Abstraktion und Ausdruck: Bildende Kunst und Tanz im frühen 20. Jahrhundert 9783110622614, 9783110615104

Als der Tanz im frühen 20. Jahrhundert zunehmend von modernen und außereuropäischen Einflüssen geprägt wurde, stellte de

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German Pages 302 [304] Year 2019

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Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Befreien
II. Verändern
III. Bewegen
IV. Ordnen
V. Überschreiten
Literaturverzeichnis
Personenregister
Abbildungsverzeichnis
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Abstraktion und Ausdruck: Bildende Kunst und Tanz im frühen 20. Jahrhundert
 9783110622614, 9783110615104

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Abstraktion und Ausdruck

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Bild Wort Aktion

Herausgeber Horst Bredekamp, David Freedberg, Marion Lauschke, Sabine Marienberg, und Jürgen Trabant

Anja Pawel

Abstraktion und Ausdruck Bildende Kunst und Tanz im frühen 20. Jahrhundert

Publiziert mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenz­clusters „Bild Wissen Gestaltung. Ein Interdisziplinäres Labor“ der Humboldt-Universität zu Berlin.

ISBN 978-3-11-061510-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062261-4 Library of Congress Control Number: 2019946554 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Lektorat: Doreen Westphal Reihengestaltung: Petra Florath, Stralsund Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com

Inhalt



Vorwort



Einleitung

VII 1

I. Befreien

1.  Antike Artikulation? 2.  Schemata 3.  Abstraktion und Flächenstil

19 25 29



Farbtafeln

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II. Verändern   1.  „Paläste aus Schwüngen“   2.  Tanzen im Ikosaeder / Tanzender Ikosaeder   3.  Schrifttanz und Konstruktivismus

55 79 84

III. Bewegen

1.  Maskentänze 2.  Körpermasken 3.  Bilder in Bewegung

97 110 118

IV. Ordnen

1.  Der Künstler als Choreograf 2.  Eine Tänzerin am Bauhaus 3.  Geometrische Gymnastik

127 145 153

V. Überschreiten

1.  Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner 2.  Bildrhythmus 3.  Tanzen im Atelier

159 190 200



Ausblick

239



Literaturverzeichnis

251



Personenregister

287



Abbildungsverzeichnis

291

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im März 2018 vom Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen und im Juli 2018 verteidigt. Sie ist im Kreis der Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“ entstanden, die sowohl räumlich als auch menschlich die ideale Atmosphäre aus Ruhe und Anregung bot. Den Sprechern Horst Bredekamp und Jürgen Trabant sowie allen Mitgliedern der Gruppe, darunter insbesondere Mark-Oliver Casper, Franz Engel, Ulrike Feist, Robert Felfe, Sascha Freyberg, Joris van Gastel, Einav Katan, Marion Lauschke, Yasmin Meinicke, John Nyakatura, Amelie Ochs, Markus Rath, Johanna Schiffler, Pablo Schneider, Jörg Trempler, Stefan Trinks und Patrizia Unger sei dafür gedankt. Sie haben mir in zahlreichen Diskussionen wichtige Anregungen gegeben. Für die Aufnahme des Manuskripts in die projekteigene Schriftenreihe der Forschergruppe danke ich den Sprechern an dieser Stelle herzlich. Außerdem gilt mein Dank Katja Richter, Anna Louisa Schmidt und Anja Weisenseel von Walter De Gruyter sowie Doreen Westphal und Petra Florath für ihre Unterstützung bei der Realisierung der Publikation. Auch den Mitarbeitern des Exzellenzclusters „Bild Wissen Gestaltung. Ein interdisziplinäres Labor“, insbesondere Kathrin Bauer, Sandra Bauer, Kerstin Germer, Wolfgang Schäffner und Franziska Wegener sowie den Teilnehmern des „Strukturierten Promotionsprogramms“ möchte ich für ihre Unterstützung herzlich danken. Mary Copple hat mir als Kennerin der Technik Rudolf Labans sowohl theoretisch wie praktisch viel über sein Werk mitteilen können. Die Gruppe „Symbolische Artikulation. Sprache und Bild zwischen Handlung und Schema“ (Volkswagen­ Stiftung) an der Humboldt-Universität zu Berlin, namentlich Horst Bredekamp, Maria Luisa Catoni, Yannis Hadjinicolaou, Matthias Jung, Sabine Marienberg, Alva Noë, Jürgen Trabant und Tullio Viola, in der ich als Assoziierte mitwirken durfte, hat Aspekte des Themas diskutiert. Die Teilnehmer der Kolloquien von Horst Bredekamp und Claudia Blümle haben mit ihren Anmerkungen die Konturen der Arbeit geschärft.

VIII

Vorwort

Joachim Krausse und Herman Roodenburg haben mir wichtige Hinweise gegeben. Nicos Hadjinicolaou, Yannis Hadjinicolaou und Viktoria Krason haben das Manuskript gelesen und kritisch kommentiert. Dafür gebührt ihnen mein herzlicher Dank. Das Trinity Laban Conservatoire of Music & Dance in London hat mir bereitwillig ihr Fotomaterial Rudolf Labans zur Verfügung gestellt und auch dem Archiv der Akademie der Künste in Berlin danke ich für die Bereitstellung von Mary Wigmans Skizzenbüchern. Meinen Betreuern Horst Bredekamp und Claudia Blümle gilt ebenfalls mein herzlicher Dank. Ihr Interesse an meinem Thema hat mich stets bestärkt. Und nicht zuletzt standen mir meine Familie und meine Freunde auf ­diesem Weg geduldig zur Seite. Berlin, März 2019

Einleitung

Im frühen 20. Jahrhundert, als der Tanz zunehmend von modernen und außereuropäischen Einflüssen geprägt wurde, forderte seine Darstellung in der Malerei, der Zeichnung, der Skulptur und der Fotografie die Künstler auf eine neue Art und Weise. Das klassische Ballett hatte stets über ein festgelegtes Repertoire an Posen verfügt sowie über eine schon durch die Fußpositionen vorgege­bene geradlinige Raumauffassung, die vollkommen auf die sogenannte Guck­kasten­bühne ausgerichtet war.1 Diese strenge Systematik und der Tableau vivant-Charakter hatten den bildenden Künstlern die Darstellung in jeder Gattung erleich­­tert, da die Posen gesondert eingenommen wurden und selbst in schematischen Skizzen einen Wiedererkennungswert besaßen. Europa zwischen 1900 und 1945 berücksichtigend, mit einem Akzent auf dem deutschsprachigen Raum, widmet sich diese Arbeit den neuen Anforderungen, die der Freie Tanz2 mit seiner bis dahin unbekannten, völlig neuartigen Bewegungsauffassung an die bildenden Künstler stellte. Die Vereinbarkeit von Bild und Bewegung im Allgemeinen und die damit einhergehenden Abstrak­tionsprozesse im Besonderen sollen am spezifischen Beispiel des Tanzes untersucht werden. Doch 1

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Von den Tänzerinnen und Tänzern des Hofballetts wurde es vermieden, dem König den Rücken zuzuwenden. Vgl. Heinz-Ludwig Schneiders: Vorwort, in: Reclams Ballettführer, hg. v. Hartmut Regitz / Otto Friedrich Regner / dems., Stuttgart 1985, S. 7–8. In der deutschsprachigen Tanzwissenschaft steht der Begriff Freier Tanz für die frühe ‚Befreiung des Körpers‘ durch Isadora Duncan um 1900 und alle damit verbundenen Ausprägungen. Duncan selbst sprach von „new dance“ oder „dance of the future“. Vor allem die Geschehnisse in den 1920er Jahren rund um Mary Wigman, Rudolf Laban oder Gret Palucca werden unter dem Begriff Ausdruckstanz zusammengefasst und im amerikanischen Raum vor allem mit Martha Graham dann als modern dance bezeichnet. Aber auch schon der Tanzhistoriker Ernst Schur spricht 1910 von „modernem Tanz“. Heutzutage werden jene Strömungen, die sich vom klassischen Ballett abheben, allgemein als moderner Tanz oder modern dance bezeichnet. Im Folgenden werden alle Begriffe, je nach Zeitraum, nebeneinander verwendet.

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Einleitung

auch für die Tänzer wurde die Rezeption der bildenden Kunst zunehmend bedeutsam, weshalb diese Beziehung nicht als einseitig, sondern als wechselseitig verstanden und beleuchtet werden soll.3 Im Zentrum dieser Arbeit stehen also die Auseinandersetzung der bildenden Kunst mit dem Tanz und umgekehrt des Tanzes mit der bildenden Kunst sowie die Sichtbarwerdung von neuen Erkenntnissen aller Beteiligten über die jeweiligen Unterschiede und fruchtbaren Einflüsse des jeweils anderen Mediums. Es stellen sich die Fragen, wo der Tanz die Bildauffassung dynamisch machte oder umgekehrt, wo beispielsweise die Zeichnung dabei half, Choreografien zu entwerfen. Begannen Tänzer sowie Künstler durch die jeweilige Auseinandersetzung mit dem anderen Medium hinter die Fassade ihres eigenen zu schauen? Erkannten sie dadurch dessen Grenzen oder versuchten gar, diese zu überschreiten? Veränderte das Tanzen als Körperpraxis schlechthin auch die Sichtweise des Künstlers auf seinen eigenen Körper bei der Arbeit? Im Umkehrschluss steht ebenfalls im Fokus, dass Tänzer sich an Bildern orientierten, gar bildliche Eigenschaften in den Tanz übernahmen, mit Künstlern zusammenarbeiteten und dadurch ihre Choreografien veränderten. Es wird etwa die Frage aufgeworfen, wie sich die künstlerische Gestaltung von Kostümen auf die Bewegung der Tänzer auswirkte oder der wie bildnerische Praktiken wie beispielsweise das Zeichnen das Raumverständnis von Tänzern verändern konnten. Die Interaktionen sollen nicht chronologisch geordnet und beschrieben, sondern die Konstanten einer solchen Wechselbeziehung systematisch erörtert werden. Dieser thematischen Engführung ist es geschuldet, dass keine Aufzählung sämtlicher stattgefundener medienübergreifender Kontakte erfolgt, sondern nur solche Beispiele herangezogen wurden, welche die These einer fruchtbaren Interaktion stützen. Doch auch nicht in jedem Beispiel einer Zusammenarbeit konnten beide Seiten gleichermaßen profitieren. Zudem soll der Fokus nicht zu stark auf Hintergrundinformationen zu einzelnen Personen gelegt werden, da die Wechselbeziehungen zwischen ihnen im Vordergrund stehen. Ein enges Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Protago­

3

Der Begriff der Intermedialität wird in diesem Zusammenhang bewusst nicht verwendet, da die Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Tanz im frühen 20. Jahrhundert dynamisch sind und je nach Beispiel individuell untersucht werden müssen und keine starren, übergreifend geltenden Relationen aufweisen. Weder eine Repräsentation des einen Mediums durch ein anderes ist hier sichtbar geworden noch die nur durch das jeweils eine Medium ermöglichte Existenz des anderen. Höchstens konnten Strukturen ausfindig gemacht werden, die sich sowohl in dem einen wie auch in dem anderen Medium finden lassen. Diese werden im Laufe der Ausführungen genannt. Vgl. Jens Schröter: Discourses and Models of Intermediality, in: Comparative Literature and Culture 3/13 (2011), unter: https://doi. org/10.7771/1481-4374.1790 (22. 03. 2019).

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Einleitung

nisten begünstigte jedoch gewisse Tendenzen. Über die Rhyth­­musschule Èmile Jaques-Dalcrozes in Hellerau ereignete sich die Bekanntschaft zwischen Emil Nolde und Mary Wigman. Am Bauhaus in Dessau kam Palucca mit Paul Klee und ­Wassily Kandinsky in Kontakt, außerdem waren dort Oskar Schlemmer und für kurze Zeit auch Theo van Doesburg präsent. Auch das russische Ballett lag in seiner Bestandszeit von 1909 bis 1929 durchgehend im Zentrum von Kunst und Tanz und wurde in diesem Zeitraum immer wieder zum Ausgangspunkt des medialen Austauschs. Orte wie das Cabaret Voltaire und die Galerie Dada in Zürich ebenso wie der Monte Verità wurden zum Treffpunkt von Künstlern und Tänzern. Der Tanzpalast Aubette in Straßburg war ein gemeinschaftliches Projekt von dem Ehepaar Arp sowie van Doesburg. Das Ehepaar Sonia und Robert Delaunay war sowohl mit den Arps, den van Doesburgs als auch mit Piet Mondrian in Kontakt, insbesondere in Paris. Für die russische Avantgarde haben Irina Sirotkina und Roger Smith bereits die Studie „The Sixth Sense of the Avant-Garde. Dance, Kinaesthesia and the Arts in Revolutionary Russia“ vorgelegt.4 Sie verdeutlichen darin, dass trotz des großen Einflusses des klassischen Balletts in Russland davon abweichende Tanzformen ebenfalls eine wichtige Bedeutung zukam, wie zur gleichen Zeit in Europa und dass über den Tanz das Verflechten von Körper und Denken die modernen Künste beeinflussten. In St. Petersburg wurden seit 1912 Kurse für rhythmische Gymnastik angeboten und zwischen 1919 und 1924 existierte in Moskau ein Institut für Rhythmik nach der Dalcroze-Methode.5 Auch Isadora Duncan besuchte das Land und erteilte dort Tanzkurse.6 Bildende Kunst und generell Bilder spielen in diesem Buch jedoch im Grunde keine Rolle, weshalb sich in diesem Bereich ein weiteres Forschungsdesi­ derat für die Zukunft eröffnen könnte, etwa bezüglich der Kostümentwürfe und Bühnenhintergründe für die Ballet Russes von Künstlern wie Alexandra Exter, Michail Larionov oder Natalia Goncharova, die hier aufgrund der Beschränkung auf den europäischen Raum nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten. Obwohl sich die Futuristen mit den Themen Dynamik und Bewegung beschäftigten, brachte die Auseinandersetzung mit ihnen keine hinreichenden Ergebnisse bezüglich einer direkten Interaktion von Tanz und bildender Kunst, die wiederum in

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Irina Sirotkina / Roger Smith: The Sixth Sense of the Avant-Garde. Dance, Kinaesthesia and the Arts in Revolutionary Russia, London/New York 2017. Vgl. Wolfgang Mende: Der „neue Mensch“ im Taylor-Takt. Frühsowjetische Debatten über Rhythmus und Biopolitik, in: Zeitschrift für Kulturphilosophie. Schwerpunkt Rhythmus und Moderne, hg. v. Ralf Konersmann / Dirk Westerkamp 1/7 (2013), S. 87; Nicoletta Misler (Hg.): In principio era il corpo. L’arte del movimento a Mosca negli anni ’20, Mailand 1999; Ausst.-Kat.: Nudo per Stalin. Il corpo nella fotografia sovietica negli anni Venti, hg. v. Larissa Anisimova / Pavel V. Chorošilov / Nicoletta Misler, Rom 2009. Vgl. Natalia Stüdemann: Dionysos in Sparta. Isadora Duncan in Russland. Eine Geschichte von Tanz und Körper, Bielefeld 2008.

4

Einleitung

einer veränderten Sichtweise auf das eigene Medium resultierten. In der Forschung wurde bereits gezeigt, dass einige Futuristen, vor allem Filippo Tommaso Marinetti, durchaus am Tanz interessiert, allerdings mit der Praxis nicht vertraut waren und wenig daraus schöpfen konnten.7 Tanz unterschied sich per se schon von Alltagsbewegungen durch den artifiziellen, körperlich elaborierten, teils akrobatischen Anspruch. Die Abspaltung von den klassisch-akademischen Traditionen des Balletts machte eine intuitivere, spontanere Bewegungsweise in der Tanzkunst salonfähig, bei der der unmittelbare Ausdruck stärker im Mittelpunkt stand. Die Abkehr von der zentralperspektivischen Ausrichtung des Balletts stellte einen Gegenentwurf zur Disziplinierung des Körpers dar.8 Der Tanz wandte sich nun nicht mehr gegen die Anatomie des Körpers, sondern handelte mit ihr. Der Akzent lag vielmehr auf dem Körper als Gestaltungsmaterial. Er war nicht mehr mit artifizieller Leichtigkeit verbunden, sondern sein Gewicht und seine Erdverbundenheit wurden betont. Eine abseits von allen gekünstelten Emotionen aus den ‚natürlichen‘ Voraussetzungen des Körpers entwickelte Gestik, die sich dem intuitiv erlebten Verlauf einer Körperbewegung viel spontaner anpassen konnte und verstärkt aus dem Fluss der Bewegung heraus entstand, verneinte den bisherigen Erzählcharakter des Tanzes. Daher war der Freie Tanz für die Zuschauer abstrakter erfahrbar, als es das Ballett noch gewesen war. Die einzelnen Posen waren stärker von ihren Übergängen geprägt, die Haltungen weniger stilisiert, weniger verbunden mit konkret erkennbaren Emotionen. So entstanden ganz neue, bis dahin unbekannte Variationen von (Körper-)Formen, die mit Begriffen wie „expressiv“ und „dynamisch“, „akrobatisch“, „geometrisch“, „flächig“ und „statisch“ beschrieben 7

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Patrizia Veroli: Futurism and Dance, in: Italian Futurism 1909–1944. Reconstructing the Universe, hg. v. Vivian Greene, New York 2014, S. 227. Die Dichterin, bildende Künstlerin und Tänzerin Valentine de Saint Point hatte Kontakt zu Marinetti. Vgl.: Günther Berghaus: Dance and the Futurist Woman, in: Dance Research, 2/11 (1993), S. 27–42; Filippo Tommaso Marinetti: Futurist Dance, in: Günter Berghaus (Hg.): F. T. Marinetti. Critical Writings, transl. by Doug Thompson, New York 2006, S. 208–220; Der Katalog „Gino Severini. The Dance 1909– 1916“ brachte keine neuen Erkenntnisse bezüglich der Aussage Verolis zu Tage. Silvia Carandini vermerkte unter anderem, dass die russische Tanzszene den Künstler nicht berührt hat, in: „One Evening Experiencing the Action of a Dancer“. Gino Severini, Paris and the Dance, in: Gino Severini. The Dance 1909–1916, hg. v. Daniela Fonti, Mailand 2001, S. 48. Die italienische Tänzerin Giannina Censi wurde zwar als „Tänzerin des Futurismus“ bezeichnet, eine direkte Interaktion mit den Künstlern konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl.: Anja Klöck: Of Cyborg Technologies and Fascistized Mermaids. Giannina Censi’s Aerodanze in 1930s Italy, in: Theatre Journal 4/51 (1999), S. 395–415. Bezüglich einer Verbindung mit Loïe Fuller siehe aber: Ted Merwin: Loïe Fuller and the Futurists. Two Views, in: Dance Chronicle 1/21 (1998), S. 73–92. „Modern Dance ist durchaus als von allen Seiten betrachtbar vorzustellen. Wie er überhaupt weniger durch Regeln eingeschränkt scheint.“ Vgl. Schneiders: Vorwort Reclam Ballettführer, S. 9.

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Einleitung

wur­­den und die vom Ausdruck abstrahierten, eine Entwicklung, die die Tänzer selbst stets bekräftigten. So fand sich beispielsweise in Paluccas Repertoire ein Stück mit dem Titel „Abstrakter Tanz“. Zugleich wurden die vitalen Eigenschaften des Körpers im Tanz in den Vordergrund gerückt, Bewegung als kräfteübertragend verstanden und Körper und Geist als Einheit begriffen. Eine stärkere Fokussierung auf den Körper verband sich mit abstrahierten Inhalten und vitalistischen Theorien.9 Der Begriff der „Freiheit“ wird bis heute mit den tänzerischen Bewegungen seit 1900 verbunden, vor allem bezüglich der Emanzipation von einem kanonischen, akademischen Bewegungsvokabular, was auch den Auftakt für Solotänzer bildete, die sich von der Vorherrschaft der Akademie emanzipieren konnten.10 Die enorme Aufwertung und Autonomie, die der Tanzkunst im frühen 20. Jahrhundert zuteilwurden, bewirkten, dass sie in der bildenden Kunst in einem bis dahin nie da gewesenen Umfang rezipiert wurde.11 Tänzer wurden als Modelle für Künstler immer wichtiger, da sie ein völlig neues Repertoire an Posen besaßen. Damit konnten sie den Künstlern Wissen über das Verhältnis des Körpers zum Raum, über Dynamik durch fließende Bewegung oder Gleichgewicht und Kräfteausgleich durch Muskelspannung vermitteln und sie so zu neuen Ideen bezüglich Formen und Motiven inspirieren. Die Arbeit mit ‚herkömmlichen‘ Künstlermodellen hingegen schien angesichts von Tänzerinnen und Tänzern weniger attraktiv, da jene lediglich für solche Zwecke vorgefertigte Posen inkorporiert hatten.12 Maler und Bildhauer besuchten zunehmend Tanzaufführungen oder Tanzstudios, um Tänzer zu zeichnen, im Idealfall kam es zu einem Austausch im Atelier des bildenden Künstlers selbst. Doch erforderte der Freie Tanz durch seinen abstrakteren Charakter von den bildenden Künstlern auch eine unkonventionelle Herangehensweise, wollten sie ihn darstellen. Die Tänzerinnen trugen nun meist weite Gewänder aus fließendem Stoff, die den dynamischen Eindruck der Bewegung unterstützten, aber den Umriss des Körpers ‚verschleierten‘. Das Verschwinden des Körpers in Stoffmassen wie etwa bei der US-amerikanischen Tänzerin Loïe Fuller erschwerte deren Darstellung (machte sie im Grunde unmöglich). Das Gewand musste zwangsläufig zum Haupt­ gegenstand des Bildes werden, sei es als Linie oder als flächiges, abstraktes Gebilde, sodass das Ornament die Stelle des Tänzers und somit des Tanzes selbst im Bild

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Vgl. zu diesem Absatz Sabine Huschka: Moderner Tanz. Konzepte, Stile, Utopien, Hamburg 2002, S. 29. Dies., S. 29–32; vgl. Carrie J. Preston: Modernism’s Mythic Pose. Gender, Genre, Solo Performance, Oxford 2011. Huschka: Moderner Tanz, S. 9. Ursel Berger (Hg.): Der schreitende, springende, wirbelnde Mensch. Georg Kolbe und der Tanz, Berlin 2003, S. 19.

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Einleitung

einnahm.13 Auch in der Fotografie waren die langen, fließenden ­Ge­­wänder in Bewegung schwer festzuhalten. So erschienen sie dort meist als verwischte Spur der Bewegung.14 Der Tanzkritiker Curt Moreck beschrieb 1924, wie die veränderten Ausdrucksformen im Tanz und ihr Abstraktionsprozess folglich auch eine abstrahierte bildliche Darstellung bewirkten: „Der bildende Künstler kann entweder den Kulminationspunkt einer Bewegungsfolge d. h. den zum Verstehen fruchtbarsten charakteristischen Augenblick geben oder aber ein graphisches bzw. kubisches Symbol schaffen für den in einer Bewegung sich aussprechenden, auf den Raum oder die Fläche bezogenen Schwungcharakter oder für die aus dem körperlichen Vorgang gewonnenen Spannungsverhältnisse und Impulswellen.“15 Im Sinne Morecks geht es hier um die besondere Situation, in der weniger die Figur und Persönlichkeit des Tänzers die Kunstschaffenden interessierte, sondern es vielmehr galt, die Eigenschaften des (modernen) Tanzes selbst wie Bewegungsfluss, Dynamik, Körperspannung, Gleichgewicht oder Rhythmus ins Bild zu setzen. Sonia Delaunay zum Beispiel schuf durch Abstraktionsprozesse eine neue Bilddynamik und präsentierte die Tänzer nicht, wie es bis dahin üblich gewesen war, statisch in einem einzigen hervorgehobenen Moment. Von Bildern, die einzig posierende Balletttänzerinnen zeigten, sie erwähnt jene, die Edgar Degas, Pierre-Auguste Renoir und Henri Toulouse-Lautrec im Moulin de la Galette anfertigten, hatte sich die Künstlerin emanzipiert.16 13

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Vgl. Valeria Bürdel-Strazzeri: Zur Geschichte des Schleiers in der Performance: Loïe Fuller, Lady Hamilton, Robert Rauschenberg, Rebecca Horn, Saarbrücken 2017; Claudia Jeschke: Schals und Schleier als choreographische Verfahren im Tanztheater des 19. Jahrhunderts, in: Prima la danza! Festschrift für Sibylle Dahms, hg.  v. Gunhild Oberzaucher-Schüller  / Daniel Brandenburg / Monika Woitas, Würzburg 2004, S. 259–273. Michel Frizot: Geschwindigkeit in der Fotografie. Bewegung und Dauer, in: Neue Geschichte der Fotografie, hg.  v. dems., Köln 1998, S.  243–257; Mario Verdone: Die Fotodynamik, in: Ausst.-Kat.: Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian. 1900–1915, hg. v. Bernd Apke / Veit Loers / Pia Witzmann / Ingrid Ehrhardt, Ostfildern 1995, S. 497–503. Curt Moreck: Der Tanz in der Kunst. Die bedeutendsten Tanzbilder von der Antike bis zur Gegenwart, Stuttgart/Heilbronn 1924, S. 9. „Le rythme continu et ondulant du tango incitait mes couleurs à bouger. Le Bal Bullier était pour moi ce qu’avait été le Moulin de la Galette à Degas, à Renoir, à Lautrec. J’en fis un tableau de 3,90 m. On avait l’habitude de voir représenter une danseuse dans une posephoto, dans un arrêt du mouvement privilégié. J’ai rompu avec cette convention en superposant les attitudes. Lumière et mouvement sont confondus, les plans brouillés.“ Sonia Delaunay: Nous irons jusqu’au soleil, hg.  v. Jacques Damase  / Patrick Raynaud, Paris 1978, S.  36. Vgl. auch Juliet Bellow: Modernism on Stage. The Ballets Russes and the Parisian Avant-Garde, Farnham 2013, S. 150. Vielfach wurde in der Forschung argumentiert, dass Degas seine Tanzdarstellungen chronofotografisch inszenierte und somit Bewegung und Zeitlichkeit bis zu einem gewissen Grad ins Bild zurückholen konnte. Vgl. u. a. Ausst.-Kat.: Degas and the Dance,

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Einleitung

Auch in der bildenden Kunst war der Begriff Abstraktion bekanntermaßen zur gleichen Zeit präsent und beschrieb künstlerische Verfahren und deren Resultate, die nicht figurativ waren.17 Punkt, Linie und Fläche wurden zunehmend zu autonomen Motiven, der Blick wurde stärker auf die Entstehung eines Kunstwerks und den Arbeitsprozess des Künstlers gerichtet und die Wahrnehmung von Farbe und Form als Erlebnis der Betrachtenden in den Vordergrund gestellt.18 Die Relevanz der Abstraktion in der bildenden Kunst der Zeit verdeutlicht nicht zuletzt Wilhelm Worringers „Abstraktion und Einfühlung“, worin er die Abstrak­ tion als kristalline, entmenschlichte Form verstand, die keine Einfühlung von Seiten der Betrachtenden ermöglichte. In Theodor Lipps „Ästhetik“ hingegen wurde einige Jahre später die Abstraktion auch mit der gesamtkörperlichen Einfühlung verbunden. Der Sammelband „Jenseits der Repräsentation. Körperlichkeiten der Abstraktion in moderner und zeitgenössischer Kunst“ von Olga Moskatova, Sandra Beate Reimann und Kathrin Schönegg legte 2013 dar, dass die Abkehr von der figurativen Kunst und insbesondere von der Darstellung des menschlichen Körpers selbst im 20. Jahrhundert zugleich ein verändertes bildliches Verständnis von Körperlichkeit im Allgemeinen hervorbrachte.19 Die Studie plädierte dafür, das Augenmerk stärker auf die Tatsache zu legen, dass auch abstrakte Bilder die körperliche und räumliche Erfahrung der Betrachtenden miteinschließen und aktivieren können, eine These, die in der vorliegenden Untersuchung unterstützt wird. Im Zentrum dieser Arbeit steht allerdings auch ein Prozess, der Künstler, Bild und Betrachtende miteinschließt: Auch die Aktivität des Körpers des Kunstschaffenden während des Werkprozesses kann im Denken über Bilder berücksichtigt werden. Bei einer Zusammenarbeit zwischen Tänzer und Künstler wird das Bild zum Vermittler zwischen beiden Akteuren.

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19

hg. v. Jill DeVonyar / Richard Kendall, New York 2002; Ausst.-Kat.: Degas and the Ballet. Picturing Movement, hg. v. Richard Kendall / Jill DeVonyar, London 2011. Vgl. Monika Wagner: Abstraktion, in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, 2.  Aufl., hg.  v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart 2011, S. 5–8. Vgl. Claudia Blümle: Farbe – Form – Rhythmus, in: Stephan Günzel / Dieter Mersch (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart/Weimar 2014, S. 341. Vgl. allgemein: Walter Hess: Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei, Hamburg 1956. Vgl. Olga Moskatova / Sandra Beate Reimann / Kathrin Schönegg: Körperlichkeiten der Abstraktion, in: Jenseits der Repräsentation. Körperlichkeiten der Abstraktion in moderner und zeitgenössischer Kunst, hg. v. dens., München 2013, S. 9–26.

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Einleitung

Helga Thalhofer kam in „Anmut und Disziplin. Tanz in der bildenden Kunst“ von 2008 zu der These, dass erst wenn von der Figur abstrahiert wird, die „Sinnlichkeit“ des Tanzes ins Bild transformiert werden kann.20 Eine ähnliche Meinung vertrat Nell Andrew in dem Artikel „The Medium is a Muscle: Abstraction in Early Film, Dance, Painting“ von 2012, nämlich dass Verkörperung, Tanz und Kinästhesie nicht unbedingt im Gegensatz zu bildlicher Abstraktion stehen.21 Andrew kam auch zusammen mit Juliet Bellow in dem Artikel „Inventing Abstraction? Modernist Dance in Europe“ von 2015 zu dem Ergebnis, dass Tanz als wichtiger Impuls für Verkörperung und Affekte in den bildenden Künsten diente und selbst auch abstrakt sein konnte.22 Beide Autorinnen forderten eine gleichwertige Untersuchung von Tanz mit den anderen Künsten, vor allem bezogen auf die Anfänge der Klassischen Moderne. Obwohl die genannten Publikationen erstmals die auch für die vorliegende Arbeit zentrale These vertraten, dass abstrakte Kunst und Tanz, auch aufgrund ihrer Körperlichkeit, im frühen 20. Jahrhundert eng miteinander verbunden waren, belegen sie diese nicht anhand des Materials. Bilder sollten jedoch im Mittelpunkt der Konkretion einer solchen These stehen, ein Desideratum, dem es hier nachzugehen gilt. Eine empirische Studie fand 2012 heraus, dass die Betrachtung der abstrakten Bilder Lucio Fontanas zu einer Aktivierung des Motorcortex führte, die wahrscheinlich auf der intuitiven Nachahmung der vollzogenen Geste beruhte.23 Auch wenn diese Konklusion eher auf die Plastizität der Leinwandschnitte zurückzuführten ist und nicht auf die Abstraktion ist diese Studie doch als wichtiger Schritt in Richtung einer empirischen Erforschung der Themen Körper, Abstraktion und Bewegung zu deuten.24 Begriffe wie Ausdruckstanz und Expressionismus betonten, dass sowohl im Tanz als auch in der bildenden Kunst der spontane, unmittelbare Ausdruck im Fokus stand, sei es durch eine tänzerische Geste oder eine malerische, deren Verlauf durch 20 21 22 23

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Helga Thalhofer: Anmut und Disziplin. Tanz in der bildenden Kunst, Köln 2010, S. 8. Nell Andrew: The Medium is a Muscle: Abstraction in Early Film, Dance, Painting, in: Film, Art, New Media: Museum Without Walls?, hg. v. Angela Dalle Vacche, Basingstoke 2012, S. 74. Juliet Bellow / Nell Andrew: Inventing Abstraction? Modernist Dance in Europe, in: Stephen Ross / Allana C. Lindgren, Abingdon 2015, vor allem S. 330 u. 337. M. Alessandra  Umilta / Cristina  Berchio / Mariateresa  Sestito/ David  Freedberg / Vittorio Gallese: Abstract Art and Cortical Motor Activation: an EEG Study, in: Frontiers in Human Neuroscience 6/311 (2012), unter: http://journal.frontiersin.org/Journal/10.3389/fnhum. 2012.00311/full (30.01.2018). Vgl. dazu Casper, Mark-Oliver / Nyakatura, John A./ Pawel, Anja / Reimer, Christina / Schubert, Torsten / Lauschke, Marion: The Movement-Image Compatibility Effect: Embodiment Theory Interpretations of Motor Resonance with Digitized Photographs, Drawings and Paintings, in: Frontiers in Psychology – Perception Science 9/991 (2018), unter: https://www.frontiersin. org/articles/10.3389/fpsyg.2018.00991/full.

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Einleitung

die ihr innewohnende Erregung einen Abstraktionsprozess vollzieht, der sie jenseits einer beherrscht-systematischen, akademisch-geschulten Tradition verortet. In ­diesem Sinne verglich Rudolf Arnheim, am Beispiel von Palucca, den modernen Tanz mit der modernen Kunst: Im Gegensatz zum klassischen Ballett, wo die Beweglichkeit der Zehen durch den Spitzenschuh künstlich „versteift“ werden musste, um ein artifizielles Bild eines beinahe schwerelosen Körpers en pointe zu erschaffen, offenbart der moderne Tanz sein „Arbeitsmaterial“ (den Körper) und lässt es nicht verschwinden.25 Auch in der modernen Kunst sei dasselbe Prinzip am Werk, etwa wenn die Knetspuren, die Rodins Finger auf der Oberfläche seiner Skulpturen hinterließen, auch noch im Bronzeguss zu sehen waren.26 Abstrahierte und abstrakte Bilder fordern die Wahrnehmung der Betrachtenden auf eine andere Art und Weise heraus, als es das figurative Bild tut. Sie sind Formund Farbkompositionen, in denen einzelne Elemente in Bezug zueinander gesetzt werden, die bestimmt sind von räumlichen Konstanten und Gleichgewichtsverhältnissen. In der Abstraktion lag eine entscheidende Grundlage dafür, dass der Tanz seine Wirkung auf das Verständnis von der bildnerischen Gestaltung und wiederum deren Eigenschaften entfalten konnte. Die Beschränkung auf abstrakte Kunst und modernen Tanz wird jedoch nicht dogmatisch eingehalten, denn zwecks einer intensiveren Ausführung und Vervollständigung der Argumentation oder des Aufzeigens einer historischen Tradition werden auch hin und wieder figurative oder (nur) abstrahierte Bildwerke sowie Tänzer und Stücke des klassischen Balletts oder Formen des Gesellschaftstanzes zur Untersuchung hinzugezogen. Dass die leibliche Wahrnehmung im modernen Tanz, verbunden mit Vorstellungen von Energie- und Kräfteübertragung durch Bewegung, noch stärker in den Vordergrund rückte, galt ebenso für die bildende Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Das Material des Tanzes ist der Körper. Tanz ist Gestaltung der Körperbewegungen und macht den Körper zum Mittelpunkt der Artikulation. Tanz ist ein „materiell bedingter Prozess“, er ist Disziplinierung des Körpers, ist artifizielle Bewegung, die wiederum geprägt ist von gesellschaftlichen und ästhetischen Vorstellungen. Aber auch die Bildentstehung und die Bildwahrnehmung sind körperliche Prozesse. Bilder sind auch materiell, sind auch „verkörpert“.27 Das Ausdrucksmedium von Bildern ist allerdings nicht (nur) der eigene Körper, im Unterschied zum Tanz, bei dem allein 25 26 27

Rudolf Arnheim: Technische Improvisationen. Für Palucca, in: Die Weltbühne, 2/26 (1930), S. 827. Ebd. Natürlich war die Offenlegung des Arbeitsmaterials und auch des Arbeitsprozesses keine Erfindung der modernen Kunst, des modernen Tanzes hingegen schon. Vgl. John Michael Krois: Bildkörper und Körperschema, in: Bildkörper und Körperschema. Schriften zur Verkörperungstheorie ikonischer Formen, hg.  v. Horst Bredekamp  / Marion Lauschke, Berlin 2011, S. 257.

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Einleitung

der Körper selbst das zu gestaltende ‚Material‘ darstellt.28 Doch Zeichnen, Malen und Modellieren sind ebenfalls Gestaltungsprozesse, die auf der körperlichen Bewegung basieren. Tänzerische und bildnerische Bewegung weisen also diesbezüglich Übereinstimmungen auf. Psychophysiologische Forschung und Ästhetik traten seit dem 19. Jahrhundert immer wieder in einen Dialog.29 Dazu gehörte auch das Konzept der Einfühlung, dessen Hauptleistung es war, einem ‚toten‘ Gegenstand wie einem Kunstwerk Lebendigkeit zuzuschreiben, sowie die Erkenntnis, dass der Körper bei der Bildentstehung sowie Bildwahrnehmung eine aktive Rolle spielt. Diese beiden Annahmen rückten die Eigenschaften des Bildes näher an solche des Tanzes. Für Theodor Lipps waren optisch wahrgenommene Formen, solche in einem Bild eingeschlossen, zugleich auch „sinnlich“ und „materiell“ wahrnehmbar und weckten Impulse zur Bewegung in den Betrachtenden.30 Ebenso kam Heinrich Wölfflin, beeinflusst von der Einfühlungslehre, zu der Erkenntnis, dass Formen (in seinem Fall vor allem architektonische), denen Eigenschaften wie Gewicht, Räumlichkeit, Ausdehnung und Balance innewohnen, nur von den Betrachtenden ästhetisch beurteilt werden können, weil diese selbst einen Körper besitzen, der von den Erfahrungen mit eben solchen Konstanten geprägt ist.31 Auch August Schmarsow stellte eine Verbindung zwischen der Wahrnehmung von Form und dem Körper der Betrachtenden her: „Da wir selbst dreidimensionaler Körper sind, können wir gar

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Vgl. Huschka: Moderner Tanz, S. 25. Sabine Mainberger: Experiment Linie. Künste und ihre Wissenschaften um 1900, Berlin 2010, S. 106–107. „Sichtbare Formen schließen Impulse in sich, nicht nur zu Bewegungen von bestimmter Richtung oder zu Bewegungen, die auf ein bestimmtes Ziel gehen, sondern auch zu Bewegungen von bestimmter Art des Ablaufes, zu kraftvollen oder minder kraftvollen, zu leichten und freien oder in sich gehemmten Bewegungen; sie schließen in sich nicht nur den Impuls zu Bewegungen, sondern auch zum Unterlassen von Bewegungen, zum Zurückhalten.“ Theodor Lipps: Ästhetik. Psychologie des Schönen und der Kunst. Erster Teil: Grund­ legung der Ästhetik, Hamburg 1914, S. 144. „Nicht nur der menschliche Körper, so wie er in der Wirklichkeit uns entgegentritt, ist uns lebendig, sondern wir knüpfen das gleiche, oder ein gleichartiges Leben auch an die körperlichen Formen, wenn sie für sich, d. h. vom Körper losgelöst, uns entgegentreten. Auch die den menschlichen Körper wiedergebende Zeichnung repräsentiert uns noch dies lebendige Ding, obgleich sie vom Bilde des lebendigen Körpers wesentlich verschieden ist.“ Ders., S. 224. „Körperliche Formen können charakteristisch sein nur dadurch, dass wir selbst einen Körper besitzen. Wären wir bloß optisch auffassende Wesen, so müsste uns eine ästhetische Beurteilung der Körperwelt stets versagt bleiben. Als Menschen mit einem Leibe, der uns kennen lehrt, was Schwere, Kontraktion, Kraft, usw., ist, sammeln wir an uns die Erfahrungen, die uns erst die Zustände fremder Gestalten mitzuempfinden befähigen.“ Heinrich Wölfflin: Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur (1886), Berlin 1999, S. 9.

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nicht umhin, die kubische Körperhaftigkeit der Dinge an unserm eigenen Leibe zu erfahren.“32 Ebenso beschäftigten sich die bildenden Künstler zunehmend mit der gesamtkörperlichen Wahrnehmung und kommentierten dies. Klee etwa verband das Körperwissen und das Einfühlungskonzept mit der bildnerischen Praxis. In Bezug auf ein Gestaltungsproblem im Unterricht am Bauhaus schrieb er (ganz im Sinne Wölfflins und Schmarsows): Was tun? Fühlen wir uns ein, da wir doch selber Gebäude sind, die auf kleinem Fuss stehen müssen und nicht fallen dürfen. Was tun wir um nicht zu fallen? Was tun wir, wenn es nicht gelang, durch abwägendes Verschieben der Gewichtsteile in uns (im Kleinen) die statische Ruhe herzustellen? Wir bewegen zunächst ein Bein (Vergrößerung der Basis) und vielleicht bald darauf das andere. Und schließlich gehen wir, das erleichtert den Ausgleich.33 Er ging davon aus, dass die Körperlichkeit und das damit einhergehende Wissen über Kräfteverhältnisse und Gleichgewicht auch die künstlerische Arbeit und Wahrnehmung beeinflussen konnten. Von dort aus war eine Bezugnahme auf den Tanz nicht mehr weit: Sein Problem mit der Linienführung am „ruhenden Körper“ betreffend war Klee der Meinung, dass ein Künstler nur von Tänzern das Gesetz der Bewegung gänzlich verstehen lernen könnte. Dazu müsste er diese allerdings des Öfteren um sich haben.34 Tanz war für ihn die „sanftlinige Entwicklung des Körpers“35.

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August Schmarsow: Grundbegriffe der Kunstwissenschaft. Am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt, Leipzig 1905, S. 11. Paul Klee: Beiträge zur bildnerischen Formlehre. Faksimilierte Ausgabe des Originalmanuskripts von Paul Klees erstem Vortragszyklus am staatlichen Bauhaus Weimar 1921/22, hg. v. Jürgen Glaesemer, Basel 1999, S. 220. Vgl. außerdem Malika Maskarinec: Das Gewicht der Abstraktion. Der Körper als Maßstab ästhetischer Erfahrung um 1900, in: Gefühl und Genauigkeit: Empirische Ästhetik um 1900, hg. v. Jutta Müller-Tamm / Tobias Wilke / Hennig Schmidgen, München 2013, S. 75. Paul Klee: Tagebucheintrag vom 14. Januar 1902, in: Ders.: Tagebücher. 1898–1918, hg. v. PaulKlee-Stiftung des Kunstmuseums Bern, Stuttgart 1988, S. 107, Nr. 363. Dies schrieb er in Be­­zug auf die Tänzerin Carolina Otéro (auch bekannt unter „La bella Otéro“). Vgl. auch Régine Bonnefoit: Die Linientheorien von Paul Klee, Petersberg 2009, S. 169 f. Vgl. auch Reto Sorg: Der Tanz und das „Gesetz der Bewegung“ bei Paul Klee. Anmerkung zu einer Pathosformel der Moderne, in: Ausst.-Kat.: Paul Klee. Melodie, Rhythmus, Tanz, hg. v. Toni Stooss / Museum der Moderne Salzburg, Weitra 2008, S. 225-233. Paul Klee: Tagebucheintrag vom 6. März 1902, in: Ders.: Tagebücher, S. 119, Nr. 380. Es geht hier um die Tänzerin Cléo de Mérode.

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Aus der heutigen Perspektive konstatierte der Philosoph John Michael Krois in Anlehnung an Wölfflin: „Unsere Reaktion auf Skulpturen und erst recht auf Tanz, aber auch auf abstrakte Kunst wird durch metaphorische Gewichtsverteilung geleitet. Noch die abstraktesten Kunstwerke erscheinen als ‚balanciert‘, nach oben strebend, ruhig, usw.“36 Vor allem Lipps, aber auch Klee und Kandinsky verbanden auch abstrakte Formen wie Linien, Kuben oder Kreise mit körperlich wahrnehmbaren Eigenschaften.37 Die Erfahrungsdimensionen, die der bildenden Kunst der Zeit zugeschrieben werden, beriefen sich nicht nur auf rein geistige Inhalte, sondern auch auf die gesamtkörperliche Wahrnehmung.38 Tanz und bildende Kunst weisen Parallelen auf, weil in beiden Bereichen Werke mit Hilfe des Körpers geschaffen und wiederum körperschematisch wahrgenommen werden. Auch Bilder können als dynamisch rezipiert werden und Kräfteverhältnisse aufzeigen.39 In Bezug auf die Skulptur unterstrich der Tanzkritiker ­Walter Sorell, dass Bewegung durchaus auch im Statischen vorhanden sei:40 „Spannungen müssen in allen Dingen sein, auch wenn sie unbeweglich scheinen. Der Impuls, sich zu bewegen, ist immer und überall da.“41 Dies wurde auch schon viel früher von Klee betont: „Was heisst überhaupt im Werk Bewegung? Unsere Werke werden sich in der Regel doch nicht bewegen? Wir sind doch keine Automatenfabrik! Nein, unsere Werke werden von sich aus meist ruhig an ihrem Platze stehen bleiben. Und trotzdem sind sie ganz Bewegung.“42 Für Klee und auch für Kandinsky hinterließ der Tanz Spuren im Raum, die sich grafisch darstellen ließen,43 ebenso wie der Maler durch Bewegung Spuren auf dem Bild hinterlässt. Ähnlich wie Klee verstand auch Kandinsky das Kunstwerk als lebendige Entität, die von Kräften beseelt war und diese auch ausstrahlte.44 Die entscheidende Rolle des Körpers bei der Bildproduktion und -rezeption wurde zunehmend reflektiert und das Bild aus seiner Passivität und Statik befreit. Rhythmus

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Krois: Bildkörper und Körperschema, S. 266. Maskarinec: Das Gewicht der Abstraktion, S. 100. Dies., S. 103. Krois: Bildkörper und Körperschema, S. 266. Walter Sorell: Aspekte des Tanzes. Gestern, heute, morgen, Wilhelmshaven 1983, S. 180. Ders., S. 181. Paul Klee: Beiträge zur bildnerischen Formlehre (1921/22), hg.  v. Jürgen Glaesemer, Basel 1979, S. 94. Vgl. Dessauer-Reiners, S. 159 Vgl. Bonnefoit: Die Linientheorien von Paul Klee, S. 43 ff. und 168 ff. Vgl. Reinhard Zimmermann: Das Kunstwerk als Wirk-Organismus. Zur Bildtheorie der Ab­­ straktion, in: Animationen/Transgressionen. Das Kunstwerk als Lebewesen, hg.  v. Ulrich Pfisterer / Anja Zimmermann, Berlin 2005, S. 247–263.

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wurde nicht nur bei Piet Mondrian zum Schlüsselprinzip, um eine abstrakte Komposition zu definieren.45 Es ist die Schnittstelle der Körperlichkeit, die das Verhältnis zwischen Tanz und bildender Kunst von dem zwischen Musik und bildender Kunst wesentlich unterscheidet. Letzteres wurde in der Fachliteratur zur Klassischen Moderne bereits intensiv diskutiert. Im Rahmen solcher Untersuchungen wurde der Tanz jedoch nur am Rande behandelt und dabei nicht als eigenständiges Medium, sondern als der Musik zugehörig aufgefasst.46 Wie die vorliegende Studie zeigen wird, kann das Verhältnis des Tanzes zur bildenden Kunst nicht über das Medium Musik allein untersucht werden. Fehlen würden dabei die Aspekte der Visualität, Körperlichkeit/Materialität, Haptik, Räumlichkeit und Form, die Tanz und bildende Kunst, nicht aber die Musik auszeichnen. Auch der Film ist ein wichtiger Gegenstand von Untersuchungen, die sich allgemein den Themen Bild und Bewegung in dieser Zeit widmen. Als visuelles (im Gegensatz zur Musik und im Einklang mit Bild und Tanz), bewegtes Medium verlangt er eine gesonderte Untersuchung, die von Kristina Köhler in ihrem Werk „Der tänzerische Film. Frühe Filmkultur und moderner Tanz“ bereits vorgenommen wurde.47 Darin werden den medialen Eigenschaften von Film und Tanz Ähnlichkeiten zugeschrieben, wobei der Film als „tanzendes Bild“ verstanden wird. Auch der Schleiertanz Fullers wurde zuvor bereits als „früher Film“ deklariert.48 Im Zentrum dieser Arbeit, würde sie auch den Film miteinbeziehen, stünden vermutlich eher abstrakte Filme wie Fernand Légers „Ballet Mechanique“, Anton Giulio Bragaglias ornamentales „Thaïs“, Hans Richters Rhythmus-Filme oder auch

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Vgl. Karin von Maur: Mondrian und die Musik, in: Ausst.-Kat.: Mondrian: Zeichnungen, Aquarelle, New Yorker Bilder, hg. v. Ulrike Gauss, Stuttgart 1980, S. 302. Vgl. Ausst.-Kat.: Vom Klang der Bilder: Die Musik in der Kunst des 20. Jahrhunderts, hg. v. Karin von Maur / Peter Stephan / Peter Langemann u. a., München 1995; Gottfried Boehm / Ulrich Mosch / Katharina Schmidt (Hg.): Canto d’amore. Klassizistische Moderne in Musik und bildender Kunst 1914–1935, Basel 1996; Frank Schneider (Hg.): Im Spiel der Wellen. Musik nach Bildern, München 2000; Jörg Jewanski  / Hajo Düchting: Musik und Bildende Kunst im 20. Jahrhundert: Begegnungen – Berührungen – Beeinflussungen, Kassel 2009; Ausst.-Kat.: I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920, hg. v. Ulrike Groos / Sven Beckstette / Markus Müller, München 2015; Robert Illiano (Hg.): „Music and Figurative Arts in the Twentieth Century“, Turnhout 2016. Kristina Köhler: Der tänzerische Film. Frühe Filmkultur und moderner Tanz, Marburg 2017. Vgl. außerdem Claudia Rosiny: Tanz Film. Intermediale Beziehungen zwischen Mediengeschichte und moderner Tanzästhetik, Bielefeld 2013; Ausst.-Kat.: Alles dreht sich…und bewegt sich. Der Tanz und das Kino, hg. v. Ursula von Keitz / Philipp Stiasny, Marburg 2017. Vgl. Erin Brannigan: La Loïe as Pre-Cinematic Performance – Descriptive Continuity of Mo­­ vement, unter: http://www.sensesofcinema.com/2003/feature-articles/la_loie/ (29. 01. 2018).

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Oskar Fischingers bewegte Farbprojektionen im Mittelpunkt, wie sie bei Köhler nur ansatzweise beleuchtet werden.49 Die ‚bewegten Bilder‘ allerdings stehen dem Tanz näher als das stillgestellte, sodass auch der Transformationsprozess von einem Medium in ein anderes weniger Durchschlagskraft entfaltet. Bei dem Dialog von bildender Kunst und Tanz sind zwei Medien beteiligt, die aufgrund anderer Eigenschaften – zum einen der Stasis, zum anderen der Kinesis – unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher gilt das Interesse der vorliegenden Forschungsarbeit gerade der Besonderheit eines solchen, auf Gegensätzen beruhenden Transformationsprozesses. Das Thema hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Diverse Ausstellungen und Publikationen haben den Forschungsstand erweitert und die Verfasserin konnte daher auf besonders junge Literatur zurückgreifen. Meist konzentrierten sich deren Autorinnen und Autoren auf eine Aufzählung des Materials, wiesen zwar auf wechselseitige Einflüsse der beiden Medien hin, beließen es jedoch bei dieser Aussage, ohne die spezifischen Charakteristika zu beleuchten oder die Voraussetzungen, die solche Übertragungsprozesse von einem Medium in ein anderes in sich bargen. Der Titel „Tanz  +  Bildende Kunst. Aspekte der Wechselbeziehung“ von Nele Lipp scheint dieser Arbeit besonders nahe zu kommen, wenn sich die darin enthaltenen fünf Essays auch mit zeitlich und thematisch ganz anderen Beispielen beschäftigen als die hier vorgeführten.50 Dem allgemeinen Thema der Wechselbeziehungen widmete sich im deutschsprachigen Bereich 2011 auch das Sprengel Museum Hannover mit der Ausstellung „‚Ohne Ekstase kein Tanz!‘: Tanzdarstellungen der Moderne“.51 Die Beiträge des kleinen Katalogs deckten ein relativ breites Spektrum des Themas mit einführenden und das bestehende Material hervorhebenden Artikeln ab. Die Ausstellung „Danser sa vie. Art et danse de 1900 à nos jours“ im Centre Pompidou 2012 und der dazugehörige Katalog haben den Themenkomplex der vorliegenden Arbeit bislang am eingehendsten behandelt.52 Umfangreich bebildert, sind die Beiträge des Katalogs jedoch recht kurz und lassen keinen Raum für eine tiefergehende systematische Studie wechselseitiger Beziehungen. 49

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Vgl. beispielsweise Barbara Filser: Rhythmus-Bilder und Bild-Ballette – der Film als Tanz der Bilder in der französischen Avantgarde der zwanziger Jahre, in: Tanzende Bilder. Interak­ tionen von Musik und Film, hg. v. Klaus Krüger / Matthias Weiß, München 2008, S. 35–50. Nele Lipp: Tanz + Bildende Kunst. Aspekte der Wechselbeziehung, Oberhausen 2015. Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“: Tanzdarstellungen der Moderne. Vom Varieté zur Bauhausbühne, hg. v. Christine Eckett, Hannover 2011. Ausst.-Kat.: Danser sa vie. Art et danse de 1900 à nos jours, hg. v. Christine Macel, Paris 2011. Vgl. auch: Ausst.-Kat.: La danza delle Avanguardie. Dipinti, scene e costumi da Degas a Picasso, da Matisse a Keith Haring, hg. v. Gabriella Belli, Mailand 2005.

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Die 2016 in der Petite Galerie des Louvre gezeigte Ausstellung „Corps en mouvement. La danse au musée“53 schnitt jene Thematik ebenfalls an, widmete sich jedoch weniger der Verbindung von Tanz und Kunst, sondern stellte Kunstwerke von der Antike bis zur Gegenwart mit tänzerisch wirkenden Posen in den Mittelpunkt. Die Ausstellung wies als Besonderheit auf, dass sie von einem Tänzer, nämlich dem damaligen Direktor des Balletts der Pariser Oper, Benjamin Millepied, mitkuratiert wurde. Während sich die letzten Arbeiten allen künstlerischen Gattungen widmeten, nehmen die folgenden Publikationen vor allem Malerei und Zeichnung in den Blick. Aus dem Blickwinkel eines Tänzers, allerdings als Künstler, wurde die 2009 in der Hamburger Kunsthalle gezeigte Ausstellung „Tanz der Farben. Nijinskys Auge und die Abstraktion“ kuratiert.54 Der Katalog verglich die Kreisbilder Nijinskys erstmals mit Arbeiten von Léopold Survage, Delaunay, Frantiszek Kupka und Vladimir Baranov-Rossine. Die schwierige Aufgabe, die Bilder überzeugend zu verknüpfen, ist den Autorinnen und Autoren nicht immer hinreichend gelungen. Heekyong Yuns „Tanz in der deutschen Kunst der Moderne“ von 2007 legte den Schwerpunkt zwar stärker auf die bildende Kunst, verblieb jedoch auf einer ersten allgemeinen Übersicht zum Thema.55 Verena Senti-Schmidlins „Rhythmus und Tanz in der Malerei. Zur Bewegungsästhetik im Werk von Ferdinand Hodler und Ludwig von Hofmann“ bot wichtige Grundlagen der Tanzgeschichte, immer auch in Hinblick auf Bezüge zur bildenden Kunst, begnügte sich aber schließlich mit einer begrenzten Thematik (Hodler, von Hofmann).56 Senti-Schmidlin verfasste auch den Artikel „Wege der Abstraktion in Malerei und Tanz“ bezüglich Mondrian, Kandinsky und deren Verbindung zu Palucca, womit sie eine wichtige Vorarbeit zum vierten Kapitel geleistet hat.57 Sabine Mainberger untersuchte in ihrer Studie „Experiment Linie. Künste und ihre Wissenschaften um 1900“ aus dem Jahr 2010 das Motiv der Linie als beeinflusst von Ästhetik, Psychologie und Kunstwissenschaften.58 Sie hob hervor, dass

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Ausst.-Kat.: Corps en mouvement. La danse au musée, hg. v. Jean-Luc Martinez, Paris 2016. Ausst.-Kat.: Tanz der Farben. Nijinskys Auge und die Abstraktion, hg. v. Hubertus Gaßner / Daniel Koep, Hamburg 2009. Heekyong Yun: Tanz in der deutschen Kunst der Moderne. Wandlungen des bewegten Körperbilds zwischen 1890 und 1950, Taunusstein 2007. Verena Senti-Schmidlin: Rhythmus und Tanz in der Malerei. Zur Bewegungsästhetik im Werk von Ferdinand Hodler und Ludwig von Hofmann, Hildesheim/Zürich/New York 2007. Vgl. den Vortrag von Claudia Blümle „Rhythmus im Bild. Zu Ferdinand Hodlers gemalten Choreographien“, am 5. 11. 2015, Humboldt-Universität zu Berlin. Verena Senti-Schmidlin: Wege der Abstraktion in Malerei und Tanz. Piet Mondrian, Gret Palucca und das Bauhaus, in: Neue Zürcher Zeitung, 17. 10. 2009. Mainberger: Experiment Linie.

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die Reduktion von Körperlichkeit durch Abstraktion, wie im Motiv der Linie, neue sinnliche Qualitäten im Bild zu Tage treten ließ, die an Stelle dieser figuralen Darstellung stehen. Die Erkenntnisse Mainbergers über die Linie als abstraktes Gebilde sind im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung, da die Linie mit der Bewegung des Körpers bis hin zum Tanz eng verbunden war. Ihr wohnte der zeitliche und räumliche Prozess des ‚Ziehens‘ durch die Hand auf der Fläche inne, was Äquivalenzen mit dem Tanz aufwies. Die Prozessualität ihrer Entstehung einerseits und die Prozessualität ihrer Wahrnehmung andererseits ließ sie als das der Bewegung am nächsten stehende Bildmotiv erscheinen, was hier des Öfteren aufgegriffen wird. Die Zeichnung und vor allem die schnelle Skizze vermögen die unmittelbarste Übertragung einer (Tanz-)Bewegung ins Bild (durch Tänzer sowie bildende Künstler) zu vermitteln, so wie die Malerei rhythmische Bewegung durch Form und Farbe. Anders dagegen die Skulptur, die sich als dreidimensionale, räumliche und damit allansichtige Kunst von den restlichen Gattungen unterscheidet und den Eigenschaften des Tanzes damit auf ihre eigene Weise besonders nahe kommt. Auch wenn ihr Material Statik suggeriert kann sie durch die Darstellung von Bewegung darüber hinaus weisen. Silja Mareke Weißer hat dies 2000 in „Der Tanz als Darstellungsproblem der Skulptur im 19. Jahrhundert“ vor allem in Bezug auf das Ballett verdeutlicht.59 2012 zeigte das Georg Kolbe Museum eine Schau zur „Tanz­plastik“,60 in der besonders eindrucksvoll zu sehen war, wie die Entwicklung des Ausdruckstanzes auch den Ausdruck in der Skulptur veränderte. Das Thema „Skulptur und Tanz“ hat in den letzten Jahren vor allem innerhalb der Rodin-Forschung an Bedeutung gewonnen. 2006 erschien der Katalog „Rodin and the Cambodian Dancers“ zur gleichnamigen Ausstellung im Musée Rodin,61 2016 zeigte das Georg Kolbe Museum eine Ausstellung über „Auguste Rodin und Madame Hanako“,62 eine japanische Tänzerin, von der Rodin allerdings hauptsäch59

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Silja Mareke Weißer: Der Tanz als Darstellungsproblem der Skulptur im 19. Jahrhundert. Unter besonderer Berücksichtigung der Interdependenz zwischen Ballett und Skulptur, Frankfurt/M./New York 2000. Ausst.-Kat.: Tanzplastik. Die tänzerische Bewegung in der Skulptur der Moderne, hg. v. Ursel Berger / Juliane Kobelius / Anna Wenzel-Lent, Berlin 2012. Die Begriffe „Tanzplastik“ ebenso wie „Tanzfotografie“ oder auch „Tanzbild“ suggerieren eigene Gattungen neben der herkömmlichen Skulptur und Fotografie. Der Hang zu solcher Begriffsschaffung liegt wohl in der Unterschiedlichkeit der Medien begründet und darin, dass der Tanz nicht nur Bildmotiv, sondern auch eigenständige Kunstform ist, die dann in Verschmelzung mit der Fotografie oder der Skulptur zu solchen Mischformen avanciert. Hier lag der Schwerpunkt allerdings auf seinen Zeichnungen. Ausst.-Kat.: Rodin and the Cambodian Dancers. His Final Passion, hg. v. Dominique Viéville, Paris 2006. Ausst.-Kat.: Auguste Rodin und Madame Hanako, hg. v. Brygida Ochaim / Julia Wallner, Köln 2016.

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lich Porträts anfertigte, und veröffentlichte dazu ebenfalls einen Katalog. Im selben Jahr wurde zudem der Ausstellungskatalog „Rodin and Dance“ vor dem Hintergrund einer Londoner Schau publiziert, der sich vor allem dessen akrobatisch anmutenden Tanzskulpturen widmete.63 Wie Rodins intensive Tanzrezeption das Verständnis seiner Tätigkeit veränderte, soll hier hauptsächlich anhand seiner Zeichnungen untersucht werden, da der unmittelbare Transformations- und Abstraktionsprozess von einem Medium in ein anderes darin besonders deutlich wird. Allen diesen Publikationen ist gemein, dass sie weniger die fruchtbaren Prozesse dieser Wechselbeziehung beleuchten, sondern mehr ihre Ergebnisse in den Blick nehmen und kommentieren. Das Material wird darin vorgestellt, ohne es einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Inge Baxmanns „Mythos: Gemeinschaft. Körper- und Tanzkulturen in der Moderne“ liegt zwar nicht die Wechselbeziehung von bildender Kunst und Tanz zugrunde, hat jedoch den kulturellen Kontext, den Nährboden, auf dem sich diese Geschehnisse entwickeln konnten, detailliert beschrieben und ist für ein Verständnis der Hintergründe unerlässlich.64 Die vorliegende Arbeit untersucht den Dialog zweier Medien, was zwangsläufig auch die Beschäftigung mit einem interdisziplinären Austausch zur Folge hat. Neben der kunstwissenschaftlichen Literatur trug zweifellos auch die tanzwissenschaftliche zu dem hier behandelten Thema bei. Gabriele Brandstetters „Tanz-Lektüren. Körperbilder und Raumfiguren der Avantgarde“ von 1995 stellen immer noch den theoretisch am weitesten fortgeschrittenen Beitrag zum Thema dar. Ihre Arbeit lieferte eine wichtige Grundlage für die vorliegende Studie.65 Brandstetter konzentrierte sich zwar größtenteils auf die Wechselbeziehung zwischen Literatur und Tanz, untersuchte aber auch anhand von Fotografien, Grafiken und Gemälden „Raumfiguren und Körperbilder“, wie sie sich im modernen Tanz in Interdependenz zu Literatur, aber auch bildender Kunst im frühen 20. Jahrhundert entwickelten. Ihre Studie zeichnet die Überlieferungswege von Tanzfiguren nach, die in Bildern dargestellt sind, und weist auf deren Spiegelungen in der Literatur hin. Kunsthistorische Analysen sowie eine Auseinandersetzung mit kunsttheoretischen Schriften werden jedoch nicht vorgenommen. Dennoch ist den „Tanz-Lektüren“ die Erkenntnis zu verdanken, dass der moderne Tanz als Archiv von Körperbildern bezeichnet werden kann. Das Bild des Körpers als Sujet stellt den

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Ausst.-Kat.: Rodin and Dance. The Essence of the Movement, hg. v. Alexandra Gerstein, London 2016. Inge Baxmann: Mythos: Gemeinschaft. Körper- und Tanzkulturen in der Moderne, München 2000. Gabriele Brandstetter: Tanz-Lektüren. Körperbilder und Raumfiguren der Avantgarde, Frank­­ furt/M. 1995.

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Tanz mit der bildenden Kunst gewissermaßen in eine ikonografische Tradition. Wie Brandstetter aufzeigt, erzeugte der Tanz Bilder und konnte aus diesem Grund maßgeblich das Interesse der Künstler wecken und ihre Kreativität befeuern. Im Sammelband „Tanzfotografie. Historiografische Reflexionen der Moderne“, herausgegeben 2015 von den Tanzwissenschaftlern Tessa Jahn, Eike Wittrock und Isa Wortelkamp, setzten sich die Autoren erstmals systematisch mit der Bedeutung von Bildern in ihrer Disziplin auseinander. Der Band verhandelte die Frage, was Fotografien von Tänzern zur wissenschaftlichen Aufarbeitung beispielsweise von Choreografien beitragen können und wo diesbezüglich die Grenzen des Mediums liegen. In historischen Tanzfotografien, die im Fotostudio aufgenommen wurden, war nichts so, wie es schien: Gehören die dort eingenommenen Posen zu einer Choreografie für die Bühne? Posieren die Tänzer frei oder halten sie sich an der Rückwand fest, um die langen Belichtungszeiten zu meistern? Oder verwenden sie gar Stative, die wegretuschiert wurden?66 Generell bieten Fotografien des Tanzes schon allein deshalb keinen zuverlässigen Eindruck, weil eine Transformation von einem bewegten in ein stillgestelltes Medium stattgefunden hat. Deswegen benötigen sie eine intensive Auseinandersetzung, die nicht allein darauf abzielt, eine Choreografie zu rekonstruieren. Tanzfotografien liefern Informationen über den Autor, den gewählten Bildausschnitt, Ort und Zeit, über typische Posen und Bekleidung für die jeweilige Choreografie, über die Verbindung des Tänzers mit dem Künstler, über den Tanzstil, vorherrschende Körperbilder, das gewählte Material, Farbe, Form und den Zweck der Darstellung. Die Erkenntnis, dass Bilder nicht nur „Repräsentationen“ der Wirklichkeit sind, sondern eigene Realitäten erzeugen, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt, ist in der Kunstgeschichte längst etabliert.67 In der Tanzwissenschaft schien eine solche Erkenntnis durch jenen Band erst transportiert worden zu sein. Obwohl der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit innerhalb der Kunstgeschichte liegt, wird doch auch der Versuch unternommen, beide Disziplinen zu verbinden. Bezüglich der Fotografien von Tanz kann diese Arbeit auch ein Schritt in Richtung einer Perspektiverweiterung der Disziplinen Kunstgeschichte und Tanzwissenschaft.

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Nicky van Banning: Angehaltene Bewegung. Die Tanzfotografien des Fotostudios Merkelbach, in: Tanzfotografie. Historiografische Reflexionen der Moderne, hg. v. Tessa Jahn / Eike Wittrock  / Isa Wortelkamp, Bielefeld 2015, S.  96–111. Vgl. auch die Rezension zu diesem Band von Anja Pawel, in: ArtHist.net, Dec 19, 2016, unter: https://arthist.net/reviews/14432. Vgl. allgemein zur Tanzfotografie: Isabelle Drexler: Der Körper im Moment des Aus/Auflösens. Fotografie und Tanz, Paderborn 2016; Christiane Kuhlmann: Bewegter Körper – Mechanischer Apparat. Zur medialen Verschränkung von Tanz und Fotografie in den 1920er Jahren an den Beispielen von Charlotte Rudolph, Suse Byk und Lotte Jacobi, Frankfurt/M. 2003. Vgl. Horst Bredekamp: Der Bildakt. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Berlin 2015.

I. Befreien

1. Antike Artikulation? „Hier zeigt sich, wie eng Tanz und bildende Kunst zusammengehören. Von Anfang an. […] Den griechischen Plastikern gab der Tanz reizvolle Motive, die wir in den zahlreichen Friesen bewundern. War hier das plastische Motiv, die Körpererscheinung das Massgebende, so betonte die moderne Zeit das Malerische. Oft haben sich moderne Künstler vom Tanz anregen lassen. Es ist die flutende Bewegung, die reizt. Das Tempo unserer Zeit verschnellerte auch den Rhythmus des Tanzes, und dieses Zuckende, Vibrierende deutete uns ein neues Leben der Erscheinungen. Das Momentane reizt den impressionistisch geschulten Farbensinn der Gegenwart. Als Rückwirkung schuf er den Serpentintanz, einen einzigen Rausch der Farben. Plastik und Malerei wechseln also ab, dem Tanz Anregung zu geben und, umgekehrt, von ihm zu lernen.“1 Mit diesen Worten beschrieb Ernst Schur 1910 die Umstände die die Wechselbeziehung der beiden Künste begünstigten: ihren Anfang nahm sie in der Antikenrezeption. Die Tanzreform wäre ohne die Wiederbelebung der antiken Bildwerke, insbesondere durch Duncan, nicht zu denken.2 Doch auch die bildende Kunst der Klassischen Moderne war, neben der Rezeption außereuropäischer Kunst (ebenso wie im Tanz), von der Antike beeinflusst.3

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Ernst Schur: Der moderne Tanz, München 1910, S. 17. Vgl. Anja Pawel: Ancient Articulation? Antique Schemata in Modern Art and Dance, in: Symbolic Articulation. Image, Word, and the Body between Action and Schema. Image Word Action. Bd. 4, hg. v. Sabine Marienberg, Berlin/Boston 2017, S. 153–171. Vgl. Brandstetter: Tanz-Lektüren, S. 60. Kandinsky sah den Tanz und die bildende Kunst seiner Zeit gleichermaßen einem Erneuerungsbestreben unterlegen, wobei er den Tanz von der Antike und die Malerei von außereuropäischer Kunst beeinflusst meinte: „Aus diesem Grund haben die Tanzreformatoren unserer Zeit ihren Blick zu vergangenen Formen gewendet, wo sie auch noch heute Hilfe suchen. So entstand das Band, welches Isadora Duncan zwischen dem griechischen Tanz und dem

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I. Befreien

Bild 1  (Hans Arp?), Hugo Ball, Sophie Taeuber-Arp und Annemarie SchüttHennings in Pompeji, 1925, Fotografie, Clamart, Fondation Arp.

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1. Antike Artikulation

Im April 1925 posieren die Dada-Künstlerin Sophie Taeuber-Arp und der Dada-Künstler Hugo Ball zusammen mit seiner Tochter Annemarie Schütt-Hennings während eines Besuchs in Pompeji für den Fotografen, wobei es sich wahrscheinlich um Hans Arp handelt (Bild 1). Sie stehen auf dem Forum vor der Markthalle in der für Touristen typischen Kleidung. Ihre Köpfe sind mit Hüten bedeckt, über dem Arm tragen sie ihre Mäntel, und Taeuber-Arp hält vermutlich einen Reiseführer in der Hand. Den Oberkörper den Betrachtenden zugedreht und in Bewegung begriffen, sitzt ihre Tochter mit fröhlichem Gesichtsausdruck auf den steinernen Fragmenten einer alten Mauer, als wäre diese Umgebung ihr vertrautes Spielzimmer. Neben diesen ordentlich gekleideten Erwachsenen wird sie zur Ausnahmeerscheinung, denn in ihrem langen, weißen Kleid, das in vielen Falten über ihre Beine fällt, und mit dem Tamburin in der linken Hand, auf den sie mit der rechten schlägt, pendelt ihre Erscheinung zwischen einem kindlich-naiven Zeitvertreib und einer tanzenden Figur aus dem Freskenzyklus der Villa di Cicerone in Pompeji (Bild 2, Farbtafel 4).

Bild 2  „Tänzer“, Freskenzyklus aus der Villa di Cicerone in Pompeji (18.01.1749), Detail, 1–37 d. C., 30,5 × 161,5 cm, Neapel, Museo Nazionale Archeologico.

Reiht man das Foto in Aby Warburgs Bildersammlung der „Ninfa“ im Mnemosyne-Atlas ein, so demonstriert es das anhaltende Interesse – auch um 1925 – am Warburg’schen Nachleben der Bewegung in der Antike.4 Ball und Taeuber-Arp hatten, wie an anderer Stelle gezeigt wird, beide Kontakt zu dem Choreografen Rudolf Laban und seinen Tänzerinnen und Tänzern in der Schweiz. Taeuber-Arp tanzte sogar als seine Schülerin (vielleicht in einem ähnlich locker fallenden Kleid) im Außenraum seiner Sommerschule am Monte Verità.5 Nach dem Besuch in Pompeji fertigte die Künstlerin, die sich nach ihrer Tanzerfahrung ganz der bildenden Kunst

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kommenden anknüpfte. Dieses ist also aus demselben Grunde geschehen, aus welchem die Maler bei den Primitiven Hilfe suchten. Natürlich ist es auch im Tanz (ebenso wie in der Malerei) nur ein Übergangsstadium. Wir stehen vor der Notwendigkeit der Bildung des neuen Tanzes, des Tanzes der Zukunft.“ Ders.: Über das Geistige in der Kunst (1911), hg. v. Max Bill, Bern 1980, S. 124. Vgl. Claudia Cieri Via: Aby Warburg e la danza. Come „atto puro della metamorfosi“, in: Quaderni Warburg Italia, 2–3 (2005), S. 63–136; Philippe-Alain Michaud: Aby Warburg and the Image in Motion, übers. v. Sophie Hawkes, New York 2004. Vgl. Kapitel II, S. 55.

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I. Befreien

Bild 3  Sophie Taeuber-Arp, „13 Figuren“, 1926, Gouache auf Papier, 27,5 × 20 cm, Paris, Galerie Denise René.

widmete, eine Serie von Malereien an, in denen abstrahierte tanzende Figuren auf einer Fläche verteilt sind, die Gliedmaßen rechteckig arrangiert (Bild 3, Farbtafel 2). Die sich gegenseitig kontrastierenden Farben des Hintergrunds und die versetzt angeordneten Körper der Tanzenden evozieren eine rhythmische Dynamik. Die Malereien wurden mit der Reise nach Pompeji in Verbindung gebracht.6 TaeuberArps Eindruck vom alten Pompeji scheint demnach in abstrakten Kompositionen mit flachen, schematischen Figuren und angewinkelten Gliedmaßen zu kulminieren. 6

Vgl. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Zum 100. Geburtstag, hg. v. Beat Wismer, Baden 1989, S. 44; Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber, hg. v. Suzanne Pagé, Paris 1989, S. 128.

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1. Antike Artikulation

Auch in der Klassischen Moderne waren antike Erinnerungsorte wie Pompeji wichtige Reiseziele für Künstler.7 Neben Taeuber-Arp bezeugte dies auch Klee. In einem Tagebucheintrag zu seinem Besuch im Archäologischen Museum in Neapel 1902 berichtete er: „Im Museo Nazionale fesselte mich die Pompei-Gemäldesammlung vor allem. Als ich eintrat, war ich aufs höchste ergriffen. Malende Antike, z. Tl. wunderschön erhalten. Zudem liegt mir gegenwärtig diese Kunst so nah!“8 Auch Picasso berichtete: „The art of the Greeks, of the Egyptians, of the great painters who lived in other times, is not an art of the past; perhaps it is more alive today then it ever was.“9 1917 war Picasso für drei Monate in Rom, wo er mit dem russischen Ballett arbeitete. Zusammen mit Jean Cocteau, dem Tänzer Léonide Massine und dem Impresario des Ensembles, Sergei Diaghilev, besuchte er ebenfalls die Ruinen von Pompeji. Diaghilev, zunächst Kurator und Mitherausgeber der Kunstzeitschrift „Mir Iskusstwa“, gründete 1909 seine eigene Tanzkompagnie, die Ballet Russes. An ihren Auftritten waren Musiker, Dichter und auch bildende Künstler beteiligt, neben Picasso auch die Delaunays, Léon Bakst, Giacomo Balla, Fortunato Depero und viele mehr – ein Nährboden für die Wechselbeziehung von bildender Kunst und Tanz.10 Vor der Casa di Sallustio in Pompeji hatte Lawrence Alma-Tadema es noch komfortabel (Bild 4). Er saß auf einem Stuhl, um mit ruhiger Hand seine Zeichnungen auszuführen. Die Dada-Künstler und Picasso dagegen kamen ohne solche Hilfsmittel aus. Wie es (zumindest) einigen Fotografien zu entnehmen ist, ‚porträtierten‘ sie die Ideale der Antike eher durch ‚performative Praktiken‘. Obwohl sein Werk von einer intensiven Antikenrezeption gekennzeichnet ist,11 ließ sich Picasso nicht mit

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Vgl. allgemein den Ausst.-Kat.: Pompei e l’Europa. 1748–1943, hg.  v. Massimo Osanna  / Rosanna Cioffi / Almerinda Benedetto u. a., Mailand 2015. Paul Klee: Tagebücher. 1898–1918, S. 124, Nr. 391. Pablo Picasso in einem Interview mit Marius de Zayas, in: Art in Theory. 1900–2000. An Anthology of Changing Ideas, hg.  v. Charles Harrison / Paul Wood, Malden, MA u. a. 2003, S. 216. Vgl. Ausst.-Kat.: Diaghilev. Creator of the Ballets Russes. Art, Music, Dance, hg. v. Ann Kodicek / Rosamund Bartlett, London 1996; Claudia Jeschke / Ursel Berger / Judith Zeidler (Hg.): Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste, Berlin 1997; Lynn Garafola: The Ballets Russes and its World, New Haven, Conn. 1999; Alston W. Purvis (Hg.): The Ballets Russes and the Art of Design, New York 2009; John E. Bowlt (Hg.): A Feast of Wonders. Sergei Diaghilev and the Ballets Russes, Mailand 2009; Bellow: Modernism on Stage; Ausst.-Kat.: Diaghilev and the Golden Age of the Ballets Russes. 1909–1929, hg.  v. Jane Pritchard, London 2010; Ausst.-Kat.: Diaghilev and the Ballets Russes. 1909–1929. When Art Danced with Music, hg. v. Jane Pritchard, London 2013. Für Picassos Adaption der antiken Schemata vgl. Moshe Barasch: Antike und klassische Moderne. Über Pablo Picasso, in: Antike heute, hg. v. Richard Faber / Bernd Kytzler, Würz-

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I. Befreien

Bild 4  Lawrence Alma-Tadema an der Casa di Sallustio in Pompeji, 1862/63, Fotografie, Privatsammlung.

Bild 5  Pablo Picasso und Léonide Massine im Garten des Hauses von Marco Lucrezio in Pompeji, 1917, Fotografie, Paris, Musée Picasso.

seinem Maler-Equipment fotografieren, sondern ‚kletterte‘ lieber zusammen mit dem Tänzer Massine auf den Architekturfragmenten herum (Bild 5). Die Antikenrezeption in der bildenden Kunst des frühen 20. Jahrhundert war eher Teil eines abstrakteren, indirekteren Wahrnehmungs- sowie Artikulationsprozesses – ein Umstand, der deren Untersuchung komplizierter macht. Das mag auch der Grund dafür sein, warum dieses Verhältnis noch nicht gut erforscht ist. Eine weitaus bekanntere Tatsache ist das gleichzeitig aufgekommene Interesse der Tänzer dieser Zeit an der Antike. Auf der Suche nach spezifischen Orten, an denen die alte Kultur direkt erfahrbar wurde, entstanden unzählige Fotografien von Tanz, vor allem vor den Steinfragmenten der Akropolis. Sie besuchten Ruinen und Museen auf der Suche nach antiken „Pathosformeln“, um sich zu neuen Choreografien inspirieren zu lassen.

burg 1992; Christopher Green / Jens M. Daehner (Hg.): Modern Antiquity. Picasso, De Chirico, Léger, Picabia, Los Angeles 2011; Kyriakos Koutsomallis: Picasso and Greece, Turin/New York 2004.

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2. Schemata

Bild 6  Étienne-Jules Marey, Figuren von verschiedenen fotografischen Analysen. Rekonstruktion der Schritte, aus: Emmanuel: La danse grecque antique, Plate V.

2. Schemata Die Rezeption des antiken Tanzes durch Bilder wurde unter anderem durch das viel besprochene Buch „La danse grecque antique d’après les monument figurés“ von Maurice Emmanuel vorangetrieben.12 Die Publikation von 1896 (übersetzt ins Englische 1916) bot eine Vielzahl von Tanzdarstellungen, abgezeichnet von antiken Vasen und Reliefs, um aus den Posen einen „antiken griechischen Tanz“ zu rekonstruieren.13 Eine eher unpassend anmutende Beigabe zu diesen Abbildungen waren die zeitgenössischen Serien von Chronofotografien von Étienne-Jules Marey. Sie zeigten zwei Tänzerinnen: Die erste vermittelte technische Grundlagen des klassischen Balletts, die zweite vollführte Bewegungen in ‚antik‘ anmutendem Stil in einem weiten Gewand (Bild 6). Die Serien waren ohne Zweifel dafür gedacht, den transitorischen Charakter der Zeichnungen antiker Darstellungen zu unterstreichen. In einer Kombination aus schriftlichen Erläuterungen und Fotografien wurden die Zeichnungen präsentiert, als seien sie Fragmente einer vollständigen ‚Choreografie der Antike‘. Emmanuel sprach seinen Bildern dasselbe Potenzial für einen Verweis auf die Wirklichkeit zu wie den Fotografien. Dieser Anachronismus und die Behandlung der Zeichnungen, als wären sie Fotografien, wird heute kritisiert.14

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Maurice Emmanuel: La danse grecque antique d’après les monument figurés, Paris 1896. Es ist möglich, dass Warburg das Buch kannte. Vgl. Georges Didi-Huberman: Das Nachleben der Bilder. Kunstgeschichte und Phantomzeit nach Aby Warburg, Berlin 2010. Ders., S.  289; Frederick Naerebout: „In Search of a Dead Rat“. The Reception of Ancient Greek Dance in Late Nineteenth-Century Europe and America, in: The Ancient Dancer in the

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I. Befreien

Maria Luisa Catoni hat gezeigt, dass altgriechische Abbildungen von Körperhaltungen (Schemata) oft vom Tanz inspiriert waren: Sie wurden von einer bewegten in eine statische Kunstform überführt und überlieferten soziale Konventionen oder Werte.15 Catoni argumentiert, dass die Schemata den Nutzen hatten, sowohl die Vorbereitung wie auch die Ausführung einer Bewegung anzudeuten – sie sollten eine ganze Sequenz von Bewegungen eines Tanzstücks repräsentieren. Ganz in diesem Sinne bemerkte Duncan: „There is not one [Greek vase or bas-relief] which in its movement does not presuppose another movement“16 oder heute mit Giorgio Agambens Worten: „Jeder Augenblick, jedes Bild nimmt virtuell seine künftige Entwicklung vorweg und weckt die Erinnerung an die vorausgegangenen Gesten.“17 Weder für den Betrachter in der Antike noch für die modernen Tänzer repräsentierten die Bilder demnach Stasis – im Gegenteil, sie evozierten immer einen gewissen Anteil an Kinesis. Dies war es vielleicht, was Emmanuel mit Hilfe der Chronofotografien zeigen wollte. Die Schemata waren nicht nur Resultat einer Übertragung von Tanz ins Bild, sondern sollten auch dazu anregen, wiederum in Tanz übersetzt zu werden.18 Der Tanzkritiker André Levinson argumentierte im frühen 20. Jahrhundert gegen die vorausgesetzte ‚Lebendigkeit’ solcher Bilder: „The basic inability of the plastic arts, sculpture and painting, to reproduce movement in all its consecutive moments has been the fatal obstacle to attempts at restoring ancient dance forms. […] These art forms can only fix a single instant of a movement, chiefly its beginning or end.“19 Daher, erklärt Levinson, könne der antike Tanz nur in einzelnen Posen und Positionen rekonstruiert werden, ohne dass eine „[…] complete conception of

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Modern World. Responses to Greek and Roman Dance, hg. v. Fiona Macintosh, Oxford 2010, S. 45; vgl. Brandstetter: Tanz-Lektüren, S. 63–65. Maria Luisa Catoni: Mimesis and Motion in Classical Antiquity, in: Bilder animierter Bewegung  / Images of Animate Movement, hg.  v. Sigrid Leyssen  / Pirkko Rathgeber, München 2013, S. 204. Isadora Duncan: The Dance of the Future. Talk in Berlin. March 1903, in: Linie werden: Isadora Duncans Tanz der Zukunft, hg.  v. Magdalena Tzaneva, Berlin 2009, S.  30. Naerebout fasste dieses Zitat als einen Beweis dafür auf, dass Duncan Emmanuel gelesen hatte, ders: „In Search of a Dead Rat“, S. 50. Giorgio Agamben: Nymphae, hg.  u. übers.  v. Andreas Hiepko, Berlin 2009, S.  9. Agamben zieht das Traktat des Tanzmeisters Domenico da Piacenza „De la arte di ballare et danzare“ hinzu, um das Motiv der Nympha als Bild zwischen Stillstand und Bewegung mit dem Tanz zu vergleichen, der auch auf der „Ebene des Gedächtnisses“ abläuft und als „Medusenhaupt“ ein Bild ist, das auf der Erinnerung basiert und zugleich von dynamisierter Unterbrechung gekennzeichnet ist, vgl. ders., S. 10–12. Catoni: Mimesis and Motion, S. 210. André Levinson: Ballet Old and New, übers.  aus dem Russischen v. Susan Cook Summer, New York 1982, S. 26.

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2. Schemata

the dynamics of dance“ erfolgen könne.20 Die Aneignung dieser antiken Posen induzierte schon das Unvermögen des Tänzers, wie Levinson am Beispiel Duncans zeigte.21 Auch der Tanzkritiker Hans Brandenburg kommentierte in seinem Buch „Der Moderne Tanz“ die Problematik der Antikenrezeption Duncans, die sich in einer ausschließlichen und daher nicht hinreichenden Konzentration auf das Bildnerische zeigte: „Da die Duncan nämlich ihre richtigen Erkenntnisse in der Praxis wegen des erwähnten Mangels durch Vorbilder stützen mußte, entwickelte sie aus den Körpergebärden der antiken Vasenbilder und Plastiken nicht nur das gerechte Beispiel einer ewiggültigen Körperschönheit, sondern ahmte jene im Einzelnen nach. Mit philologischer und archäologischer Rekonstruktion reihte sie Posen aneinander und gab statt der Bewegung kopierte Bewegungsmomente, die zudem nicht dem Tanz, sondern der bildenden Kunst angehören. Da sie nicht das schaffende Gesetz aus der eigenen Brust nehmen konnte, das unser Rhythmus, und nicht derjenige der Griechen, ist, blieb sie hier unfruchtbar, ob sie ihre Momente auch in eine noch so logische Folge brachte. ‚Was helfen uns die Griechen‘, sagt M[artin]. Luserke, ‚und wenn man auch sämtliche schöne Posen des klassischen Altertums auf den Faden irgendeiner Musik reihte. Das Zusammenstellen von einzelnen Posen und Figuren allein kann kein Kunstwerk geben, so wenig wie ein Mosaik von Akkordeon und Motiven ein Musikstück. Ein äußeres Zusammenkitten, etwa durch einheitliche Stimmung, hilft da nichts. Ein ganzer Haufen lebendiger Zellen, auch wenn er durch irgendein Bindemittel plastisch gemacht worden ist, gibt noch keinen Organismus.‘“22 Inspirationsquelle für Duncans „kopierte Bewegungsmomente“, wie sich Brandenburg ausdrückte, war auch Botticellis „Primavera“. Um 1900 betrachtete sie das Gemälde in den Uffizien; es schien, nach ihren eigenen Aussagen, unter ihren Augen lebendig zu werden: „Tagelang saß ich vor seiner ‚Primavera‘ und schenkte diesem unsterblichen Bild unbeschränkte Bewunderung. Ein freundlicher alter Aufseher brachte mir einen Stuhl und verfolgte meine Anbetung mit liebenswürdigem Interesse. Ich blieb so lange dort sitzen, bis ich die Blumen tatsächlich wachsen sah, die zierlichen Körper wiegten sich im Tanze, die nackten Füße berührten den Boden, bis sich in mir die freudige Gewißheit durchgerungen hatte: Dieses Bild will ich im Tanze zum Leben erwecken.“23 Duncan wurde zur selbsternannten ‚Erweckerin der 20 21 22 23

Ders., S. 26–27. Ders., S. 30. Hans Brandenburg: Der Moderne Tanz, München 1921, S. 30. Isadora Duncan: Memoiren, Frankfurt/M./Berlin 1988 (engl. 1927), S.  82; Kristina Köhler setzte das Lebendigwerden des Gemäldes sogleich in Bezug zum Film (vgl. dazu dies.: Der tänzerische Film, S.  128 und 130). Michael Baxandall sah außerdem Gemeinsamkeiten in der Entstehung eines Bildes und einer Choreografie in Leon Battista Albertis Traktat zur Malerei sowie einem Lehrwerk des Tanzmeisters Guglielmo Ebreos. Bei allen stünde die

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I. Befreien

Bilder‘. Sie befreite nicht nur den Körper ihrer Zeitgenossinnen von der Enge des Korsetts und die Tänzerinnen von der Tortur des Balletts, sondern auch die Bilder aus ihrer Jahrhunderte währenden Statik. Levinson war ein Gegner von Duncan und ihrem ‚Reenactment‘ der Antike im modernen Tanz. Leidenschaftlich verteidigte er hingegen die Schule des klassischen Balletts und war auch gegen die Kollaborationen von bildenden Künstlern mit Theater und Tanz. Ihm zufolge hätte ein antiker griechischer Tanz technisch so elaboriert sein müssen, wie es nur das klassische Ballett je sein konnte.24 Die Wiederbelebung von antiken Bildern, ihr Barfußtanz und der Mangel an einer hinreichenden Ausbildung im klassischen Tanz25 machten Duncan zu einer höchst polarisierenden Figur, die innerhalb der Künstlerszene viel diskutiert wurde. Ungeachtet seines Interesses am Nachleben der Antike ließ Duncans Kunst sogar Warburg unbeeindruckt, obwohl sich seine Untersuchungen in ihrem Tanz perfekt zu verkörpern schienen.26 Duncan selbst bemerkte, dass die Antikenrezeption im Tanz ihre Grenzen hatte: „To return to the dances of the Greeks would be as impossible as it is unnecessary. We are not Greeks and therefore cannot dance Greek dances.“27 Es war ihr bewusst, dass der antike Tanz durch Bilder nicht ‚wiederbelebt‘ werden konnte, und es war ihr Anliegen, aus den Inspirationen der Antike eine neue, eigene Kunst zu erschaffen, die sie schließlich als „Tanz der Zukunft“ propagierte. Um einen neuen Tanz hervorzubringen, der aber auf der Antike basierte, war eine Umorientierung notwendig. Duncan benötigte neue Formelemente und Schemata, die sie in einen Tanz übertragen konnte. Wie erwähnt, kritisierten Bie und Levinson sie dafür, dass sie keine professionelle Tanztechnik besaß.28 Das hatte zur

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Beschäftigung mit physischen Bewegungen als ein Reflex auf geistige Bewegungen im Vordergrund. Auch die Rezeption eines Bildes sowie eines Tanzes würden den Betrachtenden ähnliche Fähigkeiten und ein ähnliches Wissen abverlangen: „It is that both the dance and the picture of Venus were designed for people with the same habit of seeing artistic groups. The sensibility the dance represents involved a public skill at interpreting figure patterns, a general experience of semi-dramatic arrangements that allowed Botticelli and other painters to assume a similar public readiness to interpret their own groups.“ Michael Baxandall: Painting and Experience in Fifteenth Century Italy, Oxford/New York 1972, S. 80; vgl. auch Jennifer Nevile: „Certain Sweet Movements“. The Development of the Concept of Grace in 15th-Century Italian Dance and Painting, in: Dance Research: The Journal of the Society for Dance Research 1/9 (1991), S. 3–12. Levinson: Ballet Old and New, S. 71. Brandenburg sah das in seiner Streitschrift „Der Moderne Tanz“ durchaus positiv: „Daß sie das nicht konnte, was das Ballett kann, daß sie es gar nicht können wollte, ist ihr größtes Verdienst und der eigentlichste Beginn des Neuen.“ Ders.: Der Moderne Tanz, S. 29 f. Vgl. Mainberger: Experiment Linie, S. 240. Duncan: Dance of the Future, S. 34. „[…] ihr Körper war ein Säulenbau mit schwachem Gebälk.“ Oscar Bie: Der Tanz, Berlin 1919, S. 305.

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3. Abstraktion und Flächenstil

Folge, dass ihr kein konventionelles Bewegungsrepertoire zur Verfügung stand, um bildhafte Antikenadaptionen miteinander zu verbinden. Hinzu kam, dass Duncan aber auch keine Lady Hamilton mehr war, die nur einzelne, von antiker Kunst inspirierte Attitüden vollführte oder einfach ‚eingefrorene‘ Posen nach Art der Tableaux vivants aneinanderreihte.29 Der Fotograf Duncans, Arnold Genthe, berichtete, dass sie sich noch nicht einmal fotografieren ließ, wenn sie sich dabei nicht bewegen durfte: „[Duncan] had always refused to have photographs made in dance poses. But when she discovered that it was possible to take pictures while she was in motion, she was eager to collaborate.“30 Die fließende Bewegung stand bei Duncan also durchaus im Vordergrund. Ähnlich wie Emmanuel verstand sie die antiken Figuren bereits im Sinne der Chronofotografie, die Zusammenhängendes in Fragmente zerlegte. Sie fügte gewissermaßen diese Fragmente wieder zu einem Gesamtbild zusammen, als entstammten sie einem solchen. Doch wie kompensierte sie die Abwesenheit der Bewegung im Bild in ihrem Tanz? Wie schaffte sie es, „[…] malerische Stellungen durch lebhafte Bewegung zu verbinden […]“, wie Bie es ausdrückte?31 Welche Möglichkeiten gab es, antike Schemata innerhalb eines modernen Tanzes zu artikulieren?

3. Abstraktion und Flächenstil Die Lösung schien in der Linienführung zu liegen. 1903 schrieb Duncan über eine Reise nach Griechenland: „This here is perfection: form, line, rhythm, this is my dance.“32 Das bewegte Beiwerk und die Linienführung der antiken Schemata und Skulpturen könnten Duncan beeinflusst haben, die Linie als abstraktes Konzept für ihren Tanz zu verwenden. Schur bestärkte diese Annahme, indem er die Linien des

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Birgit Jooss: Tanz der Statuen – die Attitüden des 18. Jahrhunderts, in: Ausst.-Kat.: Loïe Fuller. Getanzter Jugendstil, hg. v. Jo-Anne Birnie Danzker, München 1995, S. 81–90; Dies.: Lebende Bilder. Körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit, Berlin 1999; Bettina Brandl-Risi: BilderSzenen. Tableaux Vivants zwischen bildender Kunst, Theater und Literatur im 19. Jahrhundert, Freiburg i.  Br./Berlin/Wien 2013; Ausst.-Kat.: Lady Hamilton. Eros und Attitüde. Schönheitskult und Antikenrezeption in der Goethezeit, hg. v. Uwe Quilitzsch / Dieter Richter, Petersberg 2015. Arnold Genthe: Isadora, Prophet of the Dance. Introduction, in: Abraham Walkowitz: Isadora Duncan in her Dances, Ann Arbor, M. 1945, S.  9. Vgl. Sharyn Rohlfsen Udall: Dance and American Art. A Long Embrace, Wisconsin 2012, S. 244. Bie: Der Tanz, S. 305. Max Niehaus: Isadora Duncan. Leben, Werk, Wirkung, Berlin 1981, S. 29. Vgl. Brandstetter: Tanz-Lektüren, S. 111.

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I. Befreien

fließenden Gewandes 1910 zu einem wichtigen Bewegungselement der antiken Skulptur erklärte: „Darum legten die Griechen über die Glieder das flutende Gewand; in schönen Linien fliesst es, gibt Oberflächeneinheit, und indem diese Einheit gestört wird, wirkt die Bewegung.“33 Brandenburg wiederum hob die Linien in Duncans Tänzen hervor: „Man muß ihre fabelhafte Kunst der ‚Linienführung‘ bewundern, die alle Bewegungen zu einem fließenden Ganzen verbindet […].“34 Duncan selbst sah, wie Hermann Bahr sie zitierte, das höchste Ziel ihrer tänzerischen Leistung darin „[…] vollkommen zur Linie [zu] werden“35. Es scheint, dass die runde Linie Duncan als abstraktes Bewegungsmodell, als Möglichkeit der Verbindung zwischen den einzelnen Posen diente. Um 1900 genoss der moderne Tanz im Gegensatz zum klassischen Ballett nicht den Status einer eigenen Kunstform. Es war ein Tanz ohne Vorbilder in seiner eigenen Disziplin. Lediglich die statischen Schemata der Antike dienten ihm als Inspiration, sodass er weitere Legitimation in den ihm nahestehenden Künsten der Zeit suchte. Die runde Linie war ein wichtiges Element des Jugendstils und wurde in den Künsten der Zeit stets mit Bewegung assoziiert.36 Für Duncan war sie eine Artikulationsmöglichkeit im Tanz, sie war grafisches Prinzip, das sich auch in die Bewegung im Raum übertragen ließ. Die Umsetzung des Schemas einer runden Linie im Tanz hatte einen fließenden, harmonischen Ausdruck zur Folge. Der Tanzhistoriker Frank Thiess betonte in seinem Buch „Der Tanz als Kunstwerk“ von 1920: „So ist auch die Festhaltung der Linie im Tanz die wohl partieweise unterbrochen, aber nicht innerhalb desselben Moments zerbrochen werden darf, ein Stilgesetz, das dadurch nicht verständlicher, unumstößlicher wird, daß wir seine Bedeutung auch noch in architektonischmathematischen Bedingungen zu verankern suchen. Denn Reihung, harmonische Teilung, Ähnlichkeit und Parallelität sind Erscheinungsformen, denen wir auch in den Linien des Tanzes immer wieder begegnen und vielleicht nicht zufällig begegnen, da wir wissen, daß sie auch im Baugerüst anderer Künste wirksam sind.“37 Eine Abbildung von Walter Crane aus seinem Buch „Linie und Form“ von 1901 scheint diesen Umstand zu bestätigen, wenn sie neben einer Tänzerin in antikem Gewand das Schema ihrer Pose in runden Linien wiedergibt (Bild  7). Abstraktion

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Schur: Der moderne Tanz, S. 15. Brandenburg: Der Moderne Tanz, S. 33. Hermann Bahr: Isadora Duncan, Neues Wiener Tagblatt, Feuilleton, 15.2.1902, S.  1–2, in: Tzaneva: Linie werden, S. 14. Auch Fuller wurde von den bildenden Künstlern als Linie dargestellt, vgl. Kapitel V, S. 168 f. Vgl. für eine ausgiebigere Diskussion Kapitel V, S.167 f. Frank Thiess: Der Tanz als Kunstwerk. Studien zu einer Ästhetik der Tanzkunst, München 1920, S. 59–60.

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3. Abstraktion und Flächenstil

Bild 7  Walter Crane, „Tanzende Figur mit den die Bewegung beherrschenden Linien“, 1901, aus: Ders.: Linie und Form, S. 224.

und Figuration verbinden sich, beide Motive, Figur und Lineament, stellen Tanz dar und verdeutlichen somit, dass die (Tanz-)Bewegung im Bild auf unterschiedliche Weise entstehen kann. Der Eindruck einer „runden Linienführung“ in Duncans Performance wird auch durch Beschreibungen der Amerikanerin Eva Palmer-Sikelianos bestätigt, die an der Aufarbeitung von antikem Tanz und Theater interessiert war. In Kollaboration mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Angelos Sikelianos, organisierte sie die zwei Festivals von Delphi 1927 und 1930 bei denen unter anderem Tanz- und Theateraufführungen zu sehen waren, die sich an antiken Vorbildern orientierten und ein internationales Publikum anzogen. Über Duncan schrieb sie: „Her arms were beautiful and the soft undulations were infinitely charming to a world which knew only the tiresome stiffness of the ballet; but there is not a single example of any work of Greek art before the fourth century which resembles Isadora’s dancing. […] Even in powerful dances […] the lines of her body went into curves. She always faced her audience frankly, head and chest in the same direction. There was never the powerful accent or a strong angle, and never the isolating effect of keeping the head in profile

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I. Befreien

with the chest ‚en face‘ which is characteristic of archaic Greek art.“38 Palmer-Sikelianos kannte zwar Duncans Aufführungen, war jedoch selbst stärker an der wissenschaftlichen Erforschung der griechischen Antike interessiert; sie strebte eine „Revision“ von Duncans Methoden an.39 Auch wenn beide Frauen sich gleichermaßen gegen das Ballett und seine „Steifheit“, wie Palmer-Sikelianos es nannte, wendeten, unterschied sich die Antikenrezeption der Letzteren doch von Duncans, beispielsweise durch das Interesse an der archaischen Periode. Wie das Zitat zeigt, entwickelte Palmer-Sikelianos von der Interpretation der Bildnisse der archaischen Periode den Eindruck eines anderen Schemas des antiken griechischen Tanzes als Duncan. Diese war offenbar mehr an der hellenistischen Periode der Antike interessiert. PalmerSikelianos bevorzugte eckige Bewegungen, bei denen der Kopf im Profil zu sehen ist und die Brust en face.40 Dies kann in Fotografien nachvollzogen werden, die sie in antikem Gewand zeigen, während sie exakt in einer solchen Art und Weise posierte (Bild 8). Palmer-Sikelianos’ Verständnis von der Wiederbelebung eines altgriechischen Tanzes stand also im Gegensatz zu Duncan. Weitaus mehr als Duncans Interpretation schätzte sie den Tanz von deren Bruder Raymond Duncan, der sich wohl im Gegensatz zu seiner Schwester an archaischen Vasen orientierte: „But Raymond saw the applicability in the theatre of these ancient Greek poses, which he had himself been copying in the Louvre; and later, when he formed classes of his own, he taught angular movements copied from archaic vases.“41 Diese Adaption altgriechischer Formen demonstriert eine Fotografie (Bild 9), die eine Schülergruppe von Raymond Duncan unter freiem Himmel zeigt: Die Tänzer sind in freier Natur zu sehen und ­tragen Gewänder in antikem Stil. Sie sind in einer Reihe nebeneinander positioniert und krümmen ihre Gliedmaßen im Moment der Aufnahme in nahezu rechten Winkeln – es sind diese Kennzeichen, die sie wie Figuren eines antiken Reliefs erscheinen lassen. Die Posen der Tänzer erinnern an Taeuber-Arps „13 Figuren“, die, versetzt angeordnet, ebenfalls die Arme im 90-Grad-Winkel halten.

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John S. Anton (Hg.): Upward Panic. The Autobiography of Eva Palmer-Sikelianos, Chur 1993, S.  182. Vgl. Artemis Leontis: Griechische Tragödie und moderner Tanz – eine alternative Archäologie, in: Eva Kocziszky (Hg.): Ruinen in der Moderne. Archäologie und die Künste, Berlin 2011, S. 209. Dies., S. 206. Dies., S. 210. Vgl. auch den Aufsatz von Glenn W. Most, in dem er die eigentliche Entdeckung der Archaik im 19. Jahrhundert und die zunehmend positive Rezeption der von Winckelmann lediglich als Vorstufe zur klassischen Periode abgetanen Werke im 20. Jahrhundert beschreibt. Glenn W. Most: „Die Entdeckung der Archaik. Von Ägina nach Naumburg“, in: Urgeschichten der Moderne. Die Antike im 20. Jahrhunderts, hg.  v. Bernd Seidensticker  / Martin Vöhler, Stuttgart/Weimar 2001, S. 20–39. Anton: Upward Panic, S. 183.

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3. Abstraktion und Flächenstil

Auch den Stil des amerikanischen Tänzers Ted Shawn beschrieb Palmer-Sikelianos als „marked by Archaism“ und „angular“: „head and feet are in profile, and the chest or back in full view“42. Diese Pose nahm Shawn beispielsweise in einer Fotografie ein, in der er ein Kostüm trug, das für das Stück „Gnossienne“ (erstmals aufgeführt 1917) kreiert wurde (Bild  10). Die Vorbilder dafür hatte Christine Morris bereits in den Spiralmustern der minoischen Kunst erkannt.43 In der Aufnahme steht Shawn auf den Zehenspitzen, hat die Beine zur Seite und den Oberkörper frontal zum Fotografen gedreht, genau wie Palmer-Sikelianos es beschrieben hat. Diese Position, die länger einzuhalten eine enorme Anstrengung gefordert haben muss, erweckte einen flächigen Eindruck.44 Wie den Berichten und Fotografien entnommen werden kann, führte die Antikenrezeption von Palmer-Sikelianos, Shawn und Raymond Duncan zu Posen, in denen die Glieder eckig angewinkelt wurden und eine Flachheit des Körpers simuliert wurde, was nur auf den Einfluss von Bildern zurückgeführt werden kann:45 Diese Interpretation des antiken griechischen Tanzes erscheint beinahe naiv, weil die mediale Beschaffenheit der Bilder selbst, ihre Fragmentarität und Zweidimen­ sionalität von den Tänzerinnen und Tänzern offenbar unreflektiert in ihre Auffassung von antikem Tanz übertragen wurde. Dieses Flächenprinzip nahm auch ein anderes bekanntes Tanzstück auf:46 Nijinskys Choreografie des „Nachmittags eines Fauns“ (1912), dessen Kostüme eben42 43

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Ders., S. 223; Leontis: Griechische Tragödie und moderner Tanz, S. 211–214. Christine Morris: Lord of the Dance. Ted Shawn’s Gnossienne and its Minoan Context, in: Cretomania. Modern Desires for the Minoan Past, hg. v. Nicoletta Momigliano / Alexandre Farnoux, London/New York 2016, S. 111–123. Erinnert sei hier auch an den russischen Theaterregisseur Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold, der die Vermittlung von Körpertechniken für Schauspieler von zeitgenössischen Tanzund Gymnastiklehren (Dalcroze) abschaute. Seine Vision des modernen Schauspielers war vom Nachleben der Antike beeinflusst und er sah die Bühnenchoreografie als ein Erschaffen von plastischen Formen im Raum an. In einer bildlichen Art und Weise formte er die Körper der Schauspieler, als wären sie flach und eingefroren und Teil eines Reliefs. Darüber hinaus mussten sie Übungen in geometrischen Formen absolvieren und wurden im geometrischen Zeichnen geschult. Vgl. Jörg Bochow: Das Theater Meyerholds und die Biomechanik, Berlin 2010, S. 16–36. Vgl. zur Diskussion der Flächigkeit im Tanz des russischen Balletts Gabriele Brandstetter: Die Inszenierung der Fläche. Ornament und Relief im Theaterkonzept der Ballets Russes, in: Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste, S. 147–163; Melanie Schmidt: Tanz in zwei Dimensionen. Das Konzept des performativen Körpertableaus in Nijinskys L’Après-midi d’un faune, in: Marijana Erstic / ˇ Gregor Schuhen / Tanja Schwan (Hg.): Avantgarde – Medien – Performativität. Inszenierungs- und Wahrnehmungsmuster zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005, S. 141–164. Thomas Munro differenzierte bereits zwischen Duncans Stil der „getanzten Antike“ und Nijinskys „Faun“. Demnach war der „Faun“ inspiriert von Vasen und Reliefs aus dem 6. und

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I. Befreien

Bild 8  Eva Palmer-Sikelianos imitiert eine Pose, o. D., Fotografie, Athen, Archiv Benaki-Museum.

Bild 9  Maurice-Louis Branger, Schule von Raymond Duncan in Montfermeil, 1913, Fotografie, Parisienne de photographie collections Roger-Viollet.

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3. Abstraktion und Flächenstil

Bild 10  Albert Witzel, Ted Shawn in „Gnossienne“, 1919, Fotografie, 21 × 15 cm, Denishawn Collection, New York Public Library.

falls von der minoischen Kunst47 inspiriert waren und das mit den Konventionen des klassischen Ballets brach.48 Da zu der Choreografie zahlreiche Untersuchungen vorliegen, seien im Folgenden nur einige Details erwähnt:49 Während des elfminütigen Stückes vermit­ telten die Tänzer den Eindruck eines zweidimensionalen Bühnenraums. Sie zeigten ihre Köpfe und Beine im Profil, während ihre Oberkörper frontal zum Publikum

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frühen 5. Jahrhundert v. Chr., während Duncan mehr an der hellenistischen Skulptur orientiert war. In: Ders.: „The Afternoon of a Faun“ and the Interrelation of the Arts, in: The Journal of Aesthetics and Art Criticism 2/10 (1951), S. 109. Vgl. Nicoletta Momigliano: Modern Dance and the Seduction of Minoan Crete, in: Seduction and Power. Antiquity in the Visual and Performing Arts, hg.  v. Silke Knippschild  / Marta García Morcillo, London/Neu Delhi/New York 2013, S. 4–55. Vgl. Bellow: Modernism on Stage, S. 14. Obwohl er in der klassischen Tanztechnik trainiert war, kam Nijinsky mit dem „Faun“ dem Ausdruckstanz schon sehr nah. Vgl. Gunhild Oberzaucher-Schüller: Unglückliche Liaison, Unvereinbarkeit der Charaktere oder späte Liebe? Die Ballets Russes und Mitteleuropa, in: Schwäne und Feuervögel. Die Ballets Russes 1909– 1929. Russische Bildwelten in Bewegung, hg. v. Claudia Jeschke / Nicole Haitzinger, Leipzig 2009, S. 130. Das Ballett wurde von Ann Hutchinson Guest und Claudia Jeschke auf Basis von Nijinskys Notation rekonstruiert. In: Dies.: Nijinsky’s Faune Restored. A Study of Vaslav Nijinsky’s 1915 Dance Score L’Après-midi d’un Faune and his Dance Notation System, Amsterdam 1997.

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I. Befreien

Bild 11  Adolphe de Meyer, Nijinsky und eine Tänzerin aus dem Album „Sur le Prélude à l’après-midi d’un faune“, 1914, Kollotypie, 14,8 × 14 cm, Paris, Musée d’Orsay.

gerichtet waren (Bild  11). Auch diese Choreografie beruhte auf antiken Schemata: Nijinsky soll dazu Objekte aus der Abteilung für antike Keramik des Louvre als Modelle verwendet haben.50 Seine Tänzerinnen berichteten, dass er die Posen wie ein Bildhauer in ihre Körper „meißelte“.51 Dalcroze, der Erfinder der rhythmischen Gymnastik, kritisierte, dass die Choreografie des Stückes durchgehend von den statischen Posen der Hauptdarsteller bestimmt wurde und nicht von der Dynamik der Tanzbewegung selbst.52 ­Ähnlich

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Jean-Michel Nectoux: Nachmittag eines Fauns. Mallarmé, Debussy, Nijinskij, de Meyer. Dokumentation einer legendären Choreographie, München 1989, S.  20; Ders.: Isadora et Nijinski. Danser l’antique, in: Imago Musicae. International Yearbook of Musical Iconography 25 (2012), S. 187–200. Vgl. Hanna Järvinen: Dancing without Space – On Nijinskys L’après-midi d’un faune (1912), in: Dance Research 1/27 (2009), S. 41. „Ich meine, in ihrem Gliederspiel war stets die Haltung Ausgangspunkt und niemals die Bewegung selber.“ Émile Jaques-Dalcroze: Rhythmus, Musik und Erziehung (unveränd., reprograph. Nachdr. d. Ausg. Basel 1921), übers. v. Julius Schwabe, Göttingen/Wolfenbüttel 1977, S. 174.

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3. Abstraktion und Flächenstil

wie Levinson und Bie kam er zum dem Schluss: „Notwendig und innerlich berechtigt ist es, wenn die bildenden Künste, denen das zeitliche Nacheinander nicht zu Gebote steht, zum Ausdruck einer Synthese eine Körperstellung festhalten. Unwahr und unnatürlich wirkt es jedoch, wenn der Tänzer diese Synthese zum Ausgangspunkt seines Tanzes macht und die Bewegung dadurch vorzutäuschen sucht, daß er eine ganze Reihe solcher Haltungen, durch Gebärden verbunden, aufeinander folgen läßt, anstatt zum Urquell des plastischen Ausdrucks, zur Bewegung selber, zurückzukehren.“53 Nur in Duncans Tanz bemerkte Dalcroze, im Gegensatz zu anderen, den Versuch, antike Posen dynamisch miteinander zu verbinden, weshalb er ihn als eine lebendige und überzeugende Darbietung hervorhob. Dieses Lob könnte Duncans Bezugnahme auf ein rhythmisch-dynamisches Linienschema zu verdanken sein (wie zuvor herausgestellt).54 Obwohl der Ursprung von Nijinskys „Faun“ in antiken Schemata zu finden war, empfanden viele Rezipienten das Stück als seiner Zeit voraus. Den darin vorherrschenden Stil bezeichneten die Kritiker als kubistisch – schließlich war er geprägt durch gerade Linien, Ecken, eine flache Erscheinung der Körper und – wie Dalcroze es beschrieb – einen Mangel an Bewegung.55 Inspiriert von der Antike und als modern interpretiert, wurde die Performance zum ersten kubistischen Tanz.56 Palmer-Sikelianos’ Beschreibung des eckigen Stils, der schon eine Verbindung mit der archaischen Periode bezeichnete, findet sich darin wieder. Der antike Tanz wurde mit Hilfe eines Vokabulars interpretiert, das aus dem Umgang mit der zeitgenössischen Kunst hervorgegangen war. Zum nächsten Stück, das von Nijinsky choreografiert wurde, „Jeux“ von 1913, bemerkte ein Kritiker ironisch bezüglich der Formung der Tänzerinnen: „[He was] showing us his pictorial erudition by twisting the fragile limbs of [the dancers] Karsavina and Ludmilla Schollar in the name of Matisse, Metzinger and Picasso.“57 Zeitgenössische Künstler wurden also für den flachen, eckigen Stil als Inspirationsquelle ausgemacht, den Nijinsky in seiner Wertschätzung ihrer Werke übernahm und anschließend im Tanz umsetzte. Außerdem war „Jeux“ das Stück, in dem

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Ders., S. 175. Ders., S. 174, Fn. 1. Charles Tenroc: „Nijinski va faire dans l’après-midi d’un faune des essais de choréographie cubiste“, in: Comœdia, 18. April 1912. Vgl. Davinia Caddy: The Ballets Russes and Beyond: Music and Dance in Belle-Époque Paris, New York 2012, S. 98. Hanna Järvinen hatte den „Faun“ mit dem Kubismus bereits ansatzweise in Verbindung gebracht. In: Dies.: Dancing without Space, S. 28–64. Émile Vuillermoz: „La Saison Russe au Théâtre des Champs-Elysées“, 15.  Juni, La Mercure Musical 9 (1913), Paris, S. 53. Vgl. Millicent Hodson: Three Graces and Disgraces of Jeux, in: Nijinsky’s Bloomsbury Ballet. Reconstruction of Dance and Design for JEUX, hg.  v. ders., Hillsdale, NY 2008, S. 12.

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I. Befreien

„[…] everything is at an angle. […] [It] is conceived in the vein of the Cubists. It is a triumph of angularity […].“58 Und das russische Ballett „[…] is to choreographic art what cubism is to painting“59. Die vom neuen Tanz bevorzugten Körperformationen wurden mit dem Kubismus gleichgesetzt. Duncans Tanz hingegen verstanden die Rezipienten weiterhin als Rekonstruktion des antiken Tanzes, auch wenn Duncan alles versuchte, um ihre Kunst als eine moderne Neuschöpfung (aus dem Geist der Antike) zu vermarkten.60 Aufgrund des runden Stils wurde er als altmodisch angesehen, während Nijinksy und seine Tänzer mit den modernsten Kunstbewegungen verglichen wurden.61 Als eine Kunstform, die noch nicht hinreichend etabliert war, und um ihn zu verstehen, einzuordnen und zu akzeptieren, wurde der Tanz mit der bildenden Kunst verglichen. Geometrische Form, Fläche und Linie waren nicht nur die zentralen Kompositionselemente der abstrakten Malerei, sondern auch des modernen Tanzes. Die Abstraktionprozesse in bildender Kunst und Tanz pendelten zwischen Antike und Avantgarde.

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Morning Post, 26. June 1913; vgl. Hodson: Jeux, S. 209. „Nijinsky Shocks Paris with Tennis Dance“, New York Tribune (17 May 1913). Vgl. Hodson: Jeux, S. 215. Tim Scholl: From Petipa to Balanchine. Classical Revival and the Modernization of Ballet, London 1994, S. 52. Caddy: Ballets Russes and Beyond, S. 101.

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Farbtafeln

Farbtafel 1  Rudolf Belling, Dreiklang, 1919 (Holzfassung 1924), Birkenholz auf Mahagoni gebeizt, 91 × 77 × 77 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.

Farbtafel 2  Sophie Taeuber-Arp, „13 Figuren“, 1926, Gouache auf Papier, 27,5 × 20 cm, Paris, Galerie Denise René.

Farbtafel 3  Sophie Taeuber-Arp, „Abstraktes Motiv (Masken)“, 1917, Gouache auf Papier, 34 × 24 cm, Berlin/Rolandseck, Stiftung Arp e. V.

Farbtafeln

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Farbtafel 4  „Tänzer“, Freskenzyklus aus der Villa di Cicerone in Pompeji (18.01.1749), Detail, 1-37 d. C., 30,5 × 161,5 cm, Neapel, Museo Nazionale Archeologico.

Farbtafel 5  Sonia Delaunay, „Bal Bullier“, 1913, Öl auf Matratzenstoff, 97 × 390 cm, Paris, Centre Pompidou.

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Farbtafeln

Farbtafel 6  Emil Nolde, „Exotische Figuren I (Fetische)“, 1911, Öl auf Leinwand, 64,5 × 78 cm, Dauerleihgabe an das Franz Marc Museum, Kochel am See (Seebüll, Nolde Stiftung Seebüll).

Farbtafel 7  Emil Nolde, „Exotische Figuren II“, 1911, Öl auf Leinwand, 65 × 78 cm, Seebüll, Nolde Stiftung Seebüll.

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Farbtafeln

Farbtafel 8  Sonia Delaunay, Kostüm für Cléopâtre im gleichnamigen Ballett, 1918, Seide, Pailletten, Wollgarn, Spiegel und Perlen, geflochtener Metallfaden, Lamé, Rückenlänge 114,62 cm, Kopf­bedeckung 57,63 × 37,15 × 32,07 cm, Los Angeles, County Museum of Art. Farbtafel 9  Sonia Delaunay, „Simultanrobe“, 1913, Leinen, Baumwolle, Tüll und Seide, Privat­sammlung.

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Farbtafeln

Farbtafel 10  Sonia Delaunay, Entwurf für das Kostüm der Cléopâtre, 1918, Zeichnung, Wasserfarbe, Goldstift und Graphit auf Papier, 47 × 32,7 cm, New York, Metropolitan Museum of Art.

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Farbtafeln

Farbtafel 11  Auguste Rodin, „Kambodschanische Tänzerin“, 1906, Aquarell, Gouache und Bleistift auf cremefarbenem Papier, Paris, Musée Rodin.

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Farbtafeln

Farbtafel 12  Marianne Brandt, „Palucca tanzt“, 1929, Plakat, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett.

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Farbtafeln

Farbtafel 13  Mary Wigman, Skizze zum „Totenmal“, 1930, Zeichnung, Berlin, Akademie der Künste, Mary Wigman Archiv.

Farbtafel 14  Vaslav Nijinsky, „Bögen und Segmente: Linien“, 1918/19, Wachskreide und Bleistift auf Papier, 29 × 37,5 cm, Hamburg, Stiftung John Neumeier.

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Farbtafeln

Farbtafel 15  Vaslav Nijinsky, „Porträt“, 1918, Pastell auf Papier, 24,5 × 20 cm, Nijinsky Nachlass.

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Farbtafeln

Farbtafel 16  Piet Mondrian, „Broadway Boogie Woogie“, 1942–43, Öl auf Leinwand, 127 × 127 cm, New York, Museum of Modern Art.

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Farbtafeln

Farbtafel 17  Theo van Doesburg, „Rhythmus eines russischen Tanzes“, 1918, Öl auf Leinwand, 135,9 × 61,6 cm, New York, Museum of Modern Art. Farbtafel 18  Sophie Taeuber-Arp, „Komposition Aubette“, 1927, Öl auf Pavatex, 111 × 44 cm, Locarno, Fondazione Marguerite Arp-Hagenbach.

Farbtafel 19  Josef Albers, „Fuge“, 1925, Milchglas mit aufgebrannter, roter Oberflächenschicht, mit Sandstrahlgebläse ausgeschliffen, stellenweise mit schwarzer Konturfarbe bearbeitet und im Trockenofen aufgeschmolzen, 24,5 × 66 cm, Basel, Kunstmuseum Basel.

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Farbtafeln

Farbtafel 20  Ernst Ludwig Kirchner, „Der Tanz zwischen den Frauen“, 1915, Öl auf Leinwand, 121,1 × 91,4 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen.

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Farbtafel 21  Piet Mondrian, „Komposition mit Schwarz, Grau, Rot, Gelb, Blau“, 1920, Öl auf Leinwand, 100,5 × 101 cm, London, Tate Gallery.

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Farbtafeln

Farbtafel 22  Beleuchtetes Tanzparkett im Stil der siebziger Jahre.

Farbtafel 23  Korean Dance Master, Video, YouTube.

Farbtafel 24  „Dance Mat Pad“ für Play Station 2.

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Farbtafeln

Farbtafel 25  Merce Cunningham und Robert Rauschenberg, „Summerspace“, 1958, Fotografie.

Farbtafel 26  Merce Cunningham und Rei Kawakubo, „Scenario“, 1997, Fotografie.

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Farbtafeln

Farbtafel 27  Tänzerin des Berliner Staatsballetts im Bode-Museum vor Antonio Canovas „Tänzerin“, 2016, Fotografie, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Bode-Museum.

II. Verändern

1. „Paläste aus Schwüngen“ Um 1900 entstand am Monte Verità bei Ascona die Kolonie der Lebensreformer.1 Die Gründer lehnten das bürgerliche Leben in den industrialisierten Städten ab, um in der malerischen Natur am Lago Maggiore alternative Lebensentwürfe auszuleben.2 Einige Prinzipien der Lebensreformer spielten auch in den Anfängen des modernen Tanzes eine Rolle, wie die Idealvorstellungen von einem ‚natürlichen‘, ‚reinen‘ und gesunden Körper, was unter anderem durch das Leben in der Natur und dem Tragen von weiter und luftdurchlässiger Kleidung zu erreichen erhofft wurde (beispielsweise bei Duncan und Laban). Im Ersten Weltkrieg wurde Ascona, neben Zürich und Bern, zunehmend zur Pilgerstätte für europäische, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum stammende Künstler.3 1 2

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Vgl. Ausst.-Kat.: Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, hg. v. Kai Buchholz, Darmstadt 2001. 1920 verließen die Gründungsmitglieder die Schweiz wieder und der Monte Verità wurde einzig als Hotel genutzt. Vgl. zur Übersicht auch: Ausst.-Kat.: Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie, hg.  v. Gabriella Borsano  / Othmar Birkner, Mailand 1978; Andreas Schwab: Monte Verità. Sanatorium der Sehnsucht, Zürich 2003; Stefan Bollmann: Monte Verità. 1900. Der Traum vom alternativen Leben beginnt, München 2017. Für eine Chronik siehe: http:// www.monteverita.org/de/82/chronik.aspx (28. 07. 2017). Darunter die Dadaisten Ball und Emmy Hennings (die einige Zeit im Tessin lebten), Arp, Taeuber-Arp und andere, die von Zürich aus Ausflüge dorthin machten. Vgl. Theo Kneubühler: Die Künstler und Schriftsteller und das Tessin (von 1900 bis zur Gegenwart), in: Ausst.Kat.: Monte Verità. Berg der Wahrheit, S. 156. Hans Richter kommentierte die lebhaften Verbindungen der Laban-Schülerinnen mit den Dada-Künstlerinnen und -Künstlern: „War das Odeon unser irdisches Hauptquartier, so war Labans Tanzschule unser himmlisches. Dort trafen wir die jungen Tänzerinnen der Generation: Mary Wigman, Maria Vanselow, Sophie

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II. Verändern

Was die bildende Kunst anbetraf, wies Ascona, außer Marianne von Werefkin und ihrer Künstlergruppe „Großer Bär“, jedoch kaum eigene anspruchsvolle Ambi­ tionen auf. Dies mag daran gelegen haben, dass viele der Künstler vor allem aus Neugier oder zur Erholung nach Ascona kamen. Der Ort diente ihnen als Inspirationsstätte und Treffpunkt, wo Kontakte geknüpft wurden, die dann jedoch an anderen Orten, meist in den Großstädten, wieder aufgegriffen wurden. Die wichtigsten künstlerischen Erneuerungen brachte der Tanz hervor.4 Vor allem Labans Sommerschule, die zwischen 1913 und 1917 geöffnet hatte, zog bedeutende Tänzerinnen wie Wigman oder Suzanne Perottet nach Ascona. Auch Duncan soll den Berg 1913 besucht haben. Insbesondere profitierten auch Wigman und Taeuber-Arp von den tänzerischen Aktivitäten, die Laban nach Ascona und Zürich brachte. Wigman war zunächst Schülerin bei Dalcroze in Hellerau. Nolde soll ihr nahegelegt haben, Laban am Monte Verità zu besuchen: „Er [Laban] bewegt sich wie Sie und tanzt wie Sie – ohne jede Musik.“5 In der Biografie Wigmans versucht Hedwig Müller deren Gründe für die Abkehr von Hellerau und die Hinwendung zu Laban mit

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Taeuber, Susanne Perottet, Maja Kruscek, Käthe Wulff und andere. […] Durch diesen sehr persönlichen Kontakt – nicht zu vergessen Labans revolutionären Beitrag zur Choreographie – wurde schließlich die ganze Labanschule in die Dada-Bewegung verwickelt. Ihre Mitglieder tanzten in den ‚Kaufleuten‘. Vor den abstrakten Dekorationen von Arp und mir, den Gurkenplantagen, flatterten die Tänzerinnen mit den abstrakten Masken von Janco wie Schmetterlinge von Ensor, wohl diszipliniert und dirigiert nach der Choreographie, die Käthe Wulff und Sophie Taeuber nach dem Laban-System aufgeschrieben hatten.“ Vgl. Hans Richter: Dada – Kunst und Antikunst. Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1978, S. 71. Auch Paul Klee besuchte den Ort im Jahr 1920. Georg Kolbe, Henry van de Velde und Rudolf Belling verkehrten dort 1924 und El Lissitzky besuchte Ascona, als er 1925 als Kurgast in der Gegend weilte. 1927 gastierten dort einige Bauhäusler, unter ihnen Walter Gropius, Xanti Schawinsky und Oskar Schlemmer. (In Kapitel 4 wird eine Fotografie besprochen, die Schlemmer in Ascona zeigt, S. 106 f.) Vgl. Ausst.-Kat.: Monte Verità. Berg der Wahrheit, S. 6; Mona De Weerdt / Andreas Schwab (Hg.): Monte Dada. Ausdruckstanz und Avantgarde, Bern 2018. Walter Schönenberger: Monte Verità und die theosophischen Ideen, in: Ausst.-Kat.: Monte Verità. Berg der Wahrheit, S. 74; vgl. Simon Baur: Ausdruckstanz in der Schweiz. Anregungen, Einflüsse, Auswirkungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wilhelmshaven 2010. Walter Sorell: Mary Wigman. Ein Vermächtnis, Zürich 1986, S. 35. Nolde schenkte Wigman auch einen Druck von seiner „Tänzerin“ von 1911. Auch er interessierte sich bekanntermaßen für den Tanz als Sujet, wobei er berichtete, dass nicht nur er vom Tanz beeinflusst war, sondern die Tänzer wiederum von seinen Bildern: „Es gaben die Tänzerinnen Anregungen zu meinen Bildern, und diese wohl auch einiges den Tänzerinnen wieder“, so Nolde. Vgl. dazu Hedwig Müller: Mary Wigman. Leben und Werk einer großen Tänzerin, Weinheim/Berlin 1986, S. 31; Andreas Fluck: Der Tanz im Schaffen Emil Noldes, in: Nolde in Berlin. Tanz, Theater, Cabaret hg. v. Manfred Reuther, Köln 2007, S. 101–111; Angela Alves: Exotisch-ekstatische Bewegungen – Emil Nolde und der Tanz, in: Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“, S. 34–39.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

der Vorliebe für die moderne Kunst zu begründen: Während in Hellerau die Antike das künstlerische Vorbild gewesen sei, sei Wigman eher am Expressionismus interessiert gewesen, den Laban, wie es noch gezeigt wird, in seinen Schriften auch des Öfteren erwähnte.6 Wigmans Verbindung zu Ernst Ludwig Kirchner legt diese Interpretation auch nahe, oder war wahrscheinlich viel mehr ausschlaggebend dafür.7 Laban und Wigman sowie Taeuber-Arp waren darüber hinaus an den Aktivitäten eines Kongresses für den „Ordo Templis Orientis“ (kurz „O.T.O“, Orientalischer Templerorden) beteiligt, der zwischen dem 19. und 25. August 1917 am Monte Verità stattfand.8 Der Orden hatte dort eine Loge, zu deren Oberhaupt Laban ernannt worden 9 war. Das Programm bestand aus Tanzaufführungen und Vorträgen, bei denen auch Arp und Ball als Zuschauer anwesend waren.10 Letzterer stellte diese Ereignisse um   6

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Müller: Mary Wigman, S.  32. Der Grund für Wigmans Wechsel mag sicherlich auch darin gelegen haben, dass die Dalcroze-Methode weniger für sie als kreative, freie Solotänzerin  geeignet war, sondern vielmehr ein festes System vorgab, nach dem die Schüler sich strenger zu richten hatten, als es vielleicht bei Laban der Fall war. Vgl. Kapitel V, S. 185 f. Die Beschäftigung mit theosophischen und anthroposophischen Lehren sowie die Mitgliedschaft in Bruderschaften und Orden, die etliche Protagonistinnen und Protagonisten dieser Untersuchung verfolgen, kann hier nur implizit erwähnt werden. Auf diesem Gebiet liegt ein bisher vernachlässigtes Interessenfeld, vor allem was die Teilnahme von Tänzerinnen/ Tänzern und bildenden Künstlern angeht. Insbesondere die Geschehnisse um die Loge am Monte Verità mit Wigman, den Arps, Ball und Laban bedürfen weiterer Recherchen. Darüber hinaus lassen auch die Auftritte von Dada-Künstlern noch viele Fragen offen. Vgl. Witzmann: „Dem Kosmos zu gehört der Tanzende“, in: Ausst.-Kat.: Okkultismus und Avantgarde, S. 600– 645, hier besonders S. 616 f.; Giovanni Lista: Loïe Fuller oder die Macht des Geistes, in: Ausst.-Kat.: Okkultismus und Avantgarde, S. 588–593; Patrizia Veroli: Der Tänzer des Unsichtbaren, in: Ausst.-Kat.: Okkultismus und Avantgarde, S. 646–653; Anna Carlisle / Valerie Preston-Dunlop: Living Architecture Lecture Demonstration. From the Esoteric to the Choreographic, in: The Dynamic Body in Space. Exploring and Developing Rudolf Laban’s Ideas for the 21st Century, hg. v. Valerie Preston-Dunlop / Lesley-Anne Sayers, Alton 2010, S. 40–45. Vgl. Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Bd. 2: Licht und Finsternis. Gnostisch-theosophische und freimaurerisch-okkulte Geheimgesellschaften bis an die Wende zum 20. Jahrhundert. Wege in die Gegenwart. Geschichte ihrer Lehren, Rituale und Organisationen, Graz 1978, S. 461 und 508 ff. Vgl. Edmund Stadler: Theater und Tanz in Ascona, in: Ausst.-Kat.: Monte Verità. Berg der Wahrheit, S. 130. Ball berichtete: „Vor etwa zwei Monaten fand in Ascona ein Kongreß statt, dessen Sitzungen ein seltsames Publikum vereinigten. Niemand hätte dem kleinen Fischerdorf eine so interessante Fremdenkolonie zugetraut, wie sie sich hierbei in den einfachen, aber eleganten Landhäusern auf dem Monte Verità zusammenfand. Aber Ascona ist heute ein Hauptsitz von Vertretern und Anhängern der okkulten Wissenschaften, und so brachte der Kongreß des ‚Ordo Templi Orientalis‘ im August […] nachhaltigeres Leben in die ortsansässigen Zirkel.“ Vgl. ders.: Der Künstler und die Zeitkrankheit. Ausgewählte Schriften, hg. v. Hans Burkhard Schlichting, Frankfurt/M. 1984, S. 54.

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II. Verändern

Laban in der Schweiz als künstlerisch vielversprechend heraus: „Seit Herr von Laban seine Tanzschule von München 1913 nach Zürich verlegt hat, hat sein Institut an Bewußtsein und Umfang des Studienplans sehr zugenommen. Die Laban-Schule ist heute in notwendiger Ausgestaltung ihres Grundgedankens weit über das hinausgewachsen, was eine Tanzschule herkömmlicher Art dem jungen Eleven zu bieten hat. Sie hat sich zu einem Institut entwickelt, das sich nicht nur die Ausbildung des Könnens, sondern schon die Erziehung zum Künstler angelegen sein läßt.“11 Ball berichtete, dass Laban für seine Schüler eine umfassende Ausbildung vorsah, die nicht nur das Studium des Tanzes, sondern auch jenes der bildenden Kunst (sowie Musik und Rhetorik) beinhaltete. Er hebt besonders hervor, dass die Tänzer unter dieser Obhut zu eigenständigen „Künstlern“ heranwachsen konnten. Wie dem Programm von Labans „Schule für Kunst“ zu entnehmen ist, wurden dort in einer Art Universalausbildung sowohl Tanz, Gesang, Rhythmusübungen und Rhetorik wie auch bildende Kunst sowie handwerkliche und alltägliche Tätigkeiten wie Gartenarbeit gelehrt (Bild 12).12 Ball verwies bezüglich dieses universalen Ansatzes der Schule auf ein künstlerisches und zugleich spirituelles Verständnis, das auf der Idee des Gesamtkunstwerks basierte:13 „Der Eleve soll neben der Pflege seiner geistigen und physischen Talente auch Gelegenheit erhalten, die Zusammenhänge seiner Kunst im rhythmischen und kulturellen Ganzen zu erfassen. Er soll sich nicht nur als Individuum, sondern als Teil des Kosmos und im Gesamtkunstwerke empfinden, und so erweist sich die Theorie der beiden leitenden Persönlichkeiten, R.  von Labans und Mary Wigmans, als eine künstlerische Gemeinschafts- und Festspielidee von reichen und produktiven Möglichkeiten.“14 Von Taeuber-Arp kann neben dem Auftritt bei dem Ordenskongress lediglich ein weiterer Auftritt im Dada-Kontext nachvollzogen werden. Sie tanzte beim Eröffnungsfest der Galerie Dada am 29. März 1917 in Kostümen von Arp und zu Lautge­ dichten Balls.15 Darüber hinaus fand ein Auftritt einer Gruppe von Labanschülerinnen 11 12

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Ebd. In der Frauensiedlung Loheland in der Rhön wurde ebenfalls die gymnastische und tänzerische Lehre mit handwerklichen Tätigkeiten, bildender Kunst und Landbau verbunden. Vgl. Elisabeth Mollenhauer-Klüber: Entwicklung Raum geben. Bauelemente Lohelands, in: Dieter Griesbach-Maisant  / Sören Wolf (Hg.): Die Frauensiedlung Loheland in der Rhön und das Erbe der europäischen Lebensreform, Darmstadt 2016, S. 51 f., vgl. S. 156. Harald Szeemann nahm das Werk Labans auch in seine Ausstellung zum Gesamtkunstwerk auf. Vgl. Ausst.-Kat.: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, hg. v. dems., Aarau 1983, S. 339–342. Ball: Der Künstler und die Zeitkrankheit, S. 55. Vgl. Walburga Krupp: „Echte Indianer“. Sophie Taeuber-Arps Frühwerk im Hinblick auf fremde Kulturen, in: Ausst.-Kat.: Dada Afrika: Dialog mit dem Fremden, hg.  v. Ralf Burmeister  / Michaela Oberhofer / Esther Tisa Francini, Zürich 2016, S. 52.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 12  Rudolf Laban, Prospekt der „Schule für Kunst“, 1913, Ascona, Fondazione Monte Verità, Casa Anatta.

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II. Verändern

im selben Jahr statt.16 Wigman und Laban nahmen auch als Zuschauende an Veranstaltungen im Dada-Umkreis teil.17 Wigman berichtete: „Wissen Sie übrigens, daß auch ihre Freundin M. W. an der Entstehung des Dadaismus aktiv beteiligt war? Was für gottvolle Feste wir in meiner Zürcher Wohnung gefeiert haben! […] Und all die Leute des Café Voltaire gingen bei mir ein und aus. Tristan Tzara, Hans Arp, Hugo Ball und Emmy Hennings, etc. etc.“18 Um zu verstehen, dass, warum und wie eine gegenseitige Beeinflussung von bildender Kunst und Tanz stattgefunden hat, die nicht nur auf Auftritten, Feiern und Bekanntschaften beruhte, sind Labans Ideen, sein Werk und sein Einfluss auf seine Schülerinnen genauer zu untersuchen. Zwischen 1900 und 1910 absolvierte Laban ein Studium der bildenden Kunst und Architektur in München, Paris und Wien.19 Er war als Choreograf zunächst in der Schweiz und Deutschland tätig, doch als sein Programm für einen Bewegungschor bei den Olympischen Spielen 1936 von den Nationalsozialisten abgelehn wurde, fand seine Karriere in Deutschland ein baldiges Ende.20 Er emigrierte 1937 zunächst nach Frankreich und 1938 dann nach Großbritannien, wo er bis zu seinem Tod lebte. Laban prägte den deutschen Ausdruckstanz maßgeblich, wobei er seine Arbeit durch schriftliche Abhandlungen untermauerte, die tanz- und kulturphiloso16 17 18 19

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Ebd. Ball berichtete bezüglich eines Lautgedicht-Auftritts: „Im Publikum sah ich […] Laban, Frau Wigman.“ Richter: Dada – Kunst und Antikunst, S. 42. Sorell: Wigman, S. 129. Laban ist in den letzten Jahren auch in Deutschland wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt worden. Sein Aufenthalt in den Kunstzentren Paris, München und Wien zwischen 1900 und 1910 und seine Verbindungen zu Künstlern und Gelehrten dieser Zeit sind nur spärlich dokumentiert. Ebenso verhält es sich mit dem Zeitraum zwischen ca. 1913 und 1917, in dem sein Tanzunterricht am Monte Verità stattfand. Auch wurde sein umfangreiches Werk an Zeichnungen, Malereien, Modellen und Skulpturen archivarisch kaum aufgearbeitet und benötigt dringend ein Werkverzeichnis. Diese enorm umfangreichen Detailarbeiten harren aufgrund einer (noch) unzureichenden Quellenlage erst noch einer Initiative. Es sollte weiterhin Material zu Tage gefördert werden, um das Gesamtbild zu vervollständigen. Aufgrund seiner Emigration nach Großbritannien ist sein Nachlass weitgehend dort archiviert, und auch seine Bekanntheit ist dort ungleich größer als in Deutschland, wie schon allein an dem von dem Architektenduo Herzog & De Meuron entworfenen imposanten Bau des „Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance“ in London zu sehen ist. Vgl. dazu Sarah Burkhalter: „Living Architecture“. Skin and Dynamics in the Laban Centre, in: Preston-Dunlop: The Dynamic Body in Space, S. 28–39. Dies mag zum einen an der Emigration liegen, aufgrund derer ein wichtiger Teil seines späteren Schaffensprozess in Groß­ britannien erfolgte, und zum anderen daran, dass ein Teil seines Nachlasses in Deutschland im Krieg zerstört worden ist. Der Tanzkritiker Walter Sorell beschrieb den Interessenkonflikt zwischen den Nationalsozialisten und den Ausdruckstänzern folgendermaßen: „Was den Nazis ursprünglich an Laban und Wigman gefiel, waren ihre Fähigkeiten, durch den Massenaufmarsch von sich bewegenden Körpern Feierlichkeit zu demonstrieren, doch auch Labans Konzept der Cho-

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1. „Paläste aus Schwüngen“

phische Ansätze in sich bargen. Vor allem in der Schrift „Die Welt des Tänzers“ von 1920 entwickelte er eine Art vitalistische Theorie der bildnerischen und tänzerischen Praxis, womit er in eine Traditionslinie mit der Einfühlungstheorie Lipps und den Kunsttheorien Klees und Kandinskys gestellt werden könnte.21 Er erkannte die künstlerischen Ausdrucksformen vom Zeichnen bis zum Tanz als miteinander verbunden an und gestand jeglichen Elementen der Gestaltung wie beispielsweise Bildern oder Zeichen eine diesen inhärente Lebendigkeit zu, die der Betrachter in sie hineinlegt und durch seine eigene Lebendigkeit dynamisiert und die ihm dann wiederum entgegentritt. In der „Welt des Tänzers“ wird besonders deutlich, warum Laban auch die bildnerische Tätigkeit als elementar für die tänzerische Ausbildung verstand. Umrisse von Gegenständen oder in Bildern veranschaulichten ihm zufolge Körperspannungen.22 Auch Schriften seien „abstrakte Spannungsdarstellungen“.23 Wenn der Tänzer tanzte (oder vielleicht auch zeichnete), so übertrug sich der Spannungsmoment seiner Bewegung als Linie, so Laban:24 „Der Tänzer hat die ‚sprechende‘

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reosophie vom tanzenden Weltgeist. Andererseits waren die Kulturbonzen bereit, alles Individualistische und Expressionistische zu verdammen und zu unterdrücken: das, was das Essentielle am Ausdruckstanz war und ist. Man war nicht gewillt, ein persönliches Gefühl, geschweige denn einen Gedenken ausdrücken zu lassen, wenn er sich nicht innerhalb der vorgeschriebenen Bahnen nationalsozialistischen Denkens bewegte.“ In: Sorell: Wigman, S. 189. Im Sommer 1936 fand die Hauptprobe von Labans Stück „Vom Tauwind und der neuen Freude“, bestehend aus sechzig Bewegungschören, statt, das den Auftakt zu den Olympischen Spielen bieten sollte. Kurz danach kam es zur Absetzung des Stückes durch die Nationalsozialisten und zur Schließung von Labans Schulen. Außerdem wurde seine Arbeit als staatsfeindlich eingestuft, aufgrund der Teilnahme von jüdischen Schülerinnen und Schülerin in seinem Ensemble. Er wurde auf Schloss Banz in Franken interniert und floh anschließend aus Deutschland. Vgl. Rudolf Laban: Ein Leben für den Tanz. Faksimiledruck der Ausgabe von 1935, hg. v. Claude Perrottet, Bern/Stuttgart 1989, S. 244. In seinen Memoiren „Ein Leben für den Tanz“ von 1935 verwendet Laban an einigen Stellen ein völkischrassistisches Vokabular, das ihn als geprägt von der nationalsozialistischen Ideologie ausweist (vgl. ders., S. 147 und 164). Lillian Karina und Marion Kant belegten, „[…] daß vor der Zurechtweisung bzw. teilweisen Ablehnung durch die Nationalsozialisten die bedingungslose Unterwerfungsbereitschaft dieser Tanzkünstler (Laban und Wigman) vorgelegen hat“. In: Dies.: Tanz unterm Hakenkreuz. Eine Dokumentation, Berlin 1996, S. 176; Yvonne Hardt: Ausdruckstanz und Bewegungschor im Nationalsozialismus, in: Körper im Nationalsozialismus. Bilder und Praxen, hg. v. Paula Diehl, München 2006, S. 173–189. Lipps war von 1894–1914 Professor am Lehrstuhl für Philosophie in München, also zur gleichen Zeit, als Laban dort studierte. Eine Kenntnis Labans von dessen Lehren ist sehr wahrscheinlich. Auch Kandinsky hielt sich in diesem Zeitraum in München auf, ebenso wie Klee. Rudolf Laban: Die Welt des Tänzers. Fünf Gedankenreigen, Stuttgart 1920, S. 26. Ebd. Ders., S. 35

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II. Verändern

Macht seiner Gebärde auf ein Liniengefüge übertragen, indem er es den in seiner Gebärde wirkenden Spannungen ähnlich schuf.“25 Darüber hinaus konstatierte Laban, dass jeglicher geformter Gestalt die Kraft ihrer Produktionsbedingungen noch inhärent sei. In der äußeren Form von Gegenständen „lebten“ solche in sie hineingelegten „Formspannungen“ und kämen dem Betrachter wiederum entgegen:26 „Wenn der Tänzer seine Bewegung durch ein ihren Spannungen ähnliches Liniengebilde niederschreibt, in einen Stein ritzt, einen ihr ähnlichen Knoten bindet, so läßt er einen dauernden Abdruck seiner flüchtigen Erregung zurück, den ein anderer später wieder entziffern kann. Ein äußeres Symbol, Schriftzeichen, ist entstanden.“27 Auch wenn ein gestaltetes Objekt nur so aussieht, als wäre es durch Bewegung und einen gewissen Kraftaufwand des Körpers entstanden, würden ihm vom Betrachter automatisch diese Eigenschaften zugesprochen: „Ebenso sehen wir in Gegenständen, die im Umriß oder in ihren Formspannungen bestimmten menschlichen Gebärden (Begriffsgebärden, Gefühlsgebärden oder Körpergebärden) ähnlich sehen, Symbole der Erregung, die diesen Gebärden innewohnt.“28 Außerdem bemerkte Laban, dass die Wahrnehmung und die körperliche Bewegung des Menschen eng miteinander verknüpft seien: „Die Physiologie ist längst davon abgekommen, den Sitz des Denkens in einem bestimmten Organ, z. B. dem Gehirn, zu suchen. […] ‚Verstehen‘ ist im Grunde das Befolgen einer Erregung, einer Kraft, durch Bewegen […].“29 Tanzen, aber auch Zeichnen oder Schreiben waren für ihn Erkenntnisprozesse, die einte, dass sie über die körperliche Bewegung abliefen. Von dieser Auffassung her gelangte Laban zu seiner Symbiose aus Gestaltung und Tanz. Zeichnungen, Schriften, Modelle und Skulpturen waren bei seiner Konzeption eines neuen Tanzes allgegenwärtig. Und auch seinen Schülerinnen erteilte er eine umfassende Lehre, die nicht nur Tanz, sondern ebenso Kenntnisse in bildkünstlerischen Medien vermittelte. Tanz und bildende Kunst waren für ihn auf der Form begründete, gestalterische Tätigkeiten und somit ähnlichen Voraussetzungen unterlegen (der Tanz stand dabei natürlich im Vordergrund). Im Zuge einer solchen „Gestaltlehre des Tanzes“ wurden geometrische Strukturen zum Schlüsselbild.30 Ähnlich wie Kandinsky und Klee entwickelte Laban ein

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Ebd. Ders., S. 34. Laban kommt hier auch Warburgs Konzept der „Energiekonserve“ nahe. Ders., S. 35. Ebd. Ders., S. 59. Ders., S. 216–217.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Verständnis, in dem Zickzacklinien, Wellenlinien, eckigen Linien, Spiralen, Kreisen oder Bögen bestimmte Eigenschaften zukamen, die mit emotionalen oder körperlich-räumlichen Zuständen des Menschen verbunden wurden, wie Schwere, Schwingung, Dynamik, Ausgeglichenheit, Ruhe oder Bewegung.31 Außerdem bildeten Modelle und Zeichnungen von den fünf platonischen Körpern, insbesondere dem Zwanzigflächner „Ikosaeder“, den Ausgangspunkt seiner Forschung und machten seine Theorien visuell und haptisch greifbar. Der Ikosaeder wurde zum ‚Raumbild‘ und konnte die Tanzbewegungen visuell manifestieren, indem er den Tanzenden die Möglichkeiten der Öffnung des Körpers in den Raum hinein bewusst machte und die sogenannte „Kinesphäre“32 darstellte, also alle die Punkte im Raum um den menschlichen Körper herum, die innerhalb dessen Reichweite liegen. Mit Hilfe des Ikosaeders konnten die Tanzenden den Raum durch die geometrische Form und vor allem innerhalb derselben verstehen lernen.33 Der symmetrische Aufbau des platonischen Körpers konstruierte einen multiperspektivischen Umraum um sie herum, in dem sie agieren konnten. Zugleich brachte er die Vielzahl der tänzerischen Ausdrucksmöglichkeiten in eine systematische Ordnung. Laban baute den Ikosaeder und andere platonische Körper aus leichten Materialien wie Holz, Pappe und Bindfäden nach, wodurch er taktile Denkmodelle erhielt, durch die das Gefühl für die Auffaltung, Konstruktion und Statik der stereometrischen Körper erprobt werden konnte, wie es wohl eher Architekten für die Planung eines neuen Gebäudes üblicherweise tun. Zugleich dienten sie seinen Schülern aber auch als didaktisches Instrument, um ihnen die Erfahrung von gegenseitig wirkenden Kräften im Raum, von Spannung und Gegenspannung beizubringen, die sich in solchen Modellen manifestierten. Die Polyederkonstruktion aus Stäben und deren Verbindungselementen erhält ihre Stabilität durch ein ständiges gegenseitiges ‚Austarieren‘ der einzelnen Glieder. Vor allem der Ikosaeder diente der visuellen Modellierung von Bewegung im Raum. Durch ihn wurde der Tanz sichtbar, zugleich bildete er jedoch die Bewegung nicht zur Gänze ab, sondern war abstraktes Symbol der neuen tänzerischen Möglichkeiten. Wie in einer Zeichnung Labans nach 1938 (Carol-Lynne Moore berichtet allerdings, dass es bereits ähnliche frühe Arbeiten wie diese und folgende aus den Jahren 1912–1918 gibt) ersichtlich wird, wurden die Bewegungen der Tänzer nach

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Ders., S. 206–207. Vgl. Kirsten Maar: Zum Konzept der Kinesphäre bei Rudolf Laban, Richard Buckminster Fuller und William Forsythe, 2007, unter: http://www.transversale.org/beitrag/download/jb2_ maar.pdf (13. 02. 2019). Laban: Language of Movement, S. 88.

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II. Verändern

Bild 13  Rudolf Laban, „Drei Tänzer in einer ikosaedrischen Rahmenkonstruktion“, nach 1938, Zeichnung, Kohle, National Resource Centre for Dance, Laban Archive.

dem geometrisch strukturierten Raum organisiert und zugleich schufen sie ihn selbst neu (Bild 13).34 Insbesondere die Anfertigung von lebensgroßen Modellen diente als Hilfestellung für Tänzer, um die Bewegungen präzise auszuführen und den Raum vollständig zu nutzen. Etliche Fotografien, in denen Tänzer exemplarisch Posen innerhalb des Ikosaedermodells einnahmen, zeugen von diesem Gebrauch (Bild 14). Die Tänzer im Ikosaeder muten für die Betrachtenden merkwürdig an, da dessen Wirkung auf die Bewegung zunächst eher als einschränkend erscheint, denn als ­öffnend. Es ist jedoch dabei zu beachten, dass die Tanzreform um Duncan sich zwar vom Ballett entschieden abwendete und neue Bewegungsmöglichkeiten anvisierte, es dem neuen Tanz jedoch an Methodik fehlte und entsprechend an einer leitenden Konstante für solche Bewegungsmöglichkeiten. Dies konnte mit dem Ikosaedermodell nachgeholt werden, wie es Wigman beschrieb: „[…] Der Ballett-Tänzer war nicht für den Tanz geeignet, der Laban vorschwebte. Der moderne Tänzer war ja noch 34

Vgl. Sabine Huschka: Merce Cunningham und der Moderne Tanz. Körperkonzepte, Choreographie und Tanzästhetik, Würzburg 2000, S. 93.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 14  Rudolf Laban (?), Ikosaeder Tanz, 1925, Fotografie, Silbergelatine, 24,5 × 21 cm, Zürich, Bibliothek Kunsthaus Zürich.

nicht geboren. Laban mußte dieses neue Instrument selbst aufbauen und suchte dazu die Möglichkeiten.“35 Auch wenn diese Vermittlungstechnik aus heutiger Sicht nicht weniger statisch anmutet als das klassische Ballett, diente sie doch zur Abgrenzung von diesem. Die Zentralperspektive war aufgebrochen, zugleich verschwand die tänzerische Bewegung jedoch nicht im Chaos ihrer neuen Möglichkeiten, sondern hatte eine neue Struktur bekommen. Der Ikosaeder wurde zum operativen Gegenstand, er veränderte das Denken derer, die mit ihm handelten,36 und verkörperte die revolu­ tionäre Entwicklung von der Zentralperspektive des Balletts hin zur Multiperspek­ tivität des modernen Tanzes. Labans umfangreiches Studium des Körperumraums und dessen geometrischer Konstruktion basierte, so hat Carol-Lynne Moore bereits gezeigt, auf Propor­

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Sorell: Wigman, S. 28. Vgl. Reinhard Wendler: Modelle, in: Lauschke / Schneider (Hg.): 23 Manifeste zu Bildakt und Verkörperung. Image Word Action. Bd. 1, hg. v. Marion Lauschke / Pablo Schneider, Berlin/ Boston 2017, S. 125.

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II. Verändern

tionslehren, die ihm aus seinem Studium der bildenden Kunst und Architektur bekannt waren. Grundlegende Vorbilder wurden bereits in Vitruvs „Mensch in Kreis und Quadrat“ sowie in den Proportionsstudien Albrecht Dürers und Leonardos erkannt.37 Doch vor allem in Wenzel Jamnitzers „Perspectiva Corporum Regularium“ (1568) diente die plastische, dreidimensionale Darstellung der platonischen Körper der Einbindung der gesamtkörperlichen Wahrnehmung der Betrachtenden in die zweidimensionale Bildfläche.38 Die Bilder der platonischen Körper wendeten sich an den „Tastsinn“ der Betrachtenden und an das Verständnis von „Gewicht, Balance und Bewegungspotentialen“.39 Das waren Eigenschaften, die sicher auch Laban bei der Vermittlung seiner Tanzlehre interessiert haben. 1931 stellte der rumänische Autor Mathila Ghyka in „L’nombre d’or. Rites et rythmes pythagoriciens dans le développement de la civilisation occidentale“ ein Foto mit einer Tänzerin der Laban-Schule im Ikosaeder einer Abbildung des Menschen im Mikrokosmos Agrippa von Nettesheims (Bild 15) gegenüber. Der Vergleich macht sichtbar, dass die Figur bei Nettesheim als flächig, mit ausgestreckten Armen und Beinen wie auf eine Scheibe gebannt dargestellt wird, während die Laban-Tänzerin in einer Bewegung im Ikosaeder festgehalten ist, die die Dreidimensionalität der Pose unterstreicht: Im Bild dreht sie ihren Kopf zur Seite, die Arme in verschiedene Richtungen, seitlich nach vorn und hinten, ausgestreckt. Die Tänzerin im Ikosaeder offenbart eine dynamische Auffassung der geometrischen Struktur, unter der der Körper eine Vielzahl an Möglichkeiten hat, sich in den Raum hineinzubewegen. Diese Gegenüberstellung verdeutlichte, dass Laban die Einbindung des Menschen in den Kosmos über seinen symmetrisch konstruierten Körper neu interpretierte. Die Statik der alten Proportionslehren wurde aufgebrochen. Die Zweidimensionalität verwandelte sich in die Dreidimensionalität und die Zentralperspektive in eine Multiperspektive. Wigman zufolge war der Tänzer ein Architekt, der geometrische Formen zu einem Raumgebilde ‚aufstapelt‘. Sie beschrieb den Ausdruckstanz als eine Komposition aus geometrischen Elementen, die aus der Bewegung des Körpers heraus zu einer (unsichtbaren) Architektur aufgebaut würden: „Unsichtbar über den Boden gebreitet, der Tänzerseele fühlbar, liegen Formen, Linien. Sie bauen sich kristallinisch empor. Unsichtbare Paläste aus Schwüngen. Jede Bewegung des Tänzers wird zum Baustein der bewegten Architektur. Aus der Vermählung von Körper und Raum

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Moore: Harmonic Structure, S. 63–69. Vgl. Robert Felfe: Naturform und bildnerische Prozesse: Elemente einer Wissensgeschichte in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Actus Et Imago. Bd. 13, Berlin 2014, S. 204–212. Ders., S. 211–212.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 15  Agrippa von Nettesheims Mensch im Mikrokosmos und Tänzerin der Laban-Schule im Ikosaeder, aus: Mathila Ghyka: „L’nombre d’or. Rites et rythmes pythagoriciens dans le développement de la civilisation occidentale“, 1931, Plate XVIII.

entsteht: die gerade Linie, der Kreis, die Acht, das Drei-, Vier- und Fünfeck übereinander gelagert, sich kreuzend, einander durchdringend, als Kugel, Pyramide, Kubus, dreidimensional erlebt.“40 Aus Bewegung entsteht Architektur und umgekehrt ist der Tanz bewegte Architektur.

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Mary Wigman: Rudolf von Labans Lehre vom Tanz (Manuskript), Mary Wigman Archiv, ­Akademie der Künste, Berlin 1920, S. 21, zit. n. Witzmann: „Dem Kosmos zu gehört der Tanzende“, S. 617; vgl. auch Mariama Diagne: Kosmische und imaginäre Räume bei Rudolf von Laban und Mary Wigman, in: Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“, S. 48–54.

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II. Verändern

Bild 16a–c  Rudolf Laban, 3 Blätter mit Tänzerfiguren und pentagonalen Formen, nach 1938, Zeichnungen, National Resource Center for Dance, Rudolf Laban Archive.

Auch Laban selbst bezeichnete die Tanzbewegung als „lebendige Architek­ tur“.41 Beide unterstützten die Annahme, dass die Tanzenden mit ihren Bewegungen Linien in den Raum schreiben, sogenannte „Schwungskalen“,42 die ein (unsicht­ bares) Raumbild formen.43 41 42 43

Rudolf Laban: Choreutik. Grundlagen der Raumharmonielehre (1938), Wilhelmshaven 1991, S. 14. Huschka: Merce Cunningham und der Moderne Tanz, S. 87. Mark Franko: „Danced Abstraction: Rudolf von Laban“ and „Danced Abstraction: Mary ­Wigman“, in: Ausst.-Kat.: Inventing Abstraction. 1910–1925. How a Radical Idea Changed Modern Art, hg. v. Leah Dickerman / Matthew Affron, New York 2012, S. 292–299. In dieser Auffassung klingt natürlich auch deren spirituelles Verständnis von der tänzerischen Bewegung an. Ähnlich wie Wigman und Laban die Raumformen des Körpers durch gestalterische Prozesse sichtbar machen wollten, beschrieb auch Rudolf Steiner das Linienziehen des Körpers in Bewegung: „Es sind gewisse Linienformen, Gestalten, die man erlebt. Doch nicht etwa so erlebt man sie, daß man sie vor sich in irgendeinem Raume gezeichnet sähe, sondern so, als ob man in fortwährender Bewegung mit seinem Ich jedem Linienschwung, jeder Gestaltung selbst folgte. Ja, man fühlt das Ich als den Zeichner und zugleich als das Material, mit dem gezeichnet wird. Und jede Linienführung, jede Ortsänderung sind zugleich Erlebnis dieses Ich. Man lernt erkennen, daß man mit seinem bewegten Ich hineingeflochten ist in die schaffenden Weltenkräfte.“ Rudolf Steiner: Die Stufen der höheren Erkenntnis, Dornach 1959, S. 71 (zuerst erschienen in der Zeitschrift „Lucifer Gnosis“ von Oktober 1905 bis Mai 1908). Vgl. Beat Wyss: Mythologie der Aufklärung. Geheimlehren der Moderne, München 1993, S. 45; vgl. allgemeiner: Julia Althaus: Rudolf Steiner und die darstellenden Künste,

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Skizzen von Laban aus den Jahren nach 1938 verdeutlichen grafisch die Raumstrukturierung, die von einem Tänzer vorgenommen werden kann (Bild  16 a–c): Links sind sechzehn Strichfiguren zu sehen, Tänzer, eingeschlossen in pentagonale Figuren, Arme, Beine und der Kopf markieren die Eckpunkte. Wenn sich die Körperposition des Tänzers verändert, verändert sich auch die Form des Fünfecks. Laban erprobt so eine Vielzahl an Positionen, die vom Tänzer eingenommen werden können. Jede der geometrischen Figuren ist so angelegt, dass sie stets fünfeckig bleibt. Die Voraussetzung des durch den Körper aufgespannten Pentagramms schränkt die Vielfalt möglicher Tanzposen ein. Drei verschiedene Kombinationen erprobt Laban. Zum einen die Figur im Pentagramm, das Pentagramm ohne Figur und die Figur ohne Pentagramm. Der Tänzer wird zum Linienzeichner im Raum und das Liniengerüst zum Strukturgeber der Tanzbewegung. Ähnlich wie Wigman es beschreibt, zeigt die Zeichnung Labans mit dem Titel „Groupmovement“ ein kristallines Gebilde. Seine Teilflächen spannen sich aus

in: Ausst.-Kat.: Rudolf Steiner. Die Alchemie des Alltags, Weil am Rhein 2010, S. 54–63; Die Eurythmie Steiners spielt in diesem Kontext eine untergeordnete Rolle weil sie als körperliche Bewegungsform keinesfalls dem Anspruch unterlag, den das Ballett oder der moderne Tanz hatte, dennoch kann es als eine Nebenerscheinung gelten, die sicherlich Einfluss hatte und auch vom Tanz beeinflusst wurde. Vgl. dazu: Sibylle Rudolph: Zur Geschichte der Eurythmie. Rudolf Steiner und die Architektur der frühen Unterrichtsräume, Marburg 2011.

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II. Verändern

einem Netz aus einander schneidenden Linien hell und dunkel schraffiert auf (Bild 17). Es ist eine Tanzszene dargestellt, die sich hier jedoch als abstraktes Gebilde manifestiert. Spuren, die von den Tänzern durch Bewegung in den Raum ‚gezeichnet‘ wurden, verbleiben als Kristall auf dem Blatt.

Bild 17  Rudolf Laban, „Groupmovement“, Dartington Hall, 1938/39, Zeichnung, Bleistift, Surrey, National Resource Center for Dance, Laban Archive.

Der Kristall wiederum symbolisierte für Laban die formgebende Kraft:44 „Immer ist es die Form, die Raumspannung, die zu uns spricht. Jede Spannung ist ein unsichtbarer Kristall. Sie baut sich nach feststehenden Formgesetzen auf“, schrieb er.45 Seine Faszination vom Kristallinen in all seinen Facetten speiste sich aus der Dichotomie als organisch gewachsenes Gebilde, das jedoch geometrische Strukturen aufwies, sodass es beispielsweise auch Ähnlichkeiten mit den platonischen Polyedern hatte.46 Im Tanz würde der Körper zu einem „Gebärdenkristall“, bemerkte er in der „Welt des Tänzers“.47 Der Kristall symbolisierte Lebendigkeit, Kraft und Dynamik und stand daher für die tänzerische Bewegung, ähnlich wie er

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Witzmann: „Dem Kosmos zu gehört der Tanzende“, S.  614; Evelyn Dörr: Kristall-Denken. Über den geistig-philosophischen Hintergrund des choreographischen Werks von Rudolf Laban, in: Tanzdrama 48 (1999), S. 14–19. Laban: Welt des Tänzers, S. 31. Dies dokumentierte auch Ernst Haeckel in: Kristallseelen. Studien über das anorganische Leben, Leipzig 1917, S. 84 f.; Olaf Breidbach: Anschauliche Naturordnungen – Bemerkungen zu Ernst Haeckels Studien über die Kristallseelen, in: Ausst.-Kat.: Lebendiger Kristall. Die Kristallefotografie der Neuen Sachlichkeit zwischen Ästhetik, Weltanschauung und Wissenschaft, Köln 2004, S.  25–33. Laban kannte wohl Haeckels Studien: Evelyn Dörr: Rudolf Laban. Die Schrift des Tänzers. Ein Porträt, Norderstedt 2005, S. 108. Laban: Welt des Tänzers, S. 69.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 18  Bruno Taut, Glashaus auf der deutschen Werkbund-Ausstellung, Außenansicht, 1914, Fotografie, Köln, Nachrichtenamt der Stadt Köln.

auch in der expressionistischen Architektur das Idealbild von Lebendigkeit und einer leichten, dynamisch wirkenden Konstruktion darstellte: „Er (der Tänzer) kennt den Grund, warum den Expressionisten flammende Farben, schlagsichere Worte, scharfgerichtete Gesten als das Wesen der Erscheinung aufblitzen. Es sind die kristallinischen Spannungen […].“48 Ein frühes Beispiel ist Bruno Tauts „Glashaus“ (1914), mit der an eine kristalline Struktur angelehnten Kuppel (Bild 18).49 Durch die transparente Glasarchitektur

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Ders., S.  159. Dass Laban als Maler am Expressionismus interessiert war, lässt dieses Zitat von Brandenburg vermuten: „Laban, früh auf dem Phänomen der Bewegung leidenschaftlich zugetan, war ursprünglich Maler, auch damals noch ein wenig, und in seiner Wohnung sah man neben Vorwegnahmen des Expressionismus brave Reklameentwürfe für Warenhäuser, womit er sich über Wasser hielt.“ Hans Brandenburg: Erinnerungen an Labans Anfänge, in: Schrifttanz 2/4 (1929), S. 70–71. Vgl. dazu Angelika Thiekötter: Alles fließt, alles bewegt sich. Ein Rundgang im Glashaus, in: dies.: Kristallisationen, Splitterungen. Bruno Tauts Glashaus, hg. v. ders. u. a., Basel u. a. 1993, S. 26–27; Regine Prange: Das ­Kristalline als Kunstsymbol. Bruno Taut und Paul Klee, Hildesheim/Zürich/New York 1991; Ausst.-Kat.: Kristall – Metapher der Kunst. Geist und Natur von der Romantik zur Moderne, hg. v. Ingrid Wernecke / Roland März, Quedlinburg 1997.

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II. Verändern

verschmolzen für die Betrachtenden unter der Kuppel der Innen- und Außenraum miteinander.50 Lichtreflexionen und Wasserspiele bestimmten den Raum und ließen ihn dynamisch wirken.51 Der Bewegungsfluss wurde zu einem wichtigen Aspekt der Architektur. Ein „Theater in kristalliner Form“, in dem auch Tanzaufführungen statt­ finden sollten, gehörte ebenfalls zu Tauts Visionen, wie er es 1916 in einem Brief an Adolf Behne beschrieb: „Denke dir über den Dächern einer neuen Stadt […] ein kolossales Baumassiv, zerklüftet und gegliedert, auf einer künstl. oder vorhandenen

Bild 19  Choreografisches Institut Rudolf von Laban, Modell für ein Tanztheater, um 1927, Fotografie, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek.

Anhöhe. Es trägt ein glitzerndes, die Luft greifendes herrliches Wundergebilde. Das ragt über die Stadt. Das Baumassiv setzt sich zusammen aus dem Volkstheater, -oper, Musik- und Tanz-, Kunst- und Vortragsbau. Alles dies schließt sich in seiner Gesamtheit zusammen und trägt mit Strebebögen, Brücken und Pfeilern und (vor allem) herrlichen Treppen den Kristallbau […].“52 In seinen Architekturentwürfen erhoben sich bekanntermaßen kristalline Kathedralen über einer weitläufigen Landschaft. Tauts Vorstellungen entsprachen auch den Theatervisionen Labans, die er in Entwürfen niederlegte (Bild  19). Letzterer visierte eine runde Bühne an, die von einem Kuppelbau überspannt wurde. In diesem saßen die Zuschauer rundherum auf

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Vgl. John Stanislav Sadar: Through the Healing Glass. Shaping the Modern Body through Glass Architecture. 1925–35, New York/London 2016; Matthias Noell: Bewegung in Zeit und Raum. Zum erweiterten Architekturbegriff im frühen 20. Jahrhundert, in: Raum – Dynamik: Beiträge zu einer Praxis des Raums, hg.  v. Franck Hofmann  / Jens  E. Sennewald  / Stavros Lazaris, Bielefeld 2004, S. 306. Henrik Leschonski: Der Kristall als expressionistisches Symbol. Studien zur Symbolik des Kristallinen in Lyrik, Kunst und Architektur des Expressionismus (1910–1925), Frankfurt/M. 2008, S. 181. Bruno Taut in einem Brief an Adolf Behne vom 30.3.1916, zit. n. Walter Scheiffele: Das leichte Haus. Utopie und Realität der Membranarchitektur. Edition Bauhaus 44, Leipzig 2015, S. 166.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 20  Rudolf Belling, Dreiklang, 1919 (Holzfassung 1924), Birkenholz auf Mahagoni gebeizt, 91 × 77 × 77 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.

mehreren Ebenen untereinander und konnten die Geschehnisse auf der Bühne aus einer ähnlichen Entfernung heraus verfolgen: „Eines meiner Lieblingsprojekte ist eine flache Kuppel, in der die Zuschauer in Stockwerken rundherum sitzen. Die Bühne ist in der Mitte des Raumes und daher nur für plastische Tänze, die man von allen Seiten sehen kann, geeignet. In diesem Theater sind alle Zuschauer ungefähr gleich weit vom Darsteller entfernt. Das ist sehr wichtig, denn in unseren üblichen Theatern verliert sich die Feinheit der Geste mit der immer größer werdenden Entfernung.“53 Diese architektonischen Neuerungen richteten sich also nach einem Tanz, der von vornherein wie eine Rundplastik multiperspektivisch angelegt war. Er wurde von Laban entsprechend als „plastischer Tanz“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist auch Rudolf Bellings Skulptur „Dreiklang“ (1919) (Bild 20, Farbtafel 1) zu interpretieren. Der Bildhauer war selbst Tänzer und zudem einige Jahre mit der Tänzerin Toni Freeden verheiratet.54 Die raumgreifende Skulptur

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Rudolf Laban: Ein Leben für den Tanz, S. 200; vgl. Szeeman: Der Hang zum Gesamtkunstwerk, S. 342. Christina Thomson: Bewegte Form – Umkämpfter Raum. Tanz und Kampf in den Skulpturen von Rudolf Belling, in: Ausst.-Kat.: Rudolf Belling. Skulpturen und Architekturen, hg. v. Dieter Scholz / ders., München 2017, S. 94.

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II. Verändern

Bild 21  Rudolf Laban, „Entwurf für ein Theatergebäude“, o. D., Zeichnung, National Resource Center for Dance, Laban Archive.

lässt trotz starker Abstraktion drei kristalline Figuren erahnen, die sich in einer Art Reigentanz befinden. Sie definieren zwischen ihren Körpern einen Raum, der sich nach unten verjüngt und nach oben hin öffnet. Die Skulptur war ursprünglich als Entwurf für einen Bühnenraum gedacht, den Belling als „allseitig räumlich agierende Trias“ beschrieb, in der er anstatt einer frontalansichtigen Bühne eine rund­ umansichtige entwarf, was bereits als vom modernen Tanz inspiriert beschrieben wurde.55 Die Auseinandersetzung mit dem modernen Tanz und seinen multiper­ spektivischen Tendenzen veränderte bei Laban und Belling gleichermaßen das Verständnis vom Raum und und somit auch von der Architektur. Doch auch bei den Architekten selbst trieb eine neue Raumauffassung der Multiperspektivität die architektonische Entwicklung voran. Vielfach fanden sich runde oder spiralförmige Theaterentwürfe in den 1920er Jahren, wie bei László Moholy-Nagys „Kinetisch konstruktivem System“ (1922–1928), István Seböks „Tanztheater“ (1926–1928), Andor Weiningers „Kugeltheater“ (1926–1927), Walter Gropius’ 55

Dies., S. 103.

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Bild 22  Rudolf Laban, „Entwurf für ein Theatergebäude“, o. D., Zeichnung, London, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive.

und Erwin Piscators „Totaltheater“ (1927) und Friedrich Kieslers „Endlosem Theater“ (1924–1926).56 Sie alle gingen mit Ideen von einer Technisierung der Bühne und einem neuen Verständnis von der Einbindung der Zuschauer ins Theater­geschehen einher. Laban formte in weiteren architektonischen Entwürfen, die ähnliche Gebäude zeigten wie sein Modell und wohl ebenfalls die Funktion von Theatern hatten, die Kuppel, die an Tauts „Kristalltheater“ erinnert, in einer kristallin erscheinenden Form nach dem Vorbild eines Polyeders (Bilder 21 und 22). Deutlich wurde bereits, dass Laban und Wigman Choreografie als „Bewegungsarchitektur“ verstanden.57 Der bewegte Körper wurde als raumerschaffend gedacht, ebenso wie in einer architektonischen Konstruktion sollte durch seine

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Vgl. dazu: Yann Rocher: Théâtres en Utopie, Paris 2014. Sabine Huschka: Die Architektonik der Bewegung. Raum, Körper und Wahrnehmung im Tanz, in: Architektur in transdisziplinärer Perspektive. Von Philosophie bis Tanz. Aktuelle Zugänge und Positionen, hg. v. Susanne Hauser / Julia Weber, Bielefeld 2015, S. 355.

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II. Verändern

Bewegung eine ästhetische Ausgewogenheit der einzelnen Glieder hergestellt werden.58 Dieses Verständnis bestätigte auch der Schriftsteller Fritz Winther 1923 in seinem Buch „Der heilige Tanz“, in dem er die geometrische Organisation von Gruppentänzen eines Choreografen, wie sie auch Laban ausführte, in Zusammenhang mit der Arbeit eines Architekten bringt und auch die Möglichkeit der Übersetzung eines Gebäudes in Tanz sieht: „Im Tanz-Kapellmeister, in dem, der Gruppentänze organisiert, ist etwas vom Architekten. Die Grundrisse mancher Architekturen sind dieselben, wie die choreographischen Linien von manchen Gruppentänzen, die verschiedensten geometrischen Figuren – einfache Grundrisse – werden in Gruppen getanzt, Dreieck, Viereck, Kreis, auch der Grundriß einer gotischen Kirche hat oft Linien und Proportionen, die sich übersetzen lassen in Tanz.“59 Dass der ganze Körper bei der ästhetischen Wahrnehmung von Architektur eine Rolle spielte, war bereits durch Wölfflin bekannt.60 Der neue Umgang mit dem Raum, den Laban und Wigman propagierten, beeindruckte insbesondere den Architekten und Theatervisionär Friedrich Kiesler, der sich vor allem mit Bühnenarchitektur befasste: „[…] Es war damals ein Neubeginn. Ich meine die Erforschung des Raums durch Mary Wigman, die auf den Prinzipien ihres Lehrers Laban beruhte. Ja, es war ein Durchbruch. Ich erinnere mich sehr gut an den Eindruck, den ihre Choreographie auf mich machte, und unser Gespräch darüber. Ihr Ziel damals war es, den Raum unabhängig von seiner Ausdehnung bewusst zu definieren, die Zuseher in die Raum-Zeit einzubeziehen. Das schien ein sehr ernst zu nehmender zeitgemäßer Zugang zum Tanz zu sein. […] Ich persönlich habe noch keine andere Tanzgruppe hier oder im Ausland gesehen, die in der Lage war, diesen Ansatz weiterzuentwickeln und neue grundlegende Standards zu setzen […].“61

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Moore: Harmonic Structure, S.  115. Auch die Architektur erhielt durch die in ihre Gestalt bereits eingebettete Körperbewegung der Besucher eine „choreographische Prägnanz“. Vgl. dazu Huschka: Die Architektonik der Bewegung, S. 346. Fritz Winther: Der heilige Tanz, Rudolstadt 1923, S. 85. „Um das räumliche Gebilde ästhetisch zu verstehen, müssen wir diese Bewegung sinnlich miterleben, mit unserer körperlichen Organisation mitmachen.“ Wölfflin: Prolegomena, S. 11. „There was at one time a new start. I mean the exploration of space by Mary Wigman, based on the principles of her teacher Laban. Yes, it was a break-through. I remember very well the impression her choreography made on me and the discussion we had about it. Her aim at the time was to define space deliberately, no matter how big or small, to involve the onlooking audience with space-time. That seemed a very legitimate contemporary approach to the dance. There are, of course, varied ways to do that. Personally I have not yet seen any dance group here or abroad which was able to develop it further and thus set new basic standards.“ In: Frederick Kiesler: Dance Script, in: Ders.: Inside the Endless House. Art, People and Architecture: A Journal, New York 1966, S. 392–393. Dt. Übers. vgl. auch: Maria Auxiliadora Gálvez

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1. „Paläste aus Schwüngen“

Kiesler brachte seine eigene neue Auffassung der Perspektive auch in die Entwicklung einer spiralförmigen Bühne ein, die das Raumverständnis ihrer Darsteller und Zuschauer gleichermaßen um eine neue Dimension erweiterte. Er verstand Architektur als lebendigen Organismus, der mit der Bewegung des Menschen interagiert, als fließende Form, die im stetigen Wandel begriffen war.62 Die runde, schneckenförmig in sich gedrehte „Raumbühne“, auf der die Darstellenden multiperspektivisch betrachtet werden konnten (und nicht mehr nur aus der Zen­tralperspektive), entsprach der Entwicklung von der zentralperspektivischen Ordnung des klassischen Balletts hin zu einem ebenfalls multiperspektivischen Raumverständnis im modernen Tanz.63 Im Zitat setzte Kiesler den neuen Tanz um Laban und Wigman mit dem Begriff der „Raum-Zeit“ in Verbindung. Dabei handelte es sich sicherlich um die vierte Dimension, die Künstler seit dem späten 19. Jahrhundert beeinflusste.64 Zur dritten Dimension des Raumes wurde noch der zeitliche Aspekt hinzugedacht, sodass der Raum als zeitlich organisiert verstanden und somit prozesshaft und dynamisch wurde. Auch die Statik der zweidimensionalen Bildfläche konnte somit ein Stück weit aufgehoben werden. Van Doesburg experimentierte mit diesen Möglichkeiten: „Ebenso wie der Elementarismus versucht, die beiden Faktoren Statik und Dynamik (Ruhe und Bewegung) in eine ausgeglichene Beziehung zueinander zu bringen, so bemüht er sich auch, diese beiden elementaren Faktoren, Zeit und Raum, in einer neuen Dimension miteinander zu verbinden. Während die Ausdrucksmöglichkeiten des Neoplastizismus sich auf zwei Dimensionen (die Fläche) beschränken, realisiert der Elementarismus die Möglichkeit des Plastizismus in vier Dimensionen, im Feld der Raum-Zeit.“ 65 So wie Laban die Guckkastenbühne des klassischen Balletts mit Hilfe des Ikosaeders zu einer multiperspektivischen Ansicht erweiterte,

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Pérez: Raum­notierungen, in: Ausst.-Kat.: Frederick Kiesler. Theatervisionär – Architekt – Künstler, hg. v. Barbara Lesák / Thomas Trabitsch, Wien 2012, S. 149. Dies., S. 152. Dies., S. 149; Huschka: Architektonik der Bewegung, S. 357. Vgl. Linda Dalrymple Henderson: Theo van Doesburg, „Die vierte Dimension“ und die Relativitätstheorie in den zwanziger Jahren, in: Ausst.-Kat.: Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, hg.  v. Michel Baudson, Weinheim 1985, S.  195; Eckhard Siepmann: Ereignis Raumzeit. Physik, Avantgarden, Werkbund. Ein Traktat, Delmenhorst 2007; Linda Dalrymple Henderson: The Fourth Dimension and Non-Euclidean Geometry in Modern Art, Cambridge, Mass./London 2013. „Zoo als het Elementarisme poogt om de beide factoren, statiek en dynamiek (stilstand en beweging) in evenwichtig rapport te brengen, zoo bestreft het Elementarisme evenzeer, deze twee elementaire factoren: Tijd en Ruimte in een nieuwe dimensie samen te vatten. Is de uitdrukkingsmogelijkheid van het Neo-Plasticisme beperkt tot 2 afmetingen (het vlak), het Elementarisme daarentegen ziet de mogelijkheid eener beelding in 4 afmetingen, in het gebied der tijdruimte, in.“ Theo van Doesburg: Schilderkunst en Plastiek. Elementarisme, De Stijl, 7/7 (1926–27), S. 82; dt. Übers. vgl. Dalrymple Henderson: Theo van Doesburg, S. 203.

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II. Verändern

Bild 23  Theo van Doesburg, Tesserakt im Kubus (Une nouvelle dimension), 1924–25, Bleistift auf transparentem Papier, 30,5 × 30,3 cm, Otterlo, Kröller-Müller Museum, Schenkung van Moorsel.

Bild 24  Rudolf Laban, „Hyperraum“, o. D., Zeichnung, Surrey, National Resource Center for Dance, Laban Archive.

sahen auch van Doesburgs axionometrische Entwürfe eines Tesserakts keinen festgelegten Betrachterstandpunkt und keinen Fluchtpunkt mehr vor (Bild 23).66 Es handelt sich um den Hyperraum eines Würfels, der in seiner Ausdehnung nicht begrenzt ist, sondern sich in verschiedene Rich­tungen hin ausbreitet, die in der Zeichnung alle simultan dargestellt sind. Plastisch und beweglich erfasste van Doesburg den Würfel beinahe wie Laban den Tänzer im Ikosaeder. Auch Letzterer zeichnete das 66

Vgl. Noell: Bewegung in Zeit und Raum, S. 310; Dalrymple Henderson: Theo van Doesburg, S.  195–206; Horst Bredekamp: Architektur, die fließt, in: Die Zeit vom 24. 02. 2005, unter: http://www.zeit.de/2005/09/SM-Einstein.

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2. Tanzen im Ikosaeder / Tanzender Ikosaeder

Modell eines Hyperraums, den er mit verschiedenen Elementen seiner Notationsschrift verband (Bild 24). Der Polyeder scheint im Raum zu schweben, seine verschiedenen Ebenen sind nicht klar positioniert, sondern gehen fließend ineinander über. Platonische Körper, Kristalle, Multiperspektivität und die vierte Dimension waren die gemeinsamen Nenner, die Architekten, bildende Künstler und Tänzer bei ihren Experimenten mit der Dynamik des Raums in einen Dialog treten ließen.

2. Tanzen im Ikosaeder / Tanzender Ikosaeder Mitte des 20.  Jahrhunderts wurde die dynamische Raumerfahrung durch Polyeder vor allem bei amerikanischen Architekten wieder zu einem beliebten Experimentierfeld.67 Selbsttragende Strukturen in platonischen Körpern oder angelehnt an diese wie beispielsweise die Tensegritystruktur wurden aus Stäben und flexiblen Gummiverbindungen hergestellt. Diese drückten innerhalb dieser Netzstruktur nach außen, sodass ein Ausgleich von Kräften erzeugt wurde, der das gesamte Gerüst stabilisierte. Richard Buckminster Fuller gestaltete nach diesem Vorbild flexible Architekturen, die den modernen Bedürfnissen der technisierten Welt gerecht werden sollten.68 Seine „Jitterbug Transformation“ beispielsweise war ein Polyedergerüst mit flexiblen Verbindungen an den Gelenkknoten zwischen den Kanten, die dieses nicht nur zusammenhielten, sondern auch indirekte Namensgeber des Objekts waren. Denn sie ermöglichten Beweglichkeit und verursachten somit Phasenübergänge zwischen verschiedenen Polyedern. Daraus ergab sich eine Konstruktion, die an keinem Punkt vollkommen stabil blieb, sondern einem ständigen Fluss unterworfen war, in dem sich die einzelnen Raumfiguren stets abwechselten. Diese Eigenschaften wurden von Buckminster Fuller durch die Benennung nach einem zeitgenössischen Gesellschaftstanz in ihrer Dynamik noch unterstrichen und belegen das Prinzip einer beweglichen Auffassung von den Polyedern, die von der tänzerischen Be­­­wegung beeinflusst war. Dass er den (auch durch ihn selbst vorangetriebenen) technischen Fortschritt als Parallele zum Gesellschaftstanz verstand, zeigt sich auch in einer Skizze von 1939, in der er die Konvergenzen beider in einem Zeitstrahl untersuchte

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Obwohl die folgenden Beispiele über das frühe 20. Jahrhundert hinausreichen und damit nicht mehr dem hier behandelten Zeitraum angehören, erhellen sie dennoch auch die Geschehnisse in Tanz und Architektur einige Jahrzehnte zuvor. Vgl. zu diesem Abschnitt auch: Anja Pawel: Richard Buckminster Fullers „Jitterbug Transformation“, in: Ausst.-Kat.: +ultra. gestaltung schafft wissen, hg. v. Nikola Doll / Horst Bredekamp / Wolfgang Schäffner, Leipzig 2016, o. S.

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Bild 25  Richard Buckminster Fuller, „Tafel zum hundertjährigen Krieg des Übergangs von Handarbeit zur mechanisierten und hydroelektrifizierten Gesellschaft“, Skizze aus dem unver­ öffentlichten Manuskript „Ballistics of Civilization“, 1939, Stanford, Buckminster Fuller Archive.

(Bild 25).69 Jeder bahnbrechenden Erfindung des Industriezeitalters ordnet er einen Gesellschaftstanz zu, sodass die Betrachtenden geneigt sind, einen Vergleich der Eigenschaften des Tanzes mit jenen des zeitgleich entwickelten Gegenstandes zu ziehen.70 Es wurde bereits gezeigt, dass Buckminster Fullers Zugang zur Geometrie in der körperlichen Erfahrung begründet lag:71 „Was ich gerade entdeckt habe, ist, daß der Bebop denselben Beat hat wie das neue mathematische Stenogramm, an dem ich gerade arbeite, schrieb er.“72 Auch seine Tochter, die Tänzerin war, bekräftigt in Bezug auf den Arbeitsprozess ihres Vaters die Idee, dass sein Denken eng mit der 69 70 71 72

Joachim Krausse  / Claude Lichtenstein (Hg.): Your Private Sky: Diskurs R. Buckminster Fuller, Baden 2001, S. 25–27. Ein Unternehmen, dem eine gesonderte Betrachtung gebührt. Joachim Krausse: Das Zwinkern der Winkel, in: Umzug ins Offene. Vier Versuche über den Raum, hg. v. Tom Fecht / Dietmar Kamper, Wien/New York 2000, S. 204. „What I have just discovered is that bebop has the same beat as the new mathematical shorthand I have been working on.“ In: Peter Blake: No Place Like Utopia. Modern Architecture

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2. Tanzen im Ikosaeder / Tanzender Ikosaeder

körperlichen Erfahrung verbunden war und dass es, um sein Werk zu verstehen, eines ebensolchen kinetischen, ja sogar tänzerischen Erlebnisses bedürfe: „Sein Denken war mit seinem Körper verbunden. Es war eine Integration von Körper und Geist. Das ist es, was ich unter Tanz verstehen gelernt habe. […] Es ist der Sinn für das Physisch-Werden einer Idee, was mir so wichtig erscheint, um einen Zugang zum Werk meines Vaters zu finden und Verständnis dafür zu entwickeln.“73 Der Tanz, nach dem die „Jitterbug Transformation“ benannt war, entwickelte sich in den dreißiger Jahren zunächst in den USA und bestand aus mehreren Bewegungsphasen, die das Tanzpaar durchläuft. Diese verschiedenen Phasen könnten Buckminster Fuller als Analogon zu den einzelnen Bewegungssequenzen seines Modells gedient haben. Denn darin wippen die Tänzer unaufhörlich mit den Knien auf und ab sowie aufeinander zu und voneinander weg, als würde sich zwischen ihnen ein unsichtbares Gummiband befinden, das sie in ständiger, beweg­licher Interaktion hält. Der Unterkörper dreht sich dabei in die entgegengesetzte Richtung wie der Oberkörper – eine ähnliche, sich gegeneinander verschiebende Rotation benötigt die „Jitterbug Transformation“, um von einer Figur zur anderen zu gelangen. Durch seine beweglich-leichte Bauweise tanzt das Modell des Architekten wie von selbst.74 Doch auch Laban berichtete: „Ich habe schon in meiner frühen Jugend […] versucht, geometrische Modelle von Tanzfiguren zu machen. Die meisten dieser Modelle waren beweglich, das heisst, ihre Teile waren verstellbar um Scharniere. Von der Gliederpuppe, die den menschlichen Körper darstellte und mir als ein Gerät der Maler und Bildhauer bekannt war, kam ich bald dazu die Enden der Gliedmaßen in verschiedenen Stellungen mit Fäden zu verbinden, wodurch die Wege der Übergänge von einer Stellung zur anderen dargestellt werden konnten.“75 Demnach war Laban bereits auf die Idee gekommen, in seine geometrischen Modelle beweg­liche

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and the Company we Kept, New York 1995, S.  94, dt. Version vgl. Krausse: Zwinkern der ­Winkel, S. 204. Dt. Übers. zit.  n. Krausse: Zwinkern der Winkel, S.  205. Vgl. auch: Allegra Fuller Snyder: Erfahrung und Erfahren, in: Krausse/Lichtenstein: Your Private Sky, S.  324; „His thinking was connected to his body. It was an integration of his body and his mind. This is what dance is as I have come to understand it. […] It is the sense of the physicalization of idea that I see as so important in understanding and accessing my father’s work.“ Dies.: Experience and Experien­cing, unter: https://www.bfi.org/about-fuller/biography/experience-and-experiencing (15. 02. 2019). Joachim Krausse: Mechanischer Affe und Quantum Machine. Bau- und Bühnenlaboratorium – vom Bauhaus zum Black Mountain College, in: Spuren der Avantgarde. Theatrum Machinarium. Frühe Neuzeit und Moderne im Kulturvergleich. Bd. 4, hg. v. Helmar Schramm / Ludger Schwarte / Jan Lazardzig, Berlin/New York 2008, S. 440. Laban in einem Brief an den in Dornach lebenden Künstler Paul Schatz, zit. n. Paul Schatz: Architektur und Umstülpung. Studien zum organisch-dynamischen Raumbewusstsein. Ein Schulungsweg für Architekten, hg. v. Matthias Mochner, Dornach 2013, S. 74.

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II. Verändern

Verbindungen einzubauen, womit er schon als eine Art Vorgänger von Buckminster Fuller und der „Jitterbug Transformation“ zu verorten ist.76 In einer Fotografie aus den vierziger Jahren, aufgenommen am „Black Mountain College“77, führt eine Tänzerin ihre Bewegungen in einer geodätischen Kuppel aus (Bild 26). Es handelt sich zwar hier nicht mehr direkt um ein Ikosaedermodell

Bild 26  Tänzerin in Richard Buckminster Fullers Necklace Dome, einer faltbaren geo­ dätischen Kuppelstruktur, Black Mountain College, 1948/49.

wie bei Laban, dennoch steht die Fotografie für eine neue, üppigere und dabei leichtere, lichtdurchlässigere Räumlichkeit in der modernen Architektur. Die Tänzerin als im Dreidimensionalen bewegter Körper, der den Raum erforscht, ist am besten in der Lage, diese neuen Qualitäten des Raumes zu verdeutlichen, und erinnert dabei wiederum an die Anfänge des modernen Tanzes mit Laban und dem Ikosaeder­ modell. Die Modelle mit polyedrischen Strukturen wurden das Aushängeschild der architektonischen Arbeit Buckminster Fullers. In Fotografien posierte er immer wieder damit. In einem Bild ist er bei einer Präsentation der „Jitterbug Transformation“ zu sehen (Bild 27). Auch Laban wurde mit Modellen von Polyedern porträtiert, die somit für sein Schaffen als charakteristisch etabliert wurden (Bild 28). Er inszenierte sich hier mehr als Naturwissenschaftler oder Architekt und weniger als Tänzer

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Caspar Schwabe: Eureka and Serendipity. The Rudolf von Laban Icosahedron and Buckminster Fuller’s Jitterbug, in: Bridges. Mathematics, Music, Art, Architecture, Culture (2010), unter: http://archive.bridgesmathart.org/2010/bridges2010-271.pdf (01.02.2018). Vgl. allgemein Sigrid Pawelke: Einflüsse der Bauhausbühne in den USA. Eine Untersuchung zur Verbindung von Bauhausbühne und amerikanischer Bühnen-Performance und Postmodern Dance unter ästhetischen und pädagogischen Aspekten, Regensburg 2005; Ausst.-Kat.: Black Mountain. Ein interdisziplinäres Experiment. 1933–1957, hg. v. Eugen Blume u. a., Leipzig 2015.

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2. Tanzen im Ikosaeder / Tanzender Ikosaeder

Bild 27  Richard Buckminster Fuller mit der „Jitterbug Transformation“ und Gästen im IL-Zelt des „Richard Buckminster Fuller Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren“ der Universität Stuttgart, o. D., Fotografie.

Bild 28  Rudolf Laban mit einem Polyeder­ modell in seinem Atelier in Dartington Hall, 1939, Fotografie, London, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive.

und Choreograf. Die Arbeitsmaterialien von beiden, obwohl ihre Tätigkeitsfelder so unterschiedlich waren, entsprechen sich in diesen Fotografien. Neben seinen bereits erwähnten Ideen für ein rundes Theater verfolgte Laban auch die utopische Idee eines Kuppelbaus, der ein größeres Areal überspannen sollte. Für diesen sah er eine leichte und bewegliche Konstruktion vor: „Ich erwähne hier noch ein Phantasieprojekt, das nicht nur für ganz große Gruppenaufführungen und Aufzüge gedacht ist, sondern als ein Bewegungsparadies für alle Mitwirkenden und Zuschauer. Das ist das Kilometerhaus. Eine riesige Kuppel direkt über die Landschaft gespannt. Der Raum sollte ganz ohne tragende Säulen von einem künstlichen Himmelszelt überwölbt sein. Das Kilometerhaus habe ich mir in meinen Angstträumen ausgedacht, wenn in unserem erbarmungslosen Klima Festzüge, Freilichtfeste und Massenveranstaltungen zu verregnen drohten. Da ich mir im Laufe der Zeit einige Kenntnisse als Architekt und Ingenieur angeeignet habe, halte ich das Projekt nicht für undurchführbar. Die Kuppel muß von möglichst weitgespannten Ketten in der Art von Kettenbrücken getragen werden. Ich glaube, daß diese Idee später einmal verwirklicht werden wird, wenn unsere neuen Lebensformen künstlerische Gestalt

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II. Verändern

Bild 29  Richard Buckminster Fullers Pavillon der Vereinigten Staaten, Weltausstellung Montreal, Kanada, 1967.

gefunden haben werden. Die alltägliche Freizeit könnte ebenso wie besondere Feste im Kilometerhaus einen ungeahnten Aufschwung tänzerischer Kultur mit sich bringen.“78 Bewegungschöre benötigten eine enorme Freifläche, deren Überdachung architektonisch noch nicht geleistet werden konnte. Buckminster Fuller beschäftigte sich einige Jahrzehnte später wieder mit derselben Idee und realisierte sie auch (Bild 29). Durch ihn wurden Labans Visionen gewissermaßen verwirklicht.

3. Schrifttanz und Konstruktivismus Auf den Titelseiten der ersten beiden Ausgaben der Zeitschrift „Schrifttanz“ findet sich ein abstraktes Zeichen (Bild  30). Es ist zwar stilistisch der Notationsschrift Labans entnommen, geht jedoch über die reinen Anweisungen zur Bewegung hinaus und birgt einen ornamentalen Charakter in sich, dem keine eindeutige Funk78

Laban: Ein Leben für den Tanz, S. 200.

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

Bild 30  Abstrahiertes Symbol der Laban-Notation auf der Titelseite der Zeitschrift „Schrifttanz“, 1/1 (1928).

tion mehr zuzuweisen ist. Der Bruch mit der rein funktionalen Bewegungsan­ weisung vollzieht sich im oberen Teil, der wie ein schräges Kapitell emporragt. Die Labannotation weist in ihrer endgültigen Fassung gewöhnlich keine runden Linien auf. Hier wird sie jedoch über ihre Funktion hinaus wie eine abstrakte Komposition präsentiert. Als ehemaliger bildender Künstler hatte Laban sicherlich die ästhetische Dimension seiner eigens entwickelten Notation mitbedacht. Die zwischen 1928 und 1931 herausgegebene Zeitschrift „Schrifttanz“, an der Laban beteiligt war und die das Tanzgeschehen der Zeit in Deutschland dokumentierte, wies schon in ihrem Titel auf eine unmittelbare Verquickung von schreiben und tanzen hin: „Schrifttanz“ – ein Begriff, der seltsam anmutet, wenn doch in der gängigen Vorstellung nicht der Tanz sich zunächst nach der Schrift richten soll, sondern die Schrift nach dem Tanz. Doch so ähnlich, wie die Polyedermodelle als Richtlinien für die Bewegung galten, war auch die Notation ein Ordnungsversuch Labans, in dem eine Choreografie mit Hilfe von Schriftzeichen und nicht aus der Erprobung durch Bewegung heraus entstand, so schien es der Titel zumindest glauben machen zu wollen.79 Lichtbilder, die Laban in einem Vortrag zur „Entwicklung der Symbol79

Vgl. Brandstetter: Tanz-Lektüren, S. 423.

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Bild 31  Gliederpuppe von Oskar Schlemmer auf der Titelseite der Zeitschrift „Schrifttanz“, 2/2 (1929).

schrift“ zeigte und die im „Schrifttanz“-Heft 1928 abgedruckt waren, verdeutlichen, dass für ihn der symmetrische Aufbau des Körpers im Mittelpunkt seines choreografischen Schaffens stand. Dazu dienten ihm die platonischen Körper, Gliederpuppen und Proportionsstudien als Modelle. In der Zeitschrift ließ er sich auch mit solchen Modellen, Zeichnungen und Wandbildern seiner Notation porträtieren und inszenierte sich so eher als Schöpfer eines aus dem rationalen Geist der Geometrie geborenen „Schrifttanzes“ denn als praxisnaher Ausdruckstänzer.80 Die Begeisterung für das Ordnungsprinzip des menschlichen Körpers durch die Geometrie verband Laban mit Schlemmer, der auch von ihm ausgebildete Tänzer einsetzte, wie er im „Schrifttanz“-Heft 1931 berichtete.81 In der Ausgabe vom Mai 1929 ziert sogar eine von Schlemmers Gliederpuppen die Titelseite, wobei die Achse des Körpers diesen in der Mitte, symmetrisch exakt, in zwei Hälften teilt (Bild 31). Auch Labans Notation basierte auf einer strengen symmetrischen Ordnung des ­Körpers.

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Moore stellte ebenfalls fest, dass Labans Choreutik prinzipiell von der „Ratio“ geleitet wurde (Dies.: Harmonic Structure, S. 195). Siehe Kapitel IV, S.  142. Diese Übereinstimmung hat bereits Joachim Krausse festgestellt (Ders.: Das Zwinkern der Winkel, S.  187–214, vor allem S.  191). Vgl. auch: Scheiffele: Das leichte Haus, S. 251–252.

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

Bild 32  Lehrer und Studenten des „Choreographischen Instituts“ nach der erfolgreichen Präsen­ tation der Notation beim 2. Tanzkongress in Essen, 1928, Fotografie, aus: „Tänze, die man lesen lernt“, Schweizer Illustrierte Zeitung, Nr. 22, Laban Collection.

Laban arbeitete vermutlich seit der Mitte des ersten Jahrzehnts des zwanzigsten Jahrhunderts an der Entwicklung der Notation, um Tanz, aber auch alltägliche Bewegungen niederzuschreiben. In einem Zeitschriftenartikel wurde sogar, ähnlich wie es die Zeitschrift „Schrifttanz“ mit ihrem Titel propagierte, ausschließlich die Aneignung des Tanzes über die Zeichen proklamiert. Während die Tänzer vor einem „Wandbild“ der Schrift posieren, das wie abstrakte Malerei anmutet, lautet der Titel sogar „Tänze, die man lesen lernt“ (Bild  32). Wigman veranschaulichte ebenfalls diese Schwierigkeit, wenn sie zur Erstellung eines Zeichensystems posieren musste: „Ich wurde das erste Opfer, an dem er seine theoretischen Erkenntnisse praktisch erproben konnte. […] Draußen stand Laban, eine altmodische Reisetasche in der Hand, die vollgestopft mit Zeichnungen und Notizen war. […] Analyse der Bewegung, und der Versuch, sie im Schriftzeichen zu bannen: als Kreuz-, Balken- oder Punktsystem, in Strich- oder Kurvenreihen – immer wieder entworfen und verworfen, immer wieder noch einmal und ganz von vorn.“82 Die Gleichsetzung des Tanzes mit Schriftzeichen, die Körperformen schematisieren, verstärkte noch dessen Einord-

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Sorell: Wigman, S. 32; vgl. Moore: Harmonic Structure, S. 20.

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II. Verändern

Bild 33  Rudolf Laban, Frühe Notation, basierend auf der Form der Bewegung und der Neigung im Raum, um 1917, aus: Laban: Choreographie, S. 5.

Bild 34  Rudolf Laban, Notation, um RaumHarmonie-Übungen zu notieren, aus: Laban: Choreographie, S. 72.

nung als vom Körper abstrahierte, künstlich stilisierte Form, die aber zugleich – und darin lag das Paradox – vom Körper abhängig war und auf ihm ba­sierte.83 Laban experimentierte zunächst mit verschiedenen Schriftformen wie zum Beispiel der sogenannten „Schwalbenschwanzschrift“, deren runde, ornamentale Formensprache eher von Kalligrafie und Jugendstil inspiriert war (Bild  33). Diese Schrift, um 1917 zu datieren, die in Labans Buch „Choreographie“ (1926) vorgestellt wurde, blieb von ihm jedoch weitestgehend unberücksichtigt. Es hatte nicht den Anschein, als wollte er den Lesern diese Schrift vermitteln, sondern vielmehr ihre ästhetische Dimension sowie die Möglichkeiten zur unmittelbaren, schwungvollen

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Vgl. dazu Hans-Christian von Herrmann: Bewegungsschriften – Zum wissenschafts- und medienhistorischen Kontext der Kinetographie Rudolf von Labans um 1930, in: Tanz und Technologie. Auf dem Weg zu medialen Inszenierungen, hg. v. Söke Dinkla / Marina Leeker, Berlin 2002, S. 134–157.

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

Bild 35  Rudolf Laban, Grundprinzipien der Bewegungsschrift, aus: „Schrifttanz“, 1/1 (1928), S. 4–5.

Bild 36  Étienne-Jules Marey, „Notation des allures du cheval“, aus: La méthode graphique dans les sciences expérimentales et princi­ palement en physiologie et en médecine, Paris 1878, S. 159.

Aufzeichnung der Bewegung im Raum aufzeigen.84 Im Laufe der 1920er Jahre entwickelte sich diese Schrift von einer linearen, ornamentalen hin zu einer kantigeren Erscheinung (Bild 34). Die Notation, die bis heute verwendet wird, ist in Zusammenarbeit mit Labans Schüler Albrecht Knust entstanden und setzt sich größtenteils aus schwarzen und weißen Flächen zusammen, die hauptsächlich sechseckig, viereckig oder dreieckig sind und sich – einem Baukastenprinzip ähnlich – innerhalb einer Lineatur wie Noten in der Musik ansiedeln (Bild  35, Grundformen). Die Lesart erfolgt über das Erkennen der verschiedenen Kontrastierungen sowie über Formen, Längen und

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Claudia Jeschke hat ebenfalls das Fehlen eines Kommentars Labans bezüglich dieser Schriftform bemerkt. Dies.: Tanzschriften. Ihre Geschichte und Methode. Die illustrierte Darstellung eines Phänomens von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bad Reichenhall 1983, S. 379.

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II. Verändern

Richtungsanweisungen der jeweiligen Symbole. Die gegeneinandergesetzten Kästchen heben sich durch ihre Schwarz-Weiß-Kontraste in einer intensiv-rhythmisch anmutenden Aufeinanderfolge voneinander ab. Es handelt sich hierbei nun allerdings nicht mehr um eine spontane Aufzeichnung, die eine stattgefundene Bewegung durch Linienkompositionen evoziert, wie zuvor in den Zeichnungen und auch in älteren Versionen der Notation gesehen. Vielmehr wird der Tanz in einem Notensystem codiert und nicht mehr die Bewegung der Tänzer direkt über die Bewegung der Hand aufgezeichnet.85 Die Entwicklung führte von der runden Linie hin zu einer eckigen Flächigkeit und von einem „analogen“ zu einem „digitalen“ System.86 Die Form erinnert an Notationen, die Marey schon 1878 verwendet hatte, um beispielsweise den Galopp eines Pferdes aufzuzeichnen (Bild  36).87 Dort sind auf einer schwarzen Fläche ebenfalls schraffierte und weiße Rechtecke versetzt nebeneinandergelagert und machen den zeitlichen Ablauf der Bewegung deutlich. Marey war es zu verdanken, dass die Dauer, beispielsweise einer Bewegung im dreidimensionalen Raum, durch Notation als Länge, die einen bestimmten Raum auf der Fläche belegt, überhaupt darstellbar wurde.88 Es zeigt sich also beim Vergleich der Entwicklungsstadien der Notation zwischen 1919 und 1929, dass Laban zunächst unterschiedliche Charaktere der Bewegung notierte, die sich noch durch den Ausdruck der sich bewegenden Hand charakterisieren ließen, und schließlich in einen analytischen Modus wechselte. Zugleich vollzog sich eine Reduktion der Form zugunsten einer zunehmenden inhaltlichen Komplexität. Die Notation wandelte sich von der Spurform zum Symbol. In ihrer endgültigen Form erinnerte die Entwicklung des Schriftbilds an konstruktivistische Kunst.89

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Gabriele Brandstetter: Schriftbilder des Tanzes, in: Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen, hg.  v. Sybille Krämer  / Eva Cancik-Kirschbaum / Rainer Totzke, Berlin 2012, S. 64; dies.: Notationen im Tanz, in: Notationen und Choreographisches Denken, hg. v. ders. / Franck Hofmann / Kirsten Maar, Freiburg i. Br./Berlin/ Wien 2010, S. 87–110. Vgl. dies.: Tanz-Lektüren, S. 435 f. Vgl. auch zur Verbindung zwischen Mareys und Labans Notation: von Herrmann: Die Kinetographie Rudolf Labans, S. 135 f. Der Ursprung dessen ist das Koordinatensystem: Wird die Dauer in Zahlen umgewandelt, kann sie durch Linien ausgedrückt werden. Vgl. Michel Frizot: Notation als graphische Darstellung und ästhetischer Sprung, in: Notation. Form und Kalkül in den Künsten, hg.  v. Hubertus von Amelunxen / Dieter Appelt / Peter Weibel, Berlin 2008, S. 55 –67. Colin Counsell stellte bereits ansatzweise fest, dass Labans Ästhetik mit der Mondrians vergleichbar war. Ders.: The Kinesics of Infinity: Laban, Geometry and the Metaphysics of Dancing Space, in: Dance Research 2/24 (2006), S. 112; Angela Lammert: Von der Bildlichkeit

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

Bild 37  Sophie Taeuber-Arp, Wandgestaltung Teesalon „Aubette“, 1927/28, Fotografie, Straßburg, Musées de la ville de Strasbourg.

Anlehnungen an solche Notationsbilder, etwa durch auf der Fläche verteilte und versetzte Rektangeln, tauchten auch bei van Doesburg oder Taeuber-Arp wieder auf. Beide evozierten damit Zeitlichkeit und rhythmische Strukturen. Als Schülerin Labans war Taeuber-Arp mit dessen Notation vertraut, bereits bei ihren Auftritten im Cabaret Voltaire verwendete sie angeblich bereits seine Schriften, um ihre dort aufgeführte Choreografie niederzuschreiben.90 An den Wand- und Deckengemälden des Teesalons des Vergnügungspalastes „Aubette“ in Straßburg siedeln sich verschieden lange Rektangeln in parallelen Reihungen auf den Flächen an (Bild 37). Durch hellere und dunklere Farbgebungen stehen sie in Kontrast zueinander.91 Immer wieder weisen einige Reihen Lücken auf, in

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der Notation, in: Notation. Kalkül und Form in den Künsten, hg. v. Hubertus von Amelunxen / Dieter Appelt / Peter Weibel, Berlin/Karlsruhe 2008, S. 39–53. Ebd.; Naima Prevots: Zurich Dada and Dance: Formative Ferment, in: Dance Research Journal 17/1 (1985), S. 7; Jill Fell: Zurich Dada Dance Performance and the Role of Sophie Taeuber, in: Dada and its Legacies, hg. v. Elsa Adamowicz / Eric Robertson, Amsterdam 2012, S. 17–32; Nell Andrew: Dada Dance, in: Art Journal 1/73 (2014), S.  13–29; Sarah Burkhalter: Kachina und Kinästhesie. Der Tanz in der Kunst von Sophie Taeuber-Arp, in: Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen, hg. v. Aargauer Kunsthaus / Kunsthalle Bielefeld, Zürich 2014, S. 219. In farbigen Entwurfszeichnungen ist zu sehen, dass sie in den Farben Blau, Grau, Rot und Schwarz gehalten waren.

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II. Verändern

denen die weiße Fläche dann mehr Platz einnimmt. Eine lineare Verfolgung ist den Betrachtenden nicht möglich, denn immer wieder springt das Auge zur Seite, driftet trotz der strengen geometrischen Konstruktion auf eine seitlich ausufernde Richtungsmöglichkeit der Bewegung ab. Die Wandbilder fertigte Taeuber-Arp um 1927/28 an, sie erinnern von ihrem formalen Aufbau her an die letzten Entwürfe der Notationsschrift Labans.92 Die „Aubette“ war ein Gebäudekomplex mit Café, Fest- und Tanzsaal. An der Ausstattung waren außer Taeuber-Arp auch Arp sowie van Doesburg beteiligt. Der Fokus der Forschung lag bisher vor allem bei van Doesburg und seiner Ausstattung des „Cine Dancing“-Raumes, eines Tanzsaals mit Projektionsfläche, in dem er eine Verbindung zwischen Architektur und Malerei herzustellen versuchte:93 „Es handelte sich bei dieser Malerei nicht darum, den Menschen um bemalte Wandflächen herumzuführen, damit er die malerische Entwicklung des Raumes beobachten könnte, sondern: um eine zusammenwirkende synoptische Wirkung von Malerei und Architektur hervorzurufen. Um das zu erreichen, mußten die bemalten Flächen sowohl architektonisch als malerisch zueinander in Beziehung stehen, ein einziger Körper werden. Konstruktion und Komposition, Raum und Zeit, Statik und Dynamik in einem Griff gefaßt. Die gestaltende Raum-Zeit-Malerei des 20. Jahrhunderts ermöglicht dem Künstler, seinen großen Traum zu verwirklichen: Den Menschen statt vor – in die Malerei zu stellen.“94 Van Doesburg zufolge befänden sich die Besucher buchstäblich im Bild, sie badeten förmlich darin, aufgrund ihrer Bewegung in Zeit und Raum würde sich die Perspektive verändern und die Grenzen zwischen 92

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Sicherlich sind auch Taeuber-Arps Kenntnisse in der Textilgestaltung einflussreich. In einer Stickerei von 1928 findet sich die Wandgestaltung aus der „Aubette“ wieder. Dazu bemerkte Martina Padberg, dass die geometrische Anordnung beim Weben eine Raumerfahrung lehrt, die durchaus mit derer in Labans Tanzschule vergleichbar ist. Dies.: Mandala und Wegweiser. Zum Werk von Sophie Taeuber-Arp, in: Ausst.-Kat.: Farbe und Form. Sophie Taeuber-Arp im Dialog mit Hans Arp, hg. v. ders. / Andrea Firmenich / Johannes Wasmuth, Frankfurt/M. 2002, S.  26. Ernst Gombrich verglich bereits das Handwerk des Flechten und Webens mit Tanzbewegungen, da beide das Entstehen von Mustern in Raum und Zeit aufweisen. Ders.: Ornament und Kunst. Schmucktrieb und Ordnungssinn in der Psychologie des dekorativen Schaffens, Stuttgart 1982, S. 301. Vgl. Evert van Straaten: Theo van Doesburg – Konstrukteur eines neuen Lebens, in: Ausst.Kat.: Theo van Doesburg. Maler – Architekt, hg. v. Jo-Anne Birnie Danzker, München/London/New York 2000, S. 95 f.; Emmanuel Guigon: De Aubette of de kleur in de architectuur. Een ontwerp van Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp, Theo van Doesburg, Rotterdam 2006. Dass die Notationsschrift Taeuber-Arps Kunst beeinflusst haben könnte, erwähnt auch lakonisch Carolyn Lanchner. Dies.: Sophie Taeuber-Arp, o. O. 1981, S. 15–16, Fn. 20. Theo van Doesburg: Über das Verhältnis von malerischer und architektonischer Gestaltung, in: Der Cicerone, 18/19 (1927), S. 569-570. Vgl. Matthias Noell: Im Laboratorium der Moderne. Das Atelierwohnhaus von Theo van Doesburg in Meudon – Architektur zwischen Abstraktion und Rhetorik, Zürich 2011, S. 134. Vgl. Kapitel V, S. 226.

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

­ läche und Raum verschwimmen, durch den Raum erhalte das Bild eine neue F Dimension.95 Als Ausdruckstänzerin setzte sich auch Taeuber-Arp, schon in der Lehre bei Laban, intensiv mit dem Körper im Raum und seiner Multiperspektivität auseinander.96 Wie Hennings, berichtete, war Taeuber-Arp von beiden Künsten, der bildenden und der tänzerischen, gleichermaßen beeinflusst: „Viele waren mit mir der gleichen Meinung, daß Sophie Taeuber eine bedeutende Tänzerin sei. Eine erfolgreiche Laufbahn wäre ihr sicher gewesen, und obwohl sie in Bezug auf ihre Kunst sehr bescheiden, bis zur Schüchternheit, war, muß sie doch wohl eine Ahnung von ihrer Begabung als Tänzerin gehabt haben. Wie stark aber muß ihre Liebe zur Malerei gewesen sein. Sie blieb nicht Tänzerin, sondern wandte sich ausschließlich der bildenden Kunst zu.“97 Für die Idee, beides so zu verbinden, wie es Trisha Brown einige Jahrzehnte später unternahm, war die Zeit, in der Taeuber-Arp lebte, wahrscheinlich noch nicht reif.98 Sie schien keinen anderen Weg zu kennen, als sich für das eine oder das andere Medium zu entscheiden, sodass in ihrer Kunst der Einfluss des Tanzes eher erahnt werden kann. Die Arbeit Taeuber-Arps an der Ausstattung der „Aubette“ fand in derselben Periode statt, in der Laban auch seine endgültige Form der Notation entwickelte und in „Schrifttanz“ bekannt machte. Auch Taeuber-Arp entwickelte für die Wandmalereien der „Aubette“ einen grafischen ‚Code‘, nur mit dem Unterschied, dass es bei Laban eine explizite Bedeutung der einzelnen Symbole gab, bei Taeuber-Arp jedoch, wenn überhaupt, nur von einer impliziten Bedeutung dieser Gestaltungselemente des Interieurs gesprochen werden kann. Die schematischen Darstellungen von Taeuber-Arps Entwurf für den Fliesenbelag des Flures der „Aubette“ schienen im Vergleich mit Fotografien von der LabanNotation als Bodenbelag wie Anleitungen zu Tanzbewegungen für die Besucher zu funktionieren (Bilder 38 und 39). Muster und Ornamente auf dem Boden als Anlei-

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Ders.: S. 134. Vgl. Astrid von Asten: Taeuber-Arp, Marionetten, Tanz, Dada, in: Ausst.-Kat.: Bewegung und Gleichgewicht. Sophie Taeuber-Arp. 1889–1943, hg. v. Karin Schick, Davos 2009, S. 114. Padberg sieht Parallelen zwischen der "Rhythmik, Bewegung und Equilibristik" von TaeuberArps Arbeiten und ihrer "tänzerischen Praxis". Dies.: Mandala und Wegweiser, S.  27; vgl. Erica Kessler: Sophie tanzt / Sophie danza, in: Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp, S. 76–85. Emmy Hennings, zit. n. Ernst Scheidegger (Hg.): Zweiklang. Sophie Taeuber-Arp, Hans Arp, Zürich 1960, S. 21. Vgl. außerdem Richter: Dada – Kunst und Antikunst, S. 71: „Sophie Taeuber war nicht nur Tänzerin und Lehrerin, sondern vor allem eine moderne, abstrakte Malerin, als die abstrakte Malerei noch in den viel zu großen Kinderschuhen stak.“ Vgl. den Ausblick, S. 246.

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II. Verändern

Bild 38  Sophie Taeuber-Arp, Axonometrischer Entwurf des Flures für die „Aubette“, 1927, Bleistift und Gouache auf Papier, 89 × 87 cm, Straßburg, Musée de Art moderne et contemporain de Strasbourg.

Bild 39  Tänzer des „Choreographischen Instituts“ demonstrieren die neue Notation, 1928, Fotografie, Laban Collection.

tungen zur Bewegung, das hatte schon seit dem Mittelalter eine Tradition.99 Taeuber-Arps kontrastreiche Komposition leitete die Besucher durch den Korridor und evozierte durch ihre rhythmische Versetzung eine dynamisch anmutende ‚Sprunghaftigkeit‘. Die Muster wurden zu einem „Dynamogramm“ – ein Begriff, den Warburg eigentlich für seelische Spannungen, die sich bildlich als „Pathosformeln“ einschrieben und als Bewegungsabdruck fungierten, der jahrhundertelang überliefert werden konnte, verwendete.100 Für abstrakte Kompositionen könnte dies in einer abgewan  99

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In den Kathedralen von Auxerre oder Chartres beispielsweise sorgten Bodenlabyrinthe für eine „choreographierte Liturgie“. Vgl. Nicole Haitzinger: Vergessene Traktate – Archive der Erinnerung. Zu Wirkungskonzepten im Tanz von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 2009, S. 20–26. Sarah Burkhalter äußerte dies lakonisch in Bezug auf die Verbindung zwischen Taeuber-Arp und Laban. Dies.: Kachina und Kinästhesie, S.  232; vgl. Ernst H. Gombrich: Aby Warburg. Eine intellektuelle Biografie, aus dem Englischen von Matthias Fienbork, Hamburg 2006, S. 338.

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3. Schrifttanz und Konstruktivismus

Bild 40  Sophie Taeuber-Arp im Atelier der „Aubette“ in Straßburg, um 1927, Fotografie, Zürich, Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst.

Bild 41  Rudolf Laban präsentiert die Notation auf Plakaten, in der Hand hält er einen umgestülpten Polyedergürtel, den „Siebenerring“, Fotografie, London, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive

delten Form aber auch gelten (abstraktes „Dynamogramm“). In seiner Lehre über Symbolik und Formgesetze schrieb auch Laban: „Das Symbol hat Erregungskraft, Spannung in sich. Es hat die Fähigkeit, durch den sinnlichen Eindruck seiner Form eine Erregung auszulösen.“101 Ein fotografisches Porträt zeigte Taeuber vor Entwürfen für die „Aubette“ an der Wand in ihrem Atelier in Straßburg 1927 (Bild 40). Auch Laban inszenierte sich in einer Fotografie mit der Notation als Wandbild im Hintergrund (Bild  41). Beide bezeugten ihre Aktivitäten mit ihren abstrakten Bildwerken, sodass, wie auch schon zuvor bei Laban und Buckminster Fuller, auch hier kaum zu erkennen ist, dass sich ihre Tätigkeitsgebiete eigentlich voneinander unterschieden. Es ist aber vor allem be­­­ zeichnend, dass beide mit unterschiedlichen Handwerksutensilien posierten. Während Taeuber-Arp (wahrscheinlich) einen Zirkel hält, hat Laban einen sogenannten

101

Laban: Welt des Tänzers, S. 35.

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II. Verändern

„Siebenerring“ in der Hand – einen umgestülpten Polyedergürtel.102 Beide Werkzeuge dienten gleichermaßen strengen Konstruktionsprinzipien, strukturierten die Bewegung des Menschen im Raum jedoch auf unterschiedliche Weise.

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Nachdem der Künstler Paul Schatz das Foto Labans mit dem Polyedergürtel in der „Schweizer Illustrierten“ von 1954 entdeckt hatte und ihn daraufhin des Diebstahls seiner Idee beschuldigte, entstand ein Briefwechsel zwischen beiden, in welchem Laban Schatz essenzielle Entwicklungen und Ansichten bezüglich seines eigenen Schaffens mitteilte. In einem Brief vom 3.  März 1954 setzte er ihn zum Beispiel darüber in Kenntnis, dass er in seiner Arbeit „diese und andere abstrakte Darstellungen von Bewegungsvorgängen seit mehr als fünfzig Jahren“ verwende, dass der „Siebenerring“ zu den „frühesten seiner Schöpfung gehört“ und eine „wesentliche Grundlage in der Bewegungserziehung seiner Schüler ist.“ Vgl. Schatz: Architektur und Umstülpung, S. 72.

III. Bewegen

1. Maskentänze Die Fotografie von Charlotte Rudolph zeigt eine Maske mit einem schmalen, bleichen Gesicht und knochigen Wangen (Bild 42). Der Blick ist gesenkt, die Lippen scheinen aufeinandergepresst, die Nase flach, die Augenhöhlen tief. Es handelt sich um das markante Gesicht Wigmans; ihre Gesichtszüge finden sich darin wieder. Dennoch erscheint es hier seltsam fahl, ausdruckslos und zugleich geisterhaft, als sei es nicht ihr eigenes. Die Maske trug Wigman in dem Stück „Zeremonielle Gestalt (Vision I)“ von 1927. Bereits um 1920 wurden Masken zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Choreografien. Der Bildhauer Victor Magito, der sich an japanischen Nô-Masken orientierte, deren Formgefühl hier auch zu erkennen ist, schuf diese und weitere Masken für die Tänzerin.1 Aufgrund der oftmals starken Ähnlichkeit mit ihrem Gesicht ist auf Fotografien zum Teil schwer auszumachen, ob Wigman eine Maske trug oder nicht. Fasziniert berichtete die Tänzerin von einem Prozess der Substitution von Masken mit ihrem eigenen Antlitz: „Das bis zur Porzellan-Dünne ausgemeißelte, sehr fein gemaserte Holz in eine längliche Form gebannt, die menschlichen Züge nur eben andeutend. Mund und Augenbrauen über dem elfenbeingetönten Grund mit graublauen Pinselstrichen aufgesetzt. Zwei schmale Schlitze für die Augen. Nicht mehr! Aber sogar in dieser Abstraktion blieb ein Rest des persönlichen Tanzgesichts bewahrt. Die Maske zu tragen war Tortur. Wie eine flache Schale, wie eine zweite Haut lag sie dem Gesicht auf und ihre in das Holz gebannten Züge kerbten sich in das eigene Antlitz ein. Nahm ich sie nach Beendigung des Tanzes ab, so mußte ich feststellen, daß

1

Darunter die Choreografien „Totentanz“, „Hexentanz“ und „Totenmal“. Vgl. Müller: Wigman. Leben und Werk, S. 127. Vgl. auch allgemein: W. Anthony Sheppard: Revealing Masks. Exotic Influences and Ritualized Performance in Modernist Music Theater, Berkeley/Los Angeles/ London 2001, S. 25–41.

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III. Bewegen

Bild 42  Charlotte Rudolph, Tanzmaske Mary Wigman von Victor Magito, 1926, Holz, gefasst, 20,7 × 12,2 × 7 cm, Fotografie, 1928, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum Skulpturensammlung.

sie sich mit mir – oder ich mit ihr – in einem solchen Maße identifiziert hatte, daß mich die Angst packte, ich würde mein Maskengesicht nie wieder los werden können […]. Aber welche Seligkeit, welch ein Triumph, daß man es dann doch geschafft hatte und die ein wenig ins Exotische hinüberspielende Tanz-Gestalt nun über sich selbst hinausgehoben, adelig und unnahbar, aus weiter Ferne grüßend, sich siegreich auf der Bühne behaupten konnte!“2 Die Maske übernahm Wigmans Wesen als Tänzerin, nahm sie in Besitz, ihre Gestaltung brannte sich so stark in ihre eigenen Gesichtszüge ein, dass sich sogar noch nach Abnahme Nachwirkungen bei der Trägerin zeigten. Doch Wigman nahm die unbequemen Aspekte der Maske in Kauf, um auch von deren positiven Qualitäten wie dem Über-sich-selbst hinausgehoben-Werden zu profitieren. Während ihres Tanzes und durch ihn wurde die Maske lebendig.3 Dies schrieb auch Sorell über ihren 2

3

Mary Wigman: Die Sprache des Tanzes, München 1986, S. 34. Vgl. Thomas Schrode: Kostüm und Maske im Ausdruckstanz, in: Ausdruckstanz. Eine mitteleuropäische Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg.  v. Gunhild Oberzaucher-Schüller  / Alfred Oberzaucher / Thomas Steiert, Wilhelmshaven 1992, S. 300. Die Stärke der Maske lag einerseits in der Intensivierung des Gesichtsausdrucks, andererseits aber auch in dessen Schwächung. Wigman nutzte die Maske, um ihren Gesichtsausdruck von allem „Überflüssigen“, Emotionalen zu befreien. Ihre Masken wiesen wenig bis

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1. Maskentänze

Bild 43  Oda Schottmüller bei der Präsentation zahlreicher Masken in ihrem Atelier in der Reichsstraße 106 in Berlin, um 1939/40, Fotografie, EMPORE Antikriegsmuseum „Der kleine Soldat“ und Archiv Susanne und Dieter Kahl.

Maskentanz: „Die Maske löscht den Menschen als Person aus und gibt dem zur Ge­­stal­ tung drängenden Tanzgeschöpf Raum. […] Die aus einer tänzerischen Vorstellung heraus geschaffene Maske wandelt sich dauernd im Tanz. Innerhalb ihrer festgeprägten Form lebt und atmet sie wie ein lebendiges Gesicht.“4 Als gestaltetes Objekt und erweitertes Ausdrucksmittel zugleich wurde die Maske für Tänzer ein wichtiges Attribut. Auch unabhängig vom Kostüm verlieh sie den Tragenden eine intensivierte Präsenz. Eine Fotografie zeigt die sogenannte „Maskentänzerin“ Oda Schottmüller in ihrem Atelier in der Reichsstraße 106 (um 1939/40) in Berlin (Bild 43). Verschiedene Masken hängen an der Wand hinter ihr und sind auf dem Tisch vor ihr ausgebreitet.

4

gar keine Mimik auf. Diese Negation aller persönlichen Empfindungen während des Tanzes wird auch als Ausprägung der (Neuen) Sachlichkeit verstanden: „Erst in der reinen Sachlichkeit konnte sich die neue Tanzkunst in ihrem überpersönlichen, objektiven Charakter erfüllen.“ Vgl. Müller: Wigman. Leben und Werk, S. 132. Sorell: Wigman, S. 159–160.

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III. Bewegen

Ihr Blick ist auf eine weitere Maske gerichtet, die sie in der Hand hält. Neben dem Tanz war Schottmüller Bildhauerin in der Lehre bei Milly Steger. Im Gegensatz zu Wigman fertigte sie die Masken für ihre Auftritte selbst an. Als Tänzerin wurde ihr Körper somit, ebenso wie ihre Skulpturen, zu ihrem eigenen formbaren Material:5 „Wenn eine der stark charakterisierenden Gesichtsmasken das eigene Gesicht der Tänzerin verhüllt, verändern sich erstaunlich, völlig im Einklang mit der Maske, auch Gestalt, Wesen und Bewegung; sie selbst wird zur sichtbaren Inkarnation plastischer Ideen, zu der sie die eigene Körperlichkeit bildnerisch verwandelt“6, berichtete ein Zeitgenosse über den Auftritt Schottmüllers. Die Maske veränderte den Körperausdruck der Tänzerin, der sich zugleich nach deren jeweiliger individueller Gestaltung richtete. Allein durch sie nahm der restliche Körper ebenfalls den Eindruck des plastisch gestalteten Kunstobjekts an. So wie die Tanzenden ihre Präsenz durch die Maske verstärken können, entwickelt die Maske selbst ihre Präsenz nur durch die Abwesenheit derer.7 Zwar ist sie einerseits auf die Tragenden angewiesen, da diese sie durch Körperbewegungen (Tanz) lebendig werden lassen, dennoch verkörpert sie andererseits „die Aufführung selbst“8. Erst in der Performanz kann sie ihre eigentliche Bestimmung erreichen, sie wird „zu einem Gesicht, dem die Körpergestik des Tänzers den Eindruck von Mimik verleiht“9. Mindestens sieben Aufführungen mit Masken und Kostümierung waren auch im Cabaret Voltaire und in der Galerie Dada in Zürich im Zeitraum zwischen 1916 und 1919 angekündigt.10 Die starke Präsenz der Masken, die stilistisch vielfältig waren und sowohl regionale als auch europäische und außereuropäische Einflüsse auf­ wiesen,11 riefen Reaktionen hervor, die nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für ihre Träger, wie Ball in diesem bekannten Zitat berichtete, wohl nicht vorhersehbar waren: „Da geschah nun etwas Seltsames. Die Maske verlangte nicht nur sofort nach   5

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11

Vgl. dazu Norbert Molkenbur  / Klaus Hörhold: Oda Schottmüller. Tänzerin, Bildhauerin, Antifaschistin, Berlin 1983; Geertje Andresen: Die Tänzerin, Bildhauerin und Nazigegnerin Oda Schottmüller. 1905–1943, Berlin 2005. Johannes Moeller: Die tanzende Bildhauerin, in: „Berliner Börsenzeitung“, Nr. 536, 14. 11. 1941, zit. n. Andresen: Oda Schottmüller, S. 256. Hans Belting: Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013, S. 45. Ders., S. 50. Ders., S. 51. Vgl. Michaela Oberhofer: „Unser Glaube an eine direkte, magische, organische und schöpferische Kunst“. Marcel Jancos Masken und Entwürfe, in: Ausst.-Kat.: Dada Afrika, S. 31; Mona De Weerdt: „Abstrakte“ und „Cubistische“ (Masken-)Tänze auf den Dada-Bühnen, in: Ausst.Kat.: Genese Dada. 100 Jahre Zürich, hg.  v. Astrid von Asten  / Adrian Notz  / Sylvie Kyeck, Zürich 2016, S. 200–206. Vgl. dies., S.  33; Harry Seiwert: Marcel Janco. Dadaist, Zeitgenosse, wohltemperierter morgenländischer Konstruktivist, Frankfurt/M. 1993, S. 316–325.

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1. Maskentänze

einem Kostüm. Sie diktierte auch einen ganz bestimmten pathetischen, ja an Irrsinn streifenden Gestus. Ohne es fünf Minuten vorher auch nur geahnt zu haben, bewegten wir uns in den absonderlichsten Figuren, drapiert und behängt mit unmöglichen Gegenständen, einer den anderen in Einfällen überbietend. Die motorische Gewalt dieser Masken teilte sich uns in frappierender Unwiderstehlichkeit mit. […] Die Masken verlangten einfach, dass ihre Träger sich zu einem tragisch-absurden Tanz in Bewegung setzten.“12 Die Maske wurde unmittelbar mit tänzerischer Bewegung, mit Ekstase und mit unvorhersehbarer, ja nahezu magischer Kraft assoziiert, die die Tragenden in Bewegung versetzte und sie willenlos ihr gegenüber machte. Sie „diktierte den Gestus“ und hatte eine „motorische Gewalt“. Vor dieser Folie wurde sie in ihrer facettenreichen Gestaltbarkeit im Dada-Kreis zu einem beliebten Attribut, um die Bewegung der Tanzenden mitzugestalten, zu verändern oder sogar ganz neu zu erfinden. Ball behauptete sogar, dass Tänze direkt durch die Art und Weise der Gestaltung der Masken heraus entstanden seien: „Wir sahen uns jetzt die aus Pappe geschnittenen, bemalt und beklebten Dinger genauer an und abstrahierten von ihrer vieldeutigen Eigenheit eine Anzahl von Tänzen, zu denen ich auf der Stelle je ein kurzes Musikstück erfand. Den einen Tanz nannten wir ‚Fliegenfangen‘. Zu dieser Maske paßten nur plumpe tappende Schritte und einige hastige fangende, weit ausholende Posen […].“13 Durch die Masken schienen die Träger, seien es (geübte) Tänzer oder nicht, erst zu einer neuen Ausdrucksform im Tanz zu gelangen. Allein durch das Aufsetzen der Maske gelang es, in eine neue Rolle zu schlüpfen. Der groteske Ausdruck brachte Unterbewusstes oder Verdrängtes, gar Erschreckendes zu Tage. „Was an den Masken uns allesamt fasziniert, ist, daß sie nicht menschliche, sondern überlebensgroße Charaktere und Leidenschaften verkörpern. Das Grauen dieser Zeit, der paralysierende Hintergrund der Dinge ist sichtbar gemacht.“14 Wer eine Maske aufsetzt, gibt sich einer anderen Gestalt hin als die seinige, gibt etwas von seinem Ich ab an etwas, was ihm nicht bekannt ist, an etwas, dem Kräfte innewohnen, die er nicht kontrollieren kann.15 Die Maske gab die Möglichkeit zur Freisetzung von Emotionen, die den

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13 14 15

Hugo Ball: Tagebucheintrag vom 24. Mai 1916, in: Ders.: Die Flucht aus der Zeit (1927), hg. v. Bernhard Echte, Zürich 1992, S. 96 f.; Burkhalter: Kachina und Kinästhesie, S. 226–232; Ina Boesch: Dada verkörpern. Die Tänzerinnen, in: Die Dada. Wie Frauen Dada prägten, hg.  v. ders., Zürich 2015, S. 49. Hugo Ball: Tagebucheintrag vom 16.4.1916, in: Ders.: Flucht aus der Zeit, S. 97. Ebd.; Elisabeth Nehring: Im Spannungsfeld der Moderne. Theatertheorien zwischen Sprachkrise und „Versinnlichung“, Tübingen 2004, S. 187. Vgl. ebd., S. 188 u. 190. Vgl. außerdem: Sylvie Kyeck: Hinter der Dada-Maske. Warum Masken bei Dada Zürich zum zentralen Element der Bühnenauftritte wurden, in: Ausst.-Kat.: Genese Dada. 100 Jahre Zürich, hg. v. ders. / Astrid von Asten / Adrian Notz, Zürich 2016, S. 192.

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III. Bewegen

Bild 44  Rudolf Laban, Der Mathematicus, Groteske, ca. 1915–1918, Fotografie.

Tragenden sonst unbekannt waren. Sie wirkte befreiend auf den menschlichen Ausdruck. Auch Laban war mit seiner Tanzschule bei den Dada-Abenden präsent. Ball berichtete, dass er bei seinem Vortrag des Lautgedichts zusammen mit Wigman im Publikum saß.16 Außerdem hatte Laban mit fünf seiner Schülerinnen einen Maskentanz einstudiert und trat zwischen 1915 und 1918 für einen Groteskentanz maskiert und mit überlangen, spitz zulaufenden, künstlichen Fingernägeln auf (Bild 44).17 Auf einer Fotografie könnte sein Kostüm an diesem Abend zu sehen sein. Er kniet dort barfuß in einem langen, schwarzen Gewand in Frontalansicht auf dem Boden, die Finger mit den langen, spitzen Nägeln sichtbar vor dem Körper ausgestreckt. Außerdem trägt er eine weiße, kastenförmige, mit dunklen, abstrakten Formen bemalte Maske mit dreieckigen Augenschlitzen, die ein abstrahiertes Gesicht andeuten. Sie

16 17

Vgl. Kapitel II, S. 60. Es ist möglich, dass dies im Kontext ebendieser Dada-Abende stattfand.

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1. Maskentänze

Bild 45  Sophie Taeuber-Arp und Erika Schlegel in KachinaKostümen, 1922, Fotografie, Clamart, Fondation Arp.

weist starke Ähnlichkeit mit Masken von Kachina-Tänzern auf, wie sie auch TaeuberArp verwendete.18 Diese posierte in einer Fotografie mit ihrer Schwester Erika Schlegel (so die bisher tradierte Zuschreibung des Fotos aus der Fondation Arp) mit großen, viereckigen Masken, die die Kopfform negieren und stattdessen geometrisch geformte (stark abstrahierte) Gesichtsmerkmale und Ohren darstellen (Bild 45). Die Person links trägt eine dicke Perlenkette, ein geometrisch gemustertes Oberteil, einen mit Mustern in starken Kontrastfarben versehenen Rock sowie Handschuhe und eine Art Mokassin mit Fellschmuck. Die Person rechts trägt ein schmal geschnittenes Kleid, darunter eine helle Hose sowie ebenfalls Handschuhe und gemusterte Mokassins. Die Kostüme wurden angefertigt für einen Maskenball in Zürich. Ob und wie sie dort tänzerisch zum Einsatz kamen, ist nicht bekannt. Dennoch knüpften sie formal und ästhetisch an Ideen des Maskentanzes im Dada-Kreis an, nur mit dem Hintergrund einer 18

Laban reiste im Jahr 1926 zwecks „ethnografischer Studien“ in die USA und sah dort Maskentänze von Indianern. Laban: Ein Leben für den Tanz, S. 160 f.

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III. Bewegen

real existierenden rituellen Bedeutung. Denn die Entwürfe beziehungsweise deren auf dem Foto nachvollziehbare passgenaue Ausführung beruhen tatsächlich (mit kleinen Abweichungen) auf zwei spezifischen Figurentypen der Kachina-Puppen der Hopi-Indianer.19 Deren Kachina-Kult beinhaltet einen Kostüm- und Maskentanz20, durch den Kontakt zum Wettergeist Kachina aufgenommen werden soll und der durch tänzerische (und schauspielerische) Aktivitäten artikuliert wird. Dazu gehört auch das

Bild 46  Lee Miller, Max Ernst mit Kachina-Maske in seinem Haus in Sedona, Arizona, 1946, Fotografie, East Sussex, England, Lee Miller Archives.

Schnitzen von geschmückten Puppen, die als Substitut der Tänzer gelten und Kindern zur Veranschaulichung und Heranführung an die Kulthandlungen dienen sollen.21 Es existieren zahlreiche Figurentypen der Kachina, denen unterschiedliche Namen und Bedeutungen zukommen. Die Kostümentwürfe Taeuber-Arps basierten höchstwahrscheinlich auf zwei spezifischen Exemplaren dieser Puppen.

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Vgl. dazu Peter Bolz: Indianer und Katsinam. Annäherungen der europäischen Avantgarde an die indigenen Kulturen Nordamerikas, in: Ausst.-Kat.: Dada Afrika, S. 60. Bei der Vorlage zu den Kostümentwürfen könnte es sich um Kachina-Puppen gehandelt haben, die Carl Gustav Jung Anfang 1925 von einem Besuch der Pueblo-Indianer mitbrachte. Zugleich wird aber die Datierung der Kostüme weiterhin auf 1922 festgelegt. Vgl. dazu Walburga Krupp: Echte Indianer. Sophie Taeuber-Arps Frühwerk im Hinblick auf fremde Kulturen, in: Ausst.Kat.: Dada Afrika, S. 54. Vgl. auch Jacqueline Shea Murphy: The Art of Native American Dance, in: Ausst.-Kat.: Dance. American Art. 1830–1960, hg. v. Jane Din, New Haven/London 2016, S. 65–85. Vgl. Horst Hartmann: Kachina-Komplex, in: Ausst.-Kat.: Hopi und Kachina. Indianische Kultur im Wandel, hg. v. Albert Kunze, München 1988, S. 150–153.

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1. Maskentänze

Bild 47  Sophie TaeuberArp, „Abstraktes Motiv (Masken)“, 1917, Gouache auf Papier, 34 × 24 cm, Berlin/Rolandseck, Stiftung Arp e. V.

Auch Max Ernst besaß eine Leidenschaft für die Kachina-Puppen. Er lebte in den 1940er Jahren in Arizona und hatte Kontakte zu den Indianern in den Reservaten.22 1946 posierte er für Lee Miller in seinem Haus in Sedona mit Kachina-Maske. Dabei kniete er auf dem Boden mit einem Zimmermannshammer, der im Moment der Aufnahme die Bodenplatte berührte (Bild 46). Doch im Gegensatz zu Ernst, für den wohl die Mythologie der Hopi im Mittelpunkt stand,23 die in Gestalt der Puppen unmittelbar zu Tage trat, faszinierten Taeuber-Arp viel früher wahrscheinlich eher formale Charakteristiken der Gestaltung.24 In einem abstrakten Bild von 1917 könnte 22

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Andreas Franzke: Kachina in der Kunst des 20. Jahrhunderts, in: Ausst.-Kat.: Kachina-Figuren der Pueblo-Indianer Nordamerikas aus der Studiensammlung Horst Antes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, S.  10 u. 14. Außerdem sind Fotografien überliefert, in denen Ernst stolz seine Sammlung von Kachina-Figuren auf einem Tisch aufgereiht präsentierte. Franzke: Kachina in der Kunst des 20. Jahrhunderts, S. 18. Taeuber-Arp beschäftigte sich schon als Jugendliche mit den indigenen Völkern Nordamerikas: Eine Fotografie von 1904 aus ihrer Schulzeit zeigt sie in einem mit einer Blumentapete

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III. Bewegen

Bild 48  Emil Nolde, „Exotische Figuren I (Fetische)“, 1911, Öl auf Leinwand, 64,5 × 78 cm, Dauerleihgabe an das Franz Marc Museum, Kochel am See (Seebüll, Nolde Stiftung Seebüll).

sie in einer ebenso farbenreichen Art und Weise, wie es der Kachina-Kult vorsah, Masken mit stark abstrahierten Gesichtern andeuten (Bild 47, Farbtafel 3). Die Komposition bestimmen rechteckige Farbflächen, vornehmlich aus Rottönen. Stark schematisierte, weiße Kopfformen mit großen, blauen Knopfaugen erinnern an die Puppen. Die Körper sind nur in Form von Linien, eher Stäben, auf denen die Masken thronen, dargestellt. Nahm die Begeisterung für das Kunsthandwerk der Hopi-Kultur mit den Surrealisten seinen Höhepunkt, gilt doch Emil Nolde als der erste Künstler, der sich in

ausgekleideten Zimmer, an dessen Wand ein gestreifter Webvorhang mit Spitzenbordüre hängt. Auf diesem Vorhang befindet sich eine Art Bilderatlas, vorwiegend mit Porträts aus einem sogenannten „Indianer-Kalender“, wie es über dem Bild geschrieben steht. Bolz hat gezeigt, dass ein identischer Satz im Ethnologischen Museum Berlin zu finden ist. Die Ori­ ginalfotos sind wahrscheinlich 1899 im Studio von Hermann Heyn in Omaha, Nebraska entstanden (vgl. ders.: Indianer und Katsinam, in: Ausst.-Kat.: Dada Afrika, S. 59 u. 60). Zwischen den Fotos sind auch verschiedene Objekte befestigt, wie Tomahawks und Federschmuck. Vgl. Burkhalter: Kachina und Kinästhesie, S. 228; Es könnte sich jedoch auch um eine Collage des älteren Bruders Hans Taeuber handeln, denn von diesem ist bekannt, dass er die Lektüre Karl Mays bevorzugte. Vgl. Krupp: Echte Indianer, S. 50 und Fn. 4.

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1. Maskentänze

Bild 49  Emil Nolde, „Exotische Figuren II“, 1911, Öl auf Leinwand, 65 × 78 cm, Seebüll, Nolde Stiftung Seebüll.

„Exotische Figuren I und II“ schon 1911 mit Kachina-Puppen aus dem Völkerkundemuseum in Berlin auseinandersetzte (Bild  48 und 49, Farbtafel 6 und 7). Die zwei farbenprächtigen Malereien von 1911, verdeutlichen sein Interesse an den Figuren. Die kubische Form der Puppen veranlasste ihn (ähnlich wie später auch Taeuber-Arp) zu einem für ihn ungewöhnlich abstrakt-konstruktivistischen Bildaufbau, wenn sich Elemente der Kachina-Figur im Hintergrund wiederfinden (Bild 49).25 Ebenjene Maskenbilder Noldes sollen, so berichtete es Sorell, wiederum einen bleibenden Eindruck auf Wigman gemacht haben. Vielleicht setzte auch Wigman selbst Taeuber-Arp von den Kachina-Bildern Noldes in Kenntnis.26 Künstler und Tänzer waren gleichermaßen fasziniert von Masken nicht nur der Hopi, sondern verschiedenster Kulturen. Sowohl die Gestaltung der Masken als 25

26

Vgl. Manfred Schneckenburger: Bemerkungen zur „Brücke“ und zur „primitiven“ Kunst, in: Ausst.-Kat.: Weltkulturen und moderne Kunst. Die Begegnung der europäischen Kunst und Musik im 19. und 20. Jahrhundert mit Asien, Afrika, Ozeanien, Afro- und Indo-Amerika, hg. v. Siegfried Wichmann, München 1972, S. 470. Weiterführend auch: Karsten Müller (Hg.): Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole, Hamburg 2012, S. 46–51. „Noldes Maskenbilder, an denen er schon 1911 zu arbeiten begann, hatten einen bleibenden Eindruck auf Mary Wigman gemacht.“ In: Sorell: Wigman, S. 171.

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III. Bewegen

auch ihre den ­Körper verändernde Wirkung standen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Im „Schlangenritual“ berichtete Warburg von seiner Reise zu den Hopi-Indianern, während der er schon im Mai 1896 in Oraibi unter anderem Zeuge des KachinaKults in seinen verschiedenen Ausprägungen wurde.27 Er wohnte dort sowohl dem Schlangen- als auch dem Kachina-Tanz bei und war wohl vor allem an der „künstlerischen Ausdruckskraft“ der Tänze und Symbole interessiert.28 Eine Reihe von Fotografien, teils von Warburg selbst aufgenommen, beleuchten diese intensive Erfahrung. Darunter findet sich ein Bildnis, das Warburg selbst zeigt, wie er mit einer nur bis kurz unter die Augenbrauen reichenden Maske posiert (Bild 50). Dies führte zu der Annahme einer „Trivialisierung“ des Hopi-Kults durch Warburg. Er nähme ihm dadurch seine Geheimnisse und reduziere ihn auf eine „farbenfrohe Exotik“.29 Warburgs Verhalten könnte jedoch auch als Distanzierungsleistung gedeutet werden, als Ehrfurcht vor der Inbesitznahme des Kultes von seinem Körper, die sich mit dem vollständigen Aufsetzen der Maske vollziehen würde, daher dieser ‚halbherzige‘ Umgang mit ihr. Vielleicht war es gerade eine Demutsgeste, als ob er sich nicht berufen fühlte zum Tragen einer Kopfbedeckung, deren Bedeutung so fremd und komplex ist, dass sie einem Außenstehenden nie in ihrer Gänze verständlich werden konnte.30 Vielleicht fürchtete er auch das, was später die (Dada-)Künstler und Tänzer berichteten, nämlich, dass die Maske von ihnen „Besitz ergriff“. Vielleicht – und das wäre die einfachste Erklärung – wollte er auch noch erkannt werden. Radikaler hielt es da Taeuber-Arp, die sich nicht davor scheute, in der Fotografie durch die Maske anonym zu bleiben. Vergleicht man das Foto Warburgs mit denen Taeuber-Arps, Ernsts oder Labans zeigt sich, dass sich alle Parteien als Außenstehende in einer formalen Annäherung an Kulthandlungen versuchten, deren Hintergrund sie nicht kannten und wahrscheinlich auch trotz (mehr oder weniger) intensiver Beschäftigung niemals in seiner Gänze verstehen lernten. Die Künstler und Tänzer näherten sich aus einer formalästhetischen Richtung, Warburg hingegen aus einer kunst- und kulturwissenschaftlichen Perspektive.

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Vgl. Aby Moritz Warburg: Schlangenritual. Ein Reisebericht, Berlin 1988. Vgl. auch Kapitel 5 „Among the Hopi“, in: Michaud: Aby Warburg and the Image in Motion, S. 171–228. Bolz: Indianer und Katsinam, S. 57. Vgl. David Freedberg: Warburg’s Mask. A Study in Idolatry, in: Anthropologies of Art, hg. v. Mariët Westermann, New Haven, Conn. 2005, S. 14. In ähnliche Richtung geht auch Barbara Langes Deutung: Indianer sein. Von der Sehnsucht nach dynamischer Existenz bei Aby Warburg und Marsden Hartley, in: Der Mann in der Krise? Visualisierungen von Männlichkeit im 20. und 21. Jahrhundert, hg.  v. Änne Söll  / Gerald Schröder, Köln 2015, S. 28.

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1. Maskentänze

Bild 50  Aby Warburg trägt die Maske eines Kachina-Tänzers in Oraibi, Arizona, 1896, Fotografie, London, The Warburg Institute.

Die Masken-Fotografien befremden, denn die Betrachtenden sind unaufhörlich versucht, aus den geometrischen Formen auf ihrer Oberfläche das abstrahierte Schema eines Gesichts herauszulesen. Auch der restliche Körper wird von der Maske (und natürlich auch vom Kostüm) abstrahiert; denn das Gewicht und die Größe der Gestaltung, speziell der Kachina-Masken, hatten sicherlich Einfluss auf das Körperschema und auf die Wahrnehmung der Bewegung ihrer Träger. Es war nicht nur eine das Gesicht bedeckende Maske, sondern vielmehr eine Kopfbedeckung, eine Kopfmaske, die als klobiger Aufsatz die gesamte Kopfform, den Hals und so auch die Erscheinung des Körpers und seiner Bewegungen veränderte. Die Dada-Künstler faszinierte der Einfluss der Maske, sie benötigten ihn in seiner vollen Kraft, eine Distanzierung wie bei Warburg, der direkter Zeuge der eigentlichen Kulthandlungen wurde, war nicht nötig, denn die Masken verloren völlig ihre Funktion als Substitut von Geistern oder Ahnen. Sie wurden in einem Kontext verwendet, der losgelöst war von ihrer eigentlichen symbolischen Aufladung.31 Und 31

Dass die Maske in der Klassischen Moderne ihrem ursprünglichen Kontext entzogen war, kritisiert auch Manfred Schneckenburger: Masken der Stammeskunst „Masken der Moder­­ne“, in:

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III. Bewegen

dennoch schienen die Tänzer zu wissen und zu spüren oder sich zumindest einzubilden, dass die Maske sie veränderte (wie es Ball beschrieb). Rein das Bewusstsein darüber, dass ihre Gestaltung einem rituellen Kontext entstammen könnte und ursprünglich mit Vorstellungen von Magie verbunden war, hatte eine Wirkung. Das Aufsetzen verlangt, selbst von Laientänzern eine Bewegung, die jenseits der alltäglichen lag. Die Künstler und Tänzer brauchten die Maske ebenso wie die Maske die körperliche Performanz benötigte. Bild und Akt zugleich, wurde die Maske zu einem Schnittpunkt zwischen bildender Kunst und Tanz. Während Warburg sich distanzierte und lediglich als Beobachter den Tanz verfolgte, ließen sich die Künstler und Tänzer vom Einfluss der Kultmaske mitreißen, ließen geschehen, dass das Bildnis sie veränderte.

2. Körpermasken Eine Fotografie von 1917 zeigt eine kostümierte Person mit einer Maske, bei der es sich um Taeuber-Arp handeln könnte (Bild 51).32 Die Form des Kopfes und der Körper sind vollkommen verdeckt. Die Kopfmaske ist rechteckig und am Ende mit Zacken versehen, wie eine Krone. Dazu trägt die Person eine Art Kleid, aus dunklen und hellen Flicken zusammengenäht (was an Delaunay erinnert), sowie Armstulpen aus einem festen Material (eventuell Pappe), die ebenso wie die Kopfbedeckung am Ende zackenförmig auseinanderlaufen. Die teilweise einer Ritterrüstung ähnelnde Verkleidung führte zu einer steifen Haltung der Arme, der Hände und des Kopfes. Das Foto könnte bei einem Auftritt zum Eröffnungsfest in der Galerie Dada am 29. März 1917 entstanden sein.33 Das Kostüm erinnert an Taeuber-Arps ein Jahr später entstandenen Marionetten für das Stück „König Hirsch“ von Carlo Gozzi, deren Holzkörper ebenfalls mehr-

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Ausst.-Kat.: Weltkulturen und moderne Kunst. Die Begegnung der europäischen Kunst und Musik im 19. und 20. Jahrhundert mit Asien, Afrika, Ozeanien, Afro- und Indo-Amerika, hg. v. Siegfried Wiechmann, München 1972, S. 495–499. Die maskierte Person in der Fotografie wird in der Forschung als Taeuber-Arp bezeichnet. Doch Walburga Krupp stellte in einem jüngst erschienen Artikel in Frage ob es sich bei der Person tatsächlich um sie handelt. Auch die Datierung, den Anlass des Fotos und den Erschaffer des Kostüms zweifelt sie an. Ihre Einwände sind berechtigt, was jedoch nicht die besondere Bedeutung dieser Kostümgestaltung für den Kontext der vorliegenden Arbeit in Zweifel zieht. Dies.: Sophie Taueber-Arp als Tänzerin und Dadaistin. Eine Wunschvorstellung der Rezeption?, in: De Weerdt / Schwab (Hg.): Monte Dada, S.150 ff. Wahrscheinlich ihr einziger im dadaistischen Kontext (vgl. Krupp: Echte Indianer, S. 52). Es ist möglich, dass dieses Foto nicht während des Auftritts gemacht wurde, sondern zu einem anderen Zeitpunkt, und Taeuber für diesen Zweck eine Pose aus der Choreografie eingenommen hat beziehungsweise das Kostüm besonders gut in Szene setzt.

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2. Körpermasken

Bild 51  Sophie Taeuber-Arp (?) in Tanzpose mit Kostüm und Maske 1917, Fotografie, Silbergelatine, 17,8 × 10,8 cm, Locarno, Fondazione Marguerite Arp.

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III. Bewegen

heitlich aus abstrakten Formen bestanden (Bild 52).34 Sie besaßen grob den Aufbau des menschlichen Körpers, wobei Arme, Beine, Rumpf und Kopf durch Gelenke aus Metallösen verbunden waren. Die Marionetten wurden dennoch durch geometrische Elemente von einer anthropomorphen Erscheinung abstrahiert. An Kopf, Schultern und Händen waren Bindfäden befestigt, die ihre Beweglichkeit durch die Hand des Spielers garantierten. Ihre Körper bestanden aus Zylindern, Kugeln oder Kegeln, die Gesichter glichen grotesken Masken. Teilweise waren sie geschmückt mit Federn, Tüll oder Plastikblumen. Ihre Körper, zerstückelt durch die für die Flexibilität unterbrochenen Gliedmaßen und die fragmentarische Proportionierung durch geometrische Volumina, haben einen befremdlichen Charakter, wie auch Schlemmers Figurinen des Triadischen Balletts. Sie lassen die Betrachtenden in einem Wechselspiel zwischen Einfühlung und Verfremdung schwanken, zwischen emotionaler Einbindung und der Abwesenheit von Gefühlen.35 In Taeuber-Arps Maskerade überwiegt die Entfremdung. Vor allem die vom menschlichen Körper ebenfalls stark abstrahierten Hände stechen durch wenige spitze Elemente hervor und weisen starke Ähnlichkeit zu denen auf, die Ball in dem berühmten Foto bei seinem Auftritt im Cabaret Voltaire 1916 trug. Es sind Hände, die bedrohlich wirken, jedoch nichts greifen können. Hervorgerufen durch Kostüm und Körperhaltung gleichermaßen wirkt die Pose eckig, künstlich und maschinell, als werde sie von fremden Kräften bestimmt. Dennoch bringt allein die Kraft des Körpers das noch so steif wirkende Kostüm zur Bewegung und haucht ihm Lebendigkeit ein, so wie der Marionettenspieler. Im Aufsatz „Über das Marionettentheater“ erörterte Kleist die Einfühlung des Puppenspielers in sein Handwerk. Er schlug vor, der Spieler solle selber tanzen können, um die nötige Empfindsamkeit für die Bewegung der Puppe vor allem bezüglich des Körperschwerpunkts zu erhalten.36 Der Puppenspieler forderte „Ebenmaß, Beweglichkeit, Leichtigkeit […] und besonders eine naturgemäßere Anordnung der Schwerpunkte“ des Körpers der Puppen, um sein Handwerk adäquat auszuführen.37 Bei ihren Marionetten sorgte Taeuber-Arp sicherlich für diese Eigenschaften, doch bei ihrem eigenen Kostüm schien sie darauf absichtlich zu verzichten.

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Neben Taeuber fertigten auch Hanna Höch, Kurt Schmidt und Alexandra Exter Marionetten an. Vgl. Sigrid Barten: Und alle Puppen tanzen. Die Dada-Marionetten von Sophie Taeuber, in: Kunst + Architektur in der Schweiz 4/47 (1996), S. 426–430. Vgl. Juliet Koss: Modernism after Wagner, Minneapolis 2010, S. 228. Vgl. auch dies.: Bauhaus Theater of Human Dolls, in: The Art Bulletin, 4/85 (2003), S. 724–745. Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater (1810), Stuttgart 2002, S.  80. Vgl. allgemein: Ausst.-Kat.: Puppen, Körper, Automaten. Phantasmen der Moderne, hg. v. Pia MüllerTamm / Katharina Sykora, Köln 1999. Kleist: Über das Marionettentheater, S. 82.

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2. Körpermasken

Bild 52  Sophie Taeuber-Arp, „Freud­ analytikus“ (Marionette aus dem Stück „König Hirsch“), 1918, Holz, gedrechselt und bemalt, Ölfarbe, Metall: Messing, Metallösen, 61 × 17 × 17 cm, Zürcher Hochschule der Künste / Museum für Gestaltung Zürich / Kunstgewerbesammlung.

Welche Eigendynamik dem Kostüm im Dada-Kreis zugeschrieben wurde, verdeutlichte Wigman wiederum in Bezug auf einen Dada-Abend in ihrer Züricher Wohnung: „Meine Freundin Sophie Taeuber […] und ich hatten uns gegenseitig […] fest in unsere extravaganten Kostüme eingenäht […].“38 Die beiden Tänzerinnen schienen selbst zu „Marionetten“ ihrer eigenen Kostüme zu werden. Auch hier zeigt sich wieder: Eher ging es darum, was die Kostüme und Masken mit den Tanzenden machten, als darum, was diese mit den Kostümen anstellten. Die Abstraktion vom menschlichen Körper und sein damit einhergehendes Ausgeliefertsein zugunsten der Gestaltung wird hier auf die Spitze getrieben. „[…] denn hier ist die Maske nicht aufgesetzt, nicht Kostüm, sondern der eigentliche Tanzkörper, dem der lebendige Leib nur seine Kräfte lieh“39, hieß es in einem anderen Kontext über das Hamburger Künstler- und Tänzerehepaar Lavinia Schulz und Walter Holdt. Die beiden trugen bei ihren Auftritten zwischen 1920 und 1924 selbst hergestellte Ganzkörpermasken, bei denen „Kopf und Körper zu fast anor-

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Sorell: Wigman, S. 129. Hans  Waldemar Fischer: Hamburger Kulturbilderbogen, München 1923, S.  260–261; vgl. Athina Chadzis: Die Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt, Frankfurt/M. 1998, S. 93.

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III. Bewegen

Bild 53  Minya Diez-Dührkoop, Tanzmasken „Tanzpaar Toboggan“ von Lavinia Schulz und Walter Holdt, um 1924, Fotografie, Silbergelatine, 21,6 × 16,7 cm, Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

ganischen Formen verwandelt […] und bis zu mystisch architektonischen Gebilden gesteigert [wurden]“40. Schulz war bildende Künstlerin und hatte akademisches Zeichnen in Berlin studiert, wo sie Lothar Schreyer kennengelernt hatte, den Leiter der expressionistischen Sturmbühne, dem sie nach Hamburg gefolgt war.41 Ihre Kostüme entstanden in Eigenarbeit. In einer Fotografie von ca. 1924 posierten die beiden in Kostümen, deren stilistische Zugehörigkeit schwer zu bestimmen ist (Bild 53). Es handelt sich um bunte Fantasiewesen mit großen, froschartigen Kopfmasken, die Körper komplett eingehüllt in ausskulptierte Formen. An verschiedenen Stellen des Kostüms sprießen schlingpflanzenartige Gebilde, die den Körperumfang erweiterten

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Joseph Richard: Tanzmaske und Bühne, in: Der Kreis. Zeitschrift für künstlerische Kultur 3/10 (1926), S. 432 f. Vgl. Nils Jocke: Elbischer Kobold und Versunkene Kathedrale. Die Ausdrucks- und Maskentänze von Ursula Falke, in: Ausst.-Kat.: Entfesselt. Expressionismus in Hamburg um 1920, hg. v. Rüdiger Joppien / Annette Baumann, Hamburg 2006, S. 95. Vgl. Stanislaw Rowinski: Lavinia Schulz und ihre künstlerischen Inspirationsquellen, in: Ausst.-Kat.: Entfesselt, S. 51.

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2. Körpermasken

und an die Lenkfäden einer Marionette erinnern. Mithilfe von verschiedenen Materialien wie Sackleinen, Pappmaché, Draht, Watte und Leder wurden die Körper durch das Kostüm regelrecht modelliert. Von ihnen selbst war kaum mehr etwas zu erkennen. Aufgrund ihrer Üppigkeit und des Materialverbrauchs wurden die Kostüme auch als „Architekturen“ bezeichnet. Neben der Choreografie und der Musik stand bei den Stücken vor allem die Wirkung der Kostüme im Vordergrund.42 Abgesehen von Choreografie, Musik und Bühnensituation waren Maske und Kostüm die wichtigsten Bestandteile des Eingriffes durch die bildende Kunst in den Tanz. Stilistische Eigenarten des Werkes des jeweiligen Künstlers spiegelten sich dadurch in der Erscheinung des Tänzers wieder und beleuchteten seine Sichtweise auf den Körper und dessen Bewegung. Eigenarten der jeweiligen Gattung, in der der Künstler tätig war, wurden auf den Körper des Tänzers projiziert.43 Doch nicht immer traf es sich so glücklich wie im Beispiel Schulz und Holdt, Taeuber-Arp oder Schottmüller, wo die Tanzenden auch die Kreateure ihrer eigenen Kostüme waren. Die Vorstellungen, die Tänzer und Künstler von einem Tanzkostüm hatten, konnten durchaus gegenläufig sein. Plastisch ausgearbeitete Kostüme mit Formen wie Kuben, Kegel oder Scheiben, mit denen sich die Tänzer zu arrangieren hatten, konnten die Bewegung stark beeinträchtigen, was, im Gegensatz zu Schulz und Holdt, nicht alle Tanzenden erfreute. Im Vortrag „Über das Tanzkostüm“ bemerkte der Tänzer Alexander Sacharoff, dass die Bekleidung ihn nicht an der Bewegung hindern dürfe.44 Zunächst erscheint es naheliegend, dass Tänzer natürlich an möglichst ungehinderten Bewegungsabläufen und an zumindest die Bewegung unterstützenden oder verstärkenden Kostümen interessiert waren. Es gab jedoch auch, wie bereits gezeigt, etliche Gegenbeispiele. Denn Künstler – und wohl auch solche, die selber tanzten –, schienen die plastisch elaborierte Ausgestaltung der Bühnenbekleidung weitestgehend zu bevorzugen. Außerdem waren leichte oder elastische Materialien im frühen 20. Jahrhundert kaum verfügbar und das Gewicht von Pappmaché summierte sich bei zunehmender Verwendung enorm. 1908 wurde in dem Artikel „Reform der Tanzkunst“ festgestellt: „Das Gewand der Tanzenden und der Rahmen, in dem der Tanz vor sich geht, müssen ein das Auge befriedigendes Bild liefern […]. Hier erwachsen demnach für den bildenden Künstler neue und dankbare Aufgaben, und zwar für bildende Künstler, die etwas vom Tanz

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Chadzis: Die Maskentänzer, S. 92. Katja Stromberg: Vom Tanzen der Kleider und Körper. Eine Kulturgeschichte des Tanzkleides, in: Bewegung, Sprache, Materialität. Kulturelle Manifestationen des Textilen, hg.  v. Gabriele Mentges, Berlin 2003, S. 50. Alexander Sacharoff: Über das Tanzkostüm, 1950, zit. n. Katja Stromberg: Kleider – Tanz – Schuhe. Wer bewegt wen?, in: Mode und Bewegung. Beiträge zur Theorie und Geschichte der Kleidung, hg. v. Anna-Brigitte Schlittler / Katharina Tietze, Emsdetten 2013, S. 27.

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III. Bewegen

und von der Musik verstehen.“45 Es war als Aufgabe der Künstler angesehen, den Rahmen für ein Tanzwerk ästhetisch zu gestalten. Um dessen Anspruch gerecht zu werden, mussten sie idealerweise bereits selbst mit dieser rhythmischen Kunst vertraut sein. In einem Artikel in „Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit“ wird das Verständnis der 1920er Jahre von der Kleidung beschrieben, die so intensiv auf die körperliche Ausdruckskraft einwirkte, dass es einem Tanz gleichkam: „Die ‚Mode‘ ist als Kunst ein dem Tanz verwandtes Ausdrucksgebiet. Als Weiterführung der körperlichen Plastik ist sie zunächst mehr auf die unbewegte Form angewiesen, doch wie sie dem Körper dient, gewinnt sie durch die Beweglichkeit des Körpers auch wieder unerhörte Entfaltungsmöglichkeiten. Sie kann sogar so stark werden im Unterstreichen dieser Beziehung zur Bewegung, daß sie nun wieder ihrerseits Gang, Haltung und schließlich sogar den ganzen Ausdruck des menschlichen Trägers formt.“46 Handelt es sich bei dem Träger dann tatsächlich um einen Tänzer, so ist der logische Schluss, dass diese Wirkung noch einmal verstärkt wird. Je stärker die Bekleidung der Tanzenden ausgestaltet ist, umso intensiver verändert sie die Möglichkeiten der Artikulation. Thiess beschrieb 1920 sogar: „Eckige Bewegungen werden auch eines ihnen gemäßen Kostüms bedürfen, und eine Angleichung des dekorativen Elements an die Körperlinie dürfte wiederum zur Verstärkung des künstlerischen Eindrucks nicht unwesentlich beitragen.“47 Über das von Fernand Léger gestaltete Ballett „Création du Monde“ sprach sich Levinson vor allem in Hinsicht auf die dekorativen Elemente betont negativ aus: „[…] die Massen des Dekors und die Formen der Kostüme verdrängten komplett den eigentlichen Meister: den Tänzer.“48 Auch Sorell wiederholte eine solche Kritik sechzig Jahre später und warnte den Bühnenbildner: „Er darf nie vergessen, daß er dem Ballett und damit den Ideen des Choreographen dienen und sie unterstützen muß. Seine kreative Begabung könnte dazu führen, daß er die Choreographie überwältigt.“49 Dies geschah wohl auch im Falle Marc Chagalls für Igor Strawinskys „Feuervogel“:

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Emil Utitz: Reform der Tanzkunst, in: Deutsche Kunst und Dekoration 23 (1908), S. 238. Fritz Wichert: Die Frankfurter Schule für freie und angewandte Kunst, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit 4 (1929), S. 356; Valerie Steele: Dance & Fashion, New Haven u. a. 2013. Thiess: Der Tanz als Kunstwerk, S. 59. „[…] les masses du décor et les formes des costumes rigides évincèrent-elles complètement le présumé maître des lieux: le danseur.“ André Levinson: L’année chorégraphique, in: Le Temps, Paris, 29.  September 1924, S.  2; vgl. Hartwig Fischer: Eine vollständigere Kunst – Léger und das Ballett, in: Ausst.-Kat.: Fernand Léger. 1911–1924. Der Rhythmus des modernen Lebens, hg. v. Dorothy Kosinski / Katharina Schmidt / Gijs van Tuyl u. a., München/New York 1994, S. 239–242. Sorell: Aspekte des Tanzes, S. 199.

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2. Körpermasken

Sorell verwies auf die Schlagzeile einer Kritik in der New York Times, die lautete: „Chagalls Décor dominiert Ballett“50. Hier, so Sorell, „lenkte das malerische Können vom Bühnengeschehen ab“. Nur wenn beide Künste „in Schach gehalten“ würden, könnten sie sich zugleich in ihrer vollen Tragweite entfalten.51 Dass die Choreografie die Tänzer am Tanzen hindere, sei undenkbar.52 Zum einen war es die Überfrachtung des Dekors, zum anderen die Vorherrschaft des Bildes. Levinson warnte vor den Konsequenzen der Zusammenarbeit von bildenden Künstlern und Tänzern oder Choreografen, wie beispielsweise Michel Fokine vom russischen Ballett: „Besides Fokine’s unnecessary, superficial and jejune attempt to dramatize ballet, another weak spot in his compositions is precisely this predominance of the pictorial. […] Sometimes all the mad moving about on stage seems like nothing more than an annoying commotion and distraction. […] The victory of Russian painting at the Grand Opéra cost ballets like these dearly.“53 Demzufolge konnte das Bild den Bühnentanz durchaus negativ beeinflussen, gar zerstören. Mit dem Begriff des „Sieges“ der Malerei eröffnet Levinson sogar eine Art Kampf zwischen den Medien im Theater. Die Kollaborationen führten oft dazu, dass eine der beteiligten Künste als benachteiligt angesehen wurde. Die eine verdrängte die andere oder unterdrückte sie, sodass sie nicht in ihrer vollgültigen Meisterschaft zu Tage treten konnte, eine negative Auslegung des angestrebten Gesamtkunstwerks. Andererseits priesen dieselben Kritiker die Fruchtbarkeit solcher Interaktionen auch als „Mitstreit“54, wie Sorell: „Beide [Tanz und Bühnenbild] sprechen dieselbe ästhetische Sprache. Im Prinzip ist es notwendig, daß beide sorgfältig aufeinander abgestimmt sind, daß sie ein gemeinsames Ziel verfolgen und ein Gefühl des Zusammengehörens und der gegenseitigen Unvermeidlichkeit erreichen.“55 Und auch Levinson erkannte an, dass durchaus positive Aspekte an einer solchen Zusammenarbeit zu finden waren: „However, one should not exaggerate the dangers of the new course. You cannot discount the quantity of new experience that the collaboration of so many talented people must bring about.“56 Das Stück der Ballet Russes, „Parade“ (1917), an dem Erik Satie, Picasso und Massine gemeinsam arbeiteten, hielt für die Tänzer

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Ebd.; Beate Reifenscheid: Chagall und die Bühne, Bielefeld 1996. Sorell: Aspekte des Tanzes, S. 202. Ders., S. 203. André Levinson: Ballet Old and New, S. 45. Vgl. allgemein Joris van Gastel / Yannis Hadjinicolaou / Markus Rath (Hg.): Paragone als Mitstreit. Actus et Imago. Bd. 11, Berlin 2014. Vgl. außerdem: Denis Bablet: Der Anteil des Malers, in: Ausst.-Kat.: Die Maler und das Theater im 20. Jahrhundert, hg.  v. ders.  / Erika Billeter, Frankfurt/M. 1986, S. 13–20; Peter Simhandl: Bildertheater. Bildende Künstler des 20. Jahrhunderts als Theaterreformer, Berlin 1993. Sorell: Aspekte des Tanzes, S. 192. Levinson: Ballet Old and New, S. 48.

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III. Bewegen

(unter anderem) auch kubistische Körpermasken bereit und wurde von letzterem ebenfalls als durchaus einvernehmliches Unterfangen beschrieben: „Parade. This is a sort of total theatre […] in that sense that the four parts: poetry, music, choreography, and painting – were parts of the performance, and none of them has a domi­nant part. That’s why it’s powerful.”57 Bei solchen Kostümexperimenten in Extremen ging es weniger um das bewegte Beiwerk sondern um farblich und plastisch ausgestaltete Formen. Diese bestimmten den Körper des Tänzers, der vom bewegten Bild zur bewegten Architektur wurde. Das Material schuf einerseits Hindernisse, eröffnete andererseits aber auch neue Möglichkeiten. Das anthropomorphe Bild vom Körper wurde Experimentierfeld, in Frage gestellt, sogar negiert, zugunsten einer Stilisierung ins Abstrakte, Puppenhafte oder gar Maschinelle (wie es noch bei Schlemmer zu sehen sein wird). Die Gestaltung konnte die Bewegungen der Tänzer lenken, einschränken oder überhaupt erst hervorbringen. Die Tanzkritik hieß diese Tendenzen nicht immer willkommen. Sie diskutierte, wann die Kostümgestaltung von Künstlern an ihre Grenzen gelangte, wo der Tanz aufhörte und die bildende Kunst begann.

3. Bilder in Bewegung „Der wiegende, kontinuierliche Rhythmus des Tangos setzte meine Farben in Bewegung“, schrieb Delaunay über ihr Gemälde „Bal Bullier“ von 1913 (Bild 54, Farbtafel 5).58 Benannt nach einem Pariser Tanzlokal,59 verschmelzen in ihm Farbfelder zu einer pulsierenden, rhythmisch bewegten Masse. Drei Pärchen und eine Einzel­ figur heben sich ab und gehen eng umschlungen tanzend mit den farbigen Formen eine Symbiose ein. Einzelne Flächen scheinen sich nach vorn zu schieben, was jedoch nicht innerhalb eines linearen Ablaufs geschieht. Der Gesamteindruck einer Vielzahl zeitgleich ablaufender Bewegungen herrscht vor, sodass das Bild selbst in Bewegung zu geraten scheint. Auch hier pendelt der Bildgegenstand zwischen abstrakten Farbformationen und den sich dazwischen herauskristallisierenden figürlichen, jedoch stark abstrahierten Tanzpaaren. Aufgrund seiner Länge erscheint das Gemälde

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Massine in einem Interview 1977, zit. n. Monika Woitas: Léonide Massine. Choreograph zwischen Tradition und Avantgarde, Tübingen 1996, S. 159; vgl. Ausst.-Kat.: Picasso’s Parade. From Street to Stage, hg. v. Deborah Menaker Rothschild, London 1991; Philippe de Lustrac: Cubisme … futurisme … ésotérisme. De „L’aprés-midi d’un faune“ (1912) à „Parade“ (1917) et au „Manifeste de la danse futuriste“ (1917), in: Ligeia 2 (2006), S. 62–115. Übers. v. d. Autorin. „Le rythme continu et ondulant du tango incitait mes couleurs à bouger.“ Delaunay: Nous irons jusqu’au soleil, S.  36; Anne Rodler: Die tanzende Farbe. Sonia Delaunays Kostüme und Stoffe in den 1920er Jahren, Düsseldorf 1995. Vom „Bal Bullier“ auf dem Boulevard Saint-Michel malte Delaunay zwischen 1912 und 1913 noch drei weitere Versionen.

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3. Bilder in Bewegung

Bild 54  Sonia Delaunay, „Bal Bullier“, 1913, Öl auf Matratzenstoff, 97 × 390 cm, Paris, Centre Pompidou.

wie ein 360-Grad-Panorama einer tanzenden Gesellschaft, in dem sich die Geschehnisse in Raum und Zeit den Betrachtenden beim Abschreiten des Bildes als simultanes rhythmisches Gesamterlebnis erschließen.60 Die Auseinandersetzung mit dem Tanz aktivierte das Verständnis der Künstlerin dafür, durch Abstraktionsprozesse, Farbe und Form im Bild einen rhythmischen Eindruck zu evozieren, sodass die Transformation der bewegten Tanzkunst in die stille Bildkunst überbrückt werden konnte. Denn für Delaunay war das Bild nicht mit dem Rand der Leinwand zu Ende, vielmehr wurde der Körper zur Erweiterung des Bildes, zum Bildträger, zum Bewegtbild und im Falle des Tanzes sogar vom Bild in seinem Aufbau verändert.61 Neben der Malerei auch als Textildesignerin und Schneiderin tätig, schuf sie im selben Zeitraum, in dem auch „Bal Bullier“ entstand, ein Patchworkkleid, die sogenannte „Simultanrobe“ (Bild 55, Farbtafel 9), bestehend aus Stoffstücken in Leinen, Baumwolle, Tüll und Seide.62 Sie bezeichnete es, neben anderen ähnlich gestalteten Objekten, als unmittelbar von der Malerei inspiriert: „[…] Then the book covers of 1913 60

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Vgl. allgemein zum Thema der Simultaneität in der bildenden Kunst: Michael Moxter: All at once? Simultaneität, Bild, Repräsentation, in: Präsenz im Entzug. Ambivalenzen des Bildes, hg.  v. Philipp Stoellger  / Thomas Klie, Tübingen 2011, S.  129–144; Philipp Hubmann  / Till Julian Huss (Hg.): Simultaneität. Modelle der Gleichzeitigkeit in den Wissenschaften und Künsten, Bielefeld 2013. Vgl. Chris Townsend: Slave to the Rhythm. Sonia Delaunay’s Fashion Project and the Fragmentary, Mobile Modernist Body, in: The Power of Fashion. About Design and Meaning, Arnhem 2006, S. 360–381; Ausst.-Kat.: Color Moves. Art and Fashion by Sonia Delaunay, hg. v. Matilda McQuaid / Susan Brown, New York 2011; Cécile Godefroy: Sonia Delaunay. Sa mode, ses tableaux, ses tissus, Paris 2014; S. 85f. Vgl. weiterführend zu den Textilentwürfen von Delaunay: Ausst.-Kat.: Sonia Delaunay – art, design, fashion, hg. v. Marta Ruiz de Árbol, Madrid 2017; Kathleen James-Chakraborty: Von der Leinwand zum Körper. Die Kleiderentwürfe von Sonia Delaunay, in: Karl R. Kegler / Anna Minta / Niklas Naehrig (Hg.): RaumKleider. Verbindungen zwischen Architekturraum, Körper und Kleid, Bielefeld 2018. Vgl. Delaunay: Nous irons jusqu’au soleil, S. 36.

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III. Bewegen

Bild 55  Sonia Delaunay, „Simultanrobe“, 1913, Leinen, Baumwolle, Tüll und Seide, Privatsammlung. Bild 56  Sonia Delaunay mit Simultanrobe, 1913, Fotografie, Paris, Centre Pompidou Collection, Bibliotheque Kandinsky.

[…] the robes simultanées of 1913–14, and later on the fabrics and embroidered coats – they all stand in close relationship to the laws of painting.“63 Sie berichtete, dass die Rhythmen des Foxtrotts und des Tangos im „Bal Bullier“ den Drang in ihr entfacht hätten, selbst einen Farbentanz aufzuführen.64 Ihre selbstgeschneiderte Simultanrobe trug sie dann wohl auch, wenn sie das Tanzlokal besuchte, wie ihr eigenes Bild am Körper (Bild 55 und 56, Farbtafel 9).65 Wie aus der Beschreibung des Gemäldes bereits ersichtlich wurde, birgt die kontrastreiche, verschiedenfarbige Musterung ein enormes Bewegungspotenzial in sich. Wenn sich diese wiederum auf einem ebenso beweglichen Träger befindet, dem 63

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Anhang eines Briefes von Delaunay an H. de Leeuw, 27. März 1962, Privatsammlung, zit. n. Petra Timmer: Sonia Delaunay. Fashion and Fabric Designer, in: Ausst.-Kat.: Color Moves, S. 51. Delaunay: Nous irons jusqu’au soleil, S. 36. Karin Schick: Auf dem Kleid trägt sie einen Körper, in: Ausst.-Kat.: Robert Delaunay – Sonia Delaunay. Das Centre Pompidou zu Gast in der Hamburger Kunsthalle, hg. v. ders. / Uwe M. Schneede, Köln 1999, S. 23–29.

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3. Bilder in Bewegung

Bild 57  Emil-Otto Hoppé, Lubov Tchernicheva als Cléopâtre, ca. 1918–1920, Fotografie, Pasadena, CA, E. O. Hoppé Estate Collection. Bild 58  Sonia Delaunay, Kostüm für Cléopâtre im gleichnamigen Ballett, 1918, Seide, Pailletten, Wollgarn, Spiegel und Perlen, geflochtener Metallfaden, Lamé, Rückenlänge 114,62 cm, Kopfbedeckung 57,63 × 37,15 × 32,07 cm, Los Angeles, County Museum of Art.

menschlichen Körper, der sich zudem noch in wiegendem Rhythmus von Tanz und Musik bewegt, wird Delaunay Teil dessen, was sie selbst mit ihrem Bild intendierte: Farben, die zu tanzen beginnen, und Tänzer, die durch ihre Bewegung zu einem Farbenmeer verschwimmen. In einem Prozess des Austauschs zwischen Bild und Körper übertrug Delaunay Muster der Malerei durch das Kleid auf sich selbst, womit sie beim Tanz im Lokal zum bewegten Bild wurde.66 Der Rhythmus der Farben verschmolz mit dem der Musik und der farbige Flickenstoff avancierte vom „bewegten Beiwerk“ zum bewegten Hauptwerk. Im Zuge eines Aufenthalts in Madrid 1917, bei dem sie auf Diaghilev und das russische Ballett traf, bekam Delaunay den Auftrag zur Gestaltung des Kostüms für

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Delaunay gestaltete auch Autos, Bekleidung und Einrichtungsgegenstände mit den Mustern ihrer Bilder. Als lebendes Bild versuchte sie die „Distanz zwischen Mensch und Artefakt“ aufzuheben, wie es Horst Bredekamp als „schematischer Bildakt“ beschrieb. Ders.: Der Bild­ akt, S. 128.

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III. Bewegen

die Reinszenierung des Stückes „Cléopâtre“ 1918 in London, während ihr Ehemann Robert mit der Ausarbeitung des Bühnenhintergrundes für dasselbe Werk beauftragt wurde.67 In einer fotografischen Reihe, die Emil Otto Hoppé wahrscheinlich zwischen 1918 und 1920 von der russischen Tänzerin Lubov Tchernicheva aufnahm, trägt diese ein Kostüm Delaunays (Bild  57). Den Bildhintergrund dominiert ein Wandteppich mit geometrisch-floraler Musterung, Tchernicheva steht auf einem zweiten, kleineren Teppich mit ähnlichem Motiv. Die rhythmischen Kreise und Linien des Kostüms korrelieren mit den Mustern der Teppiche. Die Tänzerin trägt eine Kopfbedeckung aus mehreren Stofflagen, ein langer, gestreifter Schal hängt herab, darunter befindet sich eine schwarze, zu Zöpfen geflochtene Haarpartie, die schwer und steif aufliegt. Das Kostüm ist ebenfalls aus schwerem Stoff, das Oberteil wird von einem perlenbesetzten Band gehalten, das sie um ihren Hals trägt. Eine Fotografie des Original-Kostüms, das sich in der Sammlung des County Museums of Art in Los Angeles befindet, verdeutlicht Delaunays Umgang mit Farbe im Textilen (Bild 58, Farbtafel  8). Im Bereich der Brust und am Bauch sowie im Bereich des Schoßes befinden sich verschiedenfarbige Ringe, die sich in einer Schärpe, die vom Oberteil herabhängt, noch verlängern und die sich gegenseitig stark kontrastieren womit sie einen flirrenden, beinahe hypnotisch anmutenden Effekt hervorrufen, der den Stoff selbst ‚tanzen‘ lässt. Perlen und glänzender Stoff am Rock beleben die Muster zusätzlich. Die Körperhaltung der Tänzerin in der Fotografie lässt sie wirken, als sei sie in einer zweidimensionalen Fläche eingeschlossen: Füße und Kopf hat sie nach rechts gedreht, den Oberkörper wiederum wendet sie frontal dem Fotografen zu, ihren linken Arm hat sie parallel zur Bildfläche angewinkelt, die Hand hält sie flach geöffnet. Die Körperhaltung Tchernichevas in dieser Fotografie entspricht etwa der Haltung der Figur in einem signierten und datierten Kostümentwurf zu „Cléopâtre“ von Delaunay (Bild 59, Farbtafel 10). Passend zum Thema des Stückes sind diese Posen an ägyptische Wandmalereien angelehnt. Sie evozieren ein „Tanzen ohne Raum“ und sind diesbezüglich mit Posen von Nijinskys Choreografie des Fauns vergleichbar.68 Auch hier wird die Flächigkeit antiker Bildwerke fingiert. Die Tänzerin Bronislava Nijinska, die in einer früheren Inszenierung der Choreografie tanzte, berichtete, der Tanz sei gezielt so choreografiert gewesen, dass er flach wie ein ägyptisches Relief 67 68

George Braziller: Sonia Delaunay. Art into Fashion, New York 1986, S. 15. Järvinen: Dancing without Space, S.  28–64. Vgl. auch Kapitel I, Abschnitt 1. Vgl. zur sogenannten „Ägyptomanie“ in den Künsten: Ausst.-Kat.: Ägypten. Die Moderne, hg.  v. Harald Siebenmorgen, Karlsruhe 2008; Andreas Dehmer: „Hieratische Posen“ und „scharfe Wirkungen“. Altägyptische Malerei deutschsprachiger Länder. 1890–1920, in: Ausst.-Kat.: Paul Klee – Die Reise nach Ägypten 1928/29, hg. v. dems., Dresden 2014, S. 18–25; Ausst.-Kat.: Imagination und Anschauung. Ägyptenrezeption und Ägyptenreisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Heike Biedermann / Andreas Dehmer / Henrik Karge, Dresden 2015.

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3. Bilder in Bewegung

Bild 59  Sonia Delaunay, „Entwurf für das Kostüm der Cléopâtre“, 1918, Zeichnung, Wasserfarbe, Goldstift und Graphit auf Papier, 47 × 32,7 cm, New York, Metropolitan Museum of Art.

wirkte.69 Es ist also anzunehmen, dass die zweite Inszenierung mit Tchernichevas und Delaunays Beteiligung sich an diesem Vorbild orientierte, sowohl in Bezug auf das Kostüm als auch hinsichtlich der Choreografie und der dazugehörigen Fotografien (sicherlich hatte Tchernicheva im Bild eine Pose eingenommen, die der Choreografie des Stückes entsprach). So starr die Tänzerin und der Stoff des Gewandes hier anmuten, so bewegt ist doch die Gestaltung des Kostüms. Wenn das Kostüm durch die Tänzerin bewegt wurde, durchliefen die Muster Zeit und Raum.70 Der Tanz wurde zum Medium der bewegten Malerei. 69

70

„The arms were extended sideways and were always ‚flat’, like an Egyptian bas-relief with the hands turned stiffly at the wrist, sometimes upwards, sometimes downwards.” Bronis­ lava Nijinska: Early Memoirs, hg. u. übers. v. Irina Nijinska / Jean Rawlinson, Durham/London 1992, S. 276; vgl. Juliet Bellow: Fashioning Cléopâtre. Sonia Delaunay’s New Woman, in: Art Journal, 2/68 (2009), S. 16; Felicia Rappe: L’œil danse. Décors et costumes de Robert et Sonia Delaunay pour Cléopâtre, in: Histoire de l’art 58 (2006), S. 105–114. Juliet Bellow: On Time. Sonia Delaunay’s Sequential Simultanism, in: Ausst.-Kat.: Sonia Delaunay, hg. v. Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris / Tate Modern, London 2014, S. 101.

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III. Bewegen

Als „tanzende Gewänder“ beschrieb der Kunsttheoretiker Carl Einstein überschwänglich die Kostüme der Ballet Russes in einem Artikel über den bildenden Künstler und Kostümbildner Bakst, was jedoch durchaus auch auf Delaunay zutreffen könnte: „Durch die Farbe wird die kleinste rhythmische Variante sichtbar, das Gewand tanzt und der Tänzer ist in ihm verschwunden, doch erst durch sein Gewand wird er – uns hinreißend – sichtbar.“71 Die Körper der Tänzer werden durch das Kostüm gegliedert, ihre anthropomorphe Form verändert und zu einem dynamischen Kunstgebilde stilisiert, sie werden zu tanzenden Bildern, beschreibt er weiter: „Diese Tänzerin ist zerteilt von den Ornamenten der Kleidung, weniger ein Mensch, eher ein Ornament tanzt, Formen fliegen und sausen. Der Tänzer ist ein Teil der farbigen Kraft des Malers geworden, fast vom Maler erschaffen.“72 Bei aller Euphorie sah Einstein bei einer solchen Zusammenarbeit zwischen bildenden Künstlern und Tänzern aber auch die Gefahr, dass der Körper, das Element des Tanzes selbst, in den Hintergrund geraten könne: „Die farbige Gestaltung wirkt stärker als der Körper des Tanzenden und schon darum übersieht man die Anstrengung des Tänzers“.73 Die Ornamentwerdung der Tanzenden, die Anwendung der malerischen Gesetze auf ihren Körper, hätten auch ihre Entkörperlichung zur Folge.74 Wenn Einstein diese Sorge schon bezüglich Bakst textilen Entwürfen, die noch zur klassischen, romantischen Tradition des Kostümballetts gehörten, hegte, stellt sich die Frage, wie er die Kostüme der Kubisten, Dadaisten und Expressionisten bezeichnet hätte. Denn arbeitete Bakst hauptsächlich mit Textil und setzte vor allem eine prachtvolle Ornamentik und expressive Farbgestaltung ein, wurden im frühen 20. Jahrhundert zunehmend andere Materialien und Formen für das Tanzkostüm verwendet, wie es Georg Kirsta im Artikel „Vom Tanzkostüm“ rückblickend beschrieb: „Diese neue Hülle, die die verwelkten Kleider von Bakst abgelöst hat, wurde unter Benützung der damaligen kubistischen Malerei geschaffen. Pappe, Draht, Blech und grobes Leinen erlebten Aufstieg. Bekenntnis zum edleren Stoff, zum Sammet und Seide, gehörte damals zu einem ausgesprochen schlechten Ton. Das war eine kampffrohe Zeit.“75 Im Laufe des frühen 20. Jahrhunderts bewirkte die zunehmende Beteiligung von Künstlern am Bühnentanz und deren Durchsetzung ihrer eigenen stilistischen

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Carl Einstein: Tanzende Gewänder, in: Carl Einstein. Werke. Bd. 2. 1919–1928, hg. v. Marion Schmid unter Mitarbeit von Henriette Beese und Jens Kwasny, Berlin 1981, S. 358; vgl. Michelle Potter: Designed for Dance. The Costumes of Léon Bakst and the Art of Isadora Duncan, in: Dance Chronicle 2/13 (1990), S.  154–169; Ada Raev: Zum choreographischen Ansatz in den Kostümentwürfen von Léon Bakst und seinen Folgen, in: Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste, S. 54–81. Einstein: Tanzende Gewänder, S. 358. Ders., S. 360. Ebd. Georg Kirsta: Vom Tanzkostüm, in: Schrifttanz, 3/3 (1930), S. 51.

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3. Bilder in Bewegung

Bild 60  Lizica Codréano in einem Kostüm von Sonia Delaunay für das Stück „Danseuse aux Disques“ in der Galerie „La Licorne“ in Paris, 1923, Fotografie.

Vorstellungen, dass Kostüme gefertigt wurden, die den Bewegungsspielraum der Tanzenden einschränkten, ja sogar negierten. Abstraktion be­­wirkte also auch im Bereich Kostüm die Veränderung der Körperlichkeit. Nicht das weiße Seidenkleid einer Fuller oder Duncan, das sich dem Körper anschmiegt wie eine zweite Haut, sondern autonom wirkende Formen, Farben und Extensionen bestimmten zunehmend den Tanz.76 Ein Jahr nach der Uraufführung des Triadischen Balletts in Stuttgart präsentierte Delaunay ein ähnlich raumgreifendes Kostüm für eine Choreografie mit dem Titel „Danseuse aux Disques“ die 1923 in der Galerie „La Licorne“ (Paris) wohl anlässlich einer Abendveranstaltung des Dichters Ilya Zdanevi cˇ (genannt Iliazd) aufgeführt wurde. Das Kostüm trug die Tänzerin Lizica Codréano: „Das mit ganz einfachen Mitteln gefertigte Kostüm bestand aus drei Elementen: Eine große Pappscheibe – mit Stoffstücken aus verschiedenen Materialien überzogen und in unterschiedlichen Farben, orange und grün, gehalten – war um das Gesicht der Tänzerin gebunden und bedeckte den ganzen oberen Teil des Körpers. Ein Halbkreis, in dem zwei rote und ein blauer kombiniert waren, formte einen kurzen Rock. Schließlich war an der rechten 76

Zwar wirkte sich diese Entwicklung natürlich auch auf das Theater aus, doch in der Einschränkung der Bewegung der Tänzer durch ein Kostüm erschien dies natürlich ungleich extremer.

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III. Bewegen

Hand ein schwarzer, an der linken ein weißer Kreis befestigt“77, beschrieb Delaunay den Entwurf (Bild 60). Die farbigen Scheiben wurden durch den Stoff nicht mehr auf den Körper aufgetragen, sondern der Körper selbst wurde zur Farbscheibe, die Bewegungseinschränkung durch das Kostüm erreichte noch eine neue Dimension. Delaunay selbst bestätigte, dass die Steifheit des Kostüms der Bewegung des Körpers einen „[…] Zwang auferlegte […]“78. „Die Tänzerin war genötigt, sich frontal zu bewegen und in ihren Bewegungen die Fläche zu berücksichtigen. Mit viel Gefühl variierte Codréano die Position der Flächen und schuf und veränderte so ständig die Beziehungen der Farben untereinander. Auf diese Weise wurde eine neue Sprache der Farbe erreicht […],“79 so Delaunay. Das Schaffen einer neuen „Sprache der Farbe“ blieb, obwohl es sich um das Medium des Tanzes und demnach um die Bewegung in der Dreidimensionalität handelte, dennoch der Zweidimensionalität verhaftet. Das Scheibenkostüm machte aus dem Körper eine Fläche, auf der sich die Tänzerin nur eingeschränkt bewegen konnte, um eben diesen flächigen Eindruck aufrecht zu erhalten. Zwar ging es um Bewegung und Variation, um plastische Ausgestaltung von Farben und Formen, dennoch blieb diese Unternehmung den Gesetzen des Bildes treu. Der Körper der Tänzerin wirkte in der Fotografie wie ein Mittel zum Zweck, wie ein Antrieb, ein Motor um die Scheiben in Bewegung zu versetzen. Er selbst trat vollkommen in den Hintergrund. Nur noch der Kopf und die Knöchel waren unter den Scheiben zu erkennen. Schwer ersichtlich ist in der Fotografie, ob die Scheiben zwei- oder dreidimen­ sional ausgestaltet waren. Es scheint, dass die Tänzerin nur von ihrer Vorderseite aus als Scheibe zu erkennen war und sich bei einer Drehung der Effekt auflöste. Sollte dies der Fall gewesen sein, so musste sie hauptsächlich als Fläche und frontal posieren, um den Eindruck des Kostüms zu erhalten und war nicht mehr allansichtige, skulptierte Malerei in Bewegung. Womit sich Delaunays Ausführung wiederum unterschied von vollplastisch ausgearbeiteten, allansichtigen Kostümen, wie in Schlemmers „Triadischem Ballett“.80

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„Le costume, fait avec des moyens très simples, était composé de trois éléments: un grand disque de carton, recouvert de tissus de différentes matières et de couleurs diverses orange et vert, s'attachait autour du visage de la danseuse et recouvrait toute la partie supérieure du corps. Un demi cercle, où s'organisaient deux rouges et un bleu, formait une courte jupe. Enfin à la main droite était fixé un cercle noir, à la main gauche un cercle blanc.“ Sonia Delaunay: La couleur dansée, zit. n. in: Aujourd'hui. Art et Architecture 17/3 (Mai 1958), S. 43; dt. Übers. zit. n. Ausst.-Kat.: Robert Delaunay – Sonia Delaunay, S. 204. „La rigidté imposait des servitudes.“ Ebd. „Avec une grande sensibilité Codréano en modifiant la position des plans, créaif et transformait perpétuellement les rapports des couleurs. On obtenait ainsi un nouveau langage de la couleur d'où toute description était bannie.“ Ebd. Delaunay äußerte diesbezüglich auch Visionen von einem mechanischen Kostümtanz, wie es unter anderem auch am Bauhaus versucht wurde. Ebd.

IV. Ordnen

1. Der Künstler als Choreograf „Das Bestreben, die Bewegung und das Bild in festen Zusammenklang zu bringen, scheint mir eine der stärksten Anregungen der Bauhausbühne gewesen zu sein. Wenn auch durch Verbot und den anschließenden Krieg diese Anregungen verschüttet wurden, sie leben heute noch, und es scheint mir aktuell genug zu sein, um an die Anfänge dieser Problemstellung von Bild und Bewegung zu erinnern“1, schreibt ein ehemaliger Bauhausschüler in seinen Erinnerungen von 1959. Das beste Beispiel für dieses „Bestreben, die Bewegung und das Bild in festen Zusammenklang zu bringen“, stellt sicherlich das „Triadische Ballett“ dar, das, wenn auch bereits vielfach untersucht, in diesem Kontext nicht fehlen darf. Das Plakat zu einer Aufführung in der Leibniz-Akademie 1924 stilisiert die eigentlich menschlichen Tänzer zu anonymen Kunstfiguren, deren Körper aus geometrischen Formen bestehen, die in einer rhythmisch-dynamischen Komposition angeordnet sind (Bild 61). Die Figuren interagieren nicht, sie sind sogar so angeordnet, dass sie sich dem Gleichgewicht der abstrakten Bildkomposition zuliebe überschneiden. Nur drei Raumrichtungen existieren: frontal, links und rechts. Als einziges die geordnete Komposition aufbrechendes, beinahe chaotisch anmutendes Element ist der Schriftzug „Ballett“ diagonal gesetzt, was der Komposition einen spielerischen, beinahe grotesken Charakter gibt. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass es die Choreografen mit dem Ballett doch nicht so ernst meinten, wie es der Titel glauben lassen möchte, und dass sich die Zuschauer auf eine unkonventionelle Ballettform einstellen sollten.

1

Alfredo Bortoluzzi. Meine Erinnerungen an die Bauhaus-Bühne, in: Das Kunstwerk 8/12 (1959), S. 38.

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IV. Ordnen

Bild 61  Oskar Schlemmer, „Das Triadische Ballett“, Plakat Leibniz-Akademie, Hannover, 1924, kolorierte Lithografie mit Tempera auf Karton, 81 × 56 cm, Bühnen Archiv Oskar Schlemmer.

Die Geschehnisse in und um das „Triadische Ballett“ des bildenden Künstlers Oskar Schlemmer, der zum Choreografen wurde, treffen bereits den Kern dieser Arbeit.2 Das Stück, dessen Entstehung sich über einen langen Zeitraum, von ca. 1912 bis 1922, erstreckte, besteht in der Fassung, wie sie auch von Gerhard Bohner rekonstruiert wurde, aus drei Episoden, die den Farben Gelb, Rosa und Schwarz zugeordnet sind und die jeweils fünf unterschiedliche Kostüme zeigten. Die Musikbegleitung war im Original klassisch, in der Rekonstruktion von Bohner wurde jedoch atonale Musik verwendet.

2

Aufgrund der umfangreichen Erforschung des Stückes und der mehrfachen Rekonstruktion, u.  a. durch Gerhard Bohner, wird eine Grundlagenerörterung nur geringfügig unternommen. Vgl. allgemein Melissa Trimingham: The Theatre of the Bauhaus. The Modern and Postmodern Stage of Oskar Schlemmer, New York 2011; Friederike Zimmermann: Mensch und Kunstfigur. Oskar Schlemmers intermediale Programmatik, Freiburg i. Br. 2007.

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1. Der Künstler als Choreograf

Die Essenz des Stückes lag in der Kostümgestaltung. Diese war so angelegt, dass sie über die menschlichen Proportionen hinausging und die Körperformen stärker in den Raum hinein wölbte. So bildete sie bereits das „Negativ des tänzerischen Raumwegs“ und nahm Labans „Kinesphäre“ des Tänzers vorweg.3 Die Ausdehnung des Körpers im Raum war schon plastisch ausgestaltet, bevor sie überhaupt stattfinden konnte. Das Kostüm war bereits permanent bestehende, sichtbar-plastische Spur der räumlichen Ausdehnung des Tänzers.4 Die Bewegungen, die sich aus modernen, flächig-kantigen Tanzelementen und der klassischen Balletttechnik (auch Spitzentanz kam zum Einsatz) zusammensetzten, waren durch die Kostüme eingeschränkt. Gewisse Bewegungsmöglichkeiten waren somit bereits vorgegeben, ein Umstand, der darauf schließen lässt, dass ein bildender Künstler am Schaffensprozess beteiligt war. Ein Tänzer hätte sich höchstwahrscheinlich nicht für solch eine Inszenierung entschieden.5 Schlemmers ‚Ganzkörpermasken‘ erlegten dem Körper seine Bewegungsmöglichkeiten nahezu auf und nahmen dessen Präsenz im Raum vorweg, weshalb auch von einer „marionettenhaften Tanzhaltung“ gesprochen werden kann.6 „[…] der scheinbar vergewaltigte Körper, je mehr er mit dem Kostüm verwächst [gelangte] zu neuen tänzerischen Ausdrucksformen […],“7 so beschrieb Schlemmer die direkte Einflussnahme auf die tänzerische Bewegung. Dies verdeutlichte er am Beispiel eines Kostüms: „Die Kupferkugel (= Goldkugel) z. B. welche die Arme sich zu kreuzen zwingt und sie ihres Charakters als Balancierstangen beraubt, verlegt die Bewegungsfunktion in die Schultern und Beine, die das gesamte Oben ab Hüfte als massiven, glänzenden Ballon durch den Raum tragen.“8 Und „das überbetonte, rechte, weiße Kolossal-Bein (des Abstrakten) als alleiniges Stand-, Stütz- und Schwungbein – dieses wesentlich asymmetrische Kostüm […] stellt besonders hohe Anforderungen

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Brandstetter: Tanz-Lektüren, S. 357. „Eine Reflexion über den Tanz im Tanz“, wie Brandstetter es nannte (dies., S. 358). Vgl. Kapitel III, S. 129. Karin von Maur: Oskar Schlemmer als Tanzgestalter und Bühnenbildner, in: Ausst.-Kat.: Oskar Schlemmer. Visionen einer neuen Welt, hg. v. Ina Conzen, München 2014, S. 195. Dirk Scheper: Oskar Schlemmer. Das Triadische Ballett und die Bauhausbühne. Schriftenreihe der Akademie der Künste. Bd.  20, Berlin 1988, S.  24; Magdalena Droste: „Stirb und Werde“. Anmerkungen zur Vor- und Nachgeschichte von Oskar Schlemmers Triadischem Ballett, in: Esoterik am Bauhaus. Eine Revision der Moderne? Regensburger Studien zur Kunstgeschichte. Bd. 1, Regensburg 2009, S. 79. Aus Schlemmers Vortrag zu „Bühnen-Elementen“, gehalten in Zürich anlässlich der internationalen Theaterwoche am 25. April 1931, zit. n. von Maur: Oskar Schlemmer als Tanzgestalter und Bühnenbildner, S. 196. Ebd.

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IV. Ordnen

an seinen Träger, belohnt ihn aber, wenn der Kontakt vollzogen, mit neuen Impulsen zum Tanz.“9 Schlemmer störte bewusst das Körperschema der Tanzenden und deren Bewegungsmuster, setzte ihren Gleichgewichtssinn durch Form und Gewicht außer Kraft oder zwang sie zu einer erneuten Austarierung, um ihnen zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu verhelfen. Er setzte darauf, dass die Überwindung der Schwierigkeit, mit der veränderten Körperlichkeit umzugehen, zu einem erweiterten körperlichen Verständnis führte. Harlekin, Pierrot und Columbine standen seinen Figuren bezüglich Farbe und Form wahrscheinlich Modell.10 Im schwarzen Akt wurden gold und silber häufiger verwendet, außerdem metallisch aussehende Materialien wie Draht oder Goldlack. Immer wieder tauchte das Tutu des klassischen Balletts auf, nur modifiziert als Fächer, bunter plastischer Kreisel, mit farbigen Halbkugeln übersät, als Spirale gestaltet oder aus Drahtringen bestehend. Besonders präsent war die Kugel- und Scheibenform, die sich in fast jedem Kostüm wiederfand und den geometrisch-puppenhaften Eindruck der Figuren verstärkte. Das Ballett kam weitestgehend ohne Handlung aus. Die Tänzer traten in Gruppen oder allein auf. Während der Bewegung erprobten sie spielerisch die Beschaffenheit ihrer Kostüme, die das Gleichgewicht des Körpers veränderten. Im Gegensatz zur Expressivität und Körperlichkeit des Ausdruckstanzes erzeugte die Choreografie einen geordneten, im Ausdruck stark beschränkten Eindruck. In der Rekonstruktion nach Bohner wurden die Bewegungen meist langsam und minimal ausgeführt, wenig raumgreifend und kaum dynamisch. Dafür sorgten bereits die Kostüme. Schlemmers Tänze waren in dieser Hinsicht auch inspiriert vom barocken Hofballett.11 Die Statik der Choreografie hatte nicht das Ziel einer Übertragung von   9 10 11

Ebd. Oskar Schlemmer: Mensch und Kunstfigur, in: Die Bühne im Bauhaus. Bauhausbücher  4, München 1924, S. 15. Mark Franko: Dance as Text. Ideologies of the Baroque Body, Cambridge 1993, S. 140. Dabei handelte es sich um einen Tanz, der sich durch eine choreografisch angelegte Kreation von Mustern auszeichnete, wobei der Körper bestimmte vorgefertigte grafische Zeichen als physische Metaphern wiedergab. Die tänzerische Abfolge besaß keine individuelle oder emotionale Botschaft. Bestimmte Figuren (schemata) wurden in choreografische Muster gebracht und erzeugten eine Bedeutung, die wiederum vom Publikum nachvollzogen werden konnte. Dafür musste der Tanz ruhig und beinahe statisch ausgeführt werden, um die Posen korrekt darzustellen. Verbindungslinien fehlten. Im Grunde ging es, so Franko, um eine Art „Körperschrift“, der Bühnentanz war „textlich“ und damit eine hochrhetorische Form dieser Kultur (Ders., S. 15–16). Dies bezeugt auch Karin Harrasser in: Maschine ist nicht gleich Maschine. Kybernetisches Barock, in: Ausst.-Kat.: Mensch – Raum – Maschine. Bühnenexperimente am Bauhaus, hg. v. Torsten Blume / Christian Hiller / Stiftung Bauhaus Dessau, Leipzig 2014, S. 73 –78.

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1. Der Künstler als Choreograf

bestimmten Inhalten, sondern der abstrakten Bildwirkung. Die Langsamkeit der Bewegung erzeugte jeweils abstrakte Raumbilder, die auch durch das Zusammenspiel der schon als Raumformen ausgearbeiteten Kostüme entstanden. Das Bild wurde zum Tanz und durch den Tanz wurden wiederum Bilder erzeugt. Aufgrund seines hybriden Charakters zwischen zwei Medien polarisierte das Ballett seine ­Kritiker stark. Die Rezeptionsgeschichte, bei der es vor allem darum ging, ob das Gesehene schon Tanz war oder noch bildende Kunst oder umgekehrt, ist daher besonders aufschlussreich. Wie nahm das Publikum ein Tanzstück auf, das von einem bildenden Künstler inszeniert worden war?12 Sowohl Zeitgenossen Schlemmers als auch die Sekundärliteratur der letzten Jahrzehnte haben sich an diesem Thema abgearbeitet und dafür gesorgt, dass sein Bühnenwerk – vor allem weil er bildender Künstler war, der Bühnentänze kreierte – eines der meistdiskutierten in diesem Bereich wurde. Schlemmers Ballette waren derart ihrer Zeit voraus, dass die Unsicherheit des Publikums mit der Einordnung in zahlreichen Schriften, und das bis heute, immer wieder zu Tage tritt. Dazu kommen noch seine Aufzeichnungen, Tagebucheinträge, Briefe und Zeitungsartikel, in denen er Stellung zu Kritiken nahm und Hintergrundinformationen zum Stück lieferte. Nach der Premiere des „Triadischen Balletts“ geriet der Künstler-Choreograf in einen regelrechten Rechtfertigungsmodus. Mit dem Stück passierte das, was die Kritiker von Tanz, Bühne und bildender Kunst, wie bereits gezeigt, befürchtet hatten, nämlich der Triumph der Gestaltung über den tanzenden Körper. Das musste ihrer Meinung nach eine Minderung der tänzerischen Ausdruckskraft zur Folge haben.13 Da ihm die Statik seiner Stücke sicherlich vorgeworfen wurde, betonte Schlemmer des Öfteren sein Interesse an der Bühnenarbeit durch die Ermöglichung eines Bewegungsanteils an seinen Werken: „Diese Künste – Architektur, Plastik, Malerei – sind unbeweglich; sie sind eine in einen Moment gebannte Bewegung. […] Die Bühne als Stätte zeitlichen Geschehens bietet hingegen die Bewegung von Form und Farbe.“14

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Schlemmer arbeitete allerdings eng mit den Tänzern Albert Burger und Elsa Hötzel zusammen. Aufgrund der polarisierenden und umfangreichen Rezeption steht das „Triadische Ballett“ hier als exemplarisch für die Verschmelzung von bildender Kunst und Tanz. Natürlich gab es weitere Bauhaustänze, die ebenfalls in diese Kategorie gehörten. Vgl. Kapitel III, S. 115–118. Schlemmer: Mensch und Kunstfigur, S. 12. Vgl. Jochen Kiefer: Die Puppe als Metapher, den Schauspieler zu denken. Zur Ästhetik der theatralen Figur bei Craig, Meyerhold, Schlemmer und Roland Barthes, Berlin 2004, S. 132.

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IV. Ordnen

Darin lag unter anderem die Ambition des Künstlers, ein solches Stück zu schaffen.15 Schlemmer empfand das Zusammenwirken der Künste als hierarchisch, der Maler sei der Führende, wie er in einer Einführung in das „Triadische Ballett“, veröffentlicht am Premierentag im „Stuttgarter Neue Tagblatt“, schreibt: „Unter Führung des Malers haben sich Tänzer und Verfertiger der Kostüme in den Dienst einer Sache gestellt, das Seltene zu erreichen: Einheit und Durchdringung aller Elemente des Tanzes: Körperbewegung, Raum, Kostüm, Form und Farbe. Es scheint, daß Malerei und Plastik, führend in der modernen künstlerischen Bewegung, die Aufgabe haben, universal zu wirken. So vermögen sie auch dem Tanz den Weg zu weisen und ihm elementare Kraft zu verleihen.“16 Die bildenden Künste verhalfen demnach dem Tanz erst zu seiner Ausstrahlung. Zudem betonte Schlemmer: „Ich empfinde den Tanz nicht moderner als bildende Kunst, sondern als angewandtes, sekundäres […].“17 Als bildender Künstler hatte Schlemmer offensichtlich eine andere Vorstellung von einer Tanzbewegung als ein Tänzer. Sie war eingebunden in Form und Farbe, war von vornherein determiniert durch plastische Gestaltung, ohne die sie nicht zu ihrer gänzlichen Bestimmung gelangen konnte. Moreck verstand in ebendiesem Sinne den Ausdruckstanz als suchend nach „Ergänzung in anderen Künsten“, der sich „nicht mehr nur auf den menschlichen Körper beschränkt“, sondern sich auch als „flächig-malerischer Farb- und Linientanz“ äußert.18 Auch Schlemmer charakterisierte die Arbeit am „Triadischen Ballett“ als Neuerschaffung des Bildes in Raum und Bewegung. Er wollte das Bild als sich bewegender Akteur etablieren. Die Choreografie eines getanzten Bühnenstücks hatte auch Ähnlichkeiten mit der Schaffung eines Bildes, wie Rudolf Blümner bezüglich der „Bewegungskunst“ im „Geist des Kubismus“ (1921) schrieb: „Aus der Erkenntnis, daß jedes optische Bild auch das der Realität, zweidimensional ist, folgt, wie bereits bemerkt wurde, daß optisch auch die Bewegungskunst [Tanz] zweidimensional wirkt. Sie ist das sich bewegende Bild. Daraus ergibt sich, daß […] auch ein bewegliches Bild denkbar ist […].“19 Schlemmer sprach sich gegen eine „Kluft“ zwischen der „visuellen Welt des Tänzers“ und der des Künstlers aus.20 Vielmehr seien beide „höchst kompatibel“ miteinander.21 Im Gegenteil sogar argumentierte er ganz für den medialen Austausch: „Es ist immer interessant und hat sich wohl meist als fruchtbar erwiesen, wenn schöpferische Künstler sich auf ein verwandtes Kunstgebiet begeben und die Elemente 15 16 17 18 19 20 21

Oskar Schlemmer: Idealist der Form. Briefe, Tagebücher, Schriften, hg. v. Andreas Hüneke, Leipzig 1990, S. 34. Schlemmer, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 33. Ders., S. 28. Moreck: Der Tanz in der Kunst, S. 7. Rudolf Blümner: Der Geist des Kubismus und die Künste, Berlin 1921, S. 53. Oskar Schlemmer: Missverständnisse, in: Schrifttanz, 2/4 (1931), S. 28. Ebd.

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1. Der Künstler als Choreograf

ihrer Gestaltungsweise auf die des anderen Gebiets übertragen. Gerade die Unvoreingenommenheit gegenüber diesen anderen kann zu unerwarteten Resultaten führen […]. So auch, wenn ein Maler, gewohnt, völlig unabhängig von der Mithilfe anderer, sich in seinen Bildern darzustellen, diese seine Welt auf die Bühne transponiert und seine zwei-dimensionale Fläche mit der drei-dimensionalen des Raums vertauscht. – Hierbei scheiden sich dann Diejenigen, die das Bild eben nur als Bild auf die Scene übertragen, grundsätzlich von denen, die von dem neuen Mittel, das sich ihnen hier bietet, nämlich vom Raum ‚Notiz nehmen‘, mit ihm rechnen, ja: von ihm ausgehen!“22 Der Raum konnte für den bildenden Künstler bei der Beschäftigung mit Tanz eine Schwierigkeit darstellen, da er den Umgang mit ihm nicht gewohnt war. Er wusste wenig über dessen schöpferische Möglichkeiten und tendierte dazu, ihn wie eine Fläche zu behandeln. Schlemmer wollte nicht einfach nur seine Malerei aufs Bühnenbild übertragen, wie er es bei Fernand Léger kritisierte, der beim schwedischen Ballett lediglich die Kostüme und Dekorationen erstellte.23 Vielmehr profilierte er sich als Urheber und Ausführender des Gesamtwerks, wozu auch die Entwicklung der Choreografie und somit der räumlichen Dimension des Stückes gehörte. Er selbst wirkte sogar an der Aufführung mit. In einem Brief an Otto Meyer-Amden begründete er seine sechsmalige Teilnahme (in verschiedenen Kostümen) unter dem Pseudonym Walter Schoppe damit, dass er ein eigenes „Körpergefühl“ benötige, um das Stück zu einem befriedigenden Ergebnis zu bringen.24 Er war Tätiger, Beobachtender, Anleitender, Erschaffender und Ausführender zugleich, zumindest stetiger Vermittler zwischen dem Bild, dem Tanz und, wie er betonte, dem Raum. Als Ausführender seines eigens choreografierten Tanzes wurde Schlemmer selbst von seiner eigenen Gestaltung bestimmt. Er wurde selbst Grenzgänger zwischen den vielschichtigen Polen, die das „Triadische Ballett“ erzeugte, musste selbst das Gleichgewicht im schweren Kostüm halten, das die Gesetze der menschlichen Bewegung außer Kraft setzte. Um seine Raumerfahrung zu verbessern und mit der Gestaltung der Kostüme in Einklang zu bringen, wollte er ihre Wirkung selbst austesten: „Daß sich eine Assimilation der Formen- und Empfindungswelt des bildenden Künstlers mit derjenigen des Tänzers ohne weiteres verträgt, ja wie zumeist solche Übertritte aus einem Spezialgebiet in ein anderes sich fruchtbar erweisen, bedarf wohl keiner Rechtfertigung. Vonnöten ist allerdings, daß die Empfindungswelt des Malers ein Körpergefühl in

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Oskar Schlemmer: Formale Elemente der Bühne (1933), zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 241. Ders., S. 33. Schlemmer an Otto Meyer-Amden 28.12.1919, zit. n. von Maur: Oskar Schlemmer als Tanz­ gestalter und Bühnenbildner, S. 195.

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IV. Ordnen

sich begreift, das nur des Anrufs bedarf, um sich lebendig und unmittelbar zu äußern.“25 Bestimmte, die Freude an der körperlichen Bewegung betreffende Voraussetzungen musste der bildende Künstler mitbringen, um die Grundsätze des Tanzes zu durchdringen. Aus diesen tänzerischen Erfahrungen wusste Schlemmer auch, dass für das Feingefühl des Malers generell auch dessen Sinn für Körperlichkeit geschult werden musste. Die Kritiken des „Triadischen Balletts“ bewegten sich häufig in einer Dichotomie zwischen Tanz und Malerei und waren stets darauf aus, zu ergründen, in welche Kunstform dieses Stück nun einzuordnen war. Die Jenaer Zeitung war sich 1923 sicher: „Aber in der Hauptsache doch […] das Werk eines Malers.“26 Wie schon bei Schlemmer gesehen und wie es sich auch bei der Zusammenarbeit zwischen Kandinsky und Palucca zeigen wird, etablierte sich (eher von Seiten der bildenden Kunst) die Meinung, dass der Tanz erst durch die Zusammenarbeit mit den bildenden Künstlern als wirkliche Kunst verstanden werden konnte.27 Der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt stellte dies für das „Triadische Ballett“ fest: „Der Grund ist gelegt zu einem ganz modernen Ballett, das wirkliche Kunst ist.“28 Dass Schlemmers Wirken die Tanzgeschichte erheblich veränderte, zeigen zwei Einbände einschlägiger Tanzliteratur: John Schikowskis „Die Geschichte des Tanzes“ von 1926 (Bild 62) und Walter Sorells Werk „Der Tanz als Spiegel der Zeit“ von 1985 (Bild 63).29 Auf dem ersten steht einzig Schlemmers „Goldkugel“-Figurine aus dem „Triadischen Ballett“ für die gesamte Tanzgeschichte und bei Sorell neben anderen Tanzbildern Schlemmers Lithografie einer Tänzerin mit dem Titel „Die Geste“ von 1923. Bei all den medienübergreifenden Aktivitäten war Schlemmer jedoch darauf bedacht, dass der Tänzer nicht zur ausführenden Maschine der bildenden Kunst degradiert werden dürfe.30 Die Kritiker waren allerdings anderer Meinung: „Zu Gunsten einer Schaubild-Idee ist die Bewegungsmöglichkeit des menschlichen Körpers unterbunden und verkümmert“, hieß es über das „Triadische Ballett“.31

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Schlemmer: Missverständnisse, S. 28. Bruno Adler: Jenaer Zeitung „Das Volk“, 22. August 1923, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 83. Vgl. Kapitel IV, S. 150. Hans Hildebrandt: Frankfurter Zeitung vom 13. Oktober 1922, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 55. John Schikowski: Die Geschichte des Tanzes, Berlin 1926; Walter Sorell: Der Tanz als Spiegel der Zeit. Eine Kulturgeschichte des Tanzes, Wilhelmshaven 1985. Schlemmer: Missverständnisse, S. 28. Fritz Schneider: o. T., in: Süddeutsche Zeitung, Abendblatt, 02.10.1922, zit.  n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 56.

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1. Der Künstler als Choreograf

Bild 62  Schikowski: Die Geschichte des Tanzes, Titelseite.

Bild 63  Sorell: Der Tanz als Spiegel der Zeit, Titelseite.

Der Vorwurf des Mechanischen wurde des Öfteren vorgebracht, Schlemmer wies ihn jedoch zurück und führte dies auf seine Faszination für die Geometrie des menschlichen Körpers und dessen exakten Aufbau zurück, wie es auch schon bei Kandinskys Faszination für Palucca anklang.32 Er gestand jedoch: „Natürlich konnte das Zeitalter der Maschine, der Technik, der Mechanik nicht ohne Einfluß bleiben auf die Künste und vollends nicht auf ein Gebiet, das sich insonderheit in der Bewegung offenbart, in der Bewegung des menschlichen Körpers, im Tanz.“33 Denn der menschliche Körper sei ein „Gebilde mechanisch-mathematischer Art“34. Er sei per se eingegliedert in geometrische Strukturen. In mehreren Fotografien inszenierte Schlemmer seinen eigenen Körper als von der Gestaltung strukturiert und geordnet. In einem Porträt um 1928 posierte er in gestreiftem Jackett mit einer futuristisch anmutenden Glasglocke auf dem Kopf, die exakt die Form seines Kopfes wiedergibt (Bild 64). Seine Hand hält er im Profil

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Schlemmer: Missverständnisse, S. 28. Oskar Schlemmer: Mechanisches Ballett, in: Ignatz Gentges (Hg.): Tanz und Reigen, Berlin 1927, S. 80. Ders., S. 80–81.

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IV. Ordnen

Bild 64  Oskar Schlemmer mit einer Glocke aus dem Dessauer Bühnenstück „Glastanz“, um 1928, Fotografie, Dessau, Sammlung Stiftung Bauhaus Dessau.

Bild 65  Oskar Schlemmer mit Maske und Metallobjekt in Breslau, 1933, Fotografie, Stuttgart, Staatsgalerie Stuttgart, Archiv Oskar Schlemmer.

und mittig vor seinen Oberkörper, sodass sie dem Betrachter als gerade Linie erscheint, die seinen Körper in zwei exakte Hälften teilt und die Bildkomposition von einer geometrischen Genauigkeit geprägt ist. Auch ein weiteres Porträt mit Maske und Metallobjekt von 1931 zeigt Schlemmers Kopf überlagert von einem runden Raster, das beinahe exakt seine runde Kopfform rechts umfängt und links mit der senkrechten Metallstange abschließt, an der er das Objekt hält (Bild 65). Die waagerechte Linie liegt genau auf der Höhe seiner Augenbrauen. In Ascona (dies könnte bei dem Besuch der Bauhäusler in der Kolonie der Lebensreformer am Monte Verità gewesen sein) entstand außerdem eine Fotografie, die Schlemmer auf dem Boden liegend neben einem Gitter zeigt, das einen Schatten auf die gesamte Länge seines Körpers wirft, der dadurch als gerastert erscheint (Bild 66). Auch auf einem Kostümfest des Bauhauses ist Schlemmer vom Schachbrettmuster übersät (Bild 67).35 Bildanthropologisch gesprochen macht die ornamentale Gesichtsbemalung den Körper nicht nur zum Bildträger, sondern auch zum Bildproduzenten und zwingt ihn dazu, sich bildkonform zu verhalten.36 Schlemmer inszenierte sich selbst als nach

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36

Diese Vorstellung visualisierte Schlemmer auch in einer Reihe von Zeichnungen, wie in der „Egozentrischen Raumlineatur“ zum Artikel „Mensch und Kunstfigur“ von 1924 (vgl. Kapitel V). Vgl. Belting: Bild-Anthropologie, S. 35.

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1. Der Künstler als Choreograf

Bild 66  László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer in Ascona, 1926, Fotografie, Silbergelatine, 23,5 × 17,4 cm, Tokio, Metropolitan Museum of Photography.

Bild 67  Oskar Schlemmer, Konzert auf dem weißen Fest, 1925, Fotografie, Oggebbio, Photo Archiv C. Raman Schlemmer.

der geometrischen Ordnung konstruierter Mensch, ebenso wie er es für seine Tänzer vorsah: „Die Normalmaße, die Proportionslehren, die Messung Dürer’s und der Goldene Schnitt. Aus diesen entwickeln sich die Gesetze der Bewegung, die Mechanik und Kinetik des Körpers, sowohl in sich als im Raum, sowohl im Naturraum als im Kulturraum (Bau).“37 Diese Gesetze brächten jedoch nichts, sah Schlemmer ein, wenn sie nicht selbst am eigenen Leib nachvollzogen werden könnten, wie es im „Triadischen Ballett“ geschah.38 In der Vorstellung vom geometrisch konstruierten Raum des Tänzers, der auf dessen eigenem, nach geometrischen Gesetzen gegliederten Körper beruht, lag auch eine Parallele zwischen Schlemmer und Laban. Eine Art geometrische Aura, die den Tänzer jederzeit umgibt, schien das Vorstellungsbild der beiden Künstler-Choreografen zu dominieren. Der Raum um den Körper herum ist durch seine geometrische Konstruktion von vornherein gegliedert. Bei Labans choreografischem Ansatz jedoch

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Oskar Schlemmer: Der Mensch. Unterricht am Bauhaus. Nachgelassene Aufzeichnungen, Mainz 1969, S. 28. „Gewiß, die Geometrie, der Goldene Schnitt, die Lehre von den Proportionen. Sie sind tot und unfruchtbar, wenn sie nicht erlebt, empfunden sind.“ Schlemmer: Der Mensch, S. 55.

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IV. Ordnen

half die geometrische Struktur dem Körper eher, sich in den Raum hinein zu öffnen und eine gewisse Expressivität zu erlangen, während bei Schlemmer das Gegenteil bewirkt wurde.39 Auch Laban versuchte, wie bereits gezeigt, die kunsthistorische Tradition in den dreidimensionalen Raum, in die Performanz zu überführen.40 „Automatisches Abbild“ des Menschen in Hinblick auf Unnatürliches sowie Übernatürliches der Maschine war für Schlemmer die Gliederpuppe.41 Seine Ballettfigurinen bildeten dennoch einen Kompromiss zwischen Puppe und Mensch: „Jedoch gibt es noch ein Zwischenglied zwischen absoluter ‚un‘menschlicher Marionette und der natürlichen menschlichen Gestalt. Hierher zu zählen ist alles, was mit Maske und mit mehr oder weniger starrem Kostüm geschaffen wurde.“42 In einer Art Verteidigungsschrift mit dem Titel „Missverständnisse“, die Schlemmer als Antwort auf eine Kritik von 1931 über die Bauhaus-Tänze verfasste, betonte er, dass seine Bühnenexperimente nicht auf einer Maschinenästhetik beruhten, sondern das Maschinelle, wenn überhaupt, eher beeinflusst sei durch die Malerei: „Ein ‚mechanisches Ballett‘ habe ich nie gemacht, sosehr es anreizen könnte, automatisch-maschinell bewegte Figurinen und Szenerien zu verfertigen. […] das Fluidum Mensch ist also immer mit im Spiel. Gern gebe ich zu, daß ich von der Malerei und Plastik zum Tanz kam, daß ich aber gerade dessen Wesentliches, die Bewegung, um so höher schätzen mußte, da jene Ausdrucksgebiete ihrem Wesen nach statisch, starr sind und die ‚in einen Moment gebannte Bewegung‘ repräsentieren.“43 Der Künstler spielte zwar mit einer Maschinenästhetik auch in Bezug auf Abstrak­ tionsprozesse von der menschlichen Körperform, hatte aber, so betonte er zumindest, kein Interesse, den Menschen dadurch zu ersetzen.44 Vielmehr vergegenwärtigten

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44

Vgl. Kapitel II, Abschnitt 1. Aus Angst vor der zunehmenden Mechanisierung des Lebens, so diagnostizierte Schlemmer, zeigte sich diese „mechanisch-mathematische“ Körperauffassung jedoch zunächst nur in rhythmischer Gymnastik beziehungsweise den Bewegungschören in Stadien. Im freien Tanz bliebe zunächst noch die „übertriebene Kultivierung des Ausdrucks, der Seele“ bestehen, vgl. Schlemmer: Mechanisches Ballett, S. 81. Ebd. Ders., S. 82. Schlemmer: Missverständnisse, S.  28. In Kurt Schmidts, Friedrich Wilhelm Boglers und Georg Teltschers „Mechanischem Ballett“ (Uraufführung August 1923 während der Bau­ hauswoche im Stadttheater Jena) kam es beinahe zu einer Tilgung des „Fluidum Mensch“. Darin wurden Farb- und Formkombinationen von Figuren hervorgerufen, die hauptsächlich aus flächigen Rechtecken bestanden, die bewegt werden konnten. Dahinter verbargen sich jedoch Menschen, die für die Bewegung der Formen zuständig waren, allerdings nicht gesehen werden konnten. Vgl. dazu Torsten Blume: Ein Unternehmen wider die Natur zum Zweck der Ordnung, in: Bauhaus. Die Zeitschrift der Stiftung Bauhaus Dessau, 6 (2014), S. 5.

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1. Der Künstler als Choreograf

seine Kunstfiguren die Differenz von Mensch und Maschine.45 Die Abstraktion des Körpers und seine geometrische Ausrichtung angesichts des Maschinenzeit­alters wurde damit vorgeführt.46 Die Maschine war zwar eine Art Formmittel der Abstraktion, sie war in Kunst und Kultur der Industrialisierung allseits präsent, auch im „Triadischen Ballett“, jedoch weit davon entfernt – und das ist sie bis heute –, die Feinheiten einer menschlichen Bewegung, und schon gar nicht des Tanzes, auch nur ansatzweise zu beherrschen. Ein maschinell wirkendes Ballett brauchte im frühen 20. Jahrhundert auch den Menschen, um es überhaupt maschinell wirken zu lassen,47 was natürlich nicht ausschloss, dass sich beispielsweise der Tänzer einer maschinellen Ästhetik bedienen konnte. An der ambivalenten Haltung der Kritiker gegenüber dem Ballett, die ein Bild vom Tanz offenbarte, das per se dem expressiven Ausdruck und der intensiven Bewegung des Körpers geschuldet war und für Modifizierungen wenig übrig hatte, waren natürlich auch die Kostüme nicht unschuldig. So hieß es in der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Das Kostüm des Tänzers war bisher mehr oder minder nur dekorative Zutat: Schlemmer gibt ihm gleichsam konstruktive Bedeutung. […] seine einzige Funktion ist die Ermöglichung, ja Erzwingung eines bestimmten Tanzes. Schlemmer hat das fließende, ständig die Form wechselnde Gewand beseitigt und meist durch starre Hüllen aus Papiermasse ersetzt. […] Die Zahl der Bewegungen wird eingeschränkt, ihre Ausdruckskraft unerhört gesteigert.“48 Das Kostüm modellierte den Tanz wie der Bildhauer die Skulptur und ließ eine abstrakte Bildkomposition aus geometrischen Elementen entstehen. Die unvorhergesehenen Probleme bei der Herstellung der Kostüme,49 unter anderem durch knapp gewordene Materialien in der Nachkriegszeit, wie es in einer Erinnerung Tut Schlemmers anklingt, führten deren plastische Schwere und materielle Überfrachtung vor Augen, mit denen die Tänzer zu kämpfen hatten: „Die Kostüme wurden gelötet, genietet, gehämmert. Die Chachées, die Formen aus PapierMaschée, wurden mit unendlich vielen Lagen Zeitungspapier geklebt und wurden dabei schwerer und schwerer.“50 Auch Schlemmer musste einsehen: „Ich hatte z. B.

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Ders., S. 13. Zur Mensch-Maschine-Diskussion bei Schlemmer vgl. außerdem Kate Elswit: Watching Weimar Dance, Oxford 2014, S. 43 ff. Und das gilt bis heute. Hans Hildebrandt: o. T., in: Neue Zürcher Zeitung, Abendblatt 24.10.1922, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 55. Sie erfolgte vor allem um 1920 im Canstatter Atelier (bei Stuttgart). Zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 26.

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IV. Ordnen

auch bei der Aufführung erstmals Kostüme an, die die Bewegung derart hinderten, daß eine völlige Umstellung nötig war.“51 Es ist davon auszugehen, dass die Kostüme nicht nur durch ihre Form die Bewegung behinderten, sondern auch Masse und Gewicht den Tänzern körperlich enorm zusetzten. In einem Foto mit den Originalkostümen von 1922/23 sind der Tänzer Albert Burger und die Tänzerin Elsa Hötzel zu sehen, die an der Entwicklung maßgeblich beteiligt waren (Bild  68). Vor allem der kugelrunde Rock von Hötzel erscheint als klobig schwere Last an den Hüften, bedenkt man die Erläuterungen von Tut Schlemmer. Tänzerin und Tänzer inszenierten sich hier als Gliederpuppen, mit Armen im 90-Grad-Winkel gehalten und die Füße im klassischen en dehors positioniert. Auch wenn dies an Nijinskys gemeißelte Tänzer erinnert,52 erlaubt die rundplastische Ansicht der Kostüme hier keine wandbildhafte Flächigkeit. Das „Triadische Ballett“ hatte zwar einen statisch-maschinellen, puppenhaften Charakter, aber zugleich war es plastisch und nutzte den Raum. Die durch Masken erschaffene Entindividualisierung bis hin zu einer auch durch das stilisierte Kostüm hervorgerufenen Puppenhaftigkeit sorgten dafür, dass sich die tanzenden Figuren des „Triadischen Balletts“ dem „unbewussten Agieren“ der Marionette beziehungsweise einer Gliederpuppe annäherten53 Auch die Langsamkeit, Eckigkeit und Statik der tänzerischen Ausführung erinnerte an eine Fremdbestimmtheit oder gar an einen mechanischen Ablauf, der nicht mehr dem menschlichen Willen unterworfen war. Damit wurde dem Stück ein gewisser Mangel an künstlerisch hochwertigen Inhalten bezichtigt, der darauf fußte, dass das Kostüm die unzureichende choreografische und tänzerische Leistung zu vertuschen versuchte. Sorell charakterisierte die Kostüme Schlemmers als „Totalmaske“ und setzte die tanzenden Figuren mit Marionetten gleich.54 Auch der Tanzkritiker Fritz Böhme betonte: „Aber all diese Schöpfungen wirken nicht durch die Bewegung, sondern durch die Proportionen der Maske, d. h. durch etwas Ornamental-Plastisches.“55 Er bezeichnete das Gesehene als Marionettentanz, bei dem „[…] eine schwache, von außen her bauende, im Äußeren versandende, mehr für Unterhaltungsreize, aber nicht für verinnerlichte Kunst geeignete Formung […]“ vorliegt.56 51 52 53 54 55 56

Ders., S. 54. Elswit kommt auf der Basis dieses Zitats zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Weimar Dance, S. 42 f. Vgl. Kapitel I, S. 36. Vgl. Markus Rath: Die Gliederpuppe. Kunst Kult Konzept, Actus et Imago. Bd. 19, Berlin 2016, S. 506–510. Vgl. Kapitel III, S. 112–115. Walter Sorell: The Other Face. The Mask in the Arts, London 1973, S. 154. Fritz Böhme: Tanzkunst, Dessau 1926, S. 51. In der Originalversion trugen die Tänzer wohl auch Gesichtsmasken. Ebd.

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1. Der Künstler als Choreograf

Bild 68  Albert Burger und Elsa Hötzel in Kostümen der gelben Reihe des „Triadischen Balletts“, 1922/23, Fotografie, 17,8 × 13 cm, Bühnenarchiv Oskar Schlemmer, Oggebbio, Sammlung C. Raman Schlemmer.

Bis in die Gegenwart reicht die Kritik, dass der Tanz in den Hintergrund geriet und Kostüm, Kunstfigur, Form und Farbe eher im Zentrum standen.57 Im Zuge dessen wurde das „Triadische Ballett“ als Negativbeispiel der Interaktion zwischen bildender Kunst und Tanz verstanden, denn dort konkurriere das Kostüm mit dem Menschen, wodurch die Bewegungsmöglichkeiten reduziert und der Körper „in vorherrschende Strukturen eingepasst“ würde, sodass die Abstraktion zum Kontrollinstrument avanciere.58 Außerdem lasse das Kostüm den Tänzern keine Gelegenheit zur Initiative, der Anspruch an sie sei gering, sodass Schlemmer auf menschliche Tänzer verzichten und Maschinen oder Puppen hätte einsetzen können.59 Trotz Lob ließ auch Wigmans Kommentar nach einem Besuch des „Triadischen Balletts“ in Dresden am 26. 8. 1923 vermuten, dass die Anerkennung einer der führenden Ausdruckstänzerinnen der Zeit bezüglich einer wahren tänzerischen

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58 59

Vgl. Renate Berger: Vorstellungen des Abstrakten und Absoluten in Ausdruckstanz und Triadischen Ballett, in: Die weibliche und die männliche Linie. Das imaginäre Geschlecht der modernen Kunst von Klimt bis Mondrian, hg. v. Susanne Deicher, Berlin 1993, S. 229. Dies., S. 230–231. Dies., S. 230 u. 234.

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IV. Ordnen

Leistung fehlte: „Sie wissen selber, welch starken Eindruck ich seinerzeit von den Aufführungen hier in Dresden hatte, und wie sehr ich es bedauert habe, daß diese in ihrer Art einzig tänzerisch-dekorativen Arbeiten nicht öfter gezeigt werden konnten. […] Denn ihre Schöpfungen sind, abgesehen vom reinen Kunstwert, Anregung und Wegweiser für das gesamte moderne Darstellungswesen.“60 Wigman lobt zwar Schlemmer als „wegweisend“ und künstlerisch anspruchsvoll, doch die tänzerische Leistung wird mit dem Begriff des „Dekorativen“ verbunden. Vom schweren Kostüm, von Maske, Geometrie und Choreografie eines bildenden Künstlers beeinträchtigt, war es den Tänzern selbstverständlich ganz unmöglich, den expressiven Ausdruck einer Wigman zu erlangen. Die Kritiken an der tänzerischen Leistung und der Statik der Bewegung bezeugten eine einseitige Sichtweise der Rezipienten, nach der nur der Tanz als akzeptabel galt, der sich vollkommen der gesteigerten Bewegung und der Entäußerung des Körpers bediente.61 In „Missverständnisse“ reagierte Schlemmer auf die Kritik an seinem Ballett und an der tänzerischen Leistung. Er betonte, dass Tänzer der Laban-Schule62 engagiert worden wären und sich zudem Mary Wigman für das Ballett ausgesprochen hätte.63 Der Ausdruckstanz wäre somit durchaus „beteiligt“ gewesen. Obwohl die meisten Figuren des Stückes sicherlich eine elaborierte Tanztechnik voraussetzten, wurde das ungenügende tänzerische Vermögen immer wieder kritisiert. Entgegen aller Meinungen wies Schlemmer jedoch auf den hohen Schwierigkeitsgrad der Performance für die Tänzer hin, allerdings vor allem in Hinsicht auf den Umgang mit den Kostümen: „Aber es ist ein großes Können vonnöten, da es sich darum handelt, daß sich Tänzer und Kostüm assimilieren, daß sie eins werden.“64 Bezüglich des Tanzes lag somit eine Verschiebung vor: Nicht der Körper sollte hinreichend beherrscht werden, sondern das Kostüm. Eigenen Aussagen zufolge hatte vor allem Schlemmer selbst die Choreografie des Tanzes entschieden vorangetrieben und war dadurch auch mit Übersetzungsschwierigkeiten zwischen Tänzern und Künstler-Choreograf in Berührung gekommen: „Es ist so, wie ich Ihnen schon früher schrieb, der beiden [Burger und Hötzel]

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Mary Wigman an Schlemmer, 1. Januar 1926, zit. n. Müller: Die Begründung des Ausdruckstanzes durch Mary Wigman, S. 149. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 84. Schlemmer: Missverständnisse, S. 28; Schlemmer äußerte außerdem in einem Brief an seine Frau bezüglich der Aussicht, mit Laban eine Tanzinszenierung zu machen, dass er froh sei über die herkömmliche Besetzung des „Triadischen Balletts“ mit Burger und Hötzel, da er bei Laban sicher weniger die Möglichkeit haben würde, „selbst Schule zu machen“ (vgl. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 27). Schlemmer: Missverständnisse, S. 28. Oskar Schlemmer: Warum Ballett? Manuskript von 1926, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 134; Droste: „Stirb und Werde“, S. 79.

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1. Der Künstler als Choreograf

Tätigkeit bezügl. des Tanzes ist nur, mich so getreu wie möglich zu kopieren; aber was meinem Körper entsprechend ist und in meinem Körpergefühl bedingt ist, kann in der Kopie durch andere Körper nicht erreicht werden.“65 Dirk Scheper sieht den Grund für solche Inkongruenzen darin, dass Schlemmer sich in der Konzeption des Stückes vom ursprünglich gemeinsam geplanten Handlungsballett immer weiter in Richtung abstraktes Kostümballett bewegte. Die von Beginn an beteiligten Burger und Hötzel distanzierten sich nach der Premiere in Stuttgart vom „Triadischen Ballett“.66 Womöglich lag das an dem sowohl Mensch als auch Tänzer in seiner Individualität verneinenden Charakter des Stückes, der durch Schlemmer immer weiter vorangetrieben wurde. In einem Brief an Burger wunderte sich Albert Jeanneret, Rhythmusschüler Dalcrozes und Bruder Le Corbusiers, über die Richtung, die das Stück genommen hatte. Es hätte sich vom „voll genossenen Leben“ in etwas verwandelt, in dem „strenge Form, starre Linie herrscht[en]“.67 Jeanneret sah dies als einen Übergang vom „Menschlichen“ ins „Philosophische“. Und so scheint es auch nicht verwunderlich, dass sich die ursprünglich an der Entwicklung des Stückes beteiligten Tänzer nach und nach distanzierten, je abstraktere Züge es annahm und den Menschen als Tänzer in den Hintergrund drängte. Frühe Aufzeichnungen bezeugen, dass Schlemmer zunächst einen „Krieg“ zwischen den zeitgenössischen Kunstströmungen Kubismus, Futurismus und Expressionismus anvisierte, worauf dann der „Sieg der reinen abstrakten Form“ folgen sollte.68 Er verfasste dies unter dem Stichwort „Duncan-Schule“. Beide, Burger und ­Hötzel, mit denen Schlemmer zu Beginn zusammenarbeitete, waren zuvor an der DalcrozeSchule gewesen und diesbezüglich auch beeinflusst,69 sodass es naheliegt, dass zunächst ein Stück im tanzreformerischen Stil angedacht war, was dann auch mit

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Schlemmer in einem Brief an Meyer-Amden vom 28. Dezember 1919, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 25–26. Ders., S. 57. Ders., S. 21–22. Ders., S. 22. In dem Eisballett „Futuristischer Karneval“ (Uraufführung vom 23. Dezember 1921 im Admiralspalast in Berlin, noch knapp ein Jahr vor dem „Triadischen Ballett“) ging es ebenfalls um einen karikaturistischen Kampf der „Ismen“. Die Kostüme, die den Körper in seiner Bewegung einschränkten, sind von Belling angefertigt worden. Auf der „Internationalen Ausstellung zur neuen Theatertechnik“ 1924 in Wien stellte Belling eine Fotografie mit dem Titel „Formballett“ aus, die höchstwahrscheinlich die Figurinen des „Futuristischen Karnevals“ zeigte. Die Zeitschrift „Der Sturm“ beschrieb die Figurinen ähnlich wie das „Triadische Ballett“, die „die menschliche Gestalt nur als motorischer Behelf […], aber trotzdem als Gerüst erkennen“ ließen. Vgl. B. F. Dolbin: Die internationale Ausstellung neuer Theatertechnik in Wien. Nachworte, in: Der Sturm, 16 (1925), S. 98, zit. n. Geneviève Debien: Plastik im Raum der darstellenden Künste. Theater, Film, futuristisches Ballett, in: Ausst.Kat.: Rudolf Belling, S. 116. Vgl. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 18.

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IV. Ordnen

der Überschrift der Skizze zusammenpassen würde. Einen „Krieg“ hatte Schlemmer erreicht und die „abstrakte Form“ gewann tatsächlich. Die materielle Last der Kostüme stand im vollkommenen Gegensatz zu dem leichten Gewand, das den Protagonisten des Freien Tanzes (in Abgrenzung zum Korsett) ihre Ungezwungenheit ermöglichte. Für Schlemmer galten die Tanzkleider der Rhythmusschulen nicht als Kostüm: „Dalcroze ist ja kostümlos, oder auf das HodlerGewand beschränkt; mir ist Kostüm alles […].“70 Er legte seinen Tänzern gewissermaßen das Korsett wieder an, und zwar das der bildenden Kunst in Form von Materiallasten. Das von Lebensreform und gesteigertem Ausdruck geprägte Verständnis von Tanz wurde durch das „Triadische Ballett“ in seinen Grundmauern erschüttert. Schlemmers Bühnenarbeit, die ganz andere Ansprüche an ein getanztes Stück hatte, als es der zeitgenössische Tanzkanon vorsah, stand ohne Frage im völligen Gegensatz zu allem, was die Ausdruckstänzer erreicht hatten. Auch in der heutigen Forschung wird dies noch kritisiert: Schlemmer spreche sich mit all seinen Maßnahmen gegen den Ausdruckstanz aus, da dieser den Schwerpunkt auf den Körper lege und nicht auf das Dekor beziehungsweise das Kostüm.71 Diese Aussagen attackieren jene Entindividualisierung, die nicht nur das „Triadische Ballett“, sondern auch andere „Bauhaustänze“ vornahmen.72 Die Tänzer seien darin einer „totalitären Geometrie“ unterworfen,73 hinter die der individuelle Charakter ihres eigenen Tanzes zurücktrete. Wenn Tanz und Bild sich duelliert hätten, so wäre tatsächlich die Gestaltung Siegerin über den Körper geworden, jenem Körper, der (im Zuge des Ausdruckstanzes) dem Natürlichen, dem Licht und der Luft, versprochen worden war und der nun wiederum in ein dunkles, steifes Kostüm gesteckt wurde, wodurch seine angestrebte ‚Natürlichkeit‘ erneut zur Künstlichkeit wurde. Für individuellen, freien, gar spontanen Ausdruck ließ die Schlemmer’sche Gestaltung keinen Raum mehr. Der Künstler unterband den durch die Tanzreformen erst erworbenen und von den Zwängen der klassischen Ballettschule befreiten, individuellen Ausdruck. Zwar war auch der Ausdruckstanz, wenn man zumindest seine Wurzeln in Duncans Antikenrezeption sieht, auf gewisse Weise rückwärtsgewandt, doch auch Schlemmer kehrte (zumindest teilweise) wieder zurück zu den Gesetzen des klassischen Balletts und erlegte den Tanzenden wieder ein Ordnungsgerüst auf.74 Die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtete 1923: „Das einzige Bestreben der

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Schlemmer in einem Brief an Meyer-Amden vom 7. August 1920, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 27. Berger: Vorstellungen des Abstrakten und Absoluten, S. 238. Ebd. Ebd. Vgl. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 56.

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2. Eine Tänzerin am Bauhaus

Tanzentwicklung muß die Unterstützung der Leichtigkeit sein. Levitation statt Gravitation […]. Bei Schlemmer läßt erdenschwer gebundenes Kostüm […] überhaupt keinen Tanzgedanken aufkommen. Das endet in Pantomime. Was wir da sahen, war eine Kostümstudie nach der anderen, […] von einer Einheit im Tanz, von Tanzsteigerung zeigte sich gar keine Spur […].“75 Doch ein Stück wie das „Triadische Ballett“ wäre ohne die Tanzreform wiederum überhaupt nicht möglich gewesen. Der tänzerische Befreiungskampf wurde mit Hilfe der bildenden Kunst wieder eingedämmt und damit gleichzeitig revolutionär. Das Einfühlungsvermögen in die Abstraktion vom eigenen Körper war eine Notwendigkeit für die Tänzer bei der Ausführung, worauf folgendes Zitat Schlemmers schließen lässt: „Es ist die Frage, ob von den Elementen, Raum, Form, Farbe her das körperliche Geschehen, genannt Tanz, überhaupt bestimmt zu werden vermag. Sie werden es, wenn diese Worte und Begriffe: Raum – Form – Farbe und alle ihre vielfältigen Erscheinungsarten wie Kubus, Kugel, Pyramide, Quadrat, Kreis, Fläche, Mitte, horizontal, vertikal, diagonal, rot, blau, gelb, schwarz, weiß usw. Gefühl und sozusagen Fleisch und Blut geworden sind, unlösliche Bestandteile der Empfindungswelt und des Körperbewußtseins, um ihre magische Kraft wahrhaft und fortdauernd zu offenbaren.“76 Die geometrische Abstraktion sollte eins werden mit dem menschlichen Körper, die Tänzer selbst sollten sich in die Kugeln, Kegel und Kuben einfühlen, sich in sie verwandeln. Sie wurden zu den Elementen einer abstrakt-geometrischen Komposition. Bild, Raum, Körper, Farbe, Form und Bewegung wurden mit dem „Triadischen Ballett“ zu einer Gesamtheit verwoben und die Trennung zwischen zweidimensionaler Bildfläche und Raum, zwischen Malerei, Tanz und architektonischer Gestaltung aufgehoben.

2. Eine Tänzerin am Bauhaus In der Bauhauszeitschrift vom Juni 1928 findet sich in der Rubrik „Bauhausnachrichten“, in der die aktuelle Aufstellung der Lehrkräfte abgedruckt war, ein Foto mit Palucca (Bild 69). Darin steht sie auf den Zehenspitzen mit angewinkelten Knien und wirft den linken Arm in die Luft, den rechten streckt sie nach unten, wobei die Finger weit gespreizt sind, als würde sie jeden Moment nach hinten fallen. Das Foto liefert den Beweis dafür, dass die Tänzerin fester Bestandteil der bauhäuslichen Aktivitäten war.

75 76

Franz Kaibel: Thüringer Allgemeine Zeitung, 19. August 1923, zit. n. Scheper: Das Triadische Ballett, S. 84. Oskar Schlemmer: Abstraktion in Tanz und Kostüm (1928), zit. n.: Ausst.-Kat.: Oskar Schlemmer und die abstrakte Bühne, hg. v. Kunstgewerbemuseum Zürich, München 1961, S. 25.

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IV. Ordnen

Bild 69  Fotografie von Gret Palucca in der Rubrik „Bauhausnachrichten“, aus: Bauhaus: Zeitschrift für Bau und Gestaltung 2 (1928), S. 32.

In der Collage „Palucca tanzt“ von der Bauhausschülerin und -lehrerin Marianne Brandt ist die Tänzerin in eine abstrakte Komposition eingebettet (Bild  70, Farbtafel 12). Die Collage besteht aus einem waagerechten und einem diagonalen Schriftzug, der die Worte „Palucca tanzt“ formt, einem roten Kreis sowie diagonal und senkrecht angeordneten Zeitungsartikeln, die rektangulär zugeschnitten sind. Ein ausgeschnittenes Foto von der Silhouette Paluccas im Sprung in der Mitte verweist (abgesehen von der eher reduzierten Beschreibung „Palucca tanzt“) einzig darauf, was die Zuschauer erwarten könnte. Der eigentlich gymnastische Sprung wird im Titel zum Tanz erweitert. Die geometrischen Formen umschließen die Tänzerin zwar, evozieren aber zugleich eine dynamisch-flexible Offenheit in der Komposition. So schnell wie die Elemente im Schwung des Sprunges ineinandergefallen zu sein scheinen, so schnell können sie auch wieder auseinanderdriften. Eine solche abstrakt-geometrische Formensprache dominierte immer wieder die Gestaltung rund um Palucca und ihre Auftritte.77 Paluccas Markenzeichen war ein kräftiger, dynamischer Tanz. Ihre enorme Sprungkraft, wie sie auch in der Collage deutlich wird, wurde von ihrer Lehrerin 77

Sowie auch Schlemmers Plakate zum „Triadischen Ballett“. Siehe Abschnitt 1 dieses Kapitels. Vgl. Susan Funkenstein: Picturing Palucca at the Bauhaus, in: New German Dance Studies, hg. v. Susan A. Manning / Lucia Ruprecht, Urbana u. a. 2012, S. 46–47.

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2. Eine Tänzerin am Bauhaus

Bild 70  Marianne Brandt, „Palucca tanzt“, 1929, Plakat, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett,.

Wigman hervorgehoben: „Palucca. Ein prachtvolles Tanztemperament mit einer natürlichen Sprungfähigkeit, wie ich sie bei den vielen jungen Tänzerinnen, die durch meine Hände gegangen sind, kaum wieder erlebt habe. […] Nach jeder Korrektur, nach jeder Wiederholung flog sie ein wenig höher durch den Raum.“78 Die Zeitschrift „Die Dame“ charakterisierte Palucca zudem im Gegensatz zu Wigman („Tieftänzerin“) als „Hochtänzerin“79. 78 79

Mary Wigman, zit. n. Gerhard Schumann: Palucca. Porträt einer Künstlerin, Berlin 1972, S. 64. Susan Funkenstein: Engendering Abstraction. Wassily Kandinsky, Gret Palucca and „Dance Curves“, in: Modernism/Modernity 3/14 (2007), S. 389.

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IV. Ordnen

Die abstrakte Komposition mit Palucca auf dem Plakat kommentierte bereits das Charakteristische an deren Tanz, was auch durch ein Zitat ihrer Schülerin Lotte Goslar deutlich wird: „Was ich an Paluccas Kunst liebte, war das Abstrakte.“80 Auch Rudolf Arnheim bemerkte Ähnliches zu der Tänzerin: „Ihre Bewegungen bedeuten etwas, auch wenn sie nichts darstellen, ebenso wie Farben und Formen – in der absoluten Malerei und den absoluten Filmen – etwas bedeuten können, auch wenn sie keine Gegenstände bezeichnen.“81 Böhme stellte bezüglich Paluccas Tanz fest: „[…] ein Mitteilungsbedürfnis über diese Demonstration hinaus scheint zu fehlen […].“82 Vielmehr charakterisierte er ihren Stil als: „Versachlichung, Abstraktion der Geste, Entpersönlichung, Mechanisierung, Technisierung“83. Paluccas Tanz wurde verglichen mit dem sich vom Wirk­­lichkeitsbezug entfernenden ‚Abstraktionsdrang‘ der zeitgenössischen Kunst. Ihr Tanz stand für die Realisierung einer modernen, abstrakten Ausdruckssprache mit Hilfe des Körpers als Material. So liegt es nahe, dass Palucca auch die Bekanntschaft mit bildenden Künstlern wie Moholy-Nagy, Klee und Kandinsky machte.84 Sie berichtete beispielsweise von einem Besuch beim Ehepaar Kandinsky: „Von Kandinsky habe ich sehr viel gelernt. […] Er wies mich darauf hin, wie das nun eigentlich mit dem Kreis oder mit dem Dreieck sei. Da mußte ich einmal in seinem Atelier tanzen, keine erarbeiteten Tänze aus meinem Repertoire, sondern Übungen mit Kreisen und Dreiecken.“85 Demzufolge hat Kandinsky wohl seine abstrakten Bildkompositionen von Palucca sensomotorisch im dreidimensionalen Raum erproben lassen. In diesem Sinne ist auch der Bericht eines ehemaligen Bauhausschülers zu verstehen, der von Paluccas häufiger Anwesenheit an der Schule und dem Einfluss durch Kandinsky erzählte sowie von der Möglichkeit für die bildenden Künstler, durch den Tanz ein räumliches Verständnis von geometrischen Formen zu erlangen: „Gret Palucca tanzte oft auf der Bauhaus-Bühne. Sie erfand damals ihre Kreise, Achterwege und Spiralen und setzte die Bildgesetze Kandinskys in ihre Bewegungen um. Es kamen noch andere Moderne und Ballett-Tänzer als Gäste. Wir lernten, geometrische Flächenelemente gegen räumliche geometrische Bewegungs- und Tanzformen zu kontrastieren und

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Zit. n. Schumann: Palucca, S. 74. Arnheim: Technische Improvisationen, S. 829. Fritz Böhme: Palucca, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Abendausgabe 20. 03. 1926; vgl. Katja Erdmann-Rajski: Gret Palucca. Tanz und Zeiterfahrung in Deutschland im 20. Jahrhundert. Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Deutsche Demokratische Republik, Hildesheim/New York 2000, S. 169. Ebd. Vgl. dies., S. 156. Huguette Duvoisin / René Radrizzani (Hg.): Gret Palucca. Schriften, Interviews, Tanzmanuskripte, Basel 2008, S. 100.

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2. Eine Tänzerin am Bauhaus

begriffen die Gegenbewegungen und das Durchdringen gegangener oder getanzter Wege und ihre rhythmische Gegenüberstellung.“86 Am Bauhaus experimentierten die bildenden Künstler zunehmend mit Theater, Architektur und Raum. Vielleicht erhofften sie sich durch die Beschäftigung mit dem Tanz ein besseres Gefühl für die Räumlichkeit, ohne lediglich eine Eins-zueins-Übertragung des zweidimensionalen Bildes in den Raum vorzunehmen.87 Im Gegensatz zu Schlemmer, bei dem die körperliche Abstraktion eher durch üppige Kostüme in geometrischer Form charakterisiert wurde, ging es bei Palucca offensichtlich um eine auf der Leiblichkeit basierte Interpretation geo­metrischer Formen. Und handelte es sich beim „Triadischen Ballett“ um das Vortanzen abstrakter Formen, zielte Palucca vielmehr auf einen abstrakten Tanz ab. In den „Tanzkurven“, die Kandinsky nach Fotografien Paluccas von Charlotte Rudolph zeichnete, wird ihr Tanz beziehungsweise genauer, werden die stillgestellten Posen aus den Fotografien direkt in ein geometrisch und streng anmutendes schematisches Liniengefüge übertragen (Bilder 71a und b). Die statischen Schemata scheinen Palucca nicht wirklich gerecht zu werden, doch schien dies auch nicht Kandinskys Absicht gewesen zu sein. Vielmehr fungierten die Bilder wohl als eine Art Werbestrategie für die Tänzerin. Sie wurden 1926 in der von Paul Westheim herausgegebenen Zeitschrift „Das Kunstblatt“ veröffentlicht. Das als „modisch-avantgardistisch“ bezeichnete Blatt hatte sich der Förderung junger Künstler verschrieben und publizierte zu zeitgenössischen Kunstströmungen wie zunächst dem Expressionismus und später auch zum Konstruktivismus und der Neuen Sachlichkeit.88 Für ein „[…] kunstinteressiertes wie qualitätsbewusstes bürgerliches Zielpublikum […]“ gedacht, erschien die Zeitschrift bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 regelmäßig in einer Auflage von ca. 1000 Exemplaren.89 Als etablierter Künstler machte Kandinsky den kunstinteressierten Lesern Paluccas Können darin bewusst und ordnete zugleich ihre tänzerische Leistung ins zeitgenössische Kunstgeschehen ein, indem er die „Exaktheit“ der Punkte, Linien und Winkel ihrer Posen betonte, was eher auf die Meisterhaftigkeit einer Malerin schließen ließ als auf die einer Tänzerin: „Was ich aber hier unterstreichen möchte, ist der selten genaue Aufbau nicht bloß des Tanzes in der zeitlichen Entwicklung, sondern in erster Linie der exakte

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Bortoluzzi: Meine Erinnerungen an die Bauhaus-Bühne, S. 37–38. Vgl. Naoko Kobayashi-Bredenstein: Wassily Kandinskys frühe Bühnenkompositionen. Über Körperlichkeit und Bewegung, Berlin/Boston 2012; Ute Ackermann: Körperkonzepte der Moderne am Bauhaus, in: Bauhaus, hg.  v. Peter Feierabend  / Jeannine Fiedler, Köln 1999, S. 88–95. Lutz Windhöfel: Paul Westheim und das Kunstblatt. Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik, Köln 1995, S. 115. Ders., S. 51.

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IV. Ordnen

Aufbau einzelner Momente, die durch Momentaufnahmen fixiert werden.“90 Wenn auch nicht explizit erwähnt, empfahl er gewissermaßen Paluccas Tänze innerhalb der zeitgenössischen abstrakten Kunstströmungen zu verorten, die im Kunstblatt thematisiert wurden. Darunter fiel natürlich auch seine eigene Kunsttheorie in „Punkt und Linie zu Fläche“. Er kategorisierte ihren Körper im Tanz als exaktes Liniengefüge, als ebenso gestalterisch und ebenso meisterlich, wie es die bildende Kunst bereits erreicht hatte. Ihr Tanz, in seiner ganzen Innovation als etwas, das vom Publikum vielleicht noch nicht hinreichend eingeordnet werden konnte, war damit würdig geworden, in den Kreis der Kunst aufzusteigen. Er abstrahierte ihre Tanzposen in den Fotografien bis hin zu schematischen Strichfiguren und zeigte, dass selbst bei der Abstraktion von einzelnen Posen das Liniengefüge klar und geometrisch blieb. Mit Zirkel und Lineal ließ sich Paluccas Körper nachzeichnen und abstrahieren, ohne dass er seine Erkennungsmerkmale einbüßte. Mit der dynamischen Auffassung von geometrischen Elementen, die Kandinskys Kunsttheorie entstammte und nach der er auch seine Gemälde komponierte, schienen die Tanzkurven zunächst wenig zu tun zu haben. Im Gegensatz zur Kraft und Dynamik von Paluccas Tanz, wovon auch in den stillgestellten Fotografien noch ein Eindruck zu gewinnen ist, erscheinen sie als streng analytische, statische Diagramme. Dennoch verloren sie bei alleiniger Betrachtung (ohne die dazugehörigen Fotografien) ihren Verweis auf den Körper und auch dessen Ausrichtung nicht, ebenso wenig wie die Tendenz einer Bewegung. Die in den Fotografien enorm ausgeprägte Körperspannung Paluccas bleibt durch die Linien noch angedeutet. In „Punkt und Linie zu Fläche“ bezeichnete Kandinsky Paluccas Tanz darüber hinaus als „bis in die Fingerspitzen in jedem Augenblick ununterbrochen eine Linien­komposition.“91 Der Körper als figuratives Element wurde für ihn unwichtig, viel mehr interessierten ihn die Kraft und die Spannung, die in seiner Form lagen und die, ihm zufolge, ebenfalls in der Linienführung visualisiert werden konnten:92 „Die Mitarbeit der Kraft an dem gegebenen Material führt in das Material das Lebendige ein, das sich in Spannungen äußert. Die Spannungen lassen ihrerseits das Innere des Elementes zum Ausdruck kommen. Das Element ist das reale Resultat der Arbeit der Kraft am Material. […] So ist die Komposition nichts weiter als eine exaktgesetzmäßige Organisierung der in Form von Spannungen in den Elementen einge-

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Wassily Kandinsky: Tanzkurven zu den Tänzen der Palucca, mit Fotografien von Charlotte Rudolph, in: Das Kunstblatt 10 (1926), S. 117. Ders.: Punkt und Linie zu Fläche. Beitrag zur Analyse der malerischen Elemente (1926), hg. v. Max Bill, Bern 1986, S. 108–109. Vgl. allgemein: Frank Fehrenbach  / Karin Leonhard / Robert Felfe (Hg.): Kraft, Intensität, Energie: Zur Dynamik der Künste zwischen Renaissance und Moderne, Berlin 2018.

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2. Eine Tänzerin am Bauhaus

Bild 71a  Wassily Kandinsky, Tanzkurven zu den Tänzen der Palucca, mit Fotografien von Charlotte Rudolph, aus: Das Kunstblatt 10 (1926), S. 119.

Bild 71b  Wassily Kandinsky, Tanzkurven zu den Tänzen der Palucca, mit Fotografien von Charlotte Rudolph, aus: Das Kunstblatt 10 (1926), S. 120.

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IV. Ordnen

Bild 72 Übungsraum Paluccas mit dem Gemälde Mondrians, um 1926, Fotografie, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen.

schlossenen lebendigen Kräfte.“93 Auch Elemente einer abstrakten Bildkomposition wie Punkt oder Linie entstanden für Kandinsky durch Krafteinwirkung und Bewegung.94 Das abstrakte Element trat an die Stelle des Körpers als Figur, dessen Eigenschaften bei diesem Abstraktionsprozess im Bild erst wieder zu Tage treten konnten. Wie Kandinsky seine Bildgesetze räumlich in Paluccas Tanz wiederfand, so fand Palucca die Gesetze ihres Tanzes im Bild wieder. Ähnlich wie ihr Tanz von den Bauhauslehrern und -schülern beschrieben wurde, beschrieb sie auch ihre Vorlieben in der zeitgenössischen Kunst. Nur berichtete sie diesbezüglich nicht von Kandinsky: „Fast täglich wurde geprobt in dem schönen Studio, Dresden-Altstadt, Bürgerwiese 25. Ganz in Helligkeit getaucht der Raum mit hohen Fenstern, die den Blick auf das Grüne eines alten Parks freigaben. Wie ein Signet an der Wand über dem Flügel ein Bild von Mondriaan – klar in sich ruhende, sich selbst genügende Form.“95 Innerhalb der architektonischen Klarheit des Studios kristallisieren sich vor allem die unterschiedlichen Formen heraus, die sich neben dem rautenförmigen Bild Mondrians noch finden lassen (Bild 72). Neben den exakten Fensterkreuzen und 93 94 95

Vgl. Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche, S. 100. Ders., S. 57–58. Gret Palucca, zit. n. Schumann: Palucca, S. 67.

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3. Geometrische Gymnastik

Türrahmen, die die Linien des Bildes wiederaufnehmen, stechen dabei vor allem die runden Rhythmusinstrumente hervor. Zwei Gongs hängen sowohl rechts an der Wand wie auch links vor der Türöffnung in Vorrichtungen. Außerdem stehen weitere auf einem alten Kaminsims mittig des Raumes, angelehnt an der Wand. An der linken Wand lehnen mehrere Trommeln. Die Instrumente stehen im klaren Kontrast zum Gemälde Mondrians, das als eckig-anorganische, rationale Formation die runden Formen kontrastiert, die den Rhythmus des Körpers durch das In-SchwungSetzen ihrer runden Oberfläche unterstützen. Generell jedoch mutet das Interieur schlicht und geometrisch an und erinnert damit an die Fotografien von Mondrians Atelier.96 Palucca erhielt sein Gemälde „Rautenkomposition mit drei Linien in Blau, Grau und Gelb“ (1925), das als einziges Bild ihr Studio schmückte, 1926 als Geschenk von ihrem Ehemann.97 Die Klarheit und Exaktheit, die Paluccas Tanz immer wieder von Zeitgenossen bescheinigt wurde, hatte sie mit der Malerei Mondrians gemeinsam. Seinen Einfluss bestätigte sie sogar: „Ich war von ihm begeistert. Das war eine Zeit, als ich gerne so getanzt hätte, wie Mondrian gemalt hat.“98 Die parallele Entwicklung von modernem Tanz und moderner Malerei sorgte auch für eine formale Annäherung: „Es ist bei mir immer so gewesen, das mich die Malerei, überhaupt die bildende Kunst, aber auch die Architektur, mehr angeregt hat. Ich habe im Grunde die Anregungen vom Tanz überhaupt nicht gebraucht. Natürlich hat mich die Musik angeregt, aber eher die bildende Kunst, und das schon ganz früh“, sagte Palucca.99

3. Geometrische Gymnastik Fotografien zeigen Palucca auf dem Campus des Bauhausgebäudes. Sie klettert die Sprossen einer in die Mauer eingelassenen Leiter hinauf und wird dabei zusammen mit Andreas Feininger, der im selben Moment ein Foto zu schießen scheint, von Moholy-Nagy fotografiert (Bild 73). Ein weiteres Mal ist sie mitten im Sprung in die Tiefe begriffen und wieder ist Feininger im Bild, um ein Foto von ebendiesem Augenblick aus der Froschperspektive zu machen (Bild 74). Ein anderes Foto zeigt sie auf der Terrasse eines Meisterhauses, wo sie der Länge nach auf einer schmalen Mauer liegt, die Arme eng angewinkelt am Körper, um sich der Charakteristik der

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Vgl. Kapitel V, S. 219. Über ihren Ehemann Fritz Bienert, Sohn der Dresdner Kunstsammlerin Ida Bienert, kam Palucca in Kontakt mit bildenden Künstlern. Vgl. auch Senti-Schmidlin: Wege der Abstraktion in Malerei und Tanz , o. S. Ausst.-Kat.: Künstler um Palucca, hg. v. Werner Schmidt, Dresden 1987, S. 19. Zit. n. Duvoisin / Radrizzani (Hg.): Palucca. Schriften, Interviews, Tanzmanuskripte, S. 97–98.

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IV Ordnen

Bild 73  László Moholy-Nagy, Andreas Feininger fotografiert Gret Palucca kletternd an einem Meisterhaus in Dessau, 1927/28, Fotografie, Silbergelatine, 9,1 × 11,9 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett.

Architektur anzupassen (Bild 75). Diesmal ist kein Fotograf zu sehen, doch die Perspektive ist wieder ungewöhnlich. Die Position des Fotografen liegt noch über einem Balkon, auf dem eine Frau zu sehen ist, wiederum eine Rückenfigur, die ihre Aufmerksamkeit auf Palucca zu richten scheint. Die Linienführung im Foto ist klar, der Balkon grenzt sich in einer diagonalen Linie, die quer durch das ganze Bild führt, von der darunterliegenden Terrasse ab. Durch den Sonneneinfall entsteht eine scharfe Trennlinie parallel zum Raster der Bodenplatten. In einem rechten Winkel liegt die Mauer über der Wiese darunter. Die Fotografie wird zu einer abstrakten Komposition aus Linien, rechten Winkeln und Rastern, und Palucca ist Teil dessen. Die Rückenfigur dient der Verdeutlichung der ungewöhnlichen Perspektive und bildet eine Zwischenstufe zwischen dem Standpunkt des Fotografen und der Tänzerin. Mehrere Raumebenen werden in dem Bild durchschritten. Die Tänzerin ist in Aktionen zu sehen, die durch die architektonische Beschaffenheit der Gebäude selbst hervorgerufen werden. Mit ihrer tänzerischen Kreativität setzt sie ihren Körper immer wieder in ein neues Verhältnis zum Raum. Sie tritt mit dessen klar geometrisch funktionalen Eigenheiten in (teils dynamische) Interaktion, greift architektonische Charakteristika auf und unterstreicht oder kommentiert sie durch Posen und Bewegungen. Dabei wird sie von Moholy-Nagy als Fotografen

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3. Geometrische Gymnastik

Bild 74  László Moholy-Nagy, Andreas Feininger fotografiert Gret Palucca vor einem Meisterhaus in Dessau, 1927/1928, Fotografie, Silbergelatine, 11,8 × 8,8 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett. Bild 75  László Moholy-Nagy, ,,Dessau", 1926-28, Fotografie, Silbergelatine, 24,8 × 18,6 cm, Houston, The Museum of Fine Arts Houston.

begleitet, der das Geschehen mit seiner Kamera aufnimmt. In einem Zitat beschreibt dieser die Übereinstimmung von Paluccas Tanz mit seinen Vorstellungen von Raum: „Sie [Palucca] ist für uns das neu gefundene Gesetz der Bewegung, das exakteste Gefüge von immer raumlebendiger Spannung. […] Die Spannungen des Raumes gehen in ihren Körper […]. Sie ist die klarste unter den heutigen Tän­ze­rinnen.“100 Die Klarheit der Architektur deckte sich mit Paluccas klarem Tanzstil. Durch ihre Interaktion mit der Architektur werden bestimmte stilistische Eigenschaften dessen erst verdeutlicht. Als Tänzerin ist es ihre Profession, sich auf die Räumlichkeiten, in denen sie sich befindet, einzulassen und sogar auch Raum durch Bewegung zu erschaffen. Hier besteht bereits ein elaborierter, architektonischer Stil, der Palucca herausfordert und ihre Bewegung formt, was wiederum auf den Raum zurückwirkt und diesen in seinen Eigenschaften verstärkt beziehungsweise diese erst wirklich sichtbar macht: „Der Raum, wie alle Architektur vornehmlich ein Gebilde aus Maß und Zahl, […] bestimmt auch das Gehaben des Tänzers in 100

László Moholy-Nagy, zit. n. Schumann: Palucca, S. 60.

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IV Ordnen

Bild 76  T. Lux Feininger, Sport am Bauhaus: Boden-Gymnastik der Frauen auf dem Dach des Bauhauses mit Gymnastiklehrerin Karla Grosch, 1930, Fotografie, Berlin, BauhausArchiv, Nachlass T. Lux Feininger.

ihm“, schrieb Schlemmer,101 wobei auch an die architektonischen Richtlinien des Bauhauses gedacht werden könnte. In einem Akt der Selbstreflexion des Fotografierens dokumentieren die Bilder zentrale Interessen am Bauhaus: Perspektivisch experimentell werden die Architektur in Kombination mit der menschlichen Bewegung erforscht und die Gemeinsamkeiten von architektonischer und gymnastischtänzerischer Gestaltung vermittelt.102 Fotografien, die neben der künstlerischen auch die sportliche Lehre am Bauhaus verdeutlichen, zeigen Schülerinnen bei einem Kurs der Gymnastiklehrerin des Bauhauses, Tänzerin und Schülerin Paluccas, Karla Grosch (Bild  76).103 Unter ihrer

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Oskar Schlemmer: Tänzerische Mathematik, in: Vivos voco 8/9 (1926), zit. n. Hans Maria Wingler: Das Bauhaus. 1919–1933. Weimar, Dessau, Berlin und Nachfolge in Chicago seit 1937, Bramsche 1975, S. 129. Im Katalog zur Frauensiedlung Loheland werden Fotografien von gymnastischen und tänzerischen Posen mit Zeichnungen und Skulpturen der Schülerinnen verglichen. Zum Beispiel finden sich Spiralbewegungen des Gymnastikunterrichts auch in Zeichnungen und in Skulpturen aus spiralförmig angeordnetem Korbgeflecht wieder. Vgl. Mollenhauer-Klüber, Bauelemente Lohelands, S. 52–57, hier vor allem S. 56; vgl. auch S. 58. Vgl. Seraina Graf: Karla Grosch. Eine Spurensuche, in: Zwitscher-Maschine.org. Journal on Paul Klee / Zeitschrift für internationale Klee-Studien, 5 (2018), S. 17–46.

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3. Geometrische Gymnastik

Anleitung formen zwei von ihnen im Moment der Aufnahme aus dem Schulterstand heraus mit ihren Beinen ein Dreieck. Das Foto scheint Schlemmers Ansicht zu belegen, dass Leibesübungen wie Gymnastik auf dem natürlich gegebenen geome­tri­ schen Aufbau des menschlichen Körpers beruhen und demnach vom Körper als „präzise funktionierender Gelenkmechanismus exakter Denkweise“ vollzogen werden.104 Die fotografische Dokumentation der Geschehnisse an der Schule durch die Bauhausmitglieder (Feininger, Consemüller, Moholy-Nagy und andere) konzentrierte sich auch im Allgemeinen verstärkt auf den performativen Aspekt einer Wechselwirkung zwischen der Architektur und der geordneten Geradlinigkeit des menschlichen Körperbaus.105 Die Balkons, Dächer, Treppenhäuser und Außenflächen wurden genutzt, um sich gymnastisch-tänzerisch, schauspielerisch oder musikalisch zu betätigen. Das Gebäude selbst wurde zur Bühne106 und der Raum mit allen Sinnen erkundet. Die Architektur wurde als elementarer Gestaltungsprozess verstanden, der das Leben der Menschen strukturierte, ihre Bewegung formte und auf ihre Handlungen zurückwirkte. Walter Gropius beschrieb das Bauhausgebäude als Körper, den man selbst nur körperlich und räumlich erfahren konnte: „Man muss rund um diesen Bau herumgehen, um seine Körperlichkeit und die Funktion seiner Glieder zu erfassen“107, was mit gymnastischen und tänzerischen Mitteln auch vollzogen wurde.108

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Scheper: Das Triadische Ballett, S. 273. Vgl. u. a. Ausst.-Kat.: Fotografie am Bauhaus, hg. v. Jeannine Fiedler, Berlin 1990; Ausst.-Kat.: Sprung in die Zeit. Bewegung und Zeit als Gestaltungsprinzipien in der Photographie von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v. Hubertus von Amelunxen, Berlin 1992. Vgl. Laura Muir: Die Dynamik des Lebens am Bauhaus, in: Ausst.-Kat.: Modell Bauhaus, hg. v. Annemarie Jaeggi / Wolfgang Thöner, Ostfildern 2009, S. 228. Vgl. Walter Gropius: Bauhausbauten, Dessau, München 1974 (1930), zit. n. Florian Heilmeyer: Kommt, tanzen wir durchs Bauhaus, in: Bewegung. Bauhaus. Bd.  8, hg.  v. Claudia Perren, Leipzig 2017, S. 107. Vgl. Torsten Blume: Das Bauhaus tanzt, Leipzig 2015.

V. Überschreiten

1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner Multiple Umrisslinien beschreiben den Körper einer kambodschanischen Tänzerin von Auguste Rodin (Bild 77, Farbtafel 11). Spontan gezeichnete, schwungvolle S-Linien schweben zwischen linkem Oberschenkel und linkem Oberarm und zeigen an, dass eine Bewegung stattgefunden hat. Weitere wilde Kurven neben der linken Hand beschreiben deren Position vor oder nach dem Moment des hier Dargestellten. Der Körper ist nach allen Seiten hin geöffnet, er dehnt sich beinahe über die gesamte Bildfläche aus. Die Gliedmaßen der Tänzerin erhalten ihren Spielraum durch Linien, die Bewegung erzeugen, wo eigentlich Stillstand herrscht. Rodins Privatsekretär Anthony Ludovici wunderte sich in „Personal Reminiscences of Auguste Rodin“ über die Unvollkommenheiten von Rodins Zeichnungen, wie es auch hier zu erkennen ist.1 Sie seien meist grob ausgeführt und hätten „Elefantenfüße“, was als Vorzeichnung für eine skulpturale Fassung vollkommen unbrauchbar sei.2 Er führt diesen Umstand auf das beim Zeichnen abwesende Auge des Künstlers zurück: „[…] but in most drawings that I have seen, the technique of their production – the absence of the guiding eye – is apparent to any careful observer.“3 Eine Fotografie zeigt einen alten Mann, auf einer Parkbank sitzend. In der Hand hält er Blatt und Zeichenstift und beobachtet angestrengt die junge, scheinbar in Bewegung begriffene Person (Bild 78). Diese trägt ein mit Mustern und Bändern verziertes Kostüm, der rechte Arm und das linke Bein sind erhoben, Kniegelenk und Ellen­­bogen gebeugt, Hand- und Fußgelenk sind abgeknickt. Ein einfach gekleideter Junge und weitere Männer im Hintergrund beobachten das Geschehen. Der zeich-

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Anthony M. Ludovici: Personal Reminiscences of Auguste Rodin, London 1926, S. 136–137. Ders., S. 136. Ebd.

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V. Überschreiten

Bild 77  Auguste Rodin, „Kambodschanische Tänzerin“, 1906, Aquarell, Gouache und Bleistift auf cremefarbenem Papier, Paris, Musée Rodin.

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

Bild 78  Émile Sanremo, Rodin zeichnet einen kambodschanischen Tänzer, 1906, Fotografie, Paris, Musée Rodin.

nende Mann scheint hoch konzentriert, seine leicht zusammengekniffenen Augen verfolgen die Person, den Stift hält er allerdings mit lockerer Hand. Es handelt sich um Rodin, der die Tänzer des Ensembles wohl dazu aufforderte, frei vor ihm zu tanzen, während er sie zeichnete, und nur hin und wieder für eine Pose innezuhalten,4 was Grund für diese Ungenauigkeiten sein könnte. Es kam also vor, dass er zeichnete und dabei nicht aufs Blatt schaute, damit ihm keine der Bewegungen entging. Die gesehene Tanzbewegung scheint hier direkt in eine gezeichnete überführt worden zu sein.5 Die schwungvollen Linien halfen dem Künstler das, was bei der Transformation von Kinesis in Stasis an Bewegung verloren ging, wenigstens ansatzweise zurückzuholen. Flüchtigkeitsmomente und das Prozesshafte der Linie durchziehen das Œuvre Rodins, gerade bei der Darstellung des menschlichen Körpers, beispielsweise auch in

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Buley-Uribe: Marseilles, in: Ausst.-Kat.: Rodin and the Cambodian Dancers, S. 40. Vgl. auch Ausst.-Kat.: Rodin et la danse, hg. v. Jean-Baptiste Chantoiseau / Gille Jérôme, Paris 2018. Bernhard Waldenfels: Der Leib und der Tanz, in: Der Tanz in den Künsten. 1770–1914, hg. v. Achim Aurnhammer, Freiburg i. Br./Wien 2009, S. 22.

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V. Überschreiten

seinen Aktstudien.6 Doch vor allem beim unklassischen Tanz werden diese prozesshaften Momente besonders sichtbar. Rodin erklärte sein Vorgehen beim Zeichnen so, dass er die Linien des menschlichen Körpers nahezu selbst inkorporieren müsste, um sie dann wiederum aufs Blatt zu übertragen.7 Die Eigenschaften des Tanzes, nämlich die Bewegung des Körpers in Raum und Zeit und demnach die Unmittelbarkeit der wahrzunehmenden Ereignisse, stellten eine besondere Herausforderung für den Künstler dar. Diese zu meistern, bedurfte nicht nur eines geschulten Blickes, sondern auch der geschickten Verbindung zwischen sehendem Auge und ausführender Hand. Immer im Rückstand zur gesehenen Bewegung, kann die Hand bestimmte Teile des Körpers nicht mehr nach dem Vorbild zeichnen, sodass das Ergebnis von einem Abstraktionsprozess mitbestimmt ist.8 Der Berliner Sezessionskünstler Ernst Oppler berichtete über die Schwierigkeiten des unmittelbaren Skizzierens von Tanz im Theater: „Oft bin ich gefragt worden, wie meine Ballettbilder entstanden sind. Die lebhaften Bewegungsmotive von Ballettszenen und Einzeltänzen können selbstverständlich nicht nach dem Modell gemalt werden. Im verdunkelten Zuschauerraum muss der Maler in flüchtigen Notizen die Reihenfolge der Bewegungen niederschreiben und versuchen durch eine unaufhörlich wiederholte Beobachtung den Schritt und die Bewegung sich so einzuprägen, dass er imstande ist, sie auswendig darzustellen.“9 Sicherlich hatte jeder Künstler, der sich dieser Thematik widmete, eine eigene Methodik entwickelt. Doch die erste und spontanste Aufnahme von Tanz durch den Künstler bestand wohl meist in einer schnellen Skizze, die dann mit Hilfe der Erinnerung ergänzt wurde.10 Das Zeichnen von Tanz während der Bewegung ist beinahe unmöglich und endet sicherlich meist mit unbefriedigenden Ergebnissen. Es ist von

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Was die Frage aufwirft, ob sich die Modelle auch während des Zeichnens bewegten. Ludovici: Personal Reminiscences, S. 138–39. Die Antwort von Rodin, als er von Ludovici zu diesen Blättern befragt wurde, soll folgendermaßen gelautet haben: „I have not only to possess a very complete knowledge of the human form, but also a deep feeling for every aspect of it. I have, as it were, to incorporate the lines of the human body, and they must become part of myself […]. I must feel them at the end of my fingers. All this must flow naturally from my eye to my hand […]. Not once in describing the shape of that mass did I shift my eyes from the model […]. My object is to test to what extend my hands already feel what my eyes see“, in: Ludovici: Personal Reminiscences, S. 138–39. Ernst Oppler: Maler und Tänzerin, in: Berliner Lokal-Anzeiger vom 5. Juni 1927, zit. n. Ausst.Kat.: Ernst Oppler. Berliner Secession und Russisches Ballett, hg. v. Frank-Manuel Peter, Köln 2017, S. 169. Vgl. auch Isa Wortelkamp: Sehen mit dem Stift in der Hand. Die Aufführung im Schriftzug der Aufzeichnung, Freiburg i. Br. 2006. Ursel Berger: Tänzer als Vorbilder und Modelle für Bildhauer, in: Ausst.-Kat.: Tanz-Plastik, S. 90.

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

einem hohen Abstraktionsgrad bestimmt, der das eigentliche Geschehen kaum noch erkennen lässt. Abgesehen von Rodin haben sich wohl nur wenige Künstler diesem unkonventionellen Unterfangen gestellt. Moreck beschrieb das Dilemma, in das die Künstler dabei gerieten: „Man muß sich vor Augen halten, daß der bildende Künstler einen Tanz oder eine Bewegungsabfolge in einer Gestalt niemals wiedergeben kann, denn sein Material erlaubt ihm nur die Gestaltung des einen, feststehenden, unwandelbaren Moments. Da keinerlei Bewegungsart feststehend ist, der Schwung aus einer Folge von unendlich kleinen, ineinander rasch überfließenden Bewegungen, die scheinbar ruhende Spannung aus einer kontinuierlichen Reihe, der Impuls aus einer ruckartig erfolgenden Bewegungsänderung besteht, kann streng genommen nichts dergleichen in der Bildnerei dargestellt werden.“11 Wie bereits in der Einleitung erläutert wurde, kam Moreck zu dem Schluss, dass entweder die Figur oder ein abstraktes Symbol die Mittel sind, um jene Dynamik und Spannung ins Bild zu transformieren.12 Er erwähnte jedoch nicht, dass es auch die Möglichkeit gab, von der Figur zu abstrahieren oder die Figur und eine abstrakte Form zu kombinieren, wie es Rodin tat. Der Künstler produzierte einen Korpus von etwa 150 Zeichnungen von den Tänzern. Wie sein Sekretär feststellte, dienten sie nicht der Vorstudie zu späteren Skulpturen, sondern der Schulung von Auge und Hand.13 Sein Gelenkschwung entsprach analog der unmittelbar zu sehenden Tanzbewegung. Dies mag auch an dem unbekannten Bewegungs- und Formverständnis gelegen haben, das Rodin bei den kambodschanischen Tänzern entdeckte.14 Der Tanz- und Kulturhistoriker John Schikowski beschrieb den javanischen Tanz (der Ähnlichkeiten zum kambodschanischen aufweist) bereits als abstrakte Formgebung: „Was wir sahen, war nicht nur ethnographisch lehrreich, sondern auch künstlerisch überaus eindrucksvoll. Wundervoll wirkende suggestive Bewegungen der Schulter-, der Ellenbogen- und namentlich der Fingergelenke. Ein Ballett der Arme und Hände. Jeder Tanz war eine dramatische Szene, die ein Bild aus der Götter-, Heiligen- und Heldenlegende gab. Trotzdem kein Anflug von Pantomimik, sondern alles vollkommen durchgebildete abstrakte Formgebung.“15 Vor allem das extreme Abknicken der Gliedmaßen erweckt einen eckigen Eindruck und lässt sie abstrakt wirken. Die Beherrschtheit und Schematik solcher Tänze ermöglichte Rodin wahrscheinlich das Zeichnen während der Bewegung.

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Moreck: Der Tanz in der Kunst, S. 9. Vgl. S. 6. Ludovici: Personal Reminiscences, S. 137–139. Ders., S. 132. Schikowski: Geschichte des Tanzes, S. 100; Berger: Kolbe und der Tanz, S. 58.

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V. Überschreiten

Bild 79  William Hogarth, „Analysis of Beauty“, Tafel 2, 1753, Kupferstich.

Arnheim äußerte die Idee, dass Rodins Non-finito eher zum modernen Tanz passte, das Ballett hingegen mehr zur Feinmalerei.16 Vielleicht suchte der Künstler deshalb stets den Austausch mit modernen und außereuropäischen Tänzern, deren Bewegungsweise eher zu seinen Formvorstellungen passte.17 Etwa 150 Jahre zuvor verfasste William Hogarth seine von der Forschung sogar eher als Tanz- denn als Malereitraktat charakterisierte „Analysis of Beauty“.18 Die größtmögliche Grazie und Lebendigkeit erreiche ein Bild durch die Darstellung von Bewegung, so Hogarth.19 Von eben diesen bildlichen Methoden der Bewegungsdarstellung konnte sich auch der Tänzer etwas abschauen, um die Grazie seiner Haltung zu verbessern. Auf Tafel  II tummeln sich in satirischer Manier Tanzpaare in einem Festsaal (Bild 79). Hogarth versteckte in dieser ironischen Darstellung einen 16 17 18

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Arnheim: Technische Improvisation, S. 827. Wie Ruth St. Denis, Mata Hari, Duncan und Fuller. Vgl.: Hélène Pinet: Freundschaft mit Rodin, in: Ausst.-Kat.: Loïe Fuller. Getanzter Jugendstil, S. 91–112. William Hogarth: The Analysis of Beauty (1753), London 1974. Vgl. Mary Klinger-Lindberg: „A Delightful Play upon the Eye“. William Hogarth and Theatrical Dance, in: Dance Chronicle 1/4 (1981), S. 40. Hogarth: Analysis of Beauty, S. 6.

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

Appell zum Nachahmen, zur praktischen Aneignung von Grazie und erhabener Bewegung, die erlernbar ist, jedoch nur von demjenigen, der intelligent genug ist, um sie abzuschauen und anschließend bei sich selbst umzusetzen. Hogarth versuchte

Bild 80  William Hogarth, „Analysis of Beauty“, Tafel 2, 1753, Detail.

zu vermitteln, dass dies Mnemotechniken des Körpers sind, des aktiven Wahrnehmens und Lernens und des Aneignens von Form. Seine Botschaft war, dass diese Prozesse universal sind und sowohl beim Tanz als auch in der Malerei eine Rolle spielen. Denn beides sind Kunstformen, die den Körper und seine Wahrnehmung direkt betreffen. Hier ist weniger von Interesse, wie Hogarth Sitten und Gebräuche der Gesellschaft kritisierte, sondern vielmehr sein Versuch, eine Tanznotation zu entwickeln, wie es in der linken oberen Ecke der Tafel geschieht (Bild 80): Runde Linien, parallel und entgegengesetzt, größtenteils in Achterschlaufen, zeigen Raumlineaturen des in der Mitte dargestellten, winzigen Tanzpaares an. In Anlehnung an französische und englische Tanztraktate verstand Hogarth die Linie als Spur einer Bewegung.20 In

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„It is known that bodies in motion always describe some line or other in the air […]“, Hogarth: Analysis of Beauty, S. 140. Im Jahr 1724, hatte der Tanzmeister Kellom Tomlinson in seinem Traktat „The Art of Dancing“ ebenfalls einen Vergleich zwischen Malerei und Tanz gezogen: Demnach sollte sich der Tänzer nach dem Vorbild der alten Meister selbst als ein „lebendes Bild“ entwerfen, Körper und Haltung sollten wie Linien von einer meisterlichen Hand gezeichnet werden (Julia Gelshorn: Ornament und Bewegung. Die Grazie der Linie im 18. Jahrhundert, in: Ausst.-Kat.: Linea – Vom Umriss zur Aktion. Die Kunst der Linie zwischen Antike und Gegenwart, hg.  v. Matthias Haldemann, Ostfildern 2010, S.  87). Auch in den

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V. Überschreiten

Bild 81  William Hogarth, „Analysis of Beauty“, Tafel 1, 1753, Kupferstich.

dem Diagramm stellte er Tanz durch Linien dar, woraus ein abstraktes Bild entstand.21 Die Linie war für Hogarth eine Analogie zwischen bildender Kunst und Tanz: Während im Bild die Linienführung auf dem Blatt sowie die Handbewegung ausschlaggebend waren, standen im Tanz die Linienführung des Körpers selbst sowie die dabei hinterlassenen Raumspuren im Vordergrund.22 Aus Giovanni Paolo Lomazzos Malereitraktat übernahm Hogarth das Motiv der Schlangenlinie, das er in beiden Kunstformen am Werk sah.23 Besonders die Anwendung eines Formschemas aus einem Malereitraktat auf die menschliche Bewegung im Tanz war bezeichnend. Die

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Traktaten der Tanzmeister Raoul-Auger Feuillet und Pierre Rameau wurde den Gliedern des Körpers das Vermögen zugesprochen, runde Linien in die Luft zu zeichnen (dies., S. 89). Vgl. Raphael Rosenberg: Die Linie in der ästhetischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Ausst.-Kat.: Freiheit der Linie. Von Obrist und dem Jugendstil zu Marc, Klee und Kirchner, hg. v. Erich Franz, Bönen 2007, S. 28. Vgl. auch: Alexander Schwan: Opake Krakel. Tanzen zwischen Schreiben und Kritzeln, in: Über Kritzeln. Graphismen zwischen Schrift, Bild, Text und Zeichen, hg. v. Rea Köppel / Benjamin Meyer-Krahmer / Eike Wittrock u. a., Zürich 2012, S. 112. Marilena Z. Cassimatis: Zur Kunsttheorie des Malers Giovanni-Paolo Lomazzo, Frankfurt/M./ Bern/New York 1985.

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

Bild 82  Étienne-Jules Marey, „Bewegungsbahn der Flügelspitze eines Raben“, aus: Ders.: Le Mouvement, Paris 1894, S. 21.

Bild 83  Jacques-Louis Soret, „Pas Espagnol“, 1886, aus: Ders.: Des conditions physiques de la perception du beau, Genf 1892, S. 320, Abb. 64.

Kenntnis über die Schlangenlinie, so Hogarth, half bei der adäquaten Ausführung beider Kunstformen.24 In Tafel 1 wird dieser Zusammenhang der beiden Künste noch einmal unterstrichen. Dort steht mittig links im Bild ein Tanzmeister in kerzengerader Haltung, der die Skulptur des Antinoos in klarer S-Linien-Form berührt, als wolle er ihre Pose korrigieren (Bild 81).25 Beide Künste im Vergleich verschafften Hogarth Erkenntnisse über die Körperlichkeit und Lebendigkeit der bildenden Kunst und im Rückschluss über die Bedeutung von Form im Tanz. Die Linie als alleinige Bewegungsspur, wie sie bei Hogarth schon etabliert wurde, tauchte im 19. Jahrhundert in den chronofotografischen Notationen ÉtienneJules Mareys (Bild  82) oder Jacques-Louis Sorets wieder auf (Bild  83). Insbesondere Soret stellte in dieser Form auch verschiedene Tanzstile dar. Allgemein gesprochen unternahmen beide den Versuch, die Dauer und Form einer Bewegung im dreidi-

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Hogarth: Analysis of Beauty, S. 5–6. Vgl. ders., S. 6; Annie Richardson: An Aesthetics of Performance. Dance in Hogarth’s Analysis of Beauty, in: Dance Research 2/20 (2002), S. 42. Hogarth gab aber auch zu, dass, wenn ein Tanzmeister seiner Zeit den Antinoos gesehen hätte, er ihn dazu angewiesen hätte, aufrecht zu stehen. Hogarth: Analysis of Beauty, S. 8.

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V. Überschreiten

Bild 84  James A. McNeill Whistler, „Loïe Fuller dancing“, 1892/93, Zeichnung, Stift und schwarze Tinte auf cremefarbenem Papier, Glasgow, The Hunterian Museum and Art Gallery.

mensionalen Raum durch die Länge einer Linie auf der Fläche visuell festzuhalten. Daraus entstanden Bilder, die zum einen Diagrammcharakter hatten, nämlich auf eine reale Bewegung in Raum und Zeit grafisch verwiesen, und zum anderen der Linie als einziges Gebilde auf der Fläche eine bildnerische Autonomie zusprachen, die wiederum Anregung für die bildende Kunst bot.26 Mit Fullers flügelartigen Gewandmassen wurde der Tanz um 1900 selbst zu einer Linienkomposition, wie Harry Graf Kessler bestätigte: „Die Loïe Fuller hat unserer Zeit die Verwandtschaft zwischen dem Schauspiel des Tanzes und dem des Ornaments wohl am deutlichsten zum Bewusstsein gebracht.“27 Auch im Bild wurde

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Der Ursprung dessen ist das Koordinatensystem. Wird die Dauer in Zahlen umgewandelt, kann sie durch Linien ausgedrückt werden. Vgl. Michel Frizot: Notation als graphische Darstellung und ästhetischer Sprung, S. 58–62. Harry Graf Kessler: Kunst und Religion. Die Kunst und die religioese Menge, in: Pan, 3–4/5: (1899–1900), S. 169; vgl. Arnauld Pierre: Tanz der Augen, in: Ausst.-Kat.: Freiheit der Linie, S. 32. Vgl. zu Fullers Wechselbeziehung mit der Kunst des Jugendstils: Gabriele Brandstetter / Brygida Maria Ochaim (Hg.): Loïe Fuller. Tanz, Licht-Spiel, Art Nouveau, Freiburg i. Br. 1989; Giovanni Lista: Loïe Fuller. Danseuse de la Belle Epoque, Paris 1994; Ausst.-Kat.: Loïe Fuller. Getanzter Jugendstil; Ausst.-Kat.: Loïe Fuller. Danseuse de l’Art Nouveau, hg.  v. Valérie Thomas / Jérôme Perrin, Paris 2002; Hans Körner: Alois Riegl und Loïe Fuller. Die Selbstzeu-

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Bild 85  William H. Bradley, „The Serpentine Dance“, 1895, 19 × 11,5 cm, aus: The Chapbook, New York 1895, S. 61.

Fuller beinahe bis zur Unkenntlichkeit zum Liniengefüge abstrahiert. James A. McNeill Whistlers schnelle Skizzen (1892/93) transformierten den Schwung des Gewandes durch Fullers (mit Stäben verlängerte) Arme über den Schwung seiner eigenen Hand aufs Blatt (Bild 84). In den Schlaufen und Kreisen, die sich zum Teil durch die Schnelligkeit verflachen, wird die scheinbare Ähnlichkeit der Armbewegungen Fullers mit den Handbewegungen des Zeichners sichtbar.28 In der Karikatur der Tänzerin von William Bradley (1894) wurde das ‚Linie-Werden‘ noch unterstrichen. Ausschließlich das Ornament wurde zum Bild, wie auch auf der Bühne der Tanz zum Ornament wurde (Bild 85).29 Linien wurden im frühen 20. Jahrhundert, vor allem in Bildern, aber auch von Bauwerken oder Objekten in der Kunsttheorie als vital und von Kräften durchströmt

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gung von Kunst im Ornament, in: Wiener Jahrbuch für Kunstge­schichte, 53 (2004), S. 121– 137; Ann Cooper Albright: Traces of Light: Absence and Presence in the Work of Loïe Fuller, Middletown, Conn. 2007; Rhonda K. Garelick: Electric Salome. Loïe Fuller’s Performance of Modernism, Princeton 2009; Thomas Andratschke: Licht aus, Spot an! Tanzdarstellungen der Belle Epoque, in: Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“, S. 10–21; Aurora Herrera Gómez (Hg.): Body Stages: The Metamorphosis of Loïe Fuller, Milano 2014. Fullers Tanz schien Whistlers Vermögen, Muster in den flüchtigen Bewegungen der Tänzerin einzufangen und aufzuzeichnen, zu stärken. Vgl. Rohlfsen Udall: Dance and American Art, S. 179. Nur die tänzerisch eher ungeübten Füße schienen diese Perfektion zu stören.

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V. Überschreiten

charakterisiert.30 Ganz im Sinne Hogarths wurden ihnen performative Eigenschaften zugeschrieben. Kandinsky verglich die tänzerische Bewegung mit grafischen Elementen: „Im Tanz zeichnet der ganze Körper und im neuen Tanz jeder Finger Linien mit sehr deutlichem Ausdruck.“31 Und über die Pointen des Balletts schrieb er: „Das schnelle Laufen auf den Fußspitzen hinterläßt auf dem Boden Punkte.“32 Auch Henry van de Velde begriff die gezeichnete Linie als unmittelbaren Ausdruck von Gestik und sogar Tanz: „Die Linie und das ursprüngliche lineare Ornament sind die Schrift der […] Gebärden und Tänze.“33 Und auch der Kunsthistoriker Edgar Schindler sprach der Linie in seiner Dissertation „Vom Bewegungsgehalt des Bildes“ performative Eigenschaften zu:34 Ein Kapitel seines Buches über die Linie und den Fleck betitelte er mit „Die eigentlich bewegte Darstellung“.35 Demnach versteht er die figurative Darstellung von Bewegung, beispielsweise eine Figur im Lauf, eben nur als deren Darstellung, das Abstrakte wie Linie oder Fleck hingegen als echten Bewegungsablauf im Bild.36 Schindler zufolge sei die Linie auch Ergebnis des Tanzes der Hand auf dem Blatt: „Beim Linienziehen wird das Gelenk der zeichnenden Hand intensiver empfunden als beim Fleckmalen. Linienspiele entstehen aus Gelenkspielen, Gelenktänzen.“37 Im Gegenzug wurde von Seiten des Tanzes eine Bewegung als Linienkomposition im Raum verstanden: Thiess bemerkte 1920: „So hat der Tanz auch dieselben seelischen Inhalte wie jede andere Kunst (mächtige, aufbauende und lähmende, beglückende und niedergeschlagene), und sein Sinn ist, sie so stark wie möglich in Rhythmus und Linie zu erschaffen.“38 Auch Duncans Tanz wurde sowohl von ihr selbst wie auch von ihren Zeitgenossen als Linie charakterisiert.39 Ihre Nähe zur Gestik brachte die gezeichnete Linie außerdem in engen Zusammenhang mit der Auffassung von einer Bildlichkeit, bei deren Wahrnehmung nicht

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Robin Veder: The Living Line. Modern Art and the Economy of Energy, Hanover, NH 2015; Mainberger: Experiment Linie, S. 65, 73, 98, 104 f., 108; Ausst.-Kat.: Freiheit der Linie; Geraldine Gutiérrez de Wienken: Auf den Wellen ist alles Welle, München 2008. Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche, S. 108. Ders., S. 44. Henry van de Velde: Zum neuen Stil (1907). Aus seinen Schriften ausgewählt und eingeleitet von Hans Curjel, München 1955, S. 183. Edgar Schindler: Vom Bewegungsgehalt des Bildes. Eine einleitende kunsttheoretische Studie auf kunstgeschichtlicher Grundlage, Bodenreuth-Falkenberg (Oberpfalz) 1936. Dies war seine Dissertationsschrift, die er 1932 bei Wilhelm Pinder in München eingereicht hatte. Ders., S. 49. Ders., S. 46 f. Ders., S. 51. Thiess: Der Tanz als Kunstwerk, S. 68. Vgl. Kapitel I, S. 30.

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nur die Augen des Betrachters, sondern sein ganzer Körper involviert waren.40 Die Linie war Extension und Spur des Körpers des Künstlers und wurde vom Betrachter wiederum als solche wahrgenommen, worauf Schindler verwies: „Deutliche Linien reizen dazu, sie tatsächlich oder wenigstens in Vorstellung und Phantasie mit dem Finger, der Hand nachzufahren, abzutasten. Eine angedeutete physische Reproduktion der Linie, welche sich bis zur Nachbildung ihres Verlaufes durch den ganzen Körper […] vorgestellt oder realiter steigern kann […]. Die Linie wirkt mit der Auslösung kinästhetischer Empfindungen auf den Körper […].“41 Die Linie wurde als lebendig und körperlich wahrgenommen: „Gelenkspiele“ beim Zeichnen und das „Auslösen kinästhetischer Empfindungen“ rückten sie in die Nähe des Tanzes. Während Künstler für sich die Möglichkeit entdeckten, durch die Linie die Dynamik, die im Transformationsprozess des Tanzes ins Bild verlorengegangen war, auf das Blatt zurückzuholen, entdeckten Tänzer die Vorteile des Zeichnens für sich. Dabei ging es zum einen darum, eine Bewegung oder Pose zu notieren, und zum anderen darum, sie auf der Basis der Notation wieder körperlich umzusetzen. Die Ansprüche an Skizzen waren demnach andere, als bildende Künstler sie hatten. Sie dienten der Auseinandersetzung mit den Eigenschaften von Posen und Bewegungen, es sollte deren Wirkung erprobt und ein Ablauf festgelegt werden. Die Erfahrung von Raum und seiner Ausdehnung konnte auf der zweidimensionalen Fläche behelfsweise durchgespielt werden, ebenso wie mit Formen und deren Wirkung experimentiert werden konnte. 1933 wird Wigman in einer Musik-Zeitschrift wie folgt zitiert: „Die Inhalte des Tanzes und des Tanzkunstwerkes sind die gleichen wie die der übrigen gestaltenden und darstellenden Künste […].“42 Die Entstehung von Wigmans Choreografien lag, so wurde festgestellt, maßgeblich im Prozess des Skizzierens.43 In ihrem Nachlass in der Akademie der Künste Berlin finden sich bisher unveröffentlichte Skizzen zu Grundlagen von zeichnerischen Techniken, eine Art „Einfühlungspsychologie“ in Linien und Formen, die augenscheinlich für ihre Tätigkeit von Bedeutung waren (Bild 86a–d). In Blättern, betitelt mit „Theorie/Form“, passte sie die Linienführung einer Vase verschiedenen Kategorien an. Die Wirkung des „Rhythmischen“ hat ihr zufolge eine kantige Form, deren Linien häufig ihre Richtung ändern. Dem „Melodischen“ ordnete sie eine runde, geschwungene Außenlinie zu, die sich ebenfalls im Bild einer Vase manifestierte. Dem „Harmonischen“ entsprach

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Mainberger: Experiment Linie, S. 209. Schindler: Bewegungsgehalt des Bildes, S. 51. Rudolf Bach-Hannover: Mary Wigmans tänzerisches Werk, in: Die Musik 4/25, (Januar 1933), S. 272; vgl. Dietrich Steinbeck (Hg.): Mary Wigmans choreographisches Skizzenbuch, Berlin 1987, S. 283. Ders., S. 284.

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eine geometrische Vase, deren Fuß und Kelch jeweils aus einem Dreieck bestehen. Wigman erkundete auch, welche Wirkung verschiedene Ausrichtungen von Linien evozieren, was stark an Kandinskys Ausführungen in „Punkt und Linie zu Fläche“ erinnert. Eine Art Psychophysiologie der Linien war Untersuchungsgegenstand sowohl in der Kunst- als auch in der Tanztheorie. Wigmans Skizzen unterstützen die Auffassung, dass das zeichnerische Erproben der Wirkung von Formen auf dem Papier im Zusammenhang mit der tänzerischen Bewegung des Körpers im Raum stand. Außerdem entsteht der Eindruck, dass sie Rückschlüsse vom Umriss eines gezeichneten Gegenstandes auf jenen ihres Körpers zog. Auch in der Tanzschule von Laban stellten Malen und Zeichnen bekanntlich einen Teil der Ausbildung dar.44 Wigman soll berichtet haben, wie der Zeichenunterricht in der Schule und das Experimentieren mit Formen auf dem Papier nahtlos übergingen in Formen, die tänzerisch im Raum ausgeführt wurden: „Laban, der Maler und Gestalter, zeigte uns wie man zeichnet. Indem er unsere Vorstellungskraft durch seine eigene, lebhafte Fantasie beflügelte, verwandelte sich sein Unterricht immer in eine Lehrstunde in Improvisation und als Endergebnis in Tanz.“45 Das Zeichnen wurde als ein Prozess aufgefasst, der sich in Analogie zum Tanzen verhielt: „Jede Bewegung vollzieht sich für ihn in einem Liniensystem […]“46, schrieb Brandenburg über Laban. Dass Zeichnen in Verbindung mit Tanz stand, ging schon auf die Ursprünge des modernen Tanzes bei Duncan zurück. Zu der Ausbildung ihrer Schülerinnen gehörte auch das Zeichnen wie eine von ihnen berichtet: „[…] Few of us had any knowledge of drawing or any ability […]. Now I understand that sketching was just a ruse to get us to concentrate on natural movement. Trees and grasses, bending in the wind carry a message for every dancer. If she is observant, and even if she isn’t, the rhythm and pulse of nature are bound to affect her.“47 Bildende Kunst und Tanz dienten gleichermaßen der Vermittlung eines neuen Formverständnisses: Duncan zufolge sollte es vor allem der Frau vorbehalten sein „[…] to learn beauty of form and movement through the dance […]. With the movement of her body she shall find the secret of perfect proportion of line and curve. The

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Vgl. Kapitel II, S. 58. Übers. v. d. Autorin; „Laban, the painter and designer, showed us how to draw. In invoking our imagination by his own vivid fantasy, his instruction always turned into a lesson in improvisation, and as a final result into dance.“ Walter Sorell: The Mary Wigman-Book. Her Writings. Edited and Translated, Middletown 1973, S. 33. Brandenburg: Der Moderne Tanz, S. 178. Marie-Therese Duncan: The Truth about the Duncan Creed, in: the Dance Magazine, June 1926, S. 13, zit. n. Rohlfsen Udall: Dance and American Art, S. 237.

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Bild 86a–d  Mary Wigman, Aufzeichnungen zum Thema „Theorie/Form“ und „Welt, Leben und Kunst als Spannungsausdruck“, Berlin, Akademie der Künste, Mary Wigman Archiv.

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art of the dance she will hold as a great well-spring of new life for sculpture, painting and architecture.“48 Wie das Verständnis des neuen Tanzes mit einer Ästhetik der frei geschwungenen, runden Linie einhergeht, zeigt sich auch in einer Grafik Labans in seinem Buch „Choreographie“ von 1926, als Beispiel zur Aufzeichnung eines Bodenweges, dem ein Tänzer zu folgen hat (Bild 87). Es ist ein üppig geschwungenes Gebilde, wie mit einer Kalligrafiefeder gezeichnet. Je nach deren Ausrichtung fallen einige Kurven breiter, andere schmaler aus. Wie Schlingpflanzen wirbeln die Kurven ineinander und bilden Schlaufen und Kringel. Die Bezeichnung „Freier Weg“ scheint sowohl

Bild 87  Rudolf Laban, „Freier Weg“, aus: Ders.: Choreo­ graphie, S. 65.

für die Tanzbewegung als auch für die Handbewegung zu gelten, die dem Motiv inhärent ist. Für das Stück „Tanz der Liebe“ (1921) entwarf Wigman um 1920 Zeichnungen, die auch Bodenwege darstellten, so legt es zumindest der Titel „Weg“ nahe. Spiralformen, runde Linien die ineinandergreifen, Schlangenlinien und spitz zulaufende Schnörkel erzeugen zusammen eine dynamische Linienkomposition (Bild  88). Die Rahmung erzeugt den Eindruck eines abgeschlossenen Werkes. Als choreografische Skizzen beinhalteten die Zeichnungen, ähnlich wie bei Laban, zum einen eine direkte Handlungsanweisung, zum anderen waren sie so stark stilisiert, dass die Bewegungsfolge, die sie darstellten, bis zu einem gewissen Grad wieder verborgen wurde und einem Ornament wich, das rein der Dekoration zu dienen schien. Die runde Linie wurde einziges, abstraktes Bildelement, was auch dem modernen Kunstverständnis Kandinskys, Klees oder Taeuber-Arps entsprach (Bild 89–91). 48

Isadora Duncan: The Dancer and Nature, 1905, in: The Art of Dance, hg. v. Sheldon Cheney, New York 1977, S. 68; vgl. Rohlfsen Udall: Dance and American Art, S. 236.

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Bild 88  Mary Wigman, „Die sieben Tänze des Lebens“ mit choreographischen Weg-Skizzen, 1920, Berlin, Akademie der Künste, Mary Wigman Archiv.

Für das Stück „Totenmal“ (1930) malte Wigman winzige Strichfiguren, die sich inmitten eines wirbelnden Meeres von kreisförmigen Linien befinden. Die ekstatische Handbewegung der Zeichnerin ist ihnen noch anzusehen (Bild 92 und 93, Farbtafel 13), ähnlich wie bei Whistler. Die Zeichnungen entsprachen auf der zwei­ dimensionalen Fläche dem, was Wigman im Dreidimensionalen als Tänzerin erlebte. Durch Laban mit der Praxis des Derwischtanzes vertraut,49 verarbeitete sie die Tech49

Eine in Trance versetzende Bewegungstechnik. Vgl.: Jürgen Wasim Frembgen: „Manchmal tanze ich auf Dornen!“ Ekstase und Trance im Sufi-Islam, in: Michael Schetsche / Renate-

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Bild 89  Wassily Kandinsky, „Spontane Nachdrücke einer freien Gebogenen“, aus: Ders.: Punkt und Linie zu Fläche, Bild 49.

Bild 90  Paul Klee, „Träger für ein Schild“, 1934, Aquarell und Kreide auf Grundierung auf Papier auf Karton, 21 × 32,7 cm, Bern, Zentrum Paul Klee, Leihgabe aus Privatbesitz.

Bild 91  Sophie Taeuber-Arp, „Linienbewegung“, Design für „Poèmes sans prénoms“, 1939, Pastellkreide auf Papier, 34,4 × 26,3 cm, Aarau, Aargauer Kunsthaus Aarau, Depositum aus Privatbesitz.

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Bild 92  Mary Wigman, Skizze zum „Totenmal“, 1930, Zeichnung, Berlin, Akademie der Künste, Mary Wigman Archiv.

Bild 93  Mary Wigman, Skizze zum „Totenmal“, 1930, Zeichnung, Berlin, Akademie der Künste, Mary Wigman Archiv.

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nik des Drehtanzes auch in ihren Choreografien50 und berichtete diesbezüglich vom endlosen Kreisen ihres Körpers: „Ich drehte mich viele Minuten lang im Zentrum des Kreises, während meine Arme Figuren webten. Der Tanz wurde schneller und ließ dann nach, um sich erneut schneller und schneller zu bewegen, bis ich wie ein Kreisel wirbelte – mit den ganzen Füßen auf dem Boden, nicht auf den Zehenspitzen wie bei einer Pirouette […]. Andere Leute sahen in diesem Tanz reine Ekstase in geometrischer Form. Einige betrachteten ihn als einen wahnsinnigen Derwisch-Tanz.“51 In diesem ekstatischen Drehtanz wurde Wigman selbst zum Zeicheninstrument. In Zeichnungen der Opernsängerin Malvine Schnorr von Carolsfeld aus der Sammlung Prinzhorn von 1897 verdichten sich die Schnörkel der Schrift ebenfalls zu einem wilden, von unzähligen Linien immer wieder übereinandergelagerten Kreisgebilde (Bild  94). Kreise, Schlaufen und Spiralen ermöglichten eine schnell rotierende Handbewegung, die sich, ähnlich wie beim Drehtanz, ins Ekstatische steigern kann. Als Medium notierte Schnorr von Carolsfeld Äußerungen ihres verstorbenen Mannes, die er ihr nach ihren eigenen Aussagen zukommen ließ. Die Schriftzeichen pendeln zwischen Konkretion und Verschleierung, zwischen der Aufzeichnung des Vernommenen und dem Versuch, das gerade Notierte wieder zu verdecken.52 Sie weisen Übereinstimmungen mit den Kreisformationen der Zeichnungen Wigmans für das Stück „Totenmal“ auf. Beiden Blättern haftet ein ekstatischer, fremdbestimmter Charakter der Handbewegung an. Die Zeichnungen zeugen von Zuständen, die über Körper und Verstand hinausgingen und zu Kontrollverlusten führten – sei es die Kontaktaufnahme mit dem Jenseits oder die Ekstase im Tanz. Die Linien, die durch wilde Kreisbewegungen der Hand entstanden sind, symbolisieren diesen Zustand der vollkommenen körperlichen und psychischen Entäußerung. Die Kreismalereien und Zeichnungen Nijinskys haben zwar einen abgeschlosseneren, kontrollierteren Charakter als die spontaneren Kreise Wigmans oder von Carolsfelds, dennoch haftet ihnen ebenfalls eine wiederholende und zugleich mono-

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Berenike Schmidt (Hg.): Rausch – Trance – Ekstase. Zur Kultur psychischer Ausnahmezustände, Bielefeld 2016, S. 157–176. So beispielsweise 1926 in „Monotonie I und II (Drehmonotonie)“. Wigman, zit. n. Gabriele Fritsch-Vivié: Mary Wigman. Rowohlts Monographien, Hamburg 1999, S. 36; vgl. Sorell: Wigman, S. 126; Mary Anne Santos Newhall: Mary Wigman, London 2009, S. 88–91; Gálvez-Pérez: Raumnotierungen, S. 156. Vgl. Zur Ekstase im Tanz allgemein: Sabine Huschka: Rausch und Ekstase als choreographische KörperSzene, in: Schetsche  / Berenike-Schmidt (Hg.): Rausch – Trance – Ekstase, S. 217–238; Anne Vieth: Tanzekstasen – sich loslassen in der Bewegung, in: Ausst.-Kat. Ekstase in Kunst, Musik und Tanz, hg. v. Ulrike Groos u .a., München/London/New York 2018, S. 133-135. Thomas Röske: Okkultismus und Wahnsinn, in: Ausst.-Kat.: Gespenster, Magie und Zauber. Konstruktionen des Irrationalen in der Kunst von Füssli bis heute, hg.  v. Neues Museum. Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg, Nürnberg 2011, S. 132.

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Bild 94  Malvine Schnorr von Carolsfeld, „Ich will versuchen“, 1897, Bleistift auf Papier, 21,5 × 16,5 cm, Heidelberg, Universitätsklinikum Heidelberg, Sammlung Prinzhorn.

tone Eigenart an (Bild  95, Farbtafel 14). Es handelt sich bei den Bildern weder um Bodenwege noch um choreografische Anweisungen, wie bei Wigman, sondern um freie, abstrakte Zeichnungen mit Bleistift und Wachskreide. Zunächst machte Nijinsky Vorzeichnungen, die er anschließend farbig fasste. Oft, aber nicht ausschließlich, geht die Kreisbewegung von einem Zentrum in der Mitte des Blattes aus und setzt sich anschließend zu den Rändern hin fort. Ein kleiner Kreis ist meist im Zentrum zu sehen, der wie die Pupille eines Auges anmutet. Oft

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Bild 95  Vaslav Nijinsky, „Bögen und Segmente: Linien“, 1918/19, Wachskreide und Bleistift auf Papier, 29 × 37,5 cm, Hamburg, Stiftung John Neumeier.

entsteht in deren Umfeld ein mandelförmiges Gebilde, das diesen Eindruck eines aus dem Bild herausblickenden Auges vervollständigt. Einen ganzen Zyklus verfasste Nijinsky 1918/19 ausschließlich in blauer und gelber, seltener grüner, schwarzer und roter Wachskreide auf Papier. Die Bilder ermöglichten das ‚Tanzen‘ der Hand durch die sich ständig kreisende Bewegung des Zeichners, die sich ebenfalls in einem Trancezustand zu verlieren drohte.53 Vorzeichnungen, die vielleicht noch farbig gefasst werden sollten, zeigen, dass Nijnsky ein und dieselbe Kreislinie mit dem Bleistift immer wieder nachzog (Bild  96). Eine dickere Linie kaschierte natürlich Unebenheiten beziehungsweise Asymmetrien besser als eine dünne. Vielleicht bot das Zeichnen Nijinsky Ersatz für seine Tätigkeit als Tänzer beim russischen Ballett, nachdem er sie beendet hatte. Es wurde bereits festgestellt, dass sich während des Zeichnens der Rhythmus seiner Körperbewegung auf das Blatt übertragen konnte.54 Gar wurden die Blätter als Folge eines unterdrückten Bewegungsdranges charakterisiert.55 Die Exaktheit der Strichzeichnungen, die diese trotz der Freihändigkeit behielten, wurde auf seine Körperbeherrschung als Tänzer zurückgeführt.56

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Den Vergleich von Nijinskys Bildern mit Zeichnungen eines Mediums nahm bereits Thomas Röske vor: Im Schnittfeld der Kreise, in: Ausst.-Kat.: Tanz der Farben, S. 83. Hubertus Gaßner: Der Tanz der Farben und Formen, in: Ausst.-Kat.: Tanz der Farben, S. 51. Petra van Cronenburg: Faszination Nijinsky. Annäherung an einen Mythos, Münster 2011, S. 117. Vgl. Gaßner: Tanz der Farben, S. 52.

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Bild 96  Vaslav Nijinsky, „Bögen und Kreise“, 1918/19, Bleistift auf Papier, 13,5 × 20 cm, Hamburg, Stiftung John Neumeier.

Ähnlich wie Rodin fertigte Nijinsky eine große Menge solcher Blätter an, deren Funktion trotz den erwähnten Interpretationen nicht endgültig geklärt ist: „Vaslav arbeitete immer mehr. Er verfertigte eine Zeichnung in drei Minuten, mit blitzartiger Geschwindigkeit. „Sein Studio und die Zimmer waren buchstäblich bedeckt mit Zeichnungen“,57 schrieb seine Ehefrau in ihrer Biografie über den Tänzer. Die Blätter dienten keiner choreografischen Arbeit mehr, vielmehr halfen die aus dem Schwung der Hand heraus entstandenen orphischen Zeichnungen Raum und Körper aus einem geometrischen Prinzip heraus zu konstruieren,58 wofür Nijinksy der vitruvianische Mensch in Kreis und Quadrat als Vorbild gedient haben dürfte.59 Der Kreis sei für ihn die alles umfassende Form gewesen, so zitierte ihn zumindest seine Ehefrau: „[…] der Kreis ist die vollständige, die perfekte Bewegung. Alles beruht auf ihm – Leben, Kunst, ganz gewiß unsere Kunst. Er ist die vollkommene Linie.“60 Durch die gegenseitige Überschneidung der Linien entstand ein Raster auf der Bildfläche, das eine Strukturierung des Raumes schuf, wie sie auch in Schlemmers „Egozentrischer Raumlineatur“ auftauchte (Bild  97).61 Dort vermittelte Schlemmer die Beziehung des Menschen zum Raum, in dem dieser als Mittelpunkt fungiert von dem aus parallele Kreise und runde Linien ausgesendet werden, die das geometrisch 57 58

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Romola Nijinsky: Nijinsky. Der Gott des Tanzes, Frankfurt/M. 1981, S.  382. Vgl. Röske: Im Schnittfeld der Kreise, S. 78. Auch Nijinsky erwähnte in seiner Autobiografie ein rundes Theater, in dem Tanz den Zuschauerinnen und Zuschauern aus einer erweiterten Perspektive zugänglich werden sollte. Ders.: Ich bin ein Philosoph, der fühlt. Die Tagebuchaufzeichnungen in der Originalfassung, Berlin 1995, S. 67, zit. n. Gaßner: Tanz der Farben, S. 51. Ders., S. 49–50. Nijinsky: Der Gott des Tanzes, S. 372. Vgl. auch Gaßner: Tanz der Farben, S. 49. Die Zeichnung war Teil von Schlemmers Aufsatz „Mensch und Kunstfigur“ (1924).

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Bild 97  Oskar Schlemmer, „Egozentrische Raumlineatur“, 1924, Tuschfeder auf Papier, 21,5 × 28,2 cm, aus: Ders.: Mensch und Kunstfigur, S. 14.

exakte Verhältnis zwischen Mensch und Raum aufzeigen. Durch die Überschneidungen von Kreislinien bildet sich ein Raster, das den Umraum der Figur strukturiert. Der Tänzer war für Schlemmer, wie bereits gezeigt, die Person, die mit allen Gesetzen des Raumes, sei es ein Kreis oder ein Kubus, unmittelbar verwoben war. Er nahm die Formen des Raumes auf und verband sie mit den Gesetzen seines eigenen Körpers. Die Figur in der Mitte des Raumes besteht selbst aus runden Linien, die sie plastischer und zugleich puppenhafter erscheinen lassen, da sie im Inneren weitere Rundformen ausbilden. Auch Nijinsky stellte puppenartige Figuren inmitten von sich überschneidenden Kreisen und Ellipsen dar, deren Körper sich ebenfalls aus Kreisen speisten (Bilder 98 und 99, Farbtafel 15). In Hinblick auf Schlemmer könnten seine Zeichnungen als Raumübungen aus tänzerischer Sicht verstanden werden, die sein Verständnis von einem durch Kreise organisierten Raum vermittelten, in den der Körper eingebettet war. In einer Zeichnung von Ernst Ludwig Kirchner von 1932/33 ist die tanzende Wigman zu sehen, mit aufgebauschtem Rock, der sich beinahe als in sich verdrehte Spirale formt und damit die Drehbewegung der Tänzerin andeutet (Bild 100). Auch die in die Luft erhobenen Arme und im Bild nach rechts weisenden Hände lassen die Drehung in jene Richtung vermuten. Während der Rock schachbrettartig ausgefüllt ist, wird der restliche Körper lediglich von einer Linie gebildet. Bei deren Vollzug

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

Bild 98  Vaslav Nijinsky, „Kreise und Gesicht“, 1917/18, Bleistift auf Papier, 20 × 27 cm, Hamburg, Stiftung John Neumeier.

Bild 99  Vaslav Nijinsky, „Porträt“, 1918, Pastell auf Papier, 24,5 × 20 cm, Nijinsky Nachlass.

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V. Überschreiten

Bild 100  Ernst Ludwig Kirchner, „Wigman-Tanz (Drehende Tänzerin)“, 1932/33, schwarze Kreide, 59 × 31,8 cm, Berlin, Brücke Museum.

wurde die Hand, so ist es zumindest in großen Teilen der Zeichnung ersichtlich, niemals abgesetzt. Dabei versuchte Kirchner die dynamische Kurvenführung durchgehend aufrechtzuerhalten. Der Fokus auf der durchgezogenen Linie führt zu einer starken Abstraktion der Tänzerin, Kontur und Körper sind eins, außen und innen verschwimmen. Durch die Darstellung des Gesichts im Profil scheint es beinahe so, als ob zwei Figuren miteinander verschmelzen beziehungsweise eine Überlagerung von mehreren Bewegungssequenzen stattfindet. Die ekstatische Bewegung des Dreh­­ tanzes findet sich in der Bewegung der Hand wieder, die ohne innezuhalten einen Tanz auf dem Blatt ausführt. Durch das permanente In-Bewegung-Sein erreicht die zeichnende Hand einen ähnlichen ekstatischen Zustand, wie ihn die Tänzerin im Drehtanz erfährt. Auch Kirchner verwendete den Begriff der Ekstase für das Anfertigen einer spontanen, schnellen Skizze. Die Bewegung, die dieser Skizze innewohnte, übertrug er sodann ins Gemälde, sodass die unmittelbare Erregung der Hand noch darin mitschwingen konnte, auch wenn ein Gemälde ein Werk von langer Planung war: „Meine Form entsteht so, daß ich in der Ekstase des Erlebens in der Skizze neue Formgestalt

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

finde, die im Bild kristallisiert und fest wird. Die Skizze wird nicht direkt gebraucht, sondern sie dient nur der Anregung, um die Ekstase für die Bildform zu erzeugen.“62 Kirchner besuchte Wigman des Öfteren in ihrer Tanzschule, um Skizzen zu machen, vielleicht gefiel ihm der noch rohe Trainingscharakter im Studio, der die Entsprechung zu seiner schnellen Skizze darstellte. Arnheim verglich beispielsweise die Übungen der Tänzer mit Vorzeichnungen in der Malerei: „Darum sind auch diese gymnastischen Exerzitien nicht unwürdig eines Publikums, das gekommen ist, um Hilfslinien, die ausradiert werden müssen, bevor das fertige Gemälde gezeigt wird – sie sind das Arsenal, aus dem die Künstlerin ihre Einfälle schöpft. Ihr dabei zuzusehen, ist lehrreich und schön.“63 Kirchner ließ jedenfalls über Wigman verlauten: „Ich war oft bei der Tänzerin Mary Wigman. Ich habe viel bei ihr gezeichnet. Es ist dort fühlbar, wie die modernen Künste zusammenhängen. Ihre Bestrebungen im Tanz sind dieselben wie ich sie in der Malerei habe.“64 Auch Wigman sprach von einer gegenseitigen Beeinflussung im Tanzsaal der alten Residenz in Dresden: „Auch der Maler Ernst Ludwig Kirchner fand sich täglich dort ein, als stummer Partner im Hintergrund zeichnend, skizzierend, aquarellierend. Während der Arbeit haben wir kaum miteinander gesprochen. Aber seine Gegenwart war immer spürbar und immer inspirierend.“65 Ja, es kam sogar zu einem „Einverständnis in künstlerischen Dingen“, so Wigman.66 Parallelen zwischen der Arbeit des Künstlers und der der Tänzerin könnten im antiakademischen Verständnis ihrer jeweiligen Kunstform bestanden haben. Beide bevorzugten den schnellen, spontanen Ausdruck, der in eine dynamische Formen­ 62

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Kirchner in einem Tagebucheintrag am 19.11.1928, in: Lothar Grisebach: E.  L. Kirchners Davoser Tagebuch. Eine Darstellung des Malers und eine Sammlung seiner Schriften, Köln 1968, S.  174; Anita Beloubek-Hammer: Kirchners „Ekstatisches Zeichnen“, in: Ausst.-Kat.: Ernst Ludwig Kirchner. Erstes Sehen. Das Werk im Berliner Kupferstichkabinett, hg. v. ders./ Anke Daemgen / Brigitte Reineke, München 2004, S. 14–19. Arnheim: Technische Improvisationen, S.  830. Dies sagte er allerdings in Bezug auf Gret Palucca, doch man kann es sicher auch mit den Übungen anderer Tänzer vergleichen. Vgl. zum Kontakt Kirchners mit Tänzerinnen: Henrike Mund: Kirchner und der Ausdruckstanz, in: Ausst.-Kat.: Kirchners Kosmos: Der Tanz, hg. v. Brigitte Schad, München 2018, S. 48–55. Kirchner in einem Brief an Gustav Schiefler vom 01.04.1926, in: Wolfgang Henze (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Briefwechsel. 1910–1935/1938, Stuttgart 1990, Nr. 339; „Die neue Kunst ist da. M. W. benutzt vieles aus den modernen Bildern unbewußt, und das Schaffen eines modernen Schönheitsbegriffes ist ebenso in ihren Tänzen am Werke wie in meinen Bildern.“ Kirchner in einem Brief an Gustav Schiefler von 1926, in: Grisebach: Kirchners Davoser Tagebuch, S. 115; „Ich bin jetzt schön in der Arbeit drin und zeichne täglich in der WigmanTanzschule. Dieser Tanz gibt mir doch viel, er hängt sehr mit unserer Moderne zusammen.“ Kirchner, zit. n. Gerd Presler: Ernst Ludwig Kirchner. Seine Frauen, seine Modelle, seine Bilder, München 1998, S. 93. Sorell: Wigman, S. 81. Grisebach: Kirchners Davoser Tagebuch, S. 296, Eintrag Nr. 192.

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sprache mündete. Dies wird deutlich, wenn Kirchner erklärt, dass er auf Wigmans Tanz mit einer ebenso freien Führung der Hand sowie mit einer damit einhergehenden abstrakteren Formfindung reagieren musste. Sein Tagebucheintrag vom 16.  Januar 1926 zum Zeichnen von Wigmans Tänzen zeigt, dass ihre Art und Weise zu tanzen von ihm eine schnelle Reaktion der Handbewegung verlangte, die er noch nicht besaß. Das forderte ihn jedoch heraus und inspirierte ihn zugleich: „Der Zusammenhang von dem Bestreben der W. mit meinem der Darstellung der modernen Schönheit ist zweifellos. Es giebt [sic!] das Ausdruckswerte, wie sie ein Gefühl steigert durch Wiederholung der Bewegung, durch eine Anzahl Menschen, ist auch auf meinen Bildern zu bemerken. Ich war im Zeichnen erst sehr unsicher, komme aber allmählich eher der Lösung näher. Es fällt mir so schwer, den Stift frei laufen zu lassen, weil ich so sehr wenig geübt bin. Es wird aber besser. Vielleicht sollte ich etwas andere [sic!] kopieren, von den alten Meistern, um wieder in Fahrt zu kommen. Es bereitet sich Neues vor bei mir, das fühle ich wohl.“67 Neben Wigman traf Kirchner auch Palucca, deren Tanzstil, wie bereits gezeigt, als „abstrakt“ und „klar“ beschrieben wurde, was Kirchner zunächst wohl nicht zusagte.68 1926 prophezeite er ihr ein baldiges Ende ihrer Karriere.69 Dann gastierte die Tänzerin im Januar 1930 in Davos, wo Kirchner ihr erneut begegnete, sie zeichnete und ihre „unzulängliche Phantasie“ bemängelte.70 Einige Monate später jedoch zeigte er mehr Offenheit: „Der Tanzabend Palucca hatte […] einen durchschlagenden Erfolg […]. Beleuchtung der Szene, Musik, Kleidung, Schritt und Rhythmus – alles war neu, eigenartig und überraschend, nahm […] einen offenkundigen Bezug auf die sportliche Bewegung unserer Tage, auf die Rekordleistungen. Ganz helle Beleuchtung zur besseren Wahrnehmung der Muskelbewegungen, einfache Musik, einfache Kleidung,

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Ders., S. 115. Kirchner bezog sich hier vor allem auf Wigmans Arrangement von Gruppen­ tänzen. Durch „Wiederholung der Bewegung“ vermochte sie, den Ausdruck zu steigern, ein Element, dass sich unter anderem auch in Kirchners Gemälde „Totentanz der Mary Wigman“ (1926) wiederfinden lässt. Vgl. Kapitel IV, Abschnitt 2 und 3. Vgl. Grisebach: Kirchners Davoser Tagebuch, S. 115 f. Er schrieb dies in einem Brief an Frédéric Bauer am 22.01.1930, in: Hans Delfs (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel. „Die absolute Wahrheit, so wie ich sie fühle“. Bd.  3. Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, S.  1413. Und weiter schrieb er: „Neulich war die Paluca [sic!] da, die Tänzerin. Ihr kennt sie wohl. Der Abend war ganz nett. Ich will von ihr ein Bild malen. Sie hat sich körperlich sehr entwickelt, aber hat nicht viel Phantasie.“ Brief Kirchners vom 24.01.1930 an Elfriede und Hansgeorg Knoblauch, dem auch eine Zeichnung von Palucca beigefügt wurde, vgl. ders., S. 1414 und Abb. 46; Elfriede Dümmler / Hansgeorg Knoblauch (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Briefwechsel mit einem jungen Ehepaar. Elfriede Dümmler und Hansgeorg Knoblauch. 1927–1937, Bern 1989, S. 101–103.

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technische Uebungen als eine besondere Programmnummer und als das Wesentlichste eines jeden Tanzes.“71 Der von sportiven, nahezu akrobatischen Einlagen geprägte Tanz von Palucca, der im Gegensatz zu Wigmans Stil eine strengere Geradlinigkeit verfolgte, könnte der Grund für Kirchners anfängliche Kritik sowie ästhetische Unstimmigkeit gewesen sein, die dann scheinbar umschlug in Sympathie. Analog dazu schrieb Schikowski 1926 über die Eigenart von Paluccas Tanz im Gegensatz zu Wigman: „Gret Palucca zeigt den Wigman-Stil in reinster Form und höchster Vollendung. Dieser Stil bekommt durch die persönliche Note der Palucca etwas Holzschnittartiges. Malerisch schwimmende, verfließende Konturen sind ihm fremd. Jede Linie steht deutlich und sauber.“72 Die Tanzforschung beschrieb Wigmans Raumwege als von einer „organisch in sich verschlungenen Ornamentik gekennzeichnet“, Paluccas Tänze hingegen „charakterisieren sich über einen auffallend übersichtlich gegliederten Aufbau in geometrischen Mustern“73. Kirchners Formverständnis schien das zunächst weniger entsprochen zu haben, weswegen er sich ihr gegenüber zu Beginn skeptisch zeigte. Ähnlich wie Kirchner zeichnete auch Picasso zahlreiche Entwürfe einer Tanzfigur für das Ballett „Mercure“74 (1924) mit nur einer einzigen durchgezogenen Linie (Bild 101).75 Besonders prägnant ist hier, wie die für dieses Motiv zur Verfügung stehende Fläche ausgenutzt wurde. Die Zeichnung offenbart eine genauestens durchdachte Choreografie der Handbewegung, um innerhalb der Grenzen des Blattes zu bleiben. Der Zeichner musste vor dem Ansetzen des Stiftes das Motiv in jeder seiner Ausprägungen exakt beherrscht haben. Die Kenntnis des zur Verfügung stehenden Raumes sowie dessen Aufteilung und Nutzung mussten innerhalb einer bestimmten Zeitspanne angewendet werden. Zudem musste der Raum zuvor genau abgemessen und gegebenenfalls der schon verbrauchte Platz währenddessen immer wieder korrigiert werden. Noch in der Bewegung galt es, stetig die Handhaltung zu justieren sowie die Grenzen der Fläche im Blick zu behalten. Die Linie sollte Leichtigkeit suggerieren, 71 72 73 74

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Kirchner: Tanzabend Palucca, in: Davoser Revue vom 15. Juli 1930, zit. n. Presler: Kirchner. Seine Frauen, S. 96. Schikowski: Geschichte des Tanzes, S. 149. Erdmann-Rajski: Tanz und Zeiterfahrung, S. 155. Der Avantgarde-Mäzen Étienne de Beaumont charakterisierte das Stück „Mercure“ (Uraufführung im Théâtre de la Cigale, Paris, 15. Juni 1924) als eines, in dem Komponist (Satie) und Choreograf (Léonide Massine) dem Maler lediglich zuarbeiteten. Étienne de Beaumont: The Soirées de Paris, The Little Review, 11 (1925–26), S. 56, zit. n. Robert Orledge: Erik Satie’s Ballet Mercure (1924): From Mount Etna to Montmartre, in: Journal of the Royal Musical Association, 2/123 (1998), S. 231. Vgl. auch den Aufsatz von Carolin Meister: Picassos Carnets. Das Skizzenbuch als graphisches Dispositiv, in: Randgänge der Zeichnung, hg. v. Werner Busch / Jutta Reinisch, München 2007, S. 257–281. In diversen Tierzeichnungen wendete Picasso dieselbe Technik an. Bei einem Tanz-Motiv bekam dies allerdings doppelte Prägnanz.

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Bild 101  Pablo Picasso, „Tänzerin“ aus den „Carnets de Mercure“ (Nr. 19 R), 1924, Zeichnung, Bleistift, Paris, Musée Picasso, Collection Jacqueline Picasso. Bild 102  Gjon Mili, Pablo Picasso malt mit einem Lichtstift im Atelier der Villa Galloise, Vallauris, August 1949, The LIFE Picture Collection/Getty Images.

weshalb ein gewisser Rhythmus der Handbewegung aufrechterhalten werden musste, um die dynamisch-geschwungene, dünn-linierte Form beizubehalten. Im Tanz müssen ganz ähnliche Richtlinien berücksichtigt werden: Der Raum muss ausgenutzt werden und daher gut verinnerlicht sein. Ausdruck, Schwung und Leichtigkeit müssen aufrechterhalten werden sowie der Rhythmus der Musik mit der Bewegung übereinstimmen.76 Die bekannten Fotografien Gjon Milis von Picasso (1949) zeigen, dass dieser die Schemata wie in einer Choreografie auswendig und innerhalb von Sekunden in die Luft zeichnen konnte, sodass sich in einem Hybrid aus Tanzperformance und bildnerischem Akt Bewegungsspuren der zeichnenden Hand in den Raum einschrieben (Bild 102). Aufgrund der langen Belichtungszeit verwandelte sich der Lichtpunkt Picassos in eine Linie und sodann in ein ganzes Bild. Die Spur der Gestik des Zeichners konnte mit Hilfe der Fotografie festgehalten werden und manifestierte sich nun tatsächlich als tanzende Linie im Raum.77

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Beide Artikulationsformen wurden aber sicherlich zuvor so intensiv einstudiert, dass solche Prozesse im Vollzug gut beherrscht wurden und sogar schon beinahe automatisiert abliefen. Vgl. Florent Maubert: Picasso danseur? Devant l’objectif de Gjon Mili 1949, in: Ausst.-Kat. Picasso et la danse, hg. v. Inès Piovesan / Bérenger Hainaut, Paris 2018, S.164–167. Von Picasso

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1. Zeichnende Tänzer und tanzende Zeichner

Bild 103  Giacomo Balla, „Ecarté“, Rekonstruktion nach einer Studie einer Ballerina, 1916/1968, Eisendraht, 54 cm, Rom, Privatsammlung. Bild 104  Alexander Calder, „Josephine Baker“ IV, um 1928, Eisendraht, 100,5 × 84 × 21 cm, Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne.

Der Linie im Zweidimensionalen entsprach der Draht im Dreidimensionalen. Picasso verwendete für „Mercure“ überlebensgroße Plastiken aus Eisendraht. Auch Giacomo Balla formte 1916, die Drahtplastik einer Ballerina (Bild 103) und Alexander Calder nutzte dieses Material für seine Skulptur der Tänzerin Josephine Baker um 1928 (Bild 104).78 Die Biegsamkeit des Drahtes erinnert an die Körper der modellierten Tänzer. Die Drahtskulpturen sind zugleich Linienskulpturen, deren Material wiederum sowohl Kontur als auch Masse umfasst. Unter der Hand des Künstlers, sei es beim Draht in der Skulptur oder bei der Linie auf dem Blatt, schmolz die Figur regelrecht in eine Form, so wie es der Tänzer mit den Sehnen und Muskeln seines Körpers

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existieren auch Fotografien, die ihn beim Erlernen von Ballettpositionen in seinem Atelier zeigen. Vgl. Paul Bender: Drahtplastik, in: Das Kunstwerk 10 (1956/57), S. 9–10. Vgl. weiterführend zu Baker, insbesondere zu ihrer Verbindung mit Adolf Loos, der ein Haus für sie entwarf: Farès el-Dahdah  / Stephen Atkinson: The Josephine Baker House. For Loos’s Pleasure, in: Assemblage 26 (1995), S. 73–87; Elana Shapira: Dressing a Celebrity. Adolf Loos’s House for Josephine Baker, in: Studies in the Decorative Arts 11/2 (2004), S. 2–24; Bennetta Jules-Rosette: Josephine Baker in Art and Life. The Icon and the Image, Urbana/Chicago 2007; Anne Anlin Cheng: Second Skin: Josephine Baker and the Modern Surface, New York 2011.

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trainierte. Beweglichkeit und Flexibilität waren Eigenschaften sowohl der Linie und des Drahtes als auch des menschlichen Körpers im Tanz.

2. Bildrhythmus Seit der Antike für Musik und Tanz verwendet, wurde der Begriff des Rhythmus im frühen 20. Jahrhundert auch mit der bildenden Kunst, Architektur und dem Körper in Verbindung gebracht.79 In Bezug auf das Kunstwerk betonte er dessen bewegenden Charakter.80 In dem Artikel „Tanz der Sinne“, erschienen 1933 in der Zeitschrift „Der Tanz“, erläuterte der Autor Fritz Wilhelm Winkel, dass Rhythmus nicht nur den zeitlich strukturierten Künsten vorbehalten sei: „Der Grundzug der dynamisch belebten Kunst ist der Rhythmus, der in gleicher Weise auf alle Gattungen – Musik, Tanz, Farbe, Form – ausstrahlt und sie verbindet. […] Auch eine bildhafte Darstellung – gleichviel ob es eine geometrische Figur oder ein Gemälde ist – kann zu Musik und Tanz inspirieren.“81 Rudolf Blümner charakterisierte 1921 in seiner Schrift „Der Geist des Kubismus und die Künste“ den Rhythmus im Bild wie folgt: „Formen treten zueinander in Beziehungen. Fühle ich durch diese Beziehungen mein Herz schneller schlagen, mein Blut erwärmt, dann ist in der Beziehung Bewegung, Rhythmus, Leben.“82 Rhythmus wurde in der Kunsttheorie als eine sinnliche und körperliche Erfahrung beschrieben, die von dem ‚In-Beziehung-Setzen von Formen‘ angestoßen wurde.83 Ähnlich schilderte Blümner auch den Tanz: Die Voraussetzung dafür, dass der Tanz künstlerisch

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Vgl. Anja Pawel: Bildrhythmus (und Abstraktion), in: Lauschke / Schneider (Hg.): 23 Manifeste zu Bildakt und Verkörperung, S. 43–49. Vgl. hier einen ersten Versuch der engeren Definition des Begriffs vor allem unter musikwissenschaftlichen Gesichtspunkten bei Christian Grüny: Bildrhythmen, in: Rheinsprung 11. Zeitschrift für Bildkritik, 5 (2013), S. 149–161, unter: https://rheinsprung11.unibas.ch/ausgabe-05/glossar/bildrhythmen/4.html (24. 02. 2019). Georg Vasold: Am Urgrund der Kunst. Rhythmus und Kunstwissenschaft ca. 1921, in: Zeitschrift für Kulturphilosophie. Schwerpunkt Rhythmus und Moderne, hg.  v. Ralf Konersmann / Dirk Westerkamp 1/7 (2013), S. 69. Fritz Wilhelm Winkel: Tanz der Sinne. Eine naturwissenschaftliche Betrachtung, in: Der Tanz 6/9 (1933), Berlin, S. 13. Blümner: Der Geist des Kubismus, S. 32. Anke te Heesen zeigte anhand des Gemäldes „Auf dem Kanapee“ (1872) des Leibl-KreisKünstlers Wilhelm Trübner, dass auch das Bild über einen „materialen Rhythmus“ verfügte. Auf diesem Gemälde verbinden sich die verschiedenen Muster der Blumen auf Tapete und Sesselüberwurf sowie der schachbrettartig verzierten Tischdecke zu einem ähnlichen rhythmischen Zusammenspiel. Te Heesen sah darin ein Indiz für die Entstehung eines Rhythmusbegriffes, der sich nicht nur auf Musik, Tanz oder Poesie bezieht, sondern auch die Gestaltung der zweidimensionalen Fläche miteinschließt und aus einer Wechselwirkung

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2. Bildrhythmus

bedeutsam wurde, sah er in den „Beziehungen der Bewegungsformen“.84 Diese waren ihm zufolge eine Voraussetzung für die Rhythmuswahrnehmung sowohl im Bild als auch im Tanz. Das Gefühl für den Rhythmus zu verbessern stand auch im Mittelpunkt der Ausbildung von Dalcrozes Rhythmusschule in Dresden-Hellerau, die zu einem Knotenpunkt der internationalen Tanz-Avantgarde wurde. Mary Wigman erhielt dort ihre Ausbildung und auch Tänzer des russischen Balletts besuchten sie.85 Aber auch die Kunsthistoriker gebrauchten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit den Begriff des Rhythmus bei der Beschreibung von Bildern oder Bauwerken. 1910 kam es bereits zu einer historisch-reflektierten Einschätzung dieses Phänomens, als der Kunsthistoriker Hans Hermann Russack die Verwendung des Begriffs in der zeitgenössischen Kunstgeschichte untersuchte.86 Dabei bestätigte der Schmarsow-Schüler, dass „innerhalb der bildenden Künste zahlreiche Möglichkeiten rhythmischer Erlebnisse gegeben sind“87. Panofskys umfangreiche Studie zu Dürers rhythmischer Kunst (1926) vereinte den antiken Rhythmusbegriff mit dem Bild und ergründete die Erfahrung des Rhythmus als ästhetisches Erlebnis des Betrachters.88 Panofsky charakterisierte den Rhythmus im Bild als eine geordnete Abfolge optischer Eindrücke, die sich zwar voneinander unterscheiden können, aber dennoch eine gewisse Verwandtschaft aufweisen. Als zergliederte Teile eines Ganzen erschlossen sie sich dem Betrachter als Rhyth­­mus und vermittelten somit den Eindruck einer lebendigen Bewegung.89 Charak­ teristisch für den „Bildrhythmus“ war die „ästhetisch-erlebnishafte“ Erfahrung vom jeweiligen Bildgegenstand als bewegt, die diesen von – wie Panofsky es bezeichnet

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von Sinnesphysiologie und Kunstgewerbe heraus entstand. Das Muster wird bei Trübner als raumgestaltendes und verlebendigendes Prinzip, als ein „in die Fläche transponierter“ und „materialer Rhythmus“ eingesetzt, der zugleich „vibriert“ und „stillsteht“. Dies.: Das Muster als materialer Rhythmus, in: Rhythmus. Spuren eines Wechselspiels in Künsten und Wissenschaften, hg. v. Barbara Naumann, Würzburg 2005, S. 261–277. Blümner: Der Geist des Kubismus, S. 53. Vgl. Daniel Albright: Untwisting the Serpent. Modernism in Music, Literature and other Arts, Chicago 2000, S. 101. Hans Hermann Russack: Der Begriff des Rhythmus bei den deutschen Kunsthistorikern des 19. Jahrhunderts, Weida 1910. Ders., S. 80. Eigentlich war der Text als Rezension zu Hans Kauffmanns „Albrecht Dürers rhythmische Kunst“ von 1924 gedacht. Erwin Panofsky: Albrecht Dürers rhythmische Kunst, in: Jahrbuch für Kunstwissenschaft (1926), S.  136; Reinhart Meyer-Kalkus: Wiedergelesen. Erwin Panofsky über rhythmische Kunst, in: Ders. / Yasuhiro Sakamoto (Hg.): Bild – Ton – Rhythmus. Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Berlin 2014, S. 107–111.

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V. Überschreiten

– „vorästhetisch-unanschaulichen“ Begriffen wie „Metrum“ (oder „Takt“) ab­­grenzt.90 Panofsky brachte bezüglich dieser Periodizität drei Bedingungen ins Spiel: die „Sukzession gleichförmiger Elemente“, deren „dynamische Verbundenheit“ und den „Wechsel von Hebung und Senkung“.91 Obwohl diese drei Bedingungen so allgemein gehalten waren, dass sie auf alle Bilder angewendet werden konnten, bezog sich Panofskys Verständnis vom Bildrhythmus nur auf die figurative Darstellung. Er räumte jedoch ein, dass der Rhythmus im figürlichen Bild lediglich „illusionär“ bliebe, während er in einem reinen Linien- und Flächengebilde „realiter“ wiedergegeben werden könne.92 Auch und vielleicht gerade in der abstrakten Kunst kann daher von einer rhythmischen Struktur des Bildes sowie von einem rhythmischen Erlebnis des Betrachters gesprochen werden. Häufig als Vorstufe zum Film verstanden, galt die Serialität – angefangen vom Abschreiten der Reiter auf dem Teppich von Bayeux im Mittelalter,93 über Bilderreihen, wie sie als Instruktionsgrafiken im 18. Jahrhundert im militärischen Bereich Verwendung fanden,94 bis hin zu Chronofotografien im 19. Jahrhundert – als ein grundlegender Bestandteil des Bildrhythmus. Es ging dabei immer um die Gliederung einer Bewegung in Einzelphasen, die sich dann in ihrer Pluralität aber wieder zu einem zeitlichen Ablauf zusammenfügen ließen.95 So kann beispielsweise in der chronofotografischen Darstellung einer Tänzerin der Prozess der Bewegung nachvollzogen werden, obwohl es sich um stillgestellte Bilder handelt. Hierauf bezog sich auch Panofsky. Die Statik des Bildes war, im Gegensatz zum Film, Grundvoraussetzung dafür, dass die Künstler immer wieder Versuche unternahmen, seine medialen Grenzen zu sprengen.96 Der Bildrhythmus war Teil dieser Grenzüberschreitung. Ihm lag das Streben 90 91 92

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Panofsky: Dürers rhythmische Kunst, S. 137. Ders., S. 147. Ders., S. 140. Diese These erinnert auch an die in Kapitel V, S. 170 zitierte Passage Schindlers, in der er bemerkt, dass abstrakte Formationen wie Linie oder Fleck die „eigentlich bewegte Darstellung“ im Bild bestreiten. Vgl. Kai Christian Ghattas: Rhythmus der Bilder. Narrative Strategien in Text- und Bildzeugnissen des 11. bis 13. Jahrhunderts, Köln 2009, S. 146. Vgl. Janina Wellmann: Die Form des Werdens. Eine Kulturgeschichte der Embryologie. 1760–1830, Göttingen 2010, vor allem das Kapitel „Der Rhythmus der Bilder“, S. 197–265. Vgl. Gabriele Brandstetter: Tanz! Foto. Bewegung im Kontext, in: Jahn / Wittrock / Wortelkamp (Hg.): Tanzfotografie, S. 41–50. ; Bernd Stiegler: Bildfolgen. Der Rhythmus des Sehens in der Geschichte der Fotografie, in: Geteilte Zeit. Zur Kritik des Rhythmus in den Künsten, hg. v. Simone Mahrenholz / Patrick Primavesi, Schliengen 2005, S. 254–272. Vgl. auch Duncan, Marey, den antiken Tanz und die Chronofotografie, in: Kapitel I, S. 25 f. Erinnert sei hier auch an Ferdinand Hodlers sogenannten Parallelismus, insbesondere in Hinblick auf seine Eurythmie-Bilder. Wie Claudia Blümle gezeigt hat, lag gerade in diesem Umstand für Henri Maldiney der Reiz des Bildrhythmus: „Hier, wo die Zeit am wenigsten sichtbar ist, in der Plastik und in der Malerei, will ich den Rhythmus definieren.“ Henri Maldiney: Die Ästhetik der Rhythmen,

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2. Bildrhythmus

nach Darstellung (durch den Künstler) und gleichzeitiger Erfahrung (durch den Betrachter) der Bewegung in Zeit und Raum zugrunde. Er ließ das Bild lebendig werden. Der Rhythmus als sinnlich-ästhetische Erfahrung durch den Betrachter war Teil einer Diskussion um 1900, die die gestaltete Form mit der gesamtkörperlichen Wahrnehmung verband.97 Insbesondere abstrakte Bildmotive wie Punkte oder Linien sollten Lipps zufolge wie der Taktschlag in der Musik im Betrachter eine motorische Resonanz auslösen.98 Linien als Wellen oder Ranken in der Ornamentik oder in Faltungen von Stoff wurden als lebendig verstanden99 und schließlich als Wechselspiel aus Spannungen, die sich durch Kraftaufwand aus dem Punkt heraus in Raum und Zeit ausweiteten.100 Der Rhythmus des Bildes war keine festgelegte, objektive Gegebenheit wie beispielsweise in der Musik, wo er anhand einer bestimmten Anzahl von Schlägen und Pausen im Takt entsteht. Vielmehr war er immer eine Koppelung zwischen der Gestaltung und Thematik des Bildes durch den Künstler und der sinnlichen Erfahrung des Betrachters, die ein aktivierendes Potenzial hatte.101 Der Rhythmus „befreit das aufnehmende Subjekt, indem es sein passives Verhalten mit der erforderlichen Dosis Aktivität durchsetzt“, so Schmarsow.102 Statische Bilder wurden folglich wie auch der Tanz als dynamisch und zeitlich verstanden.103 Doch handelte es sich hierbei um eine Erfahrung, die bereits einen gewissen Grad an Kreativität und Abstraktionsleistung seitens des Betrachters voraussetzt,104 so gibt auch Blümner zu: „[…] den Rhythmus können wir nur erleben, nie können wir ihn erklären […]“105.

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aus dem Französischen übers. v. Claudia Blümle, in: Struktur, Figur, Kontur. Abstraktion in Kunst und Lebenswissenschaften, hg. v. Claudia Blümle / Armin Schäfer, Zürich/Berlin 2007, S. 62. Vgl. auch: Blümle: Farbe – Form – Rhythmus, S. 34. Andrea Pinotti: Rhythmologie in der Kunstwissenschaft zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, in: Massimo Salgaro  / Michele Vangi (Hg.): Mythos Rhythmus: Wissenschaft, Kunst und Literatur um 1900, Stuttgart 2016, S. 41–54. Vgl. auch die Einleitung, S. 9–12. Vgl. dazu Theodor Lipps: Ästhetik. Psychologie des Schönen und der Kunst. Erster Teil: Grundlegung der Ästhetik, Leipzig 1923, S. 293. Vgl. Marion Lauschke: Motorische Resonanz, in: dies. / Schneider (Hg.): 23 Manifeste zu Bildakt und Verkörperung, S. 127–132. Vgl. Kapitel V, S. 169–171. Vgl. Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche, S. 57. Vgl. auch Kapitel IV, S. 150–152. Auch Deleuze sprach von einer Hervorbringung von Sinnlichkeit, Kraft und Rhythmus durch die abstrakte Malerei. Siehe dazu: Claudia Blümle / Armin Schäfer: Organismus und Kunstwerk. Zur Einführung, in: Dies.: Struktur, Figur, Kontur, S. 19 und 23. Schmarsow: Grundbegriffe der Kunstwissenschaft, S. 86. Vgl. Blümle: Farbe – Form – Rhythmus, S. 345. Vgl. Linn Burchert: Breathing within and in front of Images: Rhythm and Time in Abstract Art, in: Visual Past 4  (2017), unter: http://www.visualpast.de/archive/pdf/vp2017_0059.pdf (24.02.2019), S. 63. Blümner: Der Geist des Kubismus, S. 53.

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V. Überschreiten

Die Entfremdung vom körpereigenen Rhythmus hin zum vorgegebenen der Uhr und des industrialisierten Arbeitslebens, verdeutlicht unter anderem in Karl Büchers „Arbeit und Rhythmus“ (1899), kann als ein Grund für eine intensivierte Empfindsamkeit für Rhythmus in dieser Zeit gelten. Denn die Wahrnehmung des Rhythmus erfolgte mit Hilfe des gesamten Körpers, so Schmarsow: „Streifen wir alle Vorurteile der privilegierten optischen Sinneswahrnehmung ab, so verdanken wir dieser tastbaren Bewährung der Körper nebeneinander, übereinander, ganz besonders aber hintereinander die stärkste Überzeugung, mit ihnen da zu sein und zwischen ihnen zu leben. Das ist der eigentlich bevorzugte Spielraum für den Rhythmus. Und hier stehen auch die Ebenen, in denen die Gestaltungsprinzipien der Symmetrie oder der Proportionalität getrennt oder verbunden miteinander auftreten können, in mannigfaltiger Stellung zu uns: wir können sie durch unseren Körper gelegt auffassen nach links und rechts, nach vorn und hinten, oder unter ihm, über ihm als waagerechte, d. h. als Fußboden oder Decke […].“106 Der Rhythmus als Grundlage der menschlichen Motorik geht auf den Gang des Menschen zurück und ist somit von vornherein an dessen Körper gebunden.107 Dies beschrieb auch Ludwig Volkmann im „Bewegungsproblem in der bildenden Kunst“ von 1908: „Aller Rhythmus ist uns Menschen etwas Natürliches und Selbstverständliches, da unser eigener Organismus rhythmisch arbeitet, man denke nur an das Gehen, das Atmen, den Herzschlag. Deshalb empfinden wir auch in der Kunst jede rhythmische Gestaltung als organisch-gesetzmäßig und darum als wohltuend, beruhigend, und wir verstehen eine dargestellte Bewegung doppelt leicht, wenn sie diese Empfindung in uns aus­ löst.“108 Rhythmus wurde als ein den Körper aktivierendes Gestaltungsprinzip verstanden.109 Rhythmus war fester Bestandteil einer Diskussion, die alle künstlerischen Ausdrucksformen begleitete, von der Musik, über die Malerei und den Tanz, bis zur Architektur. Die Reduzierung der Bildsprache auf abstrakte Farb- und Formkompositionen veranlasste auch Kandinsky und Klee dazu, über den Bildrhythmus nachzudenken, und auch im Zusammenhang mit der Simultanmalerei des Orphismus wurde bereits vom Rhythmus gesprochen.110 In Bezug auf bildende Kunst und speziell für abstrakte Kunst sprach sich auch Piet Mondrian für die Existenz eines Rhythmus aus: „Ungegenständliche Kunst wird durch die Erstellung eines dynamischen Rhythmus von bestimmten Wechselbeziehungen geschaffen […]. Der dynamische Rhythmus ist nicht nur wesentlich in jeder

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Schmarsow: Grundbegriffe, 1905, S. 94. Vgl. auch Vasold: Am Urgrund der Kunst, S. 73. Ebd. Ludwig Volkmann: Das Bewegungsproblem in der bildenden Kunst, Esslingen 1908, S. 26. Vasold: Am Urgrund der Kunst, S. 75. Blümle: Farbe – Form – Rhythmus, S. 342.

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2. Bildrhythmus

Kunst, sondern ist auch das wesentliche Element eines ungegenständlichen Werks.“111 Rhythmus war Mondrian zufolge Merkmal von Kunst, Musik und Tanz gleichermaßen: „In our time, rhythm is more and more accentuated, not only in art, but in mechanized reality and in the whole of life. Marvelously determined and full of vitality, it is expressed in real jazz, swing, and Boogie-Woogie music and dance.“112 Die gelben Linien mit den darauf und dazwischen verlaufenden verschiedenfarbigen rechteckigen Flächen in „Broadway Boogie Woogie“ (1942–43, Bild 105, Farbtafel 16) wurden bereits als „tänzerischer Rhythmus“ charakterisiert.113 Die farbigen Felder sind in einem regelmäßigen Fluss begriffen, ein ständiges Auf und Ab, Kommen und Gehen, Aufeinandertreffen, Überschneiden und Aussparen bestimmen die Bildfläche. Analogien für dieses Phänomen fand Mondrian neben Musik und Tanz in den Boulevards und Plätzen von Großstädten, vor allem von Paris, wo der Verkehr in einem Rhythmus der Gegensätze stetig vorüberzog: „The Place de l’Opéra in Paris gives a better image of the new life than many theories. Its rhythm of opposition, twice repeated in its two directions, realizes a living equilibrium through the exactness of its execution.“114 Der Anblick des Verkehrs evozierte den Eindruck einer Bildung von Mustern, die von den Fahrzeugen und Passanten hinterlassen wurden. Deren einziges Ziel war es, möglichst schnell voranzukommen, ohne sich zu berühren. Ihre Wege kreuzten sich und bildeten somit Linien wie der Maler auf der Leinwand oder die Tanzenden auf dem Parkett. Der Asphalt, die Tanzfläche und die Leinwand stellten für Mondrian die visuelle Projektionsfläche dar, auf der sich Bewegung rhythmisch entfalten konnte.

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„Non-figurative art is created by establishing a dynamic rhythm of determinate mutual relations which excludes the formation of any particular form. […] The dynamic rhythm which is essential in all art is also the essential element of a non-figurative work.“ Piet Mondrian: Plastic Art and Pure Plastic Art (1936), in: Plastic, The New Art – the New Life. The Collected Writings of Piet Mondrian, hg. u. übers. v. Harry Holtzman / Martin S. James, London 1986, S. 295, dt. Version zit. n. von Maur: Mondrian und die Musik, S. 303. Piet Mondrian: Liberation from Oppression in Art and Life (1939–40), in: Holtzmann / James (Hg.): The New Art - The New Life, S. 329. Von Maur: Mondrian und die Musik, S. 296. Piet Mondrian: The New Art – The New Life: The Culture of Pure Relationships (1931), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 275. Vgl. auch Harry Cooper: Popular Models: Fox-Trot and Jazz Band in Mondrian’s Abstraction, in: Music and Modern Art, hg. v. James Leggio, New York/London 2002, S. 177–178. Dies wurde von van Doesburg noch unterstrichen: „One could cross the Place de l’Opéra only with the greatest caution, but Mondrian did it as calmly as if he were in his atelier.“ Brief von van Doesburg an Jacobus Johannes Pieter Oud vom 4.  Februar 1920, in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S.  124; Cooper: Popular Models, S.  176. Vgl. auch: Johannes Roskothen: Verkehr. Zu einer poetischen Theorie der Moderne, München 2003.

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V. Überschreiten

Bild 105  Piet Mondrian, „Broadway Boogie Woogie“, 1942–43, Öl auf Leinwand, 127 × 127 cm, New York, Museum of Modern Art.

Dabei erkannte er schon, dass die Vorstellungen vom Rhythmus seiner Zeit durchaus von gegensätzlichen Strömungen wie Fortschritt und Reformdenken geprägt waren: „Yet the policeman, Raymond Duncan, Dalcroze, the automobile, and an engineer, and the Parisienne all are doing the same thing: creating rhythm.“115 Raymond Duncan oder die Rhythmusschule eines Dalcroze vermittelten jedoch einen ganz anderen Rhythmus als die Großstadt oder die Maschinen, stellte zumindest Fritz Giese fest. Er analysierte einige Jahre später den Begriff des Rhythmus in „Girlkultur“ unter anderem anhand des Varietétanzes. Dabei argumentierte er, dass der Rhythmus der Großstadt am besten an befahrenen Straßen, U-Bahnen oder in 115

Piet Mondrian: Les Grands Boulevards. Two Paris Sketches (1920), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 127. Vgl. zu Mondrians Kenntnis von Dalcrozes Rhythmuslehre: Cooper: Popular Models, S. 167.

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2. Bildrhythmus

Menschenströmen auszumachen sei. Obwohl die Großstadt einen „gänzlich anderen Rhythmuswert gegenüber den früheren Formen bei Dalcroze, bei Bode, bei Laban oder überhaupt einer Annäherung an die natürliche biologische Rhythmik“, wie sie im Freien Tanz propagiert wurde, hätte. 116 Beide Stimmen verorteten Rhythmus in verschiedensten kulturellen Zusammenhängen. In van Doesburgs „Rhythmus eines russischen Tanzes“ von 1918 (Bild  106, Farbtafel 17), trifft der Blick, ähnlich wie bei Mondrian, beim Verfolgen der Linien stets auf eine Leerstelle, wird abgelenkt und in eine neue Richtung geführt, was entscheidend zum bewegten Eindruck des Bildes beiträgt. Durch das Hin- und Herspringen zwischen Vorder- und Hintergrund, links und rechts sowie waagerecht und senkrecht wird die Bildbetrachtung auf ihre Eigenschaft als Prozess in Raum und Zeit reduziert. Die durch Unterbrechungen und unterschiedliche Farbintensitäten gegliederte Linienbewegung, die zugleich die kubische Figur eines Tänzers im transitorischen Moment einer Bewegung beschreibt, evoziert einen Bildrhythmus.117 Vorzeichnungen van Doesburgs zu diesem Gemälde zeigen, dass er von der Figur eines Tänzers immer stärker abstrahierte, bis er zu diesem Ergebnis kam. Durch die Abstraktion gelang es ihm, die Eigenschaften des Tanzes wie rhythmische Bewegung in die Komposition zu integrieren. In diesem Kontext sind auch die Wandbilder Taeuber-Arps für das Tanzlokal „Aubette“ zu verorten.118 In der „Komposition Aubette“ ordnet sie ebenfalls verschieden lange Rechtecke in einer parallelen Reihung auf einer vertikalen Fläche an (Bild  107, Farbtafel 18). Durch hellere und dunklere Farben heben sie sich schachbrettartig voneinander ab. Zwar unterscheiden sich die einzelnen Elemente in Farbe und Länge, eine Regelmäßigkeit ist jedoch durch die gleiche Breite und ihre Einbindung in eine Art Notationssystem als parallele Lineatur vorhanden. Die größeren und kleineren Lücken zwischen den Rechtecken sind wie Pausen zu deuten, durch die sich „ein Wechsel von Hebung und Senkung“ ergibt, der die Augenbewegung des Betrachters aktiviert:119 „In ganz besonderer und eigenartiger Weise nämlich machen sich die Wirkungen der Augenbewegung des Beschauers geltend in dem, was man den ‚Rhythmus‘ einer Komposition nennt. Man versteht darunter eine Linien- oder Formenführung, welche gewisse regelmäßige Wiederholungen aufweist, so daß die Augen, um ihr zu folgen, ebenfalls regelmäßig und periodisch bestimmte Bewegungen ausführen müssen, wodurch tatsächlich eine dem musikalischen Rhythmus

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Fritz Giese: Girlkultur, München 1925, S. 29. Vgl. Alied Ottevanger: Rhythmic Movement in Flat Space, in: The Rijksmuseum Bulletin 2/65 (2017), S. 179–185. In Kapitel II, Abschnitt 3 wurde bereits gezeigt, dass Taeuber-Arp Tänzerin war und ihre Bilder an die Notation ihres Lehrers Laban erinnern. Vgl. Panofsky: Dürers rhythmische Kunst, S. 137.

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V. Überschreiten

Bild 106  Theo van Doesburg, „Rhythmus eines russischen Tanzes“, 1918, Öl auf Leinwand, 135,9 × 61,6 cm, New York, Museum of Modern Art. Bild 107  Sophie Taeuber-Arp, „Komposition Aubette“, 1927, Öl auf Pavatex, 111 × 44 cm, Locarno, Fondazione Marguerite Arp-Hagenbach.

analoge Empfindung entsteht“, schrieb Volkmann bezüglich des „Bewegungsproblems in der bildenden Kunst“.120 Ganz konkret schlägt er hier über die Augenbewegung und damit über den Körper die Brücke zur Rhythmus-Empfindung, die sich insbesondere bei Wiederholungen in der Linien- oder Formenführung einstellt, was sich in den geometrischen Bildkompositionen Taeuber-Arps, Mondrians oder van Doesburgs manifestiert. Ihre Kompositionen sind vom Tanz inspiriert, erinnern jedoch auch an Josef Albers „Fuge“ von 1925 (Bild  108, Farbtafel 19) oder Klees „Strukturale Umsetzung der ersten zwei Takte des Adagio aus der Sonate in G-Dur für Violine und Cembalo 120

Volkmann: Das Bewegungsproblem in der bildenden Kunst, S. 26.

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2. Bildrhythmus

von J. S. Bach“ von 1922 (Bild 109), die beide als grafische beziehungsweise malerische Darstellung eines Musikstücks interpretiert und bereits mit Rhythmus in Verbindung gebracht wurden.121

Bild 108  Josef Albers, „Fuge“, 1925, Milchglas mit aufgebrannter, roter Oberflächenschicht, mit Sandstrahlgebläse ausgeschliffen, stellenweise mit schwarzer Konturfarbe bearbeitet und im Trockenofen aufgeschmolzen, 24,5 × 66 cm, Basel, Kunstmuseum Basel.

Bild 109  Paul Klee, „Strukturale Umsetzung der ersten zwei Takte des Adagio aus der Sonate in G-Dur für Violine und Cembalo von J. S. Bach“, aus: Beiträge zur bildnerischen Formlehre, Beilage zur Vorlesung am Bauhaus Weimar vom 16. Januar 1922, Faltblatt.

Alle Beipsiele visualisieren den Eindruck von Zeitlichkeit und einer Pulsation dadurch, dass verschieden lange Rektangel den Blick auf einer Ebene über einen gewissen Zeitraum leiten und zugleich Brüche innerhalb dieses Verlaufs durch Farbund Formvariationen geschaffen werden.122 Nicht nur die Musik, sondern auch der 121

122

Von Maur: Musikalische Strukturen in der Kunst des 20. Jahrhunderts, in: Ausst.-Kat.: Vom Klang der Bilder, S. 23–26 und 34; Christiane Dessauer-Reiners: Das Rhythmische bei Paul Klee. Eine Studie zum genetischen Bildverfahren, Worms 1996. Vgl. zum Begriff der Zeit im Bild: Gottfried Boehm: Bild und Zeit, in: Hannelore Paflik-Huber (Hg.): Das Phänomen Zeit in Kunst und Wissenschaft, Weinheim 1987, S. 1–23; Johannes Grave: Form, Struktur und Zeit. Bildliche Formkonstellationen und ihre rezeptionsästhetische Temporalität, in: Zeiten der Form – Formen der Zeit, hg.  v. dems. / Michael Gamper  / Eva Geulen u. a., Hannover 2006, S. 139–162; Thomas Kisser (Hg.): Bild und Zeit. Temporalität in

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V. Überschreiten

Tanz bot Anlass zu rhythmischen Gestaltungsformen im Bild, die als Bewegungsindikatoren, die die körperliche Wahrnehmung der Betrachenden mobilisierten, die Grenzen des Bildes zu überschreiten vermochten.

3. Tanzen im Atelier Eine Überschreitung der Bildgrenzen fand auch, unter anderen Vorzeichen, bei der Interaktion von Tänzern, Künstlern und Bildern im Atelier statt. Das Bild vom Atelier war im frühen 19. Jahrhundert, wie es beispielsweise aus Georg Friedrich Kerstings Darstellungen von Caspar David Friedrich hervorgeht, noch von einer kontemplativen Atmosphäre, von Abgeschiedenheit und einer kargen Räumlichkeit geprägt.123 Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelte es sich vom gestaltenden zum gestalteten Ort. Das Interieur des Ateliers, Wände und Möbel, sogar ganze Häuser wurden Teil des Kunstwerks.124 Die Räumlichkeiten allein vermochten es schon, Stil, Geschmack und Vorlieben der Künstler sowie Reflexionen ihres Werkes widerzuspiegeln und aufgrund dessen zugleich auch inspirierend auf sie selbst zurückzuwirken. Obgleich dem Atelier oder dem Künstlerhaus immer noch der Mythos der Einsamkeit und Verschlossenheit des Schaffensprozesses anhängen konnte, vollzog sich doch zugleich eine Öffnung in die Außenwelt. Fotografien, die sie mit auserwählten Gästen zeigten, denen ein Einblick in ihr Reich gestattet war oder die die Räumlichkeiten mit den darin befindlichen Werken dokumentierten, taten ein Übriges. Oft stammten sie aus der Hand des Künstlers selber oder von ausgewählten Fotografen, lieferten Einblicke in diese Räume und dienten der Selbstinszenierung. Die Aufnahmen veranschaulichten bisweilen schon die Einbettung der Werke im Atelier in ein Gesamtkonzept nach den Vorstellungen des Künstlers und vermittelten so ein Bild von ihm nach außen hin. Die Atelierräume nahmen aufgrund ihres Charakters als Gesamterlebnis des künstlerischen Schaffensprozesses an Bedeutung zu

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Kunst und Kunsttheorie seit 1800, München u.  a. 2011; Gottfried Boehm: Die Sichtbarkeit der Zeit: Studien zum Bild in der Moderne, hg. v. Ralph Ubl, Paderborn 2017. Vgl. Georg Friedrich Kerstings Atelierdarstellung von Caspar David Friedrich aus dem Jahr 1811 in der Hamburger Kunsthalle und von 1812 in der Berliner Nationalgalerie. Vgl. allgemein zu Künstlerhäusern und Ateliers: Michael Diers / Monika Wagner (Hg.): Topos Atelier. Werkstatt und Wissensform, Berlin 2010; Peter Springer: Ausgestellte Ateliers – Loca Sancta der Moderne. Zur Tradition translozierter Künstlerwerkstätten, in: Welt – Bild – Museum. Topographien der Kreativität, hg.  v. Andreas Blühm  / Anja Ebert, Köln/Weimar/ Wien 2011, S. 55–78; Ina Conzen (Hg.): Mythos Atelier. Von Spitzweg bis Picasso, von Giacometti bis Nauman, München 2012; Margot Brandlhuber  / Michael Buhrs (Hg.): Im Tempel des Ich. Das Künstlerhaus als Gesamtkunstwerk. Europa und Amerika. 1800–1948, Ostfildern 2013; Salvatore Pisani / Elisabeth Oy-Marra (Hg.): Ein Haus wie Ich. Die gebaute Autobiographie in der Moderne, Berlin/Boston 2014.

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3. Tanzen im Atelier

und wurden auch über das Ableben des Künstlers hinaus als wertvolle Dokumente erhalten oder sogar rekonstruiert. Ihnen wurde damit ein nicht viel geringerer Wert zugesprochen als den Kunstwerken selbst; sie wurden Teil dessen und erhielten so ihre Legitimation zur Öffnung für die Außenwelt. Heute sind sie fester Bestandteil der kunsthistorischen Forschung, denn sie zeugen von jahrelanger täglicher Arbeit, vom Kampf, von der Ideenfindung, vom Scheitern, vom Ausprobieren und auch vom Ausruhen. Damit präsentieren und inszenieren sie das Leben der Künstler in all seinen Facetten. Fotografien von Tänzern als Modelle standen gleichermaßen für das aufkeimende Interesse an dem bewegten Medium. Tänzer waren beweglicher, konnten anspruchsvolle Posen einnehmen und waren bezüglich ihres Bewegungs- und Posenrepertoires kreativer.125 Obwohl Künstler in den Publikumsreihen des Bühnentanzes nicht fehlten, war doch die direkte Arbeit mit den Tanzenden im Atelier von Vorteil, denn sie bot die Möglichkeit zu einem längeren, intensiveren Kontakt, bei dem das kinetische Geschehen studiert und Posen angeleitet werden konnten. Die über Fotografie und Skizzen bezeugte Anwesenheit von Tänzern im Atelier stand für den Arbeitsprozess am lebendigen, bewegten, tänzerisch oder gymnastisch ausgebildeten Modell. Im Atelier konnten die Tänzer mit den Kunstwerken direkt in Kontakt treten und diese sogar in ihre Bewegung mit einbeziehen, ähnlich wie in einem von Künstlern gestalteten Bühnenbild. Inwieweit längere tänzerische Einlagen im begrenzten Atelierraum ausgeführt werden konnten, ist nicht in allen Fällen nachvollziehbar. Im Gegensatz zur Bühne nahmen die Tänzer in den Atelierfotografien, mit einigen Ausnahmen, meist stillgestellte Posen ein.126 Sicherlich schränkten die Enge der Räumlichkeiten und die Rücksichtnahme auf eventuell fragile Objekte ihre Bewegungsmöglichkeiten ein oder veränderten sie. Dennoch existieren auch Fotografien, die Tänzer im Atelierraum in Bewegung zeigen und die davon zeugen, dass sie, indem sie den Raum durch Bewegung oder Posen neu gliederten, körperlich mit Werken in Kontakt traten, auf sie reagierten oder sogar den Blick der Künstler auf die Räumlichkeit und auf die Werke veränderten. Fraglich ist, ob die Fotografien der Dokumentation dieser Zusammenkunft dienten oder sie für spätere Studien angefertigt wurden, wenn die Tänzer nicht mehr zur Verfügung standen. Oder nützten sie gar den Tanzenden zu Studien der eigenen Bewegung? Fotografien von Tänzern im Atelier sind evidenzstiftend für die Kenntnis der bildenden Künstler von Tanz und die Beschäftigung mit ihm, auch wenn sich dies anschließend nicht unbedingt in Gemälden oder Skulpturen manifestierte. Sie können auch etwas aussagen über das Interesse der Tanzenden an einer sich vielleicht 125 126

Vgl. Ursel Berger: Tänzer als Vorbilder, S. 89. Vgl. Ausst.-Kat.: Ernst Oppler, S. 95.

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V. Überschreiten

auch für sie als fruchtbar herausstellenden Zusammen­arbeit mit den Kunstschaffenden. Über die Atelierfotografie mit Tänzern lässt sich ein Verständnis von Tanz und bildender Kunst erkennen, das über die Grenzen des jeweiligen Mediums hinausgeht, da es bei dieser Zusammenkunft zwangsläufig um den Dialog zwischen einer bewegten und einer stillgestellten Kunst gehen muss. Das Bild fungiert dabei als Scharnier zwischen beiden Medien. Die Tänzer im Atelier sind Betrachter und Modell zugleich. Sie werden durch das Bild angeleitet und sogar diszipliniert und das Bild wird für sie wiederum zum Modell. In dieser Dreiecksbeziehung gestaltet jeder der Protagonisten – ob Bild, Künstler oder Tänzer – und wird zugleich gestaltet. Die Zusammenkunft dieser Dreiheit im Atelier stellte den Höhepunkt der Interaktion dar. Im üppigen Kostüm posierte die Balletttänzerin Tamara Karsavina im Atelier des Bildhauers Georg Kolbe (Bild  110).127 Sie steht auf dem Dielenboden vor einer Liege, die mit einem Laken überzogen ist. Darauf liegen einige Gegenstände: Es könnte sich um Kleidung handeln. Hinter der Liege befinden sich verschiedene Skulpturen in stehender sowie kauernder Pose. Zwei weitere, jeweils rechts und links im Foto, sind vom Bildrand abgeschnitten. Bei der vom Betrachter aus gesehen rechten von ihnen handelt es sich um einen Porträtkopf. Davor steht ein Tisch mit Gegenständen darauf. Eventuell handelt es sich um Arbeitsmaterialien oder Modelle. Der Hintergrund des Geschehens wird teilweise von einem Falten werfenden Vorhang hinterfangen. Karsavinas Kostüm mit Fell- und Federelementen stammt aus dem Stück „Feuervogel“.128 Sie vollführt ein rückwärtsgerichtetes Tendu, während ihr rechter Arm angewinkelt ist und vor der Brust gehalten wird und der linke, ebenfalls angewinkelt, über den Kopf geht, sodass die Hand auf ihrer Kopfbedeckung aufliegt. Damit kommentiert sie die Haltung der stehenden Figur im Hintergrund. Den Kopf gedreht schaut sie über die rechte Schulter in die Richtung der Betrachtenden. Das Foto ist auf 1912 zu datieren.129 Obwohl von Nijinsky in Kolbes Atelier keine Fotos existieren, wurde angenommen, dass die beiden gemeinsam dort waren.130 Karsavinas fantastisch-folkloristisches Kostüm – ein Grund, warum das russische Ballett zum Publikumsmagneten wurde – steht im Kontrast zu den weißen, dagegen schlicht erscheinenden Ausdrucksplastiken Kolbes. In der Mitte der sie 127 128 129

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Es handelt sich um eine Serie von Fotografien, wovon hier jedoch nur eine exemplarisch gezeigt wird. Berger: Kolbe und der Tanz, S. 51. Es war das produktivste Jahr der Tanzkompanie in Berlin mit zahlreichen Auftritten, bei denen die Bürger der Stadt Gelegenheit hatten, das Ballett zu sehen. Auch Kolbe war unter ihnen, der, wie Ursel Berger vermutet, von Wilhelm von Bode zu einem Empfang mit Nijinsky eingeladen worden war, woraufhin ein Besuch Nijinskys zunächst zusammen mit Diaghilev in seinem Atelier vereinbart wurde. Vgl. Berger: Kolbe und der Tanz, S. 51. Ebd.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 110  Tamara Karsavina im Atelier von Georg Kolbe, 1912, Fotografie, Berlin, Georg Kolbe Museum.

umgebenden Figurengruppe platziert geht die Tänzerin dennoch eine Symbiose mit den Skulpturen ein, indem sie alle – auch die Tänzerin – in einem spezifischen Moment der Bewegung eingefangen erscheinen. Auch Karsavina selbst wird im Foto zur Skulptur eingefroren. Durch die Gestik ihres tänzerisch artikulierten Körpers wird sie zur Komplizin der gestischen Ausdrucksformen der sie umgebenden Skulpturen. Kolbe profitierte sichtlich von den Errungenschaften des Tanzes, vor allem des Ausdruckstanzes. Dieser veränderte maßgeblich sein Verständnis vom menschlichen Körper. Mit Hilfe von Tänzern gelang es ihm, den banalen Posen der Berufsmodelle zu entgehen, die häufig nur über ein eingeschränktes Bewegungsrepertoire verfüg-

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V. Überschreiten

ten.131 Vor allem die Zusammenkunft im Atelier ermöglichte ein intensiveres Studium, als es der Besuch in einer Vorstellung vermochte. Dies wird ersichtlich aus einem beinahe verzweifelten Brief an die Tänzerin Clothilde van Derp, in dem sich Kolbe als „begeisterter Anhänger der Tanzkunst und des tanzenden Körpers“ vorstellte, mit der Bitte ihn im Atelier zu besuchen: „Sie werden verstehen, dass ich von Ihnen noch viel mehr haben würde, könnte ich ein paar Zeichnungen von Ihnen machen.“132 Kolbe hatte diverse Kontakte zu modernen Tänzern, darunter auch Palucca und Shawn.133 Für das klassische Ballett hingegen interessierte er sich weniger.134 Seine (anonyme) Berliner Tänzerin von 1912 zeigt eher eine Momentaufnahme des Tanzes als eine extra eingenommene Pose (Bild 111). Sie scheint inmitten einer Bewegung festgehalten zu sein. Ganz in sich versunken beschreibt sie keine Haltungen aus dem Alltag, sondern eine freie, elaborierte, expressive Gestik, die ganz für sich steht. Diese außergewöhnliche gestische Entwicklung bei Kolbe wurde auch als „Ausdrucksplastik“ bezeichnet, wovon auch begrifflich der Ausdruckstanz nicht mehr weit entfernt war.135 Kolbes Ausnutzung des Raumes unterscheidet sich von der anderer Bildhauer. Es scheint, als hätte der Raum keine Grenze, als würde die Figur jeden Zentimeter auskosten, als würde sie danach trachten, ihre Starrheit in jedem Moment verlassen zu können. Bewegung wird im Stillstand nahezu zelebriert. Die Erwartungen des Tanzkritikers Sorell, „von Gleichgewicht und Fluß einer Plastik ein ähnliches ästhetisches Vergnügen wie vom menschlichen Körper, der durch die Luft segelt“136, zu erhalten, hatte Kolbe damit sicherlich erfüllt. Durch seine Rezeption des Tanzes konnte der Bildhauer Körperhaltungen entwickeln, die bis dahin in der Skulptur unbekannt gewesen waren. Auch wenn Karsavina eine klassische Balletttänzerin war (obwohl das Ballett der Zeit vom freien Tanz bereits beeinflusst war), steht die Fotografie doch exemplarisch für Kolbes Befreiung des Ausdrucks und eine Überschreitung der Grenzen der Skulptur durch die Rezeption des Tanzes (in seinem Atelier).

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Dies., S. 12–13; Tanja Beuthin: Georg Kolbe und die Suche nach dem „Ausdruck des Lebens“, in: Bildhauerei im 20. Jahrhundert. Bd. 1. Ausdrucksplastik, hg. v. Ursel Berger, Berlin 2002, S. 10–19. Kolbe in einem Brief vom 05.02.1916, zit. n.: Berger: Kolbe und der Tanz, S. 16. Dies., S. 18 Ebd. Der Begriff geht zurück auf die gleichnamige Mannheimer Ausstellung von 1912. Berger schrieb, ohne konkreter zu werden: „Ausdruckstanz und Ausdrucksplastik hatten im Grunde des gleiche Ziel“, in: Dies.: Kolbe und der Tanz, S. 13. Sorell: Aspekte des Tanzes, S. 180.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 111  Georg Kolbe, „Tänzerin“, 1912, Bronze, Skulptur, 154 × 127 × 88 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.

In einer Fotografie von 1915, die wahrscheinlich von Kirchner selbst aufgenommen wurde,137 ist der Tänzer Hugo Biallowons im Vordergrund in Bewegung zu sehen (Bild  112). Davon zeugen die verschwommen dargestellten Arme und Beine sowie die Füße, deren Haltung auf eine Schrittbewegung oder einen Sprung hinweist. Als Schemen huscht er unbekleidet durchs Bild, sein Körper ist überbelichtet. Den linken Arm hat er vor der Brust angewinkelt, den rechten nach hinten ausgestreckt und das linke Bein ebenfalls in der Luft leicht angewinkelt. Das rechte könnte sogar einige Zentimeter über dem Boden schweben. Mit Kopf und Oberkörper voran hüpft er schwungvoll durch Kirchners Atelier, das aufgrund der Dichte an Objekten düster und beengt wirkt. Ein Bücherregal, gemusterte Wanddekorationen, eine Kanne auf dem Boden, Bilder, Möbel, Skulpturen, ein Ofen und davor gestapelte Holzscheite

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Ebenso zwei weitere. Vgl. Thomas Röske: Ernst Ludwig Kirchner. Tanz zwischen den Frauen. Eine Kunst-Monographie, Frankfurt/M. 1993, S.  69. Schon zuvor, um 1910/11, experimentierte Kirchner im Atelier von Erich Heckel mit der Tanzfotografie. Er fotografierte das Brücke-Modell Nelly, zusammen mit der späteren Ehefrau Heckels, Sidi Riha, tanzend im Atelier (Letztere war ausgebildete Tänzerin).

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V. Überschreiten

Bild 112  Ernst Ludwig Kirchner, Werner Gothein, Hugo Biallowons und Erna Schilling in Kirchners Atelier Körnerstraße 45 in Berlin, 1915, Glasnegativ, 13 × 18 cm, Davos, Kirchner Museum Davos, Sammlung E. W. Kornfeld.

scheinen dem Tänzer nicht viel Platz für seine körperliche Entfaltung zu lassen; dennoch trotzt er mit seiner Dynamik der Enge des Innenraums.138 Die Tänzerin Erna Schilling und der Künstler und Schüler Kirchners, Werner Gothein, befinden sich wie Zuschauer im Hintergrund, wodurch das Atelier zu einer Art Bühne avanciert.139 Die Tanzdarbietung diente Kirchner wahrscheinlich zur Anregung neuer Posen. Die in dieser Fotografie stillgestellte, sonderbar anmutende Haltung Biallowons wurde

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Thomas Röske äußerte die Idee, dass in der Figur Biallowons eine Nachahmung von Nijinskys „Faun“ zu erkennen sein könnte, denn dieser hätte das Ballett 1913 in Berlin gesehen haben können (Röske: Tanz zwischen den Frauen, S.  88). Wahrscheinlich erhielt er diesen Eindruck aufgrund der fingierten Flächigkeit des Körpers, durch die Haltung Biallowons und die Perspektive des Fotos. Doch trotz der Stillstellung im Bild ist Biallowons doch deutlich als im Schwung begriffen zu erkennen. Seine unbeholfen wirkenden Arme haben kaum etwas mit der exakten und kontrollierten Choreografie des „Faun“ gemeinsam. Hier trügt die Momentaufnahme. Vgl. Hanna Strzoda: Die Ateliers Ernst Ludwig Kirchners. Eine Studie zur Rezeption „primitiver“ europäischer und außereuropäischer Kulturen, Petersberg 2006, S. 214.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 113  Ernst Ludwig Kirchner, „Der Tanz zwischen den Frauen“, 1915, Öl auf Leinwand, 121,1 × 91,4 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen.

von ihm als Vorlage für etliche weitere Werke (in verschiedenen Techniken) verwendet (Bilder 113 und 114, Farbtafel 20).140 Auch die Tänzerin Nina Hard tanzte und posierte 1921, teils unbekleidet, in Kirchners Atelier im „Haus in den Lärchen“.141 Er fotografierte sie dort mehrmals und – ähnlich wie Biallowons – in voller Bewegung sodass sie nur als unscharfer Schemen zu erkennen ist (Bild 115). Sie tanzt zwischen Gemälden und Skulpturen, die wiederum zum Teil in der Bewegung begriffene Figuren zeigen, die ihre Kinesis begleiten. Durch einen schräg an die Wand gelehnten Spiegel werden diese Figuren ein weiteres 140 141

Vgl. Röske: Tanz zwischen den Frauen, S. 10. Vgl. u. a. Mandy Gnägi: Der Maler als Fotograf. Ernst Ludwig Kirchners Porträtfotografien, Petersberg 2011, S. 37.

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Bild 114  Ernst Ludwig Kirchner, „Tanz zwischen den Frauen“, 1919, Holzrelief (doppelseitig), 172 × 80 × 12 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.

Mal reflektiert. Der Boden wird strukturiert von einem gestreiften Teppich, der sich wiederum mit dem Streifenmuster von Hards Rock deckt und der Szenerie zusätzlich eine rhythmische Dynamik verleiht.142 Auch Hards in der Bewegung gebannte Hal142

Als wäre er fester Bestandteil von Hards Performance, tauchte dieser Teppich auch bei ihrem Auftritt in den Zürcher Heilstätten 1921 auf. Die Bühnendekoration stammte von Kirchner. Auf einer seiner Fotografien dieses Auftritts ist die Tänzerin vor einer Berglandschaft im geblümten Kostüm zu sehen. Die ornamentale Verbindung zwischen Hintergrund und ebenfalls gestaltetem Bühnenvordergrund bilden zwei gemusterte Teppiche, der gestreifte aus den Atelierfotos sowie ein weiterer geknüpfter Orientteppich. Dies schafft ein Potpourri aus Mustern, die an die Ateliersituationen erinnern (vgl. Strzoda: Die Ateliers Kirchners,

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3. Tanzen im Atelier

Bild 115  Ernst Ludwig Kirchner, Nina Hard (Engelhardt), tanzend im oberen Geschoss des „Hauses in den Lärchen“, 1921, Glasnegativ, 18 × 24 cm, Davos, Kirchner Museum Davos, Schenkung Nachlass Ernst Ludwig Kirchner 1992.

tungen tauchen in Kirchners Werken wieder auf: Eine Lithografie von 1921 zeigt sie, inmitten der Gemälde und Skulpturen, die auf den Fotos zuvor bereits mit aufgenommen wurden und die in Bezug zu ihrer bewegten Körperhaltung gesetzt werden (Bild 116).

S. 358). Die Davoser Blätter kommentierten am 6. Oktober 1921 die Aufführung Hards und machten eine ähnliche Entdeckung: „[…] alles, Kostüm, Bewegungen und Ausdruck, mit dem Bühnenhintergrund seltsam stark zusammenklingend“ (zit. n. Lohberg: Kirchner. Der Tanz, S. 28). Dies erinnert auch an die Inszenierungen der Kostüme von Delaunay.

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V. Überschreiten

Bild 116  Ernst Ludwig Kirchner, „Nina Hard“, 1921, Lithografie, Davos, Kirchner Museum Davos.

Hard wurde – so erscheint es zumindest in den Fotografien Kirchners – Teil der Rauminszenierung.143 Sie fügte sich in die durch Wandvorhänge und Teppiche vorgegebene Ornamentik des Raumes ein, wurde zur Komplizin von Gemälden und Skulpturen. Aber auf den Fotos wird ebenfalls ersichtlich, dass auch die Kunstwerke im Atelier zu Vermittlern zwischen Tänzerin und Künstler wurden. Sie waren ständiger Begleiter der Geschehnisse und wirkten sich schon allein durch ihre physische Anwesenheit, die den Raum einengte, auf die Bewegung aus. Auch mit ihrer Motivik wurden die Tanzenden ununterbrochen konfrontiert und konnte die Posen und 143

Strzoda: Die Ateliers Kirchners, S.  213. Ein Paradebeispiel für diesen Austausch von Tanzkörper und skulpturalem Körper liefert ein weiteres Foto Hards aus jenem Kontext, in dem sie unbekleidet neben einer ihr stark ähnelnden Skulptur posiert.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 117  Ernst Ludwig Kirchner, Nina Hard vor dem Eingang des „Hauses in den Lärchen“, 1921, Fotografie, Silbergelatine, 17 × 11,8 cm, Davos, Archiv Kirchner Museum Davos, Schenkung Nachlass Ernst Ludwig Kirchner.

Bewegungen durch die Eindrücke von ihnen modifizieren: Eine weitere Fotografie zeigt Hard mit einer lebensgroßen, massiven Holzskulptur, die als Karyatide im Eingangsbereich zum Atelier stand (Bild 117). Sie bezieht die Figur mit in ihre Pose ein, indem sie, wie bei einem Tanzpartner, ihren rechten Arm auf deren linke Schulter legt und dem Fotografen den Rücken zuwendet. Kirchner versuchte mit den Fotografien die Übergänge zwischen bewegtem Körper und Bild im Raum zu verwischen. Der Umraum wurde durch die Bewegung der Tanzenden dynamisiert. Sie wurden in ein Verhältnis zum Werk des Künstlers gesetzt, kleideten sich nach dessen Wünschen oder entkleideten sich bisweilen auch. In enger und ungestörter Zusammenarbeit konnte der Künstler in gewisser Weise über sie verfügen und beide näherten sich bezüglich ihrer ästhetischen Vorstellungen

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V. Überschreiten

an.144 Auch die Tänzer mögen ein verändertes Körperbewusstsein erfahren haben, da sie mit neuen Posen und Bewegungen auf die spezielle Situation im Atelier reagieren mussten. Sie traten mit der Gestaltung des Interieurs und mit den Werken in Interaktion. Wie schon zuvor anhand seiner schnellen Skizzen und des Begriffs der Ekstase gezeigt, versuchte Kirchner den spontanen, bewegten Ausdruck,145 den er im fertigen Gemälde erreichen wollte, auch mit Hilfe der Tanzfotografien festzuhalten. Ihn interessierten weniger die abgeschlossenen Posen als vielmehr die Tanzbewegung an sich. Durch das freie Tanzen in seinem Atelierraum entstanden in der Momentaufnahme ungewöhnliche Körperhaltungen, die ohne die Bewegung im Fluss nicht zustande gekommen wären. Diese wurden dann Vorlagen für seine Bilder, denn sie beinhalteten trotz ihrer Stillstellung noch die Dynamik des Augenblicks, in dem sie festgehalten wurden. Dies gehört zu Kirchners charakteristischen Methoden, wie er es auch mit Hilfe der sogenannten Hieroglyphe verfolgte. In ein aus der schnellen Bewegung heraus festgehaltenes Schema des Gesehenen (mitbedacht ist gewiss ein Abstraktionsprozess) schreibt sich die Dynamik des spontan Erlebten – sei es in der Fotografie oder in der Skizze – für immer ein, sodass sie in jeglichem Medium allein durch die Reproduktion dieses Schemas wieder aufleben kann.146 144

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Eine weitere Tänzerin tanzte für Kirchner außerhalb seines Ateliers, im Wald. In einem fotografischen Zyklus vollführte sie raumgreifende Bewegungen (hauptsächlich Rückbeugen) und schien dabei die Bewegungsfreiheit in der Natur besser ausnutzen zu können, als es beispielsweise Hard im Atelier vergönnt war. Die Fotografien wurden auf ca. 1929 datiert, es könnte sich aber auch um 1934 handeln, wonach die Fotos zu folgender Briefzeile Kirchners vom 30. August 1934 passen könnten: „Wir hatten 10 Tage eine junge Tänzerin aus Zürich hier, ein nettes Mädchen, die auch meiner Frau etwas half […].“ Kirchner in einem Brief an Frédéric Bauer, in: Hans Delfs  / Roland Scotti: Briefe von Ernst Ludwig Kirchner und Erna Schilling an Dr. Frédéric Bauer. Juni 1923 bis März 1939, in: Magazin V – Frédéric Bauer, hg. v. Hans Delfs / Roland Scotti, Davos 2004, S. 118; vgl. Roland Scotti (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Das fotografische Werk, Bern 2005, S. 304. Lohberg: Kirchner. Der Tanz, S. 14. Kirchner erklärt in einem Brief an Gustav Schiefler die Funktion der Hieroglyphe folgendermaßen: „Meine Hieroglyphe ist lediglich das, daß eine Naturform in einen diese Naturform nicht nachbildenden Linienzug verwandelt wird, der aus der Komposition des Ganzen, der verwendeten Technik und der Empfindung und Erregung des schöpferischen Momentes geformt wird. […] Eine schematische Wiederholung einer Form kommt nie vor […].“ In: Grisebach: Kirchners Davoser Tagebuch, S. 205. Vgl. zur Hieroglyphe auch den Aufsatz Eberhard Roters: Ernst Ludwig Kirchners Begriff der „Hieroglyphe“ und die Bedeutung des graphischen Details, in: Edwin Redslob zum 70. Geburtstag. Eine Festgabe, hg. v. Georg Rohde, Berlin 1955, S. 334; Norbert Nobis: „Ich gehe von der Bewegung aus“. Ernst Ludwig Kirchner und der Tanz, in: Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“, S. 63, Anm. 43; Lucius Grisebach: Ernst Ludwig Kirchner – Das ekstatische Zeichnen und die Hieroglyphe, in: „Ekstase des ersten Sehens und gestaltete Form“. Kolloquium anlässlich der Ausstellung „Ernst Ludwig Kirchner. Erstes Sehen“. Das Werk im Berliner Kupferstichkabinett, hg.  v. Anita Beloubek-Ham-

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3. Tanzen im Atelier

Auch die Tänzer wurden zu Hieroglyphen,147 deren Bewegungsdynamik allein durch das Darstellen eines solchen Schemas wiederum reproduziert werden konnte. Kein anderer bildender Künstler in den Beispielen der Atelierfotografien betätigte den Auslöser des Fotoapparats im Moment der höchsten Bewegung. War bei Kirchner und Kolbe durch ihre figürliche Auseinandersetzung mit dem Tanz der befreiende Einfluss des von der stilisierten, ruhenden Pose wegführenden Ausdruckstanzes noch unmittelbar nachzuvollziehen, so wird die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung Tänzern in Ateliers von Künstlern zukam, die abstrakt arbeiteten, ungleich schwieriger. Auch Constantin Brancusi ließ für Codréano, die auch mit Delaunay zusammenarbeitete, Kostüme schneidern und bearbeitete sie anschließend selbst nach seinen Vorstellungen.148 Neben den unzähligen Fotografien, die er von SkulpturenArrangements in seinem Atelier machte,149 finden sich auch einige von der Tänzerin aus dem Jahr 1922.150 Das Gewicht des Materials vergessen zu machen und es als leicht und dynamisch darzustellen, war das Charakteristische seiner Skulpturen,151 ein Um­­­ stand, bei dem sich Übereinstimmungen mit der tänzerischen Arbeit finden lassen. Mehrere Tänzerinnen besuchten Brancusis Atelier, tanzten und posierten dort.152 Doch nur von Codréano ist bekannt, dass sie ein von ihm angefertigtes Kostüm trug, was auf eine intensivere Zusammenarbeit schließen lässt. Eine Reihe von Fotografien belegen ihre Anwesenheit in seinem Atelier. Durch deren Stillstellung reiht sie sich wie eine weitere Skulptur in das Ensemble seiner Werke ein. In den zwei hier besprochenen Aufnahmen trägt sie ein gestreiftes Kleid aus festem Stoff. Der Rock ist von der Hüfte abgesetzt, sodass seine Falten abstehen und ihn breiter

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mer, Berlin 2007, S. 14–16. Vgl. allgemein auch Ausst.-Kat.: Ernst Ludwig Kirchner. Hieroglyphen. Werke aus der Sammlung der Nationalgalerie, hg. v. Joachim Jäger, Berlin 2016. Shelley Wood Cordulack: Ernst Ludwig Kirchner. Dance Images and Dance in Early Twen­ tieth-Century Germany, in: Imaging Dance. Visual Representations of Dancers and Dancing, hg. v. Barbara Sparti / Judy van Zile, Hildesheim/Zürich/New York, 2011, S. 261. Vgl. Doïna Lemny: Lizica Codréano, une danseuse roumaine dans l’avant-garde Parisienne, Lyon 2011, S. 35–38. Vgl. Springer: Ausgestellte Ateliers – Loca Sancta der Moderne, S. 63; Friedrich Teja Bach: Constantin Brancusi. Metamorphosen plastischer Form, Köln 1987, S. 115. Codréano hatte über ihre Schwester Irene, die selbst Bildhauerin war, Kontakt zu dem Künstler geknüpft. Dieser lud die beiden Schwestern 1922 in sein Atelier ein. Vgl. Lemny: Lizica Codréano, S. 30. Nina Schallenberg: Inszenierte Skulptur. Auguste Rodin, Medardo Rosso, Constantin Brancusi, München 2011, S. 58. Vgl. Doïna Lemny: Brancusi dans son atelier „chaman et showman“, in: Ausst.-Kat.: Abitare il museo. Le case degli scultori, hg.  v. Mario Guderzo, Crocetta del Montello 2014, S.  135–141. Filmaufnahmen zeigen die Tänzerin Florence Meyer tanzend in seinem Atelier. Vgl. Ausst.Kat.: Brancusi, film, photographie. Images sans fin, hg. v. Quentin Bajac / Clément Chéroux / Philippe-Alain Michaud, Cherbourg-Octeville 2011.

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V. Überschreiten

Bild 118  Constantin Brancusi, Atelier-Aufführung von Lizica Codréano im Kostüm für die Tanzaufführung „Gymnopédies“ von Erik Satie, 1922, Fotografie, Silbergelatine, 23,8 × 17,8 cm, Paris, Collection François Fontenoy.

erscheinen lassen. Es entsteht dadurch auch mehr Raum zwischen Körper und Stoff. Dazu trägt sie Ballettschläppchen aus schwarzer Seide, die mit Bändern an den Knöcheln befestigt sind. In dem einen Foto trägt sie eine Kopfbedeckung, bei der rechts und links vom Kopf zwei spiralförmig gestreifte Kegel weit in den Raum hinein ragen (Bild 118). Sie steht auf einem dicken Steinsockel, der sie selbst zur Skulptur werden lässt. Die Arme und das rechte Bein hält sie angewinktelt in der Luft und neigt sich zu einem weiteren mächtigen Gesteinsbrocken, der ihr entgegenragt. Ihre Körperhaltung scheint in der Bewegung begriffen zu sein und nur für die Fotografie für einen Moment angehalten. In einem weiteren Foto trägt die Tänzerin eine andere Kopfbedeckung, die aus einem langen, kegelförmigen Hut – wahrscheinlich aus Karton besteht, dessen Mitte von einem weiteren Kegel durchbohrt wird (Bild 119). Ihre

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3. Tanzen im Atelier

Bild 119  Constantin Brancusi, Atelier-Aufführung von Lizica Codréano im Kostüm für die Tanzaufführung „Gymnopédies“ von Erik Satie, 1922, Fotografie, Paris, Collection François Fontenoy.

Arme hält sie angewinkelt, wodurch eckige Formen entstehen. Sie posiert flächig mit dem Oberkörper frontal zum Fotografen, wobei Kopf, Arme und Beine im Profil zu sehen sind. Ihr Hut erinnert an Brancusis Holzskulptur „La Sorcière“, in der zwei kegelund zwei zylinderförmige Gebilde zu einer stark abstrahierten Form verschmolzen sind (Bild 120). Die anthropomorphe Form des Körpers der Tänzerin wird durch das Hinzufügen von geometrischen Formen zu einer künstlichen abstrahiert. Weitere Fotografien verdeutlichen, dass Codréano die unzähligen skulptierten Formen, Sockel, Holzstumpen und Steinblöcke des Ateliers, die sich durch ihre kubische Geradlinigkeit und Fragmentarität voneinander absetzen, in ihren Tanz mit aufnimmt. Das Fragmentarische dieser Haltungen wird durch die spitz zulaufende Kopfbedeckung noch unterstützt und korrespondiert perfekt mit dem Ateliercharakter im Hintergrund.

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V. Überschreiten

Bild 120  Constantin Brancusi, Atelieransicht mit „La Sorcière, la Colonne sans fin I“, um 1926, Fotografie, Silber­gelatine, 29,8 × 23,7 cm, Paris, Centre Pompidou.

Ähnlich wie Nijinsky und Tchernicheva versucht aber auch Codréano den Eindruck einer Flächigkeit in ihrer Pose zu evozieren.153 Es erscheint nicht überraschend, dass ihre Tänze von Kritikern als kubistisch interpretiert wurden. Die Zeitschrift „Cœmedia“ berichtet über einen Auftritt von 1923: „Ihre Posen – die sich dem Kubismus zuordnen lassen – sind erfinderisch und oft anmutig.“154 Brancusi schuf keine Skulpturen nach dem direkten Vorbild der Tänzerin, sie scheint für seine Arbeit eine andere Bedeutung gehabt zu haben als lediglich die eines Vorbilds. Durch Variation von Posen und sicherlich auch durch tänzerische Bewegung schuf sie neue Kombinationen von Formen mit ihrem Körper, die im Atelier unvermeidlich in Beziehung zu den Skulpturen treten mussten. Die Fotos erscheinen als Experimente mit tänzerischen Formen in Kombination mit den Werken im Atelier und als Anregung zu neuen Ideen sowohl für die Tänzerin als auch für den (hier durch die Fotografie repräsentierten) Blick des Künstlers. Während Brancusi und Codréano im Atelier mit Kostümanprobe, Fotografieren und Posieren beschäftigt sind, werden die Kunstwerke unweigerlich zum Bindeglied zwischen den beiden. 153

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Das Kostüm trug Codréano im Stück „Gymnopédies“ von Satie. Saties Kompositionen wurden oft als „fragmenthaft“ oder bausteinartig zusammengesetzt beschrieben. Der Dirigent Constantin Lambert sprach bezüglich der Brüche sogar von einem kubistischen Stück. Vgl. Grete Wehmeyer: Erik Satie und die Künstler, in: Ausst.-Kat.: Klang der Bilder, S. 385. „Mlle Sizica [sic!] Codréano a dansé sur cette musique d’extrême avant-garde, d’une manière vraiment originale. Ses poses, de l’ordre cubiste, sont ingénieuses et souvent gracieuses.“ Raymond Charpentier: Le Gala de la Jeunesse artistique roumaine à Paris, in: Comœdia, 25. Januar 1923, S. 1. Vgl. Lemny: Lizica Codréano, S. 41.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 121  (Piet Mondrian?), Die Tänzerin Kamares posiert in Mondrians Atelier, 1925/26, Fotografie, Amsterdam, Universiteit Amsterdam, Collectie voormalig Theater Instituut Nederland.

1925 posierte die Tänzerin Kamares (Bild  121) in der Pariser Rue du Départ Nr. 26, wo Mondrian mit Unterbrechung sowie einem Raumwechsel zwischen 1925 und 1936 ansässig war.155 In ebendiesem Jahr war sie auch bei van Doesburg zu Gast, 155

Es handelte sich um die auch als Schriftstellerin und Journalistin tätige Niederländerin Willy van Aggelen, die für ihre jeweiligen Professionen unterschiedliche Pseudonyme wählte. Als Tänzerin war sie unter dem Namen „Kamares La Romanito“ bekannt, sie widmete sich dem Ausdruckstanz sowie spanischen Tänzen. Man Ray fertigte 1925 eine Porträtfotografie von der weitgehend unbekannten Tänzerin an, also zur selben Zeit, als sie auch in van Doesburgs sowie Mondrians Atelier posierte. Vgl. Léon Hanssen: De schepping van een aards paradijs. Piet Mondriaan 1919–1933, Amsterdam 2015, S. 248. Sicherlich entstand der Kontakt zwischen der Tänzerin, Mondrian und van Doesburg über ihre familiäre Verbindung zu dem niederländischen Künstler César Domela. Vgl. Hanssen: De schepping van een aards paradijs,

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V. Überschreiten

der seit 1923 ebenfalls in Paris lebte. In einem Bilderzyklus aus Mondrians Atelier er­­­ scheint die Tänzerin in unterschiedlichen Kostümen. Sie trägt einmal ein Flamenco­ kleid mit einem mehrlagig gerüschten Rock, dann ein Fransenkleid, dann eine Art Torerotracht mit knielangen Hosen, Weste, Kopftuch und einer Schärpe um die Taille. Sie steht zwischen der aus zahlreichen Atelierfotos Mondrians bekannten schwarzen Staffelei156 und einem Diwan, auf dem sich ein aufgeklappter Koffer befindet, womöglich mit ihren Tanzkostümen darin. Die Wandmalereien im Hintergrund, die auf eine größere Wandfläche schließen lassen, sowie die Möbel rings­herum legen nahe, dass alle Fotografien von ein und demselben Platz im Atelier aus aufgenommen worden sind. Der Atelierraum Mondrians, der sich über eine Treppe an einen kleinen Wohn­ ­­raum anschloss, war, wie es einem rekonstruierten Plan der Ateliersituation von 1926 zu entnehmen ist, fünfeckig. Kamares stand wahrscheinlich an der Wand, die am meisten Platz für die Bewegung bot. Sicher hatte Mondrian den Diwan, falls er auch 1925 schon schräg im Raum stand, beiseitegeschoben, um ihr mehr Platz zu bieten. Die Achtlosigkeit, mit der der Koffer bei der Aufnahme der Fotografien offen liegengelassen wurde, hat Verwunderung hervorgerufen.157 Weder der Fotograf (Mondrian?) noch die Tänzerin hatten sich also wohl die Mühe gemacht, diese Spuren der Vorbereitung auf das Shooting zu verwischen. Doch zugleich fällt auf, dass sich der geöffnete Deckel auf einigen Fotografien (je nach Perspektive des Fotografen) perfekt in die Symmetrieachsen der Quadrate auf der Wand dahinter einfügt. Kamares steht auf einem Teppich, der den berühmten schwarzlackierten Fußboden des Ateliers in diesem Bereich bedeckt. Die Wand dahinter ist hell und von Mondrian mit den erwähnten Quadraten in verschiedenen Farben und Größen versehen worden. Die Tänzerin ist geradezu eingepfercht in die symmetrische Ordnung zwischen den strengen Linien der Staffelei, dem Diwan, dem Koffer und dem qua­ dratisch definierten Hintergrund. So variiert sie Posen zwischen Stand- und Spielbein, hebt einen Arm über den Kopf, legt den anderen in die Taille, beugt sich über die Seite oder dreht der Kamera den Rücken zu. Sie schaut über die Schulter, hebt

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S. 283. Eine Fotografie von 1922 zeigt sie mit Domela in Ascona. Vielleicht zeugt ihr Aufenthalt dort von einem Interesse an den Lebensreformern sowie der Tanzreform – Labans Tanzschule war da allerdings schon geschlossen. Sie war der symmetrischen Optik des Ateliers sehr dienlich und nahm im Grunde die schwarzen Linien, die in den Gemälden die Flächen einschlossen, auf der Wand jedoch noch fehlten, vorweg. Über den Einsatz dieser Staffelei in der Gesamtkomposition von Mondrians Atelier sowie deren Transformation im Laufe der Zeit berichtete Carel Blotkamp: Mondrian. The Art of Destruction, London 1994, S. 154. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, S. 284.

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3. Tanzen im Atelier

diesmal beide Arme über den Kopf oder stellt sich frontal zur Kamera, blickt mit erhobenem Kopf zur Seite und vollführt ein seitwärts gerichtetes Tendu. Die Posen wechseln zwischen sichtlich stillen, extra eingenommenen Haltungen und solchen, die eventuell im Fluss durch die Fotografie stillgestellt werden konnten. Ausladende Gesten oder gar Sprünge sind nicht zu sehen. Obwohl Kamares inmitten der gestalteten Räumlichkeiten Mondrians steht, ist keine direkte Anpassung der Bewegungen an ein Bild, eine Skulptur oder an eine architektonische Form sichtbar. Ihre Haltungen scheinen aus einem freieren Impuls heraus zu erfolgen. Dennoch spielt die Komposition des sie umgebenden Raumes für den Fotografen sowie sie selbst eine wichtige Rolle. Aus verschiedenen Perspektiven heraus, die jedoch immer nur leicht variieren, ist das Interieur symmetrisch in Szene gesetzt worden. Dies suggerieren die schon erwähnte Achse des Koffers mit der Wand, aber auch ein von Mondrian weiß gestrichener Korbstuhl, der so vor der Staffelei platziert ist, dass er – aus der Perspektive des Fotografen – exakt auf einer vertikalen Linie mit der Staffelei liegt. Obwohl keinesfalls bewiesen, könnten diese kompositorischen Exaktheiten darauf hindeuten, dass es sich bei dem Fotografen um Mondrian selbst gehandelt hat.158 In seinem Atelierraum in der Rue du Départ ließ Mondrian bekanntermaßen nichts ungestaltet. Wände, Fußboden und Möbel bemalte er nach den ‚Richtlinien‘ des Neoplastizismus (Bild 122).159 Die Fotografien des Künstlers in seinen Räumen erlangten demnach beinahe einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie seine Gemälde. Die Idee van Doesburgs, das Interieur eines Tanzsaals mit der rhythmischen Bildsprache des Neoplastizismus zu gestalten, hatte Mondrian also schon in seinem ­Atelier verwirklicht. Kamares benötigte kein Gemälde im Hintergrund (wie es bei

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Hanssen gibt auch Domela als potenziellen Fotografen von Kamares an, jedoch ohne einen Hinweis darauf, dass sich dieser zu dem Zeitpunkt im Atelier aufgehalten haben könnte. Ebd. Ein Journalist, der Mondrian in seinem Atelier besuchte, kommentiert auch den rhythmischen Aspekt der Ateliergestaltung: „[…] on my last visit the walls were filled with virginal primed canvases which combined to form one huge chequered painting. Now all the walls are rhythmically divided into horizontal and vertical rectangels, the balance magically preserved by the negative colours of white, grey, black, and the positive red, blue, yellow.“ Engl. Übers. zit. n. Ausst.-Kat.: Mondrian and his Studios. Colour in Space hg. v. Francesco Manacorda / Michael White, London 2014, S. 75; vgl. auch Michael White: The Function of the Studio, in: Ausst.-Kat.: Mondrian and his Studios, S. 87–95. „Een vorigen keer was de wand nog behangen met doeken, maagdelijk in de grondkleur gelaten, die samen één reusachtig blokjesschilderij vormden. Nu zijn alle muren rhythmisch ingedeeld door liggende en staande rechthoeken, waarbij het negatieve wit, grijs, zwart en positieve rood, blauw, geel elkaar magisch in evenwicht houden.“ Anonym: Bij Piet Mondriaan. Het kristalklare atelier. – Apologie van den Charleston, in: De Telegraaf, 12. September 1926, S. 9.

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V. Überschreiten

Bild 122  Paul Delbo, Piet Mondrians Studio in Paris, 1926, Fotografie, Silbergelatine, Den Haag, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Archief Sal Slijper / Archief Cesar Domela.

Bild 123  André Kertész, Fotografie von Piet Mondrians Bühnenmodell für Michel Seuphors „L’ephémère est éternel“, Gouache auf Pappkarton mit drei beweglichen Hintergrund­elementen, 35 × 40 cm, 1926.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 124  Troy: The Afterlife of Piet Mondrian, Titelbild.

van Doesburg noch zu zeigen sein wird), da das Atelierinterieur durch Mondrians Gestaltung schon einen bildlichen Charakter angenommen hatte. Eine Fotografie von Mondrians Atelier von 1926, also ein Jahr nach Kamares Besuch, zeigt an derselben Stelle, wo sie posiert hatte, ein kleines, dunkles Schränkchen, das Mondrian wahrscheinlich für die Session beiseitegeräumt hatte. Darauf befindet sich das bekannte Modell einer Theaterbühne. Für das Stück „L’ephémère est éternel“ von Michel Seuphor sollte Mondrian das Bühnenbild entwerfen. Das Stück wurde zwar nie realisiert, dennoch erschuf Mondrian mit seinem Entwurf die Vision eines neoplastizistischen Raumes. Er platzierte in das Modell eine Figur, die mit ihren Gliedmaßen in die Linien der gestalteten Wand im Hintergrund passte (Bild 123), ähnlich wie zuvor mit Kamares in seinem Atelier. Vielleicht dienten die Fotografien als Studien für das Bühnenbild. Eventuell erprobten sie das Verhältnis der Tänzerin und ihres Körpers zu einem Raum, der nach geometrischen Richtlinien gestaltet war. Vielleicht wollte Mondrian angesichts seines Auftrags für das Bühnenstück als Maler, der der Zwei­dimensionalität verpflichtet war, mehr Kenntnis über die Bewegung im Dreidi­mensionalen erhalten, wie bereits bei den Bauhauskünstlern ersichtlich geworden. Vermutlich stand also die Fotoserie von Kamares im Zusammenhang mit der Entwicklung des Bühnenbildes. Das 2013 erschienene Buch der Mondrian-Forscherin Nancy J. Troy über das Nachleben von Mondrians Kunst zeigte schon auf dem Einband den Einfluss, den

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V. Überschreiten

Mondrians Gestaltung auf den Menschen, seinen Körper und seine Bewegung im Raum hatte (Bild 124).160 Darauf sind zwei junge Frauen zu sehen, die Kleider im Stil Mondrians tragen. Sie nehmen durch ihre geradlinige beziehungsweise angewinkelte Armhaltung Bewegungen ein, die den Mustern des Bildes und denen auf ihrem Körper entsprechen. Dem Diktum van Doesburgs, den Menschen inmitten der Künste zu platzieren, folgte auch Mondrian mit der Tänzerin im Atelier und mit seinem Bühnenentwurf. In seinem Atelier in Clamart posierten van Doesburg und seine Frau Nelly um 1925/26 neben der „Kontra-Komposition XVI“ ebenfalls zusammen mit der Tänzerin Kamares (Bild 125). Der Künstler steht aufrecht, während seine Frau rechts von ihm kniet, ihr Hund ist mit den Vorderbeinen auf ihren Schoß gesprungen. Durch den dunklen Hintergrund erscheint das Paar wie getrennt von der Szenerie links von ihnen. Dort ist das Gemälde hochkant vor einem weißen Hintergrund aufgestellt und entspricht der aufrechten Haltung des menschlichen Körpers. Kamares posiert in einem dunklen Kleid, das an die Gewänder von Flamencotänzerinnen erinnert, vor dem Bild. Das linke Bein angewinkelt, das rechte nach schräg vorn ausgestreckt, vollführt sie eine Vorbeuge, stemmt den rechten Arm auf den Oberschenkel, der Ellen­ bogen geht zur Seite raus, während der linke Arm, ebenfalls abgeknickt, über den Kopf erhoben ist. Es existieren eine ganze Reihe von Fotografien der Tänzerin im Atelier, bei denen sie in unterschiedlichen Posen und auch in unterschiedlicher Kleidung zu sehen ist. Auf allen Fotos jedoch trägt van Doesburgs Ehefrau Nelly exakt dieselbe Bekleidung sowie Frisur, obwohl die Bilder auf der Rückseite mit ein bis zwei Jahren Abweichung unterschiedlich datiert sind. Es ist durchaus möglich, dass es sich um eine fehlerhafte Datierung handelt. Dann ist davon auszugehen, dass die Tänzerin längere Zeit im Atelier Doesburgs blieb und dort in unterschiedlichen Kleidern und in verschiedenen Posen fotografiert wurde. So auch vor dem Gemälde „Kontra-Komposition XVI“, weshalb angenommen werden kann, dass sie und das Künstlerehepaar experimentierten, in welcher Bekleidung ihre Bewegungen in Kombination mit dem Gemälde am ehesten das ausdrücken könnten, was van Doesburg im Sinn hatte. Auf weiteren Fotos von 1925/26 ist zu sehen, dass Nelly das Gemälde im Raum arrangierte. Entgegen der heutigen Hängung wurde es dort hochkant präsentiert, eine bessere Ausgangslage für Kamares, da es somit ihrer Körperhöhe entsprach. Es handelte sich also bei dem Ausgangsfoto nicht einfach um einen Schnappschuss, sondern um eine geplante Aktion des Künstlerehepaars mit der Tänzerin. Kamares posierte in einer Abwärtswende. Die Schulterlinie sowie die Beine befinden sich fast parallel zum Linienverlauf im Hintergrund. Daher erscheinen den Betrachtenden auch die Linien im Gemälde gen Boden strebend. 160

Nancy J. Troy: The Afterlife of Piet Mondrian, Chicago, Ill. u. a. 2013.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 125  Die Tänzerin Kamares im Atelier Theo van Doesburgs, 1925/26, Fotografie, Den Haag, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Archiv Nelly und Theo van Doesburg.

Für diese Fotografien ist entscheidend, dass die Hinwendung zum Bilde­ lement der Diagonale auch Resultat einer grundlegenden Wende im Werk des Künstlers war. Ab 1924 wurden dynamische Richtungslinien, die die Bewegungsrichtung im Bild sowie die visuelle und körperliche Wahrnehmung des Bildes durch den Betrachter stärker anleiteten, zu seinem Leitmotiv. In der Fotografie wird der Einfluss des Bildes auf den Körper von Kamares schon besonders deutlich. Mondrian verfuhr mit seinen Bildern zunächst ganz ähnlich: So malte er seine Linienkompositionen diagonal über die Leinwand, drehte diese jedoch im Anschluss um 45 Grad, sodass kein Abwärts- oder Aufwärtsdriften mehr vorherrschte, sondern das Gleichgewicht durch die mit Hilfe der Leinwand in die Senkrechte und Waagerechte manövrierten Linien wiederhergestellt war.161 Van Doesburg kannte diese Bilder und drehte ebenfalls die Leinwände.162 Er entschied sich jedoch letztlich dafür, die Diagonale programmatisch als neues Bildelement einzuführen und sie konse-

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Diese ersten Rautenbilder Mondrians entstanden 1918 „Komposition mit grauen Linien“, Gemeentemuseum, Den Haag und 1919 „Komposition in Schwarz und Grau“, Philadelphia Museum of Art. Die „Rautenkomposition mit drei Linien in Grau, Blau und Gelb“ besaß Palucca. Vgl. Kapitel IV, S. 153. So auch in den „Kontra-Kompositionen“ III, V, VII, VIII und IX.

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V. Überschreiten

quenterweise nicht durch Drehung der Leinwand zu vertuschen. Im Gegensatz zu Mondrian versuchte er nicht, die Symmetrie und somit das vermeintliche Gleichgewicht der Bilder wiederherzustellen, sondern ließ der Diagonalen zugunsten der Dynamisierung des Bildes buchstäblich ihren Lauf.163 Dies brachte eine neue Richtung ins Bild und war auch Resultat seiner Beschäftigung mit der vierten Dimen­ sion.164 Die Bedeutung des Tanzes als dynamisierender Impuls für die bildende Kunst für van Doesburg wurde besonders deutlich, als er feststellte: „Ich empfinde den Tanz den meist-dynamischsten Ausdruck des Lebens und darum für die rein bildende Kunst als den wichtigsten Gegenstand.“165 Auf der Fotografie mit Kamares im Vordergrund der „Kontra-Komposition XVI“ könnte sich daher ein von ihm inszeniertes Ereignis eröffnen, das zur Evidenzstiftung seiner neuen Bildtheorie beiträgt.166 Die hinab- und hinaufführende Dynamik der Linien wird durch die Anwesenheit und Pose der Tänzerin sowohl für den Künstler als auch allgemein die Betrachtenden in ihrer körperlichen Fühlbarkeit noch verstärkt. Es könnte sich also bei dieser Situation weniger um ein klassisches Künstler-Modell-Studium gehandelt haben als vielmehr um das Aufzeigen eines neuen künstlerischen Ansatzes. Dessen Bedeutung versucht van Doesburg mit Hilfe der Tänzerin körperlich zu manifestieren, indem er Gleichgewichtsverhältnisse des Körpers im Raum und in Relation zur Malerei aufzeigt. Kamares verschmilzt durch die Anpassung an die Linien regelrecht mit dem Bild. Sicherlich hatte sie bereits etliche Posen ausprobiert, bis sie eine dem Gemälde adäquate fand. Die Form des Bildes stellte gewisse Anforderungen an ihre tänzerischen Fähigkeiten, die sie zu exakt dieser Pose führten. Mit ihrem Körper trat sie in Interaktion mit dem Bild und antwortete auf dessen Gestaltung. Es profitierte also nicht nur van Doesburg von dieser Zusammenarbeit im Atelier. Das Bild hatte auch 163

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Gladys C. Fabre: A Universal Language for the Arts: Interdisciplinary as a Practice, Film as a Model, in Ausst.-Kat.: Van Doesburg & the International Avant-Garde. Constructing a New World, hg. v. dems. / Doris Wintgens Hötte, London 2009, S. 5–54. Vgl. Dalrymple Henderson: Theo van Doesburg, S. 203. „Ik voel den dans als de meest dynamische uitdrukking van het leven en daarom voor zuiver beeldende kunst als het belangrijkste onderwerp.“ Brief von van Doesburg an Antony Kok, Leiden, 14. Juli 1917, in: Alied Ottevanger (Hg.): „De stijl overal absolute leiding“. De briefwisseling tussen Theo van Doesburg en Antony Kok, Bussum 2008, S.  198. Auch den Film beschrieb van Doesburg als passend, um die vierte Dimension darzustellen. Vgl. Dalrymple Henderson: Theo van Doesburg, S. 199. Vgl. auch Michael White: Theo van Doesburg. A Counter-Life, in: Van Doesburg & the International Avant-Garde, S.  74; Nina Schallenberg: „One had entered into something“. From Steady Artworks to Movements in Space in the Practice of Theo van Doesburg and Constantin Brancusi, in: Assign & Arrange. Methodologies of Presentation in Art and Dance, hg. v. Maren Butte / Kirsten Maar / Fiona McGovern, Berlin 2014, S. 60.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 126  Kino- und Tanzsaal im ersten Stock des Café-Restaurants „Aubette“ von Theo van Doesburg, Interieurfotografie, 1927, Straßburg, Musées de la ville de Strasbourg.

direkten Einfluss auf Kamares und ihre Posen. Es wurde zum Vermittler zwischen den Vorstellungen des Künstlers und denen der Tänzerin. Darüber hinaus ist das Foto bereits als Studie zu seiner Arbeit an der „Aubette“ ab 1926 identifiziert worden.167 Der Künstler gestaltete den zentralen Tanzsaal, in dem sich die Besucher inmitten einer diagonalen Kontrakomposition bewegen sollten (Bild  126), wie es in seinen eigenen Worten auch anklang: „[…] die Fährte des Menschen im Raum (von links nach rechts, von oben nach unten, von vorne nach hinten) wurde für die Malerei in der Architektur von prinzipieller Bedeutung.“168 Die schräge Linie stellte für van Doesburg die Störung der harmonischen Weltordnung dar: „Der Dadaist bevorzugt die Schräglage, quer zur harmonischen Erscheinung von

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Vgl. Nancy J. Troy: Figures of Dance in De Stijl, in: The Art Bulletin, 4/66 (1984), S. 645–656. Vgl. außerdem Kapitel II, S. 91 ff. Theo van Doesburg: Über das Verhältnis von malerischer und architektonischer Gestaltung, in: Der Cicerone 18/19 (1927), S. 569; vgl. Noell: Im Laboratorium der Moderne, S. 82.

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V. Überschreiten

Kunst und Leben über dem selbstgenügsamen Gleichgewicht von Natur und Geist.“169 Hierin könnte die Gegenposition zu Mondrian gelegen haben: Während Letzterer nämlich die Orthogonale als „Richtlinie“ von Bild und Körper ansah, durchkreuzte van Doesburg, im wahrsten Sinne des Wortes, diese Verhältnisse durch die Diagonale: „Diese schräge Dimension zerstört nicht nur die alten Mittel eines orthogonalen Ausdrucks (in der Musik, Architektur, Malerei, Plastik, Tanz etc.), sondern sie befördert zugleich eine neue Optik und Phonetik.“170 Die „Kontra-Komposition XVI“ war ein Vorläufer für die Wandgestaltung des Saales.171 Die Atelierfotografien dienten dazu, die räumliche Situation mit der Architektur und den Tanzenden, in Kombination mit den zweidimensionalen Wandbildern, wie sie später in der „Aubette“ vorherrschen sollte, zu simulieren.172 Ähnlich verhielt es sich womöglich auch mit dem Foto des Choreografen Valentin Parnac.173 1925 verwendete van Doesburg ein Bild von diesem, auf dem er wie Kamares vor der „Kontra-Komposition XVI“ posiert und seine Gliedmaßen verdreht (Bild 127). Die Beine hat er übereinandergeschlagen und die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Indem die Hände von hinten sein Gesicht umfassen, negiert er die Form seines Körpers. Die sich überkreuzenden Linien des Gemäldes gleichen den überkreuzten Gliedern des Tänzers. Es scheint, als hätte auch Parnac sich – auf geradezu schmerzhafte Weise – den Vorgaben des Bildes ergeben. Doch war dieser im Gegensatz zu Kamares gar nicht im Atelier anwesend. Van Doesburg überlagerte nämlich mehrere Schichten von Fotos, die eigentlich gesondert aufgenommen worden waren, sodass die Flächen des Bildes den Körper des Tänzers einschlossen.174 Wie bereits gezeigt stellte er „den Menschen statt vor – in die Malerei“175. Was er bei Parnac nur durch Übereinanderblendung realisierte, konnte er mit Kamares’ physischer Anwesenheit in seinem Atelier

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„De dadaist verkiest het hellende vlak, diagonaal op de harmonische verschijning van kunst en leven, boven het zelfgenoegzaam evenwicht van natuur en geest.“ Theo van Doesburg (Aldo Camini): „Caminoscopie. ’N antiphylosofische levensbeschouwing zonder draad of systeem door“ (Teil VIII), in: De Stijl 7/4 (Juli 1921), S. 99, dt. Übers. v. Nina Schallenberg: Harmonie und Störung, in: Ausst.-Kat.: Theo van Doesburg. Komposition, hg. v. ders., Köln 2012, S. 30. „Cette dimension oblique ne détruit pas seulement les anciens moyens d’expression orthogonale (en musique, architecture, peinture, plastique, danse etc.) mais elle provoque en même temps une optique et une phonétique nouvelles.“ Theo van Doesburg: L’elémentarisme et son origine, in: De Stijl 87–89 (1928), S. 23, dt. Übers. v. Schallenberg: Harmonie und Störung, S. 39. van Straaten: Theo van Doesburg – Konstrukteur eines neuen Lebens, S. 106. Noell: Im Laboratorium der Moderne, S. 133. Er war unter anderem für Wsewolod Meyerhold tätig. Vgl. Schallenberg: One had entered into something, S. 61. Theo van Doesburg: Über das Verhältnis von malerischer und architektonischer Gestaltung, S. 570; vgl. Noell: Im Laboratorium der Moderne, S. 134. Vgl. Kapitel II, S. 92.

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3. Tanzen im Atelier

Bild 127  Simultan-Porträt von dem Tänzer Valentin Parnac während seines Tanzes „Épopée“ mit Theo van Doesburgs „GegenKomposition XVI“, Clamart, um 1925, Fotografie, 178 × 119 mm, Den Haag, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Schenkung van Moorsel.

austesten. Als Tänzerin verdeutlicht sie in den Fotografien die Störung des körperlichen Gleichgewichts durch van Doesburg. Mit einer Einheit aus Malerei (Farbe), Bewegung (Tanz), Architektur und Musik sollte der Tanzsaal der „Aubette“ dem „modernen Nervensystem“ der Menschen entsprechen.176 Die rhythmisch bewegten Körper der Tanzenden sollten eins werden mit den Rhythmen der Bilder. Van Doesburg lud zwar Tänzer in sein Atelier ein, doch von eigenen tänzerischen Aktivitäten ist bei ihm nichts bekannt. Das Gegenteil bestätigte Clement Greenberg bezüglich Mondrian: „His one great diversion, surprisingly or not, was dancing, and I am told that he liked it so much that he often danced by himself in the studio.“177 176

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Theo van Doesburg: Farben im Raum, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit 2/4 (1929), S. 35: „Das Bedürfnis nach Farben ist dem modernen Menschen genauso unentbehrlich wie das Bedürfnis nach Licht. Bewegung (Tanz), ja sogar Lärm sind wesentliche Lebensfaktoren des modernen Menschen, des modernen ‚Nervensystems‘ geworden.“ Clement Greenberg: „Obituary of Mondrian“, in: The Nation, 04.03.1944, in: Ders.: The Collected Essays and Criticism. Vol. I: Perceptions and Judgements. 1939–1944, hg. v. John O’Brian, Chicago/London 1986, S.  189. Vgl. auch Cooper: Popular Models, 2002, S.  163. Nicht ohne

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V. Überschreiten

Bild 128  Gerard Hordijk, „Piet Mondrian tanzend in seinem Atelier“, 1927, Zeichnung, Den Haag, Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis.

Diese Äußerung wird unterstützt durch einen Brief an den Künstler vom 2. November 1927 (Bild 128), in dem der Illustrator, Maler und Schüler Mondrians, Gerard Hordijk, seine Zeichnung vom tanzenden Künstler im Atelier unter anderem mit folgenGrund begann die Fernsehdokumentation „Im Atelier von Piet Mondrian“ (Arte, Frankreich, 2010), die Szenen im nachgebauten Studio des Künstlers zeigt, mit einer Szene, in der der Künstler wippend und tanzend im Atelier zu sehen ist.

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3. Tanzen im Atelier

den Zeilen auf den Punkt brachte: „[…] und oben über all dem tanzt Pierre Mondrian den Charleston bei seinem roten Grammophon […]. Das ist die einzige Musik, die zu seinem Atelier passt. Neben dem wird auch mal Beethoven gespielt, das kracht ihm zufolge ordentlich. Ich habe gerade das Porträt von diesem sonderbarsten aller Menschen fertig, eine große stehende Figur in seinem Atelier gemalt. Ich […] habe hier unglaublich viel gelernt. Hier kann man begreifen, was Malerei ist […].“178 In diesen Zeilen fällt auf, dass es für Hordijks Charakterisierung Mondrians besonders naheliegend war, diesen mit dem Tanz (im Atelier) zu verbinden. Auf die Ausführung zu Mondrians Charleston-Tanz und zu seinen Jazzplatten folgt sogleich die Erkenntnis, dass man dort begreifen könne, was Malerei sei. In der Zeichnung selbst erscheint mit Hilfe eines Pfeils ein Hinweis auf ein kleines, erleuchtetes Fenster. Das Schild mit der Nummer  26 weist darauf hin, dass es sich um Mondrians ­Atelier in der Rue du Départ Nr. 26 handeln muss. Im Hintergrund ist der Eiffelturm erkennbar. Die Dunkelheit ist hereingebrochen. Nur ein kleines Fenster im obersten Stock ist noch erleuchtet, ein Hinweis, dass die Nachtruhe dort noch nicht begonnen hat. Wie in einem Storyboard durch eine gestrichelte Linie getrennt, gibt der Zeichner den Betrachtenden Einblick in das Geschehen im Innenraum. Denn für die kleine Figur inmitten rechteckiger Formen fängt die Nacht gerade erst an. Der ganze Raum besteht – angelehnt an die reale Situation in Mondrians Atelier – aus viereckigen Flächen: Ofen, Stühle und Teppiche, bekannt aus den zahlreichen Fotografien. Die Figur, auf einem Teppich stehend, der wie eine Bühne für sie ausgelegt zu sein scheint, hat die Beine angewinkelt. Ihre Knie zeigen, umständlich verdreht, zueinander und die Füße wollen nach außen. Die X-Beine waren ein stilistisches Merkmal des Charleston-Tanzes. Mondrians Interesse für Tanz wurde von seinen Zeitgenossen kontrovers diskutiert.179 So ist einem Bericht, erneut von Greenberg, zu entnehmen, dass der Künstler, entgegen seiner wohl introvertierten Art, beim Tanzen eine Verwandlung durch-

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Übersetzt von der Autorin. „[…] en boven dit alles uit danst Pierre Mondrian de Charleston bij z’n roode gramophoontje op de sterkst gescandeerde jazzplaten. Dit is de eenige muziek, die bij zijn atelier past. Naast hem wordt wel eens Beethoven gespeeld, dit detoneert volgens hem ontzettend. Heb juist ’t portret van deze zonderlingste aller menschen klaar, een groote staande figuur, in zijn atelier geschilderd. Ik ben goed op dreef en heb hier ontzettend veel geleerd. Hier kom je er pas achter wat schilderen is, zoodat ik dan ook voor de Salon geweigerd ben, tot groote verontwaardiging van Pierre, bij wien ik geen kwaad kan doen. Mijn schilderijen delen bovendien dit lot met 4099 andere zoodat ik me niet eens op den uitzonderingspositie kan beroemen.“ Vgl. auch Hanssen: De schepping van een aards paradijs, S. 303. Jacobien de Boer / Marijke de Vries: Muziek & dans. De passies van Piet Mondriaan, Amersfoort 1999.

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V. Überschreiten

machte.180 Die amerikanische Künstlerin und Journalistin, Charmion von Wiegand, die mit Mondrian in New York Bekanntschaft machte, berichtete Ähnliches: „But his delight of dancing to boogie-woogie music was unfeigned. […] He had a wonderful sense of rhythm but liked very complicated steps, and he held me at a disconcerting distance – which did not make dancing with him easy. In the middle of a dance, when the orchestra switched suddenly from boogie-woogie to jazz, he stopped abruptly: ‚Let’s sit down. I hear melody.‘“181 Dies bestätigte wohl auch Bessie Chosak, die Ehefrau des Malers Stuart Davis, der zufolge Mondrian ein hervorragender Tänzer war, der jedoch über eine solch ‚gelehrte‘ Schrittkenntnis verfügte, dass es ihr schwerfiel, ihm zu folgen.182 In etlichen Aussagen von Mondrians Zeitgenossen wird die Verwunderung über den elaborierten und zugleich seltsamen Tanzstil des Künstlers ausgedrückt.183 Bessie Chosak, Seuphor bezeichnete Mondrians Tanzeinlagen als „ridiculous spec­ tacles“ und gab 1956 zu: „It took me years to realize how serious he was about dancing.“184 Er verglich den Maler mit einem „zum Leben erweckten Automaten“185. So auch der Mondrian-Sammler Sal Slijper: „Du hattest das Gefühl, dass er ein Korsett trug, er tanzte auf eine beinahe mechanische Art und Weise.“186 Der Architekt Jacobus Johannes Pieter Oud bemerkte dazu: „[…] lost in thoughts, well in step, always correct, he nevertheless created his own ‚Tanzfigur‘: one wants to say – an abstract

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Clement Greenberg: „Obituary of Mondrian“, S. 187–189. Die Ignoranz der Kunstgeschichte bezüglich der tänzerischen Seite von Mondrian wurde bereits von Cooper kritisiert (in: Popular Models, S. 164). Und auch in der neueren Rezeption (Katalog zu einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin 2015) wird dieser Aspekt seines Werkes komplett außer Acht gelassen (vgl. Ausst.-Kat.: Piet Mondrian. Die Linie, hg. v. Hans Janssen, Berlin 2015). Eric Domela Nieuwenhuis: „Last night I dreamed a new composition“. Historical Sources on Mondrian’s Final Work, in: Inside out Victory Boogie Woogie, hg. v. Maarten Bommel / Hans Janssen / Ron Spronk, Amsterdam 2012, S. 38. Charmion von Wiegand besuchte Mondrian am 12.  April 1941 in seinem Atelier, um einen Artikel für das Magazin „Living Age“ zu schreiben (Ebd.). Michel Seuphor: Piet Mondrian. Leben und Werk, Köln 1957, S. 170. Vgl. auch Lien Heyting: De wereld in een dorp. Schilders, schrijvers en wereldverbetenaars in Laren en Blaricum. 1880–1920, Amsterdam 1995, S. 230–233. Michel Seuphor: Piet Mondrian. Life and Work, New York 1956, S. 168. „Tot leven gewekte automaat“, übers.  v. d.  Autorin, zit.  n. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, S.  121. Cooper kritisierte die Assoziation des Maschinellen mit Mondrians Tanz. Vgl. ders.: Popular Models, S. 166 f. „Je had het gevoel dat hij een korset droeg, hij danste ’op een bijna mechanische manier“, übers. v. d. Autorin, zit. n. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, S. 120. Dies erinnert wiederum an die Choreografie des „Triadischen Balletts“, die ebenfalls als Maschinentanz wahrgenommen wurde (vgl. Kapitel IV, S. 138 f.).

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3. Tanzen im Atelier

figure.“187 Auch Max Ernst verband Mondrians Tanz mit Abstraktion: „It was alive, a design, the way he danced – really abstract.“188 In allen diesen Bemerkungen geht es um die Exaktheit, Geradlinigkeit und Sorgfalt von Mondrians Tanzschritten.189 Auch etwas Abstraktes, Maschinelles oder Mechanisches hatte sein Tanz angeblich. Es wird deutlich, dass die Zeitgenossen Bezüge herstellten zwischen seinem Stil im Malerischen wie im Tänzerischen.190 Die Berichte inszenierten den Künstler als Seismografen, der die Bewegung des Tanzes in seine Bilder einzugravieren vermochte, oder umgekehrt als Automaten, der die Muster seiner Bilder auf die Tanzfläche übertrug. In dem Text „Jazz and Neo-Plastic“ (1927) stellte Mondrian das Nachtleben mit Bars und Tanzlokalen, Jazzmusik, Rhythmus, Beleuchtung und Reklame als Sinn­ beispiel des neuen Lebens heraus.191 Die gegenläufigen Rhythmen des Alltags fänden dort wieder zu einem Gleichgewicht zusammen. Das Tanzlokal bot den Besuchern die Möglichkeit, sich im tänzerischen Exzess zu verlieren und den Körper von der Arbeit oder gesellschaftlichen Konventionen zu befreien. Gesellschaftliche Hierarchien waren dort aufgehoben: Die Besucher definierten sich über ihre tänzerischen und athletischen Qualitäten, die Mondrian, wie es bereits anklang, scheinbar zu perfektionieren suchte.192 Moreck zufolge könnten nur solche Eigenschaften des Tanzes vom Künstler bildlich manifestiert werden, die er auch selbst erfahren hat: „Es wird ihm aber leichter werden, sich zu tänzerischem Sehen und Empfinden zu bilden, wenn er an der Möglichkeit raumkünstlerischer Körperübung nicht ablehnend vorübergegangen ist,

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Von Maur: Mondrian and Music, S. 294; Cooper: Popular Models, S. 165. Jay Bradley: „Max Ernst Remembers Mondrian“, in: The Knickerbocker Weekly 14. 02. 1944, S. 25, zit. n. Cooper: Popular Models, S. 165. So ähnlich wurde auch Paluccas Tanz charakterisiert. Dennoch waren es Eigenschaften, mit denen der zeitgenössische Gesellschaftstanz häufig assoziiert wurde. Depero berichtete beispielsweise über die neuen Tänze bei seinem Besuch in New York: „When you talk about dance, you wrongly say that American dances are barbaric. As for me, I state that they are very healthy and typcially energetic. The Fox-Trot, the Charleston, the Rumba, are mechanical dances, that is to say gymnastics, developing muscles and elasticity.“ Ausst.-Kat.: Depero Futurista & New York. Il futurismo e l’arte pubblicitaria, hg. v. Maurizio Scudiero / David Leiber, Rovereto 1987, S. 273; Felicia M. McCarren: Dancing Machines. Choreographies of the Age of Mechanical Reproduction, Stanford, CA 2003. Piet Mondrian: Jazz and Neo-Plastic (1927), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 221–222. Alexa Geisthövel: Das Tanzlokal, in: Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahr­hunderts, hg. v. ders. / Habbo Knoch, Frankfurt/M. 2005, S. 148–149. Sein Interesse an Dalcrozes rhythmischer Gymnastik, seine Faszination für Josephine Bakers ‚Athletizismus‘ sowie seine Teilnahme an Tanzstunden wurden bereits als ‚Körperkult‘ beschrieben. Vgl. Cooper: Popular Models, S. 167–168.

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V. Überschreiten

Bild 129  Andy Warhol, Tanzdiagramm „Tango“, 1962, Acryl auf Leinwand, 181,1 × 132,1 cm, Nachlass des Künstlers. Bild 130  Andy Warhols Tanzdiagramm „Fox Trot“, 1965, fotografische Installationsansicht, Retrospektive am Institute of Contemporary Art, Philadelphia/Pittsburgh, The Warhol Museum.

wenn er einmal, und wäre es auch nur für ganz kurze Zeit, jene von innen aufsteigende Energiewelle, die die Be­­we­gung formt, erfahren hat. Dann wird er den Schwung, der sich in den Raum gießt, die Spannung, die alle Kraft zurückhält, auch später in sich spüren und seine Hand wird das formen, wozu sein Körper nicht befähigt ist: die Symbolzeichen seines inneren Erlebens.“193 Idealerweise sollte sich der Künstler, ebenso wie der Tänzer, „raumkünstlerischer Körperübung“ widmen.194 Nur dann sei es möglich, den Tanz auch mit seinen rhythmisch-dynamischen Eigenschaften in ein eigentlich statisches Medium zu übertragen. Bei Mondrian könnte das durchaus der Fall gewesen sein. Die Forschung ist sich einig, dass die Begeisterung für Musik und moderne Tänze seine Malerei vehement beeinflusst hat.195 Sein Tanz sollte sich geradezu analog zu seiner Tätigkeit als Maler verhalten196 und auch

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Moreck: Tanz in der Kunst, S. 15. Ebd. Von Maur: Mondrian und die Musik, S. 296. Dies., S. 294.

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3. Tanzen im Atelier

der Jazz bedeutete ihm ähnlich viel wie seine Malerei.197 Ganz allgemein wurde eine Übereinstimmung zwischen seinem Lebensstil, seinen körperlichen Bewegungen und seinem Werk festgestellt.198 In Mondrians Malweise ist das nur schwer nachzuvollziehen, eher schon in der Annahme, dass seine Gemälde die Linien von Raum­

Bild 131  Piet Mondrian, „Komposition mit Schwarz, Grau, Rot, Gelb, Blau“, 1920, Öl auf Leinwand, 100,5 × 101 cm, London, Tate Gallery.

wegen im Tanz darstellen. Die Kompositionen B und C von 1920 wurden bereits als Tanzflächen aus der Vogelperspektive aufgefasst oder – im Vergleich mit Warhols Tanzdiagramm des Tango – als Schrittanleitungen für die Betrachtenden (Bilder 129 und 130).199 Warhols Diagramme boten die Möglichkeit, Raumformationen mit Schritten aus verschiedenen Tanz­stilen als Bild beziehungsweise wie es die Ausstellungsansicht zeigt, als Bodenfläche zu betrachten. Das abstrakte Schuhsolenschema lud die Besucher zum Abschreiten ein, um unmittelbar den Tanz nachzuahmen. Eine bildliche Tanzanleitung forderte dazu auf, selbst tätig zu werden. Vor allem Mondrians Rasterkompositionen aus den 1920er Jahren, bei denen die Linie noch eine untergeordnete Rolle spielte, wurden, wie Delaunays „Bal Bullier“, aus verschiedenen miteinander kombinierten Farbflächen erzeugt, die sich gegenseitig kontrastieren und so unterschiedlich stark aus der Fläche hervortreten. Dadurch entsteht der Eindruck eines rhythmischen Pulsierens, wie bereits bei Taeuber-Arp und van Doesburg beschrieben (Bild  131, Farbtafel 21). Das erinnert an die Diskotanzflächen der 1970er Jahre, die ebenfalls in farblich unterschiedliche und zudem

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Blotkamp: Art of Destruction, S. 166. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, S. 120. Vgl. Cooper: Popular Models, S. 172–174. Dass Raumwege durch Linien, Flächen oder Muster im Bild oder direkt auf den Boden gezeichnet sind, erinnert ebenfalls an die Fotografie von Tänzerinnen, die die Tanznotation Rudolf Labans, auf dem Boden aufgebracht, nachtanzen (vgl. Kapitel II, S. 93 f.).

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V. Überschreiten

Bild 132  Beleuchtetes Tanzparkett im Stil der siebziger Jahre.

Bild 133  Korean Dance Master, Video, YouTube.

beleuchtete Vierecksfelder unterteilt waren (Bild  132, Farbtafel 22). Auch in den „Dance Game“-Videospielen, bei denen die farbig leuchtenden quadratischen Bodenfelder die Bewegung der Tanzenden vorgeben, spiegeln sich Mondrians Komposi­ tionen wieder (Bilder  133 und 134, Farbtafel 23 und 24). Handelt es sich in diesen

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3. Tanzen im Atelier

Vergleichen zwar um spätere und stark vereinfachte Formen des Tanzes, so wird doch ersichtlich, welche visuellen Schemata der tänzerischen Bewegung in den Kompositionen Mondrians aus den 1920er Jahren schon mitschwingen. Kurz vor Beginn der 1920er Jahre intensivierte sich Mondrians Interesse am Tanz. Während des Ersten Weltkrieges war es ihm nicht möglich, aus den Niederlan-

Bild 134  „Dance Mat Pad“ für Play Station 2.

den nach Paris zurückzukehren. Er verbrachte die Jahre zwischen 1915 und 1919 in den kleinen niederländischen Gemeinden Laren und Blaricum.200 Dort nahm er regelmäßig Tanzstunden, lernte neue Tanzformen kennen und eignete sie sich an. Etwa zeitgleich bewegte sich seine Malerei, trotz der Abgeschiedenheit, in Richtung Neoplastizismus. Nelly van Doesburg erinnerte sich kurz nach dieser Zeit in den Niederlanden an Mondrians Fortschritte im Tanz: „By the time I met him in Paris (early 1921), he had already given up the waltz, and, if I remember correctly, he took lessons in such modern steps as the fox-trot, tango, etc.“201 200 201

Da er ursprünglich nur für einen kurzen Aufenthalt in die Niederlande gereist war, sind viele seiner Werke im Pariser Atelier geblieben. Nelly van Doesburg: Some Memories of Mondrian, in: Ausst.-Kat.: Piet Mondrian. 1872– 1944, hg. v. Solomon R. Guggenheim Museum, New York 1971, S. 70. Nelly van Doesburg war Pianistin und Tänzerin. Sie hatte Unterricht bei Dalcroze und im Ballett gehabt und (in der Pariser Zeit) selbst Stücke für Klavier und Tanz geschrieben und heuerte schließlich unter russischem Pseudonym bei einer Ballettkompanie an. Vgl. Wies van Moorsel: Nelly van Doesburg. 1899–1975, Nijmegen 2000, S. 112–113. Es kam wohl des Öfteren zu einem Austausch der beiden bezüglich Musik und Tanz (Ders., S.  83). Mondrian soll ihr die Grundschritte des Charleston beigebracht haben (Ders., S. 41). Durch Nellys Besuch der DalcrozeSchule könnte Mondrian von dessen Rhythmuslehre Kenntnis erhalten haben: „Neben der Musik war ich eine Zeit lang tanzbegeistert und nahm Unterricht an der Dalcroze-Schule.“ „Ik was naast de muziek al een tijd lang enthousiast voor de dans en volgde lessen op de

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V. Überschreiten

Bild 135  Piet Mondrian, „Komposition IV (Fox Trot)“, 1929–30, Öl auf Leinwand, 78,2 × 78,2 cm, New Haven, Conn., Yale University Art Gallery.

In der „Komposition IV“, die Mondrian selbst auf der Rückseite auch mit „Fox Trot“ betitelt hat, stoßen die Betrachtenden immer wieder auf Hindernisse, Richtungsänderungen und Gegenbewegungen, wenn sie der Linie folgen (Bild 135). Die Fixierung auf einen bestimmten Punkt ist kaum möglich. Durch die Linien, die meist über die Leinwand hinausweisen, ist die Komposition offen.202 Die Bildbetrachtung wird zu einem Prozess in Raum und Zeit. Zugleich evozieren die strenge Ordnung und der Rückgriff auf einfache, klare Elemente einen Gleichgewichtszustand, der aber immer wieder durch Brüche der Harmonie gestört wird: Während die Linie rechts im Bild breiter ist, überschneiden sich hingegen die anderen zwei. Die eigentlich diagonalen Linien werden durch die Hängung der Leinwand als Raute begradigt, sodass deren Dynamik wiederum eingedämmt wird. Dieses Pendeln der Bildkomposition zwischen Stillstand und Bewegung, Symmetrie und Asymmetrie ist auch in anderen Linienkompositionen Mondrians nachzuvollziehen. Der Künstler betrachtete den modernen Gesellschaftstanz, wie er ihn selbst praktizierte, als Linienkomposition. Wie es im Zitat von Wiegand bereits anklang, stoppte er abrupt den Tanz, sobald er neben dem Rhythmus eine Melodie hörte, die

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Dalcroze school.“ Zit. n. Wies van Moorsel: Het omnisbare Dadaistische Muziekinstrument, in: Evert van Straaten (Hg.): Theo van Doesburg. 1883–1931. Een documentaire op basis van materiaal uit de schenking van Moorsel, Den Haag 1983, S. 17. Klara Weyergraf-Serra: Piet Mondrian und Theo van Doesburg. Deutung von Werk und Theorie, München 1979, S. 10–11.

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3. Tanzen im Atelier

für ihn „das Runde“ symbolisierte.203 Dies verfolgte er auch im Malerischen: „More and more I excluded from my painting all curved lines […].“204 Wie zuvor schon Duncan, Laban, Kandinsky und Klee empfand auch Mondrian Analogien zwischen Tanz und Linie: „The idea of greater harmony through equivalent duality is really active in contemporary life; for example, in modern dancing, by which I mean ordinary social dancing. Previously the music and the movement of the dancing couple tended to flow together: its expression was the continuous curved line. Now, in the more advanced dance forms and in the music to which – or rather, against which – one dances, a duality is manifested in which the music and the dance are equivalently opposed. Its plastic expression is the straight line. The rhythms of the music oppose one another as well as the melody, just as the dance steps oppose each other. Thus a far greater unity is formed.“205 Die Faszination für die neuen Gesellschaftstänze bestand für Mondrian in der geraden Linie und dem ständigen Austarieren der beiden entgegengesetzten Kräfte der Tanzpartner zur Herstellung eines Gleichgewichts.206 Als geübter Tänzer wusste der Künstler: Der Zustand des Gleichgewichts ist kein statischer, sondern verlangt einen stetigen Kräfteausgleich, einerseits durch die Muskelbewegung im Körper und andererseits durch die Linienkomposition im Bild. Wie es eingangs schon bei Nijinsky und Duncan deutlich wurde, avancierten die runde und die eckige Linie nicht nur zu zentralen Kompositionselementen der modernen (abstrakten) Malerei, sondern auch der modernen (abstrakten) Tänze.

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In der Skizze Buckminster Fullers zum Gesellschaftstanz (vgl. Kapitel II, S. 80) wurden die frühen Tänze wie Walzer und Polka noch durch Wellenlinien dargestellt, während die Jazzund Swingtänze schließlich in eine scharfe Zickzacklinie münden. Diese Linie trennt den Tanz von der Entwicklung der „manual man power“ hin zu einer „mechanical and hydraulic electric power society“. Buckminster Fuller zeigt, dass die Schnelligkeit und Eckigkeit der Form allgemein und (sicher auch) der tänzerischen Bewegung mit dieser Entwicklung zunimmt. Piet Mondrian: Toward the True Vision of Reality (1941), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 339. Piet Mondrian: Natural Reality and Abstract Reality (A Trialogue) (1919–20), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 96–97; vgl. Cooper: Popular Models, S. 171. „In the new dances outside of art, the tango, fox trot, etc., we can already see something of the new idea of equilibrium through opposition of contraries.“ Piet Mondrian, in: NeoPlasticism. The General Principle of Plastic Equivalence (1920), in: Holtzman / James (Hg.): The New Art – The New Life, S. 147. Vgl. Cooper, Popular Models, S. 171. Hier sei auch noch einmal an Buckminster Fuller und die „Jitterbug Transformation“ erinnert, bei der es ebenfalls um die gegensätzlichen Kräfte­elemente der Tanzpartner im „Jitterbug“ und in der Konstruktion der platonischen Körper geht, vgl. Kapitel II, Abschnitt 2.

Ausblick

Die Bilder wurden zum Ausgangspunkt der Entwicklung des modernen Tanzes (Duncan), und den bildenden Künstlern ermöglichte die Auseinandersetzung mit dem Tanz, ihr Verständnis vom Körper und dessen Bewegung und Form im Raum zu erweitern. Aufträge zur Bühnen- und Interieurgestaltung benötigten die Beschäftigung mit einer Transformation von der gewohnten zweidimensionalen Fläche in den dreidimensionalen Raum (Schlemmer, van Doesburg, Mondrian), was sich anhand des Tanzes als räumlich und zeitlich definierte Kunst in Bewegung veranschaulichen ließ. Anders als Musik auch ein visuelles und verkörpertes Medium, konnte mit Hilfe des Tanzes ein neues Formenrepertoire erschlossen werden (Rodin, Kolbe). Spontan festgehaltene Tanzposen führten zu ungewöhnlichen Motiven von Bewegungsfiguren im Bild (Kirchner). Bilder konnten auf den Körper übertragen und somit lebendig und beweglich gemacht werden (Delaunay, Schlemmer). Bereichernd wirkte sich die bildende Kunst auf die Tänzer aus, wenn sie das Zeichnen oder die Modellierung als Form- und Raumerprobung und als Übersetzung von einer Dimension in die andere nutzen konnten (Laban, Wigman). Sie eigneten sich moderne Formen an, die für sie durch die moderne Kunst repräsentiert wurden (Palucca). Durch das Verbinden mit Begriffen wie ‚modern‘, ‚abstrakt‘ oder ‚kubistisch‘ wurde auch der Tanz in die (moderne) Kunst eingeordnet. Über Experimente mit Masken und Kostümen ließ sich Einfluss auf die Körperform und somit auch die Bewegung nehmen (Wigman, Taeuber-Arp, Schulz und Holdt, Schottmüller). Tanzen und Zeichnen verhielten sich überdies analog zueinander – während die Tanzenden Linien in den Raum zeichneten, tanzte die Hand der Künstler auf dem Blatt Papier (Nijinsky, Wigman, Kirchner, Picasso). Linienformationen oder rhythmische Farb- und Formkompositionen, die vom Tanz beeinflusst waren, zeugten weniger von einem Interesse für die Person oder Figur der Tänzer, als sie die Darstellung der Eigenschaften des Tanzes an sich ermöglichten (Taeuber, Mondrian, van Doesburg). Der Höhepunkt dieser Wechselbeziehung und ihrer medialen Überschreitung entwickelte sich im Atelier. Das Bild, der Künstler und die Tänzerin verschmolzen

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Ausblick

dort zu einer interaktiven Dreiheit; jeder wurde innerhalb dieser Interaktion der beiden Medien zu Gestaltenden. Eine solche Wechselbeziehung verneint eine rein an geistigen Inhalten interessierte Kunsttheorie und -praxis der Zeit. Die intensive Beschäftigung von bildenden Künstlern mit dem Tanz, sowohl als Zuschauende als auch als Ausführende, zeugt von einem Verständnis des Entstehungs- und Wahrnehmungspro­zesses von Kunstwerken als zeitlich, räumlich und zugleich sinnlich bedingt. Sie begreift den Körper als zentrales Formenrepertoire. Der Tanz regte dazu an, das Bild als ein Medium zu verstehen, das den Eindruck von Bewegung erzeugen kann und dies auch in der Gestaltung sichtbar werden lässt. Die Wechselbeziehung zwischen bildenden Künstlern und Tänzern identifiziert beide Seiten als Vertreter eines Denkens, das über die Grenzen des eigenen Mediums hinausging. Die Linie und der Bildrhythmus, der Ikosaeder und die Multiperspektive, die Maske und das Kostüm sowie die Antikenrezeption bildeten dabei die Scharniere eines fruchtbaren Austauschs. Kuben, Kreise und Linien wurden zu Formeln der rhythmischen, dynamischen Bewegung, bildnerisch und tänzerisch. Insbesondere das experimentelle Tanztheater, die Performance-Kunst und die Body-Art sorgten für eine Kontinuität jener Wechselbeziehungen bis ins 21. Jahrhundert.1 Jedes der hier vorgestellten Charakteristika der Kollaboration von bildenden Künstlern und Tänzern wurde in unterschiedlichen Ausprägungen erneut aufgegriffen oder (indirekt) kommentiert. Der folgende, nicht chronologisch, sondern thematisch geordnete Ausblick beleuchtet dies abschließend. Dadurch sollen sich die Geschehnisse im frühen 20. Jahrhundert besser nachvollziehen lassen und in ein neues Licht gestellt werden können. Vor dem Hintergrund einer Reaktivierung antiker Bilder durch den Tanz Duncans nahm die Künstlerin Agnieszka Brze zȧ nska ´ 2010 eine bildliche Reanimierung des in der Fotografie stillgestellten Tanzes vor (Bild 136).2 Durch die digital gezeichnete liegende Acht schreibt sich die zuvor entstandene (oder unmittelbar bevorstehende) Bewegung ins Bild ein, zusätzlich zu der fotografierten Tänzerin. Damit kommentiert das Bild die unterschiedlichen Darstellungsmodi von Abstraktion und Figuration, indem es beide vereint. Mit Hilfe von digitalen Verfahren (iPad) übertrug

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Vgl. Ausst.-Kat.: Move. Choreographing you. Art and Dance Since the 1960s, hg. v. Stephanie Rosenthal, London u. a. 2010; Rosita Boisseau / Christian Gattinoni: Danse et art contemporain, Paris 2011. ´ Abstrak­ Vgl. Anja Pawel: Sound Waves, Light Waves, Dance Waves: Agnieszka Brze˙zanskas tionsverfahren von Tanzfotografien aus der Jahrhundertwende, in: Ulrike Feist  / Markus Rath (Hg.): Et in imagine ego. Facetten von Bildakt und Verkörperung, Berlin 2012, S. 423– 440. Die Künstlerin betitelte das Bild mit „Isadora Duncan“, es handelt sich bei der Dargestellten aber wahrscheinlich um deren Schülerin Anna Duncan.

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Ausblick

Bild 136  Agnieszka Brze˙zanska, ´ „Isadora Duncan“, 2010, Tintendruck auf Papier, 45 × 35,5 cm.

sich die Aktivität der Hand der Künstlerin zudem auf die Fläche und führte dort erneut einen Tanz auf. Die Tänzerin wird somit selbst Teil der Bildgeschichte des Tanzes. Durch die Handbewegung der Künstlerin wird sie wieder verlebendigt. Die Arbeiten Brze zȧ ns­ ´ kas attestieren dem Bild, im Warburg’schen Sinne, Energie­konserve zu sein, die eine Bewegung stillstellt und auch nach langer Zeit wieder zu aktivieren vermag. Die Künstlerin verbindet darin Charakteristika, die in dieser Untersuchung eine zentrale Rolle gespielt haben: die Bewegung der ‚tanzenden‘ Hand, die Muster schafft und die wiederum mit der stillgestellten Tanzbewegung im Bild eine Verbindung eingehen und dieser somit Leben einhauchen. Die Annahme einer unsichtbaren Form, die der Tänzer im Raum mit seiner Körperbewegung schafft, drückt sich bei Laban und Wigman im kristallinen Gebäude

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Bild 137  William Forsythe, „Lectures from Improvisation Technologies“, 2011, Filmstill, DVD, The Forsythe Company und ZKM Karlsruhe.

aus, durch den Ikosaeder verbildlicht, und bei Duncan in der Linie. Bei dem Choreografen William Forsythe offenbart sich in der Videoaufnahme der „Improvisation Technologies“ von 2011 (Bild 137) das, was im frühen 20. Jahrhundert bereits angedeutet wurde: die Bildlichkeit des Tanzes aufgrund der Erschaffung von dreidimensionalen Formen im Raum bei einer Bewegung. In dem Videoausschnitt spannt Forsythe mit seinem Körper einen Hexaeder auf. Seine tänzerisch ausgeführten Raumformen werden durch digitale Nachbearbeitung und Hinzufügen einer Grafik in das Foto tatsächlich sichtbar.3 Bei der Zusammenarbeit von Merce Cunningham und Robert Rauschenberg in dem Stück „Summerspace“ (1958) werden die Tänzerkörper zu bewegten Bildern (Bild  138, Farbtafel 25).4 Der pointillistisch anmutende Bühnenhintergrund ist in Farbe und Form dem Kostüm angepasst, sodass Tänzerin und Bild verschmelzen, wie Delaunay es schon im Ansatz mit dem „Bal Bullier“ und der Simultanrobe realisierte.

3

4

In dem von Forsythe geleiteten Projekt „Motion Bank“ wurde erforscht, wie ganze Choreografien digital und grafisch erfasst und somit konserviert werden können. Dabei entstand eine große Bandbreite von aufgezeichneter tänzerischer Bewegung in den verschiedensten Stilen und Formen. Vgl. Maar: Zum Konzept der Kinesphäre bei Rudolf Laban, Richard Buckminster Fuller und William Forsythe; Dies.: Korrespondenzen zwischen Tanz und Architektur. Imaginäre und improvisatorische Raumkonzepte bei William Forsythe, in: Imaginäre Architekturen. Raum und Stadt als Vorstellung, hg.  v. Annette Geiger u. a., Berlin 2006, S. 218–235. Vgl. Gail B. Kirkpatrick: Tanztheater und bildende Kunst nach 1945. Eine Untersuchung der Gattungsvermischung am Beispiel der Kunst Robert Rauschenbergs, Jasper Johns’, Frank Stellas, Andy Warhols und Robert Morris’ unter besonderer Berücksichtigung ihrer Arbeiten für das Tanztheater Merce Cunninghams, Würzburg 1996, S. 85–88.

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Bild 138  Merce Cunningham und Robert Rauschenberg, „Summerspace“, 1958, Foto­grafie.

Anders als bei Schlemmer werden die Tänzer in ihrer Beweglichkeit durch die Gestaltung nicht eingeschränkt. Vielmehr tritt diese als reines, flächiges Gemälde und als bemalter, elastischer Anzug für eine größtmögliche Bewegungsfreiheit zurück. Ein Aufgreifen des Bildes in Pose oder Bewegung wie bei van Doesburg und Kamares findet nicht statt. Gestaltungsprozesse bestimmen und ordnen nicht nur die Architektur und bildende Kunst, sondern auch den Körper. In den Posen am Bauhausgebäude wurde Paluccas Körper eins mit der Architektur. Die Fotografien zeigten, dass beide, Tänzerkörper und Architektur, gestaltete Gebilde sind. Durch die Tanzkurven Kandinskys wurde ihr Körper geordnet und dem Bauhausstil angepasst. Die Posen wurden als geometrisch exakte Linien definiert. Paluccas Tanz wurde als der Kunst und der Architektur ebenbürtig verstanden, der Stil als übereinstimmend mit den Richtlinien der Gestaltung angesehen. Auch Valie Export passt sich in den „Körperkonfigurationen“ aus den 1970er Jahren an Architekturen an, was noch zusätzlich durch Linienkompositionen, die auf die Fotografie gezeichnet sind (ähnlich wie bei Forsythe und Brze zȧ nska), ´ unterstrichen wird (Bild 139). Sie hockt an der Kante eines Gebäudes und umschließt mit Armen und Beinen den Stein. Der Umriss des Körpers der Künstlerin lässt sich in ein Dreieck aus Linien einpassen. Auch wenn Export keine ausgebildete Tänzerin wie Palucca ist und auch wenn es sich um keinen konkreten Baustil handelt, wird der Körper zum „Formschaffenden“ erklärt, der mit der Architektur, in der er sich befindet, in Beziehung steht. Da das vorherrschende Körperbild von geometrischen Richtlinien bestimmt ist, muss zwangsläufig auch die Gestaltung der Räumlichkeiten danach ausgerichtet sein.

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Bild 139  Valie Export, „Fläche“, 1972, Körperkonfiguration, Fotografik s/w-Fotografie, Bern, Kunstmuseum Bern.

Das vielfach kritisierte Diktat der künstlerischen Gestaltung über den Tänzerkörper durch Maske und Kostüm mündete im frühen 20. Jahrhundert in die Abstraktion vom menschlichen Körper mit Hilfe von plastisch stark ausgearbeiteten Kostümen. Es äußerte sich in flächigen Posen und mechanischen Bewegungen auf der Bühne, die die Dynamik des Körpers größtenteils zu negieren suchten. Die grotesken Figuren finden sich in Cunninghams Kollaboration mit der Designerin Rei Kawakubo in „Scenario“ von 1997 wieder (Bild 140, Farbtafel 26). Die Tänzer bewegen sich in den ausgestopften Kostümen zwar puppenhaft und mechanisch, doch scheint ihnen aufgrund von leichten und dehnbaren Materialien jede Bewegung möglich zu sein. Zwar veränderten die Kostüme die anthropomorphe Körperform, doch wurde die generell extrem akrobatische, dynamische Choreografie Cunninghams nicht beeinträchtigt. Als abgeschwächte Variante spielte die Frage, was vom Menschen und vom Tanz noch übrig blieb, keine Rolle mehr. Als Tänzerin und Künstlerin gleichermaßen verkörpert Trisha Brown die Idee der linienzeichnenden Tänzerin und der tanzenden Künstlerin in einer Person. Bei den „zeichnenden Tänzern und tanzenden Zeichnern“ wurde die Linie durch ihre Nähe zur Gestik unmittelbar mit dem Körper und der tänzerischen Bewegung assoziiert und half die Übertragung einer Tanzbewegung ins Bild zu meistern. Während das Zeichnen einer Linie gar zum Gelenktanz wurde, entfaltete sich die tänzerische Bewegung im Raum zur Linienkomposition. Das Zeichnen und Entwerfen von Bildern und Modellen war für Tänzer eine Distanzierungsleistung. Über das Bild erhielten sie einen sich außerhalb ihres Körpers manifestierenden Eindruck von ihm. Brown zeichnete, während sie tanzte und hielt so den Entwicklungsprozess ihrer Choreografie fest. Auf dem Foto ist sie in Aktion zu sehen: Während sie sich

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Bild 140  Merce Cunningham und Rei Kawakubo, „Scenario“, 1997, Fotografie.

Bild 141  Trisha Brown, „It’s a Draw“, 2002, Filmstill der Performance, Trisha Brown Dance Company.

über den Boden bewegt, führt sie ein Zeicheninstrument mit, das ihre Bewegungen direkt auf das Papier überträgt (Bild 141). Ihr ging es jedoch weniger um die Notation von Choreografien als vielmehr um die Bewegungsspur, die Bilder hervorbrachte.5 5

Vgl. Angela Lammert: Trisha Brown – Tänze auf Papier und Zeichnungen in der Luft, in: Raum in den Künsten. Konstruktion, Bewegung, Politik, hg. v. Armen Avanessian / Franck Hofmann, Paderborn 2010, S. 151; Und allgemein: Ausst.-Kat.: Trisha Brown. Dance and Art in Dialogue.

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Ein erweiterter Denkprozess vollzieht sich für die Tänzerin über den Körper im Raum mit Hilfe von Papier und Stift, ganz so, wie für Rodin die Bewegung des Tanzes das zeichnerische Gefühl trainieren sollte. Bei dem Vergleich mit Taeuber-Arp, ebenfalls Tänzerin und Künstlerin, fällt auf, dass sich bei Brown eine deutlich fortgeschrittenere Kombination der beiden Medien manifestiert, die bei Taeuber-Arp gar nicht vorstellbar gewesen wäre. Dies mag durchaus daran gelegen haben, dass Brown die Performance-Kunst bereits als Ausgangspunkt hatte.6 Im frühen 20. Jahrhundert werden noch die Grenzen der beiden Medien bildende Kunst und Tanz ausgelotet. Dies ist mit einem Erneuerungsbestreben verbunden, das aber bisweilen in eine vorübergehende Rückwärtsgewandheit verfiel und darüber hinaus mit aufkommender Kritik an den zu unsichtbaren medialen Grenzen zu kämpfen hatte. Auseinandersetzungen in den späteren Jahrzehnten zeugen von einem deutlich unaufgeregteren Umgang mit einer solchen Interaktion. Es handelt sich schon um beinahe selbstverständliche Konstanten: Tanz ist Bild, Zeichnen und Tanzen werden eins, Bilder bewegen sich, Körper werden geordnet und durch Extensionen erweitert. Das Übergreifende der beiden Medien hat inzwischen eine gewisse Selbstverständlichkeit bekommen, wobei ihm aber fortgesetzt ein großes Interesse entgegengebracht wird. Davon zeugt etwa die zunehmend populäre Museumsstrategie, Tanz in den Ausstellungsraum zu verlegen, um eine unmittelbare Interaktion mit den Werken zu befördern (nicht unähnlich dem Tanzen im Atelier). 2016 tanzte im Berliner Bode-Museum eine Balletttänzerin zwischen den Skulpturen Antonio Canovas (Bild 142, Farbtafel 27).7 Dem unerfüllbaren, Wunsch, die Bilder wieder zum Leben zu erwecken (Duncan), wollte man auch hier mit der Tänzerin als Substitut ein wenig näher kommen. Trotz des an die Skulptur angepassten Kostüms wollte die Konfrontation der Tänzerin mit den Skulpturen im Raum nicht recht gelingen. Fruchtbar sind solche Verknüpfungen nur, wenn sich, wie gezeigt, Übereinstimmungen zwischen den Künstlern finden lassen, die deren Wechselbeziehung beflügeln, wie es zum Beispiel bei Kirchner und Wigman der Fall war. Nur wenn eine Sympathie für Form und Stil des Gegenübers entsteht, wenn das Verständnis von der eigenen Kunst das jeweils andere prägt und ihm neue Perspektiven aufzeigt, nur

6 7

1961–2001, hg. v. Hendel Teicher, Andover, Mass. 2002; Peter Eeeley / Philip Bither: Trisha Brown. So that the Audience Does not Know whether I Have Stopped Dancing, Minneapolis 2008; Ausst.-Kat.: Dance/Draw, hg. v. Helen Molesworth, Ostfildern 2011; Sarah Burkhalter / Laurence Schmidlin (Hg.): Spacescapes. Dance and Drawing Since 1962, Zürich/Dijon 2017; vgl. auch Carolee Schneemanns performative Körperzeichnungen in „Up to and Including Her Limits“ (1973–76). Siehe Kapitel II, Abschnitt 3. Vgl. die Ausstellung Canova und der Tanz, 21.10.2016 bis 22.01.2017, Berlin, Bode-Museum; Ausst.-Kat.: Canova und der Tanz, hg. v. Volker Krahn, Crocetta del Montello (Treviso) 2016.

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Bild 142  Die Tänzerin Alicia Rubens des Staatsballetts Berlin im Bode-Museum vor Antonio Canovas „Tänzerin mit Zimbeln“ (1809/12), 2016, Fotografie, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Bode-Museum, Foto: Daniel Hofer.

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́ Nat.araja-Bronzen Bild 143  Zusammenstellung von Fotografien zweier Siva ˉ aus dem Besitz Rodins, Paris, Musée Rodin.

dann ist es, wie Kirchner formulierte – und das gilt bis heute –, „fühlbar, wie die modernen Künste zusammenhängen“8. Erst dann kommt es, nach Wigman, zu einem „Einverständnis in künstlerischen Dingen“9. Die Beispiele verdeutlichen, dass eine Interaktion der beiden Medien auch nach 1945 stattgefunden hat. Meist bildete die Performance den Rahmen, was zu 8 9

Vgl. Kapitel V, S. 185. Ebd.

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Bild 144  Ted Shawn in „Cosmic Dance of Sí va“, 1928, New York, The New York Public Library, Denishawn Collection.

einer ungleich intensiveren Form als im frühen 20. Jahrhundert führte. Bei Brown, Brze zȧ nska ´ oder Forsythe wurde das Hinausgehen über das eigene Medium auf die Spitze getrieben. Dies liegt auch an der Verwendung von neuen, digitalen Technologien, die wiederum neue Perspektiven auf die althergebrachten Medien ermöglichen beziehungsweise alte und neue Medien miteinander verbinden. Die Interaktion von Künstlern und Tänzern lässt jedoch keinen revolutionären Erneuerungsgedanken mehr aufkommen, wie noch vor etwa einhundert Jahren. Cunningham und Rauschenberg sowie Kawakubo berufen sich nur dezent auf die Intermedialität und lassen keine Extreme mehr zu. Dennoch überdauern Wechselbeziehungen wie die zeichnenden Tänzer, wie Linientänze, Körpermasken, Tanzende, die zum Bild werden, und Tanzende im Museum, als Erweiterung des Tanzes im Atelier, fast ein Jahrhundert. War die vorliegende Arbeit auf den europäischen (mit einem Akzent auf den deutschsprachigen) Raum beschränkt, zeigen weitere Beispiele, dass auch die Untersuchung der Rezeption außereuropäischer Kunst ertragreich für das Verständnis der Wechselbeziehungen sein kann.

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Wie bereits gezeigt zeichnete Rodin unter anderem kambodschanische Tänze, mit dem Ziel ein neues Formverständnis zu inkorporieren. Zudem erhielt er von einem Archäologen im Jahr 1911 Fotografien von Bronzen, die aus dem Government Museum im südindischen Chennai stammten (Bild 143).10 Es handelt sich ́ dabei um Siva-Figuren, die den Gott in seiner zerstörerischen wie kreativen Natur des Nat.araja ˉ verkörpern, den König des Tanzes und des Schauspiels, der in mehr als hundert Posen dargestellt werden kann, die jeweils andere Bedeutungen haben. In der Montage der Fotografien, wie Rodin sie besaß, kann der Tanz von Síva multiperspektivisch und dadurch auch plastisch vor Augen geführt werden. Die indischen und später die kambodschanischen Tänze entnahmen ihre Kenntnisse derselben Quelle. Das Naˉ t. yas´astra, ˉ ein noch vor dem 2. Jahrhundert n. Chr. entstandenes Traktat, welches sich dem Schauspiel in zahlreichen Facetten ́ festgelegt widmet, beschreibt unter anderem detailliert Tanzfiguren, die durch Siva 11 wurden. Berücksichtigend, dass sich die traditionellen indischen Tänze und die Skulpturen, die Tanz darstellen, in ihren Posen stark ähneln, bedarf die dortige gegenseitige Beeinflussung von Tanz, Tanzskulpturen und Tanztraktaten noch einer Untersuchung. Der Tänzer Shawn machte sich diese Tatsache wiederum zu eigen, als er ́ Nat.araja-Skulptur eine Choreografie entwarf, die einer tanzenden Siva ˉ nachempfunden war (Bild 144).12 Zusammen mit seiner Tanzpartnerin Ruth St. Denis traten sie sogar in Indien selbst auf,13 womit sie wiederum ihre eigene Interpretation jener Tänze dort verbreiteten. Nicht nur der Einfluss der südostasiatischen Kunst auf die europäische sondern auch umgekehrt und darüber hinaus die Verflechtungen der Medien innerhalb der indischen Kunst bieten daher noch zahlreiche Forschungsperspektiven, die an die Frage anschließen: Was war zuerst, das Bild oder der Tanz?

10 11 12

13

Katia Légeret-Manochhaya: Rodin and the Dance of Shiva, New Delhi 2016, S. 7. Vgl. Paul Thieme: Das Indische Theater, in: Heinz Kindermann (Hg.): Fernöstliches Theater, Stuttgart 1966, S. 51–67. Diana Brenscheidt: Indian Influences on Modern Dance in the West, in: Ausst.-Kat.: On the Paths of Enlightenment. The Myth of India in Western Culture. 1808–2017, hg. v. Elio Schenini, Genf 2017, S. 193. Légeret-Manochhaya: Rodin and the Dance of Shiva, S. 34.

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Personenregister

Alberti, Leon Battista 27 Albers, Joseph 198 Alma-Tadema, Lawrence 23 Arnheim, Rudolf 9, 148, 164, 185 Arp, Hans 3, 21, 55–57, 60, 92 Baker, Josephine 189, 231 Bakst, Léon 23, 124 Ball, Hugo 21, 55, 57–58, 60, 100–102, 110, 112 Balla, Giacomo 23, 189 Baranov-Rossine Vladimir 15 de Beaumont, Étienne 187 Behne, Adolf 72 Belling, Rudolf 56, 73–74, 143 Biallowons, Hugo 205–207 Bie, Oskar 28–29, 37 Bienert, Fritz 153 Bienert, Ida 153 Blümner, Rudolf 132, 190–191, 193 Böhme, Fritz 140, 148, Bortoluzzi, Alfredo 149, 127 Botticelli, Sandro 27–28 Bradley, William H. 169 Bragaglia, Anton Giulio 13 Brancusi, Constantin 213, 215–216 Brandenburg, Hans 27, 28, 30, 71, 172 Brandt, Marianne 146 Brown, Trisha 93, 244, 246, 249 Brzez a˙ n´ska, Agnieszka 240–241, 243, 249 Burger, Albert 131, 140, 142–143 Calder, Alexander 189 Canova, Antonio 246 Censi, Giannina 4 Chagall, Marc 116–117

Cocteau, Jean 23 Codréano, Lizica 125–126, 213, 215–216 Consemüller, Erich 157 Corbusier, Le 143 Crane, Walter 30 Cunningham, Merce 242, 244, 249 Degas, Edgar 6 Delaunay, Robert 3, 23 Delaunay, Sonia 3, 6, 15, 23, 110, 118–126, 209, 213, 233, 239, 242 Depero, Fortunato 23, 231 van Derp, Clothilde 204 Diaghilev, Sergei 23, 121, 202 van Doesburg, Nelly 3, 222, 235 van Doesburg, Theo 3, 77, 78, 91, 92, 195, 197–198, 217, 219, 221–227, 233, 239, 243 Domela, César 217–219 Dürer, Albrecht 66, 137, 191 Duncan, Anna 240 Duncan, Isadora 1, 3, 19, 26–33, 35, 37–38, 55–56, 64, 125, 143–144, 164, 170, 172, 192, 237, 239–240, 242, 246 Duncan, Marie-Therese 172 Duncan, Raymond 32–33, 196 Ebreo, Guglielmo 27 Einstein, Carl 124 Emmanuel, Maurice 25–26, 29 Ensor, James 56 Ernst, Max 105, 108, 231 Export, Valie 243 Exter, Alexandra 3, 112 Feininger, Andreas 153, 157 Feininger, Theodore Lux 157

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Personenregister

Feuillet, Raoul-Auger 166 Fischinger, Oskar 14 Freeden, Toni 73 Fokine, Michel 117 Fontana, Lucio 8 Forsythe, William 242–243, 249 Friedrich, Caspar David 200 Fuller, Loïe 4–5, 13, 30, 125, 164, 168–169 Fuller, Richard Buckminster 79–82, 84, 95, 237 Fuller Snyder, Allegra 80–81 Genthe, Arnold 29 Ghyka, Mathila 66 Giese, Fritz 196 Goncharova, Natalia 3 Goslar, Lotte 148 Gothein, Werner 206 Gozzi, Carlo 110 Graham, Martha 1 Greenberg, Clement 227, 229 Gropius, Walter 56, 74, 157 Grosch, Karla 156 Haeckel, Ernst 70 Hamilton, Lady 29 Hanako, Madame 16 Hard, Nina 207–212 Hari, Mata 164 Hennings, Emmy 55, 60, 93 Herzog & de Meuron 60 Hildebrandt, Hans 134 Hodler, Ferdinand 15, 144, 192 Höch, Hanna 112 Hötzel, Elsa 12, 131, 140, 142–143 Hogarth, William 164–167, 170 Holdt, Walter 113, 115, 239 Hoppé, Emil Otto 122 Hordijk, Gerard 228–229 Janco, Marcel 56 Jaques-Dalcroze, Èmile 3, 33, 36–37, 56–57, 143–144, 191, 196–197, 231, 235–236 Jeanneret, Albert 143 Jung, Carl Gustav 104 Kamares 217–219, 221–226, 243 Kandinsky, Wassily 3, 12, 15, 19, 61–62, 134–135, 148–150, 152, 170, 172, 174, 194, 237, 243 Karsavina, Tamara 37, 202–204 Kawakubo, Rei 244, 249

Kersting, Georg Friedrich 200 Kessler, Harry Graf 168 Kiesler, Friedrich 75–77 Kirchner, Ernst Ludwig 57, 182, 184–187, 205–213, 239, 246, 248 Klee, Paul 3, 11–12, 23, 56, 61–62, 148, 174, 194, 198, 237 von Kleist, Heinrich 112 Knust, Albrecht 89 Kolbe, Georg 16, 56, 202–204, 213, 239 Kruscek, Maja 56 Kupka, Frantiszek 15 Laban, Rudolf 1, 21, 55–58, 60–66, 68–78, 81–96, 102–103, 108, 129, 137–138, 142, 172, 174–175, 197, 218, 233, 237, 239, 241 Larionov, Michail 3 Léger, Fernand 13, 116, 133 Leonardo 66 Levinson, André 26–28, 37, 116–117 Lipps, Theodor 7, 10, 12, 61, 193 Lissitzky, El 56 Lomazzo, Giovanni Paolo 166 Ludovici, Anthony 159, 162 Luserke, Martin 27 Magito, Victor 97 Marey, Étienne-Jules 25, 90, 167, 192 Marinetti, Filippo Tommaso 4 Massine, Léonide 23–24, 117–118, 187 Matisse, Henri 37 McNeill Whistler, James A. 169, 175 Metzinger, Jean 37 Meyer-Amden, Otto 133, 143–144 Meyerhold, Wsewolod Emiljewitsch 33, 226 Mili, Gjon 188, Millepied, Benjamin 15 Miller, Lee 105 Moholy-Nagy, László 74, 148, 153–154, 157 Mondrian, Piet 3, 13, 15, 90, 152–153, 194–198, 217–219, 221–224, 226–237, 239 Moreck, Curt 6, 132, 163, 231 von Nettesheim, Agrippa 66 Nijinsky, Vaslav 15, 33, 35–37, 122, 140, 178–182, 202, 206, 216, 237, 239 Nolde, Emil 3, 56, 106–107 Oppler, Ernst 162 Otéro, Carolina 11 Oud, Jacobus Johannes Pieter 195, 230

289

Personenregister

Palmer-Sikelianos, Eva 31–33, 37 Palucca, Gret 1, 3, 5, 9, 15, 134–135, 145–150, 152–156, 185–187, 204, 223, 231, 239, 243 Panofsky, Erwin 191–192 Parnac, Valentin 226 Perottet, Suzanne 56 da Piacenza, Domenico 26 Picasso, Pablo 23, 37, 117, 187–189, 239 Piscator, Erwin 75 Rameau, Pierre 166 Rauschenberg, Robert 242, 249 Ray, Man 217 Renoir, Pierre-Auguste 6 Richter, Hans 13, 55 Rodin, Auguste 9, 16–17, 159–164, 181, 239, 246, 250 Rudolph, Charlotte 97, 149 Russack, Hans Hermann 191 Sacharoff, Alexander 115 de Saint-Point, Valentine 4 Satie, Erik 117, 187, 216 Schatz, Paul 81, 96 Schawinsky, Xanti 56 Schikowski, John 134, 163, 187 Schilling, Erna 206 Schindler, Edgar 170–171, 192 Schlegel, Erika 103 Schlemmer, Oskar 3, 56, 86, 112, 118, 126, 128–146, 149, 156–157, 181–182, 239, 243 Seuphor, Michel 221, 230 Schmarsow, August 10–11, 191, 193–194 Schmidt, Kurt 112, 138 Schneemann, Carolee 246 Schnorr von Carolsfeld, Malvine 178 Schollar, Ludmilla 37 Schottmüller, Oda 99–100, 115, 239 Schreyer, Lothar 114 Schütt-Hennings, Annemarie 21 Schulz, Lavinia 113–115, 239 Schur, Ernst 1, 19, 29 Sebök, István 74

Shawn, Ted 33, 204, 250 Sikelianos, Angelos 31 Slijper, Salomon Bernard 230 Soret, Jacques-Louis 167 St. Denis, Ruth 164, 250 Steger, Milly 100 Steiner, Rudolf 68–69 Strawinsky, Igor 116 Survage Léopold 15 Taeuber, Hans 106 Taeuber-Arp, Sophie 21–23, 32, 55–58, 91–95, 103–105, 107–108, 110, 112–113, 115, 174, 197–198, 233, 239, 246 Taut, Bruno 71–72, 75 Tchernicheva, Lubov 122–123, 216 Thiess, Frank 30, 116, 170 Tomlinson, Kellom 165 Toulouse-Lautrec, Henri 6 Trübner, Wilhelm 190–191 Tzara, Tristan 60 Vanselow, Maria 55 van de Velde, Henry 56, 170 Volkmann, Ludwig 194, 198 Warburg, Aby 21, 25, 28, 62, 94, 108–110, 241 Warhol, Andy 233 Weininger, Andor 74 Westheim, Paul 149 von Werefkin, Marianne 56 von Wiegand, Charmion 230, 236 Wigman, Mary 1, 3, 55–58, 60–61, 64, 66, 68–69, 75–77, 87, 97–98, 100, 102, 107, 113, 141–142, 147, 171–172, 174–175, 178–179, 182, 185–187, 191, 239, 241, 246, 248 Winckelmann, Johann Joachim 32 Winkel, Fritz Wilhelm 190 Winther, Fritz 76 Wölfflin, Heinrich 10–12, 76 Worringer, Wilhelm 7 Wulff, Käthe 56 Zdanevic, ˇ Ilya 125

Abbildungsverzeichnis

  1.   2.   3.   4.   5.   6.   7.   8.   9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.

Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber, S. 128. Irene Bragantini / Valeria Sampaolo (Hg.): La pittura pompeiana, Milano 2013, S. 130, Nr. 20 b. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Zum 100. Geburtstag, S. 114. Ausst.-Kat.: Pompei e l’Europa, S. 105. Ders., S. 393. Emmanuel: La danse grecque antique, Plate V. Crane: Linie und Form, S. 224. Leontis: Griechische Tragödie und moderner Tanz, S. 208, Abb. 5. Ausst.-Kat.: Isadora Duncan. 1877–1927. Une sculpture vivante, S. 261. Pawel: Ancient Articulation?, S. 167. Ausst.-Kat.: Corps en mouvement, S. 140, Abb. 63. De Weerdt / Schwab (Hg.): Monte Dada, S. 71, Abb. 21. Preston-Dunlop: Rudolf Laban, S. 209, Abb. 80. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 149, Abb. 2. Mathila Ghyka: „L’nombre d’or. Rites et rythmes pythagoriciens dans le développement de la civilisation occidentale“, 1931, Plate XVIII. Moore: Harmonic Structure, S. 49, Abb. 2–9, 2–10 und Plate D. Preston-Dunlop: Rudolf Laban, Abb. 77 (oben). Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus, Ostfildern 1998, S. 104, Abb. 155. Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Foto: Anna Russ. Ausst.-Kat.: Rudolf Belling. Skulpturen und Architekturen, S. 121. Moore: Harmonic Structure, S. 53, Abb. 2–12. London, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive. Anton Anthonissen / Evert van Straaten: De Stijl. 100 jaar inspiratie. De Nieuwe Beelding en de internationale kunst 1917–2017, Zwolle 2016, S. 237, Abb. 276. Moore: Harmonic Structure, Plate R. Krausse / Lichtenstein (Hg.): Your Private Sky, S. 25. Krausse: Mechanischer Affe und Quantum Machine, S. 438, Abb. 7. Scheiffele: Das leichte Haus, S. 127, Abb. 176 a. Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive. Hasan-Uddin Khan: International Style. Architektur der Moderne von 1925 bis 1965, Köln 1998, S. 113. Titelseite der Zeitschrift „Schrifttanz“, 1/1 (1928). Titelseite der Zeitschrift „Schrifttanz“, 2/2 (1929). Preston-Dunlop: Rudolf Laban, S. 142, Abb. 45. Laban: Choreographie, S. 5.

292

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34. 35. 36.

Ders., S. 72. „Schrifttanz“, 1/1 (1928), S. 4–5. Étienne-Jules Marey: La méthode graphique dans les sciences expérimentales et particulièrement en physiologie et en médecine, Paris 1878, S. 159. Ausst.-Kat.: Atelier Jean Arp et Sophie Taeuber, S. 133. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Heute ist morgen, S. 232, Abb. 7. Preston-Dunlop: Rudolf Laban, S. 142, Abb. 46. Ausst.-Kat.: Swiss, made. Die Schweiz im Austausch mit der Welt, hg. v. Beat Schläpfer, Zürich 1998, S. 331. London, Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance, Laban Archive. Ausst.-Kat.: Ekstase in Kunst, Musik und Tanz, S. 150, Abb. 66. Andresen: Oda Schottmüller, S. 174, Abb. 84. Ausst.-Kat.: Dada Afrika, S. 51, Abb. 3. Ders., S. 53, Abb. 6. Ders., S. 59, Abb. 4. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. 1889–1934, S. 71 Ausst.-Kat.: Dada Afrika, S. 58, Abb. 3. Ausst.-Kat.: Emil Nolde, hg. v. Galeries Nationales du Grand Palais, Paris / Musée Fabre, Montpellier, Paris 2008, S. 243, Abb. 88. Michaud: Aby Warburg and the Image in Motion, S. 172, Abb. 62. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 196, Abb. 1. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Heute ist morgen, Abb. 125. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 82, Abb. 1. Ders., S. 134–135, Abb. 2. Ausst.-Kat.: Sonia Delaunay, S. 57. Ders., S. 58. Pawel: Dancing like Mondrian Paints, S. 278, Abb. 5. Kegler / Minta / Naehrig (Hg.): Raumkleider, S. 85, Abb. 03. Pawel: Dancing like Mondrian Paints, S. 278, Abb. 4. Ausst.-Kat.: Robert Delaunay – Sonia Delaunay, S. 217, Abb. 9 Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 177, Abb. 3. Schikowski: Die Geschichte des Tanzes, Titelseite. Sorell: Der Tanz als Spiegel der Zeit, Titelseite. Ausst.-Kat.: Mensch – Raum – Maschine, S. 11, Abb. 2. Ausst.-Kat.: La danza delle Avanguardie, S. 163 Ausst.-Kat.: László Moholy-Nagy, S. 62. Ausst.-Kat: La danza delle Avanguardie, S. 162. Ders., S. 587. Bauhaus: Zeitschrift für Bau und Gestaltung 2 (1928), S. 32. Ausst.-Kat.: Mensch – Raum – Maschine, S. 85. a. Das Kunstblatt 10 (1926), S. 119. b. Ders., S. 120. Ausst.-Kat.: Künstler um Palucca, S. 22. Funkenstein: Picturing Palucca at the Bauhaus, S. 55, Abb. 3.3. Ders., S. 56, Abb. 3.4. Ausst.-Kat.: László Moholy-Nagy, S. 27. Funkenstein: Picturing Palucca at the Bauhaus, S. 58, Abb. 3.5. Ausst.-Kat.: His Final Passion, S. 122, Abb. 60. Ders., S. 41, Abb. 68. Hofmann: Die Schönheit ist eine Linie, S. 11, Abb. 3. Ders., S. 12, Abb. 4. Ders., S. 10, Abb. 2.

37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81.

293

Abbildungsverzeichnis

  82.   83.

Étienne-Jules Marey: Le Mouvement, Paris 1894, S. 21. Jacques-Louis Soret: Des conditions physiques de la perception du beau, Genf 1892, S. 320, Abb. 64. Udall: Dance and American Art, S. 178, Abb. 106. Ausst.-Kat.: La danza delle Avanguardie, S. 212. a–d, Berlin, Akademie der Künste, Mary-Wigman-Archiv. Laban: Choreographie, S. 65. Müller: Mary Wigman, S. 97. Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche, Bild 49. Ausst.-Kat.: Paul Klee. Melodie und Rhythmus, S. 13. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp. Heute ist morgen, S. 186, Abb. 263. Steinbeck (Hg.): Mary Wigmans Choreographisches Skizzenbuch, S. 13. Ders., S. 14. Ausst.-Kat.: Gespenster, Magie und Zauber, S. 140. Ausst.-Kat.: Tanz der Farben, S. 136. Ders., S. 127. Schlemmer: Mensch und Kunstfigur, S. 14. Ausst.-Kat.: Tanz der Farben, S. 115. Ders., S. 111. Ausst.-Kat.: „Ohne Ekstase kein Tanz!“, S. 55. Brigitte Léal: Musée Picasso. Carnets. Catalogue des dessins. Vol. 1, Paris 1996, S. 381, Abb. 19 R. Ausst.-Kat.: Picasso et la danse, S. 166. Ausst.-Kat.: La danza delle Avanguardie, S. 476. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 167, Abb. 2. Kermit Swiler Champa: Mondrian Studies, Chicago/London 1985, Plate 22. Ausst.-Kat.: Vom Klang der Bilder, S. 179, Abb. 290 b. Ausst.-Kat.: Sophie Taeuber-Arp zum 100. Geburtstag, S. 14. Ausst.-Kat.: Vom Klang der Bilder, S. 34, Abb. 11. Ausst.-Kat.: Paul Klee. Melodie und Rhythmus, S. 73. Ausst.-Kat.: Tanzplastik, S. 93. Ausst.-Kat.: Georg Kolbe. 1877–1947, hg. v. Ursel Berger, München/New York, 1997, S. 42. Scotti (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Das fotografische Werk, S. 70. Wolfgang Henze (Hg.): Die Plastik Ernst Ludwig Kirchners. Monographie mit Werk­ verzeichnis, Wichtrach/Bern 2002, S. 195, Abb. 185. Ders., S. 190, Abb. 178. Scotti (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Das fotografische Werk, S. 138. Gnägi: Der Maler als Fotograf, S. 41. Ausst.-Kat.: Wilde Welten, S. 66, Abb. 8. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 223, Abb. 2. Lemny: Lizica Codréano, S. 36. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 223, Abb. 1. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, o. S., Abb. 21. Carel Blotkamp: Mondriaan. Desctructie als Kunst, Zwolle 1994, S. 150, Abb. 110. Ders., S. 157, Abb. 118. Troy: The Afterlife of Piet Mondrian, Titelbild. Anton Anthonissen / Evert van Straaten: De Stijl. 100 jaar inspiratie. De Nieuwe Beelding en de internationale kunst 1917–2017, Zwolle 2016, S. 226, Abb. 261. Ausst.-Kat.: Theo van Doesburg. Maler – Architekt, S. 103. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 144, Abb. 1. Hanssen: De schepping van een aards paradijs, o. S., Abb. 29.

  84.   85.   86.   87.   88.   89.   90.   91.   92.   93.   94.   95.   96.   97.   98.   99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128.

294

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129.

Ausst.-Kat.: Andy Warhol. Retrospektive, hg. v. Kynaston McShine, München 1989, S. 175, Abb. 161. Benjamin H. D. Buchloh: Neo-Avantgarde and Culture Industry. Essays on European and American Art from 1955 to 1975, Cambridge, Mass. / London 2000, S. 486. Yves-Alain Bois / Joop Joosten / Angelica Zander Rudenstine (Hg.): Piet Mondrian. 1872–1944, Mailand 1994, S. 195, Abb. 87. https://i.ytimg.com/vi/EwQu6hnlXH0/maxresdefault.jpg (01. 09. 2019) https://i.ytimg.com/vi/e6foXyfdW8I/maxresdefault.jpg (01. 09. 2019) http://img.weiku.com/waterpicture/2011/11/3/20/Dancing_Mat_Pad_for_PS2_Video_game_ accessories_634590336075962710_2.jpg (01.09.2019) Udall: Dance and American Art, S. 219, Abb. 126. Archiv der Autorin. Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 152, Abb. 3. https://medium.com/@jordynmichelletaylor/design-dance-efec835b4d57 (01. 09. 2019). Ausst.-Kat.: Valie Export. Mediale Anagramme, hg. v. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), Berlin 2003, S. 102. http://corp.lastlookapp.com/posts/legendary-collaboration-merce-cunningham-rei-kawakubo/ (01. 09. 2019). Ausst.-Kat.: Danser sa vie, S. 266, Abb. 1. Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Bode-Museum. Légeret-Manochhaya: Rodin and the Dance of Shiva, S. 16. Ausst.-Kat.: On the Paths of Enlightenment, S. 202, Abb. 187.

130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144.