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German Pages 316 Year 2013
Schriften zum Strafrecht Heft 238
Abschied vom Begriff der Tatbeendigung im Strafrecht Von
Chih-Jen Hsueh
Duncker & Humblot · Berlin
CHIH-JEN HSUEH
Abschied vom Begriff der Tatbeendigung im Strafrecht
Schriften zum Strafrecht Heft 238
Abschied vom Begriff der Tatbeendigung im Strafrecht
Von
Chih-Jen Hsueh
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation an der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommen. Für die Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis August 2012 nur teilweise in Fußnoten berücksichtigt werden. Danken möchte ich zuerst meinem Doktorvater Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther, der mir einen großen Freiraum bei der Anfertigung dieser Arbeit gegeben hat. Ebenso schulde ich Herrn Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Kristian Kühl großen Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine konstruktive und wertvolle Kritik. Mein herzlicher Dank gilt weiterhin Herrn Ulrich Hoss und Herrn Dr. Stefan Tippach für das geduldige Korrekturlesen des Manuskripts dieser Arbeit. Weiterhin ist Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner zu danken, der während meines Aufenthalts in Tübingen freundliche Hilfe in vielerlei Hinsicht geleistet hat. Besonderer Dank gilt zuletzt dem DAAD für die finanzielle Unterstützung für meine Promotion in Deutschland. Diese Arbeit widme ich meiner Frau Mei-Hsi. Tainan, Taiwan, im August 2012
Chih-Jen Hsueh
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil Tatbeendigung als ein ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik A. Tatbeendigung und ihre Relevanz im Strafrecht: Problemstellung . . . . . I. Die Fallgruppen des Auseinanderfallens von Tatvollendung und -beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die praktische Relevanz des Beendigungsbegriffs im Strafrecht . . . . . . . III. Fehlende gesetzliche Vorgaben für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . IV. Tatbeendigung als Abschluss einer Straftateinheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unvereinbarkeit der Stufenlehre mit dem formellen Verbrechensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zugrundelegung eines materiellen Verbrechensbegriffs in der Stufenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Straftateinheit als Grundlage des Beendigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . a) Die Bedeutung der „Straftateinheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Formen der „Straftateinheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die möglichen Vorgehensweisen zur Lösung der Beendigungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein bloßes Auslegungsproblem des Straftatbestands . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein Auslegungsproblem des Straftatbestands mit Rücksicht auf die strafrechtlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein Auslegungsproblem der gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Rechtsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Untauglichkeit des empirischen Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das rein empirische Verständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das empirisch-normativ kombinierte Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Hilflosigkeit der Rechtsfigur des Dauerdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die bisherigen Versuche zur Abgrenzung des Dauerdelikts vom Zustandsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Austauschbarkeit der terminologischen Verwendung zwischen Dauer- und Zustandsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 21 23 26 29 29 31 34 34 36 38 38 40 41 43 43 44 44 46 47 47 49
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Inhaltsverzeichnis 3. Die inhaltlichen Bedenken gegen das Dauer- bzw. Zustandsdelikt. . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Fragwürdigkeit des allgemeinen normativen Verständnisses . . . . . . . 1. Die Absichtsverwirklichung als Tatbeendigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein allgemeines Kriterium für Nicht-Absichtsdelikte . . . . . . . . . . b) Kein entscheidendes Kriterium für Absichtsdelikte . . . . . . . . . . . . . aa) Die Absichtsverwirklichung als eine selbständige Straftat . . . bb) Differenzierende Betrachtung der Absichtsverwirklichung für den Unrechtsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Abschluss der Rechtsgutsverletzung als Tatbeendigung . . . . . . . . a) Beendigungsbegriff und dualistische Unrechtslehre . . . . . . . . . . . . . aa) Uneinheitliche Begriffsbestimmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gruppierung auf der Grundlage der dualistischen Unrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Argumente gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff . . . aa) Die Außerachtlassung des Handlungsunwerts . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . c) Argumente für den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff . . . . . . aa) Die Undurchsetzbarkeit der Beendigungslehre des RG. . . . . . bb) Die rechtsstaatlich beschränkende Funktion des Handlungsunwerts nach der Tatvollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Vereinbarkeit des Beendigungsbegriffs mit dem Gesetzlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik der tatbestandsbezogenen Differenzierung des Beendigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widersprüche und Unsicherheiten zwischen den Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Widersprüche wegen fehlenden Grundgedankens . . . . . . . . . . . . . . . b) Unsicherheiten bei der Auswahl des Auslegungskriteriums . . . . . . 2. Die irreführende Auswirkung des Differenzierungsansatzes. . . . . . . . . V. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kritik der problemorientierten Differenzierung des Beendigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwei Modelle einer problemorientierten Differenzierung . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsbezogene und tatbestandslose Beendigung . . . . . . . . . . b) Erfolgs- und Verhaltensbeendigung (Kühl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Rechtsfolgen“ oder „Konsequenzen“ des Beendigungsbegriffs? aa) Die Überflüssigkeit des Beendigungsbegriffs in der Notwehrdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 55 55 56 56 59 59 59 63 63 64 64 65 67 67 69 69 71 73 75 77 78 79 80 80 82 85 86 86 86 87 88 88 89
Inhaltsverzeichnis
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bb) Das Bedürfnis nach Überprüfung der Relevanz des Beendigungsbegriffs im jeweiligen Rechtsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verkennung des Stellenwerts des Gesetzlichkeitsprinzips . . . VII. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Grundzüge des eigenen Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlage: Rechtsbereichsspezifische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweiteilung aller einschlägigen Rechtsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil Beendigungsbegriff im Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrecht
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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zugrundelegung der Straftateinheit trotz missglückter Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eine systematische Überlegung zu § 78 a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine historische Überlegung zu § 67 Abs. 4 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundgedanken zum Verjährungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfolgungsverjährung infolge Beweisverlusts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweisverlust i. S. der einzelnen Beweislage . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweisverlust i. S. einer typischen Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Positive Auswirkung der Verfolgungsverjährung auf die Strafrechtspflege?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfolgungsverjährung infolge Schwindens des Strafbedürfnisses . . . a) Aspekt der Schuldvergeltung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aspekt der Spezialprävention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aspekt der Generalprävention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unzweckmäßigkeit der Straftateinheit im Lichte des Schwindens des generalpräventiven Bedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfolgsbeendigung als Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltensbeendigung als Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbegriff i. S. der Straftateinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umstrittene Einzelfälle der Trennbarkeit der Straftateinheit (1) Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatbestandliche Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sog. Presseinhaltsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine zwingende Vorgabe im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . cc) Folgerung aus dem Schwinden des positiven generalpräventiven Bedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandsmäßigkeit des Beendigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . .
101 103 103 104 106 106 106 109 110 112 113 114 117 121 121 124 125 125 125 126 128 130 132 134
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Inhaltsverzeichnis aa) Aktuelle Rechtsprechung beim Verjährungsbeginn von Bestechungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundlage: Unrechtsvereinbarung als ungeschriebenes Element des Unrechtskerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mehrere Möglichkeiten der Beendigung von Bestechungsdelikten im Hinblick auf den Erfüllungsgrad der Unrechtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Endgültiger Abschluss des Rechtsgutsangriffs als Verjährungsbeginn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenzen für den Verjährungsbeginn von Bestechungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Beendigungsbegriff im intertemporalen Strafanwendungsrecht . . . . . . . . . I. Einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten gemäß § 2 Abs. 2 . . . . . . . . . II. Die rückwirkende Auswirkung des § 2 Abs. 2 und seine Einschränkung durch das Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rückwirkung des neuen Gesetzes aufgrund der Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkung des § 2 Abs. 2 durch das Rückwirkungsverbot . . . . . . 3. Faktische Aufgabe der Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen für den Tat- und Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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135 136 139 141 142 143 144 144 145 147 148
D. Zusammenfassung des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Dritter Teil Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
151
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 B. Der Beendigungsbegriff und die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beendigungsphase des Grunddelikts als tauglicher Anknüpfungspunkt des qualifizierenden Umstandes (§§ 244, 250, 251). . . . . . . . . . . . . 1. Einteilung in Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigungsbegriff und Koinzidenzverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand zum maßgebenden Zeitraum des Grunddelikts . . . aa) Die Rechtsprechung: Beendigung als das Ende des Zeitraums des Grunddelikts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die herrschende Meinung: Vollendung als das Ende des Zeitraums des Grunddelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die differenzierende Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zwischen Wegnahmebegriff und Gewahrsamssicherung aa) Die Offenheit des Wortlautarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152 153 153 154 154 154 156 157 158 158
Inhaltsverzeichnis
II.
(1) Der Streitpunkt: Die Wortlautgrenze der „Wegnahme“ (2) Die Vereinbarkeit der Gewahrsamssicherung mit dem Wortlaut der „Wegnahme“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzessystematische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Auffangfunktion des § 252 gegenüber § 249 . . . . . . (2) Tatbestandsmerkmale des § 252 als Anhaltspunkte für den Rückschluss auf die Reichweite des Wegnahmebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Einheitlichkeit des Wegnahmebegriffs innerhalb der Eigentumsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konsequenzen für den Wegnahmebegriff . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für das Koinzidenzverhältnis des Grunddelikts zum qualifizierenden Umstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beendigungsbegriff und Konditionalverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand zum maßgeblichen Zeitraum des Grunddelikts . . b) Die innertatbestandliche Funktion des Merkmals des Grunddelikts beim erfolgsqualifizierten Delikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für die Rolle des Beendigungsbegriffs bei Auslegung des Merkmals des Grunddelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Beendigungszeitpunkt der Vortat als deren zeitliche Abgrenzung zum Anschlussdelikt (§§ 257 ff.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begünstigung (§ 257) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand zum Verhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung als konkurrenzrechtliches Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Zweideutigkeit des Abgrenzungsproblems . . . . . . . . . . . . bb) Die Ablehnung des tatbestandlichen Exklusivverhältnisses (1) Der Strafausschlussgrund nach § 257 Abs. 3 S. 1 als Anhaltspunkt für das tatbestandliche Exklusivverhältnis (2) Die Tatbestandsfassung des § 257 Abs. 1 als Anhaltspunkt für das tatbestandliche Exklusivverhältnis . . . . . . . (3) Fallkonstellationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Fragwürdigkeit der tatbestandlichen Abgrenzung anhand der Willensrichtung des Hilfeleistenden . . . . . . . (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafvereitelung (§ 258) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein tatbestandliches Abgrenzungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Konkurrenzproblem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hehlerei (§ 259) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Meinungsstand zum Verhältnis zwischen Vortat und Hehlerhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sacherlangung als Abschluss der Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Konkurrenzproblem bei gleichzeitiger Verwirklichung von Vortatbeteiligung und Hehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Beendigung des Diebstahls als Endpunkt des § 252 . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand über das Verhältnis der Beendigung des Diebstahls zum Endpunkt des § 252. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die innertatbestandliche Funktion des Merkmals „bei dem Diebstahl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auswirkung der Ratio des § 252 auf das Merkmal „Tatfrische“ a) Die Ratio des § 252 und ihre Konsequenz für die Reichweite der Tatfrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gleichrangigkeit des Unwertgehalts in den §§ 252 und 249 aa) Die Ablehnung des kriminalpsychologischen Erklärungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Unwertdefizit zwischen Nötigungsmitteleinsätzen vor und solchen nach der Wegnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewahrsamssicherung als äußerste Grenze der Tatfrische . . . . . . . 4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen der sukzessiven Tatbeteiligung und ihre Problematik . . . . . . . . . 1. Formen der sukzessiven Tatbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungszeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyse der „besonderen“ Problematik der sukzessiven Tatbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwei Hauptprobleme der Rechtsfigur der sukzessiven Tatbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Kernproblem: Umfang des beteiligungsfähigen Tatbegriffs . . aa) Gesetzliche Beteiligungsregelungen als Grundlage der rechtlichen Würdigung der sukzessiven Tatbeteiligung . . . . . bb) Die entscheidende Bedeutung des Merkmals „die Straftat“ (§ 25 Abs. 2) und des Merkmals „rechtswidrige Tat“ (§§ 26, 27 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand zum Umfang der beteiligungsfähigen Tat . . . . . . . . . . . . . 1. Standpunkt der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standpunkt der überwiegenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der letztmögliche Zeitpunkt der Tatbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten . . . III. Die Orientierung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs am Straftatbestand des einzelnen Delikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 189 190 191 192 192 193 195 195 198 198 198 200 202 202 204 205 205 205 206 207 207 208 208
209 211 211 213 213 215 216
Inhaltsverzeichnis 1. Strafbare Beteiligung als Beitrag zur zukünftigen Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beteiligungsunfähigkeit der tatbestandslosen Beendigungsphase einer Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ein Problem der Auslegung des Straftatbestands . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzutreffende Zugrundelegung des konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abstellen des beteiligungsfähigen Tatbegriffs auf die formelle Tatbestandsverwirklichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mehrdeutigkeit des Kriteriums der zukünftigen Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung des Tatbegriffs nach Täterschaft und Teilnahme durch den Grundsatz der Akzessorietät?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Abstellen auf die Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für die Problematik der sukzessiven Beteiligung . . . aa) Zurechenbarkeit des qualifizierenden Umstands . . . . . . . . . . . bb) Beteiligung am reinen Kausalverlauf zum tatbestandsmäßigen Erfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sukzessive Beteiligung am mehraktigen Delikt . . . . . . . . . . . . c) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beendigungsbegriff und Vorsatzlehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbeendigung als Gegenstand des Anstiftervorsatzes (§ 26) . . . . . . . . . . 1. Der Beendigungsbegriff in der Vorsatzlösung des „agent provocateur“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriminalpolitische Hintergründe für die Straffreiheit des agent provocateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundzüge der Vorsatzlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Anwendungsbereich des Beendigungsvorsatzes sowie Einwände dagegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Beendigungsvorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich des Beendigungsvorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einwände gegen den Beendigungsvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionales Verhältnis der Anstiftung zum Deliktstatbestand . . . b) Konsequenz für die Provokation des abstrakten Gefährdungsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenz für die Provokation von Delikten mit überschießender Innentendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Legitimationsbedürfnis der Vorsatzlösung. . . . . . . . . . . . . bb) Das Rechtsgüterschutzprinzip innerhalb der Teilnahmedogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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216 217 217 218 220 220 221 223 223 224 224 225 227 227 228 228 229 229 229 231 234 234 234 236 237 237 239 241 241 243
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Inhaltsverzeichnis d) Erwiderungen auf die Kritik von Schwarzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbeendigung als tauglicher Zeitpunkt der Vorsatzbildung. . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Vorsatzbildung in der Beendigungsphase beim Entfernen vom Unfallort nach § 142 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unfallort“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die zeitliche Ausdehnung des „Sich-Entfernens“. . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beendigungsphase der Straftat als tauglicher Zeitraum für „dieselbe Handlung“ (§ 52 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis zwischen Handlungseinheit und Beendigungsbegriff 2. Das Legitimationsproblem der Teilidentitätsformel . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Fehlen eines gesetzlichen Anhaltspunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerspruch innerhalb der Teilidentitätsformel und ihr Konflikt mit anderen Konkurrenzregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Widerspruch innerhalb der Teilidentitätsformel . . . . . . . . . . . . bb) Konflikt der Teilidentitätsformel mit anderen Konkurrenzregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung der Legitimation der Teilidentitätsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches zum konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff . . . b) Handlungsidentität innerhalb der natürlichen Handlungseinheit . . c) Handlungsidentität innerhalb der rechtlichen Handlungseinheit . . aa) Einheitlichkeit des Rechtsgutsangriffs als Grundlage der rechtlichen Handlungseinheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel gegenüber der rechtlichen Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Problematik der Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Anwendbarkeit der Teilidentitätsformel in Einzelfällen (1) Sog. Dauerdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mehraktige und zusammengesetzte Delikte . . . . . . . . . . . . ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Beendigungszeitpunkt der neuen Tat als maßgeblicher Begehungszeitpunkt für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 1). . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244 245 246 247 248 248 250 250 252 254 254 255 256 256 259 259 260 260 262 263 264 264 267 269 269 270 272 275 275 279 281 282 282 283
Inhaltsverzeichnis 2. Die Ableitung des Begehungszeitpunkts aus dem Grundgedanken der nachträglichen Gesamtstrafenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begehungszeitpunkt des Täters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unabhängigkeit der Gesamtstrafenbildung von prozessualen Zufälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Missachtung der Warnfunktion der Vorverurteilung . . . . . . . . b) Der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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286 286 286 289 291 292 293
F. Zusammenfassung des Dritten Teils. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Gesamtergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Einleitung A. Die vorliegende Untersuchung hat den in der Strafrechtsdogmatik seit langem verankerten Beendigungsbegriff zum Gegenstand. Herkömmlich gibt es zwei Bezeichnungen in der Strafrechtsdogmatik für den Abschluss einer Straftat: die eine ist die (Tat-)Vollendung, und die andere ist die (Tat-)Beendigung.1 Diese beiden Bezeichnungen unterscheiden sich zwar in der Umgangssprache kaum, sind aber in der Fachsprache der Strafrechtsdogmatik nicht gleichzusetzen. Mit „Vollendung“ wird die erstmalige Verwirklichung des Straftatbestands des einzelnen Delikts bezeichnet. Als das Gegenstück der Tatvollendung wird der Begriff der „Tatbeendigung“ verwendet, um den endgültigen Abschluss einer Straftat zu beschreiben. Im Regelfall findet eine Straftat mit der erstmaligen Tatbestandsverwirklichung bereits ihren endgültigen Abschluss. Dann trifft der Zeitpunkt der Tatvollendung mit dem der Tatbeendigung zusammen. So ist z. B. eine vorsätzliche Tötung (§ 212 StGB2) mit dem Eintritt des Todeserfolges nicht nur vollendet, sondern auch endgültig abgeschlossen, weil das Leben des Opfers bereits mit seinem Tod vernichtet ist.3 Insoweit kommt dem Begriff 1 Terminologisch wie hier Ebert, S. 117; LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 17 ff.; Gropp, § 9 Rn. 9; Küper, JZ 1981, 251. Anstatt des Begriffs der „Tatbeendigung“ verwenden einige Autoren die Terminologie „materielle Vollendung“ (so Jescheck/ Weigend, § 49 III 3; Kühl, Beendigung, S. 18; Welzel, § 24 I. 4. b); S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 4; Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 130; Bringewat, Grundbegriffe, S. 216), wodurch aber nur überflüssige Begriffsverwirrung entstehen könnte. Häufig finden sich in Lehrbüchern und Kommentaren die Synonyme „tatsächliche Beendigung“ (Furtner, JR 1966, 169; Scheufele, S. 1; Baumann/Weber/Mitsch, § 28 Rn. 4; S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 4; Fischer, § 22 Rn. 6. Ebenso in der Rechtsprechung, etwa BGHSt 6, 248 [251]; 20, 194 [197]) und „materielle Beendigung“ (SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 7; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 6; Kühl, Beendigung, S. 18; Frister, AT, § 30 Rn. 19; Freund, AT, § 8 Rn. 27; Heinrich, AT/1, Rn. 713; Jakobs, 25/12). Teilweise wird „materiell abschließende Beendigung“ verwendet (Wessels/Beulke, Rn. 592). Da die Attribute „tatsächlich“ und „materiell“ nichts zum Verständnis des Beendigungsbegriffs beitragen, werden diese Synonyme im Folgenden nicht verwendet. Ferner vgl. Kühl, FS-Roxin, 665 (671); Hruschka, GA 1968, 193 (204) mit Fn. 42. 2 Ohne Angabe eines Gesetzes zitierte Vorschriften sind solche des StGB. 3 Kritik dazu aber Dencker, NStZ 1992, 311 ff.; Walther, NStZ 2005, 657 ff. Walther will im Setzen einer unumkehrbar tödlichen Ursache bereits die Vollendung eines Tötungsdelikts, und in dem Eintritt des Todeserfolges die Beendigung sehen.
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der Tatbeendigung keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem der Tatvollendung zu. Fälle dieser Art sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen solche Fälle, in denen die Straftat, die den Straftatbestand eines Delikts erfüllt hat, erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren endgültigen Abschluss erreicht. Die Tatbeendigung stellt sich als eine der Tatvollendung zeitlich nachfolgende eigenständige Entwicklungsphase einer Vorsatztat dar.4 Klassisches Beispiel dafür bildet z. B. die Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1): Mit dem Einsperren des Opfers ist die Freiheitsberaubung bereits vollendet; sie ist aber erst dann endgültig abgeschlossen (also: beendet), wenn das Opfer seine Bewegungsfreiheit wieder gewinnt. Ein solches zeitliches Auseinanderfallen zwischen Tatvollendung und -beendigung findet regelmäßig auch – nur um weitere Beispiele zu nennen – im Hausfriedensbruch (§ 123) und in der Trunkenheit im Verkehr (§ 316) statt. B. Solche Fälle des Auseinanderfallens von Tatvollendung und -beendigung werfen zwei dogmatische Fragen auf, deren Lösung die Hauptaufgabe der Beendigungslehre ist. Zum ersten fragt man sich, unter welchen Voraussetzungen eine der Tatvollendung nachfolgende Phase der Straftat angenommen werden kann. So ist es z. B. beim Diebstahl (§ 242) seit jeher umstritten, ob er nicht bereits mit der Begründung neuen Gewahrsams, sondern erst nach einer gewissen Sicherung des neuen Gewahrsams durch den Täter seinen endgültigen Abschluss findet. Wenn das Auseinanderfallen von Tatvollendung und -beendigung festgestellt ist, stellt sich sodann die zweite Frage, welche Konsequenzen die Annahme einer Beendigungsphase der Straftat nach sich zieht. Beim Diebstahl herrscht bisher keine Einigkeit darüber, ob ein Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1) auch dann vorliegt, wenn der Dieb erst nach der Tatvollendung eine Waffe bei sich führt, um das Gewahrsam am Diebesgut zu sichern. Bisher sind die beiden Fragen noch nicht befriedigend beantwortet. Der jetzige Forschungszustand der Beendigungslehre5 ist durch einen umfangreichen Streit über die Begriffsbestimmung und die Anwendbarkeit der Tatbeendigung in einzelnen Rechtsbereichen gekennzeichnet.6 Trotzdem hat die Beendigungslehre in der Strafrechtsdogmatik relativ wenig Aufmerksamkeit erregt. Während die Strafrechtslehre seit jeher die Problematik des Beginns einer Straftat – nämlich sowohl die Versuchstheorien als auch die Abgrenzungstheorien von Vorbereitung und Versuch – in den Mittelpunkt 4
Vgl. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 1 ff.; S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 1 ff. Die Problematik der Tatbeendigung geht auf Hälschners Untersuchung (GA 1860, 441 ff.) über das Dauerdelikt zurück. 6 Vgl. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 19. 5
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der Auseinandersetzung stellt7, befindet sich das Problem des Abschlusses einer Straftat eher am Rande des Interesses. Die Popularität der Untersuchung um den Versuch einer Straftat hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es um die grundlegende Problematik des Strafrechts geht, ab wann der Staat gegenüber dem rechtsgutsfeindlichen Verhalten seinen Strafanspruch geltend machen darf. Um die strafende Staatsgewalt einzuschränken, sind die Bemühungen um die Aufklärung des Strafgrunds des Versuchs einer Straftat unentbehrlich. Damit lässt sich allerdings nicht erklären, worauf die Unverhältnismäßigkeit des Forschungsschwerpunkts zwischen den beiden Problembereichen zurückgeht. Die nachfolgende Darstellung über die Tatbeendigung und ihre strafrechtliche Relevanz dürfte zumindest zu dem Ergebnis gelangen, dass der Beendigungsbegriff in Bezug auf den Umfang der strafenden Staatsgewalt nicht weniger dogmatisch problematisch und bedeutsam für die Praxis ist als der Versuchsbegriff. Dies hätte der Strafrechtslehre genügend Anlass geben können, auf die Beendigungsdogmatik in stärkerem Maße als bisher einzugehen. Vor diesem Hintergrund versucht der Verfasser in dieser Untersuchung der Beendigungsdogmatik einen neuen Impuls zu geben. Die Beschränkung unseres Themas auf die Beendigungsproblematik lässt die Vollendungsdogmatik aber nicht ganz außer Betracht, denn die Festlegung des Vollendungszeitpunkts hängt mit der Entstehung einer Beendigungsphase eng zusammen. Es geht nur darum, dass die Vollendungsproblematik des einzelnen Delikts jedenfalls nicht im Vordergrund dieser Untersuchung stehen soll, sondern nur am Rande behandelt wird. C. Das Anliegen dieser Untersuchung liegt vor allem in der kritischen Würdigung der eigenständigen Funktion des Beendigungsbegriffs in der Strafrechtsdogmatik. Während einige bisherige Beiträge das Gewicht auf die Festlegung des Beendigungszeitpunkts der jeweiligen Straftat legten, befassen wir uns vornehmlich mit der Frage, ob der Beendigungsbegriff in Rechtsprechung und Lehre wirklich eine unentbehrliche Rolle spielt. Es deutet die Grundeinstellung des Verfassers an, dass die Problematik der Tatbeendigung kein bloßes Problem der Auslegung des jeweiligen Straftatbestands ist. Man soll zunächst feststellen, dass in dem jeweiligen Rechtsgebiet gerade die Beendigung, nicht vielmehr irgendeine weitere Entwicklungsphase einer Straftat, der entscheidende Faktor ist, um die einschlägige Rechtsfolge auszulösen. Nur auf dieser Grundlage stellt sich die Anschlussfrage, wie man die Beendigung der jeweiligen Straftat bestimmen soll. Um diesen Ansatz zu entwickeln, werden wir zunächst im ersten Teil dieser Arbeit einen kritischen Rückblick auf die bisherigen Bemühungen 7
Überblick bei S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 17 ff.; § 22 Rn. 24 ff.
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um die Begriffsbestimmung des Beendigungsbegriffs für alle Straftatbestände sowie auf die im Vordringen begriffene Differenzierung werfen. Dadurch wird die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Beendigungsdogmatik aufgezeigt. Da sich die Bedeutsamkeit des Beendigungsbegriffs und dessen Auslegungsgrenze auf die jeweilige Regelung des einzelnen Rechtsbereichs gründet, hat man sich zu vergegenwärtigen, wie sich die Tatbeendigung zu dem jeweiligen Rechtsbereich verhält. Auf dieser Grundlage befassen wir uns im zweiten Teil mit dem gesetzlich verwendeten Beendigungsbegriff im Bereich des Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrechts. Der Schwerpunkt der Ausführung liegt darin, wie man nach dem Grundgedanken des jeweiligen Instituts und innerhalb der rechtsstaatlichen Grenzen die Tatbeendigung bestimmen soll. Dann werden wir uns im dritten Teil mit der (Un-)Maßgeblichkeit des Beendigungsbegriffs in den übrigen Rechtsbereichen auseinandersetzen, wo der Beendigungsbegriff angeblich auch eine Rolle spielt. Dass der Beendigungsbegriff nicht gesetzlich verankert ist, legt die Erforderlichkeit dieser kritischen Auseinandersetzung nahe, die gleichwohl bisher nicht ausreichend beachtet ist.
Erster Teil
Tatbeendigung als ein ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik A. Tatbeendigung und ihre Relevanz im Strafrecht: Problemstellung In diesem Kapitel werden die Hintergründe der Beendigungsproblematik vorgestellt. Dazu ist es notwendig, sich sowohl über die Fallgruppen, in denen die Vollendung und die Beendigung der Straftat auseinander fallen (s. u. I.), als auch über die Konsequenzen, die aus der Annahme einer eigenständigen Beendigungsphase der Straftat folgen (s. u. II.), einen Überblick zu verschaffen. Damit wird die umfangreiche Bedeutung des Beendigungsbegriffs aufgezeigt. Trotzdem fehlt es im geltenden Recht an einem Ansatzpunkt, an dem man sich bei der Festlegung der Tatbeendigung orientieren kann. (s. u. III.) Allenfalls kann man gedanklich feststellen, dass es sich bei der Tatbeendigung um den Abschluss einer materiellen Straftateinheit handelt, deren Einzelheiten noch weitaus unklar bleiben. (s. u. IV.) Vor diesem Hintergrund steht man vor der Aufgabe, mit welcher Methode man den Problemen, die sich auf die Tatbeendigung beziehen, zuverlässig näherkommen kann. (s. u. V.)
I. Die Fallgruppen des Auseinanderfallens von Tatvollendung und -beendigung Eine Beendigungsphase lässt sich zunächst an den Dauerdelikten erkennen, zu denen die Freiheitsberaubung und der Hausfriedensbruch usw. gehören. Das Dauerdelikt ist dadurch gekennzeichnet, dass es bereits mit der Begründung eines rechtswidrigen Zustandes vollendet ist, aber erst mit der Aufhebung des begründeten rechtswidrigen Zustandes zum ganzen Abschluss gelangt. Nach überwiegender Meinung kann eine eigenständige Beendigungsphase einer Straftat aber nicht nur beim Dauerdelikt angenommen werden, sondern ist auch in weiteren Fallkonstellationen denkbar, die in zwei Gruppen eingeteilt werden.8 8 Zum Folgenden Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (725 ff.); abweichende Einteilung ohne sachliche Unterschiede Hau, S. 36 f.; Jescheck, FS-Welzel, 683 (685 ff.);
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
Zur ersten Fallgruppe zählen die Fälle, in denen eine tatbestandsmäßige Handlung aus mehreren Teilakten besteht, die unter natürlicher oder rechtlicher Betrachtungsweise zu einer Einheit zusammengefasst werden. Die Straftaten dieser Fallgruppe weisen eine besondere Handlungsstruktur auf, die zur Folge hat, dass die Tatvollendung zwar mit dem ersten, die Tatbeendigung aber erst mit dem letzten tatbestandsmäßigen Teilakt erreicht wird. Hierher gehören zunächst die Fälle der sog. natürlichen Handlungseinheit, wie z. B. eine Körperverletzung (§ 223) durch eine Reihe von Schlägen oder eine Beleidigung (§ 185) durch mehrere Schimpfworte. Des Weiteren kommen Fälle der rechtlichen bzw. tatbestandlichen Handlungseinheit in Betracht, in denen das Delikt eine iterative Struktur aufweist. Die Dauerdelikte sind der anerkannte Prototyp dieser Deliktart. Den Dauerdelikten stehen noch die zweiaktigen Delikte nahe, etwa die Urkundenfälschung (§ 267), sowie diejenigen Delikte, bei denen die Handlungsbeschreibung des Tatbestands ausdrücklich eine Vielzahl von Einzelakten umschließt, etwa die Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231). Zuletzt ist in dieser Fallgruppe die Fortsetzungstat zu nennen, die nach der Grundsatzentscheidung des BGH9 zurzeit nur in Ausnahmefällen anerkannt, faktisch aber schon aufgegeben ist.10 Eine andere Fallgruppe bilden vor allem die Deliktstypen mit vorverlagerter Strafbarkeit. Die Zeitpunkte der Tatbeendigung und der Tatvollendung fallen deswegen auseinander, weil der Gesetzgeber schon im Vorfeld der endgültigen Rechtsgutsverletzung die Vollendungsstrafbarkeit für eingetreten hält, um einen effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Die Vorverlegung des Vollendungszeitpunkts führt nach h. M. aber nicht dazu, dass der nachfolgende Teilabschnitt des gesamten Tatgeschehens strafrechtlich irrelevant würde. Die vollendete Straftat wird vielmehr erst dann beendet, wenn entweder die endgültige Rechtsgutsverletzung eintritt, oder die Rechtsgutsgefährdung ausgeschlossen ist.11 Zu dieser Fallgruppe zählen zuerst die Gefährdungsdelikte, wie etwa die Brandstiftung (§ 306), die zwar mit der Vornahme der gefährlichen Handlung vollendet, aber erst mit dem Eintritt des Gesamtschadens bzw. dem Erlöschen der Gefahr beendet ist.12 Ähnlich wie S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 5 ff.; LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 25 ff.; SSW-StGB/Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 5; Bringewat, Grundbegriffe, S. 216 f. 9 BGHSt GS 40, 138 ff. 10 Bevor die Rechtsprechung diese Rechtsfigur aufgibt, wird in der Literatur schon vielfach betont, dass eine solche aufgrund prozessökomischer Überlegung geschaffene Straftat-„Einheit“ nicht immer die Konsequenzen nach sich ziehen kann, die mit dem Beendigungsbegriff verbunden sind (statt vieler Hruschka, GA 1968, 193 [203]). 11 Vgl. nur Jescheck, FS-Welzel, 683 (686). 12 Vgl. S/S-Heine, § 306 Rn. 21.
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die Gefährdungsdelikte verhalten sich die Unternehmensdelikte, bei denen der Versuch der Tat der Vollendung gleichgestellt wird. So ist etwa bei Hochverrat (§ 81) die Tat mit der ersten Anwendung von Gewalt vollendet, während Tatbeendigung erst mit der Aufgabe des Täters oder dem Gelingen des Umsturzes eintritt.13 Hinzu kommen die in der Beendigungsproblematik heftig diskutierten Absichtsdelikte, in denen die Tat mit der kompletten Ausführung der tatbestandlichen Handlung, die von der bestimmten Absicht des Täters getragen ist, zur Vollendung gekommen ist, aber erst zur Beendigung gelangt, wenn diese Absicht verwirklicht ist. Beispielsweise ist nach h. M. der Diebstahl (§ 242) bereits mit der Wegnahme der Sache in Zueignungsabsicht vollendet, aber erst dann beendet, wenn der Täter durch eine gewisse Verfestigung des Gewahrsams14 seine Zueignungsabsicht realisiert hat.
II. Die praktische Relevanz des Beendigungsbegriffs im Strafrecht Die praktische Relevanz des Beendigungsbegriffs bildet den zweiten Hauptproblemkreis innerhalb der Beendigungslehre. Die Tatbeendigung beschreibt in Rechtsprechung und Lehre nicht nur den Abschluss eines gesamten Tatgeschehens, sie ist auch mit vielfachen strafrechtlichen Konsequenzen verknüpft. Diese normative Bedeutung des Beendigungsbegriffs ist teilweise unmittelbar dem StGB zu entnehmen, wird aber mehrheitlich durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften begründet. Der Beendigungsbegriff ist an zwei Stellen des StGB unmittelbar verankert: die eine ist das intertemporale Strafanwendungsrecht, die andere ist das Verfolgungsverjährungsrecht.15 Die zeitliche Geltung des StGB wird in § 2 Abs. 2 so formuliert: „Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.“ Diese Regelung hat praktische Bedeutung vor allem für Dauerdelikte und Fortsetzungstaten, wobei die konkrete Straftat eine so lange Zeit andauern kann, dass die Strafdrohung inzwischen Änderungen erfahren hat.16 Daneben hat der Gesetzgeber für den Beginn der Verfolgungsverjährung in § 78 a S. 1 erklärt: „Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist.“ Demnach beginnt die Verfolgungsverjährung nicht bereits mit der Tatvollendung, sondern erst mit der Tatbeendigung. Diese Regelung bereitet mehr Schwierigkeiten bei der Auslegung des Beendigungsbegriffs als die 13 14 15 16
Jescheck, FS-Welzel, 683 (686). Näher Fischer, § 242 Rn. 54; S/S-Eser, § 242 Rn. 73 jeweils m. w. N. Ferner bei Mitsch, Jura 2009, 534 (535); ders., JuS 2010, 303 (306). Vgl. Fischer, § 2 Rn. 3; LPK-Kindhäuser, § 2 Rn. 6.
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des § 2 Abs. 2. Denn nicht nur gilt sie praktisch für alle denkbaren Straftaten, einschließlich der strafbaren Versuchs- und sogar Vorbereitungstat; die verunglückte Regelungstechnik dieser Vorschrift erschwert darüber hinaus die Festlegung des Beginns der Verfolgungsverjährung insbesondere bei Erfolgsdelikten. Der Beendigungsbegriff spielt nach h. M. zudem im Wege der Auslegung einschlägiger Vorschriften eine bemerkenswerte Rolle in anderen Zusammenhängen.17 Als das wichtigste, am häufigsten diskutierte Beispiel darf man die Rolle des Beendigungsbegriffs in der Beteiligungslehre nennen, mit dem sich Rechtsprechung und Lehre im Zusammenhang mit der sukzessiven Tatbeteiligung intensiv befasst haben. Der Gesetzgeber hat in §§ 25 ff. die zeitliche Grenze für die Tatbeteiligung nicht ausdrücklich geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung seien sowohl die sukzessive Mittäterschaft (§ 25) als auch die sukzessive Beihilfe (§ 27) bis zu dem Zeitpunkt möglich, zu dem die Haupttat tatsächlich beendet ist.18 Gegen diesen Standpunkt werden freilich zahlreiche gründliche Bedenken aus dem Schrifttum geäußert, auf die im weiteren Verlauf zurückzukommen sein wird. Dass dem Beendigungsbegriff auch ohne Niederschlag im Strafgesetz die praktische Relevanz zugeschrieben wird, zeigt sich noch in den folgenden Beispielen. Strafbegründend wirkt er sich nach verbreiteter Ansicht dort aus, wo die erst während der Beendigungsphase eingetretenen qualifizierenden Umstände die Voraussetzung eines erfolgsqualifizierten Delikts (u. a. des § 251 Abs. 1) bzw. eines sonstigen Qualifikationstatbestands (z. B. § 244 Abs. 1 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1: Beisichführen einer Waffe) erfüllen. Die Tatbeendigung wird außerdem bei der Auslegung von einzelnen Tatbestandsmerkmalen insbesondere von Anschlussdelikten ins Feld geführt. Bekanntlich hat z. B. die h. M. den zeitlichen Endpunkt der „Tatfrische“ i. S. des räuberischen Diebstahls (§ 252) im Beendigungszeitpunkt der Vortat erblickt.19 Bei den „klassischen“ Anschlussdelikten gemäß §§ 257 ff. ist die Frage äußerst umstritten, ob die Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Anschlusstaten davon abhängig gemacht werden soll, dass die Vortat schon beendet ist. Dieser Streit hängt eng mit der Problematik der sukzessiven Beteiligung zusammen. Es kommen noch zwei weitere Probleme hinzu, die mit der strafbegründenden und – verschärfenden Funktion des Beendigungsbegriffs verbunden, 17 Instruktiver Überblick bei Kühl, JuS 2002, 729 (733 ff.); S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 10 f. 18 BGHSt 2, 345; 6, 248 (251). 19 BGHSt 28, 224 (229); aus der Literatur etwa SK5-Günther § 252 Rn. 9 f.; S/S-Eser/Bosch, § 252 Rn. 3.
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jedoch in den diesbezüglichen Monographien kaum behandelt worden sind. Zuerst zu nennen ist das Problem, ob ein strafrechtlich relevanter Vorsatz auch in der Beendigungsphase einer Straftat gebildet werden kann. Aufgeworfen wird diese Frage in einer vor kurzem ergangenen Entscheidung des BVerfG20 zum Fall von Unfallflucht, bei dem der Unfallbeteiligte erst nach unvorsätzlicher Entfernung vom Unfallort die Tatsache eigener Unfallverursachung erkannte und sich dafür entschied, sich trotzdem weiter vom Unfallort zu entfernen. Das BVerfG hält die Strafbarkeit des Unfallbeteiligten wegen Unfallflucht für möglich, weil der in der Beendigungsphase eingetretene Weiter-Entfernen-Vorsatz für die Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 ausreicht. Dementsprechend schafft der Beendigungsbegriff einen weiteren Zeitraum für die Vorsatzbildung als bisher und erweitert somit die Möglichkeit der Bestrafung wegen einer Vorsatztat. Diesbezüglich hat die Literatur freilich erhebliche Zweifel angemeldet. Des Weiteren ist die konkurrenzrechtliche Problematik des maßgeblichen Begehungszeitpunkts der neuen Tat vor früherer Verurteilung in § 55 Abs. 1 S. 1 zu erwähnen. Während die ständige Rechtsprechung die Beendigung der neuen Tat als maßgebend ansieht, suchen einige Autoren dafür nach einem früheren Zeitpunkt als die Beendigung. In diesem Punkt wirkt sich der Beendigungsbegriff ebenfalls für den Täter nachteilig aus, indem er die Möglichkeit der nachträglichen Gesamtstrafenbildung einschränkt. Die beiden Probleme in diese Untersuchung mit einzubeziehen, rechtfertigt sich damit, dass es sich dabei ebenfalls um die Eingrenzung der strafenden Gewalt des Staats handelt. Der Beendigungsbegriff zieht für den Täter auch verschonende Konsequenzen in anderen Rechtsbereichen nach sich.21 Um Handlungseinheit und damit Tateinheit (§ 52) anzunehmen, reicht es nach h. M. schon aus, dass die Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlung mehrerer Straftaten während der Beendigungsphase vorliegt.22 Mit dieser Ausweitung 20
BVerfG, 2 BvR vom 19.3.2007. Teilweise sind in der Literatur außerdem die Vorschriften zur tätigen Reue im Besonderen Teil des StGB analog auf Delikte anwendbar, die zwar formell vollendet, aber nicht materiell beendet sind. Vgl. etwa Jescheck/Weigend, § 49 VIII 2; S/S-Eser, § 24 Rn. 116; Stratenwerth/Kuhlen, § 11 Rn. 98. Folgt man dieser Ansicht, wirkt der Beendigungsbegriff sich insoweit auch täterbegünstigend aus. Diese Konsequenz wird aber in dieser Arbeit nicht behandelt. Denn einerseits unterscheiden sich die Regelungen der tätigen Reue voneinander zum Teil grundlegend, andererseits erscheint es fragwürdig, ob den Regelungen ein inneres Prinzip zugrunde liegt (vgl. nur NK-Zaczyk, § 24 Rn. 132; LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 505). Die Beantwortung der Frage, ob der Beendigungsbegriff auch in der Rücktrittslehre relevant und wie er auszulegen ist, bedarf einer umfassenden Behandlung aller Regelungen der tätigen Reue. Dies würde den Umfang dieser Arbeit erheblich überschreiten. 22 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 777 m. w. N. 21
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der Handlungseinheit wird die für den Täter ungünstigere Konkurrenzform der Tatmehrheit (§ 53) vermieden. Zudem wird der Beendigungsbegriff bei Begründung der Notwehrbefugnis gemäß § 32 herangezogen. Verbreitet wird ein strafrechtswidriger Angriff noch als gegenwärtig angesehen, solange er noch nicht beendet ist. Beispielsweise darf das Opfer des Diebstahls mithin bis zu diesem späteren Zeitpunkt gegen den mit der Beute fliehenden Dieb die Notwehrbefugnis ausüben.23 Noch zu nennen ist die Bedeutung des Beendigungsbegriffs für den agent provocateur. Eine verbreitete Auffassung stützt seine Straflosigkeit darauf, dass der Provokateur keinen Eintritt der Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts kennt und mithin bei ihm kein Anstiftervorsatz vorliegt. Im Umkehrschluss muss der Provokateur nicht nur die Vollendung, sondern auch die Beendigung der angestifteten Haupttat wissen und wollen, um die Strafbarkeit wegen Anstiftung zu begründen.24
III. Fehlende gesetzliche Vorgaben für den Beendigungsbegriff Abgesehen davon, dass der Beendigungsbegriff in den meisten Rechtsbereichen gesetzlich nicht verankert ist, können das Verjährungs- und intertemporale Strafanwendungsrecht jedenfalls ohne seine Begriffsbestimmung nicht auskommen. Die nicht fernliegende Erwartung, dass es einige gesetzlichen Hinweise auf den Inhalt des Beendigungsbegriffs gebe, wird aber enttäuscht. Nach überwiegender Ansicht25 ist die Beendigungsproblematik gerade durch das Fehlen der gesetzlichen Vorgaben für die Bestimmung der Tatbeendigung gekennzeichnet. Es findet sich in den einschlägigen Vorschriften des Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrechts keine nähere Definition für den Beendigungsbegriff. Diese Rechtslage kann zudem nicht dadurch ausgeglichen werden, dass man den Straftatbestand des einzelnen Delikts heranzieht. Zwar muss sich der Beendigungsbegriff auf eine Straftat beziehen, die vom Gesetzgeber im einzelnen Straftatbestand typisiert ist; darin ist jedoch prinzipiell kein Anhaltspunkt dafür enthalten, wann ein Tatgeschehen nach der erstmaligen Tatbestandsverwirklichung endgültig abgeschlossen ist. Denn die Ausgestaltung des jeweiligen Straftatbestands orientiert sich grundsätzlich daran, unter welchen Mindestbedingungen die strafrechtliche Aufgabe 23
Etwa Wessels/Beulke, Rn. 328. Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 573; Kühl, JuS 2002, 729 (735); S/S-Heine, § 26 Rn. 20 m. w. N. 25 Vgl. Kühl, FS-Roxin, 665 (670); ebenso LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 19; Furtner, JR 1966, 169. 24
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des effektiven Rechtsgüterschutzes bereits den Eintritt der Vollendungsstrafe erfordert. Dafür ist die auf die Vollendung hin folgende Entwicklung einer Straftat völlig belanglos und deshalb nicht in den Straftatbestand aufgenommen; sie wird allenfalls als ein Nachtatverhalten oder als Auswirkungen der Tat (§ 46) bei der Strafzumessung berücksichtigt. Diese Rechtslage ändert sich auch nicht durch die Begriffsbestimmung der „rechtswidrigen Tat“ in § 11 Abs. 1 Nr. 5. Diese gesetzliche Definition bezieht sich eindeutig nicht unmittelbar auf den Beendigungsbegriff als solchen, sondern nur auf seinen Bezugsgegenstand. Sie beeinflusst zwar die Festlegung der Tatbeendigung, entscheidet jedoch darüber nicht allein. Dass in § 2 Abs. 2 und § 78 a die „Beendigung“ ein anderes Merkmal als die „Tat“ darstellt, erlaubt nicht bereits den Schluss, dass die Beendigung der Tat mit dem Aufhören der Verwirklichung des Straftatbestands des einzelnen Delikts zugleich eintreten müsse. Ebenso wenig hilft die Erfolgsqualifikation26 der Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 1 für die Bestimmung des Beendigungsbegriffs. Darin könnte man zwar einen Beleg für die gesetzliche Anerkennung der Beendigungsphase erblicken27; der Schluss daraus, dass darin zugleich eine verbindliche Erklärung des Gesetzgebers über die normative Qualität des Beendigungsbegriffs gemacht wurde, würde jedoch zuweit gehen. Für eine solche Schlussfolgerung gibt es schon keinen Anhaltspunkt in der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Da es bei den übrigen Dauerdelikten und anderen Deliktstypen an einer vergleichbaren Regelung fehlt, spricht der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift auch gegen ihre allgemeingültige Bindungswirkung bei der Bestimmung der Beendigungsphase aller Deliktstypen. Das besondere Maß der Fruchtlosigkeit des geltenden Strafrechts für die Bestimmung des Beendigungsbegriffs lässt sich ferner deutlich machen, wenn man diese mit der Rechtslage hinsichtlich der Vollendung und des Versuchs einer Tat vergleicht.28 Die Einigkeit über die Begriffsbestimmung der Tatvollendung29 trotz des Fehlens einer gesetzlichen Definition30 ist dem Umstand zu verdanken, dass ihre Funktionen im Strafrecht gesichert 26 Vgl. nur LPK-Kindhäuser, § 239 Rn. 15; Lackner/Kühl, § 239 Rn. 9 m. w. N. Auf dogmatische Probleme dieser Vorschrift geht Mitsch, GA 2009, 329 ff. ein. 27 Kühl, Beendigung, S. 64. 28 Auch Kühl, FS-Roxin, 665 (669). 29 BGHSt 3, 40 (43); Jescheck/Weigend, § 49 III 3; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 5; S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 2; LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 17; Kindhäuser, AT, § 9 Rn. 15. 30 Vgl. Kühl, JuS 2002, 729 (730); die Notwendigkeit einer Legaldefinition der Tatvollendung wird ebenfalls verneint. Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 26 Rn. 2.
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sind. Aus § 23 Abs. 2 ist zu entnehmen, dass Tatvollendung die notwendige Bedingung für die volle Strafbarkeit ist. Um die Tatvollendung zu ermitteln, muss man nur den jeweiligen Straftatbestand des einzelnen Delikts heranziehen, in dem grundsätzlich die Voraussetzungen der Tatvollendung umschrieben sind. Auf dieser gesetzlich gesicherten Grundlage streitet man sich allenfalls darüber, wie der Vollendungszeitpunkt im Einzelfall durch die sinngemäße Auslegung des relevanten Tatbestandsmerkmals und die Subsumtion des zu entscheidenden Sachverhalts zu bestimmen ist. Die Unsicherheiten bei der Beurteilung im Einzelfall können darüber hinaus mehr oder weniger dadurch beseitigt werden, dass man sich dabei vergegenwärtigt, dass durch die Annahme der Tatvollendung zugleich die Möglichkeit des straflosen Rücktritts gemäß § 27 ausgeschlossen würde.31 Eine entsprechende Grundlage wird vom Gesetzgeber ebenfalls für die Festlegung des Versuchsbeginns geschaffen. Denn mit der gesetzlichen Vorgabe in § 22 wird zumindest das Verhältnis des Versuchsbeginns zum Straftatbestand des einzelnen Delikts allgemein festgelegt. Dessen Konkretisierung in den einzelnen Deliktstypen wird dem Gericht und der Wissenschaft überlassen.32 Alle Interpretationen hinsichtlich des Versuchsbeginns dürfen jedenfalls diese gesetzliche Vorgabe nicht überschreiten. Damit ist die „doppelte Übergesetzlichkeit“ des Beendigungsbegriffs festgestellt: Er ist einerseits im Straftatbestand des einzelnen Delikts jeweils nicht geregelt. Andererseits findet er in den einschlägigen Vorschriften einzelner Rechtsbereiche mehrheitlich keinen Niederschlag.33 Vor diesem Hintergrund ist der Ansatzpunkt zur Bestimmung der Tatbeendigung, die sowohl für alle Straftatbestände als auch für die genannten Rechtsbereiche allgemein gilt, nicht leicht festzusetzen.
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Vgl. auch Mitsch, Jura 2009, 534. Zum Meinungsstand vgl. nur Lackner/Kühl, § 22 Rn. 4 m. w. N. 33 Diese Beurteilung darf aber nicht als eine rechtspolitische Aufforderung zum sofortigen Eingreifen des Gesetzgebers gedeutet werden. Eine einheitliche Legaldefinition des Beendigungsbegriffs könnte zwar dazu beitragen, sein Verhältnis zum einzelnen Straftatbestand festzustellen. Der Gewinn an Rechtssicherheit bleibt gleichwohl sehr zweifelhaft: Einerseits wäre eine solche Legaldefinition nicht notwendig geeignet für die verschiedenartigen strafrechtlichen Konsequenzen der Tatbeendigung; andererseits dürfte dadurch die unerwünschte Gefahr entstehen, dass diese Definition vermeintlich dort herangezogen würde, wo der Beendigungsbegriff irrelevant ist. Wenn sich der Beendigungsbegriff je nach der betroffenen Konsequenz differenzieren lassen soll, muss man bedenken, ob ein entsprechendes Gesetzgebungswerk in der Praxis realistisch erscheint. 32
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IV. Tatbeendigung als Abschluss einer Straftateinheit Die bisherige Beendigungslehre neigt trotzdem dazu, anzunehmen, dass sich der Beendigungsbegriff als ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt für zahlreiche Rechtsfolgen darstellt. Unter dieser Prämisse beschränkt sich die Problematik des Beendigungsbegriffs darauf, nach einer allgemein verbindlichen Bestimmung für all seine Erscheinungsformen zu suchen. Da es sich bei der Tatbeendigung um ein eigenständiges und abschließendes Stadium einer Vorsatztat i. S. der sog. Stufenlehre handelt, könnte man der Stufenlehre brauchbare Hinweise für die Bestimmung der Tatbeendigung entnehmen. Die in der Literatur allgemein anerkannte Stufenlehre34 beschreibt die denkbaren – in der Wirklichkeit jedoch nicht notwendig durchlaufenen – Entwicklungsstufen jeder vorsätzlichen Straftat, die in Planung und Entschluss, Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung gegliedert werden.35 Dahinter steht die Vorstellung, nach der eine Vorsatztat nicht ein punktuelles Geschehen, sondern einen dynamischen Handlungsprozess darstellt, der nicht selten eine mehr oder weniger lang andauernde Zeit fortlaufen kann. Demnach entwickelt sich das Gesamtgeschehen z. B. einer Sachbeschädigung dynamisch von der Entschlussfassung des Täters zum Zerbrechen einer fremden Vase über das Hinwerfen der Vase bis zum Eintritt der Zerstörung der hingeworfenen Vase. Könnte man aufklären, was unter dem dynamischen Handlungsprozess einer Vorsatztat genauer zu verstehen ist, wäre daraus dessen endgültiger Abschluss ohne weiteres festzustellen. Es kommt daher für die Bestimmung der Tatbeendigung darauf an, was mit dem Begriff der Straftat im Zusammenhang der Stufenlehre gemeint ist. Hierfür könnte man die Verbrechensbegriffe des Strafrechts heranziehen. 1. Die Unvereinbarkeit der Stufenlehre mit dem formellen Verbrechensbegriff a) Es stellt sich zunächst die Frage, ob sich die Vorstellung, eine Straftat sei ein dynamischer Handlungsprozess, mit dem formellen Verbrechensbegriff erklären lässt. Nach dem formellen Verbrechensbegriff36 ist eine Straftat nur und dann gegeben, wenn das Verhalten des Täters die zur Tatzeit gültigen gesetzlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt (dazu § 1). Dabei ist die Frage nach dem Inhalt des strafbaren Verhaltens ohne Bedeu34 35 36
Kritik dazu Alwart, GA 1986, 245 ff. Allgemeine Meinung; z. B. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 1. Vgl. nur Roxin, AT/1, § 2 Rn. 1.
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tung. Für das Vorliegen der Straftat ist allein entscheidend, ob der formelle Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht wird. b) Welche Konsequenz für die zeitliche Dimension einer Straftat der formelle Verbrechensbegriff hat, erklären wir anhand des Beispiels einer Sachbeschädigung, bei der der Täter (A) in einer Minute drei Vasen des Opfers nacheinander auf den Boden geworfen und zerbrochen hat. In diesem Fall ist A wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 zu bestrafen. Die iterative Handlungsstruktur seiner Sachbeschädigung führt unbestreitbar zu einer der Tatvollendung nachfolgenden Beendigungsphase, die erst beim letzten Teilakt der Zerstörung zum Ende gelangt. Allerdings stützt sich diese Annahme keinesfalls auf den formellen Verbrechensbegriff, denn ein formelles Verbrechen existiert nur in einem abgegrenzten Augenblick. Zunächst ist zu fragen, wie viele Sachbeschädigungen es im vorliegenden Beispiel gibt. Ein formelles Verbrechen liegt dann vor, wenn die Strafbarkeitsvoraussetzungen vollständig erfüllt sind. Die Anzahl der Straftaten in diesem Sinne hängt konsequenterweise davon ab, wie viele Verwirklichungen des Straftatbestands des einzelnen Delikts bestehen. Ohne Interesse hingegen ist das inhaltliche Verhältnis zwischen den verschiedenen formellen Tatbestandsverwirklichungen. Da die drei Vasen jeweils ein taugliches Tatobjekt i. S. des § 303 Abs. 1 sind, verwirklicht A mit den drei Teilakten jeweils vollständig den Straftatbestand des § 303 Abs. 1. Vorliegend bestehen demnach drei Sachbeschädigungen i. S. des formellen Verbrechensbegriffs, die voneinander unabhängig sind. Des Weiteren fragt sich, über welchen Zeitraum hinweg die jeweilige Sachbeschädigung existiert. Die Beantwortung bedarf der Feststellung einerseits des Anfangs und andererseits des Endes der jeweiligen Sachbeschädigung. Dabei ist wiederum davon auszugehen, dass das Kriterium der Verwirklichung des Straftatbestands zugleich über die zeitliche Dimension der Straftat entscheidet. In dem Moment, als A seinen Arm zum Hinwerfen der Vase anhob, lag demnach die Sachbeschädigung noch nicht vor, weil bisher noch keine volle Tatbestandsverwirklichung vorhanden war. A machte sich erst dann schuldig, als die hingeworfene Vase durch den Wurf auf den Boden fiel und zerbrach, da die Tatbestandsmerkmale des § 303 Abs. 1 erst in diesem Augenblick vollständig erfüllt sind. In dieser Betrachtungsweise beginnt die vorliegende Sachbeschädigung nicht schon mit der Entschlussfassung des Täters oder mit dem Heben seines Armes, sondern mit dem Zerbrechen der Vase.37 Das Ende der jeweiligen Sachbeschädigung ist in entspre37 Das gleiche gilt auch dann, wenn man annimmt, dass der Versuch zur Sachbeschädigung an sich strafbar wäre. Dann hätte der Täter im vorliegenden Fall nicht nur im jeweiligen Augenblick der Zerstörung der Vase den Tatbestand der vollendeten Sachbeschädigung, sondern schon mit dem jeweiligen körperlichen Akt des Hin-
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chender Weise zu bestimmen. Da mit dem Zerbrechen der Vase der Straftatbestand des § 303 Abs. 1 endgültig verwirklicht wird, kommt die jeweilige Sachbeschädigung zugleich zum Ende. Die Verlängerung der ersten Sachbeschädigung durch die weiteren kommt nicht in Betracht. Denn die jedes Mal stattfindende Tatbestandsverwirklichung als solche ist für das Vorliegen eines formellen Verbrechens sowohl notwendig als auch ausreichend. Als Ergebnis kann man festhalten, dass die jeweilige Sachbeschädigung mit der Zerstörung der Vase entsteht, aber zugleich auch damit abschließt. Sie besteht also nur im Augenblick der vollständigen Tatbestandsverwirklichung, weder davor noch danach. Als Konsequenz des formellen Verbrechensbegriffs für die zeitliche Dimension einer Straftat gilt folgendes: Die Straftat ist von augenblicklicher Natur.38 c) Damit ist nicht behauptet, dass A im vorliegenden Fall wegen drei vollendeter Sachbeschädigungen tatmehrheitlich bestraft werden sollte. Es soll nur demonstriert werden: Bezieht man den Verbrechensbegriff auf die jeweilige rechtswidrige und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung durch den Täter, kann man nicht mehr davon sprechen, dass eine vollendete Sachbeschädigung bereits mit der Entschlussfassung des Täters beginnt und über das Werfen der Vase39 läuft, und schließlich mit dem letzten Teilakt des Hinwerfens zur „Beendigung“ kommt. Die Vorstellung eines dynamischen Handlungsprozesses in der Stufenlehre steht nicht im Einklang mit dem extrem formalisierten Verständnis der Straftat. Hinter der Annahme der Entwicklungsstufen einer Vorsatztat steht ein Verbrechensbegriff, der sich von dem formellen Verbrechensbegriff unterscheidet. 2. Die Zugrundelegung eines materiellen Verbrechensbegriffs in der Stufenlehre a) Um die „Entwicklungsstufen“ einer Vorsatztat annehmen zu können, muss man sich einem Verbrechensbegriff zuwenden, der dem gesetzlichen Straftatbestand vorgelagert ist. Zur Verfügung steht insoweit der materielle Verbrechensbegriff, wonach eine Straftat dem Wesen nach Rechtsgüterwerfens der Vase bereits den Tatbestand der versuchten Sachbeschädigung erfüllt. Damit besteht jedes sachbeschädigende Täterverhalten aus zwei selbständigen Straftaten i. S. eines formellen Verbrechensbegriffs, also einer versuchten sowie einer vollendeten Sachbeschädigung. Die Tatsache, dass die vollendete Sachbeschädigung erst mit der Zerstörung der Vase beginnt, ändert sich nicht dadurch, dass das vorhergehende Hinwerfen schon strafbar ist. 38 Dass ein strafbares Verhalten in der empirischen Welt eine längere oder kürzere Zeit vorliegen muss, soll damit nicht in Abrede gestellt werden. 39 Sog. „Durchgangsstadium“; vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 111.
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beeinträchtigung und Pflichtverletzung ist.40 Dieser aus der strafrechtlichen Aufgabe des subsidiären Rechtsgüterschutzes gefolgerte Gedanke findet auch in der Stufenlehre seine Ausprägung, in der die Entwicklungsdynamik einer Straftat umschrieben ist. In der Literatur wird diesbezüglich vereinzelt erwähnt, dass der Begriff der Straftat in der Stufenlehre stillschweigend synonym für ein Straftatganzes gebraucht wird41, das im Einzelnen allerdings abweichend definiert wird. Nach Zaczyk beruht die Stufenlehre gedanklich auf einem einheitlichen materiellen Tatbegriff, wonach die Straftat als komplett durchgeführte Verletzung eines Rechtsguts durch einen Tatmächtigen zu bestimmen ist.42 Ähnlicherweise sieht Gössel den finalzeitlichen Werdegang des Delikts als das zeitlich fortschreitende deliktische Verhalten des Täters gemessen am Grad der Verwirklichung des deliktischen Willens an.43 Beulke fasst die Entwicklungsstufen der Vorsatztat direkt als verschiedene Stufen der Willensverwirklichung auf.44 b) Unbeachtet der abweichenden Formulierungen steht es gedanklich außer Frage, dass erst ein solches vom Strafgesetz vorgegebenes Straftatganzes es ermöglicht, die Straftat als einen dynamischen Handlungsprozess zu begreifen. Diese Erkenntnis trägt zum Verständnis der Tatbeendigung in doppelter Hinsicht bei: Zum einen fasst man unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgutsverletzung oder der Willensverwirklichung mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen zur einheitlichen Vorsatztat zusammen. Gegenüber der Gesamtheit dieses deliktischen Vorgangs verliert die jeweilige Tatbestandsverwirklichung ihre eigenständige Bedeutung und wird damit nur als eine der Entwicklungsphasen des gesamten Vorgangs begriffen. Auf diese Weise werden Beginn und Abschluss einer Vorsatztat nicht mehr nach der jeweiligen formellen Tatbestandsverwirklichung, sondern nach der Entwicklungsdynamik der Rechtsgutsverletzung oder der Verwirklichung des Täterwillens gerichtet. Für den vorgenannten Beispielsfall bedeutet das: Die Sachbeschädigung findet ihren Abschluss erst dann, wenn der Täter planmäßig die Zerstörung der drei Vasen herbeigeführt hat. Zum anderen führt diese vom Straftatbestand abgelöste Perspektive zwingend dazu, das tatbestandslose Geschehen gewissermaßen in den deliktischen Vorgang mit einzubeziehen. Ein Vorgang der Verwirklichung des de40
Vgl. S/S-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 8; Roxin, AT/1, § 2 Rn. 1. Maier, S. 57, 59. 42 NK-Zaczyk, Vor § 22 Rn. 2. 43 Maurach/Gössel, § 39 Rn. 1. 44 Wessels/Beulke, Rn. 590; ihm anschließend Bringewat, Grundbegriffe, S. 215; ähnlich LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 1; B. Heinrich, AT/1, Rn. 700: „Willens- und Deliktsverwirklichung“. 41
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liktischen Täterwillens fängt schon damit an, dass sich der Täter zur Verwirklichung des Straftatbestands entschließt, obwohl dieser Entschluss an sich den Straftatbestand des § 303 Abs. 1 noch nicht verwirklicht. Dieser Vorgang kann erst in einem tatbestandslosen Geschehen seinen Abschluss finden, worin sich der Wille des Täters realisiert. So schließt z. B. der Vorgang eines Betrugs dann ab, wenn die Vermögensvorteile dem Täter oder einem Dritten zugeflossen sind, was den Straftatbestand des § 263 nicht verwirklicht. Dieses an sich tatbestandslose Geschehen wird mithin als Abschluss des gesamten Vorgangs des Betrugs angesehen. In dieser Betrachtungsweise erfasst der Straftatbestand des einzelnen Delikts nur den Teilabschnitt eines deliktischen Vorgangs. Sein Beginn und Abschluss können sich auch außerhalb dessen befinden, was im Straftatbestand umschrieben ist. Damit wird ein Zeitraum geschaffen, in dem der Straftatbestand des einzelnen Delikts entweder einmal oder mehrmals verwirklicht werden kann. Die Beendigungsphase einer Straftat, obgleich sie von tatbestandsmäßiger oder -loser Natur ist, stützt sich ebenfalls nur auf eine solche Vorstellung vom Straftatganzen. c) Insofern ist nachgewiesen, dass der Beendigungsbegriff von derselben Vorstellung über die Straftat wie die der Stufenlehre getragen ist. Allerdings kann man nicht unmittelbar aus der Stufenlehre selbst auf etwas noch Konkreteres schließen, das bei der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung weiter helfen könnte. Denn die Stufenlehre unterscheidet zwar zwischen verschiedenen Verwirklichungsstadien einer Straftat, sie offenbart jedoch den genaueren Inhalt des zugrundeliegenden Straftatbegriffs nicht. Sie dient vielmehr nur als ein Hilfsmittel, um die Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit der unter Strafe stehenden Verhaltensweise zu begründen. Die Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit nehmen ab, je mehr sich die Verwirklichungsstufe von der Vollendung entfernt45; die Vorbereitungs- und die Versuchshandlung werden nur dann bestraft, wenn und soweit der Gesetzgeber dafür besondere Strafbarkeitsvorschriften aufgestellt hat. Dadurch erhält die Unterscheidung der Entwicklungsstufen der Straftat eine praktische Bedeutung im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip.46 Dafür, was den Inhalt eines strafbaren Verhaltens ausmacht und wann es endgültig abschließt, liefert die Stufenlehre selbst keine inhaltlichen Kriterien. Daher können und müssen wir die Suche nach der sachgemäßen Bestimmung des Beendigungsbegriffs fortsetzen, ohne auf die Stufenlehre zurückzugreifen.
45 46
LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 2. Maurach/Gössel, § 39 Rn. 2; ebenso LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 2.
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
3. Straftateinheit als Grundlage des Beendigungsbegriffs Obwohl die Stufenlehre kein brauchbares Kriterium für den Beendigungsbegriff bietet, lässt die bisherige Darstellung jedenfalls erkennen, dass sich die Tatbeendigung auf einem vor dem Gesetz vorgelagerten Straftatganzen gründet. Dieses vom Straftatbestand vorgegebene Straftatganze wird nachfolgend als „Straftateinheit“ bezeichnet. Der Ausdruck „Beendigung“ bezieht sich nämlich auf die Gesamtheit einer solchen „Straftateinheit“. Allerdings hat der Terminus „Tat“ im Straf- und Strafprozessrecht zahlreiche Standorte und dort keineswegs jeweils denselben Sinngehalt. Für die Weiterentwicklung des Beendigungsbegriffs ist es hilfreich, dass man vorab die Bedeutung und Formen der „Straftateinheit“ näher erklärt. a) Die Bedeutung der „Straftateinheit“ Weil sich die Straftat i. S. der Stufenlehre auf einen bestimmten Straftatbestand bezieht, ist zunächst daran festzuhalten, dass unter der „Straftat“-Einheit keineswegs die Tat im prozessualen Sinne verstanden wird.47 Die prozessuale Tat ist nach anerkannter Meinung das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem durch die Strafverfolgungsorgane bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet.48 Die Orientierung des prozessualen Tatbegriffs an der Lebensauffassung widerspricht der Natur der Tatbestandsbezogenheit des hier verwendeten Begriffs der „Straftat“. Dass der Beschuldigte innerhalb dieses geschichtlichen Vorgangs jedenfalls einen bestimmten Straftatbestand verwirklicht hat oder haben soll49, und eine „Tat“ niemals ohne Zuhilfenahme materialer Bewertungen bestimmt werden kann50, begründet ebenfalls kein solches prozessuales Verständnis des Tatbegriffs in der Beendigungsdogmatik. Denn der einheitliche geschichtliche Vorgang kann sich auf mehrere tatmehrheitlich oder tateinheitlich begangene Straftaten im materiell-rechtlichen Sinne erstrecken.51 Es kann sich aber auch herausstellen, dass überhaupt keine anklagbare Tat vorliegt. Der Abschluss 47 Dies gilt auch für den Beginn der Verfolgungsverjährung, deren Rechtsnatur von der h. M. als Verfahrenshindernis angesehen wird. Der innere Zusammenhang der Verfolgungsverjährung mit dem materiellen Strafrecht lässt sich schon aus der Anknüpfung der Verjährungsfristen an die Strafrahmen der Straftatbestände erkennen. Näher dazu vgl. MK-Mitsch, § 78 Rn. 5; ders., Jura 2009, 534. 48 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 513; Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 25 Rn. 12 ff. 49 Meyer-Goßner, § 264 Rn. 2. 50 Nähere Begründung bei Hruschka, JZ 1966, 700 (701 f.). 51 Statt vieler LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 7.
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eines solchen Tatkomplexes markiert daher nicht unbedingt die Beendigung der jeweiligen Straftat. Auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Verständnisses ist die Identität der „Straftateinheit“ mit der „Tateinheit“ i. S. des § 52 auch dort ausgeschlossen, wo der Täter durch dieselbe Handlung mehrere gleichartige oder ungleichartige Tatbestände verwirklicht. Die Einheitlichkeit i. S. der „Tateinheit“ bezieht sich nur auf die Entscheidung des Strafrahmens bei der Strafzumessung, die nichts an der Vielzahl der Taten im materiell-rechtlichen Sinne ändert.52 Schließlich geht es bei der „Straftateinheit“ auch nicht notwendig um den Begriff der „Handlungseinheit“ in der Konkurrenzlehre. Denn zum einen könnten sich mehrere selbständige Straftaten zu einer Handlungseinheit verbinden. Zum anderen ist die Handlungseinheit keine notwendige Bedingung zur Annahme einer einzigen Straftat, da durch die Handlungsmehrheit womöglich eine Straftat gebildet wird. Es handelt sich bei der „Straftateinheit“ nämlich um eine einzige bzw. einheitliche Straftat i. S. eines bestimmten Straftatbestands. Die Straftateinheit ist zwar regelmäßig im Fall der Handlungseinheit anzunehmen, sie kommt aber ebenfalls bei Handlungsmehrheit in Betracht53, denn ein einheitlicher Rechtsgutsangriff kann auch in mehreren Handlungen erfolgen. Dies wird vor allem im Rahmen der Konkurrenzlehre unterschiedlich ausgedrückt. Die hier verwendete Terminologie „Straftateinheit“ ist dem Lehr52 Insoweit ist die Zusammenfassung von Fallgruppen der Tateinheit und der Gesetzeseinheit in dem Überbegriff „einheitliche Tat“ bei Kindhäuser, AT, § 44 Rn. 12 irreführend. 53 Damit sind vor allem mitbestrafte Nachtaten gemeint. Es ist zwar im Einzelnen sehr umstritten, ob die Beendigung der Haupttat immer mit dem Abschluss der Nachtat stattfindet, etwa der Diebstahl nicht schon mit der Gewahrsamsbegründung oder -sicherung, sondern erst mit der nachfolgenden Sachbeschädigung des Diebesguts beendet sei (so etwa Winkler, S. 120 f.). Allerdings kann diese Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weil die Einheitlichkeit des Rechtsgutsangriffs in einem solchen Fall ebenso wie in den überkommenen Fallgruppen der Tatbeendigung vorliegt. Darüber hinaus ist die Grenze zwischen Gesetzeseinheit und mitbestrafter Vor- und Nachtat nicht so klar. Dies wird auch von der bisherigen Beendigungslehre teilweise dadurch anerkannt, dass die Beendigung einer Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1) regelmäßig in dem Gebrauch der vom Täter selbst verfälschten Urkunden erblickt wird. In diesem Fall werden Fälschen und Gebrauchmachen von derselben Urkunde überwiegend unter Deliktseinheit (so etwa BGHSt 5, 291 [293]; LK-Zieschang, § 267 Rn. 287, 290; Fischer, § 267 Rn. 44; Wessels/Hettinger, Rn. 853; Otto, BT, § 70 Rn. 58; A/W-B. Heinrich, § 31 Rn. 34), teilweise aber unter tatbestandlicher Handlungseinheit (z. B. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 27), mitbestrafter Nachtat (so etwa MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor §§ 52 ff. Rn. 60), bzw. auch mitbestrafter Vortat (SK-Hoyer, § 267 Rn. 114) subsumiert. Als Ergebnis wird jedoch gleichermaßen nur eine Urkundenfälschung bejaht, vgl. Freund, Urkundenstraftaten, Rn. 230.
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
buch Freunds zum Allgemeinen Teil des Strafrechts zu entnehmen.54 In Gegenüberstellung echter Konkurrenz mehrerer Straftaten will Freund damit die Konstellationen bezeichnen, die verbreitet mit „unechter“ Konkurrenz55 oder „Gesetzeseinheit“56 bezeichnet werden. Gegenüber den üblichen Ausdrücken ist die Terminologie „Straftateinheit“ deshalb vorzugswürdig, weil mit ihr der entscheidende Punkt unmittelbar und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, i. e. dass in der Vielzahl von formellen Tatbestandsverwirklichungen nur eine Straftat im materiellen Sinne besteht. Derartige Konstellationen unterscheiden sich von den Fällen echter Konkurrenz, also der Tateinheit und -mehrheit (§§ 52, 53) nicht dadurch, dass keine Konkurrenz mehrerer Tatbestandsverwirklichungen (oder: Gesetzesverletzungen) stattfindet, sondern dadurch, dass mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen zu einer einheitlichen Straftat gehören.57 b) Die Formen der „Straftateinheit“ Die bisher gewonnene Erkenntnis lässt den Unterschied zwischen Vollendung und Beendigung deutlich hervorheben. Die beiden Begriffe unterscheiden sich genaugenommen durch den zugrunde liegenden Tatbegriff: Während sich der Beendigungsbegriff auf den Abschluss einer vom Tatbestand vorgegebenen Straftateinheit bezieht, handelt es sich bei dem Vollendungsbegriff um den Abschluss der formellen Tatbestandsverwirklichung. Mit dieser Betrachtungsweise kann man in den Fällen der wiederholten Tatbestandsverwirklichung letztlich erklären, warum sich die Strafrechtsdogmatik nicht mit dem Vollendungsbegriff begnügt, sondern daneben eines eigenständigen Beendigungsbegriffs bedarf. Dass sich der Beendigungsbegriff auf eine Straftateinheit gründet, zeigt zudem, dass die Beendigung nicht nur bei einer vollendeten Straftat, sondern auch bei dem Versuch und der Vorbereitungstat denkbar ist. Diese Behauptung erscheint auf den ersten Blick verwunderlich, wenn man davon ausgeht, dass der Begriff der Tatbeendigung sich nur auf das sich der Tatvollendung anschließende Deliktstadium bezieht. Die Vollendung wird vereinzelt sogar als „Vorstufe der Beendigung“ betrachtet.58 In den meisten Lehrbüchern und 54 Freund, AT, § 11 Rn. 2. Der gleiche Gedanke findet sich bereits bei Schmidhäuser, AT (StudienB), 14/4; ders., in: 140 Jahre GA, S. 191 ff. 55 Etwa Wessels/Beulke, Rn. 787; Baumann/Weber/Mitsch, § 36 Rn. 3 ff. 56 Etwa Frister, AT, § 31 Rn. 1; Roxin, AT/2, § 33 Rn. 170; Kühl, AT, § 21 Rn. 51; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 89; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor § 52 ff. Rn. 102. Die gleichbedeutende Terminologie „Gesetzeskonkurrenz“ wird heutzutage nur noch vereinzelt verwendet, etwa bei Kindhäuser, AT, § 46 Rn. 3. 57 Vgl. Freund, AT, § 11 Rn. 2. 58 Jescheck, FS-Welzel, 683 (685).
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Kommentaren ist der Beendigungsbegriff ebenfalls der vollendeten Tat vorbehalten.59 Bisher hat nur Hruschka darauf hingewiesen, dass eine Tat im Versuchsstadium auch beendet sein kann.60 Er hat argumentiert, dass sich Ausdrücke wie „Beendigung“ und „Ende“ im semantischen Sinn auf das beziehen, was zu Ende geht.61 Eine Versuchstat kann als ein Versuch unbeendet sein, aber als Tat schon beendet.62 Daraus, dass der Täter nur einen unbeendeten Tötungsversuch begangen hat, folgt nicht, dass die Tat als solche nicht mit dem Aufhören seiner Ausführungsakte beendet ist. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist der Ansicht von Hruschka zuzustimmen, weil der Beendigungsbegriff das Produkt einer außerstrafgesetzlichen Gesamtbetrachtung ist, die nicht nur für eine vollendete Tat gilt. Denkt man an Konstellationen, in denen der Abschluss einer Straftateinheit schon vor der Tatvollendung eingetreten ist, weil der Täter vorzeitig seinen Tatplan aufgibt oder scheitert, erscheinen die üblichen Begriffsbestimmungen der Tatbeendigung als unvollständig. Auch am Wortlaut des § 24 Abs. 1 lässt sich die Straftateinheit eines Versuchs erkennen, wenn der Gesetzgeber im ersten Satz beim unbeendeten „Versuch“ von „wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt“ spricht. In der Rücktrittslehre wird die Frage seit langem heftig diskutiert, wann ein einziger und wann mehrere Versuche vorliegen, wenn der Täter nach dem Fehlschlag seinen deliktischen Tatplan weiter verfolgt.63 Der BGH hält einen einzigen Versuch dann für gegeben, wenn die der Tatvollendung dienenden Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden. Ein einheitlicher Lebensvorgang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die einzelnen Handlungen in engem räum59 S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 4. Ebenso Hau, S. 43 f. Allerdings sind die angeführten Begründungen für diesen Standpunkt nicht überzeugend. Der erste Grund, i. e. dass die Beendigung begrifflich die Vollendung voraussetze, ist schon deshalb abzulehnen, weil der Beendigungsbegriff gemäß § 2 Abs. 2 und § 78 a gleichermaßen für Versuch und Vollendungstat gelten muss. Auch bei weiteren Problemzusammenhängen stellt sich der Beendigungsbegriff nur als eine wissenschaftliche Konstruktion dar, die je nach Interesse des Wissenschaftlers zweckmäßig anders definiert werden kann. Der weitere Grund, wonach Abgrenzungsfragen zwischen dem erstmaligen Eintritt in das Versuchsstadium und dem Abschluss des Versuchs nicht auftauchten (Hau, S. 44), ist ebenfalls abzulehnen, weil dieser Abschlusszeitpunkt des Versuchs – ebenso wie der der vollendeten Tat – ebenfalls eine Konsequenz ist, die sich aus der Annahme der Straftateinheit ergibt. 60 Hruschka, JZ 1983, 217 (218). 61 Hruschka, JZ 1983, 217. 62 Hruschka, JZ 1983, 217. Daher ist die übliche Unterscheidung „beendeter/unbeendeter Versuch“ nicht mit der hier gemeinten „Beendigung einer Versuchsstraftateinheit“ zu verwechseln (insoweit richtig Hau, S. 43). Bei der ersteren handelt es sich nur um das Problem der Anforderung an den straflosen Rücktritt vom Versuch. Näher dazu vgl. nur LK-Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 140 ff. 63 Ausführlich dazu Scheinfeld.
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
lichem und zeitlichem Zusammenhang stehen.64 Daran lässt sich leicht erkennen, dass der BGH den Begriff der natürlichen Handlungseinheit der Konkurrenzlehre auf das Gebiet des Rücktritts überträgt, um die Straftateinheit der Versuchstat zu bestimmen.65 Nicht zuletzt hat die Tatbeendigung bei einer strafbaren Versuchs- oder Vorbereitungshandlung auch praktische Konsequenzen, z. B. bei der Anrechnung der Verfolgungsverjährung (§ 78 a). Wenn z. B. ein Täter, der sein Gewehr anlegt und auf das Opfer zielt, sich entschließt, es nicht zu töten und es vorbeilaufen lässt, hat man hier im vollständigen Aufgeben seiner weiteren Tatausführung auch von „Beendigung“ eines Tötungsversuches zu sprechen. Ansonsten würde der Tötungsversuch nicht der Verfolgungsverjährung unterliegen, was niemand akzeptieren würde. Obwohl der Beendigungsbegriff sowohl für die Vollendungs- als auch für die Versuchstat gilt, wird die nachfolgende Darstellung sich auf die Beendigung einer vollendeten Straftat beschränken. Denn es handelt sich vor allem um die Frage, wie die Straftateinheit bestimmt werden kann, und die Frage, ob sich der auf der Straftateinheit beruhende Beendigungsbegriff wirklich als Auslöser der aufgezählten Rechtsfolgen darstellt. Um die beiden Fragen zu beantworten bedarf man nicht einer gesonderten Erläuterung über die Beendigung einer Versuchstat.
V. Die möglichen Vorgehensweisen zur Lösung der Beendigungsproblematik Die bisherigen Überlegungen ergeben, dass der Zeitpunkt der Tatbeendigung wesentlich vom Umfang der Straftateinheit abhängt. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, anhand welches einheitlichen Kriteriums man die Tatbeendigung für alle denkbaren Delikte und alle einschlägigen Rechtsfolgen feststellt. Darüber hinaus bleibt es weitaus unklar, warum die einschlägigen Rechtsfolgen an die Tatbeendigung, also den Abschluss einer Straftateinheit, anknüpfen sollen. Wenn man den Versuch zur Lösung dieser komplexen Beendigungsproblematik unternimmt, stehen einem die folgenden möglichen Vorgehensweisen zur Verfügung. 1. Ein bloßes Auslegungsproblem des Straftatbestands Die erste Vorgehensweise besteht darin, dass man sich allein darum bemüht, für die beiden unter I. skizzierten Fallgruppen zur Tatbeendigung 64 65
BGHSt. 41,368 (369). Puppe, JR 1996, 513; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 11.
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eine verbindliche Begriffsbestimmung zu entwickeln. Daraufhin könnte man ohne weiteres die unter II. aufgezählten strafrechtlichen Konsequenzen an die Beendigung der Tat anknüpfen. Ein Unterschied zwischen den beiden Fallgruppen fällt sofort auf: Während in der ersten Fallgruppe der Straftatbestand nach der Vollendung noch wiederholend verwirklicht ist, erfüllt bei der zweiten Fallgruppe das zur endgültigen Rechtsgutsverletzung führende Geschehen bzw. Täterverhalten nicht unbedingt den Straftatbestand. Um auch die Tatbeendigung dieser zweiten Fallgruppe zu erklären, muss sich die Begriffsbestimmung vom Straftatbestand des einzelnen Delikts lösen und eines übergeordneten Gesichtspunkts bedienen, sei es der räumlich und zeitlich enge Zusammenhang mit der Tatvollendung, sei es die Vertiefung bzw. Aufrechterhaltung des Unrechtsgehalts. Es erscheint aus Sicht des Rechtsstaatsprinzips aber zweifelhaft, ob dieser tatbestandslose Abschnitt des gesamten Tatgeschehens noch als ein Bestandteil der Straftat bewertet werden darf. Unter diesem Aspekt stellt die Dogmatik der Beendigung nichts anderes als nur ein Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands dar. Die Aufgabe der Beendigungslehre beschränkt sich demzufolge darauf, die „tatbestandliche Nachzone“66 von dem tatbestandlich irrelevanten Geschehen abzugrenzen. Ob die Suche nach einem Kriterium für die Straftateinheit, das für alle Straftatbestände gelten kann, erfolgversprechend ist, steht hier noch dahin. Diese Betrachtungsweise ist allerdings schon deswegen methodisch mangelhaft, weil dabei der Zweck der Bestimmung des Beendigungsbegriffs ganz unberücksichtigt gelassen wird. Möchte man z. B. mit dem Beendigungsbegriff lediglich den Abschluss eines Tatgeschehens im kriminologisch-empirischen Sinne bezeichnen, wäre die Frage belanglos, ob die Bestimmung der Tatbeendigung in Einklang mit der Fassung des einzelnen Straftatbestands gebracht werden muss. Das Bedürfnis nach der präzisen Begriffsbestimmung der Tatbeendigung ergibt sich jedoch unbestreitbar gerade daraus, dass die herrschende Beendigungslehre daran strafrechtliche Konsequenzen anknüpfen will.67 Die Beantwortung der umstrittenen Frage, wie sich der Beendigungsbegriff mit dem Straftatbestand des einzelnen Delikts verhalten sollte, kann nur dann nicht orientierungslos sein, wenn man zugleich die dem Beendigungsbegriff zugewiesenen Funktionen im Blick behält. Die Beendigungsproblematik kann deshalb keineswegs auf ein bloßes Auslegungsproblem des Straftatbestands reduziert werden.
66 67
Terminogie aus Wessels/Beulke, Rn. 592; Eser/Burkhardt, Fall 31 A 12. Vgl. auch Winkler, S. 15, 111.
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
2. Ein Auslegungsproblem des Straftatbestands mit Rücksicht auf die strafrechtlichen Konsequenzen Damit eröffnet sich eine zweite Vorgehensweise: Man könnte weiterhin davon ausgehen, dass die Begriffsbestimmung der Tatbeendigung grundsätzlich ein Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands sei; dabei würde sich aber das Verhältnis der Tatbeendigung zum Straftatbestand nach der jeweiligen strafrechtlichen Konsequenz mitbestimmen lassen. Betrachtet man die Fragwürdigkeit der Tatbestandskonformität des Beendigungsbegriffs und seine strafbegründenden und -erschwerenden Konsequenzen zusammen, treten die Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips an die Auslegung des Beendigungsbegriffs in den Vordergrund. Bekanntlich steht das Gesetzlichkeitsprinzip jeder Anknüpfung der Strafbegründung und -erschwerung an eine übergesetzliche Rechtsfigur entgegen; es lässt lediglich Möglichkeiten der Strafausschließung bzw. -milderung zu, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Von diesem Standpunkt aus bleibt das Ziel der tatbestandskonformen Bestimmung des Beendigungsbegriffs nur dort zu verfolgen, wo der Beendigungsbegriff die Strafbarkeit des Täters/Beteiligten begründet oder seine Strafe erschwert. Insofern steht im Mittelpunkt der Beendigungsproblematik die zulässige Auslegungsgrenze des jeweiligen Straftatbestands nach dem Grundsatz des Analogieverbots und des Bestimmtheitsgebots. Demgegenüber kommt eine vom Straftatbestand abgelöste Auslegung des Beendigungsbegriffs dort in Betracht, wo dadurch die materiell-rechtliche Rechtstellung des Täters nicht verschlechtert wird. Somit stellt sich die Frage, mit welchem Kriterium eine Beendigungsphase zu bestimmen ist, die zwar nicht an die Auslegungsgrenze des einzelnen Straftatbestands gebunden sein muss, aber teleologisch ebenso wie auch sprachlich mit den einschlägigen Vorschriften im Einklang steht. Folgerichtig führt die Berücksichtigung der jeweiligen strafrechtlichen Konsequenz des Beendigungsbegriffs zu dessen differenzierter Auslegung. Auf den ersten Blick hat diese Betrachtungsweise der Komplexität der Beendigungsproblematik ausreichend Rechnung getragen, da die zugewiesenen Funktionen des Beendigungsbegriffs bereits bei der Begriffsbestimmung mit berücksichtigt werden. Allerdings gründet sich dieser Lösungsweg auf die unausgesprochene Prämisse, dass die genannten strafrechtlichen Konsequenzen überhaupt vom Beendigungsbegriff ausgelöst werden können. Diese Prämisse versteht sich aber nicht von selbst, sondern man hat dafür noch einen Beleg zu erbringen. Denn der Beendigungsbegriff findet sich in den meisten einschlägigen Vorschriften nicht als Auslöser der Rechtsfolge. Beispielsweise setzt die Notwehr gemäß § 32 die Gegenwärtigkeit des Angriffs voraus, aber nicht, dass sich der Angriff etwa noch in der Phase der Tatbeendigung befindet. Auch ist die Tateinheit von mehre-
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ren Straftaten gemäß § 52 dann gegeben, wenn die echt konkurrierenden Straftaten durch dieselbe Handlung begangen wurden. Dass die Teilidentität der Ausführungshandlungen während der Beendigungsphase schon Tateinheit begründet, ist dem Wortlaut des § 52 ebenfalls nicht zu entnehmen. Dasselbe Bedenken gilt nicht weniger für die weiteren angesprochenen Rechtsbereiche. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen, dass dem Beendigungsbegriff keine Bedeutung in den einzelnen Problemzusammenhängen zukommen könnte. In den Rechtsbereichen, in denen die Entbehrlichkeit des Beendigungsbegriffs bestätigt ist, stellt sich anschließend auch nicht die Frage, ob die Tatbeendigung im Einklang mit dem Straftatbestand des einzelnen Delikts stehen muss. Demzufolge beschränkt sich die Beendigungsproblematik nicht nur darauf, wie die Tatbeendigung des einzelnen Delikts differenzierend auszulegen ist. Einbezogen werden muss eine gründliche Auseinandersetzung mit der Vorfrage, ob die angesprochenen strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Beendigungsbegriff gezogen werden dürfen oder müssen. Die Betrachtungsweise, wonach die Tatbeendigung primär ein Auslegungsproblem des Straftatbestands darstellt, das allenfalls mit Rücksicht auf die vielfältigen Konsequenzen differenzierend gelöst werden kann, erweist sich ebenfalls als methodisch unzureichend. 3. Ein Auslegungsproblem der gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Rechtsbereichen Mit den bisherigen Überlegungen drängt sich die dritte Vorgehensweise auf: Man sollte vorrangig darauf eingehen, ob der Beendigungsbegriff in dem jeweiligen Rechtsbereich der Auslöser strafrechtlicher Konsequenzen ist. Damit ist der Blick bei der Begriffsbestimmung nicht primär auf das Verhältnis des Beendigungsbegriffs zum einzelnen Straftatbestand gerichtet. Vielmehr ist die Frage noch entscheidender, ob der Beendigungsbegriff in den einschlägigen Vorschriften des jeweiligen Rechtsbereichs zugrunde gelegt ist. M. a. W. ist die Beendigungsproblematik primär ein Auslegungsproblem der einschlägigen Regelung des jeweiligen Rechtsbereichs. Dass der Beendigungsbegriff für das Verjährungs- und intertemporale Strafanwendungsrecht maßgebend ist, ist seitens des Gesetzgebers in § 2 Abs. 2 und in § 78 a S. 1 ausgedrückt worden. Auch wenn man gegen diese gesetzgeberische Entscheidung Bedenken hegen könnte, ändert sich dadurch die Daseinsberechtigung des Beendigungsbegriffs auf keinen Fall. De lege lata orientiert sich die Bestimmung des Beendigungsbegriffs in beiden Vorschriften aber nicht in erster Linie daran, ob sie mit dem Straftatbestand des einzelnen Delikts übereinstimmt, sondern vorrangig daran, was
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
die einschlägige Vorschrift jeweils von ihrem Wortlaut her zulässt und was von ihrer Ratio geboten ist. Anders als bei der oben genannten zweiten Betrachtungsweise erfordert das Gesetzlichkeitsprinzip bei der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung lediglich, die Wortlautgrenze des § 2 Abs. 2 („Beendigung der Tat“) und § 78 a S. 1 („die Tat beendet ist“) einzuhalten, was nicht zwingend eine tatbestandskonforme Auslegung bedeutet.68 In den übrigen Rechtsbereichen, wo der Beendigungsbegriff gesetzlich nicht unmittelbar verankert ist, ist das Problem anders gelagert. Denn die Maßgeblichkeit des Beendigungsbegriffs darf man nicht ohne weiteres annehmen, sondern man muss sie zuerst überprüfen. Von Gesetzes wegen kommt es für die strafrechtliche Konsequenz jeweils vorrangig auf die sinngemäße Auslegung des betreffenden Tatbestandsmerkmals an. Man sollte etwa das Erfordernis der Gegenwärtigkeit des Angriffs in § 32 bzw. das der Identität der Handlung in § 52 unter Einhaltung des Gesetzlichkeitsprinzips nach dem Grundgedanken der Notwehr bzw. der Tateinheit interpretieren. Die Interpretation des gesetzlichen Merkmals der jeweiligen Vorschrift kann entweder ergeben, dass das betroffene gesetzliche Merkmal inhaltlich vom Abschluss einer Straftateinheit abhängt, oder dass es sich überhaupt nicht darauf bezieht. Im letzteren Fall wird die Existenzberechtigung des Beendigungsbegriffs für diesen Rechtsbereich abgelehnt. Die Behauptung, dass die Tatbeendigung spezifische strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, würde insofern unrichtig sein. Infolgedessen wäre auch die anschließende Bemühung, den Beendigungszeitpunkt der Straftat anhand des Straftatbestands des einzelnen Delikts festzulegen, entbehrlich. Demgegenüber entscheidet der übergesetzliche Begriff der Tatbeendigung nur im ersteren Fall über den Eintritt der strafrechtlichen Konsequenz. Da der Beendigungsbegriff insoweit nur ein Faktor des gesetzlichen Merkmals ist, kommt es für seine Festlegung ebenfalls vorrangig auf den Wortlaut und die Ratio der einschlägigen Vorschrift an. Ob eine tatbestandskonforme Auslegung des Beendigungsbegriffs im Hinblick auf das einzelne Delikt erforderlich ist, hängt letztlich davon ab, ob dies auch vom Wortlaut und von der Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs geboten ist. Unter diesem Aspekt wird der Begründungszusammenhang des Beendigungsbegriffs mit der jeweiligen Vorschrift hervorgehoben. Damit sind zum einen die strafrechtsdogmatischen Funktionen des Beendigungsbegriffs nicht willkürlich angenommen. Zum anderen werden die rechtsstaatlichen Grenzen für die Festlegung des Beendigungszeitpunkts primär in Bezug auf die jeweilige Vorschrift des einzelnen Rechtsbereichs gezogen. Dieses Vorgehen darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass kein Zu68
Zutreffend bei Mitsch, Jura 2009, 534 (536).
B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre
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sammenhang zwischen der Beendigungsdogmatik und der Auslegung des Straftatbestands des einzelnen Delikts bestünde. Der für den jeweiligen Rechtsbereich einschlägige Beendigungsbegriff bezieht sich immer auf die jeweilige Straftat, und daher wird notwendigerweise die Anschlussfrage aufgeworfen, wie dieser Begriff auf der Ebene des einzelnen Straftatbestands umzusetzen ist. Lediglich auf dieser sekundären Bestimmungsebene des Beendigungsbegriffs tritt das spezifische Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands in den Vordergrund.
VI. Ausblick Aus dieser methodischen Vorüberlegung ergibt sich, dass die Beendigungsproblematik sich primär auf das Verhältnis des Beendigungsbegriffs zur Ratio und zu gesetzlichen Regelungen des einzelnen Rechtsbereichs, sowie sekundär auf dies zu jeweiligem Straftatbestand des einzelnen Delikts bezieht. Die vorliegende Untersuchung bezweckt daher, das primäre Verhältnis des Beendigungsbegriffs zur einschlägigen Vorschrift des jeweiligen Rechtsbereichs einerseits, sowie das sekundäre Verhältnis des rechtsbereichsspezifischen Beendigungsbegriffs zum Straftatbestand des einzelnen Delikts andererseits, herzustellen. Ob und wie die Straftateinheit für die genannten strafrechtlichen Konsequenzen relevant ist, bildet die Hauptaufgabe dieser Untersuchung. Wie schon angedeutet, beschränkt die bisherige Beendigungslehre demgegenüber den Blick vornehmlich auf das Verhältnis des einzelnen Straftatbestands zum Beendigungsbegriff. Die eventuelle Berücksichtigung der Ratio des einzelnen Rechtsbereichs ändert dabei nichts daran, dass die Straftateinheit und deren Abschluss für diese Rechtsfolgen bedenkenlos als entscheidend angesehen werden. Bevor auf dem methodisch vorzugswürdigeren Weg fortgeschritten wird, hat man sich aber mit der bisherigen Entwicklung der Beendigungslehre auseinanderzusetzen, damit festgestellt wird, ob die Komplexität der Beendigungsproblematik schon befriedigend behandelt worden ist. Wenn dies verneint wird, erscheint es noch dringender, die hier bevorzugte Vorgehensweise der Beendigungsproblematik durchzusetzen.
B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre Die bisherige Beendigungslehre geht allgemein davon, dass an die Tatbeendigung vielfache strafrechtliche Konsequenzen angeknüpft sind, und bemüht sich daraufhin, den Beendigungsbegriff sowie die darauf bezogene
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1. Teil: Tatbeendigung als ungelöstes Problem in der Strafrechtsdogmatik
Straftateinheit zu bestimmen. Ihre wichtigsten gedanklichen Zusammenhänge lassen sich so nachzeichnen: Zunächst wird nach einem allgemeingültigen Kriterium der Tatbeendigung, das entweder empirischer oder normativer Natur ist, für alle Straftatbestände gesucht (s. u. I., II., III.). Nachdem sich dieser Versuch als gescheitert erweist, begnügt sich die Beendigungslehre tendenziell damit, für die jeweilige Fallgruppe der Tatbeendigung oder den jeweiligen Deliktstyp ein eigenes Kriterium anzuwenden (s. u. IV.). Neuerdings mehreren sich jedoch die kritischen Stimmen in der Literatur, wonach der Beendigungsbegriff als Auslöser der jeweiligen strafrechtlichen Konsequenz unter Berücksichtigung des Gesetzlichkeitsprinzips oder der Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs differenziert werden soll (s. u. VI.). Im Folgenden wird vor allem die Unzulänglichkeit des bisherigen Forschungszustands der Beendigungslehre aufgezeigt.
I. Die Untauglichkeit des empirischen Verständnisses 1. Das rein empirische Verständnis a) Man könnte bei der Suche nach einer Straftateinheit mit dem Verhältnis des gesetzlichen Straftatbestands zur empirischen Wirklichkeit beginnen. Zweifellos gibt es vor dem Strafgesetz ein Tatbild des jeweiligen Delikts nach den Lebensanschauungen der Bevölkerung. Auf diesem Tatbild beruhend umschreibt der Gesetzgeber den tatbestandlichen Unrechtssachverhalt.69 Dabei hat er die typischen Eigenschaften des alltäglichen Tatbildes ausgewählt und aufgrund dessen nur einen Teilausschnitt dieses Tatbildes in den Straftatbestand aufgenommen. Dadurch ändert sich jedoch nichts daran, dass das vom gesetzlichen Straftatbestand ausgeklammerte, aber dem alltäglichen Tatbild zugehörige Tatgeschehen ein Bestandteil einer einheitlichen Straftat ist. In diesem Sinne schließt eine Straftateinheit nicht unbedingt mit der vollständigen Verwirklichung des Straftatbestands ab, sondern erst dann, wenn sie nach alltäglicher Lebensvorstellung der Bevölkerung ihr Ende erreicht. Die Tatbeendigung orientiert sich somit an diesem empirischen Tatbild. Die Rechtsprechung und Teile der Literatur haben sich z. T. dieser Sicht angeschlossen. Die „tatsächliche Beendigung“ einer Tat werde dann für eingetreten gehalten, „wenn das Tatgeschehen über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat“.70 Ein derartiges empirisches Verständnis des Beendigungszeitpunkts kommt 69 70
Vgl. dazu Winkler, S. 15; Kühl, Beendigung, S. 23. BayOLG NJW 1980, 412; S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 4.
B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre
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in der Rechtsprechung hinsichtlich vieler Straftatbestände zum Ausdruck. Der BGH sieht die Tatbeendigung des Diebstahls nach § 242 Abs. 1 „nach den Anschauungen des täglichen Lebens“71 in einer gewissen Festigung und Sicherung des Gewahrsams.72 Das Sich-Entfernen vom Unfallort i. S. des § 142 Abs. 1 sei beendet, „wenn der flüchtende Unfallbeteiligte das Ziel seiner Fahrt erreicht oder sich doch vom Unfallort genügend weit abgesetzt und sich dadurch in Sicherheit gebracht hatte“.73 Im Fall von Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 werde Beendigung in der „endgültigen Vernichtung des in Brand gesetzten Gegenstandes“ angenommen, weil die Tathandlung, das Inbrandsetzen, und das Fortwirken des damit eingeleiteten Naturvorganges „einen einheitlichen Vorgang“ darstelle, „der lediglich gedanklich in das Stadium des Inbrandsetzens und das des Brennens aufgespaltet werden kann“.74 b) Jedenfalls sollte man aber im Hinblick auf die gesetzlich gesicherte Relevanz des Beendigungsbegriffs im Strafrecht dem empirischen Verständnis entgegentreten. Zweifelhaft ist dies nämlich vor allem deshalb, weil die Lebensanschauung keinen sicheren Maßstab bietet, den strafrechtlich relevanten von dem irrelevanten Lebenssachverhalt abzugrenzen.75 Zieht man die weiterreichend anerkannte Rolle des Beendigungsbegriffs in den übrigen Rechtsbereichen in Betracht, scheint das Maß der Unbestimmtheit dieses Kriteriums noch unerträglicher zu sein. Dies zeigt sich am praxisrelevanten Beispiel des Diebstahls am deutlichsten. Bisher ist es noch niemandem gelungen, zu erklären, was unter dem Kriterium der „gewissen Beutesicherung“ genau zu verstehen ist. Die fehlende Rechtssicherheit bei der Handhabung dieses Kriteriums darf auch nicht damit umgangen werden, indem man die Tatbeendigung als eine reine Tatfrage ansieht. Denn dies würde nichts anderes als den Verzicht auf die rechtliche Bestimmung der Tatbeendigung und in der Praxis den völligen Entzug der Kontrolle bei der Revision bedeuten. Darüber hinaus hat Kühl aus methodischer Sicht zu Recht gegen das empirische Verständnis eingewandt, dass die sog. natürliche Lebensanschauung 71
BGH GA 1969, 347. BGHSt 20, 194 (196). 73 BayOLG NJW 1980, 412. 74 OLG Hamm JZ 1961, 94 (95). 75 Vgl. Kühl, Beendigung, S. 25 ff.; ebenso Winkler, S. 26. Die präzise Abgrenzung erscheint umso notwendiger, als man der heutzutage anerkannten Erkenntnis Rechnung trägt, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Straftatbestands keineswegs wertfrei vorgegangen ist, sondern den Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens typisieren wollte. (Näher dazu Roxin, AT/1, § 10 Rn. 7 ff.; auch LK-T. Walters, Vor § 13 Rn. 41.) Was er nicht in den Straftatbestand aufgenommen hat, kann womöglich für den Gesetzgeberwillen trotz Zugehörigkeit zum empirischen Tatbild strafrechtlich ohne Bedeutung sein. 72
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an sich kein rein vorjuristischer Gesichtspunkt sein kann, wie es auf den ersten Blick erscheint.76 Der Rechtsanwender lässt sich in gewissem Maße zwingend von bewertenden bzw. normativen Gesichtspunkten leiten, wenn er im Hinblick auf einen bestimmten Straftatbestand und die in Frage stehenden Rechtsfolgen darüber zu entscheiden hat, wann eine Straftat ihren endgültigen Abschluss findet. Auch wenn man mit der sog. natürlichen Lebensvorstellung bisweilen zum sachgerechten Ergebnis gelangt, entzieht eine solche Vorgehensweise sich jedoch jeder gerichtlichen Überprüfung und bringt damit eine Willkürgefahr mit sich, weil der entscheidende normative Gesichtspunkt im Dunkel bleibt. Deshalb ist diesem empirischen Verständnis der Tatbeendigung nicht zu folgen. 2. Das empirisch-normativ kombinierte Verständnis Nach Leschs Analyse der ständigen Rechtsprechung des BGH ist beachtenswert, dass sich diese theoretisch denkbare Willkürgefahr durch ein empirisches Verständnis in der Praxis nicht in einer grenzenlosen Bestimmung der Beendigungsphase realisiert hat.77 Ein solches erfreuliches Ergebnis hängt wohl damit zusammen, dass die entscheidenden Wertungsgesichtspunkte dem Kriterium der täglichen Lebensanschauung Grenzen gesetzt haben. Dies bestätigt sich in der kommentierten Darstellung Esers über die Begriffsbestimmung der Tatbeendigung. Er sieht die Tatbeendigung allgemein in dem tatsächlichen Abschluss eines Tatgeschehens, hält sie aber auf einer konkreteren Ebene für gegeben, wenn etwaige mit der Tat verknüpfte Absichten realisiert sind, oder eine weitere Rechtsgutsbeeinträchtigung ausgeschlossen ist.78 Die Kombination von empirischen und normativen Gesichtspunkten erkennt man weiterhin daran, dass das Reichsgericht79 die Beendigung der Geldfälschung in der Verwirklichung der Absicht des Gebrauchmachens sieht und zwar mit der folgenden Begründung: „dass zwar die Verausgabung des verfälschten Geldes kein Tatbestandsmerkmal i. S. des § 146 StGB bildet, dass aber das gesamte auf die Anfertigung und Verausgabung des verfälschten Geldes gerichtete Verhalten sich für die natürliche Betrachtung als eine tatsächliche Einheit darstellt.“ Furtner hat diese Ansicht bestätigt, indem er den Grund des Kriteriums der Absichtsverwirklichung darin sieht, dass vor der Verwirklichung der mit der Straftat verfolgten Absicht „für die natürliche Betrachtungsweise und nach der äußeren Erscheinungsform die Tat noch nicht abgeschlossen ist“.80 76 77 78 79
Kühl, Beendigung, S. 25. Vgl. Lesch, S. 53. S/S-Eser, Vor § 22 Rn. 4; teilweise auch Jescheck, FS-Welzel, 683 (685 f.). RGSt 60, 315 (316).
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Es ist daher festzuhalten, dass eine reine Form des empirischen Verständnisses der Tatbeendigung nie als realistisch bewertet werden kann. Das Kriterium der täglichen Lebensanschauung ist in Wahrheit eine verkappte Form des normativen Verständnisses der Tatbeendigung. Damit tritt das entscheidende normative Verständnis der Tatbeendigung in den Vordergrund. Die natürliche Lebensanschauung darf allenfalls als eines der Elemente für die normative Bestimmung des Beendigungsbegriffs betrachtet werden.
II. Die Hilflosigkeit der Rechtsfigur des Dauerdelikts Nachdem das empirische Verständnis des Beendigungsbegriffs prinzipiell abgelehnt wurde, tendierte die Beendigungslehre überwiegend in Richtung eines normativen Verständnisses der Tatbeendigung. Insofern könnte für die Feststellung der Straftateinheit allem Anschein nach die Analyse des normativen Charakteristikums eines Dauerdelikts hilfreich sein. Es liegt zum einen daran, dass der Beendigungsbegriff dogmengeschichtlich erstmals beim Dauerdelikt herausgearbeitet worden ist81; weshalb decken sich Probleme und Konsequenzen des Dauerdelikts zum großen Teil mit denen des Beendigungsbegriffs.82 Der andere Grund liegt darin, dass das Dauerdelikt als Prototyp des Beendigungsbegriffs nach wie vor allgemein anerkannt wird, obwohl die Ausweitung des Beendigungsbegriffs unter dem Aspekt des Gesetzlichkeitsprinzips betrachtet vielfach kritisiert wird. Findet man das normative Charakteristikum des Dauerdelikts heraus, könnte sich die Bestimmung der Straftateinheit und des Abschlusses der Straftateinheit in allen Fällen daran orientieren. Dass die Rechtsfigur des Dauerdelikts erwartungsgemäß eine scharfe Kontur aufweist und somit einen Maßstab an die Beurteilung des Beendigungszeitpunkts legt, steht jedoch bei näherem Hinsehen nicht außer Frage. 1. Die bisherigen Versuche zur Abgrenzung des Dauerdelikts vom Zustandsdelikt In der Deliktstypenlehre sind die Dauerdelikte den Zustandsdelikten gegenübergestellt. Trotz praktischer Bedeutung ist die allgemeine Definition des Dauerdelikts und auch dessen Abgrenzung zum Zustandsdelikt seit langem ungeklärt.83 Unter Zustandsdelikten versteht man herkömmlicherweise 80
Furtner, MDR 1965, 431; ähnlich Jescheck, FS-Welzel, 683 (686). Hälschner, GA 1860, 441 (447 f.); Jescheck, FS-Welzel, 683 (687); Hau, S. 25 f. 82 Vgl. Hruschka, GA 1968, 193 (202); Cording, S. 43 m. w. N. 83 Hruschka, GA 1968, 193; neuerdings Schmitz, S. 22 f. 81
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diejenigen Delikte, die mit der „Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes“84 bzw. der „Herstellung eines bestimmten Zustandes“85 vollendet und in der Regel zugleich beendet sind. Klassische Beispiele dafür bilden Totschlag (§ 212), Körperverletzung (§ 223) und Sachbeschädigung (§ 303). Auch wenn der vom Täter hervorgerufene rechtswidrige Zustand nach dem Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens tatsächlich andauert, hat nach allgemeiner Ansicht dessen Fortsetzung „keine selbständige kriminelle Bedeutung“86, weil der rechtswidrige Zustand „keiner Aufrechterhaltung durch den Täter fähig und bedürftig“87 ist. Bei den sog. Zustandsdelikten erschöpft sich „der tatbestandliche Unwert also in der Herbeiführung des widerrechtlichen Zustandes“.88 Bezüglich des Dauerdelikts gibt es in der Literatur ebenfalls verschiedenartige Definitionen. Teilweise wird dem Begriff des Dauerdelikts ein eher faktischer Gesichtspunkt zugrunde gelegt. Nach Baumann/Weber/Mitsch ist ein Dauerdelikt dadurch gekennzeichnet, dass „die Begehung der Tat so lange andauert, wie die durch die Handlung des Täters geschaffene Lage besteht“.89 Für Kindhäuser sind Dauerdelikte die Delikte, bei denen der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführt und so dann „über einen mehr oder weniger langen Zeitraum“ aufrechterhält.90 Roxin sieht die Beschaffenheit des Dauerdelikts darin, dass das Delikt „durch den fortdauernden deliktischen Willen des Täters so lange aufrechterhalten wird, wie der von ihm geschaffene rechtswidrige Zustand bestehen bleibt“.91 Teilweise wird demgegenüber von einer eher normativen Betrachtungsweise ausgegangen. Lackner/Kühl definieren das Dauerdelikt dergestalt, dass der Täter durch „pflichtenwidriges Aufrechterhalten des von ihm vorher geschaffenen rechtswidrigen Zustandes oder durch ununterbrochenes Fortsetzen der Tathandlung“92 den Tatbestand weiter verwirkliche.93 Dadurch wird deut84
Fischer, Vor § 52 Rn. 58. Baumann/Weber/Mitsch, § 8 Rn. 56; vgl. auch B. Heinrich, AT/1, Rn. 166; Roxin, AT/1, § 10 Rn. 106. 86 Lackner/Kühl, Vor § 52 Rn. 11; vgl. auch LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 49. 87 Roxin, AT/1, § 10 Rn. 106. 88 Wessels/Beulke, Rn. 33; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28. 89 Baumann/Weber/Mitsch, § 8 Rn. 56; ebenso BGHSt 36, 255 (257). 90 Kindhäuser, AT, § 8 Rn. 24. 91 Roxin, AT/1, § 10 Rn. 105. 92 Lackner/Kühl, Vor § 52 Rn. 11. 93 In diesem Sinne auch Wessels/Beulke, Rn. 32; Fischer, Vor § 52 Rn. 58; Gropp, § 14 Rn. 30; Hau, S. 70 f.; B. Heinrich, AT/1, Rn. 166; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 49; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor § 52 Rn. 81; Hruschka, GA 1968, 194 (197); Bitzilekis, ZStW 99 (1985), 723 (726); Seier, NZV 1990, 129; wohl auch Schittenhelm, GA 1983, 310 (324). 85
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lich gemacht, dass sowohl die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands durch Unterlassung als auch die Fortsetzung des rechtswidrigen Zustands durch eine kontinuierliche Handlung denkbare Begehungsweisen eines Dauerdelikts sind. Ähnlich wird das Dauerdelikt von Jakobs und Frister dahingehend definiert, dass sich bei ihm „. . . potenziell in der Zeit das Unrecht summieren kann“94 oder „der verwirklichte Unwert mit der Dauer des deliktischen Geschehens ansteigt“.95 Die Rechtsprechung definiert den Begriff des Dauerdelikts ohne sachliche Unterschiede zu den oben genannten Definitionen. Der BGH sieht die Voraussetzungen eines Dauerdelikts nur dann als erfüllt an, wenn „der Täter den von ihm in deliktischer Weise geschaffenen rechtswidrigen Zustand willentlich aufrechterhält oder die deliktische Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, so dass sich der strafrechtliche Vorwurf (. . .) auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes bezieht“.96 2. Die Austauschbarkeit der terminologischen Verwendung zwischen Dauer- und Zustandsdelikt Ob eine Einteilung in Dauer- und Zusatandsdelikt durchführbar ist, ist jedoch zweifelhaft. Die Gegenüberstellung von Zustandsdelikt und Dauerdelikt lässt sich schon dem Namen nach nicht aufrechterhalten, weil die beiden Ausdrücke „Zustandsdelikt“ und „Dauerdelikt“ von der Semantik aus gesehen nicht zwingend einen Gegensatz bilden, sondern sogar unter einem bestimmten Gesichtspunkt austauschbar sein könnten. Dies lässt sich wie folgt demonstrieren: Wenn man unter Zustandsdelikten einfach diejenigen Delikte versteht, durch die irgendein rechtswidriger Zustand herbeigeführt wird, dann müssten alle denkbaren Delikte als Zustandsdelikt angesehen werden. Denn die Tatsache, dass eine Straftat begangen worden ist, bedeutet zwingend die Entstehung eines rechtswidrigen Zustands in der Außenwelt. Der Unterschied zwischen allen Delikten könnte allenfalls darin bestehen, dass der rechtswidrige Zustand zum Teil eine längere Zeit andauert, zum Teil aber nur augenblicklich vorliegt. Damit wäre eine Unterscheidung zwischen „Dauer-Zustandsdelikten“ und „Augenblick-Zustandsdelikten“ zu treffen.97 Eine Freiheitsberaubung würde demnach allein deswegen als Dauer(-Zu94
Jakobs, 6/83; ähnlich MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28. Frister, AT, § 8 Rn. 22. 96 BGH NJW 1996, 3424; in diesem Sinne auch BGHSt 36, 255 (257). 97 In ähnlicher Weise unterscheidet Hruschka, GA 1968, 193 (200) zwischen „Dauerstraftat“ und „Augenblickstraftat“ danach, ob die Tatbestandsverwirklichung lediglich im Augenblick der Vollendung vorliegt. 95
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stands)delikt eingeordnet werden, weil der rechtswidrige Zustand regelmäßig eine längere Weile fortbesteht. Demgegenüber würde der Totschlag wegen des innerhalb eines Augenblicks geschehenden rechtswidrigen Zustands nur als (Augenblicks-)Zustandsdelikt angesehen werden. Unter diesem Aspekt betrachtet ist die herkömmliche Gegenüberstellung von „Zustandsdelikt“ und „Dauerdelikt“ terminologisch verwirrend, weil sich das Wort „Zustand“ auf eine allen Straftaten gemeinsame Beschaffenheit als solche bezieht, während das Wort „Dauer“ die zeitliche Dimension dieser Beschaffenheit zum Ausdruck bringt. Eine korrekte Differenzierung zwischen allen Delikten könnte erst dadurch erfolgen, dass man zusätzlich ein Kriterium heranzieht, das gewissermaßen die notwendige „Dauerhaftigkeit“ des rechtswidrigen Zustands für das Dauerdelikt begründen würde. Geht man demgegenüber davon aus, dass jede Straftat irgendeinen Charakter der Dauerhaftigkeit aufweisen muss, dann könnten alle denkbaren Delikte als „Dauerdelikt“ eingeordnet werden.98 Ein Unterschied könnte darin liegen, dass in der konkreten Deliktsentwicklung entweder der rechtswidrige Zustand oder das tatbestandmäßige Verhalten eine gewisse Zeit andauert. Aus diesem Blickwinkel könnten einige Delikte als „Verhaltens-Dauerdelikte“, und sonstige Delikte als „Zustands-Dauerdelikte“ bezeichnet werden. Somit würde z. B. die Trunkenheitsfahrt wegen der dauerhaften Begehung des tatbestandsmäßigen Verhaltens als (Verhaltens-)Dauerdelikt angesehen werden. Demgegenüber würde z. B. der Diebstahl deshalb als ein Zustands(-Dauer) delikt bezeichnet, weil kein tatbestandsmäßiges Verhalten, sondern ein rechtswidriger Zustand, nämlich der des Gewahrsamsverlustes dauerhaft vorliegt. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt sich die herkömmliche Gegenüberstellung ebenfalls irreführend aus, weil sich das Wort „Dauer“ auf eine allen Straftaten gemeinsame Beschaffenheit als solche bezieht, während das Wort „Zustand“ den Bezugsgegenstand dieser Beschaffenheit beschreibt. Eine richtige Unterscheidung ergäbe sich nur dann, wenn man zwischen „Andauern eines bloßen rechtswidrigen Zustands“ und „Andauern eines tatbestandsmäßigen Verhaltens“ präzis unterscheiden würde. Die Ausdrücke „Zustandsdelikt“ und „Dauerdelikt“ erweisen sich insofern als unglücklich, weil sie sich entweder unter gesonderter Betrachtung jeweils auf eine allen Delikten gemeinsame Beschaffenheit beziehen99, oder sich bei der Gegenüberstellung als unterschiedlichen Ebenen zugehörig erweisen. Jedenfalls kann damit keine korrekte Differenzierung zwischen allen denkbaren Delikten getroffen werden. 98
Wie Hruschka, GA 1968, 193 (196) zutreffend sagt: „Nun sind alle menschlichen Handlungen . . . stets von einer gewissen Dauer (. . .). Denn alle Handlungen geschehen immer in der Zeit und nicht außer der Zeit.“ 99 Insoweit auch LK-T. Walter, Vor § 13 Rn. 62.
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3. Die inhaltlichen Bedenken gegen das Dauer- bzw. Zustandsdelikt Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Begriff des Zustandsdelikts fast keinen sachlichen Inhalt aufweist. Denn beim Zustandsdelikt stellt sich die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands als das einzige positive Begriffsmerkmal dar, das jedoch als solches eine gemeinsame Beschaffenheit aller Delikte ist. Daneben bleibt bei den bisherigen Definitionen des Zustandsdelikts im Kern nur ein einziges negatives Begriffsmerkmal übrig, nämlich dass die Fortsetzung dieses Zustands strafrechtlich ohne Bedeutung ist. Die wesentliche Frage, und zwar aus welchen normativen Gründen das bei fast allen Delikten beobachtbare empirische Andauern des rechtswidrigen Zustands nur in einigen Straftatbeständen keine strafrechtliche Relevanz hat, kann damit nicht beantwortet werden. Die in der Literatur und Rechtsprechung verbreitete Zuordnung eines Straftatbestands zu der einen oder der anderen Kategorie erfolgt bei genauerem Hinsehen tatsächlich allein anhand der Begriffsbestimmung des Dauerdelikts. Die Bedeutung des Begriffs des Zustandsdelikts erschöpft sich in der negativen Abgrenzung zu den Dauerdelikten.100 Entscheidend für die Abgrenzung von Zustands- und Dauerdelikt ist daher, wodurch sich das Dauerdelikt auszeichnet. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass die faktische Betrachtungsweise des Dauerdelikts, was seine Abgrenzung zum sog. Zustandsdelikt betrifft, nichts beiträgt. Denn es gibt bisher nicht nur keine zuverlässige Antwort auf die Frage, wie lange der Zeitraum des aufrechtzuerhaltenden Zustands andauern muss, um als Dauerdelikt zu gelten. Die verbreitete Ansicht, wonach das Andauern des rechtswidrigen Zustands allein beim Dauerdelikt vom Täterwillen abhängig sei101, überzeugt ebenfalls nicht. Diese Begriffsbestimmung setzt sich der grundlegenden Kritik aus, dass eine Straftat nicht allein durch den Willen des Täters als eine bloß psychische Tatsache, sondern nur durch irgendein äußerliches Verhalten des Täters verlängert werden kann. Mit dieser Begriffsbestimmung lässt sich darüber hinaus nicht erklären, dass z. B. Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung, die jeweils anerkanntermaßen dem Zustandsdelikt zugeordnet werden, nicht auch ein Dauerdelikt darstellen.102 Denn man kann sich leicht jeweils einen Fall vorstellen, in dem der Täter dem eigenen Willen zufolge darüber entscheidet, ob und wann er dem Berechtigten das Diebesgut 100 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor § 52 Rn. 82; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28; Hruschka, GA 1968, 193 (201). Weitergehend bezeichnet Schmitz, S. 21 den Begriff des Zustandsdelikts als unglücklich. 101 Vgl. Jescheck/Weigend, § 26 II 1. a); Wessels/Beulke, Rn. 32. 102 Hruschka, GA 1968, 193; LK-T. Walter, Vor § 13 Rn. 62.
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zurückgibt, ob die Wunde aufgrund einer körperlichen Misshandlung nachträglich durch die von ihm hinzugezogene medizinische Behandlung geheilt wird oder ob er selbst die von ihm zerbrochene Uhr wieder repariert. Die Täter in solchen Fällen erhalten jeweils den durch Wegnahme, Körperverletzung und Sachbeschädigung begründeten rechtswidrigen Zustand willentlich aufrecht, ebenso wie im Fall der Freiheitsberaubung, bei dem der Täter aus eigener Entscheidung das eingesperrte Opfer erst nach zwei Tagen durch Öffnen der Kellertür freilässt. Wenn man nur im letzteren Fall die willentliche Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands als Fortsetzung der Straftat ansehen möchte, dürfte die Besonderheit des Dauerdelikts gegenüber dem Zustandsdelikt nicht im Täterwillen zur Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands als solchem, sondern in der Qualität des willentlich aufrechtzuerhaltenden rechtswidrigen Zustands liegen. Vorzugswürdiger scheint deshalb der normative Ansatz, wonach der Tatbestand beim Dauerdelikt durch das Aufrechterhalten des rechtswidrigen Zustands wiederholend verwirklicht wird.103 Daraus lassen sich zwei Begriffsmerkmale des Dauerdelikts schließen. Zum ersten verwirklicht der Täter nach der Begründung des rechtswidrigen Zustands wiederum den Straftatbestand. Somit beruht die Annahme des Dauerdelikts weder auf dem Täterwillen noch auf dem unbestimmten Zeitfaktor, sondern richtet sich nach den tatbestandlichen Vorgaben des einzelnen Delikts. Zum zweiten verhält sich die weitere Tatbestandsverwirklichung zu der ersten als die Fortführung ein und derselben Straftat. Ansonsten könnte keine Rede von „Aufrechterhalten des rechtswidrigen Zustands“ oder „Fortsetzen der Tathandlung“ sein. Das materielle Kriterium der „Summierung des Unrechts“ (Jakobs) oder der „Ansteigerung des Unwerts“ (Frister) bringt densselben Gedanken zum Ausdruck. Somit handelt es sich beim Dauerdelikt um eine aus mehreren Tatbestandsverwirklichungen bestehende Straftateinheit. Folgt man dieser Deutung, stellt sich die Frage, ob die Straftatbestände, die üblicherweise als Dauerdelikt eingeordnet werden, irgendeine spezifische Tatbestandsstruktur aufweisen, durch die die Vielzahl der Tatbestandsverwirklichungen zur Straftateinheit führen muss. Diese Frage ist zu verneinen, denn die beiden Begriffsmerkmale des Dauerdelikts lassen sich nicht allein durch die Struktur eines Tatbestands feststellen. Ob im Einzelfall ein Straftatbestand wiederholend verwirklicht wird, hängt offensichtlich nicht von der gesetzlichen Tatbestandsstruktur, sondern allein von der konkreten Begehungsweise des Täters ab.104 Bei einem sog. Dauerdelikt 103
Z. B. B. Heinrich, AT/1, Rn. 166; sachlich ebenso Jescheck/Weigend, § 26 II 1. a), wonach sich bei Dauerdelikt „(. . .) die Tat gewissermaßen ständig erneuert“. 104 Zustimmend Kühl, Beendigung, S. 68 f.; a. A. Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 280.
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wird der Straftatbestand nach der Begründung des rechtswidrigen Zustands zwar in der Regel wiederholend verwirklicht, dies ist aber nicht zwingend der Fall. So erfüllt z. B. der Täter einer Freiheitsberaubung durch das Unterlassen der Freilassung des Opfers den § 239 Abs. 1 nicht mehr, wenn er gleich nach der Tatvollendung von einem anderen gefesselt wird und ihm somit die physisch-reale Möglichkeit zur erforderlichen Rettungshandlung fehlt.105 Wenn der Straftatbestand im Einzelfall wiederholend verwirklicht wird, nimmt zwar die Tatbestandsstruktur des Delikts Einfluss auf die Bildung der Straftateinheit, dabei spielt aber die konkrete Begehungsweise des Täters ebenfalls eine wesentliche Rolle. Beispielsweise stellt die Trunkenheitsfahrt nach § 316 vor dem endgültigen Anhalten des Fahrzeugs grundsätzlich eine einheitliche Straftat dar. Es wird aber heftig darüber diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die Trunkenheitsfahrt vorzeitig unterbrochen wird. Einigkeit besteht nur insoweit, als die Fahrt nicht wegen kurzfristigen Anhaltens aus Verkehrsgründen unterbrochen wird.106 Wenn etwa der Täter kurzfristig vor einer Ampel oder Bahnschranke anhält, ist das Anhalten „ein ganz verkehrstypischer Vorgang“ und der Fahrer noch „in die Vorgänge des Straßenverkehrs integriert“.107 Nach der Rechtsprechung soll in den sog. Unfallfluchtfällen jedoch grundsätzlich ein Verkehrsunfall die Einheitlichkeit der Fahrt unterbrechen, weil die Weiterfahrt notwendig auf einem neuen Tatentschluss beruht108, auch wenn der Täter nur vorübergehend anhält oder sogar ohne Halt weiterfährt.109 Dieser Auffassung wird in der Literatur überwiegend entgegengehalten, dass das Hinzutreten des Fluchtvorsatzes nicht den einheitlichen Entschluss zur Weiterfahrt beseitigt oder ändert.110 Gleichwohl kommt für die überwiegende Lehre die Unterbrechung eines Dauerdelikts dann in Betracht, wenn „sowohl im äußeren wie im inneren Geschehen eine eindeutige Zäsur vorliegt“.111 Unabhängig davon wird nach anerkannter Ansicht eine Zäsurwirkung auch aufgrund der Verurteilung wegen eines Dauerdelikts bewirkt. Da die Verurteilung nur die Herbeiführung und die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bis zum Urteilszeitpunkt erfasst, ist das Aufrechterhalten des rechtswidrigen 105
Ähnlich Jakobs, 6/82; Cording, S. 45. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 84; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 53 jeweils m. w. N. 107 Seier, NVZ 1990, 129 (131). 108 BGHSt 21, 203 (204 f.); zustimmend Lackner/Kühl, Vor § 52 Rn. 11. 109 BGHSt 21, 203; Stuttgart NJW 64, 1913; Seier, NVZ 1990, 129 (132) m. w. N. 110 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 85. 111 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 85; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 54. 106
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Zustands nach dem Urteil als selbständige Tat zu bewerten.112 Die Annahme einer Zäsurwirkung hat, aus welchem Grund auch immer, zur Folge, dass zwischen mehreren formellen Tatbestandsverwirklichungen keine Straftateinheit vorliegt, sondern mehrere selbständige Straftaten in Tatmehrheit bestehen.113 Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung: Begreift man das Dauerdelikt als eine aus mehreren Tatbestandsverwirklichungen bestehende Straftateinheit, ist dafür nicht allein irgendeine spezifische Tatbestandsstruktur entscheidend, sondern auch – und sogar noch gewichtiger – die konkrete Begehungsweise des Täters bzw. sonstige außertatbestandliche Umstände. Beim Dauerdelikt in diesem Sinne handelt es in der Sache nicht um einen spezifischen Deliktstyp, sondern um eine den Straftatbestand kontinuierlich verwirklichende Tatbegehungsweise. Auch bei dem üblicherweise als sog. Zustandsdelikt zugeordneten Tatbestand ist eine solche Tatbegehungsweise nicht selten zu beobachten. Wer z. B. einen anderen würgt und damit den Zustand einer körperlichen Misshandlung aufrecht erhält, bis er seinen Griff wieder lockert114, erfüllt fortwährend den § 223. Der Tatbestand des § 223 erlaubt darüber hinaus, dass die Vielzahl der Tatbestandsverwirklichungen durch die Herbeiführung und Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands zur Straftateinheit zusammengefasst werden. Mit Dauerdelikt wird demzufolge nur die gemeinsame Beschaffenheit der rechtlichen Handlungseinheit aller Fallgruppen beschrieben. Der verbereitete Eindruck, dass die Straftat eines Dauerdelikts eine „verfestigte“ rechtliche Handlungseinheit darstelle, erweist sich als missverständlich. Auf diesem Missverständnis beruht leider die übliche Vorgehensweise, dass man allein anhand der gesetzlichen Vorgaben eines Straftatbestands ein Delikt in die Kategorie „Dauerdelikt“ einordnet und sodann daran bestimmte Rechtsfolgen anknüpft. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass sich solche Rechtsfolgen in Wahrheit an der Straftateinheit orientieren könnten und dafür die konkrete Begehungsweise des Täters ebenso wie die gesetzliche Vorgabe eines Straftbestands maßgeblich wäre. Um dieser aus der Etikettierung entstehenden Gefahr entgegenzuwirken ist es empfehlenswert, in Zukunft auf den Begriff „Dauerdelikt“ oder „Dauerstraftat“ zu verzichten.115
112 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 87; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 55. 113 Vgl. auch BGHSt 21, 203 (204): „Die vor diesem Entschluss liegende Dauerstraftat war damit – anders als wenn jemand aus Verkehrsgründen oder freiwillig, d.h. ohne dass dies rechtlich geboten wäre, anhält – beendet. Es bestehen also zwei selbständige Vergehen der Trunkenheitsfahrt nebeneinander.“ (Hervorhebung vom Verfasser); LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 53. 114 Beispiel aus LK-T. Walter, Vor § 13 Rn. 62.
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4. Fazit Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass weder der begriffliche Inhalt des Dauerdelikts noch dessen einzelnen Straftatbestände die Frage beantworten können, unter welchen Voraussetzungen mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen zu einer Straftateinheit zusammengefasst werden. Diese Ergebnisse sind für die hier interessierende Frage ebenfalls von großer Bedeutung: Bei der Feststellung der Straftateinheit, auf die sich der Beendigungsbegriff bezieht, spielt nicht allein die tatbestandliche Ausgestaltung des jeweiligen Delikts eine Rolle, sondern sind auch noch vielfache außertatbestandliche Umstände maßgeblich. Letztere erlangen sogar noch eine entscheidendere Bedeutung, weil die Tatbestandsstruktur des einzelnen Delikts kaum eine zwingende Vorgabe für die Frage enthält, ob und ggf. mehrere Tatbestandsverwirklichungen als eine Straftateinheit betrachtet werden müssen. Die Rechtsfigur des Dauerdelikts hilft nicht weiter, diese außertatbestandlichen Umstände zu erfassen. Die Erwartung, aus dem Charakteristikum des sog. Dauerdelikts etwas Hilfreiches für die Bestimmung der Tatbeendigung zu entnehmen, musste also enttäuscht werden.
III. Die Fragwürdigkeit des allgemeinen normativen Verständnisses Man muss sich daher darum bemühen, ein allgemeines normatives Kriterium für die Straftateinheit sowie die darauf bezogene Tatbeendigung zu entwickeln. Aus der oben zitierten Darstellung Esers lassen sich zwei Kriterien herausfiltern: Das eine geht von der subjektiven Seite der Straftat aus, also der Verwirklichung der Absicht des Täters; für das andere kommt es hingegen auf die objektive Seite der Straftat an, und zwar den Abschluss der Rechtsgutsverletzung. Diese beiden in Betracht kommenden Kriterien entsprechen erkennbar der der Stufenlehre zugrunde liegenden Vorstellung der Straftat. Bevor wir unser Augenmerk auf die Einzelheiten der beiden Auffassungen richten, ist jedoch folgendes zu beachten: Das Kriterium der Absichtsverwirklichung und das der endgültigen Rechtsgutsverletzung liegen weniger weit auseinander als es auf den ersten Blick den Anschein hat, weil sich sowohl die „Verwirklichung“ der Absicht als auch die Verletzung des Rechtsguts gleichermaßen auf den objektiven Entwicklungsvorgang einer 115 Anders Hruschka, GA 1968, 193 (196). Man kann zwar mit Hruschka für die Konkretisierung eines „Dauerdelikts“ immer eine „Dauerstraftat“ annehmen, dies hilft aber im Einzelfall nicht weiter bei der Ermittlung der Tatbeendigung, denn die Tatbeendigung kann schon mit der Annahme einer Zäsur der Dauerstraftat eintreten.
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Straftat beziehen. Während das Kriterium der endgültigen Rechtsgutsverletzung einen klaren Umriss aufweist, erscheint der Absichtsbegriff in diesem Zusammenhang weniger eindeutig und bedarf daher der Konkretisierung. Ob überhaupt und inwieweit sich die beiden Gesichtspunkte unterscheiden, hängt daher im Wesentlichen davon ab, was man unter „Absicht“ versteht. Infolgedessen beginnt die folgende Analyse damit, auf das Kriterium der Absichtsverwirklichung einzugehen, damit man sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gesichtspunkten klarstellen kann. 1. Die Absichtsverwirklichung als Tatbeendigung a) Kein allgemeines Kriterium für Nicht-Absichtsdelikte aa) Wegen der Vieldeutigkeit des Absichtsbegriffs sowohl in der Umgangs- als auch in der Fachsprache hat man alle denkbaren Interpretationen zu prüfen. Zunächst ist auszuschließen, dass unter der hier gemeinten Absicht eine der drei Erscheinungsformen des tatbestandlichen Vorsatzes zu verstehen ist.116 Die Absicht als Vorsatzform ist durch eine besonders stark ausgeprägte voluntative Komponente gekennzeichnet. Sie bezieht sich bei einigen Delikten auf die gesamten Tatbestandsumstände (z. B. §§ 88 Abs. 1, 89 Abs. 1, 90 b Abs. 1), bei anderen Delikten jedoch auf den Umstand eines objektiven Tatbestandsmerkmals (z. B. §§ 145 Abs. 1, 2; 183 a). Im ersteren Fall sind objektiver und subjektiver Tatbestand jedenfalls insoweit deckungsgleich, als sich der Vorsatz auf den objektiven Tatbestand bezieht. Die vollständige Umsetzung des tatbestandlichen Vorsatzes in der Außenwelt entspricht daher im Grunde der vollen Verwirklichung des objektiven Tatbestands, also der Vollendung. Die Absichtsverwirklichung bedeutet hier also nicht die Tatbeendigung. Erst recht hat die Verwirklichung einer Absicht, die sich ausschließlich auf den Umstand eines objektiven Tatbestandsmerkmals bezieht, nichts mit der Beendigung zu tun, da es sich dabei lediglich um die Verwirklichung eines für die Vollendung notwendigen Tatbestandsmerkmals handelt. Aus denselben Gründen stimmt die Absicht im hier verwendeten Sinne ebenfalls nicht mit den zwei weiteren Vorsatzformen überein. Ist etwa bei Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Alt. 1 das in Brand gesetzte Gebäude vollständig zerstört, wie es der Täter beabsichtigt hat, tritt nach Rechtsprechung die Tatbeendigung damit ein.117 Bei der Tatbeendigung ist in diesem Fall 116 Allgemein dazu S/S-Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 66 f.; MK-Joecks, § 16 Rn. 12 ff. 117 Hamm NJW 1960, 1874.
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jedoch kaum von der Verwirklichung des Brandstiftungsvorsatzes zu sprechen, da der Vorsatz sich nicht auf die vollständige Zerstörung des Gebäudes, sondern lediglich auf das Inbrandsetzen bezieht. Dies gilt ebenfalls in den Fällen wiederholter Tatbestandsverwirklichung. Hat der Täter z. B. durch mehrere Schimpfworte eine Beleidigung nach § 185 begangen, liegt die Tatbeendigung anerkanntermaßen in der letzten beschimpfenden Äußerung. Dies kann aber nicht als die Verwirklichung des Beleidigungsvorsatzes verstanden werden. Denn der Beleidigungsvorsatz ist schon mit der ersten seiner beschimpfenden Äußerung verwirklicht, wobei seine Straftat in diesem Moment jedoch noch nicht zur Beendigung kommt. Es ist dabei festzuhalten, dass die Absicht, deren Verwirklichung als Tatbeendigung betrachtet werden darf, etwas „Anderes“ oder „Mehrfaches“ gegenüber dem tatbestandlichen Vorsatz zum Inhalt haben muss. Beispielsweise kann der Abschluss der letzten Äußerung als Tatbeendigung der Beleidigung durch mehrere Schimpfworte nur damit erklärt werden, dass sich der Verletzungswille des Täters, der quantitativ über einen einfachen Beleidigungsvorsatz hinausgeht, erst zu diesem Zeitpunkt vollständig realisiert hat.118 bb) Schlägt man diese Richtung ein, könnte man den Absichtsbegriff auch bloß umgangssprachlich verstehen. Damit würde nicht nur die tatbestandlich gefasste überschießende Innentendenz des Täters bei den sog. Absichtsdelikten, sondern es würden auch sonstige außertatbestandliche Verbrechensziele bzw. Täterpläne gemeint sein. Ein Täter, der etwa die eigene Bäckerei in Brand setzt, verfolgt nicht nur das Zwischenziel der Zerstörung des Gebäudes, sondern noch das weitere Zwischenziel der Erlangung einer erschlichenen Versicherungsleistung, damit er letztendlich eine Villa im Ausland bezahlen kann. Wer die Hochzeitfotos eines anderen wegnimmt, möchte etwa eine tätige Auseinandersetzung zwischen dem Ehepaar provozieren, die letztlich zur Ehescheidung führen könnte. Es zeigt sich, dass in den genannten Fällen jeder Täter nach irgendeinem außertatbestandlichen Zweck strebt, der in der Umgangssprache zweifellos als „Absicht“ verstanden werden kann. Dass eine Straftat mit der Realisierung einer solchen umgangssprachlich verstandenen Absicht beendet sei, hat bis jetzt jedoch niemand vertreten.119 Obwohl die Theorie der Absichtsverwirklichung somit das Potenzial zu enthalten scheint, ein allgemein verbindliches Kriterium für den Beendigungs118 Etwa Jakobs, 25/12 bezeichnet den Eintritt derjenigen Folgen, die zur Vollendung nicht verwirklicht sein müssen, als die materielle Beendigung des Delikts; die Beendigung ist also „der Eintritt eines überschießend vorgesetzten Geschehens“ (ders., 22/40). 119 Hau, S. 30.
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begriff aufzustellen, würde dies jedoch unvertretbare Folgen nach sich ziehen. Zunächst einmal könnte der Beendigungszeitpunkt willkürlich immer weiter hinausgeschoben werden, indem man sich nach Belieben und mit Fantasie gewissermaßen unendlich ausmalt, wonach der Täter eventuell strebt. Zudem dürfte das Ergebnis, dass erst der Kauf der Villa die Brandstiftung, oder die Ehescheidung des Opfers den Diebstahl zum endgültigen Abschluss führen würde, nicht einmal mit dem alltäglichen Tatbild einer Brandstiftung bzw. eines Diebstahls zu vereinbaren sein. Denn solche außertatbestandlichen Ereignisse, deren Eintritt der Täter gewünscht hat, werden allenfalls als Folgewirkungen der Straftat, aber keinesfalls als ein Bestandteil derselben verstanden. Die Unhaltbarkeit dieses Ergebnisses erweist sich umso deutlicher im Hinblick auf das Wesen der Straftat als Rechtsgutsbeeinträchtigung, weil solche vom Täter erstrebten Ereignisse das tatbestandlich geschützte Rechtsgut überhaupt nicht berühren und daher nicht in die Straftat mit einbezogen werden können. cc) Nachdem sich die beiden Interpretationen des Absichtsbegriffs als entweder zu eng oder zu weit erwiesen haben, kommt schließlich ein Mittelweg in Betracht: die Absicht als tatbestandlich überschießende Innentendenz des Täters zu betrachten. Damit erhält zum einen die Absicht einen Zusammenhang mit dem Straftatbestand, zum anderen wird sie nicht mit dem tatbestandlichen Vorsatz gleichgesetzt. Diese rationale Interpretation des Kriteriums der Absichtsverwirklichung gilt allerdings nur für die Absichtsdelikte und ist somit ungeeignet als allgemeingültiges Kriterium für die Beurteilung der Tatbeendigung bei allen Straftaten.120 120 Im Ergebnis ebenso Kühl, Beendigung, S. 32; ähnliche Einwände bei Furtner, JR 1966, 169 (170), der auf die Unanwendbarkeit dieses Kriteriums bei den Fahrlässigkeitsdelikten sowie bei den Konstellationen, in denen die verbrecherische Absicht nicht erreicht wird, hinweist. Dieser Einwand kann auch nicht mit der Heranziehung von Welzels Auffassung entkräftet werden, wonach die Tatbeendigung erst mit der „Erreichung der verbrecherischen Absicht“ eintrete (Welzel, § 24 I. 4). Seine Formulierung scheint auf den ersten Blick für alle Deliktstypen zu gelten. Diese Formel könnte zudem mit der finalen Handlungslehre Welzels plausibel erklärt werden. Allerdings hat Welzel diese Formel vor allem daraus gefolgert, dass der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Vollendung der Tat als Voraussetzung voller Strafbarkeit vielfach vorverlegt, wobei eine Nachzone entsteht, die bis zur Tatbeendigung reicht (ebenso Jescheck, FS-Welzel, 683). Er hat als Beispiele dafür insbesondere die verkümmert zweiaktigen Delikte und die kupierten Erfolgsdelikte genannt. Daher meint Welzel mit der „verbrecherischen Absicht“ nicht jede denkbare Art des Verbrechensziels, sondern nur diejenige, die sich entweder auf den Eintritt des Verletzungserfolgs oder auf bestimmte tatbestandlich relevante Verbrechensziele, insbesondere Verbrechensvorteile, bezieht. So sei z. B. bei Betrug (§ 263) und Erpressung (§ 253) die Straftat mit der Erreichung der Bereicherungsabsicht beendet; bei Urkunden- und Geldfälschung (§§ 146, 267) sei die Straftat mit der Verwirklichung des Verwendungszwecks zur Beendi-
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b) Kein entscheidendes Kriterium für Absichtsdelikte Die Bedenken gegen das Kriterium der Absichtsverwirklichung beschränken sich nicht darauf, dass es kein allgemeingültiges Kriterium ist. Es gibt darüber hinaus auch Zweifel daran, dass es sich als ein taugliches Beendigungskriterium im Bereich der Absichtsdelikte eignet. aa) Die Absichtsverwirklichung als eine selbständige Straftat Dieser Zweifel lässt sich unmittelbar mit dem Tatbestand des Mordes zur Ermöglichung einer anderen Straftat (§ 211 Abs. 2) begründen, der unstreitig ein Absichtsdelikt ist. Verließe man sich bei der Bestimmung des Beendigungszeitpunkts auf das formale Kriterium der Absichtsverwirklichung, so könnte man daraus den Schluss ziehen, dass der Mord erst mit der Ausführung der beabsichtigten Straftat zur Beendigung komme. Jedoch wird allgemein anerkannt, dass beim Mord ebenso wie beim Totschlag die Straftat mit dem Tod des Opfers vollendet und zugleich beendet ist.121 Die Ermöglichungsabsicht des Mörders bezieht sich auf „eine andere Straftat“ und ihre Verwirklichung kann deshalb nicht als die Abschlussphase des begangenen Mordes betrachtet werden.122 Die durch den Mord ermöglichte Straftat eines Dritten123 gehört selbstverständlich nicht zum Bestandteil des Mordes. Auch wenn es dem Mörder durch den Mord ermöglicht wird, eine eigene andere Straftat zu begehen, treffen der Mord und die beabsichtigte Straftat allenfalls entweder tatein- oder tatmehrheitlich zusammen.124 Dieser Straftatbestand ist deshalb ein Beleg dafür, dass die Absichtsverwirklichung nicht als ein entscheidendes Kriterium für die Tatbeendigung des Absichtsdelikts herangezogen werden kann. bb) Differenzierende Betrachtung der Absichtsverwirklichung für den Unrechtsgehalt Abgesehen von § 211 Abs. 2 ist es auch fraglich, ob die Absichtsverwirklichung ein zuverlässiges Kriterium für die Tatbeendigung von sonsgung gekommen. Wie die Tatbeendigung bei Nicht-Absichtsdelikten zu beurteilen wäre, lässt Welzel jedoch offen. 121 Hau, S. 30. 122 Im Ergebnis ebenso Hau, S. 30, der darauf verweist, dass die Straftat ermöglichende bzw. verdeckende Absicht auf einen völlig neuartigen Rechtsgutsangriff gerichtet sei. Ferner Jescheck, FS-Welzel, 683 (685) mit Fn. 14. 123 Vgl. BGHSt 9, 180. 124 Näher dazu Lackner/Kühl, § 211 Rn. 12.
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tigen Absichtsdelikten ist, weil der Inhalt der „überschießenden Innentendenz“125 nicht einheitlich verstanden wird. Einigkeit darüber besteht zwar insoweit, als die besondere Absicht des Täters das typische Unrecht des Absichtsdelikts mit bestimmt.126 Andererseits wird jedoch auch anerkannt, dass dem Absichtsbegriff nicht überall dort die gleiche Vorsatzform und Funktion zukommt, wo das Gesetz ihn oder entsprechende Wendungen gebraucht.127 Der funktionale Unterschied zwischen den Absichtsbegriffen könnte als Konsequenz nach sich ziehen, dass das Verhältnis des Absichtsbegriffs zur Tatbeendigung ebenfalls der Differenzierung bedarf. Ob dies jedoch der Fall ist, bleibt näher zu diskutieren. (1) Zunächst ist zu fragen, ob die herkömmliche Differenzierung der Absichtsdelikte zwischen „verkümmert zweiaktigen Delikten“ und „kupierten Erfolgsdelikten“128 gegen die Allgemeingültigkeit des Kriteriums der Absichtsverwirklichung spricht. Diese Frage ist in der Literatur wohl verneint. Beispielsweise hat sich Jescheck zwar zu dieser Einteilung bekannt, aber, was den Beendigungszeitpunkt bei den beiden Untergruppen betrifft, gleichermaßen auf die Verwirklichung der Absicht abgestellt.129 Für Jescheck kommt deshalb der Betrug mit der Erlangung der Vermögensvorteile, die Urkundenfälschung mit der Verwendung der verfälschten Urkunde, der Diebstahl mit einer gewissen Verfestigung des Gewahrsams zum Abschluss. Denn er geht davon aus, dass alle Absichtsdelikte Delikte mit vorverlegter Vollendung sind und daher der volle Unrechtsgehalt der Tat bzw. der Abschluss des deliktischen Gesamtgeschehens erst in der Verwirklichung der Absicht eintritt.130 Von diesem Aspekt aus betrachtet verstehen sich die beiden Untergruppen des Absichtsdelikts nur als zwei unterschiedliche Ausprägungen der Vorverlagerung der Strafbarkeit. Der Unterschied zwischen beiden Untergruppen besteht danach allenfalls darin, dass die Vorverlagerung der Vollendung bei den kupierten Erfolgsdelikten weniger weit zurückliegt als bei den verkümmert zweiaktigen Delikten.131 Während der Täter eines kupierten Erfolgsdelikts die zur Rechtsgutsverletzung führende Handlung bereits durchgeführt hat, wird der Täter eines verkümmert zweiaktigen De125
Siehe dazu Wessels/Beulke, Rn. 138; Samson, JA 1989, 449 (452). S/S-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 63. 127 Allgemein dazu vgl. Lenckner, NJW 1967, 1890 (1891); Samson, JA 1989, 449 (452 ff.); Witzigmann, JA 2009, 488 ff.; Roxin, AT/1, § 12 Rn. 7 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 131 ff.; darauf eingehend und vertiefend Gehring. 128 Zusammenfassend Jescheck/Weigend, § 30 II 1; S/S-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 63; F.-C. Schroeder, FS-Lenckner, 333 ff. 129 Jescheck, FS-Welzel, 683 (692 f.); ebenso Hau, S. 97 ff.; Frister, AT, § 30 Rn. 19. 130 Vgl. dazu Jescheck, FS-Welzel, 683 (685 f.). 131 So besipielsweise Frister, AT, § 8 Rn. 27. 126
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likts schon frühzeitig unter Strafe gestellt, auch wenn er noch nicht alles getan hat, was für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung notwendig ist. Die zugrundeliegende Annahme Jeschecks, dass es bei Absichtsdelikten immer um eine Vorverlagerung der Strafbarkeit gehe, verdient jedoch keine Zustimmung. Jedenfalls gilt diese Annahme nicht für Betrug (§ 263) und Erpressung (§ 253), wobei die Bereicherung des Täters oder eines Dritten lediglich Bezugsgegenstand der Absicht ist. Von Vorverlagerung der Strafbarkeit könnte nur dann die Rede sein, wenn die eigentliche Vermögensverletzung durch Betrug oder Erpressung erst bei der Bereicherung des Täters oder eines Dritten eingetreten wäre. Diese Folgerung ist freilich auszuschließen, denn der Vermögensschaden des Opfers kann u. U. schon vollständig angerichtet worden sein, ohne dass jemand gleichzeitig das Vermögensinteresse erlangt hatte. Infolgedessen reicht das Argument Jeschecks nicht aus, um die Allgemeingültigkeit des Kriteriums der Absichtsverwirklichung zu begründen. Welche Rolle diese Einteilung des Absichtsbegriffs für die Beendigungsdogmatik spielt, bleibt damit noch offen. (2) Des Weiteren hat man zu überprüfen, ob die andersartige Differenzierung Lenckners hinsichtlich des Absichtsbegriffs gegen die Allgemeingültigkeit des Kriteriums der Absichtsverwirklichung spricht. Nach Lenckner bezieht sich die Absicht im Strafrecht teilweise auf die Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts, teilweise lediglich auf die innere Einstellung des Täters.132 Im ersteren Fall handelt es sich um eine Vorverlegung der Strafbarkeit, weil der Gesetzgeber den eigentlichen Bestandteil des objektiven Tatunrechts ins subjektive Unrechtstatbestandsmerkmal verlagert und damit die Rechtsgutsverletzung zum bloßen Gegenstand der Absicht umgestaltet.133 Bei Urkundenfälschung (§ 267) ist z. B. die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs erst dann endgültig verletzt, wenn ein am Rechtsverkehr Beteiligter getäuscht wird; für die Tatvollendung muss die Vertiefung der Rechtsgutsverletzung durch die Täuschung aber nicht eintreten, sondern lediglich vom Täter beabsichtigt werden. Im letzteren Fall geht es demgegenüber um die Relativierung des Rechtsgüterschutzes. Hierbei werden nur diejenigen Angriffe auf das Rechtsgut, die von einer spezifischen inneren Einstellung bzw. Motivation des Täters getragen sind, unter Strafe gestellt. Zu dieser Gruppe gehören z. B. die Straftatbestände der §§ 253, 263. Mit der Vermögensverletzung hat die Bereicherungsabsicht nichts zu tun, weil deren Verwirklichung es unberührt lässt, ob der Ausführende des Betrugs bzw. der Erpressung den Vermögensschaden schon endgültig herbeigeführt hat. Die Bereicherungsabsicht dient vielmehr nur dazu, 132 Dazu und zum Folgenden Lenckner, NJW 1967, 1890 (1894); terminologisch zum Teil abweichend Samson, JA 1989, 449 (453); Gehrig, S. 45 ff., 79 ff. 133 Vgl. Lenckner, NJW 1967, 1890 (1894); Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 134.
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die besonders verwerfliche Motivation des Täters zu charakterisieren. Die Frage, ob ein Absichtsmerkmal die Rechtsgutsverletzung zum Gegenstand hat, hängt von der Auslegung des einzelnen Straftatbestands ab.134 Diese neuartige Unterscheidung des Absichtsbegriffs nach dessen Rechtsgutsbezogenheit erlangt vor allem in der jeweiligen Vorsatzform des einzelnen Absichtsmerkmals Bedeutung.135 Sie bringt aber auch wesentliche Erkenntnisse für die Dogmatik der Tatbeendigung. Denn damit werden Gemeinsamkeit und Unterschied zwischen der Theorie der Absichtsverwirklichung und der des Abschlusses der Rechtsgutsverletzung deutlich gemacht: Beiden ist insoweit gemeinsam, als es bei der vollständigen Verwirklichung einer rechtsgutsbezogenen Absicht sachlich um den Abschluss der Rechtsgutsverletzung geht.136 Der sachliche Unterschied zwischen den beiden Theorien liegt darin, dass die Verwirklichung einer vom Rechtsgut unabhängigen Absicht, die nämlich allein die innere Einstellung bzw. Motivation des Täters charakterisiert, mit der Rechtsgutsverletzung nichts zu tun hat. Auf Grund dessen würde es für die Allgemeingültigkeit des Kriteriums der Absichtsverwirklichung davon abhängen, ob die allein der inneren Einstellung bzw. Motivation des Täters entsprechende äußerliche Entwicklung auch den Beendigungszeitpunkt der Straftat bestimmen kann. Diese Frage wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Für die Relevanz der Absichtsverwirklichung macht Hau geltend, dass die Absicht ebenfalls ein konstitutives Unrechtselement des Straftatbestands sei und somit erst deren Realisierung zum vollständigen Abschluss des Unrechtsgehalts der Straftat führe.137 Jescheck vertritt beispielsweise den Standpunkt, dass die Beendigung eines Betrugs angesichts seines Charakters als Vermögensverschiebungsdelikt nicht bereits mit Eintritt des Vermögensschadens, sondern erst mit Erlangung des Vermögensvorteils durch den Täter oder einen Dritten gegeben sei.138 Dagegen spricht z. B. Kühl mit der Begründung, dass allein die Rechtsgutsverletzung für die Intensivierung des Unrechtsgehalts der Straftat entscheidend sei. Demnach spielt es für den Beendigungszeitpunkt keine Rolle, ob die außenweltliche Entwicklung der subjektiven Einstellung oder Motivation des Täters entspricht oder nicht.139 134
Samson, JA 1989, 449 (452). Näher Lenckner, NJW 1989, 1890 ff.; Gehrig, S. 32 f.; Samson, JA 1989, 449 (453 f.); Rengier, AT, § 16 Rn. 4 ff. 136 Zutreffend Kühl, Beendigung, S. 33, 35; Lesch, S. 57 mit Fn. 5. 137 So etwa Hau, S. 33, 37. 138 Jescheck, FS-Welzel, 683 (693) unter Hinweis auf RGSt 62, 418 (419); BGHSt 22, 38 (40); ebenso Hau, S. 107. 139 Kühl, Beendigung, S. 36; wohl ebenso Winkler, S. 27 mit Fn. 81; Jakobs, 33/7. 135
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Die erwähnten Pro- und Contra-Argumente lassen schon erkennen, dass es bei der Relevanz der Absichtsverwirklichung für die Tatbeendigung im Wesentlichen darauf ankommt, was den Unrechtsgehalt des einzelnen Absichtsdelikts ausmacht.140 Die Differenzierung des Absichtsbegriffs nach der Rechtsgutsbezogenheit bei Lenckner spricht letztlich weder dafür noch dagegen, dass das Kriterium der Absichtsverwirklichung für die Tatbeendigung aller Absichtsdelikte gelten kann. c) Fazit Die vorangegangene Analyse führt zu keinem abschließenden Ergebnis, was die Bestimmung der Tatbeendigung betrifft. Trotzdem kann man daraus einige wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die den Fortgang dieser Untersuchung ermöglichen. Als erstes kann festgehalten werden, dass man sich bei der Bestimmung der Tatbeendigung nicht immer auf das formale Kriterium der Absichtsverwirklichung verlassen kann. Als zweites leuchtet es ein, dass sich auch bei den Absichtsdelikten die Relevanz der Absichtsverwirklichung für die Tatbeendigung keineswegs von selbst versteht. Sie kann erst anhand von weiteren Überlegungen hinsichtlich des materiellen Unrechtsgehalts jedes einzelnen Delikts festgestellt werden. Dass die Absicht, d.h. der Tatplan bzw. die Motivation des Täters noch als ein weiterer Faktor für den Unrechtsgehalt des jeweiligen Delikts mit einbezogen werden könnte, darf nicht ganz ausgeschlossen werden. 2. Der Abschluss der Rechtsgutsverletzung als Tatbeendigung Vor dem Hintergrund, dass vor allem die Rechtsgutsverletzung den materiellen Unrechtsgehalt eines einzelnen Delikts ausmacht, ist in der Rechtsprechung und Literatur die Theorie des Abschlusses der Rechtsgutsverletzung als Tatbeendigung am weitesten verbreitet.141 Danach gilt eine Straftat erst dann als abgeschlossen, wenn die Rechtsgutsverletzung bzw. das Tatunrecht endgültig eingetreten ist. Solange sich die Rechtsgutsverletzung 140
Die Bedenken, dass das Kriterium der Absichtsverwirklichung Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Beendigungszeitpunkts bereiten könnte (Kühl, Beendigung, S. 35 f.), können zwar nicht verneint werden, sind aber nicht so schwerwiegend. Denn die zugrunde gelegte Einstellung oder Motivation des Täters wird anhand des Straftatbestands definiert. Die Unsicherheiten bei der Konkretisierung der Absichtsverwirklichung erscheinen nicht gravierender als bei der Festlegung der endgültigen Rechtsgutsverletzung. 141 Für weitere Nachweise verweise ich auf die folgenden Fußnoten.
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bzw. das Tatunrecht nach der erstmaligen Tatbestandsverwirklichung noch erweitert oder intensiviert, läuft die vollendete Straftat weiter. Dieser Gedanke findet seine Grundlage in der anerkannten Aufgabe des Strafrechts, nämlich das Rechtsgut vor dem rechtswidrigen und schuldhaften Angriff durch den Täter zu schützen. Diese Aufgabe des Strafrechts entscheidet nicht nur darüber, ob überhaupt eine Straftat vorliegt, sondern muss ggf. deren zeitlich erstreckten Umfang bestimmen. Gegenüber dem empirischen Verständnis ebenso wie auch gegenüber dem Kriterium der Absichtsverwirklichung sollte diese Auffassung schon deswegen bevorzugt werden, weil sie die Bestimmung der Tatbeendigung jedenfalls ansatzweise mit dem Zweck des Strafrechts verbindet. a) Beendigungsbegriff und dualistische Unrechtslehre aa) Uneinheitliche Begriffsbestimmungen Unter Zugrundelegung des Gedankens des Rechtsgüterschutzes erlangt die Theorie des Abschlusses der Rechtsgutsverletzung als Beendigungszeitpunkt eine weitreichende Zustimmung, die aber im Einzelnen differenziert formuliert wird. Diese Tendenz ist in der Rechtsprechung – neben ihrem empirischen Verständnis – manchmal ersichtlich, wenn sie z. B. für die Beendigungsphase Handlungen voraussetzt, „in denen noch das Tatunrecht tatsächlich Ausdruck findet, die sich der Sache nach noch als Bestandteil des Unrechts darstellen können“.142 Die Beendigungsphase liegt demgemäß zeitlich vor dem Zeitpunkt, in dem das tatbestandlich geschützte Interesse „nicht weiter beeinträchtigt werden“ kann, weil „der Angriff auf das betroffene Rechtsgut“143 und damit „das Tatunrecht“144 seinen unabänderlichen Abschluss gefunden hat.145 Diese Divergenz in der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung findet sich auch im Schrifttum wieder. Während einige Autoren die Tatbeendigung – teilweise im allgemeinen Sinne, teilweise in Bezug auf einen konkreten Straftatbestand – unmittelbar an den endgültigen Abschluss der Rechtsgutsbeeinträchtigung anknüpfen146, charakterisieren andere Autoren die Tatbeendigung demgegenüber mit Hilfe des strafrechtlichen Unrechts142
BGH NStZ 1993, 538. BGH NJW 1985, 814. 144 BayObLG StV 1999, 383. 145 Zusammenfassung der Rechtsprechung bei LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 21. 146 Vgl. dazu Maurach/Schroeder/Maiwald, § 41 Rn. 149 (für Betrug); S/S-Stree, Vor § 22 Rn. 4 (für bestimmte Fallgruppe); Gropp, § 9 Rn. 9. 143
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begriffs.147 Schmidhäuser148 etwa hält die Tatbeendigung für gegeben, „wenn der Unwertssachverhalt verwirklicht ist, der dem Rechtsgutsanspruch voll entgegensteht und der Fassung des Unrechtstatbestandes zugrunde liegt.“ Auf ähnliche Weise sieht Kindhäuser die Tatbeendigung darin, „dass das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat“.149 Mittlerweile werden die beiden Aspekte kombiniert. So bemerken Wessels/Beulke, dass die Beendigungsphase „sachlich noch zum tatbestandlich vertypten Unrecht und zur Realisierung der Rechtsgutsbeeinträchtigung gehört“.150 Im Gegensatz zu den oben skizzierten Auffassungen, die einseitig die objektive Tatseite hervorheben, stellen einige Autoren bei der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung die objektiven und subjektiven Tatseiten zusammen. Stratenwerth hält die Straftat beim Diebstahl für beendet, wenn der „in der Schutzrichtung des jeweiligen Tatbestandes“ liegende „Erfolg insoweit“ eingetreten ist, „als dessen Verwirklichung dem Täterplan entspricht“.151 Ebenfalls sieht Winkler die Tatbeendigung im Abschluss der vollen Rechtsgutsverletzung, sowie der Täter sie in seinen Willen aufgenommen hatte.152 Nach Rudolphi ist die Tatbeendigung erst dann gegeben, wenn die vom jeweiligen Straftatbestand bekämpfte Rechtsgutsverletzung tatsächlich in dem vom Täter gewollten Umfang eingetreten ist.153 bb) Gruppierung auf der Grundlage der dualistischen Unrechtslehre Nach Abklärung aller genannten Positionen steht als Ausgangspunkt fest, dass das Rechtsgut im Vordergrund der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung steht, da das Tatunrecht vor allem durch den Angriff auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut bestimmt wird. Würde man damit das Tatunrecht der Rechtsgutsverletzung gleichsetzen, könnte die Divergenz in der Begriffsbestimmung sachlich nicht zu einem Unterschied führen und daher müsste man im Folgenden davon absehen.154 Ob dies wirklich der Fall ist, 147 Siehe im einzelnen Jescheck, FS-Welzel, 683 (686); Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 130; Fischer, § 22 Rn. 6; Hau, S. 36; SSW-StGB/Kudlich/Schuhr, § 22 Rn. 5. 148 Schmidhäuser, AT, 8/102. 149 Kindhäuser, AT, § 9 Rn. 16; § 31 Rn. 1; ähnlich Ebert, S. 117; Küper, JZ 1981, 251 (252). 150 Wessels/Beulke, Rn. 592 (Hervorhebung im Original). 151 Stratenwerth, JZ 1961, 95 (97). 152 Winkler, S. 28. Kritik zu dessen Begründung Hau, S. 34. 153 SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 7; ihm anschließend Bringewat, Grundbegriffe, S. 216; im Ergebnis ebenso NK-Zaczyk, § 22 Rn. 6; B. Heinrich, AT/1, Rn. 713. 154 So etwa Hau, S. 32; wohl ebenfalls Lesch, S. 57.
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ist angesichts der oft sehr knappen und erläuterungsbedürftigen Formulierungen in der zitierten Rechtsprechung und Literatur freilich nicht vorschnell zu bejahen. Wenn man die Unrechtslehre heranzieht, fallen die sachlichen Unterschiede zwischen diesen Begriffsbestimmungen ins Auge. Während die klassische Verbrechenslehre die Unterscheidung zwischen rein objektiv verstandenem Unrecht und rein subjektiv verstandener Schuld zugrunde gelegt hat, geht die neuere Verbrechenslehre davon aus, dass sich der Unrechtsgehalt einer Straftat nicht in der Missbilligung des Deliktserfolges erschöpft, sondern dass auch der Vorwurf gegen die Art und Weise der Herbeiführung des rechtlich missbilligten Zustandes mit einbezogen werden sollte. Daraus ergibt sich dann die Unterscheidung von Erfolgs- und Handlungsunwert im Unrecht.155 Mit dem Handlungsunwert sind die äußeren Modalitäten des Verhaltens des Täters gemeint. Das Strafrecht schützt z. B. das Vermögen nicht vor jeder denkbaren Beeinträchtigung, sondern nur vor bestimmten besonders verwerflichen Angriffsarten wie Täuschung (§ 263), Zwang (§ 253) sowie Treuverletzung (§ 266). Der Handlungsunwert besteht neben solchen tatbezogenen Elementen auch aus täterbezogenen Elementen, die in der Person des Täters liegen. Zu nennen sind insbesondere der tatbestandliche Vorsatz und besondere Absichten, wie die Zueignungs- (z. B. §§ 242, 249) sowie die Bereicherungsabsicht (z. B. §§ 253, 263).156 Diese den Handlungsunwert kennzeichnenden Merkmale der Straftat wären unverständlich, wenn die Verbotsnorm nur den Erfolgsunwert im Auge hätte.157 Dies sind die Grundgedanken der heutzutage herrschenden dualistischen Unrechtslehre. Unter Zugrundelegung des dualistischen Verständnisses des Strafunrechts lassen sich drei Gruppen innerhalb der vorgenannten Begriffsbestimmungen erkennen. Die erste geht allein vom Gesichtspunkt des Erfolgsunwerts aus und sieht daher den Abschluss der Rechtsgutsbeeinträchtigung als Tatbeendigung. Es handelt sich also um einen erfolgsorientierten Beendigungsbegriff. Die nächste Gruppe berücksichtigt neben dem Erfolgs- noch den täterbezogenen Handlungsunwert und lässt daher die Tatbeendigung gleichermaßen von der objektiven und der subjektiven Tatseite bestimmen. Die letzte Gruppe erachtet demgegenüber den Erfolgs- und den tatbezogenen Handlungsunwert als bedeutsam und fordert darum für die Beendigungsphase die Aufrechterhaltung oder Wiederholung der tatbestandlich vorgeschriebenen Modalität durch den Täter. In den beiden letztgenannten 155 Allgemeine Lehre vgl. nur Jescheck/Weigend, § 24 III 1; S/S-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 52; Nähere Ausführungen dazu siehe Roxin, AT/1, § 10 Rn. 88 ff. 156 Jescheck/Weigend, § 24 III 3; Kühl, AT, § 3 Rn. 4 f. jeweils m. w. N. 157 Jescheck/Weigend, § 24 III 3.
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Gruppen wird also der erfolgsorientierte Beendigungsbegriff abgelehnt. Die Frage, Ob und inwieweit die Elemente des Handlungsunwerts neben dem Element des Erfolgsunwerts für die Beendigungsphase entscheidend sind, wird in der Literatur uneinheitlich beantwortet und ist auch heutzutage nicht abschließend geklärt, wie gleich aufzuzeigen sein wird. b) Argumente gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff aa) Die Außerachtlassung des Handlungsunwerts (1) Gegen das Kriterium des Abschlusses der Rechtsgutsverletzung kann man vor allem einwenden, dass nach dualistischer Unrechtslehre das Unrecht der Straftat die subjektive Zurechnungsfähigkeit des Täters hinsichtlich der objektiven Rechtsgutsverletzung voraussetzt. Demnach kann sich der Unrechtsgehalt der Tat nach dem Zeitpunkt der Vollendung nur dann mit der Vertiefung oder Intensivierung der Rechtsgutsverletzung entwickeln, wenn der Täter dies auch zumindest voraussehen hätte können.158 Die objektive nachteilige Einwirkung auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut allein vertieft nämlich den Unrechtsgehalt der Tat nicht.159 Wenn z. B. der Täter zu dem geplanten Zeitpunkt das Opfer zu befreien vergessen hat, kann die Straftat wegen fehlenden Vorsatzes (oder sogar der Fahrlässigkeit) hinsichtlich der weiteren Freiheitsberaubung vor der Freilassung des Opfers schon abgeschlossen sein.160 Die wechselseitige Begrenzung161 sowohl der subjektiven und als auch der objektiven Tatseite in der Beendigungsphase erweist sich darüber hinaus als ein Fortschritt gegenüber dem Kriterium der Absichtsverwirklichung. Sie vermeidet zum einen die Unbestimmtheit der Beendigungs158 Vgl. Stratenwerth, JZ 1961, 95 (97); Winkler, S. 28; SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 7; B. Heinrich, AT/1, Rn. 713; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 6; Kühl, Beendigung, S. 77; Hau, S. 55. 159 Diese Kritik an der bloß erfolgsorientierten Beendigungslehre könnte aber erheblich entkräftet werden, wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass sich die personale Unrechtslehre in der Wissenschaft seit langem durchgesetzt hat. Dann liegt die Möglichkeit nicht fern, dass das Erfordernis der Voraussehbarkeit des Täters hinsichtlich der weitergehenden Rechtsgutsverletzung für diese Lehre so selbstverständlich ist, dass es keiner ausdrücklichen Erwähnung in der Begriffsbestimmung bedarf. Zudem wurde bisher nirgendwo die entgegenstehende Position eingenommen, nämlich dass die Beendigungsphase ganz unabhängig von der diesbezüglichen Voraussehbarkeit seitens des Täters anzunehmen sei. Wäre das der Fall, gilt die hier geübte Kritik allenfalls als ein Hinweis darauf, dass das strafrechtliche Unrecht jedenfalls die subjektive Zurechnungsfähigkeit des Täters voraussetzt. 160 Näher vgl. Hau, S. 38 ff.; Winkler, S. 28 ff. passim. 161 Hau, S. 34.
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phase der Straftat erheblich. Denn die Maßgabe für den Beendigungszeitpunkt ist nicht mehr der Plan des Täters, der ohne jeden ersichtlichen Bezug zum Straftatbestand beliebig bestimmbar ist, sondern der Wille des Täters, der sich auf den spezifischen Unrechtsgehalt eines Delikts richtet, der in der gesetzlichen Tatbestandsfassung zum Ausdruck kommt. Zum anderen gilt der Gesichtspunkt des weitergehenden Verletzungswillens für alle denkbaren Fallgruppen, in denen eine der Tatvollendung nachfolgende Beendigungsphase vorliegt. Wenn man einen Blick auf die Fallgruppe der Tatbeendigung aufgrund der Handlungsstruktur wirft, wird erkennbar, dass die Täter dieser Fallgruppe, aus welchen Gründen auch immer, ebenso einen über die Tatvollendung hinausgehenden Gesamterfolg anstreben wie jene des Absichts- oder Gefährdungsdelikts. So ist z. B. bekannt, dass Fortsetzungstäter nach der Rechtsprechung den sog. Gesamtvorsatz haben müssen, der sich auf das zu verletzende Rechtsgut, seinen Träger, den Umfang des Gesamterfolges und den ungefähren Tatrahmen nach Ort, Zeit und Art der Begehung bezieht.162 Daher ist im Grunde zu bejahen, dass die Beendigungsphase auch täterbezogenen Handlungsunwert aufweisen muss. (2) Was die Erheblichkeit des tatbezogenen Handlungsunwerts für das strafrechtliche Unrecht anbelangt, ist der Unterschied zwischen dem Abschluss der Rechtsgutsverletzung und dem Abschluss des Unrechtsgehalts ebenfalls nicht zu verkennen. Wenn man mit dem Begriff der Tatbeendigung den endgültigen Abschluss des Unrechtsgehalts einer Straftat ernsthaft zum Ausdruck bringen möchte, ist mit Kühl zu bedenken, ob sich die einseitige Orientierung am Abschluss der Rechtsgutsverletzung über die Relevanz des tatbezogenen Handlungsunwerts nach der Tatvollendung hinweggesetzt hat.163 Dieser Gesichtspunkt gewinnt insbesondere bei der umstrittenen Festlegung des Beendigungszeitpunkts z. B. eines Diebstahls an Bedeutsamkeit. Geht man dabei allein von dem Gesichtspunkt der endgültigen Rechtsgutsverletzung als Tatbeendigung aus, wird ein Diebstahl erst zum Zeitpunkt einer gewissen Verfestigung des neu begründeten Gewahrsams beendet sein, soweit darin eine Intensivierung der Eigentumsverletzung gesehen werden kann. Dagegen wird vielfach eingewendet, dass die Beutesicherung für sich genommen nicht mehr die Tatbestandshandlung der Wegnahme verwirklicht und damit keinen spezifischen Handlungsunwert des Diebstahls aufweist.164 Dieser Einwand läuft darauf hinaus, dass beim Diebstahl die Tatbeendigung 162
Zusammenfassung der Rechtsprechung bei Lackner/Kühl, Vor § 52 Rn. 12. Grundlegend Kühl, Beendigung, S. 57 ff.; ders., JuS 1982, 110 (113); ders., FS-Roxin, 665 (671 ff.); ders., AT, § 14 Rn. 26 ff. Neuerdings auch Kraatz, Jura 2009, 852 (855). 164 Vgl. dazu BGHSt 4, 132 (133); 6, 248 (251); Wessels/Hillenkamp, Rn. 119; Kindhäuser, BT/2, § 2 Rn. 135; Mitsch, BT/2-1, § 1 Rn. 90; Rengier, BT/1, § 2 Rn. 92 m. w. N. Näher zur Kritik Kühl, Beendigung, S. 94 ff. 163
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grundsätzlich bereits mit dem Abschluss der Wegnahme eingetreten ist, obwohl das neu begründete Gewahrsam noch nicht gesichert worden ist.165 Eine eigenständige Beendigungsphase beim Diebstahl ist nur dann gegeben, wenn der Täter nach der Vollendung noch weitere Wegnahmehandlungen im engeren zeitlich-örtlichen Zusammenhang begangen hat. bb) Die Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips Namentlich mit der Relevanz des tatbezogenen Handlungsunwerts kommt ein weiterer Einwand gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff aus Sicht des Gesetzlichkeitsprinzips hinzu. Wie bereits erwähnt, drückt sich die Relevanz des Handlungsunwerts in der Tatbestandsfassung des jeweiligen Delikts aus. Die erfolgsorientierte Begriffsbestimmung der Tatbeendigung, ohne den spezifischen Handlungsunwert genügend zu beachten, könnte dazu führen, dass das Verhalten bzw. Geschehen während der auf diese Weise ermittelten Beendigungsphase keine Stütze in der Tatbestandsfassung findet.166 Dieser Einwand betrifft vor allem die Fallgruppe mit der Deliktsstruktur, bei der die Intensivierung der Rechtsgutsbeeinträchtigung bzw. die Realisierung der Absicht des Täters nach der Tatvollendung nicht als ein Bestandteil des vom Straftatbestand erfassten Sachverhalts zu begreifen ist. Angesichts der strafbegründenden bzw. -erschwerenden Funktion verstößt ein die Wortlautgrenze des Straftatbestands überschreitender Beendigungsbegriff gegen das Analogieverbot.167 Außerdem wäre das Bestimmtheitsgebot betroffen, wenn keine präzisen Kriterien für einen solchen Beendigungsbegriff angegeben werden könnten.168 Da im Strafrecht das verbotene Verhalten durch Straftatbestände exakt umschrieben wird, bleibt das Verhalten des Täters, das keinen dieser Straftatbestände verwirklicht, nicht strafbar, obwohl es als ein strafwürdiger Angriff auf das Rechtsgut bewertet werden kann. c) Argumente für den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff Wenn sich die Bedenken aufgrund der Außerachtlassung des Handlungsunwerts und der Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips durchsetzen, könnte 165 Vgl. dazu Kühl, Beendigung, S. 100; zustimmend Kindhäuser, BT/2, § 2 Rn. 140. 166 Dazu auch Kühl, JuS 1982, 110 (113), der von „Vernachlässigung der rechtsstaatlich begrenzenden Funktion des Handlungsunwerts“ spricht. 167 Z. B. Kindhäuser, BT/2, § 2 Rn. 140; Küper, BT, S. 73. 168 So z. B. Kindhäuser, BT/2, § 2 Rn. 140; MK-Schmitz, § 242 Rn. 163; Küper, BT, S. 73; Gropp, § 9 Rn. 9 a.
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dies konsequenterweise dazu führen, dass man in Anlehnung an das Reichsgericht169 die Auffassung vertritt, wonach eine der Tatvollendung nachfolgende Beendigungsphase nur dann gegeben sei, wenn der Täter inzwischen wiederholend den Straftatbestand verwirkliche. Demnach schließe die Beendigungsphase mit dem Aufhören der Tatbestandsverwirklichung ab. Der BGH hat allerdings die Auffassung des Reichsgerichts abgelehnt und hält seitdem an seinem erfolgsorientierten Beendigungsbegriff fest, ohne dafür irgendeine Begründung anzuführen.170 Eine ausführliche Auseinandersetzung seitens des BGH mit der Kritik aus dem Schrifttum ist daher noch abzuwarten.171 Im Schrifttum schließt sich streng genommen ebenfalls niemand dem Reichsgericht an, obwohl die rechtsstaatliche Kritik an dem erfolgsorientierten und damit tatbestandslosen Beendigungsbegriff des BGH von den meisten Autoren geteilt wird. Deshalb fragt es sich, aus welchen Gründen sich eine solche rechtsstaatlich orientierte Auffassung nicht wirklich durchsetzen kann. Der schwerwiegendste Grund dafür liegt darin, dass die Beendigungslehre des Reichsgerichts am Grundgedanken des Beendigungsbegriffs völlig vorbeigegangen ist. Die einseitige Betonung, dass der Tatbestand während der Beendigungsphase wiederholend verwirklicht werden sollte, lässt die wichtigste Frage offen, nämlich warum sich die Strafrechtsdogmatik nicht bloß mit dem Vollendungsbegriff begnügt, sondern daneben einen Beendigungsbegriff anerkennt und daran verschiedene Rechtsfolgen anknüpft. In der Literatur wird deshalb vereinzelt die Auffassung vertreten, dass die Unterscheidung zwischen Vollendung und Beendigung in diesem Sinne zwar rechtsstaatlich unproblematisch, „aber eigentlich auch überflüssig“ sei.172 Nach dem hier vertretenen Standpunkt ist der Beendigungs- durch den Vollendungsbegriff gerade deshalb nicht zu ersetzen, weil sich der erstere auf einen anderen Straftatsbegriff als der letztere gründet. Wie oben ausgeführt, geht es bei dem Beendigungsbegriff um den Abschluss einer Straftateinheit, die dem Strafgesetz vorgegeben ist. Allein die Tatsache, dass ein Täter nacheinander mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen herbeiführt, führt jedoch nicht automatisch dazu, eine Straftateinheit anzunehmen. Ohne die zusätzliche Feststellung, dass mehrere Tatbestandsverwirklichungen eine Straftateinheit bilden können, könnte die Tatbeendigung nicht allein mithilfe des Kriteriums „Abschluss fortwährender Tatbestandsverwirklichung“ ermittelt werden. Wenn man die entscheidende Rolle der Straftat169 Vgl. die Bestandsaufnahme der Rechtsprechung des Reichsgerichts bei Lesch, S. 19 ff. 170 BGH JR 2009, 71 (72); siehe ferner Hruschka, JZ 1983, 217 (218). 171 Vgl. auch LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 19. 172 Schmitz, S. 221 f.; bereits so Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (726).
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einheit für den Beendigungsbegriff in Betracht zieht, lässt sich damit nicht nur die Undurchsetzbarkeit der Beendigungslehre des Reichsgerichts erklären, sondern es muss auch die Überzeugungskraft der o. g. Kritik gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff in Frage gestellt werden. aa) Die Undurchsetzbarkeit der Beendigungslehre des RG Die radikale Charakterisierung des Beendigungsbegriffs als Abschluss der wiederholten Tatbestandsverwirklichung könnte deshalb zu weit gehen173, weil sie die Beendigung aufgrund der Deliktsstruktur, die mit der Vorverlagerung der Vollendung verbunden ist, nicht vollständig erklären kann. Diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Tatunrecht nach der Vollendung durch die Perpetuierung oder Intensivierung des Angriffs auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut vertiefen kann, ohne dass der objektive Straftatbestand wiederholend verwirklicht wird.174 Ein solches restriktives Verständnis könnte sich nur dann durchsetzen, wenn sich die tatbestandslose Perpetuierung oder Intensivierung des Rechtsgutsangriffs als ganz irrelevant für die Tatbeendigung erweisen würde. Allerdings hat das Reichsgericht selbst in einigen Entscheidungen das Ergebnis bestätigt, dass der tatbestandslosen Phase der Perpetuierung oder Intensivierung des Tatunrechts ihre strafrechtliche Relevanz nicht ganz abgesprochen werden kann. Das Reichsgericht versteht z. B. unter der verbotenen „Einfuhr“ in den Fällen der Zollhinterziehung nicht nur den Zeitpunkt der Grenzüberschreitung, sondern alle Handlungen, „die, der Überschreitung der Grenze zeitlich nachfolgend, dazu dienen sollen, das eingeschmuggelte Gut in Sicherheit zu bringen und es endgültig der Verzollung zu entziehen“.175 Damit gelange die Zollhinterziehung mit dem Überschreiten der Grenze zur Tatvollendung, aber erst zur Tatbeendigung, wenn das Gut in Sicherheit gebracht sei. Diese Auffassung scheint sich mit der Beendigungslehre des Reichsgerichts vereinbaren zu lassen, da die erweiterte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „einführen“ es erlaubt, den Gesamtvorgang über die Grenzüberschreitung bis zur Erreichung des Endziels noch als tatbestandsmäßig anzusehen. Dahinter versteckt sich allerdings ein Widerspruch: Auf der einen Seite hätte eine solche Auslegung die zwingende Konsequenz nach sich gezogen, dass die Zollhinterziehung erst mit der Sicherung des eingeschmuggelten Guts vollendet ist, da alle Merkmale dieses Straftatbestands frühestens zu diesem Zeitpunkt vollständig erfüllt sind. Das 173
Ähnliche Kritik bei Küper, JZ 1981, 251 (252); Kühl, Beendigung, S. 44. Vgl. BGH JR 2009, 71 (72), wobei der 3. Senat des BGH mit dieser Überlegung auf dem Standpunkt des materiellen Beendigungsbegriffs steht. 175 RGSt 74, 161 (163). 174
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Reichsgericht sah jedoch nach wie vor die Zollhinterziehung als vollendet an, sobald der Täter die Grenze überschritten hatte. Soweit es auf der anderen Seite um des effektiveren Rechtsgüterschutzes willen weiterhin an dem früheren Vollendungszeitpunkt festhält, kann dann kaum davon gesprochen werden, dass die der Grenzüberschreitung nachfolgenden Handlungen bis zu einem bestimmten Endziel noch tatbestandsmäßig seien, weil sie für sich genommen nicht mehr das Tatbestandsmerkmal „einführen“ verwirklichen können.176 Daran erkennt man, dass das Reichsgericht sich zur tatbestandslosen Beendigungsphase, die sich lediglich mit der Figur der Straftateinheit erklären kann, bekannt hat, ohne aber ausdrücklich auf sein Kriterium der Tatbestandsmäßigkeit der Tatbeendigung zu verzichten. Es hat also sein eigenes Kriterium nicht konsequent angewendet und sich dadurch in einen Widerspruch verwickelt. Diese Inkonsequenz kann auch nicht durch Furtners umdeutende Interpretation beseitigt werden, wonach für die Fortsetzung einer vollendeten Straftat die weitere Verwirklichung eines der Tatbestandsmerkmale ausreiche.177 Denn versteht man unter dem Merkmal „Einführen“ nur den punktuellen Vorgang der Überschreitung der Grenze, kann nicht behauptet werden, dass der nachfolgende inländische Transport des Schmuggelguts diesen Vorgang wiederholt und daher noch einmal dieses Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Wenn es sich bei „Einführen“ demgegenüber um den gesamten Transportvorgang bis zum Zielort handelt, wird dieses Merkmal überhaupt nicht verwirklicht, bevor das Schmuggelgut am Zielort ankommt. Bei beiden denkbaren Interpretationen des Merkmals „Einführen“ kann definitiv keine Rede davon sein, dass der inländische Transport noch einmal eines der Tatbestandsmerkmale der Zollentziehung erfüllt. Die praktische Undurchsetzbarkeit der Beendigungslehre des Reichsgerichts erscheint jedoch allenfalls als scheinbarer Grund für die beharrliche Einstellung des BGH. Denn sähe dieser in der Anerkennung des tatbestandslosen Beendigungszeitpunkts einen ernstzunehmenden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG, würde die beschränkte Anwendbarkeit der Beendigungslehre des Reichsgerichts nicht als Nachteil, sondern sogar als eine gewünschte Konsequenz akzeptiert. Daher liegt der Grund für die beharrliche Einstellung des BGH gegen die Beendigungslehre des Reichsgerichts vermutlich in den nachfolgenden Erwägungen:
176 177
Hau, S. 28. Furtner, JR 1966, 169.
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bb) Die rechtsstaatlich beschränkende Funktion des Handlungsunwerts nach der Tatvollendung Man könnte auf die Bedenken gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff, nämlich dass dieser den Gesichtspunkt des Handlungsunwerts vernachlässige, erwidern, dass sich das Erfordernis des Handlungsunwerts zeitlich nicht auf die Entwicklungsphase einer Straftat nach der Vollendung erstreckt. So beschränkt Winkler die Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auf den Zeitpunkt der Vollendung. Wenn die Tat als sich fortsetzende Rechtsgutsverletzung schon die strenge Tatbestandskontrolle der Vollendung passiert habe, erscheine es vertretbar, dass an die Beendigungsphase nicht dieselben Anforderungen wie an die Vollendung zu stellen seien.178 Die herrschende Definition des Tatbestandsmerkmals „Einführen“ sei demnach nur auf die Vollendung der genannten Delikte ausgerichtet. Der Täter einer Zollhinterziehung mache sich bereits mit der Überschreitung der Grenze strafbar; der nachfolgende inländische Transport des Schmuggelguts entspreche zwar nicht der Modalität der Grenzüberschreitung, sei aber noch die Fortsetzung der vollendeten Zollhinterziehung. Für die Ablehnung der rechtsstaatlich beschränkenden Funktion des Handlungsunwerts nach Tatvollendung hat Winkler selbst aber keine nähere Argumentation geliefert.179 Daher kann der erfolgsorientierte Beendigungsbegriff damit noch nicht gerechtfertigt werden. Man könnte sogar gegen diese Beschränkung einwenden, dass sich die Fortführung einer vollendeten Straftat ebenso wie deren Begründung auf die Herbeiführung des strafrechtlichen Unrechts gründet. Um das strafrechtliche Unrecht zu begründen müsste die Fortführung der vollendeten Straftat sowohl den Erfolgsunwert als auch den spezifischen Handlungsunwert enthalten.180 Trotzdem gibt es beachtliche Gründe, die für die Ansicht von Winkler sprechen könnten. Zunächst ist es im Schrifttum anerkannt, dass für das Vorliegen des Vorsatzes – u. U. auch für das Vorliegen der besonderen Absicht – der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung maßgebend ist.181 An der Strafbarkeit wegen Vorsatztat ändert die Tatsache grundsätzlich nichts, dass der Täter vor der Tatvollendung seinen Vorsatz aufgibt. Das Gleiche gilt erst recht für das Aufgeben des Tätervorsatzes nach der Vollendung, weil in diesem Fall sogar die Möglichkeit des straflosen Rücktritts gesetzlich generell ausgeschlossen ist. Es zeigt sich, dass 178
Winkler, S. 36 f. Kühl, Beendigung, S. 42 kritisiert daher dieses Argument als willkürlich. 180 Näheres zur Berücksichtigung der Tatmodalität auch nach Vollendung der Tat bei Kühl, Beendigung, S. 57 ff. 181 LK-Vogel, § 15 Rn. 53; Roxin, AT/1, § 12 Rn. 90. 179
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sich das Erfordernis des täterbezogenen Handlungsunwerts nicht auf die dem unmittelbaren Ansetzen nachfolgende Phase einer Straftat erstreckt. Überträgt man diesen Gedanken auf das Erfordernis des tatbezogenen Handlungsunwerts, käme man zu dem vergleichbaren Ergebnis, dass der Täter nur im Ausführungsbeginn entsprechend einer tatbestandlich umschriebenen Tatmodalität handeln muss. Warum ausgerechnet das Erfordernis des tatbezogenen Handlungsunwerts auch nach der Tatvollendung weiter erfüllt werden muss, bleibt unklar. Zudem – und noch gewichtiger – geht es bei der Beendigungsphase nicht darum, dass der Täter noch eine weitere selbständige Straftat begeht, sondern darum, dass der Täter die schon begangene, vollendete Straftat fortführt. Das nachfolgende Verhalten des Täters oder Geschehen wird darauf hin geprüft, ob es mit dem vorangegangenen Tatgeschehen noch als die Gesamtheit einer Straftateinheit bewertet werden kann. Die Frage, ob das strafrechtliche Unrecht einschließlich des spezifischen Handlungsunwerts verwirklicht ist, soll daher nicht ausschließlich unter der Betrachtung des nachfolgenden Tatgeschehens, sondern der Gesamtheit dieser Straftateinheit beantwortet werden. Auf Grundlage der zusammenfassenden Betrachtung einer Straftateinheit muss man davon ausgehen, dass das Erfordernis der spezifischen Handlungsmodalität zumindest schon einmal bei dem vorangegangenen Teil der Straftateinheit erfüllt ist. Die Summierung des Erfolgsunwerts nach der Tatvollendung entwickelt sich jedenfalls aus der Ausgangslage, die der Täter unter Verwendung der tatbestandspezifischen Handlungsmodalität geschaffen hat. Daran ändert sich weder dadurch etwas, dass der Täter inzwischen seinen Einfluss auf das Tatgeschehen vorübergehend oder endgültig verliert, noch dadurch, dass der Täter nach der Tatvollendung den Erfolgsunwert nicht weiter auf tatbestandsspezifische Weise vertieft.182 Demnach gehört z. B. der inländische Transport des Schmuggelguts bis zum Zielort noch zum Teil des Tatgeschehens der Zollhinterziehung, weil dieser auf dem grenzüberschreitenden Verhalten beruht. Das Tatgeschehen des Diebstahls erstreckt sich auf die Gewahrsamssicherung, die ebenfalls aus der Wegnahme folgt.183 Aus die182
Die Befürchtung, dass man durch den Verzicht auf die Handlungsmodalität in der Beendigungsphase aus verhaltensgebundenen Delikten reine Erfolgsdelikte mache (Kühl, FS-Roxin, 665[675]), ist daher unbegründet. 183 Die Aufhebung des Erfordernisses der Handlungsmodalität nach der Tatvollendung wird allerdings bei Kühl – innerhalb der von ihm hervorgehobenen Verhaltensbeendigung – nur dann anerkannt, wenn die vollendete Tat durch Unterlassen fortgeführt wird. Dazu hat Kühl argumentiert, dass es sich um eine „Begehungsund Unterlassungseinheit“ handle. Eine solche Einheit könne ihre Typizität auch aus einem einmaligen typischen Verhalten bekommen, und dieses typische Verhalten liege beim nachfolgenden Unterlassen im vorangegangenen Tun (Kühl, Beendigung, S. 73). Währenddessen müsse der Täter bei Fortführung der Tat durch aktives Tun den spezifischen Handlungsunwert der betreffenden Deliktsart verwirklichen (ders.,
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ser Sicht kann der erfolgsorientierte Beendigungsbegriff nicht so definitiv als Außerachtlassung des Erfordernisses des Handlungsunwerts verworfen werden, dass man in der Konsequenz darauf verzichten sollte. cc) Die Vereinbarkeit des Beendigungsbegriffs mit dem Gesetzlichkeitsprinzip Aus der Lockerung des Erfordernisses des Handlungsunwerts nach der Vollendung folgt zwingend das Bedenken, ob der so ermittelte Beendigungsbegriff noch mit dem Gesetzlichkeitsprinzip, insbesondere dem Analogieverbot und dem Bestimmtheitsgebot, vereinbart werden kann, wenn man daran die den Täter belastenden Konsequenzen anknüpft. Dem rechtsstaatlichen Einwand, dass ein erfolgsorientierter Beendigungsbegriff gegen das Analogieverbot verstoße, möchte Hau184 in seiner Dissertation mit der Begründung entgehen, dass es in diesem Zusammenhang nicht um eine Frage des Analogieverbots gehe; der Beendigungsbegriff als eine Figur des Allgemeinen Teils des Strafrechts sei vielmehr zulässiges Gewohnheitsrecht, sodass die Bestimmung des Beendigungsbegriffs nicht die Frage danach aufwerfe, ob sie noch mit dem Wortlaut des Straftatbestands vereinbar sei. Die Ansicht von Hau erscheint mir aus folgenden Gründen freilich nicht plausibel.185 Beim Gewohnheitsrecht handelt es sich um eine von der allgemeinen Rechtsüberzeugung getragene ständige Übung.186 Im Hinblick darauf, dass die gesicherten Ergebnisse der gerichtlichen Auslegung in der Rechtsprechung sehr selten ins Rechtsbewusstsein des Volkes dringen187, erscheint die Behauptung insofern realitätsfern, als der Beendigungsbegriff durch die begriffliche Anerkennung und umfangreiche Anwendung auf mehrere Rechtsbereiche bereits zu einem Gewohnheitsrecht geworden sei. Zumal Hau auch keinen Nachweis dafür erbracht hat, Beendigung, S. 60). Der Grund für diese Differenzierung ist aber nicht ersichtlich. Denn die Einheit zwischen Tun und Unterlassen beruht schließlich nur darauf, dass das nachfolgende Unterlassen den durch Tun in Gang gesetzten Rechtsgutsangriff vertieft. Diese erfolgsorientierte Betrachtungsweise sollte eigentlich auch bei einem nachfolgenden Tun gelten können, das dieselbe Auswirkung auf das Rechtsgut hat. Andererseits könnte diese Differenzierung sich zwar damit erklären, dass die Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 funktionslos ist und somit nicht streng eingehalten werden muss, jedoch hat Kühl diese Erklärungsmöglichkeit offenkundig nicht in Betracht gezogen (vgl. ders., AT, § 18 Rn. 122 f.). 184 Zum Folgenden Hau, S. 49 ff. 185 Kritik dazu Jescheck, FS-Welzel, 689 (690 f.); Kühl, JuS 2002, 729 (731); ders., JuS 1982, 110 (114); LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 35; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 6; Fincke, S. 59. 186 Vgl. nur Roxin, AT/1, § 5 Rn. 48. 187 Vgl. Roxin, AT/1, § 5 Rn. 48.
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dass gerade der Beendigungsbegriff ständiger Rechtsprechung ausnahmsweise ins Rechtsbewusstsein des Volkes dringt. Abgesehen davon ist es doch zweifelhaft, ob der Beendigungsbegriff angesichts seiner strafbegründenden und -verschärfenden Rechtsfolgen ein noch zulässiges Gewohnheitsrecht im Strafrecht darstellen würde. Denn nach dem Sinn des Gesetzlichkeitsprinzips muss man auf die Unzulässigkeit eines Gewohnheitsrechts zu Lasten des Täters schließen.188 Insgesamt hat die Ansicht von Hau bisher zu Recht keine Zustimmung in der Literatur gefunden. Der rechtsstaatliche Einwand gegen den erfolgsorientierten Beendigungsbegriff kann also durch Hau noch nicht ausgeräumt werden. Trotzdem könnten weitere Gesichtspunkte herangezogen werden, die für die Vereinbarkeit des erfolgsorientierten Beendigungsbegriffs mit dem Gesetzlichkeitsprinzip sprechen. Was das Analogieverbot angeht, befindet sich der erfolgsorientierte Beendigungsbegriff genau in der Grauzone zwischen zulässiger Gesetzesauslegung und unzulässiger Analogie. Im Anschluss an Sax begründet Winkler die Ablehnung der strikten Bindung des Beendigungsbegriffs am Tatbestandswortsinn damit, dass sich die Freiheitsgarantie des Art. 103 Abs. 2 GG nicht an der äußerlichen Tatbestandsumschreibung als solcher, sondern am Wertverletzungstypus des jeweiligen Straftatbestands orientiert.189 Danach sei die teleologische Auslegung des jeweiligen Tatbestands nicht vom möglichen Wortsinn begrenzt. Auch wenn man der überwiegenden Ansicht folgend den möglichen Wortsinn des Gesetzes als die äußere Grenze der richterlichen Auslegung ansieht190, kann der erfolgsorientierte Beendigungsbegriff auch nicht definitiv abgelehnt werden. Wenn man von der Gesamtheit der Straftateinheit ausgeht, erfüllt das Tatgeschehen in der Beendigungsphase an sich zwar – aufgrund der Deliktsstruktur – nicht den objektiven Straftatbestand, findet jedoch in der Zusammenschau mit dem vorangegangenen Tatgeschehen in der Regel einen Anhaltspunkt in irgendeinem objektiven oder subjektiven Tatbestandsmerkmal. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Beendigung des Diebstahls. Zwar kann die Gewahrsamssicherung als solche nach der h. M. nicht mehr unter das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ subsumiert werden, aber der Wortsinn der Wegnahme lässt eine erweiterte Definition zu, so dass die die Beute sichernden Akte des Täters gewissermaßen in den Gesamtvorgang der Wegnahme einzubeziehen sind. Entsprechend könnte man auch bei Zollhinterziehung den inländischen Transport noch als einen Teil des gesamten Einfuhrvorgangs, bei Brandstiftung den Vorgang der Brandintensivierung als einen Teil des Inbrandsetzens betrachten.191 Daraus 188 189 190
Roxin, AT/1, § 5 Rn. 45; LK-Dannecker, § 1 Rn. 172. Winkler, S. 32. BVerfGE 71, 108 (115); 73, 206 (235).
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ergibt sich kein für die Allgemeinheit unvorhersehbares Bestrafungsrisiko, denn für das umgangssprachliche Verständnis erfasst der Begriff des Einführens oder des Inbrandsetzens jedenfalls – mehr oder weniger – das anschließende Geschehen, soweit es mit dem vorangegangenen Tatgeschehen noch als eine Straftateinheit betrachtet werden kann. Die Wortlautgrenze beider Begriffe so einzuschränken, dass nur das punktuelle Verhalten oder Geschehen darunter subsumiert werden könnte, würde umgekehrt gegen das Sprachgefühl der Allgemeinheit verstoßen. Der verbreiteten Kritik, dass ein erfolgsorientierter Beendigungsbegriff mit dem Analogieverbot unvereinbar sei, ist daher nicht pauschal zuzustimmen.192 Die Kritik an der Unbestimmtheit des Beendigungsbegriffs verdient ebenfalls nicht generell Zustimmung. Zwar liefert das Gesetz für den Beendigungszeitpunkt keine Vorgabe und bereitet der Ermittlung der endgültigen Rechtsgutsverletzung daher größere Schwierigkeiten.193 Daraus kann jedoch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die rechtsgutsorientierte teleologische Auslegung ausgerechnet beim Beendigungsbegriff zum Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot führt. Wenn man die Beendigungsfrage als ein Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands ansieht194, erledigt sich damit der Unbestimmtheitseinwand von selbst, weil auf dieser Grundlage Möglichkeit, Eigenart und Grenzen des „Beendigungs“-geschehens jeweils aus den einzelnen Tatbeständen abgeleitet werden müssen. Darüber hinaus gibt es in der Abgrenzung des Beendigungszeitraums nicht notwendigerweise mehr Schwierigkeiten als in der Bestimmung des Vollendungszeitpunkts. Beim Diebstahl hängt die Sicherung ebenso wie die Begründung des Gewahrsams von den unpräzisen „Anschauungen des täglichen Lebens“ ab, die die soziale Herrschaftssphäre des „Gewahrsams“ bestimmen. Daher ist beim Diebstahl die Unbestimmtheit des Beendigungszeitpunkts nicht mehr als die des Vollendungszeitpunkts. Sogar ist die Beendigung bei Freiheitsberaubung in aller Regel einfach zu ermitteln.195 3. Fazit Zusammenfassend kann man feststellen, dass im Rahmen des allgemeinen normativen Verständnisses Einigkeit nur darin besteht, dass der Abschluss 191 So z. B. Lackner/Kühl, § 306 Rn. 3; A/W-Hilgendorf, § 37 Rn. 19 jeweils m. w. N. A. A. Rengier, BT/2, § 40 Rn. 9. 192 Einzelheiten vgl. auch LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 36. 193 Ausführlich Kühl, FS-Roxin, 665 (670). 194 Dazu vgl. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 32; ferner Jescheck, FS-Welzel, 683 (684); Fincke, S. 59 f.; Küper, JZ 1981, 251 (252); ders., JuS 1986, 862 (869); Kühl, JuS 2002, 729 (730). 195 Küper, JZ 1981, 251 (252).
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der Rechtsgutsverletzung jedenfalls für die Bestimmung des Beendigungsbegriffs von entscheidender Bedeutung ist. Umstritten und bisher noch nicht abschließend geklärt ist, ob und in welchem Maße dieser Gesichtspunkt dahingehend eingegrenzt werden soll, dass die Fortführung der Rechtsgutsverletzung an sich den Tatbestand des einzelnen Delikts verwirklichen muss, um dem Erfordernis sowohl des Handlungsunwerts als auch des Gesetzlichkeitsprinzips gerecht zu werden. Dass diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann, ist wohl der Grund für die ablehnende Einstellung der Rechtsprechung gegenüber der heftigen Kritik aus der Literatur. Vor diesem Hintergrund wird die Tatbeendigung allgemein als ein Auslegungsproblem des Straftatbestands des einzelnen Delikts anerkannt. Küper hat dementsprechend darauf hingewiesen, dass das über die Vollendung hinausreichende Verhalten/Geschehen so beschaffen sein muss, dass es sich durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich noch in den jeweiligen Straftatbestand einbeziehen lässt.196 Die Zuordnung der Beendigungsproblematik als Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands bedeutet nichts anderes als, dass entweder eine allgemeingültige Begriffsbestimmung der Tatbeendigung als unerreichbar erweist, oder dass eine erreichte Begriffsbestimmung inhaltsleer sein müsste. Wenn man sich einerseits nicht von einem generellen Beendigungsbegriff verabschiedet197, andererseits zumindest für die einzelnen Deliktsgruppen jeweils eine verbindliche Begriffsbestimmung treffen will, um die Tatbestandsbezogenheit des Beendigungsbegriffs zu gewähren198, wäre eine differenzierende Begriffsbestimmung unausweichlich. Die im Vordringen begriffene Differenzierungstendenz in der Beendigungsdogmatik macht klar, dass ein allgemeingültiges Kriterium bestimmt ist, der Komplexität der Beendigungsproblematik nicht gerecht zu werden.
IV. Kritik der tatbestandsbezogenen Differenzierung des Beendigungsbegriffs In der Literatur ist aus vorgenannten Gründen eine Differenzierung des Beendigungsbegriffs nach Handlungsstruktur und Deliktsstruktur sehr verbreitet. Demnach erfolgt die Tatbeendigung zum einen aus der Beschaffenheit der verbrecherischen Handlung, obwohl der Tatbestand selbst keine Vielzahl von Einzelakten vorsieht. Die eigenständige Beendigungsphase be196 Küper, JZ 1981, 251 (252); ders., JuS 1986, 862 (869) (Hervorhebung im Original). 197 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 30. 198 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 32; in der Sache übereinstimmend Küper, JZ 1981, 251 (252).
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ruht in Fällen dieser Art nicht auf den gesetzlichen Vorgaben des Tatbestands, sondern auf der konkreten Begehungsweise des Täters im Einzelfall. Dazu gehören die Fälle der natürlichen und tatbestandlichen Handlungseinheit sowie der Fortsetzungstat, in denen die Tatbeendigung mit der letzten tatbestandlichen Handlung beendet ist. Zum anderen ergibt sich das zeitliche Auseinanderfallen von Tatvollendung und Tatbeendigung aus der tatbestandlichen Deliktbeschreibung. Der Gesetzgeber will mit der Deliktbeschreibung den Zeitpunkt der Vollendungsstrafe vorverlegen, ohne den nachfolgenden Teilabschnitt der Straftat straflos zu belassen. Die Kriterien des Beendigungszeitpunkts sind also je nach Art der Unrechtstatbestände aufzustellen: Beispielsweise ist das Zustandsdelikt mit der Verwirklichung des Tatbestands vollendet und in der Regel auch beendet; das Dauerdelikt wird erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes beendet; im Bereich der Gefährdungsdelikte endet die Straftat erst mit der Beseitigung der Gefährdung oder mit dem Eintritt des sich aus der Gefährdung entwickelnden Schadens; bei den Absichtsdelikten erreicht die Beendigungsphase der Tat mit der Verwirklichung der Absicht, „die nach dem Konzept des Unrechtstatbestands noch Bestandteil der Straftat ist“199 ihren Abschluss. Aus folgenden Gründen erweist sich jedoch die Differenzierung nach der Tatbestandsstruktur und der konkreten Tatbegehungsweise200 als nur eine Umgehungsstrategie gegenüber den Schwierigkeiten bei der Suche nach einem allgemeingültigen Kriterium des Beendigungsbegriffs, ohne zur Beendigungslehre einen nennenswerten Beitrag zu leisten. 1. Widersprüche und Unsicherheiten zwischen den Auslegungskriterien Dieser differenzierende Ansatz geht bei der Ermittlung des Beendigungszeitpunkts einerseits nicht in vollem Maße auf den spezifischen Unrechtsgehalt des jeweiligen Straftatbestands ein, sondern begnügt sich mit der Zuordnung des fraglichen Straftatbestands in die eine oder in die andere Deliktkategorie. Andererseits stellt dieser Ansatz für die jeweilige Delikts- und Handlungsstruktur ein spezifisches Kriterium der Tatbeendigung auf, ohne jedoch diese abweichenden Kriterien erkennbar aus einer gemeinsamen Grundlage abgeleitet zu haben. Diese Ermittlungsmethode erweist sich somit als widerspruchsvoll und willkürlich.
199 200
Hau, S. 37. Vgl. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 32; HK-GS/Ambos, § 22 Rn. 20.
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a) Widersprüche wegen fehlenden Grundgedankens Dass eine solche Differenzierung sich noch auf einer gemeinsam verbindlichen Aussage über den Beendigungsbegriff stützt, könnte dann bejaht werden, wenn zwischen den nebeneinander bestehenden Auslegungskriterien für die jeweilige Delikts- und Handlungsstruktur kein Widerspruch bestünde. Ein Vergleich zwischen den abweichenden Auslegungskriterien der Tatbeendigung in den beiden Fallgruppen ergibt allerdings bereits, dass die Verwirklichung des Straftatbestands nach der Tatvollendung zwar der maßgebende Anknüpfungspunkt für die Beendigungsphase in der einen, freilich nicht mehr in der anderen Fallgruppe ist. Der Grund dafür wird aber nirgendwo angegeben. Außerdem besteht innerhalb der Fallgruppe der Tatbeendigung aufgrund der Deliktsstruktur eine nicht übersehbare Divergenz zwischen den Beendigungskriterien der Gefährdungs- und Absichtsdelikte. Es bleibt somit ungeklärt, ob das Fehlschlagen der Verwirklichung der rechtsgutsbezogenen Absicht, was sachlich die endgültige Beseitigung der Rechtsgutsgefährdung bedeutet, ebenso wie ihre vollständige Verwirklichung die Beendigung des Absichtsdelikts bestimmen kann. Daneben ist es nicht leicht einzusehen, warum die Verwirklichung der von der Rechtsgutsverletzung unabhängigen Absicht ausgerechnet bei einigen Absichtsdelikten anstelle der endgültigen Beeinträchtigung des Rechtsguts als maßgebender Anknüpfungspunkt der Tatbeendigung angesehen werden kann. Solche Widersprüche zwischen den unterschiedlichen angegebenen Auslegungskriterien sind ein Beleg dafür, dass es bei dieser Differenzierungstendenz an einem grundlegenden Verständnis vom Beendigungsbegriff mangelt. Was bei der Suche nach einem allgemeingültigen Beendigungsbegriff vor allem offen geblieben ist, bleibt in dieser Differenzierung nach wie vor im Dunkel. b) Unsicherheiten bei der Auswahl des Auslegungskriteriums Darüber hinaus erscheint es zweifelhaft, ob diese Differenzierung für die Ermittlung des Beendigungszeitpunkts eine zuverlässige Unterstützung sein kann. Denn manchmal kann ein und derselbe Tatbestand mehreren Deliktstypen zugeordnet werden, und ein und dasselbe Tatgeschehen kann gleichzeitig besondere Handlungs- und Deliktsstrukturen aufweisen, die zur Annahme einer eigenständigen Tatbeendigungsphase führen. Aufgrund dieser doppelten Zuordnungsmöglichkeit entsteht ein Problem bei der Auswahl des passenden Beendigungskriteriums.201 201 Das Problem braucht sich jedoch nicht unter allen Umständen zu stellen. Jescheck, FS-Welzel, 683 (687) mit Fn. 24 ordnet z. B. die Urkundenfälschung nach
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Vergegenwärtigt man sich als Beispiel den Eingehungsbetrug, der sowohl ein Gefährdungs- als auch ein Absichtsdelikt darstellt, drängt sich bei der Ermittlung seiner Tatbeendigung die Frage auf: In welche der beiden Kategorien soll man ihn einordnen, um das passende Kriterium anzuwenden? Wenn man ihn der Kategorie des Gefährdungsdelikts zuordnet, wäre die Tat mit dem Eintritt des Vermögensschadens bzw. dem Ausfallen der Vermögensgefährdung endgültig abgeschlossen, wenn z. B. das Opfer sich entschieden hat, der vertraglichen Pflicht nicht nachzukommen. Ordnet man ihn hingegen der Kategorie des Absichtsdelikts zu, könnte die Tatbeendigung erst mit der tatsächlichen Bereicherung des Täters bzw. eines Dritten eintreten. Für diesen Konfliktfall wird von der Beendigungslehre freilich kein plausibler Lösungsvorschlag angeboten. Ebenso problematisch ist die Auswahl des maßgebenden Kriteriums des Beendigungszeitpunkts in denjenigen Fällen, in denen ein und dasselbe Tatgeschehen gleichzeitig besondere Handlungs- und Deliktsstrukturen aufweist. Man braucht nur an einen Fall von Diebstahl zu denken, in dem der Dieb die Waren während des Zeitraums von einer Stunde Stück für Stück aus dem Lager eines Kaufhofs nimmt und diese auf einen Lastwagen auflädt, um später alle Diebesgüter an einem bestimmten Ort zu verstecken. Der Täter hat in diesem Fall unstreitig nur einen Diebstahl begangen, wenn alle seine vom einheitlichen Willen getragenen Wegnahmehandlungen zeitlich und örtlich so eng zusammenhängen, dass sie in normativer Hinsicht nur eine natürliche bzw. tatbestandliche Handlungseinheit sind.202 Unter dem Blickwinkel der Tatbegehungsweise sollte diese Konstellation zur Fallgruppe „aufgrund der Handlungsstruktur“ gehören. Jedoch kann man auch diese Konstellation ohne Schwierigkeit in die Fallgruppe „aufgrund der Deliktsstruktur“ einordnen, weil der Diebstahl als Absichtsdelikt anerkannt ist. Wenn man generell die Tatbeendigung aufgrund der Handlungsstruktur im Zeitpunkt des Aufhörens der Tatbestandsverwirklichung erblickt, und demgegenüber die Tatbeendigung des Absichtsdelikts in der Absichtsverwirklichung als erreicht ansieht, bleibt im vorliegenden Fall die Frage nach wie vor unbeantwortet, ob der Diebstahl schon im Zeitpunkt des Abschlusses seines letzten Wegnahmeaktes zur Beendigung kommt oder erst dann, wenn der Täter die Beute an einem bestimmten Ort versteckt hat. § 267 als Absichts-, Gefährdungs- und zweiaktiges Delikt ein, sieht aber die Beendigung unter den drei verschiedenen Gesichtspunkten gleichfalls im Gebrauchmachen der gefälschten Urkunde. 202 Für diesen Zusammenhang macht die Einordnung in die eine oder die andere Kategorie der Handlungseinheit keinen sachlichen Unterschied. Deshalb wird hier auf die Problematik, ob überhaupt und inwieweit die Figur der natürlichen Handlungseinheit anerkannt werden soll, nicht näher eingegangen. Zum Meinungsstand vgl. nur Lackner/Kühl, Vor § 52 Rn. 5 ff.
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Auch wenn es keine Schwierigkeiten bei der Einordnung des Einzelfalls in eine bestimmte Fallgruppe gibt, bringt die Ermittlung des Beendigungszeitpunkts nach dem zugehörigen Deliktstyp eine unabsehbare Gefahr mit sich, nämlich dass die Besonderheit des einzelnen Straftatbestands innerhalb desselben Deliktstyps unberücksichtigt bleibt. Hillenkamp hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die notwendige Tatbestandsbezogenheit dadurch eingeebnet wird, „dass man für Absichtsdelikte ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Absicht für das Tatunrecht (z. B. in § 203 Abs. 5 einerseits, in § 242 andererseits) behauptet, sie fänden unterschiedslos erst mit der Verwirklichung der Absicht ihr Ende“.203 2. Die irreführende Auswirkung des Differenzierungsansatzes Insoweit leistet die Differenzierung keinen Beitrag zur Lösung der grundlegenden Problematik, mit der sich die Beendigungslehre befasst. Der Vorzug dieser Differenzierung ist aber dieser: Sie macht deutlich, dass sich die Tatbeendigung nicht nur aus der Ausgestaltung der Struktur des Tatbestands ergibt, sondern auch dynamisch von der Art und Weise der Tatbestandsverwirklichung abhängt. Aber dieser Differenzierungsansatz erweckt den Eindruck, als ob sich die Tatbeendigung entweder allein aufgrund der Deliktsstruktur eines Straftatbestands oder allein aufgrund der Handlungsstruktur der Tatbegehung ergebe. Das Zusammenwirken von Delikts- und Handlungsstruktur bei der Entstehung der Tatbeendigung scheint nämlich damit ausgeschlossen zu sein. Dieser Eindruck entspricht aber nicht der Sachlage. Wie oben dargelegt handelt es sich bei dem Beendigungsbegriff um den Abschluss einer Straftateinheit, die entweder nur eine oder mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen enthält.204 Demgemäß setzt sich die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts einer Straftat aus zwei Einzelfragen zusammen: Erstens aus der Frage nach dem Vorliegen einer einheitlichen Straftat; zweitens aus der Frage nach der Festlegung des Abschlusszeitpunkts dieser einheitlichen Straftat. Die Bestimmung der Reichweite der zugrundeliegenden „einheitlichen Straftat“ beeinflusst zwingend – wenn auch nicht allein entscheidend – die Festlegung des Beendigungszeitpunkts. Diese Sichtweise erlangt ihre Bedeutung insbesondere in Fällen mehrfacher Tatbestandsverwirklichung, da hiermit die Frage einhergeht, unter welchen Voraussetzungen man darin eine oder mehrere Straftaten erblickt. Wenn der Täter mit mehreren Tatbestandsverwirklichungen nur eine einheitliche Straf203
LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 32. Auch nach Lackner/Kühl, Vor § 22 Rn. 2 tritt Beendigung ein, „wenn das Geschehen, soweit es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Einheit bildet, abgeschlossen vorliegt . . .“. (Hervorhebung vom Verfasser). 204
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tat begangen hat, beruht der zu ermittelnde Beendigungszeitpunkt auf dieser einzigen Straftat.205 Die Behauptung, dass die Tatbeendigung entweder allein aufgrund der Handlungs- oder allein aufgrund der Deliktsstruktur eintritt, reduziert unzutreffend die Problematik der Tatbeendigung auf die eine oder die andere Dimension. Dies lässt sich nachfolgend näher demonstrieren. Zunächst erweckt die Kategorisierung der Tatbeendigung aufgrund der Handlungsstruktur den Eindruck, als ob die Beendigung immer mit dem Abschluss der letzten Tatbestandsverwirklichung einträte. Damit wird leicht verkannt, dass sowohl die Deliktsstruktur des Straftatbestands ebenso wie die Handlungsstruktur für die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts von Belang ist. Man kann z. B. beim Diebstahl von mehreren Schachteln Zigaretten nicht allein deswegen die Tatbeendigung im Abschluss des letzten Wegnahmeakts sehen, weil es sich dabei um einen Fall der Tatbeendigung aufgrund der Handlungsstruktur handelt. Denn die Tatsache der sich wiederholenden Tatbestandsverwirklichung betrifft nur die Frage danach, ob es sich nur um eine einzige Straftat des Diebstahls handle. Die Frage, ob dieser Diebstahl mit der Gewahrsamssicherung beendet ist, kann nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der Deliktsstruktur des § 242 beantwortet werden. Außerdem wird dem Umstand kaum Aufmerksamkeit geschenkt, dass die u. U. normativ relevante Zäsur während iterativer Tatbestandsverwirklichungen die Einheitlichkeit der Straftat unterbricht und darum ebenfalls entscheidend für die Festlegung der Tatbeendigung sein kann. Dies leuchtet anhand des folgenden Beispiels ein: Der fahruntüchtige Autofahrer fährt vorsätzlich vom Unfallort weg, nachdem er auf einer Kreuzung fahrlässig einen Fußgänger überfahren und nach dem Unfall vorübergehend angehalten hat. Nach h. M. ist eine Trunkenheitsfahrt erst dann beendet, wenn der Täter die Weiterfahrt endgültig beendet, oder wenn der Täter infolge des Alkoholabbaus während der Fahrt wieder fahrsicher wird.206 Man darf aber dieses Kriterium nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Beispielsfall anwenden und dann behaupten, dass der Täter diese Straftat erst bei der Ankunft am Fahrtziel zur Beendigung bringe. Denn sobald festgestellt ist, dass der Autofahrer sich aus einem neuen Entschluss heraus vom Unfallort entfernt hat, wird die gesamte Trunkenheitsfahrt damit unterbrochen.207 In der Folge macht sich der Täter wegen zweier selbständiger Straftaten der Trun205 Winkler, S. 111 ff. betont auf ähnliche Weise den Zusammenhang des Beendigungsbegriffs mit der Konkurrenzlehre. Ebenso Kühl, Beendigung, S. 178. 206 Vgl. BGHSt 23, 141; S/S-Sternberg-Lieben/Hecker, § 316 Rn. 30. 207 Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung siehe S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 85. Obwohl die Rechtsprechung auf Kritik in der Literatur stieß, wird damit auch nach der Lehrmeinung die Zäsurwirkung des Unfalls nicht völlig abgelehnt, sondern lediglich unter engeren Voraussetzungen anerkannt. Deshalb gilt die folgende Analyse ebenfalls für die kritische Lehrmeinung.
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kenheit im Verkehr (§ 316) in Tatmehrheit strafbar.208 Die erste Trunkenheitsfahrt ist nicht erst mit dem Erreichen des Fahrtziels, sondern schon mit dem vorübergehenden Anhalten am Unfallort beendet. Anschließend beginnt die zweite Trunkenheitsfahrt mit dem erneuten Fahrtantritt und kommt mit dem Erreichen des Fahrtziels zur Beendigung. Beim o. g. Kriterium der h. M. bleibt die Besonderheit der Begehungsweise im Einzelfall unberücksichtigt und kann daher keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Ebenso unzutreffend ist die Kategorisierung der Tatbeendigung aufgrund der Deliktsstruktur. Man würde damit übersehen, dass die konkrete Begehungsweise des Täters auch bei den genannten Deliktstypen den Beendigungszeitpunkt bestimmen kann. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Urkundenfälschung, bei dem der Verfälscher über den ursprünglichen Plan hinaus mehrmals von den selbst gefälschten Urkunden Gebrauch macht. Auch wenn man mit der h. M. davon ausgeht, dass § 267 seiner Struktur nach ein zweiaktiges Delikt ist, folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Tatbeendigung der Urkundenfälschung immer in dem letzten Gebrauchmachen der Urkunde liegt. Denn diese Deliktsstruktur spricht zwar dafür, dass Verfälschen und Gebrauchmachen ein und derselben Urkunde in der Regel eine einzige Straftat bilden.209 Im Einzelfall kann aber die Straftateinheit zwischen Verfälschen und Gebrauchmachen verneint werden. So bilden das Verfälschen und das mehrmalige Gebrauchmachen von ein und derselben Urkunde nach h. M. nur dann eine einzige Straftat, wenn die Urkunde von Anfang an mehrfach gebraucht werden sollte.210 Im vorliegenden Beispiel ist das freilich gerade nicht der Fall, weil die nachfolgenden Akte des Gebrauchmachens nicht von dem ursprünglichen Verwendungszweck der Verfälschung erfasst sind. Demnach gelangt die Urkundenfälschung schon mit dem Abschluss des ersten Gebrauchmachens zur Beendigung. Die übrigen Akte des Gebrauchmachens stellen sich jeweils als selbständige Straftat dar und haben darum mit der Bestimmung der Beendigung der vorangehenden Urkundenfälschung nichts mehr zu tun. Somit ist die Deliktsstruktur nicht allein entscheidend für die Bestimmung der Tatbeendigung. Erforderlich ist die zusätzliche Berücksichtigung der Handlungsstruktur. Die Kategorisierung der Tatbeendigung aufgrund der Deliktsstruktur erscheint daher ebenfalls irreführend, weil sie den Blickwinkel auf die Problematik der Beendigung zu Unrecht verengt hat. 208 Vgl. Kindhäuser AT, § 47 Rn. 15; Wessels/Beulke, Rn. 779; Kraß, JuS 1991, 821 (823). 209 Sog. „Grundsatz des einheitlichen Deliktskomplexes“ vgl. LK-Zieschang, § 267 Rn. 287 f. 210 BGHSt 5, 291 (293); neuerdings BGH StV 2008, 182. Aus der Literatur S/S-Cramer/Heine, § 267 Rn. 79 b; Lackner/Kühl, § 267 Rn. 27; LK-Zieschang, § 267 Rn. 287. Ebenso Freund, Urkundenstraftaten, Rn. 231.
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Diese Einwände dürften genügend gezeigt haben, dass die vom Gesetzgeber vorgegebene Delikts- und die vom Täter gestaltete Handlungsstruktur bei der Beendigung einer Straftat zusammenwirken. Der Differenzierung nach Handlungs- und Deliktsstruktur sollte allenfalls die Bedeutung zugeschrieben werden, dass sie als Indiz für den im Vordergrund stehenden Streitpunkt bei der Bestimmung des Beendigungszeitpunkts dient. Mit der Indizwirkung der Zuordnung des zu beurteilenden Einzelfalls in die eine oder andere Fallgruppe erspart man sich bei der Ermittlung der Tatbeendigung freilich nicht die Arbeit, auf die durch Delikts- bzw. Handlungsstruktur entstehenden Fragen ebenfalls einzugehen.
V. Zwischenbilanz Die bisherigen Bemühungen um die Begriffsbestimmung der Tatbeendigung können nach der vorangegangenen Analyse nicht als erfolgreich beurteilt werden. Allenfalls kann man einräumen, dass die Tatbeendigung der Abschluss einer Straftateinheit ist, die in einem einzigen Rechtsgutsangriff besteht. Wie sich die Tatbeendigung zu der Tatbestandsfassung des einzelnen Delikts verhält, und wie sich die Delikts- und Handlungsstruktur auf die Bestimmung der Tatbeendigung auswirken, lässt sich jedoch nicht allgemeingültig aussagen. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit sieht auf den ersten Blick nicht als besonders verwerfbar aus, weil die vergleichbare Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung der natürlichen und tatbestandlichen Handlungseinheit in der Konkurrenzlehre seit langem allgemein akzeptiert ist. Bei näherem Hinsehen fällt es aber ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Beendigungsbegriff und dem konkurrenzrechtlichen Begriff der Handlungseinheit auf. Während dem letzteren allein die Funktion, die Anwendung der Regelung der Tatmehrheit bei der Strafbemessung auszuschließen, zugemessen wird, sind an den ersteren viele unterschiedliche strafrechtliche Konsequenzen angeknüpft. Es drängt sich die Frage auf, wie man aus einem solchen inhaltsleeren Beendigungsbegriff entnehmen könnte, „welche Konsequenzen in welcher Situation gezogen werden müssen“.211 Oder umgekehrt gesagt: Wie kann man einen einzigen Beendigungsbegriff entwickeln, der befriedigend das spezifische Problem des jeweiligen Rechtsbereichs löst? Mit dieser entscheidenden Frage haben sich die bisher besprochenen Bemühungen der Beendigungslehre leider noch nicht beschäftigt. Um diesen Mangel zu beseitigen, setzt sich neuerdings eine andersartige Differenzierung des Beendigungsbegriffs durch, wonach bereits die 211
Otto, FS-Lackner, 715 (720).
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Konsequenzen der Tatbeendigung Einfluss auf ihre Begriffsbestimmung und Reichweite haben. Nachfolgend wird diese problemorientierte Differenzierung des Beendigungsbegriffs näher ausgeführt und daraufhin untersucht, ob sie eine methodisch einwandfreie Vorgehensweise bei der Lösung der Beendigungsproblematik darstellt.
VI. Kritik der problemorientierten Differenzierung des Beendigungsbegriffs 1. Zwei Modelle einer problemorientierten Differenzierung a) Tatbestandsbezogene und tatbestandslose Beendigung Nach einer verbreiteten Ansicht sollte die Differenzierung des Beendigungsbegriffs daraus erfolgen, dass sich die an die Tatbeendigung anknüpfenden Rechtsfolgen teilweise zu Gunsten des Täters, teilweise zu seinen Ungunsten auswirken. Während die Tatbeendigung etwa bei der sukzessiven Beteiligung und Zurechnung der qualifizierenden Umstände zur Ausdehnung der Strafbarkeit beim Beteiligten bzw. Täter führt, ergibt sich aus der Annahme der Handlungsidentität während der Beendigungsphase ein für den Täter günstigeres Konkurrenzverhältnis zwischen gleichzeitig begangenen Straftaten. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen des Beendigungsbegriffs erlangen ihre wesentliche Bedeutung im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip, weil demnach jede Strafbegründung bzw. -erschwerung einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die Einschränkung bzw. Beseitigung der Strafbarkeit demgegenüber nicht dem strengen strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt unterliegt. Demzufolge wird eine Differenzierung des Beendigungsbegriffs danach vorgenommen, ob sich der Beendigungszeitpunkt noch innerhalb der Wortlautgrenze des Straftatbestands befindet: in „tatbestandsbezogene- und tatbestandslose Beendigung“.212 Während der tatbestandsbezogene Beendigungsbegriff als Anknüpfungspunkt dient, eine den Täter belastende Rechtsfolge nach sich zu ziehen, kann sich an den tatbestandslosen Beendigungsbegriff eine den Täter schonende Rechtsfolge anknüpfen.
212 So allgemein Kühl, FS-Roxin, 665 (673); ders., JuS 2002, 729 (731); Lackner/Kühl, Vor § 22 Rn. 2; zustimmend LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 36 f.; Gropp, § 9 Rn. 9 a; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 260; LK-Schünemann, § 27 Rn. 42. Die abweichende Bezeichnung ohne sachliche Unterschiede bei Mitsch, Jura 2009, 534 (535): „tatbestandsinterne und -externe Beendigung“.
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b) Erfolgs- und Verhaltensbeendigung (Kühl) Das Modell der Differenzierung zwischen der tatbestandsbezogenen und der tatbestandslosen Tatbeendigung ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen günstigen und ungünstigen Rechtsfolgen. Insoweit kann jedoch die Zielsetzung des jeweiligen Rechtsbereichs bei der Festlegung der Beendigungsphase noch nicht in Betracht gezogen werden. Dass die Zielsetzung des jeweiligen Rechtsbereichs Einfluss auf die Bestimmung des Beendigungsbegriffs haben soll, wird erstmals von Kühl in seiner grundlegenden Untersuchung aus dem Jahr 1974 hervorgehoben. Kühl hat eine Differenzierung zwischen Verhaltens- und Erfolgsbeendigung entwickelt, um dem spezifischen Sinn und Zweck des jeweiligen Rechtsbereichs Rechnung zu tragen.213 Er geht zunächst davon aus, dass sich der Beendigungsbegriff am Straftatbestand orientieren muss. Weder außertatbestandliche Rechtsgutsverletzung noch Absichtsverwirklichung können die Tatbeendigung bestimmen. Demnach kann eine Straftat über die Tatvollendung hinaus fortgeführt werden, entweder indem sich der Täter beim Tun bzw. Unterlassen tatbestandstypisch verhält, oder indem sich der tatbestandstypische Erfolg als reiner Kausalverlauf weiter verwirklicht. Daraus ergeben sich zwei Alternativen des Beendigungsbegriffs: Zum einen findet nach Kühl in der „Verhaltensbeendigung“ der Abschluss des tatbestandstypischen Verhaltens des Täters seinen Ausdruck; so beispielsweise kann eine Körperverletzung durch mehrere Schläge, oder dadurch tatbestandstypisch fortgeführt werden, dass der Täter die Linderung der infolge Fesselung eingetretenen und stetig zunehmenden Schmerzen an den Gelenken des Opfers unterlässt.214 Zum anderen spricht Kühl von „Erfolgsbeendigung“, wenn sich die tatbestandstypischen Erfolge nach der Vollendung einstellen, ohne dass sich der Täter weiterhin tatbestandstypisch verhalten hat. So kann eine Täuschung als tatbestandsmäßiges Verhalten i. S. des § 263 mehrere, nacheinander eintretende tatbestandsmäßige Erfolge herbeiführen, z. B. mehrere, die Versicherung schädigende Rentenzahlungen.215 Die Unterscheidung von Verhaltens- und Erfolgsbeendigung erlangt ihre Bedeutung nach Kühl namentlich darin, dass man sich je nach Sinn und Zweck des jeweiligen Rechtsbereichs entscheidet, welcher der beiden Beendigungsbegriffe sich als Anknüpfungspunkt für die vorgesehenen Rechtsfol213 Zum Folgenden vgl. Kühl, AT, § 14 Rn. 27; ders., JuS 1982, 110 (114); ders., FS-Roxin, 665 (672 f.); eingehend hierzu ders., Beendigung, S. 60 ff. Diese Unterscheidung wird auch von LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 1 aufgegriffen. 214 Kühl, AT, § 14 Rn. 27. 215 Kühl, AT, § 14 Rn. 27.
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gen eignet.216 So sei z. B. für den Beginn der Verfolgungsverjährung der Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens maßgeblich, es komme nicht auf den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges an. Was den Strafgrund der Teilnahme betrifft, könne demgegenüber nach dem Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens bis zum Eintritt des letzten tatbestandsmäßigen Erfolges die Strafbarkeit der Beihilfe noch begründet werden; der Verlust des Täters an der Herrschaft des Tatgeschehens hindere die Verantwortlichkeit wegen Beihilfe nicht.217 2. Kritik a) „Rechtsfolgen“ oder „Konsequenzen“ des Beendigungsbegriffs? Die Anknüpfung der Begriffsbestimmung der Tatbeendigung an ihre strafrechtlichen Konsequenzen erweist sich als ein Wechsel des Blickwinkels, da man damit vom Verhältnis des Beendigungsbegriffs zum Straftatbestand zur Relevanz des Beendigungsbegriffs für den einzelnen Rechtsbereich übergeht. Bei beiden Modellen der problemorientierten Differenzierung bleibt die Grundannahme der Beendigungslehre jedoch unverändert, nämlich dass der Beendigungsbegriff als Abschluss einer Straftateinheit eine notwendige Bedingung für den Eintritt der Rechtsfolge im jeweiligen Rechtsbereich darstellt. Die allgemein gebräuchlichen Ausdrücke, etwa „Konsequenzen“218, „Rechtsfolgen“219, „Rechtswirkung“220 bzw. „praktische Bedeutung“221 usw. des Beendigungsbegriffs erinnern den Juristen gewöhnlich an besonders wichtige Rechtsnormen, in denen sich der Tatbestand und die Rechtsfolge konditional verbinden.222 Das vorgeschlagene Gebot einer differenzierenden Auslegung des Beendigungsbegriffs gründet sich gerade darauf, dass die oben erwähnte Grundannahme richtig ist. Freilich versteht sich die Richtigkeit dieser Grundannahme nicht von selbst, weil der Beendigungsbegriff in den meisten Regelungen des einzelnen Rechtsbereichs nicht ausdrücklich als eine Tatbestandsvoraussetzung 216
Kühl, AT, § 14 Rn. 28. Vgl. ferner Winkler, S. 42, der die gleiche Überlegung bereits vorgenommen hat, ohne aber den Beendigungsbegriff weiter zu differenzieren. 217 Kühl, FS-Roxin, 665 (673). 218 Z. B. LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 34. 219 Z. B. Hau, S. 114; Kühl, FS-Roxin, 665 (678); ders., JuS 2002, 729 (733). 220 Jescheck, FS-Welzel, 683 (696). 221 S/S-Eser, Vor §§ 22 Rn. 10. 222 Allgemein dazu vgl. Zippelius, S. 28 f.
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der einschlägigen Rechtsfolge aufgenommen wird. Es fragt sich daher, ob die jeweilige Regelung tatsächlich die Rechtsfolge an die Tatbeendigung anknüpft. Auch wenn bei § 2 Abs. 2 und § 78 a S. 1 die Beendigung der Tat ausdrücklich als Anknüpfungspunkt der jeweiligen Rechtsfolge vorgesehen ist, ist es eben nicht zweifelsfrei, ob darunter genau der Abschluss einer Straftateinheit verstanden werden soll. aa) Die Überflüssigkeit des Beendigungsbegriffs in der Notwehrdogmatik Diese Bedenken erhärten sich durch das Beispiel der körperlichen Verletzung des mit der Beute fliehenden Diebes durch den Verfolger, um das Diebesgut zurückzugewinnen. Nach verbreiteter Meinung befindet sich dieser vollendete Diebstahl noch in der Beendigungsphase, bevor der Dieb seinen Gewahrsam verfestigt hat. Es geht um die Frage, ob sich der Verfolger während dieses Zeitraums noch auf Notwehr (§ 32) berufen darf, um die von ihm begangene Körperverletzung zu rechtfertigen. Die Notwehr gemäß § 32 Abs. 2 setzt eine Notwehrlage voraus, die in einem rechtswidrigen und gegenwärtigen Angriff besteht. Gegenwärtig ist ein Angriff von seinem Beginn bis zu seiner Beendigung.223 Nach einer allgemein anerkannten Definition ist ein Angriff gegenwärtig, wenn er unmittelbar besteht, gerade stattfindet oder noch andauert.224 Wenn der Angriff in einem strafbaren Verhalten besteht, stellt sich u. a. die Frage, ob die „Beendigung“ i. S. des rechtswidrigen Angriffs in der Notwehr mit der Tatbeendigung i. S. der Stufenlehre gleichzustellen ist. Dies wird allgemein bei den Dauerdelikten anerkannt.225 Dabei ist der rechtswidrige Angriff nicht mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands abgeschlossen, sondern erst mit der Beendigung des geschaffenen rechtswidrigen Zustands.226 Entsprechendes gilt auch in Fällen iterativer Tatbestandsverwirklichung bei den Zustandsdelikten, und zwar bis zur Tatbeendigung.227 So darf das weiteren Schlägen ausgesetzte Opfer gegen den Täter Notwehr ausüben, bevor der Täter die Schläge endgültig aufgibt. Der vorliegende Beispielsfall ist zwar etwas anders gelagert, weil es sich bei diesem Angriff lediglich um ein Zustandsdelikt ohne wiederholte Begehung handelt. In der Literatur wird jeS/S-Perron, § 32 Rn. 13; SK7-Günther, § 32 Rn. 65. BGHSt 27, 336 (339); StV 1995, 463 (464); LK-Rönnau/Hohn, § 32 Rn. 140; Jescheck/Weigend, § 32 II 1 d; Frister, AT, § 16 Rn. 13. 225 Roxin, AT/1, § 15 Rn. 28; Kühl, AT, § 7 Rn. 45; LK-Rönnau/Hohn, § 32 Rn. 149; MK-Erb, § 32 Rn. 104. 226 S/S-Perron, § 32 Rn. 15; LK-Rönnau/Hohn, § 32 Rn. 149. 227 Roxin, AT/1, § 15 Rn. 28. 223 224
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doch für die Begründung des Notwehrrechts des Verfolgers gegenüber dem mit der Beute fliehenden Dieb auch ins Feld geführt, dass der Diebstahl noch nicht beendet und damit als gegenwärtig anzusehen sei.228 Auf den ersten Blick scheint der Beendigungsbegriff i. S. der Stufenlehre für die Beurteilung der Gegenwärtigkeit des Angriffs in der Notwehrdogmatik maßgebend zu sein. Bei näherem Hinsehen stellt sich dann jedoch heraus, dass man bei der Begründung des Notwehrrechts ganz vom Beendigungsbegriff absehen kann. Denn für das Notwehrrecht kommt es nach § 32 allein darauf an, was man unter dem Begriff der Gegenwärtigkeit des Angriffs versteht. Nach anerkannter Ansicht ist der Kreis der notwehrfähigen Rechtsgüter bzw. Interessen nicht auf die vom Strafrecht geschützten Rechtsgüter beschränkt. Infolgedessen muss der notwehrfähige Angriff keinen Straftatbestand verwirklichen.229 Gegen eine Handlung, die lediglich zivil- oder verwaltungsrechtliches Unrecht aufweist, darf man ebenfalls Notwehrrecht ausüben, soweit die weiteren Voraussetzungen nach § 32 erfüllt sind. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses des notwehrfähigen Angriffs ist es konsequent, dass die Gegenwärtigkeit des Angriffs nicht an die straftatspezifische Unterscheidung von Versuch und Vollendung gebunden ist.230 Dabei kommt es – für alle Angriffsarten – vielmehr wesentlich darauf an, ob der bisherige Angriff noch eine akute Bedrängnissituation für das angegriffene Interesse bildet, die das scharfe Notwehrrecht legitim und tolerierbar erscheinen lässt.231 So hat man etwa bei der Benutzung eines Privatweges durch Unbefugte oder bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch unbefugtes Fotografieren232 nicht auf den straftatspezifischen Beendigungsbegriff zurückgegriffen.233 Das Fliehen des Diebes mit Beute wird daher nicht deswegen als ein gegenwärtiger rechtswidriger 228 So z. B. BGHSt 48, 207, 209; Wessels/Beulke, Rn. 328; Rengier, AT, § 18 Rn. 25; Roxin, AT/1, § 15 Rn. 28; Kühl, AT, § 7 Rn. 46; LK-Rönnau/Hohn, § 32 Rn. 148; MK-Erb, § 32 Rn. 106; Kindhäuser, AT, § 16 Rn. 19; SSW-StGB/Rosenau, § 32 Rn. 16. 229 Vgl. Kühl, AT, § 7 Rn. 34 u. 59. 230 Im Wesentlichen ebenso MK-Erb, § 32 Rn. 106. 231 Vgl. Kühl, AT, § 7 Rn. 39. 232 Beispiele aus Frister, AT, § 16 Rn. 5. Weitere Einzelfälle bei LK-Rönnau/ Hohn, § 32 Rn. 83 ff. 233 Aus dieser Sicht ist das Argument von Seher, in: Ebert (Hrsg.), AT-Fall, S. 182 abzulehnen. Dort begründet Seher die Zulässigkeit der Beihilfe in der tatbestandslosen Beendigungsphase des Diebstahls u. a. damit, dass diese Phase auch sonst zur Tat selbst gerechnet werde – also z. B. Notwehr und Nothilfe gegen den Dieb weiterhin möglich seien. Dieses Argument missachtet zum einen die unterschiedlichen Überlegungen zum Beendigungszeitpunkt im Zusammenhang mit der sukzessiven Beteiligung und der Notwehr; zum anderen wird dabei der spezifische Begriff der Rechtswidrigkeit bei der Notwehr unberücksichtigt gelassen.
B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre
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Angriff auf das Eigentum des anderen betrachtet, weil der Diebstahl noch nicht beendet ist, sondern deswegen, weil der bisher durchgeführte Angriff des Diebs noch eine akute Bedrohung für das Eigentumsinteresse des Opfers darstellt. Aus dieser Sicht stellt sich der straftatspezifische Beendigungsbegriff keineswegs als ein allgemein verbindliches Kriterium für die zeitliche Eingrenzung des notwehrfähigen Angriffs dar.234 Man könnte trotzdem daran festhalten, dass der straftatspezifische Beendigungsbegriff zumindest noch als Hilfsmittel bei der Ermittlung der Gegenwärtigkeit eines strafbaren Angriffs verwendbar ist. So hat Kühl die Verwendung des Beendigungsbegriffs in der Dogmatik der Notwehr zwar einerseits als „weder sachgerecht noch nötig“235, aber andererseits als unschädlich bezeichnet.236 Diese Bezeichnung bringt eindeutig zum Ausdruck, dass Kühl die Entbehrlichkeit des Beendigungsbegriffs im Begründungsverfahren der Notwehrbefugnis schon eingeräumt hat; jedoch sieht er keine Bedenken gegen die Heranziehung des Beendigungsbegriffs als Begründungsmittel. Diese Bewertung von Kühl lässt freilich die sich aus der Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit des Beendigungsbegriffs ergebenden dogmatischen Ungereimtheiten unberücksichtigt. Den Beendigungsbegriff heranzuziehen bringt für die Beurteilung der Gegenwärtigkeit des Angriffs tatsächlich nur noch mehr Unsicherheit. Es stellt sich vor allem die Frage, ob der Beendigungsbegriff tatbestandsmäßig ausgelegt werden müsste. Wer annimmt, dass durch den tatbestandslosen Beendigungsbegriff und der daraus folgenden zeitlichen Ausdehnung des notwehrfähigen Angriffs dem Angreifer ein Nachteil entsteht, könnte daraus schließen, dass sich der Beendigungsbegriff in § 32 Abs. 2 ebenso wie z. B. bei sukzessiver Beteiligung am Straftatbestand orientieren sollte.237 Damit käme man zu dem Ergebnis, dass das Notwehrrecht des Verfolgers gleich nach der letzten Wegnahmehandlung entfällt, weil der Angriff im Stadium der Beutesicherung weder Erfolg noch Verhalten im tatbestandstypischen Sinne ist. Ein solches Ergebnis widerspricht jedoch definitiv dem Grundgedanken der Notwehr, da das Verhalten des mit Beute fliehenden Diebs zwar keinen Straftatbestand verwirklicht, aber doch noch eine fortlaufende Gefahr des rechtlich geschützten Eigentums aufrechterhält und somit ein notwehrfähiger Angriff vorliegt. Auch Kühl begnügt sich hier wohl deshalb mit dem „rechtsgutsbezogenen“238 oder „tatbestands234
Ebenso Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (742 f.). Kühl, JuS 2002, 729 (735). 236 Kühl, AT, § 7 Rn. 46 u. § 14 Rn. 29. 237 So etwa Hruschka, GA 1968, 193 (206) mit Fn. 44. Zutreffende Kritik dazu Kühl, Beendigung, S. 153 mit Fn. 7. 238 Kühl, Beendigung, S. 153. 235
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losen“239 Beendigungsbegriff, ohne an einer tatbestandsorientierten Auslegung festzuhalten. Wenn man sich andererseits des tatbestandslosen Beendigungsbegriffs in der Notwehrdogmatik bedient, wäre zwar eine Notwehr gegen den mit Beute fliehenden Dieb zulässig, da der Diebstahl vor der Gewahrsamssicherung im allgemeinen noch nicht beendet ist. Diese Vorgehensweise birgt allerdings die Gefahr, dass die Notwehrbefugnis unzulässig erweitert würde, weil der tatbestandslose Beendigungsbegriff nicht überall und aller Ansicht nach an die rechtsgutsverletzende Wirkung anknüpft. Der Theorie der Absichtsverwirklichung als Tatbeendigung zufolge, könnte etwa das Opfer eines Betrugs gegen den Täter insofern noch Notwehr üben, als die beabsichtigten Vermögensvorteile noch nicht erlangt sind, obwohl der Vermögensschaden beim Opfer schon endgültig eingetreten ist. Dieses Ergebnis würde offenkundig dem Grundgedanken der Notwehr widersprechen, weil hier gar kein Bedürfnis nach Schutz des individuellen Rechtsguts besteht. Es zeigt sich deutlich, dass der herangezogene Beendigungsbegriff letztlich nur unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Notwehr korrekt ausgelegt werden kann. Ansonsten würde die Gegenwärtigkeit des Angriffs entweder deshalb zu eng eingegrenzt, weil der Beendigungsbegriff spezifisch auf eine Straftat bezogen ist, oder zu weit definiert, weil der Beendigungsbegriff nicht notwendig mit dem Rechtsgutsangriff verbunden ist. Diese Gefahr wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn man sich bei der Beurteilung der Gegenwärtigkeit des Angriffs nicht mehr des mehrdeutigen straftatspezifischen Beendigungsbegriffs bedienen, sondern sich unmittelbar mit dem notwehrspezifischen Kriterium des gegenwärtigen Angriffs befassen würde. Der straftatspezifische Beendigungsbegriff spielt deshalb in der Notwehrdogmatik nicht nur eine entbehrliche Rolle, sondern entfaltet sogar eine unübersehbar „schädliche“ Auswirkung.240 239
Kühl, JuS 2002, 729 (735). Bemerkenswert ist, dass Kühl hier die Folge des tatbestandslosen Beendigungsbegriffs bei der Beurteilung der Gegenwärtigkeit des Angriffs als „günstig“ bezeichnet. Damit möchte er wohl zusätzlich dafür argumentieren, dass der Beendigungsbegriff in § 32 Abs. 2 nicht tatbestandskonform ausgelegt werden muss. (Vgl. ders., JuS 2002, 729 [733].) Allerdings gilt diese Zuordnung nur für den potenziellen Verteidiger. Für den Angreifer, wie Kühl selbst einmal gesagt hat (ders., Beendigung, S. 176), zieht der tatbestandslose Beendigungsbegriff definitiv nur eine nachteilige Konsequenz nach sich. Infolgedessen fordert LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 38, hier lediglich eine „Anbindung“ der Beendigungsphase an die tatbestandliche Umschreibung. Damit zeigt sich nicht nur, dass die Unterscheidung zwischen tatbestandsbezogenem und tatbestandslosem Beendigungsbegriff im Hinblick auf dessen Konsequenz im Bereich der Notwehr nicht eindeutig durchgeführt wurde. Darüber hinaus entscheidet diese Unterscheidung nicht abschließend über die Interpretation des ohnehin als relevant angesehenen Beendigungsbegriffs im jeweiligen Problemzusammenhang. Denn die Zulässigkeit des tatbestandslosen Beendigungsbegriffs ergibt sich letztlich daraus, dass § 32 von vornherein keine Tatbestandsmäßigkeit des Angriffs verlangt.
B. Analyse und Kritik der bisherigen Beendigungslehre
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bb) Das Bedürfnis nach Überprüfung der Relevanz des Beendigungsbegriffs im jeweiligen Rechtsbereich Die Tatsache, dass der Beendigungsbegriff für die Notwehr überhaupt irrelevant ist, hat die Grundannahme der problemorientierten Differenzierung, nämlich dass der Beendigungsbegriff sich als Auslöser der Rechtsfolge im jeweiligen Rechtsbereich darstellt, teilweise erschüttert. Darüber hinaus wird die Möglichkeit demonstriert, dass die teleologische Überlegung im Rahmen der einschlägigen Regelung des einzelnen Rechtsbereichs nicht lediglich zum Differenzierungsgebot des Beendigungsbegriffs, sondern weitergehend zu seiner Verzichtbarkeit führt. Bevor man den Beendigungsbegriff je nach Rechtsbereich differenzierend auslegt, müsste man vorab darauf eingehen, ob der Beendigungsbegriff i. S. des Abschlusses einer Straftateinheit im Hinblick auf die jeweilige Regelung des einzelnen Rechtsbereichs wirklich der Auslöser der einschlägigen Rechtsfolge ist. Aus dieser Sicht erscheint das erste Modell der Differenzierung nach der dem Täter günstigen bzw. ungünstigen Rechtsfolgen halbherzig, weil diese Vorgehensweise von vornherein kein Auge auf die Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs wirft. Das zweite – nämlich von Kühl eingeführte – Modell der Differenzierung nach Verhaltens- und Erfolgsbeendigung basiert zwar angeblich auf der spezifischen Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs, es fehlt hierbei aber ebenfalls eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beendigungsbegriff überhaupt die angeblichen Rechtsfolgen „auslösen“ kann. Bemerkenswerterweise hat Bitzilekis bereits vor zwanzig Jahre die grundsätzliche Frage aufgeworfen, „ob der Beendigungsbegriff eine für die Strafrechtsdogmatik unentbehrliche Rechtsfigur darstellt“241, und dazu eine verneinende Antwort und bedeutsame Argumentationen geliefert. Ihm nahe steht allein die Bewertung von Jakobs, dass es nicht angebracht sei, die Beendigung pauschal als eine Stufe des Delikts zu behandeln.242 Ebenso kritisch, aber noch zurückhaltender hat es Kühl in seinem Kommentar zum Strafgesetzbuch wie folgt formuliert: „Ob diese Einzelfragen überhaupt durch Annahme einer eigenständigen Beendigungsphase ohne Blick auf die 240 Die Frage, ob sich der notwehrspezifische Angriff fortbestehend auf den reinen Kausalverlauf eines schädlichen Geschehens erstreckt und damit noch gegenwärtig ist, ist ebenfalls kein Problem des Beendigungsbegriffs, sondern ein Problem des Rechtswidrigkeitsurteils des notwehrspezifischen Angriffs. (Näher dazu LKRönnau/Hohn, § 32 Rn. 109 ff.) Die Verbindung dieser Problematik mit dem Beendigungsbegriff (so ausführlich Kühl, Beendigung, S. 154 ff.) wirkt sich daher nur irreführend aus. 241 Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (725). 242 Jakobs, 25/12.
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jeweiligen Systemzusammenhänge gelöst werden können, ist zweifelhaft“.243 Diese Fragestellungen sind berechtigt und verdienen weitere Erläuterungen. b) Die Verkennung des Stellenwerts des Gesetzlichkeitsprinzips Wenn sich der Beendigungsbegriff als relevant für die einzelnen Rechtsbereiche erwiesen hat, stellt sich die Anschlussfrage, welche Grenze das Gesetzlichkeitsprinzip der Bestimmung des Beendigungsbegriffs setzt. Diesbezüglich gehen beide Modelle davon aus, dass das rechtsstaatliche Problem des Beendigungsbegriffs vor allem darin liegt, dass er im Straftatbestand des einzelnen Delikts keine unmittelbare Stütze findet. Das erste Modell, dem sich das Schrifttum immer mehr anschließt, vertritt deshalb, dass eine tatbestandskonforme Auslegung des Beendigungsbegriffs zumindest hinsichtlich der den Täter belastenden Rechtsfolgen erforderlich sei. Im zweiten Modell wird sogar eine dem Tatbestandstypus entsprechende Bestimmung des Beendigungsbegriffs offenbar für alle Rechtsbereiche gefordert; die Ratio des einzelnen Rechtsbereichs entscheidet nur darüber, wie man zwischen den Alternativen von Verhaltens- und Erfolgsbeendigung eine Auswahl trifft. Was diesen Gedanken betrifft, stellt sich aber bei näherem Hinsehen heraus, dass er die gesetzliche Regelung der einzelnen Rechtsbereiche übersehen hat. Es wurde nämlich verkannt, dass der Beendigungsbegriff primär nicht wegen seiner Stütze im Straftatbestand des einzelnen Delikts, sondern wegen seiner Stütze in der jeweiligen Regelung des einzelnen Rechtsbereichs bestimmte Rechtsfolgen auslöst. Erst auf der Grundlage der rechtsbereichsspezifischen Auslegung des Beendigungsbegriffs kommt eine sinngemäße Umsetzung auf der Ebene der einzelnen Straftatbestände in Betracht. Das Gesetzlichkeitsprinzip erfordert primär, dass die Auslegung des Beendigungsbegriffs nicht über die Wortlautgrenze der jeweiligen Regelung der einzelnen Rechtsbereiche hinausgehen darf, wenn es sich um eine den Täter belastende Rechtsfolge handelt. Ob die Auslegung des Beendigungsbegriffs auf der Ebene des einzelnen Straftatbestands ebenfalls die Wortlautgrenze des Straftatbestands einhalten muss, kann nur im Einzelfall entschieden werden. M. a. W. erfordert das Gesetzlichkeitsprinzip nicht immer dort eine tatbestandskonforme Bestimmung des Beendigungsbegriffs, wo er die Strafbarkeit ausdehnt. Als Beispiel ist der gesetzlich vorgesehene Beendigungsbegriff in § 78 a zu nennen. Gegen den tatbestandslosen Beendigungsbegriff könnte man zunächst einwenden, dass der Verjährungsbeginn nach § 78 a S. 2 nur auf den 243
Lackner/Kühl, Vor § 22 Rn. 2.
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Eintritt des „tatbestandsmäßigen“ Erfolgs abstelle.244 Außerdem beziehe sich das Merkmal „Beendigung“ auf die Tat, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 die Verwirklichung des Tatbestands voraussetze. Mithin verlängere der tatbestandslose Sachverhalt eine Tat nicht. Demzufolge stelle sich etwa das Täterverhalten zur Beutesicherung selbst als außertatbestandliches Verhalten dar und sei folgerichtig irrelevant für die Bestimmung des Beginns der Verfolgungsverjährung. Wenn man vom Regelungsinhalt des § 78 a ausgeht, ist zwar zu bejahen, dass die Beutesicherung an sich kein tatbestandsmäßiger Erfolg gemäß Satz 2 ist. Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Beutesicherung nicht unter der Formulierung „sobald die Tat beendet ist“ in Satz 1 subsumiert werden kann, wenn man das Nebeneinander der beiden Begriffe „Tat“ und „beendet“ berücksichtigt.245 Denn zunächst ist mit dem Begriff „Tat“ dem Wortlaut nach nicht unbedingt die Tat im materiell-rechtlichen Sinne gemeint, sondern auch die im prozessualen Sinne.246 Außerdem hat die Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 5 zwar Einfluss auf die Feststellung der Reichweite des Tatbegriffs, besagt jedoch nichts über die Auslegung des weiteren Begriffs „beendet“ im selben Satz. Ein vom Straftatbestand abgelöster Beendigungsbegriff bewegt sich ebenso gut wie die tatbestandskonforme Beendigung noch innerhalb des möglichen Wortsinns des Merkmals „beendet“ und verstößt somit auch nicht gegen den Grundsatz des Analogieverbots. Das ändert sich auch dadurch nicht, dass die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an einen tatbestandslosen Beendigungsbegriff den Täter belastet247, weil es sich auf die gesetzliche Regelung stützt. Eine Auslegung des verjährungsrechtlichen Beendigungsbegriffs, die die Wortlautgrenze des einzelnen Straftatbestands einhält, ist nicht vom Gesetzlichkeitsprinzip gefordert, sondern nur möglicherweise von der Ratio der Verfolgungsverjährung geboten.248 Innerhalb der Regelungen anderer Rechtsbereiche, in denen der Beendigungsbegriff nicht verwendet wird, gilt die gleiche Überlegung erst recht. Dies lässt sich anhand der Relevanz des Beendigungsbegriffs im Strafzumessungsrecht demonstrieren. Es ist allgemein anerkannt, dass die sich an die Vollendung anschließende Rechtsgutsbeeinträchtigung als ein Nachtatverhalten des Täters (§ 46 Abs. 2 S. 2) wegen ihrer Schadensvertiefung bzw. -aufrechterhaltung bei der Strafzumessung strafschärfend wirkt.249 Für 244 245
So Kühl, Beendigung, S. 164 f. Ebenso hindeutend Laubenthal, Jura 1985, 630 (631); Mitsch, Jura 2009, 534
(536). 246 MK-Mitsch, § 78 Rn. 5 weist auf diese Möglichkeit hin, lehnt sie aber aus teleologischen Gründen ab. 247 So aber LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 37. 248 Zutreffend Mitsch, Jura 2009, 534 (536); ders., JR 2009, 298 (299). 249 S/S-Stree/Kinzig, § 46 Rn. 40.
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den Strafzumessungsfaktor ist es unerheblich, ob das Nachtatverhalten tatbestandsmäßig ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten nach der Tat Schlüsse auf die Tat oder die Schuld bzw. die Gefährlichkeit des Täters zulässt.250 Dass die Subsumtion des Täterverhaltens während der tatbestandslosen Beendigungsphase unter dem Begriff „Nachtatverhalten“ in § 46 Abs. 2 S. 2 den Art. 103 Abs. 2 GG nicht verletzt, lässt sich daher nicht ernsthaft bestreiten.251 Hält man darüber hinaus den Beendigungsbegriff z. B. bei der Bestimmung der „Tatfrische“ i. S. des § 252 überhaupt für relevant252, verbietet das Gesetzlichkeitsprinzip lediglich die Bestimmung der Tatbeendigung, die die zulässige Auslegungsgrenze der „Tatfrische“ überschreitet. Der Wortlaut der „Tatfrische“ erfordert zwar einen bestimmten Bezug zum Tatbestand des Diebstahls, steht jedoch einer empirisch-orientierten Bestimmung nicht entgegen.253 Eine im Einklang mit dem Wortlaut des Diebstahltatbestandes stehende Bestimmung der Beendigung kommt allenfalls in Betracht, wenn dies von der Ratio des § 252 geboten ist. Es lässt sich erkennen, dass der Beendigungsbegriff als Auslöser der Rechtsfolge seine rechtsstaatliche Grenze im Wortlaut der einschlägigen Regelung des einzelnen Rechtsbereichs findet, weil seine Relevanz darauf beruht. Da die herrschende Beendigungslehre die Tatbeendigung allein als ein Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands ansieht254, wird der Stellenwert des Gesetzlichkeitsprinzips verkannt.
250
S/S-Stree/Kinzig, § 46 Rn. 39; LK-Theune, § 46 Rn. 197. Schaffstein, FS-Gallas, 99 (112). 252 Dagegen etwa Lackner/Kühl, § 252 Rn. 4; Gössel, BT/2, § 15 Rn. 14. 253 Im Ergebnis ebenso LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 37. 254 Dass sich dieser Standpunkt nicht durchsetzt, lässt sich an den Ausführungen in LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 37 demonstrieren: Er geht zwar grundsätzlich davon aus, dass bei strafbegründenden und -verschärfenden Konsequenzen der Beendigungsbegriff tatbestandskonform ausgelegt werden soll, um Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen. Einerseits hat er aber für § 78 a, welcher Art. 103 Abs. 2 GG nach h. M. nicht unterliegt (Vgl. nur Mitsch, Jura 2009, 534[536]), auch aufgrund der den Täter belastenden Konsequenz einen tatbestandsbezogenen Beendigungsbegriff gefordert. Andererseits hat er bei der Auslegung des § 252 trotz der den Täter belastenden Konsequenz einen faktisch-orientierten Beendigungsbegriff zugelassen, um der innertatbestandlichen Funktion des Beendigungsbegriffs Rechnung zu tragen. Daran zeigt sich, dass die sich aus dem Beendigungsbegriff ergebende Konsequenz bei Hillenkamp, einem der Vertreter dieser problemorientierten Differenzierung, keine verbindlichen Angaben dazu machen kann, wie man im Einzelnen den Beendigungsbegriff auslegen soll. Die Auswahl des Auslegungskriteriums für den Beendigungsbegriff lässt sich vielmehr nur dann schlüssig begründen, wenn die Bestimmung des angeblich relevanten Beendigungsbegriffs von vornherein auf die Ratio und gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Rechtsbereichs abgestellt wird. 251
C. Grundzüge des eigenen Lösungsansatzes
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VII. Schlussbemerkung Nach alledem ist der Stand der Beendigungslehre wie folgt zusammenzufassen: Grundsätzlich wird die Beendigungsproblematik als ein Auslegungsproblem des einzelnen Straftatbestands angesehen. Die traditionellen Bemühungen um eine gemeinsame verbindliche Aussage über den Beendigungsbegriff in allen Deliktstypen haben sich aber als unergiebig erwiesen. Dies dürfte durch die Natur des Beendigungsbegriffs bedingt sein, weil sowohl die Deliktsstruktur des Straftatbestands als auch die konkrete Begehungsweise des Täters Einfluss auf die Bestimmung der Straftateinheit und somit der Tatbeendigung haben. Ähnlich wie der Begriff der Handlungseinheit im Konkurrenzrecht bedarf der allgemeine Beendigungsbegriff in großem Umfang der Konkretisierung und Präzisierung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Das entscheidende Defizit der bisherigen Beendigungslehre liegt jedoch darin, dass die Wechselwirkung zwischen Begriffsbestimmung und Rechtsfolgen nicht hinreichend beachtet worden ist255. Daran hat auch die Tendenz zur problemorientierten Differenzierung nichts geändert. Denn dabei wird die unentbehrliche Rolle des Beendigungsbegriffs für den jeweiligen Rechtsbereich nach wie vor als unproblematisch angenommen. Außerdem wird der Stellenwert des Gesetzlichkeitsprinzips missverstanden. Somit ist nachgewiesen, dass die Vorgehensweisen der bisherigen Beendigungslehre bei der Bestimmung des Beendigungsbegriffs nicht nur methodisch fragwürdig sind, sondern auch die Probleme hinsichtlich seiner Konsequenzen nicht befriedigend lösen können. Eine Neuorientierung der Dogmatik der Tatbeendigung, dass es sich dabei um das Auslegungsproblem der jeweiligen Regelung des einzelnen Rechtsbereichs handelt, ist deshalb notwendig.
C. Grundzüge des eigenen Lösungsansatzes I. Grundlage: Rechtsbereichsspezifische Untersuchung Um die folgende Untersuchungsstruktur dieser Arbeit zu veranschaulichen wird hier zunächst der eigene Lösungsansatz skizziert. Das Bedürfnis nach einer Begriffsbestimmung der Tatbeendigung setzt ihre Existenzberechtigung im Hinblick auf Sinn und Zweck des betroffenen Rechtsbereichs voraus. Die Fragestellung nach der Existenzberechtigung des Be255 Kritisch dazu Rudolphi, FS-Jescheck, 559 (562 f.); vgl. auch Lesch, S. 66; Kühl, FS-Roxin, 665 (672).
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endigungsbegriffs im jeweiligen Rechtsbereich zwingt uns dazu, uns mit Regelung und Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs auseinanderzusetzen. Erst wenn die Existenzberechtigung des Beendigungsbegriffs in dem Rechtsbereich bejaht ist, stellt sich die Frage, wie der Beendigungsbegriff entsprechend der Ratio des Rechtsbereichs und ohne Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip auszulegen ist. Mit dieser Vorgehensweise setzt man zum einen – entgegen der traditionellen Beendigungslehre – die Existenzberechtigung des Beendigungsbegriffs in allen Rechtsbereichen nicht einfach bedenkenlos voraus. Zum anderen wird die notwendige Differenzierung des Beendigungsbegriffs – entgegen der verbreiteten kritischen Stimmen aus der Literatur – nicht lediglich nach einem unpräzisen Kriterium, wie etwa der Tatbestandsbezogenheit bzw. der dem Täter günstigen oder ungünstigen Konsequenzen, vorgenommen, sondern aus der spezifischen Aufgabe des jeweiligen Rechtsbereichs entwickelt. Insofern ist diese rechtsbereichsspezifische Vorgehensweise in methodischer Hinsicht vorzugswürdig gegenüber der bisherigen Beendigungslehre, unabhängig davon, ob ihre Ergebnisse Zustimmung verdienen oder nicht.
II. Zweiteilung aller einschlägigen Rechtsbereiche Für eine rechtsbereichsspezifische Untersuchung des Beendigungsbegriffs ist es methodisch sinnvoll, Fallgruppen zu bilden, die wie folgt zweigeteilt sind: Die erste Fallgruppe ist das Recht der Verjährung und das der intertemporalen Strafanwendung.256 In beiden wird der Beendigungsbegriff gesetzlich verwendet (§ 2 Abs. 2 und § 78 a). In dieser Fallgruppe hat man sich damit zu beschäftigen, wie der Zeitpunkt der Tatbeendigung entsprechend der Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs und innerhalb der zulässigen Auslegungsgrenze festgelegt werden soll. Im Vordergrund steht zum einen die Frage, wie sich der zugrundelegende Tatbegriff bestimmen lässt, und zum anderen die Frage, ob ein Beendigungsbegriff, der die Wortlautgrenze des einzelnen Delikts überschreitet, verboten werden soll. Demgegenüber gibt der von Bitzilekis geäußerte Zweifel an der Existenzberechtigung des Beendigungsbegriffs dort genügend Anlass zur Prüfung, wo er gesetzlich nicht normiert ist. Die weiteren Rechtsbereiche, in denen der Beendigungsbegriff überwiegend für relevant gehalten wird, verdienen jeweils eine gesonderte Untersuchung daraufhin, ob seine Relevanz besteht 256 Terminologie aus HK-GS/Rössner, § 2 Rn. 1; S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 1; gleichbedeutend „intertemporales Strafrecht“, vgl. LK-Dannecker, § 2 Rn. 1.
C. Grundzüge des eigenen Lösungsansatzes
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oder nicht. Diese Notwendigkeit wurde im Rahmen der Notwehrdogmatik gezeigt, da sich die Gegenwärtigkeit des Angriffs von vornherein nicht spezifisch an einer Straftat orientiert. Im Gegensatz dazu beziehen sich die übrigen gesetzlich verwendeten einschlägigen Begriffe, wie „die Straftat“ in § 25 Abs. 2, „rechtswidrige Tat“ in §§ 26, 27, „dieselbe Handlung“ in § 52 Abs. 1, „wegen einer anderen Straftat . . ., die er vor der früheren Verurteilung begangen hat“ in § 55 Abs. 1, „bei dem [Diebstahl]“ in § 244 Abs. 1 Nr. 1, „durch den Raub“ in § 251 und „auf frischer Tat“ in § 252 usw., dem Wortlaut nach auf eine Straftat. Zwar legen solche Tatbestandsmerkmale jeweils eine bestimmte zeitliche Grenze der Straftat fest, man darf daraus allerdings nicht ohne weiteres folgern, dass dafür gerade der Zeitpunkt der Tatbeendigung entscheidend ist. Es ist nicht auszuschließen, dass irgendeine der sonstigen Entwicklungsstufen einer Straftat, etwa die Vollendung oder das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung, den Endpunkt der zeitlichen Grenze solcher Tatbestandsmerkmale markiert. Um diese Frage zu klären müsste man zunächst entsprechend der Ratio des jeweiligen Rechtsbereichs das betreffende gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Rechtsfolgen interpretieren. Dann stellt sich die weitere Frage, ob für das einschlägige Tatbestandsmerkmal der Beendigungsbegriff i. S. des Abschlusses einer Straftateinheit entscheidend ist. Im bejahenden Fall wäre dann zu erklären, ob der Beendigungsbegriff auch im Hinblick auf das einzelne Delikt streng an den Wortlaut des Straftatbestands gebunden sein muss.
Zweiter Teil
Beendigungsbegriff im Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrecht A. Einführung Die rechtsbereichspezifische Untersuchung soll nun damit beginnen, den gesetzlichen Beendigungsbegriff im Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrecht zu bestimmen. Weil der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 und in § 78 a nichts Näheres über den Inhalt des dort verwendeten Beendigungsbegriffs sagt, bedarf dieser Begriff der Präzisierung und Konkretisierung durch die Rechtsprechung und Wissenschaft. Geklärt soll zunächst der Beendigungsbegriff des Verjährungsrechts werden (s. u. B.), dann der des intertemporalen Strafanwendungsrechts (s. u. C.). Beide Rechtsbereiche haben eine unterschiedliche Bedeutung in der Praxis. Die Festlegung des maßgebenden Zeitpunkts bei der Gesetzesänderung i. S. des § 2 Abs. 2 wurde seit langem in Rechtsprechung und Literatur nicht mehr ausreichend problematisiert. Demgegenüber ist die Festlegung des Verjährungsbeginns nach § 78 a immer wieder ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema, insbesondere im Steuerstrafrecht.257 Es liegt nicht nur an der missglückten Regelungstechnik des § 78 a, sondern auch daran, dass dessen Anwendung im Hinblick auf einzelne Fälle der besonderen Tatbegehungsweise bzw. bestimmter Deliktstypen reichlich unsicher ist. Als Beispiel sei der bekannteste und letztlich ungeklärte Streit über den Verjährungsbeginn einer Fortsetzungstat erwähnt, bevor der BGH faktisch auf diese Rechtsfigur verzichtet hat. Bei typischerweise Jahre andauernden Delikten, etwa der Steuerhinterziehung, der geheimdienstlichen Agententätigkeit oder der Renten- bzw. Anstellungsbetrügerei, herrscht nach wie vor keine Einigkeit über die Bestimmung des Verjährungsbeginns. Dieses Problem ist in einer Zeit der Bekämpfung der Korruption wieder aktuell geworden258, weil der 3. Strafsenat des BGH neuerdings den Verjährungsbeginn bei Bestechlichkeit und Bestechung nach §§ 331 ff. bis zum Zeit257 Wegen der Komplexität dieses Problems kann in dieser Untersuchung nicht weiter darauf eingegangen werden. Ausführlich dazu Rolletschke, Rn. 450 ff. 258 Dann, NJW 2008, 3078; Bernsmann, GA 2009, 296 (308 ff.).
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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punkt der Vornahme der gekauften Diensthandlung des Amtsträgers hinausschiebt259, was aber auf erhebliche Bedenken im Schrifttum stößt. Abgesehen davon darf man nun aus dem Vorhandensein des Beendigungsbegriffs in den beiden Vorschriften den Ansatzpunkt der nachfolgenden Überlegung folgern: Zum ersten ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht notwendig die Vollendung, sondern eine andere Entwicklungsphase der Straftat Maßstab für den geregelten Gegenstand dieser Vorschriften. Dies gilt nicht nur bei solchen Straftaten, die nicht zur Vollendung gekommen sind, sondern auch für die vollendeten Straftaten, die zu einem späteren Zeitpunkt ihre Beendigung erreichen. Zum zweiten markiert der Wortsinn der „Beendigung“, der jedes denkbare empirische oder normative Verständnis des Abschlusses einer Straftat erlaubt, die äußere Grenze für ihre Auslegung. Darum kann man aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 und § 78 a nicht ohne weiteres schließen, dass sich der Beendigungsbegriff verbindlich an der Tatbestandsfassung des einzelnen Delikts orientieren sollte. Für die Bestimmung des Beendigungsbegriffs in beiden Vorschriften sind vielmehr systematische, teleologische, geschichtliche, und sogar verfassungsrechtliche Erwägungen des jeweiligen Rechtsinstituts entscheidend. Eine sich strikt am einzelnen Straftatbestand orientierende Bestimmung könnte nur von den genannten nicht-grammatischen Erwägungen geboten werden.260
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht Das Strafgesetz unterscheidet im Verjährungsrecht zwischen Verfolgungs(§§ 78–78 c) und Vollstreckungsverjährung (§§ 79–79 b). Somit verzichtet der Staat nach einer bestimmten Zeit darauf, gegen einen Straftäter mit den Mitteln des Strafrechts vorzugehen.261 Das Institut der Vollstreckungsverjährung wird aber im Folgenden ausgenommen, da nur der Beginn der Verfolgungsverjährung die Bestimmung der Tatbeendigung betrifft. Gemäß § 78 a beginnt eine Straftat grundsätzlich zu verjähren, „sobald die Tat beendet ist“ (Satz 1); bei Erfolgsdelikten hängt der Verjährungsbeginn allerdings von dem zum Tatbestand gehörenden Erfolg ab, wenn dieser später als die Tatbeendigung eintritt (Satz 2). Trotz Anerkennung der Maßgeblichkeit der Tatbeendigung ist die Bestimmung des Verjährungsbeginns seit langem sehr umstritten, weil es noch keine allgemeingültige Bestimmung des Beendigungsbegriffs gibt und weil der Tatbegriff in Satz 1 aufgrund der missglückten Regelungstechnik uneinheitlich interpretiert wird. 259 260 261
BGH, Urt. v. 19.6.2008 – 3 StR 90/08 = NStZ 2008, 567. Im Ansatz ebenso Otto, FS-Lackner, 715 (720); Mitsch, Jura 2009, 534 (536). S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vor §§ 78 ff. Rn. 1.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
Dieses Problem kann nur gelöst werden, wenn man sich von den Grundgedanken des Verjährungsrechts leiten lässt, die auch in der Beendigungslehre vereinzelt beachtet wurden.262 Die Gründe, aus denen die Strafverfolgung wegen Verjährung ausbleibt, werden in der Rechtsprechung und Literatur ebenfalls kontrovers diskutiert. Der damit zusammenhängende Streit um die Rechtsnatur der Verfolgungsverjährung263 spielt jedoch für die hier interessierende Frage der Begriffsbestimmung der Beendigung als Beginn der Verjährungsfrist keine Rolle.264 Nachfolgend ist zunächst zu erklären, dass der Gesamtheit des § 78 a nach dem Konzept des Gesetzgebers der Abschluss einer Straftateinheit als Verjährungsbeginn zugrunde liegt (s. u. I.). Sodann soll den Grundgedanken zur Verfolgungsverjährung nachgegangen und dazu Stellung genommen werden (s. u. II.). Daraufhin soll diskutiert werden, ob die Zugrundelegung der Straftateinheit in § 78 a in Einklang mit dem Grundgedanken der Verfolgungsverjährung steht (s. u. III.), um schließlich daraus die Konsequenzen für den Beendigungsbegriff zu ziehen (s. u. IV.).
262 Eingehend dazu Winkler, S. 140 ff.; Kühl, Beendigung, S. 172 f.; Otto, FSLackner, 715 (721); Schmitz, S. 222 ff.; Gleß/Geth, StV 2009, 183 (185 f.); Mitsch, Jura 2009, 534 (536 ff.). 263 Zusammenfassend Bock, JuS 2006, 12 (13); LK-Schmid, Vor § 78 Rn. 8 je m. w. N.; zum früheren Streitstand bei Lorenz, GA 1966, 371 ff.; v. Stackelberg, FSBockelmann, 759 (763) je m. w. N. Die wohl h. M. des Schrifttums erblickt in der Verfolgungsverjährung ein prozessual- und materiell-rechtlich gemischtes Institut, also sowohl ein Prozesshindernis als auch einen Strafaufhebungsgrund. Dazu vgl. RG 41, 176; 66, 328; ebenso Jescheck/Weigend, § 86 I 1.; Lackner/Kühl, § 78 Rn. 1; SK7-Rudolphi/Wolter, Vor § 78 Rn. 10; Baumann/Weber/Mitsch, § 4 Rn. 5; Maurach/Zipf, AT/2, § 75 Rn. 13; Jakobs, 10/22; Grünwald, MDR 1965, 521 (522). Kritisch dazu Volk, S. 226: „dogmatisch wertlos“. Demgegenüber ist die Auffassung des BGH und teilweise der Literatur, dass die Verfolgungsverjährung ein Institut des prozessualen Rechts darstelle, also lediglich ein Prozesshindernis, vgl. BGHSt 2, 307; 4, 379; 8, 269; 50, 138 (139); MK-Mitsch, § 78 Rn. 1; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vor §§ 78 ff. Rn. 3; Roxin, AT/1, § 23 Rn. 52; LK-Schmid, Vor § 78 Rn. 9; NK2-Lemke, Vor §§ 78 ff. Rn. 2; NK-Saliger, Vor §§ 78 ff. Rn. 4; Henkel, S. 232 mit Fn. 9; Calvelli-Adorno, NJW 1965, 273 (275); Klug, JZ 1965, 149 (150); Bemmann, JuS 1965, 333 (338). Wiederum abweichend wird sie als ein rein materiell-rechtliches Institut mit der Folge betrachtet, dass der Angeklagte freizusprechen ist. Vgl. v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759 (765); Lorenz, S. 56 (Unrechtsaufhebungsgrund); ähnlich Bloy, S. 205. 264 Siehe bereits Otto, FS-Lackner, 715 (720).
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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I. Die Zugrundelegung der Straftateinheit trotz missglückter Regelungstechnik 1. Eine systematische Überlegung zu § 78 a Nach h. M. handelt es sich bei der Tatbeendigung i. S. des § 78 a lediglich um den Abschluss des strafbaren Täterverhaltens.265 Da der zur Straftateinheit gehörende tatbestandsmäßige Erfolg bei Erfolgsdelikten gesondert in Satz 2 behandelt ist, bezieht sich der Beendigungsbegriff in Satz 1 nur auf das Verhaltenselement der Straftat, das zeitlich vor dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs abschließt. Jede weiter gehende Interpretation würde die gesonderte Regelung in Satz 2 bedeutungslos machen. Für die h. M. spricht zudem, dass der Gesetzgeber des EGStGB an der Stelle der Worte „das strafbare Verhalten“ die Worte „die Tat“ gesetzt hat266, ohne dabei die spezifische Bedeutung des Tatbegriffs gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 beachtet zu haben.267 Danach markiert die Beendigung des „auf Verwirklichung des Tatbestands gerichteten Täterverhaltens“ den Beginn der Verjährungsfrist, unabhängig davon, ob die Tat vollendet ist.268 Satz 1 bezieht sich vor allem auf die Taten, die nicht vollendet sind, also strafbare Versuche und Vorbereitungshandlungen.269 Man könnte daraus folgern, dass der Abschluss einer Straftateinheit nicht maßgeblich für den Verjährungsbeginn sei. Freilich kann diese Bemühung der h. M. um eine Harmonisierung zwischen den beiden Sätzen von § 78 a allenfalls als eine innersystematische Überlegung dieser Vorschrift verstanden werden, um de lege lata die missglückte Regelungstechnik des Gesetzgebers270 zu kompensieren. Ob das Grundkonzept dieser Vorschrift, dass 265 So etwa Kühl, JuS 2002, 729; ders., FS-Roxin, 665 (670). Ausführlich dazu ders., JZ 1978, 549 ff.; v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759 (766); MK-Mitsch, § 78 a Rn. 5; NK2-Lemke, § 78 a Rn. 1; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 78 a Rn. 1; Schmitz, S. 218 ff. Für den Handlungsbegriff i. S. des § 31 OWiG ebenso Dannecker, NStZ 1985, 49 (51). Demgegenüber wollen SK7-Rudolphi/Wolter, § 78 a Rn. 4 Satz 2 für den qualifizierenden Erfolg gelten lassen. Zustimmend NK-Saliger, § 78 a Rn. 3. Diese Ansicht ist aber wenig überzeugend, weil es nicht ersichtlich ist, warum die Erfolgsqualifikation kein zum Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts gehörender Erfolg und damit kein Teil der „Tat“ ist; vgl. Schmitz, S. 217 mit Fn. 126. 266 BT-Drucks. 7/550 S. 215. 267 Vgl. v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759 (765). 268 BGHSt 28, 379; Fischer, § 78 a Rn. 3; vgl. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 78 a Rn. 1. 269 Mitsch, Jura, 2009, 534 (537 f.). 270 Allgemeine Ansicht; vgl. Lackner/Kühl, § 78 a Rn. 1; S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, § 78 a Rn. 1; MK-Mitsch, § 78 a Rn. 1.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
der Abschluss einer Straftateinheit der Anknüpfungszeitpunkt für die Festlegung des Verjährungsbeginns darstellt271, dadurch berührt ist, muss man aber in Frage stellen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass bei Straftaten in Form der natürlichen oder tatbestandlichen Handlungseinheit die Verjährungsfrist erst mit dem Abschluss des letzten Teilaktes zu laufen beginnt.272 Des Weiteren bestreitet man auch nicht, dass bei vollendeten schlichten Tätigkeitsdelikten das tatbestandsmäßige Verhalten mit der Straftateinheit gleichzustellen ist. Bei dem Versuch oder der Vorbereitung eines Erfolgsdelikts beschränkt sich die Straftateinheit ebenfalls auf das tatbestandsmäßige Verhalten. Insoweit ist die „Tat“ i. S. des tatbestandsmäßigen Verhaltens nichts anderes als das gesamte Tatgeschehen, die „Beendigung der Tat“ in § 78 a S. 1 bedeutet also den Abschluss der Straftateinheit. Letztlich ist der Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens nur beim vollendeten Erfolgsdelikt nicht mit dem Abschluss der Straftateinheit gleichzusetzen. Allerdings hat der Gesetzgeber in Satz 2 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bei den vollendeten Erfolgsdelikten sowohl das Handlungselement als auch der Erfolgseintritt, aus denen eine Straftateinheit besteht, über den Verjährungsbeginn entscheiden. Wenn ein vollendetes Erfolgsdelikt mit mehreren tatbestandsmäßigen Erfolgen erst zu einem späteren Zeitpunkt beendet ist, beginnt demnach die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt des letzten Erfolges.273 Daran zeigt sich, dass der Verjährungsbeginn nach § 78 a insgesamt betrachtet auf den Abschluss der Straftateinheit abstellt. An diesem Grundkonzept ändert der Streit über den Tatbegriff in Satz 1 nichts. 2. Eine historische Überlegung zu § 67 Abs. 4 a. F. Die Zugrundelegung der Straftateinheit im Verjährungsrecht lässt sich darüber hinaus durch den Meinungsstreit um die ältere Gesetzeslage über den Beginn der Verjährungsfrist bestätigen. Vor dem Inkrafttreten des 2. StrRG am 1.1.1975 galt für den Beginn der Verjährungsfrist die Bestimmung des § 67 Abs. 4 a. F., wonach die Verjährung mit dem Tage beginnt, „an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges“. Aus dem Wortlaut könnte man mit der Minder271 In diesem Sinn etwa S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 78 a Rn. 1 m. w. N., der unter der hierfür maßgeblichen Tatbeendigung „den Abschluss der unrechtserheblichen Gesamttätigkeit“ versteht. 272 Lackner/Kühl, § 78 a Rn. 6. 273 Vgl. die Formulierungen bei Lackner/Kühl, § 78 a Rn. 4: „Vollzieht sich bei einer Untreue der Schadenseintritt in mehreren Schritten, so ist für die Beendigung der Zeitpunkt des letzten Ereignisses maßgeblich.“; „dass die Beendigung [. . .] erst nach Eintritt mehrerer Körperschäden erreicht wird.“ (Hervorhebung vom Verfasser)
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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heitsmeinung folgern, dass bei allen Tatbeständen, also auch bei den Erfolgsdelikten, allein die Handlung als solche die Verjährungsfrist in Gang setzen werde.274 Die Verjährungsfrist eines Erfolgsdelikts habe demnach bereits mit dem Abschluss der tatbestandsmäßigen Handlung begonnen, auch wenn der für die Tatvollendung notwendige Erfolg noch ausbleibe. Die damals überwiegende Auffassung275 halte demgegenüber daran fest, dass der Strafanspruch des Staates nicht vor seiner Entstehung durch Verjährung untergehen könne. Daraufhin wurde eine berichtigende Auslegung dahingehend unternommen, dass als die „begangene Handlung“ i. S. des § 67 Abs. 4 a. F. nur „gewolltes, zweckhaftes Verhalten einschließlich des tatbestandlichen Erfolgs“ gelte. Der dort genannte „Erfolg“ beschränke sich folglich auf einen solchen, der außerhalb des im Tatbestand selbst vorausgesetzten Erfolges für die Strafbarkeit von Bedeutung sei. Hierher gehöre vor allem der Erfolg bei den erfolgsqualifizierten Delikten. Nach dieser berichtigenden Auslegung wurden Täterverhalten und Erfolg grundsätzlich wiederum als eine unauflösbare Einheit betrachtet. Dieses Grundkonzept hat sich nicht nur in der Rechtsprechung und Lehre durchgesetzt, sondern auch den Gesetzgeber motiviert, es in den StGB-Entwürfen für den künftigen Rechtsanwender zu legitimieren.276 Das Ergebnis der gesetzgeberischen Rezeption dieses Grundkonzepts ist die Neufassung des § 78 a S. 2, wonach der tatbestandliche Erfolg einschließlich des zurückliegenden Täterverhaltens den Verjährungsbeginn bestimmen soll. Die Kritik an der Regelungstechnik der Neufassung des § 78 a betrifft diese konzeptionelle Akzeptanz des Gesetzgebers allerdings nicht. Damit ist festzuhalten, dass die Stellungnahme im Streit um den Begriff „Tat“ des § 78 a keinen Einfluss auf die Zugrundelegung der Straftateinheit im Verjährungsrecht hat. Der Abschluss einer Straftateinheit als Verjährungsbeginn findet seine zwei Ausprägungen in den beiden Sätzen dieser Vorschrift. Der Abschluss der Tat eines vollendeten Erfolgsdelikts tritt nämlich mit dem Eintritt des letzten tatbestandlichen Erfolgs nach Satz 2 in Erscheinung, während bei sonstigen Fällen das Merkmal „Beendigung der Tat“ in Satz 1 den Abschluss des letzten tatbestandsmäßigen Verhaltens markiert. Im Anschluss an die von Kühl verwendete Terminologie werden die Abschlüsse der Straftateinheit in den beiden Sätzen jeweils als Erfolgsund Verhaltensbeendigung bezeichnet.277 274 LG Stade NJW 1958, 1311 f.; zustimmend Bruns, NJW 1958, 1257 ff. m. w. N. 275 Vgl. nur Schröder, FS-Gallas, 329. 276 Dazu vgl. Wolters/Beckschäfer, FS-Herzberg, 141 (143); Gleß, GA 2006, 689 (705). 277 Vgl. Kühl, JZ 1978, 549 (551).
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II. Grundgedanken zum Verjährungsrecht Bevor man anschließend überprüft, ob die Straftateinheit im Hinblick auf den Grundgedanken des Instituts der Verfolgungsverjährung auch zweckmäßig ist278, muss man sich im Klaren sein, worin die materiellen Gründe der Verfolgungsverjährung bestehen. Dass eine Tat nach Ablauf einer gewissen Zeit für die irdische strafende Gerechtigkeit abgetan ist279, entspricht zwar der allgemeinen Vorstellung der „die Wunden heilenden Kraft der Zeit“.280 Es bereitet aber den Strafrechtlern erhebliche Schwierigkeiten, die Unangemessenheit der Bestrafung nach Ablauf der Verjährungsfrist strafrechtsdogmatisch zu begründen. Teilweise wird die Verfolgungsverjährung vor allem als ein Instrument angesehen, um strafprozessuale Probleme zu lösen (s. u. 1., 2.). Teilweise wird der Grund der Verfolgungsverjährung im Bereich des materiellen Strafrechts gesucht (s. u. 3.). Beide Gesichtspunkte werden in der Rechtsprechung und Literatur alternativ oder kumulativ herangezogen. Darauf wird nachfolgend einzugehen sein. 1. Verfolgungsverjährung infolge Beweisverlusts? a) Beweisverlust i. S. der einzelnen Beweislage Eines der verbreiteten Argumente für den Wegfall der Verfolgbarkeit einer Straftat ist, dass Verlust und Entwertung von Beweismitteln mit zunehmendem Zeitablauf die Durchführung der Strafverfolgung häufig unmöglich machen281 und daher die große Gefahr eines Justizirrtums nach sich ziehen würden.282 aa) Dieses Argument erscheint auf den ersten Blick schon fragwürdig, weil eine solche generalisierende Behauptung nicht unbedingt der jeweiligen Situation bei der Auswertung oder Handhabung von Beweismitteln entspricht.283 Unter dem Einfluss von zahlreichen zeitlichen und nicht-zeit278
Ebenso Schmitz, S. 221. Pawlowski, NJW 1969, 594. 280 Peters, JR 1978, 247 (248); ebenso Grauhan, GA 1976, 225 (227); Gleß, GA 2006, 689 (701). 281 BGHSt 2, 305; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vor §§ 78 ff. Rn. 3; ebenso Maurach/Zipf, AT/2, § 75 Rn. 13; NK2-Lemke, Vor §§ 78 ff. Rn. 3; NK-Saliger, Vor §§ 78 ff. Rn. 6; Jakobs, 10/22; Volk, S. 225, 226; Rüping, GA 1985, 437; Gleß, GA 2006, 689 (691 f.), die besonders auf die Verteidigungschancen des Angeklagten hingewiesen hat. 282 Dazu ausführlich Arndt, JZ 1965, 145 (147); zustimmend v. Stackelberg, FSBockelmann, 759 (764); dagegen Klug, JZ 1965, 149 (152) mit überzeugenden Begründungen. 279
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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lichen Faktoren unterscheiden sich die verschiedenen Beweismittel in „Lebensdauer“ und Qualität deutlich. Die Aufklärung einer Straftat könnte bereits während bzw. gleich nach der Begehung kaum möglich sein, weil die Beweismittel schon vom Täter vernichtet wurden. In solchen Fällen ist der Beweisverlust von vornherein gegeben. In anderen Fällen mag sich die Qualität von Beweismitteln trotz des Zeitablaufs überhaupt nicht verschlechtern. Es ist z. B. nachvollziehbar, dass ein urteilstragendes Geständnis bis zum Tod des Verdächtigten auch nach längerer Zeit möglich ist.284 Die Zunahme des Zeitabstands zwischen Straftatbegehung und Strafverfolgung wirkt sich schließlich sogar positiv auf die Durchführung der Strafverfolgung aus, denn der rasche Fortschritt in der kriminalistischen Technik und Wissenschaft kann zur effektiven Aufklärung der Straftat beitragen, die die Strafverfolgungsbehörden in der näheren oder ferneren Vergangenheit noch nicht leisten konnten. bb) Im Hinblick auf die vom Zeitablauf in unterschiedlichem Maße beeinflussten Beweissituationen kommt ein weiteres Bedenken hinzu, ob es nicht schon geeignete Lösungsmöglichkeiten des Beweisproblems im Strafrecht gibt, sodass das Institut der Verfolgungsverjährung entbehrlich ist. Diese Frage lässt sich anhand der Analyse von zwei Fallgruppen von Beweissituationen beantworten: Zur ersten Fallgruppe gehören diejenigen Fälle, in denen die Beweislage mit zunehmendem Zeitablauf nicht so schlecht geworden ist, dass dem Angeklagten die Straftat nicht nachgewiesen werden kann. Dort wäre eine Verurteilung anstatt einer Verfahrenseinstellung ergangen, wenn es keine Verfolgungsverjährung gegeben hätte. Gegen eine Verurteilung in solchen Fällen könnte man einwenden, dass sie möglicherweise auf der unerkannten oder kaum erkennbaren Fehlbeurteilung der Beweislage beruhe und deshalb der pauschale Strafverzicht wegen Verfolgungsverjährung das beste Mittel zur Vermeidung der Fehlverurteilung sei.285 Diesem Einwand ist zwar insoweit zuzustimmen, da man bei der Rekonstruktion des geschichtlichen Tatvorgangs wegen des beschränkten menschlichen Erkenntnisvermögens unbewusst Fehler begangen haben könnte. Aber daraus folgt nicht zwingend ein pauschaler Strafverzicht in Form der Verfahrenseinstellung. Man muss vielmehr angesichts des beschränkten menschlichen Erkenntnisvermögens grundsätzlich akzeptieren, dass im Strafver283 Kritisch auch Bockelmann, Niederschriften II, S. 330; zustimmend Bloy, S. 182; ferner MK-Mitsch, § 78 Rn. 2; Calvelli-Adorno, NJW 1965, 273 (274); Bemmann, JuS 1965, 333 (338); Bruns, NJW 1958, 1257 (1260). 284 MK-Mitsch, § 78 Rn. 2. 285 Gegenargument bei Bloy, S. 183, der es im Ergebnis wie hier als vernachlässigbar bewertet hat.
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fahren nur die menschenmögliche Wahrheit zu finden ist. Jede gerichtliche Entscheidung ist eine Entscheidung unter Ungewissheit.286 Das unvermeidbare Fehlverurteilungsrisiko durch den pauschalen Strafverzicht zu beseitigen würde konsequenterweise bedeuten, dass man völlig auf die Durchführung der Strafrechtspflege verzichten müsste. Denn dieses Risiko ergibt sich nicht nur aus dem zeitbedingten Beweisverlust, sondern auch aus weiteren sachlichen und personalen Faktoren in der Strafrechtspflege und besteht demzufolge in allen Strafsachen. Dass dieses Risiko ausgerechnet bei der zeitbedingten Beweisvergänglichkeit so unvertretbar groß ist, dass man eines pauschalen Strafverzichts in Form der Verfahrenseinstellung bedarf, ist jedenfalls nicht nachgewiesen. Daher rechtfertigt dieser Einwand den Strafverzicht anstelle der Verurteilung nicht, sondern gewährleistet dem Angeklagten den ungerechtfertigten Vorteil, straffrei entkommen zu können. In der zweiten Fallgruppe hat die Beweissituation hingegen zur Folge, dass dem Angeklagten die Straftat nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Angenommen es gäbe das Institut der Verfolgungsverjährung nicht, dann würden die unüberwindbaren Beweisschwierigkeiten jedenfalls nach dem Zweifelgrundsatz zur Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO oder zum Freispruch des Angeklagten führen.287 Die Verfahrenseinstellung wegen Verfolgungsverjährung führt stattdessen dazu, dass dem Angeklagten die Genugtuung eines Freispruchs generell verwehrt wird. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass der Beschuldigte im Strafverfahren keinen Anspruch darauf hat, statt einer Verfahrenseinstellung den Verdacht zu entkräften und damit schließlich freigesprochen werden zu können, um sein Rehabilitierungsinteresse zu realisieren288. Die h. M. hat gleichwohl in den Fällen, in denen die Unschuld des Angeklagten beim Bekanntwerden des Prozesshindernisses bereits gerichtlich festgelegt ist, dem Freispruch den Vorrang vor dem Einstellungsurteil gegeben.289 Daraus ersieht man, dass das Einstellungsurteil gegenüber dem Freispruch nicht immer vorrangig ist, soweit das Gericht beide Möglichkeiten hat. Aufgrund dessen ist es nicht recht verständlich, warum gerade im Falle des zeitbedingten Beweisverlus286 Kühne, Rn. 957. Die bewusste Toleranz des Risikos der unerkannten oder schwer erkennbaren Fehlurteile lässt sich darüber hinaus daran erkennen, dass der Zweifelgrundsatz nur dann anwendbar ist, wenn der Tatrichter nach dem Abschluss der Beweiswürdigung wirklich Zweifel am Vorliegen des Tatgeschehens hat. Vgl. dazu nur Roxin/Schünemann, § 45 Rn. 56. 287 Dazu Jescheck/Weigend, § 86 I 1; ferner LK-Schmid, Vor § 78 Rn. 9; Bloy, S. 183. 288 Vgl. LR-Graalmann-Scheerer, § 170 Rn. 9; Roxin/Arzt/Tiedemann, S. 89. 289 Dazu vgl. BGHSt 13, 268 (273); 20, 333 (335); Meyer-Goßner, § 260 Rn. 44; noch weitergehend Sternberg-Lieben, ZStW 108 (1996), 721 (757 f.).
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tes das Einstellungsurteil an die Stelle des Freispruchs treten muss, ohne für das Rehabilitierungsinteresse des Angeklagten zu sorgen.290 cc) Insoweit ist festzuhalten, dass sich die Beweislage durch den Zeitablauf im Einzelfall unterschiedlich entwickeln kann und dafür schon entsprechende Behandlungsmöglichkeiten im Strafverfahren zur Verfügung stehen. Die Verfahrenseinstellung wegen Verfolgungsverjährung kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie im Vergleich zum Schuld- oder Freispruch immer eine vorzugswürdige Behandlung des zeitbedingten Beweisverlustes darstellt.291 b) Beweisverlust i. S. einer typischen Erscheinung Wer den Beweisverlust als Ratio der Verfolgungsverjährung betrachtet, möchte wahrscheinlich den Beweisverlust nur als eine typische Erscheinung aller Straftaten verstehen. Zum Beispiel ein Zeuge ist typischerweise nach langer Zeit verstorben und kann daher nicht mehr vor Gericht erscheinen, oder seine Aussagen sind nicht mehr glaubwürdig, weil die Erinnerung an den geschichtlichen Tatvorgang unvermeidbar verblasst ist.292 Ob diese erfahrungsgemäße Annahme die Verfolgungsverjährung rechtfertigen kann, ist aber ebenfalls fragwürdig. Zum einen hätte dieser Gedanke dazu führen können, dass die Fristen der Verfolgungsverjährung entsprechend der typischen Beweissituation anhand der jeweiligen Fallgruppen gesetzlich ausgestaltet werden müssen. Diese Konsequenz ist freilich de lege lata mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.293 Die Fristen der Verfolgungsverjährung in den § 78 Abs. 3, 4 richten sich allein nach der Höhe der gesetzlichen Strafandrohung. Kaum ersichtlich ist aber, dass die Beweismittel bei schwereren Straftaten weniger vergänglich als bei den leichteren Straftaten sein sollten. Insbesondere die Unverjährbarkeit des Mordes nach § 78 Abs. 2 und des Völkermordes gemäß § 5 VStGB lässt sich nicht damit erklären, dass sich die Beweislage eines (Völ290
Legt man beim Institut der Verfolgungsverjährung konsequent auf den Gesichtspunkt des zeitbedingten Beweisverlustes Wert, sollte sich die Verjährungsfrist im Einzelfall nach der sich mit dem Zeitablauf verschlechternden Beweislage orientieren. Eine solche Aufgabe kann der Gesetzgeber aber praktisch nicht erfüllen, weil die Art und Weise der Einwirkung des Zeitfaktors auf die Beweissituation nicht im Voraus überschaubar ist. 291 In der Sache ebenso Bloy, S. 182 f. 292 So z. B. Klug, JZ 1965, 149 (152); ebenso Bloy, S. 182. 293 Kritisch mit weiteren Begründungen MK-Mitsch, § 78 Rn. 2; Bloy, S. 182 ff. Im Ergebnis ebenso Bemmann, JuS 1965, 333 (338); Bruns, NJW 1958, 1257 (1260).
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ker-)Mordfalls jeder Verschlechterung entzieht.294 Außerdem lassen sich die Ruhe und Unterbrechung der Verjährung gemäß § 78 b und § 78 c nicht damit begründen, dass die Beweissituation sich aus den gesetzlich genannten Gründen nicht mehr verschlechtert.295 Zum anderen kann die typische Beweisnot zwar den Staat dazu motivieren, die Bestrafung der Straftat aufzugeben, aber ansonsten auch dazu, eine Strategie zur Durchsetzung seines Strafanspruchs zu entwickeln, was in der modernen Strafgesetzgebung vielfach geschehen ist. Der Gesetzgeber hat gelegentlich die Voraussetzungen der Strafbarkeit bzw. Sanktionen umgestaltet, indem er entweder den Tatbestand insgesamt vereinfacht oder das schwer nachzuweisende Tatbestandsmerkmal wegfallen lassen hat, um die sonst kaum überwindbare Beweisnot zu umgehen. In der Folge wird der Strafanspruch nicht nur dort durchgesetzt, wo er eigentlich wegen der Beweisnot nicht ermöglicht werden kann, sondern sogar dort erweitert, wo die Bestrafung kriminalpolitisch zweifelhaft erscheint.296 Ohne hier auf die Problematik der Vereinbarkeit dieser Strafgesetzgebungstechnik mit dem Schuldprinzip einzugehen297, macht diese Gesetzgebungstendenz zumindest deutlich, dass die Tatsache des Beweisverlusts allein den pauschalen Strafverzicht durch Verfolgungsverjährung nicht begründen kann. Nach alledem vermag der Beweisverlust sowohl i. S. der einzelnen Beweislage als auch i. S. einer typischen Erscheinung die Verfolgungsverjährung nicht zu begründen. 2. Positive Auswirkung der Verfolgungsverjährung auf die Strafrechtspflege? Der Verfolgungsverjährung wird damit allerdings ihre verfahrensrechtliche Grundlage nicht völlig entzogen, weil das Strafverfahrensrecht sich nicht auf das Beweisrecht beschränkt. Oft wird die positive Auswirkung der Verfolgungsverjährung auf die gesamte Strafrechtspflege als Argument angeführt298: Sie verringere zunächst die Anzahl der Verfahren, was in Zeiten schwieriger personeller Situationen bedeutsam sei299; ferner werde die 294
Vgl. auch LK-Schmid, Vor § 78 Rn. 9; kritisch ferner Rüping, GA 1985, 437
(438). 295
Ebenso Mitsch, NJW 2005, 3036 (3037). Dazu Weigend, FS-Triffterer, 695 ff. 297 Ausführlich zur Gesamtproblematik und Analyse Hohn. 298 Zusammenfassend Bock, JuS 2006, 12 (13); MK-Mitsch, § 78 Rn. 4. Vgl. ferner Jescheck/Weigend, § 86; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vor § 78 ff. Rn. 3. 299 So insbesondere bei v. Hippel, S. 556, der die Verfolgungsverjährung als eine anstelle des Zufallsprinzips allgemeine Regel zur Beschränkung der Strafverfolgung 296
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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Strafverfolgungsbehörde durch die drohende Nichtverfolgbarkeit der Tat dahingehend diszipliniert, die Strafverfolgung nicht zu verzögern300; schließlich könne ein durch Verjährung geschützter Täter als Zeuge in anderen Strafverfahren risikolos aussagen.301 Die Verfolgungsverjährung trägt damit zur funktionstüchtigen Strafrechtspflege bei, was nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG zu den tragenden Elementen des Rechtsstaats gehört.302 Denn eine funktionstüchtige Strafrechtspflege ermöglicht die Sanktionierung des überwiegenden Teils der Täter, die eine notwendige Voraussetzung dafür ist, den gestörten Rechtsfrieden wieder herzustellen.303 Es erscheint aber zweifelhaft, ob solche positiven Auswirkungen auf die Strafrechtspflege für sich genommen den pauschalen Strafverzicht wegen Verfolgungsverjährung rechtfertigen können. Wenn man davon ausgeht, dass der Staat grundsätzlich verpflichtet ist, jede Straftat zu verfolgen, bedeutet der Ablauf der Verjährungsfrist die völlige Befreiung der Strafverfolgungsbehörden vom Verfolgungszwang. Bevor der Gesetzgeber zugunsten des Opportunitätsprinzips das Legalitätsprinzip im Strafverfahren völlig aufgibt, muss die Befreiung von der Strafverfolgungspflicht normativ als extremer Ausnahmefall gelten.304 Der Gesetzgeber muss demzufolge über Alternativen nachdenken, die sich einerseits vergleichbar positiv auf die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege auswirken, andererseits möglichst nicht zulasten der Strafverfolgungspflicht gehen. In Betracht kommt zunächst, die Belastungen der Strafverfolgungsbehörde durch Bereitstellung von persönlichen und sachlichen Ausstattungen zu verringern. Ferner sind Reformen des Disziplinarbzw. Strafrechts sowie der Effizienz der Dienstaufsicht innerhalb der Verfolgungsbehörde denkbar, um Verzögerung bzw. Unterlassung der Strafverfolgung zu verhindern. Schließlich kann eine besondere gesetzliche Regeansieht. Ihm folgt Bemmann, JuS 1965, 333 (338); wohl auch Jakobs, 10/22 mit Fn. 40. Nahestehend Klug, JZ 1965, 149 (152): „ein prozessökonomisches Rechtsinstitut“; ebenso NK2-Lemke, Vor §§ 78 ff. Rn. 5; Helmrich, wistra 2009, 10 (11). Berechtigter Einwand dazu bei Bloy, S. 190. 300 Vgl. BGHSt 12, 337; NK2-Lemke, Vor §§ 78 ff. Rn. 5; NK-Saliger, Vor §§ 78 ff. Rn. 6; MK-Mitsch, § 78 Rn. 4; HK-GS/Beukelmann, § 78 Rn. 1; Helmrich, wistra 2009, 10 (11). 301 MK-Mitsch, § 78 Rn. 4. 302 So zuerst BVerfGE 33, 367 (383); zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung sowie die daran geäußerten Kritik bei LR-Kühne, Einl. Abs. H Rn. 10 ff. m. w. N. 303 Rieß, JR 2006, 269 (272). 304 Dieser Gesichtspunkt wird sogar bei Klug, JZ 1965, 149 (150) um der Aufrechterhaltung des Rechtsstaats willen dafür geltend gemacht, die Verjährungsfrist für Mord zu verlängern.
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lung geschaffen werden, die günstige Rechtsfolge Zug um Zug gegen eine wahre Aussage gestattet, um einen zugleich wegen einer eigenen Straftat verfolgten Zeugen zur Aussage zu motivieren. Die genannten Lösungsvorschläge könnten gegenüber der gesetzlichen Aufstellung der Verjährungsfrist vorzugswürdig sein. Die endgültige Beurteilung ergibt sich erst aus einer näheren und weitaus differenzierteren rechtspolitischen Erwägung, darauf hier nicht weiter eingegangen werden kann. Es wird an dieser Stelle allerdings nur betont, dass sich die Verfolgungsverjährung mit den positiven Auswirkungen auf die Strafrechtspflege nur dann rechtfertigen kann, wenn die Kosten des pauschalen Strafverzichts gegenüber dem Vorteil für die Strafrechtspflege noch angemessen erscheinen. Ohne die Abwägung mit weiteren Alternativen durchzuführen kann die Verfolgungsverjährung jedenfalls nicht allein mit den positiven Effekten für die Strafrechtspflege begründet werden. Die Entlastung der Strafrechtspflege darf allenfalls als ein willkommener Nebeneffekt der Verfolgungsverjährung angesehen werden. 3. Verfolgungsverjährung infolge Schwindens des Strafbedürfnisses Nachdem eine prozessuale Begründung der Verfolgungsverjährung ausscheidet, kann sie nur noch auf dem materiellen Strafrecht beruhen. Aus den Vorschriften über die je nach der Schwere des verwirklichten Tatbestandes abgestuften Verjährungsfristen und über die Unverjährbarkeit von Mord ist zu entnehmen, dass sich die materielle Begründung der Verfolgungsverjährung im „Schwinden des Strafbedürfnisses trotz fortbestehender Strafwürdigkeit der Tat“ findet.305 Diese Auffassung legt die Annahme zugrunde, dass umso größer der Zeitabstand zwischen Tatbegehung und Sanktionierung ist, desto geringer das Bedürfnis nach strafrechtlicher Reaktion ist.306 Dem stimmt das natürliche Gerechtigkeitsempfinden insoweit zu, als die sich auf die Zukunft richtende Strafverfolgung aufgrund einer zurückliegenden Straftat nicht mehr sinnvoll erscheint, wenn die Straftat keinen gegenwärtigen Bezug mehr hat. Problematisch ist nur, auf welche Weise sich der Zeitablauf auf das Strafbedürfnis auswirkt, sodass es bei Ablauf einer bestimmten Verjährungsfrist verschwunden ist. 305
Vgl. Jescheck/Weigend, § 86 I 1 (Hervorhebung im Original). Dieser Gedanke wird auch ins Strafzumessungsrecht übergetragen. Die h. M. sieht die lange Zeitspanne zwischen Tatbegehung und ihrer Aburteilung als einen wesentlichen Strafmilderungsgrund an. Vgl. dazu nur BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217; 1992, 229; 1998, 133; MK-Franke, § 46 Rn. 60; Fischer, § 46 Rn. 61; S/S-Stree/Kinzig, § 46 Rn. 57; LK-Theune, § 46 Rn. 240, der sich für die Strafmilderung ausdrücklich auf die Aspekte der Schuld und der Spezialprävention beruft. 306
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a) Aspekt der Schuldvergeltung? Diese Frage wird in der Literatur überwiegend unter dem Aspekt der Strafzwecke beantwortet: Eine Bestrafung, die zur Tatbegehung einen großen Zeitabstand hat, erschwert oder verhindert die Verwirklichung der Strafzwecke, und eine Verfolgung ist kriminalpolitisch nicht mehr notwendig.307 Auf einer konkreteren Ebene wird zunächst vereinzelt die gemilderte Schuldvergeltungsfunktion der Strafe geltend gemacht. Denn im Einzelfall könne der Täter wegen der jahrelangen Furcht vor Verfolgung und Entdeckung durch die Strafverfolgungsbehörden eine Art „poena naturalis“ erlitten haben. Bei manchen Straftätern komme der Druck des Gewissens als zusätzliche seelische Belastung hinzu.308 Der Strafverzicht aufgrund der Verfolgungsverjährung diene demnach dem Ausgleich der während des Zeitablaufs erlittenen Belastungen des Täters. Auf den ersten Blick erscheint die Berufung auf den Schuldvergeltungsgedanken als eines der Fundamente der Verfolgungsverjährung eher erstaunlich, weil bei Kant, einem der bekanntesten Vertreter der absoluten Theorie, Strafe sogar dann sein muss, wenn Staat und Gesellschaft nicht mehr bestehen.309 Für den Vergeltungsgedanken spielt der Zeitablauf zwischen der Tatbegehung und Sanktionierung ebenfalls keine Rolle.310 Rechtsgeschichtlich ist das Institut der Verfolgungsverjährung auch deshalb in der Zeit der Aufklärung auf völlige Ablehnung gestoßen.311 Trotzdem wird heute anerkannt, dass die Verwirklichung der metaphysischen Idee der Gerechtigkeit, wie Kant sie vertreten hat, nicht zu den Aufgaben des säkularen Staats als menschlicher Einrichtung gehört.312 Die Schuldvergeltung legitimiert das Strafen nicht, sondern beschränkt das Strafmaß. Der Vergeltungsgedanke hat in diesem Zusammenhang daher vor allem den Sinn, darauf hinzuweisen, dass die Bestrafung des Täters nur dann dem Maß der Schuld entspricht, wenn sie auch erlittene Belastungen des Täters während dieser Zeitspanne Rechnung trägt. Freilich lassen sich die seelischen Belastungen des einzelnen Täters wegen seiner Furcht vor Strafverfolgung sowie des Gewissensdrucks nur im Einzelfall feststellen und unter dem Gesichtspunkt der individuellen Schuld auswerten, ohne 307 Allgemeine Meinung; z. B. Jescheck/Weigend, § 85 I; MK-Mitsch, § 78 Rn. 3; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vor § 78 ff. Rn. 3; Bock, JuS 2006, 12; Grünwald, MDR 1965, 521 (522); Otto, AT, § 2 Rn. 13. 308 MK-Mitsch, § 78 Rn. 3. 309 Kant, Metaphysik der Sitten, § 49 E I. (zitiert aus Roxin, AT/1, § 3 Rn. 3). 310 Im Ergebnis ebenso Popp, Jura 1999, 577 (578). 311 v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759. 312 Nähre Begründung bei Roxin, AT/1, § 3 Rn. 8.
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dass man dafür eine allgemeine Regel aufstellen müsste. Weder die Konsequenz „genereller Strafverzicht“ noch die nach der abstrakten Strafandrohung des verwirklichten Tatbestands abgestuften Verjährungsfristen können sich somit auf die höchstpersönliche Schuldbewertung des einzelnen Täters gründen.313 Daher rechtfertigt die Milderung des Bedürfnisses nach Schuldvergeltung die Verfolgungsverjährung nicht. b) Aspekt der Spezialprävention? aa) Ferner werden Gesichtspunkte der Spezialprävention ins Feld geführt. Teilweise wird vom Fehlen der spezialpräventiven Notwendigkeit der Bestrafung gesprochen, weil der Täter sich während des Ablaufs der Verjährungsfrist bewähre und es dadurch nun keines staatlichen Eingriffs zur Wiedereingliederung des Täters in die Gemeinschaft bedürfe.314 Dieser Bewährungsgedanke hätte zur Konsequenz, dass die Verjährung der Tat neben dem Zeitablauf auch bestimmte Anhaltspunkte dafür verlangt, dass eine innere Wandlung in der Person des Täters tatsächlich eingetreten ist. Diese Folgerung stimmt aber mit dem geltenden Verjährungsrecht nicht überein, demzufolge die Verjährungsfristen ablaufen, auch wenn der Täter wieder straffällig wird.315 Die nochmalige Straffälligkeit lässt also lediglich die Verjährungsfrist hinsichtlich der neu begangenen Straftat einsetzen, nimmt aber keinen Einfluss auf die laufende Verjährungsfrist hinsichtlich der vorher begangenen Tat. Der Bewährungsgedanke erklärt daher den Zusammenhang zwischen dem Zeitablauf und dem spezialpräventiven Bedürfnis nicht. bb) Um den spezifischen Einfluss des Zeitablaufs auf das spezialpräventive Bedürfnis zu erklären, hat Bloy geltend gemacht, dass die spezialpräventive Wirkung der Bestrafung mit zunehmendem Zeitabstand zwischen der Tatbegehung und dem Eintritt der Sanktionierung beeinträchtigt werden könne. Denn je schneller der Staat auf das strafbare Verhalten des Täters reagiere, desto stärker sei die Erfahrung schneller Aufeinanderfolge von krimineller Tat und Bestrafung. Größer werde die Chance, dass der Täter ernsthaft wahrnehme, sein rechtswidriges Verhalten werde nicht ohne spürbare Missbilligung von der Rechtsordnung geduldet. Der Täter sehe sich somit veranlasst, in Zukunft innerhalb der Grenzen legalen Verhaltens zu bleiben. Demgegenüber werde der mit der Bestrafung intendierte Lernprozess nur schwer zu erreichen sein, wenn der Täter selbst die Tat schon als „erledigt“ ansehe.316 313
Ähnliche Kritik bei Bemmann, JuS 1965, 333 (337). So v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759 (764); wohl ebenso Popp, Jura 1999, 577 (578); Helmrich, wistra 2009, 10 (11). 315 Ebenso Bemmann, JuS 1965, 333 (337); Bloy, S. 187. 316 So Bloy, S. 187; zustimmend Gleß, GA 2006, 689 (699). 314
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Bloy lässt aber die entscheidende normative Frage offen, warum die Einstellung des Täters, dass die Tat schon „erledigt“ sei, die zu erwartende spezialpräventive Wirkung der Strafe verhindern kann. Die Antwort hängt wohl davon ab, worum es sich eigentlich bei einer solchen Einstellung des Täters handelt. Der Täter könnte die Tat als „erledigt“ ansehen, weil er sich inzwischen rechtstreu verändert hat und damit die einst begangene Tat keinen Bezug mit seinem gegenwärtigen bzw. zukünftigen Leben mehr aufweist. So würde die Ansicht von Bloy allerdings nicht über den auch von ihm selbst abgelehnten Bewährungsgedanke hinaus gehen, weil die Straffreiheit des Täters letztlich auf dem fehlenden spezialpräventiven Bedürfnis nach der Bestrafung des Täters beruht. Der Ansicht von Bloy kommt aber eine weitergehende Bedeutung zu, wenn der Täter annimmt, wahrscheinlich nicht mehr zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen zu werden. Die „Erledigtheit“ der Tat bedeutet nämlich, dass nach der Einschätzung des Täters der Vorwurf der Rechtsordnung gegen sein rechtswidriges Verhalten nur auf dem Papier besteht, weil die Strafverfolgungsbehörde gegen ihn keine Strafverfolgungsmaßnahmen mehr durchführt. Eine staatliche Bestrafung, nachdem die Strafverfolgungsbehörde eine Zeit lang untätig geblieben ist, würde kaum negative spezialpräventive Wirkungen entfalten. Denn die ausbleibende vorherige Reaktion seitens der Strafverfolgungsbehörde kann vom Täter als vermeintlich faktische Billigung seines Verhaltens interpretiert werden. Daraufhin wäre die nun auszusprechende staatliche Missbilligung nur halbherzig. Trifft diese Interpretation zu, erscheint es zweifelhaft, ob das spezifische Verhältnis zwischen Zeitablauf und spezialpräventiver Wirkung der Strafe geklärt ist. Denn die verbleibende oder sogar verstärkte rechtsfeindliche Einstellung des Täters ergibt sich nicht bloß aus dem Faktum des Zeitablaufs, sondern überwiegend aus dem Untätigbleiben der Strafverfolgungsbehörden. Dass die Verfolgungsmöglichkeit die Einstellung des Täters entscheidend prägt, lässt sich mit folgenden Überlegungen bestätigen: Soweit dem Täter in Aussicht gestellt wird, ohne jede zeitliche Einschränkung wegen seiner Tat strafrechtlich verfolgt zu werden, entfaltet die voraussichtliche Bestrafung auf jeden Fall Abschreckungseffekte, unabhängig davon, wann dies geschehen wird. Man kann sogar weiterhin – wie Bemmann317 es ausdrückt – behaupten, dass die Bestrafung besonders wirkungsvoll abschreckend sei, wenn sie selbst nach langer Zeit noch geschehen werde. Wenn der Täter zur Zeit der Tatbegehung hingegen bereits damit rechnet, dass der Staat nach einer bestimmten Zeit ihn nicht mehr für seine Straftat zur Verantwortung zieht, werden die Abschreckungseffekte der Bestrafung von vornherein abgeschwächt, was mit dem Zeitablauf bis zum tatsäch317
Weitergehend Bemmann, JuS 1965, 333 (337).
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lichen Eintritt der Sanktionierung nichts zu tun hat. In diesem Fall würde der Täter seine Überführung nicht als einen gerechten Vorwurf gegen sein rechtswidriges Verhalten ansehen, sondern sich nur als Verlierer im „Zeitkampf“ gegen den Staat betrachten. Dass die spezialpräventive Wirkung der Bestrafung mit zunehmendem Zeitabstand abnehmen werde, lässt sich daher nicht bestätigen. cc) Zwar ist es Bloy nicht gelungen, nachzuweisen, dass sich die spezialpräventive Wirkung der Bestrafung tatsächlich durch Zeitablauf verringert. Man kann aber nicht ernsthaft bestreiten, dass die Spezialprävention zumindest dem Institut der Verfolgungsverjährung nicht entgegensteht.318 Die bisherige kriminologische Sanktionsforschung hat einerseits ergeben, dass die spezialpräventive Wirkung der Strafe weder völlig widerlegt noch eindeutig bestätigt ist319, andererseits aber die entsozialisierende Wirkung der Strafe vielfach belegt ist. Insgesamt spricht dieser empirische Befund dafür, dass der Staat besonders zurückhaltend sein sollte, wenn er zum Zweck der Verbesserung oder Abschreckung des einzelnen Täters auf Strafe zurückgreifen möchte. Vorrang hat vielmehr das verfügbare außerstrafrechtliche Mittel. Daher spricht die möglicherweise noch bestehende spezialpräventive Wirkung der Bestrafung nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht schwerwiegend gegen den Strafverzicht wegen Verfolgungsverjährung.320 Der entscheidende Einwand gegen die spezialpräventive These von Bloy liegt m. E. vielmehr darin, dass sie mit dem geltenden Verjährungsrecht nicht in Einklang steht. Da die Verfolgungsverjährung ein Verfahrenshindernis darstellt, ist jede Strafverfolgungsmaßnahme wegen des Verdachts einer Straftat nicht nur gegenüber einem verdächtigen Schuldigen, sondern auch einem verdächtigen Unschuldigen unzulässig.321 Da bei einem Unschuldigen von vornherein kein Bedürfnis nach Vorbeugung vor erneuter Strafauffälligkeit besteht, erscheint es in der Begründung sowohl überflüssig als auch widersprüchlich, die Nichtstrafverfolgung eines verdächtigen Unschuldigen mit dem Fehlen der spezialpräventiven Wirkung der Bestrafung zu begründen. Die Länge der Verjährungsfristen nach der Strafandrohung (§ 78 Abs. 2, 3) erklärt sich zudem nicht mit dem Gesichtspunkt der Spezialprävention. Denn eine spezialpräventiv orientierte Verjährungsfrist sollte sich 318
Bloy, S. 187, 190. Meier, S. 29 ff. 320 Popp, Jura 1999, 577 (579) will die Maßgeblichkeit der Straftateinheit im Verjährungsrecht unter dem Aspekt der negativen Spezialprävention damit begründen, dass die Zusammenschau mit den Taten in der jüngeren Vergangenheit eine präzisere Bewertung der Gefährlichkeit des Täters ermögliche. Dieser Ansicht ist allerdings nicht zu folgen, da dem spezialpräventiven Defizit der Strafe nicht genügend Rechnung getragen wird. 321 Ähnlich Arndt, JZ 1965, 145 (146). 319
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allein nach der zu erwartenden Wirkung der Bestrafung, den einzelnen Täter von künftigen Straftaten abzuhalten, richten, nicht aber nach der typischen Schwere der Straftat. Schließlich bleibt es unklar, wie z. B. die richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung (§ 78 c Abs. 1 Nr. 4) die abnehmenden Abschreckungseffekte der Strafe verbessern kann, wenn dadurch die Verjährung unterbrochen wird und somit die Verjährungsfrist von neuem zu laufen beginnt. So gesehen eignet sich der spezialpräventive Aspekt nicht, die Verfolgungsverjährung zu begründen. c) Aspekt der Generalprävention aa) Für die Begründung der Verfolgungsverjährung kommt schließlich der Aspekt der Generalprävention in Betracht. Die Verfolgungsverjährung ergebe sich, wie teilweise in der Literatur begründet, aus dem nachträglichen Entfallen des generalpräventiven Bedürfnisses nach der Bestrafung des Täters, weil der durch die Tat gestörte Rechtsfrieden mit dem Zeitablauf vom selbst wieder hergestellt werde.322 Die Wiederherstellung des Rechtsfriedens erfolge vor allem deshalb, weil dessen Verletzung im Laufe der Zeit vergessen werde.323 Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass der Mechanismus der Wiederherstellung des Rechtsfriedens bisher nicht überzeugend geklärt ist. Es ist davon auszugehen, dass es sich beim „Rechtsfrieden“ nicht um einen ontologischen bzw. empirischen Begriff, sondern um einen normativen Zustand handelt, bei dem sich die Rechtsgemeinschaft „vernünftigerweise“ beruhigen kann.324 Daher ist das Vergessen des Tatgeschehens als ein gesellschaftliches, für jeden nachvollziehbares sozialpsychologisches Phänomen nicht allein entscheidend für die Herstellung des Rechtsfriedens.325 Durch die Erklärung von Bloy, wonach der Rechtsfrieden durch „einen sozialen Verbrechensbewältigungsprozess“ wiederhergestellt werde, in dem die vergangene Tat im Laufe der Zeit zur Geschichte werde und folglich für das Strafrecht keine aktuelle Bedeutung mehr aufweise326, ist dieser Mangel auch nicht beseitigt. Denn zuerst wird jedes Strafverfahren in Bezug auf ein 322 BGHSt 18, 274; ferner auch Bloy, S. 188 f.; Volk, S. 226; Rudolphi, NStZ 1997, 489 (490); Helmrich, wistra 2009, 10 (11). 323 Dazu vgl. Lorenz, S. 56; Schäfer, in: Niederschriften II, S. 333. 324 Grundlegend dazu Schmidhäuser, FS-Eb. Schmidt, 511 (522); ihm sich anschließend Rieß, JR 2006, 269 (271); ferner auch Murmann, GA 2004, 65 (69); Würtenberger, FS-Peters, 209 ff.; Rottleuthner, FS-Blankenberg, 683 (691 f.). 325 Ebenso Bloy, S. 187, 188 f. Man müsste die Frage klären, welche Bedeutung „die im menschlichen Bewusstsein erlebte Veränderlichkeit von Realität für das Strafrecht hat. Zu Recht darauf hinweisend Gleß, GA 2006, 689 (700 f.). 326 Vgl. Bloy, S. 188 f. Ähnlich auch Jakobs, 10/22.
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geschichtliches Tatgeschehen eingeleitet und für die Zukunft beendet; es ist daher nicht sinnvoll hervorzuheben, dass zur „Geschichte“ lediglich die Verbrechen in fernerer Vergangenheit, nicht aber auch diejenigen in jüngerer Vergangenheit gehören. Ferner bleibt es weiterhin offen, welche Faktoren neben der Vergessenheit der Tat in der Bevölkerung Einfluss auf den Prozess der sozialen Verbrechensbewältigung nehmen. Ohne den Mechanismus der Wiederherstellung des Rechtsfriedens aufzuklären wäre die Behauptung, dass die Tat keine aktuelle Bedeutung aus strafrechtlicher Sicht habe, höchst willkürlich. bb) Wenn man akzeptiert, dass die Bestätigung der Normgeltung gegenüber der Allgemeinheit durch die Einleitung des Strafverfahrens und den u. U. durchgesetzten Strafanspruch aufgrund einer weit zurückliegenden Straftat nicht mehr erforderlich ist, könnte man dies wie folgt begründen: Das Vertrauen der Bevölkerung auf die Gültigkeit des Rechts wird zwar durch das Bekanntwerden des Tatverdachts erschüttert, es ist inzwischen aber immer wieder dadurch wiederhergestellt oder gestärkt worden, dass weitere Straftaten vom Staat verfolgt und bestraft wurden. Außerdem wirken sich in dieser Zeitspanne zahlreiche außerstrafrechtliche Faktoren aus, die auch einen wesentlichen Einfluss auf die Bildung von Normvertrauen oder sogar auf die Entwicklung eines allgemeinen Rechtsbewusstseins haben. Auf diese Weise vermehren sich alle die Normgeltung bestätigenden Erfahrungen der Bevölkerung nach der Tatbegehung. Im Vergleich zu solchen positiven Erfahrungen wird das Gewicht der einmaligen Erschütterung des Normvertrauens durch eine einzelne Straftat eines Tages so erheblich relativiert, dass aus heutiger Sicht der Allgemeinheit die Normgeltung im Ganzen noch als gewahrt gelten kann, auch wenn die einzelne Straftat letztlich straflos bleibt. In der Folge sieht das allgemeine Rechtsbewusstsein trotz Ausbleibens der strafrechtlichen Sanktion den Konflikt mit dem Täter als erledigt an. Mit dieser Dynamik erklärt sich, dass die Rechtsgemeinschaft zur Aufrechterhaltung der Normgeltung keiner lückenlosen Verfolgung und Bestrafung aller Straftaten bedarf, sondern nur eines insgesamt betrachtet noch funktionstüchtigen Systems der Strafjustiz.327 Unter dieser Voraussetzung ist der Strafverzicht hinsichtlich weit zurückliegender Straftaten für die positive generalpräventive Wirkung der Strafe nicht besonders schädlich.328 Der Vorrang, den die in jüngerer Vergangenheit begangenen 327 Somit ist festzuhalten, dass die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege nicht das Ziel der Verfolgungsverjährung, sondern umgekehrt eine der Voraussetzungen des Strafverzichts wegen Verfolgungsverjährung ist. 328 Noch weitergehend vertritt Volk, S. 226 die Ansicht, dass ein Strafprozess dann keine friedensstiftende Funktion mehr hat, jedenfalls nicht in dem Maße, dass man die Gefahr des Leerlaufens prozessualer Mittel („Beweisverlust“) in Kauf nehmen sollte. Das Verfahren werde, indem es eine Störung der Sozialordnung demons-
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Straftaten bei der Strafverfolgung genießen, ergibt sich gerade aus der Tatsache, dass das dadurch entstandene Mißtrauen der Allgemeinheit in die Normgeltung noch weniger durch positive normbestätigende Erfahrungen kompensiert ist und daher noch eindrucksvoller ist. Die Demonstration der Normgeltung durch eine zügige und effektive Strafverfolgung der relativ frischen Straftaten erscheint deshalb notwendiger. Hinzu kommt, dass das Ergebnis eines Strafverfahrens wegen einer in jüngerer Zeit begangenen Tat aus generalpräventiver Sicht erfolgversprechender ist, weil in der Regel weniger Beweisprobleme entgegenstehen, das Urteil mithin auf einer zuverlässigeren Tatsachengrundlage beruht und somit von der Rechtsgemeinschaft als gerecht empfunden wird.329 Unter diesem Blickwinkel dürfte das geltende Verjährungsrecht auch mit dem Entfallen des positiven generalpräventiven Bedürfnisses plausibel erklärt werden. Denn die Abstufung der Verjährungsfrist nach der Strafandrohung beruht darauf, dass die Strafandrohung die gesetzgeberische Bewertung hinsichtlich der Schwere der Straftat widerspiegelt. Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung der Verjährungsfrist von folgendem ausgehen: Je wichtiger die verletzte Norm ist, desto mehr Zeit braucht die Stabilisierung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Normgeltung. Soweit die Strafrechtspflege insgesamt noch funktionstüchtig erhalten bleibt, kann die Länge der Verjährungsfrist unabhängig davon festgelegt werden, ob der verdächtigte Täter inzwischen rechtstreu geworden ist, bzw. unabhängig davon, wie sich die Beweislage im Einzelfall entwickelt hat. cc) Gegen die Berufung auf die fehlende Notwendigkeit eines Strafverfahrens zur positiven Generalprävention hat Popp eingewandt, dass damit der weitere Aspekt der negativen Generalprävention außer Acht gelassen werde, der die Durchführung eines Strafverfahrens noch gebiete. Denn wenn erst sehr spät ein Strafverfahren durchgeführt werde, vermittele es der Bevölkerung jedenfalls folgenden Eindruck: Man könne seiner Strafe nicht entkommen, irgendwann erwische es (fast) jeden.330 Dieser Einwand wiegt aber nicht schwer, weil die negative generalpräventive Wirkung der Strafe unter dem Manko leidet, dass sich der behauptete Abschreckungseffekt in trativ aufgreift, selbst eher zum störenden Element als dass es durch die Abwicklung eines Konflikts zur Entstörung beitragen könnte. Dieser Ansatz findet sich bereits bei Schmidhäuser, FS-Eb. Schmidt, 511 (524). Ebenso SK7-Rudolphi/Wolter Vor § 78 Rn. 10; Rudolphi, NStZ 1997, 489 (490); Rüping, GA 1985, 437 f.; Schumann, StV 1992, 392 (396). 329 Vgl. Gleß, GA 2006, 689 (698). Somit begründen zeitbedingte Beweisschwierigkeiten an sich zwar nicht das Institut der Verfolgungsverjährung, sie können doch als ein Element der generalpräventiven Wirkung durch das Strafverfahren berücksichtigt werden. 330 Vgl. Popp, Jura 1999, 577 (578).
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der empirischen Sanktionsforschung nicht genügend bestätigt.331 Daher steht das Gewicht der theoretisch nicht auszuschließenden negativen generalpräventiven Wirkung der Strafe dem Institut der Verfolgungsverjährung nicht entgegen. Die Berücksichtigung dieses empirischen Defizits der negativen Generalpräventionstheorie ist auch deswegen berechtigt, weil man ansonsten zu dem unannehmbaren Ergebnis gelangen würde, dass jede Straftat ohne zeitliche Begrenzung verfolgbar sein sollte. Jähnke hat an dieser materiell-rechtlichen Begründung kritisiert, dass es nicht zu verstehen sei, warum auch bei schweren Straftaten die Tat noch einen Tag vor Eintritt der Verjährung voll strafbar sei, einen Tag danach gar nicht mehr.332 Diese Kritik scheint auf den ersten Blick zutreffend, da sich das Bestrafungsbedürfnis zwischen heute und morgen keineswegs in solchem Maß unterscheidet, dass sich die Verfolgbarkeit desselben Verhaltens qualitativ verändert. Allerdings kann dieser Einwand den hier vertretenen Standpunkt nicht erschüttern. Um der Rechtssicherheit willen hat der Gesetzgeber für die Strafverfolgung jedenfalls einen bestimmten Zeitraum festzuschreiben, bei dessen Endpunkt sich das Strafbedürfnis fiktiv (oder: unwiderlegbar vermutet) auf null reduziert. Die unterschiedlichen Fristen sind Ergebnis der gesetzgeberischen Erwägungen darüber, ab wann man angesichts der Tatschwere von einem geschwundenen Strafbedürfnis ausgehen muss.333 Soweit diese generelle Bestimmung nicht vom Gesetzgeber willkürlich getroffen wird, muss man die qualitative Veränderung einer Straftat bezüglich ihrer Verfolgbarkeit vor und nach dem Stichtag der Verjährung akzeptieren. Ansonsten würde der Gesetzgeber dazu gezwungen, über die Strafbarkeit und Verfolgbarkeit des menschlichen Verhaltens keine Vorentscheidung treffen zu können. Beispielsweise wäre die Festsetzung des Alters der Schuldunfähigkeit in § 19 auch unmöglich, weil man ebenfalls nicht verstehen könnte, warum der Täter noch einen Tag vor dem Eintritt des 14. Jahres strafunmündig ist, und einen Tag danach ohne weiteres strafmündig ist. Diese Diskrepanz wird allerdings im Bereich der Schuld als ein annehmbares Ergebnis gesetzlich unwiderlegbarer Vermutung334 anerkannt. Unverkennbar ist außerdem, dass dieser qualitative Unterschied auf der Ebene der Strafzumessung zum großen Teil entschärft wird: Soweit die noch verfolgbare Straftat abgeurteilt wird, ist die lange Zeitspanne zwischen Tatbegehung und Aburteilung ein wesentlicher Strafmilderungsgrund.335 331
Dazu nur Meier, S. 27 ff. LK11-Jähnke, Vor § 78 a Rn. 9. 333 Schmitz, S. 223, der aber daneben die Verschlechterung der Beweislage für relevant hält. 334 LK-Schöch, § 19 Rn. 1. 335 MK-Franke, § 46 Rn. 60. 332
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dd) Zusammengefasst erklärt sich die Verfolgungsverjährung – auf der Grundlage einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege – mit dem Entfallen des positiven generalpräventiven Bedürfnisses nach Strafe.
III. Unzweckmäßigkeit der Straftateinheit im Lichte des Schwindens des generalpräventiven Bedürfnisses Es bleibt zu diskutieren, ob sich die dem Beginn der Verjährung zugrundeliegende Straftateinheit auch mit dem Schwinden des positiven generalpräventiven Bedürfnisses erklären lässt. Konkreter gefragt: Ist die Erfolgs(s. u. 1.) und Verhaltensbeendigung (s. u. 2.) als Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn jeweils aus Sicht der positiven Generalprävention zweckmäßig? 1. Erfolgsbeendigung als Verjährungsbeginn Der Gesetzgeber hat sich in § 78 a S. 2 für die Maßgeblichkeit der Erfolgsbeendigung entschieden. Diese Vorschrift erlangt an Bedeutung insbesondere in den Fällen des unbewusst fahrlässigen Erfolgsdelikts, wo der Zeitraum zwischen der sorgfaltswidrigen Handlung und dem Erfolgseintritt Jahrzehnte betragen kann. Als aktuelles Beispiel zu erwähnen ist der Einsturz des Daches der zugeschneiten Eissporthalle in Bad Reichenhall im Winter 2005, die in den Jahren 1971 und 1972 errichtet wurde und erst nach über dreißig Jahren zum Tod von fünfzehn und zur Verletzung von zahlreichen weiteren Menschen geführt hat. Die damals an dem Bauprojekt beteiligten Bauingenieure und Zimmerermeister wurden u. a. wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.336 Gemäß § 78 a S. 2 beginnt die Verjährungsfrist erst am Tage, an dem der Tod eingetreten ist, zu laufen und daher ist die Strafverfolgung wegen fahrlässiger Tötung in diesem Fall noch möglich. Es ist jedoch rechtspolitisch seit langem umstritten, ob die Erfolgsbeendigung ein tauglicher Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn ist. Das Hauptargument dafür liegt – materiell-rechtlich gesehen – darin, dass der Strafanspruch des Staats nicht durch Verjährung unterlaufen werden könne, solange er noch nicht entstanden sei, aber auch – prozessual-rechtlich gesehen – darin, dass das staatliche Interesse an der Bestrafung nicht durch den Zeitablauf schwinden könne, bevor überhaupt die Möglichkeit der Strafverfolgung bestanden habe.337 Die 336 Besprechung dieses Falls hinsichtlich des Zurechnungsproblems bei Wolters/ Beckschäfer, FS-Herzog, 141 ff. 337 Hinweis bei Bruns, NJW 1958, 1257 (1259).
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daraus gezogene Konsequenz, dass die unbewusst fahrlässigen Erfolgsdelikte dadurch faktisch unverjährbar sind, stößt auf erhebliche Bedenken in der Literatur. So hat Bruns darauf hingewiesen, dass der Täter manchmal keine Herrschaft über den Zeitpunkt des Erfolgseintritts innehabe338; ferner werde nach § 78 a S. 2 die Verjährung bei den vorsätzlichen Delikten rascher als bei den fahrlässigen eintreten.339 Neuerdings kritisiert Gleß darüber hinaus, dass diese gesetzgeberische Erwägung lediglich eine an bestimmtes zivilrechtliches Denken angelehnte Begriffsjurisprudenz sei.340 Mit Verweis auf § 78 b Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz hat Gleß zudem argumentiert, dass die Strafverfolgungsverjährung nicht das Bestehen eines materiell-rechtlichen Strafanspruchs voraussetze.341 Der Gesichtspunkt der Generalprävention könnte auf den ersten Blick gegen die oben aufgezählten Bedenken von Bruns und Gleß sprechen, da die Straftat erst mit dem Eintritt des Schadens für alle sichtbar ist und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Normgeltung erst dann erschüttert wird. Der Eindruck, die Rechtsordnung sei vom Täter angegriffen, könnte immer wieder dadurch vertieft werden, dass sich der Schaden mit dem Zeitablauf vergrößert. Vielmehr beginnt das Bedürfnis nach der Bestätigung der Normgeltung erst dann zu entfallen, wenn der Schaden endgültig aufhört einzutreten. Also beginnt die Verjährung mit der Erfolgsbeendigung zu laufen. Eine solche Schlussfolgerung ist aber bei näherem Hinsehen nicht zwingend. Es ist zwar im Ansatz zuzugeben, dass der Erfolgseintritt bei der Allgemeinheit den Eindruck der Erschütterung des Rechtsfriedens erweckt und damit das Strafbedürfnis beeinflusst.342 Der Einfluss des Erfolgseintritts auf das Maß des Strafbedürfnisses setzt jedoch voraus, dass sich dieser Erfolg durch ein tatbestandsmäßiges Verhalten ergibt. Wenn sich der Erfolg durch ein Tier oder eine natürliche Katastrophe ergibt, bleiben die Normgeltung sowie der Rechtsfrieden hingegen unberührt. Denn das Strafrecht als eine Bestimmungsnorm richtet sich auf die Steuerung des menschlichen Verhaltens; die Normgeltung kann nicht durch den Erfolgseintritt selbst, sondern nur durch menschliches Verhalten in Frage gestellt werden. Das Strafbedürfnis wird deshalb allein mit dem Normverstoß durch das tatbestandsmäßige Verhalten begründet; der daraus resultierende Erfolgseintritt erhöht allenfalls das Maß der strafrechtlichen Reaktion auf den Normverstoß durch 338
So etwa Bruns, NJW 1958, 1257 (1258). Bruns, NJW 1958, 1257 (1261) unter Hinweis auf die Ansicht von Frank. Ferner Bloy, S. 184 f. 340 Bereits so Bruns, NJW 1958, 1257 (1260) m. w. N. des älteren Schrifttums. 341 Gleß, GA 2006, 689 (705). 342 Auf den Streit um die Bedeutung des Erfolgsunwerts für das strafrechtliche Unrecht ist hier nicht einzugehen. Näher dazu Roxin, AT/1, § 10 Rn. 88 ff. 339
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das tatbestandsmäßige Verhalten. Dem tatbestandsmäßigen Verhalten soll deshalb ein vorrangiges Gewicht gegenüber dem Erfolgseintritt beigemessen werden, wenn man das Strafbedürfnis nach der Wiederherstellung des Normvertrauens der Allgemeinheit einschätzt. Für die Frage, wann das positiv generalpräventive Strafbedürfnis zu schwinden beginnt, kommt es folglich nicht nur auf den Zeitpunkt des Erfolgseintritts an, sondern – zumindest gleichrangig, sogar noch entscheidender – auf den Zeitpunkt des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Davon ausgehend bringt § 78 a S. 2 in den meisten Fällen kein Problem mit sich, weil der geringe Zeitabstand zwischen Erfolgseintritt und tatbestandsmäßigem Verhalten für die Einschätzung des Bedürfnisses nach Bestätigung der Normgeltung ohne nennenswerte Bedeutung ist. Diese Vorschrift ist jedoch zweifelhaft, wenn sich der frisch bekannt gewordene Erfolg aus einem weit zurückliegenden tatbestandsmäßigen Verhalten ergibt. Denn das Gewicht der durch das tatbestandsmäßige Verhalten begründeten Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Normgeltung könnte schon durch die in der Zwischenzeit funktionstüchtigere Strafrechtspflege ausgeglichen werden, auch wenn dieser Normverstoß erst infolge des aktuellen Erfolgseintritts der Allgemeinheit bekannt gegeben wird. Der aktuell stärkere Eindruck der Rechtsfriedenstörung bei der Allgemeinheit wird wiederum durch die inzwischen gesammelten positiven Erfahrungen der Normbestätigung relativiert. Im Vergleich zu denjenigen tatbestandsmäßigen Verhalten, die erst vor kurzem begangen worden sind, bewirkt daher das weit zurückliegende tatbestandsmäßige Verhalten weniger das Verlangen der Rechtsgemeinschaft nach Normbestätigung. Dieser Tatsache trägt allerdings die geltende Fassung des § 78 a S. 2 nicht Rechnung, dessen wortlautgetreue Anwendung zur Überbewertung des Erfolgseintritts343 führen würde, weil das positiv generalpräventive Bedürfnis nach Bestrafung des unbewusst fahrlässigen Erfolgsdelikts aufgrund des weit zurückliegenden tatbestandsmäßigen Verhaltens im Einzelfall nicht mehr gegeben sein könnte. An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch das Argument von Otto, dass das Sühne- und Strafbedürfnis vor Eintritt der Rechtsgutsbeeinträchtigung auf Seiten des Tatopfers keineswegs schwinde.344 Denn das Genugtuungsbedürfnis des Opfers ist zwar mit der positiv generalpräventiven Funktion des Strafrechts eng verzahnt, doch der opferbezogene Genugtuungszweck erlangte bisher noch keine selbständige Bedeutung für die Begründung des Strafbedürfnisses. Der Strafanspruch gegenüber dem Täter wird seit langem lediglich als staatlicher Anspruch aufgefasst.345 Daher ist 343 344 345
Gleß, GA 2006, 689 (698). Vgl. Otto, FS-Lackner, 715 (721). Streng, Sanktionen, Rn. 25.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
das Maß des Bedürfnisses nach Normbestätigung im Wesentlichen abhängig von den Lebensanschauungen der Allgemeinheit. Die Allgemeinheit kann sich über die Straftat schon beruhigen, obwohl die beim Opfer und seinem Umfeld aufgetretene Beunruhigungen tatsächlich noch vorliegen. Dem Genugtuungsbedürfnis des einzelnen Opfers kommt keine derart entscheidende Bedeutung zu, dass der Verjährungsbeginn des weit zurückliegenden tatbestandsmäßigen Verhaltens jedenfalls mit dem Erfolgseintritt verbunden sein müsste. Nach alledem kann man den Verjährungsbeginn nicht allein auf die Erfolgsbeendigung abstellen. De lege ferenda wird der Gesetzgeber daher aufgefordert, zumindest für die Extremfälle des unbewusst fahrlässigen Erfolgsdelikts eine Sonderregelung des Verjährungsbeginns festzulegen. In Betracht kommt sogar eine radikale Gesetzesreform, die den Verjährungsbeginn allein auf das tatbestandsmäßige Verhalten abstellt.346 Bevor der Gesetzgeber allerdings diesen Weg beschreitet, muss man die faktische Unverjährbarkeit der fahrlässigen Erfolgsdelikte als die Folge der kriminalpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers hinnehmen.347 Um diese unerwünschte Auswirkung möglichst zu verringern, soll § 78 a S. 2 de lege lata dahingehend ausgelegt werden, dass der Erfolgseintritt den Verjährungsbeginn nicht weit von dem Zeitpunkt trennt, zu dem das tatbestandsmäßige Verhalten begangen wurde. Wenn der tatbestandliche Erfolg wiederholt eintritt oder von dauerhaftem Charakter ist, ist der Verjährungsbeginn nach § 78 a S. 2 unabhängig vom Eintritt des letzten Erfolgs oder der Dauer des Erfolgs auf den jeweiligen Zeitpunkt des Erfolgseintritts abzustellen. Der Wortlaut des § 78 a S. 2 lässt eine solche teleologische Auslegung auch unproblematisch zu. Das bedeutet, dass der Verjährungsbeginn nach § 78 a S. 2 nicht auf der Erfolgsbeendigung der Straftateinheit, sondern auf dem Eintritt des jeweiligen tatbestandlichen Erfolgs beruht. Wenn eine Straftateinheit mehrere tatbestandliche Erfolge beinhaltet, beginnt die Verjährungsfrist dieser Straftateinheit nicht insgesamt mit dem letzten, sondern sukzessiv mit dem jeweiligen Erfolgseintritt zu laufen. 2. Verhaltensbeendigung als Verjährungsbeginn Zu prüfen bleibt, ob die Verhaltensbeendigung als Verjährungsbeginn gemäß § 78 a S. 1 auch eine zweckmäßige Entscheidung des Gesetzgebers 346
So beispielsweise Gleß, GA 2006, 689 (707). Darauf, ob der Zeitablauf für sich genommen die Erfolgszurechnung des Täterverhaltens auszuschließen vermag, kann hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu Gómez Rivero, GA 2001, 283 ff.; Wolters/Beckschäfer, FS-Herzberg, 141 (143 ff.). Kritisch Gleß, GA 2006, 689 (695). 347
B. Beendigungsbegriff im Verjährungsrecht
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unter dem Gesichtspunkt der positiven Generalprävention wäre. Im Rahmen von Satz 1 sind vor allem zwei Fragen zu unterscheiden: Zum einen, ob der Grundgedanke der Verfolgungsverjährung es gebietet, den Tatbegriff abhängig von der Straftateinheit i. S. des Konkurrenzrechts zu definieren. Zum anderen ist problematisch, ob der Beendigungsbegriff gewissermaßen gelöst vom Straftatbestand ausgelegt werden kann, wenn man dem Grundgedanken der Verfolgungsverjährung Rechnung trägt. Über diese beiden Fragen herrscht bisher keine Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, soweit sie jeweils in einzelnen Fallkonstellationen gestellt werden. Nachfolgend wird der Versuch unternommen, aus dem Gesichtspunkt des schwindenden positiven generalpräventiven Bedürfnisses einen verallgemeinerbaren Schluss zu ziehen. a) Tatbegriff i. S. der Straftateinheit Der Streit um den verjährungsrechtlichen Tatbegriff betrifft vor allem das Problem, ob ein Tatgeschehen, das nach den Konkurrenzregeln eine Straftateinheit bildet, auch im Rahmen des Verjährungsrechts als eine unauflösbare Einheit behandelt werden sollte. Dieses Problem taucht insbesondere in den folgenden zu besprechenden Fällen auf und wird heftig diskutiert. Welche Konsequenz der hier vertretene Grundgedanke der Verfolgungsverjährung für dieses Problem hat, wird aufzuzeigen sein. aa) Umstrittene Einzelfälle der Trennbarkeit der Straftateinheit (1) Fortsetzungstat Die erste Fallgruppe ist die Fortsetzungstat, bei der seit jeher über die Problematik des Verjährungsbeginns gestritten wurde. Bevor der BGH faktisch diese Rechtsfigur aufgegeben hat, hat sich die gefestigte Rechtsprechung auf den Standpunkt gestellt, dass eine Fortsetzungstat eine einheitliche Tat darstelle, deren Ende erst mit dem letzten Einzelakt gegeben sei („Gesamtverjährung“).348 Also beginne die Verjährung aller in den Fortsetzungszusammenhang einbezogenen Straftaten einheitlich erst mit dem Abschluss des letzten Einzelaktes zu laufen. In der Folge könne die Verfolgbarkeit der zeitlich weit zurückliegenden und für sich genommen schon verjährten Einzelakte durch die Einbeziehung in den Fortsetzungszusammenhang wieder aufleben. Um der daraus resultierenden faktischen Unverjährbarkeit entgegen348 BGHSt 24, 221; BGH JR 1985, 244. Zustimmend Schäfer, FS-Dünnebier, 541 (542); Schlüchter, NStZ 1990, 180 (181); teilweise zustimmend Kratzsch, JR 1990, 177 (183).
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
zutreten, wird in der Literatur349 zum Teil die rechtliche Selbständigkeit des Einzelaktes hervorgehoben. Für jeden Teilakt in den Fortsetzungszusammenhang ist nämlich der Verjährungsbeginn gesondert festzustellen („Teilaktverjährung“). Gegen die These der Gesamtverjährung wurde einerseits eingewendet, dass es sich bei der gesetzlich nicht verankerten350 Rechtsfigur der Fortsetzungstat um ein Hilfsmittel zur Vermeidung der Gesamtstrafenbildung gemäß § 53 sowie zur Verfahrensvereinfachung für die Justiz handle.351 Die Hinausschiebung des Verjährungsbeginns, die in der Sache zur materiellen Sanktionsverschärfung beim Serientäter führe, sei weder mit der Zweckbestimmung eines solchen Rechtsinstituts352 noch mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.353 Andererseits wurde am Festhalten auf die Beendigung des letzten Einzelaktes bezweifelt, ob es mit den Grundgedanken des Instituts der Verfolgungsverjährung, sowohl dem Gedanken der Beweisvergänglichkeit als auch dem des schwindenden Strafbedürfnisses, erklärt werden könne.354 Nicht zuletzt wird die Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung vielfach hervorgehoben355, weil sie für den Strafantrag – anders als für die Verfolgungsverjährung – auf jeden Einzelakt abstellt356, obwohl beide Rechtsinstitute gleichermaßen zu den Prozessvoraussetzungen gehören. Die These der Gesamtverjährung erscheint im Ergebnis auch so problematisch, dass sie den BGH zur Aufgabe der Rechtsfigur der Fortsetzungstat bewogen hat.357 (2) Tatbestandliche Handlungseinheit Nach dem Verzicht auf die Figur der Fortsetzungstat ist der Streit um den Tatbegriff im Verjährungsrecht nicht völlig bedeutungslos geworden.358 349 Schröder, FS-Gallas, 329 (331 f.); v. Stackelberg, FS-Bockelmann, 759 (766); Rüping, GA 1985, 437 ff.; Foth, FS-Nirk, 293 ff.; Jung, GS-Schultz, 183 ff.; Jakobs, 32/25; SK7-Rudolphi/Wolter § 78 a Rn. 8; Stree, FS-Krause, 393 (398 ff.). 350 RGSt 70, 243 (244); BGHSt 2, 165 (167 f.); 36, 105 (109); 40, 138 (155). 351 Zur Fortsetzungstat zusammenfassend S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 31 m. w. N. 352 Vgl. auch S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 32. 353 Dazu vgl. Jung, GS-Schultz, 183 (190 f.); eingehend Schumann, StV 1992, 392 ff. 354 Noll, ZStW 77 (1965), 1 (4 f.); Volk, DStR 1983, 343 (345 f.); dagegen BGH JR 1985, 244 f.; wiederum dagegen Rüping, GA 1985, 437 (446 ff.); Puppe, JR 1985, 245 (246). 355 So z. B. Schröder, FS-Gallas, 329 (332); Rüping, GA 1985, 437 (445); Jung, GS-Schultz, 183 (189 f.). 356 BGHSt 17, 157 (158). 357 Vgl. BGHSt 40, 138 (153); S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 31. 358 So die zutreffende Beurteilung bei S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 32; vgl. auch Geppert, NStZ 1996, 57 (59); NK-Saliger, § 78 a Rn. 32.
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Denn diejenigen Serientaten, die bisher als Fortsetzungstat zusammengefasst wurden, können nach wie vor als eine einheitliche Tat gewürdigt werden, allerdings durch andere dogmatische Argumente. In Betracht kommen sowohl die natürliche bzw. tatbestandliche Handlungseinheit als auch die Bewertungseinheit. Da bei solchen Fällen die Straftateinheit aus mehreren Tatbestandsverwirklichungen zusammengesetzt ist, stellt sich die gleiche Frage, nämlich ob für den Verjährungsbeginn der Abschluss der Straftateinheit oder der Abschluss jeder tatbestandsmäßigen Einzelhandlung maßgebend ist. Auf diese Frage gehen Rechtsprechung und Literatur verstärkt ein, seitdem die Justiz der Bundesrepublik Deutschland Straftaten zu verfolgen hat, die im Auftrag des Regimes der ehemaligen DDR begangen wurden.359 Der BGH hatte sich auch nach 1996 mehrfach mit Fällen jahrzehntelang ausgeübter geheimdienstlicher Agententätigkeit ehemaliger DDR-Spione zu beschäftigen.360 Zur Veranschaulichung des Problems genügt der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1. Es ist heutzutage allgemein anerkannt, dass dieser Tatbestand kein Dauerdelikt361 und schon mit einmaliger geheimdienstlicher Betätigung verwirklicht ist.362 Trotzdem lässt die pauschalisierende Handlungsbeschreibung des Tatbestands es zu, jede während einer bestimmten Zeitspanne ausgeübte geheimdienstliche Tätigkeit des Täters zur tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden.363 Die Rechtsprechung steht auf dem gleichen Standpunkt, den sie bei der Fortsetzungstat eingenommen hat, i. e. dass die Agententätigkeit als tatbestandliche Handlungseinheit nur eine einzige Tat im rechtlichen Sinne darstelle und die Verjährungsfrist jeder Einzelhandlung erst mit der Beendigung der letzten Tätigkeit zu laufen beginne.364 Dieser Standpunkt findet bei der tatbestandlichen Handlungseinheit eine stärkere Unterstützung im Strafgesetz als bei der Fortsetzungstat, weil die Straftateinheit bereits im Tatbestand des einzelnen Delikts vorgegeben ist. Daher wird im Schrifttum zum Teil sogar vertreten, dass der Rechtsanwender diese gesetzlich vorgeschriebene Straftateinheit nicht willkürlich aufspalten dürfe.365 359
Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995. Vgl. dazu die einschlägigen Leitsatzentscheidungen BGH NStZ 1996, 129; BGHSt 42, 215; 43, 1; 43, 125; 43, 321. 361 Anders in der früheren Rechtsprechung BGHSt 28, 173; BayOLG JR 1996, 427. 362 Vgl. nur BGHSt 31, 317; Lackner/Kühl, § 99 Rn. 3; LK-Schmidt, § 99 Rn. 23; Fischer, § 99 Rn. 10. 363 BGHSt 42, 217; 43, 1; aus der Literatur etwa LK-Schmidt, § 99 Rn. 23; Fischer, § 99 Rn. 10; Rudolphi, NStZ 1997, 489. 364 Vgl. BGHSt 43, 1 (4 ff.); 43, 321. Zustimmend LK-Schmidt, § 99 Rn. 23; S/S-Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 2; MK-Lampe/Hegmann, § 99 Rn. 25; Maurach/ Schroeder/Maiwald, § 85 Rn. 60. 360
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
Trotzdem hält ein anderer Teil der Literatur es für nicht zwingend, eine konkurrenzrechtliche Straftateinheit weitergehend im Verjährungsrecht als eine unauflösbare Einheit anzusehen.366 Die Grundgedanken der Verfolgungsverjährung ermöglichen es, eine tatbestandliche Handlungseinheit in mehrere Teile oder sogar in mehrere Einzelhandlungen im natürlichen Sinne aufzuteilen, um für jeden Teil oder jede Einzelhandlung den Verjährungsbeginn gesondert zu ermitteln. So hat sich Rudolphi unter Berufung auf die Entbehrlichkeit eines Strafverfahrens zur Wiederherstellung des gestörten Rechtsfriedens dafür ausgesprochen, dass innerhalb eines tatbestandlichen Handlungskomplexes die gesetzliche Verjährungsfrist einiger Teile schon verstrichen sei, während weitere Teile noch nicht verjährt und damit verfolgbar seien.367 Von der Rechtsfriedenstiftung durch Nichtverfolgung weit zurückliegender Gesetzesverstöße ausgehend, treten Schlüchter/Duttge/ Klumpe auch für eine begrenzte Wechselwirkung zwischen der tatbestandlichen Handlungseinheit und der Verjährung ein.368 Aber abweichend von Rudolphi wollen diese Autoren diesen Ansatz durch „teleologische Extension“ des § 78 c Abs. 3 S. 2 umsetzen, damit die absolute Verjährungsfrist vom Zeitpunkt der ersten Unterbrechung an zurückzurechnen ist.369 (3) Sog. Presseinhaltsdelikte Einzugehen ist schließlich auf die Frage nach der Trennbarkeit der Straftateinheit bei den sog. Presseinhaltsdelikten. Dabei geht es um Verstöße gegen das Pressordnungsrecht sowie Straftaten, die mittels Verbreitens einer Druckschrift begangen werden.370 Für solche Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten enthalten die Pressegesetze aller Bundesländer besondere Regelungen über Dauer und Beginn der Verjährungsfrist.371 Was den Verjährungs365 Vgl. Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995 (998). Die Gesetzlichkeit der Rechtsfigur der tatbestandlichen Handlungseinheit wird auch betont bei Paeffgen, JR 1999, 89 (94); Popp, Jura 1999, 577 (578). § 99 Abs. 1 Nr. 1 betreffend ebenso J. Lampe/Schneider, GA 1999, 105 (117). 366 Vgl. dazu Rudolphi, NStZ 1997, 489 (490); SK7-Rudolphi/Wolter § 78 a Rn. 8 a; Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995 (998); Paeffgen, JR 1999, 89 (93 ff.); Jakobs, 32/25. Dagegen MK-Lampe/Hegmann, § 99 Rn. 23 unter Hinweis auf die „Brüche zur Konkurrenzlehre“ und die Veränderung des Verständnisses der Tatbestandsstruktur der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Ebenso J. Lampe/ Schneider, GA 1999, 105 (117); S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 2. 367 Rudolphi, NStZ 1997, 489 (490). 368 Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995. 369 Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995 (999 f.). 370 Vgl. NK2-Lemke, Vor §§ 78 ff. Rn. 11. 371 Zusammenstellung der Gesetzesfassungen aller Bundesländer bei LöfflerKühl, § 24.
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beginn angeht, zeigt sich das Privileg des Presseinhaltsdelikts daran, dass seine Verjährung mit dem ersten Akt der „Veröffentlichung oder Verbreitung“372 bzw. dem gleichbedeutenden „Erscheinen“373 des Druckwerks beginnt. Die Gesetzgeber aller Bundesländer haben damit den früheren Streit zwischen der strafrechtlichen und der presserechtlichen Verjährungstheorie erledigt und sich zur letzteren bekannt.374 Damit bleibt allerdings die Frage nach dem entscheidenden Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn noch in den Fällen offen, in denen der Täter das gleiche bzw. gleichartige Presseinhaltsdelikt mehrmals begangen hat. Hierzu gehören z. B. Konstellationen, in denen ein Journalist die gleiche politische Kolumne in verschiedenen Zeitungen erscheinen lässt, oder ein Redakteur einer Zeitschrift in mehreren Ausgaben den gleichen Politiker verleumdet.375 Für diese Frage kommt es darauf an, ob man der Konkurrenzlehre zufolge mehrere einzelne Veröffentlichungsakte zu einem einzigen Veröffentlichungsakt zusammenfasst, oder dem einzelnen Veröffentlichungsakt jeweils eigenständige Bedeutung für den Verjährungsbeginn zuerkennt. Zugunsten des letzteren haben nunmehr fast alle Landespressegesetze376 vorgeschrieben, dass die Verjährungsfrist des Presseinhaltsdelikts mit jeder Veröffentlichung oder Verbreitung des Druckwerks von neuem zu laufen beginnt. So lautet etwa § 24 Abs. 3 S. 2 Landespressegesetz Baden-Württemberg wie folgt: „Wird das Druckwerk in Teilen veröffentlicht oder verbreitet oder wird es neu aufgelegt, so beginnt die Verjährung erneut mit der Veröffentlichung oder Verbreitung der weiteren Teile oder Auflagen“.377 Damit durchbrechen Gesetzgeber aller Bundesländer den von der Rechtsprechung festgehaltenen Grundsatz, wonach die Einheitlichkeit einer Tat i. S. der Konkurrenzlehre für das Verjährungsrecht ebenfalls gilt. 372 § 24 Abs. 3 S. 1 LPrG B-W; § 22 Abs. 3 S. 1 Berliner PrG; § 16 Abs. 3 S. 1 BbgPrG; § 24 Abs. 3 S. 1 PrG Bremen; § 23 Abs. 3 S. 1 HamPrG; § 13 Abs. 2 HessPrG; § 22 Abs. 3 S. 1 LPrG M-V; § 24 Abs. 3 S. 1 NiedersPrG; § 25 Abs. 3 S. 1 LPrG NRW; § 37 Abs. 3 S. 1 LMG Rheinland-Pflaz; § 66 Abs. 3 S. 1 SaarMG; § 14 Abs. 3 S. 1 SächsPrG; § 15 Abs. 1 S. 1 LPrG Sachsen-Anhalt; § 17 Abs. 3 S. 1 LPrG Schleswig-Holstein; § 14 Abs. 3 S. 1 ThürPrG. 373 Art. 14 Abs. 3 S. 1 BayPrG. 374 Überblick bei Schröder, FS-Gallas, 329 (334 f.). 375 Beispiele aus Schröder, FS-Gallas, 329 (336 ff.) mit eingehenden Erläuterungen. 376 Die einzige Ausnahme bei § 13 HessPrG. 377 Wörtlich ebenso § 22 Abs. 3 S. 2 Berliner PrG; § 16 Abs. 3 S. 2 BbgPrG; § 24 Abs. 3 S. 2 PrG Bremen; § 23 Abs. 3 S. 2 HamPrG; § 22 Abs. 3 S. 2 LPrG M-V; § 24 Abs. 3 S. 2 NiederPrG; § 25 Abs. 3 S. 2 LPrG NRW; § 66 Abs. 3 S. 2 SaarMG; § 14 Abs. 2 S. 2 SächsPrG; § 15 Abs. 3 S. 2 PrG Sachsen-Anhalt; § 17 Abs. 3 S. 2 LPrG Schleswig-Holstein; § 14 Abs. 3 S. 2 ThürPrG. Im gleichen Sinne § 37 Abs. 3 S. 2 LMG Rheinland-Pfalz; Art. 14 Abs. 3 S. 2 BayPrG.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
Diese Sonderregelungen der Landespressegesetze finden nach anerkannter Meinung ihre Berechtigung in der Eigenart der Veröffentlichung und Verbreitung von Druckwerken378: Zum einen können die Presseinhaltsdelikte infolge ihrer Offenkundigkeit und Erkennbarkeit für jedermann von Strafverfolgungsbehörden unverzüglich verfolgt werden. Zum anderen erfolgt die Verbreitungstätigkeit eines Presseinhaltsdelikts sowie die Verbreitung von Presseerzeugnissen in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg, was bei der Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften, wonach die Verjährung erst mit der Beendigung des letzten Teilaktes beginnt, zu großer Härte führen würde.379 bb) Keine zwingende Vorgabe im geltenden Recht Der Meinungsstand in den genannten umstrittenen Einzelfällen lässt erkennen, dass die Gleichsetzung des verjährungsrechtlichen Tatbegriffs mit der Straftateinheit i. S. des Konkurrenzrechts allenfalls bei der tatbestandlichen Handlungseinheit mit der Vorgabe des Straftatbestands begründet wird. Die Gegener dieser Gleichsetzung haben vor allem die Grundgedanken des Verjährungsrechts herangezogen, um die Eigenständigkeit des verjährungsrechtlichen Tatbegriffs zu unterstützen. Auf die beiden gegenläufigen Argumente wird nachfolgend einzugehen sein. Unter Betrachtung der geltenden Rechtslage sind zwei Fälle für die Auslegung des Tatbegriffs des § 78 a S. 1 von geringer Bedeutung. Der eine Fall betrifft die Sonderregelungen aller Bundesländer hinsichtlich sog. Presseinhaltsdelikte, wobei der Gesetzgeber ausdrücklich den verjährungsrechtlichen Tatbegriff von dem des Konkurrenzrechts entbunden hat. Diese Sonderregelungen ergeben sich allerdings aus der Besonderheit solcher Straftaten. Daher lassen sich die dort entscheidenden Erwägungen nicht auf die Auslegung der allgemeinen Verjährungsregelung übertragen. Der andere Fall ist der Streit um die Gesamt- und Teilverjährung der Fortsetzungstat. Jedenfalls findet sich im geltenden Recht kein Hinweis für die Gesamtverjährung, hinter der der Gedanke der Gleichsetzung des verjährungsrechtlichen Tatbegriffs mit dem des Konkurrenzrechts steht. Denn zum einen gibt es für die Fortsetzungstat keine oder keine zureichende gesetzliche Grundlage. Es ist daher nicht zwingend, dass der Gesetzgeber den Tatbegriff in § 78 a S. 1 auf eine solche gewohnheitsrechtliche Straftateinheit abgestellt hat.380 Zum anderen dient diese Rechtsfigur ursprünglich nur 378 BGHSt 25, 347 (353 f.); aus der Literatur etwa Löffler-Kühl, § 24 Rn. 20; Schröder, FS-Gallas, 329 (336). 379 Eingehend dazu vgl. Löffler-Kühl, § 24 Rn. 20 ff. 380 Insoweit ebenso Kratzsch, JR 1990, 177 (178).
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dazu, eine unverhältnismäßige Strenge im Bereich der Strafzumessung im Hinblick auf das in der Zeit des Reichsgerichts noch geltende Kumulationsprinzip zu vermeiden. Dass dadurch die Verjährungsfrist der Einzelhandlung faktisch endlos verlängert wird, lässt sich nicht mehr mit der Zwecksetzung dieser Rechtsfigur erklären. Nicht eindeutig für eine Differenzierung des Tatbegriffs spricht aber auch die Rechtslage beim verbleibenden Fall der tatbestandlichen Handlungseinheit, z. B. bei Straftaten gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1. Man könnte hier eine einheitliche Auslegung des Tatbegriffs bei Verjährungs- und Konkurrenzrecht geltend machen, nämlich dass der Gesetzgeber einerseits die Straftateinheit im Straftatbestand vorgegeben381 und andererseits bei § 78 a keine ausdrückliche Ausnahme davon geregelt hat. Diese Erwägung macht aber nicht zwingend den Tatbegriff des § 78 a S. 1 abhängig von der Straftateinheit i. S. des Konkurrenzrechts. Erstens: Die pauschalisierende Handlungsbeschreibung eines Tatbestands spricht zwar für die Zulässigkeit, die Einzelhandlungen zu einer Straftateinheit zusammenzufassen. Es bedeutet aber keineswegs, dass eine solche Zusammenfassung immer und überall nach dem Willen des Gesetzgebers geboten ist.382 Ansonsten würde die heftige Diskussion darüber überflüssig sein, wann eine Unterbrechung der Agententätigkeit normativ so relevant ist, dass eine Zäsurwirkung angenommen werden sollte.383 Zweitens: Der Gesetzgeber hat keine verbindlichen Vorgaben für die von ihm verwendete Terminologie „Tat“ im Strafgesetzbuch, einschließlich des Tatbegriffs in § 78 a, geliefert. Die Definition der rechtswidrigen Tat in § 11 Abs. 1 Nr. 5 lässt auch die Frage offen, ob nicht die tatbestandsmäßige Einzelhandlung statt des Handlungskomplexes schon als „Tat“ i. S. des § 78 a S. 1 einzuschätzen ist. Damit ist der Möglichkeit der teleologischen Bestimmung der Reichweite des Tatbegriffs in verschiedenen Kontexten Raum gegeben. Schließlich steht das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung der Differenzierung des Tatbegriffs auch nicht entgegen, da es eine bereichsspezifische Auslegung desselben Rechtsbegriffs keineswegs ausschließt.384 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das geltende Recht keine zwingende Vorgabe für die Abhängigkeit des verjährungsrechtlichen Tatbegriffs von dem Tatbegriff des Konkurrenzrechts beinhaltet. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gleichsetzung des verjährungsrechtlichen mit dem kon381 So etwa Popp, Jura 1999, 577 (578); Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995 (998); J. Lampe/Schneider, GA 1999, 105 (117). 382 Insoweit zustimmend Schlüchter/Duttge/Klumpe, JZ 1997, 995 (997). 383 Zum Meinungstand vgl. Fischer, § 99 Rn. 10; S/S-Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 2. Bezüglich des sog. Dauerdelikts ebenso Schmitz, S. 237 ff. 384 Näher dazu Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 89 ff.
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kurrenzrechtlichen Tatbegriff gemessen an dem Grundgedanken der Verfolgungsverjährung zweckmäßig ist. cc) Folgerung aus dem Schwinden des positiven generalpräventiven Bedürfnisses Diesbezüglich nimmt Otto eine bejahende Stellung ein, wenn er vertritt: „Weder ein Schwinden des Strafbedürfnisses noch Beweisschwierigkeiten sind begründet, solange der Täter – auch über die förmliche Verwirklichung des Tatbestands hinaus – weitere tatbestandsmäßige Handlungen vornimmt“.385 Dagegen spricht sich Schmitz aus, nämlich dass sich beim Dauerdelikt das Strafbedürfnis aus der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung ergebe, nicht aber aus der Tatsache, dass sie mit anderen Tathandlungen zu einer Einheit verknüpft werde. Die kontinuierliche Tatbestandsverwirklichung oder die wiederholte Erfolgsherbeiführung beziehe sich nicht auf den Beginn des strafbaren Verhaltens, sondern nur auf das „Weiterhandeln“, also die aktuelle Tatbegehung.386 Die beiden Standpunkte unterscheiden sich in Bezug auf das Schwinden des generalpräventiven Strafbedürfnisses nur unwesentlich, wenn es bei der Straftateinheit um die natürliche Handlungseinheit geht. Da in diesem Fall die Einzelhandlungen miteinander in engem Zusammenhang stehen, ist der Zeitabstand zwischen der ersten und der letzten Einzelhandlung für die Allgemeinheit nicht groß genug, um messbare positive Erfahrungen der effektiven Strafverfolgung zu sammeln. In der Praxis ist daher die Aussage kaum sinnvoll, dass das Misstrauen der Allgemeinheit in die Normgeltung, das durch die erste Einzelhandlung herbeigeführt wird, vor dem Abschluss der letzten Einzelhandlung schon zu verschwinden beginnt. Diese Bewertung gilt aber nicht ohne weiteres bei der tatbestandlichen Handlungseinheit. Denn in diesem Fall kann die Straftateinheit sich aus mehreren Einzelhandlungen zusammensetzen, die zeitlich und örtlich weit voneinander getrennt sind und daher von der Allgemeinheit nach den Anschauungen des täglichen Lebens nicht als eine Einheit wahrgenommen werden. Der Zeitabstand zwischen den Einzelhandlungen könnte schon groß genug sein, sodass der Eindruck der Normstabilisierung bei der Allgemeinheit nach und nach wiederhergestellt wird. Das Strafbedürfnis der vorangegangenen Einzelhandlungen kann deshalb weniger gewichtig sein als das der nachfolgenden. Dagegen könnte man einwenden, dass die Allgemeinheit 385 Otto, FS-Lackner, 715 (721). Ebenso Mitsch, Jura 2009, 534 (538); J. Lampe/ Schneider, GA 1999, 105 (116); Dannecker, NStZ 1985, 49 (51). 386 Schmitz, S. 240. Ähnlich Rüping, GA 1985, 437 (447).
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trotz der lockeren zeitlichen und örtlichen Beziehung dazu tendiert, die zahlreichen Einzelhandlungen als eine Gesamtheit zu betrachten, weil sie von einem Täter in der gleichen Art und Weise begangen worden sind. Auch wenn man diesem Einwand folgt, ändert sich dadurch nicht das Schwinden des Strafbedürfnisses hinsichtlich der vorangegangenen Einzelhandlungen. Denn unter der oben genannten Gesamtschau wird das durch die vorangegangene Einzelhandlung entstandene Strafbedürfnis nicht bis zum Abschluss des Gesamthandlungskomplexes aufrechterhalten, sondern dadurch relativiert, dass der Täter letztendlich wegen der nachfolgenden Einzelhandlungen bestraft wird und diese Bestrafung schon genügt, Unrecht und Schuld des gesamten Tatgeschehens der Straftateinheit abzugelten. Deshalb sprechen im Hinblick auf den Grundgedanken des schwindenden Strafbedürfnisses mehrere Gründe für die Ansicht von Schmitz, damit die Möglichkeit der aufspaltenden Betrachtung der Einzelhandlungen eröffnet wird.387 Die Berücksichtigung der Beweisschwierigkeiten bei Otto führt nicht zum gegenteiligen Ergebnis, weil Otto offenbar die Tatsache verkennt, dass sich die Beweissituation der vorangegangenen Einzelhandlung unabhängig von den weiteren tatbestandlichen Handlungen verschlechtert. Bei der Zusammenfassung aller Einzelhandlungen zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit ist allein die Auslegung des Straftatbestands des einzelnen Delikts entscheidend; ob zwischen mehreren Einzelhandlungen in beweisrechtlicher Hinsicht ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beweissituation der vorangegangenen Einzelhandlungen sich bis zum Abschluss der letzten Einzelhandlung nicht verschlechtern kann, ist demgegenüber belanglos. Darüber hinaus darf man nicht die Besonderheiten einer Serienstraftat übersehen, dass die Individualisierung der Einzelhandlung mit steigenden Fallzahlen noch schwieriger wird. Die fehlende Individualisierbarkeit der Einzelhandlung führt nach Angabe eines Praktikers sogar bei langjährigem sexuellen Missbrauch zu einer beklagenswerten Entwicklung: Je häufiger ein Missbrauch stattfindet, desto geringer ist die Zahl der Taten, wegen derer der Täter verurteilt wird.388 Dass sich die Beweissituation aller in der Straftateinheit zusammengefassten Einzelhandlungen erst mit dem Abschluss der letzten zu verschlechtern beginne, entspricht daher keinesfalls der Realität. Daraus folgt, dass für den verjährungsrechtlichen Tatbegriff nicht auf die Straftateinheit des Konkurrenzrechts, sondern auf die tatbestandliche Einzelhandlung abzustellen ist. Es handelt sich beim Tatbegriff i. S. des § 78 a S. 1 um das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten. Eine Teilverjährung oder stückweise Verjährung innerhalb einer Straftateinheit ist daher berechtigt. 387 388
A. A. Schäfer, FS-Dünnebier, 541 (542). Dr. Hans Helmut Günter bei: Geisler, S. 147.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
b) Tatbestandsmäßigkeit des Beendigungsbegriffs aa) Aktuelle Rechtsprechung beim Verjährungsbeginn von Bestechungsdelikten Mit den bisherigen Ausführungen wurde bereits der Tatbegriff des § 78 a S. 1 in teleologischer Hinsicht geklärt. Daher können wir uns jetzt einem weiteren Merkmal der „Beendigung“ zuwenden. Bei einer vollendeten Straftat könnte dieses Merkmal eine eigenständige Bedeutung haben, wenn es bei ihm um eine vom Tatbestand gelöste Entwicklungsphase der Straftat geht. Zur Veranschaulichung dieser Problematik bietet sich ein jüngst ergangenes Urteil des BGH389 an. In diesem Urteil hatte der 3. Strafsenat des BGH mit dem Verjährungsbeginn bei Bestechung und Bestechlichkeit zu beschäftigen. Dem Urteil zugrunde lag der Fall eines Amtsträgers (im Folgenden: A), der in den Jahren 1994 und 1995 Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt ca. 250.000 DM angenommen hatte. Geldgeber waren Bauunternehmer (im Folgenden: B und U), die mit dieser Vorteilsgewährung günstige verwaltungsrechtliche Entscheidungen des im Bauplanungs- und Bauordnungsamt einer deutschen Großstadt beschäftigten A erkaufen wollten. Tatsächlich erteilte A – wie möglicherweise mehrfach schon vorher – noch am 4. Mai 1999 zugunsten der Geldgeber eine Baugenehmigung, auf der Grundlage einer Unrechtsvereinbarung sowie 1994 und 1995 erhaltenen Geldbeträgen.390 Das LG Düsseldorf stellte die Verfahren gegen A, B und U mit der Begründung ein, dass die Delikte der Bestechlichkeit (§ 332) bzw. Bestechung (§ 334) verjährt seien. Es ging davon aus, dass die Verjährungsfrist im Jahr 1995 zu laufen begonnen habe, und musste daher konsequenterweise zum Ergebnis kommen, dass im Jahr 2005 bereits die absolute Verjährung gemäß § 78 c Abs. 3 S. 2 eingetreten, d.h. das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4: 5 Jahre) verstrichen war. Das Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, da der 3. Strafsenat des BGH den Beginn der Verjährungsfrist erst am 4. Mai 1999 sah, an dem A die vereinbarte Diensthandlung ausgeführt hat. (1) Grundlage: Unrechtsvereinbarung als ungeschriebenes Element des Unrechtskerns Interessanterweise ist ja die Vornahme der Diensthandlung kein zum objektiven Tatbestand der §§ 332 und 334 gehörender Umstand. Mithin schei389 BGH NJW 2008, 3076 ff. mit Anmerkung Dann = JR 2009, 71 ff. mit Anmerkung Kuhlen = StV 2009, mit Anmerkung Gleß/Geth. 390 Sachverhaltsbeschreibung nach Mitsch, Jura 2009, 534 (535).
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det der Erfolg im Rahmen von § 78 a S. 2 als Anknüpfungspunkt des Verjährungsbeginns aus. Als maßgebend für den Verjährungsbeginn kommt die Vornahme der Diensthandlung nur dann in Betracht, wenn sie als Umstand, mit dem die Tat gemäß § 78 a S. 1 „beendet“ wird, qualifiziert werden kann. Im Anschluss an seine ständige Rechtsprechung stellt der BGH den Verjährungsbeginn auf den sog. materiellen Beendigungsbegriff ab. Danach schließt eine Straftat ab, wenn „der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abschließt, das Tatunrecht mithin tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht ist“.391 Weiterhin stellt der BGH fest392, dass die Vornahme der pflichtwidrigen Diensthandlung zwar kein objektives Element des § 332 Abs. 1 S. 1, dennoch „zentraler Bezugspunkt aller Tatbestandsvarianten“ sei, und zwar des Forderns, des Sich-Versprechen-Lassens und der Annahme des Vorteils. Nach BGH umschreibe sie „den materiellen Unrechtskern“, der den Tatbestand der Bestechlichkeit von dem der Vorteilsannahme abhebe und die erhöhte Strafandrohung im Vergleich zu § 331 Abs. 1 rechtfertige. Wenn der bestochene Amtsträger die Diensthandlung pflichtwidrigerweise vorgenommen habe, die Lauterkeit der Amtsausübung sowie das öffentliche Vertrauen in diese dadurch am nachhaltigsten beeinträchtigt seien, finde der Angriff auf das Schutzgut des § 331 erst seinen Abschluss. (2) Mehrere Möglichkeiten der Beendigung von Bestechungsdelikten im Hinblick auf den Erfüllungsgrad der Unrechtsvereinbarung Demzufolge spielt das Merkmal der Unrechtsvereinbarung die maßgebende Rolle für die Bestimmung der Tatbeendigung der Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 S. 1. Der BGH unterscheidet folglich danach, ob die Unrechtsvereinbarung erfolgreich in die Tat umgesetzt wurde. Werde die Unrechtsvereinbarung tatsächlich vollständig umgesetzt, komme es für die Tatbeendigung auf die jeweils letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung an, unabhängig davon, ob diese in der Zuwendung des Vorteils oder der pflichtwidrigen Diensthandlung liege. Werde die pflichtwidrige Diensthandlung erst nach der Zuwendung des Vorteils vorgenommen, so führe erst dies zur Beendigung der Tat. Dies gelte auch für die Bestechung gemäß § 334, weil erstens die Bestechung ein der Bestechlichkeit spiegelbildlich gegenüberstehendes Vergehen und daher allgemein von einem identischen Beendigungszeitpunkt auszugehen sei, zweitens aus Sicht des Bestechenden das unlautere Zusammenwirken mit dem Amtsträger so391 BGH JR 2009, 71 mit Verweisen auf BGHSt 43, 1, 7; BGH NStZ 2004, 41; NJW 2006, 925 (927). 392 Folgende Darstellung bei BGH JR 2009, 71 (72).
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wie dessen rechtsverneinendes Tun ihren Abschluss finde. Allerdings seien diejenigen nachfolgenden Handlungen des Bestechenden, die die pflichtwidrige Diensthandlung ausnutzten, nicht entscheidend für die Tatbeendigung, weil sie außerhalb der Erfüllung der Unrechtsvereinbarung lagen. Bleibe die Erfüllung der Unrechtsvereinbarung hingegen aus, komme es für die Tatbeendigung der Bestechung und der Bestechlichkeit auf den Einzelfall an. Lehne etwa der Amtsträger den ihm angebotenen Vorteil und die von ihm geforderte pflichtwidrige Diensthandlung ab, so sei die Bestechung in der Tatvariante des Anbietens schon hiermit sowohl voll-, als auch beendet; gleiches gelte spiegelbildlich für die Bestechlichkeit, wenn der Amtsträger vergeblich einen Vorteil für eine pflichtwidrige Diensthandlung fordere. Komme es dagegen in der Form des Versprechens und Sich-Versprechen-Lassens eines Vorteils oder in sonstiger Weise zu einer Unrechtsvereinbarung, deren Erfüllung ausbleibe, so sei die Bestechung wie die Bestechlichkeit jedenfalls in dem Zeitpunkt beendet, in dem sich die Vereinbarung endgültig als „fehlgeschlagen“ erweise.393 Es könnte nach dem 3. Strafsenat des BGH demgegenüber aber auch erwogen werden, die jeweilige Tat in einer Betrachtung ex post dann als mit der Unrechtsvereinbarung beendet anzusehen, wenn innerhalb des der gesetzlichen Verjährungsfrist entsprechenden Zeitraums von fünf Jahren keine Bemühungen zu deren Erfüllung mehr entfaltet werden. bb) Endgültiger Abschluss des Rechtsgutsangriffs als Verjährungsbeginn? In dieser Entscheidung hat der 3. Strafsenat des BGH den sog. materiellen Beendigungsbegriff in konsequenter Weise durchgesetzt. Dies zeigt sich daran, dass die Beendigung der Bestechung und Bestechlichkeit beim Vorliegen der Unrechtsvereinbarung entweder in der letzten die Vereinbarung erfüllenden Handlung oder in dem endgültigen Fehlschlag dieser Vereinbarung als erreicht betrachtet ist. Hinter den beiden alternativen Zeitpunkten steht also der gemeinsame Leitgedanke, dass sich damit der Angriff auf das Rechtsgut als abgeschlossen erweist. Ob dieser Entscheidung zuzustimmen ist, hängt daher davon ab, ob der materielle Beendigungsbegriff auf dem hier vertretenen Grundgedanken des Verjährungsrechts beruhen kann. Vorab muss aber die zu behandelnde Promblematik präzisiert werden. Da die h. M. den Tatbegriff auf die konkurrenzrechtliche Straftateinheit abstellt, die insgesamt als einheitlicher Rechtsgutsangriff betrachtet wird, steht dahinter die Annahme, dass das Bedürfnis nach einer Normbestätigung erst 393
Ebenso BGH NStZ 2004, 41 (42).
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mit dem Abschluss des einheitlichen Rechtsgutsangriffs abzunehmen beginnt. Das Problem ist nach hier vertretenem Standpunkt allerdings teilweise anders gelagert, weil für den Tatbegriff in § 78 a S. 1 das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten gilt. Davon ausgehend bezieht sich der Beendigungsbegriff nicht auf die Straftateinheit, sondern auf das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten. Unter dem materiellen Beendigungsbegriff wird deshalb der Abschluss des hinter dem jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhalten stehenden rechtsverneinenden Tuns verstanden. Ob ein solcher vom formellen Straftatbestand gelöster Beendigungsbegriff im Hinblick auf den Grundgedanken der Verfolgungsverjährung zweckmäßig ist, bedarf ebenfalls der Erklärung. Man könnte für den materiellen Beendigungsbegriff argumentieren, dass das Strafbedürfnis der Rechtsgemeinschaft noch nicht schwindet, wenn zwar die Tatbestandserfüllung der Vergangenheit angehört, die Rechtsgemeinschaft aber die Verwirklichung des gesamten materiellen Unrechts unmittelbar vor Augen hat.394 Der materielle Beendigungsbegriff dient demnach dazu, den Abschluss dieses rechtsverneinenden Tuns, also den Beginn des Schwindens des generalpräventiven Bedürfnisses, auszudrücken. Dieses Argument klingt plausibel, weil zwischen der jeweiligen Tatbestandserfüllung und dem sog. Abschluss des rechtsverneinenden Tuns in der Regel ein zeitlich und räumlich enger Zusammenhang besteht, dem sich keine nennenswerte Differenz im Normvertrauen der Rechtsgemeinschaft entnehmen lässt. Es kann z. B. bei einem Fall, in dem der Täter wertvollen Schmuck wegnimmt, in das vor der Ladentür geparkte Auto einsteigt und dann mit Beute entflieht, nicht sinnvoll die Rede davon sein, dass sich das Vertrauen der Allgemeinheit schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wegnahme zu erneuern beginnt. Noch lebensnäher ist hingegen die Annahme, dass für die juristisch nicht ausgebildete Allgemeinheit der rechtserschütternde Eindruck zumindest bis zum Entfliehen des Diebes andauert. Es gibt indessen einige Ausnahmefälle, in denen sich der Abschluss des rechtsverneinenden Tuns zur Tatbestandserfüllung zeitlich und räumlich weit auseinander liegend verhält. Wie die hier besprochene Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH zeigt, kann die Vornahme der Diensthandlung des Bestochenen erst Jahre nach der Vorteilsannahme stattfinden. Dieser große Zeitabstand spielt für die Wiederherstellung des Normvertrauens der Allgemeinheit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn die sich in der Zwischenzeit vermehrende Erkenntnis der Normbestätigung könnte schon dafür genügen, dass die Allgemeinheit die weit zurückliegende tatbestandsmäßige Vorteilsannahme als einen Rechtsverstoß ansieht, auf den es keiner 394
So z. B. Dannecker, NStZ 1985, 49 (51); NK-Saliger, § 78 a Rn. 7.
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strafrechtlichen Reaktion mehr bedarf. Daran ändert sich nichts durch die Vornahme der Diensthandlung des Bestochenen, die als eine Fortsetzung oder Intensivierung des durch die Vorteilannahme angesetzten Rechtsgutsangriffs betrachtet werden könnte. Dies verdeutlicht, dass die gravierende Rolle des Zeitfaktors für die Strafbedürftigkeit einer Tat völlig vernachlässigt werden könnte, wenn man den Verjährungsbeginn allein auf den Abschluss des Rechtsgutsangriffs abstellt. Nur wenn es beim Verjährungsbeginn auf den Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens ankommt, kann die Relevanz des Zeitfaktors besser berücksichtigt werden. Ein noch grundsätzlicherer Einwand dagegen, den Beendigungsbegriff auf den Abschluss des sog. rechtsverneinenden Tuns abzustellen, liegt darin, dass es u. U. für das positive generalpräventive Bestrafungsbedürfnis ohne Bedeutung ist. Das durch die strafrechtliche Sanktion wiederherzustellende Normvertrauen der Bevölkerung bezieht sich nicht auf jede Norm in der gesamten Rechtsordnung, sondern nur spezifisch auf strafbewehrte Gebote und Verbote. Da solche durch den jeweiligen Straftatbestand umschrieben sind, liegt der eigentliche Rechtsverstoß, der das Misstrauen der Allgemeinheit in die Normgeltung hervorruft, allein in der schuldhaften Tatbestandserfüllung. Sowohl die Folgewirkung der Tatbestandserfüllung als auch das den Rechtsgutsangriff in tatbestandsloser Weise fortsetzende Verhalten des Täters gehören somit nicht mehr zum Rechtsverstoß, sondern sind allenfalls strafzumessungsrelevant. Es mag zwar sein, dass das Misstrauen der juristisch nicht ausgebildeten Allgemeinheit in die Rechtsordnung noch durch ein solches nachfolgendes Tun verstärkt wird. Daraus ist aber nicht ohne weiteres die Folgerung zu ziehen, dass das durch die Tatbestandserfüllung entstandene Bedürfnis nach strafrechtlicher Sanktion zum Zeitpunkt des Abschlusses des rechtsverneinenden Tuns unverändert bleiben muss. Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass das Strafbedürfnis aufgrund der Tatbestandserfüllung, immer erst dann abzunehmen beginnt, wenn das rechtsverneinende Tun bzw. der materielle Rechtsgutsangriff endgültig abgeschlossen ist. Das Abstellen des Beendigungsbegriffs auf den Abschluss der formellen Tatbestandserfüllung bietet zudem Vorteile hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots. Denn der Straftatbestand des einzelnen Delikts gewährleistet unstreitbar die Bestimmtheit des Beendigungsbegriffs in größerem Maß. Die Orientierung am übergesetzlichen Begriff des sog. rechtsverneinenden Tuns oder am endgültigen Abschluss des Rechtsgutsangriffs lässt hingegen keine zuverlässige Grenzziehung zwischen strafrechtlich relevanten und irrelevanten Umständen zu. Insbesondere bei den Deliktstypen, die die Rechtsgüter der Allgemeinheit schützen, kann man oft nicht genau feststellen, wann der Rechtsgutsangriff abschließt, weil das Rechtsgut der Allgemeinheit in der Regel sehr abstrakt definiert ist. Ohne Anknüpfung an den einzelnen Straf-
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tatbestand könnte man den materiellen Verletzungszustand eines solchen Rechtsguts kaum zuverlässig identifizieren. Für die Maßgeblichkeit des Abschlusses der Tatbestandserfüllung spricht letztlich die Regelung des § 78 a S. 2. Darin hat der Gesetzgeber die Erfolgsbeendigung auf den tatbestandsmäßigen Erfolg abgestellt. Somit will der Gesetzgeber, dass die negativen Auswirkungen auf das Rechtsgut, die außerhalb des Straftatbestands vorliegen, keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn ausüben sollen. Der Beendigungsbegriff in Satz 1 muss entsprechend ausgelegt werden. Ansonsten würde der in Satz 2 ausgedrückte Wille des Gesetzgebers dadurch umgangen werden, dass der außertatbestandliche Erfolg eines tatbestandsmäßigen Verhaltens sehr leicht unter dem semantisch in hohem Maß flexiblen Beendigungsbegriff subsumiert wird. Zum Beispiel könnte man dadurch den Zeitpunkt der Gewahrsamssicherung als Verjährungsbeginn eines Diebstahls ansehen, dass die Gewahrsamssicherung nicht als ein „tatbestandsmäßiger“ Erfolg, sondern als die „materielle Beendigung“ des Diebstahls interpretiert wird. Man könnte ebenfalls die tatsächliche Bereicherung des Täters als „materielle Beendigung“ eines Betrugs ansehen, auch wenn die Bereicherung anerkanntermaßen kein tatbestandsmäßiger Erfolg ist. Um derartige Umgehungsgefahr entgegenzuwirken, sollte der Beendigungsbegriff strikt an die Tatbestandserfüllung gebunden werden. Es ist festzuhalten, dass der Beendigungsbegriff des § 78 a S. 1 nichts anderes als den Abschluss des jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhaltens bedeutet. Ein vom Straftatbestand des einzelnen Delikts gelöster Beendigungsbegriff wird insoweit nicht in Betracht gezogen. Dies ist auch kompatibel mit der anerkannten Ansicht, nach der bei Zustandsdelikten die Verjährung unabhängig von der andauernden Nachwirkung mit dem Eintritt des rechtswidrigen Zustands beginnt. Zumal das Andauern der Gefährdung bei Gefährdungsdelikten ohne weiteres Zutun des Täters ebenso wie eine aus ihr erwachsende Verletzung den Verjährungsbeginn unberührt lässt.395 Diese anerkannte Ansicht lässt sich mit dem materiellen Beendigungsbegriff nicht erklären. cc) Konsequenzen für den Verjährungsbeginn von Bestechungsdelikten Liegt dem Beendigungsbegriff der Abschluss des jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhaltens zugrunde, ist die Entscheidung des 3. Strafsenats hinsichtlich des Verjährungsbeginns von Bestechungsdelikten grundsätzlich ab395
S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 78 a Rn. 11 m. w. N.; Fischer, § 78 a Rn. 12 f.
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zulehnen. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass sich das tatbestandsmäßige Verhalten der Bestechung (ebenso wie das der Vorteilsgewährung) auf das Anbieten, Versprechen und Gewähren der Vorteile, und das der Bestechlichkeit (wie der Vorteilannahme) auf das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen der Vorteile beschränkt. Für den Begriff der Tatbeendigung gemäß § 78 a S. 1 kommt es nur darauf an, wann das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten seinen Abschluss findet. Unerheblich ist hingegen, ob und wann der Bestochene die vereinbarte Diensthandlung vornimmt, weil dieser Umstand nicht zum Straftatbestand von Bestechungsdelikten gehört.396 Demnach ist der Verjährungsbeginn von Bestechungsdelikten je nach den konkreten Umständen differenziert zu bestimmen: Soweit nur „Anbieten“ oder „Fordern“ eines Vorteils vorliegt, ohne dass der andere Teil hierauf eingeht, beginnt die Verjährung unstreitig mit dem Ausspruch oder dem Zugang des Angebots oder der Forderung zu laufen397, weil insoweit das tatbestandsmäßige Verhalten schon abgeschlossen ist. Da für die beiden Handlungsvarianten der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung nicht erforderlich ist, kommt dem Vollzug dieser Vereinbarung, sowohl der Vornahme der Diensthandlung als auch dem Versprechen oder der Annahme des Vorteils, erst recht keine Bedeutung für den Verjährungsbeginn hinsichtlich der beiden Handlungsvarianten „Anbieten“ und „Fordern“ zu. Wenn der andere Teil auf das Angebot oder die Forderung des Vorteils eingeht, kommt eine Unrechtsvereinbarung zustande. Das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten „Versprechen“ und „Sich-Versprechen-Lassen“ ist damit zugleich abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährung zu laufen. Die Frage, ob diese Vereinbarung erfolgreich umgesetzt wird, ist weder für die Vollendung noch für die Beendigung der Bestechungsdelikte erheblich und daher für den Verjährungsbeginn gemäß § 78 a S. 1 ohne Belang. Demgegenüber will der 3. Strafsenat des BGH die Verjährung von Bestechungsdelikten beim Ausbleiben des Vollzugs der Unrechtsvereinbarung erst dann beginnen lassen, wenn sich diese Vereinbarung als endgültig fehlgeschlagen erweist. Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Zum einen kann die „Endgültigkeit“ des Fehlschlags der Vereinbarung nicht eindeutig bestimmt werden398; zum anderen hat der nicht in die Tat umgesetzte Wille einer von beiden Parteien zur Erfüllung dieser Vereinbarung keine Relevanz für den Unrechtsgehalt der Bestechung und der Bestechlichkeit.399 Auch 396 Zutreffend Bernsmann, GA 2009, 296 (309, 311 f.); Mitsch, Jura 2009, 534 (536 f.), allerdings mit abweichender Begründung. 397 Helmrich, wistra 2009, 10 (12). 398 Helmrich, wistra 2009, 10 (12); Kuhlen, JR 2009, 53 (56). 399 So LK-Sowada, § 331 Rn. 133.
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wenn die Unrechtsvereinbarung durch Gewährung des Vorteils400 oder durch Vornahme der Diensthandlung erfolgreich umgesetzt ist, beeinflusst die Umsetzung nach dem hier vertretenen Standpunkt den Verjährungsbeginn nicht: Denn einerseits stellen sowohl die Gewährung als auch die Annahme des versprochenen Vorteils ein neues tatbestandsmäßiges Verhalten dar und begründen deshalb einen neuen Beginn der Verjährungsfrist, und zwar ohne den Verjährungsbeginn hinsichtlich des „Versprechens“ bzw. des „Sich-Versprechen-Lassens“ hinauszuschieben. Andererseits ist die Vornahme der versprochenen Diensthandlung bei §§ 331 und 333 schon deshalb irrelevant für den Verjährungsbeginn, weil bei diesen Tatbeständen das Erfüllungsverhalten des Amtsträgers pflichtgemäß sein muss und für sich genommen kein Unrecht darstellt.401 Dass u. U. die Vornahme der Diensthandlung bei §§ 332 und 334 den materiellen Unrechtsgehalt der Bestechlichkeit (nicht jedoch der Bestechung402) vertieft, ändert nichts daran, dass sie kein tatbestandsmäßiges Verhalten ist. Selbst wenn dieses Erfüllungsverhalten einen anderen Straftatbestand verwirklicht, kommt nur ein neuer Verjährungsbeginn für diese weitere Straftat in Betracht. Der Verjährungsbeginn des § 332 und des § 334 bleibt davon unbeeinflusst. Kommt es schließlich zur Gewährung oder Annahme des Vorteils, beginnt die Verjährung hinsichtlich des „Gewährens“ und des „Annehmens“ des Vorteils erneut zu laufen. Bei auf derselben Unrechtsvereinbarung beruhenden ratenweise zu leistenden Vorteilen beginnt die Verjährung nicht mit der Annahme der Gesamtleistung403, sondern sukzessiv mit der Annahme der jeweiligen Teilleistung. Die Vornahme der Diensthandlung des Bestochenen ist aus den ausgeführten Gründen ebenfalls irrelevant für den Verjährungsbeginn.
IV. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Nach alledem kann weder Erfolgs- noch Verhaltensbeendigung als Abschluss einer Straftateinheit auf dem Grundgedanken des Verjährungsrechts beruhen. Das positive generalpräventive Bedürfnis bezieht sich nicht immer auf die konkurrenzrechtliche Straftateinheit, sondern vielmehr auf die jeweilige formelle Tatbestandserfüllung. Dies gilt nicht nur für die Straftateinheit 400 So aber die h. M., z. B. BGHSt 11, 345 (347); NStZ 1993, 538; Fischer, § 78 a Rn. 8; LK-Sowada § 331 Rn. 131; NK-Kuhlen, § 331 Rn. 128; S/S-Heine, § 331 Rn. 32. 401 Kuhlen, JR 2009, 53 (56); LK-Sowada, § 331 Rn. 132. 402 Näher dazu LK-Sowada, § 331 Rn. 134. Anders aber Kuhlen, JR 2009, 53 (54). 403 So aber BGHSt 11, 345 (347).
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
eines vollendeten Delikts, sondern auch für die einer Versuchs- oder Vorbereitungstat. Die Konsequenzen dieses Ansatzes für die Auslegung des § 78 a sind: Wenn es bei der Straftateinheit eines Erfolgsdelikts mehrere tatbestandsmäßige Erfolge gibt, bezieht sich der zum Tatbestand gehörende Erfolg i. S. des Satz 2 auf den jeweiligen tatbestandsmäßigen Erfolg. Bei der Straftateinheit eines Nicht-Erfolgsdelikts kommt es für die „Tatbeendigung“ i. S. des Satz 1 auf den Abschluss des jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhaltens an. Infolgedessen beginnt die Verjährung einer Straftateinheit, die aus mehreren Tatbestandserfüllungen besteht, nicht einheitlich mit dem letzten tatbestandsmäßigen Verhalten oder dem letzten Erfolgseintritt, sondern sukzessiv mit dem jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhalten bzw. dem jeweiligen Erfolgseintritt. Was den Verjährungsbeginn eines vollendeten Delikts anbelangt, ist Schmitz insofern zuzustimmen, als er das Kriterium der Tatbeendigung für den Verjährungsbeginn mit der Ratio des Verjährungsrechts als unvereinbar verworfen hat. In Übereinstimmung mit dem hier vertretenen Standpunkt findet nach Schmitz jedes deliktische Verhalten seinen Strafgrund in dem Normbruch und, wenn es ein Erfolgsdelikt ist, auch in dem dadurch herbeigeführten Erfolg. Daher hängt das Strafbedürfnis nicht von der Beendigung des Delikts ab, sondern von der (jeweiligen) Tatvollendung.404 Der Beendigungsbegriff in Satz 1 hat nur dort eine vom Vollendungsbegriff abweichende Bedeutung, wo das tatbestandsmäßige Verhalten lediglich einen Versuch bzw. eine Vorbereitungshandlung darstellt.405
C. Beendigungsbegriff im intertemporalen Strafanwendungsrecht In diesem Kapitel wird der gesetzlich verwendete Beendigungsbegriff in § 2 Abs. 2 untersucht. Es stellt sich die Frage, ob darunter der Abschluss einer Straftateinheit zu verstehen ist. Dies lässt sich zunächst anhand der ergänzenden Funktion des § 2 Abs. 2 gegenüber Abs. 1 grundsätzlich bejahen (s. u. I.). Die daraus resulitierende Rückwirkung des neueren Gesetzes wird jedoch wiederum durch die in der Litertatur vielfach befürworteten Einschränkungen des Anwendungsbereichs des § 2 Abs. 2 zurückgenommen, um Art. 103 Abs. 2 GG zu entsprechen (s. u. II.). In der Folge wird die Straftateinheit um des Rückwirkungsverbots willen im intertemporalen Strafanwendungsrecht getrennt. Der Beendigungsbegriff bedeutet somit den Abschluss des einzelnen tatbestandsmäßigen Verhaltens (s. u. III.). 404 405
Vgl. Schmitz, S. 223 ff. Hinweise bei Mitsch, Jura 2009, 534.
C. Beendigungsbegriff im intertemporalen Strafanwendungsrecht
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I. Einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten gemäß § 2 Abs. 2 In § 2 ist die zeitliche Geltung des Strafrechts geregelt. Nach h. M. konkretisiert diese Vorschrift das Rückwirkungsverbot.406 Grundsätzlich werden Strafe und Nebenfolgen nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz, § 2 Abs. 1, bestimmt. Nach § 8 Abs. 1 wird eine Tat zu der Zeit begangen, zu der der Täter gehandelt hat oder hätte handeln müssen. § 8 Abs. 2 stellt zudem klar, dass es nicht auf den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs ankommt. Entscheidend für die Tatzeit ist also allein der Zeitpunkt des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Eine Straftat kann über einen Zeitraum begangen werden, der sich vom Beginn des Versuchs bis zum Abschluss der (letzten) Handlung des Täters bzw. – im Fall des Unterlassens – bis zum Ablauf der letzten Erfolgsabwendungsmöglichkeit erstreckt.407 Für Straftaten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und damit in unterschiedliche Geltungszeiträume von Strafnormen fallen, lässt sich das zur Tatzeit geltende Gesetz nicht eindeutig aus § 2 Abs. 1 i. V. m. § 8 entnehmen. Daher stellt der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 klar, dass bei Gesetzesänderung „während der Tatbegehung“ das Gesetz anzuwenden ist, das bei „Beendigung der Tat“ gilt. Entsprechend dem Begriff der Tatbegehung i. S. des § 8 Abs. 1 wird unter „Beendigung der Tat“ nur die Beendigung des tatbestandsmäßigen Verhaltens des Täters verstanden.408 Dies ist beim aktiven Tun mit dem Aufgeben des Weiterhandelns gegeben. Beim Unterlassen kommt es darauf an, wie lange der Garant zur Abwendung des Erfolgs in der Lage ist.409 Dem Anschein nach entfaltet § 2 Abs. 2 eine präzisierende Funktion gegenüber § 2 Abs. 1 vor allem in zwei Konstellationen: Wenn das Gesetz bei partieller Tatbestandsverwirklichung geändert wird, stellt diese Vorschrift klar, dass der Zeitpunkt der Tatbegehung nicht der Beginn ist, sondern der Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Wird z. B. der Strafrahmen des Raubes verschärft, nachdem der Täter das Opfer niedergeschlagen, die Beute aber noch nicht weggenommen hat410, ist auf diesen Raub der verschärfte Strafrahmen anwendbar. Eine weitere Funktion dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Gesetzesänderung während einer aus mehreren formellen Tatbestandsverwirklichungen bestehenden Straftateinheit 406 407 408 409 410
Vgl. nur Lackner/Kühl, § 2 Rn. 1; S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 1. MK-Schmitz, § 2 Rn. 2. LK-Dannecker, § 2 Rn. 47. LK-Dannecker, § 2 Rn. 47. Beispiel aus Jakobs, 4/61.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
stattfindet, also insbesondere bei Dauerdelikten und Fortsetzungstaten.411 § 2 Abs. 2 führt dazu, dass z. B. der während der Trunkenheitsfahrt in Kraft tretende verschärfte Strafrahmen auf die gesamte Trunkenheitsfahrt angewendet werden kann. Beide Konstellationen sind gemeinsam dadurch gekennzeichnet, dass es sich um ein einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten handelt, das aus mehreren Teilakten vor und nach der Gesetzesänderung besteht. Durch § 2 Abs. 2 wird gewährleistet, dass das einheitliche tatbestandsmäßige Verhalten auch hinsichtlich des Strafanwendungsrechts einheitlich zu beurteilen ist. Dies kommt auch eindeutig in der Begründung im 2. StrRG (1969) und wortgleich zuvor in § 2 Abs. 2 E 62 zum Ausdruck: „Aus der Einheitlichkeit der Dauerstraftaten und der fortgesetzten Handlung folgt die Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung.“412 Im Anschluss an die Terminologie von Kühl liegt dem § 2 Abs. 2 danach der Begriff der Verhaltensbeendigung zugrunde, obgleich es um Erfolgsoder Nicht-Erfolgsdelikte handelt. Die Erfolgsbeendigung ist wegen der für § 2 geltenden Vorgabe des § 8 Abs. 2 von vornherein belanglos. Das Auseinanderfallen zwischen Verhaltens- und Erfolgsbeendigung wird allerdings erheblich verringert, wenn man das dem aktiven Tun nachfolgende pflichtwidrige Unterlassen auch als tatbestandsmäßiges Verhalten ansieht.413 Denn dadurch wird das tatbestandsmäßige Verhalten bis zum Ablauf der Erfolgsabwendungsmöglichkeit verlängert, die regelmäßig vor dem Abschluss der Rechtsgutsverletzung liegt.414
II. Die rückwirkende Auswirkung des § 2 Abs. 2 und seine Einschränkung durch das Rückwirkungsverbot 1. Die Rückwirkung des neuen Gesetzes aufgrund der Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens Damit ist festzuhalten, dass sich der Beendigungsbegriff in § 2 Abs. 2 grundsätzlich auf die Straftateinheit bezieht. Allerdings darf man nicht ohne weiteres den allgemeinen Beendigungsbegriff anwenden, weil sich die Auslegung des Beendigungsbegriffs in dieser Vorschrift entscheidend am Grundgedanken des § 2 orientieren sollte. Es wird allgemein anerkannt, dass der Gesetzgeber durch § 2 Abs. 2 keine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot schaffen will.415 Seine Anwendung soll vielmehr dem Rück411
Statt vieler Lackner/Kühl, § 2 Rn. 2; MK-Schmitz, § 2 Rn. 12. BT-Drucks. IV/650 S. 106. Ebenso LK-Dannecker, § 2 Rn. 41; Lackner/Kühl, § 2 Rn. 2; Fischer, § 2 Rn. 3; Satzger, Jura 2006, 746 (748). 413 So etwa LK-Dannecker, § 2 Rn. 47; Kühl, Beendigung, S. 168 ff. 414 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 394; ferner Welp, S. 342. 412
C. Beendigungsbegriff im intertemporalen Strafanwendungsrecht
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wirkungsverbot entsprechen, und zwar dem neueren Gesetz keine unzulässige rückwirkende Geltung zumessen. Die Zugrundelegung des einheitlichen tatbestandsmäßigen Verhaltens in § 2 Abs. 2 hat aber unvermeidbar zur Folge, dass das neuere Gesetz die Anwendung auf die vor seinem Inkrafttreten ausgeführten Teilakte findet. Dies ist bei den o. g. Beispielen der Verschärfung des Strafrahmens bei Raub und bei Trunkenheitsfahrt erkennbar: Die Bestrafung der raubspezifischen Nötigungshandlung sowie der vor der Gesetzesänderung durchgeführten Trunkenheitsfahrt bestimmt sich nun nicht nach dem milderen Strafrahmen des älteren Gesetzes, sondern nach dem nachträglich verschärften Strafrahmen des neuen Gesetzes. Die rückwirkende Auswirkung des § 2 Abs. 2 belastet den Täter noch schwerwiegender, wenn es sich bei der Gesetzesänderung um eine nachträgliche Strafbegründung handelt. Die beiden daraus folgenden Konsequenzen lassen sich offensichtlich mit den Grundgedanken zum Rückwirkungsverbot nicht vereinbaren. Denn dieses Verbot stützt sich zum einen auf die Funktion des Strafgesetzes, den Täter zu rechtstreuem Verhalten anzuhalten.416 Eine nach Beginn der Tatbegehung erschwerte Bestrafung ist allerdings vom Täter unvorhersehbar und kann daher keine verhaltenssteuernde Funktion entfalten. Auch wenn der Täter nach dem Inkrafttreten des neueren Gesetzes damit rechnen könnte, dass seine Handlung nunmehr unter Strafe gestellt oder die Strafe verschärft wird, kann dies nichts daran ändern, dass die zuvor von ihm ausgeführten Teilakte nach dem neueren Gesetz in für ihn unvorhersehbar schwererem Maße bestraft werden. Zum anderen beruht das Rückwirkungsverbot auf dem Schuldgrundsatz, der erfordert, dass der Unrechtsgehalt einer Straftat bei seiner Verurteilung nicht höher bewertet wird als zur Tatzeit.417 Dem widersprechen genau die beiden aus § 2 Abs. 2 gezogenen Konsequenzen. Es entsteht daher das Erfordernis, diese sich aus der Anwendung des § 2 Abs. 2 ergebende unzulässige Rückwirkung des neueren Gesetzes zu beseitigen. 2. Einschränkung des § 2 Abs. 2 durch das Rückwirkungsverbot Um dem Rückwirkungsverbot Rechnung zu tragen, wird die Anwendung des § 2 Abs. 2 in der Rechtsprechung und Literatur auch überwiegend – entgegen dem Wortlaut – eingeschränkt, ohne dabei jedoch ausdrücklich auf die Grundannahme der Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens zu verzichten. 415 Vgl. LK-Dannecker, § 2 Rn. 41; MK-Schmitz, § 2 Rn. 12; NK-Hassemer/ Kargl, § 2 Rn. 15. 416 LK-Dannecker, § 1 Rn. 370 f. 417 BVerfGE 25, 269 (286).
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
Die Einschränkung erfolgt zunächst bei der nachträglichen Strafbegründung durch eine Gesetzesänderung.418 Wenn die Teilakte des tatbestandsmäßigen Verhaltens zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden sind, als sie noch nicht strafbar waren, müssen sie auch nach der Gesetzesänderung straffrei bleiben, selbst wenn die weiteren Teilakte desselben tatbestandsmäßigen Verhaltens innerhalb des Geltungszeitraums des neuen Strafgesetzes liegen.419 Beispielsweise bleibt der Täter bei der Einführung des Straftatbestands der Vorteilsannahme bei Drittbegünstigung nach § 331 n. F. straflos, wenn die Grundvereinbarung zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch straflos und erst bei Annahme der Vorteile strafbar war.420 Wer zur Zeit des Inkrafttretens von § 326 Abs. 1 unbefugt Gifte außerhalb einer zulässigen Anlage gelagert hatte, kann nur für das nach Geltungsbeginn vollzogene Verhalten (Tun oder Unterlassen) nach dieser Vorschrift bestraft werden. Das vorangegangene Verhalten bleibt also ebenfalls straffrei.421 Darüber hinaus wird § 2 Abs. 2 auch bei der nachträglichen Strafverschärfung nicht angewendet, wenn es sich bei den vor und nach der Gesetzesänderung vorgenommenen Teilakten um ein unteilbares tatbestandsmäßiges Verhalten handelt. Bei der Verschärfung des Strafrahmens während der Begehung des Raubes kommt z. B. lediglich das bei Beginn der Begehung geltende mildere Gesetz zur Anwendung, weil sonst das neuere Gesetz rückwirkend angewendet werden würde.422 Bei Dauerdelikten und Fortsetzungstaten, wobei die Straftateinheit aus einer Vielzahl von im Prinzip unterscheidbaren Tatbestandshandlungen besteht, wird § 2 Abs. 2 demgegenüber angewendet.423 Bei dem o. g. Beispiel der Strafrahmenverschärfung für die Trunkenheitsfahrt gilt demnach der verschärfte Strafrahmen auch für diejenigen Handlungsteile, die noch unter dem älteren Rechtszustand begangen worden sind. Beachtenswerterweise wird die Geltungskraft des neuen Gesetzes nach h. M. wiederum dadurch relativiert, dass bei der Strafzumessung den früheren Handlungsteilen kein größeres Gewicht beigemessen werden darf als sie nach dem milderen Recht gehabt hätten.424 418
Ob die Einführung eines neuen Straftatbestands noch unter § 2 Abs. 2 subsumiert werden kann, ist umstritten. Bejahend z. B. S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 15; Jakobs, 4/58 ff.; verneinend LK-Dannecker, § 2 Rn. 40. 419 LK-Dannecker, § 2 Rn. 40; ebenso MK-Schmitz, § 2 Rn. 13; Jakobs, 4/59; S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 15; Satzger, Jura 2006, 746 (748). 420 OLG Stuttgart NJW 2003, 228. 421 Jakobs, 4/59. 422 Vgl. Jakobs, 4/61; MK-Schmitz, § 2 Rn. 14; LK-Dannecker, § 2 Rn. 51. 423 MK-Schmitz, § 2 Rn. 16; LK-Dannecker, § 2 Rn. 52. 424 Vgl. BGH wistra 1999, 465; BayOLG NJW 1996, 1422; MK-Schmitz, § 2 Rn. 16; S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 14; Fischer, § 2 Rn. 3.
C. Beendigungsbegriff im intertemporalen Strafanwendungsrecht
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§ 2 Abs. 2 bleibt schließlich nur dort uneingeschränkt anzuwenden, wo die Gesetzesänderung in einer Strafmilderung oder der völligen Aufhebung der Strafbarkeit besteht. Denn die Anwendung des bei Beendigung des tatbestandsmäßigen Verhaltens geltenden Gesetzes auch auf die früheren Teilakte führt nur zur Rückwirkung des neuen Gesetzes zu Gunsten des Täters. 3. Faktische Aufgabe der Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens Mit diesen im Schrifttum vielfach vorgenommenen Einschränkungen wird § 2 Abs. 2 faktisch bedeutungslos gemacht.425 Bei nachträglicher Strafbegründung vermag es die Straftateinheit nicht, straflose Teilakte nachträglich in die Strafbarkeit einzubeziehen.426 § 2 Abs. 2 besagt insoweit nicht mehr als § 2 Abs. 1 darüber, als dass sich die Strafbarkeit eines Verhaltens nur nach dem Gesetz bestimmt, das zum Zeitpunkt des Handlungsvollzugs oder des Handeln-Müssens gilt. Das gilt ebenso in der Konstellation der nachträglichen Strafverschärfung. Wenn nach h. M. frühere Teilakte bei der Strafzumessung nicht nach dem neuen Gesetz zu bewerten sind, bedeutet dies nichts anderes als dass das „bei Beendigung der Tat“ geltende Gesetz nicht auf die vor seinem Inkrafttreten vorgenommenen Teilakte angewendet werden soll. In der Folge gilt das ältere Gesetz weiterhin für den von ihm erfassten alten Tatanteil, und das neuere Gesetz lediglich für den neuen Tatanteil427, auch wenn die beiden Teilakte zusammenfassend als einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten angesehen werden. Die Grundannahme des § 2 Abs. 2, wonach ein einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten auch hinsichtlich des Strafanwendungsrechts eine einheitliche Beurteilung erfordere, ist damit nur formal gewährleistet, aber faktisch bereits aufgegeben. Diese getrennte Beurteilung für ein einheitliches tatbestandsmäßiges Verhalten hätte sich allerdings ohne Heranziehung des § 2 Abs. 2 schon aus § 2 Abs. 1 ergeben, wonach die Strafen jeweils nach dem geltenden Gesetz zum Zeitpunkt des einzelnen tatbestandsmäßigen Verhaltens bestimmt werden. Die faktische Bedeutungslosigkeit von § 2 Abs. 2 ändert sich nicht dadurch, dass er bei nachträglicher Strafmilderung oder Aufhebung der Straf425 Jakobs, 4/58: „Diese Regelung ist höchst missverständlich formuliert und sachlich bedeutungslos.“ Ebenso MK-Schmitz, § 2 Rn. 12; NK-Hassemer/Kargl, § 2 Rn. 15 (sie hat „kaum eine eigenständige Bedeutung“). Demgegenüber sieht LKDannecker, § 2 Rn. 43 in dieser Regelung noch eine präzisierende Funktion des § 2 Abs. 1. 426 So ausdrücklich LK-Dannecker, § 2 Rn. 40. 427 Sachlich ebenso Jakobs, 4/61.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
barkeit uneingeschränkt angewendet werden kann. Dass das neuere Gesetz auf das gesamte tatbestandsmäßige Verhalten anzuwenden ist, ergibt sich bereits aus dem Zusammenwirken von § 2 Abs. 1 und Abs. 3.428 Aufgrund von § 2 Abs. 1 gilt für den neuen Tatanteil ohne weiteres das neue Gesetz. Für den alten Tatanteil gilt ebenfalls das neue Gesetz, weil es nach § 2 Abs. 3 zum Zeitpunkt der Entscheidung „das mildeste Gesetz“ ist. Um dasselbe Ergebnis zu erzielen, braucht man also nicht die Annahme, dass die Tatanteile vor und nach der Gesetzesänderung eine Einheit bilden. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2, die sich geradezu auf einer solchen Vorstellung gründet, ist daher insoweit überflüssig. Somit ist die „Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens“ unter dem Aspekt des Rückwirkungsverbots des Art. 103 Abs. 2 GG nicht erforderlich, sondern bleibt ein Fremdkörper. Durch die vielen Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 2 Abs. 2 wird die ihm zugrundeliegende Vorstellung völlig aufgegeben, denn das „einheitliche“ tatbestandsmäßige Verhalten wird aufgrund der Gesetzesänderung faktisch getrennt.
III. Konsequenzen für den Tat- und Beendigungsbegriff Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Konflikt zwischen dem sog. Erfordernis der einheitlichen Beurteilung einer Straftateinheit und dem Rückwirkungsverbot zu Gunsten des letzteren aufzulösen ist. Die Einheitlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens ist im Strafanwendungsrecht sachlich irrelevant. Damit ist nämlich unter „Tat“ nicht die Straftateinheit i. S. der Konkurrenzlehre, sondern das einzelne tatbestandsmäßige Verhalten zu verstehen. Ob sich das tatbestandsmäßige Verhalten zur Tatvollendung entwickelt, und ob mehrere tatbestandsmäßige Verhalten zu einer Straftateinheit zusammengefasst werden und damit eine Beendigungsphase dieser Straftat entstehen könnte, sind Fragen, die für die Ermittlung des anzuwendenden Gesetzes nicht relevant sind. Dies gilt ebenso für Dauerdelikte. Wenn der Täter das Opfer einsperrt und nachfolgend durch Unterlassen diesen rechtswidrigen Zustand aufrechterhält, ist das anzuwendende Gesetz jeweils hinsichtlich des einzelnen tatbestandsmäßigen Verhaltens, entweder aktiven Tuns oder passiven Unterlassens, zu ermitteln.429 Jakobs ist darin 428
So Jakobs, 4/60. Ein weiteres Beispiel: Der Strafrahmen des § 267 Abs. 1 wird erhöht, nachdem der Täter zwar die Urkunde gefälscht hat, aber von dieser noch nicht plangemäß Gebrauch gemacht hat. Wäre für den Tatbegriff gemäß § 2 Abs. 2 auf die Straftateinheit abzustellen, müsste der verschärfte Strafrahmen zum Zeitpunkt des Gebrauchens der Urkunde für die Gesamtheit der Tat nach § 267 Abs. 1 gelten. Die „tatsächliche“ Fortgeltung des älteren Gesetzes würde nur bei der Strafzumessung 429
D. Zusammenfassung des Zweiten Teils
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uneingeschränkt zuzustimmen: „Mit einer pflichtwidrigen Unterlassung, die einer Handlung nachfolgt, beginnt eine weitere Tatzeit, ohne dass es auf die Art der Konkurrenz von Handlung und Unterlassung ankäme.“430 Dieser eingegrenzte Tatbegriff beschränkt den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 erheblich, der gegenüber § 2 Abs. 1 nur dann eigenständige Bedeutung hätte, wenn der Beendigungsbegriff in gewissem Maße vom tatbestandsmäßigen Verhalten gelöst würde und damit die entscheidende Tatzeit hinausschöbe. Wenn z. B. die Strafandrohung des § 242 nach der Begründung des Gewahrsams, aber vor seiner gewissen Sicherung erhöht wird, könnte gemäß § 2 Abs. 2 für den vollendeten Diebstahl der erhöhte Strafrahmen gelten, weil dieser „bei Beendigung der Tat“, also bei der Gewahrsamssicherung, gilt. Diese Interpretation ist zwar vom Wortlaut erlaubt, führt aber letztlich zum Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot. Denn der verschärfte Strafrahmen würde rückwirkend auf das tatbestandsmäßige Verhalten angewendet, das vor dem Inkrafttreten des neueren Gesetzes abgeschlossen ist. Diese teleologische Überlegung verbietet mithin einen Beendigungsbegriff, der gewissermaßen „außerhalb“ des tatbestandsmäßigen Verhaltens liegt. „Beendigung der Tat“ gemäß Abs. 2 kann nur der letzte Teilakt eines tatbestandsmäßigen Verhaltens sein. Im Beispielsfall ist die Beendigung des Diebstahls nämlich der letzte Akt des Täters, mit dem der neue Gewahrsam hinreichend begründet wird. Die Änderung der Strafandrohung während der Sicherung des Gewahrsams ist eine Gesetzesänderung „nach“ der Tatbegehung, für die das Meistbegünstigungsprinzip gemäß § 2 Abs. 3 gilt. Somit ist die „Beendigung der Tat“ ein Zeitpunkt, der innerhalb der nach § 8 bestimmten „Zeit der Tat“ liegt. Sie bezieht sich auf den Abschluss des tatbestandsmäßigen Verhaltens jeder Straftat. § 2 Abs. 2 kommt daher de lege lata keine eigenständige Bedeutung gegenüber § 2 Abs. 1 zu. De lege ferenda sollte § 2 Abs. 2 abgeschafft werden.
D. Zusammenfassung des Zweiten Teils Die teleologische Analyse des Beendigungsbegriffs in § 78 a und in § 2 Abs. 2 ergibt folgendes: Aus dem Grundgedanken des Verjährungsrechts, i. e. dass die Verjährung auf dem Schwinden des positiv generalpräventiven Bedürfnisses basiert, ist abzuleiten, dass sich der Verjährungsbeginn entweberücksichtigt. Nach der hier vertretenen Ansicht sind von vornherein für Fälschen und Gebrauchen der Urkunde jeweils das ältere und das frühere Gesetz anzuwenden, und zwar ohne Rücksicht auf ihr Konkurrenzverhältnis. 430 Jakobs, 4/54.
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2. Teil: Beendigungsbegriff im Verjährungs- und Strafanwendungsrecht
der auf den jeweiligen tatbestandsmäßigen Erfolgseintritt (§ 78 a S. 2) oder auf den Abschluss des jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhaltens (§ 78 a S. 1) bezieht. Unter Zugrundelegung des Rückwirkungsverbots ist die „Beendigung der Tat“ in § 2 Abs. 2, die für die Bestimmung des anzuwendenden Gesetzes maßgeblich ist, in Anlehnung an § 8 zu ermitteln. Infolgedessen ist das Merkmal „Tatbeendigung“ in beiden Vorschriften so auszulegen, dass darunter der Abschluss des jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhaltens zu verstehen ist. Der Beendigungsbegriff i. S. des Abschlusses einer Straftateinheit ist mithin bedeutungslos.
Dritter Teil
Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen A. Einführung Nach der Untersuchung des gesetzlichen Beendigungsbegriffs im Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrecht soll nun der Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen analysiert werden, wo er in den einschlägigen Regelungen bisher nicht erwähnt ist. Nach dem hier vertretenen methodischen Ansatz sollte man sich zunächst mit den einzelnen Regelungen des jeweiligen Rechtsbereichs befassen, um die Relevanz des Beendigungsbegriffs beurteilen zu können. Seine Relevanz ist nur dann zu bejahen, wenn er über den Inhalt eines oder mehrerer gesetzlicher Tatbestandsmerkmale in einer Regelung entscheidet. Dann erst stellt sich die Frage, wie der Beendigungsbegriff im Hinblick auf Semantik und Ratio der einschlägigen Regelung bzw. im Hinblick auf den jeweiligen Tatbestand des einzelnen Delikts ausgelegt werden sollte. Daher ist nachfolgend das jeweilige Problem dieser Rechtsbereiche spezifisch zu befassen. Das Ergebnis aus einem Rechtsbereich lässt sich nicht auf andere übertragen, obschon sie teilweise eine gemeinsame Problematik aufwerfen. Dies wird besonders deutlich bei der Festlegung der Tatbeendigung des einzelnen Eigentums- und Vermögensdelikts gemacht. Im Vordergrund steht die Reichweite des Wegnahmebegriffs in den Straftatbeständen der §§ 242 und 249. Der Wegnahmebegriff entscheidet nicht nur über den maßgeblichen Zeitraum für den qualifizierenden Umstand in den §§ 244, 250, sondern auch über den tauglichen Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation des Raubes (§ 251). Überdies bestimmt er den Umfang der beteiligungsfähigen Haupttat beim Diebstahl und beim Raub. Schließlich kann er einen wesentlichen Einfluss auf die zeitliche Abgrenzung des Anschlussdelikts zum vorangegangenen Diebstahl bzw. Raub haben. Die folgende Untersuchung trägt diesem engen Zusammenhang zwischen der Auslegung qualifizierender Tatbeständen, Anschlussdelikten und der zeitlichen Grenze bei der Beteiligung an Eigentums- und Vermögensdelikten Rechnung. Zunächst interessiert, ob der Beendigungsbegriff den maßgebenden Zeitraum des qualifizierenden Umstandes gemäß §§ 244, 250, 251 erweitert; danach, ob die Straftatbestände des Anschlussdelikts erst
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
nach der Beendigung der Vortat zur Anwendung kommen (s. u. B.). Daraus ergeben sich dann erst die Grundlagen der Behandlung der sukzessiven Beteiligung (s. u. C.). Die Tatbeendigung in der Vorsatz- und der Konkurrenzlehre hängt damit weniger zusammen und wird deshalb erst in den anschließenden Kapiteln (s. u. D., E.) untersucht. Am Schluss dieses Teils werden die Ergebnisse in allen Rechtsbereichen zusammenfassend gewürdigt, um die „richtige“ Rolle des Beendigungsbegriffs zu bestimmen.
B. Der Beendigungsbegriff und die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale Bei der Tatbeendigung handelt es sich um die Frage der zeitlichen Dimension einzelner Merkmale des Straftatbestands. Der Beendigungsbegriff ist für die zeitliche Grenze eines Straftatbestands bei zwei Tatbestandstypen besonders relevant: zum einen den qualifizierten Delikten. Dabei ist umstritten, ob ein qualifizierender Umstand, der erst in der Beendigungsphase des Grunddelikts auftaucht, dies qualifiziert. Dies ist in der Praxis vor allem beim schweren Diebstahl (§ 244) und beim schweren sowie erfolgsqualifizierten Raub (§§ 250, 251) von großer Bedeutung (s. u. I.). Zum anderen gehören die Straftatbestände des Anschlussdelikts, dessen Begehung das Vorliegen einer Vortat voraussetzt, ebenfalls hierher. Hierzu zählen diejenigen Straftatbestände, die im 21. Abschnitt des Strafgesetzbuchs zusammengefasst sind, nämlich: Begünstigung (§ 257), Strafvereitelung (§§ 258 f.), Hehlerei (§§ 259 ff.) sowie Geldwäsche (§ 261)431 (s. u. II.). Dazu gehört ebenfalls der räuberische Diebstahl (§ 252), weil er einen Diebstahl als Vortat voraussetzt432 (s. u. III.). Die Frage, in welchem zeitlichen Verhältnis zur Vortat die tatbestandsmäßige Anschlusshandlung stehen muss, ist umstritten, besonders, wenn der Anschlusstäter schon in der Beendigungsphase der Vortat gehandelt hat. Ein solcher Täter könnte nämlich entweder wegen Beteiligung an der Vortat oder wegen der Anschlusstat strafbar sein. Wie Vortatbeteiligung und Anschlusstat abzugrenzen sind, bildet den hauptsächlichen Streitpunkt. In diesem Kapitel wird untersucht, ob der Beendigungsbegriff für die Auslegung dieser Straftatbestände überhaupt eine Rolle spielt, und im bejahenden Fall, wie er sich darauf auswirkt. Das hängt vor allem davon ab, welche innertatbestandliche Funktion dem jeweiligen Tatbestandsmerkmal 431
§ 261 wird hier nicht behandelt, da sich dort die hier interessierende Frage nicht stellt. 432 MK-Sander, § 252 Rn. 5; Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 12; Dehne-Niemann, Jura 2008, 742.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
153
zukommt. Auf sonstige Fragen des einzelnen Straftatbestands wird nur dann eingegangen, wenn es für die Feststellung der innertatbestandlichen Funktion des Beendigungsbegriffs unerlässlich ist.
I. Die Beendigungsphase des Grunddelikts als tauglicher Anknüpfungspunkt des qualifizierenden Umstandes (§§ 244, 250, 251) 1. Einteilung in Fallgruppen Der Beendigungsbegriff wird bei den Qualifikationstatbeständen der §§ 244, 250, 251 herangezogen. Es gibt zwei Fallgruppen433: Die erste Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass der Tatbestand mit dem Merkmal „bei der Tat“ (§§ 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a) oder „bei dem [Diebstahl]“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 1) ein Koinzidenzverhältnis zwischen Grunddelikt und qualifizierendem Umstand beschreibt. Der qualifizierende Umstand begleitet das Grunddelikt. Dazu gehören nicht nur der Diebstahl unter Beisichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs usw. (§ 244 Abs. 1 Nr. 1) und der Raub mit Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1), sondern auch der Raub mit schwerer körperlicher Misshandlung (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a). Ob die Zeitspanne zwischen Vollendung und Beendigung des Diebstahls (des Raubes) noch dem Koinzidenzerfordernis entspricht, wird uneinheitlich beantwortet (s. u. 2.). Eine andere Fallgruppe bilden die Qualifikationstatbestände, wobei das Grunddelikt durch Herbeiführung einer schweren Folge zu einem qualifizierten Delikt wird. Mit dem Merkmal „durch die Tat“ (§§ 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Abs. 2 Nr. 3 lit. b) oder „durch den Raub“ (§ 251) wird das Konditionalverhältnis zwischen Grunddelikt und qualifizierendem Umstand zum Ausdruck gebracht. Denn der qualifizierende Umstand resultiert aus dem Grunddelikt. Zu dieser Fallgruppe zählen die Gefährdungsqualifikation nach §§ 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c (Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung), Abs. 2 Nr. 3 lit. b (Gefahr des Todes) und die Verletzungserfolgsqualifikation nach § 251 (Tod eines anderen Menschen). Anders als bei der ersten Fallgruppe kommt hier nur Raub als Grunddelikt in Betracht, weil es zurzeit keinen solchen Qualifikationstatbestand für den Diebstahl gibt. Insoweit taucht im Zusammenhang mit der Beendigung des Raubes die Frage auf, ob Handlungen zwischen Vollendung und Beendigung zur „Tat“ gehören. Ob sich z. B. der Räuber, der bei der Flucht zur Beutesicherung einen 433 Dieselbe Einteilung, aber mit abweichender Terminologie bei Kühl, JuS 2002, 729 (734): „normale“ Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Verfolger leichtfertig erschossen hat, nach § 251 strafbar macht, hängt davon ab, ob sich das Merkmal „Tat“ auf diese die Beute sichernde Handlung erstreckt. (s. u. 3.) Die Probleme bei beiden Gruppen sind gemeinsam durch den Konflikt zwischen Gesetzlichkeitsprinzip auf der einen und besonderer Gefährlichkeit der Tatbegehung auf der anderen Seite gekennzeichnet. Diese Einteilung hat jedoch vor allem den Sinn, den sachlichen Unterschied des Zurechnungsproblems zwischen den beiden Fallgruppen zu betonen. In der ersten Gruppe wird mit dem Koinzidenzverhältnis nur die erhöhte abstrakte Gefährlichkeit des Grunddelikts ausgedrückt. Um diese abstrakte Gefährlichkeit zu verwirklichen braucht der qualifizierende Umstand nur während des Grunddelikts zu geschehen. Hingegen charakterisiert das Konditionalverhältnis der zweiten Gruppe vor allem die Realisierung der konkreten Lebens- oder Gesundheitsgefährdung oder des tödlichen Erfolgs durch das Grunddelikt.434 Dafür genügt nicht die Gleichzeitigkeit, sondern der funktionale Zusammenhang zwischen Grunddelikt und qualifizierendem Umstand. Die Probleme von beiden Fallgruppen sind daher nicht in vollem Maße identisch und bedürfen jeweils spezifischer Überlegungen. 2. Beendigungsbegriff und Koinzidenzverhältnis a) Meinungsstand zum maßgebenden Zeitraum des Grunddelikts aa) Die Rechtsprechung: Beendigung als das Ende des Zeitraums des Grunddelikts Über das Koinzidenzverhältnis in den §§ 244 Abs. 1 Nr. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a herrscht Uneinigkeit. Unstreitig sind Fälle, in denen der qualifizierende Umstand zwischen Versuch und Vollendung des Grunddelikts liegt.435 Die Rechtsprechung436 spricht weiterhin von der Erstreckung der Beendigungsphase des Grunddelikts in den Zeitraum der „Tat“, unabhängig davon, ob der Straftatbestand in dieser Zeitspanne noch verwirklicht wird. Der BGH hat 1965437 das Merkmal „Bei Begehung der Tat“ in § 250 Abs. 1 Nr. 1 a. F. dahin interpretiert, dass der Täter die Waffe nur „in irgendeinem Zeitpunkt während des ganzen Tathergangs“ bei sich führen müsse. Unter „Tathergang“ versteht der BGH „nicht nur die Verwirklichung der Tat434
Vgl. nur HK-GS/Duttge, § 244 Rn. 1; § 250 Rn. 1; § 251 Rn. 1. Vgl. Rengier, BT/1, § 4 Rn. 47; Kindhäuser, BT/2, § 4 Rn. 20; Lackner/ Kühl, § 244 Rn. 2 m. w. N. 436 Grundlegend BGHSt 20, 194 (197); 31, 105 (107); BGH StV 1988, 429. 437 BGHSt 20, 194 (197), vgl. auch das folgende Zitat. 435
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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bestandsmerkmale bis zur Vollendung des Raubes, sondern das ganze Geschehen bis zu dessen tatsächlicher Beendigung“. Begründet wird dies mit dem Normzweck, i. e. die Verhinderung der besonderen Gefährlichkeit des Räubers, aufgrund derer es keinen Unterschied mache, „ob er eine Waffe bei der Wegnahme oder erst bei der mit ihr in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden weiteren Verwirklichung seiner Zueignungsabsicht mit sich führt.“ Dies gilt aber nur bei erfolgreichem Raub, wo eine Flucht mit Beute in Betracht kommt. Beim Raubversuch gehört „die Flucht nach dem fehlgeschlagenen Versuch“ nicht zum Tathergang, weil „mit dem Scheitern des Überfalls die Tat beendet [war].“438 Diese grundlegende Rechtsprechung wird zunächst von ihren Befürwortern auf den Qualifikationstatbestand des Diebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 übertragen.439 Da als Grunddelikt des § 250 auch der räuberische Diebstahl (§ 252) und die räuberische Erpressung (§ 255) in Betracht kommen, wird diese Rechtsprechung darauf auch angwendet. In einem Fall des räuberischen Diebstahls, bei dem der Täter nach der Vollendung seiner Tat durch den Einsatz des Pfeffersprays lediglich seine Flucht ermöglichen wollte, hat der 5. Strafsenat des BGH die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 verneint, weil dieses gefährliche Tatmittel nicht zur Verwirklichung der raubspezifischen Nötigung verwendet werde.440 Nur „der Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels zur Sicherung des durch den Diebstahl Erlangten“ begründe den besonderen Unrechtsgehalt des nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 qualifizierten räuberischen Diebstahls.441 Im Fall der räuberischen Erpressung entschied der 4. Strafsenat des BGH für die Qualifikation der Begehung auf einem öffentlichen Weg nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 a. F. dahingehend, dass sie vor der Beendigung der Erpressung noch verwirklicht werden kann, soweit der Täter das Nötigungsmittel „nach Vollendung der Erpressung in unmittelbarem zeit- und örtlichen Zusammenhang auf einem 438
BGHSt 31, 105 (107). Im Ergebnis zustimmend Kühl, JR 1983, 425 (427 f.); Hruschka, JZ 1983, 217 (218). Dass die Flucht mit Beute noch als Teil der Raubhandlung anzusehen ist, eine Flucht ohne Beute dagegen nicht, hält Hruschka für eine unplausible „Diskontinuität“ der Beendigungsdoktrin. Kühl weist jedoch zu Recht auf den normativen Gesichtspunkt hin, dass es bei der Flucht nach fehlgeschlagenem Raubversuch keine Intensivierung der Rechtsgutsverletzung gibt, während die Flucht mit Beute die Rechtsstellung des Opfers weiter verschlechtert. Die Differenzierung stellt keine „Diskontinuität“ dar, sondern erklärt sich damit, dass die Tatbeendigung in den beiden Fällen gleichermaßen in dem endgültigen Abschluss des Rechtsgutsangriffs liegt. 439 S/S-Eser/Bosch, § 244 Rn. 20; Fischer, § 244 Rn. 29; Heghmanns, BT, Rn. 1104. 440 BGHSt 52, 376 (377). 441 BGHSt 52, 376 (378). Insoweit zustimmend Deiters, ZJS 2008, 672 (674); Mitsch, JR 2009, 298.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
öffentlichen Weg fortsetzt, um sich den Besitz der Beute zu sichern.“442 Neuerdings betont der 5. Strafsenat des BGH für die Qualifikation der §§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a, dass die nach der Tatvollendung begangene schwere Misshandlung nicht nur einen räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit Raub (räuberischer Erpressung) habe, sondern auch „weiterhin von Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht getragen“ sein müsse, also „insbesondere der Beutesicherung oder der Erlangung weiterer Beute“ diene.443 Diese Auffassung erhält in der Lehre nur teilweise Zustimmung.444 Dafür spreche nach Eser die zusätzliche Überlegung, dass eine exakte Abgrenzung von Vollendung und qualifizierter Beendigung unmöglich sei und damit die Zurechenbarkeit des qualifizierenden Umstandes u. U. von der Größe des Wegnahmeobjekts abhänge.445 bb) Die herrschende Meinung: Vollendung als das Ende des Zeitraums des Grunddelikts Demgegenüber erweckt die Erstreckung des maßgeblichen Zeitraums auf die Beendigungsphase des Grunddelikts überwiegende Bedenken in der Literatur. Dies gilt insbesondere für den schweren Raub gemäß § 250. Als zweifelhaft sei bereits die empirische Belegbarkeit einer spezifischen Gefährlichkeit in der Beendigungsphase des Raubes angesehen446. Die Einwände gehen aber vor allem von einem Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip und einem Widerspruch zur Gesetzessystematik aus, was entsprechend für die erweiterte Auslegung des Qualifikationstatbestands des § 244 Abs. 1 Nr. 1 gilt. Es wird überwiegend geltend gemacht, dass die Beutesicherung keine tatbestandsmäßige Wegnahmehandlung mehr darstelle, die mit der Begründung neuen Gewahrsams abgeschlossen sei.447 Da das Koinzidenzverhältnis sich auf die „Tat“ selbst beziehe, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 nur das tat442
BGHSt 22, 227 (229). BGH, Urteil. v. 25.3.2009 – 5 StR 31/09 (LG Berlin) – Amtlicher Leitsatz. Kritik dazu Dehne-Niemann, ZIS 2009, 376 (378 f.); Kraatz, Jura 2009, 852 (856); Nestler, JR 2010, 100 (101 f.). 444 Z. B. Krey/Hellmann, BT/2, § 1 Rn. 136 d; S/S-Eser/Bosch, § 244 Rn. 7; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 33 Rn. 121; LK11-Ruß § 244 Rn. 5. 445 S/S-Eser/Bosch, § 250 Rn. 10. 446 MK-Sander, § 250 Rn. 35; HK-GS/Duttge, § 250 Rn. 20. Kritisch ferner Isenbeck, NJW 1965, 2326 (2328 f.). 447 Näher dazu LK11-Herdegen § 250 Rn. 11; Scholderer, StV 1988, 429; Kraatz, Jura 2009, 852 (855); Lackner/Kühl, § 244 Rn. 2; ders., JuS 2002, 729 (734); HKGS/Duttge, § 244 Rn. 18; Eisele, BT/2, Rn. 174; Mitsch, BT/2-1, § 1 Rn. 238; Kindhäuser, BT/2, § 4 Rn. 20; Wessels/Hillenkamp, Rn. 256; Rengier, BT/1, § 4 Rn. 49; 443
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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bestandsmäßige Tatgeschehen umfasse, also die Raub- oder Diebstahlshandlung, würde die Einbeziehung der Beutesicherungsphase in den Tatbegriff die Wortlautgrenze des Tatbestands verletzen. Die Rechtsprechung verstoße also gegen das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG. Noch schwerer wiegt die gesetzessystematische Überlegung, dass bei Diebstahl und Raub die Phase der Beutesicherung durch § 252 abschließend geregelt sei. Der Gesetzgeber habe zwar die besondere Gefährlichkeit des Täters nach Vollendung des Diebstahls (auch des Raubes) beobachtet, er verfolge jedoch kein lückenloses Entgegenwirken gegen diese Gefährlichkeit. § 252 verbiete nur die Gefährlichkeit, die sich aus dem Einsatz des Nötigungsmittels ergebe, das auf frischer Tat stattfinde und von der Absicht der Besitzerhaltung des Diebesguts getragen sei. Diese gesetzlichen Beschränkungen würden umgangen, wenn man die qualifizierenden Umstände in der gesamten Beendigungsphase des Raubes in den Anwendungsbereich des § 250 mit einbeziehe.448 Nach alledem nimmt die h. M. in der Literatur den Standpunkt ein, dass die § 244 und § 250 grundsätzlich nur bis zur Vollendung des Grunddelikts anwendbar sind. Es sei denn, dass sich das Grunddelikt in Form der iterativen Begehung bis zur Beendigung erstreckt, weil insofern kein Verstoß gegen das Analogieverbot vorliegt.449 cc) Die differenzierende Position Im Schrifttum wird vereinzelt vertreten, das Merkmal „bei dem [Diebstahl]“ nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 sei großzügiger als das Merkmal „bei der Tat“ nach § 250 auszulegen. So spricht Weber zwar unter Berufung auf § 252 gegen die Anwendung des § 250 auf die qualifizierenden Umstände während der Beendigungsphase des Raubes, hält aber eine solche Ausweitung bei § 243 Nr. 1 Ziff. 5 a. F. sogar für geboten. Nach ihm liege die besondere Gefährlichkeit eines Diebstahls regelmäßig gerade im Waffengebrauch nach der Vollendung. Wenn der Täter davor die Waffe angewendet hätte, käme schon der Raub in Betracht.450 SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 10; MK-Schmitz, § 244 Rn. 21; MK-Sander, § 250 Rn. 34. Im Ergebnis auch Haft/Hilgendorf, S. 19; SSW-StGB/Kudlich, § 244 Rn. 17. 448 Vgl. Rengier, BT/1, § 4 Rn. 49; MK-Sander, § 250 Rn. 34; vgl. auch SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 10; Kühl, JuS 2002, 729 (734); Kühl/Schramm, JuS 2003, 681 (685); Scholderer, StV 1988, 429 (430); Sternberg-Lieben, JuS 1996, 136 (139); Kraatz, Jura 2009, 852 (855); Hau, S. 134; HK-GS/Duttge, § 244 Rn. 18; Eisele, BT/2, Rn. 174; Jescheck, FS-Welzel, 683 (698). 449 Wessels/Hillenkamp, Rn. 256. 450 Weber, JZ 1965, 418.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Zur geltenden Fassung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 haben auch Krey und Hellmann eine differenzierende Position eingenommen. Während die gesetzessystematische Überlegung im Hinblick auf § 252 bei ihnen zur restriktiven Auslegung des § 250 führt451, wollen sie aber den Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 1 auf die Beendigungsphase des Diebstahls erstrecken. Neben dem Aspekt der besonderen Gefährlichkeit führen sie dafür zwei weitere Argumente an: Im Wortlaut des Tatbestandsmerkmals „bei Begehung des Diebstahls“ liege keine Hindernis, die Beendigungsphase einzubeziehen, da es anders als das Wort „Wegnahme“ nicht zwingend auf die Phase bis zur Vollendung beschränkt sei. Danach verstoße die ständige Rechtsprechung nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Des Weiteren liege der Grund der Straferhöhung des Diebstahls mit Waffen gerade darin, dass der Täter sich mit qualifizierten Nötigungsmitteln ausstatte, die zur Ausübung von (Personen-)Gewalt bzw. zur Drohung geeignet seien. Es mache keinen Unterschied, zumal im Hinblick auf § 252, ob der Einsatz der Waffen bis zur Vollendung der Wegnahme oder bis zur Beendigung des Diebstahls strafbar wäre.452 b) Verhältnis zwischen Wegnahmebegriff und Gewahrsamssicherung Dieser Meinungsstand lässt erkennen, dass das Erfordernis der Gleichzeitigkeit zwischen Grunddelikt und qualifizierendem Umstand anerkannt ist. Der Streit geht vielmehr auf die uneinheitliche Festlegung von dessen Bezugspunkt „Tat“ (nämlich: „Raub“453) oder „Diebstahl“ zurück. Je weiter man den Begriff „Tat“(„Raub“) oder „Diebstahl“ versteht, desto größer wird der maßgebliche Zeitraum, um dem Koinzidenzerfordernis gerecht zu werden. Während die Rechtsprechung dazu tendiert, Diebstahl bzw. Raub als einen kontinuierlichen Prozess bis zur Beutesicherung zu begreifen, sieht die h. M. das Ende dieses Prozesses in der Gewahrsamsbegründung. Im Mittelpunkt der folgenden Analyse soll daher stehen, ob die beiden von h. M. angeführten Argumente ein solches restriktives Verständnis der Wegnahme begründen können. aa) Die Offenheit des Wortlautarguments (1) Der Streitpunkt: Die Wortlautgrenze der „Wegnahme“ Es ist zunächst zu bedenken, ob die Auffassung der Rechtsprechung auf eine Überschreitung des Wortlauts „Wegnahme“ hinausläuft. Die heftige 451 452 453
Krey/Hellmann, BT/2, § 3 Rn. 218. Krey/Hellmann, BT/2, § 1 Rn. 136 d; sachlich ebenso Hau, S. 136. Mitsch, JR 2009, 298 (299).
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Kritik der h. M. gründet sich darauf, dass das Merkmal „Wegnahme“ nur den Handlungsprozess zwischen Gewahrsamsbruch und -begründung an ein und derselben Sache beschreibt. Die nachfolgende Verfestigung oder Sicherung des bereits begründeten Gewahrsams stellt für sich genommen keine Wegnahme dar, weil es am Wechsel des Gewahrsams fehlt. Der Täter kann nur an einer anderen Sache nochmals den Gewahrsamswechsel herbeiführen, um das Merkmal „Wegnahme“ zu verwirklichen. Nur wenn mehrere aufeinander folgende Wegnahmehandlungen vermittels der Rechtsfigur natürlicher bzw. rechtlicher Handlungseinheit zu einem Diebstahl oder Raub zusammengefasst werden, kann die Wegnahme noch „verlängert“ werden. Im Ergebnis vermag der Wortlaut der Wegnahme einen Handlungsprozess, der aus mehrfachen Gewahrsamswechseln besteht, zu erfassen, nicht aber die an den jeweiligen Wechsel anschließende Gewahrsamssicherung. (2) Die Vereinbarkeit der Gewahrsamssicherung mit dem Wortlaut der „Wegnahme“ Dieser These der h. M. liegen zwei unausgesprochene Prämissen zugrunde, nämlich dass erstens die Gewahrsamssicherung nicht zu einem Teil des Gewahrsamswechsels gehört und dies zweitens auch vom Gesetzeswortlaut der Wegnahme zwingend gefordert wird. Fraglich ist, ob die beiden Prämissen zutreffen. Die erste Prämisse betrifft den Streit darüber, wann der neue Gewahrsam als begründet angesehen werden kann, damit das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ erfüllt wird454. Ohne auf diesen Streit einzugehen, muss man sich nur vergegenwärtigen, dass auf der Grundlage der Apprehensionstheorie die Vollendung des Diebstahls im Bruch eines fremden und der Begründung einer neuen Gewahrsams liegt. Um eine Sache erfolgreich wegzunehmen muss der durch das Ergreifen begründete Gewahrsam nicht gesichert werden. Dass die Gewahrsamssicherung nicht zu einem notwendigen Teil des Gewahrsamswechsels gehört, findet daher ihre Grundlage in der Apprehensionstheorie. Zweifelhaft ist aber die zweite Prämisse. Sie kann nur dann begründet werden, wenn die Apprehensionstheorie eine zwingende Konsequenz aus dem Wortlaut der „Wegnahme“ darstellt. Während Hruschka455 annimmt, dass sich das Gesetz mit der Aufnahme des Wortes „wegnehmen“ in dem Tatbestand des Diebstahls für die Apprehensionstheorie entschieden habe, hat Gössel456 plausibel nachgewiesen, dass „Wegnahme“ allenfalls die Kon454 455
Gössel, BT/2, § 7 Rn. 77. Hruschka, Rechtstexte, S. 67 f.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
traktionstheorie ausscheiden lässt, da beim bloßen Berühren schon in der Alltagssprache nicht die Rede von „Wegnehmen“ ist. Demzufolge wäre die Wortlautgrenze der Wegnahme nur dann überschritten, wenn keine Neubegründung des Gewahrsams gefordert werden würde.457 Eine derart weitgehende Auslegung schlägt allerdings de lege lata niemand vor. Den für die Wegnahme erforderlichen Verfestigungsgrad des neubegründeten Gewahrsams hat der Wortlaut der Wegnahme demgegenüber offen gelassen. Es erscheint semantisch sogar möglich, eine erfolgreiche Wegnahme erst dann anzunehmen, wenn der Dieb die Beute im eigenen gesicherten Bereich geborgen hat. Deshalb ergibt sich die Ausscheidung der Gewahrsamssicherung aus dem Wegnahmebegriff nicht zwingend aus der Wortlautgrenze. Der Einbeziehung der Gewahrsamssicherung steht das Merkmal der Wegnahme auch dann nicht zwingend entgegen, wenn es – wie Hruschka vertritt – die Folge der gesetzgeberischen Rezeption der Apprehensionstheorie wäre. Die allgemeine Akzeptanz der Apprehensionstheorie in der Rechtsprechung und Lehre gründet sich nicht darauf, dass sie am besten mit dem Wortlaut des Merkmals „Wegnahme“ im Einklang steht458, sondern, dass sie mit den geringsten Anforderungen an die Begründung eines neuen Gewahrsams den raschen strafrechtlichen Zugriff ermöglicht.459 Dass das Merkmal der Wegnahme mit der Begründung des Gewahrsams erfüllt wird, bedeutet nur, dass der Handlungsprozess bis zu diesem Stadium schon den Mindeststandard der Wegnahme erfüllt und somit die volle Strafbarkeit des Täters begründet. Es handelt sich dabei um eine Reduzierung des Kriteriums für die Wegnahme gegenüber der Ablations- und Illationstheorie. Die Apprehensionstheorie sagt aber nichts darüber, dass die dem Gewahrsamswechsel nachfolgende Phase zugleich aus dem Handlungsprozess der Wegnahme ausgeschieden werden muss.460 Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Annahme, dass die Gewahrsamssicherung an sich nicht zum Teil der Wegnahme gehöre461, schon nicht zweifelsfrei.
456 Näher dazu Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (604 ff.). Ferner vgl. Maurach/ Schroeder/Maiwald, § 33 Rn. 25. 457 Vgl. E.-J. Lampe, GA 1966, 225 (234). Lampe spricht sich aber de lege ferenda für den Verzicht auf diese Erfordernis aus und schlägt vor, die Tathandlung des Diebstahls so umzuschreiben: „Wer eine fremde Sache ihrem Besitzer entzieht . . .“ (S. 243). 458 Nach Gössel, ZStW 85 (1973), 591, 606 entspricht wohl das lateinische „auferre“ dem deutschen „wegnehmen“ am besten. 459 F.-C. Schroeder, JZ 1993, 418; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 33 Rn. 25. Ebenso Murmann, ZJS 2008, 456 (458). 460 Zutreffend F.-C. Schroeder, JZ 1993, 418. Kritisch aber Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (735).
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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(3) Fazit Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Einbeziehung der Gewahrsamssicherung in die Wegnahme der §§ 242, 249 noch innerhalb der Wortlautgrenze des Tatbestands liegt.462 Das Wortlautargument ist nicht so durchschlagend, wie die h. M. geglaubt hat, dass es die Auffassung der Rechtsprechung zu widerlegen vermag. Unter den Befürwortern der h. M. ist das Wortlautargument auch teilweise abgelehnt.463 Der Ansicht von Krey und Hellmann, wonach der Wortlaut des § 244 Abs. 1 die Phase der Gewahrsamssicherung erfassen könne, kann nur im Ergebnis zugestimmt werden. Das von ihnen herangezogene semantische Argument, dass zwischen „Wegnahme“ einerseits und „Diebstahl“ andererseits zu unterscheiden sei, ist hingegen zweifelhaft. Denn wenn gerade der Vollzug der Wegnahme den objektiven Tatbestand des Diebstahls erfüllt, muss sich der Zeitraum des Diebstahls allein danach bestimmen, wie lange die Wegnahme andauert. Deshalb muss der Abschluss des Diebstahls mit dem der Wegnahme zusammentreffen. Das bedeutet, dass die Reichweite der Wegnahme zugleich den Zeitraum der „Tat“ oder des „Diebstahls“ entscheidet. Einen überzeugenden Grund für ein davon abweichendes semantisches Verständnis haben die beiden Autoren auch nicht gegeben. bb) Gesetzessystematische Überlegungen Somit gewinnt die Gesetzessystematik im Hinblick auf die Regelung des § 252 eine wesentliche Bedeutung bei der Festlegung des Anwendungsbereichs der §§ 249, 250 usw. Die Vertreter der h. M. gehen davon aus, dass der Anwendungsbereich des § 252 gerade in der Phase zwischen Gewahrsamsbegründung und -sicherung eines vollendeten Diebstahls (bzw. Raubes) liege. Um dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen, sollte sich der Anwendungsbereich der §§ 250, 251 auf die Phase vor der Gewahrsamsbegründung beschränken. Fraglich ist aber, ob und wie man aus der Sonderregelung des § 252 die Reichweite des Wegnahmebegriffs i. S. des § 249 schließen kann.
461 Denn wenn der Täter schon der Gewahrsamsinhaber ist, ist es ihm unmöglich, in Bezug auf dieselbe Sache einen „fremden“ Gewahrsam zu brechen, und damit das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ zu verwirklichen. 462 Wohl ebenso Isenbeck, NJW 1965, 2326 (2328). 463 Im Ergebnis ebenso F.-C. Schroeder, JZ 1993, 52; A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 30; Schroth, NStZ 1999, 554.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
(1) Die Auffangfunktion des § 252 gegenüber § 249 Unstreitig ist § 252 lediglich ein Auffangtatbestand für § 249. Danach greift § 252 grundsätzlich nicht, wenn das Nötigungsmittel der Wegnahme dient und somit § 249 unmittelbar zur Anwendung kommt. Es gibt also grundsätzlich kein Bedürfnis nach Bestrafung „gleich dem Räuber“, soweit der Täter ohnehin wegen Raubes strafbar ist.464 Aufgrund seiner Auffangfunktion beginnt der Anwendungsbereich des § 252 erst mit dem Ende der Anwendbarkeit des § 249. Daraus lässt sich jedoch nicht ohne weiteres schließen, dass die Abgrenzung von den beiden Straftatbeständen gerade im Zeitpunkt der Gewahrsamsbegründung liegt. Denn die Auffangfunktion des § 252 wäre ebenfalls gewährleistet, wenn man das Ende der Anwendbarkeit des § 249 in den Zeitpunkt der Gewahrsamssicherung verlegen würde und danach § 252 anwenden ließe. Wer darauf besteht, dass der Anwendungsbereich des § 252 während der Gewahrsamsbegründung und -sicherungsphase des Diebstahls oder des Raubes nicht durch § 249 ausgeschlossen werde, befindet sich in einem gedanklichen Zirkelschluss. Denn die Gültigkeit dieses Arguments setzt die Feststellung voraus, dass § 249 für die Zeitspanne zwischen Begründung und Sicherung des Gewahrsams nicht anwendbar ist. Diese Prämisse ist aber gerade die hier zu beantwortende Frage.465 Demzufolge genügt der einfache Hinweis auf die Auffangfunktion des § 252 nicht, um die Reichweite des Wegnahmebegriffs des § 249 festzustellen. Man sollte vielmehr belegen, dass die Tatbestandsausgestaltung des § 252 einen zuverlässigen Anhaltspunkt dafür enthält, dass dessen Anwendungsbereich bereits mit der Gewahrsamsbegründung durch den Diebstahl beginnt. Daraus kann man umgekehrt schließen, dass sich der Wegnahmebegriff i. S. des § 249 nur auf die Gewahrsamsbegründung erstreckt. (2) Tatbestandsmerkmale des § 252 als Anhaltspunkte für den Rückschluss auf die Reichweite des Wegnahmebegriffs Mehrere Tatbestandsmerkmale in § 252 kommen für diesen Rückschluss in Betracht. Als ersten Anhaltspunkt könnte man das Vortatmerkmal „Diebstahl“ ins Feld führen. Sich auf das Vortatmerkmal zu berufen, wäre jedoch 464 Es sei denn, dass der Täter erst nach dem Abschluss des Raubes einen Qualifikationsgrund verwirklicht. Vgl. nur BGH NStZ 2002, 542 (544); MK-Sander, § 252 Rn. 20. 465 Dreher, MDR 1976, 529 (530) hat der h. M. vorgeworfen, dass sie mit § 252 den Tatbestand des Raubes selbst gleichsam von rückwärts einschränke.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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zirkelschlüssig, denn dieses Merkmal bezieht sich gerade auf den Wegnahmebegriff des § 242, dessen Reichweite erst noch zu klären ist. Des Weiteren könnte das Merkmal „auf frischer Tat“ die Anwendbarkeit des § 252 vor der Gewahrsamssicherung ermöglichen, weil nur davor noch von „frischer Tat“ gesprochen werden könne.466 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass „Tatfrische“ nur den engen raum-zeitlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen Tatgeschehen meint, der mit dem Verfestigungsgrad des Gewahrsams allerdings nicht zusammenhängt. Man kann auch ohne Schwierigkeiten die Gewahrsamssicherung in das Geschehen des Diebstahls einbeziehen und so die Grenze der Tatfrische bestimmen. Dreher argumentiert, „auf frischer Tat“ sei eine parallele Regelung zu § 127 StPO und könne den schon beendeten Diebstahl erfassen, insbesondere, weil dieses Merkmal seine Rechtfertigung im Prinzip des staatlichen Gewaltmonopols habe.467 Die Tatfrische kann demnach noch vorliegen, wenn die äußerlichen Umstände eine gewisse Beweiskraft haben, so dass die Tat als solche für das Opfer noch wahrnehmbar ist. Dem Ergebnis von Dreher kann man zwar nicht zustimmen, dabei wird aber die Offenheit der „Tatfrische“ gegenüber der Gewahrsamsbegründung sowie -sicherung aufgezeigt. Deshalb steht das Merkmal „auf frischer Tat“ der Möglichkeit nicht entgegen, dass § 252 erst nach der Gewahrsamssicherung durch den Vortäter zur Anwendung kommt. Zuletzt führt Mitsch überzeugend an, dass das Tatbestandsmerkmal „Besitzerhaltungsabsicht“ sich als gesetzlichen Anhaltspunkt dafür anbietet, den Einsatz von Nötigungsmitteln nach der Gewahrsamssicherung nicht mehr als das Bestreben nach Besitzerhaltung anzusehen.468 Denn ist das Gewahrsamsverhältnis des Täters schon in solchem Maß gesichert, dass der Einsatz von Nötigungsmitteln überhaupt nicht zur Verringerung der Gefahr des Gewahrsamsverlusts dient, verliert sich jede Ähnlichkeit zum Raub. Das Erfordernis der „Besitzerhaltungsabsicht“ legt nahe, dass § 252 schon in Betracht kommen muss, wenn der Täter den Besitz des Diebesgutes erworben hat, er also Gewahrsam begründet hat. Nur auf dieser Grundlage lässt sich feststellen, dass das Vortatmerkmal „Diebstahl“ nicht erst mit der Sicherung, sondern schon mit der Begründung des neuen Gewahrsams verwirklicht ist. Daraus darf man den Umkehrschluss ziehen, dass sich der Wegnahmebegriff i. S. des § 249 nur auf die Gewahrsamsbegründung erstreckt. Wer 466 Ebenso A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 19; HK-GS/Duttge, § 252 Rn. 7; Krey/ Hellmann, § 3 Rn. 208; LK11-Herdegen, § 252 Rn. 9; SSW-StGB/Kudlich, § 252 Rn. 7; Marlie, ZIS 2006, 40 (45). Weitere Kritik bei Weber, JZ 1965, 418 (419) mit Fn. 2. 467 Dreher, MDR 1976, 529 (531); ders., MDR 1979, 529 (531). 468 Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 39.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
nach der Begründung des neuen Gewahrsams durch Diebstahl das raubspezifische Nötigungsmittel einsetzt, macht sich jedenfalls nicht gemäß § 249 strafbar. (3) Die Einheitlichkeit des Wegnahmebegriffs innerhalb der Eigentumsdelikte Die o. g. gesetzessystematischen Erwägungen gelten aber nicht ohne weiteres für den schweren Diebstahl gemäß § 244. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Bestrafung „gleich dem Räuber“, sondern nur um Straferhöhung beim Diebstahl. Bei der Festlegung des Anwendungsbereichs des § 244 muss man daher nicht dem Bedürfnis Rechnung tragen, den Raub von dem räuberischen Diebstahl strikt abzugrenzen. Wenn man den Schutzzweck des § 244 darin ansieht, der Gefahr im Vorfeld des Raubes oder des raubähnlichen Delikts, nämlich dass der Dieb möglicherweise Nötigungsmittel zur Gewahrsamsbegründung oder -sicherung einsetzt, zu begegnen469, hat die Anwendung des § 244 auch in der Phase der Gewahrsamssicherung ihren Sinn darin, den Schutz vor der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit des Diebes zu erweitern.470 Der Wille des Gesetzgebers, dass § 252 dem Opfer nach Begründung des Gewahrsams nur einen lückenhaften Schutz vor der raubähnlichen Gefahr liefert, bleibt somit unberührt. Die Sonderregelung des § 252 als solche schließt nicht aus, dass sich der Wegnahmebegriff in § 244 – anders als in § 250 – auf die Gewahrsamssicherung erstreckt. Allerdings ergeben sich aus der Ausweitung des Wegnahmebegriffs in § 244 weitere gesetzessystematische Probleme. Problematisch ist zunächst das Verhältnis zwischen §§ 244 und 242: Wenn man unter der Wegnahme des § 242 nur den Gewahrsamswechsel versteht, ist es schwierig zu erklären, warum dieser Begriff ausgerechnet in § 244 weiter als in § 242 ausgelegt werden soll, um den Schutzzweck des § 244 bestmöglich zu realisieren. Diese Inkonsequenz könnte zwar beseitigt werden, indem der Wegnahmebegriff in den beiden Tatbeständen gleichermaßen zugunsten der Sicherung des Gewahrsams ausgelegt wird. Dies hätte jedoch des Weiteren dazu geführt, dass § 249, wo ebenfalls der Wegnahmebegriff des § 242 zugrunde gelegt ist, auch dann erfüllt würde, wenn das Nötigungsmittel allein der Gewahrsamssicherung dient. Diese Konsequenz könnte im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit der Sonderregelung des § 252 nicht akzeptiert werden. Um § 252 Rechnung zu tragen, verbliebe schließlich als einziger Lösungsweg, den Wegnahmebegriff in § 242 weiter als in § 249 auszulegen. 469 470
Sachlich ebenso Krey/Hellmann, § 1 Rn. 136 d. So sachlich Weber, JZ 1965, 418.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Dieser differenzierenden Lösung ist aber angesichts der identischen Wortverwendung und der gleichen Zweckbestimmung zum Schutz des Eigentums nicht zu folgen. Es liegt vielmehr näher, den Wegnahmebegriff jedenfalls innerhalb von Eigentumsdelikten identisch auszulegen. Die Ausweitung des Wegnahmebegriffs in § 244 auf Sicherung des Gewahrsams ist deshalb abzulehnen. (4) Konsequenzen für den Wegnahmebegriff Soweit konnte anhand des Merkmals „Besitzerhaltungsabsicht“ nachgewiesen werden, dass § 252 ab dem Zeitpunkt der Gewahrsamsbegründung des Vortäters zur Anwendung kommen kann. Angesichts der Auffangfunktion des § 252 gegenüber dem § 249 reicht der Wegnahmebegriff des letzteren nicht weiter als der Handlungsprozess bis zur Gewahrsamsbegründung. Das Koinzidenzverhältnis des qualifizierenden Umstands in § 250 bezieht sich somit nur auf den Gewahrsamswechsel, nicht aber auf die Gewahrsamssicherung. Aufgrund des einheitlichen Wegnahmebegriffs in den §§ 242 ff. und 249 gilt dies entsprechend bei § 244. Nach alledem ist dem gesetzessystematischen Argument der h. M. zuzustimmen, das sowohl von Dreher als auch von der Rechtsprechung zu Unrecht vernachlässigt wird. Die teleologische Einschränkung des Tatbestandsmerkmals „bei der Tat“ in den jüngsten Entscheidungen des 5. Strafsenats des BGH hilft diesem Mangel leider nicht ab. Ob der BGH diese Entscheidungen zum Anlass nimmt, in Zukunft weitergehend bei der Qualifikation eines Diebstahls oder Raubes von seiner bisherigen Rechtsprechung Abstand zu nehmen, bleibt noch abzuwarten. Bevor dies geschieht, bleibt es auch bei der Kritik der Literatur, dass die Sonderregelung des § 252 unterlaufen bzw. umgangen wird.471 c) Konsequenzen für das Koinzidenzverhältnis des Grunddelikts zum qualifizierenden Umstand Mithin erstreckt sich der Wegnahmebegriff nicht auf die Gewahrsamssicherung, obgleich es dabei um die Vollendung oder Beendigung des Diebstahls bzw. Raubes geht. Das Koinzidenzerfordernis bezieht sich nur auf das tatbestandsmäßige Tatgeschehen des Grunddelikts.472 Beim Tatbestand 471 Ebenso Kraatz, Jura 2009, 852 (856); Waszczynski, HRRS 2010, 111 (112 f.); Nestler, JR 2010, 100 (102). Weitergehend vertritt Dehne-Niemann, ZIS 2009, 376 (379), dass der BGH damit für den Bereich der Raubdelikte faktisch schon von der bisherigen Rechtsprechung zur Qualifikationsverwirklichung in der Beendigungsphase Abschied genommen hat.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
des schweren Diebstahls (§ 244) geht es nämlich um die Wegnahme. Beim schweren Raub (§ 250) kommt es neben dem Einsatz von raubspezifischen Nötigungsmitteln auch auf die Wegnahme in demselben Sinne wie in § 244 an. Deshalb erfüllt ein qualifizierender Umstand, der erst während der Phase der Gewahrsamssicherung eines Diebstahls oder eines Raubes auftritt, den Tatbestand des § 244 oder des § 250 nicht. Für die §§ 252, 255 nimmt der Tatbegriff des § 250 ebenfalls Bezug auf das tatbestandsmäßige Tatgeschehen. Demgegenüber kann eine Wegnahme sich fortsetzen, indem der Täter den Gewahrsamswechsel wieder und wieder herbeiführt. Soweit mehrere Handlungen der Wegnahme eine natürliche oder tatbestandliche Handlungseinheit bilden, erstreckt sich die Straftateinheit des Diebstahls (bzw. des Raubes) zeitlich bis zum letzten Teilakt der Gewahrsamsbegründung. Nach allgemein anerkannter Auffassung kann der qualifizierende Umstand, der zu irgendeinem Zeitpunkt während dieser tatbestandsmäßigen Beendigungsphase auftritt, das Koinzidenzerfordernis erfüllen.473 Allerdings bedarf es der Figur der tatbestandlichen Tatbeendigung überhaupt nicht, um den einfachen zu einem schwereren Diebstahl (bzw. Raub) zu machen. Denn für das Koinzidenzerfordernis genügt es, dass beim Auftritt des qualifizierenden Umstands ein tatbestandsmäßiges Tatgeschehen vorliegt. Das ist bereits gegeben, wenn der Täter z. B. während des Beisichführens der Waffe durch eine natürliche Handlung den Tatbestand des Diebstahls verwirklicht. Ob er davor oder danach denselben Tatbestand wiederholend erfüllt, und ob ggf. zwischen mehreren formellen Tatbestandsverwirklichungen eine Straftateinheit besteht, ändert nichts daran, dass er sich wegen schweren Diebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 schuldig gemacht hat. Somit reicht es für das Koinzidenzverhältnis aus, dass der qualifizierende Umstand mit irgendeiner formellen Tatbestandsverwirklichung gleichzeitig erfolgt. Die Anerkennung der tatbestandsmäßigen Beendigungsphase des Diebstahls ist zwar insoweit rechtsstaatlich unproblematisch, aber für die Bestimmung des Zeitraums des Grunddelikts eigentlich irrelevant. Dies gilt ebenfalls für das Koinzidenzverhältnis in § 250. 472
Mitsch, JR 2009, 298 (300) zieht zwar den durch das Merkmal „bei“ eröffneten sprachlichen Spielraum in Betracht, um die Koinzidenz des qualifizierenden Umstands mit dem tatbestandsmäßigen Tatgeschehen aufzuheben. Allerdings vertritt er letztlich, dass das Qualifikationsmerkmal strikt an den Grundtatbestand gebunden sein soll. Denn ansonsten wäre die zeitliche Grenze schwer festzulegen und es könnte sich der strafrechtlich erhebliche Charakter des Grunddelikts massiv verändern. Im Ergebnis lässt sich der maßgebliche Zeitraum des § 244 und § 255 – nicht anders als hier – allein von der Reichweite des Tatbegriffs her entscheiden. 473 Statt vieler MK-Schmitz, § 244 Rn. 21; Kühl, Beendigung, S. 147.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Somit begründet der tatbestandslose Beendigungsbegriff des Diebstahls (bzw. Raubes) i. S. der Gewahrsamssicherung nicht das Koinzidenzverhältnis des Grunddelikts zum qualifizierenden Umstand. Im Fall mehrerer Wegnahmeakte kommt jedem einzelnen Wegnahmeakt selbständige Bedeutung für das Koinzidenzverhältnis zu. Der Beendigungsbegriff ist in diesem Zusammenhang also völlig verzichtbar. 3. Beendigungsbegriff und Konditionalverhältnis a) Meinungsstand zum maßgeblichen Zeitraum des Grunddelikts In diesem Abschnitt geht es um die Fallgruppe Raub mit qualifizierter Folge. Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht zur zeitlichen Komponente der Gefährdungsqualifikationen gemäß § 250 geäußert, sondern vor allem damit befasst, ob die Todesverursachung durch das qualifizierte Nötigungsmittel im Beendigungsstadium des Raubes den Tatbestand des § 251 erfüllt. Dies wird von ständiger Rechtsprechung bejaht. Der 3. Strafsenat des BGH begründet in seiner Grundsatzentscheidung474 die Ausweitung des § 251 in solchen Fällen damit, dass die tatspezifische Gefährlichkeit der Nötigungshandlung zur Beutesicherung genauso wie bei der Wegnahme gegeben sei. Die Einschränkung des Geltungsbereichs des § 251 auf die Todesfolge, die durch die zum Zweck der Wegnahme eingesetzte Nötigungshandlung verursacht werde, sei weder vom Wortlaut geboten, noch mit seinem Schutzzweck vereinbar. Schließlich entstehe durch die lückenhafte Regelung des § 252 ein Bedürfnis, durch § 251 auch die Fälle zu erfassen, in denen der Täter bloß zur Fluchtsicherung Gewalt anwende und somit die Todesfolge herbeiführe. Diese Auffassung findet vereinzelt Anhänger in der Literatur475 und wird entsprechend auf den Qualifikationstatbestand des § 250 übertragen.476 Freilich stößt diese Rechtsprechung im Schrifttum überwiegend auf Ablehnung. Gegen diese Rechtsprechung wird zunächst ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG477 mit der Begründung eingewendet, dass das zur Beutesicherung angewendete tödliche Nötigungsmittel nicht mehr die innertat474
BGHSt. 38, 295 (298 f.); ebenso BGH NJW 1998, 3361 (3362). S/S-Eser/Bosch, § 251 Rn. 4; Otto, JZ 1993, 559 (569); ders., BT, § 46 Rn. 42; Schroth, NStZ 1999, 554. 476 Vgl. S/S-Eser/Bosch, § 250 Rn. 23; Heghmanns, BT, Rn. 1498. 477 Vgl. Rengier, BT/1, § 9 Rn. 8; HK-GS/Duttge, § 251 Rn. 6; Eisele, BT/2, Rn. 361; Gössel, BT/2, § 14 Rn. 35; Kühl, JR 1983, 425 (427). 475
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
bestandliche Nötigungshandlung i. S. des § 249 sei.478 Die Rechtsprechung sei ferner unvereinbar mit dem Schutzzweck des § 251, denn die dadurch verursachte Todesfolge ergebe sich nicht aus dem raubspezifischen Lebensrisiko, sondern aus einem Risiko, mit dem Straftaten jeder Art behaftet seien.479 Als letztes Argument dient wieder die Gesetzessystematik: Der Gesetzgeber habe mit § 252 die Anwendung des Nötigungsmittels nach der Vollendung des Raubes abschließend geregelt; deshalb führe die Todesverursachung durch die zur Beutesicherung eingesetzte Gewalt zur Anwendung des § 251 nur über § 252. Folglich sei der Räuber, der nur zur Fluchtermöglichung ein tödliches Nötigungsmittel angewendet habe, weder wegen Raubes mit Todesfolge (§§ 249, 251) noch wegen räuberischen Diebstahls mit Todesfolge (§§ 252, 251) strafbar, da es ihm an der erforderlichen Besitzerhaltungsabsicht fehle.480 Diese Strafbarkeitslücke sei die Konsequenz der Entscheidung des Gesetzgebers und von ihm bewusst hingenommen.481 Nach alledem verwirkliche § 251 grundsätzlich die Todesfolge aufgrund Gewaltanwendung vor der Vollendung des Raubes. Entsprechendes gelte auch für die Auslegung des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c und Abs. 2 Nr. 3 lit. b.482 Ausnahmsweise begründe die Todesverursachung in der Beendigungsphase des Raubes die Erfolgsqualifikation nur dann, wenn seine Begehung wiederholt den Straftatbestand des Raubes verwirkliche. b) Die innertatbestandliche Funktion des Merkmals des Grunddelikts beim erfolgsqualifizierten Delikt Der Meinungsstand weist eine deutliche Parallele zur ersten Fallgruppe auf, namentlich das Spannungsverhältnis zwischen Gesetzlichkeitsprinzip und kriminalpolitischer Erwägung. Dennoch ist das Problem hier zum Teil anders gelagert. Bei der ersten Fallgruppe handelt es sich bei dem Merkmal 478 Günther, FS-Hirsch, 543 (545); ferner noch Hefendehl, StV 2000, 107 (109); Kühl, FG-BGH IV, 237 (262); LK11-Herdegen, § 251 Rn. 6; SSW-StGB/Kudlich, § 251 Rn. 6; im Ergebnis auch A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 30; Heghmanns, BT, Rn. 1508. 479 Vgl. Günther, FS-Hirsch, 543 (544 f.); Kühl, FG-BGH IV, 237 (261); ders., AT, § 17 a Rn. 20 f.; Fischer, § 251 Rn. 3. 480 Zur Erstreckung des § 251 auf den Fall des zur Fluchtermöglichung eingesetzten tödlichen Nötigungsmittels vgl. BGH StV 2000, 74; Kritik dazu Hefendehl, StV 2000, 107 ff.; Kühl, FG-BGH IV, 237 (264 f.). 481 Krey/Hellmann, § 3 Rn. 203; vgl. auch Günther, FS-Hirsch, 543 (544); Gössel, BT/2, § 14 Rn. 35; Haft/Hilgendorf, S. 40; Rengier, BT/1, § 9 Rn. 9; Kühl, AT, § 17 a Rn. 21; Küpper, S. 101; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 35 Rn. 34; Fischer, § 251 Rn. 5; LK11-Herdegen, § 251 Rn. 6. 482 Statt vieler vgl. HK-GS/Duttge, § 250 Rn. 9, 23; Gössel, BT/2, § 14 Rn. 17; Eisele, BT/2, Rn. 340.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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des Grunddelikts nur um eine temporale Eingrenzung des qualifizierenden Umstandes. Das Problem bei der hier in Rede stehenden Fallgruppe ist jedoch komplexer. Nach einhelliger Auffassung setzen alle erfolgsqualifizierten Delikte einen spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolgsqualifikation voraus483, um den drastisch verschärften Strafrahmen zu rechtfertigen.484 Im qualifizierten Erfolg muss sich die dem Grunddelikt innewohnende spezifische Gefahr realisieren.485 Demnach liegt die innertatbestandliche Funktion des Merkmals des Grunddelikts beim erfolgsqualifizierten Delikt darin, die taugliche Quelle der qualifizierenden Lebensgefahr oder der Todesfolge zu charakterisieren. Daraus zieht man folgende Konsequenz für die Auslegung des Merkmals des Grunddelikts „Raub“: Man versteht darunter nicht den Gesamtvorgang des Raubes486, sondern nur den die raubspezifische Gefahr enthaltenden Abschnitt innerhalb des Tatgeschehens des Raubs.487 Anerkanntermaßen gehören dazu die zur Wegnahme dienende Gewaltanwendung und die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, unabhängig davon, ob die Wegnahme auch für die Todesfolge ursächlich ist. Also kann der Tod des Opfers schon durch den Einsatz des Nötigungsmittels als solches herbeigeführt werden, ohne dass die anschließende Wegnahme erfolgreich durchgeführt werden muss. Es kann aber auch sein, dass der Einsatz des Nötigungsmittels erst bei Durchführung der Wegnahme den Tod des Opfers verursacht.488 Da sich der Wegnahmebegriff auf den Vorgang des Gewahr483
BGH NStZ 1992, 333; Kühl, AT, § 17 a Rn. 16, 21. Dieses Erfordernis ist nicht aus dem Wortlaut des § 251 entnehmbar, sondern ergibt sich aus dem Wesen des erfolgsqualifizierten Delikts. Vgl. etwa Otto, BT, § 46 Rn. 41 („Entgegen dem zu weit geratenen Wortlaut des Gesetzes“); Lackner/ Kühl, § 251 Rn. 1; Mitsch, BT/2-1, § 3 Rn. 92 ff. 485 Ein solches Erfordernis kann aber durch den Gesetzgeber aufgehoben werden. Beispielsweise hält er in § 239 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 die Erfolgsqualifizierung für genügend, die entweder „durch die Tat“ oder durch „eine während der Tat begangene Handlung“ bewirkt wird. Durch die letztere Alternative ist der spezifische Gefahrzusammenhang zwischen Freiheitsberaubung und schwerer Folge für die Straferhöhung nicht mehr erforderlich, vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, § 14 Rn. 18; im Ergebnis ebenso Lackner/Kühl, § 239 Rn. 9. 486 So aber Otto, BT, § 46 Rn. 41; Schroth, NStZ 1999, 554. 487 Ausführlich Wolters, GA 2007, 65 (71 ff.). 488 Wer dem anderen z. B. lebenswichtige Medikamente oder einen Rettungsring geraubt hat und das Opfer wegen Verlusts solcher lebensrettenden Dinge ums Leben kommt, macht sich ebenfalls wegen § 251 strafbar. So etwa Lackner/Kühl, § 251 Rn. 1; MK-Sander, § 251 Rn. 6; Heghmanns, BT, Rn. 1508. Nach der beachtlichen Gegenansicht fallen solche Fälle jedoch nicht in den Geltungsbereich des § 251 (z. B. Günther, FS-Hirsch, 543[546 f.]; Wolters, GA 2007, 65 [72]; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 35 Rn. 34; Mitsch, BT/2-1, § 3 Rn. 94; Jakobs, 9/35 mit Fn. 56; Küpper, S. 101). Das tragende Argument dafür ist, dass der Wegnahme keine raub484
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
samswechsels beschränkt, kann bei einem allein zur Gewahrsamssicherung oder zur Flucht eingesetzten Nötigungsmittel nicht von einem raubspezifischen Nötigungsmittel gesprochen werden. Wenn sich der Tod des Opfers aus dem Einsatz eines solchen Nötigungsmittels ergibt, kommt § 251 nicht in Betracht, weil sich der Tod nicht aus der raubspezifischen Gefahr realisiert. Die Charakterisierung des Merkmals des Grunddelikts als taugliche Quelle der spezifischen Gefahr, aus der sich die Erfolgsqualifikation ergibt, bringt es mit sich, dass das zeitliche Verhältnis zwischen Raub und Erfolgsqualifikation für § 251 ohne Bedeutung ist. Zum einen garantiert die Gleichzeitigkeit zwischen Raub und Erfolgsqualifikation nicht die Anwendung des § 251. Nämlich bewirkt nicht jede Todesverursachung während der Ausführungsphase des Raubes die Erfolgsqualifikation nach § 251. Wenn z. B. die außertatbestandlichen Handlungen während des Raubes zum Tod des Opfers führen, kann man nur vom Tod bei Gelegenheit des Raubes sprechen.489 Zum anderen schließt die Ungleichzeitigkeit von Raub und Erfolgsqualifikation die Anwendung des § 251 nicht ohne weiteres aus. Denn die Ungleichzeitigkeit kann nichts daran ändern, dass sich in der Todesfolge die raubspezifische Gefahr realisiert. Dem Merkmal des Grunddelikts wird also keine zeitlich abgrenzende Funktion zugeschrieben.490 Diese Sichtweise spricht gegen die ständige Rechtsprechung, die mithilfe der Beendigungsdoktrin den § 251 auf das allein zur Flucht eingesetzte tödliche Nötigungsmittel anwenden will, um die nicht nennenswerte Strafbarkeitslücke des § 252491 auszufüllen. Denn dies verkennt, dass ein zur Flucht dienendes Nötigungsmittel nicht mehr als Angriff auf das Eigentumsinteresse qualifiziert werden kann und es deshalb an der Gleichwertigkeit zum Unrechtsgehalt des Raubes fehlt.492 Die Rechtsprechung steht daher nicht mehr im Einklang mit der neuen Entscheidung des BGH zu § 250, wonach spezifische Lebensgefahr anhafte, was am Fehlen eines entsprechenden Tatbestands des erfolgsqualifizierenden Diebstahls zu erkennen sei. Diese Lehre hat freilich nicht berücksichtigt, dass in solchen Fällen der Tod des Opfers nicht allein die Folge der Wegnahme, sondern ebenso sehr die Folge der Gewalt ist. Das Argument der Gesetzessystematik geht damit ins Leer. Ausführlich Herzberg, JZ 2007, 615 (616 ff.). 489 Günther, FS-Hirsch, 543 (545). 490 Was die zeitliche Verknüpfung des Grunddelikts mit dem qualifizierenden Umstand angeht, kann aus der allgemeinen Natur des Konditionalverhältnisses zwischen mehreren äußerlichen Phänomenen allenfalls zu entnehmen sein, dass der Einsatz von einem raubspezifischen Nötigungsmittel dem qualifizierten Erfolg vorhergehen muss. Eine derartige zeitliche Verknüpfung des Raubes mit der Todesfolge ist jedoch strafrechtlich ohne Bedeutung. 491 Näher dazu Rengier, JuS 1993, 460 (462 f.). 492 Ebenso Hefendehl, StV 2000, 107 (109).
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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sich die vollendete Raubtat nicht mit der Fluchtabsicht fortsetzen kann.493 Der h. M. in der Literatur ist hingegen insoweit zuzustimmen, als sie die unmittelbare Anwendung des § 251 nicht an das zur Gewahrsamssicherung oder zur Flucht dienende tödliche Nötigungsmittel knüpft. Soweit daraus allerdings auch eine zeitliche Beschränkung des § 251 gefolgert wird, die entweder in der Vollendung oder der tatbestandlichen Beendigung des Raubes liegt, ist dies abzulehnen. Denn der Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen dem zur Wegnahme dienenden Nötigungsmittel und der Todesfolge kennt keine zeitliche Beschränkung des § 251. Eine qualifizierende Todesfolge kann zu jedem Zeitpunkt vor oder nach der Vollendung des Raubes herbeigeführt werden, solange sie mit einem zur Wegnahme dienenden Nötigungsmittel in einem spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang steht. c) Konsequenzen für die Rolle des Beendigungsbegriffs bei Auslegung des Merkmals des Grunddelikts Auf den ersten Blick kommt der hier vertretene Standpunkt zu demselben Ergebnis wie die h. M. in der Literatur. Die Vorzüge der hier vertretenen Ansicht lassen sich aber anhand des Sachverhalts, dem das Urteil BGH JR 2000, 26 ff. zugrunde legt, demonstrieren: A verabreicht dem Opfer (O) ein Schlafmittel, durch das es in der Folgezeit schläfrig und benommen wird. A entwendet unter Ausnutzung dieses Zustandes Schmuck aus dem Haus des O. Auf der sich nahtlos anschließenden Suche nach Geld betritt A das Schlafzimmer des O. Als A sich über O beugt, erwacht O. Infolge des plötzlichen Zugreifens von O erwürgt A den O mit bedingtem Tötungsvorsatz, um sich von ihm loszumachen. aa) In diesem Fall stellt sich u. a.494 die Frage, ob sich die Strafbarkeit des A nach § 251 ergibt. Der 3. Strafsenat des BGH geht in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung davon aus, dass der mit der Wegnahme von Schmuck vollendete Raub nicht beendet war, als A weiter auf der Suche nach Geld an das Bett herantrat und es dann auf die Gegenwehr des Opfers hin zur tödlichen Gewaltanwendung kam.495 Die Kritik an ständiger Rechtsprechung gilt uneingeschränkt für das vorliegende Urteil. Auf dieses Urteil reagiert die Literatur uneinheitlich. Momsen stimmt dem Ergebnis dieses Urteils zu, hebt jedoch hervor, dass es dabei nicht um einen klassischen „Fluchtfall“ gehe, in dem die Rechtsprechung den Been493 494 495
Ebenso Deiters, ZJS 2008, 672 (674). Die Problematik des § 211 in diesem Fall muss hier offenblieben. BGH JR 2000, 27; ebenso Schroth, NStZ 1999, 554.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
digungsbegriff heranzieht, um § 251 anzuwenden. Denn A schließe beim Einsatz des tödlichen Erwürgens seine Raubtat noch nicht ganz ab, sondern setze sein Raubvorhaben mit der Suche nach Geld fort. Daher erfolge die Gewaltanwendung gemessen am Gesamtgeschehen noch während der Wegnahme; der Tod des O könne entweder auf die Lebensgefahr des Verabreichens des Schlafmittels oder auf das Erwürgen des A zurückgeführt werden.496 Demgegenüber argumentiert Hefendehl, dass die Suche nach Geld an sich ein Raubversuch sei und daher ein tauglicher Anknüpfungspunkt für § 251. Trotzdem ergebe sich der Tod des O nicht aus der Lebensgefahr des zur Wegnahme dienenden Nötigungsmittels (Verabreichen des Schlafmittels), sondern nur als eine Folge des nichtraubspezifischen Fluchtversuchs aufgrund der Konfrontation; die Anwendbarkeit des § 251 sei damit nicht begründbar.497 Die beiden Autoren können sich gedanklich nicht ganz davon lösen, dass das Merkmal des Grunddelikts in § 251 eine zeitliche Grenze für den qualifizierten Erfolg aufweist. Dadurch wird weder das entscheidende Kriterium des Gefahrverwirklichungszusammenhangs bei § 251 konsequent durchgesetzt, noch die vermittelnde Rolle des § 252 für die Anwendung des § 251 hinreichend beachtet. So hat Momsen durch seine zusammenfassende Betrachtungsweise anhand des sog. Raubvorhabens des A die Möglichkeit vernachlässigt, dass das Erwürgen nicht Anknüpfungspunkt für § 251 sein kann, wenn es allein zur Sicherung des Gewahrsams am Schmuck oder zur Fluchtermöglichung geschieht. Eine unmittelbare Anwendung des § 251 kommt nur dann in Betracht, wenn der Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen dem Verabreichen des Schlafmittels und der Todesfolge trotz des Eingreifens des Erwürgens noch besteht. Hefendehl hat durch die Trennung des Gesamttatgeschehens zu Unrecht die Bestrafung nach §§ 251, 252 außer Betracht gelassen. Denn das Erwürgen als Reaktion auf die Konfrontation mit dem Opfer könnte noch vom Zweck der Beutesicherung hinsichtlich des Schmucks getragen und auf frischer Tat bei dem vollendeten Raub vorgenommen worden sein. bb) Nach dem hier vertretenen Standpunkt gilt: Zu fragen ist, ob das Erwürgen ein zur Wegnahme anderer wertvoller Gegenstände (hier: Geld) dienendes Nötigungsmittel ist, damit es als Anknüpfungspunkt für § 251 geeignet ist. Dann kommen die §§ 251, 249, 23 zur Anwendung. Ist dies nicht der Fall, ist noch zu berücksichtigen, ob das Verabreichen des Schlafmittels ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 251 ist.498 Zwar wurde der Tod des Opfers erst unmittelbar durch das zur Gewahr496 497 498
Momsen, JR 2000, 29 f. Hefendehl, StV 2000, 107 (109 f.). Zutreffend F.-C. Schroeder, JZ 1993, 52; ähnlich Momsen, JR 2000, 29 (30).
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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samssicherung oder zur Flucht dienende Erwürgen herbeigeführt, aber es besteht zwischen der raubspezifischen Verabreichung des Schlafmittels und der Todesfolge Kausalität i. S. der Äquivalenztheorie. Denn ohne den vorhergehenden Raub hätten die Gegenwehr des Opfers und das darauffolgende tödliche Erwürgen des A nicht stattgefunden. Problematisch ist nur, ob sich der Tod noch aus der raubspezifischen Gefahr realisiert, wenn A inzwischen ein zur Beutesicherung oder zur Flucht dienendes Erwürgen eingesetzt hat. Es hängt vor allem davon ab, wie man den spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang bei § 251 auslegt. Dies wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet.499 Wenn dies verneint wird, findet die Bestrafung des A nach § 251 nur auf dem Weg des § 252 statt. Dies setzt allerdings voraus, dass A nach dem erfolgreichen Schmuckenraub das Opfer erstens in Besitzerhaltungsabsicht und zweitens auf frischer Tat erwürgt. Wenn er es lediglich zur Fluchtermöglichung eingesetzt hat, kommt dieser Weg wegen fehlender Besitzerhaltungsabsicht nicht in Betracht. Nachdem diese Möglichkeiten im Hinblick auf die noch weiterer Ermittlung bedürfenden Tatumstände durchdacht sind, kann man schlussfolgern, ob und auf welche Weise A sich nach § 251 strafbar macht. Insgesamt bietet somit der hier vertretene Lösungsansatz eine sauberere und sachgerechtere Argumentation als es die bisherige Literatur ermöglichte. 4. Zwischenergebnis Für die Anwendung der Qualifikationstatbestände (§§ 244, 250, 251) spielt der Beendigungsbegriff überhaupt keine Rolle. In der ersten Fallgruppe (§§ 244, 250) besteht zwar ein gesetzliches Koinzidenzerfordernis, entscheidend dafür ist aber nur der qualifizierende Umstand zwischen Bruch und Begründung des Gewahrsams. Es besteht kein Bedürfnis, durch Anerkennung des Beendigungsbegriffs die Gewahrsamssicherung in den maßgeblichen Zeitraum des Grunddelikts einzubeziehen. In der zweiten Fallgruppe kommt es nicht auf das Entwicklungsstadium des Raubes an, sondern allein darauf, ob der Täter durch den Einsatz vom raubspezifischen Nötigungsmittel die Todesfolge verursacht hat. Dem Beendigungsbegriff kommt für den Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Grunddelikt und Todesfolge überhaupt keine Bedeutung zu.500 499 Verneinend F.-C. Schroeder, JZ 1993, 52. Bejahend aber Momsen, JR 2000, 29 (30). 500 Dieses Ergebnis gilt auch für die Dauerdelikte. Herkömmlich wird z. B. unter dem Begriff der „Tat“ bei der erfolgsqualifizierten Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 der gesamte Tatvorgang einschließlich der Beendigungsphase verstanden. Wenn man hingegen unter „Tat“ lediglich die formelle Tatbestandsverwirklichung versteht, ändert das nichts daran, dass jeweils entweder
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
II. Der Beendigungszeitpunkt der Vortat als deren zeitliche Abgrenzung zum Anschlussdelikt (§§ 257 ff.) Der Beendigungsbegriff wird vielfach im Zusammenhang mit dem Anschlussdelikt erwähnt. Es geht vor allem um die Problematik, ob die Tatbestände nach den §§ 257, 258, 259 jeweils in zeitlicher Dimension nur nach Beendigung der tauglichen Vortat verwirklicht werden können. Die Tatbestände des Anschlussdelikts wurden rechtsgeschichtlich konzipiert, um diejenigen Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, die vom Straftatbestand der Vortat – in Verbindung mit den Regelungen zur Tatbeteiligung – schwer zu erfassen sind.501 Demzufolge müsste der früheste Zeitpunkt, ab dem ein Anschlussdelikt in Betracht kommt, zugleich der letzte Zeitpunkt sein, zu dem die Beteiligung an der Vortat noch möglich ist. Entscheidend für die zeitliche Abgrenzung des Anschlussdelikts nach vorne wäre, ob sich die Beteiligung an der Vortat noch auf deren Beendigungsphase erstreckt. Allerdings könnte dieses Problem noch weiter reichen. Denn Anschlussdelikte werden heutzutage als eigenständige Deliktstypen anerkannt.502 Die Verselbständigung des Anschlussdelikts könnte dazu führen, dass sein Anwendungsbereich nicht mehr von dem Ausschluss der Möglichkeit der Vortatbeteiligung abhängt. Deshalb ist die tatbestandliche Exklusivität von Vortat und Anschlussdelikt nicht so selbstverständlich wie es auf den ersten Blick scheint. Nachfolgend soll diese Frage im Rahmen der drei klassischen Anschlussdelikte des 21. Abschnitts des StGB beantwortet werden, damit die richtige Rolle des Beendigungsbegriffs für die Tatbestandsmäßigkeit eines Anschlussdelikts festgestellt werden kann. 1. Begünstigung (§ 257) § 257 stellt die sachliche Begünstigung unter Strafe. Begünstiger ist, wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht der Vorteilssicherung Hilfe leistet. Das Erfordernis des Vorliegens einer Vortat zum Zeitpunkt der Hilfeleistung wirft die Frage auf, ab wann die Vortat als durch die Alternative „durch die Tat“ ein spezifischer Gefahrzusammenhang, oder durch die Alternative „durch eine während der Tat begangene Handlung“ die Gleichzeitigkeit zwischen der Freiheitsberaubung und schwerer Folge erforderlich ist. Dass der einzelne erfolgsqualifizierende freiheitsberaubende Teilakt und sonstige einfache freiheitsberaubende Teilakte durch die tatbestandliche Handlungseinheit zu einer Straftateinheit zusammengefasst werden können, hat mit der Anwendbarkeit des § 239 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 4 nichts zu tun. 501 Vgl. A/W-B. Heinrich, § 25 Rn. 4. 502 Hervorgehoben auch bei Haft/Hilgendorf, S. 51; Kühl, Beendigung, S. 111; früher bereits Baumann, JuS 1963, 51 (54).
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schon „begangen“ anzusehen ist. Oder präziser gefragt: Wird die Vortat i. S. des § 257 erst dann „begangen“, wenn sie beendet ist? Die Antwort lässt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgern. In Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 5 wird lediglich klargestellt, dass die Vortat einen objektiven Tatbestand des Strafgesetzes erfüllen muss; soweit die Strafvorschrift subjektive Tatbestandsmerkmale aufweist, müssen auch sie erfüllt sein.503 Zudem ist durch das Tatbestandsmerkmal „begangen“ offen geblieben, auf welche Entwicklungsphase der maßgebliche Zeitpunkt für die taugliche Vortat abstellt. Vor diesem Hintergrund muss man sich zunächst über das Schutzgut des § 257 im Klaren sein und dann das Tatbestandsmerkmal dementsprechend auslegen. Das ist dann die Basis, auf der die Relevanz des Beendigungsbegriffs in diesem Zusammenhang geklärt werden kann. a) Meinungsstand zum Verhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung Am derzeitigen Meinungsstand504 fällt auf, dass die Frage nach der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „begangen“ in der Literatur überwiegend dahin gestellt worden ist, in welchem Verhältnis die Beteiligung an der Vortat und die Begünstigung zueinander stehen. Geklärt ist, dass eine Hilfeleistung vor Vollendung der Vortat lediglich Beihilfe zu dieser sein kann, und nach Beendigung der Vortat nur § 257 zur Anwendung kommt. Uneinheitlich bewertet wird die Hilfeleistung zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat. Damit eng verbunden ist die grundsätzliche Frage, ob überhaupt im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat noch eine Beihilfe zu dieser möglich ist. Zur Veranschaulichung der Problematik ist ein Beispielsfall505 notwendig: Im Warenhaus steckt V ein Parfum in seine Jacke und rennt aus dem Laden; T, der das Geschehen beobachtet, entschließt sich spontan, der Verkäuferin O ein Bein zu stellen, um so V zu helfen. Es fragt sich, ob T sich wegen Beihilfe zum Diebstahl (§§ 242 Abs. 1, 27) oder wegen Begünstigung (§ 257) strafbar gemacht hat. Teile der Lehre lehnen die sukzessive Beihilfe während der Beendigungsphase einer Straftat ab.506 Demnach verfüge § 257 über einen exklu503
Vgl. S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 4. Zum Meinungsstand vgl. Eisele, BT/2, Rn. 1018; S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 7 f.; Kindhäuser, BT/2, § 46 Rn. 21 ff. 505 Aus Eisele, BT/2, Rn. 1018. 506 Etwa Eisele, BT/2, Rn. 1019; Heghmanns, BT, Rn. 1683 f.; Isenbeck, NJW 65, 2326; Lackner/Kühl, § 257 Rn. 9; Kindhäuser, BT/2, § 46 Rn. 25; Joecks, § 257 Rn. 7; A/W-B. Heinrich, § 27 Rn. 20; SK6-Hoyer § 257 Rn. 23; Rengier, BT/1, § 20 Rn. 18; grundsätzlich ebenso Wessels/Hillenkamp, Rn. 804. 504
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siven Geltungsbereich ab dem Zeitpunkt der Vollendung der Vortat, weil insoweit die Beteiligung an der Vortat ausgeschlossen sei. Demgegenüber sind die Rechtsprechung und Teile der Lehre der Auffassung, dass sukzessive Beteiligung an der Vortat während ihrer Beendigungsphase noch möglich sei und sich mit der Begünstigung überschneiden könne. Hinsichtlich des Kriteriums zur Abgrenzung von Vortatbeteiligung und Begünstigung sind die Ansichten indes wiederum unterschiedlich. Nach der Rechtsprechung sei die Willensrichtung des Hilfeleistenden entscheidend. Demnach sei der Hilfeleistende wegen Vortatbeteiligung zu bestrafen, wenn er der Vortat zur Beendigung verhelfen wolle; wolle er die Vorteile der Vortat sichern, solle Begünstigung anzunehmen sein.507 Dieses subjektive Kriterium stößt indes auf heftige Kritik in der Literatur. Einerseits sei es praktisch nicht durchsetzbar, weil die innere Einstellung des Hilfeleistenden im Einzelfall kaum zu ermitteln sei.508 Darüber hinaus sei nicht einzusehen, dass der Hilfeleistende allein deshalb von der strengeren Bestrafung wegen Vortatbeteiligung verschont bleibe, weil er mit der Absicht der Vorteilsicherung gehandelt habe.509 Daher vertreten einige Autoren unter Berufung auf § 257 Abs. 3 S. 1 den Standpunkt, dass die Strafbarkeit der Vortatbeteiligung in diesem Stadium einen Vorrang gegenüber der Begünstigung habe.510 Infolgedessen greife die Strafbarkeit wegen Begünstigung erst ab der Beendigung der Vortat in vollem Umfang ein.511 Die Annahme der Tateinheit zwischen der Vortatbeteiligung und der Begünstigung hinsichtlich derselben Vortat512 sei heutzutage wegen der Regelung des § 257 Abs. 3 S. 1 obsolet.513
507 Vgl. BGHSt 4, 132 (133); OLG Köln NJW 1990, 587 (588); ebenso Baumann, JuS 1963, 51 (54); MK-Cramer, § 257 Rn. 24; Jäger, BT, Rn. 395; HK-GS/ Pflieger, § 257 Rn. 9; LK11-Ruß § 257 Rn. 6. Bei Bejahung der sukzessiven Beteiligung in der Beendigungsphase ebenso Heghmanns, BT, Rn. 1684. 508 Allgemeine Ansicht in der Literatur etwa bei Isenbeck, NJW 1965, 2326 (2328); Laubenthal, Jura 1985, 630 (631); Jahn/Reichart, JuS 2009, 309 (311). 509 S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 8. 510 Vgl. Haft/Hilgendorf, S. 55; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 101 Rn. 6; S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 8; Otto, BT, § 57 Rn. 4; Seelmann, Grundfälle, S. 111; im Ergebnis ebenso Laubenthal, Jura 1985, 630 (633); Schmidhäuser, BT, § 23 Rn. 24. 511 Otto, BT, § 57 Rn. 4. 512 So Furtner, MDR 1965, 431. 513 S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 8. Damit ist allerdings die Tateinheit zwischen Begünstigung und Beihilfe zu zukünftigen Taten durch dieselbe Handlung nicht ausgeschlossen, vgl. BGHSt 46, 107 (118); zustimmend Jäger, wistra 2000, 344 (346); Lackner/Kühl, § 257 Rn. 9; Fischer, § 257 Rn. 15; HK-GS/Pflieger, § 257 Rn. 9.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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b) Die Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung als konkurrenzrechtliches Problem aa) Die Zweideutigkeit des Abgrenzungsproblems Die Fragestellung der Abgrenzung von der Vortatbeteiligung und der Begünstigung in der Beendigungsphase und die bisherigen Lösungsversuche hinterlassen den Eindruck, als ob eine Handlung in Bezug auf ein und dieselbe Vortat tatbestandlich entweder nur wegen Beteiligung gemäß §§ 25 ff. oder nur wegen Begünstigung unter Strafe gestellt werden könnte. Beim näheren Hinsehen ergibt sich aber, dass die bisher vertretenen Gesichtspunkte unterschiedliche Ebenen betreffen.514 Für jene, die unter Berufung auf § 257 Abs. 3 S. 1 der Begünstigung erst nach der Beendigung der Vortat einen vollen Anwendungsbereich zuerkennen, handelt es sich bei der Abgrenzung lediglich um eine konkurrenzrechtliche Frage. Es setzt gedanklich voraus, dass sich die tatbestandlichen Anwendungsbereiche von Vortatbeteiligung und Begünstigung in der Beendigungsphase der Vortat überschneiden können. Für die Rechtsprechung und Teile der Lehre handelt es sich dabei trotz der unterschiedlichen Ansätze bezüglich der Beteiligungsmöglichkeit in der Beendigungsphase jedoch um eine tatbestandliche Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung. Das Abgrenzungsproblem betrifft also zwei Fragestellungen, die bisher nicht klar voneinander unterschieden worden sind. Zum einen, ob die Hilfeleistung in der Beendigungsphase der Vortat auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit ausschließlich entweder als Beteiligung an der Vortat oder als Begünstigung bewertet werden kann. Zum anderen, wenn man ein solches Exklusivverhältnis in der Beendigungsphase verneint, fragt es sich, wie man in Fällen gleichzeitiger Verwirklichung beider Straftatbestände durch eine Handlung in der Beendigungsphase der Vortat eine angemessene Bestrafung erreichen kann. Die folgende Untersuchung basiert daher auf der Grundlage dieser Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Konkurrenzproblem. bb) Die Ablehnung des tatbestandlichen Exklusivverhältnisses Zuerst ist zu klären, ob zwischen Begünstigung und Vortatbeteiligung ein tatbestandliches Exklusivverhältnis besteht, wofür es eventuell Anhaltspunkte im Gesetz gibt.
514
Hindeutend Rengier, BT/1, § 20 Rn. 18.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
(1) Der Strafausschlussgrund nach § 257 Abs. 3 S. 1 als Anhaltspunkt für das tatbestandliche Exklusivverhältnis Erster Anhaltspunkt für ein Exklusivverhältnis ist § 257 Abs. 3 S. 1, wonach ein Begünstiger auch dann nur wegen Vortatbeteiligung zu bestrafen ist, wenn er hinsichtlich der aus derselben Vortat erwachsenden Vorteile gehandelt hat. Dieser Strafausschlussgrund beruht allerdings auf dem Gedanken der mitbestraften Nachtat515 und ist daher sachlich eine Konkurrenzregelung.516 Deshalb berührt § 257 Abs. 3 S. 1 Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit der Hilfeleistung eines Vortatbeteiligten nach Abs. 1 nicht. § 257 Abs. 3 S. 1 darf also nicht dahin interpretiert werden, dass ein Vortatbeteiligter hinsichtlich der daraus erwachsenden Vorteile nicht tatbestandsmäßig eine Begünstigung begehen kann.517 Geradezu umgekehrt muss man aus § 257 Abs. 3 S. 1 folgern, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit im Auge gehabt hat, dass der Vortatbeteiligte zugleich den Straftatbestand der Begünstigung verwirklicht. Damit allein lässt sich das tatbestandliche Exklusivverhältnis noch nicht ablehnen. § 257 Abs. 3 S. 1 könnte vor allem die Fälle regeln, in denen sich der Vortatbeteiligte durch eine andere Handlung wegen Begünstigung (also: Nachtat) strafbar gemacht habe.518 Dann wäre nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe Hilfeleistung in der Beendigungsphase der Vortat nur entweder als Begünstigung oder als Vortatbeteiligung anzusehen ist. Dafür ließe sich die Historie der Anschlussdelikte ins Feld führen. Denn die heutigen Anschlussdelikte nach §§ 257 ff. waren früher die Teilnahme nach der Tat, die neben der Teilnahme vor der Tat eine der Spielarten des einheitlichen Teilnahmebegriffs darstellte.519 Deshalb sei es widersprüchlich, wenn ein und dieselbe Handlung sowohl eine Teilnahme vor der Tat als auch eine Teilnahme nach der Tat qualifiziert werde. Freilich sind beide Gesichtspunkte nicht so stichhaltig, dass das tatbestandliche Exklusivverhältnis aufrechterhalten werden kann. Zum einen lässt sich dem Wortlaut des § 257 Abs. 3 S. 1 nicht eindeutig entnehmen, dass der Strafausschlussgrund nur bei Handlungsmehrheit anwendbar sei. 515 Vgl. Gössel/Dölling, § 68 Rn. 12; S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 31; MK-Cramer, § 257 Rn. 31; Wessels/Hillenkamp, Rn. 819. Kritisch dazu NK-Altenhain § 257 Rn. 36 f. 516 So ausdrücklich Krey/M. Heinrich, Rn. 632. 517 Auf diese Möglichkeit hinweisend und zutreffend ablehnend vgl. Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 8. 518 Dieser Unterschied hervorhoben Laubenthal, Jura 1985, 630 (632); Wolff, S. 118. 519 A/W-B. Heinrich, § 25 Rn. 4. Näher dazu Altenhain, S. 8 ff.; Wolff, S. 17 ff.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Zum anderen ist der historische Hintergrund heutzutage schon überholt. Denn die Anschlussdelikte werden mit ihrer Tatbestandstypisierung – trotz einer gewissen Abhängigkeit von der Vortat520 – nicht lediglich als eine nachträgliche Teilnahme an der Vortat angesehen, sondern weisen einen eigenständigen Unrechtsgehalt gegenüber der Vortat auf.521 Damit ist die Möglichkeit entstanden, dass Vortatbeteiligung und Begünstigung durch ein und dieselbe Handlung verwirklicht werden. Soweit der Gesetzgeber durch § 257 Abs. 3 S. 1 den Vortatbeteiligten nicht zugleich wegen Begünstigung bestrafen will, gilt diese Entscheidung unabhängig davon, ob die beiden Straftatbestände durch eine oder mehrere Handlungen erfüllt sind.522 Mithin begründet § 257 Abs. 3 S. 1 nicht das tatbestandliche Exklusivverhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung. (2) Die Tatbestandsfassung des § 257 Abs. 1 als Anhaltspunkt für das tatbestandliche Exklusivverhältnis Man könnte aber das tatbestandliche Exklusivverhältnis aus der Tatbestandsfassung des § 257 Abs. 1 als solcher schließen.523 Dazu müsste im Zeitpunkt der Hilfeleistung schon eine rechtswidrige Tat des anderen vollständig begangen sein. Deshalb erscheint es unmöglich, dass ein und dieselbe Hilfeleistung zugleich Beteiligung an der Vortat und Begünstigung bezüglich derselben Vortat ist. Diesem möglichen Einwand kann aber nur dann Recht gegeben werden, wenn man seinen beiden fragwürdigen Prämissen zustimmt: erstens, dass eine Vortat i. S. des § 257 Abs. 1 erst dann gegeben ist, wenn die begangene Tat nicht mehr beteiligungsfähig ist; zweitens, dass „Hilfe“ i. S. des § 257 Abs. 1 erst danach geleistet werden kann. Insoweit ist der Streit um das Rechtsgut des § 257 von Bedeutung.524 Die ältere Auffassung, dass die Begünstigung gegen das Vermögensinteresse gerichtet sei525, wird heute überwiegend abgelehnt. Denn § 257 setzt für die Begünstigung weder eine gegen das Vermögen des anderen gerich520 Dies drückt sich etwa in gesetzlichen Regelungen von §§ 257 Abs. 2 bis 4, 258 Abs. 3 aus. 521 Vgl. auch Fischer, § 257 Rn. 2; LK11-Ruß § 257 Rn. 1; S/S-Stree/Hecker, Vor §§ 257 ff. Rn. 3. 522 Seelmann, Grundfälle, S. 111 wendet § 257 Abs. 3 entsprechend auf die Konstellation der Handlungseinheit an. 523 So etwa Hau, S. 128 f.; grundsätzlich auch Winkler, S. 135. 524 A/W-B. Heinrich, § 27 Rn. 2. 525 So etwa Welzel, § 58 I; Bockelmann, NJW 1951, 620 (621); im neueren Schrifttum noch Otto, BT, § 56 Rn. 8; § 57 Rn. 1; wohl ebenso BGHSt 23, 360 (361).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
tete Vortat noch allein die Sicherung der Vermögensvorteile voraus.526 Diese Tatbestandsgestaltung lässt sich also nicht mit dem Vermögensschutz erklären. Heute wird allgemein anerkannt, dass die Begünstigungshandlung die Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustandes, der durch die Vortat beeinträchtigt wurde, vereitelt. Allerdings wird kontrovers diskutiert, wie man das Interesse an der Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustandes dogmatisch charakterisieren soll. Die Rechtsprechung erblickt darin das Allgemeinrechtsgut der Rechtspflege, deren Aufgabe, den rechtsmäßigen Zustand wieder herzustellen, gerade durch die Hilfeleistung des Begünstigers gehemmt sei.527 Dieser Standpunkt stößt in der Literatur auf Kritik, denn dabei werde die Tatsache verkannt, dass der Rechtspflege – im Unterschied zu den §§ 145 d, 153 ff., 258 – lediglich eine ausführende Rolle bei der Durchsetzung des potenziellen Restitutionsanspruchs des Opfers zukomme.528 Deshalb wird die Strafwürdigkeit der Begünstigung nach h. M. sowohl in der Hemmung der funktionierenden Rechtspflege als auch in der Beeinträchtigung des Individualrechtsguts des Opfers der Vortat erblickt, indem der Begünstiger die Realisierung des Restitutionsanspruchs des Opfers erheblich vereitelt hat.529 Schließlich wird zum Teil auch auf die generalpräventive Auswirkung des § 257 auf die durch die Vortat verletzte Strafnorm hingewiesen. Da das Verbot der Begünstigung auch auf eine Isolierung des Vortäters nach der Tat hinauslaufe, schütze § 257 mittelbar die von der Vortat angegriffenen Rechtsgüter.530 Geht man vom Gedanken der Restitutionsvereitelung531 aus, ist es für die Anwendung des § 257 allein entscheidend, ob der Begünstiger durch die zur Vorteilssicherung geleistete Hilfe die Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustandes vereitelt.532 Daraus ergibt sich zum ersten, dass die innertat526 Vgl. nur S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 2; Wessels/Hillenkamp, Rn. 801; Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 1. 527 Vgl. BGHSt 24, 166 (167); 36, 277 (280 f.). 528 S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 1; Jahn/Reichart, JuS 2009, 309 (310); kritisch ferner SK6-Hoyer, Vor § 257 Rn. 2. 529 Jedoch mit Unterschieden im Detail; vgl. S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 1; A/W-B. Heinrich, § 25 Rn. 6; § 27 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 257 Rn. 1; Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 4; Wessels/Hillenkamp, Rn. 802; Kindhäuser, BT/2, § 46 Rn. 1; Krey/M. Heinrich, Rn. 630; Joecks, § 257 Rn. 1; MK-Cramer, § 257 Rn. 3; Gössel/ Dölling, § 68 Rn. 1; Rengier, BT/1, § 20 Rn. 2; LK11-Ruß, § 257 Rn. 2; Laubenthal, Jura 1985, 630 (631); Geppert, Jura 1994, 441 (442). Kritik dazu bei Otto, BT, § 57 Rn. 1. 530 Etwa SK6-Hoyer, Vor § 257 Rn. 4; § 257 Rn. 1; Wessels/Hillenkamp, Rn. 802; A/W-B. Heinrich § 25 Rn. 2; Dehne-Niemann, ZJS 2009, 142 (143) m. w. N. Mit Recht zurückweisend NK-Altenhain, § 257 Rn. 3 ff. 531 Geppert, Jura 1994, 441 (442). 532 Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 38.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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bestandliche Funktion des Vortatmerkmals darin besteht, die notwendige Ausgangslage für die Begünstigung zu bestimmen. Eine taugliche Vortat liegt schon vor, wenn sie dem Vortäter rechtswidrige Vorteile eingebracht hat.533 Vorteilserlangung geschieht in der Regel erst nach der Vollendung der Vortat, kann aber auch bereits durch eine strafbare Vorbereitung- oder Versuchstat herbeigeführt werden.534 Zum zweiten kommt es für die Begünstigung nicht darauf an, ob die Hilfe erst nach der Vorteilserlangung geleistet wird, sondern allein darauf, ob sie erst nach der Vorteilserlangung ihre vereitelnde Auswirkung entfaltet.535 So kann der Begünstiger vor der Vorteilserlangung des Vortäters seine Hilfe vornehmen, die sich jedoch erst vereitelnd auswirkt, nachdem die Vorteile dem Vortäter wirklich zugeflossen sind. Demnach ist Begünstigung schon gegeben, wenn sich die geleistete Hilfe nach der Vorteilserlangung des Vortäters vereitelnd auswirkt. Die Frage, ob die Vortat des anderen noch beteiligungsfähig ist, hat ebensowenig wie die Frage, ob sich der Hilfeleistende an der Vortat beteiligt, Einfluss auf die Auslegung des § 257 Abs. 1. Für ein tatbestandliches Exklusivverhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung spricht die Tatbestandsfassung des § 257 Abs. 1 ebenfalls nicht. (3) Fallkonstellationen Wie gesehen kommt § 257 Abs. 1 zur Anwendung, wenn der Vortäter Vorteile erlangt hat und der Hilfeleistende zur Vorteilsicherung beiträgt. Dann kann Begünstigung und Vortatbeteiligung durch ein und dieselbe Handlung begangen werden, und zwar in den folgenden Konstellationen: Die erste Konstellation stellt die sog. antizipierte Begünstigung dar.536 Beispielsweise plant V einen Einbruch in ein Juweliergeschäft. Vor seiner Tat erzählt ihm seine Frau T, dass sie ein Versteck vorbereitet hat, und gibt ihm den Schlüssel zum Versteck. V schreitet daraufhin erleichtert zur Tat. Unproblematisch ist T nach § 242 zu bestrafen. Die Unterstützung von T wirkt sich vor dem Diebstahl als eine psychische Beihilfe aus, weil V von 533
BGHSt 24, 166; 36, 277 (281); in der Literatur etwa Rengier, BT/1, § 20 Rn. 6; A/W-B. Heinrich, § 27 Rn. 3; MK-Cramer, § 257 Rn. 13; Jahn/Reichart, JuS 2009, 309 (311). 534 Allgemeine Meinung; vgl. S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 6; Eisele, BT/2, Rn. 1016; Fischer, § 252 Rn. 4; Kindhäuser, BT/2, § 46 Rn. 2; Lackner/Kühl, § 257 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 101 Rn. 5; HK-GS/Pflieger, § 257 Rn. 8; Rengier, BT/1, § 20 Rn. 5; LK11-Ruß, § 257 Rn. 5; Joecks, § 257 Rn. 4. Wohl anders Otto, BT, § 57 Rn. 4 („frühestens nach Vollendung der Vortat“). 535 Eisele, BT/2, Rn. 1020. 536 Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 41 f. Ebenso etwa NK-Altenhain § 257 Rn. 13; Geppert, Jura 1994, 441 (442); Wolff, S. 126 ff.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
der Unterstützung Kenntnis hat und dadurch erleichtert ist. Deshalb macht T sich nach §§ 242, 27 schuldig. Damit wäre ihre Bestrafung nach § 257 Abs. 1 zumindest aufgrund Abs. 3 S. 1 ausgeschlossen. Zu demselben Ergebnis gelangt jedoch ein Teil der Lehre vor allem deswegen, weil sich die Hilfeleistung vor der Vollendung des Diebstahls ausgewirkt hat, ohne § 257 Abs. 3 S. 1 heranzuziehen.537 Dieser Begründung ist jedoch nicht beizupflichten. Denn sie verkennt, dass die Unterstützung von T nicht nur zur Erleichterung der Begehung des Diebstahls beiträgt, sondern darüber hinaus eine vorteilssichernde Auswirkung nach Erlangung der Diebesbeute von V entfaltet. Deshalb verwirklicht T zugleich den Straftatbestand des § 257 Abs. 1. Ohne § 257 Abs. 3 S. 1 heranzuziehen würde T nicht allein gemäß §§ 242, 27 bestraft. Darüber hinaus ermöglicht es der hier vertretene Standpunkt erst, bei der Strafzumessung den eigenständigen Unrechtsgehalt der Begünstigung noch zu berücksichtigen. Die zweite Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Hilfeleistende sich an der tatbestandlichen Beendigungsphase der Vortat beteiligt und zugleich die Vorteile des Vortäters sichert.538 Hierfür hat Mitsch ein schönes Beispiel gebildet: Der obdachlose T ist unbefugt in das leer stehende Haus des O eingezogen. Die Tochter des O, die X, erfährt davon zufällig und unternimmt nichts gegen den Aufenthalt des T. X übernahm außerdem den Auftrag ihres Vaters, in dem Haus nachzusehen, ob dort alles in Ordnung ist. Damit T nicht von O entdeckt und aus dem Haus vertrieben wird, berichtet X ihm am nächsten Tag, in dem Haus sei alles in bester Ordnung.539 In diesem Fall erhält X durch ihren falschen Bericht die durch Hausfriedensbruch geschaffene rechtswidrige Lage weiter aufrecht und macht sich damit wegen Beihilfe zum Hausfriedensbruch (§§ 123, 27) strafbar. X verwirklicht durch dasselbe Verhalten zugleich den Tatbestand der Begünstigung, indem sie dem T den Vorteil, den er sich bereits durch das erstmalige Eindringen in das Haus verschafft hat, sichert. (4) Die Fragwürdigkeit der tatbestandlichen Abgrenzung anhand der Willensrichtung des Hilfeleistenden Beide Konstellationen zeigen, dass ein und dieselbe Handlung zugleich als Vortatbeteiligung und als Begünstigung bewertet werden kann. Statt sich 537 Etwa Eisele, BT/2, Rn. 1020; LK11-Ruß § 257 Rn. 5; Jahn/Reichart, JuS 2009, 309 (311); Laubenthal, Jura 1985, 630 (631); näher dazu Spendel, FS-Dreher, 175 ff. Zum Meinungsstand vgl. Küper, JZ 1981, 251 (256) mit Fn. 114. 538 Ebenso Kühl, Beendigung, S. 117; Isenbeck, NJW 1965, 2326 (2328); Furtner, MDR 1965, 431 (433 f.). 539 Aus Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 39.
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der Konkurrenzlehre zu bedienen, bevorzugen die Rechtsprechung und Teile der Lehre den Weg der tatbestandlichen Abgrenzung nach der Willensrichtung des Hilfeleistenden, vor allem wenn die Hilfeleistung während der Beendigungsphase der Vortat geschieht. Gegen diese Ansicht darf man auf die o. g. berechtigte Kritik der Lehre verweisen. Im Übringen kann sich die Rechtsprechung positivrechtlich nicht darauf stützen, dass das objektive Erfordernis „Hilfeleistung“ i. S. von § 27 und § 257 Abs. 1 identisch sei und daher die Willensrichtung des Täters die einzige geeignete Abgrenzung darstelle.540 Dabei wird zum einen übersehen, dass § 257 eine von § 27 unabhängige Aufgabe hat und somit das Synonym „Hilfeleistung“ in den beiden Vorschriften jeweils eine eigenständige Bedeutung erhält. Damit ist die Basis für die Abgrenzung allein anhand der Willensrichtung des Täters bereits entzogen. Zum anderen schließen sich der Gehilfenwille i. S. des § 27 und die Vorteilsabsicht i. S. des § 257 begrifflich nicht aus und daher ist das Zusammentreffen im Einzelfall gesetzlich vorgegeben. Mithin ist das Kriterium der Willensrichtung des Täters aufgrund des fehlenden gesetzlichen Anhaltspunkts abzulehnen. (5) Fazit Alle denkbaren gesetzlichen Anhaltspunkte für die tatbestandliche Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung werden letztlich verneint. Zwischen Vortatbeteiligung und Begünstigung besteht mithin keine fixierte zeitliche Abgrenzung. Sie können in jeder denkbaren Entwicklungsphase der Vortat zusammentreffen. In einem solchen Fall kommen die Konkurrenzregelungen zur Anwendung, um eine angemessene Bestrafung des Täters zu erreichen.541 c) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Mithin besteht das Wesen der Begünstigung in der Vereitelung der Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustands. Daraus ergibt sich, dass die Vortat i. S. des § 257 Abs. 1 bereits begangen ist, wenn dem Vortäter strafrechtswidrige Vorteile zugekommen sind. Ohne Bedeutung ist, ob der Begünstiger zugleich Vortatbeteiligter ist. Somit ist der Streit über die Abgrenzung von Vortatbeteiligung und Begünstigung nur ein Scheinproblem. Wenn eine Hilfeleistung nach dem Be540 So aber Laubenthal, Jura 1985, 630 (632); ebenso Kühl, Beendigung, S. 112; Heghmanns, BT, Rn. 1684 f. 541 Im Ergebnis ebenso Wolff, S. 117 ff.
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ginn der Vortat nur den Tatbestand der Beteiligung an der Vortat oder nur den Tatbestand der Begünstigung erfüllt, besteht überhaupt keine Abgrenzungsproblematik. Ebenso wenig taucht diese Problematik dort auf, wo der Begünstiger zugleich Beteiligter an der Vortat ist. Denn nun entscheidet sich die Bestrafung des Täters nicht nach dem übergesetzlichen Kriterium der Willensrichtung des Täters, sondern nach den gesetzlich zur Verfügung stehenden Konkurrenzgrundsätzen, insbesondere § 257 Abs. 3 S. 1.542 Die Ansicht, die die sog. Abgrenzung von Vortatbeteiligung und Begünstigung auf Vollendung oder Beendigung der Vortat abstellt, wirkt sich nur irreführend aus. Man sollte auf die Heranziehung von Termini der Entwicklungsphase einer Straftat in diesem Problemzusammenhang künftig verzichten. Wie Mitsch schon richtig ausgeführt hat, kommt es für die hier zu klärende Frage nicht auf die Alternative Vollendung oder Beendigung der Vortat an.543 2. Strafvereitelung (§ 258) Nach § 258 Abs. 1 setzt die Straf(verfolgungs)vereitelung544 das Vorliegen einer „rechtswidrigen Tat“ des anderen voraus. Daher ist die Problematik der Abgrenzung von Vortatbeteiligung und Strafvereitelung ähnlich der bei der Begünstigung. Vor dem Hintergrund, dass Strafvereitelung zusammen mit Begünstigung in § 257 a. F. geregelt war und heutzutage üblicherweise als persönliche Begünstigung bezeichnet wird545, verweisen die meisten Autoren bei der Behandlung dieser Abgrenzungsproblematik in § 258 einfach auf den bei § 257 vertretenen Standpunkt.546 Was oben im Rahmen der Begünstigung ausgeführt wurde, gilt daher grundsätzlich auch für die 542 Zu Recht Wessels/Hillenkamp, Rn. 804, wobei er für den Ausnahmefall der Überschneidung auf die Entscheidung nach Konkurrenzgrundsätzen hinweist. Nähere Begründung dazu bei Wolff, S. 117. Lediglich bei Dauerdelikten die Möglichkeit der Überschneidung anerkennend Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 39; LK11-Ruß § 257 Rn. 6; NK-Altenhain § 257 Rn. 14. Die Verlagerung des Problems auf die Ebene der Konkurrenz hat zwar hinsichtlich der Strafbarkeit des Hilfeleistenden kaum praktische Bedeutung, jedoch einen beachtlichen Einfluss auf die Bestrafung eines an der Begünstigung teilnehmenden Dritten. Im Zusammenhang mit § 257 Abs. 3 S. 1 wird dies vielfach hervorgehoben, wie etwa bei S/S-Stree/Hecker, § 257 Rn. 31. 543 Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 38. 544 Die Strafvollstreckungsvereitelung in Abs. 2 ist wegen des fehlenden Zusammenhangs mit der uns interessierenden Frage nicht mehr zu berücksichtigen. Die Terminologie „Strafvereitelung“ wird hier ausschließlich in Bezug auf die Strafverfolgung verwendet. 545 Vgl. etwa LK11-Ruß, § 258 Rn. 1; S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 1; Rengier, BT/1, § 21 Rn. 1. 546 Vgl. u. a. S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 6; NK-Altenhain, § 258 Rn. 9; LK11-Ruß, § 258 Rn. 7; HK-GS/Pflieger, § 258 Rn. 4.
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Strafvereitelung. Im Folgenden wird der hier vertretene Grundgedanke mit Rücksicht auf die Besonderheit der Strafvereitelung weiter entwickelt. a) Kein tatbestandliches Abgrenzungsproblem Nach h. M. schützt § 258 die inländische Strafrechtspflege davor, dass sie bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch und die Maßnahmen so bald wie möglich zu verwirklichen, gehindert wird.547 Demgemäß stellt das Merkmal „rechtswidrige Tat“ sich als eine der Entstehungsbedingungen des staatlichen Sanktionsanspruchs dar.548 Das Vortatmerkmal ist schon erfüllt, wenn der staatliche Anspruch, aufgrund einer rechtswidrigen Tat Strafe zu verhängen oder eine Maßnahme festzusetzen, entstanden ist. Die Vortat muss schon alle Bedingungen erfüllen, die für die Strafverhängung oder Maßnahmenanordnung erforderlich sind. Daraus folgt u. a.549, dass die Vortat einen Straftatbestand gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 verwirklichen muss, aber nicht unbedingt eine vollendete Tat.550 Erst aufgrund dieser teleologischen Tatbestandsauslegung des § 258 ist es überhaupt möglich, dass ein und dieselbe Handlung in der Zeitspanne zwischen strafbarer Vorbereitung und tatbestandlicher Beendigung der Vortat zugleich Vortatbeteiligung und Strafvereitelung sein kann. Ähnlich wie bei der Begünstigung kommen zwei Fälle in Betracht.551 Der eine Fall stellt die antizipierte Strafvereitelung dar. Beispielsweise hat der Vortäter davon gewusst, dass der Unterstützer in Tatortnähe ein Fluchtversteck bereit gehalten hat. Dadurch wird nicht nur sein Entschluss zur Tatbegehung verstärkt, sondern er entgeht auch erfolgreich der polizeilichen Fahndung. Der andere Fall ereignet sich erst in der tatbestandsmäßigen Beendigungsphase der Vortat, indem der Hilfeleistende dem Vortäter die Tatspuren zu verwischen hilft, womit er zur Beendigung der Vortat beiträgt und zugleich den Vortäter der Strafverfolgung entzieht. In beiden Fällen sind Vortatbetei547 Allgemeine Ansicht; vgl. S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 1; LK11-Ruß, § 258 Rn. 1; A/W-B. Heinrich, § 26 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 100 Rn. 5. 548 Vgl. Jerouschek/Schröder, GA 2000, 51 (54). 549 Im Gegensatz zur Begünstigung muss die Vortat der Strafvereitelung nicht nur tatbestandsmäßig und rechtswidrig, sondern auch schuldhaft sein, und es müssen alle Prozessvoraussetzungen bestehen. Allgemein dazu NK-Altenhain, § 258 Rn. 11 f.; LK11-Ruß, § 258 Rn. 3 f.; SK6-Hoyer, § 258 Rn. 8 f. 550 Unstreitig, vgl. etwa NK-Altenhain § 258 Rn. 9; S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 5; Wessels/Hettinger, Rn. 723. Zur Kritik an der aus Sicht des Normzweckes inkonsequenten Formulierung dieses Merkmals vgl. A/W-B. Heinrich, § 26 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 100 Rn. 10. 551 Ebenso Haft/Hilgendorf, S. 62; Wolff, S. 88 ff.; Jerouschek/Kölbel, NJW 2001, 1601 (1604) mit Fn. 33.
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ligung und Strafvereitelung auf der Ebene des Straftatbestands nicht strikt abzugrenzen, sondern können sich überschneiden. b) Das Konkurrenzproblem Die angemessene Bestrafung in den Fällen, in denen ein Vortatbeteiligter selbst auch eine Strafvereitelung hinsichtlich derselben Vortat begangen hat, soll auf der Konkurrenzebene erfolgen.552 Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Strafvereitelung wird in solchen Fällen im Schrifttum nur vereinzelt und dann strittig behandelt. B. Heinrich geht davon aus, dass die Vortatbeteiligung immer der Strafvereitelung vorgehe.553 Diese Ansicht ist nicht überzeugend, weil Strafvereitelung ein selbständiges tatbestandliches Unrecht aufweist. Mit der Bestrafung allein wegen Vortatbeteiligung bliebe die eigenständige Strafwürdigkeit des gleichsam bestehenden Angriffs gegen die Strafrechtspflege unbeachtet. Darüber hinaus betrifft § 258 Abs. 3 lediglich die Bestimmung des Strafrahmens des § 258, macht aber die Bestrafung dieses Angriffs nicht entbehrlich. Stree vertritt demgegenüber einen differenzierenden Standpunkt: Im Fall der antizipierten Strafvereitelung sei Ideal- oder Realkonkurrenz anzunehmen mit der Begründung, dass es in § 258 an einer ähnlichen Vorschrift wie in § 257 Abs. 3 fehle und Strafvereitelung eine eigenständige Tat sei554, hingegen beim Fall der Überschneidung in der tatbestandlichen Beendigungsphase der Vortat sei „jedenfalls vom Zurücktreten hinter der Beihilfe auszugehen“.555 Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu seiner eigenen Begründung556, da die eigenständige Bedeutung der Strafvereitelung gegenüber der Vortatbeteiligung sich in beiden Fällen durchsetzen sollte. Demnach ist zwischen Vortatbeteiligung und Strafvereitelung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls entweder Ideal- oder Realkonkurrenz anzunehmen.557 Dass die persönlichen Strafausschließungsgründe nach § 258 Abs. 5 und 6 mit dieser Frage nichts zu tun haben, lässt sich nicht bezweifeln. Denn es geht dabei – anders als bei § 257 Abs. 3 – nicht da552
Zustimmend Hau, S. 124 f.; Winkler, S. 134. A/W-B. Heinrich, § 26 Rn. 22; ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, § 100 Rn. 12; Hau, S. 126. 554 S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 42. 555 S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 6. 556 Dieselbe Kritik bei Maurach/Schroeder/Maiwald, § 100 Rn. 12 mit Fn. 7 („widersprüchlich“). 557 Ebenso SK6-Hoyer, § 258 Rn. 23, 47; MK-Cramer, § 258 Rn. 47; NK-Altenhain § 258 Rn. 77; Haft/Hilgendorf, S. 62; Wolff, S. 88 ff., 120, 134; Winkler, S. 134. 553
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rum, den Betreffenden allein deswegen von der Strafe freizustellen, weil er an der Vortat beteiligt war558, sondern darum, der notstandsähnlichen Lage im Einzelfall Rechnung zu tragen.559 Die Anwendung der beiden Vorschriften ist bei jedem Vortatbeteiligten gesondert nachzuprüfen.560 c) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Insoweit kommt man zum gleichen Ergebnis wie bei Begünstigung: Die Abgrenzung von Strafvereitelung und Vortatbeteiligung ist nur ein Scheinproblem. Das Überschneidungsphänomen zwischen den beiden Tatbeständen ist kein anderes als das zwischen zwei beliebigen anderen Tatbeständen mit der Folge, dass man zur Bestimmung der Bestrafung lediglich auf die Konkurrenzlehre zurückgreifen muss. Das Begriffspaar Vollendung und Beendigung spielt hierbei also keine Rolle. 3. Hehlerei (§ 259) Die Hehlerei gemäß § 259 setzt eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Vortat eines anderen voraus, durch die der Vortäter eine Sache erlangt hat. Damit ist also eine zeitlich vorausgegangene abgeschlossene Vortat vorausgesetzt.561 Bevor die Vortat abgeschlossen ist, kommt nicht Hehlerei, sondern nur Beteiligung an der Vortat in Betracht. Es stellt sich daher wiederum das Problem des Zeitpunktes des Abschlusses der Vortat, um den Anwendungsbereich der Hehlerei zu eröffnen. a) Meinungsstand zum Verhältnis zwischen Vortat und Hehlerhandlung Im Gegensatz zu Begünstigung und Strafvereitelung orientieren sich Rechtsprechung und Literatur hier grundsätzlich allein am Straftatbestand der Hehlerei, ohne auf den Streit über die zeitliche Grenze der Beteiligung an der Vortat einzugehen. Ausgangspunkt der Überlegung ist das tatbestandliche Erfordernis, dass der Vortäter bereits durch irgendeine taugliche Vortat eine Sache erlangt hat. Dafür entscheidend ist nur, dass der Vortäter die tatsächliche Sachherrschaft hat, sei es auch nur als Mitgewahrsamsinhaber.562 558
Vgl. Joerden, JuS 1999, 1063 (1066). Vgl. nur BGHSt 43, 356 (358); S/S-Stree/Hecker, § 258 Rn. 35, 39; Rengier, BT/1, § 21 Rn. 23. 560 Eingehend Gubitz/Wolters, NJW 1999, 764. 561 LK11-Ruß, § 259 Rn. 11 m. w. N. 562 LK11-Ruß, § 259 Rn. 9; Otto, BT, § 58 Rn. 7. 559
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Dementsprechend wird die Auffassung, dass Hehlerei erst nach der Beendigung der Vortat eingreife563, allgemein als zu weitgehend verworfen. Stattdessen wird für die Abgeschlossenheit der Vortat lediglich die Vollendung der Vortat verlangt.564 Beim Diebstahl erlangt der Täter bereits bei Vollendung tatsächliche Herrschaft über das Diebesgut; dafür braucht eine gewissenhafte Sicherung des Gewahrsams nicht vorzuliegen. Im Übrigen kann eine versuchte Vortat den Zugang zum Anwendungsbereich der Hehlerei eröffnen, solange der Vortäter dadurch schon die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die Sache erlangt hat.565 Kontrovers diskutiert wird hingegen, ob eine zeitliche Zäsur zwischen deliktischer Erlangung der Sache und Hehlerhandlung vorliegen muss.566 Als Beispiel bietet sich ein Fall an, in dem der Schuldner S vor der ihm drohenden Zwangsvollstreckung seinem bösgläubigen Freund F seine wertvolle Stereoanlage schenkt und übergibt in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln.567 S macht sich wegen Vereitelung der Zwangsvollstreckung gemäß § 288 strafbar. Umstritten ist aber, ob F sich wegen Beihilfe zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung oder wegen Hehlerei in Form des Sich-Verschaffens schuldig macht. Die h. M. beruft sich vor allem auf den Wortlaut des § 259, der eindeutig verlangt, dass der Vortäter die Sache „erlangt hat“.568 F verwirkliche danach durch seine Handlung nicht den Straftatbestand der Hehlerei, weil S erst durch das Mitwirken des F die Sache erlangt, nicht bereits zuvor die Sache „erlangt hat“. Dagegen hält eine beachtliche Mindermeinung die zeitliche Zäsur zwischen Erlangung der Sache durch den Vortäter und nachfolgendem Hehlerakt für nicht erforderlich, damit keine unangemessene Strafbarkeitslücke entsteht.569 Das Zu563
OLG Hamburg NJW 1966, 2226. NK-Altenhain, § 259 Rn. 17; MK-Lauer, § 259 Rn. 40; Geppert, Jura 1994, 100 (101); Jäger, BT, Rn. 402; HK-GS/Pflieger, § 259 Rn. 13; Hau, S. 130. 565 Statt vieler siehe LK11-Ruß, § 259 Rn. 13; MK-Lauer, § 259 Rn. 40. Dagegen halten Krey/Hellmann, Rn. 583 die Vollendung der Vortat für erforderlich. Dass HK-GS/Pflieger, § 259 Rn. 13 eine Hehlerei vor Vollendung der Vortat für unmöglich hält, ist widersprüchlich, wenn er in Rn. 5 zugleich eine versuchte Straftat auch als eine geeignete Vortat als genügend ansieht. 566 Zum Meinungsstand siehe auch Hillenkamp, S. 193 ff. 567 Aus Geppert, Jura 1994, 100 (101). Die besonders schwierige Konstellation der Unterschlagung als Vortat ist hier bewusst ausgeblendet, um den Streit über den Vollendungszeitpunkt der Unterschlagung nicht einzubeziehen. Näher dazu vgl. Rengier, BT/1, § 21 Rn. 6 ff. 568 Vgl. BGHSt 13, 403 (405); LK11-Ruß, § 259 Rn. 9; NK-Altenhain, § 259 Rn. 12; A/W-B. Heinrich, § 28 Rn. 9; SK6-Hoyer, § 259 Rn. 13; MK-Lauer, § 259 Rn. 42; Berz, Jura 1908, 57 (59); Seelmann, Grundfälle, S. 118. 569 Vgl. S/S-Stree/Hecker, § 259 Rn. 15; Lackner/Kühl, § 259 Rn. 6; Küper, BT, S. 285; Otto, BT, § 58 Rn. 8. 564
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sammenfallen der Hehlerhandlung mit der Vollendung der Vortat stehe daher der Tatbestandsmäßigkeit der Hehlerei nicht entgegen. Demzufolge verwirkliche F durch seine Handlung neben der Beihilfe zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung auch den Tatbestand der Hehlerei. b) Sacherlangung als Abschluss der Vortat Der skizzierte Meinungsstand zeigt, dass der Beendigungsbegriff im zeitlichen Verhältnis zwischen Beteiligung an der Vortat und Hehlerhandlung von vornherein für irrelevant gehalten wird. Wohl aus diesem Grund ist die grundsätzliche Frage, ob die Beteiligung in der Beendigungsphase der Vortat noch möglich ist, im Rahmen des Hehlereitatbestandes gar nicht aufgeworfen worden. Dem ist zuzustimmen, weil jedes Anschlussdelikt heutzutage einen eigenständigen Deliktstyp darstellt570, dessen Anwendungsbereich daher allein nach der Ausgestaltung des Straftatbestands und seinem Schutzgut zu bestimmen ist. Im Mittelpunkt steht mithin allein die Frage, wie man das Erfordernis der „abgeschlossenen“ Vortat des § 259 konkretisieren soll. Aus dem Wortlaut des Vortatmerkmals des § 259 ist keine zwingende Folgerung hinsichtlich der Entwicklungsphase der Vortat zu ziehen. Um die Abgeschlossenheit der Vortat zu bestimmen, hat man zunächst die innertatbestandliche Funktion des Vortatmerkmals vom Schutzzweck des § 259 abzuleiten. Nach h. M. verhindert § 259 die Aufrechterhaltung der durch Vermögensdelikte geschaffenen rechtswidrigen Besitzlage durch das Zusammenwirken mit dem Vortäter.571 Die Funktion dieses Merkmals liegt dementsprechend allein darin, die notwendige Bedingung für eine hehlerfähige Vermögenslage zu bestimmen. Von diesem Standpunkt aus bestimmt sich das zeitliche Verhältnis zwischen Vortat und Hehlerhandlung allein danach, ob die Vortat schon vor dem Eingreifen der Hehlerhandlung zur rechtswidrigen Besitzlage geführt hat. Nach Gössel kommt es dafür allein auf den „Abschluss des Erlangens selbst“ an, nicht aber auf den der Straftat.572 Sachlich ebenso hat Kindhäuser den Abschluss der Vortat i. S. dieses Tatbestands dahingehend interpretiert, „dass bereits eine rechtswidrige Vermögenslage geschaffen wurde.“573 570 Spezifisch hinsichtlich Hehlerei ebenso HK-GS/Pflieger, § 259 Rn. 1; Winkler, S. 137. 571 „Perpetuierungstheorie“; statt vieler vgl. Rengier, BT/1, § 21 Rn. 1; MKLauer, § 259 Rn. 1 ff. m. w. N. 572 Gössel, BT/2, § 27 Rn. 19 (Hervorhebung im Original). 573 LPK-Kindhäuser, § 259 Rn. 15; ähnlich auch Berz, Jura 1980, 57 (59); Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 19; Lenz, S. 269 f.; Schmidhäuser, BT, § 11 Rn. 72.
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Insoweit erweist sich die Argumentation anhand der Entwicklungsphase der Vortat in diesem Zusammenhang als irreführend und überflüssig, weil eine rechtswidrige Vermögenslage durch jede denkbare Entwicklungsphase einer Straftat entstehen kann. Wer einerseits bei Hehlerei eine vollendete Vortat verlangt, andererseits aber auch eine versuchte Tat als eine geeignete Vortat anerkennt574, setzt sich sogar einem logischen Widerspruch aus. Denn mit der Anerkennung der versuchten Straftat als geeignete Vortat ist gerade das Erfordernis des Abschlusses der Vortat i. S. der Vollendung außer Kraft gesetzt. Im Übrigen führt eine vollendete Tat nicht immer zur rechtswidrigen Sacherlangung des Vortäters. Zwar hat z. B. der Täter eines Eingehungsbetrugs bereits mit dem Abschluss eines Vertrags einen vollendeten Betrug gemäß § 263 begangen, der aber noch keine geeignete Vortat i. S. des § 259 ist, soweit dadurch lediglich eine konkrete Gefährdung des Vermögensschadens eintritt. In diesem Fall wäre für das Vorliegen einer geeigneten Vortat sogar i. S. einer „Stufenlehre“ die „Beendigung“ erforderlich575, i. e. die Erlangung der vertragsgemäß übergegebenen Gegenstände des Opfers an den Täter.576 Um Ungereimtheiten in der Begründung zu vermeiden sollte man ganz von der Stufenlehre absehen und den Abschluss der Vortat allein auf die Sacherlangung abstellen. c) Das Konkurrenzproblem bei gleichzeitiger Verwirklichung von Vortatbeteiligung und Hehlerei Somit liegt keine tatbestandliche Exklusivität zwischen Hehlerei und Beteiligung an der Vortat vor, die auf eine bestimmte Entwicklungsphase der Vortat abstellt. Sofern man mit der h. M.577 davon ausgeht, dass die Teilnehmer der Vortat auch taugliche Tatsubjekte der Hehlerei sind, besteht die Möglichkeit, dass der Teilnehmer an der Vortat durch ein und dieselbe Handlung ebenfalls den Tatbestand der Hehlerei verwirklicht.578 Ein solcher Fall kann zuerst in der tatbestandsmäßigen Beendigungsphase der Vortat geschehen, wenn der Vortäter bereits aus der vorangegangenen Tatbegehung eine deliktische Sache erlangt hat und diese einheitliche Tat bis zum Abschluss bringt. Außerdem kann ein Vortatbeteiligter vor der Vollendung der Vortat durch seine Teilnahmehandlung zugleich den Tatbestand der HehSo aber LK11-Ruß, § 259 Rn. 13. Ebenso Hau, S. 131. 576 Vgl. ferner Lenz, S. 271. 577 Vgl. RGSt 51, 100; 72, 328; BGHSt 5, 378; LK11-Ruß, § 259 Rn. 42; verneinend Seelmann, Grundfälle, S. 126; SK6-Hoyer, § 259 Rn. 9; differenzierend S/S-Stree/Hecker, § 259 Rn. 56 f. 578 Dagegen aber SK6-Hoyer, § 259 Rn. 50. 574 575
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lerei verwirklichen. In letzterem Fall handelt es sich um die wenig besprochene Konstellation der „antizipierten Hehlerei“. Ein Beispiel dafür: A erzählt B seinen Plan, ein Auto zu stehlen, um seine finanzielle Lage aufzubessern. Bevor A zur Tat schreitet, ruft B nach Absprache mit A seinen Cousin C an und fragt diesen, ob er Interesse an dem Auto des „A“ hätte. Nach dem Diebstahl kauft C dem A den Wagen ab.579 Nimmt man an, dass B bewusst durch seinen Anruf den Tatentschluss des A zum Autodiebstahl verstärkt, begeht er damit Beihilfe zum Diebstahl. Darüber hinaus begeht B durch den Anruf auch die Hehlerei in Form der Absatzhilfe.580 B ruft den Käufer C zwar vor der Begehung des Diebstahls durch A an, aber dieser Anruf erleichtert die Kontaktaufnahme zwischen A und C nach der Erlangung des Autos und hilft damit dem Absatz der Beute. Deshalb ist die Absatzhilfe bei B anzunehmen.581 Beide Konstellationen werfen letztlich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Hehlerei auf. Da der Gesetzgeber keine spezifische Regelung getroffen hat, wird es nach der allgemeinen Konkurrenzlehre bestimmt. Im Einzelnen herrscht jedoch Uneinigkeit. Zum Teil wird je nach den konkreten Umständen Tatmehrheit oder -einheit582, zum Teil Gesetzeseinheit angenommen mit der Folge, dass die Beteiligung an der Vortat hinter der Hehlerei zurücktritt.583 Das kann hier dahinstehen, weil beide im Ergebnis unsere These bestätigen, dass zwischen Vortatbeteiligung und Hehlerei keine tatbestandliche Exklusivität besteht. d) Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Es stellt sich heraus, dass sich die Abgrenzung zwischen Vortatbeteiligung und Hehlerei nicht auf der Ebene des Tatbestands findet, sondern auf der Konkurrenzebene. Es gibt im Tatbestand der Hehlerei keinen Platz für das Begriffspaar Vollendung und Beendigung.
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Aus Wolff, S. 131. Ein ähnliches Beispiel bei Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 21. Ebenso Mitsch, BT/2-1, § 9 Rn. 21. 581 Eingehend dazu ferner Wolff, S. 132 f. 582 Vgl. BGHSt 22, 206; Fischer, § 259 Rn. 26; Haft/Hilgendorf, S. 71; A/W-B. Heinrich, § 28 Rn. 38; Kindhäuser, BT/2, § 47 Rn. 39; MK-Lauer, § 259 Rn. 123; S/S-Stree/Hecker, § 259 Rn. 57; Wolff, S. 134; Winkler, S. 138. 583 Etwa Geppert, Jura 1994, 100 (101); Krey/Hellmann, Rn. 580 (mitbestrafte Vortat). 580
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III. Die Beendigung des Diebstahls als Endpunkt des § 252 Aufgrund der „Entweder-Oder-Beziehung“ zwischen §§ 249 und 252584 ist davon auszugehen, dass Nötigungsmittel i. S. des § 252 nur nach der Gewahrsamsbegründung eingesetzt werden können. Als zeitliche Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl eignet sich die Beendigung der Wegnahme nicht.585 Unklar ist hingegen, ob die Beendigung der Wegnahme, also die Gewahrsamssicherung, gleichwohl Endpunkt des Einsatzes des Nötigungsmittels gemäß § 252 ist, weil in der Tatbestandsfassung des § 252 nur festgelegt wird, dass der Vortäter das qualifizierte Nötigungsmittel „bei einem Diebstahl“ und „auf frischer Tat betroffen“ einsetzen muss.586 Die nähere Bestimmung dieser zeitlichen Grenze ist erforderlich, weil der Einsatz des Nötigungsmittels außerhalb dieser Zeitspanne nur als Nötigung oder/und Körperverletzung usw. bewertet würde. Welche Rolle der Beendigungsbegriff für die Festlegung des Endpunkts von § 252 spielt, bleibt im Folgenden zu diskutieren. 1. Meinungsstand über das Verhältnis der Beendigung des Diebstahls zum Endpunkt des § 252 Die h. M. vertritt einen differenzierenden Standpunkt. Die Beendigung des Diebstahls markiere nur den letztmöglichen Zeitpunkt der Verwirklichung des § 252. Teilweise wird dies im Hinblick auf das Merkmal „auf 584
Haft/Hilgendorf, S. 41. Vgl. BGHSt 16, 271 (277); 28, 224 (228); 41, 198 (203); aus der Literatur etwa Haft/Hilgendorf, S. 41; MK-Sander, § 252 Rn. 6 f.; Lackner/Kühl, § 252 Rn. 3; Otto, BT, § 46 Rn. 53; Geilen, Jura 1979, 669 (670); Geppert, Jura 1990, 554 (556); Schnarr, JR 1979, 314; Dehne-Niemann, Jura 2008, 742. Ein versuchter Diebstahl als taugliche Vortat des § 252 kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Täter damit bereits den Gegenstand des Diebstahls in Besitz nimmt (statt vieler NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 7; Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 22; Küper, Jura 2001, 21 (23); Krey/Hellmann, Rn. 208). Wegen der praktischen Irrelevanz wird diese Konstellation hier nicht mehr berücksichtigt. 586 Vereinzelt wird betont, dass sich bei strenger Wortlautauslegung das Erfordernis „Tatfrische“ nur auf das „Betroffensein“, nicht aber auf die Nötigungshandlung des räuberischen Diebstahls beziehe. Danach müsse der Täter zwar „auf frischer Tat“ betroffen sein, kann aber noch zu einem späteren Zeitpunkt Nötigungsmittel anwenden (so deutlich Küper, BT, S. 99; Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 27; Schnarr, JR 1979, 314 [316]). Das ergibt aber keine von der h. M. abweichende Folge, weil dort der letztmögliche Zeitpunkt der Tathandlung des § 252 gleichermaßen die Beutesicherung, und zwar die Beendigung des Diebstahls ist. Vgl. Küper, BT, S. 100; Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 39. Daher wird hier direkt davon ausgegangen, dass das Merkmal „Tatfrische“ gleichzeitig der Tathandlung des § 252 eine zeitliche Grenze setzt. 585
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frischer Tat“ damit begründet, dass nach der Beendigung die Tat naturgemäß nicht mehr „frisch“ sei587; teilweise wird dies aus dem Wortlaut „bei dem Diebstahl“ gefolgert588; eine weitere Ansicht führt das subjektive Tatbestandsmerkmal „Besitzerhaltungsabsicht“ für die Relevanz der Beendigung des Diebstahls an.589 Andererseits könne das Nötigungsmittel vor der Beendigung des Diebstahls eingesetzt werden, ohne dass es „auf frischer Tat“ verwendet wurde, weil es an einem engen zeit- und räumlichen Zusammenhang mit dem Diebstahl fehle. Vereinzelt wird die Bedeutung der Beendigung des Diebstahls für den Zeitraum des § 252 anders bewertet. Gegen eine zwingende zeitliche Grenze des § 252 durch die Beendigung des Diebstahls hat Gössel eingewendet, dass die h. M. zu einseitig auf den Wortlaut „bei dem Diebstahl“ abgestellt sei und den Zusammenhang mit dem unmittelbar nachfolgenden Satzteil „auf frischer Tat“ übersehen habe. Auch sei die Ableitung einer verbindlichen zeitlichen Grenze aus dem gesetzlich unbekannten Begriff „Beendigung“ wenig überzeugend.590 In dieser Richtung sind einige Autoren der Auffassung, dass die Beendigung nur in der Regel, aber nicht notwendigerweise die „Tatfrische“ ausschließe. Denkbar seien Fälle sehr engen zeit-räumlichen Zusammenhangs, in denen der Diebstahl trotz Beendigung noch frisch sei.591 2. Die innertatbestandliche Funktion des Merkmals „bei dem Diebstahl“ Geht man mit Gössel davon aus, dass der Begriff „Beendigung“ dem § 252 unbekannt ist, stellt sich die Frage, ob die zeitliche Begrenzungsfunk587 A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 20; ebenso BGHSt 28, 224 (229); BGH NJW 1987, 2687; StV 1987, 196; OLG Köln NStZ 2005, 448 f.; aus der Literatur noch etwa Eisele, BT/2, Rn. 380; S/S-Eser/Bosch, § 252 Rn. 3; Jäger, BT, Rn. 307; Küper, BT, S. 97; Otto, BT, § 46 Rn. 54; Krey/Hellmann, § 3 Rn. 218; Schünemann, JA 1980, 393 (398); Geilen, Jura 1979, 669 (670); Marxen, BT, S. 312; Zöller, JuS 1997, L 89 (91); Seelmann, Grundfälle, S. 57; Dehne-Niemann, Jura 2008, 742 (743). 588 OLG Hamm MDR 1969, 238; aus der Literatur ebenso etwa Rengier, BT/1, § 10 Rn. 6; Kindhäuser, BT/2, § 16 Rn. 2; NK-ders., § 252 Rn. 12; HK-GS-Duttge, § 252 Rn. 8; S/S-Eser/Bosch, § 252 Rn. 3; SK5-Günther, § 252 Rn. 7; Maurach/ Schroeder/Maiwald, § 35 Rn. 40; Wessels/Hillenkamp, Rn. 366; LK11-Herdegen, § 252 Rn. 6 (sach- und sprachlogische Gründe); SK-Sinn, § 252 Rn. 7; wohl ebenso Fischer, § 252 Rn. 4; SSW-StGB/Kudlich, § 252 Rn. 7. 589 Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 39. 590 Gössel, BT/2, § 15 Rn. 13. 591 Vgl. Lackner/Kühl, § 252 Rn. 4.; Dreher, MDR 1976, 529 (531 f.); ders., MDR 1979, 529 (531); wohl zustimmend Marlie, ZIS 2006, 40 (45).
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tion der Beendigung des Diebstahls aus dem Wortlaut des Merkmals „bei dem Diebstahl“ zu entnehmen ist. Auf den ersten Blick kommt dem Merkmal „bei dem Diebstahl“ in § 252 – ähnlich wie in § 244 Abs. 1 Nr. 1 – die Funktion zu, dass der Einsatz des Nötigungsmittels im Koinzidenzverhältnis zum Diebstahl stehen muss. Da andererseits § 252 als Anschlussdelikt zum Diebstahl erst nach dem Gewahrsamswechsel zur Anwendung kommt, bezieht sich das erforderliche Koinzidenzverhältnis allenfalls auf das Stadium der Gewahrsamssicherung. Dann steht man vor folgendem Dilemma: Wenn man das Stadium der Gewahrsamssicherung in das Merkmal „Diebstahl“ einbeziehen möchte, müsste dagegen der Einwand erhoben werden, dass der Diebstahl nur den Gewahrsamswechsel, nicht aber die Gewahrsamssicherung erfasst. Wenn man unter „Diebstahl“ allein den Vorgang des Gewahrsamswechsels versteht, müsste man als Konsequenz annehmen, dass § 252 nach der Vollendung des Diebstahls nicht mehr angewendet werden könnte. Dieses Ergebnis würde allerdings unvertretbar sein, weil gerade zum Zeitpunkt der Vollendung des Diebstahls sein Anwendungsbereich erst eröffnet wird. Dieses Dilemma geht darauf zurück, dass man dem Merkmal „bei dem Diebstahl“ zu Unrecht eine zeitliche Begrenzungsfunktion zugeschrieben hat. Das lässt nämlich außer Acht, dass die Funktion dieses Merkmals allein in der sachlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 252 liegt: Nur der Diebstahl in weiterem Sinne592, nicht aber sonstiges Eigentumsoder Vermögensdelikt, macht den anschließenden Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels zu einem räuberischen Diebstahl.593 Der Gesetzgeber definiert den zeitlichen Geltungsbereich des § 252 demgegenüber durch das Merkmal „auf frischer Tat“. Diese funktionelle Trennung der beiden Tatbestandsmerkmale hat dogmatische Vorteile. Einerseits wird unter dem Merkmal „Diebstahl“ weiterhin nur der Prozess des Gewahrsamswechsels verstanden, ohne das o. g. Dilemma nach sich zu ziehen. Andererseits kann man die mögliche Relevanz der Beendigung des Diebstahls allein im Hinblick auf das Merkmal „auf frischer Tat“ überprüfen.594 Daraus ergibt sich, dass das Merkmal „bei dem Diebstahl“ – entgegen einer verbreiteten Ansicht – kein Anhaltspunkt dafür ist, dass die Beendigung des Diebstahls in § 252 die zwingende Grenze ist. Zu demselben Ergebnis kommt auch die Ansicht, wonach das Merkmal „bei dem Diebstahl“ nur als „nach dem Diebstahl“ verstanden werden kann.595 592 Nach h. M. ist Raub auch eine taugliche Vortat i. S. des § 252; vgl. nur Wessels/Hillenkamp, Rn. 363; SK5-Günther, § 252 Rn. 8. 593 Vgl. Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 12; ebenso SK5-Günther, § 252 Rn. 8. 594 Im Ergebnis ebenso Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 39, der aber die „Tatfrische“ als Zeitbeziehung zwischen Vortat und Betroffenwerden, nicht als Zusammenhang zwischen Vortat und Raubmitteln, versteht.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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3. Die Auswirkung der Ratio des § 252 auf das Merkmal „Tatfrische“ Des Weiteren ist zu klären, ob der Zeitraum der „Tatfrische“ in vollem Umfang bzw. teilweise von der Beendigung des Diebstahls, nämlich einer gewissen Gewahrsamssicherung, abhängt. Diese Frage kann erst dann beantwortet werden, wenn das Tatbestandsmerkmal „Tatfrische“ definiert wird. Nach der Rechtsprechung müsse der Täter in Tatortnähe und spätestens alsbald nach Tatausführung wahrgenommen werden.596 Um das schärfer zu konturieren, wird in der Literatur erwogen, dass die Tat so lange frisch sei, wie das Verhalten des Täters noch als gegenwärtiger Angriff i. S. des § 32 Abs. 2 angesehen werden könne.597 Da der Wortsinn der „Tatfrische“ die beiden Definitionen erlaubt, kommt es entscheidend auf teleologische Überlegungen an.598 Ausgangspunkt der folgenden Überlegung ist, dass dem Merkmal „Tatfrische“ die Funktion zukommt, den engen Zusammenhang zwischen Vortat und eigentlicher Tathandlung zu gewährleisten, damit die Gleichstellung des räuberischen Diebstahls mit dem Raub gerechtfertigt werden kann.599 Die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals Tatfrische kann nur erfolgen, wenn die Ratio des § 252 feststeht.600 a) Die Ratio des § 252 und ihre Konsequenz für die Reichweite der Tatfrische Die Rechtsfolgenverweisung in § 252 ist ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber die Delikte des Raubs und des räuberischen Diebstahls gleich bewertet.601 Der letztere muss als raubähnliches Sonderdelikt602 – trotz der struk595 Dreher, MDR 1976, 529 (531); anschließend Perron, GA 1989, 145 (162); Gössel, BT/2, § 15 Rn. 14; Marlie, ZIS 2006, 40 (45); im Ergebnis ebenso Lackner/Kühl, § 252 Rn. 4. 596 BGHSt 9, 257; 26, 96; 28, 224 (229). 597 SK5-Günther, § 252 Rn. 10; Kindhäuser, BT/2, § 16 Rn. 11; ebenso Rengier, BT/1, § 10 Rn. 7; A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 20; Eisele, BT/2, Rn. 380; HK-GS/ Duttge, § 252 Rn. 12. 598 Perron, GA 1989, 145 (162). 599 Küper, BT, S. 98 f.; vgl. ferner A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 23; S/S-Eser/ Bosch, § 252 Rn. 4. 600 Die Begründung der Gleichstellung mit dem Raub besteht auch in der Handhabung von sonstigen Tatbestandsmerkmalen, wie etwa „Besitzerhaltungsabsicht“; näher dazu vgl. Küper, JZ 2001, 730 (736 ff.). Zur Beteiligungsproblematik Weigend, GA 2007, 274 (278 ff.). Zweifelnd LK11-Herdegen § 252 Rn. 3; Geppert, Jura 1990, 554 (555); Maurach/Schroeder/Maiwald, § 35 Rn. 3. 601 LK11-Herdegen, § 252 Rn. 3. 602 Statt vieler SK5-Günther, § 252 Rn. 2; Geppert, Jura 1990, 554 (555); MKSander, § 252 Rn. 1.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
turellen Unterschiede – mit dem Raub im Unwert auf der gleichen Stufe stehen.603 Je nachdem, ob es Unrechts- und Schulddefizite zwischen Raub und räuberischem Diebstahl gibt, sind vor allem zwei Hauptpositionen zu unterscheiden, die die Gleichstellung beider Delikte erklären. Das sog. „Gleichstellungsmodell“604 sieht den gleichrangigen Unrechtsgehalt von räuberischem Diebstahl und Raub darin, dass beide Delikte entweder kriminalpsychologisch oder nach ihrem objektiven Unrechtsgehalt gleichwertig seien. Die kriminalpsychologische Gleichwertigkeit, die von der Rechtsprechung vertreten wird, stützt sich auf einer „Hätte-auch“-Hypothese, wonach „derjenige, der zur Erhaltung des eben Entwendeten gewalttätig wird, dieselbe Gewalt angewendet hätte, um die Wegnahme zu vollenden, wenn er während der Wegnahme ertappt worden wäre“.605 In der Literatur wird dieses Modell zum Teil mit dem Argument unterstützt, dass sowohl der räuberische Dieb wie auch der Räuber dasselbe Nötigungsmittel zur Verteidigung des Diebesguts in verlängerter Zueignungsabsicht verwende.606 Im Gegensatz dazu geht das andere Erklärungsmodell davon aus, dass der räuberische Diebstahl im Vergleich zum Raub eine nicht unerhebliche Unwertsdifferenz aufweist. Der geringere Unrechts- und Schuldgehalt des räuberischen Diebstahls liege daran, dass der Täter normalerweise in der Bedrängnissituation des Ertapptwerdens lediglich zur Selbstbegünstigung gewalttätig geworden sei607, und dass der Angriff zum Zweck des BehaltenWollens regelmäßig eine geringere kriminelle Energie als der Angriff zum Zweck des Haben-Wollens offenbare.608 Die Rechtsfolgenverweisung in § 252 erklärt sich teilweise mit dem besonderen strafrechtlichen Schutz der Notrechte des Bestohlenen609, teilweise mit dem Opferschutz vor der besonderen Gefährlichkeit des Diebes.610 Die Auswirkungen der Erklärungsmodelle auf die tatbestandliche Handhabung der Reichweite des Merkmals „Tatfrische“ hat Perron instruktiv demonstriert. Nach dem Gleichstellungsmodell sei den „beiden Tatbeständen 603
Seier, NJW 1981, 2152 (Hervorhebung im Original). Instruktive Zusammenfassung bei Küper, JZ 2001, 730 (735). 605 RGSt 73, 343 (345). Im Anschluss daran BGHSt 9, 255 (257); 26, 95 (96); 28, 224 (230); zustimmend A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 18. 606 So etwa SK5-Günther, § 252 Rn. 2; Kratzsch, JR 1988, 397 (399 f.). 607 Vgl. LK11-Herdegen, § 252 Rn. 3; ebenso Schünemann, JA 1980, 397; Weigend, GA 2007, 274 (276). 608 Vgl. Seier, JuS 1979, 336 (338). Zustimmend Weigend, GA 2007, 274 (275). 609 So Geilen, Jura 1979, 670; Seier, NJW 1981, 2152 (2154). 610 So etwa LK11-Herdegen, § 252 Rn. 3; Geppert, Jura 1990, 554 (555); H. Schneider, S. 125 ff. 604
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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als Wesenszug gemeinsam, dass der Täter Raubmittel final zum erfolgreichen Abschluss des Wegnahmeprozesses einsetzt.“611 Daher habe das Merkmal „Tatfrische“ seine zeitliche Begrenzungsfunktion darin, den äußersten Bereich jenes Wegnahme-Kontinuums zu begrenzen. Innerhalb des zweiten Erklärungsmodells sind aus den zwei Varianten unterschiedliche Konsequenzen zu ziehen. Sieht man die Ratio des § 252 im Schutz der Notrechte des Bestohlenen, macht man die Reichweite der „Tatfrische“ konsequent davon abhängig, „ob zum Zeitpunkt des Betreffens des Diebes eine entsprechende Rechtfertigungslage noch besteht.“612 Im Betracht kommen insbesondere die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB und die Notwehr gemäß § 32. Der Ansatz, wonach § 252 das Opfer vor der besonderen Gefährlichkeit des Diebes schützen will, umschreibt das Merkmal „Tatfrische“ als „einen Nähebereich zur Vortat, innerhalb dessen die Entdeckung für den Dieb eine besonders bedrohliche Situation heraufbeschwört.“ Maßgeblich dafür seien sowohl „die noch nicht abgebaute innere Spannung des Diebes“ als auch „die leichte Nachweisbarkeit der Tat, wenn der Täter mit der Beute in der Hand kurz danach und noch in Tatortnähe angetroffen wird.“613 Dieser Zusammenhang zwischen der Ratio des § 252 und der Reichweite der Tatfrische wird allerdings in Rechtsprechung und Literatur nicht konsequent hergestellt.614 Beispielsweise liegt die Inkonsequenz der Rechtsprechung darin, dass sie aus der kriminalpsychologischen Gleichwertigkeit abgeleitet hätte, dass die Tatfrische insofern gegeben sei, als das Gewahrsam noch nicht gesichert sei.615 Die zusätzliche Beschränkung der Tatfrische auf den engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang kann sich freilich nicht mit dem kriminalpsychologischen Erklärungsmodell erklären. Eine entsprechende Inkonsequenz ist auch bei den Anhängern des anderen Erklärungsmodells zu finden. Wer mit § 252 der Gefährlichkeit des sich ertappt fühlenden Diebes vorbeugen will, jedoch die Beendigung des Diebstahls als den letztmöglichen Zeitpunkt des § 252 ansieht, müsste ferner argumentieren, warum der nach der Beutesicherung, aber noch aus (wenn auch nur vermeintlichem) Bedrohtsein des Diebes erfolgte Nötigungseinsatz, nicht mehr von § 252 erfasst werden kann. Um das Verhältnis der Beendigung des Diebstahls zum Merkmal „Tatfrische“ in überzeugenderer Weise zu bestimmen, ist eine Stellungnahme zur Ratio des § 252 daher unentbehrlich.
611 612 613 614 615
Auch zum folgenden Perron, GA 1989, 145 (154 ff.). Perron, GA 1989, 145 (156 ff.). Perron, GA 1989, 145 (158 f.). Ausnahme bei Kratzsch, JR 1988, 397 ff. Ebenso Perron, GA 1989, 145 (154).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
b) Die Gleichrangigkeit des Unwertgehalts in den §§ 252 und 249 aa) Die Ablehnung des kriminalpsychologischen Erklärungsmodells Die kriminalpsychologische These der Rechtsprechung wird zu Recht von der überwiegenden Literatur abgelehnt. Denn demnach konstituieren die Gewalt und die Drohung nicht den objektiven Unrechtsgehalt des § 252, sondern dienen nur als Beweismittel, das Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters erlaubt.616 Würde diese These konsequent in der Praxis angewendet, müsste das Gericht bei der Anwendung des § 252 eine zusätzliche forensische Aufklärung der Täterpsyche einfordern, was freilich in § 252 nicht vorgesehen ist.617 Ohne individuelle täterpsychologische Aufklärung ließe sich die Bestrafung nach § 252 letztendlich nur mit der pauschalen Spekulation begründen, dass der Täter vielleicht bereits zur Wegnahme das Nötigungsmittel verwendet hätte. Der Vorwurf, dass die Bestrafung in der Nähe der Verdachtstrafe steht618, ist deshalb berechtigt. bb) Kein Unwertdefizit zwischen Nötigungsmitteleinsätzen vor und solchen nach der Wegnahme Fraglich ist, ob der räuberische Diebstahl ein Defizit an Unrechts- und Schuldgehalt gegenüber dem Raub aufweist. Es ist zwar anerkannt, dass der Einsatz des Nötigungsmittels bei dem räuberischen Dieb hauptsächlich zur Verteidigung dient, während der Räuber typischerweise Gewalt ausgeführt hat, um die Widerstandskraft des Opfers sofort zu lähmen619, und sich der Strafverfolgung wegen des Diebstahls zu entziehen.620 Aus dem Unterschied zwischen den §§ 249 und 252 in der Tatbestandsgestaltung ist allerdings nicht zwingend ein Unwertdefizit zu entnehmen. Ein Raub liegt unbestreitbar auch dann vor, wenn der Täter bei der Suche nach Diebesgut vom Opfer ertappt wird und es schwer verletzt, um die Wegnahme durchzuführen und zu fliehen. Dann ist der Einsatz der Gewalt durch den Täter auch vom Gefühl des Bedrohtseins und der Selbstbegünstigungstendenz motiviert, was beim Einsatz des Nötigungsmittels nach der 616
Vgl. Perron, GA 1989, 145 (147). Vgl. Perron, GA 1989, 145 (165). 618 NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 3; sachlich ebenso Kratzsch, JR 1988, 397 (399) mit Fn. 21; Küper, JZ 2001, 730 (737). Dagegen aber A/W-B. Heinrich, § 17 Rn. 18 mit Fn. 60. 619 Vgl. Perron, GA 1989, 145 (166) mit Verweise auf Ergebnisse kriminologischer Unterschungen. 620 Weigend, GA 2007, 274 (276). 617
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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erfolgreichen Wegnahme typisch ist. Demgegenüber kann der Täter beim räuberischen Diebstahl mit der Anwesenheit des Opfers gerechnet und von vornherein den eventuellen Einsatz des Nötigungsmittels nach der Wegnahme vorgehabt haben. Der Einsatz des Nötigungsmittels ist dann Ausdruck des Willens des Täters, seinen Diebstahlsplan durchzusetzen. Ein solcher räuberischer Dieb handelt nicht weniger verwerflich als der Räuber. An den beiden Beispielen lässt sich erkennen, dass im Hinblick auf den materiellen Unwertgehalt ein Übergangsbereich zwischen Raub und räuberischem Diebstahl besteht. Denn die Entscheidung des Täters darüber, ob und wann er zur Durchführung seines Tatplans das Nötigungsmittel einsetzt, hängt im Einzelfall von zahlreichen Faktoren ab, die an der äußeren Situation oder der innerlichen Einstellung des Täters liegen.621 Andererseits beinhalten die §§ 249 und 252 all diese einflussreichen Faktoren hinsichtlich der Tätermotivation nicht. Die gesetzliche Abgrenzung durch die Vollendung des Diebstahls garantiert deshalb nicht, dass die Motivationen zum Einsatz des Nötigungsmittels bei den beiden Tätergruppen so definitiv unterschiedlich sind, dass es eine Unwertdifferenz angebracht wäre. Demnach überzeugt der vereinzelt behauptete Unterschied hinsichtlich der sog. kriminellen Energie ebenfalls nicht, weil dieser Unterschied keinen Niederschlag in der Gestaltung des Straftatbestands findet.622 Das Unwertdefizit gegenüber § 249 wird in der Literatur teilweise aus der Tatbestandsstrukur des § 252 gefolgert, wonach die Nötigungshandlung nicht erfolgreich im Hinblick auf die Beutesicherung sein müsse.623 Dies stelle also eine niedrigere Anforderung an den Angriff auf das Eigentumsinteresse bei § 252 gegenüber § 249.624 Diese Schlussfolgerung würde aber auch zu weit gehen. Denn § 252 als zusammengesetztes Delikt besteht ebenso wie § 249 aus Diebstahl und Nötigungsmittel. Sein Unwertgehalt wird nicht nur von der Verletzung der Willensfreiheit durch die Nötigungshandlung bestimmt, sondern auch von der Verletzung des Eigentums durch den Diebstahl. Diebstahl als Ausgangslage für § 252 ändert nichts daran, dass er gleichzeitig ein konstitutives Unrechtselement des § 252 darstellt.625 Ansonsten wäre der Streit überflüssig, ob sich der Gehilfe bzw. Anstifter 621 Ebenso NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 5; Kratzsch, JR 1988, 397 (399). Ähnlich bei Perron, GA 1989, 145 (166); SK5-Günther, § 252 Rn. 2; Wessels/Hillenkamp, Rn. 362; Weigend, GA 2007, 274 (276). 622 Im Ergebnis ebenso Kratzsch, JR 1988, 397 (399); NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 8. 623 Sog. erfolgskupiertes Delikt; vgl. etwa NK3-Kindhäuser, § 252 Rn. 2; LK11-Herdegen, § 252 Rn. 17; SK5-Günther, § 252 Rn. 2. 624 Vgl. Küper, JZ 2001, 730 (731 f.); zustimmend Weigend, GA 2007, 274 (276). 625 Im Ergebnis ebenso Hruschka, JZ 1973, 12 (13).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
der Vortat durch die anschließende Nötigungshandlung zur Beutesicherung als Täter des räuberischen Diebstahls strafbar macht.626 Schließlich werden weitere Argumente, wie der Schutz vor Gefährlichkeit des Diebes bzw. der Schutz der Notrechte des Opfers, angeführt, um das vermeintliche Unwertdefizit des räuberischen Diebstahls zu kompensieren. Auch diese Argumente sind wenig überzeugend. Die Gefährlichkeit des Täters, die mit dem eventuellen Ertapptsein einhergeht, besteht im Raub nicht weniger als im räuberischen Diebstahl. Zudem stehen dem Opfer grundsätzlich während des gesamten Wegnahmevorgangs die Notrechte zu. Daher setzt der Einsatz des Nötigungsmittels durch den Räuber in gleichem Maße wie durch den räuberischen Dieb die Notrechte des Opfers faktisch außer Kraft, unabhängig davon, zu welchem Zweck das Nötigungsmittel eingesetzt wird. Schließlich erscheint die Rechtsfolgenverweisung auf § 249 zum Zweck der Generalprävention als sehr fragwürdig, weil nach derzeitiger kriminologischer Erkenntnis die Erhöhung des Strafrahmens kaum messbare abschreckende Wirkung erzeugt.627 Zusammenfassend ist der These der Gleichstellung des räuberischen Diebstahls mit dem Raub hinsichtlich des Unwertgehaltes zuzustimmen. Das schließt jedoch die Möglichkeit der Unwertdifferenz im Einzelfall nicht aus. Insbesondere dort, wo die Gewaltanwendung nach der Vollendung des Diebstahls hauptsächlich von der Tendenz der Selbstbegünstigung motiviert ist, kommt eine beträchtliche Minderung des Schuldgehalts in Betracht. Das erschüttert die These der Gleichwertigkeit des räuberischen Diebstahls nicht628, sondern macht lediglich eine restriktive Tatbestandsauslegung des § 252629 erforderlich, um dessen Anwendung auf Fälle zu beschränken, in denen die Gleichwertigkeit des räuberischen Diebstahls mit Raub unbedingt besteht. Man sollte daher etwa im Fall von Motivbündel die Besitzerhaltungsabsicht i. S. des § 252 restriktiv auslegen.630 c) Gewahrsamssicherung als äußerste Grenze der Tatfrische Auf der Grundlage des Gleichstellungsmodells haben die Tatbestände des räuberischen Diebstahls und des Raubes gleichwertig die Aufgabe, dem 626 Etwa S/S-Eser/Bosch, § 252 Rn. 10; Weigend, GA 2007, 274 (277). A. A. bei etwa BGHSt 6, 248 (250); MK-Sander, § 252 Rn. 17; SK5-Günther, § 252 Rn. 25. 627 Perron, GA 1989, 145 (168); ebenso Weigend, GA 2007, 274 (275). 628 SK5-Günther, § 252 Rn. 2. 629 Vgl. Perron, GA 1989, 145 (169); Schünemann, JA 1980, 393 (397); Seier, JuS 1979, 338; Weigend, GA 2007, 274 (276). Im Grundsatz zustimmend, aber mit Modifizierung bei NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 5; H. Schneider, S. 128 f. 630 Vgl. Schünemann, JA 1980, 393 (398); SK5-Günther, § 252 Rn. 2.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Erfolg des Wegnahmeverhaltens vor seiner vollständigen Realisierung entgegenzuwirken.631 Dies kommt darüber hinaus implizit im subjektiven Tatbestandsmerkmal „Besitzerhaltungsabsicht“, d.h. der „verlängerten Zueignungsabsicht“632 zum Ausdruck. Eine Gewaltanwendung nach der Verwirklichung der Besitzerhaltungsabsicht liegt dementsprechend von vornherein außerhalb des Geltungsbereichs des § 252. Die Gewahrsamssicherung setzt deshalb dem Erfordernis „Tatfrische“ die äußerste zeitliche Grenze. Insoweit ist der h. M. beizupflichten, wonach der Diebstahl nach der Sicherung des Gewahrsams nicht mehr „frisch“ sein kann. Der Heranziehung der Gegenwärtigkeit des Angriffs i. S. des § 32 Abs. 2 kann allenfalls im Ergebnis zugestimmt werden, weil der Diebstahl als strafbarer Angriff bei einer gewissen Beutesicherung schon der Vergangenheit angehört. Demgegenüber ist die Minderheitsansicht nicht überzeugend, wonach ein schon beendeter Diebstahl u. U. noch frisch sei. Denn das Nötigungsmittel, das nicht mehr zum Zweck der Gewahrsamsicherung eingesetzt wird, kann kaum zugleich als Angriff auf die Eigentumsinteressen angesehen werden. Die von Gössel angeführten Beispiele, in denen die „Tatfrische“ trotz der Beutesicherung bejaht werden kann, sind ebenfalls wenig aussagenkräftig. In dem Fall, in dem der Täter das – der zuvor bis zur Bewusstlosigkeit gewürgten Schwiegermutter – abgenommene Geld nach einer Zeitspanne, die er zum Umkleiden benötigte, beim Verlassen des gemeinsam bewohnten Hauses verteidigen muss, weil das Opfer wieder zu Bewusstsein gelangt ist633, erscheint es schon zweifelhaft, ob der vorangegangene Raub bereits beendet ist. Dass das Opfer nur vorüberwiegend bewusstlos ist, und dass der Täter noch im Herrschaftsbereich des Opfers ist, sind Umstände, die wohl dafür sprechen, dass der Täter noch kein gesichertes Gewahrsamsverhältnis begründet hat, und das Risiko des alsbaldigen Gewahrsamsverlustes noch besteht. Dieser Fall erweist sich also nicht als ein taugliches Beispiel, um die Mindermeinung zu unterstützen. Nach dem hier vertretenen Standpunkt wäre jedoch das Erfordernis der Tatfrische bedeutungslos, weil allein das Merkmal „Besitzerhaltungsabsicht“ schon die Gleichwertigkeit zwischen den §§ 249 und 252 gewährleistet. Deshalb müsste schließlich das Erfordernis der Tatfrische gerechtfertigt werden. Die „Tatfrische“ lässt sich m. E. allenfalls mit dem staatlichen Gewaltmonopol begründen.634 Sobald die Vortat ihre Frische verliert, d.h. für das Opfer oder seine Helfer äußerlich nicht mehr als solche wahrnehmbar ist, sind deren Maßnahmen zur Wiedererlangung des verlorenen Ge631 632 633 634
So etwa Kratzsch, JR 1988, 397 (400). Wohl auch Heghmanns, BT, Rn. 1124. SK5-Günther, § 252 Rn. 23; Mitsch, BT/2-1, § 4 Rn. 56. Gössel, BT/2, § 15 Rn. 15 mit Verweis auf BGHSt 21, 337. Kratzsch, JR 1988, 397 (400); ebenso NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 14.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
wahrsams in erhöhtem Maße den Gefahren des Irrtums und der überzogenen Selbstjustiz ausgesetzt. Mithin ist ein Diebstahl vor der Gewahrsamssicherung nur dann frisch, wenn „aus den gesamten Umständen noch auf einen (unbeendeten) Diebstahl geschlossen werden kann. Kurz gesagt muss die Situation „gewissermaßen noch Beweiskraft haben.“635 Dass die Sicherung des Gewahrsams die äußerste Grenze der Tatfrische bedeutet, bleibt dadurch unberührt. 4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Man gelangt damit zu dem Ergebnis, dass die Gewahrsamssicherung durch das Merkmal „auf frischer Tat“ den äußersten zeitlichen Anwendungsbereich des § 252 bestimmt. Damit wird die Wortlautgrenze der „Tatfrische“ beachtet und das Ergebnis beruht systematisch auf der Gleichwertigkeit von räuberischem Diebstahl und Raub. Somit kann man Hillenkamp insofern beipflichten, als der Beendigungsbegriff im Bereich des § 252 eine faktischorientierte Bestimmung erfahren könnte.636 Allerdings kann der Beendigungsbegriff als solcher nicht viel zur Bestimmung der Reichweite der Tatfrische beitragen.637 Ohne die Gewahrsamssicherung als Beendigung des Diebstahls zu bezeichnen leitet man schon aus dem subjektiven Merkmal „Besitzerhaltungsabsicht“ ab, dass die Tatfrische nur vor dem Zeitpunkt der Sicherung des Gewahrsams möglich ist. Diese tatbestandliche Struktur des § 252 liefert nicht nur eine solidere dogmatische Grundlage für die äußerste Grenze der Tatfrische als der Beendigungsbegriff, sondern vermeidet auch den überflüssigen Streit um die Bedeutung des Beendigungsbegriffs.638 Daher ist es bei der Auslegung des § 252 empfehlenswert, den Begriff der „Gewahrsamssicherung“ anstelle des Beendigungsbegriffs zu verwenden.
IV. Zusammenfassung Bei den Qualifikationstatbeständen sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. In der ersten Fallgruppe besteht ein Koinzidenzverhältnis zwischen 635 NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 15. Sachlich ebenso Kratzsch, JR 1988, 397 (401): „der Zusammenhang zwischen der Tat und dem gegenwärtigen Verhalten des Täters muss doch so eng sein, dass allein sein äußeres Gesamtverhalten das Auslaufen der gerade begangenen Straftat erkennen lässt“. 636 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 37. 637 A. A. Heghmanns, BT, Rn. 1127. 638 Die Unsicherheit über den Beendigungszeitpunkts des Diebstahls besteht unabhängig davon, ob er als der letztmögliche Zeitpunkt des § 252 anerkannt wird. Vgl. etwa NK-Kindhäuser, § 252 Rn. 12; Geppert, Jura 1990, 554 (556); Perron, GA 1989, 145 (162); Gössel, BT/2, § 15 Rn. 13.
B. Beendigungsbegriff und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale
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Grunddelikt und qualifizierendem Umstand (§§ 244, 250). Unter dem Wegnahmebegriff, der für § 242 sowie für § 249 gilt, ist lediglich der Gewahrsamswechsel zu verstehen. Gegen die Einbeziehung der Sicherung des Gewahrsams in den Wegnahmebegriff spricht die Sonderregelung des § 252. Soweit der qualifizierende Umstand sich während des Gewahrsamswechsels einstellt, kommt § 244 oder § 250 zur Anwendung. Dass der Täter eventuell noch weitere Wegnahmehandlungen ausführt, wirft nur Konkurrenzprobleme auf, hat mit dem Koinzidenzerfordernis aber nichts zu tun. Die zweite Fallgruppe bilden die erfolgsqualifizierten Delikte. Bei deren Konditionalverhältnis zwischen Grunddelikt und qualifizierendem Umstand gilt entscheidend der Grundgedanke der Verwirklichung der spezifischen Gefahr des Grunddelikts. In den §§ 250, 251 fungiert der Raub als taugliche Quelle der spezifischen Gefahr. Soweit sich die qualifizierende Folge aus dem Einsatz des zur Wegnahme dienenden Nötigungsmittels ergibt, kommt entweder § 250 oder § 251 zur Anwendung. Dabei ist es ohne Belang, in welchem Entwicklungsstadium des Raubes das zur qualifizierenden Folge führende Nötigungsmittel eingesetzt wird. Insoweit benötigt man den Beendigungsbegriff für die Auslegung der Qualifikationstatbestände ebenfalls nicht. Der Beendigungsbegriff spielt bei der Tatbestandsauslegung der drei klassischen Anschlussdelikte (§§ 257 ff.) ebenfalls keine Rolle. Dies ergibt sich vor allem aus der Tatbestandstypisierung derjenigen Verhaltensweisen, die rechtsgeschichtlich nur als Teilnahme nach der Straftat begriffen werden. Die Eigenständigkeit des Anschlussdelikts kommt darin zum Ausdruck, dass seine Zwecksetzung und Tatbestandsausgestaltung nicht auf das Rechtsgut der von der Vortat verletzten Verhaltensnorm gerichtet sind, sondern sich an dem jeweils bestimmten Individual- oder Allgemeinheitsrechtsgut orientieren. Auf dieser Grundlage kommt dem Merkmal der Vortat in dem jeweiligen Anschlussdelikt nicht die Funktion zu, den letztmöglichen Zeitpunkt der Vortatbeteiligung zu markieren, sondern allein die Funktion, die Ausgangslage der Rechtsgutsbeeinträchtigung durch die Anschlusstat festzustellen. Bis zu welcher zeitlichen Grenze die Vortat noch beteiligungsfähig ist, ist eine andere Frage, die für den Anwendungsbereich des Anschlussdelikts ohne Belang ist. Demnach besteht kein Exklusivverhältnis zwischen Vortatbeteiligung und Anschlusstat. Eine Überschneidung der Anwendungsbereiche ist vielmehr tatbestandlich vorgegeben.639 Nicht anders als sonst kann eine Handlung entweder keinen, oder nur den einen der beiden Tatbestände, oder zugleich die beiden Tatbestände verwirklichen. In den beiden erstgenannten Fällen ist die „Abgrenzung“ von Vortatbeteiligung und Anschlusstat nur eine zwingende Konsequenz der Tatbestandsauslegung und man bedarf dazu keines besonderen Kriteriums. Auch im letztgenann639
Im allgemeinen Sinne ebenso Puppe, JR 1984, 229 (230).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
ten Fall ist die tatbestandliche Exklusivität kein erstrebenswertes Ziel.640 Denn eigentlich handelt es sich um ein Konkurrenzproblem, zu dessen Lösung die Konkurrenzregelungen geeignet sind. Man sollte deshalb in Zukunft auf den Streit um die zeitliche Grenze der Tatbeteiligung im Rahmen der Anschlussdelikte nicht mehr eingehen.641 Man bedarf des verwirrenden Beendigungsbegriffs folglich auch nicht mehr. Beim räuberischen Diebstahl (§ 252) kann man zukünftig ebenfalls auf den Beendigungsbegriff verzichten. Der Endpunkt des Einsatzes des Nötigungsmittels lässt sich aus dem subjektiven Tatbestandsmerkmal „Besitzerhaltungsabsicht“ ableiten. Ein Nötigungsmittel, das nach der Gewahrsamssicherung eingesetzt wird, kann die Gleichwertigkeit zwischen den §§ 249 und 252 nicht begründen und fällt daher nicht mehr in der Reichweite der „Tatfrische“. Unter Zugrundelegung der Tatbestandsstruktur des § 252 braucht man nicht den Beendigungsbegriff heranzuziehen, um die Reichweite der „Tatfrische“ zu bestimmen.
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre Der Beendigungsbegriff wird vielfach auch in der Beteiligungslehre diskutiert. Durch den Beendigungsbegriff wird die Ausführungsphase einer beteiligten Tat vergrößert. Diese faktische Funktion hat zwei Konsequenzen: Zum einen wird die zeitliche Grenze der Tatbeteiligung bis zur Beendigung verschoben. Angesichts der sich daraus ergebenden strafbegründenden Folgen besteht in der Rechtsprechung und Literatur bisher kein Konsens darüber, ob der Beendigungsbegriff insoweit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip in Einklang steht. Zum anderen wird der Gegenstand des Teilnehmervorsatzes erweitert. Wer annimmt, die von ihm angestiftete bzw. unterstützte Haupttat werde nicht beendet, macht sich jedenfalls nicht wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zu dieser Tat strafbar. Da der Beendigungsbegriff insoweit den Teilnehmer entlastet, spielt es für das Gesetzlichkeitsprinzip keine Rolle, dass er keine Stütze in der Fassung des Straftatbestandes findet. Streitig ist gleichwohl, ob dadurch nicht der Grundsatz des effektiven Rechtsgüterschutzes zu sehr eingeschränkt wird, und folglich der Teilnehmer zu Unrecht begünstigt wird. Wegen dieses wesentlichen Unterschiedes wird der Streit um den Teilnehmervorsatz erst im Rahmen der Vorsatzlehre behandelt (s. u. D.). Dieses 640
Nähere Begründung dazu Puppe, JR 1984, 229 (231 ff.), allerdings dargestellt an weiteren Tatbeständen. 641 Bei der hier vertretenen Konkurrenzlösung spielt die Beendigung der Vortat eine Rolle, weil sie nach h. M. die äußerste Zeitgrenze der Handlungsidentität des § 52 durch Teilidentität der Tatbestandsausführungshandlungen bestimmt. Damit ist eine weitere Problematik des Beendigungsbegriffs betroffen.
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre
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Kapitel widmet sich nur dem Verhältnis des Beendigungsbegriffs zur zeitlichen Grenze der Tatbeteiligung im Zusammenhang mit der sog. sukzessiven Tatbeteiligung. Im Folgenden werden zunächst die Erscheinungsformen der sukzessiven Tatbeteiligung und ihre gemeinsame Problematik beschrieben (s. u. I.). Danach wird der bisherige Meinungsstand im Hinblick auf den zugrundeliegenden Umfang der beteiligungsfähigen Tat dargestellt (s. u. II.), um dann die Position des Verfassers darzulegen (s. u. III.). Schließlich wird daraus die Konsequenz für den Beendigungsbegriff gezogen. (s. u. IV.)
I. Formen der sukzessiven Tatbeteiligung und ihre Problematik 1. Formen der sukzessiven Tatbeteiligung Soweit die Tatbeiträge eines Beteiligten schon vor Beginn der Tatbegehung geleistet werden, verläuft ihre Zurechnung ohne Schwierigkeiten. Werden hingegen Tatbeiträge erst geleistet, wenn die Tat schon begonnen hat, aber noch nicht endgültig abgeschlossen ist, ergeben sich Probleme. Somit ist die sog. sukzessive Tatbeteiligung angesprochen, mit der jedes nachträgliche Mitwirken eines bei Tatbeginn Unbeteiligten während der Tatausführung gemeint ist.642 Die Formen der sukzessiven Tatbeteiligung unterscheiden sich nach Beteiligungsform und Beteiligungszeitpunkt. a) Beteiligungsformen Die sukzessive Tatbeteiligung kommt unstreitig bei der Mittäterschaft und bei der Beihilfe in Betracht. Bei sukzessiver Mittäterschaft handelt es sich um Fälle, in denen der gemeinsame Tatentschluss zwischen den Beteiligten erst dadurch hergestellt wird, dass ein zunächst Unbeteiligter einer bereits begonnenen Tatausführung beitritt. Wenn B zu dem Diebstahl des A dazukommt und mit ihm gemeinsam die Beute, die A allein nicht tragen kann, wegschleppt, kommt B als Mittäter des Diebstahls in Betracht.643 Sukzessive Beihilfe ist ohne weiteres möglich, wenn die Haupttat zum Zeitpunkt der Hilfeleistung bereits teilweise ausgeführt ist, etwa wenn B erst nach der Gewaltanwendung des A hinzukommt und bei der Wegnahme der Beute Hilfe leistet. B hat sukzessiv Beihilfe zum Raub von A geleistet. Während sukzessive Mittäterschaft und Beihilfe seit langem ein lebendiges Thema in der Beteiligungslehre sind, beschäftigten sich einige Autoren 642 643
Fischer, § 25 Rn. 17; vgl. auch Schmoller, Kansi Review 23, 35. Roxin, AT/2, § 25 Rn. 219.
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erst in neuester Zeit mit der Möglichkeit der sog. sukzessiven Anstiftung.644 Da es bei Anstiftung um das Hervorrufen des Tatentschlusses beim Täter handelt, erscheint die Möglichkeit sukzessiver Anstiftung auf den ersten Blick ausgeschlossen, weil bei einem „Angestifteten“, der die Grenze des Versuchs der Tat überschritten hat, bereits Tatentschluss vorliegt.645 Bei näherem Hinsehen lassen sich allerdings Konstellationen denken, bei denen sich der Täter nach der Vollendung weiterhin tatbestandsmäßig durch Tun oder Unterlassen verhält, weil er nach Tatvollendung dazu angestiftet wird, die Fortführung der Tat entgegen seiner Absicht nicht aufzugeben. Beispielsweise hat T den O mit einem Fausthieb niedergeschlagen und will gerade von O ablassen, als ihm A zuruft: „Noch mal!“ – und nun platzt auch die andere Augenbraue des O.646 In diesem Fall kommt A als sukzessiver Anstifter zur Körperverletzung von T in Betracht. b) Beteiligungszeitpunkte Was den Beteiligungszeitpunkt angeht, herrscht Einigkeit darüber, dass ein Unbeteiligter nach dem Versuchsbeginn bis zur Vollendung der vom anderen begangenen Tat an der Fortsetzung der tatbestandsmäßigen Handlung oder der Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs mitwirken kann.647 Wenn etwa der bisher Unbeteiligte nach der Gewaltanwendung des Täters erst die Wegnahme gemeinsam begeht, verwirklicht er gemeinsam mit dem anderen den Raubtatbestand. Wer z. B. Hilfe erst beim Einsperren des Opfers durch den Täter vor der Kellertür leistet, indem er auf den Kopf des Opfers schlägt, damit es erfolgreich im Keller eingesperrt wird, hat sich der Beihilfe zur Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Allerdings ist in dieser Zeitspanne die sukzessive Anstiftung kaum denkbar. Andererseits steht außer Frage, dass die sukzessive Tatbeteiligung nach der Beendigung der Tat nicht mehr in Betracht kommt.648 Nach ständiger 644 Neuerdings Börner, Jura 2006, 415 ff.; ihm folgend Fischer, § 26 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2 b; Kühl, AT, § 20 Rn. 176 a. Näher Grabow, Jura 2009, 408 ff. Im Rahmen der Beendigungsdogmatik hat Winkler, S. 128 bereits diese Möglichkeit anerkannt, soweit der Täter den Entschluss, den rechtswidrigen Zustand aufzuheben, noch nicht in die Tat umgesetzt hat. 645 So etwa Geppert, Jura 1999, 266 (271). 646 Börner, Jura 2006, 415 (416). 647 Vgl. nur MK-Joecks, § 25 Rn. 178; Kindhäuser, AT, § 40 Rn. 10. Rudolphi, FS-Jescheck, 559 ff. vertritt den strengsten Standpunkt, dass nur bis zum Ende der Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung eine sukzessive Beihilfe möglich sei. Wegen der bloßen Mitwirkung an der Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs komme nur Nebentäterschaft oder ein Anschlussdelikt in Betracht. 648 Vgl. nur S/S-Heine, § 25 Rn. 91 m. w. N.
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Rechtsprechung zieht das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch einen anderen Mittäter geschaffenen Lage keine strafrechtliche Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nach sich.649 Danach ist die Mittäterschaft beim Raub (§§ 249, 25 Abs. 2) für denjenigen ausgeschlossen, der dem Räuber lediglich bei der Verwertung der schon in dessen Wohnung versteckten Beute Hilfe leistet, weil der Gewahrsam an der Beute schon gesichert und gefestigt ist. Für den Hilfeleistenden kommt nur Begünstigung (§ 257) in Betracht. Sehr umstritten ist, ob sukzessive Tatbeteiligung zwischen Vollendung und Beendigung der Tat in Betracht kommt, wenn man anhand des Beendigungsbegriffs die Ausführungsphase der Tat auf das Stadium nach der Vollendung erweitert. Denn dann kann sukzessive Mittäterschaft darin bestehen, dass der zunächst Unbeteiligte nach der Begründung des Gewahrsams beim Abtransport der Beute mitwirkt, um den Gewahrsam an ihr zu sichern. Sukzessive Beihilfe besteht z. B. darin, dass der Gehilfe dem T im Falle der Freiheitsberaubung bei der Verhinderung der Flucht des bereits zuvor eingesperrten O hilft. Der o. g. Beispielsfall sukzessiver Anstiftung gehört ebenfalls zu dieser Fallgruppe. 2. Analyse der „besonderen“ Problematik der sukzessiven Tatbeteiligung a) Zwei Hauptprobleme der Rechtsfigur der sukzessiven Tatbeteiligung Es geht nun um die normative Beurteilung der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten. Die Beteiligungsform in den Fällen nachträglicher Mitwirkung ebenso wie in den Normalfällen der Tatbeteiligung richtet sich allein nach der Tatherrschaftslehre.650 Die sukzessive Tatbeteiligung wirft jedoch zwei besondere normative Probleme auf: Einerseits die Frage des letztmöglichen Zeitpunkts der Beteiligung, d.h. ob der an einer tatbestandslosen Handlung Beteiligte dann, wenn die Beendigungsphase einer tatbestandsmäßigen Handlung des anderen Täters läuft, für die Beteiligung an dieser schon vollendeten Tat verurteilt werden kann. Hat z. B. der Tatbeteiligte nach der Vollendung des Diebstahls nur beim Abtransport des Diebesguts mitgewirkt, um den Gewahrsam zu sichern, stellt sich die Frage, ob dem Tatbeteiligten der vollendete Diebstahl insgesamt zuzurechnen ist und er wegen Mittäterschaft am Diebstahl gemäß §§ 242, 25 Abs. 2 zu bestrafen ist. 649 650
BGH NStZ 1984, 548; 1994, 123; 1997, 565; S/S-Heine, § 25 Rn. 91. Vgl. nur BGH wistra 2001, 378.
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Andererseits geht es um den Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten. Wenn der Beteiligte an der an sich tatbestandsmäßigen Handlung, die ihrerseits nur ein Bestandteil einer Straftat des anderen ist, mitwirkt, wird kontrovers diskutiert, ob der Beteiligte wegen der Beteiligung an dieser Straftat in vollem Umfang zu bestrafen ist, d.h. ob dem später Hinzutretenden das bereits verwirklichte Unrechtsverhalten des anderen zugerechnet werden kann.651 Von größter Bedeutung ist diese Frage für die bereits teilweise verwirklichten mehraktigen Delikte. Hatte z. B. T in Kenntnis der vorangegangenen Gewaltanwendung des Räubers allein bei der Wegnahme mitgewirkt, so fragt es sich, ob ihm die bereits erfolgte Gewaltanwendung zuzurechnen ist und er folglich nicht nur wegen gemeinschaftlichen Diebstahls (§§ 242, 25 Abs. 2), sondern wegen gemeinschaftlichen Raubes (§§ 249, 25 Abs. 2) zu bestrafen ist. Diese Frage hat Bedeutung auch in den Fällen, in denen die Verwirklichung eines Qualifikationsmerkmals in Betracht kommt. Hat z. B. der Gehilfe dem Täter während der einwöchigen Freiheitsberaubung des Opfers nur an den letzten vier Tagen Hilfe geleistet, ist es fraglich, ob dem Gehilfen die vor seinem Beitritt erfolgte Freiheitsberaubung zuzurechnen ist und er sich damit nicht nur wegen Beihilfe zur einfachen Freiheitsberaubung (§§ 239 Abs. 1, 27), sondern wegen Beihilfe zur erschwerten Freiheitsberaubung (§§ 239 Abs. 3 Nr. 1, 27) strafbar gemacht hat. b) Das Kernproblem: Umfang des beteiligungsfähigen Tatbegriffs aa) Gesetzliche Beteiligungsregelungen als Grundlage der rechtlichen Würdigung der sukzessiven Tatbeteiligung Zur Lösung der beiden Probleme muss man angesichts des Gesetzlichkeitsprinzips von den Regelungen über die Tatbeteiligung nach den §§ 25 ff. ausgehen. Wenn der Sinn der Rechtsfigur der sukzessiven Tatbeteiligung in der Literatur vereinzelt darin erblickt wird, „über die nach allgemeinen Beteiligungsregeln erfassten Fälle hinaus eine strafrechtliche Haftung zu begründen“652, ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Rechtsfigur allenfalls eine phänomenologische Bedeutung zukommt. Sie beinhaltet also keine normativen Aussagen über die Verantwortlichkeit des Beteiligten. Eine Verantwortlichkeit wegen sukzessiver Beteiligung ergibt sich nur, wenn sie nach den allgemeinen Beteiligungsregelungen erfasst wird. Den letztmöglichen Zeitpunkt der Tatbeteiligung hat der Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich geregelt, er hat aber das beteiligungsfähige Objekt 651 Vgl. nur Frister, AT, § 26 Rn. 12 ff.; T. Walter, NStZ 2008, 548 (553); Murmann, ZJS 2008, 456; ferner Mitsch, GA 2009, 329 (343). 652 Murmann, ZJS 2008, 456.
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beschrieben: Mittäter begehen „die Straftat“ gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2); Anstifter bestimmen die von einem anderen vorsätzlich begangene „rechtswidrige Tat“ (§ 26) bzw. Gehilfen leisten Hilfe dabei (§ 27 Abs. 1). Diese Merkmale des Beteiligungsobjekts werden konkretisiert durch § 11 Abs. 1 Nr. 5, wonach nur diejenige Handlung in Betracht kommt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Eine tatbestandslose Handlung ist aber weder „Straftat“ noch „rechtswidrige Tat“ und darum nicht beteiligungsfähig. Sieht man wie hier die gewahrsamssicherende Handlung nicht als Bestandteil der Wegnahme, ist die Mitwirkung an der Gewahrsamssicherung keine Beteiligung am Diebstahl oder Raub. Selbstverständlich hat der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit des Beteiligten nicht offen gelassen: Der Mittäter wird „als Täter bestraft“ (§ 25 Abs. 2), der Anstifter „gleich einem Täter“ (§ 26) und der Strafrahmen des Gehilfen ist gegenüber dem des Täters „nach § 49 Abs. 1 zu mildern“ (§ 27 Abs. 2). Nach dem Willen des Gesetzgebers kann und muss der Beteiligte nur insoweit Verantwortung tragen, als er die Voraussetzungen der jeweiligen Beteiligungsform vollständig erfüllt hat. Diese Regelungen lassen sich ebenfalls reibungslos auf o. g. Beispielsfälle sukzessiver Beteiligung anwenden: Hat der Beteiligte nicht an der Gewaltanwendung oder der vorherigen dreitägigen Freiheitsberaubung, sondern nur an der Wegnahme oder der letzten viertägigen Freiheitsberaubung mitgewirkt, ist er nur wegen mittäterschaftlichen Diebstahls (§§ 242, 25 Abs. 2) bzw. Beihilfe zur einfachen Freiheitsberaubung (§§ 239, 27) zu bestrafen. Mithin scheint die sukzessive Tatbeteiligung keine Besonderheiten bei der rechtlichen Würdigung aufzuweisen. Sowohl der letztmögliche Zeitpunkt der Tatbeteiligung als auch der Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten sind in den §§ 25 ff. abschließend geregelt. Unklar ist, worum es eigentlich bei dem langjährigen Streit um die Figur der sukzessiven Tatbeteiligung geht. bb) Die entscheidende Bedeutung des Merkmals „die Straftat“ (§ 25 Abs. 2) und des Merkmals „rechtswidrige Tat“ (§§ 26, 27 Abs. 1) Das nähere Hinsehen ergibt, dass sich unsere bisherige Überlegung implizit darauf gründet, dass das Tatgeschehen nach dem Beitritt des bisher Unbeteiligten von dem vor seinem Beitritt gedanklich getrennt ist. Somit darf man die Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten nur an das Tatgeschehen nach seinem Beitritt anknüpfen, ohne zugleich das vor seinem Beitritt in Betracht zu ziehen. Das folgt aber nicht zwingend aus den §§ 25 ff., denn diese Regelungen lassen die andere Betrachtungsweise
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
ebenfalls zu, die die Tatabschnitte vor und nach dem Beitritt zu einer Straftateinheit zusammenfasst.653 Das ergäbe eine andere rechtliche Würdigung der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten. Der an der tatbestandslosen Handlung Beteiligte könnte für die bereits vollendete Tat gemäß §§ 25 Abs. 2 oder 27 verantwortlich sein, wenn man diese Handlung als einen Teil des tatbestandsmäßigen Sachverhalts ansieht. Denn dann hätte der Beteiligte auch an der Straftateinheit mitgewirkt und die Voraussetzung der beteiligungsfähigen Tat i. S. des § 25 Abs. 2 („Straftat“) und der §§ 26, 27 („rechtswidrige Tat“) erfüllt. Wer z. B. allein beim Abtransport des Diebesguts Hilfe geleistet hat, würde sich danach wegen Beihilfe zum Diebstahl strafbar machen, weil dieser Tatabschnitt noch zum tatbestandsmäßigen Diebstahl gehört. Die Erweiterung der Verantwortlichkeit des Beteiligten dafür, was vor seinem Beitritt schon geschehen ist, könnte damit begründet werden, dass sich die beiden Tatabschnitte vor und nach seinem Beitritt des Beteiligten als untrennbarer Bestandteil einer Straftateinheit darstellen. Jede Beteiligung an dem einen oder anderen Tatabschnitt wäre mit der Beteiligung an der Straftateinheit gleichgestellt. In dieser Betrachtungsweise hätte sich der Beteiligte, der erst nach der Gewaltanwendung des Täters an dessen Wegnahme mitwirkt, am tatbestandsmäßigen Raub beteiligt, mit der Folge, dass er sich wegen Raub in Mittäterschaft schuldig gemacht hätte. Somit könnten sich sowohl die Hinausschiebung des letztmöglichen Zeitpunkts der Tatbeteiligung als auch die Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten für das bereits vor seinem Beitritt verwirklichte Unrecht ebenfalls aus den allgemeinen Beteiligungsregelungen ergeben. Es hat sich zugleich gezeigt, was sich für unterschiedliche Konsequenzen ergeben, wenn man das gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsobjekt auf die eine oder auf die andere Weise bestimmt. Der Streit sowohl über den letztmöglichen Zeitpunkt der Tatbeteiligung als auch über den Umfang der Verantwortung des sukzessiven Beteiligten betreffen dasselbe Kernproblem, i. e. wie man den beteiligungsfähigen Tatbegriff i. S. der §§ 25 Abs. 2, 26 und 27 bestimmen soll. Welche der o. g. Bestimmungsweisen dem Gesetz zugrunde liegen, lässt sich aus den allgemeinen Beteiligungsregelungen jedoch nicht deutlich entnehmen. Darauf kann man wohl auch den Streit um die sukzessive Tatbeteiligung zurückführen.
653 Ausdrücklich stellt etwa Grabow, Jura 2009, 408 (409 ff.) die sukzessive Anstiftung auf die einheitliche Tat (tatbestandliche Handlungseinheit) ab.
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II. Meinungsstand zum Umfang der beteiligungsfähigen Tat In der Literatur werden der letztmögliche Zeitpunkt der Tatbeteiligung und der Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Tatbeteiligten bisher noch als zwei eigenständige Probleme betrachtet. Dass beide Probleme sachlich gleichermaßen die Bestimmung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs betreffen, wird insoweit nicht berücksichtigt. Gleichwohl lassen sich an den Meinungsunterschieden zwischen Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich zwei Auslegungstendenzen hinsichtlich der Bestimmung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs beobachten. Nachfolgend werden die unterschiedlichen Tendenzen hinsichtlich des beteiligungsfähigen Tatbegriffs aufgezeigt. Die Rechtsprechung und ihre Befürwörter vertreten ein einheitliches und weiter gefasstes Verständnis des Tatbegriffs als die überwiegende Lehre, die mehr differenziert. 1. Standpunkt der Rechtsprechung Nach der Rechtsprechung654 und Teilen der Lehre655 sei die sukzessive Mittäterschaft über die formelle Tatvollendung hinaus bis zur materiellen Beendigung der Tat möglich, soweit der später Hinzutretende noch vor Tatbeendigung einen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leiste656, unabhängig davon, ob der Tatbestand nach der Vollendung weiter verwirklicht werde. Wer z. B. beim Abtransport des Diebesguts mitwirke, um die Beendigung des Diebstahls zu ermöglichen, sei wegen Diebstahls in Mittäterschaft strafbar. Ebenso möglich sei eine mittäterschaftliche Mitwirkung bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, indem z. B. ein Pkw-Fahrer einverständlich mit dem anderen Beteiligten das bereits widerrechtlich nach Deutschland eingeführte Heroin zum Bestimmungsort transportiere. Der BGH vertritt denselben Standpunkt im Rahmen der sukzessiven Beihilfe und knüpft den letztmöglichen Zeitpunkt für diese an die Tatbeendigung der Haupttat an.657 Die Ausdehnung der sukzessiven Beteiligung auf die Phase zwischen Vollendung und Beendigung der Tat führt zugleich zur Überschneidung der Beteiligung an der Vortat mit den Anschlusstaten nach 654 Vgl. statt vieler RGSt. 8, 43; BGHSt. 2, 345; NStZ 1996, 227; GA 1969, 214; GA 1986, 229; NStZ-RR 1997, 319; zu Widersprüchen in der Rechtsprechung siehe Gössel, FS-Jescheck, 537 (544 ff.). 655 S/S-Heine, § 25 Rn. 91; Baumann/Weber/Mitsch, § 29 Rn. 105 ff.; Jescheck/ Weigend, § 64 III 2 b; Wessels/Beulke, Rn. 527; Eser/Burkhardt, Fall 40 A 4. 656 BGH NStZ-RR 1997, 319. 657 RGSt 23, 292 f.; BGHSt 2, 40 (43 f.); 6, 248 (251); NStZ 2000, 31; BayOLG NStZ 1999, 568 (569).
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§§ 257, 258. Wie schon gesagt, grenzt die Rechtsprechung das anhand der Willensrichtung des Täters ab.658 Was den Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten angeht, vertritt der BGH entgegen dem Reichsgericht659 die Ansicht, dass dem später Hinzutretenden die Tatanteile zuzurechnen sind, die vor seinem Eintritt allein von den anderen Beteiligten verwirklicht wurden, soweit „er sie kannte und an der Vollendung der schwereren Tat mitwirkte“.660 In einer Grundsatzentscheidung661 wurde dieser Standpunkt so formuliert: „Wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen als Mittäter eintritt, so bezieht sich sein Einverständnis auf einen verbrecherischen Gesamtplan, und das Einverständnis hat die Kraft, dass ihm auch das einheitliche Verbrechen als solches strafrechtlich zugerechnet wird.“ Als Begründung wurde herangezogen, dass dem Gehilfen unabhängig vom Zeitpunkt seiner Unterstützung alle vom Täter verwirklichten Erschwerungsgründe zuzurechnen seien und es keinen ersichtlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Mittäterschaft und Beihilfe gebe. Später legte der BGH die Zurechenbarkeit vorangegangener Tatanteile mehr oder weniger restriktiv aus. Beispielsweise verneint der BGH die Zurechnung der durch die Gewalt eines anderen Beteiligten herbeigeführten Körperverletzung, da diese schon „vollständig abgeschlossen ist“.662 Andererseits scheint der BGH die von anderen Beteiligten verübte Gewalt dem Hinzutretenden zuzurechnen, wenn er sich unter Ausnutzung der „fortdauernden Gewaltsituation“663 an der Wegnahme beteiligt. Dieses restriktive Verständnis der sukzessiven Mittäterschaft ändert aber nichts an seinem grundlegenden Standpunkt.664 Erwähnenswert ist die Begründung von Frister für den Standpunkt der Rechtsprechung. Er geht davon aus, dass die Tatbeiträge der Mittäter rechtlich als eine Handlung zu bewerten sind, die in ihrer Gesamtheit unter dem jeweiligen Tatbestand subsumiert werden.665 Wann eine gemeinschaftliche Handlung vorliegt, hängt nach Frister davon ab, ob Beiträge von Beteiligten, sofern sie nur von einer Person geleistet würden, als eine Handlung i. S. des § 52 zu bewerten wären.666 Aufgrund dessen sei demjenigen, der 658 659 660 661 662 663 664 665 666
BGHSt 4, 132 (133). RG JW 1923, 756; 1924, 1436; RGSt. 59, 79 (82). BGH NStZ 1998, 336. BGHSt 2, 344 (346). BGH MDR 1969, 533. BGH MDR 1969, 533. Vgl. Gössel, FS-Jescheck, 537 (539 ff.); LK-Schünemann, § 25 Rn. 199. Frister, AT, § 25 Rn. 17 im Anschluss an Dencker, S. 130 ff., 143 ff. Frister, AT, § 26 Rn. 8.
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durch Beteiligung an einem Teil der einheitlichen Handlung i. S. des § 52 diese Gemeinschaftlichkeit erst während der Ausführung der Tat herstelle, die Handlung insgesamt als gemeinschaftliche zuzurechnen.667 Dieser Gedanke gelte entsprechend auch bei sukzessiver Beihilfe. Demnach sei die Beendigung der Tat als die zeitliche Grenze der sukzessiven Beteiligung anzusehen, weil die Phase zwischen Vollendung und Beendigung noch zu der den Tatbestand verwirklichenden einheitlichen Handlung gehöre.668 Anders als die Rechtsprechung kommt für Frister die Anwendung des Tatbestands der Begünstigung im Fall des Abtransports der Beute nur dann in Betracht, wenn „zwischen der Tat und dem Abtransport eine Zäsur liegt, so dass beides nicht mehr als eine einheitliche Handlung anzusehen ist.“669 Mithin liegt den Merkmalen „Straftat“, § 25 Abs. 2, und „rechtswidrige Tat“, § 27 Abs. 1, das Verständnis zugrunde, dass der tatbestandsmäßige Sachverhalt sich auch auf die tatbestandslose Beendigungsphase erstreckt, und dessen Gesamtheit taugliches Beteiligungsobjekt ist, insbesondere bei Frister. Der beteiligungsfähige Tatbegriff ist für die Rechtsprechung die Gesamtheit der Straftateinheit i. S. der Konkurrenzlehre und gilt gleichermaßen für die beiden Hauptprobleme der sukzessiven Tatbeteiligung. 2. Standpunkt der überwiegenden Lehre a) Der letztmögliche Zeitpunkt der Tatbeteiligung Nach der h. M. in der Literatur sei sukzessive Mittäterschaft grundsätzlich nur bis zur Tatvollendung zulässig.670 Ausnahmen davon seien Dauerdelikte und Fälle iterativer Tatbestandsverwirklichung.671 Die Rechtsprechung des BGH sei aufgrund der Unbestimmtheit der Tatbeendigung672 und des Verstoßes gegen das Analogieverbot unvereinbar mit Art. 103 Abs. 2 GG; denn bei Mitwirkung an einer tatbestandslosen Beendigungsphase sei keine Rede mehr von gemeinschaftlichem Begehen einer „Straftat“ i. S. des § 25 Abs. 2, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 die Verwirklichung eines Straftat667
Vgl. Frister, AT, § 26 Rn. 13. Vgl. Frister, AT, § 28 Rn. 50. 669 Frister, AT, § 28 Rn. 50. 670 Roxin, AT/2, § 25 Rn. 223; Kindhäuser, AT, § 40 Rn. 12; B. Heinrich, AT/2, Rn. 1237; LK-Schünemann, § 25 Rn. 197 u. § 27 Rn. 46; SSW-StGB/Murmann, § 25 Rn. 39. 671 Vgl. Kühl, AT, § 20 Rn. 126; ders., JuS 2002, 729 (733); noch weitergehend Winkler, S. 124 ff. 672 Köhler, AT, S. 536; Roxin, AT/2, § 25 Rn. 221; Bitzilekis, ZStW 99 (1985), 723 (733 f.); Gössel, FS-Jescheck, 537 (552). 668
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bestands voraussetze.673 Zum anderen sei die Auffassung des BGH weder mit der Tatherrschaftslehre noch mit der von ihm selber vertretenen subjektiven Täterschaftlehre vereinbar, da beide gleichermaßen die Tatbestandsverwirklichung voraussetzten.674 Letztlich werde auch auf die Gesetzessystematik der Anschlusstaten hingewiesen.675 Die Ausdehnung der sukzessiven Beteiligung an der Vortat in der Beendigungsphase führe zur Verwischung der Grenze zu den Anschlussdelikten. Dieser Nachteil werde durch die weitgehende Interpretierbarkeit der Tatbeendigung und das unzuverlässige Abgrenzungskriterium der „Willensrichtung“ des Handelnden noch verstärkt. Die genannten Einwände gelten z. T. entsprechend im Bereich sukzessiver Beihilfe. Art. 103 Abs. 2 GG werde von der Rechtsprechung missachtet, weil die Haupttat nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 tatbestandsmäßig sein müsse676 und die Beendigungsphase extrem unpräzis sei.677 Hinzu komme der Strafgrund der Teilnahme als mittelbarer Rechtsgutsangriff. Die Mitwirkung des Gehilfen allein in der tatbestandslosen Beendigungsphase leiste zur tatbestandlich typisierten Rechtsgutsbeeinträchtigung keinen Beitrag mehr.678 Auch die Akzessorietät der Teilnahme ändere daran nichts, weil sie weder der Ausdehnung der Strafbarkeit beim Teilnehmer diene noch an Stelle der Kausalität zwischen Hilfeleistung und Haupttat als Mindestvoraussetzung der Zurechenbarkeit treten könne.679 Schließlich stünden die Regelungen der Anschlussdelikte auch der Hinausschiebung der zeitlichen Grenze der sukzessiven Beihilfe entgegen.680 Es lässt erkennen, dass gemeinsam der überwiegenden Lehre ist, dass der beteiligungsfähige Tatbegriff in der Regel bis zur Tatvollendung vorliegt, sich aber ausnahmsweise bei wiederholter Tatbestandsverwirklichung auf die tatbestandsmäßige Beendigung erstreckt. Dies ist von der Rechtsprechung 673 Kühl, AT, § 20 Rn. 127; ders., JuS 2002, 729 (733); Brünning, NStZ 2006, 253 (254). 674 „Die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs“: Rudolphi, FS-Bockelmann, 369 (376); vgl. auch Köhler, AT, S. 519; Kühl, AT, § 20 Rn. 127; ders., JuS 2002, 729 (733); Gössel, FS-Jescheck, 537 (555); Kaczmarek, FS-Rudolphi, 123 (127 f.); im Ergebins ebenso Otto, AT, § 21 Rn. 66; SK7-Hoyer, § 25 Rn. 114. 675 Köhler, AT, S. 536; Roxin, AT/2, § 25 Rn. 221; Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (657). 676 Vgl. SK6-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 9; vgl. auch Kühl, JuS 2002, 729 (734); SSW-StGB/Murmann, § 27 Rn. 8. 677 Vgl. Joecks, § 27 Rn. 9; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 262; LK-Schünemann, § 27 Rn. 42. 678 Vgl. Joecks, § 27 Rn. 9. 679 Schmoller, Kansai Univ. Rev. No. 23, 35 (42); vgl. auch Jakobs, 22/40. 680 Vgl. Roxin, AT/2, § 26 Rn. 260; Joecks, § 27 Rn. 9; Kühl, JuS 2002, 729 (734).
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nur insoweit verschieden, als ein tatbestandsloses Geschehen nicht als Teil der tatbestandsmäßigen Tat angesehen wird. Trotzdem wird unverändert die Gesamtheit der Straftateinheit als mögliches Beteiligungsobjekt angesehen. b) Der Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten Strittig ist hinsichtlich des beteiligungsfähigen Tatbegriffs, ob dem Beteiligten das bereits verwirklichte Unrecht zuzurechnen ist. Die Zurechnung der vorher verwirklichten erschwerenden Umstände beim sukzessiven Gehilfen wird überwiegend unter Berufung auf die Akzessorietät der Teilnahme zugelassen681, weil der Unrechtsgehalt der Beihilfe sich nicht aus der Mitherrschaft über den Tatvorgang ergebe, sondern von der Haupttat abhänge.682 Insoweit verdiene der Standpunkt des BGH weitgehende Zustimmung. Die Rechtsprechung in Bezug auf den Umfang der Verantwortlichkeit der sukzessiven Mittäterschaft ist hingegen auf weitgehende Ablehnung in der Literatur gestoßen. Die vorher verwirklichten erschwerenden Umstände könnten mangels gemeinsamen Tatplans und notwendigen Tatbeitrags des Hinzutretenden683 nicht mehr mittäterschaftlich zugerechnet werden.684 Die Zurechnung zuvor verwirklichter Tatanteile laufe auf Bestrafung eines dolus subsequens685 und eine Haftung für das Verhalten Dritter686 hinaus. Darüber hinaus werde auf die spezifische Konstruktion des einzelnen Straftatbestands hingewiesen. Der Raubtatbestand sei z. B. nach h. M. nur dann erfüllt, wenn Nötigungsmittel und Wegnahme final verknüpft seien.687 Das aber scheitere nach dem abgeschlossenen Einsatz des Nötigungsmittels da681 Roxin, AT/2, § 25 Rn. 228; Baumann/Weber/Mitsch, § 29 Rn. 107; Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 89; Gössel, FS-Jescheck, 537 (551); Kaczmarek, FS-Rudolphi, 123 (126); LK-Schünemann, § 25 Rn. 201; Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (660). Anders Jakobs, 22/39; Rudolphi, FS-Bockelmann, 369 (379); ders., FS-Jescheck, 559 (576). 682 Vgl. nur Roxin, AT/2, § 26 Rn. 26 ff. 683 Vgl. Jakobs, 21/60; Kindhäuser, AT, § 40 Rn. 12; B. Heinrich, AT/2, Rn. 1239; Rudolphi, FS-Bockelmann, 369 (377); SK7-Hoyer, § 25 Rn. 125; Schmoller, Kansai Univ. Rev. No. 23, 35 (40). 684 Wessels/Beulke, Rn. 527; Roxin, TuT, S. 290 f.; ders., AT/2, § 25 Rn. 227; Bockelmann/Volk, § 23 III 1; Otto, AT, § 21 Rn. 67; Freund, AT, § 10 Rn. 160; S/S-Heine, § 25 Rn. 91; LK-Schünemann, § 25 Rn. 200. 685 Gössel, FS-Jescheck, 537 (539); Haft/Hilgendorf, S. 36; Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 88; MK-Joecks, § 25 Rn. 182; Rengier, BT/1, § 7 Rn. 47; Köhler, AT, S. 519. Vgl. zum Vorsatzproblem bei sukzessiver Mittäterschaft auch Roxin, AT/1, § 12 Rn. 91. 686 S/S-Heine, § 25 Rn. 91. 687 Vgl. nur MK-Sander, § 249 Rn. 24; Rengier, BT/1, § 7 Rn. 22.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
ran, dass der Hinzutretende lediglich unter Ausnutzung der von anderen geschaffenen Zwangslage des Opfers die Wegnahme ausführe.688 Aus diesen Gründen seien die Tatanteile, die vollständig abgeschlossen seien, dem später Hinzutretenden nicht mehr als Mittäterschaft zuzurechnen.689 Was den Umfang der Verantwortlichkeit des sukzessiv Beteiligten angeht, wird mithin der beteiligungsfähige Tatbegriff bei Mittäterschaft und Beihilfe von überwiegender Lehre unterschiedlich bestimmt. Das Beteiligungsobjekt der Mittäterschaft beschränkt sich auf das Tatgeschehen, das unter funktionaler Tatherrschaft des Beteiligten stattgefunden hat. Und zwar auch, wenn es mit dem vor seinem Beitritt bereits verwirklichten Tatgeschehen zu einem Ganzen der Straftateinheit i. S. des anderen Tatbestands verbunden ist. Diese Straftateinheit hat die überwiegende Lehre gedanklich getrennt, um der Tatherrschaftslehre gerecht zu werden. Hingegen kann dem sukzessiven Gehilfen die Gesamtheit der vom Haupttäter verwirklichten Straftateinheit zugerechnet werden, auch wenn er zum vor seinem Beitritt schon verwirklichten Bestandteil der Haupttat keinen erforderlichen Tatbeitrag i. S. der Beihilfe geleistet hat. Es fällt auf, dass die überwiegende Lehre den beteiligungsfähigen Tatbegriff bei sukzessiver Mittäterschaft inkonseuqent anwendet: Für den letztmöglichen Beteiligungszeitpunkt wird die Gesamtheit der Straftateinheit zugrunde gelegt, während für den Umfang der Verantwortung des Beteiligten die Straftateinheit aufgespalten werden kann.
III. Die Orientierung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs am Straftatbestand des einzelnen Delikts 1. Strafbare Beteiligung als Beitrag zur zukünftigen Tatbestandsverwirklichung Um den beteiligungsfähigen Tatbegriff zu definieren, hat man sich die Funktion des Merkmals „Straftat“ des § 25 Abs. 2 und des Merkmals „rechtswidrige Tat“ der §§ 26, 27 Abs. 1 zu vergegenwärtigen. Dies geht von zwei Aspekten aus: Erstens, dass die Regelungen der Tatbeteiligung nach den §§ 25 ff. den Sinn haben, Verhaltensweisen, die nicht vom jeweiligen Straftatbestand erfasst sind, wegen des mittelbaren Beitrags zum Rechtsgutsangriff unter 688
Vgl. Küper, JZ 1981, 568 (571); Schmoller, Kansai Univ. Rev. No. 23, 35
(41). 689 Ob anders zu entscheiden ist, wenn der Tatbeitrag noch aktuell fortwirkt und sich der hinzutretende Mittäter daran beteiligt, ist umstritten. Bejahend B. Heinrich, AT/2, Rn. 1239; verneinend Küper, JZ 1981, 568 (571).
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre
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Strafe zu stellen. Den strafbewehrten Rechtsgutsangriff hat der Gesetzgeber im jeweiligen Straftatbestand umschrieben. Um die Voraussetzungen der Strafbarkeit des Beteiligten zu vervollständigen, hat der Gesetzgeber in den Beteiligungsregelungen nur auf den jeweiligen Straftatbestand verwiesen. Somit spielen die das Beteiligungsobjekt umschreibenden Merkmale gerade diese vermittelnde Rolle zwischen den allgemeinen Beteiligungsregelungen und dem einzelnen Straftatbestand. Wenn die Beteiligung sich nur auf ein Geschehen bezieht, das unter keinen Straftatbestand subsumiert werden kann, ist sie nicht strafbar, weil sie kein strafwürdiger Rechtsgutsangriff darstellt. Insoweit lässt sich der beteiligungsfähige Tatbegriff nur nach dem jeweiligen Straftatbestand bestimmen. Zweitens wird anerkannt, dass die in den Beteiligungsregelungen vorgesehenen Handlungsweisen nicht allein wegen ihres zeitlichen Zusammentreffens mit irgendeiner Tatbestandsverwirklichung unter Strafe gestellt werden, sondern deswegen, weil sie in bestimmtem Maße zur Verwirklichung eines Straftatbestands beitragen. Dies gilt gleichermaßen für Täterschaft und Teilnehmer, die sich nur durch Art und Weise ihres Tatbeitrags unterscheiden. Allein aus dem Erfordernis des Beitrags zur Tatbestandsverwirklichung ergibt sich schon das zeitliche Verhältnis der Beteiligung zur Tatbestandsverwirklichung: Eine Beteiligungshandlung bezieht sich zwingend auf eine zukünftige Tatbestandsverwirklichung. Für die Beteiligung ist es irrelevant, ob zum Zeitpunkt des Beitritts eines Beteiligten die Handlung des Täters schon begonnen hat. Ebensowenig bedeutsam ist, in welchem Entwicklungsstadium sich die schon begonnene Tathandlung des Täters befindet. Aus der Perspektive des Strafgrundes der Tatbeteiligung ist vielmehr allein entscheidend, ob es dem Hinzutretenden noch möglich ist, durch seine Mitwirkung zur Verwirklichung eines Straftatbestands in erforderlichem Maße beizutragen. Fasst man beide Aspekte zusammen, so ist daran festzuhalten, dass unter strafbarer Tatbeteiligung nur der Beitrag zur zukünftigen Tatbestandsverwirklichung zu verstehen ist. Die Probleme der sukzessiven Tatbeteiligung sollten anhand dessen gelöst werden. 2. Die Beteiligungsunfähigkeit der tatbestandslosen Beendigungsphase einer Tat a) Ein Problem der Auslegung des Straftatbestands Somit ist die tatbestandslose Beendigungsphase einer Tat nicht beteiligungsfähig, weil für den Hinzutretenden ein Beitrag zur Verwirklichung des Straftatbestands unmöglich ist. Auf dieser Grundlage ist der an der Sicherung des Gewahrsams Mitwirkende nicht wegen Beteiligung am voll-
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
endeten Diebstahl zu bestrafen, weil sich die tatbestandsmäßige Wegnahmehandlung auf den Vorgang des Gewahrsamswechsels beschränkt, aber nicht durch die der Gewahrsamssicherung dienende Handlung erweitert. Der weitere Streit darüber, ob die Hilfe beim Abtransport des Schmuggelguts zum inländischen Ort noch als strafbare Beihilfe zum vollendeten Schmuggel bewertet werden kann, lässt sich entsprechend erledigen. Ob das der Tatvollendung anschließende Geschehen noch tatbestandsmäßig ist, ist vorrangig ein Problem der Auslegung des einzelnen Delikts, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann. Dieses Ergebnis begründet die überwiegende Lehre zusätzlich damit, dass ansonsten die Grenze zwischen Vortatbeteiligung und Anschlussdelikt verwischt werden würde. Diese gesetzessystematische Begründung verdient jedoch keine Zustimmung. Sie beruht implizit auf der Vorstellung, dass sich die Straftatbestände der Vortat und der Anschlussdelikte ausschließen. Die tatbestandliche Exklusivität besteht aber nicht mehr, nachdem sich die Anschlussdelikte aus der „Teilnahme nach der Tat“ als eigenständige Deliktstypen entwickelt haben. Auch wenn man vorübergehend von der Exklusivität ausgehen würde, könnte das Ergebnis, die tatbesandslose Beendigungsphase einer Tat sei beteiligungsunfähig, ebenfalls nicht begründet werden. Denn demnach wären die Anschlussdelikte gegenüber der Vortatbeteiligung lediglich Auffangtatbestände, um Verhaltensweisen zu erfassen, die nicht als Vortatbeteiligung bewertet werden können. Folgerichtig sollte man, unabhängig von den Anschlussdelikten, zuerst die Grenze der Vortatbeteiligung festlegen, und anhand dieser den Beginn des Anwendungsbereichs des Anschlussdelikts bestimmen. Die Anschlussdelikte als Auffangtatbestände hätten keineswegs die Funktion, die zeitliche Grenze der Vortatbeteiligung rückwärts einzuschränken. Eine zeitliche Abgrenzung zwischen den beiden könnte auch unproblematisch im tatbestandslosen Beendigungszeitpunkt der Vortat festgelegt werden, mit der Folge, dass eine Anschlusstat erst nach diesem Zeitpunkt in Betracht kommen würde.690 Dass ein Anschlussdelikt vorliegt, definiert daher auf jeden Fall nicht, wie die überwiegende Lehre behauptet, die zeitliche Grenze der Vortatbeteiligung. Entscheidend bleibt daher das hier vorgebrachte Argument, dass ein tatbestandsloses Geschehen den Rechtsgutsangriff nicht konstituiert. b) Unzutreffende Zugrundelegung des konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriffs Die Ansicht von Frister, dass sich die gemeinschaftliche Handlung der Mittäter und die Hilfeleistung des Gehilfen auf die einheitliche Handlung 690
Insoweit zu Recht Hau, S. 120, 123 ff.
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i. S. des § 52 Abs. 1 beziehen, überzeugt ebenfalls nicht. Dabei werden vor allem die funktionalen Unterschiede zwischen dem beteiligungsfähigen Tatbegriff der Beteiligungslehre und dem Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre verkannt. Die die beteiligungsfähige Tat umschreibenden gesetzlichen Merkmale „Straftat“ und „rechtswidrige Tat“ fungieren als vermittelndes Medium, durch das der zugrundeliegende Rechtsgutsangriff einer Tatbeteiligung bestimmt wird. Der Begriff der Handlungseinheit in der Konkurrenzlehre will vor allem die Anwendung der Regeln der Tatmehrheit ausschließen, damit das Strafmaß bei gleichzeitiger Verwirklichung mehrerer Tatbestände nicht über das gesamte vom Täter verwirklichte Unrechts- und Schuldmaß hinausgeht. Dass der letztgenannte Handlungsbegriff prinzipiell keine tatbestandlichen Grenzen kennt, lässt sich besonders deutlich an der Handlung im natürlichen Sinne und an der natürlichen Handlungseinheit erkennen, weil dort die empirische Wahrnehmung oder die natürliche Lebensanschauung entscheidend ist. Wenn Frister bei den Beteiligungsnormen einen solchen Handlungsbegriff als Kriterium für die beteiligungsfähige Tat heranzieht, liegt es nahe, dass damit die dem jeweiligen Merkmal „Straftat“ oder „rechtswidrige Tat“ zugewiesene Funktion nicht erfüllt werden kann. Denn er markiert nicht mehr den tatbestandlich festgelegten Umfang des strafwürdigen Rechtsgutsangriffs, sondern nur den Sachverhaltskomplex, auf dessen Gesamtheit die Regeln der Tatmehrheit bei der Strafbemessung nicht angewendet werden können. Die aus der These von Frister gezogene Konsequenz, dass die Grenzen des Straftatbestands bei der Ermittlung des strafwürdigen Rechtsgutsangriffs aufgelöst werden, wird anschaulich, wenn Frister durch Annahme der Handlungseinheit i. S. des § 52 die Mitwirkung am Abtransport der Beute als Beteiligung an einem Teil des Diebstahls bewerten will.691 Wenn der Dieb während des Abtransports des Diebesguts zusätzlich an dem Verfolger Körperverletzung begangen hätte, müsste Frister den Schluss ziehen: Wer sich allein am Abtransport des Diebesguts in Form der Beihilfe beteiligt, macht sich nicht nur wegen Beihilfe zum Diebstahl, sondern auch wegen Beihilfe zur Körperverletzung strafbar, weil ihm das Gesamtgeschehen innerhalb der Handlungseinheit, die die Rechtsprechung aufgrund der Teilidentität der Tatbestandsausführungshandlung zwischen Diebstahl und Körperverletzung annmimmt, zuzurechnen ist. Dieses Ergebnis ist jedoch unvertretbar, weil der Gehilfe weder zur Tatbestandsverwirklichung des Diebstahls noch zur Tatbestandsverwirklichung der Körperverletzung beigetragen hat. Im Ergebnis werden die berechtigten Einwände gegen die Rechtsprechung durch die Ansicht von Frister nicht entkräftet, sondern bestätigt. Es 691
Frister, AT, § 28 Rn. 50.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
ist festzuhalten, dass in der tatbestandslosen Beendigungsphase einer Tat eine Tatbeteiligung ausgeschlossen wird und nur als Anschlusstat in Betracht kommt.
IV. Abstellen des beteiligungsfähigen Tatbegriffs auf die formelle Tatbestandsverwirklichung 1. Mehrdeutigkeit des Kriteriums der zukünftigen Tatbestandsverwirklichung Die Feststellung, dass das tatbestandslose Geschehen kein taugliches Beteiligungsobjekt ist, sagt noch nichts darüber, was genau unter der beteiligungsfähigen Tatbestandsverwirklichung zu verstehen ist. Das Kriterium der zukünftigen Tatbestandsverwirklichung liefert noch keine eindeutige Lösung in den beiden folgenden Konstellationen: Erstens die sukzessive Beteiligung an einem mehraktigen Delikt. Der Beteiligte hat z. B. in voller Kenntnis von der erfolgten Gewaltanwendung des anderen Täters an der Wegnahme mitgewirkt und der Tatbestand des Raubes ist damit erst vollständig verwirklicht. Es fragt sich, ob diese Mitwirkung als Beitrag zur Verwirklichung des Tatbestands des Diebstahls, oder weiter gehend als Beitrag zur Verwirklichung des Raubtatbestands bewertet werden soll. Zweitens die sukzessive Beteiligung an einer Straftat in Form der natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit. Beispielsweise hat der Beteiligte nur bei der Wegnahme der restlichen Stücke nach Entwendung eines Teiles der Beute mitgewirkt. Die Frage, ob sich die beteiligungsfähige Tat nur auf die Wegnahme der restlichen Stücke, oder auf die Wegnahme der gesamten Beute bezieht, bleibt ebenfalls offen. Beide Konstellationen kennzeichnen, dass es für die beteiligungsfähige zukünftige Tatbestandsverwirklichung mindestens zwei Kandidaten gibt, die zueinander im Verhältnis der Straftateinheit stehen. In der ersten Konstellation sind es der Diebstahl und der Raub, in der anderen der Diebstahl hinsichtlich der restlichen Stücke und der Diebstahl hinsichtlich der gesamten Beute. Ebenso wie die Rechtsprechung und Frister stellt Otto darauf ab, dass „die Gesamtwertung des Geschehens zu einer Bewertung der verschiedenen Tatanteile als einheitlicher Tat führt, sei es aufgrund natürlicher oder rechtlicher Handlungseinheit“.692 Daraus ergibt sich, dass der Beteiligte in den o. g. Fällen jeweils wegen Beteiligung am Raub und am Diebstahl hinsichtlich der gesamten Beute zu bestrafen ist, obgleich es dabei um Mittäterschaft oder Beihilfe geht. Dagegen hat sich dieser Gedanke in der über692 Otto, AT, § 21 Rn. 65. Grundsätzlich ebenso Hau, S. 116 ff., der aber bei fortgesetzter Tat die Einheitlichkeit der Tat für den hinzutretenden Mittäter verneint.
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wiegenden Literatur wegen des Akzessorietätsprinzips nur im Bereich der Beihilfe durchgesetzt, während das Beteiligungsobjekt für die Mittäterschaft nicht die Gesamtheit der einheitlichen Tat ist, sondern vom Umfang der Herrschaft des Beteiligten abhängt. Um diesen Streit zu entscheiden, muss man zuerst klären, ob die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnehmer Einfluss auf die Bestimmung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs hat (s. u. 2.). Dann begegnet man wiederum dem eigentlichen Problem, ob der beteiligungsfähigen Tat die Straftateinheit zugrunde liegt, jedenfalls soweit es das Gesetzlichkeitsprinzip zulässt. (s. u. 3.) 2. Differenzierung des Tatbegriffs nach Täterschaft und Teilnahme durch den Grundsatz der Akzessorietät? Nach der Tatherrschaftslehre wird jeder Beteiligte nur aufgrund seiner Herrschaft über eine Tat bestraft. Bezüglich der Tatbestandsverwirklichung vor seinem Hinzutreten kann man nicht davon sprechen, dass er darüber Herrschaft innehabe. Dass dies auch dann gilt, wenn die Tatanteile vor und nach seinem Hinzutreten zu einer Straftateinheit gehören, wird von der überwiegenden Lehre akzeptiert. Stattdessen wird im Bereich der sukzessiven Beihilfe noch an der Untrennbarkeit der gesamten Straftateinheit festgehalten. Fraglich ist, ob eine solche Differenzierung des beteiligungsfähigen Tatbegriffs mit dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme begründet werden darf. Obwohl der Teilnehmer über die Tatbestandsverwirklichung keine Herrschaft hat, muss man davon ausgehen, dass sein Strafgrund ebenfalls in dem mittelbaren Beitrag zur Rechtsgutsverletzung besteht. Diese Aussage gilt für die Anstiftung, aber nicht weniger für die Beihilfe, obwohl dort umstritten ist, was man unter der Kausalität der Hilfeleistung verstehen soll.693 Dass der notwendige Tatbeitrag des Teilnehmers für die Annahme der Tatherrschaft nicht ausreicht, ändert nichts an der Tatsache, dass er zu der vor seinem Beitritt schon vorgekommenen Tatbestandsverwirklichung nichts beigetragen hat694, etwa der Gehilfe bei der Wegnahme der restlichen Stücke oder bei den letzten vier Tagen der Freiheitsentziehung. Das Strafmaß des Teilnehmers bestimmt sich nach dem Ausmaß des Beitrags zur Tatbestandsverwirklichung des Hautptäters. Aus dieser Sicht erscheint die Heranziehung des Grundsatzes der Akzessorietät, um die Verantwortlichkeit der Teilnehmer hinsichtlich der Gesamt693 694
Zum Überblick nur Geppert, Jura 1999, 266 (268 f.) m. w. N. In diesem Sinne Schmoller, Kansai Review No. 23, 35 (42).
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heit der Straftateinheit des Haupttäters zu bejahen, sehr fragwürdig. Denn dieser Grundsatz soll, wie Schmoller gesagt, der rechtsstaatlichen Begrenzung der Teilnahme dienen, nicht einer rechtsstaatlich bedenklichen Ausweitung der Strafbarkeit durch Zurechnung von Unrechtskomponenten, die der Beteiligte gar nicht beeinflussen konnte.695 Wenn dem Teilnehmer über das Maß seines wirklich geleisteten Tatbetrags hinaus das gesamte Unrecht des Haupttäters zugerechnet werden könnte, würde der Grundsatz der Akzessorietät damit überspannt. Darüber hinaus würde der Teilnehmer folglich schuldunangemessen bestraft werden.696 Um die schuldunangemessene Strafe beim sukzessiven Teilnehmer zu vermeiden, haben einige Autoren darauf hingewiesen, dass der Strafrichter bei der Strafzumessung der Tatsache Rechnung tragen sollte, dass der Teilnehmer nicht in vollem Umfang zum Unrecht der Haupttat beigetragen hat.697 Dieser Strafzumessungslösung könnte man zwar im Ergebnis zustimmen, aber die von der überwiegenden Lehre vorgenommene Differenzierung erweist sich so als nicht durchsetzbar. Denn diese Strafzumessungslösung, die die Verantwortung des Gehilfen auf den von ihm tatsächlich beteiligten Teil der Straftateinheit des Haupttäters beschränkt, nimmt gerade die angeblich aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme folgende Konsequenz wieder zurück. Wenn man daran festhält, dass der Gehilfe ausschließlich für den Teil der Straftateinheit nach seinem Beitritt verantwortlich ist, müsste man vielmehr von vornherein den davor verwirklichten Tatbestand ausklammern, und die Beihilfe nur auf den späteren Teil der Straftateinheit anwenden dürfen. Ohne die Heranziehung des Grundsatzes der Akzessorietät wäre der Umweg der Strafzumessungslösung überhaupt entbehrlich. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme keinen Einfluss auf die Bestimmung des Umfangs der beteiligungsfähigen Tat hat. Die Bestrafung wegen Täterschaft und Teilnahme bezieht sich gleichermaßen auf den vom jeweiligen Beteiligten geleisteten Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung. Eine Straftateinheit muss also nicht immer als untrennbare Gesamtheit betrachtet werden.
695
Schmoller, Kansai Review No. 23, 35 (42). Dies gilt erst recht bei sukzessiver Mittäterschaft, dazu vgl. T. Walter, NStZ 2008, 548 (554). 697 Hinsichtlich der sukzessiven Anstiftung siehe auch Börner, Jura 2006, 415 (416); Grabow, Jura 2009, 408 (409 ff.). Entsprechend im Fall sukzessiver Mittäterschaft Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (659); wohl ebenso Murmann, ZJS 2008, 456 (457). 696
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3. Das Abstellen auf die Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne a) Grundsätzliches Nach der bisherigen Darstellung kann eine Straftateinheit im Hinblick auf die Tatherrschaftslehre und den Strafgrund der Teilnahme getrennt werden. Der Grund liegt vor allem darin, dass die Straftateinheit ihren Sinn in der Zusammenfassung von mehreren Tatbestandsverwirklichungen hat, um die Anwendung der Regelungen der Tatmehrheit bei der Strafbemessung auszuscheiden. Lediglich insofern verliert die jeweilige formelle Tatbestandsverwirklichung ihre Eigenständigkeit und wird infolgedessen als ein unselbständiger Teil einer einheitlichen Tat angesehen. Diese zusammenfassende Funktion der Straftateinheit kann in anderen Zusammenhängen grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, es sei denn, dass sie vom Grundgedanken des jeweiligen Rechtsbereichs zugelassen oder sogar geboten ist. Zu einer solchen Ausnahme zählt aber das Problem der Tatbeteiligung nicht. Für die Tatherrschafts- und Teilnahmelehre hängt die Bestrafung des Beteiligten immer von Gewicht und Umfang seines eigenen Tatbeitrags ab.698 Soweit die Merkmale „Straftat“ und „rechtswidrige Tat“ in den Beteiligungsnormen den strafwürdigen Rechtsgutsangriff bezeichnen, liegt eine beteiligungsfähige Tat schon dann vor, wenn ein Straftatbestand mindestens einmal erfüllt ist. Für das Problem der Tatbestandsmäßigkeit einer Tatbeteiligung bedeutet dies, dass man die beteiligte Tat auf die Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne abstellen sollte. Dies gilt auch in den Fällen der Beteiligung an „einer“ Tat, die kraft einer natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit gebildet ist.699 Wer z. B. einen anderen dazu bestimmt hat, mehrere wertvolle Sachen wegzunehmen, verwirklicht in formeller Hinsicht mehrmals den Tatbestand der Anstiftung zum Diebstahl (§§ 242, 26). Er wird gleichwohl nur wegen einer einzigen Anstiftung zum Diebstahl bestraft, weil nach den Regeln der Konkurrenz materiell betrachtet nur eine Straftateinheit vorliegt. Hinsichtlich der Strafbarkeit des sukzessiven Anstifters wäre die Frage überflüssig, ob die erst durch das Bestimmen motivierten in Relation zu den vorangegangenen tatbestandsmäßigen 698 Im Ergebnis zustimmend Winkler, S. 129, wonach die einheitliche Betrachtung der Gesamttat nur für den Täter gerechtfertigt ist; greift ein Dritter in dieses einheitliche Tatgeschehen ein, so kann sich seine Beurteilung nur nach seinem Tatbeitrag und seinem Vorsatz richten. 699 Teilweise zustimmend Jescheck, FS-Welzel, 683 (697 f.), der dem Hinzutretenden die vor seinem Beitritt verwirklichten Teilakte nur im Rahmen einer „untrennbaren Bewertungseinheit“ zurechnen will.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Handlungen als selbständige Taten oder als die Fortsetzung eines Delikts bewertet werden.700 Diese Unterscheidung zwischen materieller Einheit der Straftat und formeller Mehrheit der Tatbestandsverwirklichungen hat zwar im Normalfall der Tatbeteiligung keinen Einfluss auf die Verantwortlichkeit des einzelnen Beteiligten, aber gerade in den Fällen der sukzessiven Tatbeteiligung sind die Vorzüge dieser klaren Unterscheidung unverkennbar. Beruhend auf dieser Unterscheidung wird die sog. sukzessive Tatbeteiligung nicht als besondere Erscheinungsform betrachtet, da der Beteiligte nicht an einer bereits begonnenen Straftateinheit, sondern nach seinem Hinzutreten an einer Tatbestandsverwirklichung, ggf. an mehreren Tatbestandsverwirklichungen im formellen Sinne mitwirkt. Es stellt sich erst gar nicht die Frage, ob sich die Verantwortung des Beteiligten auch auf diejenigen Tatbestandsverwirklichungen bezieht, zu der er nichts beigetragen hat.701 Keinen Sinn würde z. B. die Behauptung machen, dass der Täter durch seine nachträgliche Hilfeleistung bei der Wegnahme schon sukzessiv am „Raub“ beteiligt sei, aber sich nur wegen Mittäterschaft bzw. Beihilfe zum Diebstahl strafbar mache, weil ihm die vor seinem Beitritt schon geschehene Gewaltanwendung nicht zuzurechnen sei. Denn sie bedeutet nichts anderes, als dass der Täter sich von vornherein nicht am „Raub“, sondern nur am „Diebstahl“ beteiligt. Die Verwendung der Terminologie „sukzessive Tatbeteiligung“ kann sogar als falsch bewertet werden, denn auf der einen Seite kann hinsichtlich des Diebstahls nicht von „sukzessiver Beteiligung“ gesprochen werden, auf der anderen Seite wird der sukzessiven Beteiligung am „Raub“ mit der Verneinung der daraus gezogenen Konsequenzen die Grundlage entzogen.702 Auf der Grundlage, dass die beteiligungsfähige Tat auf die jeweilige Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne abzustellen ist, stellt die Rechtsfigur „sukezssive Beteiligung“ sich als ein Fremdkörper in der Beteiligungsdogmatik dar. Erst der Verzicht auf diese Rechtsfigur ermöglicht überhaupt eine präzise und schlüssige Beurteilung der Verantwortlichkeit des einzelnen Tatbeteiligten. b) Folgerungen für die Problematik der sukzessiven Beteiligung aa) Zurechenbarkeit des qualifizierenden Umstands Damit wird die Problematik, ob der von einem anderen Täter verwirklichte qualifizierende Umstand dem später Hinzutretenden zuzurechnen ist, 700
So aber Grabow, Jura 2009, 408 (410). Die eigenständige Bedeutung der Figur der sukzessiven Mittäterschaft verneinend T. Walter, NStZ 2008, 548 (554); zustimmend Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (660). 702 In diesem Sinne ebenso T. Walter, NStZ 2008, 548 (553). 701
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre
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wie folgt gelöst: Wer nur (sukzessiv) bei den letzten vier Tagen der Freiheitsberaubung Hilfe leistet, nachdem der Haupttäter das Opfer schon drei Tage eingesperrt hatte, ist nicht wegen Beihilfe zur qualifizierten Freiheitsberaubung, sondern nur wegen Beihilfe zur einfachen Freiheitsberaubung zu bestrafen, denn zu der vorherigen dreitätigen Freiheitsberaubung trägt der Gehilfe nichts bei.703 Bei der (sukzessiven) Beteiligung an der Wegnahme der restlichen Stücke nach dem vollendeten Diebstahl hinsichtlich der ersten Stücke ist der Beteiligte nur für seinen Beitrag zur Wegnahme der restlichen Stücke verantwortlich. Ob die Bestrafung des (sukzessiv) Beteiligten wegen des vorher vom Täter verwirklichten qualifizierenden Umstands erschwert wird, hängt davon ab, ob der qualifizierende Umstand nach dem Hinzutreten des Beteiligten noch weiter verwirklicht wird. Dafür kommt es grundsätzlich auf die konkreten Umstände des einzelnen Falls und die Besonderheit des jeweiligen qualifizierenden Grundes an. So ist z. B. keine Beihilfe zum Diebstahl mit Waffen (§§ 244 Abs. 1 Nr. 1, 27) anzunehmen, wenn der Haupttäter die Waffe nach dem Hinzutreten des Gehilfen nicht mehr bei sich führt. Denn der Gehilfe trägt nur zur (mehrfachen) Verwirklichung des einfachen Diebstahls bei.704 Demgegenüber kann er zusätzlich wegen Beihilfe zum Diebstahl mit Waffen bestraft werden, wenn der Haupttäter die Waffe nach dem Hinzutreten des Gehilfen weiter bei sich führt.705 bb) Beteiligung am reinen Kausalverlauf zum tatbestandsmäßigen Erfolg So lässt sich eine weitere umstrittene Fallgruppe der sukzessiven Tatbeteiligung lösen, in der nach der Tatvollendung lediglich weitere tatbestandsmäßige Erfolge verwirklicht werden. Dazu folgender Fall: T hat mittels einer Täuschung des O die Ausstellung eines Schecks erreicht; diesen löst T selbst nicht ein, sondern sein guter Freund G, der von T umfassend über das zuvor Geschehene informiert wurde.706 Der Betrug des T ist schon mit der Ausstellung des Schecks von O vollendet (schadensgleiche Vermögensgefährdung).707 Fraglich ist, ob G sich wegen Behilfe zum Betrug strafbar macht. Dagegen könnte man sprechen, dass G nicht zur erneuten vollständi703 Ebenso Schmitz, S. 200 ff.; A. A. Mitsch, GA 2009, 329 (343); Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (659), die aufgrund der Akzessorietät der Teilnahme eine Beihilfe zur qualifizierenden Freiheitsentziehung (§§ 239 Abs. 3 Nr. 1, 27) bejahen. 704 Insoweit zustimmend Hau, S. 118. 705 Wohl ebenso S/S-Heine, § 27 Rn. 17, der für die Zurechnung die Fortwirkung der Erschwerungsgründe in der weiteren Durchführung der Tat voraussetzt. 706 Beispiel aus Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (658). 707 BGHSt 47, 160 (167).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
gen Tatbestandsverwirklichung des Betrugs Hilfe geleistet hat und somit seine „Hilfeleistung“ allenfalls unter § 257 subsumiert werden kann.708 Dieser Einwand verkennt allerdings, dass der Haupttäter wegen der sich aus seiner Täuschungshandlung ergebenden Vermögensgefährdung verpflichtet ist, den endgültigen Schadenseintritt zu hindern.709 Daher könnte T nach Beitritt des G durch Unterlassen den Tatbestand des § 263 nochmals verwirklichen. Dann würde die Hilfe von G noch zur Verwirklichung des Betrugstatbestands durch T beitragen. Auch wenn diese Zurechnungsmöglichkeit bei T im Einzelfall ausgeschlossen ist, darf man die Tatsache nicht übersehen, dass die Einlösung des Schecks ebenso wie seine Ausstellung auf der Grundlage der vorherigen Täuschung des T und dem Irrtum des O beruht. Der notwendige unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen „Irrtum“ und „Vermögensverfügung“ sowie „Vermögensschaden“ wird weder durch das Bestehen einer gewissen Zeitspanne noch durch das Hinzutreten des G unterbrochen. Der Betrugstatbestand wird mit der Einlösung des Schecks noch einmal vollständig verwirklicht.710 Folgerichtig gehört dieser Fall auch zur Konstellation der sich wiederholenden Tatbestandsverwirklichung, in der eine Straftateinheit nach den Konkurrenzregelungen anzunehmen ist. Nach dem hier vertretenen Grundgedanken ist G insoweit wegen Beihilfe zum Betrug zu bestrafen, als er durch die Einlösung des Schecks zur erneuten Verwirklichung des Betrugstatbestands beigetragen hat. Beachtenswert ist, dass sich die Verantwortung des G, ebenso wie die des T, auf den durch die Einlösung des Schecks verursachten endgültigen Vermögensschaden bezieht. Eine Differenz der Verantwortung zwischen den Beteiligten aufgrund des unterschiedlichen Beteiligungsumfangs besteht in diesem Fall nicht.711 708
So etwa Grabow/Pohl, Jura 2009, 656 (658) m. w. N. Insoweit auch Hruschka, GA 1968, 193 (199) am Beispiel des § 253. 710 Wohl ebenso Jescheck, FS-Welzel, 683 (693), der darauf hinweist, dass der Erfolg mit der Täuschungshandlung erstrebt wird. Somit ist zweifelhaft, ob die Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Erfolgsbeendigung bei Kühl, Beendigung, S. 76 ff. für die Beteiligungsmöglichkeit überhaupt bedeutsam ist. Denn entscheidend für die sukzessive Beteiligung ist nur, ob der Hinzutretende noch zur Tatbestandsverwirklichung beitragen kann. Die weitere Tatbestandsverwirklichung beim Täter kann aber noch stattfinden, obwohl er im Moment des Beitritts des Dritten die Möglichkeit verliert, mit weiterem Tun oder Unterlassen die Deliktsfortführung zu beeinflussen. Kühl ist daher im Ergebnis zuzustimmen, dass er den Abschlusszeitpunkt der sukzessiven Mittäterschaft und Beihilfe letztlich nicht auf die Verhaltens-, sondern auf die Erfolgsbeendigung abstellt. (Näher ders., Beendigung, S. 83 ff., 108 f.) Allerdings ist seiner Kritik, dass Hruschka durch die Konzeption der Dauerstraftat die Möglichkeit der Erfolgsbeendigung vernachlässige (ders., Beendigung, S. 78), nicht beizupflichten, weil der reine Kausalverlauf der Annahme der fortwährenden Tatbestandsverwirklichung nicht entgegensteht. Wohl ebenso LKSchünemann § 27 Rn. 43, wenn er die Trennung von Handlung und Erfolg für nicht durchführbar hält. 709
C. Beendigungsbegriff und Beteiligungslehre
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cc) Sukzessive Beteiligung am mehraktigen Delikt Zu erläutern ist schließlich der Fall der sukzessiven Beteiligung an einem mehraktigen Delikt. Dabei handelt es sich nicht mehr um die Rolle des Beendigungsbegriffs in der Beteiligungslehre, weil die Beteiligung in der Regel vor der Vollendung des mehraktigen Delikts stattfindet. Daher genügt an dieser Stelle ein Hinweis auf den Lösungsansatz. Ob der allein an der Wegnahme Beteiligte auch wegen Mittäterschaft zum Raub (§§ 249, 25 Abs. 2) zu bestrafen ist, hängt eigentlich nicht von der Tatbeteiligungslehre, sondern im Wesentlichen davon, ob die Wegnahme unter bewusster Ausnutzung der von einem anderen geschaffenen Zwangslage ebenfalls den Tatbestand des Raubes verwirklicht. Dieses dem Raubtatbestand eigentümliche Auslegungsproblem ist strittig. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass das Merkmal „mit Gewalt“ zu bejahen sei, wenn eine durch Einsatz von Gewalt geschaffene Zwangslage andauere. Danach wäre eine Strafbarkeit wegen Mittäterschaft zum Raub gegeben, weil der Beteiligte mit seinem Hinzutreten zur Tatbestandsverwirklichung, nämlich zur Wegnahme unter Ausnutzung der bestehenden Zwangslage, beigetragen hat. Die h. M. nimmt aber zu Recht den gegenteiligen Standpunkt ein, dass zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme eine subjektive Zweck-Mittel-Relation bestehen muss, in der eine Wegnahme unter Ausnutzung der gegebenen Zwangslage nicht vorgesehen ist.712 Da die hier in Frage stehende Beteiligung nicht zur „unter zielgerichteter Gewaltausübung erfolgten Wegnahme“ beigetragen hat713, macht sich der Beteiligte nur wegen Mittäterschaft zum Diebstahl strafbar. c) Fazit Somit gibt es in der Beteiligungslehre keine zwingenden Gründe, weshalb man die beteiligungsfähige Tat auf eine Straftateinheit i. S. der Konkurrenzlehre zu beziehen hat. Vielmehr richten sich die Merkmale „Straftat“ und „rechtswidrige Tat“ nur nach der Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinn. Das bedeutet zum einen, dass man die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit der Tatbeteiligung von der Konkurrenzfrage unterscheiden muss. Dass der Beteiligte zugleich zur mehrfachen formellen Tatbestandsverwirklichung beiträgt, führt nur zur Konkurrenzfrage, ob mate711 Im Ergebnis ebenso Roxin, AT/2, § 26 Rn. 263; LK-Schünemann, § 27 Rn. 43. 712 Zum Meinungsstand der Literatur und der nicht immer einheitlichen Rechtsprechung Fischer, § 249 Rn. 8 ff. 713 Im Ergebnis ebenso T. Walter, NStZ 2008, 548 (553).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
riell betrachtet nur eine Straftateinheit vorliegt. Zum anderen bedeutet es, dass die dogmatischen Schwierigkeiten der sog. sukzessiven Tatbeteiligung vor allem mit der Struktur des einzelnen Delikts zu tun haben, die nicht immer leicht zu beurteilen ist. Eine pauschale Würdigung anhand der Beteiligungslehre ist jedenfalls unzulässig.
V. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Nach alledem handelt es sich bei der „besonderen“ Problematik sukzessiver Tatbeteiligung im Wesentlichen nur um die Bestimmung der beteiligungsfähigen Tat, die in den Merkmalen „Straftat“ (§ 25 Abs. 2) und „rechtswidrige Tat“ (§§ 26, 27 Abs. 2) umschrieben ist. Aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzips gehört jedes tatbestandslose Geschehen nicht zum strafwürdigen Rechtsgutsangriff und eignet sich deshalb nicht als Beteiligungsobjekt. Unter dem beteiligungsfähigen Tatbegriff versteht man aber nicht die materielle Straftateinheit, sondern lediglich die Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne. Jeder Beteiligte trägt nur insoweit die Verantwortung für eine Tatbeteiligung, als er zur künftigen Tatbestandsverwirklichung durch einen anderen (Täter) beiträgt. Dass eine Beteiligung während der tatbestandsmäßigen Beendigungsphase einer Tat noch möglich ist, liegt nicht an der Annahme einer Beendigungsphase der Straftateinheit, sondern nur daran, dass die Beteiligung noch zu einer oder ggf. zu mehreren Tatbestandsverwirklichungen im formellen Sinne beitragen kann. Im Ergebnis ist die Heranziehung des tatbestandslosen Beendigungsbegriffs bei der Lösung der Problematik der sukzessiven Tatbeteiligung rechtsstaatlich unzulässig. Mit dem Abstellen auf die Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne verliert der tatbestandsmäßige Beendigungsbegriff an Bedeutung. Man kann deshalb den Beendigungsbegriff in diesem Zusammenhang fallen lassen.
D. Beendigungsbegriff und Vorsatzlehre Nachfolgend wird die Rolle des Beendigungsbegriffs in der Vorsatzlehre erläutert. Zum einen stellt sich die Frage, welche Tatumstände die subjektive Vorstellung des Täters oder des Teilnehmers zum Gegenstand haben muss, um seinen Vorsatz zu begründen. Das wird traditionell beim agent provocateur diskutiert (s. u. I.). Zum anderen hängt der Beendigungsbegriff mit dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vorsatzbildung zusammen. Diese Dimension ist erst neuerdings in einer umstrittenen Entscheidung des BVerfG im Bereich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1) aufgedeckt worden (s. u. II.).
D. Beendigungsbegriff und Vorsatzlehre
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I. Tatbeendigung als Gegenstand des Anstiftervorsatzes (§ 26) 1. Der Beendigungsbegriff in der Vorsatzlösung des „agent provocateur“ a) Kriminalpolitische Hintergründe für die Straffreiheit des agent provocateur Der Tatbestandsirrtum gemäß § 16 besagt implizit, dass sich der Vorsatz aus Wissen und Wollen des Täters hinsichtlich der Umstände des objektiven Straftatbestandes zusammensetzt.714 Da Tatvollendung mit der Verwirklichung sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale eintritt, genügt es, dass der Täter alle für die Vollendung der Tat erforderlichen Umstände erkennt und billigt. Diesem Grundsatz entsprechend muss der Teilnehmer neben der Teilnahmehandlung auch die Vollendung der Haupttat wissen und wollen.715 Diese Kenntnis ist von besonderer Bedeutung für die Strafbarkeit des „agent provocateur“. Denn in solchen Fällen verleitet in der Regel ein verdeckter Ermittler einen Verdächtigen zu einer Tat, doch die materielle Rechtsgutsverletzung will er nicht.716 Beispiel: Der verdeckte Ermittler V überredet den des wiederholenden Einbruchsdiebstahls verdächtigen A zu einem Einbruch in das Haus des M, der vorab informiert wurde und mit dem Vorgehen einverstanden ist, damit A vor seinem Verlassen aus dem Haus mit der Beute überführt werden kann. Der Plan des V gelingt.717 Unbestreitbar macht A sich wegen versuchten Diebstahls (§§ 242, 22, 23 Abs. 1) schuldig. Obwohl V damit auch einen anderen zur Begehung einer 714
Überblick bei Lackner/Kühl, § 15 Rn. 3 ff. Vgl. nur BGH GA 75, 333; Frister, AT, § 29 Rn. 16 f.; Gropp, § 10 Rn. 130; Jescheck/Weigend, § 64 II 2 b); Kühl, AT, § 20 Rn. 201. Zusammenfassend Geppert, Jura 1997, 358 (360). Eingehend dazu vgl. Küper, GA 1974, 321 (330 ff.); Mitsch, Provokation, S. 46 ff. Die vom Wortlaut des § 16 zugelassene Folgerung, wonach der Teilnehmer lediglich eine versuchte Haupttat wissen und wollen müsse, hat heute keine Anhänger mehr. Die Strafbarkeit wegen Teilnahme an der versuchten Tat erfordert nach allgemeiner Ansicht ebenfalls einen Vollendungsvorsatz beim Teilnehmer. Dieses Erfordernis stützt sich vor allem auf das Wesen der Teilnahme, i. e. dass diese einen eigenständigen Rechtsgutsangriff darstellt. (Nähere Darstellung bei Küper, GA 1974, 321 ff.; R. Keller, S. 161 ff.) 716 Vgl. nur Deiters, JuS 2006, 302. Deshalb wird die Problematik des agent provocateur hinsichtlich der subjektiven Tatseite regelmäßig nur im Rahmen der Strafbarkeit wegen Anstiftung erörtert. Dasselbe Problem kann freilich im Rahmen des Gehilfen oder des Mittäters auch auftreten. Vgl. auch Seier/Schlehofer, JuS 1983, 50 (52); Krey, Rechtsprobleme, Rn. 554. Zur Vereinfachung der Diskussion beschränkt sich die folgende Darstellung auf die Anstiftung. 717 Sog. „Diebesfalle“, vgl. Maaß, Jura 1981, 514 (516); Kühl, AT, § 20 Rn. 202. 715
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
„rechtswidrigen Tat“ bestimmt hat, ist er nicht wegen Anstiftung zum versuchten Diebstahl (§§ 242, 22, 23 Abs. 1, 26) zu bestrafen, weil er nicht mit der Vollendung des Diebstahls rechnet.718 Der agent provocateur beschränkt sich indes nicht darauf, die provozierte Tat bis ins Versuchsstadium gelangen zu lassen. Die veranlasste Tat gelangt oft auch zur Vollendung. Eine sog. Diebesfalle kann z. B. wegen tatsächlichen Verhinderns ohne Einverständnis des Gewahrsamsinhabers durchgeführt werden, so dass der veranlasste Dieb mit dem Diebesgut gleich nach Verlassen der Haustür festgenommen wird. Im Bereich der Bekämpfung der Drogenkriminalität kommt manchmal der Fall des Scheinkäufers von Rauschgift vor, wo ein verdeckter Ermittler den Verdächtigten zum Verkauf des Rauschgifts veranlasst, um ihn gleich nach der Übergabe festzunehmen und die Drogen beschlagnahmen zu lassen. Beiden Konstellationen ist die Vollendung der veranlassten Tat gemeinsam. Daraufhin ist der verdeckte Ermittler grundsätzlich, soweit es keinen strafausschließenden Grund gibt, wegen Anstiftung zum Diebstahl bzw. Handeln mit Betäubungsmitteln strafbar, denn er hatte den Vorsatz bezüglich der Vollendung der Haupttat.719 Kriminalpolitisch gesehen geht allerdings dieses Ergebnis an den Interessen einer effektiven Verbrechensbekämpfung vorbei. Zum einen macht es 718 Die Strafbarkeit des agent provocateur wegen Anstiftung zur versuchten Tat kommt nach der sog. „Lehre von der Rechtsgutsgefährdungsgrenze“ in Betracht, wonach es am Anstiftervorsatz erst dann fehle, wenn der Anstifter lediglich zur versuchten Haupttat unter Ausschluss einer Gefährdung des Tatobjektes kommen lassen wolle. (Z. B. Jescheck/Weigend, § 64 II 2 b); B. Heinrich, AT/2, Rn. 1312) Demnach liege Anstiftervorsatz bereits vor, wenn der Anstifter das Tatobjekt bewusst einer Gefährdung durch den Haupttäter aussetze und sich mit dieser Gefahr abfinde. Die Straflosigkeit der Anstiftung sei in solchen Fällen nur durch Annahme eines Rechtsfertigungsgrundes, vor allem nach § 34, möglich. Das Ergebnis der Straflosigkeit des V im Beispielsfall ändert sich insoweit nicht, weil das Tatobjekt durch das Einverständnis des Betroffenen von vornherein nicht mehr gefährdet wird. Das Wissen des V um die Untauglichkeit des Tatobjekts beseitigt sein Bewusstsein von der Verletzungsgefahr. Grundsätzlich ist dieser abweichenden Meinung aber nicht zuzustimmen, da der Gefährdungsvorsatz des Anstifters kein Anstiftungsunrecht bezüglich eines Verletzungsdelikts zu begründen vermag. (Vgl. Baumann/Weber/ Mitsch, § 30 Rn. 48; Geppert, Jura 1997, 358 (361); weitere Kritik bei Krey, Rechtsprobleme, Rn. 527 ff.) 719 Auch wenn der Einsatz verdeckter Ermittler unter den Voraussetzungen der §§ 110 a ff. StPO zulässig ist, beendet das den Streit über die Strafbarkeit einer solchen einsatzbedingten Tatprovokation nicht. Denn der verdeckte Ermittler ist nur in Ausnahmen (§§ 110 a Abs. 3, 110 c S. 1, 2 StPO) zur Begehung der Straftat befugt. Seine sonstigen Befugnisse richten sich nach der StPO und „anderen Rechtsvorschriften“ (§ 110 c S. 3 StPO). Danach darf er grundsätzlich keine Straftaten begehen, d.h. weder verdächtige noch unverdächtige Personen zur Begehung einer Straftat provozieren. Vgl. Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 8 Rn. 109; Meyer-Goßner, § 110 c Rn. 4; ferner auch Schwarzburg, NStZ 1995, 469 (470).
D. Beendigungsbegriff und Vorsatzlehre
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für die Diebesfalle keinen sachlichen Unterschied, ob der Polizist während der Begehung des Diebstahls oder gleich nach der Vollendung der Wegnahme zugreift.720 Denn eine Diebesfalle kann allein deshalb ohne Einverständnis des Gewahrsamsinhabers arrangiert werden, weil dieser tatsächlich verhindert ist bzw. aus kriminalistischen Überlegungen nicht rechtzeitig informiert werden kann. Die Annahme einer Strafbarkeit des Provokateurs bei Vollendung der veranlassten Tat würde seine strafrechtliche Verantwortlichkeit allein vom Zufall abhängig machen. Zum anderen sind solche verdeckten Ermittlungsmethoden zur Bekämpfung der mit sonstigen Mitteln kaum aufklärbaren Delikte des Waffen- und Drogenhandels unentbehrlich. Um hinreichende Beweise zu erlangen ist es u. U. sogar notwendig, die veranlasste Tat über deren Vollendung hinaus laufen zu lassen. Um die kriminalpolitisch erwünschte Straflosigkeit des agent provocateur721 auch im Fall der Provokation der vollendeten Tat auf ein dogmatisch gefestigtes Fundament zu stellen, sind in der Rechtsprechung und Literatur vielfältige Versuche unternommen worden. b) Grundzüge der Vorsatzlösung Vor dem ausgeführten kriminalpolitischen Hintergrund werden mehrere Lösungsvorschläge in der Literatur gemacht, um die Straffreiheit des agent provocateur zu begründen. Neben der Rechtfertigungs-722 und Tatbestandslösung723 wird im Rahmen der Vorsatzlösung der Beendigungsbegriff als ei720 In der Sache so Roxin, AT/2, § 26 Rn. 163; S/S-Heine, § 26 Rn. 20; Krey, Rechtsprobleme, Rn. 532. 721 Vgl. Geppert, Jura 1997, 358 (361). 722 Demnach sei die tatbestandsmäßige Anstiftung beim agent provocateur wegen Notstands gemäß § 34 straffrei. Diese Ansicht wird von der überwiegenden Mehrheit der Literatur abgelehnt. (Vgl. Roxin, AT/2, § 26 Rn. 154; S/S-Perron, § 34 Rn. 41 c jeweils m. w. N.) Gegen die Anwendbarkeit des § 34 auf den Bereich des staatlichen Handelns spricht schon die gesetzgeberische Grundentscheidung: Zum einen hat der Gesetzgeber in der StPO eine abschließende Entscheidung für die Zulässigkeit von Ermittlungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörde getroffen, zum anderen besteht keine vom Gesetz nicht erfasste extreme Konstellation, die die Anwendung des § 34 rechtfertigen könnte(Sommer, JR 1986, 485 [486]; ebenso Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 [811]). Die Voraussetzungen des Notstands können darüber hinaus in den meisten Fällen nicht bejaht werden. Es fehlt oft schon an einer gegenwärtigen und anders nicht abzuwendenden Gefahr, weil der Täter ohne Veranlassung keine weiteren Straftaten beginge. Das Interesse an der Überführung des Täters überwiegt weder die Gefahren für die Konsumenten von Drogen noch die für das allgemeine Rechtsbewusstsein, die aus der staatlichen Förderung von Rauschgiftgeschäften erwachsen. Ausführlich dazu vgl. LK-Schünemann § 26 Rn. 69; Sommer, JR 1986, 485 (486); Schwarzburg, NStZ 1995, 469 (473); Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 (811 ff.).
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nes der tauglichen dogmatischen Mittel herangezogen.724 Nach der Vorsatzlösung begründet die bloße Kenntnis des Anstifters bezüglich der Vollendung der Haupttat den Anstiftervorsatz nicht. Die Straffreiheit des agent provocateur kann also daraus gefolgert werden, dass er die über die Vollendung der Haupttat hinausgehenden Umstände nicht gewusst und gewollt hat und infolgedessen keinen Anstiftervorsatz hat. Dieser Lösungsansatz wird vor allem bei Provokation von Delikten mit überschießender Innentendenz propagiert. Die Diebesfalle bietet sich hierfür als Paradebeispiel an. Der Provokateur will zwar die Vollendung des ver723 Demnach sei die Tatbestandsmäßigkeit der Haupttat damit verneint, dass der Provokateur für das Ausbleiben von weiteren Gefährdungen bzw. Verletzungen des Rechtsguts sorgt. Dies führt insbesondere bei Provokation zu abstrakten Gefährdungsdelikten dazu, die formell tatbestandsmäßigen, aber im Einzelfall ex ante absolut ungefährlichen Verhaltensweisen aus dem Tatbestandsbereich auszuschließen. Da bei Übergabe des Rauschgifts an einen polizeilichen Scheinkäufer keine Gefahr für die Volksgesundheit besteht, versuchen einigen Autoren (So etwa LK-Schünemann § 26 Rn. 65 mit Hinweis auf vergleichbare Beispiele; ders., StV 1985, 424 [429]; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 157; Schwarzburg, NStZ 1995, 469 [471]) eine restriktive Auslegung des Merkmals „Handeltreiben“, wie der BGH es einmal getan hat (BGH StV 1981, 549). Demnach sei beim veranlassten Täter lediglich ein Versuch zum Handeln mit Betäubungsmitteln anzunehmen, wenn die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gebracht, sondern aus dem Verkehr gezogen werde. Dadurch sei beim Veranlasser nicht nur die Strafbarkeit wegen Anstiftung zum vollendeten Handeln mit Betäubungsmitteln von vornherein ausgeschlossen. Auf Grundlage dieser restriktiven Auslegung entfällt auch die Anstiftung zum Versuch desselben Delikts, weil der Ermittler nur ein versuchtes Handeln mit Betäubungsmitteln wollte und keinen Vollendungsvorsatz hatte. Diese Vorgehensweise ist in der Literatur jedoch umstritten. Dagegen wird eingewendet, dass die teleologische Reduktion eines abstrakten Gefährdungsdelikts nicht überall angenommen werden kann. Auch für jene Autoren, die den Gegenbeweis der Ungefährlichkeit zulassen, gilt dies nicht für diejenigen Delikte, die den Schutz eines überindividuellen Rechtsguts bezwecken (Schröder, ZStW 81 (1969), 1 [17]). Danach sind Täter und Anstifter eines Rauschgifts- oder Waffendelikts nicht straflos (Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73 [79]; ebenso Franzheim, NJW 1979, 2014 [2016]). Dieses Ergebnis fördert die Kriminalitätsbekämpfung aber nicht, weil gerade die Tataufklärung in beiden Bereichen des Einsatzes von verdeckten Ermittlern bedarf. Näher dazu Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 (800 ff.). Abgesehen davon erscheint die Annahme bedenklich, dass der Einsatz der Lockspitzel hier von vornherein die Rechtsgutsgefahr ausschließt. Eine realitätsnähere Prämisse ist vielmehr, dass die eingesetzte Polizei die Gefahr nicht völlig ausräumt, sondern die mit dem Einsatz verbundenen Risiken in Kauf nimmt, um größere Gefahren zu vermeiden (Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73 [79]; ferner vgl. Heghmanns, GA 2000, 473 [488]; Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 [808]; Maurach/Gössel, AT/2, § 51 Rn. 41). Somit ist die Straflosigkeit des Provokateurs nicht durch die Einschränkung des objektiven Tatbestandes des abstrakten Gefährdungsdelikts zu begründen. 724 Kategorisierung der Lösungsansätze im Anschluss an Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 74 (77 f.).
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anlassten Diebstahls, stellt jedoch zugleich das Eigentum des Opfers sicher, indem der Täter sofort festgenommen wird. Der Provokateur nimmt lediglich den Gewahrsamswechsel, nicht aber eine dauernde Eigentumsverletzung in Kauf. Deutlich wird damit die Parallelität zur Provokation des versuchten Diebstahls. Wenn man den in der klassischen Konstellation des agent provocateur entwickelten Gedanken auf diese modernere Konstellation überträgt, kann beim Vorligen des Vollendungsvorsatzes der Ausschluss des subjektiven Tatbestandes des Provokateurs dogmatisch nur auf dem fehlenden Willen zur materiellen Rechtsgutsverletzung beruhen. Hier hängt der Beendigungsbegriff mit dem Anstiftervorsatz zusammen, weil die Tatbeendigung als Abschluss einer Straftateinheit vielfach der Eintritt der endgültigen bzw. irreparablen Rechtsgutsverletzung darstellt, welche einen außerhalb der Vollendung liegenden Zeitpunkt des Tatgeschehens bezeichnet. Für den Gegenstand des Anstiftervorsatzes zieht die Literatur zum Teil den Begriff „Beendigungsvorsatz“725 heran: Der Anstifter müsse die Umstände der Tatbeendigung (oder: materieller Vollendung726) der Haupttat wissen und wollen.727 Danach entfalle eine strafbare Anstiftung, wenn der Anstifter davon ausgehe, dass die Haupttat nicht zur Tatbeendigung komme. Der Wille des Anstifters richte sich also auf die materielle bzw. irreparable Rechtsgutsverletzung durch den Haupttäter.728 Der Begriff „Beendigungsvorsatz“ scheint das Potenzial eines verallgemeinerbaren Lösungsansatzes zu haben. Denn er umgeht die Schwierigkeiten bei der Rechtsfertigungs- und Tatbestandslösung, und die Deliktstypen, bei denen regelmäßig verdeckte Ermittlungen vorkommen, haben eine eigenständige Beendigungsphase. Darüber hinaus gilt der gegen den Beendigungsbegriff erhobene Einwand des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG insoweit nicht, weil es hierbei um die Straffreiheit des Anstifters geht. Wirft man einen Blick auf den Meinungsstand in der Literatur, so verliert sich dieser Anschein, weil schon keine Einigkeit über die Berechtigung des Beendigungsvorsatzes herrscht. Nicht nur streiten die Vertreter des Beendi725
Terminologie aus Kühl, AT, § 20 Rn. 205 a; ders. JuS 2002, 729 (735). Etwa MK-Radtke, § 11 Rn. 90 (für Unternehmensdelikt). 727 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 50; Jannsen, NStZ 1992, 237 (238); MK-Joecks, § 26 Rn. 57; Otto, AT, § 22 Rn. 42; Rengier, AT, § 45 Rn. 71; Wessels/Beulke, Rn. 573; Franzheim, NJW 1979, 2014 (2016). 728 Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 50; Franzheim, NJW 1979, 2014 (2016); S/S-Heine, § 26 Rn. 20; B. Heinrich, AT/2, Rn. 1315; Fischer, § 26 Rn. 8; HK-GS/ Ingelfinger, § 26 Rn. 17; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 156; LK-Schünemann, § 26 Rn. 65 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 58; Maurach/Gössel, AT/2, § 51 Rn. 35; Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 150; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 4; Wessels/Beulke, Rn. 573; Jäger, AT, Rn. 259; Kühl, AT, § 20 Rn. 205; Geppert, Jura 1997, 358 (362); Satzger, Jura 2008, 514 (523); SSW-StGB/Murmann, § 26 Rn. 10. 726
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gungsvorsatzes über seinen Inhalt und Anwendungsbereich, sondern dieser Begriff wird teilweise auch als zu unbestimmt, ja sogar als überflüssig verworfen. Es muss daher im folgenden geklärt werden, ob der Beendigungsbegriff den Gegenstand des Anstiftervorsatzes mit bestimmen sollte. 2. Inhalt und Anwendungsbereich des Beendigungsvorsatzes sowie Einwände dagegen a) Inhalt des Beendigungsvorsatzes Die terminologische Uneinigkeit innerhalb der Vorsatzlösung gibt Anlass, den Begriffsinhalt des sog. Beendigungsvorsatzes zu klären. Aufgrund der Mehrdeutigkeit des Beendigungsbegriffs könnte der Beendigungsvorsatz nicht nur als der Wille zur materiellen Rechtsgutsverletzung, sondern auch als der Wille zur Absichtsverwirklichung verstanden werden. Bei näherem Hinsehen muss man aber festhalten, dass der Beendigungsbegriff nur dort herangezogen wird, wo eine an sich vollendete Haupttat aus der Perspektive der materiellen Rechtsgutsverletzung nur eine versuchte Tat darstellt. Soweit der Provokateur die Vollendung der Tat hinnimmt, aber nicht an den Eintritt einer materiellen Rechtsgutsverletzung glaubt, will er materiell eine versuchte Haupttat eintreten lassen. Das Erfordernis des Beendigungsvorsatzes beim Anstifter gilt also nur dort, wo die Vollendung des Delikts der Sache nach einen Versuchscharakter aufweist.729 Hier lässt sich der Beendigungsvorsatz dahin konkretisieren, dass er den Willen zur materiellen Rechtsgutsverletzung bedeutet. Insoweit hat der Beendigungsbegriff i. S. der Absichtsverwirklichung keine Relevanz für den Inhalt des Anstiftervorsatzes. Von grundlegender Bedeutung ist vielmehr die Frage, worin die sachliche Rechtfertigung dieser Erweiterung des Vorsatzgegenstandes beim Anstifter besteht. b) Anwendungsbereich des Beendigungsvorsatzes Ist der Beendigungsvorsatz der Wille zur Rechtsgutsverletzung, hängt die Anwendung des Beendigungsvorsatzes davon ab, welche Straftatbestände Versuchscharakter haben. Dazu werden zunächst Delikte mit rechtsgutsbezogener Absicht gezählt. Insoweit wird überwiegend vertreten, dass der Anstiftervorsatz nicht anzunehmen sei, wenn der Anstifter die Verwirklichung der rechtsgutsbezogenen Absicht nicht eintreten lassen wolle.730 Relativ unstreitig sei z. B. die Straflosigkeit des Anstifters zur vollendeten 729 730
Vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 59. So etwa LK-Schünemann § 26 Rn. 73; Geppert, Jura 1997, 358 (362).
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Urkundenfälschung gemäß § 267, wenn er sicherstelle, dass die unechten Urkunden nicht zur Täuschung in den Rechtsverkehr kommen würden. Diebstahl (§ 242) werde auch als Delikt mit rechtsgutsbezogener Absicht angesehen.731 Veranlasse z. B. ein Polizist den Täter zum Diebstahl, um ihn beim Verlassen des Warenlagers festzunehmen, fehle beim Polizist der Anstiftervorsatz, weil er nicht die dauerhafte Enteignung des Opfers wolle. Weiterhin fehle es am Anstiftervorsatz beim Anstifter eines verselbständigten Vorbereitungsdelikts, wenn er den Vollendungstatbestand, auf den sich das Vorbereitungsdelikt bezieht, nicht wolle.732 Demnach sei z. B. nicht wegen Anstiftung zur Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen (§§ 149 f., 26) strafbar, wer es nicht zur Vollendung der Geld- oder Wertzeichenfälschung kommen lassen wolle.733 Gleiches gelte für die Anstiftung zur Begehung eines Unternehmensdelikts, wenn der Anstifter es nur zum Versuch kommen lassen wolle, insbesondere wenn das Gesetz dafür einen Rücktritt von der Vollendung strafbefreiend wirken lasse.734 Den genannten Deliktsgruppen ist insoweit gemeinsam, dass für die Tatbestandsmäßigkeit ein Mehr auf der subjektiven Tatseite gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Unrechtsstruktur von solchen Tatbeständen entspricht daher unproblematisch der der Versuchstat. Ob dieser Gedanke auch auf die Gefährdungsdelikte übertragbar ist, lässt sich aber nicht eindeutig klären. Denn diese setzen zwar in objektiver Hinsicht ebenso wenig wie der Versuch den Eintritt der Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung voraus. Allerdings erfordern sie in subjektiver Hinsicht nur, dass der Täter die den objektiven Tatbestand verwirklichenden Umstände kennt. Insoweit weisen sie keine der Versuchstat ähnliche Unrechtsstruktur auf. Einige Autoren halten wohl deshalb den Beendigungsvorsatz des Anstifters bei rechtsgutsbezogenem Absichts- und Unternehmensdelikt zwar für erforderlich, den Vollendungsvorsatz des Anstifters bei abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt jedoch für bereits ausreichend.735 Einige Autoren beschränken die Darstellungen hinsichtlich des Erfordernisses des Beendigungsvorsatzes auf das rechtsgutsbezogene Absichtsdelikt und lassen die Frage der Anwendbar731 Vgl. S/S-Heine, § 26 Rn. 20; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 161; LK-Schünemann, § 26 Rn. 73 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 59. A. A. Mitsch, Provokation, S. 222 ff. 732 MK-Joecks, § 26 Rn. 60; LK-Schünemann, § 26 Rn. 72. 733 Roxin, AT/2, § 26 Rn. 158. 734 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 52; MK-Joecks, § 26 Rn. 60; Roxin, AT/2, § 26 Rn. 160; S/S-Heine, § 26 Rn. 20; LK-Schünemann, § 26 Rn. 72; anders R. Keller, S. 237. 735 Krey, Rechtsprobleme, Rn. 532 ff., 549 f., 552. Ebenso differenzierend MKJoecks, § 26 Rn. 57 ff.; Franzheim, NJW 1979, 2014 (2016 f.); Deiters, JuS 2006, 302 (305), bei denen soll der Beendigungsvorsatz gerade für die Anstiftung zum abstrakten Gefährdungsdelikt nicht gelten.
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keit des Beendigungsvorsatzes bei den sonstigen Deliktstypen offen.736 Für die Straffreiheit des Provokateurs eines abstrakten Gefährdungsdelikts will ein Teil der Literatur auf die Tatbestandslösung zurückgreifen.737 So betrachtet geht es beim Beendigungsvorsatz in der Tat auch nicht um ein allgemeingültiges Kriterium zum Ausschluss subjektiver Tatbestandsmäßigkeit der Anstiftung.738 c) Einwände gegen den Beendigungsvorsatz Gegen den Beendigungsvorsatz werden in der Literatur zwei Haupteinwände erhoben. Zunächst wird auf die Unbestimmtheit und die Übergesetzlichkeit des Beendigungsbegriffs hingewiesen. Jakobs sieht dies als „uferlos“ an, weil der Zeitpunkt der Tatbeendigung nach der Abstraktionshöhe des Rechtsguts willkürlich bestimmt werden könnte.739 Ähnlich sieht Bitzilekis, dass die unterschiedliche Fixierung des Beendigungszeitpunktes die Strafbarkeitsgrenze fließend mache und den gesetzlichen Tatbestand als Anhaltspunkt der Strafbarkeitsandrohung missachte.740 Ein weiterer Einwand gegen den Beendigungsvorsatz besteht darin, dass die unterschiedlichen Anforderungen an den Vorsatzinhalt bei Täter und Anstifter „überflüssig“741 seien. Beide beteiligten sich an derselben Tat, also dem gleichen tatbestandlich beschriebenen Rechtsgutsangriff.742 Deshalb müsse jeder Anstifter denselben Vorsatzinhalt in der derselben Intensität aufweisen wie ein Täter.743 Wenn der Täter beim abstrakten Gefährdungsdelikt weder Verletzung noch konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts kennen müsse, gelte das gleiche beim Anstifter.744 Auch bei Tatbeständen mit überschießender Innentendenz müsse ein Anstifter ebenso 736 S/S-Heine, § 26 Rn. 20; Maaß, Jura 1981, 514 (517 ff.); Suhr, JA 1985, 629 (630); Geppert, Jura 1997, 358 (362). 737 Aus der Literatur etwa Roxin, AT/2, § 26 Rn. 157; LK-Schünemann, § 26 Rn. 67. 738 Zutreffend Schwarzburg, Tatprovokation, S. 22, 30 ff. Ähnliche Kritik bei Sommer, JR 1986, 485 (487). 739 Jakobs, 23/17; zustimmend Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 51; Gropp, § 10 Rn. 130; Mitsch, Provokation, S. 143. 740 Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (745); ebenso Seier/Schlehofer, JuS 1983, 50 (53). 741 Jakobs, 23/17. 742 Vgl. SK7-Hoyer, Vor § 26 Rn. 65. 743 SK7-Hoyer, Vor § 26 Rn. 69; im Ergebnis ebenso Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (745); Jakobs, 23/17, 19, 20; Heghmanns, GA 2000, 473 (478); Lüderssen, Jura 1985, 113 (119); Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73 (79). 744 Ebenso Suhr, JA 1985, 629 (630); Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 (806 f.); Ostendorf/Meyer-Seitz, StV 1985, 73 (78 f.); Krey, Rechtsprobleme, Rn. 549.
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wie ein Täter mit Verletzungsvorsatz bzw. -absicht handeln.745 So sei z. B. bei der Urkundenfälschung der Provokateur nicht wegen Anstiftung zu bestrafen, wenn er keine Absicht „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ aufweise, da erst diese Absicht das objektive Verhalten der Urkundenfälschung zum qualifizierten Rechtsgutsangriff werden lasse. Mithin sollte der Grundsatz des Vollendungvorsatzes sich im Bereich der Anstiftung durchsetzen. Der Anstiftervorsatz sei schon anzunehmen, wenn der Veranlasser mit der Vollendung der Haupttat rechne, selbst wenn er eine irreparable Rechtsgutsverletzung aufgrund der Vornahme von Gegenmaßnahmen für unmöglich halte. Die Beurteilung der Strafbarkeit eines agent provocateur werde auf der Rechtswidrigkeitsebene vollzogen.746 3. Stellungnahme a) Funktionales Verhältnis der Anstiftung zum Deliktstatbestand Wir beginnen unsere Überlegung mit der Ungleichbehandlung zwischen Täter und Teilnehmer. Ein Beendigungsvorsatz beim Täter wurde bisher noch von niemandem gefordert. Es liegt daher nahe, den Beendigungsvorsatz des Anstifters allein innerhalb der Teilnahmedogmatik zu diskutieren. Alle Vertreter des Beendigungsvorsatzes sind bei der Begründung des Beendigungsvorsatzes tatsächlich auch vom Strafgrund der Teilnahme ausgegangen. Eine derartige Begründungsweise lässt jedoch die Funktion der Teilnahmenorm unberücksichtigt. Der Teilnahmenorm kommt lediglich die Funktion zu, eine im Deliktstatbestand ungeschriebene Verhaltensweise, also das „Bestimmen“ bzw. „Hilfeleisten“ des Haupttäters zur Vorsatztat, zusätzlich unter Strafe zu stellen.747 Dieser Strafausdehnungsgrund erweitert in objektiver Hinsicht das Verwirklichungsmodell des Rechtsgutsangriffs. Die subjektiven Voraussetzungen für die Konstruktion eines strafwürdigen Rechtsgutsangriffs, die im Deliktstatbestand vorgeschrieben sind, bleiben davon unberührt. Die Theorien des Strafgrundes der Teilnahme erklären daher lediglich die Grundlage der erweiterten Strafbarkeit des objektiven Verwirklichungsmodells, nämlich z. B. bei der Anstiftung, warum die veranlassende Bestimmung ebenso strafwürdig wie die Ausführung der tatbestandlichen Handlung 745
SK7-Hoyer, Vor § 26 Rn. 67; wohl ebenso Seier/Schlehofer, JuS 1983, 50
(54). 746 747
Seier/Schlehofer, JuS 1983, 50 (53). Küper, GA 1974, 320 (331); zustimmend Schwarzburg, Tatprovokation, S. 12.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
selbst ist. Auf die Frage, welche Beschaffenheit der veranlasste, in jeweiligem Deliktstatbestand umschriebene Rechtsgutsangriff haben muss, wollen und müssen die Teilnahmelehren keine Antwort geben. Versuche, aus dem Strafgrund der Teilnahme das Erfordernis des Willens der irreparablen Rechtsgutsverletzung beim Teilnehmer zu folgern, das im jeweiligen Deliktstatbestand für einen strafwürdigen Rechtsgutsangriff unnötig ist, sind schon über das Interesse der Teilnahmelehren hinausgegangen.748 Dass das Wesen der Anstiftung als mittelbarer Rechtsgutsangriff unbedingt einen Anstifterwillen zu irreparabler Rechtsgutsverletzung erfordert, ist mithin nicht haltbar. Beim Verletzungstatbestand ist dies nicht erforderlich, da ein strafbarer Rechtsgutsangriff schon mit dem Eintritt des Verletzungserfolgs in erforderlichem Maße vorliegt. Die Irreparabilität des einmal verletzten Rechtsguts braucht für die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen vollendeter Tat nicht vorzuliegen. Eine Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1) in Form der bloßen Funktionseinbuße liegt bereits vor, wenn eine Maschine zerlegt ist, obwohl sie mit großem Aufwand wieder zusammengesetzt werden kann. Dass der Veranlasser die „Irreparabilität“ der Funktionseinbuße nicht in Kauf nimmt, ändert nichts daran, dass ihm der im Tatbestand der Sachbeschädigung umschriebene strafwürdige Rechtsgutsangriff bekannt ist.749 Gleiches gilt erst recht bei den Delikten, bei denen der Eintritt des Verletzungserfolgs oder eine diesbezügliche Kenntnis des Täters nicht erforderlich ist. Der der Anstiftung zugrunde liegende Rechtsgutsangriff der Haupttat besteht bereits in der Herbeiführung gesetzgeberisch vermuteter oder richterlich festgestellter Gefährdung des Rechtsguts, die mit der Vornahme des tatbestandlich umschriebenen Verhaltens verbunden ist. Die Weiterentwicklung dieser Gefährdung zum Eintritt irreparabler Verletzung des Rechtsguts ist dem Täter zwar möglicherweise nach gesunder Lebensanschauung bekannt, aber entbehrlich für das Vorliegen eines strafbaren Rechtsgutsangriffs. Ein strafwürdiger Rechtsgutsangriff etwa beim abstrakten Gefährdungsdelikt der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1) entsteht bereits dann, wenn der Täter vorsätzlich eines der aufgelisteten Tatobjekte in Brand setzt. Das endgültige Zerstören des in Brand gesetzten Tatobjekts oder der Tod eines Menschen braucht insoweit nicht einzutreten. Demnach kann vom mittelbaren Rechtsgutsangriff durch den Anstifter schon gesprochen werden, soweit ihm das tatbestandlich vorausgesetzte Mindestmaß des Angriffs auf das Rechtsgut bekannt ist.750 Dieser Gedanke lässt sich hilfsweise durch die Versuchslehre bestätigen. Die Versuchsnormen als Strafausdehnungsgrund ergänzen den Deliktstat748 749 750
In der Sache ebenso Welp, JuS 1967, 507 (509). Ähnliches Beispiel bei Jakobs, 23/17. Im Wesentlichen ebenso Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 729 (747) mit Fn. 76.
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bestand dergestalt, dass das „unmittelbare Ansetzen“ zur Tatbestandsverwirklichung unter Strafe gestellt wird. Sie verhalten sich zum Deliktstatbestand insoweit ebenso wie die Teilnahmenormen.751 Wegen dieser flankierenden Funktion der Versuchsnormen befassen sich die Versuchslehren auch lediglich damit, den Strafgrund und die Grenze dieser im Deliktstatbestand nicht aufgenommenen Verhaltensweise zu erklären. Die darüber hinausgehende Frage, nämlich wodurch eigentlich ein erfolgreicher Rechtsgutsangriff gekennzeichnet ist, ist kein Anliegen der Versuchslehren. Auch bei den Deliktstatbeständen, in denen der Verletzungserfolg für die Vollendung nicht erforderlich ist, hat bisher noch niemand den Gesichtspunkt vertreten, der Versuchstäter selbst müsse eine irreparable Rechtsgutsverletzung wollen. Vielmehr genügt nach einhelliger Meinung der Wille zur Tatvollendung für die Strafbarkeit eines Versuchs.752 Dies ist kein Zufall, sondern eine zwingende Konsequenz des funktionalen Verhältnisses zwischen den flankierenden Strafnormen des Versuchs und den Tatbeständen. Der Anstifter muss nur den im Straftatbestand umschriebenen Rechtsgutsangriff kennen. Soweit der Provokateur mit Bewusstsein eine vollendete Haupttat herbeigeführt hat, kommt grundsätzlich schon die Strafbarkeit wegen Anstiftung zur vollendeten Tat in Betracht. Für den Anstiftervorsatz reicht also grundsätzlich das Wissen über die Vollendung der Haupttat aus. b) Konsequenz für die Provokation des abstrakten Gefährdungsdelikts Das hat Konsequenz beim abstrakten Gefährdungsdelikt, bei dem weder objektiv der Eintritt der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung, noch subjektiv ein diesbezügliches Wissen des Täters für die Tatvollendung gefordert wird. Soweit der Täter tatbestandlich handelt, liegt ein strafwürdiger Rechtsgutsangriff vor. Danach begeht ein Anstifter im Bewusstsein der Vollendung des abstrakten Gefährdungsdelikts schon einen strafwürdigen Rechtsgutsangriff, auch wenn er, anders als der Täter, jede Rechtsgutsgefahr für sicherlich ausgeschlossen hält.753 Dieses Ergebnis erscheint problematisch im Hinblick auf das Schuldprinzip, weil der Anstifter subjektiv jede Rechtsgutsgefahr ausscheidet. Die Anforderung des Beendigungsvorsatzes beim Anstifter kann zumindest den Verstoß gegen das Schuldprinzip beseitigen. Allerdings rechtfertigt sich die Vorsatzlösung allein damit nicht. Denn dieses Problem entsteht nicht erst 751 752 753
Vgl. Küper, GA 1974, 320 (331). Statt Vieler Jescheck/Weigend, § 49 III 1. Ebenso Mitsch, Provokation, S. 235 f.; R. Keller, S. 198.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
aus dem Anstiftungstatbestand, sondern aus dem Tatbestand des abstrakten Gefährdungsdelikts als solchem. Es gilt also sowohl für den Täter als auch für den Anstifter. Wenn ein Anstifter sich für seine Straflosigkeit auf das fehlende Bewusstsein der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung, oder den Ausschluss der Gefährlichkeit berufen dürfte, sollte dies erst recht für den Täter desselben Delikts gelten, der „unmittelbar“ einen Rechtsgutsangriff in Gang gesetzt hat. Man würde daraus folgern, dass beim abstrakten Gefährdungsdelikt Täter und Anstifter gleichermaßen einen Verletzungs- oder Gefährdungsvorsatz aufweisen müssten.754 Die Vorsatzlösung führt aber dazu, dass sich allein der Anstifter, nicht aber auch der Haupttäter auf den fehlenden Beendigungsvorsatz berufen kann, ohne ersichtliche Gründe für diese Differenzierung anzugeben. Darüber hinaus ist das Erfordernis eines Beendigungsvorsatzes beim Anstifter mit der Unrechtsstruktur und der Auffangfunktion des abstrakten Gefährdungsdelikts unvereinbar. Bekanntlich ist sein Vollendungszeitpunkt zweifach vorverlagert. Objektiv braucht keine im konkreten Fall nachweisbare Gefährdung des Rechtsguts einzutreten. Und subjektiv braucht der Vorsatz des Täters den Eintritt der konkreten Gefährdung nicht zu umfassen. Dadurch sind die objektive und die subjektive Tatseite des Gefährdungsdelikts kongruent. Dem abstrakten Gefährdungsdelikt ist somit eine Funktion zugeschrieben, nämlich auch die gefährliche Verhaltensweise eines solchen Täters unter Strafe zu stellen, dem der Verletzungs- oder Gefährdungsvorsatz fehlt oder nicht nachweisbar ist.755 Eine Übertragung der Vorsatzlösung auf Gefährdungsdelikte würde ihnen jedoch eine dem Tatbestand nicht entnehmbare inkongruente Unrechtsstruktur verleihen. Es wäre dogmatisch unerklärbar, durch die Anwendung einer flankierenden Teilnahmenorm rückwirkend die Strukturierung des zugrundeliegenden Delikts zu verändern. Daneben liefe durch die Übertragung der Vorsatzlösung die Auffangfunktion des Tatbestands des abstrakten Gefährdungsdelikts leer, was angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit des Rechtsguts als unangemessen erschiene. Die erweiterte Strafbefreiung für den Anstifter stellt schließlich eine unberechtigte Vergünstigung bestimmter Tätergruppen dar, die der im jeweiligen Delikt zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertentscheidung widerspricht.756 Vor diesem Hintergrund hat sich bei einigen Vertretern der Vorsatzlösung die Ansicht durchgesetzt, dass die Tatbeendigung des abstrakten Gefährdungsdelikts mit dessen Tatvollendung zeitlich zusammenfalle757 oder dass 754 755 756 757
Hinsweis auf diese Schlussfolgerung bei Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (743). A/W-Weber, § 35 Rn. 21. Ebenso Schwarzburg, Tatprovokation, S. 30. Krey, Rechtsprobleme, Rn. 549.
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die Irreparabilität der Rechtsgutsbeeinträchtigung beim abstrakten Gefährdungsdelikt regelmäßig in der Tatvollendung liege.758 Obwohl sich die formelle Schlüssigkeit der Vorsatzlösung damit bewährt, ist die Argumentation nicht ohne Bedenken. Denn zum einen ist bei der Beendigungslehre eine der Vollendung nachfolgende Beendigungsphase beim abstrakten Gefährdungsdelikt nicht ganz ausgeschlossen. Die Beendigung einer Brandstiftung (§ 306) wird überwiegend nicht bereits mit dem Inbrandsetzen, sondern erst mit dem Eintritt des Gesamtschadens bzw. dem Erlöschen der Gefahr angenommen.759 Auch die Trunkenheitsfahrt (§ 316) ist erst dann beendet, wenn das Fahren von Fahrzeugen endgültig abgeschlossen ist. Zum anderen bleibt unklar, was eigentlich unter die dort vertretene „Irreparabilität“ des Rechtsgutsangriffs verstanden wird. Gössel will dies beispielsweise einerseits bei Bestimmung eines anderen zum „Verkauf“ von Heroin an getarnte Polizeibeamte verneinen, andererseits bei Anstiftung zum „Herstellen“ von Rauschgift (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) regelmäßig bejahen.760 Diese Differenzierung ist aber zweifelhaft. Denn der agent provocateur könnte in beiden Fällen gleichermaßen absichern, dass das hergestellte Rauschgift nicht in Verkehr gebracht wird. Warum die irreparable Rechtsgutsbeeinträchtigung regelmäßig mit dem Herstellen von Rauschgift eintritt, nicht aber mit dem Handeltreiben von Rauschgift, ist nicht zu begründen. Mithin stützt sich die Vorsatzlösung auf ein sachlich unzutreffendes Verständnis des Beendigungsbegriffs sowie auf das manipulierbare Kriterium der jenseits des Tatbestands festzulegenden „Irreparabilität“ des Rechtgutsangriffs. Nach alledem ist die Vollendung des abstrakten Gefährdungsdelikts als Gegenstand des Anstiftervorsatzes nur aus dem hier vertretenen Standpunkt, nicht aber aus der Vorsatzlösung abzuleiten. c) Konsequenz für die Provokation von Delikten mit überschießender Innentendenz aa) Das Legitimationsbedürfnis der Vorsatzlösung Die Übertragung der Vorsatzlösung auf verselbständigte Vorbereitungsdelikte, Unternehmensdelikte sowie rechtsgutsbezogene Absichtsdelikte führt nicht zur Ungleichbehandlung zwischen Täter und Anstifter. Das Erfordernis des Beendigungsvorsatzes beim Anstifter hat lediglich zur Folge, dass gleiche Anforderungen an die subjektive Tatseite bei Täter und Anstifter gestellt werden. Denn dabei geht es um diejenigen Delikte, bei denen 758 759 760
Vgl. Maurach/Gössel, AT/2, § 51 Rn. 39. S/S-Heine, § 306 Rn. 21. Vgl. Maurach/Gössel, AT/2, § 51 Rn. 36 u. 39.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
der Vorsatz des Täters sich auf die über den objektiven Tatbestand hinausgehenden Umstände beziehen muss. Dies bedarf bei rechtsgutsbezogenen Absichtsdelikten keiner näheren Darstellung. Bei Unternehmensdelikten sind „Versuch“ und „Vollendung“ durch den Begriff „Unternehmen“ zu einem einheitlichen Handlungsabschnitt zusammengefasst. Das ändert nichts daran, dass die Bestrafung der versuchten Unternehmenshandlung ebenso wie die eines formellen Versuchsdelikts nur dann legitimiert ist, wenn der Vorsatz des Täters sich auch auf die materielle Vollendung des Unternehmens richtet. Ansonsten fehlt es an einem strafwürdigen Rechtsgutsangriff. Deshalb hat das Unternehmensdelikt eine inkongruente Tatbestandsstruktur.761 Entsprechendes gilt für verselbständigte Vorbereitungsdelikte. Der Begriff Vorbereitung hat bereits einen Zusammenhang mit der Verletzungstat, der sich jedoch erst aus der subjektiven Tendenz des Täters ergibt. Der Täter muss den Vorsatz haben, dass die Vorbereitungshandlung zur Ermöglichung oder Förderung der Vollendung der Verletzungstat führt. Das verselbständigte Vorbereitungsdelikt ist daher ein Delikt mit überschießender Innentendenz.762 Damit stellen die drei Deliktstypen jeweils materielles Versuchsdelikt dar. Die Vorsatzlösung im klassischen Fall des agent provocateur erhält daher ein entsprechendes Fundament bei der Provokation der vollendeten Tat in den drei Deliktstypen. Es ist daher kein Wunder, dass die Vorsatzlösung bei diesen drei Deliktstypen die überwiegende Zustimmung im Schrifttum erhält. Damit ist die Vorsatzlösung aber noch nicht ohne weiteres legitimiert. Nach dem Wortlaut des § 26 scheint etwa ein Anstiftervorsatz zum vollendeten Diebstahl schon dann gegeben zu sein, wenn der Veranlassende die Umstände kennt, dass der Haupttäter vorsätzlich rechtswidrig eine Sache in Zueignungsabsicht wegnimmt. Demzufolge setzt der Vorsatz des Veranlassenden nicht voraus, dass er persönlich auch Zueignungsabsicht hat. Ein Provokateur wäre danach wegen Anstiftung zu vollendetem Diebstahl strafbar, wenn er die Vollendung des Diebstahls durch den Veranlassten in Kauf nimmt, aber zugleich den Eintritt der dauernden Enteignung für ausgeschlossen hält. Wenn die wortlautgetreue Auslegung auch für die Anstiftung zur Vorbereitung einer Geldfälschung (§§ 149 Abs. 1 Nr. 1, 26) gilt, dann scheint die Strafbarkeit des Anstifters nicht daran zu scheitern, dass sein Vorsatz nur auf die Vorbereitung, nicht aber auf die Ausführung eines Geldfälschungsdelikts gerichtet ist. Die Vorsatzlösung bedeutet freilich gerade eine von der wortlautgetreuen Auslegung abweichende Forderung, i. e. dass nur derjenige Veranlassende, der persönlich auch die überschießende Innentendenz aufweist, 761
Näher dazu Mitsch, Provokation, S. 192 ff. Näher dazu Mitsch, Provokation, S. 204 f. Im Ergebnis ebenso etwa Lackner/ Kühl, § 149 Rn. 5. 762
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sich wegen Anstiftung strafbar macht. Um diese vom gesetzlichen Wortlaut abweichende Voraussetzung der strafbaren Anstiftung zu legitimieren, hat man zusätzliche Überlegungen anzustellen. bb) Das Rechtsgüterschutzprinzip innerhalb der Teilnahmedogmatik Mehrheitlich wird die Vorsatzlösung damit begründet, dass es an einem Rechtsgutsangriff fehle, wenn sich der Vorsatz des Veranlassers nicht über die formelle Vollendung der Haupttat hinaus auf die eigentliche Rechtsgutsverletzung erstrecke.763 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Denn die Vorschriften der §§ 26, 27 erweitern nur die objektiven Angriffsmodelle auf Veranlassung und Unterstützung zu tatbestandlichen Verhaltensweisen des anderen. Die übrigen konstitutiven Voraussetzungen eines strafwürdigen Rechtsgutsangriffs bleiben davon unberührt und müssen daher vom Teilnehmer selbst erfüllt werden.764 Soweit der Provokateur solche Voraussetzungen nicht persönlich verwirklicht, fehlt es am strafwürdigen Rechtsgutsangriff. Demnach stellt z. B. die Provokation zur Vorbereitung der Geldfälschung erst dann ein strafwürdiger Angriff auf das Rechtsgut „Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs“ dar, wenn der Provokateur selbst auch die Absicht des Inverkehrbringens des gefälschten Geldes hat. Anderenfalls gäbe es keinen strafwürdigen Rechtsgutsangriff und der Provokateur bliebe nach dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes straflos. Das Erfordernis der überschießenden Innentendenz des Teilnehmers lässt sich folglich nur aus dem Rechtsgüterschutzprinzip ableiten. Schwierigkeiten bereitet es, dieses überwiegend akzeptierte Ergebnis mit der Teilnahmedogmatik in Übereinstimmung zu bringen. Denn dieses Erfordernis bedeutet für die Beurteilung des Teilnehmerverhaltens, dass die überschießende Innentendenz des Täters dem Teilnehmer nicht akzessorisch zugerechnet werden kann. Es erfordert eine Lockerung des Akzessorietätsprinzips, die über das hinausgeht, was § 28 ausdrücklich regelt.765 Eine Harmonisierung zwischen Teilnahme- und Provokationsdogmatik ist bisher aber von den meisten Vertretern dieses Lösungsansatzes noch nicht erfolgt. Hierfür hat nur Herzberg einen umstrittenen Lösungsvorschlag angeboten, um dieses Ergebnis, dass der Teilnehmer selber die überschießende Innentendenz haben muss, aus der Teilnahmedogmatik abzuleiten.766 Auf das fehlende Fun763
Vgl. Roxin, AT/2, § 26 Rn. 158, 161; LK-Schünemann, § 26 Rn. 73, 75. Ebenso Mitsch, Provokation, S. 214. 765 Mitsch, Provokation, S. 215. 766 Näher dazu vgl. Herzberg, JuS 1983, 737 ff.; zustimmend Mitsch, Provokation, S. 213, 219. 764
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dament der Vorsatzlösung innerhalb der Teilnahmedogmatik soll hier nur kurz hingewiesen werden. d) Erwiderungen auf die Kritik von Schwarzburg Schwarzburg hat in seiner Dissertation die Vorsatzlösung heftig kritisiert.767 Nach der Vorsatzlösung werde erstens die Tatbestandsmäßigkeit der Anstiftung auch in Fällen der rechtsgutsbeeinträchtigenden Tatveranlassung verneint. Zweitens sei die nicht rechtsgutsbeeinträchtigende Anstiftung im Bereich von Gefährdungs- und Vorbereitungsdelikten nur mangels struktureller Übereinstimmung tatbestandsmäßig i. S. des § 26. Das sei eine sachlich unberechtigte Ungleichbehandlung. Drittens werde die Vorsatzlösung zu einer nicht begründeten Besserstellung des Anstifters gegenüber dem Täter führen. Denn während der Provokateur wegen Veranlassung eines „materiellen Versuchs“ straflos bleibe, solle den Täter die Vollendungsstrafbarkeit treffen.768 Dieser Kritik ist nicht ganz zuzustimmen. Schwarzburg hat bei seiner letzten Kritik richtig angemerkt, dass die Vorsatzlösung im Bereich der Gefährdungsdelikte zur Ungleichbehandlung zugunsten des Teilnehmers führen könnte. Aber dies geschieht nicht wirklich. Wie schon erwähnt, verzichten die meisten Vertreter dieses Lösungsansatzes darauf, die Vorsatzlösung konsequenterweise auf die Provokation des abstrakten Gefährdungsdelikts anzuwenden. Sie greifen insoweit vielmehr auf die Tatbestands- und Rechtfertigungslösung zurück. Damit werden die unberechtigte Ungleichbehandlung und die den kriminalpolitischen Erwägungen des Gefährdungsdelikts widersprechenden Folgen vermieden. Dieser Kritikpunkt greift auch nicht bei den sonstigen Deliktstypen. Denn im Prinzip wird hier allenfalls die gleiche Anforderung an Täter und Anstifter gestellt. Dass im konkreten Fall lediglich den veranlassten Täter die Vollendungsstrafbarkeit trifft, und der Veranlasser straflos bleibt, liegt daran, dass im Regelfall der Täter bezüglich des Tatablaufs eine andere Vorstellung als der Teilnehmer hat. Beispiel: A fordert den T auf, ihm Platten zur Herstellung von Falschgeld zu verschaffen, die nach Vorhaben des A sofort der Kriminalpolizei übergeben werden.769 T ist wegen Vorbereitung zur Geldfälschung gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 1 zu bestrafen, da er irrig annimmt, dass seine Vorbereitungshandlung zur Ermöglichung oder Unterstützung der Geldfälschung beitragen wird. Im Gegensatz dazu fehlt es bei A am Vorsatz hinsichtlich der Ausfüh767 Er nennt die Vorsatzlösung eine „Analogie zur Provokation eines Deliktsversuchs“, vgl. Schwarzburg, Tatprovokation, S. 29. 768 Vgl. Schwarzburg, Tatprovokation, S. 29 f. 769 Beispiel aus Mitsch, Provokation, S. 205.
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rung der Geldfälschung. Die unterschiedliche Behandlung von T und A folgt aus demselben Kriterium, nämlich dass die Vorbereitung zur Geldfälschung ein strafwürdiger Rechtsgutsangriff nur dann ist, wenn sie von einem auf Geldfälschung gerichteten Vorsatz getragen wird. Von einer nicht begründeten Besserstellung des Teilnehmers gegenüber dem Täter kann deshalb nicht gesprochen werden. Der zweite Kritikpunkt Schwarzburgs ist ebenfalls unzutreffend. Nach der hier vertretenen Ansicht werden die verselbständigten Vorbereitungsdelikte strukturell wie Versuchsdelikte behandelt. Daher ist die Vorsatzlösung insoweit ein unproblematischer und sachgerechter Lösungsansatz. Freilich hat Schwarzburg zu Recht gesehen, dass die Vorsatzlösung wegen struktureller Unvergleichbarkeit nicht auf Gefährdungsdelikte anwendbar ist. Dass der Provokateur objektiv keine Gefährdung des Rechtsguts herbeiführt und subjektiv auch die Gefährlichkeit der Haupttat im konkreten Fall für ganz ausgeschlossen hält, ändert aber nichts an seiner Strafbarkeit wegen Anstiftung. Dies ergibt sich jedoch grundsätzlich aus der eigentümlichen Struktur des abstrakten Gefährdungsdelikts. Die Bestrafung einer objektiv gefahrlosen Anstiftung ist nur durch die Restriktion des Tatbestandsbereichs des Gefährdungsdelikts gründlich zu verhindern. Wenn die spezifische Funktion des Gefährdungsdelikts dieses Vorgehen verbietet, muss man diese umstrittene Bestrafung akzeptieren. Die Vorsatzlösung ist weder der Wurzel dieses Problems noch geeignet, es zu beseitigen. Zuletzt zu nennen ist der erste Kritikpunkt, dass die Verneinung der tatbestandsmäßigen Anstiftung bei rechtsgutsbeeinträchtigender Tatveranlassung unangemessen sei. Diese Kritik verkennt, dass ein strafwürdiger Rechtsgutsangriff nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bereits vorhanden ist, wenn das Verhalten objektiv eine Rechtsgutsbeeinträchtigung bewirkt. Dieser setzt zusätzlich voraus, dass das Verhalten von einer überschießenden Innentendenz getragen ist. Die dahinter stehende kriminalpolitische Überlegung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Tatbestands bedarf hier keiner näheren Diskussion. Es geht hier nur darum, dass es die Konsequenz dieser gesetzgeberischen Wertentscheidung ist, dass eine rechtsgutsbeeinträchtigende Tatveranlassung mangels überschießender Innentendenz lediglich eine straflose Anstiftung ist. e) Fazit Eine Teilnahmehandlung ist ein selbständiger mittelbarer Rechtsgutsangriff. Wann dieser strafwürdige Rechtsgutsangriff vorliegt, ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Teilnahmenorm und Straftatbestand des einzelnen Delikts. Die Teilnahmenorm ersetzt das Handlungselement des jeweiligen
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Straftatbestands durch Bestimmung oder Hilfeleistung. Um einen strafwürdigen Rechtsgutsangriff durch den Teilnehmer zu begründen, muss er persönlich diejenigen subjektiven Voraussetzungen erfüllen, die konstruktiv für das Vorliegen eines strafwürdigen Rechtsgutsangriffs sind. Dass dem Teilnehmer der Vorsatz und eine sonstige Innentendenz des Täters nicht akzessorisch zugerechnet werden kann, ergibt sich aus dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes. Danach muss der Anstifter eines abstrakten Gefährdungsdelikts ebenso wie der Täter nur wissen, was für die Vollendung des Tatbestands erforderlich ist. Eine darüber hinausgehende Kenntnis ist weder beim Täter noch beim Anstifter notwendig. Bei den Delikten mit überschießender Innentendenz haben Täter und Anstifter nicht nur die Tatvollendung zu kennen und zu wollen, sondern auch die tatbestandlich vorausgesetzte überschießende Innentendenz aufzuweisen, die konstitutiv für den strafbewehrten Rechtsgutsangriff ist. 4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Vor diesem Hintergrund besteht zwischen Befürwortern und Gegnern des Beendigungsvorsatzes eines Anstifters kaum ein sachlicher Unterschied. Wer für das entscheidende Kriterium des Vollendungsvorsatzes eintritt, kann nicht verneinen, dass der Anstifter bei Delikten mit überschießender Innentendenz über die Vollendung der Haupttat hinaus noch die notwendige Innentendenz aufweisen muss. Somit hat er auch unausgesprochen die Bedeutung des erforderlichen „Vollendungsvorsatz“ eines Anstifters erweitert. Ein solcher „erweiterte“ Vollendungsvorsatz des Anstifters ist begrifflich insoweit von dem des Täters zu unterscheiden, als er sich auch auf die objektiven Umstände erstreckt, auf die sich die überschießende Innentendenz beziehen muss.770 Die Befürworter des Beendigungsvorsatzes lassen diesen vor allem bei Delikten mit überschießender Innentendenz in dem Sinne gelten, dass der Anstifter die über die Vollendung der Haupttat hinausgehende Rechtsgutsbeeinträchtigung wissen und wollen muss. Der am Beendigungsvorsatz geübten Kritik ist insofern zuzustimmen, dass das Kriterium des „materiellen Unrechtserfolgs“ oder der „materiellen Rechtsgutsverletzung“ sehr unbestimmt und daher manipulierbar ist, was eng damit zusammen hängt, dass der Beendigungsbegriff keine Stütze im Straftatbestand des einzelnen Delikts findet. Die Unbestimmtheit des Beendigungsvorsatzes kann freilich dadurch beseitigt werden, dass man den Gegenstand des Anstiftervorsatzes aus der tatbestandlich vorgegebenen überschießenden Innentendenz ableitet. Wie Mitsch schon richtig bemerkt, sollte der Begriff des Beendigungsvorsatzes beim Anstifter in Zukunft nicht mehr herangezogen werden.771 770
Zutreffend Mitsch, Provokation, S. 214.
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II. Tatbeendigung als tauglicher Zeitpunkt der Vorsatzbildung Unabhängig davon, ob der Beendigungsbegriff maßgebend für die Bestimmung des Anstiftervorsatzes ist, lautet die andere in diesem Kapitel zu erörternde Frage, ob die Tatbeendigungsphase als selbständiges Stadium einer Straftat geeignet ist, einen strafrechtlich relevanten Vorsatz zu bilden. Gemäß § 16 Abs. 1 muss der Tatbestandsvorsatz nur „bei Begehung der Tat“ vorliegen. Der Begriff „Tat“ ist hier gemäß § 8 zu interpretieren. Danach ist allein der Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung entscheidend.772 Auf die Vorstellung des Täters beim Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs kommt es für den Vorsatz nicht an. Deshalb schließt es den einmal vorhandenen Tatbestandsvorsatz des Täters nicht retrospektiv aus, wenn er vor der Vollendung den Tatentschluss aufgibt oder die tatbestandlichen Sachverhalte nicht mehr kennt.773 Es kommt in solchen Fällen allenfalls die Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch oder tätiger Reue in Betracht. Soweit für die Vorsatzbildung allein der Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung entscheidend ist, begründet das nachträglich erlangte Wissen von tatbestandsmäßigen Umständen nur strafrechtlich irrelevantes dolus subsequens. Auch die Kenntnis des Täters während der Tatbeendigungsphase hat keine Bedeutung für die Vorsatzbildung. Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, wenn man die folgenden Sätze in der Entscheidung des BVerfG liest: „Da § 142 Abs. 1 StGB – anders als § 142 Abs. 2 StGB – keinen abgeschlossenen Sachverhalt des SichEntfernt-Habens voraussetzt und ein Entfernens-Vorsatz grundsätzlich bis zur Beendigung der Tat durch ein erfolgreiches Sich-Entfernt-Haben gebildet werden kann, ist zwar eine verfassungskonforme Auslegung des § 142 Abs. 1 StGB denkbar, die Fälle erfasst, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich gleichwohl – weiter – von der Unfallstelle entfernt.“774 Während einige Autoren sich der Ansicht des BVerfG anschließen775, hält die mehrheitliche Literaturmeinung sie für zweifelhaft, 771 Mitsch, Provokation, S. 212 f. Ebenso R. Keller, S. 197. Wohl ebenso Kühl, JuS 2002, 729 (735), wenn er zur Begründung der Straflosigkeit des agent provocateur nicht auf die tatbestandslose Beendigung, sondern auf das Fehlen der endgültigen, irreparablen Rechtsgutsverletzung abstellen will. 772 Baumann/Weber/Mitsch, § 20 Rn. 15 ff.; Roxin, AT/1, § 12 Rn. 89 f.; LK-Vogel, § 15 Rn. 52; Vgl. auch Lackner/Kühl, § 15 Rn. 9; Rengier, AT, § 14 Rn. 55. 773 Vgl. BGH NStZ 1983, 452; Lackner/Kühl, § 15 Rn. 9; Wessels/Beulke, Rn. 206; LK-Vogel, § 15 Rn. 52 m. w. N. 774 BVerfG, 2 BvR vom 19.3.2007, Abs. 26. 775 Laschewski, NZV 2008, 444 (447 f.); Blum, NZV 2008, 495 ff.; LPK-Kindhäuser, § 142 Rn. 16.
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weil sie zur unzulässigen Anerkennung des dolus subsequens führen könnte.776 Ob der Beendigungsbegriff zur Begründung der Vorsatztat im Rahmen von § 142 Abs. 1 geeignet ist, bleibt nachfolgend zu diskutieren. 1. Zulässigkeit der Vorsatzbildung in der Beendigungsphase beim Entfernen vom Unfallort nach § 142 Abs. 1 a) Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung Die erstaunliche „verfassungskonforme Auslegung“ des BVerfG, dass der Sich-Entfernen-Vorsatz i. S. des § 142 Abs. 1 bis zur Tatbeendigung gebildet werden könne, hängt eng mit der seit langem umstrittenen Beurteilung des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort zusammen. Der Entscheidung des BVerfG liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer, der beim Überholen eines anderen Fahrzeuges erhebliche Karosserieschäden angerichtet hat, hat anfangs ohne Bewusstsein der Unfallbeteiligung die Unfallstelle verlassen. Der Fahrer des beschädigten Fahrzeuges folgte ihm bis zu einer 500 m entfernten Tankstelle und machte ihn dort auf den Unfall aufmerksam. Dieser bestritt jedoch den Überholvorgang und entfernte sich, ohne dem Geschädigten Angaben zu seiner Person zu machen. In Fällen dieser Art, in denen der Täter nach unvorsätzlichem Entfernen vom Unfallort nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich gleichwohl weiter von der Unfallstelle entfernt, streiten sich Rechtsprechung und Literatur über die Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2. Der BGH geht in einer Grundsatzentscheidung777 davon aus, dass ein unvorsätzliches Entfernen vom Unfallort mit dem berechtigen oder entschuldigten Entfernen vom Unfallort i. S. von § 142 Abs. 2 Nr. 2 gleichgesetzt werden könne. Demnach obliege die Nachholpflicht gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 2 auch dem Unfallbeteiligter, der sich unvorsätzlich vom Unfallort entfernt hat. Seine Strafbarkeit wegen Unterlassung der Nachholpflicht gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 2 sei danach begründet. Diese Ansicht des BGH wird in der Literatur überwiegend mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG abgelehnt. Die Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 durch den BGH stelle nämlich eine unzulässige Analogie dar.778 Das BVerfG hat sich nun diese herrschende Meinung zu eignen gemacht.779 Denn der Begriff „unvorsätzlich“ 776 Kritik bei LK-Geppert, § 142 Rn. 135 b; Brüning, ZIS 2007, 317 (321); Dehne-Niemann, Jura 2008, 153 (140). 777 BGHSt 28, 129 ff. 778 Vgl. Fischer, § 142 Rn. 52 m. w. N. Ausführlich zum Meinungsstand Hillenkamp, S. 80 ff.
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überschreite umgangs- und fachsprachlich die Grenze des Wortsinns des „berechtigten oder entschuldigten“ Entfernens. Dieses Ergebnis werde außerdem durch historische, systematische und teleologische Auslegungsgesichtspunkte gestützt.780 Damit sei die Strafbarkeit des Täters in solchen Fällen gemäß § 142 Abs. 2 ausgeschlossen. Um die dadurch entstehende Strafbarkeitslücke auszufüllen, verweist das BVerfG in einem obitur dictum auf die Möglichkeit, die Strafbarkeit des sich unvorsätzlich entfernenden Unfallbeteiligten mithilfe der oben wörtlich zitierten „verfassungskonformen Auslegung“ des § 142 Abs. 1 zu begründen. Nach bisher gefestigter Rechtsprechung des BGH fand die Vorschrift des § 142 Abs. 1 nur dann Anwendung, wenn der Täter sich vom Unfallort selbst, nicht aber von einem anderen Ort entfernt, an dem er von dem Unfall erstmals erfahren hat.781 Um die Möglichkeit der Vorsatzbildung in der Beendigungsphase des Entfernens vom Unfallort zu unterstützen weist das BVerfG darauf hin, dass der Begriff des Unfallorts eine Konkretisierung durch die Rechtsprechung dahin zulasse, dass sich der Unfallort in diesem Fall über eine durch den Überholvorgang bestimmte größere Distanz erstrecke.782 Die Entwicklung der OLG Rechtsprechung nach der Entscheidung des BVerfG ist uneinheitlich. Das OLG Düsseldorf hält es für den Umfang des Unfallorts entscheidend, dass „zwischen dem Unfallgeschehen und seiner Kenntniserlangung durch den Unfallbeteiligten ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.“ Dieser notwendige Zusammenhang hänge davon ab, ob an dem inzwischen erreichten Ort noch feststellungsbereite Personen zu erwarten seien.783 In dem dort zu entscheidenden Fall sei der Unfallort bereits überschritten, wenn der Angeklagte nach dem Unfall rund drei Kilometer zurückgelegt hatte und seitdem bereits fünf bis zehn Minuten vergangen waren. Demgegenüber lehnt das OLG Hamburg ausdrücklich die Auffassung des BVerfG ab. Es sei zwingend, „den Begriff des Unfallorts i. S. des § 142 I StGB als Teil des objektiven Tatbestands auch objektiv zu bestimmen und nicht etwa davon abhängig zu machen, ob der Unfallbeteiligte sogleich Kenntnis vom Unfall hatte oder nicht.“ Zudem sei ein erst nach Vollendung, aber vor Beendigung gefasster Vorsatz des Täters ungeeignet, eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 zu begründen. Ein solcher Vor779 BVerfG, 2 BvR vom 19.3.2007, Abs. 14 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die Literaturmeinungen. 780 BVerfG, 2 BvR vom 19.3.2007, Abs. 21 ff. 781 BGHSt 28, 129, 131. 782 BVerfG, 2 BvR vom 19.3.2007, Abs. 26; zustimmend Laschewski, NZV 2007, 444 (448); Blum, NZV 2008, 495 (496). 783 OLG Düsseldorf NZV 2008, 107 f.
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satz sei nur in Fällen sukzessiver Beihilfe oder Mittäterschaft denkbar. „Der Alleintäter, der vorsatzlos den objektiven Tatbestand des § 142 I StGB vollendet, macht sich durch die Weiterfahrt trotz nunmehr erlangter Kenntnis vom Unfall nicht nach § 142 I StGB strafbar.“784 b) Kritische Würdigung Nach dem Koinzidenz- bzw. Simultanitätsprinzip muss der Vorsatz während der Ausführungshandlung einmal vorliegen. Damit kann aber nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, die nachträgliche „Bösgläubigkeit“ des Unfallbeteiligten nicht als „dolus subsequens“, sondern als einen SichEntfernen-Vorsatz „zum Zeitpunkt der Tatausführung“ anzuerkennen. Denn das Koinzidenzprinzip sagt nichts darüber, wie man den Zeitraum des tatbestandsmäßigen Verhaltens bestimmen soll. Es bleibt daher die Möglichkeit, die Vorsätzlichkeit des Entfernens zu begründen, indem man den zeitlichen Umfang der Tatbestandshandlung des Entfernens vom Unfallort erweitert. Das BVerfG hat diesbezüglich zwei Möglichkeiten aufgezeigt: Zum einen die extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unfallort“, zum anderen die zeitliche Dauerhaftigkeit des Entfernens. Die Überzeugungskraft der Auffassung des BVerfG hängt deshalb davon ab, ob beide von ihm aufgezeigten Möglichkeiten zur Erweiterung des Zeitrahmens der Tathandlung des § 142 Abs. 1 dogmatisch erfolgversprechend sind. aa) Die extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unfallort“ Das weitere Entfernen nach der Kenntniserlangung des Unfallbeteiligten vom Unfall könnte nach dem Vorschlag des BVerfG noch tatbestandsmäßige Handlung des § 142 Abs. 1 sein, wenn der Ort, an dem der Täter die Unfallbeteiligung erkennt, noch zum „Unfallort“ gehört. Der Umfang des Unfallorts könnte insofern erweitert werden, als – nach Ansicht des OLG Düsseldorf – der „räumliche und zeitliche Zusammenhang“ noch so eng ist, dass an dem inzwischen erreichten Ort feststellungsbereite Personen noch zu erwarten sind. Unter dieser Voraussetzung wäre das Entfernen vom Ort der Kenntniserlangung im Bewusstsein des Unfalls als vorsätzliches Entfernen vom „Unfallort“ anzusehen. Das Koinzidenzprinzip wäre dann in formeller Hinsicht beachtet. Fraglich ist jedoch, ob der Unfallort i. S. des § 142 Abs. 1 eine solchermaßen extensive Auslegung erfahren darf. 784 OLG Hamburg NJW 2009, 2074 f. Zustimmung bei Brüning, ZJS 2009, 442 (443 f.); Mitsch, JuS 2010, 303 (306).
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Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, ob die Festlegung des Unfallorts anhand der Kenntniserlangung des Unfallbeteiligten eine dem Schutzzweck des § 142 entsprechende Auslegung ist. Auf den ersten Blick spricht der Schutzzweck des § 142 für eine solche Erweiterung des Unfallorts. Diese Vorschrift bezweckt, die Feststellung und Sicherung von durch den Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüchen zu ermöglichen bzw. vor unberechtigten Ansprüchen zu schützen.785 Dementsprechend wird heutzutage der Unfallort nicht nur auf die eigentliche Stelle des Unfallereignisses beschränkt, sondern erfasst auch die unmittelbare Umgebung, in der ein unmittelbarer räumlicher Bezug zu dem Unfallgeschehen gegeben ist und der Unfallbeteiligte für feststellungsbereite Personen grundsätzlich noch als warte- und auskunftspflichtig zu erkennen ist.786 Die Realisierung des Feststellungs- und Sicherungsinteresses hängt allerdings davon ab, ob der Unfallbeteiligte am Unfallort anwesend ist, nicht davon, dass die feststellungsbereite Person am Ort der Kenntniserlangung anwesend ist.787 Fehlt es am räumlichen Bezug zum Unfallgeschehen, der die notwendige Bedingung für die Feststellung darstellt, hilft die Anwesenheit der feststellungsbereiten Person für die Realisierung des Feststellungs- und Sicherungsinteresses nicht. Die vom BVerfG vorgeschlagene Erweiterung des Unfallorts widerspricht daher dort dem Schutzzweck des § 142 Abs. 1, wo der Zusammenhang des Unfallbeteiligten mit dem Umfallgeschehen nicht erkennbar ist. Zu bedenken ist außerdem die vom BVerfG unerwünschte Nebenwirkung der extensiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Unfallort“. Die Erweiterung der äußeren Grenze des Unfallorts führt zwar dazu, dass der sich unvorsätzlich von der eigentlichen Unfallstelle entfernende Täter auch dann gemäß § 142 Abs. 1 zu bestrafen ist, wenn er nachträglich den „Sich-Entfernen-Vorsatz“ bildet und sich dann weiter entfernt. Sie führt andererseits zur Restriktion des Anwendungsbereichs des § 142 Abs. 1, indem der sich vorsätzlich vom eigentlichen Unfallort entfernende Täter noch im straflosen Versuchsstadium bleibt, soweit er die erweiterte äußere Grenze des Unfallorts nicht überschreitet.788 Im Hinblick auf das rechtspolitische Anliegen des BVerfG, die Strafbarkeitslücke des § 142 Abs. 1 zu schließen, erscheint das Ergebnis der Hinausschiebung des Vollendungszeitpunkts unerwünscht zu sein. 785
Fischer, § 142 Rn. 2; ferner vgl. LK-Geppert § 142 Rn. 54. Fischer, § 142 Rn. 20; LK-Geppert § 142 Rn. 54 jeweils m. w. N. 787 Vgl. Küper, NStZ 2008, 597 (603); Brüning, ZJS 2009, 442 (443). Ähnlich Mitsch, NZV 2008, 217 (219); ders., JuS 2010, 303 (306). 788 Zutreffend Brüning, ZIS 2007, 317 (322); dies., ZJS 2009, 442 (444); Mitsch, NZV 2008, 217 (218); Fischer, § 142 Rn. 20; SSW-StGB/Ernemann, § 142 Rn. 43. Sachlich ebenso Küper, NStZ 2008, 597 (602). 786
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Schließlich erscheint eine solche fast grenzlose Auslegung schon im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip zweifelhaft, weil sie außerhalb des möglichen Wortlauts des Begriffs „Unfallort“ liegt.789 Im Ergebnis erweist sich der Versuch der Erweiterung des Unfallorts als gescheitert. bb) Die zeitliche Ausdehnung des „Sich-Entfernens“ Um die spätere Kenntniserlangung des Täters als Vorsatz i. S. des § 142 Abs. 1 zu begründen, könnte man den Zeitraum der Tatbestandshandlung „Sich-Entfernen“ ausdehnen. Wenn das weitere Sich-Entfernen vom Ort der Kenntniserlangung noch zum „Entfernen vom Unfallort“ gehört, entspräche die Vorsatzbildung zu diesem Zeitpunkt auch dem Koinzidenzprinzip. Das BVerfG hat dieses Ergebnis erzielt, indem es den Vorsatz des Entfernens „grundsätzlich bis zur Beendigung der Tat durch erfolgreiches Sich-Entfernt-Haben“ zulässt. Dieser Weg hat gegenüber dem erstgenannten den Vorzug, dass durch Anerkennung einer Beendigungsphase der Vollendungszeitpunkt des § 142 Abs. 1 unverändert bleibt. Allerdings ist fraglich, ob überhaupt noch nach der Vollendung des Sich-Entfernens vom Unfallort eine selbständige Beendigungsphase nach § 142 Abs. 1 anzunehmen ist. Die Ansichten darüber gehen in Rechtsprechung und Literatur weit auseinander. Mehrheitlich sieht man als Beendigung des vollendeten Entfernens vom Unfallort im Erreichen des Fahrtzieles bzw. dass der Täter sich sonst in Sicherheit gebracht und damit die schadensersatzrechtlichen Beweissicherungsrechte endgültig vereitelt oder jedenfalls erschwert hat.790 Küper hält eine Beendigungsphase in § 142 Abs. 1 für möglich, weil die tatbestandlich typisierte Rechtsgutsverletzung nicht notwendig mit dem Verlassen des Unfallorts abgeschlossen sei. Dies setze freilich voraus, dass die weitere Entfernung nachträgliche Beweissicherungsmöglichkeiten beeinträchtige.791 Das sei zum Beispiel bei einem von niemandem beobachteten Unfall in einsamer Gegend nicht der Fall, weil das größere oder geringere Maß der Entfernung vom Unfallort für die Realisierung nachträglicher Feststellungschancen gleichgültig sei.792 Hingegen wird in der Literatur teilweise vertreten, dass das Entfernen vom Unfallort mit dem Verlassen des Bereichs des Unfallorts vollendet und beendet sei, weil § 142 Abs. 1 nicht jede Form des Sich-Entfernens, sondern nur ein Sich-Entfernen vom Unfall789
Jahn, JuS 2007, 689 (691); SSW-StGB/Ernemann, § 142 Rn. 43. LK-Geppert § 142 Rn. 179; ebenso BGH VRS 25, 37; StV 83, 280; BayOLG NJW 80, 412; Fischer, § 142 Rn. 61; MK-Zopfs, § 142 Rn. 124. 791 Küper, JZ 1981, 251 (253 f.); ders., NStZ 2008, 597 (604). 792 Küper, JZ 1981, 251 (254). 790
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ort unter Strafe stelle.793 Außerdem spreche die innere Systematik des § 142 dafür, dass das Verhalten nach Überschreitung des Bezirks „Unfallort“ nur von § 142 Abs. 2 erfasst werde.794 Vom letzteren Standpunkt aus handelt es sich bei dem Entschluss, sich weiter vom Ort der Erkenntniserlangung zu entfernen, nicht um die Kenntnis von tatbestandlichen Umständen i. S. des § 142 Abs. 1, sondern nur um ein dolus subsequens. Auch wenn man mit dem ersteren Standpunkt die Beendigungsphase eines vollendeten Entfernens vom Unfallort anerkennt, ändert sich das Ergebnis dadurch nicht. Denn gemäß § 16 Abs. 1 ist maßgeblich für den Zeitpunkt der „Tat“ die tatbestandsmäßige Handlung oder Unterlassung i. S. des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung.795 Eine vorsätzliche Straftat liegt nur dann vor, wenn sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale gleichzeitig erfüllt sind.796 Es ist daher entscheidend, ob das Sich-Weiter-Entfernen als solches noch den Tatbestand des § 142 Abs. 1 verwirklicht, damit die Kenntniserlangung des Unfalls zu diesem Zeitpunkt den Sich-Entfernen-Vorsatz begründen kann. Dies ist anerkanntermaßen zu verneinen. Denn die Fassung des § 142 Abs. 1 lässt unmissverständlich erkennen, dass die zu bestrafende Tatbestandshandlung allein das „Sich-Entfernen vom Unfallort“ ist. Nur das unfallortsbezogene Sich-Entfernen verwirklicht den Tatbestand. Sobald der Unfallbeteiligte die äußere Grenze des Unfallorts verlässt, verliert zugleich das weitere Verhalten des Entfernens den notwendigen Bezug zum Unfallort. Daran ändert sich weder dadurch etwas, dass das weitere Entfernen empirisch noch Bestandteil des einheitlichen Entfernens ist, noch dadurch, dass es in normativer Hinsicht die Feststellungsmöglichkeit weiter beeinträchtigt. Daher bildet die „Bösgläubigkeit“ des Täters zum Zeitpunkt des Sich-Weiter-Entfernens keinen Sich-Entfernen-Vorsatz. Insoweit führt das BVerfG zu einer impliziten Überdehnung des Wortlautes des § 16 Abs. 1 S. 1, die mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ist.797 Ob das BVerfG mit der Vorsatzbildung in der Beendigungsphase die Vorsätzlichkeit des gesamten Sich-Entfernen begründen will, ist aus seiner ungenauen Ausführung nicht deutlich zu entnehmen. Wäre das der Fall, dann würde dies sachlich zur strafrechtlichen Relevanz des „dolus subsequens“ führen798, wie das Schrifttum zu Recht kritisiert hat. Nach alledem ist die Auffassung des BVerfG abzulehnen. 793
Brüning, ZIS 2007, 317 (321) (Hervorhebung im Original). Brüning, ZIS 2007, 317 (321); im Ergebnis ebenso Mitsch, NZV 2009, 105 (109); LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 36. 795 LK-Vogel, § 15 Rn. 53. 796 Grundlegend Hruschka, AT, S. 4 ff. 797 Dehne-Niemann, Jura 2008, 135 (140 f.); Mitsch, JuS 2010, 303 (306). 798 Dehne-Niemman, Jura 2008, 135 (140); Brüning, ZJS 2009, 442 (444); LKGeppert, § 142 Rn. 135 b; A/W-Hilgendorf, § 38 Rn. 67. Im Ergebnis wohl ebenso 794
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2. Ergebnis Die Auffassungen des BVerfG sowie des sich ihm anschließenden OLG Düsseldorf werden von der herrschenden Lehre zu Recht abgelehnt. Die von ihm vorgeschlagenen Strategien, um das vorsatzlose Entfernen vom Unfallort zu bestrafen, sind dogmatisch nicht durchsetzbar. Der extensiven Auslegung des Begriffs „Unfallort“ steht der Schutzzweck des § 142 entgegen. Sie führt auch zu einer unerwünschten Restriktion des Abs. 1 wegen der Erweiterung des straflosen Versuchsstadiums. Die Anerkennung der Vorsatzbildung in der Beendigungsphase verkennt, dass gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 nur der Zeitpunkt der einzelnen tatbestandsmäßigen Handlung maßgebend für die Vorsatzbildung ist. Das Sich-Weiter-Entfernen nach erfolgreichem Verlassen des Unfallorts als solches verwirklicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 nicht. Deshalb ist die Bösgläubigkeit des Unfallbeteiligten in diesem Moment gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 nicht als Sich-Entfernen-Vorsatz zu qualifizieren. Im Ergebnis stellen die Vorschläge des BVerfG Verstöße gegen das Analogieverbot bei der Auslegung der Begriffe „Unfallort“ und „bei Begehung der Tat“ dar. Diese Strafbarkeitslücke hinsichtlich des vorsatzlosen Entfernens vom Unfallort zu schließen ist ausschließlich Aufgabe des Gesetzgebers.799
III. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Der Beendigungsbegriff hat weder für den Gegenstand des Vorsatzes noch für dessen maßgebenden Zeitpunkt Bedeutung. Das erscheint aus Sicht der allgemeinen Vorsatzlehre als selbstverständlich. Denn nach ihr liegt ein Vorsatz vor, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Vornahme der Tatbestandshandlung die Umstände, die zum objektiven Tatbestand gehören, weiß und will. Die Kenntnis der Umstände der Tatbeendigung ist für den Vorsatz nicht notwendig. Die in der Beendigungsphase erlangte Kenntnis begründet ebenfalls keinen Vorsatz. Nach Prüfung der angeblichen Ausnahmen in der Teilnahmedogmatik und im Tatbestand des § 142 Abs. 1 bleibt dieses Ergebnis unverändert bestehen. Die Erweiterung des Anstiftervorsatzes auf die Umstände der Beendigung der Haupttat erweist sich im Rahmen der Delikte mit überschießender Innentendenz als berechtigt. Allerdings ist der Beendigungsbegriff nicht Küper, NStZ 2008, 597 (604), der vertritt, dass ein nachträglicher „Beendigungsvorsatz“ den fehlenden Vollendungsvorsatz nicht ersetzen kann. Vgl. ferner Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723 (744). 799 Ebenso A/W-Hilgendorf, § 38 Rn. 67; Jahn, JuS 2007, 689 (691); Geppert, DAR 2007, 380 (382); Mitsch, JuS 2010, 303 (306).
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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geeignet, den Umfang des erweiterten Gegenstands des Anstiftervorsatzes präzise zu begrenzen. Der Anstifter soll vielmehr über die Vollendung der Haupttat hinaus auch noch diejenigen Umstände kennen, auf die sich die tatbestandlich überschießende Innentendenz des Täters bezieht. Was den Streit der Anhänger und Gegner des Beendigungsvorsatzes betrifft, kann man in Zukunft auf diesen unpräzisen Begriff verzichten. Die zugelassene Vorsatzbildung in der Beendigungsphase des Entfernens vom Unfallort durch das BVerfG verdient ebenfalls keine Zustimmung. Sie findet keine Stütze in der Vorsatzlehre und erweist sich als Bestrafung des dolus subsequens, was dann gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt. Die kriminalpolitische Erwägung rechtfertigt in beiden Problembereichen keine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze der Vorsatzlehre. Die verbreitete Überlegung der Beendigungslehre, dass der tatbestandslose Beendigungsbegriff bei Rechtsfolgen zugunsten des Täters immer berechtigt sei, erweist sich insoweit als unzureichend. Sie verbietet zwar die Vorsatzbildung in der Beendigungsphase des Sich-Entfernens vom Unfallort, aber dafür ist der Beendigungsbegriff von vornherein nicht entscheidend. Sie verkennt darüber hinaus beim agent provocateur die entscheidende Bedeutung des Tatbestands für die Festlegung des strafwürdigen Rechtsgutsangriffs mit der Folge, dass dem Anstifter u. U. unberechtigt Straffreiheit gewährt wird. In der Vorsatzlehre gibt also von vornherein keinen Raum für den Beendigungsbegriff.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre Schließlich ist die Bedeutung des Beendigungsbegriffs für die Konkurrenzlehre zu untersuchen, was bisher vor allem in zwei Zusammenhängen geschieht, i. e. bei der Beurteilung der Handlungseinheit (s. u. I.) und der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (s. u. II.). Letzteres ist nicht unstreitig, wurde aber im Rahmen der Beendigungslehre noch nicht überprüft. Ob dem Beendigungsbegriff für die beiden Konkurrenzprobleme wie behauptet eine unentbehrliche Bedeutung zukommt, oder er, wie wir in den vorherigen Kapiteln aufgezeigt haben, eine überflüssige, sogar irreführende Rechtsfigur darstellt, wird nachfolgend untersucht.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
I. Die Beendigungsphase der Straftat als tauglicher Zeitraum für „dieselbe Handlung“ (§ 52 Abs. 1) 1. Das Verhältnis zwischen Handlungseinheit und Beendigungsbegriff Tateinheit (§ 52) und Tatmehrheit (§ 53) werden angewendet, wenn mehrere nicht in Gesetzeseinheit stehende Gesetze verletzt sind.800 Tateinheit setzt voraus, dass diese Gesetze durch ein und dieselbe Handlung verletzt sind, bei der Tatmehrheit werden die Gesetzesverletzungen durch mehrere Handlungen bewirkt. Die Annahme der Handlungseinheit und damit der Tateinheit hat die für den Täter günstigere Folge, dass nur auf eine Strafe erkannt wird, die sich innerhalb des Strafrahmens des schwersten Delikts bewegen soll.801 Fraglich sind daher Bedeutung und Reichweite der Handlungsidentität i. S. des § 52. Unter dem Begriff „dieselbe Handlung“ versteht man neben Handlung im natürlichen Sinne auch die natürliche und die rechtliche bzw. tatbestandliche Handlungseinheit.802 Dabei ist Tateinheit unproblematisch gegeben, wenn mehrere Ausführungshandlungen vollständig identisch sind, z. B. ein Schuss einen Menschen tötet und zugleich eine Sache beschädigt.803 Darauf beschränkt sich die Handlungseinheit i. S. des § 52 aber nicht. Nach der Rechtsprechung804 und mehrheitlichen Literatur805 liegt die Handlungseinheit auch dann vor, wenn zwischen mehreren Ausführungshandlungen nur eine Teilidentität besteht. Damit liegt z. B. Tateinheit bei Körperverletzung und Raub vor, wenn der Täter mit einem körperverletzenden Schlag zugleich Gewalt i. S. des § 249 anwendet.806 Obwohl die Körperverletzung tatsächlich nur mit der Gewaltanwendung, nicht aber zugleich mit der Wegnahme identisch ist, verhindert das nicht die Handlungseinheit. Nach h. M. kommt es für die Teilidentität auf die Identität der objektiven Ausführungshandlungen an.807 Eine tatbestandliche Ausführungshandlung muss so beschaffen sein, dass sie „in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch ist und so dazu beiträgt, den Tatbestand des einen und des anderen Strafgesetzes zu erfül800 801 802 803 804 805 806 807
Lackner/Kühl, § 52 Rn. 2. Unstreitig vgl. nur T. Walter, JA 2004, 133 (134). Gropp, § 14 Rn. 34; LPK-Kindhäuser, § 52 Rn. 4; Kühl, AT, § 21 Rn. 43. Kühl, AT, § 21 Rn. 33; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 19. BGHSt 43, 149 (151); 317 (319). Baumann/Weber/Mitsch, § 36 Rn. 28; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 9. Kühl, AT, § 21 Rn. 34 mit weiteren Beispiele. SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 7.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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len“.808 Es bedeutet, dass weder die bloße Gleichzeitigkeit809 noch ein einheitlicher Zweck oder Beweggrund zwischen mehreren Tatbestandsverwirklichungen810 die Handlungsidentität begründet. Vor diesem Hintergrund vertreten die Rechtsprechung811 und die herrschende Lehre812, dass als Ausführungshandlung jeder Teilakt vom Anfang der Ausführung bis zur materiellen Beendigung des Delikts anzusehen ist. Diese meistens ohne nähere Begründung angenommene Ansicht hat insofern Bedeutung, dass außer bei Dauerdelikten oder in Fällen sich wiederholender Tatbestandsverwirklichung auch dann Teilidentität vor dem endgültigen Abschluss irgendeiner Straftat angenommen werden kann, solange eine Beendigungsphase besteht. Dies gilt insbesondere bei Absichtsdelikten für solche Handlungen, die nach der Vollendung zum Zweck der Absichtsrealisierung durchgeführt werden. Demnach steht die versuchte Tötung (§§ 212, 23) zum Raub (§ 249) im Verhältnis der Tateinheit, wenn der Räuber auf der Flucht zur Beutesicherung auch noch auf den Verfolger schießt, diesen jedoch verfehlt. Denn der Tötungsversuch dient der Beutesicherung, in der nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre der Raub erst zur Beendigung kommt.813 Entsprechendes gilt, wenn der Täter durch Gebrauchmachen des von ihm verfälschten Geldes einen anderen betrügt. Hier ist Tateinheit zwischen Betrug (§ 263) und Geldfälschung (§ 146 Abs. 1) anzunehmen. Die dafür erforderliche Handlungsidentität ergibt sich daraus, dass der Betrug dazu dient, das Falschgeld in Verkehr zu bringen, was zugleich den Beendigungszeitpunkt der Geldfälschung markiert. Teilidentität auch bei tatbestandsloser Beendigungsphase einer konkurrierenden Tat anzunehmen wird aber in der Literatur zum Teil abgelehnt.814 808
LK-Rissing-van Saan § 52 Rn. 20 (Hervorhebung im Original) im Anschluss an die Grundsatzentscheidung RGSt 32, 137 (139 f.). Hingegen auf das Kriterium der (nahezu) gleichzeitigen Ausführungshandlungen abstellend SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 34 ff.; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 22, § 52 Rn. 9. 809 A. A. SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 34 ff.; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 22, § 52 Rn. 9. 810 Vgl. nur BGHSt 14, 104 (109); SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 7; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 20. 811 Vgl. nur BGHSt 26, 27 f.; NStZ 1984, 409; NStZ 2003, 371. 812 SSW-StGB/Eschelbach, § 52 Rn. 53; Fischer, Vor § 52 Rn. 26; Freund, AT, § 11 Rn. 52; Frister, AT, § 30 Rn. 19; Gropp, § 14 Rn. 38; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 86 f.; Kindhäuser AT, § 47 Rn. 10; Otto, AT, § 23 Rn. 23 (mit Blick auf Verklammerung); LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 21; Roxin, AT/2, § 33 Rn. 89; SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 12; Stratenwerth/Kuhlen, § 18 Rn. 30; HKGS/Steinmetz, § 52 Rn. 34; Wessels/Beulke, Rn. 777; Seher, JuS 2004, 392 (393 f.). 813 Etwa SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 12; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 21. Ferner Kraß, JuS 1991, 821 (822); Seher, JuS 2004, 392 (393 f.).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Denn nach dieser Formel geht es bei der Teilidentität um eine Überschneidung von mehreren „tatbestandsmäßigen“ Ausführungshandlungen. Eine rechtsgutsverletzende, aber vom Straftatbestand nicht erfasste Ausführungshandlung eignet sich nicht, die notwendige Teilidentität zu begründen. Daraus ergibt sich, dass der Tötungsversuch zum Zweck der Beutesicherung nach dem Raub mit diesem in Tatmehrheit steht, weil man bei einer beutesichernden Handlung nicht von einer tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung des Raubes sprechen kann. Diese konsequente Argumentation hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Einige Autoren haben vielmehr beachtliche Argumente geliefert, um daran festzuhalten, dass die Formel der Teilidentität in der Beendigungsphase allgemein und absolut gilt. Nach Kühl habe die übergesetzliche Tatbeendigung eine täterbegünstigende Wirkung bei Annahme von Tateinheit, was im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG zur Folge habe, die Grenzen des gesetzlichen Tatbestands zu lockern.815 Roxin liefert weitere Nachweise dafür, dass die Beutesicherung materiell noch zum Diebstahl gehört816 und die Flucht mit der Beute noch einen gegenwärtigen Angriff i. S. des § 32 darstellt.817 Rissing-van Saan lehnt den Einwand des Fehlens des gesetzlichen Anknüpfungspunkts bei Delikten mit überschießender Innentendenz ab, weil „der zwischen Vollendung und Beendigung liegende zweite Handlungsakt objektiv der Realisierung der im Gesetzestatbestand als subjektives Unrechtselement enthaltenen Absicht dient.“ Er führt außerdem an, dass solche Fälle von der h. M. auch als tatbestandliche Handlungseinheit behandelt würden.818 Mithin wird die Handlungseinheit aufgrund der Teilidentität der Ausführungshandlungen auch in der Beendigungsphase einer Straftat überwiegend anerkannt. Unterschiedlich beantwortet wird nur die Frage, wie man den 814 Kühl, AT, § 21 Rn. 40; ders., Beendigung, S. 189; B. Heinrich, AT/2, Rn. 1417; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 11–13; Baumann/Weber/Mitsch, § 36 Rn. 26; Mitsch, JuS 1993, 385 (386); Warda, JuS 1964, (87), der die Idealkonkurrenz bis zur Beendigung einer Straftat nur bei Dauerdelikten anerkennt. 815 Bei Kühl, AT, § 21 Rn. 41 (Hervorhebung im Original) fällt auf, dass er früher die Teilidentität während der Beendigungsphase noch auf die Verhaltensbeendigung abgestellt hat und so Kritik übt an der Ausweitung der Idealkonkurrenz insbesondere bei Diebstahl und Raub sowie bei sonstigen Absichtsdelikten (ders., Beendigung, S. 190, 193 ff.). Nun begnügt er sich für die Identität der Ausführungshandlungen mit dem tatbestandslosen, aber rechtsgutsbezogenen Beendigungsbegriff. In dem Beispielsfall, in dem der auf der Flucht verfolgte Räuber zur Beutesicherung mit Tötungsvorsatz den Verfolger erschießt, stehen § 249 und § 212 in Tateinheit, weil sich „die tatbestandsmäßige Tötungshandlung immerhin mit der weiteren Eigentumsverletzungshandlung“ deckt (ders., JuS 2002, 729[736]) (Hervorhebung vom Verfasser). 816 Insoweit ebenso Frister, AT, § 30 Rn. 19. 817 Roxin, AT/2, § 33 Rn. 89. 818 LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 21; ebenso Frister, AT, § 30 Rn. 15.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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Beendigungsbegriff in diesem Zusammenhang bestimmen soll. Allerdings bleibt bisher noch offen, warum für die Handlungseinheit i. S. des § 52 die Formel der Teilidentität der Tatbestandsausführungshandlung entscheidend ist. Bei näherem Hinsehen wird diese Formel nicht nur widersprüchlich angewendet, sie steht auch in Konflikt mit anderen anerkannten Konkurrenzregeln. Wenn nicht geklärt wird, wie man aus dem konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff die Geltung dieser Formel ableiten kann, lässt sich die Frage nach der Rolle und Reichweite des Beendigungsbegriffs bei der Beurteilung der Handlungsidentität i. S. des § 52 nicht überzeugend beantworten. Auf das Legitimationsproblem der Teilidentitätsformel wird gleich einzugehen sein. 2. Das Legitimationsproblem der Teilidentitätsformel a) Das Fehlen eines gesetzlichen Anhaltspunkts Für die Teilidentitätsformel kommt es wesentlich darauf an, wie weit sich die zeitliche Grenze der Ausführungshandlung erstreckt. Deren Bestimmung richtet sich ebenso wie die Beendigungsphase einer Straftat nach dem Handlungsbegriff der Tatbestandslehre. Es fehlen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass dem Handlungsbegriff der Tatbestandslehre das Merkmal „dieselbe Handlung“ des § 52 zugrunde liegt. Denn aus § 52 ist beim unvoreingenommenen Lesen nur entnehmbar, dass die Idealkonkurrenz die Handlungsidentität zwischen mehreren Gesetzesverletzungen voraussetzt. Der Gesetzgeber legt darüber hinaus nicht fest, was er unter dem Merkmal „Handlung“ versteht. Vielmehr herrscht in Rechtsprechung und Lehre insoweit Einigkeit, als das Merkmal der Handlungsidentität in dieser Vorschrift anhand des Handlungsbegriffs der Konkurrenzlehre zu bestimmen ist. Es handelt sich dabei um einen unabhängig vom Straftatbestand zu bestimmenden materiell-rechtlichen Handlungsbegriff.819 Er geht von einem naturalistischen Verständnis der Handlung aus; nur in geringerem Maße erfasst er außerdem Fälle, in denen mehrere natürliche Handlungen durch normative Erwägungen als eine konkurrenzrechtliche Handlung angesehen werden. Eine konkurrenzrechtliche Handlung kann mehrere Tatbestandsausführungshandlungen enthalten. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass das Merkmal „dieselbe Handlung“ lediglich den Begriff der Handlungseinheit i. S. der Konkurrenzlehre umschreibt. Dass hier darüber hinaus noch eine 819 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 8: „einen tatbestandsneutralen Handlungsbegriff“. Es besteht andererseits auch Einigkeit dahin, dass der Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre weder mit dem Tatbegriff im prozessualen Sinne noch mit dem allgemeinen Handlungsbegriff der Verbrechenslehre identisch ist. Vgl. ferner S/S-Stree/ Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 10; SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 15.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Identität in qualifiziertem Sinne gefordert ist, nämlich dass sich die Tatbestandsausführungshandlungen mehrerer Gesetzesverletzungen überschneiden müssen, ist nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut des § 52 zu folgern.820 In der bisherigen Rechtsprechung und Lehre wird freilich der Begründungszusammenhang zwischen der Teilidentitätsformel und dem konkurrenzrechtlichem Handlungsbegriff nicht hergestellt. b) Widerspruch innerhalb der Teilidentitätsformel und ihr Konflikt mit anderen Konkurrenzregeln Das Legitimationsproblem dieser Formel ändert sich darüber hinaus nicht durch ihren angeblichen Gewinn an rechtlicher Bestimmtheit gegenüber dem Begriff der natürlichen Handlungseinheit.821 Bedient man sich der Formel der Teilidentität der Ausführungshandlungen bei der Beurteilung der Handlungsidentität i. S. des § 52, würde der Konflikt zwischen Tatbestandsund Konkurrenzlehre hinsichtlich des jeweils zugrunde liegenden Handlungsbegriffs vielmehr zu Widerspruch und Unsicherheiten führen. aa) Widerspruch innerhalb der Teilidentitätsformel Der Widerspruch innerhalb dieser Formel liegt in der inkonsequenten Definition der tatbestandlichen Ausführungshandlung. Nach h. M. reicht es nicht aus, wenn die Teilidentität noch im Versuchsstadium steckt, sondern sie liegt erst beim Zusammentreffen der Teilverwirklichung des Tatbestands vor.822 Demzufolge ist Tateinheit bei drei Mordversuchen abzulehnen, wenn der Täter allen drei Opfern gemeinsam aufgelauert hat und dann nacheinander gegen sie vorgegangen ist.823 Denn das Verhalten des Auflauerns ist nur eine tatbestandsnahe Gefährdungshandlung und verwirklicht kein Merkmal des Mordtatbestands. Im Vergleich zu dem überwiegend vertretenen Gesichtspunkt, wonach sich die Ausführungshandlung auf das Verhalten in der tatbestandslosen Beendigungsphase erstreckt, erscheint diese sich strikt am Tatbestand orientierende Auffassung inkonsequent. Denn wer 820 Anders aber Rengier, AT, § 56 Rn. 49, wonach mit der „Handlung“ die tatbestandliche Ausführungshandlung gemeint sei. Wenn er aber „aus konkurrenzrechtlicher Sicht“ das Stadium der tatbestandlichen Ausführungshandlung weit verstehen (Rn. 50) und auch das tatbestandslose Beendigungsstadium einbeziehen will, bleibt es unklar, worauf bei ihm eigentlich der Handlungsbegriff in § 52 abzustellen ist. 821 Dieser Vorteil wird bei Kühl, AT, § 21 Rn. 39 hervorgehoben. 822 BGHSt 16, 397; Kühl, AT, § 21 Rn. 42; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 22; Roxin, AT/2, § 33 Rn. 92. A. A. etwa S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 10; SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 12. 823 Sachverhalt der Entscheidung des BGHSt 16, 397.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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auf der einen Seite am Kriterium der Teilverwirklichung des Tatbestands festhält, würde den Standpunkt vertreten, dass die Überschneidung der Ausführungshandlungen in der tatbestandslosen Beendigungsphase für die Teilidentität nicht ausreicht, weil insoweit keine Tatbestandsverwirklichung mehr stattfindet. Es ist nicht ersichtlich, warum das Kriterium der Teilverwirklichung des Tatbestands das eine Mal ausschlaggebend, das andere Mal aber bedeutungslos ist. Wer andererseits das tatbestandslose Verhalten in der Beendigungsphase mit in die Ausführungshandlung einbezieht, dürfte seinen Standpunkt damit begründen, dass es bei der Ausführungshandlung um den gesamten Vorgang des Rechtsgutsangriffs geht. Dann hätte diese Ansicht zur Folge, dass eine Vorbereitungs- oder Versuchshandlung als Beginn des Rechtsgutsangriffs ebenfalls zur Ausführungshandlung gehört, unabhängig davon, ob mit ihr der Tatbestand teilweise verwirklicht worden ist. Warum diese materielle Betrachtungsweise für die Beendigungsphase, aber nicht auch für die Vorbereitungs- und Versuchsphase einer Straftat gilt, ist nicht ersichtlich.824 Dieser Konflikt könnte in zwei Richtungen aufgelöst werden: Die eine ist, wie in der Literatur teilweise vertreten, die Teilidentität in der tatbestandslosen Beendigungsphase abzulehnen. Auf dieser Weise hätte sich der dieser Formel zugrunde liegende Handlungsbegriff der Tatbestandslehre durchgesetzt. Allerdings ist das Legitimationsproblem dieser Formel damit noch nicht gelöst. Man muss sich fragen, warum anstatt des tatbestandsneutralen Handlungsbegriffs die tatbestandliche Ausführungshandlung entscheidend für das Konkurrenzverhältnis sein soll. Ansonsten fehlt dieser Vorgehensweise eine normative Grundlage in der Konkurrenzlehre. Dieser Konflikt ist auch nicht dadurch zu lösen, dass man ausgehend von den Argumenten von Roxin, Kühl und Rissing-van Saan nach plausiblen Gründen für die Teilidentität in der tatbestandslosen Beendigungsphase sucht. Roxin lässt die unterschiedliche Zielsetzung von Notwehr und Tateinheit unberücksichtigt. Dass das beutesichernde Verhalten des Diebs den gegenwärtigen Angriff i. S. des § 32 begründet, hat nichts damit zu tun, ob die Überschneidung dieses Verhaltens mit der Ausführungshandlung eines anderen Tatbestands für die Handlungsidentität i. S. des § 52 ausreicht. Ebenso wenig trifft Kühl den Kern des Problems, wenn er aufgrund der täterbegünstigenden Rechtswirkung der Tateinheit die tatbestandslose Beendigung für tauglich zur Begründung der Handlungsidentität i. S. des § 52 hält. Denn maßgebend ist vielmehr die Frage, ob dies einen schuldangemessenen Strafrahmen für seine Tatbegehung schafft. Dass die täterbegünstigende Rechtswirkung allein die erweiterte Annahme der Handlungseinheit nicht Ähnliche Kritik schon bei Struensee, S. 25. Ihm anschließend SK6-Samson/ Günther, § 52 Rn. 12. 824
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
rechtfertigen kann, lässt sich bereits aus dem Streit um die Klammerwirkung des Dauerdelikts entnehmen. Es ist vor allem deswegen umstritten, weil die Anerkennung der Klammerwirkung eines Dauerdelikts dazu führen könnte, dass der Täter von zwei an sich getrennten Delikten wegen zusätzlicher Begehung eines Dauerdelikts besser behandelt wird als dann, wenn er nur zwei selbständige Delikte begangen hätte. Entgegen Rissing-van Saan kann die tatbestandliche Handlungseinheit zwischen der Ausführungshandlung des Absichtsdelikts und der nachfolgenden Handlung zur Absichtsverwirklichung auch nicht weiter helfen. Denn es geht hier nicht um die Frage, ob die absichtsrealisierende Handlung (etwa das Inverkehrbringen des Falschgeldes) mit der vorhergehenden tatbestandlichen Handlung (etwa Geldfälschung) eine Straftateinheit bildet. Es geht hier vielmehr um die Frage, ob die in der absichtsrealisierenden Handlung enthaltene Tatbestandsverwirklichung eines anderen Delikts (etwa Betrug) mit der vorangegangenen Tatbestandsverwirklichung (also Geldfälschung) im Verhältnis der Tateinheit steht. Dass das Inverkehrbringen des Falschgeldes und die Geldfälschung eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit nur eine Straftateinheit bilden, bedeutet nicht zwingend, dass zwischen Betrug und Geldfälschung auch eine Handlungsidentität vorliegt. Rissing-van Saan lässt die Legitimation der Teilidentitätsformel schließlich ebenfalls offen. Der aufgezeigte Widerspruch innerhalb der Teilidentitätsformel ist nach alledem noch nicht gelöst. bb) Konflikt der Teilidentitätsformel mit anderen Konkurrenzregeln Wenn man die Teilidentitätsformel im Kontext des konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriffs betrachtet, besteht eine weitere Ungereimtheit hinsichtlich der Frage, ob mehrere Tatbestandsverwirklichungen, die sich gegen höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Opfer richten, in Tateinheit stehen. Während diese Frage bei der Anwendung der Teilidentitätsformel im Schrifttum ohne weiteres bejaht wird825, ist sie bei Tateinheit durch natürliche Handlungseinheit umstritten.826 Beleidigt A durch mehrere Schimpfwörter gleichzeitig und wechselseitig B und C, hat er unbestreitbar gegen B und C jeweils eine Beleidigung in Form der natürlichen Handlungseinheit begangen hat. Fraglich ist nur, ob sich die beiden Beleidigungen in Tateinheit verhalten. Wenn man die Teilidentitätsformel auf diesen Fall anwendet, ist dies zu bejahen, weil die beiden tatbestandlichen Ausführungshandlungen i. S. des § 185 fast identitsch sind. Wer gegen die An825 BGH NStZ-RR 2000, 139; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 9; Kühl, AT, § 21 Rn. 34. 826 Vgl. Kindhäuser, AT, § 47 Rn. 24 m. w. N.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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wendbarkeit der natürlichen Handlungseinheit bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Opfer spricht, würde zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangen. Dieser potenzielle Widerspruch der Teilidentitätsformel zur natürlichen Handlungseinheit wird in der Konkurrenzlehre nicht thematisiert, vermutlich weil die Teilidentitätsformel seit langem als eine Konkurrenzregel anerkannt ist, die unabhängig vom Streit über den konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff ist. Ein weiterer Konflikt liegt darin827, dass diese Formel nach überwiegender Ansicht die Tatbestandshandlung des Absichtsdelikts und die absichtsrealisierende Handlung für teilweise identisch hält, während ein einheitlicher Zweck oder Beweggrund anerkanntermaßen für die Handlungseinheit nicht ausreicht.828 Der Konflikt zwischen beiden Regeln ist besonders dann erkennbar, wenn die absichtsrealisierende Handlung nur einen einzigen Tatbestand verwirklicht. Der Räuber, der auf der Flucht zur Beutesicherung den ihn verfolgenden Polizist am Körper verletzt, verwirklicht damit nur den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223), aber nicht zugleich den Tatbestand des Raubes (§ 249). Es gibt keinen einzigen Zeitpunkt, an dem sich die beiden Tatbestandsverwirklichungen objektiv überschneiden. Beide dienen allenfalls dem gleichen Zweck, nämlich die Sache sich oder einem Dritten endgültig zuzueignen. Wer konsequent die Einheitlichkeit des Zwecks für irrelevant hält, müsste die Handlungsidentität zwischen den §§ 249 und 223 ablehnen. Wenn er trotzdem durch extensive Auslegung der „tatbestandlichen“ Ausführungshandlung des Raubes Handlungsidentität begründet, beinhaltet das die Gefahr, dass allein das subjektive Zweck-Mittel-Verhältnis faktisch die Handlungseinheit begründen kann. Die extensive Auslegung der Ausführungshandlung in dieser Formel ist ebenfalls problematisch, wenn der Gesetzgeber für die Absichtsrealisierung einen Straftatbestand aufgestellt hat: Wer durch Abgabe des von ihm gefälschten Geldes einen Betrug begeht, verwirklicht mit einer natürlichen Handlung zugleich die §§ 146 Abs. 1 Nr. 3 und 263. Die Teilidentitätsformel kann weiter Handlungsidentität zwischen Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1) und Betrug (§ 263) begründen. Dadurch entsteht eine Umgehungsgefahr, weil sich die beiden Tatbestandsverwirklichungen ausschließlich in der gleichen Zwecksetzung des Täters verbinden. c) Fazit Die Analyse hat gezeigt, dass die Teilidentitätsformel vom formell-objektiven Verständnis der tatbestandlichen Ausführungshandlung ausgeht, jedoch 827 828
Ähnliche Kritik bei Rengier, AT, § 56 Rn. 55. Kühl, AT, § 21 Rn. 42.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
nicht immer daran festhält, sondern z. T. die tatbestandliche Ausführungshandlung so ausdehnt, dass auch tatbestandslose oder einen anderen Tatbestand erfüllende Handlungen zum Teil der Tatbestandsausführungshandlung gehören. Damit verstößt diese Formel sowohl gegen den eigenen Ausgangspunkt als auch gegen das System des konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriffs. Mithin sollte ihr Gewinn an Rechtssicherheit nicht überschätzt werden. Diese dogmatischen Ungereimtheiten ergeben sich m. E. aus der Zugrundelegung des Handlungsbegriffs der Tatbestandslehre bei Entscheidung des Konkurrenzverhältnisses. Soweit sich dieser Ansatz als verfehlt herausstellt, verliert der Beendigungsbegriff an Relevanz für die Beurteilung der Handlungsidentität des § 52. Dann wäre die bisher im Schrifttum vereinzelt behandelte Frage, ob der Beendigungsbegriff sich strikt an dem Gesetzeswortlaut des Straftatbestands orientiert, entbehrlich. Daher soll das Legitimationsproblem der Teilidentitätsformel nachfolgend näher untersucht werden, um ihre theoretische Integration in die gesamte Konkurrenzlehre zu ermöglichen, und, um eine konkurrenzrechtliche Grundlage für den Beendigungsbegriff zu schaffen. 3. Prüfung der Legitimation der Teilidentitätsformel a) Grundsätzliches zum konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff Was die Legitimatierung der Teilidentitätsformel durch den konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff angeht, ist zunächst zu klären, was der Begriff der Handlungseinheit in der Konkurrenzlehre bedeutet, und welche Funktionen er hat. Daran lassen sich die Grundlage und die Grenze der Teilidentitätsformel in der Konkurrenzlehre messen. Als Handlungseinheit kommen die Handlung im natürlichen Sinne (bzw. die natürliche Handlung), die natürliche Handlungseinheit und die rechtliche bzw. tatbestandliche Handlungseinheit in Betracht. Für alle gilt § 52.829 Hier bleibt die Handlung im natürlichen Sinne außen vor, denn sie stellt kein besonderes Problem bei der Handlungsidentität dar.830 Das Problem der Teilidentität der Ausführungshandlungen besteht nur bei der natürlichen bzw. rechtlichen Handlungseinheit. Befasst man sich mit der natürlichen und rechtlichen Handlungseinheit, begegnet man sofort der Schwierigkeit, dass beide bisher weder terminologisch noch inhaltlich abschließend geklärt sind. Die Figur der rechtlichen bzw. tatbestandlichen Handlungseinheit831 ist in Rechtsprechung und Litera829 Vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 3 f.; Kindhäuser, AT, § 47 Rn. 2; Otto, AT, § 23 Rn. 6 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 8 ff. 830 Ebenso Werle, S. 44 f.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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tur relativ unstrittig. Dazu zählen vor allem folgende Konstellationen: zusammengesetzte Delikte, unvollkommen mehraktige Delikte, Delikte mit pauschalierender Handlungsbeschreibung und Dauerdelikte.832 Außerdem gehören nach der h. M. in der Literatur auch die sukzessive und iterative Tatbestandsverwirklichung zur tatbestandlichen Handlungseinheit, die aber in der Rechtsprechung als natürliche Handlungseinheit angesehen werden.833 Die rechtliche Handlungseinheit muss entweder aufgrund der Auslegung des jeweiligen Straftatbestands oder aufgrund der sachgerechten Erwägungen gleich behandelt werden wie die natürliche Handlung. Mithin kann ein Tatbestand nicht nur durch eine natürliche Handlung erfüllt werden, sondern auch durch mehrere natürliche Handlungen, die zu einer normativen Bewertungseinheit zusammengefasst werden.834 Was den Begriff der natürlichen Handlungseinheit angeht, gehen die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich seiner Kriterien und Funktion weit auseinander. Die Rechtsprechung hat die Figur der natürlichen Handlungseinheit vor allem mittels extensiver Auslegung des Merkmals „ein und dieselbe Handlung“ in § 52 entwickelt. Nach ständiger Rechtsprechung geht es dabei um eine Mehrzahl der Körperbewegungen, die „auf Grund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammengehören, dass sie nach Auffassung des Lebens eine Handlung bilden“835 Bei der Beurteilung ist die natürliche Betrachtungsweise eines Dritten nach folgenden Kriterien entscheidend836: aa) die Gleichartigkeit der Verhaltensweisen; bb) unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen ihnen; cc) einheitliche Willensentschließung des Täters. Die Rechtsprechung unterliegt bei der Konkretisierung und Gewichtung dieser Kriterien allerdings seit langem erheblichen Schwankungen. Wegen der hohen Unbestimmtheit der „natürlichen Betrachtungsweise“ ist diese Figur auf überwiegende Ablehnung im Schrifttum gestoßen. Ein Teil der Lehre ordnet die Fälle der rechtlichen (tatbestandlichen) Handlungseinheit zu und versucht, sie durch normative Kriterien zu präzisieren.837 Teilweise wird diese Rechtsfigur zwar grundsätzlich anerkannt, aber ihre Funktion wird darauf beschränkt, die einmalige Gesetzes831 Vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 12; Kühl, AT, § 21 Rn. 21 ff. jeweils m. w. N. Die Fortsetzungstat als Fallgruppe der rechtlichen Handlungseinheit wird hier zwecks Vereinfachung der Darstellung nicht erwähnt. 832 Vgl. nur Haft, AT, S. 280 f.; Zieschang, AT, S. 192 f. 833 Vgl. nur Wessels/Beulke, Rn. 763 f. 834 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 12. 835 BGHSt 10, 231; 40, 78. 836 Zusammenfassend SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 23 ff. m. w. N. 837 So etwa Jescheck/Weigend, § 66 I, III (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne); Haft, AT, S. 280 (Bewertungseinheit).
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
verletzung von der gleichartigen wie ungleichartigen Idealkonkurrenz abzugrenzen. Eine Tateinheit mittels der Figur der natürlichen Handlungseinheit ist somit ausgeschlossen.838 Folgt man dieser Kritik, wäre die Figur der natürlichen Handlungseinheit wegen fehlender Relevanz bei der Tateinheit nicht mehr maßgebend für die Teilidentitätsformel. Jedoch ist dem Schrifttum nicht zuzustimmen. H.-L. Günther hat überzeugend nachgewiesen, dass die natürliche Handlungseinheit auch im Rahmen der Tateinheit ihre Berechtigung hat. Die natürliche Handlung bildet nur die theoretisch kleinste Handlungseinheit und bedarf der Erweiterung, um zu vermeiden, dass mehrere Einzelakte, die zwar Ähnlichkeit zur natürlichen Handlung aufweisen, nur nach den Regeln der Realkonkurrenz zu bestrafen wären. Denn das würde zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung in Relation zur natürlichen Handlung führen.839 Mehrere Körperbewegungen sind insoweit mit der natürlichen Handlung gleichzustellen, als zwischen ihnen ein enger zeitlich-situativ-voluntativer Zusammenhang vorliegt.840 Wer einerseits die naturalistisch definierte natürliche Handlung akzeptiert, andererseits die Bestimmung der Handlungseinheit allein anhand normativer Kriterien vornehmen will, lässt die Struktur der menschlichen Handlung unberücksichtigt.841 Dass die natürliche Handlungseinheit die natürliche Handlung ergänzt, gilt nicht nur für die Fälle der einmaligen Gesetzesverletzung, sondern auch für die Idealkonkurrenz. Die teilweise im Schrifttum vertretene Beschränkung der natürlichen Handlungseinheit auf die erstgenannten Fälle kann die Ungleichhandlung nicht erklären, dass eine Handlung im natürlichen Sinne ideal konkurrierende Tatbestände verwirklichen kann, dass das bei der natürlichen Handlungseinheit aber anders sein soll.842 838 So etwa Maiwald, S. 80; Wessels/Beulke, Rn. 764 f.; Gropp, § 14 Rn. 45; Kühl, AT, § 21 Rn. 17; Lackner/Kühl, § 52 Rn. 3; Warda, FS-Oehler, 241 (256); Schmidhäuser, AT, 18/10. Dagegen LPK-Kindhäuser, § 52 Rn. 26. 839 SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 35. Sich ihm anschließend S/S-Stree/ Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 22; Seher, JuS 2004, 392 (396). 840 Näher dazu SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 36 ff. 841 SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 33. Ebenso S/S-Stree/Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 22. Kritik bei Roxin, AT/2, § 33 Rn. 60; C. Keller, S. 88 f.; LKRissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 19, dessen Einwände gegen den hier vertretenen Standpunkt abzulehnen sind: Zum einen trägt die an Nähe und Ähnlichkeit zur natürlichen Handlung orientierte Figur der natürlichen Handlungseinheit keineswegs zur ausufernden Tendenz der Rechtsprechung bei, sondern setzt ihr erhebliche Einschränkungen; dies zeigt sich bei der Behandlung des Falls der Polizeiflucht. Zum anderen richtet sich der Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre nicht allein nach normativen Maßstäben; die Struktur der menschlichen Handlung bildet jedenfalls den Ausgangspunkt bei der Bestimmung der Anzahl der Handlungen. 842 SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 34. Im Ergebnis ebenso Otto, AT, § 23 Rn. 15.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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Im Anschluss an H.-L. Günther ist die natürliche Handlungseinheit i. S. (nahezu) zeitgleich zusammentreffender Einzelakte843 auch im Rahmen der Tateinheit maßgeblich. Bei ihr kommt es allein auf Nähe und Ähnlichkeit zur natürlichen Handlung aufgrund zeitlicher, situativer und voluntativer Umstände des Einzelfalls an. Dabei spielen die normativen Kriterien ebensowenig wie bei der natürlichen Handlung eine Rolle.844 Normative Überlegungen, wie etwa die Gleichartigkeit der verletzten Tatbestände, die Identität des Unrechtstyps, die Schwere der Rechtsgutsverletzung, die Quantifizierung des Unrechts infolge sukzessiver oder iterativer Tatbegehung, sind lediglich bei der Beurteilung der rechtlichen Handlungseinheit in Betracht zu ziehen, da dort der Zweck des jeweiligen Straftatbestands das entscheidende Kriterium ist.845 Diese Unterscheidung zwischen natürlicher und rechtlicher Handlungseinheit ermöglicht, anders als bei der Rechtsprechung, die klare funktionale Abgrenzung der jeweiligen Kategorien der Handlungseinheit, und vermeidet, anders als die überwiegende Lehre, eine widersprüchliche Bewertung. Auf dieser Grundlage lässt sich die Teilidentitätsformel daraufhin untersuchen, ob und inwieweit sie mit dem konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff, der für die Handlungsidentität i. S. des § 52 entscheidend ist, legitimiert werden kann. b) Handlungsidentität innerhalb der natürlichen Handlungseinheit Wo mehrere Einzelakte wegen des zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhangs zur natürlichen Handlungseinheit verbunden sind, sind mehrere tatbestandliche Ausführungshandlungen identisch, soweit zwischen ihnen unter natürlicher Betrachtungsweise eine Nähe und Ähnlichkeit zur natürlichen Handlung vorliegt. Dieses Kriterium lässt sich auf drei Konstellationen anwenden, wobei jeweils eine der Straftaten (B) erst nach der Vollendung der anderen (A) eintritt: Die erste Konstellation ist, dass B während der tatbestandsmäßigen Beendigungsphase von A eintritt. Ein klassisches Beispiel ist der Fall, in dem der Täter das Opfer mit mehreren Faustschlägen ins Gesicht verletzt und dabei seine Brille mit einem Schlagakt beschädigt. Die Schläge werden aus einem einheitlichen Willensentschluss und zeitlich ohne nennenswerte Zäsur vorgenommen. Daher besteht hier zwischen den nahezu zeitgleichen körperverletzenden Akten natürliche Handlungseinheit. Da die sachbeschä843 844 845
SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 36. SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 35. Vgl. auch SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 35 u. 43.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
digende Handlung während der körperverletzenden Teilakte vorgenommen wird, ist sie im Verhältnis zu den vorhergehenden und nachfolgenden auch zeitgleich. Daher besteht hier zwischen sachbeschädigenden und körperverletzenden Ausführungshandlungen eine natürliche Handlungseinheit. Dasselbe gilt, wenn zwei verschiedene Rechtsgüter desselben Opfers verletzt sind, weil die Qualität der verletzten Rechtsgüter für die Annahme der natürlichen Handlungseinheit ohne Bedeutung ist. In der zweiten Konstellation tritt B während der tatbestandslosen Beendigungsphase von A ein. Eine natürliche Handlungseinheit liegt beispielsweise vor, wenn ein Räuber plangemäß vor der Tatbeendigung des Raubes zusätzlich eine Vergewaltigung des Opfers am gleichen Ort begeht. Denn die Ausführungshandlungen des Raubes (§ 249) und der Vergewaltigung (§ 174) sind aus dem gleichen Entschluss des Täters und zeitlich und räumlich so eng, dass die Nähe zur natürlichen Handlung begründet wird.846 Aber dieser zeitlich-situativ-voluntative Zusammenhang besteht nicht unbedingt, wenn die Straftat noch nicht beendet ist. Im praktisch relevanten Fall, wo der flüchtige Räuber zur Beutesicherung mit Tötungsvorsatz auf den ihn verfolgenden Polizisten schießt und diesen verfehlt, könnte die natürliche Handlungseinheit entweder daran scheitern, dass der beutesichernde Tötungsversuch schon weit vom Ort des Raubes entfernt ist, bzw. daran, dass der Raub und der nachfolgende Tötungsversuch wegen des unerwarteten Auftritts des verfolgenden Polizisten nicht auf einen einheitlichen Tatentschluss des Täters zurückgehen. In der dritten Konstellation tritt B erst nach der Beendigung von A ein. Ein Beispiel dafür ist, dass der Täter plangemäß gleich nach dem Tod des ersten Opfers an demselben Ort das zweite Opfer tötet.847 Die erste Tötung ist vollendet und beendet mit dem Tod des Opfers. Der zweite tödliche Schuss ist zwar mit kurzem Zeitabstand vorgenommen, aber soweit er mit dem ersten noch im engen zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhang steht, ist eine natürliche Handlungseinheit bei beiden Totschlägen (§ 212) anzunehmen. Die zwei tatbestandlichen Tötungshandlungen sind i. S. der natürlichen Handlungseinheit also identitsch. Dies lässt deutlich erkennen, dass es für die natürliche Handlungseinheit unerheblich ist, ob mehrere Tatbestandsausführungshandlungen zusammentreffen. Entscheidend ist vielmehr nur, ob zwischen den Tatbestandsverwirklichungen noch ein enger zeitlich-situativ-voluntativer Zusammenhang besteht. Der Ansatz der Teilidentitätsformel, dass die normativ bestimmte 846 Im Ergebnis auch BGH MDR/H 79, 106; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 11–13. 847 SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 39.
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Reichweite der Tatbestandsausführungshandlung die Maßgabe der Handlungsidentität des § 52 darstellt, ist von vornherein mit der empirisch-orientierten Figur der natürlichen Handlungseinheit unvereinbar. Verglichen mit der natürlichen Handlungseinheit erweist sich die Anwendung der Teilidentitätsformel in der Beendigungsphase einer konkurrierenden Straftat einerseits insofern als zu weit, als zwischen den Tatbestandsausführungshandlungen der notwendige zeitlich-situativ-voluntative Zusammenhang nicht besteht. Andererseits erweist diese Formel sich als zu eng, weil ein geringes zeitliches Auseinanderfallen beider Tatbestandsausführungshandlungen den zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhang nicht immer verneint.848 Die Geltung der Teilidentitätsformel kann mithin nicht auf die Figur der natürlichen Handlungseinheit gestützt werden. Das erklärt auch, warum diese Formel nur vereinzelt als Untergruppe der natürlichen Handlungseinheit eingeordnet wird849, jedoch mehrheitlich als Untergruppe der rechtlichen Handlungseinheit behandelt wird.850 Es bleibt daher zu prüfen, ob ihre Berechtigung darin liegt, die Figur der rechtlichen Handlungseinheit zu konkretisieren oder zu ergänzen. c) Handlungsidentität innerhalb der rechtlichen Handlungseinheit aa) Einheitlichkeit des Rechtsgutsangriffs als Grundlage der rechtlichen Handlungseinheit Die rechtliche Handlungseinheit fasst mehrere Einzelakte zu einer Handlung zusammen, weil dies Sinn und Zweck des Tatbestandes eines einzelnen Delikts gebieten. Es ist allein entscheidend, dass die Mehrheit der Tatbestandsverwirklichungen insgesamt nur einen einheitlichen Rechtsgutsangriff durch einen oder mehrere Tatbestände darstellt. Innerhalb dieses einheitlichen Rechtsgutsangriffs vergrößern oder vermehren die tatbestandsmäßigen Handlungen des Täters jeweils lediglich die Unrechtsquantität des Rechtsgutsangriffs, ohne seine Unrechtsqualität zu verändern.851 Bei der Beurteilung der rechtlichen Handlungseinheit ist der dem einen oder mehreren Straftatbeständen zugrunde liegende Unrechtstyp ausschlaggebend, der zeitlich-situativ-voluntative Zusammenhang zwischen den Einzelakten spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Eine einzige Urkundenfälschung So konsequent SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 13 f. 849 So aber B. Heinrich, AT/2, Rn. 1417. 850 Vgl. Kühl, AT, § 21 Rn. 33; SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 44; Haft, AT, S. 281; Wahle, GA 1968, 97 (107); Geerds, S. 271. 851 Haft, AT, S. 280: „bloße quantitative Steigerung eines einheitlichen Handlungsunrechts“. 848
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
(§ 267) kann im ersten Akt durch Herstellen oder Verfälschen mit der Absicht der Täuschung und im zweiten Akt durch Gebrauchen, also Realisierung dieser Absicht begangen werden.852 Durch einen mehr oder weniger großen Zeitabstand zwischen beiden Einzelakten ändert sich an der rechtlichen Handlungseinheit jedoch nichts. Die Zugrundelegung des einheitlichen Rechtsgutsangriffs legt es nahe, dass der Figur der rechtlichen Handlungseinheit prinzipiell nur die Funktion zukommen soll, mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen zu einer Straftateinheit zusammenzufassen. Wenn es sich bei mehreren Einzelakten materiell gesehen um mehrere eigenständige Rechtsgutsangriffe handelt, vermag es die Figur der rechtlichen Handlungseinheit nicht mehr, diese Einzelakte zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tateinheit zusammenzufassen. Hat z. B. der Täter während seines unerlaubten Waffenbesitzes einen einfachen Diebstahl begangen, setzt er mit dem Diebstahl einen Angriff auf das Eigentum in Gang, der weder vom dauernden Täterwillen des Waffenbesitzes getragen noch von demselben Unrechtstyp des Waffendelikts erfasst wird. Der Diebstahl erhöht nicht das Unrecht des Waffenbesitzes, sondern konstituiert einen eigenständigen Rechtsgutsangriff. Schlägt ein Täter das von ihm eingesperrte Opfer zur Verhinderung seiner Flucht, ist auch zwischen Freiheitsberaubung und Körperverletzung eine rechtliche Handlungseinheit nicht anzunehmen, weil sich der körperverletzende Einzelakt als ein vom Unrechtstyp der Freiheitsberaubung nicht vollständig erfassbarer eigenständiger Rechtsgutsangriff darstellt. In den beiden genannten Beispielen müsste man jeweils zwischen unerlaubtem Waffenbesitz und Diebstahl und zwischen Freiheitsberaubung und Körperverletzung Tatmehrheit annehmen, weil weder die rechtliche noch die natürliche Handlungseinheit bejaht werden könnten. Wenn man hingegen die Teilidentitätsformel auf die beiden Beispiele anwendet, kommt man zu der Annahme der Tateinheit, weil die Tatbestandsausführungshandlungen der konkurrierenden Straftaten unbestreitbar zusammentreffen. Es fragt sich, warum man neben der Figur der rechtlichen Handlungseinheit noch die Teilidentitätsformel anerkennt. bb) Die Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel gegenüber der rechtlichen Handlungseinheit Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass die Annahme der Tatmehrheit in den oben genannten Beispielen für die mehrheitliche Ansicht unbefriedigend zu sein scheint. Denn im letztgenannten Beispiel ist der die Körper852
Haft, AT, S. 280.
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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verletzung erfüllende Einzelakt zumindest mit einem Teil der Freiheitsberaubung (voll-)identisch i. S. der natürlichen Handlung, so dass die Voraussetzung der Tateinheit insoweit schon erfüllt ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn zwischen dem körperverletzenden Einzelakt und den übrigen freiheitsberaubenden Einzelakten wegen des fehlenden engen zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhangs keine natürliche Handlungseinheit besteht. Durch die Annahme der Tatmehrheit zwischen Körperverletzung und der gesamten Freiheitsberaubung bliebe die Tatsache der teilweisen Überschneidung beider Straftaten innerhalb einer natürlichen Handlung(-seinheit) unberücksichtigt. Um diesem Mangel abzuhelfen könnte man zwar allein in Bezug auf diesen Einzelakt Tateinheit zwischen Körperverletzung und Freiheitsberaubung annehmen und die übrigen freiheitsberaubenden Handlungen durch die rechtliche Handlungseinheit zu einer Straftat der Freiheitsberaubung zusammenfassen. Dieser Lösungsweg wird jedoch bisher nicht in Betracht bezogen, weil es die einheitliche Freiheitsberaubung zerlegt und den Täter der Gefahr aussetzt, dass die Bestrafung seine Schuldschwere übersteigt. Eine befriedigende Lösung müsste beiden Gesichtspunkten Rechnung tragen, also einerseits die Körperverletzung und ein Teil der Freiheitsberaubung als Tateinheit, und andererseits die gesamte Freiheitsberaubung einheitlich bewertet werden sollen. Der letztmögliche Lösungsweg würde die Annahme der Tateinheit zwischen Körperverletzung und gesamter Freiheitsberaubung sein. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen bedarf man eines neuen Begründungsmittels, das eine Handlungseinheit zwischen Körperverletzung und gesamter Freiheitsberaubung bilden kann. Die Formel der Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlung wäre genau dieses Begründungsmittel. Sie bewirkt auf der einen Seite, dass der Einzelakt, in dem die Tatbestände der §§ 223 und 239 erfüllt sind, nicht von den sonstigen Einzelakten der Freiheitsberaubung abgelöst wird, obwohl er den zusätzlichen Unrechtsgehalt der Verletzung der körperlichen Integrität enthält und eigentlich nicht in den einheitlichen Angriff auf die Bewegungsfreiheit einbezogen werden könnte. Auf der anderen Seite ermöglicht sie, dass sich die Körperverletzung zu der gesamten Freiheitsberaubung in Handlungseinheit und somit in Tateinheit verhält, da dieser körperverletzenden und freiheitsberaubenden Einzelakt noch als ein unselbständiger Teil der gesamten Freiheitsberaubung angesehen wird. Somit ist festzustellen, dass die Teilidentitätsformel sich nicht aus der Figur der rechtlichen Handlungseinheit ableiten lässt853, sondern ihr gegenüber eine Ergänzungsfunktion entfaltet. Sie erweitert den Wirkungsbereich 853 Im Ergebnis so Wahle, GA 1968, 97 (110). Kritik an Wahles „natürlicher Betrachtungsweise“ bei Lippold, S. 34 mit Fn. 62.
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der rechtlichen Handlungseinheit auf die Tateinheit bei Verwirklichung von nicht zu demselben Unrechtstyp gehörenden Tatbeständen.854 cc) Die Problematik der Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel Es stellt sich nunmehr die Frage, ob die Ergänzungsfunktion dieser Formel gegenüber der rechtlichen Handlungseinheit berechtigt ist. Auf den ersten Blick erscheint diese Frage ganz überflüssig zu sein, weil diese Formel soweit ersichtlich von niemandem bestritten wird. Wenn man jedoch die umstrittene Klammerwirkung einer durchlaufenden Straftat in Betracht zieht, die sich zwingend aus der Teilidentitätsformel ergibt855, erweist sich die Ergänzungsfunktion dieser Formel als nicht unproblematisch. Nach ständiger Rechtsprechung kann Tateinheit dadurch begründet werden, dass zwei an sich selbständige Handlungen jeweils mit einer dritten Handlung in Idealkonkurrenz stehen und durch deren Klammerwirkung miteinander zur Tateinheit verbunden werden.856 So können z. B. während der Verwirklichung des Raubes selbständige Körperverletzungen gegen verschiedene Personen begangen werden, die zugleich Gewalt i. S. des § 249 darstellen.857 Durch die durchlaufende dritte Straftat, hier also der Raub, wird zwischen den beiden Körperverletzungen ebenfalls Handlungsidentität i. S. des § 52 angenommen. Die Handlungsidentität zwischen den Körperverletzungen ist daraus ersichtlich, dass sie jeweils teilweise mit der Ausführungshandlung desselben Raubes identisch ist. Ohne die Anerkennung der Teilidentitätsformel wäre die Klammerwirkung des Raubes nicht denkbar. Das Prinzip der Verklammerung ist insoweit eine spezialisierte Teilidentitätsformel, als sie sich spezifisch auf die Konstellationen bezieht, bei denen mehrere Einzelakte einer rechtlichen Handlungseinheit jeweils einen anderen Tatbestand verwirklichen. 854 Das deutet SK6-Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 44 an. So ist erklärbar, dass die Formel in der Literatur manchmal nicht schon im Rahmen der Handlungseinheit genannt, sondern erst bei Tateinheit behandelt wird. Sachlich ebenso Kühl, AT, § 21 Rn. 44. Kritisch aber Seher, JuS 2004, 392 (393) mit Fn. 20. 855 So vertreten von S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 14; Otto, AT, § 23 Rn. 24. Hier wird nur betont, dass hinter der Formel der Teilidentität und dem Prinzip der Verklammerung derselbe Gedanke steht. Damit ist nicht gemeint, dass die Handlungsidentität zwischen den verklammerten Taten (A, B) und der verklammernden Tat (C) eine „logisch“ zwingende Schlussfolgerung ist, weil die Gleichstellung der Teilidentität zwischen A, C und B, C mit völliger Identität kein logisches, sondern ein Wertungsergebnis ist. Daher steht die Kritik Peters, JR 1993, 265 („logisch ist dies nicht“) dem hier nicht entgegen. 856 BGH NStZ 2000, 25; Wessels/Beulke, Rn. 780. 857 Kühl, AT, § 21 Rn. 35.
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Vor dem Hintergrund, dass die Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel allgemein akzeptiert wird, dürfte die Klammerwirkung konsequent überall dort angenommen werden, wo an sich selbständige Handlungen jeweils mit einer dritten durchlaufenden Straftat ideal konkurrieren. Das Prinzip der Verklammerung sollte nämlich unabhängig von der Schwere der Tatbestandsverwirklichungen gelten. Wer z. B. zwei selbständige Totschläge mit derselben Schusswaffe begeht, während er rechtswidrigen Besitz daran hat, sollte sich wegen zweifacher Tötung gemäß § 212 und Waffenbesitzes gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 a WaffG in Tateinheit strafbar machen.858 Allerdings ist dies gerade nicht der Fall. Nach überwiegender Ansicht kommt die Klammerwirkung einer Tat nur bei annähernder Wertgleichheit zwischen den verklammerten Taten und der verklammernden Tat in Betracht.859 Sie entfällt, wenn die verklammernde Tat (unerlaubter Waffenbesitz) gegenüber den verklammerten Taten (Totschläge) die leichtere ist.860 Man hat in diesem Fall hingegen die Entklammerung der Tat vertreten, nämlich dass die beiden durch die leichtere Tat verbundenen Taten in Tatmehrheit stehen, während die leichtere Tat jeweils mit ihnen tateinheitlich zusammentrifft.861 Somit setzt sich die Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel erkennbar nicht durch, weil die Methode der Entklammerung dazu führt, dass die eine verklammernde Tat als eine einzige Tat nun dem Täter bei der Strafzumessung doppelt angelastet wird. Um diese unerfreuliche Konsequenz zu vermeiden862 hat der BGH die Klammerwirkung im Fall der Trunkenheitsfahrt (§ 316) wiederum auf eine andere Weise eingeschränkt: Bei Eintritt eines tödlichen Unfalls wird eine Zäsurwirkung aufgrund eines neuen Willensentschlusses des Täters angenommen, damit die fahrlässige Tötung mit der Unfallflucht nicht verbunden wird.863 Durch die Zäsurwirkung des Verkehrsunfalls wird die „einheitliche“ Trunkenheitsfahrt nun als zwei selbständige Straftaten be858 So konsequent SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 19; zustimmend Roxin, AT/2, § 33 Rn. 108. 859 Vgl. nur RGSt 60, 243, 66, 120, 68, 218; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 30. Hierbei ist der Wertvergleich nicht an einer abstrakt generalisierenden Betrachtungsweise, sondern an der konkreten Gewichtung der Taten auszurichten. Vgl. dazu BGHSt 33, 4; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 16. Hingegen Peters, JR 1993, 265 (268). 860 Insoweit unstrittg. Im Gegensatz dazu besteht keine Einigkeit darüber, ob die Klammerwirkung auch dann eintritt, wenn die verklammernde Tat nur schwerer als eine der verklammerten Taten wiegt. Während die neuere Rechtsprechung (BGHSt 31, 29) und die mehrheitliche Literatur (Vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 18 m. w. N.) dies bejahen, hält die ältere Rechtsprechung (BGHSt 3, 165) es für unzulässig. Auf diesen Streit muss die vorliegende Untersuchung nicht eingehen. 861 Vgl. LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 30 m. w. N. 862 Ebenso vermutet Seier, NZV 1990, 129 (133). 863 BGHSt 21, 203 (204). Kritisch Seier, NZV 1990, 129 (133); SK6-Samson/ Günther, Vor § 52 Rn. 50.
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trachtet. Dieser Ansatz wird vom BGH auch auf die Dauerdelikte des unerlaubten Waffenbesitzes übertragen und weiterentwickelt: Wenn der Täter mit der Waffe ein schwerwiegenderes Verbrechen als den Waffenbesitz begeht, führt der neue Willensentschluss zur Zäsur, so dass zwischen dem unerlaubten Waffenbesitz und der hinzutretenden Straftat Tatmehrheit besteht.864 Es zeigt sich, dass die Möglichkeit der Tateinheit einerseits durch die Klammerwirkung einer durchlaufenden Straftat nicht unwesentlich ausgeweitet wird865, andererseits wiederum sowohl durch sog. Entklammerung als auch durch Annahme der Zäsurwirkung eingeschränkt werden muss.866 Die genannten Einschränkungen für die Klammerwirkung einer durchlaufenden Straftat lassen sich hauptsächlich damit begründen, eine unverdiente Begünstigung des Täters zu vermeiden. Denn mittels der Klammerwirkung kann der Täter, der zugleich mit zwei selbständigen Straftaten ein Dauerdelikt begeht, das mit jeder selbständigen Straftat in Idealkonkurrenz steht, nun geringer bestraft werden, als der Täter, der zwei selbständige Straftaten (zwei Totschläge) begeht.867 Die Besserstellung des Täters wird mit der Zahl und der Schwere der hinzutretenden Straftaten noch verstärkt. Somit ist das Prinzip der Verklammerung nicht von Widersprüchen frei und wird daher im Schrifttum sogar vereinzelt ganz abgelehnt.868 Unbeachtet bleibt jedoch, dass diese Einschränkungen für die Klammerwirkung sachlich auch dazu führen, die Berechtigung der Teilidentitätsformel in Frage zu stellen. Denn sowohl die Methode der Entklammerung als auch die Annahme der Zäsurwirkung haben zur Folge, dass die verklammernde Straftat dadurch nicht mehr als eine einzige Straftat einheitlich bewertet wird, sondern entweder bei der Strafbemessung doppelt bewertet oder überhaupt als zwei selbständige Straftaten angesehen wird. Die Vermeidung dieser Doppelbewertung der verklammerenden Straftat ist jedoch gerade der Grund dafür, dass die Teilidentität zwischen mehreren Tatbestandsausführungshandlungen schon für die Handlungsidentität i. S. des § 52 ausreicht. Hielt man von vornherein die getrennte Bewertung ein und derselben Straftateinheit für zulässig, müsste man nicht zunächst die Teil864
BGHSt 36, 151 (153 f.). Jescheck/Weigend, § 67 II 2. 866 Stratenwerth/Kuhlen, § 18 Rn. 33 spricht sogar davon, dass sich das Verhältnis von Regel (Klammerung) und Ausnahme (Entklammerung) umzukehren droht. R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 179 (181) bezeichnet das als „völlige Entleerung des Prinzips der Handlungseinheit durch Ausnahmen“. 867 Otto, AT, § 23 Rn. 24. Ferner Roxin, AT/2, § 33 Rn. 108; SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 19; Lippold, S. 33. Die zusätzlichen Probleme des prozessualen Tatbegriffs können hier offen bleiben. Zur Problematik siehe S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 50. 868 Wahle, GA 1968, 97 (112); Jakobs, 33/12. 865
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identitätsformel anerkennen, um zwischen der gesamten durchlaufenden Straftat und der weiteren hinzutretenden Straftat Tateinheit anzunehmen, damit die durchlaufende Straftat einheitlich bewertet werden kann. Man könnte vielmehr anhand der Figur der rechtlichen Handlungseinheit konsequenterweise die Einzelakte, durch die gleichzeitig mehrere Tatbestände verwirklicht werden, von den übrigen Einzelakten der rechtlichen Handlungseinheit verselbständigen. Wendet man sich gegen das Prinzip der Verklammerung, richtet sich die Kritik deshalb notwendigerweise auf die zugrundeliegende Ergänzungsfunktion der Teilidentitätsformel. Wer einerseits die Teilidentitätsformel in vollem Maße akzeptiert, andererseits die Klammerwirkung erheblich einschränkt oder ganz ablehnt, verwickelt sich in Widerspruch. Somit führt die allgemeine Akzeptanz der Teilidentitätsformel in der Konkurrenzlehre nicht zu einer berechtigten Ergänzung der rechtlichen Handlungseinheit. Vielmehr hätte der Zweifel an der Klammerwirkung Anlass sein sollen, die Teilidentätsformel gründlicher zu problematisieren. dd) Die Anwendbarkeit der Teilidentitätsformel in Einzelfällen Um die Grundlage und die Grenze der Teilidentitätsformel zu untersuchen, werden im Folgenden zwei Fallgruppen geprüft. Das betrifft zum einen das Dauerdelikt, zum anderen das mehraktige bzw. zusammengesetzte Delikt. Daraus wird sich zeigen, ob diese Formel einen derart weitgehenden Geltungsanspruch hat, dass sie über die originäre Funktion der rechtlichen Handlungseinheit hinaus die Handlungsidentität im Rahmen der Tateinheit erweitern kann. (1) Sog. Dauerdelikte Dazu gehört der Fall, bei dem ein Täter zur Freiheitsberaubung oder zu deren Aufrechterhaltung das Opfer körperverletzend fesselt und erst nach drei Tagen selbst freilässt. Der Täter macht sich wegen Freiheitsberaubung (§ 239) und Körperverletzung (§ 223) schuldig. Die mehrfachen freiheitsberaubenden Akte werden dem Unrechtstyp gemäß nach § 239 zu einer rechtlichen Handlungseinheit zusammengefasst. Es kann aber nicht eindeutig geklärt werden, in welchem Konkurrenzverhältnis die beiden Straftaten stehen.869 869 Es sei denn, dass die Körperverletzung lediglich eine regelmäßige Begleittat der Freiheitsberaubung ist. Dann würde zwischen den Tatbestandsverwirklichungen nach den §§ 239 und 223 Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion bestehen, was von vornherein der Tateinheit entgegensteht.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Geht man davon aus, dass die rechtliche Handlungseinheit nur jene Tatbestandsverwirklichungen erfassen kann, die demselben Unrechtstyp entsprechen, muss man annehmen, dass der Einzelakt, in dem zugleich die Körperverletzung enthalten ist, nicht in die vorliegende Freiheitsberaubung einbezogen werden kann. Ausgeschlossen ist Handlungsidentität zwischen der Körperverletzung und der gesamten Freiheitsberaubung durch die Figur der rechtlichen Handlungseinheit. Unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit, Handlungsidentität i. S. des § 52 zwischen Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Rahmen derjenigen freiheitsberaubenden Einzelakte, die mit dem körperverletzenden Einzelakt noch im Verhältnis der BeinaheGleichzeitigkeit bestehen, anzunehmen. Die Körperverletzung steht demgegenüber mit den übrigen freiheitsberaubenden Einzelakten, die jenseits der äußeren Grenze dieser Gleichzeitigkeit liegen, im Verhältnis der Handlungsmehrheit. Damit ist der freiheitsberaubende Einzelakt, in dem zugleich der Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht ist, eine andere konkurrenzrechtliche Handlung als die übrigen einfachen freiheitsberaubenden Einzelakte. Letztere können bei Auflösung der ersteren zu einer einheitlichen Freiheitsberaubung zusammengefasst werden. Denn der dadurch erweiterte zeitliche oder räumliche Abstand zwischen den freiheitsberaubenden Einzelakten ist für die rechtliche Handlungseinheit grundsätzlich irrelevant. Mithin hat der Täter mit dem herausgenommenen Einzelakt tateinheitlich Freiheitsberaubung und Körperverletzung begangen und mit den übrigen Einzelakten eine einzige Freiheitsberaubung, die zu dem erstgenannten in Tatmehrheit steht. In gleicher Weise kann man mit den Fällen der Klammerwirkung eines Dauerdelikts umgehen. Wenn z. B. der Täter zur Aufrechterhaltung der Freiheitsberaubung mehrere an sich selbständige Körperverletzungen begeht, stehen die Körperverletzungen jeweils zur Freiheitsberaubung an der Grenze der „Beinahe-Gleichzeitigkeit“ in Tateinheit. Die freiheitsberaubenden und körperverletzenden Einzelakte gehören nicht zur einheitlichen Freiheitsberaubung. Die übrigen einfachen freiheitsberaubenden Einzelakte bleiben dadurch unverändert nur eine Freiheitsberaubung aufgrund der rechtlichen Handlungseinheit. Dann stehen all diese Straftaten untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Der Einzelakt des Dauerdelikts, zu dem eine weitere Tatbestandsverwirklichung hinzu kommt, muss also aus der Straftateinheit des Dauerdelikts ausgegliedert werden.870 Diese Ausgliederungsmethode begründet mit der 870 Im wesentlichen ebenso Werle, S. 212 f. Unverkennbar sind zwei Unterschiede zwischen der hier vertretenen Ausgliederungsmethode und Werles Zergliederungsmethode: (1) Voraussetzung: Nach Werle erfolgt die Ausgliederung des Einzelakts nur bei gleichzeitiger Verwirklichung eines gleichschweren oder schwereren
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Tatsache, dass sich die hinzutretenden Straftaten jeweils nicht mit dem ganzen Vorgang des Dauerdelikts, sondern nur mit einem Teil überschneiden. Die eine hinzutretende Straftat steht weder zu den anderen noch zu weiteren Einzelakten des Dauerdelikts im Verhältnis der Handlungseinheit. Die Handlungsmehrheit zwischen den an sich getrennten hinzutretenden Straftaten bleibt durch die Aufrechterhaltung des Dauerdelikts unverändert. Der wichtigste Vorteil dieser Ausgliederungsmethode zeigt sich daran, dass sie dem Bedürfnis nach selbständiger Würdigung von hinzutretenden Straftaten Rechnung trägt. Ihre Überlegenheit lässt sich durch den Vergleich mit den aus der Teilidentitätsformel und aus dem Prinzip der Verklammerung gezogenen unberechtigten Konsequenzen bestätigen. Unter Zugrundelegung dieser Formel können Lehre und Rechtsprechung zwar die ungeStrafgesetzes (vgl. ders., S. 174 f.); nach unserem Lösungsansatz kommt es für die Ausgliederung nicht auf die Schwere der hinzutretenden Straftat an, sondern allein darauf, ob diese Tatbestandsverwirklichung zum selben Unrechtstyp wie die durchlaufende Straftat gehört. (2) Rechtsfolge: Infolge der Zergliederungsmethode Werles wird die einheitliche durchlaufende Straftat in verschiedene Teile zerlegt (vgl. ders., S. 197); gemäß unserem Vorschlag bilden die übrigen Einzelakte noch eine rechtliche Handlungseinheit. Wenn z. B. der Täter während einer Trunkenheitsfahrt nacheinander fahrlässig zwei Unfälle jeweils mit Todes- und Körperverletzungserfolg verursacht, macht er sich wegen selbständiger Straftaten nach § 24 a StVG (Fahrt bis zum ersten Unfall), §§ 24 a StVG, 222, 52 (Fahrt zwischen den beiden Unfällen), §§ 24 a StVG, 230, 52 (Fahrt nach dem zweiten Unfall) strafbar (ders., S. 197). Nach unserer Auffassung ist der Täter nach § 24 a StVG, 222, 52 (Fahrt zum Zeitpunkt des ersten Unfalls), § 24 a StVG, 230, 52 (Fahrt zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls) und § 24 a StVG (die übrige Trunkenheitsfahrt insgesamt) zu bestrafen. Werles Vorschlag ist im Ansatz zuzustimmen, nämlich dass die Trunkenheitsfahrt als Dauerdelikt nicht die Zusammenfassung aller Einzelakte erfordert, sondern nur zulässt. Der Tatbestand des Dauerdelikts steht also einer Ausgliederung des jeweiligen Einzelakts nicht entgegen, soweit die Mindestvoraussetzung der tatbestandlichen Unrechtseinheit erfüllt ist. Sein Vorschlag vermeidet außerdem die fragwürdigen Konsequenzen der sog. Entklammerung, i. e. dass dieselbe Tat nun dem Täter doppelt angelastet wird, was gegen das Schuldprinzip verstößt. Allerdings argumentiert Werle nicht konsequent und überzeugend. Zuerst ist zu bemängeln, dass er für die Ausgliederung von der psychologischen Tätersituation ausgeht, letztlich aber diesen Gedanken nicht in die Kriterien der Ausgliederung einbringt, weil die Schwere der hinzutretenden Straftat mit der psychologischen Tätersituation nichts zu tun hat (ebenso Lippold, S. 38 f.). Er kann daher ebenfalls nicht erklären, warum er eine rechtliche Handlungseinheit nur beim Hinzutreten der gleich schweren oder schwereren Straftat zergliedert, während sie bei einer leichteren, aber ebenfalls vom Unrechtstyp des Tatbestands unerfassbaren Straftat nicht zergliedert werden kann. Schließlich ist bei seinem Vorschlag nicht bedacht, dass eine rechtliche Handlungseinheit nicht notwendig mit dem Hinzutreten einer Straftat unterbrochen wird. Mit der Ausgliederung der einzelnen Trunkenheitsfahrt bleibt die Einheitlichkeit zwischen den übrigen gleichartigen Einzelakten nach Sinn und Zweck des Tatbestands der Trunkenheitsfahrt unberührt. Weitere Kritik bei Lippold, S. 39 f.
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rechtfertigte Besserstellung des Täters entweder durch Entklammerung des leichtesten Dauerdelikts oder durch Zäsurwirkung der hinzutretenden Straftat vermeiden, aber diese Einschränkungen sind theoretisch nicht konsequent. Zum einen ist die Zäsurwirkung weder hinreichend begründet, noch ist sie auf alle Fallgruppen der rechtlichen Handlungseinheit anwendbar. Zum anderen berücksichtigt die Lehre der Entklammerung nicht, dass der Täter mehrmals wegen desselben Dauerdelikts bestraft wird, was sich als ein Widerspruch gegen den Grundgedanken des Prinzips der Verklammerung erweist. Sie erklärt außerdem nicht, warum der Täter von zwei selbständigen Straftaten allein wegen der zusätzlichen Begehung eines schwereren Dauerdelikts günstiger behandelt werden kann, als wenn er ein anderes leichteres Dauerdelikt begangen hätte.871 Der schwerwiegendste, gegen die Ausgliederungsmethode erhobene Einwand lautet jedoch, dass der Täter wegen einer einzigen Freiheitsberaubung im Ergebnis mehrfach bestraft wird.872 Dieser Einwand verdient allerdings aus folgenden Gründen keine Zustimmung: Er berücksichtigt zunächst die beschränkte Funktion der rechtlichen Handlungseinheit nicht. Der freiheitsberaubende Einzelakt, der auch den Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht, kann nicht mehr als Bestandteil eines einheitlichen Rechtsgutsangriffs angesehen werden. Denn den in diesem Einzelakt enthaltenen Unrechtsgehalt der Körperverletzung vermag der Unrechtstyp der Freiheitsberaubung grundsätzlich nicht einzuschließen. Zweitens besteht kein Grund dafür, dass alle freiheitsberaubenden Einzelakte immer nur zusammenfassend bewertet werden sollen. Man muss sich hierbei vergegenwärtigen, dass jeder Einzelakt für sich genommen – und zwar beim Fehlen von übrigen Einzelakten der Freiheitsberaubung – unproblematisch als eine selbständige Tatbestandsverwirklichung angesehen werden könnte. Dass der Tatbestand des Dauerdelikts mehrere Einzelakte zu einer einzigen Straftat zusammenfassen kann, lässt nicht den Schluss zu, dass es bei mehreren Einzelakten des Dauerdelikts immer um eine einzige Straftat handelt. Die mehrfache Bestrafung wegen Freiheitsberaubung nach der hier vertretenen Meinung gründet sich auf unterschiedliche Handlungskomplexe, nicht aber auf einen vom Unrechtstyp des Tatbestands her gesehen einheitlichen Handlungskomplex. Das Bedenken, dass mehrere Schuldsprüche der Freiheitsberaubung eine über die Schuld hinausgehende Bestrafung mit sich bringe, gilt zwar für die Methode der Entklammerung, nicht aber für die hier vertretene Ausgliederungsmethode. Denn nach dieser Methode bewertet man zunächst die ausgegliederten freiheitsberaubenden Handlungen zusammen mit der idealSK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 19. 872 So etwa Lippold, S. 34 f.; SK6-Samson/Günther, § 52 Rn. 19; Wahle, GA 1968, 97 (106). 871
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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konkurrierenden Körperverletzung jeweils nach den Regeln der Tateinheit. Die übrig bleibenden freiheitsberaubenden Handlungen gelten weiterhin als eine einzige Freiheitsberaubung. Bei anschließender Bildung der Gesamtstrafe nach § 53 kann man das enge Verhältnis zwischen den ausgegliederten und den übrig gebliebenen freiheitsberaubenden Einzelakten deswegen strafmildernd berücksichtigen, weil sie auf einen gemeinsamen Entschluss der Freiheitsberaubung zurückgehen. Als erstes Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Teilidentitätsformel sowie das daraus folgende Prinzip der Verklammerung bei Dauerdelikten keine Ergänzungsfunktion in Bezug auf die rechtliche Handlungseinheit haben. Der Beendigungszeitpunkt eines Dauerdelikts, der normalerweise im Ende des rechtswidrigen Zustandes erblickt wird, verliert damit seine Bedeutung für die Bestimmung der Handlungsidentität, auch wenn er noch tatbestandsmäßig erfolgt. (2) Mehraktige und zusammengesetzte Delikte Des Weiteren kann bei mehraktigen und zusammengesetzten Delikten Teilidentität der Ausführungshandlungen vorkommen. Als Beispiel bietet sich der vorliegende Fall an: Der Dieb beschädigte den Koffer, um den darin enthaltenen Schmuck wegzunehmen; als er vor Ort unerwartet vom Opfer angetroffen wird, sticht er es zur Sicherung des Diebesguts mit dem Messer. Der Täter verwirklicht Sachbeschädigung (§ 303), Körperverletzung (§ 223) und räuberischen Diebstahl (§ 252), der seinerseits aus Diebstahl und Nötigung zusammengesetzt ist. Wie sich die drei Tatbestandsverwirklichungen in der Konkurrenzlehre verhalten, ist nun das Problem. Dazu folgendes vorab: Erstens stehen Sachbeschädigung und Diebstahl aufgrund der natürlichen Handlung in Tateinheit; Zweitens besteht zwischen Körperverletzung und Nötigung Tateinheit aufgrund der natürlichen Handlungseinheit; Drittens geht es bei Diebstahl und Nötigung um eine rechtliche Handlungseinheit aufgrund des Tatbestands des räuberischen Diebstahls; Viertens liegt zwischen Sachbeschädigung und Körperverletzung weder eine natürliche noch eine rechtliche Handlungseinheit vor. Wenn man mit der rechtlichen Handlungseinheit jene Tatbestandsverwirklichungen innerhalb des tatbestandlichen Unrechtstyps zu einer Straftateinheit zusammenfasst, ergibt sich, dass beide Einzelakte, die jeweils Diebstahl und Nötigung verwirklichen, nicht vom Unrechtstyp des Tatbestands des räuberischen Diebstahls erfasst sind, da sie weitere, jenseits der Ratio des § 252 stehende Rechtsgutsverletzungen enthalten. Die beiden Einzelakte könnten also nicht mehr allein unter Berufung auf den Tatbestand des § 252 zur Handlungseinheit zusammengefasst werden, mithin ist zwischen
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
beiden Einzelakten, die jeweils die §§ 303, 242 und §§ 223, 240 idealkonkurrierend verwirklichen, nur Tatmehrheit anzunehmen. § 252 würde in dieser Konsequenz nicht in Erscheinung treten.873 Diese Zerlegung beider Einzelakte wegen zusätzlicher Verwirklichung eines anderen Tatbestands durch einen der Einzelakten widerspricht offenbar dem Willen des Gesetzgebers, dass Gewaltanwendung und Wegnahme ein im Verhältnis zu den Tatbeständen der Nötigung und des Diebstahls eigenständiges Delikt konstituieren.874 Soweit Diebstahl und Nötigung im vom Tatbestand des § 252 geforderten Verhältnis stehen, muss der gesetzliche Strafrahmen des § 252 eingreifen, um den spezifischen Unrechtsgehalt des gesamten Tatgeschehens zu erfassen. Diesem Umstand trägt die Anwendung der Tatmehrheit infolge Zerlegung von beiden Einzelakten aber nicht hinreichend Rechnung. Aus diesem Grund muss man daran festhalten, dass die Zerlegung von mehreren Einzelakten insoweit unzulässig ist, als deren Zusammenfassung die Mindestvoraussetzung eines Straftatbestandes ist.875 Um diese Bewertung des Gesetzgebers durchzusetzen ist man gezwungen, die Funktion der rechtlichen Handlungseinheit dergestalt zu erweitern, dass innerhalb der kleinsten Unrechtseinheit der Tatbestandsverwirklichung eine Handlungsidentität mit weiteren jenseits des Unrechtstyps liegenden Tatbestandsverwirklichungen zu bilden ist. Man hat also die Sachbeschädigung nicht nur mit dem Diebstahl, sondern auch mit der anschließenden Nötigung als identisch anzusehen. Das Gleiche gilt für die Körperverletzung, die sich zwar nur mit der Nötigung überschneidet, aber auch mit dem vorangehenden Diebstahl als handlungsidentisch behandelt werden soll. Dann entsteht Handlungsidentität und damit Tateinheit zwischen Sachbeschädigung, Körperverletzung und räuberischem Diebstahl. Dasselbe gilt beim Raub (§ 249), wobei die Gewaltanwendung mit Körperverletzung und die Wegnahme mit Sachbeschädigung jeweils identisch sind. Ohne die Teilidentitätsformel würde der Raub wegen zusätzlicher Begehung der Körperverletzung und Sachbeschädigung zergliedert werden. Die Klammerwirkung des Raubes876 ist insoweit notwendig, um den Willen des Gesetzgebers zur Schaffung eines eigenständigen Deliktstatbestands durchzusetzen. Als weiteres Zwischenergebnis kann man festhalten, dass sich die Teilidentitätsformel bei zusammengesetzten Delikten mit dem Bedürfnis danach erklärt, die Mindestanforderungen des Tatbestands an die strafwürdige Un873 Abweichend Wahle, GA 1968, 97 (111). Es ist freilich unklar, warum mehrere Tatbestandsverwirklichungen durch eine natürliche Handlung auch bei „natürlicher Betrachtungsweise“ nicht Tateinheit, sondern nur Tatmehrheit begründen können sollen. 874 Vgl. nur S/S-Eser/Bosch, § 252 Rn. 1. 875 Ebenso Werle, S. 214. 876 Kühl, AT, § 21 Rn. 36; Baumann/Weber/Mitsch, § 36 Rn. 29 f.
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rechtseinheit anzupassen. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass über diese Grenze hinaus wiederum die Ausgliederungsmethode gilt. ee) Fazit Nach alledem ist die Teilidentitätsformel bei rechtlicher Handlungseinheit nur insoweit begründet, als sie die Untrennbarkeit der kleinsten Unrechtseinheit eines Tatbestands gewährleistet. Darüber hinaus vermag diese Formel keine Tateinheit zwischen mehreren selbständigen Straftaten zu begründen. Wenn sich der Dieb zum Abtransport der Beute durch Nötigung eines fremden Autos bemächtigt, stehen Diebstahl (§ 242) und Nötigung (§ 240) entgegen der h. M.877 nicht deshalb in Tateinheit, weil man wegnehmende und beutesichernde Handlungen als eine rechtliche Handlungseinheit und damit die Beutesicherung als den Beendigungszeitpunkt des Diebstahls betrachtet. Denn einerseits vermögen Sinn und Zweck des Diebstahls nicht das Unrecht der Nötigung zu erfassen und daher besteht zwischen beiden Straftaten keine rechtliche Handlungseinheit. Andererseits überschneidet sich die Nötigungshandlung mit keinem Bestandteil der kleinsten Unrechtseinheit eines Diebstahls und daher greift die hier vertretene Ausnahme nicht ein. Soweit keine natürliche Handlungseinheit zwischen Diebstahl und Nötigung vorliegt, stehen beide Straftaten in Tatmehrheit. Entsprechendes gilt, wenn der Täter einer Geldfälschung (§ 146) durch das Inverkehrbringen des gefälschten Geldes einen Betrug begeht. Hier vertritt die h. M. Tateinheit zwischen den §§ 146 und 263 mit der Begründung, dass das Fälschen und das Gebrauchmachen eine rechtliche Handlungseinheit und somit lediglich eine einzige Straftat begründe.878 Nach der hier vertretenen Ansicht ist hingegen lediglich zwischen dem Gebrauchmachen des Falschgeldes (§ 146 Abs. 1 Nr. 3) und dem Betrug (§ 263) Tateinheit anzunehmen, da nur insoweit eine natürliche Handlungseinheit besteht. Eine Ausnahme, um die Zerlegung der kleinsten Unrechtseinheit des § 146 zu vermeiden, greift hier ebenfalls nicht. Die vorhergehende Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1) für sich genommen ist eine selbständige Straftat, die mit den beiden nachfolgenden Straftaten im Verhältnis der Tatmehrheit steht. Bei der Gesamtstrafenbildung soll aber dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Tatbestandsverwirklichungen nach §§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 aus einem Entschluss entstanden sind. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Überschneidung von mehreren Tatbestandsverwirklichungen in der Beendigungsphase einer Straftat in der Regel keine rechtliche Handlungseinheit begründet. Diese Aussage gilt gleichermaßen für die tatbestandsmäßige und -lose Beendigungsphase. 877 878
Etwa Roxin, AT/2, § 33 Rn. 89. Etwa S/S-Sternberg-Lieben, § 146 Rn. 26.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
4. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Ob das Zusammentreffen von mehreren Tatbestandsverwirklichungen in der Beendigungsphase einer Straftat Handlungsidentität i. S. des § 52 erfüllt, ist grundsätzlich nur anhand der natürlichen und rechtlichen Handlungseinheit zu bestimmen.879 Die Teilidentitätsformel kann nur gerechtfertigt werden, wenn sie sich aus dem konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff ableiten lassen kann, der § 52 Abs. 1 zugrunde liegt. Geht man von dem hier favorisierten Verständnis der natürlichen und rechtlichen Handlungseinheit aus, ergibt sich aber, dass die Teilidentitätsformel keinen so weitgehenden Geltungsanspruch hat, wie die h. M. bisher angenommen hat. Gegenüber der natürlichen Handlungseinheit kommt dieser Formel keine Funktion zu, so dass sie eine entbehrliche Rechtsfigur ist. Die Handlungsidentität i. S. des § 52 ist daher anhand des zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhangs zwischen mehreren Gesetzesverletzungen zu bestimmen. Grundsätzlich lässt sich die Teilidentitätsformel auch nicht aus der rechtlichen Handlungseinheit ableiten, denn die Funktion der letzteren liegt nur darin, mehrere Handlungen desselben Unrechtstyps zu einer Straftateinheit zusammenzufassen. Die Teilidentitätsformel erweitert die Funktion der rechtlichen Handlungseinheit dahingehend, Tateinheit zwischen Tatbestandsverwirklichungen anzunehmen, die nicht zum selben Unrechtstyp gehören. Diese Ergänzungsfunktion beschränkt sich aber darauf, im Rahmen der Mindestvoraussetzung der Unrechtseinheit des Tatbestands Tateinheit zu begründen. Die Anwendung dieser Formel bewirkt nicht, dass die Straftat aufgrund der rechtlichen Handlungseinheit in ihrer Gesamtheit zur hinzutretenden Straftat ideal konkurriert, sondern nur, dass die Einzelakte innerhalb der kleinsten Unrechtseinheit aus der rechtlichen Handlungseinheit ausgegliedert werden. Obwohl die Teilidentitätsformel in der Konkurrenzlehre noch bedeutsam bleibt, entfaltet sie ihre Wirkung nicht im ganzen Vorgang der zeitlich gestreckten Straftateinheit, sondern nur innerhalb ihrer kleinsten Unrechtseinheit. Somit verliert der Beendigungsbegriff ebenfalls seine Bedeutung, weil er nur den letzten Zeitpunkt des gesamten Vorgangs einer Straftateinheit markiert.
II. Der Beendigungszeitpunkt der neuen Tat als maßgeblicher Begehungszeitpunkt für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 1) Schließlich ist die Frage nach dem maßgeblichen Begehungszeitpunkt der neuen Tat in § 55 Abs. 1 S. 1 zu behandeln.880 Danach ist die nachträg879
Im Ansatz ebenso Winkler, S. 116.
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liche Gesamtstrafenbildung nur zulässig, wenn der anderweitig rechtskräftig Verurteilte im späteren Verfahren wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Für die Entscheidung über die gesamte zu verbüßende Strafe macht es einen nicht unerheblichen Unterschied, ob § 55 eingreift oder nicht. Im bejahenden Fall erfolgt die Strafbemessung von realkonkurrierenden Straftaten nach dem Asperationsprinzip, mit der Folge, dass die zu verbüßende Strafe hinter der Summe der Einzelstrafen zurückbleiben muss (§§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1), und zudem nicht die im § 54 Abs. 2 S. 2 bestimmten absoluten Grenzen übersteigen darf.881 Wenn § 55 nicht zur Anwendung kommt, ist demgegenüber die Gesamtsumme der zu verbüßenden Strafe grundsätzlich nach dem Kumulationsprinzip zu entscheiden. Daher ist die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts der zweiten Tat i. S. des § 55 Abs. 1 für die Strafbemessung von großer Bedeutung. Für die Anwendbarkeit des § 55 kommt es neben der Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts der zweiten Tat noch darauf an, wie man den Begriff der „früheren Verurteilung“ bestimmt. Diese Frage darf aber angesichts ihrer geringen Relevanz für unsere Untersuchung dahingestellt bleiben.882 Unabhängig davon soll im Folgenden auf die Frage nach dem Begehungszeitpunkt der zweiten Tat eingegangen werden, die bisher in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet wird. 1. Meinungsstand Der maßgebliche Begehungszeitpunkt der zweiten Straftat lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen.883 Die Rechtsprechung884 stellt im Einklang mit der h. M. in der Lehre885 auf die Beendigung der Tat ab. Was unter dem Beendigungsbegriff genau zu verstehen ist, insbesondere, ob dafür eine tatbestandsmäßige Auslegung geboten ist, bleibt aber wegen fehlender Problematisierung im Schrifttum unklar.886 Allein festzustellen ist, 880 Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 214: „[ist] noch nicht eigens problematisiert worden“. 881 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 54 Rn. 3. 882 Vgl. nur NK-Frister, § 55 Rn. 3 f. 883 MK-Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16; Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 213. 884 RGSt 59, 168; BGH NJW 1997, 751; 1999, 1346; BGH bei Holtz MDR 1988, 101; Hamburg JR 2005, 345. 885 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 9; Maurach/Zipf, AT/2, § 56 Rn. 92; MKAmbos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16; Fischer, § 55 Rn. 7; HK-GS-Steinmetz, § 55 Rn. 14; LPK-Kindhäuser, § 55 Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 679. 886 Es sei anzunehmen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung unter dem hier verwendeten Beendigungsbegriff der Abschluss des rechtsverneinenden Verhaltens
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dass dieses Kriterium vor allem in der Fallgruppe der tatbestandsmäßigen Beendigung praktische Bedeutung hat. Dazu gehören die Fortsetzungstat, die rechtliche Handlungseinheit und die Bewertungseinheit sowie die Dauerdelikte. Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe bei dieser Fallgruppe ist nach h. M. nur dann möglich, wenn auch der letzte Teilakt der Straftat vor der früheren Verurteilung begangen worden ist. Wenn demgegenüber die Straftat sich auf einen Zeitraum vor und nach der Vorverurteilung erstreckt, scheidet die nachträgliche Gesamtstrafenbildung für sie insgesamt aus. Das Kriterium der Tatbeendigung lässt sich indes nicht auf die strafbare Versuchstat übertragen, auch wenn sie sich u. U. über einen gewissen Zeitraum erstreckt. Die Rechtsprechung887 und die überwiegende Lehrmeinung888 sehen die Versuchstat erst dann als „begangen“ i. S. des § 55 Abs. 1 S. 1 an, wenn feststeht, dass der Versuch zur Vollendung geführt hat. Wenn sich die Tat zur Zeit der früheren Verurteilung im Versuchsstadium befand und ungewiss ist, ob der Versuch zum Erfolg geführt hätte, gilt diese Tat als noch nicht begangen. Folglich schließt die Ungewissheit darüber, ob der Versuch zur Vollendung geführt hätte, die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe aus. Für diese Ansicht wird vor allem die Begründung angeführt, dass bei Ungewissheit der weiteren Entwicklung der Versuchstat mangels abschließend aburteilbarer Tat keine Einbeziehung in die frühere Verurteilung statthaft wäre889. Demgegenüber hält eine Mindermeinung den Vollendungszeitpunkt für maßgeblich.890 Vor allem wird gegen die h. M. eingewendet, dass das Abstellen auf den Beendigungszeitpunkt mit dem Grundgedanken des § 55 nicht im Einklang stehe, wonach allein maßgeblich sei, ob die nunmehr abzuurteilende Tat prozessual zulässig in das frühere Verfahren hätte einbezozu verstehen ist. Die Tatbestandsmäßigkeit des Beendigungszeitpunkts wäre demnach nicht erforderlich. Wenn man der im Vordringen begriffenen Differenzierungstendenz folgt, ist ein restriktives Verständnis des Beendigungsbegriffs notwendig. Denn es geht bei diesem Problem um die Bestimmung des Ausmaßes der Bestrafung. Das Hinausschieben des maßgeblichen Begehungszeitpunkts durch einen tatbestandslosen Beendigungszeitpunkt führt dazu, dass dem Täter weniger Möglichkeit nachträglicher Gesamtstrafenbildung zuerkannt wird. Wegen Art. 103 Abs. 2 GG dürfte diese straferschwerende Rechtsfolge nur mit einem tatbestandsmäßigen Beendigungsbegriff verbunden werden. 887 BGH NStZ 1994, 482; BGH NJW 1997, 750 f.; Hamburg JR 2005, 345 (346). 888 SK6-Samson/Günther, § 55 Rn. 6; Roxin, AT/2, § 33 Rn. 159. 889 Vgl. nur BGH NStZ 1994, 482; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 12. 890 Vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 7; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 12; SK6-Samson/Günther, § 55 Rn. 6; Roxin, AT/2, § 33 Rn. 159; Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 214.
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gen werden können.891 Da die prozessuale Möglichkeit der Einbeziehung der neuen Straftat auf jeden Fall bereits ab dem Zeitpunkt der Vollendung eröffnet sei, reiche es für die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe aus, dass die neue Straftat vor dem früheren Urteil vollendet sei. Danach bestimme sich der Begehungszeitpunkt i. S. des § 55 Abs. 1 Satz 1 im Falle der Dauerdelikte nicht nach ihrer Beendigung, sondern nach ihrer Vollendung. Es reiche also für die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe aus, dass zum Zeitpunkt des früheren Urteils durch Handeln oder Unterlassen des Täters ein andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen war.892 Aus demselben Grundgedanken folgern einige Autoren893 auch in Versuchsfällen, in denen der Eintritt der Vollendung zur Zeit der früheren Verurteilung noch ungewiss ist, dass ab dem Vorliegen eines strafbaren Versuchs diese Tat tatsächlich abgeurteilt werden könne. Denn § 55 eröffne gerade dem späteren Tatrichter eine sinnvolle Möglichkeit, bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung die Umstände zu berücksichtigen, die hinsichtlich des Fehlschlagens oder des Eintritts des tatbestandlichen Erfolgs erst nach der früheren Verurteilung eingetreten seien.894 Unabhängig von dem oben genannten Streit über den Begehungszeitpunkt ist es fast unstreitig, dass es für den Begehungszeitpunkt der Straftat des Teilnehmers allein auf die Vollendung895 bzw. Beendigung896 der von ihm unterstützten Haupttat ankommt. Demnach ist die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 abzulehnen, wenn sich die Haupttat zur Zeit der früheren Verurteilung des Gehilfen noch im Versuchsstadium befand und ungewiss war, ob der Versuch zum Erfolg führen wird, da die Haupttat nicht vor der Verurteilung „begangen“ worden ist.897 Werle und Jeßberger stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, dass sich der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers allein nach seinem Teilnahmeakt richtet.898 Sie machen geltend, dass die überwiegende Auffassung mit § 8 unvereinbar sei, weil dort die Tatzeit der Teilnahme von der Begehung der Haupttat 891
Vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 7; NK-Frister, § 55 Rn. 5. Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 219. 893 NK-Frister, § 55 Rn. 9; Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 214; MK-v. HeintschelHeinegg, § 55 Rn. 7; Lackner/Kühl, § 55 Rn. 4; Streng, JR 2005, 346 (347); SSWStGB/Eschelbach, § 55 Rn. 9. 894 Vgl. Streng, JR 2005, 346 (347); LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 15; A. A. MKAmbos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16. 895 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 12; NK-Frister, § 55 Rn. 5; MKv. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 7. 896 BGHR § 55 Absatz 1 Begehung 1; BGH bei Holz MDR 1988, 101; Stuttgart MDR 1992, 177; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 11; Fischer, § 55 Rn. 7; MK-Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16; HK-GS-Steinmetz, § 55 Rn. 14. 897 BGH NStZ 1994, 482. 898 LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 15. 892
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und überdies die Tatzeit der Haupttat bei Erfolgsdelikten vom Eintritt des Erfolgs unabhängig gemacht werde899. 2. Die Ableitung des Begehungszeitpunkts aus dem Grundgedanken der nachträglichen Gesamtstrafenbildung a) Der Begehungszeitpunkt des Täters Zunächst ist auf den Begehungszeitpunkt des Täters i. S. des § 55 Abs. 1 S. 1 einzugehen. Dazu stellt der Gesetzgeber in § 8 darauf ab, wann der Täter gehandelt hat oder im Fall des Unterlassens hätte handeln müssen. Für die Tatzeit ist der Eintritt des Erfolgs irrelevant. Anders als die schon besprochene Vorschrift des § 78 a ist dem Wortlaut des § 55 kein ausdrücklicher Hinweis zu entnehmen, dass § 8 im Rahmen des § 55 verdrängt wird.900 Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dass der Begehungszeitpunkt der zweiten Tat in § 55 sich nach § 8 bestimmt. Erstaunlich ist allerdings, dass bisher Rechtsprechung und Literatur insofern von den Vorgaben des § 8 ganz oder teilweise abgesehen haben, als der maßgebliche Zeitpunkt der abzuurteilenden Straftat in § 55 Abs. 1 entweder auf die Beendigung oder auf die Vollendung abgestellt wird, womit § 55 Abs. 1 implizit als Sonderregelung des § 8 interpretiert wird.901 Diese dem Wortlaut des § 55 nicht entgegenstehende Auslegung hat wohl ihren Grund in der Zielsetzung des Instituts nachträglicher Gesamtstrafenbildung. Ob dies der Fall ist, bleibt zu prüfen. aa) Unabhängigkeit der Gesamtstrafenbildung von prozessualen Zufälligkeiten Der Grundgedanke des § 55 beruht nach allgemeiner Ansicht darauf, dass das Ausmaß der Bestrafung nicht davon abhängen soll, ob Taten, die gleichzeitig hätten abgeurteilt werden können, auch tatsächlich gleichzeitig abgeurteilt worden sind. Und zwar sollen Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist.902 Die Nachholmöglichkeit gemäß 899 LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 19. Lackner/Kühl, § 55 Rn. 4 hält die h. M. für „wenig überzeugend“. 900 Zutreffend MK-Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16. 901 Ausdrücklich so LK-Werle/Jeßberger § 8 Rn. 2. 902 BGHSt 32, 190 (193); vgl. ferner BGHSt 7, 180 (181); 8, 203 (204 f.); 17, 173 (174 f.); Baumann/Weber/Mitsch, § 36 Rn. 38; Ebert, S. 229. Kritisch dazu
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§ 55 macht die Gesamtstrafenbildung von prozessualer Zufälligkeit frei. Demnach ist die Voraussetzung für § 55 Abs. 1 S. 1, dass der Täter die nun abzuurteilende Straftat „vor der früheren Verurteilung begangen hat“, nur gegeben, wenn diese Straftat in das frühere Verfahren hätte einbezogen werden können. Die Möglichkeit der prozessual statthaften Einbeziehung der Straftat in das frühere Verfahren ist damit das entscheidende Kriterium für den maßgeblichen Begehungszeitpunkt. Auch wenn Einigkeit über diesen Grundgedanken besteht, ist streitig, was genau unter der Einbeziehungsmöglichkeit in das frühere Verfahren zu verstehen ist. Festzustellen ist lediglich, dass damit nicht die tatsächliche Verfolgbarkeit der abzuurteilenden Tat zum Zeitpunkt der Vorverurteilung gemeint ist. Denn allgemein anerkannt ist, dass beim Antragsdelikt der Zeitpunkt der Antragstellung für die Bestimmung des Begehungszeitpunkts ohne Bedeutung ist.903 Daher steht das Fehlen des notwendigen Antrags zum Zeitpunkt der Vorverurteilung der Gesamtstrafenfähigkeit eines davor begangenen Antragsdelikts nicht entgegen, weil gerade die Tatsache, wann der Antragsberechtigte den notwendigen Antrag stellt, eines der prozessualen Elemente des Zufalls ist, dessen Einfluss auf die Bildung der Gesamtstrafe der Gesetzgeber durch § 55 verhindern will. Insoweit ist davon auszugehen, dass allein maßgeblich für die Anwendung des § 55 ist, ob eine gleichzeitige Aburteilung „unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten“ möglich ist.904 Dazu gehen die Auffassungen auseinander. Die Rechtsprechung betrachtet die Einbeziehungsmöglichkeit aus ex ante Sicht des früheren Tatrichters und stellt damit auf den endgültigen Abschluss der abzuurteilenden Vollendungs- oder Versuchstat ab, weil er nur beim Abschluss des „Schuldumfangs“ diese Straftat in sinnvoller Weise mit abgeurteilt hätte. „Andernfalls würde an die Stelle der durch § 55 StGB intendierten Ausschaltung von Zufällen das zufällige Moment treten, in welchem Stadium des Tatgeschehensablaufes über eine andere Tat verhandelt wird und dort die gleichsam noch nicht zum Ruhen gekommene Tat als versucht oder vollendet abgeurteilt wird“.905 Die Gegenauffassung vertritt zumindest bezogen auf Vollendungstat die Betrachtung ex post durch den späteren Tatrichter.906 Damit ist die Einbeziehungsmöglichkeit der nun abzuurteilenden Tat in das frühere Verfahren unabhängig von den tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten des früheren Tatrichters anzunehmen. NK-Frister, § 55 Rn. 1 f. Ferner vgl. Bringewat, StV 1993, 47 f.; ders., JR 1999, 514 (515). 903 Insoweit unstreitig vgl. nur MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 8. 904 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 8; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 12; NK-Frister § 55 Rn. 6. 905 OLG Hamburg JR 2005, 345 (346). 906 LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 19; a. A. MK-Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 16.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
Die letztere Ansicht verdient m. E. Zustimmung. Laut Frister gibt es keinen prozessualen Grundsatz, nach dem ein Verfahren solange nicht durchgeführt werden darf, wie die Tat qualifizierende Umstände noch eintreten können.907 Die minimale Bedingung für die Aburteilung der zweiten Tat im früheren Verfahren geht nur dahin, dass sie bereits als strafbare Handlung im materiell-rechtlichen Sinn qualifiziert werden kann. Ob es tatsächlich möglich ist, diese Straftat vor der Verurteilung wegen anderer Straftaten zu erkennen, ist gerade mit Rücksicht auf § 55 ohne Belang. Denn es kommt in der Regel auch auf zufällige Vorgänge inner- oder außerhalb des Verfahrens (etwa Fund der versteckten Leiche, Bereitschaft des Zeugens auszusagen, Nachlässigkeit der polizeilichen Ermittlungen usw.) an, ob der frühere Tatrichter diese Straftat hätte erkennen können. Die Vorschrift des § 55 bezweckt gerade, dass möglichst solche Zufälligkeiten keinen Einfluss auf die Bildung der Gesamtstrafe nehmen. Die pragmatische Erwägung der Rechtsprechung, dass erst beim endgültigen Abschluss der abzuurteilenden Tat eine zweckmäßige Gesamtstrafe durch den früheren Tatrichter gebildet werden könne, geht an der eigentlichen Zwecksetzung des § 55 vorbei. Zudem hat der frühere Tatrichter beim Bekanntsein der unbeendeten Tat kein Recht, die Einbeziehung dieser Tat abzulehnen. Es wäre eine von § 55 versagte Schlechterstellung des Täters, wenn allein wegen der Unbeendetheit seiner Tat vor der Vorverurteilung die Bildung der Gesamtstrafe ausbleiben müsste. Schließlich kann man unter pragmatischen Erwägungen mit Streng vertreten, dass eine solche vor der Vorverurteilung noch nicht endgültig abgeschlossene Tat durch § 55 nachholend in die Gesamtstrafenbildung einzubeziehen ist. Denn nur insoweit können die Umstände der nachfolgenden Entwicklung der Straftat, die bei Vorverurteilung wegen der Ungeklärtheit nicht vollständig beurteilbar waren, bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden.908 Entscheidend für den Begehungszeitpunkt der zweiten Straftat ist daher, dass sie vor der Vorverurteilung die Schwelle der Strafbarkeit überschritten hat.909 Es spielt keine Rolle, ob sie Vollendungs- Versuchs- oder sogar Vorbereitungstat ist. Eine von § 8 abweichende Auslegung ist insoweit geboten, 907
NK-Frister, § 55 Rn. 5; ebenso Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 214. Vgl. Streng, JR 2005, 346 (347); sachlich ebenso LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 19. 909 Entgegen der h. M. (LK-Rissing-van Sann, § 55 Rn. 10; S/S-Stree/SternbergLieben, § 55 Rn. 12; HK-GS/Steinmetz, § 55 Rn. 14; Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 215) ist die Straftat erst dann gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 begangen werden, wenn die objektive Bedingung der Strafbarkeit und alle übrigen Tatbestandsmerkmale erstmals verwirklicht sind. Denn beim Fehlen des Bedingungseintritts ist überhaupt keine Straftat vorhanden und damit ist die rechtswidrig tatbestandsmäßige Handlung als solche auch unter dem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt noch nicht gesamtstrafenfähig. Ein anderes Ergebnis könnte man nur dann begründen, wenn es sich 908
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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als beim Erfolgsdelikt erst der Eintritt des Erfolgs die Strafbarkeit konstituiert. Die Bedeutungslosigkeit der Tatbeendigung für die Einbeziehungsmöglichkeit in das frühere Verfahren und somit für die Beurteilung des Zeitpunkts der Begehung einer vollendeten Tat i. S. des § 55 Abs. 1 S. 1 lässt sich jedenfalls nachweisen. Spätestens zum Zeitpunkt der erstmaligen vollständigen Verwirklichung des Tatbestands ist die vollendete Tat begangen. Entsprechendes gilt auch für eine versuchte Tat, soweit sie strafbar ist.910 bb) Missachtung der Warnfunktion der Vorverurteilung Die prozessuale Voraussetzung für die Gesamtstrafenbildung, dass mehrere Straftaten gleichzeitig in einem Verfahren abgeurteilt werden könnten, begründen Teile des Schrifttums zusätzlich damit, dass der Täter den Vorteil der Bildung der Gesamtstrafe nicht verdient, wenn er die abzuurteilende Straftat unter Missachtung der Warnfunktion der früheren Verurteilung begangen hat.911 Die quasi strafschärfende Folge wegen Unanwendbarkeit der §§ 53, 55 rechtfertigt sich also damit, dass der Täter trotz der Vorverurteilung wiederum seinen Tatentschluss in die Tat umsetzt und damit erhöhte Verwerflichkeit aufweist. Dieser Grundgedanke ist im Schrifttum umstritten und mit beachtlicher Begründung auf Ablehnung gestoßen. Wenn man vorübergehend vom Gedanken der Warnfunktion der Vorverurteilung ausgeht, ist festzustellen, dass es für den Ausschluss der Gesamtstrafenbildung auf den Umstand ankommt, dass dem Verurteilten die frühere Verurteilung zum Zeitpunkt der Verübung einer abermaligen Straftat bekannt war. Nur wenn der Täter auch trotz Bekanntsein der Verurteilung seinen Tatentschluss in die Tat umsetzen würde, ist der erhöhte Schuldgehalt des Täters zu begründen. Demzufolge geht es bei dem Begehungszeitpunkt nicht allein um den endgültigen Tatabschluss, sondern um den Zeitpunkt der Umsetzung des Tatentschlusses. Danach ist bei einer Versuchstat, in der der Täter vor der Vorverurteilung seinen Tatentschluss bereits strafbar in die Tat umgesetzt hat, keine Rede von der Missachtung der Warnfunktion der Verurteilung. Der Umstand, dass die Versuchstat sich erst nach der Vorverurteilung als fehlgeschlagen erweist, oder zum Taterfolg führt, schließt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe nicht aus. Denn es wäre im Hinblick auf die Warnfunktion der Verurteilung unangemessen, bei der objektiven Strafbarkeitsbedingung lediglich um prozessuale Opportunitätserwägungen handelte (so etwa LK-T. Walter, Vor § 13 Rn. 183 f.). 910 Ebenso SK5-Samson, § 55 Rn. 4. A. A. Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 214 mit Fn. 63. 911 BVerfG NStZ 1999, 500; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 5, 15; Stree, NStZ 1999, 184 (185). Wohl zustimmend MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 3. Ähnlich Streng, Sanktionen, Rn. 528.
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
wenn man diese Versuchstat allein wegen der vom Täter unkontrollierbaren nachfolgenden Entwicklung des Tatgeschehens als eine strafbedürftigere und daher dem Strafrabatt entzogene Tat ansähe.912 Insoweit entspricht die Auslegung des § 55 Abs. 1 der Vorgabe des § 8, wonach für die Tatzeit allein die Tätigkeit des Täters maßgeblich ist.913 Dieser Gedanke gilt grundsätzlich auch für die Vollendungstat. Soweit der Täter bei Umsetzung des Tatentschlusses auch die Warnung der Vorverurteilung nicht außer Acht gelassen hat, ist § 55 anzuwenden.914 Problematischer ist der Fall eines vollendeten Dauerdelikts. Zum Beispiel hat ein Täter bei Freiheitsberaubung (§ 239) schon vor der Vorverurteilung das Opfer in einer Wohnung eingesperrt und es erst danach freigelassen. Charakteristisch für diese Vollendungstat ist, dass der Tatbestand des § 239 während der Einsperrung des Opfers wiederholt verwirklicht ist, also der Täter seinen Tatentschluss wiederholt in die Tat umgesetzt hat. Während die Vorverurteilung gegenüber dem Täter bei der erstmaligen Verwirklichung des Tatbestands noch keine Warnfunktion entfalten konnte, gilt dies nicht für die der Vorverurteilung nachfolgende Einsperrung des Opfers, da der Täter nunmehr unter Missachtung der Warnung der Vorverurteilung seinen Tatentschluss weiterhin durchsetzt. Wenn man dem Beendigungskriterium folgt, entzieht sich die gesamte Freiheitsberaubung dem Strafrabatt durch nachträgliche Gesamtstrafenbildung. Dieses härtere Ergebnis erscheint unangemessen, weil hier der Täter nur teilweise unter Außerachtlassen der Warnfunktion der Vorvurteilung seinen Tatentschluss in die Tat umsetzt. Wie man diesen Fall nach dem Kriterium der Vollendung behandelt, hat die Lehre keine präzise Lösung gefunden. Eine am Gedanken der Warnfunktion orientierte Behandlung dieses Falls wäre, dass die einheitliche Freiheitsberaubung durch die Zäsurwirkung der Vorverurteilung wegen einer anderen Straftat aufzuspalten ist. Demzufolge ist die Gesamtstrafe der Freiheitsberaubung mit der verurteilten Straftat nur insoweit nachträglich zu bilden, als sie vor der Vorverurteilung begangen wurde. Denn insofern hat die Vorverurteilung noch keine Warnfunktion und der Strafrichter hätte sie mit aburteilen können. Die übrige Freiheitsberaubung, die erst nach der Zäsur stattfindet, darf in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht einbezogen, sondern nur als selbständige Straftat gewertet werden, da diesem Teil der Straftat ein erhöhter Schuldgehalt zugemessen wird. Insoweit ist auf der Grundlage des Vollendungskriteriums unter dem Vollendungsbegriff nicht nur die erstmalige Tatbestandsverwirklichung des 912
Ebenso Streng, JR 2005, 346 (347). Streng, JR 2005, 346 (347). 914 Eine Korrektur des § 8 ist aber insoweit notwendig, als die Strafbarkeit den Eintritt eines Erfolgs oder einer Bedingung der Strafbarkeit erfordert. 913
E. Beendigungsbegriff und Konkurrenzlehre
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gesamten Dauerdelikts zu verstehen, sondern die jeweilige Tatbestandsverwirklichung durch das jeweilige Verhalten.915 Damit wird dem Einzelakt, oder zumindest dem einzelnen Ausschnitt eines Dauerdelikts gewissermaßen Eigenständigkeit zugeschrieben. Man könnte gegen diese Konstruktion anführen, dass sie mit der Einheitlichkeit eines Dauerdelikts nicht vereinbar ist, wobei der Einzelakt seine Eigenständigkeit bei der Bewertung verliert. Dieser Einwand berücksichtigt aber nicht, dass die Einheitlichkeit des Dauerdelikts – oder die Unselbständigkeit des Einzelakts – nicht naturgegeben ist, sondern sich auf die Erwägung schuldangemessener Bestrafung stützt. Daher steht das Dauerdelikt von vornherein der Aufspaltung nicht entgegen, wenn die eigenständige Bewertung des Einzelakts oder eines Ausschnitts des Dauerdelikts für eine schuldangemessene Bestrafung notwendig ist. Dies ist, wie man sieht, gerade in diesem Zusammenhang zu bejahen. Die hier vertretene Auffassung scheitert nicht daran, dass über die Warnfunktion der früheren Verurteilung gestritten wird. Gegen die Warnfunktion wird eingewendet, dass sie nach Aufhebung der Vorschrift des Rückfalls (§ 48 a. F.), die an die fiktiv erhöhte Schuld anknüpft, nicht zeitgemäß sei. Außerdem sei es mit dem Umstand nicht zu vereinbaren, dass § 55 Abs. 2 Satz 1 die Möglichkeit der Korrektur zufälliger Verfahrensgestaltung auf das letzte (und eben nicht erste) tatrichterliche Urteil beschränkt.916 Aus diesen Einwänden entstehen vor allem Zweifel an der gesetzlich vorgeschriebenen Zäsurwirkung der Verurteilung. Man sieht z. T. darin „keinen vernünftigen kriminalpolitischen Grund“.917 Demzufolge sollte man vor der Gesetzesreform de lege lata die Möglichkeit nachträglicher Gesamtstrafenbildung großzügig behandeln, um in größerem Maße dem Grundgedanken der Gesamtstrafenbildung zu entsprechen. Daher steht die Kritik am Gedanken der Warnfunktion der Verurteilung nicht entgegen, sondern sorgt sogar dafür, das den Täter belastende Kriterium der Tatbeendigung durch das hier favorisierte zu ersetzen. b) Der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers Schließlich ist die Frage nach dem Begehungszeitpunkt des Teilnehmers i. S. des § 55 Abs. 1 zu beantworten. Dass der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers im Rahmen des § 55 nach h. M. abhängig von dem des Täters ist, bedarf näherer Begründung, da sich die Tatzeit bei Teilnahme gemäß § 8 915
Insoweit unklar Streng, JR 2005, 346 (347). Frister, StV 1993, 431 (432); S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 1. Vgl. ferner BGH NJW 1999, 171; Bringewat, Gesamtstrafe, Rn. 227; NK-Frister, § 55 Rn. 3; Remmele, NJW 1974, 1855 f. Dagegen wiederum Stree, NStZ 1999, 184 (185). 917 Frister, StV 1993, 431 (432). 916
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
allein nach dem Teilnahmeakt richtet, ohne mit der Tatzeit des Täters zusammenfallen zu müssen.918 Das Gleiche ergibt sich aus dem Gedanken der Warnfunktion der Verurteilung, da es für die Missachtung der Verurteilung durch den Teilnehmer unerheblich ist, wann der unterstützte Täter handelt oder unterlässt. Allerdings ist dieses Ergebnis mit dem anerkannten Grundgedanken des § 55 unvereinbar, weil für die prozessuale Einbeziehungsmöglichkeit der abzuurteilenden Teilnahme durch den früheren Tatrichter deren Strafbarkeit erforderlich ist.919 Dementsprechend bestimmt sich der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers danach, wann seine Strafbarkeit am frühesten begründet ist. Damit lässt sich der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung der Haupttat hinausschieben, vielmehr liegt er spätestens im Zeitpunkt der Vollendung der Haupttat. Wenn sich der unterstützte Haupttäter schon mit dem Versuch strafbar gemacht hat, dann wird die Teilnahme an dieser Haupttat beim unmittelbaren Ansetzen des Haupttäters begangen. Beim Anstifter ist sogar ein früherer Begehungszeitpunkt denkbar, weil die versuchte Anstiftung gemäß § 30 Abs. 1 als eine verselbständigte Vorbereitungshandlung920 schon strafbar ist, soweit der „Anstifter“ zur Bestimmung des anderen zum Begehen eines Verbrechens unmittelbar angesetzt hat. Insoweit spielt die Handlung des Haupttäters für die Bestimmung des Begehungszeitpunkts der versuchten Anstiftung keine Rolle. Im Ergebnis bestimmt sich der Begehungszeitpunkt des Teilnehmers i. S. des § 55 Abs. 1 S. 1 weder nach der Beendigung der Haupttat noch nach der Beendigung der Teilnahmehandlung. 3. Konsequenzen für den Beendigungsbegriff Der maßgebliche Begehungszeitpunkt i. S. des § 55 Abs. 1 Satz 1 wird bei Täter und Teilnehmer nicht auf die Tatbeendigung der Haupttat, sondern jeweils auf den frühesten Zeitpunkt der Strafbegründung bezogen. Dies erklärt sich vor allem mit dem Grundgedanken dieser Vorschrift, dass die Gesamtstrafe unabhängig von prozessualen Zufälligkeiten zu bilden sein soll. Soweit der frühere Tatrichter die zweite Tat mit aburteilen können hätte, ist eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung zuzulassen. Entscheidend ist daher, dass die Strafbarkeit der Tat vor der Verurteilung im materiell-rechtlichen Sinne begründet wird. Eine entscheidende Rolle kommt dem Beendigungsbegriff bei der Bestimmung des Begehungszeitpunkts jedenfalls nicht zu. 918 Vgl. LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 15; MK-Ambos/Ruegenberg, § 8 Rn. 6; S/S-Eser/Hecker, § 8 Rn. 5; a. A. NK2-Lemke, § 8 Rn. 12. 919 Unrichtig daher LK-Werle/Jeßberger, § 8 Rn. 19, wonach § 8 in diesem Zusammenhang unmittelbar angewendet werden soll. 920 Vgl. nur MK-Joecks, § 30 Rn. 1.
F. Zusammenfassung des dritten Teils
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III. Zusammenfassung Dieses Kapitel hat klargestellt, dass der Beendigungsbegriff bei den angesprochenen Konkurrenzproblemen keine entscheidende Rolle spielt. Bei der Beurteilung des Merkmals „dieselbe Handlung“ in § 52 sind neben der natürlichen Handlung allein die Begriffe der natürlichen und rechtlichen Handlungseinheit entscheidend. Tateinheit ist nur dann anzunehmen, wenn mehrere selbständige Tatbestandsverwirklichungen entweder im zeitlich-situativ-voluntativen Zusammenhang i. S. einer natürlichen Handlungseinheit stehen, oder sich im Rahmen der kleinsten Unrechtseinheit des Tatbestands überschneiden. Dass der Begriff der Tatbeendigung vermeintlich bedeutsam ist, liegt daran, dass die h. M. die Formel der Teilidentität der Ausführungshandlungen nicht im Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Begriffen der Handlungseinheit sieht. Es wird daher zumeist übersehen, dass diese Formel insbesondere nicht ohne weiteres mit der Figur der rechtlichen Handlungseinheit zu begründen ist. Des Weiteren ist die h. M., wonach die Beendigung der nunmehr abzuurteilenden Straftat der entscheidende Zeitpunkt des § 55 Abs. 1 S. 1 sei, abzulehnen. Diese von den gesetzlichen Vorgaben des § 8 abweichende Ansicht stimmt mit dem Grundgedanken des § 55 nicht überein. Weil die Gesamtstrafenbildung von prozessualen Zufälligkeiten unabhängig gemacht werden soll, ist es für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts der abzuurteilenden Straftat entscheidend, ob sie für den für die Vorverurteilung zuständigen Strafrichter mit aburteilbar ist. Die Aburteilungsmöglichkeit wird jedenfalls nicht erst mit der Beendigung der zweiten Straftat eröffnet. Aus dem umstrittenen Gesichtspunkt, dass der Grund für die Zäsurwirkung der Vorverurteilung in der Missachtung der Warnfunktion durch den Täter liegt, ist die Maßgeblichkeit des Beendigungszeitpunkts der zweiten Straftat auch nicht abzuleiten. Man kann von Missachtung der Warnfunktion der Verurteilung frühestens zum Zeitpunkt der Umsetzung des Tatentschlusses sprechen. Die Durchführung der Straftat bis zur Tatbeendigung ist insofern irrelevant.
F. Zusammenfassung des Dritten Teils Aus dieser rechtsbereichsspezifischen Untersuchung ist im Ergebnis festzuhalten, dass der Begriff der Tatbeendigung sich in den ausgewählten Rechtsbereichen entweder als entbehrliche bzw. zumindest unpräzise Rechtsfigur darstellt. Die Entbehrlichkeit des Beendigungsbegriffs ergibt sich daraus, dass die Tatvollendung der maßgebliche Zeitpunkt ist. Hierzu gehören die Tat-
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3. Teil: Beendigungsbegriff in weiteren Rechtsbereichen
bestandsmerkmale „bei der Tat“ (§§ 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a) und „bei dem [Diebstahl]“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 1), wonach der qualifizierende Umstand bei der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung des Grunddelikts eintreten muss. Das Gleiche gilt für die Tatbestandsmerkmale „Straftat“ (§ 25 Abs. 2) und „rechtswidrige Tat“ (§§ 26, 27), wonach als beteiligungsfähige Tat jede Tatbestandsverwirklichung im formellen Sinne zu verstehen ist. Das Abstellen auf die formelle Tatbestandsverwirklichung in diesem Zusammenhang bedeutet nicht nur, dass dem Zeitpunkt der tatbestandslosen Beendigung keine rechtliche Relevanz zukommt. Es bedeutet darüber hinaus, dass bei den Konstellationen sich wiederholender Tatbestandsverwirklichung (inklusive des Dauerdelikts) die Frage, ob mehrere formelle Tatbestandsverwirklichungen zu einer einzigen Straftat zusammengefasst werden können, nur ein Konkurrenzproblem darstellt. Mithin ist der Beendigungsbegriff für diese Tatbestandsmerkmale völlig unerheblich. Der Beendigungsbegriff ist zum anderen deswegen entbehrlich, weil die Gliederung der Entwicklungsphase einer Straftat für die einzelnen Tatbestandsmerkmale unmaßgeblich ist. Die Mehrheit der in Rede stehenden Probleme fällt in dieser Fallgruppe. Erstens kann der spezifische Gefahrverwirklichungszusammenhang beim erfolgsqualifizierten Delikt nicht ohne weiteres bejaht werden, wenn der qualifizierende Erfolg durch ein vollendetes Grunddelikt verursacht wird. Der Anknüpfungspunkt für diesen Gefahrzusammenhang besteht vielmehr in derjenigen Tathandlung (etwa § 250: die raubspezifischen Nötigungsmittel des § 249), in der die spezifische Gefahr des Grunddelikts enthalten ist. Zweitens ist für die sog. zeitliche Abgrenzung zwischen der Beteiligung an der Vortat und der Anschlusstat weder die Beendigung noch die Vollendung der Vortat maßgeblich. Gegen ein solches tatbestandliches Exklusivverhältnis spricht die Selbständigkeit des Anschlussdelikts gegenüber der Vortatbeteiligung. Im Einzelnen stellt der Tatbestand der Begünstigung (§ 257) die Erlangung der strafrechtswidrigen Vorteile unter Strafe, schützt die Strafvereitelung (§ 258) die Durchsetzung des staatlichen Anspruchs der Strafverhängung bzw. Maßnahmeanordnung, und sanktioniert die Hehlerei (§ 259) die Verfestigung der rechtswidrigen Vermögenslage. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Vortatbeteiligte vor dem Abschluss der Vortat schon den Tatbestand des Anschlussdelikts verwirklicht. Drittens gilt nicht der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, sondern der der Vornahme der Tathandlung als maßgeblich für die Vorsatzbildung (§ 16 Abs. 1 i. V. m. § 8). Das Merkmal „bei der Begehung der Tat“ erfasst die Beendigungsphase der Tat nicht. Viertens ist der Beendigungsbegriff ebenso wenig bedeutsam für die Konkurrenzlehre: Die (Teil-)Identität der Handlungseinheit i. S. des § 52 Abs. 1 kann nur aus dem spezifisch konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff abgeleitet werden, der weiterreichend als der Handlungsbegriff der Tatbestands-
F. Zusammenfassung des dritten Teils
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lehre zu verstehen ist. Ob die tatbestandsmäßige Handlung über die Vollendung hinaus erst zum endgültigen Abschluss kommt, hat mit der Beurteilung der Handlungsidentität nichts zu tun. Der maßgebliche Zeitpunkt der abzuurteilenden Tat i. S. des § 55 Abs. 1 kann entweder in der Vollendung oder in dem Versuch der Tat liegen; die Maßgeblichkeit der Tatbeendigung kann jedenfalls nicht aus dem Grundgedanken der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gefolgert werden. Der Beendigungsbegriff kann in den übrigen Problemzusammenhängen wesentlich sein. Die Heranziehung des Beendigungsbegriffs leidet freilich an Unbestimmtheit. Dies gilt zuerst für die Reichweite der „Tatfrische“ i. S. des § 252. Statt des Beendigungsbegriffs sollte die äußere Zeitgrenze dieses Anschlussdelikts aus dem subjektiven Tatbestandsmerkmal der Beutesicherungsabsicht entnommen werden können. Das Kriterium der „Sicherung des Gewahrsams an der Beute“ ist deswegen vorzugswürdig, weil es einen konkreteren Inhalt hat und im Gesetzestext verankert ist. Die Tatbeendigung kann außerdem nicht generell als Gegenstand des Anstiftervorsatzes angesehen werden. Bei der Problematik des agent provocateur kann die Erweiterung des Gegenstands des Anstiftervorsatzes nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen es bei der angestifteten Haupttat um ein Delikt mit überschießender Innentendenz geht. Es ist daher vorzugswürdig, für den Anstiftervorsatz unmittelbar darauf abzustellen, dass der Anstifter persönlich auch diese überschießende Innentendenz aufweist. Damit konnte genügend aufgezeigt werden, dass der Beendigungsbegriff in den ausgewählten Rechtsbereichen außerhalb des Verjährungs- und intertemporalen Strafanwendungsrechts verzichtbar ist. Ohne die Heranziehung des Beendigungsbegriffs könnte man sachgemäßer mit dem Kern des Problems der einzelnen Rechtsbereiche umgehen.921 Die verwirrende Auswirkung des Beendigungsbegriffs liegt gerade darin, dass man den Blick nur darauf beschränkt, wie man mit dem Beendigungsbegriff umgeht, der jeweils entscheidende Gesichtspunkt im einzelnen Problemzusammenhang jedoch vergessen oder bewusst ausgeblendet wird. 921 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 30 will den Begriff der Tatbeendigung außerhalb des § 78 a nicht verabschieden, weil „er mit der Kennzeichnung einer über die formelle erste Vollendung hinaus reichende Phase deren Problematik gerade hervorhebt, ohne über die Berechtigung auf diese Spanne bezogener Folgen schon etwas auszusagen“. Diese Ansicht verdient keine Zustimmung. Zum einen vernachlässigt Hillenkamp, dass der Beendigungsbegriff in den meisten diskutierten Problemen gesetzlich nicht verankert ist. Insoweit kann keine Rede von seiner „Daseinsberechtigung“ sein. Zum anderen bleibt die Tatsache unberücksichtigt, dass gerade erst durch die dem Beendigungsbegriff zugrundeliegende Vorstellung der Straftateinheit viele überflüssige dogmatische Schwierigkeiten hervorgerufen werden. Die Verwendung des Beendigungsbegriffs ist für die Problemlösung nicht hilfreich, sondern schädlich.
Gesamtergebnis Die vorliegende Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, dass bisher keine strafrechtliche Rechtsfolge aus dem Beendigungsbegriff als dem Abschluss einer Straftateinheit resultiert. Der in § 2 Abs. 2 und in § 78 a S. 1 vorgesehene Beendigungsbegriff bezieht sich nicht auf die Straftateinheit, sondern auf das jeweilige tatbestandliche Verhalten. Wo der Gesetzgeber den Beendigungsbegriff nicht verwendet hat, ergibt sich die jeweilige Rechtsfolge aus der Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung, die keineswegs durch den übergesetzlichen und unbestimmten Beendigungsbegriff ersetzt oder konkretisiert werden darf. Soweit dem Beendigungsbegriff keine strafrechtliche Relevanz zukommt, stellt sich kein Problem, wie dieser Begriff mit Rücksicht auf den Tatbestand des einzelnen Delikts umzusetzen ist. Die bisherige Beendigungslehre hat jedoch den fehlenden Begründungszusammenhang zwischen Beendigungsbegriff und seinen angeblichen Konsequenzen übersehen. Die Bemühungen um die Begriffsbestimmung der Tatbeendigung sind daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Für die Strafrechtsdogmatik ist es an der Zeit, einen endgültigen Abschied vom Beendigungsbegriff zu nehmen.
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Stichwortverzeichnis Abschluss einer Straftateinheit 29, 37–38, 42, 70, 82, 85, 88–89, 102–105, 141–142, 233, 296 Absichtsdelikt 23, 56–61, 63, 79–82, 235, 241–242, 257, 262–263 Absichtsverwirklichung 46, 56–57, 59 agent provocateur 26, 229–233, 237, 241, 255, 295 – Anstiftervorsatz 26, 229, 232–235, 237, 239, 241–242, 246–247, 254–255, 295 – Beendigungsvorsatz 233–234, 236, 246 – Vollendungsvorsatz 233, 235, 246 Akzessorietät der Teilnahme 215 Anschlussdelikt 24, 151–152, 174, 178–179, 189, 194, 203–204, 214, 218, 294–295 Anschlusstat 152, 214 Beendigungsbegriff 36, 70, 173, 231 – erfolgsorientierter 67, 70, 75, 77 – Existenzberechtigung des ~ 42, 98 – materieller 135–136 – tatbestandsbezogener 86 – tatbestandsloser 86, 228 – tatbestandsmäßiger 228 Beendigungsdogmatik 19 Beendigungslehre 18, 23, 29, 39, 43–44, 47, 70–72, 79, 81–82, 85, 88, 96–98, 102, 241, 255, 296 Beendigungsphase 19, 33 – aufgrund Deliktsstruktur 76, 78, 80, 82 – aufgrund Handlungsstruktur 78, 82 – der Vortat 152, 177–178, 182–183, 185–186, 189–190 – des Grunddelikts 152–154, 156
Begünstigung 174, 176, 294 – antizipierte 181 Beleidigung 22, 57, 262 Bereicherungsabsicht 61 Besitzerhaltungsabsicht 163, 165, 168, 173, 200–202 Besitzkehr 197 Bestechungsdelikt 134–135, 139–140 Bestimmungsnorm 122 beteiligungsfähige Tat 219–220, 223–224, 227, 294 Beteiligungslehre 24 Betrug 33, 60–62, 92, 139, 190, 225–226, 257, 262–263, 281 Beutesicherung 68, 95, 156, 167 Bewertungseinheit 127, 265, 284 Brandstiftung 45, 56, 76, 241 Dauerdelikt 21, 47–52, 54, 79, 89, 127, 132, 144, 257, 274–275, 284 Delikt mit überschießender Innentendenz 242, 295 Deliktsstruktur 69, 71 der formelle Verbrechensbegriff 30 der materielle Verbrechensbegriff 31 Diebesfalle 230–232 Diebstahl 18, 23, 26, 45, 50–51, 58, 60, 65, 68–69, 74, 77, 81, 83, 89–92, 96, 139, 149, 151–153, 155, 157–159, 161–167, 175, 181–182, 188, 191–194, 198–199, 201–202, 205, 207, 209–210, 218–220, 223–225, 227, 229–231, 233, 235, 242, 258, 270, 279–281 – Beendigung des ~ 76, 149, 153, 158, 166, 192–195, 197, 202, 211 dolus subsequens 215, 247–248, 250, 253
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Stichwortverzeichnis
Eingehungsbetrug 81, 190 Entklammerung 273–274, 278 Erfolgsbeendigung 87, 93–94, 121–122, 124, 139, 144 Exklusivverhältnis 177, 179, 181
Klammerwirkung 272–274, 276, 280 Kumulationsprinzip 131
Fall des Scheinkäufers 230 Formen der sukzessiven Tatbeteiligung 205 Fortsetzungstat 22–23, 79, 100, 125–127, 130, 144, 146, 284 Freiheitsberaubung 18, 27, 208 Freispruch 108
mehraktige Delikte 208 mehraktiges bzw. zusammengesetztes Delikt 275
Gefährdungsdelikt 22, 68, 79, 81, 139, 235–236, 238–241, 244–246 Gefahrverwirklichungszusammenhang 169, 171–173 Gesetzeseinheit 36 Gesetzlichkeitsprinzip 33, 40, 42, 69, 75–76, 86, 94, 154, 156, 204, 248, 252 – Analogieverbot 69, 75–76, 95, 157, 213, 254 – Bestimmtheitsgebot 69, 75, 138 – Rückwirkungsverbot 142, 144–145, 148–150 Gewahrsamsbegründung 162 Gewahrsamssicherung 76, 139, 159, 162, 192, 195, 202 Gewohnheitsrecht 75 Grundsatz der Akzessorietät 221–222 Handlungseinheit 22, 25, 35, 54, 79, 85, 104, 127, 166, 219, 223, 256, 264 Handlungsidentität i. S. des § 52 256, 259–261, 267, 272, 274, 276, 282 Handlungsunwert 66 Hausfriedensbruch 18, 21, 182 Hehlerei 187, 191, 294 – antizipierte 191 Hilfeleistung 183
Legalitätsprinzip 111
Nachtatverhalten 95 nachträgliche Gesamtstrafenbildung 283–285, 290, 292 Notwehr 26, 40, 42, 89, 91–93, 197, 261 – Gegenwärtigkeit des Angriffs 40, 42, 90–92, 99, 201 Presseinhaltsdelikte 128, 130 Prinzip der Verklammerung 272–275, 277, 279 Ratio der Verfolgungsverjährung 95 – Beweisverlust 106, 109 – das Schwinden des Strafbedürfnisses 112, 133 – Generalprävention 117, 122, 125 – Schuldvergeltung 113–114 – Spezialprävention 114, 116 räuberischer Diebstahl 24, 155, 164, 168, 194–196, 199–200, 204, 279 raubspezifische Gefahr 170 rechtsbereichspezifische Auslegung des Beendigungsbegriffs 94 Rechtsgüterschutzprinzip 243 Rechtsgutsverletzung 22, 32, 39, 55–56, 60–65, 67–68, 73, 77–78, 87, 144, 221, 229, 233–235, 237–240, 243, 246, 252, 267, 279 Schuldprinzip 239 Sich-Entfernen vom Unfallort 45 Sich-Entfernen-Vorsatz 248, 250–251, 253–254
Stichwortverzeichnis Strafanwendungsrecht 20, 23, 26, 41, 100, 142, 144, 147–148, 151, 295 Straftateinheit 34–38, 44, 54, 74, 125, 130, 144, 210, 221, 223, 270, 274, 282 Strafvereitelung 184–186, 294 – antizipierte 185 Stufenlehre 29, 32–34, 190 sukzessive Tatbeteiligung 205, 207, 210, 224 – Anstiftung 206 – Beihilfe 24, 205, 207, 214 – Mittäterschaft 24, 205, 207, 211, 213 Tatbeendigung 17–24, 26–29, 32–34, 36–47, 55–60, 62–66, 68–72, 78–89, 92, 96–99, 101, 103, 135, 140, 142, 150–152, 166, 211, 213, 233, 240, 247–248, 254, 258, 268, 284, 289, 291–293, 295–296 tatbestandliche Nachzone 39 Tateinheit 25, 35, 40, 42 Tatfrische 24, 96, 193, 195, 197, 201, 295 Tatherrschaftslehre 214 Tatmehrheit 26 Tatunrecht 64–65 Tatvollendung 17–18, 22–23, 27–28, 36–37, 39, 53, 61, 68–71, 73–74, 79–80, 87, 105, 142, 148, 156, 206, 211, 213–214, 218, 225, 229, 239–240, 246, 293 Teilidentitätsformel 259–260, 262–264, 266–275, 277, 279–282 Trunkenheit im Verkehr 18, 84 Trunkenheitsfahrt 53, 83, 241, 273 überschießende Innentendenz 57–58, 242–243, 246, 255, 295
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unbewusst fahrlässiger Erfolgsdelikt 121, 124 Unrechtsvereinbarung 135–136 Unternehmensdelikte 23, 241 unvorsätzliches Entfernen vom Unfallort 248 Urkundenfälschung 22, 60–61, 84, 269 Verfahrenseinstellung 107–108 Verfolgungsverjährung 23, 38 Verfolgungsverjährungsrecht 23 Verhaltensbeendigung 87, 124, 144 Verjährungsbeginn 101, 129 Verjährungsrecht 101 Verurteilung 107 Vollendungsbegriff 36, 70, 142, 290 Vorbereitungsdelikte 241 Vorsatzbildung in der Beendigungsphase 248–249, 254–255 Vortatbeteiligung 152, 174, 176, 184–186, 191, 218 Wegnahmebegriff 151, 163–164, 203 – Apprehensionstheorie 159–160 Weiter-Entfernen-Vorsatz 25 Wiederherstellung des Rechtsfriedens 117 Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustandes 180 Wortlautgrenze 42 Wortlautgrenze der Wegnahme 160 Zäsurwirkung 273–274, 278 Zeitpunkt der Vorsatzbildung 247 Zollhinterziehung 71, 73, 76 Zustandsdelikt 47, 49–51, 54, 79 zweiaktiges Delikt 84 Zweifelgrundsatz 108