Aktienerfolg mit Neuemissionen: Zeichnungsofferten richtig prüfen und bewerten [2 ed.] 9783896449399, 9783896732415

Die Anleger kommen wieder. Nach den Blütenträumen am Neuen Markt fassen sie – noch zögernd – neues Vertrauen in ein Mode

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German Pages 332 [333] Year 2005

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Aktienerfolg mit Neuemissionen: Zeichnungsofferten richtig prüfen und bewerten [2 ed.]
 9783896449399, 9783896732415

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Klaus Müller-Neuhof x Alf-Sibrand Rühle

Aktienerfolg mit Neuemissionen Zeichnungsofferten richtig prüfen und bewerten

Mit einer Fallstudie: Der Börsengang der Deutschen Postbank AG 2., überarb. und erw. Auflage

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-241-2 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2005 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Vorwort und Danksagung zur zweiten Auflage Der Börsen-Boom ist vorüber. Ist er das? Nach Flauten und Frustrationen bestätigt sich eine alte Regel: Der Kapitalmarkt lebt mit Ups und Downs. Aktien auszugeben wird für viele Unternehmen wieder attraktiver, und die Zahl der Neuemissionen wird hier zu Lande wieder steigen, wie sie in ganz Europa steigt. Doch Aktien, das ist – gerade nach den Erfahrungen der letzten Jahre – für viele nur ein Geschäft, das Vollprofis und Leichtsinnige unter sich ausmachen sollen. Bliebe es bei dieser Einstellung, so müsste selbst manch hoffnungsvoller Börsengang zukünftig scheitern. Die Mitteldeutschen Fahrradwerke Mifa, Wincor Nixdorf und die Postbank haben im ersten Halbjahr 2004 erfolgreich das Gegenteil bewiesen: Es geht doch! Und zwar trotz teilweise widriger Umstände. Damit ist auch eine Neuauflage dieses Buchs aktuell und relevant geworden. Es berät Anleger, was sie bei Börsengängen beachten müssen. Es ist aber zugleich ein Plädoyer für die Verantwortung der Unternehmen, Vertrauen in den Kapitalmarkt aufzubauen und sich den Investoren und der Öffentlichkeit fair zu präsentieren, ein Plädoyer also für eine Aktienkultur in Deutschland – gerade in schwieriger Zeit. Das ist der Grund, weshalb wir das Beispiel Postbank in dieser Neuauflage ausführlich darstellen. Es zeigt, dass es Regeln gibt, Gesetzmäßigkeiten und Kenntnisse, die aus dem Risiko IPO einen mutigen Schritt machen, eine überlegte und überlegene Strategie, die sich für das Unternehmen wie für die Anleger lohnen kann. Dr. Markus Will hat den Börsengang der Postbank dokumentiert. Wir danken ihm, dass wir damit die zweite Auflage um einen Live-Beitrag erweitern konnten. Anne Hartmann, Anita Steinbrück, Norbert Kopczynski und Stefan Schenk haben recherchiert, visualisiert und dokumentiert. Volker Schwarz danken wir für seine ordnende Hand, die Übersicht in die Fülle an Quellen und Zitaten brachte. Nils Müller sorgte dafür, dass die Technik mitspielte. Zur Koordination aller Aktivitäten hielt Nikola Wirz die Fäden in der Hand. Marcin Ziomek, Barbara Hegedüs, Viktor Ter-Akopow und Philipp Roden haben Informationen über die osteuropäischen Börsen zusammengestellt. Damit konnte der Informationsgehalt des Buches gegenüber der ersten Auflage deutlich aktualisiert und erweitert werden. Hamburg, im November 2004

Klaus Müller-Neuhof

Alf-Sibrand Rühle

Autoren Prof. Dr. rer. pol. Klaus Müller-Neuhof Klaus Müller-Neuhof, Bankkaufmann, Betriebswirt, Soziologe und Journalist, ist Lehrbeauftragter für Betriebliches Kommunikationsmanagement an der Universität Hamburg und Honorarprofessor der Universität Erfurt. Er ist gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsagentur Complan Medien GmbH Berlin, Bonn, Hamburg. Dr. rer. pol. Alf-Sibrand Rühle Alf-Sibrand Rühle ist gelernter Bankkaufmann. Er studierte Betriebswirtschaftslehre sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und promovierte über Aktienindizes. Er war mehrere Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Terminbörse in Frankfurt/M. tätig. Als Spezialist für Finanzkommunikation berät er bei der Investorengewinnung und -betreuung. Von ihm sind bereits mehrere erfolgreiche Ratgeber und Fachbücher zu Themen rund um die Börse erschienen. Dr. rer. pol. Markus Will (Fallbeispiel: Deutsche Postbank AG) Markus Will, gelernter Journalist und ausgebildeter Volkswirt, ist Gründungspartner und Gesellschafter von goodwill communications – management consultants. Die Unternehmensberatung ist auf wertorientierte Aspekte der Unternehmenskommunikation spezialisiert. Will lehrt zudem Kommunikationsmanagement an verschiedenen betriebswirtschaftlichen Fakultäten von Universitäten und Fachhochschulen.

Inhalt Verzeichnis der Abbildungen ___________________________________11 1

Mitmachen ist Trend – Aktienkultur heute, die Börse morgen______13 1.1 Was bringt den privaten Anleger zur Börse? ............................................................13 1.1.1 Wohin mit dem Geld? – Die Vorsorge...........................................................16 1.1.2 Die Tante Börse ist out, der Neue Markt auch ..............................................19 1.1.3 Wenn Publikumsgesellschaft, dann Volksaktie.............................................24 1.1.4 Karl Marx wäre zufrieden, die Aktiengesellschaft .........................................28 1.1.5 Shareholder Value – Was kann der Aktionär erwarten? ...............................30 1.2 Warum Unternehmen an die Börse gehen ...............................................................35 1.2.1 Nicht nur Wachstum will finanziert sein.........................................................35 1.2.2 Was macht den Börsengang so attraktiv? ....................................................37 1.2.3 Die Börse macht Image.................................................................................39 1.2.4 Nur durch Börsengang zum Player – Die Rolle der Börsennotierung bei Fusionen und Übernahmen .....................................................................42 1.2.5 Spin-Off – Schöne Töchter............................................................................46 1.3 Warum sich Privatanleger bei Börsenneulingen einkaufen ......................................50 1.3.1 Der Reiz: Abenteuerlust und Kalkül ..............................................................53 1.3.2 Die Bindung – mit Stars an die Börse, mit Exoten auch ...............................55 1.3.3 Personenkult passt nicht an die Börse..........................................................58 1.3.4 Perspektiven statt Cash – Neue Aktien für Zulieferer ...................................60 1.3.5 Mitarbeiterbeteiligung macht sich bezahlt – auf beiden Seiten .....................63 1.4 Aktienkultur, das Profil schärft sich ...........................................................................71

2

Börsengang, die Vorgeschichte ______________________________81 2.1 Das Unternehmen kennen lernen .............................................................................81 2.1.1 Schon der Name kann entscheidend sein ....................................................81 2.1.2 Auf dem Weg zur Börsenreife .......................................................................84 2.2 Wer finanziert das Unternehmen vor dem Börsengang?..........................................85 2.3 Venture Finanzierung – Wer nicht wagt, kann nichts gewinnen ..............................86 2.3.1 Business-Angels – Engel auf Erden..............................................................89 2.3.2 Smart Money – Woher kommt das schlaue Geld?........................................91 2.3.3 Sage mir, mit wem Du gehst, und ich sage Dir, wer Du bist – Kapitalgeber und Berater ..............................................................................93 2.3.4 Das Baby schon vor der Geburt bekommen – Vorbörsliche Emissionen .....94 2.4 Auswahl und Analyse geeigneter Start-Ups .............................................................97 2.4.1 Der erste Eindruck hat keine zweite Chance – Das Wesentliche schnell erfassen ................................................................97 2.4.2 Ein Highlight muss dabei sein .......................................................................99 2.4.3 Die Equity Story – Happy Visions statt Happy End.....................................100 2.4.4 Was zählt mehr: Visionen oder Zahlen? .....................................................105

8

3

INHALT

Die Wahl ist getroffen – Jetzt geht's um Aktie und Marktstimmung ____________________109 3.1 Die Aktie und das Marktumfeld. Wer bringt den Newcomer an die Börse?............109 3.1.1 Ein hart umkämpfter Markt – Interessenkonflikte inklusive .........................109 3.1.2 Die Konsortialbanken und ihre Platzierungsstrategie .................................111 3.1.2.1 Der Konsortialführer ..........................................................................111 3.1.2.2 Die Konsorten ...................................................................................114 3.1.3 Der Emissionsprospekt ...............................................................................117 3.1.4 Alles aus einem Guss – Auch die Aktie gehört zur Corporate Identity .......120 3.1.5 Die Aktie ist wie eine Marke ........................................................................121 3.1.6 Die Stückelung ............................................................................................123 3.1.7 Inhaberaktien oder Namensaktien – Trends zu mehr Investorentransparenz ......................................................124 3.2 Andere Märkte – andere Sitten ...............................................................................127 3.2.1 An welchem Markt soll die Notiz erfolgen? .................................................127 3.2.2 Warum in die Ferne schweifen? – Die Heimatbörse liegt so nah ...............130 3.3 Vom Broker zum Discount-Broker, vom Trader zum Daytrader .............................132 3.3.1 Der Mensch als Anleger – Andere Zeiten, andere Typen ...........................132 3.3.2 Die Anleger und ihr Umfeld .........................................................................134 3.3.3 Wer führt „Ihr“ Unternehmen? .....................................................................138 3.3.4 Wie Vorstände sich Anlegern präsentieren und wie sie dafür „trainiert“ werden ....................................................................141 3.3.5 Auch Vorstände und Mitarbeiter sind Aktionäre – und prägen den Markt ..142

4

Das Umfeld im Blick behalten – Timing und Berater müssen stimmen ________________________145 4.1 Timing ist die halbe Miete .......................................................................................145 4.1.1 Der richtige Zeitpunkt für eine Emission......................................................145 4.1.2 Der Wettlauf zwischen Hase und Igel – Die First-Mover-Strategie .............149 4.1.3 Kalender einer Neuemission .......................................................................151 4.1.4 Mit Störfeuer muss gerechnet werden ........................................................154 4.2 Auf wen soll man hören? – Informationen und Tipps .............................................155 4.2.1 Mit TÜV-Plakette kauft man leichter............................................................155 4.2.2 Heiße Tipps – oft kalter Kaffee....................................................................160

5

Count-down – Die Zeichnungsfrist beginnt ____________________165 5.1 Grauer Markt, doch buntes Treiben ........................................................................166 5.2 Die Preisbestimmung ..............................................................................................170 5.2.1 Was ist ein Unternehmen wert? ..................................................................170 5.2.2 Festpreis kontra Bookbuilding .....................................................................174 5.2.3 Wer bietet mehr? – Emission im Auktionsverfahren ...................................178 5.2.4 Aktien zeichnen ganz umsonst – Ist das das Schlaraffenland? ..................180 5.3 Die Zuteilung ...........................................................................................................183 5.3.1 Transparenz ist Trumpf ...............................................................................183 5.3.2 Manche Anleger sind gleicher – Überzeichnung, Repartierung und Verlosung .......................................................................190 5.3.3 Mit grünen Schuhen kommt man weiter – Die Mehrzuteilungsoption .........192 5.3.4 Checkliste: Wie Anleger ihre Zuteilungschance verbessern können ..........193

INHALT

6

9

Es bleibt spannend – Der Handelsbeginn und was danach kommt ___________________195 6.1 Nach Handelsbeginn bleibt's spannend..................................................................195 6.1.1 Der erste Handelstag – Soll man Zeichnungsgewinne mitnehmen? ..........195 6.1.2 Treue lohnt sich wieder ...............................................................................196 6.1.3 Starke oder schwache Hände – Die Aktionärsstruktur bildet sich heraus ..198 6.1.4 Was bringt die Aufnahme in einen Index? ..................................................200 6.2 Das Unternehmen weiter beobachten ....................................................................203 6.2.1 Der Börsengang muss das Geschäft beflügeln...........................................203 6.2.2 Der Draht zur Financial Community – Was ist noch im Ärmel? ..................204 6.2.3 Aktionär und Internet ...................................................................................208 6.2.4 Publizität – Nicht nur für Insider ..................................................................211 6.2.5 Analysten und Journalisten – Wie unabhängig können sie wirklich sein? ..215 6.2.6 Die Großen bestimmen, wohin die Reise geht............................................220 6.2.7 Schwarze Schafe und wie man sie erkennt ................................................223 6.2.8 Woran erkennt man die Börsenstars von morgen?.....................................225

7

Börsenreport über die mittel- und osteuropäischen Wertpapierbörsen __________________________229 7.1 Warschauer Wertpapierbörse .................................................................................229 7.1.1 Allgemeine Informationen............................................................................229 7.1.2 Handelssegmente an der Warschauer Wertpapierbörse ............................230 7.1.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Warschauer Wertpapierbörse ...............................................................231 7.1.4 Anlaufstellen für IPOs an der Warschauer Wertpapierbörse ......................233 7.1.5 Wichtigste Aktienindizes an der Warschauer Wertpapierbörse ..................233 7.1.6 Aussichten für die Warschauer Wertpapierbörse........................................235 7.2 Budapester Wertpapierbörse ..................................................................................237 7.2.1 Allgemeine Informationen............................................................................237 7.2.2 Handelssegmente an der Budapester Wertpapierbörse .............................238 7.2.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Budapester Wertpapierbörse ................................................................238 7.2.4 Anlaufstellen für IPOs an der Budapester Wertpapierbörse .......................240 7.2.5 Wichtigste Aktienindizes an der Budapester Wertpapierbörse ...................241 7.2.6 Aussichten für die Budapester Wertpapierbörse.........................................242 7.3 Prager Wertpapierbörse..........................................................................................243 7.3.1 Allgemeine Informationen............................................................................243 7.3.2 Handelssegmente an der Prager Wertpapierbörse.....................................244 7.3.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Prager Wertpapierbörse.......244 7.3.4 Anlaufstelle für IPOs an der Prager Wertpapierbörse.................................248 7.3.5 Wichtige Aktienindizes an der Prager Wertpapierbörse..............................249 7.3.6 Aussichten für die Prager Wertpapierbörse ................................................250

8

Fallstudie: Der Börsengang der Deutschen Postbank AG ________253

9

Glossar – Fachbegriffe des Emissionswesens _________________287

Quellenverzeichnis __________________________________________305 Anhang ____________________________________________________327

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1: Anlagestrategien bei Aktien, Renten und Immobilien .............. 15 Abbildung 2: Neuemissionen deutscher Aktiengesellschaften 1977 - 2002 ............................................................................... 21 Abbildung 3: Neuemissionen in Deutschland 1980 - 2003. Kurswert in Mio. Euro................................................................ 21 Abbildung 4: Die größten IPOs in Deutschland in den letzten 10 Jahren ..... 25 Abbildung 5: Volksaktien senken Schwellenängste ...................................... 27 Abbildung 6: Das magische Sechseck – Stakeholder Value-Konzept.......... 34 Abbildung 7: Entscheider entscheiden – Imageprofile internationaler Unternehmen 2004 ................................................................... 41 Abbildung 8: Zahl der registrierten Übernahmen (jeweils im ersten Halbjahr) ..................................................... 42 Abbildung 9: Volumen der registrierten Übernahmen in Deutschland in Milliarden Euro [Summe der veröffentlichten Kaufpreise] (jeweils im ersten Halbjahr) ...................................................... 43 Abbildung 10: Aktionäre und Fondsbesitzer in Deutschland 1997 - 2003, Quelle: DAI Factbook 2004....................................................... 54 Abbildung 11: Gesamtwert Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland 1986 - 2003 ............................................................................... 65 Abbildung 12: Kapitalbeteiligungsofferten der Firmen in Deutschland 1986 - 2003 ............................................................................... 65 Abbildung 13: Die handelnden Personengruppen, die die Aktienkultur prägen ....................................................................................... 75 Abbildung 14: Was die Aktionäre wollen. Vorschläge zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle. Zustimmung in Prozent............... 78 Abbildung 15: Beispiel Evotec Biosystems AG................................................ 98 Abbildung 16: Due Diligence..........................................................................101 Abbildung 17: Beispiel der Zusammensetzung eines Emissionskonsortiums ............................................................ 112 Abbildung 18: Bloomberg L.P. – Underwriter Rankings European Initial Equity Offerings 2004................................... 113 Abbildung 19: Die Charakteristik der Marktsegmente ................................... 129 Abbildung 20: Phasen einer Emission auf Emittentenseite........................... 152 Abbildung 21: Zwei Beispiele für das Erreichen und das Nicht-Erreichen der IPO-NORM........................................................................ 156

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VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Abbildung 22: Prüfung des Emittenten durch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und durch Ratingagenturen .....................159 Abbildung 23: Zuteilungsverfahren ...............................................................186 Abbildung 24: Aktienumsätze an den Wertpapierbörsen in den neuen EU-Mitgliedstaaten in Mio. € (2003)............................227 Abbildung 25: Gebäude der „Warschauer Wertpapierbörse“........................229 Abbildung 26: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Warschauer Börse .................................................................232 Abbildung 27: Warschauer Börsenindex WIG und Börsenumsätze an der Warschauer Wertpapierbörse.....................................234 Abbildung 28: Die Goldenen Unternehmen (Blue Chips) der polnischen Börse .............................................................235 Abbildung 29: Anzahl der IPOs an der Warschauer Wertpapierbörse..........236 Abbildung 30: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Budapester Börse.......................................................239 Abbildung 31: Entwicklung des BUX seit der Gründung im Jahre 1990 .......241 Abbildung 32: BUX – Korb I..........................................................................242 Abbildung 33: BUX – Korb II.........................................................................242 Abbildung 34: Umsätze der Prager Börse seit 1993.....................................243 Abbildung 35: Aufteilung in Handelsgruppen: die drei Geschäftsgruppen an der Prager Börse ..............................................................244 Abbildung 36: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Hauptmarkt...............................245 Abbildung 37: Handelsgebühren für den Hauptmarkt der Prager Börse.......245 Abbildung 38: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Nebenmarkt..............................246 Abbildung 39: Handelsgebühren für den Nebenmarkt der Prager Börse......246 Abbildung 40: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Neuen Markt.............................247 Abbildung 41: Entwicklung des PX 50 seit der Gründung im Jahre 1993.....250

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Mitmachen ist Trend – Aktienkultur heute, die Börse morgen

1.1 Was bringt den privaten Anleger zur Börse? „TRADITION IST KEIN MUSEUM.“ Norbert Blüm, deutscher Politiker

Im Nachkriegsdeutschland finanzierten sich die Unternehmen, wenn nicht aus sich selbst heraus, vornehmlich durch Bankkredite. Die Finanzierung über die Börse spielte kaum eine Rolle: So waren von den durchschnittlich 150 Milliarden DM, die zwischen 1988 und 1992 pro Jahr über die Außenfinanzierung aufgenommen wurden, nur 1,5 Prozent aus Initial Publishing Offerings (IPOs), Erstemissionen also, geflossen. „Das war die Situation vor gut einem Jahrzehnt. Deutschland hat bis heute keine Börsentradition. Während beispielsweise in den USA zwischen 1987 und 1996 fast 5300, in Großbritannien über 1800 und in Japan 550 IPOs zu verzeichnen waren, brachte es die Bundesrepublik Deutschland im gleichen Zeitraum auf gerade mal 184.“1 Die Aktie ist für viele Bundesbürger immer noch ein unbekanntes Wesen. Unsicherheit herrscht vor, die Pros und Contras werden daher immer wieder diskutiert:2 Pro Aktie Immer mehr Geld drängt auf den Markt (Auszüge) Von Ulf Sommer „Nur ein pessimistischer Börsenbär kann so tollpatschig sein, die langfristig beste und sicherste Wertanlage, nämlich die Aktie, zu verschmähen. Denn immerhin steigen die Kurse mit kurzen Unterbrechungen schon seit 300 Jahren. ... Keine zehn Jahre ist es her, da gab es hier zu Lande mehr Ufo- als Aktienanhänger. Ausgerechnet die erfolglose T-Aktie hat seit Ende der 90er-Jahre dazu geführt, dass nun die Ufo-Gläubigen gegenüber den Freunden der Dividendenpapiere in der Minderheit sind. Drei kleine Beispiele mögen die Überlegenheit der Firmenanteile belegen. Wer 1949 deutsche Aktien kaufte, kassiert dafür bis heute und damit einschließlich der beiden letzten großen Verlustjahre eine jährliche Rendite von gut 15 Prozent. Und wer vor 30 Jahren begann, monatlich 100 DM in Aktien anzulegen, hat heute mehr als 300.000 DM oder 150.000 Euro. Eingezahlt hat der Glückliche lediglich 36.000 DM. Und zum Dritten: Von 123 amerikanischen Börsenjahren zwischen 1870 und 1993 schlossen nur 35 mit Verlust ab. In den negativen Jahren lag das 1 2

[Trommer, H.; 1998; S.7] [Sommer, U.; 2002; S.8.] & [Moerschen, T.; 2002; S.8]

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MITMACHEN IST TREND – AKTIENKULTUR HEUTE, DIE BÖRSE MORGEN

durchschnittliche Minus bei rund zwölf Prozent. Doch der durchschnittliche Gewinn in den vielen positiven Jahren betrug knapp 20 Prozent. ... Doch das stärkste Argument für die Aktie ist die Altersvorsorge. Denn während die Restrukturierung der Firmen nur mittelfristig steigende Kurse verspricht, fließt den Finanzmärkten durch den Umbau des Rentensystems auf Dauer und kontinuierlich Kapital zu. Allein in Deutschland erwarten die Börsen bis 2020 rund 1,5 Billionen Euro, die die gesetzliche Altersvorsorge ergänzen sollen. Das ist mehr als die derzeitige Marktkapitalisierung des gesamten deutschen Aktienmarktes. Und Deutschland gibt das Signal für andere europäische Länder wie Frankreich und Italien. Während in den USA das Vermögen der Pensionsfonds inzwischen mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, sind es auf dem Alten Kontinent gerade fünf Prozent. Der Nachholbedarf ist gigantisch und gar nicht so fern.“

Contra Aktie Aktie ohne Risiko – ein Wunschtraum (Auszüge) Von Tobias Moerschen „Sind Aktien eine sichere Anlageform? Die Antwort lautet, leider nein. ... Mit den Börsenstars Deutsche Telekom, Infineon und EM-TV verloren Anleger viele Milliarden Euro. Und diese Verluste sind keineswegs eine nur kurzfristige Angelegenheit, die bald vorübergeht. Das zeigen schon die drei gefallenen Stars: Der Kurs der T-Aktie muss um mehr als 650 Prozent steigen, um seinen alten Höchststand wieder zu erreichen. Das wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Der Wert der InfineonAktie muss sich fast vervierfachen, der EM-TV-Kurs muss sich gar mehr als verfünfzigfachen. ... Erstes Fazit: Wer kein Risiko eingehen will, für den eignen sich Einzelaktien nicht als Langfristanlage. ... Der bislang schlimmste Börsencrash ereignete sich 1929 in den USA. Damals brauchte der Dow-Jones-Index der wichtigsten US-Aktien fünfundzwanzig Jahre, um wieder auf sein altes Rekordniveau zu klettern. ... Zugegeben, diese Beispiele sind Extremfälle. Aber auch in weniger spektakulären Marktphasen gingen die Börsen über Jahre und Jahrzehnte auf Tauchstation, wenn man die Inflation berücksichtigt. Und auf die inflationsbereinigten Erträge kommt es für Investoren an. Fazit Nummer zwei: Nicht nur in Einzelaktien, auch im Gesamtmarkt stecken erhebliche Langfristrisiken. Das Gemeine an der Aktienanlage ist, dass ihr Risiko nach einem irrationalen Börsenboom besonders hoch ist. Das heißt, die Gefahr ist am größten, wenn die meisten Anleger – gewohnt an stetig steigende Kurse – am wenigsten daran denken. Die schlimmsten Kurseinbrüche folgten stets auf eine wilde Übertreibung. Und heute stehen wir wieder mal vor den Trümmern einer solchen irrationalen Börseneuphorie. Fazit Nummer drei: Die größte Gefahr für die Aktienmärkte ist übertriebene Euphorie. Und die scheint in längeren Abständen immer wieder aufzutauchen. ... Neben allen historischen Beispielen zeigt auch die Theorie, dass Aktien selbst langfristig riskanter sind als etwa Sparbriefe. In der Ökonomie existiert nur eine einzige Rechtfertigung dafür, dass Aktien im Schnitt höhere Erträge abwerfen – nämlich ihr Risiko.“

WAS BRINGT DEN PRIVATEN ANLEGER ZUR BÖRSE?

15

Stagnation in Wirtschaft und Gesellschaft gibt es immer dann, wenn niemand ein Risiko eingeht. Ephraim Kishon drückt das satirisch so aus: „Aufrichtige und ehrliche Menschen sind schwache, fantasielose Tölpel, die kein Risiko im Leben eingehen wollen.“ Nicht nur in Deutschland ist uns sicherlich die Fantasie abhanden gekommen. Deutschland allerdings hat erst eine junge Börsengeschichte; es fehlt Tradition und damit eine wichtige Basis für Fantasie. Doch soll sich das ändern, wenn man einer Investoren-Befragung Glauben schenken darf. Die Ergebnisse (siehe Tabelle) zeigen: „Der mittelfristige Ausbau der Aktienquote um 50 Prozent deutet auf eine Zunahme des Risikoappetits der Investoren hin ...“.3

aufstocken Festverzinsliche Anlagen

unverändert lassen

23

23

davon Unternehmensanleihen

42

Darlehen

42

Aktienanlagen

54 50

8

33

25

57

Immobilien und Grundstücke

30

44

13

50

Beteiligungen

6

89

Liquidität und geldmarktnahe Hedge Fonds (einschließlich Zertifikate) Private Equity

reduzieren

11

83

17

40

60 44

44

11

„Ergebnisse einer Befragung der Unternehmensberatung Heissmann unter deutschen Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Versorgungswerken mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 200 Milliarden Euro. „Aktienanlagen machen in den Portfolios der Institutionellen derzeit nur rund 10 Prozent des Vermögens aus; dieser Wert soll aber wieder auf 14 Prozent erhöht werden.“*

*Heissmann Investoren-Studie 2004

Abbildung 1: Anlagestrategien bei Aktien, Renten und Immobilien

Es gibt aber auch andere Untersuchungen, die genau das Gegenteil aussagen. Das ist nun mal so mit der Empirie. Wir setzen auf den Trend zur Aktie.

3

[hbe; 2004]

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MITMACHEN IST TREND – AKTIENKULTUR HEUTE, DIE BÖRSE MORGEN

1.1.1 Wohin mit dem Geld? – Die Vorsorge „UNSER FILM HAT IN DEUTSCHLAND MILLIONEN BEWEGT. UNSERE AKTIE WIRD ES WIEDER TUN.“ Bernd Eichinger, deutscher Filmproduzent, anlässlich des Börsengangs der Constantin Film im Jahre 1999 mit Bezug auf den Film „Der bewegte Mann“

An die geschilderte Situation knüpft unsere einleitende Geschichte an: Sonja Bauer ist verunsichert. Die studierte Romanistin, allein erziehend und beruflich erfolgreich, könnte zufrieden mit sich sein. Sie hat es schon früh zur Eigentumswohnung gebracht, mit Lebensversicherungen bestens vorgesorgt und kann mit einer kleinen Erbschaft rechnen. Sie fragt sich, ob man sein Geld wirklich noch in Aktien anlegen kann. Rückschläge hat es immer wieder gegeben. Dennoch, auf lange Sicht haben sich Aktien stets als ertragreichste Anlageform behaupten können. Sie sind, analog zum Wachstum der Gesamtwirtschaft, über Jahrhunderte mit kurzen Unterbrechungen kontinuierlich gestiegen.4 Sie sind ein unverzichtbarer Baustein der Vorsorge5 – Pensionsfonds gehören zu den größten und einflussreichsten institutionellen Anlegern, Aktionären also, weltweit. Private Anleger neigen dazu, solide Blue Chips6 auszuwählen. Da glaubt man zu wissen, was man hat. Freunde machen Sonja Bauer auch auf Neuemissionen aufmerksam. Die haben, so kommt es ihr vor, die Aura einer Geheimwaffe für Mutige, um quasi über Nacht das große Geld zu machen. Besonders zur Blütezeit des Neuen Marktes (so hieß die ehemalige Handelsplattform der Deutschen Börse für Technologie- und Wachstumswerte), die bis zum März 2000 anhielt, wurde mit Enthusiasmus in Neuemissionen investiert. Vor allem die jungen, neuen Börsianer waren auf der Suche nach dem Kick. Börse war Volkssport: In Schulklassen und Aktienklubs investierte man gemeinsam. Anlegermagazine schossen aus dem Boden und analysierten Woche für Woche die aussichtsreichsten Newcomer. Bei der Arbeit gaben Kollegen einander Tipps, wie man bei der einen oder anderen Emission seine Zuteilungschancen verbessern könne, um zum Kreis der Glücklichen zu gehören, die etwas vom Kuchen abbekommen. Sonja Bauer beginnt sich zu fragen, ob sie damals etwas verpasst hat, was sie bei den kommenden Emissionen nachholen kann. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht: Bei einer Neuemission eine Zuteilung zu erhalten, ist zu keiner Zeit eine Garantie für schnellen Reichtum gewe4 5 6

[Sommer, U.; 2002; S.8] [Narat, I.; 2002; S.11] Dazu zählen die DAX 30

WAS BRINGT DEN PRIVATEN ANLEGER ZUR BÖRSE?

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sen. Es gab durchaus junge Start-Ups, die nach dem Börsengang den Wert ihrer Firma mehr als verhundertfachen konnten, und ebenso haben manche Privatanleger nach dem Motto „Augen zu und durch“ Aktien gezeichnet und ihren Einsatz vervielfacht. Aus 10.000 Euro mal schnell 100.000 Euro zu machen, wo gibt es das denn sonst, außer beim Lotto? Doch viele sind auch auf die Nase gefallen. Manch hoffnungsvolle Gesellschaft existierte schon wenige Jahre nach dem Börsengang nicht mehr: Für die Aktionäre bedeutete das den Totalverlust ihres eingesetzten Kapitals. Vereinzelt wurde sogar der Vorsatz vermutet, Anlegern mit falschen Versprechungen, Tricks und Täuschungen das Geld aus der Tasche zu ziehen.7 Besonders hart hat es manche getroffen, die interessante Jobs in jungen Unternehmen annahmen und einen erheblichen Teil ihres Gehaltes in Aktien oder Aktienoptionen des Arbeitgebers erhielten. Kam das Unternehmen in Schwierigkeiten, so war nicht nur der Job in Gefahr, sondern auch das Aktienkapital. Andere dagegen wurden durch ihre Beteiligung am Unternehmen reiche Leute. Soll man sich auf so eine Form der Vergütung heute überhaupt noch einlassen? Auch solche Fragen gehen Sonja Bauer durch den Kopf. Im Jahr 2000 ermittelte man, dass rund 18 Prozent der Bundesbürger schon mindestens einmal Neuemissionen gezeichnet hatten. Doch bereits damals, also zu einer Zeit, als das Boom-Thema Börse in aller Munde war, stand dem großen Interesse an Neuemissionen ein viel zu geringes Wissen der Anleger gegenüber. Kenntnisse um Aktien und Börse sind seither noch rarer geworden. Das ist verständlich, denn die Anleger, geschockt von den starken Kursrückgängen, trauen sich erst langsam wieder an die Materie. Zudem gab es lange Zeit kaum Neuemissionen, eine Folge des Börsentiefs. Schon 2002 hatte es am deutschen Markt nur noch sechs IPOs gegeben, deren weitere Kursentwicklung wenig Mut machte. Flops waren etwa Uniprof, die, mit einem Emissionskurs von 6 Euro, im Sommer 2004 mit nur noch 0,06 Euro notiert waren oder Repower Systems AG, deren Emissionskurs von 41 Euro im Sommer 2004 bis auf 18 Euro sank. 2003 kam das Emissionsgeschäft in Deutschland völlig zum Erliegen. Doch auch an der Börse folgt auf Regen Sonne: Es wird wieder chancenreiche Zeichnungsmöglichkeiten geben. Einige Kandidaten haben sich seit Anfang 2004 wieder dem Börsenparkett genähert. Wegen ihres großen Emissionsvolumens weckte die Postbank das größte Interesse. Der erste Kandidat nach 18-monatiger Pause am 19. Mai 2004, die Mitteldeutschen Fahrradwerke Mifa, wurde freudig begrüßt. „Mifas Börsenstart setzt positives Signal – Fahrradwerke beenden anderthalbjährige IPO-Flaute“8 schrieb die Financial Times 7 8

[Ogger, G.; 2001] [Benninghoff, D., 2004; S.24

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Deutschland. Unmittelbar nach Mifa folgte Wincor Nixdorf, bald darauf die Postbank. Das Eis war gebrochen, auch wenn die Anleger mit besonders guten Konditionen umworben werden mussten. Hier geht's um Geld. Und das macht die Sache spannender als manchen Thriller. An der Börse ist es wie am Set. So packend der Film ist, so interessant ist auch der Blick hinter die Kulissen. Zuschauer wollen schon am Drehort dabei sein, wollen sehen, wie die Akteure ihre Sache angehen9, ob man ihnen vertrauen und auf sie setzen kann, kurz: ob sie ihr Geld wert sind. Newcomer werden an der Börse in den nächsten Jahren wieder das Geschehen bestimmen, Aktien mit dem höchsten Spekulationspotential also, dem größten Kitzel. Wer bei Börsengängen investiert, ist mehr als nur Zuschauer. Er muss Hintergründe durchschauen, erkennen, wie sehr sich ein Börsenaspirant mit seinen Zielen identifiziert, wie seine Vita ist, was er für Perspektiven hat. Auch der Börsengänger, analog zum Filmemacher, soll und kann dabei profitieren, wenn er sich beizeiten auf die Sehgewohnheiten seiner Zuschauer einstellt. Die Constantin Film hat beim Börsengang ähnliche PR-Methoden eingesetzt wie beim Start eines Films – nur Thema und Zielgruppe waren anders: Der Star war das Unternehmen, verkörpert durch den Unternehmer selbst – Deutschlands bekanntesten Filmproduzenten Bernd Eichinger; das Kinopublikum waren die Anleger. Heute lässt sich das Börsenpublikum längst nicht mehr allein von smarten Vorstandsvorsitzenden beeindrucken. Es guckt genauer hin als je zuvor. Zurück zu unserer Geschichte, zu Sonja Bauer: Nach einem Jahr genauen Beobachtens weiß sie: Dank moderner Technologie stehen ihr viele Wege offen, um sich Informationen zu beschaffen und sich mit anderen Anlegern über deren Bewertung auszutauschen, etwa in der Community, einer Gruppe Gleichgesinnter. Man hilft sich, teilt Recherche-Aufgaben auf, profitiert von Erfahrungen der anderen und nutzt ergänzend Informationsdienste, die mit Newslettern, per Faxabruf, Hotline oder Mail regelmäßig teuren Rat erteilen. Börsenblätter locken mit Grafiken, Musterdepots und fantasievollem Hintergrundwissen. Alles ist neu: Die Börsengänger, mal arrivierte Firmen, mal junge Visionäre, die außer einer Geschäftsidee und einem verheißungsvollen Geschäftsauftakt noch kaum etwas anzubieten haben. Die Anleger, risikobereit, sprunghaft, intuitiv und kommunikativ immer auf der Suche nach lohnenden Gelegenheiten. Oder jung gebliebene Senioren, die sich selbst eine neue, spannende und unterhaltsame Karriere als Börsenspezis basteln. Sonja und ihre kleine Community sind dabei, die Finanzwelt zu erobern. Ein neues Szenario, in dem die Hausbank oftmals nicht mehr Ratgeber ist. Das früher übliche Informationsgefälle zwischen Bankern und Kleinanlegern gibt es 9

Siehe hierzu die Fallstudie Postbank

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nicht mehr. Jeder Anleger hat die Möglichkeit, sein eigener Börsenberater zu werden. Jeder hat jederzeit Zutritt zu der erlauchten Gesellschaft der Informierten. Dieses Buch ist für Anleger nicht nur ein Blick hinter die Kulissen, sondern auch eine Check-List zur Auswahl und Prüfung der aussichtsreichsten Offerten. Für Emittenten ist es eine Do-List, mit der sie potenzielle Anleger besser kennen lernen und Punkt für Punkt sehen, was der Markt von ihnen erwartet. 1.1.2 Die Tante Börse ist out, der Neue Markt auch „EIN MISSERFOLG IST DIE CHANCE, ES BEIM NÄCHSTEN MAL BESSER ZU MACHEN.“ Henry Ford, amerikanischer Großindustrieller

Als die Deutsche Telekom ankündigte, 1996 mit einer ersten Tranche von rund 15 Mrd. DM an die Börse zu gehen, wurde das als Jahrhundertereignis für den Finanzplatz Deutschland gefeiert.10 Tatsächlich erzielten die insgesamt 14 Börsengänge des Jahres 1996 einen Emissionserlös von umgerechnet 12,6 Mrd. Euro, eine Marktabschöpfung, die in den sechs Jahren davor zusammengenommen nicht erreicht worden war. Rund 80 Prozent dieser Summe entfiel auf die Telekom-Emission. Bis 1995 zerfiel die Financial Community in Deutschland in zwei Lager: Auf der einen Seite die Profis, die per Standleitung über topaktuelle Informationen verfügten, auf der anderen Seite die wenigen privaten Anleger, artig, gewissenhaft und manchmal sehr langatmig informiert durch Tageszeitungen und Börsenbriefe. Auch die Kurse der TV-Berichterstattung wurden bewusst mit zeitlicher Verzögerung übermittelt. Und genau dieses Gefälle zwischen Wissenden und Unwissenden spiegelte die deutsche Aktienkultur wider: Das deutsche Wirtschaftswunder hatte nie den Schritt vom Patriarchat zur Partizipation geschafft. Der Technologiesprung Mitte der Neunziger hat den Anlegern weit mehr gebracht, als aussichtsreiche Newcomer auf dem Kurszettel: Realtime ist für jedermann verfügbar, das Informationsgefälle existiert nicht mehr. Börse, das wurde plötzlich zur gelebten Demokratie mit gleichen Zugangsmöglichkeiten und Chancen für alle. Dass dabei auch Risiken und Selbstverantwortung für alle gleich sind, haben viele erst lernen müssen: Der gleichberechtigte, der mündige Anleger war geboren. Die Konjunktur stimmte, der Weg an die Börse wurde einfacher, das Emissionsgeschäft boomte. Bereits 1999 wurde die 96er Rekordmarke übertroffen: Insgesamt flossen 12,9 Mrd. Euro in die Kassen der deutschen Börsengän10

[Brunowsky, R.-D.; 1995; S.3]

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ger.11 Während 1998 in Europa Aktien für insgesamt 134 Mrd. US$ neu an den Markt gebracht wurden, erreichte das Volumen 1999 bereits 178 Mrd. US$.12 Nie zuvor wurden in Deutschland und Europa derart viele IPOs mit so hohen Volumina durchgeführt. Dafür gab es mehrere Gründe: Ö Wohlstand und anlagebereites Vermögen in den Industrieländern haben stark zugenommen. Die durchschnittliche Höhe von Erbschaften steigt weiter an. Zur Jahrtausendwende betrug die durchschnittliche Zahl der privaten Erbschaften pro Jahr 576.000, wobei ein Mittelwert von rund 65.000 Euro vererbt wurde. Dazu kamen pro Jahr durchschnittlich 307.000 Schenkungen mit einem Mittelwert von rund 30.000 Euro.13 Ö Die Anlagemöglichkeiten konzentrierten sich von Mitte der 90er Jahre an bis zum Crash im März 2000 zunehmend auf den Wertpapiersektor. Der Immobilienmarkt als Investmentalternative wirkte bereits überteuert, verunsicherte Anleger mit geringen Wachstumsraten und hohen Investitionsrisiken. Steuererleichterungen waren drastisch reduziert worden. Ö Neue Informations- und Kommunikationstechnologien hatten eine Gründerwelle ausgelöst. Ideen und Innovationen zogen das Kapital magnetisch an. Der Neue Markt galt als maßgeschneidertes, liquides und attraktives Handelssegment. Ö Durch die Privatisierung von Staatsbetrieben und die Veräußerung von staatlichen Beteiligungen konnten Regierungen Haushalte entschulden. Ö Die europäische Integration macht die Umstrukturierung ganzer Branchen nötig. Die Konzentration auf Kerngeschäftsfelder und die damit verbundene Ausgliederung von Unternehmensbereichen führt zu zahlreichen Emissionen. Wird umstrukturiert, so ist der Verkauf von Teilen oder Töchtern über die Börse eine attraktive Möglichkeit. Ö Der Trend zur Globalisierung führte verstärkt zu Übernahmen und Fusionen. Das dafür notwendige Eigenkapital beschafften viele Unternehmen über die Börse. Eigene Aktien sind das bevorzugte Zahlungsmittel bei Übernahmen und Fusionen. Ö Reformen des Aktienrechts (Kapitalmarktförderungsgesetze, Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) vereinfachten Börsengänge, insbesondere für kleine Firmen.

11 12 13

[Going Public; 2000; S.1] Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg, zitiert in: NRZ vom 28.12.1999 [DIW; 2004]

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Abbildung 2: Neuemissionen deutscher Aktiengesellschaften 1977 - 2002

Abbildung 3: Neuemissionen in Deutschland 1980 - 2003. Kurswert in Mio. Euro

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Das Verhältnis der Deutschen zur Aktie als Vermögenswert war bis 1996 distanziert gewesen. Man legte sein Geld lieber verzinslich oder in Versicherungen an. Vor allem aber verließ man sich, was die Vorsorge anbetraf, fest auf den Staat. Die Ursachen für die konservative Sparmentalität und die hohe Staatsgläubigkeit liegen in der Geschichte: Der Schwarze Freitag 1929, als sämtliche Aktien ins Bodenlose fielen, und die Zerschlagung bzw. Demontage eines großen Teils der deutschen Industrie nach 1945 haben Spuren hinterlassen. Der neue Staat versprach „Wohlstand für alle“. Darauf verließen sich die Bürger. Privatinitiativen, privates Wirtschaften waren in der deutschen Politik über Jahrzehnte zweitrangig. So nahm es nicht wunder, dass es leichter war, das Interesse ausländischer Investoren zu wecken als neue Anlegerschichten in Deutschland zu mobilisieren. Im Verlauf der Übernahmeschlacht Vodafone-Mannesmann waren viele erstaunt zu hören, dass über 45 Prozent der MannesmannAktien in ausländischer Hand waren. Mannesmann war ein typisches Beispiel für die Zurückhaltung deutscher Anleger: Ein Unternehmen mit einer hundertjährigen Geschichte, unter dessen Dach eine privatwirtschaftliche IT-Revolution erfolgte, ohne dass ein nennenswertes inländisches Anlegerinteresse erwachte. Breites Interesse an der Aktienanlage vermochte erst der 1997 aus der Taufe gehobene Neue Markt zu wecken. Er rückte die Trends der Jahrtausendwende ins Licht der Öffentlichkeit und schien in einen Fahrstuhl einzuladen, der nur nach oben führt: Ö Telekommunikation Ö Internet Ö Medien Ö EDV; insb. Software sowie Betreuungs-, Systemergänzungs-, Service-, Vertriebs- und Schulungsdienstleistungen Ö Biotechnologie Technologiewerte mit besonders hohen Wachstumsraten – das verhieß der Neue Markt. So strömte das nach hochrentablen Investitionen suchende Kapital zu denen, die die Kompetenz zu haben schienen und daraus profitable Zukunftsunternehmen zu formen versprachen. Doch im Fahrwasser der New Economy schwammen auch etliche Schaumschläger. Spötter behaupteten gar, das Geschäftsmodell so manches Newcomers habe allein aus dem Börsengang bestanden. Dass mit überdurchschnittlichen Wachstumschancen auch überdurchschnittliche Risiken verbunden sind, wurde lange verdrängt. Der im März 2000 beginnende Crash traf besonders die Technologiewerte und brachte diese Erkenntnis zurück ins Bewusstsein. Da die Kurse nicht an einem Tag in den Keller gingen, sondern über einen Zeitraum von drei Jahren fielen, kann man indes nicht von einem Schwarzen Freitag sprechen, wie es 1929 der Fall war.

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Der Vertrauensverlust der Anleger, insbesondere in Technologietitel, wirkt noch heute nach.14 Für diesen Vertrauensverlust lässt sich nicht nur ein Grund nennen, es ist ein ganzes Bündel: Eine totale Überschätzung hinsichtlich der Fast-Win-Möglichkeiten der neuen IT-Technologien sowie der damit verbundenen Machbarkeiten der New Economy durch Experten, Politiker und Medien. Zudem: Ö eine schwächelnde Weltkonjunktur, Ö Abbau von Arbeitsplätzen, insbesondere auch gut verdienender, junger Experten und Manager auf Grund der Rückkehr zum Kerngeschäft, Ö die persönliche Bereicherung von Emittenten beim Börsengang am Neuen Markt in Deutschland, Ö die Bilanzskandale weltweiten Ausmaßes, Ö die psychischen Wirkungen des internationalen Terrorismus, Ö ein relativ niedriger Zinssatz, der die Fremdkapitalbeschaffung wesentlich verbilligte. Auch in den Vereinigten Staaten, in der die Aktie traditionell einen viel höheren Stellenwert für die private Vorsorge hat als in Deutschland, führten Bilanzskandale und die Überschätzung des Technologiesektors zum massiven Rückzug der Anleger von Aktien und Aktienfonds. „Im Gesamtjahr 2002 zogen Anleger erstmals seit 1988 mehr Geld aus amerikanischen Aktienfonds ab als sie einzahlten“, ermittelte der Branchenverband Investment Company Institute ICI.15 Vor diesem Hintergrund war es schließlich selbst solidesten Firmen mit höchster Bonität unmöglich geworden, an die Börse zu gehen. In den Jahren 2002 und 2003 kam das Emissionsgeschäft praktisch zum Erliegen. Eine wesentliche Veränderung hat sich jedoch, ausgehend vom IT-Boom der New Economy, bis heute fortgesetzt: Mit einem neuen Typ von Unternehmern, einem neuen Typ von Analysten und Beratern ist auch ein neuer Typ von Anlegern erwachsen. Auf ihn wartet eine Börse, die weltweit die identifizierten Schlupflöcher gestopft haben wird – aber ohne Garantie, dass nicht immer wieder neue Schlupflöcher gefunden werden. 14

15

Anm.: Die Krise des Hightech-Marktes 2001 äußerte sich u.a. in fallenden Aktienkursen, Entlassungen und Kurzarbeit (ein Beispiel: [lab; 2001]). Im Börsenbericht der Commerzbank heißt es in einem Artikel mit dem Titel „Anlegern fehlt das Vertrauen“: „… standen in dieser Woche die internationalen Aktienmärkte unter Druck. Vor allem der Technologie-Sektor dämpfte übergroße Erwartungen.“ Als Folge der Krise sank bis 2003 auch „die Zahl der Übernahmen in der europäischen High-Tech-Branche auf ein Rekordtief von 887. Zum Vergleich: 2001 lag die Zahl der Übernahmen von Hardware-, Software-, Internet- und IT-Service-Unternehmen noch bei rund 1800.“ [Commerzbank; 2002] Cash war „die einzige Währung für Akquisitionen. Das beginnt sich nun langsam wieder zu ändern. … Das Vertrauen in Aktien als Akquisitionswährung kehrt zurück.“ [IT-Übernahmepoker spielt im Mittelstand; 2004] [Moerschen, T.; 2003; S.33]

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Fazit: Der Reiz, als Anleger schon beim Börsengang dabei zu sein, ist das Salz in der Suppe des Börsengeschäfts. Neben alten Bekannten wie der Postbank erscheinen auch zukünftig junge Unternehmen aus neuen Branchen auf dem Kurszettel. Viele von uns werden über das Interesse an profitablen Anlagemöglichkeiten Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens entdecken, deren Existenz sie bislang nicht einmal wahrgenommen haben. Wir stehen am Anfang einer neuen Epoche der privaten Vermögensbildung. 1.1.3 Wenn Publikumsgesellschaft, dann Volksaktie „DER CHARME DES GELDES LIEGT IN SEINER MENGE.“ Carl Fürstenberg, deutscher Bankier

Das Wort „Publikumsgesellschaft“ für „Aktiengesellschaft“ kommt einem in den Sinn, wenn es sich um Börsengänge mit überdurchschnittlich großen Emissionsvolumen handelt, insbesondere auch bei Privatisierungen von staatlichen Betrieben. Schnell in Verbindung gebracht wird damit der Begriff „Volksaktie“, und das riecht nach „Schnäppchen“. „Wird sie die neue Volksaktie?“16, fragte die FAZ anlässlich des Börsenganges der Deutschen Post. Die Voraussetzungen standen nicht schlecht. Lange vor Zeichnungsbeginn hatten sich bereits 650.000 Deutsche als Interessenten registrieren lassen. 150.000 von damals 244.000 Konzernangehörigen hatten Wertpapierdepots bei der Postbank eröffnet, um sich am Mitarbeiterprogramm zu beteiligen.17 Das Prädikat „Volksaktie“ wurde dem Logistik-Konzern damals von Teilen, vor allem der populären Presse, zugeschrieben. Um das beim eigenen IPO möglichst zu verhindern, verlautbarte die Postbank schon vier Monate vor ihrem Börsengang, dass man „... nicht mit der Strategie einer Volksaktie ...“ an den Markt gehe. Wann und wie lange ist eine Aktie überhaupt eine Volksaktie? Der Begriff verbindet sich ursprünglich mit dem als Wirtschaftswunder bezeichneten Aufschwung Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Zu Zeiten Ludwig Erhards kam man zu der Überzeugung, dass Teile des Staatsvermögens zur Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand veräußert werden sollten. 1959 wurde die Preussag, 1961 VW und 1965 die VEBA teilprivatisiert.18

16 17 18

[hbe; 2000] [Stü; 2000; S.23] [Herdt, H. K.; 1978; S.114ff]

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Unternehmen

Branche

Deutsche Telekom Deutsche Post Infineon Fresenius Medical Care T-Online Merck Adidas Deutsche Postbank19 Epcos BHW-Holding Pro Sieben Media Deutsche Börse Fraport SKW Trostberg comdirect bank Heidelberger Druckmaschinen Jenoptic Norddt. Affinerie Debitel AWD Holding

Telekom Logistik Halbleiter Medizin Internet Pharma Konsum/Textil FDL Elektronische Bauelemente FDL Medien Börse Logistik/Transport Spezialchemie FDL

Hannoversche Rück

Emissionsvolumen (Kurswert in Mio. €)

25

Datum

19.665 7.582 6.245 4.453 2.918 2.159 1.856 1.550 1.518 1.222 1.134 1.072 913 910 871

November 96 November 00 März 00 Oktober 96 April 00 Oktober 95 November 95 Juni 04 Oktober 99 April 97 Juli 97 Februar 01 Juni 01 Mai 95 Juni 00

Druckindustrie Optische Geräte Kupferhersteller Telekom-DL FDL

787 671 560 551 534

Dezember 97 Juni 98 Juli 98 März 99 Oktober 00

Versicherungen

529

November 94 20

Abbildung 4: Die größten IPOs in Deutschland in den letzten 10 Jahren

Zur Volksaktie im klassischen Sinn gehörten mehrere Komponenten: Ö (Teil-)Privatisierung aus staatlichem Besitz Ö breite Streuung, d.h. Verteilung in kleinen Stückelungen auf breite Bevölkerungsteile Ö starkes und bewusstes Underpricing, so tief, dass auch langfristig ein Verlustrisiko nahezu ausgeschlossen war Ö Soziale Komponente: Die Volksaktienemissionen der 50er/60er enthielten eine nach Einkommenshöhe gestaffelte Erwerbsmöglichkeit (ähnlich späteren Regelungen der staatlichen Sparzulage beim vermögenswirksamen Sparen) 19 20

[Postbank AG; 2004] [Deutsches Aktieninstitut; 2004]

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Ö Die beiden vorgenannten Punkte bedingten eine Mindesthaltefrist, also eine Verpflichtung der Erwerber zu einer Mindesthaltedauer der zugeteilten Stücke, da die Spekulation sonst nicht einzudämmen gewesen wäre. Der Begriff „Volksaktie“ erlebte seit der Telekom-Emission 1996 eine Renaissance. Ohne sich des wahren Sinns des Begriffs bewusst zu werden, nahmen so manche Emittenten in ihrer Finanzkommunikation gerne für sich in Anspruch, eine echte Volksaktie zur Zeichnung anzubieten und hofften damit, an die positiven Assoziationen der sechziger Jahre anknüpfen zu können.21 Auch zukünftig ist mit Börsengängen ehemals staatlicher Unternehmen zu rechnen. Doch ein Versprechen, das haben die vergangenen Jahre bereits gezeigt, ist nicht ohne weiteres zu erfüllen, nämlich ein Underpricing, das vor Verlustrisiken vollkommen schützt. „Die Volksaktie ist tot ... Mit Volksaktien verbanden die Investoren immer die Vorstellung einer relativ sicheren Geldanlage“22, sagt Reinhild Keitel von der Schutzvereinigung der Kleinaktionäre. Aktien schon deshalb als Volksaktien zu bezeichnen, weil sie im Kurszettel relativ niedrig bewertet werden – wie Lufthansa, Post und Telekom im Vergleich zu hochpreisigen Werten wie Porsche – ist Etikettenschwindel. Der Kurszettel kann nicht zu jeder Zeit Substanz und Potenziale der einzelnen Werte exakt wiedergeben. Zweifelsfrei ist aber, dass an Emittenten mit relativ großem Emissionsvolumen Ansprüche gestellt werden, die sich als sehr „volksnah“ charakterisieren lassen: Eine besonders breite Streuung innerhalb der Anlegerschaft mit realistischen Zuteilungschancen für Kleinanleger und gute Mitarbeiterbeteiligungskonditionen. Doch damit allein ist es nicht getan. Ebenso wichtig ist eine hohe Transparenz, nicht nur des Unternehmens selbst, sondern der Aktie als Anlageform. Anders gesagt: Je größer das Emissionsvolumen, desto höher die Verantwortung für die Förderung der Aktienkultur an sich. Publikumsgesellschaften werben nicht nur für die eigenen Anteile, sondern sie erläutern, erklären und wecken Verständnis für einen Markt, der vielen Sparern immer noch fremd ist. Wahre Publikumsgesellschaften tun mehr, als eigene Zahlen in den Vordergrund zu rücken. Sie werben um Aktionäre, genauer: Sie werben darum, dass aus Sparern Aktionäre werden, und dazu gehört der engagierte Abbau von Schwellen21

22

Anm: Für den Begriff der Volksaktie gibt es keine klare Abgrenzung. So heißt es bei [abs; 2004]: „Aktien der Telekom oder der Post werden als Volksaktien bezeichnet, im Gegenteil zu sehr hochpreisigen wie beispielsweise von Porsche.“ Andere wiederum sind der Auffassung, dass bereits die breite Streuung von Aktien über eine hohe Anzahl von Fondsbesitzern, also indirekten Aktionären, den Begriff der Volksaktie rechtfertige. So heißt es in der Zeitschrift Welt: „Autowerte sind untrennbar mit der hiesigen Aktienkultur verbunden. Denn Titel wie Daimler-Chrysler, BMW oder VW sind in Deutschland die klassischen Volksaktien. Ungefähr jeder Vierte der 11,1 Millionen Aktionäre hier zu Lande hat über Direktanlage oder Fonds Daimler-Papiere in seinem Depot.“ [dde/hz; 2004] Keitel, Reinhild; zitiert bei: [Zschäpitz, H.; 2002]

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ängsten. Das kann nur gelingen, wenn Publikumsgesellschaften über Jahrzehnte Vertrauen und Konstanz gewährleisten. Die Aktie muss zur dauerhaften privaten Vorsorge breiter Bevölkerungsschichten geeignet sein. Einmal Volksaktie, immer Volksaktie – so einfach ist es also nicht. Ebenso wenig können nur privatisierte Staatsunternehmen für sich in Anspruch nehmen, echte Volksaktien hervorzubringen. Klassiker wie VW oder VEBA haben ihren Anteilseignern durch strategische Umpositionierung innerhalb des globalen Umfeldes nicht immer Konstanz bieten können. Preussag gar wurde völlig umstrukturiert, wechselte den Kerngeschäftsbereich komplett und wurde schließlich in TUI umbenannt. Das Etikett „Volksaktie“ ist kein ewiges. Rolls-Royce

- elitär - schwer ranzukommen - kompliziert zu handhaben - signalisiert: „Finger weg“

Volkswagen

- leicht erhältlich - problemlos einsetzbar - ein Auto für Jedermann eben ein VOLKS-WAGEN

Volksaktie

- etwas für Fachleute - komplexe Materie - erklärungsbedürftig - abstrakt, nicht greifbar

- leicht erhältlich für Jedermann - unkompliziert - eine Aktie für Jedermann eben eine VOLKS-AKTIE

Abbildung 5: Volksaktien senken Schwellenängste

Fazit: Publikumsgesellschaften erkennt man heute daran, dass sie bereits im Vorfeld der eigenen Emission und auch danach kontinuierlich Verantwortung für die Förderung der Aktienkultur übernehmen, Sparer an diese Anlageform erklärend heranführen, Schwellenängste abbauen. Solche Gesellschaften haben erkannt, dass die Emission großer Stückzahlen sich nur erfolgreich und breit gestreut platzieren lässt, wenn der Anteil der Aktiensparer kontinuierlich steigt. Andernfalls würde jede Neuemission nur eine Umverteilung des bereits in Aktien investierten Sparguthabens hervorrufen. Allerdings: Nicht jede Publikumsgesellschaft kann den Anspruch verlässlicher Kontinuität über Jahrzehnte halten.

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1.1.4 Karl Marx wäre zufrieden, die Aktiengesellschaft „ER REPRODUZIERT EINE NEUE FINANZARISTOKRATIE, EINE NEUE SORTE PARASITEN IN GESTALT VON PROJEKTEMACHERN, GRÜNDERN UND BLOß NOMINELLEN DIREKTOREN; EIN GANZES SYSTEM DES SCHWINDELS UND BETRUGS 23 MIT BEZUG AUF GRÜNDUNGEN, AKTIENAUSGABE UND AKTIENHANDEL.“ Karl Marx, deutscher Philosoph, „Das Kapital“

Produktivvermögen und arbeitende Klasse, das waren für Marx zwei unüberwindbar getrennte Lager. Der durch die Werktätigen geschaffene Mehrwert, so kritisierte er, verschaffe den Kapitalisten Erlöse, an denen die Arbeiter nicht hinreichend beteiligt seien. Die Proletarier sollten sich vereinigen, so lautet seine Forderung, und gemeinsam für ihre Rechte kämpfen. Nur so sei das nötige Maß an Mitbestimmung zu erreichen. Wobei man unter Mitbestimmung zunächst die Mitbestimmung am eigenen Arbeitsplatz verstand. Dass es einmal so weit kommen könnte, dass Arbeitnehmer direkt am Produktivkapital beteiligt sind, dass Mitbestimmung nicht nur innerbetriebliche Mitbestimmung, sondern die Mitbestimmung mitbesitzender Aktionäre sein könnte, die ihr Stimmrecht auf Hauptversammlungen wahrnehmen, so weit wagte man im vorletzten Jahrhundert noch nicht zu denken. Es ist noch nicht lange her, dass Gewerkschaften Unternehmensbeteiligungen in Arbeitnehmerhand als Sabotage am Klassenkampf verteufelten. Nun wolle man den Erwerbstätigen neben dem Lohn- und Arbeitsplatzrisiko auch noch das unternehmerische Risiko aufbürden, hieß es.24 Zum heutigen Stand praktizierter Aktionärsdemokratie war es in der Tat ein langer, aber erfolgreicher Weg. Mittlerweile sind es häufig „die Kleinaktionäre, die Schwachstellen aufdecken und den Vorstand zwingen, diese öffentlich zuzugeben. Da Kleinaktionären aber nur Jahresabschluss und Aktionärsbriefe zur Information und Vorbereitung zur Verfügung stehen, müssen sie oft lange im Nebel stochern und sich durch Fragen, Antworten und abermaliges Nachfragen dem Gegenstand nähern.“25 Mit seinen Antworten, Mutmaßungen und Provokationen auf die Entwicklung des Kapitalismus und des Aktienwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schaffte Karl Marx schließlich die Voraussetzung, damit die Aktiengesellschaften auf die richtigen Gleise gesetzt werden konnten. Die Geschichte des Aktienwesens allerdings ist älter. Als erste Aktiengesellschaften galten bereits die Handelskolonien der Kolonialzeit, die Anfang des 17. Jahrhunderts gegründet wurden, um Kapital für diese aufwändigen und risikoreichen Unternehmungen zu sammeln. Im Jahre 1602 wurde die hollän23 24 25

[Marx, K.; MEW – Band 25; S.452ff] [Gillies, P.; 2000] [Giersberg, G.; 2003]

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disch-ostindische Kompanie gegründet. Das ist der Zeitpunkt, an dem der Beginn der Geschichte des modernen Aktienwesens festgemacht wird. Das Beleihen der Aktien und das Handeln per Termin wurde schon bald üblich. Schon seit 1610 musste die Aktienübertragung auf einen anderen Anteilseigner mittels einer formellen Umschreibung erfolgen. Im Jahre 1613 wurde in Amsterdam bereits der Terminhandel wieder verboten, um größere Spekulationen zu verhindern. Allerdings waren die Rechte der Aktionäre zu dieser Zeit stark eingeschränkt: Es gab kein Stimmrecht. Auch konnte der Vorstand unumschränkt herrschen und walten. Er unterlag keinerlei Kontrolle und Rechenschaftspflicht. Das war noch nicht der Aktionär, wie er aus Marx’ Interventionen hervorging. Nicht die hochspekulativen Auslandsinvestitionen – natürlich in Deutschland nicht so intensiv betrieben wie in typischen Seefahrerländern wie unter anderem England und Holland –, sondern der hohe Kapitalbedarf für inländische Investitionen, die Vereinigung Deutschlands und Aufhebung von Zollschranken sowie die Einführung der Gewerbefreiheit führten auf Grundlage der Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Gründungsboom von Aktiengesellschaften. Vorreiter waren die Eisenbahngesellschaften in den 30er Jahren, von denen die erfolgreichsten binnen kurzer Zeit Kurssprünge von 300 bis 400 Prozent machten. Das war die Gemengelage, aus der Marx seine Schlüsse zog. Und wenn auch der dritte Band des „Kapitals“ erst in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts erschien, so weisen viele Quellen darauf hin, dass Marx schon früh anfing, sich mit dem Aktienwesen zu beschäftigen. Sein Interesse galt jedoch ausschließlich den Arbeitern, nicht den Aktionären. Und Arbeiter, selbst wenn sie denn die nötigen Mittel hätten aufbringen können, trauten sich schon deshalb nicht an die Börse, weil sie damit das Verhalten des Klassenfeindes adaptiert hätten. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erkannte der katholische Sozialwissenschaftler Oswald von Nell-Breuning den gesellschaftlichen Wert der Aktie: Zum Thema Börse und Moral stellte er sinngemäß fest: Ohne Aktien kein Eigenkapital, keine Arbeitsplätze, kein Wohlstand.26 Doch es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis diese Einstellung sich in der Allgemeinheit anfing durchzusetzen. Wenn denn Kapitalismus politisch korrekt und sozialverträglich sein soll, so muss es ein Volkskapitalismus sein, der jedem die Chance eröffnet, dabei zu sein. Und zwar von Anfang an, also schon bei der Emission. Wie oft wurde die Politik- und Wahlmüdigkeit der Bevölkerung beklagt, weil das Regieren nun einmal als etwas Abstraktes, Entferntes, kaum Beeinflussbares wahrgenommen wird? Der Wirtschaft ging es ähnlich. „Die da oben...“ hieß es und heißt es oft – Wirtschaftsbosse schienen in einer anderen Welt zu leben. Die ersten 26

[Schönfeld, G.-M.; 2000; S.112]

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Ausgaben wirklicher Volksaktien, nämlich die von Preussag, Veba und VW, versandeten, weil es an Service für den kleinen Privatanleger fehlte. Erst mit der Telekom-Emission 1996, die auch einen begleitenden Service für Kleinanleger verfügbar machte (Newsletter, Hotlines, Internetinformationen) begannen breite Teile der Bevölkerung, sich für die Börse zu interessieren. Plötzlich war Wirtschaft etwas zum Mitmachen. Und Aktionäre, die auch mal eine Hauptversammlung besuchten, stellten erstaunt fest, dass Vorstände keine übergeordneten Halbgötter sind, sondern Rede und Antwort stehen, ja sogar Rechenschaft geben. Wir stehen am Anfang, Wirtschaft live zu erleben. Für viele wird ein faszinierendes Hobby daraus. Es ist neu und vielleicht bald selbstverständlich, wenn beim Schlachter, beim Friseur oder in der Autowerkstatt über Aktien geredet wird. Die Börse hat aufgehört, eine Sache für wenige Kapitalisten zu sein; sie hat sich geöffnet für jeden, der bereit ist und den Mut hat, seine Vorsorge auch in die eigenen Hände zu nehmen. Fazit: Während Aktien die Gesellschaft früher in eine besitzende und eine arbeitende Klasse spalteten, ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, den Graben zwischen beiden Lagern zu überschreiten. Wachsende Integration hat die Grenzen verwischt. Mehr und mehr Arbeitnehmer sind Aktionäre und so mittelbar auch Arbeitgeber. Aus dem Klassenkampf ist über Jahrzehnte ein aufeinander abgestimmtes Miteinander geworden. Besitzendes Kapital ist nicht mehr etwas Abstraktes, jedermann kann mitmischen, ohne gesellschaftliche Ächtung befürchten zu müssen. Das ist der Boden, auf dem erfolgreiche Neuemissonen erst gedeihen können. Und die Basis für die Entwicklung einer gesunden Aktienkultur. 1.1.5 Shareholder Value – Was kann der Aktionär erwarten? „MAN DARF KEIN TRÄUMER SEIN, WENN MAN SEIN GELD IM SCHLAF VERDIENEN WILL.“ Werner Mitsch, deutscher Autor

Der in den neunziger Jahren populär gewordene Begriff Shareholder Value ist das Maß für die an den Interessen der Aktionäre orientierte Unternehmenspolitik. Dazu gehören eine positive Gewinnentwicklung und -ausschüttung in Form stabiler, vorzugsweise steigender Dividenden, eine positive Kursentwicklung und eine transparente Informationspolitik. Die Arbeit von Vorständen wird daran gemessen, ob sie diesen Kriterien gerecht werden. Für den Aktionär ist es, weit über den Zeitpunkt der Zeichnung hinaus, von größter Bedeutung, dass „sein“ Unternehmen nach diesen Grundsätzen geführt wird.

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Als der amerikanische Wirtschaftsexperte Alfred Rapparport Mitte der 80er Jahre seinen Bestseller „Shareholder Value“ veröffentlichte, begann dieser Begriff das Börsengeschehen wesentlich zu prägen. Entlassungen brachten kurzzeitig höhere Kurssteigerungen als die Akquisition eines Großauftrages. Cost-Killing-Management (CKM) wurde zur Philosophie und lange Zeit zur bevorzugten Strategie internationaler Unternehmensberatungen. Bekanntester Protagonist dieses Gebots wurde in Deutschland Daimler-Chef Jürgen E. Schremp – sein Schlachtruf „Profit, Profit, Profit“27 –, der die Shareholder Value-Philosophie, Mitte der 90er Jahre an ihrem Höhepunkt, mit der Rückbesinnung auf das Kerngeschäft koppelte. Gerade er musste aber erleben, wie empfindlich Aktionäre reagieren, wenn dem Anspruch nicht konsequent Taten folgen. Denn die Aktie musste zwischen Ende 1998 und April 2004 einen 60-prozentigen Rückgang der Marktkapitalisierung hinnehmen.28 Auf der Hauptversammlung im April 2004 wurde der DaimlerChrysler Vorstand massiv angegriffen. Die Aktionäre und ihre Vertreter monierten Fehler in der Geschäftspolitik, besonders die verlustträchtige Entwicklung der Töchter Chrysler und Mitsubishi. Viele waren bei der Abstimmung nicht bereit, den Vorstand zu entlasten. Der Protest hatte Folgen: Kurz darauf gab Daimler Chrysler bekannt, keine weiteren Gelder zur Sanierung von Mitsubishi bereitzustellen, denn „die Kapitalmärkte haben keine Geduld.“29 Eine flexiblere Anpassung an Änderungen des Marktumfeldes oder des Kundenverhaltens erlaubt jedoch die Konzentration auf die Kernkompetenz eines Unternehmens. An dieser Philosophie hat sich zum Beispiel Kajo Neukirchen, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Metallgesellschaft, bei deren Neuausrichtung orientiert und die Kernkompetenz, das Know-how auf den weltweiten Rohstoffmärkten, konzeptionell genutzt. Dabei wurde aus Aktionärssicht ein ganzheitliches Wertmanagement zu Grunde gelegt, das neben dem Shareholder- auch Stakeholder Value-Aspekte (Personal-, Geschäfts- und Allianzpartner und weitere relevante Gruppen) berücksichtigt.30 Dieser Ansatz verknüpft die Gesichtspunkte des kapitalmarktorientierten Wertmanagements mit Aspekten des sozialen Unternehmensumfelds und führt zum integrativen Begriff der Shareholder-Responsibility. Neukirchen versuchte, der Aktie auch eine sozialpolitische Dimension zu geben. Als Prüfsteine des Value-Managements, die auch auf Börsengänger angewandt werden können, gelten die folgenden Punkte: Ö klare, passende Strukturen, Verantwortlichkeiten und Systeme, Ö ständige Optimierung der Produkt- bzw. Leistungsangebote, 27 28 29 30

[Dunsch, J.; 2004; S.11] [Kopper, H.; 2004] [Daimler Chrysler: Aufbau Fernost; 2004; S.14] [Neukirchen, K.; 1998; S.32]

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Ö Markt- und Technologieführerschaft, Ö effizientes Kostenmanagement, Ö vorausschauendes Risikomanagement, Ö Mitarbeiterbeteiligung, insbesondere erfolgs- und leistungsabhängige Vergütung und Altersversorgung. Aktiengesellschaften, die den Anforderungen nicht genügen, werden gnadenlos ausgebuht. So beschimpfte James Cramer, noch heute einer der bekanntesten Börsenkolumnisten in den Vereinigten Staaten, den Internet-Buchhändler Amazon als „antikapitalistisch“, nachdem mehrere Jahre in Folge nicht nur der Umsatz, sondern auch die Verluste enorm angestiegen waren.31 Es dauerte nicht lange, bis erste Spekulationen darüber auftauchten, ob Amazons Überleben gefährdet sei. Mittlerweile hat Amazon seine Position behaupten und festigen können. Doch die Shareholder Value-Front begann bereits um die Jahrtausendwende zu bröckeln. So ergab eine Befragung von 600 Führungskräften durch das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Magazins Capital im 1. Halbjahr 2000, dass die Einstellung gegenüber dem Shareholder Value-Prinzip kritischer geworden sei.32 Im Jahre 1996 erklärten 42 Prozent der Befragten, Unternehmen sollten Aktionärsinteressen in den Mittelpunkt stellen, 2000 waren nur noch 34 Prozent dieser Meinung. Eine aktuelle Studie des Deutschen Aktieninstituts DAI33 befasst sich mit Nachhaltigkeit und Shareholder Value aus Sicht der börsennotierten Unternehmen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob nachhaltig ausgerichtete Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind. Differenziert man Nachhaltigkeit nach Umwelt- und Sozialaspekten, ergibt sich folgendes Bild: 57 Prozent der befragten Unternehmen sind der Ansicht, dass sich das Streben nach einer besseren Umweltperformance positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Der Sozialperformance, unter die die Personalpolitik, aber auch das Verhältnis zu externen Gruppen wie z. B. Anwohnern, Kunden oder Aktionären subsumiert werden, wird ein noch stärkerer Einfluss auf den Unternehmenserfolg beigemessen. 72 Prozent der befragten Unternehmen sind überzeugt, dass bessere Sozialperformance auch zu einer Verbesserung der ökonomischen Performance führt. 77 Prozent sehen einen Zusammenhang zwischen überdurchschnittlicher Sozialperformance und gutem Gesamtmanagement. Rund zwei Drittel der Befragten sehen einen solchen Zusammenhang auch für die Umweltperformance. 31 32 33

[dg; 2000; S. 40] [AP; 2000; S.35] [DAI; 2004]

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Rund 80 Prozent sieht den positiven Einfluss der Nachhaltigkeitsperformance auf den Shareholder Value als eher langfristig an, während der kurzfristige Einfluss als niedrig eingeschätzt wird. 83,4 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen die These, dass Unternehmen mit hohem Gewinn eher bereit sind, in umweltschützende und soziale Maßnahmen zu investieren. Investitionen in die langfristige Nachhaltigkeitsperformance sind also von der aktuellen ökonomischen Situation abhängig. Die Gefahren der bloßen Shareholder Value-Ausrichtung wurden besonders in folgenden Punkten gesehen Ö Vorstände werden zu kurzfristigen Dispositionen verleitet, um bei nächster Gelegenheit entsprechende Ergebnisse oder Zahlen präsentieren zu können. Ö Um Shareholder Value-Prinzipien zu fördern, werden Bezüge von Führungskräften häufig zu großen Teilen in Aktien oder Aktienoptionen gezahlt. Viele sehen dabei die Gefahr, dass Manager verstärkt auf ihren persönlichen Vorteil achten. In zukunftsträchtigen Branchen aussichtsreiche Visionen umzusetzen, reichte in der Gründerzeit des Neuen Marktes, um Anleger in Scharen anzulocken. Firmen in Deutschland, wie EM.TV, Comroad und Gigabell haben damals durch leere Versprechungen an die Aktionäre das Shareholder Value-Prinzip überstrapaziert – und ad absurdum geführt, indem sie die Aktionäre ausbeuteten.34 Heute besinnt man sich allerdings darauf, dass zwar der Aktionär sehr wohl zu seinem Recht kommen muss, eine angemessene Rendite zu erhalten – und zwar langfristig. Das kann aber nur nach dem Prinzip des „Leben und leben lassen“ funktionieren. Dieses Prinzip lässt sich allerdings nur dann umsetzen, wenn ein magisches Sechseck von Kunden, Mitarbeitern, Aktionären, Bürgern/Multiplikatoren, Partnern (u. a. Lieferanten) und Politikern in Balance gehalten wird. Dieses Stakeholder-Konzept hat, wie vielfach gemeint wird, das Shareholder Value-Konzept nicht abgelöst. Im Gegenteil. Es hat die Shareholder Value-Denke „zurück ins Glied“ geholt. Denn die Interessen aller am Schicksal des Unternehmens Beteiligten und teilnehmenden Gruppen zu berücksichtigen, ist ein ganz natürliches Prinzip guten Managements. General Electric nutzt das Stakeholder-Konzept seit Anfang der 50er Jahre strategisch.35 Es ist also ein altes, fast selbstverständliches Prinzip guter Unterneh34 35

[Dunsch, J.; 2004; S. 11] Anm.: Fredmund Malik hält neben dem Shareholder-Konzept auch das Stakeholder-Konzept für eine „falsche Theorie“ [Malik, F.; 2004], übersieht jedoch, dass es sich hier nicht um einen wirtschaftswissenschaftlichen, sondern um einen kommunikationswissenschaftlichen Ansatz handelt, der auf dem Konzept von Bezugsgruppen basiert. – Übrigens schon Anfang der 70er Jahre durchdacht und dargestellt in Maliks unmittelbarer Nachbarschaft durch die Schweizer Edmond Tondeur und Jean P. Wälchi. [Tondeur, E./Wälchi, J. P.; 1972-1973]

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mensführung. Wie wichtig das ist, zeigen gerade in den letzten zehn bis zwanzig Jahren das rasant gestiegene ökologische und kulturelle Umsatzbewusstsein aller großen Konzerne. Denn, so bekommen sie es national und international mehr und mehr zu spüren, „Bürger-Power“ kann Berge versetzen und Existenzen in Frage stellen. Die vielfältigen Beteuerungen, ein guter Corporate Citizen sein zu wollen, sind deutlichstes Zeichen hierfür. Allerdings ist hier aber auch nicht immer für den Anleger erkenntlich, ob es sich um AlibiVeranstaltungen oder um feste Größen in der Unternehmens- bzw. Konzernstrategie handelt.

Partner

Politiker

Aktiengesellschaft

Bürger

Kunden

Mitarbeiter

Aktionäre

Abbildung 6: Das magische Sechseck – Stakeholder Value-Konzept

Einer der Verteidiger des Shareholder Value-Prinzips ist der Ex-Europachef von McKinsey, Herbert Henzler.36 Seine These: Märkte verhalten sich rational. Sie kann nicht geteilt werden, weil die Menschen, die das Marktgeschehen bestimmen, sich nicht rational verhalten. Henzler hat zwar Recht, dass sich Firmen an den Erwartungen der Kapitalmärkte ausrichten müssen, genauso aber – und vielleicht noch wichtiger – müssen sie sich auch an den Erwartun36

[Henzler, H.; 2003; S.30]

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gen ihrer Kunden, auch an den Erwartungen ihrer Mitarbeiter (und manchmal auch an den Erwartungen der Bürger und Politiker) ausrichten. Eindimensionales Management, wie Shareholder Value oder Kundenorientierung, mag kurzfristig einen strategischen Wert haben. Management wird aber erst dann zu Kunst, wenn es gelingt, magische Vier-, Fünf-, Sechsecke (s. o.) in Balance zu halten – wobei der Shareholder Value immer einen Eckpunkt darstellt. Fazit: Shareholder Value ist unverzichtbar und eine der Säulen, die die Aktieninvestition für den Anleger attraktiv machen. Eine alleinige Ausrichtung nach Shareholder Value-Aspekten ermöglicht jedoch nur kurzfristige Erfolge. Um Unternehmen und ihren Anlegern langfristige Perspektiven zu bieten, muss eine dauerhaft optimale Einbettung ins soziale, kulturelle, politische und ökologische Umfeld erfolgen. Wer es schafft, das Interessenspektrum dieses magischen Vielecks im Gleichgewicht zu halten, findet damit auch den profitabelsten Weg.

1.2 Warum Unternehmen an die Börse gehen 1.2.1 Nicht nur Wachstum will finanziert sein „VON ALLEN FÄHIGKEITEN STEHT IN ALLER W ELT DIE ZAHLUNGSFÄHIGKEIT GANZ OBEN.“ Oskar Blumenthal, deutscher Autor und Theaterkritiker

Wenn Investitionsvorhaben Kapitalvolumina erfordern, die selbst von großen Finanzinstituten nicht mehr ohne weiteres aufgebracht werden können, führt an der Aktiengesellschaft kaum noch ein Weg vorbei: Nicht von ungefähr waren es die Ausrüstung von Kolonialflotten der Handelskompanien im 17. Jahrhundert, der Bau großer Werksanlagen im Zuge der Industrialisierung und – nicht nur in Amerika – vor allem die erwähnte Errichtung von Eisenbahnstrecken, die die entscheidenden Impulse zum Entstehen des Aktienwesens gaben. Keine andere Unternehmensform kann so große Kapitalmengen akkumulieren und dabei Chancen und Risiken auf eine Vielzahl von Investoren verteilen. Wagnis und Wissensstand der Aktionäre einer Kolonialflotte im 17. Jahrhundert dürften ähnlich nebulös gewesen sein wie bei einem heutigen Durchschnittsaktionär, der ohne spezifische Branchenkenntnis eine Biotechnologieaktie zeichnet. Zur Finanzierung des Unternehmenswachstums gibt es grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten:

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Ö Reinvestition Werden die Erträge aus der Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise reinvestiert, so kann damit ein langsames kontinuierliches Wachstum finanziert werden. Fallen keine Gewinne an, sei es konjunktur- oder expansionsbedingt oder einfach deshalb, weil ein junges Start-Up-Unternehmen noch keine oder nur geringe Erträge erwirtschaftet, steht diese Quelle nicht zur Verfügung. Ö Fremdkapitalaufnahme Durch die Aufnahme von Fremdmitteln (geliehenes Geld) kann die Wachstumsgeschwindigkeit beschleunigt werden. Fremdkapital kann durch die Aufnahme von Krediten oder durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen (z. B. Anleihen oder Genussscheinen) am Kapitalmarkt besorgt werden. Auch das Leasing von Betriebsgegenständen ist eine Aufnahme fremden Kapitals. Fremdkapitalgeber erhalten Zinsen, erwerben jedoch kein Eigentum oder Mitspracherecht am Unternehmen. Auch der Lieferantenkredit, zynisch als billigster Kredit beschrieben, ist eine Fremdkapitalaufnahme – nach Ablauf der Zahlungsfrist jedoch mit täglicher Fälligkeit. Der Lieferantenkredit ist für beide Seiten allerdings problematisch. Das aus dieser Kreditform resultierende Abhängigkeitsverhältnis kann einerseits bis zur totalen Bevormundung führen. Andererseits wird mangelnde Zahlungsfähigkeit oder -moral auch für den Gläubiger schnell zur Existenzfrage. Ö Eigenkapitalaufstockung Durch die Aufstockung des Eigenkapitals lässt sich die Wachstumsgeschwindigkeit ebenfalls beschleunigen. Eigenkapitalgeber werden gegen eine entsprechende Einlage am Unternehmen beteiligt, sind also Miteigentümer. Eigenkapital kann von Gesellschaftern, Industriebeteiligungen, Beteiligungsgesellschaften (bei jungen Unternehmen häufig so genannte Venture Capital Gesellschaften), privaten Geldgebern oder durch Mitarbeiterbeteiligungen gewonnen werden. Am Kapitalmarkt kann Eigenkapital durch die Emission von Aktien besorgt werden. Bereits an der Börse notierte Aktiengesellschaften beschaffen zusätzliches Eigenkapital durch die Ausgabe weiterer, junger Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Eigenkapitalgeber werden Miteigentümer und haben Anspruch auf Gewinnbeteiligung; Aktionäre haben, mit Ausnahme der Vorzugsaktionäre, Mitentscheidungsrecht bei der Unternehmenspolitik. In den vergangenen zehn Jahren ist es allerdings das Bemühen einiger großer Firmen gewesen, die Eigenkapitalbasis über den Rahmen des Wachstums aus eigener Kraft zu stärken, um bei Fusionen und Übernahmen mit eigenen Aktien zahlen zu können. Die Zuführung von Eigenkapital über die Börse stärkt die finanzielle Widerstandsfähigkeit in wirtschaftlichen Schwächephasen und erhöht die unternehmerische Flexibilität durch größere Unabhängigkeit von Kreditgebern.37 Die Eigenkapitalquote von nicht börsennotierten mittel37

[Rödel, B./Zinser, T.; 1999; S. 81]

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ständischen Unternehmen lag um die Jahrtausendwende bei 19 Prozent. Börsennotierte Unternehmen verfügten im Durchschnitt mit fast 39 Prozent über beinahe doppelt so viel.38 Insider haben ermittelt, dass rund 4500 mittelständische Unternehmen die Börsenreife hätten bzw. anstreben könnten, um über einen Börsengang ihre Eigenkapitalquote zu verbessern und sich so vor der Konkurrenz oder vor feindlichen Übernahmen besser zu schützen. Denn gerade hier liegt die Schwäche vieler Firmen: „Von 1967 bis 1998 war die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen nach Berechnungen der Bundesbank von 30 auf rund 18 Prozent gesunken, in einzelnen Unternehmen lag sie bei nur 10 Prozent – für Wachstum, neue Arbeitsplätze und Krisenzeiten eindeutig zu wenig.“39 Ein Börsengang wäre der ideale Weg aus dieser Sackgasse. Weitere Vorteile liegen auf der Hand: Jeder Euro Eigenkapital generiert zwei bis drei Euro Fremdkapital.40 Außerdem erschließt sich das Unternehmen durch den Börsengang dauerhaft den Kapitalmarkt mit seinen vielfältigen Finanzierungsmöglichkeiten wie Kapitalerhöhungen, Wandelanleihen u. Ä. So offerierte zum Beispiel die Postbank anlässlich ihrer Emission 2004 eine innovative Koppelung: Zusätzlich zur Ausgabe von Aktien wurden Wandelanleihen angeboten, ein Instrument, dass zunächst zur Aufnahme von Fremdkapital führt, welches jedoch dann zu Eigenkapital wird, wenn die Anleiheninhaber ihr Wandlungsrecht später ausüben und dadurch zu Aktionären werden. 1.2.2 Was macht den Börsengang so attraktiv? „KREDIT IST DAS, WAS MAN JEDERZEIT BEKOMMT, WENN MAN ES NICHT BRAUCHT, UND WAS MAN NUR SCHWER ERHÄLT, WENN MAN ES GERADE AM DRINGENDSTEN BRAUCHT.“ George Thomalla, deutscher Schauspieler

Was macht die Aktiengesellschaft so attraktiv? Warum entscheiden sich Unternehmen für diese Rechtsform und für ein Going Public? Ein wesentlicher Vorteil, den die Aufnahme von Eigenkapital gegenüber einer Fremdkapitalfinanzierung zu bieten vermag, ist die erfolgsabhängige Höhe der Kapitalkosten. Ein Kredit verlangt nach regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen; der Tilgungsplan ist unflexibel, nicht geeignet, sich dem tatsächlichen Geschäftserfolg anzupassen. Dividendenzahlungen hingegen basieren von Anfang an auf der tatsächlichen Gewinnentwicklung. Die Kapitalkosten richten 38 39 40

[Löhr, A.; S.1] [Würth, P.; 2000; S.14] [Koch; W./Wegmann, J.; 2000; S.11]

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sich somit direkt an der Zahlungsfähigkeit aus. Während die Rückzahlung eines Kredits schnell zur Existenzfrage werden kann, werden Aktionäre kaum derart hohe Dividenden fordern, dass der Bestand des Unternehmens dadurch gefährdet würde. Die Investoren sind zudem mit der Idee und den Visionen des Unternehmens vertraut, von dessen Zielen und Erfolgsaussichten überzeugt. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmensführung und Anteilseignern ist weit positiver als die mit einer kreditgebenden Bank oder mit den Inhabern von Schuldverschreibungen. Gerade Unternehmen mit überdurchschnittlichen Wachstums- und Expansionszielen ziehen es vor, Aktionäre zu überzeugen statt Kreditgeber mit immer neuen Sicherheiten ruhig stellen zu müssen. Abgesehen davon sind eigene Aktien eine fast unumgängliche Tauschwährung, wenn es im Zuge des Unternehmenswachstums zu Fusionen oder Übernahmen kommt. Auch nach einem Börsengang bleibt die Gesellschaft hinsichtlich ihrer Kapitalbeschaffung flexibel: Eine Erhöhung des Eigenkapitals durch die Ausgabe junger Aktien ist ebenso möglich wie die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital, zum Beispiel durch Kredite oder die Ausgabe von Anleihen oder Genussscheinen. Auch die Attraktivität als Arbeitgeber lässt sich durch die Umwandlung zur Aktiengesellschaft deutlich steigern. Börsennotierte Unternehmen werden von qualifizierten Mitarbeitern bevorzugt, nicht zuletzt aufgrund von Beteiligungsprogrammen. Während Gründer einen Börsengang oft schon deshalb einplanen, um damit ihrem Erstfinanzierer die Möglichkeit zum Wiederausstieg zu geben, dient ein Börsengang etablierten Konzernen zur Streuung von Anteilen in der breiten Bevölkerung. Dabei kann es sich zum Beispiel um die schrittweise Veräußerung ehemals staatlicher Unternehmen wie beispielsweise der Deutschen Telekom, der Lufthansa oder der Deutschen Post handeln. Oder es werden Konzernteile abgespalten (sog. Spin-Off) und als eigenständige Aktiengesellschaften an die Börse gebracht, wie zum Beispiel Infineon, T-Online oder die Postbank. Ein besonders aktuelles Thema, das sich ebenfalls stimulierend auf Börsengänge auswirkt, sind Generationswechsel. Weit über 80 Prozent aller kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen, von denen allerdings nur 30 Prozent einen Generationswechsel überdauern. Nicht wenige scheitern, weil sich kein geeigneter Nachfolger findet bzw. sich die Erben nicht darüber verständigen können. Oft möchten Alteigentümer Teile ihres Besitzes beim Ausscheiden aus ihrer aktiven Tätigkeit realisieren, um sich gut versorgt in den Ruhestand zu begeben. Um dann ohne den Gründer fortgeführt werden zu können, muss der Betrieb verselbstständigt werden. Ein Börsengang schafft hier durch die Trennung von Kapital und Unternehmensleitung Klarheit und erleichtert die Nachfolge. Auch kann es durch Unstimmigkeit

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bei den Erben und fehlendem Engagement für das Unternehmen zu einem Leistungseinbruch kommen, der Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen berührt. Hier schafft der Börsengang – allein schon durch die Vorschriften aus dem Aktiengesetz – eine Versachlichung der Beziehung zwischen Eigentümern und dem dann zu installierenden Management. Nicht zuletzt gibt der durch einen Börsengang erzielbare Bekanntheitsgrad und Imagegewinn am Finanzmarkt auch dem Absatzmarkt erhebliche Impulse. Häufig hat das Going Public von Unternehmen deren Geschäftsverlauf derart beflügelt, dass es, ex post betrachtet, schon deshalb als Gewinn verbucht werden konnte.41 Eine Fülle von Situationen und Argumenten spricht also für die AG und für den Gang an die Börse. Über eines muss sich jedoch jeder Emittent klar sein: Einmal getan, ist das Going Public ein nahezu unumkehrbarer Schritt. Während man einen Kreditgeber nach der Tilgung wieder loswird, ist die Ausgabe von Aktien nicht oder nur durch schrittweisen Rückkauf wieder rückgängig zu machen. Und selbst wenn, können Rückkäufe nur in kleinen Mengen nach und nach erfolgen und bedürfen der Zustimmung der Hauptversammlung. Ein schneller Rückzug nach Aufnahme der Börsennotierung ist kaum machbar. 1.2.3 Die Börse macht Image „IMAGEPFLEGE IST KEINE LACKPFLEGE, KEIN AUFPOLIEREN VON OBERFLÄCHENGLANZ, SONDERN EINE FRAGE DER QUALITÄT DER GANZEN KONSTRUKTION.“ Werner Niefer, deutscher Topmanager, 1989-93 Vorstandsvorsitzender Mercedes Benz AG

Vom Bekanntheitsgrad, der Beziehungspflege, den Produkten und der Kompetenz des Managements hängt das Image eines Unternehmens ab. Es sind nicht die Publizitätsvorschriften allein, die das Börsenunternehmen treibt. Es ist das Börsenparkett insgesamt, das das Unternehmen ständig herausfordert, sich vor einer kritischen Öffentlichkeit zu präsentieren. Wer dies gut macht, profitiert. Das zeigten die beiden Börsenneulinge Wincor Nixdorf (IPO 19.05.04) und Postbank (IPO 23.06.04). Wincor Nixdorf: Die Aktie des Unternehmens lag drei Monate nach der Emission um mehr als 15 Prozent über dem Ausgabekurs, gleichzeitig konnte die Umsatz- und Gewinnprognose für 2003/2004 beim Umsatz um acht Prozent auf 1,5 Milliarden Euro angehoben werden.42 Postbank: „In der Gesamtschau hat sich die Postbankaktie in einem schwächeren Marktumfeld gut behauptet. Sie hat sich zum Stichtag 5. 41 42

Mehr zu diesem Aspekt im Kapitel „Der Börsengang muss das Geschäft beflügeln“ [Späth, N.; 2004]

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August sowohl in Relation zum DAX als auch zu unserer Peer-Group, einer Vergleichsgruppe aus neun europäischen Retailbanken, um rund 3,75% bzw. 3,55% besser entwickelt. … In unserem Kundengeschäft konnten wir den Schwung und die erhöhte Sichtbarkeit aus unserem Börsengang erfolgreich nutzen. … Das zweite Quartal 2004 war das erfolgreichste.“ Das Ergebnis: Die Postbank will ihr Vorsteuerergebnis um mindestens 15 Prozent steigern.43 Und ein Experte auf die Frage, soll man die Postbank-Aktie jetzt kaufen? „Die vorgelegten Quartalszahlen zeigen, dass die Postbank zu einem soliden und nachhaltigen Investment erstarkt.“44 Sicherlich wird es keinen Börsengang allein aus Imagegründen geben. Jedoch ist der durch einen Börsengang generierte Imagegewinn nicht gering zu schätzen. Gerade junge Unternehmen geraten oft über den Finanzmarkt und dessen Informationsmaschinerie erstmals weiteren Kreisen der Bevölkerung ins Bewusstsein, steigern ihren Bekanntheitsgrad schlagartig und dynamisieren ihr Image. Früher glaubten manche PR-Experten, ein schlechtes Image sei besser als gar keins. Dass dem nicht so ist, kann man an Börsengängern beobachten: Newcomer, die als No-Names mit guten Ideen und Engagement auf das Parkett kommen, haben es bedeutend leichter als so manche Oldies, die mit einer Imagehypothek beispielsweise als Staatsunternehmen in die Privatwirtschaft entlassen werden oder die bereits auf eine lange Börsengeschichte verweisen können – einschließlich aller Höhen und Tiefen (z. B. Tätigkeit in der Nazi-Zeit). Das manager magazin hat zum zwölften Mal die Elite der deutschen Topkonzerne mit den besten Imagewerten ermittelt. Die Analyse, die größte ihrer Art in Deutschland, umfasst 171 führende Unternehmen aus 16 Branchen, darunter alle Dax-Werte. Die Auswahl berücksichtigt die 100 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, alle Dax-Werte sowie führende Firmen und Markenklassiker aus 16 Branchen. Das Besondere der Imageprofile sind die Juroren: 2.501 repräsentativ ausgewählte Vorstände, Geschäftsführer und leitende Angestellte. Sie spiegeln das Meinungsbild in den Chefetagen wider.

43 44

[von Schimmelmann, W.; 2004] [Marc Tüngler, NRW-Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, in: [Tüngler, M.; 2004]

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41

Ranking nach Gesamtbewertung Rang

Unternehmen

Branche

2004

2002

1

(1)

Porsche

Autoindustrie

2

(2)

BMW

Autoindustrie

3

(3)

Audi

Autoindustrie

4

(5)

Daimler-Chrysler

Autoindustrie

5

(4)

Coca-Cola

NahrGenuss

6

(7)

Nokia

Elektro

7

(11)

Miele

Elektro

8

(8)

Sony

Elektro

9

(13)

Aldi

Handel

10

(9)

Siemens

Elektro

11

(6)

Volkswagen

Autoindustrie

11

(21)

Adidas-Salomon

Konsumgüter

13

(14)

SAP

Computer

14

(-)

Google

Internet

14

(19)

Dr. Oetker

NahrGenuss

16

(74)

Puma

Konsumgüter

17

(16)

Bosch

Autozulieferer

18

(26)

Henkel

Konsumgüter

19

(12)

Deutsche Lufthansa

TourTrans

20

(20)

Nestlé

NahrGenuss

Abbildung 7: Entscheider entscheiden – Imageprofile internationaler Unternehmen 2004

45

Der schwäbische Sportwagenhersteller Porsche ist 2004 bei deutschen Führungskräften das angesehenste Unternehmen, gefolgt von den anderen Edelmarken der deutschen Automobilindustrie. In den Top 20 der Analyse befinden sich unter lauter Oldies nur die beiden recht jungen Unternehmen Google und SAP. Die Aktiengesellschaft an sich ist ein Imagefaktor. Sie genießt unter den Rechtsformen für Unternehmen die höchste öffentliche Akzeptanz. Maßgeblich hierfür ist das Aktiengesetz, das u. a. vorschreibt, dass Vorstände nur auf Zeit gewählt, also auch immer wieder abgewählt werden können. Maßgeblich ist auch die wachsende Publizität der Unternehmen.

45

[Machatschke, M.; 2004]

42

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1.2.4 Nur durch Börsengang zum Player – Die Rolle der Börsennotierung bei Fusionen und Übernahmen „FORTSCHRITT IST DER W EG VOM PRIMITIVEN ÜBER DAS KOMPLIZIERTE ZUM EINFACHEN.“ Wernher von Braun, deutsch-amerikanischer Physiker und Raketeningenieur

Die Zweckmäßigkeit eines Börsengangs hat durch die Zunahme an Fusionen bzw. Aufkäufen eine zusätzliche Dimension erhalten: Eigene Aktien sind als Zahlungsmittel immer bedeutender geworden. Nie zuvor hat die Weltwirtschaft eine solche Fülle von Fusionen und Übernahmen gesehen wie zur Jahrtausendwende. In Deutschland wuchs das M&A-Volumen (M&A steht für Mergers and Acquisitions) schon zwischen 1994 und 1999 um 65,9 Prozent.46 Anfang des Jahrtausends sank das Volumen wieder, vor allem wegen des schlechten Wirtschaftsklimas sowie der geringen Unternehmensbewertungen infolge der schwachen Kapitalmärkte. Führend im M&A-Markt 2002 war aufgrund der Zusammenschlüsse der Sparkassen die Branche der Finanzdienstleistungen. Den zweiten Platz belegte die Energiewirtschaft.“47

1200 368 1000

342

260

800

210

214

279 160 193

84

238

194

272

153

92 600

232

186

139

86

101

158

184

186

190

192 232

400

76 601

200

166 82

636 545

378

375

371

1993

1994

445

458

456

452

532

480 361

300

0 1990

1991

1992

1995

Rein deutsche Transaktionen

1996

1997

1998

1999

Ausländische Verkäufer

2000

2001

Abbildung 8: Zahl der registrierten Übernahmen (jeweils im ersten Halbjahr) 46 47 48

[heu; 2000] [CMP finance; 2004] [C. M. Picot; 2004/1]

2002

Ausländische Käufer 48

2003

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Abbildung 9: Volumen der registrierten Übernahmen in Deutschland in Milliarden Euro 49 [Summe der veröffentlichten Kaufpreise] (jeweils im ersten Halbjahr)

Die im M&A-Geschäft wichtigste Währung sind Aktien. Die Deals, gleich ob freundlich oder feindlich, haben längst Größenordnungen erreicht, die mit Cash alleine nicht mehr zu begleichen sind. Wer nicht börsennotiert ist, dem fehlt die notwendige Währung. Bereits Ende der achtziger Jahre ging beispielsweise die Dürr AG, mittelständischer Hersteller von Autolackieranlagen aus Stuttgart, an die Börse, um Kapital für eine Unternehmensakquisition zur Ergänzung der Produktpalette zu gewinnen. Anders, so heißt es heute, habe man keine Chance gehabt, Weltmarktführer zu werden. Spätestens bei der Auseinandersetzung um die Mannesmann-Übernahme durch Vodafone wurde deutlich: Übernahmen haben mittlerweile Kostendimensionen erreicht, die selbst Großkonzerne arg strapazieren. Eine entsprechende Untersuchung der Wirtschaftswoche in Zusammenarbeit mit der Kirchhoff Consult AG ergab: Wer im Fusionskarussell nur Bargeld bieten kann, hat kaum eine Chance.50 Aktien als Zahlungsmittel für Akquisitionen können der Schlüssel zu schnellem Wachstum sein. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der Wert dieser 49 50

[C. M. Picot; 2004/2] [Behrens, B./Gorgs, C./von Haake, B./Wildhagen, A.; 2000; S. 50ff]

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Währung nicht konstant wie Bargeld ist. Fallen die eigenen Aktien, so sinkt auch die Kaufkraft. Diese Erfahrung musste die Multimedia-Agentur Pixelpark im April 2000 machen: Die Übernahme der schwedischen Cell Network und Mandator sollte mit Pixelpark-Aktien bezahlt werden. Als die Kurse rutschten – auch Pixelpark büßte rund die Hälfte seines Wertes ein – machten die Schweden einen Rückzieher.51 Ebenso kam bei anderen Unternehmen, die Zukäufe geplant hatten, das Wachstum nach den deutlichen Kursverlusten ins Stocken. Praxis-Beispiel: Die Fusion von AOL und Time Warner zum neuen Konzern AOL Time Warner Incorporation war die größte Fusion in der amerikanischen Geschichte. Die Transaktion wurde am Tag ihrer Bekanntgabe auf 183 Mrd. Dollar geschätzt. Das Angebot von AOL bestand in Aktien im Wert von 166 Mrd. Dollar sowie darin, die Time Warner-Schulden in Höhe von 17 Mrd. Dollar zu übernehmen. Das neue Unternehmen wurde an der Börse mit 342 Mrd. Dollar bewertet. Die Aufteilung sah folgendermaßen aus: AOL-Aktionäre sollten nach der Fusion 55 Prozent des neuen Unternehmens halten, Time Warners Aktionären standen 45 Prozent zu. Die Aktien beider Unternehmen wurden in AOL Time Warner Aktien umgetauscht. AOL-Aktionäre tauschten 1:1 und Time Warner-Aktionäre erhielten für eine Aktie 1,5 Aktien des neuen Unternehmens (am Tag der Fusionsbekanntgabe entsprach das 71 Prozent. AOL bot für die Time-WarnerAktie, die zu 64,75 Dollar gehandelt wurde, 110 Dollar).52 AOL wartete mit völlig unrealistischen Marktprognosen auf, und Warner brachte einen riesigen Schuldenberg mit in die Ehe ein. Einer Unternehmensanalyse zufolge wurde auch Time Warner bei diesem Geschäft gewaltig überschätzt. Der Konzern erfuhr eine Abwertung und der riesige Schuldenberg machte Profite in den kommenden Jahren zunichte. Das wurde nicht beachtet. Im Gegenteil, nicht zukünftige Erträge und Dividenden interessierten, sondern nur die Hoffnung, dass der Börsenkurs seinen astronomischen Höhenflug fortsetzen würde. Seit Börsennotierung im Jahr 1992 war der Kurs bis Januar 2000 von AOL um 50.000 Prozent gestiegen. Schon nach einem Jahr kam die Ernüchterung. Der Börsenwert des kombinierten Unternehmens lag fast 30 Prozent unter dem von AOL alleine vor Bekanntgabe der Fusion. Das ambitionierte Vorhaben der Integration ist gescheitert. Aus der Vereinigung traditioneller Medien mit den neuen Medien wurde nichts. Der US Medienriese AOL Time Warner hat als Konsequenz am 16.10.2003 endgültig das AOL aus seinem Namen gestrichen und damit die Dominanz der Mediensparte über den Internetbereich besiegelt. Im März 2004 wurde gemeldet, Time

51 52

[Hohmeyer, J./Kühn, U.; 2000] [uba; 2000] & [AOL übernimmt Time Warner; 2000]

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Warner wolle sich von AOL trennen, daraus ist aber bisher nichts geworden. Im Mai ruderte Time Warner zurück.53 Viele deutsche Mittelständler, aber auch einige Big Player befinden sich im Besitz von Familien, Stiftungen, sind genossenschaftlich oder öffentlichrechtlich strukturiert. Damit wird es ihnen wesentlich schwerer fallen als Aktiengesellschaften, im internationalen M&A-Geschäft mitzumischen. Nur wer die so genannte „kritische Größe“ bereits erreicht hat, in seiner Branche also bereits eine Position an der Weltspitze einnimmt, wie zum Beispiel der OttoVersand, machte sich – selbst während des IPO-Booms – hierüber keine Gedanken. Auch nicht zwingend ist ein Going Public, wenn eine schwer angreifbare Marktnische besetzt wurde, wie sie zum Beispiel die Aldi-Märkte im Billigsegment erobert hatten und jahrzehntelang halten konnten. Doch die Stellung eines Unternehmens im globalen Umfeld kann sich schnell ändern. So wurde erstmals im Jahre 2004 vom Otto-Vorstand verlautbart: „Zum 55. Jubiläum des Hamburger Handels- und Dienstleistungskonzerns stellt Vorstandschef Michael Otto die Weichen für eine neue Ära. Auftritt und Struktur werden der bereits vor zwei Jahrzehnten eingeleiteten Internationalisierung – 123 Firmen in 19 Ländern – angepasst. 2006 könnte der Gang an die Börse erfolgen.“54 Expansionsstrategien, die auch andere Global Player wie Wal Mart, Home Depot oder Starbucks verfolgen. Und alle haben das gleiche Ziel vor Augen: Scalability, das heißt, über das Marketing und die Logistik zu verfügen, um große Mengen auf möglichst vielen Weltmärkten abzusetzen.55 Auch für Aldi gilt, dass eine noch so sorgfältig besetzte Marktnische nicht ewig unangreifbar sein wird. Jetzt ist Lidl da56, und Wal Mart liegt weiterhin auf der Lauer. Bleibt die Frage: Wer schluckt wen? Und wer bezahlt womit? Viele patriarchalisch geführte Unternehmen vertrauen jedoch weiterhin auf die Vorteile unabhängigen Managements, schätzen es, weder Aktionären noch Analysten Publizität oder gar Rechenschaft ablegen zu müssen, und bevorzugen die vergleichsweise schnelleren Entscheidungsprozesse im Tagesgeschäft. Gerade dem Handel prophezeien Experten jedoch: Wer nicht an die Börse geht, wird vom Markt gedrängt, wenn er nicht eine profitable Nische findet. Dort kann er überleben, sofern das Umfeld sich nicht dramatisch verändert und keine extreme Wachstumsbeschleunigung eintritt.

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[ad; 2004] [Gruppen-Dynamik; 2004] [Taulli, T.; 1999; S.150] [Aldi und Lidl deklassieren die Konkurrenz; 2004]: Darin wird eine Studie von McKinsey genannt, derzufolge Lidl seit 1998 ein doppelt so hohes Umsatzplus wie Aldi im europäischen Durchschnitt erzielt. Auch sinngemäß Artikel vom 11.06.04: [Aldi/Lidl: „Back to the roots“; 2004]

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Fazit: Kooperationen, Fusionen und Übernahmen generieren IPOs aus strategischen und/oder unternehmenspolitischen Gründen. Sie bieten neue Zukunftsperspektiven und können schon im Vorfeld für interessante Kursentwicklungen sorgen. Im Allgemeinen profitiert dabei vor allem derjenige, der gekauft werden soll. Das Unternehmen erscheint durch das Kaufinteresse attraktiver; man erwartet großzügige Übernahmekonditionen. Auch der Käufer profitiert in der Regel, jedoch nicht in gleich hohem Maße. Denn er muss die Kosten der Übernahme aufbringen. Ist die „Kriegskasse“ nicht gerade prall gefüllt, macht die Übernahme erst einmal eine Kapitalerhöhung erforderlich. Das kostet zunächst Geld und verstimmt die Aktionäre. Andererseits profitiert der Käufer davon, dass er durch den Zukauf seine Angebotspalette komplettieren und neue Vertriebskanäle hinzugewinnen kann. Kostensparende Synergieeffekte, zum Beispiel durch gemeinsamen Einkauf, werden ebenfalls positiv bewertet. Das Ganze funktioniert jedoch nur dann, wenn der Vorstand den Anlegern die erwarteten Vorteile plausibel machen, also begründen kann, warum die Neuakquisition das Unternehmen stärkt. Gelingt das nicht, so reagieren die Anleger mit äußerster Zurückhaltung und der Kurs bricht ein. Beispiel: Als Ferdinand Piech den VW-Konzern mit Rolls Royce ergänzen wollte und dabei gegen BMW antrat, wurden Sinn und Effektivität dieser Aktion nicht überzeugend dargestellt. Entsprechend negativ tendierte der Kurs der VW-Aktie. 1.2.5 Spin-Off – Schöne Töchter „GEIZHÄLSE SIND UNANGENEHME ZEITGENOSSEN, ABER ANGENEHME VORFAHREN.“ Victor de Kowa, deutscher Schauspieler

Von 1989 bis 1997 stammten durchschnittlich knapp 20 Prozent des jährlichen Emissionsvolumens aus Börsengängen von Tochtergesellschaften.57 Die Trendentwicklung, vor allem der Technologieboom, hat dieses Segment vorübergehend verblassen lassen. 2004 dominierte vor allem der Börsengang der Postbank das Geschehen am Emissionsmarkt. Auch zukünftig wird dem IPO von Tochtergesellschaften ein hoher Stellenwert zukommen. Solche Firmen zu zeichnen, ist zwar nicht ganz frei von Risiko, durch die Referenz der Muttergesellschaft ist der Emittent aber schon vertrauter (siehe Fallbeispiel: Der Börsengang der Postbank). Hierzu folgendes Szenario: Der Privatanleger Karl Sparer war glücklich: Ende 1999 stiegen seine Siemens-Aktien nahezu unaufhaltsam. Und als Siemens im März 2000 den Halbleiterbereich ausgliederte und unter dem Namen Infi57

[Rödel, B./Zinser, T.; 1999; S. 85]

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neon AG an der Börse einführte, zeichnete er begeistert auch diese Neuemission. Der gleiche Enthusiasmus wie Herrn Sparer ergriff einen Monat später die Telekom-Aktionäre: Auch hier kannte der Kurs seit der Emission 1996 nur eine Richtung: aufwärts. Als der ausgegliederte Internet-Bereich T-Online an die Börse ging, führte die Zeichnungsbereitschaft, insbesondere privater Anleger, alsbald zur Überzeichnung. Trotz mittlerweile gedämpfter Marktstimmung. Nehmen wir einmal ein anderes Szenario an: Heinrich von Pierer, Siemens Vorstandsvorsitzender (bis Ende 2004), hätte Anfang 2000 seine Aktionäre im Rahmen einer Kapitalerhöhung zum Kauf junger Siemens-Aktien aufgefordert. Und zwar mit der Begründung, man brauche frisches Eigenkapital, um in die Halbleiter-Sparte des Konzerns zu investieren. Mit einem solchen Ansinnen hätte er bei seinen Aktionären sicher nicht viel Freude hervorgerufen. Der Kurs der Siemens-Aktie hätte gelitten. Kurz: Spin-Offs mit anschließendem Börsengang der ausgegliederten Unternehmensbereiche verkaufen sich einfach besser als altbackene Kapitalerhöhungen. Obwohl das am Kapitalmarkt akquirierte Eigenkapital in beiden Fällen per Saldo letztlich gleich ist. Dabei muss man sich fragen, ob die Zerstückelung in Teilunternehmen nicht sogar eine Gefahr birgt. Wo doch die meisten Unternehmen bestrebt sind, durch Fusionen, Übernahmen und strategische Beteiligungen zu größeren Einheiten zusammenzuwachsen, um in einer auf Globalisierung ausgerichteten Wirtschaft die viel zitierte kritische Größe zu erreichen. Betrachtet man Spin-offs jedoch genauer, so ist diese Gefahr oft dadurch gebannt, dass die Kapitalmehrheit nach wie vor im Hause der Mutter bleibt. Was nicht verwundert: Hätte beispielsweise die Telekom kein starkes Standbein im Internet-Sektor, so müsste sie sich dringend eines zulegen. Grundsätzlich lassen sich drei Basis-Typen von Spin-Offs unterscheiden:58 Ö Traditionelles Spin-Off: Unternehmen konzentrieren ihre Aktivitäten auf das Kerngeschäftsfeld und veräußern kerngeschäftsfremde Bereiche an der Börse. Als erfolgreichster Börsengang dieser Art gilt die Abtrennung des Autovermieters Hertz von Ford, auch der Börsengang der Postbank, als Teilabtrennung vom Postkonzern, gehört in dieses Kategorie. Ö Spin-Off mit Substanzverlust bei der Muttergesellschaft: Hier sind T-Online, Infineon und Comdirect einzuordnen. Ö Split-Off: Dabei fließen keine Gelder. Im Ergebnis verbleibt die Aktienmehrheit beim abgespaltenen Teil. Spin-Offs mit anschließendem Börsengang sind also in manchen Fällen nichts weiter als eine trendorientierte Form der Kapitalerhöhung. In Zeiten der Emissionseuphorie ist diese Form der Geldbeschaffung schlicht am einfachsten zu vermitteln. „Je nach gewünschtem Finanzfluss werden die Aktien des Tochter58

[Taulli, T.; 1999; S.201]

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unternehmens entweder über eine Kapitalerhöhung im Tochterunternehmen unter Ausschluss des Bezugsrechts des Mutterunternehmens (z. B. T-Online, Comdirect und Postbank) und/oder durch unmittelbaren Verkauf einer Beteiligungstranche vom Mutterunternehmen (der spektakuläre Börsengang von Infineon) dem Börsenpublikum angeboten. Im ersten Fall fließen die liquiden Mittel unmittelbar in das Tochterunternehmen, während sie im zweiten Fall dem Mutterunternehmen zur Verfügung stehen und damit an beliebiger Stelle innerhalb des Konzerns eingesetzt werden können.“59 Für die Konzernmutter haben beide Verfahren den Reiz, dass keine Bezugsrechte gewährt werden müssen – im Gegensatz zur konventionellen Kapitalerhöhung. Bernhard Pellens, Professor für Internationale Unternehmensrechnung an der Ruhr-Universität Bochum, weist darauf hin, dass Aktionäre des Mutterunternehmens den Börsengang des Spin-Offs häufig mit einer gedämpften Kursentwicklung ihrer Aktie bezahlen müssen.60 So ging die T-Online-Emission zu Lasten der Telekom-Aktionäre, die Infineon-Emission zu Lasten der SiemensAktionäre. Es erstaunt, dass gegen die übliche Spin-off-Praxis mit Kapitalerhöhung bislang keine Einwände der Aktionäre der Mütterunternehmen laut geworden sind. Eine Zustimmungspflicht der Aktionäre und eine Beteiligung an dieser Eigenkapitalbeschaffungsmaßnahme, wie sie bei klassischen Kapitalerhöhungen selbstverständlich ist, sind bei der Ausgliederung von Töchtern aktienrechtlich nicht fixiert. Verzichtet nämlich die Muttergesellschaft bei der Kapitalerhöhung der Tochter auf das ihr zustehende Bezugsrecht, so tut sie das streng genommen zu Lasten ihrer Aktionäre. Wird die Emission der Tochter zudem durch bewusstes Underpricing angeschoben, nimmt der Konzern die dadurch entstehende Zusatzbelastung der Altaktionäre billigend in Kauf.61 Die Einflussnahme der Altaktionäre auf die von ihrem Kapital mitaufgebauten, nun ausgegliederten Teilbereiche mindert sich durch hinzukommende Aktionäre erheblich. Am Beispiel der T-Online-Emission errechnete Pellens, dass die Aktionäre der Deutschen Telekom nicht nur einen Verlust von rund 1,5 Milliarden DM erlitten hätten.62 Anstatt einer bevorrechtigten Zuteilung an Telekom-Aktionäre, hatte es lediglich Zuteilungsvorteile für T-Online Kunden gegeben. Ebenso erhielten Comdirect Kunden bei deren Emission Konditionen, wie sie nicht einmal Commerzbank-Aktionären gewährt wurden. Nichts einzuwenden ist gegen Spin-Offs ohne Kapitalerhöhung bei der Tochter. So brachte die Deutsche Post 2004 die Postbank an die Börse. Der Ver59 60 61 62

[Pellens, B; Füllbier, R.-U.; 2000; S.32] [Pellens, B; Füllbier, R.-U.; 2000; S.32] [Pellens, B; Füllbier, R.-U.; 2000; S.32] [Pellens, B; Füllbier, R.-U.; 2000; S.32]

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äußerungserlös floss voll der Mutter Deutsche Post AG zu, die damit Eigenkapital zum weiteren Ausbau ihres weltweiten Logistiknetzes erhielt. Ein weiterer Grund für ein Spin-Off kann darin liegen, dass am Kapitalmarkt auch Unternehmensteile verselbständigt werden sollen, die anderen Branchen als dem eigentlichen Kerngeschäftsfeld der Mutter zuzuordnen sind. Ein solches Beispiel ist die Postbank. Ihr wahrer Wert als Bankhaus wurde lange verkannt, da sie als Teil der Deutsche Post AG und somit als substanzieller Bestandteil der Aktie Gelb von Logistikanalysten mitbewertet wurde. Durch die Abspaltung vom Mutterkonzern wurde die Postbank erstmals von Bankanalysten wahrgenommen und branchengerecht bewertet. Außerdem führt nun der selbstständige Auftritt am Finanzmarkt, verbunden mit entsprechenden Publizitätspflichten und entsprechend verbesserter Präsenz und Transparenz, zu einem deutlichen Imagezuwachs. Unter diesem Aspekt würde es nicht verwundern, wenn langfristig auch Hausbanken großer Unternehmen wie zum Beispiel die Quelle Bank oder die VW Bank aus ihren Mutterkonzernen ausgegliedert würden, um eigenständige Börsengänge anzustreben. Anders verhält es sich, wenn ein Unternehmen sich im Zuge einer Umstrukturierung tatsächlich von Unternehmensteilen trennen möchte. Beispielsweise dann, wenn Randbereiche bewusst abgegeben werden. Wird in Unternehmen restrukturiert oder umgebaut, ist der Verkauf von Konzernteilen oder Töchtern an der Börse oft die erste Wahl.63 Zumal die Trennung, wie es oft gewünscht wird, schrittweise vollzogen werden kann, indem Aktienpakete nach und nach an den Markt gebracht werden. Die steuerliche Erleichterung des Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen verstärkt diesen Trend. Wer Aktien aus einem neu an die Börse gebrachten Spin-Off zeichnen möchte, sollte vor allem auf folgende Punkte achten:64 Ö Was ist der Grund für die Abspaltung? Entstehen daraus nicht nur der Mutter, sondern auch der abgetrennten Tochter strategische Vorteile? Ö Kann das abgespaltene Unternehmen seinen Marktanteil behaupten, vorzugsweise ausbauen? Expandiert dieser Markt, und wer sind die wichtigsten Kunden? Ö Verfügt der Vorstand des abgespaltenen Unternehmens über ausreichende Erfahrung und Kompetenz und wird die Belegschaft durch ein attraktives Beteiligungsangebot motiviert? Ö Wurde bereits vor dem Börsengang als eigenständiges Unternehmen bilanziert? Wie stellen sich Umsatz- und Gewinnentwicklung dar, und können die Zahlen durch die Abspaltung von der Mutter noch besser werden?

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[Luther, T.; 1999] [Taulli, T.; 1999]

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Fazit: Bei Spin-Offs ist die Fairness des Emittenten und seiner Muttergesellschaft sowohl gegenüber Altaktionären der Muttergesellschaft als auch gegenüber Zeichnern des abgespaltenen Unternehmensteils von besonderer Bedeutung. Keine Anlegergruppe darf sich bei einem Spin-Off übervorteilt fühlen. Unternehmensbereiche auszugliedern, um sie anschließend unter eigenem Namen an die Börse zu bringen, ist im Effekt oft nichts anderes, als eine elegant verkaufte Kapitalerhöhung. Daher sollte vor der Zeichnung genau geprüft werden, ob die ausgegliederte Sparte tatsächlich das Zeug für eine überdurchschnittliche Kursentwicklung hat. Kann der Newcomer wirklich eigenständig agieren oder befindet er sich nach wie vor an der Leine der Mutter? Vorsicht ist für die Altaktionäre der Muttergesellschaft geboten. Für sie kann sich die Wertentwicklung ihrer Aktien darstellen, als habe eine Kapitalerhöhung stattgefunden, an der sie nicht teilgenommen, ja nicht einmal Bezugsrechte erhalten haben. Denn ihr Anteil am Gesamtkonzern unterliegt durch die Ausgliederung der Tochter, sofern diese zur Emission eine Kapitalerhöhung durchführt, einer Beteiligungsverwässerung. Solange dabei jede Mitbestimmung und Beteiligung der Altaktionäre ausgeschlossen wird, ist eine solche Praxis unter Shareholder Value-Gesichtspunkten abzulehnen.

1.3 Warum sich Privatanleger bei Börsenneulingen einkaufen „DIE KAPITALANLEGER HABEN ZWEI KRANKHEITEN: AUF DER EINEN SEITE DIE GIER, AUF DER ANDEREN SEITE DIE ANGST.“ Ulrich Hocker, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz

„Mut zum Risiko“ heißt die Devise, und der Spruch „Wie gewonnen, so zerronnen“ gilt nicht nur für das Roulette. Was aber bewegt nun gerade Privatanleger, von denen die meisten weniger Zeit für ihre Börsengeschäfte aufwenden als die Profis, sich bei Börsenneulingen einzukaufen? Viele dieser Newcomer, das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt, verfügen selbst über keine Börsenerfahrung und werden von Beratern begleitet, die immer auch ihr eigenes Interesse im Auge haben. Es gibt nur sehr wenige Börsengänge, bei denen nicht auch Privatanleger dabei sind. Es reicht nicht aus zu wissen, was Aktionäre dazu bewegt, eine bestimmte Emission zu zeichnen. Wichtig ist zunächst, was Sparer überhaupt motiviert, Aktien zu kaufen. Angesichts der voraussichtlichen Emissionsvolumina der kommenden Jahre werden erfolgreiche Platzierungen nämlich allein durch reinen Verdrängungswettbewerb im Kreis der Aktienanleger nicht mehr möglich sein. Selbst wenn es gelingt, das Potenzial der Börsenerfahrenen zu immer neuen Zeichnungen

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zu bewegen, bräche der Sekundärmarkt langfristig ein. Denn die Altaktionäre wären zunehmend gezwungen, sich von der soeben erhaltenen Zuteilung umgehend zu trennen, um Mittel für die nächstfolgende Zeichnung locker zu machen. Das gesteckte Ziel erreicht in Zukunft nur noch, wem es gelingt, durch zielgruppengerechte Kommunikation weitere Sparer zur Aktienanlage zu motivieren. Gefordert sind Maßnahmen, die nicht allein die Profilierung des jeweiligen Emittenten im Auge haben, sondern auch Bausteine zur Förderung der Aktienkultur in der breiten Bevölkerung legen. Hier ist die Deutsche Börse in erster Linie gefordert. Psychologen haben versucht, Licht in die emotionalen Spannungen zwischen Sicherheitsbedürfnis und Risikobereitschaft zu bringen.65 Die Kenntnis der Ergebnisse kann dem Anleger helfen, zu beurteilen, ob die vom Emittenten eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen in der Gesamtheit der Anlegerschaft erfolgversprechend sind: Ö Aktienwerbung darf keine Luftschlösser entwerfen. Zugang zum Anleger finden nur reale Fakten und handfeste, teils fast charakterliche Werte. Dazu gehören Konstanz, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und eine solide Vergangenheit. Die Phantasie des Anlegers darf auf keinen Fall vorweggenommen werden; er muss sie selbst entwickeln können. Ö Risiko ist kein Tabuthema; der Hinweis auf Risiken ist für erfolgreiche Finanzkommunikation geradezu unentbehrlich. Kontinuierliche Kursentwicklungen werden mental als zu langweilig verarbeitet, weil sie keine Chance bieten, sich zu beweisen. Erst die angedeutete Möglichkeit eines Rückschlags verheißt eine Erlebniswelt, in der der Anleger mit seiner Aktie etwas durchmachen und gestärkt daraus hervorgehen kann. Ö Neben dem Mut zum Risiko besteht ein Sicherheitsbedürfnis. Vertrauen in die Sicherheit einer Aktiengesellschaft wird dann aufgebaut, wenn sie Macht, Solidität und Größe ausstrahlt. Ö Eine gute Story braucht ein Happy End. Das gilt auch für Aktiengesellschaften. Langfristiger Erfolg wird erwartet, wobei Hochs und Tiefs gerne toleriert werden, solange sie gemeistert wurden. Je bewegter die Geschichte, umso größer wird das Vertrauen in den Wert. Dabei spielt mit Sicherheit auch Kontinuität in der Besetzung der Vorstandsposten eine Rolle. Ö Die Politik wird in der globalisierten Gesellschaft zunehmend als austauschbar, macht- und einflusslos empfunden. An diese Stelle treten Wirtschaftsunternehmen, die als weit mächtiger und durchsetzungsfähiger empfunden werden. Multinationale Aktiengesellschaften wie zum Beispiel DaimlerChrysler und deren Führungspersönlichkeiten werden zu Leitbildern der Gesellschaft. Durch den Kauf von Aktien empfindet manch Anle65

[KNSK,Slagmann/rheingold; 1999]

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ger mehr eigene Mitwirkungs- und Gestaltungsinitiative und -macht, als beim Gang zu einer Wahl. Der Kauf von Aktien vermittelt das Gefühl, die Welt mitzugestalten. Ö Der Kursverlauf hat erheblichen Einfluss auf das Selbstwertgefühl. Dabei wird ein nur durchschnittlicher Gewinn als Demütigung empfunden, der die eigene Wertigkeit herabsetzt. Nur bei unerwartet hoher Performance empfindet sich der Anleger tatsächlich als Gewinner. Zwischenzeitliche Kursrückschläge werden nur akzeptiert, wenn sie als Bewährungsprobe verbucht werden können. Auch geschlechtsspezifische Neigungen spielen bei der Anlageentscheidung eine Rolle: Eine repräsentative Forsa-Umfrage ergab, dass Frauen die Sicherheit ihrer Geldanlage höher bewerten als die Gewinnaussichten. Nur ein Drittel, vorwiegend jüngere, sind bereit, ein gewisses Risiko einzugehen.66 Emittenten wie Escada, deren Marke einen überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad unter Anlegerinnen hat, mussten diesen Aspekt in ihrer Emissions-PR berücksichtigen. Bei vielen Emissionen handelt es sich um junge Unternehmen, die lediglich eine kurze, oft steile Wachstumsentwicklung vorzuweisen haben. Emotionale Imagekomponenten wie eine bewegte Geschichte, absolute Größe oder gar die Anmutung von Macht sind in diesem Stadium noch nicht verfügbar. Geschickte Kommunikatoren weichen in einer solchen Situation auf die wechselvolle Geschichte der Führungspersönlichkeiten aus, die hart gekämpft haben, um ans Ziel zu gelangen. Ein gutes Beispiel bot die Evotec BioSystems AG. Unter Anlegern war das junge Unternehmen zum Emissionszeitpunkt weitgehend unbekannt. Aber hier konnte der Lebensweg des Gründers Prof. Dr. Manfred Eigen, der mit vielen Höhen und Tiefen unbeirrt forschte bis er schließlich den Nobelpreis erhielt, genau die schicksalhaft bewegte Story bieten, die letztlich motivierte. Mangels absoluter Größe des Emittenten greift die Emissions-PR vorzugsweise auf Referenzen, zum Beispiel Kunden des Emittenten zurück, die diesem Aspekt gerecht werden. So konnte zum Bespiel Gehäusehersteller Balda darauf verweisen, dass namhafte Hersteller seine Bauteile verwenden.

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[Vorsichtige Geldanleger; 2000; S.23]

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1.3.1 Der Reiz: Abenteuerlust und Kalkül „DAS GEHEIMNIS DES ERFOLGREICHEN BÖRSENGESCHÄFTS LIEGT DARIN, ZU ERKENNEN, WAS DER DURCHSCHNITTSBÜRGER GLAUBT, DASS DER DURSCHNITTSBÜRGER TUT.“ John Maynard Keynes, britischer Wirtschaftswissenschaftler

Eine Masse ist eine Menge, die durch eine gleiche Aufmerksamkeitsrichtung verbunden ist. In erster Linie ist es also die Richtung, die die Menge zu einer Masse macht, nicht ihr Umfang. Von einer Massenpsychose kann wohl gesprochen werden, wenn der Anlass, der die Masse in Bewegung setzt, falsch eingeschätzt wurde – und das auf breiter Basis, wie dies eben bei der Einrichtung des Neuen Marktes ab 1997 zu beobachten war: Seine Gründung fiel in eine Phase, wo der CDAX von rund 1.450 auf 2.050 stieg, um gut 40 Prozent, also eine außerordentlich günstige Entwicklung zeigte. Wo Deutsche Telekom und Mobilcom, ein ehemaliger Beamtenapparat und ein völliges Greenhorn, die sich im Zukunftsbereich der Telekommunikation ansiedelten, gegen alle Börsenregeln einen tollen Auftritt hatten, während beispielsweise in Russland die Börse crashte. Das neue Börsensegment wurde durch ein intensives Marketing der Deutsche Börse AG gepusht und von der gesamten Medienszene, d. h. von der BildZeitung bis zum „Börsensender“ n-tv, getragen. Ganz zu schweigen von einer Flut von Informationsblättern und Diensten. Alles für die Privatanleger, die plötzlich in Scharen an die Börse stürmten. Waren vor 1997 rund 6,78 Prozent der Deutschen in Besitz von Aktien, so waren es im Jahre 2001 schon rund 16,28 Prozent, das entsprach etwa 13,43 Millionen Aktionären, eine wahre Massenbewegung. Anfang 2000 waren rund 220 Unternehmen am Neuen Markt notiert, die fast ausschließlich Zukunftsbranchen und -technologien zuzuordnen waren.67 Firmen, von denen die meisten Neuanleger keine Ahnung hatten. Der besondere Reiz, hier trotzdem einzusteigen, lag damals zweifellos darin, eine schnelle Mark machen zu können. Es ist dieser Reiz, der immer wieder zu Leichtsinn verführt und gegen den auch mit redlichem Bemühen kein Kraut gewachsen ist. Die Basis der Börse ist gleichwohl die Spekulation, also ein mit mehr oder weniger hohem Risiko aufgeladenes Gut zu kaufen, in der Hoffnung, es zu einem vom Käufer selbst zu bestimmenden Zeitpunkt mit Gewinn wieder zu verkaufen.

67

[Deutsche Börse AG; 2001; S.20]

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nur Fonds

Aktien und Fonds

nur Aktien

14000

12000

3265 2893 2668

3463

10000

3149

2837

3076

2694 2510

8000

2011

2748

2161

2047

6189

6243

2. Hj. 2002

1. Hj. 2003

2118

3487 6000 3604 4000

1518

3293

2000

7480

6805

6892

5617

911

5904

627 3226 1681

2274

0 1997

1998

1999

2000

1. Hj. 2001

2. Hj. 2001

1. Hj. 2002

2. Hj. 2003

Abbildung 10: Aktionäre und Fondsbesitzer in Deutschland 1997 - 2003, Quelle: DAI Factbook 2004

Kostolany empfahl einmal, man möge Aktien zehn Jahre nicht ansehen und so sein Geld quasi im Schlaf verdienen.68 Das hatte scheinbar am Neuen Markt keine Gültigkeit mehr. Diese Erfahrung machten selbst arrivierte Privatanleger. Allen Warnungen zum Trotz stürzten sie in der Masse der Börsenneulinge Lemmingen gleich mit in den Abgrund. Auch sie erlagen dem Herdenverhalten. Denn Börsenentscheidungen sind schwer zu treffen. Man sucht sein Verhalten an dem anderer Personen und ihren Entscheidungen zu orientieren. Auch wenn das teilweise wider besseren Wissens geschieht. Ein typisches InGroup-Verhalten, durch das solche Gruppen in ihren Verhaltensweisen geprägt werden, ebenso wie in ihren Entscheidungen. Doch die Zeit der Massenbewegung ist vorbei. Die arrivierten Anleger, der Anzahl nach mehr als vor 199769, sind wieder unter sich. Das Verhalten ist wieder mehr sachlich geprägt, wenn auch nicht immer nachvollziehbar, denn die Börse bleibt unberechenbar. Ein Zeichen dafür ist auch die Bedeutungszunahme von Aktienfonds. Die Zahl der Fondbesitzer hat sich im Jahre 2003 ge68 69

André Kostolany: „Kaufen Sie sich sichere Aktien, an die sie glauben, und nehmen Sie sich eine Schlaftablette für die nächsten 10 Jahre!“ [Kostolany, A.; 2004] [Moerschen, T.; 2003; S.33]

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genüber 1997 mehr als verdreifacht, d. h. man versucht mit Hilfe der Expertise von Fondmanagement auf dem Aktienmarkt Fuß zu fassen. Geblieben ist der Gruppe der Privatanleger der besondere Kick, dass ein neu an die Börse gekommener Wert noch unberechenbarer ist als das alltägliche Auf und Ab börsenerfahrener Werte. Natürlich paart sich dieser Reiz mit Kalkül: Nach den bösen Erfahrungen auf dem Neuen Markt hat die Börse neue Handelssegmente mit zusätzlichen Vorschriften eingerichtet70, so dass noch besser vorgecheckt werden kann, ob die Börsenreife eines Unternehmens fundiert nachgewiesen werden kann oder nur vorgetäuscht wird. Der private Anleger verharrt in der gespannten Erwartung auf die Erstnotierung einer Neuemission. Auch bei alten Hasen immer noch ein Moment, in dem Adrenalin ausgeschüttet wird. Der erfahrene Investor schätzt den Mix aus klassisch-bewährten Titeln, hin und wieder ergänzt durch die hoffnungsvolle Zeichnung eines neuen Wertes – um die Sache zu würzen. 1.3.2 Die Bindung – mit Stars an die Börse, mit Exoten auch „PHANTASIE IST WICHTIGER ALS W ISSEN. DENN PHANTASIE UMSPANNT DIE GANZE W ELT.“ Albert Einstein, deutsch-amerikanischer Physiker

Die Motive, weshalb sich Privatanleger bei einem Börsengang engagieren, sind oft verschwommen, weil es sich vielfach um Bauchentscheidungen handelt. Ein Aktionär, der den Kauf einer Bayer-Aktie damit begründen würde, dass er täglich drei Aspirin schluckt und auf dessen Wirksamkeit schwört, müsste befürchten, nicht ernst genommen zu werden. Erst recht nicht jener, der sich regelmäßig aus dem Beate-Uhse-Sortiment bedient. Nichts ist für einen Anleger überzeugender, als seine eigenen guten Erfahrungen. Diese doppelte Bindung wird es vermehrt geben, denn Stars und Exoten ganz unterschiedlicher Provinienz werden an die Börse gehen, ihre Fans im Schlepp. Das werden Fußballvereine, Rockbands, Privatuniversitäten, Strafvollzugsanstalten, Altenpflegeanstalten, Gesundheitspräventionseinrichtungen, Filmproduzenten oder die Müllabfuhr sein. Schon vor gut 20 Jahren ging in Großbritannien der erste Fußballverein an die Börse. In Großbritannien sind es inzwischen über 20 Clubs, die ihre Aktien am Kapitalmarkt platziert haben. Mit Ausnahme von Manchester United mit eher mäßigem, oder sogar ohne Erfolg. In Deutschland hat Borussia Dortmund am 70

Informationen zu den neuen börslichen Handelsplattformen und deren Zulassungsvorschriften finden sich im Kapitel „Andere Märkte – andere Sitten“ und in den Going Public-Grundsätzen der Deutsche Börse AG im Anhang.

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31. Oktober 2000 als erster deutscher Fußballverein Aktien zum Preis von 11 € ausgegeben. Der Schlusskurs am ersten Handelstag betrug nur 10,05 €. Die weitere Kursentwicklung hat die Aktionäre nicht begeistern können. Im Juli 2003 fiel die Aktie bis auf 3,10 €.71 Trotz dieser Entwicklung, stehen die Aktionäre treu zu ihrem Club. Neben Beteiligungen des BV Borussia Dortmund 09 e.V. in Höhe von 25 % und der Dr. Elsässer Beteiligungsgesellschaft II mbH in Höhe von 14,77% wird der Free Float, der Streubesitz also, mit rund 50.000 Aktionären angegeben.72 Diese Aktien scheinen in relativ festen Händen zu sein; man kann davon ausgehen, dass es sich zum größten Teil um Fans handelt. Fußball-Aktien und anderen Exoten ist gemeinsam, dass sie mitten aus dem Leben gegriffen sind. So meinen viele, von der Sache etwas zu verstehen, ob es nun ein Fußballverein, ein Sänger oder die Müllabfuhr ist. Neben dem Reiz des Besonderen ist es gerade diese vermeintlich einfache Nachvollziehbarkeit der Unternehmenstätigkeit, die die Anleger zur Zeichnung verführt. Wer sich beispielsweise über die steigende Kriminalität Gedanken macht, wird vielleicht Aktien einer Haftanstalt kaufen. Der Fußballfan traut sich eben eher zu, Chancen und Risiken eines Bundesligavereins zu beurteilen als die Perspektiven eines Internetunternehmens. Wer jahrelang am eigenen Leibe erfahren hat, wie teuer ihn der Pflegeplatz für die Großmutter im Seniorenstift zu stehen kam, weiß, dass in der Altenbetreuung Geld verdient werden kann, während er sich mit der Einschätzung eines Biotechnologiekonzerns schwer tut. Dabei vergessen die meisten: Eine Sache gut zu machen und damit auch Geld zu verdienen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn ein Filmproduzent einen beeindruckend schönen und anspruchsvollen Film vorstellt, damit sogar Preise gewinnt, sagt das noch nichts über das Einspielergebnis an der Kinokasse aus. Bindung lässt sich aufbauen, wenn das Objekt aufmerksamkeitsstark und nachvollziehbar ist, wie in den genannten Fällen. Besonders im Sport und Entertainmentgeschäft kommt aber noch hinzu, dass die Aktie, im Depot oder sogar gerahmt an der Wand, für Anleger quasi eine zusätzliche Bindung zu seinem Favoriten darstellt, ebenso wie ein signiertes Trikot eines Fußballstars oder die CD eines Gesangstars mit Autogramm auf der Hülle. Die Aktie wird zum Merchandising-Produkt. Dieser Typ von Anleger macht deutlich, dass die Emotion ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellt. Der Behavioral Finance Ansatz versucht unter Einbeziehung auch emotionaler Elemente aufzuzeigen, was Menschen zu ihren wirtschaftlichen Entscheidungen veranlasst und wie man diese Erkenntnisse für sich nutzen kann. Der lange in der Aktienanalyse unterstellte, einzig 71 72

[Borussia Dortmund; 2004/1; S.5] [Borussia Dortmund; 2004/2]

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vernunftbestimmte „homo oeconomicus“, der die Aktienanalyse bis tief in die 80er Jahre hinein prägte, gehört der Vergangenheit an.73 Behavioral Finance ist ein in den achtziger Jahren in den USA entwickelter finanzwissenschaftlicher Ansatz, der ökonomische und psychologische Erkenntnisse konsequent zusammenführt. Anders als andere Fachrichtungen und methodische Ansätze in der Ökonomie geht Behavioral Finance nicht grundsätzlich von rationalen, also nutzenmaximierenden Wirtschaftsakteuren aus. Der Logik des homo oeconomicus wird zunehmend die des homo psychologicus zur Seite gestellt. Unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und psychologischer Aspekte des (Fehl)Verhaltens von Anlegern zeigt sich: Angst und Gier verändern das Verhalten selbst der rationalsten Menschen. Aufgrund einer ganzen Reihe irrationaler, größtenteils unbewusster Verhaltensweisen der Anleger, denen selbst professionelle Finanzinvestoren wie Fondsmanager, Broker, Aktienhändler und Finanzprofessoren zum Opfer fallen, ist es vollständig naiv anzunehmen, als Privatanleger könne man den Markt schlagen. Langfristig erfolgreiche Anleger und Geldmanager wissen genau, dass die menschliche Psyche und nicht die gemeinhin bekannten und allgemein zugänglichen Analysemethoden das eigentliche Problem darstellen. Hoffnungen, Ängste, über Jahrtausende entwickeltes Sozialverhalten – dies alles beeinflusst jeden Menschen, besonders in Situationen, in denen das Hab und Gut jemandem anvertraut oder sogar aufs Spiel gesetzt wird. Behavioral Finance bestätigt mithin aus einem neuen Blickwinkel, was die Finanzwissenschaft schon seit den fünfziger Jahren weiß: Die Chancen, den Markt langfristig nach Kosten und Risiko zu schlagen, sind deprimierend gering, und die Gefahr, langfristig unter dem Marktergebnis zu landen, ist bei unausgewogenen, nicht diversifizierten Investments deprimierend hoch.74 Für den Nachweis, dass der homo oeconomicus nicht die uneingeschränkte Basis wirtschaftlicher und finanzpolitischer Entscheidungen ist, hat der USForscher Daniel Kahneman im Jahre 2002 den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten. Kahneman hat Anleger in Entscheidungssituationen beobachtet und daraus Rückschlüsse auf deren Nutzenfunktion gezogen, anstatt, wie die traditionellen Ökonomen, aus logischen Überlegungen Nutzenfunktionen zu postulieren. Seine Erkenntnis: Menschen stellen bei ihren Nutzenüberlegungen nicht auf absolute Nutzenzuwächse, sondern auf Veränderungen des Nutzens ab.75 Im Alltag bedeutet das: Was der Analyst oder der Berater für richtig hält und empfiehlt, müssen die Anleger nicht auch so durchführen. Davon ging man bei der Aktienanalyse aber sehr lange aus. Grundsätzlich ist es nicht möglich, den Grad der Emotion, den ein Anleger zu einem Börsengänger aufbaut, vorher zu 73 74 75

[Wappler C.; 2002; S. 24] [Boersenschule24; 2004] & [Ddüvel, L.; 2002] & [psychonomics; 2004] [Müller-Neuhof, K./Giehl, W.; 2004; S. 146f]

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ermitteln, um daraus eine Prognose für dessen Entscheidungsverhalten zu entwickeln. Die fundamentale und auch die technische Analyse, beides traditionelle Instrumente der Aktienanalyse, haben die Verhaltensweisen der Anleger nicht berechenbar gemacht.76 Behavioral Finance, das auf der kognitiven Psychologie basiert, steht erst am Anfang einer Entwicklung.77 Und selbst wem die Erkenntnis der menschlichen Unvollkommenheit bei Finanzentscheidungen bewusst geworden ist, der kann deren negativen Auswirkungen dennoch nicht vollständig durch entsprechendes Handeln aus dem Weg gehen: Selbst bei vermeintlich vollkommen sicheren Lebensversicherungen sinken die Überschussbeteiligungen der Versicherten rapide, wenn sich die Versicherer ihrerseits am Aktienmarkt verspekuliert haben.78 Fazit: „Kaufen Sie eine Aktie immer so, als ob Sie ein ganzes Unternehmen kaufen.“79 Wer Aktien erwirbt, gleich, ob durch Zeichnung einer Neuemission oder am Sekundärmarkt, sollte – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – eine Vorstellung von der Tätigkeit des Unternehmens, dem Markt und den damit verbundenen Zukunftsperspektiven haben. Aktien von Unternehmen, deren Umfeld man mit Fleiß erkundet hat, sind langfristig geeigneter, als das wahllose Aufpicken von Exoten, deren wirtschaftliche Zusammenhänge man nur glaubt zu verstehen. So kann ein Computerfreak Internetfirmen weit besser einschätzen als beispielsweise ein Apotheker, der stattdessen vielleicht Biotechnologiewerte mit wirklichem Sachverstand abklopfen kann. 1.3.3 Personenkult passt nicht an die Börse „W IR WERDEN NICHT DURCH DIE ERINNERUNG AN UNSERE VERGANGENHEIT WEISE, SONDERN DURCH DIE VERANTWORTUNG FÜR UNSERE ZUKUNFT.“ George Bernard Shaw, irischer Schriftsteller

Das Gefühl zählt. Wer für einen Motivationstrainer oder einen Rocksänger schwärmt, ist von dessen Leistungsfähigkeit und positiven Zukunftsaussichten derart überzeugt, dass er selbst dann Aktien zeichnet, wenn diese Art der Geldanlage ihm bislang fremd war. Die Aktie wird ebenso wie ein signiertes Trikot oder eine Schallplatte als Gegenstand mit hohem Identifikationscharak-

76 77 78 79

[Cesar, G; 1996; S.1 & S.78] [Cesar, G; 1996; S.1 & S.293 & [Goldberg J.;/von Nitzsch, R.; 2000; S.140] [Höfling, M./Machold, U.; 2004; S.45] [Gelfarth,V/Otte, M.; 2001]

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ter erworben. Sie zu behalten – oft sogar als dekoratives effektives Stück – ist Ehrensache und sichert die Teilhabe am Erfolg des Vorbilds. Auch wenn man es selbst nicht wahrhaben will, so hat man als Anleger eher eine emotionale als eine gewinnorientiert rationale Beziehung zu solchen Aktien. Eine Situation, die bei regelrechten Fan-Aktien dominiert. Die Anhänger von Borussia Dortmund leben und leiden für ihren Verein. Aber Fußballverstand genügt nicht für eine Unternehmensteilhabe. Im Gegenteil: Liebe, auch die Liebe zu einem großen Vorbild, kann blind machen. Über Shareholder Value-Aspekte machen sich Fan-Aktionäre, wenn überhaupt, erst in zweiter Linie Gedanken. Fans als Aktionäre sind überdurchschnittlich loyal und geduldig. Sie gehen mit ihrem Verein durch dick und dünn. Das zeichnet sie einerseits aus. Von ihnen jedoch andererseits zu erwarten, dass Sie vom Vorstand auf der Hauptversammlung gewinnorientiertes Management, effektive Kostensenkungsprogramme oder Wachstumsperspektiven einfordern, wäre wohl zu viel verlangt. Darüber müssen sich Anleger klar sein, wenn sie Fan-Aktien zeichnen wollen. Was geschieht, wenn Stars tatsächlich einmal etwas passiert? Ein Fußballverein wird vielleicht eine schlechte Saison mit entsprechenden Ertragseinbrüchen hinnehmen können, wenn der Wunderstürmer ausfällt. Eine Einzelperson, deren künstlerische Einmaligkeit und Ausstrahlung Grundlage des Erfolges sind, zum Beispiel ein Rocksänger, lässt sich jedoch auch langfristig nicht neu besetzen. Natürlich bleiben zahlreiche Einnahmequellen noch eine Weile erhalten: Urheberrechte für Bild- und Tonträger, Nachauflagen populärer Bücher und die Lizenzierung von Namensrechten. Doch gegenüber den ursprünglichen Ertragsprognosen wird es zu herben Einbrüchen kommen, möglicherweise schließlich zur Liquidation. Nicht umsonst bestimmen interne Richtlinien vieler Unternehmen, dass Vorstandsmitglieder auf Dienstreisen in verschiedenen Maschinen fliegen. Sonst wäre, sollte wirklich einmal etwas passieren, die Existenz bedroht. Aktiengesellschaften, die an nur eine nicht ersetzbare Schlüsselperson gebunden sind, unterliegen folglich enormen Risiken. Man mag einwenden, Dale Carnegie sei schon 1955 gestorben und seine Bücher verkaufen sich besser als zu Lebzeiten, sogar mit immer noch steigender Tendenz.80 Und nie wurden so viele Elvis-Platten gekauft wie nach dem Tod des Sängers. Vermessen wäre jedoch, Aktionären im Voraus zu versprechen, man werde nach dem Tod zur Legende werden. Eine solide Aktiengesellschaft fußt auf einer Idee, die unabhängig von Einzelpersonen weitergeführt werden kann. Denn Aktiengesellschaften, das sind sie ihren Finanziers schuldig, müssen ihre Schöpfer überdauern können.

80

[Gerbert, F; 2000; S.176ff]

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Fazit: Bei aller Sympathie für populäre Leitfiguren: Aktien sind eine Geldanlage. Ein Kauf allein aus emotionaler Begeisterung oder gar Fanatismus kann nicht allein an Shareholder Value-Prinzipien gemessen werden. Persönliches Engagement, Fanatismus und der Wunsch nach einer rentablen Geldanlage lassen sich nicht immer ohne weiteres vereinbaren. Oft meint man, von der Sache etwas zu verstehen. Deshalb gilt die Reihenfolge: Erst rational recherchieren, dann emotional entscheiden. Die Idee einer Aktiengesellschaft muss weiterleben können, selbst wenn der Vorstand – aus welchen Gründen auch immer – einmal ausscheiden sollte. Unternehmen, deren Zukunftsperspektiven untrennbar mit einer Person verbunden sind, bergen enorme Risiken. Sie dennoch an die Börse zu bringen, ist aus Gründen des Anlegerschutzes kaum zu verantworten. 1.3.4 Perspektiven statt Cash – Neue Aktien für Zulieferer „DEM GELD DARF MAN NICHT NACHLAUFEN – MAN MUSS IHM ENTGEGENGEHEN.“ Henry Ford, amerikanischer Großindustrieller

Aktien als Zahlungsmittel, das klingt gewöhnungsbedürftig. Doch je besser die Ertragsaussichten eines Emittenten, umso eher sind externe Zulieferer und Dienstleister schon im Vorfeld eines geplanten Börsenganges bereit, sich – ganz oder teilweise – mit Aktien bezahlen zu lassen.81 Junge Wachstumsunternehmen leiden zwar unter knappen Mitteln, haben aber oft hervorragende Zukunftsaussichten. Besonders im Internetsektor müssen für Rechner, Server, Programmierungen und die dafür notwendigen Fachleute schon zu Beginn hohe Summen investiert werden. Ist man als Lieferant oder Dienstleister von der Vision seiner Geschäftspartner überzeugt, liegt der Schritt zum Tauschhandel nahe: Waren und Leistungen gegen Unternehmensanteile. In den angelsächsischen Ländern ist das seit langem üblich. Besonders Softwareentwickler, Headhunter, Werbe- und PRAgenturen sind auch in Deutschland zunehmend bereit, diese Art der Honorierung zu akzeptieren. Das Verfahren hat schon manchem Emittenten, trotz knapper Mittel, im Vorfeld des Börsenganges zu einem erstklassigen Werbe- und PR-Auftritt verholfen. Auch für den so Honorierten bietet das System Vorteile: Er sichert sich nicht nur die Chance, am Erfolg seines Kunden zu partizipieren; als Miteigentümer steigen seine Aussichten, auch bei zukünftigen Erweiterungsinvestitionen mit im Boot zu sein. Außerdem steigt die Motivation, Spitzenleistungen 81

[Schwartz, S./Stadler, R.; 1999]

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abzuliefern: Wer durch besonders sorgfältige Arbeit den Wert des Kundenunternehmens steigert, profitiert von seiner Mehrleistung über dessen Aktienkurs. Jeder Dienstleister, der sich auf ein solches Geschäft einlässt, hofft, den Bill Gates der Zukunft beraten zu haben. Einige Anbieter suchten im Boom der New Economy sogar gezielt nach jungen Wachstumsunternehmen, um diesen ihre Leistungen gegen Beteiligungen zu offerieren. Damit entsteht ein neuer Typ des Venture Capitalisten, der statt Kapital seine Tätigkeit als Einlage offeriert. Je besser die Streuung solcher Engagements, desto höher wird die Chance, dass einige Senkrechtstarter aus dem Kundenkreis langfristig hohe Gewinne bescheren. Praxis-Beispiel: Die Honorierung in Aktien eignet sich besonders, wenn die Zusammenarbeit zweier Firmen hinsichtlich Betreuungs- und Wartungsaufgaben langfristig sichergestellt werden soll. Ist beispielsweise ein Softwareentwickler mit Aktien bezahlt worden, so wird er bei Fehlerbeseitigung, Wartung und Betreuung schon im eigenen Interesse zuverlässig und mit größter Sorgfalt vorgehen. Schließlich ist der Wert auch seiner Anteile vom reibungslosen Funktionieren der EDV abhängig. Nicht nur Waren und Dienste lassen sich mit Unternehmensanteilen bezahlen, auch Lizenzen und Nutzungsrechte können damit abgegolten werden: Beispielsweise die Verpflichtung eines Prominenten als Testimonial, um neue Dienste oder Marken schneller bekannt zu machen. Neben der unmittelbaren Beteiligung über Aktien sind in den Vereinigten Staaten auch Aktienoptionen üblich. Sie verbriefen das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien zu einem im Voraus festgelegten Kurs, dem Basispreis, zu erwerben. Ist der Kurs bis dahin deutlich über diesen Basispreis gestiegen, so ist die Differenz der Gewinn des Optionsinhabers. In Silicon Valley war es in Zeiten starken Wachstums durchaus nicht ungewöhnlich, auch Büroeinrichtungen, Umbauten oder Buffets anlässlich von Analystenkonferenzen mit Optionen zu begleichen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Weitergabe von Wandelanleihen, die später zu fixierten Konditionen in Unternehmensanteile umgetauscht werden können. Praxis-Beispiel: Sobald Aktien oder Optionen als Zahlungsmittel vorgesehen werden, sollten beide Seiten steuerlichen und juristischen Rat einholen. Die Weitergabe von Aktien kann nämlich vom Finanzamt als durch die bisherigen Aktionäre realisierter Kursgewinn angesehen werden. Die Gewährung von Optionsrechten unterliegt in Deutschland besonders strengen gesetzlichen Richtlinien und bedarf intensiver rechtlicher Prüfung. So reizvoll es sein mag, mit Beteiligungen zu zahlen, um die raren Barreserven zu schonen, achten Aktiengesellschaften stets darauf, die so geschaffene

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Beteiligungsquote in vertretbarem Rahmen zu halten, um die Kontrolle über das eigene Unternehmen nicht zu verlieren. Höchstens zwanzig Prozent des Grundkapitals sollten sich in den Händen von Dienstleistern und Zulieferern befinden. Wer investiert, hofft mehr Geld zurück zu bekommen, als er eingezahlt hat. Das ist ein gewagtes, risikoreiches Geschäft. Und dieses Geschäft ist bei IPOs noch etwas gewagter, weil es sich hier um Unternehmen handelt, die bisher ihre Denk-, Planungs- und Finanzierungsmodelle verborgen hielten. Wie gesagt, die Investoren kommen aus verschiedenen Richtungen und sind entsprechend unterschiedlich motiviert: Ö Der arrivierte Börsianer, der sich auch bei IPOs engagiert. Ö Der Opportunist, der überall da ist, wo es darum geht, einen schnellen Euro zu machen, der aber auf Grund der jüngsten Börsengeschichte (Neuer Markt) nur noch vereinzelt auftritt. Ö Der Fan, der seine emotionale Bindung verstärken möchte. Bei ihm ist das Spekulationsmotiv sekundär. Ö Der Partner, der mit Aktien bezahlt wird, um die Liquidität des Jungbörsianers zu schonen. Ö Und schließlich der Mitarbeiter, der mit der Aktie einen verbrieften Anteil am Grundkapital seines Unternehmens erhält. Die Frage, ob es sich bei einigen dieser Anlegertypen nur um Anleger auf Zeit handelt, muss heute anders beantwortet werden, als noch vor fünf Jahren. Der Staat löst sich zu immer größeren Teilen von der Vorsorge für seine Bürger. Als Alternative wird die Vorsorge über Aktienbesitz empfohlen. Das ist der entscheidende Kulturwandel der Börse in Deutschland. Damit wird die Kultur jenen in Großbritannien und den USA ähnlicher. Vorsorge umfasst nicht nur materielle, sondern auch emotionale Aspekte. Vorsorge heißt aber immer auch Risiko. Nur hatten Staat und Bürger das vergessen, weil die letzten 50 Jahre einigermaßen glatt gelaufen sind – obwohl man von früher hätte wissen können, dass der Staat als vorsorgender Übervater immer wieder versagt hat. Umso interessanter werden in Zukunft Börsengänger mit einem begrenzten Risiko. Gemeint sind alteingesessene, gut situierte mittelständische Unternehmen, die aus den einleitend genannten Gründen zusätzlicher Kapitalbeschaffung für Wachstum, Eigenkapitalstärkung, Nachfolgeregelung usw. an die Börse gehen werden. Hier existiert mit Sicherheit noch ein hohes Potenzial. Fazit: Weg von der Staatswirtschaft, hin zur Privatwirtschaft – oder besser zur Individualwirtschaft, das ist die Perspektive für die Zukunft. „Wohlstand für alle“ ist ein Versprechen, das der Staat nie gehalten hat und das auch nicht zu halten sein wird. Seine Aufgabe ist, einen Rahmen von Gleichheit und Gerechtigkeit durchzusetzen, in dem die Gesellschaft schalten und walten kann. Dabei kann

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die Aktiengesellschaft nicht das alleinige Mittel der Wahl sein. Auch ein Familienbetrieb wie Miele mit seinen urwüchsigen Kräften muss seinen Platz haben, genauso wie der von der Familie geführte, in eine Stiftung eingebrachte Betrieb, wie die Beispiele Bosch und Hauni zeigen. Diese Art von Betrieben wird in Zukunft einen höheren Stellenwert als bisher haben. Noch steht die Staatsgläubigkeit der Bürger privatwirtschaflichen Initiativen vielfach entgegen. Auf jeden Fall zeichnet sich die Entwicklung von der Staatswirtschaft zur Individualwirtschaft ab – ein vielleicht sogar treffenderes Wort als das der Privatwirtschaft – und der sich damit vollziehende individuelle Bewusstseinswandel in der deutschen Bevölkerung. Eine große Chance für die Börse, auf der Emittenten- wie auf der Anlegerseite. 1.3.5 Mitarbeiterbeteiligung macht sich bezahlt – auf beiden Seiten „NICHTS BETÄUBT DIE VERNUNFT SO SEHR WIE DIE AUSSICHT, OHNE ANSTRENGUNG VIEL GELD ZU VERDIENEN.“ Warren Buffett, amerikanischer Investor, CEO Berkshire Hathaway

Die Aktie ist – ob sie als Belegschaftsaktie, Aktienoption oder Wandelschuldverschreibung angeboten wird – verglichen mit klassischen Mitarbeiterdarlehen oder stillen Beteiligungen, die bei weitem unkomplizierteste, attraktivste und häufigste Form der Mitarbeiterbeteiligung.82 Das verwundert nicht, denn Aktien sind nicht nur Teilhabe am Erfolg. Diesen Erfolg kann man auch sehen und live verfolgen: Auf dem Kurszettel. Die Neuemission ist ein geradezu idealer Anlass für ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Durch die Möglichkeit des steuer- und sozialabgabenfreien Zuschusses des Arbeitgebers in Höhe von 50 Prozent wird die Belegschaftsaktie zum äußerst attraktiven Anlagebaustein für alle Beschäftigten. Gerade auf der Führungsebene erwarten immer mehr Mitarbeiter eine leistungsabhängige Dotierung als Incentive. Belegschaftsaktien, Aktienoptionen oder Wandelschuldverschreibungen können ausschlaggebend sein, um Spezialisten zu bekommen. Und die sind in manchen Branchen rar. So sind es vor allem fehlende Fachkräfte, die in kleineren Firmen ein mögliches Wachstum hemmen können. Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass Studienabgänger bei der Wahl ihres ersten Arbeitgebers nicht die Kleinen, Neuen, Innovativen, sondern Bewährtes und Großes, wie DaimlerChrysler oder Siemens, bevorzugen.83

82 83

[Finanztests; 1999; S.19] Anm.: 53 Prozent wählen für den Berufsstart lieber große Unternehmen. Das ergab eine Umfrage im Mai 2002 unter 1.500 BWL-Studenten, die vom Mittelstandsmagazin Impulse und dem Soft-

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Um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, müssen Firmen, die noch keine Konzerngröße haben, deshalb häufig zusätzliche Benefits bieten: Beteiligungsmodelle, vor allem mit Optionen und Aktien.84 Goldene Fesseln, in die man kompetente Kräfte legt, um beim Börsengang und darüber hinaus ein schlagkräftiges Team präsentieren zu können. Die Mitarbeiterbeteiligung ist eine Investition für die Firma, die sich auszahlt, denn Mitarbeiter, die erfolgsabhängig entlohnt werden, steigern ihre Arbeitsqualität im eigenen Interesse und entwickeln mehr Kostenbewusstsein.85 Davon profitieren alle. Die Fluktuation innerhalb der Belegschaft sinkt. Willkommener Nebeneffekt: Die Hochstufung des Gehalts tritt für die Mitarbeiter in den Hintergrund; die Steigerung des Unternehmenswertes gewinnt an Priorität. Ein hoher Identifikationsgrad wird fast zwingend. Studien belegen: Umsatz, Gewinnentwicklung und Krankenstand entwickeln sich positiv. Es sind also nicht nur die weichen Faktoren wie Mitarbeiterbindung und -motivation, sondern handfeste Gründe wie eine höhere Produktivität bis hin zu einer verbesserten Eigenkapitalbasis, derentwegen Mitarbeiter beteiligt werden.86 Die Beteiligung der Belegschaft kann sich aber auch auf andere betriebswirtschaftliche Kennzahlen auswirken. Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), Tübingen hat ermittelt, dass Mitarbeiterbeteiligung auch innovationsfördernd ist. In Baden-Württemberg wurde festgestellt, dass 57 Prozent der Betriebe mit Mitarbeiterbeteiligung in den letzten drei Jahren neue oder weiterentwickelte Produkte und Services am Markt eingeführt haben. Bei den befragten Firmen ohne Angestelltenbeteiligung waren es 21 Prozent.87 Auch das ist wieder ein Indiz, dass gerade für innovationsgeprägte Neugründungen die Mitarbeiterbeteiligung, insbesondere die des Managements, eine wichtige strategische Größe sein kann. Mitarbeiterbeteiligungen nehmen zwar ständig zu (s. Abb.): Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg spricht von 32.000 Betrieben, die ein Modell für Kapitalbeteiligung haben, das Ifo-Institut nennt sogar 66.000.88 Trotzdem spielen sie in Deutschland immer noch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Einer Erhebung im Auftrag der EU89 zur Folge bieten in Deutschland 25 Prozent aller Betriebe mit mehr als 220 Beschäftigten

84 85 86 87 88 89

ware-Haus Outinform durchgeführt wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass fast 60 Prozent angestellt werden möchten, 30 Prozent bevorzugen die Selbstständigkeit, 5 Prozent wollen Beamte werden und etwas über 2 Prozent möchten den Familienbetrieb übernehmen. [Europressedienst; 2002; S.22] [Sammet, S./Schwartz, S.; 2000;] [Reepesgard, L.; 2000; S.3] [Bilen; S.; 2004; S.r04] [Widrat, S.; 2003; S.52] [Bilen; S.; 2004; S.r04] [AGP; 2004]

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ihren Mitarbeitern eine Kapital- oder Gewinnbeteiligung an. In Frankreich sind es indessen, nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Partner in der Wirtschaft e. V. (AGP), Kassel, 84 Prozent, in den Niederlanden 60 Prozent. Auch in den USA und Großbritannien ist das Thema Mitarbeiterbeteiligung populärer.90

15 10 5 0 So viele Milliarden Euro haben Beschäftigte in Ihre Arbeitgeber investiert

1986

1991

1996

2002

2003

3,85

5,88

12,78

11,98

12,26

Abbildung 11: Gesamtwert Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland 1986 - 2003

4000 3000 2000 1000 0 So viele Firmen offerierten Mitarbeitern Kapitalbeteiligungen

1986

1991

1996

2002

2003

1502

1940

2500

3000

3600

Abbildung 12: Kapitalbeteiligungsofferten der Firmen in Deutschland 1986 - 2003

90

[Bilen; S.; 2004; S.r04]

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Für Mitarbeiter bieten Belegschaftsaktien einen Anreiz, über den eigenen Arbeitsplatz hinaus intensiver in gesamtbetrieblichen Zusammenhängen zu denken, das Auf und Ab der Börse hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Relevanz direkter mitzuerleben und nicht zuletzt die private Vorsorge selbst mitzugestalten und dabei von der staatlichen Förderung zu profitieren. Als kontraproduktiv für die Standortattraktivität Deutschlands wirkt sich hingegen die im internationalen Vergleich rigide Besteuerung von Aktienoptionen für Mitarbeiter aus, die eben im Kampf um internationale Fachkräfte mittlerweile zu den wichtigsten Incentives zählen. Dass Mitarbeiter Belegschaftsaktien erst nach einer Sperrfrist von mehreren Jahren veräußern, Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen ebenfalls erst nach einer entsprechenden Frist ausüben dürfen, kann dem Anleger nur recht sein. Denn damit wächst die Sicherheit, dass auch im Unternehmen das Interesse an einer langfristig positiven Entwicklung der Aktie fest verankert ist. Dass Mitarbeiterbeteiligung die Rentabilität erhöht, haben Kapitalgesellschaften sogar schon zur Anlagepolitik gemacht, indem sie Fonds und Zertifikate auflegten, deren Zusammensetzung ausschließlich solche Firmen umfasst, die ihre Mitarbeiter beteiligen – mit bislang überdurchschnittlichem Anlageerfolg.91 Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Unternehmen nicht zum Selbstbedienungsladen wird: Art, Form und Höhe müssen, gerade auf Führungsebene, in einem zumutbaren Verhältnis zum für den Aktionär erzielten Mehrwert stehen. Wird das Maß überspannt, kann das Verhältnis zwischen Unternehmensführung und Anteilseignern empfindlich gestört werden: So hatten beispielsweise Vertreter der Kleinaktionäre auf der Hauptversammlung der DaimlerChrysler AG schon Mitte April 2000 das Aktienoptionsprogramm für Führungskräfte stark kritisiert. Eine Studie von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, vom August 2004 ergab92, dass Aktienoptionsprogramme der 30 im DAX vertretenen Unternehmen deutliche Mängel aufwiesen. So sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass die Gewährung von Optionen an ein höheres Eigeninvestment der Begünstigten gebunden wird. Außerdem sollten Optionen maßvoll gewährt werden, um eine massive Kapitalverwässerung bei Ausübung zu vermeiden. Eine Ausübung kann nur dann profitabel sein, wenn der Kurs deutlich gestiegen ist und zwar nicht nur absolut, sondern auch im Vergleich zum Banchendurchschnitt. Formen der Mitarbeiterbeteiligungen bei AGs93 Ö Mitarbeiterguthaben 91 92 93

[Poganatz, H.; 2000] [Gries, L.; 2004] Vgl. auch: [hbe; 2004] [Widrat, S.; 2003; S.52]

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Ö Aktienoptionen Ö Belegschaftsaktien (In manchen Fällen wird deren Kauf zusätzlich durch zinsgünstige oder zinslose Mitarbeiterdarlehen unterstützt.) Mitarbeiterguthaben können in flexibler Weise mehrere Guthabenformen, Anrechte und angesparte Werte miteinander kombinieren. Das Zeit-Wertpapier von Volkswagen ist dafür ein gutes Beispiel: Dort fließen Zeitguthaben, Entgeltleistungen, Mehrarbeitsvergütungen, Boni und Prämien für Ideen in ein integriertes Kontensystem, das es ermöglicht, angesparte Werte verschiedener Art gemeinsam in Spezialfonds am Kapitalmarkt anzulegen, bis der Mitarbeiter darüber verfügen möchte.94 Wahlweise lässt sich das Ersparte später zu einem früheren Berufsausstieg verwenden oder in eine Erhöhung der Pensionsbezüge umwandeln. Das Zeit-Wertpapier verknüpft das Investmentsparen zur privaten Altersvorsorge mit motivierenden Vergütungssystemen und einer Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit-Gestaltung.95 Der starke Anreiz, den Beteiligungsmodelle für Mitarbeiter bieten, darf allerdings auch nicht überschätzt werden. So haben z. B. Optionsprogramme nicht unerheblich an Attraktivität verloren. Mitarbeiteroptionen verbriefen das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien zu einem im Voraus festgelegten Kurs zu erwerben. Der Anreiz für das Management besteht nun darin, die Performance der Gesellschaft zu steigern und so die Aktienkurse zu erhöhen, und über die Ausnutzung der Option am Wertzuwachs selbst spürbar mitzuverdienen.96 Gerade aber die Kopplung der Optionen an die Steigerung des Aktienkurses verführte einige Spitzenmanager nachweisbar dazu, nicht solide den Unternehmenswert zu fördern, sondern auf kurzfristig kurstreibende Maßnahmen zu setzen, oft in Verbindung mit Kursmanipulationen, Bilanzfälschung und Betrug. „Die nach oben manipulierten Gewinnausweise durch WorldCom, Enron und andere Unternehmen sind dabei nur die übelsten Auswüchse einer weit verbreiteten Praxis.“97 Das Ergebnis dieser Machenschaften war für die Anleger der Gesellschaften WorldCom und Enron fatal. Die Verluste der Anleger (Aktionäre extern und intern) durch die Insolvenz der beiden Unternehmen beziffern sich zum höchsten Börsenkurs auf 115 Mrd. $ (WorldCom) und 63 Mrd. $ (Enron).98 „Stock Options sind ein typisches Illusionsprodukt der Börsen-Hausse.“99 Beim Management sind Optionsprogrammen allerdings nicht nur beliebt, weil mit ihrer Hilfe legal hohe Millionenbeträge zusätzlich zum Gehalt anfallen können. 94 95 96 97 98 99

[VW; 2004] [alf; 2000; S. 18] [Chaloupek, G.; 2002; S.8] [Optionen haben ausgedient; 2004] [Chaloupek, G.; 2002; S.17] [Optionen haben ausgedient; 2004]

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Sie haben außerdem den Vorteil, dass sie dem Anschein nach keine Belastungen für das Unternehmen verursachen. Obwohl die Optionen Kosten für das Unternehmen darstellen, müssen sie in den wenigsten Fällen als Personalaufwand in der Erfolgsrechnung ausgewiesen werden.100 Ökonomisch gesehen verzichtet das Unternehmen auf den Verkauf der Option an Dritte. Die Ausgabe der Mitarbeiteroptionen verursacht damit Opportunitätskosten in Höhe des Marktwertes der Optionen.101 Deshalb sollten Optionsprogramme nicht abgeschafft werden. Nur sollten sich Investoren, vor allen Dingen bei Neuemissionen, diese Programme genau ansehen. Und darauf achten, wie viele Mitarbeiter in welcher Höhe Optionsrechte erhalten und was für Auswirkungen das langfristig auf den Kurs haben kann. Die Gewährung von Mitarbeiteroptionen führt zu einer bedingten Kapitalerhöhung. Bedingt deshalb, weil man im Voraus nicht wissen kann, ob das Optionsrecht ausgeübt werden wird. Je mehr die Aktien steigen, umso profitabler wird die Ausübung des Optionsrechtes. Das bedeutet, mit steigenden Kursen wird die Zahl der Mitarbeiter größer, die von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen und Aktien beziehen. Um diese Aktien liefern zu können, muss das Unternehmen das Grundkapital entsprechend erhöhen. Diese Kapitalerhöhung durch das Hinzukommen weiterer Aktionäre verwässert – wie jede Kapitalerhöhung – den prozentualen Mitbesitzanteil jedes einzelnen Aktionärs am Gesamtunternehmen. Allerdings geht es hier um ein Volumen junger Aktien, das verglichen mit dem einer regulären unbedingten Kapitalerhöhung verschwindend gering ist. So gesehen tritt durch Mitarbeiteroptionen tatsächlich ein geringfügiger Vermögensverlust für die bisherigen Aktionäre ein. Und das auch nur, wenn die Optionen tatsächlich ausgeübt werden. Das wiederum wird geschehen, wenn der Kurs nennenswert gestiegen ist. Und von der Tatsache, dass alle Mitarbeiter um Kurssteigerungen bemüht sind, um ihre Optionen profitabel ausüben zu können, profitiert letztlich jeder Aktionär. Die Bilanzierungsskandale von WorldCom, Enron und anderen Unternehmen und der erhebliche Vertrauensverlust der Anleger haben einige Konzerne zum Umdenken bewogen, hin zu mehr Transparenz für die Anleger. Der Softwarekonzern Microsoft hat im Juli 2003 entschieden, statt Aktienoptionen zukünftig verwendbare Aktien an seine Mitarbeiter auszugeben. Mit dieser Entscheidung, die auch der Online-Händler Amazon getroffen hat (Amazon beschritt diesen Weg bereits im Herbst 2002), übt das größte und profitabelste Technologieunternehmen in den USA Druck auf die weiteren Silicon Valley-Technologieschmieden aus: „Für sie steht eine Kultur auf dem Spiel, die während des Technologie-Booms der 90er Jahre entstand und die sie nun mit Händen und Füßen verteidigen. Aktienoptionen waren ein günstiger Weg, hochmotivierte und gut ausgebildete, aber gering bezahlte Mitarbeiter anzustellen, die 100 101

[Willmeroth, S.; 2002; S.51] [von der Crone, H. C.; Kistler, P.; 2000; S.28]

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die Chance sahen, durch ihre Optionen zu Millionären zu werden.“ „So tief sitzt der Mythos, dass die meisten Firmen in Silicon Valley selbst heute nicht von den Optionen lassen wollen, obwohl viele der alten Anrechte wegen des Kursverfalls inzwischen wertlos sind.“102 Außerhalb von Silicon Valley wird dieses Thema weniger emotional behandelt. Unternehmen mit gewachsenen Strukturen tun sich bei der Einführung von Beteiligungsmodellen schwerer als Neugründungen bzw. junge Unternehmen, die an die Börse gehen. Hier lässt sich eine völlig andere Denkweise feststellen: Da, wo Mitarbeiter gemeinsam ein neues Unternehmen gründen, da wollen sie Chancen und Risiken tragen, sind also in ihrer Gesamtheit unternehmerischer veranlagt. Bei börsennotierten Unternehmen, bei denen Belegschaftsaktien als Gehaltsbestandteil ausgegeben werden, liegt die Beteiligung bei weit über 50 Prozent. Es gibt Firmen, da erhalten alle Mitarbeiter zwangsläufig immer eine oder mehrere Aktien.103 Welche Motive standen und stehen bei Mitarbeiterbeteiligungen im Vordergrund? Sie haben sich im Laufe der Zeit jedenfalls geändert. Anfang der 50er Jahre hat man festgestellt, dass sich das Kapital überwiegend in den Händen weniger Personen konzentriert. Mit dem Slogan „Wohlstand für alle“ wurde versucht, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Das Stichwort: Verteilungsgerechtigkeit. Vermögensbeteiligungs- oder Vermögensbildungsgesetze wurden geschaffen. Das Stichwort: Sparförderung. Hierzu zählten auch die Privatisierungen von Preussag, VW und VEBA. Der Staat bemühte sich, durch günstige Ausgabepreise (Volksaktien) eine möglichst breite Schicht am Aktienkapital attraktiver Firmen zu beteiligen. Doch diese Sparförderung nach dem Gießkannenprinzip hat trotzdem nur marginale Bedeutung erlangt. Mit dem Nutzengedanken im Vordergrund gibt es heute einen neuen Ansatz, der zum Beispiel bei der Flexibilisierung von Gehältern oder bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge eine Rolle spielt. Das kann auch die Mitarbeiterbeteiligung im Zusammenhang mit der Altersvorsorge sein oder der Wunsch eines Unternehmens, sich zu verschlanken und deshalb Teilbereiche oder Betriebsteile an Mitarbeiter zu veräußern. Dazu kommt eine zweite Entwicklung. Die Unternehmen denken darüber nach, wie sie Personalkosten abbauen können, ohne Mitarbeiter entlassen zu müssen. Eine Möglichkeit ist, dass man an die Stelle von Fixlohn Beteiligungslohn setzt, also Beteiligungen in Form von Aktien statt Gehalt. Aus diesem Ansatz haben sich zwei Möglichkeiten entwickelt: Ö Die additive Mitarbeiterbeteiligung, d.h. Beteiligungen zum Gehalt als incentive für Treue oder besondere Leistungen.

102 103

[Sosalla; U.; 2003; S.5] [von Below, C.; 2002]

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Ö Die substitutive Mitarbeiterbeteiligung, d.h. ein Vergütungssystem, bei denen der Mitarbeiter selbst wählt, ob er 100 Prozent Fixlohn haben möchte oder 80 Prozent Fixlohn und 20 Prozent Beteiligung – oder ob er eine Gehaltserhöhung in Geld statt Beteiligungen bevorzugt. Praxis-Beispiel: Bei Neuemissionen wird Mitarbeitern oft mehr geboten als bevorrechtigte Zuteilungen und vergünstigte Belegschaftsaktien. Um die Aktie Gelb kaufen zu können, erhielten die Post-Mitarbeiter sogar zinslose Darlehen. Ebenso bei der Emission der Postbank. Es kann sich also lohnen, sich über Sonderkonditionen beim Arbeitgeber genau zu informieren Fazit: Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sind fester Bestandteil moderner Unternehmenskultur. Aktiengesellschaften, die diese Möglichkeit nutzen, tun sich leichter bei der Gewinnung von Fachleuten zur Entwicklung neuer Technologien und Absatzformen. Mitunternehmer arbeiten aufgrund gesteigerter Motivation effektiver. Beteiligte Mitarbeiter berücksichtigen bei ihren Entscheidungen den Shareholder Value Aspekt im eigenen Interesse und ziehen so mit allen Aktionären an einem Strang. Das erhöht die Produktivität, die Dividendenerwartung und den Kurs der entsprechenden Aktie. Mitarbeiter, die zum Teil in Aktien, Aktienoptionen oder Wandelschuldverschreibungen bezahlt werden oder diese in Beteiligungsprogrammen vergünstigt erwerben können, sollten dennoch nicht vom allzu schnellen Reichtum träumen. In der Regel ist eine Sperrfrist von vier bis sechs Jahren einzuhalten, bevor verkauft oder ausgeübt werden darf.104 Manche Angestellten sind durch Beteiligungen wohlhabender als durch ihr Gehalt geworden. Doch auch das Gegenteil ist richtig: Viele Angestellte in Technologie- und Wachstumsunternehmen haben beim Scheitern ihres Arbeitgebers nicht nur ihren Job, sondern mitunter ihre gesamte Existenzgrundlage eingebüßt.

104

[Lentz, B.; 2000; S.92]

AKTIENKULTUR, DAS PROFIL SCHÄRFT SICH

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1.4 Aktienkultur, das Profil schärft sich „DEN FORTSCHRITT VERDANKEN WIR DEN NÖRGLERN. ZUFRIEDENE MENSCHEN WÜNSCHEN KEINE VERÄNDERUNG.“ Herbert George Wells, britischer Romancier u. Essayist

Kultur, das setzen viele mit den schönen Künsten gleich. Bildende Kunst, Musik, Literatur, Film und Theater kommen einem in den Sinn. Der Begriff Aktienkultur ist auf den ersten Blick schwer einzuordnen. Doch überall, wo Menschen handeln und gestalten, entstehen Kulturen – auch wenn sie als Begriff erst entstehen, wenn sie über die Medien öffentlichkeitsrelevant werden. An dieser Schwelle befindet sich das Börsenland Deutschland jetzt: 1997 betrug die Zahl der Aktionäre und Fondsbesitzer in Deutschland 5,6 Mio. (das entsprach 8,9 %), im ersten Halbjahr 2001 13,4 Mio., im ersten Halbjahr 2003 11,1 Mio. (17,3 %). Die Zahl der direkten Aktionäre (gemeint sind unmittelbare Aktienbesitzer ohne den Umweg über Zertifikate der Aktieninvestmentfonds) in Deutschland betrug 1997 etwa 4 Mio., im ersten Halbjahr 2003 4,9 Mio., im zweiten Halbjahr 2003 5,2 Mio. (entspricht 8,1 %). Im Jahr 2000 waren es allerdings 6,2 Mio. (entspricht 9,7 %).105 Der Begriff Aktienkultur als solcher macht deutlich, worauf es bei der Börse und insbesondere beim Börsengang ankommt: Auf das Verhalten der Akteure. Dies sind der Gesetzgeber, die jeweiligen Börsen, die Emittenten, die mit dem Börsengang befassten Banken mit ihren Vertriebsnetzen und ihrer Rolle als Berater sowie Unternehmens-, Steuer-, Rechts- und Kommunikationsberater, inklusive Analysten und Journalisten. Nicht zuletzt sind es die Anleger selbst. Hierzu im Einzelnen: Der Gesetzgeber. Wie weit lässt er das freie Spiel der Kräfte zu und behält trotzdem die Kontrolle? Wie stark lässt er sich von anderen Interessengruppen beeinflussen? Ein Beispiel: Ö Noch können Investoren auf Hauptversammlungen Vorstände richtig in die Mangel nehmen – und notfalls gegen Beschlüsse klagen. Eine neue Gesetzesinitiative hebelt diese Kontrolle aus.106 Der Kommentar dazu: „Die Folgen (all) dieser Einschränkungen mögen für Vorstände ganz angenehm sein. Für den Finanzplatz Deutschland wären sie fatal. ‚Die Hauptversammlung’, sagt ein Jurist, ‚ist hier zu Lande die einzige Bastion, die Aktionären wirklich Schutz bietet.’ Wird die geschliffen, sind wir als Kapitalmarkt endgültig Provinz.“107 105 106

[DAI; 2004]

[Papendick, U.; 2004; S.126] 107 [Papendick, U.; 2004; S.128]

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Die einzelnen Börsen mit ihren Regelwerken. Acht Wertpapierbörsen gibt es in Deutschland (Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart). Jede Börse hat ihre institutionellen Besonderheiten und damit auch eigene Regeln. In Frankfurt gibt es das Qualitätssegment SMAX, Stuttgart bemüht sich u. a. momentan, dem traditionellen Mittelstand den Weg an die Börse zu ebnen, Hamburg und Hannover bemühen sich, eine liquide Handelsplattform für Anteile offener Fonds zu etablieren. Es war eher Leichtsinn als Mut, 1997 mit der Einrichtung des Neuen Marktes die Zugangsvoraussetzungen soweit zu liberalisieren, dass sich plötzlich auf dem Frankfurter Börsenparkett fast jeder tummeln konnte – nur bunt musste er sein. Und es spricht eher für Angst als für Umsicht, die Tür dann wieder so weit zuzumachen, dass es heute für einen innovativen Technologiewert schwer ist, das erforderliche Eigenkapital in Deutschland zu generieren. Die New Yorker Börse ist stark, weil sie unabhängig ist und prägend für die Bedeutung des Finanzplatzes New York. Das Wechselspiel zwischen der klassischen NYSE(New York Stock Exchange, besser bekannt als Wall Street) und der NASDAQ (National Association of Securities Dealers Automates Quotation System; US-Computerbörse für Technologie- und Wachstumswerte) ist dabei ganz entscheidend für die Attraktivität. Der Finanzplatz Frankfurt ist hingegen ständig in der Diskussion – und damit auch die Deutsche Börse? Beispielsweise sind 65 Prozent des Aktienkapitels der Deutsche Börse AG ist in ausländischen Händen. Das erleichtert eine „feindliche Übernahme“ ganz wesentlich und damit einher geht die Gefährdung des eigenständigen Börsenplatzes Deutschland. Die Emittenten. Geht es wirklich in erster Linie immer um die Eigenkapitalstärkung, Wachstum, Innovationen, oder verstecken sich dahinter Motive wie Macht und Cash? Die jüngste Börsengeschichte – die des Neuen Marktes zwischen 1997 und 2002 – hat gezeigt, wie einfach es ist, abzukassieren und ohne Substanz, dafür mit reichlich Schlagworten in die Öffentlichkeit zu kommen. Die Berater. Berater verdienen auch am Betrug, ohne zu betrügen. Aber es muss nicht immer gleich Betrug sein. Schon Oberflächlichkeit reicht aus, um den Schaden ins Unermessliche steigen zu lassen, denn gab es wirklich auf der Welt keinen Sachverstand, der die 23.000 Stunden Kinderprogramm vom EM.TV realistisch einzuschätzen wusste, den Filmstock bei Kinowelt AG oder die Output Deals von Intermedia präziser bewerten konnte? Gab es keine Experten, die darauf hinwiesen, dass auf neuesten Technologien beruhende Softwareprogramme für Warenwirtschaftssysteme vielleicht einen minimalen Marktvorsprung, jedoch überhaupt keinen nachhaltigen USP aufweisen konnten? Ein Vorsprung übrigens, der, wie aus der Technologieentwicklungsgeschichte der vergangenen 20 Jahre längst hätte gelernt sein müssen, rasch schmilzt.

AKTIENKULTUR, DAS PROFIL SCHÄRFT SICH

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Die Fingerzeige waren vielleicht sogar da, sie wurden nur von einer Welle der Euphorie überspült. Hinzu kam, dass die Kreditinstitute das Emissionsgeschäft zu einem strategischen Geschäftsfeld machten und den Markt systematisch durchkämmten, um Firmen zu ermuntern, an die Börse zu gehen. Für die Banken ein Geschäft, das hohe Margen und wenig Risiko bedeutete, konnten sie doch hier den uralten Bankspruch wieder aufleben lassen, der so für das Kreditgeschäft längst nicht mehr galt: Eine Bank gibt dem Kunden einen Regenschirm – wenn es anfängt zu regnen, fordert sie ihn zurück. Sie ließen viele Börsengänger im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Dass sich der Neue Markt schnell von einem kritisch gesehenen Nischenmarkt zu einem Wundermarkt entwickeln konnte, der zudem enthusiastisch angenommen und zum wichtigsten Segment seiner Art in Europa wurde,108 lag letztlich an der Finanzukulisse aus Beratern und Kommunikatoren. Sie haben das Geschäft angekurbelt. Die Quantität stand im Vordergrund, die Qualität im Schatten. Eine Spekulationsblase109 entstand. Die Anleger. Bleiben wir noch kurz beim Neuen Markt. Natürlich sind es letztlich die Anleger, die aus einer kalkulierten Spekulation eine übertriebene machen und so einen Boom auslösen. Insbesondere diejenigen, die oftmals blind bei IPOs ihre Kauforders gaben, ohne sich überhaupt mit den Geschäftsmodellen auseinander gesetzt zu haben,110 angelockt durch Banken, befeuert durch die Medien. Der Anteil der Privatanleger wurde im Jahre 2000 auf 50 bis 80 Prozent geschätzt.111 Nun hat uns die Wirklichkeit eingeholt: „Deutschlands Aktionäre sind frustriert“, schrieb das Finanzmagazin Capital.112 Nicht wegen der Fehler und Täuschungen des Neuen Markts, nein, aus aktuellem Anlass. Erstmals hat nicht etwa das Deutsche Aktieninstitut, das das Ansehen der Aktie fördern soll, oder die Deutsche Börse AG, deren Existenz von der Reputation der Aktie abhängt, sondern ein DAX-Unternehmen, die Deutsche Post AG, eine repräsentative Studie vorgelegt: Über 800.000 Kleinaktionäre wurden befragt, wodurch ein Stimmungsbild entstanden ist, dass es so in Deutschland noch nie gegeben hat:113 Ö „Die da oben stopfen sich die Taschen voll“114 – gemeint sind Vorstände. Doch das kann nicht als Sozialneid interpretiert werden. Es ist mehr. Denn 108

[Deutsche Börse AG; 2001; S.16-19] Anm.: Von einer Spekulationsblase kann man sprechen, wenn es in einer eher längerfristigen Phase zu einer erheblichen Abweichung der Wertpapierkurse von den fundamental gerechtfertigten kommt. Der fundamentale Wert einer Aktie ergibt sich, wenn man die Summe aller auf diese Aktie entfallenen Dividenden und sonstigen geldwerten (zahlungswirksamen) Vorteile auf den aktuellen Kurs diskontiert. [Löwer, A.; 2002; S.4] 110 [Albrecht, S.; 2000; S. 100] 111 Vgl.: [Deutsche Börse AG; 2001; S.]/ [Löwer, A.; 2002; S.16] 112 [Wiskow, J.-H.; 2004; S.56] 109

113 114

[Wiskow, J.-H.; 2004; S.56] [Wiskow, J.-H.; 2004; S.56]

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die Aktionäre vermögen nicht einzusehen, dass sie für Fehler der Vorstände wie falsche Strategien, Fehleinschätzungen des Wettbewerbs, Verschlafen von Innovationstrends oder falsche Produkte büßen müssen. 52 Prozent der Aktionäre halten es gar für wahrscheinlich, dass sich die Unternehmensführer auf Kosten der Aktionäre bereichern. Ö Das Urteil über Banken fällt noch etwas schlechter aus: 56 Prozent der Privatanleger befürchten, von Banken übers Ohr gehauen zu werden.115 Hieran etwas ändern zu wollen – etwa durch Gesetze – wäre Polittechnokratie, die das Börsengeschehen eher noch lähmen würde. Gefordert sind die, die auf diesem wundervollen und spannenden Marktplatz des Geben und Nehmens beschäftigt sind: Die Deutsche Börse AG, die Banken, die übrigen Berater, die Kommunikatoren, insbesondere Analysten und Journalisten. Und es wird schwer sein, den eigenen Vorteil zu relativieren, um den Hauptakteuren auf diesem Marktplatz, den Nachfragern (das sind die Unternehmen, die an die Börse wollen bzw. dort sind) und den Anlegern (das sind die, die bereit sind, ohne Risiko in eine möglichst nachhaltige Beziehung zu kommen), Raum zu geben. Zu erreichen ist dies ad hoc nicht. So waren im März 2004 die beiden Halbleiter-Firmen Siltronic und X-FAB sowie wenig später der Autozubehörlieferant ATU von ihren Plänen zunächst abgerückt, den Kapitalmarkt anzuzapfen. Zumindest die ersten beiden Versuche waren vorschnell. Ein börsentaugliches Unternehmen, so der Union-Fonds-Manager Thomas Meier, sollte mindestens 50 Millionen Euro Umsatz machen, 50 Beschäftigte haben und seit mindestens zwei Jahren Gewinne abwerfen. Diese Kriterien waren nicht erfüllt.116 Es tauchen also immer wieder handwerkliche Fehler auf, die das Klima negativ beeinflussen. Ein wachsames Auge auf Details ist gefordert, denn allzu gern bitten Altaktionäre oder Konzernmütter ihren Hoffnungsträger noch einmal vor dem IPO zum internen Kassenterminal. So hatte Wincor-Nixdorf wenige Monate vor seinem Börsengang eine Sonderzahlung von rund 160 Mio. Euro an seine Eigentümer KKR und Goldman Sachs Capital Partners geleistet. In Deutschland müssen wir begreifen: Der Gang an die Börse ist kein Spaziergang. Das ist ein Kampf um Interessenausgleich, und zwar jeder gegen jeden. Und hier hat die Finanzwelt trotz des Debakels mit dem Neuen Markt und der Bankenkrise in den letzten Jahren noch nicht ausreichend dazugelernt. Dazu der Fonds-Manager Thomas Meier nochmals in einem FAZ-Interview: „Viele Emittenten wollen ihre Wertpapiere weit ausreizen und übertreiben es dabei. Hier gilt aber wie so oft im Leben: Man kann nur einmal einen ersten Eindruck machen. Wer gleich beim Börsendebüt den Preis überreizt, hat seinen Namen geschädigt – enttäuschte Anleger werden kaum ein zweites Mal zugreifen. 115 116

[Paul, S./Stein, S.; 2003] [Meier; T.; 2004]

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Ähnliches gilt auch für die emissionsbegleitenden Institute. Sicherlich werden die Banken auch von dem Emittenten unter Druck gesetzt. Wer aber solchen Begehrlichkeiten der Emittenten blind nachkommt, riskiert gleichfalls seinen guten Ruf. Vor einer ähnlichen Frage stehen die emissionsbegleitenden Banken bei der Zuteilung. Gebe ich die Emission in langfristig interessierte Hände oder bevorzuge ich handelsintensive Adressen?“117 Was ist also zu tun? „Grundsätzlich müssen alle Beteiligten für sich einmal mehr die Frage beantworten: Wollten wir nur den schnellen Euro oder bevorzugen wir eine nachhaltige Entwicklung? Wer den langfristigen Erfolg höher gewichtet, muss manchmal auch ‚nein‘ sagen.“118 Die Zahl der Neuemissionen an europäischen Börsen war in den ersten drei Monaten mit 56 nahezu viermal so hoch wie im Anfangsquartal 2003. Hier lernt man langsam, fair zu kämpfen und das gemeinsame Interesse vor das Einzelinteresse zu stellen.

Aktienkultur

EMITTENTEN

Gesetzgeber

Berater

Verhalten Banken

Börsen

Marktplatz

Journalisten

Analysten

ANLEGER

Abbildung 13: Die handelnden Personengruppen, die die Aktienkultur prägen

117 118

[Meier, T.; 2004] [Meier; T.; 2004]

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Auf jeden Fall lässt die deutliche Steigerung von Neuemissionen in Europa von 2003 auf 2004 einen Anfang eines gesunden Wachstums der europäischen Börsen erwarten – auch der deutschen. Um vor dieser internationalen Kulisse zu bestehen, brauchen wir mehr Professionalität ohne Sensationsjournalismus. Aktienkultur wird geprägt durch einen fairen Dialog zwischen Emittenten und Beratern. Gewinner muss immer der Anleger bleiben. Sonst machen wir etwas falsch. Es braucht Geduld, um davon zu überzeugen, dass die Aktienanlage langfristig effektiver ist als andere Anlageformen. Und dass Aktionäre Gewinne nicht auf Kosten anderer machen, sondern durch ihre Beteiligung an Wirtschaftsunternehmen, dass sie mit ihnen mitwachsen, ohne dadurch andere zu übervorteilen. Das Streben nach einer nachhaltigen Aktienkultur ist in Deutschland sogar institutionalisiert: So bemüht sich das Deutsche Aktieninstitut DAI als eingetragener Verein seit Jahrzehnten darum, die Aktie als Anlageform populär zu machen.119 Doch auch dem DAI fällt es schwer, das Interesse an der Aktie langfristig und antizyklisch wach zu rufen und wach zu halten. Je risikobereiter und optimistischer die Grundstimmung in der Bevölkerung ist, umso größer wird das Interesse an Aktien in der Gesamtbevölkerung. Mit der Zahl der Aktionäre steigt auch die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft. Der konjunkturelle Einbruch zu Beginn des Jahrtausends hat gezeigt, wie stark die Investitionsbereitschaft sinkt, wenn das Verbrauchervertrauen abnimmt. Um die wirtschaftliche Entwicklung ins Laufen zu bringen und am Laufen zu halten, sind die privaten Anleger also wichtiger denn je. In einem gesunden Börsenklima sollten etwa 50 Prozent einer Neuemission von ihnen gezeichnet werden. Eine Neuemission fast ausschließlich bei institutionellen Investoren platzieren zu wollen, ist äußerst riskant. Umgekehrt gilt das Gleiche. Denn ein zu hoher Prozentsatz von Privatanlegern, ein Problem besonders kleiner Firmen, macht die Aktie zu volatil. Ein für die deutsche Aktienkultur wichtiger Bestandteil ist auch der Corporate Governance Kodex, der von einer Regierungskommission im Februar 2002 verabschiedet und im Juni 2003 zum zweiten Mal überarbeitet worden ist, insbesondere hinsichtlich der Auskunfts- und Überprüfungspflichten von Vorständen und Aufsichtsräten. Danach müssen börsennotierte Gesellschaften jährlich erklären, dass sie dem Verhaltenskodex folgen. Abweichungen müssen sie offen legen. Der Kodex informiert über die verschiedenen Gesetze und Regelungen der deutschen Unternehmensverfassung, beispielsweise die Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, das Gesetz über die betriebliche Mitbestimmung und über eine Anzahl von Empfehlungen, die über das Aktiengesetz (u. a. § 78 und § 161) weit hinausgehen, was die Einrichtung zusätzlicher Kontrollmechanismen betrifft. 119

[Heeg, T./Scherff, D.; 2002; S.43]

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Überstrahlt wird alles derzeit durch die öffentliche Diskussion der Vorstandsgehälter. Sicherlich befeuert durch den „Gierskandal des Chefs der New York Stock Exchange“ im September 2003,120 durch Skandale in Holland, wo beispielsweise ein Jahr zuvor der Börsenkurs eines Treibstoffkonzerns um ein Viertel sank, das Management dafür umso mehr verdiente121 und schließlich durch Klagen über zu hohe Gehälter deutscher CEOs. Außerdem: Die Auseinandersetzung mit den nicht nur in Deutschland auftretenden Kontrollmängeln wurde durch die um die Jahrtausendwende herrschende Gläubigkeit an den Kapitalmarkt als leistungsfähiges Kontrollinstrument nicht gerade befördert.122 Jetzt sollen noch mehr Regelungen Ordnung und Vertrauen schaffen. Über diese deutschen Bemühungen schreibt mit dem Blick von draußen die Neue Zürcher Zeitung: „Detailversessenheit nationaler Gremien schränken den Spielraum der Konzernleitungen in der Gestaltung der Corporate Governance immer stärker ein. Mit der Umsetzung bürokratischer und gesetzlicher Vorgaben allein lässt sich aber bei den Aktionären und in der Öffentlichkeit kein Vertrauen schaffen.“123 Was Aktionäre wirklich wollen, sind weniger Regularien und Verordnungen. Sie wollen Taten und Vertrauen. Das ist aber durch neue Gesetze nicht zu gewährleisten, wenn man den Medien Glauben schenken will: Ö „Die mit der Macht spielen. Aufsichtsräte: Abnicker und Abkassierer“, schreibt das manager magazin124 Ö „Die Aufseher wissen meist nicht, was vorgeht“, sagt die Financial Times Deutschland125 wenig später und Ö „Ratlose Räte“ ist kurz und bündig das Urteil der Süddeutschen Zeitung.126 Im Frühjahr 2004 hat Emnid unter deutschen Privatanlegern im Auftrag des manager magazins ermittelt, dass nur durch Taten vertrauensbildende Maßnahmen geschaffen werden können. Danach lässt sich die Verbesserung der Unternehmenskontrolle durch eine grundsätzliche Reform des Aufsichtsratsgremiums herstellen.

120 121 122

[Zschäpitz, H.; 2003; S.17] [Bachmann, K.; 2003; S. 18]

[Roth, M. T.; 2003; S.11] [cei; 2004; S.26] 124 [Papendick, U./Student, D.; 2004; S.106] 123 125 126

[Ehren, H.; 2004; S.33] [Büschemann, K.-H.; 2004; S.4]

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Die Zahl der Mandate sollte auf drei beschränkt werden

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Die Aufsichtsräte sollten Fehler mit ihrem Vermögen haften

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Der CEO darf nicht zum Aufsichtsratschef seiner Firma bestellt werden

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Vertreter verschiedener Firmen sollten sich nicht gegenseitig kontrollieren Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat durch Arbeitnehmer gehört abgeschafft

53

11

Abbildung 14: Was die Aktionäre wollen. Vorschläge zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle. Zustimmung in Prozent.

Ein Aufsichtsrat mag in der Praxis schlecht besetzt und unfähig sein. Es ist aber trotzdem gut, dass es dieses Modell gibt. Dem Aufsichtsrat gegenüber müssen sich die Vorstände rechtfertigen. Ein Minimum an Kontrolle ist so möglich. Der Schutz vor Bilanzskandalen ist allerdings damit nicht gewährleistet. „Bilanzskandale sind Krisen des Systems der Unternehmensführung. Sie zeigen täglich, dass der Finanzmarkt allein nicht für Tugend sorgt. Transparenz tritt nicht ein, weil Gesetz und Öffentlichkeit Transparenz und Bilanzwahrheit wünschen. Sie kann weder von Wirtschaftsprüfern noch von ausgefeilten Bilanzierungsregeln à la GAAP gewährleistet werden. Bilanzwahrheit muss von Personen durchgesetzt werden, die ein Interesse an dieser Bilanzwahrheit haben.“127 Und damit sind die Kontrollgremien gefordert. Denn sie haben dafür Sorge zu tragen, dass im Vorstand Bilanzwahrheit gelebt wird. Und Bilanzwahrheit ist der Kern einer jeden transparenten Unternehmensführung. Das ist Ziel einer vorbildlichen Corporate Governance. Dass dies den Kursen gut tut, zeigen neueste Untersuchungen: Unternehmen, die den Regeln einer aktionsfreundlichen Organisationsstruktur auf vorbildliche Weise entsprechen, sind erfolgreicher an der Börse.128 Das wird durch zwei Studien unterstrichen: Eine des Corporate-GovernanceExperten Paul Gompers, Harvard University, und eine der Analysen des Governance Metrics Institute (GMI) in New York.129 Corporate Governance wird in 127 128 129

[Zeise, L.; 2004; S.24] [Hussla, G. A.; 2004; S.27] [Hussla, G. A.; 2004; S.27]

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diesen Untersuchungen vor allem über die Interessen der Aktionäre definiert, wonach eine gute Führung vorliegt, wenn sich das Management weitgehend nach ihnen richtet. Dazu gehören Ö ein unabhängiges Aufsichtsgremium Ö eine transparente Rechnungslegung Ö ein breiter Streubesitz Ö Offenlegung der Managementgehälter Ö kein Aufbau von Übernahmehürden (Poisen Pills). Paul Gompers fand heraus, dass Transparenz und Kontrolle Verschwendung und überteuerten Akquisitionen entgegenwirken können und die Renditen verbessern. Die jüngsten Untersuchungen von GMI haben ermittelt, dass die zehn Konzerne mit der transparentesten Rechnungslegung im Zeitraum von fünf Jahren eine Rendite von 10,2 Prozent erzielt haben. Der Schnitt der untersuchten USKonzerne lag bei 7,4 Prozent. Die Unternehmen mit der schwächsten Rechnungslegung schafften nur 1,2 Prozent. Auch für deutsche Standardwerte hat der Spezialist für Unternehmensfinanzierung der Universität Basel, Wolfgang Drobetz, den Zusammenhang bestätigt. Ohne einzelne Kandidaten zu nennen, meint er: „Größere, weltweit vertretene Konzerne haben in der Regel eine bessere Corporate Governance, weil sie sonst auf den internationalen Kapitalmärkten nicht bestehen können.“130 Natürlich warnen die Experten davor, sich nun allein aus Anlegersicht auf diese Kriterien zu konzentrieren. Paul Gompers hierzu: „Es lohnt sich jedoch, wachsam bei jeder Änderung der Corporate Governance Richtlinien zu sein, ganz gleich, ob sie von innen kommen oder gesetzlich erzwungen werden.“131 Der Kodex ist da, doch fehlen bei uns Taten: Mehr Unabhängigkeit der Aufsichtsräte, Offenlegung der Vorstandsgehälter bei vielen DAX-Unternehmen, komplette Information von Hauptversammlungen im Internet. Hinzu kommt, wie die Universität für Wirtschaft und Politik in Hamburg ermittelte, dass in angelsächsischen Ländern auch die Aktionärsstruktur zu den wichtigen Kriterien einer soliden Aktiengesellschaft zählt. Ein breiter Streubesitz und die Möglichkeit, dass ein Konzern ohne größere Hürden übernommen werden könnte, sollen garantieren, dass das Management streng erfolgsorientiert agiert.132 Der Corporate Governance Kodex ist damit ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung der Aktienkultur in Deutschland. 130

Wolfgang Drobetz, Spezialist für Unternehmensfinanzierung, Universität Basel in: [Hussla, G. A.; 2004; S.27] 131 Paul Gompers, Corporate-Governance-Experte, Harvard University in: [Hussla, G. A.; 2004; S.27] 132 [Hussla, G. A.; 2004; S.27]

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Deutschland ist ein eher konservatives Land. Die Deutschen scheuen, wie gesagt, das Risiko. Das zeigen Ergebnisse nationaler und internationaler Forschungen, das gilt auch für die Aktie. Hier ist Deutschland im Vergleich zu den USA, Großbritannien, Schweden und auch Frankreich ein rückständiges Land. Aktienengagement bedeutet Mut, Vertrauen, Aufmerksamkeit und – Profit, auch und gerade bei Neuemissionen. Das sind exakt die Tugenden, die eine Gesellschaft braucht, um ihre Zukunft zu sichern. Risiko? Ja! Das Leben ist Risiko. Mit unseren Ausführungen möchten wir einen Beitrag zur Aktienkultur leisten: Ö Menschen für die Aktie zu gewinnen, die sie brauchen • zur Schaffung einer persönlichen Vorsorge • zur Bildung größerer Eigenständigkeit bei Entscheidungen Ö Menschen mehr an wirtschaftlichen Prozessen teilnehmen und teilhaben lassen • ein natürliches Verhältnis zum Kapitalismus zu entwickeln • das Risikobewusstsein zu schärfen, weil es keine absolute Sicherheit im Leben gibt Ö Aufzeigen, wo und wie das Risiko eingeschränkt werden kann Ö Das Hintergrundwissen bereitstellen, um mit den Marktpartnern fachgerecht kommunizieren zu können (z. B. Internetchats, Primär- bzw. Sekundärmarktkontakte, usw.) Fazit: Der erste Schritt zur Aktienkultur ist ein breites Bewusstsein in der Bevölkerung um die Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt bietet. Daran fehlt es noch in Deutschland, auch wegen der allgemein geringen Risikobereitschaft vieler Bürger, die sich durch den Börsencrash am Neuen Markt zudem leider noch bestätigt sehen. Aktienkultur kann sich unter diesen Vorzeichen nicht aus sich heraus entwickeln. Sie muss positiv hergestellt werden, und hier sind zuerst die Unternehmen gefordert, die selbst an die Börse wollen. Anleger sind nur bereit, mit ihnen durch dick und dünn zu gehen, wenn sie eine Verbundenheit bis hin zur Freundschaft aufbauen und aufrechterhalten können. Dialog und Transparenz müssen deshalb immer im Vordergrund stehen; sie sind der Schlüssel zum Vertrauen. Künftig wird die Zahl der Neuemissionen wieder steigen. Erfolgreich kann das nur werden, wenn Menschen Aktien kaufen, die vorher noch keine Aktionäre waren. Der Handel auf dem Parkett ist keine Klausurtagung von Finanzprofis und muss dringend von diesem Image befreit werden. Verantwortlich sind auch hier Emittenten und Emissionshäuser selbst, schon aus eigenem Interesse. Der Wettbewerb um Kapital darf kein Verdrängungswettbewerb mehr sein, er muss zu einem echten Motivationswettbewerb werden.

2

Börsengang, die Vorgeschichte „ERZÄHLE MIR DIE VERGANGENHEIT, UND ICH WERDE DIE ZUKUNFT ERKENNEN.“ Konfuzius, chinesischer Philosoph

Mit dem Gang an die Börse macht sich das Unternehmen sozusagen öffentlich. Es stellt sich und damit verstärkt dem Publikum aktiv dar. Dazu gehören nicht nur aktuelle und potenzielle Besitzer von Aktien, auch Personenkreise im fachlichen und geografischen Umfeld des Unternehmens, die Medien und zwar nicht nur die Wirtschafts- und Finanztitel. Außerdem Interessenten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Schritt ins Rampenlicht bedeutet für das Unternehmen, dass auch die Vorgeschichte, also auch Maßnahmen im Vorfeld des Börsenganges für die Öffentlichkeit, insbesondere natürlich für die potenziellen Anleger, interessant wird.

2.1 Das Unternehmen kennen lernen 2.1.1 Schon der Name kann entscheidend sein „BIS VORIGE W OCHE DACHTE ICH NOCH, YAHOO SEI EIN SCHOKO-GETRÄNK.“ Peter Lynch, Vice Chairman Fidelity Investments

Das erste, was die Anleger von einem Emittenten wahrnehmen ist der Name. Damit geht die Firma nicht nur an die Börse; damit muss sie sich in der Finanzwelt ein „Börsenleben“ lang unverwechselbar positionieren. In der Regel wird man bestrebt sein, den Ursprungsnamen zu erhalten, denn dieser ist für Kunden und Geschäftspartner bereits vertraut, idealerweise sogar bereits mit einer Reihe positiver Imagefaktoren verknüpft. Bevor jedoch, wie es allzu oft kritiklos geschieht, der Firmenname einfach durch das Anhängsel „AG“ ergänzt wird, sollten einige Dinge geprüft worden sein: Ö Kein zu langer Name, damit er auch im Kursinformationslaufband, z. B. bei n-tv, in voller Länge erscheinen kann. Bei allem Traditionsbewusstsein muss bedacht werden, dass eine Bezeichnung wie „Maschinenbau Lehmann, Wiedenbrück und Söhne AG“ wohl kaum jemals in voller Länge wiedergegeben würde. Ö Verwechslungsgefahr: Gibt es bereits ein börsennotiertes Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Namen, von dem man sich zur Vermeidung von Verwechslungsgefahren abheben sollte? Wie beispielsweise Artnet, Hamburg, Anbieter von EDV-Storage-Systemen für den Mittelstand, die, als sie IPO-Überlegungen anstellten, am Neuen Markt bereits den virtuellen

BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

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Kunsthändler artnet.com vorfanden, der zu dem Zeitpunkt auch noch eine schlechte Performance aufwies. Den Hamburgern blieb aus kommunikativen Gründen nichts anderes übrig, als ihren Namen in ArtStor AG zu ändern. Das war offenbar kein gutes Omen: Der Kurs von ArtStor fiel mittlerweile bis in den einstelligen Cent-Bereich. Ö Der Tätigkeitsbereich der Aktiengesellschaft sollte möglichst durch den Namen deutlich werden. Das gilt für Microsoft und Telekom genauso wie für EM.TV und, wie gesagt, für ArtStor. Das galt nicht für DaimlerChrysler, Siemens, Krupp oder Mannesmann, weil hier die Persönlichkeiten als Industriepioniere im Vordergrund standen. Eine bunte Ausnahme ist zweifellos Beate Uhse, wo der Name aufgrund des sehr hohen Bekanntheitsgrades die „Message“ ist. Die meisten Newcomer sind jedoch in der Bevölkerung noch so unbekannt, dass ihr Name anlässlich der Emission erstmals ins Bewusstsein der Anleger dringt. Viel zu viele von ihnen verschenken die Möglichkeit, mit der Namensgebung auch ihr Tätigkeitsgebiet zu nennen. Der Investor ist, gerade im späteren Sekundärhandel, viel eher bereit, einer Aktie Aufmerksamkeit und Investitionsbereitschaft zuzuwenden, die schon vom Namen her branchenmäßig einzuordnen ist. Positivbeispiel:

Fresenius Medical Care (sagt alles)

Negativbeispiel:

Singulus

(sagt nichts)

Ö Wenn möglich, sollte der Name der AG sich mit dem Namen decken, mit dem die AG ihren Kunden gegenüber am Markt auftritt. Kunden, die erstmals nach einer Ware oder Dienstleistung suchen, wenden sich bevorzugt Anbietern zu, deren Namen das Kürzel „AG“ angehängt ist. Denn Aktiengesellschaften genießen ein besseres Kommunikationsklima als beispielsweise Einzelfirmen. Hinzu kommt aber auch das kommerzielle Argument. Firmen, die über die Schiene der Finanzkommunikation bekannt werden, bzw. immer wieder einmal positiv erwähnt werden, können Neukunden leichter gewinnen und Stammkunden besser binden. Eine börsennotierte Aktiengesellschaft wird unterbewusst mit einer gewissen Mindestgröße, Solidität und Beständigkeit assoziiert. So kann die Börsennotiz den Bekanntheitsgrad steigern helfen und indirekt dem Umsatz auf die Sprünge helfen. Praxis-Beispiel: Genau hinsehen: Nicht immer verbirgt sich hinter einem Namen das, was er auf den ersten Blick zu vermitteln scheint. Was würden Sie sich zum Beispiel unter „Biodata“ vorstellen? Wer Gentechnik oder Biotechnologie vermutet, liegt falsch. Die ehemals als Aktiengesellschaft am Neuen Markt notierte Firma, die inzwischen wieder in

DAS UNTERNEHMEN KENNEN LERNEN

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eine GmbH zurückverwandelt wurde,133 befasst sich mit Netzwerk- und Kommunikationstechnologie, insbesondere mit der Sicherheit der Übertragungswege. Ob Fantastic, Highlight oder Mosaik – als Randerscheinung der Namensgebung kann sich ein „Poesie Effekt“ ergeben: In einem Internet-Chat stand einmal, „Die Aktie Poet werde ich nie verkaufen, der Name ist zu schön.“ Auch das wird kein Einzelfall bleiben, zumal immer auch eine Portion Phantasie bei der Einschätzung der Zukunftsaussichten von neu emittierten Aktien dabei ist. Ob nun im Wege eines Franchisings oder bei Public Domain Recherchen, jedenfalls mögen Einstein-, Picasso-, Goethe-, Claudia Schiffer-, Bismarck-, vielleicht auch Karl Marx-Aktien eine Wertschätzung in speziellen Kreisen genießen, die unter Umständen einen festen Bodensatz bilden, der solche Papiere konjunkturunempfindlicher machen könnte als andere. Fazit: Grundsätzlich sollte die Zeichnungsbereitschaft nicht vom Namen einer AG abhängen. Ein bekannter Name ist jedoch im späteren Sekundärhandel von Vorteil: Je mehr Anleger das Unternehmen branchenmäßig einordnen können oder es sogar kennen, desto größer wird das Interesse an diesem Wert und folglich dessen Marktliquidität sein. Bei aller Poesie kann aber auch der beste Name nicht davor schützen, bei den Anlegern in Ungnade zu fallen, wenn die Zahlen nicht überzeugen. Die Aktie von artnet.com ist dafür ein gutes Beispiel. Gerade Unternehmen, die in virtuellen Welten agieren, geben sich Namen, die die Phantasie anregen sollen. Die Bereitschaft des Anlegers zu träumen, kann im Einzelfall durchaus missbraucht werden. Deshalb immer prüfen, auf welchem Gebiet die Kernkompetenz des Newcomers liegt und was seine tatsächlichen Tätigkeitsschwerpunkte sind. Trendige Silben wie ‚media’, ‚tech’, ‚bio’, ‚gen’, ‚inter’, ‚com’ oder ‚tele’ kann nämlich jeder benutzen. Das kann Anleger leicht auf die falsche Fährte locken.

133

Anm.: Zur Erklärung heißt es auf der Unternehmenswebsite: „Als Vorbereitung auf den Börsengang erfolgt im Jahr 1999 die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit den Namen Biodata Information Technology AG. Im Februar 2000 feiert die Biodata Information Technology AG einen der erfolgreichsten Börsengänge am Neuen Markt in Deutschland. Aufgrund einer Reihe unglücklicher Faktoren meldete Biodata im Herbst 2001 Insolvenz an. Im Februar 2002 entsteht als Betriebsübergang aus der AG die neue Biodata Systems GmbH mit der Konzentration auf die Kernkompetenzen Netzwerksicherheit und Telekommunikationsverschlüsselung. Biodata ist dadurch wieder ein starker Markenname und bedeutender Partner im Bereich der IT-Sicherheit geworden.“ [Biodata; 2004] Doch auch in dieser neuen Konstellation geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten. Im Oktober 2004 eröffnete das Amtsgericht Marburg das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Biodata Systems GmbH.

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

2.1.2 Auf dem Weg zur Börsenreife „W ER W EIN VERLANGT, DER KELTRE REIFE TRAUBEN. WER W UNDER HOFFT, DER STÄRKE SEINEN GLAUBEN.“ Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter

Natürlich muss die Börsenbraut herausgeputzt werden. Denn für ein hohes Anlegerinteresse an einem IPO ist ausschlaggebend, dass das Unternehmen die potenziellen Anleger im Vorfeld davon überzeugen kann, dass alle ihre Erwartungen erfüllt werden. Ziel ist es, die Braut reif für die Hochzeit mit dem Bräutigam, dem Investor, zu machen. Unter Börsenreife werden die Fähigkeit und die Bereitschaft des Unternehmens verstanden, alle gesetzlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Anforderungen, die mit dem Börsengang verbunden sind, zu erfüllen.134 Obligatorisch sind lediglich die gesetzlichen Anforderungen, die sich aus den geltenden Gesetzen, wie dem Aktiengesetz, dem Börsengesetz, dem Verkaufsprospektgesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz, sowie den Regularien der jeweiligen Börsen, wie Wertpapierhandelsrichtlinien, Börsenzulassungsverordnung, Börsenordnungen usw. ergeben. Für die wirtschaftliche Börsenreife gibt es keine Vorgaben. Allgemein formuliert heißt es lediglich, dass das an die Börse strebende Unternehmen in der Lage sein muss, potenzielle Investoren zu interessieren und von ihnen anerkannt zu werden.135 Bis Mitte der 90er Jahre gab es hier Erfahrungswerte, die sich aus der Praxis gebildet hatten; Richtwerte, die sich auf die Lebensdauer des Unternehmens, Umsatz und Gewinn bezogen.136 Doch Börsenreife heißt auch, Verantwortung, Pflichten und Kosten zu übernehmen: Aktionäre wollen betreut und informiert sein. Dafür ist ein aktuelles Berichtswesen und eine dialogbereite und kompetente Investor-Relations Abteilung erforderlich. Pflichtpublizitäten müssen pünktlich erstellt werden. Und nicht nur der Börsengang selbst, auch die fortdauernde Notiz der Gesellschaft an der Börse verursacht permanente Folgekosten. Schon beim kleinsten Börsengang sollte ein Unternehmen pro Jahr ca. 1 bis 1,5 Mio. Euro einkalkulieren, um alle Erfordernisse zu erfüllen und sich selbst börsengerecht pflegen zu können. Insgesamt ist der Begriff der Börsenreife nicht klar definiert. Galt vor 1997 noch, dass das Unternehmen ein bestimmtes Alter haben musste, ein gesundes Umsatzwachstum und eine vernünftige Rendite tunlichst nachweisen sollte, so zeichnete sich nach 1997 das Handelssegment Neuer Markt dadurch aus, dass bereits kurz nach der Unternehmensgründung, sogar mit Minusrenditen, 134 135 136

[Blättchen, W./Jacquillat, B.; 1999; S. 82] [Althaus, J.; 2001; S.19] [Löhr; A.; 2000; S.14 und S. 45]

WER FINANZIERT DAS UNTERNEHMEN VOR DEM BÖRSENGANG?

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das Börsenparkett betreten werden durfte. Hauptsache die Zukunft wurde bunt ausgemalt und viel versprechend dargestellt. Um den beobachteten Fehlentwicklungen wirksam zu begegnen, hat die Deutsche Börse mit Schließung des Neuen Marktes auch die Going Public-Grundsätze reformiert und überarbeitet. Sie sind in ihrer neuen Fassung vom 1. August 2004 im Anhang dieses Buches wiedergegeben.

2.2 Wer finanziert das Unternehmen vor dem Börsengang? „W ENN DIE BRAUT MEHR ALS EINE MILLION IN DIE EHE EINBRINGT, GLAUBT AN EINE LIEBESHEIRAT KEIN SCHWEIN MEHR.“ Werner Mitsch, deutscher Aphoristiker

Eigentlich ist es paradox: Das Kapital, das sich ein Unternehmen vor allem als Start-Up mit dem Börsengang an der Börse holen will, braucht es schon vor dem Börsengang. Nüchtern betrachtet ist der Börsengang in den meisten Fällen also eine Umschuldung. Die Hauptfrage steht daher an: Wer finanziert das Börsenbaby bis zur Börsenreife? Natürlich die Mutter. Aber, wenn keine Mutter da ist? Dann muss eine Ersatzmutter gefunden werden. Die IPO-Struktur zeigte in den Jahren 1998 bis 2001 weltweit unnatürliche Verformungen durch die überaus hohe Zahl von Technologie Start-Ups, die von den Börsen quasi aufgesogen wurden. Weltweit wurde dieser Emissionsrausch von zeichnungswilligen Investoren getragen. Man sollte annehmen, dass die Platzierung von Tochtergesellschaften an der Börse eine sichere Sache sei. Vor allen Dingen, wenn es sich bei der Konzernmutter um ein in jeder Weise renommiertes Unternehmen handelt. Das ist aber beispielsweise bei Infineon, einer ehemaligen Tochter von Siemens, nicht so gewesen. Die Gesellschaft wurde im März 2000 an die Börse gebracht und zeigte per Juni 2004 eine Performance von ca. minus 70 Prozent. Denn auch eine renommierte Herkunft kann einen Technologietitel nicht davor bewahren, von einer allgemeinen Abwärtsbewegung mitgerissen zu werden. Eine starke Muttergesellschaft mag, insbesondere wenn sie weiterhin die Aktienmehrheit behält, bis zu einem gewissen Grade auch ihre Töchter vor allzu großen Kursstürzen bewahren. Zum überwiegenden Teil müssen die Börsenbabys allerdings selbst für ihre Performance sorgen. Das ist einfach für jene, die eine jahrzehntelange Tradition als gut geführte mittelständische Unternehmen haben und nun, vielleicht aufgrund von Generationswechsel und Globalisierungsnotwendigkeiten, den Gang an die Börse vollziehen. Davon soll es allein in Deutschland 4000 bis 5000 Firmen geben. Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit haben sie seit langem bewiesen, die Schwierigkeit ist nur, dass

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

sich diese Firmen traditionell schwer tun, sich der Öffentlichkeit transparent zu machen. Doch die wirklichen Börsenbabys sind die Start-Ups, denen geholfen werden muss. Sie brauchen nicht nur eine Ersatzmutter, die die Finanzen sicherstellt, sondern eine ganze Ersatzfamilie, die das Kommunizieren, das Benehmen, das Ideen finden und das Netzwerke knüpfen übernimmt. Kurz, alles das, was zum Erfolg nötig ist, wofür man aber in einer Phase des konzentrierten Forschens und Entwickelns nicht die notwendige Zeit und Kapazität hat.

2.3 Venture Finanzierung – Wer nicht wagt, kann nichts gewinnen „DAS GRÖßTE RISIKO AUF ERDEN LAUFEN DIE MENSCHEN, DIE NIE DAS KLEINSTE RISIKO EINGEHEN WOLLEN.“ Bertrand Russell, britischer Philosoph u. Mathematiker

Viele Innovatoren und Gründer haben erleben müssen, dass Banken für ihre Unternehmensgründung auf Basis einer ausgereiften Idee allein noch keinen Kredit einräumen. Zuerst wird nach Sicherheiten gefragt, die gerade junge Tüftler noch kaum zu bieten haben. Technologie, Medien und Telekommunikation bestimmten das hektische StartUp-Geschehen um die Jahrtausendwende. Venture Capital Gesellschaften hatten sich auf diese Geschwindigkeit schnell eingestellt. begrüßten es sogar, ihr Geld in einem Bereich investieren zu können, der keine Bummelei duldete. Je häufiger das Kapital zum Aufbau neuer Unternehmen investiert werden konnte, umso höher die erhoffte Rendite. Denn Ziel einer Venture Capital Finanzierung ist ein schneller und profitabler Exit, der Ausstieg also, der sich im Idealfall mit einem Börsengang verbindet. Bei Venture Capital Gesellschaften (VCG) handelt es sich um eine Spezialform von Beteiligungsgesellschaften (Private Equity Gesellschaften). Während Beteiligungsgesellschaften vor allem an Gewinnausschüttungen der Unternehmen, an denen sie sich beteiligt haben, partizipieren wollen, den Börsengang als eher mittel- bis langfristiges Ziel einplanen, steht dieser bei Venture Capital Gesellschaften im Vordergrund. VCGs treten dann auf den Plan, wenn sich sonst kein Kreditgeber findet, weil das Risiko zu hoch ist. Ihre Zielgruppe sind folglich vor allem junge, innovative Unternehmen, die ein großes Wachstumspotenzial versprechen und daher für den Start relativ viel Kapital benötigen. Dieses Engagement ist für den Geldgeber mit hohem Risiko verbunden. Auch in Boomphasen war von 10 VC-Engagements im Durchschnitt nur einem

VENTURE FINANZIERUNG – W ER NICHT WAGT, KANN NICHTS GEWINNEN

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bis zweien ein größerer Erfolg beschieden.137 Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Höhe der Kapitalverzinsung und entsprechend intensiv – wie bei der Mafia – ist der Beistand der „Familie“, denn Management- und Aufsichtsfunktion werden durch die VCG oftmals gleich mitgeliefert. Der Tüftler hat sich auf das zu beschränken, was er kann, nämlich die Innovation realisierbar zu machen, über deren Fortgang er zudem ständig und detailliert zu berichten hat. Insgesamt also eine Finanzierungsform, die auch mit Nachteilen und Unwägbarkeiten für den Jungunternehmer verbunden ist. Besonders kritisch wird es, wenn das Unternehmen bis zum Börsengang intensive Aufsicht und intensives Coaching erfährt, jedoch nach dem Börsengang, den der VCGeber zum Exit nutzt, ohne ausreichende Vorsorge völlig allein gelassen wird. Deshalb installieren VCGs bereits vor dem Börsengang eingespielte Management-Teams, die im Unternehmen anschließend tätig bleiben. In der Blütezeit der New Economy gab es in Deutschland über einhundert derartige Gesellschaften, alle beständig auf der Suche nach neuen Ideen und Investitionsmöglichkeiten. Zusammen verfügten sie über ein geschätztes Kapitalvolumen von 13 Milliarden Euro.138 Die Konkurrenz untereinander war entsprechend groß. Jeder wollte den Bill Gates der Zukunft entdecken und in ihn investieren; möglichst noch in der sprichwörtlichen Garage. Bei rund einem Drittel der Emissionen am Neuen Markt handelte es sich um Venture Capital finanzierte Unternehmen.139 Dem Zeitgeist folgend, veranstalteten Zeitungen und Zeitschriften Aktionen, die Jungunternehmern in spe Mut machen und die nötigen Kontakte vermitteln sollten. Beispiele sind der Gründerwettbewerb des Stern oder die Venture Factory der Financial Times Deutschland in Kooperation mit namhaften Unternehmensberatungen. Um Gründern und Finanziers das Kennen lernen und Beschnuppern zu erleichtern, gab es außerdem eine Vielzahl von GründerMessen, -Tagungen und Ideenbörsen. Das bekannteste regelmäßige Forum dieser Art war der First Tuesday. Wie schon der Name sagt, trafen sich jeden ersten Dienstag im Monat gründungswillige Ideengeber mit zahlungswilligen Kapitalgebern. Start-Up-Kandidaten trugen einen grünen Punkt an der Kleidung. Am roten Punkt erkannte man die Venture Capitalisten. Nachdem die Start-Up-Euphorie der Jahrtausendwende abgeklungen ist, interessieren sich die Private-Equity-Gesellschaften allerdings nicht mehr nur für blutjunge Gründungen, sondern suchen vor allem nach interessanten Akquisitionen im Mittelstand. Hier können die Beteiligungsgesellschaften durch verbesserten Einkauf, IT-Lösungen, Managementhilfen oder spezielle Finanzie-

137 138 139

[Kramer, K.-H.; 1999; S. 109] [Jung, A.; 2000; S.34] [Stallmann, M.; 1999; S. B14]

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

rungen oft in kurzer Zeit einen Wertzuwachs generieren.140 Nach rund fünf Jahren lassen sich derart optimierte Unternehmen profitabel weiterveräußern.141 „Am liebsten ist ihnen für diesen so genannten Exit der Gang an die Börse.“142 Viele Mittelständler scheuen jedoch davor zurück, eine solche Partnerschaft einzugehen, da die Angst verbreitet ist, solche Firmen seien lediglich daran interessiert, bestehende Strukturen zu zerschlagen, um die Filetstücke einzeln zu verkaufen.143 Etablierte Mittelständler haben die Wahl, doch Gründern bleibt oft kein anderer Weg, als die Zusammenarbeit mit einem Finanzier. Denn gerade für kreative Jungunternehmer ist es wichtig, ihre Idee möglichst rasch mit einem Firmenmantel zu umkleiden und mit dem notwendigen Kapital auszustatten. Nur so lässt sich am Markt der entscheidende Vorsprung erzielen und halten, den eine Innovation braucht, um nicht von Epigonen bzw. Imitatoren überholt zu werden. Als zur Jahrtausendwende der Start-Up-Hype abflaute, zogen sich auch Venture Finanziers mehr zurück. Dadurch ist es deutlich schwerer geworden, Kapital für Innovationen zu erhalten. Manche Gründer verließen sich deshalb nicht auf Venture Capital, sondern starteten erst einmal auf eigene Faust: Wie erfolgreich manche dabei waren, zeigt eine Initiative mit der Schlagzeile: „Zwei junge Ingenieure auf der Überholspur: Gründerpreis für einen Sportwagen“ ... „Wir hatten weder einen Businessplan, noch Venture Capital. Die erste Kleinserie haben wir konventionell über die Bank finanziert“, so Herbert Funke, CoGründer der 2001 aus der Taufe gehobenen Funke & Will AG, die 2004 den Deutschen Gründerpreis der Kategorie „Aufsteiger“ erhielt. Das Konzept: 80 Prozent der YES!-Modelle (so heißen die Sportwagen) bestehen aus Großserienkomponenten der etablierten Automobilindustrie. Und ohne Anzahlung wird mit keinem der rund 75.000 Euro teuren Sportwagen begonnen. Die Auftragsbücher sind für die nächsten drei Jahre gefüllt. Die Szene der Venture Finanzierung ist nicht verschwunden, doch sie hat sich, verglichen mit den Boomjahren der New Economy, deutlich verkleinert und ist „mittlerweile in eine Phase der Stabilisierung übergegangen.“144 Die Zahl der Investoren hat sich merklich gelichtet. Eine gesunde Entwicklung, denn gerade diejenigen, die nur auf hektische Schnellschüsse gesetzt haben, sind vom Markt. Substanziell orientierte Investoren hingegen, die nicht nur am schnellen Exit interessiert sind, sondern die Betreuung der von ihnen Finanzierten wie eine Patenschaft verstehen und leben, die gibt es nach wie vor. „In dieser

140

[Mörsch, J.; 2003; S.236] [Externbrink, H.; 2004; S.14] 142 [Externbrink, H.; 2004; S.14] 141 143 144

Vgl.: [Externbrink, H.; 2004; S.14] [Brand, C.; 2002; S.B04]

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Gruppe vermuten die Experten 200 neue Börsenkandidaten – für bessere Kapitalmarktzeiten.“145 Gründer haben jedoch nur dann eine Chance auf einen Kapitalgeber, wenn sie einen überzeugenden Businessplan vorlegen können, aus dem nicht nur die realistische Umsetzbarkeit der Idee, sondern auch gewinnbringende Vermarktung klar hervorgehen muss. So ist schon manch gute Vision daran gescheitert, dass die Erfinder sich nicht optimal zu verkaufen wussten. Manche mögen aus Angst vor Ideenklau niemanden einweihen. Diese Angst ist es auch, die viele Gründer bewusst mit nur einem möglichen Finanzier verhandeln lässt. Dadurch werden viele Chancen verschenkt, wie das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung feststellte.146 Quintessenz: Gegenüber den Boomjahren hat sich die Private Equity Szene konsolidiert und setzt nicht mehr ausschließlich auf Gründer, sondern sucht einen gesunden Mix aus Akquisitionen in gewachsene Mittelständler mit Optimierungspotenzial und Wagnisfinanzierungen im Innovationsbereich. Die verschärfte Auslese führt dazu, dass nur noch Gründer eine Chance haben, Kapitalgeber zu finden, die ihre Vision professionell rüberbringen können. 2.3.1 Business-Angels – Engel auf Erden „ES IST GANZ EINFACH. W ENN WIR ES WOLLEN, DANN GIBT ES ENGEL. UND WENN DIE ES WOLLEN, DANN HABEN SIE AUCH FLÜGEL.“ Wolfgang J. Reus, deutscher Journalist, Satiriker, Aphoristiker und Lyriker

Die Business-Angels sind nicht etwa die „Paten“, die die Familie dem Jungunternehmer beistellt. In Wirklichkeit handelt es sich um gestandene Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft, kapitalkräftige Privatiers und Ruheständler, die Erfahrungen eines erfolgreichen Berufslebens weitergeben möchten; Unternehmer, die neben ihrer Hauptaufgabe noch genug Zeit finden, um junge Gründer, vorwiegend mit Privatkapital, zu finanzieren und zu coachen. Schätzungen zufolge erhielten rund siebzig Prozent der Internet-Gründer in der Boomphase der New Economy Startgeld und/oder betreuende Begleitung von privaten Finanziers. Coachen, Erfahrungen weitergeben, das steht für die meisten Angels im Vordergrund. Oft sind es die Erfahrungen eines ganzen Berufslebens. Denn manch einer startet sein Engagement im Rentenalter. „Junge Unternehmen zu 145 146

[Ehren, H.; 2002; S.33] [Jung, A.; 2000; S.34]

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betreuen ist mein Hobby“, sagt zum Beispiel Herbert Sternberg, ehemaliger Vorstand der Allgemeinen Deutschen Direktbank AG.147 Spaß an der Tätigkeit ist mit Abstand die wichtigste Motivation fand Focus Money bei einer Umfrage unter 48 Business-Angels 2002 heraus.148 Manche Business-Angels engagieren sich auch finanziell. „Das Prinzip: Business Angels bieten Rundum-Unterstützung und nicht nur voll haftendes Eigenkapital. Als meist erfahrene Manager, sind sie zugleich Förderer und Ratgeber.“149 Zur Jahrtausendwende schätzte das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) das potentielle Beteiligungskapital, das rund 27.000 deutsche Business-Angels Start-Ups zur Verfügung stellen konnten, auf mehr als 10 Milliarden Euro.150 Diese Summe überstieg das gemeinsame Kapitalvolumen des institutionellen Beteiligungsmarktes bereits bei weitem. Einzelne Angels waren so kapitalkräftig, dass sie mit Venture-Capital Gesellschaften konkurrieren konnten. Auch in diesem Bereich hat eine starke Auslese stattgefunden. Zahlreiche Business-Angels haben mit dem Börsencrash im Technologiesektor erhebliche Investitionen eingebüßt und haben sich aus der Szene ganz oder teilweise zurückgezogen. Manche der so geförderten Start-Ups haben ganz aufgeben müssen, andere binden die Anfangsinvestitionen weit länger als geplant, da die Rentabilitätsschwelle viel später erreicht wird, als ursprünglich vermutet wurde. Doch es gibt sie noch, die mutigen Helfer, wenngleich sich auch diese Reihen erheblich gelichtet haben. Business-Angels investieren ohne Due Diligence Prüfung mit langfristigem Zeithorizont und oft mit einer erheblichen Portion Idealismus. Renditegesichtspunkte sind sekundär gegenüber dem Bemühen, aussichtsreichen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Obwohl Angels sich nach Möglichkeit nicht ins operative Geschäft einmischen, stellen sie – vor allem im Finanzbereich – ihr Know-how und den Einsatz bestehender Kontakte zur Verfügung. Viele tauschen sich untereinander aus und knüpfen so für ihre „Adoptivkinder“ wertvolle Kontakte.151 Fazit: Aus Anlegersicht ist die frühzeitige Verbindung eines Emittenten zu BusinessAngels zu begrüßen. Denn Unternehmen, die von einem solchen Partner bis zur Börsenreife begleitet worden sind, haben nicht nur Startgeld, sondern auch eine gute Betreuung erhalten. Gegenüber VCGs, die primär auf einen baldi-

147

Sternberg, Herbert; zitiert bei: [Linneweber; S.; 2003; S.8] [Mertgen, F; 2002; S.90] 149 [Brockmann, M./Externbrink, H.; 2002; S.60] 148 150 151

[Reepesgard, L./Müller, M.; 2000; S.35] [Sacchetti, S.; 2002; S.129]

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gen, rentablen Exit fokussiert sind, orientieren sich Angels eher an der langfristigen erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens. 2.3.2 Smart Money –Woher kommt das schlaue Geld? „ES IST DIE INNOVATIONSKRAFT, DIE ZÄHLT, NICHT DIE SCHIERE MASSE.“ Bill Gates, amerikanischer Software-Unternehmer

In die Verwirklichung einer noch jungen Idee früh zu investieren gehört zu den riskantesten Investments überhaupt. Enormen Chancen stehen entsprechende Risiken gegenüber. Um diese zu begrenzen, müssen Kapitalgeber und -nehmer so gut wie möglich zueinander passen. Mit der reinen Geldübergabe ist es dabei nicht getan. Besonders junge Unternehmen brauchen meist die Unterstützung eines „großen Bruders“. Jemand, dessen globales Netzwerk Türen öffnen hilft, Forschungen und Entwicklungen beschleunigt, Zukunftsmärkte vorbereitet. Neben dem Private Equity Kapital, investieren auch Unternehmen Corporate Equity Kapital in strategische Beteiligungen. Kaum ein Konzern verzichtet heute darauf, den Markt nach aussichtsreichen Ideen zu durchforsten, um sich frühzeitig daran zu beteiligen. General Motors, General Electric, IBM, Microsoft und Intel sind nur die bekanntesten Namen; populär ist auch das unter dem griffigen Namen bekannt gewordene „Garagenprogramm“ von Hewlett Packard. Viele Konzerne, Beteiligungsgesellschaften und Fonds beschäftigen zur Entdeckung und Entwicklung neuer Ideen, die zunächst oft außerhalb ihrer traditionellen Geschäftsfelder liegen, so genannte Scouts, häufig Spezialisten neuer Wirtschaftszweige, die international unterwegs sind, um viel versprechende Start-Ups aufzuspüren, Chancen und Risiken auszuloten und Einstiegsmöglichkeiten für ihre Auftraggeber vorzubereiten.152 Gegenüber klassischen Venture-Capital-Fonds als Start-Up-Finanzierern weisen Konzerne meist eine verzweigtere globale Präsenz, eine höhere technische, patentrechtliche und steuerliche Kompetenz auf. Das gibt den geförderten Unternehmen ein Stück Sicherheit und kann frühzeitig Türen öffnen und Anfangsfehler vermeiden helfen. „Besonders gefragt sind Unternehmen aus zukunftsträchtigen Branchen wie Bio- oder Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik oder auch Hard- und Software für Computer Startup-Finanzierungen sind nur noch in wenigen spezialisierten Bereichen gefragt, dagegen interessieren sich die Investoren zunehmend für etablierte Unternehmen. Dabei sind die Erwartungen, die an das jeweilige Management gestellt werden, ausgesprochen hoch. Denn ein Top-Team könne 152

[Simon, H.; 2000]

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auch ein durchschnittliches Konzept zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell entwickeln, haben die Geldgeber erkannt. Die Bereitschaft hingegen, allein für Ideen hohe Preise zu zahlen, ist nach dem Niedergang des Neuen Markts deutlich zurückgegangen.“153 Solange das konjunkturelle Umfeld und die eigene Gewinnentwicklung es erlauben, investieren Konzerne erhebliche Summen: 35,6 Milliarden Dollar waren in den USA Ende 1999 in Start-Ups investiert, 30 Prozent davon aus Corporate-Venture-Mitteln großer Unternehmen, Smart Money also. Allein Intel verzeichnete 425 Einzelengagements mit über 1,2 Milliarden Dollar Investitionssumme.154 Auch in Europa werden Scouts immer fündig. Etliche deutsche Unternehmen gründen eigene Fondsgesellschaften zur Start-Up-Finanzierung. Beispiele sind die DaimlerChrysler Venture GmbH, die Siemens Venture Capital (SVC) und T-Venture der Deutschen Telekom. Durch frühzeitige Investitionen versuchen die Firmen in aussichtsreiche Entwickler und Zulieferer zu investieren, die eines Tages das eigene Angebot verbessern, ergänzen und mithelfen können, mit immer schneller werdenden Innovationszyklen Schritt zu halten. Die Beteiligungshöhe von Corporate-Venture-Finanzierungen schwankt zwischen zwei und dreißig Prozent. Oft erfolgt der Einstieg eines Konzerns gleichzeitig mit der Beteiligung eines Venture-Capital-Fonds. In der Regel ist die Beteiligung auf zwei bis fünf Jahre befristet. Unternehmen, die sich positiv entwickeln, sind dann in der Regel bereits fit für einen Börsengang. Aus strategischen Gründen versuchen manche Konzerne bestimmte Start-Ups noch länger an sich zu binden. Fazit: Corporate-Venture-Finanzierung erfolgt nicht alleine unter Renditegesichtspunkten. Hier werden frühzeitig strategische Allianzen für die spätere Zusammenarbeit geschmiedet. Diese öffnen Türen, stellen die Infrastruktur eines erfahrenen Partners zur Seite und beschleunigen die Entwicklung, beschränken Newcomer aber in ihrer Handlungsfreiheit. Da zeitig für eine baldige Kapazitätsauslastung gesorgt wird, ist das Überleben vergleichsweise gut abgesichert.

153 154

[Gusbeth, S.; 2003; S.30] [Maier-Mannhart, H.; 2000; S.26]

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2.3.3 Sage mir, mit wem Du gehst, und ich sage Dir, wer Du bist – Kapitalgeber und Berater „FÜR DAS GELINGEN EINER PARTNERSCHAFT GIBT ES KEINE REZEPTE. JEDER BRAUCHT ANDERE ZUTATEN.“ Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker

Nicht immer stimmt die Chemie zwischen Börsengängern und emissionsbegleitenden Partnern, gleich, ob es sich hier um eine VCG, einen BusinessAngel oder andere aus dem Freundes- oder Geschäftskreis rekrutierte Berater handelt. Es gibt – wie erwähnt – Fälle,155 in denen arglose Mittelständler von Unternehmensberatern zur Umwandlung ihrer Gesellschaftsform und zum anschließenden Börsengang regelrecht überredet worden sind („Man müsse mit der Zeit gehen...“), ohne dass dazu überhaupt eine sachliche Notwendigkeit bestanden hätte, außer dem Wunsch der Berater, an der Umsetzung gut zu verdienen. Um zu prüfen, ob ein emissionsbegleitender externer Kapitalgeber und/oder Berater einem Unternehmen bis zum Börsengang und ggf. auch danach positive Impulse zu geben vermag, müssen folgende Fragen gestellt werden: Ö Hat der Partner die Unternehmensphilosophie und deren Ziele verstanden? Ö Vertraut der Partner den Visionen und der Kompetenz des Managements in ausreichendem Maße, so dass die Unternehmenspolitik ungehemmt fortgesetzt werden kann, ohne mit Bevormundung rechnen zu müssen? Ö Bringt der Partner bzw. sein Mitarbeiterstamm die fachliche Qualifikation mit, um Entwicklungen der Branche richtig zu beurteilen und wesentliche Eckpunkte des Tätigkeitsspektrums nachvollziehen und ggf. sogar beratend unterstützen zu können? Ö Verfügt der Partner/Venture-Finanzier über Kontakte, die dem Emittenten nutzbar gemacht werden können, etwa bei der Anbahnung von Kooperationen und Synergieeffekten oder bei der Gewinnung von Spezialisten, z. B. durch die Zusammenarbeit mit Headhuntern? Ö Bestehen auch im Falle einer späteren (internationalen) Ausweitung von Geschäftsfeldern Unterstützungsmöglichkeiten? Ö Welche Referenzunternehmen hat der Partner bereits zum Erfolg geführt? Erfolgten diese Engagements zur Zufriedenheit der jeweiligen Vorstände und war deren Börsengang erfolgreich?

155

Anm.: So soll beispielsweise EM.TV, nach Angaben des damaligen Vorstandsvorsitzenden Thomas Haffa, von einer Bank akquiriert worden sein.

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Ö Lassen sich unter den bisherigen und gegenwärtigen Investitionsprojekten des Partners Netzwerke zur Nutzung wechselseitiger Synergieeffekte zwischen einzelnen Start-Ups aufbauen? Ö Wie lange ist der Partner bereits am Markt und welchen Ruf genießt er? Verfügt er, beispielsweise als Finanzier, über die erforderlichen Mittel, um bei unvorhergesehenen Entwicklungen, auch abweichend vom Investitionsplan kurzfristig aufstocken zu können? Ö Wer wird zu welchen Teilen am Erfolg verdienen? Ö Stimmt die Chemie in einem Maße, dass eine dauerhafte Beratungs- und Entwicklungspartnerschaft, auch über den Börsengang hinaus, vorstellbar ist? Werden diese Punkte sorgfältig geprüft, gewinnt der Anleger ein recht genaues Bild davon, ob zwischen dem Emittenten und seinen Partnern ein produktives Klima herrscht. Wer nur Geld machen oder unterwandern möchte, um dann mit dem Know-how eigene Wege zu gehen, schadet dem Jungunternehmen empfindlich. Der optimale Partner versteht die Unternehmensphilosophie und verhält sich so wie ein Trainer gegenüber einer Fußballmannschaft: Verfolgung eines gemeinsamen Ziels, Tipps und Hilfen, wo es nötig ist – das bedeutet letztlich, so zu beraten, dass man sich als Partner langfristig überflüssig macht. Fazit: Ein Blick darauf, wer den Emittenten bis zur Börsenreife finanziert und beraten hat, kann jedoch ein wertvolles Qualitätskriterium sein. Handelt es sich um einen erfahrenen Berater, der bzw. die in der Vergangenheit bereits zahlreiche Börsenaspiranten erfolgreich an den Markt bringen konnte(n), erhöht das die Sicherheit der Zeichnung. 2.3.4 Das Baby schon vor der Geburt bekommen – Vorbörsliche Emissionen „EARLY TO BED AND EARLY TO RISE – MAKES A MAN HEALTHY WEALTHY AND WISE.“ Benjamin Franklin, amerikanischer Politiker, Schriftsteller und Naturwissenschaftler

Den meisten Anlegern ist nicht klar, dass nicht einmal ein Fünftel aller deutschen Aktiengesellschaften börsennotiert ist.156 Denn viele Unternehmen haben die Rechtsform der AG angenommen, ohne damit sogleich die Absicht eines Börsenganges zu verbinden. Das kann viele verschiedene Gründe haben. 156

[Würth, P; 2000; S.14]

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Häufig steht die Umwandlung zur AG mit Nachfolgeregelungen beim Generationenübergang im Zusammenhang. Selbstverständlich kann eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft jederzeit weitere Aktionäre aufnehmen, ohne dass das Angebot zum Kauf von Aktien öffentlich erfolgen muss. Man spricht dann von einer Privatplatzierung.157 Werden jedoch vor- oder außerbörsliche Platzierungen öffentlich durchgeführt, so dass jedem die Möglichkeit des Aktienerwerbs offen steht, kann man nicht mehr von einer Privatplatzierung sprechen. Der Kauf von Aktien nicht börsennotierter Aktiengesellschaften ist über Wertpapierhandelshäuser, die sich auf den außerbörslichen Handel spezialisiert haben, durchaus auch für Privatanleger möglich. In Deutschland beherrschen die AHAG Wertpapierhandelshaus AG und die Valora Effekten Handel AG diesen Markt fast komplett. Auf die AHAG entfällt dabei die Majorität in diesem Marktsegment. Nur ein Teil der notierten Werte weist regelmäßige Umsätze auf und macht über 90 Prozent des Gesamtumsatzes aus.158 Auch im außerbörslichen Handel gibt es einen Primär- und einen Sekundärmarkt: Die Handelshäuser bieten Anlegern die Möglichkeit über so genannte Zeichnungsscheine Aktien – meist aus Kapitalerhöhungen – direkt von der jeweiligen Gesellschaft zu beziehen. Auch der anschließende Sekundärhandel mit diesen Titeln ist über die Wertpapierhandelshäuser möglich. Der außerbörsliche Handel kann, schon aufgrund des häufig sehr geringen Umsatzvolumens, nicht das Maß an Liquidität und Markttransparenz bieten, wie man es von börslichen Handelsplattformen gewohnt ist. Auch die Spreads, die Handelsspannen zwischen Geld- und Briefkursen, können naturgemäß nicht so eng wie an der Börse gestellt werden. Viele außerbörslich gehandelte Aktien sind girosammelfähig und können in das reguläre Wertpapierdepot des Anlegers bei seiner Hausbank eingebucht werden. Fraglos bieten Engagements in jungen Unternehmen noch vor deren Börsengang enorme Chancen. Für Start-Ups ist es eine große Hilfe, wenn sie schon vor dem eigentlichen Börsengang einen Teil ihrer Aktien an besonders risikobereite Investoren verkaufen und somit frühzeitig Eigenkapitalzuflüsse erhalten. Gerade bei wachstumsstarken Unternehmen ist in der Gründungsphase oft das meiste Geld zu verdienen. Doch hohe Chancen sind immer auch mit entsprechenden Risiken, bis hin zum Totalverlust, verbunden. Anleger, die sich selbst als Venture Capitalisten versuchen möchten, sollten außerbörsliche Werte deshalb mit der gebotenen Vorsicht als Beimischung in ihrem Wertpapierdepot betrachten.

157 158

[Löhr; A.; 2000; S.39] [Stoll, J.; 2000; S.90f]

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Praxis-Beispiel: Die Berliner Senator Film konnte zu Beginn des außerbörslichen Handels bei Valora zu drei Euro gekauft werden. Im Februar 1999 ging das Unternehmen mit 38 Euro an den Neuen Markt. Schon vor der ersten Börsennotiz stieg der Kurs im außerbörslichen Handel auf rund 100 Euro, die ersten Börsenkurse lagen bei 140 Euro. Doch später ging es dann bergab: Im Juli 2004 wurde die Aktie schließlich nur noch mit knapp über einem Euro notiert. Auch die am Neuen Markt notierte Foris AG hatte ihren Kurs im außerbörslichen Handel vervielfachen können, bis es schließlich an die Börse ging. Ebenso erging es der Roch Prüfdienste AG.159 Die genannten Beispiele zeigen, dass es vor allem der spätere Börsengang ist, der im außerbörslichen Handel letztlich zum „Kursturbo“ avancieren kann. Anleger sollten also vor allem Titel auswählen, bei denen die realistische Aussicht auf ein Going Public besteht. Aktiengesellschaften, die, hinsichtlich ihrer Shareholder Value Orientierung, schon vorbörslich eine gute Figur machen und die ihre Investoren frühzeitig durch Informationstransparenz zu überzeugen vermögen, können bereits im außerbörslichen Handel Aktionäre fürs Leben gewinnen. Die Beispiele zeigen jedoch auch, dass aus risikobehafteten vorbörslichen Investments allein durch eine erfolgreiche Börseneinführung durchaus noch keine vollkommen sicheren Investments werden. Der erfolgte Börsenstart ist kein Ruhekissen, auf dem der Anleger sich zufrieden zurücklegen könnte. Vielmehr muss auch danach genau beobachtet werden, wie sich das Unternehmen weiter entwickelt. Die Senator Film Aktie ist dafür das beste Beispiel. Nicht selten jedoch wird der Begriff Emission bewusst missverständlich gebraucht. So werden in Kleinanzeigen oder im Internet so genannte vorbörsliche Emissionen angeboten. Der Einstieg sei, so heißt es vielfach, vor dem Börsenstart noch wesentlich günstiger; die Aktien würden „in engem zeitlichen Zusammenhang“ an der Börse eingeführt. Das ist eine reine Absichtserklärung, die rechtlich zu nichts verpflichtet. Solange derartige Gesellschaften nicht zum Börsenhandel zugelassen sind, sind sie auch nicht der börslichen Pflichtpublizität unterworfen. Zudem befindet sich der Sitz des Unternehmens oft im Ausland. Es kann also im Einzelfall sehr schwer sein, dem Vorstand „in die Karten zu gucken“. Und leider sind immer wieder schwarze Schafe darunter, die nichts zu bieten haben, als einige Hochglanzbroschüren und die es lediglich auf die Ersparnisse der Anleger abgesehen haben. Fazit: Aktien, die nicht börsennotiert sind, bergen enorme Risiken. Für sie besteht oft weder ein liquider noch ein transparenter Markt. Die Bezeichnung vorbörsli159

[Stoll, J.; 2000; S.90f]

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che Emission will glauben machen, eine börsliche Emission werde in Kürze erfolgen. Das mag im Einzelfall tatsächlich so sein, jedoch besteht keinerlei Gewähr, dass die Aktie jemals zum Börsenhandel zugelassen wird. Eine vorbörsliche Emission ist an keinen Stichtag gebunden. Eine Preisbestimmung, die die Marktnachfrage einbezieht, findet invielen Fällen nicht statt. Der Anleger wird kaum in der Lage sein, festzustellen, ob der geforderte Preis fair ist. Eine Haftung des Emittenten und der Emissionsbanken, wie sie bei börslichen Emissionen besteht, existiert bei dieser Art des Aktienverkaufes nicht.

2.4 Auswahl und Analyse geeigneter Start-Ups 2.4.1 Der erste Eindruck hat keine zweite Chance – Das Wesentliche schnell erfassen „TEILWEISE DRÄNGT SICH DER EINDRUCK AUF, DER BÖRSENGANG UND NICHT DAS OPERATIVE GESCHÄFT IST DAS GESCHÄFTSMODELL.“ Markus Straub, Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V.

Vielen Anlegern bleibt kaum die Zeit, anlässlich eines Zeichnungsangebotes ausführliche Unternehmensdarstellungen durchzuarbeiten. Eine knackige Kurzinformation sollte bereits alle wesentlichen Stärken vermitteln. Ein gutes Beispiel dafür lieferte im November 1999 die Evotec BioSystems AG.160 So wurde sie auf den Internet-Seiten des Börsenmaklers Schnigge (www.schnigge.de) vorgestellt: Titel

Evotec Bio Systems AG, Hamburg

WKN

566480

Bookbuilding

11,00 € - 13,00 €

Zeichnungsfrist

2. bis 8. November 1999

Konsortialführer

Warburg Dillen Read, Deutsche Bank

Weitere Kosorten

SG Cowen, Sal. Oppenheim, Hamburgische Sparkasse

Marktsegmente

Neuer Markt, Frankfurt/Main, Freiverkehr, Düsseldorf

Erste offizielle Notierung

10. November 1999

160

Anm.: Das Unternehmen heißt jetzt Evotec OAI (www.evotecoai.com), wird im Prime Standard an der Deutschen Börse gehandelt und ist im TecDax notiert. Evotec OAI ging im Dezember 2000 aus dem Zusammenschluss von EVOTEC BioSystems AG und Oxford Asymmetry International plc hervor.

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

Zur Zeichnung werden 4.282.500. Aktien angeboten. Davon stammen 4,1 Mio. Aktien aus einer Kapitalerhöhung. 182.500 Stücke werden von den Altaktionären abgegeben. Weitere 645.000 Aktien sind als Greenshoe vorgesehen, die ebenfalls aus einer Kapitalerhöhung stammen. Unternehmensinformationen: Die Evotec BioSystems AG wurde 1993 von dem Nobelpreisträger Prof. Dr. Manfred Eigen und Dr. Karsten Henco (Mitbegründer der Qiagen) gegründet. Das Biotech-Unternehmen hat eine effiziente Methode entwickelt, mit deren Hilfe es möglich ist, Substanzen auf ihre Wirksamkeit zu testen. Mit Forschungsgeldern in Höhe von 80 Mio. DM – aus Kooperation mit den Pharma-Unternehmen Novartis, SmithKline Beecham und Pfizer – ist es der Evotec möglich, die ersten Geräte ihres patentierten Evo-Screen-Systems an ihre Kooperationspartner auszuliefern. Umsatz

1997

1998

13,8 Mio. DM

14,3 Mio. DM

Abbildung 15: Beispiel Evotec Biosystems AG

Stärken und Schwächen der Evotec Emissionsankündigung lassen sich auf einen Blick erkennen: Bekanntheitsgrad: Zum Zeitpunkt der Emission war der Name Evotec allenfalls Brancheninsidern ein Begriff. Die breite Anlegerschaft hörte überwiegend zum ersten Mal vom Unternehmen. Verbreitungsgrad: Tätigkeitsgebiet und Kundenstruktur der Evotec BioSystems AG lassen eine überregionale Marktaktivität und Bedeutung des Unternehmens erwarten. Leistungsmerkmale: Für das Vorhandensein einzigartiger Technologien und Patente mit denen die konkurrenzlose Besetzung von Teilgebieten der Biotechnologie bzw. eine Marktführerschaft erlangt werden kann, spricht der wissenschaftliche Ruf des Gründers sowie die Beteiligung der Max-PlanckGesellschaft. Historische Meilensteine: Die Nennung historischer Meilensteine wirkt bei einer bislang kurzen Firmengeschichte banal. Geschickt hat man sich hier jedoch damit geholfen, Meilensteine des bisherigen Werdegangs der Macher herauszustellen (Nobelpreis (Prof. Eigen), Mitbegründer von Quiagen (Dr. Henco)). Referenzen: Neben der Max-Planck-Gesellschaft sind sowohl Quiagen, die frühere Wirkungsstätte von Dr. Henco, wie auch die Namen der Kunden Novartis, SmithKline Beecham und Pfizer hervorragende Referenzen, da sie auch branchenunkundigen Anlegern als erste Adressen bekannt sind.

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Personalisierbarkeit und Kompetenz: Prof. Dr. Manfred Eigen ist als Nobelpreisträger ein erstklassiger Ancorman der Gesellschaft. In seiner Person vereinen sich persönliche Präsenz und unangefochtene Kompetenz. Wachstum: Das angegebene Umsatzwachstum (Vergleich 1997/1998) wurde, gemessen an den enormen Wachstumserwartungen der (zur damaligen Zeit äußerst verwöhnten) Anleger, als eher mager empfunden. Gewinn: Weder werden Aussagen darüber getroffen, ob bereits Gewinn erzielt wird, noch Prognosen zur zukünftigen Gewinnentwicklung gegeben. Dazu sollten unbedingt weitere Informationen herangezogen werden. Fazit: Ein interessantes Zeichnungsangebot bei dem die Stärken überwiegen. Hier lohnt sich die weitergehende Recherche, denn wesentliche Angaben, zum Beispiel zur voraussichtlichen Gewinnentwicklung, fehlen noch, um das Bild abzurunden. 2.4.2 Ein Highlight muss dabei sein „NUR WAS FÜR SICH SPRICHT, KANN AUCH VON SICH REDEN MACHEN.“ Johann Hofmann, deutscher Komponist und Pianist

Für den ersten Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance. Daher sollte schon bei der Lektüre der Headline etwas Prägnantes hängen bleiben. Nur wer sich auf den ersten Blick einprägsam hervorhebt, hat Chancen aufzufallen und eine hohe Nachfrage zu generieren. Deshalb muss die erste Frage lauten: Was unterscheidet das Unternehmen von allen anderen? Welche Besonderheit hat es anderen voraus? Verfügt es über besondere Patente, Verfahrenstechniken oder Lizenzen? Beispiele: Ö In zwei Jahren zum größten Internetastrologen – ask-the-stars.com geht an die Börse Ö Produzent des schnellsten Laserdruckers will jetzt auch an der Börse überholen Oft ist es die Nennung von Referenzen, die beeindruckt und sofort ins Auge fällt: Ö Hier kaufen Siemens, Motorola, Ericson und Nokia – Phonechips AG geht an die Börse Ö Verona Feldbuschs Lieblingsschneider geht an die Börse – Trendware AG setzt zur Expansion an Ein solches Alleinstellungsmerkmal muss nicht immer im Unternehmen oder seiner Tätigkeit begründet sein. Manchmal sind es auch die Vorstände, die für Aufmerksamkeit sorgen: Ö Olympiasieger geht an die Börse

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Ö Europas gefährlichster Ex-Hacker geht mit Datenschutz-Systemen an die Börse Ö Als Frau Erfolg in einer Männerbastion Ö Nobelpreisträger startet mit selbst entwickeltem Analyseverfahren am Finanzmarkt Aufmerksamkeit erweckt der, der es schafft, auf den ersten Blick Interesse zu wecken. Das Informationsverhalten der Anleger gleicht dem der Zeitungsleser: Neben einem prägnanten Aufmacher in der Headline prägt sich Bildmaterial besonders gut ein. So hatten Emittenten wie Beate Uhse (Bilder attraktiver Damen) oder die – inzwischen vom Markt verschwundene – Cargolifter AG (eindrucksvolle Luftschiffaufnahmen) es ungleich leichter, wahrgenommen zu werden, als Software- oder Biotechnologieunternehmen. Kabelbäume vernetzter Rechner oder bunt gefüllte Reagenzgläser vermögen das Auge leider kaum zu fesseln. Fazit: Emittenten, die über ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal verfügen, können damit erhöhte Aufmerksamkeit und Zeichnungsbereitschaft mobilisieren. Je eindrucksvoller und einprägsamer das jeweilige Highlight ist, umso eher ist mit hoher Nachfrage und der Chance auf nennenswerte Zeichnungsgewinne zu rechnen. Ein hoher Aufmerksamkeitswert ist aber noch kein Garant für einen späteren Börsenerfolg. So ist zum Beispiel ein Nobelpreis des Vorstandsvorsitzenden sicher Zeichen hoher fachlicher Kompetenz, ob dieser aber auch kaufmännischen Erfolg haben wird, ist damit noch nicht gesagt. 2.4.3 Die Equity Story – Happy Visions statt Happy End „ACH JEDE GEGENWART MACHT UNSERE SEELE SO KLEIN, UND NUR EINE ZUKUNFT MACHT SIE GROß.“ Jean Paul, deutscher Erzähler

Erfolg verkauft sich gut. Und damit die Aktienemission ein Treffer wird, muss auch die Erfolgsstory des Unternehmens stimmen. Diese Story unterscheidet sich jedoch von anderen Erfolgsgeschichten ganz wesentlich dadurch, dass ihr Schwerpunkt nicht allein in der bisherigen Unternehmensgeschichte liegt, sondern vor allem in der Darstellung der Zukunftsperspektiven. Statt Happy End braucht diese Story Happy Visions. Das betrifft insbesondere die Prognosen zur Wachstums- und Gewinnentwicklung der AG, ihrer Branche und des gesamten Umfeldes.

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Abbildung 16: Due Diligence

Das darf nun allerdings nicht dazu verführen, die Zukunft auf Teufel komm raus in den schönsten Farben zu malen; fundierte realistische Argumente und plausible Nachvollziehbarkeit der Prognosen sind Trumpf. Eine besondere Herausforderung für die Kommunikatoren liegt darin, die Tätigkeit des Unternehmens für Anleger begreiflich zu machen, die vorher oft noch nie etwas vom Unternehmen gehört haben, dessen Tätigkeitsfeld oder Branche sie vielfach erstmals zur Kenntnis nehmen. Sie als Anleger dürfen erwarten, dass man auch Ihnen als Laien mit wenigen Worten plausibel macht, warum gerade in diesem Bereich Wachstumschancen bestehen und warum gerade dieses Unternehmen sich vom Kuchen der Zukunft ein gutes Stück wird abschneiden können. Praxis-Beispiel: Wer eine wirklich tragfähige Idee hat, sollte es nicht nötig haben, sich hinter dem Fachchinesisch seines Tätigkeitsfeldes zu verschanzen. Wer Investorengelder haben möchte, sollte auch in der Lage sein, Laien mit wenigen Worten plausibel zu machen, worum es in seinem Unternehmen geht. Deshalb gilt: Nur zeichnen, was man nachvollziehen kann. Folgende Informationen muss die Equity Story geben: Ö Verständliche Erläuterung der Unternehmenstätigkeit ohne Fachchinesisch: Erfahrungsgemäß sind Anleger umso eher bereit, in Emissionen zu investieren, je besser sie Branche und Tätigkeit des Unternehmens verste-

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hen oder glauben verstanden zu haben. Ein gutes Beispiel lieferte die Emission der Roesch AG. Hier wurden Art und Tätigkeit des Unternehmens mit der Spritze ohne Nadel unkompliziert erklärt und spontan verstanden. Unternehmen, die hochspezialisierte Nischen besetzen, müssen sich umso mehr eines verständlichen Vokabulars bedienen. Im EDVBereich bedeutet das beispielsweise: Werden allgemeinverständliche Begriffe, wie ‚Datensicherung’, ‚Internet’ oder ‚e-commerce’ gebraucht, so kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Begriffe wie ‚Storage’, ‚Server’ oder ‚Backup’ verstehen dagegen nur Fachkundige auf Anhieb und können Anleger eher einschüchtern als informieren. Ö Bisherige Entwicklung des Unternehmens Ö Produktpalette/Dienstleistungsspektrum Ö Referenzen: Viele Newcomer sind noch weitgehend unbekannt und daran wird sich auch bis zum Börsengang kaum etwas ändern lassen. Angesichts eines oft niedrigen Werbeetats macht es daher wenig Sinn, im Vorfeld der eigentlichen Emission am Bekanntheitsgrad nachzubessern. Um Anlegern dennoch zu zeigen, dass man etwas von seiner Sache versteht, ist es legitim, dass Newcomer die Namen ihrer Kunden für sich sprechen lassen. Das hat zwei wesentliche Vorteile: Erstens: Imagetransfer und Authentizität – Die Glaubwürdigkeit in die Leistungsfähigkeit des Emittenten steigt stark an (Wenn so bedeutende Firmen davon Gebrauch machen, kann dessen Leistung nicht schlecht sein.) Zweitens: Die Verwendbarkeit der vom Unternehmen erbrachten Leistung lässt sich zuordnen. Sollte der Investor bislang nicht verstanden haben, womit der Emittent sein Geld verdient, kann er ihn durch die Nennung von Referenzkunden branchenmäßig zumindest grob einordnen. Ö Die Kernkompetenz: Der Investor weiß, dass reine Me-too-Angebote es sehr schwer haben, sich gegen den Marktführer durchzusetzen. Wer an die Börse geht, muss also stets ein wenig mehr zu bieten haben, als das, was auch andere können. Eine Kernkompetenz muss nachgewiesen werden. Also ein Bereich, in dem der Emittent einen Vorsprung, eine Neuheit oder einen Alleinstellungsanspruch (z. B. durch Patente, Entwicklungsvorsprünge oder eigene Verfahrenstechniken) vorzuweisen hat. Auch, wenn es sich dabei um eine noch so kleine Nische handelt. Die Aussage „Wir schwimmen mit auf der Welle des Internetbooms“ wäre demnach entschieden zu flau. Denn das können auch andere. Vielmehr muss gezeigt werden, wo gerade dieses Unternehmen Vorsprünge aufweist. Das Fehlen einer Kernkompetenz kann selbst bei hervorragender Umsatz- und Gewinnentwicklung zum Problem werden: Das bekam beispielsweise Maxdata zu spüren. Der äußerst erfolgreiche Vertrieb von Hardware-Komponenten vermochte die Zeichner nicht ausreichend zu motivieren, da das Unternehmen damit nichts Einzigartiges anzubieten hatte.

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Ö Branchenzugehörigkeit und Branchendynamik: Wird ein Unternehmen in seiner Branche von einer enormen Wachstumswelle, quasi unvermeidlich, mitgerissen, so werten Anleger das als Sicherheitsfaktor, da bei starkem Wachstum unterstellt wird, es sei auch kleinen Unternehmen leichter möglich, einen Marktanteil zu erobern. Anleger bevorzugen dynamische Werte mit viel Phantasie. Bei Technologie wird High-Tech erwartet; bei Wachstum ein stürmisches. Passt ein Wert nicht in diese beiden Kategorien (zu beobachten z. B. bei Refugium, Betreiber von Alters- und Pflegeheimen), quittieren Anleger das mit ausgesprochener Zurückhaltung. Im Vorfeld des Börsenganges kann es zu Kämpfen um die Branchenzuordnung kommen, denn danach entscheidet sich, mit welchen Unternehmen der Neueinsteiger verglichen werden wird, an welchem Kurs-GewinnVerhältnis man also den Emissionspreis messen wird.161 Natürlich ist es reizvoll, in einem hoch bewerteten Sektor zu starten, andererseits sollte man sich darüber klar sein, dass ein hohes Bewertungsniveau zu entsprechend hohen Zukunftserwartungen der Analysten und Anleger führt. Ö Marktpositionierung des Newcomers (z. B. beherrschende Stellung oder Monopol auf Teilmärkten) Ö Wettbewerbssituation Ö Kundenstruktur und Kundenbindung Ö Marktrisiken und spezifische Risiken des Emittenten Ö Umsatz- und Gewinnentwicklung (auch die Prognose der Folgejahre) Ö Managementkompetenz Ö Innovative Stärke, insb. Entwicklungs- und Forschungsqualität Ö Wachstumsziele, Investitionsvorhaben und Visionen: Investoren wollen sicher gehen, dass ihre Investition im Unternehmen für Wachstumsperspektiven eingesetzt wird. Der Wettbewerb um Kapital unter den einzelnen Börsenneulingen ist enorm. Deshalb besteht die Erwartung, dass der durch den Börsengang erfolgende Eigenkapitalzufluss auf keinen Fall nur zur Schuldentilgung oder zur Auszahlung ausscheidender Gesellschafter genutzt wird. Ganz wichtig ist daher die Aussage: „Das haben wir mit dem Geld vor...“ Mit anderen Worten: Belegbare Expansionsvorhaben, die für den Investor auch ohne Branchenkenntnis nachvollziehbar sind. Praxis-Beispiel: Zum geplanten Börsengang von Techem, Hersteller von Verbrauchsmessgeräten für Heizungen, schrieb die Wirtschaftswoche: „Von dem Geld aus dem Börsengang – etwa 200 Millionen Euro – sollen 33 Millionen Euro in 161

[Gebsattel, K.; 1999]

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

die Expansion nach Osteuropa fließen. Weitere 30 Millionen Euro sollen einen Teil der Bankschulden von rund 130 Millionen Euro tilgen. Der Großteil des Emissionserlöses fließt jedoch in die Taschen der Großaktionäre. (...) Doch die Bilanz sieht nicht gerade rosig aus. Nach dem Börsengang soll die Eigenkapitalquote erst magere 20 Prozent erreichen. (...) eine Zeichnung erscheint wenig sinnvoll.“162 Ö Kooperationsbereitschaft, Beteiligungsabsichten und mögliche Synergieeffekte: Die Börsianer honorieren entsprechende Absichten (der Trend zu Zusammenschlüssen aller Art ist immer noch ungebrochen) und es ist durchaus legitim, anklingen zu lassen, man wolle eine Reserve (oft ist sogar von einer Kriegskasse die Rede) für interessante Beteiligungen aufbauen. Jedoch müssen im Emissionsstadium noch keine konkreten Namen genannt werden. Falsch hingegen wäre es, Kooperations- oder Beteiligungsvorhaben anzusprechen, deren positiven Synergieeffekt der Anleger nicht nachvollziehen kann. Dann nämlich kann Unverständnis die Folge sein. Diese Erfahrung machte zum Beispiel Ferdinand Piech, als er sich um Rolls Royce bemühte. Kleine Unternehmen sollten das Thema künftiger Übernahmen nicht überbetonen. Sonst kann leicht der Eindruck entstehen „Seid mal lieber vorsichtig, dass ihr nicht selbst gekauft werdet!“ Die Übernahmephantasie hat zwar, auch und gerade auf der Seite dessen, der gekauft werden soll, erhebliche Kurssteigerungen zur Folge, jedoch ist ein Börsengang der falsche Moment, so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen. Es würde so aussehen, als habe man selbst nicht genug Biss. Besser ist es, darzustellen, dass man geneigt ist, den aktiven Part zu übernehmen, um die oft zitierte ‚kritische Größe’ zu erreichen, die das Überleben im globalen Wirtschaftsumfeld sichert. Fazit: Die Equity Story, die Emittent und Emissionsbank(en) in Zusammenarbeit mit externen und internen Emissions- und Kommunikationsberatern erstellen, muss plausibel sein. Das bedeutet, sie muss dem Anleger nicht nur verständlich machen, was das entsprechende Unternehmen tut, sondern auch, warum gerade diese Aktiengesellschaft im gegebenen Umfeld beste Zukunftsaussichten hat. Vor allem muss deutlich werden, wo und warum man sich Wachstumschancen ausrechnet und wofür das durch die Emission zufließende Eigenkapital eingesetzt werden soll. Unternehmen, die sich hinter Fachvokabular verschanzen, weder ihre Tätigkeit plausibel machen können oder wollen, noch Angaben zur geplanten Verwendung zufließenden Kapitals machen, sollte der Anleger links liegen lassen. Auch bei Luftschlössern ist Vorsicht geboten. Vorstände, die sich zuviel vorgenommen haben oder deren Visionen nicht

162

[Gutowski, K./Heise, S./Schönfels, R. v./Schürmann, C; 2000; S.228f]

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nachvollziehbar erscheinen, werden es schwer haben, das Vertrauen der Investoren zu erringen. Ein Wert, der von innen heraus, nämlich durch eine gute Story, zu überzeugen vermag, braucht zur erfolgreichen Emission keinen unterstützenden Trend. Man sollte sich also nicht allein deshalb auf Newcomer stürzen, weil sie in einer Branche tätig sind, die derzeit gerade „in“ ist. Wer sich absolut nicht vorstellen kann, die anvisierte Aktie eventuell für die nächsten Jahre zu behalten, zeichnet möglicherweise unter dem Eindruck einer momentanen Modewelle einen Wert, von dem er schon bald nicht mehr überzeugt ist. 2.4.4 Was zählt mehr: Visionen oder Zahlen? „VISIONEN OHNE AKTIONEN DEGENERIEREN ZU ILLUSIONEN.“ Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, Vorstand BASF AG

1997 startete der Neue Markt, die Handelsplattform für Technologie- und Wachstumswerte an der Deutschen Börse. In den ersten Jahren war der Neue Markt eine Erfolgsstory. Der amerikanischen Wachstumsbörse NASDAQ nachempfunden, bot sich für Investoren auch hierzulande die Gelegenheit, bei jungen Unternehmen fast von Anfang an mit dabei zu sein. Die schnelle Entwicklung, ein Wachstum, bei dem man buchstäblich zuschauen konnte, das war die Verheißung, am amerikanischen Traum live teilnehmen zu können. Sollte es nicht auch Otto Normalverbraucher möglich sein, unter den vielen Neuemittenten einen auszumachen, der, wie einst Bill Gates, das Zeug hätte, in wenigen Jahren vom Garagenunternehmen zum globalen Konzern aufzusteigen? Der Neue Markt verhieß Spannung, die dort notierten Gesellschaften eröffneten Zukunftsperspektiven, die das Gefühl vermittelten, das Potential der deutschen Wirtschaft sei nach oben unbegrenzt. Junge Leute erlebten dieses „Wir sind wieder wer-Gefühl“ umso intensiver. Viele haben über die damalige Faszination des Neuen Marktes ihr Interesse für die Börse entdeckt. Von 168 Neuemittenten des Jahres 1999 wählten 131 den Neuen Markt. Für 2000 waren es in diesem Marktsegment weitere 140 Newcomer. Es dominierten Firmen aus den Bereichen Informationstechnologie und Internet, Medien, Telekommunikation und Biotechnologie. Das waren Bereiche, die ein stürmisches Wachstum versprachen, oft jedoch getragen von jungen Unternehmen, die außer überzeugenden Zukunftsperspektiven noch nicht viel vorzuweisen hatten. In der Hausse, auf der Basis eines allgemeinen Optimismus, reichten Visionen, die die Phantasie der Anleger anregten, um abenteuerliche Bewertungen zu erzielen, die zum Teil völlig irrational, fundamental und absolut nicht mehr nachvollziehbar waren. Vereinzelt kam es zu einem vierstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis; einzelne Unternehmen erreichten zeitweise eine Börsenkapitalisierung, die dem Hundertfachen des

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BÖRSENGANG, DIE VORGESCHICHTE

Umsatzes entsprach, ohne bislang überhaupt Gewinne vorweisen zu können.163 Anfang März 2000, die New Economy befand sich noch in absoluter Hochstimmung, wurde folgender interessanter Vergleich zwischen einem Newcomer aus dem Internet-Bereich und einem alten Hasen der Old Economy angestellt.164 Ö Intershop machte bei 90 Millionen Mark Umsatz 37 Millionen Mark Verlust. Pro eine Mark Unternehmens-Umsatz kostete die Aktie des Unternehmens dennoch 222,22 DM. Ö Für die DaimlerChrysler-Aktie waren zur gleichen Zeit pro eine Mark Unternehmens-Umsatz lediglich 0,41 DM zu zahlen. Bei einem Gewinn von 21,5 Mrd. DM in Jahr. In der Gründerzeit des Neuen Marktes wollte man möglichst schnell viele Titel zusammenbekommen, um diesem Börsen-Segment das nötige Fundament zu geben. In der Euphorie wurden Neuzugänge hinsichtlich der Innovationskraft und der Wachstumsperspektive oft nicht nachhaltig genug geprüft. Zu viele der visionären Hoffnungen stellten sich als nicht tragfähig heraus. Das Marktsegment scheiterte schließlich. Ab März 2000 brachen die Kurse massiv ein. Mangels Substanz traf das die allein von Visionen getragenen Gesellschaften ungleich härter, als diejenigen, die die Gewinnzone bereits erreicht hatten. Je stabiler die Ertragslage, umso geringer die Volatilität und die fundamentale Absicherung gegenüber einem Crash. Unternehmen mit solider Umsatz- und Gewinnentwicklung überlebten nach Ende des Neuen Marktes in anderen Handelssegmenten, zahlreiche mussten jedoch aufgeben. Besonders schnell gerieten diejenigen in den Abwärtssog, die mit dem verfügbaren Kapital die Zeit bis zum Erreichen der Gewinnzone möglicherweise nicht mehr überstehen würden. Im Sommer 2000 kursierten bereits so genannte Todeslisten, auf denen vermeintliche Kandidaten genannt wurden, denen das Geld zu früh ausgehen könnte. Der Markt umschrieb diese Einschätzung mit den Begriffen „Time to Live“ (TTL) oder „Cash burn Rate“, die Zeit, die bleibt, bis die Liquidität erschöpft ist. Solange es sich bei solchen Einschätzungen um reine Vermutungen handelt, kann bereits deren Veröffentlichung den betroffenen Unternehmen schweren Schaden zufügen. Die Publizierung von Todeslisten ist deshalb sehr umstritten. Das Musikunternehmen Edel hat dagegen sogar geklagt.

163 164

[Lier, M.; 2000/1; S.33] [Die Story zählt, der Profit nicht; 2000]

AUSWAHL UND ANALYSE GEEIGNETER START-UPS

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Fazit: Was die Marktteilnehmer von allen Newcomern erwarten, sind überzeugende Visionen für die Zukunft. Wie tolerant die Anleger bei der Akzeptanz entsprechender Zukunftsperspektiven sind, hängt stark von der Marktverfassung ab. Sicherheit, belegt durch eine solide durchlebte bisherige Unternehmenshistorie und/oder durch das Vorhandensein einer starken Muttergesellschaft, die dem Neuling zur Seite steht, überzeugt in jedem Fall. In Boomphasen ist man darüber hinaus auch bereit, allein auf der Basis überzeugender Visionen auch in das eine oder andere junge, bislang völlig unbekannte Unternehmen zu investieren. Je unsicherer die Zeiten, umso mehr neigen die Marktteilnehmer dazu, nach Value Gesichtspunkten zu investieren, so dass nur Emittenten, die schon eine stabile Gewinnentwicklung aufweisen können, eine hohe Zeichnungs- bzw. Haltebereitschaft mobilisieren können.

3

Die Wahl ist getroffen – Jetzt geht's um Aktie und Marktstimmung

3.1 Die Aktie und das Marktumfeld. Wer bringt den Newcomer an die Börse? 3.1.1 Ein hart umkämpfter Markt – Interessenkonflikte inklusive „FOLGT NIEMANDEM BLINDLINGS! VERTRAUT NICHT, SONDERN DENKT!“ Carl Schurz, deutsch-amerikanischer Politiker

Im Zuge der Globalisierung nehmen die weltweiten Fusions-, Übernahme- und Emissionsaktivitäten langfristig zu. Die Einführung des Euro hat diese Entwicklung noch verstärkt. Deutschland gilt in diesem Zusammenhang unter Fachleuten als der Markt schlechthin. Die Harmonisierung der Abschreibungsrichtlinien im Rahmen der International Accounting Standards für den bei Firmenübernahmen gezahlten Goodwill wird ab 1. Januar 2005 auch die bilanzielle Vergleichbarkeit der bei Firmentransfers gezahlten Gelder für internationale Investoren transparenter machen.165 Alle derartigen Transaktionen bewegen erhebliche Größenordnungen. Und regelmäßig stehen Berater dahinter, die an diesen Summen partizipieren. Das Provisionsaufkommen (Fees) im deutschen Equity-Geschäft wurde 2002 auf jährlich 865 Mio. $ (1997 331 Mio. $, 1998 406 Mio. $) geschätzt. Ein Markt, um dessen Anteile hart gekämpft wurde. Die großen Institute hatten dabei kleinere Häuser nach und nach immer mehr verdrängt.166 Doch 2002 brach das Emissionsgeschäft erheblich ein, kam in Deutschland 2003 schließlich völlig zum Erliegen. Bis zum Mai 2004 vergingen 18 emissionslose Monate. Während sich 2003 in Deutschland kein Unternehmen an die Börse wagte, zog die weltweite Emissionstätigkeit bereits wieder an „...und lag nach Angaben des Datenanbieters Dealogic im vierten Quartal 2003 mit 23,5 Milliarden US-Dollar so hoch wie zuletzt im Vergleichszeitraum des Jahres 2001. Insgesamt fanden 2003 jedoch nur 781 Unternehmen den Weg an die Börse nach 955 in 2002.“167 Die großen Investmenthäuser konzentrieren sich vor allem auf großvolumige Transaktionen mit entsprechend hohem Provisionsaufkommen. Das sind neben Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen großvolumige Börsengänge, die bei internationalen Investoren breit platziert werden sollen. Beim Post165 166 167

[Machold, U.; 2004; S.47] [Mandel-Campbell, A.; 2002] [Deutsche Postbank AG; 2004/1; S.9]

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DIE W AHL IST GETROFFEN – JETZT GEHT'S UM AKTIE UND MARKTSTIMMUNG

bank IPO, der ersten großen Aktienemission in Deutschland nach langer Pause, hatten zwei die Nase vorn, die auch zur Jahrtausendwende schon ganz vorn dabei waren: Die Deutsche Bank und Morgan Stanley führten als Joint Global Coordinators das Emissionskonsortium an.168 Finanzinstitute sind nicht nur an einer einmaligen Zusammenarbeit interessiert, sondern beraten ausgewählte Konzerne in Sachen Corporate Finance langfristig. So sind Interessenkonflikte durch hinzukommende ConsultingKunden fast unvermeidlich. Die Investmentbanken geraten folglich gelegentlich aufgrund von Interessenkonflikten ins Kreuzfeuer der Kritik: Per einstweiliger Verfügung erwirkte beispielsweise Mannesmann, dass Goldman-Sachs die Beratung von Vodafone untersagt wurde. Goldman Sachs hatte nämlich auch beim geplanten Erwerb der Mobilfunkfirma Orange durch Mannesmann mitgewirkt. Nicht selten sogar dienen derartige Firmen, deren interne Verschwiegenheit einzelne Arbeitsgruppen streng voneinander trennt, verschiedenen Herren innerhalb ein und desselben Vorganges. So ist es möglich, dass in einem Haus eine insgeheim geplante Fusion von beiden Seiten vorbereitet wird.169 Hier sind die beteiligten Partner im Rahmen ihrer in den Corporate Governance Richtlinien auferlegten Selbstverpflichtungen gefordert, im Sinne ihrer Kunden selbst die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Außerdem können Investmentbanken ihre stattlichen Honorare nur dann einstreichen, wenn die von ihnen eingefädelten Transaktionen auch tatsächlich zu Stande kommen. Das gilt für Fusionen und Übernahmen ebenso wie für Emissionen. Da liegt die Versuchung nahe, bei der Errechnung möglicher Synergieeffekte ein wenig zu schön zu malen, ebenso wie bei der Ermittlung des durch einen Börsengang prognostizierten Geschäftsverlaufs. Ein ähnliches Verhalten, wie es die gleichen Häuser bei der Beratung von Wertpapieranlegern an den Tag legen: Mag die Gewinnentwicklung noch so positiv sein, der Berater verdient vor allem daran, dass etwas bewegt und verändert wird und wird folglich immer wieder zu neuen Transaktionen raten. Plant man, selbst eine Beteiligung zu erwerben, so liegt die Versuchung nahe, das entsprechende Unternehmen niedrig zu bewerten, um günstig einkaufen zu können. An einem Börsengang ist im Übrigen weit mehr zu verdienen, als nur die reine Kommission für die Aktienplatzierung. Jeder Emittent braucht zahlreiche weitere Spezialisten: Ö IPO-Berater Ö Rechtsanwälte 168 169

[Deutsche Postbank AG; 2004/2; S.2] [Heismann, G; 1999]

DIE AKTIE UND DAS MARKTUMFELD. WER BRINGT DEN NEWCOMER AN DIE BÖRSE?

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Ö Wirtschaftsprüfer Ö Werbe- und Media-Agenturen Ö PR-Fachleute Ö Roadshow- und Eventorganisatoren Ö Informations- und Clipping-Dienste Ö Werbefilmproduzenten Zusammengenommen steckt in diesen Positionen ein erhebliches Umsatzpotential. So haben sich Banken mit der Zeit darauf eingestellt, als Generalunternehmer regelrechte „Sorglospakete“ für IPO-Kandidaten zu schnüren, die alle erforderlichen Leistungen aus einer Hand beinhalten.170 Fazit: Investmentbanken wollen verdienen und der Kampf um Marktanteile ist hoch. Deshalb ist die Versuchung groß, eine Emission auch dann abzuwickeln, wenn sie aus wirtschaftlicher Sicht nicht erforderlich oder Gewinn versprechend ist. Das Urteil unabhängiger Analysten gewinnt vor diesem Hintergrund besonders an Bedeutung. 3.1.2

Die Konsortialbanken und ihre Platzierungsstrategie

3.1.2.1 Der Konsortialführer „DIE PHÖNIZIER HABEN DAS GELD ERFUNDEN – ABER WARUM SO WENIG?“ Johann Nepomuk Nestroy, österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

Bei der Auswahl seiner Emissionsbank(en) wird sich der Emittent selbstverständlich von vertrauten Partnern beraten und führen lassen. Das sind in erster Linie Anwälte, Steuer- und Bilanzfachleute und in einigen Fällen Unternehmensberater oder die Hausbank, die bereits für das Unternehmen tätig sind. Ausschlaggebende Faktoren für die Wahl der Konsorten sind die Vertrauensbasis, der geplante Zeitablauf, das Renommee der Institute, d. h. deren erfolgreich durchgeführte Emissionsprojekte in der Vergangenheit, die Kosten und nicht zuletzt der erzielbare Emissionspreis.171 Denn der Emittent wird vorzugsweise Banken auswählen, die sich zutrauen, ihn zu einem guten Preis am Markt zu platzieren. Den größten und ertragreichsten Anteil erwischt die konsortialführende Bank, im Fachjargon als Lead Manager bezeichnet. Sie ist Primus inter Pares derer, 170 171

[Bilstein, J.; 1999; S.6] [Althaus, J.; 2001]

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DIE W AHL IST GETROFFEN – JETZT GEHT'S UM AKTIE UND MARKTSTIMMUNG

die die Aktien an den Anleger bringen, sie leitet und koordiniert den Emissionsablauf und entscheidet in Absprache mit dem Emittenten über die zukünftige Zusammensetzung der Anlegerschaft. Beim Konsortialführer wird während der Zeichnungsfrist das zentrale Orderbuch geführt anhand dessen der Überblick über die Nachfragekapazität verschiedener Anlegergruppen möglich ist. Bei besonders großen Emissionen kann es vorkommen, dass das Lead Management zwischen mehreren großen Partnern aufgeteilt wird. Als Beispiel, wie ein Emissionskonsortium zusammengesetzt sein kann, sind hier die Konsorten der Postbank Emission des Jahres 2004 genannt:172 Joint Global Coordinators

Deutsche Bank Morgan Stanley

Retail Coordinator

Deutsche Postbank

Senior Co-Lead Manager

Citigroup Dresdner Kleinwort Wasserstein JP Morgan UBS

Co-Lead Manager

ABN Amro, Bayerische Landesbank, Commerzbank, Crédit Agricole, DZ Bank, Fox-Pitt, Kelton, Goldman Sachs, HSBC, HVB Group, Landesbank Baden-Württemberg Merill Lynch, Sal. Oppenheim WestLB

Abbildung 17: Beispiel der Zusammensetzung eines Emissionskonsortiums

Der Konsortialführer teilt den Konsorten die Quoten zu und gibt diesen dabei die Zuteilung an bestimmte institutionelle Anleger vor (Directed Allotment). Ein weiterer Teil der Zuteilung, über dessen Weitergabe die Konsorten nach eigenem Ermessen entscheiden können, wird als Free Retention bezeichnet. Die Konsortialführerschaft ist außerordentlich lukrativ: Nach Einschätzung von Branchenkennern, übernimmt die konsortialführende Bank durchschnittlich 70 Prozent des Gesamtvolumens auf eigenes Risiko, was bei kleineren Emissionen zwischen 5 und 7 Prozent an Kommission einbringt.173

172 173

[Deutsche Postbank AG; 2004/2] [Pelda, K.; 2000; S.25]

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Während Bekanntheitsgrad und Reputation des Konsortialführers früher eine brauchbare Entscheidungshilfe für die Güte einer Emission waren, kann man sich heute allein auf dessen guten Namen oder die Anzahl der von ihm bereits durchgeführten Emissionen nicht mehr verlassen. So sah beispielsweise die Emissionsbilanz der DG Bank, einer der ganz Großen im IPO-Geschäft, im August 2000 erschreckend aus: Von 16 Emittenten, die sie im Laufe des Jahres an den Markt gebracht hatte, lagen lediglich vier im Plus.174 Unter den Top Ten der europäischen Konsortialbanken finden sich erwartungsgemäß etliche Namen wieder, die auch unter den führenden InvestmentHäusern (siehe: voriges Kapitel) ganz vorne stehen: 01. 02. 03. 04. 05. 06. 07. 08. 09. 10.

Goldman Sachs & Co Morgan Stanley UBS Lehman Brothers Citigroup Credit Suisse First Boston Deutsche Bank AG Merrill Lynch & Co Carnegie Societe Generale

Abbildung 18: Bloomberg L.P. – Underwriter Rankings European Initial Equity Offerings 2004

Marktanteil 14,7 % Marktanteil 12,0 % Marktanteil 11,5 % Marktanteil 8,4 % Marktanteil 6,7 % Marktanteil 6,5 % Marktanteil 6,1 % Marktanteil 5,1 % Marktanteil 3,6 % Marktanteil 3,4 % 175

Praxis-Beispiel: Wer eine Emission zeichnen möchte, jedoch bislang kein Wertpapierdepot bei einer der Konsortialbanken hat, kann mit diesen darüber verhandeln, ob die Möglichkeit einer bedingten Depoteröffnung besteht. Manche Häuser sind, mit Blick auf mögliche Folgegeschäfte, dazu gerne bereit. Dabei wird für den Fall der erfolgreichen Zeichnung zunächst ein bestandsloses Depot eingerichtet, das erst bei Einbuchung einer erfolgten Zuteilung auflebt (und dann natürlich mit den erforderlichen Depotführungsgebühren und Transaktionskosten bedient werden muss). Voraussetzung für die Einrichtung eines bedingten Depots ist jedoch stets ein ausreichender Bestand auf einem zugehörigen Geldkonto (in der Regel beim gleichen Institut), um den Preis der gezeichneten Wertpapiere bei Zuteilung sofort begleichen zu können.

174 175

[ham; 2000; S.27] [Bloomberg L.P.; 2004]

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Fazit: Wer öfter Emissionen zeichnen möchte und dabei eine reelle Chance auf Zuteilung haben will, tut gut daran, sein Wertpapierdepot bei einer Bank zu unterhalten, die bei interessanten Emissionen häufig als Konsortialführer fungiert. Klar, dass bei interessanten Titeln die dortigen Kunden in der Regel eine vergleichsweise höhere Chance auf Zuteilung haben, als die der übrigen Konsorten. 3.1.2.2 Die Konsorten „DIE RICHTIGE EINSTELLUNG ZU GELD IST HABGIERIGE ABSCHEU.“ Henry Miller, amerikanischer Dramatiker und Maler

Zusätzlich zur konsortialführenden Bank sind bei den meisten Emissionen etliche weitere Konsorten mit der Platzierung betraut. Dabei sollte man denken, dass es für große Institute ein Leichtes sein müsste, kleinere Emissionen allein, ohne Hinzuziehung weiterer Konsorten, bei den Anlegern zu platzieren. Emittenten legen jedoch im eigenen Interesse großen Wert darauf, dass ihre Aktien über möglichst viele Konsortialbanken vertrieben werden. Das geschieht nicht allein deshalb, damit Kunden verschiedenster Banken eine Zeichnungschance erhalten. Die Wahl der Konsortialbanken ist nicht nur für die Emission selbst entscheidend. Nach Zuteilung der Stücke an die Anleger ist der Emittent diese Institute noch lange nicht los. Im Gegenteil: Der Einfluss gerade dieser Banken auf die Unternehmensführung wird in den Folgejahren am höchsten sein. Die meisten Kleinanleger nehmen das Stimmrecht nämlich nicht persönlich wahr, sondern lassen sich per Vollmacht von ihrer Depotbank auf Hauptversammlungen vertreten. So erlangen gerade die Konsortialbanken, die über die größten Depotbestände aus den Zuteilungen an ihre Kunden verfügen, in den Folgejahren der Börseneinführung einen erheblichen Einfluss auf den Emittenten. Es ist also bei weitem nicht damit getan, Institute mit hoher Platzierungskraft auszuwählen. Vielmehr müssen Häuser gefunden werden, die die geschäftlichen Ziele des Emittenten verstehen und auch in den Folgejahren unterstützen werden. Aus diesem Grunde wird meist ein gesunder Mix verschiedenster Institute im Konsortium angestrebt. So praktisch es sein mag, einem einzigen Institut die Emission allein zu überlassen; dessen Stimmrecht wäre das Unternehmen in den Folgejahren buchstäblich ausgeliefert. Und das kann gefährlich werden, besonders dann, wenn diese Bank den Emittenten Fusions- oder Übernahmeversuchen aussetzt, die nicht auf seiner Linie liegen. Ein gutes Klima innerhalb des Emissionskonsortiums ist deshalb fast ebenso wichtig wie das Managementklima beim Emittenten selbst. Können sich die Konsorten untereinander nicht riechen, so werden Konflikte leicht auf dem Rü-

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cken des Börsengängers ausgetragen. Das behindert den Erfolg des Börsenganges und die spätere Kursentwicklung unmittelbar. Ein weiterer Grund, der für einen gesunden Mix aus möglichst vielen Konsorten spricht, ist die Erhöhung der Außenwahrnehmung: Die meisten Emittenten versuchen heute, ihre Aktien nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa über Roadshows zu platzieren. Das Asset Management der Banken wird erheblich ausgebaut; die Zahl der Fonds und Zertifikate nimmt ständig zu. Die daraus resultierende Vielfalt an Analysten, die sich natürlich auch mit Neuemissionen befassen, wird für Emittenten zur Herausforderung. Denn eine Chance, das Potenzial des Börsenganges voll auszuschöpfen, hat nur der, dem es gelingt, so viel Research-Coverage wie möglich auf sich zu ziehen.176 Eine Aufgabe, mit der ein Neuling am Finanzmarkt schnell überfordert ist. Hier ist neben dem Einsatz professioneller Finanz-PR-Fachleute die tatkräftige Unterstützung der emissionsbegleitenden Banken gefragt. Ein Aspekt, der es nahe legt, sich beim Börsengang nicht allein auf den Konsortialführer, sondern auf ein möglichst breites Emissionskonsortium zu stützen. Die dadurch bewirkte Streuung auf die Wahrnehmung vieler Analysten ist ein unverzichtbarer Baustein erfolgreicher Emissions-PR. Die Wahrnehmung darf sich aber auf keinen Fall ausschließlich auf den Bankensektor und deren Analysten beschränken. Nicht nur, weil Banken als Konsortialmitglieder auch nach Aufnahme des Handels für lange Zeit befangen bleiben, sondern auch, da Banken sich überwiegend mit Kaufempfehlungen befassen, um das Geschäft anzukurbeln. „Verkaufsempfehlungen sprechen alle Banken ohnehin nur sehr widerwillig aus. Mit einem Abrat ist für die Bank wenig Provision zu verdienen, weil der Tipp nur Investoren anspricht, die das Papier schon im Depot haben. Und ein Negativurteil verärgert das abgewatschte Unternehmen.“177 Kleinere Emissionen, die nur von den Analysten der Emissionsbanken begleitet werden, laufen Gefahr, auf Dauer ein Mauerblümchen-Dasein zu fristen. Wenn sich nach Handelsaufnahme kaum mehr einer für die weitere Entwicklung interessiert, so ist das Kursniveau nur schwer zu halten, geschweige denn zu steigern.178 Hinsichtlich der Zeichnungsempfehlungen für von ihnen an die Börse gebrachte Neuemissionen können die Konsortialbanken natürlich nicht unvoreingenommen sein. Wer wird sich schon das eigene Geschäft kaputtmachen? Deshalb sind Empfehlungen der Konsorten, auch nach Aufnahme des Handels, mit der nötigen Distanz zu werten. Es gehört zu den Gepflogenheiten, dass emissionsbeteiligte Banken und ihre Analysten kurz vor Beginn und in den ers176 177 178

[Deutsche Börse AG; 2000] [Heise, S.; 2000] [Buchter, H.; 2000; S. 15]

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ten Wochen nach der Emission aufgrund ihrer Befangenheit keine Empfehlungen abgeben (Black-Out-Periode).179 Spätere Analysen neigen zur Schönfärberei. „Positive Stimmen von Emissionsbanken auch bei fallenden Kursen gibt es öfter, als es Anlegern lieb sein kann. Begleitet eine Bank ein Unternehmen an die Börse, ist im Dienstleistungspaket oft auch die Verpflichtung enthalten, regelmäßig Studien über den Debütanten zu veröffentlichen. Dabei verderben es sich die Geldhäuser ungern mit der eigenen Kundschaft: Es locken lukrative Folgegeschäfte bei Kapitalerhöhungen oder weiteren Börsengängen.“180 Letztlich hängt auch der Ruf der Konsorten von der weiteren Entwicklung der von ihnen präsentierten Werte ab. „Entsprechend selten stufen Analysten ein Unternehmen herab, das das eigene Haus an die Börse gebracht hat – auch wenn immer schlechtere Zahlen das dringend nötig machen würden. Leidtragende sind oft die Privatanleger.“181 Sollte eine Konsortialbank dennoch eine negative Empfehlung zu einem von ihr platzierten Wert abgeben, so ist doppelte Vorsicht geboten. Fazit: Eine gute Mischung verschiedener Konsortialbanken ist nicht nur im Sinne der Investoren, deren Zuteilungschancen dadurch steigen, dass auch ihre Hausbank öfter bei einer Emission dabei ist. Auch Emittenten sind daran interessiert, über ein möglichst breit diversifiziertes Konsortium platziert zu werden, um späteren Machtkonzentrationen durch die Ballung von Stimmrechtsvollmachten so weit wie möglich vorzubeugen. Professionelle Platzierungen setzen harmonisch koordinierte Bemühungen aller Konsorten voraus, damit dem Emittenten kein Schaden entsteht. Je besser der Newcomer wahrgenommen wird, je mehr Analysten sich im Vorfeld der Emission mit dem Unternehmen vertraut machen, desto größer die Chancen der Emission, aber auch der begleitenden Beobachtung nach dem Börsenstart. So ist ein breit gestreutes Emissionskonsortium nicht nur deshalb von Vorteil, weil es mehr Anlegern eine Chance auf Zuteilung gibt, sondern vor allem, weil der Emittent vor, während und nach der Emission eine hohe Research-Kapazität, also einen hohen Aufmerksamkeitsgrad auf sich zieht. Das sollte möglichst viele unabhängige Analysten mit einbeziehen, da Banken, gerade wenn Verkaufsempfehlungen vonnöten wären, häufig in einem Interessenkonflikt stecken. Der Anleger sollte deshalb Emittenten favorisieren, über deren bevorstehenden Börsengang möglichst viele Meldungen zu finden sind. Wer schon beim Start ein hohes Coverage-Potential auf sich ziehen kann, läuft weniger Gefahr, 179

Anm.: Im August 2004 legte die Deutsche Börse fest, dass die Black-Out-Periode bereits zehn Tage vor dem öffentlichen Angebot beginnen muss. [scc; 2004] 180 [Heise, S.; 2000] Vgl. auch: [Pauly, C.; 2000] 181 [Heise, S.; 2000]

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nach der Emission von Analysten vergessen zu werden. Fortlaufende Präsenz der Gesellschaft ist der notwendige Boden, auf dem der Kurs weiter gedeihen kann. „So vorsichtig Anleger bei Kauftipps von Emissionsbanken sein sollten, umso zügiger sollten sie Verkaufseinstufungen folgen: Wenn sich eine Konsortialbank dazu durchringt, brennt die Hütte oft schon lichterloh. Auch eine Rückstufung auf ‚halten’ oder ‚neutral’ ist ein eindeutiges Warnsignal.“182 3.1.3 Der Emissionsprospekt „NEUANLEGER SCHAUEN NICHT AUF DEN BÖRSENPROSPEKT, SONDERN AUF DIE W ERBUNG UND DEN NACHBARN IN DER SAUNA.“

183

Rüdiger von Nitzsch, deutscher Ökonom

Die offizielle Präsentation eines Unternehmens, das an die Börse geht, ist der Emissionsprospekt. Diese Bezeichnung mag auf den ersten Blick einen falschen Eindruck erwecken, werden wir doch täglich mit Prospekten geradezu überschwemmt. Hier jedoch handelt es sich um ein ausgesprochen wichtiges Schriftstück. Es muss mit äußerster Sorgfalt erstellt werden, denn neben der Präsentation des Unternehmens hat es im Emissionsverfahren und darüber hinaus juristische Bedeutung: Nach dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz erfordert jedes öffentliche Angebot von Wertpapieren in Deutschland die Vorbereitung und Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes. Erst wenn der Emissionsprospekt von der Zulassungsstelle der Börse genehmigt worden ist, darf er veröffentlicht werden. Vorher ist jedes Werben um Kauforders von Investoren rechtlich unzulässig, sofern es über allgemeine Verweise auf die vorgesehene Börsenzulassung und die Absicht eines Börsenganges hinausgeht. Wenn Börsenprospekte wissentlich falsche oder erheblich geschönte Angaben enthalten, können daraus spätere Ansprüche geschädigter Anleger gegen den Emittenten und die an der Emission Beteiligten (Emissionsbanken und durchführende Berater) hergeleitet werden. Auch Unternehmensberichte, wie sie beispielsweise zur Zulassung zum Geregelten Markt erforderlich sind, unterliegen dieser so genannten Prospekthaftung für unrichtige oder unvollständige Angaben. Da die im Emissionsprospekt gemachten Angaben erhebliche juristische Bedeutung haben, regeln Emittent und Emissionsbanken im Konsortialvertrag die Haftung für alle darin getroffenen Aussagen auf das Genaueste. Dieses Ver-

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[Heise, S.; 2000] Nitzsch, Rüdiger von; zitiert bei: [Müller, U. H.; 2000; S.15]

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tragswerk, auch als Underwriting Agreement bezeichnet, enthält derart viele Details, dass es schnell dreißig bis vierzig Seiten umfassen kann.184 Form und Inhalt der Emissionsprospekte waren einst so individuell, dass der Anleger eher verwirrt als informiert wurde. Mit der Novellierung der Going Public-Grundsätze in ihrer Fassung vom 15. Juli 2002185 hat die Deutsche Börse AG dafür gesorgt, dass die Informationen für den Anleger transparenter und vereinheitlichter geworden sind. Ziel war es, „den Emissionsprospekt zum zentralen Informationsmedium und zur wesentlichen Entscheidungsgrundlage für den Anleger zu machen.“186 Damit erfolgte eine Angleichung der deutschen Kapitalmarktstandards an die Grundsätze der US Securities and Exchange Commission (SEC), so dass auch die internationale Vergleichbarkeit der in Emissionprospekten gemachten Angaben möglich geworden ist. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben erfüllt der Prospekt natürlich auch die Funktion, potentielle Anleger von der Attraktivität der Zeichnung zu überzeugen. Die Gestaltung hinsichtlich Design und Wording wird sich daher soweit als möglich am Corporate Design des Unternehmens orientieren. Für neugierige Anleger ist der Emissionsprospekt eine wahre Fundgrube. Hier finden sich Angaben zur Marktstellung, Unternehmensstrategie und Finanzdaten. Im Gegensatz zu den oft stark verkürzten und positiv ausgerichteten IPOFernsehspots müssen im Emissionsprospekt auch Risikofaktoren genau benannt und erläutert werden. Dabei reicht eine reine Aufzählung der Risikofaktoren nicht aus. Sie müssen „in Reihenfolge der möglichen wirtschaftlichen Folgen stehen.“187 Viel zu wenige machen sich die Mühe, hier einmal genau nachzuschauen. Kaum einer hat zum Beispiel gemerkt, dass im T-OnlineEmissionsprospekt stand „T-Online rechnet künftig mit erheblichen Verlusten“, ferner hieß es „Der Kurs der Aktien von T-Online wird wahrscheinlich sehr volatil sein.“188 Da die Informationen des Emissionsprospektes eine unverzichtbare Entscheidungsgrundlage für den Investor sind, ist es wichtig, dass der Emissionsprospekt zügig erscheint und für die Anleger bereits deutlich vor dem Zeichnungstermin verfügbar ist. Praxis-Beispiel: Lassen Sie sich frühzeitig bei der Investorenbetreuung interessanter Emittenten registrieren, damit Sie den Emissionsprospekt baldmöglichst erhalten. Be184

[Technau, K.; 1999; S. B17] Anm.: Die Going Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG in ihrer Fassung vom 1.8.2004 sind im Anhang dieses Buches wiedergegeben, ebenso die von der Deutsche Börse AG verbindlich vorgegebene Gliederung des Emissionsprospektes. 186 [Wieneke, L.; 2002; S. 34] 185

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[scc; 2004] [T-Online, 2000]

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sonders Eiligen sei der Blick auf die Investor Relations Seiten des Emittenten im Internet empfohlen: Einige Börsengänger veröffentlichen dort eine digitale Version ihres Emissionprospektes bereits vor dem Erscheinen der gedruckten Exemplare. Leider lassen sich viele Unternehmen und Emissionsbanken mit der Erstellung und Zusendung gedruckter Emissionsprospekte an interessierte Anleger sehr viel Zeit. Nicht selten treffen die angeforderten Exemplare zu spät, manchmal sogar erst nach dem Börsengang ein. Bei Firmen, die auch in den USA notiert werden, finden sich wertvolle Informationen in der so genannten EDGARDatei, der Informationsplattform und Datenbank der US-Wertpapierhandelsaufsicht, unter www.sec.gov.189 In anderen Ländern, insbesondere in den Vereinigten Staaten, sind die juristischen Bestimmungen hinsichtlich des Emissionsprospektes und der Haftung des Emittenten und der Konsortialbanken zum Teil abweichend. Daraus erklärt sich, dass die Unterlagen deutscher Emittenten häufig nationale Ausschlussklauseln enthalten, die eine Verbreitung im Ausland generell – oder in bestimmten Ländern – verbieten. Praxis-Beispiel: Bei der Deutschen Post trugen Verlautbarungen im Vorfeld der Emission folgenden Zusatz: „Nicht zur Weitergabe in, nach bzw. innerhalb USA, Kanada oder Japan bestimmt. Diese Pressemitteilung wird nicht in den USA veröffentlicht und darf nicht an Personen bzw. Personenvereinigungen, die in den USA ansässig sind, oder Publikationen mit allgemeiner Verbreitung in den USA weitergegeben werden. Dieses Dokument stellt kein Angebot und keine Aufforderung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Aktien dar. Die Aktien der Deutsche Post AG sind nicht nach den Bestimmungen des US-amerikanischen Wertpapierrechts registriert worden. Sofern sie nicht registriert sind oder ein Ausnahmetatbestand von den Registrierungspflichten nach dem US-amerikanischen Wertpapierrecht vorliegt, dürfen sie nicht innerhalb der USA oder an Personen bzw. Personenvereinigungen, die in den USA ansässig sind, angeboten, verkauft oder geliefert werden.“ Das darf jedoch vom Anleger nicht so verstanden werden, als wolle sich der Emittent bestimmte Investorengruppen vom Leibe halten, vielmehr entspricht das juristischen Bestimmungen der Securities Exchange Commission, der Börsenaufsichtsbehörde der Vereinigten Staaten. Sind nämlich Wertpapiere in den USA nicht nach dem dort gültigen Wertpapiergesetz (Securities Act von 1933) registriert, so darf in der Öffentlichkeit, außer vor qualifizierten institutio-

189

[Rüppel, W.; 2000; S.54]

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nellen Investoren, nicht für sie geworben werden. Allgemeine Imagewerbung für das Unternehmen ist jedoch ohne Einschränkung möglich. Fazit: Der Emissionsprospekt ist die inhaltlich ausführlichste Information des Emittenten. Die Sorgfalt der darin gemachten Angaben muss juristisch strengen Maßstäben genügen. Für falsche Angaben haften Emittent und Konsortialbanken und können rechtlich im Nachhinein zur Verantwortung gezogen werden. Im Anhang dieses Buches ist die von der Deutsche Börse AG vorgegebene Prospektgliederung wiedergegeben. Die einzelnen Gliederungspunkte geben einen guten Überblick darüber, welche Informationen der Anleger in diesem Dokument erwarten kann. Nachtrag: Im August 2004 legte das Bundesfinanzministerium den Entwurf eines Kapitalmarktinformations-Haftungsgesetzes vor. Danach sollen auch mündliche Aussagen von Vorstandsmitgliedern auf Hauptversammlungen und anderen vom Emittenten veranlassten Veranstaltungen zur Haftung führen.190 3.1.4 Alles aus einem Guss – Auch die Aktie gehört zur Corporate Identity „DAS IMAGE IST EIN GEBORGTES GESICHT.“ Billy Wilder, amerikanischer Filmregisseur

Corporate Identity – mit diesem Sammelbegriff bezeichnen PR-Fachleute die Identität eines Unternehmens. Diese Identität soll, in all ihren Facetten, jederzeit deutlich und unverwechselbar zum Ausdruck kommen. Je größer und verzweigter ein Unternehmen ist, umso schwieriger wird es, alle Aspekte, unter denen es wahrgenommen wird, unter einem einheitlichen Dach zusammenzufassen. Das betrifft sowohl visuelle Elemente des Corporate Designs, wie verwendete Farben, Logos, Markenzeichen, als auch das Corporate Wording, also einen einheitlichen sprachlichen Auftritt. Es betrifft außerdem das Corporate Behavior, in dem Verhaltensregeln, wie zum Beispiel Fragen der Kulanz, geregelt sind sowie die Bereiche wie Corporate Fashion, die Kleidung der Mitarbeiter oder Corporate Ethics, in der die Einstellung des Unternehmens zum Beispiel zu sozialen oder umweltpolitischen Aspekten zum Ausdruck kommt. In diesen Rahmen müssen Aktie und Börsengang des Unternehmens nahtlos eingefügt sein. Denn der Anleger muss sich darauf verlassen können, mit sei190

[Vorstände sollen für falsche Angaben haften; 2004]

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ner Beteiligung am Unternehmen genau die Identität zu erhalten, die schon vor dem Börsengang kommuniziert wird. Eine Zweitidentität für den Finanzmarkt gibt es nicht. Sie wäre auch langfristig nicht haltbar. Das lässt sich an einem einfachen Praxisbeispiel leicht verdeutlichen: Angenommen ein Aktionär erlebt kurz hintereinander mehrere erhebliche Verspätungen im Flugbetrieb der Deutschen Lufthansa, sieht, wie zahlreiche Passagiere resigniert umbuchen und ärgert sich möglicherweise über unfreundliche Behandlung am Buchungsschalter, so wird er sich von der Lufthansa-Aktie auch dann trennen, wenn die Investor Relations Arbeit hervorragend, der Auftritt der Gesellschaft am Kapitalmarkt bestens organisiert ist. Je komplexer die Struktur eines Börsengängers ist, umso sorgfältiger muss er als synergetisch operierende Summe seiner Teile kommuniziert werden. Ein gutes Beispiel ist Deutsche Post World Net. Unter diesem Dach sind die Leistungsbereiche Mail und Express, Logistik und Finanzdienste zusammengefasst. Die eigenständig operierenden Bereiche sind auf den ersten Blick dem „gelben“ Konzern zuzuordnen.191 Eine solche Aufgabe gelingt nur durch straffe Gestaltung der Markenarchitektur und -kommunikation. Fazit: Nur Unternehmen mit einer schlüssigen und konsequent übergreifenden Identität haben – am Produktmarkt und am Finanzmarkt – eine Chance. Aufpassen bei Newcomern, die sich nur zur Emission ein dynamisches Image und ein paar schicke Effekte zulegen, im Tagesgeschäft jedoch einen konfusen, uneinheitlichen Auftritt zeigen. Bei Fusionen und Übernahmen auf Konzernebene lässt sich die Leistungsfähigkeit des Managements und die Beherrschbarkeit großer, multinationaler Strukturen daran erkennen, wie schnell es gelingt, neu hinzugekommene Betriebsteile harmonisch in die Corporate Identity einzufügen. 3.1.5 Die Aktie ist wie eine Marke „W ER AUFHÖRT ZU WERBEN, UM SO GELD ZU SPAREN, KANN EBENSO SEINE UHR ANHALTEN, UM ZEIT ZU SPAREN.“ Henry Ford, amerikanischer Großindustrieller

„Mit der Handelsaufnahme hat jedes börsennotierte Unternehmen ein zusätzliches Produkt, das – wie alle übrigen Produkte – entwickelt, beworben und gepflegt sein will: die eigene Aktie.“192 Die eigenen Aktien dauerhaft als Marke zu verstehen, zu betreuen und bewerben, das ist in Deutschland noch eine Sel191 192

[Waschek, J.; 2000; S.112ff] [Riess, R.; 2004, S.8]

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tenheit. Während zur Emission gewaltige Anstrengungen unternommen werden, um Bekanntheitsgrad und Zeichnungsbereitschaft in die Höhe zu treiben, wird oft schon unmittelbar nach Handelsbeginn nur noch die Pflichtpublizität absolviert. Während hochbezahlte Product-Manager nichts unversucht lassen, um Waren und/oder Dienstleistungen des Unternehmens ins rechte Licht zu setzen, führt die Aktie oft ein trauriges Schattendasein. Damit wird eine große Chance verschenkt. Denn eine Aktie kann wie ein eigenständiges Produkt zu einem Markenartikel und Werbeträger aufgebaut werden. Vereinzelt lassen sich jedoch erste Anzeichen dafür erkennen, dass Aktien auch ohne unmittelbar bevorstehende Neuemission oder Kapitalerhöhung kontinuierlich beworben werden. Besonders, wenn Gesellschaften während oder nach Umstrukturierungen ihr neues Profil bekannt machen möchten. Wenngleich Markenwerbung für Aktien noch nicht genügend erforscht ist, besteht unter Kommunikationsfachleuten Einigkeit darüber, dass Aktien durchaus als Marken verstanden werden und von Anlegern wie diese mit Images und damit – zum Teil erheblichen – Emotionen verbunden werden. Gemäß einer Studie von Price Waterhouse Coopers wird der Aktienkurs sogar zu mehr als fünfzig Prozent von weichen Faktoren, also immateriellen Werten wie Bekanntheitsgrad, Image oder Sympathie des Managements determiniert.193 Praxis-Beispiel: Coca-Cola gilt als die wohl wertvollste Marke weltweit. Betrachtet man die Börsenkapitalisierung, so bildet sich der Wert des Unternehmens zu 95 Prozent aus immateriellen (weichen) Werten und nur zu fünf Prozent aus dem reinen Buchwert.194 Eine positive Einstellung der Anleger zum Unternehmen, verbunden mit einem hohen Identifikationsgrad, ist gerade für Wachstumsunternehmen entscheidend, denn was hier verloren geht, fehlt spätestens bei der nächsten Kapitalerhöhung. Fazit: Gesellschaften, die ihre Aktien markenartig – schon zur Emission, aber auch im späteren Sekundärmarkt – aktiv bewerben, wirken attraktiver, erhöhen die Identifikation der Anleger und sind somit für die langfristige Anlage zu favorisieren.

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[ho; 2000; S.5] [ho; 2000; S.5]

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3.1.6 Die Stückelung „IMMER MEHR HEMMSCHWELLEN WERDEN BESEITIGT. IST DAS EINE SICHTBARE ABRÜSTUNG ODER EINE UNSICHTBARE AUFRÜSTUNG?“ Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker

„Unerhört!“, so die Reaktion vieler altgedienter Börsianer damals, als sich ein Optiker, begleitet von der Bayerischen Vereinsbank, 1994 anschickte, Aktien im Nominalwert von nur 5 DM zu emittieren. Prompt entstand eine Debatte darüber, ob so eine kleine Stückelung dem Markt zuzumuten sei. Günter Fielmann, so weiß man heute, bewies damals nicht nur Geschick, indem er seine Aktie auf der Welle dieser Aufmerksamkeit als einer der ersten offensiv vermarktete. Seine Idee der kleinen Stücke wurde wenig später von zahlreichen Gesellschaften adaptiert, die ihren Aktienbestand im Verhältnis 1 zu 10 splitteten. Um Nominalwerte braucht man sich heute keine Gedanken mehr zu machen. In den Vereinigten Staaten schon seit langem üblich, hat sich die nennwertlose Stückaktie mittlerweile auch bei uns durchgesetzt. Sie repräsentiert einen prozentualen Anteil, eine Quote am Grundkapital, weshalb sie auch Quotenaktie genannt wird. Aktien mit kleiner Stückelung haben bessere Chancen auf eine positive Kursentwicklung. Das hat mehrere Gründe: Ö Hohe Kurse stellen für private Anleger eine marktpsychologische Hemmschwelle dar. Aus diesem Grunde führen viele Gesellschaften von Zeit zu Zeit so genannte Splits durch (Beispiel: Mobilcom). Dabei werden aus einer Aktie mehrere, um den Kurs optisch zu verbilligen. Wer neu an die Börse geht, sollte diese Erkenntnis berücksichtigen: Viele erschwingliche Aktien sind im Sekundärmarkt liquider als wenige teure. Ö Eine positive Kursentwicklung vorausgesetzt erspart man sich die Notwendigkeit eines baldigen Splits, der, aufgrund der damit verbundenen Umbuchungen, immer mit Kosten für den Emittenten verbunden ist. Ö Mehrere Portfoliostrategien bevorzugen Werte mit geringen absoluten Preisen. Man geht dabei davon aus, dass der Kurs dieser Aktien noch über ein unausgeschöpftes Nachholpotential verfügt. So werden beispielsweise in der von Prof. Max Otte auf www.wallstreet-village.de propagierten Kaufleute-Strategie, aus einer Gesamtheit zunächst die Werte mit dem günstigsten Kurs-Gewinn-Verhältnis und von diesen wiederum die mit dem geringsten absoluten Kurs zur Anlage ausgewählt.

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Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre ist jedoch der Überzeugung, zu kleine Stückelungen seien verstärkt der Spekulation ausgesetzt.195 Deshalb solle man sich an der US-Technologiebörse Nasdaq orientieren. Dort gelte ein Mindestemissionspreis von 5 Dollar. In manchen Fällen mögen auch Imageerwägungen eine Rolle spielen, wenn Aktiengesellschaften über die Stückelung ihres Aktienkapitals entscheiden: So wie es schlüssig ist, dass Fielmann-Aktien bewusst in kleinen Einheiten, also wie die Brillen für jedermann erschwinglich angeboten werden, so ist es gewiss auch kein Zufall, dass Porsche keinen Grund sieht, seine Stücke nennenswert zu splitten. Die vergleichsweise teuren Papiere harmonieren mit der elitären Markenidentität. Fazit: Letztlich ist es gleich, ob jemand einen Fünfzig-Euro-Schein oder fünf ZehnEuro-Scheine in der Tasche hat. Dennoch ist eine möglichst kleine AktienStückelung im Sinne des privaten Anlegers. Die psychologische Hemmschwelle sinkt, denn es gelingt auch mit geringen Mitteln, runde Stückzahlen (z. B. 100 Aktien) zu erwerben. Und das kann für den Zugang zum variablen Handel an einigen Märkten entscheidend sein. Auf manchen börslichen Handelsplattformen ist die Abwicklung von Orders im variablen Handel nämlich an Mindeststückzahlen gebunden. 3.1.7 Inhaberaktien oder Namensaktien – Trends zu mehr Investorentransparenz „GELD IST JENER SECHSTE SINN, DER DEN GENUSS DER ANDEREN FÜNF ERST MÖGLICH MACHT.“ Orson Welles, amerikanischer Schauspieler und Regisseur

Die ersten Aktienformulare waren Namensaktien. Sie lauteten auf den Namen des Inhabers. Er wurde im Aktienbuch der Gesellschaft und ebenfalls auf der Rückseite der Aktie namentlich eingetragen. Diese Beurkundung musste bei jedem Eigentumswechsel erneut vorgenommen werden. In turbulenten Zeiten mit vielen Verkäufen innerhalb kurzer Zeit kam man mit der Umschreibung kaum mehr nach. So wurde die Inhaberaktie eingeführt, die ohne Umschreibung von einem Eigentümer zum nächsten weitergegeben werden kann. Durch zentrale Aufbewahrung, die so genannte Girosammelverwahrung, wurde bei Käufen und Verkäufen auch die physische Lieferung der Papiere von Bank zu Bank entbehrlich. Die Transaktionen konnten als reine Umbuchungen 195

[ham; 2000; S.27]

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auf den Wertpapierkonten der Beteiligten durchgeführt werden. Seit 1998 sind Aktiengesellschaften nicht mehr zur Ausgabe von effektiven Stücken verpflichtet. Ohne die aufwendige Handhabung effektiver Stücke berücksichtigen zu müssen, sind die Vorteile von Namensaktien von vielen wieder neu entdeckt worden. So haben bedeutende Aktiengesellschaften wie die Deutsche Bank, Linde oder Siemens 1999 wieder auf Namensaktien umgestellt. Etliche Neuemittenten entscheiden sich von vornherein für Namensaktien. Dazu muss die Gesellschaft ein Aktionärsverzeichnis führen, in dem jeder Eigentumswechsel protokolliert wird. Gewiss, das ist aufwändig, aber die Kosten halten sich heute in Grenzen, da die Software der börslichen Handelsabwicklung es erlaubt, Namensaktien in die Girosammelverwahrung aufzunehmen und die elektronischen Aktionärsverzeichnisse zeitgleich mit der Eigentumsübertragung auf den neuesten Stand zu bringen. Der Begriff Namensaktie ist ein wenig irreführend. Juristisch präzise handelt es sich um ein Orderpapier.196 Eine besondere Form der Namensaktien stellen vinkulierte Namensaktien dar. Hier hat die Aktiengesellschaft ein Einspruchsrecht bei der Veräußerung von Anteilen. So kann die Gesellschaft Einfluss auf die Zusammensetzung ihrer Eigentümer nehmen. Das ist zum Beispiel für die Deutsche Lufthansa wichtig, da ein bestimmter Anteil der Aktien sich in inländischen Händen befinden muss, damit wichtige Landerechte nicht verloren gehen. Aus folgenden Gründen entscheiden sich Unternehmen für Namensaktien: Ö Das Entstehen von Beteiligungskonzentrationen und etwaigen Übernahmeversuchen lässt sich durch regelmäßige Beobachtung des Aktionärsverzeichnisses frühzeitig erkennen. Ö Die Unternehmen erhalten eine Gesamtaufstellung aller Kapitalgeber, um mit diesen direkt, also ohne Umweg über deren Banken, kommunizieren zu können. Eine derartige Kommunikation kann über die Investor Relations als solche hinausgehen: Aktionäre halten ihrem Unternehmen nämlich nicht nur am Kapitalmarkt die Treue: Wer DaimlerChrysler im Depot hat, der hat oft auch einen Mercedes in der Garage. Eine Nutzung des Aktionärsverzeichnisses durch Dritte, gar ein Adressenverkauf, ist natürlich strikt untersagt.

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Eine Namensaktie ist „eine Aktie, die auf den Namen des Inhabers lautet (geborenes Orderpapier)“ (http://www.money-motion.com/Namensaktie.html). Ein Orderpapier wird definiert als „Wertpapier, das auf den Namen eines bestimmten Berechtigten lautet und durch schriftliche Erklärung auf dem Papier (Indossament, Giro) auf einen neuen Eigentümer an Order übertragen werden kann. Bei geborenen (gesetzlichen) Orderpapieren (Wechsel, Scheck, Namensaktie) bedarf es zur Übertragung keiner ausdrücklichen Orderklausel, es sei denn, daß dies durch die Erklärung nicht an Order (negative Orderklausel) ausgeschlossen wird...“ (www.wiwo.de )

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Ö An der Wall Street sind Inhaberaktien nicht zugelassen. Investoren können dort nur so genannte American Depositary Receipts der dortigen Verwahrbank über deutsche Inhaberaktien erwerben. Bezugsrechte werden grundsätzlich nur in bar abgegolten. Registered Shares vermeiden diese Nachteile. Ö Akquisitionen und Übernahmen deutscher Firmen in den Vereinigten Staaten werden mit Namensaktien wesentlich vereinfacht, da so die Möglichkeit des Aktientausches (Paper-Offer) gegeben ist, anstatt die Übernahme auf dem europäischen Kapitalmarkt vorfinanzieren zu müssen. Ö Entsprechende rechtliche Änderungen vorausgesetzt, wird es möglich werden, Aktionäre schneller und gezielter auch über elektronische Medien, z. B. per E-Mail, mit Informationen, Berichten und Einladungen zu versorgen, bis hin zur virtuellen Teilnahme und Abstimmung bei der Hauptversammlung per Mausklick.197 Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: Ö Vereinzelt assoziieren Eigentümer von Namensaktien eine unangenehme Kontrolle. Nicht jedem ist es recht, der Gesellschaft als Aktionär namentlich bekannt zu sein. Diese Tatsache wird von einzelnen wie eine ungewollte Einschränkung des Bankgeheimnisses empfunden. Schwarzgeld lässt sich hier nicht verstecken. Einige legen Wert auf Anonymität und wünschen keine aktive Ansprache durch Investor-Relations Maßnahmen. Ö Die Führung des Aktionärsverzeichnisses verursacht Kosten, wenngleich diese sich durch moderne EDV in den letzten Jahren stark vermindert haben. Werden diese in Form höherer Transaktionskosten an die Aktionäre weitergegeben, sinkt die Attraktivität der Aktie. Ö Die Fungibilität und damit die Marktliquidität der Inhaberaktie bleibt der der Namensaktie leicht überlegen. Fallen durch die Umschreibung im Aktionärsverzeichnis erhöhte Transaktionskosten an, so überlegt der Anleger genauer, kauft und verkauft nicht so spontan. Fazit: Namensaktien erlauben die frühzeitige Erkennung des Entstehens von Mehrheitsbeteiligungen und damit verbundener Übernahmegefahren und erleichtern eine Zweitnotierung an ausländischen Börsenplätzen. Dass der Inhaber einer Namensaktie „seiner“ Gesellschaft persönlich bekannt ist, nutzen viele Firmen zu einer intensivierten und gehaltvolleren Kommunikation, die über reine Pflichtmitteilungen oft weit hinausgeht. Über die Geschicke des Unternehmens derart auf dem Laufenden gehalten zu werden, erhöht die Sicherheit des Investments und ist folglich positiv.

197

[Lipp, E.-M.;1999; S.1]

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3.2 Andere Märkte – andere Sitten 3.2.1 An welchem Markt soll die Notiz erfolgen? „SIND RÜCKEN AUF DEM MARKT GEFRAGT, MUSS MAN SIE NICHT WASCHEN.“ Chinesisches Sprichwort

Im April 1997 hat die deutsche Börse den Neuen Markt als Segment für Wachstums- und Technolgiewerte ins Leben gerufen. In der Boomphase der New Economy im März 2000 zählte das Segment über 350 Unternehmen bei einer Notierung des Index NEMAX® 50 von 9.665 Punkten. Die Folgemonate sind noch in schmerzlicher Erinnerung. Aus der Traum von ‚sexy Stories’ zurück in die Realität. Dramatische Kurseinbrüche sowie Bilanz- und Kursmanipulationen einzelner Unternehmen ließen den NEMAX® 50, den Aktienindex des Neuen Marktes, um mehr als 95 Prozent sinken. Der Neue Markt wurde am 5. Juni 2003 geschlossen, der NEMAX® 50 wurde noch bis Ende 2004 weiter berechnet, um die Kontinuität darauf basierender Finanzderivate (Zertifikate, Optionen, Futures) zu gewährleisten. Das stark erschütterte Vertrauen der Anleger – besonders in High-Tech-Aktien – hatte eine Änderung der deutschen Börsenlandschaft zur Folge. Neue Indizes und Marktsegmente wurden zur Erhöhung von Transparenz, Liquidität, Rechtssicherheit und Integrität geschaffen. An der Deutschen Börse steht dem Emittenten nun ein zweistufiges System von Zulassungssegmenten zur Verfügung. Bei der Notierung der Aktien können Unternehmen zwischen den zwei Zulassungssegmenten „General Standard“ und „Prime Standard“ wählen. Die Markt-/Handelssegmente Amtlicher Markt (Abschnitt 3, §§ 30-48 BörsG) oder der Geregelte Markt (Abschnitt 4, §§ 49-56 BörsG) stellen dabei den vom Gesetzgeber im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geforderten und geregelten rechtlichen Unterbau für die beiden Zulassungssegmente dar. Der Freiverkehr (Abschnitt 4, § 57 BörsG) wird im Börsengesetz nicht geregelt, er unterliegt jedoch klaren Handelsrichtlinien, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleisten. Die folgende Übersicht zeigt die Charakteristik der Marktsegmente auf einen Blick. Der Freiverkehr wurde dabei bewusst außer Acht gelassen, da er im Gegensatz zum Amtlichen und Geregelten Markt kein regulierter Markt gemäß der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und kein organisierter Markt i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG ist und damit vergleichsweise frei von restriktiven Zulassungsvoraussetzungen ist. Die Freiverkehrsrichtlinien unterliegen der Dispositionsfreiheit der jeweiligen Börsen. Im Freiverkehr werden überwiegend ausländische Werte gehandelt, die die hohen Zulassungsvoraussetzungen der anderen Segmente nicht oder nur teilweise erfüllen.

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General Standard Hier gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen für den Amtlichen Markt und den Geregelten Markt. Die Aufnahme in den General Standard erfolgt automatisch mit der Zulassung der Wertpapiere zu einem der beiden Markt-/Handelssegmente Prime Standard Pflicht zur Erfüllung von über den Anforderungen des General Standard hinausgehenden internationalen Transparenzanforderungen Markt/Handelssegmente Empfehlenswert für

Amtlicher Markt etablierte Unternehmen , die sich auch gegenüber internationalen Investoren positionieren wollen

Geregelter Markt

etablierte Unternehmen, die sich auch gegenüber internationalen Investoren positionieren wollen und zusätzlich eine Aufnahme in die Auswahlindizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX anstreben

attraktiver und kostengünstiger Zugang zur Börse für primär national ausgerichtete, kleinere und mittlere Unternehmen

Rechtsgrundlagen BörsG (§§ 30 ff.), BörsZulV, BörsO (§§ 56 ff.), VerkProsG

BörsG (§§ 49 ff.), BörsZulV, BörsO (§§ 68 ff.), VerkProsG

Rechtsnatur

öffentlich-rechtlich

öffentlich-rechtlich

Zulassungsdokument

Prospekt

Unternehmensbericht

Mindestalter des Unternehmens

der Emittent zuzulassender Aktien der Emittent zuzulassender Aktien muss mindestens drei Jahre als soll mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden haben Unternehmen bestanden haben

Emissionsvolumen voraussichtlicher Kurswert der Ak- voraussichtlicher Kurswert der Aktien, bzw. Eigenkapital des Unter- tien, bzw. Eigenkapital des Unternehmens mind. € 1,25 Mio. nehmens mind. € 1,25 Mio. Mindeststückzahl der Aktien

bei Stückaktien mind. 10.000

bei Stückaktien mind. 10.000

Streubesitzanteil

mindestens 25%

./.

Rechnungslegung

HGB

Pflicht zur Anwendung internationaler Standards (IFRS (ehem. IAS) oder US-Gaap)

HGB

Ab Januar 2005 ist IFRS für alle börsennotierte EU-Unternehmen Pflicht. Unternehmen, die schon nach US-Gaap berichten, müssen erst ab Januar 2007 nach IFRS berichten Weitere Publizitätspflichten nach Emission

jährlicher Geschäftsbericht und Zwischenbericht zum Halbjahr (deutschsprachig) erforderlich

jährlicher GeQuartalsberichterstattung und schäftsbericht jährlicher Geschäftsbericht in deutscher und englischer Sprache (deutschsprachig) erforderlich, Zwischenbericht zum Halbjahr erwünscht

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Ad-hoc-Publizität

wichtige Vorgänge und Tatsachen müssen umgehend veröffentlicht werden (nach §15 WpHG)

wichtige Vorgänge und Tatsachen müssen umgehend veröffentlicht werden – auch in englischer Sprache

wichtige Vorgänge und Tatsachen müssen umgehend veröffentlicht werden (nach §15 WpHG)

Sonstige Publizitätspflichten

./.

Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders

./.

Sonstiges

./.

./. Pflicht zur Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr

Director Dealings nach § 15a WpHG

unverzügliche Mitteilung von Geschäften

unverzügliche Mitteilung von Geschäften

Insiderüberwachung nach §§ 12 ff. WpHG

Verbot von Insidergeschäften

Verbot von Insidergeschäften

Abbildung 19: Die Charakteristik der Marktsegmente

Ende 2003 waren an der Deutschen Börse im Prime Standard 372, im General Standard 494 Aktiengesellschaften gelistet. Emittenten, die auch für internationale Investoren attraktiv sein wollen, werden die Notierung im Prime Standard des Amtlichen Marktes bevorzugen. Das ist mit erhöhten Transparenzvorschriften, das heißt u.a. mit der Erstellung von Quartalsinformationen, der Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders, der Durchführung von Analystenkonferenzen und der Bilanzierung nach internationalen Standards verbunden. Nicht zuletzt ist der damit verbundene erhöhte Publizitätsaufwand auch eine Kostenfrage. Der Emittent wird abzuwägen haben, ob seine Ziele am Finanzmarkt die erhöhten Kosten rechtfertigen. Primär national ausgerichtete kleine und mittlere Unternehmen finden im Geregelten Markt einen attraktiven weil kostengünstigeren Zugang zur Börse. Ein Kriterium für die Wahl der Handelsplattform kann die mögliche spätere Aufnahme in einen Aktienindex sein. Erfahrungsgemäß profitieren Aktien, die in einen Index aufgenommen werden, schon deshalb, weil viele Fondsmanager sich bei der Zusammensetzung ihres Portfolios an Indizes orientieren. Emittenten, die eine spätere Aufnahme in den DAX, MDAX, TecDAX oder SDAX anvisieren, werden daher den Prime Standard wählen. Mehr darüber im Kapitel „Was bringt die Aufnahme in einen Index?“ Fazit: Die Auswahl des Handelssegmentes ist eine Entscheidung von Dauer. Sie richtet sich nach der langfristigen Strategie des Emittenten am Finanzmarkt. Kostengesichtspunkte spielen dabei eine wesentliche Rolle.

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3.2.2 Warum in die Ferne schweifen? – Die Heimatbörse liegt so nah „W O SITZT EIN FÜNFHUNDERT PFUND SCHWERER GORILLA? – W O ER WILL!“ Morton Janklow, amerikanischer Staranwalt

Was für global agierende Konzerne wie DaimlerChrysler und die Deutsche Telekom eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich die Notiz an mehreren Börsen, wird auch von kleineren Aktiengesellschaften immer öfter praktiziert: Ein zusätzlicher Börsengang zur Zweitnotiz an einer weiteren Börse, der Fachmann spricht vom Dual Listing, kann für das Unternehmen Vorteile haben. Verschärfte Bilanz-Bestimmungen der US-Börsenaufsicht SEC, die im Sarbanes-Oxley Act (SOA) vom 30.7.2002 festgelegt wurden, haben allerdings dazu geführt, dass manche Firmen eine Notiz in den Vereinigten Staaten neu überdenken.198

198

Anm.: Zwar ist bisher kein Fall eines Delistings unter Angabe dieses Grundes bekannt, Das Thema wird aber kontrovers diskutiert: Aus der FTD vom 4.6.2004: „…angesichts der strengen Regeln der US-Börsenaufsicht SEC, die sich vor allem in dem Bilanzgesetz Sarbanes-Oxley Act verdichten, scheuen viele Unternehmen vor Listings zurück. ,Vor zwölf Monaten haben sich viele Sorgen gemacht, aber jetzt haben sie bemerkt, dass sie nichts falsch machen und da hat sich die Aufregung wieder etwas gelegt.’ Dagegen sind die SEC-Regeln für NYSE-Chef John Thain ein Listing-Hindernis für Ausländer. – Beispiel Delistings: Zwar kann die Notiz zurückgegeben werden, doch sind die Firmen weiter zur Publizität gezwungen, wenn sie mehr als 300 US-Aktionäre haben. ‚Unsere Mitglieder stellen sich derzeit eher die Frage, wie sie aus den USA wieder herauskommen’, sagte Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut, der Interessenvertretung deutscher börsennotierter Firmen.“ Dazu eine Pressemeldung vom Deutschen Aktieninstitut: „European Organizations Request Changes to SEC; Rules That Currently Make Deregistration by Foreign Companies Virtually Impossible Brussels, February 10, 2004. Eleven organizations that represent the largest publicly held companies in Europe, including over 100 that are listed in the United States, today requested that the SEC ease rules that currently make it almost impossible for non-U.S. companies to deregister and terminate their SEC reporting obligations. […] The organizations also pointed out that this issue is an important one for companies that are thinking about listing in the United States in the future. The current rules make a listing decision essentially irreversible, which is a big disincentive for companies that might otherwise be tempted to enter the U.S. market.” Entstehen und Zweck des Sarbanes Oxley Act: Der am 30. Juli 2002 von US-Präsident George W. Bush unterzeichnete Sarbanes-Oxley Act (SOA) wird als die bedeutendste Änderung der US-Wertpapiergesetze seit dem Securities Act von 1933 und dem Securities Exchange Act von 1934 bezeichnet. Ziel des Gesetzes ist die Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger in die Richtigkeit der veröffentlichten Finanzdaten von Unternehmen, die den amerikanischen Rechtsvorschriften unterliegen. Dazu gehören insbesondere die deutschen Unternehmen, deren Wertpapiere an einer amerikanischen Börse gehandelt werden und deutsche Tochterunternehmen amerikanischer Gesellschaften. Hintergrund des Gesetzes sind die Unternehmenszusammenbrüche von Enron und Worldcom sowie weitere Fälle aufsehenerregender Bilanzfälschungen. Neben einer Neuregelung der Verantwortlichkeiten von Unternehmensmanagern und einer verschärften Haftung der Wirtschaftsprüfer, wurden auch die Anforderungen an die Richtigkeit von veröffentlichten Finanzdaten erheblich verschärft. Daneben wird das Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und Mandant präzisiert.

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Besonders gute Erfahrungen hat SAP mit der Zweitnotiz in New York gemacht. Im Schnitt werden dort täglich mehr als 1 Million Stücke umgesetzt.199 Damit erschließt man nicht nur einen weiteren Handelsplatz für die Aktie. Die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens geraten, über den Weg der kontinuierlichen Aktiennotiz, stärker ins Bewusstsein der Financial Community. Das erhöht den Bekanntheitsgrad und letztlich auch den Umsatz. Eine Notiz in den USA ist auch ein Zeichen von Solidität. Denn die US-Börsenaufsicht ist eine der strengsten weltweit. Im Sinne des Anlegerschutzes ist das nur zu begrüßen. Auch viele große institutionelle Investoren kaufen nur, was an der Wall Street gelistet ist. So ist eine erhöhte Nachfrage erzielbar. Immer mehr Neulinge verbinden daher mit ihrem Börsengang daheim auch eine ergänzende Zweitnotiz. Wie die Heidelberger Lion Bioscience AG, die seit 2000 nicht nur am Neuen Markt, sondern auch an der Nasdaq in New York notiert wird.200 Auch bei Übernahmen und Beteiligungen lässt sich die Flexibilität bei der Wahl der jeweils günstigsten Strategie durch eine Zweitnotiz erhöhen. Mit in den USA notierten eigenen Aktien können dortige Unternehmenskäufe bezahlt werden. Vereinzelt entscheiden sich international tätige Unternehmen schon bei der Emission, nahezu gleichzeitig an mehreren internationalen Börsen zu starten. Dann spricht man vom Global Offering. Für den Anleger hat das den Vorteil, dass schon im Vorfeld die Resonanz nicht nur eines Marktes, sondern eine Vielzahl internationaler Reaktionen, Prognosen und Einschätzungen zur Verfügung stehen. Letztlich wird es kaum gelingen, an mehreren nationalen Märkten genau im selben Moment zu starten. Der Emissionserfolg der ersten Notierung gibt deshalb eine wichtige Orientierungshilfe für das bald darauf anstehende Going Public an anderen Weltbörsen. Es muss jedoch nicht immer gleich der Sprung über den großen Teich sein. Auch innerhalb Europas kann eine gleichzeitige Notiz an verschiedenen Börsenplätzen erfolgen. Ob jedoch eine Zerfaserung des Handels in einer Aktie innerhalb Europas vor dem Hintergrund fusionierender Handelsplattformen überhaupt noch Sinn macht, darf langfristig bezweifelt werden. Schon heute hat der Anleger durch das Zusammenwachsen Europas über die meisten Banken Zugang zu verschiedenen europäischen Handelsplätzen. Durch die EU-Osterweiterung kommen weitere interessante Märkte hinzu. Im Kapitel „Börsenreport über die mittel- und osteuropäischen Wertpapierbörsen“ finden sich dazu weitere Informationen.

Schließlich wird durch das Gesetz ein neues Aufsichtsgremium über die Wirtschaftsprüfer geschaffen – das Public Company Oversight Accounting Board. 199 [Hoffmann, M.; 2000; S.22f] 200 Anm.: Die Lion Bioscience AG wird im Prime Standard der Deutschen Börse notiert, in den USA an der Nasdaq.

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Fazit: Ein Dual Listing sorgt im Ausland für zusätzliche Nachfrage, was den Kurs stabilisiert. Außerdem steigert das Unternehmen durch die Präsenz auf mehreren Kapitalmärkten seinen internationalen Bekanntheitsgrad, was der operativen Geschäftstätigkeit zu Gute kommt. Für Anleger hat die Notiz an mehreren Börsen den Vorteil, dass die Informationsdichte und die Vergleichbarkeit der Resonanz an verschiedenen Märkten zunehmen.

3.3 Vom Broker zum Discount-Broker, vom Trader zum Daytrader „MIT EINEM GUTEN MANTEL UND EINEM WEIßEN SCHAL KANN JEDER, SELBST EIN BÖRSENMAKLER, EINE REPUTATION ALS ZIVILISIERTER MENSCH BEKOMMEN.“ Oscar Wilde, irischer Schriftsteller

Im Emissionsgeschäft stehen beide Seiten vor einer schwierigen Aufgabe, die innerhalb sehr kurzer Zeit gelöst werden muss: Der Emittent muss Anleger innerhalb weniger Tage davon überzeugen, in ihn zu investieren. Viele hören anlässlich der Emission zum ersten Mal vom Unternehmen. Anleger haben nur eine kurze Zeitspanne, um sich zu entscheiden, ob sie dem Emittenten, den sie noch kaum kennen, und seiner Geschäftsidee nicht nur ihr Vertrauen sondern auch ihr Geld geben sollen. Kurz: Der Faktor Mensch spielt beim Börsengang eine gewichtige Rolle. Um beurteilen zu können, ob ein IPO zum Erfolg werden kann, sollte der Anleger sich ein paar Gedanken um das Wesen sowohl des Anlegers, als auch des Emittenten machen. Denn Aktiengesellschaften können nur so gut sein, wie die Menschen, die sie führen. So gewinnt man ein Gespür dafür, ob Emittenten in der Lage sind, ihre Zielgruppe schon im Vorfeld zu begeistern und zur Investition zu motivieren. Dieses Sentiment, das kollektive Empfinden, ist es, aus dem die Atmosphäre entsteht, die sich vor und in der Zeichnungsfrist herausbildet und die maßgeblich mit über den Erfolg entscheidet. 3.3.1 Der Mensch als Anleger – Andere Zeiten, andere Typen „VIELE MENSCHEN VERACHTEN DEN REICHTUM, ABER WENIGE SIND STARK GENUG, DARAUF ZU VERZICHTEN.“ Anatole France, französischer Schriftsteller

Was waren das doch ruhige Zeiten, als uns Michael Douglas, alias Gordon Gekko, im Film „Wall Street“ den hektischen Alltag eines Traders demonstrierte! Damals war Daytrading, der schnelle An- und Verkauf von Positionen, die

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oft nur für Minuten oder Sekunden gehalten werden, den zum Börsenhandel zugelassenen Profis vorbehalten. Eine Ewigkeit scheint seither vergangen zu sein... Heute kann jeder Gordon Gekko sein. Zugangs- oder Informationsvorsprünge der Profis gehören der Vergangenheit an. Wir leben im Realtime-Zeitalter. Und Realtime ist für alle da. Vom Online-Banking im Zahlungsverkehr zur OnlineVermögensanlage ist es nur ein kleiner Schritt. Für eine Generation, die in einer zunehmend schnelllebigen Zeit aufgewachsen ist, die durch Video-Clips gelernt hat, schnell aufeinander folgende Informationen blitzlichtartig aufzunehmen, zu filtern und zu verarbeiten, ist es selbstverständlich, auch bei der Geldanlage in Sekunden von einem Zug auf den anderen zu springen. Discount-Broker, bei denen Wertpapier-Orders kostengünstig und unter Verzicht auf Filialen und Niederlassungen telefonisch, per Fax oder E-Mail übermittelt werden, machen es möglich. Durch den weitgehenden Verzicht auf Personal werden Kostenvorteile erzielt, die an die Kunden durch niedrige Gebühren weitergegeben werden können. „Da wird gedealt bis der Arzt kommt...“, „...und wenn ich richtig gut gepokert habe...“ Nein, wir sind nicht etwa im Casino; so klingt es, wenn Direktbanken und Online-Broker um Kunden werben. Eine Bank habe man heute zur Teilnahme am Börsenhandel nicht mehr nötig, heißt es da. „Kein Intraday?...“ fragt eine Dame ihr Gegenüber. Ja dann möge er sein Geld doch lieber stecken lassen. Sein Bier bezahle sie. Kurz: Man muss den Eindruck gewinnen, wer Aktienbestände heute länger als einen Tag hält, sich gar womöglich selbst zur Bank bemüht, sei ein Fall für den Irrenarzt. Wer so am Markt auftritt, wer glauben macht, der Umstieg vom Sparbuch zum Intraday-Trading sei jedermann ohne Zwischenaufenthalt möglich, bekommt auf lange Sicht die Kundenstruktur, die er verdient: In den USA waren im Boom der Jahrtausendwende rund zwölf Millionen Daytrader aktiv.201 Nach Schätzungen der amerikanischen Börsenaufsicht überstanden rund siebzig Prozent von ihnen nicht einmal das erste halbe Jahr und fuhren erhebliche Verluste ein. Es liegen keine Vergleichszahlen für Europa vor, doch gibt es keinen Grund, warum diese Zahlen hier positiver ausfallen sollten. Und Banken, die ihrer Kundschaft suggerieren wollten, Daytrading sei ganz einfach, mal eben nach Feierabend machbar, werden sich eines Tages gefallen lassen müssen, als „Companies for Loosers“ bezeichnet zu werden... Erfolgreich emittieren heißt, Aktien überwiegend in feste Hände zu geben. Und dazu sind Daytrader nicht die richtigen Zeichner. Ein solides Emissionskonsortium kann folglich nicht allein aus Discount-Brokern bestehen; ein gesunder

201

[Drommert, J.; 2000; S.94ff]

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Mix verschiedener Finanzinstitute ist unerlässlich.202 Sonst geht die Arbeit (Kurs- und Imagepflege) nach dem ersten Handelstag erst richtig los: Die massenhafte Mitnahme von Zeichnungsgewinnen kann der beste Wert nicht unbeschadet überstehen. Trader suchen den Kick. Sie tanzen auf einem Vulkan, kaufen als so genannte Momentumplayer mit dem Trend und treiben damit die Notierungen aufwärts. Kippt die Tendenz, wird sofort verkauft, das Papier stürzt ab.203 Fazit: Oft lassen sich schon vor Beginn der Zeichnungsfrist Stimmungen der Marktteilnehmer, zum Beispiel in Internet Chats, erspüren. Sind die richtigen Leute, also langfristig orientierte Investoren, bereits begeistert und gespannt auf weitere Details, so entsteht ein positives Sentiment, das die Emission trägt. Ein Beispiel dafür war die Emission der Beate Uhse Aktien, die vom Markt freudig erwartet wurden. Vorfeld-Begeisterung, schwerpunktmäßig unter Daytradern, mahnt zur Vorsicht. Was diese anfassen, lassen sie ebenso schnell wieder fallen. Zeichnungsgewinnen folgt dann ein plötzliches Überangebot auf dem Sekundärmarkt, da jeder Angst hat, zu spät auszusteigen. Auf einen fulminanten Start folgt ein fulminanter Einbruch, der selbst durch engagierte Kurspflege nicht mehr aufzufangen ist. 3.3.2 Die Anleger und ihr Umfeld „UM ES IM LEBEN ZU ETWAS ZU BRINGEN, MUSS MAN FRÜH AUFSTEHEN, BIS IN DIE NACHT ARBEITEN – UND ÖL FINDEN.“ Jean Paul Getty, amerikanischer Industrieller

Das Emissionsmarketing segmentiert das Investorenpotenzial und ordnet diesen Segmenten ganz unterschiedliche Informationsverhaltensweisen zu. So kann jeder, der weiß, welche Interessen bestimmte Investorengruppen haben, wer deren Informationsverhalten kennt, aus der Art, wie und wo für ein Going Public geworben wird, erkennen, welche Zeichner der Emittent bevorzugt motivieren möchte und welche Investorengruppen sich vom Zeichungsangebot besonders angesprochen fühlen sollen. Das lässt erste Rückschlüsse auch auf die später mögliche Zusammensetzung des Aktionärskreises zu.

202

Ausführliche Informationen zur Zusammensetzung des Emissionskonsortiums finden sich im Kapitel „Die Konsortialbanken und ihre Platzierungsstrategie“ 203 [Kipp, H.; 2000/2; S.54]

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Hierbei kann es absolut möglich sein, dass sich das für das Marketing bestimmende Kaufverhalten der zukünftigen Anleger von dem die Aktienkultur prägenden Verhalten – wie in Kapitel 1 beschrieben – unterscheiden kann. Für den Emittenten ist ersteres entscheidend. Daher wird die gesamte Kommunikationsarbeit darauf ausgerichtet. Das Emissionsmarketing bemüht sich, das Interesse der Investoren und Multiplikatoren zu wecken. Ö Investoren • Langfristig orientierte Privatanleger • Kurzfristig orientierte Trader • Institutionelle Anleger Ö Multiplikatoren • Analysten • Journalisten Langfristig orientierte Privatanleger zeichnen eine Emission unter dem Aspekt der langfristigen Anlage. Sie erwarten ein Underpricing, das bedeutet, dass das Unternehmen mit dem Emissionspreis unterbewertet ist, also ein deutlicher Risikoabschlag auf den fairen Preis gewährt wird (Value Investment). Ferner bevorzugen sie Emittenten mit überdurchschnittlichen Wachstumsaussichten, sowohl in Bezug auf den Umsatz, als auch auf den Gewinn (Growth-Investment). Außerdem sollte der Emissionspreis in einem günstigen Verhältnis zu den erwarteten Dividendenausschüttungen stehen, um eine hohe Rendite zu erzielen (Yield-Investment). Zur Information nutzen diese Anleger das gesamte Spektrum aus TV, Print und Internet. Kunden klassischer Filialbanken ergänzen ihren Eindruck im Dialog mit dem persönlichen Anlageberater. Trader sind Menschen, die bereit sind ihr Kapital verhältnismäßig schnell umzuschichten, immer auf der Suche nach neuen schnellen Gelegenheiten, Geld zu machen. So sind auch sie an einem deutlichen Underpricing interessiert, um nach einer Emission baldmöglichst mit Gewinn verkaufen zu können. Im übrigen zeichnen Trader maßgeblich unter dem Aspekt des MomentumPlaying: Dabei werden volatile Investments ausgewählt, die in einer kurzen Zeitspanne hohe Gewinnzuwächse versprechen, das eingesetzte Kapital jedoch nicht lange binden, um sich schon nach kurzer Zeit neuen Investments zuwenden zu können. Überdurchschnittliche Wachstumsperspektiven des Emittenten stützen diese Ausrichtung natürlich. Da Trader ihre Transaktionen überwiegend online oder telefonisch über Direktbanken und Discountbroker abwickeln, sind sie kaum über das klassische Beratungsgespräch zu motivieren. Das Informationsverhalten der Trader entspricht ihrem Anlageverhalten. Sie sind vom ‚Real Time’-Zeitalter geprägt und informieren sich vorzugsweise in Echtzeit. Deshalb wecken ihr Interesse vor

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allem zeitgleich arbeitende Medien, also TV – vor allem n-tv – und das Internet. Klassische Medien, insbesondere Print, werden, weil von gestern, von Tradern, aber auch von semiprofessionellen Privatanlegern deutlich weniger wahrgenommen. Institutionelle Anleger, dazu zählen Investmentfonds, der Eigenhandel der Banken, Vermögensverwaltungen, Versicherungen, Beteiligungsgesellschaften und Pensionskassen, treffen ihre Zeichnungsentscheidung unter den gleichen langfristigen Aspekten wie individuelle Anleger. Besonderes Gewicht geben viele von ihnen dem Index-Investment: Viele Institutionelle orientieren sich bei der Zusammensetzung ihrer Bestände an Aktienindizes (z. B. Euro-Stoxx, DAX). Sie zeichnen bevorzugt Emittenten, die nach der Emission voraussichtlich bald in einen Index aufgenommen werden (wie z. B. die Aktie Gelb). Institutionelle verlangen nach Informationen aus erster Hand. Sie geben sich nicht mit dem Studium von Presseberichten, TV- oder Internetinhalten zufrieden, sondern informieren sich auf Analystenkonferenzen und Roadshows direkt an der Quelle. Multiplikatoren sind die Katalysatoren der Informationsgesellschaft. Hat man es geschafft, sie von etwas zu überzeugen, so geben sie dieses Wissen breit gestreut weiter: Analysten sind von besonderer Bedeutung. Auf ihr Urteil vertrauen insbesondere institutionelle Investoren und die Anlageberater der Banken. Analysten verlassen sich nicht allein auf die Angaben des Emissionsprospektes; sie prüfen die Position des Emittenten innerhalb seiner Branche und nehmen das Unternehmen und dessen Entscheidungsträger vor Ort unter die Lupe. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass im Vorfeld der Emission zusätzlich zu den üblichen Analystenkonferenzen stets kompetente Gesprächspartner des Emittenten für einzelne Analysten bereitstehen. Journalisten sind es, die die Nachricht von der bevorstehenden Emission verbreiten. Dabei vermitteln sie neben der reinen Information auch ihren ersten Eindruck. Gelingt es, sie vom erfolgreichen Börsenstart zu überzeugen, so vermitteln sie diese positive Grundstimmung weiter. Der PR-Fachmann spricht vom positiven Sentiment, der für den Verlauf der Zeichnung entscheidend ist. Sorgfältige PR-Arbeit muss die journalistische Recherche so weit wie möglich unterstützen. Praxis-Beispiel: Redaktionen fehlt es oft an der nötigen Zeit und genügend fachlich qualifizierten Redakteuren, um Emissionsankündigungen präzise zu formulieren. Wesentliche Punkte der Equity Story oder des Unternehmensprofiles könnten dabei verloren gehen. Vorbereitete Texte in verschiedenen Längen werden deshalb gerne übernommen. Für den Anleger bedeutet das: Aus Bequemlichkeit oder Zeitmangel gelangen vorbereitete Texte oft unbearbeitet und ungeprüft in

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Umlauf und zwar in vielen verschiedenen Publikationen gleichlautend. Ergänzende Eigenrecherche ist empfehlenswert. Praxis-Beispiel: Konzentrieren Sie sich auf Emissionen derjenigen Emittenten, deren Tätigkeit, Visionen und Chancen Sie aufgrund ihrer beruflichen oder privaten Vorkenntnisse zumindest verstehen, mit ergänzender Recherche sogar bewerten und einschätzen können. Viele Anleger scheitern, weil sie blind zeichnen, ohne überhaupt verstanden zu haben, womit der Börsengänger Geld zu verdienen gedenkt. Checkliste: Wie Anleger an Informationen über Emittenten kommen Ö Emissionsprospekt direkt vom Emittenten oder einer der Konsortialbanken anfordern. Ö Die Finanzseiten der Tageszeitungen befassen sich ausführlich mit den Zukunftsperspektiven geplanter Börsengänge. Ö Anleger-Magazine wie Börse Online, FOCUS Money, Telebörse und viele mehr analysieren Newcomer im Vorfeld. Ö Informationen im Internet verfolgen. Auch die Seiten des Emittenten selbst, helfen den Eindruck zu vertiefen. Ö Den Kundenberater der Hausbank fragen, ob er die Zeichnung befürwortet. Ist die Hausbank im Emissionskonsortium, ist er/sie selbstverständlich nicht unabhängig. Bei einer gut eingespielten Kundenbeziehung lässt sich dennoch manches zwischen den Zeilen erkennen. Ö TV-Beiträge über Börsengänger runden das Bild ab. Oft gibt es während der Zeichnungsfrist Interviews mit Vorstandsmitgliedern, denen hinsichtlich ihrer zukünftigen Unternehmenspolitik und Gewinnerwartung gründlich auf den Zahn gefühlt wird. Ö Den Emittenten in der Praxis testen, das heißt, an Werksbesichtigungen teilnehmen, das Warenangebot, die Dienstleistungen und den Service prüfen, Kunden bzw. Nutzer nach ihrer Zufriedenheit befragen. Fazit: Ein positiver Zeitungsartikel allein reicht noch lange nicht, um die Chancen eines Neuemittenten zu beurteilen. Sobald das Interesse an einem Newcomer erwacht ist, sollte man alle Informationen zusammentragen, die man bekommen kann. Welchen Eindruck macht der Vorstand beim TV-Interview? Wie haben sich Emissionen vergleichbarer Werte seither entwickelt? Rät der Anlageberater der Hausbank zur Zeichnung? Finden sich im Internet ein Informationsangebot des Unternehmens für zukünftige Aktionäre? Gibt es Chatrunden oder Newsgroups in denen Investmentprofis Chancen und Risiken der Aktie diskutieren?

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3.3.3 Wer führt „Ihr“ Unternehmen? „FAST ALLE MEINE FEHLER BESTANDEN DARIN, 204 AUF DIE FALSCHEN LEUTE ZU SETZEN, NICHT AUF DIE FALSCHE IDEE.“ Arthur Rock, amerikanischer Venture-Capitalist

Aktienkauf hat mit Vertrauen zu tun. Nicht nur Vertrauen in die Aktiengesellschaft, sondern auch Vertrauen in die Vorstandsmitglieder. Man setzt nicht allein auf Werte, man setzt auf Personen. Dass viele Anleger bereit sind, ihr Vertrauen und ihr Kapital einer oder mehreren Personen zu geben, muss, das hat die Vergangenheit gezeigt, noch lange nicht heißen, dass sich nicht dennoch alle irren können. Sonst hätte es beispielsweise die Anfangserfolge der Brüder Haffa (EM.TV AG, München) nie gegeben. Die Basis für Vertrauen ist Glaubwürdigkeit. Umso mehr bei Emissionen, bei denen nicht nur die Aktiengesellschaft neu ist, sondern auch der Vorstand erstmals ins Blickfeld der Öffentlichkeit tritt. Wie schwer es ist, als bislang Unbekannter in kurzer Zeit Vertrauen aufzubauen, wird deutlich, wenn man sieht, wie groß das Misstrauen schon gegenüber Vorständen bereits am Markt befindlicher Aktiengesellschaften ist: Im Mai 2004 untersuchte „Die Welt“ die Glaubwürdigkeit der Vorstandschefs führender deutscher Unternehmen. Dazu wurden Fondsmanager führender Investmentgesellschaften befragt. „Mehr als ein Drittel der Spitzenkräfte bekam für seine Glaubwürdigkeit höchstens die Schulnote ‚befriedigend’.“205 Aktiengesellschaften, deren Vorstände enttäuscht haben, müssen in der Regel einen Glaubwürdigkeitsabschlag im Kurs hinnehmen. Ein einmal verspieltes Investorenvertrauen lässt sich oft erst nach Monaten oder Jahren, manchmal nur durch einen Wechsel der Führungsspitze zurückerlangen. Solange das Vertrauen jedoch ungestört ist, gilt Kontinuität in der Unternehmensführung als oberstes Gebot. Schließlich möchte der Anleger wissen, womit und vor allem mit wem er zu rechnen hat. Beim Börsengang achten Anleger daher besonders darauf, wer das Unternehmen bisher geführt hat, und darauf, dass die in dieser Person begründete Führungsqualität dem Unternehmen erhalten bleibt. D.h. das persönliche Geschick einer Leitfigur gilt als Garant, die positive Entwicklung der AG fortsetzen zu können. Nur mit derselben Besetzung ist, gerade in der Aufbauphase und im folgenden Wachstum, Erfolgskontinuität gegeben. Deswegen ist diese Schlüsselperson des Unternehmens von zentraler Bedeutung und muss ihm noch lange erhalten bleiben.

204 205

Rock, Arthur; zitiert bei: [Jung, A.; 2000; S.34] [Seibel, K./Zschäpitz, H., 2004]

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Man sieht es überhaupt nicht gern, wenn ein Gründer, nachdem er sein Unternehmen erfolgreich gemacht hat, den Börsengang nutzt, um selbst Kasse zu machen und sich zur Ruhe zu setzen oder die Geschäftsführung zu delegieren. Die Erfolgsstory ist am besten verkäuflich, wenn es gelingt, den Erfolg zu personalisieren und zu belegen, dass der Gründer als treibende Kraft nach wie vor von seinen Visionen überzeigt ist und unbedingt weitermachen möchte. Gefragt sind charismatische Persönlichkeiten, visionär, kompetent, mutig, clever, vorausschauend und bereit, wachsende Verantwortung zu tragen. Ein Typus, der offen auftritt, eigene Faszination weitervermitteln kann, sich aber auch nicht scheut, unbequeme Wahrheiten offen auszusprechen. Dazu braucht es oft Mut und Courage, die leider selten geworden sind. Doch es gibt solche Vorstände: Bedeutende Gesellschaften würden erhebliche Einbrüche erleben, wenn man ihnen die Leitfiguren nähme. Beispiele: Apple (Jobs), Sixt (Sixt), Swatch Group (Hayek). Durch das Ansteigen des Neidfaktors einerseits, der bei Wahlen und Abstimmungen durchschlägt, und der Unsicherheit, ob hinter der Show auch wirklich Substanz steckt, neigt der Betrachter jedoch zum ‚Durchschnitts-Modell’, dessen Erscheinung Fleiß und Biederkeit signalisiert. Das kann für junge Unternehmen allerdings sehr hemmend sein. Nicht nur zur Verhütung schneller Gewinnmitnahmen nach erfolgter Emission, die eine derbe Enttäuschung für Neuaktionäre darstellen würden, sondern auch, um die Gefahr einzudämmen, dass Unternehmer den Börsengang zum schnellen Rückzug missbrauchen, ihr Unternehmen im Stich lassen und sofort Kasse machen, verlangen die Zulassungsvorschriften, dass die Altaktionäre ihre Aktien nach Aufnahme des Handels zunächst nicht veräußern dürfen, die so genannte Lock-Up Frist. Sechs Monate gelten dabei allgemein als Minimum. In der Praxis reicht ein halbes Jahr meist nicht aus, um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Immer häufiger verpflichten sich Altaktionäre freiwillig zu weit längeren Haltefristen. Etwas anderes ist es, wenn anlässlich eines Börsenganges der Venture Capitalist, der das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt finanziert hat, aussteigt und sich neuen Investitionen zuwendet. Das ist schließlich sein Job. Gerade bei jungen Unternehmen wird in der Regel der oder die Vorstandsvorsitzende die treibende Kraft symbolisieren. Ihm vertrauen die Anleger ihr Geld an. Deshalb müssen sie sich ein Bild von dessen Begeisterung, Fanatismus und Besessenheit machen können, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Hinweise auf menschliche Qualitäten von Gründern finden sich vereinzelt auch in wirtschaftsfremden Publikationen. Der Vorstandsvorsitzende führt die Geschäfte jedoch nicht allein. Hinter ihm muss ein ambitioniertes Team stehen. Die Chemie untereinander ist ebenfalls entscheidend. Was hilft es, wenn hochqualifizierte Einzelkämpfer einander nicht verstehen? Deshalb bewerten professionelle Analysten stets auch das Managementklima der Neuemittenten. Streitigkeiten auf Führungsebene, sei

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es durch Egoismen oder Eitelkeiten, schmälern den Shareholder Value unmittelbar. Auch die Besetzung des Aufsichtsrates ist einen Blick wert. Er soll ein wirkungsvolles Kontrollgremium zur Wahrung der Aktionärsinteressen darstellen. Normalerweise wird dieses Gremium von den Aktionären auf der Hauptversammlung gewählt. Bei Zeichnung einer Neuemission müssen sich die Aktionäre jedoch zunächst mit dem vorhandenen Aufsichtsrat zufrieden geben. Es liegt nahe, dass der Vorstand sich zunächst mit erprobten Kumpels umgeben hat, die ihm den Rücken stärken. Ob die aber auch etwas vom Geschäft verstehen und genug Zeit mitbringen, um ihre Kontrollfunktion verantwortungsbewusst wahrzunehmen, muss sich zeigen. Viele verstehen den Posten nämlich eher als schmeichelndes Ehrenamt, werden ihrer Aufsichtspflicht nicht im Geringsten gerecht. Aufsichtsräte, die im Sinne der Unternehmensstrategie konstruktive Kritik üben, externes Know-how und möglicherweise hilfreiche Beziehungen beisteuern, können hingegen äußerst wertvoll für die Gesellschaft sein. Hat ein Aufsichtsrat bereits Erfahrung mit Börsengängen gesammelt, so kann er dem Management Orientierung und Sicherheit in einem für sie neuen Umfeld geben. Kompetenz und Erfahrung der Aufsichtsratsmitglieder sind in den angelsächsischen Ländern bereits maßgebliche Beurteilungskriterien für Börsengänger geworden, da die Nutzung des Aufsichtsrates als Ressoruce im internationalen Wettbewerb immer mehr in den Vordergrund rückt. Dieser Trend wird auch in Deutschland spürbar.206 Praxis-Beispiel: Vorsicht bei dominanten Vorstandsvorsitzenden, die ihre Emissions-PR als One-Man-Show vorwiegend zur eigenen Profilierung einsetzen. Der Führungsstil wird entsprechend sein. Aktiengesellschaften müssen auch für den möglichen Ausfall Einzelner hinreichend vorgesorgt haben. Die fachliche Kompetenz der Schlüsselpersonen sollte klar belegt sein. Fast jeder Lebenslauf weist Punkte auf, mit denen sich die Fähigkeiten des Managements untermauern lassen: Hat derjenige in der gleichen Branche bereits Erfolge vorzuweisen; vielleicht sogar einen bekannten Mitbewerber mit aufgebaut? Ist er Präsident seines Branchendachverbandes oder hat er vielleicht Innovationspreise gewonnen? Fazit: Wer steckt hinter dem Unternehmen? In wem manifestiert sich die treibende Kraft, wessen Visionen sind es, die hier umgesetzt werden sollen? Ist diese 206

[Schilling, F.; 1999; S.B8]

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Person vertrauenswürdig, zuverlässig und auf ihrem Gebiet kompetent, oder besteht die Gefahr, einem visionären Spinner auf den Leim zu gehen? Was hat derjenige schon geleistet? Hat er bereits ähnliche Projekte erfolgreich initiiert und sich mit seinem Know-how anschließend selbständig gemacht? Welchen Ruf genießt er in seiner Branche? Bleiben alle Personen, die für die Güte des Unternehmens stehen, langfristig dabei? Oder hat der eine oder andere bereits durchblicken lassen, dass er mit dem Börsengang Kasse machen möchte, um sich zur Ruhe zu setzen? Auch Kompetenz und Erfahrung der Aufsichtsratsmitglieder sind einen Blick wert. Hier sollte es sich nicht nur um ein Netzwerk alter Kumpels handeln. 3.3.4 Wie Vorstände sich Anlegern präsentieren und wie sie dafür „trainiert“ werden „VERLANGT SIND BEIDHÄNDIG SCHIEßENDE REVOLVERHELDEN 207 DES SHAREHOLDER VALUE.“ Peter Glotz, deutscher Politiker, Journalist und Universitätsprofessor

Vorstandsvorsitzender zu sein, hat viel mit Schauspielerei zu tun. Niemand kann die Öffentlichkeit besser beeinflussen, überzeugen und motivieren als derjenige, der die Geschicke des Unternehmens in der Hand hat. Der Vorstandschef verbringt heute ein Drittel seiner Zeit damit, öffentlich Präsenz zu zeigen, um sein Unternehmen intern und extern zu verkaufen. Die Financial Community ist dabei zur wichtigsten Zielgruppe geworden. Mag der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft im Tagesgeschäft noch so visionär, kompetent und motivationsstark sein, so heißt das noch nicht, dass er oder sie auch vor der Kamera eine gute Figur macht. Trat bislang vielleicht ein eigens dafür engagierter Pressesprecher vor die Mikrofone, wird der Schritt in die Öffentlichkeit anlässlich einer Emission auch für den Vorstand unvermeidlich. Doch Vorsicht: Gerade bei jungen Unternehmen hat sich gezeigt, dass man fürchterlich reinfallen kann, dass allein jung und dynamisch nicht der Garant für solide und erfolgreiche Kapitalanlagen ist. Beides, fachliche Kompetenz und Auftreten, müssen einander ergänzen. Verständlich, dass es manchem, mangels bisheriger Gelegenheiten, an Erfahrung fehlt. Dem flauen Gefühl, das einen bei der Vereinbarung der ersten Interviewtermine überkommt, lässt sich aber wirkungsvoll begegnen: durch Training. Eine Investition, die sich weit über den Börsengang hinaus bezahlt 207

[Glotz, P.; 2000; S. 1]

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macht. Schließlich wird der Vorstand für lange Zeit eine Art Botschafter seines Unternehmens sein. Und wer sich auf öffentliche Auftritte professionell hat vorbereiten lassen, macht auch später, zum Beispiel bei Hauptversammlungen, einen guten Eindruck. Auch wenn man durch eine Vielzahl von Medienauftritten bereits zu den „alten Hasen“ gehört, ist ein spezifisches Coaching vor dem Börsengang üblich. So sitzen Vorstände vor laufender Kamera noch einmal brav auf der Schulbank. Verlangt wird mehr als das bloße Auswendiglernen einer Rolle. Auch Schwachstellen müssen überspielt werden können, ohne ins Stocken zu geraten oder zur Notlüge greifen zu müssen. Also gilt es, Strategien für die Vielzahl von Fragen und Fußangeln, die Journalisten und Analysten stellen könnten, schon einmal durchzuspielen. Mancher, der aus persönlicher Eitelkeit nur in Leitmedien präsent sein will, muss erst lernen, wo er seine Zielgruppen bevorzugt erreicht. Wer nichts als Zahlen parat hat, erzählt von gestern und kann Visionen nur schwer glaubhaft machen. Und kaum einer ist sich seiner Körpersprache bewusst: Verschränkte Arme können vom Betrachter als Einigeln, der häufige Gebrauch des Zeigefingers als diktatorisch, nicht delegationsbereit oder kaum teamfähig wahrgenommen werden. Jede Branche verlangt einen eigenen in sich plausiblen Auftritt: Insignien von gestern, Mindestalter in Führungspositionen, klassische Hierarchien, dokumentiert durch Dienstwagen oder Designeranzüge, sind vielerorts bedeutungslos, manchmal sogar kontraproduktiv: Nicht zuletzt deshalb gilt es, die äußere Erscheinung mit der Botschaft in Einklang zu bringen. Wer, wie einst Bill Gates oder Steve Jobs, eine Erfolgsstory erzählt, die erst kürzlich in einer Garage begonnen hat, ist nun einmal mit Schlips und Kragen nicht glaubwürdig. Fazit: Weiß der Vorstand sich optimal darzustellen? Hat er auf jede Frage eine überzeugende Antwort? Oder wirkt er unsicher und schlecht vorbereitet? Dann ist Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass er, während oder nach der Zeichnungsfrist, durch ungeschicktes Auftreten oder kontraproduktive Äußerungen den Emissionserfolg und mögliche Zeichnungsgewinne gefährdet. 3.3.5 Auch Vorstände und Mitarbeiter sind Aktionäre – und prägen den Markt „W IR KAUFEN KEINE AKTIEN, SONDERN DAS MANAGEMENT.“ Hermann Josef Abs, ehemaliger Vorstand Deutsche Bank AG

Nach einer Emission beobachtet man – gerade bei kleineren Aktiengesellschaften – häufig in den ersten Wochen besonders intensive Kursbewegungen. Oft wird dabei aber übersehen, dass es gerade die anfängliche Markten-

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ge ist, die den jeweiligen Aktien eine hohe Volatilität beschert. In den ersten Monaten nach Handelsbeginn wird diese Marktenge zwangsläufig hervorgerufen. Um nämlich an die Börse gehen zu können, müssen sich die Altaktionäre zu einer Lock-Up Frist, einer Mindesthaltedauer verpflichten. Das bedeutet, die ersten sechs Monate nach Aufnahme des Börsenhandels dürfen sie sich von ihren Aktien nicht trennen. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Altaktionäre den Markt kurz nach erfolgter Emission durch Verkäufe belasten und die Kursstabilität des Newcomers gefährden. Da die Versuchung allzu groß sein könnte, nach einem erfolgreichen Börsenstart umgehend Kasse zu machen, erhalten die Anteile der Altaktionäre für die Dauer der Lock-Up Frist eine eigene Wertpapierkennnummer und werden bei der Clearstream Banking, der Buchungsstelle der Deutschen Börse, getrennt verwahrt. Damit sind sie für den Börsenhandel gesperrt. Erst nach Ablauf der Haltefrist gibt es wieder die alte Kennnummer.208 Vielfach werden, als vertrauensbildende Maßnahme, freiwillig längere Lock-Up Fristen, vereinzelt bis zu 24 Monaten, festgelegt. Oft wird ein solcher Schritt von Anlegern geradezu erwartet. So reagierte der Markt beispielsweise verstimmt darauf, dass bei der Emission von Lycos Europe statt einer freiwilligen Haltefrist von einem Jahr (oder mehr) nur die vorgeschriebene Spanne von sechs Monaten vereinbart worden war. Durch eine freiwillig verlängerte Haltefrist der Altaktionäre erhält die Gesellschaft am Markt einen Vertrauensvorschuss.209 Je schwerer der Emittent für das Anlagepublikum einschätzbar ist, je riskanter die Branche und das jeweilige Marktumfeld sind, umso wichtiger ist so ein Signal. Denn der rasche Ausstieg der Altaktionäre gilt nicht nur als mangelndes Zutrauen zum eigenen Unternehmen und ihrer Idee. Marktteilnehmer befürchten, ein Unternehmen könne nach dem Verkauf der Altaktionäre führerlos ins Abseits treiben. Schon in der Emissionsplanung versuchen Emissionsbanken herauszufinden, wie Altaktionäre mit ihren Anteilen nach Ablauf der Lock-Up-Periode zu verfahren gedenken. Werden Veräußerungswünsche von mehr als zehn Prozent des Bestandes laut, werden Banker skeptisch. Ebenso, wenn kurz vor dem Going Public neue Gesellschafter zu unverhältnismäßig günstigen Konditionen aufgenommen werden.210 Ist die Haltefrist abgelaufen, erweitert sich die anfängliche Marktenge Schritt für Schritt. Schließlich lassen sich durch reine Buchgewinne weder Haus noch Porsche kaufen. Es werden also von Alteigentümern bzw. Mitarbeitern nach und nach Aktien verkauft. Verhalten, so lange die Kurse weiter steigen, umso intensiver, je mehr die Kurse nachgeben, um sich das erreichte Niveau zu si208 209 210

[Grün, W. H.; 2000; S.145] [JM/WRU; 2000; S.55] [Lier, M. 2000/2; S.37]

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chern, so lange noch Zeit dazu ist. Der einst enge Markt erweitert sich, leidet mehr und mehr unter einem Überangebot, die Kurse geraten ins Rutschen. Fazit: Vorstände und Mitarbeiter von Börsengängern sind zunächst verpflichtet, ihre Aktien zu halten. Nach Ablauf der Lock-Up Frist können bei kleinen Firmen jedoch ihre Verkäufe, auf dem bis dahin engen Markt, zu massivem Überangebot und starken Kursverlusten führen. Anzeichen, dass Mitarbeiter den Glauben ans Unternehmen verlieren, sich gar von ihrem eigenen Aktienbestand trennen, muss der Anleger also als ernstes Alarmsignal verstehen. Eine kalendarische Übersicht des Auslaufens von Lock-Up Perioden wäre zu begrüßen, um Anleger an diese wichtigen Termine zu erinnern.

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Das Umfeld im Blick behalten – Timing und Berater müssen stimmen

4.1 Timing ist die halbe Miete 4.1.1 Der richtige Zeitpunkt für eine Emission Eine Emission muss passen. Einerseits sachlich, das heißt, Branche und Tätigkeit des Emittenten müssen der Anlegerschaft plausibel sein und dem Zeitgeist zumindest so weit entsprechen, dass man sich vorstellen kann, dass mit der entsprechenden Geschäftstätigkeit oder -idee Geld zu verdienen ist. Andererseits müssen die Aufnahmebereitschaft des Kapitalmarktes und eine zumindest eher positive, börsliche Stimmung gegeben sein. Ein Beispiel für eine sachlich passende Emission, die mit dem Zeitgeist harmonierte, sind die Mitteldeutschen Fahrradwerke MIFA, die am 17. Mai 2004 an die Börse gingen. Nachdem das Radeln in den letzten Jahren immer beliebter wurde und die Ansprüche an die Art und Ausrüstung der Fahrräder immer weiter wuchsen, kann man gut nachvollziehen, dass die Produktion von Fahrrädern einen aussichtsreichen Markt erschließt, der weiter wachsen könnte. Vor dem Hintergrund steigender Ölpreise und bei gutem Fahrradwetter im Mai, kam die Emission gerade im richtigen Moment. Das Kapitalmarktumfeld war ebenfalls in günstiger Verfassung. Nach 18 emissionslosen Monaten war der Aktie die volle Aufmerksamkeit des Anlegers sicher. Der Börsengang wurde vereinzelt sogar als Eisbrecher für weitere Emissionsvorhaben gesehen. Somit verkörperte die MIFA-Aktie Optimismus im Sinne eines Symbols für eine lange erhoffte konjunkturelle Erholung, vor allem des Emissionsmarktes. Ein besserer Start ist kaum denkbar. Mit X-Fab und Siltronic hatten jedoch unmittelbar vor MIFA zwei Emittenten ihre Emission abbrechen müssen. Auch ATU zog sein Emissionsvorhaben zurück. Für Rüdiger von Rosen vom Deutschen Aktieninstitut DAI ein Zeichen dafür, dass der Anleger mündig geworden sei. Eine aus seiner Sicht erfreuliche Entwicklung. „Wir haben bei den bisherigen IPO-Versuchen in Deutschland oft genug gesehen, dass das Geld verwendet wurde, um die Interessen von Altaktionären zu befriedigen oder Schulden zu tilgen. Damit kann man vielen Investoren einfach nicht mehr kommen“211, erklärte er dazu. Bei den abgesagten Börsengängen waren wichtige Kriterien noch nicht erfüllt. Insbesondere institutionelle Anleger bemängelten, dass die gescheiterten Börsengänger nicht den erwarteten Mindestumsatz oder noch keinen ausreichenden Zeitraum an unternehmerischer Kontinuität vorzuweisen hätten. Außerdem sei die Gewinnschwelle noch nicht oder erst vor kurzem erreicht worden. Damit war 211

[von Rosen, 2004]; von Rosen, Rüdiger; zitiert bei: [Höfling, M.; 2004; S.42]

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der Auftritt zu schwach, um als erste Börsengänger nach langer Zeit ohne Emissionen den Markt überzeugen zu können.212 Der wichtigste Faktor beim Timing ist zunächst, die volle Wahrnehmung der Financial Community auf sich zu ziehen. Ein Blick zurück zeigt, dass das nicht immer leicht ist: In den ersten neun Monaten des Jahres 1999 waren 97 Emissionen erfolgt. Das heißt, an nahezu jedem zweiten Handelstag eine. Das Gesamtvolumen am Neuen Markt, der damaligen Handelsplattform für Technologie- und Wachstumswerte, erhöhte sich dadurch um rund 145 Prozent in diesem Zeitraum. Gleichzeitig war auch noch das durchschnittliche Emissionsvolumen der Neulinge, verglichen mit Vergleichszeiträumen des Vorjahres deutlich angestiegen. So ergab beispielsweise der Vergleich zwischen September 1998 und September 1999 einen Anstieg des durchschnittlichen Emissionsvolumens um 83 Prozent. Angesichts einer solchen Emissionsflut kam es unter Emittenten zu einem harten Verdrängungswettbewerb. Nicht nur um das Kapital der Zeichner, sondern zunächst einmal um deren Aufmerksamkeit, um in der Fülle der Newcomer überhaupt wahrgenommen zu werden.213 Ein Szenario, das überhaupt nur möglich war, weil die allgemeine Börsenstimmung zu jener Zeit extrem optimistisch war. Erschwert wurde die Situation durch mehrere Kapitalerhöhungen in den klassischen Handelssegmenten; Gesellschaften, die ihrerseits massiv für den Bezug junger Aktien warben. Das Interesse der Anleger war, angesichts der verwirrenden Vielfalt neuer Alternativen, immer schwerer zu gewinnen. Zu viele Emissionen innerhalb kurzer Zeit binden so hohe Barmittel, dass das Interesse am jeweiligen Wert unmittelbar nach der Zeichnung rapide abnimmt. Kaum jemand ist bereit, die emittierten Aktien über einen längeren Zeitraum zu behalten. Zahlreiche Anleger verkaufen sofort nach der Zuteilung, um sich Barmittel für weitere Zeichnungen zu verschaffen. Das Überangebot drückt die Kurse schließlich massiv und stellt Zeichnungsgewinne in Frage. Auch steigende Zinsen können die Stimmung des Finanzmarktumfeldes eintrüben. Das hat mehrere Gründe: Ö Unter Renditeaspekten werden die Aktien vor allem auf Basis der abgezinsten zukünftig erwarteten Gewinne bewertet. Ö Je niedriger das Zinsniveau, umso eher sind Anleger bereit, in junge Unternehmen zu investieren, die eine höhere Rendite als am Rentenmarkt versprechen, wenn auch bei höherem Risiko.

212 213

[Meier, T.; 2004] [Kramer, K.H.; 1999; S.252]

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Ö Unternehmen haben, ungeachtet des an der Börse aufgenommenen Eigenkapitals, häufig auch Fremdkapitalkosten zu tragen. Steigende Zinsen erhöhen diese Belastung. Ö Steigende Zinsen sind für einige Anleger ein Anlass, ihren Aktienbestand zu vermindern und verstärkt in verzinsliche Anlagen umzuschichten. Es kann vorkommen, dass Emittenten ihre Planungen in einem günstigen Finanzmarktklima starten, nach dem erforderlichen zeitlichen Vorlauf jedoch mit dem geplanten Emissionstermin in eine deutlich abgeflaute Stimmung geraten. Ein Beispiel für eine Emission, die ungeachtet eines sich stark verschlechternden Marktumfeldes erfolgreich zu Ende gebracht wurde, war T-Online: Nachdem zu Beginn der Zeichnungsfrist allgemein damit gerechnet wurde, dass das obere Ende der Bookbuilding-Spanne mit 32 Euro wie selbstverständlich erreicht würde, brach der Markt während der Zeichnungsfrist im März 2000 dramatisch ein. Mit einem Preis von 27 Euro, nur noch einen Euro über dem unteren Ende der Bookbuildings-Spanne, wurde die Emission dennoch ein Erfolg, bescherte sogar ansehnliche Zeichnungsgewinne. Wenn der Markt während der Zeichnungsfrist plötzlich unvermutet rückläufig tendiert oder sogar einbricht, lässt sich der ursprünglich anvisierte Emissionserlös unter den mittlerweile eingetretenen Voraussetzungen nicht mehr erzielen. Um das Vertrauen der Anleger nicht zu verlieren, bleibt dem Emittenten nichts anderes übrig, als den Emissionspreis der Tendenz anzupassen. Manche Emittenten entschließen sich in einer solchen Situation, ein besseres Klima abzuwarten. Das ist einer der Gründe, warum Emissionen verschoben werden. Ein weiterer Grund für eine Verschiebung kann darin liegen, dass – wie erwähnt – in absoluten Boomphasen zu viele Emittenten gleichzeitig an die Börse stürmen, so dass der einzelne befürchten muss, in der Menge nicht mehr ausreichend wahrgenommen zu werden. Für die Anpassung des Emissionspreises kann es aber auch noch andere Gründe geben, wie z. B. Indiskretionen. Der Börsengang der Postbank im Juni 2004 hat das gezeigt.214 Die meisten Börsengänge werden jedoch ungeachtet der Stimmung am Sekundärmarkt215 durchgezogen. Zu komplex sind Planung, Organisation und Durchführung, als dass man den geplanten Ablauf allein der Marktverfassung wegen durcheinander geraten lassen möchte. Millionen, die in Ablaufplanung, Beratung und Werbung investiert wurden, wären – zumindest teilweise – verloren. Ein neuer Termin verursacht noch einmal erhebliche Kosten. Vielen Abbrechern gelingt es im zweiten Anlauf nicht mehr, das verlorene Vertrauen der Anleger zurück zu gewinnen. Zu groß ist die Befürchtung, der New-

214 215

Siehe dazu das Fallbeispiel in Kapitel 7: „Der Börsengang der Postbank“ Anm.: Der Erwerb neu emittierter Wertpapiere durch Zeichnung und Zuteilung wird als Primärhandel bezeichnet, die spätere Weiterveräußerung an Dritte als Sekundärhandel.

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comer könne, da er den Eigenkapitalzufluss nicht zum ursprünglich anvisierten Zeitpunkt erhalten habe, den Anschluss an die technologische Entwicklung verpasst oder seine Marktposition eingebüßt haben.216 Der Abbruch eines Emissionsvorhabens muss jedoch kein Beinbruch sein, wenn er rechtzeitig erfolgt und plausibel begründet wird. Der Markt wird vernünftige Argumente ohne Imageschaden respektieren. Voraussetzung ist allerdings eine transparente Informationspolitik. Hat ein Emittent im ersten Versuch Schwächen gezeigt oder haben einzelne Details des Emissionsvorhabens Unmut bei potentiellen Investoren hervorgerufen, so schauen die Marktteilnehmer beim späteren Neustart umso genauer hin und achten darauf, dass im zweiten Anlauf nachgebessert wird. Wurde im ersten Anlauf zum Beispiel die Haltefrist der Altaktionäre als zu gering kritisiert, sollte sie freiwillig verlängert werden. Das gleiche gilt, wenn die vorgesehene Verwendung des Emissionserlöses Missfallen ausgelöst hat, beispielsweise dann, wenn der größte Teil des Geldes an Altaktionäre oder an den Start-Up-Finanzier anstatt in die Firmenkasse fließen sollte.217 Deshalb beginnt jeder Neustart mit der Frage: Was ist gegenüber dem ersten Anlauf im Aktionärsinteresse verbessert worden? Fazit: Die Bewertung einzelner Branchen und somit der Erfolg entsprechender Neuemissionen unterliegen Trends. Ein Unternehmen und seine Tätigkeit müssen den Zeitgeist treffen. Optimal ist es, wenn sich viele Anleger vorstellen können, selbst einmal vom Angebot des Emittenten Gebrauch zu machen. Da der Zeitgeist sich laufend verändert, folgt auch die Marktakzeptanz von Emissionen diesen Trends. Mal stürzt sich alles auf Biotechnologie, einige Monate später mag Logistik gefragt sein, dann vielleicht erneuerbare Energien... Platzierungen, die den jeweils vorherrschenden Zeitgeist treffen, werden vom Markt leichter aufgenommen. Die Verfassung des Kapitalmarktes muss sich in einer investitionsbereiten Grundstimmung befinden. Bei niedrigem Zinsniveau lassen sich Emissionen besser platzieren. Werden Emissionen verschoben, so begründen Emittenten dies gerne mit dem Hinweis auf ein momentan ungünstiges Marktumfeld. Nicht immer ist das der einzige Grund: Vielfach wird damit auch verschleiert, dass interne Probleme noch nicht im Griff, Planziele nicht wie vorgesehen erreicht worden sind. So begründete zum Beispiel Michael Frenzel, Vorstandschef des Touristikkonzerns TUI, die Absage des geplanten Hapag Lloyd Börsenganges im September 2004 mit der mangelnden Aufnahmefähigkeit des Marktes, wobei er be216 217

[hbe; 2000] [Kipp, H.; 2000/1; S. 68]

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sonders auf die Postbank Emission verwies.218 Eine eher unsportliche Einstellung, sich darauf zu verlassen, dass vorhergehende Börsengänger einem das erforderliche Emissionsklima schaffen mögen. Am Markt ist jeder für sich selbst verantwortlich. Kurz darauf erklärte die Deutsche Bahn, ihren für 2006 geplanten Börsengang zu verschieben. Gewiss kein zufälliges Zusammentreffen. Denn hier ist Michael Frenzel Aufsichtsratsvorsitzender. Kandidaten, die bereits einen Rückzieher hinter sich haben, sollten beim zweiten Anlauf umso genauer unter die Lupe genommen werden. Vorsicht ist bei kleineren jungen Unternehmen geboten, die auf die Emissionserlöse derart angewiesen sind, dass sie den Börsengang unter allen Umständen durchziehen müssen, um ihr Überleben zu sichern, auch wenn niedrigere Mittelzuflüsse in Kauf genommen werden müssen. Solche Kandidaten sollten nur mit äußerster Vorsicht gezeichnet werden und müssen nach Handelsbeginn besonders aufmerksam beobachtet werden. 4.1.2 Der Wettlauf zwischen Hase und Igel – Die First-Mover-Strategie „ES STIMMT, DASS GELD NICHT GLÜCKLICH MACHT. ALLERDINGS MEINT MAN DAMIT DAS GELD DER ANDEREN.“ George Bernhard Shaw, irischer Schriftsteller und Dichter

Je schneller Märkte wachsen, je zügiger Technologien sich weiterentwickeln, umso wichtiger ist es, Marktpositionen so schnell wie möglich zu besetzen, Ideen und Wissensvorsprünge so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen. Eine reelle Chance hat nur, wer seinen Umsatz (und möglichst auch den Gewinn) schneller steigern kann als der Marktdurchschnitt. Besonders deutlich zeigte sich das im Entstehen von Internetplattformen: Der erste, der eine Neuentwicklung ins Netz stellte, erzielte einen hohen Aufmerksamkeitsgrad und verzeichnete nach kurzer Zeit eine entsprechende Besucherfrequenz seines Angebots. Jede weitere Imitation oder Adaption derselben Idee führte hingegen in der Regel ein klägliches Schattendasein. Gelang es ähnlichen Anbietern tatsächlich, einen nennenswerten Marktanteil zu erobern, so wurden sie nicht selten schon nach kurzer Zeit vom Marktführer geschluckt. Praxis-Beispiele: Wer spricht heute noch von Ricardo? Wer heute etwas ver- oder ersteigern möchte, tut das wie selbstverständlich bei e-bay. Amazon war vom Start weg unangefochten größter Buchhändler im Netz. Das Angebot wurde Schritt für Schritt um Tonträger, Filme und weitere Segmente, 218

[Meck, G.; 2004]

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ja sogar auf die Vermittlung gebrauchter Artikel ausgeweitet. Kein vergleichbares Unternehmen hat bislang überholen können. Wer also etwas wirklich Neues zu bieten hat, für den zählt Geschwindigkeit. Als erster an die Börse zu gehen, Eigenkapital zu erhalten, das kann der Schlüssel zur führenden Marktposition sein. Anleger investieren am liebsten in den Ersten. Me-too- Adaptionen einer Idee haben selbst dann kaum Chancen, wenn ihr Konzept gegenüber dem Marktführer deutliche Verbesserungen aufweist. Deshalb hat die Forcierung des Börsenganges für wachstumsorientierte Unternehmen mit Innovationen oberste Priorität. Nicht allein die führende Marktposition, auch die weitaus stärkere Medienresonanz des Ersten gegenüber allen Nachfolgern, macht die Pole-Position so wichtig. Denn die hohe Aufmerksamkeit, die der Erste beim Börsengang auf sich zieht, stärkt den Bekanntheitsgrad und beflügelt damit das operative Geschäft.219 Das spart eine Menge Geld: Mobilcom, als erster privater Konkurrent der Deutschen Telekom am Neuen Markt gestartet, erzielte einen so hohen Aufmerksamkeitsgrad, dass eine vergleichbare Medienpräsenz via Anzeigenkampagne einen zweistelligen Millionenbetrag verschlungen hätte.220 Zum Vergleich: 1996 hat die Werbung zur Einführung der Telekom-Aktien rund 50 Millionen Mark gekostet.221 Fazit: Wer mit einer neuen Idee an der Börse startet, hat die Chance, innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer zu werden. Nachahmer haben es deutlich schwerer. Für Innovatoren ist es deshalb besonders wichtig, vom Start weg genug Eigenkapital zu haben, um ihren Spitzenplatz zu behaupten, zu verteidigen und den Abstand zu eventuellen Nachahmern auszubauen. Nur dann ist die Mehrzahl der Anleger bereit, langfristig investiert zu bleiben. Deswegen ist der Anleger gut beraten, Emittenten auf innovative Alleinstellungsmerkmale zu prüfen und gemäß der First-Mover-Strategie die Unternehmen zu zeichnen, die mit einer wirklich neuen Idee als erste einen Markt besetzen. Reine Metoo-Adaptionen haben es deutlich schwerer. Doch Vorsicht: Auch eine Pole-Position macht nicht immun! Als Erster einen Markt zu besetzen, reicht allein nicht aus, um kontinuierlichen Erfolg zu garantieren. Ein besseres Konzept kann auch den Ersten verdrängen. So wurde beispielsweise die einst scheinbar uneinholbare Suchmaschine Yahoo längst von Google in den Schatten gestellt. First Mover muss der Anleger also auch nach eindrucksvollen Anfangserfolgen sorgfältig beobachten.

219 220 221

[Hoffmann, J./Reepesgaard, L.; 2000; S.14f] [Die Tempo-Macher; 2000] [Zuber, S./Mayer, C; 2000; S. 186f]

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4.1.3 Kalender einer Neuemission „FÜR BÖRSENSPEKULATIONEN IST DER FEBRUAR EINER DER GEFÄHRLICHSTEN MONATE. DIE ANDEREN SIND JULI, JANUAR, SEPTEMBER, APRIL, NOVEMBER, MAI, MÄRZ, JUNI, DEZEMBER, AUGUST UND OKTOBER.“ Mark Twain, amerikanischer Schriftsteller

Je nach Komplexitätsgrad und Marktumfeld kann eine Börseneinführung sich über eine Zeitspanne von vier Monaten bis zu zwei Jahren erstrecken. Ein schneller Start lässt sich nur dann realisieren, wenn das Unternehmen bereits als AG firmiert und optimal vorbereitet ist. Dazu gehört, dass die Bilanzierung auf dem neuesten Stand ist, alle Daten und Fakten für die Due Diligence Prüfung vorliegen und die Kernpunkte der Equity Story bereits präzise vorformuliert sind. In der Planungsphase prüft ein Unternehmen – in Zusammenarbeit mit seinen steuerlichen und juristischen Beratern – zunächst, ob ein Börsengang in Frage kommt und welche strategischen Ziele damit erreichbar sind. Am Ende steht, falls nicht bereits erfolgt, die rechtliche Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Um die rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Börsenreife sicherzustellen, „beauftragt das Unternehmen Rechtsanwälte, Steuerberater sowie einen Emissionsberater, mit deren Hilfe das Emissionskonzept erstellt wird. Dieses hat zentrale Bedeutung für die Börseneinführung und beinhaltet einen detaillierten Zeitplan sowie koordiniert alle notwendigen Maßnahmen. Darüber hinaus enthält es viele Detailentscheidungen, welche die (Herkunft der) Aktien, das Platzierungsvolumen, die Aktienart und Aktiengattung, das Marktsegment und Börsenplatz, das Platzierungsverfahren mit Berücksichtigung einer möglichen Überzeichnung, die Dividendenpolitik, das Marketingkonzept sowie eine Mitarbeiterbeteiligung betreffen.“222 Bevor der eigentliche Börsengang gestartet werden kann, wählt der Emittent eine oder mehrere Konsortialbanken aus. Beim so genannten Beauty Contest bewerben sich die Institute um dieses Mandat, ähnlich wie bei einer Ausschreibung. Von rund zehn Kandidaten bleiben nach intensiver Auswahl drei oder vier übrig, die die Emission durchführen.223 Kern der nun folgenden Vorbereitungsphase ist die Due Diligence Prüfung. Dabei durchleuchten die Sell-Side-Analysten, das sind die Analysten der Konsortialbank(en), das Unternehmen auf Herz und Nieren. Einerseits, um ein genaues Bild über den Ist-Zustand zu gewinnen, andererseits, um sich und den Anlegern ein realistisches Bild vom Wert, der Wettbewerbsposition und von 222 223

[Höhn, W.; 2004; S.5] Anm.: Bei großen Emissionen kann die Anzahl der Konsortialbanken wesentlich höher sein.

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den Zukunftschancen, aber auch -risiken machen zu können. Alle für die Erstellung des Emissionsprospektes und für die Preisfestsetzung erforderlichen Angaben werden zusammengestellt. Für diese Prüfung werden ungefähr vier bis sechs Wochen veranschlagt. Besondere Stärken des Emittenten werden herausgefiltert und aufgelistet, um sie in der Equity Story prägnant zusammenzufassen und in der Emissions-PR wirkungsvoll präsentieren zu können. Defizite, die den Erfolg des Börsenganges gefährden könnten, werden offen gelegt, um die sofortige Beseitigung einzuleiten.

Vorbereitung

Planung

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• • •





Kalkulation der Emissionskosten Auswahl der Emissionsbanken Due Diligence (Prüfung des Unternehmens auf Herz und Nieren Nieren) Definition und St ärken von Alleinstellungs merkmalen



Erarbeitung der Equity Story (Das Unternehmen mit seinen St ärken + Perspektiven darstellen)











Festsetzung des Emissionstermins und der Zeichnungsfrist Festsetzung des Emissions volumens Festsetzung der Preisspanne bzw. des Preises Erstellung des Emissions prospekts Analysten konferenzen Investoren werbung

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ZEICHNUNGSFRIST



Umwandlung zur AG Pr üfung auf B örsenreife Strategische (Wachstums -) Ausrichtung f ür die Folgejahre Feststellung des erforderlichen Mittelzuflusses

Abwicklung

Realisation

Schlie ßung des Orderbuches Zuteilung

ggf. Repartierung • ZEICHNUNGSFRIST bei Überzeichnung •

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ggf. Aus übung der Mehrzuteilungs option (Greenshoe) Erstnotiz Aufnahme des Sekund ärhandels

Abbildung 20: Phasen einer Emission auf Emittentenseite

Nach Abschluss der Due Diligence kann das Emissionskonzept und der Zeitplan verabschiedet werden. Spätestens jetzt werden vom Konsortialführer in Absprache mit dem Emittenten die weiteren Konsortialbanken in den Ablauf einbezogen. Nun startet die Realisationsphase: Die Erstellung des Emissionsprospektes, der für den Antrag auf die Börsenzulassung eingereicht werden muss, nimmt rund vier bis sechs Wochen in Anspruch. Zur Information der Analysten und der eigenen Sales-Abteilungen stellen die Konsortialbanken die in der Due Diligence gewonnenen Erkenntnisse in so genannten Research Reports zusammen. Analystenkonferenzen und Einzelmeetings (One on One) werden vorbereitet. Im so genannten Pre-Marketing, schon vor Beginn der Zeichnungsfrist, müssen die Buy-Side-Analysten, das sind die Analysten der institutionellen Investoren, mit den Research-Ergebnissen versorgt werden, um sich ein erstes Bild

TIMING IST DIE HALBE MIETE

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über den Emittenten machen zu können. In Einzelgesprächen können weitere Details im Dialog mit Vorstandsmitgliedern und Vertretern der Emissionsbanken besprochen werden. Erste Pressegespräche finden statt. In dieser Phase versucht man einen vorläufigen Eindruck von der Aufnahmefähigkeit des Marktes zu gewinnen, um eine realistische Bookbuildingspanne bestimmen zu können. Mit der Bookbuilding-Phase beginnt das eigentliche Marketing, in der der Emittent und die Emissionsbanken mit koordinierten Werbe- und Informationsmaßnahmen und so genannten Roadshows, Informationsveranstaltungen an wechselnden Orten, das Zeichnungsinteresse aller Anlegerkreise zu wecken suchen. Als Auftakt finden in der Regel am gleichen Tag getrennt eine Analysten- und eine Pressekonferenz statt, auf der der Preisrahmen der Bookbuilding-Spanne bekannt gegeben wird. Die Zeichnungsfrist kann von zwei Tagen bis zu eineinhalb Wochen dauern. Bei einigen Emissionen behält das Emissionskonsortium sich vor, die Zeichnungsfrist vorzeitig zu verkürzen, falls es schon nach wenigen Tagen zu einer unverhältnismäßigen Überzeichnung kommt. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten ein hektisches Prozedere, denn dort sind Zeichnungsfristen von zwei bis drei Wochen üblich, um den Anlegern mehr Spielraum zur Entscheidung zu geben.224 So hat auch die Deutsche Post bei der Emission der Aktie Gelb mit einer Zeichnungsfrist von 20 Tagen, davon die ersten zwölf Tage mit Frühzeichnerrabatt, ein positives Zeichen gesetzt. Am Ende der Zeichnungsfrist ermittelt der Konsortialführer auf der Basis der im Orderbuch eingegangenen Zeichnungsaufträge die Nachfrage und legt in Absprache mit dem Emittenten den endgültigen Emissionspreis fest. Anschließend erfolgt die Zuteilung nach Maßgabe der angestrebten Aktionärszusammensetzung. Ist die Emission überzeichnet worden, so werden die Stückzahlen der einzelnen Zeichnungsaufträge repartiert (herabgesetzt). Reicht auch das nicht aus, um die Nachfrage zu decken, muss unter den Zeichnern verlost werden. Mit Aufnahme des Börsenhandels ist die Emission abgeschlossen. Der Emittent erhält den Platzierungserlös abzüglich der Kommission der Konsortialbanken gutgeschrieben. Fazit: So früh wie möglich informieren: Schon lange vor Beginn der Marketing-Phase finden sich viele Facts über geplante Börsengänge, vor allem im Internet, oft auf den Seiten des Emittenten selbst. Wer sich frühzeitig mit interessanten Kandidaten befasst, kann im Vorfeld ohne Hektik eine Menge ausführlicher Stellungnahmen und Informationen auswerten, die weit über das kurz vor der

224

[Dietrich, J.; 1999; S. B20]

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DAS UMFELD IM BLICK BEHALTEN – TIMING UND BERATER MÜSSEN STIMMEN

Emission in Umlauf gebrachte Werbematerial hinausgehen. Neben der aufmerksamen Lektüre des Emissionsprospektes lässt sich durch Fragen im Bekanntenkreis eventuell schon etwas über die Kundenzufriedenheit herausfinden. 4.1.4 Mit Störfeuer muss gerechnet werden „ICH BIN KEIN ANLAGESPEZIALIST. UNTER 100 MILLIONEN MACHE ICH STÄNDIG FEHLER.“ Wim Duisenberg, EZB-Präsident

Im Juli 2000 ging der europäische Aerospace-Konzern EADS an die Börse. Absatzprognosen der Flugzeugindustrie und besonders der geplante SuperAirbus A380 waren Themen in allen Medien. Kaum hatte die Zeichnungsfrist für EADS-Aktien begonnen, veröffentlichte Boeing konkrete Pläne für den Bau eines neuen, größeren Jumbo-Jets, die direkte Konkurrenz für den geplanten Großraum-Airbus. Die Nachricht war mit einigen Details gewürzt, die so gar nicht in die Emissionsstimmung der EADS passen wollten: So erfuhr man beispielsweise, die Betriebskosten pro Sitzplatz lägen beim neuen Stretch-Jumbo um ein bis drei Prozent unter denen des A380. Auch die Entwicklungskosten seien deutlich niedriger als beim Airbus und man könne eher ausliefern.225 Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Es begann ein Schlagabtausch, in dem beide Kontrahenten Vormerkungen und Optionen verschiedener Airlines – inklusive der vorgesehenen Stückzahlen – nannten, nicht ohne besonders darauf hinzuweisen, dass unter den Airbus-Interessenten treue Boeing-Kunden zu finden seien und umgekehrt. Die Wirtschaftlichkeit des A380 wurde leidenschaftlich diskutiert. Privatanleger waren verunsichert und ihre Zeichnungsbereitschaft blieb verhalten, so dass der größte Teil der 166,5 Millionen EADS-Aktien in institutionelle Hände gegeben wurde. Kein Einzelfall: Gerade auf einem überschaubaren Markt mit wenigen Teilnehmern liegt die Versuchung nahe, dass Mitbewerber des Emittenten auf den Zug der Aufmerksamkeit der Financial Community mit „aufspringen“, um die günstige Gelegenheit zu nutzen, sich auch ein wenig zu profilieren. Darauf muss die Strategie eines Emittenten rechtzeitig vorbereitet sein.

225

[Hegmann, G.; 2000; S.3]

AUF WEN SOLL MAN HÖREN? – INFORMATIONEN UND TIPPS

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Fazit: Anleger sollten sich durch derartige Störmanöver nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern sie vielmehr als Chance verstehen. Das Branchenumfeld des Emittenten, seine relativen Stärken und Schwächen gegenüber Mitbewerbern kann man kaum besser kennen lernen. Man erfährt in der Auseinandersetzung der Kontrahenten weit mehr über Chancen und Risiken, als dem Emittenten selbst zu entlocken wäre.

4.2 Auf wen soll man hören? – Informationen und Tipps 4.2.1 Mit TÜV-Plakette kauft man leichter „DIE ZAHL DERER, DIE DURCH ZU VIELE INFORMATIONEN NICHT MEHR INFORMIERT SIND, WÄCHST.“ Rudolf Augstein, deutscher Journalist, Herausgeber „Der Spiegel“

Der Bereich der kritischen Prüfung und der sachkundigen Bewertung und Zertifizierung gewinnt in der gesamten Wirtschaft mehr und mehr an Bedeutung. So haben die ISO-Normen in der produzierenden Industrie, im Handel und Dienstleistungsgewerbe für mehr Qualität und Transparenz und damit zur internationalen Vergleichbarkeit von Leistungen geführt. Analog dazu ist man bemüht, auch im Finanzwesen einheitliche Standards zu erarbeiten, die allgemein anerkannte Investment-Zertifizierungen ermöglichen. Auch im Bereich des Emissionswesens besteht Bedarf für eine derartige Zertifizierung, denn unter der Vielzahl von Neuemittenten befanden sich immer wieder Unternehmen, die kritische Unternehmensinformationen bewusst so lange wie möglich zurückhielten; oft wurde der Verkaufsprospekt erst in letzter Minute veröffentlicht. Risiken wurden verschwiegen oder deren Relevanz im Kontext der Equity Story bewusst heruntergespielt. Eine Art TÜV-Plakette für Neuemissionen hat die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. unter dem Namen IPO-Norm im Februar 2000 etabliert. Ausgehend von der Beobachtung, dass viele Emittenten wichtige Informationen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig geben oder einsehbar machen (häufig liegt zum Beispiel der Emissionsprospekt nicht rechtzeitig vor), werden Mindestanforderungen an die Transparenz des Emittenten definiert. Folgende Kriterien sind spätestens zwei Wochen vor Beginn der Zeichnungsfrist zu erfüllen, um die IPO-Norm zu erlangen.226

226

[Weilhammer, S.; 2000; S.66]

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Ö Der Verkaufsprospekt muss spätestens 14 Tage vor Zeichnungsfrist vorliegen, eine Woche vor Zeichnung im Internet einsehbar sein. Ö Die Mindesthaltefrist der Altaktionäre (Lock-Up-Periode) muss veröffentlicht werden und sollte länger sein, als die von der Börse geforderte Mindestdauer von 6 Monaten. Ö Der Anleger muss darüber informiert werden, in welchem Maß die emissionsbegleitenden Unternehmen am Emittenten beteiligt sind und wie sich diese Beteiligungshöhe im Zuge der Emission ändern wird, um mögliche Interessenkonflikte erkennen zu können. Ö Zuteilungsquoten müssen nach der Zuteilung veröffentlicht werden. Der Anleger hat Anspruch darauf, zu erfahren, in welcher Höhe institutionelle Anleger am Unternehmen beteiligt sind, wie hoch die Quote bevorrechtigter Family-and-Friends-Zuteilungen ausgefallen ist und welcher Anteil in Streubesitz gegeben wurde. Er soll auch nachvollziehen können, welche Zuteilungschance bei den einzelnen Konsorten bestand. Im Internet kann unter www.ipo-norm.de verfolgt werden, wer die Prüfung erfolgreich bestanden hat.

Schutzgemeinschaft der Kleinaktion äre Kleinaktionäre

Emittent

IPO-NORM-KRITERIEN Verkaufsprospekt

Mindesthaltefrist

Black -out-Periode Zuteilungsquoten

Erf üllt wenn

Nicht erf üllt wenn

Abbildung 21: Zwei Beispiele für das Erreichen und das Nicht-Erreichen der IPO-NORM

AUF WEN SOLL MAN HÖREN? – INFORMATIONEN UND TIPPS

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Praxis-Beispiel: Im Mai 2004 erfolgte die Emission der MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke AG. Diese Emission wurde nach den Kriterien der IPO-Norm wie folgt bewertet: Rechtzeitige Hinterlegung des Verkaufsprospektes Der Verkaufsprospekt lag rechtzeitig vor und konnte im Internet abgerufen werden. Offenlegung der Haltefristen der Altaktionäre Die Hauptaktionäre der Gesellschaft, Herr Peter Wicht und Familie und Herr Michael Lehmann und Familie, haben sich gegenüber Merck Finck verpflichtet, innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ab dem Datum der Zulassung der Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse, keine ihrer Aktien börslich oder außerbörslich, direkt oder indirekt zur Veräußerung anzubieten, zu veräußern, dies anzukündigen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, die einer Veräußerung wirtschaftlich entsprechen (Marktschutzvereinbarung). Merck Finck hat das Recht, auf Veräußerungs-Beschränkungen zu verzichten. Auf Antrag von Merck Finck wurde für die dem Veräußerungsverbot unterliegenden Aktien eine gesonderte Wertpapier-Kenn-Nummer/International Security Identification Number (WKN A0B95Z/ISIN DE000A0B95Z5) erteilt. Zudem werden die Aktien der WKN A0B95Z/ISIN DE000A0B95Z5 depotmäßig über Abwicklungskonten getrennt. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die der Marktschutzvereinbarung unterliegenden Aktien während der Dauer des Veräußerungsverbots vom Börsenhandel ausgeschlossen sind. Die Clearstream Banking AG wird am Tag des Ablaufs der Marktschutzvereinbarung die Aktien, die nicht mehr der Marktschutzvereinbarung unterliegen, auf die allgemeine WKN/ISIN umbuchen, die WKN A0B95Z/ISIN DE000A0B95Z5 aufheben und die Depotbestände zusammenführen. Black-out-Period – Gleichbehandlung aller Anleger Die Landesbank Hessen Thüringen (Helaba) stellt bis zum 20. April 2004, 14.00 Uhr auf Anfrage ihre Research-Studie zum IPO der MIFA AG zur Verfügung. Ab 21. April 2004 beginnt die Black Out Period. Verpflichtung, die Zuteilungsschlüssel nach Abschluss der Emission offen zu legen Hinweisbekanntmachung zum Zuteilungsverfahren: Die in der Zeit vom 10. Mai bis 14. Mai 2004 in Deutschland angebotenen 1.500.000 Aktien der MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke AG wurden zum Festpreis von Euro 9,25 zu 15,72 % Privatanlegern zugeteilt. Aufgrund der Überzeichnung beträgt die Zuteilung im Privatkundengeschäft 50 % des Zeichnungsvolumens. Dem Konsortium nicht angehörende Banken wurden angehalten, ebenfalls die Zuteilungskriterien des Bankhauses Merck Finck & Co. und der Landesbank Hessen-Thüringen, Girozentrale anzuwenden. Eine rechtliche Verpflichtung

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dieser Banken zur Einhaltung einheitlicher Zuteilungskriterien besteht jedoch nicht. Das Prüfungsergebnis lautete somit: Das bedeutet: Die IPO-Norm wurde voll erfüllt. Eine weitere Form eines unabhängigen ‚Gütesiegels’ für Emittenten ist ein so genanntes Rating. Dabei handelt es sich um eine Bonitätseinstufung nach international vergleichbaren Kriterien. Die weltweit bekanntesten Ratingagenturen sind Moody's und Standard & Poor's. Die Erstellung eines Credit Ratings ist bei der Emission von Anleihen seit langem üblich. Ein gutes Rating kann eine Menge Geld sparen, denn je besser die bescheinigte Bonität, umso geringer die Risikoprämie, die Anleihenemittenten zusätzlich zum marktüblichen Zins anbieten müssen. Praxis-Beispiel: Der Chemiekonzern BASF betrachtet ein gutes Investmentgrade Rating als ein wichtiges finanzpolitisches Ziel und nennt seine aktuellen Ratingeinstufungen auf seinen Investor Relations Seiten im Internet:227 BASF Aktuelles Rating und Ausblick (Stand: Juli 2004): Rating Agentur

lang-/kurzfristiges Rating Ausblick

Moody’s

Aa3/P-1

stabil

Standard & Poor’s

AA-/A-1+

stabil

227

[BASF; 2004]

AUF WEN SOLL MAN HÖREN? – INFORMATIONEN UND TIPPS

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Anleger

Ratingagenturen

Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre

Emittent

Abbildung 22: Prüfung des Emittenten durch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und durch Ratingagenturen

Zunehmend gewinnen Ratings auch bei Aktienemissionen an Bedeutung. Denn für Zeichnungsinteressenten sind sie eine wichtige Stütze der Risikoentscheidung, da Eckdaten wie Branchenzugehörigkeit, Wachstumsrate und Gewinnerwartung oft nicht ausreichen, um sich ein abgerundetes Bild von der Bonität des Emittenten zu machen. Die Einstufung international renommierter Agenturen ist somit ein nicht zu unterschätzendes Gütesiegel. Emittenten sind gut beraten, wenn sie damit die Risikofrage beim Gang an die Börse gar nicht erst aufkommen lassen. Bei blutjungen Start-Ups kann von Bonität im eigentlichen Sinne zwar noch keine Rede sein. Für Big Player und bei Spin-Offs großer Unternehmenssparten, die gesondert an die Börse gebracht werden, sollte ein aktuelles Rating zum Börsengang jedoch zur Selbstverständlichkeit werden.

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Viele Emittenten scheuen die Erstellung eines Ratings wegen des befürchteten Aufwandes und der Kosten. Erfahrungsgemäß liegen jedoch achtzig bis neunzig Prozent der dafür erforderlichen Informationen durch die im Zuge der Due Diligence erhobenen Daten bereits vor.228 Neben der Unterstützung der Zeichnungsbereitschaft bieten Ratings noch weitere Vorteile: Sie steigern den Bekanntheitsgrad des Unternehmens und bieten Zugang zu wichtigen internationalen Investorenkreisen. Das fördert die globale Ausrichtung des Finanzmanagements und macht sich langfristig bei der Aufnahme weiterer Mittel, also bei Kapitalerhöhungen oder der Platzierung von Anleihen, bezahlt. Fazit: Die IPO-Norm definiert Mindestanforderungen an die Transparenz der Finanzkommunikation von Emittenten, sagt damit aber weder etwas über den Wert des Unternehmens, die Angemessenheit des Emissionspreises oder der Bookbuildingspanne, noch über den möglichen Erfolg der Emission aus. Ratings unabhängiger Agenturen geben dem Zeichnungsinteressenten Sicherheit über die Bonität des Emittenten. Sie treffen jedoch keine Aussage über die Angemessenheit des Emissionspreises, den künftigen Unternehmenserfolg oder die Kursentwicklung. 4.2.2 Heiße Tipps – oft kalter Kaffee „EIN GRAMM INFORMATION WIEGT SCHWERER ALS TAUSEND TONNEN MEINUNG.“ Gerd Bacher, österreichischer Journalist

Kaum ein Anleger ist selbst in der Lage, den gesamten Markt zu beobachten, aussichtsreiche Werte selbst zu analysieren und seine Anlagestragtegie allein zu entwickeln. Informationen von Profis sind gefragt. Doch wie gut sind deren Markteinschätzungen? Die Süddeutsche Zeitung hat im Januar 2003 einmal rückblickend untersucht, wie zuverlässig die Vorhersagen der FinanzmarktBeobachter im Jahr 2002 gewesen sind.229 50 Banken, Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter, Versicherungen und Research-Häuser hatten Prognosen für Höchst-, Tiefst- und Jahresschlussstände von Aktienindizes, Anleihen und den Euro-Kurs gegeben. Die Auswertung ergab, dass lediglich ein Drittel aller Tipps zutreffend war. 2001 betrug die Trefferquote noch 45 Prozent. Für 2000 hatten sogar noch 61 Prozent der Einschätzungen zugetroffen. In einem rückläufigen Marktumfeld fällt es Spezialisten also zunehmend schwerer, zutreffende Analysen abzugeben. Dazu kommt die berufsbedingte Tendenz, höheres Gewicht auf positive Signale zu legen, um entsprechende Kaufempfeh228 229

[Söllhuber Kretzer, A.; 1999; S.B18] [Reim, M.; 2003; S.20]

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lungen aussprechen zu können. Man möchte seinen Kunden schließlich Investitionsmöglichkeiten aufzeigen, anstatt ihnen von der Anlage abzuraten. Mit der Empfehlung, nicht zu kaufen, kann ein Finanzdienstleister keinen Umsatz machen und folglich kein Geld verdienen. Für diejenigen, die sich zeitnah informieren möchten, füllen Hotlines zudem geschickt die Stimmungs-Lücke, die durch das Zurückgehen des Präsenzhandels und die Zunahme computergestützter Handelsplattformen entstanden ist. Die frühere Börsenatmosphäre (Geschrei, Hektik, Unruhe im Börsensaal) wird durch betonte Hektik bei Ansagediensten nachempfunden; quasi telefonischer Ersatz einer verloren gehenden Szene. Im Februar 2000 untersuchte die Zeitschrift „Die Telebörse“ Börseninformations-Hotlines. Das Ergebnis war ernüchternd: „die versprochenen Insider-Tipps sind meistens nur belanglose Sprüche auf Endlos-Bändern.“230 Gemeinsam ist allen, dass sie das Beste des Hilfe suchenden Anlegers wollen: sein Geld. Die meisten Hotlines beginnen mit 0190 oder 0900 und verursachen entsprechende Kosten. Innerhalb der ersten 24 Sekunden müssen der Name des Anbieters und der Minuten-Preis genannt werden. Nummern, die mit zwei Nullen beginnen, führen ins Ausland und kosten oft noch mehr, als entsprechende deutsche Angebote. Praxis-Beispiel: Wer kostspieligen Rat in Anspruch nimmt, hat Anspruch auf aktuelle TopInformationen. Nur wenige Dienste werden diesem Anspruch gerecht. Deshalb Finger weg, wenn Ö die angerufene Nummer lediglich eine Ansage bereithält, die ihrerseits auf weitere Nummern/Faxabrufdienste verweist oder eine (wiederum mit Zusatzkosten verbundene) Weitervermittlung anbietet. Ö statt des angekündigten Finanzexperten (dessen prominenter Name oft lediglich aus werblichen Gründen verwandt wird) offensichtlich inkompetente und/oder schlecht informierte Personen zu hören sind. Ö die Informationen keinen Bezug zum Thema der Hotline haben. (Wer z. B. eine Asien-Hotline wählt, will dort nicht über deutsche Blue Chips informiert werden.) Ö die Informationen tagelang nicht aktualisiert werden. Ö das Gesagte längst aus der Zeitung, dem Internet oder der TV-Berichterstattung bekannt ist.

230

[Contoli, M.; 2000; S. 88]

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Ö nicht themenbezogene Ausschmückungen („Wie heute wohl das Wetter in Frankfurt werden wird?“) den Informationsgehalt unnötig in die Länge ziehen. Doch selbst dann, wenn Informationsdienste kompetent erstellt und regelmäßig aktualisiert werden, ist vielfach zurückhaltende Skepsis geboten: Ihre Leistungsfähigkeit dokumentieren die Tippgeber, gleich ob Ansage- oder Faxabrufdienste, gerne mit so genannten Musterdepots. Je stärker die Performance der Musterdepots, umso attraktiver für den Anleger. Musterdepots haben eine solche Überzeugungskraft, dass die Ankündigung von Informationsdiensten, Werte abstoßen, bzw. neu aufnehmen zu wollen, oft zu erheblichen Kursausschlägen führt. Auffällig ist dabei, dass Telefon-Hotlines, Faxabrufdienste und selbsternannte „Aktiengurus“ sich überwiegend marktengen Werten widmen. Das hat zwei Gründe: Ö Eine entsprechende Leser- bzw. Gefolgschaft an Anlegern vorausgesetzt, sind schon einzelne Empfehlungen oder Meldungen in der Lage, den gewünschten Kurseffekt innerhalb kürzester Zeit auszulösen. Der Wert eigener Bestände oder Musterdepots kann damit gezielt in die Höhe getrieben werden. Ö Das Image eines Tippgebers ist direkt vom Eintreffen seiner Vorhersage abhängig. Marktenge Werte zu empfehlen, führt innerhalb kürzester Zeit zum gewünschten Effekt. Eine langfristige Anlagestrategie erübrigt sich. Die Empfehlung entwickelt innerhalb kürzester Zeit den vorhergesagten Effekt (Self-Fulfilling-Promise). Das wiederum stützt die Popularität des Ratgebers, der schon nach ca. einer Woche darauf verweisen kann, die von ihm vorhergesagte Entwicklung sei eingetreten. Bei kleineren Unternehmen ergibt sich ein hoher Festbesitzanteil und somit ein enger Markt oft schon daraus, dass sich wesentliche Teile des Grundkapitals noch in Händen der Gründer und Mitarbeiter befinden, die nach einem Börsengang durch die vorgeschriebene Haltefrist nicht verkaufen dürfen. Ferner gelangen große Teile des Aktienbestandes nicht in den freien Handel, wenn andere Unternehmen aus geschäftspolitischen Gründen ein Beteiligungspaket halten. Bei marktengen Werten kann also schon ein vergleichsweise geringes Ordervolumen die Kurse nachhaltig beeinflussen. Die Gefahr der Kursmanipulation ist weit größer, als bei Aktien mit breitem Markt. Ist eine Marktenge aufgrund einer hohen Stückzahl/Börsenkapitalisierung nicht gegeben, lassen viele Tippgeber diesen Wert unbeachtet, da sie dessen Kurs ohnehin kaum beeinflussen, sich damit also auch nicht profilieren können. Das trifft vor allem auf diejenigen Ratgeber zu, deren Zielgruppe Trader und Spekulanten sind und die sich nur mit ausgesprochenen Wachstumswerten befassen. Junge Aktiengesellschaften mit noch geringer Marktkapitalisierung können so leicht zum Spielball heißer Tipps werden. So schmeichelhaft Empfehlungen

AUF WEN SOLL MAN HÖREN? – INFORMATIONEN UND TIPPS

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grundsätzlich sind, lösen sie in der Traderszene nur allzu leicht ein spekulatives Strohfeuer aus, das schnell wieder erlischt. Zurück bleibt eine enorme Volatilität der Aktie, die langfristig orientierte Anleger stark verunsichert. Der Aktie verkommt zum Zockerpapier. Fazit: Heiße Tipps sind nicht immer so heiß, wie sie scheinen. Manche Hotlines oder Faxabrufdienste schreiben einfach voneinander ab. Viele Ansagen werden unregelmäßig aktualisiert. Empfohlen werden mit Vorliebe marktenge Titel, deren Kurs sich durch ein, zwei Empfehlungen mühelos für kurze Zeit in die Höhe treiben lässt. Der anschließende Absturz ist vorprogrammiert und erfolgt, sobald die Aktie von weiteren Analysten als ‚momentan überbewertet’ eingestuft wird. Nur Trader mit kurzfristigem Anlagehorizont können, wenn das Timing stimmt, von Empfehlungen profitieren. Informanten, das muss der Anleger wissen, sind keine Berater. Deren Tipps sollten folglich nicht als unmittelbare Handlungsanweisung missverstanden werden, wenngleich das Zusammentragen von Fakten und Informationen für die Anlagestrategie unverzichtbar ist. Auch eine Informationsfülle ist noch kein Garant für den ultimativen Durchblick. Liegt die Mehrzahl der Tippgeber daneben (s.o.), so ist auch der Durchschnitt aller Informationen wenig aussagekräftig. Gesunder Menschenverstand und der Mut zur eigenen Meinung können also nicht schaden. Anleger müssen heute durchaus nicht mehr hilflos zusehen, wenn ein professioneller Tippgeber ihr Vertrauen überstrapaziert hat. Moderne Kommunikationsmittel, besonders Diskussionsforen im Internet, bieten die Chance sich auszutauschen. In Chats werden die genannt, die ihr Geld nicht wert sind. Service-Nummern, die durch unseriöse Geschäftspraktiken auffallen, können Sie melden: Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste, www.fst-dienste.de

5

Count-down – Die Zeichnungsfrist beginnt

Nachdem der Anleger sich aus einer Vielzahl von Informationen ein Bild über den Emittenten und dessen Chancen gemacht hat, wägt er sorgfältig ab und entscheidet, ob er grundsätzliches Interesse an der Zeichnung der angebotenen Aktien hat. Viele beobachten zunächst den Beginn der Zeichnungsfrist, erkunden die Stimmung und entscheiden sich erst dann zur Zeichnung, wenn eine dauerhaft positive Tendenz erkennbar ist. Um Zögerlichen die Entscheidung zu erleichtern, werden, besonders bei großen Emissionen, gelegentlich Anreize geboten, die Anleger zur frühen Zeichnung bewegen sollen. So kann der Emittent schon in der ersten Hälfte der Zeichnungsfrist einen guten Überblick über die private Nachfrage gewinnen. Das ist ihm einen Abschlag auf den Emissionspreis, den so genannten Frühzeichnerbonus wert. Wer sich seiner Zeichnungsabsicht sicher ist, sollte diesen Preisvorteil nutzen. Ein bekanntes Beispiel ist die Emission der 3. Tranche der T-Aktien. Hier wurde denen, die bis zum 9. Juni 2000 zeichneten, ein Bonus von 3 Euro zugesichert. Das war zwar eine nennenswerte Differenz (Anfang Juni 2000 entsprach der Frühzeichnerrabatt von 3 Euro knapp fünf Prozent des Kassakurses) und für den Anleger durchaus eine Motivation, über seine Zeichnungsbereitschaft ein paar Tage früher zu entscheiden. Jedoch herrschte in diesem Fall vollkommene Unklarheit darüber, von welchem Emissionspreis diese drei Euro abgezogen werden sollten. Sowohl die Deutsche Telekom, als auch die Emissionsbanken gaben keine klaren Auskünfte über den Emissionspreis, nicht einmal über das Verfahren zu dessen Ermittlung wurden die Anleger informiert. Ein äußerst unfaires, weil für den Anleger riskantes Verfahren. Denn: Überhöht minus drei Euro gibt günstigstenfalls einen fairen Preis, auf keinen Fall jedoch ein Schnäppchen oder einen sicheren Zeichnungsgewinn. In diesem Fall wurde also eine starke Verunsicherung der Zeichner billigend in Kauf genommen. Unter Shareholder Value-Gesichtspunkten ist das nicht vertretbar. Fazit: Preisabschläge für Frühzeichner sind ein durchaus akzeptabler Anreiz für den Anleger, sich frühzeitig zu informieren und zu entscheiden. Dass der Emittent auf diese Weise einen schnelleren Überblick über die private Nachfrage erhalten möchte ist durchaus legitim, jedoch müssen Modalitäten der Preisfindung und der Zuteilung vor Beginn der Zeichnungsfrist vollkommen transparent gemacht werden.

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COUNT-DOWN – DIE ZEICHNUNGSFRIST BEGINNT

5.1 Grauer Markt, doch buntes Treiben „DIE GANZE BÖRSE HÄNGT NUR DAVON AB, OB ES MEHR AKTIEN GIBT ALS IDIOTEN ODER MEHR IDIOTEN ALS AKTIEN.“ André Kostolany, Finanzexperte und Journalist

Schon vor dem ersten Handelstag handeln Profis untereinander die Aktien des Neuemittenten. Man spricht vom so genannten Handel per Erscheinen, kurz: Graumarkt oder Telefonhandel. Dieses Handelssegment wird von darauf spezialisierten Börsenmaklern betreut, der bekannteste unter ihnen ist der Börsenmakler Schnigge. Auch beim Wertpapierhandelshaus Lang & Schwarz wird der Handel per Erscheinen durchgeführt. Die Handelsabwicklung ähnelt einem Futures-Kontrakt am Terminmarkt. Beide Parteien vereinbaren Kurs und Stückzahl. Abgewickelt wird das Geschäft jedoch erst bei Erscheinen, also sobald die Aktien in den Handel gelangen. Da der Verkäufer per Termin Aktien veräußert, die noch nicht erhältlich sind, ist er entweder Altaktionär und möchte sich schon vor Handelsbeginn von Teilen seiner Bestände trennen oder er verkauft leer, das heißt, er muss sich bei Erscheinen der Aktien sofort eindecken, um die vereinbarte Stückzahl liefern zu können. (In der Regel dürfen jedoch Altaktionäre aufgrund der so genannten Lock-Up-Frist ihre Aktien einige Monate nicht verkaufen, kommen also als Anbieter am Graumarkt nicht in Frage.) Kurz: Am Graumarkt findet ein reger Handel mit Aktien statt, die es zwar schon gibt, die aber börslich noch gar nicht notiert werden. Sobald die Bookbuilding-Spanne einer Neuemission bekannt gegeben wird, taxieren und veröffentlichen die Experten bei Schnigge bzw. Lang & Schwarz aufgrund der ihnen vorliegenden Angebots- und Nachfragesituation den ersten Geld- und Briefkurs. Die ersten Kauf- und Verkaufsorders gehen ein. Der Handel kann beginnen. Bis zum Abend vor der ersten Börsennotiz wird der Handel per Erscheinen fortgeführt und in dieser Zeit kann sich die Angebotsund Nachfragesituation noch deutlich verschieben, was an den kontinuierlich veröffentlichten Kurstaxen unmittelbar ablesbar ist. Börsentäglich wird der Handel von 8 bis 23 Uhr, sogar am Samstag von 10 bis 16 Uhr durchgeführt. Wird ein Börsengang noch während der Zeichnungsfrist abgesagt, was durchaus vorkommt, so sind alle bis dahin abgeschlossenen Geschäfte nichtig. Die im Handel per Erscheinen gezahlten Kurse sind bereits während der Bookbuilding Spanne ein wichtiges Indiz dafür, wie die Aktie von Berufshändlern im Vorfeld bewertet wird. Im Durchschnitt der letzten Jahre lag der Eröffnungskurs des börslichen Handels zu 75 bis 80 Prozent innerhalb der letzten Graumarkt-Preistaxen vor Erscheinen.231 Die vom Makler gestellten Kurstaxen 231

[Merten, F.; 2000; S. 150ff]

GRAUER MARKT, DOCH BUNTES TREIBEN

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des Graumarktes werden daher genauestens verfolgt. Im Internet kann man sie unter www.schnigge.de oder www.LS-d.de aufrufen. Dort kann man die Stimmung einer Neuemission schon während der Zeichnungsfrist mitverfolgen. Manche Werte starten mit viel Optimismus, der sich schon während der Zeichnungsfrist langsam verliert. Andere starten verhalten und holen bis zum ersten Handelstag langsam auf. Wie volatil die Kursausschläge im Handel per Erscheinen sein können, belegt das Schicksal zweier bekannter Börsengänger während der Zeichnungsfrist bis zur Aufnahme der Börsennotierung:232 Aktiengesellschaft

Emissions- Höchster preis Kurs im Handel per Erscheinen

Letzte Kurstaxe im Handel per Erscheinen vor Beginn der Börsennotiz

Erster festgestellter Börsenkurs bei Aufnahme des Handels

Infineon 623100 Technologies

35,--

104,--

86,-- - 94,--

70,20

T-Online

27,--

50,--

30,-- - 31,--

28,50

Wertpapierkennnummer

555770

Wie spannend es bis zum Schluss im Telefonhandel zugehen kann, hat im Mai 2004 auch der Verlauf der Wincor Nixdorf Zeichnungsfrist gezeigt: „Am Tag vor der Erstnotiz wurden die Papiere bei Schnigge kurzzeitig sogar unterhalb des unteren Endes der Bookbuilding-Spanne gehandelt.“233 Man bangte bis zuletzt, denn theoretisch hätte der Börsengang noch im letzten Moment abgesagt werden können. Doch der Kurs fing sich und stieg wieder an. Gerade weil der Handel per Erscheinen weitestgehend Profis vorbehalten ist, wird auch immer wieder Kritik laut. Bei einem engen Markt mit geringen Umsätzen können schon kleinste Ordervolumina die Kurstaxen erheblich beeinflussen. Deshalb sollten nicht nur Kurse, sondern auch das jeweilige Handelsvolumen transparent gemacht werden. Außerdem ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar, wer am Handel teilnimmt. Groß ist die Versuchung für Altaktionäre und Konsortialbanken, am Graumarkt einen Scheinhandel miteinander zu führen, um die Kurse der von ihnen in Kürze platzierten Werte vorbörslich in die Höhe zu treiben und durch die so erzeugte, vermeintliche Attraktivität der Papiere eine Überzeichnung herbeizuführen. 232

Alle Angaben in Euro/Stck.; Basis dieser Aufstellung sind Kurse im Handel per Erscheinen, festgestellt von der Börsenmakler Schnigge AG; die Kurse bei Aufnahme des Handels wurden an der Deutsche Börse AG festgestellt, die Höchstpreise wurden durch Stichproben von FOCUS MONEY ermittelt; Vgl.: [Merten, F.; 2000; S. 154] 233 [Höfling, M.; 2004; S. 41]

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COUNT-DOWN – DIE ZEICHNUNGSFRIST BEGINNT

Möchte also ein Emittent eine erfreuliche Kursentwicklung am Graumarkt in seiner Investor Relations Arbeit kommunizieren, so ist vollkommene Markttransparenz vonnöten. Andernfalls besteht – ähnlich wie bei Zuteilungsmodalitäten – die Gefahr, der Manipulation bezichtigt zu werden. Auch private Investoren haben zunehmend Interesse, schon am Graumarkt mit dabei zu sein. Banken raten in der Regel von solchen Engagements ab, denn die Risiken sind deutlich höher als bei der klassischen Zeichnung. Außerdem erfordert die Teilnahme am Handel per Erscheinen eine wesentlich umfangreichere Risikobelehrung als für den reinen Aktienhandel; hier handelt es sich um Futures und dafür ist, ebenso wie an der Terminbörse, die Termingeschäftsfähigkeit des Anlegers erforderlich. Die Teilnahme am Handel ist dem Privatanleger nicht direkt über den Börsenmakler, sondern nur auf dem Weg über seine Depotbank, also als Kundenkommissionsgeschäft möglich. Von manchen Finanzinstituten werden Mindestordergrößen für die Teilnahme am Handel per Erscheinen gefordert. Sitzt die Hausbank selbst im Emissionskonsortium, so kann sie die Teilnahme am Graumarkt-Handel (auch im Auftrag ihrer eigenen Kunden) bewusst verweigern, um ihre Neutralität zu wahren, damit sie nicht der Manipulation des Graumarktes bezichtigt werden kann (siehe oben). Exkurs: So funktionieren Futures Futures gehören, ebenso wie Optionen, zu den so genannten Terminkontrakten. Man nennt sie deshalb so, weil, im Gegensatz zum Kassahandel, die Erfüllung der Geschäfte (Zahlung und Lieferung) für einen späteren Zeitpunkt vereinbart wird. Wie die Bezeichnung „Handel per Erscheinen“ zeigt, ist dieser zukünftige Termin das Erscheinen, also der Handelsbeginn der neu erscheinenden Aktien. Futures sind vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Käufer und einem Verkäufer. Beide einigen sich schon heute darauf, zu einem zukünftigen Zeitpunkt ein Geschäft abzuwickeln. Der Preis wird bereits festgelegt. Das Handelsgut, hier die zur Zeichnung angebotenen Aktien (Fachleute sprechen vom Basiswert oder Underlying des Futures), und die Menge werden ebenso im Voraus fixiert. Am so genannten Liefertag muss der Verkäufer des Futures (auch Short-Position des Kontraktes genannt) die Aktien liefern, der Käufer des Futures (Long-Position) muss den vereinbarten Preis bezahlen. Weil der Verkäufer sich bereits bei Abschluss des Vertrages zur Lieferung von Aktien verpflichtet, die er noch gar nicht hat, spricht man von einem Leerverkauf. Bei Handelsbeginn, dem so genannten Erscheinen, muss er sich also mit der entsprechenden Stückzahl eindecken, um liefern und damit seinen Teil des Vertrages erfüllen zu können. Der Käufer des Futures setzt darauf, sich schon vor Handelsbeginn Aktien zu einem Festpreis zu sichern. Er hofft, dass der im Futureskontrakt vereinbarte Preis günstiger ist, als der spätere Kurs der Aktien bei Handelsaufnahme. Mit der im Futureskontrakt vereinbarten Aktienstückzahl kann er sicher rechnen,

GRAUER MARKT, DOCH BUNTES TREIBEN

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denn der Verkäufer muss in jedem Fall die volle Anzahl liefern. Somit ist der Käufer unabhängig von den Modalitäten der Emissionszuteilung, braucht sich also um mögliche Repartierung oder Verlosung keine Sorgen zu machen. Der Verkäufer setzt darauf, dass die Aktien bei Aufnahme des Handels zu einem geringeren Kurs, als dem im Futures-Kontrakt vereinbarten Preis zu haben sein werden. Dann kann er sich am Kassamarkt günstig eindecken und die Aktien dem Käufer zum vorvereinbarten teureren Preis liefern, den dieser in jedem Fall entrichten muss. Die Risiken aber auch die Chancen von Termingeschäften sind um ein Vielfaches höher als am Kassamarkt. Der Umgang mit Futures ist für unerfahrene Anleger zunächst derart komplex, dass dringend dazu geraten werden muss, sich mit der Materie sorgfältig vertraut zu machen, bevor daran gedacht werden kann, Terminkontrakte im Rahmen des privaten Anlagemanagements einzusetzen. Praxis-Beispiel: Privatanleger, die sich des erhöhten Risikos bewusst sind, müssen wissen, dass dieser Markt eng ist und somit sehr volatil sein kann. Deshalb muss bei Kauf und Verkauf streng limitiert werden. Je geringer der Umsatz, umso breiter werden die Spreads, das sind die Spannen zwischen Geld- und Briefkurs. Bei extrem breiten Spreads sollte sich der Anleger genau überlegen, ob ein Engagement wirklich sinnvoll ist. Wenngleich der Makler bemüht sein wird, den Markt liquide zu halten, so ist er nicht verpflichtet, zu den von ihm gestellten Kurstaxen selbst in Geschäfte einzusteigen. Findet sich kein passender Kontrahent, kommt kein Vertragsabschluß zustande. Hier wird der Handel per Erscheinen durchgeführt:

Börsenmakler Schnigge

Wertpapierhandelshaus Lang & Schwarz

Schnigge AG, Börsenmakler

Lang & Schwarz Wertpapierhandel AG

Oeder Weg 15

Ernst-Schneider-Platz 1

60318 Frankfurt am Main

40212 Düsseldorf

Tel.: (069) 15684-0 (Frankfurt/Main) Tel.: (01802)138 138 Tel.: (0211) 138 610 (Düsseldorf) Tel.: (030) 318 65 40 (Berlin) Preistaxen des Handels per Erschei- Preistaxen des Handels per Erscheinen im Internet: www.schnigge.de nen im Internet: www.LS-d.de

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Fazit: Der Handel per Erscheinen ist eine wichtige Orientierungshilfe, um schon während der Zeichnungsfrist einen Eindruck von der Einschätzung des Marktes zu gewinnen. Graumarkt-Kurstaxen sollten den oberen Wert der Bookbuilding Spanne bereits deutlich übertreffen. Tritt das nicht ein, besteht auch kein Grund zur Zeichnung, denn die Aktie wird auch im späteren Sekundärhandel noch zum Emissionspreis oder sogar günstiger zu haben sein. Wer sicher gehen möchte, dass sich die Marktstimmung nicht während der Zeichnungsfrist zu seinen Ungunsten verändert, verfolgt die Kurstaxen im Internet und zeichnet erst gegen Ende der Zeichnungsfrist. Doch Vorsicht: Hohe Kurstaxen allein sind keine Garantie für eine profitable Zeichnung. Denn der Graumarkt ist kein transparenter Markt. Umsätze und Marktteilnehmer sind nicht zuzuordnen, Manipulationen aufgrund geringer Marktbreite nicht völlig auszuschließen.

5.2 Die Preisbestimmung 5.2.1 Was ist ein Unternehmen wert? „ES GIBT LEUTE, DIE ZAHLEN FÜR GELD JEDEN PREIS.“ Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph

Über die Frage, welches der faire Preis eines Unternehmens ist und auf welche Weise man ihn ermitteln soll, ist schon viel gestritten worden. Dabei ist die Antwort einfach: Es ist der Preis, der sich gemäß Angebot und Nachfrage am Markt bildet. Zur Ermittlung des Emissionspreises, ist man auf möglichst genaue Schätzungen angewiesen, um sich dieser Größe im Voraus so präzise wie möglich zu nähern. Um die Entwicklung von Aktienkursen einzuschätzen, sind in der Praxis zwei verschiedene Ansätze gebräuchlich: 1. Die Technische Analyse, auch als Chartanalyse bezeichnet, nimmt die grafische Abbildung des bisherigen Kursverlaufs (den Chart) zur Grundlage und versucht daraus Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung abzuleiten. Dabei wird besonderes Gewicht auf die Erkennung von Trendkanälen gelegt sowie auf die Durchbrechung im Chart eingezeichneter Widerstandslinien. Außerdem versucht man aus der Erkennung bestimmter Figuren (Formationen) Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu ziehen. 2. Die Fundamentalanalyse basiert auf der Erfassung und Auswertung fundamentaler, also errechenbarer Daten. Fundamentale Daten sind zum Beispiel der Buchwert, die Gewinnentwicklung und die Höhe der Dividende. Auf Basis der so gewonnenen Werte wird der rechnerische (faire) Wert

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der Aktie bestimmt. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Aktien aus derselben Branche lässt sich so eine Aussage darüber treffen, ob die Aktie bislang unter- oder überbewertet ist.234 Bei der Bestimmung des fairen Preises einer neu an die Börse gehenden Aktiengesellschaft, kann die Technische Analyse nicht zum Einsatz kommen. Denn man verfügt noch über keinen bisherigen Kursverlauf, den man grafisch abbilden und analysieren könnte. So ist man vollständig auf die Fundamentalanalyse angewiesen. Deren Bewertungsverfahren lassen sich wiederum in zwei Hauptgruppen gliedern: Ö Die Substanzwertanalyse stellt den Emissionspreis in Relation zur Summe aller Werte, über die das Unternehmen verfügt. „Als Kennzahl zur Überprüfung der Angemessenheit des Emissionspreises eignet sich beispielsweise das Verhältnis von Kurs zu Buchwert (KBV). Das KBV gibt das Verhältnis des aktuellen Aktienkurses zum Buchwert je Aktientitel wieder. Berechnet wird es, indem man den aktuellen Kurs der Aktie durch den materiellen Buchwert pro Anteilsschein des letzten Bilanzstichtages dividiert.“235 Bei einer solchen Bewertung bleiben aber wichtige Faktoren, für die keine klaren Wertansätze bestimmt werden können, zum Beispiel guter Ruf oder Mitarbeitertreue, auf der Strecke. Das voraussichtliche Wachstum des Unternehmens, eines der Hauptkriterien, lässt sich auf diese Weise nicht adäquat bewerten. Ö Deshalb wird bei der Ertragswertanalyse der Wert des Unternehmens an seiner zukünftig erwarteten Ertragskraft gemessen. Die zukünftigen Aktionäre sind in erster Linie an zukünftigen Gewinnen interessiert, deren Zuwachs sich in Form steigender Dividenden und Kurse niederschlägt. Eine große Unsicherheit liegt bei diesem System jedoch darin, dass man mit Gewinnschätzungen arbeiten muss. Wichtigste Aufgabe des Emittenten ist es, Analysten eine realistische Vorstellung vom Unternehmen und seinen Ertragsperspektiven zu vermitteln. Die Konsortialabteilungen der emissionsbegleitenden Banken sind gefordert, den Emittenten dabei optimal zu unterstützen. Nachdem die Corporate Finance Teams des Konsortialführers das Unternehmen im Rahmen der Due Diligence genauestens analysiert haben, geben sie ihre Einschätzungen und Planzahlen den übrigen Konsortialbanken bekannt. Analysten aller Konsortialbanken erstellen eigene Equity Research Reports, die zur wichtigsten Grundlage der Verkaufs- und Beratungsteams werden. Fachleute sprechen von der so genannten Sell-Side Analyse.

234 235

[Göcken, U./Schulte, K.-W.; 1990] [Kurz, J.; 2004; S.2]

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Die Research Reports machen Angaben zur erwarteten Ertragsentwicklung, die den zentralen Ausgangspunkt für die Bewertung des Unternehmens bilden. Im Idealfall decken sich diese Einschätzungen mit denen des Emittenten selbst. Eine wichtige Kennzahl, mit der mögliche Emissionspreise getestet werden können, bietet das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz als KGV oder PER (engl. für Price Earnings Ratio) bezeichnet. Dieser Quotient zeigt, mit dem Wievielfachen des geschätzten Gewinns die Aktie bewertet wird. Beträgt das KursGewinn-Verhältnis beispielsweise 10, so liegt der Kurs in Höhe des zehnfachen Gewinns. Für sich genommen hat das KGV jedoch noch keine hohe Aussagekraft. Die durchschnittlichen Bewertungen schwanken sowohl regional, als auch saisonal und weichen je nach Brache stark voneinander ab. Mag beispielsweise die Bewertung von Versorgern bei 9 liegen, so kann gleichzeitig das KGV von Werten, denen überdurchschnittliches Wachstum vorausgesagt wird, bei 25 oder höher liegen. Die Hoffnung auf dynamischere Zuwachsraten wird im KGV vorweggenommen. Anders gesagt: Rechnet man mit schneller wachsenden Gewinnen, so müssen diese teurer bezahlt werden. Saisonal erhöhte Werte erlebt man in boomenden Branchen, die sich für eine Weile zu Börsenlieblingen entwickeln, wie es zum Beispiel 1999 bei Medienwerten zu beobachten war. Erhebliche Aufschläge verzeichnen auch Branchenführer in schnell wachsenden Märkten, da ihr Vorsprung als schwer einholbar gilt, was sie für Anleger besonders attraktiv erscheinen lässt. Um anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses einen realistischen Emissionspreis zu bestimmen, wird eine Übersicht aller vergleichbaren börsennotierten Werte aufgestellt. Ein besonderes Gewicht kommt dabei denjenigen zu, die erst kürzlich emittiert wurden. An ihnen lässt sich der Erfolg oder Misserfolg der gewählten Preisstrategie am besten beobachten. Im Fachjargon bezeichnet man diesen Vergleich mit Werten der gleichen Branche als ComparablesAnalyse. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis hat als Maßstab den Vorteil, dass die aktuelle Marktsituation, bezogen auf bestimmte Branchen, leicht zu erfassen ist. Besonders schwer tut man sich jedoch bei der Emission von Aktiengesellschaften, die noch keinen Gewinn vorzuweisen haben und bei denen sich zukünftige Gewinne nach Höhe und Zeitpunkt noch nicht bestimmen lassen. Dieser Fall tritt häufig bei jungen Unternehmen auf. Statt Gewinnprognosen können die Newcomer hier zunächst oft nur mit Visionen aufwarten. Hier muss der faire Wert einer Idee oder Perspektive bestimmt werden. Mit rechnerischen Verfahren ist dieser Frage kaum zu begegnen. Hier hilft nur Intuition und – wenn möglich – der Vergleich mit ähnlichen Emissionen der jüngeren Vergangenheit. Ausgehend von der Überzeugung, dass Unternehmen mindestens ihre Kapitalkosten erwirtschaften müssen, um Sharholder Value für ihre Aktionäre zu erzielen, orientieren sich viele Sell-Side-Analysten zusätzlich am Discounted

DIE PREISBESTIMMUNG

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Cash Flow (DCF). Er wird ermittelt, indem die für die Zukunft geschätzten freien Mittelzuflüsse auf den Gegenwartswert abgezinst werden.236 Diese Kennzahl gilt als Maß für die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens. Auch hierbei ist man auf Schätzungen der künftigen Unternehmensentwicklung angewiesen, die gerade bei jungen Firmen oft mit erheblicher Unsicherheit verbunden sind. Rechnerisch gewonnene Ergebnisse der Substanz- bzw. Ertragswertanalyse werden in manchen Fällen durch Untersuchungen im Sinne der betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktorenforschung ergänzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass breite gesellschaftliche Absicherung durch die Konformität mit den Ansprüchen möglichst vieler Bezugsgruppen langfristig hilfreich, oft sogar unabdingbar ist, um das Unternehmen überlebensfähig und erfolgreich zu machen.237 Diesen Ansatz schon bei der Ermittlung des fairen Emissionspreises zu berücksichtigen entspricht der zunehmenden Beachtung der unternehmerischen Nachhaltigkeit (engl. Sustainability) – ein Bewertungsfaktor, der besonders bei institutionellen Anlegern immer stärkeres Gewicht bekommt. In der Erfolgsfaktorenanalyse wird davon ausgegangen, dass sich zentrale qualitative und quantitative Erfolgsfaktoren identifizieren lassen, die von Dauer sind und somit einen bleibenden Wettbewerbsvorteil begründen.238 Diese Faktoren finden sich nicht nur im Unternehmen selbst, sondern auch in seinem Umfeld.239 Die Identifikation derartiger positiver Erfolgsfaktoren rechtfertigt einen Aufschlag auf das rechnerisch ermittelte Preisniveau. Ist der Bereich, in dem sich der faire Preis der Aktie bewegen muss, rechnerisch eingegrenzt, so wird davon ausgehend ein Abschlag von bis zu 10 %240, das so genannte Underpricing, vorgenommen. Das Underpricing ist die Differenz, die dem Anleger als Risikoprämie dafür zusteht, dass er beim Zeichnen bewusst die Ungewissheit der späteren Marktentwicklung in Kauf nimmt. Dieses Risiko ist implizit in jeder Emission enthalten, unabhängig davon, ob sie überzeichnet ist. Je volatiler die Kursentwicklung des angepeilten Marktsegmentes ist, umso höher ist dieser Risikoabschlag anzusetzen. Keinesfalls darf ein Unternehmen bei der Neuemission primär den maximalen Emissionserlös anstreben. Es geht vor allem darum, sich eine gut motivierte und zufriedene Aktionärsstruktur aufzubauen, denn schließlich will man sich auch in Zukunft die Finanzierungsmöglichkeiten des organisierten Kapitalmarktes sichern.

236

[Volk, G.; 1998; S. 240] [Wuffli, P.; 1998; S.41] 238 [Göttgens, O.; 1996; S.475ff] 237 239 240

[Hildebrandt, L.; 1986, S.39] [Volk, G.; 1998; S. 244]

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Deshalb kann ein bewusstes Underpricing als Eintrittsgeld verstanden werden, das der Emittent zu zahlen hat, um in diesem Markt Fuß zu fassen.241 Ob die Rechnung aufgeht, zeigt sich immer erst nach Aufnahme des Handels. Wenn, ex post betrachtet, der realisierbare Zeichnungsgewinn dem gewährten Underpricing entspricht, hat das Emissionskonsortium den Emittenten und den Markt richtig eingeschätzt. Doch Vorsicht: Einige Emittenten versuchen bewusst, den höchstmöglichen Emissionserlös zu erzielen, vermeiden das Underpricing und investieren im Vorfeld lieber in mehr Werbung, getreu dem Motto: „Hat sich die Braut hübsch gemacht, lässt sich dank reger Nachfrage auch ein höherer Emissionspreis erzielen.“242 Da Anleger sich an das Underpricing gewöhnt haben, es quasi unterbewusst als automatisch enthaltenes Muss voraussetzen, gibt es Börsengänger, die diese Erwartung ausnutzen, ohne sie zu erfüllen. Etablierte Emissionskonsortien sind langfristig auf ihren Ruf bedacht und werden solche Versuche schon im Vorfeld bereinigen. Vorsicht ist jedoch bei unbekannten Emissionsbanken geboten. Es mag für Emittenten verlockend sein, die Preisfindung durch eine extrem weite Bookbuilding-Spanne allein dem Markt zu überlassen. In der Praxis würde dieses Verfahren jedoch kläglich scheitern, denn die Bookbuilding-Spanne ist für den privaten Anleger eine wichtige Orientierungshilfe. Extreme Spreads würden zu starker Verunsicherung führen. Fazit: Für die Höhe des Emissionspreises sind vor allem die Ertragsaussichten und das Wachstum des Unternehmens maßgebend. Vergleiche mit anderen Unternehmen sind nur zeitgleich innerhalb derselben Branche im selben Börsensegment wirklich aussagekräftig. Vom fairen Preis darf der Anleger einen Abschlag, das Underpricing, als Risikoabschlag erwarten. Denn eine Zeichnung ist immer ein Risiko, verglichen mit der Investition in ein bereits börsennotiertes Papier, das bereits einen historischen Kursverlauf aufweist. 5.2.2 Festpreis kontra Bookbuilding „DAS GELD, DAS MAN AN DER BÖRSE MACHT – ABER NICHT VERDIENT –, IST SCHMERZENSGELD. ERST KOMMEN DIE SCHMERZEN, DANN DAS GELD.“ André Kostolany, Finanzexperte und Journalist

Bis 1994 wurden Emissionen in Deutschland ausschließlich im Festpreisverfahren durchgeführt. Dabei garantiert das Emissionskonsortium dem Emitten-

241 242

[Hidding, B.; 1999; S.B2] [Würth, P.; 2000; S.14]

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ten die Übernahme des gesamten zur Platzierung anstehenden Aktienpaketes zu einem im Voraus fixierten Preis. Dieser Preis fußt auf einer umfassenden Unternehmensanalyse und einer Prognose der zukünftigen Ertragsentwicklung. Dabei werden auch Vergleiche innerhalb der entsprechenden Branche und das Marktklima berücksichtigt. Zur Prüfung hinsichtlich realistischer Prämissen und Plausibilität werden in der Regel unabhängige Wirtschaftsprüfer hinzugezogen. Den Konsortialbanken wurde immer wieder vorgeworfen, bei der Festlegung des Emissionspreises zu optimistisch kalkuliert zu haben, um den Auftrag des Emittenten zu erhalten. Aus dessen Sicht ist es nur zu verständlich, sich für die Bank(en) zu entscheiden, die den höchsten Emissionserlös in Aussicht stellt. Die Kritik am Festpreisverfahren bezieht sich vor allem darauf, dass die Preisfindung ohne Impulse des Marktes, also ohne realistische Beobachtung der tatsächlichen Nachfrage, erfolgt. Kritisiert wird auch, dass bei Platzierungen im Festpreisverfahren jeder der Konsorten die übernommene Quote nach eigenem Ermessen zuteilt, ohne Verpflichtung, die daraus resultierende Investorenstruktur offen zu legen. Mit anderen Worten: Da eine zentrale Koordination des Zuteilungsverfahrens fehlt, ist eine Steuerung des Investorenmixes im Sinne des Emittenten schwer möglich. Gelangen zu hohe Teile des Emissionsvolumens in schwache Hände, die lediglich an einer umgehenden Realisierung von Zeichnungsgewinnen interessiert sind, so ist die Kursstabilität im Sekundärmarkt schon kurz nach Aufnahme der Notierung durch einen erheblichen Angebotsüberhang gefährdet. Schlimmstenfalls werden zur Kurspflege umfangreiche Umplatzierungsbemühungen erforderlich. Beim Bookbuilding-Verfahren hingegen, wird zu Beginn der Zeichnungsfrist zunächst eine Preisspanne bekannt gegeben. Die Zeichner geben in ihrem Zeichnungsauftrag an, zu welchem Preis innerhalb dieser Spanne sie bereit sind, eine bestimmte Stückzahl zu zeichnen. Diese Angaben werden im zentralen Orderbuch gesammelt. Daraus erhält der Emittent ein Gesamtbild der Nachfrage und kann am Ende der Zeichnungsfrist einen marktorientierten Emissionspreis festsetzen. Praxis-Beispiel: Auch als Privatanleger kann man seine Zeichnungsorder innerhalb der Bookbuilding-Spanne limitieren, so wie bei einer normalen Kauforder. Es kann dann nur zu einer Zuteilung kommen, wenn der Emissionspreis das gewählte Limit nicht überschreitet. Sollte die Bookbuilding-Spanne am Ende der Zeichnungsfrist herabgesetzt werden, wie es im Fall der Postbank Emission 2004 geschah, so gilt der am Schluss festgesetzte geringere Emissionspreis selbstverständlich auch für diejenigen Zeichner, die schon in der ersten Phase der Zeichnungsfrist bereit gewesen wären, zu einem höheren Preis innerhalb der ursprünglichen Bookbuilding-Spanne zu zeichnen.

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1994 wurde von der Dresdner Bank das bis dahin in Deutschland unbekannte Bookbuilding-Verfahren erstmals eingesetzt. Sie verwendete es zunächst zur Platzierung eigener Aktien, anschließend bei der Privatisierung der Deutschen Lufthansa, schließlich 1995 auch für Neuemissionen von SGL Carbon, Merck und Adidas. Alle genannten Emissionen betrafen ein Gesamtvolumen, das die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes überfordert hätte. So entschloss man sich zum Bookbuilding-Verfahren schon deshalb, um sich, zur Gewinnung ausländischer Zeichner, dem international bereits üblichen Verfahren anzupassen. Ins Bewusstsein der breiten Anlegerschaft gelangte das Bookbuilding-Verfahren 1996 schließlich durch die Großemission der Deutschen Telekom. Auch hier spielte die Zielsetzung einer weltweiten Platzierung eine bedeutende Rolle. Obwohl manche Emissionen kleinerer Unternehmen ein vergleichsweise geringes Volumen haben, das keine Fokussierung auf internationale Investoren erfordert, nutzt mittlerweile fast jeder Emittent das Bookbuilding. Denn dieses Preisbestimmungsverfahren bietet erhebliche Vorteile: Ö Unmittelbar vor der Emission werden Marktklima und Nachfrage getestet. Das erspart peinliche Fehleinschätzungen. Ö Im EDV-gestützten Orderbuch sammelt der Konsortialführer (deshalb nennt man ihn in diesem Zusammenhang auch Book-Runner) die von den einzelnen Konsorten entgegengenommenen Zeichnungswünsche. So entsteht ein zentraler Überblick potentieller Aktionäre und somit über das mögliche Investorenmix und den erzielbaren Emissionspreis. Ö Der Konsortialführer hat die Möglichkeit, die Qualität einzelner Investoren hinsichtlich der gewünschten Aktionärsstruktur zu bewerten (ausgenommen sind Privatanleger, die mit Rücksicht auf das Bankgeheimnis nicht namentlich im Orderbuch erscheinen) und den Konsorten bei der endgültigen Verteilung der Quoten feste Weisungen zur Zuteilung zu erteilen (directed allotment). Weitere Zuteilungsquoten, die die Konsorten nach eigenem Ermessen platzieren können, werden als free retention bezeichnet. Ö Die einzelnen Konsorten können nicht automatisch mit einer festen Zuteilungsquote rechnen. Daher reicht es nicht aus, alle Aktien am Markt platzieren zu können; es müssen dem Konsortialführer Zeichner der gewünschten Qualität nachgewiesen werden, um überhaupt Zuteilungen zu erhalten. Ö Die Bestimmung des Investorenmixes durch die Zuteilungspolitik des Konsortialführers ermöglicht eine Streuung nach qualitativen, regionalen und internationalen Gesichtspunkten, die ein späteres Überangebot im Sekundärmarkt vermeiden hilft. Nachdem im Orderbuch alle Zeichnungswünsche einschließlich der Preisvorstellungen erfasst worden sind, wird auf Basis dieser Gebote der marktorien-

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tierte endgültige Emissionspreis festgelegt. Dieser gilt für alle, die eine Zuteilung erhalten, auch für Zeichner, die einen höheren Preis geboten haben. Nur Anleger, die mindestens den Emissionspreis geboten haben, können Aktien zugeteilt bekommen. Ob und wie viele Aktien die einzelnen Zeichner erhalten, hängt vom Grad der Überzeichnung und von der Zuteilungspolitik der Konsortialbanken ab. Der Auswahl des Konsortialführers kommt beim Bookbuilding-Verfahren besondere Bedeutung zu, denn er entscheidet auch über die Zuteilungspolitik der übrigen Konsorten und somit über die spätere Zusammensetzung der Aktionärsstruktur. Praxis-Beispiel: Einen guten Start hat eine Emission, wenn der Preis im Handel per Erscheinen schon während der Bookbuilding-Phase locker den oberen Wert der Bookbuiding-Spanne erreicht oder sogar deutlich überschreitet. Ist dies nicht erkennbar, kann das mehrere Gründe haben: Ö Firmenintern • Eine zu optimistische Einschätzung der Marktnachfrage • Das Misstrauen der Anleger, falls aus dem Emissionsprospekt nicht klar hervorgeht, wie der Emissionserlös verwendet werden soll. • Die schwache bzw. risikobehaftete Equity Story der Firma oder der gesamten Branche Ö Firmenextern • Störungen durch Konkurrenten. In einer so sensiblen Phase reichen schon reine Behauptungen, um zu verunsichern.243 • Fehler im Beraterkreis des Emittenten oder bei den Banken des Emissionskonsortiums • Das gesamte Börsenumfeld, das durch unvorhersehbare Markteinflüsse während der Zeichnungsfrist in ein Stimmungstief gerät. Verunsichert reagiert der Markt auch, wenn Bookbuildingspannen mit der Option bekannt gegeben werden, die Obergrenze könne nachträglich heraufgesetzt werden. Denn sind Privatanleger von einer Emission erst einmal überzeugt, so zeichnen die meisten unlimitiert, wünschen jedoch die Sicherheit, dass der obere Wert nicht durchbrochen wird.

243

Vgl. dazu das Kapitel 4.1.4 „Mit Störfeuer muss gerechnet werden“

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Fazit: Der Markt lässt sich schon während der Zeichnungsfrist im Internet unter www.schnigge.de und unter www.ls-d.de verfolgen. Hier werden die aktuellen Kurstaxen noch nicht notierter Neuemissionen im Handel per Erscheinen veröffentlicht. Übertrifft der Geldkurs der Taxe den oberen Wert der BookbuildingSpanne nicht um mindestens 15 %, so besteht keine allzu große Aussicht auf schnelle Zeichnungsgewinne. Oft schwankt die Einschätzung der Marktteilnehmer während der Zeichnungsfrist erheblich. Deshalb nicht gleich am ersten Tag zuschlagen, sondern erst kurz vor Ende der Zeichnungsfrist, es sei denn, die Zeichnungsfrist wurde unter dem Vorbehalt der möglichen Verkürzung bekannt gegeben oder es wird ein Bonus (Preisabschlag) für Frühzeichner in Aussicht gestellt. 5.2.3 Wer bietet mehr? – Emission im Auktionsverfahren „EIN GESCHÄFT, DAS NICHTS ALS GELD VERDIENT, IST EIN SCHLECHTES GESCHÄFT.“ Henry Ford, amerikanischer Großindustrieller

Neben dem Festpreisverfahren und dem Bookbuilding-Verfahren ist auch das Auktionsverfahren bei der Bestimmung des Emissionspreises möglich. Beim Auktionsverfahren können die Anleger während der Zeichnungsfrist ihr Gebot für die Aktien abgeben. Nach Abschluss der Zeichnungsfrist erfolgt die Zuteilung, beginnend mit dem höchsten Gebot, so lange, bis das Emissionsvolumen ausgeschöpft ist. Der Emissionspreis aller zugeteilten Aktien ist jedoch einheitlich. Er ist genau so hoch, wie das niedrigste Gebot, das zum Zug kommt, also gerade noch eine Zuteilung erhält. Bei Geboten, die exakt den Emissionspreis getroffen haben, kann es folglich zu Teilzuteilungen (Repartierung) kommen. Praxis-Beispiel: Im August 2004 wurden Aktien der Internet-Suchmaschine Google im Auktionsverfahren emittiert. Es war der bislang größte Börsengang einer Internetfirma.244 Die Google Emission war nicht frei von Pannen: So waren Mitarbeiteraktien ausgegeben worden ohne die erforderliche Meldung an die USWertpapieraufsichtsbehörde SEC abzugeben. Außerdem gaben die Unternehmensgründer Sergej Brin und Larry Page dem Playboy ein Interview, das so kurz vor der Emission veröffentlicht wurde, dass es als Verletzung der vorgeschriebenen Schweigepflicht innerhalb der Quiet Period kritisiert wurde.245 244 245

[tmo/HB; 2004] [HB; 2004]

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Mehrfach drohte eine Verschiebung des Emissionstermins. Vereinzelt wurde sogar spekuliert, die SEC könne die Emission nachträglich für ungültig erklären.246 Die Investor Relations Seite www.ipo.google.com wurde erst in letzter Sekunde fertig. Bis Ende Juli 2004 war der Börsengang in zahlreichen Medien bereits „weitläufig verrissen“247 worden. Diese Unruhe im Vorfeld blieb nicht ohne Folgen. Die Gebote der Zeichner fielen entsprechend niedrig aus, so dass der Emittent sich mit einem geringeren Emissionserlös als dem ursprünglich erwarteten zufrieden geben musste. Dieses Beispiel zeigt, wie sensibel Anleger auf Pannen im Vorfeld reagieren. Gerade beim Auktionsverfahren schlägt sich das unmittelbar im Preis nieder. Zwar wird in der Regel ein Mindestgebot als Orientierungshilfe angegeben, die Zeichnung setzt von Seiten des Anlegers jedoch eine besonders sorgfältige Recherche voraus, um sich ein Bild vom tatsächlichen Unternehmenswert machen zu können. So ist der Investor in besonderem Maße gefordert. Die Mehrzahl der privaten Anleger dürfte damit jedoch überfordert sein. Emittenten haben vereinzelt argumentiert, diese vergleichsweise intensivere Auseinandersetzung der Investoren mit der Aktiengesellschaft führe zum besseren Kennen lernen und langfristig zu einer höheren Identifikation, da Anleger, die sich mit dem Unternehmen vor der Zeichnung verstärkt auseinander setzen, an der mittel- bis langfristig positiven Entwicklung besonders interessiert seien. Das Auktionsverfahren hat folgende Vorteile: Ö Alle Zeichner haben die gleiche Zuteilungschance, unabhängig davon, bei welcher Bank sie ihr Wertpapierdepot unterhalten. Ö Auch private Anleger können direkt am Preisbildungsprozess teilnehmen. Ö Der Emissionspreis ist nachfrageorientiert und bildet sich im aktuellen Marktklima. Ö Der Emittent erzielt den höchstmöglichen Erlös. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: Ö Dem Kleinanleger, der den Wert eines Unternehmens in der Regel nicht selbst bestimmen kann, wird keine Preisspanne als Orientierungshilfe vorgegeben, die auf dem analytischen Know-how institutioneller Investoren basiert. Das verunsichert oder schreckt sogar ganz ab. Ö Der Konsortialführer kann, mangels zuteilungspolitischer Instrumentarien, keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Aktionärsstruktur nehmen. Ö Es entsteht der imageschädigende Eindruck, dem Emittenten sei die Anlegerstruktur weitgehend egal, er wolle primär so viel Geld wie möglich aus der Emission herausholen. 246 247

[tmo/HB; 2004] [Moerschen, T.; 2004]

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Ö Bei kleinen Gesellschaften kann ein kapitalkräftiger Investor einen stark überhöhten Preis für ein größeres Paket anbieten. So entstehen u.U. schon bei der Emission ungewollt große Beteiligungspakete. Das Auktionsverfahren wurde in Deutschland Anfang des Jahrtausends bei einigen kleineren Emissionen im Technologiesektor eingesetzt, konnte sich aber am Markt langfristig nicht durchsetzen. Der Grund ist einfach: In Boomphasen können Emittenten darauf hoffen, angesichts eines allgemein optimistischen Umfeldes, hinsichtlich ihres Wertes und ihres Entwicklungspotentials überschätzt zu werden. Die Versuchung liegt nahe, im Auktionsverfahren Werte zu heben, die in dieser Höhe überhaupt nicht vorhanden sind. In konjunkturell schwachen Phasen sorgt hingegen der allgemeine Pessimismus der Marktteilnehmer dafür, dass Newcomer eher unter- als überschätzt werden. Das Auktionsverfahren ist dann für Emittenten unattraktiv. Fazit: Aktiengesellschaften, die ihre Anteile im Auktionsverfahren zuteilen, wollen das Underpricing bewusst vermeiden, um den maximalen Emissionserlös zu erzielen. Diesen am Markt üblichen Risikoabschlag können Zeichner erwarten. Deshalb ist das Auktionsverfahren aus Anlegersicht abzulehnen. Ein Vorteil ist hingegen, dass das Auktionsverfahren allen gleiche Zuteilungschancen gibt, egal, bei welcher Bank gezeichnet wird. Vor Abgabe eines Angebotes sollte der Zeichner mehrere Urteile über den von Fachleuten als fair angesehenen Preis sammeln (Banken, Internet, Fachpresse, TV-Beiträge). Sonst besteht die Gefahr, in einer sachlich nicht fundierten Euphorie ein überhöhtes Angebot abzugeben. Vorsicht beim Bieten von ‚Mondpreisen’, nur um in jedem Fall Aktien zu erhalten. Die Annahme, der Preis des schlechtesten Angebotes werde schon dafür sorgen, dass letztlich nicht so viel gezahlt werden müsse, geht nicht immer auf. 5.2.4 Aktien zeichnen ganz umsonst – Ist das das Schlaraffenland? „...UND MEIN PAPI HAT KEINEN PFENNIG DAZUBEZAHLT.“ Werbung der Fielmann AG

Kaum zu glauben, aber so etwas gab es zur Jahrtausendwende: Aktienzuteilungen aus Neuemissionen, ohne einen Cent zu bezahlen. Etliche junge Internet-Unternehmen warben mit Gratisaktien für registrierte Nutzer. Damals war man fest davon überzeugt, der langfristige Erfolg von InternetAngeboten hänge davon ab, zu Beginn in kurzer Zeit möglichst viele registrierte Nutzer zu gewinnen. Diese Vielzahl an Kundenbindungen wurde seinerzeit

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enorm hoch gewichtet. Eine Studie von Dresdner Kleinwort Benson bewertete im Jahr 2000 einen aktiven User mit sage und schreibe 1.500 Euro.248 Heute weiß man, dass diese optimistische Einschätzung weit über das Ziel hinausschoss. In manchen Fällen war die Berechtigung zur Gratiszuteilung an mehrere Bedingungen gebunden. So musste, wer Aktien der web.de AG auf diesem Wege erhalten wollte, deren kostenlosen E-Mail Dienst nutzen und ein Depot bei der Comdirect Bank oder einer Volks- und Raiffeisenbank unterhalten.249 Derartige Koppelgeschäfte sind juristisch sehr umstritten. Wenn die verlangten Voraussetzungen, wie zum Beispiel die Einrichtung eines Depots, Folgekosten verursachen, kann von einem reinen Geschenk nicht mehr die Rede sein. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre warnte denn auch in diesem Zusammenhang vor Praktiken, die „an der Grenze zum Unseriösen“250 liegen. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel sprach 2000 in diesem Zusammenhang abschätzig von „besseren Rabattmärkchen.“251 Dazu ein einfaches Rechenbeispiel: Praxis-Beispiel: Realistischerweise ist zu unterstellen, dass die Unternehmensgründer die Aktien- und somit die Stimmrechtsmehrheit nicht aus der Hand geben werden. Außerdem dient die Emission in erster Linie dazu, frisches Eigenkapital ins Unternehmen zu holen. So wird man eine feste Quote von maximal 20 Prozent aller Aktien (das wäre schon sehr viel) für die Gratis-Zuteilung an User reserviert haben. Angenommen 2 Millionen User haben momentan Anspruch auf eine Gratisaktie des Unternehmens, das 10 Millionen Euro wert sei, so entfällt auf einen User ein rechnerischer Wert von 5 Euro. In den folgenden Monaten möge sich die Anzahl der Nutzer verdoppeln. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich damit auch der Wert des Unternehmens verdoppelt. Er steigt allenfalls um 20 Prozent, also auf 12 Millionen Euro. Diese verteilen sich jetzt aber auf 4 Millionen User. Macht unter dem Strich 3 Euro pro Berechtigtem. Um auch für 4 Millionen User gerüstet zu sein, wird die AG nicht etwa 40 Prozent aller Aktien als Gratisaktien ausgeben, sondern es wird bei der Quote von 20 Prozent bleiben. Um dennoch allen eine Gratisaktie gewähren zu können, wird lediglich im Verhältnis 1:2 gesplittet. Es entsteht also die doppelte Aktien-

248 249 250 251

[Heise, S.; 2000] [Heise, S.; 2000] Keitel, Reinhild; Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre; zitiert bei: [Heise, S.; 2000] Fenchel, Udo; Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel; zitiert bei: [Heise, S.; 2000]

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anzahl, ohne dass sich die Quote der Gratisaktien am gesamten Aktienkapital verändert. Bei der web.de AG handelt es sich immerhin um ein Unternehmen, das sich schließlich erfolgreich am Markt behaupten konnte. web.de zählt mittlerweile zu den meistgenutzten E-mail-Diensten Deutschlands und die Aktie des Unternehmens notierte Anfang Juli 2004 mit immerhin 8,20 Euro.252 Wenngleich bislang noch keine Dividende gezahlt wurde, dennoch ein achtenswerter Erfolg, der jedoch weniger auf die Gewährung von Gratisaktien zurückzuführen sein dürfte, sondern vielmehr darauf, dass das Unternehmen in Vergleichstests verschiedener E-mail-Dienste über Jahre hinweg Spitzenplätze belegte. Einen Großteil seiner Nutzer hat web.de erst nach dem Börsengang hinzugewonnen. Bei der Zuteilung von Gratisaktien handelt es sich um eine besondere Form eines Affinity-Programms (siehe das Kapitel: „Die bevorrechtigte Zuteilung von Aktien über Affinity-Programme“) zur Kundenbindung. In einigen Fällen haben Emittenten die Zuteilung von Gratisaktien an die Preisgabe von persönlichen Daten und/oder an die Beantwortung von Umfragen gekoppelt, um ihre Zielgruppe besser kennen zu lernen und Daten über deren Lebensgewohnheiten, Ausbildung oder Kaufverhalten zu sammeln. Die US-Wertpapieraufsicht ächtete in diesem Zusammenhang die Irreführung der Anleger durch die Vergabe noch nicht bei der SEC registrierter Aktien. Bereits die Offenlegung persönlicher Daten des Anlegers ist nach amerikanischer Rechtsauffassung eine geldwerte Gegenleistung, die es verbietet, von einer Gratisofferte zu sprechen.253 Um wettbewerbsrechtliche Anfechtungen zu vermeiden, sind daher manche Anbieter dazu übergegangen, statt Gratisaktien, zunächst Gratis-Berechtigungspunkte, so genannte Units, zum späteren Aktienbezug anzubieten. Je mehr derartige Units gesammelt werden, umso höher die mögliche Zuteilung. Der Erhalt solcher Units kann an zahlreiche Bedingungen geknüpft sein und so gestaffelt werden, dass eine enger werdende Nutzerbindung durch immer neue Einheiten belohnt wird: Die ersten Punkte gibt es für eine schnelle Registrierung, weitere Punkte lassen sich durch häufige Nutzung des Angebots, zusätzliche durch die Teilnahme an Umfragen und durch Verbesserungsvorschläge erlangen. Grundsätzlich haben Teilnehmer derartiger Gratis-Affinity-Programme keinen Rechtsanspruch auf Zuteilung. Auch nicht darauf, dass das Unternehmen seinen Börsengang tatsächlich durchführt, oder einen angekündigten Zeitrahmen einhält. Bis es tatsächlich so weit kommt, verlangen Anbieter von den derart Beschenkten eine treue Nutzerbindung. Sollten zum Beispiel bereits erworbe252 253

Schlußkurs der Aktie vom 2.7.2004 [Heise, S.; 2000]

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ne Units des deutschen Internet-Providers free4u.de nicht verfallen, musste man sich mindestens alle acht Wochen dort einwählen. Den treuen Nutzern hat das nicht geholfen. Die Website ist längst nicht mehr aktiv, von Aktien ganz zu schweigen. Fraglos ist es vielen Firmen mit derartigen Programmen gelungen, in kürzester Zeit die Zahl der Nutzer explosionsartig in die Höhe zu treiben. Eine Garantie für das Überleben oder gar für den langfristigen Erfolg ist damit aber in keiner Weise gegeben. Angesichts der Tatsache, dass man den Wert der quantitativen Kundenbindung monetär völlig überschätzt hat und vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Unternehmen mit dem Versprechen auf Gratiszuteilungen gescheitert sind, wurde diese Form des Affinity-Programms unpopulär. Bei einem sich wieder öffnenden Markt mit steigenden IPO-Zahlen wird eines Tages möglicherweise wieder Gebrauch davon gemacht. Fazit: Zu früh sollte man nicht vom schnellen Reichtum träumen. Oft steht der geleistete Einsatz, um zum Beispiel Berechtigungspunkte (Units) im Vorfeld der Emission zu sammeln, in keinem Verhältnis zum Wert der späteren Zuteilung. Wer weiß, in welcher Stückelung die Aktien erscheinen werden? Je größer der Erfolg eines solchen Unternehmens, desto mehr Nutzer wollen Aktien zugeteilt bekommen und umso geringer muss die Ausbeute des Einzelnen ausfallen.

5.3 Die Zuteilung 5.3.1 Transparenz ist Trumpf „BUSINESS IST NICHTS ANDERES ALS EIN KNÄUEL MENSCHLICHER BEZIEHUNGEN.“ Lee Iacocca, amerikanischer Industriemanager

Je begehrter die Aktien einer Emission sind, je eifriger die Werbetrommel im Vorfeld gerührt wurde, umso größer der Kreis derer, die gezeichnet haben und sich nun Hoffnungen auf eine Zuteilung machen. Bei Großemissionen wie TOnline oder Infineon begrüßten sich gute Bekannte am ersten Handelstag statt mit „Wie geht's?“, mit „Hast Du welche bekommen?“ Oft überwog der Frust der Mehrzahl, die wieder einmal nichts abbekommen hatte. Doch demokratisch wird die Zuteilungspraxis nie werden. Es ist und bleibt nun einmal das Recht des Unternehmens, sich seine Geldgeber selbst auszusuchen. Gering war allzu oft die Zahl derjenigen, die zum Zuge kamen. Empört fragte die Bild-Zeitung „Wer hat sich da die Taschen gefüllt?“, als rund sechzig Prozent des Infineon-Emissionsvolumens an institutionelle Anleger zugeteilt worden waren. Wer sich nicht traut, rechtzeitig Stellung zu beziehen und auch die unangenehme Wahrheit auszusprechen, dass es bei der Zuteilung keinen An-

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spruch auf Gleichbehandlung gibt, darf sich über anschließenden Unmut nicht wundern. In den Vereinigten Staaten wurden Unregelmäßigkeiten bei Zuteilungsverfahren von der Wertpapieraufsichtsbehörde SEC untersucht. Resultate waren die Forderung nach höherer Transparenz der Zuteilung und die Auflage, Wertpapiere eines Börsenganges breiter zu streuen, um die Bevorteilung von Großinvestoren einzudämmen.254 Um Zuteilungsmodalitäten im Anlegerinteresse transparenter zu gestalten, erarbeitete die Börsensachverständigenkommission, kurz BSK, ein vom Bundesminister der Finanzen berufenes 16-köpfiges Beratungsgremium,255 einen Grundsatzkatalog, der am 1. Juli 2000 in Kraft trat.256 Jedoch lassen diese Regeln Emittenten und den für sie tätigen Konsortialbanken eine so erhebliche Gestaltungsfreiheit, dass der Markt sie als weitgehend wirkungslos einschätzt.257 Juristisch betrachtet handelt es sich zwar nur um Verhaltensempfehlungen, deren Anerkennung und Umsetzung freiwillig ist. Jedoch sind die Regeln – auch ohne eigene Sanktionsmechanismen – als Konkretisierung des Wertpapierhandelsgesetzes zu verstehen, so dass Verstöße geahndet werden können. Einmal im Jahr werden die Richtlinien überprüft und können bei Bedarf angepasst werden. Anfang 2003 gab es außerdem ein Programm der Bundesregierung mit dem Namen „Finanzmarktförderplan 2006“. Ziel war es, das Vertrauen der Privatanleger in die Börse wieder zu steigern. Die im zugehörigen Eckpunktepapier gelisteten Vorschläge befinden sich noch in der Diskussion. So positiv die Schaffung vereinheitlichter Zuteilungsrichtlinien ist, geben sie dem Anleger jedoch kein Recht auf Zuteilung, sondern nur eines auf Information über das vorgesehene Zuteilungsverfahren. Und das sollte so transparent sein, dass der Anleger schon zu Beginn der Zeichnungsfrist ein realistisches Bild davon hat, wie hoch seine Chancen auf Zuteilung sind, ob eine Zeichnung überhaupt Sinn macht. Spätestens nach der Zuteilung ist zu veröffentlichen, nach welchen Kriterien verteilt wurde. Auch das von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. ins Leben gerufene Gütesiegel „IPO-Norm“ verlangt dieses Mindestmaß an Transparenz,258 würde aber eine weiter reichende Transparenz schon im Vorfeld begrüßen.

254

[Bartz, T./Lemkemeyer, S.; 2001] [Was ist die BSK?; 2000] 256 [Bauer, I.; Lemkemeyer, S.; 2000] Vgl. auch: [Heeg, T.; 2000; S.25] 255 257 258

[Viel Lärm um den Anleger; 2000; S.29] Vgl.: das Kapitel „Mit „TÜV-Plakette“ kauft man leichter“

DIE ZUTEILUNG

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Um beurteilen zu können, wie die Aktien gestreut werden, um ermessen zu können, ob sie überwiegend in feste oder schwache Händen gelangen und ob der Sekundärmarkt eng oder liquide sein wird, sollten die Aktionäre folgende Informationen bereits zu Beginn der Zeichnungsfrist erhalten: Ö Mit welchem Zuteilungsverfahren ist bei Überzeichnung zu rechnen? Ö Welcher Anteil wird Friends-and-Family-Programmen, also ausgewählten Zielgruppen, bevorzugt zugeteilt? Nach erfolgter Zuteilung muss offen gelegt werden, Ö welchen Prozentsatz des Emissionsvolumens institutionelle Investoren, welche Quote private Zeichner erhielten. Ö welches Zuteilungsverfahren angewandt wurde und nach welchem Schlüssel repartiert und/oder verlost wurde. Ö ob die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) ausgeübt wurde. Abgesehen von größeren Aktienpaketen, die die Konsortialbanken in Absprache mit dem Emittenten für institutionelle Anleger reservieren, gibt es für die Zuteilung an Privatanleger verschiedene Verfahrensweisen: Bei der quotalen Zuteilung, die zum Beispiel von der Deutschen Telekom bei der Zuteilung der T-Aktien eingesetzt wurde, wird von vornherein bestimmt, wie viele Aktien jeder Interessent erhält. Dieses Verfahren entspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz aller Aktionäre; es vermeidet die Bevorzugung derjenigen, die aufgrund größerer Barreserven höhere Stückzahlen zeichnen können. Damit ist die quotale Zuteilung ein wichtiges Instrument, um, besonders bei großen Emissionsvolumina, eine breite Streuung zu erzielen. Bei der Zuteilung nach Ordergrößenklassen werden die Zeichnungsaufträge nach dem Volumen in Klassen gruppiert (über 1.000 Stück, 500 bis 1.000 Stück, 250 bis 499 Stück, usw.). Die Zuteilung erfolgt nun, beginnend mit den großvolumigen Orders, von groß nach klein. Das bedeutet jedoch nicht, dass die gezeichneten Stückzahlen unvermindert zugeteilt werden. Ist die Emission deutlich überzeichnet, so muss repartiert werden. Das heißt, es werden geringere Stückzahlen zugeteilt, als gezeichnet wurden. Praxis-Beispiel: Wer mehr als 1.000 Stück gezeichnet hat, erhält 200 Stück, bei einer Zeichnung von 500 bis 1.000 Stück werden 100 Stück zugeteilt, Zeichnungsaufträge unter 500 Stück werden nicht berücksichtigt. Möglich ist auch ein einheitlicher Sockel, zum Beispiel 50 Stück pro Zeichner, plus einer Mehrzuteilung, die von der ursprünglich gezeichneten Stückzahl abhängig ist. Besonders in den neunziger Jahren wurde die Zuteilung nach Ordergrößenklassen häufig eingesetzt. Die Anleger passten sich dieser Praxis an und so verbreitete sich bald die Unsitte der Abgabe überhöhter Zeichnungsaufträge.

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In der Überzeugung ‚Wenn ich keine hohe Stückzahl zeichne, werde ich möglicherweise nicht berücksichtigt und zugeteilt wird mir, wenn überhaupt, ohnehin eine viel geringere Stückzahl als ich zeichne.’ wurden bei attraktiven Emissionen Zeichnungsaufträge mit weit überhöhten Stückzahlen gegeben, in der Hoffnung, so die eigenen Zuteilungschancen zu erhöhen. Viele Anleger orderten in Größenordnungen, die sie, hätten sie sie wirklich erhalten, nicht hätten bezahlen können. So nährt die Überzeichnung die Überzeichnung. Aus Angst nichts abzubekommen, wird ein Mehrfaches der gewünschten Stückzahl gezeichnet. Der Emittent erhält ein vollkommen verfälschtes Bild der tatsächlichen Nachfrage. Kaum ein Zeichner wäre bereit, die georderte Stückzahl tatsächlich langfristig im Depot zu halten. Fast jeder hat es nur auf einen Bruchteil dessen abgesehen, was er ‚bestellt’ hat.

Emittent äußert Wünsche über die zukünftige Zusammensetzung der Aktionäre

AG

Lead Manager gibt Vorgaben zur Zuteilungspraxis

Konsortialführer

Konsorte

Konsorte

Konsortialbanken teilen nach Weisung des Lead Managers zu

Konsorte

Normale Zeichner

Bevorrechtigte Zeichner

Zuteilung nach dem Ordereingangsverfahren Æ Nur die schnellsten erhalten eine Zuteilung

Zuteilung nach Ordergrößenklassen Æ Zeichner höherer Stückzahlen erhalten eine größere Zuteilung

Quotale Zuteilung Æ Jeder Zeichner erhält die gleiche Stückzahl

AffinityProgramm Æ Kunden bzw. Nutzern werden bevorrechtigt Aktien zugeteilt

APN-Programm Æ Aktionäre von Beteiligungsgesellschaften erhalten Aktien der von diesen Gesellschaften initiierten IPOs

Friends-andFamily Æ Wer in den Kreis der Begünstigten aufgenommen wird, darf fest mit einer Zuteilung rechnen

Ergebnis: Unüberlegte Zeichnungen unter Zeitdruck

Ergebnis: Viele zeichnen mehr Aktien, als sie langfristig behalten wollen

Ergebnis: Breite Streuung

Ergebnis: Geringe Stückzahlen pro Anleger, dient in erster Linie der Kundenbindung

Ergebnis: Erhebliche Kursrisiken der Beteiligungsgesellschaften muss in Kauf genommen werden.

Ergebnis: Bindungen werden aufgebaut oder gepflegt

gering

hoch Wahrscheinlichkeit eine Zuteilung zu erhalten

Abbildung 23: Zuteilungsverfahren

DIE ZUTEILUNG

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Praxis-Beispiel: Vorsicht: Lange nicht jede Emission wird überzeichnet. Wer überhöhte Stückzahlen gezeichnet hat, muss damit rechnen, die georderte Menge auch tatsächlich abnehmen und bezahlen zu müssen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Das ist die Devise bei der Zuteilung nach der Reihenfolge des Ordereingangs. Dieses Verfahren wird verhältnismäßig selten eingesetzt. In der Praxis ist die Umsetzung einer solchen Strategie ohnehin problematisch. Konsortialbanken sind in der Regel nicht darauf eingerichtet, Zeichnungsorders mit der Uhrzeit der Orderabgabe zu versehen und ins zentrale Orderbuch des Konsortialführers zu übermitteln. So bleibt diese verhältnismäßig exotische Zuteilungsvariante den sehr seltenen Emissionen vorbehalten, die ausschließlich online gezeichnet werden können. Der Eingang der E-Mails lässt sich in zeitlicher Reihenfolge erfassen. Um ausgewählten Gruppen eine höhere Zuteilungschance einzuräumen, gibt es drei verschiedene Verfahren: 1. Friends-and-Family-Programme 2. APN-Programme (Aktie plus Neuemission) 3. Affinity-Programme Friends and Family, unter dieser Sammelbezeichnung verbergen sich ausgewählte Zielgruppen, die vom Emittenten eine bevorrechtigte Zuteilung erhalten. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Freunde und Familienmitglieder der Unternehmensgründer, wie der Begriff glauben machen könnte. Es gibt viele Gründe, bevorrechtigte Zuteilungen zu gewähren. Für den Emittenten ist eine Bevorzugung aller Personengruppen interessant, zu denen er eine positive Bindung erhalten oder aufbauen möchte. Praxis-Beispiele: Ö Emissionsbegleitenden und Beteiligten (Mitarbeiter von Konsortialbanken, Beratern, Agenturen für Finanzkommunikation) werden oft schon im Vorfeld bevorrechtigte Kontingente eingeräumt. Ö Für Mitarbeiter wird ein Sonderkontingent zur bevorrechtigten Zuteilung eingerichtet. Ö Geschäftspartner erhalten bevorrechtigte Zuteilungen. Ö Kunden der AG erhalten bevorrechtigte Zuteilungen. Ö Zeichner, die im Vorfeld der Emission besonderes Interesse haben erkennen lassen, indem sie sich für Informationen frühzeitig haben registrieren lassen und die ggf. sogar bereit waren, in diesem Zusammenhang an Meinungsumfragen teilzunehmen oder Daten über sich Preis gegeben haben, erhalten eine bevorrechtigte Zuteilung.

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Die bevorrechtigte Zuteilung an Geschäftspartner und Mitarbeiter ist fast eine Selbstverständlichkeit. Schließlich basiert der weitere Erfolg des Unternehmens maßgeblich auf diesen Bindungen. Fast unbemerkt entsteht dabei eine neue Form von Hierarchie: Anhand der Stückzahl, die jemand zeichnen kann, bzw. zugeteilt bekommt, lässt sich ablesen, wer für das Unternehmen wichtig ist. Beispiel T-Online: „Die kleine Sachbearbeiterin konnte zwischen 25 und 50 Aktien wählen, Vorstände erhalten stolze 2000 Stück.“259 Praxis-Beispiel: Werden Begünstigten (z. B. Mitarbeitern) Abschläge auf den Emissionspreis gewährt, so handelt es sich um geldwerte Vorteile. Hinsichtlich der zuteilbaren Stückzahlen und der erforderlichen Mindesthaltedauer müssen die jeweils geltenden steuerlichen Vorschriften beachtet werden. Bevorrechtigte Zuteilungen an Kunden stärken nicht nur die Kundenbindung, sie sorgen auch dafür, dass Aktien in feste Hände gelangen; wer bereits zufriedener Kunde oder Nutzer ist, neigt eher dazu, die Aktien langfristig zu behalten. So wurden zum Beispiel „aktive Kunden“260 der comdirect bank bei deren eigener Emission bevorzugt bedient. Das ausgeklügelte Zuteilungsverfahren berücksichtigte das Eröffnungsdatum des Depots sowie dessen Umsatzhäufigkeit und -höhe. Vorteile für registrierte Nutzer oder Zeichner, die private Daten Preis geben oder an Umfragen teilnehmen, sind besonders für junge Unternehmen von Bedeutung, die bei dieser Gelegenheit eine Menge über die Kundenwünsche und Nutzergewohnheiten erfahren können. Beim Börsengang des InternetProviders T-Online erhielt jeder dritte Privatanleger 25 Aktien, Teilnehmer einer Kundenbefragung erhielten 35 Stück. Je größer ein Unternehmen ist, je breiter gefächert seine Außenbeziehungen sind, umso schwieriger wird es, den Kreis der Begünstigten vernünftig einzugrenzen. So hat sich beispielsweise der Bund als Eigentümer der Deutsche Post AG bei deren Börsengang bewusst gegen ein Friends-and-FamilyProgramm entschieden. Nahezu jede Firma, jede Privatperson wären als Kunde in Frage gekommen. Konfliktsituationen können aber auch bei kleineren Firmen entstehen, werden nämlich nicht die Richtigen bedacht, können resultierende Missstimmungen den Börsengang belasten. Hinter zahlreichen Emittenten steht eine Venture Capital- oder Beteiligungsgesellschaft, die das Unternehmen in der Gründerphase gecoacht, mit Kapital versorgt und schließlich börsenfähig gemacht hat. Bei erfolgreichem Verlauf, möchte diese ihre Investitionssumme nach einigen Monaten oder Jahren durch eine erfolgreiche Börseneinführung mit einem guten Gewinn wieder 259 260

[Müller, U. H.; 2000; S.15] [Öchsner, T.; 2000; S.25]

DIE ZUTEILUNG

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hereinholen. Viele dieser Firmen sind selbst Aktiengesellschaften. Und sie bieten ihren Aktionären bei den von ihnen durchgeführten Emissionen eine bevorrechtigte Zuteilung an – man spricht dabei von APN-Programmen (Aktie plus Neuemission). Voraussetzung für die Wahrnehmung der bevorrechtigten Zuteilung ist, dass der Aktionär innerhalb der Zeichnungsfrist unlimitiert zeichnet. Die Anzahl der bevorrechtigt zugeteilten Aktien richtet sich nach der Anzahl der Aktien, die der Anleger an der Beteiligungsgesellschaft hält. Firmen, die ihren Aktionären bevorrechtigte Zeichnungen über APN-Programme angeboten haben, sind zum Beispiel: Ö Augusta Technologie AG

WKN 508860

Ö Gold Zack,

WKN 768680

Ö Kling, Jelko, Dr. Dehmel

WKN 629140

Ö Gontard & Metallbank

WKN 589050

Das den Aktionären gewährte Recht zur bevorrechtigten Zeichnung ist kein Bezugsrecht, somit nicht übertragbar und wird daher auch nicht an der Börse gehandelt. Nicht genutzte Zeichnungsbevorrechtigungen verfallen wertlos. Aktien zu halten, um über sie bevorrechtigt Neuemissionen zu zeichnen, bindet vergleichsweise viel Kapital im Verhältnis zur erzielbaren Zuteilungsquote. Außerdem ist das Risiko solcher Aktien, je nach dem Erfolg, den sie mit den durch sie betreuten Newcomern haben, erheblich. Ihr eigener Aktienkurs reagiert entsprechend volatil. Lange nicht jede Zeichnung, egal, ob sie nun unter bevorrechtigter Zuteilung erfolgt oder nicht, wird ein Erfolg. Bereits eine misslungene Emission kann aber das Image und somit den Kurs der Beteiligungsgesellschaft massiv unter Druck setzen. Mehrere Flops in Folge können zum Desaster führen. So haben zum Beispiel die Aktien der oben erwähnten Gesellschaften Gold-Zack und Kling, Jelko, Dr. Dehmel zwischen 2000 und 2004 jeweils mehr als 95 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Affinity-Programme, wörtlich hergeleitet vom Begriff Affinität, im Sinne von Zugehörigkeit oder geistiger Verwandtschaft, dienen dazu, Anlegergruppen eine bevorrechtigte Zuteilung zu gewähren, die bereits vor der Emission einen (geschäftlichen) Kontakt zum Emittenten eingehen. Sie sind damit ein Instrument zur Festigung der Kunden- bzw. Nutzerbindung. Besonders Internetanbieter haben diese Form der bevorrechtigten Zuteilung für ihren Börsengang genutzt und oft schon Monate, manchmal Jahre, vor der Emission auf ihren Websites damit geworben, dass registrierte Nutzer ihres Online-Dienstes bei einem zukünftigen Börsengang bevorzugt werden sollen. So hoffte man, möglichst viele Registrierungen und Seitenaufrufe zu erzielen. Durch ein Affinity-Programm Aktien bevorrechtigt zugeteilt zu erhalten, ist noch kein Garant für einen Zeichnungsgewinn. Dem Emittenten wird es jedoch leichter fallen, seine Anteile zu platzieren, wenn er den Kreis seiner Kunden

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oder Nutzer schon frühzeitig für die anstehende Emission interessiert. Eine gegenüber klassischen Emissionen erhöhte Nachfrage ist möglich, sofern die durch das Affinity-Programm angesprochenen Zeichner mit dem Emittenten bislang gute Erfahrungen gemacht haben, von seiner Leistungsfähigkeit überzeugt sind und ihm entsprechende Gewinnprognosen zutrauen. Fazit: Die quotale Zuteilung ist ein aus Anlegersicht optimales Verfahren zur Gleichbehandlung aller Anleger und vermeidet die bei der Zuteilung nach Ordergrößenklassen auftretenden überhöhten Stückzahlangaben im Zeichnungsauftrag, die viele Anleger allein deshalb geben, um im Falle der Überzeichnung über die Höhe des Ordervolumens berücksichtigt zu werden. Das Ordereingangsverfahren will glauben machen, die anstehende Emission werde auf jeden Fall überzeichnet und es komme beim Zeichnen auf jede Sekunde an, um die Zuteilungschance zu wahren. Damit werden Anleger unter einen unvertretbaren psychologischen Druck gesetzt, unüberlegt und unlimitiert zu zeichnen. Zeichnungsinteressenten, die Geschäftsbeziehungen oder sonstige Bindungen zum Emittenten unterhalten (gute Kunden, wichtige Geschäftspartner, Berater), sollten noch vor Beginn der Zeichnungsfrist ihr Interesse geltend machen, um gegebenenfalls in den Kreis der Friends-and-Family-Begünstigten aufgenommen zu werden. Zuteilungschancen lassen sich in vielen Fällen auch verbessern, indem der Zeichner sich beim Emittenten frühzeitig registrieren lässt oder an Umfragen teilnimmt. Wer dabei eigene Daten Preis gibt, muss sicher sein können, dass diese nicht für andere Zwecke missbraucht oder an Dritte weitergegeben werden. Aktien von Beteiligungsgesellschaften zu halten, um über sie durch APNProgramme bevorrechtigt Neuemissionen zu zeichnen, bindet sehr viel Kapital im Verhältnis zur erzielbaren Zuteilungsquote. Außerdem ist der Anleger dem zusätzlichen Kursrisiko dieser Aktien ausgesetzt. Im Internet ist die Ankündigung von Affinity-Programmen leider häufig ein Marketing-Gag, in erster Linie dazu geeignet, Zugriffszahlen und Nutzerregistrierungen in die Höhe zu treiben. Die Ankündigung von Affinity-Programmen, zumal ohne konkretes Emissionsdatum, will für sich genommen noch nichts besagen. Das Unternehmen ist dadurch nicht gebunden, tatsächlich eine Emission innerhalb einer bestimmten Frist durchzuführen. 5.3.2 Manche Anleger sind gleicher – Überzeichnung, Repartierung und Verlosung Mit gewaltigen Anstrengungen und hohen Werbeetats bemühen sich Emittenten frühzeitig, die Aufmerksamkeit der Financial Community auf den bevorstehenden Börsengang zu lenken. Oft mit so großem Erfolg, dass es zu enormen

DIE ZUTEILUNG

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Überzeichnungen kommt. Mehrfach überzeichnete Neuemissionen sind keine Seltenheit. Dann muss repartiert werden, das bedeutet, die zugeteilte Aktienstückzahl wird gegenüber dem Zeichnungsauftrag herabgesetzt, so dass mehr Anleger eine Zuteilung erhalten können. Dabei geht man allerdings nicht so weit, nur einzelne Aktien zu verteilen, um möglichst viele zu bedenken. Die zugeteilten Mengen müssen in einer sinnvollen Größenordnung von beispielsweise 50 Stück bleiben, denn einzelne Aktien sind bei Anlegern als langfristiger Depotbestand nicht erwünscht und würden umgehend wieder veräußert. Auch eine Repartierung reicht vielfach nicht, um die Nachfrage zu befriedigen. Also muss gelost werden, wer eine der begehrten Zuteilungen erhält. Für die Verlosung gibt es keine einheitliche Vorgehensweise. Schon die verschiedenen Banken desselben Emissonskonsortiums gehen dabei individuelle Wege. Von einfachen Verfahren (z. B. alle Depots mit der Endnummer 7) bis zu EDVgesteuerten Zufallsgeneratoren sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Die Enttäuschung vieler, die nichts abbekommen haben, ist der Preis, den die Anleger gemeinschaftlich dafür zahlen müssen, dass einige Glückspilze unter ihnen sich über satte Zeichnungsgewinne freuen dürfen. Wer darf sich reelle Chancen auf eine Zuteilung machen? Kann man seine Chancen tatsächlich durch die Wahl des oder der richtigen Kreditinstitute(s) erhöhen? Vollkommen ohne Aussicht auf Erfolg sind diejenigen, die an eine Bank oder Sparkasse geraten, die Zeichnungsaufträge freundlich entgegennimmt, obwohl längst klar ist, dass, mangels Mitgliedschaft im Emissionskonsortium, keine Aktien zur Zuteilung zur Verfügung stehen werden. Leider kommt so etwas immer wieder vor; die entsprechenden Institute glauben, ihr Image beim Kunden aufpolieren zu können, indem sie den Zeichnungsauftrag annehmen, vorgeben, es zumindest versucht zu haben. Dem hingegen wäre weit mehr damit geholfen, wenn man ihm von vornherein ehrlich begegnen würde. Die besten Chancen, etwas vom begehrten Kuchen abzubekommen, haben Kunden des Konsortialführers. Der verteilt bis zu 50 Prozent des Volumens an private Anleger. Warum nicht dort ein Wertpapierdepot eröffnen? Doch das ist oft leichter gesagt als getan: Die DZ Bank (ehem. DG Bank)261 und die West LB262 waren häufig Konsortialführer bei deutschen Emissionen, betreuen aber keine Depots von Privatkunden. Ein Mindestanlagevermögen verlangen dagegen namhafte deutsche Privatbanken, die im Konsortium vertreten sind, bei denen unter einem hohen 6261

Die DZ BANK ist im September 2001 durch den Zusammenschluss der GZ-Bank und der DG BANK entstanden. Sie fungiert als Zentralbank und versteht sich als subsidiärer Partner für rund 1.200 Volksbanken und Raiffeisenbanken. 262 Die West LB fungiert als Zentralbank für die Sparkassen in Deutschland

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stelligen Euro-Betrag kaum etwas zu machen ist.263 So teuer muss guter Rat nun wirklich nicht sein. Private Anleger sind deshalb bei einem Institut, das kein Mindestkapital zur Depoteröffnung fordert, besser aufgehoben. Eine Gleichbehandlung aller Anleger ist jedoch nicht in jedem Fall garantiert. Nach Angaben von Capital wurden zum Beispiel bei der Commerzbank Kunden mit hohem Depotwert bei einigen Zuteilungen bevorzugt.264 Andere Institute schließen Depots, deren Gegenwert einen Mindestbetrag unterschreitet von Zuteilungen aus, um reinen Zeichnungsdepots bewusst keine Chance zu geben. Manche Institute berücksichtigen bei der Zuteilung die Dauer der Geschäftsbeziehung, die Umsatzaktivität im Depot oder die Bedeutung der übrigen Geschäftsbeziehungen zum jeweiligen Anleger. Selbstverständlich sind Depoteröffnungen bei mehreren Instituten möglich. Man sollte jedoch bedenken, dass in der Regel auch ein Girokonto eröffnet werden muss, um die erforderliche Zahlung im Fall der Zuteilung abwickeln zu können. Das verursacht Kontoführungsgebühren; je nach Institut kommen Depot- und Zeichnungsgebühren hinzu, oft sogar dann, wenn die Order erfolglos bleibt, also keine Zuteilung erfolgt. Wer seine Chancen weiter erhöhen will, eröffnet zusätzliche Depots auf die Namen weiterer Angehöriger. Fazit: Durch gleichzeitige Zeichnung über mehrere Depots, gestreut auf mehrere Institute des Emissionskonsortiums und/oder verteilt auf mehrere Familienmitglieder lässt sich die Zuteilungschance deutlich erhöhen. Jedoch muss der Anleger sorgfältig prüfen, ob die Platzierungspraxis der entsprechenden Institute ihm eine reelle Chance gibt. 5.3.3 Mit grünen Schuhen kommt man weiter – Die Mehrzuteilungsoption „STILLE RESERVEN ZEICHNEN SICH DADURCH AUS, DASS SIE STILL SIND. Walter Seipp, ehemaliger Vorstand der Commerzbank AG

Je attraktiver eine Emission, umso größer die Zeichnungsbereitschaft; schnell kann es zur Überzeichnung kommen. Sicher liegt das mit daran, dass viele Anleger deutlich höhere Stückzahlen zeichnen, als sie eigentlich erhalten möchten, da ohnehin mit einer Repartierung gerechnet wird. So hofft man, die gewünschte Zuteilung nach der Stückzahlminderung in etwa zu treffen. Zieht man diese durch die Anleger selbst verursachte Übernachfrage einmal ab, bleibt oft immer noch ein erheblicher Nachfrageüberhang bestehen. Kurz: Das 263 264

Mörsch, J.; 2000; S.298] [Mörsch, J.; 2000; S.298]

DIE ZUTEILUNG

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Emissionskonsortium könnte deutlich mehr Aktien platzieren, als zur Verfügung stehen. Andererseits scheuen die Banken aber auch davor zurück, die absolute Höchstmenge platzierbarer Aktien von vornherein auf eigenes Risiko vom Emittenten zu übernehmen. Sollte das Anlegerinteresse geringer als erwartet ausfallen, bleibt man womöglich auf einem Teil der Quote sitzen, die sich später nur sehr schwer im Sekundärmarkt absetzen ließe, was zudem die Kurse belasten würde. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die Mehrzuteilungsoption, im Fachjargon als Greenshoe oder Overallotment bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Sondervereinbarung zwischen dem Emittenten und dem Konsortialführer. Der Emittent gewährt dem Konsortialführer die Option, bei besonders hoher Nachfrage ein zusätzliches Aktienkontingent (den Greenshoe) zu Originalkonditionen zuzuteilen. Dadurch steht ein flexibles Emissionsvolumen zur Verfügung, das der Marktverfassung angepasst werden kann. Die bei Bedarf zusätzlich abrufbaren Aktien werden, je nach Vereinbarung, aus dem Bestand der Altaktionäre oder aus einer Kapitalerhöhung zur Verfügung gestellt. Fazit: Im Sinne des Anlegers ist die Greenshoe-Option ist eine sinnvolle ZusatzVereinbarung zwischen Emittent und Konsortialführer: Ist die Emission stark überzeichnet, erlaubt sie eine flexible Ausweitung des Emissionsvolumens, so dass mehr Zeichner eine Zuteilung erhalten können. Ist hingegen die Nachfrage gering, verzichten die Emissionsbanken auf die Ausübung der Option. Dadurch wird ein nicht zuteilungsfähiger Überhang vermieden, der im späteren Sekundärmarkt zu Angebotsdruck führen und die Kurse belasten könnte. Wird berichtet, die Greenshoe-Option sei ausgeübt worden, so spricht das für eine ausgesprochen gute Nachfrage, also für einen guten Start der Aktie. 5.3.4 Checkliste: Wie Anleger ihre Zuteilungschance verbessern können „NUTZE KLEINE CHANCEN, SIE KÖNNEN DER BEGINN GROßER UNTERNEHMUNGEN SEIN.“ Unbekannt

Folgende Maßnahmen können helfen, die Zuteilungschance zu erhöhen: Ö Depot beim Konsortialführer Ö Depot bei einer der Konsortialbanken Ö Gleichzeitige Zeichnung über mehrere eigene Depots Ö Zeichnung über Depots weiterer Familienmitglieder

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Ö Frühzeitige Registrierung beim Emittenten Ö Zeichnung über Friends-and-Family-Kontingente falls (Geschäfts-)Beziehungen zum Emittenten bestehen und man in den Kreis der Begünstigten aufgenommen wird Ö Besitz von Aktien eines emissionsbegleitenden Unternehmens (APN-Zuteilung) Ö Nutzung/Registrierung von/für Leistungen des Emittenten (Affinity-Zuteilung) Ö Teilnahme an Umfragen des Emittenten im Emissionsvorfeld

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Es bleibt spannend – Der Handelsbeginn und was danach kommt

6.1 Nach Handelsbeginn bleibt's spannend 6.1.1 Der erste Handelstag – Soll man Zeichnungsgewinne mitnehmen? „ES KOMMT FÜR JEDEN DER AUGENBLICK DER W AHL UND DER ENTSCHEIDUNG.“ Oscar Wilde, irischer Schriftsteller

Viele Anleger glauben noch immer, der Reiz einer Neuemission sei mit der umgehenden Realisierung des Zeichnungsgewinnes bei Handelsbeginn erschöpft. Eine gefährliche Strategie, denn weniger denn je kann für schnelle Zeichnungsgewinne garantiert werden. Erst recht nicht am ersten Handelstag. Wie sich ein Wert tatsächlich entwickelt, lässt sich erst beurteilen, wenn der Markt sich eingependelt hat, die Papiere in Händen derer gelangt sind, die langfristig daran interessiert sind. Wer Neuemittenten allein nach ihrem Start beurteilt, kann weit danebenliegen: So dümpelte EM.TV wochenlang um den Emissionspreis, bevor das inzwischen legendär gewordene Kursfeuerwerk begann, an dem sich die Aktie dann schließlich selbst verbrannte und jäh auf den Boden der Tatsachen herunterfiel. Ist der Kurs bei Aufnahme des Handels bereits in Gefahr, unter den Emissionspreis zu rutschen, so helfen die Konsortialbanken zu Beginn in der Regel mit eigener Kurspflege nach, um den Kurs stabil zu halten. Schließlich wollen sie sich nicht nachsagen lassen, die Aktien in schwachen Händen ungünstig platziert zu haben. Ein eventuelles Überangebot wird im eigenen Interesse und dem des Emittenten durch defensive Stützungskäufe aufgefangen. Die Kurspflege erfolgt umso intensiver und anhaltender, je mehr Eigenkapital der Emittent in den folgenden Monaten und Jahren am Kapitalmarkt aufzunehmen gedenkt. Ist die Platzierung weiterer Tranchen oder eine baldige Kapitalerhöhung eingeplant, kann sich der Emittent keine enttäuschten Zeichner erlauben. Der Handelsbeginn ist zwar der meistbeachtete, für den weiteren Kursverlauf jedoch nicht der wichtigste Termin. Für den Zeichner beginnen am ersten Handelstag wichtige Fristen: Ö Die gesetzliche Spekulationsfrist: Wer zugeteilte Aktien vor Ablauf von zwölf Monaten veräußert und dabei Gewinn macht, muss diesen als Spekulationsgewinn versteuern, sofern er die gesetzliche Freigrenze überschreitet. Da viele Anleger diesen Termin abwarten, kann es nach Ablauf eines Jahres zu einem verstärkten Angebot kommen. Ö Die Lock-Up-Periode: Altaktionäre bzw. Mitarbeiter des Emittenten sind, wie bereits erwähnt, verpflichtet, ihre Aktien für die Dauer der Lock-UpPeriode (mindestens 6 Monate, vereinzelt bis zu 24 Monate) nicht zu ver-

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ES BLEIBT SPANNEND – DER HANDELSBEGINN UND WAS DANACH KOMMT

äußern. Nach Ablauf dieser Frist kann es von dieser Seite zu Verkäufen kommen. Allein das Wissen über den Ablauf dieser Frist kann ausreichen, um den Kurs zu drücken.265 Ö Die Black-Out-Periode: Zu den selbst auferlegten Regeln des Finanzmarktes in Bezug auf Börsengänge gehört es, dass die im Emissionskonsortium vertretenen Institute in den ersten 30 bis 60 Tagen nach der Emission keine neuen Studien mit Empfehlungen zum Emittenten veröffentlichen, da sie befangen sind. Die nach Ablauf dieser Frist gegebenen ersten Stellungnahmen neigen tendenziell zur Positivierung. Geben hingegen Konsortialbanken negative Einschätzungen zu Werten, die sie selbst an die Börse gebracht haben, ist das als Alarmsignal zu verstehen. Ö Die Treue-Frist: Manche Emittenten gewähren nach Ablauf einer Mindetshaltedauer Bonusaktien (Beispiel: Deutsche Telekom), um Zeichner zum Halten ihrer Position zu motivieren. Manche Anleger veräußern ihren Bestand unmittelbar nach Erhalt der Treueaktien, so dass es kurz danach zu einem verstärkten Angebotsdruck kommen kann. Fazit: Wer vor Abgabe seines Zeichnungsauftrages seine Hausaufgaben gemacht, die Gesellschaft auf Herz und Nieren geprüft hat, sollte die Kurse bei Handelsbeginn mit Gelassenheit betrachten. So verlockend ein schneller Zeichnungsgewinn sein mag, Unternehmen, die halten, was sie ihren Zeichnern versprochen haben, können langfristig noch mehr. Unternehmen, die unter dem Emissionspreis starten, machen Angst, können sich jedoch durchaus stabilisieren, wenn das Überangebot durch Gewinnmitnahmen überstanden ist. Wichtig ist für den Anleger, die Spekulations-, die Treuefrist, die Lock-Upund die Black-Out-Periode im Auge zu behalten. 6.1.2 Treue lohnt sich wieder „BÖRSENGEWINNE SIND SCHMERZENSGELD. ERST KOMMEN DIE SCHMERZEN. DANN DAS GELD.“ André Kostolany

Die Kursstabilität nach Aufnahme des Handels liegt dem Emittenten besonders am Herzen. Je geringer die Fluktuation der zugeteilten Aktien, desto schneller stabilisiert sich der Markt. Natürlich versucht man, schon bei der Zuteilung, so viel Material wie möglich in feste Hände abzugeben. Institutionelle Zeichner werden in der Regel die erhaltenen Stücke langfristig halten wollen.

265

[Niklowitz, M.; 2000; S.37]

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Private Anleger hingegen, sind zwischen der langfristigen Anlage und dem schnellen Mitnehmen von Zeichnungsgewinnen hin und her gerissen. Zu reizvoll ist die Aussicht auf einen schnell realisierten Gewinn. Schließlich bindet es Kapital, die erhaltenen Aktien zu behalten. Und nach wenigen Tagen locken manchmal schon die nächsten interessanten Emissionen. Da braucht es einen zusätzlichen Anreiz, um möglichst viele private Investoren zu bewegen, die Aktien eine Weile zu behalten. Ein solcher Anreiz sind die so genannten Treue-Aktien. Anleger, die zugeteilte Aktien aus einer Emission anschließend nicht veräußern, erhalten in einigen Fällen nach Ablauf einer bestimmten Frist zusätzliche Treue-Aktien gratis. So gewährte z. B. die Deutsche Telekom nach einjähriger Haltedauer TreueAktien im Verhältnis 10:1. So will man das schnelle Mitnehmen von Zeichnungsgewinnen eindämmen, damit sich der Kurs nach Aufnahme des Handels bald stabilisiert. Die Aussicht auf Treue-Aktien nach einjähriger Haltedauer und die Tatsache, dass mitgenommene Zeichnungsgewinne vor Ablauf von 12 Monaten als Spekulationsgewinn versteuert werden müssten, sind ein guter Anreiz, die Papiere zu behalten. Gemäß Gerichtsentscheid vom Oktober 1999 ist der Erhalt von Treue-Aktien nach einer definierten Haltedauer für den Anleger hingegen steuerfrei. Kritiker halten dagegen, dass durch Treue-Aktien nur eine zeitliche Verzögerung erreicht werde, da nach deren Zuteilung erst recht erheblicher Verkaufsdruck entstünde. Die bisherigen Erfahrungen haben diese Befürchtung allerdings nicht bestätigt. Denn innerhalb des ersten Jahres hat der Emittent ausreichend Gelegenheit, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Gelingt es ihm, den Wert des Unternehmens allmählich nachhaltig zu steigern, steigt das Vertrauen der Aktionäre und ihre Bindung an die Aktie weiter an. Eine Verkaufswelle ist dann auch nach der Zuteilung von Treue-Aktien nicht zu erwarten. Fazit: Treue-Aktien sind eine Zusatzmotivation, die gezeichneten Aktien über einen längeren Zeitraum zu behalten. Ein weiteres Argument, Aktien mindestens 12 Monate zu behalten, ist die steuerliche Spekulationsfrist. Beides ist jedoch kein Grund, um unter allen Umständen durchzuhalten. Sollten durch neue Erkenntnisse Zweifel an der positiven Fortentwicklung des Unternehmens bestehen, so muss ein Verkauf dennoch in Erwägung gezogen werden.

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6.1.3 Starke oder schwache Hände – Die Aktionärsstruktur bildet sich heraus „OHNE LANGEN ATEM SOLL MAN NICHT IN DIE NÄHE DER BÖRSE GEHEN.“ André Kostolany

Wer hat etwas abbekommen? Diese Frage stellt man nach einer Emission nicht nur im Bekanntenkreis. Wichtiger ist, diese Frage im Großen zu beantworten, eine Vorstellung von der Zusammensetzung der neuen Teilhaber zu gewinnen. Denn die Aktionärsstruktur prägt das weitere Geschick der Gesellschaft. Ein hoher Anteil institutioneller Anleger (dazu gehören vor allem Fondsgesellschaften, Pensionskassen, Versicherungen, Beteiligungsgesellschaften) spricht für Kontinuität. Diese entscheiden sich für eine Zeichnung nämlich erst nach ausführlichem Research und wägen sorgfältig ab, ob der Newcomer langfristig in ihre Portfoliostruktur passt. Impulskäufe zur Mitnahme von schnellen Zeichnungsgewinnen sind von dieser Seite nicht zu erwarten. Deshalb werden Institutionelle als Zeichner von den Konsortialbanken gerne gesehen. Was man bei ihnen platziert hat, liegt in so genannten festen Händen, kommt also voraussichtlich nicht so schnell wieder an den Markt. Das vermeidet Angebotsdruck und die Notwendigkeit der Kurspflege. Große Institutionelle, insbesondere Investmentfonds, meiden allerdings Werte kleinerer Gesellschaften mit entsprechend geringer Marktkapitalisierung, da die von ihnen bewegten Volumina so groß sind, dass die eigene Anlagedisposition in derartigen Werten deren Kurs bereits maßgeblich beeinflussen würde. Es wäre ihnen dadurch kaum möglich, nennenswerte Stückzahlen zu kaufen, ohne dabei den Kurs erheblich in die Höhe zu treiben. Da die zugeteilten Quoten bei kleinen Gesellschaften gering sind, ist institutionellen Investoren der Aufwand zur Beobachtung des Unternehmens und die Teilnahme an Hauptversammlungen oft im Verhältnis zum investierten Vermögen zu hoch. Dadurch fällt es Small Caps schwer, institutionelle Anleger zu gewinnen. Auf der anderen Seite wird eine optimale Streuung unter privaten Anlegern angestrebt, denn man möchte einen stets liquiden, nicht zu engen Markt mit regem Handel erhalten. Je geringer nämlich der so genannte Free Float, der frei zirkulierende Anteil, der sich nicht in Festbesitz befindet, umso gravierender können schon kleinste Angebots- oder Nachfrageverschiebungen den Kurs verändern. So ist ein Streubesitzanteil von mindestens 20 Prozent wünschenswert. Aktien, die im Rahmen von Friends-and-Familiy- oder MitarbeiterProgrammen bevorrechtigt zugeteilt worden sind, werden nicht auf den Streubesitzanteil angerechnet. Der Rest befindet sich zumeist noch in Händen von Gründern oder im Beteiligungsbesitz derer, die den Aufbau bis zur Börsenreife mitfinanziert haben.

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Da übergroße Volatilität vermieden werden soll, ist die breite Streuung eines nennenswerten Aktienvolumens in der privaten Anlegerschaft unumgänglich. Natürlich riskiert man dabei, dass ein kleiner Prozentsatz allein um eines schnellen Zeichnungsgewinns willen ordert und sich bei Aufnahme des Handels sofort wieder von seinen Anteilen trennt. Diese Anleger bezeichnet der Markt als schwache Hände. Zwar bemüht man sich, deren Anteil möglichst gering zu halten. Vermeiden kann man das Mitnehmen von Zeichnungsgewinnen jedoch nie ganz. Deshalb ist in den ersten Handelstagen vielfach eine begleitende Kurspflege des Neuemittenten durch die Konsortialbanken erforderlich. Durch die Neufassung der Gewichtungskriterien der europäischen Stoxx-Indizes ist der Free Float und damit die Quote, die privaten Anlegern zugeteilt wird, sogar noch bedeutender geworden: Seit 18. September 2000 werden die in den Indizes enthaltenen Aktien nicht mehr wie bislang mit der Börsenkapitalisierung des gesamten Aktienbestandes einer Gesellschaft, sondern nur noch mit dem tatsächlich umlauffähigen Anteil (Free Float) gewichtet. Der Aktienbestand jedes Wertes wird um alle Beteiligungen in Festbesitz, die mehr als fünf Prozent des Grundkapitals ausmachen, bereinigt. Dadurch ergibt sich ein realistischeres Abbild des tatsächlichen Handelsgeschehens. Zuvor waren Investoren, die ihre Depots indexanalog strukturierten, gezwungen, stark gewichtete Titel, wie zum Beispiel die Deutsche Telekom, in einem durch niedrigen Streubesitz engen Markt zu erwerben. Das führte zu hohem Nachfragedruck und steigenden Kursen, obwohl die hohe Gewichtung maßgeblich durch den im Festbesitz des Bundes befindlichen Anteil mitverursacht worden war, der zum Handel am Markt nicht zur Verfügung stand.266 Auch der DAX wurde im Juni 2002 auf die neue Gewichtungsmethode unter Berücksichtigung des Free Float umgestellt. Fazit: Gelangen viele Aktien einer Neuemission in feste institutionelle Hände, spricht das für geringen Abgabedruck und vermeidet Kursverluste durch die starke Mitnahme von Zeichnungsgewinnen. Ein hoher Streubesitzanteil beugt hingegen der Marktenge vor und vermeidet übermäßige Volatilität. Für die Aufnahme in bedeutende Aktienindizes ist ein hoher Streubesitzanteil sogar ein Muss, da nur der Free Float eines Wertes im Index gewichtet wird.

266

[Morbach-Fuchs, U.; 2000; S.11]

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6.1.4 Was bringt die Aufnahme in einen Index? „DAS DURCHSCHNITTLICHE GIBT DER W ELT IHREN BESTAND, DAS AUßERGEWÖHNLICHE IHREN W ERT.“ Oscar Wilde

Charles Henry Dow hatte die Idee als Erster. Eine Durchschnittszahl musste her, die das Marktklima wie ein Barometer auf einen Blick zeigen sollte, ohne dass man lange den Kurszettel studieren musste. 1882 hatte er, zusammen mit zwei Partnern, in New York die Wirtschaftsnachrichtenagentur Dow Jones & Company gegründet. Für einen festen Abonnentenstamm, überwiegend Brokerhäuser an der Wall Street, verfasste man täglich so genannte Bulletins, Kurzmitteilungen über wirtschaftliche Neuigkeiten. Aus diesen Mitteilungen entstand 1883 eine kleine Zeitung, der Customer’s Afternoon Letter, der Vorläufer des späteren Wall Street Journals, das auch heute noch einen herausragenden Ruf in der Finanzwelt genießt. Im Juli 1884 publizierte Dow im Customer’s Afternoon Letter zum ersten Mal einen von ihm errechneten Kursdurchschnitt. Weltweit bekannt wurde jedoch erst sein 1896 gestarteter Index der Industriewerte (Dow Jones Industrial Average). Er ist gemeint, wenn in der Berichterstattung rund um den Globus kurz vom Dow Jones die Rede ist. Aktienindizes gibt es auch in Deutschland schon seit den zwanziger Jahren. Einen Index, der hinsichtlich seiner Popularität alle anderen überragte, so wie der Dow Jones in den USA, gab es in Deutschland bis zum Ende der achtziger Jahre nicht. Eine große Zahl verschiedener Indizes von Banken, Tageszeitungen, Finanzanalysegesellschaften und amtlichen Stellen kämpfte jahrzehntelang um die Vormachtstellung. Das änderte sich erst, als die Börse die Indexberechnung selbst in die Hand nahm. Nach kurzer Zeit hatte der Deutsche Aktienindex, kurz DAX, die Spitzenstellung unangefochten erobert. Seine besondere Stärke ist, dass er minütlich aktualisiert wird, Fachleute sprechen von einem Laufindex, so dass man das Kursgeschehen während des Handels stets aktuell verfolgen kann. Nachdem Indizes über viele Jahrzehnte hinweg eine rein deskriptive Funktion hatten, hat sich ihre Bedeutung mittlerweile grundlegend gewandelt: Da die Erfahrung, insbesondere im Fondsmanagement, langfristig gezeigt hat, dass es schwer fällt, eine den Indexverlauf übertreffende Performance zu erzielen, hat sich bei institutionellen Investoren die Technik etabliert, Portefeuilles weitestgehend analog zur Indexzusammensetzung zu bestücken, um eine genau entsprechende Vermögensentwicklung zu erzielen. Diese Vorgehensweise hat sich unter den Stichworten Programmhandel, passives Portfolio-Management und Index-Fonds etabliert. Von Zeit zu Zeit wird bei allen Indizes die Zusammensetzung der Werte überprüft. Bei Bedarf erfolgt eine Aktualisierung durch den Austausch einzelner Ak-

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tien. Werte, die an Kapitalisierung und/oder Repräsentationsgrad für ihren Bereich verloren haben, werden zugunsten anderer entfernt. Dabei haben auch emittierte Newcomer die Chance, einen der begehrten Plätze zu ergattern, wenn sie in ihrer Bedeutung und Marktkapitalisierung bisher enthaltene Werte übertreffen. Die für den Programmhandel resultierende Notwendigkeit, Portefeuillezusammensetzungen umgehend der Indexstruktur anzupassen, führt häufig zu starken Kursanstiegen bei Wertpapieren, die neu in einen Index aufgenommen werden und zu entsprechenden Kursverlusten bei Werten, die aus einem Index ausscheiden, ohne dass fundamentale Daten vorlägen, die derartige Kursänderungen rechtfertigen würden. Der Grund liegt allein darin, dass im passiven Portfolio-Management die Änderungen der Indexzusammensetzung sofort nachvollzogen werden. Übersicht: Aktienindizes DAX®:

Bluechip-Index. Umfasst die 30 größten deutschen Werte (Marktkapitalisierung und Börsenumsatz) des Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.

MDAX®:

Midcap-Index. Umfasst die 50 nächstgrößten Werte der klassischen Branchen des Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.

TecDAX®:

Technologie-Index. Umfasst die 30 größten auf den DAX® folgenden Werte der Technologiebranchen des Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.

SDAX®:

Smallcap-Index. Umfasst die 50 größten auf den MDAX® folgenden Werte der klassischen Branchen des Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.

EuroSTOXX®: Bluechip-Index. Der Dow Jones EuroStoxx 50® umfasst die 50 größten und umsatzstärksten europäischen Unternehmen die der Euro-Währungszone angehören. Was der Dow Jones für die Vereinigten Staaten ist, ist der EuroStoxx 50® für die Euro-Währungszone. STOXX®:

Bluechip-Index. Der Dow Jones Stoxx 50® umfasst die 50 größten und umsatzstärksten europäischen Unternehmen.

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Hier kehrt sich also der eigentliche Sinn von Indizes, nämlich die Kursentwicklung abzubilden, um: Nicht die Kurse machen den Index, sondern die Indexzusammensetzung erreicht ein solches Gewicht, dass sie die Kurse beeinflusst. Wie genau der Markt hinschaut, welcher der Börsenneulinge die Chance hat, einen Platz in einem der Indizes zu erobern, zeigt folgende Meldung aus der FAZ: „Hoffnung auf einen Aufstieg in den M-Dax gibt es für Wincor Nixdorf, Paderborn und die Deutsche Postbank, Bonn. Die Titel des Anbieters für ITLösungen Wincor Nixdorf liegen nach der am Mittwoch von der Deutschen Börse veröffentlichten Juli-Rangliste für den M-Dax wie bereits im Vormonat auf Platz 33 der Marktkapitalisierung. Beim Umsatz, dem zweiten Kriterium für einen Platz in den Auswahlindizes, liegt der Wert auf Rang 32. Im Vormonat hatte Wincor beim Börsenumsatz Rang 28 eingenommen. Für eine reguläre Aufnahme in den M-Dax ist ein Platz sowohl bei Marktkapitalisierung als auch beim Umsatz unter den ersten 60 notwendig. Die Deutsche Postbank wird in der Juli-Liste wegen ihrer erst kurzen Notierungsdauer nicht eingeordnet – bei der Marktkapitalisierung lägen die Titel theoretisch aber auf Rang 9 und damit weit vor Wincor Nixdorf und anderen möglichen M-Dax-Kandidaten. Sowohl Wincor als auch die Postbank erfüllen die Bedingungen für die sogenannte Fast Entry-Regel. Als Abstiegskandidaten gelten Zapf Creation und Wella.“267 Welche Kriterien sind nun maßgebend, damit eine Aktie in einen Index aufgenommen wird: Sie muss eine hohe Börsenkapitalisierung (Kurs mal Stückzahl) und einen hohen Repräsentationsgrad für den indizierten Bereich haben. Ein hoher Anteil der Aktien soll breit gestreut, das Kapital also auf möglichst viele Aktionäre verteilt sein. Denn der Handel in den im Index enthaltenen Werten muss derart rege sein, dass frühe Eröffnungskurse gestellt werden können und dass während der gesamten Börsenzeit stets aktuelle Kurse zustande kommen. Nur mit ihrem Streubesitzanteil werden die einzelnen Aktien innerhalb der jeweiligen Indizes gewichtet, denn nur dieser Anteil ist es, der tatsächlich am Markt zur Kursbildung beiträgt. Selbst ehemalige Garagenfirmen können es bis in die vorderste Riege schaffen, wie die Beispiele von Microsoft und Intel gezeigt haben. An der Nasdaq, dem amerikanischen Markt für Technologie- und Wachstumswerte (vergleichbar mit unserem ehemaligen Neuen Markt) gelistet, waren beide Unternehmen immer größer geworden, bis sie es 1999 in den Dow Jones Index schafften. Bis dahin war es undenkbar gewesen, dass ein Unternehmen in den Index aufrückt, ohne an der Haupthandelsplattform, der New York Stock Exchange (NYSE), gelistet zu sein.268

267 268

[Postbank ist M-Dax-Kandidat; 2004] [Boehringer, S.; 2000; S.31]

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Fazit: Neuemissionen, die das Zeug haben, in einen bedeutenden Index aufgenommen zu werden, können fortan mit erhöhter Nachfrage rechnen und sind, da sie von vielen institutionellen Anlegern gekauft werden, vergleichsweise besser abgesichert als Werte ohne Indexzugehörigkeit.

6.2 Das Unternehmen weiter beobachten 6.2.1 Der Börsengang muss das Geschäft beflügeln „JEDER UNTERNEHMER HAT EINEN VORGESETZTEN – UND DAS IST DER MARKT.“ Peter F. Drucker, amerikanischer Managementprofessor

Jeder Börsengang ist weit mehr, als nur die Akkumulation neuen Eigenkapitals. Zunächst bewirkt die Zeichnungsofferte eine enorme Erhöhung des Bekanntheitsgrades. Unzählige Anlageberater informieren ihre Kunden von der bevorstehenden Zeichnungsfrist und geben eine kurze Beschreibung des Emittenten und seiner Tätigkeitsschwerpunkte. So geraten Firmennamen in das Bewusstsein einer breiten Anlegerschaft, die ohne IPO kaum jemand wahrgenommen hätte. Ein Beispiel ist die Singulus AG, Hersteller von Anlagen zur CD- und DVD-Fertigung. Kaum ein Endverbraucher wird mitbekommen, dass seine „Silberscheibe“ von einer Singulus-Anlage hergestellt wurde; durch die Börsennotierung wird das Unternehmen dennoch von Tausenden von Anlegern bewusst wahrgenommen. Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass ein Börsengang die Möglichkeit bietet, bekannter zu werden, mehr Präsenz zu zeigen und damit nicht zuletzt auch das operative Geschäft anzukurbeln. Auch bestehende Kundenbindungen werden durch die Börsennotiz gefestigt. Wer schon früh Kunde war, fühlt sich jetzt bestätigt, sieht dass er auf das richtige Pferd gesetzt hat. „Die haben’s also geschafft, ich kann stolz sein, schon früh Kunde dieses Unternehmens gewesen zu sein“, geht vielleicht manchem durch den Kopf, der schon früh seine Brillen bei Fielmann kaufte und nun beobachten kann, wie die Aktie des Unternehmens sich an der Börse entwickelt. Ebenso wird die Gewinnung neuer Kunden erleichtert. Denn die Börsennotiz suggeriert Größe. Das verheißt Kontinuität im Sinne von Zuverlässigkeit und vermittelt unterbewusst ein Gefühl der Sicherheit in Bezug auf die spätere Betreuung und Ersatzteilversorgung. PR-Berater haben diese Vorteile längst erkannt. Value Communication Management®, kurz VCM, heißt der Trend, der davon ausgeht, dass die Unternehmenskommunikation wesentlich erfolgreicher ist, wenn man nicht nur im Wirtschafts-, sondern auch im Finanzteil Präsenz zeigt. Manch ein Börsengang wird deshalb heute von den Öffentlichkeitsarbeitern ins Rollen gebracht, zufließendes Eigenkapital dabei als willkommener Sekundäreffekt verbucht. So wundert es nicht, dass nahezu 70 Prozent der Börsengänger rückblickend

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feststellen, dass ihr IPO neben den angestrebten finanzwirtschaftlichen Zielen auch positive Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition gehabt hat.269 „Das Interesse der Öffentlichkeit an einem Unternehmen ist normalerweise zu keinem anderen Zeitpunkt so groß wie zum Zeitpunkt des Börsengangs. Dem Unternehmen bietet sich eine einzigartige Chance, den Bekanntheitsgrad und das Image zu verbessern, da bei einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) auch bislang weniger bekannte Stärken als feste Attribute des Unternehmens im Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit verankert werden können.270 Aber auch nach der Börseneinführung wird durch die tägliche Kursfestsetzung, die jährliche Hauptversammlung, Ad hoc-Veröffentlichungen nach §15 WpHG, Analystenmeetings und Gesprächen mit potentiellen Investoren sowie dem allgemein höheren Interesse der Wirtschaftspresse ein Aufmerksamkeitseffekt erzielt, der nicht-börsennotierten Gesellschaften zumeist verwehrt bleibt.“271 Besonders lukrativ ist es, wenn sich der erhöhte Aufmerksamkeitsgrad der Financial Community unmittelbar in Umsatzwachstum niederschlägt: Wer nicht nur von der Ertragsperspektive der Aktie, sondern auch vom Waren- oder Dienstleistungsangebot des Unternehmens überzeugt ist, geht eine doppelte Bindung ein und ist somit ein besonders loyaler Kunde und Aktionär. Es ist schließlich kein Zufall, dass – darüber wurde an anderer Stelle schon gesprochen – viele, die DaimlerChrysler im Depot haben, auch einen Mercedes in die Garage stellen. Fazit: Gelingt es Aktiengesellschaften, nach der Emission durch den am Finanzmarkt hinzugewonnenen Bekanntheitsgrad auch ihr operatives Geschäft zu beflügeln, ergeben sich zusätzliche Wachstumsperspektiven, die im Emissionspreis noch nicht berücksichtigt sind. Das spricht für weiteres Kurspotential. Die Aktie sollte gehalten werden. 6.2.2 Der Draht zur Financial Community – Was ist noch im Ärmel? „W O NACHRICHTEN FEHLEN, WACHSEN DIE GERÜCHTE.“ Alberto Moravia, italienischer Schriftsteller

Mit einem erfolgreichen Börsenstart allein ist es nicht getan. Auch starke Kursgewinne am ersten Handelstag sind, bei allem Respekt, beileibe keine Lorbeeren, auf denen ein Newcomer sich ausruhen kann. Im Gegenteil, je 269 270 271

[Rödl, B./Zinser, T.; 1999; S.79], siehe hierzu auch Kapitel 1 [Jeschke, D., 1998; S.465] [Rödl, B./Zinser, T.; 1999; S.82]

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spektakulärer die Anfangserfolge, umso höher sind die Maßstäbe, an denen die Anleger das Unternehmen in Zukunft messen werden. Jetzt heißt es ‚Reinhauen’, um den Anfangserfolg dauerhaft zu festigen und auszubauen. Immerhin zehn bis fünfzehn Prozent des Börsenwertes, so schätzt die Boston Consulting Group, beruhen auf gut gemachter Investor Relations Arbeit.272 Im vereinten Europa steht den Anlegern ein größeres Spektrum an Anlagemöglichkeiten als je zuvor zur Verfügung. Der Wettbewerb um Investoren hat sich dadurch erheblich verschärft. Das schlägt sich vor allem in intensivierter und verbesserter Investor Relations Arbeit nieder. Aktiengesellschaften, die früher nur das Nötigste an Information lieferten, üben sich zunehmend in Offenheit.273 Dabei bestimmt nicht mehr die gesetzliche Mindestanforderung, sondern der Informationshunger der Financial Community Art, Timing und Umfang des Informationsflusses, denn Anleger sind vernetzt, besser informiert, selbstbewusster und anspruchsvoller als je zuvor.274 Ein Zwang zu totaler Offenheit unter hohem Erwartungsdruck der Investoren. Anfang des Jahrtausends haben allerdings mehrere spektakuläre Bilanzskandale rund um den Globus, wie zum Beispiel Enron oder Parmalat, gezeigt, dass gut informierte Investoren sich lediglich in vermeintlicher Sicherheit wiegen können, wenn kriminelle Energie im Spiel ist und negative Entwicklungen bewusst über lange Zeit verschleiert werden. Offenheit ist nur so lange ein wirklicher Wert, wie sie mit Ehrlichkeit gepaart ist. Kursbildung ist immer das Resultat von Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer. Diese Erwartungen entstehen durch Informationen. Daher genügt es nicht, dass Unternehmen wertsteigernde Maßnahmen einleiten, sie müssen sie auch kommunizieren um zukünftiges Potential zu verdeutlichen. Die Investor Relations Arbeit verlangt vor allem nach Kontinuität, um folgenden Anforderungen effektiv gerecht zu werden: Ö Erzielung und Erhaltung eines angemessenen Kursniveaus Ö Festigung einer angemessenen Kursvolatilität, also Schwankungsbreite der Kursbewegungen Ö Vertrauensbildung und -erhaltung bei bestehenden und zukünftigen Investoren Ö Festigung der Anlagetreue jedes einzelnen Aktionärs Ö Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Aktionärsstruktur Ö Steigerung des Unternehmenswertes Ö Schaffung von Informationstransparenz 272 273 274

[Balz, U.; 2000; S.B5] [Küting; K.; 2000; S.30] [Häring; C.; 1999; S.206]

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Ö Reduzierung der Eigenkapitalkosten Um die Öffentlichkeitsarbeit im Finanzsektor auf ein gemeinsames Fundament zu stellen und Shareholder Value-Aspekten gerecht zu werden, haben sich hunderte bedeutender Aktiengesellschaften im Deutschen Investor Relations Kreis e.V. DIRK (www.dirk.org) zusammengeschlossen. DIRK ist das bedeutendste Forum zur Bestimmung und Weiterentwicklung der Richtlinien für zeitgemäße Finanzkommunikation. Gerade junge Aktiengesellschaften können hier wertvolle Orientierungshilfen für ihre PR-Arbeit finden. DIRK kümmert sich nicht nur um die Erarbeitung gemeinsamer Richtlinien zur Investor Relations Arbeit, sondern auch um die Ausbildung der auf diesem Gebiet Tätigen: Mit dem Lehrgang zum CIRO – Certified Investor Relations Officer wird ein funktionsspezifischer Studiengang für IR-Mitarbeiter angeboten, der nach erfolgreich abgelegter Prüfung in der CIRO-Zertifizierung mündet.275 Auch die Bereitschaft, nach international vergleichbaren Standards zu bilanzieren (US-GAAP, United States Generally Accepted Accounting Principles und IAS, International Accounting Standards) nimmt zu. Der Gesetzgeber hat börsennotierten deutschen Unternehmen durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) den Einsatz internationaler Bilanzierungsformen erleichtert.276 Welche Bilanzierungsmethode wird sich letztlich unter Aktiengesellschaften als internationaler Standard durchzusetzen? Derzeit wird davon ausgegangen, dass es für Aktiengesellschaften mit Sitz in der EU ab 2005 zur Pflicht wird, ihre Konzernkennzahlen nach IAS/IFRSStandart zu ermitteln. Der US Standard GAAP ist dann nicht mehr ausreichend.277 Die Segmentberichterstattung und die Erweiterung des Konzernabschlusses um eine Kapitalflussrechnung (gemäß KonTraG, Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich), die es Anlegern erlaubt, den Geschäftserfolg auch in Teilbereichen größerer Unternehmensverbände zu verfolgen, verbessert ebenfalls die Informationslage. Die wachsende Bereitschaft des Managements zu einer weitestgehend erfolgsabhängigen Dotierung signalisiert, dass Vorstände bereit sind, der Maximierung des Aktionärsvermögens oberste Priorität zu geben. Investor Relations Arbeit sollte mehr sein, als Vergangenes zu berichten. Ebenso wenig gefragt ist reiner „Ankündigungsjournalismus“. Allein die Verkündung eines Gewinns bringt den Kurs nicht hoch. Ausschlaggebend sind glaubhafte, plausible Perspektiven. Einsparungen dagegen sind Versäumnisse, die (endlich) beseitigt sind. Vielfach wird das quartalsmäßige Berichtsintervall als

275 276 277

[DIRK; 2004] [Küting, K.; 2000; S.30] [d’Arcy, A.; 2004; S.1]

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sichtbares Zeichen qualitativ hochwertiger Investor Relations genannt.278 Insbesondere die Porsche AG hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass solche Fixierung auf das Quartalsintervall den Anlegern auch leicht ein verzerrtes Bild vermitteln kann: Das Unternehmensgeschick ist nun einmal keine linear aufsteigende Kurve, so dass man in Dreimonatsabständen regelmäßige Umsatzund Gewinnzuwächse vermelden könnte. Vielmehr muss gelegentlich auch einmal ein Rückgang in Kauf genommen werden, um schwerpunktmäßig verstärkt investieren zu können und damit die Zukunftsperspektiven zu sichern bzw. zu erhöhen. Der Anleger möchte auch einen Blick in die Zukunft werfen. Mit welchen Marktentwicklungen rechnet der Vorstand (Management Approach)? Welche Strategien werden verfolgt? Wo liegen Chancen und Risiken der nächsten Monate? Derart auf dem Laufenden gehaltene Anteilseigner erweisen sich als wesentlich loyaler, da sie kurzfristigen Veränderungen des Marktklimas wesentlich gelassener gegenüberstehen. Denn, dem Risiko abstrakter Kursbildungsprozesse ausgesetzt, sucht der Anleger nach Authentizität und Verlässlichkeit anhand „greifbarer Personen, nachvollziehbarer Visionen und Ertragsaussichten. Je besser es Unternehmen gelingt, dieses Vakuum zu füllen, umso geringer wird der Einfluss externer Opinionleader auf die Kursbildung.279 Weitere Maßnahmen zu erhöhter Investorentransparenz sind die Publikation eines die Termine von Investor-Relations-Maßnahmen umfassenden Unternehmens-Kalenders und die Durchführung regelmäßiger Analystenkonferenzen. Gute Investor Relations Arbeit ist nicht damit getan, kontinuierlich zu betonen, man halte die eigene Aktie am Markt für unterbewertet. Kluge Emittenten werden nicht alle Zukunftspläne des Unternehmens schon in der Zeichnungsphase preisgeben. Nach dem Börsenstart zählt vor allem, was noch im Ärmel steckt.280 Spätestens alle paar Wochen will die Financial Community mit neuen Perspektiven positiv überrascht werden. So bleibt die Aktie im Gespräch und die Vision nach oben offen. Heutige Anleger sind nicht mehr vom Typ Kostolanys, der empfahl, Aktien einfach zehn Jahre liegen zu lassen ohne einen Blick darauf zu werfen. Sie erwarten, dass ihre Phantasie wach gehalten wird. Emittenten, die schon in der Zeichnungsfrist ihr ganzes Pulver verschossen haben, droht nach der Emission das Vergessen. Je enger die Gemeinschaft zwischen Unternehmen und Aktionären geknüpft werden kann, umso stabiler erweist sie sich in Krisenzeiten. Misserfolge werden auf sachlicher Ebene relativiert. Die Haltebereitschaft steigt, auch bei Regenwetter. Damit das gelingt, muss Leben in die Aktie gebracht werden. Als 278 279 280

[Koch, G.; 1999; S.B5] [Häring; C.; 1999; S.206] [SD; 1999; S.B3]

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Finanzmarke des Unternehmens ist die Aktie contentbestimmt, das heißt, dadurch dass man etwas mit ihr erlebt, festigt sich die gegenseitige Bindung. Fazit: Investor Relations, transparente Öffentlichkeitsarbeit im interaktiven Dialog mit Investoren und denen, die es werden sollen, ist, nach Shareholder Value Gesichtspunkten, heute unverzichtbarer Teil der Unternehmenskultur und hat, insbesondere was die Gewinnung internationaler Anleger angeht, maßgeblichen Einfluss auf die Kursentwicklung. Für die weitere Kursentwicklung nach dem Börsengang ist es entscheidend, dass der Emittent immer wieder mit positiven Nachrichten überrascht. Die Aktie muss im Gespräch bleiben, die Phantasie der Financial Community stets auf's neue angeregt werden. 6.2.3 Aktionär und Internet „DER WICHTIGSTE GEBRAUCHSGEGENSTAND, DEN ICH KENNE, IST DIE INFORMATION.“ Michael Douglas, alias Gordon Gecko, im Film Wall Street

Das Aufkommen des Internets in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre sorgte für eine wahre Euphorie unter Anlegern, die sich unmittelbar am Neuen Markt, dem damaligen Handelssegment für Technologie- und Wachstumswerte, niederschlug. Kein Wunder, dass das Internet gerade unter Anlegern wie eine Bombe einschlug, denn es führte – quasi über Nacht – zu einer nie gekannten Informationsdemokratie. Jedem, ob Profi oder Privatanleger, waren aktuelle Daten der Finanzmärkte zugänglich, jederzeit an nahezu jedem Ort. Mittlerweile ist das Internet ein selbstverständliches Handwerkszeug für Börsianer; viele haben gelernt virtuos damit umzugehen und blitzschnell in aller Welt zu recherchieren. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger ab 14 Jahre haben bereits dauerhaften Zugang zum Internet, etwa 40 Prozent nutzen es täglich. 82,1 Prozent der 20bis 29-Jährigen und 75,2 Prozent der 30 bis 39-Jährigen nutzen das Internet als Informationsmedium.281 Private Aktienanleger sind erfahrungsgemäß älter als 20 Jahre. Daraus kann gefolgert werden, dass sich die meisten von ihnen im Internet bei Kauf- oder Verkaufsentscheidungen über die entsprechenden Unternehmen informieren. Abgesehen davon, dass man je nach Anschlussart verschieden schnell im Netz unterwegs ist, ist der Informationsgehalt für alle gleich. Auch institutionel281

Vgl.: Daten des forsa Instituts, zitiert bei: [Internet für Aktionäre; 2003]

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le Investoren nutzen das Internet heute als primäres Informationsmedium. Der Vorsprung, den man sich früher von Unternehmensbesuchen versprach, existiert kaum noch,282 zumal Fondsmanager heute, angesichts der Vielzahl von Unternehmen, zeitlich überfordert wären, wenn sie alle Gesellschaften ihres Portfolios regelmäßig aufsuchen sollten. Persönliche Gespräche werden allenfalls ergänzend genutzt, um Zukunftsperspektiven ausgewählter Investments genauer auszuleuchten. Jeder Emittent, jede Emissionsbank unterhält heute eine eigene Homepage. Die Dynamik, mit der sich die Inhalte entwickeln, macht es unmöglich, einen allumfassenden Überblick des Angebotes zu erstellen. In der Regel weisen Emittenten aber schon in der Emissionsankündigung auf ihre Internetseiten hin, wo ergänzende Informationen für Zeichnungsinteressenten bereitstehen. Interessiert man sich also für ein spezifisches Unternehmen, ist es hilfreich, dessen Seite direkt aufzurufen und die dortigen Investor Relations Informationen einzusehen. Das Deutsche Aktieninstitut bietet auf seiner Homepage www.dai.de eine Liste mit Links zu Servern deutscher Aktiengesellschaften an. Oft ist ein interaktiver Dialog per E-Mail vorgesehen, so dass der Aktionär die Möglichkeit hat, zusätzliche Informationen (z. B. den letzten Geschäftsbericht) abzurufen oder sonstige Auskünfte zu erhalten. Praxis-Beispiel: Man kann Adressen derjenigen Finanzmarkt-Pages, deren Informationsprofil den eigenen Anforderungen am nächsten kommt, in der Lesezeichen- oder Favoritenfunktion des Browsers speichern, um sie später ohne langes Suchen erneut aufrufen zu können. Wo aktualisierte Daten erwartet werden, sollte beim erneuten Besuch einer Seite die Funktion ‚neu laden’ oder ‚aktualisieren’ angeklickt werden, um wirklich die neueste Version zu sehen. Nicht nur zur Information über zukünftige Emittenten, auch nach erfolgter Zuteilung ist das Internet eines der wichtigsten Informationsmedien, um das Unternehmen weiter zu beobachten. Da die Bedeutung von Investor Relations Inhalten im Internet immer größer wird, führte die Zeitschrift Capital 2003 gemeinsam mit der Kölner Internetagentur NetFederation und campus-net eine Untersuchung der Internetangebote von 110 Unternehmen durch, die im DAX, im MDAX oder im TecDAX notiert sind. Geprüft wurde, wie leicht sich ein unwissender Kleinaktionär auf den Websites zurechtfinden konnte, um die für ihn relevanten Informationen zu erhalten.283 Dabei wurde unterstellt, dass Informationen über die Unternehmensstrategie und Service einen höheren Stellenwert als Performance und Design haben. Es stellte sich heraus, dass die Qualität 282 283

[Stachow, A.; 2000; S.33] [Internet für Aktionäre; 2003]

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der Online-Informationsangebote der geprüften Gesellschaften hohe Unterschiede aufwies. Die im DAX notierten Gesellschaften erreichten allerdings insgesamt ein höheres und ausgeglicheneres Gesamtniveau des Auftritts, als die Unternehmen aller Marktsegmente zusammen betrachtet. Allgemein wurde festgestellt, dass die Bedürfnisse der Anleger bei Investor Relations Auftritten im Internet noch nicht ernst genug genommen werden. Es mangelt insbesondere noch an interaktiven Angeboten; viele Unternehmen beschränken sich auf Downloadmöglichkeiten von Geschäfts- und Zwischenberichten im pdf-Format. Nicht zuletzt, da dadurch Druck- und Versandkosten eingespart werden können. Durch uneinheitliche Menügestaltung finden sich Investoren zum Teil erst nach längerer Suche zurecht.284 Im Schnitt hinken IR-Internet-Angebote deutscher Aktiengesellschaften hinsichtlich Aufmachung und Inhalt dem US-Standard um ein gutes Jahr hinterher. Die sachliche und emotionale Bedeutung des Internets als interaktives Mittel zur Verstärkung der Investorenbindung ist noch nicht voll erkannt worden. Fachleute sehen jedoch gerade darin langfristig das bedeutendste Kommunikationsmedium zwischen Aktiengesellschaften und Investoren. Beanstandet werden von privaten Investoren vor allem:285 Ö Fehlender IR-Button auf der Startseite, der einen direkt in den für Investoren relevanten Bereich bringt. Ö Fehlende Informationen über die Aktionärsstruktur. Ö Fehlende Downloadmöglichkeit des aktuellen Geschäftsberichtes. Ö Die Vorstellung des Managements erfolgt nicht oder nur oberflächlich. Ö Fehlende Berichte von Analystenkonferenzen oder zu starke Zeitverzögerungen bis zur Veröffentlichung. Ö Antworten auf E-Mails kommen nicht oder mit erheblicher Verzögerung. Das Internet verkürzt – wie gesagt – den ehemals üblichen Informationsvorsprung der Großen: Meldungen gemäß der Ad-hoc-Publizitätspflicht kann jeder Privatanleger unmittelbar einsehen. Die früher Profis vorbehaltene, kostspielige Online-Verbindung zu Nachrichtendiensten ist nicht mehr erforderlich. Außerdem entfällt die Informationsfilterung, die bei Zwischenschaltung von Finanzintermediären (Wirtschaftsnachrichtenagenturen, Redaktionen etc.) stets gegeben ist. Interessenkonflikte, wie sie z. B. in großen Investmenthäusern auftreten können, wenn aktuelle Entwicklungen der eigenen Empfehlung widersprechen, werden von vornherein vermieden.286 Die Live-Übertragung von 284 285

[Internet für Aktionäre; 2003]

[Antonoff, A.; 2000]; Vgl. auch: [ht; 2000]; [Aktiengesellschaften im Internet wenig überzeugend; 2000] 286 [Weiss, H.J./Heiden, M.; 2000]

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Bilanzpressekonferenzen, Analystengesprächen und Hauptversammlungen sowie deren anschließende Bereitstellung als Video-Download sind heute weltweit rund um die Uhr jedermann zugänglich. Auch die virtuelle Teilnahme und Abstimmung ist bereits möglich. Das bedeutet einen entscheidenden Wandel für die Investor Relations Arbeit: Weg von der vergangenheitsorientierten Datensammlung, hin zur Vermittlung zukunftsorientierter Inhalte. Geschickte Menügestaltung ermöglicht es, den Besuchern eine stufenweise Informationsdichte anzubieten. Von oberflächlich und leicht verständlich bis zu detailliertesten Daten ist für jeden das richtige Angebot dabei. Direkte Synergieeffekte zwischen IR-Inhalten und Produktinformationen lassen sich durch Links herstellen: So kann zum Beispiel der Satz: „Zum Absatzplus dieses Quartals hat vor allem das neu präsentierte Modell ‚Golf’ beigetragen“ direkt mit den Produktinformationen zum Fahrzeug verbinden. Besonders komfortabel, leider jedoch noch selten anzutreffen, sind personalisierbare Investor Relations Pages. Sie geben dem Besucher die Möglichkeit, sich auf Basis einer Datenbank ein individuelles Informationsmix zusammenzustellen. Auch bei weiteren Besuchen erhält er dann genau die ausgewählten und für ihn relevanten Daten.287 Fazit: Im Internet lässt sich leicht erkennen, ob eine Aktiengesellschaft den an die Investor Relations Arbeit gestellten Anforderungen gerecht wird. Besonders bei Unternehmen, die sich mit Software oder Internetangeboten befassen, ist die Homepage Visitenkarte. Da darf man ruhig etwas mehr erwarten. Hat der „Schuster hier selbst die schlechtesten Schuhe an“, so spricht das weder für die Leistungsfähigkeit, noch für die Aktie des Unternehmens. 6.2.4 Publizität – Nicht nur für Insider „ETWAS, WORÜBER MAN NICHT REDET, IST GAR NICHT GESCHEHEN. NUR DAS W ORT GIBT DEN DINGEN REALITÄT.“ Oscar Wilde

Um zu verhindern, dass Insider, Personen also, die durch ihre Stellung oder Funktion Informationen, die die Kurse erheblich beeinflussen könnten, früher als die Öffentlichkeit erfahren, daraus finanziellen Gewinn ziehen, gibt es gesetzliche Regelungen. Damit soll vermieden werden, dass Anleger durch ihren geringeren Kenntnisstand benachteiligt sind. Das Gesetz definiert Primärinsider, die durch ihre berufliche Tätigkeit, zum Beispiel als Geschäftsführungs- oder Aufsichtsratsmitglied, als Anteilseigner 287

[NetFederation; 2004]

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oder als Mitarbeiter eines kooperierenden Unternehmens direkte Kenntnis von Insidertatsachen haben. Sekundärinsider sind Personen, die durch andere Kenntnis von Insidertatsachen erlangen. Nicht nur die Ausnutzung durch Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren, sondern auch die Weitergabe von Insiderkenntnissen oder daraus resultierenden Handlungsempfehlungen können danach mit erheblichen Gefängnis- oder Geldstrafen geahndet werden. Dies soll vermeiden, dass ein Insider mit Hilfe eines Dritten Vermögensvorteile erzielt. Strafbar ist schon die reine „Geeignetheit“, dass jemand unter Ausnutzung eines Informationsvorsprunges einen Vorteil erzielen könnte; unabhängig davon, ob derjenige letztlich tatsächlich einen Gewinn verbuchen konnte. Eine weitere Regelung, die sicherstellt, dass wichtige Unternehmensinformationen allen Interessierten baldmöglichst und zeitgleich verfügbar sind, hat der Gesetzgeber mit der so genannten Ad hoc-Publizitätspflicht getroffen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die frühzeitige Veröffentlichung von Tatsachen, die die Kursbildung mutmaßlich beeinflussen, Missbrauch vermeiden hilft. Das Gesetz verpflichtet Emittenten börsennotierter Wertpapiere, unverzüglich alle neu eingetretenen (und nicht schon allgemein bekannten) Tatsachen zu veröffentlichen, die erwartungsgemäß die Kursbildung wesentlich beeinflussen könnten. Sollte eine Veröffentlichung den Geschäftsinteressen des Unternehmens schaden, zum Beispiel weil der Konkurrenz damit entscheidende Forschungsgeheimnisse preisgegeben werden müssten, so kann beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel ein Antrag auf Befreiung von der Publizitätspflicht gestellt werden. Vor der Information der Allgemeinheit sind Ö die Geschäftsführung der Börsen, an denen die Wertpapiere zum Handel zugelassen sind, Ö die Geschäftsführung der Börsen, an denen Derivate (Optionen und Futures) auf die Wertpapiere gehandelt werden, und Ö das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) zu benachrichtigen. Die eigentliche Veröffentlichung muss in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder einem elektronischen Informationsmedium, das eine weite Verbreitung im Finanzsektor sicherstellt, in deutscher Sprache erfolgen. Werden derartige Mitteilungen nicht, unrichtig, unvollständig oder nicht rechtzeitig gemacht, so wird das als Ordnungswidrigkeit mit hohen Geldstrafen bedroht. Die Überwachung der Einhaltung der Ad hoc-Publizitätspflicht erfolgt auf Bundesebene durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel.

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Praxis-Beispiel: Aktuelle Ad-hoc-Meldungen kann man im Internet unter www.vwd.de kontinuierlich verfolgen. Selbstverständlich unterliegen auch Newcomer der Ad-hoc-Publizitätspflicht, sobald ihre Aktien an der Börse notiert werden. Allerdings wird immer wieder versucht, aus der Publizitätspflicht eine Kür zu machen. Da wird veröffentlicht, was das Zeug hält; allzu oft handelt es sich dabei um belanglose Meldungen zur Imagepflege. Gerade junge, kleinere Unternehmen sehen hier die Chance, eine hohe Aufmerksamkeitswirkung zu geringen Kosten zu erzielen. Nach Angaben des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel setzen DAXUnternehmen erheblich weniger Ad-hoc-Meldungen ab, als die kleineren Newcomer.288 Schon etliche Gesellschaften mussten gerügt werden, weil das Instrument der Ad-hoc-Publizität als Publicity-Vehikel überstrapaziert worden war. Emittenten, die ihre Publizitätspflicht durch permanente Banalitäten übererfüllen, werden nicht nur unglaubwürdig, sie müssen auch damit rechnen, nicht wahrgenommen zu werden, wenn es wirklich einmal etwas zu sagen gibt. Dann nämlich überspringen erfahrene Marktteilnehmer die Meldung nach dem Motto „Ach, die schon wieder...“. Praxis-Beispiel: Die folgende Ad-hoc- Meldung macht Sinn. Hier geht es um die Wirksamkeit eines neu entwickelten Medikamentes. Dabei wurden Erfolge erzielt, die geeignet sind, den Kurs des Unternehmens positiv zu beeinflussen. Die Erläuterung ermöglicht auch Investoren ohne pharmazeutische oder medizinische Kenntnisse, die Bedeutung der Nachricht einzuschätzen: „Ad-hoc-Meldung der Schwarz Pharma AG vom 12.07.2004, 07:40 Uhr:289 Positive Studienergebnisse für Rotigotin gegen Restless-Legs-Syndrom SCHWARZ PHARMA gibt bekannt, dass die internationale Studie der Phase IIb zum Restless-Legs-Syndrom (RLS) mit dem Wirkstoff Rotigotin zu einer signifikanten und klinisch relevanten Reduktion der Symptome geführt hat. Gleichzeitig wurde das Rotigotin Wirkstoff-Pflaster gut vertragen. SCHWARZ PHARMA bereitet bereits das Studienprogramm der letzten Phase der klinischen Entwicklung vor, die im Frühjahr 2005 beginnen soll.“ Informationen und Erläuterungen des Emittenten zu dieser Ad-hoc-Mitteilung: ‚Restless-Legs-Syndrom’ lässt sich mit ‚Syndrom der unruhigen Beine’ übersetzen. Bis zu neun Prozent der Bevölkerung leiden an dieser neurologischen Erkrankung, die durch einen unangenehmen Bewegungsdrang und Kribbelgefühlen in den Beinen gekennzeichnet ist. Die Symptome treten oft in Ruhepausen, vor allem aber abends und in der Nacht auf und verhindern einen erholsamen Schlaf. RLS ist eine chronische, langsam fortschreitende Krankheit, die etwa so häufig 288

Vgl.: Melzendorf, Henny; zitiert in: Börsenführer; BÖAG Börsen AG Hrsg.; Hamburg/Hannover 2000 289 [Schwarz Pharma; 2004]

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wie Migräne oder Diabetes vorkommt. Es wird vermutet, dass die Ursache eine Störung des Nervenstoffwechsels ist. Dopamin-Agonisten gelten hier als eine wirksame Behandlungsmöglichkeit. „Wir sind beeindruckt von der deutlichen Symptomverbesserung und der guten Verträglichkeit, die die Patienten bei der Behandlung mit Rotigotin CDS erfahren haben“, sagt Prof. Dr. med. Iris LöwFriedrich, Vorstandsmitglied SCHWARZ PHARMA AG. „Die Verbesserungen wurden mit der anerkannten IRLSSG-Skala gemessen und waren bereits nach sieben Tagen Behandlungsdauer sehr deutlich.“ Die internationale, doppel-blinde und plazebokontrollierte klinische Studie der Phase IIb basierte auf einer sechswöchigen Behandlung. 310 Patientinnen und Patienten, die an mittlerem bis sehr schwerem RLS erkrankt sind, haben die Studie abgeschlossen. Maßstab war die IRLSSG („International Restless Legs Syndrome Study Group“) Skala. Rotigotin CDS ist ein neuer Dopamin-Agonist zur Behandlung des Restless-LegsSyndroms. Rotigotin wird mit einem Wirkstoff-Pflaster, das kontinuierlich über 24 Stunden den Wirkstoff durch die Haut abgibt, einmal täglich auf die Haut aufgebracht. Für Rotigotin CDS zur Behandlung der Parkinson'schen Krankheit soll bereits im dritten Quartal 2004 der Zulassungsantrag gestellt werden. SCHWARZ PHARMA entwickelt innovative Arzneimittel in den Therapiegebieten Neurologie und Urologie. Hier befinden sich derzeit sieben Projekte in der klinischen Entwicklung. In der letzten Phase der klinischen Entwicklung, der Phase III, sind der Wirkstoff Harkoseride gegen Epilepsie und gegen neuropathischen Schmerz sowie der Wirkstoff Fesoterodin zur Behandlung der Harninkontinenz.“

Fazit: Nicht alle Ad-hoc-Meldungen sind inhaltlich relevant, geschweige denn für die weitere Kursentwicklung von Bedeutung. Vielfach handelt es sich um reine Imagepflege. Wer sich einmal die Mühe macht, die Ad-hoc-Meldungen eines halben Tages zu studieren, lernt bald, die Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Nachrichten mit echter Substanz, zum Beispiel über den Eingang von Großaufträgen oder über bevorstehende Übernahmen, können in Minutenschnelle erhebliche Kurssprünge auslösen; besonders volatil reagieren erfahrungsgemäß die Aktien kleinerer Unternehmen mit entsprechend geringer Marktkapitalisierung, aber auch Unternehmen mit geringem Streubesitzanteil.

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6.2.5 Analysten und Journalisten – Wie unabhängig können sie wirklich sein? „EIN ANALYST KANN MIT EINEM UNTERNEHMEN SPIELEN – 290 WIE EIN JUNGE, DER EINER FLIEGE FLÜGEL AUSREIßT.“ Rüdiger Baeres, Vorstandsvorsitzender der Intertainment AG

Mit der Emission nimmt die Aufmerksamkeit an einer Aktiengesellschaft nicht etwa ab; im Gegenteil: Vom ersten Handelstag an, steht das Unternehmen unter ständiger Beobachtung. Und das Interesse des Kapitalmarktes beschränkt sich nicht allein auf Informationen, die pflichtgemäß – in Form von Ad-hocMitteilungen – veröffentlicht werden. Aktionäre achten vor allem auf die Einschätzung unabhängiger Analysten. Diese bilden sich ihre Meinung aufgrund von Einzelbesuchen und -gesprächen, aber auch auf Basis der auf Analystenkonferenzen gewonnenen Eindrücke. Die Termine dieser Konferenzen werden im Unternehmenskalender der jeweiligen Aktiengesellschaften und außerdem von vielen Anlegerzeitschriften, Tageszeitungen und im Internet vorab veröffentlicht. Die resultierenden Prognosen der Teilnehmer, oft verbunden mit konkreten Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlungen, sind für die weitere Kursentwicklung von entscheidender Bedeutung. Der Kontakt des Unternehmens zu möglichst vielen Analysten will das ganze Jahr über gepflegt sein, denn deren Interesse am Unternehmen ist die potentielle Nachfrage derer, die von ihnen informiert werden. Coverage, so nennt man die professionelle Beobachtung von Aktiengesellschaften, ist der Schlüssel, um von möglichst vielen wahrgenommen zu werden. Je mehr ein Unternehmen gecovered wird, umso größer ist seine Präsenz am Finanzmarkt; permanentes Coverage ist sozusagen der Schlüssel, um die Aktie in Schwung zu halten. Die Prognosen der Profis können für Anleger eine wichtige Orientierungshilfe sein. Doch hinter vielen Analysten stehen Banken, Investmentgesellschaften oder Brokerfirmen; Anleger sollten nicht vergessen, dass deren publizierte Meinungen durchaus dazu dienen können, den Markt in eine für den Auftraggeber (Arbeitgeber) vorteilhafte Richtung zu lenken. Nicht das Wohl des Anlegers, sondern die Möglichkeit, durch Bekanntgabe der eigenen Einschätzung günstiger ein- oder gewinnbringender verkaufen zu können, ist der wahre Grund der Auskunftsfreudigkeit. Da wird noch schnell ein „Strong Buy“ in die Runde geworfen, um sich von eigenen Beständen mit einem blauen Auge trennen zu können.291 Wird eine solche Einschätzung dann auf „Buy“ oder 290 291

Baeres, Rüdiger; zitiert bei: [Pöhlmann, H.; 2000; S.286ff] [Weber, O.; 2000]

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„Market Performer“ herabgesetzt, ist es meist schon zu spät. Wer seriös und unabhängig urteilt, fällt in diesem Umfeld positiv auf. So bezeichnete das USMagazin Fortune die Investmentbankerin Sallie Krawcheck als „letzte ehrliche Analystin“.292 Praxistipp: Wer sich an Kauf- und Verkaufsempfehlungen orientiert, sollte stets mehrere Meinungen zu Rate ziehen und besonders auf abweichende Meinungen derjenigen achten, die mit ihrer Meinung keine eigenen Dispositionen anschieben müssen. Auch bei sorgfältiger Arbeit können Analysten gelegentlich folgenschwere Fehler unterlaufen. Etwa dann, wenn die Untersuchung von falschen Daten ausgeht. Die Maßstäbe für die notwendige Sorgfalt einer Analyse lassen sich aus den Standesrichtlinien des Analystenverbandes DVFA herleiten. Grundsätzlich gilt: Auch Analysten sind nur Menschen, die gelegentlich zu unbekümmert agieren und sich irren können. Das erkennt man schon daran, dass sie oftmals untereinander vollkommen gegensätzlicher Meinung sind. Vor allem: Mit Pseudorationalität lässt sich die Aktienanalyse nicht zuverlässiger machen. Es besteht immer die Gefahr, dass einzelne Analysten von den Perspektiven eines Unternehmens trotz bester Zahlen und Argumente nicht zu überzeugen sind. Ihr Urteil beruht in den allermeisten Fällen auf ihrer subjektiven Einschätzung, weil Vorsprung durch ein Mehr an Faktenwissen (siehe: Insiderregeln im vorangegangenen Kapitel) so gut wie ausgeschlossen ist. Eine Herabstufung, beispielsweise von übergewichten auf ‚halten’ drückt den Kurs, von einer Verkaufsempfehlung ganz zu schweigen, weit stärker, als eine Heraufstufung ihn zum Steigen veranlasst. Negative Empfehlungen werden zudem von Anlegern stärker wahrgenommen, als positive. Das heißt: Eine Verkaufsempfehlung kann selbst dann erheblichen Schaden anrichten, wenn ihr mehrere Kaufempfehlungen entgegenstehen.293 Auf keinen Fall dürfen betroffene Unternehmen bei negativen Meldungen schweigen. Es gilt, sich umgehend mit den nötigen Fakten zu Wort zu melden. Durch Schweigen könnte die Spekulation weiter an Boden gewinnen. Im Falle ungerechtfertigt negativer Einschätzungen ist die betroffene Aktiengesellschaft gefordert, unverzüglich durch fundierte Informationen gegenzusteuern. Dazu gehören folgende Maßnahmen: Ö Sofortige Ansprache des Urhebers der Fehleinschätzung und Vorlage der erforderlichen Daten, um diesen zu überzeugen und zur Korrektur zu veranlassen. 292 293

[Buchter, H.; 2004] [Münster, T.; 2000; S.234ff]

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Ö Ausführliche Information aller anderen Analysten, um diesen fundiertes Material anzubieten. So wird verhindert, dass diese aus Bequemlichkeit – falsch oder gar nicht informiert – auf den ‚Zug des Kollegen aufspringen’. Ö Ebenso intensive Information der Wirtschaftsredaktionen, um aktuelle Informationen zur Berichterstattung beizusteuern. Ö Verfassen einer Ad-hoc-Meldung, die Fehlinformationen zum Unternehmen richtig stellt. Juristisches Vorgehen gegen Analystenkommentare ist wenig aussichtslos, es sei denn, wichtige Kennzahlen wie Umsatz oder Gewinn, Fakten also, sind falsch oder irreführend wiedergegeben worden. Die Wahrnehmung einer solchen Richtigstellung und die Bereitschaft, falsche Urteile zu korrigieren oder zu relativieren, hängt entscheidend davon ab, dass das Verhältnis zu Analysten und Journalisten kontinuierlich gepflegt worden ist. Analysten, die in der AG immer ein offenes Ohr gefunden haben, werden jederzeit bereit sein, ihr Urteil auf Basis von fundierten Fakten zu überdenken. Schwer haben es Unternehmen, die sich traditionell auf die Pflichtpublizität beschränkt haben. Ohnehin ziehen Analysten es vor, ihre Einschätzung vor der Veröffentlichung mit den Betroffenen diskutieren zu können, um eventuelle Missverständnisse rechtzeitig aufzudecken. Eine klare Abgrenzung zwischen Analysten und Journalisten ist kaum möglich. Viele Analysten publizieren ihre Erkenntnisse selbst, andere geben ihre Analysen zur Publizierung an ausgewählte Medien weiter. Journalisten recherchieren und analysieren zum Teil selbst, viele besuchen Analystenkonferenzen. Andere Kollegen bedienen sich der zugelieferten Erkenntnisse externer Marktbeobachter und bearbeiten sie redaktionell zur Veröffentlichung. Wünschenswert wäre mehr Transparenz für den Leser, indem der Ursprung der genannten Informationen jeweils klar angegeben würde. Schon unsere Väter wussten: Man darf nicht alles glauben, nur weil es in der Zeitung steht. „Überparteilich, unabhängig“, das ist es, was im Impressum der meisten Blätter zu lesen ist; doch wie zuverlässig können die publizierten Meinungen und Empfehlungen wirklich sein? Je mehr Titel um die Gunst der Anleger werben, umso größer werden die Versprechen, die gemacht werden, um sich von Mitbewerbern abzuheben. Jeder behauptet, die besten Tipps zum Reichtum zu kennen und zu nennen. Mit der selbst gewählten Rubrikengliederung setzen sich manche Redaktionen selbst unter Druck. Da wird Woche für Woche ein heißer Tipp verlangt, immer an der gleichen Stelle, benutzerfreundlich in konservative bis risikoreiche Strategieklassen gruppiert. Es klingt, als könne man Anlageerfolg ganz einfach am Kiosk erwerben oder abonnieren. Die Leser verlangen nach klaren Handlungsanweisungen, nach dem Top-Tipp, der in kurzer Zeit Gewinne verheißt. Hinweise auf Risiken oder vernünftige Langfriststrategien kommen dabei zu kurz.

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Oft sind Wirtschaftsjournalisten selbst Aktionäre und geraten so in den Konflikt, auf der Basis eigener Überzeugungen, kaum vollkommen unabhängig berichten zu können.294 Die Erwägung, einem Redakteur zwar die Berichterstattung zu gestatten, den Kauf eigener Aktien jedoch zu untersagen, ist ein zweischneidiges Schwert. Viele behaupten sogar, wer nicht selber mitmische, verstehe nichts von der Sache.295 Leidet die Unabhängigkeit, so ist das Vertrauen der Leser kaum wieder herzustellen. Schon der Verdacht bestehender Interessenkonflikte kann verheerend sein. Insidergeschäfte von Journalisten sind rechtlich schwerer greifbar, als das Handeln der in den Aktiengesellschaften unmittelbar Beteiligten. Die persönliche Geldanlage ist nun einmal keine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit. Die arbeitsrechtliche Verankerung von Verpflichtungserklärungen ist im Gespräch. Auch der Deutsche Presserat hat den Pressekodex um einen entsprechenden Passus ergänzt: „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.“296 Eine unkontrollierbare Grauzone wird jedoch immer bleiben. Eine viel größere Gefahr geht jedoch heute von Sparmaßnahmen im Redaktionsaufbau aus: Viele Medien haben kaum noch Budgets um qualifizierte Eigenrecherchen vornehmen zu können. So werden vielerorts, da eigene Fachleute oder ersatzweise Etats für Externe fehlen, ungeprüfte Unternehmensmitteilungen oder kostengünstig zugelieferte Analystenkommentare von SemiProfis unbearbeitet in den Satz eingestellt. Zudem ist die Eigenrecherche manchen Verlagen zu heikel, weil sie damit eventuell etablierten Analysten widersprechen könnten, die ein Unternehmen positiver beurteilen, worauf ein Rückgang der Werbeschaltungen des besprochenen Unternehmens zu befürchten wäre. Umsätze, auf die in konjunkturell schwierigen Zeiten kein Medienunternehmen mehr verzichten kann und will. Die wahren Fähigkeiten unabhängiger Journalisten können in diesem Wechselspiel gegensätzlicher Interessen leicht unter die Räder kommen. Vorsicht ist insbesondere gegenüber Informationen digitaler Medien anzuraten. Ihre große Stärke, die Unmittelbarkeit der zeitgleichen weltumspannenden Sofortinformation, ist auch ihre größte Schwäche, denn trotz umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen, kommt es gelegentlich vor, dass bewusst platzierte „Enten“ durch die Maschen der Kontrollinstanzen von Nachrichtenagenturen und Redaktionen schlüpfen. So etwas kann durchaus vorsätzlich, zum Beispiel durch Konkurrenten, verursacht sein. Das Internet ist schnelllebig und es hebt das Prestige, markante Neuigkeiten als erster ins Netz zu stellen. Wenn Co294 295 296

[Möller, U.; 2000; S.24ff] Vgl.: Markwort, Helmut; zitiert bei: [ph; 2000; S.66] [Deutscher Presserat; 2001]

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des und Freigabevermerke in Betrugsabsicht geschickt gefälscht werden, gehen Falschmeldungen wie Lauffeuer um die Welt. Im August 2000 bewies der 23-jährige Student Mark Jacobs aus El Segundo, wie einfach das ist: Seine „selbstgestrickte“ Gewinnwarnung der Firma Emulex, kalifornischer GlasfaserAusrüster für Computer-Netzwerke, ließ den Kurs in wenigen Minuten von 113 $ auf 43 $ stürzen.297 Der Börsenwert des Unternehmens sank schlagartig um insgesamt rund 2 Milliarden $. Nur die Aussetzung des Handels verhinderte Schlimmeres. Kaum war die Angelegenheit geklärt, die Falschmeldung dementiert, stieg der Kurs wieder auf 104 $. Kein Trost für Aktionäre, die im Absturz verzweifelt verkauft hatten. Fazit: Analystenempfehlungen sind eine Orientierungshilfe, die nicht immer wertvoll ist. Der Anleger sollte stets mehrere Meinungen zu Rate ziehen. Denn Analysten sind weder unfehlbar, noch sind alle wirklich vollkommen unabhängig. Eine negative Empfehlung muss noch lange keinen Crash auslösen. Entscheidend ist, wie das Unternehmen auf Meldungen reagiert. Offenheit und Transparenz machen sich bezahlt – Schweigen hingegen ist kein gutes Zeichen. Aktiengesellschaften, die die Kommunikation mit möglichst vielen Analysten kontinuierlich pflegen, sind im Krisenfall deutlich im Vorteil. Wie gut die Kommunikation klappt, zeigt sich schon dem einzelnen Aktionär. Werden Anfragen von der Investor Relations Abteilung zügig und ausführlich beantwortet, steht verständlich aufbereitetes Infomaterial zur Verfügung, so wird auch der Kontakt zu Analysten und Journalisten entsprechend sein. Finger weg von Unternehmen, die sich stets in Schweigen hüllen und bestenfalls darauf verweisen, man möge den letzten Geschäftsbericht aus dem Internet herunterladen. Auch unabhängige Journalisten sind keine Hellseher. Vielmehr zwingt die Konkurrenz einer Unzahl von Finanztiteln Woche für Woche zu immer neuen Empfehlungen. Oft zu sehr riskanten, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die Gefahr von bewusst eingestreuten Falschmeldungen ist besonders bei der schnellen Umschlagsgeschwindigkeit digitaler Medien nie ganz auszuschließen.

297

[SAD; 2000; S.23]

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6.2.6 Die Großen bestimmen, wohin die Reise geht „DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG LIEGT IN DER LIQUIDITÄT – WENN DU NICHT GENUG HAST, KANNST DU AUCH NIEMANDEM ANS BEIN PINKELN.“ Michael Douglas, alias Gordon Gecko, im Film Wall Street

Vorstände großer Aktiengesellschaften regieren durchaus nicht uneingeschränkt – auch wenn es manchmal so scheinen mag. Doch wem fühlen sie sich verpflichtet? Wessen Urteil entscheidet, ob sie ihrem Job gerecht werden? Kleinaktionäre können Mitsprache kaum wirksam ausüben. Auch dann nicht, wenn sie sich zu größeren Interessengruppen zusammenschließen. Wirkliche Macht geht von internationalen Großinvestoren aus. Und von denen, die sie beraten. Zu den größten Kapitalgebern zählen US-Pensionsfonds, die für die Altersversorgung breiter Bevölkerungsschichten sorgen und Vermögen in Billionengrößenordnungen verwalten. Das wohl bekannteste Analystenteam, das für die größten institutionellen Investoren regelmäßige Marktbeobachtungen und Empfehlungen erstellt, ist International Shareholder Services (ISS). Nach Angaben des ISS-Chefanalysten Stanley Dubiel beträgt das gemeinsame Anlagevolumen seiner Kunden rund 13 Billionen US $.298 Eine geballte Macht, die von den Investoren nicht nur als solche wahrgenommen, sondern auch eingesetzt wird. In Stellungnahmen machen die Fondsmanager klar, dass sie nicht nur als Teilhaber, sondern als Miteigentümer verstanden werden wollen. Und dass sie, wenn nötig, bereit sind, ihre Macht gegenüber Vorständen auch auszuüben. Das kann sogar so weit gehen, dass sie es letztlich sind, die über Fusionen und Übernahmen entscheiden. Ein Beispiel dafür bildete die Mannesmann-Übernahme durch Vodafone. Ausländische Pensionsfonds kontrollierten gemeinsam rund 40 % des Mannesmann-Aktienkapitals.299 „Unternehmenschefs, die nicht spuren, kommen auf die schwarze Liste“300, wird Robert Carlson vom Pensionsfonds Calpers (Altersversorgung kalifornischer Beamter) zitiert. Ist mit Aktiengesellschaften keine Übereinstimmung hinsichtlich der von den Fonds gewünschten Shareholder Value-Politik zu erzielen, reichen die Sanktionen von Investitionsboykott und entsprechendem Kursverfall bis zum Austausch des Vorstandes. Lang ist in den USA bereits die Liste derer, die nach Auseinandersetzungen mit Pensionsfonds ihren Vorstandssessel räumen mussten. 2003 musste der Gründer und Vorstandsvorsitzende von AOL, Steven Case, seinen Hut nehmen, nachdem ihm 22 Prozent der Aktionäre auf der Hauptversammlung ihr Misstrauen ausgesprochen hatten. Schwierigkeiten hatte auch 298 299 300

[Carisch, R.; 2000] [Carisch, R.; 2000] Carlson, Robert; zitiert in: [Carisch, R.; 2000]

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Michael Eisner, CEO des Walt Disney Konzerns, auf der Hauptversammlung 2004: Sein Hauptproblem waren „Pensionskassen und andere Großinvestoren, die sich gegen den Manager stellten. Am Ende fielen 43 Prozent der Stimmen gegen eine Wiederwahl Eisners aus. Die Anteilseigner machten Eisner für die unterdurchschnittliche Performance des Disney-Aktienkurses verantwortlich. Als Folge musste der langjährige Disney-Chef auf einen Teil seiner Macht verzichten und den wichtigen Posten des Verwaltungsratschefs aufgeben. Etwa zur gleichen Zeit musste sich Phil Watts von seinem Posten als Chef des Ölkonzerns Royal Dutch/Shell verabschieden.“301 Ihm verübelten die Anleger insbesondere falsche Angaben zu den Ölreserven des Konzerns, die nach Bekannt werden zu erheblichen Kursturbulenzen geführt hatten. Das sind nur drei Beispiele für die zunehmende Macht der Aktionäre. Auf den ersten Blick erscheint das forsche Auftreten gerade der Pensionskassen, die angesichts ihrer hohen Beteiligungssummen über das Stimmrecht enormen Einfluss ausüben können, widersprüchlich. Sollten sie nicht auch das Wohl der in den Aktiengesellschaften Beschäftigten im Auge haben, die ihnen Monat für Monat Beiträge zur Altersvorsorge überweisen? Gerade die Mehrung des Unternehmenswertes und maximale Profitabilität garantiere die Sicherheit der Arbeitsplätze, entgegnen die Vorstände der Pensionsfonds. Wirtschaftswissenschaftler bezeichnen den Eintritt der Altersvorsorge in den freien Kapitalmarkt als eine der wesentlichsten Vermögenumverteilungen in der Geschichte. Auf einmal sind es die Arbeitnehmer selbst, die, auf dem Umweg über ihre Vorsorgeaufwendungen, die Unternehmen in der Hand haben.302 Rund 65% der deutschen Aktien befinden sich im Besitz von Fondsgesellschaften.303 Der enormen Macht der Fonds entspricht das Auftreten der ihnen zuarbeitenden Analysten. Wer sich den Vorstellungen der Großinvestoren nicht beugt, „dem stehen unter Umständen Konsequenzen ins Haus“304, erklärt Corina Arnold vom Investor Responsibility Research Center (IRRC). Wie sehr auch deutsche Aktiengesellschaften schon unter dem Einfluss der ‚Großanalysten’ stehen, zeigen Zahlen der New Yorker Carson Group. Danach sind 30 Prozent der DAX-notierten Aktien in Händen angelsächsischer Institutioneller. Man gewinnt den Eindruck, ausländische Investoren haben mehr Vertrauen in die deutsche Wirtschaft, als die Deutschen selbst. Die Deutsche Börse AG ist das beste Beispiel: „65 Prozent der Aktien der Deutsche Börse AG liegen in den Händen von Ausländern.“305 Entsprechend verteilt ist das Potential der Erwartungen und – bei Nichterfüllung – das der sanktionierenden Einflussnahme. 301

[Eckert, D.; 2004] Vgl. dazu das Kapitel: „Mitarbeiterbeteiligung mach sich bezahlt – auf beiden Seiten“ 303 [Vgl.: Seibel, Karsten; Aktionäre sollen über Bezüge abstimmen; Die Welt, 08.08.2004] 302 304 305

Arnold, Corina; zitiert in: [Carisch, R.; 2000] [Deutsche Börse könnte das „deutsch“ streichen; 2004]

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Die Macht der Fonds, seien es nun nationale oder internationale, ist durchaus schon im Stadium der Emission spürbar. Denn die Großen sind es, die mit ihrer Investitionsbereitschaft und ihren Kommentaren zur gewählten Bookbuilding-Spanne bereits frühzeitig über das Gelingen entscheiden. So erklärten zum Beispiel Fondsgesellschaften unverblümt, die nachträgliche Herabsetzung der Bookbuilding-Spanne bei der Postbank-Emission sei ihnen zu danken.306 Fazit: Börsengänger hoher Emissionsvolumen kommen an großen institutionellen Investoren nicht vorbei. Bei der Infineon-Emission im Frühjahr 2000 wurden zum Beispiel rund 60 % des Emissionsvolumens an Institutionelle zugeteilt. Das institutionell verwaltete Vermögen in Deutschland summiert sich auf über eine Billion Euro.307 Wie bereits im angelsächsischen Raum nimmt die Bedeutung der Pensionsfonds als institutionelle Kapitalanleger auch in Deutschland und Europa stark zu. Investitionen in Investmentfonds wachsen stärker, als die individuelle Aktienanlage. Das hohe Wachstum der Ende der 90er Jahre eingeführten AS-Fonds (Altersvorsorge Sondervermögen), die ihrerseits große Teile des akkumulierten Vermögens an der Börse investieren, befördert diese Entwicklung. Für den privaten Anleger bedeutet das Engagement von Fonds ein erhebliches Stück Sicherheit. Nicht nur, weil Analysten die Werte, in die in großem Stil investiert wird, permanent beobachten. Sondern weil die Fondsmanager ihren gesamten Einfluss in die Waagschale werfen, um die entsprechenden Unternehmen auf maximalen Shareholder Value zu trimmen. Dazu sind sie gezwungen, denn ein plötzlicher Gesamt-Verkauf derart großer BeteiligungsPakete ist praktisch nicht machbar. Der Kurs würde ins Bodenlose stürzen. Die Größe zwingt ohnehin überwiegend zu Engagements in Blue Chips, also Titel großer Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung. Diese Konstanz im Anlageverhalten der Institutionellen führt für den Kleinanleger zum Vorteil relativ stabiler Kurse.

306 307

[Wiecking, K.; 2004] [Falke, D.; 1999; S.B15]

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6.2.7 Schwarze Schafe und wie man sie erkennt „KENNEN SIE DR. SCHNEIDER?“ „LEIDER NUR FLÜCHTIG.“ Dialog zwischen Frankfurter Bankern, nachdem Dr. Jürgen Schneider sich dem bevorstehenden Zusammenbruch seines Immobilienimperiums durch Flucht ins Ausland entzogen hatte

Die Vielfalt neuer Angebote auf dem Finanzsektor ist kaum noch überschaubar, besonders seit es das Internet gibt. Vielfalt ist grundsätzlich etwas Positives, aber schwarze Schafe gibt es auch im Bereich der Geldanlage. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und die Verbraucherschutzverbände gehen Jahr für Jahr zahlreichen Hinweisen auf Anlagebetrug nach. Die Vermögensverluste Geschädigter beziffern sich allein in Deutschland auf zweistellige Milliardenbeträge.308 Doch in den offiziellen Statistiken tauchen nur diejenigen Summen auf, die durch vorsätzlich kriminellen Anlagebetrug verloren gingen. Man muss dazu noch diejenigen Vermögensverluste rechnen, die Anleger durch erhebliche Kursverluste am Aktienmarkt erlitten haben. Auch hier ist zwar manchmal vorsätzlicher Betrug im Spiel, zum Beispiel dann, wenn Vorstände Kurse durch Scheingeschäfte bewusst manipuliert haben oder wie es Anfang des Jahrtausends mehrfach vorgekommen ist, Bilanzen gefälscht wurden. Häufig jedoch sind Kurse auch deswegen eingebrochen, weil Unternehmensziele unrealistisch waren, gravierende Managementfehler den Erfolg verhinderten oder weil man sich voller Euphorie einfach überschätzt hat. Der Neue Markt war ein Sammelbecken solcher Phantasten. So lange alles gut ging, nannte man sie noch Visionäre. Dabei zu sein, galt einfach als chic. Doch die Realität hat längst die Spreu vom Weizen getrennt. Dass die formalen Zulassungsvoraussetzungen des einst hochgelobten Marktsegmentes für Technologie- und Wachstumswerte nicht ausreichten, um tragfähige unternehmerische Substanz nachzuweisen, ist heute jedem klar. Der Neue Markt ist tot. Manche Betrüger versuchen aber immer noch, Anlegern den besonderen Kick abseits alltäglicher Neuemissionen zu offerieren. Es sei möglich, so heißt es in der Werbung, noch früher, also bereits im Bereich der Start-Up-Finanzierung einzusteigen und damit das ganz große Geld zu machen. Vermeintliche Traumrenditen machen neugierig. So werden per Internet Aktien von (noch) nicht börslich gehandelten Gesellschaften im Ausland angeboten, die man angeblich noch vor Erscheinen mit der Chance auf riesige Kurssteigerungen frei erwerben kann.309 Immer neue Venture-Fonds locken mit verführerisch hohen Renditeversprechungen. Zunächst werden die überhöhten Erträge tatsächlich ausgezahlt. Die 308 309

[Klick-Fahndung; 2000] Vgl. dazu das Kapitel: „Das Baby schon vor der Geburt bekommen – Vorbörsliche Emissionen“

224

ES BLEIBT SPANNEND – DER HANDELSBEGINN UND WAS DANACH KOMMT

Anleger sind begeistert. Wie kann das funktionieren? Die ersten Investoren erhalten, wie versprochen, überdurchschnittliche Gewinnausschüttungen. Sie sind folglich hochzufrieden und von der Seriosität der gewählten Anlage überzeugt, empfehlen diese sogar weiter. Unter Umständen wird ihnen sogar für jeden durch sie geworbenen Neukunden eine Prämie in Aussicht gestellt. Durch das Hinzukommen weiterer Anleger wächst das Guthaben so stark an, dass aus dem zufließenden Kapital problemlos überhöhte Gewinne an die alten Anteilseigner gezahlt werden können. Das System kommt erst dann ins Stocken, wenn das Wachstum, also die Zahl neu hinzukommender Anleger stagniert. Solche kettenbriefähnlichen Schneeballsysteme haben schon viele Anleger um ihr Geld gebracht. Denn wenn die ersten Investoren ihre Einlage zurückverlangen, sind die Initiatoren mit den Ersparnissen ihrer Kunden oft bereits über alle Berge. Misstrauen ist also durchaus angebracht, wenn von Vermittlern, Finanzmaklern oder Anlageberatern, die einem nicht seit langem bekannt sind, Traumrenditen ohne Risiko garantiert werden. Auch gute Erfahrungen von Bekannten sind kein Garant. Praxis-Beispiel: Haben Sie ein mulmiges Gefühl, hilft oft ein Blick in die Listen der schwarzen Schafe: www.anlageschutzarchiv.de bietet eine Warnliste von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht www.bafin.de führt eine Liste aller in Deutschland für Geldgeschäfte lizenzierter Institute. Die Hessische Börsenaufsicht hat die Adresse www.boersenaufsicht.de/ hessen mit weiterführenden Links zu ausländischen Wertpapieraufsichtsbehörden. Unter www.ifccfbi.gov sammelt das FBI Betrugsmeldungen. Ist das „Kind schon in den Brunnen gefallen“, hilft vielleicht ein Blick in die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen www.e-d-w.de. Eine weitere Gefahr des Internets geht von den Anlegern selbst aus: Äußerst beliebt und frequentiert sind so genannte Chat-Foren, in denen Investoren sich austauschen, das Für und Wider einzelner Anlagealternativen diskutieren und einander Hinweise und Tipps geben. Ein derartiger überregionaler Austausch ist grundsätzlich zu begrüßen und ersetzt vielen Online-Kunden den Dialog mit dem Anlageberater oder bildet die Alternative zur Mitgliedschaft in einem Investment-Club. Leider kommt es jedoch immer wieder vor, dass Chatrunden durch Manipulationsversuche missbraucht werden. „Kein Tag vergeht in den USA, an dem nicht ein Versuch unternommen wird, per Internet den Kurs einer Aktie zu ma-

DAS UNTERNEHMEN WEITER BEOBACHTEN

225

nipulieren. Rund 17 Prozent aller Betrügereien im Internet betreffen Börse und Wertpapierhandel.“310 Da gibt dann jemand vor, er besitze Insider-Kenntnisse, könne den anderen einen vermeintlich heißen Tipp geben. Letztlich steckt dahinter nur der Versuch, den eigenen Beständen durch gezielte Fehlinformation einen kurzen Höhenflug zu verschaffen oder durch eine negative Meldung günstiger einkaufen zu können. „…der beste Rat hier: niemals Glauben schenken. Fast täglich melden sich geschädigte Privatanleger bei der Handelsüberwachungsstelle der Börse ..., die irgendwelchen Anlagetipps aus dem Internet auf den Leim gegangen sind. Dabei stecken meist unseriöse Versuche einer Kursmanipulation dahinter.“311 Fazit: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass schon die Börsenzulassung kein Garant dafür war, dass alle dort notierten Unternehmen seriös geführt wurden. Wie gefährlich es dann erst ist, vermeintliche Chancen auf außerbörslichen Handelsplattformen wahrzunehmen, mag jeder selbst ermessen. Höchste Wachsamkeit ist geboten, wenn Anlegern angebliche heiße Tipps von dubiosen Vermittlern, häufig sogar per Telefonakquisition, offeriert werden. Besonders das Internet ist gefahrenbehaftet, da es als quasi rechtsfreier, internationaler Raum juristisch nur sehr schwer im Sinne des Anlegerschutzes zu überwachen ist. Das nutzen auch Anleger aus, die Chat-Foren mit gezielten Fehlinformationen füttern, um Kurse im eigenen Interesse zu manipulieren. 6.2.8 Woran erkennt man die Börsenstars von morgen? „PROGNOSEN SIND SCHWIERIG – BESONDERS, WENN SIE DIE ZUKUNFT BETREFFEN.“ Mark Twain

Wachstumsmärkte, das war der Trend der Neunziger. Wachstum ist, das haben Anleger inzwischen erfahren müssen, eine relative und damit äußerst ‚verderbliche’ Größe. In guten Zeiten waren die Anleger verwöhnt: Steigende Gewinne allein reichten ihnen nicht, sofern nicht auch die Steigerungsrate von Jahr zu Jahr wuchs. Wurden Prognosen nicht immer wieder deutlich übertroffen, war allein das schon ein Grund zur Enttäuschung. In schlechten Zeiten hingegen ist man erleichtert, wenn Prognosen eingehalten werden und nicht herabgesetzt werden müssen. Unternehmensergebnisse werden also nicht absolut, sondern in Relation zu den bestehenden Erwartungen bewertet. Je schnelllebiger die Märkte, umso

310 311

[Halusa, M.; 2000; S.18] [Irmen, D.; 2000; S.26]

226

ES BLEIBT SPANNEND – DER HANDELSBEGINN UND WAS DANACH KOMMT

gravierender wirkt sich diese Betrachtungsweise aus. Denn jedes Quartal treffen Erwartungen und Unternehmensergebnisse erneut aufeinander. Der Neue Markt, als Handelsplattform der Technologie- und Wachstumswerte, wurde geschlossen. Doch die Entwicklung der Technologie ist damit nicht beendet. Im Gegenteil: Technologie wird als Motor des zukünftigen Wirtschaftswachstums wichtiger denn je. Man trennt an der Börse jedoch nicht mehr strikt nach Old und New Economy. Immer mehr alten Hasen des Kurszettels gelingt es, beides zu verbinden, überkommenes industrielles Fertigungs-Know-how mit fortschrittlichster Technologie synergetisch zu vereinen. Solche Unternehmen haben enormes Potenzial. Und noch eines haben die Anleger inzwischen begriffen: Als Unternehmen oder Branche eine Weile in zu sein ist eine Gnade mit immer kürzerer Halbwertzeit. Man läuft nicht mehr jedem kurzfristigen Trend nach. Unternehmen, die glauben machen, sie könnten über Nacht Geld verdienen, weil sie etwas anbieten, dass gerade chic ist, will keiner mehr haben. Der Blick richtet sich auf die langfristigen Perspektiven, auf die dauerhafte Ertragskraft. Will man die vom Markt geforderten Eigenschaften künftiger Börsenstars auf einen gemeinsamen Nenner bringen, hält man sich am besten an die Punkte, an denen auch Venture Capital Gesellschaften ihre Einstiegsbereitschaft in neue Start-Ups bemessen:312 Ö Kompetentes und erfahrenes Management Ö Nachvollziehbares Geschäftsmodell; die Idee muss leicht zu erklären sein und auch Laien schnell einleuchten Ö Dichtes Netzwerk durch persönliche Kontakte, gute Einbindung in den Zulieferer- und Abnehmermarkt; Anschubförderung durch Verbindungen des Erstfinanziers Ö Hohes Wachstum, auf das die Unternehmensinfrastruktur (Kapitalausstattung, Mitarbeitergewinnung und -beteiligung, Ausweitung der Räume etc.) adäquat vorbereitet ist Ö Stabile Unternehmenskultur; nur wenn sich der Geist des Unternehmens trotz rapiden Wachstums unverwässert auf alle Mitarbeiter fortpflanzt,313 können Gründergeist und Entwicklungstempo gehalten werden Ö Schnelle Erreichung der Gewinnzone Doch hieße es Scheuklappen tragen, wenn man die Börsenstars von morgen nur im heimischen Markt suchen wollte. Wegen ihrer besonderen Dynamik werden auch die neuen EU-Länder Mittel- und Osteuropas zunehmend in den Blickpunkt des Emissionsinteresses rücken. Zum Abschluss und als Ausblick hier die Börsenreports der drei wichtigsten Länder dieser Region. 312 313

Freise, A./Mertgen, F.; 2000; S.26] [Müller-Neuhof, K./Giehl, W.; 2004]

DAS UNTERNEHMEN WEITER BEOBACHTEN

9000 8000 7000

227

8566 7321 7121

6000 5000 4000 3000 2000 687

670

465

318

165

R ig a

V iln iu s

N ik os ia

Ta llin

P ra g B ra tis la va Lj ub lja na

W ar sc ha u B ud ap es t

0

88

25

V al le tta

1000

Abbildung 24: Aktienumsätze an den Wertpapierbörsen in den neuen EU-Mitgliedstaaten 314 in Mio. € (2003)

314

Vgl. Adamska, L.: GWP wobec wejścia Polski do Unii Europejskiej, Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie, Warschau, 18.05.2004, http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&i=katarchiwum&nagnaz=Wydarzenia&ktore=all2

7

Börsenreport über die mittel- und osteuropäischen Wertpapierbörsen

7.1 Warschauer Wertpapierbörse 7.1.1 Allgemeine Informationen Die Geschichte der polnischen Wertpapierbörse hat ihren Ursprung vor knapp 190 Jahren. Die erste Wertpapierbörse entstand im Jahre 1817 in Warschau unter dem Namen „Warschauer Handelsbörse“. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Folge der Nationalisierung der Industrie, des Bankensektors und vieler anderer Zweige der polnischen Wirtschaft verlor die Wertpapierbörse ihre Existenzgrundlage.315 Erst im Jahre 1991 – nach der Verabschiedung des ersten polnischen Gesetzes über den öffentlichen Wertpapierund Investmentfondshandel – wurde die Wertpapierbörse in Polen erneut ins Leben gerufen. Im April des Jahres 1991 hat die Warschauer Wertpapierbörse (Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie S.A.) als eine durch den Staat gegründete Aktiengesellschaft ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Nach 50 Jahren der Planwirtschaft ohne Kapitalmarkt wurden die detaillierten Abbildung 25: Verfahren des modernen Wertpapier- Gebäude der „Warschauer Wertpapierbörse“ handels in Kooperation mit der „Gesellschaft der französischen Börsen“ („Société de Bourses Françaises“) erneut eingerichtet. Gleichzeitig wurde eine „Kommission für Wertpapiere und Börsen“ (Komisja Papierów Wartościowych i Giełd) als Verwaltungsbehörde eingerichtet, die mit der Aufsichts- und Popularisierungsfunktion des Wertpapierhandels beauftragt wurde.316 Mit 112 Aufträgen (45 Kauf- und 67 Verkaufsorders) wurden am ersten Handelstag (16.04.1991) lediglich 5 Firmen notiert: Ö Tonsil (elektrotechnische Anlagen), Ö Próchnik (Modedesigner), Ö Krosno (Glashütte),

315 316

[Bień, W.; 2004; S.35] [GPW; 2004/1]

230

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

Ö Kable (Telekommunikationsinfrastruktur), Ö Exbud (Bauunternehmen) Der Umsatz betrug nur ca. 2 Tausend. US $. Der Handelstag fand einmal pro Woche statt.317 Ende 2003 waren 206 Unternehmen mit einem Marktkapitalisierungswert von ca. 30 Mrd. € an der Warschauer Börse notiert. Am 14.10.2003 hatte die erste ausländische Firma Bank Austria Creditanstalt AG ihr Debüt.318 Die erfolgreichen Umstrukturierungsprozesse auf dem polnischen Kapitalmarkt haben dazu geführt, dass der Warschauer Wertpapierbörse im Jahre 1994 die vollberechtigte Mitgliedschaft in der „World Federation of Exchanges“ verliehen wurde.319 Die Aktien der Warschauer Börse werden in der Öffentlichkeit nicht gehandelt, da sie lediglich als namentliche und schwer transferierbare Wertpapiere emittiert wurden. Das Eigenkapital beträgt 42 Mio. Zloty (9,173 Mio. €)320, verteilt auf 60 Tausend Aktien, die meisten davon im Besitz des Staates (98,80 %).321 Seit November 2000 wird die Aktiennotierung an der Warschauer Wertpapierbörse auf dem neuen Transaktionssystem WARSET durchgeführt.322 Ein ähnliches System wurde erfolgreich auf den Börsen in Paris, Chicago und Amsterdam implementiert. WARSET garantiert eine komplett automatisierte Ausführung der Aufträge sowie einen effektiven Zugang der Marktteilnehmer zu Informationen. Außerdem ermöglicht das System die Nutzung von Internet bei verschiedenen Börsentransaktionen, was die Transaktionskosten der Börsenteilnehmer deutlich sinken lässt.323 7.1.2 Handelssegmente an der Warschauer Wertpapierbörse Seit November 2000 findet die Aktiennotierung an der Warschauer Wertpapierbörse auf zwei Handelssegmenten statt: Basissegment (rynek podstawowy) und Parallelsegment (rynek równoległy). Die Notierungszulassung auf einem der zwei Segmente wird von dem Vorstand der Warschauer Börse erteilt, der sich an detaillierten Zulassungskriterien orientiert.324

317 318 319 320

[GPW ; 2004/2] [GPW; 2004/3] & [GPW; 2004/4] [GPW; 2004/1]

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 18.06.04, 1€ = 4,5787 Zloty [NBP; 2004] [GPW ; 2004/5] 322 [GPW; 2004/6] 321 323 324

[GPW; 2004/7] [GPW; 2004/8]

WARSCHAUER W ERTPAPIERBÖRSE

231

Im zweiten Quartal 2004 wurden 192 Unternehmen im Basissegment (davon 6 im Segment Plus) und 14 im Parallelsegment notiert.325 Die Hi-Tech-Unternehmen werden in einem separaten Segment (SiTech – Segment Innowacyjnych Technologii) notiert.326 Das entscheidende Kriterium, um auf diesem Segment notiert zu werden, ist die Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Hierbei unterscheidet man nämlich zwischen: Ö IT-Branche Ö Telekommunikationsbranche Ö Elektronische Medien Die Firmen werden zu dem SiTech-Segment unabhängig davon zugeordnet, ob sie auf der Basis- oder auf der Parallelplattform notiert werden. Die Unternehmen werden in einem getrennten Index TechWIG umfasst, der gleichzeitig als Basisinstrument für die Termingeschäfte in diesem Segment dient. Der Index wird erst seit Ende 1998 publiziert. Z.Z. (Stand: 11.06.2004) werden 23 Unternehmen im TechWIG notiert. 7.1.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Warschauer Wertpapierbörse Die Entscheidung über die Neuemissionsgenehmigung wird durch den Börsenrat der Warschauer Wertpapierbörse getroffen, der sich neben den quantitativen Kriterien (siehe Tabelle unten) ebenfalls an folgenden qualitativen Grundkriterien orientiert:327 Ö Zugangsgenehmigung erteilt durch die Kommission für Wertpapiere und Börsen Ö Die gegenwärtige und prognostizierte Finanzsituation eines Emittenten Ö Wachstumsperspektiven Ö Einschätzung der Realisierungsmöglichkeiten der Investitionsvorhaben und deren potenziellen Finanzierungsquellen Ö Erfahrung und Qualifikationen des Vorstands und des Aufsichtsrates Ö Interesse und Sicherheit der Marktteilnehmer

325 326 327

[GPW; 2004/8] [GPW; 2004/9] [GPW; 2004/10]

232

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

Basissegment

Parallelsegment

Minimaler Wert der zu emittierenden Ak- 40 Mio. Zloty tien (8,736 Mio. €)328

14 Mio. Zloty (3,058 Mio. €)

Minimaler Buchwert

22 Mio. Zloty (4,805 Mio. €) 11 Mio. Zloty (2,402 Mio. €)

65 Mio. Zloty (14,196 Mio. €) Minimaler Wert der zugelassenen Aktien, 32 Mio. Zloty die von den Investoren besessen werden, (6,989 Mio. €) deren Stimmenanteil auf der Hauptversammlung kleiner ist als 5% Minimaler Anteil der zugelassenen Akti25% oder mindestens 500 Tsd. Aktien mit en, die von den Investoren besessen dem Mindestwert von werden, deren Stimmenanteil auf der 70 Mio. Zloty Hauptversammlung kleiner ist als 5% (15,288 Mio. €) Minimale Anzahl der Aktionäre 500 Zeitraum, für den der Emittent verpflichtet Letzte 3 Handelsjahre ist, Finanzberichte zu veröffentlichen

10% oder mindestens 200 Tsd. Aktien mit dem Mindestwert von 35 Mio. Zloty (7,644 Mio. €) 300 Letzte 2 Handelsjahre

Abbildung 26: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Warschauer Börse

Darüber hinaus werden folgende qualitative Kriterien für die Notierungszulassung auf dem Grundsegment in Betracht gezogen: Ö Die Wertpapiere sind zum öffentlichen Handel zugelassen, Ö Die Liquidität der Wertpapiere ist unbegrenzt, Ö Genügende Streuung der Aktien ist vorhanden, Ö Finanzbericht für die letzten drei Jahre wurde vorgelegt. Die qualitativen Kriterien für die Notierungszulassung auf dem Parallelsegment lauten: Ö Die Wertpapiere sind zum öffentlichen Handel zugelassen, Ö Die Liquidität der Wertpapiere ist unbegrenzt, Ö Es wird kein Liquidations- und Konkursverfahren gegen den Emittenten geführt. Innerhalb des Basissegments wurde ein „Segment Plus“ gegründet. Die Eingliederungsbedingungen der Aktien zu diesem Segment umfassen vor allem qualitative Kriterien wie z. B. besonders reibungslose Kommunikation des Emittenten mit den Anlegern.

328

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 18.06.04, 1€ = 4,5787 Zloty, vgl. [NBP; 2004]

WARSCHAUER W ERTPAPIERBÖRSE

233

Auf dem Parallelsegment wurde ein „Segment Prim“ eingerichtet, wobei die Notierungsvoraussetzungen von dem Emittenten u.a. die Pflege der Kommunikationsbeziehungen mit den Investoren auf einem „standardisierten Niveau“ und die Erhöhung der Zugänglichkeit der Finanzdaten durch die Publikationsverpflichtung der Quartalsberichte fordern. 7.1.4 Anlaufstellen für IPOs an der Warschauer Wertpapierbörse Die allgemeinen Informationen über die Zulassungskriterien, den technischen Ablauf und die benötigten bürokratischen Schritte sind auf der Internetseite der Warschauer Wertpapierbörse zu finden.329 Darüber hinaus kann man sich über die IPO-Bedingungen in Polen direkt in der Abteilung für die Zulassungen und Wertpapieroperationen an der Warschauer Wertpapierbörse erkundigen.330 Den Unternehmen, welche vorhaben, im Hi-Tech-Segment (SiTech) notiert zu werden, steht eine Informationsstelle zur Verfügung, bei der sie sich über die Zulassungskriterien und Prozeduren erkundigen können.331 Für junge, stark expandierende Unternehmen, die noch über keine Erfahrung am Kapitalmarkt verfügen, entstand ein Förderprogramm unter dem Namen „Partnerfirmen SiTech“ (Firmy Partnerskie SiTech). Bei diesem Programm haben sich viele ältere und bereits erfahrene Unternehmen wie Rechts- und Finanzberater, Investmentbanken, Börsenmakler und PR-Agenturen zusammengeschlossen. Das Hauptziel von „Partnerfirmen SiTech“ besteht darin, den potentiellen Emittenten einen erleichterten Zugang zu den wichtigsten Informationen über IPOs sowie Beratungsdienstleistungen bei den Neuemissionen zu gewähren und damit die Börsengänge junger Unternehmen zu fördern. Eine Liste der beteiligten Unternehmen findet man im Internet.332 7.1.5 Wichtigste Aktienindizes an der Warschauer Wertpapierbörse An der Warschauer Wertpapierbörse werden zwei Aktienindizes als die wichtigsten und die aussagekräftigsten erachtet: WIG und WIG20. Der Warschauer Börsenindex WIG (Warszawski Index Giełdowy) umfasst die großen und mittleren Unternehmen. Insgesamt werden 97 Firmen im WIG notiert (Angaben vom 22.03.2004), deren Gesamtwert sich auf über 99% der Börsekapitalisierung beläuft.333 329

[GPW; 2004/11] Kontaktaufnahme unter [email protected] 331 [GPW; 2004/9]; Telefonische Auskunft unter (0048) 22 537 75 82; Auskunft per Email unter [email protected] 332 [GPW; 2004/9] 333 [GPW; 2004/12] 330

234

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

18 000

25 000

16 000 20 000

14 000 12 000

15 000

10 000 8 000

10 000

6 000 4 000

5 000

2 000 0 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Umsätze (Mio. Zlotych)

WIG

Abbildung 27: Warschauer Börsenindex WIG und Börsenumsätze an der Warschauer 334 Wertpapierbörse

Der Warschauer Börsenindex WIG 20 (Warszawski Index Giełdowy 20) ist ein Index der 20 größten und am meisten liquiden Unternehmen an der Warschauer Wertpapierbörse, welche im Basissegment notiert werden.335 Der Index WIG 20 wird erst seit 16.04.1994 publiziert. Als Klassifikationskriterien werden der Kapitalisierungswert und die Aktienumsätze der Unternehmen genommen.336 Die im WIG 20 umfassten Firmen werden auch „Goldene Unternehmen“ (Złote Spółki) genannt. Für die Investoren hat dieser Index aus zweierlei Gründen eine besondere Bedeutung. Zum einen sind die im WIG 20 notierten Unternehmen nicht nur die größten, sondern auch diejenigen mit den höchsten Handelsumsätzen an der Börse; die Blue Chips. Zum anderen ist der WIG 20 ein Basisinstrument für die Termingeschäfte an der Warschauer Wertpapierbörse.

334 335 336

[GPW; 2004/6] [GPW; 2004/12] [GPW; 2004/6]

WARSCHAUER W ERTPAPIERBÖRSE

235

Die Goldenen Unternehmen337 Industrie PKN Orlen S.A. T.C. Dębica Frantschach Świecie S.A. KGHM Polska Miedź S.A. Grupa Kęty S.A. Budimex Cersanit S.A.

Dienstleistungen Chemische Industrie Chemische Industrie Holzindustrie

TP S.A.

Telekommunikation

Netia

Telekommunikation

Metallindustrie

ComputerLand

IT

Metallindustrie Bauindustrie Baumaterialindustrie

Softbank S.A. Agora S.A. Orbis S.A.

IT Medien Hotelbranche

PGF S.A.

Handel

Prokom Software S.A. IT

Finanzen Bank Pekao S.A. Bank Austria Creditanstalt AG Bank PrzemysłowoHandlowy PBK S.A.Tochterunternehmen der Bank Austria Creditanstalt AG, Mitglied der HVB Finanzgruppe BRE Bank

Banken Banken Banken

Banken

Abbildung 28: Die Goldenen Unternehmen (Blue Chips) der polnischen Börse

Mit dem Börsengang der größten polnischen Bank, der PKO BP, wird aller Voraussicht nach im Herbst die HypoVereinsbank-Tochter Bank AustriaCreditanstalt (BA-CA) aus dem polnischen Leitindex WIG 20 genommen. Die Aufnahme der PKO BP ist in den WIG 20 so gut wie sicher. Das würde laut Analysten bedeuten, dass entweder die BA-CA oder die polnische Commerzbank-Tochter Bre-Bank aus dem Index ausscheidet. 7.1.6 Aussichten für die Warschauer Wertpapierbörse Im Jahr 1998 gab es in Polen fast so viele Börsengänge der Unternehmen wie in den Jahren zwischen 1991 und 1995 insgesamt. Der Boom der Börsengänge flachte sich mit dem Beginn des Jahres 1999 ab. Trotzdem gab es in den darauf folgenden Jahren immer 5 bis 8 Börsenzulassungen pro Jahr. 337

[GPW; 2004/13]

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

236

Anzahl der IPOs an der Warschauer Wertapapierbörse 57

60 47

50 40

28

30 21 20 10

9

19

18 13

7

13 8

6

5

6

6

0 1991

1992 1993

1994

1995

1996 1997

1998

1999 2000

2001

2002

2003 2004 2004*

Abbildung 29: Anzahl der IPOs an der Warschauer Wertpapierbörse

Am 26.05.2004 wurden drei neue Firmen zugelassen: Broker FM (Medien), PBG (Energie) und Ceramika Nowa Gala (Baumaterialien). Darüber hinaus verweilen noch Emissionsprospekte von 10 Unternehmen bei der Kommission für Wertpapiere und Börsen und erwarten eine Zulassungsgenehmigung. Für sie ist ein Börsendebüt noch im Zuge des Jahres 2004 geplant.338 Als wichtigstes Ereignis im November steht der Börsengang der größten polnischen Bank, der PKO PB bevor. Laut einem Beschluss der polnischen Regierung muss der Börsengang bis Jahresende vollzogen sein. Die PKO BP befindet sich zu 100% in Staatsbesitz und soll zu 30% über die Börse privatisiert werden. Sie beschäftigt 40.000 Mitarbeiter und ist mit 1265 Filialen und 4300 Agenturen landesweit präsent. Das Institut betreut 4,7 Mio. Privatkunden, was einen Marktanteil von 35% entspricht. Im Jahr 2003 hat die PKO BP bei einer Bilanzsumme von 20 Mrd. € einen Nettogewinn von 255 Mio. € erzielt. Im ersten Quartal 2004 gab die Bank einen Gewinn von 86 Mio. € bekannt. In einem sehr interessanten Projekt wurde in Kooperation mit der Boston Consulting Group im Jahre 2001 eine strategische Richtlinie für die Warschauer Wertpapierbörse unter dem Namen Agenda Warsaw City 2010 expliziert.339 338 339

[10 nowych firm w kolejce; 2004] [Ministerstwo Finansów; 2004]

BUDAPESTER W ERTPAPIERBÖRSE

237

Laut dieses Berichtes besteht eine Gefahr der Marginalisierung der Warschauer Wertpapierbörse und des polnischen Kapitalmarktes. Welche Rolle die Warschauer Wertpapierbörse in Zukunft spielen wird, ist nicht eindeutig. Einerseits ist Polen am 01.05.2004 der EU beigetreten, was das zusätzliche Interesse bei ausländischen Anlegern wecken könnte. Andererseits ist die Attraktivität der Börse für ausländische Investoren allerdings aufgrund der relativ niedrigen Marktkapitalisierung, mangelnder Konkurrenzfähigkeit der polnischen Unternehmen auf dem gemeinsamen Markt sowie der steigenden Gefahr, den Handel der polnischen Wertpapiere auf andere europäische Börsen zu verlagern, begrenzt. Diese Faktoren gehören zu den wichtigsten Herausforderungen der Warschauer Börse, welche den Ehrgeiz hat, die größte Wertpapierbörse in Mittel-Osteuropa zu bleiben und ständig zu wachsen.340 Die Perspektive für die Warschauer Wertpapierbörse wird im großen Maße davon abhängen, inwieweit es Warschau gelingt, die dominierende Rolle bei der Notierung polnischer Unternehmen weiterhin innezuhaben. Darüber hinaus wird ebenfalls das Ergebnis der bevorstehenden Kooperationsverhandlungen mit einer westeuropäischen oder sogar osteuropäischen Börsenallianz entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Bedeutung und Relevanz des Finanzstandorts Warschau auf dem integrierten europäischen Kapitalmarkt haben.341

7.2 Budapester Wertpapierbörse 7.2.1 Allgemeine Informationen Die ungarische Börse wurde nach einer Verfügung des österreichischen Kaisers Franz Josefs I. gegründet. Sie eröffnete am 18. Januar 1864 in Pest unter dem Namen Pester Waren- und Aktienbörse. Nach der Vereinigung der beiden Städte Buda und Pest im Jahre 1873 wurde sie umbenannt in Budapester Waren- und Aktienbörse. Allerdings musste sie ihre Tore für fast ein halbes Jahrhundert schließen: Am 25. Mai 1948, zwei Monate nachdem die kommunistische Regierung den Großteil der Industrie verstaatlicht hatte, wurde der Börsenhandel aufgelöst und die Börse geschlossen.

340 341

[GPW; 2004/14] [Bień, W.; 2004; S.231]

238

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

Die Budapester Aktienbörse (Budapest Stock Exchange BSE) wurde am 21. Juni 1990 wieder eröffnet. Am 18. Juli 1990, einen Monat nach der amtlichen Eröffnung der BSE, nahm auch die Warenbörse (BCE) ihren Betrieb wieder auf.342 7.2.2 Handelssegmente an der Budapester Wertpapierbörse Den Emittenten stehen für den Börsenhandel folgende Markt-/Handelssegmente zur Verfügung:343 Ö Aktienmarkt Ö Markt für festverzinsliche Wertpapiere Ö Markt für Derivate (dieses Segment ist weiterhin unterteilt in: Terminmarkt und Markt für Optionen) 7.2.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Budapester Wertpapierbörse Gegenwärtig findet die Zulassung von Aktien an der BSE in zwei Zulassungssegmenten bzw. in den Kategorien A und B statt.344 Das wesentliche Ziel des Kategoriensystems ist die Versorgung von Anlegern mit grundlegenden Informationen zur Unterscheidung der gelisteten Unternehmen gemäß bestimmter, für die Anlageentscheidung des Publikums wichtiger Kriterien. Um die Zulassung zum Börsenhandel so einfach wie möglich zu gestalten, sind die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Kategorie B praktisch identisch mit den gesetzlichen Bestimmungen für den Börsengang. Die Kategorie A hat strengere Vorschriften für die Emittenten. Neben verschiedenen Zugangsvoraussetzungen unterscheiden sich die beiden Kategorien auch durch die Informationspflichten der Emittenten.345 Eine Überprüfung der Zuteilung der Aktien zu den jeweiligen Kategorien erfolgt halbjährlich. Generell muss jede Notierung an der Budapest Stock Exchange von der ungarischen Finanzaufsichtsbehörde genehmigt werden. Die Regelung der BSE zur Börsenzulassung klassifiziert die Voraussetzungen der Börsennotierung in allgemeine und wertpapierspezifische Voraussetzungen. Des Weiteren unterscheiden sich die Zugangsvoraussetzungen, in Abhängigkeit von dem Emissionsvolumen, nach Kategorie A und B. 342 343 344 345

[Korányi, T. G.; 2004] [BÉT; 2004/1] [BÉT; 2004/2] [BÉT; 2004/3]

BUDAPESTER W ERTPAPIERBÖRSE

Kategorie A

239

Kategorie B

Emissionsvolumen

Der Mindestkurswert der einzuführenden Ak- Keine tien beträgt 2,5 Mrd. HUF (9,870 Mio. €)346 Voraussetzungen

Streubesitz

Lediglich Bereitstellung Mindestens 25% des Gesamtbetrages; bei von Informationen für einer Rate von unter 25% muss der Marktwert des Streubesitzes mindestens zwei Mrd. die Börse 347 HUF (7,896 Mio. €) betragen; bzw. das Emissionsvolumen muss zum Zeitpunkt der Notierung im Eigentum von mindestens 500 Inhabern sein

Inhaber

Mindestens 100 Inhaber

Lediglich Bereitstellung von Informationen für die Börse

Geschäftsjahre

Emittierendes Unternehmen besteht seit mindestens drei Jahren und hat für die letzten drei Geschäftsjahre Jahresabschlüsse veröffentlicht (Bilanzierung des letzten Geschäftsjahres nach US-GAAP oder IAS)

Keine Voraussetzungen

Wertpapiere

Nur Namensaktien

Keine Voraussetzungen

Abbildung 30: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Budapester Börse

Für ausländische Wertpapiere gelten die grundlegenden Voraussetzungen ebenfalls, jedoch sind zusätzliche Bedingungen an die Zulassung geknüpft.348 Der ausländische Emittent muss: a)

im Besitz einer Lizenz gemäß der geltenden Gesetze des EmissionsOrtes sein.

b)

im Besitz eines Einverständnisses der Aufsicht zur Notierung der Wertpapiere in einem anerkannten Marktsegment sein.

c)

in einem ständigen Vertragsverhältnis mit mindestens einem Mitglied des anvisierten Segments oder seinem Repräsentanten in Ungarn stehen. Der Emittent muss den ungarischen Anlegern über dieses Mitglied bzw. seinen Repräsentanten Zugang zu seinen Daten gewähren.

d)

die Bedingungen eines Aktionärsbeschlusses nach seinem Heimatrecht deklarieren.

346

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 253,27 HUF [Magyar Nemzeti Bank; 2004] 347 [Magyar Nemzeti Bank; 2004] 348 [BÉT; 2004/3]

240

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7.2.4 Anlaufstellen für IPOs an der Budapester Wertpapierbörse Das Gremium der BSE sieht höchste Priorität in der Förderung von Neuemissionen. Aus diesem Grunde wurde der so genannte „Tőzsdeképes Cégek Klubja“ (TCK), der Club der börsefähigen Unternehmen, gegründet. Jedes Unternehmen, das einen Gang an die Börse in Erwägung zieht, kann Mitglied des Clubs werden, in dem es ankündigt, dass bei einer notwendigen Kapitalerhöhung in naher Zukunft der Börsengang eine realistische Alternative sei. Eine Mitgliedschaft impliziert vom gesetzlichen Standpunkt her jedoch noch keine Verpflichtung, aber sie signalisiert den Marktteilnehmern, dass das betreffende Unternehmen dazu bereit ist, in einem günstigen Marktumfeld, seine Aktien an der Börse zu notieren.349 Potentielle Neuemittenten erhalten durch ihre Mitgliedschaft im TCK Unterstützung für ihren Gang an die Börse. Der Club ist ein Forum, welches Informationen bereitstellt und den Unternehmen Hilfe sowohl bei der Entscheidung, ob und wann ein Börsengang sinnvoll ist, als auch bei den Vorbereitungen für den Börsengang bietet. Des Weiteren werden in diesem Forum regelmäßige Treffen mit anderen Clubmitgliedern sowie weiteren Marktteilnehmern (Händlern, Analysten, institutionellen Anlegern und Emittenten) abgehalten, wo sich die Clubmitglieder über die Vor- und Nachteile der Notierung an der Börse informieren können. Die Clubmitglieder werden ferner zu allen Informationsveranstaltungen der Börse und zu verschiedenen anderen Veranstaltungen im In- und Ausland eingeladen. Die Mitgliedschaft in dem Club ist keine Zugangsvoraussetzung. Sie wird aber von Unternehmen, die einen Börsengang planen, als Hilfs-Tool in Anspruch genommen.350 Es gibt in Ungarn keine Anlaufstellen, bei denen man sich detailliert über Neuemissionen informieren kann. Man kann sich jedoch bei individuellen Anfragen an das Informationszentrum der BSE wenden.351 Des Weiteren werden alle Ankündigungen der Budapest Stock Exchange auf ihrer offiziellen Homepage www.bet.hu veröffentlicht.

349 350 351

[BÉT; 2004/4] [BÉT; 2004/4] Kontaktaufnahme unter www.bet.hu oder unter H-1052 Budapest, Deák Ferenc u. 5. Tel.: (36 1) 429-6857; Fax: (36 1) 429-6899 Email: [email protected] Öffnungszeiten : Montags bis Freitags, 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr

BUDAPESTER W ERTPAPIERBÖRSE

241

7.2.5 Wichtigste Aktienindizes an der Budapester Wertpapierbörse Der wichtigste Aktienindex ist der Leitindex der Budapester Börse, der BUX (Budapest Stock Index). Im BUX sollen stets mindestens 12 und maximal 25 verschiedene Aktien zusammengefasst sein. Ihre Auswahl bzw. Prüfung findet zweimal jährlich (im März und im September) statt. Der Basiswert wurde am 02. Januar 1991 auf 1000 Punkte festgesetzt.352 Das Ziel bei der Konstruktion des BUX bestand darin, einen leicht zu berechnenden und reproduzierbaren Index zu schaffen. Eine hohe Transparenz ist dabei unentbehrlich.353

2.1.2004

2.1.2003

2.1.2002

2.1.2001

2.1.2000

2.1.1999

2.1.1998

2.1.1997

2.1.1996

2.1.1995

2.1.1994

2.1.1993

2.1.1992

2.1.1991

14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0

Abbildung 31: Entwicklung des BUX seit der Gründung im Jahre 1990

Der BUX besteht gegenwärtig aus 12 Unternehmen. Davon geben allerdings nur vier den Ton an. Sie hievten den Leitindex BUX in den vergangenen 13 Jahren ordentlich nach oben, manche Anleger freuten sich über 1000 Prozent Gewinn. Alle vier zusammen vereinten Anfang 2004 über 90 Prozent des gesamten Handelsvolumens der ungarischen Aktienbörse auf sich.354 Etwa ein Drittel (32,15%) der BUX-Gewichtung entfällt derzeit auf die OTP, die größte und einzige börsennotierte Bank Ungarns. Der Öl- und Gaskonzern 352 353 354

[BET; 2004/5] [BÉT; 2004/3] [mamü/rum; 2004]

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242

MOL bringt ca. ein Viertel (25,10%) der gesamten Indexgewichtung auf die Waage. Nummer drei ist der Telekommunikationsriese MATÁV mit einem Gewicht von 18,67%. Er gehört zu fast 60 Prozent der Deutschen Telekom. Mit einem Gewicht von 15,83% steht an vierter Stelle der Pharmakonzern Gedeon Richter.355 BUX - Korb

Gewicht

Borsodchem

1,08%

Danubius

0,89%

DÉMÁSZ

1,20%

Egis

2,26%

FHB

1,22%

Fotex

0,30%

MATÁV

18,67%

MOL

25,10%

OTP

32,15%

Pannonplast

0,38%

Richter

15,83%

TVK

0,92%

SUMME

100%

Abbildung 32: BUX – Korb I

BUX - Korb

Richter

Rest

OTP MATÁV MOL

Abbildung 33: BUX – Korb II

7.2.6 Aussichten für die Budapester Wertpapierbörse Momentan stehen 16 Unternehmen bereit für einen Börsengang. Von den genannten Unternehmen hat jedoch nur eins konkretere Pläne, nämlich die FreeSoft AG.

355

[BÉT; 2004/6]

PRAGER W ERTPAPIERBÖRSE

243

7.3 Prager Wertpapierbörse 7.3.1 Allgemeine Informationen Die ersten Börsengeschäfte wurden in Tschechien schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts abgewickelt. Ursprünglich wurden Getreide und andere Agrarprodukte auf dem wöchentlichen Pferdemarkt in Prag gehandelt. Der erste organisierte Güterhandel fand 1861 mit Einrichtung der „Produktenhalle“ statt. Genau 10 Jahre später wurde dann die Prager Börse gegründet an der Wertpapiere, Rohstoffe und Agrarprodukte gehandelt wurden. Die größten Erfolge erzielte die Prager Börse damals mit Zuckergeschäften. Möglicherweise, weil ihr damaliger Vorsitzender der tschechische Zuckerbaron Alois Oliva war. Der Handel kam jedoch schlagartig mit dem 2. Weltkrieg zum Stillstand und für die darauf folgenden 50 Jahre blieben die Pforten der Börse geschlossen. Im Mai 1991 wurde ein Vorbereitungskomitee für die Gründung der Wertpapierbörse gebildet um den Börsenhandel wieder aufzunehmen. Am 24. November 1992 wurde die Wertpapierbörse Prag, AG (Burza cenných papírů Praha, a.s.) ins Handelsregister eingetragen. Kurz darauf, am 6. April 1993, wurde der erste Handelstag eröffnet. Die Wertpapierbörse Prag, AG ist der wichtigste Organisator des Wertpapiermarktes in Tschechien. Sie basiert auf dem Mitgliedsprinzip, das heißt jegliche Geschäfte können nur durch Börsenmitglieder getätigt werden. Neben der Prager Börse existierte noch das außerbörsliche RM-System.

Jahr Zahl der Geschäftstage Gesamtjahresumsatz (in Mrd. CZK)

2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 250

250

249

254

251

250

249

234

161

41

1793 1987 1223 1188

860

680

393

195

62

9

249

125 42,6

7,1

536

173

davon Aktien und Anteilspapiere

197

128

264

163

172

246

Tagesdurchschnitt (Aktien und Anteilspapiere) (in Mio.CZK)

789

515 1061

643

687

985 1003

Abbildung 34: Umsätze der Prager Börse seit 1993

264

244

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7.3.2 Handelssegmente an der Prager Wertpapierbörse Die Prager Börse hat vier Segmente: Haupt-, Neben-, Freier und Neuer Markt. Diese unterscheiden sich nicht nur durch die Qualitätsansprüche an emittierte Wertpapiere und die Wirtschaftslage des Emittenten, sondern auch durch den Umfang der Auskunftspflicht gegenüber der Börse. Lediglich die Anteilspapiere von Aktiengesellschaften dürfen gehandelt werden. Über die Aufnahme von Wertpapieren in die entsprechenden Märkte entscheidet die Börsenkommission für Notierung. Sie überwacht ferner die Einhaltung der Kriterien. Neben der Aufteilung in vier Märkte hat die Börse eine Aufgliederung in Handelsgruppen eingeführt. Ausgangspunkt sind die Geschäftsmethoden an der Prager Börse. Geschäftsgruppe 1 Geschäftsmethode Betroffene Emissionen Geschäftsgruppe 2 Geschäftsmethode Betroffene Emissionen Geschäftsgruppe 3 Geschäftsmethode Betroffene Emissionen

automatischer Handel – auktions- und durchlaufendes Regime, Blockgeschäfte alle Wertpapiere außer der in SPAD gehandelten Emissionen und Aktienbriefe automatischer Handel – Auktionsregime, Blockgeschäfte Aktienbriefe SPAD, automatischer Handel – auktions- und durchlaufendes Regime, und unter Voraussetzung bestimmter Börsenregelungen auch Blockgeschäfte in SPAD gehandelte Wertpapiere

Abbildung 35: Aufteilung in Handelsgruppen: die drei Geschäftsgruppen an der Prager Börse

Anmerkung: Neben den oben aufgeführten Aktien und Anteilspapieren werden zusätzlich noch Obligationen gehandelt. 7.3.3 Zulassungskriterien für die Notierung an der Prager Wertpapierbörse Hauptmarkt Das prestigeträchtigste Zulassungssegment ist der Hauptmarkt. An ihm werden die handelsstärksten Wertpapiere gehandelt.

PRAGER W ERTPAPIERBÖRSE

245

Bedingungen

Gesellschaften (außer Fonds)

Investition- und Anteilfonds

Höhe des Grundkapitals

mindestens 2 Mio. CZK (63271 €)356

mindestens 500 Mio. CZK (15,871 Mio. €)358

bei öffentlicher Zeichnung mind. 20 Mio. CZK (632711 €)357 Anteil der Aktienemission, die sich in öffentlichem Streubesitz befinden muss

mindestens 25%.

Mindestalter der Gesellschaft

3 Jahre

3 Jahre

Abbildung 36: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Hauptmarkt

Zu den wichtigsten Auskünften, die der Börse erteilt werden müssen, gehören die Geschäftsergebnisse für das vergangene Jahr, Quartalswirtschaftsindikatoren, geprüfter tschechischer Rechnungsabschluss, geprüfter Rechnungsabschluss nach IAS (International Accounting Standards) und ein aktueller Jahresbericht. Hinzu kommen Personalwechsel oder sonstiges was den Kurs der Aktien wesentlich beeinflussen könnte. Fonds müssen zusätzlich die Struktur ihrer Portfolios aufdecken. Einmalige Gebühr für die Aufnahme der Wertpapiere

50.000 CZK (1582 €)359

Jährliche Gebühr für den Handel mit Wertpapieren

0,05 % vom Unfang der Emission max. 300.000 CZK (9491 €)360

Abbildung 37: Handelsgebühren für den Hauptmarkt der Prager Börse

Nebenmarkt Ein weiterer angesehener Handelsplatz ist der Nebenmarkt. An ihm werden Aktien derjenigen Firmen gehandelt, die über ihre Geschäftsführung so viele Informationen wie möglich vermitteln wollen.

356

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 31,610 CZK [CNB; 2004] [CNB; 2004] 358 [CNB; 2004] 357 359 360

[CNB; 2004] [CNB; 2004]

246

BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

Bedingungen

Gesellschaften (außer Fonds)

Investition- und Anteilfonds

Höhe des Grundkapitals

mindestens 2 Mio. CZK (63271 €)361 bei öffentlicher Zeichnung mind. 20 Mio. CZK (632711 €)362 mindestens 25%.

mindestens 250 Mio. CZK (7,909 Mio. €)363

3 Jahre

3 Jahre

Anteil der Aktienemission, die sich in öffentlichem Streubesitz befinden muss Mindestalter der Gesellschaft

Abbildung 38: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Nebenmarkt

Die Auskünfte, die der Börse erteilt werden müssen, sind im Grunde die gleichen wie beim Hauptmarkt. Einziger Unterschied ist, dass die nach IAS geprüften Rechnungsabschlüsse nur von solchen Unternehmen zu veröffentlichen sind, die sie auch selbstständig ausarbeiten. Einmalige Gebühr für die Aufnahme der Wertpapiere

50.000 CZK (1582 €)364

Jährliche Gebühr für den Handel mit Wertpapieren

0,05 % vom Unfang der Emission max. 85.000 CZK (2689 €)365

Abbildung 39: Handelsgebühren für den Nebenmarkt der Prager Börse

Neuer Markt Mit Gründung des Neuen Marktes im Jahr 1999 wurde eine Möglichkeit für junge perspektivreiche Unternehmen geschaffen, sich die nötigen Kapitalressourcen für weiteres Wachstum zu beschaffen. Mittlerweile sind jedoch keine Unternehmen mehr am Neuen Markt notiert. Hauptnutzer des Neuen Marktes waren: Ö junge Unternehmen, die konkrete Projekte finanzieren wollten Ö Entwicklungsorientierte Hightech-Firmen Ö Gründungseigentümer, die neue Partner für Ihr Unternehmen suchten 361

Vgl. Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 31,610 CZK, vgl. [CNB; 2004] 362 [CNB; 2004] 363 [CNB; 2004] 364 365

[CNB; 2004] [CNB; 2004]

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247

Bedingungen

festgesetzte Höhe

Höhe des Grundkapitals

mindestens 20 Mio. CZK (632711 €)366

Teil der Aktienemission, die in öffentlichen Streubesitz gerät

mindestens 15%

Marktkapitalisierung der Emission

1 Mio. €

Emissionsvolumen

mindestens 100 000 Aktien

Mindestalter der Gesellschaft

1 Jahr

Abbildung 40: Voraussetzungen (Quantitative Kriterien) für eine Neuemissionsgenehmigung durch den Börsenrat an der Prager Börse für den Neuen Markt

Weitere Bedingungen für die Aufnahme am Neuen Markt sind: Ö Ein zu bestimmender Anteil der Aktienemission muss sich im Besitz von Personen befinden, deren Anteil nicht größer als 5% ist. Ö Ein zu bestimmender Anteil der Aktienemission muss sich im Besitz des notierten Mitgliedes befinden. Die wichtigste Bedingung ist, dass die Emission ganz abgezahlt und ohne Beschränkung handelbar ist. Am Neuen Markt darf keine Emission einer Gesellschaft aufgenommen werden, die schon auf einem anderem Markt (Haupt-, Neben-, oder Freien Markt) notiert wird. An die Unternehmen, die dem Neuen Markt beitreten, werden höhere Ansprüche gestellt, als am Haupt- oder Nebenmarkt. Zum einen ist ein Patron gefordert, zum anderen ein notiertes Mitglied. Der Patron Die Funktion des Patrons kann nur eine Gesellschaft übernehmen, die Börsenmitglied ist. Sie garantiert, dass der Investor alle nötigen Voraussetzungen und Parameter für die Aufnahme am Neuen Markt erfüllt und die betreffende Emission börsenzulassungsfähig ist. Die Hauptaufgabe des Patrons ist die Beratung und Beaufsichtigung des Emittenten. Ferner hat er alle Auskünfte, die der Emittent der Börse gibt, zu beglaubigen. Er beaufsichtigt die Auskunftspflicht über die gesamte Zeit, in der die Aktie notiert wird. Der Patron wir aufgrund seines Antrags benannt und durch die Börsenkommission für Notierung gebilligt. Die Beziehung zwischen dem Patron und dem Emittenten wird durch einen schriftlichen Vertrag geregelt. 366

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 31,610 CZK, [CNB; 2004]

248

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Folgende Gesellschaften können als ein Patron fungieren: Ö EPIC Securities Ö Patria Finance Ö Baader Securities Ö CA IB Securities Ö PPF Asset Management Das notierte Mitglied Die Funktion des notierten Mitgliedes kann nur durch ein Börsenmitglied erfüllt werden. Seine Hauptaufgabe ist die Aufrechterhaltung von Angebot und Nachfrage der betreffenden Emission. Handelsgebühren für den Neuen Markt Die Börse hat sich entschieden, den Emittenten, die dem Neuen Markt beitreten wollen, entgegenzukommen was den Aufnahmeprozess und die Gebührenpolitik betrifft. Daher hat die Börse nur symbolische Gebühren, gegenüber den anderen Börsenmärkten, festgelegt. Für die Aufnahme und den jährlichen Handel sind jeweils 1000 CZK (32 €)367 zu leisten. Freier Markt Unternehmen, die weniger Auskünfte erteilen wollen, hohe Gebühren umgehen möchten oder anderen Anforderungen der übrigen Märkte nicht entsprechen, bleibt der Handel auf dem Freien Markt. Der Umfang der Auskunftspflichten beschränkt sich auf die gesetzlichen Bestimmungen des Kapitalmarktgesetzes. Unternehmen, die ihre Wertpapiere auf dem Freien Markt registrieren wollen, bezahlen nur die einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 5000 CZK (158 €).368 7.3.4 Anlaufstelle für IPOs an der Prager Wertpapierbörse Die Aufsichtsorgane Der Kapitalmarkt wird durch die Kommission für Wertpapiere geregelt und kontrolliert. Ihre Rechte und Pflichten sind im Wertpapierkommissionsgesetz kodifiziert, eine unabhängige Verwaltungsbehörde für den Kapitalmarkt. Diese 367 368

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 31,610 CZK [CNB; 2004] [CNB; 2004]

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249

Kommission unternimmt weiter alle Schritte zum Schutz der Aktionäre, kontrolliert die Erfüllung der Auskunftspflicht der notierten Unternehmen, bekämpft die Wirtschaftskriminalität, bildet die Investoren aus und unterstützt die Emissionsaktivitäten der Unternehmen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war die Vorbereitung des tschechischen Kapitalmarktes auf die Integration in die Europäische Union. Kommission für Wertpapiere Erste Anlaufstelle ist die Kommission für Wertpapiere. Sie hat Ende des Jahres 2003 ein „Kochbuch“ für Primäremissionen publiziert.369 Prager Börse Nächste Möglichkeit ist die Börse selbst. Sie hat unter anderem auch eine Beratungsrolle.370 Man kann sich aber auch bei den einzelnen Patron-Gesellschaften informieren. Oder bei denen, die schon eigene Erfahrungen mit Neuemissionen auf dem tschechischen Markt haben, wie z. B. Morgan Stanley Global Emerging Markets Private Investment Fund. 7.3.5 Wichtige Aktienindizes an der Prager Wertpapierbörse Die Börse publiziert drei Allgemeinindizes – PX 50, PX-D, PX-GLOB und zusätzlich Fachindizes in den Gebieten, in denen die Zahl der Emissionen nicht unter drei gesunken ist. Der älteste und bekannteste ist der im April 1994 eingeführte, offizielle Aktienindex PX 50. Der globale Aktienindex PX-GLOB ist ein Jahr später entstanden. Den laufend kalkulierten Index PX-D hat die Börse am Anfang des Jahres 1999 eingeführt; er enthält nur in SPAD gehandelte Blue Chip-Emissionen. Die Indizes werden durch die Verwaltungskommission der Börsenindizes entwickelt und kontrolliert. Ihren offiziellen Aktienindex PX 50 hat die Börse bei Handelsanfang eingeführt. Die Berechnung verläuft entsprechend des IFC-Systems (International Finance Corporation). Auf Empfehlung der IFC wurde eine Basis von 50 Emis369

Kontaktaufnahme über: Komise pro cenné papíry, P.O. Box 208, Washingtonova 7, 111 21 Praha 1 Telefon: +42 0 221 096 111, Fax: +42 0 221 096 110, Email: [email protected], URL: www.sec.cz 370 Kontaktaufnahme über: Burza cenných papírů Praha, a.s., Rybná 14, 110 05 Praha 1, Telefon: Vermittlung +420/221 831 111, Sekretariat des Generaldirektors, +420/221 832 204, 821, Pressestelle +420/221 832 133, Fax: +420/221 833 040, 036, Email:[email protected], URL: www.pse.cz

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250

sionen geschaffen. Mittlerweile ist die Zahl der Basis-Emissionen variabel, es sind jedoch nie mehr als 50. In die Basis werden keine Fonds und einige Holdings eingeordnet. Als Ausgangstag des PX 50 wurde der 5.April 1994 ausgewählt, sein Ausgangswert waren 1000 Punkte. Entwicklung des Index PX 50 Folgende Kurve beginnt mit dem 7.September 1993. Der maximale Wert – 1244,7 Punkte – wurde am 1.3.1994 erreicht, das historische Minimum – 316,0 Punkte – wurde am 8.10.1998 notiert.

1300,0 1200,0 1100,0 1000,0 900,0 800,0 700,0 600,0 500,0 400,0 300,0

07.05.2004

07.01.2004

07.09.2003

07.05.2003

07.01.2003

07.09.2002

07.05.2002

07.01.2002

07.09.2001

07.05.2001

07.01.2001

07.09.2000

07.05.2000

07.01.2000

07.09.1999

07.05.1999

07.01.1999

07.09.1998

07.05.1998

07.01.1998

07.09.1997

07.05.1997

07.01.1997

07.09.1996

07.05.1996

07.01.1996

07.09.1995

07.05.1995

07.01.1995

07.09.1994

07.05.1994

07.01.1994

07.09.1993

200,0

Abbildung 41: Entwicklung des PX 50 seit der Gründung im Jahre 1993

7.3.6 Aussichten für die Prager Wertpapierbörse Die aktuelle Lage des Kapitalmarktes ist nicht sehr befriedigend. Beispielsweise wurden die Privatisierungen der großen Gesellschaften, zu Gunsten der strategischen Investoren, nicht mit entsprechenden Neuemissionen ausgeglichen. Dadurch wurden die Zahl der gehandelten Emissionen und damit auch der Handel gesenkt. Tschechien hat, im Unterschied zu anderen europäischen Ländern, keine Institution, die die Funktionen des Wertpapierregisters und des Ausgleichs in sich vereint. Im Unterschied zu seinen Nachbarn Polen und Ungarn wurde in Tschechien in mehr als zehn Jahren nur eine einzige IPO realisiert.

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251

Im Jahr 1998 hat die Gesellschaft Software602 auf dem RM-System (außerbörslicher Markt vom Typ OTC – over the counter) ihre Aktien platziert. Diese werden noch heute, aber in geringem Umfang gehandelt. Weitere Versuche nach Software602 blieben erfolglos, u.a. Bonton (Unterhaltungsindustrie), Limart (Blechverarbeitung), Gordon Cars (Verkauf von Kopien historischer Autos), Interkontakt (Spedition) oder Mountfield (Gartentechnik und Schwimmbäder). Die Gründe für ihr Scheitern sind verschieden. Bonton beispielsweise bewies schlechtes Timing und plante seinen Börsengang zur Zeit der asiatischen Finanzkrise. Gründe, warum bis jetzt nur eine Neuemission realisiert wurde Es gibt mehrere Gründe für die jetzige Situation. Allgemein wird die Gesetzgebung als zu eng und zu unflexibel aufgefasst. Zusätzlich werden noch folgende Gründe aufgeführt: Ö Unverhältnismäßig lange Dauer des Prozesses der IPO-Realisierung, bedingt durch das abweichende Rechtssystem Tschechiens Ö kleiner Umfang des tschechischen Kapitalmarktes Ö Misstrauen der Emittenten in den tschechischen Kapitalmarkt bedingt durch seine Vergangenheit Ö Furcht vor dem Misstrauen der Anleger Ö Aufschiebung der Privatisierung von Banken in staatlicher Hand Ö allgemeine ökonomische Lage des Landes Ö relativ hohe Kosten der IPO Ö Regierung benutzt bei Privatisierungen nicht den Kapitalmarkt Ö Fehlen von Steuerbegünstigungen Manche Experten halten auch das Handelsregister für ein ernstes Problem. Es fehlen Fristenregelungen und es hängt vom Wohlwollen des Richters ab, ob er die Primäremission einschreibt oder nicht. Anstehende Börsengänge Realisierbar ist die Emission der pharmazeutischen Gruppe Zentiva. Geplant ist die Platzierung von Aktien im Wert von 100 Mio. CZK (3,164 Mio. €)371 auf dem Hauptmarkt der Prager Börse. Zusätzlich sind Globalzertifikate in London

371

Zugrunde gelegt wurde der Kassa-Wechselkurs vom 25.06.04, 1€ = 31,610 CZK [CNB; 2004]

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BÖRSENREPORT ÜBER DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN W ERTPAPIERBÖRSEN

im Gespräch. Die Aktienemission führt die Bank Merrill Lynch in Zusammenarbeit mit ING, HSBC, USB und ABN Amro durch. Die Platzierungsexklusivität auf dem tschechischen Markt hat die Maklergesellschaft Wood&Copany. Die Analytiker von Wood&Company haben in ihrer Analyse Zentiva auf 670 Mio. US $ geschätzt. Die Gesamtemission ist nach Vorreport auf 17,5 Mrd. CZK (554 Mio. €)372 festgelegt. Mit dieser Kapitalisierung wäre die Emission die sechstgrößte an der Börse. Die Analysten werten das Vorhaben von Zentiva eindeutig positiv. Entsprechend der letzten Nachrichten wird die Emission zum Ende Juni 2004 erwartet. Nachfolgende Emissionen hängen wesentlich von Zentivas Erfolg ab. Der nächste, ernstzunehmende Kandidat für eine Neuemission ist die Holding AAC (Hardware/Software, Dienstleistungen), die schon ihren Plan veröffentlicht hat. Nach Expertenmeinung ist der Kandidatenkreis für Neuemissionen in Tschechien relativ groß. Genannt werden Tochtergesellschaften großer Unternehmen wie z. B. Radiomobil (Mobilfunkbetreiber von T-Mobile) oder Unternehmensteile, die einen strategischen Partner suchen (IOL – Internet online von der Tschechischen Telecom). Des Weiteren werden Eurotel (Mobilfunkbetreiber), ČSOB (Tschechoslowakische Geschäftsbank), Gity (Telekommunikation), Eltodo (Dienste), Merlin (Software), Isolit Bravo (Fertigung und Montage), Fischer Reisen, Český mobil (Mobilfunk), Alcatel, Wallmart, Infiniti (HW/SW, Dienste) oder I.S.C. Communication (Telekommunikationstechnik) genannt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hauptsächlich von den an der Börse etablierten Firmen, Tochtergesellschaften großer Unternehmen und Unternehmen in staatlichem Mehrheitsbesitz (vor allem Banken), Neuemissionen erwartet werden. Einige tschechische Gesellschaften erwägen Neuemissionen auf ausländischen Märkten.

372

[CNB; 2004]

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Fallstudie: Der Börsengang der Deutschen Postbank AG Von Dr. Markus Will*

Vorwort 1

Der Börsengang der Postbank 1.1 Die Postbank 1.2 Das Umfeld 1.3 Der Zeitplan

2

Die Ziele des Börsengangs der Postbank 2.1 Die Equity Story der Postbank 2.2 Die Bewertung der Postbank

3

Die Organisation des Börsengangs der Postbank 3.1 Die Projektorganisation 3.2 Die Kommunikationsorganisation

4

Die Zielgruppen des Börsengangs der Postbank 4.1 Zielgruppe Aktionäre 4.2 Zielgruppe Mitarbeiter 4.3 Zielgruppe Kunden 4.4 Zielgruppe Medien

5

Die Zielerreichung 5.1 In der Werbung 5.2 In der Mitarbeiterkommunikation 5.3 In der Pressearbeit 5.4 In der Investorenarbeit

Schlusswort

*

Der Autor war Berater von Deutsche Post World Net für den Börsengang der Postbank und gibt mit Erlaubnis des Unternehmens seine persönliche Einschätzung wieder. Er ist Partner der goodwill communications – management consultants, einer Unternehmensberatung für Kommunikationsmanagement mit Sitz in der Schweiz, und in verschiedenen Semestern Lehrbeauftragter für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, Schweiz.

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Substanz bewegt! Nach fast zwölf Monaten Vorbereitung wird am Abend des 22. Juni 2004 der Emissionspreis von 28,50 € für die Postbank-Aktie festgelegt, die am kommenden Morgen um circa 9.30 Uhr zu 29,00 € ihren ersten Kurs an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert bekam. Zugegeben: Die Erstnotiz am Mittwoch kam mit zwei Tagen Verzögerung, und es wurden „nur“ zwei Drittel des ursprünglich geplanten Emissionsvolumens direkt platziert. Aber an diesem Mittwoch überwiegt Freude über den ersten grossen Börsengang nach der mehrjährigen Flaute am Kapitalmarkt: Das gilt insbesondere für die beiden Köpfe des Teams dieses Initial Public Offering (IPO), des Börsengangs der Deutschen Postbank AG: Dr. Klaus Zumwinkel, Vorstandsvorsitzender von Deutsche Post World Net als Emittent der Postbank, und Prof. Dr. Wulf von Schimmelmann, Vorstandsvorsitzender der Postbank und Mitglied des Vorstands von Deutsche Post World Net. Ihr Foto auf dem Börsenplatz in Frankfurt visualisiert, dass Substanz bewegt!

Klaus Zumwinkel und Wulf von Schimmelmann vor dem Bullen auf dem Frankfurter Börsenplatz nach Bekanntgabe der Erstnotiz von 29,00 € für die emittierte Postbank-Aktie

Mit dem Claim „Substanz bewegt. Die Postbank geht an die Börse“ hat die einzige rein auf den deutschen Privatkundenmarkt fokussierte Vollbank, eine so genannte „Retailbank“, 54,5 Millionen Aktien in einem Gesamtvolumen von rund 1,5 Milliarden € direkt an den Markt gebracht; 27,5 Millionen Aktien stehen für eine zeitgleich begebene Umtauschanleihe der Deutschen Post AG mit einem Emissionsvolumen von 1 Milliarde € auf Postbank-Aktien zur Verfügung, die über eine Laufzeit von drei Jahren ein Premium von rund 38% und ein Kursziel von über 39,00 € hat. Insgesamt flossen der Muttergesellschaft damit rund 2,6 Milliarden € für 50% minus einer Aktie zu, womit das Ziel der

SUBSTANZ BEWEGT

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Emission erreicht wurde – nämlich im Durchschnitt einen Preis von mindestens 31,50 € je Aktie zu erhalten. Das Geschäftsmodell hat dabei von Anfang an voll und ganz überzeugt. Vor allem hat das Management mit seinem strategischen Ansatz, Banking „einfach und günstig“ zu gestalten, den entsprechenden Erfolg nachgewiesen. Jetzt will dieses Bank-Management eine Wachstumsstrategie verfolgen, welche die Postbank zukünftig unter Beibehaltung des exzellenten Preis-Leistungsverhältnisses mehr in Richtung beratungsintensive Produkte positioniert: eine moderne, innovative und zugängliche Vollbank, die ihr Geschäft sozusagen „im Griff hat“ und ihre Kunden versteht. „Postbank is ‚the’ retail brand name in German banking“, wie es später ein Analyst formulieren wird. Schwieriger erwies sich die erstmals öffentlich ausgetragene Preisdiskussion, die es in der Form noch nicht gegeben hat und die vor allem die letzten sechs Wochen vor dem Börsengang kommunikationstechnisch dominierte. In der Öffentlichkeit kursierten ganz unterschiedliche Bewertungsgrössen: Zum einen der faire Unternehmenswert von rund 6 Milliarden €, zum anderen die sich daraus ergebenden rund 3 Milliarden € Emissionsvolumen, da nur 50% minus einer Aktie am Markt platziert werden sollten. Daneben war noch vom Buchwert der Postbank die Rede sowie vom Paket-Aufschlag im Falle einer kompletten Übernahme – die ja kurzfristig auch diskutiert wurde – sowie einem IPO-Abschlag auf den fairen Unternehmenswert. Die unterschiedlichen Perspektiven – Aufschlag oder Abschlag, Unternehmensoder Marktwert – dürften wohl auch in Zukunft andere Börsengänge begleiten. Es wird künftig auch keine „einfachen“ Preisfindungen mehr geben. Dem Kapitalmarkt fehlt es nach den Kursverlusten der letzten Jahre an Vertrauen. Die Postbank hat sich mit der Umtauschanleihe ein Vehikel geschaffen, mit dem sie in den nächsten drei Jahren ihre Wertvorstellung unter Beweis stellen kann. Insgesamt ist die Postbank am Markt jetzt gut 5 Milliarden € wert. Das entspricht einem IPO-Abschlag von gut 15%. „Im Dienste der Anleger“, überschreibt die FAZ einen abschließenden Kommentar zum Börsengang. Zweitägige Verzögerung und Umtauschanleihe sind die sichtbaren Zeichen für einige Besonderheiten dieses Börsengangs. Der Emittent nannte die Konstruktion eine „innovative Kapitalmarkttechnik“, mancher Kommentator eine „gesichtswahrende Aktion“ für den Emittenten. Man muss zugeben: Der Börsengang der Postbank war ein schwieriger, teilweise mit grossen Gesteinsbrocken fast versperrter Weg, mit neuen oder teils anderen Läufern auf der Strecke, um im Bild zu bleiben. Das Ziel des Börsengangs wurde erreicht: Die Postbank ist an der Börse. Sie ist nun im Bankenmarkt – gemessen an der Kundenzahl – als grösste deutsche Bank visibel und kann eigenständig am Kapitalmarkt bewertet werden – zum Wohle der Aktionäre, Kunden und Mitarbeiter sowie der Öffentlichkeit.

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte des Börsengangs aus einer Kommunikationsperspektive beschrieben: Dabei stehen die Ziele, Zielgruppen und Zielerreichung sowie die Organisation des Börsengangs der Postbank im Vordergrund.

DER BÖRSENGANG DER POSTBANK

1

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Der Börsengang der Postbank

1.1 Die Postbank Die Postbank hat ein klares und auf das Massengeschäft ausgerichtetes Geschäftsmodell für Privatkunden, dessen Erfolg dem Management Recht gibt. Zudem hat die Postbank eine klare Wachstumsstrategie, die genau auf ihren Fähigkeiten aufbaut, Produkte zwar zu standardisieren, aber dennoch den verschiedensten Kundenbedürfnissen anzupassen. Der Börsengang soll dazu dienen, die Eigenständigkeit der Bank herauszuheben, neue Kundenpotentiale zu erschließen und bestehende Verbindungen durch eine Verbesserung der beratungsintensiven Bankdienstleistung zu optimieren. Was macht die Postbank? Sie ist mit 11,5 Millionen Kunden und einem Marktanteil von rund 6% Deutschlands größte Privatkundenbank und damit im Retailbanking auch größer als die Deutsche Bank. Mit der Übernahme der Zahlungsverkehrsabwicklung von Deutscher und Dresdner Bank hat sie sich mit dem Transaktionsbanking ein neues, lukratives Geschäftsfeld erschlossen, in dem sie ebenfalls mit einen Anteil von 16% in einer marktführenden Stellung in Deutschland ist. Außerdem ist sie Deutschlands einzige Bank mit umfassenden Zugangsmöglichkeiten, was man neudeutsch Multikanalbanking nennt. Und sie ist eine sehr selektiv vorgehende Firmenkundenbank ohne große Kreditrisiken. Zusammengefasst: Die Postbank ist in Deutschland einzigartig und hat allenfalls in Europa vergleichbare Wettbewerber! Viele Informationen waren neu für die Kapitalmarktspezialisten und sogar für manche Bankenkenner. Erst der Börsengang lenkte die Aufmerksamkeit auf die Postbank, deren „Vorbilder“ eher eine UniCredito aus Italien, eine Banco Popular aus Spanien oder eine Alliance & Leicester sowie Royal Bank of Scotland aus Grossbritannien sind.

Aus einem für den IPO verfassten Portrait über die Postbank: Die Postbank macht Finanzdienstleistung pur – eine Vollbank mit hohem Zuspruch im privaten Banking, mit Technologieführerschaft im Abwicklungsgeschäft, mit Risiko- und Logistikkompetenz rund um Firmenkunden sowie einzigartiger Kontaktfähigkeit. In Zukunft wird die Postbank ihre Beratungskompetenz verstärken und so ihre Stellung als die führende Bank für den privaten Kunden in Deutschland ausbauen. Dazu werden Produktpalette und Service erweitert und an den zukünftigen Bedürfnissen der Kunden in Vorsorge, Vermögen und Versicherung ausgerichtet. Durch den Börsengang möchte die Postbank aus der unbekannten Ecke heraus und ihre Zukunftsansprüche im Bankensektor anmelden. Der direkte Zugang zum Kapitalmarkt symbolisiert das Selbstbewusstsein darüber, dass sich die gezeigte positive Geschäftsentwicklung fortsetzen lässt.

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Für ihre Kunden ist die Postbank einzigartig, weil sie schon immer die privaten Kunden und deren Zufriedenheit als Kern ihrer Dienstleistung verstanden hat. Sie ist mit 6% Marktanteil in Deutschland die größte Privatkundenbank und somit Marktführer im so genannten Retailbanking. Jedes Jahr kommen netto 200.000 Kunden zu den derzeit 11,5 Mio. hinzu, weil Preis und Leistung stimmen. Aufgeblasene, teure Produkte gibt es hier nicht – im Gegenteil: das Girokonto gibt es ab einem Zahlungseingang von monatlich 1.000 € sogar kostenlos. Insgesamt kommt ein Spar- und Girovolumen von 54,5 Mia. € zusammen. Sie ist auch die effizienteste Transaktionsbank. Andere große Banken übergeben der Postbank ihren Zahlungsverkehr, weil sie die jährlich knapp sechs Milliarden Transaktionen (16% Marktanteil) besser und kostengünstiger als andere durchführt. Sie ist zudem eine risikobewusste Firmenkundenbank. Unternehmen nehmen die Postbank als zusätzliche Bank in Anspruch, weil sie Spezialkenntnisse im Factoring, Leasing und in der Logistik hat. Außerdem ist die Postbank die erreichbarste Kundenbank – mit 9.000 Filialen der Post und über 780 Centerfilialen der Postbank, mit einem Call-Center mit über 2,5 Mio. registrierten Kunden sowie mit einem expandierenden mobilen Vertrieb von 400 Beratern. Vor allem auf dem Internet ist die Postbank mit 1,5 Mio. Online-Konten – davon 700.000 Online-Wertpapierkonten – präsent. Keine Bank hat mehr Filialen, Konten, Internetzugänge oder Direktkontakte. Jeden Tag können zwei bis drei Millionen Menschen mit der Postbank in Kontakt treten. Hierfür verwendet man auch den Fachbegriff Multikanalbanking. In Zukunft will die Postbank auch verstärkt in der Beratung aktiv werden. Die bereits gute Produktpalette wird ausgebaut und bietet bald neue Angebote rund um Vorsorge, Vermögen und Versicherung an, ohne ihre klare Art und Weise der Dienstleistung aufzugeben. Preis, Leistung, Zugang und vermehrt auch Beratung sind und bleiben unübertroffen. Alle Bank, die man braucht – im Sinne von Qualität und Quantität von bedarfsgerechten Produkten und unterstützender Beratung. Der für das laufende Jahr angekündigte Börsengang ist Teil dieser Geschäftsstrategie. Die Direktheit und Schnörkellosigkeit des Postbank-Ansatzes wird nun auch auf die Beratungs- und Betreuungskompetenz übertragen. Es geht insbesondere darum, den Kunden unkompliziert und transparent Produkte, die über die normalen Standardprodukte hinausgehen, zu erklären. Das geschieht aufbauend auf der Klarheit der Produkte und der exzellenten Prozesse. Das ist das Hauptziel der Postbank in den nächsten Jahren.

1.2 Das Umfeld Diese Postbank galt es, an die Börse zu bringen, und zwar nicht als „Volksaktie“, sondern vor allen Dingen an Institutionelle Anleger, aber natürlich auch an so genannte „affine Aktienbesitzer“ im Umfeld von Deutsche Post und Postbank und andere interessierte Investoren. Nach der langen Flaute am Kapitalmarkt hatten die Medien dem Börsengang der Postbank von sich aus eine „Eisbrecher“-Funktion zugestanden und ihm selbige am Ende wieder abgesprochen. Der Börsengang der Postbank war kein „Eisbrecher“, aber sicherlich ein „Durchbruch“ für das Unternehmen Postbank.

DER BÖRSENGANG DER POSTBANK

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Auch der deutsche Aktienmarkt hatte nach dem Hype an den Börsen am Ende der 90er Jahre eine in der Nachkriegsgeschichte nie gesehene Talfahrt hinter sich: Von seinem Allzeithoch am 7. März 2000 von sage und schreibe 8136 Punkten im DAX ging es abwärts bis auf 2188 Punkte am 12. März 2003. Das Misstrauen am Kapitalmarkt saß allgemein sehr tief. Als am 29. September 2003 allerdings die Ankündigung der Prüfung eines Börsengangs der Postbank in den Markt kam, glaubten viele an die eindeutige Wende zum Besseren. Nicht umsonst verband sich mit dem Börsengang der Postbank die Hoffnung, dass sie eine „Eisbrecher-Funktion“ für den brachliegenden IPO-Markt erfüllen könnte. Der DAX notierte Ende September 2003 bei 3323 Punkten, stieg im Verlaufe auf über 4200 und zum Zeitpunkt der Erstnotiz waren es dann wieder 3945 Punkte: eine Berg- und Talfahrt – immer ein Zeichen für Unsicherheit im Markt. Der IPO wäre wahrscheinlich reibungslos über die Bühne gelaufen und hätte die ihr zugeschriebe Funktion als Eisbrecher vielleicht auch erfüllt, wenn es im Umfeld des Börsengangs nicht zwei weitere spezielle Ereignisse gegeben hätte – am 6. und am 25. Mai 2004: Zum ersten Datum kamen Gerüchte auf, dass die Deutsche Bank die Postbank komplett übernehmen wollte (was hinterher nicht der Fall war). Zum zweiten Datum kam ein internes Papier der Deutschen Bank an die Öffentlichkeit, welches den Wert der Postbank deutlich niedriger ansetzte als es das Unternehmen erwartet hatte. Diese Ereignisse führten dazu, dass es auf der letzten Wegstrecke einige Änderungen zu bedenken gab. Der IPO der Postbank war aber auch so alles andere als eine normale Kapitalmarkttransaktion. Nach Jahren der Flaute war dieser Börsengang der fünftgrößte in Deutschland überhaupt. Die nach wie vor große Verunsicherung am Kapitalmarkt zeigt sich auch darin, dass noch vor der Postbank die Börsengänge von X-Fab, Siltronic und A.T.U. (Auto-Teile-Unger) abgesagt wurden; nur die MIFA (Mitteldeutsche Fahrrad AG) und Wincor Nixdorf haben vor der Postbank den Schritt an Börse geschafft. Sie alle waren weder bezüglich des Volumens noch der Marke und der Größe mit der Postbank zu vergleichen, erschwerten aber das Umfeld. Die Besonderheiten dieses Börsengangs müssen aber differenziert betrachtet werden: Zum einen gab es eben die beiden beschriebenen speziellen Ereignisse, die ab dem 6. Mai keinen normalen Spannungsbogen eines Börsengangs mehr zugelassen haben. Zum anderen hat es Verschiebungen im Kräfteparallelogramm der Kapitalmarktteilnehmer gegeben, die so zwar nicht zu erwarten waren, aber in Zukunft zum Normalfall werden könnten. Die Bedeutung der Investmentbanken und der Sell-Side-Analysten scheint zurückzugehen. Ihre Stellung als Mittler zwischen Unternehmen und Investoren ist nicht mehr so unangefochten wie früher. Daraus resultiert, dass sie ihre Relais-Funktion zwischen Angebot und Nachfrage teilweise eingebüßt haben. Demgegenüber ist die Bedeutung der Investmentfonds sowie weiterer Institu-

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

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tioneller Investoren und der Buy-Side-Analysten deutlich gestiegen. Ihre Stellung hat im Gefüge gewonnen – sie sind vor allem in Deutschland jetzt unabhängiger von ihren „Mutterbanken“ und äußern sich zunehmend öffentlich.

1.3 Der Zeitplan Der Kommunikationsplan gliederte sich in drei Hauptabschnitte: die „Corporate Phase“, „Pre-Offer-Phase“ und „Offer Phase“. Die „Corporate Phase“ umfasste den Zeitraum von der Ankündigung der Prüfung des Börsengangs Ende September 2003 bis zur Bilanzpressekonferenz der Postbank am 24. März 2004. Damit begann die „Pre-Offer-Phase 1“, der ab der Hauptversammlung der Deutschen Post am 6. Mai 2004 die so genannte „Pre-OfferPhase 2“ folgte. Mit Beginn der Roadshow am 7. Juni 2004 startete die „Offer Phase“. Zu Beginn der „Pre-Offer-Phase“ wurde die Terminologie der „Prüfung des Börsengangs“ in folgende Formulierung umgewandelt: „Die Postbank kommt noch im ersten halben Jahr und zwar vor der Sommerpause an die Börse“. Anlässlich der Hauptversammlung der Deutschen Post wurde festgelegt, dass die Postbank-Aktie am ursprünglich geplanten 21. Juni an die Börse kommen soll und die Roadshows am 7. Juni beginnen.

Empfehlung Zeitstrahl für Bekanntgabe der IPO-Botschaften

Einladung Syndikatsbanken Jahres-PK DPWN

04.03.

BPK PB

AR DPWN

24.03. 01.04.

MABP: Börse Kompakt I

VV V4 DPWN PB MABP

06.05.

20.06. Offer

14.05.

21.06.

Analystenpräsentation

AR PB VS DPAG

Legende:

07.06. Pre-Offer II

Pre-Offer I 09.03.

PM zum MABP

Nach 06.05.

19.04.

23.03. 27.03.

PK m it VV und V4: Notierungsaufnahm e Listing Event

PK mit VV und V4: konkreter Termin Q1 HV DPWN DPWN AR DPWN

MABP: Börse Kom pakt II

Zeichnung MABP; Daten tbd.

PM Pricing PK VV und V4: Preisspanne Beginn Roadshow

Vorstandsvorsitzender Dr. Zumwinkel Postbank-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. v. Schimmelmann Deutsche Post World Net Postbank Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Seite 12

Der Zeitplan des Börsengangs der Postbank

DIE ZIELE DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

2

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Die Ziele des Börsengangs der Postbank

Es war mehr als ein semantischer Diskurs, ob die Postbank an die Börse geht oder ob die Postbank an die Börse gebracht wird. Aus dieser feinen Unterscheidung ergibt sich ein doppeltes Zielbündel: Ö Zum einen wurde durch den IPO eine Steigerung des Unternehmenswerts von Deutsche Post World Net bei gleichzeitiger Absicherung der Vorteile aus dem Konzernverbund möglich. Wenn innerhalb eines Logistik-Konzerns die Bank-Sparte durch eine Börsennotierung eigenständig visibel wird, ist dies von Vorteil für die so genannte „Sum-of-Parts“-Analyse des Gesamtkonzerns. Über die Steigerung des Unternehmenswerts des Konzerns ist an dieser Stelle nicht weiter zu berichten; denn die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen kommen erst nach dem Börsengang der Postbank zum Tragen. Ö Zum anderen wurde mit dem Börsengang das Ziel verfolgt, die Postbank als fokussierte Retailbank in Deutschland zu positionieren. Letzteres muss natürlich untergliedert werden, wozu in erster Linie die so genannte Equity Story der Postbank dient – frei übersetzt also die „Aktiengeschichte“.

2.1 Die Equity Story der Postbank Die Equity Story der Postbank wurde durch vier Perspektiven determiniert: (1) durch die in der Ausgangslage vorliegende Betrachtung des Kapitalmarkts, (2) durch die Einschätzung über die Marktentwicklung im Bankenmarkt, (3) durch das Geschäftsmodell der Postbank und (4) durch das Geschäftsmodell der Muttergesellschaft Deutsche Post World Net. Die damalige Kapitalmarktperspektive (im Herbst 2003) gab vor, dass Anleger solide, ertrags- und dividendenstarke Titel mit geringer Volatilität nachfragten, dabei Retailbanken anderen Banksparten vorzogen und auf fokussierte stabile Geschäftsstrategien achteten. Die Marktentwicklung wurde so eingeschätzt, dass man einen Trend beim Kunden zu höherer Preissensibilität (Discounting) erkannte, aber auch die bequeme, angenehme und unkomplizierte Möglichkeit, Bankgeschäfte zu erledigen. Beides ideal für die Postbank mithin. Der Postbank wurde dabei gerade aus der fokussierten Retail-Expertise ein hohes Maß an Solidität attestiert, die unberührt von den Problemen anderer deutscher Banken geblieben ist. Da es in Deutschland keine Banken mit vergleichbaren Geschäftsmodellen gibt, war es entscheidend, die bereits angesprochene Peer-Group für die Vergleichbarkeit zur Bewertung der Postbank im Ausland zu suchen. Neben der hohen Solidität waren vor allen Dingen der Track Record einer unaufhaltsamen wachsenden Bank mit hohem Zuspruch im Giro-Geschäft, die Vielzahl von Wettbewerbsvorteilen durch die Größe und das günstige flächen-

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

deckende Filialnetz als auch das exzellente Management die Eckpunkte der Equity Story. Die Postbank der Zukunft ist eben keine „Aldi-Bank“, aber auch keine „Citibank“. Die Equity Story der Postbank hat vier Eckpunkte: das besondere Geschäftsmodell (mit bedarfsgerechter Produktpalette, umfassendem Kundenzugang und hohem Volumengeschäft); der nachweisbare Erfolg seit 1999; die Wachstumsaussichten und die Einzigartigkeit als Retailbank. Diese Eckpunkte lassen sich mit folgenden vier Erläuterungen gut und allgemein verständlich beschreiben: Ö Die Postbank ist eine in sehr hohem Masse auf das Massengeschäft und den Privatkunden ausgerichtete Bank mit enormem Kundenpotential. Von den 11,5 Millionen Kunden der Postbank sind „nur“ knapp 5 Millionen Hauptkunden, mit denen man auch zusätzlich noch viel mehr Geschäft machen möchte, als man das bislang tut. Dabei spielte der Fachbegriff der so genannten „Cross-Selling“-Rate eine herausragende Rolle in der gesamten Equity Story. Bisher werden dem Kunden im Jahr nur 1,8 Produkte verkauft. Durch Erweiterung ihrer auf standardisierte Produkte ausgerichteten Palette vor allen Dingen in der Beratung, im Wertpapiergeschäft, in der Baufinanzierung und dem Immobiliensegment sowie der Ratenkreditfinanzierung will die Postbank ihr vorhandenes und zukünftiges Kundenpotential deutlich ausbauen. Diese Information innerhalb der Equity Story war fast der wichtigste Aspekt, um für den Kauf der Postbank-Aktie zu überzeugen. Ö Ein weiterer Baustein für die Equity Story der Postbank ist das Transaktionsbanking. Die Postbank hat sich zur führenden deutschen Bank für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs entwickelt, deren informationstechnische Infrastruktur über modernste SAP-Plattformen organisiert wird. Durch die Übernahme der Zahlungsverkehrsabwicklung von Deutscher und Dresdner Bank werden nunmehr fast 20 Millionen einzelne Transaktionen täglich abgewickelt – ein sicheres und ertragskräftiges Massengeschäft. Die vorhandene kostengünstige und moderne IT-Plattform bei gleichzeitigem Ausbau des großvolumigen Transaktionsbankings ist der zweite wichtige Aspekt, warum man die Postbank-Aktie kaufen sollte. Ö Darüber hinaus ist die Postbank die Bank mit der besten Zugangsmöglichkeit für ihre Kunden: Man kann sie über das Telefon erreichen, man kann sie über Internet-Anschlüsse erreichen, man kann sie über Direct-Mailing erreichen, und man kann sie vor allen Dingen in den über 9.000 Filialen der Deutschen Post erreichen. Dieses einmalige und in Gänze betrachtet extrem günstige Kundenkontaktnetz ist der dritte Grund, warum man die Postbank-Aktie kaufen sollte. 2 bis 3 Millionen Menschen, von denen nur ein geringer Prozentsatz heute Postbank-Kunden sind, kommen täglich in die Filialen der Deutschen Post. Auch hier steckt ein enormes Potential.

DIE ZIELE DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Ö Last but not least hat die Postbank ein fähiges und kreatives Management mit ausgewiesenem Track Record. Anders ausgedrückt: Diese Leute haben bewiesen, dass sie es können, was andere in dem schwierigen Segment vor allen Dingen des Retailbanking in Deutschland bislang nicht geschafft haben. Diese einzelnen Aspekte stellen die Bausteine dar, aus denen sich die EquityStory der Postbank zusammensetzt. Dabei ist es wichtig, dass die Equity Story zielgruppengerecht aufbereitet werden muss. Ein Beispiel: Ö Folgende Abbildung zeigt „Postbank`s successful Business Model“ – eine Folie aus der Analystenpräsentation am 19. April 2004, mit Hilfe welcher Postbank-CEO Wulf von Schimmelmann der versammelten BankenAnalystengemeinde das Geschäftsmodell erläuterte.

Postbank’s successful business model Volume driven business

Concise product offerings

Comprehensive customer access

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Das Geschäftsmodell der Postbank – aufbereitet für die Analysten

Ö So etwas ist allgemein verständlich schwierig zu erläutern. In der Werbung für die Öffentlichkeit wurden deshalb verschiedene Motive verwendet, die die unterschiedlichen Aspekte visualisiert haben. Leitmotiv war die Abbildung, bei der quasi fast aus dem Mund der jungen Dame der Spruch kommt „Wir bewegen 11,5 Millionen Kunden. Und bald auch unsere Aktionäre.“ Daneben das Postbankzeichen und der Claim „Substanz bewegt. Die Postbank geht an die Börse“ sowie einem erklärenden Text. Wichtig sind die Bullet Points auf der rechten Seite, in denen das Geschäftsmodell der Postbank kurz bündig und stichwortartig erläutert wird.

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Das Geschäftsmodell der Postbank – aufbereitet für die Öffentlichkeit

Mythos „Equity Story“: Anmerkungen über die nie wirklich aufgeschriebene Geschichte! Die Equity Story stellt letztlich die Unternehmensgeschichte aus Sicht des Aktienkapitalmarktes dar, ohne dass sie je als Geschichte im eigentlichen Sinn aufgeschrieben wird. Sie ist vielmehr der „Urtext“, aus dem sich für jede einzelne Zielgruppe die auf sie zugeschnittene und verständliche Ausformulierung der Strategie ergibt. Insofern gibt es sie nur in Bullet Points von Präsentationen, als Investoren Feedback aus dem „Pre-Marketing“, als Versionen von Unternehmensportraits, im Rahmen der Markensteuerung, der Mitarbeiterbefragung oder aber auch der Pressearbeit. Alles was zur Equity Story gehört, wird darüber hinaus von den externen und internen Juristen der Clearingstelle im Lichte der Publizitätsrichtlinien „gecheckt“. Das Ganze ist so etwas wie ein gelebter Prozess, in den die Erfahrungen des Managements und das aktuelle und angestrebte Geschäftsmodell eingehen. Hinzu kommt, dass die Kapitalmarktperspektive berücksichtigt wird sowie die Positionierung des Unternehmens gegenüber Kunden, aber auch gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit. Letztlich muss sich eine Equity Story in der Bewertung am Kapitalmarkt niederschlagen; denn sie ist das Vehikel, mit dem erklärt wird, warum man einen bestimmten Anteilsschein zu einem bestimmten Anteilspreis denn kaufen soll. Das ist ihr eigentlicher Sinn. Eine ausformulierte Form der Equity Story gibt es allerdings: den Börsenprospekt – ein für den normalen Menschen unverständliches mehrere Hundert Seiten dickes in juristisch abgewogenem Deutsch geschriebenes Werk, in dem vor allem eines steht: welches Risiko ein potentieller Anleger im Falle des Kaufes einer solchen Aktie eingeht. Natürlich werden auch die Chancen formuliert, aber da man alles, was im Prospekt steht, am Ende auch einhalten muss, wenn man kein Risiko der Prospekthaftung eingehen will, verblassen die Chancen gegenüber den Risiken immer. Diese Darstellung der Risiken sind Ergebnis einer ausführlichen Due Diligence, also einer umfangreichen Analyse zur Unternehmensbewertung, welche die Investmentbanken und Juristen im Vorfeld eines Börsengangs machen.

DIE ZIELE DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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2.2 Die Bewertung der Postbank Die erste Bewertungsindikation findet in der Regel im Rahmen der so genannten „Beauty Contests“ statt. Bei solchen „Schönheitswettbewerben“ bewerben sich die unterschiedlichen Investmentbanken für die Positionen der Global Coordinators. Weitere Überprüfungen solcher Unternehmensbewertungen finden dann im Verlaufe der Zeit statt, wenn vorläufige Planzahlen durch veröffentlichte Quartalszahlen oder Jahreszahlen festgeschrieben werden. Dabei werden selbstverständlich auch ein sich veränderndes Marktumfeld berücksichtigt und einzelne Aspekte bezüglich diverser Chancen und/oder Risiken aus der laufenden Due Diligence eingebaut. Eine weitere größere Bewertungsmöglichkeit ergibt sich dann auf Basis der erstellten Analystenreports im Nachgang der Analystenpräsentation. Solche Analystenreports im Vorfeld eines IPOs entstehen in einem interaktiven Prozess: Die Analystenpräsentationen des Postbank-Vorstands am 19. April waren quasi die erste große, direkte und eigenständige Kontaktaufnahme mit dem Kapitalmarkt beziehungsweise mit den Bank-Analysten der Konsortialbanken, die im Vorfeld des Börsengang eine Multiplikatorfunktion für den Kapitalmarkt eingenommen haben. Auf Basis der umfangreichen Präsentationen der Postbank erstellen die Analysten sodann ihre Entwürfe. Dem Unternehmen wird dann Gelegenheit gegeben, diese Entwürfe noch einmal zu kommentieren, um gegebenenfalls Missverständnisse auszuräumen oder ergänzende Erläuterungen zu Detailfragen abzugeben. Im Falle der Postbank wurde auch noch das Ergebnis des ersten Quartals 2004 in die Reports eingebaut, die dann am 20. Mai – also einen Monat nach der Präsentation – fertig gestellt wurden. Am Ende des ganzen Vorbereitungsprozesses und vor Beginn der so genannten Roadshows lassen sich sämtliche Aspekte der Bewertung eines Unternehmens in die Preisspanne zusammenfassen, zu der man ein Unternehmen je Aktie am Markt anbieten möchte. Sie ist das Ergebnis des „Pre-Marketings“ – der Vorgespräche mit einigen wichtigen Investoren auf Basis der Analystenreports. Mit dieser Preisspanne gehen die Teams eines Unternehmens „auf die Straße“, on the road. Diese Roadshows haben eine sehr hohe Bedeutung, denn sie sind einerseits die einzige Chance für die weltweit verstreut sitzenden Investoren, mit dem Management des Unternehmens direkt Kontakt aufzunehmen. Vorher kennen sie ein Unternehmen, welches zum ersten Mal an die Börse geht, nur vom Papier. Andererseits sind die Roadshows für das Management des entsprechenden Unternehmens von immenser Bedeutung, weil es hier die Möglichkeit hat, die Strategie und das Geschäftsmodell „beyond the numbers“ zu erläutern. Alles, was man materiell bewerten kann, fließt auch schon vor dem Börsengang in den Buchwert eines Unternehmens ein. Der so genannte faire Unterneh-

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

menswert setzt sich aber aus dem Buchwert und einer Einschätzung über das immaterielle Wertvermögen eines Unternehmens zusammen. Ist das Management fähig, Retailbanking in Deutschland zu machen? Hat das Management ein IT-System, mit dem man kostengünstig Massengeschäft betreiben kann? Hat das Bankmanagement ein Risikomanagement, welches Risiken „im Griff“ hält? Dies sind beispielhafte Fragen, auf die ein Investor während der Roadshows Antworten erwartet. Die Postbank hat als fairen Unternehmenswert für ihr gesamtes Institut immer einen Wert von rund 6 Milliarden € im Auge gehabt. Sie ist am 7. Juni 2004 mit einer Preisspanne von 31,50 bis 36,50 € auf die Roadshows gegangen. Dies hätte bedeutet, dass das Emissionsvolumen zwischen 2,58 bis 2,99 Milliarden € für die geplanten 50% betragen hätte. Daraus hätte sich ein gesamter Marktwert des Unternehmens von zwischen 5,4 und 6,0 Milliarden € ergeben. Für die Bewertung einer solchen Kapitalmaßnahme ziehen die Investmentbanken und die Investoren unterschiedliche Modelle heran. Die beliebtesten sind verschiedene Varianten, zukünftige Gewinne auf die Gegenwart abzuzinsen (so genannte Discounted Cashflow Methoden), Buchwertmultiplikatoren (deren Höhe von der Eigenkapitalrendite abhängt) und das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Diese ursprüngliche Preisspanne ließ sich am Markt so nicht realisieren. Allerdings ist es Deutsche Post World Net doch gelungen, mindestens 2,5 Milliarden € einzunehmen, indem sie zwar einerseits die Preisspanne auf zwei Drittel des ursprünglichen Volumens auf 28,00 bis 31,50 € gesenkt hat, andererseits das restliche Drittel über eine Umtauschanleihe mit einem Premium so ausgestaltet hat, dass die gesamte durchgerechnete Transaktion der Postbank im Schnitt 31,50 € je Aktie gebracht hat.

DIE ORGANISATION DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Die Organisation des Börsengangs der Postbank

3.1 Projektorganisation Einen IPO zu organisieren, ist die klassische Aufgabe für eine Projektorganisation: Sie wurde im Falle des Postbank-Börsengangs vom so genannten Konzernvorstandsprojektausschuss (kurz KVP) geleitet, der hier unter Vorsitz von Dr. Klaus Zumwinkel und den Mitgliedern Prof. Dr. Wulf von Schimmelmann als zuständigem Konzernvorstand und Dr. Edgar Ernst als Finanzvorstand der Deutsche Post World Net besetzt war. Der KVP ist das oberste Entscheidungsgremium, welches zudem die Einbindung der relevanten Gremien zu gewährleisten hat. Insofern war der gesamte Börsengang ein Konzernprojekt von Deutsche Post World Net. Die eigentliche operative Arbeit begann mit dem Koordinationsausschuss IPO (kurz KA), dem eine Reihe von Zentralbereichsleitern von Deutsche Post World Net und Postbank unter Leitung des Generalbevollmächtigten und Leiters der strategischen Planung der Postbank, Dr. Torsten Lund, angehörten. Hier laufen die Fäden zusammen, muss der Überblick gewahrt und die Entscheidungen vorbereitet werden. Dr. Lund war der zentrale Koordinatior für die gesamte Programmleitung, der die nachfolgend beschriebenen fünf Teams für die operative Arbeit des Börsengangs steuerte und koordinierte. Im Falle des Postbank-IPOs sind dies jeweils unter Leitung eines so genannten Program Leaders: das Team Equity Story und Bewertung (Dr. Lund), Kommunikation/Marketing (Prof. Harnischfeger), Investor Relations (Herr Ziegenbalg), Due Diligence und Dokumentation (Herr Stemmer) sowie Deal Structure und Offering (Herr Goebel). In diesen fünf Teams wurde die gesamte Arbeit geleistet und nach oben verdichtet aufbereitet und zur Entscheidung vorgelegt. Die einzelnen Teams trafen sich in der Regel einmal pro Woche, KA sowie KVP in der Regel einmal im Monat, teilweise gab es Sondersitzungen. Zur Verzahnung mit der Programmleitung unter Federführung von Dr. Lund war jedem der einzelnen Teams neben dem Program Leader ein so genannter Program Director zugeteilt, der die Arbeitsprozesse organisierte und koordinierte. Alle Teams sowie die koordinierenden und entscheidenden Ausschüsse haben für die sie betreffenden Fragen sowohl externen als auch internen Rat zugezogen und darüber hinaus teilweise auch Mitglieder der globalen Koordinatoren-Banken in die Teams geholt.

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

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Projektstruktur und -beteiligte Präsentationstitel Das Gesamtprojekt

KVP

Koordinationsausschuss IPO

Programmleitung Projektmanagement und Qualitätssicherung

Equity Story und Bewertung

Kommunikation/ Marketing

Investor Relations

Due Due Diligence Dili-gence und und Dokumentation Dokument.

Team Kommunikation - Initial Briefing Banken

Deal Structure und Offering

Seite 4

Die Projektorganisation des Börsengangs

Soweit betrifft dies die interne Projektorganisation. Die externe Projektorganisation stand unter Leitung der beiden globalen Koordinatoren (GloCos) und Bookrunner dieses IPOs, der Deutschen Bank und Morgan Stanley. Besonderheit war dabei, dass die Postbank als so genannter Joint Retail Coordinator eine herausragende Position beim eigenen Börsengang einnahm. Das Konsortium umfasste insgesamt 19 Banken. Zudem gab es Berater für juristische und kommunikative Aspekte. Eines der wichtigsten Gremien in der gesamten IPO-Prozessorganisation ist die Clearingstelle, die sicherstellt, dass sämtliche Kommunikation im Einklang mit dem Prospekt für den Börsengang steht und kein Anlass für mögliche Forderungen aus der Projekthaftung besteht. Sie ist aus externen und internen Mitgliedern zusammengesetzt. Die Clearingstelle wacht über die rechtskonforme Umsetzung der Equity Story und hat als Appendix ein Eskalationsgremium, das bei Bedarf tagen kann. Die Clearingstelle ist auch Wächterin der Publizitätsrichtlinien.

DIE ORGANISATION DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Publicity Guidelines Grundsätzliche Publizitätsrichtlinien Präsentationstitel Abgestimmte und verabschiedete Richtlinien

Wichtige Hinweise zu den Publizitätsrichtlinien Publizitätsbeschränkungen hinsichtlich des Börsengangs sind bereits in Kraft! Prozessuale und inhaltliche Beschränkungen Nichteinhaltung der Beschränkungen kann den Z eitplan für das Angebot stören und zu Haftungsrisiken führen Kontrollstelle für Fragen der Publizitätsrichtlinien ist für die Deutsche Post und die Deutsche Postbank eingerichtet ([email protected]) Publizitätsrichtlinien sollten von jeder Person gelesen werden, die sich im Namen der Deutschen Post oder der Deutschen Postbank im Z usammenhang mit dem Börsengang gegenüber der Presse, Analysten, potenziellen Investoren oder der Öffentlichkeit äußert

Team Kommunikation - Initial Briefing Ban ken

Seite 10

Die wichtigsten Publizitätsrichtlinien

3.2 Kommunikations-Organisation Die Kommunikation des Postbank-IPOs lag in der Verantwortung des Teams Kommunikation/Marketing unter Leitung des Program Leaders Prof. Manfred Harnischfeger, dem Zentralbereichsleiter für die Unternehmenskommunikation von Deutsche Post World Net und Postbank. Ihm zur Seite gestellt waren: Dr. Ralf Kauther als Program Director zur Verzahnung der Prozesse sowie der Leiter der Presseabteilung der Postbank, Joachim Strunk, als Stellvertreter des Teamleiters. Die Kommunikation des Börsengangs war folglich eine Konzernaufgabe und nicht alleine eine Aufgabe der Postbank. Das ist eine wichtige Anmerkung; denn schließlich handelte es sich ja auch um einen Vermögenswert des Konzerns, der zwar teilweise über die Börse verkauft werden sollte, aber in der Mehrheit (50% plus eine Aktie) im Konzernbesitz bleiben sollte. Das Kick-Off-Treffen des Teams Kommunikation, auf dem bereits die Eckdaten für den Börsengang in den Zeitplan der Kommunikation eingearbeitet werden konnten, fand am 7. August 2003 statt. Von Anfang an war klar, dass nach der Sitzung des Aufsichtsrats der Deutschen Postbank AG am 29. September die Ankündigung der Prüfung des Börsengangs der Postbank veröffentlicht werden sollte. Für die unter Vertraulichkeit arbeitenden Mitglieder aller Teams war auch klar, dass der Zeitplan so ausgerichtet sein sollte, dass ein

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Börsengang „noch vor der Sommerpause 2004“ möglich sein könnte; der 21. Juni war von Beginn an das „Arbeitsdatum“. Dies bedeutete, dass der IPO eine Vorbereitungszeit von neun Monaten hatte, die mit der Prüfungs-Ankündigung begann und mit dem geplanten Börsengang endete. Da es den Rahmen sprengen würde, alle einzelnen Eckdaten aufzuzählen, sollen die folgenden wesentlichen Kommunikationspunkte aufgeführt werden: In 2003 waren dies vor allem: Ö die Bekanntgabe der beiden globalen Koordinatoren unter den Investmentbanken im Oktober; Ö die Vorstellung des Programms „Fit für die Zukunft“ der Postbank im November; Ö der Beginn der Positionierungskampagne der Postbank mit Jahresbeginn 2004. In 2004 wurde die „Taktung“ enger: Ö Die Jahrespressekonferenzen von Deutsche Post World Net und kurze Zeit später der Postbank im März waren feste Daten im Kommunikationsplan. Mit der Jahrespressekonferenz der Postbank am 24. März wurde die „PreOffer-Phase 1“ gestartet, die zur Hauptversammlung von Deutsche Post World Net am 6. Mai abgeschlossen werden sollte. In der „Pre-Offer-Phase 1“ wurde das vollständige Syndikat der 19 Konsortialbanken benannt und die Analystenpräsentation (am 19. April) gehalten, auf deren Basis die Analystenberichte verfasst und am 20. Mai den Institutionellen Investoren zugestellt wurden. Ö Für den 6. Mai war geplant, dass die Deutsche Post World Net anlässlich ihrer Hauptversammlung bekannt geben wollte, dass sie die Prüfung des Börsengangs erfolgreich abgeschlossen habe und den Börsengang noch vor der Sommerpause durchführen wollte. Das war der Beginn der „PreOffer-Phase 2“. Der Termin war der 21. Juni 2004.

DIE ORGANISATION DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Kommunikationsphasen - idealtypisch Vermarktungsphasen Präsentationstitel

Vorbereitung / Corporate Phase

ƒ Vorbereitung IPO: Transaktionsstruktur, Equity Story, Marketingstrategie ƒ Kontrollierte, limitierte Botschaften zum IPO ƒ Fortführung der regulären Pressearbeit, W erbung

Pre-Offer Phase

ƒ Konkrete Ankündigung IPO, erste Informationen zum Angebot ƒ Profilierung in den Zielgruppen ƒ Intensive Pressearbeit ƒ Start Marketingkampagne zur Equity Story

Offer-Phase

ƒ Details des Angebotes (Preisspanne etc.) ƒ Bookbuilding / Roadshow ƒ Marketingkampagne mit Handlungsaufforderung zur Zeichnung: „Jetzt zur Bank und zeichnen“

Post IPO

ƒ Investor Relations ƒ Regelmäßige Information aller Zielgruppen zur Strategie und Entwicklung des Unternehmens

ƒ Start MitarbeiterKommunikation

Team Kommunikation - Initial Briefing Ban ken

Seite 19

Die Phasen des Börsengangs

In der ersten Phase von der Ankündigung der Prüfung bis zum Beginn der „Offer Phase“ im März ging es um eine Unternehmenskampagne, in der die eigenständige Positionierung der Postbank im Wahrnehmungsfeld im Vordergrund stand. Die folgenden Phasen waren dann in erster Linie auf die IPOKommunikation ausgerichtet. In dieser ersten Phase wurde durch einen verstärkten Werbedruck natürlich bereits auch die Zielgruppe der Aktionäre angesprochen sowie durch ein „News“-Programm eine verstärkte Kommunikation mit den Medien betrieben. In der „Pre-Offer Phase“ zwischen März und Anfang Juni ging es um eine verstärkte Information rund um den Börsengang und die Begründung des Börsengangs gegenüber den verschiedenen Zielgruppen, vor allen Dingen gegenüber den Institutionellen und Privaten Investoren. Am Ende dieser Phase wurde auch das Angebot konkretisiert und die Schaffung von Kaufanreizen und Bevorrechtigungen für bestimmte Zielgruppen und Anlegerkreise erläutert.

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4

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Die Zielgruppen des Börsengangs der Postbank

Ein Börsengang ist niemals nur eine Kapitalmarktmaßnahme allein, er ist auch eine Chance, das Image des Unternehmens aufzuwerten. Gerade in Zeiten der zunehmenden Aktienkultur in Deutschland, die selbstverständlich über die letzten Jahre stark gelitten hat, ist ein IPO auch immer ein öffentliches Ereignis – zumal dann, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, welches früher einmal eine Behörde war und in diesem Falle mittelbar aus Staatsbesitz privatisiert wird. Daher müssen neben den potentiellen Aktionären auch andere Zielgruppen berücksichtigt werden.

4.1 Zielgruppe Aktionäre Natürlich sind die wichtigsten Zielgruppen eines Börsengangs die Institutionellen und Privaten Aktionäre. Die großen Institutionellen „machen es für Geld mit anderer Leute Geld“, die kleinen Privaten „machen es mit eigenem Geld“. Institutionelle Aktionäre Bei Institutionellen Aktionären handelt es sich um große Institutionen, z. B. Kreditinstitute, Versicherungen, Pensionsfonds, die über ihre Fondsgesellschaften in der Regel Fremdkapital in Aktien investieren. Sie sind gewissermassen die Profis unter den Investoren, die im vorliegenden Fall ihren Portefeuilles – je nach Zusammensetzung, Ausrichtung und Zielvorgabe des FondsManagements – Bank-Aktien „beimischen“ sollen. Diese kleine Gruppe von Institutionellen sind ein paar Hundert Adressen weltweit, die jede der begleitenden Investmentbanken in- und auswendig kennen sollte. „Kennen sollte“ bedeutet dabei, dass man wissen muss, welcher nationale Institutionelle Investor noch Deutsche Aktien hinzunehmen kann und will, wer entsprechend liquide Mittel „in der Kasse“ hat, wer Bank-Titel aufnehmen möchte und nach welchen Vorgaben (Index-Bindung oder Eigentümerstruktur etc.) diese Fonds ihre Auswahl treffen dürfen. Im internationalen Umfeld geht es andersherum: Welcher Fonds möchte noch ausländische Titel in sein Portefeuille aufnehmen, wer sucht Aktien aus Deutschland, wer braucht Bank-Aktien und wer sucht unter den Bank-Aktien vielleicht Spezialisten, z. B. ein „pure retail play“ wie die Postbank? Auch wenn es ein paar Hundert Adressen sind, so ist dies keine Massenkommunikation, sondern eine direkte Zielansprache auf den so genannten Roadshows. Im Falle der Postbank sind zwei unterschiedliche Teams zwei Wochen lang praktisch durch die ganze westliche Welt gereist und haben insgesamt rund 500 Top-Adressen in Einzel- oder Gruppengesprächen getroffen. Der Zeitplan für diese Roadshows ist exakt geplant, so dass eine Vielzahl von „getakteten“ Terminen von morgens um sieben bis abends um zehn stattfinden.

DIE ZIELGRUPPEN DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Roadshow Schedule W eek 1

Yello w

B lue

W eek 2

Mo n 7th June FR AN K F UR T O ne on one x 1 P res s C onfer enc e Lunc h O ne on one x 3

T ue 8th June F RAN K F U R T O ne on ones x 2

FR AN K F UR T Attend one on one x 1 Attend Lunc h Attend one on ones x 3

COLO GNE O ne on ones x 2

Mo n 14th June LO N D O N O ne on O nes x 7

Yello w

M U N IC H O ne on ones x 4 C oc ktails

D ÜS S E LD O R F Lun c h O ne on O ne s x 3 T ue 15th Jun e N EW YO R K O ne on ones x 3 P res s B riefin g Lun c h O ne on ones x 3

Tr avel to New York

B lue

W ed 9 th Ju ne LON DON O n e on one s x 3 P r es s B riefing Lu nc h O n e on one s x 3

Thu 10th June LO ND O N B re akfa s t O ne on ones x 6

F ri 11th Jun e LONDO N O n e on one s x 3 Lu nc h O n e on one s x 3

S at 12th Jun BONN

LON DON O n e on one s x 3 Attend Lunc h O n e on one s x 3

E D IN B U R G H B re akfa s t O ne on ones x 2

G E N E VA B reakfas t O n e on one x 1

BONN

D U B LIN O ne on ones x 2

ZU R IC H Lu nc h O n on ones x 3

Thu 17th June LO ND O N C o nfere nc e c alls / O ne on ones x 4

F ri 18th Jun e P AR IS O n e on one s x 3 Lu nc h O n e on one s x 3

W ed 1 6th June B O ST O N O n e on one s x 3 Lu nc h O n e on one s x 3

F ree

F ree

S at 19th Jun

T ravel to Lo ndon

S AN D IE G O O ne on ones x 2

D E N VE R O ne on ones x 2

AM S T E R D AM O ne on ones x 3

C O P E N H AG E N B reakfas t

S AN F R AN C IS C O O ne on ones x 4

M IN NE AP O LIS O ne on O ne s x 2

T H E H AG U E O ne on ones x 1

ST O C KH O LM Lu nc h O n e on one s x 3

T ravel to Am s terd am

R O T T E R DAM O ne on ones x 1

AM S T E R D AM C onferenc e C alls x 4

F IN IS H

Seite 16

Roadshow-Plan der Postbank-Teams

Institutionelle Aktionäre stellen eine machtvolle Gruppe dar, deren Bedeutung im Kräfteparallelogramm der Kapitalmarktteilnehmer in den letzten Jahren offensichtlich deutlich zugenommen hat. Die Investmentbanken sind lange nicht mehr die bestimmenden Adressen in einem Börsengang, sondern letztendlich sind es die Käufer selbst. Die wiederum sind aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre sehr viel kritischer geworden und wollen nun sehr genau wissen, was sie für welchen Preis zu kaufen haben. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen. Im Rahmen des „Pre-Marketings“ oder des „Pre-Offers“ müssen die Unternehmen besser auf die Vertretung ihrer Interessen achten: Analystenberichte haben heute nicht mehr den Empfehlungscharakter wie früher, denn sie müssen sich einer Preisvorgabe heute enthalten, sind inhaltlich viel kritischer und betonen eher die Nachteile, als dass sie die vorhandenen Vorteile herausstellen. Unternehmen müssen sich genau überlegen, wie sie die inhaltliche Lücke zwischen der Veröffentlichung der Analystenberichte im „Pre-Offer“ und der Veröffentlichung der oftmals „schwer verdaulichen“ Börsen-Prospekte zu Beginn der „Offer Phase“ füllen. Somit erhalten die „Offer-Phase“ und die Roadshows ebenfalls eine ganz andere Bedeutung als früher, da sich hier Emittent und Investor gegenübersitzen: Emissionspreise zu erzielen, die über den Buchwerten eines Unternehmens liegen, dürfte immer schwieriger werden. Das bedeutet für ein Unternehmen, dass es sehr frühzeitig potentielle Investoren über Managementqualität, Technologiekompetenz, Innovationsführerschaft und/oder Kundenloyalität,

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

Markenimage oder schlicht und ergreifend den strategischen Track Record informieren sollte. Wenn eine Kapitalmaßnahme offiziell ansteht, ist es aus Gründen der Publizitätsvorschriften oftmals bereits zu spät, da gerade immaterielle Werte stark zukunftsorientiert sind und deshalb nur sehr eingeschränkt kommuniziert werden dürfen. Marktwerte über den Buchwerten lassen sich nur über immaterielle Wertkommunikationen erläutern. Für die Postbank war es im institutionellen Umfeld vor allen Dingen sehr wichtig, sich auf europäischer Ebene einer Peer-Group zu stellen, mit der man sich wirklich vergleichen wollte und konnte. In Deutschland ist die Postbank so einzigartig, dass sich eigentlich jeder Vergleich mit den anderen Bankenadressen verbietet. Private Aktionäre Letztendlich bestimmen zwar die Institutionellen Aktionäre mehr oder weniger den Preis, aber die so genannten Privaten oder auch die kleinen, im angelsächsischen Raum als „Retail Investors“ bezeichneten Aktionäre sind sehr wichtig. Von Anfang an war im Falle des Börsengangs der Postbank klar, dass die Aktie keine „Volksaktie“ werden sollte. Dies ist mitnichten eine Kritik an den Volksaktien-Börsengängen, sondern eine klare strategische Ausrichtung dieses Börsengangs. Zum einen sind Banktitel als solche schwieriger vermittelbar und schon deshalb schwierig, an die breite Masse zu verkaufen. Zum zweiten war man sich natürlich über die Historie bewusst, dass viele private Aktionäre den einen oder anderen Titel im Portefeuille haben, der jetzt unter seinem Einstandspreis notiert ist. Die Bedeutung des Retail-Anteils eines Börsengangs ist sehr öffentlichkeitswirksam und oftmals sehr psychologisch: Zum ersten ist es immer gut, wenn man einen solchen Börsengang nutzen kann, um das Geschäftsmodell, die Marke und das Management eines Unternehmens auch einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen zu können. Dies geschieht insbesondere über die massenkommunikativen Maßnahmen rund um den Börsengang – angefangen von der klassischen Werbung, über die spezielle Pressearbeit eines Börsengangs bis hin zu PR-Maßnahmen wie den Dreimastsegler De Liefde, der während der „Pre Offer“ und „Offer Phase“ vom Stammsitz der Bank in Bonn den Rhein hinabsegelte bis nach Frankfurt, am Tag der Erstnotierung der Postbank-Aktie. Die Postbank beziehungsweise Deutsche Post World Net hat nie eine Quote kommuniziert, wie viel Retail-Anteil sie erzielen wollte. Wichtig war den Unternehmen allerdings, dass Mitarbeiter von der Postbank und Deutsche Post World Net die Gelegenheit haben sollten, die neue Aktie zu zeichnen und dafür auch noch eine Bevorrechtigung und einen kleinen finanziellen Zuschuss zu erhalten. Normalerweise sagt man, dass eine Verteilung von 80% auf Institutionelle und 20% auf Retail-Investoren eine gute Mischung sei. Für eine solche Quote muss man allerdings bereits massiv in die Werbung investieren, was die Postbank aus Gründen der Ablehnung der Volksaktie so nicht getan hat.

DIE ZIELGRUPPEN DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Marketing Strategie Präsentationstitel ZZiele iele der der Transaktion Transaktion ƒ W ahrnehmung als Erfolg ƒ Überzeichnung ƒ Stärkung von Bekanntheit und Image ƒ Breite Investorenbasis ƒ Qualitativ hochwertige, langfristig orientierte Anleger

Marketingziele Marketingziele Aktien sind knapp Kommentatoren und Investoren sind überzeugt, dass die Nachfrage nach den Aktien das Angebot übersteigt

ƒ Optimaler Emissionserlös ƒ “G esunder” Sekundärmarkt

Team Kommunikation - Initial Briefing Ban ken

Aufgaben Aufgaben des des Marketing Marketing Über das Unternehmen und seine Stärken aufklären Transaktion bekannt machen Für positive W ahrnehmung und Verständnis der “Equity Story” bei den relevanten Zielgruppen sorgen

Seite 18

Marketing-Strategie des Börsengangs

4.2 Zielgruppe Mitarbeiter Die nächste Zielgruppe eines Börsengangs sind selbstverständlich die Mitarbeiter des eigenen Hauses. Sie sind eine gut informierte Gruppe; denn sie kennen das Unternehmen sehr genau. Insofern ist eine hohe Mitarbeiterbeteiligung für einen Börsengang ein extrem wichtiges psychologisches Instrument; denn sofern die Experten eines Unternehmens die dazugehörende Aktie zeichnen, muss wohl die Equity Story beziehungsweise das Geschäftsmodell stimmen. Aus Sicht des Unternehmens kommt aber ein weiterer Aspekt hinzu: Ein Mitarbeiter eines börsennotierten Unternehmens zu sein, welches – wie die Postbank es formulierte – Substanz nicht nur bewegt sondern auch hat, ist ein hoher Motivationsschub. In der Regel werden (finanzielle) Anreizsysteme für Mitarbeiter gesetzt, in dem man ihnen einen gewissen „Rabatt“ auf den Emissionspreis anbietet, dafür aber den Verkauf der Aktien für einige Zeit „sperrt“.

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

4. Die Kommunikationskampagne in 5 W ellen Interne Kommunikationskampagne

W elle 1: Ankündigung

W elle 2: Information zur Zeichnung

W elle 3: Ankündigung Erstnotierung

Welle 4: Endspurt

Welle 5: Verlängerung

Welle 6: Danke

Börse kompakt (Auflage je 215.000)

Handzettel / Plakat

Beileger Bezügemitteilungen (Auflagen 150.000 – 240.000)

Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm – Konzernkommunikation, Stand 24. Juni 2004

022-4 – Einfeldt: U: Standard MABP

(Auflage je 215.000/ 32.000)

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Mitarbeiterkampagne für den Börsengang

Man kann die eigene Leistung nicht nur im persönlichen Mitarbeitergespräch, über die Kundenzufriedenheitsanalyse, sondern grosso modo auch über eine Bewertung am Kapitalmarkt ablesen. Gerade im Falle der Postbank ist dies besonders wichtig, da die Postbank als Bank in der Öffentlichkeit gar nicht richtig wahrgenommen wurde, weil sie im Rahmen eines erfolgreichen Logistik-Konzerns versteckt war. Nun hat die Postbank zwar immer noch ihre starke Mutter und Mehrheitsgesellschafterin, die Deutsche Post World Net, aber sie hat eine eigenständige Notierung am Kapitalmarkt und damit eine viel bessere Möglichkeit, sich unter den Banken in Deutschland zu positionieren und last but not least die Chance, sich als eine der führenden Banken in Deutschland zu etablieren.

4.3 Zielgruppe Kunden Als weitere Zielgruppe eines Börsengangs darf man die Kunden keinesfalls unterschätzen. Denn auch die Kunden kennen ein Unternehmen sehr genau, sind mit seinen Produkten, der Dienstleistung und den Prozeduren sehr gut vertraut. Zudem kann man natürlich auch Kunden zu Aktionären machen, was im Falle der Postbank insbesondere über das Angebot einer bevorrechtigten Zuteilung für die Wertpapier-Depot-Kunden ermöglicht werden sollte.

DIE ZIELGRUPPEN DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Deshalb hat die Postbank großen Wert auf eine Abstimmung von Unternehmens- und Produktkommunikation vor allen Dingen in der ersten Phase, der so genannten „Corporate Phase“, gelegt. Während die normale Produktkommunikation weiterlief, startete die imageorientierte Unternehmenskampagne, mit der die Postbank noch vor der heißen „Pre-Offer-Phase“ des IPOs auch als Ganzes bekannt gemacht werden sollte. Es gibt wohl kaum ein wichtigeres Instrument der Kommunikation als das Marketing, welches während eines solchen Projekt-Falles integriert betrachtet werden muss. Das gilt für die Produkt- und Unternehmenskommunikation, aber auch für die Abstimmung aller werblichen Maßnahmen mit weiteren bezahlten PR-Maßnahmen sowie mit der normalen Presse und Investorenarbeit und mit der Mitarbeiterkommunikation. Dass der Postbank dies offensichtlich gelungen ist, lässt sich an zwei Beispielen festmachen: Zum einen wurde gerade im ersten Quartal 2004 mit 254.000 Neukunden der größte Zuwachs in der Geschichte der Postbank verzeichnet, während gleichzeitig die gesamte Markenbekanntheit der Postbank im Rahmen ihres Werbetrackings gestiegen ist.

Werbemotiv

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

4.4 Zwischenzielgruppe Medien Als weitere Zielgruppe eines Börsengangs bleiben die Medien zu analysieren, die das Bindeglied zwischen Unternehmen und allgemeiner Öffentlichkeit darstellen. Medien sind im Prinzip keine Zielgruppe per se, sondern viel eher eine Zwischenzielgruppe, da im Grunde nicht die Journalisten für das Unternehmen interessant sind, sondern vor allem die durch sie erreichbaren Leser oder Zuschauer. In der Kommunikation mit den Medien sind besonders vielschichtige Abstimmungsprozesse notwendig. Zum einen gibt es ein enges Zusammenspiel zwischen Medien und Analysten – und dies, obwohl Analystenberichte nicht mehr offiziell an die Medien gegeben werden dürfen –, zum anderen fühlen sich die Medien als Wächter der Öffentlichkeit und damit auch der aktienrelevanten Öffentlichkeit, nämlich der privaten Kleinaktionäre. Das Arbeitsverhältnis zwischen Unternehmen und Medien wird aber durch die immer strengeren Publizitätsrichtlinien deutlich komplizierter. Die Medien haben aber auch noch eine ganz besondere Funktion im Rahmen der Krisenberichterstattung, die ja auch den IPO der Postbank in gewissen Phasen gekennzeichnet hat. Krisenkommunikation ist fast immer ausschließlich reine Pressearbeit, weil andere PR-Massnahmen, Analystenreports oder weitere Kommunikationsinstrumente nicht schnell genug greifen. Auch hierbei ist es besonders schwierig, den Publizitätsanforderungen einerseits und den Publizitätsbeschränkungen andererseits gerecht zu werden.

DIE ZIELERREICHUNG DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

5

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Die Zielerreichung des Börsengangs der Postbank

Wie setzt man nun die Kommunikation mit den Zielgruppen um? Die wesentlichen Mittel zur Erreichung der oben genannten Ziele für die wichtigsten Zielgruppen sind: die Pressearbeit, das Investor Relations, die Werbung, einige PR-Massnahmen sowie die Mitarbeiterkommunikation. Hier spannt sich im Prinzip eine Matrix auf, denn kein Instrument ist auf eine Zielgruppe allein zugeschnitten.

5.1 In der Werbung Die Positionierungskampagne Postbank 2004 musste in zwei Richtungen anschlussfähig sein: zum einen an die Equity Story und damit die direkte IPOKampagne, zum anderen selbstverständlich an den Vertriebsplan und die Schwerpunkte in der Produktkommunikation und die sie vertriebsunterstützende Kommunikation. Dabei galt es in jeder Hinsicht sowohl funktionale als auch emotionale Aspekte zu berücksichtigen. Funktional sind Aspekte wie die Erreichbarkeit, die Preisgünstigkeit und die Produktpalette für die wichtigsten Bankdienstleistungen; emotional sind hingegen Aspekte wie Sympathie, Kundenorientierung und das Gefühl, bei der Postbank gut aufgehoben zu sein. Die Werbung war von vornherein darauf angelegt, speziell und zielgenau die Markenbekanntheit der Postbank zu verbessern, Information über den Börsengang der Postbank zu geben und letztendlich Informationsanreize für die Zeichnung zu setzen. Das Gesamtbudget für den Werbeaufwand im Rahmen des Postbank-IPOs muss differenziert betrachtet werden: zum einen in der ersten Phase der Unternehmenskampagne und zum anderen die speziellen werblichen Maßnahmen in der „Pre Offer“ und „Offer Phase“. Die Postbank hat vom 1. Januar 2004 bis zur Erstnotierung am 23. Juni die Trailer der beliebten und bekannten Börsensendung „Börse im Ersten“ präsentiert. Dies war sozusagen die durchgehende TV-Kommunikation für die Postbank, bei der man eigentlich auf eine Imagekomponente gesetzt hat, aber andererseits durch die Nutzung des Formates Börse im Ersten einen Bezug zum Kapitalmarkt hergestellt hat. Darüber hinaus wurden gezielt Werbemaßnahmen in überregionalen Tageszeitungen; Publikumszeitungen sowie im Verlaufe auch in Radiospots und weiteren Fernsehspots geschaltet. Diese Maßnahmen dürfen aber nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen an die Produktwerbemaßnahmen der Postbank anschlussfähig sein. Für die Produktwerbemaßnahmen ist Franz Beckenbauer Hauptwerbeträger der Postbank, der im Verlaufe der gesamten Betrachtungsspanne diverse Fernseh- und Printwerbemaßnahmen für die Postbank gemacht hat. Es war von vorneherein klar, dass Franz Beckenbauer nicht als Werbeträger für den ei-

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FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

gentlichen Börsengang herangezogen werden sollte, um Unternehmens- und Produktwerbung nicht miteinander zu vermischen. Das Ergebnis des Kampagnentracking der Postbank ist außergewöhnlich gut: Trotz eines relativ geringen Werbevolumens und steigendem Wettbewerbsdruck anderer Bankadressen stieg die gestützte Werbeerinnerung der Postbank im Monat Juni auf einen Höchstwert von 56% an. Auch die spontane Werbeerinnerung der Postbank konnte sich kurz vor dem Börsengang von 7 auf 8% steigern und bleibt damit konstant über ihrer langjährigen 5% Schwelle. Dies alles erreichte die Postbank, obwohl sie im Feld der deutschen Banken keinesfalls die höchsten Werbeausgaben hat. Einen Monat vor dem Börsengang lag die spontane Markenbekanntheit der Postbank bei 23%. Viel wichtiger ist aber auch noch, dass die Imagedimensionen der Postbank-Marke gut verortet wurden: 42% glauben, dass die Postbank ein Vollsortimenter ist, das heißt, dass sie eine komplette Produktpalette für die wichtigsten Bankdienstleistungen anbietet. 45% wissen, dass die Postbank eine Bank ist, die man über alle Wege erreichen kann, das wichtige Multikanal-Argument der Postbank.

5.2 In der Mitarbeiterkommunikation Die Zielsetzung der Mitarbeiterkommunikation im Rahmen des Börsengangs war die Information aller Mitarbeiter von Deutsche Post World Net und der Postbank, um sie einerseits zur Teilnahme am Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm (MABP) zu motivieren und um andererseits darüber die Integration der Postbank im Konzern zu fördern. Auch hier steht das Konzerninteresse gleichgewichtig neben dem Teilkonzerninteresse der Postbank. Soweit das Anreizsystem; aber man muss das Programm dennoch an den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin bringen. Dabei wurden die Führungskräfte des Konzerns ab Anfang Februar 2004 in mehreren Wellen informiert: über Management-E-Mails, die ein Anschreiben des Vorstandsvorsitzenden und Postbank-Vorstandsvorsitzenden mit der Bitte um direkte Unterstützung des Börsengangs enthielten. Darüber hinaus wurden diese Führungskräfte von Koordinatoren über eine konzerninterne Roadshow informiert und mit ChartVorträgen in drei verschiedenen, zeitlich abgestimmten Versionen ausgestattet, um optimal über den Börsengang informiert zu sein. Natürlich wurden im Corporate Intranet sämtliche offiziell verfügbaren Informationen über den Börsengang ebenfalls zeitaktuell bereitgestellt. Der Erfolg der Mitarbeiterkommunikation im Rahmen des Börsengangs kann sich sehen lassen: Über 63% der Mitarbeiter der Postbank und der Filialen sowie mehr als die Hälfe der Mitarbeiter von Deutsche Post World Net haben eine der zwei Varianten der bevorzugten Zeichnungsberechtigung genutzt.

DIE ZIELERREICHUNG DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

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Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm

5.3 In der Pressearbeit Die Pressearbeit von Deutsche Post World Net für den Börsengang der Postbank im Zusammenhang mit diesem IPO kann nicht losgelöst von den beiden externen „Kommunikationsschocks“ beurteilt werden: Vom 29. September, der Ankündigung der Prüfung eines Börsengangs, bis zu den ersten Gerüchten über eine potentielle gesamte Übernahme der Postbank rund um den 6. Mai 2004 hat die Postbank in 170 Artikeln der wesentlichen meinungsführenden Medien eine deutlich positive Resonanz und Tendenz erfahren. Erst in der Phase 2, zwischen dem Gerücht über die vollständige Übernahme bis zur Ankündigung der ersten Preisspanne, sowie in der dritten Phase, von Beginn der „Offer Phase“ über die Veränderung der Kapitalmarkttransaktion bis hin zum eigentlichen Börsengang am 23. Juni, sanken die positiven Berichte und Kommentare in den Medien. Dabei muss man betonen, dass das Geschäftsmodell und das Management der Postbank in den meinungsführenden Medien niemals ernsthaft kritisiert, sondern vielmehr sehr positiv eingeschätzt wurden. Schwieriger war allerdings die Berichterstattung und Kommentierung über die Bewertung der Postbank nach den beschriebenen außergewöhnlichen Ereignissen am 6. und 25. Mai. Es ist müßig, an dieser Stelle darüber zu spekulieren, wie sich die mediale Präsenz und Tendenz entwickelt hätte, wenn es diese beiden Sachverhalte nicht gegeben hätte.

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

282

Tendenzblick: Medien

positiv 13%

neutral 27%

neutral 37%

ausgewo gen 24%

pos itiv 53%

negativ 8% ausgewogen 12%

negativ 26%

Grundgesamtheit: 170

TENDENZ DER MEDIEN 1. PHASE: 21.9.03 – 6.5.04

IPO-Blick Grundgesamtheit: 171

TENDENZ DER MEDIEN 2. PHASE: 7.5.04 – 4.6.04

< neutral 27%

negativ 25%

PERSONENBLICK THEMENBLICK (Backup)

positiv 16%

ausgewogen 32%

ÜBERBLICK TENDENZBLICK

• Sehr hohe Medienpräsenz, aber abnehmende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Unternehmen. Negative Medientendenz ab der zweiten Phase, als die Bewertungsdiskussion dominiert.

Grundgesamtheit: 181

ZUSAMMENFASSUNG

TENDENZ DER MEDIEN 3. PHASE: 5.6.04 – 25.6.04

positiv positiv ausgewogen ausgewogen negativ negativ neutral neutral

Bericht über den Börsengang der Postbank PRÄSENTATIONSVERSION

Medientendenz

5.4. In den Investor Relations Investor Relations ist natürlich Kernthema eines Börsengangs. Hier hatte sich die Postbank folgende Ziele gesetzt: Ö Zunächst wollte die Postbank ihr Geschäftsmodell international bekannt machen, und zwar auch schon vor dem „Pre-Marketing“. Damit hat man bereits am so genannten Capital Markets Day von Deutsche Post World Net im August 2003 begonnen, der die Finanzdienstleistungen als Schwerpunkt hatte. Weitere Treffen fanden im Oktober sowie kurz vor dem „PreMarketing“ in Frankfurt statt. Bereits vor dem „Pre-Marketing“ waren von den Konsortialbanken 500 Investoren mit dem Investment Case der Postbank vertraut gemacht worden – ein Grund mehr für die hohe Anzahl von Terminen auf der Roadshow. Ö Des Weiteren wollte die Postbank dafür sorgen, dass die Qualität der Research-Berichte durch das Feedback mit den Analysten sichergestellt werden konnte. Auch dieses Ziel wurde aus Sicht der Postbank nahezu vollständig erreicht. Ö Zudem hat die internationale Investorengemeinde die von der Postbank als Peer-Group bezeichnete Gruppe von Wettbewerbern im europäischen Ausland weitestgehend akzeptiert.

DIE ZIELERREICHUNG DES BÖRSENGANGS DER POSTBANK

283

Ö Der Konsens der Hochrechnungen gibt die Zukunftsperspektive angemessen wieder. Die Meinungen der verschiedenen Analysten zur zukünftigen Bilanz- und GuV-Entwicklung waren nicht weit gestreut. Ö In der Bewertungsfrage muss man drei Aspekte beurteilen: Ö Es ist der Postbank gelungen, eine hoch qualifizierte Investorenbasis weltweit zu treffen und ihr Unternehmen vorzustellen; Ö das Feedback zum Geschäftsmodell und zur Managementkapazität der Postbank war insgesamt hervorragend; Ö die Durchsetzung der Preisvorstellungen ist nicht in dem Maße gelungen, wie das Management es sich ursprünglich vorgestellt hat. Exkurs: Medien und Analysten Im Zusammenspiel zwischen Medien und Analysten muss man zwei Besonderheiten feststellen, die es so in früheren IPOs nicht gegeben hat: Zum einen haben die Publizitätsrichtlinien einen Austausch an Information zwischen Unternehmen und Medien über Analystenreporte nicht zugelassen. Zwar haben die Analystenreporte auch so das „Licht der Öffentlichkeit“ erreicht, aber es hat ein hohes Maß von Unverständnis bei den Medien gegeben, dass das Unternehmen ihnen nicht die Analystenreporte zur Verfügung stellen konnte. Zum anderen waren die Journalisten dann überrascht, dass die meisten Analystenreporte zwar Modelle vorgegeben haben, mit denen man die Gesamtbewertung der Postbank vornehmen konnte, allerdings selbst keine Bewertung errechnet haben. Damit fehlte den Journalisten die Guidance, die sie bislang aus Analystenreporten gewöhnt war.

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

284

Medien- und Analysten-Meinung FT,29.9.2003: „Postbank, which made a € 399m pretax profit last year, is regarded as an attractive asset for international and domestic investors.“

FAZ,3.6.2004: „Allgemein gilt die Postbank mit einem Kurs zwischen 33 und 35 Euro fair bewertet, weshalb die meisten Fonds einen Ausgabepreis deutlich unter 30 Euro einfordern, um noch über genügend Aufwärtspotenzial in ihren Portfolios zu verfügen.“

FTD,23.6.2004: „Allen grossen Patzern der Deutschen Bank zum Trotz sehen die Investmentbanker in erste Linie die Preisvorstellungen von Post-Chef Zumwinkel als Grund für die Probleme beim Postbank-Börsengang.“

ÜBERBLICK TENDENZBLICK

MEDIENZITATE POSTBANK

IPO-Blick 100%

PERSONENBLICK

80% 60%

THEMENBLICK (Backup)

40% 20% 0%

Phase 1

Phase 3

Phase 2

MEDIENTENDENZ POSTBANK ÜBER DIE GESAMTE ZEITSPANNE

Morgan Stanley, Welt , 30.9.2003: „Die Vorstellungen des Post-Managements sind überzogen. Angesichts der noch unzureichenden Profitabilität hält man lediglich 80 Prozent des Buchwertes von 4,8 Mrd. Euro für gerechtfertigt.“

BZ, 1.6.2004: „Die Investoren fordern einen Abschlag auf den Buchwert und begründen dies vor allem mit der im Vergleich zu Wettbewerbern geringen Eigenkapitalverzinsung sowie der Tatsache, dass die Post Mehrheitseigner bleibe.“

FT,7.6.2004: „But fund manager hunting for a bargain are unlikely to find the offer as attractive as they had once hoped. Many are sceptical about Postbank‘s potential for growth in the fragmented German market.“

ANALYSTENZITATE POSTBANK

Bericht über den Börsengang der Postbank PRÄSENTATIONSVERSION

Medienstimmen zu Analysten- und Investorenmeinungen

positiv positiv ausgewogen ausgewogen negativ negativ neutral neutral

SCHLUSSWORT

285

Schlusswort Das Ziel wurde anfangs damit umschrieben, dass die Postbank an die Börse zu bringen war, um dort im Bankenmarkt eigenständig visibel und am Kapitalmarkt unabhängig bewertet werden zu können. Dieses Ziel wurde zweifelsohne voll und ganz erreicht. Sämtliche Beurteilungsparameter in Bezug auf die wesentlichen Zielgruppen sind sehr positiv beziehungsweise sehr ansprechend gewesen: Die Bekanntheit und Einschätzung bei den Kunden ist deutlich gestiegen, die Bekanntheit und Einschätzung bei den Investoren ist sehr erfreulich und auch die Bekanntheit und Einschätzung der Postbank und ihres Managements in den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit ist positiv zu bewerten. Man sollte sich im Rahmen eines IPOs immer wieder im Klaren darüber sein, dass ein Börsengang zwar ein einmaliges, aber dennoch ein sehr langfristiges Ereignis ist. Wer einmal an die Börse geht, kann kaum oder nur noch sehr selten zurück, denn hier wird eine langfristige Beziehung zu Investoren, aber auch zu Aktien besitzenden Mitarbeitern und/oder Kunden aufgebaut. Ö Sehr kurzfristig wird sich zeigen, ob sich der Kurs der Postbank „gen Norden“ bewegt und damit allen Kritikern an der Bewertungsdiskussion in gewissem Maße das Argument entzogen wird. Eine positive Entwicklung der Postbank-Aktie legt den Grundstein für eine gute Unternehmensbewertung und Entwicklung von Postbank und Mutterkonzern Deutsche Post World Net. Ö In einer mittelfristigen Perspektive hat die Postbank die Chance, diese positive Entwicklung mit Hilfe ihrer Umtauschanleihe unter Beweis zu stellen; denn bei einem Premium von 38% muss der Emittent überzeugt davon sein, dass der Kurs der Aktie im Juni 2007 in der Größenordnung von 39 bis 40 € je Aktie liegt. Zu diesem Preis haben nämlich die Käufer der Anleihe das Recht, Postbank-Aktien zu erwerben. Hier dürfte es sehr wichtig für die Postbank sein, die Fähigkeit ihrer immateriellen Werte – also des Managements, der Technologie und der Innovationsfähigkeit, aber auch der Modernität der Postbank – unter Beweis zu stellen; denn damit kann man Wertkommunikation machen. Ö Und schließlich geht es in einer langfristigen Perspektive um die nachhaltige Positionierung der größten deutschen Privatkundenbank im Bankenund Kapitalmarkt in Deutschland und gegenüber seinen Wettbewerbern in Europa. Wie gesagt: Börsengänge stellen zwar ein einmaliges Ereignis dar, begründen aber langfristige Beziehungen. Der Kurs entwickelt sich jedenfalls in einem weiterhin schwierigen Kapitalmarktumfeld in den ersten drei Monaten absolut und relativ zu seinem zukünftigen DAX-Segment (die Postbank-Aktie kommt Ende September 2004 in den M-DAX) in die richtige Richtung, wie die beiden Charts zeigen:

286

FALLSTUDIE: DER BÖRSENGANG DER DEUTSCHEN POSTBANK AG

31.0 31.0 30.5 30.5

30.0 30.0

30.0 30.0 29.5 29.5

Postbank Postbank

29.0 29.0 28.5 28.5 28.0 28.0

27.9 27.9

27.5 27.5

27.0 27.0 23.06.2004 23.06.2004 30.06.2004 30.06.2004 07.07.2004 07.07.2004 14.07.2004 14.07.2004 21.07.2004 21.07.2004 28.07.2004 28.07.2004 04.08.2004 04.08.2004 11.08.2004 11.08.200418.08.2004 18.08.2004 25.08.2004 25.08.2004 01.09.2004 01.09.2004 08.09.2004 08.09.2004

104.5 104.5 103.5 103.5 102.5 102.5 101.5 101.5 100.5 100.5 99.5 99.5 98.5 98.5 97.5 97.5 96.5 96.5 95.5 95.5

104.02 104.02 Postbank Postbankindexiert indexiert

MDAX MDAXindexiert indexiert 96.74 96.74

94.5 94.5 23.06.2004 23.06.200430.06.2004 30.06.2004 07.07.2004 07.07.200414.07.2004 14.07.200421.07.2004 21.07.2004 28.07.2004 28.07.200404.08.2004 04.08.200411.08.2004 11.08.2004 18.08.2004 18.08.200425.08.2004 25.08.200401.09.2004 01.09.2004 08.09.2004 08.09.2004

Aktienkurs der Postbank (23.6.04 -13.9.04) Postbank und MDAX indexiert (23.6.04-13.9.04)

Zu guter Letzt: Der holländische Dreimast-Segler De Liefde war eine sehr gelungene PR-Maßnahme im Rahmen des Börsengangs. Das Schiff segelte von Bonn, dem Sitz der Postbank, nach Frankfurt an die Börse unter gelb-blauroten Postbank-Segeln und war so etwas wie das „logische Bild“ des Börsengangs. Das Schiff wurde vielfach in redaktionellen Beiträgen der Medien zur Illustration verwendet. Nichts symbolisiert wohl besser den Erfolg des Börsengangs der Deutschen Postbank AG, als die Bilder dieses wunderschönen Seglers vor der Frankfurter Bankenskyline – geankert am Schaumannkai auf dem Main in der Bankenmetropole.

Der Postbank-Segler ankert vor Frankfurt

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Glossar – Fachbegriffe des Emissionswesens

Ad-hoc-Publizität

Vorschrift, dass Unternehmen kursbeeinflussende Neuigkeiten umgehend veröffentlichen müssen.

ADR

American Depositary Receipts; deutsche Inhaberaktien können (im Gegensatz zu Namensaktien) in den USA nicht zum Handel zugelassen werden. Deshalb hinterlegt man sie bei einer amerikanischen Verwahrbank, die über den verwahrten Bestand Depositary Receipts herausgibt, die an US-Börsen gehandelt werden dürfen.

Affinity-Programm

Affinity-Programme, wörtlich hergeleitet vom Begriff Affinität, im Sinne von Zugehörigkeit oder geistiger Verwandtschaft, dienen dazu, Anlegergruppen eine bevorrechtigte Zuteilung zu gewähren, zu denen bereits vor der Emission ein (geschäftlicher) Kontakt bestand. Sie sind damit ein Instrument zur Festigung der Kundenbeziehung und zur Gewinnung zusätzlicher Zeichnungsinteressenten.

Akquisition

Zukauf von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen

Aktie

Wertpapier, das einen Miteigentumsanteil an einer Aktiengesellschaft verbrieft. Der Inhaber hat Anspruch auf Gewinnbeteiligung (ÆDividende).

Aktiengesellschaft

Die Aktiengesellschaft ist eine Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter (Aktionäre) mit Einlagen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital (Aktienkapital) beteiligt sind, wobei ihre Haftung auf die Einlage beschränkt ist. Sie ist eine unpersönliche Unternehmensform (franz. société anonyme), hat eigene Rechtspersönlichkeit. Der Vorteil für den Aktionär ist, dass er jeder Zeit die Aktie mit Hilfe der Banken an der Börse verkaufen kann.

Alleinstellungsmerkmal

Herausragende Besonderheit (z.B. einzigartige Idee, Patent, technologische Innovation, besonderes Know-how etc.), die einem Unternehmen einen Vorsprung am Markt sichert.

Analystenschweigepflicht

Æ Black-Out-Periode

Anleihe

Verzinsliches Wertpapier; der Gläubiger dieser Schuldverschreibung hat Anspruch auf Verzinsung und auf Rückzahlung des Betrages am Ende der Laufzeit.

APN-Programm

Aktie-Plus-Neuemission; eine Venture-Capital- oder Beteiligungsgesellschaft, die selbst Aktiengesellschaft ist, bringt eine Neuemission an die Börse und bietet ihren eigenen Aktionären eine bevorrechtigte Zuteilung aus der von ihr initiierten Neuemission zur Zeichnung an.

Arranger/Arrangeur

Æ Konsortialführer

Auktionsverfahren

Zuteilungsverfahren, bei dem die Aktien aus einer Neuemission den Meistbietenden zugeteilt werden. Der Emissionspreis ist für alle Zeichner so hoch, wie das niedrigste Gebot, das noch eine Zuteilung erhalten hat.

288

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

BAFIN

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAND

Business-Angels Network Deutschland

Bankenübergreifende Online- Platzierung von Aktien einer Neuemission über virtuelle Platzierung Emissionshäuser im Internet; die Teilnehmer zeichnen dort per E-Mail, unabhängig davon, bei welcher Bank sie ihr Wertpapierdepot unterhalten. BAWe

Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel

Beauty Contest

Emissionsbanken stellen sich dem Emittenten vor und bewerben sich um die Durchführung der Emission; sie erklären, wie sie dessen Aktien vermarkten möchten und welchen Emissionspreis sie glauben, realisieren zu können.

Begebung

Emission

Benchmark

Maßstab, Vergleichsgröße; bei der Festlegung des Emissionspreises oder der Bookbuilding-Spanne orientiert man sich an börsennotierten Unternehmen derselben Branche, die im selben Marktsegment notiert werden.

Berechtigungsschein

Bescheinigt den Anspruch auf eine bevorrechtigte Zuteilung; so gab z. B. die Deutsche Telekom an Anleger, die bei der T-Online-Emission leer ausgegangen waren, Berechtigungsscheine aus, die eine bevorrechtigte Zuteilung bei der Emission der 3. Tranche der T-Aktien zusicherten. Eine IDNummer auf jedem Schein sorgt dafür, dass er nur einmal verwendbar ist und nicht auf andere Personen übertragen werden kann.

Betreuer

Handelsteilnehmer, die sich verpflichtet haben, für ausgewählte Werte auf Anfrage jederzeit aktuelle Geld- und Briefkurse zu stellen, um permanente Liquidität zu gewährleisten; Betreuer unterstützen den jeweiligen Emittenten als Coach auch bei Investor Relations und Kapitalveränderungen.

Black-Out-Periode

Die im Emissionskonsortium vertretenen Institute, bzw. deren Analysten, sollen in den ersten 30 bis 60 Tagen nach der Emission keine neuen Studien mit Empfehlungen zum Emittenten veröffentlichen, da sie befangen sind. Die nach Ablauf dieser Frist gegebenen ersten Stellungnahmen neigen tendenziell zur Positivierung.

Blue Chips

Aktien großer Gesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung (wie z. B. Allianz, BASF, Siemens u.ä.).

Bluetooth

Technologie zur Vernetzung von elektronischen Komponenten ohne Kabelverbindung. Guter Ruf in Bezug auf Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit; die Bonität von Schuldnern wird von so genannten Rating-Agenturen bewertet. Die beiden bekanntesten Rating-Agenturen sind Moody's und Standard & Poor's. Noch notierte Aktiengesellschaften, deren operatives Geschäft weitgehend ausgegliedert oder veräußert wurde und die nach Restrukturierung mit neuem Tätigkeitsfeld wieder belebt werden.

Bonität

Börsenmäntel

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

289

Börsenprospekt

Ihn muss jeder Emittent vorlegen, der die Zulassung seiner Aktien zum Börsenhandel beantragt. Darin sind – nach klar umrissenen juristischen Vorgaben – alle Daten und Fakten zum Emittenten und zu seinen Aktien enthalten. Für den Inhalt haften der Emittent und die Emissionsbank(en).

Bookbuilding

Verfahren zur Bestimmung des Emissionspreises; zunächst wird eine Bookbuildingspanne festgelegt (10-15 %); innerhalb einer Bookbuildingfrist werden im sog. Orderbuch die Zeichnungsaufträge von Investoren gesammelt um einen Überblick über die Nachfrage zu gewinnen. Aufgrund der im Orderbuch gesammelten Zeichnungsaufträge kann anschließend ein marktnaher Emissionspreis und ein optimaler Mix von Investoren bestimmt werden.

Bookbuilding-Spanne

Preisspanne, innerhalb der Investoren während der Zeichnungsfrist Zeichnungsaufträge abgeben können.

Book-Runner

Der Konsortialführer sammelt als Book-Runner während der Bookbuilding-Phase im Orderbuch die durch ihn selbst, bzw. durch die Konsorten, eingeholten Zeichnungswünsche der Investoren und gewinnt damit einen zentralen Überblick über die Gesamtnachfrage und die mögliche Aktionärsstruktur.

BSK

Börsensachverständigenkommission, 16-köpfiges Beratungsgremium des Bundes, berufen vom Bundesminister der Finanzen, mit Vertretern aus Börse, Banken, Industrie, Anlegerschaft, Bundesbank und Wissenschaft; weisungsunabhängig und für die Dauer von fünf Jahren bestellt; erarbeitete 2000 einen Grundsatzkatalog, um Zuteilungsmodalitäten bei Neuemissionen zum Schutz der Anleger transparenter zu machen.

Business-Angels

Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft, kapitalkräftige Privatiers und Ruheständler, die Erfahrungen ihres Berufslebens weitergeben möchten sowie Unternehmer, die neben ihrer Hauptaufgabe noch genug Zeit finden, um junge Gründer, vorwiegend mit Privatkapital, zu finanzieren und zu coachen.

Business-Angel Network

Netzwerk von Business-Angels; vom Fraunhofer-Institut auf Initiative der Deutschen Bank ins Leben gerufen.

Businessplan

Ablaufplan für eine Unternehmensgründungsidee. Darin werden terminliche, logistische und finanzielle Rahmendaten zusammengetragen, Entwicklungsschritte, deren Finanzierungsbedarf und der Zeithorizont bis zum voraussichtlichen Erreichen der Gewinnschwelle so präzise wie möglich erfasst, um bei der Akquisition von Venture Finanzierern eine plausible Planungsgrundlage vorlegen zu können.

Buy-Side-Analyst

Buy-Side-Analysten der institutionellen Anleger prüfen die am Markt zur Zeichnung angebotenen Emissionen und entscheiden, welche Titel gekauft werden.

B2B

Business-to-Business; Anwendungen/Services für die integrierte Interaktion zwischen Unternehmen untereinander.

290

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

B2C

Business-to-Consumer; Anwendungen/Services für die integrierte Interaktion zwischen Unternehmen und Endverbraucher.

CASCADE

Central Application for Settlement, Clearing and Depository Expansion; zentrales Buchungs- und Abwicklungssystem der Clearstream Banking an der Deutschen Börse.

Cash Burn Rate

Maß für die Geschwindigkeit, in der das Kapital eines StartUps sich verbraucht; Zeit, die zum Überleben bleibt, bis das Geld der Investoren verbraucht ist.

Cash-flow

Kennzahl zur Beurteilung der Finanz- und Ertragskraft eines Unternehmens; misst den Zufluss an flüssigen Mitteln eines Unternehmens aus dem Umsatz und anderen Quellen innerhalb eines bestimmten Zeitraums unter Berücksichtigung von Abschreibungen und gilt als Maß für die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens.

CKM

Cost-Killing-Management; Kostensenkung zur Maximierung des Shareholder Value.

Comparables-Analyse

Vergleich eines Emittenten mit ähnlichen börsennotierten Gesellschaften aus der gleichen Branche, um den Bewertungsansatz besser einschätzen zu können; siehe auch: Benchmark.

Compliance

Kursrelevante Informationen dürfen von Banken oder Analysten nicht nach außen gelangen, sofern Interessenskonflikte innerhalb des Institutes oder Insidergeschäfte resultieren könnten. Derartige Interessenkonflikte können z. B. bei Informationen zu Aktiengesellschaften auftreten, die diese Bank zuvor (mit) an die Börse gebracht hat.

Compliance Regeln

Verhaltensregeln am Kapitalmarkt; dazu gehört die Beachtung internationaler Gesetze und Regelwerke und die Vermeidung von Interessenkonflikten; d.h. zum Beispiel Zurückhaltung bei Research-Empfehlungen zu Gesellschaften, für die man gleichzeitig beratend tätig ist.

Corporate-Venture-Capital

Risikokaptialinvestitionen großer Konzerne; siehe auch: Smart Money

Coverage

Æ Research-Coverage

DAX/DAX 30

Deutscher Aktienindex; Indikator für die Verfassung des inländischen Aktienmarktes. Im DAX sind 30 Standardwerte des deutschen Kurszettels enthalten. Die Zusammensetzung wird regelmäßig überprüft und bei Bedarf durch den Austausch von Werten aktualisiert.

Day-Trader

Æ Trader

DCF

Discounted Cash Flow; Maß für die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens aus eigenen Mittelzuflüssen, abgezinst auf den gegenwärtigen Zeitpunkt. Der DCF wird von vielen Analysten bei der Bestimmung des fairen Emissionspreises berücksichtigt.

Depot

Wertpapierkonto

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

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Designated Sponsors

Æ Betreuer

Directed Allotment

Ausgehend von den in der Bookbuilding-Phase gewonnenen Eindrücken und den im Orderbuch eingegangenen Zeichnungswünschen teilt der Konsortialführer den Konsorten die Quoten zu und gibt diesen dabei die Zuteilung an bestimmte institutionelle Anleger vor, umso das gewünschte Investorenmix zu erzielen.

DIRK

Deutscher Investor Relations Kreis e.V.

Discounted Cash Flow (DCF)

Maß für die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens aus eigenen Mittelzuflüssen, abgezinst auf den gegenwärtigen Zeitpunkt. Der DCF wird von vielen Analysten bei der Bestimmung eines angemessenen Emissionspreises bzw. Aktienkurses berücksichtigt.

Dividende

Anteil des Unternehmensgewinns, der an den Aktionär ausgeschüttet wird.

dot.com-Aktien

Aktien von Unternehmen des Internetsektors; abgeleitet von der Endung der Adressen im World Wide Web

Dow Jones Index

Kurzbezeichnung für den Dow Jones Industrial Average, den Aktienkursindex der 30 führenden US Industriewerte; meistbeachteter Aktienindex weltweit.

Dow Jones Euro Stoxx 50

Aktienkursindex der 50 europäischen Topwerte.

Dual Listing

Notiz einer Aktie an zwei Börsenplätzen, z. B. an der Deutschen Börse und an der Wall Street; Beispiel: DaimlerChrysler.

Due Diligence

Wörtl. „gebührender Fleiß“; ausführliche Prüfung des Emittenten auf Emissionsfähigkeit im Vorfeld des Börsenganges; Dauer ca. 4-6 Wochen. Dazu gehören Markt- und Wettbewerbsposition, Plausibilität und realistischer Ansatz der Planung, Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, Forschungs- und Entwicklungsstand, Quantifizierung möglicher Risiken, Managementkultur, Transparenz der Kommunikations-, Organisations- und Beteiligungsstruktur des Unternehmens sowie die Prüfung rechtlicher Voraussetzungen, insbesondere darauf, ob die gesetzlichen Nachgründungsvorschriften eingehalten worden sind.

DVFA

Berufsverband, in dem sich die deutschen Finanzanalysten zusammengeschlossen haben.

EDGAR

Electronic Data Gathering, Analysis and Retrieval System; Informationsplattform und Datenbank der US-Wertpapierhandelsaufsicht SEC; öffentlich zugänglich über www.sec.gov.

Emission

Ausgabe von Wertpapieren; in der Regel bedient sich der Emittent dazu der Vermittlung einer oder mehrerer Banken (Konsortium); diese bereiten die Emission vor, übernehmen die Wertpapiere und platzieren (verkaufen) sie im Auftrag des Emittenten bei institutionellen und privaten Anlegern.

Emissionskonsortium

Æ Konsortium

292

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Emissionsprospekt

Emittent Equity-Carve-Out

Equity Research Report Equity Story

Erscheinen Ertragswert EURO.NM EVCA Exit

Financial Community First-Mover-Strategie

Fonds Franchising

Free Float

Offizieller Verkaufsprospekt einer Neuemission; hier sind alle Daten und Fakten des Börsengängers zusammengefasst, auch mögliche Risiken; alle gemachten Angaben müssen klar umrissenen juristischen Anforderungen genügen, denn für falsche Angaben haften Emittent und Emissionsbanken. Herausgeber von Wertpapieren Spin-off von Tochtergesellschaften oder Unternehmensteilen, die anschließend unter eigenem Namen an die Börse gebracht werden; Beispiele: T-Online, Infineon, Comdirect. Æ Research Report Die Erfolgsstory des Unternehmens, das an die Börse geht; Besonderheit dieser Story ist, dass ihr Schwerpunkt nicht in der bisherigen Unternehmensgeschichte liegt, sondern vor allem in der, möglichst plausibel fundierten, Darstellung der Zukunftsperspektiven. Das betrifft insbesondere die Prognosen zur Wachstums- und Gewinnentwicklung der AG, ihrer Branche und des gesamten Umfeldes. Die neu emittierten Aktien gelangen in den Handel, Beginn des börslichen Handels in dem Titel. Wert eines Unternehmens, ermittelt auf der Basis der zukünftig erwarteten Erträge. Zusammenschluss mehrerer europäischer Spezialbörsen für Wachstumswerte European Private Equity & Venture Capital Association. Ein Venture-Capital-Finanzier hat das Unternehmen bis zur Börsenreife finanziert und steigt anlässlich des Börsenganges aus, um seine Investitionsumme (plus Gewinn) zurück zu erhalten. Gesamtheit aller am Finanzmarkt teilnehmenden bzw. interessierten Personen. Konzentration des Investors auf Unternehmen, die mit einem innovativen Alleinstellungsmerkmal als erste den Markt erobern; aufgrund der Wachstumsgeschwindigkeit der New Economy sind diese von Nachahmern kaum noch einzuholen. Æ Investmentfonds Lizenzierung einer Geschäftsidee, die von unabhängigen Geschäftspartnern (Lizenznehmern) unter einheitlicher Markenbezeichnung und unter einheitlichem Auftritt angeboten wird. Anteil des Aktienkapitals einer Gesellschaft, der sich nicht in Festbesitz (z. B. in Händen des Bundes, der Alteigentümer, Beteiligungsgesellschaften), sondern in Streubesitz befindet, also im Handel tatsächlich umlauffähig ist; die bedeutenden europäischen Aktienindizes gewichten enthaltene Werte nur mit dem Anteil ihres Free Floating Capitals, also dem Anteil, der tatsächlich am Markt umgeht und zur Kursbildung beiträgt.

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

293

Free Retention

Der Konsortialführer teilt den Konsorten die Quoten zu und gibt diesen dabei die Zuteilung an bestimmte institutionelle Anleger vor (Directed Allotment). Ein weiterer Teil der Zuteilung, über dessen Weitergabe die Konsorten nach eigenem Ermessen entscheiden können, wird als Free Retention bezeichnet.

Fremdbegebung/Fremdemission

Durchführung einer Wertpapieremission mit Hilfe einer oder mehrerer Banken (Emissionskonsortium), im Gegensatz zur Selbstemission.

Friends-and-Family

Sammelbezeichnung für Zielgruppen, die vom Emittenten eine bevorrechtigte Zuteilung erhalten.

Frühzeichner

Anleger, die ihren Zeichnungsauftrag schon zu Beginn der Zeichnungsfrist erteilen; bei Großemissionen wird Frühzeichnern manchmal ein Bonus, also ein Preisnachlass, auf den Emissionspreis gewährt (Beispiel: Infineon).

Future

Börslich gehandelter, standardisierter Terminkontrakt. Käufer und Verkäufer vereinbaren Zahlung und Lieferung eines Geschäftes für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt. Handelsgegenstand, Beschaffenheit, Menge und Preis werden bereits im Voraus festgelegt.

Genussschein

Wertpapier, das Vermögensrechte an einem Unternehmen verbrieft, verbunden mit dem Anspruch auf Gewinnbeteiligung (Genussrecht), jedoch ohne Teilnahmeberechtigung an der Hauptversammlung und ohne dortiges Stimmrecht. Im Gegensatz zu Anleihen ist das Genussrecht in der Regel vom Unternehmensergebnis abhängig. Im Falle eines Konkurses werden Genussscheininhaber gegenüber anderen Gläubigern nachrangig befriedigt.

Geschäftsbericht

Jährliche Information der Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre über den Verlauf des vergangenen Geschäftsjahres.

Global Offering

Emission an mehreren internationalen Börsen nahezu gleichzeitig. Investorengewinnung außerhalb der Börse; wird gelegentlich auch gebraucht für den Rückzug bereits notierter Unternehmen von der Börse durch den Rückkauf der eigenen Aktien. Wörtlich: In die Öffentlichkeit treten; hier: Gang eines Unternehmens an die Börse.

Going Private

Going Public Graumarkt

Æ Handel per Erscheinen

Greenshoe

Aktienkontingent, das als Reserve bei unvermutet hoher Nachfrage zugeteilt werden kann. Dadurch wird ein flexibles Emissionsvolumen möglich, um sich der aktuellen Marktverfassung anpassen zu können. Aktionäre müssen nur die Hälfte der Summe aller Dividendeneinkünfte und die Hälfte des Spekulationsgewinns (nach Überschreiten der gesetzlichen Freigrenze) versteuern; diese Regelung soll die private Aktienanlage fördern, was auch der Zeichnungsbereitschaft bei Neuemissionen zu Gute kommt.

Halbeinkünfteverfahren

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GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Haltepflicht

Handel per Erscheinen

Handelssegment

Homo oeconomicus IAB

IAS

Wenn Aktien emittiert werden, besteht für die Altaktionäre eine 6-monatige Haltepflicht, d.h. sie dürfen ihre Aktien in dieser Zeit nicht veräußern. Diese Vorschrift soll ein Überangebot nach Handelsbeginn vermeiden und das Vertrauen der Zeichner erhöhen. Altaktionäre vieler Emittenten verlängern diese Haltefrist freiwillig. Handel in jungen Aktien, noch bevor diese an der Börse erstmals notiert werden. Der Verkäufer verkauft leer, d.h. er muss sich später eindecken, um liefern zu können. Der Aktienhandel an der Deutschen Börse ist in mehrere Handelssegmente gegliedert, für die unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen gelten. Der Mensch als wirtschaftlich agierendes Subjekt Elektronisch geführtes Aktionärsverzeichnis; die Führung eines Aktionärsverzeichnisses wird bei Emission von Namensaktien erforderlich. Moderne EDV ermöglicht es, das Aktionärsverzeichnis zeitgleich mit der Handelsabwicklung elektronisch zu aktualisieren. International Accounting Standards; Internationale Bilanzierungsrichtlinien; deren Anwendung erleichtert es internationalen Investoren, Wert und Gewinnentwicklung von Aktiengesellschaften verschiedener Herkunft auf einheitlicher Grundlage zu vergleichen.

IFRS

International Financial Reporting Standards (ehemals IAS), Internationale Bilanzierungsrichtlinien; deren Anwendung erleichtert es internationalen Investoren, Wert und Gewinnentwicklung von Aktiengesellschaften verschiedener Herkunft auf einheitlicher Grundlage zu vergleichen.

Index

Messzahl, die auf einen Blick angibt, wie sich die Kurse eines Marktes im Schnitt entwickelt haben.

Institutionelle Investoren

Großanleger wie z.B. Investmentfonds oder Versicherungen

Investment Case

Ein Grund, der eine Aktiengesellschaft für Investoren attraktiv macht. Das kann z. B. eine Erfolg versprechende Umstrukturierung, ein Entwicklungsvorsprung, eine Marktführerschaft usw. sein Kapitalanlagegesellschaft, die die eingezahlten Gelder für ihre Kunden breit gestreut anlegt und dafür Anteilscheine ausgibt.

Investment-Fonds

Investor Relations

Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens, um das Verhältnis zu (potentiellen) Investoren zu pflegen

IOSCO

International Organisation of Securities Commissions; Internationaler Dachverband der Wertpapieraufsichtsbehörden

IPO

Initial Public Offering, Neuemission

ISI

Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung; befasst sich intensiv mit Aspekten der Start-UpFinanzierung, hat dazu mehrere Studien durchgeführt und das Netzwerk Business- Angel Venture, zusammen mit der Deutschen Bank, ins Leben gerufen.

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

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KapAEG

Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz; erleichtert es börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften, nach internationalen Bilanzierungsvorschriften zu bilanzieren. Das führt zu einer besseren Vergleichbarkeit des Unternehmenswertes und der Unternehmensgewinnentwicklung durch internationale Investoren.

KGV

Kurs-Gewinn-Verhältnis; zeigt, mit dem Wievielfachen des prognostizierten Gewinns die Aktie am Markt bewertet wird

Kick-Off-Meeting

Erstes Zusammentreffen der Newcomer mit potentiellen Investoren zu Beginn der Roadshow

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich; schreibt u.a. vor, dass der Konzernabschluss einer AG um eine Kapitalflussrechnung und eine Segmentberichterstattung ergänzt wird.

Kommission

Prozentualer Anteil des Emissionserlöses, den die Konsortialbanken für die Platzierung der Aktien erhalten

Konsorten

Mitgliedsbanken eines Emissionskonsortiums

Konsortium

Gruppe von Emissionsbanken, die gemeinsam eine Emission durchführen; jeder der Konsorten übernimmt eine bestimmte Quote des Emissionsvolumens zur Platzierung.

Konsortialführer

Hauptbank eines Emissionskonsortiums

Konsortialvertrag

Æ Underwriting Agreement

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV oder PER)

Verhältnis des Börsenkurses zum Unternehmensgewinn pro Aktie; je niedriger diese Zahl, umso günstiger ist die Aktie im Verhältnis zum erwirtschafteten Unternehmensgewinn.

Late-stage Finanzierung

Finanzierung wenige Monate vor dem Börsengang

Lead-Manager/Lead-Mandat

Æ Konsortialführer

Leerverkauf

Im Handel per Erscheinen schließen zwei Kontrahenten bereits vor dem ersten Handelstag einen Kaufvertrag über eine Anzahl der zur Emission angebotenen Aktien. Der Verkäufer verpflichtet sich zur späteren Lieferung ohne einstweilen im Besitz der Aktien zu sein. Er verkauft also leer und muss sich später eindecken.

Lock-Up Frist/ Lock-in Periode

Æ Haltepflicht

M&A

Mergers & Acquisitions, Fusionen und Übernahmen; oft werden sie von den gleichen Beratern begleitet, die auch bei Neuemissionen federführend sind. Interessenkonflikte sind deshalb möglich.

Management Approach

Vermittlung von Informationen – insbesondere Zukunftseinschätzungen – aus der Sicht des Vorstandes im Rahmen der Investor Relations Arbeit; Bennennung der Informationsgrundlagen, die der Unternehmensleitung selbst zur Entscheidungsfindung dienen.

296

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Marktsegmente

Amtlicher Handel, geregelter Markt und Freiverkehr bilden verschiedene Ebenen des Börsenhandels. Je nach Marktsegment gelten für Wertpapiere verschieden strenge Zulassungsvoraussetzungen.

m-commerce

e-commerce mit mobilen Geräten, z. B. per Handy (SMS/ WAP)

Mehrzuteilungsoption

Æ Greenshoe

Mindestemissionspreis

An der US-Technologiebörse Nasdaq gilt ein Mindestemissionspreis von 5 $ pro Aktie. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. schlägt ähnliche Regelungen für die Deutsche Börse vor, da sie der Überzeugung ist, teurere Aktien seien weniger gefährdet, Spielball der Spekulation zu werden.

Mindesthaltepflicht

Altaktionäre von Neuemittenten dürfen ihre Aktien mindestens 6 Monate nach der Emission nicht veräußern, damit der Kurs nicht durch ein hohes Überangebot an Aktien belastet wird. In vielen Fällen wird eine längere Mindesthaltepflicht vereinbart.

Momentumplayer

Trader, die im Aufwärtstrend kaufen, ihn dadurch verstärken und beim Kippen der Tendenz sofort aussteigen; anschließend bricht der Kurs ein.

Musterdepot

Journalisten und Berater führen zur Veranschaulichung ihrer Anlagestrategien Musterdepots und veröffentlichen ihre Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen sowie die Wertentwicklung des Depotbestandes regelmäßig, um damit ihre Kompetenz zu demonstrieren.

Nachgründungsvorschriften

Gemäß §52 AktG dürfen Aktiengesellschaften innerhalb der ersten 2 Jahre nach Gründung aufgrund der Gläubigerschutzvorschriften keine Investitionen tätigen, deren Gegenwert 10% des Grundkapitals übersteigt. Ist dies dennoch erforderlich, so ist eine Nachgründungsprüfung durch einen gerichtlich bestellten Prüfer erforderlich. Dieser prüft, ob Leistung und Zahlung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ferner muss die Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit zustimmen und der Vorgang muss ins Handelsregister eingetragen werden. Bis dahin ist das Geschäft (abgesehen von juristischen Ausnahmefällen) unwirksam.

NASDAQ

National Association of Securities Dealers Automates Quotation System; US-Computerbörse für Technologie- und Wachstumswerte

NEMAX

Aktienindex des ehemaligen Neuen Marktes

Nennwert

Einem Wertpapier aufgedruckter fester Wert. Der Nennwert bezeichnet den auf eine Aktie entfallenden Anteil am Grundkapital der Aktiengesellschaft. Der tatsächliche Kurswert kann weit über, aber auch unter dem Nennwert liegen. Es gibt auch nennwertlose Stückaktien, die eine prozentuale Quote am Grundkapital verbriefen.

Neuemission

Erstmalige Emission einer Aktiengesellschaft

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

297

Neuer Markt

Ehemalige Handelsplattform für Technologie- und Wachstumswerte an der Deutschen Börse

New Economy

Junge Branchen mit überdurchschnittlichem Wachstum; dazu gehörten zur Jahrtausendwende insb. Technologie, Medien, Telekommunikation

Nominalwert

Æ Nennwert

Old Economy

Klassische Branchen, die das Wirtschaftsgeschehen schon seit Jahrzehnten prägen

One-on-One

Parallel zur Roadshow treffen Vorstände des Neuemittenten mit ausgewählten institutionellen Investoren zusammen, um den Newcomer und dessen Perspektiven persönlich vorzustellen.

Online-Platzierung

Emission über das Internet; Zeichner können per E-Mail ordern

Option

Terminkontrakt; verbrieft das Recht, aber nicht die Pflicht, während oder am Ende eines festgelegten Zeitraumes etwas (Basiswert) zu einem im voraus vereinbarten Basispreis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (PutOption).

Order

Auftrag zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren; bei Neuemissionen spricht man von der Zeichnungsorder

Orderbuch

Im Orderbuch werden während der Bookbuilding-Phase die Zeichnungswünsche gesammelt, um einen Überblick über die Aufnahmebereitschaft des Marktes, den realisierbaren Emissionspreis und die mögliche Zusammensetzung der Anleger zu gewinnen.

Ordereingangsverfahren

Zuteilung nach dem Prinzip: Wer zuerst gezeichnet hat...

Order-Taking-Period

Æ Zeichnungsfrist

OTC

Over-the-Counter; die Bezeichnung umfasst den außerbörslichen Handel in den Werten, die (noch) an keiner Börse gelistet sind. Das OTC Bulletin Board (OTCBB) in den Vereinigten Staaten wird von zugelassenen Wertpapierhändlern betrieben, um für die dort geführten Werte einen transparenten Markt zu schaffen.

Overallotment

Der Emittent gewährt dem Konsortialführer die Option, bei besonders hoher Nachfrage ein zusätzliches Aktienkontingent (Greenshoe) zu Originalkonditionen zuzuteilen. Dadurch steht ein flexibles Emissionsvolumen zur Verfügung, das der Marktverfassung angepasst werden kann.

Paper-Offer

Bezahlung einer Übernahme oder Beteiligung mit eigenen Aktien

PER

Price-Earnings-Ratio; Æ Kurs-Gewinn-Verhältnis

Pink Herring

Amerikanische Bezeichnung für den Verkaufsprospekt, in dem – nach klar vorgegebenen juristischen Erfordernissen – alle für den Anleger wichtigen Daten und Fakten einer Neuemission, insb. Angaben zum Risiko, enthalten sind.

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GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Pitch Books

Präsentationsmappen der Banken, die sich beim Beauty Contest (siehe dort) um den Auftrag zur Durchführung der Emission bewerben

Platzierung

Der Verkauf von Aktien aus einer Neuemission an die Zeichner

Platzierungsvertrag

Æ Underwriting Agreement

Portefeuille

Depot

Portfoliostrategie

Strategie zur optimalen Zusammensetzung des Wertpapierdepots

Pre-IPO

Vorbereitende Zeit vor dem eigentlichen Going Public

Pre-Marketing

rund sechs Wochen vor Aufnahme des Handels werden die Analysten der institutionellen Investoren über den Emittenten informiert, um sich ein erstes Bild zu machen. Neben dem Research-Report erhalten sie auf Konferenzen und in Einzelgesprächen Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen.

Primärhandel

Ersterwerb neu emittierter Wertpapiere durch Zeichnung und Zuteilung. Auf den Primärmarkt folgt der Sekundärhandel, in dem Zeichner die ihnen zugeteilten Stücke an Dritte weiterveräußern.

Private Equity

Bankfachlicher Sammelbegriff für ein breites Spektrum von Finanzierungen; dazu zählt auch die Venture Capital Finanzierung risikobehafteter Start-Ups; Anteile an Private Equity Gesellschaften werden nur selten liquide gehandelt, sie werden überwiegend von institutionellen Investoren gehalten (Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen, Unternehmen etc.).

Privatplatzierung

Nimmt eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft weitere Aktionäre ohne öffentliches Beteiligungs- oder Zeichnungsangebot auf, so spricht man von einer Privatplatzierung.

Private Placement

Privatplatzierung; Direktverkauf von (noch) nicht börsennotierten Aktien an ausgewählte, gezielt angesprochene Zielgruppen ohne öffentliches Zeichnungsangebot; in seltenen Fällen werden Privatplatzierungen auch eingesetzt, um bereits börsennotierte Unternehmen durch den Rückkauf der Aktien wieder von der Börse zu nehmen.

Prospekt

Umfangreiche Zusammenstellung aller für die Beurteilung eines neu an die Börse gebrachten Wertpapiers wichtigen Angaben nach klar umrissenen juristischen Vorgaben; muss vor der Börseneinführung veröffentlicht werden.

Prospekthaftung

Haftung des Wertpapieremittenten und der Emissionsbanken für falsche Angaben im Emissionsprospekt Aktiengesellschaft, die sich im Besitz einer Vielzahl von Aktionären (Publikum) befindet

Publikumsgesellschaft Quiet Period

Æ Black-Out-Periode

Quote

Anteil des Emissionsvolumens, das von einer Konsortialbank des Emissionskonsortiums zur Platzierung übernommen wird.

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

299

Rating

Bonitätseinstufung durch eine unabhängige Prüfstelle; die bekanntesten Rating-Agenturen sind Moodys und Standard & Poor’s; ein positives Credit Rating des Emittenten, erstellt durch eine anerkannte Rating-Agentur, kann eine wichtige Stütze für die Zeichnungsbereitschaft der Anleger sein.

Red Herring

Amerikanische Bezeichnung für den Börsenprospekt, den jeder Emittent vorlegen muss, wenn er die Zulassung seiner Aktien zum Börsenhandel beantragt. Darin sind – nach klar umrissenen juristischen Vorgaben – alle Daten und Fakten zum Emittenten und zu seinen Aktien enthalten. Für den Inhalt haften der Emittent und die Emissionsbank(en).

Repartierung

Wegen Überzeichnung können den Interessenten nicht die gewünschten Aktienstückzahlen zugeteilt werden. Die zugeteilten Stückzahlen müssen daher vermindert, repartiert werden. Analyse eines Wertpapiers bzw. eines Unternehmens sowie des Branchen- und Finanzmarktumfeldes hinsichtlich der Ertragskraft und des Kurspotentials mit besonderem Augenmerk auf zukünftige Chancen und Risiken

Research

Research-Coverage

Wahrnehmungskapazität der Analysten; für eine erfolgreiche Emission muss der Emittent von möglichst vielen Analysten wahrgenommen und bewertet werden. Er versucht daher, so viel Research-Coverage wie möglich auf sich zu ziehen.

Research-Report

Die Analysten der Konsortialbanken stellen die in der Due Diligence Prüfung über den Emittenten zusammengetragenen Informationen für Analysten und für ihre SalesAbteilungen im Research-Report zusammen.

Research-Window

Zeitraum, in dem alle Daten und Fakten über einen Emittenten und sein Marktumfeld zusammengetragen, analysiert und geprüft werden; im Idealfall steht am Ende die Befürwortung/Empfehlung der Zeichnung

Roadshow

Präsentation des Emittenten zu Beginn der BookbuildingPhase; das Unternehmen hält Presse- und Analystenkonferenzen an verschiedenen Standorten ab, um sich Wirtschaftsjournalisten, Investoren und Analysten vorzustellen und die Aufnahmebereitschaft des Marktes auszuloten. Zeitgleich werden im Orderbuch die Zeichnungswünsche der Investoren gesammelt.

Scalability

Das Bemühen, vor dem Hintergrund eines zunehmend globalen Wettbewerbs, über Marketing, über eine Infrastruktur zu verfügen, die es ermöglicht, große Mengen auf möglichst vielen Weltmärkten abzusetzen Anleger, die Aktien nur kurz halten und zugeteilte Stücke aus einer Neuemission baldmöglichst veräußern, um den Zeichnungsgewinn mitzunehmen. Der Emittent möchte wenige davon als Neu-Aktionäre haben, da der von ihnen gehaltene Bestand schon kurz nach Aufnahme der Kursnotiz an den Markt zurückfließt, was den Kurs im Sekundärmarkt belastet.

Schwache Hände

300

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Scouts

Spezialisten neuer Wirtschaftszweige, die international unterwegs sind, um viel versprechende Ideen bzw. Start-Ups aufzuspüren, Chancen und Risiken auszuloten und Einstiegsmöglichkeiten für ihre Auftraggeber vorzubereiten.

SEC

Securities Exchange Commission; US-amerikanische Aufsichtsbehörde für den Wertpapierhandel

Sekundärmarkt

Zeichner können die ihnen zugeteilten Stücke im Sekundärhandel an Dritte weiterveräußern. Als Primärhandel bezeichnet man den Erwerb neu emittierter Wertpapiere durch Zeichnung und Zuteilung.

Selbstbegebung/ Selbstemission

Durchführung einer Wertpapieremission in Eigenregie ohne Konsortialbank(en)

Sell-Side-Analysten

Experten bei der (den) Emissionsbank(en), die den Börsengänger auf Herz und Nieren analysieren und zum Börsengang coachen. Sie beraten insbesondere bei der Bestimmung des Emissionspreises bzw. der BookbuildingSpanne. Ob sich die Zeichnung lohnt, entscheiden wiederum die Buy-Side-Analysten auf Seiten der institutionellen Anleger.

Sentiment

Stimmungsumfeld einer Emission; es ergibt sich aus der Summe aller in Umlauf gebrachten Berichte, Analysen und Einschätzungen; ein positives Sentiment ist Voraussetzung einer erfolgreichen Neuemission.

Shareholder Value

Maß für die an den Interessen der Aktionäre orientierte Unternehmenspolitik einer Aktiengesellschaft; dazu gehören hohe Dividende, gute Kursentwicklung, transparente Informationspolitik

Shareholder-Resposibility

Verantwortungsbewusstes Wertmanagement, das neben Kapitalmarkteffizienz soziale und gesellschaftliche Aspekte im Unternehmensumfeld berücksichtigt

Small Caps

Nebenwerte; Aktien kleiner Gesellschaften

Smart money

Risikokapital, das große Unternehmen zur Verfügung stellen, um sich an der Gründung von Start-Ups, vor allem im Technologie-Bereich, zu beteiligen; gleichzeitig wird dem Newcomer durch Einsatz der bestehenden Konzerninfrastruktur geholfen, seine Entwicklung zu fördern und zu beschleunigen

SMAX

Handelsplattform für kleine Aktiengesellschaften (Small Caps) an der Deutschen Börse

Sperrliste

Liste der Unternehmen/Aktien, zu denen ein Analyst oder eine Bank, aufgrund der Compliance (siehe dort), keine Empfehlungen abgeben darf, da überschneidende Interessenkonflikte innerhalb des Hauses zur Befangenheit führen würden

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Spin-off

301

Ausgliederung von Unternehmensbereichen (Beispiel: Infineon, ehemals die Halbleitersparte von Siemens). Diese werden anschließend oft als eigenständige Aktiengesellschaft an die Börse gebracht. Handelt es sich dabei um wesentliche Teilbereiche großer Konzerne, so kann das Emissionsvolumen mehrere Milliarden Euro betragen und die Aufnahmebereitschaft des Marktes erheblich belasten.

Sponsoren

Æ Betreuer

Spread

Differenz zwischen Geld- und Briefkurs

Stakeholder Value

ganzheitliches Wertmanagement, das neben Aktionären auch das Umfeld des Unternehmens (Personal-, Geschäfts- und Allianzpartner und weitere relevante Gruppen) berücksichtigt

Starke Hände

Start-Up

Anleger, die Aktien (auch nach Zeichnung aus Neuemission) langfristig halten; diese bevorzugt der Emittent als NeuAktionäre, da der von ihnen gehaltene Bestand nicht schon kurz nach der Emission an den Markt zurückfließt, was den Kurs belasten würde. Junges Unternehmen in der Gründungs- und Aufbauphase

Stoxx

Æ Dow Jones Euro Stoxx

Streubesitzanteil

Æ Free Float

Stückelung

Aufteilung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft oder einer Anleihe in handelbare Nennbeträge.

Telefonhandel

Æ Handel per Erscheinen

T.I.M.E.S.-Angel Network

Zusammenschluss von Business-Angels mit Sitz in Hamburg

TMT-Aktien

Abkürzung für den Bereich „Technologie, Medien, Telekommunikation“ Listen, in denen Analysten Firmen der New Economy (insb. des Internetsektors) aufführen, die es vermeintlich nicht schaffen werden, sich am Markt zu halten, weil ihnen vor Erreichen der Gewinnzone das Kapital ausgeht

Todeslisten

Trader

Investoren, die Positionen nur für kurze Zeit, oft nur Minuten, halten und häufig und schnell umschichten

Tranche

Erfolgt eine Emission in mehreren Etappen, so dass auf die Neuemission zeitlich versetzt eine Zweit-, ggf. auch eine Dritt- und weitere Platzierungen folgen, werden die einzelnen Pakete als Tranchen bezeichnet. Beispiel: Aktien der Deutschen Telekom aus Bundesbesitz wurden in mehreren Teilschritten zur Zeichnung angeboten.

Treue-Aktien

Anleger, die zugeteilte Aktien aus einer Emission anschließend nicht veräußern, erhalten in einigen Fällen nach Ablauf einer bestimmten Frist zusätzliche Treue-Aktien gratis. So gewährte z. B. die Deutsche Telekom nach 1-jähriger Haltedauer Treue-Aktien im Verhältnis 10:1. So will man das schnelle Mitnehmen von Zeichnungsgewinnen eindämmen, damit sich der Kurs nach Aufnahme des Handels bald stabilisiert.

302

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Treuefrist

Mindesthaltedauer von zugeteilten Aktien einer Neuemission, um zusätzliche Treue-Aktien zu erhalten

TTL

„Time to live“, also die Zeit, die einem Unternehmen mit den vorhandenen Mitteln noch zum Überleben bleibt. Siehe auch: Cash Burn Rate

Übernahme

Die Aktien des Emittenten werden von den Konsortialbanken zur Platzierung am Markt übernommen.

Übernahmevertrag

Æ Underwriting Agreement

Überzeichnung

Es werden mehr Aktien gezeichnet als zur Emission zur Verfügung stehen

Underpricing

Minderung des Emissionspreises gegenüber dem „fairen Kurs“, um einen Anreiz zur Zeichnung zu geben

Underwriting

Übernahme der zu emittierenden Aktien durch die Konsortialbanken

Underwriting Agreement

Vertrag zwischen Emittent und Emissionsbank(en); regelt die Übernahme der zu emittierenden Aktien und deren Platzierung durch die Konsortialbank(en), enthält außerdem verbindliche Zusicherungen des Emittenten über die Verhältnisse, Angaben und Zusicherungen der Gesellschaft

Units

Berechtigungspunkte, die im Rahmen von AffinityProgrammen an Kunden bzw. Nutzer vergeben werden und die bei einem geplanten zukünftigen Börsengang zur bevorrechtigten Zuteilung oder sogar zur Gratiszuteilung eingesetzt werden können.

unvollständiger Verkaufsprospekt

juristische Bezeichnung für den Emissionsprospekt

US-GAAP

United States-Generally Accepted Accounting Principles; Bilanzierungsrichtlinien der Vereinigten Staaten; viele europäische Aktiengesellschaften bilanzieren zum Zweck verbesserter internationaler Vergleichbarkeit auch gemäß GAAP.

Value Based Management

Strategische Ausrichtung der Unternehmenspolitik auf die Wertmaximierung

VCs

Venture Capital Gesellschaften

VCM®

Value Communication Management®; Strategische Positionierung eines Unternehmens als Financial Actor im Rahmen der PR-Arbeit; Unternehmens- und Markenattraktivität sowie der Unternehmenswert, lassen sich deutlich steigern, wenn ein Unternehmen nicht nur im Wirtschafts-, sondern auch im Finanzbereich Präsenz zeigt.

Venture Capital

Wörtlich: Wagniskapital, Finanzierung neuer Geschäftsideen in Branchen, die durch zukunftsorientierte Innovationen hohes Wachstum versprechen

Venture Capitalist

Wörtlich: Wagniskapitalist; hier: Finanzier junger Unternehmen bis zu deren Börsenreife

Verkaufsprospekt

Æ Emissionsprospekt

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

303

Verlosung

Die Emission ist um ein Vielfaches überzeichnet; allein durch Repartierung (siehe dort) der Stückzahlen kann die hohe Nachfrage nicht mehr befriedigt werden. Deshalb wird durch das Los bestimmt, welche Zeichner eine Zuteilung erhalten.

Volatilität

Schwankungsintensität der Kurse

Volksaktie

Haben große Aktiengesellschaften, insbesondere ehemals in Bundesbesitz befindliche Unternehmen, ihre Aktien möglichst breit im Kreise privater Anleger gestreut, so spricht man von Volksaktien. Der Begriff entstand bereits in den sechziger Jahren, als erstmals Aktien aus Bundesvermögen breit gestreut unter Kleinsparern platziert wurden.

Vorzugsaktionär

Eigentümer einer Vorzugsaktie; er erhält eine Vorzugsdividende, muss dafür aber i.d.R. auf sein Stimmrecht auf der Hauptversammlung verzichten.

Wandelschuldverschreibung

verzinsliches Wertpapier, dass mit einem Wandlungsrecht versehen ist, das zu einem späteren Umtausch in Aktien zu festgelegten Konditionen berechtigt

White Knight

Weißer Ritter; um sich vor einer feindlichen Übernahme zu schützen, sucht das übernahmegefährdete Unternehmen nach weißen Rittern, also Kooperationspartnern bzw. alternativen, genehmeren Bietern für eine freundliche Übernahme

Zeichnung

Abgabe eines Kaufangebots zum Ersterwerb von Wertpapieren aus einer Emission

Zeichnungsfrist

Zeitspanne, in der Zeichnungsaufträge erteilt werden können

Zeichnungsgewinn

Spanne zwischen Ausgabekurs der neuen Aktien und dem ersten gehandelten Kurs

Zeichnungsschein

Auf den außerbörslichen Handel spezialisierte Wertpapierhandelshäuser bieten Anlegern die Möglichkeit, über Zeichnungsscheine Aktien von (noch) nicht börsennotierten Gesellschaften direkt zu beziehen.

Zulassungsfrist

Zeit, die vergehen muss, von der Eintragung als Aktiengesellschaft ins Handelsregister, bis die Aktien an der Börse gehandelt werden können

Zulassungsstelle/ Zulassungsausschuss

Börsengremium, das über die Zulassung der Aktien des Emittenten zum Börsenhandel entscheidet

Zulassungsverfahren

Förmliches Verfahren zur Zulassung zum Börsenhandel; dazu muss der Emissionsprospekt des Emittenten bei der Zulassungsstelle (Amtlicher Handel) bzw. dem Zulassungsausschuss der jeweiligen Börse eingereicht werden; das Zulassungsverfahren kann mehrere Wochen dauern.

Zuteilung

Verteilung der emittierten Aktien an die Zeichner

Zweitlisting/Zweitnotiz

Æ Dual Listing

304

GLOSSAR – FACHBEGRIFFE DES EMISSIONSWESENS

Zweitplatzierung

Bislang in Festbesitz befindliche Aktienpakete einer bereits börsennotierten Gesellschaft werden an den Markt gebracht; Beispiel: Veräußerung weiterer Aktien der Deutschen Telekom aus Bundesbesitz

Zwischenbericht

Information einer Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre zwischen den jährlichen Geschäftsberichten. Inhalt ist der Geschäftsverlauf des vergangenen Halbjahrs oder Quartals

Quellenverzeichnis Bücher/Buchartikel [Albrecht, S.; 2000; S. 100] Albrecht, S.; Neue Wege der Aktienplatzierung über das Internet am Beispiel der net.IPO AG; in: Korn, H. G. (Hrsg.); Hightech goes Public – Zukunftstechnologien im Fokus von Wirtschaft und Börse; Wiesbaden 2000; S. 95 – 102 [Althaus, J.; 2001] Althaus, J.; Emissionsberatung im Rahmen des Going Public am deutschen Kapitalmarkt; Frankfurt am Main 2001 [Bień, W.; 2004] Bień, W.: Rynek Papierów Wartościowych; Warschau 2004; S. 225 [Blättchen, W./Jacquillat, B.; 1999] Blättchen, Wolfgang/Jacquillat, Bertrand ; Börseneinführung. Theorie und Praxis; Frankfurt am Main 1999 [Cesar, G; 1996] Cesar, G.; Aktienanalyse heute; Wiesbaden 1996 [Chaloupek, G.; 2002] Chaloupek, G. Börsenkapitalismus – Auswüchse, Fehlentwicklungen, Alternativen; Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft Nr. 80 der AK (Arbeitskammer) Wien; Wien 2002 [Deutsches Aktieninstitut; 2004] Deutsches Aktieninstitut; DAI Factbook 2004; Frankfurt am Main 2004 [Deutsche Börse AG; 2001] Deutsche Börse AG (Hrsg.); Neuer-Markt-Report. Zugang zum Europäischen Kapitalmarkt – Schlüssel für Wachstum; Frankfurt 2001 [Gelfarth,V/Otte, M.; 2001] Gelfarth, V./Otte, M.; Investieren statt spekulieren; München 2001 [Göcken, U./Schulte, K.-W.; 1990] Göcken, U./Schulte, K.-W.; Fundamentale Aktienanalyse – die Praxis deutscher Kreditinstitute; Bergisch Gladbach 1990 [Göttgens, O.; 1996] Göttgens, O.; Erfolgsfaktoren in stagnierenden und schrumpfenden Märkten. Instrumente einer erfolgreichen Unternehmenspolitik; Wiesbaden 1996 [Goldberg J./von Nitzsch, R.; 2000] Goldberg J./von Nitzsch, R.; Behavioral Finance – Gewinnen mit Kompetenz; München 2000 [Herdt, H. K.; 1978] Herdt, H. K.; Geld sinnvoll anlegen – Chancen und Probleme der Aktie; Düsseldorf/Wien 1978

306

QUELLENVERZEICHNIS

[Hildebrandt, L.; 1986] Hildebrandt, L.; Erfolgsfaktorenforschung im Handel, in: Trommsdorff, V. (Hrsg.); Handelsforschung 1986; Heidelberg 1986; S. 37-52 [Jeschke, D.; 1998] Jeschke, D.; Die Börseneinführung des Familienunternehmens – Eine Möglichkeit der Zukunftssicherung; in: Hennerkes, B.-H./Kirchdörfer, R. (Hrsg.); Unternehmenshandbuch Familiengesellschaften; Köln 1998, S.465 [Koch; W./Wegmann, J.; 2000] Koch, W./Wegmann, J.; Praktikerhandbuch Börseneinführung. Ablauf des Börsenganges mittelständischer Unternehmen – mit Erfahrungsberichten vom neuen Markt; Stuttgart 2000 [Kramer, K.-H.; 1999] Kramer, Karl-Heinz; Die Börseneinführung als Finanzierungsinstrument deutscher mittelständischer Unternehmen; Bamberg 1999 [Löhr, A.] Löhr, A.; Börsengang; Stuttgart 2000 [Marx, K.; MEW – Band 25; S.452ff] Marx, K.; MEW – Band 25; Das Kapital; S.452ff [Müller-Neuhof, K./Giehl, W.; 2004] Müller-Neuhof, K./Giehl, W.; Fokus Internal Branding – Vom Mitarbeiter zum Mitmacher; Sternenfels 2004 [Ogger, G.; 2001] Ogger, G.; Der Börsenschwindel. Wie Aktionäre und Anleger für dumm verkauft werden; Gütersloh 2001 [Rödel, B./Zinser, T.; 1999] Rödel, B.; Zinser, T.; Going Public – Der Gang mittelständischer Unternehmen an die Börse, Frankfurt 1999 [Taulli, T.; 1999; S.150] Taulli, T.; Investing in IPOs; Princeton 1999; S.150 [Trommer; H.; 1998] Trommer, H.; Hemmnisse auf dem Weg zur Börse; Aachen 1998 [Volk, G.; 1998] Volk, Gerrit (Hrsg.); Going Public – Der Gang an die Börse; Stuttgart 1998

QUELLENVERZEICHNIS

307

Zeitschriftenartikel [Aldi und Lidl deklassieren die Konkurrenz; 2004] o.V.; Aldi und Lidl deklassieren die Konkurrenz; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 17.02.2004 [Aldi/Lidl: „Back to the roots“; 2004] o.V.; Aldi/Lidl: „Back to the roots“; manager magazin online; 11.06.2004, http://service.manager-magazin.de/digas/servlet/find?ON=manager-303667&DD=20040611; Abruf am 12.08.2004 [Aktiengesellschaften im Internet wenig überzeugend; 2000] o.V.; Aktiengesellschaften im Internet wenig überzeugend; 25.1.2000; http://express.de; Abruf am 30.01.2000 [alf; 2000] alf; VW arbeitet an einer neuen Beteiligungskultur; Der Tagesspiegel; 24.5.2000, S.18 [Antonoff, A.; 2000] Antonoff, A.; Deutsche Firmen nutzen Investor Relations per Internet kaum; Die Welt; 17.1.2000 [AP; 2000] AP; Shareholder-Value kritischer bewertet; Süddeutsche Zeitung; 19.6.2000; S. 35 [Bachmann, K.; 2003] Bachmann K., Die Niederland gehen ihren „Nieten im Nadelstreifen“ ans Geld; Frankfurter Rundschau; 09.08.2003; S. 18 [Balz, U.; 2000] Balz, U.; Vom Shareholder Value ist im WWW wenig zu sehen; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 22.02.2000; S. B5 [Bartz, T./Lemkemeyer, S.; 2001] Bartz, T./Lemkemeyer, S.; Neue Regeln für Börsengänge; Financial Times Deutschland; 29.08.2001 [Bauer, I.; Lemkemeyer, S.; 2000] Bauer, I./Lemkemeyer, S.; Nur ein Recht auf Information für Anleger; Financial Times Deutschland; 8.6.2000; S. 19 [Behrens, B./Gorgs, C./von Haake, B./Wildhagen, A.; 2000] Behrens, B./Gorgs, C./von Haake, B./Wildhagen, A.; Endlich kapieren; Wirtschaftswoche 27.1.2000; Seite 50ff [Benninghoff, D., 2004] Benninghoff, D.; Mifas Börsenstart setzt positives Signal; Financial Times Deutschland; 18.5.2004; S. 24 [Bilen; S.; 2004] Bilen, S.; Beteiligungen motivieren die Belegschaft – Die Einbindung der Mitarbeiter stärkt auch die Eigenkapitalbasis; Handelsblatt; 10.03.2004; S. r04 [Bilstein, J.; 1999; S.6] Bilstein, J.; „Sorglospakete“ sind problematisch; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999; S. 6

308

QUELLENVERZEICHNIS

[Boehringer, S.; 2000] Boehringer, S.; Taktgeber Nyse und Nasdaq; Süddeutsche Zeitung; Nr.84/2000; S. 31 [Brockmann, M./Externbrink, H.; 2002] Brockmann, M/Externbrink, H.; Geld und Rat im Paket; Impulse; 1.8.2002 [Brunowsky, R.-D.; 1995] Brunowsky, R.-D.; Eine große Chance für den Finanzplatz Deutschland; Capital Spezial „Going Public“; 3/1995; S.3 [Brand, C.; 2002] Brand, C.; Die Rückkehr des Realismus – die Chance zur Neuorientierung Risiken und Chancen teilen; Handelsblatt; 20.11.2002, S. b04 [Buchter, H.; 2000] Buchter, H.; Neu-Emission gesucht; Die Woche; 14.7.2000; S. 15 [Buchter, H.; 2004] Buchter, H.; Hochsprung an der Wall Street; Financial Times Deutschland, 28.9.2004] [Büschemann, K.-H.; 2004] Büschemann K.-H., Ratlose Räte; Süddeutsche Zeitung; 07.04.2004; S. 4 [Carisch, R.; 2000] Carisch, R.; Die wahre Macht; Stern 18.5.2000 [cei; 2004] cei; Die Bürokratie bemächtigt sich der Firmen; Neue Zürcher Zeitung; 19.05.2004; S. 26 [Contoli, M.; 2000] Contoli, M.; Heisser Draht zu lauwarmen Informationen; Die Telebörse; Nr.08; 17.2.2000; S. 88 [Die Story zählt, der Profit nicht; 2000] o.V.; Die Story zählt, der Profit nicht; Hamburger Morgenpost Online; 14.3.2000; http://database.mopo.de; Abruf am 08.08.2004 [dde/hz; 2004] dde/hz; Wahre Volksaktien; Die Welt; 24.04.2004; http://www.welt.de/data/2004/04/24/269151.html?search=wahre+volksaktien&searchHILI=1; Abruf am 10.08.2004 [Daimler Chrysler: Aufbau Fernost; 2004] o.V.; Daimler Chrysler: Aufbau Fernost; manager magazin 5/04 [Deutsche Börse könnte das „deutsch“ streichen; 2004] o.V.; Deutsche Börse könnte das „deutsch“ streichen; Spiegel Online, 19.5.2004; http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,300611,00.html; Abruf am 24.08.2004 [dg; 2000] dg; Amazon: Geld lacht doch; internet world; April 2000; S.40 [Die Tempo-Macher; 2000] o.V.; Die Tempo-Macher; EURO am Sonntag; 21.5.2000; S.16

QUELLENVERZEICHNIS

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QUELLENVERZEICHNIS

[Gruppen-Dynamik; 2004] o.V.; Gruppen-Dynamik; werben und verkaufen; 02.07.2004; S.12 [Grün, W. H.; 2000] Grün, W. H.; Warum überhaupt Aktien kaufen?; Börse Online; Nr. 8/2000; S.145 [Gusbeth, S.; 2003; S.30] Gusbeth, S.; Wagnisfinanzierer schwimmen derzeit in Geld; Financial Times Deutschland; 30.1.2003; S.30 [Gutowski, K./Heise, S./Schönfels, R. v./Schürmann, C.; 2000] Gutowski, K./Heise, S./Schönfels, R. v./Schürmann, C.; Nicht gerade rosig; Wirtschaftswoche; Nr.7/2000, S.228f [Halusa, M.; 2000] Halusa, M.; Betrüger im Internet verdienen Millionen; Die Welt; 15.9.2000; S.18 [Häring; C.; 1999] Häring, C.; „Mysterium“ Finanzöffentlichkeit verlangt andere kommunikative Qualitäten; PR Forum; Nr.4/1999; S.206 [ham; 2000] ham; „Katastrophale Qualität am Neuen Markt“; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 8.8.2000; S.27 [HB; 2004] HB; Google kann Börsengang planmäßig fortsetzen; Handelsblatt; 16.8.2004 [hbe; 2000] hbe; Eine Volksaktie mit Fragezeichen; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 1.9.2000 [hbe; 2000] hbe; Die Bilanz am Neuen Markt ist noch positiv; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 28.8.2000 [hbe; 2004] hbe; Die deutschen Investoren fassen wieder mehr Mut; Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.07.2004 [hbe; 2004] hbe; Viele Aktienoptionsprogramme sind unzureichend; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.2004] [Heeg, T.; 2000] Heeg, T.; Mehr Transparenz bei Börsengängen; Süddeutsche Zeitung; 8.6.2000; S.25 [Heeg, T./Scherff, D.; 2002] Heeg, T./Scherff, D.; „Warten lohnt sich“, Aktienlobbyist von Rosen glaubt an 10 Prozent Rendite; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung; 29.9.2002; S.43 [Hegmann, G.; 2000] Hegmann, G.; Erzrivale Boeing stört Börsengang von EADS; Financial Times Deutschland; 3.7.2000; S.3

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[Heise, S.; 2000/1] Heise, S.; Analysten-Empfehlungen: Vorsicht ist angebracht; Wirtschaftswoche; 30.8.2000 [Heise, S; 2000/2] Heise, S.; Bessere Rabattmärkchen; Wirtschaftswoche; Nr.7; 10.2.2000 [Heismann, G; 1999] Heismann, G.; Mannesmann läßt Goldman Sachs Beratung von Vodafone untersagen; Die Welt; 17.11.1999 [Henzler, H.; 2003] Henzler, H.; Werte von innen; Financial Times Deutschland; 16.07.2003; S. 30 [heu; 2000] heu; Morgan Stanley trommelt für New Germany; Börsen-Zeitung; 27.1.2000 [Hidding, B.; 1999] Hidding, B.; Highflyer ohne berauschenden Start; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999; S.B2 [Hoffmann, J./Reepesgaard, L.; 2000] Hoffmann, J./Reppesgaard, L.; Starke Dinger; EURO am Sonntag; 21.5.2000; S.14f [Höfling, M.; 2004;/1] Höfling, M.; Von der Baisse gezeichnet; Welt am Sonntag; 6.6.2004; S.41 [Höfling, M.; 2004/2] Höfling, M.; Die Anleger haben endlich dazugelernt; Welt am Sonntag; 30.5.2004; S.42 [Höfling, M./Machold, U.; 2004] Höfling, M./Machold, U.; In Schieflage; Welt am Sonntag; 23.5.2004; S.45 [ho; 2000] ho; Marken auf Aktien übertragen; Hamburger Abendblatt; Beilage „Finanzplatz Hamburg“; 14.4.2000; S.5 [Hohmeyer, J./Kühn, U.; 2000] Hohmeyer, J./Kühn, U.; 2000; Aus der Traum; FOCUS Money; 19.4.2000; S.42ff [Hoffmann, M.; 2000] Hoffmann, M.; Welcome to the USA; FOCUS Money; Nr.23; 31.5.2000; S.22f [ht; 2000] ht; Unternehmen nutzen das Internet selten für Investor Relations; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 3.2.2000 [Hussla, G. A.; 2004; S.27] Hussla G. A.; Transparente Führung zahlt sich aus; Handelsblatt; 29.06.2004; S. 27 [Internet für Aktionäre; 2003] o.V.; Internet für Aktionäre; Capital 01.10.2003; www.capital.de/son/art/253848.html; Abruf am 15.6.2004

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[Irmen, D.; 2000] Irmen, D.; Vorsicht bei anonymen Tipps; FOCUS; 11.9.2000; S.296 [IT-Übernahmepoker spielt im Mittelstand; 2004] o.V.; IT-Übernahmepoker spielt im Mittelstand; Handelsblatt 14.04.04; S. 18 [JM/WRU; 2000] JM/WRÜ; Die zweite Chance; FOCUS Money; Nr.17, 19.4.2000, S.55 [Jung, A.; 2000] Jung, Andreas; Für Gründer ist genug Geld da – aber nur für die besten; Financial Times Deutschland; 7.6.2000; S.34 [Kipp, H.; 2000/1] Kipp, H.; Betreuung vom Kauf bis zur Entsorgung; Börse Online; Nr.8/2000, S.68 [Kipp, H.; 2000/2] Kipp, H.; Der Preis der Phantasie; Börse Online; Nr.17/2000; 27.4.2000; S.54 [Klick-Fahndung; 2000] o.V.; Klick-Fahndung; investor - Magazin der investorworld; Nr.9/2000; S.20 [Koch, G.; 1999] Koch, G.; Das Unternehmen verstehen; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“ 4.10.1999; S.B5 [Kopper, H.; 2004] Kopper H.; Kreuzritter der Corporate Governance; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 22.05.2004 [Korányi, T. G.; 2004] Korányi, T. G.; 140 éves a Budapesti Áru- és Értéktőzsde; Sonderbeilage der Napi Gazdaság; 21.04. 2004 [Küting; K.; 2000] Küting, K.; Unternehmerische Berichterstattung im Zeichen des Shareholder Value; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 13.3.2000; S.30 [lab;2001] lab; Kaum Hoffnung für Technologieaktien; heise online; 16.07.2001; http://www.heise.de/newsticker/meldung/19311; Abruf am 10.08.2004 [Lentz, B.; 2000] Lentz, B.; Freiheit mit Tücken; Capital; Nr.12/2000 [Lier, M.; 2000/1] Lier, M.; Wer jetzt an den Neuen Markt will, muss sich mehr anstrengen; Financial Times Deutschland; 21.3.2000; S.33 [Lier, M. 2000/2] Lier, M.; Wenn der Analyst schwärmt, hat es der Privatanleger schwer; Financial Times Deutschland; 12.5.2000; S.37

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[Linneweber; S.; 2003] Linneweber, S.; „Helfen ist mein Hobby“; Rheinischer Merkur; 30.10.2003, S.8 [Lipp, E.-M.;1999] Lipp, E.-M.; Ohne Namen keine Wall Street; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen; 4.10.99; S.1 [Löwer, A.; 2002] Löwer, A.; Die Entstehung der Spekulationsblase am Neuen Markt bis März 2000; Diplomarbeit an der Universität Bayreuth 2002 [Luther, T.; 1999] Luther, T.; Keine Nachwuchssorgen; Handelsblatt; 31.12.1999 [Machatschke, M.; 2004] Machatschke, M.; Olympiade der Konzerne; manager magazin online; http://www.managermagazin.de/unternehmen/imageprofile/0,2828,282735,00.html; Abruf am 12.08.04 [Machold, U.; 2004] Machold, U.; Riesengewinnsprung auf dem Papier; Welt am Sonntag; 6.6.2004; S.47 [Maier-Mannhart, H.; 2000] Maier-Mannhart, H.; Schlaues Geld sucht junge Unternehmer; Süddeutsche Zeitung; 5.6.2000; S.26 [Malik, F.; 2004] Malik, F.; Doppelter Fehlschluss, Capital, 18.03.2004 [mamü/rum; 2004] mamü/rum; 2004; Ungarn: Aller guten Dinge sind vier; Börse ARD; http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_51277; 19.03.2004; Abruf am 14.06.2004 [Mandel-Campbell, A.; 2002] Mandel-Campbell, A.; US-Banken kämpfen verzweifelt um IPO-Mandate; Financial Times Deutschland; 26.2.2002 [Meck, G.; 2004] Meck, G.; „Wir haben gegen die Spekulanten gewonnen“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.09.2004 [Meier; T.; 2004] Meier, T.; „Nicht viel dazugelernt“; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 27.05.04 [Merten, F.; 2000] Mertgen, F; Knigge für Schnigge; FOCUS MONEY; Nr.17, 19.4.2000; S.150ff [Mertgen, F; 2002] Mertgen, F.; Engel auf Erden; Focus Money; 10.1.2002 [Möller, U.; 2000] Möller, U.; Gewinn garantiert; journalist; Nr. 6/2000; S.24ff [Mörsch, J.; 2000] Mörsch, J.; Das Aktien-Roulette; Capital; Nr.7/2000; S.298

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[Mörsch, J.; 2003] Mörsch, J.; Geduld zahlt sich aus; Capital; 12.6.2003 [Moerschen, T.; 2002] Moerschen, T.; Contra Aktie; Handelsblatt 4.3.2002; Seite 8 [Moerschen, T.; 2003] Moerschen, T.; Amerikanische Aktienkultur wankt; Handelsblatt; 3.2.2003; S.33 [Moerschen, T.; 2004] Moerschen, T.; Warten auf Google – eine Reportage; Handelsblatt; 16.8.2004 [Müller, U. H.; 2000] Müller, U. H.; Vertrauen in den Herdentrieb; Die Woche; 7.4.2000; S.15 [Münster, T.; 2000] Münster, T.; Hilflos ausgesetzt; Wirtschaftswoche; 24.2.2000; S. 234ff [Neukirchen, K.; 1998] Neukirchen, K.; Shareholder Value ist kein Kapitalismus pur; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 30.11.1998; S.32 [Niklowitz, M.; 2000] Niklowitz, M.; Black-outs und Lock-ups; Financial Times Deutschland; 12.5.2000; S.37 [Narat, I.; 2002] Narat, I.; An der Aktie kommt keiner vorbei; Handelsblatt; 29.5.2002; S.11 [Öchsner, T.; 2000] Öchsner, T.; Aktive Kunden kommen zum Zug; Süddeutsche Zeitung; 5.6.2000; S.25 [Optionen haben ausgedient; 2004] o.V.; Optionen haben ausgedient Financial Times Deutschland; 10.07.2003; S. 27; http://www.ftd.de/tm/it/1057486297878.html?nv=rs; Abruf am 12.08.04 [Papendick, U.; 2004] Papendick, U.; Anleger im Abseits; manager magazin 5/04; S. 126-128 [Papendick, U./Student, D.; 2004] Papendick, U./Student, D.; Die mit der Macht spielen; manager magazin; 01.04.2004 [Pauly, C.; 2000] Pauly, C.; Der Guru des Neuen Marktes; Der Spiegel; 16.10.2000 [ph; 2000 ph; „Wir hatten ein gutes Verhältnis...“; Welt am Sonntag; 25.6.2000; S.66 [Pelda, K.; 2000; S.25] Pelda, K.; US-Anleger haben keine Lust mehr auf IPOs; Financial Times Deutschland; 17.5.2000; S.25 [Pellens, B; Füllbier, R.-U.; 2000] Pellens, B./Fülbier, R.-U.; Wie langjährige Aktionäre unmittelbare Vermögensverluste erleiden; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 15.5.2000; S.32

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[Pöhlmann, H.; 2000] Pöhlmann, H.; Die Macht der Kurs-Macher; FOCUS; Nr.11/2000; S.286ff [Poganatz, H.; 2000] Poganatz, H.; Mitarbeitermotivation spornt die Rendite an; Die Welt online – Finanzen; 7.4.2000; http://www.welt.de/daten/2000/04/07/0407fi161028.htx; Abruf am 12.08.04 [Postbank ist M-Dax-Kandidat; 2004] o.V.; Postbank ist M-Dax-Kandidat; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 05.08.2004 [Reepesgard, L.; 2000; S.3] Reppesgaard, L; Mit mehr Motivation arbeiten; Hamburger Abendblatt; Beilage „Finanzplatz Hamburg“; 14.4.2000; S.3 [Reepesgard, L./Müller, M.; 2000] Reppesgaard, L./Müller, M.; Deutsche Business-Angels vermitteln immer mehr Startkapital; Financial Times Deutschland; 4.7.2000; S.35 [rei; 2000] rei; Otto meldet Rekordumsatz; Die Welt; 15.9.2000; S.17 [Reim, M.; 2003] Reim, M.; Die meisten Analysten liegen daneben; Süddeutsche Zeitung; 3.1.2003; S.20 [Roth, M. T.; 2003] Roth M. T., Der Kreditgeber als Kontrolleur; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 06.09.2003; S. 11 [Rüppel, W.; 2000] Rüppel, W.; Infos im Netz; FOCUS MONEY; Nr.17; 19.4.2000; S.54 [Sacchetti, S.; 2002] Sacchetti, S.; Die Business-Angels; News; 4.4.2002; S.129 [SAD; 2000] SAD; „Ente“ ruiniert Aktionäre; Hamburger Abendblatt; 2./3.9.2000; S.23 [Sammet, S./Schwartz, S.; 2000] Sammet, S./Schwartz, S.; Wir stellen ein!; FOCUS; Nr.5 vom 31.1.2000; S. 228ff [scc; 2004] scc; Börse modifiziert Regeln für Neuemissionen; Handelsblatt; 13.8.2004 [Schilling, F.; 1999] Schilling, F.; Statt der alten Freunde Fachleute suchen; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999, S.B8 [Schönfeld, G.-M.; 2000] Schönfeld, G.-M.; Im Reich der Spekulanten; Stern; Nr.21, 18.5.2000 [Schwartz, S./Stadler, R.; 1999] Schwartz, S./Stadler, R.; „Biete Arbeit, suche Aktien“; FOCUS 13.12.1999; S. 268-272

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[SD; 1999; S.B3] SD; Rat von außen holen; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“ 4.10.1999; S.B3 Seibel, K./Zschäpitz, H., 2004] Seibel, K./Zschäpitz, H.; Börsianer misstrauen einem Drittel der Dax-Lenker; Die Welt; 13.5.2004 [Simon, H.; 2000] Simon, Harald; Der Abschied von der klassischen Holdingstruktur; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 31.1.2000 [Söllhuber Kretzer, A.; 1999] Söllhuber Kretzer, A.; Rating lohnt beim Gang an die Börse; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999; S.B18 [Sommer, U.; 2002] Sommer, U.; Immer mehr Geld drängt auf den Markt; Handelsblatt 4.3.2002; Seite 8 [Sosalla, U.; 2003; S.5] Sosalla, U.; Microsoft bringt Branche in Zugzwang; Financial Times Deutschland, 10.07.2003; S. 5 [Späth, N.; 2004] Späth, N.; Wincor Nixdorf visiert den MDax an; Welt am Sonntag; 08.08.2004 [Stachow, A.; 2000] Stachow, A.; Fondsmanager verlegen ihr Research ins Cyberspace; Financial Times Deutschland; 25.4.2000; S.33 [Stallmann, M.; 1999;] Stallmann, M.; Die Konsortialbanken sind der Schlüsselfaktor; Frankfurter Allgemeine Zeitung, Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999; S.B14 [Stoll, J.; 2000] Stoll, J.; Von Anfang an dabei; investor - Das Magazin der investorworld; Nr. 5/2000; S. 90f [Stü; 2000] Stü; Der gelbe Logistikkonzern nimmt immer deutlichere Konturen an; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 18.9.2000 S.23 [Technau, K.; 1999] Technau, K.; Hohe Anforderung an Börsenzulassung; Frankfurter Allgemeine Zeitung; Beilage „Unternehmensbeteiligungen“; 4.10.1999; S.B17 [tmo/HB; 2004] tmo/HB; Börsengang von Google startet heute; Handelsblatt; 17.8.2004 [Tondeur, E./Wälchi, J. P.; 1972-1973] Tondeur, E./Wälchi, J. P.; Grundzüge einer Integrierten Kommunikation, Artikelserie in 12 Folgen in: Werbung – Publicité 2/1972 – 1973 [Tüngler, M.; 2004] Tüngler, M.; „Spekulanten werden wenig Spaß haben“; Handelsblatt; 10.08.04

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[Viel Lärm um den Anleger; 2000] o.V.; Viel Lärm um den Anleger; Financial Times Deutschland; 8.6.2000; S.29 [Vorstände sollen für falsche Angaben haften; 2004] o. V.; Vorstände sollen für falsche Angaben haften; Spiegel Online; 23.08.2004 [von Below, C.; 2002] von Below, C.; Mitarbeiterbeteiligung in der Praxis – Interview mit Klaus R. Wagner in: Eyer, E. Hrsg.); Vergütung; Düsseldorf 2002; http://www.symposion.de/verguetung/vg_26.htm; Abruf am 12.08.04 [von der Crone, H. C.; Kistler, P.; 2000; S.28] von der Crone, H. C. Kistler, P. ; Mitarbeiteroptionen und Rechnungslegung. Eine Erfassung als Personalaufwand drängt sich auf; Neue Züricher Zeitung; 27.09.2000; S. 28 [Vorsichtige Geldanleger; 2000] o.V.; Vorsichtige Geldanleger; Die Woche; 7.4.2000; S.23 [Was ist die BSK?; 2000] o.V.; Was ist die BSK?; investor - Magazin der investorworld; Nr. 8/2000; S.81 [Waschek, J.; 2000] Waschek, J.; Pole-Position vor dem Börsenstart; w&v; 18.2.2000; S. 112ff [Weber, O.; 2000] Weber, O.; Keine gerechte Bewertung nirgends; Financial Times Deutschland; 26.4.2000; [Weilhammer, S.; 2000] Weilhammer, Stephan; Der transparente Börsengang; Börse Online; Nr.8/2000, S.66 [Weiss, H.-J./Heiden, M.; 2000] Weiss, H.-J./Heiden, M.; Investor Relations im Internet; Frankfurter Allgemeine Zeitung; 7.2.2000 [Widrat, S.; 2003] Susanne W.; Gemeinsam profitieren; Impulse; 01.12.2003; S. 52 [Wieneke, L. 2002] Wieneke, L.; Vorbild Amerika; Financial Times Deutschland; 21.5.2002; S.34 [Willmeroth, S.; 2002] Willmeroth, S. ; Weiteren Bilanztricks auf der Spur; Tagesanzeiger; 19.07.2002; S.51 [Wiskow, J.-H.; 2004] Wiskow, J.-H.; Großes Misstrauen; Capital; 27.05.2004; S. 56-58 [Würth, P.; 2000] Würth, P.; Frisches Geld in die Kasse; Die Woche; 7.4.2000; S.14 [Wuffli, P.; 1998] Wuffli, P.; Wertsteigerung oder Überleben als Institution?; Neue Züricher Zeitung; 16.11.1998; S.41

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[Zeise, L.; 2004] Zeise L.; Kontrolliert die Chefs; Financial Times Deutschland; 14.04.2004; S. 24 [Zschäpitz, H.; 2002] Zschäpitz, H.; Volksaktien leisten der Aktienkultur einen Bärendienst; Die Welt; 20.6.2002 [Zschäpitz, H.; 2003] Zschäpitz H.; Absolute Integrität bleibt eine Fiktion; Die Welt; 19.09.2003; S. 17 [Zuber, S./Mayer, C; 2000] Zuber, S./Mayer, C.; Essers süßestes Baby; FOCUS; 17.1.2000; S.186f

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Institutionelle Quellen [10 nowych firm w kolejce; 2004] o.V.; 10 nowych firm w kolejce; 2004; http://mojeinwestycje.interia.pl/news?inf=505738; Abruf am 17.06.2004 [AGP; 2004] Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft; Saarland will Mitarbeiterbeteiligung stärken Wirtschaftsminister Dr. Georgi kündigt Bundesratsinitiative an; Pressemitteilung vom 02.12.2003; http://www.agpev.de/aktuell/021203.htm; Abruf am 23.08.2004 [BASF; 2004] BASF; Kreditrating; http://corporate.basf.com/de/investor/anleihen/kreditratings.htm?id=k.QGe5PD0bcp-P0; Abruf am 27.7.2004 [BÉT; 2004/!] BÉT: Szabályzat a szekciótagságról; http://www.bet.hu/file/Szakciotagi_szabalyzat_20040525.pdf; 25.05.2004; Abruf am, 17.06.2004 [BÉT; 2004/2] BÉT; Szabályzat a bevezetési és forgalombantartási szabályokról; http://www.bet.hu/file/Bevezetesi_szabalyzat_040607-tol.pdf; 07.06.2004; Abgerufen am 17.06.2004 [BÉT; 2004/3] BÉT; Éves jelentés 2004; http://www.bet.hu/onlinesz/10000092.html?uio=4LONGU3E4PI32004Q069199W08K52H57P CQ2U6M05guest ; Abgerufen am, 17.06.2004 [BÉT; 2004/4] BÉT; Tőzsdeképes Cégek Klubja; http://www.bet.hu/onlinesz/10000038.html?uio=4LONGVQLZV2Z2004U06M21T610M14Z22 KEUZZEH05guest; Abruf am 14.06.2004 [BET; 2004/5] BÉT: A BUDAPESTI ÉRTÉKTOZSDE RÉSZVÉNYTÁRSASÁG KÉZIKÖNYVE A BUDAPESTI ÉRTÉKTOZSDE RÉSZVÉNYINDEXÉROL; http://www.bet.hu/file/BUXKezikonyv030801.pdf; Budapest 01.08.2003; Abgerufen am 16.07.2004 [BÉT; 2004/6] BÉT: BUX kosár; http://www.bet.hu/onlinesz/10000119.html?uio=4LONGY85HJJ42004T06R19QS12N24424T 5GWB7L05guest; 18.06.2004; Abgerufen am 17.06.2004 [Biodata; 2004] Biodata; Unternehmensgeschichte; www.biodata.de; Abruf am 14.06.2004 [Borussia Dortmund; 2004/1] Borussia Dortmund Zwischenbericht Juli 2003 – Dezember 2003; Dortmund 2004; S.5

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[Borussia Dortmund; 2004/2] Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA (Hrsg.); Investor Relations – Basisinformationen; www.borussia-aktie.de; Abruf am 23.4.2004 [CNB; 2004] Czech National Bank; Central bank exchange rate fixing ; http://wdb.cnb.cz/cnbeng/cnbeng.wwv_media.show?p_type=plsql&p_id=44&p_currcornerid= 40&p_language=us; Abgerufen am 25.06.2004 [Commerzbank; 2002] Commerzbank; Börsenanlegern fehlt das Vertrauen; Commerzbank Börsenbericht 04.04.2002; www.commerzbank.de; Abruf am 10.08.2004 [DAI] Deutsches Aktieninstitut; Internetauftritt; www.dai.de; Abruf am 11.08.04 [DAI; 2004] DAI - Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.); DAI-Kurzstudie 1/2004 [Deutsche Börse AG; 2000] Deutsche Börse AG (Hrsg); vision + money Special „Going-Public“; 01.2000 [Deutsche Postbank AG; 2004/1] Deutsche Postbank AG (Hrsg.); Unternehmen planen wieder den Börsengang; Bankpost Magazin 2004; S.9 [Deutsche Postbank AG; 2004/2] Deutsche Postbank AG; Postbank IPO Factsheet; Bonn 2004 [Deutscher Presserat; 2001] Deutscher Presserat; Pressekodex; 20.06.2001; http://www.presserat.de/site/pressekod/kodex/index.shtml; Abruf am 29.07.2004 [DIRK; 2004] Deutscher Investor Relations Kreis; CIRO - Certified Investor Relations Officer - Das Weiterbildungsprogramm des DIRK; http://www.dirk.org/sw1659.asp; Abruf am 23.08.2004 [DIW; 2004] Deutsches Institut für Wirtschaftsförderung; Erbschaftsstatistik; www.diw.de; Abruf vom Juni 2004 [Drommert, J.; 2000] Drommert, J.; Was vom Tage übrig bleibt; Lufthansa Magazin; Nr. 2/2000; S. 94ff [GPW; 2004/1] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Historia; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=1&i=/historia/historia; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/2] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie ; Ważne daty; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=11&i=/historia/wazne_daty; Abruf am 17.06.2004

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[GPW; 2004/3] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Rok 2003 na Giełdzie Papierów Wartościowych, Warschau; 8.01.2004 [GPW; 2004/4] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie ; Debiut Plast-Box; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&i=katarchiwum&nr_str=006&ktore=7__2&nag naz=Wydarzenia; Abruf am 17.06.2004 [GPW ; 2004/5] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie ; Struktura własnościowa; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=30&i=/struktura/wlasnosciowa; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/6] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Dzień otwarty, Zmiany zasady organizacji obrotu; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=999&i=/warset/warset_publikacje Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/7] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; System Warset; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=9&i=/warset/warset; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/8] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Podział rynków giełdowych; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=62&i=/rynki/schemat; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/9] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; SiTech; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=spolkigieldowe&k=3&i=/sitech/sitech; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/10] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Warunki dopuszczeń http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=spolkigieldowe&k=35&i=/droga_na_gielde/warunki; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/11] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Droga na Giełdę; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=spolkigieldowe&k=4&i=/droga_na_gielde/zrodlo; Abruf am 25.08.2004 [GPW; 2004/12] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=informacje_gieldowe&k=8&i=/indeksy/WIG/informacje_ podstawowe; Abruf am 17.06.2004 [GPW; 2004/13] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Złote spółki; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=spolkigieldowe&k=2&i=/zlote_spolki/zlotespolki; Abruf am 17.06.2004

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[GPW; 2004/14] Giełda Papierów Wartościowych w Warszawie; Strategia ; http://www.gpw.com.pl/gpw.asp?cel=ogieldzie&k=6&i=/strategia/strategia; Abruf am 15.06.2004 [Höhn, W.; 2004; S.5] Höhn, W.; Der Ablauf einer Börsenersteinführung; Geld & Brief - Das Magazin der Börsen Hamburg und Hannover; Nr. 03/2004; S.5 [KNSK,Slagmann/rheingold; 1999] KNSK,Slagman/rheingold Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen (Hrsg.); Die Aktie als Marke; http://www.rheingold-online.de/db/download/Aktie_als_Marke.pdf; 18.11.1999 [Magyar Nemzeti Bank; 2004] Magyar Nemzeti Bank; Exchange Rates; http://english.mnb.hu/napiarfolyam.asp?id=207; Abgerufen am 25.06.2004 [Ministerstwo Finansów; 2004] Ministerstwo Finansów; Strategia rozwoju rynku kapitałowego „Agenda Warsaw City 2010”; Warschau 2004; www.mf.gov.pl/_files_/aktualnoci/ strategiarrk/strategiarrk.pdf Abruf am 15.06.2004 [Morbach-Fuchs, U.; 2000] Morbach-Fuchs, U.; Die Karten werden neu gemischt; Private Banking - Kundenmagazin des Deutsche Bank; Nr.9/2000; S.11 [NBP; 2004] Narodowy Bank Polski; Tabela A kursów średnich walut obcych; http://www.nbp.pl/Kursy/KursyA.html; Abruf am 20.06.2004 [NetFederation; 2004] NetFederation Interactive Media GmbH; DAX30-Unternehmen nehmen ihre Investoren nicht ernst genug; Pressemeldung vom 02.06 2004; http://www.netfederation.de/finance/de/wir_fuer_sie/ news/dax30_unternehmen_nehmen_ihre_investoren_nicht_ernst_genug.html; Abruf vom 23.08.2004 [Postbank AG; 2004] Postbank AG; Pressemitteilung: Postbank Aktienemission erfolgreich; 23.06.2004; http://aktie.Postbank.de/aktie/de/news/pressemeldungen/Pressemeldung_040622.jsp;jsessio nid=443D2E36959CF67343ADED0B1B80DABB ; Abruf am 10.08.04 [Riess, R.; 2004] Riess, R.; Ein Börsengang bietet viele Chancen – für Unternehmen und ihre Mitarbeiter; in: Deutsche Postbank AG (Hrsg.); Bankpost Magazin; 2004, S.8 [Schwarz Pharma; 2004] Schwarz Pharma AG; Positive Studienergebnisse für Rotigotin gegen Restless-LegsSyndrom; Meldung vom 12.07.2004; www.vwd.de; Abruf am 12.07.2004 [T-Online, 2000] T-Online; Emissionsprospekt T-Online; 2000

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[von Schimmelmann, W.; 2004] von Schimmelmann W.; Statement auf der Vorstellung der Halbjahresergebnisse der Postbank; Frankfurt; 09.08.04 [VW; 2004] VW; Zeit sparen – Zukunft sichern; www.vw-personal.de; Abruf vom 13.7.2004 [Wiecking, K.; 2004] Wiecking, K.; Postbank-Börsengang: Eine Lehrstunde; www.morningstarfonds.de/news; 25.6.2004; Abruf am 23.08.2004

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Internetquellen [abs; 2004] abs Unternehmensentwicklungs-GmbH; Volksaktie; www.abs.aktien-trader.de/vol; Abruf am 23.08.2004 [ad; 2004] ad; Time Warner will AOL behalten; 23.05.2004; http://www.heise.de/newsticker/meldung/47584; Abruf am 12.08.2004 [AOL übernimmt Time Warner; 2000] [o.V.; AOL übernimmt Time Warner; 27.01.2000; http://www.wsws.org/de/2000/jan2000/aolj27.shtml; Abruf am 12.08.04 [Boersenschule24; 2004] Boersenschule24; Übersicht - Was ist Behavioral Finance?; http://www.boersenschule24.de/bs24/boerse/behavioral_finance.htm; Abruf am 12.09.04 [C. M. Picot; 2004/1] C.M. PICOT finance GbR; Unternehmensübernahmen mit deutscher Beteiligung – Zahl der registrierten Übernahmen; http://www.mergers-andacquisitions.de/fakten1040.htm#unternehmensuebernahmendeutschebeteiligung; Abruf am 23.08.2004 [C. M. Picot; 2004/2] C.M. PICOT finance GbR; Volumen der registrierten Übernahmen; http://www.mergers-andacquisitions.de/fakten1040.htm#unternehmensuebernahmendeutschebeteiligung; Abruf am 23.08.2004 [Düvel, L.; 2002] Düvel, L.; Definition/Erklärung/Einführung - was ist Behavioral Financ, 17.08.2002 http://www.behavioralfinance.de; Abruf am 12.08.04 [psychonomics; 2004] psychonomics; 2004; Behavioral Finance; http://www.psychonomics.de/article/articleprint/54/1/9/; Abruf am 12.08.04 [uba; 2000] uba; AOL und Time Warner fusionieren; 10.01.2000; http://www.tecchannel.de/news/20000110/thema20000110-454.html; Abruf am 12.08.04

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Sonstiges [Bloomberg L.P.; 2004] Bloomberg L.P.; Finanz-Informationssystem; Abruf vom 18.6.2004 [cmp finance; 2004] CMP finance GmbH; Mergers & Acquisitions in Deutschland; http://www.mergers-andacquisitions.de/fakten1040.htm; Abruf am 28.07.04 [d´Arcy, A.; 2004] d´Arcy, A.; Aktuelle Entwicklungen in der europäischen und deutschen Rechnungslegung und Auswirkungen auf das Controling; Workingpaper der Universität Gießen; 04/2004 [Europressedienst; 2002] Europressedienst (Hrsg.); Wie sehen BWL-Studenten den deutschen Mittelstand? – Eine Untersuchung vom Europressedienst, exklusiv für Impulse in Zusammenarbeit mit Outinform; Bonn; April 2002 [Kostolany, A.; 2004] Kostolany, A.; Andre Kostolany's Weisheiten; http://www.valueanalyse.de/grundsatz/kostolany.html; Abruf am 12.08.04 [Kurz, J.; 2004] Kurz, J.; DSW Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.; unveröffentlichtes Manuskript ohne Titel; 2004 [Paul, S./Stein, S.; 2003] Paul, S./Stein, S.; Szenen einer Ehe – Mittelstand und Banken in der Beziehungskrise?; Studie der Universität Bochum; Bochum 2003; http://www.ikf.rub.de/ehe.htm; Abruf am 12.08.04 [Wappler C.; 2002] Behavioral Finanze – Ein neuer Ansatz zur Erfassung der Risiken am Aktienmarkt; Diplomarbeit an der Berufsakademie Mannheim; 2002

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Anhang Going Public-Grundsätze in der Fassung * vom 01. August 2004 Herausgegeben von der Deutsche Börse AG.

1 Präambel Im Zusammenhang mit der zunehmenden Globalisierung der Kapitalmärkte kommt der Schaffung einheitlicher nationaler und internationaler Standards und Rahmenbedingungen für das öffentliche Angebot, die Zulassung und Notierung von Wertpapieren an der Börse erhöhte Bedeutung zu. Ziel der Going Public-Grundsätze (nachfolgend die „Grundsätze“) ist die Erhöhung der Transparenz der für die Anlageentscheidung relevanten Informationen sowie die Schaffung eines einheitlichen Informationsniveaus für alle Anleger. Die Grundsätze spiegeln national und international weitgehend anerkannte Kapitalmarktstandards wider. Durch eine Verbesserung des Anlegerschutzes und die Förderung des Vertrauens nationaler und internationaler Anleger in die Integrität von Aktienemissionen in Deutschland soll der Finanzplatz Deutschland gestärkt werden. Wesentlicher Zweck der Grundsätze ist, die Funktion des Prospekts als zentrales Informationsmedium und zentrale Entscheidungsgrundlage für die Anleger zu stärken. Dies soll insbesondere durch formelle und materielle Gestaltungsvorgaben sowie durch Reglementierung emissionsbegleitender Unterlagen außerhalb des Prospekts erreicht werden. Die Grundsätze stellen Verhaltens- und Handlungsempfehlungen für Emittenten und alle an einer Aktienemission beteiligten Emissionsbegleiter dar. Gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften bleiben unberührt. Die Grundsätze sind als flexibles Instrument konzipiert und werden bei Bedarf im Interesse einer dynamischen Weiterentwicklung der nationalen und internationalen Kapitalmarktpraxis angepasst.

2 Anwendungsbereich 2.1 Die Grundsätze gelten für Aktien und aktienvertretende Zertifikate, die in Deutschland öffentlich zum Kauf angeboten und zum Handel im Prime Standard oder im General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen werden. Die vorherige oder gleichzeitige Zulassung der Aktien oder aktienvertretenden Zertifikate an einer oder mehreren anderen in- oder ausländischen Börsen steht der Geltung dieser Grundsätze nicht entgegen. Mit Ausnahme von Ziffer 6.1 gelten die Grundsätze nicht im Fall der Befreiung von der Prospektpflicht (prospektfreie Zulassung). Mit Ausnahme von Ziffer 6.1 gelten die Grundsätze ferner nicht im Fall der Zulassung von Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten, die aufgrund eines Bezugsrechts zugeteilt werden (Bezugsrechtszuteilung), sofern insoweit kein Vertrieb der Aktien oder aktienvertretenden Zertifikate erfolgt.

*

Erläuterungen zum Anhang unter: www.deutsche-boerse.com >> Veröffentlichungen/Downloads/Going & Being Public.

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ANHANG

2.2 Die Einhaltung der Grundsätze ist durch einen Vermerk im Prospekt zum Ausdruck zu bringen. Sofern im Einzelfall aufgrund emissionsspezifischer Bedürfnisse von einzelnen Grundsätzen abgewichen wird, ist die Abweichung nach Art und Inhalt im Prospekt darzustellen.

3 Formelle Gestaltung des Prospekts 3.1 Gestaltung der Umschlagseiten des Prospekts 3.1.1 Die Außenseite des Deckblatts des Prospekts enthält ausschließlich die folgenden Angaben: − Name und Sitz des Emittenten, − Bezeichnung des Zulassungsdokuments − Datum. Zusätzlich kann auf der Außenseite des Deckblatts des Prospekts das Firmenzeichen (Logo) des Emittenten erscheinen. 3.1.2 Auf den Außenseiten der Umschlagseiten des Prospekts dürfen weder Fotografien noch sonstige bildliche Darstellungen noch Werbeschlagwörter (Slogans) erscheinen. 3.1.3 Im übrigen ist die farbliche Gestaltung der Umschlagseiten des Prospekts frei. 3.1.4 Die Innenseiten der Umschlagseiten des Prospekts können Fotografien und sonstige bildliche Darstellungen enthalten. Die Umschlagseiten des Prospekts können als Aufklappseiten ausgestaltet sein. 3.2 Schriftgröße und bildliche Darstellungen im Prospekt 3.2.1 Die Schriftgröße im Fließtext des Prospekts beträgt mindestens 10 Punkte. 3.2.2 Überschriften sind deutlich abzusetzen und durch Fett- und/oder Kursivdruck hervorzuheben. Die Schriftgröße von Überschriften beträgt mindestens: − Überschriften der ersten Ebene 14 Punkte, − Überschriften der zweiten Ebene 12 Punkte, − Überschriften weiterer Ebenen 11 Punkte. 3.2.2 Der Fließtext des Prospekts darf keine Fotografien oder sonstige bildliche Darstellungen enthalten, ausgenommen Grafiken und Organigramme. Grafiken und Organigramme sind ausschließlich schwarz/grau/weiß zu gestalten. Die Schriftgröße von Grafiken und Organigrammen muss mindestens acht Punkte betragen. 3.3 Gliederung des Prospekts Der Prospekt ist gemäß der Anlage zu gliedern. Von dieser Gliederung kann abgewichen werden, wenn dies im Einzelfall aus sachlichen Erwägungen geboten erscheint und die in der Anlage genannten Gliederungspunkte vollständig im Prospekt enthalten sind. 3.4 Darstellungsweise und Sprache im Prospekt

ANHANG

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3.4.1 Der Prospekt ist in allgemeinverständlicher Sprache zu formulieren. Fachsprache und Fachbegriffe sind zu vermeiden oder, sofern dies aus sachlichen Gründen nicht möglich ist, in allgemeinverständlicher Sprache zu erklären (z.B. Glossar). Die Sätze sind klar und kurz zu halten. Wortwörtliche Wiederholungen von ganzen Absätzen sind, mit Ausnahme im Rahmen einer ausdrücklich als solcher gekennzeichneten Zusammenfassung, unzulässig. 3.4.2 Die Darstellung im Prospekt darf keinen werbenden Charakter haben, sondern ist auf die sachliche Weitergabe von Informationen zu beschränken.

4 Materielle Gestaltung des Prospekts 4.1 Darstellung der Risikofaktoren 4.1.1 Es dürfen nur solche Risikofaktoren genannt werden, die einen spezifischen Bezug zum Geschäftsbetrieb und zum Geschäftsumfeld (Sektor, Branche) des Emittenten haben. Der spezifische Bezug jedes einzelnen Risikofaktors zum Geschäftsbetrieb und –umfeld des Emittenten ist darzustellen. Allgemeine Geschäftsrisiken, denen jeder Geschäftsbetrieb bzw. jedes Geschäftsumfeld gleichermaßen unterliegt, dürfen nicht als Risikofaktoren genannt werden. 4.1.2 Die Reihenfolge der Risikofaktoren sollte sich an dem Ausmaß ihrer möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Emittenten im Fall ihrer Realisierung orientieren. Dabei können Risikofaktoren nach Sachbereichen kategorisiert werden (z.B. rechtliche Risiken, Geschäftsrisiken). Ein ausdrücklicher Hinweis, dass die Aufzählung keine Aussage über die Realisierungs-wahrscheinlichkeit der aufgezählten Risiken darstellt, ist ebenso zulässig wie der Hinweis, dass auch die Priorisierung auf Annahmen beruht, die sich nachträglich als falsch erweisen können. 4.2 Darstellung zukunftsgerichteter Aussagen 4.2.1 Zukunftsgerichtete Aussagen sind sprachlich eindeutig als solche erkennbar zu machen. Dies hat durch Standardformulierungen wie zum Beispiel „erwartet“, „geht davon aus“, „nimmt an“ oder „prognostiziert“ zu erfolgen. 4.2.2 Bei Verwendung zukunftsgerichteter Aussagen ist darzustellen, auf Grund welcher Annahmen diese getroffen worden sind. Zukunftsgerichtete Aussagen dürfen ausschließlich im guten Glauben an die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Annahmen getroffen werden. 4.2.3 Sofern darauf hingewiesen wird, dass sich die im Prospekt enthaltenen zukunftsgerichteten Aussagen möglicherweise als falsch erweisen können, sind die spezifischen Faktoren darzustellen, die zum Nichteintreffen der zukunftsgerichteten Aussage führen können. Formelhafte Erklärungen sind insoweit unzulässig. 4.3 Offenlegung von Geschäften und Rechtsbeziehungen mit nahestehenden Personen 4.3.1 Im Prospekt sind alle für die Beurteilung des Emittenten oder der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate wesentlichen Geschäfte und Rechtsbeziehungen des Emittenten mit diesem nahestehenden natürlichen und juristischen Personen offen zu legen. 4.3.2 Offenzulegen sind alle Informationen, die für die Beurteilung des Geschäfts oder der Rechtsbeziehung wesentlich sind. Dies sind insbesondere die Parteien und sonstige am Geschäft oder an der Rechtsbeziehung Beteiligte, Art und Inhalt des Geschäfts oder der Rechtsbeziehung, Art und Inhalt von Leistungen und Gegenleistungen sowie der Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung des Geschäfts oder der Rechtsbeziehung bzw. deren Dauer.

330

ANHANG

4.3.3 Dem Emittenten nahestehende natürliche Personen sind: − Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans des Emittenten, − Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Verwandte ersten Grades der Personen nach Nummer 1. 4.3.4 Dem Emittenten nahestehende juristische Personen sind: − nicht konsolidierte Unternehmen, an denen der Emittent unmittelbar oder mittelbar mindestens fünf vom Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte hält, 5/9 − Unternehmen, die am Emittenten unmittelbar oder mittelbar mindestens fünf vom Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte halten, − Unternehmen, an denen Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans des Emittenten unmittelbar oder mittelbar mindestens fünf vom Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte halten, − Unternehmen, in denen Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans des Emittenten Mitglied der Geschäftsführung oder persönlich haftende Gesellschafter sind. − Stiftungen, Treuhandschaften und vergleichbare in- oder ausländische Rechtsstrukturen, deren Begünstigte Mitglieder des Geschäftsführungsorgans des Emittenten sind. 4.4 Pro forma-Angaben in der Rechnungslegung Vorbehaltlich anderweitiger zwingender Vorschriften dürfen im Prospekt pro forma-Angaben in der Rechnungslegung des Emittenten nur verwendet werden, sofern: − beim Geschäftsbetrieb des Emittenten wesentliche rechtliche oder wirtschaftliche Änderungen eingetreten sind und − sich der Berichtszeitraum der pro forma-Angaben auf das letzte Geschäftsjahr und die aktuelle Zwischenberichtsperiode des Emittenten beschränkt und − die pro forma-Angaben nach anerkannten Rechnungslegungsvorschriften erstellt sind und − die pro forma-Angaben Gegenstand einer prüferischen Durchsicht nach anerkannten Prüfungsmaßstäben durch einen Wirtschaftsprüfer waren und dieser gegenüber den eine Aktienemission begleitenden Konsortialbanken sowie dem Emittenten eine marktübliche Bescheinigung über das Ergebnis der prüferischen Durchsicht erstellt. 4.5 Berufliche Werdegänge und Vorstrafen der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans 4.5.1 Im Prospekt sind die beruflichen Werdegänge der einzelnen Mitglieder des Geschäftsführungsorgans des Emittenten darzustellen. 4.5.2 Im Prospekt sind etwaige Sanktionen (z.B. Verurteilungen, Strafen, Bußgelder, Berufsverbote) der einzelnen Mitglieder des Geschäftsführungsorgans des Emittenten während mindestens der letzten fünf Jahre für die Verletzung in- und ausländischer Bestimmungen des Straf- und Kapitalmarktrechts (z.B. Wertpapierhandelsrecht, Börsenrecht) anzugeben, die für eine Geschäftsführungstätigkeit von erheblicher Bedeutung sind (z.B. Untreue, Betrug, Kapitalanlagebetrug, Kreditbetrug, Bilanzfälschung, Insolvenzstraftaten, Insiderstraftaten).

ANHANG

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5 Angaben des Emittenten außerhalb des Prospekts Der Emittent darf ab dem Zeitpunkt des Zulassungsantrags, spätestens jedoch vier Wochen vor dem öffentlichen Angebot bis zum Ablauf der Stabilisierungsfrist, spätestens jedoch 30 Kalendertage nach Notierungsaufnahme der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate weder öffentlich noch nicht-öffentlich, weder direkt noch indirekt Informationen über sein Geschäft sowie seine Finanz- und Ertragslage zur Verfügung stellen, die für die Beurteilung des Emittenten oder der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate wesentlich und nicht im Prospekt enthalten sind. Gesetzliche Informationspflichten des Emittenten bleiben unberührt.

6 Research Reports der Konsortialbanken (Unternehmensstudien) 6.1 Die an einer Aktienemission beteiligten Konsortialbanken sowie deren verbundene Unternehmen dürfen innerhalb eines Zeitraums, der zwei Wochen vor dem öffentlichen Angebot beginnen soll, in jedem Fall jedoch spätestens zehn Kalendertage vor dem öffentlichen Angebot beginnen muss, und mit Ablauf der Stabilisierungsfrist, spätestens jedoch 30 Kalendertage nach Notierungsaufnahme der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate endet, keine emissionsbezogenen Unternehmensstudien über den Emittenten verteilen (sog. Blackout-Periode). Ziffer 6.3 bleibt unberührt. 6.2 Für emissionsbezogene Unternehmensstudien der an einer Aktienemission beteiligten Konsortialbanken sowie deren verbundener Unternehmen darf der Emittent nur solche für die Beurteilung des Emittenten oder der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate wesentlichen Informationen über sein Geschäft sowie seine Finanz- und Ertragslage zur Verfügung stellen, die auch im Prospekt enthalten sein werden. 6.3 Im Fall von Emittenten, deren Aktien oder aktienvertretende Zertifikate bereits börsenzugelassen sind, dürfen die an einer Aktienemission beteiligten Konsortialbanken sowie deren verbundene Unternehmen nicht emissionsbezogene Unternehmensstudien, die unabhängig von einer Aktienemission in regelmäßigen Abständen erstellt und veröffentlicht werden (NonDeal Related Research), auch während einer Aktienemission verteilen, wenn derartige Studien von der betreffenden Konsortialbank oder dem betreffenden verbundenen Unternehmen bereits seit mindestens zwölf Monaten regelmäßig erstellt und verteilt werden und der Anlass für die Studie nicht mit der Aktienemission in Zusammenhang steht.

7 Zur Verfügung Stellen des Prospekts; Internet 7.1 Der Emittent und alle am Verkauf der Aktien oder der aktienvertretenden Zertifikate beteiligten Emissionsbegleiter stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass der Prospekt allen am Kauf interessierten Anlegern spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots zur Verfügung gestellt wird. 7.2 Der Prospekt ist den Anlegern spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots für drei Jahre seit der Veröffentlichung des Prospekts auf der Internet-Seite des Emittenten zugänglich zu machen. Anlage: (Stand: 01.08.2004)

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ANHANG

Prospektgliederung 1. Prospektkopf 2. Inhaltsverzeichnis 3. Allgemeine Informationen 3.1 Verantwortungsklausel 3.2 Erklärung über die Einhaltung der Going Public-Grundsätze 3.3 Angabe der Einsichtnahmestelle 4. Zusammenfassung 4.1 Unternehmen 4.2 Börsenzulassung/Angebot 5. Börsenzulassung und Angebot 5.1 Gegenstand der Börsenzulassung/ des Angebots, Zeitplan, Veröffentlichungen 5.2 Allgemeine und besondere Angaben über die Aktien 5.3 Veräußerungsverbote, Übertragbarkeit 5.4 Stabilisierungsmaßnahmen/Mehrzuteilungsoption 5.5 Designated Sponsors 5.6 Verwendung des Emissionserlöses 6. Risikofaktoren 7. Angaben über die Geschäftstätigkeit des Emittenten 7.1 Inhalt der §§ 20, 37 BörsZulV 7.2 Beschreibung der Märkte und des Marktumfelds 7.3 regulatorische Vorschriften 7.4 Wettbewerb 7.5 Unternehmensstrategie 8. Angaben über den Emittenten 8.1 Inhalt des § 18 BörsZulV 8.2 Aktionärsstruktur (vor und nach Zulassung) 8.3 Inhalt des § 25 BörsZulV sowie Dividendenpolitik, Gewinnverwendung 8.4 Angabe der Abschlussprüfer 9. Angaben über das Kapital des Emittenten 9.1 Inhalt des § 19 BörsZulV 9.2 Beteiligungen 9.3 beherrschender Einfluss 10. Angaben über Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten 10.1 Vorstand, berufliche Werdegänge, Vorstrafen 10.2 Aufsichtsrat 10.3 Hauptversammlung 11. Geschäfte und Rechtsbeziehungen mit nahestehenden Personen 12. Management‘s Discussion & Analysis 13. Finanzteil 14. Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten des Emittenten 15. Glossar 16. Zulassungsklausel 17. Unterschriften der Antragsteller