Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht [1 ed.] 9783428537488, 9783428137480

»Keine Planausweisung kann einen Schutz vor Terrorakten gewährleisten«, so das OVG Münster im Jahr 1984 (Urt. v. 23.3.19

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German Pages 255 Year 2012

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Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht [1 ed.]
 9783428537488, 9783428137480

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1205

Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht Von Richard Hopkins

Duncker & Humblot · Berlin

RICHARD HOPKINS

Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1205

Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht

Von Richard Hopkins

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13748-0 (Print) ISBN 978-3-428-53748-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83748-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das Thema „Abwehr terroristischer Gefahren und Risiken durch Bauplanungsrecht“ führt zwei Rechtsbereiche zusammen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: auf der einen Seite das auf geordnete Bodennutzung ausgerichtete Bauplanungsrecht, maßgeblich geprägt durch den Abwägungsgrundsatz, auf der anderen Seite die Denkkategorien des Polizei- und Ordnungsrechts mit den Mitteln der präventiven Gefahrenabwehr, maßgeblich geprägt durch eingriffsbezogenes staatliches Handeln. Wirft man jedoch mit dieser Arbeit einen zweiten Blick auf das Thema, so werden zahlreiche Verbindungslinien und Schnittpunkte deutlich, durch die beide Rechtsgebiete voneinander profitieren können. Für die Annahme, Betreuung und fortwährende Unterstützung dieses zweiten Blickes bedanke ich mich zuallererst bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis. Ohne die Tätigkeit an seinem Lehrstuhl zunächst als studentischer und später wissenschaftlicher Mitarbeiter wäre das Interesse am Öffentlichen Recht und insbesondere am Baurecht nicht entstanden. Auch der wesentliche Impuls für die Entscheidung zur Promotion entsprang dieser Zeit und der besonderen Atmosphäre am Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Olaf Reidt danke ich herzlich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und seine weiterführenden Hinweise. Wesentliche Anstöße verdankt die Arbeit Herrn Dr. Albert Ingold, der insbesondere für die Diskussion der erwähnten Verbindungslinien des Themas stets zur Verfügung stand. Ihm sowie Franziska Drohsel, Eva Marie Schnelle und Ren¦ Bahns sei für viereinhalb Jahre Lehrstuhlgemeinschaft gedankt, die zu Freundschaft geworden ist. Die vorliegende Arbeit wurde im August 2011 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind teilweise bis Oktober 2011 berücksichtigt. Berlin, im November 2011

Richard Hopkins

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 A. Bauen und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Ausgangspunkt: Botschaften und die Sorge vor terroristischen Anschlägen . . . . . . . . 16 C. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. Ziel und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Kapitel Risiko, Gefahr und Stadtplanung

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A. Historische und gegenwärtige Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr . . . . . . . . . 20 I. Von der „Urhütte“ bis zum Umbau von Paris im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 20 II. Die Zeit der Weltkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Städtebauliche Vorstellungen der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Einrichtungen des deutschen Zivilschutzes im Kalten Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 V. Anforderungen an den US-amerikanischen Botschaftsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 VI. Der Neubau des BND in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Sicherheitsrechtlich geprägte Normen in der israelischen Stadtplanung . . . . . . . . 33 IV. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 V. Ein besonderes Beispiel städtischer Segregation: Gated communities . . . . . . . . . . 35

8

Inhaltsverzeichnis

C. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Kapitel Risiko, Gefahr und Terrorismus

40

A. Soziologie und Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Recht und Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Ausgangspunkt: Die Gefahr im polizeirechtlichen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Das Problem der Ungewissheit – Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht . . . . . . 43 III. Der Gefahrenverdacht als Brücke zum Risikobegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Der Bereich des Restrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Terrorismus – Risiko oder Gefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Juristische Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Strafrechtliche Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Versicherungsrechtliche Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Sichtweise des Rats der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Zusammenhang mit dem Gefahr- und Risikobegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Terrorismusbedrohung als konkrete Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Terrorismusbedrohung als abstrakte Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Terrorismusbedrohung als Gefahrenverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Terrorismusbedrohung als Risiko und die Abgrenzung zum Restrisiko . . . . . . 57 D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Planung als ein Präventionsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Das Beispiel Carbon Capture and Storage (CCS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Risikoprävention gegen äußere Einflüsse im Atomrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Erfasst das AtomG kriegerische Gefahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die enge Auslegung des Atomgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

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b) Die erweiternde Auslegung des Atomgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Die Entscheidung des BVerwG zu bewaffnetem Werkschutz . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Kernkraftwerke und der Schutz vor terroristischen Angriffen . . . . . . . . . . . . . 72 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Auswirkungen für die Untersuchungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Schutz der Nachbarschaft vor Störfallanlagen – die Seveso-Richtlinien . . . . . . . . 76 1. Überblick Seveso-II-Richtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland . . . . . . . . 77 2. Die speziellen planungsrechtlichen Auswirkungen der Richtlinie . . . . . . . . . . 77 a) § 50 Satz 1 BImSchG – Das Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Das Zusammenspiel zwischen Störfallschutz und Bauplanungsrecht . . . . . 79 aa) Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Störfallschutz und unbeplanter Innenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Umgang mit Gemengelagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Aspekte und Bewertung der aktuellen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Schutzraumbau als Verbindungslinie zum Untersuchungsthema . . . . . . . . . . . . . . 89 III. Katastrophenvorsorge durch Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Kapitel Risiko, Gefahr, Terrorismus und das öffentliche Baurechtund Raumplanungsrecht

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A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Die Begriffe Risiko und Katastrophe im Raumordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Erfahrungen aus der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Die Untersuchung von Greiving . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Risikovorsorge durch Raumplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG – Schutz kritischer Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . 97

10

Inhaltsverzeichnis 3. § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG – Hochwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. § 2 Abs. 2 Nr. 7 ROG – Erfordernisse der Verteidigung und des Zivilschutzes 103 5. Das Raumordnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 6. Spezielle Risikogebiete auf Ebene der Raumplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Das Bauordnungsrecht als klassisches Gebiet baurechtlicher Gefahrenabwehr . . . 106 II. Das Baupolizeirecht in Preußen und den anderen deutschen Staaten . . . . . . . . . . . 107 III. Die Abwehr terroristischer Bedrohungslagen durch Bauplanungsrecht aus kompetenzrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 . . . . . . . . . 110 2. Auslegung des Begriffs „Bodenrecht“ durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. Die Berücksichtigung von terroristischen Bedrohungslagen in der Bauleitplanung 114 1. Der Brückenmechanismus des § 1 Abs. 4 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Inhalt der Anpassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Voraussetzungen der Anpassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Auslösen von Erstplanungs- und Änderungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB – Die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung. 115 a) Grundsätze zur Auslegung der Planungsleitlinien in § 1 Abs. 6 BauGB . . . 116 b) Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 d) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 e) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Ausgangspunkt: Amtshaftung wegen fehlerhafter Bebauungspläne . . . 119 bb) Ausweitungen der Altlastenrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. § 1 Abs. 6 Nr. 10 BauGB – Die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes 123 a) Das Schutzbereichgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Handhabung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis

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b) Das Landbeschaffungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Handhabung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Die Beteiligung der Gemeinde an Vorhaben von überregionaler Bedeutung . . 134 a) § 36 BauGB – Das gemeindliche Einvernehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) § 38 BauGB – Fachplanung und Bauzulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 135 c) § 37 BauGB – Die baulichen Maßnahmen des Bundes und der Länder . . . 136 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5. § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB – Die Belange des Hochwasserschutzes . . . . . . . . . 139 a) Mögliche Festsetzungen zum Hochwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Hochwasserschutz, Bauleitplanung und die §§ 72 – 81 WHG . . . . . . . . . . . 141 6. Das Ermittlungs- und Bewertungsgebot aus § 2 Abs. 3 BauGB verstanden als Instrument der Risikoanalyse und Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . 144 7. § 1 Abs. 7 BauGB – Das Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Genereller Vorrang von Terrorschutzbelangen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Zwingend zu berücksichtigende Planungsleitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Terrorschutzbelange = § 50 BImSchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Terrorschutzbelange als Optimierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 dd) Vorrang für Vorhaben im Sinne von § 37 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 ee) Zwischenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Gebote der planerischen Konfliktbewältigung und der Rücksichtnahme . . 156 aa) Verbot des Konflikttransfers und die Ausschöpfung des Konfliktlösungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Rücksichtnahmegebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 8. Planungspflichten ausgelöst durch Terrorgefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Planungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Planungspflicht aus § 1 Abs. 3 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Planungspflicht aus grundrechtlichen Schutzpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Die Begründung der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension . . . . . . 162 bb) Staatliche Schutzpflichten und Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Alternative: Grundrechtsschutz durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

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Inhaltsverzeichnis 9. Steuerungsmöglichkeiten durch den Flächennutzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB – Bauflächen und Baugebiete . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB – Verkehrsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauGB – Versorgungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 S. 3 BauGB – Wirkungen eines sachlichen Teilflächennutzungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 10. Steuerungsmöglichkeiten durch den Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – Art und Maß der baulichen Nutzung . . . . . . . . . 171 aa) Art der baulichen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Maß der baulichen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2a und 3 BauGB – Bauweise, Stellung, Abstände und Mindestgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB – Wohnungsanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB – Besonderer Nutzungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 177 e) § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB – Freizuhaltende Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 f) § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB – Verkehrsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 g) § 9 Abs. 1 Nr. 12 und 13 BauGB – Versorgungsanlagen und -leitungen . . . 179 h) § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB – Schutzflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 i) § 9 Abs. 2 BauGB – Befristung und Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 j) § 9 Abs. 4 BauGB – Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 k) § 9 Abs. 5 BauGB – Kennzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 l) Steuerungsmöglichkeiten durch konsensuale Bauleitplanung . . . . . . . . . . . 184 aa) Der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) § 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – Städtebauliche Maßnahmen . . . . . . . . . 186 (2) § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB – Förderung und Sicherung der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (3) § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB – Übernahme von Folgekosten . . . . . . . . 188 bb) Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB . . . . . . . . . . 189 cc) Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 dd) Eignung vertraglicher Regelungen zum Terrorschutz . . . . . . . . . . . . . . 190 11. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Inhaltsverzeichnis

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V. Die Berücksichtigung von terroristischen Bedrohungslagen in der bauplanungsrechtlichen Vorhabenzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Steuerung von anschlagsgefährdeten Nutzungen im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Zulassung nach § 34 Abs. 2 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Allgemeine Zulässigkeit von Botschaften und Konsulaten . . . . . . . . . . 193 bb) Allgemeine Zulässigkeit von Anlagen für kirchliche Zwecke . . . . . . . 195 cc) Allgemeine Zulässigkeit von Infrastrukturnutzungen und Störfallanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Zulassung nach § 34 Abs. 1 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB als besondere Schutzausprägung . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Die Bedeutung von Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB . . . . . . . 198 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Schutz- und Abwehrpositionen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Der Gebietserhaltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Anfänge der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Konkrete Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 cc) Bedeutung des Gebieterhaltungsanspruchs für anschlagsgefährdete Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Die Gebietsverträglichkeit als Brücke zum Gebietsprägungserhaltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Folgerungen für anschlagsgefährdete Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Das Gebot der Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Herleitung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Das Gebot der Rücksichtnahme und die Zurechnung terroristischer Bedrohungslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Der dynamische Nachbarschutz durch Risikomonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 VI. Steuerung durch plansichernde und planverwirklichende Maßnahmen . . . . . . . . . 214 1. Die Veränderungssperre nach § 14 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Die Ausübung von gemeindlichen Vorkaufsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 VII. Maßnahmen der Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

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VIII. Die Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IX. Das Baugebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Die bauaufsichtliche Umsetzung der Ergebnisse des Risikomonitorings . . . . . . . . 221 1. Die Möglichkeiten des schlicht-hoheitlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Die Aufhebung der Baugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5. Die bauordnungsrechtliche Gefahrengeneralklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Die Darstellungspflicht nach § 68 Abs. 3 MBO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Die Sicherheitsanforderungen des materiellen Bauordnungsrechts . . . . . . . . . . . . 230 1. Die bauordnungsrechtliche Generalklausel, § 3 Abs. 1 MBO . . . . . . . . . . . . . 230 2. Die Bebauung der Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Die allgemeinen Anforderungen an die Bauausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Die Standsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Der Schutz gegen schädliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Die Anforderungen des Brandschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Die besonderen Anforderungen an die Bauausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Kapitel Abschließende Betrachtungen

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A. Gesetzgeberischer Bedarf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 B. Das Bauplanungsrecht als umfassendes Risikomanagementsystem . . . . . . . . . . . . . . . 234 C. Thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Einführung A. Bauen und Sicherheit Bauen und Sicherheit sind zwei Aspekte, die seit Anbeginn der Menschheit zusammengehören. Nahezu die gesamte Architekturgeschichte kann als Streben nach Sicherheit gelesen werden. Ob Höhle, Urhütte oder Iglu – der Mensch errichtete stets Bauwerke zum Schutz vor verschiedenen äußeren Gefahren, die auf ihn einwirkten. In der Urzeit ging es hierbei hauptsächlich um den Schutz vor Naturgewalten und gefährlichen Tieren. Doch in zunehmendem Maße sollte die gewählte Behausung auch vor den Angriffen von Feinden schützen. Ein Beleg hierfür ist im weiteren Verlauf der Geschichte die Errichtung von Burgen und Festungen mit ausgeklügelten Verteidigungseinrichtungen. Da sich demnach der technische Vorgang des Bauens stets mit Fragen der äußeren Sicherheit beschäftigt hat, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch das Baurecht zu diesen Fragen äußert. Als besonderes Gebiet des Gefahrenabwehrrechts regelt das Bauordnungsrecht die Fragen, die schon zu Urzeiten von elementarer Bedeutung waren: Standsicherheit, Schutz gegen schädliche Einflüsse, Brandschutz, Wärme-, Schall-, Erschütterungsschutz sowie Verkehrssicherheit heißen die relevanten Überschriften der entsprechenden Regelungen in den meisten Bauordnungen der Länder unter der Überschrift „Allgemeine Anforderungen an die Bauausführung“.1 In den folgenden Bestimmungen ist es v. a. der Brandschutz der breiten Raum einnimmt: So ist detailliert geregelt, welche Anforderungen Wände, Decken und Dächer zur Verhinderung einer Brandausbreitung erfüllen müssen. Dies ist auch nicht verwunderlich, waren es doch in den Städten der Antike und des Mittelalters immer wieder Brände, die oftmals zu weitgehenden Zerstörungen führten. Der Sicherheitsbegriff im Bauordnungsrecht ist daher bislang auf Fragen der technisch-baulichen Sicherheit beschränkt. Die zweite Komponente, die ebenfalls in den Bauten der Antike und des Mittelalters noch von großer Bedeutung war, der Schutz vor feindlichen Angriffen, ist heute aus dem Blickfeld geraten. Für die Abwehr kriegerischer, terroristischer oder krimineller Gefahren ist nicht das öffentliche Baurecht, sondern vielmehr das Polizei- und Ordnungsrecht in präventiver und das Strafrecht in repressiver Hinsicht zuständig. Auch das Bauplanungsrecht hatte bislang keine Veranlassung, sich mit derartigen Fragen der Abwehr terroristischer oder krimineller Gefahrenlagen auseinanderzu1 Vgl. nur die §§ 12 – 16 der Berliner Bauordnung. Zu bauordnungsrechtlichen Schutzmöglichkeiten gegen terroristische Bedrohungslagen siehe das 3. Kapitel unter C.

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Einführung

setzen. Maßnahmen der Bauleitplanung sollten die geordnete Nutzung des Bodens regeln, ein Zusammenhang zu polizeirechtlichen Begriffen der Gefahren- und Risikoabwehr erschien lange fern liegend. Zu einer Verbindung beider Rechtsmaterien führen jedoch mehrere bauplanungsrechtliche Entscheidungen, die die Abwehr terroristischer Gefährdungslagen zum Gegenstand haben.

B. Ausgangspunkt: Botschaften und die Sorge vor terroristischen Anschlägen Im April 1998 erteilt das Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin der israelischen Botschaft einen Bauvorbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass die Nutzung des Grundstückes als Botschaft und Konsulat planungsrechtlich im Wege der Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des zugrunde liegenden Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zulässig ist. Umgehend wird ein Nachbarwiderspruch und nach dessen Zurückweisung Klage gegen die erteilte Befreiung erhoben. Der Kläger befürchtet, dass das Botschaftsgebäude zur Zielscheibe von Terroranschlägen und Schießereien werden könnte und erwartet durch Demonstrationen und Straßensperrungen Beeinträchtigungen in einem nicht mehr hinnehmbaren Ausmaß.2 Tatsächlich kommt es 1999 zu einem Sturm kurdischer Demonstranten auf das israelische Generalkonsulat, bei dem drei Menschen durch israelische Sicherheitskräfte erschossen werden. Bereits 1997 war gegen die Errichtung eines Generalkonsulats in München mit der Argumentation vorgegangen worden, dass von der konsularischen Nutzung ein Störpotential durch Demonstrationen und Anschläge ausgehe.3 Von 2003 bis 2007 beschäftigte die Umnutzung eines ehemaligen Postgebäudes als türkisches Konsulat in Karlruhe aus dem gleichen Grund die Verwaltungsgerichtsbarkeit: Eine benachbarte Wohnungseigentümergemeinschaft befürchtete Einbußen für die Sicherheit der Anwohner durch Bomben und Brandanschläge4. Schließlich wurde jüngst wieder in Berlin ein „Murren der Nachbarschaft“5 laut, als bekannt wurde, dass der Irak im Villenviertel von Berlin-Dahlem seine Botschaft einrichten will.

2

Vgl. VG Berlin, LKV 1999, 412 ff. Vgl. VGH München, NVwZ-RR 1998, 619 ff. 4 VG Karlsruhe, Urt. v. 25. 7. 2005, 3 K 3540/04 – nicht veröffentlicht; VGH Mannheim, VBlBW 2006, 431 ff.; BVerwGE 128, 118 ff. 5 Vgl. „Eine Residenz in Dahlem – Der Irak will eine alte Villa als Botschaft nutzen, doch die Nachbarschaft murrt“, FAZ vom 24. April 2010, S. 4. 3

B. Botschaften und die Sorge vor Anschlägen

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Drei Städte, vier Botschaften und ein Problem: die Sorge der Nachbarschaft vor Terroranschlägen auf die Auslandsmissionen von Staaten, die durch den internationalen Terrorismus besonders bedroht sind. Zugleich mehren sich auch in Deutschland die Nachrichten von Anschlägen auf religiöse Einrichtungen. Von August 2010 bis Januar 2011 waren gleich mehrere Moscheen und islamische Einrichtungen das Ziel von Angriffen.6 Auch die nach wie vor notwendige Bewachung jüdisch-israelischer Einrichtungen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Das Städtebaurecht steht somit vor einer neuen Fragestellung: Kann das Baurecht, und hier insbesondere das Bauplanungsrecht, einen Beitrag zur Abwehr terroristischer Gefahren leisten? Botschaften stehen bei dieser Problembetrachtung mit an erster Stelle. Bei internationalen Konflikten und Spannungen sind es stets die Vertretungen der beteiligten Staaten, die zum ersten Anlaufpunkt für Proteste werden, die dann einen gewaltsamen Verlauf nehmen können. Genannt seien nur die Attentate auf die USamerikanischen Botschaften in Dar es Salam und Nairobi 1998 oder die Anschläge auf das britische Generalkonsulat in Istanbul vom November 2003. Diese Bedrohungslage führt zu detaillierten Sicherheitskonzepten, um Botschaften so gut wie möglich zu schützen. Immer öfter betreffen diese Sicherheitsplanungen jedoch nicht nur den internen Bereich von Botschaften und Konsulaten mit Sicherheitsüberprüfungen oder Zugangskontrollen für den Publikumsverkehr. Immer mehr rückt der Schutz vor äußeren Einwirkungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Begann diese Entwicklung mit dem Einsatz von patrouillierenden öffentlichen und privaten Sicherheitskräften, so ist zunehmend zu beobachten, dass auch die Stadtplanung und Vorhabensplanung davon betroffen sind. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass für den Bau der amerikanischen Botschaft in Berlin am Pariser Platz die angrenzende Friedrich-Ebert-Straße versetzt wurde, um einen angemessenen Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Für die benachbarte Vertretung Großbritanniens wurde die Wilhelmstraße sogar für den Autoverkehr gesperrt und zeitweilig mit großen Betonkörpern als zusätzliche Durchfahrtssperre gesichert. Doch sind es nicht nur Botschaften, die Einfluss auf die Stadtplanung nehmen können. Auch andere sensible Einrichtungen wie Parlaments-, Regierungs- und Verwaltungsgebäude7 sowie die schon erwähnten religiösen Einrichtungen, Mahnund Denkmale, Gedenkstätten sowie militärische Einrichtungen sind in diesem Zusammenhang zu betrachten.

6 Vgl. die „Chronologie der Anschlagsserie“ unter http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/chronologie-der-anschlagsserie/3695408.html (letzter Abruf: 7. 8. 2011). 7 Vgl. hierzu den Fall des OVG Münster, BRS 42 (1984), Nr. 3.

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Einführung

C. Problemaufriss Bislang wurde jedoch keine Möglichkeit gesehen, diese Bedrohungslage bauplanungsrechtlich zu erfassen. Gefahren durch terroristische Anschläge seien keine bodenrechtlich relevanten Belange, denen mit den Mitteln des Planungsrechts zu begegnen sei.8 Vielmehr könne im Einzelfall auf die Eingriffsbefugnisse des Polizeiund Ordnungsrechts zurückgegriffen werden oder eine Lösung im zivilen Nachbarrecht gefunden werden.9 Im gerade erwähnten Karlsruher Fall der Umnutzung eines Postgebäudes als türkisches Konsulat hatte nunmehr das BVerwG die Gelegenheit zu dieser Problematik Stellung zu nehmen.10 Es verwarf die skizzierte Argumentation der Vorinstanzen und stellte ausdrücklich fest, dass die Gefährdung durch einen terroristischen Anschlag einen abwägungserheblichen städtebaulichen Belang darstelle, der seinen Niederschlag in der Planungsleitlinie des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB, der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, finde.11 Weiterhin nannte das Gericht auch bauplanungsrechtliche Instrumentarien zur Verringerung von Gefahren wie die Zuordnung und Trennung von Grundstücken oder die Zuweisung zulässiger und unzulässiger Nutzungen; diese Mittel könnten dann im Einzelfall durch bauordnungsrechtliche und polizeirechtliche Maßnahmen ergänzt werden.12 Auch wenn das Gericht im Ergebnis dazu kommt, dass durch sicherheitstechnisch bedingte Nebenbestimmungen im konkreten Fall des türkischen Konsulats in Karlsruhe ein ausreichendes Maß an Nachbarsicherheit gewährleistet sei13, so lädt die Entscheidung doch dazu ein, das planungsrechtliche Instrumentarium des BauGB umfassend auf seine Eignung zur Gefahrenabwehr hin zu untersuchen.

D. Ziel und Gang der Darstellung „Aus der Beschreibung und Feststellung eines möglichen Gefährdungstatbestandes der beschriebenen Art [Anmerkung: hier von terroristischen Gefahren] allein folgt nicht, dass das Konfliktlösungsprogramm dem Städtebaurecht zu entnehmen wäre“14 – diese recht oberflächliche Feststellung des VGH Mannheim im Karlsruher Konsulatsfall zu widerlegen, soll ein Leitmotiv der Arbeit sein.

8

VG Berlin, LKV 1999, 412 (414); OVG Münster, BRS 42 (1984), Nr. 3, S. 6. VG Berlin, LKV 1999, 412 (414); VGH Mannheim, VBlBW 2006, 431 (433). 10 BVerwGE 128, 118 ff. 11 BVerwGE 128, 118 (122). 12 BVerwGE 128, 118 (120). 13 BVerwGE 128, 118 (124). 14 VGH Mannheim, VBlBW 2006, 431 (433).

9

D. Ziel und Gang der Darstellung

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Damit dies in umfassender Art und Weise gelingen kann, ist der Untersuchungsgegenstand aus mehreren Perspektiven in den Blick zu nehmen. Im folgenden ersten Kapitel der Arbeit wird anhand historischer und gegenwärtiger Beispiele dargelegt, dass durch Baugestaltung schon immer ein Beitrag zur Gefahrenabwehr geleistet wurde und dieser Prozess zunehmend durch Rechtsnormen begleitet worden ist. Darüber hinaus führen andere Wissenschaftsdisziplinen wie die Stadtsoziologie, die Städteplanung oder die Architektur eine Diskussion über die Veränderung von Stadtlandschaften in Zeiten terroristischer Gefährdungen. Im Zuge dieser Diskussion wird immer wieder das Begriffspaar „Gefahr und Risiko“ bemüht. Diese Begriffsbildung ist ebenfalls nicht auf eine Wissenschaftsdisziplin festgelegt, sondern wird unterschiedlich verwendet. Ausgehend von der soziologischen Debatte um Gefahr und Risiko soll der Übergang in das zweite Kapitel auf die rechtliche Analyse des Risikobegriffs vorbereiten, um so insbesondere den Terrorismus als besonderes Risiko einstufen zu können. Die Untersuchung, wie bisher im sogenannten Risikoverwaltungsrecht mit Risiken umgegangen worden ist, soll sodann die Verbindung in das dritte Kapitel eröffnen und über das Recht der Raumordnung das Bauplanungsrecht und auch das Bauordnungsrecht aus dem Blickwinkel des Risikobegriffs betrachten. Das abschließende vierte Kapitel wird klären, ob gesetzgeberischer Änderungsbedarf besteht und wird das Bauplanungsrecht als ein Instrument des Risikomanagements darstellen. Eine thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse bildet den Abschluss der Arbeit.

1. Kapitel

Risiko, Gefahr und Stadtplanung A. Historische und gegenwärtige Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr Es ist bereits in der Einführung angeklungen: Die gesamte Architekturgeschichte lässt sich interpretieren als Streben nach Sicherheit gegen äußere Gefahren. Dies zu illustrieren, soll Gegenstand des folgenden Überblicks sein, der den Fokus auf einige markante Entwicklungen und Beispiele legt.

I. Von der „Urhütte“ bis zum Umbau von Paris im 19. Jahrhundert Schon die sogenannte „Urhütte“ als Bild für den Ausgangspunkt allen Bauens ist Ausdruck des Bedürfnisses, sich gegen äußere Einflüsse des Wetters sowie der Tierwelt zu schützen. Der steinzeitliche Hüttenbau ist dabei aber schon der erste Entwicklungsschritt heraus aus von der Natur vorgegebenen Zufluchtstätten, z. B. durch die Nutzung von Höhlen.1 Ein früher rechtlicher Ansatz, bauliche Sicherheit durch Rechtsnormen zu gewährleisten, findet sich im Codex Hammurabi von ca. 1686 v. Chr.2 Fünf Paragraphen (§§ 229 bis 233) widmen sich dabei v. a. der Standsicherheit. Gesetzgeberisches Mittel sind hierbei strafrechtliche Sanktionen und zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen im Verhältnis zwischen Baumeister und Bauherr: So soll der Baumeister im Fall des Einsturzes von ihm errichteter Gebäude getötet werden, wenn auch der Bauherr dabei getötet wurde. Ist bei dem Einsturz Besitz beschädigt worden, so muss dieser vom Baumeister ersetzt werden. Wenn lediglich das Bauwerk ohne Personenschaden eingestürzt ist, so trifft den Baumeister die Pflicht zum Wiederaufbau bzw. zur Wiederherstellung einzelner Teile.3

1

Kostof, Geschichte der Architektur, S. 27 ff. Zu den Schwierigkeiten der genauen Bestimmung des Erlassjahres Wesel, Geschichte des Rechts, Rn. 69. 3 Die hier zu Grunde liegende Übersetzung stammt aus Kalinke (Hrsg.), Hammurabi. Die Gesetze, S. 82 f. 2

A. Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr

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Im Römischen Reich ist es vor allem der einsetzende Bau von Stadtmauern als Verteidigungsanlagen gegen feindliche Bedrohungen von außen, der den Bezug zwischen Sicherheit und Bauaktivitäten herstellt. So wurde im Jahr 271 n. Chr. durch den Einfall von Germanenstämmen in Norditalien zum ersten Mal eine umfassende Umwehrung Roms notwendig: Kaiser Aurelian ließ die später nach ihm benannte „Aurelianische Mauer“ errichten. Diese Mauern wurden im Laufe der Zeit stetig ausgebaut4. In einem größeren Maßstab sind auch die raumgreifenden römischen Grenzbefestigungsanlagen wie der Limes oder der Hadrians Wall in Großbritannien zu erwähnen. Als die Eroberung neuer Gebiete durch Rom zum Stillstand kam, setzte unter Kaiser Hadrian eine Phase der Konsolidierung ein. In diesem Zusammenhang wurde mit der Sicherung der Staatsgrenzen begonnen. Der Limes war jedoch nicht nur eine militärische Verteidigungseinrichtung. Neben der Abwehr kleinerer Einfälle und illegalen Grenzübertritten hatte die Anlage auch die Aufgabe, den Grenzverkehr auf einzelne, besonders überwachte Durchgänge zu lenken. So gelang auch ein Schutz des Wirtschaftsraums in den durch den Limes gesicherten römischen Provinzen in Germanien.5 Ebenfalls lassen sich zu Zeiten Roms gesetzliche Regelungen zur Gefahrenabwehr ausmachen: So legt die zehnte Tafel des Zwölftafelgesetzes, die das Recht der Totenbestattung beinhaltet, fest: „Hominem mortuum in urbe ne spelito neve urito“; übersetzt: Im Wohngebiet Roms soll ein Toter weder begraben noch eingeäschert werden6. Cicero erblickte in dieser Vorschrift eine Brandschutzregelung. Andere Autoren gehen eher davon aus, dass es sich um eine Vorsichtsmaßregel gegenüber Seuchen- und Leichengiftgefahr handelt7. Aus diesem Grund befinden sich Grabanlagen und Friedhöfe stets außerhalb der Städte. Blickt man abstrakter auf diese Vorschrift, so sind Grundzüge einer Nutzungsregelung von Flächen erkennbar. In der Stadt des Mittelalters setzt sich dies fort: Hospitäler oder Pesthäuser befanden sich stets an den Stadträndern und Ausfallstraßen.8 Uns ist heute diese Differenzierung zwischen gefährlichen und ungefährlichen Nutzungen aus dem Gegensatzpaar der §§ 34 und 35 BauGB wohlbekannt: Vorhaben, die ihrer Umgebung Schaden v. a. durch Emissionen zufügen könnten, werden regelmäßig im Außenbereich verwirklicht. Auch die mittelalterliche Stadt ist ohne Stadtmauern zur Befestigung nicht denkbar. Erst die Mauer macht die Siedlung zur Stadt und unterscheidet sie von bloßen Dörfern. Die Mauer sorgte für klare Trennlinien zwischen Stadt und Umland, Zivilisation und Natur, Ordnung und Gefährdung sowie allgemein zwischen be4 5 6 7 8

Montanari, Die Stadtmauern von Rom, S. 39 ff. Vgl. zum Ganzen Schallmayer, Der Limes, S. 16 ff., 92. Zitiert nach Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, S. 191 f. Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, S. 192. Hirschmann, Die Stadt im Mittelalter, S. 30.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

kannter und unbekannter Welt9. Seit dem 10. Jahrhundert gelangt die mittelalterliche Stadt so zu ihrem typischen Aussehen. Um dem Wachstum der Städte zu entsprechen, werden Erweiterungen der Befestigungsanlagen notwenig. Die städtischen Haushalte nehmen auf diesen Punkt zunehmend Rücksicht: So stiegen in Nürnberg um 1500 die durchschnittlichen jährlichen Bauausgaben auf 10.000 fl, während sie um 1400 noch deutlich darunter zwischen 2.500 und 3.000 fl lagen. Auslöser für diese Entwicklung war in Nürnberg der Ausbau der Stadtbefestigungen und die Neuanlage von Wehrbauten.10 Weiterhin ist bemerkenswert, dass es das städtische Bürgertum ist, das die Verantwortung für den Mauerbau vom geistlichen oder weltlichen Stadtherrn übernimmt. Der Stadtherr erleichtert die Bemühungen der Stadtbürger durch die Gewährung von Steuernachlässen oder räumt das Recht ein, eine Akzise für den Mauerbau zu erheben.11 Neben dem Bevölkerungswachstum in den Städten sind es im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch die Anpassungen an die technische Entwicklung des Geschützwesens, die den Umbau der Stadtmauern zu Festungsanlagen mit Wall, Graben und Bastionen notwendig machen.12 Die Beispiele aus Antike und Mittelalter verdeutlichen, dass im Rahmen des baulichen Schutzes v. a. Gefahrenquellen, die außerhalb der Städte lagen, Beachtung geschenkt wurde. Dass jedoch die Stadtplanung auch zur Verhinderung von Gefahrenherden innerhalb der Städte eingesetzt wurde, zeigt der Umbau der Pariser Innenstadt zur Zeit Napol¦on III. Unter der Federführung des Stadtpräfekten Georges-EugÀne Baron Haussmann wurden die engen und verwinkelten Straßen der Altstadt rigoros zugunsten der bis heute das Stadtbild prägenden Avenuen umgebaut. Leitbilder waren dabei v. a. die Anpassung an ein modernes Verkehrssystem sowie die Schaffung von Sichtachsen13. Neben diesen Zwecken ermöglichten die neu entstandenen Straßenfluchten jedoch auch eine leichtere Bekämpfung von Aufständen.14

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So Klotz, Geschichte der Architektur, S. 152. Gömmel, in: Dirlmeier/Elkar/Fouquet (Hrsg.), Öffentliches Bauen in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 29. 11 Ennen, Die europäische Stadt des Mittelalters, S. 103; Dirlmeier, in: Dirlmeier/Elkar/ Fouquet (Hrsg.), Öffentliches Bauen in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 348. 12 Dirlmeier, in: Dirlmeier/Elkar/Fouquet (Hrsg.), Öffentliches Bauen in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 350. 13 Ausführlich zu den weiteren Zwecken Jordan, Transforming Paris, S. 91 ff., 185 ff., 267 ff. 14 Vgl. Waetzoldt, Paris, S. 21. 10

A. Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr

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II. Die Zeit der Weltkriege In der Zeit der Weltkriege wird deutlich, dass insbesondere der Zweite Weltkrieg durch raumgreifende unmittelbar der Verteidigung dienende Baumaßnahmen sowohl von deutscher als auch alliierter Seite geprägt war.15 In Deutschland war es die 1938 gegründete Organisation Todt, die v. a. den Auftrag hatte, zerstörte Straßen und Brücken in den besetzten Gebieten wiederherzustellen bzw. neu zu errichten. Hinzu trat in der Folgezeit jedoch in immer stärkerem Ausmaß die Errichtung von umfassenden Verteidigungsanlagen. Zu nennen ist hier insbesondere der Bau des sogenannten Westwalls entlang der Grenze zu Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. Errichtet wurden hier 14.000 Einzelbauwerke innerhalb der 630 km langen Befestigungsanlage, v. a. Bunker, Panzersperren, Drahthindernissen und Minenfelder.16 Das Gegenstück des Westwalls bildete auf französischer Seite die sogenannte Maginot-Linie. Benannt nach dem französischen Kriegsminister Andr¦ Maginot, wurde mit ihrer Errichtung nach dem Ersten Weltkrieg begonnen, als Reaktion auf die deutschen Angriffe, die erst spät gestoppt werden konnten und in der Folge zu einem erbitterten Stellungskrieg führten.17 Die Maginot-Linie stellte eine Befestigungsanlage v. a. entlang des Rheins jedoch auch entlang der Grenze zur Schweiz und zu Italien dar. Errichtet wurden u. a. 108 Festungsbauten, 500 unterirdische Bunker, 152 versenkbare Panzertürme sowie unterirdische Stollen von über 100 km Länge.18 An der französischen Atlantikküste wurde durch die Organisation Todt ab 1942 mit dem Bau des sogenannten Atlantikwalls zur Abwehr einer Landung alliierter Truppen begonnen. Dessen Ausbreitung sollte sich nach Planungen jedoch nicht nur auf Frankreich erstrecken, sondern von Nordspanien über Frankreich, Belgien, die Niederlande, Deutschland, Dänemark bis Nordnorwegen reichen. Entgegen den Propagandameldungen wurden jedoch lediglich Teile der Planungen realisiert, v. a. Bunkeranlagen und Gefechtsstellungen entlang der französischen Atlantikküste. Auch in Großbritannien wurden sowohl im ersten Weltkrieg als auch – in deutlich stärkerem Ausmaß – im zweiten Weltkrieg entlang der Küste, aber auch im Landesinneren Bunkerstellungen, die sogenannten „pillboxes“, errichtet. 15 Die Quellenlage zu den militärischen Verteidigungsanlagen des Zweiten Weltkriegs auf deutscher Seite ist überaus problematisch, da eine fundierte geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung bisher nicht oder nur in Ansätzen stattgefunden hat (vgl. etwa die Quellensammlung von Singer (Hrsg.), Quellen zur Geschichte der Organisation Todt, 4. Bände, 1987 – 1998) und ansonsten revisionistische Arbeiten vorherrschen. Die Darstellungen beruhen daher auf der Quellensammlung von Singer sowie lexikalischen Angaben aus der Brockhaus Enzyklopädie Online unter den angegebenen Stichworten. 16 Tempel, Kurze Beschreibung der Geschichte des Westwallbaus in den Jahren 1939 – 1945, in: Wir bauen des Reiches Sicherheit, S. 28; Brockhaus Enzyklopädie Online, Stichwort Westwall. 17 Brockhaus Enzyklopädie Online, Stichwort Maginotlinie. 18 Brockhaus Enzyklopädie Online, Stichwort Maginotlinie.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

Neben diesen Verteidigungsaspekten ist jedoch auch die Schutzdimension für die Zivilbevölkerung in den Blick zu nehmen. Der Schutz der Zivilbevölkerung durch den Bau von Bunkern sowie den Ausbau von Hauskellern hatte jedoch in personeller und finanzieller Hinsicht stets hinter dem Ausbau der Front-Verteidigungsanlagen zurückzustehen. Betont wurde zunächst der aktive Luftschutz durch Flugabwehreinrichtungen. Erst mit Beginn der Bombenangriffe auf deutsche Städte wurde in Sofortprogrammen die Errichtung von Luftschutzbunkern intensiviert und dafür gesorgt, die vorhandenen Hauskeller auszubauen und miteinander zu verbinden.19 Gleichwohl blieb auch im Rahmen dieser Intensivierung der Plan hinter der Wirklichkeit zurück: So waren für Berlin 2.000 Luftschutzräume geplant, von denen jedoch nur 15 % fertiggestellt worden sind. Darüber hinaus wurden sechs Großbunker errichtet, die zusammen Platz für 65.000 Menschen boten.20 Ferner wurde versucht, möglichst jede unterirdische Anlage zu Luftschutzzwecken umzunutzen, insbesondere U-Bahn-Tunnel und Versorgungsanlagen.21

III. Städtebauliche Vorstellungen der Nachkriegszeit Schon während des Krieges und auch in der direkten Nachkriegszeit wurden Konzepte zum Schutz der Bevölkerung vor den Folgen kriegerischer Einwirkungen und die möglichen Reaktionen des Städtebaus diskutiert. So entwirft Le Corbusier bereits 1941 skizzenartig ein giftgassicheres Hochhaus, das wie seine späteren realisierten „unit¦es dÏhabitation“ in Marseille und Berlin auf Betonpfeilern ruht, damit die verpestete Luft unter den aufgeständerten Häusern leichter entweichen kann.22 Ferner fordert Le Corbusier vor dem Hintergrund der vollständigen Zerstörung europäischer Städte im Zweiten Weltkrieg eine Harmonisierung des Zeitalters der Maschine mit den Erfordernissen der Wahrung der Natur.23 Die Nutzung der Landschaft zur Landwirtschaft, Erholung und zur Verkehrsführung soll daher konsequent durch die Anhebung der Gebäude verwirklicht werden, sodass sich unter den Betonpfeilern geschützte Räume ausbilden. Diese in ihrer Radikalität heute eher als utopisch einzuschätzenden Forderungen wurden ein zentraler Bestandteil der von Le Corbusier formulierten „Fünf Punkte der Architektur“ sowie der von ihm federführend entwickelten „Charta von Athen“ aus dem Jahr 1933, in der die konsequente Entflechtung von verschiedenen städtischen Nutzungsbereichen unter 19

Vgl. zum Ganzen Arnold/Salm, Dunkle Welten, S. 113 f. Rürup (Hrsg.), Berlin 1945, S. 11. 21 Arnold/Salm, Dunkle Welten, S. 130 f. Wie die Londoner Bevölkerung Zuflucht vor den deutschen Bombenangriffen in den U-Bahntunneln gesucht hat, illustrieren die shelter drawings von Henry Moore, vgl. Szirmai, Henry Moore, S. 46 ff. 22 Vgl. die Abbildung und den Text bei Trüby, 5 Codes, in: 5 Codes, S. 31 m. w. N. 23 Vgl. Le Corbusier, Grundfragen des Städtebaus, S. 9. 20

A. Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr

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dem Begriff der „funktionellen Stadt“24 propagiert wurde25. In den städtebaulichen Leitbildern der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden diese Forderungen etwa unter dem Stichwort „Die autogerechte Stadt“ jedoch oftmals einseitig zu Gunsten einer Nutzung und zu Lasten anderer Nutzungen überbetont.

IV. Einrichtungen des deutschen Zivilschutzes im Kalten Krieg In der Nachkriegszeit und – in noch viel stärkerem Ausmaß – in der sich anschließenden Zeit des Kalten Krieges erlangte die Frage von Schutzmaßnahmen der Zivilbevölkerung in Deutschland einen besonderen Stellenwert. Mit der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das nordatlantische Verteidigungsbündnis der NATO sowie dem Beitritt der DDR zu den Staaten des Warschauer Paktes konzentrierten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Mächten auf das Gesamtgebiet Deutschlands. In der sicherheitspolitischen Einschätzung der Bundesregierung im „Weißbuch zur zivilen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 1972 klingt dies so: „Die Bundesregierung betrachtet den Frieden als das höchste Gut. In ihrer Sicherheitspolitik läßt sie sich unverrückbar von dem Ziel leiten, daß von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen darf. (…) Als Land an der Nahtstelle von Ost und West ist sie jedoch eingefügt in das internationale Spannungsfeld. Angesichts der tatsächlichen wie der möglichen Gefahren darf sie auf eine entschlossene Politik der Selbstbehauptung nicht verzichten. Die Sicherheitspolitik jeder Bundesregierung muß Gewähr leisten für das Überleben der Bundesrepublik und ihrer Bürger. Überleben ist dabei im weitesten Sinne aufzufassen – physisch, politisch, sozial und moralisch.“26

Mit sehr deutlichen Worten wird hier das Spannungsverhältnis zwischen Friedenspolitik auf der einen und steter Verteidigungsbereitschaft auf der anderen Seite beschrieben. Diese Bemühungen um Verteidigung machten daher die Einrichtung von Verteidigungsanlagen nötig. Diese Anlagen waren jedoch kaum noch wie in der Vergangenheit als Bunker, Befestigungsanlagen oder Schutzmauern geplant, sondern beruhten auf einem System sogenannter „Vorbereiteter Sperren und Lähmungen“. Hinter dieser Worthülse verbargen und verbergen sich zum Teil noch heute im öffentlichen Straßenland sichtbar der Bau von Sprengschächten und anderen baulichen Vorkehrungen zur schnellen Zerstörung von Infrastrukturnutzungen im Notfall. Auf wichtigen Verbindungsstraßen und an den Köpfen strategisch relevanter Brücken 24 25

S. 31.

Siehe hierzu Mumford, The CIAM discourse on urbanism, S. 59 ff. Vgl. Le Corbusier, Grundfragen des Städtebaus, S. 100; Trüby, 5 Codes, in: 5 Codes,

26 Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Weißbuch zur zivilen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 11.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

waren jeweils mehrere dieser Sprengschächte eingerichtet. Insgesamt wurde die Errichtung von 4812 Sperranlagen geplant. Bereits 1966 waren davon etwa 60 Prozent fertig gestellt. Zwischen 1982 und 1987 wurden für den Bau von Sprengschächten rund 52 Mio. DM aufgewendet.27 Eingerichtet und regelmäßig gewartet wurden die Sperranlagen durch Wallmeistergruppen der Verteidigungsbezirkskommandos. Aufgabe dieser Sperreinrichtungen war es, einen befürchteten Vormarsch von Truppen des Warschauer Paktes aufzuhalten. In einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen nahm der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung Stellung zum Bau von Sprengkammern im Raum Bad Orb. Demnach würden Sprengschachtanlagen dort errichtet, wo das Umfahren derartiger Sperren aufgrund der Umgebung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich sei. Hierbei seien die Straßensprengschächte ausschließlich für die Aufnahme von konventionellem Sprengstoff bestimmt.28 Verteidigungspolitischer Zweck der Sprengkammern sei die Erschwerung des Vordringens des Feindes im Falle einer Aggression sowie der Versuch die eigene zahlenmäßige Unterlegenheit zumindest zum Teil auszugleichen. Die Sperrplanung sei ein integraler Bestandteil des strategischen Konzepts der Vorneverteidigung der NATO.29 Neben Sprengschächten gab es noch eine Vielzahl weiterer Arten von Sperren, die spektakulärste stellt dabei sicher die im Jahr 2000 entfernte Fallkörpersperre über den Südportalen des Hamburger Elbtunnels dar: Mehrere rollenartig geformte Betonkörper von jeweils 107 Tonnen Gewicht waren über der Südeinfahrt in den Tunnel montiert. Im Notfall wären diese Betonrollen aus ihrer seitlichen Verankerung gesprengt worden, um so die Zufahrt zum Tunnel zu blockieren. Erst seit 1990 ist der Bau von neuen Sperreinrichtungen beendet worden und seitdem werden die bestehenden Anlagen im Zuge von Straßenerneuerungsarbeiten entfernt. Jedoch bestanden noch im Jahr 2005 rund 1650 Sperranlagen in Deutschland.30 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Verteidigungs- und Zivilschutzanlagen des Kalten des Krieges in Deutschland hat bisher nur rudimentär stattgefunden. Lediglich die Fraktion der Grünen bemühte sich – wie dargestellt – im Bundestag um die Klärung von Detailfragen. In seinen Antworten auf mehrere Kleine und Große Anfragen berief sich das Verteidigungsministerium jedoch hinsichtlich der entscheidenden Fragen von Zahl und Lage der Sperranlagen auf Geheimschutzinteressen.

27 Alle Zahlen aus: Grube, Vorbereitete Sperren auf Deutschlands Straßen, 2004, http:// www.geschichtsspuren.de/artikel/34-verkehr/135-sperren-wallmeister.html; letzter Abruf: 23. 1. 2011. 28 BT-Drs. 10/2614, S. 2. 29 BT-Drs. 10/2614, S. 3. 30 Grube, Vorbereitete Sperren auf Deutschlands Straßen, 2004, http://www.geschichtsspuren.de/artikel/34-verkehr/135-sperren-wallmeister.html; letzter Abruf: 23. 1. 2011.

A. Beispiele für die bauliche Gefahrenabwehr

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Lediglich Hobbyhistoriker haben sich bisher mit den Verteidigungs- und Zivilschutzanlagen in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des Kalten Krieges beschäftigt und das hier aufgeführte Zahlenmaterial recherchiert.31 Diese heute kaum noch bekannte Seite der Zivilverteidigung zeigt ebenfalls eindringlich den Zusammenhang zwischen den Belangen der militärischen Verteidigungsplanung und des Zivilschutzes einerseits sowie den dadurch bedingten Eingriffen in den öffentlichen Planungsraum auf.

V. Anforderungen an den US-amerikanischen Botschaftsbau Wie bereits einleitend erwähnt, sind es in jüngerer Zeit v. a. die gestiegenen Sicherheitsanforderungen an Regierungsbauten und Botschaftsgebäude, die in zunehmendem Maße Einfluss auf die Stadtplanung nehmen. Dies kann insbesondere am Bau der amerikanischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin gezeigt werden. Nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania gelten für den Botschaftsbau noch strengere Sicherheitsanforderungen, die auch für die Planungen am Pariser Platz berücksichtigt werden mussten. Diese neuen Sicherheitsanforderungen sind niedergelegt im „Secure Embassy Construction and Counterterrorism Act“, der bereits im Jahr 1999 die grundlegenden Vorstellungen und Empfehlungen des US State Departments zur Erhöhung der Sicherheit diplomatischer Einrichtungen festlegte.32 Danach ist jede Botschaft verpflichtet in einem „Emergency Action Plan“ und einer „Composite Threat List“ terroristische Bedrohungen aufzuzählen, die Umgebungssicherheit zu analysieren und die Unterstützung durch das Gastland darzulegen. Weiterhin ist für die Botschaftsmitarbeiter ein Krisenmanagement Training vorgesehen und ein „Foreign Emergency Support Team“ wird eingerichtet. Die wichtigsten baulichen Vorschriften finden sich in Section 6 (a) (2) und (3) des Gesetzes: Für die Standortwahl wird festgelegt, dass alle Botschaftseinrichtungen möglichst auf einem Grundstück anzusiedeln sind. Ferner muss sich jeder neue Botschaftsbau mindestens 100 Fuß (ca. 30,48 Meter) hinter der Grundstücksgrenze befinden. Aus diesem Grund musste der für den Pariser Platz geltende Bebauungsplan I-200 vom 9. Mai 1995 in einem Änderungsverfahren angepasst werden: An der Ebert- und an der Behrenstraße wurden die Baufluchten zurückgesetzt. So mussten die Gebäudefluchten nicht mehr an der straßenseitigen Grundstücksgrenze liegen, sondern konnten entsprechend den Abstandserfordernissen zurückgesetzt werden. Dies 31 Siehe das Projekt Geschichtsspuren.de der Interessengemeinschaft für historische Militär-, Industrie- und Verkehrsbauten, einsehbar unter http://www.geschichtsspuren.de/startseite.html; letzter Abruf: 23. 1. 2011. 32 Abgedruckt in: US Department of State, Foreign Affairs Manual, Volume 12, abrufbar unter: http://www.state.gov/documents/organization/88382.pdf (letzter Abruf: 9. 4. 2011).

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

reichte jedoch nicht aus, sodass die Behrenstraße zwischen Cora-Berliner-Straße und Ebertstraße verlegt wurde, um so ebenfalls den Abstand zum Botschaftsgebäude zu vergrößern.33

VI. Der Neubau des BND in Berlin Abstand zu Straßen ist auch ein entscheidendes Kriterium bei einem anderen Berliner Großprojekt: dem Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes an der Chausseestraße. Sowohl auf der Ebene des Flächennutzungs- als auch auf Ebene des Bebauungsplans waren die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorhaben zu schaffen. Durch Änderung des Flächennutzungsplans wurde für das Areal an der Chausseestraße eine Sonderbaufläche Hauptstadtfunktion und zur Abgrenzung gegen die geplante benachbarte Wohnbebauung wurde ein Grünzug dargestellt. Der Bebauungsplan 1 – 19 nimmt diese Vorgaben auf und setzt für das Gebiet des BND-Gebäudeareals ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Bundesnachrichtendienst, eine öffentliche Grünfläche sowie daran anschließend Mischgebiete und Allgemeine Wohngebiete zur Sicherung der vorhandenen Wohnbebauung fest.34 Dass insbesondere die Umsetzung der spezifischen Sicherheitsbedürfnisse bei der Bauleitplanung eine große Rolle spielte, verdeutlicht die Begründung des Bebauungsplans.35 So grenzt der Hauptbaukörper nicht direkt an die Chausseestraße an, sondern ist gegenüber ihr zurückversetzt.36 Weiterhin wird ein strategisches Sicherheitskonzept in Form eines Schalenmodells verfolgt, bei dem weniger sicherheitsgefährdete Bereiche räumlich die Nutzungen mit einem höheren Sicherheitsanspruch umschließen.37

33 Ausführlich zum Änderungsverfahren des Bebauungsplans I-200 die Erläuterungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ planen/staedtebau-projekte/pariser_platz/de/b_plan/verfahren_i200_2.shtml (letzter Abruf: 5. 4. 2011); zur sicherheitsrechtlichen Analyse von Bebauungsplänen gerade der Berliner Innenstadtbezirke: 3. Kapitel unter B. IV. 10 a), b), c), f). 34 Siehe den Bebauungsplan 1 – 19 der Senatverwaltung für Stadtentwicklung sowie die diesbezüglichen Erläuterungen, abrufbar unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/ staedtebau-projekte/bnd/de/planungen/planungsinstrumente/bplan/index.shtml (letzter Abruf: 5. 4. 2011). 35 Textliche Begründung des Bebauungsplans 1 – 19 der Senatverwaltung für Stadtentwicklung, S. 13, zitiert nach PDF-Veröffentlichung unter http://www.stadtentwicklung.berlin. de/planen/staedtebau-projekte/bnd/downloads/061025_textliche_begruendung_bplan_1_19.pdf (letzter Abruf: 5. 4. 2011). 36 Textliche Begründung des Bebauungsplans 1 – 19 der Senatverwaltung für Stadtentwicklung, S. 13; Abrufmöglichkeit siehe Fn. 35. 37 Textliche Begründung des Bebauungsplans 1 – 19 der Senatverwaltung für Stadtentwicklung, S. 61; Abrufmöglichkeit siehe Fn. 35.

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung

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Zwar erwähnt es die Planbegründung nicht ausführlich, jedoch lässt sich auch die geplante öffentliche Grünanlage zwischen dem BND-Gebäude und der rückwärtigen Wohnbebauung sicherheitsrechtlich im Sinne einer konsequenten Trennung konfligierender Nutzungen durch Schaffung von Freiflächen interpretieren.38 Vervollständigt wird das Planungskonzept durch einen städtebaulichen Vertrag zwischen dem Bund und dem Land Berlin, in dem es jedoch nicht um weitere Sicherheitsbelange, sondern vielmehr um den Bau einer Planstraße, die Finanzierung von Ausgleichsmaßnahmen sowie die Realisierung von weiteren öffentlichen Einrichtungen im Plangebiet geht.39

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung Gerade die letzten beiden Beispiele aus Berlin verdeutlichen den direkten Bezug zwischen dem Bedrohungsszenario „Terrorismus“ sowie der daraus resultierenden Veränderung der Innenstädte. Dieser Trend ist nicht nur in Berlin zu beobachten, sondern in noch viel stärkerem Ausmaß im anglo-amerikanischen Raum sowie in Israel.

I. Vereinigte Staaten von Amerika Der amerikanische Geograph und Stadtplaner Peter Marcuse beginnt seine sehr kritische Abhandlung über „The ,War on TerrorismÐ and Life in Cities after September 11, 2001“40 mit der Feststellung, dass es nicht der Terrorismus sei, der zur Veränderung der Stadtlandschaften führe, sondern dass hierfür vielmehr die Aktivitäten verantwortlich seien, die unter dem Deckmantel des „Konterterrorismus“ ausgeführt würden. In stadtplanerisch-räumlicher Hinsicht sind es v. a. zwei Entwicklungen, die er beschreibt. Zum einen beobachtet Marcuse eine „concentrated decentralisation“: Hierunter versteht er den zunehmenden Trend, dass Unternehmen für ihre Firmensitze und Verwaltungsapparate die Ansiedlung in Innenstädten meiden und sich eher in den Außenbezirken ansiedeln, sodass es zu einer konzentrierten Dezentralisation an den

38 Ausführlich zu diesen sicherheitsrechtlichen Festsetzungsmöglichkeiten siehe das 3. Kapitel unter B. IV. 10. 39 Vgl. die Erläuterungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter http://www. stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/bnd/de/planungen/staedtebaulicher_vertrag/index.shtml (letzter Abruf: 5. 4. 2011). Näher zu den Steuerungsmöglichkeiten von Sicherheitsaspekten durch städtebauliche Verträge 3. Kapitel, B. IV. 10. l). 40 Marcuse, The War on Terrorism and Life in Cities after September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 263 ff.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

Rändern der Städte komme.41 Zu diesem Trend hätten zwar auch andere Faktoren geführt wie etwa die Verfügbarkeit von Technologien, die ein Arbeiten über größere Distanzen möglich mache, die steigenden Grundstücks- und Mietpreise in den Innenstädten sowie die dortigen Verkehrsprobleme. Im Gegensatz dazu stünden aber die Vorteile einer zunehmenden Agglomeration an den Rändern der Städte: gesteigerte Effizient durch die gemeinsame Nutzung verschiedener Einrichtungen, weniger Verkehrsprobleme sowie eine größere soziale Durchmischung mit unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. In letzter Zeit sei jedoch das entscheidende Argument zur Verlagerung von Standorten in die Außenbezirke die deutlich angespannte Sicherheitslage in den Innenstädten gewesen. Marcuse illustriert dies anhand der Überlegungen der New Yorker Börse: Ursprünglich war für ein neues Handelsparkett der Bau eines neuen Hochhauses direkt gegenüber am Stammsitz der Börse an der Wall Street geplant. Nunmehr hat man sich von diesen Plänen verabschiedet und wird das Projekt außerhalb von Manhattan verwirklichen. Andere Überlegungen gehen dahin, ganz auf den Bau von repräsentativen Einrichtungen der Börse zu verzichten und eher die Möglichkeiten des elektronischen Aktienhandels auszubauen.42 Weitere Unternehmen folgten diesem Beispiel, sodass bereits im November 2001 nach Schätzungen 167.000 Arbeitsplätze aus Manhattan in die Vororte von New York verlagert worden waren. Der zweite Trend, den Marcuse beschreibt, betrifft die Bauweise und die Ausstattung von innerstädtischen Gebäuden: Während die Nutzung von Büroräumen in repräsentativen Hochhäusern in der Beliebtheitsskala sinke, nähmen Sicherheitsmaßnahmen in und außerhalb der Gebäude zu. Marcuse fasst dies unter den Schlagworten „citadelization“ und „barricading“ zusammen.43 Er sieht die Zukunft in stark gesicherten Gebäudekomplexen, die ohne in die Höhe zu gehen, alle Bedürfnisse ihrer Nutzer stillen: In ihnen würden geschäftliche und private Aktivitäten verschmelzen, indem sie sowohl den Arbeitsplatz beinhalteten als auch Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten böten. Somit bestünde keine Notwendigkeit für den Einzelnen mehr die „Zitadelle“ zu verlassen. Die „Befestigung“ der Städte und Gebäude besteht nun nicht mehr aus mittelalterlichen Stadtmauern, sondern aus Videoüberwachung, Metalldetektoren sowie biometrischen Identifikationsmechanismen etwa durch Zugangssysteme mit Fingerabdruckerkennung.

41 Marcuse, The War on Terrorism and Life in Cities after September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 267. 42 Vgl. zum Ganzen Marcuse, The War on Terrorism and Life in Cities after September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 267 f. 43 Marcuse, The War on Terrorism and Life in Cities after September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 270.

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung

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Diesen Zusammenhang zwischen Terrorismus und der Entwicklung von Sicherungs- und Überwachungstechnologie untersucht Lyon.44 Demnach vollzieht sich die technische Terrorismusbekämpfung v. a. anhand von vier Instrumenten: Biometrie, intelligenten Identifikationskarten, Videoüberwachung mit Gesichtserkennung sowie der Überwachung der Telekommunikation. Räumliche Auswirkungen hat dabei insbesondere die Videoüberwachung mit Gesichtserkennung. In den USA wird dieses System v. a. an Flughäfen eingesetzt. Dabei werden die Gesichter aller Personen, die den Flughafen betreten gescannt und mit den Daten von Gesichtern verdächtiger Personen abgeglichen. Lyon äußert dabei berechtigte Zweifel am Nutzen einer derartigen biometrischen Videoanalyse, da Terroristen kaum für AbgleichFotografien posieren würden und außerdem die Gefahr von Fehlalarmen sehr hoch sei.45 Insgesamt befürchtet er durch den flächendeckenden Einsatz von biometrischer Videoüberwachung eine Entkräftung von Bürgerrechten. Diese Befürchtung teilt er mit Marcuse, nach dessen Worten das „barricading“ nach und nach den gesamten öffentlichen Raum ergreifen und so auch die sozialen Unterschiede „befestigen“ werde: Es werde zu einer Herausbildung von zwei Personengruppen kommen, zum einen diejenigen innerhalb der neuen befestigten Zitadellen und zum anderen diejenigen außerhalb. Auch der öffentliche Raum werde so immer weniger öffentlich, indem sich das öffentliche Leben in von privaten Sicherheitsdiensten kontrollierte Sphären zurückziehe. Der derart verlassene öffentliche Raum werde vermehrt überwacht und für bürgerliche Aktivitäten im Namen der Sicherheit gesperrt.46

II. Großbritannien Die Entwicklung der Innenstädte zu befestigten Zitadellen, die Marcuse schlaglichtartig für die USA beschreibt, legt Coaffee in seiner Arbeit „Terrorism, risk and the City: the making of a contemporary urban landscape“47 zugrunde und ergänzt ihn um die Erfahrungen in Großbritannien. Hierbei beginnt er seine Ausführungen mit den Reaktionen der Stadt Belfast auf den seit den 1970er Jahren zunehmenden Terrorismus der IRA in Nordirland. Hierbei stand v. a. die Frage im Vordergrund, wie der Vielzahl von Autobombenexplosionen begegnet werden könnte. Die Antwort der Sicherheitsbehörden lag zunächst darin, Barrieren aus Beton und Stacheldraht zu errichten, um den derart eingeschränkten Autoverkehr durch Soldaten der britischen Armee besser kontrollieren zu können. 44 Lyon, Technology vs. „Terrorism“: Circuits of City Surveillance Since September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 297 ff. 45 Vgl. Lyon, Technology vs. „Terrorism“: Circuits of City Surveillance Since September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 304 f. 46 Vgl. Marcuse, The War on Terrorism and Life in Cities after September 11, 2001, in: Graham (Hrsg.), Cities, war, and terrorism, S. 272 f. 47 Coaffee, Terrorism, risk and the City: the making of a contemporary urban landscape, 2003.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

Die Weiterentwicklung dieser Sicherheitseinrichtungen bestand in der Errichtung von großen Stahltoren an allen Eingängen zur Belfaster Innenstadt – der sogenannte „ring of steel“ war entstanden. Ergänzt wurden diese physischen Barrieren durch Personenkontrollen. Darüber hinaus war das Parken von Fahrzeugen in der Innenstadt gänzlich verboten und außerhalb dieser Zone erheblich eingeschränkt. Im Gegenzug wurde darauf geachtet, abseits der öffentlichen Straßen Parkraum etwa durch die Errichtung von überwachten Parkhäusern zu schaffen. Ehemals dem Fahrzeugverkehr gewidmete Straßen wurden zu Fußgängerzonen erklärt48. Diese radikalen Einschnitte in das Stadtbild waren von Erfolg gekrönt: Während die Statistik für 1974 noch 62 Autobombenattentate verzeichnete, hatte sich deren Zahl zehn Jahre später auf lediglich drei Anschläge reduziert.49 Die verstärkten Sicherheitseinrichtungen hatten jedoch auch einen großen Nachteil: Durch die Erschwerung des Zugangs zur Belfaster Innenstadt wurde deren Wirtschaftskraft geschwächt. Zu abschreckend und Furcht einflößend wirkte der „ring of steel“. In den folgenden Jahren galt es daher, die Balance zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit neu zu bestimmen. Dies gelang durch den Ab- und Umbau der bestehenden Sicherheitsanlagen. Der „ring of steel“ wurde zunehmend durch Schwenktore ersetzt und der öffentliche Raum wurde durch die aufkommende Videoüberwachung beobachtet.50 Ausgehend von diesem Beispiel erläutert Coaffee die „Strategies of urban defence“ und greift hierbei insbesondere drei Entwicklungstendenzen auf. An erster Stelle nennt er dabei das „Management der Landschaft“. Hierunter versteht der Autor die zunehmende Verpolizeilichung des städtischen Raumes. Doch ist es nicht nur der Staat der aufrüstet: Auch die private Sicherheitsindustrie wächst. Bereits im Jahr 1998 hat die Zahl der Menschen, die in privaten Sicherheitsfirmen arbeiten, die der staatlichen Polizei eingeholt. Begleitet wird diese Entwicklung durch eine ausgedehnte Anti-Terror-Gesetzgebung mit dem daraus resultierenden Problemgegensatz der weitestgehenden Sicherheit auf der einen sowie der Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten auf der anderen Seite.51 Ein zweiter Aspekt, den Coaffee beleuchtet, ist – in Anlehnung an die bereits oben dargestellte Wortwahl von Marcuse – die zunehmende Befestigung der Innenstädte. Dieser Trend geht einher mit der Sicherheitsprivatisierung vormals öffentlicher Räume, indem Geschäftshäuser, Einkaufszentren und Wohngebiete in territoriale Enklaven verwandelt werden, die alle durch Zugangsbeschränkungen gekennzeichnet sind. Ferner konstatiert er, dass nicht der zunehmende Terrorismus oder steigende Kriminalitätsraten für diese Entwicklung verantwortlich seien. Vielmehr sei die entscheidende Triebfeder für die sicherheitstechnische Veränderung der In48 49 50 51

Vgl. zum Ganzen Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 20 – 25. Vgl. die Zahlen bei Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 26. Vgl. Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 28. Vgl. Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 46 f.

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung

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nenstädte die steigende Angst vor Terror und Kriminalität. Er illustriert dies anhand der kanadischen Kriminalitätsstatistik aus dem Jahr 1998: Während die Zahl der verübten Delikte über einen Zeitraum von sieben Jahren stetig gesunken ist, wuchs hingegen die Angst, Opfer eines Verbrechens oder Terroranschlags zu werden, sodass die Bauhausformel „form follows function“ für gutes Design und harmonische Architektur umgewandelt werden könne in „form follows fear“.52 Das dritte Augenmerk ist für Coaffee – wie auch bereits für Marcuse – die zunehmende Überwachung der Innenstädte mittels Videotechnologie. Im britischen Sprachgebrauch ist dabei von „CCTV – closed circuit television“ die Rede. In kaum einem anderen Land ist der Ausbau der Videotechnologie im öffentlichen Straßenraum so fortgeschritten wie in Großbritannien. Die Anfänge liegen im Jahr 1985 in der Küstenstadt Bournemouth zur Reduzierung von Vandalismusschäden. Doch schon im Jahr 1996 werden die Briten in 370 Städten von annähernd 200.000 Kameras beobachtet, deren Fähigkeiten längst nicht mehr auf das Beobachten und Aufzeichnen beschränkt sind: Vielmehr sind die Kameras in der Londoner Innenstadt in der Lage, Autokennzeichnen und darüber hinaus auch biometrische Persönlichkeitsmerkmale mit hinterlegten Daten abzugleichen.53 Nach diesem theoretischen Vorlauf untersucht Coaffee, wie diese Veränderungen in der Londoner Innenstadt zu beobachten sind. Seit Anfang der 90er Jahre ist auch die Londoner City immer wieder von Bombenanschlägen betroffen gewesen, zunächst wie in Belfast durch die IRA, später v. a. nach dem 11. September 2001 und dem britischen Engagement im Irak- und Afghanistankrieg durch den islamistisch motivierten Terror. Dies führte auf der Basis der in Belfast gemachten Erfahrungen zu den verschiedensten Maßnahmen. Insbesondere wurde der „ring of steel“ für die Londoner Innenstadt neu erfunden, es kam zu einer verstärkten Polizeipräsenz auf den Straßen, die Videoüberwachung wurde intensiviert und ausgebaut, die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsfirmen nahm zu.

III. Sicherheitsrechtlich geprägte Normen in der israelischen Stadtplanung In wohl kaum einem anderen Land kann der Zusammenhang zwischen der Abwehr kriegerischer und terroristischer Angriffe durch die Raumordnung und die Bauleitplanung besser beobachtet werden als in Israel. Das israelische Planungs- und Baugesetz beinhaltet spezielle Vorschriften zur Durchsetzung von Sicherheitsinteressen. Dies beginnt schon bei der Zusammensetzung verschiedener Planungskommissionen: So entsendet auch das Verteidi-

52 53

Vgl. Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 48 m. w. N. Vgl. Coaffee, Terrorism, risk and the City, S. 50 f.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

gungsministerium einen Vertreter in die bezirklichen Planungskommissionen (Kapitel 2, Art. 2, Abs. 7 des israelischen Planungs- und Baugesetzes). In materieller Hinsicht werden Sicherheitsbelange zu Planungszielen erhoben, so etwa bei den sogenannten „Local Outline Schemes“, die u. a. die Aufgabe haben, Sicherheit und Schutz in angemessenem Umfang zu gewährleisten (Kapitel 6, Art. 3, Abs. 61 des israelischen Planungsgesetzes). Seinen Abschluss findet diese Normierung in einem eigenen Abschnitt für die Planung, den Bau und die Nutzung von Verteidigungseinrichtungen (Kapitel 6 des Planungsgesetzes): Eigens eingerichtete Verteidigungsbaukommissionen treten an die Stelle der ansonsten zuständigen Lokal- oder Bezirksgremien: So sind eine schnellere Erteilung von Genehmigungen, eine effiziente Verwirklichung der Pläne sowie spezielle Lockerungen von sonst zu beachtenden Vorschriften gewährleistet.54

IV. Deutschland In Deutschland konzentriert sich die Auseinandersetzung mit terroristischen Gefährdungen und ihren Raumbezug v. a. auf die auch juristisch kontrovers diskutierte Frage, ob und in welchem Ausmaß die Videoüberwachung zur Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten eingesetzt werden soll.55 Weitergehende Forderungen nach Zugangsbeschränkungen der Innenstädte etwa durch Eingangstore an den Zufahrten werden zurzeit nicht erhoben. Auch Wanderbewegungen aus den Innenstädten an die Randlagen, wie Marcuse sie für New York beschreibt, sind in Deutschland nicht zu verzeichnen.56 In Zeiten vermehrter Terrorwarnungen, wie z. B. im November/Dezember 2010, werden eher die „klassischen“ Einsatzmöglichkeiten der Polizei ausgeschöpft als dass über den Stadtumbau aus der Sicherheitsperspektive diskutiert wird. Die Polizeipräsenz an den als besonders gefährdet angesehenen Objekten wird intensiviert, Zugangskontrollen an wichtigen öffentlichen Gebäuden werden eingerichtet bzw. ausgeweitet. Erörtert werden institutionelle Veränderungen der Polizeistruktur auf der Ebene des Bundes und ihre Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden der Länder.

54 Siehe zum Ganzen auch Levi, Stadt- und Regionalplanung in Israel, in: Berkemann u. a. (Hrsg.), Planung und Plankontrolle, FS Schlichter, S. 159 ff. 55 Aus der reichhaltigen Diskussion, die sich sowohl auf öffentliche als auch private Überwachungen bezieht siehe nur Stapel, Kriminologisches Journal 2009, 46 ff., der einen wirksamen Schutz verneint, und Quambusch, Kriminalistik 2007, 8 ff., der für die Ausweitung der Videoüberwachung plädiert. 56 Die „Ränder der Städte“ werden vielmehr aus stadtsoziologischer Sicht beleuchtet. Gegenstand der soziologischen Untersuchungen sind unter den Stichworten „Quartierseffekt“ und „Lageeffekt“ die Stadtviertel mit einem hohen Anteil an Arbeitslosigkeit und Armut. Vgl. hierzu etwa: Kronauer/Vogel, Erfahrung und Bewältigung von sozialer Ausgrenzung in der Großstadt, in: An den Rändern der Städte, S. 235 ff.

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung

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Sicherheitstechnische Maßnahmen, die sich direkt auf das Bild der Innenstädte auswirken würden, sind dagegen nur in sehr geringem Umfang sichtbar. Zu denken ist dabei z. B. an die Sperrung von Straßen entlang von amerikanischen und britischen Botschaften oder die Errichtung von Sicherheitsbarrieren vor und die Bewachung von jüdisch-israelischen Einrichtungen.

V. Ein besonderes Beispiel städtischer Segregation: Gated communities Eine besondere Form der Reaktion auf zunehmende Gefahren durch Terror und Kriminalität ist in den vorstehenden Darstellungen bereits angeklungen. Inhaber von Wohn- und Geschäftsgebäuden gehen vermehrt dazu über, sich durch private Sicherheitsfirmen sowie den Einsatz von unterschiedlichen Zugangskontrollen zu schützen. An der Spitze dieser Entwicklung stehen die sogenannten „gated communities“. Hierbei handelt es sich um geschlossene Wohnquartiere, die durch Sicherheitsvorkehrungen insbesondere durch hohe Mauern und Zäune vom angrenzenden Stadtraum getrennt sind. Zugang haben lediglich die Bewohner. Ein Tag und Nacht patrouillierender Sicherheitsdienst sowie eine lückenlose Videoüberwachung komplettieren das Bild. Während sich diese Wohnform in Deutschland erst langsam etabliert, sind gated communities in den USA, in den Ländern Südamerikas sowie in Südafrika eine fest etablierte Wohnform. Ungefähr 40.000 der bewachten Wohnanlagen werden allein in den USA gezählt.57 Mit Blakely/Snyder58 lassen sich dabei drei Unterarten ausmachen: lifestyle, prestige und security zone communities. Die ersten beiden Kategorien sind dabei Beispiele für Wohnformen von Menschen in einem bestimmten Lebensabschnitt. So sind es v. a. wohlhabende Rentner, die sich im sun belt der USA einen Ruhesitz zugelegt haben, der an einem Ort die Bereiche Wohnen, Unterhaltung, Freizeitgestaltung sowie Versorgung zusammenführt. Einen qualitativen Unterschied stellen hingegen diejenigen gated communities dar, die ausschließlich zu dem Zweck errichtet werden, einem erhöhten Sicherheitsbedarf der Wohnbevölkerung Rechnung zu tragen. Nach Wehrheim ist das Schlagwort Sicherheit als das ausschlaggebende Primärkriterium bei der Wohnortwahl anzusehen. Er spricht ferner von einer „Sicherheitszonierung“ der amerikanischen Städte. Hierunter versteht er, dass sich die Bewohner einer Stadt nur noch zwischen Inseln der Sicherheit – sicherer Wohnort, Arbeitsplatz, Einkaufszentrum –

57 Heissler, Todsicher in der Isolation, Spiegel Online vom 22. 10. 2009, http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,656192,00.html; letzter Abruf: 14. 12. 2010. 58 Blakely/Snyder, Fortress America: Gated Communities in the United States, 1999.

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

hin- und herbewegen, die durch Highways miteinander verbunden sind. Dazwischen befänden sich die gefährlichen Räume, in denen die „dangerous class“ lebe.59 Während die ersten Wohnquartiere dieser Art eher in den Vororten lagen, nimmt die Zahl derartiger Projekte in den Innenstädten seit den 1980er Jahren in den USA stetig zu. Gated communities finden sich daher weniger in den durch Landwirtschaft geprägten Bundesstaaten, sondern v. a. in und um die städtischen Großzentren von New York, Chicago, Miami, Houston, Dallas, Phoenix und Los Angeles. Auch die Zusammensetzung der Bewohner hat sich in diesem Zeitraum verändert: Gated communities werden nicht mehr nur ausschließlich von „den oberen 10.000“, sondern zunehmend auch von Mittelklassefamilien als sicherer Wohnort geschätzt.60 Wehrheim beendet seine Ausführungen mit einer pessimistischen Vision: Langfristig sei die Entstehung von zwei Stadttypen zu befürchten: zum einen die privaten Wohnstädte der Besserverdienenden und zum anderen die alten öffentlichen Städte für Produktion, Dienstleistungen, Verkehr sowie als Wohnort für die unteren Einkommensschichten.61 Ähnliche Entwicklungsschritte erlebt Europa seit einigen Jahren. Vor allem in Osteuropa und Russland und hier v. a. in den Hauptstädten Moskau und Warschau ist es die reiche Oberschicht, die sich in befestigte Wohnquartiere zurückzieht. Doch auch in Deutschland haben gated communities in stärkerer und schwächerer Ausprägung Fuß gefasst. Die in Potsdam an der Havel gelegene Siedlung „Arkadien“ erfüllt alle Merkmale einer gated community im strengen Sinn: mit Doormen, 24Stunden Videoüberwachung, elektronisch gesichertem Zaun und vorheriger Anmeldung von Besuchern.62 Weichere Formen finden sich in Berlin in den Bezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Hier sind es die sogenannten Townhouse-Siedlungen „Prenzlauer Gärten“ oder „Marthashof“, die durch einheitliche Bauweise nach außen hin Geschlossenheit demonstrieren. Auch diese Siedlungen sind durch Zäune eingefasst, die jedoch zumindest am Tage offen stehen.63 Gated communities sind weniger Gegenstand der juristischen als der soziologischen Diskussion und hier v. a. der Stadtsoziologie. Als Hauptkritikpunkt werden dabei stets die Privatisierung und der Entzug vormals öffentlich zugänglicher Räume benannt. So komme es zu sozialer Abschottung und die Klassenbildung werde verstärkt. Während es sich die oberen Einkommensschichten leisten könnten, sicher in

59

Vgl. Wehrheim, Gated communities, RaumPlanung 1999, 248 (253). Vgl. Blakely/Snyder, Fortress America: Gated Communities in the United States, S. 6. 61 Vgl. Wehrheim, Gated communities, RaumPlanung, 1999, 248 (253). 62 So beschreibt es Loy in seinem Artikel „Nix mit Elite und so“, Der Tagesspiegel vom 17. 8. 2008, http://www.tagesspiegel.de/berlin/nix-mit-elite-und-so/1302906.html, letzter Abruf 14. 12. 2010. 63 Vgl. Loy, Nix mit Elite und so, Der Tagesspiegel vom 17. 8. 2008, http://www.tagesspiegel.de/berlin/nix-mit-elite-und-so/1302906.html, letzter Abruf: 14. 12. 2010. 60

B. Terroristische Bedrohung und Stadtplanung

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gated communities zu leben, blieben für die unteren Einkommensschichten die unsicheren Wohnquartiere übrig.64 Mag diese Beurteilung für Länder, in denen der soziale Gegensatz offen zu Tage tritt, etwa in den Staaten Südamerikas oder in Südafrika zutreffen, so ist diese Kritik, soweit sie für Deutschland artikuliert wird, überzogen: Prägend für die deutsche Situation ist vielmehr die Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Belangen: Aus § 903 BGB folgt die Befugnis eines jeden Eigentümers innerhalb der gesetzlichen Grenzen mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Daher steht es auch dem Eigentümer eines größeren Grundstückareals frei, die Art der Nutzung festzulegen. Beschränkt er dabei den Zugang auf die dort wohnenden Personen, so ist dies eine zulässige Ausübung des Eigentumsrechts. Die Grenzen dieser Eigentumsausübung werden jedoch durch das einfache Recht bestimmt: Die Aussage, durch gated communities werde vormals öffentlicher Raum der Öffentlichkeit entzogen, kann in dieser Pauschalität aus rechtlicher Sicht nicht aufrechterhalten werden. Der öffentlichen Planung ist kein Raum entzogen. Der Raum kann weiterhin durch Raumordnungs-, Flächennutzungs- und Bebauungspläne beplant werden, die somit die Grenzen der privaten Baufreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen markieren. Ein fatalistisches Fazit ist demnach aus rechtlicher Sicht nicht angezeigt. Vielmehr hat das Recht und hier insbesondere das Städtebaurecht auf Erkenntnisse der Stadtsoziologie reagiert. Dies sei im Folgenden kurz skizziert: Dass gated communities und auch die von Marcuse und Coaffee beschriebene Trennung zwischen gesicherten und ungesicherten Lebensbereichen zur Herausbildung unterschiedlicher Stadtquartiere führen, kann aus stadtsoziologischer Sicht unter das Stichwort „städtische Segregation“ gefasst werden. Stadtsoziologen verstehen hierunter die räumlichen Abgrenzungen innerhalb der Stadtbevölkerung hauptsächlich nach sozialen Unterschieden, zunehmend verstärkt durch eine symbolische Abgrenzung in Form der Bildung bestimmter Milieus, in denen die Mehrheit der Bewohner gleiche Lebensstile verfolgt.65 Die sozialen Fragestellungen der Stadtentwicklung nimmt das BauGB an mehreren Stellen des Besonderen Städtebaurechts in den Blick: Mit den städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB), den städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen (§§ 165 ff. BauGB), dem Stadtumbau (§§ 171a ff. BauGB) und v. a. auch durch die Maßnahmen der sozialen Stadt (§ 171e BauGB) versucht das Städtebaurecht, städtischer Segregation und Polarisierung entgegenzuwirken66. 64

Vgl. Wehrheim, Gated communities, RaumPlanung 1999, 248 (250). Vgl. Häußermann/Siebel, Stadtsoziologie, S. 139 f. 66 Zu Maßnahmen der sozialen Stadt nach § 171e BauGB ausführlich Löhr, Soziale Stadt – ein neuer Ansatz in der Stadtentwicklung und im Städtebaurecht, in: FS Krautzberger, S. 295 ff. Ein neues Einsatzfeld für diese Mittel des Besonderen Städtebaurechts ist die Abwehr extre65

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1. Kap.: Risiko, Gefahr und Stadtplanung

Wenn nunmehr beobachtet werden kann, dass städtische Segregation nicht nur aus sozialen Unterschieden resultieren kann, sondern ein zunehmender Trend zu einer „Sicherheitssegration“ besteht, dann muss sich auch das Städtebaurecht in besonderer Weise dieser Diskussion annehmen und sich hierzu positionieren. Ein übergreifender Ansatz hierzu stellt die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt aus dem Jahr 2007 dar. Die Charta will gerade der städtischen Segregation entgegenwirken, indem soziale Ausgrenzung durch Stadtplanung nicht noch verstärkt wird. Vielmehr strebt die Charta an, ein „Zusammenwirken von Architektur, Infrastruktur- und Stadtplanung [zu erreichen] mit dem Ziel […] attraktive, nutzerorientierte öffentliche Räume mit hohem baukulturellen Niveau zu schaffen.“67 Nachhaltigkeit soll dabei insbesondere durch ein „Konzept der Mischung von Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung und Freizeitgestaltung in den Stadtquartieren“ verwirklicht werden68. Die Städte sollen dabei in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, soziale Dienste, Gesundheit, Sicherheit und eGovernment einen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität von Menschen und zur Standortattraktivität von Unternehmen leisten.69

C. Schlussfolgerungen Der auch in Deutschland zunehmende Trend zu gated communities versinnbildlicht demnach ein zunehmendes Bedürfnis nach Sicherheit, das auch durch Mittel der Stadtplanung verwirklicht werden soll. Hieraus resultiert die Erkenntnis, dass sich ihr rechtliches Handwerkszeug und damit v. a. die Bauleitplanung und die Vorhabenzulassung mit diesem Phänomen auseinander zu setzen haben. Es gilt die Leitfragen zu beantworten, welche Antwortmöglichkeiten das öffentliche Baurecht in der Sicherheitsdebatte bereit hält. mistischer Gefahren: Immer mehr Gemeinden sehen sich Bestrebungen rechtsextremer Parteien ausgesetzt, die Immobilien erwerben, um diese für ihre Zwecke zu nutzen (ausführlich hierzu die Darstellungen von Szczekalla, DVBl. 2008, 345 ff. sowie das 3. Kapitel unter B. IV. 10. a) aa)). Um die Etablierung rechtsextremistischer Nutzungen zu verhindern und bestimmte planerische Vorstellungen der Gemeinde zu sichern, wird der Erlass von Erhaltungsund Sanierungssatzungen diskutiert (vgl. Szczekalla, DVBl. 2008, 345 [352]). Voraussetzung für den Erlass ist gemäß § 172 Abs. 1 BauGB die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt oder die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder eine städtebauliche Umstrukturierung. Mit einer Sanierungssatzung nach § 142 BauGB kann die Gemeinde ein Gebiet, in dem eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme durchgeführt werden soll, festlegen. In den so bestimmten Gebieten hat die Gemeinde weitreichende Möglichkeiten, den Grundstücksverkehr sowie geplante bauliche Maßnahmen zu überprüfen. 67 Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, S. 4 (zitiert und abgerufen von http://www.eu2007.de/de/News/download_docs/Mai/0524-AN/075DokumentLeipzigChar ta.pdf; letzter Abruf: 6. Mai 2011). 68 Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, S. 5 (Abrufmöglichkeit siehe vorherige Fußnote). 69 Vgl. Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, S. 5.

C. Schlussfolgerungen

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Auch wenn die Entwicklung und Diskussion um gated communities und um die Veränderungen der Innenstädte in Deutschland erst in den Startlöchern steht, gilt es das Bewusstsein für diese Fragen zu schärfen. Dabei ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeiten des Planungsrechts dabei auch nicht überschätzt werden dürfen: Eine sicherheitsdeterminierte Stadtplanung und ein öffentliches Baurecht, das unter dem Sicherheitsaspekt ausgelegt wird, kann nicht allein einer terroristischen Bedrohungslage entgegentreten. Es ist vielmehr darauf angewiesen, dass auch die anderen Rechtsgebiete ihren Beitrag erbringen. Zu nennen sind hier v. a. die präventiven Möglichkeiten des Polizeirechts sowie die repressiven Maßnahmen des Strafrechts. Jedoch schlägt gerade den zuletzt genannten Rechtsgebieten immer wieder die Kritik entgegen, dass sie einerseits über eine unzureichende Steuerungsfähigkeit verfügten und andererseits entflammt bei jeder Einführung neuer oder der Veränderung bestehender Eingriffsbefugnisse die „Sicherheits-Freiheits-Debatte“. Der Einbezug des öffentlichen Baurechts in diese bisher dualistisch erfolgte Terrorismusabwehrdebatte, kann hierbei u. U. einen Ausgleich herbeiführen: Gerade die Instrumente der Bauleitplanung sind keine Mittel, die ein Regelungsproblem von oben herab durchregeln. Sie können vielmehr durch die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit auch Instrumente zum verhältnismäßigen Ausgleich von Belangen zur Wahrung der Privatsphäre auf der einen und der Verwirklichung von Sicherheitsinteressen auf der anderen Seite sein.

2. Kapitel

Risiko, Gefahr und Terrorismus Die vorstehende Darstellung hat gezeigt, dass sich die Debatte um die Veränderung der Städte durch die Sorge vor terroristischen Bedrohungen immer wieder um die Begriffe „Gefahr“ und „Risiko“ dreht und diese sowohl rechtliche als auch soziologische Deutungen erfahren können.

A. Soziologie und Risiko Die soziologische Risikodiskussion nahm ihren Anfang in der Auseinandersetzung um die friedliche Nutzung der Kernenergie in den 1960er und 1970er Jahren und diesbezüglich geführten gesellschaftspolitischen Debatten, in der weite Teile der Bevölkerung nicht dem Fortschrittsglauben der 1950er Jahre nachhingen, sondern erstmals eine neue Technologie kritisch bewerteten1 – eine Entwicklung, die sich angesichts der Folgen der Tsunami-Katastrophe vom März 2011 für die Reaktorblöcke im japanischen Atomkraftwerk Fukushima wiederholt. Vollends an die Öffentlichkeit nicht nur innerhalb der soziologischen Debatte trat der Risikobegriff dann durch die von Beck ausgerufene Risikogesellschaft2. In ihr drohe der Ausnahmezustand zum Normalzustand zu werden, da die Gesellschaft mit den Nebenfolgen erfolgreicher Modernisierung hadere, mit unsicheren Biographien und schwer fassbaren Gefahren, die alle träfen und die niemand mehr adäquat versichern könne3. Insgesamt skeptisch ist Beck, was die Steuerbarkeit von Risiken angeht: So könne der einzelne Mensch aufgrund von fehlendem Wissen keine eigene Bewertung und Entscheidung z. B. in Bezug auf Inhaltstoffe von Nahrungsmitteln mehr treffen. Aber auch die Gesellschaft insgesamt erzeuge immer neue Risiken und produziere so systematisch ihre eigene Bedrohung und Infragestellung.4

1

Vgl. Bechmann, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, S. XX f. Beck, Risikogesellschaft, 1986; spiegelbildlich Albrecht, Der Weg in die Sicherheitsgesellschaft, 2010. 3 Beck, Risikogesellschaft, S. 105; ders., Weltrisikogesellschaft, S. 27. 4 Beck, Risikogesellschaft, S. 75. 2

A. Soziologie und Risiko

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Die Deutungen Becks riefen eine weitreichende soziologische Debatte vor, die hier nicht in voller Breite dargestellt werden kann.5 Gleichwohl soll auf den systemtheoretischen Ansatz von Luhmann eingegangen werden, da er die Begriffe Risiko und Gefahr einer eigenen soziologischen Deutung zuführt, die im Kontrast zu rechtlichen Definitionen steht. Für Luhmann ist der Gegenbegriff von Risiko nicht Sicherheit, sondern Gefahr.6 Hierbei differenziert er nach der Zurechnung eines entstandenen Schadens: Ist der Schaden Folge einer menschlichen Entscheidung, liegt ein Risiko vor. Ist der Schaden dagegen extern veranlasst, spricht er von einer Gefahr. Dabei sind die den Bewertungen zugrunde liegenden Situationen nicht von vornherein auf einen Begriff festgelegt. Prägend ist vielmehr das Merkmal der Zuordnung. Ein und dieselbe Situation kann daher zugleich ein Risiko und eine Gefahr darstellen: Für den Raucher sei Krebs ein Risiko (da selbst gewählt), für den Nichtraucher jedoch eine Gefahr (da extern).7 Eine Risikosituation liegt nach Luhmann darüber hinaus dann vor, wenn sich mehrere Entscheidungssituationen zur Lösung einer bestimmten Problemlage auftun.8 Für die juristische Sichtweise, die daran gewöhnt ist, einen Sachverhalt eindeutig unter Rechtsbegriffe zu subsumieren, sind diese Definitionen jedoch nicht zielführend.9 Der Risikobegriff ist rechtlich bestimmt als eine Situation, bei der die Wahrscheinlichkeit bei ungehindertem Fortlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens nicht unbedingt für die Schädigung eines Rechtsgutes spricht, eine solche jedoch auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.10 Diese Unsicherheit führt zu einem Perspektivwechsel: Während auf Gefahren in der Regel direkt reagiert werden muss, kann einem Risiko nur präventiv begegnet werden – durch Maßnahmen der Risikovorsorge. Daher vermag auch die als eher pessimistisch einzustufende Sichtweise Becks von der Nichtsteuerbarkeit der Risiken auf juristischer Ebene nicht zu überzeugen, da das Gesetz im demokratischen Rechtsstaat einen Steuerungsanspruch erhebt.11

5 Verwiesen sei lediglich auf Krohn/Krücken (Hrsg.), Riskante Technologien, 1993 und Bechmann (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, 1997. Aus der neueren Literatur siehe zu den Prinzipien von Nachsorge und Prävention auf den Gebieten der Sozial-, Umwelt-, Außen und Sicherheitspolitik Münkler/Bohlender/Meurer (Hrsg.), Handeln unter Risiko, 2010 sowie speziell zu den Begriffen „Risiko“ und „Sicherheit“ dies. (Hrsg.), Sicherheit und Risiko, 2010. Die Debatte mit Rückschlüssen auf die juristische Sichtweise darstellend Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 52 ff. und Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 50 ff. 6 Luhmann, Soziologie des Risikos, S. 28 ff. 7 Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Krohn/Krücken (Hrsg.), Riskante Technologien, S. 160. 8 Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Krohn/Krücken (Hrsg.), Riskante Technologien, S. 161. 9 Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 57. 10 BVerwGE 116, 347 (352 f.). Scharfe Kritik aus soziologischer Sicht am Festhalten der Rechtsprechung am Wahrscheinlichkeitskriterium übt Kollert, Systematische Unterbewertung von Katastrophenrisiken, in: Bechmann (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, S. 51 f. 11 Vgl. Schuppert, Verwaltungswissenschaften, S. 461 ff. m. w. N.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

In einem anderen Punkt kann jedoch die soziologische Risikodeutung Ausgangspunkt für die juristische Debatte sein. Es lässt sich an den zweiten Definitionsansatz zur Risikodeutung bei Luhmann anknüpfen, der besagt, dass so mehr von einem Risiko gesprochen werden kann, je mehr Entscheidungsvarianten ein Sachverhalt zulässt. Wenn demnach Risikobeurteilung mit der Auswahl zwischen Entscheidungsoptionen in Verbindung gebracht werden kann, so ist ein direkter Bezug zum Planungsrecht möglich: Rechtsstaatliche Planung steht immer vor der Frage der sachgerechten Auswahl zwischen verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten. Diese Wahl wird dabei maßgeblich durch den Abwägungsvorgang gesteuert. In Fortführung des LuhmannÏschen Ansatzes kann daher durch eine sachgerechte planerische Abwägungsentscheidung u. U. auch ein Beitrag zur Risikominderung und -prävention geleistet werden.

B. Recht und Risiko Während die soziologische Risikodeutung im Kontrast zum rechtlichen Verständnis des Begriffes steht, ist die allgemein-sprachliche Risikobestimmung näher an der juristischen Risikodefinition: Unter Risiko ist demnach die Möglichkeit zu verstehen, dass eine Handlung oder Aktivität einen körperlichen oder materiellen Verlust zur Folge hat oder mit unmittelbaren Nachteilen verbunden sein kann.12 Zu unterscheiden sei das Risiko von der Gefahr, die eher eine unmittelbare Bedrohung kennzeichne.13 Doch auch das Recht hat den Risikobegriff nicht sofort in seinen Begriffskanon aufgenommen. Nötig war vielmehr eine längere Begriffsevolution ausgehend von der klassischen Gefahrdefinition des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts.

I. Ausgangspunkt: Die Gefahr im polizeirechtlichen Sinn Historischer Ausgangspunkt der juristischen Risikodiskussion ist demnach der Begriff der „Gefahr“ wie er für das Polizei- und Ordnungsrecht prägend ist. Hierunter wird eine Sachlage oder ein Verhalten verstanden, das bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird14. Nötig ist somit insbesondere ein Wahrscheinlichkeitsurteil bzw. eine Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich des Schadenseintritts. Ein einfacher Fall ist gegeben, wenn das polizeiliche Schutzgut 12

Brockhaus Enzyklopädie, 18. Band, Stichwort Risiko, S. 440. Brockhaus Enzyklopädie, 18. Band, Stichwort Risiko, S. 440. 14 Siehe nur BVerwGE 45, 51 (57), Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, S. 316 Rn. 39. 13

B. Recht und Risiko

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bereits einen Schaden aufweist. Die Polizei- und Ordnungsbehörden können nun nicht mehr präventiv tätig werden, sondern lediglich die Störung beseitigen. Die Aufklärung der Frage, wie es zum Schaden gekommen ist, fällt sodann nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der Polizei. Vielmehr ist es nun Aufgabe der Strafjustiz den Sachverhalt aufzuklären, zu beurteilen, ob Strafnormen verletzt worden sind und gegebenenfalls ein Urteil auszusprechen. Problematischer ist hingegen die Frage zu beurteilen, ab wann eine Gefahr vorliegt. Durch die Festlegung eines solchen Zeitpunkts wird der Bereich markiert, ab dem der Gesetzgeber es für nötig erachtet, polizeiliche Eingriffsbefugnisse zur Gefahrenabwehr zu normieren. Gleichzeitig ist so ein Raum gegeben, in dem lediglich Risiken gesehen werden, bei denen eben noch nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, ob eine Rechtsgutschädigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt, eine solche jedoch auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann15. Zentraler Begriff ist daher die „hinreichende Wahrscheinlichkeit“, die zwischen der absoluten Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit liegt.16 Zur Bestimmung dieses immer noch recht vagen Kriteriums hat sich folgende Formel herausgebildet: Je größer die drohende Schädigung ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, umgekehrt steigt diese Anforderung, wenn das Ausmaß des Schadens als gering einzustufen ist.17 Das Urteil, ob eine Gefahr vorliegt, bleibt somit gleichwohl eine Zukunftsprognose.

II. Das Problem der Ungewissheit – Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht Der Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit ist prägend für die Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr. Nötig ist stets eine Wertung der jeweils Handelnden. Hierbei tritt ein Problem auf. Der klassische Gefahrbegriff ist auf das objektiv zu erwartende Geschehen ausgerichtet, die jeweils handelnden Amtswalter können jedoch nur auf die sich ihnen bietende Situation vor Ort zurückgreifen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Daher kann die Situation auftreten, dass objektiv gesehen überhaupt keine Gefahr vorliegt, die handelnden Polizeibeamten jedoch aufgrund der Gegebenheiten auf eine Gefahr schließen: So in dem viel bemühten Fall, dass aus einer wegen Urlaubsabwesenheit leeren Wohnung Schreie zu hören sind, die Tür aufgebrochen wird und erst jetzt deutlich wird, dass die Geräusche aus dem mit einer Zeitschaltuhr gesteuerten Fernseher stammen.18 Mit dieser Situation sind die Auseinandersetzungen um den klassischen objektiven und den modernen subjektiven 15 16 17 18

Vgl. zu dieser Abgrenzung BVerwGE 116, 347 (352). Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 7. BVerwGE 88, 348 (351). Vgl. für das Fallbeispiel Pieroth/Schlink/Kniesel, § 4 Rn. 49 m. w. N.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Gefahrbegriff umschrieben. Nach dem nunmehr herrschenden subjektiven Gefahrbegriff liegt eine Gefahr auch dann vor, wenn der Beamte einen Sachverhalt wahrgenommen hat, der äußerlich als gefährlich erschien, aus ihm nicht erkennbaren Gründen im Einzelfall jedoch ungefährlich war.19 Diese Lage wird mit dem Begriff der Anscheinsgefahr bezeichnet. Sie ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass der Beamte gar nicht erkennen kann, dass objektiv keine Gefahr vorliegt. Damit unterscheidet sich die Anscheinsgefahr von einer anderen Situation: Die Polizei kann einen Sachverhalt nur unzureichend ermitteln und daher kein sicheres Urteil fällen, ob ein polizeiliches Schutzgut mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gefährdet ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Gefahr besteht, andererseits steht dies jedoch auch nicht fest. Hiermit ist die Situation des Gefahrenverdachts umschrieben. Den Behörden fehlt das zur Beurteilung der Lage nötige Wissen, sodass sie im Rahmen der polizeirechtlichen Generalklausel lediglich auf Maßnahmen der Gefahrerforschung zurückgreifen darf. Der Gefahrenverdacht kennzeichnet daher eine Situation, die selbst noch keine Gefahr darstellt, jedoch in eine solche umschlagen kann.20 Mit dieser Situationsbeschreibung kann ein Kreis geschlossen werden. Unter I. wurden die Schwierigkeiten dargelegt, den Zeitpunkt festzulegen, ab wann eine Gefahr vorliegt, wie demnach der Bereich im Vorfeld einer Gefahr von der Gefahr selbst abzugrenzen ist. Der Vorfeldbereich wurde als Lage beschrieben, in der der Gesetzgeber zwar das Risiko eines Schadenseintritts sieht, dieses jedoch als sozial adäquat einschätzt und daher hinnimmt. Ähnlich verhält es sich mit dem Gefahrenverdacht: Auch er ist geprägt durch die Möglichkeit des Schadenseintritts. Ohne den Begriff bereits abschließend dargestellt zu haben, ist der Gefahrenverdacht mit seiner Ansiedlung im Vorfeldbereich einer Gefahr eine Risikosituation. Aufgrund dieses scheinbaren Gleichlaufs der Begriffe „Gefahrenverdacht“ und „Risiko“ soll im Folgenden die Genese des Risikobegriffs genauer untersucht werden.

III. Der Gefahrenverdacht als Brücke zum Risikobegriff Der Risikobegriff ist primär im Recht der technischen Sicherheit entwickelt worden. Wurde dabei zunächst noch konstatiert, dass das Risiko kein Rechtsbegriff sei, vielmehr außerhalb des Rechts stehe21, ist dieser Befund heute nicht mehr haltbar. Der Terminus des Risikos ist nunmehr in Fachgesetzen normiert und ist eine feste 19 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 122; ausführlich zur Subjektivierung des Gefahrbegriffes Poscher, Gefahrenabwehr, S. 29 ff. 20 Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), S. 321 Rn. 51; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 196. 21 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 1. Aufl., S. 45. Auf den vorrechtlichen Charakter weist auch Breuer, NVwZ 1990, 211 (213) hin.

B. Recht und Risiko

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Größe im Recht der technischen Sicherheit, insbesondere im Immissionsschutzrecht.22 Hier hat sich ein gestuftes Eingriffskonzept entwickelt, das sogenannte Dreistufenmodell, das prägnant mit dem Dreiklang „Gefahr-Risiko-Restrisiko“ umschrieben wird. In diesem Modell werden Gefahren abgewehrt, Risiken wird vorgebeugt und schließlich verbleibt ein als sozial adäquat hinzunehmender Bereich eines Restrisikos.23 Seinen gesetzlichen Niederschlag hat es in § 5 BImSchG gefunden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren nicht hervorgerufen werden können. Über diesen klassischen Bereich der Gefahrenabwehr geht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hinaus, indem auch Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen ist. Hier ist das Prinzip der Risikovorsorge normiert. Risiko wird hierbei umschrieben als bloße Möglichkeit des Schadenseintritts, da ungewiss ist, ob es zum Schadenseintritt kommt. Daher ist auch im technischen Sicherheitsrecht versucht worden, den Begriff des Risikos mit dem des Gefahrenverdachts, wie er aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht bekannt war, gleichzusetzen. Diese Gleichsetzung hat jedoch berechtigte Kritik hervorgerufen: Der Gefahrenbegriff im polizeirechtlichen Sinn hat eine andere Ungewissheit zum Gegenstand als diejenige, die im technischen Sicherheitsrecht relevant wird. Ist unklar, ob die braune Flüssigkeit, die der Eigentümer auf seinem Grundstück verschüttet, Altöl oder ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel darstellt, so kann die Ordnungsbehörde durch Nachfragen den Sachverhalt aufklären.24 Ob hingegen ein unterirdisches Lager für Brennelemente nachteilige Auswirkungen auf seine Umgebung hat, ist auch durch Nachforschungen nicht sofort aufklärbar. Somit kann der Begriff des Gefahrenverdachts zwar auch außerhalb des klassischen Polizeirechts verwendet werden, man muss sich jedoch stets vergegenwärtigen, dass er im Bereich des technischen Sicherheitsrechts einen anderen Begriffsinhalt besitzt. Er bezeichnet dort Situationen, in denen auch durch Nachforschungen nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, ob es zu einer Schädigung eines Schutzgutes kommen wird. Vorzugswürdig für diese neuen Situationen ist daher der Begriff des Risikos.

22 Auch die rechtswissenschaftliche Durchdringung des Risikobegriffs ist noch nicht beendet. So beschäftigte sich die 50. Assistententagung Öffentliches Recht im Frühjahr 2010 mit dem Thema „Risiko im Recht – Recht im Risiko. Siehe dazu auch den gleichnamigen Tagungsband herausgegeben von Debus/Scharrer u. a., Baden-Baden 2011 sowie den Bericht von Schröder/Seifert, DÖV 2010, 772 ff. 23 Zu diesem Dreiklang Breuer, NVwZ 1990, 211 ff., ausführlich Reich, Gefahr, Risiko, Restrisiko, 1989. 24 Beispiel nach Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 193; vgl. zum Gefahrenverdacht auch Poscher, Gefahrenabwehr, S. 152.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

IV. Der Bereich des Restrisikos Zu beachten ist jedoch, dass unterhalb der Schwelle des Risikos noch der Bereich des Restrisikos liegt. In diesem Bereich ist nach dem Standard der praktischen Vernunft ein Schadenseintritt sowohl aufgrund der getroffenen Schutzvorkehrungen als auch des Erkenntnisstandes in Natur und Technik praktisch unvorstellbar.25 Gleichwohl besteht auch keine absolute Gewissheit über das Ausbleiben einer Schädigung. Das BVerfG hat in seiner Kalkar-I-Entscheidung das Restrisiko als Ungewissheit jenseits der Schwelle praktischer Vernunft und menschlichen Erkenntnisvermögens gekennzeichnet.26 In diesem Bereich werden keine behördlichen Verpflichtungen zum Einschreiten ausgelöst. Dies folgt aus der Erwägung, dass in einer hochindustriealisierten Gesellschaft eine absolute technische Sicherheit nicht zu realisieren ist.27 Ob angesichts der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima weiterhin ein gesellschaftlicher Konsens besteht, Restrisiken als sozial-adäquat hinzunehmen, erscheint mehr als fraglich.

C. Terrorismus – Risiko oder Gefahr? Wie ordnet sich nun der schillernde Begriff des Terrorismus in das dargestellte Schema ein? Ist Terrorismus eine Gefahr, ein Gefahrenverdacht, ein Risiko oder lediglich ein zu vernachlässigendes Restrisiko? Lässt sich allein mit dem Ausmaß des drohenden Schadens eine Gefahr bejahen und kann die Wahrscheinlichkeitsprognose eher vernachlässigt werden? In der öffentlichen Wahrnehmung wechseln sich Zeiten erhöhten Terrorbewusstseins mit Zeiten ab, in denen das Thema allenfalls am Rande eine Rolle spielt. Symptomatisch für dieses Wechselspiel ist der Zeitraum November/Dezember 2010, in dem die Bevölkerung vor einer erhöhten Terrorgefahr gewarnt wurde. Deutlich wurde damals, dass auch die Bundesregierung keine eindeutige Zuordnung auf begrifflicher Ebene vornahm: In einer Pressekonferenz teilte der Bundesinnenminister de MaiziÀre am 17. November 2010 mit, dass die Bundessicherheitsbehörden seit geraumer Zeit von einer stärkeren Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus ausgehen würden. Seit Mitte 2010 seien verstärkt Hinweise zu verzeichnen, wonach die Terrororganisation Al-Qaida längerfristig plane, Anschläge auch in Deutschland zu begehen. Insbesondere sei dadurch eine Lage eingetreten, dass für Ende November 2010 ein Anschlagsvorhaben umgesetzt werden solle.28 In den 25

Breuer, Gefahrenabwehr und Risikovorsorge im Atomrecht, DVBl. 1978, 829 (836). BVerfGE 49, 89 (143). 27 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 48. 28 Vgl. de MaiziÀre, Stellungnahme zur aktuellen Gefährdungslage am 17. 11. 2010, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/cln_183/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/11/ statement2.html?nn=109632 (letzter Abruf: 21. 2. 2011). 26

C. Terrorismus – Risiko oder Gefahr?

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Kategorien des Ordnungsrechts gedacht, erfüllt diese Lage die Voraussetzungen einer polizeirechtlichen Gefahr. Entsprechend waren die Reaktionen, die u. a. zur Sperrung der sonst für Besucher geöffneten Kuppel des Reichstagsgebäudes sowie zu verstärkter Polizeipräsenz an exponierten Orten führten. Der Innenminister wies darüber hinaus auf die verstärkten und für die Bevölkerung unsichtbaren Ermittlungen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder hin. Ein Anschlag fand jedoch nicht statt. Dies führte dazu, dass der Innenminister am 1. Februar 2011 die besondere Gefährdung für die Sicherheit in Deutschland nach abgestimmter Bewertung der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder nicht mehr gegeben sah, insbesondere da die befürchtete Anschlagsgefährdung für November 2010 nunmehr ausermittelt sei. Es sei nunmehr zu verantworten, die öffentlich wahrnehmbare polizeiliche Präsenz zurückzufahren, wenngleich kein Anlass zur Entwarnung bestehe29. In den Kategorien des Ordnungsrechts gedacht, liegt nunmehr „nur“ noch eine Risikolage vor. Schon dieses Beispiel macht deutlich, dass sich der Terrorismusbegriff einer eindeutigen Definitionszuordnung entzieht. Ein weiteres Beispiel für diese Ambivalenz ist das vom Department of Homeland Security der USA entwickelte und seit März 2002 eingesetzte „Homeland Security Advisory System“. Es unterscheidet die terroristische Bedrohungslage in fünf Stufen, denen jeweils eine Farbe zugeordnet ist.30 Die Skala unterscheidet zwischen einem geringen (grün), generellen (blau), erhöhten (gelb), hohen (orange) und einem schweren (rot) Risiko von Terroranschlägen. Während die Maßnahmen, die auf den einzelnen Stufen zu ergreifen sind (u. a. Allgemeines Verhaltenstraining in Terrorsituationen auf Stufe grün, stete Erneuerung und Aktivierung der Notfalleinrichtungen auf Stufe blau, verstärkte Überwachung kritischer Orte auf Stufe gelb, strikte Personenkontrollen auf Stufe orange, Schließung öffentlicher Einrichtungen und Kontrolle des Verkehrssystems auf Stufe rot.31) differenziert beschrieben sind, ist die Frage der Bestimmung, welche Bedrohungslage welche Stufe auslöst, sehr vage umschrieben. Den zuständigen Stellen werden fünf Fragen an die Hand gegeben, anhand derer die Einstufung erfolgen soll. Zu fragen ist demnach, ob die Informationslage über eine bestimmte Bedrohung glaubhaft ist, ob die Information bestätigt und untermauert werden kann, ob die Bedrohung präzise beschreibbar ist und unmittelbar bevorsteht und wie groß die möglichen Folgen eines Anschlags sein können.32

29 Vgl. das Statement des Bundesinnenministers de MaiziÀre zur Sicherheitslage vom 1. 2. 2011, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/cln_183/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/ 2011/02/statement.html?nn=109632 (letzter Abruf: 21. 2. 2011). 30 Vgl. die Darstellung auf der Homepage des Department of Homeland Security, abrufbar unter http://www.dhs.gov/files/programs/Copy_of_press_release_0046.shtm. 31 Vgl. die Erläuterungen unter http://www.dhs.gov/xabout/laws/gc_1214508631313.shtm (letzter Abruf 22. 3. 2011). 32 Vgl. http://www.dhs.gov/xabout/laws/gc_1214508631313.shtm.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Auch hieraus wird deutlich, dass die Frage der Einstufung bestimmter Bedrohungslagen unter die Rechtsbegriffe „Gefahr“ oder „Risiko“ nur schwer möglich ist. Gleichwohl soll im Folgenden ein Überblick über Charakterisierungsmöglichkeiten gegeben werden, an dessen Anfang verschiedene Definitionsversuche stehen sollen.

I. Definitionsversuche 1. Allgemeine Bestimmungen Es hat bisher viele Versuche gegeben, den Begriff des Terrorismus auf eine prägnante Definitionsformel zu bringen, doch schon früh musste konstatiert werden, dass dies ein vergebliches Unterfangen darstellt. Zu unterschiedlich ist die Abhängigkeit von unterschiedlichen Standpunkten, Interessen und Wahrnehmungen der Definierenden33. Gleichwohl haben sich einige Definitionen herausgebildet: Demnach sei Terrorismus die „andauernde und geplante Gewaltanwendung mit politischer Zielsetzung, um mittels terroristischer Mittel das (politische) Verhalten des Gegners zu beeinflussen“.34 Kennzeichnend seien dabei insbesondere die über einen bestimmten Zeitraum andauernde bzw. fortgesetzte Gewaltanwendung im deutlichen Gegensatz zu einmaligen Ereignissen, sowie die geplante und organisierte Form der Gewalt im Unterschied zu spontanen Gewaltausbrüchen.35 Dieser Definitionsansatz stellt somit die Form und die Dauer der Gewaltanwendung in den Vordergrund, während ein anderer Ansatz vielmehr die dadurch erzeugte Angst verdeutlicht: „Terrorismus ist eine Strategie zur Erreichung politischer Ziele mittels der bewussten Erzeugung und Ausbeutung medial vermittelter Angst durch Gewalt und Gewaltdrohung gegen Nichtkombattanten“.36 Eine andere Akzentverschiebung kann erreicht werden, indem auch die Opfer von Terroranschlägen in der Definition betont werden: Terrorismus seien demnach „Aktionen, die darauf abzielen, den Tod oder schwere Verletzungen von Personen herbeizuführen, die nicht aktiv in bewaffnete Konflikte involviert sind, um damit die Öffentlichkeit, eine Regierung oder eine internationale Organisation aus politischen Gründen einzuschüchtern.“37 Ein nach Struktur suchender Ansatz differenziert nach den eingesetzten Mitteln (Gewalt), nach der Methode (Verbreitung von Furcht und Schrecken), den Adressaten (die zivile All33 Laqueur, Terrorismus, S. 5 spricht vom Problem der generellen Definierbarkeit. Vgl. auch Kaschner, Neues Risiko Terrorismus, S. 29 sowie Lutz, Was ist Terrorismus?, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, S. 10 f. 34 Dietl/Hirschmann/Tophoven, Das Terrorismus-Lexikon, S. 17. 35 Vgl. Dietl/Hirschmann/Tophoven, Das Terrorismus-Lexikon, S. 18. 36 Urban, Die Bekämpfung des internationalen Islamistischen Terrorismus, S. 35. 37 Klein, Die Herausforderung durch den internationalen Terrorismus, in: Isensee (Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht, S. 11.

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gemeinheit) sowie dem Ziel (die grundlegende politische Umwälzung der Verhältnisse).38 2. Juristische Bestimmungen a) Strafrechtliche Sichtweise § 129a StGB stellt die Bildung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe. Strafbar ist nach Absatz 1 der Vorschrift, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord, Totschlag, Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder 2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit zu begehen. Absatz 2 erweitert dies, indem sich auch strafbar macht, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden zuzufügen, oder Straftaten der gemeinschädlichen Sachbeschädigung, der Zerstörung von Bauwerken, der Zerstörung von wichtigen Arbeitsmitteln, der Brandstiftung, der Herbeiführung von Explosionen, des Missbrauchs von Strahlung, der gefährlichen Eingriffe in öffentliche Verkehrssysteme, der Störung von Telekommunikationsanlagen zu begehen. Ferner sind Umweltstraftaten, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz oder das Waffengesetz. Neben dieser reinen an Taten anknüpfenden Aufzählung macht sich auch strafbar, wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der vorgenannten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann (§ 129a Abs. 2 StGB a. E.). Eine ausdrückliche juristische Definition ist hierin nicht zu finden. Die Begriffsbestimmung wird vielmehr über die Auflistung bestimmter Taten innerhalb einer organisatorischen Einbindung gewährleistet. Auszumachen sind aber spezifische terroristische Merkmale, wie die Gewalt gegen Menschen oder Einrichtungen, die Organisationsform durch Vereinigungen sowie die Beschreibung der Einschüchterungs- und Schädigungsbereitschaft. Die Vorschrift macht durch den Rückbezug auf einzelne Taten deutlich, dass das Strafrecht auf der Ebene der Repression einen Terroranschlag über die einzelnen 38 Lutz, Was ist Terrorismus?, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, S. 12 f; ähnlich auch die lexikalische Bestimmung in Brockhaus Enzyklopädie, 22. Band, Stichwort Terrorismus, S. 21.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Deliktsmerkmale des Besonderen Teils des StGB ahnden kann.39 Die Vorschrift des § 129a StGB ist damit Ausdruck eines präventiv interpretierten Strafrechts, das bereits auf der Ebene der Organisation die Schwelle zur Strafbarkeit begründet.40 Diese Wendung hin zum präventiven Strafrecht, die einhergeht mit der entsprechenden Ausweitung von Ermittlungsmaßnahmen- und –befugnissen im Strafprozessrecht wird parallel zur öffentlich-rechtlichen Debatte auch innerhalb der strafrechtlichen Literatur kritisiert. So sei es nicht mehr die polizeirechtliche Gefahr oder der Gefahrenverdacht, die Verfolgungsmaßnahmen auslösten, sondern immer mehr eine „Gefahrengefahr“, die den Gesetzgeber veranlasse, neue Eingriffsbefugnisse zu schaffen.41 Die strafrechtliche Diskussion steht damit in einem ganz ähnlichen Spannungsfeld wie die verwaltungsrechtliche und hadert ebenso mit den unbestimmten Rechtsbegriffen der Gefahr, des Risikos und des Terrorismus. b) Versicherungsrechtliche Sichtweise Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind die Versicherungsunternehmen kurzfristig dazu übergegangen, Terrorrisiken aus dem Versicherungsschutz ihrer Verträge auszuschließen, da sie sich nicht mehr imstande sahen, dieses Risiko darstellen zu können.42 Der Ausschluss musste gesondert erklärt werden, da die bestehenden anerkannten Ausschlüsse in den Versicherungsbedingungen für Krieg, Bürgerkrieg, innere Unruhen und Vandalismus Schäden durch Terroranschläge nicht erfassen.43 Dieser Trend war nicht auf Deutschland oder Europa beschränkt, sondern war auch in den USA zu beobachten. Der amerikanische Gesetzgeber reagierte darauf im Jahr 2002 mit dem Erlass des „Terrorism Risk Insurance Act of 2002“44, der Risikoausschlüsse in bestehenden Versicherungsverträgen für unwirksam erklärte, was wiederum zu einer gesetzlichen Versicherungspflicht für das Terrorismusrisiko führte.

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Auf die bestehenden Möglichkeiten der strafrechtlichen Ahndung und der damit verbundenen Überflüssigkeit des § 129a StGB weist Weigend, Terrorismus als Rechtsproblem, in: FS Nehm, S. 151 hin. 40 Zu diesem durch die §§ 129a, 129b StGB neu begründeten Verhältnis von Prävention und Repression Griesbaum, Zum Verhältnis von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus, in: FS Nehm, S. 125. 41 So Hetzer, Terrorismusbekämpfung zwischen Risikosteuerung und Rechtsgüterschutz, Monatschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 2005, 111 (126 f.). 42 Vgl. Langheid/Rupietta, Versicherung gegen Terrorschäden, NJW 2005, 3233; Röder, Risiko oder Gefahr?, KritV 2005, 303. 43 Manns, Insuring Against Terror, 112 Yale Law Yournal, 2509 (2509, 2533); Bruns, Das Terrorismusrisiko im Privatversicherungsrecht in Europa und den USA, JZ 2005, 13 (18) m. w. N. 44 Terrorism Risk Insurance Act of 2002, Pub. L. No. 107 – 297, § 101(a)-(b), 116 Stat. 2322, 2322 – 23 (15 U.S.C.A. §§ 248, 1610, 6701 (West Supp. 2003)).

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Dieser starke Eingriff in die Vertragsfreiheit wurde kompensiert, indem der Staat als Rückversicherer in einem festgelegten Maßstab eintrat.45 Die versicherungsrechtliche Reaktion in Deutschland gelang im Wege der Selbstregulierung. Die Versicherungswirtschaft beschränkte sich nicht auf den Ausschluss des Terrorrisikos in ihren Verträgen. Vielmehr wurde zusammen mit der Bundesregierung die Gründung einer Spezialversicherung durch 16 Erst- und Rückversicherer beschlossen. Gegründet wurde die Extremus Versicherungs-AG mit Sitz in Köln. Sie versichert zurzeit ca. 1300 Unternehmen gegen inländische Großrisiken. Die Versicherungswirtschaft traf dabei mit der Bundesregierung folgende Vereinbarung: Bis zu einer Versicherungssumme von 25 Mio. E schließen die Erstversicherer das Terrorrisiko in ihren Verträgen nicht aus.46 Die darüber hinaus gehenden Schäden bis zu einer Jahreshöchstentschädigung von 10 Mrd. E und einer Versicherungssumme von über 25 Mio. E übernimmt dann die Extremus Versicherungs-AG. Die Jahreshöchstentschädigung ist dabei zwischen der Extremus Versicherungs-AG und dem Bund aufgeteilt: Die Extremus AG trägt bis zu zwei Mrd. E, für den darüber hinausgehenden Schaden steht der Bund mit einer Staatsgarantie bis 8 Mrd. E ein.47 Die Versicherung von Terrorrisiken macht es dabei erforderlich, eine Definition des Terrorismusbegriffs aufzustellen, da nur so feststellbar ist, ob der Versicherungsfall eingetreten ist. Die Extremus Versicherungs-AG hat eine derartige Definition in ihren Allgemeinen Bedingungen für die Terrorversicherung (ATB 2008)48 unter dem Gliederungspunkt A/A1/2. vorgenommen: Terrorakte sind demnach „jegliche Handlungen von Personen oder Personengruppen zur Erreichung politischer, religiöser, ethnischer oder ideologischer Ziele, die geeignet sind, Angst oder Schrecken in der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung zu verbreiten und dadurch auf eine Regierung oder staatliche Einrichtungen Einfluss zu nehmen“. Auch dieser Definitionsansatz nennt als Methode des Terrors die Verbreitung von Angst und Schrecken, als Adressaten die Allgemeinheit in Form der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung sowie als Ziel den Einfluss auf die politischen Regierungs- und Entscheidungsstrukturen. Bemerkenswert ist jedoch, 45

Zum Ganzen Bruns, JZ 2005, 13 (15). In rechtlicher Hinsicht ist darüber hinaus problematisch, ob ein derartiger Ausschluss vor dem Hintergrund der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach §§ 307 ff. BGB zulässig ist. Bruns, JZ 2005, 13 (19 f.) differenziert dabei zu Recht zwischen Versicherungsverträgen mit Unternehmern, bei denen ein Ausschluss grundsätzlich zulässig sei, und solchen mit Verbrauchern, bei denen ein Ausschluss unwirksam sei, da der Ausschluss für den Verbraucher eine unangemessene Benachteiligung darstelle. Denkbar seien jedoch angemessene Haftungsbegrenzungen. 47 Vgl. zum Ganzen die Darstellung der Geschichte der Extremus Versicherungs-AG, abrufbar unter http://www.extremus.de/unternehmen_geschichte.phtml (letzter Abruf: 23. 2. 2011). 48 Abrufbar unter http://www.extremus.de/download.php?eb44fcd753cbf130ccabbc48d3 d71eb4 (letzter Abruf: 23. 2. 2011). 46

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

dass die Definition auf die Benennung eines Gewaltmittels verzichtet und insoweit nur auf Handlungen abstellt, die geeignet sind, Angst oder Schrecken auszulösen.49 Dies ist in der Literatur damit erklärt worden, dass eine konkrete Benennung eines Gewaltmittels für den Zweck einer Versicherungsdefinition nicht erforderlich sei, da der Bedingungsgeber insoweit wohl davon ausgehe, dass die Verbreitung von Angst und Schrecken nicht ohne Gewaltanwendung möglich sei.50 c) Sichtweise des Rats der Europäischen Union In seinem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 hat der Rat der Europäischen Union festgelegt, welche Handlungen die Mitgliedstaaten als terroristische Handlungen einstufen sollen. Demnach liegen terroristische Straftaten vor, wenn Handlungen „mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören“.51 Auch in diesem Ansatz stehen die Auswirkungen von Terrorakten im Vordergrund, eine Benennung von Mitteln erfolgt nicht. Nachfolgend werden jedoch neun Begehungsweisen aufgezählt u. a. Angriffe auf Leib und Leben einer Person, Entführung, Zerstörung von Regierungseinrichtungen, das Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder die Unterbrechung der Strom- und Wasserversorgung.

II. Zusammenhang mit dem Gefahr- und Risikobegriff Für die Subsumtion unter den Risiko- oder den Gefahrenbegriff ist die Wahrscheinlichkeitsprognose das entscheidende Kriterium. Ist der Terrorismus eine Situation, die bei ungehindertem Fortlaufen des objektiv zu erwartenden Geschehens, zu einem Rechtsgutschaden führen wird? Aus den vorstehenden Definitionsversuchen wird die Besonderheit terroristischer Anschläge deutlich: Die Gewaltanwendungen sind meist von langer Hand geplant, der Anschlag erfolgt dann jedoch plötzlich und in schneller zeitlicher Abfolge. Unmittelbar vor dem Anschlag sowie während seiner Durchführung liegt damit eine unmittelbare Gefahrensituation vor. Die entscheidende Frage jedoch lautet, wie der Planungsprozess einzuschätzen ist. Isensee bringt diese Situation auf den Punkt: „Die Phänomene des Terrorismus entgleiten den Definitionen und Tatbeständen des Polizeirechts, zumal denen der 49

Langheid/Rupietta, NJW 2005, 3233 (3235). Langheid/Rupietta, NJW 2005, 3222 (3235). 51 Rahmenbeschluss des Rats der Europäischen Union 2002/475/JI, ABl. EG Nr. L 164, 22. 6. 2002, S. 4. 50

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Gefahr und des Störers. Der Terrorakt ist eine jähe Aktion, hinter der lange, heimliche Vorbereitung steht. (…) Der stille Nachbar, der unauffällige, fleißige Student erweist sich in der Rückschau als „Schläfer“, (…) der auf Abruf zum Anschlag bereitsteht. (…) Doch die Gefahr hat sich noch nicht konkretisiert.“52 Hinsichtlich des islamistischen Terrorismus stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht aus dem Jahr 2009 fest, dass Deutschland weiterhin im unmittelbaren Fokus islamistisch-terroristischer Gruppierungen liegt. Insbesondere vor den Bundestagswahlen im September 2009 sei die Anzahl der Drohvideos in bisher unbekanntem Ausmaß gestiegen. Es bestehe weiterhin eine Gefährdung deutscher Interessen auf hohem Niveau.53 Eine konkrete Vorhersage zu bestimmten Anschlägen wird jedoch nicht gemacht. Es bleibt bei der allgemeinen Beschreibung eines nicht weiter zu bestimmenden Bedrohungsszenarios. Kann diese allgemeine Sorge vor Anschlägen ausreichen, um eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne zu bejahen? 1. Terrorismusbedrohung als konkrete Gefahr Der Verfassungsgerichtshof Mannheim hatte im Jahr 1982 keine Bedenken, terroristische Bedrohungen als konkrete Gefahren einzustufen. Das Gericht hatte zu beurteilen, ob dem Flughafen Stuttgart zu Recht Verfügungen zum Schutz des Flugbetriebs vor terroristischen Anschlägen aufgegeben worden waren.54 Derartige Verfügungen können nach § 29 Abs. 1 S. 2 LuftVG in Ausübung der Luftaufsicht erlassen werden. Die Aufgaben der Luftaufsicht sind in § 29 Abs. 1 S. 1 LuftVG umschrieben: Demnach ist die Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt (Luftaufsicht) die Aufgabe der Luftfahrtbehörden und der Flugsicherungsorganisation. Wie in den polizeirechtlichen Generalklauseln wird demnach eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs benötigt, um entsprechende Verfügungen erlassen zu können. Nach den Feststellungen des VGH konnte das beklagte Land keine Anzeichen für eine besondere Bedrohung gerade des Stuttgarter Flughafens aufzeigen. Dies schließe jedoch die Annahme einer konkreten Gefährdung dieses Flughafens nicht aus. Diese werde schon dadurch begründet, dass der Luftverkehr insgesamt der permanenten Gefahr terroristischer Anschläge ausgesetzt sei, solange in der Bundesrepublik Terroristenbanden aktiv seien. Dabei dürften an die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Vielmehr läge eine hinreichende Wahrscheinlichkeit

52 Isensee, Der Terror und der Staat, dem das Leben lieb ist, in: ders. (Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht, S. 95. 53 Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2009, S. 185. 54 VGH Mannheim, DÖV 1983, 81 f.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

bereits dann vor, wenn ein Anschlag nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne.55 Das Gericht nimmt somit eine umgekehrte Sichtweise bei der Wahrscheinlichkeitsprognose ein: Die Gefahr eines Anschlages wird nicht positiv anhand von Faktenmaterial ermittelt, das im Anschluss bewertet würde, um auf dieser Grundlage heraus die erforderliche Wahrscheinlichkeitsprognose vorzunehmen. Es wird vielmehr ein Umkehrschluss vorgenommen, indem darauf abgestellt wird, dass ein Anschlag nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Das Gericht stellt für diesen Maßstab der „genügenden Sicherheit“ jedoch auch keine Bewertungskriterien auf und zieht sich auf die sehr pauschal wirkende Betrachtung zurück, dass der Luftverkehr insgesamt der permanenten Gefahr terroristischer Anschläge ausgesetzt sei, solange in der Bundesrepublik Terroristenbanden aktiv sind. Mit dieser Betrachtungsweise macht es sich das Gericht jedoch etwas zu leicht: Demnach würde jede Unsicherheit ausreichen, um eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit und somit letzten Endes auch eine Gefahr bejahen zu können. Aus diesen Gründen ist das Urteil zu Recht auch kritisiert worden: Der Hinweis auf eine permanente Gefährdung des Luftverkehrs reiche nicht aus. Er begründe nicht den Verdacht, dass ein bestimmter Flughafen in absehbarer Zeit angegriffen werden soll.56 Alleine aus dem Anhaltspunkt, dass terroristische Vereinigungen in Deutschland aktiv sind, folgt noch nicht die Annahme einer Gefahrensituation. Es fehlt Faktenmaterial für eine Konkretisierung von Ort und Zeit. Eine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinn besteht in der allgemeinen Terrorismusbedrohung nicht. Simon wählt einen anderen Ansatz, um den Terrorismus als konkrete Gefahr einordnen zu können57. Er nimmt die oben dargestellte „Faustformel“ zur Bestimmung des benötigten Wahrscheinlichkeitsgrades zur Hand. Demnach gilt: Je höher der zu erwartende Schaden, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dieser sogenannte „relationale Gefahrenbegriff“ sei jedoch zu Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten nur dort geeignet, wo die physische Sicherheit einer Vielzahl von Menschen, des Staatsvolkes oder des Staatsganzen in seiner Gesamtheit auf dem Spiel stehe. Dies ist nach Simon bei der Bekämpfung der terroristischen Bedrohung nicht jedoch bei der organisierten Kriminalität der Fall58. Im Einzelfall mag dieser Ansatz zutreffend sein. Jedoch kann auch er nicht das generelle Problem lösen, dass die allgemeine terroristische Bedrohung sich im Vorfeld eines Anschlages nicht konkretisieren lässt. Ein bloßes Zurückziehen auf eine 55

VGH Mannheim, DÖV 1983, 81 f. Ehlers, Der Schutz wirtschaftlicher Unternehmen vor terroristischen Anschlägen, Spionage und Sabotage, in: Festschrift Lukes, S. 345. 57 Simon, Präzeptoraler Sicherheitsstaat und Risikovorsorge, S. 173. 58 Simon, Präzeptoraler Sicherheitsstaat und Risikovorsorge, S. 173. 56

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relationale Gefahrbestimmung birgt zudem die Gefahr, dass die Hemmschwelle zu weitreichenden Grundrechtseingriffen sinkt. 2. Terrorismusbedrohung als abstrakte Gefahr Weiterhin wird versucht die Terrorismusbedrohung als abstrakte Gefahr zu kennzeichnen. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr dahingehend, dass keine tatsächlich vorliegende Situation beurteilt wird, sondern vielmehr aus einer generellen Sichtweise heraus gefragt wird, ob eine Sachlage nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Rechtsgutschaden führt. Das Unterscheidungskriterium ist daher nicht der Wahrscheinlichkeitsgrad, sondern die generelle Beurteilung von Sachlagen59. Die Leitfrage ist demnach: Führt ein Verhalten regelmäßig und typischerweise zur Verletzung eines Schutzgutes? Benötigt wird dieser Gefahrenbegriff insbesondere zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Gefahrenabwehr, die ein Regelungsproblem abstraktgenerell in den Blick nehmen. Baumann untersucht den Zusammenhang zwischen abstrakter Gefahr und Terrorismus anhand der Frage, ob die terroristische Bedrohung die Errichtung von Luftsperr- und Flugbeschränkungen rechtfertigt.60 Er diskutiert dies vor dem Hintergrund, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zum Schutz des Berliner Regierungsviertels seit dem 1. August 2005 ein Flugbeschränkungsgebiet für alle Flüge nach Sichtschutzregeln über dem Berliner Innenstadtgebiet erlassen hat. Rechtsgrundlage zur Errichtung derartiger Gebiete ist § 11 LuftVO in Verbindung mit § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 LuftVG. Demnach können Luftsperr- und Flugbeschränkungsgebiete festgelegt werden, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und hierbei insbesondere für die Sicherheit des Luftverkehrs erforderlich ist. Hierbei hebt er hervor, dass Attentate nach dem Muster des 11. September 2001 neben der Verursachung besonders hoher Opferzahlen auch auf die Zerstörung symbolhafter Einrichtungen zielten. Daher bestünde für das Berliner Regierungsviertel eine gegenüber dem allgemeinen terroristischen Risiko gesteigerte Wahrscheinlichkeit, Zielobjekt von Anschlägen zu werden. Nicht nur die Tatobjekte seien damit näher bestimmt, auch die Tathandlungen seien einzugrenzen: Ebenfalls seit dem 11. September 2001 sei die Umfunktionierung von Luftfahrzeugen zu „bemannten Bomben“ zu beobachten. Zwar seien die damaligen Anschläge nicht mit nach Sichtflugregeln verkehrenden Kleinflugzeugen durchgeführt worden. Dies schließe eine abstrakte Gefährdung jedoch nicht aus, da gerade Kleinflugzeuge leicht in die Gewalt von Terroristen zu bringen seien und durch mitgeführten Sprengstoff ebenfalls ein hohes Gefähr59

Siehe nur Schoch, in: Schmidt-Aßmann/ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 286. 60 Baumann, Der Schutz von Verfassungsorganen gegen terroristische Angriffe aus der Luft, DÖV 2006, 331.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

dungspotential herbeizuführen sei. Hiervon ausgehend bejaht er eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit des terroristischen Missbrauchs von Kleinflugzeugen gegen Regierungseinrichtungen in Berlin.61 Im weiteren Fortlauf seiner Ausführungen leitet er die abstrakte Gefahr neben der Bedrohung des Luftverkehrs durch terroristische Angriffe zusätzlich aus jüngeren Zwischenfällen mit Kleinflugzeugen aus dem Januar 2003 in Frankfurt und aus dem Juli 2005 in Berlin her. Es seien Nachahmungstaten auch hinsichtlich des Berliner Regierungsviertels abstrakt-generell zu besorgen. Aus diesem Gesichtspunkt sei das Bestehen einer abstrakten Gefahr herzuleiten.62 Die vorstehend dargelegte Argumentation ist lediglich für die Herleitung einer abstrakten Gefahr aus den Zwischenfällen mit Kleinflugzeugen in Deutschland stimmig; eine abstrakte Gefahr aus der allgemeinen Terrorismusbedrohung herzuleiten, vermag indes nicht zu überzeugen. Wie Baumann selbst ausführt, bedarf es für eine abstrakte Gefahr eines Grades an Eintrittswahrscheinlichkeit, der den drohenden Schaden bereits „greifbar“ werden lässt.63 Auch ist nochmals in Erinnerung zu rufen, dass sich im Gegensatz zur konkreten Gefahr nicht die Wahrscheinlichkeitsprognose sondern lediglich der Bezugspunkt ändert. Die Vorfälle mit Kleinflugzeugen durch offenbar geistig verwirrte Piloten stellen einen in diesem Sinne greifbaren Kausalverlauf dar. In Bezug auf die allgemeine Terrorismusbedrohung zieht Baumann jedoch die Kleinflugzeugvorfälle mit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 zusammen und leitet aus der herausgehobenen Stellung von Regierungsbauten eine abstrakte Gefahr her. Das Kreisen von Kleinflugzeugen über Berlin und Frankfurt hatte jedoch eindeutig keinen terroristischen Hintergrund. Für die Annahme einer polizeirechtlichen Gefahr bedarf es jedoch einer auf Fakten basierenden Prognose, dass Terroristen auf diesem Weg einen Anschlag planen. Diesen Nachweis kann Baumann jedoch nicht erbringen. Es ist dabei sicherlich richtig, dass Gebäude der Regierung, Botschaften oder Kernkraftwerke potentielle Anschlagsziele darstellen. Dieses Merkmal allein reicht jedoch nicht aus. Es bleibt daher gleichwohl bei der bloßen Möglichkeit eines derartigen Szenarios. Die allgemeine Terrorismusbedrohung kann daher auch nicht als abstrakte Gefahr eingestuft werden. 3. Terrorismusbedrohung als Gefahrenverdacht Um als Gefahrenverdacht im klassischen Sinne eingestuft werden zu können, muss die Terrorismusbedrohung eine Situation darstellen, die aus Sicht der Behörde sowohl gefährlich als auch ungefährlich sein kann, die jedoch durch Aufklärungsmaßnahmen eindeutig zugeordnet werden kann. Hält man sich nochmals das Bild des 61 62 63

Baumann, DÖV 2006, 331 (333 f.). Baumann, DÖV 2006, 331 (334). Baumann, DÖV 2006, 331 (333).

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Schläfers vor Augen, der nach langer stiller Vorbereitung plötzlich zur Tat ansetzt, so ist die Geeignetheit von Aufklärungsmaßnahmen als gering zu beurteilen. Derartige Maßnahmen setzen voraus, dass eine bestimmte Sachlage ermittelt worden ist. Erst ab diesem Zeitpunkt können Aufklärungsmaßnahmen sinnvollerweise ansetzen. Die Situation im Vorfeld einer terroristischen Aktion wird jedoch vielfach dadurch geprägt sein, dass eine derartige Sachlage noch gar nicht ermittelt worden ist. Vielmehr steht Ungewissheit im Vordergrund. Dies deckt sich mit der dargestellten Differenzierung zwischen dem klassischen Begriff des Gefahrenverdachts und dem Risikobegriff im Recht der technischen Sicherheit. Bezüglich der Auswirkungen von technischen Risiken besteht ebenfalls keine Sicherheit, es gibt keinen beobachteten Sachverhalt, der durch Gefahrerforschungseingriffe einer Klärung zugeführt werden kann. Daher kann die terroristische Bedrohungslage auch nicht durch die Figur des Gefahrenverdachts gekennzeichnet werden. 4. Terrorismusbedrohung als Risiko und die Abgrenzung zum Restrisiko Nach dem vorstehend Gesagten wird deutlich, dass die Kategorien des herkömmlichen Polizei- und Ordnungsrechts die Terrorismusbedrohung nicht fassen können. Sowohl die konkrete als auch die abstrakte Gefahr ebenso wie der Gefahrenverdacht benötigen eine gewisse Faktenlage, um weitere Maßnahmen treffen zu können. Diese Faktenlage ist im Vorfeld terroristischer Aktionen gerade nicht vorhanden. Es bestehen keinerlei Konkretisierungen in Bezug auf Tatobjekte und Tathandlungen. Potentielle Anschlagsziele lassen sich zwar ausmachen, ohne weitere Informationen wird der Bereich der bloßen Spekulation, des bloß theoretisch Möglichen jedoch nicht verlassen. Auch in der Fachliteratur ist eher von den Risiken des internationalen Terrorismus als von Gefahren die Rede.64 Diese Ambivalenz wird auch durch die schon oben beschriebene Reaktion der Versicherungswirtschaft auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 deutlich.65 Nach § 1 VVG verpflichtet sich ein Versicherer mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Unter einem Risiko im versicherungsrechtlichen Sinn wird der Eintritt eines zufälligen und im Einzelfall unvorhergesehenen Ereignisses für das Vermögen einer Person verstanden.66 Wenn nunmehr im Anschluss an die Terroranschläge im Jahr 2001 die Versicherungswirtschaft die bis dahin enthaltenen Schäden durch Terroranschläge aus ihren Versicherungsbedingungen herausnimmt und ausschließt, spricht dies dafür, dass kein versicherungsrechtliches Risiko, sondern eher ein konkretes 64 Siehe z. B. den Vortragstitel von Starke, Der Bundesnachrichtendienst und die Risiken des Internationalen Terrorismus, in: Vieweg (Hrsg.), Risiko-Recht-Verantwortung, S. 241 ff. 65 Siehe 2. Kapitel unter C. 2. b). 66 Looschelders, in: MüKo VVG, § 1 Rn. 10.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Gefahrenszenario gesehen worden ist, das jederzeit erneut eintreten könnte.67 Diese Sichtweise wird dann jedoch dadurch konterkariert, dass ein Jahr später mit der Gründung der Extremus Versicherungs-AG ein Spezialversicherer für Terrorschäden gegründet wird und die Erstversicherer daraufhin den „Terrorausschluss“ wieder zurückgenommen haben. Dies spricht dafür, dass die Reaktion unmittelbar nach den Anschlägen von 2001 wohl eher als übervorsichtig-kurzfristige Maßnahme zu erklären ist. Kennzeichnend ist somit weiterhin die durch Unsicherheit und Unwissenheit geprägte Situation im Umgang mit terroristischen Bedrohungslagen. Situationen der Unsicherheit sind jedoch aus dem Recht der technischen Sicherheit bekannt und sind dort als spezifische Risikosituationen beschrieben worden. Gerade die Situation der Ungewissheit erfordert es jedoch auch zum Bereich des Restrisikos abzugrenzen. Dann müsste eine Lage gegeben sein, bei der es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgrund der derzeit verfügbaren Informationslage zu keinerlei Anschlägen terroristischer Art kommt. Hierbei lässt sich zwischen verschiedenen Anschlagsszenarien differenzieren: So wird die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Anschlag mit atomaren Waffen in Deutschland komme, als sehr unwahrscheinlich eingestuft, da die Beschaffung der erforderlich Mindestmenge von 3000 – 5000 g die Täter vor große Probleme stellen würde. Begründet wird dies mit der jährlichen Gesamtmenge des abhanden gekommenen waffenfähigen Materials, die unter 1000 g liege. Wahrscheinlicher sei vielmehr der Einsatz sogenannter „Schmutziger Bomben“, in denen radioaktives Material beigemischt wird.68 Diese beiden Szenarien sind jedoch sehr speziell und können nicht stellvertretend für die Vielzahl an Anschlagsmöglichkeiten stehen. Festzuhalten bleibt jedoch die Einschätzung der Sicherheitsbehörden, dass Deutschland weiterhin im Fokus von Terrornetzwerken steht. Die Aufdeckung der Anschlagspläne der sogenannten Sauerlandbomber69 sowie der Düsseldorf-Gruppe im Frühjahr 201170 zeigt das Bedrohungsszenario nochmals auf. Es kann daher keinesfalls die Rede davon sein, dass terroristische Anschläge nach bisherigem Erkenntnisstand auszuschließen sind und dem Restrisiko zuzurechnen sind. Aus diesem Grund kann die allgemeine Vorfeldterrorismussituation, die noch nicht auf eine spezifische Anschlagsart konkretisiert ist, am besten als Risikolage charakterisiert werden. Konkretisiert sich diese abstrakte Lagebeschreibung jedoch aufgrund von Informationen der Sicherheitsbehörden auf ein bestimmtes Szenario, so kann auch eine Gefahrensituation vorliegen. Für den Fortgang der Untersuchung sollen terroristische Bedrohungslagen daher nicht im Sinne eines „Entweder-Oder“ unter eine Begrifflichkeit subsumiert werden. Vielmehr erscheint es angebracht, sowohl vom „Terrorrisiko“ im Sinne einer ab67

Röder, Risiko oder Gefahr, KritV 2005, 303. Zum Ganzen Engberding, Gefährdungsanalyse terroristischer Bedrohung durch AWaffen, in: Pelzer (Hrsg.), Brennpunkte des Atomenergierechts, S. 37 f. 69 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,635082,00.html (letzter Abruf: 7. 8. 2011). 70 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,759741,00.html (letzter Abruf: 7. 8. 2011). 68

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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strakten Lagebeschreibung als auch von einer „Terrorgefahr“ im Sinne eines konkreten Anschlagsszenarios zu sprechen. Die Rechtsprechung tritt für eine Einzelfallbetrachtung nach verschiedenen Anschlagsszenarien, gegen die vorgesorgt werden soll, ein. Demnach obliegt es der Genehmigungsbehörde im Einzelfall zu untersuchen, welcher Schutz erforderlich ist. Die Behörde hat die Risiken zu ermitteln und zu bewerten und zusammen mit den Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik darüber zu entscheiden, ob ein konkretes Anschlagsszenario der Risiko- oder der Restrisikosphäre zuzuordnen ist.71

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention Beim Umgang mit derartigen Risikolagen steht das Recht jedoch nicht am Anfang, sondern kann bereits auf eine längere Entwicklung sowohl im theoretischen Unterbau als auch in der praktischen Umsetzung zurückblicken. Auf den Punkt gebracht lautet der Lösungsansatz: Risiken wird durch Prävention begegnet oder „Risikovorsorge ist ein neues Sicherheitskonzept, das auf die Ermöglichung des Umgangs mit Unsicherheit und auf gesellschaftlichen Alternativenreichtum gerichtet ist“72. Die grundlegenden Anforderungen an eine derart verstandene Risikovorsorge hat das BVerfG in seiner Kalkarentscheidung niedergelegt. Es betont die Verantwortung sowohl der Exekutive als auch die des Gesetzgebers in Situationen der Ungewissheit die für zweckmäßige erachteten Entscheidungen zu treffen. Das grundsätzlich dem Gesetzgeber als auch der Exekutive zustehende Ermessen, ob und wie gehandelt wird, ist in Unsicherheitssituationen differenzierter zu betrachten. Zu beachten ist die Schutzpflichtdimension der Grundrechte. Aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG folgt die objektiv-rechtliche Pflicht, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Für die Unsicherheitslage bedeutet dies, dass der Staat gehalten ist, „alle Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und ihnen mit den erforderlichen, verfassungsmäßigen Mitteln zu begegnen.“73 Aus dieser Verpflichtung leitet das Gericht sodann den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge her. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht statischer Natur, sondern umfasst den vom BVerfG so benannten dynamischen Grundrechtsschutz: Die Risikobeurteilung ist laufend an den jeweils neuesten Erkenntnisstand anzupassen.74 Ohne sich ausdrücklich auf die Kalkarentscheidung zu beziehen, hat das BVerwG in seiner Entscheidung zum türkischen Konsulat in Karlsruhe den dynamischen Grundrechtsschutz zum „dynamischen Nachbarschutz“ fortentwickelt, indem es darauf hinweist, dass die Baugenehmigungsbehörde verpflichtet ist, Änderungen der 71 72 73 74

BVerwGE 131, 129 (140). Preuß, Risikovorsorge als Staatsaufgabe, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, S. 523. BVerfGE 49, 89 (132). BVerfGE 49, 89 (139).

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Sicherheitslage in Bezug auf anschlagsgefährdete Objekte zu beachten und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen anzuordnen.75 U. a. ausgehend von diesen und weiteren Entscheidungen hat die wissenschaftliche Diskussion des Präventions- und Vorsorgestaats mit einer fast schon unübersichtlichen Literaturlage begonnen. Bezogen auf die terroristische Bedrohung ist in der Literatur ein gewisser Fatalismus zu erkennen. Zu verwundbar seien die hoch entwickelten Gesellschaften, die weder technisch noch militärisch zu schützen seien und Katastrophen nur unzureichend beherrschbar.76 Gleichwohl verweisen die meisten Autoren gerade in dieser Situation auf die Steuerungs- und Regelungsfunktion des Rechts.77 Als ein derartiges Regelungsinstrument soll vor dem Hintergrund des Untersuchungsthemas das (Bau-) Planungsrecht fungieren.

I. Planung als ein Präventionsmittel „In zweckbezogener Hinsicht geht es bei Planung um den Versuch, durch methodisch geleitetes Handeln Zukunftsvorsorge zu organisieren und damit Risiken zu mindern. Absehbare Entwicklungen sollen antizipiert werden, um auf der Grundlage des besten Wissens frühzeitig notwendige Maßnahmen zur Erreichung gewünschter Ziele bestimmen und einleiten zu können“78. Prägnant fasst Köck so in seinem Beitrag für die „Grundlagen des Verwaltungsrechts“ den Zweck von Planung zusammen. Zentral sind die Begriffe „Zukunftsvorsorge“ und „Risikominderung“. Derart verstanden kann das Planungsrecht eine Antwort auf die oben beschriebene Unsicherheitssituation sein. Unsicherheit darf nicht zu einem Erstarren führen, sondern erfordert ein Erforschen und Analysieren der Ausgangslage, um so Schlüsse auf die Zukunft ziehen zu können. Nötig ist das Entwerfen einer Prognose, um einen Überblick über Lösungsmöglichkeiten zu erhalten. Planung verweist auf Alternativen. Angesprochen sind damit auch die bekannten verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundsätze zur Handhabung gesetzgeberischer und verwaltungsrechtlicher Gestaltungs-, Beurteilungs- und Einschätzungsspielräume: Der Gesetzgeber hat die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen, den zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln und darf lediglich keine sachfremden Erwägungen anstellen. Im Umgang mit Risikosituationen müssen der Gesetzgeber auf abstrakter Ebene 75

BVerwGE 128, 118 (125). Auf diesen „dynamischen Nachbarschutz“ wird gesondert im 3. Kapitel unter B. V. 5. eingegangen. 76 Lutz, Was ist Terrorismus?, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, S. 21; Clausen, Sind Katastrophen beherrschbar?, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, S. 15 ff. 77 Lutz, Was ist Terrorismus?, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, S. 21; Clausen, Sind Katastrophen beherrschbar?, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, S. 19, verweist auf ein ihm aus der Schweiz vorgelegtes Gedankenspiel, in dem die Schweiz von einer fremden Besatzungsmacht okkupiert worden sei. Sein Ratschlag: „Organisieren Sie mit ihrer gesamten Wohn- und Arbeitsbevölkerung, dass unter allen Umständen Schweizer Recht weiter befolgt wird.“ 78 Köck, Pläne, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 37 Rn. 10.

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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und die Verwaltung im zu beurteilenden Einzelfall notwendigerweise prognostizieren. Die Rechtsprechung des BVerfG lässt dies ausdrücklich zu, stellt jedoch an das einer Prognoseentscheidung zu Grunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil gewisse Anforderungen, die sich mit den schon soeben genannten Kriterien decken. Weiterhin beschränkt es in den Fällen einer gesetzgeberischen Prognoseentscheidung seine Kontrolldichte auf eine Vertretbarkeitskontrolle. Die Kriterien für diesen Kontrollmaßstab decken sich dabei mit den soeben genannten Grundsätzen. Der Gesetzgeber muss sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientieren, dabei alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen nutzen und die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regeln abschätzen79. Die gleichen Erfordernisse finden sich für die Situation, dass sich der Gesetzgeber einer komplexen Sachentscheidung gegenüber sieht und diese regeln muss. Auch in dieser Lage, die letztlich auch durch eine Unwissenheit über die zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen und die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung gekennzeichnet ist, greift die Rechtsprechung des BVerfG auf den Vertretbarkeitsmaßstab zurück und kontrolliert lediglich, ob das zur Verfügung stehende Sachmaterial ausgeschöpft und in vertretbarer Weise der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde.80 Genau diese Arbeit der vollständigen Sachverhaltsermittlung, Bewertung und Abschätzung von Entscheidungsalternativen leistet jedoch der Planungsbegriff und insbesondere das in ihm verankerte Abwägungsgebot, das die Sachverhaltsermittlung und Sachverhaltsbewertung einer einheitlichen Abwägungsentscheidung zuführt. Daher ist Planung ein Mittel, um Risiken, verstanden als Situationen der Ungewissheit und der komplexen Sachentscheidung, handhabbar zu machen. Dieser Gedanke findet zunehmend Beachtung nicht nur im angestammten räumlichen Bezugsfeld von Planung, sondern immer mehr im Sicherheits- und Technikrecht.81 Das Suchen nach Alternativen, die Erhaltung von Flexibilität und Diversität wie es aus den Abwägungsgesichtspunkten des Planungsrechts bekannt sei, sei eine Umgangsmöglichkeit mit Unsicherheitssituationen.82 Insbesondere antworte staatliche Planung so auf die Herausforderungen einer komplexen Welt, die nach problemgerechten und sachgerechten Festlegungen von Entscheidungsprämissen verlange.83 Weiterhin kann die Kette von der Unsicherheitssituation, über die Risikosituation hin 79 So das BVerfG in der Pflichtplatzentscheidung BVerfGE 57, 129 (159 f.); siehe weiterhin Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 41, 43; Schuppert, Gute Gesetzgebung, Sonderheft ZG 2003, S. 19. 80 Grundsätze der Mitbestimmungsentscheidung, BVerfGE 50, 290 (333 f.). 81 So spricht etwa Köck, Die rechtliche Bewältigung technischer Risiken, KJ 1993, 125 (135) ausdrücklich von der „Risikoplanung“. 82 Vgl. Köck, KJ 1993, 125 (145); siehe auch Ladeur, Risiko und Recht, in: Bechmann (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, S. 219, 223, 230; sowie Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 455; ders., Gefahr, Vorsorge, Risiko, Jura 1996, 566 (571). Auf die Möglichkeit durch Planung Komplexität zu reduzieren, weist für die politische Ebene schon Luhmann, Politische Planung, in: ders., Politisch Planung, S. 81 hin. 83 Köck, Pläne, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 37 Rn. 22.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

zu Vorsorge und Prävention, geschlossen werden. Ausgehend vom Vorsorgeprinzip des Umweltrechts wird auf die Zusammenhänge zwischen Prävention und Planung hingewiesen, da beide Begriffe durch den Zukunftsbezug verbunden seien.84 Der Planungsbegriff weist so auch eine verknüpfende Funktion auf, indem er als Mittel der Vorsorge anerkannt ist und der Planungsvorgang Elemente der Risikominimierung enthält; prägnant auf eine Formel gebracht: „Planung soll Risiken vermeiden“.85 Weiterhin kann auch der Kreis zum Recht der Bauleitplanung geschlossen werden: So wird betont, dass gerade den Bauleitplänen eine gewichtige Rolle in der Gefahrenabwehr und der Risikominimierung zukomme. Insbesondere im Bereich der Planungsleitlinie des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB, der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, sei die Vorsorgefunktion der Bauleitpläne angesprochen.86 Damit ist ein weiterer Beleg für die These gefunden, dass das Recht der Bauleitplanung bei der Bewältigung bodenbezogener Gefahren und Risiken nicht vernachlässigt werden darf sondern vielmehr in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken muss. Abschließend ist noch auf einen weiteren Punkt einzugehen. Wenn Risikosituationen durch Ungewissheit gekennzeichnet sind, dann kommt der Schaffung von Information und Wissen grundlegende Bedeutung zu. Dieser Problembereich wird unter dem Stichwort Risikoinformation behandelt. Die Notwendigkeit über ausreichendes Wissen zu verfügen, ist dabei nicht erst durch die juristische Risikodebatte offenkundig geworden. Vielmehr ist eine Behörde für die Rechtmäßigkeit jeder Einzelfallentscheidung auf die relevanten Informationen angewiesen. Deshalb statuiert § 24 Abs. 1 VwVfG die Verpflichtung der Behörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie hat dabei alle rechtlichen Möglichkeiten der Aufklärung auszuschöpfen.87 Als allgemeine Verfahrensgrundnorm gilt der Amtsermittlungsgrundsatz in jedem behördlichen Verwaltungsverfahren. Darüber hinaus sehen jedoch auch die Gesetze des besonderen Verwaltungsrechts Normen zur Erlangung von Information und Wissen, insbesondere durch das Verwaltungsverfahren vor.88 Dabei sind es gerade die Normen des Planungsrechts, die den Vorgang der Informationsgewinnung auf das Planungsverfahren zurückführen. Beispielgebend sind dafür insbesondere die Normen der Bauleitplanung, die sogar eine Informationsmöglichkeit in zwei Richtungen eröffnen: zum einen in Richtung der planenden Stelle, zum anderen jedoch auch in Richtung der planbetroffenen 84 Wahl/Appel, Prävention und Vorsorge. Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 60. 85 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 257; siehe auch Roellecke, Ein Rechtsbegriff der Planung, DÖV 1994, 1024 (1024). 86 Zur Vorsorgefunktion der Bauleitpläne allgemein und im Zusammenhang mit dem Sicherheitsbegriff des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB Gierke, in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, § 1 Rn. 45a, 579 ff. Vgl. auch die Auslegung des Sicherheitsbegriffs im 3. Kapitel unter B. IV. 2. 87 Decker, in: Wolff/Decker, VwGO/VwVfG, § 24 Rn. 5. 88 Ausführlich dazu Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, Tübingen 2009; speziell zum Amtsermittlungsgrundsatz S. 8 ff. Eine Parallele zur Wissensgenerierung im Planungsrecht wird jedoch nicht gezogen.

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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Personen.89 So begründen die §§ 3 bis 4a BauGB umfassende Beteiligungs- und Informationsrechte der Öffentlichkeit und der beteiligten Behörden. Diese Beteiligungspflichten dienen nach § 4a BauGB ausdrücklich dem Ziel der vollständigen Ermittlung und zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange zur Sicherung der ordnungsgemäßen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB.90 Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere das zweistufige System der Beteiligung im Wege einer frühzeitigen (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 BauGB) Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung und dem eigentlichen Auslegungsverfahren (§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB). Diese Verfahrensvorschriften können somit als Prototyp der Verbindung von Wissenserlangung in einer Risikosituation durch Planungsnormen verstanden werden.91 Bevor jedoch das Bauplanungsrecht auf seine Präventionsstrukturen hin untersucht wird, sollen zunächst drei Beispiele aus dem Fachplanungsrecht den planerischen Umgang mit Ungewissheit und Risiken illustrieren: die Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsformationen als aktuelles Risikobeispiel (II.), die schon länger andauernde und seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima neu entflammte Debatte um terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke (III.) sowie der Störfallschutz über das Trennungsgebot des § 50 BImSchG (IV.), dessen Auswirkungen auf die Bauleitplanung die Untersuchung der Vorsorgefunktion des Bauplanungsrechts vorbereiten.

II. Das Beispiel Carbon Capture and Storage (CCS) Für das Problemfeld wie mit Risiken insbesondere aus der Anwendung neuer Technologien allgemein und speziell auch mit den Mitteln der Planung umgegangen wird, lassen sich viele Beispiele heranziehen. Seinen Ausgangspunkt nahm die Debatte, wie bereits dargestellt92, mit der Diskussion des Dreistufenbegriffs im Immissionsschutzrecht, die sodann auf das Recht der technischen Sicherheit ausgedehnt wurde. Von dort ausgehend beschäftigten sich die Untersuchungen mit den weiteren Entwicklungen des Umgangs mit Risiken in den Teilbereichen des besonderen Ordnungsrechts wie dem Arzneimittelrecht93, dem Gentechnik- und Biotechnologierecht94 sowie dem Gefahrstoffrecht95.

89 Zu dieser Zweispurigkeit der Information durch Pläne vgl. Köck, Pläne, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 37 Rn. 26. 90 Battis, in ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4a Rn. 2. 91 Die Notwendigkeit einer stärkeren Prozeduralisierung sieht auch Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 174. 92 Siehe oben 2. Kapitel unter B. III. 93 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994; ders., Das Arzneimittelrecht als Repräsentant der Risikoverwaltung, Die Verwaltung 27, 345 (1994).

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Dieser Bereich, der durch die Literatur bereits sehr weitgehend erörtert wurde, soll hier jedoch nicht vertieft werden. Vielmehr soll anhand einer relativ neuen Technologie die Überwindung von Unsicherheit durch Planung erörtert werden: der Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsformationen. Anlass hierzu bietet der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid.96 Der Anstoß zu einem solchen Gesetz erfolgte auf europäischer Ebene. Ausgehend von der europäischen Zielsetzung, die Treibhausgasemission um 20 % zu senken, ist die Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsformationen ein viel diskutierter Lösungsansatz. Die Europäische Union hat mit der Carbon-Capture-and-StorageRichtlinie, die am 25. Juni 2009 in Kraft getreten ist, den Rechtsrahmen auf europäischer Ebene vorgegeben.97 Die Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten bis zum 25. Juni 2011 in nationales Recht umzusetzen. Vorrangiges Ziel ist es nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie eine umweltverträgliche geologische Speicherung von Kohlendioxid zu schaffen, um zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen. Die Speicherung soll insbesondere dazu dienen, die Klimabilanz von Kohlekraftwerken zu verbessern, indem das bei der Verstromung von Kohle entstehende Kohlendioxid abgeschieden und durch Pipelines zu Speicherstätten geleitet wird. CCS soll dabei – ähnlich wie die Kohlekraft selbst – nur eine Brückentechnologie darstellen, bis die Energieversorgung ganz oder zumindest überwiegend aus regenerativen Energiequellen gedeckt werden kann.98 Technisch denkbar sind dabei im Wesentlichen drei Speichermöglichkeiten: die Einlagerung in salinen Formationen (salzhaltigen Aquiferen), die Ablagerung in Erdöl- und Erdgaslagerstätten sowie in Ablagerungsstätten im oder unter dem Meer. Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2009 einen ersten Entwurf für ein Gesetz zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von CO2 vorgelegt. Der Entwurf wurde jedoch im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 nicht mehr 94

Appel, Risikoabwehr im Gentechnik und Biotechnologierecht, in: Vieweg (Hrsg.), Risiko-Recht-Verantwortung, S. 47 ff.; Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004; ders., Biotechnologie in der Bundesrepublik Deutschland, Jura 2007, 667 ff. 95 Krause, Das Risiko und Restrisiko im Gefahrstoffrecht, NVwZ 2009, 496 ff.; Busse, Grundstrukturen des Gefahrstoffrechts DVBl. 2009, 1289 ff. 96 BT-Drs. 17/5750. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf am 23. 9. 2011 nicht zugestimmt (BR-PlenProt. Nr. 886, S. 402 A). Jedoch wird sich auch in Zukunft die Frage stellen, wie mit CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken umgegangen werden soll. Da die CCS-Technik hierbei einen möglichen Lösungsweg aufzeigt, soll der Regelungsgehalt des Gesetzentwurfs gleichwohl vorgestellt und erörtert werden. 97 Richtlinie 2009/31/EG vom 23. 4. 2009, ABl. Nr. L 140, S. 114 ff. Zu den europa- und völkerrechtlichen Vorgaben, die bei der Umsetzung zu beachten sind Mißling, Die Gestaltung des deutschen Ordnungsrahmens für die geologische Speicherung von CO2, ZUR 2008, 286 ff. 98 Zum Ablauf der Abscheidung, des Transports sowie der Speicherung von Kohlendioxid überblicksartig Kohls/Kahle, Klimafreundliche Kohlekraft dank CCS?, ZUR 2009, 122 ff.

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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weiter verfolgt. Im Sommer 2010 wurde das Vorhaben jedoch erneut mit einem Referentenentwurf (CCSGE) aufgegriffen99, der im April 2011 von der Bundesregierung beschlossen und in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Die Verhandlungen über den Gesetzentwurf gestalteten sich äußerst schwierig, da sich die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein gegen eine Speicherung von CO2 in ihren Ländern aussprachen.100 Der neue Gesetzentwurf berücksichtigt dies, indem die Länder durch Landesgesetz bestimmen können, dass eine Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung nur in bestimmten Gebieten zulässig oder unzulässig sein soll (§ 2 Abs. 5 CCSGE).101 In Deutschland beschränkt sich der Einsatz mangels vorliegender gesetzlicher Grundlage noch auf Untersuchungsprojekte: Nach Bergrecht wurde in Deutschland bisher ein Pilotprojekt für den Energiekonzern Vattenfall in Schwarze Pumpe (Brandenburg) genehmigt. Weiterhin bestehen CCS-Forschungsprojekte in Hamburg (Technische Universität Harburg), Stuttgart (Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen), Dresden (Technische Universität) sowie in Jänschwalde (Brandenburg). Da sich die praktischen Erprobungen bislang auf zwei Standorte in Brandenburg konzentrieren, sah die brandenburgische Landesregierung die Länderausstiegsklausel im neuen Gesetzentwurf kritisch und kündigte an, nur einem für ganz Deutschland geltenden CCS-Gesetz zuzustimmen.102 In materieller Hinsicht widmet sich der Gesetzentwurf aufgrund der weitgehend noch unbekannten Technologie vor der Festlegung von Zulässigkeitserfordernissen für die Speicherung zunächst der Bewertung und Eignung von Gesteinsschichten zur Speicherung von Kohlendioxid. Nach § 5 Abs. 2 CCSGE wird die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die im Rahmen der Bewertung erforderlichen geologischen Grundlagen erforschen, insbesondere die geologische Charakterisierung von geeigneten Gesteinsschichten, der umgebenden Schichten, die Abschätzung der nutzbaren Volumina, die vorhandenen Formationswässer sowie die vorherrschenden Druckverhältnisse, die Abschätzung von Druckveränderungen sowie die Ermittlung möglicher Nutzungskonflikte. Parallel soll das Umweltbundesamt die Grundlagen erarbeiten, die für eine wirksame Umweltvorsorge erforderlich sind (§ 5 Abs. 3 CCSGE). Die derart ermittelten Daten fließen sodann ein in das nach § 6 Abs. 1 CCSGE von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zu erstellende und fortzuführende Register. Das Register soll der Information der Öffentlichkeit über Lage und Ausdehnung von Kohlendioxidleitungen und Kohlendioxidspeichern dienen.

99 Siehe hierzu die gemeinsame Presseerklärung des Bundesumwelt- und des Bundeswirtschaftsministeriums Nr. 109/10 vom 14. 7. 2010. Siehe ferner Hellriegel, Der neue Gesetzentwurf zu Carbon Capture and Storage, NVwZ 2010, 1530 ff. Zu den raumordnungsrechtlichen Konsequenzen Erbguth, Unterirdische Raumordnung, ZUR 2011, 121 ff. 100 Vgl. FAZ vom 17. Februar 2011, S. 12. 101 Siehe auch FAZ vom 13. April 2011, S. 11. 102 Vgl. FAZ vom 13. April 2011, S. 11.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Die §§ 7 bis 9 CCSGE enthalten die Genehmigungsvoraussetzungen sowie Verfahrens- und Formvorschriften für die Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung zur Errichtung und zum Betrieb von Kohlendioxidspeichern. Die Genehmigung hängt v. a. von der Mittelaufbringung sowie den erforderlichen Schutzmaßnahmen für Leib, Leben und Gesundheit ab (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 – 8 CCSGE). Die §§ 11 bis 26 CCSGE bilden sodann das Kernstück des Gesetzentwurfs mit dem Planfeststellungserfordernis sowie der Festlegung von Stilllegungs-, Nachsorgeund weiteren Betreiberpflichten. § 11 Abs. 1 CCSGE legt fest, dass die Errichtung, der Betrieb und wesentliche Änderungen eines Kohlendioxidspeichers der vorherigen Planfeststellung bedürfen und verweist dazu auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 72 bis 78 VwVfG. § 13 CCSGE legt die wesentlichen materiellen Voraussetzungen für den Betrieb einer Speicheranlage fest. Demnach darf der Plan nur festgestellt werden, wenn sichergestellt ist, dass unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit die Errichtung und der Betrieb des Speichers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigen und überwiegende Belange nicht entgegenstehen, die Langzeitsicherheit des Kohlendioxidspeichers gewährleistet ist, Gefahren für Mensch und Umwelt im Übrigen nicht hervorgerufen werden sowie die erforderliche Vorsorge gegen Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt getroffen wird, insbesondere durch Verhinderung von erheblichen Unregelmäßigkeiten. Das Maß der erforderlichen Vorsorge bestimmt sich dabei nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und verwendet so den bekannten dynamischen Vorsorgestandard des technischen Sicherheitsrechts. Zum Erfordernis der Planfeststellung führt die Begründung des Gesetzentwurfs103 aus, dass die Durchführung notwendig sei, um die gebotene Berücksichtigung aller betroffenen Belange in einem effektiven Verfahren zum Ausgleich zu bringen und Rechtssicherheit zu schaffen104. Deutlich wird somit, dass über die genannten Voruntersuchungen auch eine „echte planerische Abwägungsentscheidung“105 notwendig ist, um den Betrieb eines Kohlendioxidspeichers zu realisieren. Dies hat zur Folge, dass auch bei Vorliegen der gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen die zuständige Planfeststellungsbehörde die Genehmigung versagen könnte. Hierbei dürften als Versagungsgründe jedoch lediglich die Gesetzeszwecke aus § 1 CCSGE in Betracht kommen.106 Zur Frage, ob im CCS-Verfahren eine echte Abwägungsentscheidung möglich ist, vertritt Much in ihrer Untersuchung107 eine differenzierte Auffassung. Ohne auf den erst später veröffentlichten Entwurf eines CCS-Gesetzes 103

BT-Drs. 17/5750, S. 32 ff. BT-Drs. 17/5750, S. 43. 105 Hellriegel, NVwZ 2010, 1530 (1532). 106 In diesem Sinne Hellriegel, NVwZ 2010, 1530 (1532). 107 Much, Die Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, 2009; dies., Die Behandlung von Risiken in der Gesetzgebung am Beispiel der Carbon-Capture-and-Storage-Technologie, in: Debus/Scharrer u. a. (Hrsg.), Risiko im Recht – Recht im Risiko, S. 85 ff. 104

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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eingehen zu können, untersucht sie die Genehmigungsmöglichkeiten von unterirdischen Speicherstätten auf fachgesetzlicher Basis nach Berg-, Gewässer-, Abfallund Immissionsschutzrecht. Abstrakt beleuchtet sie dann mit welchen Regelungsinstrumenten die Einrichtung derartiger Speicher den zu beachtenden Belangen am besten gerecht wird. Zum Mittel der Planfeststellung führt sie aus, dass das Planfeststellungsverfahren zwar grundsätzlich vom Erfordernis einer Abwägungsentscheidung ausgehe.108 Im Fortgang führt sie die anerkannten Ausnahmen vom Erfordernis einer Abwägungsentscheidung bei der atomrechtlichen und bergrechtlichen Planfeststellung an. Hier sei aufgrund der Standortgebundenheit des Vorhabens die Behörde auf die Prüfung der konkreten fachgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen beschränkt, sodass es einer Standortalternativensuche nicht bedürfe und eine Abwägung im Planfeststellungsverfahren nicht stattfinde.109 Auch die unterirdische Lagerung von Kohlenstoffdioxid könne nur in bestimmten geologischen Formationen verwirklicht werden und erfolge daher auch standortgebunden. Hieraus folgert sie weiter, dass daher auch eine Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde nicht möglich sei.110 Gleichwohl sieht Much, dass die unterirdische Speicherung von Kohlenstoffdioxid in räumlicher Hinsicht Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf auslöse und eine Standortalternativenprüfung erforderlich mache und diese am besten von der Behörde durchzuführen sei, die auch für die spätere Planfeststellung zuständig sei. Zur Zusammenfassung sowohl der Standortprüfung als auch der Planfeststellung in einem Verfahren präferiert sie das Instrument des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt.111 Unabhängig von der Wahl des anzuwendenden Regelungsinstruments bleibt jedoch ein Aspekt festzuhalten: Eine Standortalternativenprüfung hat in jedem Fall zu erfolgen. Ferner steht fest, dass im Rahmen dieser Prüfung die zu berücksichtigenden Belange zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen sind, da es ansonsten an einer rechtmäßigen Standortentscheidung fehlt. Letztlich ist die dargestellte Diskussion jedoch überholt durch den vorliegenden Gesetzentwurf zum CCS-Verfahren. § 13 Abs. 1 CCSGE hat – wie bereits dargestellt – den Konflikt zwischen der Standortgebundenheit einerseits und dem Abwägungserfordernis andererseits dahingehend aufgelöst, dass im Rahmen der Planfeststellung gleichwohl eine Abwägung unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit stattzufinden hat. Die zu schützenden Belange sind sodann in § 13 Abs. 1 Nr. 1 – 4 CCSGE niedergelegt. 108 Much, Die Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, 2009, S. 223 ff. 109 Much, Die Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, 2009, S. 229. 110 Much, Die Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, 2009, S. 232. 111 Much, Die Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, 2009, S. 262.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Somit kann der Gesetzentwurf zu Carbon Capture and Storage als ein Beispiel gelten, wie mit einer noch nicht erforschten Risikotechnologie gesetzestechnisch umgegangen werden kann: Prägend ist das gestufte Verfahren, das zunächst der Ermittlung der Eignung von Gesteinsschichten dient, sodann steht die Einrichtung von Untersuchungsanlagen im Vordergrund. Daran knüpft dann erst die endgültige Planfeststellung mit einer umfassenden Abwägungsentscheidung zur Errichtung eines Speichers an. Nicht zu übersehen ist hier das bekannte planerische Vorgehen, gekennzeichnet durch das Ermitteln, Bewerten und Abwägen widerstreitender Belange.

III. Risikoprävention gegen äußere Einflüsse im Atomrecht Die Rechtsprechung zum Atomgesetz beschäftigt sich nicht nur mit Gefahren und Risiken, die aus der Spaltung von Kernmaterial resultieren, sondern auch mit der Problematik, wie sich Kernkraftwerke nach außen absichern können. Dieser Problemkreis berührt eng das in dieser Arbeit verfolgte Untersuchungsthema: Wie kann Sicherheit bei einem Objekt realisiert werden, das ein potentielles Anschlagsziel sein kann? Dabei stellt sich in dogmatischer Hinsicht eine ganz ähnliche Frage, wie auf der Ebene des Bauplanungsrechts: Soll ein Fachgesetz wie das Atomgesetz die Aufgabe übernehmen, Terrorabwehr zu leisten? Oder fällt der Schutz vor terroristischen Angriffen nicht eindeutig in die Sphäre des Polizei- und Ordnungsrechtes? 1. Erfasst das AtomG kriegerische Gefahren? Historisch entwickelte sich die Diskussion entlang der Frage, ob das Regelungsinstrumentarium des Atomgesetzes die Sorge vor kriegerischen Einwirkungen berücksichtigen darf. In dieser Auseinandersetzung stehen sich zwei Ansätze unversöhnlich gegenüber: „Krieg ist kein Thema der Anlagensicherheit“112 lautet die erste Argumentationslinie, die das Atomgesetz eng auslegt. Erweiternde Sichtweisen betonen demgegenüber, dass die Eigensicherungspflichten der Kraftwerksbetreiber sich auch auf den Schutz vor kriegerischen Einwirkungen beziehen können. Eine Grenze sei erst dann erreicht, wenn kriegerische Akte zu befürchten sind, die sich ihrer Dimension nach der Beherrschbarkeit durch den Anlagenbetreiber entziehen würden.113 a) Die enge Auslegung des Atomgesetzes Nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG darf die atomrechtliche Genehmigung u. a. nur dann erteilt werden, wenn der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige 112 So Ossenbühl, Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke – aus rechtlicher Sicht, NVwZ 2002, 290 (291). 113 Dederer, Kernkraftwerke im Visier des Terrorismus, DÖV 2005, 621 (625).

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Einwirkungen Dritter gewährleistet ist. In seiner Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich einer Teilgenehmigung des Kernkraftwerks Whyl hat der VGH Mannheim lediglich in zwei Sätzen zur Problematik Stellung genommen: Die Frage nach den militärischen Konsequenzen der Errichtung von Kernkraftwerken gehöre nicht in ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, sie betreffe vielmehr die äußere Sicherheit der Bundesrepublik überhaupt.114 Dieser Ansicht hat sich die überwiegende Meinung in der Literatur angeschlossen: Kriegseinwirkungen seien keine Einwirkungen Dritter. Es könne nicht Sache des technischen Sicherheitsrechts sein, mögliche Kriegsgefahren, die nicht nur im Atomund Strahlenschutzrecht relevant seien, sondern auch in anderen Bereichen des technischen Sicherheitsrechts von Bedeutung sind, in die Genehmigungsprüfung miteinzubeziehen. Der Prioritätenkonflikt zwischen Energieversorgung und Verteidigungsfähigkeit des Staates könne nicht im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens gelöst werden.115 Insbesondere wurde mit dem Förderungszweck des Atomgesetzes argumentiert: Neben dem Schutz gegen die Gefahren der Kernenergie sei auch deren Nutzung zu friedlichen Zwecken umfasst. Davon zu unterscheiden sei jedoch der Schutz vor Kriegseinwirkungen. Landesverteidigung sei hierbei gerade kein Zweck des Atomgesetzes, weil so die atomare Industrieproduktion auf privatwirtschaftlicher Ebene praktisch ausgeschlossen wäre. Der Schutz gegen kriegerische Einwirkungen sei vielmehr die Aufgabe von Spezialgesetzen.116 Auch sei die Berücksichtigung kriegerischer Einwirkungen verfassungsrechtlich problematisch: Zum einen folge aus der Kompetenzvorschrift des Art. 74 Nr. 11a GG, dass der Bund lediglich die Gesetzgebungszuständigkeit für die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken besitze. Nicht umfasst seien daher die Nutzung der Kernkraft zu Kriegs- und Verteidigungszwecken und insbesondere nicht die Abwehr atomarer Gefahren durch Kriegshandlungen fremder Mächte.117 Zum anderen sei die Berücksichtigung kriegerischer Gefahren im Genehmigungsverfahren ein ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Mögliche Schäden durch Kriegseinwirkungen seien als bloße fiktive Möglichkeiten so wenig wahrscheinlich, dass sie als bloßes Restrisiko einzustufen seien. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbiete es daher, die atomrechtliche Genehmigung mit dem Hinweis auf eine unzureichende Vorsorge gegen Kriegseinwirkungen zu versagen.118 Gerade die letzten Ausführungen von Lukes/Backherms sind noch aus einem anderen Grund relevant, da sich die Autoren mit der Wahrscheinlichkeit von kriegerischen Einwirkungen auseinandersetzen, sodass eine Parallele zu den obigen 114

VGH Mannheim, DVBl. 1976, 538 (544). Winters, Zur Entwicklung des Atom- und Strahlenschutzrechts, DÖV 1978, 265 (272). 116 Lukes/Backherms, Kriegseinwirkungen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, AöR 103 (1978), 334 (345). 117 So Lukes/Backherms, AöR 103 (1978), 334 (346). 118 Lukes/Backherms, AöR 103 (1978), 334 (346 f.). 115

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit von terroristischen Anschlägen gezogen werden kann. Die Verfasser nehmen ihre Beurteilung auf Ebene des Völkerrechts vor. So sei den Staaten nach Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta die Anwendung militärischer Gewalt verboten. Ferner sei auf der zweiten diplomatischen Konferenz zur Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts im April 1975 beschlossen worden, Waffeneinwirkungen auf Kernkraftwerke zu untersagen. Zudem verfügten alle potentiell Krieg führenden Nationen über Kernenergieanlagen und seien daher in hohem Maße selbst gefährdet.119 In ihren Schlussbetrachtungen stufen die Autoren sodann die Gefahr kriegerischer Einwirkungen als bloßes Restrisiko ein, für das keine Gefahrenvorsorge zu treffen sei. b) Die erweiternde Auslegung des Atomgesetzes Die vorstehenden Argumentationslinien waren lange Zeit herrschend in Literatur und Rechtsprechung, vor allem in den 1970er Jahren. Lediglich das OVG Koblenz sprach sich ebenfalls in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dafür aus, auch kriegerische Einwirkungen im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.120 Erst jüngst werden Stimmen laut, die den kategorischen Ausschluss kriegerischer Gefahren aus dem Schutzzweck des AtomG kritisieren. Vor allem Dederer ist es, der für eine differenzierte Sichtweise eintritt: So stellt er zu Recht die Frage, weshalb es unbestritten ist, dass Kernkraftwerke nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG gegen den Absturz militärischer Jagdflugzeuge gesichert sein müssen. Daher erscheint es aus seiner Sicht angemessen, dass § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG nicht jedwede kriegerische Einwirkung erfasse, sondern lediglich diejenigen, die sich ihrer Dimension nach vom Betreiber beherrschen lassen.121 2. Die Entscheidung des BVerwG zu bewaffnetem Werkschutz Mit der Entscheidung des BVerwG zum bewaffneten Werkschutz122 gelangte wieder etwas Flexibilität in die Debatte, was unter den „Einwirkungen Dritter“ zu verstehen ist. Im Jahr 1989 hatte das BVerwG einen Fall zu beurteilen, in dem die Betreiberin des Kernkraftwerks Neckarwestheim durch eine Auflage zu einer Teilbetriebsgenehmigung verpflichtet wurde, einen bewaffneten Werkschutz in bestimmter Mindeststärke aufzustellen. Dieser sollte mit Faustfeuerwaffen ausgerüstet werden und die

119 120 121 122

Lukes/Backherms, AöR 103 (1978), 334 (343). OVG Koblenz, GewA 1977, 133. Dederer, DÖV 2005, 621 (625). BVerwGE 81, 185 ff.

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Überwachung aller Sicherheitsbereiche sowie des Personen-, Fahrzeug- und Materialverkehrs – jedoch ohne polizeiliche Befugnisse – wahrnehmen. Die Betreiberin wehrte sich gegen diese Auflage mit der Begründung, es gebe für sie keine gesetzliche Grundlage, sie sei ferner zur Sicherung des Kraftwerks ungeeignet und nicht erforderlich. Das BVerwG hat diese Argumentation zurückgewiesen: § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG biete eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, den Betreiber zu eigenen Sicherungsmaßnahmen gegen terroristische und sonstige Akte zu verpflichten. Dem Wortlaut nach darf die Aufsichtsbehörde die Genehmigung erst dann erteilen, wenn der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist. § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG ist daher in Ergänzung zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG zu sehen. Nach Nr. 3 darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist; dies betrifft demnach nur Vorsorge gegen Gefahren, die durch den Betrieb entstehen können und keine Angriffe Dritter von außen. Diese Situation greift erst die Nr. 5 auf. Der erforderliche Schutz gegen derartige Einwirkungen Dritter sei nicht nur in baulich-technischen sondern auch in organisatorischen Maßnahmen zu erblicken, zu denen auch ein privater Wachschutz gehöre. Dies sei auch keine unzulässige Übertragung von hoheitlichen Polizeiaufgaben auf Private, da der Wachschutz lediglich auf der Grundlage privater Besitzabwehrrechte bis zum Eintreffen der Polizei tätig werde.123 Ein Grundproblem besteht jedoch weiterhin: Ebenso wie bei Botschafts- oder Regierungsgebäuden geht die Gefahr nicht von den baulichen Anlagen aus, diese werden vielmehr ordnungsgemäß genutzt und betrieben. Das Anschlagsrisiko beruht vielmehr auf dem eigenständigen Entschluss von Terroristen. Diese allgemeine Kriminalitäts- bzw. Terrorismusabwehr sei typischerweise eine öffentliche Aufgabe der Polizei. Dies bedeute jedoch nicht, dass private Abwehrmaßnahmen zur Durchsetzung des Hausrechts unzulässig seien. Es stehe vielmehr im weiten Ermessen des Gesetzgebers, welche Schutzmaßnahmen er im Zeitraum bis zum Eintreffen der Polizei für ausreichend ansieht.124 Festzuhalten bleibt somit, dass das BVerwG die Störmaßnahmen, vor denen das Kernkraftwerk mit einem bewaffneten Werkschutz geschützt werden soll, als Risiko einstuft, das „seine Ursache in der allgemeinen politischen Lage und der in der Gesellschaft sich bildenden Kriminalität, nicht aber in dem Betrieb oder in der Existenz des gefährdeten Objekts“ hat125. Gleichwohl zieht des Gericht hieraus nicht den Schluss, dass dieses Risiko zu vernachlässigen sei, sondern legt § 7 Abs. 2 Nr. 5 123

BVerwGE 81, 185 (189). BVerwGE 81, 185 (189). 125 BVerwGE 81, 185 (188) unter Rückgriff auf Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, S. 26. 124

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AtomG ausdrücklich dahingehend aus, dass die Abwehr krimineller Einwirkungen von außen vom Schutzzweck der Norm mitumfasst ist. 3. Kernkraftwerke und der Schutz vor terroristischen Angriffen Die dargestellten Argumentationslinien treffen in der Frage „Atomgesetz und Schutz vor Terrorakten“ wieder aufeinander. Anders als in der Frage der Berücksichtigung von kriegerischen Gefahren, die wie dargestellt mehrheitlich abgelehnt wurde, ist bezüglich der Berücksichtigung terroristischer Angriffe, eine offene Debatte zu verzeichnen, die durch Entscheidungen des BVerwG jedoch nunmehr abgeschlossen zu sein scheint. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 rückte das Bedrohungsszenario „Flugzeugangriff auf Atomkraftwerk“ nicht nur in der Presse, sondern auch in der atomrechtlichen Auseinandersetzung in den Mittelpunkt und wird bis heute – gerade auch im Zusammenhang mit Reaktorkatastrophe von Fukushima – kontrovers diskutiert126. Ausgangspunkt der rechtlichen Diskussion war die vom Bundesumweltministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde vertretene Auffassung auf der Grundlage von § 19 Abs. 3 AtomG (aufsichtsbehördliche Befugnisse) Kraftwerksabschaltungen mittels des ihr zustehenden Weisungsrechts durchsetzen zu können. Dies rief die Kritik vieler Autoren in der Literatur hervor: Ossenbühl beginnt seine Ausführungen mit der bereits viel zitierten Norm des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG. Er erkennt an, dass die Normierung der „sonstigen Einwirkungen Dritter“ auf Terrorund Sabotageakte zugeschnitten ist. Nunmehr nimmt er Bezug auf das Werkschutzurteil des BVerwG. Mit der dortigen Begründung, dass der Werkschutz lediglich im Rahmen privater Abwehrrechte und auch nur im Zeitraum bis zum Eintreffen der Polizei handele, nimmt er eine restriktive Auslegung der Norm vor. Die Verantwortung des Kraftwerksbetreibers sei daher beschränkt auf geeignete und wirksame Maßnahmen innerhalb seiner privaten Handlungsbefugnisse. Ossenbühl sieht den Anwendungsbereich des Atomgesetzes daher beschränkt auf Terrorakte, die vom Boden ausgehen, keinesfalls sei das Atomgesetz anwendbar, soweit es um terroristische Angriffe aus der Entfernung, etwa durch Raketen, gehe. In derartigen Fällen seien vielmehr die Polizei- und Ordnungsbehörden zuständig.127 126

Siehe nur Ossenbühl, Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke – aus rechtlicher Sicht, NVwZ 2002, 290; von Danwitz, Rechtsfragen terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke, 2002; Battis, Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke – die rechtliche Sicht, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2002, S. 27 ff.; Vorwerk, Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke – die rechtliche Sicht, in: Ossenbühl (Hrsg.), Deutscher Atomrechtstag 2002, S. 37 ff.; Koch, Vorsorge gegen terroristische Angriffe, in: Koch/Roßnagel (Hrsg.), 12. Deutsches Atomrechtssymposium, S. 170 ff.; Dederer, DÖV 2005, 621; Dolde, Terroristische Flugzeugangriffe auf Kernkraftwerke, NVwZ 2009, 679. 127 Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (292; 297).

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Von Danwitz argumentiert in einem für die RWE Power AG erstatteten Gutachten ebenso: Weder der Widerruf der Betriebsgenehmigung nach § 17 Abs. 5 AtomG noch die Anordnungsbefugnis der Aufsichtbehörden nach § 19 Abs. 3 AtomG erfassten terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke. Der Terrorangriff sei keine Gefährdung, die in der genehmigten Anlage oder Tätigkeit begründet sei, wie es für § 17 Abs. 5 AtomG Voraussetzung sei. Auch § 19 Abs. 3 AtomG setze einen anlagenbezogenen Zustand voraus, der bei äußeren Einflüssen nicht gegeben sei. Mangels geeigneter atomrechtlicher Handlungsinstrumentarien gelange vielmehr § 19 Abs. 4 AtomG zur Anwendung, der allgemeine Befugnisse der Landesbehörden ausdrücklich für unberührt erklärt. Zur Abwehr terroristischer Gefahren seien daher die allgemeinen Ordnungsbehörden zuständig.128 Zur generellen Frage, ob das AtomG und speziell das Genehmigungsverfahren die Möglichkeit terroristischer Angriffe berücksichtigen dürften, führt der Verfasser lediglich in einem Nebensatz aus, dass die Sicherung gegen eine konkrete Gefährdung kerntechnischer Anlagen durch terroristische Flugzeugangriffe nicht Gegenstand des atomrechtlichen Genehmigungsprogramms sei.129 Diese Aussage wird jedoch an keiner Stelle begründet. Es findet sich lediglich ein Verweis auf das Werkschutzurteil des BVerwG, das jedoch an der angegebenen Stelle130 keine dahingehende Aussage trifft. Die ablehnenden Literaturstimmen führen letztendlich die bereits zur Frage „Krieg und Atomkraftwerke“ vorgebrachten Argumente fort. Eine notwendige Differenzierung zwischen Kriegs- und Terroreinwirkungen findet jedoch nicht statt. Dabei hat schon der VGH Mannheim im oben bereits zitierten Beschluss zum Atomkraftwerk Whyl in einer Nebenbemerkung ausgeführt: „Was die denkbaren Terroranschläge betrifft, so brauchen zwar nicht ihre Voraussetzungen, wohl aber müssen ihre Folgen diskutiert werden.“131 Bereits hier wird auf die unbedingt erforderliche Differenzierung hingewiesen. In diesem Sinne legen auch die befürwortenden Stimmen das Atomgesetz aus. Koch beginnt konsequenterweise mit einer Auslegung des Wortlauts und weist dabei auf die weite Fassung hin, die ein breites Spektrum an Einwirkungen Dritter erfasse. Weder würden Motivationslagen noch bestimmte Begehungsformen verlangt. § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG erweise sich somit als zukunftsoffener Genehmigungstatbestand, der in der Lage sei, neue Bedrohungsformen zu erfassen. Im Anschluss daran setzt der Autor sich mit der bereits skizzierten Auffassung Ossenbühls auseinander, wonach die Vorsorge vor terroristischen Angriffen weder in den Verantwortungsbereich der Anlagenbetreiber falle noch eine Beherrschbarkeit gegeben sei. Die weite Formulierung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG weise gerade darauf hin, dass die Verantwortung der Betreiber erweitert worden sei und nunmehr die unterschiedlichsten 128 129 130 131

von Danwitz, Rechtsfragen terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke, S. 58 ff. von Danwitz, Rechtsfragen terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke, S. 32. BVerwGE 81, 185 (188 f.). VGH Mannheim, DVBl. 1976, 538 (544).

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Einwirkungen von unbefugten Dritten erfasse. Die Ordnungsbehörden seien für eine hinreichend sichere Vermeidung eines Angriffs gerade darauf angewiesen, dass der Betreiber auch seinen Beitrag zur Abwehr leiste, indem er baulich-technische und organisatorische Maßnahmen treffe.132 Auch Sendler zweifelt in einem Erwiderungsartikel an der Absolutheit, mit der Ossenbühl seine Ergebnisse darstellt. Er weist zu Recht darauf hin, dass dessen Aussage, terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke hätten ihre Ursache nicht in der Existenz der gefährdeten Objekte, widersprüchlich ist. Nur aus der Existenz des Objekts, das sich gegenüber anderen hervorhebt und durch die Art seiner Nutzung einer besonderen Gefährdungslage ausgesetzt ist, folgt die Eigenschaft als potentielles Anschlagsziel.133 Als zu weitgehend kennzeichnet er auch die These, dass aus der Beschränkung des Werkschutzes auf private Abwehrbefugnisse, eine Beschränkung der gesamten Eigensicherung folge. Dies sei ersichtlich nicht der Wille des BVerwG gewesen und auch mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtomG nicht in Einklang zu bringen.134 Koch und Sendler kommen so übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass das Atomgesetz auch auf terroristische Angriffe anwendbar ist. In einem jüngeren Urteil konnte das BVerwG anhand der Parallelnorm des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtomG zur Diskussion umfassend Stellung nehmen.135 Gegenstand des Urteils war die atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel im dazugehörigen Zwischenlager. Ein Anwohner hatte die Genehmigung u. a. mit der Begründung angefochten, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht gewährleistet sei, insbesondere könne er Drittschutz beanspruchen gegen terroristische Anschläge durch einen gezielten Flugzeugabsturz oder gegen einen Beschuss mit panzerbrechenden Waffen. Das BVerwG lässt die Frage, ob kriegerische Einwirkungen vom Atomgesetz umfasst sind offen, in dem es darauf hinweist, dass sie mit terroristischen Angriffen nicht ohne weiteres gleichzustellen sind. Es betont die tatbestandliche Weite der Norm, die durch das außerordentlich hohe Risikopotential atomarer Anlagen für Einzelne und für die Allgemeinheit gerechtfertigt sei. Zwar sei die Abwehr terroristischer Gefahren vorrangig eine staatliche Aufgabe. Dies schließe jedoch nicht die Verpflichtung des Betreibers einer atomaren Anlage aus, wegen der von ihr im Fall eines terroristischen Anschlags ausgehenden Gefährdung den erforderlichen Schutz bestmöglich zu gewährleisten.136 „Die staatliche Terrorbekämpfung entbindet nicht

132 Koch, Vorsorge gegen terroristische Angriffe, in: Koch/Roßnagel (Hrsg.), 12. Deutsches Atomrechtssymposium, S. 170 f. 133 Sendler, Nochmals: Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke, NVwZ 2002, 681 f. 134 Sendler, NVwZ 2002, 681 (682). 135 BVerwGE 131, 129 ff. 136 BVerwGE 131, 129 (134 f.).

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von der Verpflichtung zu Maßnahmen zum erforderlichen Schutz der Anlage und ihres Betriebs, die in den Verantwortungsbereich des Anlagenbetreibers fallen.“137 4. Stellungnahme Bei der vorstehend skizzierten Debatte um die Berücksichtigung kriegerischer und terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke darf ein Aspekt nicht außer Acht gelassen werden, der bei einigen Autoren auch durchklingt: Die Frage der Anwendbarkeit des Atomgesetzes ist keine rein akademische Auseinandersetzung, sondern hat entscheidende Auswirkungen auf die Praxis. Bei Anwendung des atomgesetzlichen Instrumentariums besitzen die Landesbehörden kaum einen eigenen Spielraum: Im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung unterliegen sie dem Weisungsrecht des zuständigen Umweltministeriums, das in diesem Fall über die Rechts- und Fachaufsicht verfügt. Über eine eigenständige Bewertungs- und Entscheidungskompetenz verfügen die Landesbehörden dann nicht mehr.138 Erheblich anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn das Atomgesetz keine Anwendung findet. In diesem Fall lebten die Regelungsbefugnisse des allgemeinen Ordnungsrechtes auf. Dieser Handlungsrahmen eröffnete allein für die Ordnungsbehörden der Länder Eingriffsbefugnisse.139 Der Bund könnte keinerlei Einfluss geltend machen. Diese Grundproblematik des „ewigen Bund-Länder-Zwistes“ im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung darf bei der Einschätzung der vorgebrachten Argumente nicht außer Acht gelassen werden. Die Entscheidung der fachlichen Frage muss nach den durch die Kalkarentscheidung des BVerfG aufgestellten Maßstäben erfolgen. Demnach dienen die Vorschriften des Atomgesetzes und insbesondere die Genehmigungstatbestände einem dynamischen Grundrechtsschutz, der für betriebsbezogene Einwirkungen am jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik auszurichten ist. Insbesondere hat der Gesetzgeber zu überprüfen, ob ursprüngliche Entscheidungen unter veränderten Umständen noch aufrecht zu erhalten sind.140 In diesem vorsorgenden Sinn ist auch § 7 Abs. Nr. 5 AtomG zu verstehen. Auch der erforderliche Schutz gegen die „sonstigen Einwirkungen Dritter“ ist auf veränderte Sicherheitslagen hin zu überprüfen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung möglicher terroristischer Angriffe. Daher können auch nicht die „alten“ Argumente aus der Kriegsdebatte für die Terrordiskussion angeführt werden. Es überzeugt angesichts des eindeutigen Wortlauts auch nicht, zwischen terroristischen Angriffen vom Boden und solchen aus der Luft zu differenzieren. Ferner ist das Werkschutzurteil des BVerwG zu restriktiv interpretiert worden: Dass ein privater Werkschutz mangels Beleihung mit Hoheitsbefugnissen auch nur auf Grundlage privater Abwehrrechte handeln kann, bedarf keiner 137 138 139 140

BVerwGE 131, 129 (136). Dederer, DÖV 2005, 621 (622). Dederer, DÖV 2005, 621 (622); Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (295 f.). BVerfGE 49, 89 (130, 137).

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

weiteren Begründung. Diese Beschränkung ist Folge der gegebenen Rechtslage. Diese Rechtslage schließt jedoch nicht aus, dass der erforderliche Schutz gegen Einwirkungen Dritter weitere Maßnahmen baulicher, technischer und organisatorischer Art umfasst, um eine bestmögliche Gefahrenabwehr zu gewährleisten. Auch gegen die besonders diskutierte Gefährdung von Kernkraftwerken aus der Luft sind Sicherungen möglich, die auch das Schutzniveau älterer Atomkraftwerke wie Biblis A und Philipsburg I erhöhen: Vorgeschlagen werden neben bereits bestehenden Vernebelungsanlagen Betonschutzschilde mit Ablenkplatten sowie ein Gebäudeschutz mit pyramidenförmig gespannten Stahlseilen, die mit Sägezähnen ausgerüstet, herannahende Flugobjekte zerschneiden sollen.141 5. Auswirkungen für die Untersuchungsfrage Mit dem hier gefundenen Ergebnis, dass terroristische Einwirkungen auf Kernkraftwerke durch das Atomgesetz zu berücksichtigen sind, ist deutlich geworden, dass die Terrorismusbekämpfung nicht mehr nur eine Aufgabe des Polizei- und Ordnungsrechtes ist. Auch Fach- und Fachplanungsgesetze können einen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leisten. Dies darf jedoch nicht dahin verstanden werden, dass es zu einer „Verpolizeilichung“ der Fachgesetze und so zu einer „anwendungsfeindlichen Gesetzesanwendung“142 kommt. Es steht vielmehr die Frage im Raum, inwiefern das spezifisch fachgesetzliche Instrumentarium einen Beitrag zur Bewältigung terroristischer Bedrohungslagen leisten kann.

IV. Schutz der Nachbarschaft vor Störfallanlagen – die Seveso-Richtlinien Ein weiteres Beispiel für den Umgang mit potentiellen Gefahren- und Risikosituationen bietet der planerische Umgang mit sogenannten Störfallbetrieben143. Den Ausgangspunkt der Debatte bildeten eine ganze Reihe von Unfällen in Betrieben, die Arbeits- und Produktionsprozesse mit gefährlichen, hoch explosiven Chemikalien durchführten: So starben im Juni 1974 28 Menschen bei einer Chemieexplosion im britischen Flixborogh, gleiches ereignete sich zwei Jahre später am 10. Juli 1976 in der norditalienischen Gemeinde Seveso. Die Europäische Union bzw. die europäischen Gemeinschaften reagierten auf diese Vorfälle durch Erlass der sogenannten Seveso-I-Richtlinie144. Der Chemieunfall im indischen Bhopal im Dezember 1984 141

Vgl. zu diesen Schutzmaßnahmen Küffner, Schutzschilde gegen Terrorflieger, FAZ vom 5. April 2011, S. T6. 142 Zu dieser Befürchtung Sendler, NVwZ 2002, 681 (682). 143 Umfassend hierzu Grüner, Planerischer Störfallschutz, 2010. 144 Richtlinie 82/501/EWG des Rates vom 24. Juni 1982 über die Gefahren schwerer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten.

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mit tausenden von Toten und einer gerichtlichen Aufarbeitung, die erst im Jahr 2010 mit acht Urteilen wegen fahrlässiger Tötung ihr Ende fand, führte zur Verschärfung der Richtlinie durch den Erlass der Seveso-II-Richtlinie.145 Gerichtet ist die Richtlinie gemäß Art. 1 auf die Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und auf die Begrenzung der Unfallfolgen für Mensch und Umwelt, um auf abgestimmte und wirksame Weise in der ganzen Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. 1. Überblick Seveso-II-Richtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland Seit ihrem In-Kraft-Treten am 3. Februar 1997 setzt die Seveso-II-Richtlinie auf ein Schutzkonzept, das primär den Betreiber eines potentiellen Störfallbetriebs in die Pflicht nimmt: Sobald eine bestimmte Menge von gefährlichen Stoffen, die in den Anhängen der Richtlinie näher bestimmt und aufgelistet sind, in einem Betrieb vorhanden ist, unterliegt der Betreiber mehreren Pflichten: So bestehen diverse Mitteilungspflichten gegenüber der zuständigen Behörde insbesondere über Art und Umfang der gelagerten gefährlichen Stoffe. Der Betreiber hat ferner ein schriftliches Konzept zur Verhinderung von Störfällen auszuarbeiten, welches durch Sicherheitsberichte und Notfallpläne zu ergänzen ist. Gemäß dem unionsrechtlichen Ansatz der Öffentlichkeit weitgehende Informationsrechte zu gewähren, sind diese Pläne ständig zugänglich zu machen. Beteiligungsrechte der betroffenen Öffentlichkeit, die Duldung von Inspektionen sowie äußerstenfalls die Untersagung des Betriebs vervollständigen das Regelungskonzept der Richtlinie. Die Seveso-II-Richtlinie wurde in Deutschland zweistufig umgesetzt: Zum einen musste für die geforderten Möglichkeiten zur Betriebsuntersagung das Bundesimmissionsschutzgesetz geändert werden (§§ 20 Abs. 1a, 25 Abs. 1a BImSchG). Zum anderen fand die zweite Stufe der Umsetzung durch Rechtsverordnung statt: Erlassen wurde die 12. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die sogenannte Störfallverordnung. Diese Verordnung übernimmt fast wortwörtlich das durch die Richtlinie vorgegebene Pflichtenprogramm, wie es vorstehend skizziert worden ist. 2. Die speziellen planungsrechtlichen Auswirkungen der Richtlinie In einem für das Planungsrecht und insbesondere das Städtebaurecht bedeutsamen Punkt nimmt die Seveso-II-Richtlinie jedoch direkt die öffentlichen Planungsträger in den Blick: So bestimmt Artikel 12 Abs. 1 der Richtlinie unter der Überschrift „Überwachung der Ansiedlung“: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken das Ziel schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen, 145 Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen.

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Berücksichtigung findet.“ Dabei soll langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen werden, „dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebieten und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen bzw. besonders empfindlichen Gebieten andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt […]“. Zur Umsetzung dieses Art. 12 Abs. 1 hat sich der Gesetzgeber für eine Einarbeitung in den bestehenden § 50 Satz 1 BImSchG entschieden. a) § 50 Satz 1 BImSchG – Das Trennungsgebot Dem Trennungsgebot in § 50 Satz 1 BImSchG liegt eine Überlegung zu Grunde, die bereits durch die bauplanungsrechtliche Rechtsprechung des BVerwG in wesentlichen Zügen vorgezeichnet war: So sei es ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung, dass Wohngebiete und die nach ihrem Wesen umgebungsbelastenden Industriegebiete möglichst nicht nebeneinander liegen sollten. Durch die Normierung eines Grundsatzes zur Trennung einander widerstreitender Nutzungen in § 50 Satz 1 BImSchG sieht sich das Gericht in seiner Aussage bestätigt146. Bedeutsam ist ferner, dass § 50 Satz 1 BImSchG letztlich keine immissionsschutzrechtliche Vorschrift darstellt, sondern vielmehr Grundsätze für alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen aufstellt. Die Begrifflichkeit der „raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen“ spielt auf § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG an und meint raumbedeutsame oder raumbeeinflussende Programme für verbindliche oder mögliche Maßnahmen zur Erreichung bestimmter Ziele, entwickelt auf Grund der gegenwärtigen Lage und der prognostizierten Entwicklung. Hierunter fallen insbesondere Raumordnungsprogramme, Landesentwicklungspläne, Investitionsprogramme, Raumordnungspläne und, im hier zu untersuchenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung, Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Das wesentliche Element zur Durchsetzung eines möglichst effektiven Immissionsschutzes soll hierbei die geeignete räumliche Zuordnung sein, die v. a. durch ausreichende Abstände zwischen Risikoquellen und schutzbedürftigen Gebieten verwirklicht werden soll.147 Somit stellt § 50 Satz 1 BImSchG ein erstes Instrument zur planerischen Verringerung von schädlichen Einflüssen gegenüber einer Wohnbebauung auf. Daher ist auch der gesetzgeberische Ansatz zumindest im Grundsatz folgerichtig, den durch die Störfallrichtlinie geforderten Störfallschutz in den bestehenden § 50 Satz 1 BImSchG zu integrieren, indem Satz 1 den folgenden Wortlaut erhält: „Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG 146

BVerwGE 45, 309 (327). Einen guten Überblick über das Trennungsgebot des § 50 BImSchG gibt Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 50 Rn. 4 – 8 147

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in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude soweit wie möglich vermieden werden“. b) Das Zusammenspiel zwischen Störfallschutz und Bauplanungsrecht Wie aufgezeigt, beansprucht der Störfallschutz nach § 50 Satz 1 BImSchG Geltung bei allen raumbedeutsamen Planungen und ist daher auch für das städtebauliche Planungsinstrumentarium von großer Bedeutung. Das Zusammenspiel zwischen den beiden Materien soll im Folgenden näher untersucht werden. aa) Abwägungsgebot Der erste Problembereich betrifft die Art und Weise der Berücksichtigung des Störfallschutzes durch das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne hat die Gemeinde alle wesentlichen Belange zu ermitteln und zu bewerten. Hieran schließt sich der eigentliche Abwägungsprozess an: Alle privaten und öffentlichen Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dies hat notwendigerweise zur Folge, dass bestimmte Belange hinter anderen zurückzustehen haben. Im Ausgangspunkt liegt dabei keine Wertigkeit der Belange vor, vielmehr sind z. B. die im Belangekatalog des § 1 Abs. 6 BauGB aufgezählten Belange als gleichwertig zu qualifizieren. In der Rechtsprechung des BVerwG haben sich darüber hinaus zwei weitere Begrifflichkeiten herausgebildet: das Optimierungsgebot sowie das Berücksichtigungsgebot. Ein Optimierungsgebot ist dadurch gekennzeichnet, dass es als „relative Vorrangregel“ ausgestattet ist und dadurch einen gewissen Vorrang gegenüber anderen Belangen genießt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein Optimierungsgebot nicht in der Abwägung überwunden werden könnte. Für diesen Fall muss sich lediglich ein Belang mit einer größeren Durchsetzungskraft finden. Im Gegensatz dazu stehen die bloßen Berücksichtigungsgebote, wie sie u. a. in § 1 Abs. 6 BauGB genannt sind.148 Als ein typisches Beispiel für ein Optimierungsgebot wird gerade das Trennungsgebot des § 50 Satz 1 BImSchG genannt.149 Legt man daher die eben darge148

Vgl. zum Ganzen Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 29 f. 149 BVerwGE 71, 163, 164 f.; Bartlsperger, in: FS Hoppe, S. 143 Fn. 67. Koch, FS Hoppe, S. 564, merkt jedoch an, dass der Norm durch die gesetzliche Formulierung, nach der schädlichen Einwirkungen lediglich „soweit wie möglich“ entgegengewirkt werden soll, auch zwanglos ein einfaches Berücksichtigungsgebot entnommen werden könnte.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

stellte Definition eines Optimierungsgebotes an, so ergibt sich folgendes Ergebnis: Das Trennungsgebot ist in jedem Fall zu berücksichtigen und ihm kommt ein erhöhtes Gewicht zu. Im Abwägungsvorgang ist es jedoch möglich, dass ein anderer Belang als gewichtiger eingestuft wird und es so zu einer Überwindung des Trennungsgrundsatzes kommen kann. In diesem Ergebnis wird ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der möglichst effektiven Umsetzung von sekundärem Gemeinschaftsrecht erblickt. Die Richtlinie lasse keine Relativierungen im Hinblick auf Ziel „Störfallschutz durch angemessenen Abstand“ zu. Die Umsetzung durch § 50 Satz 1 BImSchG genüge daher nicht den Anforderungen der Richtlinie.150 Diesen Bedenken kann jedoch entgegengewirkt werden. Das OVG Münster hatte einen Fall zu beurteilen, in dem ein Bebauungsplan einen Parkplatz für 5000 Fahrzeuge über einem Erdgasröhrenspeicher festsetzte. Das Gericht hat sich in seiner Entscheidung zu einer richtlinienkonformen Auslegung des § 50 BImSchG entschlossen. Das Trennungsgebot sei von so hohem Gewicht, dass es nur in seltenen Ausnahmefällen durch Abwägung überwunden werden könne.151 Im Umkehrschluss bedeutet dies: Lässt die planerische Ausgangssituation die Festsetzung von Abständen zu, so ist das Trennungsgebot abwägungsfest und unbedingt einzuhalten. Durch eine richtlinienkonforme Auslegung des Trennungsgebotes kann daher den Zielen der Richtlinie ausreichend Rechnung getragen werden. Eine Stütze kann diese Auslegung zudem im Wortlaut der Richtlinie selbst finden: Demnach sind die Mitgliedstaaten lediglich „langfristig“ aufgefordert, dem Erfordernis des angemessenen Abstands Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist jedoch weiterhin das Verfahren zur Ermittlung des angemessenen Abstands problematisch: Insbesondere wird kritisiert, dass § 50 BImSchG selbst nicht von angemessenen Abständen spricht, sondern lediglich die Zuordnung von Flächen in den Blick nimmt. Das Fehlen normativer Vorgaben für die Abstandsermittlung sei zehn Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist bereits ein gemeinschaftswidriger Befund.152 Jedoch geben unabhängig davon auch Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie oder die dazu ergangenen Leitlinien der Europäischen Kommission keine allgemeinverbindlichen Abstandsmaße oder Berechnungsverfahren vor153. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts erfordert jedoch auch hier eine richtlinienkonforme Auslegung. In jedem Einzelfall ist anhand der örtlichen Gegebenheiten und einer Risikoprognose zu ermitteln, welcher Abstand erforderlich ist. Die Störfallkommission und der Technische Ausschuss für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit haben hierzu einen Leitfaden 150

Berkemann, Der Störfallbetrieb in der Bauleitplanung – Skizzen zur rechtlichen Problembehandlung nach Maßgabe der RL 96/82/EG (Seveso II), ZfBR 2010, 18 (28). 151 OVG Münster, ZUR 2008, 434. 152 Berkemann, ZfBR 2010, 18 (23). 153 Land Use Planning Guidelines in the Context of Article 12 of the Seveso II Directive 96/ 82/EC.

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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entwickelt.154 Darin werden Achtungsabstände festgelegt, die in verschiedene Klassen eingeteilt sind. Weiterhin werden Arbeitsschritte und Verfahren dargestellt, die den Planungsträgern als Anleitung dienen. So differenziert der Leitfaden zwischen zwei verschiedenen Planungsfällen, zum einen der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse und zum anderen der Bauleitplanung mit Detailkenntnissen. Der erste Fall bezeichnet die Festsetzung von Industrie- und Gewerbegebieten, deren konkrete Nutzung noch nicht bekannt ist, die jedoch als planungsrechtliche Grundlage für die Zulässigkeit von Betriebsbereichen nach BImSchG von der Gemeinde vorgesehen sind. Im zweiten Fall geht es um planungsrechtliche Entwicklungen in der Nachbarschaft von bestehenden Betriebsbereichen. Liegen keine Detailkenntnisse vor, sind die Abstandsempfehlungen anhand der Toxizität, der Wärmestrahlbelastung und Druckbelastung, weiteren spezifischen Eigenschaften der gefährlichen Stoffe sowie anhand verschiedener Szenarien entwickelt worden. Je nach Stoff ergeben sich so bestimmte Ergebnisse, die es ermöglichen, die Einteilung in die erwähnten Abstandsklassen vorzunehmen. Untersuchte Szenarien waren dabei einerseits Brände und Gaswolkenexplosionen sowie andererseits die Freisetzung toxischer Stoffe. So ergeben sich z. B. für die Stoffe Phosgen, Acrolein und Chlor in der höchsten Abstandsklasse IV eine Abstandsempfehlung von 1500 m, Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff und Blausäure in Klasse III 900 m, für Brom und Ammoniak in Klasse II 500 m sowie für Propan und Methanol in Klasse I 200 m. Für die Bauleitplanung mit Kenntnissen über die gelagerten Stoffe schlägt der Leitfaden eine Einzelfallbetrachtung vor, bei der die soeben aufgezeigten Achtungsabstände einfließen sollen. Auch wenn der Leitfaden lediglich empfehlenden Charakter besitzt, so gelingt durch ihn auf untergesetzlicher Ebene die Ermittlung angemessener Abstände zu Störfallbetrieben, auch wenn § 50 BImSchG dieses Erfordernis nicht ausdrücklich nennt. Diese untergesetzliche Umsetzung ist auch gemeinschaftsrechtlich ausreichend. Schließlich ist bei der Richtlinienumsetzung die Wahl der Mittel den Mitgliedstaaten überlassen. Im Zusammenspiel von § 50 BImSchG sowie dem Leitfaden kann der auch durch die Richtlinie nicht näher bestimmte Rechtsbegriff des „angemessenen Abstands“ hinreichend sicher ausgefüllt werden. bb) Störfallschutz und unbeplanter Innenbereich Ein weiteres Diskussionsfeld bildet die Frage, ob und wie der Störfallschutz in unbeplanten Gebieten zu verwirklichen ist. § 50 BImSchG gilt schließlich nur für „raumbedeutsame Planungen“ und wendet sich daher an alle öffentlich-rechtlichen Stellen, die raumbedeutsame Planungen vornehmen. Damit stellt sich automatisch 154 Leitfaden der Störfallkommission und des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 18. 10. 2005, „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung – SFK/TAA-GS-1“.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

die Frage, ob im unbeplanten Innenbereich im konkreten Zulassungsverfahren die Baugenehmigungsbehörde den Störfallschutz bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hat. Zugespitzt kann man mit Moench/Hennig fragen: „Verhindert Seveso II die Nachverdichtung in Ballungsräumen?“155 Das BVerwG ist der Auffassung, dass § 50 BImSchG auf diese Zulässigkeitsfrage weder direkt noch entsprechend anwendbar ist. Die Frage, ob ein Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB zulässig ist, sei keine Entscheidung, die einen planerischen Abwägungsvorgang voraussetze. Vielmehr handele es sich um eine gebundene Entscheidung: Der Gesetzgeber habe durch die Formulierung des § 34 BauGB selbst festgelegt, dass ein sich in die Umgebung einfügendes Bauwerk zulässig ist156 : „Für eine „planersetzende“ Entscheidung in dem Sinne, dass die Behörde eine planerische Abwägung unter Berücksichtigung des Planungsgrundsatzes in § 50 BImSchG zu treffen hätte, gibt § 34 BauGB keinen Raum.“157 Die Literatur weist in dieser Frage ein differenziertes Bild auf: Moench/Hennig schließen sich dem Argument des BVerwG an, wonach es im Baugenehmigungsverfahren keine Abwägungsentscheidung gibt und daher § 50 BImSchG auch nicht zur Anwendung kommen kann.158 Schulze-Fielitz trennt zwischen Baugenehmigungen, die in den Anwendungsbereich des § 34 oder des § 35 BauGB fallen: Im Fall von § 34 BauGB regele das Gesetz selbst die Zuordnung von Nutzungen, sodass § 50 BImSchG nicht eingreife. Jedoch könne der Grundsatz des § 50 BImSchG bei der Ausübung von planerisch bedingtem Ermessen sowie bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe eingehen, soweit der Behörde eine räumliche Abstimmung aufgetragen ist. Dies sei im Rahmen von § 35 BauGB der Fall159. Ausgehend von einem weiten Verständnis des Begriffs der raumbedeutsamen Planung unter der Voraussetzung, dass es sich um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt, bei dem der Genehmigungsbehörde die planerische Entscheidung über das Vorhaben obliegt, kommt Marcks zu dem Ergebnis, dass auch die Baugenehmigungsbehörden sowohl im Rahmen von § 35 BauGB als auch von § 34 BauGB an § 50 BImSchG gebunden seien160. Louis/Kathe sehen in § 50 BImSchG eine Konkretisierung des Rücksichtsnahme- und Einpassungsgebots im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB.161 Soweit die Ergebnislage nach deutschem Recht. Angesichts des klaren Wortlauts von § 34 BauGB ist es am überzeugendsten, den Störfallschutz im unbeplanten Innenbereich nicht mit den planerischen Mitteln des § 50 BImSchG zu verwirklichen, sondern im Einzelfall durch ordnungsrechtliche Verfügungen nach der Störfallver155 So der Untertitel des Aufsatzes von Moench/Hennig, Störfallschutz in Bauleitplanung und Baugenehmigungsverfahren, DVBl. 2009, 807. 156 BVerwG, ZUR 2010, 139 (141). 157 BVerwG, ZUR 2010, 139 (141). 158 Moench/Hennig, DVBl. 2009, 807 (814). 159 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Koch/Pache/Scheuing (Hrsg.), GK-BImSchG, § 50 Rn. 81. 160 Marcks, Die Bedeutung des § 50 BImSchG für die Bauleitplanung, NuR 1984, 44 (45). 161 Louis/Kathe, § 50 BImSchG und Naturschutzrecht, UPR 1994, 247 (250).

D. Eine Antwort auf Unsicherheit – Risikoprävention

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ordnung und den anlagenbezogenen Eingriffsbefugnissen des BImSchG durchzusetzen. § 50 BImSchG kann dann erst wieder bei einer Überplanung des Gebiets zur Anwendung kommen. Das BVerwG wendet sich dann jedoch der europarechtlichen Dimension der Fragestellung „Störfallschutz im unbeplanten Innenbereich“ zu, denn es hat Zweifel, ob seine Anwendung des nationalen Rechts mit dem Wortlaut der Seveso-II-Richtlinie vereinbar ist und hat diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt. Dabei tendiert das Gericht zu der Auslegung, dass Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie sich auch an Baugenehmigungsbehörden richtet: Nach dem Wortlaut von Art. 12 hätten die Mitgliedstaaten nicht nur in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung dem Erfordernis eines angemessenen Abstandes Rechnung zu tragen, sondern auch bei den Verfahren zur Durchführung dieser Politiken. Hierzu gehörten auch die konkreten Genehmigungsentscheidungen einzelner Bauvorhaben. Die Mitgliedstaaten hätten ihre Verpflichtung unabhängig davon zu erfüllen, wie sie die Entscheidungen über die Flächennutzung organisieren und auf welcher Normebene sie die Flächenzuordnung steuern: „Auch wenn die Behörde an eine auf der Ebene des Gesetzes getroffene Grundentscheidung über die Flächenzuordnung gebunden ist, muss der Mitgliedstaat nach Auffassung des Senats sicherstellen, dass die behördliche Zulassungsentscheidung im Ergebnis den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-RL genügt“162. Beachtet man, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung darauf abzielt, stets für eine lückenlose und allumfassende Geltung gerade des sekundären Gemeinschaftsrechts einzutreten, so ist davon auszugehen, dass der Gerichtshof die Vorlagefrage in diesem Sinn beantworten wird. In diesem Fall hätten Genehmigungsbehörden und Gerichte § 34 BauGB und § 50 BImSchG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass das Trennungsgebot auch bei einer konkreten Bauzulassungsentscheidung zu berücksichtigen ist. Zu erwägen ist auch eine Gesetzesänderung, die entweder § 34 BauGB oder § 50 BImSchG entsprechend anpasst. cc) Umgang mit Gemengelagen Neben der dogmatischen Frage welches Gewicht dem Störfallschutz in der Abwägungsentscheidung des § 1 Abs. 7 BauGB zukommt und der Auseinandersetzung darüber, ob auch Baugenehmigungsbehörden § 50 BImSchG zu berücksichtigen haben, wird der störfallrechtliche Umgang mit bestehenden Gemengelagen diskutiert: Wie kann das erforderliche Schutzniveau in Gebieten verwirklicht werden, in denen kein oder nur ein begrenzter Raum für die Festsetzung von Abstandsflächen vorhanden ist? Die Seveso-II-Richtlinie berücksichtigt diese Situation, indem Art. 12 der Richtlinie festlegt, „dass bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen getroffen werden, damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der Bevöl162

BVerwG, ZUR 2010, 139 (142).

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

kerung kommt.“ Zur Verwirklichung dieser Vorgaben kommen im deutschen Recht v. a. zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen kann eine immissionsschutzrechtliche Lösung für einzelne Anlagen gefunden werden. Eingriffsgrundlage für derartige nachträgliche Anordnungen ist dabei § 17 BImSchG, wonach zur Erfüllung der sich aus dem BImSchG und den dazu ergangenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen getroffen werden können. Möchte ein Planungsträger jedoch eine bestehende Gemengelage neu überplanen, ist der Nutzungskonflikt hingegen auf der Ebene des Planungsrechts zu lösen. In diesem Fall ist es dem Plangeber durch das Verbot des Konflikttransfers163 verwehrt, den Nutzungskonflikt in einem nachfolgenden immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu lösen.164 Der Plangeber hat vielmehr durch geeignete Festsetzungen wie z. B. die Ausweisung von Schutzflächen, die Errichtung von Schutzwällen oder Schutzmauern oder durch die Verwendung von feuerfesten Baustoffen für Außenwände ein möglichst hohes Schutzniveau zu erreichen.165 3. Ergebnis Über den in § 50 BImSchG integrierten Störfallschutz wird die Verbindungslinie zwischen dem Bauplanungsrecht und Sicherheitsbelangen nochmals eindringlich vor Augen geführt. Durch eine zwar im Immissionsschutzrecht angesiedelte Vorschrift wird das Bauplanungsrecht auf die möglichst weitgehende Berücksichtigung des Störfallschutzes gepolt. Planerisches Hauptinstrument soll hierfür die Festsetzung geeigneter Sicherheitsabstände bei der Zuordnung von Wohn- und potentieller Störfallnutzung sein. Inwiefern sind nun Störfallschutz und Terrorabwehr miteinander vergleichbar? Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend von der Art der Nutzung ab: Nimmt man einen Chemiebetrieb und eine Botschaft als Vergleichspaare, so wird der maßgebliche Unterschied schnell deutlich: Durch das Vorhandensein der explosionsanfälligen Stoffe im Betriebsbereich ist ein potentieller Störfall bereits durch die Nutzung angelegt. Dagegen führt die Nutzung eines Gebäudes als Botschaft für sich allein gesehen in keiner Weise zu einem Unfall. Es muss erst der autonome Entschluss Dritter hinzutreten. Aus dieser Sichtweise heraus erschiene die Festsetzung eines Abstands, wie ihn der Leitfaden der Störfallkommission empfiehlt, als unverhältnismäßig, zumal es in diesem Fall nicht um die Zuordnung konfligierender Nutzungen geht, da sich Botschaftsgebäude oftmals in reinen oder allgemeinen Wohngebieten befinden. Anders fällt das Ergebnis aus, wenn man die Botschaft, aufgrund ihrer gegenüber sonstiger Wohnbebauung hervorgehobenen Bedeutung, selbst als 163 164 165

Hierzu ausführlich das 3. Kapitel unter B. IV. 7. b). aa). Hellriegel/Schmitt, NuR 2010, 98 (101). Hellriegel/Schmitt, NuR 2010, 98 (101) sowie Moench/Hennig, DVBl. 2009, 807 (813).

E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt

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potentielles Anschlagsziel qualifiziert.166 Nunmehr macht die planerische Festsetzung von Achtungsabständen durchaus Sinn. Als wesentliches Ergebnis der vorstehenden Darstellung ist jedoch festzuhalten, dass das Störfallrecht eine Vorreiterrolle in der Frage „Sicherheit und Bauplanungsrecht“ einnimmt, indem es das Prinzip Vorsorge durch Planung deutlich hervorhebt und Instrumente zur Verwirklichung in verschiedenen Planungssituationen benennt: Kann frei und ohne Rücksicht auf eine vorhandene Bau- und Nutzungsstruktur geplant werden, ist die Festsetzung von Achtungsabständen das Mittel der Wahl. Liegt hingegen bereits eine Gemengelage verschiedener Nutzungen vor, so liegt der Schwerpunkt eher auf baulich-technischen Maßnahmen wie z. B. Gräben, Wällen, Zäunen und Schutzmauern, um bestmögliche Schadensvorsorge zu betreiben. Die Vorreiterrolle des Störfallschutzes vollzieht sich darüber hinaus jedoch auch noch auf einer anderen Ebene: Sollte der EuGH die Vorlagefrage des BVerwG in dem Sinne beantworten, dass der Störfallschutz auch bei der konkreten Zulassung eines Bauvorhabens zu berücksichtigen ist, verlässt das Trennungsgebot den bloß planerischen Bereich und wird so auch zu einem ordnungsrechtlichen Steuerungsinstrument. Für die noch anstehende Analyse der planerischen Mittel zur Terrorabwehr liefert die Störfalldebatte in jedem Fall mit die wichtigsten Impulse. In einem Punkt sind jedoch auch deutliche Unterschiede zu erkennen: Während der Trennungsgrundsatz durch seine europarechtliche Aufwertung zu einem Belang erstarkt ist, der durch Abwägung nicht bzw. nur im Einzelfall überwunden werden kann, verfügt der Belang „Terrorismusabwehr“ über keinen derartigen Vorrang. Auch auf diese Besonderheit wird im Fortlauf der Untersuchung noch einzugehen sein.167

E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt Ein ganz anderer Themenzugriff ergibt sich, wenn man die bisher behandelten Einzelfälle von terroristischen Angriffen auf Kernkraftwerke und den Störfallschutz unter einen neuen Oberbegriff fasst, der seit einiger Zeit eine Renaissance168 erfährt: die Katastrophe und davon ausgehend ein sich im Entwickeln befindliches Rechtsgebiet, das Katastrophen- oder auch Katastrophenschutzrecht. Hierbei lassen sich 166 Diese im Einzelfall schwierige Differenzierung zwischen angelegter Störfallnutzung und einer grundsätzlich ungefährlichen, jedoch potentiell anschlagsgefährdeten Nutzung wird im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nochmals ausführlich beleuchtet, siehe das 3. Kapitel unter B. V. 4. c). bb). 167 Siehe 3. Kapitel unter B. IV. 7. a). bb). 168 Stober/Eisenmenger, Katastrophenverwaltungsrecht – Zur Renaissance eines vernachlässigten Rechtsgebietes, NVwZ 2005, 121 ff.; Kloepfer, Katastrophenschutzrecht, VerwArch 2007, 163 (164 f.).

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

noch Untergliederungen ausmachen: Das Katastrophenschutzrecht im engeren Sinn, das das Recht der Katastrophenbekämpfung und der Katastrophenvorsorge umfasst, sowie das Katastrophenschutzrecht im weiteren Sinn, das sich darüber hinaus auch der Katastrophenvermeidung und der Katastrophennachsorge widmet.169 War der Begriff der Katastrophe noch während des Kalten Krieges v. a. auch im Rahmen der Notstandsgesetzgebung gebräuchlich, ist es um die Verwendung dieses Terminus in der Folgezeit still geworden. Mit der Zunahme der terroristischen Bedrohung, der Häufung von Unwetterereignissen, der viel zitierten „Klimakatastrophe“ sowie weltweit auftretenden Seuchen wie SARS, Vogel- oder Schweinegrippe, ist der Begriff jedoch wieder in aller Munde.170 Da die Katastrophe gewissermaßen das Spiegelbild zum Risiko bildet, soll im Folgenden der Fokus auch auf dieses Rechtsgebiet gelegt werden.

I. Aspekte und Bewertung der aktuellen Diskussion Die Diskussion konzentriert sich dabei bislang v. a. auf die organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen eines effektiven Katastrophenschutzes. Hervorgehoben werden dabei die vier organisatorischen Säulen des Katastrophenschutzes: der Bevölkerungsschutz verstanden als Oberbegriff von Zivil- und Katastrophenschutz sowie das Zusammenspiel von Streitkräften, Polizei und Nachrichtendiensten.171 In organisatorischer Hinsicht ist ferner auf die Einrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn im Jahr 2004 hinzuweisen. Das Bundesamt soll als Zentralstelle den zwischen Bund und Ländern traditionell zweigeteilten Katastrophenschutz organisatorisch bündeln und für eine Vernetzung zwischen den Katastrophenschutzeinrichtungen der Länder und dem Bund sorgen. Koordiniert werden dabei auch weitere Untereinrichtungen wie z. B. das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ), das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS), das satellitengestützte Warnsystem (SatWaS), die psychosoziale Notfallversorgung sowie länderübergreifenden Übungen im Rahmen des LÜKEX-Programms. Für die wissenschaftliche Begleitung wurde die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz

169

Vgl. Kloepfer, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008, S. 9. Vgl. Stober/Eisenmenger, Katastrophenverwaltungsrecht – Zur Renaissance eines vernachlässigten Rechtsgebietes, NVwZ 2005, 121; Kloepfer, Katastrophenschutzrecht, VerwArch 2007, 163 (165). 171 Vgl. Unger, Christoph, Ist Deutschland auf Katastrophen vorbereitet?, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008, S. 89. Umfassend Unger, Tim, Katastrophenabwehrrecht, 2010. 170

E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt

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(AKNZ) gegründet, die ebenfalls beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz angesiedelt ist.172 Das Bundesamt für Katastrophenschutz sowie die bei ihm angesiedelte Schutzkommission173 unterscheiden in ihrer Arbeit fünf Gefahrentypen: Neben den bekannten A- (atomaren), B- (biologischen) und C- (chemischen) Gefahren sind D-, Eund F-Gefahren hinzugetreten: Hier hinter verbergen sich datennetzbezogene Gefahren, Gefahren durch elektromagnetischen Impuls sowie Gefahren durch die Freisetzung von mechanischer oder thermischer Energie.174 Weitere Diskussionspunkte der aktuellen Katastrophenschutzdebatte sind die zersplitterten, als überkommen empfundenen Gesetzgebungskompetenzen, die nach Ansicht einiger Autoren zu einer schwachen Stellung des deutschen Katastrophenschutzrechts führen.175 Es überschneiden sich hierbei die Begriffe Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung. Aufgrund des Einbezugs in den Kompetenztitel der Verteidigung besitzt der Bund keine losgelöste Kompetenz auf dem Gebiet des Zivilschutzes. Umfasst ist vielmehr nur der Schutz der Zivilbevölkerung vor verteidigungsbedingten und kriegsbedingten Gefahren als Reaktion auf die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs176. Vom verteidigungsbezogenen Zivilschutz abzugrenzen ist der Katastrophenschutz in Friedenszeiten, der als Spezialmaterie des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts einzuordnen ist und daher in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Länder fällt.177 Diese Unterscheidung, die zunehmend als lästig und überkommen angesehen wird, wurde jedoch nie streng eingehalten. Dies wird schon deutlich durch das im Jahr 1997 in Kraft getretene Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG)178 des Bundes, das sich auf die Kompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG stützt. Schon der 172

Ausführlich zu allen Untereinheiten Unger, Ist Deutschland auf Katastrophen vorbereitet?, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008, S. 93 – 96. 173 Gemäß § 19 ZSKG besteht beim Bundesministerium des Innern eine Kommission zum Schutz der Zivilbevölkerung, die organisatorisch vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe betreut wird. Die Kommission berät die Bundesregierung ehrenamtlich in wissenschaftlichen und technischen Fragen des Zivilschutzes und der Katastrophenhilfe. 174 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Dritter Gefahrenbericht, 2006, S. 7. 175 Trute, Katastrophenschutzrecht – Besichtigung eines verdrängten Rechtsgebiets, KritV 2005, 342 ff.; Kloepfer, VerwArch 2007, 163 (171).; vgl. auch Gusy, Katastrophenschutzrecht, DÖV 2011, 85 ff. 176 Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 51; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 4. 177 Majer, Neuregelungen im Zivil- und Katastrophenschutzrecht – eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme, NVwZ 1991, 653 (655). 178 Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes vom 25. 3. 1997, BGBl. I S. 726.

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

Gesetzestitel macht deutlich, dass der Bund auch den Bereich der Katastrophenhilfe als von seiner Regelungsbefugnis umfasst sieht. Zwar ist nach § 1 Abs. 1 ZSKG Aufgabe des Zivilschutzes, durch nichtmilitärische Maßnahmen die Bevölkerung, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten, lebens- oder verteidigungswichtige zivile Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie das Kulturgut vor Kriegseinwirkungen zu schützen und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern. Zu diesen Aufgaben zählen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 – 7 ZSKG der Selbstschutz, die Warnung der Bevölkerung, der Schutzbau, die Aufenthaltsregelung, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit sowie des Kulturgutes aber auch der Katastrophenschutz nach Maßgabe des § 11 ZSKG. Aus dieser Norm wird deutlich, was bereits als „unechte Gemeinschaftsaufgabe“ beschrieben worden ist179 : Demnach nehmen die nach Landesrecht im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen auch die Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor den besonderen Gefahren und Schäden, die im Verteidigungsfall drohen wahr. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSKG legt fest, dass die Länder zu diesem Zweck ergänzend ausgestattet und ausgebildet werden. Ferner stehen nach § 12 ZSKG auch die Vorhaltungen und Einrichtungen des Bundes für den Zivilschutz den Ländern für die Aufgabe des Katastrophenschutzes zur Verfügung. Die in § 11 ZSKG erwähnte ergänzende Ausstattung wird in § 13 ZSKG konkretisiert auf die Bereiche des Brandschutzes, des ABC-Schutzes, des Sanitätswesens sowie der Betreuung. Weitere Querschnittsaufgaben übernimmt das schon erwähnte Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Als Ausweg aus dem Kompetenzgeflecht werden verschiedene Lösungen erörtert: zum einen die völlige Übertragung auf die Länder oder zum anderen die Begründung einer umfassenden Bevölkerungsschutzkompetenz für den Bund. Erörtert werden jedoch auch Modelle, die eine bessere Verzahnung und Koordination herbeiführen sollen. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Unger bezeichnet eine alleinige Länderlösung als Irrweg und plädiert für eine Zentralstellenkompetenz nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG (diese Norm ermöglicht auf bestimmten Gebieten eine Durchbrechung des Grundsatzes der Mischverwaltung180), die jedoch die Aufnahme des Bevölkerungsschutzes neben die bis jetzt genannten Bereiche (polizeiliches Auskunfts- und Nachrichtenwesen, Kriminalpolizei, Unterlagensammlung für den Verfassungsschutz, Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlugen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden) sowohl in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG als auch in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG notwendig mache.181 Ob diese Änderung des Grundgesetzes zur Schaffung einer Zentralstellenkompetenz notwendig ist, wird zu Recht von den Ländern bezweifelt. In seinem Urteil 179

Trute, KritV 2005, 342 (355); Kloepfer, VerwArch 2007, 163 (175). Siehe hierzu Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Gurndgesetz, Art. 87 Rn. 5. 181 Unger, Ist Deutschland auf Katastrophen vorbereitet?, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008, S. 101 ff. 180

E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt

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zum Luftsicherheitsgesetz hat das BVerfG182 klargestellt, dass der Bund aus Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG grundsätzlich die Kompetenz besitzt, das Nähere über den Einsatz seiner Streitkräfte im Zusammenwirken mit den beteiligten Ländern zur Bewältigung von regionalen (Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG) oder überregionalen Katastrophen (Art. 35 Abs. 3 GG) gesetzlich auszugestalten.183 Wenn also eine derart weitgehende Regelung zum Einsatz der Streitkräfte im Rahmen von Katastrophenfällen möglich ist, dann muss dies erst recht für gesetzliche Regelungen zu einem umfassenden Katastrophenschutz gelten.

II. Schutzraumbau als Verbindungslinie zum Untersuchungsthema Neben diesen formellen Auseinandersetzungen soll ein Teilbereich des Zivilschutzrechts beleuchtet werden, der Berührungspunkte mit dem Untersuchungsthema aufweist: der Schutzraumbau. Der vierte Abschnitt des ZSKG widmet sich dem Schutzraumbau und unterscheidet dabei zwischen öffentlichen (§ 7 ZSKG), häuslichen (§ 8 ZSKG) und betrieblichen (§ 9 ZSKG) Schutzräumen bzw. Schutzeinrichtungen. Öffentliche Schutzräume sind dabei die mit Mitteln des Bundes wiederhergestellten Bunker und Stollen sowie die als Mehrzweckbauten in unterirdischen baulichen Anlagen errichteten Schutzräume zum Schutz der Bevölkerung. § 8 ZSKG stellt keine generelle Verpflichtung für private Hauseigentümer auf, einen Schutzraum einzurichten. Sind jedoch derartige Schutzräume mit Zuschüssen des Bundes oder steuerlich begünstigt in Privathäusern eingerichtet worden, so sind sie nach § 8 Abs. 1 ZSKG vom Eigentümer oder Nutzungsberechtigten in einem ihrer Bestimmung entsprechenden Zustand zu erhalten. Veränderungen, die die Benutzung des Schutzraumes beeinträchtigen könnten, dürfen ohne Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde nicht vorgenommen werden. § 9 ZSKG ist eine Sonderregel für öffentliche Bauten. Demnach können die obersten Bundesbehörden zum Schutz lebens- oder verteidigungswichtiger Anlagen und Einrichtungen jeweils für ihren Geschäftsbereich Regelungen für bauliche Schutzmaßnahmen treffen. Diese Regelungen, die ersichtlich als Reaktion auf die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zu verstehen sind, erleben in Zeiten einer zumindest gefühlt zunehmenden terroristischen Bedrohung eine Wiederbelebung. Die Schutzkommission beschäftigt sich in ihren Gefahrenberichten regelmäßig mit den Erfordernissen des Schutzraumbaus. Sie empfiehlt vor dem Hintergrund der Bedrohungsszenarien durch Terror- und Sabotageanschläge sowohl vorbeugende Maßnahmen wie Sicherheitsabstände, Bauvorschriften, Sicherheitsempfehlungen an Bauherren sowie Sonder182

BVerfGE 115, 118 ff. BVerfGE 115, 118 (141). Verfassungsrechtlich zulässig ist innerhalb von Art. 35 GG jedoch nur der Einsatz nichtmilitärischer Mittel. Aus diesem Grund war § 14 Abs. 3 LuftSiG, der den Abschuss entführter Flugzeuge vorsah, schon aus formellen Gründen mangels Gesetzgebungskompetenz verfassungswidrig. 183

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

regeln für öffentliche Bauten als auch nachträgliche Verstärkungsmaßnahmen.184 Die Kommission sieht insbesondere öffentliche Gebäude in einer herausgehobenen Rolle als Auffang- und Sammelstellen zur Lenkung, Betreuung, Information und Versorgung im Notfall.185 Nötig sei weiterhin eine schrittweise quantitative Risikoanalyse für Städte. Dazu sollte zunächst allgemein das Gefährdungspotential festgelegt werden, dann innerhalb eines konkreten Bereiches die Auswirkungen einer beispielhaft angeführten Autobombenexplosion abgeschätzt werden, um auf dieser Grundlage konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Ausdrücklich hebt die Kommission hervor, dass dies vor allem bauliche Maßnahmen sein müssten.186 Als effektivste Schutzmaßnahmen kämen dabei ein ausreichend großer Sicherheitsabstand ferner Zäune, Barrieren, Schikanen sowie bestimmte Gebäudeanordnungen in Betracht.187 Insoweit sind dies keine anderen Maßnahmen als sie auch bereits Coaffee für die „defensive city“ beschrieben hat.188 Darüber hinaus schlägt die Kommission die Verwendung von dämpfenden oder verstärkenden Baustoffen vor.189 Im Jahr 2006 verstärkt die Schutzkommission ihre Appelle zum Schutz durch bauliche Maßnahmen insbesondere unter dem neuen Leitbegriff des Schutzes von Kritischen Infrastrukturen. Sie weist darauf hin, dass eine bloße lineare Fortschreibung des Schutzraumkonzepts nicht ausreiche, da das bisherige Konzept aus der Zeit des Kalten Krieges stamme und vorrangig auf den öffentlichen und privaten Schutzraumbau abstelle. Nunmehr seien jedoch auch die Erfordernisse des Infrastrukturschutzes zu berücksichtigen.190 Klarer ist die Aussage in einem Grundsatzpapier des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2009 zum Bevölkerungsschutz in Deutschland. Der hergebrachte Schutzraumbau und die aktuell vorhandenen ca. 2000 Schutzräume in Deutschland böten keinen adäquaten Schutz vor aktuellen Schadensereignissen, da diese keine langen Vorlaufzeiten mehr besäßen. Ein Umbau der bestehenden Schutzräume sei weder fachlich noch wirtschaftlich zu rechtfertigen. Vielmehr sei die Entwicklung moderner baulicher und technischer Schutzmaßnahmen im Rahmen eines sowohl präventiven als auch reaktiv wirkenden Bevölkerungsschutzkonzepts voranzutreiben.191 Ob und inwieweit diese konkreten Vorgaben 184 Vgl. Schutzkommission, Zweiter Gefahrenbericht, Oktober 2001, Zivilschutzforschung, Band 48 n. F., S. 66. 185 Vgl. Schutzkommission, Zweiter Gefahrenbericht, Oktober 2001, Zivilschutzforschung, Band 48 n. F., S. 67. 186 Vgl. Schutzkommission, Zweiter Gefahrenbericht, Oktober 2001, Zivilschutzforschung, Band 48 n. F., S. 67. 187 Vgl. Schutzkommission, Zweiter Gefahrenbericht, Oktober 2001, Zivilschutzforschung, Band 48 n. F., S. 70. 188 Siehe oben 1. Kapitel unter B. II. 189 Vgl. Schutzkommission, Zweiter Gefahrenbericht, Oktober 2001, Zivilschutzforschung, Band 48 n. F., S. 67. 190 Vgl. Schutzkommission, Dritter Gefahrenbericht, März 2006, Zivilschutzforschung, Band 59 n. F., S. 51 f. 191 Vgl. Bundesministerium des Innern, Strategie für einen modernen Bevölkerungsschutz, 2009, S. 13.

E. Das Katastrophenrecht als Anknüpfungspunkt

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der Schutzkommission Gegenstand von Festsetzungen eines Bebauungsplans sein können, soll an anderer Stelle erörtert werden.192

III. Katastrophenvorsorge durch Planung Es ist bereits im letzten Absatz angeklungen: Die Schutzmaßnahmen im neuen Betätigungsfeld des Bevölkerungsschutzes konzentrieren sich immer mehr auf den Bereich der Katastrophenvorsorge und Katastrophenprävention. So ist es auch nicht erstaunlich, dass nicht nur das Katastrophenschutzrecht eine Renaissance erlebt, sondern auch der Rückgriff auf das Präventionsmittel „Planung“. Kein aktueller Beitrag kommt ohne Rückgriff auf den Planungsbegriff aus und es scheint schon fast eine neue „Katastrophenplanungseuphorie“ zu entstehen. Die Katastrophenschutzgesetze aller Bundesländer verpflichten die Landesregierungen zur Aufstellung von Katastrophenschutzplänen. So sind gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Berliner Katastrophenschutzgesetzes193 die zuständigen Katastrophenschutzbehörden verpflichtet, Katastrophenschutzpläne sowie erforderlichenfalls ereignisbezogene und objektbezogene Einsatzpläne zu erstellen und fortzuschreiben. Weiterhin sind externe Notfallpläne zu erstellen. Dieses Erfordernis geht auf die oben bereits dargestellte Seveso-II-Richtlinie zurück.194 So sind nach § 5 Abs. 2 des Berliner Katastrophenschutzgesetzes externe Notfallpläne zu erstellen, um Schadensfälle einzudämmen und unter Kontrolle zu bringen, Maßnahmen zum Schutz von Leben, Gesundheit, Umwelt und sonstigen bedeutenden Rechtsgütern einleiten zu können, Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben und die notwendigen Aufräumarbeiten aufnehmen zu können. Bei einer derartigen Durchdringung des Planungsgedankens im Katastrophenrecht, darf es jedoch zu keinem aktionistischen oder „planlosen“ Vorgehen kommen. Auch ist zu beachten, dass nicht die Quantität von Plänen zu mehr Sicherheit führt, sondern vielmehr ihre Qualität. Dies zeigt schon der viel zitierte BrechtÏsche Planungsgrundsatz: „Ja, mach nur einen Plan / sei nur ein großes Licht / und mach dann noch Ïnen zweiten Plan / gehn tun sie beide nicht.“195 Oder mit den Worten Dürrenmatts: „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.“196 Auch der Ausspruch Einsteins, nach dem Planung die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum sei, weist auf die Grenzen von Planung hin. Zu Recht wird daher darauf hingewiesen, dass die Katastrophenschutzplanung der weiteren wissenschaftlichen Durchdringung unter Berücksichtigung der allgemeinen Pla192

Siehe 3. Kapitel unter B. IV. 10. Gesetz vom 11. 2. 1999, GVBl. S. 78. 194 Siehe oben unter D. IV. 195 Brecht, Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens, in: Die Dreigroschenoper, S. 77. 196 Dürrenmatt, 21 Punkte zu den Physikern, in: Die Physiker, S. 91. 193

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2. Kap.: Risiko, Gefahr und Terrorismus

nungsdogmatik bedarf.197 Dies bedeutet insbesondere, dass dem Abwägungsgrundsatz sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheidende Bedeutung zukommt, da auch staatliche Schutzmaßnahmen in Grundrechte und andere geschützte Rechtsgüter Dritter eingreifen können.198 Bei aller Wiederentdeckungsfreude über das Katastrophen- und Bevölkerungsschutzrecht und dem Ruf nach weiterer Planung ist auffällig, dass auf den Raumbezug von Katastrophen nicht eingegangen wird.199 Dies erstaunt umso mehr, da das System der räumlichen Gesamtplanung200 vom Planungs- und Abwägungsgrundsatz durchzogen ist, also genau den Präventionsinstrumenten, deren Einsatz zur Katastrophenvermeidung gefordert wird. Dass umgekehrt das Raumordnungsrecht sich jedoch mit diversen Katastrophen auseinandersetzt, soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.

197

Kloepfer, VerwArch 2007, 163 (191). Stober/Eisenmenger, NVwZ 2005, 121 (124); Kloepfer, VerwArch 2007, 163 (177); zur Abwägung im Katastrophenschutz Ekardt, Katastrophenvermeidung und Katastrophenvorsorge, in: Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, S. 63 f. 199 Lediglich bei Trute, KritV 2005, 342 (349), findet sich eine kurze Bezugnahme zwischen Katastrophenrecht, Raumplanung und Bauschutz sowie die Feststellung, dass diese Ebenen in normativer und praktischer Hinsicht nicht ausreichend aufeinander bezogen werden. 200 Hierzu Battis, Das System der räumlichen Gesamtplanung, in: Erbguth u. a. (Hrsg.), Planung, FS Hoppe, S. 303 ff. 198

3. Kapitel

Risiko, Gefahr, Terrorismus und das öffentliche Baurecht- und Raumplanungsrecht A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt Das Bauplanungsrecht und auch das Bauordnungsrecht können nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind nur im Zusammenhang mit der übergeordneten Planungsebene der Raumordnung vollständig zu interpretieren. Bevor daher auf das Thema „Bauplanungsrecht und Terrorabwehr“ eingegangen werden kann, muss das Raumordnungsrecht zumindest überblicksartig beleuchtet werden, insbesondere der angesprochene Raumbezug von Katastrophenrisiken.

I. Die Begriffe Risiko und Katastrophe im Raumordnungsrecht Während auf rechtlicher Ebene die Diskussion, wie Risiken durch raumplanerische Instrumente vorgebeugt werden kann, noch wenig ausgeprägt ist, nimmt sich die Fachwissenschaft der Raumplanung seit einiger Zeit dieses Zusammenhangs an. Doch auch in diesem Wissenschaftsbereich wurden die Bezugspunkte zwischen beiden Bereichen zunächst nicht erkannt, wie Heidland darlegt: So „hat aber die Raumordnung die Katastrophenvorsorge nicht im Blickfeld. […] Andererseits beschäftigt man sich im Rahmen der Katastrophenvorsorge auch nicht mit der Raumordnung“.1 Die Hochwasserereignisse in der jüngeren Vergangenheit an Oder, Elbe oder Neiße haben hier jedoch zu einem Umdenken geführt. Dazu sind lediglich die vorhandenen raumordnerischen Instrumente durch die Brille Katastrophenschutz und Risikoverringerung zu betrachten. Schon die Hauptaufgabe der Raumordnung, Flächensteuerung zu betreiben, kann auch als Möglichkeit gesehen werden, dem Katastrophenschutz zu dienen. Durch Raumordnung und hier durch Regional- und 1 Heidland, Die Leistungsfähigkeit raumordnerischer Instrumente zur Steuerung von Katastrophenrisiken, in: Karl/Pohl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 103. Von einer unzureichenden Wahrnehmung der räumlichen Dimension von regionalen Umwelt- und Technikrisiken sprechen auch Schmitz/Karl, Schlussfolgerungen und Perspektiven raumorientierter Vorsorge gegenüber Umwelt- und Technikrisiken, in: Karl/Pohl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 257 ff.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Landesentwicklungspläne kann entscheidender Einfluss auf die Siedlungsstruktur genommen werden, indem bestimmte besonders gefährdete Bereiche von einer Besiedlung frei gehalten werden.2 Weiterhin weist Heidland auf die Möglichkeiten der infrastrukturellen Standortplanung hin, die es ermöglicht, in Regionalplänen Standorte und Trassen für wichtige Infrastrukturen zu sichern und von einer Siedlungsbebauung freizuhalten. Insbesondere die Untersuchung von Greiving stellt in umfassender Weise die Verbindung zwischen räumlicher Planung und Risiko her.3 Er zeigt darin auf, was bereits angeklungen ist: Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass „Risiko“ und „Katastrophe“ lediglich zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen. Die Raumplanung stellt sich der Frage wie z. B. Hochwassersituationen planerisch bewältigt werden können und sortiert die Antworten hierauf unter dem Stichwort „Katastrophenvorsorge“ ein. Von diesem Begriff ist es nur noch ein kleiner Schritt zum bereits bekannten Terminus „Risikovorsorge“. Deutlich ausgeprägt ist die Risikodiskussion in der Schweizer Raumplanung, deren wesentliche Argumentationslinien Gegenstand des folgenden Abschnitts sein sollen.

II. Erfahrungen aus der Schweiz Gravitative, klimatische und tektonische Gefahren – mit diesem Dreiklang eröffnet Egli seinen Beitrag über „Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement. Methodische Grundlagen und Erfahrungen aus der Schweiz“.4 Hochwasser, Lawinen, Felssturz, Hitze, Kälte, Sturm und Hagelschlag sowie Erdbeben – all diesen Gefahren ist die Schweiz als Land in den Zentralalpen in besonderer Weise ausgesetzt. Als wichtigstes Instrument der Schweizer Praxis stellt Egli die Herstellung von Gefahrenkarten vor, die nicht nur für Naturgefahren, sondern gerade auch für die Darstellung von Störfallrisiken verwendet werden. Im Fall von Naturgefahren werden die Parameter Intensität der Gefährdung und Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens zueinander in Beziehung gesetzt. So lassen sich Gefahrenstufen bilden, die farblich markiert in Kartenmaterial umgesetzt werden. So ist z. B. für den Gefahrenbereich Hochwasser ersichtlich, wo entlang eines Flussverlaufs die Gefahr von Überschwemmungen besonders hoch oder eher niedrig ist. Bei Störfallrisiken wird der Wirkungsbereich von Gefahren als Kreis oder Kreissegment um den jeweiligen Betrieb herum dargestellt.5 Die so erzeugten Gefahren und die daraus ersichtlichen Gefahrenstufen haben in einem nächsten Schritt 2 Vgl. Heidland, Die Leistungsfähigkeit raumordnerischer Instrumente zur Steuerung von Katastrophenrisiken, in: Karl/Pohl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 107. 3 Greiving, Räumliche Planung und Risiko, 2002. 4 Egli, Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement, in: Pohl/Karl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 154. 5 Vgl. die Kartenbeispiele bei Egli, Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement, in: Pohl/Karl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 158 f.

A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt

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dann auch konkrete Auswirkungen auf Raum- und Bauplanungen: Während in Bereichen geringer Gefährdung Nutzung und Bebaubarkeit zulässig sind und lediglich Schutzmaßnahmen empfohlen werden, müssen bei Bauten in Bereichen mittlerer Gefährdung bereits Objektschutzmaßnahmen ergriffen werden, um ein akzeptables Schutzniveau zu erreichen. Weist die Gefahrenkarte für ein Gebiet eine hohe Gefährdung aus, so ist die Errichtung von Bauten, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, im Grundsatz unzulässig.6 Diese gebietsbezogene Gefahren- und Risikoanalyse erfolgt zudem nicht im luftleeren Raum, sondern ist Folge gesetzlicher Anordnung: Art. 6 Satz 2c des schweizerischen Gesetzes über die Raumplanung7 legt fest, dass die Kantone feststellen, welche Gebiete durch Naturgefahren oder schädliche Einwirkungen erheblich bedroht sind. Im Anschluss an diese Darstellung widmet sich Egli auch den Erfahrungen, die die Schweiz mit den Gefahrenkarten gesammelt hat und kommt dabei zu einem differenzierten Ergebnis: Lawinengefahrenkarten würden seit mehr als dreißig Jahren verwendet und hätten auch aufgrund der hohen Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu einer Verringerung des Personen- und Sachrisikos geführt. Dagegen sei die Kartografie von Hochwassergefahrenkarten zu spät erfolgt, da die Siedlungsentwicklung sich in vielen Bereichen bereits weit in gefährdete Bereiche vorgetastet habe. In derartigen Fällen könnten die Karten jedoch zur Bemessung von Objektschutzmaßnahmen herangezogen werden. Die Kartografie von Störfallrisiken stünde demgegenüber erst in den Anfängen.8 Die Gefahrenkarten werden durch Risikokarten ergänzt, in denen neben der Darstellung der jeweiligen Gefährdung auch das Schadenspotential v. a. anhand von Art, Ort und Empfindlichkeit gefährdeter Nutzungen miteinbezogen wird, sodass eine umfassende Risikoanalyse möglich ist. Das Schweizer Modell der Gefahrenkartierung überzeugt besonders durch seine unmittelbaren Auswirkungen auf die Bebaubarkeit und Nutzung von Flächen.

III. Die Untersuchung von Greiving Greiving greift die Schweizer Risikodiskussion zu Natur- und Störfallgefahren auf und stellt die raumplanerische Risikosteuerung anhand des Hochwasserschutzes und des technischen Störfallschutzes in seiner Untersuchung dar. Im Folgenden sollen jedoch seine Ausführungen zum Hochwasserschutz im Vordergrund stehen. Er formuliert dabei abstrakt zwei Rahmenziele der Risikominderung: zum einen die Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses sowie zum anderen 6

Egli, Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement, in: Pohl/Karl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 157. 7 Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, AS 1979 1573. 8 Egli, Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement, in: Pohl/Karl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 159 f.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

die Verminderung des Schadenspotentials. Den ersten Punkt unterteilt er weiterhin in zwei Unterziele: den vorbeugenden Hochwasserschutz sowie den nachsorgenden Hochwasserschutz. Für den vorbeugenden Hochwasserschutz nennt er zwei raumplanerische Mittel: Zunächst sei auf den Rückhalt von Regenwasser in der Fläche zu achten, um ein Abfließen des Niederschlages so lange wie möglich zu verhindern. Daneben sei auf die Sicherung und Rückgewinnung von Retentionsraum hinzuwirken.9 Diese Überschwemmungsgebiete bieten bei hohen Pegelständen einen Rückzugsraum für Hochwasser. Unter der zweiten angesprochenen Ebene, der Verminderung des Schadenspotentials, versteht Greiving Maßnahmen, die darauf hinwirken, dass im potentiellen Einwirkungsbereich erst gar keine Schadenspotentiale entstehen. Hierzu stellt er vier Vorsorgestrukturen vor, die er im Anschluss erläutert: Durch Flächenvorsorge sollen Bereiche von durch Hochwasser gefährdeten und abflussverschärfenden Nutzungen freigehalten werden, um so eine weitere Gefährdung von Vermögenswerten zu verhindern. Raumplanerisch könne dies durch die Festlegung von Überschwemmungsbereichen in Form von Vorranggebieten oder Vorbehaltsgebieten für den Hochwasserschutz erreicht werden.10 Zweites Element ist die Bauvorsorge: Hier sieht Greiving v. a. zwei Akteure in der Pflicht: Einerseits die Kommunen und Landkreise, die durch die Vorhabengenehmigung steuernd tätig werden sollen, sowie auf der anderen Seite die Eigentümer, die aus Eigeninitiative Bauvorsorgemaßnahmen ergreifen könnten.11 Als bauliche Maßnahmen nennt er dabei die Verstärkung der Bausubstanz sowie der Fundierung, einen möglichst großen Abstand zu Deichen, einen Verzicht auf Untergeschosse, die Sicherung von Öltanks und Leitungen sowie eine Verlagerung der Haustechnik in höher gelegene Geschosse.12 An dritter und vierter Stelle behandelt Greiving keine Maßnahmen mit raumplanerischem Bezug, die jedoch das Konzept der raumplanerischen Steuerung von Hochwasser abrunden und mit den Begriffen „Verhaltensvorsorge“ und „Risikovorsorge“ überschrieben sind. Verhaltensvorsorge zielt demnach auf die Vernetzung von regionalen Akteuren des Katastrophenschutzes und auf eine gegenseitige Abstimmung bei Katastrophen- und Warnsystemen. Ergänzt wird die Verhaltensvorsorge durch Maßnahmen der Risikovorsorge. In diesem Zusammenhang verwendet Greiving den Begriff nicht in einem umfassenden Sinn, sondern für den Risikobereich, der nach Ausschöpfung aller zuvor genannten Maßnahmen verbleibt. Hier seien der einzelne Bürger sowie die Versicherungswirtschaft gefordert.13 9

Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 116. Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 117. 11 Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 117. 12 Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 117. 13 Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 119.

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A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt

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Im Anschluss an diese Darstellung der Risikosteuerung von Hochwasser wendet sich Greiving sodann der Frage zu, welchen Beitrag die Instrumente der räumlichen Gesamtplanung und insbesondere der Raumordnung zu einem umfassenden Risikomanagementsystem leisten können. In Auseinandersetzung mit seinen Thesen will auch diese Arbeit nunmehr den Fokus auf diesen Bereich richten.

IV. Risikovorsorge durch Raumplanung 1. Das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK Einen weiteren Impuls für die Risikodiskussion im Bereich der Raumplanung gibt das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK14. Darin ist festgehalten, dass auf lokaler, regionaler und transnationaler Ebene Strategien zum Risikomanagement in katastrophengefährdeten Gebieten zu entwickeln sind.15 Das EUREK ist Ausdruck eines „spatial turns“ auf Ebene der Europäischen Union. Immer stärker wird den europäischen Akteuren der Raumbezug ihrer Politiken vor Augen geführt. Dies wird schon deutlich in den Erwägungsgründen zum durch den Vertrag von Lissabon geänderten Vertrag über die Europäische Union. Dort heißt es im 12. Erwägungsgrund, dass der Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu fördern sei. Hiervon ausgehend entwickelt sich eine „European Territorial Governance“, die durch vernetzte Regelungs- und Koordinationsstrukturen im Sinne einer Politik des territorialen Zusammenhalts geprägt ist.16 Das Untersuchungsthema kann diesen europäischen Raumimpuls aufnehmen, auf das Recht der räumlichen Planung übertragen und mit dem Sicherheitsbegriff verknüpfen. Das deutsche Raumordnungsgesetz widmet sich an verschiedenen Stellen dieser Zielvorstellung, insbesondere vor dem Hintergrund eines Risikomanagements in katastrophengefährdeten Gebieten. 2. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG – Schutz kritischer Infrastrukturen Bereits in § 2 ROG, in den Grundsätzen der Raumordnung finden sich explizit auf die Vorsorge ausgerichtete Festlegungen. So spricht § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG davon, dass dem Schutz kritischer Infrastrukturen Rechnung zu tragen ist. Mit dem Begriff der „Kritischen Infrastrukturen“ greift das ROG auf die vom Bundesministerium des Innern verfasste „Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen“ vom 14

Abrufbar unter http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/docoffic/official/reports/ pdf/sum_de.pdf; letzter Abruf 22. 3. 2011. 15 EUREK, Absatz 142. 16 Ausführlich dazu Battis/Kersten, Europäische Raumentwicklung, EuR 2009, 3; Kersten, Der territoriale Zusammenhalt der Europäischen Union, FS Krautzberger, S. 93 ff.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

17. Juni 2009, die sogenannte KRITIS-Strategie, zurück. Der Begriff ist dabei eine direkte Übersetzung der US-amerikanischen „National Strategy for the Physical Protection of Critical Infrastructures and Key Assets“.17 In direkter Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 formuliert die Strategie Anforderungen an das Zusammenwirken von staatlichen, privaten und internationalen Akteuren zum bestmöglichen Schutz der kritischen Infrastrukturen. Das Erfordernis der Planung und der Zusammenstellung aller möglichen Hilfsmittel nimmt dabei eine wichtige Rolle ein.18 Das Papier geht über die deutschen Begrifflichkeiten jedoch noch hinaus, indem zwischen kritischen Infrastrukturen einerseits und „key assets“, „Schlüsseleinrichtungen“, andererseits differenziert wird. Unter dem Begriff der „key assets“ werden Einrichtungen erfasst, deren Schutz auf einer noch höheren Stufe im Vergleich zu den „normalen“ Infrastruktureinrichtungen steht. Hierunter fallen nationale Monumente und Symbole, Atomkraftwerke, Staudämme, Regierungseinrichtungen sowie Handelseinrichtungen im weiten Sinn.19 Zwei Erfordernisse durchziehen das gesamte Strategiepapier: Dies ist zum einen die Forderung nach einer bestmöglichen Vernetzung aller beteiligten Akteure und andererseits die Erkenntnis, dass rechtliche Regelungen zusammen mit Standards zu entwickeln sind, um gegenüber der terroristischen Bedrohung besser gewappnet zu sein. Die deutsche KRITIS-Strategie versteht den Schutz der kritischen Infrastrukturen umfassend und betrachtet ihn nicht nur unter dem Blickwinkel einer terroristischen Bedrohungslage. Der Grund hierfür ist die Erkenntnis, dass Deutschland als eine hoch industriell und hoch technologisch entwickelte Nation besonders anfällig für jedwede Störung oder gar den Ausfall von Infrastrukturen unabhängig von ihrer Ursache ist. Hinter dem Begriff der kritischen Infrastrukturen verbergen sich dabei Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe bis hin zu Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten können.20 Hierunter fallen sowohl technische als auch soziale Infrastrukturbereiche wie Kommunikationsnetze, Transport- und Verkehrswege, die Energie- und Wasserversorgung, das Gesundheitswesen, das Notfall- und Rettungswesen, Parlament, Regierung und Justiz, das Finanz- und Versicherungswesen sowie Medien- und Kulturgüter.21 Weiterhin verwendet die KRITIS-Strategie den Begriff der „Kritikalität“, um die Folgen des Ausfalls einzelner Infrastrukturen bewerten zu können. Kritikalität ist dabei das relative Maß für die Bedeutsamkeit einer Infrastruktur in 17 White House (Hrsg.), The National Strategy for the Physical Protection of Critical Infrastructures and Key Assets, Washington 2003; abrufbar unter http://www.dhs.gov/xlibrary/ assets/Physical_Strategy.pdf (letzter Abruf: 22. 3. 2011). 18 Vgl. National Strategy, S. 22 ff. 19 Vgl. National Strategy, S. 71 ff. 20 Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 4. 21 Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 9.

A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt

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Bezug auf die Konsequenzen, die eine Störung oder ein Funktionsausfall für die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen hat.22 Unterschieden werden dabei eine systemische und eine symbolische Kritikalität. Erstere ist gegeben bei einer strukturellen, funktionellen und technischen Positionierung im Gesamtsystem, die von besonders hoher Relevanz ist, wie z. B. bei Energie- oder Kommunikationsinfrastrukturen. Unter symbolischer Kritikalität wird die kulturelle und identitätsstiftende Bedeutung einer Infrastruktur verstanden, deren Zerstörung eine Gesellschaft emotional erschüttern und psychologisch nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen kann. Das Strategiepapier sieht dabei v. a. zwei Gefährdungsursachen, die genau an die bisherige Betrachtung anknüpfen: Zum einen sei seit dem 11. September 2001 die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus die Haupttriebfeder staatlicher Sicherheitsbestrebungen. Zum anderen liegt der Fokus auf Naturrisiken und hier insbesondere auf extremen Wetterereignissen.23 Weiterhin setzt sich das Papier zur KRITIS-Strategie mit der Frage nach der Verantwortung für den Infrastrukturschutz auseinander. Aus der Feststellung, dass die überwiegende Zahl der als wichtig eingeschätzten Infrastrukturen in privater Hand betrieben wird, sieht das Papier die primäre Verantwortung im Bereich der privaten Betreiber. Die staatlichen Aufgaben bewegten sich dagegen „vorrangig im Rahmen einer Gewährleistung, allenfalls der Sicherstellung der Versorgung in Krisenzeiten, wenn übliche Marktmechanismen nicht mehr funktionierten.“24 Ausgehend von dieser Verantwortungsteilung plädiert die Strategie für die Begründung von Sicherheitspartnerschaften zur institutionalisierten Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft und zur Herausbildung einer „Risikokultur“. Diese Risikokultur basiere auf einer offenen Risikokommunikation zwischen Staat und Privatwirtschaft, auf der Zusammenarbeit aller relevanten Akteure, der verstärkten Selbstverpflichtung der Betreiber zur Prävention und zur Bewältigung von Ereignissen und einer verstärkten und selbstbewussten Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit der von Störungen betroffenen Menschen und Einrichtungen. Eine derartige Risikokultur sei geeignet, die Gesellschaft im Umgang mit wachsenden Verletzlichkeiten robuster und widerstandsfähiger zu gestalten.25 Dabei steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den „kritischen Infrastrukturen“ erst in den Startlöchern. Den Ausgangspunkt markieren dabei Arbeiten zum Schutz von informationstechnischen Systemen26. Weiterhin ist die Fachtagung 22

Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 7. 23 Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 9 f. 24 Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 8 f. 25 Bundesministerium des Innern, Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), S. 11. 26 Sonntag, IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen, 2005; Schulze, Bedingt abwehrbereit – Schutz kritischer Informationsstrukturen in Deutschland und den USA, 2006.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

des Berliner Forschungszentrums Katastrophenrecht vom Februar 2009 zu nennen, die zum Thema Stellung bezogen hat: In insgesamt sieben Referaten27 werden die kritischen Infrastrukturen Informationstechnik und Energie aus mehreren Perspektiven beleuchtet. Doch obwohl auf die gesetzliche Verankerung des Begriffs u. a. im Raumordnungsgesetz28 hingewiesen wird29 und schon allein aus diesem Grund eine Auseinandersetzung mit den Mitteln der Raumordnung nahe gelegen hätte, bleibt dieser Aspekt unerörtert. Dagegen findet sich – wie stets, wenn ein neuer Begriff die Bühne des Rechts betritt – zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit selbst. Sicherlich ist, und hier ist Kloepfer zuzustimmen, der Terminus der kritischen Infrastruktur nicht glücklich gewählt, suggeriert er doch, dass die Infrastrukturanlagen selbst kritische Auswirkungen auf ihre Umgebung haben.30 Dabei ist die umgekehrte Fallgestaltung gemeint: Es geht um den Schutz lebensnotwendiger Versorgungseinrichtungen vor Einwirkungen von außen. Der Grund für diese Begriffswahl liegt in der Anschlussfähigkeit des deutschen Rechts an die Paralleldiskussionen im anglo-amerikanischen Rechtsraum, die den Terminus „critical infrastructure protection“ verwendet. Weiterhin bemängelt Kloepfer die Unbestimmtheit des Begriffs, wenn es zu einer grundrechtlichen Abwägung zwischen Infrastrukturschutzmaßnahmen auf der einen und Einschränkungen individueller Freiheiten auf der anderen Seite kommt. Aufgabe der Rechtswissenschaft war es jedoch schon von jeher, unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und einer Präzisierung zuzuführen, ein Punkt, auf den Kloepfer selbst hinweist.31 Doch ebenso wie dem Risikobegriff lange Zeit bescheinigt wurde, kein Terminus des Rechts zu sein,32 sollte auch dem Begriff der kritischen Infrastrukturen Gelegenheit zur Entwicklung gegeben werden. Für das Untersuchungsthema ist die durch die Novelle des ROG von 2009 erfolgte Akzentsetzung durch die Hervorhebung des Schutzes der Kritischen Infrastrukturen33 jedoch von besonderem Interesse, da so auf der Ebene der Raumordnung die planungsrechtliche Berücksichtigung von Sicherheitsbelangen gelingt. Als ein Anwendungsbeispiel dieses Grundsatzes für die räumliche Planung nennt die Gesetzesbegründung der ROG-Novelle die parallele Trassenführung von verschiedenen Infrastrukturen, die unter dem Aspekt des Schutzes kritischer Infrastrukturen sorgfältig zu prüfen sei, jedoch auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei.34 Runkel sieht in diesem Zusammenhang eine besondere Problemlage: Die Vermeidung par27 Nachzulesen in Kloepfer (Hrsg.), Schutz kritischer Infrastrukturen, 2010; zusammenfassend Kahrl, Bericht. Das Kritische an den kritischen Infrastrukturen, DÖV 2009, 535 ff. 28 Weiterhin wird der Begriff in § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes verwendet. 29 Vgl. Kloepfer, Schutz kritischer Infrastrukturen – Einleitung, S. 12. 30 Kloepfer, Schutz kritischer Infrastrukturen – Einleitung, S. 11. 31 Vgl. Kloepfer, Schutz kritischer Infrastrukturen – Einleitung, S. 14. 32 Kloepfer, Umweltrecht, 1. Aufl. 1989, S. 45. 33 Vgl. Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 2 Rn. 91 f. 34 BT-Drs. 16/10292, S. 21.

A. Das Raumordnungsrecht als Ausgangspunkt

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alleler Trassenführungen könnte mit dem naturschutzrechtlichen Grundsatz aus § 1 Abs. 5 S. 3 BNatSchG kollidieren, demzufolge Verkehrswege, Energieleitungen und ähnliche Vorhaben landschaftsgerecht geführt werden sollen, um so die Zerschneidung der Landschaft sowie weitere Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zu vermeiden.35 Diese Befürchtung besteht jedoch zu Unrecht, wie Runkel im Fortgang einräumt: Die Belange „Schutz kritischer Infrastrukturen“ sowie „möglichst schonender Umgang mit Landschaft und Naturhaushalt“ stehen in keinem Über-Unterordnungsverhältnis zueinander, sondern sind gleichrangig. Erst durch Abwägung oder Ermessensausübung kann einem Belang der Vorrang eingeräumt werden.36 An diesem Punkt wird auch deutlich, dass man nicht der Illusion erliegen darf, durch planungsrechtliche Instrumentarien dem Terrorismusrisiko umfassend begegnen zu können. Dies kann Planungsrecht nicht leisten, da es zum Großteil durch den Abwägungsgrundsatz geprägt ist und somit stets auch andere Belange im Einzelfall Vorrang gegenüber dem Anliegen „Schutz vor terroristischer Bedrohung“ haben können. Positiv ist die Erwähnung der kritischen Infrastrukturen jedoch aus einem anderen Grund: Durch sie gelingt erstmalig eine eindeutige gesetzliche Festlegung auf das Ziel „Terrorismusschutz“ durch Planungsrecht, hier durch das Raumordnungsrecht. Da nach § 1 Abs. 4 BauGB die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen sind, kommt den raumordnenden Instrumentarien eine besondere Bedeutung zu. Der Begriff der kritischen Infrastruktur kann so als Brückenbegriff zwischen der Raumordnung und der Bauleitplanung fungieren.37 3. § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG – Hochwasserschutz Wie bereits dargestellt, widmet sich das ROG neben der Berücksichtigung kritischer Infrastrukturen auch dem Risiko „Hochwasser“. In § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG heißt es: „Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen.“ Die Vorschrift zielt dabei in zwei Richtungen: Zum einen müssen Freiräume zur Gewährleistung des vorbeugenden Hochwasserschutzes durch Einbindung in ein räumliches Gesamtkonzept für den jeweiligen Planungsraum integriert werden. Zum anderen ist darauf hinzuwirken, dass weitere überschwemmungsgefährdete Gebiete berücksichtigt und ebenfalls in den Planungsraum integriert werden.38 Detailliert geregelt sind die Instrumente des

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Runkel, in: Bielenberg/ders./Spannowsky: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Band 2, L § 2 Rn. 146. 36 Runkel, in: Bielenberg/ders./Spannowsky: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Band 2, L § 2 Rn. 146. 37 Zu dieser Brückenfunktion des § 1 Abs. 4 BauGB siehe 3. Kapitel unter B. IV. 1. 38 Vgl. Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 2 Rn. 140.

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vorbeugenden Hochwasserschutzes dabei in den §§ 72 ff. WHG39. Runkel sieht daher die Möglichkeiten der Raumordnung in einer doppelten Unterstützungsaufgabe: Neben den gesetzlich genannten Erfordernissen, also insbesondere der Rückgewinnung von Retentionsräumen, komme der Begrenzung der Flächeninanspruchnahme besondere Bedeutung zu.40 Planerisch gelingt dies über die Festlegung von Raumstrukturen in Raumordnungsplänen. Auf diese Möglichkeit weist § 8 Abs. 5 S. 1 Nr. 2d) ROG zur Gewährleistung des vorbeugenden Hochwasserschutzes ausdrücklich hin. Wesentliches raumordnerisches Steuerungsinstrument ist dabei die Festlegung von Vorrang- und Vorbehaltgebieten. Beide Gebietsarten sind legal definiert in § 8 Abs. 7 S. 1 Nrn. 1 und 2 ROG. Vorranggebiete sind demnach Bereiche, in denen bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen, Nutzungen oder Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind. Mit der Ausweisung eines Vorranggebietes kann so in stärkster Form der Schutz bestimmter Funktionen und Nutzungen erreicht werden. Die Festlegung eines Vorbehaltsgebiets ist demgegenüber eine Stufe tiefer angesiedelt. Es bezeichnet Bereiche, in denen bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung mit konkurrierenden Nutzungen und Funktionen ein besonderes Gewicht beigemessen werden soll. Im Gegensatz zu Vorranggebieten ist hier eine planerische Abwägung verschiedener Belange möglich, bei der jedoch einem Belang besonderes Gewicht beizumessen ist. Schließlich sind die Eignungsgebiete zu nennen, in denen bestimmten raumbedeutsamen Maßnahmen und/oder Nutzungen, die städtebaulich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind, andere raumbedeutende Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind. In den Handlungsempfehlungen „Vorbeugender Hochwasserschutz durch die Raumordnung vom 14. Juni 2000“41 hat die Ministerkonferenz für Raumordnung Vorschläge erarbeitet, in welcher Situation die Festlegung welchen Gebiets in Frage kommt. So sei bei wasserrechtlich noch nicht förmlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Festlegung eines Vorranggebietes angezeigt, um eine zukünftige fachgesetzlich Festsetzung abzusichern. Die Festsetzung eines Vorbehaltsgebietes sei dagegen ausreichend bei rückgewinnbaren bzw. zusätzlichen Überschwemmungsflächen, die über die Grenzen bestehender Überschwemmungsgebiete hin-

39 Zur Berücksichtigung von Hochwasserschutzbelangen in der Bauleitplanung und dem Zusammenspiel mit den §§ 72 ff. WHG siehe das 3. Kapitel unter B. IV. 5. 40 Runkel, in: Bielenberg/ders./Spannowsky: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Band 2, L § 2 Rn. 237. 41 Ministerkonferenz für Raumordnung: Handlungsempfehlungen – Vorbeugender Hochwasserschutz durch die Raumordnung vom 14. Juni 2000, GMBl. S. 514.

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ausgehen, um diesen Bereichen bei der Abwägung mit konkurrierenden Belangen besonderes Gewicht zu verleihen. 4. § 2 Abs. 2 Nr. 7 ROG – Erfordernisse der Verteidigung und des Zivilschutzes Neben der Berücksichtigung des Hochwasserschutzes und der Berücksichtigung der kritischen Infrastrukturen widmet sich das Raumordnungsrecht dem Risikobegriff auch noch auf institutioneller Ebene: In § 2 Abs. 2 Nr. 7 ROG findet sich die Bestimmung, dass den räumlichen Erfordernissen der Verteidigung und des Zivilschutzes Rechnung zu tragen ist. Damit ist sichergestellt, dass raumbeanspruchende und einen Umgebungsschutz einfordernde Einrichtungen wie Truppenübungsplätze oder Militärflugplätze planungsrechtlich abgesichert werden können.42 5. Das Raumordnungsverfahren Auch das verfahrensrechtliche Instrumentarium, in dem Risikobelange bei ihrer gesetzlichen Verankerung zu berücksichtigen wären, ist bereits im Raumordnungsgesetz durch das Raumordnungsverfahren niedergelegt. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 ROG prüft die für Raumordnung zuständige Behörde in einem besonderen Verfahren die Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind dabei die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maßnahme unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, insbesondere die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumplanung und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG umfassen die Erfordernisse der Raumordnung die Ziele, Grundsätze sowie sonstigen Erfordernisse der Raumordnung. Somit ist bereits heute gewährleistet, dass dem Hochwasserschutz und dem Schutz kritischer Infrastrukturen als ausdrücklich benannte Grundsätze der Raumordnung in einem Raumordnungsverfahren zu berücksichtigen sind. Hervorzuheben ist weiterhin die helfende43 Funktion des Raumordnungsverfahrens insbesondere bei der Standortfindung für sensible räumliche Nutzungen sowie die Ausstrahlungswirkung seiner Ergebnisse in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren. Insoweit ist das Raumordnungsverfahren auch dazu geeignet, Risikowissen zu generieren und neben den Trägern der Raumplanung auch den verantwortlichen Behörden der Fachplanung zur Verfügung zu stellen. 42

Vgl. Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 2 Rn. 147. Zu der Berücksichtigung dieser Belange im Verfahren der Bauleitplanung unter besonderer Berücksichtigung des Schutzbereichs- und des Landbeschaffungsgesetzes siehe das 3. Kapitel unter B. IV. 3. 43 Vgl. Krautzberger, Raumordnung und Landesplanung, Aufgaben, Träger und Instrumente, LKV 1991, 336 (368), der das Raumordnungsverfahren als Instrument der helfenden Planung charakterisiert.

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Auch wenn das BVerwG das Raumordnungsverfahren in ständiger Rechtsprechung als bloße gutachtliche Äußerung wertet, die keine Rechtswirkung nach außen entfalte44, so ist dieses Instrument in der Praxis aufgrund seiner hohen fachlichen Qualität sowie der darauf fußenden Überzeugungskraft von hoher Relevanz.45 Das Raumordnungsverfahren kann darüber hinaus auch zur Institutionalisierung der Vernetzung von verschiedenen Akteuren beitragen. 6. Spezielle Risikogebiete auf Ebene der Raumplanung Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass das Raumordnungsrecht für die Belange des Hochwasserschutzes in großem Maße sensibilisiert ist und Lösungsansätze auf den verschiedenen Planungsebenen diskutiert werden. Für den dargestellten Bereich der kritischen Infrastrukturen steht die Diskussion dagegen erst am Anfang. Für den speziellen Bereich „Kritische Infrastrukturen und Raumordnungsrecht“ muss sogar konstatiert werden, dass außer der Widergabe der Gesetzesbegründung keine weitergehende Auseinandersetzung in der Kommentarliteratur erfolgt. Greiving versucht in seiner Untersuchung diesen Befund aufzugreifen und das Raumordnungsrecht nicht für einzelne spezielle Risiken zu sensibilisieren, sondern vielmehr den Risikobegriff in seiner Gesamtheit in das ROG zu übertragen. Die Forderung des EUREK zur Entwicklung von Strategien im Risikomanagement in katastrophengefährdeten Gebieten aufgreifend, schlägt er den Begriff der Katastrophenresistenz vor. Dieser soll sowohl als Leitvorstellung („Die Katastrophenresistenz der Gesellschaft ist zu erhalten und zu steigern“) als auch als Grundsatz der Raumordnung („Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland ist so zu entwickeln, dass natürliche und anthropogene Systeme in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Katastrophen gestärkt werden. Dabei haben bestimmte Teilräume entsprechend ihrer Eignung besondere Aufgaben für die Katastrophenvorbeugung zu übernehmen.“) Eingang in das ROG finden.46 In Fortentwicklung der Systematik von Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebieten schlägt Greiving eine neue Gebietstypik zur Erhaltung und Steigerung der Katastrophenresistenz vor. Er unterscheidet zwischen Risikovorranggebieten, Risikovorbehaltsgebieten und Risikoeignungsräumen. Risikovorranggebiete seien durch eine deutlich erhöhte Gesamtrisikobelastung aus einer Risikoquelle, mit der ein extremes Schadenspotential verbunden ist, gekennzeichnet. Daher seien in ihnen zusätzliche Schadenspotentiale oder Vorhaben, 44

BVerwGE 68, 311 ff. sowie jüngst BVerwG, ZfBR 2008, 592. Diese Aspekte hebt Kment, Das Raumordnungsverfahren – Befristung und Fristverlängerung, NVwZ 2010, 542 f. hervor. 46 Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 273. 45

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die ihrerseits mit Risiken für ihre Umgebung verbunden sind, unzulässig. Die Risikovorbehaltsgebiete wiesen eine erhöhte Belastung aus multiplen Risikoquellen auf, die bei Maßnahmen, die zu einer Erhöhung der Risikobelastung führen könnten, besonders zu berücksichtigen seien. Demgegenüber sei bei Risikoeignungsräumen lediglich eine deutlich unterdurchschnittliche Gesamtrisikobelastung zu verzeichnen, sodass in diesen Gebieten die Hinzufügung weiterer Risikoquellen gut verkraftet werden könne.47 Mit der Normierung von verschiedenen Risikogebieten stellt sich jedoch die Frage, wie eine Zuordnung bestimmter Bereiche zu diesen Gebieten erfolgen kann. Greiving sieht in diesem Punkt die Regionalplanung gefordert und schlägt folgendes Bewertungsverfahren vor: Jede Gefahrenquelle könne mit mehr oder weniger technischem Aufwand auf ihre mögliche räumliche Ausbreitung im Katastrophenfalle hin untersucht werden. Die so ermittelten Parameter müssten dann mit der Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Störfall in Beziehung gesetzt werden, sodass als Ergebnis das jeweilige Schadenspotential pro Flächeneinheit angegeben werden könne.48 Ein derartiges System verschiedener Risikogebiete ist somit eine Möglichkeit, wie auf planerischer Ebene Risiken und dabei mit umfasst auch dem terroristischen Risiko begegnet werden kann.

V. Bewertung Die vorstehenden Ausführungen zeigen eindeutig, dass ein neuer Dreiklang aus Risikovorsorge, Katastrophenvorsorge und Raumordnung entstanden ist, der die Vorreiterrolle für alle raumplanerischen Maßnahmen der darunter liegenden Ebenen einnehmen muss. Betrachtet man die Instrumente des Raumordnungsrechts durch die Risiko-Katastrophenbrille, so wird deutlich, dass das Raumordnungsrecht bereits in vielfältiger Weise auf die planerische Bewältigung von Risiken im Raum ausgerichtet ist. Die im Bereich des Hochwasserschutzes diskutierten und ergriffenen Maßnahmen sind auf die weiteren Risikobereiche, insbesondere den des technischen Störfallschutzes, zu übertragen. Die vorgestellten Einsatzmöglichkeiten von Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebieten sollten nach dem Vorschlag von Greiving ausgeweitet werden und allgemein als Risikovorrang-, Risikovorbehalts- und Risikoeignungsgebiete umgestaltet werden. Nötig ist daher eine stete Analyse der Gefahrenund Risikosituation. Ergibt diese Analyse, dass bestimmte Nutzungen zu einem Risiko führen, dass räumliche Bedeutung erlangt, so ist zu prüfen, ob die Festlegung eines Ziels „Risikovorsorge/Risikoverringerung“ als ausdrücklich benanntes Ziel der Raumordnung sinnvoll ist oder ob zur Verhinderung von Nutzungskonflikten und zur Freihaltung von Bebauung vielmehr die Festsetzung eines Risikovorranggebietes notwendig ist. So lässt sich die Forderung nach einem möglichst hohen Schutzniveau 47 48

Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 273. Vgl. Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 277.

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auf der Ebene der Raumordnung verwirklichen und über die Bindungswirkung des § 1 Abs. 4 BauGB auf den Bereich der Bauleitplanung übertragen.49 Dabei muss man sich jedoch stets über die Grenzen der Vorsorge durch raumordnerische Maßnahmen bewusst sein. Kein noch so detaillierter Plan wird allein in der Lage sein, Katastrophen zu verhindern. Hier bedarf es der Vernetzung aller potentiell betroffenen Akteure. So sollten die Betreiber kritischer Infrastrukturen in ständigem Kontakt mit den umliegenden Gemeinden stehen. Diese wiederum sollten ihre Vor-Ort-Kenntnisse an die übergeordneten Planungsträger weitergeben, die wiederum ein offenes Ohr für die Erfahrungen der für Zivil- und Katastrophenschutz zuständigen Behörden haben sollten. All diese Impulse kann auch das Bauplanungsrecht aufnehmen. Wie dies gelingen kann, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr I. Das Bauordnungsrecht als klassisches Gebiet baurechtlicher Gefahrenabwehr Die Erörterung von Sicherheitsbelangen im öffentlichen Baurecht und das Eingehen auf Möglichkeiten der Gefahrenabwehr findet herkömmlich nur in einem Teilbereich des öffentlichen Baurechts statt: dem Bauordnungsrecht. Während das Bauplanungsrecht die Grundstücksnutzung in ihrer flächenmäßigen Bedeutung in den Blick nimmt, normiert das materielle Bauordnungsrecht die Anforderungen, die an die Konstruktion und Gestaltung von baulichen Anlagen gestellt werden und ist daher objektbezogen. Auch die Gefahrenabwehr ist daher bislang objektbezogen verstanden worden. So bestimmt die bauordnungsrechtliche Generalklausel, dass Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden.50 Erfasst werden so Gefahrensituationen, die unmittelbar von der baulichen Anlage ausgehen.51 Diese Differenzierung ist jedoch lediglich der Endpunkt einer längeren historischen Entwicklung, in der zwischen den Belangen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts nicht getrennt wurde.

49 Allgemein zur Verwirklichung überörtlicher Planungsziele durch Bauleitplanung Brohm, DVBl. 1980, 653 ff.; zu den hierbei entstehenden Problemen Ingold, Auswirkungen von Planungsdefiziten höherstufiger Planungsebenen auf nachgeordnete Pläne, NVwZ 2010, 1399 ff. 50 Vgl. nur § 3 Abs. 1 BauO Berlin oder § 3 Abs.1 Musterbauordnung (MBO). 51 Vgl. zur Gefahrenabwehr als Hauptaufgabe des Bauordnungsrechts Grotefels, in: Hoppe/ Bönker/dies, Öffentliches Baurecht, § 15 Rn. 11 sowie das 3. Kapitel unter C.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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II. Das Baupolizeirecht in Preußen und den anderen deutschen Staaten Der Grund für die fehlende Differenzierung zwischen planungs- und ordnungsrechtlichen Belangen ist v. a. in dem weiten Polizeibegriff zur Zeit Preußens zu erblicken. Unter „Polizei“ wurde zu damaliger Zeit weniger eine Behörde mit einem bestimmten Verwaltungshandeln verstanden, als vielmehr ein Zustand, der auf die Erfüllung einer guten Ordnung des Gemeinwesens gerichtet ist.52 Dieser weite Begriff der „guten Ordnung“ führte zu einer umfassenden Verpolizeilichung des öffentlichen Lebens, sodass die Polizei immer mehr Aufgaben der allgemeinen Wohlfahrtspflege übernahm. Dies führte dazu, dass auch der Bereich des öffentlichen Bauwesens nicht spezialgesetzlich sondern vielfach über Polizeiverfügungen geregelt wurde, was nicht zuletzt seinen Niederschlag in der Bezeichnung „Baupolizeirecht“ fand. Kernvorschrift für das Bauwesen in Preußen war § 65 I 8 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794: „In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder ein Gebäude zu verändern wohl befugt“. Einschränkungen dieses Rechts ergeben sich jedoch aus den folgenden Bestimmungen: Nach § 66 soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden. Dieses Verunstaltungsgebot findet sich bis zum heutigen Tage in den Bauordnungen.53 In § 67 findet sich die Verpflichtung des Bauherrn vor Beginn eines Neubaus in Städten der „Obrigkeit“ davon Anzeige zu erstatten. Erweist sich ein ohne Anzeige errichteter Bau als schädlich oder gefährlich für das Publikum oder liegt eine grobe Verunstaltung vor, so ist der Bau anzupassen. § 68 legt sodann das Prüfprogramm für die Genehmigung fest: Demnach hat die „Obrigkeit“ darauf zu achten, dass durch eine richtige und vollständige Beschreibung des Gebäudes nach seiner Lage, Grenzen und übrigen Beschaffenheit künftigen Streitereien vorgebeugt wird. Nach heutigem Verständnis sind all diese Vorschriften als bauordnungsrechtlich einzustufen. Interessant ist hierbei jedoch, dass die Normen auch als Rechtsgrundlage für Maßnahmen dienten, die nach heutigem Verständnis als bauplanungsrechtlich einzustufen sind. So diente § 66 lange Zeit unangefochten als Rechtsgrundlage für die baupolizeiliche Festsetzung von Fluchtlinien, deren Einhaltung durch Polizeiverordnung und Verfügungen im Einzelfall durchgesetzt wurde54. Erst das Gesetz betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875 wies die Aufgabe der Fluchtlinienfestsetzung den Gemeinden zu. So kam es zu einer ersten Aufspaltung zwischen rein baupolizeilichen Aufgaben und einer gemeindlichen Verantwortung für den Bereich der Fluchtlinien. Diese Differenzierung führte jedoch keinesfalls dazu, dass bereits von einem sich herausbildenden Bauplanungsrecht die Rede sein 52 Vgl. hierzu nur den geschichtlichen Abriss bei Boldt, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, A Rn. 4. 53 So z. B. in § 9 Abs. 1 und 2 BauO Berlin und § 9 Abs. 1 und 2 MBO. 54 PrOVGE 68, 423; Krautzberger, in: E/Z/B/K, BauGB, Einl. Rn. 4.

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könnte. Die Fluchtlinien sollten lediglich für eine einheitliche Bebauung des Straßenrandes sorgen und nahmen zur Beurteilung dieser Frage den Grundriss eines Gebäudes als Grundlage. Die Höhe und die weitere bauliche Gestaltung sowie die Nutzung des Bauwerks blieben außer Betracht. Diese Fragen waren weiterhin dem Bereich der Baupolizei und der Regelung durch Baupolizeiverordnung vorbehalten. Schon bald wurde jedoch festgestellt, dass das zur Verfügung stehende Instrumentarium aus Fluchtlinienfestsetzung und baupolizeilichen Verfügungen nicht ausreichte, um den durch die industrielle Revolution angestoßenen städtebaulichen Herausforderungen gerecht zu werden: Der ungebremste Zuzug von Menschen in die Städte führte zu wachsender Verstädterung und einer zügellosen Bebauung. Außerhalb Preußens, das weiterhin auf keine einheitlichen Regelungen, sondern auf einzelne baupolizeiliche Verordnungen setzte, wurde in den anderen deutschen Staaten mit dem Erlass von Landesbauordnungen versucht, die städtebauliche Entwicklung zu steuern. Eingeführt wurden Bauklassen, Bauzonen und Baustufen sowie Ansätze zur Trennung unverträglicher Nutzungen.55 Einen weiteren Schritt markierte die Bauregelungsverordnung aus dem Jahr 193656. In ihr findet sich, ähnlich wie in der heutigen BauNVO, die Einteilung in verschiedene Baugebiete: So können etwa Kleinsiedlungsgebiete, Wohngebiete, Geschäftsgebiete und Gewerbegebiete ausgewiesen werden (§ 1 Abs. 1). Absatz 2 der Vorschrift enthält dann bereits eine Vorläuferregelung des aktuellen § 15 Abs. 1 BauNVO, indem „in Kleinsiedlungsgebieten, Wohngebieten und Geschäftsgebieten Anlagen, die beim Betrieb erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Bewohner oder die Allgemeinheit zur Folge haben können, nicht zugelassen sind.“ § 2 gibt die Möglichkeit, Gebiete auszuweisen, in denen Gebäude mit mehr als einem Vollgeschoss nicht errichtet werden dürfen. Schließlich kann in § 3 eine Vorläuferregelung des § 35 BauGB gesehen werden: In ihm ist festgelegt, dass bauliche Anlagen im Außenbereich lediglich genehmigt werden sollen, wenn die geordnete Entwicklung des Gemeindegebiets oder eine ordnungsgemäße Bebauung nicht entgegensteht. Auch wenn diese zitierten Beispiele auf eine sich verselbstständigende Materie des Bauplanungsrechts hinweisen, so findet eine strikte Trennung von planungs- und ordnungsrechtlichem Denken nicht statt. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Baugebiete durch das schon bekannte Instrument der Baupolizeiverordnung festgesetzt werden. Gleichwohl überwiegt die Feststellung, dass die Bauregelungsverordnung mit ihren Festsetzungsmöglichkeiten weit über das bis dahin bekannte Recht der Fluchtlinienausweisung hinausgeht.57 Die Nachkriegszeit war durch das bis dahin bestehende Nebeneinander von verschiedenen Plänen über Fluchtlinien, Baugebiete, Bauklassen oder Bauzonen geprägt und passte nicht zu der nunmehr dringendsten städtebaulichen Aufgabe des Wie55

Vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, A Rn. 17. Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. 2. 1936, RGBl. I S. 104. 57 Vgl. zu Einzelheiten der Bauregelungsverordnung Scharmer, Das Bebauungsrecht im unbeplanten Innenbereich, S. 24 f. 56

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deraufbaus. Aus diesen Überlegungen heraus wurde der Ruf nach einem einheitlichen Bauplanungsrecht laut und letztlich im Bundesbaugesetz von 1960 gesetzliche Wirklichkeit. Manifestiert wurde so jedoch auch die Trennung zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht. Dies lag nunmehr jedoch nicht am fehlenden gesetzgeberischen Willen, sondern vielmehr an der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung. Das Stichwort Kompetenz leitet zum nächsten Problempunkt über: Wenn das BauGB auf seine Eignung zur Abwehr terroristischer Bedrohungslagen hin untersucht werden soll, so stellt sich die Frage, ob die geltende Kompetenzordnung des Grundgesetzes dies überhaupt zulässt. Bleibt es bei der Grobeinteilung, dass die baurechtliche Gefahrenabwehr in ihrer Gesamtheit in die Zuständigkeit der Länder fällt, so verbliebe kaum Raum für Steuerungsmöglichkeiten des Bundes auf diesem Gebiet.

III. Die Abwehr terroristischer Bedrohungslagen durch Bauplanungsrecht aus kompetenzrechtlicher Sicht Ausgangspunkt für die kompetenzrechtliche Bewertung der Untersuchungsfrage sind die Art. 30 und 70 GG. Demnach sind die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft. Für das Recht zur Gesetzgebung konkretisiert Art. 70 Abs. 1 GG dies dahingehend, dass den Ländern das Recht der Gesetzgebung zusteht, soweit das Grundgesetz keine Zuständigkeit des Bundes begründet. Art. 70 Abs. 2 GG weist sodann darauf hin, dass sich die Abgrenzung zwischen den Kompetenzen nach den Vorschriften über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung bemisst. Die Beurteilung, inwieweit das Bauplanungsrecht zur Abwehr terroristischer Bedrohungslagen herangezogen werden kann, muss anerkennen, dass die Abwehr krimineller und terroristischer Gefahren im Rahmen der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsprävention grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder fällt58. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass speziell auf die Bodennutzung gerichtete Sicherheitsfragen auch durch den Bund geregelt werden könnten. Voraussetzung dafür ist eine Analyse der Bundeskompetenz für den Bereich des öffentlichen Baurechts. Das Bauplanungsrecht wird in den Kompetenzkatalogen der Art. 73 und 74 GG nicht als eigene Regelungsmaterie erwähnt. Jedoch besitzt der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG u. a. das Gesetzgebungsrecht für den städtebaulichen Grundstücksverkehr sowie das Bodenrecht.

58

Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 17.

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1. Das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 195459 § 97 BVerfGG a. F. gab Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung mit einem gemeinsamen Antrag das Recht, das Bundesverfassungsgericht um die Erstattung eines Rechtsgutachtens zu bitten. Im Vorfeld der Beratungen des Bundesbaugesetzes waren aus den Ländern Stimmen laut geworden, die Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes äußerten. Aus diesem Grund wurde auf Betreiben der Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt. Das Gericht setzt sich zunächst ausführlich mit der Ansicht der Bundesregierung auseinander, dass durch die Aufzählung der Punkte „Bodenrecht“, „Wohnungswesen“, „Siedlungs- und Heimstättenwesen“ sowie „Kriegsschäden und Wiedergutmachung“ unter Berücksichtigung eines korrigierenden Gesichtspunktes des Sachzusammenhangs das Baurecht als Gesamtmaterie dem Bund zugewiesen sei. Diesen Ansatz weist das BVerfG jedoch zu Recht zurück, in dem es eine geradezu schulmäßige Auslegung des Kompetenztitels vornimmt: Die Aufzählung mehrerer Materien in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG sei im Gegensatz eher dahin zu deuten, dass alle Materien völlig gleichgewichtig nebeneinander stehen. Solle zum Ausdruck gebracht werden, dass für ein Gebiet eine umfassende Kompetenz gegeben ist, so wähle das Grundgesetz dafür andere Formulierungen, wie etwa in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, dem Kompetenztitel für das Recht der Wirtschaft, gefolgt von einem Klammerzusatz, der die zugehörigen Sachmaterien auflistet oder in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, dem Titel für das Arbeitsrecht, gefolgt von einem Zusatz, welche Sachmaterien dabei mit umfasst sind.60 Im Anschluss an diese Wortlautauslegung wendet sich das Gutachten der Entstehungsgeschichte zu. Bereits in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung ist die Verwendung des Begriffs „Bauwesen“ im Sinne einer allumfassenden Materie beraten aber letztlich verworfen worden. Es sollten keine Zuständigkeiten des Reiches in dieser Richtung neu begründet werden.61 Der Parlamentarische Rat habe sich bei der Formulierung der Kompetenztitel im Wesentlichen an die in der Weimarer Reichsverfassung bestehenden Kataloge gehalten und auf Änderungen deutlich hingewiesen. Aus dem Umstand, dass Art. 10 Nr. 4 WRV, wie der heutige Art. 74 Abs. 1 GG auch, mehrere Materien (Bodenrecht, Bodenverteilung, Ansiedlungs- und Heimstättenwesen, Bindung des Grundbesitzes, Wohnungswesen, Bevölkerungsverteilung) nebeneinander nennt, schließt das BVerfG daher, dass auch der historische Grundgesetzgeber nicht von einer allumfassenden Bundeszuständigkeit für das öffentliche Baurecht ausgegangen ist.62 59 60 61 62

BVerfGE 3, 407. BVerfGE 3, 407 (413). BVerfGE 3, 407 (425) m. w. N. Vgl. BVerfGE 3, 407 (415).

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Auch die Herleitung einer Gesamtzuständigkeit aus den Begriffen „Wohnungswesen“ und „Siedlungswesen“ lehnt das Gericht ab: Selbst bei weiter Auslegung der Worte gäbe es keine Anzeichen dafür, dass eine Gesamtkompetenz begründet werden sollte. Dem Siedlungswesen gehe es um die Begründung neuer Wohnstätten in Verbindung mit der Zuteilung von Grund- und Boden zu landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Nutzung.63 Schließlich nimmt das Gutachten noch zur Frage einer Bundeskompetenz aus den Gesichtspunkten des Sachzusammenhangs sowie der Natur der Sache Stellung: Hierbei sei jedoch nicht erkennbar, dass die Materien des Bodenrechts, des Wohnungswesens, des Siedlungs- und Heimstättenwesens nicht geregelt werden könnten, wenn nicht auch das Baurecht als Ganzes mitgeregelt werden würde. Ferner sei die Regelung des Baurechts auch keine Materie, die sich unmittelbar aus der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes ergebe und diesem daher aus der Natur der Sache heraus dem Bund zugewiesen sei.64 Nachdem das Gericht so umfassend eine Allzuständigkeit des Bundes für das öffentliche Baurecht verneint hat, wendet es sich einzelnen Gutachtenfragen zu und bejaht für die städtebauliche Planung, die Baulandumlegung, die Bodenbewertung, das Bodenverkehrsrecht sowie das Erschließungsrecht die konkurrierende Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Für den zu untersuchenden Zusammenhang zwischen Sicherheitsbelangen und Bauplanungsrecht sind dabei insbesondere die Ausführungen zum Recht der städtebaulichen Planung von Bedeutung. Das BVerfG nimmt dazu zum Begriff des „Bodenrechts“ Stellung und führt aus: „Zur Materie „Bodenrecht“ gehören vielmehr nur solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln.“65 Städtebauliche Pläne regelten, ob und in welcher Weise der Eigentümer sein Grundstück nutzen darf, insoweit bestimme die städtebauliche Planung die rechtliche Qualität des Bodens und aus diesem Grund gehöre das städtebauliche Planungsrecht zum Bodenrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG.66 Hierauf aufbauend grenzt das Gutachten den Begriff jedoch in räumlicher Hinsicht zum Bodenrecht ab. Demnach umfasst das Bodenrecht das Recht der örtlichen Planung auf der Ortsstufe, sodass auch Pläne zur Festlegung der Flächenaufteilung im Allgemeinen vom Bodenrecht umfasst seien.67 Ohne den Begriff explizit zu nennen, sind so neben den Bebauungsplänen auch die Flächennutzungspläne von der Bundeskompetenz des Bodenrechts umfasst. Die Grenze der Planung auf der Ortsstufe verläut jedoch dort, wo nicht mehr von örtlicher Planung gesprochen werden kann, sondern vielmehr überörtliche Planung vorliegt. Die überörtliche Planung sei die 63 64 65 66 67

BVerfGE 3, 407 (416 f.). BVerfGE 3, 407 (420 – 423). BVerfGE 3, 407 (424). BVerfGE 3, 407 (425). BVerfGE 3, 407 (425).

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zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes, sodass nicht mehr von städtebaulicher Planung sondern von Raumordnung zu sprechen sei. Hierfür besitze der Bund jedoch nach Art. 75 Nr. 4 GG a. F. lediglich eine Rahmengesetzgebungsbefugnis.68 Die letzte Frage des Gutachtenauftrages bezieht sich darauf, ob dem Bund auch die Gesetzgebungskompetenz für das Baurecht im bisher gebräuchlichen Sinn zusteht. Damit stößt das Gutachten zu einer weiteren Kernfrage vor und muss die Frage beantworten, wo die Trennlinie zwischen Bundes- und Ländermaterie verläuft. Das Gericht greift hierbei zunächst auf seine Ausführungen zu Beginn des Gutachtens zurück: Demnach liegt keine Gesamtkompetenz des Bundes für das Baurecht vor, sodass nicht argumentiert werden kann, dass das Baupolizeirecht als Teilmaterie des Baurechts in der Zuständigkeit des Bundes liege. Vielmehr sei das Baupolizeirecht im herkömmlichen Sinn ein Bestandteil des Polizeirechts und als solches traditionell den Ländern zugewiesen. Das BVerfG erkennt von diesem Grundsatz eine Ausnahme an: Die Ordnungsgewalt sei ein Annex zu dem jeweiligen Sachgebiet, auf dem sie tätig wird. Daher habe der Bund auch das Recht, die spezial-polizeilichen Vorschriften zu den Gebieten zu erlassen, bei denen er über die Gesetzgebungskompetenz verfüge. Da jedoch kein einheitlicher Titel „Baurecht“ oder „Bauwesen“ vorhanden sei, könne auch über eine Annexkompetenz keine Zuständigkeit des Bundes für das Baupolizeirecht begründet werden. Weder finde sich ein entsprechender Kompetenztitel im Grundgesetz, noch lasse sich ein solcher durch Auslegung begründen.69 Die Aussagen des Baurechtsgutachtens können im Ergebnis wie folgt zusammengefasst werden: Der Bund besitzt die umfassende Kompetenz, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu Grund und Boden zu regeln. Das klassische Baupolizeirecht bleibt hiervon jedoch unberührt und weiterhin in der alleinigen Kompetenz der Länder. Auch in weiteren Stellungnahmen knüpft das BVerfG an diese aufgestellten Grundsätze an und bestätigt diese.70 2. Auslegung des Begriffs „Bodenrecht“ durch die Literatur Auch die Literatur legt den Begriff „Bodenrecht“ im dargestellten Sinne aus: Bodenrecht ist demnach der öffentlich-rechtliche Normbereich, der die rechtlichen Beziehungen zu Grund und Boden, insbesondere die Nutzbarkeit regelt. Den Kern des Bodenrechts bildet demnach das Bauplanungsrecht, „während das Bauordnungsrecht 68

Nach der Föderalismusreform I besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG mit der Möglichkeit der Länder, abweichende Regelungen zu treffen, Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG. 69 BVerfGE 3, 407 (433 f.). 70 Vgl. BVerfGE 34, 139 (144); 40, 261 (266); 56, 298 (311).

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als Sicherheitsrecht in alleiniger Landeszuständigkeit verbleibt.“71 Aus dieser Aussage könnte zwar der Schluss gezogen werden, dass es doch wieder das Bauordnungsrecht ist, welches für Sicherheitsbelange zuständig ist. Allerdings kann der Satz auch ohne diesen Ausschließlichkeitscharakter gewertet werden. Zu beachten ist ferner, dass der Ansatz, das bauplanungsrechtliche Instrumentarium sicherheitsrechtlich zu beleuchten, verhältnismäßig jung ist und den Kommentarautoren in dieser Form so nicht vor Augen stand. 3. Bewertung Für die Frage „Sicherheit durch Bauplanungsrecht“ ergeben sich hieraus folgende Konsequenzen: Kompetenzrechtlich ist zwingend zwischen dem Bauplanungs- und dem Bauordnungsrecht zu trennen. Auch ist der Sicherheitsbegriff bisher stets mit der ordnungsrechtlichen Seite des Baurechts in Verbindung gebracht worden. Die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ist jedoch ein wesentlicher Faktor in der rechtlichen Beziehung des Menschen zu dem von ihm bewohnten Grund und Boden. Daher war es dem Bund auch nicht verwehrt, diesen Gesichtspunkt in den Belangekatalog des § 1 Abs. 6 BauGB aufzunehmen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Sicherheitsbegriff dabei stets in seiner städtebaulich-planerischen Dimension zu begreifen ist. Bleibt diese Voraussetzung gewahrt, so sind keine kompetenzrechtlichen Hindernisse ersichtlich, die gegen eine Beleuchtung der Regelungen des BauGB unter dem Aspekt „Sicherheit“ sprechen. Die Feststellung, dass die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung weiterhin den Polizei- und Ordnungsbehörden der Länder obliegt, widerspricht dem nicht: Durch die eindeutige Zuständigkeitstrennung ist gewährleistet, dass jede Behörde lediglich mit dem ihr zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumentarien arbeitet: ordnungsbehördlich im Einzelfall mit den Mitteln der Ordnungsverfügung sowie planerisch-abwägend-vorausschauend mit den Mitteln des Planungsrechts. Hierbei treten Überschneidungen auf: Selbstverständlich wendet auch die Bauordnungsbehörde z. B. im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens die planungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 29 ff. BauGB an. Dies ist jedoch lediglich Folge des Grundsatzes, dass es grundsätzlich die Länder sind, die die Bundesgesetze als eigene Aufgabe ausführen und führt nicht dazu, dass Bundesgesetzgebungskompetenzen eingeschränkt werden.

71 So ausdrücklich Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 73. Weiterhin Bothe, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 74, Rn. 39; Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 201; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 86; Kunig, in: von Münch/ders. (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Art. 74 Rn. 82, 84.

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IV. Die Berücksichtigung von terroristischen Bedrohungslagen in der Bauleitplanung 1. Der Brückenmechanismus des § 1 Abs. 4 BauGB Die Diskussion um Katastrophen- und Risikovorsorge im Raumordnungsrecht hat deutlich gezeigt, dass das Raumordnungsrecht viel stärker als das Recht der Bauleitplanung für die Berücksichtigung von Risikobelangen sensibilisiert ist. In dem Maße, in dem sich jedoch die Diskussion im Recht der Raumordnung intensiviert, kann sich auch die Bauleitplanung diesem Themenfeld nicht mehr verschließen. Dies folgt aus dem Brückenmechanismus des § 1 Abs. 4 BauGB, der bestimmt, dass die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. a) Inhalt der Anpassungspflicht Eine Norm wie § 1 Abs. 4 BauGB ist nötig, um die verschiedenen Ebenen der Planung miteinander zu vernetzen. Es wäre sinnlos, wenn die verschiedenen Raumordnungspläne auf der Ebene des Bundes, der Länder und der regionalen Planungsverbände isoliert von den konkreten örtlichen Planungen der Gemeinden bestehen würden. Zur Durchsetzung von überörtlichen Planungszielen ist die Raumordnung geradezu auf die örtliche Bauleitplanung angewiesen, denn nur durch die gemeindliche Bauleitplanung werden die Ziele der Raumplanung wirksam, nur auf diesem Weg entfalten sie Außenwirkung.72 Ziele der Raumordnung sind entsprechend der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Entscheiden sich demnach Länder oder Teilräume in ihren landesweiten Raumordnungsplänen oder in ihren Regionalplänen etwa den Schutz von kritischen Infrastrukturen, der wie dargestellt auf der Ebene des Bundes lediglich als Grundsatz der Raumordnung eingestuft ist, zu einem Ziel der Raumordnung fortzuentwickeln, so bindet dies die örtlich planende Gemeinde unmittelbar. b) Voraussetzungen der Anpassungspflicht Die Normierung eines Ziels der Raumordnung durch den überörtlichen Planungsträger führt jedoch nicht automatisch die Anpassungspflicht der Gemeinden herbei. Vielmehr sind bei der Formulierung der Planungsziele bestimmte Grundsätze zu beachten: Wichtigste Voraussetzung für die Wirksamkeit der Raumordnungsziele ist ihre hinreichende Konkretisierung unter Beachtung ihrer Grenzen: Zum einen 72

Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 40.

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müssen die Ziele der Raumordnung verbindliche Festlegungen als Mindestanforderungen an die Bauleitplanung enthalten, um die erforderliche Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB entscheidend steuern zu können. Diese Konkretisierung darf auf der anderen Seite jedoch auch nicht zu detailliert ausfallen, da sie sich nur auf den Bereich der Raumordnung beschränken können und keinesfalls in den Bereich des Bodenrechts vordringen dürfen. Insoweit bedürfen die Ziele der Raumordnung auch der inhaltlichen Ausgestaltung durch die gemeindliche Bauleitplanung.73 Die inhaltliche Verbindlichkeit von Zielen der Raumordnung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die gebräuchlichen Ist- oder Sind-Formulierungen verwendet werden.74 Schließlich muss die Festlegung der Ziele das in den Landesplanungsgesetzen festgelegte Verfahren durchlaufen haben. c) Auslösen von Erstplanungs- und Änderungspflichten Neu aufgestellte Ziele der Raumordnung, die sich der Sicherheit, der Risikovorsorge oder konkret der Sicherung von kritischen Infrastrukturen widmen, können für die betroffenen Gemeinden in Gebieten, in denen bislang keine Bebauungspläne bestanden, Erstplanungspflichten und in Bereichen, die bereits durch Bebauungspläne gekennzeichnet sind, Änderungspflichten auslösen. Von besonderem Interesse sind dabei die Erstplanungspflichten. Sie sind ein spezieller Ausfluss der Anpassungspflicht. Die spezielle Frage der Planungspflicht soll hier jedoch noch nicht weiter vertieft werden, sondern an späterer Stelle wieder aufgegriffen werden.75 2. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB – Die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung Nach diesen Ausführungen stellt sich nunmehr die Frage, welchen Beitrag das Bauplanungsrecht zur Abwehr terroristischer Gefahren leisten kann. Dabei drängt sich zunächst die Frage auf, ob die Abwehr des Terrorismusrisikos vom BauGB zu berücksichtigen ist. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung zum türkischen Konsulat 73

Vgl. zu diesem Wechselspiel Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 39. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die sogenannten „Soll-Ziele“. Derartige Zielvorgaben sind grundsätzlich einzuhalten, lediglich in einem atypischen Ausnahmefall kann von ihnen abgewichen werden. Ob die Formulierung von Soll-Zielen zulässig ist oder gegen das Gebot einer möglichst hohen Bestimmtheit planerischer Vorgaben verstößt, ist umstritten. Nach der Rechtsprechung des BVerwG erfüllen Soll-Ziele dann die Voraussetzungen von Zielen der Raumordnung, wenn die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Vorschrift auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme von der Zielbindung zulässt, im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans hinreichend bestimmt oder bestimmbar sind (BVerwG, ZUR 2011, 320 [321]). 75 Siehe 3. Kapitel unter B. IV. 8. a). 74

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in Karlsruhe die Berücksichtigung derartiger Risiken dem Sicherheitsbelang des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB zugeordnet. Demnach sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohnbevölkerung zu berücksichtigen. Eine Auslegung des Sicherheitsbegriffs hat das Gericht dabei jedoch nicht vorgenommen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Verwendung des Wortes „Sicherheit“ sich auch auf terroristische Einwirkungen von außen bezieht oder lediglich als Unterfall der gesunden Wohnverhältnisse zu verstehen ist. In der Literatur findet sich oftmals eine derartige Verkürzung, indem Gesundheits- und Sicherheitsaspekte zusammen erörtert werden und keine Differenzierung erfolgt.76 Auch umfangreichere Darstellungen interpretieren den Sicherheitsbegriff vorrangig unter Rekurs auf das Immissionsschutzrecht ohne die weiteren Dimensionen darzustellen.77 Dass der Sicherheitsbegriff jedoch eine eigenständige Bedeutung hat, soll Gegenstand einer klassischen Auslegung sein. a) Grundsätze zur Auslegung der Planungsleitlinien in § 1 Abs. 6 BauGB Vor einer Auslegung stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Planungsleitlinien des § 1 Abs. 6 BauGB überhaupt einer Auslegung zugänglich sind oder ob der planenden Gemeinde Beurteilungsspielräume in Bezug auf die begriffliche Ausfüllung zuzugestehen sind. Dies wird vom BVerwG jedoch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt. Bereits im Jahr 1969 stellte das BVerwG klar, dass sowohl die Planungsgrundsätze in § 1 Abs. 5 BauGB n. F. als auch die Planungsleitlinien § 1 Abs. 6 BauGB n. F. unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen, die keinem Beurteilungsspielraum der Gemeinde unterliegen.78 Es sind v. a. zwei Begründungen, mit denen das Gericht diese Ansicht begründet. Das Gericht sieht keine der anerkannten Fallgruppen zum Beurteilungsspielraum bei unbestimmten Rechtsbegriffen als einschlägig an79, insbesondere sei die Auslegung der Planungsleitlinien keine Tätigkeit, für die die Gemeinde eine besondere Sachkunde in Anspruch nehmen könne. Die zweite Begründungslinie folgt nach Auffassung des BVerwG aus Grundsätzen der Rechtskontrolle im Zusammenhang mit der Eigentums- und der daraus folgenden Baufreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG. Im Flachglasurteil von 1974 führt das Gericht hierzu aus, dass die Normen der Bauleitplanung lediglich dann als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG dienen könnten, wenn sie in

76 Vgl. z. B. Boeddinghaus, Die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, BauR 2009, 586 ff. oder Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, BauGB, § 1 Rn. 59 f. 77 Vgl. etwa W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, § 1 Rn. 93 ff. 78 BVerwGE 34, 301 (308). 79 Dazu siehe nur Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 V 2 Rn. 48 ff.

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einem Höchstmaß dessen, was sich erreichen und vertreten lässt, rechtlich gebunden und auch kontrollierbar sind.80 In der Literatur wird diese einseitige Ausrichtung der Planungsleitlinien auf gerichtliche Kontrollmaßstäbe kritisiert, sie sollten vielmehr in ihrer Funktion als Handlungsmaßstäbe für die Verwaltung betrachtet werden.81 Dies ändert jedoch nichts an den grundsätzlichen Erwägungen des BVerwG, dass § 1 Abs. 6 BauGB einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle und Auslegung ohne Anerkennung eines gemeindlichen Beurteilungsspielraums zugänglich ist. b) Wortlautauslegung Die Wortlautauslegung markiert sowohl den Beginn als auch die Grenze jeder Gesetzesauslegung.82 Die Brockhaus-Enzyklopädie führt den Terminus „Sicherheit“ als Schlüsselbegriff und legt die sich über verschiedene Stationen führende Entwicklungsgeschichte des Begriffes dar: Als animi securitas bezog er sich in der antiken römischen Literatur zunächst auf den inneren Seelenfrieden des Individuums. Erst später im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde er zu einer politischen Leitidee im Sinne der pax romana und so auch auf die äußere Sicherheit bezogen. Die Vorstellung von Sicherheit wird heute mit den Begriffen Geborgenheit, Schutz, Risikolosigkeit, Gewissheit und Verlässlichkeit verbunden. Weitere Konnotationen sind Selbstbewusstsein, Vertrauen, Geschicklichkeit sowie Verfügbarkeit, Garantiertheit, Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Haltbarkeit. Der Absatz schließt mit den Worten: „Als Gegenbegriff verweist Sicherheit auf Gefahr, Risiko, Unordnung und v. a. Angst“.83 Schon dieses allgemeine Begriffsverständnis nach dem Alltagssprachgebrauch weist auf die enge Beziehung zu den für die Untersuchung zentralen Begriffen Risiko und Gefahr hin. Sicherheit zielt auf Vermeidung von Risiken. Interessant ist auch der Bezug zu den Termini „Voraussehbarkeit“ und „Berechenbarkeit“, die bereits auf die planende und vorsorgende Dimension der Gewährung von Sicherheit zielen. Als Ergebnis der Wortlautauslegung ist daher festzuhalten, dass die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung im Sinne des BauGB ein Konzept umfassen muss, das etwaige Risiken ermittelt und auch durch planerische Elemente ein bestmögliches Sicherheitsniveau erreicht.

80

BVerwGE 45, 309 (324). Vgl. Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 27; dazu auch Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 98. 82 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 141 ff. 83 Brockhaus Enzyklopädie, 20. Band, Stichwort Sicherheit, S. 227 f. 81

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c) Historische Auslegung Im Bundesbaugesetz (BBauG) von 1960 findet sich noch kein derart ausdifferenzierter Belangekatalog, wie es heute in § 1 Abs. 6 BauGB der Fall ist. Jedoch ist ein erster Ansatz hierzu in § 1 Abs. 3 S. 2 BBauG zu finden: „Die Bauleitpläne haben sich unter gerechter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange nach den sozialen, kirchlichen und kulturellen Erfordernissen der Bevölkerung, insbesondere ihrer Sicherheit und Gesundheit, zu richten, die Bedürfnisse der Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs und der Verteidigung zu beachten sowie der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu dienen (…)“. Besonders interessant ist hierbei die ausdrücklich Hervorhebung der Sicherheit der Bevölkerung, nach der sich die Bauleitplanung „insbesondere“ zu richten hat. Ebenfalls fällt auf, dass das Sicherheitserfordernis noch vor der Erwähnung der Gesundheit der Bevölkerung genannt wird. Dieses Verhältnis hat sich in der heute geltenden Fassung umgedreht. Weiterhin werden Sicherheit und Gesundheit betont. Beide Belange stehen durch die Aneinanderreihung gleichberechtigt nebeneinander, ein Über- oder Unterordnungsverhältnis ist nicht erkennbar. Erhellend ist weiterhin die Gesetzesbegründung zu § 1. Zum Sicherheitsbelang heißt es: „Die Berücksichtigung der Sicherheit bei der Aufstellung der Bauleitpläne schließt auch die Belange des Luftschutzes ein“.84 Diese Hervorhebung des Luftschutzaspektes ist vor dem Hintergrund der weitreichenden Zerstörung der Städte durch Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs und aus dem Bedrohungsszenario durch den Kalten Krieg verständlich. Deutlich wird daher, dass der historische Gesetzgeber den Sicherheitsaspekt umfassend versteht und ausdrücklich auch den Schutz vor kriegerischen Einwirkungen vor Augen hatte. d) Systematik Im Folgenden soll untersucht werden, welcher Regelungsinhalt dem Sicherheitsbegriff durch seine Stellung im Normgefüge des BauGB beigemessen werden kann. Die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ist dabei Teil des ersten städtebaulichen Belanges, steht aber gleichwohl nicht an der ersten Stelle des Satzes, sondern im zweiten Teilsatz. Das hieraus jedoch kein Unter-Überordnungsverhältnis folgt, ist im Rahmen der historischen Auslegung klar gestellt worden. Aus der Positionierung des Sicherheitsbegriffes an Nummer 1 des Belangekataloges darf jedoch auch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine bestimmte Gewichtung des Belangs vorgenommen worden ist, etwa in dem Sinne, dass Sicherheitserwägungen stets und ohne Ansehung des Einzelfalls einen Vorrang einnehmen würden. Der Belangekatalog ist insofern neutral zu bewerten. Eine Gewichtung mit Benennung von vor- und nachrangigen Belangen soll erst im Prozess der Abwägung vorgenommen werden.85 84 85

BT-Drs. 3/336, S. 62. Vgl. Krautzberger, in: E/Z/B/K, BauGB, § 1 Rn. 112; s. auch BT-Drs. 10/4630, S. 61.

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Allerdings soll der Aufzählung durchaus eine gewisse Akzentuierung entnommen werden können, welche Anliegen die städtebauliche Planung insbesondere verfolgt.86 Durch die gesetzgeberische Positionierung wird somit deutlich, dass der Gesetzgeber der Frage der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung besondere Bedeutung beigemessen hat. Festzuhalten bleibt daher, dass die Gesetzessystematik einem umfassenden Verständnis des Sicherheitsbegriffs nicht entgegensteht. Im Gegenteil verpflichtet die besondere Akzentuierung des Sicherheitsbelangs an erster Stelle des Belangekatalogs dazu, den Begriff auf die jeweils aktuellen Sicherheitserfordernisse und damit auch auf Einwirkungen von außen zu erweitern. e) Teleologische Auslegung Eine Stütze kann diese Auslegung finden durch die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Sicherheitsbegriffes. Erhellend ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Rechtsprechung. So hat sich der Bundesgerichtshof in seinen amtshaftungsrechtlichen Entscheidungen zur Altlastenproblematik intensiv mit Amtspflichtverletzungen von planenden Gemeinden im Zusammenhang mit der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung auseinandergesetzt. aa) Ausgangspunkt: Amtshaftung wegen fehlerhafter Bebauungspläne Die amtshaftungsrechtliche Diskussion um den Schutz- und Sicherheitsbegriff im Rahmen der Bauleitplanung nahm ihren Anfang in der Diskussion um die Verletzung drittschützender Amtspflichten im Verfahren der Aufstellung von Bebauungsplänen. In der älteren amtshaftungsrechtlichen Rechtsprechung des BGH war noch der Grundsatz herrschend, dass der Erlass von Normen des Planungsrechts, wie jede andere Rechtsetzung auch, nur gegenüber der Allgemeinheit erfolge und somit gerade keine Rechte des Einzelnen begründet würden und ein allgemeiner Entschädigungsanspruch aufgrund normativen Unrechts nicht bestehe87. In der Folgezeit wurde diese Rechtsprechung jedoch für die Bauleitplanung differenzierter betrachtet: Während bei der bloßen Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften an dem dargestellten Grundsatz festgehalten wird, dass die Amtspflicht zur Einhaltung dieser Vorschriften lediglich gegenüber der Allgemeinheit besteht, kann sich der notwendige Drittbezug aufgrund materieller Vorschriften des Bauplanungsrechts ergeben. Die Planbetroffenen im Geltungsbereich eines erlassenen Bebauungsplans sind gegenüber Bürgern außerhalb des Plangebietes in einer besonderen Position, da sie direkt und unmittelbar von den Festset86

Krautzberger, in: E/Z/B/K, BauGB, § 1 Rn. 108. BGH, NJW 1971, 1172 (1173 f.); BGH, NJW 1988, 478 (480); BGH, Urteil vom 30. 1. 1975, Az.: III ZR 18/72 Rn. 38-juris. 87

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zungen des Planes betroffenen sind. Aufgrund dieser besonderen Beziehung zwischen der planenden Gemeinde und den Planbetroffenen hat der BGH von dem Grundsatz, dass Normen des Planungsrechts grundsätzlich nur gegenüber der Allgemeinheit ergehen, eine Ausnahme gemacht.88 Dies führt jedoch auch noch nicht automatisch zu der Annahme, dass ein Amtshaftungsanspruch begründet ist. Vielmehr setze das Erfordernis der Drittgerichtetheit der Amtspflichtverletzung voraus, dass auch im Einzelfall das beeinträchtigte Interesse vom Schutzzeck der verletzten Amtspflicht umfasst sei.89 Dieses Erfordernis hat der BGH in den sogenannten Altlastenfällen als erfüllt angesehen. Unter dieser Bezeichnung werden eine Reihe von Fallgestaltungen zusammengefasst, in denen Gemeinden konterminierte Flächen wie z. B. ehemalige Mülldeponien neu beplant haben und die betroffenen Eigentümer später die Kosten der Dekontermination von den Gemeinden ersetzt verlangten.90 Die Drittschutzargumentation stützt sich dabei im Wesentlichen auf die gesunden Lebensverhältnisse der Wohn- und Arbeitsbevölkerung in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB. Im Schrifttum ist diese Argumentationslinie weitgehend anerkannt, lediglich Runkel spricht sich dagegen aus und hält an der Auffassung fest, dass ein Bebauungsplan nicht unmittelbar Baurechte verleihe, sondern lediglich im öffentlichen und privaten Interesse Nutzungen ermögliche.91 Diese Auffassung ist jedoch als zu einengend abzulehnen. Aus dem Zusammenspiel von § 1 Abs. 6 Nr. 1 und § 1 Abs. 7 BauGB ergibt sich, dass die Sicherheitsbelange mit den anderen ermittelten privaten und öffentlichen Belangen gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Hieraus ergibt sich das drittschützende Recht sowohl auf Ermittlung als auch auf Abwägung von Gefahrenlagen. Im Folgenden soll daher ein kurzer Blick über die Rechtsprechung gegeben werden. So nahm der BGH in einem Urteil aus dem Jahr 1989 Stellung zu einem Bebauungsplan, der auf einer ehemaligen Abfalldeponie eine zweigeschossige Wohnbebauung festsetzte. Nach den Ausführungen des Gerichts gebietet es die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung dabei, „dass die Gemeinde schon bei der Planung und nicht erst bei der bauordnungsrechtlichen Prüfung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens Gefahrensituationen ermittelt und in die planerische Abwägung einstellt, die als Folge der Planung, d. h. durch die an sie anknüpfende Entfaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte im Gemeindegebiet, entstehen oder verfestigt werden können. Gefährdungen, die durch eine Überplanung von mit Altlasten behafteten Flächen für die Gesundheit von Menschen oder die Standsicherheit

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BGH, NJW 1983, 215 (216 f.). Vgl. BGH, NJW 1983, 215 (216). 90 Zur Altlastentrechtsprechung Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 257; Schieferdecker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 19 Rn. 6 ff.; Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 933 ff. 91 Runkel, in: E/Z/B/K, BauGB, Vorb. §§ 39 – 44 Rn. 69. 89

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von Bauwerken entstehen können, hat die Gemeinde daher bei der Zusammenstellung des Planungsmaterials aufzuklären.“92 Die Normierung der Sicherheitsbelange legt so für die planende Gemeinde einen Planungsmaßstab in Form von Mindeststandards an, die nicht unterschritten werden dürfen. Die Sicherheitsbelange beziehen sich eben nicht nur auf die Standsicherheit des Gebäudes, sondern gehen weit darüber hinaus, indem Gefahrensituationen in der gesamten Umgebung zu ermitteln und in die nachfolgende Abwägung einzustellen sind.93 bb) Ausweitungen der Altlastenrechtsprechung Den angesprochenen Aspekt des Schutzes vor der Umgebung94 greift der BGH in einer Entscheidung von 199995 wieder auf. Dem Rechtsstreit zugrunde lagen mehrere Bergstürze in einem Abbaugebiet für Braunkohle. Der BGH knüpft an die dargestellte Argumentation in den Altlastenfällen an und überträgt diese auch auf diesen Sachverhalt. Auch im Fall von Überschwemmungsgefahren sieht der BGH einen Amtshaftungsanspruch gegeben, wenn bei der Planung und Erstellung der für ein Baugebiet notwendigen Entwässerungsmaßnahmen Niederschlagswasser aus einem angrenzenden Gelände nicht berücksichtigt wird.96 In dogmatischer Hinsicht knüpft das Gericht hierbei jedoch nicht an die Altlastenrechtsprechung an, da das Niederschlagswasser keine Gefahr sei, die von Grund und Boden des Plangebiets, sondern aus benachbarten Weinbergen stamme. Gleichwohl habe die Gemeinde diese Gefahren in ihre Planungen einzustellen. Das Gericht betont dabei nochmals: „Dieses Gebot [die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung zu schützen; Anm. des Verf.] bezweckt auch den Schutz gerade der Personen, die in dem konkreten von der jeweiligen Bauleitplanung betroffenen Plangebiet wohnen werden. Diese Personen müssen sich, wie der Senat entschieden hat, darauf verlassen können, dass ihnen zumindest aus der Beschaffenheit des Grund und Bodens keine Gefahren für Leben und Gesundheit drohen.“97 Bejaht wurde ebenfalls eine drittschützende Amtspflicht der Gemeinde zur Abwehr von Hochwassergefahren98.

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BGHZ 106, 323 (326 f.). Vgl. BGHZ 106, 323 (326 f.). 94 Zu weiteren Fallgestaltungen, in denen Planbetroffene vor der Umgebung zu schützen sind Ingold/Lenski, Umgebungsschutz als Schutz vor der Umgebung, DÖV 2010, 797 ff. 95 BGHZ 142, 259 ff. 96 BGHZ 140, 380, 1. Leitsatz. 97 BGHZ 140, 380 (390). 98 BGH, ZfBR 2008, 678 (680). 93

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Aufschlussreich ist weiterhin ein amthaftungsrechtliches Urteil des BGH aus dem Jahr 198999: Eine Gemeinde hatte durch Bebauungsplan ein Wohngebiet ohne ausreichenden Abstand zu einem asbestverarbeitenden Betrieb ausgewiesen.100 Das Gericht bejaht eine Amtspflicht der Gemeinde, im Aufstellungsverfahren eines Bebauungsplans den Grundsatz der Trennung von miteinander unverträglichen Nutzungen im Sinne von § 50 BImSchG zu beachten. Die Begründung knüpft in diesem Fall wiederum an die Grundsätze der Altlastenrechtsprechung an. Für die Gemeinde habe die Verpflichtung bestanden, für die planerische Abwägung das Maß der Gefährdung durch den asbestverarbeitenden Betrieb für die Wohn- und Arbeitsbevölkerung zu ermitteln.101 Festzuhalten bleibt somit, dass die Altlastenrechtsprechung des BGH und ihre Erweiterungen auf weitere Gefahrenermittlungsdefizite einen wesentlichen Auslegungsschlüssel für den Sicherheitsbegriff in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB darstellen. In der Literatur ist es v. a. Gierke, der für ein umfassendes Verständnis des Sicherheitsbegriffes wirbt und zwischen Sicherheits- und Gesundheitsaspekten eindeutig trennt. Die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung werde gewährleistet durch die Behebung vorliegender Beeinträchtigungen, der Abwehr von Gefahren und drohenden Beeinträchtigungen, der Vorsorge gegenüber künftigen Gefahren sowie der Minimierung von Risiken.102 Die Bauleitplanung trägt daher nicht nur der Umweltsicherheit Rechnung, sondern bezieht u. a. auch Schutzbelange für Frauen (etwa durch Vermeidung von „Angsträumen“103) und Kinder (etwa in der Verkehrswegeplanung104) mit ein. Ausdrücklich nennt Gierke die Begriffe Gefahr, Gefahrenverdacht und Risiko in seiner Erörterung des Sicherheitsaspektes und bejaht hiervon ausgehend auch die Berücksichtigung von Terrorrisiken, wenn sie aufgrund vorliegender Erfahrungen nicht auszuschließen seien.105 Somit gelangt auch die teleologische Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Sicherheit neben dem Gesundheitsbegriff eine eigenständige Bedeutung besitzt und alle bodenrechtlich relevanten Gefahr- und Risikosituationen umfasst, die von außen einwirken können. Ergeben hat sich außerdem, dass die dargestellten Ermittlungspflichten im Bereich der Sicherheit der Wohnbevölkerung wesentlich für die gemeindliche Abwägung sind. Dieser Aspekt wird an entsprechender Stelle vertieft.106 99

BGHZ 110, 1 ff. = NJW 1990, 1042 ff. Vgl. auch Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 258. 101 BGH, NJW 1990, 1042 (1043). 102 Gierke, in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, § 1 Rn. 564. 103 Vgl. dazu Wallraven-Lindl/Beller-Schmidt, Frauenbelange in der verbindlichen Bauleitplanung, BauR 1992, 549 (553). 104 Vgl. Gierke, in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, § 1 Rn. 571. 105 Gierke, in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, § 1 Rn. 587. 106 Siehe im 3. Kapitel unter B. IV. 6. 100

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3. § 1 Abs. 6 Nr. 10 BauGB – Die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes Ein weiterer Beleg dafür, dass das Bauplanungsrecht dem Sicherheitsbegriff aufgeschlossen gegenübersteht, zeigt sich darin, dass das BauGB wie auch schon das ROG ausdrücklich die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes als abwägungserhebliche Belange nennt. Spezialgesetzlich verwirklicht werden diese Belange durch das Landbeschaffungs- und durch das Schutzbereichgesetz. Vorhaben der Verteidigung und des Zivilschutzes genießen auch an anderer Stelle eine privilegierte Stellung. So ist im Rahmen von § 37 Abs. 2 BauGB bei einem Vorhaben, das von den Vorschriften des BauGB aufgrund seiner öffentlichen Zweckbestimmung abweichen will und das der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dient, lediglich die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich. Weiterhin steht der Gemeinde nach § 26 Nr. 2a BauGB abweichend von den §§ 24, 25 BauGB kein Vorkaufsrecht zu, wenn das Grundstück von einem öffentlichen Bedarfsträger für Zwecke der Landesverteidigung, der Bundespolizei, der Zollverwaltung, der Polizei oder des Zivilschutzes gekauft wird. Ferner ist eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB nicht auf Grundstücke zu beziehen, die dem Zweck eines öffentlichen Bedürfnisträgers im Sinne von § 26 Nr. 2 BauGB dienen. § 172 Abs. 2 BauGB regelt darüber hinaus das weitere Verständigungsverfahren, wenn sich ein Grundstück eines öffentlichen Bedürfnisträgers im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung befindet. Ebenfalls finden Baugebote im Sinne der §§ 176 ff. BauGB keine Anwendung. Im Folgenden soll insbesondere auf die wenig bekannten Regelungen des Schutzbereichs- und des Landbeschaffungsgesetzes eingegangen werden, um den aufgezeigten Zusammenhang zwischen Bauplanungsrecht und Sicherheits-, Verteidigungs- sowie Zivilschutzbelangen aufzuzeigen. a) Das Schutzbereichgesetz Weitreichende Befugnisse räumt das schon erwähnte Schutzbereichgesetz (SchBerG) vom 7. Dezember 1956 den Wehrbehörden ein. Das Gesetz dient laut Zweckbestimmung in § 1 Abs. 2 SchBerG dem Schutz und der Erhaltung der Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen. Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 SchBerG ist Schutzgebiet ein Bereich, in dem die Benutzung von Grundstücken auf Grund besonderer Anordnung der zuständigen Bundesbehörde für Zwecke der Verteidigung, insbesondere auch, um die Verpflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationierung und Rechtsstellung von Streitkräften auswärtiger Staaten im Bundesgebiet zu erfüllen, nach Maßgabe des Schutzbereichgesetzes beschränkt ist. Die §§ 1 Abs. 3, 2 und 9 SchBerG regeln das Verfahren zur Bestimmung eines Schutzbereiches: Durch Anordnung des Bundesministers der Verteidigung werden

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Gebiete zu Schutzbereichen erklärt. Die weitere Anordnung von Maßnahmen und sonstige Verwaltung eines Schutzbereiches obliegt den jeweiligen Wehrbereichsverwaltungen (§ 9 Abs. 2, 3 SchBerG). § 1 Abs. 3 SchBerG legt fest, dass die Landesregierung zu hören ist, wenn ein Gebiet zum Schutzgebiet erklärt werden soll. Die Landesregierung hört dazu ihrerseits die betroffene Gemeinde oder den Gemeindeverbund an und gibt eine Stellungnahme ab, die die Erfordernisse der Raumordnung, insbesondere die des Städtebaus, des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der landwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen angemessen berücksichtigt. Diese Stellungnahme ist jedoch nicht bindend. § 1 Abs. 3 S. 2 SchBerG drückt dies indirekt dadurch aus, dass der Bundesminister der Verteidigung die betreffende Landesregierung unterrichtet, wenn er von der Stellungnahme abweichen will. Die Schutzbereichsanordnung muss einen Plan über den Umfang des Schutzbereiches enthalten. Weiterhin ist die Anordnung den Eigentümern von Grundstücken im Schutzbereich und anderen daran obligatorisch oder dinglich Berechtigten bekannt zu geben (§ 2 Abs. 1 SchBerG). § 1 Abs. 4 SchBerG enthält die entscheidende materielle Voraussetzung für die Anordnung eines Schutzbereichs. Demnach ist die Erklärung eines Gebietes zum Schutzbereich nur dann möglich, wenn der mit dem Schutzbereich erstrebte Erfolg auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln erreicht werden kann. Die Vorschrift ist damit Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Weitere materielle Voraussetzungen sind nicht normiert. Innerhalb eines derart eingerichteten Schutzgebietes unterliegen bauliche Veränderungen nicht nur den Vorschriften des öffentlichen Baurechts sondern darüber hinaus der Genehmigungspflicht des § 3 SchBerG. Demnach bedürfen die Errichtung, Änderung oder Beseitigung von baulichen oder anderen Anlagen oder Vorrichtungen über oder unter der Erdoberfläche der Genehmigung. Weiterhin sind genehmigungspflichtig die Veränderung von Küsten, Inseln und Gewässern sowie die Veränderung der Bodengestaltung und Bodenbenutzung in anderer Weise mit Ausnahme der Landwirtschaft. § 3 Abs. 1 S. 2 SchBerG legt jedoch einschränkend fest, dass die Genehmigung nur versagt werden darf, soweit es zur Erreichung der Zwecke des Schutzbereiches erforderlich ist. Ferner können im Einzelfall Befreiungen von der Genehmigungspflicht zugelassen werden (§ 3 Abs. 2 SchBerG). Darüber hinaus gibt das Schutzbereichgesetz den Wehrbehörden noch weitergehende Eingriffsbefugnisse. So kann gemäß § 4 Abs. 1 SchBerG die landwirtschaftliche Nutzung der innerhalb des Schutzbereichs gelegenen Grundstücke, soweit es zur Erreichung der Zwecke des Schutzbereichs erforderlich ist, beschränkt werden. Hierbei muss jedoch zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und der landwirtschaftlichen Erzeugung unterschieden werden. Nach § 4 Abs. 2 SchBerG soll bei

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einer Beschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung auf die landwirtschaftliche Erzeugung Rücksicht genommen werden. Eine das Recht der öffentlichen Sachen betreffende Regelung enthält § 5 Abs. 1 SchBerG, indem die Möglichkeit eröffnet wird, soweit es zur Erreichung der Zwecke des Schutzbereichs dringend erforderlich ist, die Benutzung oder den Gemeingebrauch an Grundstücken und Gewässern auszuschließen oder einzuschränken. Spiegelbildlich zur Genehmigungspflicht für private Baumaßnahmen nach § 3 SchBerG legt § 6 SchBerG fest, dass die Eigentümer von Grundstücken innerhalb eines Schutzbereichs auf Verlangen der Wehrbehörde weitgehende Duldungspflichten in Bezug auf die bauliche Ausgestaltung der Grundstücke besitzen. So ist von ihnen zu dulden, dass bauliche oder andere Anlagen errichtet, unterhalten oder als ultima ratio auch beseitigt werden können (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SchBerG). Im Vergleich dazu ist die zweite gesetzlich normierte Duldungspflicht geradezu vernachlässigbar: Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 SchBerG ist die Anpflanzung oder Beseitigung von Wald oder anderem Aufwuchs zu dulden. Tritt der Ausnahmefall ein, dass die Beseitigung von baulichen Anlagen oder die Räumung von Wohnraum angeordnet wird, legt § 6 Abs. 2 SchBerG lapidar fest, dass den Bewohnern eine angemessene Räumungsfrist bei gleichzeitiger Sicherung einer anderweitigen Unterbringung zu gewähren ist. Diese weit reichenden Grundrechtseingriffe sind jedoch nicht entschädigungslos hinzunehmen: Der dritte Abschnitt des Schutzbereichgesetzes regelt die Entschädigung. Grundtatbestand ist dabei § 12 Abs. 1 SchBerG. Hiernach ist eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn dem Eigentümer oder einem anderen Berechtigten durch Maßnahmen des Schutzbereichgesetzes Vermögensnachteile entstehen. Bemessungsgrundlage für die Angemessenheit der Entschädigungsleistung sind unter gerechter Abwägung einerseits die gezogenen Nutzungen, die Beschädigung oder Zerstörung einer Sache sowie andererseits die Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten. aa) Einordnung Mit dem Schutzbereichgesetz hat der Bundesgesetzgeber ein wirksames Instrumentarium geschaffen, das der Durchsetzung und dem Schutz von Verteidigungsanlagen auch auswärtiger Staaten dient. Hierbei hat der Gesetzgeber seine Einschätzungsprärogative dahingehend ausgestaltet, dass er dem Schutz der Verteidigungsanlagen weitgehend den Vorrang gegenüber privaten und hier insbesondere wirtschaftlichen Interessen einräumt. Zwar steht die Anordnung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Die ausgeprägte Gewichtung der Verteidigungsbelange wird jedoch deutlich, sobald man sich die aufgezeigte starke Stellung des Bundesministers der Verteidigung im Planungsverfahren ansieht. Auf elegante Weise schafft es das Schutzbereichgesetz, sowohl am ROG als auch am BauGB vorbei, ein eigenes Planungsregime aufzustellen. Die Stellung der betroffenen Bundesländer und v. a. der

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Gemeinden ist denkbar schwach ausgestaltet. Der Bundesminister der Verteidigung hat die Landesregierung lediglich anzuhören. Auch die Gemeinden, die im Bereich von geplanten Schutzbereichen liegen, sind lediglich anzuhören. Die abzugebende Stellungnahme bindet den Verteidigungsminister nicht und auch die gerichtliche Kontrolle der Anordnung von Schutzbereichen ist lediglich auf eine Ermessenskontrolle beschränkt.107 Der gesamte planerische Abwägungsvorgang findet somit nicht im Rahmen von ROG und BauGB, sondern im Rahmen von § 1 Abs. 4 SchBerG statt. Somit sind die Verteidigungsbelange nicht auf das allgemeine Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB angewiesen. Mit dem Schutzbereichgesetz liegt folglich eine gesetzliche Regelung vor, die fast uneingeschränkt den Verteidigungsbelangen auch in der planerischen Abwägung den Vorrang einräumt. bb) Handhabung durch die Rechtsprechung Die Rechtsprechung beschäftigte sich v. a. unter zwei Aspekten mit dem Schutzbereichgesetz: zum einen aus dogmatischem Blickwinkel und zum anderen mit Fragen der Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlagen und der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte im Rahmen der Überprüfung von Schutzbereichsanordnungen. Das dogmatische Problem, das hier lediglich der Vollständigkeit halber wiedergegeben werden soll, beschäftigte sich mit der Frage, welche Rechtsnatur die Anordnung eines Gebietes zum Schutzbereich aufweist und damit verbunden die Bestimmung des statthaften Rechtsbehelfs gegen eine derartige Anordnung. Während die frühere Rechtsprechung des BVerwG seit dem Urteil vom 23. Oktober 1968108 davon ausging, dass die Schutzbereichsanordnung in Form einer Rechtsverordnung ergeht, hat sich das Gericht mit seinem Urteil vom 7. September 1984109 auf die Seite der Literatur110 geschlagen und stuft die Schutzbereichsanordnung seitdem als Allgemeinverfügung im Sinne von § 35 S. 2 VwVfG und somit als Verwaltungsakt ein. Für das Vorliegen einer Allgemeinverfügung sprächen demnach folgende Gesichtspunkte: Zum einen habe der Gesetzgeber in seiner amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für die Anordnung keine Rechtsverordnung notwendig sei, sondern eine Anordnung im Einzelfall ausreiche.111 Das BVerwG sieht die Schutzbereichsverordnung als vergleichbar mit einer

107 Hierauf weist insbesondere Tiemann, Die Schutzbereichsverordnung für Verteidigungsanlagen, NVwZ 1984, 759 (761) hin. 108 BVerwGE 30, 287 ff. 109 BVerwG, NVwZ 1985, 39. 110 Vgl. Franz, DVBl. 1969, 549 f. 111 BVerwG, NVwZ 1985, 39.

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Widmung an, da die Eigenschaft und Benutzbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Sache angeordnet und geregelt werde.112 Dieser Charakterisierung ist zuzustimmen, da der von einer Schutzbereichsanordnung betroffene Personenkreis – v. a. Gemeinden und Bewohner des Schutzbereichs – die rechtsschutzintensivere Anfechtungsklage als Rechtsbehelf wählen können und somit nicht mehr auf die bloß subsidiär zur Verfügung stehende Feststellungsklage verwiesen werden können.113 Von größerem Interesse für das Untersuchungsthema sind die Ausführungen der insoweit einheitlichen Rechtsprechung zur Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage sowie weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe in den Eingriffsregelungen des Schutzbereichgesetzes. Nach der erst jüngst ausdrücklich aufrechterhaltenen Rechtsprechung des BVerwG durfte der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zu diesen unbestimmten Rechtsbegriffen greifen, da es in der Natur der Sache liege, dass das Gesetz keine detaillierten Angaben darüber enthalte, wo und mit welcher Ausdehnung ein Schutzbereich anzuordnen sei, da der Schutzbereich abhängig von dem konkreten Verteidigungsvorhaben sei.114 Die unbestimmten Rechtsbegriffe des Schutzbereichgesetzes könnten unter Heranziehung der Zentralen Dienstvorschrift des Bundesministeriums der Verteidigung für „Schutzabstandsbestimmungen für den Umgang mit Munition“115, die insoweit als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften eingestuft wird, in ausreichendem Maße bestimmbar gemacht werden.116 Diese Dienstvorschrift enthält detaillierte Schutzabstandsbestimmungen, eingeteilt nach Gefahrenklassen für Gebäude, in denen in unterschiedlichem Ausmaß Munition gelagert wird. Die Abstände sind weiterhin danach zu bemessen, welche Arten der Raumnutzung und insbesondere Bebauung im Umkreis enthalten ist. Auch ein unscharfer räumlicher Geltungsbereich eines ausgewiesenen Schutzbereichs führe nicht zur gesamten Nichtigkeit des Schutzgebietes.117 Die Pflicht zur unmittelbaren Anhörung des Landes sowie zur mittelbaren Anhörung der betroffenen Gemeinde verpflichtet das Bundesministerium der Verteidigung zwar zu einer umfassenden Abwägung der so ermittelten widerstreitenden Belange. Wie bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung von anderen planerischen Abwägungsentscheidungen auch, ist die gerichtliche Kontrolle der Abwä112

BVerwG, NVwZ 1985, 39 (40). Vgl. zur Beurteilung der zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe in Reaktion auf die geänderte BVerwG-Rechtsprechung Thiemann, Neues zur Schutzbereichsanordnung für Verteidigungsanlagen, NVwZ 1985, 26. 114 BVerwG, ZfBR 2010, 199 unter Bezugnahme auf BVerwGE 30, 287. 115 ZDv 34/230. 116 BVerwG, ZfBR 2010, 199. 117 BVerwG, Buchholz 406.34 § 2 SchBG Nr 3. 113

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gungsentscheidung jedoch auf die Fehlgewichtung von Belangen (Abwägungsdisproportionalität) beschränkt. Die planerische Grundentscheidung, einen Schutzbereich einzurichten und aufrechtzuerhalten, ist demgegenüber gänzlich der gerichtlichen Kontrolle entzogen, da es sich insoweit um eine militärstrategische Entscheidung handelt, die dem weiten verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum des Verteidigungsministeriums unterliegt.118 Dieser starke Schutz von Verteidigungsbelangen wird durch die Rechtsprechung auch in den Fällen aufrechterhalten, in denen ein Eigentümer eines Grundstücks innerhalb eines Schutzbereichs eine Genehmigung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchBerG für die Errichtung einer baulichen Anlage beantragt. Dies zeigt sich beispielsweise in einem Fall, der im Jahr 2007 durch das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein entschieden worden ist: Innerhalb eines Schutzbereiches beabsichtigte der Eigentümer eines Grundstücks die Errichtung eines Campingplatzes für 50 Wohnmobile. Die zuständige Wehrbereichsverwaltung versagte jedoch die erforderliche Genehmigung, da sich in der Nähe des beabsichtigten Platzes ein Munitionslager befinde.119 Das Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Wehrbehörde. Die Wirksamkeit der Verteidigungsanlage in Form des Munitionsdepots stünde der Genehmigung entgegen. Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Wirksamkeit einer Verteidigungsanlage“ zog das Gericht wiederum die zentrale Dienstvorschrift ZDv 34/230 heran, die bei einem Munitionslager in der Nähe zu einer baulichen Anlage, die dem bestimmungsgemäßen Aufenthalt von Personen diene, einen bestimmten Schutzabstand oder eine Reduzierung des Waffenbestandes vorsieht. Eine derartige Munitionsreduktion beeinträchtige jedoch die Wirksamkeit der Verteidigungsanlage, da hierfür ihr ungehinderter Einsatz sowie die volle Ausnutzung ihrer Wirkungen gehörten. Ferner sei, auch wenn dieser Schutzzweck nicht unmittelbar im Wortlaut des Schutzbereichgesetzes verankert sei, auch der Schutz der umliegenden Bevölkerung eine zulässige Erwägung, mit der eine Genehmigung versagt werden könne.120 Weiterhin setzt sich der Schutzzweck der bestmöglichen Wirksamkeit einer Verteidigungsanlage auch gegenüber dem Bau von Windkraftanlagen in einem Schutzbereich durch. In einem durch das OVG Münster entschiedenen Fall hatte ein Unternehmen in einem Schutzbereich zunächst ohne die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchBerG erforderliche Genehmigung zwei Windkraftanlagen im Abstand von

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So ausdrücklich VGH Mannheim, Urteil vom 18. 2. 2009, Az.: 1 S 893/08, Rn. 49-juris. Für die Einzelheiten des Tatbestandes siehe VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. 12. 2007, Az.: 12 A 158/06, Rn. 1-16-juris. 120 Zum Ganzen VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. 12. 2007, Az.: 12 A 158/06, Rn. 31-juris. 119

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1,6 km zu einer Radaranlage errichtet. Daraufhin angerufen, versagte die zuständige Wehrbereichsverwaltung die Genehmigung.121 Das OVG hielt die Versagung für rechtmäßig, da nach den Feststellungen des Gerichts die Radaranlage durch die Windkraftanlage im Umfang von 10 % in ihrer Reichweite vermindert war. Schon dieser kursorische Überblick zeigt, welchen hohen Stellenwert die Rechtsprechung den Verteidigungsanlagen und den daraus resultierenden Verteidigungsbelangen beimisst. Für den Untersuchungsgegenstand ist damit ein weiterer Beleg für die These gefunden, dass die Abwehr von Bedrohungen, gleich welcher Art sie auch sein mögen, eben nicht nur durch das Polizei- und Ordnungsrecht, sondern gerade auch durch fachgesetzliche Planungs- und Eingriffsnormen bewältigt werden kann. b) Das Landbeschaffungsgesetz Flankiert wird das Schutzbereichgesetz durch das Gesetz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung (Landbeschaffungsgesetz – LBG) vom 23. Februar 1957. aa) Systematik Das Gesetz ermächtigt den Bund in § 1 Abs. 1 LBG in sechs Fällen ihm nicht gehörende Grundstücke zu beschaffen. Diese Landbeschaffung, die als ultima ratio im Wege der Enteignung zulässig ist, steht dem Bund zur Verfügung, wenn er Grundstücke für Zwecke der Verteidigung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 LBG), zur Erfüllung von Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationierung und Rechtsstellung von Streitkräften auswärtiger Staaten im Bundesgebiet (Nr. 2), zur Gewährung von Entschädigung in Land als Ausgleich für nach Nr. 1 entzogene Grundstücke (Nr. 3), zur Verlegung oder Errichtung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen im unmittelbaren Zusammenhang mit Maßnahmen nach den Nummern 1, 2 oder 3 (Nr. 4), zur Unterbringung von Personen, Betrieben und öffentlichen Einrichtungen, die wegen der Verwendung bundeseigener Grundstücke für Zwecke nach den Nummern 1 und 2 notwendig ist (Nr. 5) sowie zur Verlegung von Anlagen oder Einrichtungen der Verteidigung (Nr. 6) benötigt. Mit fast identischem Wortlaut wie in § 1 Abs. 3 SchBerG regelt § 1 Abs. 2 LBG die Beteiligungs- und Anhörungsrechte der betroffenen Landesregierung sowie der Gemeinde. In einer Stellungnahme hat die Landesregierung nach Anhörung der Gemeinde die Erfordernisse der Raumordnung sowie des Städtebaus neben weiteren Belangen lediglich angemessen zu berücksichtigen. Wie schon angedeutet, ist die Enteignung der betroffenen Grundstückseigentümer erst als ultima ratio möglich. Zunächst ergibt sich aus § 2 LBG die Verpflichtung, die 121 Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts siehe OVG Münster, Urteil vom 19. 2. 2001, Az.: 11 A 5502/99, Rn. 1-21-juris.

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benötigten Grundstücke im Wege des freihändigen Ankaufs zu erwerben. Der Eigentümer kann weiterhin nach § 2 Satz 2 LBG den Bund bitten zu prüfen, ob nicht durch die Einräumung eines Nutzungsverhältnisses der beabsichtigte Zweck ebenso gut erreicht werden kann. Hierauf aufbauend enthält § 3 LBG Hinweispflichten für den Bund, die bei den Verhandlungen mit den betroffenen Eigentümern einzuhalten sind. So sind diese darauf hinzuweisen, dass für das abgegebene Grundstück eine teilweise oder völlige Abfindung durch Ersatzland oder eine sonstige Gegenleistung zu gewähren ist. Ersatzland wird insbesondere dann gewährt, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines persönlich bewirtschafteten Betriebs oder zur Erfüllung persönlich obliegender Aufgaben notwendig ist. Eine sonstige Ersatzleistung zur Sicherung seiner Existenz wird dem Eigentümer gewährt, wenn er infolge Alters oder sonstiger Umstände zur Sicherung seiner Existenz oder zur Erfüllung der ihm wesensgemäß obliegenden Aufgaben auf den Ertrag aus dem Grundstück angewiesen ist. Als letztes Mittel zur Grundstücksbeschaffung steht dem Bund das Mittel der Enteignung zu. Die diesbezüglichen Regelungen machen fast den gesamten Rest des Gesetzestextes aus (§§ 10 bis 63 LBG). Die Enteignung ist gemäß § 11 Abs. 2 LBG erst dann zulässig, wenn andere geeignete Grundstücke im Wege des freihändigen Erwerbs nicht beschafft werden konnten, keine für das geplante Vorhaben geeigneten Grundstücke im Eigentum von Bund, Ländern und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und ihnen gleichgestellten juristischen Personen vorhanden sind und auch unter Beachtung der Hinweispflicht des § 3 LBG Verhandlungen mit dem Betroffenen nicht zum Ziel geführt haben. § 12 Abs. 2 LBG legt ferner fest, dass vor einer völligen Entziehung des Eigentums zu prüfen ist, ob nicht auch der Entzug einzelner anderer dinglicher Rechte für den Beschaffungszweck ausreichend ist. Für besonders dringende Fälle hält das LBG das Rechtsinstitut der vorzeitigen Besitzeinweisung, geregelt in den §§ 38 bis 42 LBG, bereit. Sie ist zulässig, wenn die sofortige Ausführung eines Vorhabens für die Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen dringend geboten ist. In diesem Fall kann die zuständige Enteignungsbehörde den Begünstigten schon vor bzw. während des Enteignungsverfahrens in das Grundstück einweisen, auf das sich die geplante Enteignung bezieht. Nötig ist jedoch auch hier die vorherige Durchführung einer Verhandlung sowohl mit dem Eigentümer als auch mit anderen von der vorzeitigen Besitzeinweisung Betroffenen (§ 38 Abs. 1 und 2 LBG). Die vorzeitige Besitzeinweisung ist für den Bund entschädigungspflichtig, hierbei sind die durch die Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile auszugleichen.

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bb) Handhabung durch die Rechtsprechung Die Eingriffsbefugnisse des LBG für die betroffenen Eigentümer sowie sonstige dinglich oder obligatorisch Berechtigte sind schwerwiegender im Vergleich zu denen des Schutzbereichgesetzes: Während die Schutzbereichsanordnung ein bestimmtes Gebiet als Schutzbereich ausweist und der Eigentümer auch hierdurch bereits weitreichende Eingriffe bis hin zum Abriss von baulichen Anlagen zu dulden hat, geht das Landbeschaffungsgesetz mit den Möglichkeiten zur Enteignung und zur vorzeitigen Besitzeinweisung zur Durchsetzung von Verteidigungsbelangen noch einen Schritt weiter. Im Gegensatz zu den Ermächtigungsgrundlagen des Schutzbereichgesetzes, das stets die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich in den Gesetzestext aufnimmt, sind für die Maßnahmen zur Landbeschaffung keine materiellen Tatbestandsvoraussetzungen erkennbar. Zwar ist die Enteignung erst nach Prüfung von Alternativmaßnahmen und Verhandlungen mit den Eigentümern möglich. Letztlich gibt der Gesetzestext jedoch zu erkennen, dass das Ziel der Landbeschaffung zu Gunsten des Bundes am Ende des Verfahrens steht. Einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Geltendmachung eines Verteidigungszwecks durch den Bund. Auch die Stellung der Landesregierungen sowie der betroffenen Gemeinde, die wiederum nur mittelbar über die Landesregierung angehört wird, sind denkbar schwach ausgestaltet. Die abzugebende Stellungnahme bindet den Bund nicht, vielmehr kann der zuständige Bundesminister durch einfache Unterrichtung der Landesregierung davon abweichen. Die Befugnisse des Landbeschaffungsgesetzes führen im Bereich der geplanten Vorhaben zu einem weitreichenden Entzug der gemeindlichen Planungshoheit und so zu einem gewichtigen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht der Gemeinden zur Selbstverwaltung in allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aus Art. 28 Abs. 2 GG. In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1986 hat das BVerwG daher die wesentlichen Anforderungen an das Verfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz formuliert.122 Ausgangspunkt war der Plan des Bundesministers der Verteidigung einen Standortübungsplatz auf einem zu vier Gemeinden gehörigen Gebiet zu errichten. Das Gebiet war im Entwurf des Raumordnungsplans als Vorbehaltsfläche gekennzeichnet. Ferner machten die Gemeinden eine Behinderung der städtebaulichen Entwicklung geltend. Daraufhin ermächtigte das Verteidigungsministerium die zuständige Oberfinanzdirektion als Enteignungsbehörde zur Enteignung und bezeichnete in einem Schnellbrief das Vorhaben hinsichtlich der Lage lediglich durch die Angabe von Gemarkungen. Das BVerwG erklärte diese Bezeichnung gemäß § 1 Abs. 3 LBG, nachdem es die Ausübung des Rechts zur Bezeichnung als einen Verwaltungsakt gegenüber den beteiligten Gemeinden qualifiziert hatte, für formell und materiell rechtswidrig. In 122

BVerwG, NJW 1986, 2447 ff.

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formeller Hinsicht stellte das Gericht einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 37 VwVfG fest, da die Grenzen des bezeichneten Vorhabens nicht einmal annähernd umrissen seien.123 Weiterhin stellte das BVerwG einen Verstoß gegen die gemeindliche Planungshoheit als Ausfluss der in Art. 28 Abs. 2 GG verankerten Selbstverwaltungsgarantie fest. Die folgenden Ausführungen des Gerichts sind von besonderer Bedeutung, da erstmals die Anforderungen an rechtmäßige Planungsentscheidung auf der Grundlage des Landbeschaffungsgesetzes aufgestellt wurden. Gerade für die Gemeinden, die im Verfahren nach § 1 Abs. 2 LBG lediglich mittelbar angehört werden, sorgt dies für Rechtsicherheit. Weiterhin ist die gerichtliche Argumentation auch für das Verhältnis zwischen niederrangigen und höherrangigen Planungen prägend. Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung124 stellt das BVerwG zunächst klar, dass die gemeindliche Planungshoheit grundsätzlich nur dann durch eine überörtliche Fachplanung beeinträchtigt werden kann, wenn eine bereits hinreichende Planung vorliegt und diese nachhaltig gestört wird.125 Das Gericht erweitert diese Rechtsprechung jedoch um den Fall, dass durch ein großräumiges Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde gänzlich entzogen werden.126 Diese Voraussetzungen hat es im konkret zu entscheidenden Fall als gegeben angesehen. Weiterhin weist es darauf hin, dass die Bezeichnung eines Vorhabens im Sinne von § 1 Abs. 3 LBG einer rechtlichen Prüfung nur dann standhält, wenn die Mindestanforderungen an rechtsstaatliche Planungsentscheidungen eingehalten worden sind. Hierfür müsse einer Behörde durch Gesetz die Befugnis übertragen worden sein, für ein bestimmtes Vorhaben, das dem Wohle der Allgemeinheit dient, private und öffentliche Belange in einem Akt planerischer Gestaltung durch Abwägung in Ausgleich zu bringen und erfordenlichenfalls zu überwinden. Eine solche behördliche Befugnis befindet sich ausdrücklich nicht im Landbeschaffungsgesetz. Das BVerwG leitet sie jedoch sinngemäß aus § 1 Abs. 2 LBG her, da der Gesetzgeber dort die Voraussetzungen für die formelle Enteignung und für die Überwindung von entgegenstehenden Planungsbefugnissen der Gemeinde schaffen wollte.127 Entscheidend sei jedoch weiterhin, dass die Planungsentscheidung wie auch sonst beim planerischen Abwägungsgebot üblich, auf einer gerechten Abwägung der für und gegen das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange beruht. Ein Defizit in der Abwägung ließe sich auch nicht durch die Besonderheiten des Verfahrens nach § 1 Abs. 2, 3 LBG rechtfertigen, da eine ausdrückliche Berücksichtigung der öffentlichen und insbesondere der kommunalen Belange diesen Bestimmungen nicht ausdrücklich entnommen werden könne. Auf die besonderen Anforderungen der Berücksichtigung der gemeindlichen Belange 123 124 125 126 127

BVerwG, NJW 1986, 2447 (2449). Vgl. nur BVerwG, DVBl. 1984, 88. BVerwG, NJW 1986, 2447 (2449). BVerwG, NJW 1986, 2447 (2449) unter Bezugnahme auf BVerfGE 56, 298. BVerwG, NJW 1986, 2447 (2449).

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weist insbesondere auch § 37 Abs. 4 BauGB hin.128 Demnach sind alle von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde zulässigen Einwendungen im Verfahren nach § 1 Abs. 2 LBG abschließend zu erörtern, wenn bauliche Anlagen auf Grundstücken errichtet werden sollen, die nach dem Landbeschaffungsgesetz beschafft werden sollen. Klargestellt ist somit, dass auch die spezielle Fachplanung nach dem Landbeschaffungsgesetz für Vorhaben der Verteidigung nicht grenzenlos privilegiert ist, sondern eine wesentliche Schranke durch das Recht auf gerechte Abwägung erfährt. Ein weiteres aktuelles Beispiel für das Erfordernis einer echten Abwägungsentscheidung und für die Anforderungen, die an das diesbezüglich durchzuführende Verwaltungsverfahren zu stellen sind, ist das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg im sogenannten „Bombodrom-Fall“.129 Bei dem Bombodrom-Gebiet handelt es sich um einen ehemals von sowjetischen Streitkräften genutzten Spreng- und Bombenabwurfplatz. Durch einfache Verwaltungsentscheidung des Bundes sollte dieser Platz durch die Bundeswehr als Truppenübungs- und Luft-Boden-Schießplatz genutzt werden. Hiergegen richteten sich Anwohner und anliegende Gemeinden mit mehreren Klagen, die zu einem 17jährigen Rechtsstreit führten. Das BVerwG hatte in einem vorherigen Verfahren zunächst entschieden, dass die Weiternutzung von Militärübungsplätzen durch die Bundeswehr kein Landbeschaffungsvorgang im Sinne des Landbeschaffungsgesetzes sei. Gleichwohl seien die betroffenen Gemeinden jedoch über eine bloße Mitteilung hinaus anzuhören und ihre Belange seien in die Verwaltungsentscheidung einzustellen.130 Über die Anforderungen dieser Berücksichtigung von gemeindlichen und privaten Belange hatte nunmehr das OVG Berlin-Brandenburg zu entscheiden. Der Bund war nach der zuvor getroffenen Entscheidung des BVerwG davon ausgegangen, dass eine einfache Anhörung gemäß dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 LBG in analoger Anwendung ausreiche. Das OVG trat dieser Auffassung entgegen und stellte fest, dass es vor Erlass der planerischen Entscheidung über ein raum- und umweltrelevantes Großvorhaben wie der Nutzung eines Truppenübungsplatzes der Durchführung eines Verfahrens bedürfe, das durch eine rechtzeitige und sachangemessene Beteiligung der von dem Vorhaben Betroffenen die vollständige und zutreffende Ermittlung der abwägungserheblichen Belange sicherstelle und seinen Abschluss in einer Gesamtabwägung finde, die dem Grundsatz der Problembewältigung Rechnung trägt.131 Dabei nimmt das OVG ausdrücklich Bezug auf das bereits vorgestellte Urteil des BVerwG zu den Mindestanforderungen rechtstaatlicher Planung132 und stellt somit klar, dass auch in Fällen, in denen das Landbeschaffungsgesetz nicht unmittelbar anwendbar ist, Verteidigungsbelange nicht automatisch grenzenlos privilegiert sind. Für die Ausgestaltung 128

BVerwG, NJW 1986, 2447 (2449). OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2009, OVG 2 B 8/08. Leitsatz in: DÖV 2009, 686. 130 BVerwGE 112, 274, 2. und 3. Leitsatz. 131 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2009, OVG 2 B 8/08, Leitsatz 2-juris. 132 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2009, OVG 2 B 8/08, Rn. 47-juris. 129

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des Planungsverfahrens weist das Gericht auf die Schwierigkeit hin, dass es für den speziellen Fall der Weiternutzung von militärischen Einrichtungen keine unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage gebe, auch der Einigungsvertrag sehe lediglich die Zulässigkeit der Weiternutzung vor. Daher seien die Mindestanforderungen in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften für das Planfeststellungsverfahren den §§ 72 – 78 VwVfG zu entnehmen.133 Da auch die erneute Verwaltungsentscheidung des Bundes diesen Anforderungen nicht gerecht wurde, hob das OVG die Entscheidung auf. Der Bund ging hiergegen nicht in Revision vor das BVerwG und das Bundesministerium der Verteidigung verzichtete auf den Ausbau des Truppenübungsplatzes. Schließlich wurde die noch am Truppenübungsplatz ansässige Kommandantur am 13. Januar 2011 geschlossen. Zusammenfassend lässt sich daher für die Stellung der Verteidigungs- und Zivilschutzbelange festhalten, dass ihnen zwar ein gewichtiger spezialgesetzlicher Vorrang eingeräumt ist, dieser jedoch durch die allgemeinen Anforderungen an rechtsstaatliche Planungsentscheidungen begrenzt ist. 4. Die Beteiligung der Gemeinde an Vorhaben von überregionaler Bedeutung Sowohl die Verfahren nach dem Schutzbereichs- als auch dem Landbeschaffungsgesetz haben verdeutlicht, dass die Planung von Vorhaben, die der Verteidigung und des Zivilschutzes dienen, in starkem Maße das Geflecht zwischen der gemeindlichen Planungshoheit und den Entscheidungen einer übergeordneten Fachplanung betreffen können. Während das Rangverhältnis für eine übergeordnete Raumplanung durch § 1 Abs. 4 BauGB in Form der Normierung einer Anpassungspflicht klar zu Gunsten der höherrangigen Regional- und Landesplanung ausgestaltet ist, ist das Verhältnis zwischen gemeindlicher Bauleitplanung, der Beteiligung der Gemeinde im Bauzulassungsverfahren sowie der Fachplanung in den §§ 36, 37 und 38 BauGB jeweils unterschiedlich geregelt. a) § 36 BauGB – Das gemeindliche Einvernehmen § 36 BauGB134 stellt den Normalfall der Beteiligung der Gemeinde im Bauzulassungsverfahren dar und regelt das Zusammenspiel zwischen der Gemeinde und der Genehmigungsbehörde über das Rechtsinstitut des Einvernehmens. § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB legt fest, dass über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden wird. Die Gemeinde besitzt somit eine relativ starke Position, da die Erteilung der Baugenehmigung von ihrer Zustimmung 133

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2009, OVG 2 B 8/08, Rn. 50-juris. Allgemein zu Wirkungen und Rechtsnatur des gemeindlichen Einvernehmens vgl. nur Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 36. 134

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abhängig ist. § 36 Abs. 2 BauGB schränkt diese Ausgangsposition jedoch gleich wieder ein, indem klargestellt wird, dass das Einvernehmen nicht willkürlich, sondern nur dann verweigert werden darf, wenn das Bauvorhaben gegen die §§ 31, 33, 34 oder 35 BauGB verstößt. Die Verweigerung des Einvernehmens ist somit rechtlich gebunden. Dies stellt auch die Ersetzungsbefugnis in § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB klar. Hiernach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde im Wege der Rechtsaufsicht ein rechtswidrig verweigertes Einvernehmen ersetzen. Reduzierter sind die gemeindlichen Beteiligungsrechte jedoch in den Fällen der §§ 37 und 38 BauGB.135 b) § 38 BauGB – Fachplanung und Bauzulassungsverfahren Im Rahmen der Fachplanung sind die Kräfteverhältnisse ebenfalls klar verteilt: § 38 S. 1 BauGB ordnet an, dass die §§ 29 bis 37 keine Anwendung finden auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sowie den Betrieb von öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen. Bedingung für die Ausschlusswirkung ist jedoch, dass die Gemeinde beteiligt wird. Im Rahmen der Fachplanung schrumpft die gemeindliche Mitwirkung so auf ein bloßes Beteiligungsrecht. Bei privilegierten Fachplanungen kommt das Regelungsinstrumentarium der §§ 29 bis 37 BauGB nicht zur Anwendung. Zweck dieser Privilegierung ist einerseits die Herausnahme von überörtlich bedeutsamen Vorhaben aus dem Verantwortungsbereich der Gemeinde zur Sicherstellung der Durchführung des Vorhabens und andererseits auch die Verhinderung einer rechtlichen und politischen Überorderung der Gemeinde.136 Doch bleibt § 38 BauGB bei einer kompetenzrechtlichen Freistellung des Vorhabens nicht stehen: Vorhaben der überörtlichen Fachplanung werden auch von den materiellen Festsetzungen eines gemeindlichen Bebauungsplans freigestellt. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die städtebaulichen Probleme im Rahmen der fachplanerischen Abwägung sachgerecht behandelt werden.137 Zu den privilegierten Fachplanungen gehören etwa die Fernstraßenplanung, die Eisenbahnplanung, der Luftverkehr, die Telekommunikationsnetze, die Energieversorgung, die Personenbeförderung, Abfallbeseitigungsanlagen, die Wasserstraßen sowie Bergbauvorhaben. Diese Privilegierung von Fachplanungen über § 38 BauGB hat Folgen für den Untersuchungsgegenstand, führt sie doch auch zu einer räumlichen Abgrenzung zwischen dem Planungsraum des Fachvorhabens und dem gemeindlichen Planungsraum. Die Fachplanung hat somit die Aufgabe, innerhalb ihres Abwägungsvorganges das Terrorrisiko des geplanten Vorhabens zu bewerten und daraus Kon135 Ausführlich zum gemeindlichen Einvernehmen Winkler, Das gemeindliche Einvernehmen in parallelen Genehmigungsverfahren, S. 97 ff. 136 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 38 Rn. 7. 137 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 38 Rn. 7.

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sequenzen zu ziehen. Diese Bewertung wird bei einem Atomkraftwerk anders ausfallen als bei einem Kohlekraftwerk, bei einer Autobahn anders als bei einer Landoder Wasserstraße, bei einer Stromtrasse anders als bei einer unterirdischen Telekommunikationsleitung. Allen Fachplanungsvorhaben gemein ist, dass sie unter den neuen, bereits dargestellten Begriff der Kritischen Infrastruktur fallen und ein unterschiedliches Risikomaß bezüglich eines potentiellen Terrorangriffs aufweisen. Die Bauleitplanung ist jedoch in diesem Verhältnis nicht völlig zurückgedrängt. Ihr kommt vielmehr die Aufgabe zu, die einzelnen Vorhaben der Fachplanung planerisch zu begleiten und durch eigene Festsetzungen z. B. dafür zu sorgen, dass Baugebiete in gehörigem Abstand zu einem Projekt der Fachplanung ausgewiesen werden. § 38 BauGB, dem in der Kommentarliteratur stets das wenig schmückende Etikett einer Kollisionsnorm angehängt wird, kann daher im Lichte des Untersuchungsgegenstands auch eine positive Rolle als Verzahnungs- und Brückenfunktion zukommen. Dies hebt auch die Rechtsprechung des BVerwG hervor, wenn sie im Fall des Verhältnisses von Eisenbahnplanung und den Befugnissen der gemeindlichen Bauleitplanung ausspricht, dass gemeindliche Bauleitplanung und Eisenbahnplanung sowohl in inhaltlicher als auch in räumlicher Hinsicht aufeinander abzustimmen sind. Die Fachplanung führe nicht zu einem völligen Entzug des Fachplanungsgebietes im Sinne eines exterritorialen Gebietes. Gleichwohl seien planerische Aussagen der Gemeinde nur insoweit zulässig, als dass sie der besonderen Zweckbestimmung des Fachvorhabens nicht widersprechen.138 Zu einer Entschärfung des Verhältnisses der beiden Planungsgebiete ruft auch Breuer139 auf. Er plädiert vor dem Hintergrund von Nachfolgenutzungen für ehemalige Abfalldeponien für eine konstruktive Koordination zwischen Fach- und Bauleitplanung. Insbesondere sei zu beachten, dass die privilegierende Wirkung der Fachplanung lediglich in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht an den Nutzungszweck des Fachvorhabens gekoppelt ist. Dies sei kein Hindernis um Nebenund Folgenutzungen durch die Gemeinde zu planen140. c) § 37 BauGB – Die baulichen Maßnahmen des Bundes und der Länder Neben der Privilegierung von Vorhaben der Fachplanung ist im Rahmen von § 37 BauGB die Bevorzugung von baulichen Maßnahmen des Bundes und der Länder zu beachten. Auch hier ist die Beteiligung der Gemeinde abweichend vom Normalfall

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BVerwGE 81, 111 ff.; BVerwG, NVwZ-RR 1990, 292 ff. Breuer, Koordination zwischen Fach- und Bauleitplanung – dargestellt am Beispiel der Deponiefolgenutzungen, NVwZ 2007, 3 ff. 140 Breuer, NVwZ 2007, 3 (7). 139

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des § 36 BauGB geregelt.141 § 37 Abs. 1 BauGB legt fest, dass die höhere Verwaltungsbehörde ein Letztentscheidungsrecht besitzt, wenn die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes Abweichungen von den Vorschriften des BauGB erforderlich machen. Gleiches gilt bei Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens in den Fällen der §§ 14 und 36 BauGB. Weitergehende Erleichterungen können Vorhaben in Anspruch nehmen, die der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen. In diesem Fall ist nur die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich, die die Gemeinde jedoch zuvor anzuhören hat, § 37 Abs. 2, S. 1, 2 BauGB. § 37 Abs. 2 S. 3 BauGB verdeutlicht, welche Bedeutung der Gesetzgeber einer effektiven Verwirklichung gerade dieser Vorhaben beimisst: Sollte auch die höhere Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung versagen oder widerspricht die Gemeinde dem beabsichtigten Bauvorhaben, so entscheidet das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und im Benehmen mit der zuständigen Obersten Landesbehörde. Die Privilegierung dieser Vorhaben findet eine Parallele im formellen Bauordnungsrecht. In den meisten Bauordnungen der Länder sind Vorhaben des Bundes oder eines Bundeslandes von der Genehmigung und der Bauüberwachung freigestellt. Sie bedürfen jedoch der Zustimmung der höheren Bauaufsichtsbehörde. Bei Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, ist sogar nur die Kenntnisgabe an die höhere oder die obere Bauaufsichtbehörde ausreichend.142 Wichtig bleibt jedoch festzuhalten, dass im Gegensatz zu § 38 BauGB keine automatische Freistellung von materiellen Vorschriften des Bauplanungsrechts erfolgt, sondern lediglich auf der Ebene des Verfahrensrechts Vereinfachungen herbeigeführt werden: Wenn von Vorschriften des BauGB abgewichen werden soll, kann die höhere Verwaltungsbehörde Ausnahmen und Befreiungen über § 31 BauGB hinaus erteilen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass an die öffentliche Zweckbestimmung hohe Anforderungen zu stellen sind und eine enge Auslegung der Tatbestandsmerkmale zu erfolgen hat143, da das Verfahren nach § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB zu einem weitreichenden Eingriff in die gemeindlichen Mitwirkungsbefugnisse im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren führt. Das Tatbestandsmerkmal der besonderen öffentlichen Zweckbestimmung macht deutlich, dass nicht jedes einfache Verwaltungsgebäude in den Genuss von § 37 BauGB gelangen kann. Nötig ist vielmehr ein vom Normalfall abweichendes Vorhaben, das etwa aufgrund seiner Aufgabenstellung auf einen bestimmten Standort angewiesen ist. Doch reicht auch das Vorliegen dieses Merkmals allein nicht aus: Zusätzlich muss noch die Erforderlichkeitsschwelle überschritten sein. Ein Abweichen von der ansonsten herrschenden planungsrechtlichen Situation ist nach der Rechtsprechung dann erfor141

Ausführlich hierzu Scheidler, Beteiligung der Gemeinde bei baurechtlichen Zulassungsverfahren für Vorhaben der Landesverteidigung, LKV 2010, 102 ff. 142 Vgl. nur § 76 Abs.1 S. 2, Abs. 4 BerlBauO, § 77 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 S. 1 BbGBauO. 143 Für das Erfordernis der engen Auslegung Ritgen, Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit öffentlicher Vorhaben nach § 37 BauGB, DÖV 1997, 1034.

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derlich, wenn dies zur Erfüllung oder Wahrung der öffentlichen Zweckbestimmung vernünftigerweise geboten ist.144 Die Durchführung von erforderlichen Maßnahmen nach § 37 Abs. 1 oder 2 BauGB kann besondere Aufwendungen der Gemeinde zur Folge haben, etwa für die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von bestehenden Bebauungsplänen. Die Gemeinde kann diese Kosten gewissermaßen als Kompensation für den Eingriff in ihre Planungshoheit nach § 37 Abs. 3 BauGB ersetzt verlangen. Weitere Verfahrenserleichterungen enthält § 37 Abs. 4 BauGB für bauliche Anlagen, die auf Grundstücken errichtet werden, die nach dem bereits vorgestellten Landbeschaffungsgesetz beschafft werden sollen. Dieser Absatz dient der Verknüpfung zwischen dem Beteiligungsverfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz und den Beteiligungsrechten der Gemeinde. Die Norm macht deutlich, dass die Gemeinde auch im Verfahren der Landbeschaffung, wie bereits dargelegt, nicht völlig machtlos ist. Ihre Einwendungen sowie die der höheren Verwaltungsbehörde sind im Verfahren nach § 1 Abs. 2 LBG abschließend zu erörtern. d) Zwischenergebnis Die vorstehende Analyse hat deutlich vor Augen geführt, dass die Belange der militärischen Verteidigung sowie des Zivilschutzes eine deutlich gegenüber anderen Belangen herausgehobene Stellung einnehmen. Dies wird zwar nicht durch einen ersten Blick auf den Belangekatalog deutlich, hier sind die Verteidigungs- und Zivilschutzinteressen gleichberechtigt mit allen anderen potentiellen Abwägungsbelangen aufgelistet. Die besondere Stellung ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel mit Gesetzen der Fachplanung. Besonders deutlich wird dies anhand des Schutzbereichs- und des Landbeschaffungsgesetzes sowie den Privilegierungen in den §§ 37 und 38 BauGB. Für den Untersuchungsgegenstand ist das Analyseergebnis ein weiterer starker Hinweis, dass das Bauplanungsrecht den Schutz- und Verteidigungsbelangen nicht neutral, sondern aufgeschlossen gegenübersteht. Es legt jedoch besonderes Augenmerk auf die Beteiligungsrechte der betroffenen Gemeinden und versucht so zumindest auf der Ebene des Verfahrens einem Interessenausgleich zwischen den Polen der kommunalen Selbstverwaltung auf der einen und den Verteidigungs- sowie Zivilschutzbelangen auf der anderen Seite gerecht zu werden.

144 BVerwG, ZfBR 1981, 243, 3. Leitsatz; Scheidler, Beteiligung der Gemeinde bei baurechtlichen Zulassungsverfahren für Vorhaben der Landesverteidigung, LKV 2010, 102 (103).

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5. § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB – Die Belange des Hochwasserschutzes Im Zusammenhang mit den Begriffen Risiko, Raumplanung und Hochwasser konnte erstmals der Zusammenhang zwischen dem Risikobegriff und den Kategorien der Planung auf Ebene der Raumordnung hergestellt werden.145 Wenn sich das ROG dezidiert der Hochwasserproblematik annimmt, so hat dies natürlich Auswirkungen auf die darunter liegende Ebene der Bauleitplanung. Letztlich ist dies Folge der Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung. So sind denn auch die Belange des Hochwasserschutzes an zwölfter Stelle in den Belangekatalog des § 1 Abs. 6 BauGB aufgenommen worden. Die Einfügung geht zurück auf Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005.146 Das Gesetz reagierte damit auf die zunehmenden Hochwasserkatastrophen, insbesondere vom August 2002. Ziel des Gesetzes ist die Bewusstseinsschärfung für die Belange des Hochwasserschutzes sowie dessen Verankerung in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen. Neben der Änderung des BauGB wurde der Hochwasserschutz im Raumordnungsgesetz, im Wasserhaushaltsgesetz, im Bundeswasserstraßengesetz sowie im Gesetz über den deutschen Wetterdienst verankert.147 Für die Änderungen im Baugesetzbuch führt die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung im Wesentlichen folgende Argumente an: Bei den Hochwasserkatastrophen der vergangenen Jahre habe sich gezeigt, dass insbesondere gravierende Schäden bei Bauten in hochwassergefährdeten Bereichen eingetreten seien. Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sei daher besonderes Augenmerk auf einen vorbeugenden Hochwasserschutz zu richten. Die Gemeinden sollten bei von Überschwemmungen konkret gefährdeten Bereichen von den Instrumenten der Bauleitplanung Gebrauch machen, insbesondere im Fall des Wiederaufbaus von durch Hochwasserkatastrophen zerstörten Gebieten.148 Die Änderungen im Baugesetzbuch beschränkten sich jedoch nicht auf die Hinzufügung eines neuen in der Abwägung zu berücksichtigenden Belangs. Vielmehr wurde auch in § 5 BauGB der Hochwasserschutz ergänzt, hier jedoch durch eine Verzahnung zwischen den Darstellungen eines Flächennutzungsplans und der fachgesetzlichen Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes im Sinne von § 76 145

Vgl. oben 3. Kapitel unter A. IV. 3. BGBl. I S. 1224. Siehe hierzu allgemein Jekel, Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, ZUR 2004, 393 und Paul/Pfeil, Hochwasserschutz in der Bauleitplanung (unter besonderer Berücksichtigung des Hochwasserschutzgesetzes 2005), NVwZ 2006, 505; Stüer, Hochwasserschutz in der Bauleitplanung und bei der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben, ZfBR 2007, 17. 147 Vgl. die Problem- und Zielbeschreibung im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. 5. 2004, BT-Drs. 15/3168, S. 1. 148 BT-Drs. 15/3168, S. 15. 146

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Abs. 2 WHG. Nach § 5 Abs. 4a BauGB sollen festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne von § 76 Abs. 2 WHG nachrichtlich in den Flächennutzungsplan übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Abs. 3 WHG sollen im Flächennutzungsplan vermerkt werden. Die Regelung soll vor allem einer besseren Information der betroffenen Öffentlichkeit dienen, damit diese auf Hochwassergefahren aufmerksam gemacht wird und ihre Planungen und Vorrichtungen darauf abstellen kann.149 Eine gleichlautende Regelung mit derselben Zielsetzung für Festsetzungen in Bebauungsplänen enthält § 9 Abs. 6a BauGB. Flankiert werden diese sich auf die Bauleitplanung konzentrierenden Regelungen durch eine Änderung des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB, der ausdrücklich festlegt, dass eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange auch vorliegt, wenn ein Vorhaben die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet. Hiermit soll dem besonderen Hochwasserrisiko im Außenbereich Rechnung getragen werden.150 a) Mögliche Festsetzungen zum Hochwasserschutz Mit der Berücksichtigung des Hochwasserschutzes als abwägunsgerheblichem Belang und der Berücksichtigung von festgesetzten Überschwemmungsgebieten sind zwar die planerischen Voraussetzungen eines möglichst effektiven Hochwasserschutzes geschaffen worden. Beweisen kann sich diese neue Aufgabe der Bauleitplanung jedoch erst, wenn auch geeignete Festsetzungsmöglichkeiten bestehen, die zur Zielverwirklichung führen. Deshalb soll an dieser Stelle ein Blick auf derartige Festsetzungsmöglichkeiten geworfen werden. So können unter Umständen auch schon erste geeignete Festsetzungsarten in Bezug auf den Terrorismusschutz untersucht werden. Schon die erste Festsetzungsmöglichkeit des § 9 Abs. 1 BauGB kann im Sinne des Hochwasserschutzes ausgelegt werden.151 Durch die Bestimmung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung kann die Gemeinde festlegen, dass in Hochwasser gefährdeten Gebieten schon gar keine Bebauung zugelassen wird. Soll gleichwohl in der Nähe von Gewässern gebaut werden, können besondere Anforderungen an die Gebäude formuliert werden, etwa durch einen Verzicht auf Keller oder die Höherlegung von Geschossen.152 Weiterhin kommt § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB besondere Bedeutung zu: Liegen Erkenntnisse über eine besondere Hochwassergefährdung vor, so kann von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Flächen festzusetzen, die von einer Bebauung freizuhalten sind. Weiterhin können nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB Flächen 149

BT-Drs. 15/3168, S. 16. BT-Drs. 15/3168, S. 16. 151 Vgl. Elgeti/Hurck, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kapitel Z IV, Rn. 70. 152 Vgl. Elgeti/Hurck, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand: 26. Ergänzungslieferung, Oktober 2009, Kapitel Z IV, Rn. 70. 150

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für den Hochwasserschutz sowie die Regelung des Wasserabflusses festgesetzt werden. Im Bereich der Flächennutzungsplanung ist § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB die entsprechende Norm: Im Flächennutzungsplan können die Flächen, die im Interesse des Hochwasserschutzes und zur Regelung des Wasserabflusses freizuhalten sind, dargestellt werden. In der Literatur wird noch auf weitere Festsetzungsmöglichkeiten für den Bereich der Wasserwirtschaft verwiesen, u. a. auf Vorgaben für zu verwendende wasserdurchlässige Materialien nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, die Bestimmung des Materials für Dachrinnen nach § 9 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit Landesrecht, die Ausweisung von Flächen zur Niederschlagswasserbeseitigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB, Vorgaben zur Form der Niederschlagswasserbeseitigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB sowie Maßnahmen zur Dachbegrünung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB.153 Schon aus diesem kursorischen Überblick wird deutlich, dass Belange der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes auf ein ganzes Darstellungs- und Festsetzungsbündel aufbauen können. Für die Übertragung auf den Untersuchungsgegenstand sind dabei insbesondere die Festsetzungsmöglichkeiten zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die zur Freihaltung von Flächen von besonderem Interesse. Welche Ausgestaltungen hier im Einzelnen möglich und sinnvoll sein können, soll jedoch erst später erörtert werden.154 Zunächst soll ein Blick auf das Zusammenspiel von Hochwasserschutz durch Bauleitplanung auf der einen und fachgesetzlichen Maßnahmen nach dem novellierten Wasserhaushaltsgesetz auf der anderen Seite geworfen werden. b) Hochwasserschutz, Bauleitplanung und die §§ 72 – 81 WHG Hochwasserschutz kann nicht allein durch Bauleitplanung verwirklicht werden, sondern bedarf der Flankierung durch entsprechende fachgesetzliche Regelungen – eine ganz ähnliche Flankierung wie zwischen Terrorschutz durch Bauplanungs- und Polizei- und Ordnungsrecht. Die fachgesetzlichen Regelungen des Hochwasserschutzes finden sich im ebenfalls durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes geänderten Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Mit dem novellierten Wasserhaushaltsgesetz155 finden sich die Regelungen zum Hochwasserschutz in den §§ 72 bis 81 WHG. Der Schlüssel zum vorbeugenden Hochwasserschutz wird dabei in einem umfassenden Risikomanagementsystem erblickt. Hierbei 153 Vgl. Vgl. Elgeti/Hurck, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand: 26. Ergänzungslieferung, Oktober 2009, Kapitel Z IV, Rn. 70 ff.; Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr., BauGB, § 1 Rn. 86. 154 Siehe 3. Kapitel unter B. IV. 10. 155 Siehe hierzu die Überblicksaufsätze von Kotulla, Das novellierte Wasserhaushaltsgesetz, NVwZ 2010, 79 und Lauer, Das Wasserhaushaltsgesetz 2010, NuR 2010, 692.

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sind Anklänge an das Schweizer System der Gefahren- und Risikokarten156 unverkennbar: So verpflichtet § 73 Abs. 1 WHG die zuständigen Behörden zur Bewertung des Hochwasserrisikos, um danach die Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko zu bestimmen. Die Begriffsbestimmung des Hochwasserrisikos in § 73 Abs. 1 S. 2 WHG lehnt sich dabei eng an die klassische Risikodefinition an: Hochwasserrisiko ist demnach die Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses mit den möglichen nachteiligen Hochwasserfolgen für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe, wirtschaftliche Tätigkeiten und erhebliche Sachwerte. Die Risikobewertung hat sich dabei an den EU-weit aufgestellten Erfordernissen aus der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie zu orientieren.157 Für den Abschluss der Risikobewertung ist den Behörden bzw. auf EU-Ebene den Mitgliedstaaten eine Frist bis zum 22. Dezember 2011 gesetzt. Die Bestimmung von Risikogebieten ist dann Ausgangspunkt für die Erstellung von Gefahren- und Risikokarten. In Gefahrenkarten sollen nach § 74 Abs. 2 WHG Gebiete erfasst werden, die Hochwasser mit niedriger Wahrscheinlichkeit oder bei Extremereignissen die Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit (Wiederkehrintervall mindestens 100 Jahre) oder die Hochwasser mit hoher Wahrscheinlichkeit aufweisen. Dabei sollen die Karten Angaben zum Ausmaß der Überflutung, zu Wassertiefe und Wasserstand sowie zur Fließgeschwindigkeit enthalten (§ 74 Abs. 3 WHG). Während sich die Gefahrenkarten ganz auf die Gewässer und ihre verschiedenen Hochwasserrisiken konzentrieren, findet die Aufgabe der Risikokarten „an Land“ statt. Risikokarten sollen nach § 74 Abs. 4 WHG mögliche nachteilige Folgen von Hochwasserereignissen erfassen. Die dritte und letzte Stufe nach Risikobewertung und Kartenerstellung ist sodann die Aufstellung eines Risikomanagementplans nach den Vorgaben des § 75 WHG. Ein derartiger Plan dient dazu, die nachteiligen Folgen, die an oberirdischen Gewässern mindestens von einem Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit und beim Schutz von Küstengebieten mindestens von einem Extremereignis ausgehen, zu verringern, soweit dies möglich und verhältnismäßig ist. Die Pläne sollen die für die Risikogebiete angemessenen Ziele für das Risikomanagement festlegen. Beschrieben wird hier ein in drei Stufen eingeteiltes umfassendes Risikomanagementsystem, das vor einem spezifischen Flächenrisiko wie Hochwasser schützen soll. Die Stufenfolge – Risikobewertung, Auswertung bzw. Kartierung und Erstellung eines Risikomanagementplans – kann dabei leichte Anklänge an das planungsrechtliche Abwägungsprogramm nicht verhehlen: Auch hier sind die relevanten Belange zu ermitteln, zu bewerten und in die Abwägung einzustellen, um auf dieser Grundlage z. B. einen Bauleitplan aufstellen zu können. 156

Siehe oben 3. Kapitel unter A. II. Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (ABl. L 288 vom 6. 11. 2007, S. 27). 157

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Neben diesen neuen Regelungen des WHG sind die aus den §§ 31a bis 32 WHG a. F. her bekannten Regelungen zu Überschwemmungsgebieten nunmehr in den §§ 76 bis 78 WHG n. F. geregelt. Nach § 76 Abs. 1 WHG sind Überschwemmungsgebiete Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen werden oder für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Derartige Gebiete werden von der Landesregierung durch Rechtsverordnung festgesetzt, § 76 Abs. 2 WHG. Noch nicht festegesetzte Überschwemmungsgebiete sind nach § 76 Abs. 3 WHG zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Auswirkungen auf das öffentliche Baurecht ergeben sich insbesondere durch die in § 78 Nr. 1 bis 3 WHG festgeschriebenen besonderen Schutzvorschriften innerhalb festgesetzter Überschwemmungsgebiete. So ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch untersagt; ausgenommen sind lediglich Bauleitpläne für Häfen und Werften. Untersagt ist ebenso die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 BauGB (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 WHG) sowie die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen. Nur in eng begrenztem Ausmaß ist vom Verbot der Ausweisung von Baugebieten in Überschwemmungsgebieten eine Ausnahme möglich. Nach § 78 Abs. 2 WHG müssen kumulativ die folgenden neun Voraussetzungen erfüllt sein: Es darf keine andere Möglichkeit der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können, das neu auszuweisende Gebiet muss unmittelbar an ein bestehendes Baugebiet angrenzen, eine Gefährdung von Leben oder erheblichen Gesundheits- oder Sachschäden darf nicht zu erwarten sein, der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes dürfen nicht nachteilig beeinflusst werden, die Hochwasserrückhaltung darf nicht beeinträchtigt werden und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum muss umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen werden, der bestehende Hochwasserschutz darf nicht beeinträchtigt werden, es dürfen keine nachteiligen Auswirkungen auf Ober- und Unterlieger zu erwarten sein, die Belange des Hochwasserschutzes müssen beachtet sein und das Bauvorhaben muss so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser, das der Festsetzung des Überschwemmungsgebiets zugrunde liegt, keine baulichen Schäden zu erwarten sind. Auch vom Verbot bauliche Anlagen zu errichten oder bestehende Anlagen zu erweitern, sind in eng begrenzten Fällen Ausnahmen denkbar. Nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 – 4 WHG müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Die Hochwasserrückhaltung darf nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum muss zeitgleich ausgeglichen werden, der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser darf nicht nachteilig verändert werden,

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der bestehende Hochwasserschutz darf nicht beeinträchtigt werden und das Vorhaben muss hochwasserangepasst ausgeführt werden. Diese strengen fachgesetzlichen Restriktionen zeigen, wie weit der Schutz eines Belangs reichen kann. Durch § 78 Abs. 1 WHG ist ein planungsrechtlicher Gestaltungsspielraum kaum noch gegeben. Die planende Gemeinde kann sich lediglich auf unterstützende und begleitende Festsetzungen beschränken. Genau diese Verschränkung zwischen strikten Vorgaben durch Fachgesetze und deren Begleitung durch Bauleitplanung kann jedoch auch positiv gewertet werden, gerade auch in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand. In seinem Urteil zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des türkischen Konsulats in Karlsruhe hat das BVerwG explizit diese Verschränkungs- und Begleitfunktion hervorgehoben: „Zu Unrecht meint der Verfassungsgerichtshof, Gefährdungen durch terroristische Anschläge könne nicht durch bodenordnende Maßnahmen, insbesondere durch Zuordnung und Trennung von Nutzungen begegnet werden. Richtig ist allenfalls, dass derartige Gefahren je nach Situation nicht allein durch bodenordnende Maßnahmen beherrscht werden können, sondern gegebenenfalls durch Maßnahmen bauordnungsrechtlicher und polizeirechtlicher Art ergänzt werden müssen.“158 Deutlich wird somit, dass kein Rechtsgebiet allein das erforderliche Schutzniveau verwirklichen kann, sondern vielmehr das eine auf das andere Gebiet angewiesen ist. Im Bereich Hochwasserschutz kann nur das Wasserhaushaltsgesetz Verbotstatbestände verbindlich festsetzen. Aufgabe der Bauleitplanung ist es dann, hierauf Rücksicht zu nehmen und durch begleitende Festsetzungen die fachgesetzlichen Vorgaben planerisch umzusetzen. Für den Bereich Terrorismusabwehr gilt das gleiche: Ohne die präventiven Eingriffsmittel des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sowie die fachgesetzlich geschaffenen Mittel des besonderen Ordnungsrechts nützt keine Abwägung, nützen keine noch so ausgeklügelten Festsetzungen. Das Zusammenführen von verschiedenen Rechtsgebieten wird Aufgabe des noch zu beschreibenden Risikomanagement-Systems sein.159 Das Zusammenspiel von Hochwasserschutz nach WHG und BauGB kann hierfür als Beispiel dienen. 6. Das Ermittlungs- und Bewertungsgebot aus § 2 Abs. 3 BauGB verstanden als Instrument der Risikoanalyse und Informationsbeschaffung Bevor darauf eingegangen werden kann, welche Bedeutung dem Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB zukommt und welche Stellung Terrorrisiken darin einnehmen können, ist zunächst auf den der Abwägung verfahrensrechtlich vorgelagerten Ermittlungs- und Bewertungsvorgang nach § 2 Abs. 3 BauGB einzugehen.

158 159

BVerwGE 128, 118 (122). Siehe 3. Kapitel unter B. IV. 6., V. 5. sowie C. I.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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In den vorstehenden Ausführungen insbesondere zur Prävention gegenüber Katastrophenrisiken ist die These aufgestellt worden, dass gerade das Bauplanungsrecht durch sein gestuftes Entscheidungsverfahren ein Mittel zur Risikoprävention sein kann.160 Im Folgenden soll die Arbeitshypothese verfolgt werden, dass dem Ermittlungs- und Bewertungsgebot der Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zukommt, insbesondere als Informations- und Risikoanalyseinstrument. Dies rechtfertigt sich aus folgenden Erwägungen heraus: Im Rahmen des Umgangs mit Risiken wurde, wie dargestellt161, stets darauf rekurriert, dass eine Unsicherheitssituation bestehe, die durch unzureichende Informationen gekennzeichnet sei. Genau an dieser Stelle greift § 2 Abs. 3 BauGB ein, denn die Ermittlung von abwägungsrelevanten Belangen ist nichts anderes als ein Vorgang der Informationsgewinnung.162 Schon aus der dargestellten Altlastenrechtsprechung ergab sich eine umfassende Ermittlungs- und Erkundungspflicht gerade vor dem Hintergrund der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung.163 Der Informationsbegriff wird dabei weit ausgelegt, indem zu ihm alle planungsrechtlich relevanten Fakten und Interessen gezählt werden. Zu berücksichtigen sind hierbei alle Lebenssachverhalte sowie die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen, Umstände und Entwicklungen.164 Dies bedeutet auf der anderen Seite jedoch auch, dass nicht wahllos alle möglichen Informationen ermittelt werden müssen. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BVerwG ist das notwendige Abwägungsmaterial zu ermitteln. Davon umfasst seien zum einen die abstrakt begriffliche Abgrenzung der Gesichtspunkte, die abwägungserheblich sind und zum anderen die Entscheidung darüber, welche konkret vorliegenden Umstände unter diese Begriffe subsumiert werden könnten.165 Erfasst sind so alle Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägung eingestellt werden müssen. Welche Belange dies genau seien, könne nicht abstrakt, sondern nur aufgrund des Planungsziels und der gegebenen Situation beantwortet werden.166 Lediglich Interessen, die schon objektiv geringwertig sind oder unter keinem Gesichtspunkt schutzwürdig sind, können bei der Ermittlung unberücksichtigt bleiben.167 Diese Voraussetzungen erfüllt das Terrorrisiko. Es ist unter die Planungsleitlinie des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB im Rahmen des Sicherheitsbegriffs zu subsumieren und weist einen bodenrechtlich zu beachtenden Bezug auf. Zwar ist eine Zuordnung unter 160

Siehe oben 2. Kapitel unter D. I. und E. III. Siehe oben 2. Kapitel unter B. II. und III. 162 Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 40; Uechtritz, in: Spannowsky/ders. (Hrsg.), BeckOK BauGB, § 2 Rn. 60. 163 Steiner, Bauleitplanung und Altlasten, FS Weyreuther, S. 142. 164 So Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 40. 165 BVerwGE 45, 309 (322). 166 BVerwGE 34, 301 (309); BVerwGE 59, 87 (100). 167 BVerwGE 59, 87 (103). 161

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

die Begriffe Gefahr oder Risiko nicht einwandfrei möglich, doch genau diese Ungewissheitssituation macht den Sicherheitsbelang Terrorismus nicht zu einem vernachlässigbaren Belang, sondern führt gerade umgekehrt zur unbedingten Berücksichtigung im Rahmen der notwendigen Ermittlung des Abwägungsmaterials im Rahmen von § 2 Abs. 3 BauGB. Gerade im Rahmen einer Sicherheitsbeurteilung im Rahmen der Berücksichtigung des Terrorismusrisikos kommt § 2 Abs. 3 BauGB eine Schnittstellenfunktion zu: Mehrmals wurde bereits drauf hingewiesen, dass das Bauplanungsrecht nicht allein das geeignete Mittel zur Terrorabwehr ist, sondern auf das Zusammenspiel mit dem Polizei- und Ordnungsrecht angewiesen ist. Da die Ermittlung und Bewertung nach § 2 Abs. 3 BauGB sich auch auf die frühzeitige und die reguläre Behördenbeteiligung bezieht168 und als zu beteiligende Träger der öffentlichen Belange alle Behörden und Dienstellen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung gehören169, können die Erkenntnisse der Polizei- und Sicherheitsbehörden ohne Begründung neuer Verfahrensnormen in den laufenden Ermittlungsprozess eingebunden werden. So kann auch eine zentrale Forderung des BVerwG in seinem Urteil zum türkischen Konsulat umgesetzt werden: Auch im Rahmen des öffentlichen Baurechts ist stets die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge entscheidend für die Frage ihrer Berücksichtigung im Einzelfall.170 Eine Möglichkeit dieses Wahrscheinlichkeitsurteil im Aufstellungsverfahren eines Bauleitplans mit Inhalt füllen zu können, bietet daher die frühzeitige Beteiligung von Sicherheitsbehörden über die §§ 2 Abs. 3, 4 Abs. 1, 2 BauGB und der Einbezug der ihnen vorliegenden Informationen über Gefährdungslagen.171 An dieser Stelle ist die Tür aufgestoßen zu den im Anschluss an die Terroranschläge vom September 2001 massiv erweiterten Informations- und Eingriffsbefugnissen der Polizei- und Sicherheitsbehörden.172 Die zu Art und Weise, Umfang und Reichweite, Verhältnismäßigkeit und Alternativlosigkeit geführte „Sicherheits-versus-Freiheitsdiskussion“ kann im Rahmen einer primär auf das Planungsrecht bezogenen Untersuchung nicht dargestellt werden. Es sei lediglich auf einen Punkt hingewiesen: Wenn im Rahmen eines diffusen Bedürfnisses nach subjektiver Sicherheit173 die Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden sich von den Voraussetzungen der Gefahr und des Gefahren168

Siehe nur Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 2 Rn. 5. Krautzberger, in: E/Z/B/K, BauGB, § 4 Rn. 15. 170 Vgl. BVerwGE 128, 116 (124). 171 Eine ähnliche Zusammenarbeit der Bauaufsichts- und Sicherheitsbehörden kann auf Ebene der Vorhabenzulassung begründet werden. So sehen beispielsweise die Entscheidungshilfen der Berliner Bauaufsicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, S. 149 f., vor, dass im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren die für Sicherheitsbelange zuständige Senatsverwaltung für Inneres und insbesondere das Landeskriminalamt die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlages beurteilen und Schutzmaßnahmen empfehlen. 172 Siehe nur das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. 12. 2008, BGBl. I, S. 3038. 173 Hierzu Gusy, Sicherheiskultur-Sicherheitspolitik-Sicherheitsrecht, KritV 2010, 111 (112 ff.). 169

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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verdachts ablösen und in den Vorfeldbereich mit generellen und nicht mehr individuellen Verdachtsstufen verlagert werden174, so können planungsrechtliche Lösungen einen Freiheitsgewinn darstellen. Für die Normen des Planungsrechts ist die Finalprogrammierung kennzeichnend und keine starren Konditionalprogramme, bei denen aus einem erfüllten Tatbestand sich eine zwingende Rechtsfolge ergibt, die lediglich durch Beurteilungs- oder Ermessensspielräume abgeschwächt werden. Planungsentscheidungen sind zwar durch die Abwägung gesteuert, jedoch im Ganzen gesehen von größeren Feiräumen und insbesondere Alternativenreichtum geprägt.175 Im Rahmen des Untersuchungsgegenstands bleibt die Schnittstellenfunktion des § 2 Abs. 3 BauGB zur Informationsgewinnung über Sicherheitsbelange festzuhalten, für die es so noch nicht einmal eines Rückgriffs auf allgemeine Grundsätze der Amtshilfe bedarf, da sich die Beteiligungs- und Informationsrechte direkt aus dem BauGB ergeben. Das angesprochene Wahrscheinlichkeitsurteil führt zu einer weiteren Verknüpfung zwischen der Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB und den Vorschlägen zum Umgang mit Risikosituationen. Die Ermittlung und v. a. auch die Bewertung von Sicherheitsbelangen führt zwangsläufig zu einer in die Zukunft weisenden Prognose, die von der planenden Stelle durchzuführen ist. Eine derartige Prognose muss nach der Rechtsprechung des BVerwG auf methodisch einwandfreie Weise erarbeitet worden sein.176 Nötig sind hierfür eine geeignete Prognosebasis und geeignete Prognosemethoden.177 Für den Bereich des Umgangs mit Katastrophenrisiken wird sowohl auf theoretischer Basis als auch aus der Praxis heraus auf ein Modell zur Risikoanalyse verwiesen, dass sich in wesentlichen Beziehungen in genau diese Erfordernisse des § 2 Abs. 3 BauGB eingliedert. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat im Jahr 2010 eine Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz herausgegeben178, in der die Grundsätze zur Risikoermittlung dargestellt werden und die hier skizziert werden sollen. In theoretischer Hinsicht stellen Egli und Greiving ebenfalls Grundsätze einer Risikoanalyse im Rahmen eines umfassenden Risikomanagementkonzepts auf.179

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Schmidt, Terrorabwehr durch das BKA, KJ 2010, 307. Hierzu Erbguth, Zur Rechtsnatur von Programmen und Plänen der Raumordnung und Landesplanung, DVBl. 1981, 557 ff.; Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 14 f.; Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 9f. 176 BVerwGE 56, 110 (121); BVerwGE 69, 256 (272). 177 Zu den Begrifflichkeiten Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 52. 178 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, Bonn 2010. 179 Vgl. Egli, Raumorientiertes Gefahren- und Risikomanagement, in: Karl/Pohl (Hrsg.), Raumorientiertes Risikomanagement in Technik und Umwelt, S. 160; Greiving, Räumliche Planung und Risiko, S. 248. 175

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Die Risikoanalyse vollzieht sich dabei in fünf Schritten. Zunächst ist das Bezugsgebiet festzulegen, für das die Risikoanalyse vorzunehmen ist. Davon ausgehend, ist das Bezugsgebiet strukturiert zu beschreiben, indem Informationen über die ansässige Bevölkerung, die Umwelt, die Einrichtungen der Wirtschaft, die grundlegenden Versorgungs- und Infrastruktureinrichtungen sowie immaterielle Werte aufgenommen werden.180 Als zweiter Schritt ist festzulegen, für welche Art von Gefährdung die Risikoanalyse durchgeführt wird und es ist ein mögliches Eintrittsszenario festzulegen. Alle potentiellen Arten von Gefährdungen sind dabei im Kennziffernkatalog der bundeseinheitlichen Gefährdungsabschätzungen aufgelistet.181 Die Gefährdungen decken alle denkbaren Katastrophen von Extremwetterlagen und ABC-Gefahren über den Ausfall von Kommunikationsnetzen bis hin zu terroristischen Anschlägen und Kriegshandlungen ab. Sind derart der räumliche Bezugspunkt und das Szenario festgelegt, muss als drittes die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Innerhalb einer fünfstufigen Skala von sehr wahrscheinlich (1 Ereignis in 10 Jahren) über bedingt wahrscheinlich (1 Ereignis in 1.000 Jahren) bis hin zu sehr unwahrscheinlich (1 Ereignis in 100.000 Jahren) ist aufgrund von statistischen Jahreswerten sowie unter Heranziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Einbeziehung von Fachbehörden die Eintrittswahrscheinlichkeit des ausgewählten Szenarios abzuschätzen.182 Die Bestimmung der Einrittswahrscheinlichkeit ist von Bedeutung, da im Rahmen der Risikoanalyse der klassische aus der Versicherungswirtschaft bekannte Risikobegriff verwendet wird. Ein Risiko wird dabei gedeutet als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß.183 Deshalb schließt sich in der Risikoanalyse als nächster Schritt die Bestimmung des Schadensausmaßes an. Ausgewählt werden Schadensparameter (Anzahl von Toten und Verletzten, Größe von geschädigten Flächen, Höhe von Sach- und Folgeschäden, Dauer der Unterbrechung von Infrastruktur etc.) sowie bestimmte Schwellenwerte für die Parameter. Hieran schließt sich die Ermittlung eines konkreten Schadenswertes an.184 Schließlich können die so ermittelten Werte in einem Koordinatensystem, der sogenannten Risiko-Matrix, wie sie nachstehend abgebildet ist185, dargestellt werden.

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Vgl. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, S. 23. 181 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, S. 25; Kenziffernkatalog in Anhang 3, S. 64. 182 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, S. 27 f. 183 Vgl. nur Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 54. 184 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, S. 30, 32, 36. 185 In Anlehnung an Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, S. 41.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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Derartige Matrizen dienen als Ausgangspunkt für weitere Visualisierungen wie z. B. die bereits erwähnten Schweizer Risikokartierungen.186 Im Rahmen von § 2 Abs. 3 BauGB kann eine derartige Quantifizierung von verschiedenen Risiken auch für die neben der Ermittlung notwendige Bewertung des gewonnenen Abwägungsmaterials hilfreich sein. Der Begriff des „Bewertens“ war dem BauGB bis zu seiner Einführung durch das Europarechtsanpassungsgesetz (EAG Bau)187 fremd und hat Irritationen dahingehend ausgelöst, ob und inwieweit damit schon in den Abwägungsvorgang eingegriffen wird.188 Festzuhalten ist jedoch, dass das EAG Bau nicht in die weiterhin erforderliche Abwägung eingreifen wollte, sondern das vorgelagerte Ermittlungsstadium verfahrensrechtlich stärken wollte und Bewertung daher lediglich im Sinne einer Gewichtung zu verstehen ist, die aber eben nicht mit dem Vor- und Zurücktreten von Belangen im Rahmen von § 1 Abs. 7 BauGB vergleichbar ist.189 Gerade dieser europarechtlich geprägte Ansatz, das Abwägungsverfahren zu stärken und in den Vordergrund zu stellen, passt zu der allgemeinen Forderung, Risiken durch prozedurale Konzepte und Methoden zu minimieren.190 Die Risikoanalyse führt gleichsam automatisch zu einer Bewertung des jeweils untersuchten Risikos. Das gestufte Analyseverfahren passt sich reibungslos in die zu § 2 Abs. 3 BauGB entwickelte Dogmatik ein. Die so erfolgte Quantifizierung bewirkt auch noch einen weiteren Effekt: In der Literatur ist darauf hingewiesen worden, dass allein eine sprachliche Darstellung von Wahrscheinlichkeitswertungen in Pla186

Siehe oben 3. Kapitel unter A. II. Gesetz vom 24. 6. 2004, BGBl. I, S. 1359. Dazu Battis/Krautzberger/Löhr, Die Änderungen des Baugesetzbuchs durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau, NJW 2004, 2553; Krautzberger, Europarechtsanpassungsgesetz Bau, UPR 2004, 241. 188 Überblick zu den Irritationen bei Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 2 Rn. 5; Hoppe, Die Abwägung im EAG Bau nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB 2004, NVwZ 2004, 903 sowie jüngst Labrenz, Zur neuen Diskussion über das Wesen der Abwägung im Bauplanungsrecht, Die Verwaltung 43 (2010), S. 63 ff. 189 Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 2 Rn. 147. 190 Vgl. Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 71. 187

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

nungsentscheidungen problematisch sei. Begriffe wie „geringe Auswirkungen“ seien ohne weitere Erläuterungen zu vage.191 Plädiert wird vielmehr für die zunehmende Verwendung von Zahlen und numerischen Darstellungen, um so Begriffe wie den eines „erheblichen Nachteils“ besser fassen zu können.192 Unabhängig von den geäußerten Zweifeln, ob allein das numerische Verfahren zu besseren Planungsentscheidungen führt193, kann das hier vorgestellte Risikoanalysekonzept für sich in Anspruch nehmen, eine Verbindung zwischen verbalen und numerischen Konzepten herbeizuführen. Damit ist die Arbeitshypothese in vollem Umfang bestätigt: Mit der Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB verstanden als Schnittstellennorm steht sowohl ein Informations- als auch ein Risikoanalysekonzept zur Verfügung, mit dem die terroristische Bedrohung Eingang in das Planungsverfahren finden kann. 7. § 1 Abs. 7 BauGB – Das Abwägungsgebot Wenn die Gemeinde für ein möglicherweise durch Terroranschläge gefährdetes Bauobjekt im zukünftigen Plangebiet durch die vorstehend skizzierte Risikoanalyse die relevanten Belange ermittelt und bewertet hat, schließt sich als entscheidender Schritt die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange an, § 1 Abs. 7 BauGB. Dabei könnten die bisherigen Vorstellungen zu der Annahme verleiten, dass ab sofort das gesamte Bauplanungsrecht unter Sicherheitsvorbehalt steht und andere schützenswerte Belange in den Hintergrund rücken. Diesem Eindruck muss jedoch entschieden entgegengewirkt werden. Es geht nicht um die Vereinnahmung des Bauplanungsrechts durch Sicherheitsaspekte, sondern vielmehr um eine notwendige Sensibilisierung des öffentlichen Baurechts für diesen Bereich. Wesentliche Bedeutung für eine solche Sensibilisierung kommt dabei dem Abwägungsgebot zu. Erst wenn die planende Gemeinde für die Sicherheitsfrage in ausreichendem Maße sensibilisiert ist, kann eine Abwägung mit den anderen Belangen erfolgen. Dies ist bereits an verschiedenen Stellen deutlich geworden. Im Rahmen des Zusammenspiels von Störfallschutz und Bauleitplanung war die Frage erörtert worden, inwieweit das in § 50 BImSchG verankerte Trennungsgebot die Abwägung vorbestimmt.194 Plädiert wurde für eine Lösung, die auch die notwendige richtlinienkonforme Auslegung berücksichtigt: Lässt die räumliche Situation die Festsetzung von Schutzabständen zu, so ist das Trennungsgebot abwägungsfest. Auch im Rahmen der amtshaftungsrechtlichen Altlastenrechtsprechung des BGH ist deutlich gewor191

Hofmann, Abwägung im Recht, S. 273 f. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 288 ff. 193 Köck, Pläne, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 37 Rn. 111. 194 Siehe 2. Kapitel unter D. IV. b). 192

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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den, dass die Nichtberücksichtigung von Gefahrenbelangen abwägungsfehlerhaft ist. Schon bei der Planung gebieten es die Anforderungen an die Sicherheit der Wohnund Arbeitsbevölkerung, dass die Gemeinde die Gefahrensituation ermittelt und in die Abwägung einstellt.195 Auch für terroristische Bedrohungslagen knüpft das BVerwG daran an. Es sei demnach abwägungsfehlerhaft, die aus der Errichtung eines anschlagsgefährdeten Objektes resultierenden Besonderheiten im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplans nicht zu berücksichtigen.196 Insgesamt stellt sich demnach die Frage, welchen Rang der Sicherheitsbelang in Bezug auf Terrorgefährdungen im Rahmen der Abwägung einnehmen kann. a) Genereller Vorrang von Terrorschutzbelangen? Zunächst ist die Frage zu erörtern, ob Terrorschutzbelangen ein genereller Vorrang im Abwägungsvorgang einzuräumen ist. Gegen diese Annahmen spricht schon die Feststellung, dass so das Bauplanungsrecht eben doch in die Nähe eines allgemeinen Sicherheitsvorbehalts gerückt würde. Gleichwohl kennt das (Bau-)Planungsrecht Situationen, in denen bestimmten Belangen ein Vorrang einzuräumen ist.197 aa) Zwingend zu berücksichtigende Planungsleitsätze Als erste Fallgruppe von durch Abwägung nicht zu überwindenden Belangen sind die strikt zu beachtenden Planungsleitsätze zu nennen. Planungsleitsätze stellen eine „rote Ampel“198 im Planungsrechtsverkehr dar, da so die Abwägung der Gemeinde schon in eine bestimmte Richtung gelenkt ist. Für den Untersuchungsgegenstand bedeutsam ist der Planungsleitsatz aus § 1 Abs. 4 BauGB199, nach dem die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen sind. Hierbei ist jedoch der genaue Wortlaut entscheidend. Die Bindungswirkung ergibt sich nur für Ziele und nicht für bloße Grundsätze der Raumordnung.

195

BVerwGE 106, 323 (326 f.). BVerwGE 128, 118 (123). 197 Die wachsende Anzahl von Planungsleitsätzen und anderen zwingenden Vorgaben, die die Abwägung binden, veranlasst Stüer, Städtebauliche Abwägungsdirektiven, UPR 2010, 288 ff., schon danach zu fragen, ob das Abwägungsgebot noch das „Herzstück“ der städtebaulichen Planung sei. 198 Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 803; vgl. auch BVerwGE 71, 163, 1. Leitsatz. 199 Siehe überblicksartig bereits im 3. Kapitel unter B. IV. 1. und ausführlich unten unter B. IV. 8. a). 196

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Diese sind zwar zu berücksichtigen, können jedoch im Rahmen der Abwägung überwunden werden.200 Dies hat u. a. Auswirkungen auf den durch § 2 Abs. 1 Nr. 3 ROG zu berücksichtigenden Schutz von kritischen Infrastrukturen. Nach der bundesrechtlichen Vorgabe im ROG ist dieser Schutz lediglich als Grundsatz der Raumordnung und nicht als Ziel der Raumordnung ausgestaltet. Damit ist jedoch nur die erste Stufe der Raumordnungsplanung angesprochen. Die Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der Raumordnung obliegt den jeweiligen Trägern der Landes- und Regionalplanung in den Bundesländern. Innerhalb dieser Konkretisierung ist es gerade Aufgabe der Länder wiederum eigene Ziele und Grundsätze der Raumordnung zu definieren.201 Diese Möglichkeit folgt auch spezialgesetzlich aus § 7 Abs. 1 ROG, der festlegt, dass in Raumordnungsplänen für einen bestimmten Planungsraum Festlegungen sowohl als Ziele als auch als Grundsätze der Raumordnung zur Ordnung, Entwicklung und Sicherung des Raums zu treffen sind. Somit steht es den Bundesländern frei, den Schutz von kritischen Infrastrukturen in dem räumlichen Geltungsbereich ihrer Raumordnungspläne zum Ziel der Raumordnung zu erklären. Zu beachten sind dabei das aus § 7 Abs. 2 ROG folgende Abwägungsgebot der berührten privaten und öffentlichen Belange sowie die Anforderungen an die notwendige Konkretisierung dieser Zielbestimmung202. Dies zeigt zudem, dass auch die Ziele der Raumordnung nicht völlig abwägungsfrei sind. Der Abwägungsprozess wird vielmehr auf die Ebene Raumordnung „hochgezont“, entfaltet dann jedoch Bindungswirkung gegenüber der Bauleitplanung. Macht ein Träger der Raumordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann sich diese Bindungswirkung bis hin zu einer Erstplanungs- bzw. bei bestehenden Plänen zu einer Änderungspflicht der Gemeinde verdichten.203 bb) Terrorschutzbelange = § 50 BImSchG? Weiterhin stellt sich die Frage, ob eine terroristische Bedrohungssituation unmittelbar mit dem Trennungsgebot aus § 50 BImSchG und dessen Rechtsfolgen gleichgesetzt werden könnte, und damit die für das Trennungsgebot in der Rechtsprechung entwickelte Vorrangregelung in Anspruch nehmen kann. Dabei dürfen jedoch zwei Dinge nicht miteinander vermischt werden: Der Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG ist eine spezialgesetzliche Ausbildung des auch im Bauplanungsrecht durch die Rechtsprechung des BVerwG herausgebildeten 200 Auf diese Differenzierung weist Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 803, hin. 201 Vgl. Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 39 f. 202 Zu den Anforderungen an die Konkretisierung siehe die Darstellungen im 3. Kapitel unter B. IV. 1. b). 203 Siehe dazu auch unten B. IV. 8. a). Vgl. allgemein Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 41; ausführlich zu den Erstplanungspflichten aus § 1 Abs. 4 BauGB Ingold, Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, S. 230 ff.

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Grundsatzes der Trennung von unverträglichen Nutzungen in Gemengelagen.204 Die räumliche Trennung von potentiell anschlagsgefährdeten Objekten von einer anderen sensiblen Bebauung wird auch ein mögliches Festsetzungsmittel zur Konfliktlösung sein205. Speziell zu § 50 BImSchG hat das BVerwG aber festgestellt, dass im Trennungsgrundsatz nur ein Optimierungsgebot zu erblicken sei, dass zu besonderer Berücksichtigung verpflichtet, jedoch keine darüber hinaus gehenden Rechtsbindungen begründet.206 Allein nach deutschem Recht ist § 50 BImSchG durch gerechte Abwägung zugunsten eines anderen Belangs zu überwinden. Die besondere Bedeutung des § 50 BImSchG ergibt sich erst aus der erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung, um der europarechtlich geforderten Anpassungspflicht nachzukommen. Über einen derartigen Auslegungshintergrund verfügt der Sicherheitsbelang in Form von terroristischen Bedrohungslagen jedoch nicht. Eine pauschale Anwendung der zu § 50 BImSchG gefundenen Auslegung auf Terrorschutzbelange kommt demnach nicht in Betracht. cc) Terrorschutzbelange als Optimierungsgebot Aus den vorstehenden Erwägungen kann jedoch gleichwohl der Schluss gezogen werden, eine terroristische Bedrohungslage als Optimierungsgebot im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zu qualifizieren. Zwei Probleme stellen sich dabei jedoch, zum einen ein dogmatisches und zum anderen ein tatsächliches. In dogmatischer Hinsicht spricht das BVerwG in neueren Entscheidungen nicht mehr von Optimierungsgeboten, sondern vielmehr von Abwägungsdirektiven.207 Ob damit aber zugleich auch eine inhaltliche Korrektur der Rechtsprechung verbunden ist208, erscheint mehr als fraglich. Auch mit dem Begriff der Abwägungsdirektive macht das Gericht deutlich, dass eine bestimmte Lenkung der Abwägungsentscheidung in dem Sinne zulässig ist, dass entgegenstehende Belange ein entsprechend hohes Gewicht erreichen müssen, um die Abwägungsdirektive zu ändern. Damit ist jedoch auch das Problem in tatsächlicher Hinsicht angesprochen. Für den Belang „Terrorschutz“ kann es kein allgemeines Optimierungsgebot bzw. keine allgemeine Abwägungsdirektive geben. Dies ist lediglich im Einzelfall aufgrund konkreter sicherheitsbehördlicher Einschätzungen denkbar. Ist eine solche Situation 204

Vgl. BVerwGE 45, 309 (327); Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 110. Siehe dazu unten B. IV. 10. a). 206 BVerwGE 71, 163, 2. Leitsatz. 207 So in Bezug auf § 50 BImSchG BVerwG, NVwZ 1999, 1222, 1. Leitsatz. Ausführlich zur Genese der Optimierungsgebote Hoppe, Die Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, DVBl. 1992, 853 ff. 208 So Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 29 und Grüner, Die Einschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit durch Optimierungsgebote und Abwägungsdirektiven, UPR 2011, 50 (56). 205

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

gegeben, dann bietet sich die von Stüer dargestellte Vorgehensweise an: Optimierungsgebote seien als Schonungs- und Kompensationsgebote aufzufassen, die im Rahmen der Ausgleichsentscheidung ein besonderes Prüfprogramm auslösen.209 In einem besonderen Verfahrensschritt sei zu prüfen, wie zugunsten von zurückgedrängten Belangen eine Kompensation erfolgen könne. Übertragen auf den Terrorschutzbelang, müsste sich der Planungsträger überlegen, wie er z. B. durch die Auswahl geeigneter Festsetzungen dieses Ziel realisieren kann. dd) Vorrang für Vorhaben im Sinne von § 37 BauGB Das im Rahmen der bauaufsichtlichen Zulassung von Vorhaben Ausnahmen von den Vorschriften des BauGB durch die höhere Verwaltungsbehörde für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes mit besonderer öffentlicher Zweckbestimmung zugelassen werden können, ist bereits dargestellt worden.210 Bezieht man diese Situation auf das Bauleitplanungsverfahren, ist damit die Frage aufgeworfen, wie eine planungswillige Gemeinde mit derartigen baulichen Anlagen umzugehen hat, für die die Voraussetzungen des § 37 BauGB abstrakt ohne konkretes bauaufsichtliches Zulassungsverfahren vorliegen. Damit ist auch allgemein das Verhältnis von Befreiungen und Ausnahmen zum Abwägungsgebot angesprochen. Mit diesem Problem hat sich Hoppe vor dem Hintergrund der dazu ergangenen BVerwG-Rechtsprechung intensiv auseinandergesetzt211 und seine Feststellungen sollen im Folgenden für den Untersuchungsgegenstand fruchtbar gemacht werden. Allgemein hält er fest, dass eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans nur in Betracht kommt, wenn sich beim Erlass des Plans nicht vorhersehen 209 Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 808. Nur hingewiesen, da den Rahmen einer planungsrechtlichen Arbeit sprengend, sei auf den rechtstheoretischen Rahmen: Die planungsrechtlichen Optimierungsgebote bzw. nach neuerer Rechtsprechung die Abwägungsdirektiven können in rechtstheoretischer Hinsicht auf die Prinzipientheorie Alexys zurückgeführt werden (Alexy, Theorie der Grundrechte, 1996). Prinzipien sind demnach Normen, die eine möglichst hohe Realisierung eines Zieles gebieten und demnach als Optimierungsgebote verstanden werden können. Alexy sieht die Grundrechte als derartige Prinzipien und Optimierungsgebote an. Miteinander konfligierende Optimierungsgebote sind demnach durch Abwägung miteinander in Einklang zu bringen nach dem Abwägungsgesetz: „ Je höher der Grad der Nichterfüllung oder der Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, umso größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein“ (Alexy, Theorie der Grundrecht, S. 146). Eine ganz ähnliche Konzeption sieht, wie dargelegt, das planerische Abwägungsgebot vor. Verbindet man beide Rechtsgebiete, ist das unten zu klärende Verhältnis von Planung und Grundrechtsschutz angesprochen (siehe unten B. IV. 8. c); vgl. auch Koch/ Hendler, Baurecht, S. 214 Rn. 54 ff.; einen guten Überblick über die Prinzipientheorie gibt Couzinet, JuS 2009, 603 ff.; kritisch zur Prinzipientheorie und insbesondere zur Unterscheidung zwischen Prinzipien und Regeln Poscher, Theorie eines Phantoms – Die erfolglose Suche der Prinzipientheorie nach ihrem Gegenstand, Rechtswissenschaft 2010, 349 ff.). 210 Siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 4. c). 211 Hoppe, Befreiungstatbestände im Bundesbaugesetz und bauplanungsrechtliche Abwägung nach § 1 Abs. 7 BBauG, DVBl. 1983, 1077 ff.

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lässt, dass eine Befreiung notwendig ist.212 Für die umgekehrte Situation, in der aufgrund einer konkret gegebenen Planungssituation fest damit zu rechnen ist, dass für eine oder mehrere bauliche Anlagen Befreiungen möglich sind, stellt sich die Lage differenzierter dar. Grundsätzlich darf die Gemeinde bei Kenntnis einer derartigen Sonderlage die Frage der Befreiung nicht in nachfolgende Genehmigungsverfahren verlagern, sondern hat durch geeignete Festsetzungen schon auf der Planungsebene die Befreiungsnotwendigkeit zu entschärfen. Übergeht die Gemeinde diesen Punkt, so begeht sie einen Abwägungsfehler, da ein wesentlicher privater Belang nicht berücksichtigt worden ist.213 Hoppe bringt dies auf den Punkt, indem er feststellt, dass „eine Situation, die aufgrund ihrer Konstellation eine Befreiung erheischen würde, […] planerisch erst gar nicht herbeigeführt werden [darf], weil Planung die Konflikte, die mit ihr einhergehen oder durch sie hervorgerufen werden, zu bewältigen, nicht aber herbeizuführen hat. Dazu gehören auch diejenigen Konflikte, die durch die Befreiungsvorschriften bewältigt werden.“214 Trifft eine beabsichtigte gemeindliche Bauleitplanung demnach auf bestehende bauliche Anlagen mit besonderer öffentlicher Zweckbestimmung, die wie z. B. Sicherheitsbehörden, Anlagen der Landesverteidigung oder des Zivilschutzes einer besonderen Anschlagsgefährdung ausgesetzt sein können, so hat die Gemeinde diese Belange unbedingt zu berücksichtigen und kann sie nicht durch Abwägung überwinden.215 ee) Zwischenfeststellung Festzuhalten bleibt somit, dass dem Belang „Schutz vor Terroranschlägen“ lediglich in speziellen Situationen ein derart starker Rang zukommt, dass er durch Abwägung nicht überwunden werden kann. Zusammengefasst ist dies der Fall, wenn ein Landes- oder Regionalraumordnungsplan den Schutz kritischer Infrastrukturen in konkreter Art und Weise zum Ziel der Raumordnung erhebt oder die Überplanung eines Gebietes mit einer anschlagsgefährdeten baulichen Einrichtung im Sinne von § 37 BauGB vorliegt. Ein Optimierungsgebot bzw. eine Abwägungsdirektive wird lediglich im Einzelfall aufgrund einer konkreten sicherheitsbehördlichen Einschätzung zu begründen sein. Liegen die vorgenannten Fallgruppen nicht vor, steht der Sicherheitsbelang gleichberechtigt neben den anderen Planungsleitlinien des § 1 Abs. 6 BauGB.216 Es ist sodann eine Frage der gerechten Abwägung, wie die Gemeinde mit dem Sicherheitsbelang umgeht.

212 213 214 215 216

Hoppe, DVBl. 1983, 1077 (1080) m. w. N. BVerwGE 40, 268 ff.; Hoppe, DVBl. 1983, 1077 (1080). Hoppe, DVBl. 1983, 1077 (1080). Hoppe, § 1 Abs. 7 BBauG, DVBl. 1983, 1077 (1081, 1083). Vgl. nur allgemein Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 102.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Daher soll nunmehr das Augenmerk auf die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Planungsgrundsätze zur inhaltlichen Ausgestaltung des Abwägungsgebots gelegt werden. b) Gebote der planerischen Konfliktbewältigung und der Rücksichtnahme Zentrales Element zur Ausfüllung des Abwägungsgebotes ist das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung. Hierhinter verbirgt sich die Anforderung an einen jeden Bauleitplan, dass er die ihm zugrunde liegenden Probleme möglichst umfassend und erschöpfend regelt und differenzierten Lösungen zuführt. Dieses Erfordernis ist gleichsam die Kehrseite des durch die finale Programmierung eingeräumten Planungsermessens und der Freiräume im Rahmen der Alternativenauswahl. Die planerische Gestaltungsfreiheit wird wieder „eingefangen“ durch die letztlich im Rechtstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde Pflicht zur gerechten Abwägung widerstreitender Belange.217 Nur so ist es gerechtfertigt, Bauleitpläne als gerechte Ausgestaltung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu akzeptieren.218 Aus diesem Wechselspiel zwischen Planungsfreiheit und rechtlicher Gebundenheit durch die Abwägungsgebote folgt zugleich aber auch, dass ein Prinzip nicht voll auf Kosten des jeweils anderen Prinzips zurückgedrängt wird. Das BVerwG hat deshalb darauf hingewiesen, dass eine zu starke Betonung des Prinzips der umfassenden Konfliktbewältigung auch zu übermäßiger Belastung und Überforderung des Planungsträgers führen kann.219 Den gerechten Ausgleich gilt es demnach zwischen diesen beiden Polen zu finden. Auch die Beleuchtung des Abwägungsgebotes unter dem Blickwinkel des Sicherheitsaspekts hat diese Begrenzungen zu beachten. Das Gebot der umfassenden Konfliktbewältigung hat durch Rechtsprechung und Literatur verschiedene Ausgestaltungen erfahren. Zu nennen sind das Gebot der Ausschöpfung des planungsrechtlichen Konfliktlösungspotentials sowie das Verbot des Konflikttransfers in nachfolgende verwaltungsbehördliche Genehmigungsverfahren. Eng verwandt mit dem Gebot der erschöpfenden Konfliktbewältigung ist das Gebot der Rücksichtnahme. Die Inhalte beider Gebote gehen fließend ineinander 217

Zum Gebot der Gerechtigkeit jeder Abwägung siehe nur Erbguth, Abwägung als Wesenmerkmal rechtsstaatlicher Planung – die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, UPR 2010, 281; Stern, Staatsrecht, Band 2, § 40 Rn. S. 722; Hoppe, Planung, in: Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 71 Rn. 96. 218 Vgl. zum Ganzen Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 100; grundlegend Hoppe, Bauleitplanung und Eigentumsgarantie, DVBl. 1964, 165; ders., in: ders./ Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 133; Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch Öffentliches Baurecht, Band 1, B, Rn. 799. 219 BVerwG, NVwZ 1984 235 (236); Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 138.

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über, sodass hier eine gemeinsame Darstellung gewählt wird. Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Planungsträger, schon im Planungsverfahren und nicht erst in der nachfolgenden Vorhabenzulassung220 schutzwürdige Belange Dritter zu ermitteln, um sie in die Abwägung einstellen zu können und sachgerechte Schutzmöglichkeiten zu entwickeln. Auch für dieses Gebot sind verschiedene Ausformungen entwickelt worden, so die Grundsätze der Differenzierung und Schonung, der Trennung unverträglicher Nutzungen, die planerische Vorbeugung, die Beherrschbarkeit von Immissionen und Emissionen sowie der Grundsatz des Vorrangs der Konfliktvermeidung. aa) Verbot des Konflikttransfers und die Ausschöpfung des Konfliktlösungspotentials Hinter dem Gebot des Konflikttransfers verbirgt sich die Verpflichtung des Planungsträgers, sich abzeichnende Konflikte nicht einzelnen Genehmigungsverfahren, etwa dem bauordnungsrechtlichen oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, zu überantworten, sondern diese Konflikte bereits im Stadium der Planung zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Probleme, bei denen vorauszusehen ist, dass für sie im Genehmigungsverfahren keine Lösung gefunden werden kann.221 Auch dieses Gebot ist jedoch nicht absolut zu setzen und es wird daher zu Recht darauf hingewiesen, dass sich ein Konflikttransfer nicht immer vermeiden lässt. Eine Grenze ist nach der Rechtsprechung beim Zusammenspiel von Bauleitplanung und Immissionsschutzrecht dann erreicht, wenn die spezifischen Bewältigungsmöglichkeiten des Immissionsschutzrechts sachgerechter eingreifen können.222 Andererseits könne von keiner Bauleitplanung mehr die Rede sein, wenn Schutzbelange im Bebauungsplan lediglich als gewünschte Ziele geregelt werden und weitere Konkretisierungen unterblieben.223 Hieraus ergeben sich schon erste Schlüsse für die Behandlung von Sicherheitsbelangen: Sicherlich enthält auch das Bauordnungsrecht im Zusammenwirken mit den Regelungsinstrumenten des Allgemeinen Verwaltungsrechts Konfliktlösungsmechanismen: So ist es vorstellbar durch Nebenbestimmungen zur Bau- oder Nutzungsgenehmigung Auflagen und/oder Bedingungen (Erfordernis von Schutzmauern, größeren Bauabständen, Fluchtlinien, Benutzungszeiten etc.) zu formulieren, durch die ebenfalls ein gewisses Schutzniveau erreicht werden kann224. Doch gerade 220

Dazu 3. Kapitel unter B. V. Hoppe, in: ders./Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 143. 222 Vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 235 (236); Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B, Rn. 1014. 223 OVG Münster, DVBl. 1981, 409, 2. Leitsatz; Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 118. 224 Siehe dazu 3. Kapitel unter C. I. 221

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

die Frage der Verwendung bestimmter Baustoffe, das Erfordernis von Einfriedungen oder die Einhaltung von Abständen sind klassische planerische Festsetzungsmöglichkeiten, von denen Gebrauch gemacht werden muss, um eine anschlagsgefährdete Anlage von schützenswerter Wohnbebauung zu trennen. Angesprochen ist damit auch die zweite Ausprägung des Konfliktbewältigungsgebots, die erforderliche Ausschöpfung der planungsrechtlichen Konfliktlösungspotentiale. Ins Blickfeld rückt damit insbesondere der Festsetzungskatalog des § 9 BauGB. In welcher Art Baugebiet kann eine anschlagsgefährdete Einrichtung verwirklicht werden? Welche Abstandsflächen werden normiert? Welche Nutzungsart wird festgeschrieben? All diese Fragen können Gegenstand von Festsetzungen sein.225 bb) Rücksichtnahmegebot Von den aufgezählten Untergliederungen des Rücksichtnahmegebotes sind für den Untersuchungsgegenstand v. a. die Grundsätze der Differenzierung und Schonung, der Trennung unverträglicher Nutzungen sowie der planerischen Vorbeugung von Bedeutung. Der Grundsatz der Differenzierung ist ebenfalls zumindest zwischen den Zeilen bereits zuvor angeklungen. Das Gebrauchmachen von den verschiedenen Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB führt gleichzeitig zu einer differenzierten Planungslösung. Dabei haben die Differenzierungen um so feiner auszufallen, je mehr eine Planung an eine schon vorhandene bauliche Nutzung gegensätzlicher Art heranrückt.226 Die Bedeutung der Trennung unverträglicher Nutzungen ist bereits im Rahmen der spezialgesetzlichen Ausgestaltung durch § 50 BImSchG erörtert worden. Seit dem Flachglasurteil des BVerwG ist dieser Trennungsgrundsatz bzw. die Pflicht zur zweckmäßigen Zuordnung unverträglicher Nutzungen als Gebot einer geordneten städtebaulichen Entwicklung anerkannt: Demnach sollen Wohngebiete und die nach ihrem Wesen umgebungsbelastenden Industriegebiete nicht nebeneinander liegen.227 Die in dieser Rechtsprechung wurzelnden Grundsätze können auch auf das Nebeneinander von anschlagsgefährdeten Bauten und sensibler Umgebungsbebauung übertragen werden. Liegt nach einer durchgeführten Risikoanalyse eine Prognose für eine über eine allgemeine Besorgnis hinausgehende Bedrohungslage vor, so sind miteinander konfligierende Nutzungen gegeben. Eine Lösung im Sinne der Trennung dieser beiden unverträglichen Nutzungen ist dann z. B. die Ausweisung von Sondergebieten oder die Festlegung von Schutzabständen zur Wohnbebauung. Diese Lösungen sind ohne Komplikationen durchführbar in Baugebieten, die erst neu bebaut oder einer gänzlich neuen Nutzung zugeführt werden sollen. 225 226 227

Siehe dazu ausführlich 3. Kapitel unter B. IV. 10. VGH München, BayVBl. 1983, 51 (52). BVerwGE 45, 309 (327).

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Auf Hindernisse stoßen die aufgezeigten Grundsätze zur Trennung unverträglicher Nutzungen jedoch dann, wenn bestehende Nutzungen neu überplant werden sollen, insbesondere wenn der Ausgangspunkt der Planung schon durch ein gewachsenes Nebeneinander von Wohnnutzung einerseits sowie Gewerbe- oder Industrienutzung andererseits gebildet wird. In diesen sogenannten Gemengelagen228 wird es schwer fallen, den oftmals nur begrenzt vorhandenen freien Raum für Schutzabstände zu nutzen, sodass eine andere Lösung gefunden werden muss. Dies ist auch von der Rechtsprechung anerkannt worden für das Nebeneinander von bestehender Wohn-, Gewerbe- und Industrienutzung. In diesem Fall müssen Durchbrechungen des ansonsten strikten Trennungsgrundsatzes möglich sein.229 Für die Belastung durch Immissionen in Gemengelagen ist durch die Rechtsprechung die Bildung von Mittelwerten entwickelt worden im Sinne eines gegenseitigen Gebots der Rücksichtnahme: Sowohl derjenige, der für die Immissionen verantwortlich ist, ist zur Rücksichtnahme verpflichtet, als auch derjenige, der sich in der Nähe einer vorhandenen Belästigung ansiedelt.230 Eine derartige Mittelwertbildung ist für Immissionsbelastungen ein gangbarer Weg, da diese messbar sind. Für die sich einer konkreten Messung entziehende „Terrorgefahr“ ist die Mittelwertrechtsprechung hingegen keine Lösung. In diesem Fall muss der Schwerpunkt der Maßnahmen eher auf Festsetzungen liegen, die sich auf die Gebäude selbst beziehen, etwa die Festlegung von zu verwendenden Baustoffen, die Festlegung verschiedener Nutzungen an verschiedenen Orten des Baugebietes oder notfalls auch Maßnahmen der Bodenordnung.231 Mit all diesen Maßnahmen ist zugleich auch der weitere Bestandteil des planerischen Rücksichtnahmegebots umschrieben, der der planerischen Vorbeugung. Letztlich umschreibt dieses Prinzip nichts anderes als die grundlegende Arbeitshypothese der Untersuchung, dass Risikosituationen in erster Linie durch planerische Möglichkeiten bewältigt werden können. c) Zusammenfassung Abschließend lässt sich somit festhalten, dass dem Abwägungsgebot eine gewichtige Rolle zur Berücksichtigung von Sicherheitsbelangen zukommt. Liegt eine Situation vor, in der die Abwägungsentscheidung nicht schon im Einzelfall durch besondere öffentliche Zweckbestimmungen oder Ziele der Raumordnung vorbestimmt ist, so können insbesondere die Gebote der Konfliktbewältigung und der Rücksichtnahme durch die Auswahl geeigneter Festsetzungen für einen angemessenen Ausgleich sorgen.

228 229 230 231

Zur Begrifflichkeit siehe nur Söfker, in E/Z/B/K, BauGB, § 1 Rn. 237. BVerwG, ZfBR 1980, 146. BVerwG 50, 49 (54). Dazu das 3. Kapitel unter B. VII.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

8. Planungspflichten ausgelöst durch Terrorgefahr? Es ist bereits im Rahmen der Planungsgrundsätze und Optimierungsgebote bzw. nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG der Abwägungsdirektiven angesprochen worden: Bestimmte Planungsgrundsätze und bestimmte Belange können sich derart verdichten, dass das grundsätzlich bestehende Planungsermessen der Gemeinde zu einer Planungspflicht reduziert ist. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang die Erstplanungspflicht und die Änderungspflicht. Während die Erstplanungspflicht dazu führt, dass ein bisher unbeplantes Gebiet aufgrund bestimmter äußerer Faktoren zum ersten Mal zu beplanen ist, so betrifft die Änderungspflicht die Situation, dass ein bestehender Plan an geänderte Gegebenheiten anzupassen ist.232 Im Folgenden soll daher, bevor auf die einzelnen Festsetzungs- und Steuerungsmöglichkeiten in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen eingegangen wird, die Frage erörtert werden, ob terroristische Bedrohungslagen eine Erstplanungs- oder Änderungspflicht auslösen können. a) Planungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB Klassischer Anwendungsfall einer Planungspflicht, die – je nach planerischer Ausgangslage – sowohl zu einer Änderungs- als auch zu einer Erstplanungspflicht führen kann, ist § 1 Abs. 4 BauGB, der wie bereits mehrfach dargestellt233, die Pflicht begründet, die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Das Tatbestandsmerkmal „Anpassen“ kann zwar vom Wortlaut her auch so verstanden werden, dass es schon begrifflich nur die Anpassung bereits bestehender Pläne umfasst.234 Die Rechtsprechung und die überwiegenden Stimmen in der Literatur legen den Begriff des „Anpassens“ hingegen dahin aus, dass auch die erstmalige Aufstellung eines Bebauungsplanes mit umfasst ist. Dies wird in erster Linie damit begründet, dass es sonst zu Widersprüchlichkeiten zwischen Planungsebenen komme.235 Legt ein Raumordnungsplan demnach konkret das Ziel „Schutz vor terroristischen Einwirkungen“ fest oder wird ein solches Ziel im Rahmen des Schutzes von kritischen Infrastrukturen aufgestellt, so entfaltet dies für die untergeordnete Bauleitplanung unmittelbare Bindungswirkung. Das BVerwG hat in seiner Mülheim-Kärlich-Entscheidung ausgeführt, dass die gemeindliche Erstplanungspflicht insbesondere dann begründet ist, wenn die Verwirklichung von Zielen der Raumordnung bei Fortschreiten einer „planlosen“ städtebaulichen Entwicklung auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert 232 Ausführlich zu dieser Differenzierung Ingold, Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, S. 30 ff. 233 Siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 1. 234 So etwa Brocke, Die Rechtswirkungen eines Standortvorsorgeplanes, DVBl. 1979, 184 (186); Brohm, DVBl. 1980, 653 (655); Schlarmann, Privilegierte Fachplanung, DVBl. 1980, 275 ff. 235 Vgl. nur BVerwGE 119, 25 (38 ff.); Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 1 Rn. 32; Ingold, Erstplanungspflichten im System des Planungsrechts, S. 245 m. w. N.

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würde.236 Darüber hinaus sind die allgemeinen Anforderungen an die Formulierung und Aufstellung von Zielen der Raumordnung zu beachten, die bereits dargestellt worden sind.237 b) Planungspflicht aus § 1 Abs. 3 BauGB Eine weitere Einschränkung des gemeindlichen Planungsermessens kann sich aus § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB ergeben. Nach dieser Norm haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Auch für diese Planungspflicht hat die Rechtsprechung des BVerwG die maßgebliche Anforderung formuliert: Eine Erstplanungspflicht besteht für die Gemeinde dann, wenn qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorliegen.238 Dies sei immer dann der Fall, wenn die Genehmigungspraxis auf der Grundlage der Zulassungsnormen für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB städtebauliche Konflikte auslöst oder auszulösen droht, die eine Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend erfordert.239 Über diese Formulierung kann ein Kreis geschlossen werden zu den Ausführungen im Rahmen des Gebots der Konfliktbewältigung. Dort waren es dieselben Anforderungen, die die planerische Vorsorge durch Bauleitplanung auslösten. Wiederum begründet jedoch die allgemeine Sorge um terroristische Anschläge allein keinen qualifizierten städtebaulichen Grund, der eine Erstplanungspflicht im Rahmen von § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB auslösen würde. Erforderlich ist vielmehr auch hier die konkrete Risikoanalyse im Einzelfall. Ein Beispiel, wie es im Einzelfall zur Durchsetzung planerischer Maßnahmen kommen kann, die auch vom einzelnen Bürger angestoßen werden können, ist die nur europarechtlich zu verstehende Feinstaubdiskussion um den Erlass von Aktionsplänen gemäß § 47 Abs. 2 BImSchG (in Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG). Während die deutsche Verwaltungsrechtsprechung keinen Anspruch des Einzelnen auf Erlass eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung gewähren wollte, da es § 47 Abs. 2 BImSchG an der Schutznormqualität fehle240, und lediglich auf planunabhängige Maßnahmen verweisen wollte, hat der EuGH in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 diese Ansicht als nicht konform mit europäischem Recht abgelehnt: Die unmittelbar von einer Feinstaubgrenzwert-Überschreitung Betroffenen können demnach von der zuständigen Behörde die Erstellung eines Aktionsplans verlangen, auch wenn sie nach nationalem Recht auf andere Maßnahmen verwiesen werden.241 236

BVerwGE 119, 25, 2. Leitsatz. Siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 1. 238 BVerwGE 119, 25, 1. Leitsatz. 239 BVerwGE 119, 25 (42 ff.). 240 Vgl. BVerwGE 128, 278 ff. Der VGH München hatte in der Vorinstanz einen solchen Anspruch aus systematischen und teleologischen Gründen noch bejaht, VGH München, NVwZ 2007, 233, 5. Leitsatz. 241 EuGH, Slg. 2008, I-6221; zu den Auswirkungen auf die deutsche Schutznormtheorie Couzinet, Die Schutznormtheorie in Zeiten des Feinstaubs, DVBl. 2008, 754 ff. 237

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c) Planungspflicht aus grundrechtlichen Schutzpflichten? Die Frage der planerischen Vorsorge gegen terroristische Bedrohungslage führt, wie ausgeführt, im Rahmen der Bauleitplanung zum Sicherheitsbegriff des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB. Die Frage nach der Gewährung von Sicherheit führt dann gleichsam automatisch zu den staatlichen Anforderungen in diesem Regelungsbereich und zu der Frage, ob sich aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte in bestimmten Situationen eine Pflicht zur Normsetzung ergeben kann. aa) Die Begründung der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension Klassisch werden drei Grundrechtsfunktionen unterschieden: Ausgangspunkt der Grundrechts- und Menschenrechtsdiskussion ist dabei die Freiheit vom Staat. Wichtigste Forderungen des aufstrebenden Bürgertums seit der Aufklärung waren dabei die Freiheit der Person sowie die Eigentumsfreiheit.242 Diese Abwehrfunktion der Grundrechte wird in Anlehnung an Jellinek243 als status negativus bezeichnet. Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit oder auch die Pressefreiheit ermöglichen hingegen die politische Teilhabe des Einzelnen an der öffentlichen Diskussion. Bei derartigen demokratischen Teilhaberechten betätigt der Einzelne seine Freiheiten im und für den Staat und nimmt aktiv seine staatsbürgerlichen Rechte wahr. In dieser Funktion wird von den Grundrechten als status activus gesprochen.244 Im status activus ist auch bereits die dritte Funktion angelegt: Die aktive Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte kann auch zur Verpflichtung des Staates führen, diese Ausübung zu gewährleisten und umgekehrt zu einem Anspruch des Einzelnen führen. Diese Anspruchssituation führt zur Frage nach Leistungsrechten gegenüber dem Staat, insbesondere auf soziale Leistung und Teilhabe. In der status-Lehre Jellineks ist diese Funktion als status positivus umschrieben.245 Denkt man die Leistungs- und Teilhabefunktion der Grundrechte konsequent weiter, gelangt man zu der Frage, ob und wie der Staat verpflichtet sein kann, Mindeststandards an sozialer Teilhabe und Leistung zu schaffen oder allgemein gesprochen ein Mindestschutzniveau zu realisieren. Erweitert man nun noch die bisher subjektiv geprägten Grundrechtsfunktionen um ihren objektivrechtlichen Gehalt, als vierte, „moderne“ Grundrechtsfunktion, ist die Begründung der Schutzpflichtdimension abgeschlossen: Seit der Lüth-Entscheidung des BVerfG sind 242

Siehe zur historischen Entwicklung der Grundrechte Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 2 Rn. 28 ff. Ausführlich Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 15 ff. 243 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 87. 244 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 Rn. 65 ff.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 17, S. 157. 245 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 124.

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die Grundrechte nicht mehr nur subjektive Abwehrrechte des Einzelnen, sondern die Grundrechte begründen eine objektive Wertordnung, in deren Mittelpunkt die sich frei entfaltende menschliche Persönlichkeit und ihre Würde steht. Diese Grundrechtsdimension sei als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts zu beachten.246 Deshalb verpflichtet Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG den Staat nicht nur zur Unterlassung aller unverhältnismäßigen Eingriffe in Leben und körperliche Unversehrtheit, sondern auch zur Schaffung von Schutzgrundlagen für Leib und Leben.247 bb) Staatliche Schutzpflichten und Terrorismus Terroranschläge zielen direkt auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit von gänzlich Unbeteiligten und rufen deswegen die Frage nach dem Umfang staatlicher Schutzpflichten hervor. Die diesbezüglichen Grundsätze hat das BVerfG in seiner Eilentscheidung im Entführungsfall Schleyer aufgestellt.248 Das Gericht bekräftigt zunächst die grundsätzlich gegenüber jedermann bestehende grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, die den Staat verpflichte, jedes menschliche Leben zu schützen: „Diese Schutzpflicht ist umfassend. Sie gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren […].“249 Im Fortgang stellt das Gericht jedoch die entscheidenden Leitlinien dafür auf, wie der Staat diese besondere Schutzpflicht erfüllen und praktisch umsetzen kann. Demnach befinden die staatlichen Organe in eigener Verantwortung selbst darüber, welche Schutzmaßnahmen zweckdienlich und geboten sind. Lediglich in besonders gelagerten Fällen kann sich diese Wahlfreiheit auf ein bestimmtes Mittel verengen.250 Für den konkret zu entscheidenden Fall, ob der Staat verpflichtet ist, zum Schutz des Lebens eines Entführungsopfers Terroristen freizulassen, hat das Gericht eine derartige Verengung nicht angenommen und daher den Erlass einer darauf gerichteten einstweiligen Anordnung als unbegründet abgelehnt. Festzuhalten bleibt somit vorerst, dass terroristische Bedrohungslagen eine Handlungspflicht des Staates auslösen, konkrete Maßnahmen jedoch nicht gefordert werden können. 246

Vgl. BVerfGE 7, 198 (205). Vgl. nur Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 17, S. 163. Die umfangreiche dogmatische Diskussion und Entwicklung der grundrechtlichen Schutzpflichtdimension kann hier nur angerissen werden. Ausführlich dazu Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 65 ff. sowie Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 92 ff. Zur Übertragung der Schutzpflichtdimension auf die Gemeinschaftsgrundrechte ders., Grundfreiheitliche Schutzpflichten – eine „neue“ Funktion der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1998, 219 ff. 248 BVerfGE 46, 160 ff. 249 BVerfGE 46, 160 (163) m. w. N. 250 BVerfGE 46, 160 (163 f.). 247

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Im Fortgang dieser Entscheidung sind die Anforderungen an die grundrechtliche Schutzpflicht weiter ausgestaltet worden. In seiner zweiten Entscheidung zum Recht des Schwangerschaftsabbruchs hat das BVerfG die unteren Grenzen dieses weiten gesetzlichen Gestaltungsspielraums benannt. Demnach muss der Staat „zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, dass ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird […]. Dazu bedarf es eines Schutzkonzepts, das Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet“.251 Mit dieser Aussage konstituierte das Gericht das sogenannte Untermaßverbot als untere Grenze im Rahmen der staatlichen Schutzverpflichtung. Auf der anderen Seite ist der staatliche Gestaltungsspielraum jedoch auch nach oben hin begrenzt, und zwar durch das Übermaßverbot als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Niedergeschlagen hat sich dieses Übermaßverbot in einer weiteren Entscheidung des BVerfG zu terroristischen Bedrohungslagen im Urteil zu § 14 Abs. 3 LuftSiG. Das Recht des Staates seine Bürger zu schützen, rechtfertigt keine gesetzliche Regelung, die an den Grenzen des Rechts zu einer Abwägung Leben gegen Leben führt, die also das Leben von Flugzeugpassagieren zum „Abschuss freigibt“, um die Bevölkerung am Boden zu schützen.252 Innerhalb der Grenzen des Untermaß- und des Übermaßverbotes bleibt es jedoch dabei, dass der Staat auch bei terroristischen Bedrohungslagen einen weiten Ermessens-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen hat und eine Verdichtung auf eine Maßnahme den Ausnahmefall darstellt. Übertragen auf die Planungssituation und die Frage nach einer Planungspflicht bedeutet dies, dass die Bauleitplanung ein staatliches Handlungsinstrumentarium darstellt, das im Rahmen der Frage nach der Abwehr terroristischer Bedrohungslagen in Betracht zu ziehen ist. Ob einzig und allein die Wahl dieses Instruments in Betracht kommt und gleichzeitig zu einer Erstplanungspflicht führt, ist demgegenüber wiederum eine Frage der Gefährdungslage im Einzelfall. cc) Alternative: Grundrechtsschutz durch Verfahren Ist demnach eine grundrechtlich geprägte Erstplanungspflicht im Regelfall nicht angezeigt, stellt sich die Frage, ob gleichwohl auf einer anderen Ebene grundrechtliche Schutzpflichten und Bauleitplanung in Einklang gebracht werden können. Als eine solche Ebene bietet sich die auch aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte abgeleitete Kategorie des Grundrechtsschutzes durch Verfahren und Organisation an. 251 252

BVerfGE 88, 203 (203 f.), 6. Leitsatz. Vgl. BVerfGE 115, 118 (154 ff.).

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Aus dem Recht der technischen Sicherheit kommend hat das BVerfG in seinen Entscheidungen Kalkar I253 und Mülheim-Kärlich254 dieses Prinzip gestärkt und dazu ausgeführt, dass alle staatlichen Organe in einer Situation, in der vernünftige Zweifel möglich sind, ob befürchtete Gefahren eintreten werden, verpflichtet sind, alle Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen.255 Grundrechtsschutz ist demnach auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken, da Grundrechte nicht nur auf das materielle Recht einwirken, sondern auch das Verfahrensrecht beeinflussen.256 Doch nicht nur im Bereich des technischen Sicherheitsrechts ist dieser Gedanke zu finden. In seiner Josephine-MutzenbacherEntscheidung führt das Gericht diese Grundsätze fort, indem auch die Risikobewertung im Bereich der Kunstfreiheit konfligierende grundrechtliche Freiheiten auf Verfahrensebene auszugleichen hat.257 Übertragen auf die Ebene der Bauleitplanung bedeutet dies, dass die Anwohner von anschlagsgefährdeten Objekten die Möglichkeit besitzen müssen, ihre Bedenken und Sorgen im Planungsverfahren geltend machen zu können. Hierzu besitzt das BauGB bereits die geeigneten Mittel, die eine derartige Partizipation möglich machen und die nunmehr im Lichte der Grundrechte deutlich hervortritt258 : Die §§ 2 Abs. 3, 3 und 4 BauGB verpflichten den Planungsträger zur umfassenden Ermittlung der Einwände, Befürchtungen und Sorgen der späteren Planbetroffenen sowie deren Beteiligung. Insbesondere vor dem auch europarechtlich und anglo-amerikanisch geprägten Grundsatz, Verfahrensnormen einen stärkeren Einfluss gegenüber materiellen Normen zukommen zu lassen, kann das Bauplanungsrecht hier eine Vorreiterrolle einnehmen, gerade nachdem es die verfahrensrechtlich ausgestaltete Umweltverträglichkeitsprüfung verdaut und mit ihr „seinen Frieden gemacht hat“.259 d) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt, dass durch Terrorgefahr ausgelöste Planungspflichten eher die Ausnahme sein werden: Im Rahmen der Anpassungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB kommt es entscheidend auf die hinreichende Konkretisierung der Zielbestimmung an. Eine Planungspflicht aus § 1 Abs. 3 BauGB setzt ein bestimmbares Bedrohungsbild voraus. Grundrechtliche Schutzpflichten können sich lediglich im Ausnahmefall zu einer Planungspflicht verdichten. 253

BVerfGE 49, 89 ff. BVerfGE 53, 30 ff. 255 BVerfGE 49, 89 (132). 256 BVerfGE 53, 30 (65). 257 BVerfGE 83, 130 (152). 258 Für die Auslegung der Normen des Fachrechts im Lichte der Grundrechte, gerade im Planungsrecht, schon Battis, Partizipation im Städtebaurecht, S. 132. 259 Battis, Verfahrenstransparenz durch Öffentlichkeitsbeteiligung, in: FS Krautzberger, S. 8. 254

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9. Steuerungsmöglichkeiten durch den Flächennutzungsplan Nach den vorstehenden theoretischen Ausführungen soll nunmehr das Augenmerk auf die praktischen Steuerungsmöglichkeiten durch bestimmte Festsetzungen sowohl in Bebauungs- als auch in Flächennutzungsplänen gelegt werden. Da nach § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind, sollen an erster Stelle die Steuerungsmöglichkeiten durch den Flächennutzungsplan stehen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Flächennutzungsplan die städtebauliche Ordnung im Gesamtgebiet der Gemeinde festlegt und daher in der Regel weniger Auswirkungen auf ein konkret anschlagsgefährdetes Objekt haben wird. Dieser Grundsatz folgt aus § 5 Abs. 1 S. 1 BauGB, wonach im Flächennutzungsplan für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen ist. Gleichwohl sollen die Möglichkeiten dieser übergeordneten Planungsebene nicht vernachlässigt werden, da dem Flächennutzungsplan eine doppelte Aufgabe zukommt, indem er zum einen die höherrangigen Planungsziele umzusetzen hat und zum anderen seiner Rolle als vorbereitender Bauleitplan nachzukommen hat, um so die Feinsteuerung durch den verbindlichen Bauleitplan, den nachfolgenden Bebauungsplan, vorzubereiten.260 Aus dieser Mittlerrolle folgen auch Anforderungen an den Detaillierungsgrad der planerischen Darstellungen: Einerseits muss die Gemeinde Raum für die nachfolgende Bebauungsplanung und das Baugenehmigungsverfahren einräumen, andererseits sind die Grundzüge der zukünftigen Nutzung im Sinne einer allgemeinen Zweckbestimmung261 anzugeben; die abstrakte Darstellung von Bauflächen reicht nicht aus. Der Detaillierungsgrad ist somit abhängig von den planerischen Prognosen der Gemeinde.262 a) § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB – Bauflächen und Baugebiete Die grundlegendste Steuerungsmöglichkeit zur Verhinderung von Folgen, die von Anschlägen auf gefährdete Objekte ausgehen können, bietet § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Hiernach können im Flächennutzungsplan insbesondere dargestellt werden die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen), nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) sowie nach dem allgemeinen Maß der baulichen Nutzung. Welche Darstellungen hierfür gewählt werden können, legt § 1 Abs. 1 BauNVO fest. Demnach können Flächen nach der allgemeinen Art ihrer Nutzung dargestellt werden als Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen, gewerbliche Bauflächen sowie Sonderbauflächen. 260 Vgl. zur Doppelfunktion nur Stüer, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B Rn. 76. 261 BVerwG, NVwZ 1995, 267, 1. Leitsatz. 262 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 5 Rn. 12.

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Möglich ist so bereits eine erste Grobsteuerung von Gebieten mit sensibler Nutzung und Gebieten, in denen anschlagsgefährdete Nutzungen vorgesehen sind. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Der Flächennutzungsplan für das Land Berlin263 weist für alle Bauten des Bundes sowie für Botschaften und die Vertretungen der Länder beim Bund eine „Sonderbaufläche Hauptstadtfunktion“ aus. Diese Sonderbaufläche soll vorrangig der Verwirklichung von Bauten des Bundes dienen und trägt so zu einer konsequenten Trennung zwischen Regierungs- und Verwaltungsnutzung einerseits und Wohnnutzung andererseits bei. Weitere sensible Nutzungen wie Anlagen der allgemeinen Infrastruktur für die städtische Ver- und Entsorgung sind als gewerbliche Baufläche gekennzeichnet. § 1 Abs. 2 BauNVO erlaubt darüber hinaus auch im Flächennutzungsplan eine weitere Detaillierung in einzelne Baugebiete. Von dieser Möglichkeit hat der Berliner Flächennutzungsplan keinen Gebrauch gemacht. Anders vorgegangen ist jedoch die Gemeinde Pullach, die die Flächen, die vom Bundesnachrichtendienst genutzt werden, im Flächennutzungsplan nach § 1 Abs. 2 Nr. 10 BauNVO ausdrücklich als Sondergebiet dargestellt hat. Eine weitere Feinsteuerung zur Lösung konfligierender Nutzungen kann jedoch aus den oben genannten Gründen vom Flächennutzungsplan nicht erwartet werden. b) § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB – Verkehrsflächen Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB können die Flächen für den überörtlichen Verkehr und für die örtlichen Hauptverkehrszüge im Flächennutzungsplan dargestellt werden. Hierdurch wird der Gemeinde eine Grobsteuerung im Rahmen der Verkehrsplanung ermöglicht. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Planung der überörtlichen Verkehrszüge der Fachplanung zugewiesen ist und daher nur wenig Gestaltungsspielraum für die einzelne Gemeinde besteht. In der Mehrzahl der Fälle wird wohl nur die nachrichtliche Übernahme der Straßenfachplanung in den Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 4 S. 1 BauGB in Betracht kommen.264 Zum überörtlichen Verkehr in diesem Sinne zählen die Autobahnen sowie die anderen Bundesfernstraßen und Landstraßen, ferner die Eisenbahntrassen sowie die Flächen für den Flugverkehr.265 Für den örtlichen Verkehr bleiben Verbindungsstraßen zwischen Ortsteilen, Zubringer- und Sammelstraßen, Fuß- und Radwege sowie die Anschlüsse an die Hauptverkehrsstraßen übrig.266

263 264 265 266

Abrufbar unter http://fbinter.stadt-berlin.de/fnp/index.jsp (letzter Abruf: 10. 3. 2011). Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 5 Rn. 18. Söfker, in E/Z/B/K, BauGB, § 5 Rn. 30. Söfker, in E/Z/B/K, BauGB, § 5 Rn. 30.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Vergegenwärtigt man sich die eingangs der Untersuchung skizzierte Situation der Terroranschläge in Belfast und London, die vornehmlich mittels Autoexplosionen durchgeführt worden sind, so liegt die Notwendigkeit einer intelligenten Verkehrsführung u. U. in Verbindung mit den Möglichkeiten einer Verkehrsberuhigung auf der Hand. Daher kann eine Grobsteuerung der örtlichen Verkehrsflächen den Schutz von sensiblen baulichen Anlagen stärken. Sicherlich ist hierbei zu beachten, dass Anlagen der Infrastruktur nicht von den Anschlüssen an die überörtlichen Verkehrszüge abgeschnitten werden dürfen. Bei baulichen Anlagen, die auf dieses Erfordernis weniger angewiesen sind, kann die Planung entsprechend weiter gehen und z. B. durch Bevorzugung von Fußgänger- und Radfahrerverkehr die Gefahr von Attentaten durch Autobomben reduzieren. c) § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauGB – Versorgungsanlagen Die nachfolgende Nr. 4 erlaubt die Darstellung von Flächen für Versorgungsanlagen, für die Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung, für Ablagerungen sowie für Hauptversorgungs- und Hauptwasserleitungen. Aus der Sicht des Untersuchungsgegenstandes sind vor allem die Versorgungsanlagen von besonderem Interesse, da sie unter dem neuen Begriff der kritischen Infrastruktur als Grundsatz der Raumordnung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG raumplanerische Bedeutung erlangt haben. Sind sie sogar über die Landesplanung als Ziele der Raumordnung ausgestaltet, muss die gemeindliche Flächennutzungsplanung über die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB hierauf reagieren. Im Sinne des Trennungsgrundsatzes kann darauf hingewirkt werden, die Versorgungsanlagen möglichst von Wohnbebauung fernzuhalten. Auf die Steuerungsmöglichkeit der Festsetzung einer Vorrang- oder Konzentrationsfläche mit den Rechtswirkungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB soll sogleich eingegangen werden. d) §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 S. 3 BauGB – Wirkungen eines sachlichen Teilflächennutzungsplans Die Rechtswirkungen eines sachlichen Teilflächennutzungsplans nach § 5 Abs. 2b BauGB erklären sich nur im Zusammenspiel mit der Außenbereichsregelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. Diese Norm bestimmt, dass einem nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 grundsätzlich privilegierten Vorhaben in der Regel öffentliche Belange entgegenstehen, soweit für ein derartiges Vorhaben durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziel der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Für derartige Darstellungen erlaubt dann § 5 Abs. 2b BauGB die Aufstellung von sachlichen Teilflächennutzungsplänen. Zusammengefasst gibt diese Steuerungsmöglichkeit den Gemeinden und auch den Trägern der Raumordnung damit die Möglichkeit, die privilegierten Außenbereichsvorhaben in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB (Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung, öffentliche Versorgung,

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sonstige Vorhaben mit Außenbereichsbezug, Anlagen der Wind- und Wasserenergie, energetische Nutzung von Biomasse) an bestimmten Stellen im Außenbereich der Gemeinde zu konzentrieren, um so die Verwirklichung derartiger Vorhaben an anderer Stelle im Gemeindegebiet zu verhindern. Bedeutung hat die Vorschrift v. a. im Bereich der zunehmenden Nutzung der Windenergie. Mit Gesetz vom 30. Juli 1996267 wurde die Nutzung der Windenergie als privilegierte Außenbereichsnutzung in § 35 Abs. 1 BauGB eingefügt. Um den Gemeinden und Raumplanungsträgern die Möglichkeit zur gezielten Steuerung derartiger Vorhaben zu geben268, wurde die Regelung des Teilflächennutzungsplans eingefügt. Der Bereich der Windenergienutzung in Konzentrationsflächen hat bereits eine umfangreiche Rechtsprechung hervorgerufen, denen die Möglichkeiten und Grenzen der §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entnommen werden können: Die Möglichkeit zur Festlegung von Konzentrations- und Vorrangzonen für bestimmte Nutzungen darf nicht dahingehend ausgedehnt werden, dass sich eine Verhinderungsplanung in dem Sinne ergibt, dass grundsätzlich privilegierte Nutzungen im Gemeindegebiet überhaupt nicht mehr zulässig sind. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB darf auch nicht dazu genutzt werden, unter dem „Deckmantel“ einer Steuerung Flächen für Windenergie auszuweisen, die dafür nicht geeignet sind.269 Nötig ist vielmehr ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Ausweisung von Konzentrationszonen auf der Grundlage einer Untersuchung des gesamten Gemeindegebiets.270 Dabei kann es im Einzelfall auch zulässig sein, privilegierte Nutzungen nach den Grundsätzen einer gerechten Abwägung zurückzustellen und andere Belange wie den Schutz der Wohnnutzung sowie den Immissions-, Natur- oder Ortsbildschutz zu betonen. Aufgrund dieser weitreichenden Steuerungsmöglichkeiten über den Flächennutzungsplan im Bereich von Konzentrationszonen hat das BVerwG seine Rechtsprechung zur prinzipalen Normenkontrolle eines Flächennutzungsplans in diesem Bereich aufgegeben und hat die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in entsprechender Anwendung für statthaft erklärt.271 Die Möglichkeiten zur Schaffung von Konzentrationszonen sind jedoch nicht nur für die Nutzung der Windenergie von Bedeutung, sondern für alle privilegierten Nutzungsarten in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6. Für den Untersuchungsgegenstand ist dabei insbesondere die Privilegierung der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser von Bedeutung. Wie bereits angesprochen, fallen diese Infrastruktureinrichtungen unter den Begriff der kritischen Infrastruktur. Für die Gemeinden und Träger der Landes- und Regional267

BGBl. I, S. 1189. Siehe dazu Fest, Die Errichtung von Windenergieanlagen in Deutschland und seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2010; Köck, Planungsrechtliche Anforderungen an die räumliche Steuerung der Windenergienutzung, ZUR 2010, 507 ff. 269 BVerwGE 117, 287. 270 Stüer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B Rn. 99. 271 BVerwGE 128, 382 ff.; dazu Battis, JZ 2007, 1153. 268

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

planung ergibt sich nach einer Risikoanalyse demnach die Möglichkeit, für besonders sensible und anschlagsgefährdete Versorgungseinrichtungen unter Beachtung der diesbezüglich zu erfüllenden Anforderungen eine Konzentrationszone auszuweisen, die sensiblen Nutzungen dort zu bündeln, mit besonderen Sicherungsmaßnahmen zu versehen, um so die Ansiedlung an anderer, womöglich gefährdeter Stelle im Gemeindegebiet zu unterbinden. 10. Steuerungsmöglichkeiten durch den Bebauungsplan Entscheidende Bedeutung für planerische Festsetzungen zum Schutz vor terroristischen Bedrohungslagen kommt dem Bebauungsplan zu. Er ermöglicht die grundstücksbezogene Feingliederung des Gemeindegebiets, indem er für den Bürger unmittelbar wirkende, verbindliche Festsetzungen enthält.272 Dies bringt § 8 Abs. 1 BauGB, der den dritten Abschnitt des BauGB mit der Überschrift „Verbindlicher Bauleitplan (Bebauungsplan)“ eröffnet, zum Ausdruck: „Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung. Er bildet die Grundlage für weitere, zum Vollzug dieses Gesetzbuchs erforderliche Maßnahmen.“ § 9 BauGB listet ähnlich wie § 5 Abs. 2 BauGB für den Flächennutzungsplan einen Katalog von Festsetzungs- sowie Kennzeichnungsmöglichkeiten auf. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Festsetzungskatalog in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 26 BauGB abschließend im Sinne eines Typenzwangs ist.273 Damit unterscheidet sich § 9 Abs. 1 BauGB von § 5 Abs. 2 BauGB, in dem es heißt, dass im Flächennutzungsplan „insbesondere“ die dann folgenden Darstellungsmöglichkeiten gewählt werden können, es der Gemeinde somit freisteht, weitere Darstellungen hinzuzufügen. Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, wie die Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 BauGB im Sinne eines effektiven Schutzes vor terroristischen Bedrohungslagen genutzt werden können. Weiterhin sollen auch die Möglichkeiten der Befristung von Festsetzungen nach § 9 Abs. 2 BauGB, die Befugnis der Länder durch Rechtsvorschrift weitere Festsetzungen aufnehmen zu können sowie die besonderen Kennzeichnungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 5 BauGB in den Blick genommen werden. In terminologischer Hinsicht ist noch auf die Begriffe des qualifizierten (§ 30 Abs. 1 BauGB) und des einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB) hinzuweisen: Während der qualifizierte Bebauungsplan allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, liegt ein einfacher Bebauungsplan vor, wenn eines dieser 272

Stüer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, B Rn. 100; Koch/Hendler, Baurecht, S. 159 Rn. 5. 273 Koch/Hendler, Baurecht, S. 159 Rn. 5; Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 5.

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Erfordernisse nicht gegeben ist. In diesem Fall gelten ergänzend die Vorschriften der §§ 34 und 35 BauGB. Bereits diese Differenzierung in der Planungsdichte bietet der Gemeinde Spielraum im Umgang mit verschiedenen Risikosituationen. a) § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – Art und Maß der baulichen Nutzung Hauptregelungsmöglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung eines Baugebietes. Wichtigstes gesetzliches „Hilfsmittel“ ist dabei die Baunutzungsverordnung, die auch für die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (Bauweise) spezielle Regelungen trifft. aa) Art der baulichen Nutzung § 1 Abs. 2 BauNVO legt insgesamt 10 Nutzungsmöglichkeiten für Baugebiete fest, die auch schon im Flächennutzungsplan dargestellt werden können. § 1 Abs. 3 BauNVO geht darüber hinaus, indem ausgesprochen wird, dass diese Baugebiete im Bebauungsplan festgesetzt werden können. An diese Festsetzung ist eine besondere Rechtsfolge geknüpft: Soweit nichts anderes geregelt ist, werden mit der Festsetzung automatisch die Detailregelungen der BauNVO zu den Baugebieten in den §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans.274 Mit dem planungsrechtlichen Instrumentarium der BauNVO kann die Gemeinde in eine Feinsteuerung eintreten, etwa um den Trennungsgrundsatz zwischen unverträglichen Nutzungen umzusetzen. Mit der Festsetzung eines reinen oder eines allgemeinen Wohngebietes nach §§ 3 bzw. 4 BauNVO sind die Grundzüge der Nutzung festgelegt: In der Hauptsache dienen beide Gebiete dem Wohnen und lediglich ausnahmsweise sind Läden und nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für soziale, kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke zulässig. Im allgemeinen Wohngebiet sind diese zuletzt genannten Nutzungen regelmäßig zulässig und ausnahmsweise Beherbergungsgewerbe, nicht störende Gewerbebetriebe sowie Anlagen für Verwaltungen zulässig (§ 4 Abs. 1 bis 3 BauNVO). Verfolgt die Gemeinde in einem Baugebiet ein Konzept, das die Wohnnutzung strikt vor konfligierenden Nutzungen schützen soll, so kann sie dafür die Festsetzung des reinen Wohngebietes wählen und zusätzlich nach § 1 Abs. 6 BauGB festsetzen, dass die in § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden. Gleiches ist umgekehrt auch im allgemeinen Wohngebiet möglich: Nach § 1 Abs. 5 BauNVO können auch grundsätzlich allgemein zulässige Nutzungen für unzulässig oder lediglich für ausnahmsweise zulässig erklärt werden, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Andererseits bietet sich die Festsetzung eines Sondergebietes nach § 11 BauNVO zur Konzentration für be274

Vgl. dazu Roeser, in: König/ders./Stock, BauNVO, § 1 Rn. 33 ff.

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stimmte Nutzungen an, bei denen eine Risikoanalyse ergibt, dass sie anschlagsgefährdet sein könnten und ihren Bedürfnissen nicht in speziellen Gebieten wie einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO Rechnung getragen werden kann. Bedeutung haben diese Ausführungen insbesondere für anschlagsgefährdete bauliche Anlagen in reinen und allgemeinen Wohngebieten und damit ist v. a. das Problem der Ansiedlung von Botschaften und Regierungsgebäuden aber auch kirchlichen Nutzungen275 wie Synagogen oder Moscheen in diesen Baugebieten angesprochen. Während z. B. im Fall der israelischen Botschaft in Berlin, das VG Berlin die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im reinen Wohngebiet für rechtmäßig erachtete und befürchtete Gefahren der Nachbarschaft durch Terroranschläge und Schießereien für baurechtlich nicht berücksichtigungsfähig hielt276, ist diese pauschale Sichtweise nach der hier vertretenen Auffassung nicht tragfähig und auch an anderer Stelle keine planungsrechtliche Wirklichkeit. So sind im klassischen Botschaftsstandort Berlin-Tiergarten die Flächen für Botschaften und der Vertretungen der Bundesländer bei der Bundesrepublik Deutschland als Sondergebiete ausgewiesen.277 In ihnen ist die Wohnnutzung nur in einem Rahmen von bis zu 20 % der zulässigen Geschossfläche ausnahmsweise zulässig. Für direkt angrenzende allgemeine Wohngebiete sind die nach § 4 Abs. 3 BauNVO möglichen Ausnahmen ausgenommen worden, zudem sind offene Stellplätze und Garagen unzulässig, von diesem Verbot sind lediglich Tiefgaragen ausgenommen.278 Diese Festsetzungsmöglichkeiten können im sicherheitsrechtlichen Sinn interpretiert werden: Mit der Zurückdrängung der Wohnnutzung wird der Schutz der Wohnbevölkerung verfolgt. Die Festsetzung bezüglich der Stellplätze ist aus sicherheitsrechtlicher Sicht sinnvoll, da so der Anliegerverkehr durch die ausnahmsweise Zulassung von Tiefgaragen unter die Erde verlegt wird. Gleiches gilt für den Bereich des Deutschen Bundestages. Der entsprechende Bebauungsplan legt textlich fest, dass im Sondergebiet Bundestag 750 Stellplätze zulässig sind, diese jedoch unterirdisch anzulegen sind.279 So kann die Gefahr von Anschlägen durch Autobomben wirksam reduziert werden.

275 Auch das Zusammentreffen von kirchlicher und diplomatischer Nutzung war bereits Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Überprüfung, so im Fall der Ansiedlung der Apostolischen Nuntiatur, VG Berlin, LKV 2000, 266 ff. 276 VG Berlin, LKV 1999, 412 (414). 277 Siehe nur den Bebauungsplan des Bezirksamtes Mitte von Berlin I-20 (abrufbar unter http://mitte.gis-broker.de/bplaene/0100020.jpg) sowie den Bebauungsplan der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr II-172 (abrufbar unter http://mitte.gis-broker.de/bplaene/ 0102172.gif; letzte Abrufe jeweils 12. März 2010). 278 Vgl. die textlichen Festsetzungen Nr. 1, 2 und 4 im Plan I-20 des Bezirksamtes Mitte von Berlin. 279 Nr. 5 der textlichen Festsetzung zum Bebauungsplan I-200 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, abrufbar unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebauprojekte/pariser_platz/de/b_plan/extra/text_bplan_i200.shtml (letzter Abruf: 12. 3. 2011).

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Schon diese Beispiele zeigen exemplarisch auf, wie kreativ mit den vorhandenen Mitteln des Festsetzungsrechts ein Ausgleich zwischen divergierenden Nutzungsinteressen geschaffen werden kann. Ein weiteres Mittel auf Ebene der Steuerung nach der Art der Nutzung ist die Gliederung eines Baugebietes nach § 1 Abs. 4 BauNVO. Hiernach können die Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 BauNVO durch Festsetzungen sowohl nach der Art der zulässigen Nutzung als auch nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gegliedert werden. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass eine derartige Gliederung sich lediglich auf objektiv bestimmbare Nutzungsarten bezieht und keine Steuerung von baulichen Anlagen im Einzelfall ermöglicht.280 Ist eine Differenzierung nach der Art einer baulichen Anlage gewollt, so kann das Planungsinstrument des § 1 Abs. 9 BauNVO eingreifen. Demnach kann im Baugebiet, bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe, festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen entweder zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Dies gestattet es somit einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erfassen. Diese besonderen städtebaulichen Gründe sind nach der Rechtsprechung dann gegeben, wenn es spezielle städtebauliche Gründe gerade für eine gegenüber den Gliederungsmöglichkeiten nach § 1 Abs. 5 und 6 BauNVO feinere Ausdifferenzierung gibt.281 Auch hierfür können die Beispiele der bereits genannten Berliner „Botschaftsbebauungspläne“ herangezogen werden, in denen bestimmt ist, dass lediglich Botschaften sowie Vertretungen der Bundesländer beim Bund zulässig sein sollen.282 Eine ganz ähnliche Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen der Instrumente des öffentlichen Baurechts und hier insbesondere der Nutzungssteuerung wird im Bereich der Abwehr extremistischer Gefahren diskutiert. Dem liegen folgende Fallgestaltungen zu Grunde: Rechtsextreme Gruppierungen und Parteien wie die NPD versuchen immer wieder Grundbesitz zu erwerben. Oftmals sind Vertreter der Parteien bereit, für die Objekte einen weit über dem Verkehrswert der jeweiligen Immobilie liegenden Kaufpreis zu zahlen. Gut Johannesberg im brandenburgischen Rauen, ein Supermarkt im oberpfälzischen Cham, eine Tennishalle in Dresden oder ein Gasthof im bayerischen Wunsiedel: Dies sind nur einige Beispiele, in denen die NPD versucht hat, Grundeigentum zu erwerben. Geplant sind in den Objekten die Einrichtung von „Bildungs- und Schulungszentren“. Zwei weitere Beispiele nennt Szczekalla, der sich in seinem Beitrag „Das Baurecht als indirektes Instrument der Extremismus-Abwehr“ mit den baurechtlichen Möglichkeiten, die den betroffenen

280

Roeser, in: König/ders./Stock, BauNVO, § 1 Rn. 49 m. w. N. BVerwG, NVwZ 1987, 1074, Leitsätze 1 und 2. 282 Siehe nur Nr. 5 der textlichen Festsetzung des Bebauungsplanes II-172 der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr. 281

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Gemeinden zur Verfügung stehen, auseinandersetzt.283 So sollte in der niedersächsischen Stadt Delmenhorst ein nicht mehr genutztes Hotel zu einem NPD-Schulungszentrum umgebaut werden. Mit der Übernahme des Hotels durch die Stadt Delmenhorst konnte dieser Plan verhindert werden. In der Stadt Melle, ebenfalls in Niedersachsen gelegen, stand die Umnutzung eines ehemaligen Bahnhofsgebäudes durch die NPD im Raum. Melle wählte spezifische baurechtliche Instrumente zur Abwehr dieser Planungen. Szczekalla weist dabei zunächst darauf hin, dass Imageverluste, wirtschaftliche Nachteile und Ausschreitungen bei Demonstrationen und Gegendemonstrationen keine Belange seien, die in die baurechtliche Beurteilung einfließen dürften. Die mittelbaren Folgen eines Bauvorhabens seien vielmehr durch das Fachrecht des Versammlungs-, Polizei- und Strafrechts zu lösen.284 Wie die voranstehenden Äußerungen gezeigt haben, können über den Schlüsselbegriff der „Sicherheit der Wohnbevölkerung“ aber auch mittelbare Folgen von Bauvorhaben und baulichen Nutzungen in die baurechtliche Zulässigkeitsbewertung mit einfließen. Ein erster Steuerungsmechanismus ist dabei die Frage der Nutzungsmöglichkeit. Bestehende Nutzungsgenehmigungen bilden dabei die Grenze bei der Beurteilung, ob eine Nutzung z. B. als Schulungszentrum möglich ist. Lässt sich die beabsichtigte Nutzung nicht mit einer bestehenden Nutzungsgenehmigung vereinbaren, so entfällt der dadurch vermittelte Bestandsschutz.285 Nötig ist dann eine neue Prüfung durch die Baubehörde, die so einen Einblick in das Nutzungskonzept erhält. Weiterhin erörtert der Autor die Möglichkeiten, die durch die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes in Betracht kommen. In einem unbeplanten Innenbereich besteht gerade in Misch- bzw. Kerngebieten nach den §§ 6 und 7 BauNVO die Gefahr, dass die beabsichtigten szenetypischen Nutzungen hinsichtlich ihrer Art zu genehmigen wären. Durch die Aufstellung eines Bebauungsplans kann die Gemeinde zielgenau ihre planerischen Vorstellungen für ein bestimmtes Gebiet rechtlich absichern. Im Fall des Bahnhofs von Melle griff die Stadt zu diesem Mittel der Bauleitplanung und legte eine bahnnahe Nutzung in Verknüpfung mit dem Personennahverkehrskonzept der Stadt fest. Eine Nutzung des Bahnhofs nach den Vorstellungen der NPD war so nicht mehr möglich. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll auf, wie durch bauplanungsrechtliche Nutzungsfestsetzungen nachteiligen städtebaulichen Entwicklungen entgegengewirkt werden kann.286 Mit der Auslotung von bauplanungsrechtlichen Möglichkeiten zur Abwehr extremistischer Tendenzen ist ein weiterer Beleg dafür gefunden, das Bauplanungsrecht in seiner gesamten Di283

Szczekalla, DVBl. 2008, 345 ff. Szczekalla, DVBl. 2008, 345 (349). 285 Vgl. Szczekalla, DVBl. 2008, 345 (351). 286 Wie derartige Festsetzungen mit den Mitteln des Planungsrechts gesichert werden können wird im 3. Kapitel unter B. IV. erörtert. 284

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mension als ein Steuerungsmittel für Fragen der inneren Sicherheit mit bodenrechtlichem Bezug zu begreifen. bb) Maß der baulichen Nutzung Das Maß der baulichen Nutzung umfasst nach § 16 Abs. 2 BauNVO die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Zahl der Vollgeschosse sowie die Höhe der baulichen Anlagen. Auch in diesem Bereich bietet sich die Möglichkeit Schutz- und Sicherheitsfestsetzungen zu treffen. Ein eindringliches Beispiel hierfür findet sich wiederum in Berlin: An das sogenannte „Band des Bundes“ bestehend aus dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, dem Paul-Löbe-Haus und dem Bundeskanzleramt schließt sich an den sogenannten Kanzlergarten im Westen auf dem Gebiet des Moabiter Werder ein großer Wohnkomplex, die sogenannte „Bundesschlange“ an. Ein schlangenförmiges Gebäude sowie vier sogenannte Atriumhäuser sollten Wohnraum für Bedienstete der Bundeseinrichtungen bieten.287 Die Atriumhäuser weisen dabei eine Besonderheit auf. Während das am weitesten entfernte Gebäude mit insgesamt acht Stockwerken am höchsten ist, liegt die Geschosszahl der anderen Häuser, die näher am Kanzlergarten liegen, bei lediglich sechs und vier Geschossen, obwohl ursprünglich eine gleiche Höhe aller Gebäude geplant war. Die geringere Anzahl der Geschosse ist jedoch darin begründet, den Einschusswinkel auf Kanzlergarten und Kanzleramt zu minimieren.288 Der Bebauungsplan für das Gebiet legt die Zahl der Vollgeschosse dementsprechend gestuft fest.289 Dieses Beispiel macht deutlich, dass es zwischen sensiblen Nutzungen kein Entweder- Oder geben muss, sondern das planerische Instrumentarium sowohl zu einem angemessenen Interessenausgleich als auch zur Erreichung eines angemessenen Schutzniveaus beitragen kann. b) § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2a und 3 BauGB – Bauweise, Stellung, Abstände und Mindestgrößen § 9 Abs. 1 Nr. 2 ermöglicht Festsetzungen zur Bauweise, zu den überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie zu der Stellung der baulichen Anlagen. § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB schließt daran an und lässt die Festsetzung von vom Bauordnungsrecht abweichenden Maßen der Tiefe der Abstandsflächen zu. Der dritte Abschnitt der BauNVO konkretisiert dies: So ist als Bauweise nach § 22 Abs. 1 BauNVO die offene oder die geschlossene Bauweise festzusetzen. Offen bedeutet hierbei nach § 22 Abs. 2 S. 1 und 2 BauNVO die Errichtung der Gebäude mit seitlichem Grenzabstand bei einer maximalen Länge von 50 Metern. Die Frage der Bauweise führt damit zu einer weiteren zentralen Steuerungsmöglichkeit: der Festlegung von Abstandsflächen, wie sie ebenfalls das Trennungsgebot abstrakt 287

Vgl. Krüger, Bundesschlange Berlin, S. 6. Krüger, Bundesschlange Berlin, S. 15. 289 Bebauungsplan II-145b der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr, abrufbar unter http://mitte.gis-broker.de/bplaene/0102145b.jpg (letzter Abruf: 12. 3. 2011). 288

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erfordert. § 22 Abs. 2 BauNVO führt so zusammen mit § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB zu einer Verbindung mit den Abstandsflächenvorschriften der Bauordnungen, auf deren Regelungen noch gesondert eingegangen werden wird.290 Gerade die mit der BauGBNovelle zum 1. Januar 2007291 eingeführte Möglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen festzusetzen292, ist für den Untersuchungsgegenstand von großer Bedeutung. Im Einzelfall ist es so möglich, bei vorhandenem Raumangebot weitreichenden Schutz durch Abstandsflächen zu schaffen. Darüber hinaus kann über § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB nicht nur der seitliche Grenzabstand, sondern durch die Festlegung von Baugrenzen und Baulinien gemäß § 23 BauNVO auch die überbaubare Fläche und damit die Stellung der baulichen Anlage auf einem Grundstück gesteuert werden. Die Festsetzung einer Baulinie führt nach § 23 Abs. 2 BauNVO dazu, dass auf dieser Linie gebaut werden muss. Für eine Baugrenze ist gemäß § 23 Abs. 3 BauNVO dagegen charakteristisch, dass Gebäude oder Gebäudeteile diese nicht überschreiten dürfen. Ferner kann auch die Stellung eines Gebäudes festgesetzt werden, indem die Firstrichtung oder die Längsausrichtung der Anlage geregelt wird.293 Ein typisches Beispiel für den Einsatz von Baugrenzen und Baulinien ist die Abstandsdefinition zu anliegenden Straßen. Auch dies ist für den Untersuchungsgegenstand von Bedeutung: Durch zurückversetzte Gebäude kann Gefahren vorgebeugt werden, die vom Straßenverkehr etwa durch Autobomben ausgehen können. Auch hierfür kann ein Beispiel aus dem Botschaftsbau herangezogen werden: Im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Diskussion um die Errichtung der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika am Pariser Platz in Berlin war neben der Verlegung der Friedrich-Ebert-Straße auch die Änderung bestehender Baugrenzen und Baulinien ein entscheidender Gesichtspunkt294. So wurden an der Friedrich-Ebert-Straße und an der Behrenstraße die bestehenden Baulinien durch Baugrenzen ersetzt. Dies führte dazu, dass die Gebäudefluchten nicht mehr auf die Grundstücksgrenze gesetzt werden mussten, sondern eine von den Straßen zurückversetzte Bebauung möglich war.295 Somit konnte den amerikanischen Sicherheitsstandards im Botschaftsbau nachgekommen werden.296 Eng „verwandt“ mit dem Abstandsflächenrecht und dem Recht der Baulinienfestsetzung ist die Festsetzung von Mindestmaßen für die Größe, Breite und Tiefe der 290

Siehe unten 3. Kapitel unter C. III. 2. Gesetz vom 21. 12. 2006, BGB. I, S. 3316. 292 Ausführlich dazu Boeddinghaus, BauR 2007, 641 ff. 293 König, in: ders./Roeser/Stock, BauNVO, § 23 Rn. 4 294 Siehe dazu bereits oben 1. Kapitel unter A. V. 295 Siehe hierzu der geänderte Bebauungsplan I-200-2 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Erläuterungen unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/pariser_platz/de/b_plan/verfahren_i200_2.shtml (letzter Abruf: 16. 4. 2011). 296 Siehe dazu oben 1. Kapitel unter A. V. 291

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Baugrundstücke und für Wohnbaugrundstücke nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Die Vorschrift soll zwar v. a. dazu dienen, die Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 S. 1 BauGB umzusetzen und einer zu großen Verdichtung vorbeugen.297 Durch die Sicherheitsbrille betrachtet, kann aber auch hierdurch Einfluss auf die Grundstücksgröße zum Schutz der darauf befindlichen Anlagen genommen werden. Insbesondere die Höhenfestsetzung von Wohnbauten ist eine Variation der bereits dargestellten Möglichkeiten auf die Zahl der Vollgeschosse Einfluss zu nehmen. c) § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB – Wohnungsanzahl Ein Ausgleich zwischen miteinander konfligierender Wohnnutzung und anschlagsgefährdeter Nutzung kann über § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gefunden werden. Demnach kann die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festgesetzt werden. Zulässig ist es hierbei auch ein bestimmtes Verhältnis bezogen auf die Grundstücksfläche festzulegen.298 d) § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB – Besonderer Nutzungszweck Im Ausnahmefall kann auch eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB zur Konzentration bestimmter anschlagsgefährdeter Nutzungen in Betracht kommen. Hierbei ist jedoch die restriktive Interpretation der Vorschrift durch Rechtsprechung und Literatur zu beachten. Zum einen ist sie subsidiär gegenüber speziellen Festsetzungsmöglichkeiten wie z. B. in § 9 Abs. 1 Nr. 11 oder 22.299 Zum anderen ist ein besonderes städtebauliches Erfordernis erforderlich, das jedoch nicht dazu genutzt werden darf, über den Typenzwang des § 9 Abs. 1 BauGB hinaus Festsetzungsmöglichkeiten zu schaffen. Auch ist stets zu prüfen, ob die geplante Nutzung nicht auch in einem Sondergebiet nach § 11 BauNVO verwirklicht werden kann.300 e) § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB – Freizuhaltende Flächen § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB gibt die Möglichkeit, Flächen festzusetzen, die von einer Bebauung freizuhalten sind und ihre Nutzung zu bestimmen. Auf den ersten Blick scheint dies im Sinne einer effektiven Durchsetzung des Trennungsgebotes die am besten geeignete Festsetzungsmöglichkeit zur planerischen Verwirklichung von Abstandsflächen zu sein. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Freihaltung von Flächen nach Nr. 10 erst subsidiär zu speziellen Freihaltungsfestsetzungen gewählt werden kann, wie z. B. den noch darzustellenden Verkehrsflächen nach Nr. 11 oder 297

Vgl. nur Spannowsky/Baumann, in: BeckOK, BauGB, § 9 Rn. 13. BVerwG, NVwZ 1999, 415 l. 299 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., § 9 Rn. 36. 300 Söfker, in: E/Z/B/K, § 9 Rn. 88; Spannowsky/Baumann, in: BeckOK, BauGB, § 9 Rn. 33. 298

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besonderen Schutzflächen nach Nr. 24.301 Zu beachten ist weiterhin, dass die Freihaltung von grundsätzlich für die Bebauung vorgesehenen Flächen einen weitreichenden Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG darstellt und zur Rechtfertigung als rechtmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung entsprechend gewichtige städtebauliche Gründe vorliegen müssen. Diese sind in einen angemessenen Ausgleich mit den für die Freihaltung sprechenden Belangen zu bringen.302 Der Sicherheitsbelang „Schutz vor terroristischen Bedrohungslagen“ kann nach einer entsprechend ausgefallenen Risikoanalyse einen derartigen gewichtigen Grund darstellen. Zu prüfen ist jedoch, ob dem Schutzzweck nicht auch über Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 oder Nr. 24 BauGB entsprochen werden kann. f) § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB – Verkehrsflächen Es ist bereits im Rahmen der Darstellungsmöglichkeiten des Flächennutzungsplans ausgeführt worden: Durch eine intelligente Führung der örtlichen Verkehrsflächen kann ein entscheidender Einfluss auf die Zugangsmöglichkeiten zu baulichen Anlagen mit sensibler Nutzung genommen werden. Ferner ist es möglich, bestimmte Arten von Verkehr zu bevorzugen und andere aus einem bestimmten Bereich auszuschließen. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB gibt der Gemeinde hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum: So sind Festsetzungen über die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung möglich. Als Beispiele nennt das BauGB Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen. Das BVerwG versteht diese Festsetzungsmöglichkeiten als Befugnis der Gemeinde eine eigene Verkehrspolitik zu betreiben.303 Von dieser Möglichkeit sollte insbesondere bei anschlagsgefährdeten Nutzungen in sensiblen Baugebieten wie reinen oder allgemeinen Wohngebieten Gebrauch gemacht werden. Betroffen ist jedoch ebenso die Verkehrslenkung innerhalb des Stadtgebietes in Kerngebieten. Ein Blick in die Innenstädte zeigt, wie auch schon in der Einleitung angesprochen304, dass der Schutz anschlagsgefährdeter Nutzungen weitreichenden Einfluss auf die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes hat. Die berechtigte Sorge vor terroristischen Anschlägen mittels Autobomben führt jedoch oftmals zu einer einseitigen Bevorzugung von Schutzbelangen und zu einer unverhältnismäßigen Zurückdrängung von berechtigten Nutzungsinteressen. In dieser Situation kann die Ausweisung von verkehrsberuhigten Bereichen305 eine Möglichkeit sein, die divergierenden Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dies kann je nach Gefährdungslage kombiniert werden mit einer auf Fußgängerverkehr beschränkten Zulassung oder der 301

Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., § 9 Rn. 40. VGH München, ZfBR 2006, 691 (693). 303 BVerwG, NVwZ 2001, 1280 (1281). 304 Siehe die Einführung unter B. 305 Dazu ausführlich Steiner, Aktuelle Rechtsfragen der Einrichtung Verkehrsberuhigter Bereiche, NVwZ 1984, 201 ff. 302

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restriktiven Ausweisung von Parkflächen. Als Vorbild für derartige planerische Festsetzungen mag wieder der Bebauungsplan I-200 für den Pariser Platz und seine Umgebung in Berlin dienen. In diesem Bereich treffen mehrere sensible Nutzungen aufeinander: direkt am Pariser Platz sowohl die französische als auch die US-amerikanische Botschaft sowie nördlich das Reichstagsgebäude als Sitz des Deutschen Bundestages mit den dazugehörigen Verwaltungseinrichtungen. Der Bebauungsplan I-200 weist für die Platzbereiche direkt vor den Botschaften eine Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung durch einen verkehrsberuhigten Bereich aus, gleiches gilt für die Ostseite des Reichstagsgebäudes.306 So, wie die bauplanerische Diskussion von Terrorismusschutzbelangen auf die Fachmaterie des Polizei- und Ordnungsrechts angewiesen ist, weist auch die Festsetzung von Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung in Bebauungsplänen eine Schnittstellenfunktion mit dem Fachrecht, hier in Form des Straßen- und Straßenverkehrsrechts auf: Wie jede Bauleitplanung ist auch die Festsetzung von Verkehrsflächen auf die Verwirklichung der Planung in tatsächlicher Hinsicht angewiesen. Nötig ist deshalb eine straßenrechtliche und straßenverkehrsrechtliche Begleitung der Planung: Dem Straßenrecht kommt die Aufgabe zu, durch Widmung und Klassifizierung den besonderen Nutzungszweck der Straße auszuweisen.307 Dem Straßenverkehrsrecht sind sodann die entsprechende Beschilderung sowie die straßenverkehrsrechtlichen Eingriffsmaßnahmen zu deren Durchsetzung zu entnehmen.308 Geht es lediglich um die Umwandlung bestehender Verkehrsflächen in verkehrsberuhigte Bereiche, wird zu Recht darauf hingewiesen, dass auch eine alleinige Lösung über das Straßenverkehrsrecht möglich ist: So können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden nach § 45 Abs. 1b Nr. 3 StVO die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen treffen.309 Dies schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, diesen Prozess durch Bebauungsplanung im dargestellten Sinne zu begleiten. g) § 9 Abs. 1 Nr. 12 und 13 BauGB – Versorgungsanlagen und -leitungen Nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 und 13 BauGB können Festsetzungen für Flächen zur Versorgung und zur Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungs-

306 Vgl. Bebauungsplan I-200 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, abrufbar unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/pariser_platz/de/b_plan/ex tra/bplan.shtml; letzter Abruf: 15. 3. 2011. 307 Siehe dazu nur Steiner, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 594 Rn. 41. 308 Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 47. 309 Steiner, Aktuelle Rechtsfragen der Einrichtung Verkehrsberuhigter Bereiche, NVwZ 10984, 201 (202).

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anlagen und -leitungen getroffen werden.310 Vor dem Hintergrund des immer stärker in den Vordergrund tretenden Schutzes von kritischen Infrastrukturen sowie der Notwendigkeit zur Erweiterung des Trassennetzes im Rahmen des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen kommt der Ausweisung von Flächen für Versorgungsanlagen, also v. a. Gas-, Wasser-, Strom-, Wärme- und Telekommunikationsleitungen, eine zunehmende Bedeutung zu. Terroristische Bedrohungslagen können sich hierbei unter zwei Gesichtspunkten ergeben: Zum einen kann die Unterbrechung der Versorgung bezweckt sein, zum anderen kann bei Störfallanlagen wie Atomkraftwerken, Raffinerien oder explosionsgefährdeten Anlagen die Ausnutzung des Risikopotentials im Vordergrund stehen. Im ersten Fall kann auch eine intelligente Verkehrsführung dazu beitragen, die Zugangsverkehre zu Infrastrukturanlagen zu kontrollieren, um so zu einem erhöhten Schutzniveau beizutragen. Im zweiten Fall sollte vielmehr die Trennung zwischen sensiblen und anschlagsgefährdeten Nutzungen im Vordergrund stehen. Für die Versorgungsleitungen sollte auch im Transport über Land eine unterirdische Führung in Fällen diskutiert werden, bei denen eine Risikoanalyse ergibt, dass eine erhöhte Anschlagsgefährdung besteht. Die unterirdische Trassenführung kann dabei weiterhin die Akzeptanz der betroffenen Grundstückseigentümer zur Duldung erhöhen, auch wenn die Verlagerung unter die Erde einen erhöhten finanziellen Aufwand mit sich bringt. Gesetzliche Grundlage für die Verwendung von Erdkabeln zum Stromtransport ist das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG).311 Da bislang der Einsatz von Erdkabeln nur auf die Nieder-, Mittel und Hochspannungsebene beschränkt ist, bestehen in der Nutzung von Erdkabeln im Höchstspannungsnetz keinerlei Erfahrungen.312 § 2 Abs. 1 EnLAG erlaubt deshalb den testweisen Einsatz von Erdkabeln als Höchstspannungsleitungen bei bestimmten, gesetzlich genannten Pilotvorhaben. Die Netzbetreiber müssen davon jedoch auch Gebrauch machen. Diese Wahlmöglichkeit verengt sich jedoch beim Neubau von Trassen in den gesetzlich bestimmten Pilotvorhaben, sobald sich die Trasse einer Wohnbebauung nähert: § 2 Abs. 2 EnLAG legt für diesen Fall fest, dass die Leitung auf Verlangen der für die Zulassung zuständigen Behörde als Erdkabel zu errichten ist, wenn die Trasse in einem Abstand von weniger als 400 m zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im unbeplanten Innenbereich liegen (Nr. 1) oder in einem Abstand von weniger als 200 Meter zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB liegen (Nr. 2). Die Begründung des Gesetzentwurfs nimmt zu den Abstandserfordernissen lediglich kurz Stellung, si310 Der Gesetzgeber beabsichtigt im Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Stadtentwicklung in den Gemeinden“ § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB im Sinne eines konsequenten Klimaschutzes dahingehend zu ergänzen, dass auch die Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung mitumfasst sind (vgl. S. 5, 14 und 20 des Referentenentwurfs). 311 Gesetz vom 21. 8. 2009, BGBl. I, S. 2870. 312 BT-Drs. 16/10491, S. 16.

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cherheitsrechtliche Erwägungen werden nicht angestellt.313 Der enge Bezug zu Schutz- und Sicherheitsbelangen tritt jedoch deutlich aus dem Gesetzeswortlaut hervor und kann als ein Beispiel angesehen werden, wie zwischen über- und interirdischer Trassenführung sicherheitsrechtlich unterschieden werden kann.314 h) § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB – Schutzflächen Bereits im Rahmen der Möglichkeit zur Freihaltung von Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB ist auf die spezielle Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB hingewiesen worden. Die Norm gliedert sich in drei Varianten: Zum einen können die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung festgesetzt werden, zum anderen die Festsetzung von Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des BImSchG. Die letzte Variante bezieht sich auf die vorhergehende, indem sie die baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen thematisiert, die zum Schutz vor Einwirkungen und Gefahren im Sinne des BImSchG zu treffen sind. Die Vorschrift ist somit erkennbar vorrangig auf die Bewältigung immissionsschutzrechtlicher Konflikte im Rahmen der Bauleitplanung zugeschnitten.315 Sie ist jedoch nicht darauf beschränkt, sondern erfasst darüber hinaus – zumindest in der ersten Variante – sämtliche Gefährdungen und Beeinträchtigungen durch Explosionen, radioaktive Strahlung oder chemische und biologische Belastungen.316 Die Festsetzung von Schutzflächen, die von Bebauung freizuhalten sind, ist damit die am weitesten reichende Möglichkeit im Rahmen der Bauleitplanung das Trennungsgebot zum Schutz sensibler Nutzungen durchzusetzen. Die zweite Alternative, die sich auf die besonderen Festsetzungsmöglichkeiten im Rahmen des Immissionsschutzes bezieht, ist praktisch v. a. auf Lärm-, Geruchs-, Erschütterungs-, Licht- und Wärmeschutz ausgerichtet.317 Die Variante erfasst jedoch auch den Schutz vor sonstigen Gefahren, worunter gerade das Störfallrisiko fällt, welches auszunutzen auch das Ziel von Terroristen sein kann. Maßgeblich sind somit auch hier die Ausweisung von Schutzabständen sowie die Konzentration risikobelasteter Nutzungen an bestimmten Standorten. Die dritte Variante des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB, die Festsetzung bezüglich baulichen und technischen Vorkehrungen, erlangt maßgebliche Bedeutung in Ge313

Vgl. BT-Drs. 16/10491, S. 16. Ausführlich zum EnLAG aus kompetenzrechtlicher, verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Sicht sowie zu den Vorteilen der Erdverkabelung Hermanns/Austermann, NdsVBl 2010, 175. 315 Siehe dazu nur Groh, Konfliktbewältigung im Bauplanungsrecht, 1988. 316 Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 87; Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 9 Rn. 201. 317 Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 88. 314

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bieten, die neu überplant werden, die jedoch – z. B. in Gemengelagen – keinen ausreichenden Raum zur Ausweisung von Schutzflächen und Abständen aufweisen. Hier muss sich das Hauptaugenmerk auf baulich-technische Maßnahmen richten, die an der anschlagsgefährdeten Anlage selbst ansetzen. Zu beachten ist jedoch, dass sich die dritte Variante lediglich auf den baulich-technischen Schutz im Rahmen des Immissionsschutzes bezieht, da sich der Gesetzeswortlaut mit der Formulierung „Schutz vor solchen Einwirkungen“ auf die Gefahren im Sinne des BImSchG bezieht. Damit ist ein großer Teil an Gefährdung abgedeckt. Nicht einbezogen ist jedoch der baulich-technische Schutz von nicht-emittierenden aber gleichwohl anschlagsgefährdeten baulichen Anlagen wie etwa Verwaltungsgebäuden. Die baulich-technischen Vorkehrungen umfassen sowohl den aktiven (an emittierenden Anlagen) als auch den passiven Schutz (an imitierenden baulichen Anlagen).318 Die Bandbreite an Vorkehrungen ist breit: So können die Verwendung bestimmter Baustoffe319 (feuerfest, bruchfest, besondere Stärken), Anforderungen an Außenwände und Fenster sowie die Anordnung von Aufenthaltsräumen festgesetzt werden.320 Voraussetzung für all diese Festsetzungsmöglichkeiten ist jedoch, dass der baulich-technische Charakter im Vordergrund steht. Dies schließt es aus, mit Festsetzungen in den Betriebs- und Produktionsablauf einzugreifen.321 i) § 9 Abs. 2 BauGB – Befristung und Bedingung Die vorstehenden speziellen Festsetzungsmöglichkeiten haben gezeigt, dass sie oftmals – insbesondere bei der Ausweisung von Schutz- und Abstandsflächen – in grundrechtlich geschützte Eigentumsinteressen eingreifen. Ist kein anderer Ausgleich möglich, so kann die Gemeinde prüfen, ob eine Festsetzung auf Zeit sinnvoll ist oder von einem Bedingungseintritt abhängig gemacht werden kann. Die planerische Grundlage hierfür findet sich in § 9 Abs. 2 BauGB, der ebenfalls durch das EAGBau eingeführt worden ist.322 Hiernach kann im Bebauungsplan in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen entweder nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig sind (Nr. 1) oder nur bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig (Nr. 2 Alternative 1) oder unzulässig sein sollen (Nr. 2 Alternative 2). So können bestimmte Festsetzungen etwa von einer bestimmten Risikoabschätzung abhängig gemacht werden. Nicht jede Bedrohungslage besteht auf unbestimmte Zeit in gleich bleibendem Maße. Die Einschätzung und Risikobewertung ist von vielen äußeren Faktoren abhängig, die 318 Spannowsky/Baumann, in: BeckOK, BauGB, § 9 Rn. 105; Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 89. 319 Vgl. Hellriegel/Schmitt, NuR 2010, 98 (101). 320 Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 9 Rn. 208. 321 Spannowsky/Baumann, in: BeckOK, BauGB, § 9 Rn. 105; Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 105. 322 Battis/Otto, UPR 2006, 165 ff.; ferner Heinrich, Befristung und Bedingung baulicher und sonstiger Nutzungen nach § 9 Abs. 2 BauGB, 2009.

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einer steten Änderung unterworfen sind. Mit dem flexiblen Instrumentarium der Befristung und einer auflösenden Bedingung § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 BauGB lässt sich hierauf reagieren und es steht so eine Möglichkeit zur Verfügung, Grundrechtseingriffe abzumildern. In einem gewissen Gegensatz dazu steht die nach § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alternative 2 BauGB vorgesehene Möglichkeit, dass bestimmte Festsetzungen nur bis zum Eintritt bestimmter Bedingungen unzulässig sein sollen bzw. umgekehrt formuliert erst ab dem Eintritt eines bestimmten Umstandes zulässig sein sollen. Hiermit besteht die Möglichkeit für aufschiebend bedingte Festsetzungen.323 Einzuhalten sind hierbei jedoch die allgemeinen Anforderungen an bedingte und befristete Festsetzungen: § 9 Abs. 2 BauGB betrifft lediglich einzelne Festsetzungen und nicht den Bebauungsplan in seiner Gesamtheit als Rechtsnorm, erforderlich ist stets das Vorliegen einer besonderen städtebaulichen Situation, die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB muss zu bejahen sein, im Rahmen der Nr. 2 muss der Eintritt des ungewissen Ereignisses hinreichend genau bestimmt sein und die betroffenen Eigentumspositionen müssen in der Abwägung berücksichtigt worden sein.324 Die bauplanungsrechtliche Festsetzung von Bedingungen und Befristungen ist bauordnungsrechtlich durch die Baugenehmigung flankierend zu begleiten. Die Baugenehmigung muss ebenfalls über § 36 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 VwVfG mit entsprechenden Befristungen und Bedingungen versehen werden.325 j) § 9 Abs. 4 BauGB – Landesrechtliche Regelungen Hält eine Gemeinde weitergehende Festsetzungen als nach § 9 Abs. 1 BauGB für nötig, steht sie vor dem grundsätzlichen Problem, dass ihr kein Festsetzungserfindungsrecht zukommt. Ein Ausweg aus dieser Situation bietet § 9 Abs. 4 BauGB. Hiernach ist es möglich, dass die Länder durch Rechtsvorschrift bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan aufgenommen werden können. Der Landesgesetzgeber erhält so die Befugnis, den Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB zu erweitern.326 Insbesondere ist es so möglich, bauordnungsrechtliche Gestaltungssatzungen327 im Rahmen des Bebauungsplans heranzuziehen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich § 9 Abs. 4 BauGB nicht auf baurechtliches Landesrecht beschränkt, sondern einen weiten Einbezug landesrechtlicher Regelungen ermöglicht. Nötig ist lediglich ein inhaltlicher Zusammenhang mit den 323

Hierzu Kuschnerus, ZfBR 2005, 125 (126). Vgl. Battis/Otto, UPR 2006, 165 (166); Kuschnerus, ZfBR 2005, 125 (126 ff.); Löhr: in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 98 h. 325 Hierauf hinweisend Battis/Otto, UPR 2006, 165; zum Problemkreis Baugenehmigung und Nebenbestimmung siehe unten 3. Kapitel unter C. I. 2. 326 Stüer, Der Bebauungsplan, Rn. 97. 327 Zu den Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht siehe unten 3. Kapitel unter C. 324

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Festsetzungen eines Bebauungsplans.328 § 9 Abs. 4 BauGB bietet somit die Möglichkeit, flexibel auch durch den Einbezug von Gesetzen im materiellen Sinn Sicherheitsregelungen in die Bauleitplanung zu übertragen. k) § 9 Abs. 5 BauGB – Kennzeichnungen Nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB sollen im Bebauungsplan Flächen gekennzeichnet werden, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind. Unter äußeren Einwirkungen in diesem Sinne sind Einwirkungen zu verstehen, die den Bestand oder die Standsicherheit eines Gebäudes beeinträchtigen können. Auf Immissionen ist die Vorschrift nicht anwendbar.329 Gerade vor dem Hintergrund der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ist die Pflicht zur Kennzeichnung (die Soll-Formulierung im Gesetzeswortlaut weist lediglich auf die Möglichkeit hin, in besonderen Fällen von einer Kennzeichnung abzusehen330) besonders schutzbedürftiger Flächen notwendig und für die Ausweisung von durch Altlasten belasteten Flächen weitgehend anerkannt.331 Daher spricht nichts dagegen von § 9 Abs. 5 BauGB auch im sicherheitsrechtlichen Zusammenhang Gebrauch zu machen. So können etwa Gebiete gekennzeichnet werden, bei denen die Risikoanalyse ergeben hat, dass aktuell keine speziellen Festsetzungen nötig sind, eine Gefährdung jedoch auch nicht völlig ausgeschlossen werden kann. l) Steuerungsmöglichkeiten durch konsensuale Bauleitplanung Zwei weitere Möglichkeiten, terrorismusspezifische Festsetzungen außerhalb des Katalogs von § 9 Abs. 1 BauGB tätigen zu können, bieten die §§ 11 und 12 BauGB mit den Befugnissen der konsensualen Bauleitplanung.332 Damit ist gleichzeitig auch ein weiterer Vorteil dieser beiden Rechtsinstitute angesprochen. Durch den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages oder speziell den Durchführungsvertrag im Falle des vorhabenbezogenen Bebauungsplans gelangt ein starkes konsensuales Element in die Bauleitplanung. Dies ist nur konsequent, ist doch die Bauleitplanung wie kaum ein anderes Rechtsgebiet darauf angewiesen, dass private Investoren die planerischen Vorgaben mit Leben erfüllen. Eine gemeindliche Planung, die auf Konfrontation ausgelegt ist, kann daher keinen Erfolg haben, nötig ist vielmehr ein kooperatives 328

Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 109; Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 9 Rn. 258. 329 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders. BauGB, § 5 Rn. 38; Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 5 Rn. 64. 330 Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 5 Rn. 63. 331 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 9 Rn. 113a. 332 Auf diese Freiheit weist allgemein Stüer, Der Bebauungsplan, Rn. 103, hin.

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Vorgehen zwischen der Gemeinde und den privaten Investoren.333 Das BauGB berücksichtigt diese Notwendigkeit in seinem vierten Abschnitt, der mit „Zusammenarbeit mit Privaten“ überschrieben ist. Mit der Zulässigkeit des Einflusses privater Planungsvorstellungen auf die grundsätzlich hoheitliche Planung ist sogleich die Frage nach den Grenzen dieser Zusammenarbeit angesprochen. Eine erste Begrenzung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 S. 1, 2 BauGB: Eine Planung, die lediglich privaten Interessen zu dienen bestimmt ist, ohne einen Bezug zu städtebaulichen Gründen aufzuweisen, ist nicht mehr „erforderlich“ im Sinne von § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB.334 Zu beachten ist weiterhin das gerade für den Bereich der städtebaulichen Verträge maßgebliche Vertragsformverbot des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB. Hiernach kann ein Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen nicht durch Vertrag begründet werden. Weiterhin muss die demokratische Legitimation der gemeindlichen Planung gewahrt bleiben. Die Gestaltungsmöglichkeiten der §§ 11 und 12 BauGB dürfen nicht dazu genutzt werden, dass ein privater Investor sowohl das Planungsverfahren sowie den Planentwurf völlig in die Hand nimmt und die Gemeinde so zu einem bloßen „Vollzugsgehilfen“ degradiert wird.335 Die Regelungsmöglichkeiten der §§ 11 und 12 BauGB müssen sich daher stets zwischen einer „gemeinwohlkonkretisierenden kommunalen Gesamtabwägung“ mit dem strikten Verbot einer vertraglich begründeten Planungsverpflichtung336 und dem gleichzeitig erforderlichen Kooperationsgebot mit privaten Interessen bewegen. aa) Der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB § 11 BauGB ist eine spezielle Ausprägung der schon nach §§ 54 ff. VwVfG möglichen öffentlich-rechtlichen Verträge.337 Der städtebauliche Vertrag soll dabei die planerische Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden erweitern und die gemeindliche Bauleitplanung flankierend begleiten.338 Dies betont nochmals die Rolle dieses Vertragstypus: Keinesfalls darf im städtebaulichen Vertrag die planerische Konfliktbewältigung stattfinden, um so wesentliche abwägungsrelevante Problem333 Battis, Öffentliches Baurecht, S. 65; ders., Von der Konstitutionalisierung zur Europäisierung und Privatisierung des Städtebaurechts, in: FS Driehaus, S. 430. 334 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 1 Rn. 26. 335 Mehde, Vertragliche Absprachen im Baurecht, BauR 2002, 876 (880 f.); Löhr, in: Battis/ Krautzberger/ders., BauGB, § 11 Rn. 2; Hoppe, Das Gefährdungspotential konsensualer Bauleitplanung für Planungsträger und Investoren, in: FS Kutscheidt, S. 337 ff. 336 Grigoleit, Normative Steuerung von kooperativer Planung, Die Verwaltung 33 (2000), 79 ff. 337 Dass § 11 BauGB angesichts der Regelungen in den §§ 54 und 62 VwVfG eigentlich überflüssig ist, betont Battis, Die Zukunft des Verwaltungsrechts, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät, S. 1327. 338 Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 20.

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bereiche den Beteiligungsverfahren nach §§ 3 und 4 BauGB zu entziehen.339 Der städtebauliche Vertrag kann lediglich ergänzend wirken.340 Die gesetzliche Regelung gibt dabei vier Gestaltungsbereiche vor; diese Bereiche bestehen jedoch nach dem Wortlaut von § 11 BauGB nur „insbesondere“, der Gemeinde steht es somit frei, auch andere Regelungsbereiche in einer vertraglichen Ausgestaltung einer Lösung zuzuführen und zu fixieren. Diese Möglichkeit existiert jedoch auch außerhalb von § 11 BauGB, da die Zulässigkeit des Abschlusses anderer öffentlich-rechtlicher Verträge unberührt bleibt, worauf auch § 11 Abs. 4 BauGB für andere städtebauliche Verträge wie den in § 124 BauGB geregelten Erschließungsvertrag oder Verträge im Rahmen von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen nach §§ 136 ff. BauGB in deklaratorischer Weise hinweist. Grob zusammengefasst ergibt sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BauGB die Möglichkeit der Regelung städtebaulicher Maßnahmen (Nr. 1), die Förderung und Sicherung der planerischen Ziele (Nr. 2), die Übernahme der Folgekosten (Nr. 3) sowie die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung sowie von Solaranlagen (Nr. 4). Im Folgenden soll das Recht der städtebaulichen Verträge daher unter dem Blickwinkel des Schutzes vor terroristischen Bedrohungslagen betrachtet werden. Dass dieses Rechtsgebiet eine Schutzfunktion erfüllen kann, ist insbesondere für Maßnahmen des Immissionsschutzes341 sowie neuerdings unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes und der klimaschützenden Stadterneuerung bejaht worden.342 (1) § 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – Städtebauliche Maßnahmen Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB können Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten sein. Hierunter fallen die Neuordnung von Grundstücksverhältnissen, die Bodensanierung, sonstige vorbereitende Maßnahmen und die Ausarbeitung der städtebaulichen Planung. 339

Zu dieser rechtswidrigen Konstellation OVG Lüneburg, ZfBR 2011, 154 ff. Peine, Öffentliches Baurecht, § 10 Rn. 526. 341 So für den Lärmschutz Krautzberger, UPR 2009, 213 ff. 342 Vgl. nur Battis, Klimaschutz durch Urban Governance, in: Welzer/Soeffner/Giesecke (Hrsg.), KlimaKulturen, 2010, S. 180; Battis/Kersten/Mitschang, Klimaschützende Stadterneuerung, ZG 2010, 246; Krautzberger, DVBl. 2008, 737; Mitschang, ZfBR 2010, 534 (546); Ingold/Schwarz, NuR 2010, 153 ff. Der Gesetzgeber hat auf die Vorschläge der Literatur im Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Stadtentwicklung in den Gemeinden“ reagiert und beabsichtigt aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch städtebauliche Verträge für die klimagerechte Stadtentwicklung ergeben, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BauGB zu ändern und um eine Nr. 5 zu ergänzen: So können Gegenstände eines städtebaulichen Vertrages auch sein die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung sowie die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden (S. 5 des Referentenentwurfs, Stand: 16. 5. 2011). 340

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Insbesondere die Neuordnung von Grundstücksverhältnissen ist aus der Sicht des Untersuchungsgegenstandes von Interesse. So weist das BVerwG in seinem Urteil zum Karlsruher Konsulatsfall ausdrücklich auf eine Neuzuordnung und Trennung von Grundstücken als eine Möglichkeit zur Herstellung eines höheren Schutzniveaus hin. Derartige bodenordnende Maßnahmen sind hoheitlich nach den §§ 45 ff. BauGB im Wege der Umlegung möglich.343 Sie können jedoch auch im Konsens getroffen werden und in einem städtebaulichen Vertrag niedergelegt werden, was insbesondere die Akzeptanz der betroffenen Grundstückseigentümer erhöhen kann. Interessant ist ferner die Möglichkeit, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planung vertraglich zu regeln. Hierunter ist nicht zu verstehen, dass der gesamte Planungsvorgang in private Hand übertragen wird. Dies verbietet schon § 11 Abs. 1 Nr. 1 letzter HS BauGB, der eindeutig festlegt, dass die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren unberührt bleibt. Die Ausarbeitung der Planung meint vielmehr die körperliche Herstellung der planerischen Dokumente.344 Möglich wird so auch eine Zusammenarbeit von Mitarbeitern der gemeindlichen Planungsämter mit Sicherheitsbeauftragten von privaten Unternehmen, um so einerseits die spezifischen Sicherheitsbelange eines anschlagsgefährdeten Unternehmens zu berücksichtigen und andererseits zwei verschiedene Ebenen des Sachverstands zusammenzuführen. (2) § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB – Förderung und Sicherung der Bauleitplanung Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB können weiterhin in städtebaulichen Verträgen geregelt werden die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Abs. 3 BauGB, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung. Aus der Sicht des Untersuchungsgegenstands sind insbesondere Regelungen zur Grundstücksnutzung von Interesse. Die Gemeinde kann so gezielt die Grundstücksnutzung im Plangebiet steuern und insbesondere eine Bauverpflichtung vereinbaren. Geregelt werden kann jedoch auch ein Rückbau oder die Entsiegelung von Flächen.345 Insbesondere die letzten beiden Regelungsbereiche können zur Wahrung von Abstandsflächen erforderlich sein. Jedoch kann auch die Vereinbarung einer Bauverpflichtung zu einer konsequenten Trennung unverträglicher Nutzungen und zur Verhinderung problematischer Gemengelagen beitragen. Parallel zu § 9 Abs. 2 343

Dazu siehe unten 3. Kapitel unter B. VII. Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 32. 345 Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 39; Löhr, in: Battis/ Krautzberger/ders., BauGB, § 11 Rn. 11. 344

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BauGB bietet auch § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB die Möglichkeit für Befristungen und Bedingungen. Gerade bei diesen Planverwirklichungsverträgen sind jedoch die oben schon dargestellten rechtlichen Grenzen von besonderer Bedeutung. Eine Bauverpflichtung auf Seiten des privaten Investors darf nicht zu einer planerischen Vorabbindung der Gemeinde und zu einer Vorwegnahme der nach § 1 Abs. 7 BauGB erforderlichen Abwägung führen. Die Planung ist auch im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages grundsätzlich offen zu gestalten. Nötig ist in diesen Fällen eine unverbindliche Formulierung, die Absichten zum Ausdruck bringen kann, jedoch nicht zu einer Verbindlichkeit führt.346 (3) § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB – Übernahme von Folgekosten Die durch § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB eröffnete Grundlage zur Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, ist zwar kein Steuerungsinstrument zur Erreichung eines höheren Schutzniveaus, führt jedoch zu der Frage, wie besonderen Sicherheitsanforderungen, die im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages vereinbart werden, auf der Kostenseite verteilt werden können. So können die Verwendung von Erdkabeln zum Stromtransport, der Einsatz spezieller Baumaterialien zur Stärkung der Bausubstanz oder die verkehrstechnischen Erfordernisse einer sicherheitsorientierten Verkehrsführung zu einer starken Belastung sowohl auf gemeindlich-öffentlicher als auch privater Seite führen. Hier setzt § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB mit der Möglichkeit des Abschlusses von Folgekostenverträgen an. Auch hier sind jedoch die Grenzen der vertraglichen Gestaltung zu beachten: Es darf sich zunächst nur um Kosten oder Aufwendungen handeln, die der Gemeinde explizit für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind. Wichtig ist weiterhin, dass nur solche Kosten Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sein können, die in einem unmittelbaren Ursachenzusammenhang zwischen Vorhaben und finanzierender Maßnahme stehen. Das Gesetz macht dies deutlich, durch die Worte „[…] Kosten […], die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind […].“ In diesem Bereich hat sich eine unübersichtliche Kasuistik herausgebildet, die sich v. a. um die Fragen der Reichweite des Unmittelbarkeitserfordernisses, der Berücksichtigung von verwaltungsinternen Kosten sowie die Abgrenzung zum Erschließungsvertrag dreht.347

346 Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 41; Hoffmann, in: BeckOK, BauGB, § 11 Rn. 33. 347 Zur Kasuistik siehe nur Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 57 ff.; Hoffmann, Beck OK, BauGB, § 11 Rn. 26 ff.; Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 11 Rn. 19 ff.

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bb) Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB Der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB ermöglicht bereits eine starke Verknüpfung zwischen privaten Belangen und kommunaler Bauleitplanung. Diese wird durch den in § 12 BauGB geregelten vorhabenbezogenen Bebauungsplan noch verstärkt. Neben dem qualifizierten und dem einfachen Bebauungsplan stellt der vorhabenbezogene Bebauungsplan die dritte Ausprägung dieses Planinstruments im Rahmen von § 30 BauGB dar. Nach § 12 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben- und Erschließungsmaßnahmen bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Satzungsbeschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet.348 Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist demnach auf ein bestimmtes Vorhaben zugeschnitten und besteht aus drei Teilen, zum einen den mit der Gemeinde abgestimmten Vorhaben- und Erschließungsplan, zum anderen den als Satzung beschlossenen Bebauungsplan (für den der Vorhaben- und Erschließungsplan die Grundlage bildet) sowie den Durchführungsvertrag zwischen Gemeinde und Vorhabenträger.349 Als Unterfall eines „normalen“ Bebauungsplans unterliegt auch der vorhabenbezogene Bebauungsplan den allgemeinen Vorschriften der Planaufstellung. Die Besonderheiten liegen in den inhaltlichen Freiheiten: So legt § 12 Abs. 3 S. 2 BauGB ausdrücklich fest, dass die Gemeinde im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB und an die Vorgaben der BauNVO gebunden ist. Wie beim städtebaulichen Vertrag sind Vorhabenträger und Gemeinde demnach auch hier frei in der Erfindung neuer Festsetzungen. Aus dem Blickwinkel des Untersuchungsgegenstandes bedeutet dies, dass sicherheitsrelevante Festsetzungen getroffen werden können, die dem Sicherheitsinteresse des Vorhabenträgers gerecht werden. Dieser ist jedoch in jedem Fall zur Verwirklichung des Vorhabens innerhalb einer zu bestimmenden Frist verpflichtet. Der Durchführungsvertrag flankiert diese Verpflichtung und enthält die schon im Rahmen des städtebaulichen Vertrages angesprochene Kostenlast. Demnach hat der Vorhabenträger zumindest einen Teil der Planungs- und Erschließungskosten zu tragen.

348 Gute Überblicke zu den Regelungsproblemen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans geben Turiaux, NJW 1999, 391 ff. und Menke, NVwZ 1998, 577 ff. 349 Vgl. das Schema bei Stüer, Der Bebauungsplan, Rn. 102.

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cc) Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen Auch auf den Durchführungsvertrag sind die für den städtebaulichen Vertrag nach § 11 BauGB geltenden allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen zu beachten. Doch auch aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht ergeben sich Rechtmäßigkeitsanforderungen, insbesondere aus § 56 Abs. 1 VwVfG: Ein öffentlichrechtlicher Vertrag in Ausgestaltung eines Austauschvertrages (Ein solcher stellt sowohl der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB als auch der Durchführungsvertrag nach § 12 Abs. 1 BauGB dar.) muss berücksichtigen, dass die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient. Die Gegenleistung muss ferner den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen. Das Erfordernis des Sachzusammenhangs wird auch als Kopplungsverbot bezeichnet, wonach nichts miteinander verknüpft werden darf, was nicht ohnedies schon in einem inneren Zusammenhang steht. Weiterhin darf es zu keinem Verkauf von Hoheitsakten kommen; hoheitliche Entscheidungen dürfen demnach nicht von der Erbringung einer wirtschaftlichen Gegenleistung abhängig gemacht werden. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass diese Grundsätze auch auf städtebauliche Verträge Anwendung finden350. Eine Teilregelung hierzu findet sich auch in § 11 Abs. 2 BauGB, der teilweise den Wortlaut des § 56 VwVfG übernimmt. Demnach muss die vereinbarte Leistung den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. dd) Eignung vertraglicher Regelungen zum Terrorschutz Aus den Einsatzmöglichkeiten und rechtlichen Begrenzungen vertraglicher Regelungen ergibt sich auch die Antwort auf die Frage, inwieweit städtebauliche Verträge einen Beitrag zur Steuerung terroristischer Bedrohungslagen darstellen können. So eignen sich die vertraglichen Lösungen eher zur Planung neuer Vorhaben in einem erstmals zu beplanenden Bereich. Dann kann am ehesten von den planerischen Freiheiten jenseits des Festsetzungskatalogs in § 9 BauGB profitiert werden. Durch den starken Investorenbezug kommen vertragliche Schutzregeln auch eher im Bereich anschlagsgefährdeter Infrastrukturvorhaben als im Rahmen terrorgefährdeter „Büronutzungen“ wie Regierungs- und Botschaftsbauten in Betracht. Gleichwohl stellen die §§ 11 und 12 BauGB ein breites Instrumentenbündel bereit, das im Rahmen des Risikomanagements durch Bauplanungsrecht von Planungsträgern zu beachten ist.

350 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 224 f.; Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 13 Rn. 100; Wolff/Decker, VwGO/VwVfG, § 56 VwVfG Rn. 4.

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11. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass das Bauplanungsrecht Sicherheitsbelangen aufgeschlossen gegenübersteht. Zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Auslegung der Planungsleitlinie der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB. Die vorherrschende Meinung, die Norm sei lediglich auf die Belange „Gesundheit“ und „Standsicherheit“ ausgerichtet, greift zu kurz. Die Leitlinie ist vielmehr im Sinne eines umfassenden, bodenrechtlichen Vorsorgeprinzips zu verstehen, das durch die Zivilschutz- und Verteidigungsbelange in § 1 Abs. 6 Nr. 10 BauGB sowie die Belange des Hochwasserschutzes in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB ergänzt wird. Verfahrensrechtlich wird der Sicherheitsbelang durch das Ermittlungs- und Bewertungsgebot des § 2 Abs. 3 BauGB gestärkt, das als Instrument der Risikoanalyse und Informationsbeschaffung verstanden werden kann. Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verpflichtet sodann zu unbedingter Beachtung von Terrorrisiken und -gefahren, wobei ein Vorrang dieser Belange die Ausnahme darstellen wird. Die Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten des Flächennutzungs- und insbesondere des Bebauungsplans halten eine Vielzahl von Maßnahmen bereit, um ein differenziertes Schutz- und Sicherheitsniveau zu gewährleisten, das im Einzelfall auch durch die Möglichkeiten der konsensualen Bauleitplanung ergänzt werden kann.

V. Die Berücksichtigung von terroristischen Bedrohungslagen in der bauplanungsrechtlichen Vorhabenzulassung Neben der Frage der Schaffung eines größtmöglichen Schutzniveaus auf Ebene der Bauleitplanung bildet die nachgelagerte Phase der konkreten bauaufsichtlichen Zulassung eines Vorhabens die zweite Steuerungsebene. Entscheidender Akteur ist nun nicht mehr die Gemeinde, sondern die jeweils zuständige Bauaufsichtsbehörde. In den Flächenstaaten sind damit regelmäßig die untere Bauaufsichtbehörde, in den Stadtstaaten mit meist nur zweistufigem Verwaltungsaufbau die Bezirksämter angesprochen.351 Zu beachten ist ferner, dass das klassische Steuerungsmittel der Bauaufsichtsbehörden, die Baugenehmigung, durch das deregulierte Baugenehmigungsverfahren lediglich bei baulichen Anlagen von besonderem Umfang erforderlich ist. Die Bundesländer haben im Bereich des formellen Bauordnungsrechts in großem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, bestimmte Vorhaben von einem Genehmigungserfordernis gänzlich freizustellen bzw. nur ein vereinfachtes Bauordnungsverfahren durchzuführen.352 351 Vgl. Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 85 f.; Grotefels, in: Hoppe/ Bönker/dies., Öffentliches Baurecht, § 16 Rn. 3. 352 Siehe hierzu 3. Kapitel unter C. I 2.

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Diese Möglichkeiten entbinden jedoch nicht von der Pflicht, das materielle Bauordnungsrecht, die Anforderungen des Bauplanungsrechts sowie sonstige Vorschriften des öffentlichen Rechts einzuhalten. Unberührt sind weiterhin die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse.353 Ferner ist für die Steuerung und baurechtliche Beurteilung eines einzelnen Vorhabens entscheidend, von welcher planungsrechtlichen Grundlage ausgegangen wird. Ausgangspunkt ist hierbei § 30 BauGB. Liegt ein qualifizierter Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB vor, so muss das geplante Vorhaben neben der gesicherten Erschließung die entsprechenden Festsetzungen erfüllen. Zu Konflikten kann dann v. a. die Frage führen, inwieweit die Erteilung einer Ausnahme oder einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans möglich ist. Gleiches gilt für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach §§ 12 Abs. 1, 30 Abs. 2 BauGB. Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, sind zusätzlich die Erfordernisse der §§ 34 und 35 BauGB zu beachten. Entscheidende Bedeutung erlangt § 34 BauGB als Steuerungsinstrument darüber hinaus im unbeplanten Innenbereich. Setzt man diese allgemeinen Erörterungen nun in Bezug zum Untersuchungsgegenstand, so wird deutlich, dass der Schwerpunkt der folgenden Darstellungen im Bereich der Zulassung einer anschlagsgefährdeten baulichen Anlage im unbeplanten Innenbereich liegt. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: Hat eine Risikoanalyse ergeben, dass eine bestimmte anschlagsgefährdete Nutzung in einem Gebiet nicht zulässig bzw. nur an einer bestimmten Stelle zulässig sein soll und hat die Gemeinde dies in einem Bebauungsplan festgelegt, so ist die nachfolgende Vorhabenzulassung weitgehend vorbestimmt: Entweder ist das Vorhaben zulässig oder nicht. Interessanter ist die Frage, wie vorgegangen werden muss, wenn eine Risikoanalyse und die nachfolgende Abwägung ergeben haben, dass keine besonderen Schutzfestsetzungen erforderlich sind und eine anschlagsgefährdete Nutzung nachträglich in eine gewachsene bauliche Nutzungssituation integriert werden soll. Dies war die Ausgangslage in den bereits in der Einleitung dargestellten Fällen: Wie ist mit Baugenehmigungs- und Nutzungsänderungsanträgen von potentiell anschlagsgefährdeten Nutzungen, wie etwa Botschaften, in sensiblen Baugebieten wie reinen und allgemeinen Wohngebieten umzugehen? In den Vordergrund rücken dabei zwei Gesichtpunkte: Dies ist zum einen die Erfüllung der Anforderungen von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB, die zum anderen in der Praxis v. a. zu Fragen der Reichweite des baurechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme als Feinsteuerungsmechanismus führen wird. 1. Steuerung von anschlagsgefährdeten Nutzungen im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB Bei der Zulassung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich bzw. – mit dem Wortlaut des Gesetzes – „im Zusammenhang eines bebauten Ortsteiles“ kann sich die 353

Vgl. nur § 60 BauO Berlin.

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Zulässigkeit eines Vorhabens seiner Art nach entweder nach dem spezielleren § 34 Abs. 2 BauGB oder nach dem subsidiär geltenden § 34 Abs. 1 BauGB richten. Im Rahmen einer Vorhabenzulassung im unbeplanten Innenbereich ist zudem die bereits oben besprochene Abgrenzung354 zwischen planerischer Konfliktbewältigung auf Ebene der Bauleitplanung und auf Ebene der Vorhabenzulassung zu beachten. Das Verbot des Konflikttransfers gebietet, die wesentlichen Konflikte im Rahmen des Verfahrens der Planaufstellung, der Ermittlung und Bewertung der relevanten Belange sowie der Abwägung zu lösen. Für den Bereich der konkreten Vorhabenzulassung bleibt damit v. a. die Rolle der Feinabstimmung übrig. Weiterhin ist in der Rechtsprechung des BVerwG anerkannt, dass die Gemeinde in bestimmten Fällen von einer abschließenden Bewältigung im Bebauungsplan absehen darf, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Maßnahmen der Konfliktlösung auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt oder zu erwarten ist.355 Demnach ist stets zu prüfen, inwieweit eine potentiell anschlagsgefährdete Nutzung bodenrechtliche Spannungen auslöst, die noch durch Feinsteuerung ausgeglichen werden können oder schon der Planung bedürfen.356 a) Zulassung nach § 34 Abs. 2 BauGB Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO in den §§ 2 bis 11 BauNVO geregelt sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein im Sinne des faktischen Baugebietes zulässig wäre. Zu beachten ist dabei jedoch, dass sich die vorhandene Bebauung eindeutig unter die Gebietsbeschreibung einpassen muss und nicht „gewaltsam“ passend gemacht werden darf.357 aa) Allgemeine Zulässigkeit von Botschaften und Konsulaten Greift man sich die bauplanungsrechtliche Zulassung von Botschaften und Konsulaten als einen besonders anschaulichen Anwendungsfall einer anschlagsgefährdeten Nutzung heraus, so ist festzustellen, dass Botschaften und Konsulate in jedem Fall als Geschäfts- und Bürogebäude einzustufen sind. Überwiegend wird auch eine Subsumtion unter den Nutzungsbegriff der „Verwaltungsanlage“ für möglich gehalten.358 Zwar wird vereinzelt vorgebracht, dass sich der Verwaltungsbegriff der BauNVO lediglich auf deutsche Verwaltungsanlagen beziehe359. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt im Wortlaut der BauNVO, dass eine derartige Beschränkung 354 355 356 357 358 359

Dazu siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 7. b). aa). BVerwG, Urt. v. 26. 6. 2007, Az.: 4 BN 24/07, Rn. 3 – juris = BRS 71 (2007) Nr. 15. Vgl. hierzu auch Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 34 Rn. 18, 20. Vgl. Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 34 Rn. 47 m. w. N. Vgl. Stock, in: E/Z/B/K, BauGB, § 4 BauNVO Rn. 132; Wittinger, DVBl. 2006, 17 (19). Vgl. die Darstellung bei Wittinger, DVBl. 2006, 17 (19) m. w. N.

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gewollt ist und zumindest im Wege der analogen Anwendung steht dem Einbezug auch ausländischer Verwaltungsanlagen kein Hindernis entgegen.360 Somit ergibt sich die Zulassung als Regelfall in Gebieten zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO), im Mischgebiet (§ 6 Abs. 2 Nr. 2, 5 BauNVO), im Kerngebiet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO) sowie im Gewerbegebiet (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Beruft sich nunmehr ein Nachbar auf Anschlagsgefahren, hat die Bauaufsichtsbehörde und ihr nachfolgend im Streitfall das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob unzumutbare Störungen oder Belästigungen im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 2 BauGB entweder von dem Vorhaben ausgehen oder die Anlage derartigen Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Als ausnahmsweise zulässige bauliche Nutzung können Botschaften und Konsulate als Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude im allgemeinen Wohngebiet (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO) zugelassen werden361. Für ausnahmsweise zulässige Nutzungen ist nach § 34 Abs. 2, HS 1 BauGB die allgemeine „Ausnahmevorschrift“ des § 31 Abs. 1 BauGB maßgeblich. Auch hier ist im Einzelfall zu prüfen, inwiefern das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ein Absehen von der Erteilung einer Ausnahme gebietet. Unzulässig nach den Vorschriften der BauNVO sind Botschaften und Konsulate daher lediglich in reinen Wohngebieten und in Industriegebieten. Auch in diesen Fällen kommt jedoch eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit über die Gewährung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht. Eine derartige Fallgestaltung lag etwa der Errichtung eines Generalkonsulats in München362 sowie dem Bau der israelischen Botschaft in Berlin363 zugrunde. In beiden Fällen ging es um die Erteilung einer Befreiung im reinen bzw. allgemeinen Wohngebiet. Gerade im Bereich des Botschaftsbaus ist der Konflikt zwischen Wohnnutzung und potentiell anschlagsgefährdeter konsularischer Nutzung besonders augenfällig, da die Vertretungen und auch die Residenzen bevorzugt in gehobenen Wohnlagen er- und eingerichtet werden.364 Dieser Aspekt ist von der Rechtsprechung stets positiv im Sinne einer Aufwertung und besonderen Wertschätzung des Stadtviertels bewertet worden.365 Diese Einschätzung wird im Lichte des Untersuchungsgegenstandes zumindest keine uneingeschränkte Zustimmung mehr erfahren können.366 Im Bereich von Ausnahmen und Befreiungen kommt der sachgerechten Ermessensausübung eine wesentliche Rolle im Lichte des Schutzes vor terroristischen Bedrohungslagen zu. 360 361 362 363 364 365 366

Wittinger, DVBl. 2006, 17 (19). Offengelassen von VG Berlin, LKV 1999, 412 (413). VGH München, NVwZ-RR 1998, 619 ff. VG Berlin, LKV 1999, 412 ff. Diesen Aspekt betont VG Berlin, LKV 1999, 412 (413). Vgl. VGH München, NVwZ-RR 1998, 619 (620). Ebenfalls zweifelnd Wittinger, DVBl. 2006, 17 (20); dies., DÖV 2007, 786 (789).

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bb) Allgemeine Zulässigkeit von Anlagen für kirchliche Zwecke Die leider auch noch mehr als 65 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur notwendige polizeiliche Bewachung jüdisch-israelischer Einrichtungen sowie die Auseinandersetzungen um die Errichtung von Moscheen zeigen, dass auch Anlagen für religiöse Zwecke potentiell anschlagsgefährdet sein können. Nach der BauNVO sind Anlagen für kirchliche Zwecke in allgemeinen Wohngebieten (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), in besonderen Wohngebieten (§ 4a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO), in Dorfgebieten (§ 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO), in Mischgebieten (§ 6 Abs. Nr. 5 BauNVO) sowie in Kerngebieten (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) allgemein zulässig. Der Begriff des „kirchlichen Zwecks“ ist dabei nicht auf eine bestimmte Religion festgelegt.367 Ausnahmsweise können sie in reinen Wohngebieten (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) und Gewerbegebieten (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) zugelassen werden. Als bisher relevant gewordene Konflikte im Bereich der kirchlichen Anlagen sind v. a. die Frage der Sozialadäquanz des liturgischen368 und des reinen Zeitläutens369 bekannt geworden. Zu diesen „hergebrachten“ Nutzungskonflikten treten nunmehr die Sicherheitsbelange hinzu. cc) Allgemeine Zulässigkeit von Infrastrukturnutzungen und Störfallanlagen Als weitere große Gruppe, die potentielle Ziele von Terroranschlägen sein könnten, sind im Rahmen dieser Untersuchung Einrichtungen der Infrastruktur sowie Störfallanlagen identifiziert worden. Ihre Zulässigkeit richtet sich zwar meist abschließend nach dem Fach(-planungs)recht in Verbindung mit § 38 BauGB.370 In den verbleibenden Fällen, in denen gleichwohl das Bauplanungsrecht zur Anwendung gelangt, ist wiederum zunächst anhand von § 34 Abs. 2 BauGB und den Baugebietsvorschriften der BauNVO zu prüfen, inwieweit das Vorhaben zulässig ist. Zu bemerken ist hierbei, dass das Gegensatzpaar der §§ 34 und 35 BauGB für Anlagen der Infrastruktur und auch für Störfallanlagen ein erster Steuerungsmechanismus sein kann. Indem § 35 Abs. 1 Nrn. 3, 4, 5, 6 und 7 BauGB Vorhaben der öffentlichen Versorgung, Anlagen zur Erforschung und Nutzung der Wind- und Wasserenergie, Vorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse und Kernkraftwerke als privilegierte Außenbereichsnutzung festlegt, ist im Sinne des Trennungsgebotes bereits ein Beitrag zur Lösung konfligierender Nutzungen, etwa zwischen Störfall- und Wohnnutzung erkennbar. 367 368 369 370

Stock, in: König/Roeser/ders., BauNVO, § 4 Rn. 47. BVerwGE 68, 62 ff. Zur Frage des eröffneten Rechtswegs in diesem Fall BVerwG, NJW 1994, 956. Siehe hierzu oben 3. Kapitel unter B. IV. 4. b).

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Ist gleichwohl die Verwirklichung im unbeplanten Innenbereich gewollt, kommt für Infrastrukturanlagen und Störfallbetriebe in erster Linie ein Standort innerhalb eines faktischen Industriegebietes gemäß § 9 BauNVO in Betracht. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in diesen Gebieten Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe zulässig. Zur Begriffsbestimmung wird sowohl auf das Gewerbe- als auch das Steuerrecht zurückgegriffen, um die dortigen Definitionen dann um baurechtliche Besonderheiten zu erweitern.371 Ein Gewerbebetrieb setzt demnach eine selbstständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnabsicht unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus. Davon nicht umfasst sind Land- und Forstwirtschaft sowie die freien Berufe. Erfasst sind damit Handwerk, Handel, Hilfsgewerbe sowie Industrienutzungen.372 Damit sind im Industriegebiet u. a. Raffinerien, größere Kraftwerke, Stahlwerke und Fallhammeranlagen zulässig.373 In einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO sind zwar ebenfalls Gewerbebetriebe aller Art zulässig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), § 8 Abs. 1 BauNVO bestimmt jedoch, dass ein Gewerbegebiet vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Betrieben dient. Hieraus ergeben sich Einschränkungen für diejenigen Nutzungen, die diesen Störgrad überschreiten. Ferner markiert das Merkmal der „nicht erheblichen Belästigung“ zudem die Abgrenzung zum Industriegebiet, in dem vorrangig die Betriebe mit erheblichen Beeinträchtigungen für die Umgebung angesiedelt werden sollen. Zur Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist eine Prognose auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise nötig, wobei u. a. immissionsschutzrechtliche Feststellungen mit einbezogen werden können.374 Die Frage des Störgrades kann darüber hinaus als Ausgestaltung des Rücksichtnahmegebots auf Tatbestandsebene aufgefasst werden. b) Zulassung nach § 34 Abs. 1 BauGB Der Zulassungstatbestand des § 34 Abs. 1 BauGB wird zum einen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung relevant. Jedoch kommt sein Regelungsgehalt zum anderen auch zur Anwendung, wenn die Beurteilung eines Baugebietes zu der Feststellung führt, dass es nicht eindeutig unter die Charakteristika der Beschreibungen in den §§ 2 ff. BauNVO passt oder nur ein einfacher Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB vorliegt und § 34 Abs. 1 BauGB dann in seiner Auffangfunktion herangezogen wird. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung 371 372 373 374

Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 8 BauNVO Rn. 22. Zum Ganzen Söfker, in: E/Z/B/K, § 8 BauNVO Rn. 22. Aufzählung bei Stock, in: König/Roeser/ders., BauNVO, § 9 Rn. 16. Vgl. Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, § 8 BauNVO Rn. 26.

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gesichert ist. Zwei wesentliche Regelungsbereiche spricht die Norm somit an, die Eigenart der näheren Umgebung einerseits sowie das Einfügen in dieselbe. Die „nähere Umgebung“ ist dabei weiter zu fassen als die unmittelbare Nachbarschaft, umfasst jedoch auch nicht den gesamten Innenbereich. Zu fragen ist danach, welche Auswirkungen von dem geplanten Vorhaben ausgehen können und welche Reichweite diesen beigemessen werden kann.375 Die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung führt automatisch zu der Frage, inwieweit sich ein neues Vorhaben in den vorhandenen Bebauungszusammenhang einfügt. Die Rechtsprechung hat diesen Rechtsbegriff dahingehend ausgelegt, dass ein „Sich-Einfügen“ vorliegen soll, wenn ein Vorhaben sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält.376 Doch auch wenn das Vorhaben nicht in den vorgegebenen Rahmen passt, da es noch kein entsprechendes „Vorbild“ gibt, kann es sich im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügen, da es weniger auf Einheitlichkeit und Harmonie als auf das Maß der bodenrechtlich relevanten Spannungen ankommt.377 In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat das BVerwG ferner in das Tatbestandsmerkmal des Sich-Einfügens eine Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme hineingelesen378. Demnach fügt sich ein Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es nicht die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft nimmt.379 c) § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB als besondere Schutzausprägung Unter der reichhaltigen Literatur und Rechtsprechung zu der Bestimmung der Eigenart der näheren Bauumgebung sowie zum Erfordernis des Sich-Einfügens scheint es der auf § 34 Abs. 1 S. 1 folgende Satz 2 etwas schwer zu haben, eine eigenständige Bedeutung zu entfalten. Demnach müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben, ferner darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden. Jedoch kann dieser Halbsatz gerade unter dem Blickwinkel des Untersuchungsgegenstandes als besondere Schutzausprägung verstanden werden. Der Wortlaut knüpft an § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB an und sorgt so für eine Verbindung zwischen Bauleitplanung und Vorhabenzulassung. Zwar wird das Erfordernis der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung nicht noch einmal aufgegriffen, dies schmälert jedoch nicht die Bedeutung der Norm. In der Rechtsprechung wird bezweifelt, ob die Norm neben dem Gebot des Sich-Einfügens überhaupt eine eigenständige Bedeutung habe.380 Das Gebot der Wahrung gesunder Wohn- und 375 376 377 378 379 380

BVerwGE 55, 369 (380); Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht I, S. 347. BVerwGE 55, 369 (385). BVerwGE 55, 369 (386). BVerwGE 67, 23 (30). Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 150. BVerwG, NVwZ 1991, 879 (880).

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Arbeitsverhältnisse zeige vielmehr die äußersten Grenzen der Zulässigkeit einer Grundstücksbebauung auf.381 Ferner sei eine Anwendung zur Verhinderung von Fehlentwicklungen in städtebaulichen Gemengelagen und zur Abwehr von städtebaulichen Missständen im Sinne von § 136 BauGB denkbar.382 Auch wenn § 34 Abs. 1 S. 2 HS 2 BauGB demnach nur in deklaratorischer Weise den Regelungsinhalt des § 34 Abs. 1 BauGB bestätigt, spricht nichts dagegen ihn im Lichte des Untersuchungsgegenstandes als besondere Schutzausprägung auf Tatbestandsebene zu verstehen, der ebenfalls auf den Feinsteuerungsmechanismus des Rücksichtnahmegebotes hinweist. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass das Rücksichtnahmegebot kein außerhalb der Vorschriften des einfachen Rechts stehender Rechtssatz ist, sondern sich vielmehr durch das einfache Recht entfaltet.383

2. Die Bedeutung von Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB Auch wenn mit den vorstehenden Ausführungen die wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die konkrete Vorhabenzulassung umrissen sind, muss abschließend auf die Bedeutung von § 31 BauGB und die damit eröffnete Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen eingegangen werden. Die zitierten Botschaftsurteile sind schließlich gerade vor dem Hintergrund von § 31 BauGB ergangen. Dies gilt ferner auch für die Konstellation, dass eine Gemeinde nach § 1 Abs. 5 BauNVO grundsätzlich zulässige Baugebietsnutzungen für nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig erachtet. Im faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB kommt § 31 ebenfalls über § 34 Abs. 2 S. 1 HS 2 BauGB zur Anwendung. Nach § 31 Abs. 1 BauGB können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Der Behörde steht in dieser Frage demnach ein Ermessensspielraum zu, den sie rechtmäßig nach § 40 VwVfG zu erfüllen hat. Sie muss den Ermessensspielraum erkennen, darf keine sachwidrigen Erwägungen anstellen und die gesetzlichen Grenzen, insbesondere die Grundrechtsbindung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einhalten.384 Nach den vorstehenden Ausführungen hat sich gezeigt, dass die Berücksichtigung von Sicherheitserwägungen dabei ein Belang ist, der geradezu zu einer sachgerechten Einbeziehung und Entscheidung auffordert. Zu beachten ist jedoch, dass damit nicht automatisch ein Nachbarschutz bzw. Drittschutz im Sinne der Schutznormtheorie mitumfasst ist. Eine Ausnahmeerteilung nach § 31 Abs. 1 BauGB ist nur dann drittschützend, wenn von Festset381

BVerwG, NVwZ 1991, 879 (880). BVerwG, NVwZ 1991, 879 (880). 383 BVerwG, NVwZ 1987, 409 (410); vgl. auch Battis, Baurechtlicher Nachbarschutz, in: FS Weyreuther, S. 312. 384 Zur rechtmäßigen Ermessensausübung Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 141 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 132 ff. 382

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zungen abgewichen werden soll, die ihrerseits drittschützend sind; § 31 Abs. 1 BauGB ist isoliert nicht drittschützend. Drittschutz kann jedoch wiederum den Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmefestsetzung zukommen, wenn diese gerade darauf angelegt sind, Nachbarinteressen zu berücksichtigen385. Ganz im Gegensatz dazu steht die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Hier ist der Nachbarschutz Tatbestandsvoraussetzung. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung erfordern, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Befreiungstatbestände sind weit gefasst: So umfassen die Gründe des Allgemeinwohls nicht nur spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern vielmehr alles, was gemeinhin unter den öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist.386 Noch weiter ist die Befreiungsmöglichkeit im Rahmen einer städtebaulichen Vertretbarkeitsprüfung.387 Korrektive sind insoweit lediglich die Berührung der planerischen Grundzüge sowie die Würdigung nachbarlicher Interessen. 3. Zusammenfassung Dieser kursorische Überblick über die Zulassungsmöglichkeiten hat eines gezeigt: Wesentliches Steuerungsinstrument im Rahmen der konkreten Vorhabenzulassung sind Fragen des Rücksichtnahmegebotes sowie Schutzaspekte und eng damit verbunden Probleme des baurechtlichen Drittschutzes. All diese Instrumente leisten die eigentliche Feinsteuerung und sollen im Folgenden dargestellt werden. Die Steuerung von anschlagsgefährdeten Nutzungen im Rahmen der Vorhabenzulassung konzentriert sich daher auf die Frage der gebotenen Rücksichtnahme und mögliche Schutz- und Abwehrpositionen Dritter. 4. Schutz- und Abwehrpositionen Dritter Die Rechtsprechung des BVerwG zum baurechtlichen Nachbarschutz und damit verbunden zur Abwehr konfligierender Nutzungen hat mittlerweile ein ausdifferenziertes System geschaffen, das über das Gebot der Rücksichtnahme weit hinausgeht. Insbesondere die Anerkennung des Gebietserhaltungsanspruchs und des diesen ergänzenden Gebietsprägungserhaltungsanspruchs haben hierzu beigetragen. Diese Instrumente gewähren Abwehrpositionen, ohne dass der Anspruchsführer eine 385

BVerwG, NJW 1983, 1574; Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 18 Rn. 52 ff.; Reidt, in: Gelzer/Bracher/ders., Bauplanungsrecht, Rn. 1871. 386 BVerwGE 56, 71 ff.; Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 61. 387 Die tatbestandliche Reichweite zu Recht kritisierend Koch/Hendler, Baurecht, S. 317.

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qualifizierte Beeinträchtigung darlegen muss, wie dies beim Gebot der Rücksichtnahme nötig ist. Soll eine anschlagsgefährdete Nutzung in einem Plangebiet verwirklicht werden, kommt daher gerade diesen beiden Rechtsinstituten eine große Bedeutung zu. Gleichwohl ist die Rolle des daneben weiterhin geltenden Gebots der Rücksichtnahme nicht zurückgedrängt, sondern entfaltet seine Wirkungen als Feinsteuerungsmechanismus im Rahmen der Vorschriften des einfachen Rechts. Allgemein ist zu den Schutz- und Abwehrpositionen anzumerken, dass diese keine Einbahnstraße darstellen, sondern in zwei Richtungen wirken können: Zum einen kann eine bauliche Nutzung abgewehrt werden, die in einer bestimmten Umgebung störend wirkt, zum anderen kann auch umgekehrt eine bestimmte bauliche Nutzung verlangen, dass die Umgebung Rücksicht auf sie nimmt.388 Auf den Untersuchungsgegenstand bezogen, bedeutet dies, dass sowohl die Nachbarschaft Schutz vor einer anschlagsgefährdeten Nutzung verlangen kann, als auch diese Nutzung beanspruchen kann, vor einer heranrückenden sensiblen Baunutzung geschützt zu werden. Diese doppelte Schutzrichtung wird schon durch die bekannteste einfachgesetzliche Normierung des Gebots der Rücksichtnahme in § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO deutlich, wonach bauliche Anlagen einerseits unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind oder wenn sie andererseits solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. a) Der Gebietserhaltungsanspruch aa) Anfänge der Rechtsprechung Schon früh war das BVerwG bemüht, aus den allgemeinen Gebietsfestsetzungen der BauNVO in Plangebieten und in faktischen Baugebieten Anforderungen für den Ausgleich konfligierender Nutzungen zu entwickeln. Der 4. Senat begründete in seinem Urteil vom 18. Oktober 1974 dazu die sogenannte Typisierungslehre.389 Hiernach beurteilt sich die Zulässigkeit eines potentiell störenden Vorhabens in einem sensiblen Baugebiet nicht allein nach dem Grad der zu erwartenden Gefährlichkeit. Entscheidend sei vielmehr, ob sich die Nutzung typischerweise in die vorhandene Bebauung einpasse. Eine Baugenehmigung, die sich von dieser notwendigen Typisierung löse, ließe sich in ihrer Überwachung kaum kontrollieren. Deshalb sei eine typisierende baurechtliche Beurteilung sachgerecht und unvermeidbar.390 Potentiell störende Betriebe, die einer gewerberechtlichen und/oder immissionsschutzrechtlichen Erlaubnis bedürfen, seien in Mischgebieten ebenso wie in Gewerbegebieten unzulässig.391 388 Zu dieser umgekehrten Situation ausführlich unter Einbezug weiterer Rechtsgebiete Ingold/Lenski, Umgebungsschutz als Schutz vor der Umgebung, DÖV 2010, 797 ff. 389 BVerwG, NJW 1975, 460 ff. – Fallhammer. 390 BVerwG, NJW 1975, 460 (462). 391 BVerwG, NJW 1975, 460 (462).

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Diese sogenannte Typisierungslehre löst sich somit von der Einzelfallbeurteilung und vergleicht lediglich auf abstrakter Ebene, ob die geplante Nutzung typischerweise mit der allgemeinen Gebietscharakterisierung übereinstimmt.392 Diese starre Handhabung baurechtlicher Zulassungskriterien hat Kritik hervorgerufen, insbesondere innerhalb des BVerwG. So nahm der 7. Senat, zuständig u. a. für das Immissionsschutzrecht, eine auf der Grenzlinie zwischen Bauplanungs- und Immissionsschutz liegende Fallgestaltung zum Anlass, die Typisierungslehre des 4. Senats einzuschränken.393 Hierbei gibt der Senat eine zweistufige Prüfung vor: Zunächst bleibt es bei den durch die Typisierungslehre aufgestellten Grundsätzen, dass die durch die BauNVO vorgegebenen Gebietscharakterisierungen zu einer abstrakten Vorprägung der Gebiete, gestaffelt nach Schutzwürdigkeit, führen. An dieser Stelle beginnt sodann die zweite Prüfungsstufe: Während der 4. Senat davon ausging, dass Betriebe, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, generell nicht in Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO zulässig seien, fragt der 7. Senat danach, ob auf der Ebene des Einzelfalls gleichwohl eine Gebietsverträglichkeit festgestellt werden kann, etwa weil ein atypischer Betrieb vorliegt, der nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lässt.394 Die abstrakte Sichtweise der Typenlehre wird so durch die Gegebenheiten des Einzelfalls eingeschränkt. bb) Konkrete Herleitung Das vom 7. Senat verwendete Merkmal der Gebietsverträglichkeit weist bereits in Richtung des Gebietserhaltungsanspruches, der in mehreren Entscheidungen des BVerwG in den 1980er und 1990er Jahren entwickelt worden ist. Ansatzpunkt zur Herleitung ist die Grundstückssituation, der sich alle Grundstückseigentümer durch einen Bebauungsplan ausgesetzt sehen. Indem der Bebauungsplan durch Festsetzungen Inhalt und Schranken des Grundeigentums aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG für alle Grundstückseigentümer gleichermaßen bestimmt, wird ein wechselseitiges Austauschverhältnis begründet: Da jeder Eigentümer in der Grundstücksnutzung „öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Grundstücksnachbarn durchsetzen“395. In weiteren Entscheidungen erläutert das Gericht dieses Austauschverhältnis und interpretiert es als Schicksalsgemeinschaft, zu der die Planbetroffenen durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans verbunden würden.396 Ferner sei es auch Aufgabe des Bauplanungsrechts, die einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis

392

Vgl. hierzu auch Marschke, Der Gebietserhaltungsanspruch, S. 88 f. BVerwG, NVwZ 1993, 987 ff. 394 BVerwG, NVwZ 1993, 987 (988). 395 BVerwGE 82, 61 (75). Zur Herleitung ferner Schoch, JURA 2004, 317 (319 f.) und Konrad, JA 2006, 59. 396 BVerwGE 94, 151 (155). 393

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untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen.397 Daher reiche der Nachbarschutz, der durch die Festsetzungen des Bebauungsplans vermittelt wird, auch weiter als das Gebot der Rücksichtnahme, dass unzumutbare Betroffenheit in konkret schutzwürdigen Belangen voraussetze. Vielmehr habe ein Nachbar auch unterhalb dieser Betroffenheitsstufe einen Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart. Der Abwehranspruch werde bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet werde.398 Dabei ist dieser Gebietserhaltungsanspruch nicht auf den beplanten Innenbereich beschränkt, sondern gilt auch in faktischen Baugebieten im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB.399 Geschaffen wurde so ein weitreichendes Abwehrinstrument gegenüber gebietswidrigen Nutzungen von baulichen Anlagen ihrer Art nach. Im Fortgang der Rechtsprechung des BVerwG sind jedoch auch bereits die Grenzen des Gebietserhaltungsanspruches abgesteckt worden.400 So ist zu beachten, dass die Argumentation des wechselseitigen Austauschverhältnisses und der Schicksalsgemeinschaft nur innerhalb eines Baugebietes und nicht innerhalb eines Bebauungsplangebietes gilt. Setzt ein Bebauungsplan mehrere unterschiedliche Baugebiete fest, etwa ein reines und ein allgemeines Wohngebiet, so besitzen Eigentümer im reinen Wohngebiet keinen Gebietserhaltungsanspruch gegenüber einer gebietswidrigen Nutzung im allgemeinen Wohngebiet.401 Auch die räumlichen Grenzen des Gebietserhaltungsanspruchs sind vom BVerwG beschrieben worden. Es hat klargestellt, dass ein Nachbar dessen Grundstück nicht im Plangebiet liege, auch keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet habe. Sein Schutz bestimme sich vielmehr nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO.402 Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz nicht absolut gilt. Enthält ein Bebauungsplan Festsetzungen, die explizit auch den Nachbarn außerhalb des Plangebietes schützen sollen, so kann sich auch dieser bei einer entsprechenden Verletzung dieser Festsetzungen auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen.403 Weiterhin ist das Merkmal der beginnenden Verfremdung eines Gebiets Gegenstand näherer Konkretisierungen geworden. Insoweit ist klargestellt worden, dass ein Umkippen eines Baugebietes nicht schon dann bejaht werden könne, wenn zwar ein 397

BVerwGE 94, 151 (155). BVerwGE 94, 151 (161). 399 BVerwGE 94, 151 (156). 400 Siehe hierzu ausführlich Schröer, NJW 2009, 484 ff. 401 VGH München, 2004, 248 (249); siehe hierzu auch Ingold/Lenski, DÖV 2010, 797 (799); Schröer, NJW 2009, 484 (485). 402 BVerwG, NVwZ 2008, 427; 1. und 2. Leitsatz. 403 Ingold/Lenski, DÖV 2010, 797 (798). 398

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baugebietswidriges Vorhaben verwirklicht werden soll, dieses jedoch nur eine geringe bodenrechtliche Relevanz aufweise.404 cc) Bedeutung des Gebieterhaltungsanspruchs für anschlagsgefährdete Nutzungen Die Entwicklung des Gebietserhaltungsanspruchs hat für die Zulassung potentiell anschlagsgefährdeter Nutzungen große Bedeutung, insbesondere im reinen und allgemeinen Wohngebiet und im Zusammenhang mit der Erteilung von Befreiungen. Schon ohne den konkreten Vortrag von Sicherheitsbefürchtungen ist die Instanzrechtsprechung mit Büronutzungen in Wohngebieten streng umgegangen. In den zu entscheidenden Fällen war jeweils die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für eine Büronutzung in allgemeinen Wohngebieten Gegenstand der richterlichen Beurteilung. In beiden Fällen wurde die Erteilung einer Befreiung für rechtswidrig erachtet.405 Ein Bürogebäude widerspreche dem allgemeinen Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebietes und könne auch nicht ausnahmsweise als Verwaltungsanlage nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO genehmigt werden, da auch insoweit der Gebietscharakter die Grenzen vorgebe und ein Gebäude, das nach seiner Ausgestaltung und Funktionalität einem Büro- oder Verwaltungsgebäude nahe komme, unzulässig sei. Somit komme auch die Erteilung einer Befreiung nicht in Betracht.406 Ebenso verhielt es sich im anderen Fall einer geplanten Büronutzung im Stadtgebiet Nordend in Frankfurt am Main. Auch hier stellte das Gericht maßgeblich auf den vorherrschenden Wohncharakter ab, der einer Büronutzung entgegenstehe.407 Führt man sich nun das Beispiel einer besonders anschlagsgefährdeten Botschaft vor Augen, so wird die Erteilung einer Befreiung in jedem Fall für ein reines Wohngebiet allein mit der Begründung, eine diplomatische Vertretung führe zu einer Gebietsaufwertung, nicht mehr zu vertreten sein. Im allgemeinen Wohngebiet lässt sich darüber streiten, ob eine ausnahmsweise Zulassung als Verwaltungsanlage möglich ist. Im Lichte der angeführten Rechtsprechung werden die Anforderungen hierfür jedoch sehr hoch sein. In diesem Zusammenhang wird befürchtet, dass die Durchführung dieser Rechtsprechung zu einer baurechtlichen Diskriminierung gerade von Botschaften sensibler Staaten führen könnte.408 Dies mag auf den ersten Blick so aussehen, ist in letzter Konsequenz aber eine unberechtigte Sorge. Der Gebietserhaltungsanspruch führt nicht zur Abwehr bestimmter Nutzungen, sondern wendet sich „diskriminierungsfrei“ gegen jedwede baugebietsfremde Nutzung. Die besondere Terrorgefahr ist 404 405

21530. 406 407 408

VGH Kassel, BeckRS 2007, 28373. Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2006, 164 (166) sowie VGH Kassel, BeckRS 2002, VGH Mannheim, NVwZ-RR 2006, 164 (165 f.). VGH Kassel, BeckRS 2002, 21530. Wittinger, DVBl. 2006, 17 (20).

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dann lediglich ein weiterer Argumentationspunkt. Langfristig kann dies jedoch dazu führen, dass im Sinne einer konsequenten Trennung konfligierender Nutzungen auch anschlagsgefährdete Botschafts- und Regierungsanlagen in reinen und allgemeinen Wohngebieten unzulässig sein können. b) Die Gebietsverträglichkeit als Brücke zum Gebietsprägungserhaltungsanspruch aa) Herleitung Über den Gebietserhaltungsanspruch hinaus hat das BVerwG die Abwehpositionen von Grundstückseigentümern sowohl in Plangebieten als auch in faktischen Baugebieten über das Merkmal der Gebietsverträglichkeit zu einem Gebietsprägungserhaltungsanspruch409 erweitert. Die Herleitung dieser Rechtsprechung knüpft an die generellen Gebietsbeschreibungen in den jeweils zweiten Absätzen der §§ 2 bis 9 BauNVO an. Die dort zu findende spezifische Zweckbestimmung wird als Ausdruck der Gebietsverträglichkeit eines Vorhabens bezeichnet. Zudem konkretisiere die Baugebietstypologie der BauNVO unter anderem die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Zudem bestimme das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit nicht nur die Frage nach der regelhaften Zulassung eines Vorhabens, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich.410 Gebietsunverträglich ist ein Vorhaben, wenn es bezogen auf den Gebietscharakter aufgrund seiner typischen Nutzung störend wirkt. Maßgebliches Kriterium sei die gebietsunübliche Störung.411 Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kommt das Gericht für den Fall der ausnahmsweisen Zulassung eines Zustellstützpunkts der Deutschen Post AG in einem allgemeinen Wohngebiet zu dem Ergebnis der Gebietsunverträglichkeit. Insbesondere weist das Gericht darauf hin, dass es nicht auf die Benennung der konkreten Nutzungsart in der BauNVO ankomme. Dass sowohl § 4 BauNVO als auch § 6 BauNVO Anlagen für Verwaltungen normierten, führe nicht automatisch zu der Annahme, dass jede Art von Verwaltung in jedem Baugebiet zulässig sei. Maßgeblich sind vielmehr die Baugebietsbeschreibung und die Zweckbestimmung. Diese legt für ein allgemeines Wohngebiet eine überwiegende Wohnnutzung und für Mischgebiete ein Nebeneinander von Wohn- und nicht wesentlich störender Gewerbenutzung fest. Diese unterschiedliche Zweckbestimmung sieht das BVerwG als maßgebliches Kriterium an.412 Basierend auf diesen Grundsätzen lehnte das Gericht auch die Zulassung einer Anlage für gesundheitliche

409 Hierzu ausführlich Decker, Der spezielle Gebietsprägungserhaltungsanspruch, JA 2007, 55 (57). 410 BVerwGE 116, 155 (158). 411 BVerwGE 116, 155 (159). 412 Vgl. BVerwGE 116, 155 (158 f.)

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Zwecke (Dialysezentrum) in einem allgemeinen Wohngebiet oder die Zulassung eines Seniorenpflegeheims in einem Gewerbegebiet ab.413 Ferner ist der Gebietsprägungserhaltungsanspruch von § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO zu trennen. Während diese Bestimmung die Gebietsunverträglichkeit eines Vorhabens nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung im Einzelfall beurteile, setze der Gebietserhaltungsanspruch auf der abstrakten Ebene an und beantworte die Frage, ob ein Vorhaben unabhängig vom Einzelfall gebietsverträglich sei.414 Mit dieser Rechtsprechung, die sich von der Einzelfallbetrachtung löst und wieder die Gebietstypik betont, nähert sich die Rechtsprechung des 4. Senats wiederum der Typisierungslehre an.415 Dagegen wird dogmatische Kritik laut: Der Nutzen eines Instruments zwischen der Grobsteuerung der Baugebietstypik der BauNVO und dem Feinsteuerungsmechanismus des § 15 BauNVO, die zudem die trennscharfe Unterscheidung zwischen abstrakter Nutzungsart und konkreter Nutzungssituation auflöse, sei nicht erkennbar.416 Diese Bewertung lässt jedoch außer Betracht, dass Grob- und Feinsteuerung nicht nahtlos ineinander greifen, sondern oftmals eine Lücke zwischen beiden Instituten aufreißt. Der Schutz aus § 15 Abs. 1 BauNVO beginnt erst ab Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle und der Geltendmachung eines qualifizierten und individualisierten schutzwürdigen Interesses.417 Diese Anforderungen können einer effektiven Durchsetzung eines Abwehranspruchs oftmals entgegenstehen. Insofern erscheint es durchaus logisch, parallel zum Gebietserhaltungsanspruch ein Rechtsinstitut einzuführen, dass auch in nicht qualifizierter Weise betroffenen Planeigentümern eine Abwehrposition an die Hand gibt, die die Wahrung der spezifischen Gebietsprägung betont. bb) Folgerungen für anschlagsgefährdete Nutzungen Für das Aufeinandertreffen von anschlagsgefährdeten Nutzungen und sensibler Wohnnutzung ist insofern eine weitere Entscheidung pro Wahrung der Wohnnutzung getroffen. Auch die ausnahmsweise Zulassung von anschlagsgefährdeten Nutzungen als Verwaltungsanlagen in allgemeinen Wohngebieten ist mit der Abwehrmöglichkeit des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs der Boden entzogen, da es insoweit auf Sicherheitsbelange nicht ankommt, sondern allein die Frage der Wahrung der Gebietsverträglichkeit im Vordergrund steht.

413

BVerwG, NVwZ 2008, 786; 1. Leitsatz; BVerwG, NVwZ 2002, 1384. BVerwGE 116, 155 (159); BVerwG, NVwZ 2011, 748 (749 f.). 415 Decker, JA 2007, 55 (57). 416 Ingold/Lenski, DÖV 2010, 797 (799). 417 Vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 138 (139); Roeser, in: König/ders./Stock, BauNVO, § 15 Rn. 11. 414

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Für weniger sensible Gebiete wie Misch- und Kerngebiete erlangen die Sicherheitsbelange dann wieder an Bedeutung. In diesen Gebieten ergibt sich, dass anschlagsgefährdete Büro- und Verwaltungsnutzungen als Regelbebauung zulässig sind. Eine gebietswidrige- oder gar gebietsunverträgliche Nutzung liegt nicht vor, da die besondere Gebietstypik und der spezielle Gebietscharakter nicht entgegenstehen. Ähnlich verhält es sich mit anschlagsgefährdeten Industrienutzungen, die regelhaft sowohl in Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO als auch in Industriegebieten nach § 9 BauNVO verwirklich werden könnten. Im Gewerbegebiet wird eine terrorgefährdete Nutzung jedoch ähnliche Schwierigkeiten auf Verwirklichung haben wie eine anschlagsgefährdete Büronutzung im allgemeinen Wohngebiet: Der spezielle Gebietscharakter des Gewerbegebietes ist auf nicht wesentliche störende Betriebe zugeschnitten. Daher kann unter Rückgriff auf den Gebietsprägungserhaltungsanspruch argumentiert werden, eine anschlagsgefährdete Industrienutzung sprenge diese Typisierung. Diese Argumentation entfällt jedoch in Industriegebieten, in denen gerade die erheblich störenden Nutzungen angesiedelt werden sollen. Anschlagsgefährdeten Nutzungen in Misch-, Kern- und Industriegebieten können der Gebietserhaltungsanspruch und der Gebietsprägungserhaltungsanspruch „nichts anhaben“. Für derartige Nutzungen kommt es auf die Erfüllung der Anforderungen des Rücksichtnahmegebotes an, die im Folgenden betrachtet werden sollen. c) Das Gebot der Rücksichtnahme aa) Herleitung und Inhalt Im Geflecht des baurechtlichen Drittschutzes bildet das Gebot der Rücksichtnahme neben den Instituten des Gebietserhaltungsanspruchs und des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs die dritte Prüfungsstufe: Wenn ein Vorhaben im beplanten Innenbereich oder in einem faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB seiner Art nach regelhaft oder ausnahmsweise zulässig ist und auch der besondere Gebietscharakter nicht verletzt wird, ist zuletzt zu begutachten, ob das Vorhaben im Einzelfall nicht die gebotene Rücksicht auf die Umgebung nimmt. Doch auch außerhalb des beplanten Innenbereichs und der faktischen Baugebiete entfaltet das Gebot der Rücksichtnahme seine Wirkung. Es findet im atypischen Innenbereich Anwendung, sowohl hinsichtlich der Art als auch des Maßes der Nutzung. Im Außenbereich ist das Gebot der Rücksichtnahme als ungeschriebenes Merkmal im Rang eines öffentlichen Belangs nach § 35 Abs. 2 BauGB zu berücksichtigen418; § 35 Abs. 3 BauGB bringt dies speziell für Immissionen auf den Punkt, indem klargestellt wird, dass eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere dann vorliegt, wenn ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird.

418

Siehe hierzu BVerwGE 52, 122 ff.

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Das Gebot der Rücksichtnahme ist dabei maßgeblich durch Richterrecht geprägt worden419 und blickt auf eine längere Auseinandersetzung um seine Herleitung zurück. Ausgangspunkt der Überlegungen des BVerwG war, dass der damalige Wortlaut des § 34 BBauG, der ein Vorhaben für zulässig erklärte, wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich war, kein subjektives Recht eines Nachbarn begründe und es ihm somit verwahrt war, die Anforderungen des § 34 BbauG gegenüber Dritten durchzusetzen.420 Das Gericht behalf sich jedoch mit einem anderen Lösungsansatz: „Dennoch kann […] eine gegen § 34 BBauG verstoßende Genehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, nämlich in seinem auf Art. 14 Abs. 1 GG beruhenden und durch diese Vorschrift geschützten Eigentumsrecht.“421 Gleichzeitig formulierte das Gericht jedoch hohe Anforderungen an eine derartige Verletzung. Eine bloße Rechtswidrigkeit der Genehmigung nach § 34 BBauG reicht demnach nicht aus, vielmehr muss der Nachbar „schwer und unerträglich getroffen sein“.422 Das Gericht erkennt so ein Rücksichtnamegebot direkt aus der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG an423 und verneint eine schützende Wirkung von Vorschriften des einfachen Bauplanungsrechts. Diese Verortung des Nachbarschutzes aus Art. 14 GG wird im Fortgang weiterentwickelt.424 Eine erste Einschränkung der Herleitung des Gebots der Rücksichtnahe ist in der bereits zitierten Schweinemästerentscheidung425 zu erblicken. Für die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich seien Nachbarn nicht auf einen eigentumsrechtlichen Drittschutz im Sinne einer schweren und unerträglichen Beeinträchtigung angewiesen, sondern könnten sich unmittelbar auf das in § 35 Abs. 3 BauGB als öffentlichem Belang verankerte Rücksichtnahmegebot berufen.426 In der Folge dieses Urteils war das Gebot der Rücksichtnahme dann auch als zu berücksichtigender Belang im Rahmen von § 34 Abs. 1 BBauG anerkannt427 und damit zugleich eine Herleitung des Gebots auch aus den einfachen Vorschriften des Bauplanungsrechts. Weiterhin konkretisierte das BVerwG die Anforderungen an die Verletzung des Gebots, formulierte einen inhaltlichen Anwendungsmaßstab und legte fest, wann dem Gebot Drittschutz zukommt: Ein Nachbar kann sich demnach auch dann im Sinne eines subjektiven Rechts auf das Rücksichtnahmegebot berufen, wenn er in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise betroffen ist. Nicht zu übersehen 419 Dazu Battis, FS Weyreuther, S. 307; Gaentzsch, Das Gebot der Rücksichtnahme bei der Zulassung von Bauvorhaben, ZfBR 2009, 321 f. 420 Vgl. BVerwGE 32, 173 (175). 421 BVerwGE 32, 173 (178). 422 BVerwGE 32, 173 (179). 423 Dazu Weyreuther, BauR 1975, 1 ff. 424 Vgl. BVerwGE 50, 282 ff. 425 BVerwGE 52, 122 ff. 426 BVerwGE 52, 122 (125). 427 Vgl. BVerwG, NJW 1981, 1973.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

sind in dieser Formulierung die Anklänge an den schweren und unerträglichen Grundrechtseingriff im Sinne der Herleitung aus dem Eigentumsschutz. Zu den Anforderungen des Gebots in objektivrechtlicher Sicht zieht sich das Gericht auf eine eher allgemeine Aussage zurück: Die Anforderungen hingen von den jeweiligen Umständen ab, es macht lediglich deutlich, dass zur Bemessung der Auswirkungen auch auf die in anderen Rechtsgebieten entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden könne.428 Berühmt geworden ist dann jedoch die folgende viel zitierte Formel: „Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.“429 Wie das Gericht im Fortgang auch selbst erläutert, kommt es somit entscheidend auf eine sachgerechte Abwägung der Interessengegensätze an.430 Dabei sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, die entscheidenden Kriterien, die der Abwägung zu Grunde liegen müssen.431 Die auf den ersten Blick große tatbestandliche Weite des Rücksichtnahmegebots ist im Fortgang dieser Rechtsprechung scharf kritisiert worden.432 Dies veranlasste das BVerwG dazu, klarzustellen, dass es sich beim Gebot der Rücksichtsnahme nicht um einen außerhalb des einfachen Rechts stehenden Rechtssatz handele, sondern es sich vielmehr in den einfachgesetzlichen Vorschriften des Baurechts selbst entfalte.433 Heute ist dieser Grundsatz nunmehr gänzlich anerkannt: Das Gebot der Rücksichtnahme kommt im unbeplanten Innenbereich innerhalb des Merkmals „Einfügen“ zur Geltung434, ist innerhalb der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse nach § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB zu berücksichtigen435, entfaltet sich im beplanten Innenbereich sowie in faktischen Baugebieten hinsichtlich der Art der Nutzung nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 BauNVO436, ist bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu beachten437 und kommt, wie bereits dargelegt, im Außenbereich 428

Vgl. BVerwGE 52, 122 (126). BVerwGE 52, 122 (126). 430 BVerwGE 52, 122 (126). 431 BVerwG, NVwZ 1992, 884. 432 Vgl. nur Breuer, DVBl. 1982, 1065 ff. und seinen ebenfalls viel zitierten Ausspruch vom „Irrgarten des Richterrechts“. 433 BVerwG, NVwZ 1987, 409 (410). 434 BVerwGE 55, 369 (381 ff.). 435 BVerwG, NJW 1983, 2460 ff. 436 Ständige Rechtsprechung seit BVerwGE 67, 334. 437 Obwohl § 31 Abs. 2 BauGB ausdrücklich auf die Würdigung nachbarlicher Interessen hinweist, wurde der Vorschrift zunächst kein grundsätzlicher Nachbarschutz zuerkannt (BVerwG, BayVBl. 1969, 432; 1. Leitsatz). Seit BVerwGE 56, 71 ist der Nachbarschutz jedoch vollumfänglich anerkannt, sodass schon darauf verwiesen wird, dass dem Gebot der Rück429

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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entweder als ungeschriebener öffentlicher Belang oder – zunehmend – als Belang im Rahmen von § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB zur Geltung. bb) Das Gebot der Rücksichtnahme und die Zurechnung terroristischer Bedrohungslagen Nimmt man die durch das BVerwG geprägte Formel zur inhaltlichen Handhabung des Rücksichtnahmegebots und wendet sie auf terroristische Bedrohungslagen an, kommt es letztlich auf eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen an: Wie hoch ist die Schutzbedürftigkeit der von dem Vorhaben betroffenen Umgebung? Wie verständlich und unabweisbar sind im Gegenzug die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen? Dies sind die Fragen, die die Bauzulassungsbehörde und ihr nachfolgend im Streitfall die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben. Im Fall der Beurteilung eines potentiell anschlagsgefährdeten Vorhabens ist daher wiederum die Risikobeurteilung von Bedeutung, wie sie oben bereits für den Bereich der Bauleitplanung vorgestellt worden ist.438 Damit kommt auch der baurechtlichen Zulassungsfrage eine Schnittstellenfunktion zwischen den jeweiligen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden und der spezifischen bauplanungsrechtlichen Beurteilung zu. Dass es zu diesem Zusammenspiel von Sicherheits- und Baurecht auch in der Wirklichkeit kommt, zeigt die Entscheidung des BVerwG zum Fall des türkischen Konsulats, dass die entsprechenden Behördenakten zur sicherheitsrechtlichen Beurteilung beigezogen hat und darauf basierend feststellen konnte, dass die Gefährdung der Umgebung über eine unspezifische Besorgnis nicht hinausgehe.439 Die dargestellte Risikoanalyse kann so zur Institutionalisierung dieses Verfahrens beitragen. Das Konsulatsurteil des BVerwG hat jedoch aus einem anderen Grund Kritik erfahren: Während die Frage der grundsätzlichen Berücksichtigung von Terrorgefahren im Rahmen der Bauleitplanung durchweg begrüßt wird440, wird in dogmatischer Hinsicht die Berücksichtigung dieser Gefahren innerhalb des Gebots der Rücksichtnahme im Allgemeinen und innerhalb von § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO im Besonderen bemängelt: Plakativ wird die Bekämpfung terroristischer Gefahren im Rahmen des Rücksichtnahmegebots als „Kuriosität“ beschrieben441, „die Auflösung des baurechtlichen Drittschutzes“ diagnostiziert442, ein Rückfall in die Zeit der beliebigen und von Genehmigungsvoraussetzungen losgelösten Wertungen befürchsichtsnahme in § 31 Abs. 2 BauGB keine selbständige Bedeutung mehr zukomme, Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 31 Rn. 76. 438 Siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 6. 439 Vgl. BVerwGE 128, 118 (124). 440 Jäde, ZfBR 2007, 751 (756); Gaentzsch, ZfBR 2009, 321 (328); Ingold/Lenski, DÖV 2010, 797 (800); Seibel, BauR 2007, 1831 (1836); Wittinger, DVBl. 2006, 17 (21); dies., DÖV 2007, 786 (789); Steinbach, Terrorgefahr fürs Welterbe, Jura 2010, 67 (70). 441 Stühler, BauR 2009, 1076 (1090). 442 So die Überschrift des Beitrages von Jäde, ZfBR 2007, 751.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

tet443 oder abwägend darauf hingewiesen, dass die Unzumutbarkeitserwägungen im Rahmen von § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO auf äußerst vager Prognosegrundlage getroffen würden.444 Provokant wird weiterhin die Frage aufgeworfen, ob bei der Genehmigung einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Türkei ins Kalkül gezogen werden müsse, ob die Türkei im irakischen Kurdengebiet interveniere, ob eine wachsende Terrorismusgefahr das Ausmaß der Nutzung beeinflusse, indem die Intervention der USA im Irak als Nutzungsänderung oder Nutzungsintensivierung einzustufen sei und zusammenfassend das Bauordnungsrecht die jeweilige Kriegsschuldfrage beantworten solle.445 Diese Kritik ist jedoch mehr von Polemik geprägt, als dass sie zur Lösung der sich stellenden Fragen beiträgt. Das Bauordnungsverfahren ist nicht dazu da, Sicherheitsfragen von nationaler oder weltpolitischer Bedeutung zu lösen. Aber es weist eine beachtliche Schnittstellenfunktion zu ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Fragestellungen auf und in diesem Sinn ist das Urteil des BVerwG zu verstehen. Dass auch für die vom BVerwG ausgesprochene Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde, die Sicherheitslage im Auge zu behalten und äußerstenfalls bauaufsichtliche Maßnahmen einzuleiten, eine sachgerechte Lösung und Ausgestaltung gefunden werden kann, soll noch Gegenstand der Untersuchung sein.446 Gewichtiger ist jedoch ein dogmatischer Kritikpunkt, der auf die grundlegende Problematik der Zurechnung terroristischer Gefahren zu einer baulichen Nutzung verweist: Die Gefahr der Beeinträchtigung gehe nicht von der baulichen Nutzung, sondern von rechtswidrig handelnden Dritten aus. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO erfordere jedoch, dass die Belästigungen und Störungen von der baulichen Anlage ausgehen. Die von Dritten herbeigeführten Gefahren seien daher nicht zu berücksichtigen.447 In dieser Frage ist zunächst zu differenzieren zwischen potentiellen Terroranschlägen auf Störfallnutzungen sowie Anschlägen auf „friedliche“ Nutzungen, wie reinen Büro-, Verwaltungs- sowie religiösen Nutzungen. Ferner ist zu beachten, dass die im Polizeirecht entwickelten Kriterien der Zurechnung von Gefahren von nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar wirkenden Ursachenquellen mittels der Instrumente des Zweckveranlassers oder des latenten Störers nicht zur Lösung herangezogen werden können, da so der speziell bodenrechtlich zu verstehende Begriff der Belästigungen und Störungen in unzulässiger Weise verengt würde.448

443 444 445 446 447

(328). 448

Vgl. Gaentzsch, ZfBR 2009, 321 (328). Ingold/Lenski, DÖV 2010, 797 (800). Jäde, ZfBR 2007, 751 (757 f.). Siehe dazu unten 3. Kapitel unter B. V. 5. und C. I. Jäde, ZfBR 2007, 751 (758); Gaentzsch, 2009, 321; Ingold/Lenski, ZfBR 2009, 321 BVerwGE 128, 118 (122).

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass im Fall des Anschlags auf eine Störfallnutzung sich Terroristen das Störfallrisiko zu eigen machen. Ein Unterschied besteht somit nur in der Frage des Ausgangspunktes: Während sich ein Störfallrisiko ohne terroristischen Hintergrund auch durch interne Fahrlässigkeit verwirklichen kann, ist im Fall des Terroranschlags eine externe Einwirkung der Auslöser. Da es außer Streit steht, dass die Berücksichtigung von Störfallrisiken im Rahmen des Rücksichtnahmegebots erforderlich ist, darf daher auch die Frage der terroristischen Gefährdung nicht ausgeschlossen werden.449 Auf den ersten Blick anders sieht die Lage im Fall eines Anschlags auf eine „friedliche“ Büro-, Verwaltungs- oder religiöse Nutzung aus. Hier fehle ein spezifischer Anlagenbezug der Gefahr terroristischer Anschläge. So könne eine Botschaft nicht mit einem Munitionslager oder einer Fabrik für Feuerwehrkörper gleichgesetzt werden.450 Genau an diesem Punkt muss jedoch Gegenkritik ansetzen: Es ist zwar richtig, dass eine Botschaft oder eine andere an sich „friedliche“ jedoch gleichwohl gefährdete Nutzung nicht mit einem Störfallbetrieb gleichgesetzt werden kann. Sie kann auf der anderen Seite jedoch auch nicht mit reiner Wohnbebauung gleichgesetzt werden. Vielmehr ist sie in ihrer Bedeutung herausgehoben und ist durch ihre völkerrechtliche Vertretungsfunktion, ihre Regierungs- oder Verwaltungsfunktion oder ihre religiöse Bedeutung eine herausgehobene spezielle Nutzungsart, die oftmals auch Symbolfunktion beinhaltet. Dass weiterhin gerade Bausymbole einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, bedarf nach den September-Anschlägen keiner Erläuterung mehr. Wenn nun für eine Berücksichtigung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots eine in der Anlage selbst wurzelnde Gefahr gefordert wird, verengt dies wiederum eine städtebaulich zu beurteilende Frage auf einen polizeirechtlichen Begriff in Form der latenten Gefahr. Mit der gleichen Argumentation ließe sich auch die bisher nicht als rechtswidrig eingestufte polizeiliche Bewachung von Botschaften, Regierungsbauten oder religiösen Einrichtungen hinterfragen, da auch diesen Nutzungen keine polizeirechtlich relevante Gefahr inne wohnt, sondern lediglich befürchtet wird, dass sie einer solchen ausgesetzt sein könnten. Gerade der letzte Aspekt kann auch bei der Auslegung des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO helfen: Das Rücksichtsnahmegebot ist nicht nur bei unzumutbaren Störungen und Belästigungen verletzt, die von der baulichen Anlage ausgehen können, sondern aufgrund der doppelten Schutzrichtung auch dann, wenn eine bauliche Anlage derartigen Störungen oder Belästigungen ausgesetzt ist. Zwar ist hierunter primär die Konstellation zu verstehen, dass die Zulässigkeit bestehender Störungen oder Belästigungen erhalten bleibt. Die offene Formulierung des Wortlauts lässt jedoch auch ein Verständnis zu, dass ein Vorhaben dann unzulässig sein kann, wenn es von außen einwirkenden Störungen oder Belästigungen ausgesetzt ist. Zuletzt kann auch dem Einwand begegnet werden, dass es bei der Berücksichtigung von Terrorgefahren an einem qualifiziert und individualisiert abgrenzbaren 449 450

Soweit noch zustimmend Jäde, ZfBR 2007, 751 (758). So Jäde, ZfBR 2007, 751 (758).

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Betroffenenkreis fehle, da der Terrorismus eine ubiquitäre Gefahr sei.451 Sobald es um die konkrete Zulassungsfrage eines anschlagsgefährdeten Vorhabens geht, ist der Kreis aufgrund des baurechtlichen Nachbarbegriffs bestimmt: Umfasst sind in räumlicher Hinsicht alle, die von den räumlichen Auswirkungen eines Anschlags auf das Vorhaben betroffen sind.452 Spätestens dann, wenn die fortlaufende Sicherheitsbeurteilung ergibt, dass ein Terroranschlag nicht mehr nur eine unspezifische Besorgnis darstellt, sondern konkret umschrieben werden kann, so ist eine Verneinung der Berücksichtung im Rahmen des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO nicht mehr zu rechtfertigen. Angesprochen ist damit die durch das BVerwG angesprochene Pflicht der Behörde zu steter Überwachung der Sicherheitslage, die im Folgenden dargestellt werden soll. 5. Der dynamische Nachbarschutz durch Risikomonitoring „Allerdings weist die Revision zu Recht darauf hin, dass sich die Einschätzung, wie wahrscheinlich mit Anschlägen auf diplomatische Vertretungen und ähnliche Einrichtungen gerechnet werden muss, ändern kann, wenn bestimmte weltpolitische oder einzelne Staaten betreffende Ereignisse oder Entwicklungen eintreten. […] Eine Baugenehmigungsbehörde muss sich deshalb […] vergewissern, ob bei einer nicht auszuschließenden nachteiligen Änderung der Sicherheitslage die dann zu erwartende Gefährdung der betreffenden Einrichtung und ihrer Umgebung unter Wahrung des Rücksichtnahmegebots beherrschbar ist, z. B. durch zusätzliche baurechtliche oder ordnungsrechtliche Maßnahmen.“453

Mit diesen Worten weist das BVerwG im letzten Absatz seiner Konsulatsentscheidung auf die schon angesprochene Pflicht der Baubehörden hin, die Sicherheitslage in Bezug auf potentiell anschlagsgefährdete Vorhaben im Auge zu behalten und wenn nötig einschreitend zu reagieren. Maßgeblich ist, dass sich die Rechtmäßigkeitsbeurteilung durch neu eintretende Umstände ändern kann. Es lässt sich insofern eine interessante Parallele zum Recht der technischen Sicherheit ziehen. Dort müssen die Anlagen stets dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Das BVerfG hat in seiner Kalkar-Entscheidung die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ausdrücklich gebilligt und als Form einer Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes im Sinne einer bestmöglichen Risikovorsorge qualifiziert.454 Damit lässt sich auch die vom BVerwG ausgesprochene Pflicht zur Beobachtung der Sicherheitslage als „dynamischer Nachbarschutz“ im Sinne einer bestmöglichen Risikovorsorge vor terroristischen Bedrohungslagen interpretieren. Weiterhin kann diese Dynamik des Nachbarschutzes mit dem Begriff des Monitorings in Verbindung gebracht werden. Monitoring bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als 451

So Jäde, ZfBR 2007, 751 (758). Vgl. zu den räumlichen Anforderungen des Nachbarbegriffs nur: Grotefels, in: Hoppe/ Bönker/dies., BauGB, § 18 Rn. 37. Weiterhin ist die grundsätzliche Beschränkung des baurechtlichen Nachbarbegriffs auf Grundstückseigentümer zu beachten. 453 BVerwGE 128, 118 (125). 454 BVerfGE 49, 89 (139 f.); siehe zuvor schon oben 2. Kapitel unter D. 452

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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Überwachung, die sich unter dem Blickwinkel des Untersuchungsgegenstandes auf die vom BVerwG ausgesprochene Pflicht zur ständigen Vergewisserung über die aktuelle Risikolage bezieht. Damit lässt sich der dynamische Nachbarschutz als steter Risikomonitoring-Prozess verstehen. Letztlich schließt sich so auch der Kreis zu den oben beschriebenen Bemühungen455 um ein umfassendes Katastrophen- und Risikomanagementsystem: Die Pflicht zum Risikomonitoring geht Hand in Hand mit der beschriebenen Risikoanalyse. Das Risikomonitoring ist dabei auch kein Fremdkörper im Bauplanungsrecht, es fällt vielmehr auf fruchtbaren Boden: Im Rahmen der Vorschriften zur Bauleitplanung hat Art. 10 der sogenannten Plan-UP-Richtlinie456 zur Einführung des § 4c BauGB geführt, der mit der Überschrift „Überwachung“ die Richtung weist: Demnach überwachen die Gemeinden die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchführung der Bauleitplanung eintreten, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen (Satz 1). Nach Satz 2 der Vorschrift nutzt die Gemeinde dabei die im Umweltbericht angegebenen Überwachungsmaßnahmen und die Informationen der Fachbehörden. Das Monitoringinstrument des § 4c BauGB ist damit ein speziell auf Umweltauswirkungen zugeschnittenes Überwachungsinstrument, das auf Nachsorge und Ermittlung derjenigen Belange ausgerichtet ist, die im Rahmen der abgeschlossenen Bauleitplanung noch nicht bekannt waren.457 Mit den Worten der „Ermittlung nachteiliger Auswirkungen“ betont § 4c BauGB in Anlehnung an die Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB den Verfahrenscharakter des Monitorings. Auch die Überwachung hinsichtlich weiterer nachteiliger Auswirkungen weist eine Schnittstellenfunktion auf: Da die Gemeinden organisatorisch und personell mit der Monitoringaufgabe überfordert wären, sind die Fachbehörden in einer „Bringschuld“, der Gemeinde die notwendigen Information zur Verfügung zu stellen, damit diese dann ihrer Überwachungsfunktion nachkommen kann.458 Aus der Konzeption von § 4c BauGB als Verfahrensvorschrift ergeben sich auch Folgerungen für die Konsequenzen, wenn das Monitoring Ergebnisse liefert, die planungsrechtlich bedeutsam sind und daher umgesetzt werden müssen. Aus § 4c BauGB selbst folgt dabei keine Ermächtigungsgrundlage für die Änderung der Bauleitpläne oder gar für aufsichtsbehördliches Einschreiten. Vielmehr ist die Gemeinde mit der Durchführung der Überwachung und der Feststellung des Ergebnisses 455

Siehe oben 2. Kapitel unter E. III ferner 3. Kapitel unter A. IV. und B. IV. 6. Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. 6. 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme; Abl EG Nr. L 197/30; zur Umsetzung der Richtlinie unter besonderer Berücksichtung des Monitorings ausführlich Sailer, Bauplanungsrecht und Monitoring, 2006. 457 Kersten, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK, BauGB, § 4c Rn. 1; Halama, in: Berkemann/ders., BauGB 2004, § 4c Rn. 11. 458 Kersten, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK, BauGB, § 4c Rn. 7 ff. 456

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

ihrer Pflicht in ausreichendem Maße nachgekommen.459 Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Gemeinde, Abhilfemaßnahmen durchzuführen, besteht nicht.460 Damit ist jedoch gleichwohl die Frage aufgeworfen, wie auf festgestellten Änderungsbedarf zu reagieren ist, darauf ist schließlich der Wortlaut des § 4c BauGB angelegt, der zu Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Abhilfe auffordert. Zu Recht wird weiterhin angemerkt, dass sich die Gemeinden insoweit auch einer gewissen Erwartungshaltung ausgesetzt sehen werden.461 Da § 4c BauGB als Ermächtigungsgrundlage ausscheidet, kommt es auf die allgemeinen Grundlagen an: für Planänderungen auf § 1 Abs. 3 BauGB sowie im Rahmen der Vorhabenzulassung auf die Berücksichtigung insbesondere innerhalb der Feinsteuerung nach § 15 Abs. 1 BauNVO sowie auf die Eingriffbefugnisse des Fachrechts.462 Für das Risikomonitoring im Rahmen des dynamischen Nachbarschutzes stellen sich damit die gleichen Fragen: Lediglich eine veränderte Sicherheitslage festzustellen, hieße auf halber Strecke stehenzubleiben. Entscheidend ist, mit welchem Eingriffsinstrumentarium die Bauaufsichtsbehörde Konsequenzen ziehen kann und so der Forderung des BVerwG nach dem Einsatz baurechtlicher Maßnahmen nachkommen kann. Diese Frage soll im Rahmen der Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht näher untersucht werden.463

VI. Steuerung durch plansichernde und planverwirklichende Maßnahmen Hat die Gemeinde nach einer durchgeführten Risikoanalyse beschlossen, einen Bebauungsplan aufzustellen, der besondere Festsetzungen zum Schutz vor terroristischen Bedrohungslagen enthält, reicht oftmals der bloße Aufstellungsbeschluss und die Durchführung des Bauleitplanungsverfahrens nicht aus, um das gewünschte Schutzniveau zu erreichen. Vielmehr kann das Bedürfnis, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, entstehen, eine bestimmte örtliche Situation zu sichern, etwa ein als Schutzfläche vorgesehenes Areal von einer Bebauung freizuhalten oder den Zuschnitt von Grundstücken entsprechend den sicherheitsrechtlichen Festsetzungen zu verwirklichen. Zusammengefasst ist daher das Steuerungspotential von plansichernden Mitteln wie etwa der Veränderungssperre nach § 14 BauGB oder plan459 Kersten, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK, BauGB, § 4c Rn. 12; Rautenberg, NVwZ 2005, 1009 (1012). 460 Bunzel/Jekel, Monitoring und Bauleitplanung, S. 32; Rautenberg, NVwZ 2005, 1009 (1012). 461 So Rautenberg, NVwZ 2005, 1009 (1013). 462 Vgl. Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4c Rn. 7 f.; Bunzel/Jekel, Monitoring und Bauleitplanung, S. 32. 463 Siehe 3. Kapitel unter C. I.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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verwirklichenden Maßnahmen wie der Umlegung nach §§ 45 ff. BauGB oder auch der Enteignung gemäß §§ 85 ff. BauGB angesprochen. 1. Die Veränderungssperre nach § 14 BauGB Dass die Veränderungssperre als planungsrechtliches Schutzinstrument verstanden werden kann, zeigt ihr Einsatz auf dem bereits angesprochenen Konfliktfeld, dem Extremismusschutz durch Bauplanungsrecht.464 So konnte sich die niedersächsische Stadt Melle durch eine schnell ausgeführte Bauleitplanung, die durch eine Veränderungssperre gesichert wurde, erfolgreich gegen Bestrebungen der NPD wenden, ein ehemaliges Bahngelände als Schulungszentrum zu nutzen.465 Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zum Instrument der Veränderungssperre zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich greifen, wenn der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist. Diese Sperre ist zu zwei gesetzlich vorgesehenen Zwecken zulässig: Zum einen kann bestimmt werden, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Zum anderen ist ein Verbot von erheblichen oder wesentlich wertsteigernden Veränderungen von Grundstücken oder baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, möglich. Zu beachten ist, dass der mit der Veränderungssperre beabsichtigte Sicherungszweck erfordert, dass die zukünftige Planung sich zumindest in Umrissen abzeichnet und mildere Mittel wie die noch darzustellende Zurückstellung von Baugesuchen nicht ausreichen.466 Unzulässig ist weiterhin eine „Bebauungsblockade“, die das Instrument der Veränderungssperre zur Verhinderungsplanung einsetzt.467 Der funktionale Zusammenhang zwischen den mit der Bauleitplanung beabsichtigten städtebaulichen Maßnahmen und dem Sicherungszweck der Veränderungssperre ist stets zu beachten. Im Rahmen der Verbotstatbestände des § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB hat die Gemeinde die Wahl in Bezug auf das Ausmaß und den Detaillierungsgrad des Inhalts einer Veränderungssperre. So kann sie die Errichtung aller der beabsichtigten Planung entgegenstehenden baulichen Anlagen verbieten oder dieses Verbot auf einzelne Anlagen beschränken.468 Ausnahmen von der Veränderungssperre sind nur unter den engen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 BauGB möglich. Hierbei muss insbesondere dargelegt werden, dass öffentliche Belange der Ausnahme nicht entgegenstehen. Auch in 464 465 466 467 468

Siehe hierzu bereits die Ausführungen im 3. Kapitel unter B. IV. 10. a) aa). Siehe zu diesem Beispiel Szczekalla, DVBl. 2008, 345 (346). Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht I, S. 205. Koch/Hendler, Baurecht, S. 184. Vgl. Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 14 Rn. 12.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

diesem Fall kommt daher dem besonderen Sicherungszweck der Veränderungssperre entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung eines Ausnahmefalls zu.469 Die Geltungsdauer der Veränderungssperre richtet sich nach § 17 BauGB und beträgt im Regelfall zwei Jahre (§ 17 Abs. 1 BauGB). Die gesetzliche Systematik erlaubt nach § 17 Abs. 1 S. 3 BauGB die Verlängerung um ein Jahr, sowie um ein weiteres Jahr, wenn besondere Umstände es erfordern (§ 17 Abs. 3 BauGB). Äußerste zeitliche Grenze für die Geltungsdauer ist jedoch nach § 17 Abs. 5 BauGB der rechtsverbindliche Abschluss der Bauleitplanung. Mit dem Mittel der Veränderungssperre steht der Gemeinde somit ein wirksames Begleitmittel zur Verfügung, das durch seine flexiblen, aber dennoch zielgerichteten Sicherungsmöglichkeiten gerade der Durchsetzungen von Schutzfestsetzungen dienen kann. 2. Die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB Als milderes Mittel gegenüber der Veränderungssperre bietet sich auch § 15 BauGB mit der darin vorgesehenen Zurückstellung von Baugesuchen als weiteres Plansicherungsinstrument an. Beschließt die Gemeinde keine Veränderungssperre, obwohl deren Voraussetzungen gegeben sind oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Für genehmigungsfreie Vorhaben, bietet § 15 Abs. 1 S. 2 BauGB die Möglichkeit eines Antrags der Gemeinde auf vorläufige Untersagung des Vorhabens. Der Zurückstellung von Baugesuchen ergänzt damit insbesondere durch die zweite Variante die „Überbrückungsfunktion“ der Veränderungssperre in zeitlicher Hinsicht: Während die Veränderungssperre die Planung bis zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nach § 10 Abs. 1 BauGB schützt, sichert die Zurückstellung von Baugesuchen die Zeit, bis die Veränderungssperre gemäß § 16 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen ist. Die Zurückstellung eines Baugesuchs ist als Einzelfallregelung ein Verwaltungsakt gegenüber dem betroffenen Bauherrn und führt nicht wie die Veränderungssperre zu einem materiellen Hindernis, sondern lediglich zu einer vorläufigen Nichtbescheidung des Antragstellers.470 Wird § 15 BauGB in seiner zeitlichen Überbrückungsfunktion bis zum Satzungsbeschluss über die Veränderungssperre

469 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht I, S. 209; Krautzberger, in: Battis/ders./ Löhr, BauGB, § 14 Rn. 19. 470 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht I, S. 217.

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

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genutzt, ist die formelle Zurückstellung jedoch nur die Vorstufe zur Begründung des materiellen Versagungsgrundes. Mit dem Antrag zur Zurückstellung von Baugesuchen kann die Gemeinde ihre Bauleitplanung weiter konsequent absichern und schnell sowie im Einzelfall der Planung entgegenstehende Vorhaben stoppen. 3. Die Ausübung von gemeindlichen Vorkaufsrechten Die Ausübung von gemeindlichen Vorkaufsrechten ist nach den §§ 24, 25 BauGB auf bestimmte städtebauliche Situationen festgelegt und setzt das Vorliegen eines privatrechtlichen Grundstücksverkaufs voraus. Daher ist auch ihr Einsatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken durch extremistische Parteien und Gruppierungen diskutiert, jedoch als eher ungeeignet beurteilt worden.471 Zu oft habe sich herausgestellt, dass die Kaufabsicht nur vorgetäuscht ist, um die Gemeinde zur Ausübung ihres Vorkaufrechtes zu bewegen: Hierzu wird der vermeintliche Kauf in der breiten Öffentlichkeit lanciert. Durch das eintretende mediale Echo und entsprechende Reaktionen der Bevölkerung soll die Gemeinde unter Druck gesetzt werden, das Vorkaufsrecht auszuüben. Hierzu haben der Verkäufer und der Erwerber meist einen deutlich über dem Verkehrswert des Grundstücks liegenden Kaufpreis vereinbart, den die Gemeinde dann aufbringen müsste. Ein Teil des Erlöses soll dann vom Verkäufer an die NPD oder andere rechtsextremistische Vereinigungen zurückfließen. Würde die Gemeinde in diesen Fällen ein Vorkaufsrecht ausüben, handelte es sich letztlich um eine Form der indirekten Parteienfinanzierung. Ernsthafte Grundstücksgeschäfte finden stattdessen eher im Verborgenen ohne Medienöffentlichkeit statt.472 Für die Durchsetzung von Sicherheitsfestsetzungen in Bebauungsplänen wird die Situation eines Grundstücksverkaufs, in der die Ausübung eines Vorkaufsrechts in Betracht käme, eher die Ausnahme darstellen. Sollte sich hier die Notwendigkeit der Beschaffung von Grundstücken durch die Gemeinde stellen, so kommt vielmehr der Einsatz bodenordnender oder auch enteignender Mittel in Betracht.

VII. Maßnahmen der Bodenordnung Auf die besonderen Steuerungsmöglichkeiten von Maßnahmen der Bodenordnung zur Risikominderung von terroristischen Bedrohungslagen weist wiederum das BVerwG in seinem Konsulatsurteil hin. Demnach liege es auf der Hand, dass durch 471

Siehe dazu Szczekalla, DVBl. 2008, 345 (351 f.). Vgl. Szczekalla, DVBl. 2008, 345 (351) sowie das „Merkblatt zum Kauf von Immobilien durch Rechtsextremisten“ des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern, http://www.re gierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/im/Themen/Rechtsextremis mus/index.jsp, letzter Abruf: 20. 11. 2010. 472

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

bodenordnende Maßnahmen, insbesondere in Form der Zuordnung und Trennung von Grundstücken, ein Beitrag zumindest zur Verringerung solcher Gefährdungen geleistet werden könne und müsse.473 Die Umlegung trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Bebauungsplan lediglich Festsetzungen hinsichtlich Art und Maß sowie der überbaubaren Grundstücksflächen zulässt. Diese Festsetzungen haben jedoch keine Auswirkungen auf den Zuschnitt der Grundstücke im Plangebiet. Daher kann sich die Situation ergeben, dass eine bestimmte Nutzungsart zwar festgesetzt ist, jedoch das betreffende Grundstück dieser Nutzung nicht den erforderlichen Raum zur Umsetzung gibt, weil es entweder zu klein oder zu groß ist. In dieser Lage greifen die §§ 45 ff. BauGB ein, die einen Neuzuschnitt der Grundstücke herbeiführen können. § 45 BauGB legt dies grundsätzlich fest, indem zur Erschließung und Neugestaltung von Gebieten bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden können, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßige Grundstücke entstehen. Hierbei beschränkt sich die Umlegung nicht auf qualifiziert beplante Gebiete, sondern kann auch innerhalb eines unbeplanten Innenbereichs oder im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans durchgeführt werden, wenn sich aus der Eigenart der näheren Umgebung oder dem einfachen Bebauungsplan hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergeben. Für den Eigentümer eines von einer Umlegung betroffenen Grundstücks ist dies gegenüber einer Enteignung das mildere Mittel, da ihm das Eigentum nicht entzogen wird, sondern seinem Eigentumsrecht lediglich ein neu zugeschnittener Gegenstand in Form eines „verwandelten Grundstücks“ im Sinne eines Tausches untergeschoben wird.474 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen folgen dabei aus § 46 Abs. 1 BauGB. Nötig ist die Darlegung der Erforderlichkeit zur Verwirklichung eines Bebauungsplans oder Gründe zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung. Sind mildere Mittel wie die freiwillige Zustimmung zur Umlegung durch die Eigentümer oder die Voraussetzungen der vereinfachten Umlegung nach § 80 BauGB (angrenzende bzw. in enger Nachbarschaft liegende Grundstücke oder einseitige Zuteilung von Grundstücken, insbesondere Splitter oder Teile von Grundstücken) gegeben, ist die Umlegung nach § 45 ff. BauGB nicht erforderlich.475 Aus dem Blickwinkel des Untersuchungsgegenstandes kommt eine Umlegung insbesondere zur Verwirklichung der Festsetzung von Schutzabständen und -flächen in Betracht, etwa wenn eine anschlagsgefährdete bauliche Anlage auf einem zu kleinen Grundstück verwirklicht werden soll.

473

BVerwGE 128, 118 (122 f.). Schieferdecker, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 11 Rn. 4. 475 Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 46 Rn. 5; Schieferdecker, in: Hoppe/ Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 11 Rn. 8. 474

B. Bauplanungsrecht und Terrorabwehr

219

VIII. Die Enteignung Reichen Maßnahmen der Bodenordnung wie die Umlegung oder die vereinfachte Umlegung nicht aus, ein angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten, stellt sich als ultima ratio die Frage nach der Enteignung gegen angemessene Entschädigung des Eigentümers zur Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplans. Zur Durchsetzung städtebaulicher Vorstellungen stellt das BauGB in den §§ 85 ff. BauGB das dazu notwendige Instrumentarium bereit. Die Enteignung ist u. a. zulässig, um entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten oder um ein Baugebot476 im Sinne des § 176 BauGB durchzusetzen, § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 5 BauGB. Darüber hinaus sind weitere Enteignungszwecke festgelegt, die jedoch im Rahmen dieser Untersuchung keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Voraussetzungen in materieller Hinsicht sind in § 87 BauGB festgelegt. Demnach ist die Enteignung im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann, § 87 Abs. 1 BauGB. Dazu gehört der Nachweis, dass sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des Grundstücks bemüht wurde (§ 87 Abs. 2 BauGB). Die Enteignung eines Grundstücks zu dem Zweck es für die bauliche Nutzung vorzubereiten, darf darüber hinaus nur zugunsten der Gemeinde oder eines öffentlichen Bedarfs- und Erschließungsträgers erfolgen, § 87 Abs. 3 BauGB. All diese materiellen Erfordernisse sind die einfachgesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die eine Enteignung nicht im Vorbeigehen, sondern nur bei Vorliegen gewichtiger Allgemeinwohlgründe zulassen. Damit ist klargestellt, dass städtebauliche Gründe oder ein öffentliches Interesse nicht ausreichend sind, sondern ein besonders schwerwiegendes und dringendes öffentliches Interesse an der Enteignung bestehen muss.477 Soll eine Enteignung zur Durchsetzung von Sicherheits- und Schutzfestsetzungen zugunsten einer terrorgefährdeten Nutzung durchgeführt werden, ist diese Allgemeinwohlprüfung besonders sorgfältig durchzuführen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die schon oben aufgestellten Grundsätze im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme.478 Zu differenzieren ist insbesondere danach, ob sich Terroristen das in einer Störfallanlage bereits angelegte Risikopotential zu Eigen machen, oder ob eine im Grunde „friedliche“ Büro- und Verwaltungsnutzung vorliegt, die lediglich durch ihre besondere Nutzung gegenüber der umliegenden Nutzungssituation herausgehoben ist. Doch selbst im risikoreicheren ersten Fall ist zweifelhaft, ob die Sicherheitsbelange die hohen Hürden der Enteignung überwinden können. Vorrangig sind die be476 477 478

Dazu sogleich. Vgl. nur Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 87 Rn. 2 m. w. N. Siehe oben 3. Kapitel unter B. V. 4. c).

220

3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

schriebenen Möglichkeiten der Standortsteuerung durch Bauleitplanung voll auszuschöpfen.

IX. Das Baugebot Schließlich enthält noch § 176 BauGB mit dem Baugebot ein Instrument zur Durchsetzung und Verwirklichung der Festsetzungen eines Bebauungsplans. Nach § 176 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde im Geltungsbereich eines Bebauungsplans den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden Frist entweder sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen oder ein vorhandenes Gebäude oder eine vorhandene sonstige bauliche Anlage den Festsetzungen des Bebauungsplans anzupassen (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB). Insbesondere die zweite Variante ist aus sicherheitsrechtlicher Sicht von Bedeutung: So kann im Rahmen einer Überplanung einer sicherheitskritischen Gemengelage, die etwa eine Festsetzung zur Verwendung bestimmter Baustoffe zum Gegenstand hatte, die Anpassung der Bestandsgebäude an diese Vorgaben für den einzelnen Eigentümer verpflichtend durchgesetzt werden. Gleiches gilt im Rahmen der Neuerrichtung von baulichen Anlagen im Rahmen der ersten Variante. Begrenzt ist die Durchsetzung des Baugebotes nach § 176 Abs. 3 und 4 BauGB lediglich durch die objektive oder subjektive Zumutbarkeit. Ansonsten stehen der Gemeinde zur effektiven Durchsetzung des Baugebots die Instrumente des Verwaltungsvollstreckungsrechts zur Verfügung.479

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht Es ist bereits in den vorangegangenen Abschnitten angeklungen und ergibt sich auch aus der denknotwendigen Verknüpfung von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht: Die besten Schutzfestsetzungen in einem Bebauungsplan nützen nichts, wenn nicht das formelle Bauordnungsrecht sie in die Genehmigungssprache übersetzt. Ferner ist auch für die Umsetzung der Ergebnisse des oben beschriebenen Systems eines dynamischen Nachbarschutzes480 der Rückgriff auf die Regelungs- und Eingriffsbefugnisse sowohl des allgemeinen Verwaltungs- als auch des formellen Bauordnungsrechts nötig. Darüber hinaus enthält auch das materielle Bauordnungsrecht Anforderungen, die unter dem Blickwinkel des Untersuchungsgegenstandes von Interesse sind. All diese Punkte sind Gegenstand der folgenden Aus479

Vgl. Krautzberger, in: Battis/ders./Löhr, BauGB, § 176 Rn. 14, der darauf hinweist, dass zur Vollstreckung wohl nur die Androhung und die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Betracht kämen, da die Ersatzvornahme ihrerseits der Sicherung durch Zwangsvollstreckung bedürfe. 480 Siehe 3. Kapitel unter B. V. 5.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

221

führungen. Zur Vereinheitlichung der folgenden Ausführungen sollen die Regelungen der Musterbauordnung (MBO) zu Grunde gelegt werden.

I. Die bauaufsichtliche Umsetzung der Ergebnisse des Risikomonitorings Wenn im Folgenden untersucht wird, wie die Ergebnisse des Risikomonitorings in bauaufsichtlichen Verfügungen umgesetzt werden können, ist zunächst zu betonen, dass es nicht auf die Regelungsbefugnisse des öffentlichen Baurechts allein ankommen kann, sondern, dass das Ordnungs- und das Baurecht als sich gegenseitig ergänzende Rechtsmaterien verstanden werden müssen. Im Rahmen der Beurteilung der speziellen baurechtlichen Eingriffsmöglichkeiten sind bereits Zweifel laut geworden, ob das zur Verfügung stehende Instrumentarium entsprechend den Vorgaben des BVerwG anwendbar sei, insbesondere sei fraglich, wie im Nachhinein ein Einschreiten möglich sein solle, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung der Zeitpunkt ihrer Erteilung sei.481 Inwieweit diese Kritik berechtigt ist, soll nachfolgend untersucht werden. 1. Die Möglichkeiten des schlicht-hoheitlichen Handelns Als mildeste Form behördlichen Handelns sind dabei zunächst die Möglichkeiten des informalen bzw. schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns482 in den Blick zu nehmen. So wie die Durchführung des Monitoring selbst eine neue Kategorie des schlichten Verwaltungshandelns darstellt483, kommen auch für die Umsetzung von Risikomonitoringergebnissen schlicht-hoheitliche Maßnahmen in Betracht, insbesondere die Möglichkeiten der Kommunikation sowie der Erteilung von Hinweisen und Warnungen. Das durchzuführende Risikomonitoring darf nicht dazu führen, dass über den Kopf der anschlagsgefährdeten Nutzung hinweg überwacht wird. Deren Belange, Interessen und spezifischen Erfahrungen sind von der Behörde mit in ihre Bewertungen einzubeziehen. Gerade im Bereich der Risikobewältigung wird der steten

481

Königer, Das Grundeigentum 2007, 1164 (1167). Zur vorherrschenden Begriffsvielfalt in diesem Bereich Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 247 ff. sowie Hermes, Schlichtes Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 39 Rn. 1, 2. Schoch spricht in diesem Zusammenhang von der „Entformalisierung staatlichen Handelns“, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts III, § 37. 483 Vgl. Hermes, Schlichtes Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, II, § 39 Rn. 6. 482

222

3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Kommunikation eine hohe Bedeutung beigemessen.484 Der rechtliche Rahmen wird hierbei durch das Recht der Behörde zu informalem Verwaltungshandeln gebildet, das zum steten Austausch im Bürger-Staat-Verhältnis ermächtigt.485 Eine bereits intensivere Stufe wird erreicht, wenn sich die Baubehörde entscheidet, gegenüber der anschlagsgefährdeten Nutzung oder der betroffenen Nachbarschaft Hinweise und Warnungen zur erteilen. In der neueren verwaltungswissenschaftlichen Literatur wird diese Handlungsform unter dem Stichwort der „indirekten Steuerung durch Wissenserklärungen“ abgebildet.486 Während in bestimmten Bereichen wie z. B. im Geräte-, Produktsicherheits-, Arzneimittel- oder Lebensmittelrecht das behördliche Recht zur Erteilung von Hinweisen und Warnungen ausdrücklich geregelt ist487, war die Herleitung einer derartigen Befugnis der Behörden in anderen Rechtsgebieten lange umstritten. Problematisch war weiterhin die Bestimmung der Grenzen der staatlichen Informationspolitik.488 Die Entscheidungen des BVerfG zur Warnung vor Jugendsekten489 und zur marktbezogenen staatlichen Informationstätigkeit490 haben, wenn auch nicht unbestritten491, die wesentlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen formuliert: So ist die staatliche Befugnis zur Warnung und Information aus der Befugnis zur Staatsleitung abzuleiten. Inhaltlich haben sich Warnungen und Informationen v. a. an den Grundsätzen der sachlichen Richtigkeit und der Verhältnismäßigkeit auszurichten. Innerhalb dieser Grenzen ist daher auch die Bauaufsichtsbehörde berechtigt, von den Mitteln des informalen Verwaltungshandelns Gebrauch zu machen. Diese in ihrer Intensität gegenüber den bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnissen milderen Mittel sollten entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Situationen gewählt werden, in denen lediglich eine Besorgnis oder ein leicht erhöhtes Terrorrisiko festgestellt wird. 2. Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung Eine weitere Möglichkeit für die Bauaufsichtsbehörde, sich Reaktionsmöglichkeiten auf eine veränderte Sicherheitslage zu verschaffen, liegt in der Erteilung einer 484 Dazu ausführlich Böhm, Risikoregulierung und Risikokommunikation als interdisziplinäres Problem, NVwZ 2005, 609 ff. 485 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 15. 486 Hermes, Schlichtes Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, § 39 Rn. 52; Schoch, Entformalisierung staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts III, § 37 Rn. 26. 487 Ausführlich zu den spezialgesetzlich geregelten staatlichen Informationsmöglichkeiten und –pflichten Schoch, Entformalisierung staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts III, § 37 Rn. 62 ff. 488 Hierzu Gusy, NJW 2000, 977 (980 f.; 982 ff.); speziell zur Kompetenzfrage Heintzen, NJW 1990, 1448 ff. 489 BVerfGE 105, 279 ff. – Osho. 490 BVerfGE 105, 252 ff. – Glykolwein. 491 Vgl. nur Heintzen, NJW 1990, 1448 ff.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

223

Baugenehmigung unter Beifügung einer Nebenbestimmung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwVfG. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Anwendungsmöglichkeiten für Nebenbestimmungen im Bereich des Baugenehmigungsverfahrens eingeschränkt sind. Dies folgt zum einen aus der Überlegung, dass immer mehr Bauordnungen von dem Erfordernis einer Baugenehmigung freistellen oder über das Vorhaben im vereinfachten Verfahren entscheiden und hierbei die Genehmigung nach Ablauf einer bestimmten Frist als erteilt gilt.492 Da jedoch potentiell anschlagsgefährdete bauliche Anlagen wie Büro-, Verwaltungs- und Störfallnutzungen unter den bauordnungsrechtlichen Begriff des Sonderbaus fallen493 und für diese die Freistellungs- und Vereinfachungsvorschriften des formellen Bauordnungsrechts nicht gelten494, ist dies kein Hinderungsgrund für die grundsätzliche Beifügung von Nebenbestimmungen. Die meisten gesetzlichen Grundlagen zur Erteilung der Baugenehmigung weisen sogar explizit auf die Möglichkeit der Beifügung einer Nebenbestimmung hin.495 Diese Bestimmungen sind jedoch nicht als spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage zu verstehen, da sie keine tatbestandlichen Voraussetzungen für die Beifügung enthalten.496 Diese sind vielmehr der allgemeinen Bestimmung des § 36 VwVfG zu entnehmen, der den eigentlichen Grund für die eingeschränkte Möglichkeit zur Beifügung von Nebenbestimmungen zu Baugenehmigungen enthält. § 36 VwVfG differenziert hinsichtlich der Möglichkeit zur Beifügung von Nebenbestimmungen zwischen gebundenen Verwaltungsakten in Absatz 1 und Ermessensverwaltungsakten in Absatz 2. Auf die Erteilung der Baugenehmigung besteht in der Regel ein Anspruch, sodass eine Nebenbestimmung nur unter den engen Voraussetzungen des Absatzes 1 in Betracht kommt. Demnach darf der Verwaltungsakt nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn dies in einer Rechtsvorschrift zugelassen ist oder die Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Dass die Bauordnungen auf die Möglichkeit der Nebenbestimmung hinweisen, ist nicht als Zulassung durch Rechtsvorschrift zu verstehen, da die Hinweise in der Bauordnung wie ausgeführt keine Ermächtigungsgrundlage darstellen. Für den Bereich der Baugenehmigung kommt daher nur die zweite Variante, der Sicherstellung von gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts, in Betracht. Dieser Variante steht dabei folgende Konstellation vor Augen: Die Behörde wäre aufgrund der Nichterfüllung eines Tatbestandsmerkmals des Fachrechts an sich berechtigt, die gewünschte Genehmigung nicht zu erteilen. Andererseits ist das fehlende Erfordernis behebbar, sodass die

492 Vgl. nur für Berlin den Katalog der freigestellten Anlagen in § 62 BauOBln bzw. die Fiktionswirkung der Genehmigung in § 70 Abs. 4 S. 3 BauOBln. 493 Vgl. für Berlin § 2 Abs. 4 Nrn. 5, 17, 18 BauO Bln. 494 Vgl. §§ 63 Abs. 1, 64 BauOBln. 495 So § 71 Abs. 3 BauOBln: „Die Baugenehmigung kann unter Auflagen, Bedingungen und dem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage sowie befristet erteilt werden“. 496 Knuth, in: Wilke/Dageförde, Bauordnung Berlin, § 71 Rn. 23.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

Behörde nicht berechtigt sein soll, die Genehmigung zu versagen, sondern sie unter gleichzeitiger Beifügung einer Nebenbestimmung zu erteilen.497 Für die Baugenehmigung hat dies folgende Konsequenzen: Sind alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts erfüllt, besteht keine Möglichkeit zur Beifügung einer Nebenbestimmung, die sich auf eine Veränderung in der Zukunft bezieht. Anschlagsgefährdete Nutzungen werden jedoch stets einer besonderen Prüfung gerade unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme unterzogen werden. Ergibt eine Risikoanalyse in diesem Zusammenhang eine besondere Pflicht zur Rücksichtnahme, so kann die Beifügung gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung des Rücksichtnahmegebots als gesetzlicher Voraussetzung der Baugenehmigung ergehen. Weniger Probleme ergibt die Konstellation, dass die Baugenehmigung im Wege der Ausnahmeerteilung ergeht. Hat die bauliche Nutzung in dieser Fallgestaltung die oben dargelegten Hürden der Gebietserhaltungs- und -prägungsanforderungen498 überwunden, ist, da die Ausnahmeerteilung im Ermessen der Behörde steht, die Beifügung einer Nebenbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen nach § 36 Abs. 2 VwVfG möglich. Welche Arten von Nebenbestimmungen verwendet werden können, ergibt sich aus dem Katalog in § 36 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwVfG, auch wenn die Bezeichnungen in der Praxis von den gesetzlichen Bezeichnungen oftmals abweichen.499 Für den Bereich der Baugenehmigung kommen alle gesetzlich vorgesehenen Nebenbestimmungen in Betracht. Soll ein Gleichlauf mit befristeten Festsetzungen eines Bebauungsplans erreicht werden, ist die Befristung das Mittel der Wahl. Geht es um die Erfüllung spezieller Sicherheitsanforderungen, wird die Erteilung unter einer Bedingung oder einer Auflage zu erwägen sein. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Instituten richtet sich maßgeblich nach dem damit durch die Behörde verfolgten Zweck500: In der Frage der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften wird der Behörde dieser Punkt regelmäßig so wichtig sein, dass die Verwirklichung der Genehmigung wohl von der Erfüllung dieser Anforderungen abhängen soll und die Wahl einer Bedingung statthaft ist. Eine Auflage würde die Verwirklichung nicht hemmen, sondern lediglich eine selbständige Vollziehbarkeit der Auflage begründen. Aus dem speziellen Blickwinkel des dynamischen Nachbarschutzes und des Risikomonitorings, dem es um die nachträgliche Reaktion auf eine neu zu bewertende Sicherheitslage geht, erscheinen weiterhin die Beifügung eines Widerrufsvorbehalts sowie eines Vorbehalts der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung angebracht. In diesem Zusammenhang wird jedoch eingewandt, ob in dogmatischer 497 Vgl. Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 138; Wolff, in: ders./Decker, VwGO/VwVfG, § 36 VwVfG Rn. 19. 498 Siehe 3. Kapitel unter B. V. 4. a) und b). 499 Hierauf weist Grotefels, in: Hoppe/Bönker/dies., Öffentliches Baurecht, § 16 Rn. 57 hin. 500 U. Stelkens, in: Stelkens./Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn. 87.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

225

Hinsicht Nebenbestimmungen für die dauerhafte Sicherstellung der Rechtmäßigkeit einer Genehmigung im Fall von völlig ungewissen zukünftigen Änderungen zulässig sind und wie dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung getragen werden kann.501 Für den ersten Fall der vorsorgenden Wirkung von Nebenbestimmungen wird vorgebracht, dass nach „wohl herrschender Meinung“ § 36 Abs. 1 Var. 2 VwVfG nicht zu Nebenbestimmungen ermächtige, die sicherstellen sollen, dass die Voraussetzungen der Genehmigung auch in Zukunft erfüllt bleiben, da nur so dem differenzierten Widerrufssystem in § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG Rechnung getragen werden könne502. Diese strikte Auffassung erscheint jedoch nicht sachgerecht. Auch im Rahmen von § 36 Abs. 1 VwVfG ist – bei Vorliegen der Voraussetzungen – der gesamte Katalog des § 36 Abs. 2 VwVfG eröffnet und damit auch der Auflagenvorbehalt nach § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, dessen Wortlaut auf eine nachträgliche Steuerungsmöglichkeit hinweist und damit gerade die Möglichkeit eröffnet, auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage einzugehen. Zumindest wird man daher in der Frage der Zukunftsvorsorge von Nebenbestimmungen zwischen den strikten Formen wie Auflage, Bedingung und Widerrufsvorbehalt sowie der weicheren Form des Auflagenvorbehalts zu differenzieren haben. Weiterhin ist zu beachten, dass gerade bei einer Nebenbestimmung für nachträgliche Maßnahmen der Risikovorsorge die Bestimmtheitsanforderungen befolgt werden. Hierbei gilt die allgemeine Bestimmung des § 37 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein muss. Dies erfordert, dass der Adressat ohne weiteres aus der Nebenbestimmung erkennen können muss, was geregelt worden ist und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsfolge der Nebenbestimmung ausgelöst wird.503 Hier stellt sich in der Tat die Schwierigkeit angesichts einer im Erteilungszeitpunkt der Genehmigung noch nicht im Einzelnen absehbaren Gefährdungslage, das Bestimmtheitserfordernis einzuhalten. Jedoch fordert § 37 VwVfG auf der anderen Seite nicht, dass die Gefährdungslage konkret beschrieben werden muss. Vielmehr sollen die Voraussetzungen der Nebenbestimmung hinreichend umschrieben werden. Hier ist es möglich, mit einer abstrakten Risikoanalyse mögliche Gefährdungsszenarien durchzuspielen und diese zur Grundlage einer hinreichend bestimmten Nebenbestimmung zu machen. Unter Bestimmtheitserfordernissen einfacher zu beurteilen ist die Befristung, die durch Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts aus sich heraus bestimmt ist. Die Wahl einer Nebenbestimmung erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Risikomonitorings als im Analyseaufwand anspruchsvoller, jedoch gangbarer Weg.

501

Zu diesen Einwänden Königer, Das Grundeigentum 2007, 1164 (1167). U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn. 122; Henneke, in: Knack/ders., VwVfG, § 36 Rn. 20. 503 Vgl. für den Verwaltungsakt Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK, VwVfG, § 37 Rn. 19. 502

226

3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

3. Die Aufhebung der Baugenehmigung Ein weiteres Instrument zum Vollzug von Maßnahmen aufgrund einer neuen Sicherheitsbeurteilung kann die Aufhebung der Baugenehmigung nach den §§ 48, 49 VwVfG sein. Hierauf soll vor Begutachtung der speziellen bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse wie Baueinstellung, Nutzungsuntersagung oder gar Abrissverfügung eingegangen werden, da diese Maßnahmen zumindest die formelle Illegalität einer baulichen Anlage voraussetzen und sich daher die vorrangige Frage der Aufhebung der Baugenehmigung stellt. Relativ problemlos stellt sich der Fall dar, dass eine von Anfang an rechtswidrige Baugenehmigung aufgehoben werden soll, sei es durch Verletzung der Anforderungen des Gebietserhaltungs- oder Gebietsprägungserhaltungsanspruchs oder wegen Verletzung von Rücksichtnahmeerfordernissen. In dieser Situation kann die Behörde die Baugenehmigung nach § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 VwVfG zurücknehmen. Im Einzelfall können Fragen der Fristeinhaltung nach § 48 Abs. 4 VwVfG oder der Entschädigung aufgrund Bestandsschutzinteressen zu erörtern sein. Dies berührt jedoch die grundsätzliche Rücknahmemöglichkeit nicht.504 Problematischer ist der Widerruf einer rechtmäßigen Baugenehmigung nach § 49 VwVfG schon aus dem grundsätzlichen Gedanken heraus, dass die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes und speziell einer Baugenehmigung hierdurch eine besondere gesetzliche Einschränkung erfährt. Gleichwohl besteht auch hier Einigkeit darüber, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen auch der Widerruf einer Baugenehmigung möglich ist.505 Als begünstigender Verwaltungsakt richtet sich der Widerruf einer Baugenehmigung nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwVfG. Alle Widerrufsgründe können im Fall des nachträglichen Risikomonitorings zur Anwendung kommen: Nach den Nummern 1 und 2 der Vorschrift kommt der Widerruf in Betracht, wenn entweder der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen, im Verwaltungsakt vorbehalten ist oder der Verwaltungsakt mit einer Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Beide Nummern weisen so auf das Zusammenspiel zwischen Nebenbestimmung und Widerruf hin. Letztlich sind beide Nummern damit nur Rechtsfolge einer Nebenbestimmung auf die sich der Betroffene grundsätzlich einstellen konnte, und deren Problematik bereits erörtert worden ist.506 Einschneidender sind die Widerrufsgründe in den Nummern 3 bis 5, da hier ein Widerruf aufgrund externer Umstände im öffentlichen Interesse möglich ist. Im

504 505 506

Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 140 f. Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 140 f. Siehe soeben unter 2.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

227

Zusammenhang mit einer Baugenehmigung sind diese Gründe aufgrund der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Baufreiheit sorgfältig zu prüfen507. Nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ist ein Widerruf möglich, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Dies beschreibt abstrakt die Lage, die nach einem Risikomonitoring eintreten könnte, wenn eine neue Sicherheitsbeurteilung dazu führt, dass das Rücksichtnahmegebot verletzt ist. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Die neuen Tatsachen müssen darüber hinaus auch zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses führen. Nicht ausreichend ist, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt, vielmehr muss die Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter drohen.508 Bei einer Terrorgefährdung kommt es daher entscheidend auf das befürchtete Ausmaß als Ergebnis der Risikoanalyse an. Ist eine Gemeinwohlgefährdung der Nachbarschaft konkret zu bejahen, so kommt der Widerruf über § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht. Der Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG wird lediglich in dem Fall relevant, dass die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, der Begünstigte von der Begünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat und eine Gefährdung des öffentlichen Interesses vorliegt. Diese Voraussetzungen werden kumulativ wohl eher nur im Ausnahmefall vorliegen. Gewichtiger ist jedoch der Auffangwiderrufsgrund des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, der zum Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl ermächtigt. Als lediglich subsidiär zur Anwendung kommender Tatbestand ist er nur in Situationen akzeptabel, die denen in Anlehnung an die Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter im Rahmen der sogenannten 3-Stufen-Theorie zur Rechtfertigung von Eingriffen in Art. 12 Abs. 1 GG nahe kommen. Als Beispiel werden etwa Katastrophenfälle genannt.509 Demnach reicht, wie auch zuvor, allein eine geänderte Sicherheitsbeurteilung nicht aus. Geht das Risikomonitoring jedoch davon aus, dass eine greifbare Anschlagsgefährdung mit Auswirkung auf die Nachbarschaft vorliegt, kommt eine Anwendung in Betracht. Grundlegend zu beachten ist weiterhin, dass der im Ermessen der Behörde stehende Widerruf eine sachgerechte Auseinandersetzung mit den berechtigten Bestandsschutzinteressen erkennen lässt. Als Ergebnis zur Anwendung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 5 VwVfG lässt sich daher abschließend festhalten, dass es entscheidend auf die Risikostufe ankommt. Ein 507 Vgl. OVG Berlin, LKV 2004, 33 f; allgemein Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 193 f. 508 Decker, in: Wolff/ders., VwGO/VwVfG, § 49 VwVfG Rn. 18 m. w. N. 509 Decker, in: Wolff/ders., VwGO/VwVfG, § 49 VwVfG Rn. 24.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

weiterer Beleg dafür, dass die Risikoanalyse und das Risikomonitoring Hand in Hand gehen müssen. 4. Die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse Ist die Baugenehmigung aufgehoben, liegt formelle Illegalität vor, die Grundvoraussetzung für das Eingreifen der bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse in Form von Baueinstellung, Nutzungsuntersagung und Abrissverfügung. Die Baueinstellung ist zu wählen, wenn sich im Errichtungsstadium durch das Risikomonitoring ergibt, dass eine geänderte Sicherheitslage neue Anforderungen an die Errichtung ergeben. Der vorläufige Baustopp ist dann eine relativ milde Möglichkeit durch nachträgliche sicherheitserhöhende Maßnahmen, den dynamischen Nachbarschutz zu gewährleisten. Die nächste Stufe der Nutzungsuntersagung ist bereits einschneidenderer Natur: Sie wird gewählt werden müssen, wenn das Risikomonitoring ergibt, dass eine so weit reichende Beeinträchtigung der Umgebung gegeben ist, dass eine Weiternutzung nicht mehr zumutbar ist. Ob es daneben noch des Mittels der Abrissverfügung bedarf, ist wohl nur noch ein theoretisches Gedankenspiel, da die herausgehobene Nutzung regelmäßig die Anschlagsgefährdung begründet. 5. Die bauordnungsrechtliche Gefahrengeneralklausel Ergeben Risikomonitoring und -analyse eine derart neue Sicherheitsbeurteilung, dass die Stufe der Gemeinwohlgefährdung greifbar ist, kommt regelmäßig auch ein bauordnungsrechtliches Einschreiten auf Grundlage der bauordnungsrechtlichen Generalklausel in Betracht. So haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben können sie die erforderlichen Maßnahmen treffen.510 Angesprochen ist damit eine Lage, die die Voraussetzungen einer konkreten Gefahr im Sinne des klassischen Polizei- und Ordnungsrechts erfüllt. Eine bloße Risikolage ist dafür nicht ausreichend.511 Ist daher etwa eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen gegeben, wie es regelmäßig alle Bauordnungen als allgemeine Anforderung formulieren512, können aufgrund der speziellen bauordnungsrechtlichen Generalklausel oder in Ermangelung einer solchen über die Generalklausel des 510 511 512

So § 58 Abs. 1 BauOBln. Zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten siehe oben 2. Kapitel B. I.–IV. Vgl. § 3 Abs. 1 BauOBln.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

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allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden. Die Reichweite der Maßnahmen bestimmt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, ist jedoch auf die Herbeiführung ungefährlicher Zustände beschränkt.513 6. Ergebnis Die vorstehende Analyse der allgemeinen und besonderen Eingriffsmaßnahmen sowohl des Verfahrens- als auch des formellen Bauordnungsrechts hat ergeben, dass die Bauaufsichtsbehörden zur Umsetzung der Ergebnisse eines durchgeführten Risikomonitorings über genügend Befugnisse und Steuerungsmöglichkeiten verfügen, die auch für die Einzelfallbeurteilung ausreichend Platz lassen.

II. Die Darstellungspflicht nach § 68 Abs. 3 MBO Nach dieser Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten durch Verbindung des allgemeinen Verwaltungs- und des formellen Bauordnungsrechts soll an dieser Stelle noch auf eine Vorschrift des Genehmigungsverfahrens verwiesen werden: Nach § 68 Abs. 3 MBO kann in besonderen Fällen zur Beurteilung der Einwirkung von baulichen Anlagen auf die Umgebung verlangt werden, dass die bauliche Anlage in geeigneter Weise auf dem Grundstück dargestellt wird. Von dieser Möglichkeit kann die Baugenehmigungsbehörde Gebrauch machen, wenn die Bauvorlagen eine abschließende Beurteilung des Bauvorhabens nicht oder nur schwer erlauben, gerade in Bezug auf das Gebot des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB.514 Insbesondere durch die Verwendung der Worte „Einwirkung des Vorhabens auf seine Umgebung“ kann die Vorschrift auch unter Sicherheitsaspekten interpretiert werden. Macht die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so löst sich die Beurteilung von der zweidimensionalen Papierform hin zur dreidimensionalen „Vorstellung“ auf dem Baugrundstück, indem durch geeignete Materialien wie Stangen, Rohr- und Schnürgerüste die Konturen des Vorhabens darzustellen sind.515 Im Sinne einer bestmöglichen Risikovorsorge kann dieses Instrument daher einer ersten Abschätzung von möglichen Auswirkungen eines anschlagsgefährdeten Vorhabens dienen.

513 514 515

Vgl. Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 204. Dageförde, in: Wilke/ders., Bauordnung Berlin, § 69 Rn. 21. Dageförde, in: Wilke/ders., Bauordnung Berlin, § 69 Rn. 22.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

III. Die Sicherheitsanforderungen des materiellen Bauordnungsrechts Gefahrenabwehr und die Gewährleistung baulicher Sicherheit sind seit jeher Gegenstand des traditionell als Baupolizeirecht verstandenen materiellen Bauordnungsrechts. Mittlerweile hat sich das Bauordnungsrecht von dieser engen polizeirechtlichen Auslegung gelöst und nimmt heute auch Aufgaben in sozialer (hier sei nur die Barrierefreiheit genannt) und auch umweltschützender Hinsicht wahr.516 Nach den Schutzmöglichkeiten des materiellen Bauordnungsrechts in Bezug auf Maßnahmen der Terrorabwehr zu fragen, führt also eher wieder in die Richtung des traditionellen Bauordnungsrechts. 1. Die bauordnungsrechtliche Generalklausel, § 3 Abs. 1 MBO Schon aus der bauordnungsrechtlichen Generalklausel in Bezug auf die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen ergeben sich Mindestschutzstandards: Demnach sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Die Vorschrift verdeutlicht das Gefahrenpotential, das unzureichend errichteten Anlagen inne wohnen kann. Zugleich stellt die Vorschrift die Eingriffsschwelle klar, indem die bekannte polizeirechtlich zu verstehende konkrete Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut für Abwehrmaßnahmen erreicht sein muss und bloße Belästigungen nicht ausreichend sind.517 So reichen etwa das bloße Risiko des Baumwurfs oder sonstige Risiken waldnaher Bebauung nicht aus, um die Rechtsfolge der Generalklausel auszulösen.518 Gleiches gilt so für das bloß allgemeine Terrorismusrisiko. 2. Die Bebauung der Grundstücke Von den Vorschriften zur Bebauung der Grundstücke sind v. a. die in § 5 MBO geregelten Zugangs- und Zufahrtsregelungen sowie das Abstandsflächenrecht in § 6 MBO von Bedeutung. Nach § 5 MBO ist von öffentlichen Verkehrsflächen insbesondere für die Feuerwehr ein geradliniger Zu- oder Durchgang zu rückwärtigen Gebäuden zu schaffen. Diese vorrangig dem Brandschutz dienende Vorschrift bewirkt zwar keinen präventiven Schutz, ist jedoch für die Schadensbegrenzung im Unglücks- und Katastrophenfall von großer Bedeutung. 516

Vgl. hierzu Otto, ZfBR 2008, 550 ff. Vgl. Wilke, in: ders./Dageförde, Bauordnung Berlin, § 3 Rn. 15 f.; Finkelnburg/Ortloff/ Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 22. 518 Vgl. VG Potsdam, LKV 2003, 242. 517

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

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Das Abstandsflächenrecht verwirklicht ebenfalls die notwendige Bewegungsfreiheit für Feuerwehreinsätze, dient darüber hinaus jedoch auch der Besonnung, Belüftung sowie der Vereitelung von Einsichtnahme in das Nachbargrundstück.519 Im Zusammenhang mit dem Schutz vor terroristischen Einwirkungen nehmen sie jedoch eine wichtige Vorsorgefunktion wahr, indem zumindest in Gebieten mit offener Bauweise schon durch die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen ein gewisses Schutzniveau gewährleistet wird. Im Bedarfsfall kann dies durch spezielle Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB im Bebauungsplan erweitert werden.520 3. Die allgemeinen Anforderungen an die Bauausführung Mit den §§ 12 MBO (Standsicherheit), 13 MBO (Schutz gegen schädliche Einflüsse), 14 MBO Brandschutz, 15 MBO (Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz) sowie 16 MBO (Verkehrssicherheit) wendet sich die Musterbauordnung den allgemeinen Anforderungen an die Bausausführung zu. Aus der Sicht des Untersuchungsgegenstandes sind dabei v. a. die Standsicherheit, der Schutz gegen schädliche Einflüsse sowie der Brandschutz von Bedeutung, da diese drei Punkte durch einen Anschlag auf die bauliche Anlage von besonderer Bedeutung sind. a) Die Standsicherheit Die Standsicherheit erfordert nach § 12 Abs. 1 S. 1 MBO, dass die bauliche Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein muss. Standsicherheit meint dabei die Sicherheit gegen Störungen des Gleichgewichts der inneren und äußeren Kräfte einer baulichen Anlage.521 Daher sind ausdrücklich auch die von außen auf eine bauliche Anlage einwirkenden Kräfte mitzubeurteilen.522 Doch damit sind nicht nur die gewöhnlichen Lasten wie Niederschläge, Nutzlasten, Wind oder Temperaturänderungen gemeint. Hingewiesen wird auch darauf, dass im Einzelfall auch außergewöhnliche Einwirkungen wie Explosionen oder der Anprall von Fahrzeugen zu berücksichtigen seien.523 Damit ist auch an dieser Stelle Raum für eine Risikoanalyse und Risikobewertung, um darauf basierend festlegen zu können, welchen Anforderungen eine bauliche Anlage im Ernstfall zu trotzen bereit sein soll.

519 520 521 522 523

Vgl. Grotefels, in: Hoppe/Bönker/dies., Öffentliches Baurecht, § 15 Rn. 19. Siehe dazu oben 3. Kapitel unter B. IV. 10. b). Meyer, in: Wilke/Dageförde, Bauordnung Berlin, § 12 Rn. 5. Vgl. Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht II, S. 39. Meyer, in: Wilke/Dageförde, Bauordnung Berlin, § 12 Rn. 5.

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3. Kap.: Gefahr und öffentliches Baurecht

b) Der Schutz gegen schädliche Einflüsse Der Schutz gegen schädliche Einflüsse nach § 13 MBO umfasst die Verpflichtung, bauliche Anlagen so anzuordnen, zu beschaffen und gebrauchstauglich zu halten, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche und tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Die Vorschrift ist unter Terrorschutzgesichtspunkten aus zwei Gründen interessant: Zum einen bezieht sie den Bereich der bloßen Belästigung in den Regelungsgehalt ein, zum anderen verweist sie durch die Benennung von chemischen, physikalischen und biologischen Einflüssen auf typische Tatmittel eines Terroranschlags. Mit dem Begriff der Belästigung wird sogar der unterhalb des Risikos liegende Bereich des als sozialadäquat zu akzeptierenden Restrisikos angesprochen. Inhaltlich nimmt die Regelung auf die Bauprodukterichtlinie des Europäischen Rates aus dem Jahr 1988 Bezug.524 In deren Anhang 1 finden sich unter Nr. 3 Konkretisierungen in Bezug auf Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz. Demnach muss das Bauwerk derart entworfen und gebaut sein, dass die Bewohner und die Anwohner insbesondere vor der Freisetzung giftiger Gase, dem Vorhandensein gefährlicher Teilchen oder Gase in der Luft, der Emission gefährlicher Strahlen und der Wasser- oder Bodenverunreinigung oder –vergiftung geschützt sind. Angesprochen sind damit Anforderungen an den passiven Schutz baulicher Anlagen, die bereits auch oben im Rahmen möglicher planerischer Festsetzungen dargestellt worden sind.525 § 13 MBO kann daher als weitreichende Präventionsnorm verstanden werden, die zwar nicht aktiv auf die Verhinderung einer Terrorgefährdung ausgerichtet ist, jedoch passiv für eine risikoadäquate Prävention sorgt. c) Die Anforderungen des Brandschutzes Sowohl präventive als auch im Unglücksfall Schaden verringernde Wirkung entfaltet § 14 MBO als zentrale Brandschutzvorschrift. Bauliche Anlagen sind demnach so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Mit dieser Vorschrift ist eine Vielzahl von Präventionsmitteln angesprochen wie die Verwendung brandsicherer Baustoffe, die technische Gebäudeausrüstung, Lüftungsanlagen sowie Verhaltensschulungen der Mitarbeiter und Bewohner von baulichen Anlagen.526 Die Vorschrift bietet somit im Zu524

Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte, ABl. L 40 vom 11. 2. 1989, S. 12; vgl. dazu auch Meyer, in: Bauordnung Berlin, § 13 Rn. 2. 525 Siehe oben 3. Kapitel unter B. IV. 10. h). 526 Vgl. Meyer, in: Bauordnung Berlin, § 14 Rn. 4.

C. Steuerungsmöglichkeiten durch Bauordnungsrecht

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sammenspiel mit den noch nachfolgend zu skizzierenden besonderen Anforderungen an die Bauausführung (etwa den verschiedenen Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen und die Unterscheidung von nichtbrennbaren, schwerentflammbaren, normalentflammbaren sowie feuerbeständigen, hochfeuerhemmenden und feuerhemmenden Bauteilen in § 26 MBO) ein breites und differenziertes Anwendungspotential, um dem Einzelfall gerecht zu werden und ein adäquates Schutzniveau zu gewährleisten. 4. Die besonderen Anforderungen an die Bauausführung Die §§ 27 bis 36 MBO widmen sich in Ausgestaltung der „Brandschutzgeneralklausel“ in § 14 MBO in breiter Differenzierung der Feuerbeständigkeit von tragenden Wänden, Außen-, Trenn- und Brandwänden, Decken und Dächern sowie den Erfordernissen von Rettungswegen. Sicherheitsrechtlich interpretiert, wird somit den bei einem Terroranschlag etwa unter Verwendung von Brandsätzen anzutreffenden Gefahren vorgebeugt sowie zum aktiven Schutz der betroffenen Anlage und dem passiven Schutz der Nachbarbebauung gedient.

IV. Zusammenfassung Zu den bauordnungsrechtlichen Schutzmöglichkeiten kann somit festgehalten werden, dass auch hier differenzierte Regelungsmöglichkeiten sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht bestehen, die im Einzelfall sogar dem Schutz vor Belästigungen und insbesondere der Standsicherheit sowie dem Brandschutz dienen.

4. Kapitel

Abschließende Betrachtungen Zur Abrundung der Thematik soll kurz nach gesetzgeberischem Bedarf gefragt werden, das Bauplanungsrecht als Instrument eines auf der Schnittstelle von Polizeiund Baurecht liegenden umfassenden Risikomanagementsystems gedeutet werden und die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesenform zusammengefasst werden.

A. Gesetzgeberischer Bedarf? Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Bauplanungs- und auch das Bauordnungsrecht sicherheitsrechtlich ausgelegt werden können. Möglich ist dies über eine konsequente Auslegung des Sicherheitsbelangs in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB. Das Bauplanungsrecht kann so eine Schnittstellenfunktion zwischen Polizei- und Baurecht einnehmen. Diese Funktion ist abgesichert über die grundlegende Rechtsprechung des BVerwG im Konsulatsurteil. Derart gestärkt, lässt sich das vorhandene Instrumentarium des Bauplanungsrechts anwenden, das auch genügend Möglichkeiten zur einfachgesetzlichen Begrenzung zu weitreichender Sicherheitsphantasien bereit hält, etwa durch die Erkenntnis, dass der Sicherheitsbelang im Regelfall gleichberechtigt neben anderen Belangen steht. Gesetzgeberischer Bedarf ist daher zu verneinen und hätte lediglich deklaratorischen Charakter.

B. Das Bauplanungsrecht als umfassendes Risikomanagementsystem Herausgearbeit werden konnte ferner, dass das Bauplanungsrecht als umfassendes Risikomanagementsystem im Geflecht räumlicher Planung verstanden werden kann. Ausgehend von der Risikodiskussion im Recht der Raumplanung anhand von Hochwasserereignissen kann das Bauplanungsrecht diese Impulse aufnehmen und insbesondere einen instrumentellen, institutionellen und organisatorischen Rahmen für Risiken und deren Kehrseite als Katastrophe bereithalten: Die verfahrensrechtlich gestärkte Bauleitplanung kann über die Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB als Mittel der Risikoanalyse, die nachfolgende Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB als Risikobewertung und der dynamische Nachbarschutz als Risikomonitoring ver-

C. Thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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standen werden. Da all diese Risikoschritte auf die Informationen von Polizei- und Sicherheitsbehörden angewiesen sind, weist das Bauplanungsrecht eine wichtige Schnittstellenfunktion auf, die es zu betonen anstatt zu trennen gilt. Der „Crux der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit terroristischer Gefahren“1 kann so im Sinne einer bestmöglichen Risikoprävention begegnet werden.

C. Thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Der Zusammenhang zwischen der Errichtung von Bauwerken und dem Schutz vor äußeren Einwirkungen durchzieht die gesamte Architekturgeschichte und hat in rechtlicher Hinsicht seinen Niederschlag in den Bauordnungen gefunden. Brandschutz, Standsicherheit und Anforderungen an die Bauausführung sind die Hauptregelungspunkte. Der Schutz gegen äußere Einwirkungen durch kriegerische oder kriminelle Gefahren, der noch bis in die Zeit des Kalten Kriegs eine wesentliche Rolle in der Baugestaltung spielte, ist demgegenüber auf der rechtlichen Ebene, insbesondere im Bauplanungsrecht, kaum noch relevant. Dies ändert sich jedoch zunehmend durch die Sorge der Nachbarschaft von potentiell anschlagsgefährdeten Bauten vor terroristischen Anschlägen. 2. Diese Sorge vor terroristischen Angriffen hat Auswirkungen auf die Stadtplanung. So wird für New York beschrieben, wie Unternehmen sich von den Innenstadtbezirken an die Stadtränder zurückziehen und die Gebäude zunehmend den Sicherheitsbedürfnissen angepasst werden. In Großbritannien sind die Innenstädte, ausgehend von terroristischen Anschlägen in Belfast und London, durch Sicherheitszonen sowie Videoüberwachung des Personen- und Fahrzeugverkehrs gekennzeichnet. Derartige Entwicklungen sind in Deutschland in dieser Stärke nicht zu beobachten, jedoch besteht auch hier ein zunehmendes Bedürfnis nach baulicher Sicherheit, das durch private Planungslösungen gestillt wird. Als Vorbild dienen die ebenfalls aus dem anglo-amerikanischen Raum stammenden gated communities, die als Sicherheitsinseln innerhalb einer als unsicher empfundenen Umgebung Schutz vor kriminellen und terroristischen Handlungen bieten sollen. 3. Terroristische Bedrohungslagen können rechtlich entweder als Gefahr oder als Risiko gewertet werden. Die verschiedenen Terrorismusbegriffe selbst bieten keine Hilfe bei der Zuordnung, da diesen eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Anschlags nicht zu entnehmen ist. Die Bestimmung des Wahrscheinlichkeitsgrades ist jedoch entscheidend für die Subsumtion unter die hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit eines Rechtsgutschadens in Bezug auf die polizeirechtliche Gefahr oder die bloße Möglichkeit in Bezug auf die Risikodefinition. Die rechtliche Abhängigkeit des Terrorismusbegriffs von der Eintrittswahrscheinlichkeit macht es 1

Wittinger, DÖV 2007, 786 (788).

236

4. Kap.: Abschließende Betrachtungen

daher erforderlich, sowohl von einer Gefahr bei Vorliegen eines konkret beschreibbaren Szenarios als auch von einem Risiko zu sprechen, wenn die Einschätzung der Sicherheitsbehörden zwar eine erhöhte Gefährdung feststellt, diese jedoch nicht weiter konkretisiert werden kann. 4. Der Umgang mit Situationen der Ungewissheit ist dem Recht nicht fremd. Es hat Instrumente der Gefahren- und Risikoprävention entwickelt. Gerade dem Planungsrecht und hier in besonderem Maße dem Recht der Bauleitplanung kommt die Funktion zu, durch Planung Szenarien abzuschätzen, zu bewerten und abwägenden Lösungen zuzuführen, um so präventiv zu wirken. Als Beispiele wie sowohl die Fachplanung als auch die Raumplanung mit Ungewissheit umgehen, sind der Einsatz der CCS-Technologie, die Risikoprävention im Atomrecht sowie der Umgang mit Störfallanlagen zu nennen. 5. Verwirklicht sich ein Risiko, liegt meist eine Katastrophe vor. In rechtlicher Hinsicht verlaufen die Risiko- und die Katastrophendiskussion weitgehend parallel, da beide Rechtsgebiete den Vorsorgeansatz in den Vordergrund stellen und insbesondere für Katastrophenprävention durch Planung plädieren. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass es – bei aller Planungseuphorie in diesem Bereich – nicht auf die Quantität sondern vielmehr auf die Qualität der Pläne und der Planung ankommt. Ferner werden die räumlichen Dimensionen einer Katastrophe und damit verbunden die Anforderungen einer räumlichen Prävention von Katastrophenrisiken in rechtlicher Hinsicht nur unzureichend beleuchtet. 6. Dies ändert sich jedoch zunehmend, da die Raumforschung sich bereits seit längerer Zeit mit den räumlichen Auswirkungen von Katastrophenrisiken v. a. im Bereich des Hochwasser- und Störfallschutzes beschäftigt. Das neue Raumordnungsgesetz nimmt diese Impulse auf und erweitert sie um einen dem Raumplanungsrecht bisher unbekannten Begriff: Aufgabe der Raumordnung soll es in Zukunft auch sein, dem Schutz kritischer Infrastrukturen Rechnung zu tragen. Dieser neue Terminus stammt aus der Paralleldiskussion um die „Physical Protection of Critical Infrastructures“ in den USA und stellt sich der Frage, wie für das Gemeinwesen notwendige Einrichtungen insbesondere vor Terroranschlägen geschützt werden können. Indem das Raumordnungsrecht diesen Begriff aufnimmt, erlangt er über den Brückenmechanismus des § 1 Abs. 4 BauGB unmittelbare Bedeutung für die Bauleitplanung und den Abwägungsprozess. 7. Das Recht der Bauleitplanung kann die Diskussion um terroristische Risikound Gefahrenlagen unter dem Begriff der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung aus § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB aufnehmen. Den Gemeinden ist es so möglich, bodenrelevante Gefahren- und Risikosituationen zum Gegenstand eigener Festsetzungen zu machen. Der Sicherheitsbegriff des BauGB hat dabei eine eigenständige Bedeutung und ist kein bloßer Unterfall des Gesundheitsschutzes. Er wird flankiert durch die starke planerische Berücksichtigung von Verteidigungs-, Zivilschutz- und Hochwasserschutzbelangen.

C. Thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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8. Die Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB kann in diesem Zusammenhang als Instrument der Risikoermittlung, -bewertung und -analyse interpretiert werden, das der nachfolgenden Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB wichtige Impulse liefert. Zwar wird der Belang „Terrorschutz“ lediglich in Ausnahmefällen eine absolute Vorrangstellung in der Abwägung einnehmen können. Ebenso wird eine Planungspflicht vor dem Hintergrund einer staatlichen Terrorschutzpflicht nicht die Regel sein. Die Nichtberücksichtigung der Sorge der Nachbarschaft vor terroristischen Anschlägen in der Bauleitplanung wäre jedoch abwägungsfehlerhaft, bedarf daher der planerischen Bewältigung und kann im Regelfall nicht in die nachfolgende Vorhabenzulassung verschoben werden. 9. Sowohl die bestehenden Darstellungsmöglichkeiten im Rahmen der Flächennutzungs- als auch die Festsetzungsmöglichkeiten der Bebauungsplanung bieten genügend Flexibilität zur Berücksichtigung von Schutz- und Sicherheitsbelangen: Die differenzierte Ausweisung von Wohngebieten, die Festlegung von Bauweise und Stellung der Anlagen, eine intelligente Verkehrsführung, die Bestimmung von Schutzflächen und -abständen, die Nutzung der Möglichkeiten zur Befristung und Bedingung, die konsensuale Bauleitplanung sowie die Sicherung derartiger Festsetzungen durch plansichernde und -verwirklichende Maßnahmen erlauben sowohl eine konsequente Trennung von sensiblen und gefährdeten Nutzungen im Sinne des Trennungsgebotes, ermöglichen jedoch auch einen angemessenen Ausgleich zwischen divergierenden Nutzungen. 10. Gleiches gilt für die Steuerungsebene der Zulassung von anschlagsgefährdeten baulichen Anlagen: Sowohl in beplanten als auch in unbeplanten Gebieten leisten die Gebietsbeschreibungen der BauNVO sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Abwehrinstrumente des Gebietserhaltungs- sowie des Gebietsprägungserhaltungsanspruches eine konsequente Trennung von anschlagsgefährdeten und anderen Nutzungen, die durch den Feinsteuerungsmechanismus des Rücksichtnahmegebots noch verstärkt wird. Die durch das BVerwG postulierte Pflicht der Bauaufsicht, die Sicherheitslage zu beobachten und auf diese zu reagieren, kann als dynamischer Nachbarschutz durch Risikomonitoring interpretiert werden und weist eine Schnittstellenfunktion auf: Weder das Baurecht noch das Polizei- und Ordnungsrecht allein können bauliche Terrorismusabwehr leisten. Vielmehr sind beide Rechtsgebiete im Sinne eines umfassenden Risikomanagements aufeinander angewiesen. Vorbilder für dieses Zusammenwirken können im Hochwasserschutz- als auch Klimaschutzrecht gefunden werden.

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Sachwortverzeichnis Abrissverfügung 226, 228 Abstandsfläche 175 – 177, 187, 230 – 231 Abwägungsgebot 79, 126, 132, 150 – 159 Altlastenrechtsprechung 121 – 122, 145, 150 Amtsermittlung 62 Amtshaftung 119 – 121 Änderungspflicht 115, 152, 160 Anpassungspflicht 114 – 115, 160 Atlantikwall 23 Atomgesetz 68 – 76 Atomrecht 68 – 76 Ausnahmen und Befreiungen 172, 192, 194, 198 – 199

Bauausführung 231, 233 Baueinstellung 226, 228 Bauflächen 166 Baugebiete 108, 143, 166 – 167, 171 – 173, 193 – 208 Baugebot 123, 220 Baugenehmigung 222 – 228 – Aufhebung der 226 – Nebenbestimmungen zur 222 Bauliche Nutzung 171 – 175 – Art 171 – 175 – Maß 175 Bauordnungsrecht 220 – 233 Baupolizeirecht 107, 112, 230 Bauweise 30, 175 Bebauungsplan 170 – 190 Bedingung 182 – 183 Befristung 182 – 183 Bewertung siehe Ermittlungs- und Bewertungsgebot Bodenordnung 217 Bodenrecht 110, 112 Bombodrom-Entscheidung 133 Botschaften und Konsulate 16, 27, 167, 172, 193 – 194, 203, 211 Brandschutz 230 – 233

Carbon Capture and Storage (CCS) 63 – 68 Charta von Athen 24 Codex Hammurabi 20 Darstellungspflicht 229 Dynamischer Grundrechtsschutz 59, 75 Dynamischer Nachbarschutz 59, 212 – 214, 221 – 228, 234 Eignungsgebiet 102, 105 Enteignung 219 Ermittlungs- und Bewertungsgebot 144 – 150 Erstplanungspflicht 115, 160 – 164 Europäisches Raumentwicklungskonzept (EUREK) 97 Extremismus 173, 215 Extremus Versicherungs-AG 51 Fachplanung 135 Flächennutzungsplan 166 – 168 Flugbeschränkungsgebiet 55 Funktionelle Stadt 25 Gated Communities 35 Gebietserhaltungsanspruch 200 – 203 Gebietsprägungserhaltungsanspruch 204 – 205 Gebietsverträglichkeit 204 Gebot der Rücksichtnahme 158, 206 – 209 Gefahr 42 – 45, 52 – 58 – abstrakte 55 – Anscheinsgefahr 43 – konkrete 42 Gefahrenabwehr 20 – 21, 42 – 46 Gefahrenverdacht 44 Gemeindliches Einvernehmen 134 Gemengelage 83 – 85, 152, 159 Geschosszahl 175 Gesetzgebung 234

Sachwortverzeichnis Hadrians Wall 21 Hochwasserschutz 101, 139 – 144 Informationsgewinnung 62, 145, 147 Infrastrukturnutzungen 25, 195 Innenbereich 192 – 213 Kalkarentscheidung 59, 75 Kalter Krieg 25 Katastrophen 85, 93 – Recht 85 – 92 – Schutzgesetze 87, 91 – Vorsorge 91 Klimaschutz 181, 186 Konflikt 156 – 158 – Bewältigung 156 – Lösungspotential 157 – Transfer 157 Konsensuale Bauleitplanung 184 – 190 Kritische Infrastrukturen 97 – 101 KRITIS-Strategie 98 – 99 Landbeschaffungsgesetz 129 Leipzig Charta 38 Limes 21 Maginotlinie 23 Nachbarschutz 199 – 214 Nachkriegszeit 24 Nutzungszweck 177 Optimierungsgebot 79, 153 Organisation Todt 23 Paris 22 Pillbox 23 Planung 60, 91, 97, 114 – Pflicht 160 – 165 Raumordnungsrecht 97 – 105 Raumordnungsverfahren 103 Raumplanungsrecht 93 – 105 Religiöse Einrichtungen 17, 195 Restrisiko 46 Risiko 42 – 58 – Analyse 144 – 150 – Gebiet 104

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– Kartierung 94 – 95, 142 – Management 94, 97, 104, 141, 147, 213, 243 – Monitoring 212 – Prävention und Vorsorge 59, 68, 76, 97 – und Soziologie 42 Rücksichtnahme siehe Gebot der Schädliche Einflüsse 232 Schlicht-hoheitliches Handeln 221 Schutzbereichgesetz 123 – 129 Schutzfläche 178, 181 Schutzpflicht 162 – 165 Schutzraumbau 89 Schweinemästerentscheidung 207 Schweiz 94 Segregation 35 – 38 Seveso-II-Richtlinie 77 Sicherheit 115 – 122 – und Bauen 15 – der Wohn- und Arbeitsbevölkerung 115 Soziale Stadt 37 Städtebaulicher Vertrag 184 – 190 Stadtmauern 21 – 22 Stadtplanung 29 – 38 – Deutschland 34 – Großbritannien 31 – Israel 33 – Vereinigte Staaten 29 Standsicherheit 231 Steuerung 166 – 190 – durch den Bebauungsplan 170 – 190 – durch den Flächennutzungsplan 166 – 170 Störfall 76 – 84, 195, 205 – Anlage 77, 195, 205 – Kommission 80 – 81 – Schutz 79 – 84 Teilflächennutzungsplan 168 Terrorabwehr 68, 84, 106 Terrorismus 46 – 59 – allgemein 48 – Bedrohung 53 – 59 – Definition 48 – 52 – europarechtlich 52 – strafrechtlich 49 – versicherungsrechtlich 50

254 – Zurechnung 209 Trennungsgebot 78, 152, 177, 181 Ungewissheit 43 Urhütte 20 Veränderungssperre 215 Verkehrsberuhigung 168 Verkehrsflächen 178 Versorgungsanlagen 179 Verteidigung 103, 123 – 134 Vorbehaltsgebiet 96, 102, 105

Sachwortverzeichnis Vorhabenbezogener Bebauungsplan 189 Vorkaufsrecht 123, 217 Vorranggebiet 96, 102, 104 Weltkriege 23 Werkschutz 70 Westwall 23 Wohnungsanzahl 177 Zivilschutz 25, 86 – 90, 103, 123 – 134 Zurückstellung 216 Zwölftafelgesetz 21