachbarter Punkte auf benachbarten Wegen.

Genau dann ist I ~ g: X ~ Y, wenn es wie in Abb. 2.1.2 eine stetige Abbildung H: X x I ~ Y vom Zylinder X x I liber X nach Y gibt, die den Zylinderboden X x 0 wie I und das Zylinderdach X x 1 wie 9 abbildet: H(x,O) = I{x) und H{x,l) = g(x) fUr alle x E X. Aus der Stetigkeit von H folgt, dafi fUr festes tEl die Abbildung X ~ Y, X 1--+ H(x, t) und fUr festes x E X die Abbildung I ~ Y, t 1--+ H(x, t) stetig ist. Um zu beweisen, dafi zwei Abbildungen I,g: X ~ Y homotop sind, muf3 man eine Homotopie ht : X ~ Y zwischen ihnen angeben. Dazu muf3 man die Raume X, Y und die Abbildungen I, 9 geometrisch moglichst griindlich verstehen und dann ht explizit konstruieren (was bisweilen komplizierte Techniken erfordert). Will man zeigen, dafi lund 9 nicht homotop sind, so muf3 man beweisen, dafi es keine Homotopie von I nach 9 gibt. Dieser Nachweis ist i.a. schwierig, und ein erstes Beispiel fUr nicht-homotope Abbildungen folgt erst im nachsten Abschnitt. Es ist gerade eines der Hauptanliegen der Algebraischen Topologie, Methoden zu entwickeln, mit denen man nicht-homotope Abbildungen entdecken kann. 2.1.2 Satz Die Homotopierelation ist eine Aquivalenzrelation in der Menge der stetigen Abbildungen X ~ Y.

Beweis Es ist I ~ I: X ~ Y durch die Homotopie H: X x I ~ Y, die durch H(x, t) = I{x) gegeben ist. Sei I ~ g: X ~ Y mit Homotopie H; dann ist H'{x, t) = H{x, 1- t) eine Homotopie H': 9 ~ I. 1st H l : I ~ 9 und H 2 : 9 ~ h, so erhalt man eine Homotopie H": I ~ h durch H" (x, t) = Hl (x, 2t) fUr 0 ~ t 5 1/2 und H"(x, t) = H 2(x, 2t - 1) fUr 1/25 t ~ 1. (Wegen Hl(x, 1) = g(x) = H2(X,0) ist H" eindeutig de:6.niert; warum sind H', H" stetig?) 0 2.1.3 Satz Die Homotopierelation ist mit der Komposition von Abbildungen vertriiglich, d.h. aus I ~ g: X ~ Y und I' ~ g': Y ~ Z lolgt I' 0 I ~ g' 0 g: X ~ z.

Beweis Sei H: I ~ 9 und H': I' ~ g'. De:6.niere H l : X x I ~ Z durch Hl(x,t) = I'H(x,t) und H 2: X x I ~ Z durch H 2(x,t) = H'(g(x),t). Dann ist H l : I' 0 I ~ I' 0 9 und H2 : f' 0 9 ~ g' 0 g, und die Behauptung folgt aus 2.1.2 0 2.1.4 Definition Eine Abbildung c: X ~ Y heif3t konstant, wenn c(X) = Yo ein Punkt in Y ist, wenn also c(x) = Yo fUr alle x E X. Eine Abbildung I: X ~ Y heif3t nullhomotop, wenn I homotop ist zu einer konstanten Abbildung. Ein Raum X heif3t zusammenziehbar, wenn die identische Abbildung von X nullhomotop ist. 2.1.5 Definition Die Homotopieklasse I der stetigen Abbildung I: X ~ Y ist [/1 = {g: X ~ Y I 9 ~ f} . Mit [X, Yl = {[Ill I: X ~ Y stetig} wird die Menge der Homotopieklassen stetiger Abbildungen X ~ Y bezeichn~t. Wenn Y wegzusammenhangend ist, sind je zwei nullhomotope Abbildungen X ~ Y homotop; dann bezeichnet 0 E [X, Yl die Homotopieklasse der nullhomotopen Abbildungen.

2.1 Homotope Abbildungen

49

Die eben formulierte Behauptung beweist man so: Zu konstanten Abbildungen c, c': X -- Y gibt es einen Weg w: I -- Y mit w(O) = c(X) und wei) = c'(X). Dann ist H: X x 1 __ Y, H(x, t) = wet), eine Homotopie von c nach c'. Somit sind je zwei konstante und daher je zwei nulihomotope Abbildungen X -- Y homotop. 2.1.6 Beispiele (a) Je zwei Abbildungen f,g: X __ ~n sind homotop (X beliebig). Eine Homotopie wird durch ht(x) = (1 - t)f(x) + tg(x) gegeben (Deformation liings der Verbindungsstrecken von f(x) nach g(x)). Also ist [X,~nl = 0 fUr jeden Raum X. (b) Jede Abbildung f: ~n __ Y ist nulihomotop. Eine Homotopie ist gegeben durch h t (x) = f (( 1 - t)x) (Deformation liings der Bilder der Strecken von x nach 0). Also ist [~n, YI = 0 fUr jeden wegzusammenhiingenden Raum Y. (c) 1st P ein einpunktiger Raum und Y beliebig, so gibt es eine Bijektion zwischen [P, YI und der Menge der Wegekomponenten von Y; denn eine Homotopie von P nach Y ist dasselbe wie ein Weg in Y. (d) Die Komposition einer nulihomotopen Abbildung mit einer beliebigen Abbildung ist eine nulihomotope Abbildung (das folgt aus 2.1.3). (e) Ein Raum X ist genau dann zusammenziehbar, wenn es einen Punkt Xo E X und eine Homotopie h t : X -- X gibt mit ho(x) = x und hl(X) = Xo fUr alle x E X. Wie in Abb. 2.1.3 wird also in der Zeit von t = 0 bis t = 1 jeder Punkt x E X liings des Weges t ~ ht(x) in den festen Punkt Xo bewegt. (Zur Frage, ob man sich vorstellen darf, daB der Punkt Xo wiihrend dieser Deformation festbleibt, vgl. 2.4.4 und 2.4.5 (j).) Zusammenziehbare Rii.ume sind wegzusammenhiingend, also zusammenhiingend. Zusammenziehbarkeit ist eine topologische 1nvariante: Mit X ist jeder dazu homoomorphe Raum zusammenziehbar. DaB ~n bzw. Dn zusammenziehbar ist, zeigt die Homotopie ht(x) = (1 - t)x. Daher sind alle Zellen und

alle Balle zusammenziehbar.

x A

y Abb. 2.1.3

Abb. 2.1.4

(f) 1st Y zusammenziehbar, so ist [X, YI = 0 fUr jeden Raum X; fUr f: X -- Y gilt nii.mlich f = idy 0 f ~ konstant 0 f = konstant. (g) Analog [X, YI = 0, falls X zusammenziehbar und Y wegzusammenhiingend ist. (h) Ein Teilraum A c ~n heiBt sternformig, wenn es einen Punkt ao E A gibt, so daB fUr jeden Punkt a E A die Strecke von a nach ao in A liegt. Die Homotopie ht(a) = (1 - t)a + tao zeigt, daB sternformige (insbesondere konvexe) Teilraume des ~n zusammenziehbar sind.

50

2 Homotopie

(i) Jede stetige, nicht surjektive Abbildung I: X -+ sn ist nullhomotop (X beliebig). Wir geben zwei Beweise fUr diese Aussage. Sei Yo E sn\f(X) fest. Erster Beweis: I ist die Komposition von X -+ sn \Yo, X I--t I (x), und sn \Yo "-+ sn. Weil die n-Zelle sn\yO zusammenziehbar ist, ist somit I nullhomotop. Zweiter Beweis: Die Strecke von I(x) nach -Yo im IRn +l enthillt nicht den Punkt o E IRn +l (sonst ware Yo = I(x) E I(X)). Daher ist ht(x) = st(x)/lst(x)1 mit St(x) = (1 - t)/(x) - tyo definiert, und ht: X -+ sn ist eine Homotopie von I in die konstante Abbildung nach -Yo. In den Anwendungen des Homotopiebegriffs spielen Homotopien mit Nebenbedingungen eine groBe Rollej die wichtigsten Nebenbedingungen werden im folgenden eingefUhrt. 2.1. 7 Definition Es seien I, g: X -+ Y stetige Abbildungen, die auf dem Teilraum A c X ubereinstimmen, also I(a) = g(a) fUr alle a E A. Dann heiBen lund 9 homotop relativ A, Bezeichnung I ~ g: X -+ Y reI A, wenn es eine Homotopie ht: X -+ Y von I nach 9 gibt mit ht(a) = I(a) = g(a) fUr alle a E A. Die Punkte I(a) = g(a) werden also wiihrend der Homotopie nicht bewegt, die Homotopie ist auf A stationiir (vgl. Abb. 2.1.4). Wie in 2.1.2 folgt, daB Homotopie relativ A eine Aquivalenzrelation ist. 2.1.8 Definition Eine Homotopie ht: (X, A) -+ (Y, B) von Raumpaaren ist eine Homotopie ht: X -+ Y mit ht(A) C B fUr alle tEl. Wenn I = ho und 9 ::::: hl ist, heiBen lund 9 homotop als Abbildungen von Raumpaarenj wir schreiben dafiir I ~ g: (X, A) -+ (Y, B). Wie in 2.1.2 ist das eine Aquivalenzrelation. Fur I: (X, A) -+ (Y, B) bezeichnen wir mit [1] = {g I 9 ~ I: (X, A) -+ (Y, B)} die Homotopieklasse von Ij femer ist [X,AjY,B] = H/l I I: (X,A) -+ (Y,B)} die Menge dieser Homotopieklassen. 1m Fall A = B = 0 erhalten wir wieder 2.1.5j im allgemeinen Fall ist jedoch die eben definierte Homotopieklasse [I] von der Homotopieklasse von I: X -+ Y zu unterscheiden, wie folgendes Beispiel zeigt. 2.1.9 Beispiel Weil I zusammenziehbar ist, ist [1,1] = O. Dagegen besteht die Menge [I, i j I, i] aus den vier verschiedenen Elementen [id r ], [v], [co] und [Cl], wobei die Abbildungen v, co, Cl durch v(t) = 1 - t bzw. co(t) = 0 bzw. Cl(t) = 1 definiert sind. Beweis: Seien I, g: (I, i) -+ (I, i) gegeben. Aus I ~ g: (I, i) -+ (I, i) folgt Iii ~ gli, daraus 1(0) = g(O) und 1(1) = g(I). Wenn umgekehrt dieses gilt, ist ht(s) = (1 - t)/(s) + tg(s) eine Raumpaar-Homotopie von I nach g. Also ist die Raumpaar-Homotopieklasse [I] durch das Wertepaar (1(0),/(1)) bestimmt, woraus die Behauptung folgt.

Ein wichtiger Spezialfall von 2.1.8 ist der, daB die Teilraume A und B aus nur einem Punkt bestehen. 2.1.10 Definition Ein Raumpaar (X, xo), wobei Xo E X ein Punkt ist, hei6t ein Raum mit Basispunkt. Eine Abbildung I: (X,xo) -+ (Y,yo) bzw. eine Homotopie

2.1 Homotope Abbildungen

51

ht: (X, XO) --+ (Y, Yo) heiBt Basispunkt-erhaltend. Wie in 2.1.8 ist die Homotopieklasse [fl E [X,XOj Y,yol definiert. Fiir f,g: (X,xo) --+ (Y,yo) sind die Aussagen f !::: g: (X, xo) --+ (Y, Yo) und f !::: g: X --+ Y reI Xo aquivalent. In 1.2 und 1.3 haben wir gezeigt, wie man stetige Funktionen auf Quotientenraumen konstruiert. Es ist eine wichtige Tatsache, daB man diese Konstruktionen auf Homotopien erweitern kann. 2.1.11 Satz Sei p: X --+ Y eine identiJizierende Abbildung und sei kt : Y --+ Z eine Schar von Abbildungen, so daft kt 0 p: X --+ Z eine Homotopie ist Dann ist kt eine Homotopie. .

Beweis Zu zeigen ist, daB die Funktion K: Y x I --+ Z, K{y, t) = kt{y), stetig ist. Nach Voraussetzung ist K 0 (p X idI): X x I --+ Z stetig. Weil I lokalkompakt ist, ist p x idI nach 1.2.13 identifizierend, also K stetig (vgl. 1.2.9 (c)). 0 Wir heben die folgenden, leicht zu beweisenden Folgerungen von 2.1.11 hervor, die fiir die Konstruktion von Homotopien wichtig sind. 2.1.12 Folgerungen (a) Sei p: X --+ Y eine identifizierende Abbildung und sei ht: X --+ Z eine Homotopie, so daB htp-l eindeutig istj dann ist htp-l: Y --+ Z eine Homotopie. (b) Sei ht: X --+ Y eine Homotopie, die vertraglich ist mit gegebenen Aquivalenzrelationen R auf X bzw. S aufY (das bedeutet: aus x "'R x' folgt ht{x) "'S ht{x' ) fiir alle tEl, vgl. 1.2.4). Dann wird durch ht{(X)R) = (ht{x))s ei:ne Homotopie ht: X/ R --+ Y/ S definiertj sie heifit die von ht induzierle Homotopie.

(c) Sei X:::> A.L. Y wie i:n 1.3.15 und seien CPt: X --+ Z und 1f;t: Y --+ Z Homotopien mit cptlA = 1f;t 0 f fiir tEl. Dann ist (cpt + 1f;t) 0 p-l: Y Uf X --+ Z eine Homotopie. (d) Ei:ne Homotopie ht: (X, A) --+ (Y, B) induziertei:ne Homotopie ht: X/A --+ Y/ B mit ht {(A)) = (B) fiir alle tEl, vgl. 1.3.1. (e) Schliefilich erweitern wir 1.3.9 von Abbildungen auf Homotopien. Homotopien ff: (Xj,x~) --+ (Xj,x~p) bzw. g[: (Xj,x~) --+ (Y,Yo) induzieren Homotopien

Jl V ... V fI":

Xl V ... V Xn

--+

X~ V ... V X~

bzw.

(g:, ... ,g~): X1V ... VXn--+Y. In beiden Fii.llen bewegt die induzierte Homotopie jeden Summanden der Einpunktvereinigung wie die dort vorgegebene Homotopiej die Nebenbedingungen garantieren, daB es am Basispunkt zusammenpaBt. 2.1.13 Beispiele (a) Sei ht: X x I --+ X x I die Homotopie ht{x, s) = {x, (1- t)s + t). Fiir alle tEl ist ht{X x 1) = X x 1. Daher i:nduziert htei:ne Homotopie ht: ex --+ ex des in

52

2 Homotopie

1.3.6 definierten Kegels CX = X x IIX x 1. Aus ho = id und hl (CX) = (X x 1) folgt, dafi der Kegel CX zusammenziehbar ist. (b) Die Homotopie ht : Dn _ Dn, die den n-Ball zusammenzieht, also ht(x) tx, bildet nicht sn-l _ sn-l ab, induziert also keine Homotopie von Dn I sn-l. Aus der Zusammenziehbarkeit von Dn folgt also nicht die von Dn I sn-l ~ snj in der Tat ist sn nicht zusammenziehbar, wie wir spater sehen werden.

=

Aufgaben

sn stetige Abbildungen mit f(x) :f:. -g(x) fur aile x E sn. Zeigen Sie, daB fund 9 homotop sind. 2.1.A2 X x Y ist genau dann zusammenziehbar, wenn X und Y es sind. 2.1.AS Zwei Homoomorphismen f, g: X - Y heiBen isotop, wenn es eine Homotopie ht : X - Y von f nach 9 gibt, so daB ht ein Homoomorphismus ist fiir aile t E I; zeigen Sie, daB jede Drehung f: SI _ S1 isotop zu idsl ist. 2.l.A4 Allgemeiner: Jede orthogonale Abbildung f: ~n _ ~n mit Determinante 1 ist isotop zur Identitat von ~n . 2.1.AS Sei f: Dn - Dn ein Homoomorphismus mit flS n- l idsn-l und f(O) 0; dann ist f isotop zu idDn (eine Isotopie ht : Dn - Dn ist gegeben durch ht(x) = tf(xlt) fUr t :f:. 0 und ho (x) = x; verifizieren Sie das). 2.1.A6 Fiir f,g: X - SI sei f· g: X - SI definiert durch (J. g)(x) = f(x) . g(x), wobei hier die Multiplikation komplexer Zahlen gemeint ist. Zeigen Sie, daB [X, SI] mit der Verknupfung [J] [g] = [J . g] eine abelsche Gruppe ist. 2.1.A7 Die Diagonalabbildung d: X - X x X ist definiert durch d(x) = (x, x). Zeigen Sie, daB d genau dann nullhomotop ist, wenn X zusammenziehbar ist.

2.1.Al Seien f,g: X -

=

=

2.2 Ein erstes Beispiel zur Homotopie: Abbildungen zwischen Kreislinien Als erstes nicht-triviales Beispiel zur Homotopie bestimmen wir die Menge [SI, SI]. Dabei setzen wir einige einfache Eigenschaften der komplexen Exponentialfunktion exp: C - C, exp z = eZ = L::=~ zn In! als bekannt voraus. Wir geben zuerst eine Methode an, um Abbildungen S _ SI zu konstruieren.

2.2.1 Definition 1m folgenden ist p: I - SI die identifizierende Abbildung pet) = exp27rit. Sei 'P: I - ~ eine stetige Funktion mit 'P(O) = 0 und n = 'P(1) E Z. Die folgende Funktion rp ist eindeutig definiert und daher nach 1.2.11 stetig: ,rp

=p

0

'P 0 p-l: S1 _ SI, also rp(exp 27rit)

= exp 27ri'P(t).

2.2 Ein erstes Beispiel zur Homotopie: Abbildungen zwischen Kreislinien

53

Man mache sich t.jJ geometrisch klar. Sei zunachst n > 0 und cp monoton steigend. Wenn z = exp 27rit einmal um S1 lauft, d.h. t von 0 bis 1 wachst, durchlauft cp(t) die Intervalle [0,1], [1,2], ... , [n - 1, n], und t.jJ(z) lauft n mal um S1. Wenn n < 0 und cp monoton fallend ist, bewegt sich t.jJ(z) auch Inl mal um S1, aber in entgegengesetzter llichtung wie z. Wenn cp nicht monoton ist, bewegt sich t.jJ(z) mal in der einen, mal in der anderen llichtung, lauft aber insgesamt Inl mal um S1. Wir zeigen, daf3 jede stetige Abbildung S1 -+ S1 bis auf einen konstanten Faktor mit einer solchen Abbildung t.jJ iibereinstimmt. 2.2.2 Lemma Zu jeder stetigen Abbildung I: S1 -+ S1 gibt es genau eine stetige Abbildung cp: (1,0) -+ (~O) mit I(z) = 1(1) . t.jJ(z) fUr alle z E S1 (der Punkt

bezeichnet die Multiplikation komplexer Zahlen).

Beweis Eindeutigkeit: Sind cp,,,p: 1 -+lR solche Funktionen, so ist t.jJ(z) = "j;(z), also exp27ricp(t) = exp27ri"p(t). Daher ist cp(t) -"p(t) E Z fUr alle t E 1, d.h. die stetige Funktion t 1-+ cp(t)-"p(t) nimmt nur ganzzahlige Werte an, ist also konstant. Aus cp(O) = "p(0) = 0 folgt somit cp = "p. Existenz: Wir miissen bei gegebenem J die Funktion cp so bestimmen, daf3 cp(O) = 0 und l(exp27rit) = J(l) . exp27ricp(t) gilt. Es sei log der Hauptzweig der komplexen Logarithmusfunktion: fUr z = r exp ia E C mit r > 0 und -7r < a < 7r ist logz = In r+ia. Wir definieren h: 1 -+ S1 durch h(t) = J(1)-1. I (exp 27rit). Weil h gleichmii.f3ig stetig ist, gibt es eine Zerlegung 0 = to < .. , < tk = 1 von 1 mit

Ih(t) - h(tj)1 < 2 fUr t E [tj, tj+1] und j

= 0, ... , k -

1.

Es folgt h(t) "# -h(tj), also h(t) . h(tj)-1 "# -1. Daher ist log(h(t) . h(tj)-1) defiuiert. Jetzt konnen wir die gesuchte Funktion cp: 1 -+ lR explizit angeben: fUr tj $ t $ tj+1 sei

Es ist klar, daf3 cp eine wohldefinierte, stetige und reellwertige Funktion ist. Aus den FormeIn exp(u + v) = exp( u) exp(v) und exp(log z) = z folgt

exp27ricp(t)

= h(t). h(tO)-1 = h(t) = 1(1)-1 . l(exp27rit). o

2.2.3 Definition Sei I: S1 -+ S1 eine stetige Abbildung. Sei cp: 1 -+ lR die nach 2.2.2 eindeutig bestimmte Funktion mit I(z) = 1(1) . t.jJ(z) fUr alle z E S1. Dann ist insbesondere exp27ricp(1) = 1, d.h. cp(l) ist eine ganze Zahl. Diese ganze Zahl heillt der (Abbildungs-}Grad von lund wird mit Grad I bezeichnet.

Die geometrische Interpretation ergibt sich aus der Diskussion in 2.2.1: Grad J gibt an, wie oft und in welcher llichtung J(z) um S1 lauft, wenn z einmal um S1

54

2 Homotopie

lauft; dabei stelle man sich vor, dafi sich Bewegungen von fez) in entgegengesetzter Richtung aufheben. Der folgende Satz ist unser erstes Beispiel zur Algebraischen Topologie: gewisse geometrisch-topologische Objekte (hier: Homotopieklassen stetiger Abbildungen) werden durch algebraische GraBen (hier: ganze Zahlen) beschrieben. 2.2.4 Satz

(a) Fur n

E Z

hat die Abbildung gn: SI -; SI, gn(z)

= zn,

den Grad n.

(b) Zwei Abbildungen f, g: SI -; Sl sind genau dann homotop, wenn sie den gleichen Grad haben. Folgerung: [J]I-+ Grad f ergibt eine bijektive Funktion Grad: [SI, SI] -; Z.

Beweis (a) 1st til -+ Ui die Abbildung Wi(t) = pi 1 (w(t)).

6.2 Liften

153

Wir w8.hlen als Ul das Blatt liber Ul , das den vorgegebenen Punkt x liber W(O) enthalt. Dann w8.hlen wir als U2 das Blatt liber U2, das Wl(tl) enthalt, danach als U3 das Blatt liber U3 , das W2(t2) enthalt usw. Die "stlickweisen Liftungen" Wi setzen sich zu einer stetigen Funktion W: [ -+ X zusammen, d.h. wi [ti-l, til Wi, und wegen w(O) x und pOW wist W Lp(w,x) die gesuchte Liftung von w.

=

=

=

=

Zu beweisen bleibt von 6.2.2, dail sich homotope Wege in homotope liften. Dazu zeigen wir mit einem Argument wie eben, dail sich Homotopien liften lassen:

6.2.5 Hilfssatz [st p: X -+ X eine Uberlagerong, so gibt es zu jeder stetigen Abbildung H: [2 -+ X und jedem Punkt x tiber H(O,O) eine stetige Abbildung H: [2 -+ X mit p 0 H = H und H(O,O) = x.

°

Be wei s Es sei = to < ... < tn = 1 eine so feine Zerlegung von [, dail jedes Quadrat Qij [ti-ll til x [tj-ll tjl in [2 unter H in eine gleichmiiJ3ig liberlagerte Umgebung Uij abgeblldet wird. Es sei Pij: Uij -+ Uij der Homoomorphismus Pij = p\Uij, wobei Uij ein noch zu bestimmendes Blatt liber Uij ist, und Hij: Qij -+ X sei die Abblldung Hij(S, t) = pi/ H(s, t). Wir zeigen, dail man die Blatter Uij so wiihlen kann, daB sich die Abblldungen Hij zur gesuchten Abblldung H: [2 -+ X zusammensetzen. Un sei das Blatt, das x enthalt (diese Wahl impliziert H(O, 0) = x). Well Hn(Qu n Q2d zusammenhiingend ist und liber U2l liegt, gibt es ein Blatt U21, das diese Menge enthaltj w8.hlt man dieses Blatt, so ist Hu = H21 auf Qu n Q21. Ent~rechend wiihlt man die U311 ••• , Un1 und erhalt damit die geSuchte Funktion H auf dem Streifen Qu U ., . U Qnl. Beim zweiten Streifen beginnt man analog: U12 ist das Blatt, das Hn(Qn n Q12) enthalt. Der nii.chste Schritt enthalt eine kleine Schwierigkeit. SoIl U22 das Blatt sein, das H12(QI2nQ22) oder H2l (Q21 nQ22) enthalt? Die Losung ist einfach: well beide Blatter den Punkt Hl2 (tlltl) = H21(tlltt) enthalten, sind sie identisch, und wenn man dieses als U22 w8.hlt, so ist H12 = H22 und H2l = H22 auf dem jeweiligen gemeinsamen Definitionsbereich. Jetzt ist klar, wie das Verfahren fortzusetzen ist. 0

=

Zum Abschluf3 des Beweises von 6.2.2 betrachten wir homotope Wege v, w in X und eine Homotopie H: [x I -+ X von v nach w. Sei x ein Punkt liber v(O) = w(O). Wir zeigen, dail die Abblldung H aus 6.2.5 eine Homotopie von Lp(v,x) nach Lp(w,x) ist. Der Weg t 1--+ H(O, t) liegt ganz in der Faser liber v(O) w(O). Well diese Faser diskret ist, muf3 der Weg konstant sein, also ist H(O, t) x fiir alle tEl. Ebenso folgt H(l, t) jj fiir alle tEl und einen festen Punkt jj liber v(l) w(l). Der Weg s 1--+ H(s,O) beginnt bei x und liftet v, ist also Lp(v, x). Ebenso ist s 1--+ H(s,l) der 0 Weg Lp(w,x). Daher ist Heine Homotopie zwischen diesen Wegen.

=

=

=

=

Mit dem damit bewiesenen Hauptlemma der Uberlagerungstheorie konnen wir auch das folgende allgemeine Liftungsproblem lasen. Es sei eine Uberlagerung p: X -+ X und eine stetige Abblldung f: Y -+ X gegeben:

154

6 Uberlagerungen

Liftungsproblem: Gibt es eine stetige Abblldung j: Y -

X mit po j

= f?

6.2.6 Satz (Liftungstheorem) Y sei wegzusammenhiingend und lakal wegzusammenhiingend. Ferner seien Yo E Y, Xo E X und Xo E X Punkte mit f(yo) = Xo und p( xo) = Xo. Dann sind folgende A ussagen iiquivalent:

(a) Es gibt eine stetige Abbildung j: Y -

X mit p 0 j

= fund

j(yo)

= xo.

(b) f#'1rl(Y,YO) C P#'1rl(X,XO)'

Beweis Wenn (a) gilt, ist f# = p#j#, und daraus folgt (b). Gelte umgekehrt (b). Wir definieren j: Y - X wie folgt: zu y E Y wiihlen wir einen Weg w in Y von Yo nach y und setzen iCy) = Lp(f 0 w, xo)(l). Es ist zu zeigen, daJ3 diese Definition unabhangig ist von der Wahl von w. Sei vein zweiter Weg von Yo nach y in Y. Wegen (b) gibt es einen geschlossenen Weg u in X mit Anfangspunkt xo, so daJ3 f#([v . w- 1 ]) = P#([u]) ist. Dann ist f 0 v ::: (p 0 u) . (f 0 w) reI j in X. Aus dem Hauptlemma 6.2.2 folgt Lp(f 0 v, xo) ::: Lp«p 0 u)· (f 0 w),xo) = u· Lp(f 0 w,xo) reI t Insbesondere haben diese Wege gleiche Endpunkte, also Lp(f 0 v,xo)(l) = Lp(f 0 w,xo)(l). Die obige Definition liefert somit eine Funktion j: Y - X mit P 0 j = fund j(yo) = xo· Die Stetigkeit von j ergibt sich wie folgt aus dem lokalen Wegzusammenhang von Y: Sei y E Y fest, und sei fl das Blatt uber einer gleichma£ig uberlagerten Umgebung U von fey), das iCy) enth81t. Es gibt eine wegzusammenhangende Umgebung V von y in Y mit f(V) c U. Sei u ein fester Weg von Yo nach y. Fur z E V konnen wir den Weg w von Yo nach z als w = u . v wiihlen, wobei vein Weg von y nach z in V ist. Dann ist der Endpunkt iCz) des Weges Lp(f 0 w,xo) = Lp«(f 0 u) . (f 0 v),xo) gleich dem Endpunkt des in fl liegenden Weges Lp(f 0 v, j(y)). Es folgt j(z) E fl, also j(V) c fl. Well jede Umgebung von iCy) eine Umgebung der Form fl enth81t, ist somit j bei y stetig. 0 Aufgaben 6.2.Al Sei p: X - X eine Uberlagerung, und seien Xo E X und Xo E X Punkte mit p(xo) = xo. Sei ferner Y ein einfach zusammenhangender und lokal wegzusammenhangender Raum mit Basispunkt Yo E Y. Zeigen Sie: Zu jeder stetigen Abbildung f: Y - X mit f(yo) = Xo gibt es genau eine Liftung j: Y - X mit j(yo) = xo.

6.3 Das Liftungsverhalten einer Uberlagerung

155

6.2.A2 Die Bezeichnungen sind wie eben. Ferner sei der Uberlagerungsraum X von X zusammenziehbar. Zeigen Sie, daB jede stetige Abbildung f: Y -+ X nullhomotop ist. 6.2.A3 Fur n ~ 2 ist [sn, S1] = 0 und [sn, S1 X SI] = O. 6.2.A4 Fiir n ~ 2 ist [pn, SI] = O. 6.2.AS Zeigen Sie, daB 2.2.2 aus dem Liftungstheorem (angewandt auf die Uberlagerung lR -+ SI, t H exp 211"it) folgt.

6.3 Das Liftungsverhalten einer Uberlagerung Die entscheidende Eigenschaft einer Uberlagerung p: X -+ X ist ihr Liftungsverhalten beziiglich der geschlossenen Wege W in X: welche der Liftungen Lp(w,x) von W sind ebenfalls gesch10ssene Wege? Um das zu prazisieren, wahlen wir einen Basispunkt Xo E Xi die Punkte iiber Xo werden mit xo, xh, ... bezeichnet. 6.3.1 Satz und Definition Der von der Projektion p: X -+ X induzierte Homomorphismus p#: 11"1 (X, xo) -+ 11"1 (X, xo) ist injektiv. Die Bildgruppe p# 11"1 (X, xo) c 1I"1(X,XO) besteht aus den Homotopieklassen [w] E 1I"1(X,XO}, fUr die die Liftung Lp(w,xo) ein geschlossener Weg in X ist. Diese Untergruppe P#1I"1(X,XO) von 1I"1(X,XO} heiftt die charakterisierende Untergruppe der Uberlagerung p: X -+ X zum Punkt xo.

Beweis Aus P#([v]) = P#([w]), also pov ~ pow reI i, folgt mit dem Hauptlemma 6.2.2, dail v ~ w reI i, also [v] [w] ist. Daher ist P# injektiv. 1st w Lp(w,xo} geschlossen, so ist [w] = p#([w]), d.h. [w] liegt im BUd von p#. 1st umgekehrt [w] = p#([w]), also W ~ pow rel i, so ist Lp(w,xo} ~ Lp(pow,xo) = w reI i, also ist Lp(w,xo} geschlossen (well w es ist). 0

=

=

Die charakterisierende Untergruppe P#1I"1(X,XO} hangt i.a. vom Punkt Xo abo In Beispiel 6.1.5 (h) enthiilt P#1I"1 (X, xa) die Homotopieklasse des Weges a, aber P#1I"1(X,Xl) und P#1I"1(X,X2) enthalten sie nicht. Allgemein gilt: 6.3.2 Satz (a) 1st w ein Weg in X von Xo nach xh und a = [p 0 w] E 1I"1(X,XO), so ist P#1I"1 (X, xo) = a· p#1I"1(X,xh) . a-I. 1st also X wegzusammenhiingend, so sind je zwei charakterisierende Untergruppen in 11"1 (X, xo) konjugiert. (b) 1st U C 11"1 (X, xo) zu einer charakterisierenden Untergruppe p# 11"1 (X, xo) konjugiert, so ist U selbst eine charakterisierende Untergruppe, also U = P# 11"1 (X, xh) fUr einen Punkt xh tiber Xo.

156

6 Uberlagerungen

Beweis (a) Die Elemente von 1I"1(X,XO) sind die [w]·'Y·[w- 1), wobei 'Y die Gruppe 1I"1(X,X~) durchHiuft. Anwenden von p# gibt die Behauptung. (b) Sei U = a- 1 . P#1I"1(X,XO)' a fiir ein a = [w] E 1I"1(X,XO)' Fur w = Lp(w,xo) und x~ = w(l) ist dann U = P#1I"1(X,X~). 0 Die Relation "Konjugiert-Sein" teilt die samtlichen Untergruppen von 11"1 (X, xo) in Aquivalenzklassen ein. Die samtlichen zu p: X --+ X gehOrenden charakterisierenden Untergruppen bilden nach 6.3.2 eine solche Aquivalenzklasse, also: 6.3.3 Satz und Definition Es sei p: X --+ X eine wegzusammenhiingende Uberlagerung. Dann ist C(X,p) = {P#1I"1(X,XO) I Xo E p-1(xO)} eine Klasse konjugierter Untergruppen von 11"1 (X, xo); sie heiflt die charakterisierende Konjugationsklasse der Uberlagerung p: X --+ X. 0 Wenn man C(X,p) kennt, ubersieht man das Liftungsverhalten der Uberlagerung: ein geschlossener Weg in X (mit Anfangspunkt xo) hat eine geschlossene Liftung, wenn [w] in einer der Gruppen der Klasse C(X,p) liegt; die Liftung Lp(w,xo) ist genau dann geschlossen, wenn [w] in P#1I"1(X,XO) liegt. Wahlt man in X einen anderen Basispunkt Xl, so bildet der zu einem Weg W von Xo nach Xl gehorende Isomorphismus W+: 11"1 (X, Xl) --+ 11"1 (X, Xo) die entsprechenden Konjugationsklassen aufeinander abo Daher kennt man (wenn X wegzusammenhangend ist) auch das Liftungsverhalten alier geschlossenen Wege in X. Wie entscheidend das Liftungsverhalten ist, zeigt der folgende Satz. 6.3.4 Satz (Aquivalenzkriterium) Zwei wegzusammenhiingende Uberlagerungen p: X --+ X und p': X' --+ X des lokal wegzusammenhiingenden Raumes X sind genau dann iiquivalent, wenn sie das gleiche Lijtungsverhalten haben, d.h. wenn die charakterisierenden Konjugationsklassen C(X,p) und C(X',pl) in 1I"1(X,XO) iibereinstimmen. Beweis Klar ist, dafi C(X,p) = C(X',pl) notwendig ist fiir die Aquivalenz. Wir zeigen, dafi es auch hinreichend ist. Sei Xo E p-1(XO) fest. Wegen P#1I"1(X,XO) E C(X',pl) ist P#1I"1(X,XO) = P#1I"1(X',X~) fur ein x~ E p'-1(xO)' Nach dem Liftungstheorem 6.2.6 (mit X sind wegen 6.1.3 (e) auch X und X' lokal wegzusammenhangend) konnen wir die Liftungsprobleme

und

losen, wobei p(xo) = x~ und p'(X~) = Xo gilt. Aus 6.2.4 folgt p' 0 p = id x und po p' = id X" Daher ist p ein fasertreuer Homoomorphismus mit Inversem p'. 0

6.4 Die universelle Uberlagerung

157

Wenn die Uberlagerung p: X -+ X durch C(X,p) bestimmt ist, so muB auch ihre Bliitterzahl aus C(X,p) berechenbar sein. In der Tat gilt:

6.3.5 Satz Die Bliitterzahl der wegzusammenhiingenden Uberlagerung p: X -+ X ist der Index der charakterisierenden Untergruppe P# 71"1 (X, xo) in der Gruppe 7I"l(X,XO); wegen 6.3.2 ist dieser Index von Xo E p-1(xO) unabhiingig. Be wei s Es seien xo, Xl, ... siimtliche Punkte iiber xo (ihre Anzahl ist die Bliitterzahl), und fiir i = 0,1, ... sei Wi ein Weg in X von Xo nach Xi. Dann ist ai = (POWi] E 7I"l(X,XO), und die Mengen P#7I"1(X,xo)ao, P#7I"1(X,xo)a1, ... in 7I"l(XO,XO) sind genau die paarweise verschiedenen Rechtsrestklassen von P# 71"1 (X, xo) in 71"1 (X, xo). N ach Definition ist deren Anzahl der Index. 0

Aufgaben 6.S.At (a) Fiir Pn: 8 1 -+ 8 1 aus 6.1.5 (f) besteht C(8 1 ,Pn) aus der von (1n erzeugten Untergruppe von 71"1 (8 1,1), wobei (1 die Standarderzeugende von 71"1 (8 1,1) ist. (b) Seip: X -+ X die Uberlagerung aus 6.1.5 (h). Berechnen Sie 71"1 (X, Xi) fiiri = 1,2,3 (vgl. Abb. 6.1.4), indem Sie einen maximalen Baum in X wiihlen, und bestimmen Sie damit die Konjugationsklasse C(X, p). 6.S.A2 Betrachten Sie die Uberlagerung p: X -+ 8 1 y 8 1 aus 6.l.A4. Berechnen Sie 71"1 (X, 0) mit 5.5.14 und bestimmen Sie die Untergruppe P#7I"1 (X, 0) in 71"1 (8 1 y 8 1 , xo). 6.S.AS Sei X = ]R X Z u Z X ]R C ]R2 und X = 8 1 V 8 1 C 8 1 X 8 1. Sei p: X -+ X die Abbildung (t,n) ~ (exp 271"it,1) und (n,t) ~ (l,exp 271"it), wobei t E]R und n E Z. Zeigen Sie: (a) p: X -+ X ist eine unendlich-bliittrige Uberlagerung (vgl. Abb. 6.1.3). (b) 71"1 (X, 0) ist eine freie Gruppe von unendlichem Rang (vgl. 5.5.A6). (c) P#7I"1 (X, 0) ist die Kommutatoruntergruppe von 71"1 (X, xo) = (a, bl-). (d) Diese Kommutatoruntergruppe ist eine freie Gruppe von unendlichem Rang (!). Zu jeder natiirlichen Zahl n ~ 1 gibt es eine Untergruppe von (a, bl- ), die eine freie Gruppe vom Rang n ist (!). Vgl. hierzu 6.9.3 (a).

6.4 Die universelle Uberlagerung 6.4.1 Definition Eine wegzusammenhiingende Uberlagerung p: X -+ X heiBt universell, wenn eine der folgenden iiquivalenten Bedingungen erfiillt ist: (a)

X ist einfach zusammenhiingend.

158

6 Uberlagerungen

(b) Die Konjugationsklasse C( X, p) besteht aus der Untergruppe {I} C 71"1 (X, xo). (c) Ein geschlossener Weg w in X mit Anfangs- und Endpunkt Xo liftet sich niemals in einen geschlossenen Weg in X - es sei denn, wist nulihomotop. Dabei ist Xo E X fest; wenn (b) und (c) fUr Xo gelten, so auch fUr jeden anderen Punkt in X. Wenn X lokal wegzusammenhiingend ist" sind je zwei universelle Ub~~lagerungen von X nach 6.3.4 aquivalent. Wir sprechen daher von der universellen Uberlagerung von X (wenn sie existiert); ihre BHitterzahl ist nach 6.3.5 die Ordnung der Gruppe 7I"l(X,XO). Die Bezeichnung "universell" wird in 6.6.2 klar werden. 6.4.2 Beispiele Der universelle Uberlagerungsraum von Sl bzw. Sl X Sl ist sn nach 5.1.9 (b) einfach zusammenhangend, und daher ist die Uberlagerung sn - t pn universell (Beispiel 6.1.5 (g)). In den Beispielen 6.1.8 sind die Uberlagerungen (a), (b), (c) und (e) universell. ~ bzw. ~2 (Beispiele 6.1.5 (c), (d)). Fiir n ~ 2 ist

DaB die Uberlagerungstheorie in anderen Gebieten der Mathematik so erfolgreich angewandt werden kann, liegt daran, daB die meisten interessanten topologischen Raume eine universelle Uberlagerung besitzen. 6.4.3 Definition (a) X heiBt semi-lokal-einfach-zusammenhiingend, wenn zu jedem x E X eine Umgebung U existiert, so daB jeder geschlossene Weg in U nullhomotop in X ist. (b) X heiBt hinreichend zusammenhiingend, wenn X wegzusammenhiingend, lokal wegzusammenhiingend und semi-lokal-einfach-zusammenhiingend ist.

Das Wortungetiim in (a) beschreibt genau den angegebenen Sachverhalt. Die Bezeichnung "hinreichend zusammenhiingend" wahlen wir, weil die in (b) genannten Zusammenhangseigenschaften hinreichend sind, um fUr die Uberlagerungen iiber X eine befriedigende Theorie zu erhalten. Wenn ein Raum X eine universelle Uberlagerung p: X - t X besitzt, so hat jede beziiglich p gleichmaBig iiberlagerte Umgebung U in X die Eigenschaft in 6.4.3 (a); insbesondere ist also X semi-lokaleinfach-zusammenhiingend. Umgekehrt gilt: 6.4.4 Satz Jeder hinreichend zusammenhiingende Raum X besitzt eine universelle Uberlagerung p: X - t X.

B ewe i s Wir skizzieren zuerst die Beweisidee und nehmen an, daB p: X - t X eine universelle Uberlagerung ist. Wir iiberdecken X durch ein System {Ujlj E J} gleichmaBig iiberlagerter Umgebungen. Jedes Urbild p-l(Uj ) besteht aus so vielen zu Uj homoomorphen Teilen, wie 7I"l(X,XO) Elemente hat. Kurz: p-l(Uj ) ist homoomorph zu Uj x 7I"l(X,XO), wobei 7I"l(X,XO) die diskrete Topologie hat. Es sei T die topologische Summe alier Uj x 7I"l(X,XO) mit j E J. Die Homoomorphismen Uj x 7I"l(X,XO) - t p-l(Uj) setzen sich zu einer identifizierenden Abbildung T - t X

6.4 Die universelle Uberlagerung

159

zusammen, d.h. der universelle Uberlagerungsraum X entsteht aus der topologischen Summe T der "BHitter" Uj x a (mit a E 7r1(X,XO) und j E J), indem man diese Blatter geeignet verklebt. Dieses Programm zur Konstruktion von X, also zum Beweis von 6.4.4, fiihren wir im folgenden in vier Schritten durch. Schritt 1: Wir wahlen eine Uberdeckung von X durch nichtleere, offene, wegzusammenhangende Teilmengen Uj C X (j aus einer geeigneten Indexmenge J), so daB gilt:

(A) Jeder in Uj liegende geschlossene Weg ist nullhomotop in X. Zujedem j E J wahlen wir ferner einen festen Weg Vj in X, so daB Vj(O) = Xo der Basispunkt in X und vj(1) E Uj istj dabei soll gelten: (B) Fur jeden Index j mit Xo E Uj ist Vj der konstante Weg bei Xo. Fiir x E Ui n Uj sei gij(X) = [ViWiWj1vj1] E 7r1(X,XO), wobei Wi bzw. Wj ein Weg in Ui bzw. Uj von vi(1) bzw. vj(1) nach x ist. Wegen (A) ist gij(X) unabhangig von der Wahl dieser Wege. Ferner gilt offenbar: (C) Fur x E Ui ist gii(X) = 1. Fur x E Ui n Uj ist 9ij(X) = gji(X)-l. Fur x E Ui n Uj n Uk ist'gij(X)gjk(X) = gik(X). (D) 1st We Ui n Uj und W wegzusammenhiingend, so ist gij(Y) = gij(X) fUr aile x,yEW. Schritt 2: 1m Produktraum X x 7r1(X,XO) x J, wobei 7r1(X,XO) und J die diskrete Topologie haben, betrachten wir den Teilraum Taller Tripel (x, a, j) mit x E Uj j er ist die disjunkte Vereinigung der offenen Teilraume Uj x a xj. Zwei Punkte (x, a,j) und (y, {3, i) von T heiflen aquivalent, wenn x = y und {3 = 9ij(x)a istj wegen (C) ist das eine Aquivalenzrelation. Sei X der entsprechende Quotientenraum und s: T - X die identifizierende Abbildung. (E) 1st V C Uj offen in X, so ist s(V x a x j) offen in

X fUr aile a.

Zu zeigen ist, daB 8- 18(V x a x j) n (Ui x {3 x i) offen ist in T fiir alle {3 und i. Dieser Durchschnitt besteht aus allen Punkten (y, {3, i) mit y E VnUi und {3 = gij(y)a. 1st W C V n Ui eine wegzusammenhangende Umgebung von y in X, so liegt W x {3 x i wegen (D) auch in dem Durchschnitt und somit ist er offen. Schritt 3: 1st pr1: T - X die Projektion (x, a, j) 1-+ x, so ist p = pr1 08- 1 : X - X eindeutig und daher nach 1.2.6 stetig. Wegen (E) ist Uj,a = 8(Uj x a x j) offen in X, und wegen gjj(x) = 1 ist Uj,a n Uj ,{3 = 0 fiir a oF {3. Ferner ist klar, daB p-1(Uj ) die Vereinigung der Uj,a mit a E 7r1(X,XO) ist. Fiir festes j und a ist qj: Uj - Uj,a, X 1-+ sex, a,j), eine stetige, bijektive und offene Abbildung (letzteres wegen (E)), also ein Homoomorphismus. Weil pIUj,a: Uj,a - Uj zu qj invers ist,' ist plUj,a ein Homoomorphismus, d.h. p: X - X ist eine Uberlagerung. Zu zeigen bleibt, dafl X wegzusammenhangend und einfach zusammenhangend ist. Schritt 4: Sei w: (I,i) - (X,xo) ein Weg in X, und sei s(xo,a,j) ein fester Punkt iiber Xo (insbesondere gilt also Xo E Uj ). Wir zeigen gleich:

160

6 Uberlagerungen

(F) Die Liftung von w mit Anfang s(xo,a,j) hat den Endpunkt s(xo, [WJ-l a ,j). Daher kann man je zwei Punkte s(xo,a,j) und s(xo,/3,j) durch einen Weg verbinden (man braucht nur w E a(3-1 zu wahlen), und daraus folgt, da£ X wegzusammenhiingend ist. Ferner hat w genau dann eine geschlossene Liftung, wenn a = [w1- l a ist fUr ein a (man beachte gjj(xo) = 1), d.h. wenn [w1 = 1 ist. Also lift en sich ~~r nulihomotope Wege in geschlossene Wege, d.h. p: X --+ X ist die universelle Uberlagerung. Mit (F) ist also Satz 6.4.4 bewiesen. Beweis von (F): Es gibt 0 = to < ... < tn = 1 und Mengen Ul, ... , Un in der in Schritt 1 gewahlten Uberdeckung von X, so da£ Ul = Uj die Menge oben ist, und w([ti-l, til) c Ui gilt fiir i = 1, ... , n. Sei Xi = W(ti), und sei w: I --+ X definiert w(t)

= s(w(t),a,l) fUr to

~

t ~ tl ,

w(t) = s(W(t),921(xl)a,2) fiir tl ~ t ~ t2, w(t) = s(W(t),g32(X2)921(xda,3) fiir t2 ~ t ~ t3,

Das ist eine stetige Funktion mit pow = w und w(O) = s(xo, a, 1), d.h. es ist die gesuchte Liftung von w. Aus der Definition der gij folgt mit (A) und (B), da£ gn,n-l(X n -l)· ... · g21(Xl) = [w1- l ist. Also ist w(l) = s(xo,[w1- l a,n) = s(xo, [wJ-l a , 1), letzteres wegen gln(XO) = 1. Damit ist (F) bewiesen. 0 6.4.5 Beispiele (a) X sei ein wegzusammenhiingender Raum, so da£ jeder Punkt von X eine zusammenziehbare Umgebung besitzt. Dann ist X hinreichend zusammenhiingend. Insbesondere: Polyeder, CW-Riiume und topologische Mannigfaltigkeiten besitzen einen universellen Uberlagerungsraum. (b) Der Raum in Abb. 1.3.2 ist nicht hinreichend zusammenhiingend und besitzt keine universelle Uberlagerung. (c) Sei F eine von 8 2 und p 2 verschiedene geschlossene FUiche. Dann ist 1Tl(F) eine unendliche Gruppe, und daher ist die universelle Uberlagerung p: F --+ F unendlich-bliittrig. Der Uberlagerungsraum Fist zu 1R2 homoomorph, vgl. z.B. [Stillwell, 1.4], [ZVC, 4.11.

(d) Der universelle Uberlagerungsraum von 8 1 V 8 1 ist ein unendlicher Graph, von dem man eine schOne Skizze in [Stillwell, S. 90] oder an der Wand des Seminarraumes NA 4/24 der Ruhr-Universitiit Bochum findet. Aufgaben 6.4.AI 1m Produktraum D2 X {I, ... ,n} identifiziere man (x,i) = (x,j) fiir aile E 8 1 und 1 ~ i,j ~ n (dabei hat {I, ... ,n} die diskrete Topologie). Zeigen Sie,

X

6.5 Deckbewegungen

161

dafi der entstehende Quotientenraum Y der universelle Uberlagerungsraum des Raumes Sl Un e 2 aus 1.6.10 ist. Geben Sie die Uberlagerungsabbildung an. 6.4.A2 Wie sehen die universellen Uberlagerungsraume folgender Riiume aus: Sl X S2,

Sl V S2, sn V pn(n

~ 2)?

6.4.A3 Es sei f: X ~ Y eine Homotopieaquivalenz zwischen hinreichend zusammenhangenden Mumen X und Y. Zeigen Sie, dafi es eine Abbildung j: X ~ Y mit q 0 j = fop gibt (wobei p: X ~ X, q: Y ~ Y die universellen Uberlagerungen sind) und dafi j eine Homotopieaquivalenz ist.

6.5 Deckbewegungen 6.5.1 Definition Eine Deck~ew~gung _einer Uberlagerun9. p: X ~ 4 ist ein fasertreuer Homoomorphismus f: X -+ X. Es gilt also p 0 f = p, und f bildet jede Faser p-1(X) bijektiv auf sich selbst abo Die samtlichen Deckbewegungen bilden beziiglich der Hintereinanderschaltung von Abbildungen eine Gruppe, die Deckbewegungsgruppe V = V(X,p) der Uberlagerung. 6.5.2 Beispiele (a) Bei p: ~ ~ S1, vgl. 6.1.5 (c), sind die Deckbewegungen die ganzzahligen Translationen ~ ~ ~, X 1--+ X + n mit nEZ, und es ist V ~ Z. (b) Bei p x p: ]R2 ~ Sl X S1, vgl. 6.1.5 (d), sind die Deckbewegungen die Translationen ]R2 ~ ~2, (x, y) 1--+ (x + m, y + n) mit m, nEZ, und es ist V ~ ZED Z. (c) Bei Pn: Sl ~ Sl, vgl. 6.1.5 (f), sind die Deckbewegungen die Drehungen Sl ~ Sl um ein Vielfaches des Winkels 211" In, und es ist V ~ Zn. (d) Bei p: sn -+ pn, vgl. 6.1.5 (g), gibt es nur zwei Deckbewegungen: die Identitat sn ~ sn und die Diametralpunktvertauschung sn ~ sn. Es ist V ~ Z2' (e) In Beispiel 6.1.5 (h) ist id x die einzige Deckbewegung und somit V = {1}. (f) Operiert die Gruppe G eigentlich diskontinuierlich auf dem zusammenhiingenden Raum Y, so stimmt die Deckbewegungsgruppe V der Uberlagerung p: Y -+ Y I G aus ~.1. 7 mit G iiberein. Das folgt so: Jedes g E Gist eine Deckbewegung g: Y ~ Y. Sei f: Y -+ Y eine beliebige Deckbewegung. Sei y E Y fest. Wegen p(y) = pf(y) gibt es ein g E G mit g(y) = iCy). Die Abbildungen g,j: Y ~ Y sind dann nach 6.2.4 identisch. Also ist j = g E G. 6.5.3 Satz Die Deckbewegungsgruppe V = V(X,p) einer wegzusammenhiingenden i!berlagerung p: X -+ X operiert eigentlich diskontinuierlich auf dem Totalraum X. Insbesondere hat eine von der Identitiit verschiedene Deckbewegung keinen Fixpunkt, und zwei Deckbewegungen, die an einem Punkt iibereinstimmen, sind identisch.

162

6 Uberlagerungen

Beweis Fiir X E X s~i U das Blatt iiber einer gleichmafiig_iiberlager1i.,en U_m.e;ebung U von p(x) mit x E U. Es geniigt zu zeigen: fiir id x -# f E V ist Un f(U) = 0. Wenn letzteres falsch ist, gibt es y E U mit j(y) E U. Wegen pj(y) = p(y), und weil plU injektiv ist, folgt j(y) = y. Wegen 6.2.4 ist dann aber j = id x . 0 Aquivalente Uberlagerungen haben isomorphe Deckbewegungsgruppen. Weil eine Uberlagerung p: X - X bis auf Aquivalenz durch ihre charakterisierende Konjugationsklasse C(X,p) bestimmt ist, mufi es moglich sein, V(X,p) aus C(X,p) zu berechnen. Dazu brauchen wir: 6.5.4 Definition Sei G eine Gruppe und U C G eine Untergruppe. Der Normalisator Na(U) von U in Gist die Untergruppe von G, die aus allen Elementen 9 E G mit g-lU 9 = U besteht. 1st p: X - X eine Uberlagerung und Xo E X ein Punkt iiber Xo E X, so bezeichnen wir mit Np#7rl(X,XO) den Normalisator der Untergruppe P#7rl(X,XO) in 7rl(X,XO). Es ist U C Na(U), und U ist Normalteiler in Na(U). Der Normalisator von U ist die grofite Untergruppe von G, in der U als Normalteiler enthalten ist. Wenn U selbst Normalteiler in Gist (wenn also z.B. G abelsch ist), ist Na(U) = G. 6.5.5 Satz Es sei p: X - X eine wegzusammenhiingende Uberlagerung mit lokal wegzusammenhiingendem Basisraum, und es sei Xo E X ein Punkt uber Xo EX. Dann gibt es zu jedem a = [w] E N P# 7rl (X, xo) genau eine Deckbewegung r(a): X - X, die Xo nach Lp(w, xo)(l) abbildet. Die so definierte Funktion r: Np#7rl(X,XO) - V(X,p) ist ein surjektiver Homomorphismus mit Kern r = P# 7rl (X, xo), und sie induziert folglich einen (wieder mit r bezeichneten) Gruppenisomorphismus r: Np#7rl(X,XO)/P#7rl(X,XO) - V(X,p). Damit ist die obige A ufgabe gelost: V( X, p) ist isomorph zur Faktorgruppe NU / U, wobei U C 7rl (X, xo) eine zur Klasse C( X, p) gehorende Untergruppe ist. Beweis Es sei x~ = Lp(w,xo)(l). Weil a = [w] im Normalisator liegt, erhalten wir p#7rl(X,XO) = a-1p#7rl(X,xo)a = P#7rl(X,X~) aus 6.3.2 (a). Daher konnen wir mit dem Liftungstheorem 6.2.6 das Liftungsproblem

mit j(xo) = x~ losen (mit X ist wegen 6.1.3 (e) auch X loka! zusammenhangend). Wie im Beweis von 6.3.4 folgt, dafi j ein Homoomorphismus, also eine Deckbewegung ist. Wegen 6.5.3 ist j eindeutig bestimmt, und wegen 6.2.2 hangt j nur von

6.5 Deckbewegungen

163

der Homotopieklasse a = [w] ab. Wir schreiben j = r(a) und haben damit die Funktion r definiert. Sei auch [v] E NP#'Tr1CX,XO) und r([v]) = g. Dann gilt:

Lp(v, w,xo)(l) = (Lp(v,xo)' Lp(w,g(xo)))(l) nach 6.2.3 (d) = Lp(w,g(xo))(l) = gLp(w,xo)(l) = gj(xo).

=

=

Daher stimmen die Deckbewegungen r([v . w]) r([v][w]) und gj r([v])r([w]) bei Xo iiberein, sind also nach 6.5.3 identisch. Folglich ist rein Homomorphismus. Die Aussage iiber Kern r folgt unmittelbar aus 6.3.1 und 6.5.3. Zu zeigen bleibt, daB r surjektiv ist. Sei j E 'D(X,p) beliebig. Sei w ein Weg von Xo nach j(xo), und sei a = [p 0 w1 E 11'1 (X, xo). Aus 6.3.2 (a) folgt

Daher liegt aim Normalisator von P#'Tr1(X,XO), und aus der Definition von r und 6.5.3 ergibt sich r(a) = j. D Im Fall der universellen Uberlagerung ist 6.5.5 sehr einfach:

6.5.6 Korollar Es sei p: X -+ X die universelle Uberlagerung des lokal wegzusammenhiingenden Raumes X und Xo E X ein Punkt iiber Xo EX. Dann gibt es zu jedem a = [w] E 1I'1(X,XO) genau eine Deckbewegung r(a): X -+ X, die Xo nach Lp(w,xo)(l) abbildet. Die so definierte Funktion r: 1I'1(X,XO) -+ 'D(X,p) ist ein Gruppenisomorphismus. D DaB die Deckbewegungsgruppe der universellen Uberlagerung isomorph ist zur Fundamentalgruppe des Basisraumes, kann man bisweilen benutzen, urn Fundamentalgruppen zu berechnen.

6.5.7 Beispiele

(a) Aus der universellen Uberlagerung ~ -+ Sl bzw. sn -+ pn erhiilt man wieder ~ Z bzw. 1I'1(pn) ~ Z2 fiir n ~ 2. (b) Die Gruppe G operiere eigentlich diskontinuierlich auf dem einfach zusammenhangenden Raum Y. Dann ist Y -+ Y/G eine universelle Uberlagerung, und aus 6.5.2 (f) folgt 1I'1(Y/G) ~ G. Fiir den Linsenraum L = L 2 k-1(P;Q1, ... ,qr) in 6.1.8 (e) ist daher 1I'1(L) ~ Zp.

1I'1(Sl)

Zum SchluB dieses Abschnitts besprechen wir kurz eine wichtige spezielle Klasse von Uberlagerungen:

6.5.8 Definition Eine wegzusammenhiingende Uberlagerung p: X -+ X heiBt regular, wenn eine der folgenden aquivalenten Bedingungen erfiillt ist: (a) Fiir alle Punkte xo,x~ iiber Xo ist P#'Tr1(X,XO) = P#'Tr1(X,X~), d.h. die Konjugationsklasse C(X, p) besteht aus genau einer Untergruppe von 11'1 (X, xo).

164

6 Uberlagerungen

(b) Fiir jeden Punkt Xo iiber Xo ist P#1l"l(X,XO) ein Normalteiler in 1l"l(X,XO). (c) Wenn ein beliebiger geschlossener Weg in X mit Anfangs- und Endpunkt Xo eine geschlossene Liftung hat, so sind alle seine Liftungen geschlossen. Wenn diese Bedingungen fUr einen Punkt Xo E X gelten, so gelten sie fiir alle Punkte von X. Wenn X lokal wegzusammenhangend ist, sind diese Bedingungen auch zu der folgenden aquivalent: (d) Zu je zwei Punkten xo, x~ iiber Xo gibt es eine Deckbewegung 1mit l(xo)

= x~.

Regular sind: alle universellen Uberlagerungenj alle Uberlagerungen von X, wenn abelsch istj alle zweiblattrigen Uberlagerungen (nach 6.3.5, weil Untergruppen vom Index 2 stets Normalteiler sind). In den Beispielen 6.1.5 ist (h) die einzige nicht-regulare Uberlagerung.

1l"1 (X)

6.5.9 Satz Wenn in 6.5.5 die Uberlagerung regular ist, erhalt man einen Grup-

penisomoryhismus

r:

1l"l(X,XO)/p#1l"l(X,XO)

-+

V(X,p).

0

Aufgaben 6.S.A! Beweisen Sie die Details in den Beispielen 6.5.2.

6.S.A2 Sei p: X -+ X eine n-blattrige Uberlagerung, und seien Xl, ... , Xn die Punkte iiber Xo EX. Zeigen Sie, daB folgende Aussagen aquivalent sind: (a) Es gibt eine Deckbewegung von X mit Xl H- X2 H- ••• H- Xn H- Xl. (b) P#1l"l(X, xo) ist Normalteiler in 1l"1 (X, xo) und 1l"1 (X, xO)/P#1l"l (X, xo) ist zyklisch.

6.6 Klassifikation von Uberlagerungen durch U ntergruppen der Fundamentalgruppe Das Klassifikationsproblem fiir Uberlagerungen, also das Problem, zu einem gegebenen Raum X bis auf Aquivalenz alle Uberlagerungen p: X -+ X zu bestimmen, haben wir mit dem Aquivalenzkriterium 6.3.4 schon zur Hiilfte gelost: es gibt hOchstens so viele Uberlagerungen von X, wie es in 1l"l(X,XO) Konjugationsklassen von Untergruppen gibt. Jetzt konnen wir beweisen, dafi es genausoviele Uberlagerungen gibt. 6.6.1 Satz Sei X ein hinreichend zusammenhangender Raum mit Basispunkt Xo.

Dann gibt es zu jeder Untergruppe H C 1l"1 (X, xo) eine wegzusammenhiingende Uberlagerung p: X -+ X und einen Punkt xo uber Xo mit P# 1l"1 (X, xo) = H.

6.6 Klassifikation von Uberlagerungen durch ...

165

Beweis Sei q: X -+ X die universelle Uberlagerung (sie existiert nach 6.4.4), und sei Xo E q-1(xO). Sei r: 11"1 (X, xo) -+ V(X, q) der Isomorphismus aus 6.5.6. Dann ist G = r(H) c V(X,q) eine Untergruppe, also eine Gruppe von Homoomorphismen von X. Der Orbitraum X = X/G ist wegzusammenhangend (weil X es ist), und die Abbildung p: X -+ X, definiert durch p«(x}) = q(x), ist stetig. Wir zeigen, dafi peine Uberlagerung ist. Sei s: X -+ X die Projektion. Fiir x E X sei U eine beziiglich q gleichm8J3ig iiberlagerte Umgebung von x. Wir nennen zwei Blatter U und U' iiber U aquivalent, wenn es ein 9 E G mit U' = gU gibt. Das ist eine Aquivalenzrelation. Wir wiihlen in jeder Aquivalenzklasse ein festes Blatt aus und erhalten so endlich oder unendlich viele Blatter Uj iiber U. Dann ist p-1U die Vereinigung der offenen, paarweise disjunkten Mengen s(Uj), und jede von diesen wird unter p homoomorph abgebildet. Also ist peine Uberlagerung. Sei xo = s(xo) EX. Fiir a = [w] E 1I"1(X,XO) ist der Weg Lp(w,xo) = soLq(w,xo) genau dann geschlossen, wenn der Anfangspunkt xo und der Endpunkt r(a)(xo) von Lq(w,xo) dasselbe Bild unter s haben, d.h. wenn r(a)(xo) = g(xo) ist fiir ein 9 E G. Das bedeutet rea) E G = r(H), also a E H. Daher ist P#1I"1(.X,XO) = H.

o

Die Projektion s: X -+ X in diesem Beweis ist nach 6.5.3 und 6.1.7 eine Uberlagerung. Daher erhalten wir aus 6.6.1 und 6.3.4: 6.6.2 Satz Die universelle Uberlagerung eines hinreichend zusammenhiingenden Raumes X uberlagert jede wegzusammenhiingende Uberlagerung von X. 0

Aus dem Aquivalenzkriterium 6.3.4 und 6.6.1 ergibt sich folgende Losung fiir das Klassifikationsproblem fiir Uberlagerungen: 6.6.3 Klassifikationssatz fiir Uberlagerungen X sei ein hinreichend zusammenhiingender Raum mit Basispunkt Xo EX. Ordnet man jeder wegzusammenhiiTIjJenden Uberlagerung p: X -+ X ihre charakterisierende Kl?njugationsklasse C(X,p) zu, so erhiilt man eine Bijektion zwischen der Menge der Aquivalenzklassen der wegzusammenhiingenden Uberlagerungen von X und der Menge der Konjuga0 tionsklassen von Untergruppen von 1I"1(X,XO). 6.6.4 Beispiele (a) Fiir einfach zusammenhangende Raume X ist die Uberlagerungstheorie trivial. Die einzige Uberlagerung (bis auf Aquivalenz) ist idx: X -+ X. (b) Es gibt bis auf Aquivalenz genausoviele reguliire Uberlagerungen von X wie Normalteiler in 1I"1(X). (c) Die Untergruppen von 11"1(81 ) ~ Z sind die nZ, wobei n ~ 0 eine ganze Zahl ist. Die zugehorigen Uberlagerungen sind p: IR -+ 8 1 fiir n = 0 und Pn: 8 1 -+ 8 1 fiir n ~ 1, vgl. (c) und (f) aus 6.1.5. Andere Uberlagerungen von 8 1 gibt es nicht.

166

6 Uberlagerungen

(d) Ein Raum X mit 1I"1(X) !:::! 2: 2 , wie etwa pn fUr n ~ 2, besitzt genau zwei Uberlagerungen, die universelle und die Identitat X -+ X.

Aufgaben 6.6.AI Klassifizieren Sie samtliche Uberlagerungen von 8 1 X 8 1 , 8 1 X 8 2 , 8 1 V 8 2 und L(p, q) bis auf Aquivalenz. 6.6.A2 Will man mit dem Klassifika.tionssatz 6.6.3 die Uberlagerungen der Brezelfl8.che bestimmen, so muB man die Untergruppen von (aI, bl! a2, b2 I a1b1al1bl1a2b2a;lb;1) nach Konjugation kIassifizieren. Versuchen sie das fiir die Untergruppen vom Index 2, und machen Sie sich kIar, daB man fUr Untergruppen von groBerem Index auf groBe kombinatorisch-gruppentheoretische Schwierigkeiten stoBt.

6.7 Klassiflkation von Uberlagerungen durch Darstellungen der Fundamentalgruppe Das Klassifikationsproblem fUr Uberlagerungen ist durch 6.6.3 nur insofern gelost, als es auf ein gruppentheoretisches Problem zuriickgefiihtt ist: man muf3 alle Untergruppen einer gegebenen Gruppe bestimmen und diese in Konjugationsklassen eintellen. Dieses Problem ist, wenn uberhaupt, i.a. nicht leicht zu losen. Wie findet man z.B. die Untergruppen vom Index 3 in der Gruppe (a, b I a2 b2 ) und deren Konjugationsklassen (also die 3-blattrigen Uberlagerungen der Kleinschen Flasche)? Wir geben jetzt eine zweite Losung des Klassifikationsproblems fUr Uberlagerungen, die einfacher anzuwenden ist. Dabei beschriinken wir uns auf endlich-blattrige Uberlagerungen.

6.7.1 Definitionen (a) 811. ist die symmetrische Gruppe der Ordnung nt, also die Gruppe aller Permutationen der Menge {l, ... ,n}. Fur O',r E 811. ist das Produkt O'r E 811. die durch (O'r)(i) = O'(r(i» definierte Permutation (1 ~ i ~ n). (b) Sei G eine Gruppe. Ein Homomorphismus /: G -+ 811. heif3t transitiv, wenn es zu i,j E {1, ... ,n} ein 9 E G gibt mit /(g)(i) = j. Zwei Homomorphismen /,/': G -+ 811. heif3en iiquivalent, wenn es ein 0' E 811. gibt mit /,(g) = O'/(g)O'-l fur alle 9 E G. Die Aquivalenzklasse von / wird mit (f) bezeichnet. (G,8n ) ist die Menge aller Klassen (f), fUr die /: G -+ 811. transitiv ist. (c) Sei p: X -+ X eine n-blattrige Uberlagerung. Wir w8.hlen eine feste Numerierung Xl! ... , xn der Punkte uber Xo E X. Jedem a = [w] E 11"1 (X, xo) ordnen wir eine Permutation a E 811. wie folgt zu: Fur 1 ~ i ~ n sei a(i) = j, falls Lp(w,xj)(l) = Xi ist. Well die Liftung von Wegen eindeutig ist, ist a eine injektive

6.7 Klassifikation von Uberlagerungen durch ...

167

Funktion von {I, ... ,n} in sich selbst, also eine Permutation. Aus 6.2.3 (d) folgt, da.f3 die Zuordnung a 1-+ a ein Homomorphismus I: 7I"l(X,XO) --+ Sft ist. Wenn X wegzusammenhiingend ist, ist I transitiv. Die Aquivalenzklasse von I ist von der Numerierung der Punkte iiber Xo unabhiingig, ist also durch p: X --+ X eindeutig bestimmtj sie sei mit (f) = S(X,p) E (7I"1(X,XO),Sft) bezeichnet. Jeden Homomorphismus I: 7I"l(X,XO) --+ Sft aus der Klasse S(X,p) nennt man auch einen charakterisierenden Homomorphismus der Uberlagerung p: X --+ X.

6.7.2 Klassifikationssatz fiir n-blattrige Uberlagerungen X sei ein hinreichend zusammenhiingender Raum mit Basispunkt Xo EX. Dann gilt: (a) Zwei n-bliittrige, wegzusammenhiingende Uberlagerungen p: X --+ X, pi: X'--+ X sind genau dann iiquivalent, wenn S(X,p) = S(X',p') ist. (b) Zu jedem Element a E (7I"1(X,XO),Sft) gibt es eine n-bliittrige wegzusammenhiingende Uberlagerung p: X --+ X mit S(X,p) = a. K u r z: Es gibt genausoviele n-bliittrige Uberlagerungen von X, wie die Menge

(7I"1(X,XO),Sft) Elemente hat.

Be wei s (a) Es seien Xl, ... , Xft bzw. xL ... x~ die fest numerierten Punkte in p-1(xO) bzw. p'-l(xo) und 1,1': 7I"l(X,XO) --+ Sft die entsprechenden Homomorphismen. 1st h: X --+ X' ein fasertreuer Homoomorphismus, so kann man die Numerierung so wahlen, da.f3 h(Xi) = x~ ist fiir i = 1, ... ,n. Dann ist I = 1', also S(X,p) = S(X',p'). Umgekehrt: 1st S(X,p) = S(X',p'), so kann man die Numerierung so wahlen, daB I = I' ist. Wegen P#7I"1(X,Xi) = {a E 7I"l(X,XO) I I(a)(i) = i}, und well dasselbe fiir p',x~,1' gilt, ist P#7I"1(X,Xi) = p#7I"1(X',xD fiir alIe i. Aus dem Aquivalenzkriterium 6.3.4 folgt, da.f3 die Uberlagerungen aquivalent sind. (b) Sei r.p: 71"1 (X, xo) --+ Sft ein transitiver Homomorphismus. Dann ist die Menge H = {a E 7I"l(X,XO) I r.p(a)(I) = I} eine Untergruppe von 7I"l(X,XO) vom Index n. Die n Restklassen von H sind die Mengen aiH, wobei ai = [Wi] E 7I"l(X,Xo) ein festes Element mit r.p(ad(l) = i ist. Nach 6.6.1 gibt es eine wegzusammenhiingende Uberlagerung p: X --+ X und einen Punkt Xl iiber Xo mit H = P#7I"1(X,Xt}, und nach 6.3.5 ist diese Uberlagerung n-blli.ttrig. Wir numerieren die Punkte iiber Xo durch die Vorschrift Xj = Lp (w;l,xt}(I). Es ist klar, da.f3 Xi i Xj ist fiir i i j. Sei I: 7I"l(X,XO) --+ Sft der zu dieser Numerierung gehorende charakterisierende Homomorphismus. Dann gelten auch fiir I die Gleichungen l(a)(I) = 1 fiir a E H und I( ai)(I) = i fiir i = 1, ... ,n. Seien (3 E 71"1 (X, XO) und i E {I, ... ,n} beliebig. Es ist (3ai E ajH fiir ein i, daher 1«(3)(i) = 1«(3ai)(I) = l(aj)(I) = j und genauso r.p«(3)(i) = r.p«(3ai)(I) = r.p(aj)(I) = j, folglich 1= r.p. 0 Mit 6.7.2 erhli.lt man einen Algorithmus zur Bestimmung alIer n-blli.ttrigen Uberlagerungen von X: Man sucht eine Beschreibung 7I"l(X) = (81,82, ... I r1,r2, ... ).

168

6 Uberlagerungen

Dann ordnet man den Erzeugenden Xi beliebige Elemente J(Xi) E Sn zu (Sn hat nur endlich viele Elemente) und priift nach, ob in Sn die Gleichungen J(ri) = 1 gelten. Wennja, hat man einen Homomorphismus J: 1r'1(X,XO) -+ Sn. Man priift nach, ob er transitiv ist. Nachdem man so alle transitiven Homomorphismen 1r'1 (X, xo) -+ Sn bestimmt ha~) untersucht man, welche davon aquivalent sind. Dann hat man die n-bHi.ttrigen Uberlagerungen von X bestimmt. 6.7.3 Beispiel Wenn X die Kleinsche Flasche ist, ist 1r'1(X) = (a,bla 2b2). Die Gruppe S3 besteht aus den 6 Elementen 1, r = (12), S = (13), t = (23), X = (123) und Y = (213), wobei wir die ubliche Zyklenschreibweise benutzen. r, s, t haben Ordnung 2, und x,Y haben Ordnung 3. Elemente J(a), J(b) E S3 mit J(a)2J(b)2 = 1 bestimmen einen Homomorphismus J: 1r'1(X) -+ S3. 1m Fall J(a) = 1 oder J(b) = 1 ist J nicht transitiv. Hat J(a) Ordnung 2, so kann man bis auf Aquivalenz J(a) = r annehmen, well s, t zu r konjugiert sind. Fur J(b) bleibt dann nur soder t. Hat J(a) Ordnung 3, so ist J(b) = J(a)-1. Also ergeben sich folgende transitive Homomorphismen:

It: a 1-+ r, b 1-+ Sj 12: a 1-+ r, b 1-+ tj Is: a 1-+ X, b 1-+ Yj 14: a 1-+ y, b 1-+ x. Wegen rsr- 1 = t sind It und 12, wegen rxr- 1 = Y sind Is und J4 aquivalent. Well It un~. Is nicht aquivalent sind, gibt es - bis auf Aquivalenz - genau zwei 3-blattrige Uberlagerungen der Kleinschen Flasche.

Aufgaben 6.7.Al Es gibt genau drei 2-bliittrige Uberlagerungen von S1 V S1j zeichnen Sie wie in Abb. 6.1.4 diese Uberlagerungen. 6.7.A2 Es gibt genau vier reguliire und genau drei nicht-reguliire dreibliittrige Uberlagerungen von S1 V S1; zeichnen Sie wie in Abb. 6.1.4 diese Uberlagerungen. 6.7.A3 Es gibt genau fiinfzehn zweibliittrige Uberlagerungen der Brezelflii.che.

6.8 Liften von Strukturen In diesem Abschnitt skizzieren wir einige Anwendungen der Uberlagerungen in verschiedenen Bereichen der Mathematik. Ausgangspunkt dieser A.!lwendungen ist die Tatsache, daB man gewisse Strukturen des Basisraumes einer Uberlagerung in den Totalraum liften kann.

6.S.1 Satz Sei p:

X -+ X eine Uberlagerung. Dann gilt:

6.8 Liften von Strukturen

169

(a) 1st X ein CW-Raum, so ist X ein CW-Raum mit dimX = dimX; die Zellen von X sind die Wegekomponenten vonp-l(e), wobei e die Zellen von X durchlauft. Die Projektion p bildet die Zellen von X homoomorph auf die Zellen von X abo (b) 1st X eine Riemannsche Flache, so ist X eine Riemannsche Flache; die Projektion p: X --+ X ist eine holomorphe Abbildung, und die Deckbewegungen sind biholomorphe Funktionen X --+ X. (c) 1st X eine Riemannsche Mannigfaltigkeit, so ist X eine Riemannsche Mannigfaltigkeit; die Projektion p ist eine lokale Isometrie, und die Deckbewegungen sind Isometrien X --+ X. (d) 1st X eine Liegruppe, so ist X eine Liegruppe; die Projektion ist ein differenzierbarer Homomorphismus, und die Deckbewegungsgruppe ist ein diskreter Normalteiler von X. Natiirlich konnen wir diesen Satz hier nicht beweisen, sondern miissen uns zumeist mit einigen Andeutungen begniigen: . (a) Sei e C X eine Zelle. Weil e lokal wegzusammenhangend ist, gilt dasselbe fUr p-l(e). Daher ist p-l(e) die topologische Summe seiner Wegekomponenten, und fiir jede solche Komponente e ist pie: e --+ e eine Uberlagerung. Aber e ist einfach zusammenhangendj folglich ist e homoomorph zu e und ist somit eine Zelle. AIle diese Zellen bilden eine Zellzerlegung von X, die die Eigenschaften C und W hat. Liftet man eine charakteristische Abbildung von e nach X (was nach dem Liftungstheorem 6.2.6 moglich ist), so erhiilt man eine charakteristische Abbildung der gelifteten Zelle e. (Vervollstandigen Sie dieses zu einem Beweis von (a).) (b) Eine Riemannsche Flache X ist eine Flache X zusammen mit einem System Ii: Ui --+ X von lokalen Koordinatenfunktionen (i E J = Indexmenge): Ii ist ein Homoomorphismus eines Gebiets Ui C C auf eine offene Menge fi(Ui ) C X, diese fi (Ui ) iiberdecken X, und fUr alle i, jist die Funktion f j- 1 Ii (die ein gewisses Gebiet in C nach C abbildet) holomorph. Man kann annehmen, dafi alle Ui einfach-zusammenhangend sind. Dann kann man nach dem Liftungstheorem 6.2.6 Liftungen h: Ui --+ X von fi finden, und die s1i.mtlichen Liftungen aller Ii bilden ein System von lokalen Koordinatenfunktionen fUr X, mit dem X eine Riemannsche Flache ist. (c) Eine Riemann-Mannigfaltigkeit X der Dimension n hat zunachst eine differenzierbare Struktur: man hat lokale Koordinatenfunktionen Ii: Ui --+ X, wobei jetzt Ui eine offene Menge im IRn ist, und die Abbildungen f j- 1 0 Ii sind differenzierbar. Wie in (b) liftet man diese Struktur nach X. Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit hat aber dariiber hinaus eine Riemannsche Struktur: auf jedem Tangentialraum an X (der ein n-dimensionaler Vektorraum ist) ist ein Skalarprodukt gegeben. Weil das Differential von p: X --+ X ein Vektorraum-Isomorphismus zwischen den Tangentialraumen von X und X ist, erhiilt man auch ein Skalarprodukt auf den Tangentialraumen von X. Also ist auch X eine Riemannsche Mannigfaltigkeit. (d) Eine Liegruppe X hat zwei Strukturen: erstens die einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit, die man wie in (c) nach X liftet. Zweitens ist X eine Gruppe, und Mul-

170

6 Uberlagerungen

tiplikation X xX -+ X, (x, y) 1-+ xy, sowie Inversenbildung X -+ X, X 1-+ X-I, sind differenzierbare Funktionen. Sei f: X x X -+ X die Abbildung !(x, ii) = p(x)p(Y). Mit dem Liftungstheorem 6.2.6 liftet man f zu 1: X x X -+ X und zeigt, daB X mit der Multiplikation xii = j(x, ii) eine Liegruppe ist. 0 Interessant wird der vorige Satz, wenn p: X -+ X die universelle Uberlagerung ist. Die einfach zusammenhiingenden Objekte in 6.8.1 sind niimlich in gewissen SpezialfaJlen nach tiefliegenden Satzen der jeweiligen Theorie gut bekannt. So hat man in der Funktionentheorie folgendes Resultat: 6.8.2 Riemannscher Abbildungssatz Jede einfach zusammenhiingende Riemannsche Fliiche ist biholomorph iiquivalent zur komplexen Ebene C, zur Riemannschen Zahlenkugel 8 2 oder zur oJJenen Kreisscheibe E = {z E C Ilzl < 1}.

Eine vollstiindige lliemannsche Mannigfaltigkeit mit konstanter GauBscher Kriimmung K = 0,1 oder -1 nennt man eine Raumform. In der Differentialgeometrie hat man den 6.8.3 Satz von Killing, Hopf Jede einfach zusammenhiingende n-dimensionale Raumform ist fUr K = 0 isometrisch zum euklidischen Raum IRn , fUr K = 1 zum sphiirischen Raum 8 n und fur K = -1 zum hyperbolischen Raum Hn.

Auch die einfach zusammenhiingenden Liegruppen kennt man gut, doch wollen wir uns auf die Fiille (b) und (c) von 6.8.1 beschriinken. Jede lliemannsche Flache X wird also von C, 8 2 oder E iiberlagert und jede n-dimensionale Raumform X von IRn , 8 n oder Hn. Wenn V die Deckbewegungsgruppe dieser Uberlagerung ist und X der Totalraum, so findet man X (einschlief3.. lich der holomorphen bzw. lliemannschen Struktur) als Orbitraum X IV wieder. Die Klassifikation der lliemannschen Flachen ist damit auf folgendes Problem zuriickgefiihrt: In der Gruppe alIer biholomorphen Funktionen C -+ C bzw. 8 2 -+ 8 2 bzw. E -+ E bestimme man alIeUntergruppen, die eigentlich diskontinuierlich auf C bzw. 8 2 bzw. E operieren. Entsprechend muB man zur Klassifikation der n-dimensionalen Raumformen in der Gruppe alIer Isometrien IRn -+ IRn bzw. 8 n -+ 8 n bzw. lHP' -+ lHP' alIe Untergruppen bestimmen, die eigentlich diskontinuierlich auf IRn bzw. 8 n bzw. lHP' operieren. Beide Fragestellungen fiihren zu iiberaus reichhaltigen und interessanten Teilgebieten der Mathematik, auf die wir hier nicht naher eingehen konnen.

6.9 Anwendungen der Uberlagerungen in der Gruppentheorie

171

6.9 Anwendungen der Uberlagerungen in der Gruppentheorie Jede Gruppe G kann man nach 5.6.5 (d) als Fundamentalgruppe eines CW-Raumes X realisierenj zu jeder Untergruppe N von G gehort dann nach 6.6.1 eine Uberlagerung X von X. Diese beiden Tatsachen sind der Grund, daB man mit topologischen Methoden gruppentheoretische Satze beweisen kann. Wir bringen einige Beispiele dafiir.

6.9.1 Satz Untergruppen freier Gruppen sind frei. Beweis Sei G eine freie Gruppe und H C G eine Untergruppe. Sei Y die Einpunktvereinigung von a Kreislinien mit a = Rang G ::; 00. Nach 5.5.9 konnen wir 1I'1(Y,YO) = G setzen. Well Y als CW-Raum hinreichend zusammenhangend ist, gibt es nach 6.6.1 eine Uberlagerung p: Y -+ Y mit P#lI'l(Y,YO) = H. Nach 6.8.1 ist Y ein Graph, daher ist 1I'1(Y,YO) nach 5.5.14 eine freie Gruppe. Wegen H ~ 11'1 (Y, YO) ist auch H frei. 0 Wenn der Rang n von G und der Index k von H in G endlich sind, so hat Y eine 0Zelle und n 1-Zellen, und die Uberlagerung ist nach 6.3.5 k-blattrig. Daher besteht Y nach 6.8.1 aus k O-Zellen und kn 1-Zellen, und 1I'1(Y,yO) ~ H hat nach 5.5.16 den Rang 1 - k + kn = k(n - 1) + 1. Damit ist gezeigt:

6.9.2 Satz 1st G eine freie Gruppe vom Rang n und H c G eine Untergruppe vom Index k, so ist Heine freie Gruppe vom Rang k(n - 1) + 1. 0 Untervektorraume haben nie eine grofiere Dimension als der Vektorraum, in dem sie enthalten sind. Untergruppen einer freien abelschen Gruppe A haben nie einen grofieren Rang als A. Satz 6.9.2 zeigt die iiberraschende Tatsache, daB der analoge Sachverhalt bei freien Gruppen falsch ist! Hier hat die kleinere Gruppe H sogar stets einen grofieren Rang als die umfassende Gruppe G (auf3er in den trivialen Fillen k = 1 oder n = 1). Wir verdeutlichen dieses Phanomen noch an einigen Beispielen.

6.9.3 Beispiele (a) Sei G die von den Elementen a und b frei erzeugte Gruppe, und sei k ~ 2 eine ganze Zahl. Es ist leicht, einen surjektiven Homomorphismus f: G -+ Zk zu konstruieren (man bilde etwa a und b auf das erzeugende Element von Z k ab). Der Kern von fist eine Untergruppe von G vom Rang k + 1. Daraus folgt: Jede freie Gruppe von endlichem Rang ist (bis auf Isomorphie) als Untergruppe in der freien Gruppe vom Rang 2 enthalten. (b) Sei p: X -+ X die in Abb. 6.1.4 skizzierte Uberlagerung. Dann ist 1I'1(X,X) = ---1 (a,bl-), und 1I'1(X,xd wird frei erzeugt von den Elementen 0.2b2, b1b3b2, b;: 0.1 und 1};:11};10.31}31}2 (als maximalen Baum in X haben wir die beiden Kanten 1}2 und

172

6 Uberlagerungen

b3 gewahlt). Daher ist H =P#1I"1(X,Xt) eine Untergruppe von (a,bl-) vom Index 3, und die Elemente ab, b3 , b- 1a und b- 2 ab2 bilden ein freies Erzeugendensystem fUr H. Als weiteres Beispiel zum Thema dieses Abschnitts untersuchen wir, welche Untergruppen es in einem freien Produkt G * H gibt. 6.9.4 Beispiele (a) 1st U c G bzw. V c Heine Untergruppe, so ist U * V eine Untergruppe von G * H. Da£ man so nicht alle Untergruppen von G * H erhiilt, wissen wir schon lange (5.3.A2, 5.5.A3 und 6.9.3). (b) Wir betrachten im freien Produkt 11"1 (8 1 V p 2 ) = Z * Z2 = (a, b I b2 ) die von den Elementen b, aba- 1 und a2 erzeugte Untergruppe U. Dann ist U selbst ein freies Produkt, namlich U = Uo * U1 * F, wobei Uo bzw. U1 bzw. F die von b bzw. aba- 1 bzw. a2 erzeugte Untergruppe von Z * Z2 ist (also ist Z2 * Z2 * Z in Z * Z2 als Untergruppe enthalten). Beweis: Der Raum X entstehe aus 8 1 , indem man an die Punkte ±I E 8 1 je eine projektive Ebene mit einem Punkt anklebt. Dann gibt es eine zweibUi.ttrige Uberlagerung X -+ 8 1 V p2, deren charakterisierende Untergruppe gleich U ist. Aus X ~ 8 1 V p2 V p2 folgt die Aussage iiber U. (c) In Z * Z2 ist sogar ein unendlich freies Produkt Z2 * Z2 * ... enthalten. Dazu sei V C Z * Z2 die Untergruppe, die von allen Elementen anba- n mit n E Z erzeugt wird. Dann ist V = *nEZ Vn , wobei Vn = {I, anba- n } ist: Klebt man namIich an jede ganze Zahl n E lR eine projektive Ebene mit einem Punkt an, so ergibt sich eine unendlich-blattrige Uberlagerung X -+ 8 1 V p2 mit charakterisierender Untergruppe V; man berechnet 1I"1(X) mit 5.6.4 und erhii.1t daraus die Aussage iiber V. Die vorangehenden Beispiele sind Spezialfalle des Satzes von Kurosch: 6.9.5 Satz von Kurosch Jede Untergruppe U c G * H ist ein freies Produkt der Form U = F * U1 * U2 * ... i dabei ist F eine freie Gruppe (frei erzeugt von gewissen Elementen von G * H), und jedes Ui ist in G * H konjugiert zu einer Untergruppe von G oder H. Be wei s Es seien X und Y zweidimensionale CW-Raume mit je genau einer 0- Zelle Xo EX bzw. Yo E Y, so da£ 1I"1(X,XO) = G und 1I"1(Y,YO) = H ist. Der CW-Raum Z entstehe aus X und Y, indem man eine neue O-Zelle zo und zwei neue I-Zellen e bzw. d hinzunimmt, die Xo bzw. Yo mit zo verbinden. Wegen Z ~ XvY konnen wir 11"1 (Z, zo) mit G * H identifizieren. Zu U gehOrt dann eine Uberlagerung p: Z -+ Z mit U = P# 71'1 (Z, zo) fUr einen Punkt Zo iiber Zo. Der Uberlagerungsraum Z ist ein CW-Raum, dessen Fundamentalgruppe wir nach 5.6.4 berechnen. Dazu seien Xi bzw. fj die Wegekomponenten von p-1(X) bzw. p-1(y) in Z. Wir wahlen aufspannende Baume Si c Xl und Tj C Yj1 und einen aufspannenden Baum T in Z\ der alle Si und Tj enthiilt (die Existenz von T folgt wie in 5.5.13). Nach 5.6.4 hat 11"1 (Z, zo) die folgende Beschreibung durch Erzeugende und Relationen:

6.9 Anwendungen der Uberlagerungen in der Gruppentheorie

173

f7 \

(a) Zu jeder 1-Zelle e1 in Xl \ Si bzw. Tj gehort eine Erzeugende s(e1 ), und zu jeder 2-Zelle e2 in Xi bzw. Yj gehOrt eine Relation r(e2 ). (b) Zu jeder 1-Zelle s(k).

k in Zl \ T iiber k

= e bzw. k = d gehOrt eine Erzeugende

Die Gruppen in (a) sind isomorph zu 11"1 (Xi) bzw. 11"1 (Yj), wobei der Isomorphismus wie in 5.1.8 von einem in T liegenden Hilfsweg von Zo zum Basispunkt in Xi bzw. Yj vermittelt wird. Ferner folgt aus der Beschreibung, daB 11"1 (Z, zo) das freie Produkt der Gruppen in (a) und der freien zyklischen Gruppen in (b) ist. Durch Anwenden von p# erh8.lt man die Aussage iiber U = P#1I"1(Z, zo). 0 Mit derselben Methode beweist man den analogen Satz fiir freie Produkte beliebig vieler Faktoren.

*iEI

Gi

6.9.6 Die Reidemeister-Schreier-Methode Schaut man sich die Bestimmung von Erzeugenden und definierenden Relationen der Fundamentalgruppe eines CWRaumes genauer an, so erh8.lt man aus einer Beschreibung einer Gruppe Gauch Beschreibungen ihrer Untergruppen. Zu G = (8 I R) betrachten wir den CW-Raum X = O(8IR) aus 5.8.5. Sei U C G eine Unter,gruppe, p: X -+ X die zugehOri~e Ube-rlagerung, und sei Xo de! Basispunkt in X. Wir wahlen im 1-Geriist von X einen aufspannenden Baum B. Dann gibt es von Xo ausgehend zu jeder O-Zelle x E X einen Weg in iJ, der ein reduziertes Wort in den Erzeugenden 8 ergibt. Dieses reprasentiert die Rechtsrestklasse, die auch x vertritt, und ist durch die Restklasse eindeutig bestimmt. Laf3t man in dem Wort den letzten Buchstaben weg, erh8.lt man einen Weg mit den gleichen Eigenschaften, der zu der vorangehenden O-Zelle Hi-uft und dessen Wort die entsprechende Restklasse reprasentiert. Induktiv erhalten wir, daB die Wahl eines aufspannenden Baumes in X ein Reprasentantensystem von Worten fiir die Rechtsrestklasse ergibt, in denen jedes Anfangsteilwort auch seine Restklasse reprasentiert. Umgekehrt entspricht jedem Reprasentantensystem von Worten, welche diese sogenannte Schreier-Bedingung erfiillt, ein Baum in X. Jetzt finden wir ein Erzeugendensystem fiir U in X nach 5.6.4 wie folgt: ist iT eine nicht in iJ liegende gerichtete 1-Zelle, so lauft man von Xo im Baum zum Anfangspunkt von iT, iiberquert iT und lauft in iJ nach Xo zuriick. So bekommen wir Erzeugende fiir die Fundamentalgruppe von X, d.h. von U. Definierende Relationen erhalten wir, indem wir die Rander der 2-Zellen durchlaufen und notieren, in welcher Reihenfolge und Richtung wir welche 1-Zellen durchlaufen. Somit haben wir: 6.9.7 Satz (Reidemeister-Schreier) Sei G = (S I R) und U C G eine Untergruppe. Ferner sei W ein System von Worten, welches die Rechtsrestklassen von U in G vertritt und die folgende Schreier-Bedingung erfii,llt: (S) 1 vertritt U, jedes Anfangsteilwort eines wE Wist auch in W.

174

6 Uberlagerungen

Dann ist 8 = {ws· ws- 1 I W E W, s E S,ws "I ws} ein Erzeugendensystem von U; dabei bezeichnet ws den Restklassenvertreter von ws. Driickt man ferner die Relationen {wrw- 1 IrE R, w E W} durch die Erzeugenden 8 aus, so erhiilt man ein System il definierender Relationen fur U, es ist also U = (8 I R). 0 6.9.8 Beispiel Sei G = (V1,V2! v~V~)~Z2 = {1,-1}, Vi I-t -1, und sei U der Kern von rp. Dann ist 1, V2 ein System von Restklassenvertretern, welches offenbar der Schreier-Bedingung (S) geniigt. Erzeugende von Kern rp bekommt man aus ---1 = 1 . VI . VI--1 = VI V2-1 , Y = V2 . VI . VI V2 = V2 . VI, --1 t = 1 . V2V2 = 1, w = V2 . V2 . v2"-1 = V2,2 2

X

indem man die trivialen Ausdriicke weglaf3t. Definierende Relationen sind

also Kern rp = (x,y,w ! xyw,yxw) e! (x,y ! xyx- 1y-1). Dieses spiegelt nur die Tatsache wider, daJ3 der Torus die Kleinsche Flasche zweifach iiberlagert. 6.9.9 Beispiel Die Kommutatorgruppe der Gruppe der Kleeblattschlinge. Sei G = (s, t I s2t3 ) = (u, v I uv- 1UVU- 2V) mit u = st, V = stst 2 bzw. t = u- 2v, s = uv- 1u 2 . Macht man G abelsch, so entsteht Z, und es wird u auf 1 und V auf 0 abgebildet. Ein System von Restklassenvertretern fiir die Kommutatorgruppe G' bildet also {u i liE Z}. Deshalb ergeben sich nach 6.9.7 als Erzeugende von G' die Elemente Xi = uivu- i , i E Z, und als definierende Relationen:

Es laBt sich also X2 durch ein Wort in Xl, Xo ersetzen, wobei die Relation ro verlorengeht, dann X3 ebenfalls durch ein Wort in Xl> Xo unter Verlust von T1, .... So verschwinden alle Erzeugenden X2, X3, X4, . .. und Relationen ro, T1, T2, . . .. Unter Verwendung von r -1 laf3t sich X-I durch ein Wort in xo, Xl ersetzen, dann X-2 unter Opfer von r -2 usw. SchlieBlich bleiben nur die Erzeugenden Xo, Xl, und es ist G' = (xo, x11-) eine freie Gruppe vom Rang 2. Diese Tatsache braucht man zum Beweis der am Ende von 5.7 erwahnten Aussage, daJ3 die dort konstruierte Mannigfaltigkeit der AuBenraum der Kleeblattschlinge ist [Burde-Zieschang, 5.1].

III

Homologietheorie

7

Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Unter den algebraischen 1nvarianten, die man topologischen Raumen zuordnen kann, sind die Homologiegruppen wegen ihrer leichten Berechenbarkeit und ihren vielfaltigen Anwendungen besonders wichtig. Wir folgen der historischen Entwicklung und fuhren zuerst die geometrisch sehr anschaulichen Homologiegruppen von Simplizialkomplexen ein. Der Leser, der noch wenig Erfahrung im Umgang mit abelschen Gruppen hat, soUte vor diesem Kapitel erst 8.1 lesen.

7.1 Definition der Homologiegruppen 7.1.1 Definition (a) Die q+ 1 Ecken eines q-Simplex (1q kann man auf (q + 1)! Arten anordnen. Zwei Anordnungen heiBen iiquivalent, wenn sie durch eine gerade Permutation auseinander hervorgehen. Eine Orientierung von (1 q ist eine Klasse aquivalenter Eckenanordnungen. Ein orientiertes Simplex ist ein Simplex zusammen mit einer festen Orientierung. (Wir bezeichnen Simplexe und orientierte Simplexe mit dem gleichen Symbol (1 q und mussen daher im Folgenden immer hervorheben, welche Bedeutung dieses Symbol hat.) (b) 1st (1q ein orientiertes q-Simplex, so schreiben wir (1q = (xo .•. x q ), wenn Xo, ... , Xq die Ecken von (1 q sind und wenn die Anordnung xo, ..• , Xq zur gegebenen Orientierung gehOrt. (c) Ein O-Simplex (10 ist ein x eines euklidischen Raumes; es hat genau eine Orientierung, und wir schreiben x statt (x). Fur q > 0 hat ein q-Simplex genau zwei Orientierungen. 1st (1q = (xo .•• Xq) ein orientiertes Simplex, so heiBt (1;-1 = (X1XOX2 ... Xq) das dazu entgegengesetzt orientierte Simplex. Ein orientiertes l-Simplex ist eine gerichtete Strecke; ein orientiertes 2-Simplex ist ein mit einem Umlaufsinn (Drehsinn) versehenes Dreieck; ein orientiertes 3-Simplex ist ein mit einem Schraubsinn versehenes Tetraeder (Abb. 7.1.1). Der entscheidende

176

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Punkt der ganzen Homologietheorie ist, dai3 die (q - l)-dimensionalen Seitensimplexe eines orientierten q-Simplex in naturlicher Weise orientiert sind:

~

;...._(X_::_l)..... : Xo

Xl (X1 XO)

~ ~ Jxj ~ Xo

Xl Xo (XOX1X2)

Xl (XOX2Xl)

Xo

Xl (XOX1X2X3)

Xo

Xl (XOX2 X1X3)

Abb. 7.1.1

7.1.2 Definition Sei O"q-1 < O"q und x E O"q die Ecke, die nicht zu O"q-1 gehOrt. Dann induziert eine Orientierung von O"q wie folgt eine Orientierung von O"q-1: Wir wahlen eine zur gegebenen Orientierung gehorende Anordnung x, Xl, ... ,Xq der Ecken von O"q, in der x die erste Ecke ist, also O"q = (XX1'" Xq), und definieren die induzierie Orientierung auf O"q-1 durch O"q-1 = (Xl' " Xq). Eine gerade Permutation von x, Xl," . ,Xq, bei der X an erster Stelle bleibt, induziert eine gerade Permutation von Xl, .. . , Xq; daher ist die Definition eindeutig. Abb. 7.1.2 macht die induzierten Orientierungen auf den Seitensimplexen in den Fiillen q = 2, 3 klar.

~ Xo

Xl

Xo,.,.-.------~~.4J

Abb. 7.1.2

7.1.3 Hilfssatz 1st O"q = (xo ... Xq) ein orientieries q-Simplex (q ~ 2), so ist das der Ecke Xi gegenuberliegende (q -1) -Seitensimplex 0"~_1 mit der induzierien Orientierung gegeben durch (xo ... Xi ... Xq)< _l)i. Dabei steht (xo . .. Xi . .. Xq) abkurzend fur (xo ... Xi-1Xi+1 ... xq). Beweis Bei i Vertauschungen ergibt sich O"q

= (XiXO ",Xi_1Xi+1 ... Xq) dimK ist Cq(K) = O. (b) CoCK) ist die freie abelsche Gruppe, die von den Ecken von K erzeugt wird. (c) Fur 0 < q ~ dimK ist Cq(K) die von allen orientierten q-Simplexen von K frei erzeugte abelsche Gruppe modulo der Relationen O"q + 0";1 = 0, wobei O"q die orientierten q-Simplexe von K durchHiuft. Die Elemente von Cq(K) heifien q-dimensionale Ketten (kurz: q-Ketten) von K.

7.1 Definition der Homologiegruppen

177

1st a q die Anzahl der q-Simplexe von K, so ist 2a q fiir q > 0 die Anzahl der orientierten q-Simplexe von K. Die Relation t:Tq + t:T- l = 0 impliziert, dafi entgegengesetzt orientierte Simplexe in der Gruppe Cq(K) zueinander invers sind, also -t:Tq = t:Tq-1 . 7.1.5 Satz Wir wahlen fur jedes q-Simplex von K eine feste Orientierung und bezeichnen diese orientierlen Simplexe mit t:T!, ... , t:T; •. Dann besitzt jede q-Kette c E Cq(K) eine eindeutige Darstellung der Form

Folglich ist Cq(K) frei abelsch vom Rang a q mit Basis t:T!, . .. , t:T~.

o

Eine q-Kette in Kist also eine formale Linearkombination der orientierten qSimplexe von K mit ganzzahligen Koeffizienten; eine O-Kette insbesondere ist eine formale Linearkombination der Ecken von K. Das ist ein algebraisches Konzept, und die Ketten in K haben zunachst keine geometrische Bedeutung. 7.1.6 Definition Es sei t:Tq = (xo ... Xq) E Cq(K) ein orientiertes q-Simplex von K. Der Rand von t:Tq ist die folgende (q - 1)-Kette von K:

Der Rand einer beliebigen Kette c = L:~~l nit:T~ E Cq(K) ist definiert durch O"q

8c = 8(E nit:T!) = i=l

Q q

L: ni8t:T! E Cq_l(K). i=l

Der so definierte Homomorphismus 8 operator.

= 8q: Cq(K) -

Cq_l(K) heiBt (q-ter) Rand-

Der Rand eines orientierten I-Simplex t:Tl = (XOXl) ist die O-Kette 8t:Tl = Xl - Xo (Endpunkt minus A nfangspunkt). Der Rand eines orientierten q-Simplex t:Tq ist fUr q ~ 2 nach 7.1.3 die Summe ailer (q -1 )-dimensionalen Seitensimplexe von t:Tq, jedes mit der induzierten Orientierung versehen. Mit Hille des Randoperators konnen wir jetzt spezielle Ketten in K beschreiben, denen eine geometrische Bedeutung zukommt. 7.1.7 Definition (a) Eine q-Kette c E Cq(K) heiBt geschlossene q-Kette oder q-Zyklus, wenn der Rand 8c = 0 ist. Die Untergruppe Zq(K) = {c E Cq(K) I 8c = O} = Kern 8q von Cq(K) heiBt die q-te Zyklengruppe von K. (b) Eine q-Kette c E Cq(K) heiBt Randkette oder berandende Kette oder nullhomologe Kette, wenn es eine Kette X E Cq+1(K) gibt mit 8x = c. Die Untergruppe

178

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Bq(K) = {e E Cq(K) I e ist nullhomolog} = Bild 8q+1 von Cq{K) heU3t die q-te Riindergruppe von K (hier steht B fiir boundary). (c) Zwei Ketten e,e' E Cq(K) heiBen homolog, wenn e-e' berandet. Die Homologieklasse {e} der Kette e E Cq(K) ist die Menge aJler zu e homologen Ketten:

{e}

= {e' Ie -

e' E Bq(K)}

= {e + bIb E Bq(K)} = e + Bq(K).

Wenn wir den Komplex K hervorheben wollen, schreiben wir auch {e}

= {c} K.

7.1.8 Beispiele (a) Jede O-Kette ist ein Zyklus, also Zo(K) = Co(K).

(b) Jede l-Kette der Form e = (XOXl) + ... + (Xn-2Xn-l) + (Xn-lXO) ist wegen 8e = Xl - Xo + X2 - Xl + ... + Xo - Xn-l = 0 ein Zyklus. Einen l-Zyklus kann man sich vorstellen a1s ein System gesehlossener Kantenwege in K. (c) Wir betrachten das Tetraeder in Abb. 7.1.2. Die Summe e der vier wie dort orientierten Seitendreiecke ist ein 2-Zyklus. Man bestatigt das sofort durch Nachrechnen, aber die folgende Argumentation ist geometrisch einsichtiger. Die Kante mit den Ecken Xl und Xa kommt in 8e zweimal vor: in 8(XoXlXa) als (XlXa) und in 8(XaXlX2) a1s (XaXl)' Wegen (XaXl) + (XlXa) = 0 fant diese Kante bei der Randbildung weg. Weil dasselbe Argument fiir die iibrigen fiinf Kanten gilt, ist ae = O. In VeraJlgemeinerung dieses Beispiels hat man sich einen q-Zyklus als eine Kette e = nlO"! + .. , + naqO"~q mit folgender Eigenschaft vorzustellen: Wenn ein orientiertes (q - I)-Simplex O"q-l im Rand von O"! vorkommt und ni # 0 ist, so kommt O"q-l auch noch in einem (oder mehreren) O"~ mit j # i vor, und die Koeffizienten ni, nj sind so, dail O"q-l in ae = n l 80"! + ... + naq80"~q wegfaJlt. Ein q-Zyklus ist eine Linearkombination nbesonders schon zusammengefiigter q-Simplexe". (d) 1st dimK = n, so ist Bn(K) = 0, weil nach Definition Cn+1(K) hOchsten Dimension gibt es keine Rander (autler 0).

= 0 ist. In der

(e) Die Kette (XOXl) + (XlX2) + (X2Xa) + (xaxo) auf dem Tetraeder in Abb. 7.1.2 ist ein Rand. Dort ist die 2-Kette (XOXlX2) + (XaX2Xl) +(XaXlXo) homolog zu (XoXaX2)' 7.1.9 Satz Riinder sind Zyklen, d.h. jur q E Z ist die Riindergruppe Bq(K) eine Untergruppe der Zyklengruppe Zq(K).

Beweis Zuzeigenist a8e = Ofiir e E Cq(K). Weildieorientierten q-Simplexeeine Basis von Cq(K) bilden, geniigt es zu zeigen, dail a80"q = 0 ist fiir jedes orientierte

7.1 Definition der Homologiegruppen

179

q-Simplex uq. Fur q ~ 1 ist das klar. Fur q ~ 2 und uq = (xo ... Xq) ist q

oouq = o(~) -l)i(xo ... Xi ... Xq}) i=O q

= ~) _l)iO(XO ... Xi ... Xq} i=O q

= ~) i=O

=

L( ii

(_1)i- 1 ( .•. Xi ... Xi···))

1 ( ••.

Xi··· Xi·· .).

Vertauscht man in der zweiten Summe i und j, so sieht man

oouq = o.

0

7.1.10 Definition Die Faktorgruppe Hq(K) = Zq(K)/ Bq(K) heifit die q-te Ho-

mologiegruppe des Simplizialkomplexes K. Ihre Elemente sind die Homologieklassen {z} = {Z}K = Z + Bq(K), wobei Z E Zq(K) die q-Zyklen durchlauft. Well die Kettengruppe Cq(K) endlich erzeugt ist, ist auch Zq(K) und daher Hq(K) endlich erzeugtj die Bettizahl Pq von Hq(K) heifit die q-te Bettizahl von K, und die Torsionskoeffizienten t~, ... , t~q von Hq(K) heifien die q-dimensionalen TorsionskoejJizienten von K. Es ist also Hq(K) ~ Zpq EB Zt1q EB ... EB Zt qrq (im Fall Pq = 0 bzw. rq = 0 fehlt der entsprechende Anteil). Genau dann ist Hq(K) '" 0, wenn es einen q-Zyklus in K gibt, der nicht Rand ist. Die Homologie mifit, wieviel wesentliche (d.h. nicht berandende) Zyklen es in K gibt und ist damit ein Mail fUr die geometrische Kompliziertheit von K. Kennt man alle Bettizahlen und alle Torsionskoeffizienten von K, so kennt man auch die Homologiegruppen von K als abstrakte Gruppen. Fur das geometrische Verstandnis der Homologie genugt das nicht: Man mufi immer auch die Zyklen in K beschreiben konnen, welche die von Null verschiedenen Homologieklassen reprasentieren.

Aufgaben 7.1.Al Eine q-Kette auf K kann man auch definieren als eine Funktion c, die jedem orientierten q-Simplex U von K eine ganze Zahl zuordnet, so daf3 c( u- 1 ) = -c( u) gilt. Fiihren Sie die Details aus (vgl. 8.1.11). 7.1.A2 Beweisen Sie 7.1.5. 7.1.A3 Sei U ein orientiertes (q + 1)- und T ein orientiertes q-Simplex von K. Die Inzidenzzahl [u : Tj ist definiert als 1, -1 oder 0, je nachdem ob Tim Rand von U mit der induzierten Orientierung, der entgegengesetzten oder gar nicht auftritt. Zeigen Sie: OU = E-r[u : Tj· T. 7.1.A4 Sei G: q bzw. {3q bzw. 'Yq der Rang der freien abelschen Gruppe Cq(K) bzw. Bq(K) bzw. Zq(K). Zeigen Sie: G:q = 'Yq + {3q-l (Hinweis: 8.1.7 (b)).

180

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

1.1.A5 Ferner gilt "'{q = Pq + (3q, wobei Pq die q-te Bettizahl von Kist. 1.1.A6 Zeigen sie mit den beiden vorigen Aufgaben, daB fUr die in 3.1.A13 definierte Eulercharakteristik gilt: X(K) Po - P1 + P2 - ... + (-l)npn. (Diese wichtige Formel werden wir in 10.6.8 auf andere Weise beweisen.)

=

7.2 Beispiele zur Homologie 7.2.1 Beispiel Sei K der Simplizialkomplex aus Abb. 7.2.1. Um eine Basis fUr die Kettengruppen zu erhalten, sind die Simplexe fest orientiert. Die Ketten von K sind: O-Ketten: CO = aoxo + a1x1 + a2x2 + asxs 1-Ketten: C1 = b1ut + b2U~ + bsu~ + b4Uf + bsuf 2-Ketten: C2 = mU2.

=

Dabei ist ai, bj, m E Z. Wegen aC2 m( ut + u~ + u~) :f:. 0 fUr m :f:. 0 gibt es keine 2-Zyklen (auiler 0), also Z2(K) = 0 und daher H 2(K) = O. Wegen

aC1 = (b1 - b2)xo + (-b 1 + bs - b4)XI + (b2 - bs + bS)X2 + (b4 - bs)xs ist CI genau dann ein Zyklus, wenn b2 = bb bs = b4 und bs = bi + b4 ist. Die 1Zyklen sind daher die Ketten bl~ut +u~+u~) +b4(U~ +uf+uf), und die 1-Zyklen ZI = ut + u~ + u~ und z~ = U1 + Uf + uf bilden eine Basis von Z1 (K). Wegen C2 = mU2 und aC2 = mZI ist B 1(K) = {mzl 1m E Z}. Daher ist Z1 nullhomologj z~ ist es nicht, also ist HI(K) ~ Z, erzeugt von {zD. Zu HoCK) vergleiche 7.2.4. x,

Xo

C1,z

Abb.7.2.1

Dieses Beispiel macht klar, daB die Homologiegruppen eines Simplizialkomplexes grundsatzlich in endlich vielen Schritten berechenbar sindj das allgemeine Rechenverfahren ist wie in 7.2.1. Allerdings wird, wenn der Simplizialkomplex viele Simplexe enthiilt, der Rechenaufwand auBerordentlich groB, und wir benotigen daher andere Verfahren zur Berechnung der Homologiegruppen.

7.2 Beispiele zur Homologie

181

7.2.2 Satz Es ist stets Hq(K) = 0 fur q < 0 und q > n = dimK. Weil es keine n-dimensionalen Riinder gibt, ist Hn(K) = Zn(K). Als Untergruppe von Cn(K) ist Hn(K) eine freie abelsehe Gruppe; n-dimensionale Torsionskoeffizienten gibt es also nieht. Die n-te Bettizahl Pn von Kist die Maximalzahl der linear unabhiingigen n-Zyklen von K. 0 7.2.3 Satz Es seien K 1 , ... , Kr die Komponenten von K, vgl. 3.1.14. Dann ist fur alle q E Z Cq(KI) EB •.. EB Cq(Kr) ~ Cq(K) dureh (e l , ... , er ) 1--+ e1

+ ... + er .

Genau dann ist e1 + ... + er Zyklus bzw. Rand in K, wenn ei Zyklus bzw. Rand in Ki ist fur i = 1, ... , r. Folglieh ist H q(K1) EB .•. EB Hq(Kr) ~ Hq(K) dureh ({ el }, ... , {c r }) 1--+ {c l + ... + cr }. 0

7.2.4 Satz Fur jeden Simplizialkomplex Kist Ho(K) eine freie abelsche Gruppe, deren Rang Po die Anzahl der Komponenten von Kist {insbesondere gibt es keine O-dimensionalen Torsionskoeffizienten}. Wiihlt man in jeder Komponente von K einen festen Punkt Yi, so bilden die Homologieklassen {YI}, ... , {ypo} eine Basis von Ho(K). Speziell gilt: Kist genau dann zusammenhiingend, wenn Ho(K) ~ Z ist. Dann wird Ho(K) erzeugt von {y}, wobei y E K irgendeine feste Ecke ist. Beweis Wegen 7.2.3 durfen wir annehmen, dafi K zusammenhangend ist. Es seien Xl, ... ,X",o die Ecken von K. Wir definieren e: CoCK) Z durch e(L:i nixi) = L:i ni· Wir zeigen gleich: Kern e = Bo(K). Well e ferner surjektiv ist, induziert e einen (wieder so bezeichneten) Isomorphismus e: Ho(K) - Z. Daraus folgt der Satz. Zu beweisen bleibt die Aussage uber Kern e: Well K zusammenhangend ist, gibt es wie in 3.1.14 einen Kantenweg von Xl nach Xi, d.h. eine 1-Kette mit Rand Xi - Xl. Daher sind XI,Xi E CoCK) homolog, und e = L:i niXi ist folglieh homolog zu (L:i ni)x1 = e(e)xI. Spezieil ist e im Fall e(e) = 0 nullhomolog. Umgekehrt ist jeder Rand bE Bo(K) Linearkombination von O-Ketten der Form 8(XiXj) = Xj-Xi; aus e(Xj - xd = 1 - 1 = 0 folgt daher e(b) = O. 0 Wegen 7.2.3 werden wir in den folgenden Beispielen nur noch zusammenhangende Simplizialkomplexe betrachten, und wegen 7.2.4 werden wir Ho(K) nicht mehr erwahnen.

7.2.5 Satz Sei K ein zusammenhiingender 1-dimensionaler Simplizialkomplex mit Qo Eeken und Q1 Kanten. Dann ist HI (K) frei abelseh vom Rang PI = 1 + Q1 - Qo· Beweis Der Randoperator 8: C 1(K) - CoCK) hat den Kern Zl(K) = HI(K) und das Bild BoCK); daher ist Q1 = PI + Rang Bo(K), vgl. 8.1.7. Aus Z ~ Ho(K) = Co(K)/ Bo(K) folgt Qo = 1 + Rang Bo(K). 0

7.2.6 Definition Sei K ein Simplizialkomplex, dessen Simplexe in einem affinen Teilraum T C jRn+1 liegen, und sei p E jRn+1 \ T ein fester Punkt. Fur ein Simplex

182

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Uq E K mit Ecken xo, ... ,Xq sei p * uq das (q + l)-Simplex in ]R.n+1 mit Ecken p,xo, ... ,xq. Die Simplexmenge p * K = K U {p} U {p * uq I uq E K} heif3t der Kegel uber K mit Spitze p. Es ist klar, daf3 p * K ein Simplizialkomplex ist, der K als Teilkomplex enthiilt, vgl. 3.1.A8. Ferner ist p*K stets zusammenhangend, auch . wenn K es nicht ist. 7.2.7 Satz Fur alle q "# 0 ist Hq(p * K)

= o.

Be wei s Fur ein orientiertes q-Simplex Uq = (xo ... Xq) in K sei p * Uq das orientierte (q + l)-Simplex (pxo ... Xq) in p * K. Fur eine Kette cq = L:i niu~ E Cq(K) sei p * cq = L:i ni(p * u~) E Cq+1(p * K). Dann gelten die Formeln 8(p*cq)=cq -p*8cq fUrq>O, (a) (b) 8(p * co) = Co - £(co)p (£ wie im Beweis von 7.2.4).

Zum Beweis kann man annehmen, daf3 cq = (xo ... Xq) ist. 1m Fall q = 0 ergibt sich 8(p * co) = 8(pxo) = Xo - P = Co - £(co)p, und fUr q > 0 gilt:

8(p * cq) = 8(pxo ... Xq)

= (xo ... Xq) -

q

~) -l)i(pxo ... Xi ... Xq)

= Cq - P * 8cq.

i=O

Sei jetzt Zq E Cq(p * K) ein Zyklus, q > O. Wir mussen zeigen, daf3 Zq ein Rand ist. Zq ist Linearkombination von Simplexen der Form (xo ... Xq) und (pxo ... Xq-l), also Zq = cq + P * Cq-l fUr gewisse cq E Cq(K) und Cq-l E Cq_1(K). Aus (a) folgt

Zq = 8(p * cq) + p * 8cq + p * Cq-l = 8(p * cq) + P * Yq-l mit Yq-l = 8cq +Cq-l. Daher ist mit Zq auch P*Yq-l ein Zyklus. Aus (a) bzw. (b) folgt jedoch, daf3 eine Kette der Form p * Cr mit r ~ 0 nie ein Zyklus ist, auf3er im 0 Fall Cr = o. Somit muf3 Yq-l = 0 sein, und Zq = a(p * cq) ist ein Rand. 7.2.8 Satz Bezeichnet K(u n ) die Menge aller Seiten eines n-Simplex Un, so ist Hq(K(u n )) = 0 fur q "# o.

Beweis O.B.d.A. sei n > o. Sei Un-l < Un ein (n -l)-Seitensimplex und p E Un die Ecke, die nicht zu Un-l gehOrt. Dann ist K(u n ) = p * K(Un-l). 0 7.2.9 Satz Es sei K(o-n+1) die Menge aller eigentlichen Seiten eines (n + 1)Simplex mit Ecken Xo, ... ,Xn+b wobei n ~ 1 ist. Dann gilt: (a) K (0- n+ 1) ist ein zusammenhiingender Simplizialkomplex mit IK (0- n+1) I ~ sn. (b) Hq(K(o-n+l)) = 0 fur q"# O,n. (c) Hn(K(o-n+d) ~ il, erzeugt vom Zyklus Zn

= L:7iol( -l)i(XO ... Xi··· Xn+1}.

7.2 Beispiele zur Homologie

183

Beweis (a) ist klar nach 3.1.9 (g). Um (b) und (c) zu beweisen, betrachten wir neben K = K(Un+l) den Komplex L = K(O"n+l). Es ist K c L, und L \ K besteht nur aus 0"n+!. Die Kettengruppen von K und L konnen wir in folgendem Diagramm anordnen:

Cn+1(L)

8

Cn(L)

-

8

8 ... --+

8

8 ... --+

II Cn(K)

Cq+1(L)

II -

Cq+!(K)

- - 8

Cq(L)

8

...

8

...

1\

fJ

Cq(K)

Sei Yq E Cq(K) ein Zyklus mit 0 < q < n. Dann ist Yq ein Zyklus von L, und nach 7.2.8 gibt es Cq+l E Cq+1(L) mit Yq = OCq+l. Wegen q+ 1::; n ist Cq+!(L) = Cq+!(K), also ist Yq Rand einer Kette in K. Es folgt Zq(K) = Bq(K) und daraus (b). 1m Fall q = n bleibt der erste Tell des Arguments richtig: jeder Zyklus Yn E Cn(K) = Cn(L) ist Rand einer Kette Cn+! E Cn+!(L). Well L nur ein (n + 1)Simplex enthiilt, ist Cn+l = a(xo ... Xn+l} rur ein a E Z. Es folgt Yn = OCn+1 = azn· Damit ist auch (c) bewiesen. 0 Die wichtigste Eigenschaft der Homologiegruppen Hq(K) ist, daB sie nicht vom Simplizialkomplex K, sondern nur vom zugrundeliegenden Raum IKI abhangen. Wir werden in 9.7.4 den folgenden Invarianzsatz beweisen: Aus IKI ::::: ILl folgt Hq(K) ~ Hq(L) fur alle q E Z. Daher kann man definieren, was die Homologiegruppen eines Polyeders sind: 1st X ein Polyeder, so ist Hq(X) definiert als Hq(K), wobei K eine Triangulation von X istj der Invarianzsatz besagt gerade, daB diese Definition unabhangig ist von der Wahl von K. In den Siitzen 7.2.8 bzw. 7.2.9 haben wir also die Homologiegruppen von D n bzw. 5 n berechnet. Um die Darstellung zu vereinfachen und den geometrischen Inhalt der Aussagen deutlicher zu machen, werden wir in den folgenden Beispielen den noch unbewiesenen Invarianzsatz voraussetzen. 7.2.10 Beispiel Der Zylinder 51 x Jist homoomorph zu einem Kreisring, den wir wie in Abb. 7.2.2 triangulieren. Berechnung von H2(Sl x J) mit dem Kohiirenzargument: Wir orientieren die 16 Dreiecke wie in Abb. 7.2.2 kohiirent, d.h. so, daB je zwei Dreiecke mit gemeinsamer Seite entgegengesetzte Orientierungen dieser Seite induzieren. Sei c ein 2-Zyklus. Wenn 0"2 in C mit dem Koeffizienten a auftritt, also C = a0"2 + ... , so folgt aus 0= oc = aO"l + ... , daB auch O"~ in C mit dem Koeffizienten a auftrittj dabei ist 0"1 die gemeinsame Kante von 0"2 und O"~. Dasselbe gilt rur das andere Nachbardreieck von 0"2. Schlie:Bt man so von Dreieck zu Dreieck weiter, so sieht man: Jeder 2-Zyklus ist von der Form C = aY2, wobei Y2 die Summe der 16 kohiirent orientierten Dreiecke ist. Es ist aber 0Y2 =f:. o. Daher ist a = 0, also gibt es keinen 2-Zyklus =f:. 0, und es folgt H 2 (Sl x 1) = o. Berechnung von Hl(5 1 x J) mit dem Verschiebungsargument: Sei c ein 1-Zyklus. Wenn (XOXl) in c auftritt, ersetzen wir (XOX1) durch die homologe Kette (XOX2) +

184

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

(X2Xl) und erhalten einen zu c homologen Zyklus, der (XOXl) nicht enthalt (Verschieben von c uber das Dreieck (XOX2Xl)). Also konnen wir erreichen, da£ c keine Kante des iiuf3eren Randes des Kreisrings enthalt; dann tritt auch (X2Xl) nicht in c auf, da sonst OC"# 0 wiire. Ebenso erreicht man durch Verschieben, da£ (X2XO) und (X4XO) nicht in c auftreten (wegen OC = 0 also auch (X3XO) nicht). Fortsetzung des Verfahrens zeigt: c ist homolog zu einem Zyklus, der ganz auf dem inneren Rand des Kreisrings liegt. Ein Kohiirenzargument (jetzt fUr Kanten statt fUr Dreiecke) zeigt, da£ c = aZl ist, wobei Zl die Summe der wie in Abb. 7.2.2 orientierten Innenkanten ist. Fur a "# 0 ist aZl nicht Rand einer 2-Kette: Jede 2-Kette C2, in deren Rand eine Innenkante auftritt, aber keine "mittlere" Kanten, enthalt auch eine Auf3enkante (wieder ein Kohiirenzargument), so da£ nicht OC2 = aZl sein kann. Es folgt: H1(Sl x I) ~ Z, erzeugt von der Homologieklasse {Zl}.

Abb . 7.2.3

7.2.11 Beispiel Es sei X wie in Abb. 7.2.3 eine Kreisscheibe mit n ~ 1 Lochern. Man trianguliere X. Ein Kohiirenzargument zeigt H2 (X) = O. Seien Zl. ..• ,Zn die skizzierten l-Zyklen. Ein Verschiebungsargument zeigt, da£ jeder l-Zyklus zu einer Linearkombination alZl + .. .+anzn homolog ist, und diese ist (Kohiirenzargument) nur im Fall al = ... = an = 0 nullhomolog. Daher ist H1(X) ~ zn frei abelsch mit Basis {zd, ... , {zn}. 7.2.12 Beispiel Wir stellen die Fliiche Fg wie in 1.4.14 als Fg = E 4g j R dar. Trianguliert man das 4g-Eck E 4g hinreichend fein und orientiert man die Dreiecke kohiirent, so erhalt man daraus eine Triangulation von Fg mit kohiirent orientierten Dreiecken; die Klebevorschrift impliziert niimlich, da£ verklebte Dreiecke ebenfalls kohiirent orientiert sind. 1m Unterschied zu den vorigen Beispielen ist die Summe Z2 aller orientierten Dreiecke jetzt ein Zyklus (well es keine Randkanten gibt). Das Kohiirenzargument liefert H2(Fg) ~ Z, erzeugt von Z2. Aus Verschiebungsargumenten folgt, da£ Hl(Fg) ~ Z2g frei abelsch ist vom Rang 2g mit Basis {ail, {bi}, (i = 1, ... ,g), vgl. Abb. 7.2.4. Wir werden noch andere Beweise fUr diese Aussage kennenlernen.

7.2 Beispiele zur Homologie

185

7.2.13 Beispiel Koharenz- und Verschiebungsargumente lassen sich in hahere Dimensionen iibertragen. Sei Vein triangulierter Volltorus. Man mache sich klar, daf3 man die den Volltorus ausfiillenden Tetraeder koharent orientieren kann (je zwei Tetraeder, die ein Dreieck gemeinsam haben, induzieren in diesem entgegengesetzte Orientierungen). 1st Y3 die Summe der so orientierten Tetraeder, so ist 8Y3 = Z2 die Summe der koharent orientierten Dreiecke auf dem Randtorus 8V. 1st c ein 3-Zyklus, so ist c = aY3 fiir ein a E IE (Koharenzargument), also a = 0 wegen 8Y3 1:- O. Es folgt H3(V) = O. Jeder 2-Zyklus in V laf3t sich auf 8V verschieben, ist also ein Vielfaches von Z2 und wie Z2 nullhomolog, daher ist H 2(V) = O. Schliefilich ist HI(V) ~ IE, erzeugt von {al}; der Zyklus bl in Abb. 7.2.4 ist im Volltorus nullhomolog und liefert daher fiir die Homologie keinen Beitrag.

7.2.14 Beispiel Um die Homologie der projektiven Ebene p2 zu berechnen, betrachten wir deren Triangulation aus 3.1.22, vgl. Abb. 7.2.5. Beachten Sie, daf3 gegeniiberliegende Kanten so zu identifizieren sind, daf3 gleichbezeichnete Ecken zusammenfailen. Die l-Kette Zl = (12) + (25) + (51) ist ein l-Zyklus, und ein Verschiebungsargument zeigt, daf3 H I (p2) eine von {zt} erzeugte zyklische Gruppe ist. 1st Y2 die Summe der wie in Abb. 7.2.5 orientierten Dreiecke, so ist 8Y2 = 2ZI. Der Zyklus Zl ist nicht nullhomolog (Koharenzargument), aber 2Z1 ist es. Also ist {Zl} 1:- 0, aber 2{ZI} = 0 in H I (p2), d.h. es ist H I (p2) ~ 1E2' erzeugt von {zt}. Die projektive Ebene hat einen I-dimensionalen Torsionskoeffizienten vom Wert 2. Dieses erste Beispiel eines Elements endlicher Ordnung in der Homologie kann man analog zu 5.4.5 geometrisch auf verschiedene Weise verstehen. Z.B. ist, analog 5.4.5 (b), die zweimal durchlaufene Mittellinie eines Mobiusbandes homolog zu dessen Randkurve, vgl. 7.4.7.

Die orientierten Dreiecke der projektiven Ebene in Abb. 7.2.5 sind nicht koharent orientiert; in der Kante 12 z.B. induzieren die angrenzenden Dreiecke die gleiche Orientierung. Eine koharente Orientierung ailer Dreiecke ist gar nicht moglich! Daher gibt es keinen 2-Zyklus 1:- 0, und folglich ist H 2 (p2) = O. Man beachte den Unterschied zu 7.2.11. Dort gab es keine 2-Zyklen 1:- 0, well der Kreisring Rander hat. p2 hat keinen Rand (jede Kante ist Seite von genau zwei Dreiecken), dennoch gibt es keine 2-Zyklen 1:- O. 7.2.15 Beispiele Wir geben ohne Beweis noch eine Reihe weiterer Beispiele.

186

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

= 0 (da Rand). = 0 (Rand). (c) Vollbrezel: HI ~ Z2 (Zyklen al, a2 wie in 7.2.12), H2 = 0, H3 = 0 (Rand). (d) Hohlkugel S2 x I: HI = 0, H2 = Z (7.2.9), H3 = 0 (Rand).

(a) Mobiusband: HI ~ Z (erzeugt vom Mittelkreis), H2

(b) Torus mit Loch: HI ~ Z2 (Zyklen at. bl wie oben), H2

(e) S2 V SI: HI ~ Z (l-Zyklus auf SI), H2 ~ Z (2-Zyklus auf S2). (f) X

= SI X SI/SI x 1:

HI

~ Z (l-Zyklus auf 1 x

SI), H2

~ Z.

(g) 1m ]R3 sei Y die Vereinigung der Kreise (x - 2)2 + z2 = 1 und (x - 4)2 + z2 = 1 in der (x, z)-Ebene, und X C ]R3 entstehe aus Y durch Rotation um die z-Achse. Dann ist HI(X) ~ Z3 und H2(X) ~ Z2. Der Raum X ist Vereinigung zweier Tori, die sich liings eines Kreises beriihren; daher kann man mit 7.2.12 die Zyklen bestimmen, deren Homologieklassen die Homologiegruppen erzeugen.

Aufgaben 7.2.Al Beweisen Sie 7.2.3. 7.2.A2 Ein zusammenhangender 1-dimensionaler Simplizialkomplex K, in dem es keine 1-Zyklen =f:. 0 gibt, heiBt ein (simplizialer) Baum. Zeigen Sie, daB K genau dann ein Baum ist, wenn die Eckenzahl von K genau um 1 groBer ist als die Kantenzahl.

7.2.A3 Sei K = Kq die Menge aller Seitensimplexe der Dimension ~ q eines n-Simplex, wobei 1 ~ q ~ n - 1 ist. Zeigen Sie: (a) Fiir i = 1, ... , q - 1 ist Hi(K) = O. (Hinweis: Beweis von 7.2.9) (b) Hq(K) ist frei abelsch vom Rang (q~I). (Hinweis: 3.1.A13 (e) und 7.1.A6) 7.2.A4 Konstruieren Sie eine Triangulation der Narrenkappe in 2.4.14 und verifizieren Sie, daB es in dieser Triangulation keine 2-Zyklen =f:. 0 gibt. 7.2.A5 Konstruieren Sie fiir n ~ 2 einen 2-dimensionalen Simplizialkomplex Kn mit Bettizahlen Po = P2 = 1 und PI = n. Zeigen Sie, daB Kn mindestens n + 6 Kanten enthiilt. Konnen Sie Kn mit genau n + 6 Kanten finden? 7.2.A6 Identifiziert man in einem regularen k-Eck (k ~ 3) je zwei Kanten gleichsinnig, so entsteht der Raum X k aus 5.4.4. Konstruieren Sie eine Triangulation Lk von X k und beweisen Sie HI(L k ) ~ Zk und H 2(Lk) = O. Welcher 1-Zyklus repriisentiert ein erzeugendes Element dieser Gruppe? 7.2.A7 Sei EK die Einhangung von K wie in 3.1.A8. Fiir eine q-Kette c von K sei Ec die (q + l)-Kette Ec P c - p' c, wobei p' -p ist (vgl. den Beweis von 7.2.7). Zeigen Sie, daB die Zuordnung {z} 1-+ {Ez} fiir q > 0 einen Isomorphismus S: Hq(K) - Hq+1(EK) definiert. Zeigen Sie ferner: Wenn K zusammenhangend ist, ist HI(EK) O. 7.2.AS Der Simplizialkomplex K sei Vereinigung zweier Simplizialkomplexe KI und K 2, so daB KI n K2 eine Ecke ist (»simpliziale Einpunktvereinigung"). Beweisen Sie Hq(K) ~ Hq(K l ) EB Hq(K2) fiir q > O. Was ist im Fall q O?

= *

=

*

=

=

7.2.AD Sei G eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und n ~ 1 eine ganze Zahl. Beweisen Sie mit Hilfe der vorigen drei Aufgaben, daB es einen zusammenhiingenden Simplizialkomplex K gibt mit Hn(K) ~ G und Hq(K) 0 fiir q =f:. 0, n (Hinweis: 8.1.13).

=

7.3 Simpliziaie Abbildungen und Homologiegruppen

187

7.2.AIO Zu jeder endlichen Folge G l , ... , G n endlich erzeugter abelscher Gruppen gibt es einen Simplizialkomplex K mit Ho(K) ~ Z, Hq(K) ~ Gq fiir 1 ::; q ::; n und Hq(K) = 0 fiir q > n. 7.2.All Setzen Sie die Beispielserie 7.2.15 fiir Homologiegruppen auf folgende R1i.ume fort: 8f V ... V 8;,82 U Dl, 8 2 U D2, 8 2 U {x E D3\XlX2X3 = O}, 8 2 V 81, ... 7.2.A12 Sei K eine Triangulation von 12. Sei 'Y ein "einfach-geschlossener" l-Zyklus in K, der j2 nicht trifft. Machen Sie sich analog zu 7.2.10 anschaulich klar, daB 'Yeine 2-Kette c berandet und daB 'Y das Quadrat in zwei Teile zerlegtj der eine Teil enthiilt die Dreiecke von c, der andere die anderen ("simplizialer Jordanscher Kurvensatz").

7.3 Simpliziale Abbildungen und Homologiegruppen 7.3.1 Definition Jeder simpliziaien Abbildung t.p: K -+ Lund jedem q E Z ordnen wir einen Homomorphismus Cq(t.p): Cq(K) -+ Cq(L) zwischen den Kettengruppen von K und L wie folgt zu: (a) Fiir q < 0 und q > dimK sei Cq(t.p) = 0 der Nullhomomorphismus. (b) Fiir ein orientiertes q-Simplex O'q = (xo ... Xq) von K sei C (t.p)(0' ) = {(t.p(xo) ... t.p(xq)}, q q 0

falls t.p(Xi) sonst.

:f:. t.p(Xj) fiir i :f:. j,

(c) Fiir eine beliebige Kette c = Li niO'~ E Cq(K) sei Cq(t.p)(c) = Li niCq(t.p)(O'~). Weil die orientierten q-Simplexe von K eine Basis von Cq(K) bilden, wird hierdurch eindeutig ein Homomorphismus Cq(t.p): Cq(K) -+ Cq(L) definiert.

7.3.2 Satz Fiir alle q E Z ist 80 Cq(t.p)

= Cq- 1 (t.p) 0 8

im Diagramm

und der Homomorphismus Cq(t.p) bildet daher Zyklen in Zyklen und Riinder in Riinder abo Be wei s Es geniigt zu zeigen, daB £iir jedes orientierte q-Simplex 0'q = (xo ... Xq) die Gleichung 8Cq(t.p)(O'q) = Cq_ 1 (t.p)(80'q) gilt. Sind alle Ecken t.p(xo), ... ,t.p(Xq) verschieden oder fallen mindestens drei dieser Ecken zusammen, so folgt das sofort

188

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

aus der Definition. Fallen genau zwei Ecken zusammen, so erreichen wir durch Umordnen, dafi cp(xo) = CP(Xl) ist. Dann ist Cq(cp)(O'q) = 0, also 8Cq(cp)(O'q) = 0 und 80'q = (XIX2 ... Xq) - (XOX2 ... xq)+ L:r=2( _1)i(xOXl ... Xi . .. x q}. Die ersten beiden Simplexe hier haben unter Cq-1(cp) das gleiche Blld. Die Simplexe in der Summe werden unter Cq-1(cp) nach Null abgeblldet. Daher ist auch Cq_ 1 (cp)(80'q) = o. Damit ist der erste Tell bewiesen. Fur einen Zyklus Z E Cq(K) ist wegen 8Cq(cp)(z) = Cq_ 1 (cp)(8z) = Cq- 1 (cp)(0) = 0 auch Cq(cp)(z) ein Zyklus. Fur einen Rand z = 8eist auch Cq(cp)(z) = Cq(cp)(8c) = 8Cq+1(cp)(c) ein Rand. 0

7.3.3 Definition Durch Hq(cp)(z + Bq(K)) = Cq(cp)(z) + Bq(L) wird ein Homomorphismus Hq(cp): Hq(K) -+ Hq(L) definiert (z E Zq(K)). Nach 7.3.2 ist diese Definition eindeutig. Um die Symbolik zu vereinfachen, benutzen wir auch die kiirzere Schreibweise

Dann ist CP*({Z}K) = {cp.(z)}L fUr z E Zq(K). Diese Homomorphismen heiBen die von cP: K -+ L induzierten Homomorphismen der Ketten- bzw. Homologiegruppen.

Abb. 7.3.1

7.3.4 Beispiele (a) 1st cP: K -+ K die Identitat, so ist CP.: Cq(K) -+ Cq(K) bzw. CP*: Hq(K) -+ Hq(K) die Identitiit der jeweiligen Gruppe. (b) Sind cP: K -+ Lund 'I/J: L -+ M simpliziale Abbildungen von Simplizialkomplexen, so ist ('l/Jcp). = 'I/J.CP.: Cq(K) -+ Cq(M) und ('l/JcP)* = 'I/J*cP*: Hq(K) -+ Hq(M). (c) 1st cP: K -+ L ein Isomorphismus, so sind cp.: Cq(K) -+ Cq(L) und cP*: Hq(K) -+ Hq(L) Gruppenisomorphismen. (d) Sei cP: K -+ L eine beliebige simpliziale Abbildung, wobei K und L zusammenhiingend sind. Dann ist CP*: Ho(K) -+ Ho(L) ein Isomorphismus. (e) Ist cP: K -+ L eine konstante Abbildung, so ist CP* = 0: Hq(K) -+ Hq(L) fUr alle q # 0 der Nullhomomorphismus. (f) Es sei K = K(ir 2) wie in 3.1.9 (g), und K(n) sei die n-te Normalunterteilung von K, wobei n ~ 1 eine feste ganze Zahl ist. H 1 (K(n») bzw. H 1 (K) ist eine freie zyklische Gruppe, die von den in Abb .. 7.3.1 skizzierten Zyklen a bzw. b erzeugt wird. 1st cP: K(n) -+ K simplizial, so ist cp*(a) = mb fUr eine ganze Zahl m mit

7.4 Relative Homologiegruppen

189

_2n ~ m ~ 2n. Man mache sich klar, daJ3 bei geeigneter Wahl von rp jede solche Zahl auftreten kann.

Aufgaben 7.S.AI Beweisen Sie die Details in den Beispielen 7.3.4. 7.S.A2 Sei rp: K -4 L eine simpliziale Abbildung. Zeigen Sie: rp induziert eine simpliziale Abbildung Erp: EK -4 EL der Einhiingungen (3.1.A8) mit (Erp)* 0 = So rp*, wobei S der Isomorphismus aus 7.2.A7 ist.

s

7.S.AS Zu ganzen Zahlen k, m mit k ~ 1 gibt es Simplizialkomplexe K und Lund eine simpliziale Abbildung rp: K -4 L mit (a) IKI ~ ILl ~ Sk und Hn(K) 9:! Hn(L) 9:! Z. (b) rp*: Hn(K) -4 Hn(L) ist die Multiplikation mit m. (Hinweis: vorige Aufgabe und 7.3.4 (f))

7.4 Relative Homologiegruppen 1st Ko ein Teilkomplex des Simplizialkomplexes K, so ist zu erwarten, daJ3 zwischen den Homologiegruppen von K und Ko ein Zusammenhang besteht. Um ihn beschreiben zu konnen, fiihren wir die relativen Homologiegruppen ein. 7.4.1 Definition 1st Ko C K ein Teilkomplex, so ist Cq(Ko) C Cq(K) eine Untergruppe. Die Faktorgruppe Cq(K, Ko) = Cq(K)/Cq(Ko) heifit q-te relative Kettengruppe (von K relativ Ko); ihre Elemente cq+Cq(Ko) mit cq E Cq(K) heifien Ketten auf K relativ Ko. Weil a: Cq(K) -4 Cq- 1 (K) die Untergruppe Cq(Ko) nach Cq - 1 (Ko) abbildet, ist der Homomorphismus

definiert; er heifit relativer Randoperator. Die Elemente von Zq(K, Ko) = Kern 8q bzw. Bq(K, Ko) = Bild 8q+1 heifien Zyklen bzw. Riinder auf K relativ Ko. Es ist Bq(K,Ko) c Zq(K,Ko). Die Faktorgruppe Hq(K,Ko) = Zq(K,Ko)/Bq(K,Ko) heifit q-te Homologiegruppe von K relativ Ko. Sei z E Cq(K) eine Kette mit az E Cq- 1 (Ko). Dann ist die relative Kette z = z + Cq(Ko) ein Zyklus relativ Ko; wir sagen auch kurz: z ist ein Zyklus relativ Ko. Das zugehOrige Element in Hq(K,Ko) wird mit {ZhK,Ko) = z+Bq(K,Ko) E Hq(K,Ko) bezeichnet. 1st auch z' E Cq(K) ein Zyklus relativ K o, so gilt {ZhK,Ko) = {Z'hK,Ko) genau dann, wenn es eine (q + 1)-Kette C auf K gibt, so daJ3 z - z' = ac + cO gilt fiir eine Kette cO E Cq(Ko); wir sagen dann, z und z' sind homolog relativ Ko.

190

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Man kann also die Elemente von Hq(K, Ko) ebenso wie die von Hq(K) durch Ketten auf K reprasentieren, aber die Aquivalenzrelation ist eine andere. Die Berechnung von Hq(K, Ko) ist analog zu der von Hq(K). Man stellt die Kettengruppen Cq(K) auf, berechnet die Randoperatoren 0: Cq(K) - Cq-l(K) und ersetzt zum Bestimmen der relativen Zyklen und Rander alle Simplexe in Ko durch Null. 7.4.2 Beispiele (a) Fiir alle q ist Hq(K, K) die Nullgruppe. (b) Fiir alle q ist Hq(K, 0)

= O.

In der Tat ist schon Cq(K, K)

= Cq(K)jCq(K)

= Hq(K).

(c) 1st dim Ko < q - 1, so ist Hq(K, Ko) = JIq(K). Denn fiir i E {q - 1, q, q + 1} ist Ci(Ko) = 0, also Ci(K, Ko) = Ci(K) und Oi = Oi, und nur diese drei Dimensionen sind fijr Hq(K, Ko) relevant. (d) 1st K zusammenhangend und 0 "# Ko c K, so ist Ho(K, Ko) = 0: Zu jedem O-Simplex x E K gibt es eine 1-Kette Cl auf K mit OCl = X - XO fijr ein O-Simplex xO E K o, daher ist x ein Rand relativ K o. (e) Sei (Tn ein n-Simplex mit Ecken Xo, ... ,Xn und Ko = K(&n) C K = K«Tn). Dann ist (vgl. den Beweis von 7.2.9)

C (K K) q

,

0

'"

= H q (K , K °) =

{Z0

fiir q = n, fijr q "# n.

Die Kette (xo ... Xn) auf Kist ein Zyklus relativ Ko, und sie erzeugt Hn(K, K o). Das ist das Standardbeispiel eines relativen Zyklus: (xo ... Xn) ist natiirlieh kein Zyklus in K, aber wei! der Rand o(xo ... xn} in K o liegt, ist (xo ... Xn) Zyklus relativ Ko. (f) Sei K wie in Abb. 7.2.2, und sei K o die Vereinigung von AuBen- und Innenrand von K. Die Kette Y2 aus 7.2.10 ist ein Zyklus relativ K o, und es ist H2(K, K o) ~ Z, erzeugt von {Y2hK,Ko)' 7.4.3 Definition Fiir alle q E Z definieren wir die folgenden Homomorphismen j*: Hq(K) - Hq(K, Ko) und 0*: Hq(K, Ko) - Hq-l(Ko): (a) 1st x E Cq(K) ein Zyklus, so sei j*({X}K) = {X}(K,Ko)' (b) 1st z E Cq(K) ein Zyklus relativ Ko, so sei O*({ZhK,Ko)) = {OZ}Ko. Wenn zein q-Zyklus relativ K o ist, so liegt OZ in Ko und OZ ist natiirlich ein Zyklus; daher ist {OZ}Ko E Hq-l(Ko) definiert. (Man beachte: In Kist OZ ein Rand, also {oz} K = O. Aber OZ ist i.a. nicht Rand einer Kette aus Ko, d.h. es ist i.a. nicht {oz} Ko = 0.) 1st z' homolog z relativ Ko, so gibt es eine (q + 1)-Kette C auf K und eine q-Kette cO auf Ko mit z' - z = oc + co. Es folgt OZ' = oz + oeo, also {oz'} Ko = {oz} Ko' Daher ist der Homomorphismus 0* eindeutig definiert. Einfacher sieht man, daB j* wohldefiniert ist.

7.4 Relative Homologiegruppen

191

Die Inklusion i: K o ~ Kist eine simpliziale Abbildung und induziert daher nach 7.3 Homomorphismen i .. : Hq(Ko) ~ Hq(K) durch i .. ({Z}Ko) = {Z}K. Well i .. , i .. und fur alle q E Z definiert sind, ist folgende Konstruktion moglich:

a.

7.4.4 Definition Die Sequenz von Homologiegruppen und Homomorphismen

heH3t die Homologiesequenz des Paares K o C K. Weil q alle ganzen Zahlen durchlauft, ist dies eine nach beiden Seiten unendlich lange Sequenz von Gruppen und Homomorphismen. Allerdings ist sie fur q < 0 und q > dim K langweilig: dort sind alle Gruppen Null. 7.4.5 Satz An jeder Stelle der Homologiesequenz ist der Kern des dort stanenden Homomorphismus gleich dem Bild des don endenden, d.h. fur alle q E Z gilt: (a) Kern [i*: Hq(Ko) ~ Hq(K)] = Bild [0*: Hq+1 (K, K o) ~ Hq(Ko)], (b) Kern [j .. : Hq(K) ~ Hq(K,Ko)] = Blld [i .. : Hq(Ko) ~ Hq(K)], (c) Kern [a .. : Hq(K, K o) ~ Hq- 1 (Ko)] = Bild [j .. : Hq(K) ~ Hq(K, K o)]. Man sagt kurz: Die Homologiesequenz ist exakt (vgl. 8.2). Das ist der eingangs erwahnte Zusammenhang zwischen den Homologiegruppen von K o und K, der sich als wichtiges Hilfsmittel zur Berechnung von Homologiegruppen erweisen wird. Beweis von 7.4.5. (a) Sei 0: E Hq+1 (K,Ko), also 0: = {ZhK,Ko) fUr einen (q+1)Zyklus z auf K relativ K o. Dann ist i*a.. o: = {aZ}K = 0, weil az in K Rand ist. Es folgt i*a* = 0, also Bild a .. c Kern i*. Sei umgekehrt {X}Ko EKern i*, also x ein qZyklus auf K o mit i*{X}Ko = {X}K = 0. Dann gibt es eine (q+1)-Kette c auf K mit ac = x. Diese Kette c ist ein Zyklus relativ Ko, d.h. 0: = {c }(K,Ko) E Hq+l (K, K o) ist definiert. Aus 0 .. 0: = {X}Ko folgt {X}Ko E Bild a.. , somit Kern i .. C Bild a ... Insgesamt ist Kern i .. = Bild a... (b) Fur {x} Ko E Hq(Ko) ist j .. i .. ( {x} Ko) = {x hK,Ko) = 0, weil x in K o liegt; daher j .. i .. = 0, also Bild i .. C Kern j ... Sei umgekehrt {x} EKern j ... Dann ist x ein q-Zyklus auf K mit {x hK,Ko) = 0. Das bedeutet: x ist nullhomolog relativ Ko, d.h. es gibt eine (q + l)-Kette c auf K und eine q-Kette cO auf K o mit x = ac + co. Daher ist cO ein zu x homologer Zyklus, also {X}K = {CalK = i .. ({CO}Ko) E Bild i ... Das zeigt Kern j .. C Bild i ...

°

(c) Fur {X}K E Hq(K) ist a.. j .. ({X}K) = {aX}Ko = 0, weil ax = ist. Es folgt a.. j .. = 0, also Bild j .. C Kern a... Sei umgekehrt 0: = {z hK,Ko) E Kern a ... Dann ist zein q-Zyklus auf K relativ K o mit = 0 .. 0: = {az} K o ' d.h. es gibt eine q-Kette ZO auf K o mit az = azo. Der Zyklus z-zo auf K reprasentiert ein Element (3 E Hq(K), und es ist 0: = {ZhK,Ko) = {z - ZOhK,Ko) = j .. «(3) E Bild i ... Das zeigt

°

Kern

a.. c Blld i...

0

192

7 Homologiegruppen von Simplizialkomplexen

Die Exaktheit der Homologiesequenz ist eine der wichtigsten Eigenschaften der Homologiegruppen, und sie wird uns im folgenden in den verschiedensten Variant en immer wieder begegnen. Wir empfehlen Ihnen daher, den Beweis genau zu studieren: Veranschaulichen Sie sich die Schlusse geometrisch durch Skizzen! Und schreiben Sie die Details der folgenden Ergii.nzung zu 7.4.5 genauso ausfiihrlich auf: 7.4.6 Satz und Definition Sei 0, Ketten Xj in Xj mit aXj = z. Die Kette Xl - X2 in X = Xl U X 2 ist ein (q + 1)-Zyklus, und fUr q > 0 ist die Zuordnung {Z}X1 nX2 1-+ {XI-X2}X ein Isomorphismus Hq(XI nX2) -+ Hq+I(X); denn in 9.4.10 ist D. ein Isomorphismus, und diese Zuordnung ist invers zu D.. Ferner folgt aus 9.4.10, daf3 HI(X) frei abelsch ist; wenn Xl nX2 aus k Wegekomponenten besteht, hat HI(X) den Rang k - 1. (d) Die Zerlegung sn = D'+. U D~ erfiillt die Voraussetzungen von (a) und (c), und es ist D+. n D~ = sn-l. Fiir q> n > 0 ist daher

well q - n > 0 und SO ein diskreter Raum ist. Fiir 0 < q < n ist

well

sn-q

wegzusammenhangend ist, vgl. (c). Schlie:Blich ist

weil So = D~ nD~' aus zwei Wegekomponenten besteht, vgl. (c). Damit haben wir die singularen Homologiegruppen der Spharen berechnet. Dieses wichtige Beispiel wird im nachsten Abschnitt noch genauer untersucht. Aufgaben

=

9.4.Al Sei X AuB ein CW-Raum mit CW-Teilraumen A und B. Zeigen Sie, daB die Inklusion (B, A n B) '-+ (X, A) Isomorphismen Hq(B, A n B) -+ Hq(X, A) induziert. (Diese Form des Ausschneidungssatzes wird besonders haufig angewandt.)

=

9.4.A2 Sei EX die Einhangung von X. Zeigen Sie, daB EX C+XUC_X Vereinigung zweier Kegel iiber X ist und daB fiir dieses Tripel die Mayer-Vietoris-Sequenz existiert. 9.4.A3 Folgern Sie daraus, daB D.: H q+1(EX) -+ Hq(X) fUr q > 0 ein Isomorphismus ist, und konstruieren Sie explizit einen zu D. inversen Isomorphismus (vgl. 7.4.A7). 9.4.A4 Wenn X aus n Wegekomponenten besteht, ist HI(EX) ~ zn-l. 9.4.A5 Berechnen Sie mit den vorigen Aufgaben die Homologie der Spharen.

9.5 Homologie von Biillen und Spharen

233

9.4.A6 Nach 1.5.9 ist S3 = V U V' Vereinigung zweier Vontori, so daB V n V' = T ein Torus ist. Folgern Sie aus der zugehorigen Mayer-Vietoris-Sequenz, daB H 2 (T) ~ Z und HI (T) ~ Z2 ist.

9.5 Homologie von Billen und Sphiren Nachdem wir die Hauptprinzipien der singularen Homologietheorie gesammelt haben (Funktoreigenschaften, exakte Sequenzen, Homotopie- und Ausschneidungssatz), konnen wir weitere nicht-triviale Homologiegruppen berechnen. 9.5.1 Satz Fur alle n ~ 0 ist Hn (/l'n' An) ~ Z und Hq(a"H An) = 0 fUr q #= n. Die Identitat idn : an - an ist, ala Kette in Sn(a n ) aufgefapt, ein Zyklus relativ An, dessen Homologieklasse die Gruppe Hn(a n , An) erzeugt.

fJg ----.1n+l

..... /'

Abb.9.5.2

6 -n

----.~~/

....!l-

,-, /

\

Beweis Fur n = 0 ist das richtig. Sei n > O. Sei ~~-l die O-te Seite von ~n' und sei An die Vereinigung der ubrigen Seiten (Abb. 9.5.1). Weil An Deformationsretrakt von an ist, folgt aus der Homologiesequenz des Tripels An C An can, dail im Diagramm

8. ein Isomorphismus ist. Nach 9.4.8 ist (O~_l). ein Isomorphismus, weil O~_l ein relativer Homoomorphismus der angegebenen Raumpaare ist. Deshalb ergibt sich Hq_ 1 (a n - b An-I) ~ Hq(~n' An) und daraus der erste Teil von 9.5.1 durch Induktion. Der zweite Teil folgt aus (o~_l).{idn-tl = 8.{idn } in Hn-I(A n , An). Die linke Seite wird von 8~_1' die rechte von Ej=o( -1)j8~_1 reprasentiert; modulo Sn-l(A n ) sind beide Ketten gleich. 0

234

9 Homologiegruppen topologischer Riiume

9.5.2 Satz Fur alle n H (Dn sn-1) q,

~

~

{Z 0

0 gilt

f~r q = n, fur q:f:. n.

1st (1: (~n'~n) --+ (Dn,sn-1) ein Homoomorphismus von Paaren, so ist (1, als Kette in Sn(Dn) aufgefaftt, ein Zyklus relativ sn-1, dessen Homologieklasse die Gruppe Hn (Dn, sn-1) erzeugt. 0

Be wei s In der Homologiesequenz

sind die Enden Null, weil Dn+1 azyklisch ist. Also ist 8. ein Isomorphismus, und 0 der Satz folgt aus 9.5.2. (Fur einen anderen Beweis siehe 9.4.12 (d).) 9.5.4 Beispiele Mit {Dn} E Hn(Dn, sn-1) bzw. {sn} E Hn(sn) bezeichnen wir stets ein erzeugendes Element dieser Gruppe (wobei n ~ 0 bei Dn und n > 0 bei sn). Diese Elemente heif3en Fundamentalklassen von (Dn, sn-1) bzw. von sn. Sie sind nur bis auf das Vorzeichen bestimmt. Die Fundamentalklasse {Dn} kann man sich wie in 9.5.2 vorstellen: sie wird von einem Homoomorphismus (1: (~n'~n) --+ (Dn,sn-1) reprasentiert. Zur Konstruktion von {sn} gibt es mehrere Moglichkeiten: (a) Wie im Beweis von 9.5.3 ist 8.. : Hn+1(~n+t. ~n+1) ~ Hn(~n+1)' Daher wird die zweite Gruppe von 8.. {idn+tl = n:::~io1(-1)ib'~} erzeugt. Es folgt: 1st (1: ~n+1 --+ sn ein beliebiger Homoomorphismus, so reprasentiert der Zyklus E~io1( -l)i(1 0 b'~ eine Fundamentalklasse von sn (Abb. 9.5.2). (b) Aus dem Beweis von 9.5.3 folgt, daf3 8.. {Dn+1 } eine Fundamentalklasse von sn ist, wobei 8.: H n+1(D n+1,sn) ~ Hn(sn). (c) Sei 1': ~n --+ sn eine Abbildung, die ~n auf einen Punkt xo von sn und ~n \~n homoomorph auf sn\xo abbildet, und sei 1'0: ~n --+ sn die konstante Abbildung 1'O(~n) = Xo. Die Kette c = l' - !(1 + (-l)n)1'o E Sn(sn) ist ein Zyklus, dessen Homologieklasse Hn(sn) erzeugt. Beweis: 8c = 0 rechne man nacho 1'.: Hn(~n'~n) --+ Hn(sn,xo) und j .. : Hn(sn) --+ Hn(sn,xo) sind nach 9.4.8 bzw. 9.2.4 (a) Isomorphismen. Aus 1'.. {idn} = j.{c} folgt die Behauptung. (d) Sei x E sn fest, und sei p: (Dn,sn-1) --+ (sn,x) ein relativer Homoomorphismus. Dann ist P.. : H n (Dn,sn-1) --+ Hn(sn,x) nach 9.4.8 ein Isomorphismus. Also ist P.. ( {Dn }) ein erzeugendes Element von Hn (sn , x) ~ Hn (sn). (e) Fur n = 1 bezeichnen wir mit {Sl}+ E H1(Sl) die Fundamentalklasse, die vom 1-Zyklus 1': ~1 --+ 81, 1'«1 - t)eo + tel) = exp271"it, repriisentiert wird.

9.5 Homologie von BaJlen und Spharen

235

Ein erstes Beispiel fiir induzierte Homomorphismen ist folgender Satz:

Beweis in zwei Schritten: 1. Schritt: Es sei {Sl}+ = {T} wie in 9.5.4 (e) oben. Sei (7 = [el,eO]: ~l - ~l die Eckenvertauschung. Die singulare 2-Kette e = [eO,el,eO] + [eo,eo,eo] in ~l hat den Rand oe = id l + (7. Anwenden von T.: Sl(~l) - Sl(Sl) gibt die Gleichung o(T.e) = T + TO (7 = T + g-l 0 T. Also sind die 1-Zyklen g-l 0 T und -T in Sl homolog, d.h. (g-l) * ( { T }) = - { T }. Damit ist der Satz fUr n = -1 bewiesen. Wegen gn = g-l 0 g-n diirfen wir im folgenden n > 0 annehmen (fiir n = 0 ist der Satz trivial). 2. Schritt: Fur i = 0, ... , n sei Xi = (1 - * )eo + *el E ~l' Fur das singulare I-Simplex [Xj-l,Xj]: ~l - ~l gilt die Gleichung gn 0 T 0 [Xj-l,Xj] = T, wobei j = 1, ... ,n. Sei e die 1-Kette e = [XO,Xl] + ... + [Xn-l,X n ] in ~l' Wir zeigen gleich, daB die Ketten e und id l in ~l homolog sind. Es folgt, daB die Zyklen T.(C) und T in Sl homolog sind; daraus und aus (gn)*({T}) = (gn)*({T. 0 c}) = {Egn 0 T 0 [Xj-l,Xj]} = niT} ergibt sich der Satz. Um die behauptete Homologie zu beweisen, betrachten wir die singuliire 2-Kette X = E:-ll[XO,Xi,Xi+l] auf ~l' Man rechnet nach, daB ax = c - idl ist, vgl. 9.1.A1. 0 Mit 9.4.9 und 9.5.3 k6nnen wir die Homologiegruppen einer Einpunktvereinigung von n-Sphiiren berechnen: 9.5.6 Satz Es sei Vsy eine Einpunktvereinigung von n-Sphiiren (n 2:: 1 und j aus einer Indexmenge J). Dann ist Hq(VSj) = 0 fur q "# O,n und Hn(VSY) ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang IJI (= Miiehtigkeit von J). 1st ij : sn - V sy eine Abbildung, die sn homoomorph auf sy abbildet, so bilden die Elemente {sy} =

ij*({sn}) eine Basis von Hn(VSj).

0

9.5.7 Bemerkung Mit den bisher entwickelten Methoden der singuliiren Homologietheorie kann man schon viele interessante Siitze beweisen. Wenn Sie mehr an den Anwendungen als am weiteren systematischen Aufbau der Homologietheorie interessiert sind, bliittern Sie nach vorne: die Abschnitte 11.1 (topologische Eigenschaften der Spharen) und 11.7 (Jordan-Brouwerscher Separationssatz, Invarianz des Gebiets usw.) sind mit den bisherigen Mitteln leicht verstiindlich. Eine Folgerung wollen wir jetzt schon hervorheben, die Invarianz der Dimension der euklidischen Riiume: Aus m "# n folgt ~m ';ft ~n (denn andernfalls ware ~m\o R! ~n\o, also sm-l c::: sn-l; das kann aber nicht sein, da Sphiiren verschiedener Dimension nach 9.5.3 verschiedene Homologiegruppen haben). Damit ist die Liicke geschlossen, auf die wir in 4.4 hingewiesen haben: Die Dimensionen von Zellen und damit die Geriiste von CW-Riiumen sind wohldefinierte Begriffe. Davon machen wir im niichsten Abschnitt ausfiihrlich Gebrauch.

236

9 Homologiegruppen topologischer Raume

Aufgaben 9.5.At Sei v: S1 --t S1 V S1 die Abbildung aus 5.1.A4. Zeigen Sie, daB v .. : H1 (S1) H 1(S1 V S1) gegeben ist durch v .. ( {S1 }+) i h ( {S1}+) + i 2.. ( {S1 }+).

=

=

--t

9.5.A2 Sei f ij11 . ij22 ..... ij:::: S1 -+ Sf V ... V S; die Abbildung aus 1.6.9. Zeigen Sie, daB f .. ({S1}+) E ll n ll (iiJoo({S1h) ist. (Hinweis: Betrachten Sie zuerst den Fall, daB die nil = 1 und die i l l verschieden sind. Benutzen Sie dann 9.5.5.)

=

9.5.A3 Sei g: S1 V .. , V S1 -+ S1 die Abbildung, die auf jedem Summanden der Einpunktvereinigung mit ids1 iibereinstimmt. Was ist goo: H 1(S1 V ... V S1) -+ H1(S1)?

=

9.5.A4 Es sei X V Y X x Yo U Xo x Y c X x Y, wobei X, Y CW-Riiume mit Ecken Xo E X und Yo E Y sind. Beweisen Sie die Exaktheit der folgenden Sequenz:

O-+Hq(X V Y)~Hq(X x Y)~Hq(X x Y,X V Y)-+O.

9.6 Zellulare Homologie Ein wichtiges Verfahren zur Berechnung von Homologiegruppen ist das zel1ulare Verfahren, das immer dann anwendbar ist, wenn man die Homologie eines CWRaumes bestimmen will. Wir beginnen mit einigen ailgemeinen Satzen uber die singularen Homologiegruppen von CW-Raumen. 9.6.1 Satz Sei X ein CW-Raum und xq sein q-dimensionales Geriist. Dann ist H p(Xq,Xq-1) = 0 fur p:f. q.

B ewe i s Fur q ~ 0 ist das klar. Sei q ~ 1. Fur p = 0 ist die Aussage richtig. Sei :f. O. Nach 9.4.7 ist H p(Xq,Xq-1) e:! H p(Xq/Xq-1). Well Xq/Xq-1 ein Punkt oder eine Einpunktvereinigung von q-Spharen ist, folgt der Satz aus 9.5.6. 0

p

9.6.2 Satz Die Inklusion xq ~ X induzierl einen surjektiven Homomorphismus Hq(Xq) --t Hq(X), und die Inklusion Xq+1 ~ X induzierl einen Isomorphismus Hq(Xq+1) --t Hq(X). Insbesondere hiingt also Hq(X) nicht ab von den Zellen der Dimensionen > q + 1.

Beweis In der Folge Hq(Xq) --t Hq(Xq+1) -+ Hq(Xq+2) -+ ... , in der aile Homomorphismen von Inklusionen induziert sind, ist der erste Homomorphismus surjektiv und die folgenden sind Isomorphismen. Das folgt aus 9.6.1 und der jeweiligen Homologiesequenz. Wenn X endlich-dimensional ist, ist 9.6.2 bewiesen. Sonst fUhrt ein Kompaktheitsargument zum Ziel. Jedes singulare Simplex in X, also auch jede Kette in Sq(X), liegt wegen 4.1.9 in XP fUr hinreichend grofies p. Zu jedem a E Hq(X) gibt es folglich ein p ~ q + 1, so dafi a im BUd von

9.6 ZelluHire Homologie

237

Hq(XP) - t Hq(X) liegt. Dann liegt a nach dem ersten Tell des Beweises im Bild von Hq(Xq) - t Hq(X) bzw. Hq(Xq+l) - t Hq(X), d.h. diese Homomorphismen 0 sind surjektiv. Ahnlich folgt, daB Hq(Xq+l) - t Hq(X) injektiv ist. 9.6.3 Satz 1st X ein CW-Raum, der keine q-Zellen enthiilt, so ist Hq(X) Insbesondere ist also Hq(X) = 0 fur q > dim X.

= O.

Beweis Aus 9.6.1 und den jeweiligen Homologiesequenzen folgt

Hq(xq-l) Es ist xq

~

Hq(Xq-2)

~

...

~

Hq(X O) ~ Hq(X- 1 )

= Xq-l, also Hq(Xq) = O. Aus 9.6.2 folgt

= O.

Hq(X)

= O.

o

9.6.4 Definition und Satz Die q-te zelluliire Kettengruppe des CW-Raumes X ist definiert durch Cq(X) = Hq(Xq, Xq-l); insbesondere ist Cq(X) = 0 fur q < O. Die ~lemente von ~~(X) heiften zelluliir~ q-Ketten vO.n 1st e X eine q-Zelle und ~st F: (Dq,Sq ) - t (Xq,Xq-l) eme charakteNst~sche Abb~ldung von e, so heiftt das Element

?C.

c:

eine Orientierung von e. Wir sagen auch: F.. ({ Dq}) ist eine orientierte q-Zelle von Xi durch Wahl von Fund {Dq} wird e orientiert. Zu jeder q-Zelle von X gibt es genau zwei Orientierungen, die sich um das Vorzeichen unterscheiden. Die Kettengruppe Cq(X) ist frei abelsch; wiihlt man fur jede q-Zelle in X eine feste Orientierung, so bilden diese Orientierungen eine Basis von Cq(X). Beweis Es seien Fund G charakteristische Abbildungen der q-Zelle e. Man kann Fund G in der Form F',G': (Dq,Sq-l) - t (Xq-l Ue,Xq-l) C (Xq,Xq-l) faktorisieren. Nach 9.4.8 sind F~ und G~ Isomorphismen. Daher ist F.. ({Dq}) = ±G .. ({Dq} ), und somit gibt es genau zwei Orientierungen von e (niimlich F.. ({Dq} ) und -F.. ({Dq})i daB diese verschieden sind, ergibt sich aus der Aussage iiber Cq(X)). Die Gruppe Co(X) = Ho(XO) ist frei abelsch, und eine Basis bilden die O-Zellen von X. Sei q > 0, und seien ei die q-Zellen von X mit Orientierungen Fi .. ({Dq}). Wir betrachten den Quotientenraum Y = Xq/Xq-l und die Projektion p: (Xq,Xq-l) - t (Y,yo), wobei Yo = (Xq-l) E Y. Nach 9.4.6 ist P.. : Cq(X) - t Hq(Y, Yo) ein Isomorphismus. Es ist Y eine Einpunktvereinigung von q-Spharen (oder ein Punkt, wenn X keine q-Zellen hat), und die p .. Fi .. ( {Dq}) bilden eine Basis der freien abelschen Gruppe Hq(Y,yo), wie aus 9.5.4 (d) und 9.5.6 folgt. Also bilden die Fi .. ({Dq}) eine Basis von Cq(X). 0 9.6.5 Bemerkungen (a) Wie schon bei den Simplexen, so bezeichnen wir auchjetzt Zellen und orientierte Zellen mit dem gleichen Symbol. Die Aussage e E Cq(X) ist eine orientierte q-Zelle bedeutet also, daB e = F.. ({Dq}) ist, wobei F eine charakteristische Abbildung

238

9 Homologiegruppen topologischer Raume

einer q-Zelle von X ist. Eine O-Zelle eO zu orientieren bedeutet, in der Gruppe Co(X) = Ho(XO) = SO(XO) eines der Elemente ±eO auszuzeichnen. (b) Die Elemente von Cq(X) stelle man sich nicht als singulare Homologieklassen von Hq(Xq,Xq-1) vor, sondern als ganzzahlige Linearkombinationen der orientierten q-Zellen von X. Z.B. besteht flir den Torus X = eO U ei u e~ U e2 die Gruppe C1(X) aus den Elementen n1 ei + n2e~ mit ni E Z, wobei ei, e~ die fest orientierten I-Zellen sind. Die Definition des Randoperators 8: Cq(X) _ C q- 1(X) ist komplizierter als im simplizialen Fall, well der Rand einer q-Zelle nicht aus (q -I)-Zellen bestehen muJ3. Wir betrachten die Homomorphismen

aus den Homologiesequenzen der Paare (Xq,Xq-1) und (xq-l,Xq-2). 9.6.6 Definition und Satz Der Randoperator 8 = 8q: Cq(X) - Cq_1(X) ist durch 8 = j .. 8.. definiert. Man erhiilt einen Kettenkomplex

a

a

a

a

C(X): ... - Cq+1(X) - Cq(X) - Cq-1(X) - ... , der der zellulare Kettenkomplex von X heiftt. Fur eine orientierte q-Zelle e = F.. ({Dq}) E Cq(X) gilt die Formel 8e = j .. (Flsq-1) .. (8.. {Dq}) E Cq-1(X), wobei Flsq-1: Sq-1 _ Xq-1 ist. . Beweis 88 = 0 folgt aus der Homologiesequenz von (Xq-1, Xq-2) und die Formel 0 flir 8e aus der Homologieleiter von F: (Dq,Sq-1) _ (Xq,Xq-1), vgl. 9.2.3. 9.6.7 Beispiele (a) Sei e eine orientierte q-Zelle von X mit Klebeabblldung f: Sq-1 _ Xq-1. Wenn f .. = 0: Hq_1(Sq-1) - Hq_1(Xq-1) ist, so ist 8e = O. Also: jede orientierte q-Zelle, die homologisch trivial angeklebt ist, ist ein zelluliirer Zyklus. (b) Sei e eine orientierte I-Zelle (man kann sich e als gerichtete Kante vorstellen). Der Rand e von e besteht aus O-Zellen e1 und e2, und es ist 8e = ±(e1 - e2) in Co(X). Genau dann ist e ein I-Zyklus, wenn e1 = e2, d.h. wenn der AbschluJ3 e eine Kreislinie ist. 9.6.8 Definition Die Homologiegruppen Hq(C(X)) heiJ3en die zelluliiren Homologiegruppen von X. Well wir flir die Zellzerlegung von X kein besonderes Symbol benutzen, muJ3 man bei den Bezeichnungen etwas aufpassen:

9.6 Zellulare Homologie Kettenkomplex: Homologie:

Simplizial C(K) Hq(K)

Zellular C(X) Hq(C(X»

239

Singular

SeX)

Hq(X) .

Fiir einen CW-Raum X sind die zellularen und die singularen Homologiegruppen definiert. Um sie zu vergleichen, betrachten wir folgendes Diagramm:

9.6.9 Satz Der Homomorphismus j. bildet Hq(Xq) auf die q-te zellultire Zyklengruppe und Kern i. auf die q-te zelluliire Riindergruppe abo Ferner ist j. injektiv und i. surjektiv. Daher erhiilt man einen Isomorphismus

wobei z E Cq(X) ein zellultirer Zyklus ist.

Man kann also jeden zellularen Zyklus durch einen singularen reprasentieren und erhiilt einen Isomorphismus zwischen zellularer und singularer Homologie. Beweis Nach 9.6.2 ist i. surjektiv. Nach 9.6.3 ist Hq(Xq-l) = 0, also ist jq = j.: Hq(Xq) - Cq(X) fUr alle q injektiv. Daher ist in 9.6.6 Kern Oq = Kern(jq_lo.) = Kern 0. = Bild jq = Bild j., d.h. j. bildet Hq(Xq) auf die q-te zellulare Zyklengruppe abo Aus 9.6.2 und der Homologiesequenz dieses Paares folgt Hq+1(X, Xq+l) = OJ daraus ergibt sich mit 9.2.5, daB der von der Inklusion induzierte Homomorphismus Hq+l(Xq+1,Xq) - Hq+1(X,Xq) surjektiv ist. Die q-te Randergruppe ist Bild j.o., wobei Hq+1(Xq+1,Xq)~Hq(Xq)~Hq(Xq,Xq-l). Wegen der eben erwiihnten Surjektivitat stimmt dieses Bild iiberein mit dem Bild der Komposition Hq+1 (X, xq) ~ Hq(Xq) ~ Hq(Xq, Xq-l). Weil hier Bild 0. = Kern i. gilt, ist Bild j.o. = j.(Bild 0.) = j.(Kern i.). Das bedeutet: Die q-te zellulare Randergruppe ist das Bild von Kern i. unter j.. 0 Die singularen Homologiegruppen eines CW-Raumes kann man also mit Hilfe des zellularen Kettenkomplexes berechnen. So ist z.B. S2 x S2 ein CW-Raum mit einer O-Zelle, zwei 2-Zellen und einer 4-Zelle, also mit zellularem Kettenkomplex

aus dem man die Homologiegruppen abliest: Hq(S2 x S2) ist Z fUr q = 0,4 und Z2 fiir q = 2 und 0 sonst. Obwohl es natiirlich nicht immer so einfach ist, zeigt dieses Beispiel doch, wie schlagkriiftig die zellulare Methode ist (weitere Beispiele folgen in 9.9). Niitzlich fiir solche Berechnungen ist folgender Satz:

240

9 Homologiegruppen topologischer Raume

9.6.10 Satz Fur q ~ 1 ist Hq(Xq) frei abelsch, und der Kern des surjektiven Homomorphismus i*: Hq(Xq) - Hq(X) wird von den Elementen 1;*( {sq}) erzeugt, wobei die 1;: sq - xq Klebeabbildungen der (q + l)-Zellen ej von X sind. Beweis Nach 9.6.9 ist Hq(Xq) isomorph zu einer Untergruppe von Cq(X), also frei abelsch. Wegen Hq(Xq+l) !:!:! Hq(X) ist der Kern von i* gleich dem Kern von Hq(Xq) - Hq(Xq+1), also gleich dem Bild von 0*: Cq+1(X) - Hq(Xq). Daher folgt der Satz aus 9.6.4 und 9.6.6. 0 Wie man leicht verifiziert, sind die obigen Konstruktionen natiirlich beziiglich zellularer Abbildungen: 9.6.11 Definition und Satz 1st I: X - Y eine zelluliire Abbildung, so bezeichnen wir den von Ilxq: (Xq,Xq-l) _ (yq,yq-l) induzierten Homomorphismus der q-ten Homologiegruppen dieser Paare mit I. = ulxq)*: Cq(X) - Cq(Y). Das System dieser Homomorphismen ist eine Kettenabbildung I.: C(X) - C(Y), deren induzierte Homologie-Homomorphismen wieder mit 1* bezeichnet werden. Das lolgende Diagramm ist kommutativ: Hq(C(X»

f·1

Hq(C(Y»

----T

!:!!

T

!:!!

Hq(X)

1f.

Hq(Y). 0

9.6.12 Bemerkung Wir skizzieren, wie man die obigen Ergebnisse auf relative Homologiegruppen iibertragt. 1st (X, A) ein CW-Paar, so ist X/A ein CW-Raum, dessen q-Zellen fUr q i= 0 bijektiv den q-Zellen von X entsprechen, die nicht in A liegen. Es ist C(A) ein Teilkettenkomplex von C(X), und die Projektion p: X - X/A induziert eine Kettenabbildung C(X)/C(A) - C(X/A), die die Kettengruppen in Dimensionen q i= 0 isomorph abbildet. Daraus erhalten wir Isomorphismen Hq(C(X)/C(A» !:!:! Hq(C(X/A»

+

Hq(X/A) !:!:! Hq(X, A)

(q

i= 0),

deren Komposition wir kurz wieder mit T: Hq(C(X)/C(A» ~ Hq(X, A) bezeichnen. Fiir q = 0 sei T( eO) = {eO} fUr jede O-Zelle eO in X\A. Auch dieser Isomorphismus ist natiirlich beziiglich zellularer Abbildungen (X, A) - (Y, B). Aufgaben 9.0.Al Die Homologiegruppen eines kompakten CW-Raumes sind endlich erzeugte abelsche Gruppen.

9.7 Vergleich von simplizialer und singuHirer Homologie

241

9.6.A2 Die Homologiegruppen eines kompakten Raumes, der kein CW-Raum ist, brauchen nicht endlich erzeugt zu sein. (Hinweis: Abb. 1.3.2) 9.6.AS Sei X", = SI U'" e 2 = eO U e l U e 2 wie in 1.6.10 der CW-Raum, der aus SI durch Ankleben einer 2-Zelle mit SI -+ SI, Z 1-+ z"', entsteht (n ~ 2). Zeigen Sie, daB man die Zellen von X", so orientieren kann, daB im zelluHi.ren Kettenkomplex von X", die Gleichungen oe 2 ne l und oe l 0 gelten. Folgern Sie daraus, daB H 1 (X",) 9!! Z'" und H2 (X",) 0 ist.

=

=

=

9.6.A4 Fiir den Linsenraum L(p, q) ist H1 9!! Aufgabe und 5.7.6 oder 4.1.A5). 9.6.A5 Sei m, n

~

Zp, H2 = 0 und Ha

X

S"',sm V S"')--O,

X

S"'.

9.6.A6 Losen Sie das vor 1.1.16 erwii.hnte Problem sm

:5 n

Z (Hinweis: vorige

1. Betrachten Sie die nach 9.5.A4 exakte Sequenz

O--+Hq(sm V S"')~Hq(sm X S"')..!.:.....Hq(sm und folgern Sie aus ihr: (a) Fiir q < m + n ist i* ein Isomorphismus. (b) Fiir q = m + n ist i* ein Isomorphismus. Berechnen Sie damit die Homologiegruppen von sm 9.6.AT Aus m

9!!

und p:5 q und sm

X

S'"

~

SP

X

?

X

S'" ~ sm+",.

sq folgt m = p und n = q.

9.6.AS Seien i,i: SI -+ S1 X SI die Inklusionen z 1-+ (z,1) bzw. z 1-+ (1, z), und sei 0: i*( {S1 }+), /3 i*( {S1 }+). Zeigen Sie: (a) H1 (S1 X S1) ist frei abelsch mit Basis 0:, /3. (b) 1st I: S1 X S1 -+ S1 X S1 die Abbildung I(z,w) (zawb,zcwd), so ist 1*(0:) ao: + c/3 und f*(/3) = bo: + d/3. 9.6.A9 Die Einpunktvereinigung Y Sf V S~ V ... ist ein CW-Raum mit einer O-Zelle eO und 1-Zellen el, e~, .... Zeigen Sie: (a) Man kann an Y 2-Zellen e~, e~, ... so ankleben, daB im zelluliiren Kettenkomplex des 2et gelten (i 1, 2, ... ). entstehenden Raumes X die Gleichungen ae~ (b) Berechnen Sie die Homologiegruppen von X.

=

=

=

=

=

= et+1 -

=

9.7 Vergleich von simplizialer und singuliirer Homologie In diesem Abschnitt beweisen wir den vor 7.2.10 erwlihnten Invarianzsatz: die simplizialen Homologiegruppen Hq(K) sind zu den singuliiren Homologiegruppen Hq(IKI) isomorph und sind daher durch IKI eindeutig bestimmt. Wir beginnen mit folgendem Lemma, das wir auch noch an anderer Stelle benutzen werden.

9.7.1 Lemma Fur eine Permutation T der Zahlen 0,1, ... ,q sei f: (6 q , il. q ) (6 q , il. q ) die durch ei 1-+ e.,..(i) bestimmte lineare Abbildung. Dann gilt:

-+

242

9 Homologiegruppen topologischer Raume

(a) 1\: Hq(6.q,t,.q)

--+

(b) r ~ id: (6.q, t,.q)

Hq(6. q,t,.q) ist r .. ({idq }) = Sign(T){idq }.

--+

(6. q, t,.q), wenn

T

eine gerade Permutation ist.

Be wei s Wir beweisen zuerst (b). Well jede gerade Permutation ein Produkt von Dreier-Zyklen ist, durfen wir annehmen, daB T ein solcher ist, d.h. daB T gewisse Zahlen i < j < k zyklisch vertauscht. Sei D C 6. q das abgeschlossene Dreieck mit den Ecken ei, ej und ek. Es gibt einen Homoomorphismus (D, D) ~ (D2, D2), unter dem riD der Drehung von D2 um 27r /3 entspricht. Well diese zur 1dentitat von (D2, D2) homotop ist, ist auch riD ~ id: (D, D) --+ (D, D). Diese Homotopie setzt man auf 6. q fort, indem man die ubrigen baryzentrischen Koordinaten festhiilt. Zu (a): Wegen (b) durfen wir annehmen, daB r die Transposition 0 ~ 1 ist. Sei 6.q+1 --+ 6.q die durch eo I--t el, el I--t eo und ei I--t ei-lo 2 SiS q + 1, definierte lineare Abblldung. Der Rand dieses singularen Simplex (1 in 6. q ist 0(1 = id q + r + x fur ein x E Sq(t,.q). Daher ist r .. ({idq}) = {r} = -{idq}. 0 (1:

Wenn K ein Simplizialkomplex ist, so ist IKI ein CW-Raum, dessen Zellen die offenen Simplexe von K sind. Wir vergleichen den simplizialen Kettenkomplex von K mit dem zellularen Kettenkomplex von IKI. 9.7.2 Definition Es sei (1 = (xo ... Xq) ein orientiertes q-Simplex von K. Wie in 9.1.2 ist [xo, ... ,Xq): 6.q --+ (j die durch ei I--t Xi bestimmte lineare Abbildung. Fassen wir sie als Abblldung [xo, ... ,Xq): (6.q,t,.q) --+ (IKlq,1 Klq-l) auf, so induziert sie einen Homomorphismus der q-ten Homologiegruppen dieser Paare, und daher ist das folgende Element definiert:

Dieses Element a ist eine Orientierung der q-Zelle

(1

im Sinne von 9.6.4.

Vorsicht: Die Abbildung [xo, ... ,xq) ist durch (1 nicht eindeutig bestimmt, sondern hangt noch von der Eckenreihenfolge abo 1st auch (1 = (xT(O) ... XT(q», so ist [XT(O) , ... ,XT(q») = [xo, ... , Xq] 0 r, wobei die Permutation r gerade ist. Daher ist a nach 9.7.1 eindeutig definiert. Wegen (Dq, sq-l) ~ (6.q, t,.q) ist klar, daB a eine Orientierung der Zelle (1 ist. Wenn man die Orientierung von (1 andert, so geht a in -a uber (wie aus 9.7.1 folgt). 9.7.3 Satz Die Zuordnung (1 I--t a induzierl einen !somorphismus von Kettenkomplexen B'. So ist etwa Z C IR. eine Untergruppe, aber Z2 18> Z = Z2 ist keine Untergruppe von Z218> IR. = O.

10.2.5 Satz Es gibt einen Isomorphismus (AI EB A2 EB ... ) 18> G ..§; (AI 18> G) EB (A2 18> G) EB ... ,

(al, a2, ... ) 18> 9

t-+

(al 18> g, a2 18> g, ... ),

und dieser ist naturlich bezuglich Homomorphismen Aj kann endlich, abziihlbar oder uberabziihlbar sein).

~

Aj (die Summandenzahl

Be wei s Wegen 10.2.2 definiert diese Zuordnung eindeutig einen Homomorphismus dieser Gruppen; sein Inverses ist gegeben durch

wobei i j : Aj

~

Al EB A2 EB ... die kanonische Einbettung ist.

o

10.2.6 Beispiel Wir untersuchen A 18> G, wobei A eine freie abelsche Gruppe vom Rang a ist. Sei {aj/j E J} eine Basis von A, und sei Aj C A die von aj erzeugte Untergruppe. Wegen Aj ~ Z ist G ~ Aj 18> G durch 9 t-+ aj 18> 9 wie in 10.2.4 (b). Es folgt A 18> G ~ (EBA j ) 18> G ~ EB(Aj 18> G) ~ G EB G EB ... (a-mal G), und der Isomorphismus von rechts nach links ist (gj) t-+ L aj 18> gj. Daher hat jedes Element z E A 18> G eine eindeutige Darstellung der Form z = L aj 18> gj, d.h. die gj E G sind durch z eindeutig bestimmt, und nur endlich viele davon sind :f:. O. 10.2.7 Beispiel Die folgende einfache Bemerkung wird spater sehr niitzlich sein. 1st A eine abelsche Gruppe und G ein Karper, so ist das Tensorprodukt A 18> G von A und der additiven Gruppe G mit der Operation g' (a 18> g) = a 18> (g' . g) ein Vektorraum iiber dem Karper G; fiir einen Gruppenhomomorphismus I: A ~ B ist 1 18> id: A 18> G ~ B 18> G eine line are Abbildung von G-Vektorraumen. 1st A frei abelsch vom Rang a mit Basis {aj I j E J}, so ist A 18> G nach 10.2.6 ein G-Vektorraum der Dimension a mit Basis {aj 18> 11 j E J}. Wir brauchen noch einige Eigenschaften des Tensorprodukts von Homomorphismen. Wegen 1I8>g = (Jl8>id)(idl8>g) geniigt es, solche Tensorprodukte zu betrachten, bei denen ein Homomorphismus die Identitat ist.

258

10 Homologie mit Koeffizienten

10.2.8 Satz 1st die Sequenz A.L B .!::. C - 0 exakt, so auch die tensorierte Seh®'d f h quenz A0G N!/d 1 I B0G 1 I C0G _ O. Wenn 0 _ A-B-C 0 exakt

ist und zerfiillt (f), so gilt dasselbefiirO _ A0G

f®id

I

B0G

h®id

I

C0G - O.

B ewe i s Die Untergruppe U = Bild(f 0 id) von B 0 G wird erzeugt von allen b 0 9 mit b E Bild f = Kern h. Deshalb ist (h 0 id)(U) = 0 und h induziert einen Homomorphismus h': (B 0 G)/U - C 0 G. Fur den ersten Teil des Satzes genugt es zu zeigen, dafi h' ein 1somorphismus ist. Sei cp: C x G - (B 0 G)/U durch cp( c, g) = b 0 9 + U definiert, wobei b E h -1 (c) ist. Es ist cp wohldefiniert: 1st auch b' E h-1(c), so b - b' EKern h und daher b0 9 - b' 0 9 E U. Ais bilineare Funktion liefert cp einen Homomorphismus C 0 G - (B 0 G)/U, der zu h' invers ist. Der Beweis des zweiten Teils des Satzes ist einfach: Es gibt l: B - A mit lo f = idj 0 daher ist 10 id ein Linksinverses von f 0 id, und die Behauptung folgt. 10.2.9 Bemerkung 1st G eine feste Gruppe, so wird durch A 1-+ A 0 G und f 1-+ f 0 id ein Funktor 0G: AB - AB definiert. Dieser Funktor bildet exakte Sequenzen der Form. - • - • - 0 in exakte Sequenz en der gleichen Form abj man sagt, das Tensorprodukt ist rechtsexakt. Dagegen bleibt die Exaktheit von o - • - • - • beim Tensorieren i.a. nicht erhalten (als Beispiel tensoriere man 0- Z - Q - Q/Z - 0 mit Z2). Dieser Sachverhalt wird im folgenden genauer untersucht. Aufgaben lO.2.Al Tensorprodukte freier abelscher Gruppen sind frei abelsch. lO.2.A2 Sind a E A und b E B Elemente unendlicher Ordnung, so hat a 0 b E A 0 B unendliche Ordnung. (Hinweis: Wenn n( a 0 b) 0 ist, gibt es endlich erzeugte

=

Untergruppen Ao C A und Bo C B mit a E Ao, b E Bo und n(a 0 b) = 0 in Ao 0 Bo). lO.2.A3 Beweisen Sie folgende Aussagen: (a) Die Funktion A: A x B - A 0 B, A(a, b) a 0 b, ist bilinear. (a) Zu jeder bilinearen Abbildung cp: A X B _ C gibt es genau einen Homomorphismus 'IjJ: A0B - C mit cp = 'ljJOA. (Interpretation: A ist die "universelle bilineare Abbildung"; jede andere ergibt sich aus ihr.) lO.2.A4 Es sei "'(: A x B - G eine feste bilineare Abbildung, so daB es zu jeder bilinearen Abbildung cp: A X B - C, C beliebig, genau einen Homomorphismus 'IjJ: G - C mit cp = 'IjJ 0 "'( gibt. Zeigen Sie, daB G ~ A 0 B ist. (Charakterisierung des Tensorprodukts durch seine universelle Eigenschaft.)

=

10.3 Torsionsprodukt Unser Ziel ist also: Wir tensorieren eine exakte Sequenz 0 - R - F - A - 0 mit G und untersuchen den Kern K des Homomorphismus R 0 G - F 0 Gj je kleiner

10.3 Torsionsprodukt

259

er ist, desto niiher ist der Homomorphismus an der Injektivitat. Die entscheidende Erkenntnis ist (vgl. 10.3.5): Wenn F frei abelsch ist, so ist die Gruppe K bis auf Isomorphie durch die Gruppen A und G eindeutig bestimmt, d.h. fiir aIle solche Sequenzen mit gleicher Gruppe A ist der zu untersuchende Kern gleich groG. Fangen wir an: 10.3.1 Definition Eine exakte Sequenz 0 -+ R -+ F -+ A abelsche Gruppe ist, hei13t eine freie Auflosung von A.

-+

0, in der F eine freie

10.3.2 Beispiele (a) Die exakte Sequenz 0 -+ Z ~ Z -+ Z.,. -+ 0 ist eine freie Auflosung von Z.,.. (b) Sei A eine abelsche Gruppe. Die von der Menge (!) A frei erzeugte abelsche Gruppe kann man definieren durch F(A) = {ep:A -+ Z I ep(a) :/; 0 nur fiir endlich viele a E A}, vgl. 8.1.11. Fur p: F(A) -+ A, gegeben durch peep) = Ell .

--+

Hq(X \ U,A \ U;G)

1

li.®id -+ II-

--+

Hq(X,A)®G Tor(Hq _ 1 (X \

i.

>.

Hq(X,A;G)

--+

u, A \ U), G)

1

-+

Tor i.

II-

--+

Tor(Hq_1(X, A), G)

.J!:.....

-+

0

1 0

II-

--+

268

10 Homologie mit Koeffizienten

sind die iiuBeren Homomorphismen nach dem ganzzahligen Ausschneidungssatz 9.4.5 Isomorphismen; nach dem Fiinferlemma ist i* ein Isomorphismus. Analog zeigt man, daB sich 9.7.7 bzw. 9.7.8 auf Homologie mit Koeffizienten iibertriigt. Fassen wir zusammen:

10.5.5 Satz Die Hauptprinzipien der simplizialen bzw. singuliiren Homologietheorie aus den Abschnitten 7 und 9 (Funktor- und Exaktheitseigenschaften, simplizialer und singuliirer Ausschneidungssatz, Mayer- Vietoris-Sequenzen, Homotopiesatz, sowie alle Folgerungen aus diesen Eigenschaften) gelten auch fur die Homologiegruppen mit beliebigen KoeJfizienten. Ferner hat man den kanonischen Isomorphismus 9: Hq(K, Ko; G) - Hq(IKI, IKol; G) zwischen simplizialer und singuliirer Homologie, der wie in 9.7.8 von einer Ordnung auf K induziert wird (aber von dieser 0 unabhiingig ist). Als niichstes betrachten wir die zelluliire Homologie eines CW-Raumes. Wir modifizieren die Konstruktionen in 9.6, indem wir dort uberall statt ganzzahliger Homologiegruppen solche mit Koeffizienten in G betrachten. Das liefert wie in 9.6.6 einen Kettenkomplex C(X; G) mit q-ter Kettengruppe Cq(X; G) = Hq(Xq, Xq-l; G). Wie in 9.6.9 ist Hq(C(X; G» ~ Hq(X; G); denn beim Beweis von 9.6.9 haben wir nur die obigen Hauptprinzipien benutzt. Wegen Hq_1(Xq,Xq-l) = 0 folgt aus dem universellen Koeffiziententheorem, daB der Kettenkomplex C(X; G) zum Tensorprodukt C(X) ® G isomorph ist. Mit 10.2.6 folgt:

10.5.6 Satz (a) Jede q-Kette c des zelluliiren Kettenkomplexes C(X)®G liij3t sich eindeutig als endliche Summe c = L: ei ® gi schreiben, wobei ei die fest orientierten q-Zellen von X durchliiuft. Der Rand von c ist L:(8ei) ® gi, wobei 8ei wie in 9.6.6 ist. (b) Es gibt einen Isomorphismus T: Hq(C(X) ® G) ~ Hq(X; G), der - analog zu 9.6.11 - bezuglich zelluliirer Abbildungen X - Y naturlich ist. 0

Aufgaben

=

=

lO.5.Al Hj(L(p, q); 'R.) ~ 'R. fur j 0,3 und 0 sonst. lO.5.A2 H2(Ng; 'R.) = 0 und H2(Fg; 'R.) ~ Ii. lO.5.A3 Hq(PTl.; 'R.) ~ 'R. fur q = 0 und, wenn n ungerade ist, fur q = nj fur alle anderen q ist Hq(pn; 'R.) = O.

10.6 Beispiele und Anwendungen Mit dem universellen Koeffiziententheorem und den Rechenregeln fur ® und Tor berechnen wir einige der Gruppen Hq (X; G). Ferner zeigen wir an Beispielen, wozu Koeffizientengruppen niitzlich sein konnen.

10.6 Beispiele und Anwendungen

269

10.6.1 Beispiel Wenn Hq_I(X) frei abelsch ist, hat man einen natiirlichen Isomorphismus A: Hq(X) ® G - Hq(X;G) durch {x} ®g I--t {x ®g}. Das ist der einfachste Fall des universellen Koeffiziententheorems. Man kann damit z.B. sofort die Gruppen Ho(X; G), Hq(Dn, sn-I; G), Hq(sn; G), Hq(Fg; G), Hq(pn(C); G) u.a. berechnen. Die Ergebnisse enthalten nicht mehr topologische Informationen als die entsprechenden fiir G = Z; die Einfiihrung allgemeiner Koeffizientengruppen ist hier nicht sonderlich sinnvoll. Aus der Natiirlichkeit von A folgt, da£ man fUr f: X - Y den Homomorphismus f .. : Hq(X; G) - Hq(Y; G) berechnen kann, wenn man f .. : Hq(X) - Hq(Y) kennt und Hq_I(X) und Hq-I(Y) frei abelsch sind. 1st z.B. f: sn - sn eine Abbildung yom Grad k, so entspricht f .. : Hn(sn; G) Hn(sn; G) unter den Isomorphismen Hn(sn; G) ~ Hn(sn) ® G ~ G dem Homomorphismus G - G, 9 I--t kg. 10.6.2 Beispiel Fiir den reellen projektiven Raum pn ist Hq(pn; Z2) 0 sonst.

o ~ q ~ n und =

~

Z2 fUr

Erster Beweis: Benutzen Sie das universelle Koeffiziententheorem und 9.9.14. Zweiter Beweis: Wir berechnen wie in 9.9.13 die zelluHire Homologie des CWRaumes pn = eO U e l U ... U en. 1m zelluUiren Kettenkomplex c(pn) ® Z2 ist nach 9.9.13 (8®id)(e q®1) = ±(l±l)eq- l ®l = eq- I ®(l±l) = eq-I®O = O. Daher sind alle Randoperatoren Null, und folglich stimmen Homologie- und Kettengruppen iiberein. Mit 10.5.6 folgt Hq(pn; Z2) ~ Hq(c(pn) ® Z2) = cq(pn) ® Z2 ~ Z2 fiir o ~ q ~ n. 10.6.3 Beispiel Der Teilraum pI C p2 ist das 1-Geriist, und nach 4.2.8 ist p2 / pI ~ s2. Sei f: p2 _ S2 = eO U e 2 die Abbildung, die pI zum Punkt eO identifiziert. Weil f die 2-Zelle von p2 homoomorph auf die von S2 abbildet, ist f.: C2(P2) - C2(S2) nach 9.4.8 ein Isomorphismus. Aus dem vorigen Beispiel und 10.5.6 (b) folgt, da£ f .. : H2(p2;Z2) - H 2(S2;Z2) ein Isomorphismus, also speziell f .. ¥- 0 ist. Damit haben wir bewiesen, daB f: p2 _ S2 nicht nullhomotop ist. Man beachte, da£ man wegen f .. = 0: Hq(P2) - Hq(S2) fUr q ¥- 0 diese Aussage mit der ganzzahligen Homologie nicht beweisen kann.

Dieses Beispiel rechtfertigt auch die Bemerkung 10.4.8: Fiir eine stetige Abbildung f: X - Y ist das Diagramm

Hq(X;G)

1

~

Hq(X)®G

f.

Hq(Y; G)

EB

1

Tor (Hq_I(X),G)

(f.®id)EIlTor f.

~

Hq(Y) ® G

EB

Tor (Hq-I(Y), G)

in dem die Isomorphismen aus dem universellen Koeffiziententheorem kommen, La. nicht kommutativ. Andernfalls wiirde niimlich aus f .. = 0; Hq(X) - Hq(Y) und

270

10 Homologie mit Koeffizienten

f. = 0: H q_ 1(X) ~ Hq- 1(Y) aueh f. = 0: Hq(X; G) ~ Hq(Y; G) folgen; naeh dem obigen Beispiel ist das nieht der Fall. 1m folgenden nehmen wir an, da13 der Koeffizientenbereieh G ein Karper ist. Dieser Fall ist deshalb interessant, weil Vektorraume einfaeher als abelsehe Gruppen sind und weil naeh 10.2.7 folgendes gilt:

10.6.4 Satz 1st G ein Korper, so sind die mit G tensorierlen simplizialen, singuliiren und zelluliiren K ettengruppen Vektorriiume uber G, und die Randoperatoren () ® id sind lineare Abbildungen. Daher sind die Zyklen-, Riinder- und Homologiegruppen ebenfalls Vektorriiume .uber G, und die von simplizialen, stetigen bzw. zelluliiren Abbildungen induzierlen Homomorphismen der Ketten- und Homologiegruppen sind ebenfalls lineare Abbildungen. 0 10.6.5 Definition Sind die Homologiegruppen eines Raumes X endlieh erzeugt, so ist Hq(X) ~ Zpq EB Zt~ EB ... EB Zt;q mit Pq ~ 0, rq ~ 0 und 1 < t!lt~I ... It;q, vgl. 8.1.14. Wie in 7.1.10 heH3en Pq die q-te Bettizahl und die t~ die q-dimensionalen TorsionskoefJizienten von X. Wenn nur endlieh viele Homologiegruppen von X ungleich Null sind, ist die Euler-Charakteristik von X definiert dureh X(X) = I:~o( -l)qpq. Die Euler-Charakteristik liiJ3t sieh einfaeher bereehnen, wenn man Homologiegruppen mit Koeffizienten in JR betraehtet. Aus dem universellen Koeffiziententheorem und 10.3.6 folgt Hq(X; JR) ~ Hq(X) ® JR. Bildet man Hq(X) ® JR, so versehwindet der Torsionsteil wegen Zt®JR = O. Genauer erhiilt man mit 10.2.7 folgende Aussage (in der man JR dureh jeden Karper der Charakteristik Null ersetzen dad):

10.6.6 Satz Die ganzzahligen Homologiegruppen von X seien endlich erzeugt. Dann ist Hq(X; JR) ~ Hq(X) ® JR ein pq-dimensionaler reeller Vektorraum. 1st /31,"" /3pq E Hq(X) eine Bettibasis, so bilden /31 ® 1, ... , /3pq ® 1 eine Vektorraumbasis von Hq(X) ® JR. Also ist X(X) = I:~o dim Hq(X; JR). 0 Fiir eine Primzahl mist der Restklassenring Zm ein Karper. Aus 10.6.5 folgt Hq(X)®Zm ~ Z~EBEB(Zt~®Zm)' Tor(Hq _ 1 (X),Zm) ~ EBTor(Zt~_l,Zm). i

j

Daraus erhalten wir mit den Reehenregeln fiir ® und Tor folgende Aussage (in der man Zm dureh jeden Karper der Charakteristik m ersetzen dad):

10.6.7 Satz Fur eine Primzahl mist Hq(X; Zm) ein Vektorraum uber dem Korper Zm der Dimension Pq + Sq + Sq-l, wobei Sq die Anzahl der durch m teilbaren qdimensionalen TorsionskoefJizienten ist. Daher gilt fur die Euler-Charakteristik von X die Formelx(X) = I:~o(-l)qdimHq(X;Zm)' 0

10.6 Beispiele und Anwendungen

271

10.6.8 Satz 1st X ein endlicher n-dimensionaler CW-Raum und bezeichnet a q fur 0:::; q :::; n die Anzahl seiner q-Zellen, so gilt x(X) = E;=o( -l)qaq. Beweis Wir bezeichnen Oq ®id: Cq(X) ® ~ - Cq- 1(X) ® ~ zur Abkiirzung mit dq: Cq - Cq- 1. Dies ist eine line are Abbildung zwischen Vektorraumen, also gilt die aus der linearen Algebra bekannte Formel

dimZq

+ dim Bq- 1 = dimCq =

aq mit Zq = Kern dq, Bq- 1 = BUd dqj

dabei steht dim fUr Vektorraumdimension (dimCq = a q folgt aus 10.2.7). Wegen Hq(Xj~) = Zq/Bq ist aber auch Pq = dimHq(Xj~) = dimZq - dimBq. Man eliminiert dim Zq aus beiden Formeln, multipliziert mit (-l)q und addiert fiir q = 0, ... ,n. Wegen B-1 = 0 und Bn = 0 folgt der Satz. 0 10.6.9 Beispiele 1m folgenden sei X ein endlicher CW-Raum. (a) Die Zellen-Anzahlen a q sind natiirlich keine topologischen Invarianten von X. Aber die Wechselsumme E( -l)qa q ist eine topologische Invariante, sogar eine Invariante des Homotopietyps. Wegen 10.6.8 stimmt fUr einen Simplizialkomplex K die in 3.1.A13 gegebene Definition der Euler-Charakteristik mit der obigen iiberein. (b) Aus den friiher angegebenen Zellzerlegungen der folgenden Raume folgt:

= 2 - 2g, X(Ng) = 2 - g, X(D n ) = 1, X(sn) = 1 + (_l)n, X(pn(~)) = ~(1 + (_l)n),

X(Fg)

X(pn(C)) = X(pn(lHI)) = n + 1. (c) Eulerscher Polyedersatz: 1st X ein zu S2 homoomorpher CW-Raum, so gilt die Formel ao - a1 + a2 = 2. (Hier sind wir etwas voreilig: woher wissen wir, dafi eine Zellzerlegung von S2 keine Zellen der Dimension > 2 enthiilt? V gl. 11. 2. A4 (d).) (d) 1st X- - X eine k-blattrige Uberlagerung, so hat nach 6.8.1 (a) der CW-Raum X- genau kaq Zellen der Dimension qj daher ist xCX-) = kX(X). Aufgaben IO.6.AI Fuhren Sie die Details in 10.6.9 aus. IO.6.A2 Zwei endliche CW-Raume vom gleichen Homotopietyp haben beide eine gerade Anzahl von Zellen oder beide eine ungerade. 1O.6.A3 Fur die Uberlagerung p: sn _ pn ist P* = 0: Hn(snj ::£2) 1O.6.A4 Fur endliche CW-Raume X und Y ist X(X

X

Hn(pn; ::£2). Y) = X(X)X(Y).

1O.6.A5 Zeigen Sie als Anwendung von 10.6.9 (d): (a) S2 uberlagert nur sich selbst (BHi.tterzahl 1) und p2 (Blatterzahl 2). (b) 1st X- - X eine endlich-blattrige Uberlagerung, wobei einer der Raume ein Torus ist, so ist der andere ein Torus oder eine Kleinsche Flasche.

272

10 Homologie mit Koeffizienten

(c) 1st Fh Uberlagerung von Fg und 9 :f. 1, so ist (h - 1) durch (g - 1) teilbar, und der Quotient ist die Blatterzahl. (d) Erweitern Sie diese Aussagen auf nicht-orientierbare Flachen. (Hinweis: Benutzen Sie den Klassifikationssatz fUr Flachen.)

10.7 Notizen Unsere algebraischen Untersuchungen in den Abschnitten 10.2 bis 10.4 sind ein sehr spezieller Ausschnitt aus der Theorie der Tensor- und Torsionsprodukte, die man in der Homologischen Algebra untersuchtj wir haben genau das gebracht, was wir fUr das universelle Koeffiziententheorem 10.4.6 brauchten, und viele naheliegende Punkte nicht angesprochen. Eine wichtige Verallgemeinerung erhiilt man, wenn man Koeffizientenbereiche G betrachtet, die nicht nur abelsche Gruppen sind, sondern zusatzlich die Struktur eines A-Moduls haben, wobei A ein kommutativer Ring ist. Dann sind die Kettengruppen des Kettenkomplexes C ® G ebenfalls A-Moduln, die Randoperatoren sind A-lineare Abbildungen, und daher sind Zyklen-, Randerund Homologiegruppen ebenfalls A-Moduln. Aus einem einfachen Grund lassen sich unsere Ergebnisse jedoch nicht unverandert iibertragen: Untermoduln freier Moduln miissen nicht frei sein - und die Tatsache, daJ3 Untergruppen freier abelscher Gruppen frei abelsch sind, haben wir ja standig benutzt. Aber die Methoden lassen sich verallgemeinern und fUhren zu interessanten Theorien, die in der Algebra und in der Topologie viele Anwendungen haben (vgl. z.B. [Hilton-Stammbach]).

11

Einige Anwendungen der Homologietheorie

11.1 Topologische Eigenschaften der Spharen Ais erste Anwendung beweisen wir den Satz 1.1.17 von der Invarianz der Dimension; der damalige Beweis ist ja unvollstandig, da wir den unbewiesenen Satz von der Invarianz des Gebiets vorausgesetzt hatten. Zu zeigen ist, dafi fUr m # n sowohl sm ';fi sn als auch ~m ';fi ~n gilt (zur Aussage Dm ';fi Dn siehe 11.2.5). Fiir m = 0 ist beides trivial. Sei m > O. Dann ist Hm(sm) ~ Z und Hm(sn) = 0, also sind sm und sn nicht homoomorph (sie haben sogar verschiedenen Homotopietyp). Aus ~m ~ ~n folgt durch Ubergang zu den Einpunktkompaktifizierungen sm ~ sn, also m = n. Wer diese Konstruktion nicht benutzen will, kann auch so argumentieren: Aus ~m ~ ~n folgt ~m\o ~ ~n\o, daraus sm-1 ~ sn-1 und somit m = n. Ais nachstes verallgemeinern wir einige der Satze aus 2.2 iiber die Kreislinie auf hOherdimensionale Spharen. 11.1.1 Satz sn ist nicht zusammenziehbar und ist nicht Retrakt von Dn+1.

Beweis Das Erste ist richtig, weil Sit nicht die gleichen Homologiegruppen wie ein Punkt hat. Es ist leicht zu zeigen, daB Retrakte zusammenziehbarer Raume zusammenziehbar sind; daher folgt die zweite Aussage aus der ersten. 0 Die letzte Aussage ist ein Standardbeispiel, um die Methode der Algebraischen Topologie zu demonstrieren. Die Frage, ob sn Retrakt von Dn+l ist, ist aquivalent zu folgendem Fortsetzungsproblem fiir stetige Abbildungen (wobei i die Inklusion ist):

id

-t

sn

274

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

Wenn man annimmt, daJ3 r existiert, kann man den Funktor Hn: TOP - AB auf dieses Diagramm anwenden. Man erhiilt folgendes kommutative Diagramm von Gruppen und Homomorphismen (wobei f = i. und 9 = r. ist): 0 Fiir n > 0:

'IZ

fiir n

"-g

= 0:

z·,

id ---+

id ---+

Z EEl Z.

Weil es trivialerweise einen solchen Homomorphismus 9 nicht gibt, existiert aueh die Retraktion r nieht. Der Homologiefunktor hat das komplizierte topologisehe Problem in ein triviales algebraisehes iibersetzt. Natiirlich liefert diese Methode i.a. nur notwendige und keine hinreichenden Bedingungen fiir die Losbarkeit eines topologisehen Problems. DaJ3 z.B. SI V SI nieht Retrakt von SI x SI ist, kann man mit den Homologiefunktoren nieht beweisen (wohl aber mit der Fundamentalgruppe). 11.1.2 Satz (Fixpunktsatz von Brouwer). Jede stetige Abbildung f: Dn _ Dn besitzt einen Fixpunkt.

Beweis Der Beweis von 2.2.8 iibertragt sich wortlieh; dafiir ersetze man dort nur SI C D2 clR2 dureh sn-l C Dn c IRn. 0 Zum Sehlu~ dieses Absehnitts untersuehen wir einige Eigensehaften des in 9.9.1 definierten Abbildungsgrades. 11.1.3 Satz lst f: sn - sn eine stetige Abbildung ohne Fixpunkt (d.h. f(x) #- x fUr alle x E sn}, so ist f homotop zur Diametralpunktvertauschung d: sn _ sn und hat also nach 9.9.3 den Grad (_l)n+l.

Beweis Eine entspreehende Homotopie ht: sn - sn ist ht(x) = IH-:m:~:::::I. Ware der Nenner Null, so wiirde die Streeke von f(x) naeh -x dureh den Nullpunkt 0 gehen; dann ware -x der Antipodenpunkt von f(x), also f(x) = x. 11.1.4 Satz lst f: sn f(x) #- -x stets}, so ist f

sn eine stetige Abbildung ohne Antipodenpunkte (d.h. id und somit Grad f = 1.

~

Be wei s Wende den vorigen Satz auf d 0

f an.

o

11.1.5 Korollar Fur gerades n hat jede stetige Abbildung sn _ sn einen Fixpunkt oder einen Antipodenpunkt. 0 11.1.6 Definition Ein tangentiales Vektorfeld auf sn ist eine stetige Funktion v: sn _ IRn+l, so daJ3 fiir aile x E sn der Vektor v(x) orthogonal ist zu x (beziiglieh

11.2 Lokale Homologiegruppen und Invarianzsatze

275

Nullstellen

Abb.11.1.1

des gewohnlichen Orthogonalitatsbegriifs im ]Rn+1). Eine Nullstelle von v ist ein Punkt x E sn mit vex) = 0 (Abb. 11.1.1). 11.1. 7 Satz Fur gerades n > 0 hat jedes tangentiale Vektorfeld auf sn eine Nullstelle (fur n = 2 heipt das: Igel kann man nicht kiimmen). Fur ungerades n gibt es dagegen tangentiale Vektorfelder ohne Nullstellen.

Beweis 1st v: sn -+ ]Rn+l ein tangentiales Vektorfeld ohne Nullstelle, so ist x 1-+ v(x)/lv(x)1 eine stetige Abbildung sn -+ sn ohne Fix- und Antipodenpunkt; fur gerades n > 0 existiert nach 11.1.5 eine solche Abbildung nicht. 1st n = 2m-l ungerade, so ist (Xl,X2, .•• ,X2m-l,X2m) 1-+ (-X2,Xl, .•. ,-X2m,X2m-d ein tangentiales Vektorfeld auf sn ohne Nullstelle. 0 Aufgaben 11.I.AI Der Grad einer orthogonalen Abbildung f: sn

sn ist ihre Determinante. 1l.I.A2 Konstruieren Sie fUr ungerades n eine Abbildung f: sn -+ sn ohne Fix- und -+

Antipodenpunkt. 1l.1.AS Die Abbildungen f: sn -+ sn und Ef: Esn -+ Esn haben den gleichen Grad. (Vgl. hierzu 1.3.AS und 9.4.A3.) 1l.I.A4 Sei f: sn -+ ]Rn+1 eine stetige Abbildung und Z E ]Rn+1\f(sn). Der Grad der Abbildung sn -+ sn, X 1-+ (I(x) - z)/lf(x) - zl, heifit die Ordnung von f beziiglich z und wird mit ord(l, z) bezeichnet (fiir n 1 ist das die Umlaufzahl aus 2.2). (a) Verallgemeinern Sie 2.2.11 und 2.2.12. (b) 1st g: Dn+1 -+ ]Rn+1 eine stetige Abbildung und z E ]Rn+l\g(sn) ein Punkt mit ord(glsn,z) i:- 0, so ist z = g(x) fUr ein X E Dn+l (Kroneckerscher Existenzsatz).

=

11.2 Lokale Homologiegruppen und Invarianzsatze 11.2.1 Definition Sei X ein topologischer Raum und Xo E X. Die Gruppe Hq(X, X\xo; G) heifit die q-te lokale Homologiegruppe von X im Punkt Xo mit K oejJizienten in G.

276

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

Die Bezeichnung "lokal" ist gerechtfertigt durch folgenden Satz, der aus dem Ausschneidungssatz folgt: 11.2.2 Satz (a) 1st xo abgeschlossen in X, so ist Hq(X,X\xo;G) !:::! Hq(U,U\xo;G) fur jede Umgebung U von Xo in X. (b) Lokal homoomorphe Raume haben isomorphe lokale Homologiegruppen. Genauer: Seien Xo E X bzw. Yo E Y abgeschlossen und U bzw. V Umgebungen von Xo bzw. Yo in X bzw. Yi wenn es dann einen Homoomorphismus (U,xo) -+ (V, Yo) gibt, so ist Hq(X, X\xo; G) ~ Hq(Y, Y\yo; G). 0 11.2.3 Beispiele (a) Sei Xo E fJn ein innerer Punkt von Dn. Dann ist sn-l Deformationsretrakt von Dn\xo, und somit haben (Dn, sn-l) und (Dn, Dn\xo) dieselben Homologiegruppen. Foiglich ist die lokale Homologiegruppe Hq(Dn, Dn\xo) Null fUr q #- n und !:::! Z fUr q = n. (b) Fur Xo E sn-l C Dn ist 0 E Dn\xo ein Deformationsretrakt, und daher ist Hq(Dn, Dn\xo) = 0 fUr alie q E Z. Die lokalen Homologiegruppen unterscheiden also innere Punkte und Randpunkte von Dn. (c) Es sei Xo E X, und es gebe eine abgeschlossene Umgebung U von Xo in X, so dafi gilt: U ist zusammenziehbar, und der Rand U von U in X ist Deformationsretrakt von U\xo. Aus 11.2.2 und der Homologiesequenz des Paares (U, U\xo) erhillt man: Fur q > 1 ist Hq(X,X\xo) ~ Hq-1(U), und H1(X,X\xo) ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang a-I, wobei a die Anzahl der Wegekomponenten von if ist. Kurz: Die lokale Homologiegruppe beschreibt topologische Eigenschaften des Umgebungsrandes. 11.2.4 Beispiel Sei Meine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit. Aus dem vorigen Beispiel und 11.2.2 folgt fUr Xo E M:

H (M M\ q

,

)

C>!

Xo -

{Z fur Xo E if und q = n, 0 fUr Xo E 8M oder q #- n.

Die lokalen Homologiegruppen unterscheiden also Randpunkte von inneren Punkten. Daraus ergibt sich folgender Satz, den wir in 1.5 aus dem (dort nicht bewiese-

nem) Satz von der Invarianz des Gebiets abgeleitet haben:

11.2.5 Satz Mannigfaltigkeiten verschiedener Dimension sind nicht homoomorph. Bin Homiiomorphismus M -+ N von Mannigfaltigkeiten bildet 8M homoomorph auf 8N abo 0 11.2.6 Konstruktion 1m folgenden sei K ein Simplizialkomplex. (a) Fiir ein Simplex 0'0 E K sei S(O'o) = SK(O'O) die Menge alier Simplexe, die 0'0 als Seite haben, einschliefilich alier Seiten dieser Simplexe; ferner sei T( 0'0)

=

11.2 Lokale Homologiegruppen und Invarianzsiitze

277

TK(O'O) die Menge aller Simplexe von S(O'o), die 0'0 nicht als Seite haben. S(O'o) heiBt der Stern von 0'0 in K und T(O'o) heiBt der Rand des Sternes. Beides sind Teilkomplexe von K. Wenn 0'0 = x E K eine Ecke ist, so ist IS(x)1 = StK(X) und IT(x)1 = StK(X), wobei StK(X) C IKI der in 3.2.8 definierte Eckenstern ist. (b) Fur jeden Punkt Xo E 0'0 ist IS(O'o)1 eine Umgebung von Xo in IKI, und daher ist die lokale Homologiegruppe isomorph zu Hq(IS(O'o)l, IS(O'o)l\xo). Fur jeden von Xo verschiedenen Punkt x E IS(O'o)1 schneidet die bei Xo beginnende Halbgerade, die durch x geht, IT(O'o) I in einem Punkt r(x). Weil die Strecke von x nach r(x) in einem abgeschlossenen Simplex liegt, wird durch ht(x) = (1 - t)x + tr(x) eine Homotopie ht : IS(O'o)l\xo -+ IS(O'o)l\xo definiert, die uns folgendes zeigt: IT(O'o)1 ist strenger Deformationsretrakt von IS(O'o)l\xo. Daher ist nach 9.3.6 die obige Homologiegruppe isomorph zu Hq(IS(O'o)l, IT(O'o)I), und diese ist isomorph zur simplizialen Homologiegruppe Hq(S(O'o), T(O'o)). Fassen wir zusammen (wobei wir wieder beliebige Koeffizienten zulassen): 0'0 E K das Triigersimplex von Xo E IKI, so ist die q-te lokale Homologiegruppe von IKI bei Xo mit KoejJizienten in G isomorph zur simplizialen Homologiegruppe Hq(SK(O'O)' TK(O'O)jG). 0

11.2.7 Satz 1st

11.2.8 Folgerungen (a) Die lokalen Homologiegruppen von IKI bei x und y sind isomorph, wenn x und y im gleichen Simplex von K liegen. Sie sind Null fur alle q > dim K. (b) 1st 0' E K ein q-Simplex, das nicht Seite eines (q + I)-Simplex ist, so ist IS(O')I = a und IT(O')I = iT und daher Hq(IKI, IKI\x) ~ Z rur alle x E 0'. (c) Die Dimension von Kist die groftte Zahl n, so daft es Punkte x E IKI mit Hn(IKI,IKI\x) # 0 gibt. Daher haben zwei Simplizialkomplexe, deren zugrundeliegende Riiume homoomorph sind, gleiche Dimension. (d) Wegen (c) kann man die Dimension eines Polyeders X durch dim X = dimK definieren, wobei K eine Triangulation von X ist.

Zur Vorbereitung auf 11.3 zeigen wir noch, daB ein Simplizialkomplex, der eine Mannigfaltigkeit trianguliert, einige besonders schone Eigenschaften hat.

IKI eine zusammenhiingende n-dimensionale Mannigfaltigkeit ist (mit oder ohne Rand). Dann gilt: (a) dimK = n. (b) Jedes Simplex von Kist Seite eines n-Simplex. (c) Jedes (n - I)-Simplex ist Seite von hOchstens zwei n-Simplexen. (d) Sei 8 K die Menge aller (n - 1) -Simplexe, die Seite von genau einem n-Simplex sind, zusammen mit ihren siimtlichen Seiten. Dann ist 8K C K ein Teilkomplex mit 18KI = 8M. (e) Kist stark zusammenhiingend, d.h. zu je zwei n-Simplexen 0' und T von K gibt es eine Kette O'l,"" O'k von n-Simplexen mit O'l = 0' und O'k = T, so daft O'i und

11.2.9 Satz Sei K ein Simplizialkomplex, so daft M =

278

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

O'i+l Juri = 1, ... , k-I benachbart sind, d.h. eine gemeinsame (n-I)-dimensionale Seite haben. Simplizialkomplexe mit diesen Eigenschaften nennt man auch PseudomannigJaltigkeiten. Wenn K diese Eigenschaften hat, folgt nicht, daJ3IKI eine Mannigfaltigkeit ist (Beispiel: SI x SI / SI xI). Beweis (a) und (b) sind nach den vorherigen Uberlegungen und 11.2.8 (b) klar. (c) Sind 'Tl, ... , 'Tr die n-Simplexe, die das (n - I)-Simplex 0' als Seite haben, so ist eine n-Kette al'Tl + ... + ar'Tr von S(O') genau dann ein Zyklus relativ T(O'), wenn (bei geeigneter Orientierung) al + ... + ar = 0 ist. Daher ist Hn(M, M\x) ~ Hn(S(O'), T(O'» ~ zr-l fur x E 0', folglich r = 1 fur x E 8M und r = 2 fUr x E M. (d) Diese Uberlegung zeigt auch, dafi die (n-I)-Simplexe von 8K in 8M liegen; weil 8M in M abgeschlossen ist, folgt 18KI c 8M. Die Simplexe von K, die 8M treffen, liegen wegen 11.2.8 (a) ganz in 8M, und sie bilden eine Triangulation Kl c K der (n -I)-Mannigfaltigkeit 8M. Die Uberlegung in (c) zeigt, dafi die (n -I)-Simplexe von Kl in 8K liegen. Daraus folgt mit (b), angewandt auf 8M = IKll, daJ3 jedes Simplex von Kl in 8K liegt, d.h. 8M c 18KI. (e) Sei x eine Ecke von K, die nicht in 8M liegt. Sei M2) die Menge alIer n-Simplexe von K mit Ecke x. Fur O','T E M2) schreiben wir 0' '" 'T, wenn es eine Kette von n-Simplexen wie in (e) gibt, die alIe in M", liegen. Das ist eine Aquivalenzrelation in der Menge M",; es sei k die Anzahl der Aquivalenzklassen. Es ist leicht zu zeigen, daJ3 H n(M,M\x;Z2) ~ Hn(S(x),T(x);Z2) ~ Z~ gilt (sind O'I, ... ,O'r die n-Simplexe einer Aquivalenzklasse, so liefert 2: O'i ® 1 einen Summanden Z2). Wegen 11.2.4 und 10.5.3 ist die linke Gruppe jedoch isomorph Z2, so dafi k = 1 folgt. Damit ist (e) in dem Fall bewiesen, dafi 0' und 'T eine Ecke gemeinsam haben, die nicht in 8M liegt. Daraus und aus dem Zusammenhang von IKI = M folgt der allgemeine 0 Fall.

Aufgaben 1l.2.Al Beweisen Sie 11.2.2. 1l.2.A2 Fiihren Sie die Details in den Beweisen von 11.2.6 und 11.2.9 aus.

=

=

t

1l.2.A3 Sei M IKI mit 8M 18KI wie in 11.2.9, wobei 8M 0 sei. Zeigen Sie wie folgt, daf3 die Verdopplung 2M von M triangulierbar ist: (a) Man kann K so in einem hochdimensionalen euklidischen Raum Rm realisieren, daf3 genau die Simplexe von 8K in jRm-l = Rm-l X 0 liegen (Hinweis: 3.1.AlO und All). (b) Durch Spiegelung von K an der Hyperebene jRm-l erhiilt man einen Simplizialkomplex K+ im jRm mit K n K+ = 8K. (c) Die Menge 2K K U K+ ist ein Simplizialkomplex mit 12KI ~ 2M.

=

1l.2.A4 Sei F eine geschlossene Flache mit Triangulation K. Zeigen Sie: (a) Kist ein 2-dimensionaler Simplizialkomplex, in dem jede Kante Seite von genau zwei Dreiecken ist.

11.3 Orientierung triangulierbarer Mannigfaltigkeiten

279

(b) 1st at. a2 die Kanten-bzw. Dreieckszahl von K, so ist 3a2 = 2a1. (c) Fiir die Eckenzahl ao von K gilt ao ~ !(7 + J49 - 24X(F». (d) Fiir F 8 2 ist ao ~ 4, a1 ~ 6, a2 ~ 4. (e) Fiir F = p2 ist ao ~ 6, a1 ~ 15, a2 ~ 10. (f) Fiir F 8 1 X 8 1 ist ao ~ 7, a1 ~ 21, a2 ~ 14.

= =

11.3 Orientierung triangulierbarer Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt ist Meine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit, die zusammenhangend und triangulierbar ist. Wir durfen dann annehmen, daf3 es Simplizialkomplexe 8K c K mit IKI M und 18KI 8M gibt, die die in 11.2.9 aufgeziihlten Eigenschaften haben. Es darf 8K 0 8Mseinj Mist dann eine 0 und anageschlossene Mannigfaltigkeit. Fur q > n ist Hq(Mj G) 9!! Hq(Kj G) log Hq(M,8MjG) = 0 fUr jede Koeffizientengruppe G. Wir untersuchen die n-te Homologiegruppe von M und (M,8M) mit Koeffizienten in G.

=

= = =

=

nicht koharent

koharent

Abb.11.3.1

11.3.1 Definition Zwei orientierte n-Simplexe von K, die benachbart sind, heiBen kohiirent orientieri, wenn sie in ihrer gemeinsamen (n -1 )-dimensionalen Seite entgegengesetzte Orientierung induzieren (Abb. 11.3.1). K heiBt orientierbar, wenn man alle n-Simplexe von K koharent orientieren kann (d.h. so, daf3 je zwei benachbarte koharent orientiert sind). 11.3.2 Lemma 8ind 0"1,"" O"r die n-8implexe von K, so sind die Zyklen von K relativ 8K genau die Ketten der Form z = 0"1 ®g+ ... +O"r®g E Cn(K)®G mit 9 E G, wobei die 0"1, ... , 0"r kohiirent orientieri sind oder 2g = 0 ist (oder beides). Beweis Wir zeigen zuerst, daf3 zein Zyklus ist. Sei T ein orientiertes (n - 1)Simplex, das nicht in 8K liegt. Dann ist T Rand von genau zwei n-Simplexen, tritt also in (8 ® id)(z) als (eT) ® 9 + (ciT) ® 9 T ® (eg + e'g) auf mit e,e' ±1. Im

=

=

280

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

Kohiirenzfall ist e = -e', und im Fall 2g = 0 ist eg + e' 9 = O. In jedem Fall tritt r nicht in (8I8lid)(z) auf, d.h.letzteres ist eine Kette in C n - 1 (8K) I8lG. Sei umgekehrt z = (71 I8l gl + ... + (7r I8l gr E Cn(K) I8l G ein Zyklus relativ 8K, wobei (71, •• ·, (7r zunachst beliebig orientiert sind. Sind (7i, (7j benachbart, so tritt ihre gemeinsame (n -1)-dimensionale Seite r in (818l id)(z) als r I8l (±gi ± gj) auf, so daB gi = ±gj sein mull. Aus dem starken Zusammenhang von K folgt, daB dies fUr alle i und j gilt. Wegen (7i I8l ~ -gi) = (-(7i) I8l gi konnen wir die Simplexe so umorientieren, daB z die Form z = (71 I8l 9 + ... + (7r I8l ghat. Wenn die (7il' .. , (7r nicht kohiirent orientiert sind, gibt es mindestens ein (n - I)-Simplex r ¢ 8K, das in (818l id)(z) als (±2r) I8l 9 = ±r I8l (2g) auftritt; daher mull 2g = 0 sein (man beachte 10.2.6). 0 11.3.3 Satz 1m Fall 8M =P 0 ist Hn(M; G) = O. Beweis Sei z E Cn(K) 0 G ein Zyklus; dann hat z die Form wie in 11.3.2. Jedes (n - I)-Simplex r E 8K tritt in (818l id)(z) = 0 in der Form (±r) I8l 9 auf. Daher 0 ist 9 = 0 und folglich die Zyklengruppe gleich Null. 11.3.4 Satz Die n-te Homologiegruppe von (M,8M) ist H (M 8M. G) ~ {G n , , {g E G 12g = O}

K orientierbar, K nicht orientierbar.

Beweis Diese Gruppe ist isomorph zur Gruppe Zn C Cn(K) I8l Galler Zyklen von K relativ 8K; durch 9 ~ (71 I8l 9 + ... + (7r I8l 9 erhalt man wegen 11.3.2 die 0 behauptete Isomorphie. 11.3.5 Definition und Satz Die Mannigfaltigkeit M heiftt orientierbar, wenn eine der folgenden Bedingungen erfullt ist (die nach 11.3.4 iiquivalent sind): (a) Jede Triangulation von Mist orientierbar. (b) Es ist Hn(M, 8M) ~ Z. (c) Es ist H n (M,8M;G) ~ G fur jede KoejJizientengruppe G. Wenn M = IKI orientierbar ist, so ist die Summe ZK der kohiirent orientierten n-Simplexe von K ein Zyklus relativ 8K, der Hn(K, 8K) ~ Z erzeugt; er heiftt ein Fundamentalzyklus von (K,8K). Sein Bild {M} = 8(ZK) E H n (M,8M) unter 8: Hn(K, 8K) ~ Hn(M, 8M) heiftt eine Fundamentalklasse von (M,8M). 0

Man beachte, daB ZK und {M} nur bis auf das Vorzeichen bestimmt sind. 1st M geschlossen, so ist ZK ein Zyklus und {M} E Hn(M) ~ Z. Der Fundamentalzyklus ist das Paradebeispiel, wie man sich einen hoherdimensionalen Zyklus vorstellen kann (vgl. 7.1.8 (c)). Aus dieser Vorstellung, daB jede geschlossene orientierbare nMannigfaltigkeit ein Zyklus ist, hat sich der Homologiebegriff historisch entwickelt.

11.3 Orientierung triangulierbarer Mannigfaltigkeiten

281

11.3.6 Bemerkung Um die orientierbare Mannigfaltigkeit M = \K\ zu orientieren, gibt es zwei Methoden. Erstens: Man orientiert ein n-Simplex festj durch die Koharenzbedingung sind dadurch die Orientierungen aller n-Simplexe und somit ZK und {M} bestimmt. Zweitens: Man wiihlt eine Erzeugende a E Hn(M,oM)j dann gibt es genau eine koharente Orientierung der n-Simplexe 0"1, •.• , O"r von K tnit a = 8(0"1 + ... + O"r). 11.3.7 Beispiele (a) Die orientierbaren FHichen Fg sind wegen H2 (Fg) ~ Z orientierbar, die nicht orientierbaren Flachen N g sind es wegen H 2 (Ng ) = 0 nicht, vgl. 1.4.21. Das Mobiusband M in 7.4.7 ist nicht orientierbarj zum Beweis setze man die Homologiesequenz in 7.4.7 nach links fort und beachte H2(M) = OJ es folgt H2(M, oM) = o. (b) sn und Dn sind orientierbar, und die in 9.5.4 definierten Elemente {sn} und {Dn} sind Fundamentalklassen im obigen Sinn. (c) Der reelle projektive Raum pn ist nach 9.9.14 fUr ungerades n orientierbar, fUr gerades n nicht. Wir stellen uns vor, dafi pn so trianguliert ist, dafi fur q < n die projektiven Teilraume pq C pn Teilkomplexe sind. Well i*: Hq(Pq) -+ Hq(pn) surjektiv ist, kann man die Aussagen in 9.9.14 wie folgt geometrisch verstehen: Fur gerades q > 0 ist deshalb Hq(pn) = 0, well pq nicht orientierbar ist. Fur ungerades q mit 0 < q < n wird Hq(pn) ~ Z2 von i*({pq}) erzeugtj der orientierbare projektive Teilraum pq ist also der wesentliche q-Zyklus in pn. (d) Nach 9.9.10 sind die komplexen und die quaternionalen projektiven Raume orientierbar (triangulierbar sind sie nach 3.1.9 (e». Fur q < n stellen wir uns den Tellraum PCq c pen als eine 2q-dimensionale triangulierbare Mannigfaltigkeit in pcn vor, deren Fundamentalzyklus, als Zyklus in pen aufgefafit, ein erzeugendes Element von H2q (pen) ~ Z reprasentiert. Analoges gilt fUr die quaternionalen projektiven Raume. 1m nicht orientierbaren Fall ist wegen 11.3.4 die Koeffizientengruppe G = Z2 die geeignete, um die Homologie zu beschreiben:

11.3.8 Definition Sind 0"1, ••. , O"r die (nicht orientierten) n-Simplexe von K, so ist z'i< = E(O"i 01) E Cn(K) 0 Z2 ein Zyklus relativ oK, der Hn(K, oKj Z2) ~ Z2 erzeugtj er heiBt der Fundamentalzyklus modulo 2 von (K,oK). Sein Blld {Mb = 8(z'i 0 die Abbildung gk aus 11.5.4. Fiir k < 0 erhalt man eine Abbildung der Form g(O'~, -1; ... ; O''-k' -1), wobei diese Simplexe gewisse der 0'1, ••. , O'T sind. Nach Definition ist diese Abbildung zu so g-k homotop. 0 Lassen Sie uns noch einmal das Wesentliche dieser Konstruktion zusammenfassen. Wir betrachten Abbildungen M _ sn, die wie folgt konstruiert sind: Gewisse n-Simplexe 0'1, •. • , 0'p von K werden "positiv zu sn identifiziert" (also wie g( 0'i) abgebildet), und andere n-Simplexe O'L .•. ,O'~ von K werden "negativ zu sn identifiziert" (also wie s 0 g( O'j) abgebildet); der ganze Rest von M wird zum Punkt eo E sn zusammengeschlagen. Die Ietzten beiden Hilfssatze besagen, daB diese Abbildung durch die Zahl p - q bis auf Homotopie eindeutig bestimmt ist. Mit diesen Vorbereitungen ist es nicht mehr schwer, das Hauptresultat dieses Abschnitts zu beweisen:

11.5.6 Satz Sei Meine geschlossene zusammenhiingende triangulierbare und orientierbare n-M annigfaltigkeit (n ~ 2). Dann gibt es zu jeder Zahl a E Z eine und bis auf Homotopie genau eine stetige Abbildung f: M - sn mit f.({M}) = a{sn}. Dabei sind {M} und {sn} fest gewahlte Fundamentalklassen; die Aussage des Satzes hangt von deren Wahl nicht abo Mit M = sn folgt:

11.5.7 Korollar Die Funktion Grad: [sn,sn]_ Z ist bijektiv.

o

Beweis von 11.5.6. Die Existenz von fist klar: Es gibt nach unseren obigen Konstruktionen natiirlich Abbildungen M _ sn vom Grad 1, und wir schalten dahinter eine Abbildung sn _ sn vom Grad a. Zu zeigen bleibt, daB f durch a bis auf Homotopie eindeutig bestimmt ist. Wir gliedern diesen Beweis in drei Schritte. Schritt 1: Sei En der Simplizialkomplex, der aus allen eigentlichen S(;~ten von ~n+! besteht, also IEnl = An+!. Wir fassen ~n als das abgeschlossene Seitensimplex von ~n+! auf, das von den Ecken eo, ... , en aufgespannt wird und bezeichnen mit A c An+! die Vereinigung der iibrigen abgeschlossenen Seitensimplexe. Die

11.5 Ein zweites Beispiel zur Homotopie: Abbildungen zwischen Spharen

293

Abbildung p: (~n,6.n) - (Sn,eo) aus 11.5.1 (b) konnen wir zu einer (wieder so bezeichneten) Abbildung p: 6. n+1 - sn fortsetzen durch peA) = eo. Wegen 2.4.15 ist diese Abbildung eine Homotopieaquivalenz; es sei p': sn - 6. n+1 ein Homotopie-Inverses. Schritt 2: Wir diirfen M = IKI annehmen fiir einen Simplizialkomplex K, ferner {M} = 8(ZK) wie in 11.5.1 (a). Indem wir K hinreichend oft normal unterteilen (und diese Unterteilung dann wieder mit K bezeichnen), erreichen wir, daB es zur Abbildung p' I: M - 6. n +1 eine simpliziale Approximation tp: K - En gibt. Aus p' 0 I ~ Itpl folgt I ~ p 0 Itpl; damit haben wir die zu untersuchende Abbildung I zerlegt in die Komposition einer simplizialen Abbildung und einer Homotopieaquivalenz. Schritt 3: Es sei a = (xo ... xn) ein festes positiv orientiertes n-Simplex von K. Drei Falle sind moglich. Erstens: Das Simplex tp(a) E En liegt im Teilraum A von 6. n +1; dann wird fi unter poltpl auf eo E sn abgebildet. Zweitens: Es ist tp.(a) = (eo ... en); dann stimmt p 0 Itpl auf fi mit der Abbildung g(a): (fi,o-) - (sn, eo) iiberein (bis auf Homotopie relativ 0-). Drittens: Es ist tp.(a) = -(eo ... en); dann ist analog po Itpl ~ so g(a) auf fi, relativ 0-. Es folgt, daB po Itpl eine der in 11.5.1 (e) definierten Abbildungen ist. Nach 11.5.5 ist daher po Itpl ~ gd, wobei d der Grad von po Itpl ist (dabei ist gd = so g-d fiir d < 0 und go = const). Aber wegen I ~ po Itpl ist d = a und folglich I ~ gao Damit ist die Behauptung bewiesen: list durch die Zahl a bis auf Homotopie eindeutig bestimmt. 0 Die Aussage [sn, sn] ~ Z in 11.5.7 ist von grundlegender Bedeutung fUr den weiteren Aufbau der Homotopietheorie. Insbesondere wird sie in Kapitel 16 der Ausgangspunkt fUr die Untersuchung der hoheren Homotopiegruppen sein. Wir ziehen jetzt einige Folgerungen aus 11.5.7, die wir dort benutzen werden. 11.5.8 Definitionen Sei n ~ 1 eine ganze Zahl. (a) Eine orientierte n-Sphare bzw. ein orientierter n-Ball ist ein zu sn bzw. Dn homoomorpher Raum En bzw. Bn zusammen mit einer festen Orientierung, d.h. einer festen Erzeugenden {En} von Hn(En) ~ Z bzw. {Bn} von Hn (Bn , aBn) ~ Z; dabei ist aBn der Rand von Bn. (b) Seien Ei, E'!] bzw. Bi, B'!] orientierte n-Spharen bzw. n- Balle, und sei I eine Abbildung der Form

wobei durch

X2

E E'!] ein fester Punkt ist. Der Abbildungsgrad k = Grad list definiert

1,,( {Ei}) = k· {E 2 } bzw. 1,,( {Bi}) = k· {B 2} bzw. 1,,( {Bi}) = k· j,,( {E2})'

294

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

11.5.9 Satz Die lolgenden Zuordnungen sind bijektiv:

(a) Fur n ~ 1: [E I" E2'] - Z, [J] t-+ Grad I. (b) Furn ~ 2: [B 1 ,OB1 jB2',oB2')]- Z, [I] t-+ Grad I. (c) Fur n ~ 1: [(B1,OB1j E2',X2)]- Z, [I] t-+ Grad I. Be wei s In jedem der drei Fiille ist diese Zuordnung wohldefiniert, d.h. aus 1 ~ g folgt Grad 1 = Grad g. Aussage (a) folgt aus 11.5.7. . Zu (b): Wir diirfen natiirlich Bl = B2' = D11. und {B1 } = {B2'} = {D11.} annehmen. Surjektivitat: Zu k E Z gibt es nach 9.9.4 eine Abbildung S11.-1 -. S11.-1 yom Grad k, die man wie im Beweis von 9.9.4 zu einer Abbildung D11. _ D11. yom Grad k fortsetzt. Injektivitat: Seien I,g: (D11.,S11.-1) -. (D11.,S11.-1) mit Grad 1 = Grad g gegeben. Dann ist GradUIS11.-1) = Grad(gIS11.-1), also IIS11.-1 ~ glsn-1. Sei h t : S11.-1 _ S11.-1 eine Homotopie von IIS11.-1 nach gIS11.-1, und sei i: S11.-1 '--+ D11.. Weil das Paar (D11.,S11.-1) die AHE hat, gibt es eine Homotopie Ht : D11. _ D11. mit Ho = 1 und Ht IS11.-1 = ih t . Es folgt 1 ~ H 1: (D11.,S11.-1) - (D11.,S11.-1), und daher geniigt es, H1 ~ g: (D11.,S11.-1) _ (D11.,S11.-1) zu beweisen. Eine entsprechende Homotopie ist durch

gegeben (man beachte H1 = g auf S11.-1). Zu (c): Wir diirfen Bl = D11. und E2 = S11. annehmen. Surjektivitat: Schaltet man hinter einen relativen Homoomorphismus rp: (D11.,S11.-1) _ (S11.,X2) eine geeignete Abbildung (S11.,X2) - (S11.,X2)' so hat die Komposition einen vorgegebenen Grad. Injektivitat: Seien I, g: (D11., S11.-1) _ (sn, X2) mit Grad 1 = Grad g gegeben. Dann sind die Abbildungen Irp-1,grp-1: (S11.,X2) _ (S11.,X2) definiert, und sie haben denselben Grad, sind also nach 11.5.7 homotop als Abbildungen S11. _ S11.. Es ist sogar Irp-1 ~ grp-1 reI X2: Fiir n = 1 folgt das aus 5.1.12, und fiir n > 1 aus 4.3.5. Indem man vor eine entsprechende Homotopie die Abbildung rp schaltet, 0 erhiilt man eine Homotopie 1 ~ g: (D11., S11.-1) _ (S11., X2)' 1m folgenden geben wir der Standardsphiire S11. bzw. dem Standardball D11. eine feste Orientierung. Wir betrachten S11. = D+ U D"::. und die folgenden Isomorphismen:

wobei o. bzw. j. aus der Homologiesequenz des Paares (D+,S11.-1) bzw. (S11.,D"::.) und k* ein Ausschneidungs-Isomorphismus ist.

11.5.10 Definition (a) Die Standardorientierung {S11.}+ E H11.(S11.) ist induktiv wie folgt definiert: Fiir n = 1 ist {S1}+ das vor 9.B.1 definierte Element, und fur n ~ 2 definieren wir {S11.}+ = j;1k.o;1({sn-1}+).

11.6 Der Fixpunktsatz von Lefschetz

295

(b) Die Standardorientierung {Dn} + E H n (Dn , sn-l) ist fUr n ~ 2 durch {Dn} + = o;l({sn-l}+) definiert, wobei 0*: Hn(Dn,sn-l)~Hn_l(sn-l). Fiir n = 1 ist {Dl}+ E Hl(D l , SO) die Homologieklasse, die repriisentiert wird von der singuliiren Kette ill _ Dl, (1- t)eo + tel I---? 2t-1. 11.5.11 Bemerkungen (a) Zeichnet man ein (x, y)-Koordinatensystem in iiblicher Konvention (x-Achse deutet nach rechts, y-Achse nach oben), so sind {Sl}+ und {D2}+ die "GegenUhrzeigersinn-Orientierungen ". (b) Vertauscht man in der Definition von {sn} + die Rollen von D+. und Dr:., so geht {sn}+ in _{sn}+ iiber.

1m folgenden klassifizieren wir die Abbildungen der n-Sphiire in eine endliche Einpunktvereinigung von n-Sphiiren. Fiir n = 1 ist das mit 5.1.12 und 5.4.A2 erledigt; es sei also n ~ 2. Es sei eo = (1,0, ... ,0) E sn und snV ... vS n C snx ... xsn wie in 1.3.8; der Basispunkt in sn V ... V sn ist xo = (eo, ... , eo). 11.5.12 Satz Fur n ~ 2 induzierl die Zuordnung [/JI---? I*({sn}) eine bijektive Funktion [sn, eo; sn V ... V sn, xoJ- Hn(sn V ... V sn).

Be wei s Mit zelluliirer Approximation folgt, da£ man hier die Basispunkte vergessen darf, d.h. "Homotopie" und "Homotopie reI eo" ist dasselbe (4.3.A2 und A6). Nach 9.9.5 (c) ist die Funktion surjektiv. Sind I, g: sn _ snv ... V sn Abbildungen mit I*({sn}) = g*({sn}), so sind prk 0 lund prk 0 9 Abbildungen sn _ sn vom gleichen Grad, sind also homotop (dabei ist prk die Projektion von sn V ... V sn auf den k-ten Summanden). Aus diesen Homotopien erhiilt man eine Homotopie von i 0 I nach i 0 g, wobei i: sn V ... V sn '-4 sn X '" X sn. Wegen n ~ 2 folgt mit zelluliirer Approximation I ~ g, vgl. 4.3.A6.

o

11.6 Der Fixpunktsatz von Lefschetz Wir benutzen folgenden Begriff aus der Linearen Algebra: Sei I: V - V eine lineare Abbildung eines endlich-dimensionalen reellen Vektorraums V. Dann gibt es zu jeder Basis Vl, .•. ,Vk von V Zahlen aij E ~ mit I( Vi) = L:. aijVj fiir i = 1, ... ,k. Die Spur von list definiert durch Spur I = all + ... + akk E~; sie ist unabhiingig von der Wahl der Basis. Zuriick zur Topologie. In diesem ganzen Abschnitt ist X ein festes n-dimensionales Polyeder.

296

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

11.6.1 Definition und Satz Fur eine stetige Abbildung f: X

~

X sei

n

>'q(l) = Spur (I.: Hq(X; JR.) ~ Hq(X; JR.)) und >.(1) =

2:( -l)q>'q(l). q=O

Die Zahl >.(1) heiflt die Lefschetz-Zahl von f. Die Zahlen >'q(l) und >.(1) sind ganze Zahlen.

Beweis Fiir die Bettibasis {.Bi} C Hq(X) aus 10.6.6 und f.: Hq(X) ~ Hq(X) gilt eine Gleichung der Form f.(.Bi) = Ejnij.Bj + Xi mit Xi E Tor Hq(X) und nij E Z. Es folgt (1.0 id)(.Bi 01) = 2: j nij(.Bj 01), also >'q(l) = nu + n22 + ... E Z. 0 11.6.2 Fixpunktsatz von Lefschetz 1st f: X ~ X eine stetige Abbildung eines Polyeders X ohne Fixpunkte (also f(x) # X fur alle X E X), so ist >.(1) = o. 11.6.3 Beispiele (a) Wenn X wegzusammenhiingend ist, ist >'0(1) = 1. Wennferner Hq(X) fur alle q # 0 eine endliche Gruppe ist, so ist Hq(X; JR.) = 0 und somit >'q(l) = 0 fur q # 0, also >.(1) = 1. (b) Jede stetige Abbildung f: X ~ X eines zusammenziehbaren Polyeders hat wegen (a) die Lefschetz-Zahl >.(1) = 1 und daher einen Fixpunkt. Das ist eine Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes 11.1.2. (c) Die Voraussetzungen in (a) sind auch fUr den reellen projektiven Raum gerader Dimension erfUllt. Also hat fUr gerades n jede stetige Abbildung f: pn ~ pn einen Fixpunkt. (d) Fur f: sn ~ sn mit n ~ 1 ist >'n(l) = Grad f, wie aus 10.6.1 folgt. Daher ist >.(1) = 1 + (-l)nGrad f· (e) Sei f: X ~ X eine Abbildung mit f. = id: Hq(X; JR.) ~ Hq(X; JR.) fur alle q. Dann ist >.q(l) nach 10.6.6 die q-te Bettizahl von X, und daher ist >.(1) = x(X) die Euler-Charakteristik von X. Es folgt z.B., dafi im Fall x(X) ::I 0 jede Abbildung f ~ id x : X ~ X einen Fixpunkt hat. Hieraus folgt wieder (b). (f) Sei X ein wegzusammenhiingendes Polyeder und gleichzeitig eine topologische Gruppe (mit Einselement 1 E X). Fur 1 ::I Xo EXist die Abbildung X --t X, X 1-+ XoX, fixpunktfrei und homotop id x (eine Homotopie ist x 1-+ w(t)x, wobei w ein Weg in X von Xo nach 1 ist). Daher ist x(X) = 0 nach (e). Mit 10.6.9 (b) folgt hieraus z.B., dafi die Spharen gerader Dimension oder die vom Torus verschiedenen geschlossenen orientierbaren Fliichen keine topologischen Gruppen sind. (g) Jede nullhomotope Abbildung X --t X eines beliebigen zusammenhiingenden Polyeders hat Lefschetz-Zahl1 und folglich einen Fixpunkt. (h) Der Fixpunktsatz besagt, dafi f: X ~ X im Fall >.(1) ::I 0 einen Fixpunkt hat. 1m Fall >.(1) = 0 sagt er uber die Existenz von Fixpunkten nichts aus: Z.B. haben die 1dentitiit und die Antipodenabbildung von S1 beide Lefschetz-Zahl Null, aber sehr verschiedenes Fixpunktverhalten.

11.6 Der Fixpunktsatz von Lefschetz

297

Der Beweis von 11.6.2 besteht aus einem algebraischen und einem topologischen Teil. Wir beginnen mit dem ersteren. Es sei C = (Cq,Oq)qez ein Kettenkomplex mit Cq 0 fiir q > n und q < 0, so dafi alle Cq endlich-dimensionale reelle Vektorraume und alle Randoperatoren Oq: Cq -+ Cq- 1 lineare Abbildungen sind. Ferner sei I: C -+ C eine Kettenabbildung, so dafi alle Iq: Cq -+ Cq lineare Abbildungen sind. Wir setzen 1* = I*q: Hq(C) -+ Hq(C).

=

11.6.4 Hopfsche Spurformel Es ist E( -1)qSpur I.q = E( -1)qSpur Iq. Beweis Sei Bq bzw. Zq der aus den Randern bzw. Zyklen bestehende Untervektorraum von Cq. Die Abbildung Iq: Cq -+ Cq definiert lineare AbbildunZq -+ Zq und I:: Bq -+ B q. Aus Hq(C) = Zq/Bq folgt Spur I~ = gen I Spur .q + Spur I: (zum Beweis erganze man eine Basis von Bq zu einer von Zq und beachte, dafi die hinzugenommenen Basiselemente eine Basis von H q (C) liefern). Ebenso gilt wegen Cq/Zq 9!! B q- 1 die Formel: Spur Iq = Spur 1~+Spur 1:-1' Man eliminiert Spur I~ aus beiden Formeln, multipliziert mit (-1)q und addiert fUr q = 0, ... , n. 0

J':

Die topologische Idee beim Beweis von 11.6.2 ist folgende. Wenn I: X -+ X fixpunktfrei ist, wird jeder Punkt von X unter I um ein gewisses Stiick verschoben. Wenn X durch sehr kleine Simplexe trianguliert ist, so wird jedes Simplex 0' von X disjunkt verschoben, also 0' n 1(0') = 0. Wenn I beziiglich dieser Triangulation simplizial ist, so folgt daraus fiir die induzierte Kettenabbildung I. q , dafi l.q(O') Summe von Simplexen i- 0' ist. Daher ist Spur I. q = 0 fUr alle q, und mit 11.6.4 folgt >.(1) = O. Zur Durchfiihrung dieser Idee sind einige Vorbereitungen notig. Es sei K ein Simplizialkomplex und K' seine Normalunterteilung. Die Ecken von K' sind die Schwerpunkte u der Simplexe 0' von K. Sei 0' ein q-Simplex in K mit q ~ 1. Fiir jede Kette c = ~ ni(Y~'" Y;-l} E Cq_1(K'), deren Simplexe (Y~ .. ' Y;-1) in iT liegen, bezeichnen wir mit u * c die Kette u * c = ~i ni(uy~ ... Y;-l} E Cq(K'). Das ist eine Verallgemeinerung der Kegelkonstruktion aus dem Beweis von 7.2.7. Mit der dortigen Formel (a) beweist man durch Induktion nach q:

11.6.5 Satz und Definition Es gibt eine Kettenabbildung r: C(K) die sog. Unterteilungsabbildung, mit folgenden Eigenschaften: rex) = x fur jede Ecke x von K, r(O') = u * r(80') fur jedes orientierte q-Simplex (q ~ 1) von K.

-+

C(K'), 0

Geometrische Interpretation: r( 0') ist die Summe aller q-Simplexe von K', in die 0' zerlegt ist (ihre Anzahl ist (q + 1)!), wobei diese genauso orientiert sind wie 0'.

11.6.6 Hilfssatz Das folgende Diagramm ist kommutativ, und daher ist r. ein Isomorphismus:

298

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

Beweis Ordnet man jeder Ecke fr von K' eine beliebige, aber feste Ecke von a E K zu, so wird dadurch nach 3.2.11 eine simpliziale Abbildung x: K' ---+ K mit Ixl ::= id lKI definiert. Wegen 9.7.4 ist daher 80 x. = Ixl. 08 = 8. Wir zeigen durch Induktion nach q, daf3 X 0 r: Cq(K) ---+ Cq(K) die Identitiit ist; daraus folgt X. 0 r. = id und somit 8 0 r. = 8. Fur q = 0 ist die Aussage klar. Sei a ein orientiertes q-Simplex von K mit q ~ 1. Fur jedes orientierte q-Simplex a' von K', das in a enthalten ist, ist x.(a') = ±a oder = O. Es folgt (x.r)(a) = x.(r(a)) = aa rur ein a E Z. Daher ist (x.r)(oa) = aoa, und die Induktionsannahme impliziert a = 1. 0 Be wei s von 11.6.2: Nach diesen Vorbereitungen zerfiillt er in drei Schritte. 1. Schritt: Wir durfen annehmen, daf3 X = IKI ist fur einen Simplizialkomplex ---+ X eine stetige fixpunktfreie Abbildung. Well X ---+ JR, x I-t d(x, f(x)), stetig und positiv ist (d ist die euklidische Metrik) und weil X kompakt ist, gibt es eine positive Zahl c mit d(x, f(x)) ~ c fur alle x E X. Wir durfen annehmen, dafi alle Simplexe von K einen Durchmesser < c/2 haben (wenn das nicht der Fall ist, ersetze man K durch eine hinreichend feine Unterteilung). K in JRn. Sei f: X

2. Schritt: Sei m so grofi, daf3 es zu f: X ---+ X eine simpliziale Approximation cp: K(m) ---+ K gibt. Fur alle a E Kist dann ii n Icpl(ii) = 0. Beweis: Wenn das falsch ist, gibt es x E ii, so daf3 y = Icpl(x) ebenfalls in ii liegt. Weil x und y, aber auch y und f(x) in einem abgeschlossenen Simplex von K liegen (niimlich in ii bzw. in TrK f(x)), ist im Widerspruch zum 1. Schritt d(x, f(x)) :::; d(x, y) + d(y, f(x)) < c/2 + c/2 = c. 3. Schritt: Die Komposition C(K) ~ C(K') ~ ... ~ C(K(m») dieser Unterteilungsabbildungen wird ebenfalls mit r: C(K) ---+ C(K(m») bezeichnet. Fur ein orientiertes q-Simplex a von Kist r(a) = Eai eine Summe orientierter q-Simplexe ai von K(m>, die alle in a liegen. Daher ist cp.(ai) fur alle i nach dem 2. Schritt ein orientiertes q-Simplex von K, das von a verschieden ist (oder cp.(ai) = 0). Also ist (cp.r)(a) eine Summe orientierter von a verschiedener q-Simplexe von K. Weil die a ®1 eine Vektorraumbasis von Cq(K) ®JR bilden, ist somit Spur [(cp.r) ® id: Cq(K) ®JR

---+

Cq(K) ®JR] = O.

Daher ist nach der Hopfschen Spurformel auch

11.7 Der Jordan-Brouwersche Separationssatz Sei

e: Hq(Kj JR) ~ Hq(IKlj JR)

=

der kanonisehe Isomorphismus. Wegen eo (r,o*T*) die gleiche Spur, und es

e (beaehte 11.6.6 und Ir,ol ~ I), haben r,o*T* und f*q folgt >.(1) = O. f*q

0

299

0

Aufgabe U.6.At Von den in Abb. 1.4.3 und 1.4.4 skizzierten Flii.chen F hat genau eine die folgende Eigenschaft: Jeder orientierungserhaltende Homoomorphismus F -+ F hat einen Fixpunkt.

11.7 Der J ordan-Brouwersche Separationssatz Der klassisehe Jordansehe Kurvensatz sagt aus, dafi die Ebene JR2 von jeder einfach gesehlossenen Kurve S C JR2 zerlegt wird (d.h. JR2\S ist nicht wegzusammenhangend). In diesem Absehnitt beweisen wir diesen Satz und seine Verallgemeinerung in hoheren Dimensionen. Grundlegend fUr alles weitere ist folgende Aussage:

11.7.1 Satz 1st B die Sphiire nicht.

c sn ein Ball, so ist sn\B azyklischj insbesondere zerlegt B

Beweis dureh Induktion nach der Dimension r von B: Fiir r = 0 ist B ein Punkt, und sn\B ~ JRn ist zusammenziehbarj also gilt der Satz. Im folgenden ist r ~ 1 eine feste Zahlj wir nehmen an, dafi der Satz fiir (r - l)-Bane gilt. Es sei _ { Zyklus in Sq(sn\B) x - Y E So(sn\B)

z-

fUr q > 0, fUr q = 0 (wobei x, y E sn\B).

Der Satz ist bewiesen, wenn wir folgendes zeigen konnen: (*)

Es gibt eine Kette b E Sq+1(sn\B) mit 8b = z.

Den Beweis dieser Aussage fUhren wir in fiinf Sehritten. 1. Schritt: Wir wiihlen einen Homoomorphismus f : r- 1 xl -+ B und definieren fUr 0 ~ t ~ 1 den Teilraum B t = f(r- 1 x t) c B C sn. Weil B t ein (r -l)-Ball in sn ist, ist der Zyklus z (der in sn\Bt liegt), nach Induktionsannahme ein Rand, d.h. es gibt eine Kette bt E Sq+1(sn\Bt ) mit 8bt = z (wenn fUr ein t diese Kette bt den Ball B nicht trifft, ist (*) bewiesen!).

a

2. Sehritt: bt ist Linearkombination singuHirer Simplexe 0"1, ••• ,0"1 : q+1 -+ sn\Bt (die von t abhangen). Der kompakte Teilraum UO"i(a q +1) trifft B t niehtj daher gibt

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

300

es eine offene Umgebung Ut von B t , die er ebenfalls nicht trifft. Insbesondere ist bt also eine (q + l)-Kette in sn\ut • 3. Schritt: Die in r- l x I offene Menge f-I(B nUt) enthiilt r- l x t; daher enthiilt sie auch r- l x Vi, wobei Vi eine kleine offene Umgebung von t in I ist. Wir wiihlen m so groB, daB es fUr j = 1, ... ,m zu jedem Intervall Ij = [(j - l)/m,j/m] ein t = tj mit I j C Vi; gibt. Dann ist r- l x I j C Ir-l x Vi; C f-I(B nUt;) und daher Qj = f(r- l x Ij) C Utj' Folglich ist bj = bt; eine Kette in sn\Qj und obj = z.

4. Schritt: Bisher haben wir nur einfache mengentheoretische Topologie benutzt und folgendes erreicht: Der Ball B ist Vereinigung von Biillen Qb' .. ,Qm, und fur jedes j gibt es eine Kette bj E Sq+l(sn\Qj) mit obj = z. Jetzt kommt die Homologietheorie ins Spiel. Wir setzen Xl = sn\QI und X 2 = sn\Q2 und betrachten folgenden Teil der exakten Mayer-Vietoris-Sequenz: Hq+1(XI u X 2) ~ Hq(XI n X 2) ~ Hq(XI) EB Hq(X 2). Weil Xl U X 2 das Komplement des (r - l)-BallesQI n Q2 = B I / m in sn ist (und wegen q + 1 > 0), ist die linke Gruppe Null nach Induktionsannahme. Daher ist f.L injektiv. Fur das vom Zyklus z reprasentierte Element {z} E Hq(XI n X 2 ) gilt f.L({z}) = 0, weil z in Xl bzw. X 2 die Kette bl bzw. b2 berandet. Es folgt {z} = 0, d.h. z ist Rand einer Kette in sn\(Ql U Q2). 5. Schritt: Jetzt wiederholt man dieses Argument mit Xl = sn\(QI U Q2) und X 2 = sn\Q3' Es folgt, daB z Rand einer Kette in sn\(Ql UQ2UQ3) ist. Fortsetzung des Verfahrens zeigt, daB z Rand einer Kette in sn\(Ql U ... U Qm) = sn\B ist. Damit ist (*) bewiesen. 0 Jetzt betrachten wir einen Ball B C ]Rn, wobei n ;::: 2 ist. Die stereographische Projektion vermittelt einen Homoomorphismus zwischen ]Rn und sn\p+, wobei p+ der Nordpol ist; der Ball B C ]Rn wird dabei in einen Ball A C sn mit P+ f/. A abgebildet. Wir betrachten folgende Sequenz: Hq(]Rn\B) ~ Hq(sn\(A U p+)) J!=- Hq+l(sn\A, sn\(A U P+)) ~ H

q+l

(sn sn\p ) ,

+

f'V

=

H

q+l

(sn P ) ,-

f'V

=

{Z 0

fUr q = n - 1, fur q =/; n - 1.

Dabei ergeben sich die Isomorphismen aus der Homoomorphie der Rii.ume, dem Ausschneidungssatz sowie 9.3.6 und 9.5.3. Fur q > 0 ist nach 11.7.1 und der Homologiesequenz auch ein Isomorphismus. Fur q = 0 ist wegen n - 1 > 0 die relative Gruppe Null, also o. = 0 und daher i. : Ho(sn\(A U P+)) -+ Ho(sn\A) injektiv; weil hier die rechte Gruppe nach 11.7.1 isomorph zu Z ist, muB dasselbe fUr die linke gelten. Damit ist bewiesen:

o.

11.7.2 Satz Sei B C ]Rn ein Ball, wobei n ;::: 2 ist. Dann ist Hq(]Rn\B) q = 0, n - 1 und = 0 sonsti insbesondere wird]Rn von B nicht zerlegt.

~

Z fur 0

11.7 Der Jordan-Brouwersche Separationssatz

301

11.7.3 Bemerkungen (a) 1st w : I - JR.n ein doppelpunktfreier Weg (d.h. w(s) f; w(t) fUr s f; t) und n ~ 2, so zerlegt w(I) nicht den JR.n. (b) Es gibt a > 0 mit Be {x E JRn Ilxl < a}. Sei f: sn-l _JR.n\B die Einbettung f(x) = ax. Dann ist f. : H n_1 (sn-l) - H n_1 (JR.n \B) ein Isomorphismus (den Beweis dieser Aussage uberlassen wir dem Leser). Das zeigt, wie man sich einen erzeugenden Zyklus von H n - 1 (JRn \B) e:! Z vorzustellen hat. Durch Hinzunahme des unendlich fernen Punktes wird dieser Zyklus ein Rand, was H n_1 (sn\A) = 0 verstandlich macht. 11.7.4 Satz Sei S C sn eine r-Sphiire, wobei n ~ 2 und 0 :5 r :5 n - 1 ist. Dann ist Hq(sn\s) = 0 aufter in folgenden Fallen: (a) Fur r < n - 1 ist Ho(sn\s) e:! Z und H n_r _l(sn\s) ~ Z. (b) Fur r = n -1 ist Ho(sn\s) e:! Z EEl Z. Beweis durch Induktion nach r: FUr r = 0 besteht S aus zwei Punkten, und wegen sn\s ~ sn-1 ist die Aussage richtig. 1m folgenden ist 0 < r :5 n -1, und wir nehmen an, da.i\ der Satz fUr (r -l)-Spharen in sn gilt. Wir wahlen einen Homoomorphismus f : S.,. -+ S. Dann sind B± = f(D'±.) Bane in sn mit S = B+UB_, und T = B+nB_ ist eine (r-l)-Sphare. Es sei q ~ 1. Aus der zu sn\T = (sn\B+)u(sn\B_) gehOrenden Mayer-Vietoris-Sequenz und 11.7.1 folgt Hq(sn\s) ~ H q+1(sn\T). Daraus ergibt sich mit der Induktionsannahme, da.i\ Hq(Sn\S) die im Satz angegebene Gruppe ist. Es bleibt die Aussage uber Ho(sn\s) zu beweisen. Nach 11.7.1 und Induktionsannahme sind sn\B± und sn\T wegzusammenhangend. Daher wird der Kern von Ho(sn\B+) EEl Ho(sn\B_) -+ Ho(sn\T) von ({x},-{x}) erzeugt, wobei x E sn\s ein fester Punkt ist. Die obige Mayer-Vietoris-Sequenz liefert folglich die exakte Sequenz 0 -+ H1(sn\T) -+ Ho(sn\s) -+ Z -+ 0, aus der 0 mit der Induktionsannahme die Aussage uber Ho(sn\s) folgt. Genau wie im Beweis von 11.7.2 ergibt sich aus dem vorigen Satz die folgende Aussage: 11.7.5 Satz Es sei S C JR.n eine r-Sphiire, wobei n ~ 2 und 0 :5 r :5 n - 1 ist. Dann ist Hq(JRn\s) = 0 aufter in folgenden Fallen: (a) Fur r < n - 1 ist Hq(JR.n\s) e:! Z fUr q = 0, n - r - 1 und n-1. (b) Fur r = n - 1 ist Ho(JRn\S) e:! Z EEl Z und H n_1 (JRn\s) ~ Z. 0 1m Unterschied zu 11.7.4 ist hier noch eine weitere Gruppe von Null verschieden, namlich H n- 1 (JR.n \ S) j das liUlt sich geometrisch wie in 11. 7.3 (b) interpretieren.

11.7.6 Folgerungen (a) Der euklidische Raum JR.n bzw. die Sphare sn wird durch eine darin enthaltene Sphiire der Dimension < n - 1 nicht zerlegt.

302

11 Einige Anwendungen der Homologietheorie

(b) 1st dagegen S C jRn bzw. S C sn eine (n - l)-dimensionale Sphiire (n :2: 2), so besteht jRn\s bzw. sn\s aus genau zwei Wegekomponenten. Fur n = 2 ist das der Jordansche Kurvensatz, fur n > 2 der Brouwersche Separationssatz. Es gilt ferner:

11.7.7 Satz Es sei S C jRn bzw. S C sn eine (n-1)-dimensionale Sphiire (n:2: 2), und U, V seien die Wegekomponenten ihres Komplements. Dann sind U und V offen, und S = if = V ist der gemeinsame Rand von U und V. Beweis Als offener Teilraum von jRn ist jRn\s lokal wegzusammenhangend, und daher sind die Wegekomponenten U und V offen. - Beweis von if u V c S: Es ist if n U = 0 (weil U offen ist) und if n V 0 (andernfalls ware Un V =I 0, da V offen ist). Aus der disjunkten Zerlegung jRn = uuvus folgt daher if C S. Ebenso folgt V C S. - Beweis von S c if n V: Sei XES, und sei N eine offene Umgebung von x in jRn. Die (n - l)-Sphiire S kann man als Vereinigung S = BuB' zweier (n - 1)-Bane B und B' darstellen, die man so wahlen kann, daB x E B c S n N gilt (weil SnN offen ist in S). Wir betrachten einen Weg w : I -+ jRn, der in U beginnt, in V endet und B' nicht trifft (nach 11.7.2 ist ]Rn\B' wegzusammenhangend). Weil die zusammenhangende Menge w(I) innere und auBere Punkte von U enthalt, ist weI) n if =10 [Boto, 4.8]. Also liegt auf dem Weg ein Randpunkt y von U. Wegen if C S und weI) n B' = 0 liegt y in B und damit in N. Fur jede offene Umgebung N des vorgegebenen Punktes XES ist somit N.n if =I 0; da if abgeschlosse~ ist, folgt x E U. Weil XES beliebig war, ist S C U. Genauso zeigt man S C V. Damit ist der Beweis beendet, denn aus if U V eSc if n V folgt if = V = S. 0

=

11. 7.8 Bemerkungen (a) Wer sich wundert, wie kompliziert dieser Beweis ist, betrachte die Menge S = Sl U Ie ]R2. Sie zerlegt ]R2 in offene Mengen U, V, fur die nicht S = if = V gilt. (b) 1m Fall S c ]Rn ist in 11.7.7 genau eine der beiden Komponenten beschrankt (vgl. 2.2.12); sie heiBt das Innere und die andere das Aupere von S. 1m Fall S c sn sind diese Begriffe nicht definiert. (c) Fur eine Kreislinie S C S2 gilt der Satz von Schoenflies (Beweis z.B. in [Moise, §9), [ZVC, Kap. 7]): Es gibt einen Homoomorphismus f : S2 -+ S2, der S auf Sl und U bzw. V auf D;. bzw. if:. abbildet. . (d) Fur eine Kreislinie S C ]R2 besagt der Schoenflies-Satz: Es gibt einen Homoomorphismus f : ]R2 -+ ]R2 mit f(S) = Sl. 1m ]R2 gibt es daher keine Knoten. Das Innere von S ist eine 2-Zelle, und das AuBere ist zu zJ2\0 homoomorph. (e) In hOheren Dimensionen ist der Satz von Schoenflies falsch. Es gibt schon im jR3 eine 2-Sphare S, deren AuBeres nicht einfach zusammenhangend ist. Eine Skizze finden Sie in [Hocking-Young, S. 176). (f) Mit den bewiesenen Zerlegungssatzen konnen wir jetzt auch den Satz 1.1.16 von der Invarianz des Gebiets beweisen: Sind X, Y c ]Rn homoomorphe Teilriiume des]Rn und ist X offen im ]Rn, so ist Y offen im jRn.

11.7 Der Jordan-Brouwersche Separationssatz

303

Beweis Sei 1 : X -+ Y ein Homoomorphismus. Sei y E Y ein fester Punkt. Zu x = f-l(y) EX gibt es ein r > 0, so daB der Ball B = {z E Rn Ilx - zl ~ r} in X liegt. Sei 8 = BB die Randsphare. In der Zerlegung Rn\f(8) = (JR.1'\f(B)) u (f(B)\/(8)) sind die Raume reehts wegzusammenhangend (nach 11.7.1, well I(B) ein Ball ist, bzw. wegen I(B)\/(8) = I(B\8) R:: B\8 R:: Dn). Daher miissen sie mit den Wegekomponenten iibereinstimmen, in die Rn durch die (n - 1)-Sphare 1(8) zerlegt wird, und sie sind daher offen im Rn. Insbesondere ist V = f(B)\/(8) offen in Rn und y EVe Y. Weil der Punkt y beliebig war, ist Y eine offene Teilmenge 0 des Rn. Wir wollen noeh einige weitere geometrische Aspekte der obigen Satze diskutieren. FUr eine Sphare 8 c 8 n bzw. 8 c Rn hangen die Homologiegruppen des Komplements nur von der Dimension von 8 und nicht von der Lage von 8 in 8 n bzw. IRn abo Z.B. ist fur jeden Knoten 8 C IR3 stets Hq (IR3\8) ~ Z fur q = 0,1 und = 0 sonst; die Homologietheorie ist daher zu schwach, um Knoten zu unterscheiden (vgl. 1.9.7). Besonders interessant ist die Aussage H n - r - 1 ~ Z in 11.7.5 (und analog in 11.7.4): Sie ist der Ausgangspunkt der Verschlingungstheorie in Rn (und analog in 8 n ): 11.7.9 Definition Es seien 8,8' c Rn disjunkte Spharen der Dimension r bzw. n - r - 1, wobei 0 < r < n - 1 ist. Fur die Inklusion i : 8' 0 ist Hn(S(t1 p ) ® S(t1q)) = O.

o

12.2.5 Satz Es gibt eine Kettenabbildung Q: SeX x Y) -+ SeX) ® S(Y) mit folgenden Eigenschaften: (a) Q ist in X und Y natiirlich, d.h. Q ist fur alle Riiume X und Y definiert, und fur stetige Abbildungen f: X -+ X' und g: Y -+ Y' ist das folgende Diagramm kommutativ: SeX x Y) (ix g

)01

sex' x Y')

~

S(X)®S(Y)

1'018lg0 ~ SeX') ® S(Y')

(b)Q istnormiert, d.h. Q: So(XxY) -+ [S(X)®S(Y)]o istgegebendurchQ(x,y) = x ® y for x E X und y E Y. Ferner sind je zwei solche Kettenabbildungen algebraisch homotop.

12.2 Der Satz von Eilenberg-Zilber

= =

311

Beweis Wir betrachten zuerst den Modellfall X Y ~n (n ~ 0 fest). Fiir C S(~" x ~,,), C' S(~,,) ® S(~,,) und O von Hp-1(C), wobei T die Projektion auf die Faktorgruppe ist, gehOrt nach 10.3.5 ein eindeutig bestimmter Isomorphismus

Folglich ist der Term Kern(i 0 id) in der vorigen exakten Sequenz isomorph zur direkten Summe dieser Torsionsprodukte mit p + q = n. Indem wir jenen Term durch diese direkte Summe ersetzen, erhalten wir folgende exakte Sequenz, in der /.L = ell 0 A- l 0 (00 id)* ist:

12.4 Das Homologie-Kreuzprodukt

315

Nach 12.3.2 wird die Gruppe links erzeugt von den Elementen z ® {z'}, wobei z bzw. z' ein p-bzw. q-dimensionaler Zyklus von C bzw. C' ist und p + q = n. Ferner ist (j ® id) .. (z ® {z'}) = {z} ® {z'}. Aus beidem folgt, dail das Bild von (j ® id) .. mit dem Bild des Homomorphismus >. in 12.3.1 iibereinstimmt. Daher ist mit der vorigen Sequenz auch die folgende exakt:

[H(C) ® H(C')]n~Hn(C ® C')~Tor(H(C), H(C'))n-l-O. Zu zeigen bleibt, dail >. injektiv ist und die Sequenz zerfant. Dazu geniigt es, einen zu >. linksinversen Homomorphismus >.' zu konstruieren. Wegen 10.4.3 gibt es Homomorphismen r: Cp -+ Zp und r': C~ -+ Z~ mit rlZp = id und r'IZ~ = id, wobei Z~ C C~ die Zyklengruppe ist. Der Homomorphismus I: [C ® C']n -+ [H(C)®H(C')]n, e®e' 1-+ {r(e)}®{r(e')}, bildet die Rii.ndergruppe von [C®C']n nach Null abo Daher ist

>.': Hn(C ® C') wohldefiniert (z

-+

[H(C) ® H(C')]n, {z}

1-+

I(z),

= Zyklus in [C ® C']n), und es ist >.'

0

>. = id.

o

12.3.4 Bemerkung Analog zu 10.4.7 zeigt man, dail die exakte Sequenz in der Kiinneth-Formel natiirlich ist beziiglich Kettenabbildungen I: C -+ D und I': C' -+ D'. Jedoch gibt aus den in 10.4.8 genannten Griinden es keinen natiirlichen Isomorphismus Hn(C ® C') ~ [.. .]n E9 Tor( .. ')n-l. Aufgaben 12.S.Al Fiihren Sie die Details von 12.3.4 aus. 12.S.A2 Fiir eine freie Auflosung O-R~F-A-O der abelschen Gruppe A sei

CA: ... --0--C1 ~Co-O-- ... der Kettenkomplex mit C1 = R, Co = F, und

a = i sowie Cq = 0 fiir q '# 0,1. Zeigen Sie:

(a) HO(C A) 9!! A und Hq(CA) = 0 fiir q '# O. (b) Sind A, A' abelsche Gruppen, so ist H 1 (CA ® CAl) 9!! Tor(A, A'). 12.S.AS Zeigen Sie: (a) Tor(A, A') ~ Tor(A', A) fiir abelsche Gruppen A, A' (Hinweis: vorige Aufgabe und 12.1.A1). Also: Das Torsionsprodukt in 10.3.3 ist kommutativ. Mit 10.3.6 folgt: (b) Tor(A, A') 0, wenn A oder A' frei abelsch ist.

=

12.4 Das Homologie-Kreuzprodukt 12.4.1 Definition Das Homologie-Kreuzprodukt von a {d} E Hq(Y) ist definiert durch a x (3

= {e} E Hp(X) und (3 =

= P.. >.({e} ® {d}) = {P(e® d)} E Hp+q(X x Y).

316

12 Homologie von Produkten

Dabei ist P: S(X) ® S(Y) ist wie in 12.3.1.

--t

S(X

X

Y) eine Eilenberg-Zilber-Aquivalenz, und A

Weil P bis auf algebraische Homotopie eindeutig bestimmt ist, ist a x f3 eindeutig definiert. Wir stellen uns a x f3 vor als die Homologieklasse der in 12.1 skizzierten Produktkette c x d. 12.4.2 Satz Das Kreuzprodukt hat folgende Eigenschaften: Natiirlichkeit: (f x g).(a x f3) = f.(a) x g.(f3) fur f: X --t X',g: Y --t Y'. Bilinearitii.t: (a + a') x f3 = a x f3 + a' x;3 und a x (;3 + f3') = a x f3 + a x ;3'. Kommutativitii.t: f3 x a = (-l) pq t.(a x f3), wobei t: X x Y --t Y X X die Koordinatenvertauschung t( x, y) = (y, x) ist. Assoziativitii.t: (a x;3) x "I = a x (f3 x "I), wobei"l E Hr(Z). Neutrales Element: {x} x;3 = j.(;3) fur x E X, wobei j: Y --t X X Y die Inklusion y ~ (x,y) ist (analog a x {y} = i.(a»). Be wei s Kommutativitii.t: Wir definieren r: S(X) ® S(Y) --t S(Y) ® S(X) durch r(c ® d) = (-l) pQ d ® c fUr c E Sp(X) und d E Sq(Y). Die Wahl des Vorzeichens garantiert, daJ3 r eine Kettenabbildung ist (vgl. 12.1.A1). Es geniigt zu zeigen, daJ3 das Diagramm von Kettenabbildungen

S(X) ® S(Y)

S(X x Y)

rl S(Y) ® S(X)

P --+

It.

S(Y x X)

bis auf algebraische Homotopie kommutativ ist. Das beweisen wir wieder mit den Methoden von 12.2: 1m Spezialfall X = Ap, Y = Aq folgt es aus 12.2.1 (a), der allgemeine Fall ergibt sich aus der Natiirlichkeit. Assoziativitii.t: Mit den gleichen Methoden zeigt man, daJ3 das Diagramm von Kettenabbildungen

S(X) ® S(Y) ® S(Z) id®P

I

S(X) ® S(Y x Z)

P®id --+

S(X x Y) ® S(Z)

-.!.."

S(X x Y x Z)

Ip

bis auf algebraische Homotopie kommutativ ist (jetzt muE man zuerst den Modell-< fall X = Ap, Y = Aq, Z = Ar betrachten)j daraus folgt die Assoziativitii.t.

12.4 Das Homologie-Kreuzprodukt

317

Aussage iiber das neutrale Element: Wenn X = {x} ein einpunktiger Raum ist, gilt PoX ~ j.: S(Y) -+ sex xY), wobei x: S(Y) -+ S(X)I8lS(Y) die Kettenabbildung d ~ x I8l d ist (Beweis mit den Methoden von 12.2). Daher ist {x} x /3 = j.(/3) in diesem Spezialfall. Der allgemeine Fall folgt daraus mit der Natiirlichkeit des Kreuzprodukts. 0 12.4.3 Satz (Kiinneth-Formel fiir Raume) Die Zuordnung al8l/3 einen injektiven Homomorphismus

~

a x /3 definiert

dessen Bild ein direkter Summand in Hn(X x Y) ist, und der Komplementiirsummand ist isomorph zur direkten Summe

o Der Beweis folgt aus 12.3.3 und der Tatsache, daf3 p. ein Isomorphismus ist. 1m Term Tor(H(X), H(Y))n-1 treten nur Tor(Hp(X), H n- p - 1(Y)) mit 2 $ p $ n - 2 auf, weil Ho(X) und Ho(Y) frei abelsch sind, vgl. 12.3.A3. Mit diesem Satz haben wir das in 12.1 formulierte Ziel erreicht, die Homologie von X x Y zu berechnen. Das Resultat hat zwei Seiten: Der Tensor-Anteil in Hn(X x Y) wird einfach durch das Homologie-Kreuzprodukt geliefert und ist geometrisch leicht zu verstehen. Der TorAnteil entsteht durch die algebraischen Uberlegungen in 12.3, und es ist zunachst vollig unklar, wie man sich die entsprechenden Zyklen vorzustellen hat. 12.4.4 Beispiele (a) Wenn Tor(Hp(X), Hq(Y)) = 0 ist fiir alle p, q ~ 0, liefert die Zuordnung al8l/3 a x /3 fiir alle n den Isomorphismus

~

Dieser einfachste Spezialfall der Kiinneth-Formel tritt nach 10.3.6 (a) z.B. dann ein, wenn alle Homologiegruppen von X frei abelsch sind. Damit kann man sofort die Homologie der Produktraume Xl x '" X Xm berechnen, in denen die Faktoren Spharen, komplexe oder quaternionale projektive Raume oder geschlossene orientierbare Flachen sind. Wichtiger als das Berechnen ist die Tatsache, daf3 wir geometrisch die Zyklen verstehen, die die Homologie des Produktraums erzeugen: sie sind die Produkte der Zyklen der Faktoren. Z.B. hat H 1(Sl x Sl) die Basis {xo} x {S1} und {S1} x {xo}, wobei Xo E S1 ein fester Punkt ist, und H 2 (Sl x Sl) wird von {Sl} X {S1} erzeugt. (b) Fiir n = 1 ergibt sich die Formel H 1(X x Y) ~ HI (X) Ef) H1(Y)' d.h. der TorAnteil entfaut. Dasselbe Ergebnis erh8.lt man aus der Tatsache, daf3 H1 die abelsch gemachte Fundamentalgruppe ist. Fiir n ~ 1 enth8.lt Hn(X x Y) die direkten Summanden Hn(X)I8lHO(Y) ~ Hn(X) sowie Ho(X)I8lHn(Y) ~ Hn(Y); sie entsprechen

318

12 Homologie von Produkten

dem Bild von Hn(X V Y) unter der naturlichen Einbettung X V Y '----+ X X Y (wir haben dabei vorausgesetzt, dafi X und Y zusammenhaugende CW-Raume sind). (c) Wenn alle Homologiegruppen von X und Y endliche abelsche Gruppen sind (aufier Ho) und wenn die Torsionskoeffizienten von X teilerfremd sind zu denen von Y, so sind in der Runneth-Formel alle Terme Null, aufier Hn(X) 0 Ho(Y) und Ho(X)0Hn(Y). Wenn wir zusatzlich annehmen, dafi X und Y zusammenhangende CW-Raume sind, so folgt, dafi die Inklusion X V Y '----+ X X Y Isomorphismen der Homologiegruppen in allen Dimensionen induziert. Unter diesen Voraussetzungen ist also die Homologie von X x Y vollig durch die Homologie der Teilraume X x Yo und Xo x Y bestimmt. (In 16.1.6 werden wir den eigentlichen Grund dafur erkennen: X V Y ist strenger Deformationsretrakt von X x Y.) . 12.4.5 Beispiel Es seien M und N geschlossene triangulierbare zusammenhaugende Mannigfaltigkeiten der Dimensionen m bzw. n. Dann ist M x N eine geschlossene Mannigfaltigkeit der Dimension m + n, die nach 3.1.A9 ebenfalls triangulierbar ist. Aus der Kunneth-Formel folgt Hm+n(M x N) ~ Hm(M) 0 Hn(N), und daher ist M x N genau dann orientierbar, wenn M und N es sind. Wenn das der Fall ist und wenn {M} E Hm(M) und {N} E Hn(N) Fundamentalklassen sind, so erzeugt {M} x {N} nach der Kunneth-Formel die Gruppe Hm+n(M x N), ist also eine Fundamentalklasse von M x N. Die durch sie bestimmte Orientierung von M x N heifit die Produktorientierung der gegebenen Orientierungen von M und N. 1m Fall M = N ist sie wegen (-0:) x (-0:) = 0: X 0: unabhaugig von der Wahl von {M}, d.h. auf M x M gibt es eine wohldefinierte Produktorientierung. 12.4.6 Beispiel Wir geben ein Beispiel fur den Tor-Anteil in der Kunneth-Formel. Es seien X und Y Raume, so dafi fur gewisse p, q > 0 gilt Hp(X) ~ Zm und Hq(Y) ~ Zn, wobei der grofite gemeinsame Teiler von m und n gleich r > 1 sei (z.B. X = Y = p2, P = q = 1 und m = n = r = 2). Seien x E 8 p (X) und y E 8 q (Y) Zyklen, deren Homologieklassen diese Gruppen erzeugen. Dann gibt es Ketten C E 8 p+1(X) und d E 8 q+1(Y) mit ac = mx und ad = ny. Die (p + q + 1)Kette z = ~(x 0 d) + (_1)p+1 ~(c 0 y) in 8(X) 0 8(Y) ist ein Zyklus, und es ist a(c0 d) = rz (nachrechnen!). Die Bildkette P(z) in 8 p +q +1(X x Y) ist ein Zyklus in X x Y, dessen r-faches ein Rand ist. Er ist verantwortlich fur den direkten Summanden Tor(Hp(X), Hq(Y)) ~ Zr von Hp+q+1(X x Y). Aufgaben 12.4.Al Berechnen Sie die Homologie von 8 m

L(p, q) x L(r, s), ....

X

8n , 8 1

X •.. X

8 1 , p 2 X p2, p 2 X p5,

12.4.A2 Fur jeden Raum X ist Hq(X x 8 n ) ~ Hq(X) EB Hq_n(X). 12.4.A3 Der Homoomorphismus M x M -+ M x M, (x,y) 1-+ (y,x), hat den Grad (_l)n, wobei n = dimM'j dabei ist M wie in 12.4.5 und orientierbar. 12.4.A4 Eine Permutation der Koordinaten definiert einen Homoomorphismus des ndimensionalen Torus f: 8 1 x ... X 8 1 -+ 8 1 X ••. X 8 1 . Welchen Grad hat f1

12.5 Kiinneth-Formel mit Koeffizienten in einem Korper

=

319

=

12.4.A5 Fiir 0: {c} E Hp(X,A) und f3 {d} E Hq(Y,B) kann man das relative Homologie-Kreuzprodukt 0: X f3 E Hp+q(X X Y, A X Y u X X B) definieren durch 0: X f3 {P(c ® d)}, wobei P: S(X) ® S(Y) -+ S(X X Y) eine Eilenberg-ZilberAquivalenz ist. Fiihren Sie die Details aus, indem Sie zeigen: (a) P(c ® d) ist ein Zyklus relativ A X Y U X X B, vgl. 12.2.Al. (b) 0: X f3 ist unabhii.ngig von der Wahl von P, vgl. 12.2.A3.

=

12.4.A6 Zeigen Sie, daB das relative Kreuzprodukt analog zu 12.4.2 natiirlich, bilinear und kommutativ ist.

12.5 Kiinneth-Formel mit Koefftzienten in einem Korper Die Kiinneth-Formel 12.4.3 wird wesentlich einfacher, wenn man die Homologiegruppen Hn(X X Yj G) betrachtet, wobei G die additive Gruppe eines Karpers ist (fiir die Definition 12.5.1 geniigt es, wenn G ein Ring istj in Satz 12.5.5 muB G jedoch ein Karper sein). Wir erledigen zuerst die algebraischen Vorbereitungen.

12.5.1 Definition und Satz Es seien V und W Vektorraume iiber dem Karper G. Dann sind V und W insbesondere abelsche Gruppen, so daB wie in 10.2 das Tensorprodukt V ® W erklii.rt istj es ist eine abelsche Gruppe. Sei U c V ® W die Untergruppe, die von allen Elementen der Form (gv) ® w - v ® (gw) erzeugt wird (v E V, w E W, 9 E G). Die Faktorgruppe V ®G W = V ® W/U heiBt das Tensorprodukt von V und W iiber Gj die Restklasse von v ® w E V ® W in V ®G W wird wieder mit v ® w bezeichnet. G operiert auf V ®G W durch g(v ® w) = (gv) ® w = v ® (gw), und mit dieser Operation ist V ®G W ein Vektorraum iiber G. Man muB sorgf8.ltig zwischen der abelschen Gruppe V ® W und dem Vektorraum V ®G W unterscheidenj z.B. gilt im C Vektorraum C ®c C die Gleichung i ® i = i 2 (1 ® 1) = -(1 ® 1), wii.hrend i ® i i= -(1 ® 1) in der abelschen Gruppe C ® c. Analog zu 10.2.2 gilt jetzt folgender Satz:

12.5.2 Satz Fur Vektorraume Vb V2, W uber G entsprechen die linearen Abbildungen 'I/J: VI ®G V2 -+ W eineindeutig den bilinearen Abbildungen rp: VI X V2 -+ W, wobei die Zuordnung durch 'I/J( VI ® V2) = rp( VI, V2) vermittelt wird. Dabei bedeutet bilinear bei Vektorraumen, daB auBer der Additivitat noch die Gleichungen rp(gVb V2) = grp( VI, V2) = rp( VI, gV2) gelten.

12.5.3 Definition Ein G-Kettenkomplex ist ein Kettenkomplex, dessen Kettengruppen Vektorraume iiber G und dessen Randoperatoren lineare Abbildungen sind

320

12 Homologie von Produkten

(dann sind auch Zyklen-, Rander- und Homologiegruppen Vektorraume). Das Tensorprodukt C 0a C' zweier G-Kettenkomplexe C und C ' ist der wie folgt definierte G-Kettenkomplex: [C 0a C/Jn ist die direkte Summe der Vektorraume Cp 0a C~ mit p + q = n, und der Randoperator ist wie in 12.1.4 (b) erkliirt. Analog zu 12.3.1 ist [H(C) 0a H(C')Jn = $p+q=n(Hp(C) 0a Hq(C ' )) die direkte Summe der Vektorraume Hp(C) 0a Hq(C ' ) mit p + q = n. Die Kunneth-Formel 12.3.3 nimmt bei G-Kettenkomplexen folgende einfache Form an: 12.5.4 Satz Die Zuordnung {z} 0 {z'}

A: [H(C) 0a H(C/)]n - Hn(C 0a C / ).

1-+

{z 0 Zl} definiert einen Isomorphismus

Be wei s Analog zu 12.1.3 ist A wohldefiniert, und es ist klar, daB A eine lineare Abbildung ist. Wir zeigen in vier Schritten, daB A bijektiv ist. 1. Schritt: Wie in 10.2.3 ist fur lineare Abbildungen f: V - V' und g: W - W' deren Tensorprodukt f 0 g: V 0a W - V' 0a W' definiert. Wenn fund 9 injektiv sind, gibt es Linksinverse f' von fund g' von 9 (Lineare Algebra!), und dann ist f' 0 g' ein Linksinverses von f 0 g; folglich ist auch f 0 9 injektiv. 2. Schritt: Sei C = (Cn ,(1n )nEZ ein G-Kettenkomplex und Vein Vektorraum. Dann ist C 0a V = (Cn 0a V, On 0 id) ein G-Kettenkomplex, und durch {z} 0 V 1-+ {z 0 v} erhiilt man einen Isomorphismus H n (C) 0a V - H n (C 0a V). Das ist das universelle Koeffiziententheorem fUr G-Kettenkomplexe. Der Beweis ist der gleiche wie in 10.4 (ersetze dort G durch V und 0 durch 0a), aber einfacher, weil der Term Kern(i q _ 1 0 id) in 10.4.4 nach dem 1. Schritt Null ist. 3. Schritt: Hilfssatz 12.3.2 bleibt richtig, wenn dort C und C ' G-Kettenkomplexe sind und 0 durch 0a ersetzt wird. Der Beweis gilt unverandert, nur ist das dort benutzte universelle Koeffiziententheorem durch die Aussage im 2. Schritt zu ersetzen. 4. Schritt: Jetzt konnen wir den Beweis von 12.3.3 kopieren; weil nach dem 1. Schritt Kern(i 0 id) = 0 ist, folgt 12.5.4. 0 Nach diesen algebraischen Vorbereitungen kehren wir zur Topologie zuruck. 12.5.5 Definition und Satz Seien X, Y topologische Riiume, G ein Korper, und seien 0: E Hp(X;G) undf3 E Hq(Y;G) von den Zyklen L:O"i09i E Sp(X)0G bzw. L: rj 0 h j E Sq(Y) 0 G repriisentiert. Das Homologie-Kreuzprodukt von 0: und 13 ist definiert durch

Es hat alle in 12.4.2 aufgeziihlten Eigenschaften des ganzzahligen Kreuzprodukts. Dariiber hinaus gilt g( 0: x 13) = (go:) x 13 = 0: X (gf3). Ferner induziert die Zuordnung 0: 0 13 1-+ 0: X 13 einen Isomorphismus Ho(X; G) 0a Hn(Yj G) E9 ... E9 Hn(Xj G) 0a HO(Yj G) - Hn(X x Yj G).

12.6 Homologie von Produkten von CW-Raumen

321

Erlauterung und Be wei s In der definierenden Gleichung fUr a x (3 ist Peine Eilenberg-Zilber-Aquivalenz, und gihj ist das in G gebildete Produkt (daher muB man in G multiplizieren konnen). Wir betrachten folgendes Diagramm: (S(X) I8l G) l8la (S(Y) I8l G)~(S(X) I8l S(Y)) I8l G

P®id

IS(X x Y) I8l G.

Nach 10.2.7 sind S(X)I8lG, S(Y)I8lG und S(X)I8lS(Y)I8lG alles G-Kettenkomplexej daher hat das Zeichen l8la hier einen Sinn. Die Kettenabbildung cp sei definiert durch (cl8lg)l8l(dl8lh) H (cl8ld)l8l(gh). Fur a = {c} E Hp(Xj G) und f3 = {d} E Hq(Yj G) ist dann a x f3 = {(Pl8lid)cp(cl8ld)}, und an dieser Darstellung von a x (3 sieht man, daB es wohldefiniert ist und die angegebenen Eigenschaften hat (man »tensoriere den Beweis von 12.4.2 mit G"). Die Kettenabbildung cp ist sogar ein Isomorphismusj cp-l ist gegeben durch (c I8l d) I8l g H (c I8l 1) I8l (d I8l g). Kombiniert man den Isomorphismus A aus 12.5.4 (wobei dort 0 = SeX) I8l G und 0' = S(Y) I8l G zu setzen ist) mit den Isomorphismen cp. und (P I8l id)*, so erhalt man den in 12.5.5 0 angegebenen Isomorphismus. Aufgaben 12.5.Al Berechnen Sie Hq(pm x pn jz 2) und Hl(Ng x NhjZ2). 12.5.A2 Berechnen Sie Hq(pm x pnj JR) und Hi(L(p, q) x L(r, 8)j JR). 12.5.A3 Sind V und W Vektorraume liber dem Karper G mit Basis {Vi} bzw. {Wj}, so ist {Vi I8l Wj} eine Basis von V l8la W. 12.5.A4 Sind X, Y endliche CW-Raume, so gilt flir die Bettizahlen von X X Y die Gleichung Pn(X X Y) = Ln=i+j Pi(X)Pj(Y). (Hinweis: vorige Aufgabe und 10.6.6) 12.5.A5 Sind X, Y endliche CW-Raume, so gilt flir die Euler-Charakteristik die Gleichung x(X x Y) = X(X)X(Y).

12.6 Homologie von Produkten von CW-Raumen Der zellulare Kettenkomplex von CW-Raumen verhalt sich bei Produktbildung wesentlich einfacher als der singulare Kettenkomplex topologischer Raume. Bei topologischen Raumen gibt es nach dem Satz von Eilenberg-Zilber eine Homotopieaquivalenz SeX) I8l S(Y) -+ sex x Y) dieser Kettenkomplexe. Sind dagegen X und Y CW-Raume, so daB X x Y wieder ein CW-Raum ist, so wird man wegen der in 4.2.9 angegebenen Zellzerlegung von X x Y erwarten, daB der zellulare Kettenkomplex O(X x Y) isomorph ist zum Tensorprodukt O(X) I8l O(Y). Zum Beweis dieser Tatsache mussen wir jedoch den Eilenberg-Zilber-Satz benutzen.

322

12 Homologie von Produkten

Fur Q E Hp(X, A) und /3 E Hq(Y, B) sei Q x /3 E Hp+q(X x Y, A x Y u X x B) das relative Kreuzprodukt, das wir in den Aufgaben A5 und A6 von 12.4 bereitgestellt haben. Man kann analog zu 12.4.3 die Homologie des Paares (X x Y, A x YuX x B) mit einer Kunneth-Formel berechnen (unter geringen Voraussetzungen an A und B, vgl. z.B. [Dold, chapter VI, §12]); fur unsere Zwecke ist der folgende Spezialfall ausreichend. 12.6.1 Hilfssatz Sind {DP} E Hp(DP,Sp-l) und {Dq} E Hq(Dq,Sq-l) F\mdamentalklassen, so ist {DP} x {Dq} E H p+q (DP x Dq, Sp-l X Dq U DP X Sq-l) eine Fundamentalklasse des (p + q)-Balls DP x Dq relativ seinem Rand. Beweis Fur p = 0 oder q = 0 ist das trivial; sei also p,q > O. Fur k = P oder k = q sei !k: (Dk, Sk-l) _ (Sk, Xk) ein relativer Homoomorphismus, wobei Xk E Sk ein fester Punkt ist, und jk: (Sk, 0) _ (Sk, Xk) sei die Inklusion. Nach 9.5.4 (d) ist fk,.( {Dk}) = jk*( {Sk}) fUr eine Fundamentalklasse {Sk} E Hk(Sk). Aus der Naturlichkeit des relativen Kreuzprodukts folgt

Es ist (jp x jq)* = j*: Hp+q(SP x sq) _ Hp+q(SP x sq, SPV sq) aus der Homologiesequenz dieses Paares, wobei die Einpunktvereinigung SP V sq = xp x sq u SP x Xq ist. Nach 9.4.8 ist (fp x !q)*, und nach 9.6.A5 ist j* ein Isomorphismus. Daher genugt es zu zeigen, daJ3 {SP} x {sq} die Gruppe Hp+q(SP x sq) erzeugt. Das ist richtig nach der Kunneth-Formel. 0 Wir kommen jetzt zum Thema dieses Abschnitts. Sind X und Y CW-Raume mit den Zellen e C X und deY, und ist X oder Y lokalkompakt, so ist X x Y nach 4.2.9 ein CW-Raum mit den Zellen e x d C X x Y. 12.6.2 Definition Es seien Q E Cp(X) = Hp(XP, Xp-l) und /3 E Cq(Y) = Hq(yq, yq-l) zelluliire Ketten in X bzw. Y. Dann ist das Kreuzprodukt Q x /3 definiert. Die Gruppe, in der es liegt, konnen wir durch den von der Inklusion induzierten Homomorphismus in die (p+ q)-te Kettengruppe von X x Y abbilden:

Das Bild von Q x /3 unter diesem Homomorphismus wird wieder mit Q x /3 E Cp+q(X x Y) bezeichnet; es heiBt die zelluliire Produktkette von Q und /3. 12.6.3 Lemma Es ist o(Q

X

!3)

= OQ X /3 + (-l)PQ x 0/3.

Beweis Es seien x E Sp(XP) und y E Sq(yq) singulare Ketten, die die Homolagieklassen Q bzw. /3 reprasentieren. Dann gilt:

12.6 Homologie von Produkten von CW-Raumen

a f3 aa af3 aa x f3 a x af3 a x f3 a(a x (3)

={x} ={y} = {ax} = {ay} = {P(ax ® y)} = {P(x ® ay)} = {P(x ® y)} = {aP(x®y)}

in in in in in in in in

323

Hp(XP,Xp-l), Hq(yq,yq-l), H p_ 1(Xp-l,Xp-2), Hq- 1(yq-l, yq-2), Hp+q-1«X x y)p+q-l, (X x y)p+q-2), Hp+q-1«X x y)p+q-l, (X x y)p+q-2), Hp+q«X x y)p+q, (X x y)p+q-l), Hp+q-1«X x y)p+q-l,(X x y)p+q-2).

Aus apex ® y) = P(ax ® y) + (-1)P P(x ® ay) folgt die Behauptung.

o

12.6.4 Lemma 1st a E Cp(X) bzw. f3 E Cq(Y) eine Orientierung einer Zelle e C X bzw. deY, so ist a x f3 E Cp+q(X x Y) eine Orientierung der Produktzelle

exdcXxY.

B eweis Nach Voraussetzung gibt es charakteristische Abbildungen

F: (DP, Sp-l) von e bzw. d mit a

~

(XP, Xp-l) und G: (Dq, Sq-l)

-+

(yq, yq-l)

= F.. ({DP}) und f3 = G .. ({Dq}). 1m Diagramm

(Dp+q, Sp+q-l) ~ (DP x Dq, Sp-l FXG)

(XP

X

X

Dq

yq,Xp-l

u DP

X

x Sq-l)

yq uXP x yq-l)

sei h ein beliebiger Homoomorphismus. 1st i die Inklusion aus 12.6.2, so ist H = io (F x G)o heine charakteristische Abbildung von ex d. Nach 12.6.1 ist {Dp+q} = h;l({DP} x {Dq}) eine Fundamentalklasse von (DP+l,Sp+q-l), und wegen

H.. ({Dp+q}) = i .. (F x G) .. ({DP} x {Dq}) = i .. (F.. ({DP}) x G .. ({Dq})) = i .. (a x (3)

ist a x f3 eine Orientierung von e x d.

o

12.6.5 Bezeichnung 1m folgenden bezeichnen wir wie schon in 9.6.5 (a) Zellen und orientierte Zellen mit dem gleichen Symbol. Sind e E Cp(X) und d E Cq(Y) orientierte Zellen, so ist die Produktkette e x d E Cp+q(X x Y) nach 12.6.4 eine orientierte Zelle; diese Orientierung heiBt die Produktorientierung. Fur Ketten a = L miei E Cp(X) und f3 = L njej E Cq(Y) konnen wir die Produktkette aus 12.6.2 jetzt einfach so beschreiben:

a x f3 =

I:: minj(ei x ej) E Cp+q(X x Y).

12.6.6 Satz Eine Basis von Cn(X x Y) bilden die Zellen e x d, jede mit der Produktorientierung versehen; dabei durchlaufen e und d die fest orientierlen pZellen von X bzw. q-Zellen von Y, fur die p + q = n ist. Der Randopemtor

a: Cn(X x Y)

-+

Cn-l(X

X

Y) ist gegeben durch

324

12 Homologie von Produkten 8(e x d) = 8e x d + (_1)dim ee x 8d.

o

Die Zuordnung e 0 d ~ e x d liefert folglich einen Isomorphismus C(X) 0 C(Y) -+ C(X x Y), d.h. fiir die zelluliiren Kettenkomplexe hat man (statt der EilenbergZilber-Homotopieiiquivalenz) eine geometrisch sehr leicht zu beschreibende Isomorphie dieser Kettenkomplexe.

12.6.7 Beispiel Die projektive Ebene p2 = eO U e l U e2 ist ein CW-Raum mit 8e 2 = 2e l und 8e l = 0 (bei geeigneter Orientierung der Zellen). p2 x p2 besteht aus den neun Zellen ei x ei , denen wir die Produktorientierung geben. Es gelten die Formeln

= 2 el x eO, 8(el x e2 ) = -2 e1 x el , 8(e 2 x e2 ) = 2(e 1 x e2 + e2 x e1)j

8(eO x e2 ) = 2 eO x el, 8(e2 x eO)

8(e 2 x e l )

= 2 el

x el ,

die iibrigen Zellen sind Zyklen. Daraus ergibt sieh, wobei wir den Isomorphismus Taus 9.6.9 weglassen:

H 1 (P2 H2(P2 H3(P2 H4 (P2

x x x x

P2) ~ Z2 EB Z2, erzeugt von {eO x el } und {e l x eO}, P2) ~ Z2, erzeugt von {e1 x e1}, P2) ~ Z2, erzeugt von {e 1 x e2 + e2 x e1 }, P2) = o.

Diese Homologiegruppen findet man auch mit der Kiinneth-Formelj die direkte Berechnung iiber den zelluliiren Kettenkomplex liefert jedoch zusiitzlich die Zyklen, die fUr die Homologie verantwortlich sind. Aufgabe 12.6.Al Berechnen Sie den zelluliiren Kettenkomplex und die Homologiegruppen, und beschreiben Sie die zellularen Zyklen, deren Homologieklassen die Homologie erzeugen: (a) flir (8 1 Um e2 ) X (8 1 Un e2 ), vgl. 1.6.lO, (b) flir ein Produkt von Linsenraumen, vgl. 9.6.A4. (c) flir poe x poe (ein CW-Raum nach 4.2.A4).

IV

Cohomologie, Dualitat und Produkte

13

Cohomologie

Jedem Kettenkomplex C kann man aufler den Homologiegruppen Hq(C) noch die sogenannten Cohomologiegruppen Hq(C) zuordnen. Wendet man diese algebraische Konstruktion auf die simplizialen, zelluHi.ren und singuHi.ren Kettenkomplexe an, so erhalt man die Cohomologiegruppen von Simplizialkomplexen, CW-Raumen und topologischen Rii.umen. Wir entwickeln in diesem Abschnitt nur die notwendige Technik; sie ist recht aufwendig und nicht besonders inhaltsreich - dafl sie nutzlich ist, wird erst in den Abschnitten 14 und 15 klar werden.

13.1 Gruppen von Homomorphismen 13.1.1 Definition Fiir abelsche (additiv geschriebene) Gruppen A und Gist Hom (A, G) die Menge aller Homomorphismen I: A - G. Erkliirt man die Addition durch U + f')(a) = I(a) + f'(a), so ist Hom(A, G) ebenfalls eine abelsche Gruppe. 13.1.2 Beispiele (a) Ein Homomorphismus I: Z - Gist durch das Element 1(1) E G eindeutig bestimmt, und zu jedem 9 E G gibt es einen Homomorphismus Z - G mit 1 1-+ g. Daher ist Hom(Z, G) ~ G durch 11-+/(1). (b) Analog folgt Hom(Z""G) ~ {g E G I ng = O} durch 1 1-+ 1(1). Wenn G torsionsfrei ist, ist dies Null. Z.B. ist Hom(Z"" G) = 0 fUr G = z, Q oder lR. (c) Aus (b) folgt Hom(Z""Zm) £!! Zd, wobei d der g.g.T. von n und mist. (d) Es seien Aj abelsche Gruppen (j E J = Indexmenge). Fur I: EBAj - Gist die Einschriinkung IIAj E Hom(Aj , G) definiert. Es kann sein, dafl IIAj fUr unendlich viele Indizes von Null verschieden ist (als Beispiel betrachte man I: Z$Z$ ... - Z, I(Xl,X2, ... ) = Xl +X2 + ... ). Daher liegt das Tupel UIAj)jEJ i.a. nicht in der direkten Summe, sondern im direkten Produkt der Gruppen Hom(Aj,G). Man erhalt eine Zuordnung Hom(ffiAj,G) jEJ

II Hom(Aj,G), 11-+ UIAj)jEJ· jEJ

326

13 Cohomologie

Man mache sich klar, daJ3 diese Zuordnung ein Gruppen-Isomorphismus ist! (e) Bei endlich vielen Summanden folgt

Hom(A l $ ... $ A/c, G) e!! Hom(Al! G) $ ... $ Hom(A/c, G) durch f t-+ (fIAl , ... , fIA/c). Aus den vorigen Beispielen folgt, daJ3 wir Hom(A, G) berechnen konnen, wenn A eine endliche erzeugte abelsche Gruppe und G eine der Gruppen Z, Zn, Q oder Ii ist. Das wird fiir Satz 13.4.3 nutzlich sein. 1m folgenden ist G eine feste Gruppe, und wir betrachten Hom(A, G) als eine Funktion der variablen Gruppe A. Den folgenden Begri:£f kennt man in iihnlicher Form aus der Theorie der dualen Vektorraume in der Linearen Algebra: 13.1.3 Definition Fur einen Homomorphismus f: A -+ B ist der duale Homomorphismus j: Hom(B, G) -+ Hom(A, G) wie folgt definiert: fur ep E Hom(B, G) ist j( ep) = ep f E Hom( A, G) die Komposition der Homomorphismen A -L B .:!. G.

Man beachte, daJ3j in "umgekehrter Richtung" geht wie f (und beweise, daJ3j ein Homomorphismus ist). Die Zuordnung A t-+ Hom(A, G) und f t-+ jist (bei festem G) ein Cofunktor AB -+ ABj es ist also idA = id die Identitat von Hom(A, G), und fur A -LB ~ C ist gf

= j9.

13.1.4 Beispiele (a) Sei nEZ, und seien f: Z -+ Z bzw. /': G -+ G durch x t-+ nx bzw. 9 t-+ ng defiuiert. Sei 4J: Hom(Z, G) -+ G der Isomorphismus aus 13.1.2 (a). Dann ist 4Jj = f' ¢J. Bis auf diesen Isomorphismus ist also die Multiplikation Z -+ Z mit n dual zur Multiplikation G -+ G mit n. (b) Mit f: A -+ B ist j: Hom(B, G) -+ Hom(A, G) ein Isomorphismus. Aus f = 0 folgt j = o. Wenn f surjektiv ist, mufl j es nicht sein (Beispiel Z"':" Z2 und G = Z). Wenn / injektiv ist, mufl j es nicht sein (Beispiel Z2 -+ Z6 und G = Zs). Wenn / injektiv ist, muflj nicht surjektiv sein (Beispiel Z -+ Z, X t-+ 2x und G = Z2). Es gilt jedoch: 13.1.5 Satz 1st die Sequenz A!... B.!; C

-+

0 exakt, so eben/ails die Sequenz 0 -+

Hom(C,G)~Hom(B,G)LHom(A,G). Wenn 0 -+ A-LB.!;C -+ 0 exakt ist und zer/iillt (I), so gilt dasselbe fUr 0 -+ Hom(C,G)~Hom(B,G)LHom(A,G) -+ o. Beweis 1st ep E Hom(C, G) und 0 = h(ep) = eph, so ist ep = 0 auf h(B) = C, d.h. ep ist das Nullelement von Hom(C,G)j daher ist h injektiv. Wegen jh = hf = 6 = 0 ist BUd h c Kern j. 1st ep E Hom(B, G) und 0 = j(ep) = epf, so ist ep

13.1 Gruppen von Homomorphismen

327

Null auf I(A) = Kern h, und daher wird durch 1/J(c) = ep(h-l(C» eindeutig ein Homomorphismus 1/J: C - G mit ep = 1/Jh = h(1/J) definiert; es folgt ep E Bild h, also Kern f C Bild h. - Die zweite Aussage ist Idar: 1st r: B - A ein Linksinverses von I, so ist f ein Rechtsinverses von I. 0 Die Situation ist hier analog zu der in 10.2.8 fiir das Tensorprodukt: Der Cofunktor Hom( -, G) bildet exakte Sequenzen • - • - • - 0 auf exakte Sequenzen 0 • - • - • abj man sagt, Hom( -, G) ist ein linksexakter Cofunktor. Dagegen folgt aus der Exaktheit von 0 - • - • nicht die von • - • - OJ diesen Punkt werden wir in 13.2 genauer untersuchen. In unseren spateren Anwendungen werden insbesondere die Fiille wichtig sein, dafi G = Z oder dafi G die additive Gruppe eines Karpers ist. 1m letzteren Fall hat Hom(A, G) eine zusatzliche Struktur. 13.1.6 Satz 1st G die additive Gruppe eines Korpers, so ist Hom(A, G) ein G- Vektorraum bezuglich lolgender Operation von Gaul Hom( A, G): Fur ep E Hom( A, G) und 9 E Gist gep E Hom(A, G) durch (gep)(a) = 9 . ep(a) definiert. Ferner ist lur I: A - B das duale !: Hom(B, G) - Hom(A, G) eine lineare Abbildung von Vektorriiumen. 0

Wir werden spater den Cofunktor Hom( -, G) hauptsii.chlich auf freie abelsche Gruppen anwendenj daher untersuchen wir diesen Fall noch genauer. 13.1.7 Definition Sei G = Z oder G ein Karper, und sei A eine freie abelsche Gruppe. Fur eine Basis (aj )jEJ von A (wobei J eine endliche oder unendliche Indexmenge ist), definieren wir Elemente iij E Hom(A, G) durch iij(ai) = Dij (Kroneckersymbol)j also bildet iij: A - G alle Basiselemente nach Null ab mit einer Ausnahme: Das Element aj wird auf die Zahl1 E Z bzw. das Einselement 1 des Karpers G abgebildet. Fur beliebige gj E G bezeichnen wir mit I: gjiij E Hom(A, G) den Homomorphismus, der aj 1-+ Yj abbildet fiir alle j E J.

Wenn alle Yj = 0 sind bis auf endlich viele, so stimmt I: Yjiij mit der in Hom(A, G) gebildeten Summe der Homomorphismen gjii j uberein. Wenn dagegen unendlich viele gj =1= 0 sind, so ist I: Yjiij naturlich nicht die Summe von unendlich vielen Elementen von Hom(A, G), sondern lediglich ein Symbol fur den oben definierten Homomorphismus. Jedes I E Hom(A, G) hat die eindeutige Darstellung I = I: gjiij, wobei gj = I(aj) E Gist. Wenn die Indexmenge J unendlich ist, kann die Summe I: Yjii j unendlich sein, und es gibt dann immer Homomorphismen I: A - G, die keine endliche Linearkombination der iij sind (z.B. der Homomorphismus I = I: iij, der alle aj 1-+ 1 abbildet). Fassen wir zusammen: 13.1.8 Satz und Definition Wenn A endlichen Rang hat, also die 1ndexmenye J = {1, ... , k} endlich ist, so ist iiI, ... ,iik eine Basis der freien abelschen Gruppe Hom( A, Z) bzw. des G - Vektorraums Hom( A, G) i sie heiflt die zu aI, ... ,ak duale

328

13 Cohomologie

Basis. Wenn A unendlichen Rang hat, also J eine unendliche Menge ist, so ist (iij )jEJ keine Basis von Hom(A, G), aber jedes f E Hom(A, G) hat eine eindeutige Darstellung der Form f = L: gjiij mit gj E G (wobei diese Summe endlich oder unendlich sein kann). 0 Aufgaben 13.I.AI Fur jede abelsche Gruppe Gist Hom(G, Z) torsionsfrei. 13.I.A2 Fur jede abelsche Gruppe Gist Hom(G,Z) ~ Hom(G/Tor G,Z). 13.1.A3 Fur jede endliche abelsche Gruppe Gist Hom(G,Q/Z) ~ G. 13.I.A4 Was ist Hom(Q, Z) und Hom(Q, Q)? 13.1.A5 Beweisen Sie 13.1.2 (c).

13.2 Hom und Ext Wenn man auf eine exakte Sequenz 0 ~ R ~ F ~ A ~ 0 den Cofunktor Hom( -, G) anwendet, so erhalt man i.a. nur die exakte Sequenz

o ~ Hom(A, G) .L Hom(F, G) -1 Hom(R, G)j der Homomorphismus I muB nicht surjektiv sein. Die Abweichung von der Surjektivitat kann man durch die Faktorgruppe Hom(R, G)/Bild I messenj je kleiner sie ist, desto naher ist I an der Surjektivitat. Wenn die obige Sequenz eine freie Auflosung von A ist, so hangt diese Faktorgruppe, wie wir gleich zeigen, nur von A und G und nicht von der Auflosung abo Die folgenden Untersuchungen sind vollig analog zu denen in 10.3, und wir fassen uns daher etwas kiirzer. 13.2.1 Definition Sei 0 ~ R(A) ~ F(A) ~ A ~ 0 die Standardauflosung der Gruppe A, und sei

o ~ Hom(A, G) .L Hom(F(A), G) ~ Hom(R(A), G) die duale Sequenz. Dann heiBt die Gruppe Ext(A, G) = Hom(R(A), G)/Bild(I) das Ext-Produkt von A und G. Dabei steht Ext fUr Extension = Fortsetzung. Einen Grund £iir diesen Namen kann man in der Tatsache sehen, daB f: R(A) ~ G genau dann in Bild I liegt, wenn f auf F(A) fortsetzbar istj es gibt noch einen iiberzeugenderen, den wir hier nicht erliiutern konnen (siehe [Hilton-Stammbach, III]).

13.2 Hom und Ext

329

Gegeben seien ein Homomorphismus f: A - A' und freie Auflosungen S: 0 -

R~F~A ---+ 0 bzw.

S': 0 -

R~F' ~A'

-

o.

Dann konnen wir wie in 10.3.4 ein kommutatives Diagramm konstruieren, dessen duales Diagramm wie folgt aussieht (dabei schreiben wir jetzt A' statt A usw. aus naheliegenden Grunden):

0

0

-

-

Hom(A,G)

iT Hom(A', G)

jj

jj'

Hom(F, G)

PI Hom(F',G)

-

Hom(R,G)



Hom(R',G)

i

~I

i"1

\yeil es kommutativ ist, wird Bild i' unter j" nach Bild i abgebildet. Daher induziert f" einen Homomorphismus der Faktorgruppen 1/;(jjS,S'): Hom(R',G)/Bild

i' -

Hom(R,G)/Bild

i.

Die Bezeichnung suggeriert es, und der Beweis ist wie bei 10.3.4 (b): 1/;(jjS,S') hiingt nicht von der Wahl von f' und f" abo Ferner gelten (Co-)Funktoreigenschaften analog zu (c) und (d) von 10.3.4, und daher hat man wie in 10.3.5: 13.2.2 Satz Zu jeder freien Auflosung S: 0 - R ~ F ~ A - 0 von A gehOrt ein eindeutig bestimmter Isomorphismus 1/;(S) =1/;(id A jS,S(A)): Ext(A,G)~Hom(R,G)/Bild

i.

0

Man kann also Ext(A, G) aus jeder freien Auflosung von A berechnen, nicht nur aus der Standardauflosung. Mit diesem Satz konnen wir einige Ext-Produkte berechnen. 13.2.3 Satz Es gelten folgende Aussagen: (a) 1st A frei abelsch, so ist Ext(A, G) = 0; speziell ist Ext(Z, G) = (b) Ext(Zn' G) ~ G/nG fur n > 0, wobei nG = {ng I 9 E G}. (c) Ext(Zn' G) = 0 fur G = Q, G = ~ und G = Q/Z. (d) Ext(Zn,Zm) ~ Zd fur n,m > 0, wobei d = ggT(n,m). (e) Ext(Al EB A 2, G) ~ Ext(Al, G) EB Ext(A2' G).

o.

Insbesondere konnen wir Ext(A, G) berechnen, wenn A eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und G eine der Gruppen Z, Zm, Q oder ~ ist. Das wird fUr Satz 13.4.3 niitzlich sein.

330

13 Cohomologie

Beweis (a) und (e) beweist man wie bei 10.3.6, wobei man fiir (e) jetzt 13.1.2 (e) benutzt. (c) und (d) folgen aus (b). Fiir (b) betrachten wir die freie Auflosung o ~ Z~Z~Zn ~ 0 von Zn mit i(x) = nx. Wegen 13.1.4 (a) kann man die duale

Sequenz identifizieren mit 0 ~ Hom(Zn, G).t G l G, wobei ~(g) = ng ist. Es folgt Ext(Zn'G) ~ G/Bild ~ = G/nG. 0 Schlief3lich gilt noch analog zu 10.3.7:

13.2.4 Definition und Satz Ein Homomorphismus f: A ~ B induziert einen Homomorphismus Ext f = '!f;(f;S(A),S(B)): Ext(B, G) ~ Ext(A, G), und fur festes G wird durch die Zuordnung A f-4 Ext(A, G) und f f-4 Ext f ein Gofunktor AB ~ AB definiert; speziell ist mit f auch Ext f ein Isomorphismus. 0 Aufgaben 13.2.Al Fur jede endliche abelsche Gruppe A ist Ext(A, Z) ~ A. 13.2.A2 Fur jede endlich erzeugte abelsche Gruppe A ist Ext(A, Z) ~ Tor A. 13.2.A3 Es ist Ext(Zn, Q/Z) = O. 13.2.A4 1st A endlich erzeugt und Hom(A, Z)

= 0 sowie Ext(A, Z) = 0, so ist A = o.

13.3 Cohomologiegruppen von Kettenkomplexen Wendet man auf einem Kettenkomplex C den Cofunktor Hom( -, G) an (wobei G eine feste abelsche Gruppe ist), so erhaIt man folgende Sequenz von abelschen Gruppen und Homomorphismen, in der Dq-l = 8q der zu Oq: Cq ~ Cq- 1 duale Homomorphismus ist:

Wegen 8q 8q _ 1 = 0 hat diese Sequenz die definierende Eigenschaft eines Kettenkomplexes; allerdings wird der Index q jetzt um 1 erhOht statt erniedrigt. 13.3.1 Definition (a) Die Gruppe Hom(Cq,G) heif3t die q-te Gokettengruppe von C mit Koejfizienten in G: Die Elemente ep E Hom(Gq, G) heif3en q-Goketten von C mit Koejfizienten in G. Der Wert von ep auf einer Kette c E C q wird im folgenden mit (ep, c) = ep(c) E G bezeichnet; er heif3t das Skalarprodukt (auch: Kroneckerprodukt) von ep und c. (b) Der Homomorphismus 8 = Dq: Hom(Cq,G) ~ Hom(Cq+1,G) hei:Bt Gorandoperator. Die (q + l)-Cokette 8(ep) hei:Bt Gorand der q-Cokette ep. Wenn 8(ep) = 0

13.3 Cohomologiegruppen von Kettenkomplexen

331

ist (d.h. wenn cp EKern Dq), heifit cp ein Cozyklus. Wenn cp = D("p) ist fUr eine (q -1)-Cokette "p (d.h. wenn cp E BUd Dq-l), heifit cp ein Co rand. Die Faktorgruppe der Cozyklengruppe modulo der Coriindergruppe, also die Gruppe Hq(Ci G) = Kern Dq/Bild Dq-l, heillt die q-te Cohomologiegruppe von C mit Koeffizienten in Gi ihre Elemente sind die Cohomologieklassen {cp} = {cp}o = cp + Bild Dq-l, wobei cp die q-Cozyklen durchUi.uft. 1m besonders wichtigen Fall G = Z schreiben wir kurz Hq(C) = Hq(CiZ), Mit der Neubezeichnung D_q = Hom(Cq, G), wird die obige Sequenz ein Kettenkomplex D, und es ist Hq(CjG) = H_q(D). Die Cohomologie ist also im wesentlichen die Komposition von Hom( - j G) und der Homologie. Das ist analog zu 10.4, wo wir die Komposition der Funktoren ®G und Hq untersucht haben. Die Bezeichnung (cp, c) fUr den Wert der Cokette cp auf der Kette c ist der Theorie der dualen Vektorraume in der Linearen Algebra entnommen. 13.3.2 Satz Das Skalarprodukt hat lolgende Eigenschaften:

Bilinearitiit: (cp + cp', c) = (cp, c) + (cp', c) und (cp, c + c') = (cp, c) + (cp, c'). Corand-Rand-Formel: (8cp,x) = (cp,8x). Dabei sind cp, cp' q-Coketten, c,c' q-Ketten, und x ist eine (q + 1)-Kette von C. 0

Insbesondere ist (Cozyklus, Rand) = 0 und (Corand, Zyklus) = 0, und daher kann man das Skalarprodukt auf die Co- und Homologieklassen iibertragen: 13.3.3 Definition Das Skalarprodukt von a' E Hq(CjG) und a E Hq(C) ist definiert durch (a', a) = (cp, z) E G, wobei cp ein q-Cozyklus aus der Cohomologieklasse a' und zein q-Zyklus aus der Homologieklasse a ist. Man nennt (a', a) auch den Wert der Cohomologieklasse a' aul der Homologiekla.~se a. Die BilinearitatsEigenschaft aus 13.3.2 iibertragt sich.

Eine Kettenabbildung von Kettenkomplexen induziert analog zu 8.3.5 Homomorphismen der Cohomologiegruppen. 13.3.4 Definition und Satz Sei I: C -+ C' eine Kettenabbildung. Der zu I = Iq: Cq -+ C~ duale Homomorphismus / = /q: Hom(C~,G) -+ Hom(Cq, G) ist in

der Skalarprodukt-Schreibweise gegeben durch (/(cp'),c)

= (cp',/(c»

(c

= q-Kette in C,

cp'

= q-Cokette in C').

Er bildet Cozyklen in Cozyklen und Coriinder in Coriinder ab und induziert daher einen Homomorphismus

Die Zuordnung C 1-+ Hq (C j G) und I KK -+ AB. Die Homomorphismen Skalarprodukt wie lolgt verbunden:

r

1-+

r

ist (bei lestem q und G) ein Cofunktor und I.: Hq(C) -+ Hq(C') sind durch das

332

13 Cohomologie (f*(a'),{3) = (a',I*({3»

o

(a' E Hq(C';G), (3 E Hq(C».

AIle Eigenschaften der Homologiefunktoren H q : KK -+ AB aus 8.3 iibertragen sich - mit gewissen Modifikationen - auf die Cohomologie-Cofunktoren. Wir wollen diese Co-Spielerei hier jedoch nicht mehr weitertreiben, sondern kommen erst in 13.5 bei der Untersuchung konkreterer Situationen darauf zuriick. Aufgaben Die Cohomologiegruppe Hq (C; G) kann bei festem Kettenkomplex C und variabler Gruppe G als Funktor AB -+ AB aufgefaJ3t werden (diese Tatsache werden wir in 15.6 benutzen): 13.3.Al Ein Homomorphismus I: G -+ G' abelscher Gruppen induziert einen Homomorphismus Iq: Hq(C;G) -+ Hq(C;G') durch Iq({cp}) = {I 0 cpl. Fiihren Sie die Details aus. 13.3.A2 Mit akte Sequenz.

G~G'LG"

ist Hq(C;

G)~Hq(C; G')~Hq(C; G")

eine ex-

13.3.A3 Sei O---"G~G' LG" ---,,0 exakt, und sei C ein freier Kettenkomplex. Zeigen Sie: (a) Zu cp E Hom(Cq , G") gibt es cjJ E Hom(Cq , G') mit f'cjJ = rp. (b) Wenn rp ein Cozyklus ist, ist 1- 1 0 (8cjJ) E Hom(Cq +1' G) definiert. (c) Die Zuordnung {rp} 1-+ {I-1 0 (8cjJ)} induziert einen wohldefinierten Homomorphismus B: Hq(C;G") -+ Hq+1(C;G); er heifit der Bockstein-Operator zur Sequenz I I'

O---"G-G' ---+G" -0.

13.3.A4 Fiir jede exakte Sequenz O---"G~G' LG" - 0 und jeden freien Kettenkomplex C ist folgende Sequenz exakt:

... ~Hq(C;G)~Hq(C;G')~Hq(C;G")~Hq+1(C;G) Iq+l

l ....

13.4 Das universelle Koeffiziententheorem 1m folgenden ist C = (Cq,Oq)qEZ ein freier Kettenkomplex. Sei Bq die Riinderund Zq die Zyklengruppe, also Bq C Zq C Cq. Nach 10.4.3 hat man eine exakte, zerfallende Sequenz

13.4 Das universelle Koeffiziententheorem

wobei jq die Inklusion und dafi die Sequenz

8~

durch

8~(x)

333

= 8q{x) definiert ist. Aus 13.1.5 folgt,

~ Hom(Cq, G) --+ ~ Hom(Zq, G) --+ 0 0--+ Hom(Bq-1!G) --+ ebenfalls exakt ist und zerfa.nt. Ferner haben wir wie vor 1004.5 die exakte Sequenz 0-Bq_ 1~Zq-l ~Hq_l(C)-O, die eine freie Auflosung von Hq_1(C) ist. Zu ihr gehort nach Satz 13.2.2 ein eindeutig bestimmter lsomorphismus

13.4.1 Hilfssatz Der Homomorphismus a~ bildet Hom(Bq_ 1, G) in die q-te Cozyklengruppe und Bild i q- 1 in die q-te Coriindergruppe abi er induziert daher einen Homomorphismus

Beweis Fiir cp E Hom(Bq_1,G) ist c5q(a~(cp)) = c5q(cp8~) = cp8~8q+1 = 0 wegen 8 2 = 0; also ist a~(cp) ein Cozyklus. - Sei cp E Bild i q- 1. Dann gibt es cp': Zq-l -+ G mit cp = cp'IBq- 1. Es gibt einen Homomorphismus r = rq-l: Cq- 1 -+ Zq-l mit rjq-l = id (ersetze q durch q - 1 in der ersten Sequenz oben). Die Komposition 'I/; = cp'r: Cq- 1 -+ Gist eine (q - l)-Cokette von C mit 'l/;IBq- 1 = cp. Es folgt c5q- 1('I/;) = 'l/;8q = cp8~ = a~(cp), d.h. a~(cp) ist ein Corand. 0

13.4.2 Definition Wir definieren Homomorphismen

h 0 '1/;: Ext(Hq_1(C), G) -+ Hq(C; G), It: Hq(C;G) -+ Hom(Hq(C), G), It(o:')(o:) = (0:',0:); p=

dabei ist 0:' E Hq(C; G) und 0: E Hq(C).

13.4.3 Satz (Universelles Koeffiziententheorem fiir die Cohomologie) Fur jeden freien Kettenkomplex C und jedes q E Z ist die folgende Sequenz exakt und zerfiillt:

0-+ Ext(Hq_1(C), G) ~ Hq(C; G) ~ Hom(Hq(C), G) Insbesondere gibt es daher einen Isomorphismus Hq(C; G)

~

Hom(Hq(C) , G) $ Ext(Hq_1(C), G).

-+

O.

13 Cohomologie

334

Beweis p ist injektiv: Zu zeigen ist, daB der Homomorphismus h aus 13.4.1 injektiv i~t. Sei cp E Hom(Bq_1, G). Wenn h(~) = 0 ~st, ist die Co.kett~ cpo~; Cq ~ ~ Corand emer Cokette x: Cq- 1 -+ G, d.h. es 1St CPOq = XOq = XJq-1Zq-10q. Weil Oq surjektiv ist, folgt cp = xjq-1iq-1 = i q- 1 (xjq-d E Bild i q- 1 . Also ist cp = 0 in der Faktorgruppe Hom(Bq_ 1 , G)/Bild i q- 1 und somit h injektiv. Bild p c Kern K,: Sei cp E Hom(Bq_ 1 , G). Fur aile {z} E Hq(C) ist K,(h(cp))({z}) = (8~(cp),z) = (cp,o~(z)) = (cp,O) O. Also ist K,(h(cp)) = 0, folglich h(cp) EKern K,. Es folgt Bild p = Bild h c Kern K,.

=

Kern K, C Bild p: Sei {cp} E Hq( C; G) aus dem Kern von K,. Dann ist K,( {cp})( {z}) = = 0 fur aile z E Zq, d.h. 0 = cp 0 jq = Jq( cp). Aus Kern Jq = Bild 8~ (vgl. die zweite Sequenz zu Beginn dieses Abschnitts) folgt {cp} E Bild h = Bild p.

(cp, z)

hat ein Rechtsinverses K,': Fur cp E Hom( H q(C), G) sei K,' ( cp) die Cohomologieklasse des Cozyklus cp 0 Pq 0 rq E Hom(Cq, G), wobei rq: Cq -+ Zq wie im Beweis von 13.4.1 ist und Pq: Zq -+ Hq(C) die Projektion auf die Faktorgruppe. Dann ist K, 0 K,' = id. Folglich ist K, surjektiv, und die Sequenz zerfiillt. 0

K,

Der Beweis des folgenden Satzes ist analog zu 10.4.7, und wir uberlassen ihn dem Leser: 13.4.4 Satz Die Homomorphismen p und

K, in 13.4.3 sind natUrlich bezuglich Kettenabbildungen, d.h. fur jede Kettenabbildung f: C -+ D zwischen freien Kettenkomplexen ist das folgende Diagramm kommutativ:

o

-+

o -+

Ext(Hq_ 1(C), G)

p ~

j Ext!.

Ext(Hq_ 1 (D), G)

Hq(C;G)

t
.«8 ft - 1 x I) U (Dft X {o})) = Dft X {a}. Benutze nun die HLE fUr h 0 >.-1, ho 0 >.-1. (b) => (c): Sei Xft das n-Geriist von X, und seien {ej+1 I j E J} die (n+ l)-Zellen. Die gesuchte Abbildung h in

X x {a} U A x I

1

~ E

Ip

-1

XxI

B

--+ h

konstruieren wir geriistweise. 1st h schon auf (Xft U A) x I definiert und ist ej+1 eine (n+1)-Zelle von X\A mit charakteristischer Abbildung Ii: Dft+1 ~ Xft+1UA, so gibt es nach (b) eine Abbildung 9j mit kommutativem Diagramm (Dft+1 x {O}) U (Sft

X

1)

1

Dft+1 x I

Dann kann man

-

h(x, t)

=

iio(Jj xid)

/gj ho(Jj xid)

h auf (Xft+1 U A) x I

{ hex, t) g-3.

(f3-. 1(x), t)

,

E

,

B

Ip

definieren durch

fiir x E Xft U A, fii· r x E ejft+1· ,J E J .

o 17.2.4 Hilfssatz Es sei p: E ~ Beine Faserung und U = {Uj I j E J} eine oJJene Uberdeckung von B. Hat plp-1(Uj ):p-1(Uj) ~ Uj fur alle j E J die HLE fur CW-Raume, so hat auch p: E ~ B die HLE fur alle CW-Raume. Beweis Wir verstehen die Voraussetzung so, dati 17.2.3 (b) fiir die plp-1(Uj ) erfiillt ist, und schliefien, dati 17.2.3 (a) fiir p: E ~ B gilt. Wir fassen nun Dft als 1ft auf. Dann laBt sich 1ft x I in so kleine Wiirfel unterteilen, dati das Bild eines jeden derselben ganz in einem Uj liegt. Es seien {Vl} die k-dimensionalen Wiirfel der Unterteilung von In, Vie = Ui Vi"', und 0 = to < tl < ... < t£ = 1 sei die Unterteilung von I. Da Vile n Vj'" c V:.'" fiir i :f:. jist, ergeben sich induktiv aus den Annahmen Losungen h~q in den Diagrammen

17.2 Liften von Homotopien

449

Dabei benutzen wir Bezeichnungen wie in 17.2.1, ferner ist hfq-l auf ~k x 0 die Spur von ho sowie auf k x [tq, tq+1l die Spur der auf dem (k - l)-Geriist schon konstruierten Abbildung. Durch Zusammenstiickeln dieser Losungen erhalten wir eine Losung von

v.

(In

X

(In

{O}) U (Vk-l

X

1 to})

U (Vk

X

1)

---

hk- 1

/f.k

X

1)

hi

und daraus die gewiinschte Losung

E

Ip B

h von

o Die Aussagen 17.2.2-4 lassen sich in dem folgenden grundlegenden Satz zusammenfassen:

17.2.5 Satz Eine lokaltriviale Faserung hat die Homotopie-Liftungseigenschaft fur alle CW-Riiume. 1st also Y ein CW-Raum, h t : Y -+ X eine Homotopie und fo: Y ~ E ein~ Abbildung mit po fo = ho, so gibt es eine Homotopie Pt: Y -+ Emit ho = fund po ht = h t . Ferner gilt: 1st A c Y ein CW- Teilraum und k t : A -+ E eine Homotopie mit ko = flA und pokt = htlA, so kann man htlA = k t annehmen. Eine lokaltriviale Faserung hat also auch die relative Homotopie-Liftungseigenschaft fur alle CW-Paare. 0 17.2.6 Bemerkung Eine Abbildung p: E -+ X (die keine lokaltriviale Faserung zu sein braucht) heif3t Faserung (auch Hurewicz-Faserung), wenn sie die HLE fiir alle topologischen Raume Y hat, und sie heif3t Serre-Faserung, wenn sie die HLE fiir CW-Raume hat. Wir haben gesehen, daf3 jede lokaltriviale Faserung eine SerreFaserung istj offenbar ist jede Hurewicz Faserung auch eine Serre-Faserung. Umkehren lassen sich die Beziehungen nicht. 1m folgenden Abschnitt iiber die Homotopiegruppen von Faserungen spielt die HLE fiir CW-Raume die entscheidende

Rolle.

450

17 Faserungen und Homotopiegruppen

Aufgabe 17.2.Al Zeigen Sie: Jede Uberlagerung ist eine Hurewicz-Faserung.

17.3 Homotopiegruppen und Faserungen In diesem Abschnitt gewinnen wir fUr lokaltriviale Faserungen (oder in Wahrheit auch fUr Serre-Faserungen) aus der exakten Homotopiesequenz 16.7.2 eine wichtige exakte Homotopiesequenz, an der die Homotopiegruppen von Faser, Totalraum und Basis teilhaben. Anschliefiend benutzen wir diese Sequenz, um weitere Homotopiegruppen zu berechnen.

17.3.1 Hilfssatz Sei p: E -+ Beine Faserung, und seien bo und eo die Basispunkte von B und E, wobei eo in der Faser F = p-l(bo ) liegt und auch Basispunkt von Fist. Dann ergibt sich fur jedes i 2: 1 ein Isomorphismus p#: 7rn (E, F, eo) -+ 7r n (B, {b o }, bo ) ~ 7r n (B, bo ). Beweis Sei 'IjJ:sn-l x I -+ sn dadurch definiert, dafi (sn-l x i) u ({*} x I) zum Basispunkt * E sn identifiziert wird. (Um Mifiverstiindnisse zu vermeiden, bezeichnen wir den Basispunkt von sn nun nicht mehr mit eo, sondern mit *.) Zu gegebenem f:(sn,*) -+ (B,b o) und zur konstanten Abbildung io:({*} x I) U (sn-l x i) -+ E nach eo liifit sich das folgende Diagramm wegen der relativen HLE fUr CW-Paare kommutativ ergiinzen:

({ *} x I) U (sn-l

X

{O})

1 sn-l I X

-io

E

i/

Ip

--

B

N

Nun definiert i ein Element aus also ist p# surjektiv.

7r n

(E, F, eo), dessen Bild unter p# gleich [fl ist;

p# ist auch injektiv. 1st niimlich fiir !: (Dn, sn-l) motop relativ sn-l, so entsteht ein Diagramm ({ *} x I) U (Dn x {O})

L

E

1

h/

Ip

Dn xl

__

B

r

-+

(E, F) das Bild poi nullho-

17.3 Homotopiegruppen und Faserungen

451

mit I'IDn x {O} = /, I'({*} x I) = eo, !'IDn x {O} = PI', !'(Dn x {1}) = bo, !'(sn-l x 1) = boo Da die Faserung die HLE fiir CW-Riiume besitzt, liiBt sich dieses Diagramm durch eine stetige Abbildung gilt dann:

h kommutativ vervollstiindigen. Fiir diese

hlD n x {O} = /, h(sn-l x 1) C Fund h(Dn x {1}) C F. Daher ist

[/l =

0 in

7r n

(E, F, eo).

o

Der folgende Satz ergibt sich unmittelbar aus 17.3.1 und der Definition von 8: 17.3.2 Definition und Satz (a) Indem man auf p-l den Randoperator 8 fur das Paar (E, F) folgen lapt, erhiilt man eine (wieder mit 8 bezeichnete) Randabbildung 8: 7r n (B, bo ) - 7rn -l(F, eo). (b) Fur eine Serre-Faserung p: E - B mit Faser Fist die folgende Homotopiesequenz exakt: i#

p#

()

i#

... ---+7rn (F, eo)--+7rn (E, eo)--+7r n (B, bO)---+7rn -l(F, eo)--+· .. . . . ~7r2 (B, bo) ~7rl (F, eo) ~7rl (E, eo) ~7rl (B, bo) .

o 17.3.3 Hilfssatz Hat die Faserung F - E~B einen Schnitt s: B - E, so ist

Be wei s Es liegt die folgende Situation vor:

wobei p#s# = id. Deshalb ist P# surjektiv, und es entstehen die kurzen exakten Sequenzen p#

0- 7ri(F) - 7ri(E) ~ 7ri(B) - O. 8#

Fiir abelsches 7ri(E), also speziell fUr i 2:: 2, folgt 7ri(E, eo) = 7ri(B, bo) EEl 7ri(F, eo).

o

452

17 Faserungen und Homotopiegruppen

17.3.4 Bemerkung Fur 11"1 gilt ein entspreehender Satz i.a. nieht; betrachten Sie hierzu etwa das Beispiel 17.1.3 (b) M x II( und berechnen Sie 1I"1(M x II() mittels des Seifert-van Kampen-Satzes 5.3.11 oder 5.7.13. Er ist jedoch richtig, wenn 1I"1(E) abe1sch ist. 17.3.5 Satz Sei F.2....E..!!....B eine Faserung, so daft die Faser F in E zusammenziehbar ist, d.h. es gibt eine Homotopie it: F -+ E, so daft i1 = i, io(F) = eo und it(eo) = eo, 0 $ t $ 1. Dann gibt es einen zu 8 rechtsinversen Homomoryhismus X (d.h. 8X = id), und es ist

Beweis 1st f: Si-1 -+ F gegeben, so wird durch Si-1 X 1-+ B, (x,t) 1-+ pid(x) eine Abbildung f': Si -+ B induziert. Daraus ergibt sich ein Homomorphismus X:1I"i-1(F) -+ 1I"i(B). Es ist 8[f'] = [f]. Also ist 8X:1I"i-1(F) -+ 1I"i-1(F) die Identitiit. Somit ist 8 surjektiv, und die Behauptung folgt wie im Beweis von 17.3.3.

o

17.3.6 Korollar Sei K = lR, Coder der Schiefkoryer der Quaternionen und entsprechend d = 1,2 bzw. 4. Dann gilt

Beweis Zum Nachweis dient die Faserung 17.1.4; dort wird die Faser Sd-1 in den Aquator von s(n+1)d-1 abgebildet und ist deshalb nullhomotop in s(n+1)d-1. Nun folgt die Behauptung aus 17.3.5. 0

17.3.7 Folgerungen (a) Sei K

1I"i (p

n(",» \I.."

01 -

1I"i

(s2n+1)

= C,

EB 1I"i-1

also d = 2. Fur

n;::: 1 gilt dann

(S1) '" { Z i = 1I"i(S2n+1) fUr fUr i

= > 2, 2.

Insbesondere gilt: Die Faserung p: s2n+1 -+ pn(C) aus 17.1.4 (b) induziert fUr alle i > 2 einen Isomorphismus p#: 1I"i(S2n+1) -+ 1I"i(pn(c». (b) Fur n = 1 folgt: Die Hopf-Faserung h: S3 -+ S2 aus 17.1.4 (d) induziert fUr alle i > 2 einen Isomorphismus h#: 1I";(S3) -+ 1I"i(S2). Insbesondere ist 1I"3(S2) ~ Z, erzeugt von der Homotopieklasse [h]. (e) Sei K = 1HI, also d = 4. Fur n;::: 1 gilt dann

17.3 Homotopiegruppen und Faserungen

453

Fiir i = 2,3 liefert das nichts Neues, da pn(nlI) ein 3-zusammenhangender Raum ist, vgl. 3.3.A3. Wegen p1(lHl) ~ S4 folgt

1I"i(S4) ~ 1I"i(S7) EB 1I"i_1(S3) fiir i ~ 2. Fiir 2 ~ i ~ 4 ist das trivial, fiir i ~ 5 liefert es keine neuen Beispiele fiir Homotapiegruppen, da wir mit den bisher entwickelten Methoden die einzelnen Gruppen nicht berechnen konnen. Immerhin erhalten wir Aussagen wie 1I"7(S4) ~ ZEB1I"6(S3). 17.3.8 Tangentialbundel dern-Sphiire. Es ist T(sn) = {(x, y) E snxRn+1 I x 1. y}, und es sei Te(sn) = ((x,y) E T(sn) Ilyl = 1} das Biindel der Einheitsvektoren. Es ist Te(sn) - t sn, (x, y) 1-+ x, eine lokaltriviale Faserung mit Faser sn-1. Fiir ungerades n = 2m - 1 hat sie einen Schnitt, etwa gegeben durch

so dafi nach 17.3.3 fiir i

1I"i(Te(s2m-1))

~

~

2 gilt:

1I"i(s2m-2) EB 1I"i(s2m-1).

Ubrigens ist die Existenz eines Schnittes in Te (M) aquivalent zur Existenz eines nirgends verschwindenden stetigen Vektorfeldes auf M. Auf Spharen gerader Dimension gibt es keine solchen Felder, vgl. 11.1.7. Zum Schlufi wollen wir noch die Homotopie-Sequenz fiir die Faserung der orthogonalen und unitaren Gruppe von 17.1.6 benutzen: 17.3.9 Satz (a) Es ist 1I"i(SO(n)) ~ 1I"i(SO(n -1)) Jur i < n - 2 und 1I"i(U(n - 1)) ~ 1I"i(U(n)) Juri < 2n - 2. (b) Fur n ~ 3 gilt 7r1(SO(n)) ~ Z2 und 1I"2(SO(n)) = o.

Beweis (a) Wegen 17.1.6 ergibt sich die exakte Homotopiesequenz

1I"i+1(sn-1)

-t

1I"i(SO(n -1))

-t

1I"i(SO(n))

-t

1I"i(sn-1).

Wegen 1I"j(sn-1) = 0 fiir j < n - 1 folgt die Aussage fiir SO(n). Durch analoge Schliisse ergibt sie sich fiir U(n) aus 17.1.7 (b). (b) Nach 6.1.A6 (d) ist SO(3) ~ p3, also 1I"1(SO(3)) ~ Z2' Wegen (a) ist

Z2

~ 11"1 (SO(3)) ~

1I"1(SO(4))

~ 11"1 (SO(5)) ~

... .

Ferner folgt aus (a) 1I"2(SO(4)) ~ 1I"2(SO(5)) ~ .... Aus der exakten Sequenz fiir n = 4 erhalten wir

1I"3(S3)

-t

1I"2(SO(3))

-t

1I"2(SO(4))

Wegen SO(3) ~ p3 ist 1I"2(SO(3))

-t

1I"2(S3)

= O.

= 1I"2(p3) ~ 1I"2(S3) = o.

o

454

17 Faserungen und Homotopiegruppen

Aufgaben 17.S.A1 Zeigen Sie: Fur pn(C) ist

11"1

= 0, 11"2 e:! Z, 11"3 = ... = 1I"2n = 0, 1I"2n+1 e:! Z.

17.S.A2 Zeigen Sie: 1st in 17.3.3 der Totalraum E zusammenziehbar, so ist 1I"n(B, bo) e:! 1I"n-1(F,eo) fUr n ~ 2. 17.S.AS Konstruieren Sie eine Faserung 5 00 - t poo (C) mit Faser 51 und zeigen Sie, dafi Poo(C) ein Eilenberg-MacLane-Raum vom Typ (Z,2) ist. 17.S.A4 Zeigen Sie: 1st in 17.3.3 die Faser F zusammenhiingend, so ist p#: bo) surjektiv.

11"1 (B,

11"1 (E,

eo)

-t

18

Homotopieklassifikation von Abbildungen

Mit den bisher entwickelten Methoden (Homologie-, Cohomologie- und Homotopiegruppen) greifen wir das Problem an, fur gegebene Riiume X und Y die Homotopieklassen der stetigen Abbildungen X - Y zu bestimmen, d.h. die Menge [X, Yj zu beschreiben.

IS. 1 Geriistweise Konstruktion von Abbildungen und Homotopien Die geometrische Idee ist folgende: Wir set zen voraus, dafi X ein CW-Raum ist und Y ein topologischer Raum, beide wegzusammenhiingend, und wir versuchen der Reihe nach, die Abbildungen der Geriiste xn - Y nach Homotopie zu klassifizieren (n = 0,1,2, ... ). Es entsteht die Frage, ob man eine Abbildung f: xn - Y bzw. eine Homotopie h t : xn _ Y auf xn+l fortsetzen kann. 18.1.1 Lemma (Fortsetzungskriterium fur Abbildungen) Sei e eine (n + I)-Zelle (n ~ 1) von X mit charakteristischer Abbildung : Dn+1 _ xn U e und mit Klebeabbildung rp = Isn: sn - xn. Dann sind folgende A ussagen iiquivalent: (a) f: xn - Y ist auf xn U e fortsetzbar. (b) frp: sn - Y ist auf Dn+l fortsetzbar.

(c) frp: sn - Y ist nullhomotop. Beweis (b) und (c) sind nach 2.3.3 iiquivalent. Wenn (a) gilt und wenn F eine Fortsetzung von f auf xn U e ist, so ist F: Dn+1 - Y eine von frp, und somit gilt (b). Sei (b) erfiillt, und sei G: Dn+ 1 - Y eine Fortsetzung von f rp. Ferner sei p: xn + Dn+l _ xn U e die Projektion auf den Quotientenraum. Die Abbildung F = (f + G) 0 p-l: xn U e - Y ist eine Fortsetzung von f, vgl. 1.3.15. 0 Wenn 7rn (Y, Yo) = 0 ist, so ist wegen 16.3.10 jede Abbildung sn - Y nulihomotop, also kann man f auf aile (n + l)-Zellen fortsetzen:

456

18 Homotopieklassifikation von Abbildungen

18.1.2 Korollar 1st 71'n(Y' Yo) = 0 (n ;::: 1 fest), so kann man jede Abbildung f: xn -+ Y auf x n+1 fortsetzen. 0 18.1.3 Lemma (Fortsetzungskriterium fur Homotopien) Es sei e C X eine (n+l)Zelle (n ;::: 1) mit charakteristischer Abbildung 2; denn K(Z E9 Z, 1) ist (bis auf Homotopieaquivalenz) ein Torus. Historisch ist die Theorie der "Homologiegruppen von Gruppen" durch die folgende Entdeckung von Hopf aus dem Jahre 1942 entstanden:

18.2.8 Satz Fur jeden zusammenhiingenden CW-Raum ist

H2(X)/L-2(X) !:!! H 2(1l"1(X,XO)), wobei L-2(X) Elemente ist.

= Bild

(h2: 1l"2(X, xo)

--+

H 2(X)) die Untergruppe der sphiirischen

Das bedeutet: Die zweite Homologiegruppe von X ist modulo sphiirischer Elemente durch die Fundamentalgruppe von X bestimmt. 1st z.B. 1l"l(X,XO) frei, so ist H2(X) = L-2(X), Wenn 1l"l(X, xo) !:!! Z E9 Z ist und 1l"2(X, xo) = 0, so mufi H 2 (X) !:!! Z sein (Beispiel Torus).

460

18 Homotopieklassifikation von Abbildungen

Beweis Der CW-Raum Y = xudu .. . etU ... entstehe aus X durch Toten der Homotopiegruppen 11"2,11"3, •••• Dann ist Y ein K(G,I), wobei G = 1I"1(X,XO) ist, also H2(Y) ~ H2(1I"1(X,XO)). 1m Diagramm

1I"3(Y,X,Xo)

~ 1I"2(X,XO)

-+

1I"2(Y,YO) = 0

ist k3 nach dem Hurewicz-Satz surjektiv, folglich Kern i* = Bild 8 = Bild 8k3 = Bild h28 = Bild h2 = E2(X), Aus H 2(Y) ~ H 2(X)/ Kern i* folgt die Behauptung.

o

Es geniigt bei diesem Beweis, nur 1I"2(X) durch Ankleben von 3-Zellen zu toten; der entstehende Raum y3 ist das 3-Geriist eines K(G,I)-Raumes.

18.3 Hindernistheorie Nach dem Ausfiug in 18.2 setzen wir die Uberlegungen aus 18.1 fort. In diesem ganzen Abschnitt ist n 2: 1 eine feste ganze Zahl, X ein zusammenhangender CW-Raum mit Basisecke Xo E X, undY ist ein wegzusammenhangender Raum, der n-einfach ist. Dann ist 1I"n(Y,YO) ~ 1I"n(Y) = [sn, YJ, so daJ3 jede Abbildung