Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften: Band 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112691427, 9783112691410


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German Pages 499 [508] Year 1914

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Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Erste Abteilung
1. Chemisches aus dem „Papyrus Ebers"
2. Wie ist der Ausdruck „Caput mortuum" für Eisenoxyd zu erklären ?
Zweite Abteilung
3. Chemisches und Physikalisches aus Piaton
4. Chemisches und Alchemisches aus Aristoteles
5. Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles
6. Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles. Nachtrag
7. Die spezifische Gewichtsbestimmung bei Archimedes
8. Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel
9. Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Erster Nachtrag
10. Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Zweiter Nachtrag
11. Zur Geschichte des Wasserbades
12. Ein Vorläufer des Papinschen Dampftopfes
Dritte Abteilung
13. Zur Geschichte des Alkohols und seines Namens
14. Einige Bemerkungen zur Geschichte der Destillation und des Alkohols
15. Das Alter der Erdöl-Feuerung
16. Zur Geschichte der Verlötung von Bleirohren
Vierte Abteilung
17. Wann und wofür erscheint zuerst die Bezeichnung Ammoniak?
18. Aldebrandino di Sienas „Régime du Corps"
19. Über das Präservieren in Zucker
20. Über Rübenzucker im Mittelalter
21. Chemisches bei Marco Polo
Fünfte Abteilung
22. Zur Geschichte der Narkose
23. Zur Geschichte der Vererbungs-Theorien
Sechste Abteilung
24. Zur Würdigung Jean Reys
25. Wer hat die Verbrennung einer Uhrfeder in Sauerstoffgas zuerst ausgeführt?
26. Zur Geschichte der Vergiftung durch Kohlenoxydgas
27. Zur Geschichte der Pottasche und ihres Namens. 1
28. Zur Geschichte der Pottasche und ihres Namens. II
29. Die Herkunft des Namens „Hallore"
30. Zur Geschichte des Namens „Gas". I.
31. Zur Geschichte des Namens „Gas". II
Siebente Abteilung
32. Zum hundertjährigen Jubiläum des Vakuum-Apparates (erfunden 1812 von E. C. Howard)
Achte Abteilung
33. Encheiresis naturae
34. Alexander von Humboldt als Vorläufer der Lehre von der Isomerie
35. Zur Geschichte der Tautomerie
36. Justus Liebig über Robert Mayer
Register der geographischen und Eigennamen
Sachregister
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Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften: Band 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112691427, 9783112691410

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ABHANDLUNGEN UND VORTRÄGE EUR GESCHICHTE DER

NATURWISSENSCHAFTEN VON

PROF. DR. EDMUND O. VON LIPPMANN DR.-INC. E. H. D E R K G L . T E C H N I S C H E N

H O C H S C H U L E ZU

DIREKTOR DER „ZUCKERRAFFINERIE

ZU HALLE A. S.

DRESDEN

HALLE"

„Die Geschichte der Wissenschaft ist die Wissenschaft selbst." Goethe

ZWEITER BAND

VERLAG VON VEIT & COMP. IN LEIPZIG 1913

Verlag von VEIT & C O M P , in Leipzig

Geschichte der Chemie

von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Zugleich Einführung in das Studium der Chemie. Von Dr. Ernst von Meyer,

Geh. Hofrat, o. Professor der Chemie an der Technischen Hochschule zu Dresden.

D r i t t e , v e r b e s s e r t e und v e r m e h r t e A u f l a g e , gr. 8. geh. \\ j t , geb. in Ganzleinen 12 Ji-. In dieser „Geschichte der Chemie" wird die Entwicklung des chemischen Wissens, insbesondere der daraus abgeleiteten allgemeinen Lehren der Chemie, von ihren Anfängen bis auf den heutigen Tag dargelegt. In jedem Zeitalter wird nach einer a l l g e m e i n e n Darstellung der Hauptrichtungen, welche die Chemie eingeschlagen hat, die s p e z i e l l e Ausbildung einzelner Zweige derselben mehr oder weniger eingehend besprochen.

Der Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen von Dr. Wilhelm Branca,

o. ö. Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Berlin, Geheimer Bergrat.

Mit zahlreichen Abbildungen. Lex. 8. 1910. geh. 2 J i 50 Sp, geb. in Ganzleinen 3 Ji 50 Sp. Der Verfasser steht nicht auf dem Boden des Monismus. Er sieht den Menschen für ebenso allmählich geworden an wie alle übrigen Lebewesen und legt die Ergebnisse seiner während einer langen Reihe von Jahren über den diluvialen Menschen angestellten Forschungen in a l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h e r F o r m weitesten. Kreisen vor.

Abhandlungen und Vorträge allgemeinen Inhaltes (1887—1903). Von Wilhelm Ostwald.

gr. 8. 1904. geh. 8 Ji, geb. in Ganzleinen 9 Jt. I n h a l t : A l l g e m e i n e und p h y s i k a l i s c h e C h e m i e . 1. Die Aufgaben der physikalischen Chemie. (1887.) 2. Altes und neues in der Chemie. (1890.) 3. Fortschritte der physikalischen Chemie in den letzten Jahren. (1891.) 4. Die physikalische Chemie auf den deutschen Universitäten. (1895.) 5. Chemische Betrachtungen. (1895.) 6. Über Katalyse. (1901.) — E l e k trochemie. 1. Betrachtungen zur Geschichte der Wissenschaft. (1896.) 2. Bilder aus der Geschichte der Elektrik. (1897.) 3. Die wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die technische der Zukunft.. (1894.) 4. Fortschritte der wissenschaftlichen Elektrochemie. (1894.) 5. Über den Ort der elektromotorischen Kraft in der Voltaschen Kette. (1895.) — E n e r g e t i k und P h i l o s o p h i e . 1. Die Energie und ihre Wandlungen. (1887.) 2. Über chemische Energie. (1893.) 3. Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus. (1895.) 4. Das Problem der Zeit. (1898.) 5. Die philosophische Bedeutung der Energetik. (1903.) 5. Biologie und Chemie. (1903.) — T e c h n i k und V o l k s w i r t s c h a f t . 1. Über wissenschaftliche und technische Bildung. (1897.) 2. Stickstoff, eine Lebensfrage. (1903.) 3. Ingenieurwissenschaft und Chemie. (1903.) — B i o g r a p h i e . 1. Johann Wilhelm Ritter. (1894.) 2. Eilhard Mitscherlich. (1894.) 3. Friedrich Stohmann. (1897.) 4. Gustav Wiedemann. (1899.) 5. Jacobus Henricus van't Hoff. (1899.) 6. Robert Bunsen. (1901.) 7. Johann Wislicenus. (1903.)

Zur Geschichte der Naturwissenschaften

ABHANDLUNGEN U N D VORTRÄGE ZUR GESCHICHTE DER

NATURWISSENSCHAFTEN VON

PROF. DR. E D M U N D O. VON LIPPMANN DR.-ING. E . H . D E R K G L . T E C H N I S C H E N

H O C H S C H U L E ZU

DIREKTOR DER „ZUCKERRAFFINERIE

DRESDEN

HALLE"

ZU HALLE A. S.

„ D i e G e s c h i c h t e d e r W i s s e n s c h a f t ist die Wissenschaft selbst/' Goethe

ZWEITER BAND

VERLAG VON VEIT & COMP. IN LEIPZIG 1913

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

MEINEM E I N S T I G E N L E H R E R UND LANGJÄHRIGEN FREUNDE

HERRN PROF. DR. GEORG LUNGE IN DANKBARKEIT UND VEREHRUNG GEWIDMET

Vorrede er erste, 1906 erschienene Band meiner „ A b h a n d l u n g e n £ M l

und Vorträge"

f a n d bei zahlreichen,

der Geschichte

der N a t u r f o r s c h u n g beflissenen Lesern, sowie bei der g e s a m t e n wissenschaftlichen Kritik, eine so wohlwollende Aufn a h m e , d a ß ich den Plan fassen d u r f t e , ihm einen zweiten folgen zu lassen; die V e r l a g s b u c h h a n d l u n g s t i m m t e zu, u n d entschloß sich zugleich, die H e r a u s g a b e nach Möglichkeit zu beschleunigen, w o f ü r ich ihr auch an dieser Stelle aufrichtigen D a n k sage. Der nun vorliegende Band u m f a ß t 36 neue Arbeiten, und bringt,

neben

mehreren

ausführlichen

Abhandlungen,

eine

Reihe von Vorträgen k n a p p e r e n Umfanges, sowie einige kurze Mitteilungen,

die sich

vielleicht

dem

Wortlaute

des

Haupt-

titels nicht streng fügen, seine A b ä n d e r u n g aber nicht gerechtfertigt h ä t t e n . sind,

und

F ü r welchen Leserkreis meine Studien b e s t i m m t

nach

welchen

Grundsätzen

ihre

Veröffentlichung

erfolgt, h a b e ich in der Vorrede zum ersten B a n d e dargelegt, auf die ich verweisen Bitte

um

darf;

wiederholen

Berichtigung untergelaufener

zeichnung etwa auszufüllender Lücken.

möchte ich n u r Fehler,

und

um

die Be-

VORREDE

VIII

Für das Ausschreiben und Anordnen der Register bin ich Herrn T h . H ü b e n e r ,

Chemiker der „Zuckerraffinerie

Halle",

zu bestem Danke verpflichtet. Mögen stimmung

meine

Bestrebungen

Gleichgesinnter

sich

erfreuen.

auch

Jenen

diesmal aber,

der

Zu-

die der

Ge-

schichte der Wissenschaften bisher noch ferner standen,

einige

Anregung gewähren. H a l l e a. S., 9. J a n u a r

1913.

Der Verfasser.

Inhalt Seite

Vorrede

VII Erste Abteilung

1. Chemisches aus dem „Papyrus Ebers" 2. Wie ist der Ausdruck „Caput mortuum" für Eisenoxyd zu erklären ?

1 23

Zweite Abteilung 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Chemisches und Physikalisches aus Piaton Chemisches und Alchemisches aus Aristoteles Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles. Nachtrag . . Die spezifische Gewichtsbestimmung bei Archimedes Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel . . . . Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Erster Nachtrag 10. Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Zweiter Nachtrag 11. Zur Geschichte des Wasserbades 12. Ein Vorläufer des Papinschen Dampftopfes

28 64 157 162 168 171 177 183 185 201

Dritte Abteilung 13. Zur Geschichte des Alkohols und seines Namens 14. Einige Bemerkungen zur Geschichte der Destillation und des Alkohols 15. Das Alter der Erdöl-Feuerung 16. Zur Geschichte der Verlötung von Bleirohren

203 216 226 228

Vierte Abteilung 17. 18. 19. 20. 21.

Wann und wofür erscheint zuerst die Bezeichnung Ammoniak? Aldebrandino di Sienas „Régime du Corps" Über das Präservieren in Zucker Über Rübenzucker im Mittelalter Chemisches bei Marco Polo

.

230 237 250 255 258

X

INHALT Fünfte Abteilung

Sej(e

22. Zur Geschichte der Narkose

288

23. Zur Geschichte der Vererbungs-Theorien

290

Sechste

Abteilung

24. Zur Würdigung Jean Reys 25. W e r hat die Verbrennung einer Uhrfeder in Sauerstoffgas zuerst ausgeführt?

307

26. 27. 28. 29. 30. 31.

313 318 326 358 361 365

Zur Zur Zur Die Zur Zur

Geschichte der Vergiftung durch Kohlenoxydgas Geschichte der Pottasche und ihres Namens. 1 Geschichte der Pottasche und ihres Namens. II Herkunft des Namens „ H a l l o r e " Geschichte des Namens „ G a s " . 1 Geschichte des Namens „ G a s " . II Siebente

32. Zum hundertjährigen Jubiläum 1812 von E. C. Howard) Achte 33. 34. 35. 36.

292

Abteilung des Vakuum-Apparates

(erfunden 395

Abteilung

Encheiresis naturae Alexander von Humboldt als Vorläufer der Lehre von der Isomerie Zur Geschichte der Tautomerie Justus Liebig über Robert Mayer

Register der geographischen und Eigennamen Sachregister

439 450 458 460 470 482

Erste Abteilung

C H E M I S C H E S AUS DEM „ P A P Y R U S E B E R S " 1

er Papyrus medizinischen Inhaltes, den E b e r s im Winter 1872/73 zu Luxor in Ägypten erwarb, und dessen prächtige, nicht weniger als 20 m lange und 30 cm hohe Rolle seither unter den Namen „ P a p y r u s Ebers" in der Leipziger Universitäts-Bibliothek aufbewahrt wird, gilt nach allgemeinem Urteile für eine der umfangreichsten, mit größter Vollendung ausgeführten und am besten erhaltenen sämtlicher bekannter Papyrus-Urkunden, und darf, da er zweifellos im 16. vorchristlichen Jahrhunderte niedergeschrieben ist, mit vollem Rechte Anspruch auf den Namen „Ältestes Buch über die Heilkunde" erheben, — wenigstens insolange, als aus der nach einigen Autoren jedenfalls n o c h weit älteren (und primären) Keilschrift-Literatur nur vereinzelte und spärliche Fragmente veröffentlicht sind. Die eingehenden Forschungen, deren Ergebnisse einer der genauesten Kenner der ägyptischen und vorderasiatischen Medizin des Altertumes, Dr. med. Felix F r e i h e r r v o n O e f e l e zu Neuenahr, in P u s c h m a n n s „ H a n d b u c h der Geschichte der Medizin", 2 sowie im „Archiv für Geschichte der Medizin", 3 niedergelegt, und durch die er frühere Anschauungen von E b e r s , L e p s i u s , L i e b l e i n , und anderen hervorragenden 1

„Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik", 8 3 1909, S. 87. Jena 1902; Bd. 1, S. 78ff. Leipzig 1907; Bd. 1, S. 12. v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. V o r t r .

II.

1

2

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

Ägyptologen in wesentlichen Punkten berichtigt, ergänzt und vertieft hat, ergeben nachstehendes Bild über Wesen und Entstehung dieses wichtigen Dokumentes: Der Papyrus Ebers ist eine, nach bestimmtem, aber nicht stets ganz durchsichtigem Plane angelegte Kompilation aus älteren, anscheinend namentlich den Tempelsanatorien Unterägyptens entstammenden Schriften; die Auszüge aus diesen wurden indes vielfach umgearbeitet und zurechtgerückt, auch sind ganze Abschnitte (z. B. die beiden letzten) der fertigen Zusammenstellung erst nachträglich angestückelt; der Schreiber arbeitete zwar kalligraphisch musterhaft, beging aber zahlreiche sachliche Fehler, und kopierte oft nachlässig und flüchtig, so daß er u. a. e i n e Seite z w e i m a l , und zwar mit zahlreichen Varianten, abschrieb. 1 Als Zeit der Niederschrift ist etwa 1550 v. Chr. anzusetzen, wie weit jedoch die zum Teil fraglos außerordentlich viel älteren Quellen zurückreichen, läßt sich bisher nicht sicher entscheiden (der Text selbst spricht von „alten, vom Lichte der Männer verfaßten Büchern", und berichtet u. a. von der Wiederauffindung solcher Werke zur Zeit eines Königs, der um 3700 v. Chr. regierte. 2 ) An zahlreichen Stellen machen sich babylonische, ägäische und hettitische Einflüsse bemerkbar, so daß es orientalische Heilkunde in ägyptischem Gewände ist, die uns der Papyrus bietet; bisher, und f ü r absehbare Zukunft, bildet er jedenfalls die maßgebende Grundlage unserer Kenntnisse über die altägyptische Medizin. Für den Chemiker sind natürlich in erster Linie die zahlreichen Heilmittel von Interesse, die sich in den nach Hunderten zählenden Rezepten des Papyrus Ebers erwähnt finden. Aber obwohl dieser, nach v. O e f e l e 3 „sehr viel genannte, doch wenig bekannte P a p y r u s " in einer deutschen, als „möglichst wort1 v. O e f e l e , in den „Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften", Bd. 5, S. 354; diese Zeitschrift ist weiterhin „M. M. N." 8 zitiert. S. 62 und 185 der Übersetzung von J o a c h i m ; s. unten. 8 M. M. N., Bd. 6, S. 536.

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

3

getreu" bezeichneten Übersetzung vorliegt, die ein Mediziner von Fach, Dr. H. J o a c h i m , unter Anleitung und Mitwirkung des berühmten Ägyptologen L i e b l e i n in Christiania herausgab, 1 hat sich dennoch, soweit mir erinnerlich, bisher kein deutscher Chemiker mit seinem Inhalte beschäftigt; ein Aufsatz B e r t h e l o t s hinwiederum, der unter dem Titel ,,Les médecins égyptiens" auch in dessen „Archéologie et Histoire des Sciences" abgedruckt steht, 2 ist recht oberflächlich; anscheinend hat sogar B e r t h e l o t nicht alle von ihm zitierten Quellen auch selbst eingesehen, denn eines der drei in seinem Literatur-Nachweise angeführten Werke, der „Commentaire médicinal" von L ü r i n g , ist in Wirklichkeit eine Straßburger Dissertation von 1888 und heißt „Die über die medizinischen Kenntnisse der alten Ägypter berichtenden P a p y r i " ; ihr Inhalt wird überdies von B e r t h e l o t nirgends direkt benützt. Sowohl die Schriften von E b e r s und L i e b l e i n , als auch u. a. B r u g s c h s „Ägyptologie", 3 L o r e t s ,,L'Egypte au temps des Pharaons", 4 und W o e n i g s „Die Pflanzen im alten Ägypten", 5 erwähnen übereinstimmend der „unsäglichen Schwierigkeiten, die schon eine richtige Lesung, und noch mehr eine richtige Deutung der vegetabilischen und mineralischen Medikamente des Papyrus Ebers bietet", und auch J o a c h i m macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß er (bzw. L i e b l e i n ) in vielen Fällen nicht einmal den Versuch einer Übertragung wagen konnte, und in vielen anderen die gegebene Übersetzung durch Beifügung eines Fragezeichens als unsicher charakterisieren mußte. Aber auch die Hoffnung, daß nun wenigstens die restlichen Fälle keinen Anlaß zu Bedenken gäben, ist trügerisch, denn auf naturwissenschaftlichem Gebiete sind leider sowohl Philologen als auch Ärzte (sobald andere Zweige als die rein medizinischen in Betracht kommen) zumeist noch

4

1 2 Berlin 1890. Paris 1906; S. 234. 5 Paris 1889. Leipzig 1897; S. 392.

3

Leipzig 1897; S. 395, 409. 1*

4

CHEMISCHES

AUS DEM

„PAPYRUS

EBERS"

Laien, so daß auch die größte Gewissenhaftigkeit sie nicht davor schützt, dort Fehler zu begehen, wo sie deren Möglichkeit gar nicht ahnen; wenn also z. B. J o a c h i m - L i e b l e i n von den „Spänen des Grünspans", von „Kupferkohle", vom „Granit des Anch-Metalles" sprechen, 1 den Weidenbaum Beeren tragen lassen, 2 oder den alten Ägyptern den Genuß von „Zuckerkuchen" zuschreiben, 3 so darf man derlei Irrtümer nicht allzu scharf beurteilen, — man wird aber durch sie auch hinsichtlich mancher anderer Stellen zweifelhaft und ängstlich werden. Der Einwand, daß es unter solchen Umständen wohl überhaupt nicht ratsam erscheine, vom chemischen Standpunkte aus an ein Werk wie den Papyrus Ebers heranzutreten, liegt daher nahe; er darf jedoch, wie ich dies schon wiederholt bei analogen Anlässen hervorhob, zurückgewiesen werden, denn erfahrungsgemäß bringen gerade erst derartige Versuche die einschlägigen Fragen in Bewegung, veranlassen die eigentlichen Fachgelehrten, sich mit den auftauchenden Problemen zu beschäftigen, und führen so, an der Hand des dem Laien unbekannten und unzugänglichen Materials, ganz von selbst zur Berichtigung der begangenen Fehler; an solchen wird es natürlich nie mangeln, sie werden aber auch niemanden überraschen, der da bedenkt, daß die gelehrte Arbeit mehrerer J a h r h u n d e r t e noch bei weitem nicht hinreichte, um auch nur die sogenannten „naturhistorischen Realien" der griechischen und römischen Literatur aufzuklären, geschweige denn etwa die der arabischen oder indischen. I. Mineralische Stoffe. 1. Das am längsten bekannte (weil am leichtesten gewinnbare) Metall scheint, wie in Vorderasien so auch in Ägypten, das K u p f e r gewesen zu sein, das ursprünglich (schon im 5. Jahrtausende v. Chr.) die Gruben der Sinai-Halbinsel 1

J o a c h i m , S. 118, 190, 160.

2

ebd., S. 166.

3

ebd., S. 77, 115, 179.

CHEMISCHES

AUS

DEM

„PAPYRUS

EBERS"

5

lieferten, später die Cyperns; 1 Inschriften, die der Regierung des Königs T h u t m o s i s III. entstammen (1500 v. Chr.), erwähnen oft Kupfer in Ziegeln oder Barren, 2 und noch zur Zeit R a m s e s II. (1348—1281 v. Chr.) war Kupfer so kostbar, daß es neben Gold und Silber in den Schatzhäusern der Tempel aufbewahrt wurde und daß alle drei Metalle zur Bezahlung aus Arabien eingeführter Luxuswaren dienten. 3 Im Papyrus Ebers wird eines medizinischen kupfernen Instrumentes (ohne nähere Bezeichnung) nur einmal ausdrücklich gedacht, 4 außerdem ist einige Male die Rede von einem ,,Metallmann" genannten Stift zum Ausbrennen von Wunden oder Geschwüren, der vermutlich ebenfalls aus Kupfer, vielleicht aber auch aus Bronze bestand. 5 — Kupferhaltige Präparate (unverbürgter Einheitlichkeit und Reinheit, wie auch alle übrigen), die der Darstellung von Heilmitteln zu äußerlichem und innerlichem Gebrauche dienen, 6 sind: K u p f e r s c h l a c k e n ; v o m K u p f e r A b g e r i e b e n e s , vermutlich identisch mit Kupferrost; G r ü n s p a n , einmal auch als „Grünspan von der Barke" bezeichnet, 7 was entweder irgendwie mit der Barke zusammenhängt, auf der T h o t , der Ärztegott, oftmals abgebildet erscheint, oder ein Lese- oder Übersetzungs-Fehler ist; K u p f e r - G r ü n s p a n ; K u p f e r v i t r i o l (äg. gesfen). Der Grünspan oder Kupfergrünspan kann indes zuweilen auch ein anderer Stoff gewesen sein, z. B. sog. Kupfergrün, d. i. eine erdige Abart des Malachits (äg. mafek), den nach L e p s i u s die Gruben des Sinaigebietes seit altersher in größeren Mengen lieferten, 8 und ebenso ist vielleicht unter Kupfervitriol ein anderes blaugefärbtes Kupfermineral zu verstehen oder mitzuverstehen. 1 2 3 B r u g s c h , a. a. O., S. 400. ebd., S. 384. ebd., S. 334, 268, 253. S. 191; Zahlen ohne besondere Angabe beziehen sich auf die J o a c h i m 5 sche Übersetzung. D i e Belegstellen sind hier und im folgenden nur in besonderen Fällen angegeben, da sie mittels des ausführlichen deutschen 6 und ägyptischen Registers bei J o a c h i m leicht zu finden sind. Innerlich besonders auch als Brechmittel (v. O e f e l e bei P u s c h m a n n , Bd. 1, S. 87). 7 8 S. 50. „Die Metalle in den ägyptischen Inschriften" (Berlin 1872, S. 79ff). 4

6

CHEMISCHES

AUS DEM

„PAPYRUS

EBERS"

2. Ein S t ü c k B l e i wird einmal z u m Auflegen auf

einen

Wundschorf v e r o r d n e t ; dieses Metall w a r den Ä g y p t e r n ebenfalls schon in sehr f r ü h e r Zeit w o h l b e k a n n t , i m m e r h i n r ü h m t sich aber noch R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.), den G ö t t e r n u. a. mehr

als

100000

Pfund

g e b r a c h t zu h a b e n .

1

Kupfer und

9000 P f u n d

Blei

dar-

— Von B l e i p r ä p a r a t e n finden zu ä u ß e r -

lichen Zwecken, häufig aber a u c h zu innerlichen, V e r w e n d u n g : Mennige,

Bleivitriol,

und G r ü n e

Rezepten auch alle drei z u s a m m e n . 2 tum

wohl

Ägypten

überhaupt

nicht,

b e k a n n t , w ä r e auch

Bleierde,

in m a n c h e n

Bleivitriol w a r im Alter-

sicherlich

aber

nicht

keinesfalls, wie dies

im

alten

Joachim

t u t , 3 mit dem „ S o r y " der griechischen Autoren zu identifizieren. Bekanntlich

gibt

es wenige

Substanzen,

die

den

Kommen-

t a t o r e n so vieles K o p f z e r b r e c h e n v e r u r s a c h t e n , wie das „ S o r y " und

„Misy"

des

anderer a n t i k e r

Galenos,

und

Schriftsteller; völlige Sicherheit b e s t e h t

auch

h e u t e noch n i c h t ,

Dioskurides,

Plinius,

doch darf als wahrscheinlichste

Erklärung

gelten, d a ß Misy im wesentlichen ein kupferkieshaltiger war,

und

Sory

ein vornehmlich

aus basischen

Pyrit

Eisensulfaten

bestehendes Gemenge von P r o d u k t e n seiner allmählichen setzung und Oxydation.

Zer-

„ S o r y " soll ein ägyptisches W o r t sein,

auch f i n d e t sich diese S u b s t a n z , wie noch D i o s k u r i d e s richtet,

4

be-

in Ä g y p t e n selbst v o r ; dagegen w u r d e „ M i s y " h a u p t -

sächlich aus Cypern bezogen, 5 u n d da diese Insel nach B r u g s c h 6 ägyptisch Isy, nach L e p s i u s 7 Mas hieß, so mögen Fachgelehrte entscheiden, ob zwischen diesen N a m e n u n d dem W o r t e Misy, das bisher f ü r u n e r k l ä r t gilt, ein Z u s a m m e n h a n g besteht,

ob

etwa, ähnlich wie (nicht u n b e s t r i t t e n ! ) Cupressus und C u p r u m , auch Misy = „ C y p r i s c h e s " zu setzen i s t ? Da die „ G r ü n e Bleierde" eines der a m häufigsten (in ü b e r f ü n f z i g Rezepten)

äußerlich

und

innerlich

verordneten

Heil-

1 2 3 B r u g s c h , S. 271. z. B. S. 134. S. 7, 17 bis 20 usf. 5 6 „Materia medica", lib. 5, cap. 118. ebd. cap. 116. Brugsch, 7 S. 465. a. a. O. S. 104.

4

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

7

mittel des P a p y r u s Ebers darstellt, dem chemischen V e r s t ä n d nisse aber ganz besondere Schwierigkeiten bietet, so h a b e ich dieserhalb bei Herrn Dr. v o n O e f e l e a n g e f r a g t . Seiner f r e u n d lichen A n t w o r t v o m 10. April 1908, f ü r die ich auch an dieser Stelle bestens danke, ist folgendes zu e n t n e h m e n : „ W o J o a c h i m und

Lieb lein

nur ein das

, grüne

Bleierde'

schreiben,

steht

im

Original

W o r t , dessen K o n s o n a n t e n g e r ü s t h-n-t-j l a u t e t ,

weder

Grün

noch

Bleierde

bedeutet,

sondern

und

wörtlich

,etwas zur vorderen Gesichtshälfte oder zur Nase in Beziehung Stehendes', etwas ,Nasiges'; nach einer A n g a b e beschreibt

ein

dieses P r ä p a r a t

die

Einbalsamierung

als eine grüne

Dümichens1

behandelnder

E r d f a r b e , weshalb

Papyrus vermutlich

o b e n g e n a n n t e Übersetzer die grüne Farbe, als die einzige gesicherte

Eigenschaft der

Substanz,

hervorheben

wollten." —

Diese grüne E r d f a r b e , deren v o n O e f e l e g e d e n k t , w a r offenb a r das schon e r w ä h n t e „ K u p f e r g r ü n " , d. i. erdiger Malachit, der insofern zur Nase und zum

Gesicht in Beziehung

steht,

als die Ä g y p t e r der ältesten Zeit sich grüne Streifen und Ringe u m die Augen zu malen pflegten, — welche Sitte später f ü r altvaterisch u n d barbarisch galt, 2 und darauf z u r ü c k z u f ü h r e n ist, d a ß Malachit, sowie andere Schminken aus M e t a l l p r ä p a r a t e n , den Völkern, die die K ü s t e n des roten Meeres bewohnten, seit jeher

zur

präservativen

Behandlung

der

dort

endemischen

A u g e n k r a n k h e i t e n (namentlich solcher der Bindehaut) d i e n t e n ; 3 grüne Augenschminke e n t h a l t e n nach E d . M e y e r 4 schon gewisse, m i t glyphischen

Schnitzereien,

Reliefbildern, und primitiven

Schriftzeichen

f ü n f t e n vorchristlichen

bedeckte

Jahrtausende,

Schminksteine auch

führt

hiero-

aus solche

dem ein

sehr altes R i t u a l b u c h a n 5 ; ferner stellte m a n die Göttin H a t h o r mit grün b e m a l t e m Antlitze dar, 6 vielleicht weil sie eine Lokal1 Des berühmten Ägyptologen, dessen Schüler auch der eingangs genannte 2 L ü r i n g war. L o r e t , a. a. O., S. 195; S t e r n „Ägyptische Kulturgeschichte", Leipzig 1 §96, S. 203. 8 v. O e f e 1 e bei P u s c h m a n n , Bd. 1, S. 63, 4 5 6 65, 76. M. M. N., Bd. 7, S. 395. B r u g s c h , S. 154. ebd. S. 398.

CHEMISCHES

8

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

göttin jener Sinai-Gegend war, die den Grünstein Mafek ( = Malachit) lieferte. 1 — J o a c h i m und L i e b l e i n identifizieren ihre ,,grüne Bleierde" auch mit den C h e n t - K ö r n e r n 2 und dem C h e n t - M ö r t e l , 3 d . h . wohl mit einer körnigen oder breiigen Masse von „Chent", aus welchem Worte man vermutlich v o n O e f e l e s ,,h-n-t-j" herauszulesen h a t ; auch ist einmal vom „Bodensatze der grünen Bleierde" die Rede, 4 was gleichfalls auf erdigen Malachit paßt, der durch Schlämmen gereinigt wurde, und endlich findet sich grüne Bleierde zusammen mit Lapis lazuli verordnet, 5 den die Listen der kostbaren „Metalle" stets gemeinsam mit Malachit aufzählen. 6 3. E i s e n 7 wird einmal als „Eisen aus der Stadt Qesi" (in Oberägypten) angeführt, und einmal als „ a r t - p e t " = „himmels-gemachtes", d. i. wohl Meteoreisen, dem alle Völker seines Ursprunges halber besondere Kräfte zuzuschreiben pflegen; 8 Eisen war im alten Ägypten schon während des vierten vorchristlichen Jahrtausends bekannt, und stand um 1500 v. Chr. bereits sehr allgemein in Gebrauch, ohne indessen Bronze und Kupfer völlig zu verdrängen. 9 Ob der „schwarze Messerstein" des Papyrus Ebers als Eisen oder Eisenmineral anzusehen ist, bleibt dahingestellt; vielleicht handelt es sich um Obsidian, der noch lange nach Einführung der Metalle zu religiösen (und daher auch zu medizinischen) Zwecken in Anwendung blieb. — H ä m a t i t (Blutstein, Roteisenstein) ist jedenfalls von E b e r s richtig übersetzt, 1 0 und da sich dieses Mineral an verschiedenen leicht zugänglichen Orten (u. a. in großer Menge am Sinai) vorfindet, so braucht man nicht an B r u g s c h s Rötel der nördlichen Oasen zu denken, 1 1 und noch weniger mit J o a c h i m und L i e b l e i n an Granit; 1 2 1

2 3 4 6 ebd. S. 402. S. 68, 139. S. 189. S. 82. S. 95. 7 8 L e p s i u s , a. a. O. S. 90, 168. Man denke an den „schwarzen 9 Stein" der Kaaba zu Mekka. L e p s i u s , a. a. O.; s. meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften", Leipzig 1906, S. 259. 10 11 12 S. 92. B r u g s c h , S. 406. S. 92, 115, 120, 158.

6

CHÈMISCHES

AUS DEM

,,PAPYRUS

EBERS"

9

hauptsächlich wird auch die fragliche Substanz gegen Blutfluß, zur Heilung blutender Wunden usf., verschrieben, wobei aus Gründen der „ S y m p a t h i e " der rote Hämatit sehr angebracht erscheint. 4. Z i n k und Z i n n kommen im Papyrus Ebers nicht vor. Metallisches Z i n k war dem- Altertum überhaupt unbekannt, zinkhaltige Erze wurden jedoch in Vorderasien schon frühzeitig medizinisch benützt, und die G a l m e i könnte daher ein von dorther eingeführtes P r ä p a r a t sein, — vorausgesetzt, daß die Übersetzung richtig ist; die Anwendung zu Augensalben u. dgl. 1 spricht zugunsten dieser Annahme. Z i n n verwandte man in Ägypten schon gegen Ende der ältesten Periode zur Herstellung von Bronzegeräten, die allmählich, jedoch nicht völlig, die ursprünglich rein kupfernen verdrängten; in der Mehrzahl der Fälle (jedoch nicht ausnahmslos!) sind die Bronzen der frühesten Zeit noch sehr arm, die der späteren aber reicher an Zinn, das Metall scheint also anfangs noch selten und kostbar gewesen zu sein. R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) verkündigt in einer Inschrift, er habe den Göttern neben den obenerwähnten 100000 Pfund Kupfer und 9000 Pfund Blei auch 95 Pfund Zinn dargebracht, und ,,aus den T r i b u t e n " nochmals 19000 P f u n d Kupfer und 2130 Pfund Zinn; 2 unter den Gegenden, die als Bringer dieser Tribute aufgezählt werden, kann f ü r das Zinn allein Vorderasien in Betracht kommen; daselbst sind in den transkaukasischen und persischen Gebirgen einige Fundorte nachweisbar, die jedenfalls auch das Material zu dem aus dortigen Gräbern des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zutage geförderten Zinnschmuck geliefert haben, und derer noch in später Zeit S t r a b o n gedenkt. 3 Die Einfuhr von Zinn durch die Phönizier über die westlichen Mittelmeerländer und aus England ist jedenfalls erst eine Folge-

2 ' 5.89,90,94. B r u g s c h , S. 271, 273. lib. 15, cap. 2, Absatz 10.

3

„Erdbeschreibung",

10

CHEMISCHES

AUS

DEM

„PAPYRUS

EBERS"

erscheinung, denn an den umständlichen und kostspieligen Bezug eines Produktes v o m Ende der damals bekannten Welt her konnte man nicht früher denken, als die Art der Benützung und Verwertung längst sicher feststand und sich dringender Bedarf geltend machte. Die hieroglyphische Bezeichnung für Zinn ist „weißes B l e i " , vermutlich weil Zinn wirklich f ü r eine Abart des Bleies galt, wie dies selbst noch in römischer Zeit der Gegensatz zwischen „plumbum album" und „plumbum nigrum" zeigt; erst in später hellenistischer Periode tritt der Name „ T r a n " auf. 1 5. A n t i m o n . Schwefelantimon oder „ S t i m m i " (Stibium) findet sich im Papyrus Ebers zweimal als solches erwähnt 2 und bildet zweifellos auch einen wesentlichen Bestandteil der Augenschminken und Collyrien, die in etwa 40 R e zepten verordnet werden (zuweilen auch innerlich); 3 einige Male ist von „männlichem" die Rede, 4 — was daran erinnert, daß noch bei P l i n i u s zwei Sorten Stibium vorkommen, männliches und weibliches 5 — , einige Male auch v o n „echtem", 6 womit es übereinstimmt, daß nach neueren Analysen die in Grabstätten usf. vorgefundenen Reste nicht selten statt aus Schwefelantimon aus Schwefelblei bestanden, über dessen Herstellung oder Bezugsquelle nichts Näheres bekannt ist. 7 Der prophylaktischen Verwendung von Augenschminken bei den Völkern an den Küsten des roten Meeres ist schon oben gedacht worden; bereits um 2500 v . Chr. erwähnen Inschriften die Augenschminke Mestem (koptisch Stern = Stimmi) als aus dem Lande Pitsew (d. i. Arabien) kommend, 8 und ebendaher brachte man sie, wie alte Denkmäler bezeugen, zur Zeit der Königin H a t s c h e p s u (um 1600 v . Chr.) 9 sowie des Königs T h u t m o s i s I I I . (um 1500 v . Chr.); 10 ein sehr altes Ritualbuch des Ammondienstes

5 8

1 B r u g s c h , S. 398. 8 S. 84, 87. 3 z. B. S. 19. 4 S. 87, 95. 8 S. 87, 89. 7 B r u g s c h , S. 405. „Hist Nat.", lib. 33, cap. 101. 9 W o e n i g , a. a. O., S. 359. 10 B r u g s c h , S. 405. B r u g s c h , ebd.

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

11

e r w ä h n t , neben W e i h r a u c h , Weihwasser u n d köstlichen Salben, auch schwarzes Mestem, 1 u n d R a m s e s widmete

den

Göttern

u. a.

50 P f u n d Augenschminke;

2

auch

III. (um 1200 v . C h r . )

ein

Weihgeschenk

ebenso e n t h a l t e n

in einigen Museen zu sehenden vierteiligen vornehmer

Damen

hieratischen

des

die, noch

jetzt

Toilettenkästchen

mittleren

Reiches

Büchsen

„Gutes

Stimmi",3

das

Aufschrift:

von

mit

der

damals

in

Säckchen oder Beuteln aus (oder über) Arabien u n d Ostafrika wurde.4

bezogen

Einer B e m e r k u n g

zufolge,

die sich in

Hovorka-Kron-

f e l d s soeben erschienener „Vergleichender Volksmedizin" vorfindet (Stuttgart

1909;

Bd. 2,

auch das A n t i m o n p e r s u l f i d ,

S. 140) soll nach v. O e f e l e der sog. G o l d s c h w e f e l ,

von

den alten Ä g y p t e r n b e n ü t z t , u n d im P a p y r u s Ebers m i t jenem W o r t e bezeichnet worden „Bleivitriol"

übersetzten

sein, das (s.

oben);

Joachim-Lieblein da

aber

eine

mit

Bekannt-

s c h a f t des A l t e r t u m e s mit dem Goldschwefel bisher nicht nachgewiesen, näher

und

die

bezeichnet

vorerst

ist,

dahingestellt

6.

Andere

Papyrus

Ebers

fragliche A b h a n d l u n g so

muß

v. O e f e l e s

die Richtigkeit

jener

Angabe

bleiben.

Metalle.

Gold

und

bemerkenswerterweise

Silber

erwähnt

der

nicht,

wohl

aber

A s e m , das zuerst L e p s i u s als identisch mit dem der Griechen

nicht

e r k a n n t e , 5 d. i. eine, in älterer Zeit

„Elektros" angeblich

aus O s t a f r i k a u n d über Arabien nach Ägypten eingeführte GoldSilber-Legierung, 6

deren

Benützung

aber schon frühzeitig in

den H i n t e r g r u n d t r a t u n d bald f a s t ganz a u f h ö r t e . ihren

Grund vermutlich

darin,

Weichheit wegen schlecht zu verarbeiten ist; daher wir analogen 1

Legierungen

auch

(Sie h a t t e

d a ß ganz reines Gold in anderen,

ganz

seiner

begegnen entlegenen

2 3 ebd., S. 154. ebd., S. 273. ebd., S. 412. « ebd., S. 399, 389; s. auch L i e b l e i n „ H a n d e l u n d Schiffahrt auf dem roten Meere . . .", 5 6 Christiania 1886; S. 29, 31, 35, 70. a. a. O., S. 43ff. Brugsch, S. 399; L i e b l e i n „ H a n d e l " , S. 29, 31.

12

CHEMISCHES

AUS

DEM

„PAPYRUS

Kulturkreisen, so z. B. nach H u m b o l d t nach L a b a t im Karaibischen). 1

EBERS"

im Mexikanischen,

Was das A n c h - M e t a l l 2 und das A b e n n u - M e t a l l 3 gewesen sei, ist bisher unbekannt; da auch Schwefel als „Metall" bezeichnet wird, so handelt es sich vielleicht gar nicht um wirkliche Metalle, sondern das Wort ist nur im Sinne von „gediegen" oder von „mineralisch" zu nehmen. A n c h f ü h r t übrigens L i e b l e i n als einen Eigennamen an. 4 7. K o h l e . Verschiedene Rezepte enthalten als Bestandteile Kohle, Kohle der Mauern oder Maurer (?), Kohlenpulver aus verkohlten Pflanzen, und R u ß ; Kohle dürfte auch der wesentliche Bestandteil der oft verordneten „Schwärze der Schreiber" oder „ T i n t e " gewesen sein, da man letztere aus feinst pulverisierter Holzkohle und Gummiwasser zu bereiten pflegte. 5 (Woraus die schön rote Tinte besteht, mit der verschiedene Stellen des Papyrus Ebers geschrieben sind, ist nicht untersucht.) 8. S c h w e f e l . Gepulverten Schwefels ist unter dem Namen „Hunnut-Metall" nur einmal gedacht, und zwar als Bestandteiles einer Augenschminke. 6 9. K o c h s a l z u n d S o d a . S a l z wird als Zubehör zahlreicher Rezepte aufgeführt, teils ohne weitere Bezeichnung, teils als Bergsalz (wohl Steinsalz), Seesalz, und Salz des Nordens; ebenso wird N a t r o n , d. i. die natürlich vorkommende Soda, entweder nur unter diesem Namen verschrieben, oder als rotes Natron, als Natron des Nordens, 7 Natron des Südens, 8 Sa-Samen oder Sa-Korn Oberägyptens (d. i. feinkörniges, vielleicht kleinkristallinisches Natron), als Bedet (d. i. nach B r u g s c h eine besonders reine Natronart), 9 1 H u m b o l d t , „Vues des Cordillères.. . ." (Paris 1816); die Stelle kann ich augenblicklich nicht angeben. — Père L a b a t , „Reisen nach Westindien 2 S. 160. 1693—1705", übers. S c h a d , Nürnberg 1783; Bd. 3, S. 105ff. 4 5 6 » S. 99. „Handel", S. 13. W o e n i g , S. 105. S. 90. 7

S. 140.

8

S. 144.

9

S. 120, 157, 158.

CHEMISCHES

AUS

DEM

„PAPYRUS

EBERS"

13

und zuweilen auch in Form von Natronwasser. 1 Das Natron des Südens ist vermutlich das auch b-s-n genannte Laugensalz aus den Natronwüsten im Westen Unterägyptens, 2 das Natron des Nordens aber das Salz Hosmen 3 aus der Gegend der nördlichen libyschen Oase, des sog. Salzgaues oder ,,Nomos Nitrites", nach dem es auch Netri heißt; 4 es diente u. a. zu Reinigungs- und Kultzwecken, wie denn R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) den Tempeln der Götter auch 1843 Artaben (Hohlmaße) Natron und Salz, sowie Ziegel aus Natron und Salz weihte. 5 — Fachgelehrte mögen entscheiden, ob nicht der Name Netri (von dem unser Natron kommt) auch in der Substanz N e t r i - t i t steckt, die zweimal als „Metall", und einmal als „Körner" angeführt, und nach einer Angabe B r u g s c h s mit „ G ö t t e r k o t " übersetzt wird 6 (s. hierüber weiter unten). 10. A n d e r e M i n e r a l i e n . G i p s (?) wird einmal er7 wähnt, A l a b a s t e r , dessen schon die Inschriften des alten Reiches gedenken, 8 wiederholt, u. a. auch als Zusatz zu Schminken in Gestalt von Staub oder Mehl; 9 an einer Stelle 10 soll es fraglich bleiben, ob Eisen oder Alabaster zu verstehen ist. L a p i s L a z u l i , dessen Name „Chesbet" aus dem Chaldäischen kommt und auf Vorderasien als Bezugsquelle hinweist, 11 findet sich mehrmals verschrieben, zweimal ausdrücklich als „echter"; 1 2 tatsächlich erwähnen auch Inschriften aus der Zeit T h u t m o s i s III. (um 1500 v. Chr.) schon „unechten", der nach L e p s i u s aus einem prächtigen blauen Glasflusse bestand 1 3 . — R o t e r J a s p i s diente als Mittel gegen Blutflüsse u. dgl. (vermutlich, ebenso wie Bluteisenstein, aus sympathetischen Gründen); nach L e p s i u s wurde er schon in alter Zeit häufig als Amulett getragen. 14 — Die Natur d e s U a t - S t e i n e s , 1

8 9 S. 179. B r u g s c h , S. 428, 457. Bei W o e n i g , S. 373 4 5 6 „Hesmen". B r u g s c h , S. 406. ebd., S. 274, 406. S. 64, 7 8 9 65, 135. S. 92. B r u g s c h , S. 494. S. 114, 155^ 10 11 1S 158; 157. S. 90. L e p s i u s , S. 55ff. S. 91, 95. 13 14 L e p s i u s , S. 60. ebd., S. 57.

14

CHEMISCHES

der eine grünliche unbekannt.1

AUS

DEM

„PAPYRUS

Augenschminke

geliefert

EBERS"

haben

soll,

ist

K i e s e l s t e i n , auch Stein vom F l u ß s t r a n d e oder Stein vom Ufer g e n a n n t , wird verschiedentlich angewandt, z. B. gepulvert zum Putzen der Z ä h n e ; 2 das Nämliche gilt vom T o n (Scherben, Abfall tönerner Gefäße u. dgl.) und vom L e h m , den die Rezepte als Lehm, Lehm von der Mauer, Lehm vom Tor, Lehm der Mauer, Lehm von Ziegeln, Lehm und Lehms t a u b von S t a t u e n , usf., v e r o r d n e n ; über N i l s c h l a m m s. weiter u n t e n . M e m p h i t i s c h e r S t e i n 3 scheint jene Art Asphalt gewesen zu sein, von der noch D i o s k u r i d e s b e r i c h t e t , 4 und E r d ö l 5 vielleicht das sog. Asphaltöl, das auch keilschriftlich belegt ist. 6 11. W a s s e r dient in kaltem, warmem, kochendem und abgekochtem Z u s t a n d e zur Herstellung vieler Heilmittel; in einigen Fällen verlangen die Rezepte Quellwasser, 7 in anderen „Regen des Himmels", 8 Nilwasser, 9 oder „Wasser der Vogelt e i c h e " 1 0 ; solcher „Vogelteiche des Vergnügens", in denen m a n Wasservögel aller Art zu halten pflegte, gedenkt S t e r n in seiner „Ägyptischen K u l t u r g e s c h i c h t e " . 1 1 II. Tierische Stoffe. 1. M i l c h wird roh, frisch, abgekocht, 1 2 oder sauer verschrieben, S a h n e frisch oder abgekocht, 1 3 und neben Milch der K ü h e und Eselinnen k o m m t auch Milch der Frauen in Frage, namentlich solcher, „die einen Knaben geboren h a b e n " . B u t t e r und Käse finden sich nicht erwähnt, dagegen sehr o f t F e t t e und zwar m a n c h m a l n u r ganz allgemein als F e t t , dickes Fett, 1 4 1 3 4 S. 65, 96. » S. 161. S. 18, 19, 22, 23, 102, 103. „Mat. 5 6 Med.", Hb. 5, cap. 157. S. 15, 168, 170, M. M. N., Bd. 5, S. 283; 7 8 W e b e r , ebd. Bd. 6, S. 205. S. 89, 106, 157, 160. S. 133, 170. 9 10 11 12 S. 124. S. 67, 82. S t e r n , a. a. O., S. 162. S. 33, 76. 13 14 S. 77. S. 117.

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

Schmalz oder Talg, 1 in der

Regel

stimmter

o f f e n b a r auch

Tiere

(denen

man

aber

als

15

F e t t e ganz ganz

be-

bestimmte

W i r k u n g e n oder K r ä f t e zuschrieb); von diesen sind zu n e n n e n : Ochsen,

Kühe, Widder, Ziegen,

reinheit"),

3

Esel,

Katzen,

lopen, Steinböcke,

4

Schweine 2 (trotz

Mäuse,

Löwen,

Anti-

Nilpferde (die auch K l a u e n f e t t lieferten); 5

Gänse, insbesondere Opfergänse, 6 S t r a u ß e ; Schlangen, W ü r m e r .

ihrer „ U n -

Gazellen,

7

Fische;

Krokodile,

— Es ist sicherlich nicht ohne Interesse,

d a ß die meisten dieser F e t t e auch schon in älteren Keilschrifttexten

vorkommen,

woselbst

aber

Schweine,

Nilpferde

und

S t r a u ß e f e h l e n , dagegen P f e r d e , Wildesel u n d Wölfe a u f t r e t e n . 8 An dieser Stelle sei auch das W a c h s angeschlossen, einen

Bestandteil

von

etwa 40 Rezepten

bildet; da

das

Wachse

sowie tierische u n d pflanzliche F e t t e u n d Öle häufig mit großen Mengen alkalisch reagierender Salze und Verbindungen u n d gekocht werden Pflasterähnliche

sollen, müssen

Substanzen

erhitzt

nicht selten Seifen- oder

ausgeschieden

worden

sein,



doch geschieht solcher nirgends ausdrückliche E r w ä h n u n g . 2. H o r n

von

den

„Hörnern

der R i n d e r "

und von

„ K l a u e n des E s e l s " (auch in Öl erhitzt oder g e r ö s t e t ) o f t m a l s v e r o r d n e t , ebenso G a l l e von Rindern, f e t t e n

9

den wird

Ochsen,

K ü h e n , Schweinen u n d Fischen, ferner L e b e r , M i l z , H i r n und vor allem B l u t Obwohl

nun,

oder einer

der verschiedensten wenn

z. B. Blut

„schwarzen

Kuh"

Tiere u n d Tierklassen. 1 0 .

eines

„schwarzen

Kalbes"

v e r l a n g t wird, 1 1 die Vorschrift

aller Analogie nach wörtlich zu n e h m e n ist, so h a t m a n doch, wie v.

Oefele

mit

Recht

hervorhebt,12

in

vielen

anderen

Fällen die Möglichkeit von U m d e u t u n g e n im Auge zu behalten, u n d darf nicht vergessen, d a ß die Ärzte, deren ganzer Verdienst 1 2 3 4 S. 71, 134. S. 118, 142. L o r e t , S. 97. S. 74, 5 nach L o r e t , S. 91, ist eine nubische Antilopenart gemeint. S. 6 7 8 S. 94. S. 144. v. O e f e l e , M. M. N., Bd. 2, S. 9 10 11 S. 105, 106. S. 100, 101, 160. S. 104, 12 M . M . N . , Bd. 1, S. 87, 94. -

116; 108. 367. 105.

CHEMISCHES

16

in der Bereitung Interesse

daran

AUS

DEM

„PAPYRUS

EBERS'

der Arzneien zu liegen pflegte, hatten,

deren

Bestandteile

im

ein großes Dunkeln

zu

halten und zu diesem Zwecke mit Geheimnamen zu bezeichnen. Solche

haben

sich

bekanntlich

in

der

Periode

der

helle-

nistischen Chemie und der Alchemie für viele Substanzen f a s t zwei J a h r t a u s e n d e lang erhalten; wer also glaubt, daß es sich z. B . beim „ B l u t e des G e i e r s " 1 tatsächlich um das Blut dieses Raubvogels

handelte,

Fehler wie jemand, eines wirklichen

begeht

Drachen

roten ostindischen

daher vielleicht ganz denselben

der sich unter

„Drachenblut"

vorstellte,

statt

das

des so

Blut

benannten

Pflanzenharzes.

[Nach der kürzlich ausgegebenen Lieferung7 v o n T s c h i r c h s „Handbuch

der P h a r m a k o g n o s i e " (Leipzig 1908, S. 304) ver-

öffentlichte

Dieterich

schon

1888

P a p y r u s des 2. vorchristlichen

aus

einem

griechischen

Jahrhunderts ein sog.

„Syno-

nymen-Lexikon", dem u. a. zu entnehmen ist, daß die Geheims p r a c h e ' d e r Priesterärzte unter „ H e r z des Geiers" die Pflanze Absinthium verstand, unter „ B l u t des H e p h a i s t o s " (oder der entsprechenden ägyptischen Gottheit, des Ptah) die Artemisia, unter „ T r ä n e der

Isis" die Verbena,

usf.]

3. Ganz das Nämliche gilt auch hinsichtlich der Bestandteile der sog. „ D r e c k a p o t h e k e " , weniger allerdings hinsichtlich des U r i n s , 2

als des

Kotes;

von

diesem wird

verschrieben

der von Erwachsenen und Kindern, von Hunden, Katzen, Eseln, Schweinen,

Ziegen,

Gazellen,

Antilopen,

Vögeln,

Krokodilen,

Eidechsen und Wespen, doch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß in vielen

Fällen

tragene

Bedeutung

misten,

die

alle

nur

bezeichnen können;

dem

„Kote"

zukommt

nur

wie den

denkbaren

eine ähnliche „Faeces"

Rückstände

und

der

überAlche-

Überreste

unter dem „ S c h r e i b e r k o t " 3 z. B . vermag

man sich k a u m etwas anderes vorzustellen als die Rückstände von der Zubereitung der T i n t e (s. oben), und was 1

S. 160.

s

S. 101, 119, 123.

3

S. 126.

Brugsch

CHEMISCHES AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

17

mit „ G ö t t e r k o t " übersetzt, ist vielleicht auch nur eine Art Kehricht, der Abfall verschiedener Stoffe, die bei Kulthandlungen, Reinigungs-Zeremonien u. dgl., Verwendung gefunden hatten. — Unter „Krokodilerde", die E b e r s als Nilschlamm deutet, 1 sind möglicherweise die Exkremente jener Reptilien zu verstehen, über deren Verwendung zu kosmetischen Zwecken noch D i o s k u r i d e s berichtet. 2 III. Pflanzliche Stoffe. 1. F e t t e . Zu mehr als 80 Rezepten wird die Beigabe von Öl vorgeschrieben, das sich zuweilen auch als reines oder weißes bezeichnet findet; außer S e s a m ö l und B e h e n ö l (qebu, baq) wird besonders oft R i z i n u s ö l verlangt, einige Male mit dem Zusätze „aus den Früchten gepreßt". 3 Der Rizinusbaum (qeqi, qiqi) lieferte überhaupt zahlreiche Heilmittel, denn neben der Frucht (qesebt) und der Beere (deqm) werden auch Blätter, Mark und Wurzelrinde verordnet. 4 Das „Baumöl" dürfte wohl ebenfalls als Rizinusöl anzusehen sein; was jedoch das „eingetrocknete Öl" war, dessen „ S t ü c k e " einer Salbe zugesetzt werden sollten, 5 bleibt ungewiß. 2. K o h l e n h y d r a t e . Als Versüßungsmittel dienen: hauptsächlich (an 200mal) H o n i g , und zwar roher, gekochter, und geronnener (fest gewordener?), ferner R o s i n e n (sa-sa), Weinbeeren, F e i g e n und S y k o m o r e n f e i g e n (sämtlich teils frisch, teils getrocknet oder geröstet), und sehr häufig D a t t e l n , in Form von frischen oder grünen Früchten, von Abfällen, und von „Teig oder Mehl", — worunter vermutlich der zu einer Art Honig eingekochte Saft zu verstehen ist, aus dem eigene Hofbeamte, die „Macher der Dattel-Süßigkeiten", allerlei wohlschmeckende Speisen zu bereiten hatten. 6

4

1 2 3 S. 81. s. meine „Abhandl. und Vorträge", S. 61. S. 26, 63. 5 6 z. B. S. 5, 11, 70. S. 34. W o e n i g , S. 312; B r u g s c h , S. 220.

v. L i p p m a n n ,

A b h a n d l . u. Vortr.

II.

2

CHEMISCHES

18

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

Durch Vergärung verschiedener süßer Pflanzensäfte und aus Getreidearten gewonnener Würzen stellte man W e i n , P a l m w e i n und D a t t e l w e i n dar, vor allem aber B i e r , das schon seit den ältesten Zeiten gebräuchlich war, 1 aber noch in einer Inschrift von etwa 1400 v. Chr. als Geschenk des Königs an einen fremden Fürsten angeführt wird. 2 Der Papyrus Ebers erwähnt etwa 80mal Bier, gärendes Bier, schäumendes, ausgegorenes, abgestandenes, kühles, starkes, süßes und bitteres, 3 Bierschaum und Bierspülicht; auch unterscheidet er bereits W e i n h e f e , B i e r h e f e und M e s t a h e f e (die Hefe des nicht näher bekannten Mesta-Getränkes), 4 gedenkt der Hefen des süßen und ausgegorenen Bieres, der „entstehenden Hefe", 5 des Hefen-Bodensatzes, 6 des Hefensaftes, 7 und Hefenwassers. 8 — Von E s s i g und Essiggärung ist auffälligerweise niemals die Rede, vielleicht weil man saures Bier und Essig nicht auseinanderhielt; wie B e r t h e l o t zur Behauptung k o m m t , Essig spiele im Papyrus Ebers eine große Rolle, 9 ist daher ganz unverständlich. L e i n s a m e n und Leinsamenwasser 1 0 wird öfters vorgeschrieben, wie denn die L e i n p f l a n z e , das Leinen, und auch die Leinenscharpie 1 1 (im Gegensatz zur Baumwollscharpie), 1 2 sowie die B a u m w o l l e und der P a p y r u s als wohlbekannt erscheinen; G u m m i , auch in Gestalt von Gummitropfen oder Gummiwasser 1 3 verordnet, war nach W o en ig der Gummi der echten oder Nil-Akazie, wurde noch zur Zeit R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) als Tribut dargebracht, 1 4 und diente u. a. zur Bereitung der Tinte, sowie später auch zum Aufeinanderkleben beschriebener Papyrusblätter, deren oberstes daher Protokoll ( = Erstgeklebtes) hieß. 15 3. H a r z e . 1

Neben W e i h r a u c h und M y r r h e spielen auch

2 3 B r u g s c h , S. 67. L i e b le i n , „Handel", S. 28. Nach W o e n i g , S. 170, wurden zur Würzung und Konservierung pflanzliche Bitter4 5 6 7 stoffe zugesetzt. S. 67. S. 109. S. 160. S. 36, 38. 8 9 10 11 S. 77, 78. „Archéologie", S. 239. S. 114. S. 28. 12 13 14 S. 115, 117, 124. S. 48, 110. L i e b l e i n , „Handel", S. 49, 64. 15 W o e n i g , S. 114.

CHEMISCHES

AUS DEM „PAPYRUS

EBERS"

19

Zedernharz, Terpentinharz,1 Pistazienharz,2 Akant h u s h a r z , S y k o m o r e n h a r z , 3 S t y r a x h a r z (niuben), 4 L o t u s h a r z (?), 5 und M a s t i x h a r z 6 eine Rolle; sie sind fast ausnahmslos fremdländischen, von Weihrauch und Myrrhe abgesehen meist vorderasiatischen Ursprunges, und es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß sich die öfters gebrauchte Bezeichnung „ F e t t des Baumes" nach v. O e f e l e ganz ebenso auch in den Keilschrifttexten vorfindet, in denen z. B. „ F e t t des Mastixbaumes" das Mastixharz bedeutet. 7 4. A r o m e , ä t h e r i s c h e Öle. Aus der Reihe der Pflanzen, denen ein Gehalt an aromatischen Stoffen oder an ätherischen Ölen besonderen Wert verleiht, sind zu erwähnen: K ü m m e l , F e n c h e l (besbes), D i l l , 8 H o r n k l e e (foenum graecum), 9 M e l i l o t k l e e (chebu?), 1 0 B r u n n e n k r e s s e , P f e f f e r m i n z e , K o r i a n d e r und W a c h o l d e r ; letzterer, nach W o e n i g 1 1 in Ägypten nicht heimisch, kann nur aus Vorderasien eingeführt sein, und tatsächlich spricht ein Rezept von „Wacholderbeeren aus Byblos" in Phönizien. 1 2 Was J o a c h i m und L i e b l e i n unter einigem Vorbehalte mit Z w i e b e l übersetzen, erklärt W o e n i g , der hierbei an das aus religiösen Gründen bestehende Verbot des Zwiebelgenusses erinnert, für Johannisbrot; 1 3 indessen .haben sich Zwiebeln sehr häufig selbst in den Körperhöhlen der Mumien vorgefunden, u. a. sogar in den Augenhöhlen der Mumie des Königs R a m s e s II. 14 — Auch die Übersetzung K n o b l a u c h erscheint fragwürdig, da dieses Gewächs nach L o r e t vor 1200 v. Chr. in Ägypten noch nicht bekannt gewesen sein soll. 15 Ob die Pflanze Gentet und der Genti-Samen tatsächlich K a s s i a waren, unterliegt ebenfalls Zweifeln; nach W o e n i g 1 2 3 4 6 S. 51. S. 180, 114. S. 34, 51. S. 21, 27. S. 55. 7 3 9 S. 83, 180. M. M. N., Bd. 3, S. 225. S. 62, 142. S. 111; er gehörte nach W o e n i g (S. 357) auch zu den Bestandteilen des kostbaren 10 11 12 Räucherwerkes Kyphi. S. 164. W o e n i g , S. 362. S. 88. 13 14 15 W o e n i g , S. 375, 380. M. M. N., Bd. 7, S. 481. ebd., Bd. 4, S. 152." 6

2*

CHEMISCHES

20 ist

die

AUS DEM

Röhrenkassia

Kassiarinde

schon

„PAPYRUS

in Ägypten

um

EBERS"

einheimisch,

während

1600 v. Chr. aus oder über

die

Arabien

eingeführt wurde. 1 5. B i t t e r s t o f f e .

Von

derer oder schärferer Natur Lattich,

Endivie

Gewächsen,

die Bitterstoffe mil-

enthalten, finden sich

(qatsut), 2

Absinth

(saam), 3

genannt: Granate

(deren Wurzelrinde bereits zum Abtreiben der Würmer diente), Tamariske,

Kalmus

aus dem L a n d e t'abi (d. i. Asien), und

A l o e , — nicht zu verwechseln mit dem gleichfalls vorkommenden A l o e h o l z . 4 6. F a r b s t o f f e .

Pflanzen, die ihrer färbenden, aber auch

ihrer sonstigen arzneilichen Eigenschaften halber benützt werden, sind: S a f l o r (nesti =

Carthamus tinctorius), 6 S e n a u (Cartha-

m u s lanatus), 6 K r o k u s in seinen verschiedenen Abarten (vom Süden, vom Norden, v o m Berge, vom Delta), — deren eine jedoch

Ebers

mit

Chelidonium

wonach man K r o k u s

vielleicht

majus

(matet)

nur für einen

zu halten hat —, und endlich I n d i g o .

identifiziert, Sammelnamen

Nach L o r e t ist Indigo

im östlichen Nordafrika einheimisch und heißt ägyptisch Tinkon, woraus durch einen etymologischen

Irrtum der griechi-

schen und römischen Autoren „ I n d i k o n " und „ I n d i c u m " entstanden i s t ; 7 über seine uralte Anwendung zum Färben, die um 1600 v. Chr., wie Gräberfunde beweisen, schon eine längst bekannte war, berichtet W o e n i g . 8 7. N a r k o t i k a . k r a u t (sepet) in Öl,

Von diesen werden verschrieben: 9

Alraunen,

Bilsen-

auch als Alraunbeßren und

als Mehl ( = eingedickter S a f t ? ) der Alraunen von Elephantine, 1 0 sowie O p i u m ;

an verschiedenen Stellen finden sich erwähnt:

die Mohnpflanze (Chesit), 1 1 Chesit-Stengel und -Rinde, 1 2 Chesit1 W o e n i g , S. 343, 359. 2 S. 129. 3 S. 21; W o e n i g denkt an 4 S. 122, 142, 180. 5 S. 23; der den Keuschlammbaum (S. 375). 6 S. 124. 7 L o r e t , S. 177; ölreichen Samen gedenkt W o e n i g , S. 351. 8 W o e n i g , S. 353. 9 S. 108. s. meine „Abhandl. und Vorträge", S. 93. i 0 S. 44, 126, 1 1 S. 25, 74, 133, 153. 1 2 S. 67, 173; 70.

CHEMISCHES AUS DEM „PAPYRUS

EBERS

21

Früchte 1 , Chesit-Kapseln, 2 Chesit-Körner und Samen (sepnen), 3 Chesit-Harz d . i . Opium, 4 Seter-Seref (nach E b e r s = Trank des Ruhens), 5 und Hefe (Absatz?) des Seter-Trankes. 6 IV. Zubereitung der Arzneien. Feste Substanzen werden durch M a h l e n u n d R e i b e n , durch Z e r m a l m e n m i t d e m R e i b e r , und durch Z e r s t o ß e n im S t e i n m ö r s e r zerkleinert, 7 zuweilen auch noch gepulvert und gesiebt.8 Oft ist eine Vorbehandlung angeordnet, für die sehr mannigfaltige Vorschriften in Betracht kommen, u. a. R ö s t e n oder B a c k e n ; 9 A b p r e s s e n ; 1 0 E i n w e i c h e n , S t e h e n l a s s e n , E r w ä r m e n , oder A u s k o c h e n in und mit Wasser, Milch, 11 Dattelwein, 1 2 bitterem oder süßem Bier, 13 Honig 1 4 und Öl; 15 A u s l a u g e n in einem Leinensäckchen oder A u s k o c h e n in einem T u c h ; 1 6 mehrtägiges V e r g ä r e n mit Hefe 1 7 usf. Sollen nicht die verbleibenden Rückstände benützt werden, sondern die entstandenen Lösungen, so werden diese durch Siebe oder Tücher f i l t r i e r t und g e k l ä r t ; 1 8 das Filtrieren ist nach v. O e f e l e eine schon in ganz alten hieroglyphischen Texten häufig erwähnte Operation und wird durch ein eigenes Zeichen angedeutet, einen Mann darstellend, der in gebückter Stellung das Filtriertuch zusammenwindet und die durchlaufende Flüssigkeit in einem Gefäße sammelt. 1 9 Manche Lösungen sollen mit Hilfe eines Röhrchens a u s g e s c h l ü r f t werden; 2 0 betreff anderer wird empfohlen, sie auf freiem Feuer, oder mittels eingeworfener heißer Steine 1 2 3 S. 9, 108, 132, 141, 144, 151, 154. S. 169. S. 133, 102. 6 6 7 S. 64, 112, 120, 143. S. 33, 106. S. 139. S. 4, 114; 14, 131. 3 S. 15; dieses Zitat und die folgenden geben nur einzelne Beispiele an. 9 10 12 13 S. 7, 9. S. 8. » S. 77, 123. S. 60. S. 13, 17, 47, 131. 14 15 16 17 13 S. 7, 47. S. 9, 41. S. 76, 123. S. 12. S. 2, 11; 19 20 13, 176. M. M. N., Bd. 6, S. 144. S. 14. 4

22

CHEMISCHES

AUS

DEM

„PAPYRUS

EBERS"

zu erhitzen, und die D ä m p f e durch ein Rohr e i n z u a t m e n , das in den durchlochten Deckel des Gefäßes eingepaßt ist. 1 Schließlich sei noch erwähnt, daß neben ganz einfachen, nur aus zwei oder drei Bestandteilen zusammengesetzten Arzneimitteln, sich auch solche vorfinden, die eine große oder sehr große Anzahl Komponenten enthalten, 2 17, 18, ja 37, so daß sich die besondere Vorliebe der späteren griechischen, der byzantinischen, und der arabischen Medizin f ü r derlei m ö g l i c h s t k o m p l i z i e r t e M i s c h u n g e n , auch in diesem P u n k t e sichtlich auf uralte ägyptische und vorderasiatische Überlieferungen gründet. 1

S. 78, 79.

2

S. 51, 132, 145.

2 WIE

IST D E R A U S D R U C K „ C A P U T

ERKLÄREN?1

F Ü R E I S E N O X Y D ZU

n

seiner

„Schule

erwähnt

Bezeichnung des „Den

des

als

Eisenvitriols

der

Geheimrat

Chemie" Prof.

Dr.

Rückstandes

„Caput

MORTUUM"

(Bd. W.

von

mortuum"

II,

S. 214)

Ostwald der

und

die

Destillation

sagt

hierüber:

Vorgang (bei der Destillation) h a t m a n mit dem Tode

verglichen,

wo

die

des

Eisenvitriols

dem

schließlich

hat";

Schwefelsäure

entwichen nur

gelegentlich

der

gleichsam

ist,

und

Schädel

einer

als

den

übrig blieb,

Besprechung

die

Seele

Leichnam,

des

von

zurückgelassen O s t w a l d sehen

W e r k e s in der „ N a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n R u n d s c h a u " (Bd. X X , S. 398) bezeichnet Prof. Dr. B i e h r i n g e r in Braunschweig diese Erklärung

als

wahrscheinlich, Lullus

nicht daß

recht man

einleuchtend, etwa,

wie

dann

das Destillat

es

für

Raymund

mit einem Drachen unteres

Ende,

d e m n a c h als Schwanz, den R ü c k s t a n d aber als oberes

Ende,

demnach

und

hält

z. B. bei

zu lesen, den Destillationsprozeß

verglichen

und

als Kopf, angesehen

Widerstandsfähigkeit

gegen

mortuum.

Da

jedoch

in

scheinend

völlig

im

Stiche

Hypothese 1

dahingestellt

als dessen

habe, u n d

Säuren dieser

als

Hinsicht

lasse, solle

bleiben,

„Chemiker-Zeitung" 1906, S. 323.

zwar wegen toten

und

die

Kopf,

Literatur

das Z u t r e f f e n ihr

seiner Caput

Urheber

an-

dieser fordert

24

CAPUT

MORTUUM

mich auf, mich zur Sache zu äußern, und gibt mir durch freundliche Zusendung der betreffenden Nummer des genannten Blattes und einiger begleitender Zeilen hiervon Kenntnis. Eine eingehende Erörterung der Frage wäre nur an der Hand sehr ausführlicher Darlegungen und Quellenangaben möglich; in Kürze dürfte sie sich aber, soweit meine Kenntnisse reichen, wie folgt beantworten lassen: Aus den um das 4. und 5. nachchristliche J a h r h u n d e r t zu Ägypten in griechischer Sprache abgefaßten Schriften des Z o s i m o s , O l y m p i o d o r o s und ihrer Fachgenossen ergibt sich, als eine bei den damaligen Chemikern schon völlig befestigte Tradition, die Ansicht, daß u. a. den sämtlichen Metallen ein gemeinsamer, unzerstörbarer, feuerfester Urstoff zugrunde liege, der durch „Weißung", „Gilbung", und ähnliche individualisierende Operationen, in jedes Einzelne von ihnen überführbar sei. Dieser Urstoff, den man z. B. durch Brennen und Verbrennen von Kupfer und Blei, durch Kalzinieren der Metalle mit Schwefel, durch Brennen und Rösten der Vitriole, durch Glühen verschiedener metallhaltiger Minerale und Erze, durch Zersetzung („Gärung", „Faulung") von Metallen und Metallderivaten mit Essig, Pflanzensäften usw. zu gewinnen suchte, wurde „schwarzes P r ä p a r a t " , „schwarzes P r o d u k t " , „schwarzer Stein", „vollkommene Schwärze" benannt, und gab, wie der Orientalist G. H o f f m a n n schon 1884 nachwies, vermutlich der Chemie ihren Namen, indem „Chemie" xvt>*ia) nichts anderes als „Bereitung der Schwärze" bedeutet, — denn „schwarz" heißt auf ägyptisch „chemi", und nach P l u t a r c h nannten die Ägypter auch das „Schwarze des Auges", die Pupille, xvv-ia = Chemia; diesen Namen ihrer Kunst kombinierten aber die Chemiker anscheinend auch mit dem gleichklingenden Namen des L a n d e s Ägypten, der im Niederägyptischen, mit Beziehung auf die schwarze

CAPUT

MORTUUM

25

Farbe des fruchtbaren Erdbodens, „chemi" lautet. 1 Der „Herr Ägyptens" und „Herr der Schwarzerde" ist aber O s i r i s , denn Ägypten, — so meldet nach E b e r s ein Text von Edfu —, ist benannt nach dem Auge des O s i r i s , weil es seine Pupille ist; auch trägt O s i r i s den Beinamen „der Schwarze", denn während der Periode der Dürre und des tiefsten Nil-Wasserstandes ruht er, vom Feuer des T y p h o n ( S e t h ) verbrannt, in der Unterwelt, wo er der Wiederauferstehung zur Zeit des Regens und der Nilschwelle harrt. Bei den oben erwähnten ägyptisch-hellenistischen Autoren wird nun das „schwarze P r ä p a r a t " , die „vollkommene Schwärze", auch unter dem Namen „Grab des O s i r i s " , „Leiche des O s i r i s " angeführt; man verglich also die schwarze Masse mit dem Leichnam des O s i r i s , der nach ägyptischer Sitte mit Binden so völlig umwickelt gedacht wurde, daß nur der K o p f sichtbar bleibt; ebenso betrachtete man nach Z o s i m o s zuweilen auch wieder die Metalle, die zur Darstellung der Schwärze kalziniert oder verbrannt werden sollten, als mit Leinenbinden (xeioiaig) umwickelte Mumien, ja man brachte sie tatsächlich in Stücke Leinwand {niralov) eingehüllt in die Schmelztiegel, und gebrauchte f ü r diese abergläubische Vorbereitung den nämlichen Kunstausdruck r cegi/tta wie f ü r jene der einzubalsamierenden Leichname. Von der Wiederabscheidung der Metalle aus dem Verbrennungsprodukte (die durch Reduktion, Entschwefelung usw. geschah) spricht daher Z o s i m o s , dem erwähnten Mythus gemäß, geradezu als von einer „Auferstehung des Toten", während er die schwarze Masse selbst als „den T o t e n " oder „den toten Körper" bezeichnet. Der K o p f d e s T o t e n , das „Caput mortuum", 1

Der etymologische Zusammenhang zwischen • „Chemie" und „chemi" = schwarz ist also durchaus nicht abzuweisen, obwohl dies noch jüngst (Ztschr. f. angew. Chemie 1905, 466) ein Ägyptologe getan hat, dessen Meinung übrigens keineswegs von allen seinen Fachgenossen geteilt wird.

26

CAPUT

MORTUUM

ist also das H a u p t des verbrannten O s i r i s , der einzig sichtbare Teil seiner Mumie, und, symbolisiert den nach der Verbrennung und Röstung der Metalle oder ihrer Derivate allein noch übrigbleibenden Rückstand. Demgemäß gibt „Caput m o r t u u m " ursprünglich einen g e n e r e l l e n Begriff wieder, u m f a ß t also die verschiedensten, beim Verbrennen, Kalzinieren, Rösten und Schmelzen, sowie bei dem (später entdeckten) Destillieren, zu beobachtenden Reste (Oxyde, Sulfide, Aschen und Schlacken aller Art usw.), und daß diese Bezeichnung schließlich gerade am Eisenoxyd haften blieb, ist nur ein Zufall, vergleichbar jenem, der die allgemeinen Namen „ S u b l i m a t " oder „Alkohol" (al kohol = das feinste Pulver) speziell dem Quecksilberchlorid und (im übertragenen Sinne = Quintessenz) dem Weingeiste zuerteilte. Durch syrische und arabische Vermittlung gelangte das „schwarze P r ä p a r a t " zu den mittelalterlichen Alchemisten, die seine Synonyma „vollkommene Schwärze" durch „nigredo perfecta", und „schwarzer Stein der Philosophen" (nämlich der „Philosophen per ignem", also der Chemiker) durch „lapis (seil, niger) philosophorum", das ist „Stein der Weisen" wiedergaben, den oben erwähnten Kunstausdruck selbst aber mit „Caput m o r t u u m " übersetzten; noch im 17. J a h r h u n d e r t war dieser nicht eindeutig, denn B o y l e spricht z. B. vom Caput mortuum des Bernsteins und meint damit den Rückstand, der bei der Gewinnung von Bernsteinöl durch trockene Destillation des Bernsteins verbleibt, — ja als Nachklang des alten allgemeinen Sinnes ist es anzusehen, daß man in Norddeutschland noch heute auf die Überreste eines zerstörten Gegenstandes mit dem (entstellten und unverstandenen) Worte hinweist: er ist „ k a p u t " oder gar „ k a p u t gemacht". Schließlich sei noch erwähnt, daß der Name „Colcotär" für Eisenoxyd vom syrischen und arabischen „Calcotörin" s t a m m t , das selbst wieder vom spätgriechischen / a l x t i r ä o i v

CAPUT

MORTUUM

27

(Chalketärin). abzuleiten ist; mit diesem Worte bezeichnete man ursprünglich ein nicht näher definierbares Produkt, entstanden durch Verwittern von xaXxirtg (Chalkitis), das ist von Vitriol, der übrigens nur als ein mehr oder weniger unreines, Kupfer, Eisen, und zuweilen wohl auch Blei enthaltendes Präparat bekannt war.

Zusatz. 1 Der berühmte Ägyptologe Prof. Dr. W. M a x M ü l l e r in Philadelphia h a t t e die Güte, mir über diesen Gegenstand eine kurze Mitteilung zukommen zu lassen, der ich folgendes entnehme: „Gemäß der verbreitetsten Form des Mythus über O s i r i s wurde dessen Körper in 42 Teile zerstückelt, die in den 42 Gauen Ägyptens erhalten sind. Das eigentliche Osirisgrab ist aber das zu Abydos, weil dort der Kopf begraben liegt, das einzig Authentische, das von O s i r i s übrig blieb; neben diesem Hauptstücke, — denn der Kopf ist in der altägyptischen Theologie der Sitz des Lebens —, gelten die übrigen Körperteile so gut wie nichts, oder sind höchstens Reliquien geringeren Wertes und einer von der abydenischen Theologie wohl bestrittenen Echtheit. Abydos hingegen f ü h r t in seinem Wappen den Kopf des O s i r i s , und „Grab des Osiris" ist also identisch mit „Kopf des Osiris". Sie sehen, diese Modifikation Ihrer Erklärung macht Ihre Ableitung des „Caput m o r t u u m " erst völlig überzeugend". Dem hervorragenden, mir persönlich unbekannten Forscher gestatte ich mir für seine freundliche Zuschrift, sowie f ü r die Erlaubnis, sie zu veröffentlichen, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. 1

„Chemiker-Zeitung" 1906, S. 925.

Zweite Abteilung

3 C H E M I S C H E S UND P H Y S I K A L I S C H E S AUS P L A T O N 1 I. Einleitung. ie für die Geschichte der Philosophie, so bildet P i a t o n auch f ü r die der Naturwissenschaft einen unvergänglichen Markstein, und zwar nicht nur seiner inneren Bedeutung, sondern auch seiner äußeren Stellung nach: jenseits der Grenze liegt das Trümmerfeld der Fragmente, aus denen nur mühsam und mit oft zweifelhaftem Erfolge, an der Hand lückenhafter und nicht selten mißverständlicher Zitate oder Berichte, die Lehrgebäude der großen und tiefsinnigen „Vor-Sokratiker" rekonstruiert werden können; im diesseitigen Gebiete aber erheben sich, wohlerhalten und in Fülle, reiche Denkmale, deren Anblick den Geist ihrer Schöpfer noch unmittelbar zu uns sprechen läßt, so daß erst mit ihnen" die wahrh a f t urkundliche Geschichte der Forschung beginnt. Sämtliche Werke, die P i a t o n hinterließ, als er achtzigjährig 347 v. Chr. starb, hat uns ein günstiges Geschick unzerstört bewahrt, und niemals waltete in der Meinung aller Zeiten daran ein Zweifel, daß sie als unverlierbares Gut zu dem Besten und Höchsten zählen, was das Griechentum, ja was die Menschheit hervorgebracht hat. Betreffs der Zuverlässigkeit der Überlieferung gingen und gehen jedoch die 1 „Journal für praktische Chemie" 1907, S. 513; Herrn Geheimrat Prof. Dr. E r n s t v o n M e y e r zur Feier des 60. Geburtstages dargebracht.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

29

Ansichten auseinander, und auch von den 35 „authentischen" Dialogen mögen einige in ihrer Gesamtheit, andere in einzelnen Teilen nicht von P i a t o n selbst herrühren, vielmehr von ihm nahestehenden und seinem Kreise durchaus zugehörigen Schülern; für sicher gilt es, daß das unvollendet hinterlassene Werk „Die Gesetze" durch P h i l i p p o s aus Opus redigiert wurde, und daß dieser ihm das 13. Buch, die sogenannte „Epinomis", hinzufügte. Auch über die Abfassungszeit und die Reihenfolge der Dialoge ist die Kritik nur bezüglich einiger H a u p t p u n k t e zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangt, während im einzelnen die äußeren, inneren, sprachlichen, grammatischen, und stilistischen Kennzeichen häufig versagen, um so mehr als viele Unterschiede und Widersprüche schon allein durch den Entwicklungsgang des Verfassers während einer mindestens fünfzigjährigen schriftstellerischen Tätigkeit, sowie durch die Möglichkeit von Neuausgaben und Umarbeitungen der älteren Gespräche, genügend erklärbar sind. Den nachstehenden Darlegungen ist die Gesamtheit der Schriften zugrunde gelegt, die den Corpus der platonischen Werke bilden, und angesichts ihres durchgehenden inneren Zusammenhanges als e i n großes Ganzes gelten dürfen; die Übersetzungen sind der klassischen zehnbändigen Ausgabe von M ü l l e r und S t e i n h a r t 1 entnommen, und auf diese, als für jedermann zugänglich und vergleichbar, weisen auch die angeführten Belegstellen hin. Es sollen zunächst in Kürze einige zum Verständnis unerläßliche philosophische Prinzipien P i a t o n s , sodann ausführlich seine Meinungen über chemische und physikalische Fragen wiedergegeben werden, während eine Besprechung der Bedeutung und Fortwirkung dieser Lehren dem Schlüsse vorbehalten bleibe. 2 1 Leipzig, 1850—1873; bei den Zitaten gibt die erste Ziffer die Band-, 2 die zweite die Seiten-Zahl an. Näheres über P i a t o n s Philosophie s. in den Werken und Abhandlungen von G o m p e r z , G r o t e , R o h d e , Steinhart, W i n d e l b a n d , Zeller.

CHEMISCHES

30

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

II. Allgemeines. Das dem

Freunde

der Weltweisheit

angemessene

Gefühl

ist das des „ S i c h - V e r w u n d e r n s " , denn in ihm liegt der A n f a n g aller Philosophie. 1

Dem N a c h d e n k e n d e n wird vor allem

werden, d a ß wir die Dinge nicht so zu erkennen wie sie s i n d ,

sondern n u r s o ,

klar

vermögen,

wie sie uns e r s c h e i n e n ;

es

t r ü g t aber der Sinnenschein, es t ä u s c h t die Wahrscheinlichkeit und

die

Selbstverständlichkeit,

Menge so sehr z u s a g e n , 2

wenngleich

es beirrt

diese der großen

(im ganzen

wie im ein-

zelnen) das Zurückgehen von der Folge auf den sich doch so Grund,3

augenfällig d a r b i e t e n d e n

und

nichts

ist

daher

un-

gerechtfertigter als die so v e r b r e i t e t e Meinung: „Wirklich allein

das,

was

man

geradezu

mit H ä n d e n

greifen

ist

kann."4

Sind a b e r die Dinge f ü r uns Erscheinung, so sind sie d a r u m doch kein Schein. Protagoras

Unrichtig bleibt d a h e r die B e h a u p t u n g des

(geb. u m

485 v. Chr.):

„Der

Mensch

ist

das

Maß aller Dinge", selbst m i t der E i n s c h r ä n k u n g auf den verständigen

Menschen;5

ebenso

einseitig

sind

die

Aussprüche

des H e r a k l i t (gest. u m 475 v . C h r . ) : „Alles f l i e ß t , . . . nichts ist b e s t ä n d i g , . . . m a n k a n n nicht zweimal in denselben s t e i g e n . . .",

denn

auch

der

durch

Drehen

Fluß

schwindlig

Ge-

w o r d e n e g l a u b t , die g e s a m t e U m g e b u n g bewege sich in endlosem Kreislaufe, u n d verlegt die Ursache seiner W a h r n e h m u n g in die N a t u r der G e g e n s t ä n d e , suchen.

6

statt

sie in

sich

selbst

zu

Alle solche Sätze gelten eben n u r f ü r die Welt der Er-

scheinung, die Dinge besitzen a b e r , auch von uns u n d unserer Vorstellung abgesehen, ihnen

eigentümliches,

Dieses Wesentliche

ihr von für

sich

nun,

der N a t u r selbst

das

den

aus

bestimmtes,

bestehendes Wesen. 7 Objekten

der

Wahr-

n e h m u n g u n d den wechselnden, t ä u s c h e n d e n Erscheinungen der 2 3 1 P h ä d o n IV, 511. P h ä d o n IV, 517. Theätet III, 120. 5 6 Theätet III, 120. Kratylos II, 580; Theätet III, 158. Kratylos II, 602, 614. ' ebd. II, 581.

4

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

31

Sinnenwelt in ihrem unaufhörlichen „ W e r d e n " z u g r u n d e liegt, nannte P i a t o n

die „ I d e e n " ;

in ihnen sah er die T r ä g e r des

w a h r e n , beharrenden, u n d ewig beständigen „ S e i n s " , u n d zwar anfänglich m e h r im Sinne von G a t t u n g s b e g r i f f e n , u n v e r ä n d e r lichen Formen, r ä u m - u n d zeitlosen Urbildern der individuellen Geschöpfe u n d

Dinge, in späterer Zeit aber vorwiegend

Sinne wirkender

K r ä f t e , zielsetzender Zweckursachen,

im

die als

gestaltende R e a l i t ä t e n den Geschöpfen u n d Dingen Dasein und Individualität verleihen, u n d die R i c h t u n g des Geschehens bestimmen.

Die Ideen bilden den

Gegenstand

begrifflicher Er-

k e n n t n i s durch die V e r n u n f t , u n d daher das letzte w a h r e Ziel wissenschaftlicher völlig

Gewisse,

Forschung, als

die

ja

sogar

Ergebnisse

insoweit

der

reinen

das

einzige

Denktätigkeit

Sinnenscheines. 1

sicherer sind wie die des trügerischen

Was

den Bereich dieses letzteren b e t r i f f t , so stellen sich in ihm der Ermittlung

der W a h r h e i t

ganz

außerordentliche,

ja

zumeist

unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, m a n m u ß sich daher häufig begnügen, s t a t t

des W a h r e n

n u r das

Wahrscheinliche

ausfindig zu m a c h e n , 2 ja v e r m a g selbst dieses o f t n u r im Gew ä n d e des M y t h u s v o r z u t r a g e n . III. Die vier Elemente. Die U r a n f ä n g e ergründlich Werden

und

unserer

des

Seins

und

der

unerklärbar,

3

Welt,

„Kosmos",

des

jegliche

Bewegung

sind

un-

Vorstellung

über

das

setzt jene schon

als

gegeben voraus. Allem E n t s t e h e n liegt ein Erstes, Ursprüngliches z u g r u n d e : das U n b e g r e n z t e , formtes Wesen,

noch

ein u n s i c h t b a r e s ,

gestaltetes,

„die M u t t e r "

Wie P i a t o n

oder

aber „der

u n b e s t i m m t e s , weder ge-

bildsames, Schoß"

diese Lehre v e r s t a n d e n

allempfängliches

alles Werdens. 4 —

wissen wollte,

darüber

gehen die Ansichten der Erklärer seit jeher und bis auf 1

3

den

2 Phädon IV, 473. Timäus VI, 197, u. auch sonst sehr häufig. 4 Theätet III, 186; Phädros IV, 117. Timäus VI, 171.

32

CHEMISCHES

UND

PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

heutigen Tag auseinander: Die einen (unter ihnen, anscheinend schon A r i s t o t e l e s ) nehmen eine eigentliche Urmaterie (Hyle) an, ein in steter, aber ungeordneter Bewegung befindliches, qualitätsloses Substrat aller Elemente, den Träger ihrer zahllosen wechselnden Gestaltungen, und das Bleibende bei ihren Wandlungen; die anderen bestreiten, daß es sich um eine stoffartige Realität handle, identifizieren vielmehr das Unbegrenzte mit dem leeren Raum der eleatischen Philosophen, in dem, n i c h t a u s dem, alle Dinge entstehen. Sicher ist indes, daß P i a t o n die Welt der Erscheinung (die Körperwelt, den Kosmos) aus diesem „Unbegrenzten" hervorgehen läßt, und zwar vermöge einer Durchdringung mit der „Begrenzung": Der Kosmos ist geformter Raum, geformt unter dem Einflüsse der Ideen als Zweckursachen, und das Unbegrenzte wird durch die geometrische Begrenzung zum Körper, und erlangt durch sie die körperliche Realität. Die Realität, und mit ihr die Erkennbarkeit der Dinge, sind also wesentlich an ihre Bestimmung durch geometrische Formen geknüpft, und die Mathematik erweist sich so als die Vermittlerin zwischen den Ideen und den Objekten der Anschauung; hieraus erklärt sich die hohe Wichtigkeit, die P i a t o n diesem Wissenszweige beimaß, und der er durch die Überschrift des Einganges zu seiner Lehrstätte Ausdruck gegeben haben soll: „Kein der Mathematik Unkundiger trete hier ein." Als Flächen der Begrenzung sind zwei Arten rechtwinkliger Dreiecke anzusehen, das gleichschenklige und jenes „unter den nicht gleichschenkligen schönste", dessen Hypotenuse doppelt so groß ist wie die

A

kleinere K a t h e t e ; 1 es sind dies die Dreiecke, die durch Zerfällung des Quadrates und des gleichseitigen Dreiecks entstehen. Nun lassen sich in der Welt vier Elemente nachweisen: das F e u e r , das sie sichtbar, die E r d e , die sie tastbar macht, und 1

T i m ä u s VI, 175 ff.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

33

als m i t t l e r e P r o p o r t i o n a l e n zwischen diesen die L u f t u n d d a s Wasser,

so daß sich

Erde v e r h ä l t ;

1

F e u e r : L u f t = L u f t : Wasser =

von diesen gingen

die E r d e aus der

Wasser: ersten,

das Feuer, die L u f t , u n d das Wasser aber aus der

zweiten

A r t der rechtwinkligen Dreiecke hervor, u n d zwar derart, d a ß jene Begrenzungsflächen stimmten

gewisse Teile

des

Gestalten z u s a m m e n f a ß t e n ,

zu

be-

so d a ß erst durch

Raumes

ein

solches Z u s a m m e n f ü g e n u n d Ordnen der Dreiecke nach arithmetischen u n d geometrischen Verhältnissen die E l e m e n t e ents t a n d e n ; 2 m i t R e c h t k a n n m a n sie daher als „die zur

Ent-

3

s t e h u n g gediehene B e w e g u n g " auffassen, als E n d e r g e b n i s eines Strebens nach geregelter A n o r d n u n g , bei der sich, der N a t u r des E n t s t e h e n d e n

u n d dem waltenden Zufalle der

gemäß, das Ähnliche zu vereinigen, fliehen t r a c h t e t ,

4

Bewegung

das Unähnliche

aber

zu

u n d jegliches einem b e s t i m m t e n , ihm seinem

Wesen nach natürlichen O r t e z u s t r e b t . 5 Aus der Schwere, K o m p a k t h e i t , und

Beweglichkeit

der

Elemente

läßt

Festigkeit, sich

Bildsamkeit

auch

deren

Ge-

s t a l t u n g erschließen, die m a n jedoch n u r an größeren Massenteilchen erkennen k a n n , n i c h t an den kleinsten, nicht s i c h t b a r e n :

die E r d e

h a t die F o r m

Wasser die des Ikosaeders,

einzeln

gar

des W ü r f e l s ,

das

die L u f t die des O k t a e d e r s ,

das

F e u e r , als das f l ü c h t i g s t e , die rein p y r a m i d a l ansteigende des Tetraeders.6 regelmäßigen oder

— Von

den

bekanntlich

„platonischen"

kombinierte

Körpern

Dreiecksflächen

der

allein können

möglichen durch

beschriebenen

n u r die vier G e n a n n t e n begrenzt w e r d e n ,

und schon

fünf

einzelne Gestalt Pytha-

g o r a s (im 6. J a h r h . ) , P h i l o l a o s (im 5. J a h r h . , vermutlich etwas j ü n g e r als S o k r a t e s ) , u n d wohl auch E m p e d o k l e s (gest. um 435 v. Chr.) b r a c h t e n sammenhang;

den

diese m i t

fünften

der

den vier

Elementen

regelmäßigen

in

Körper,

1

Zudas

2 ebd. VI, 149ff. ebd. VI, 175ff., 193, 198; Gesetze VII, 338. 4 6 Gesetze VII, 430. Timäus VI, 173; Gesetze VII, 329. TimäusVI, 6 186. Timäus VI, 175 ff.

3

v. L i p p m a n n ,

Abhandl. u. V o r t r .

II.

3

34

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

Dodekaeder, setzt P i a t o n n i c h t in Beziehung zu den einzelnen Elementen, sondern zum Weltganzen, dessen Kugelform es durch sein Äußeres am nächsten kommt. Die geometrische Gestalt der Elemente macht auch erklärlich, daß die feineren und flüchtigeren nicht nur imstande sind, in die Poren der größeren einzudringen und diese in kleinste Teilchen zu zersplittern, sondern daß sie unter Umständen auch vermögen, die kleinsten Teilchen in ihre Elementardreiecke aufzulösen, die sich dann wieder leicht anderweitig aneinander lagern: Die Erde geht allerdings, weil das die Sondergestalt ihrer Dreiecke bedingt, in keinen sonstigen Körper über; aber das Oktaeder der Luft kann in zwei Tetraeder des Feuers zerfallen oder sich aus ihnen bilden, und das nämliche Verhältnis besteht zwischen einem Ikosaeder des Wassers und 2 x / 2 Oktaedern der L u f t , oder zwei Oktaedern der Luft nebst einem Tetraeder des Feuers, und es ist ersichtlich, daß bei diesen Umsetzungen ein Stoff schließlich völlig die Natur des anderen annimmt. 1 Alles ist daher wandelbar, und jegliches geht in das andere über. 2 Wasser verdichtet sich zu Erde und Stein oder verdünnt sich zu Dunst und Luft, entzündete Luft gibt Feuer, verlöschendes Feuer wieder L u f t , verdichtete Luft erst Nebel dann Wasser, und so vollziehen sich alle Vorgänge in unaufhörlichem Kreislaufe. Was nun die einzelnen Elemente anbelangt, so geht das F e u e r , und mit ihm das Licht und die Wärme, von der Sonne aus, 3 doch entstehen Feuer und Wärme auch durch Umschwung und Reibung, und diese wieder durch Bewegung. 4 Vom Feuer gibt es viele Stufen und Arten, 5 und die Wärme kann daher zu- und abnehmen, ohne daß man hierfür letzte Grenzen anzugeben vermöchte; 6 mäßige Wärme erweist sich als wohltätig und läßt alles wachsen und gedeihen, 7 scharfes 1

2 3 ebd. VI, 175 ff. ebd. VI, 169; Phädon IV, 480. Kratylos II, 4 6 6 617. Theätet II, 116. Timäus III, 179 ff. Philebos IV, 683. 7 Theätet III, 116.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

35

Feuer aber wirkt zerschneidend infolge der Schärfe der Kanten und Winkel seiner Dreiecke, der Schnelligkeit ihrer Bewegung, sowie ihrer Kleinheit; hieraus erklärt es sich, daß kein Körper den Durchgang der Wärme völlig aufzuhalten oder zu verhindern vermag, und daß die Hitze für uns mit der bestimmten Empfindung eines „Scharfen" verbunden ist. 1 Von der L u f t gibt es gleichfalls mannigfache Arten und Grade. Wenn ihre Dichte, die genügt, um Gegenstände von der Erde aufzuwirbeln, 2 noch zunimmt, so wird sie unreiner, und bildet zunächst Dämpfe und Dünste, die Träger der Gerüche, die zwar schon dichter als Luft, aber noch dünner als Wasser sind, und daher erst bei weiterer Verdichtung in dieses übergehen. 3 Die reinste Luft, der gewöhnlichen an Reinheit ebenso weit überlegen wie diese dem Wasser, ist der Äther, der vermöge seiner Leichtigkeit über den irdischen Luftraum emporsteigt und ihn in stetiger Strömung umkreist. 4 — Es ist bemerkenswert, daß P i a t o n den Äther n i c h t als fünftes Element anerkennt; als solches wird er erst in dem später zugefügten 13. Buche der Gesetze („Epinomis") bezeichnet. 5 Das W a s s e r ist seinem Wesen nach sehr unbeständig, und so leicht zu schädigen und zu verderben, daß seine Reinheit im öffentlichen Interesse unter gesetzlichen Schutz gestellt wird; 6 durch die Zwischenstufen des Rauches und der Dünste geht es unter Umwandlung seiner Natur in Luft über, beim Entweichen seiner Luft- und Feuerteilchen aber verdichtet es sich, und gesteht oberhalb der Erde zu In Schnee und Hagel, auf der Erde zu Reif und Eis. 7 richtiger Mischung mit Feuerteilchen, d. h. bei genügender Wärme, nehmen es die Pflanzen als ihr wichtigstes Nahrungsmittel auf und erzeugen aus ihm ihre Säfte, von denen es vier 1

2 3 Timäus VI, 178, 184, 204; 179. Kratylos II, 613. Timäus VI, 4 179ff., 190; Phädon IV, 534ff. Timäus, a. a. O.; Phädon, a. a. O.; 6 6 Kratylos II, 613. Epinomis VIII, 130. Gesetze VII, 276. 7 Timäus VI, 190, 182; Phädon IV, 526, 530.

3*

36

CHEMISCHES

gibt:1

Hauptarten artigen, auch

die weinartigen,

die honigartigen,

gleich

daher

UND PHYSIKALISCHES

geronnener

Opium!).

Als

AUS

die öl-,

PLATON

pech- und

u n d die milchartigen, Miich

ausgeschwitzt

Flüssiges

und

Nasses

harz-

die zuweilen

werden hat

(Opos,

das

Wasser

auch die N a t u r des Geschmolzenen, u n d gibt daher beim Abkühlen

und Erstarren

harzähnlichen Wasser,

Gesteine u n d E r d e n ;

Mineralien

die Erze

nur

enthalten

noch

m e h r wenig,

die wachs-

viel

und

unverändertes

die glas-

und

schmelz-

artigen keines oder f a s t keines. 2 Die E r d e

wird

unter

dem

Einflüsse

des

Feuers,

des

Wassers, u n d des D r u c k e s verschiedentlich v e r ä n d e r t , bald zu schönen

durchsichtigen

laugenähnlichen

Gesteinen,

Salzen,

die

bald

man

zu

durch

Kochsalz

Wasser

und

ausziehen

k a n n , bald zu festem T o n ; die Teile, die wiederholt u n d wechselnd Wasser mehr

durch

und

Abkühlen

waren,

sind

zumeist

durch

beide

löslich

noch

schmelzbar, 3

ausgesetzt veränderlich,

und

weder

dem

Feuer

ab-

Erhitzen

und nicht

w ä h r e n d im übrigen die Löslichkeit wesentlich von der Dichte der Einzelstoffe a b h ä n g t , die den feineren Teilchen des kalten oder heißen gestattet.

Wassers

mehr

oder m i n d e r

leichten

Durchgang

Gröbere u n d feinere erdige Teilchen, zuweilen d u r c h

die übrigen E l e m e n t e modifiziert, v e r m i t t e l n die

Geschmäcke,

indem sie von der Zunge aus durch B l u t ä d e r c h e n z u m Herzen geführt

werden.

sammenziehend, bei geringerer Salbe die

alles

Die bei

salzig;

gröbsten

großer

und

herb

laugenhaft

die f e i n s t e n ,

ausgleichend

mittleren,

schmecken

Schärfe

nach

Art

naturgemäß

durch Aufwallen u n d

und

und einer

zarten

vereinigend,

Gären

zu-

ätzend,

gelockert,

süß; mit

L u f t gemischt, u n d zu Wasser e n t h a l t e n d e n Blasen umgebildet, sauer.

Die d u r c h d r i n g e n d e n , zu Kopf steigenden

Geschmäcke

setzen eine V e r f l ü c h t i g u n g durch W ä r m e voraus, die bitteren (z. B. die der Galle) eine V e r s c h ä r f u n g der sauren 1 2 Timäus VI, 182. ebd. VI, 181, 183. 4 Theätet III, 108. Theätet VI, 188ff., 196, 210.

3

Prinzipien. 4

Timäus VI, 183, 199;

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

Aus den g e n a n n t e n vier E l e m e n t e n geht alles

37

überhaupt

Existierende hervor, ebensowohl die Mineralien u n d Erze der E r d e wie die Leiber der Pflanzen u n d Tiere, oder wie die Bestandteile des ganzen Weltalls; die unendliche Mannigfaltigkeit des V o r h a n d e n e n ist bedingt durch die verschiedenen Mischungsverhältnisse

der

ihrer elementaren vollziehenden Wärme und

Elemente,

durch

die

verschiedenen

Größen

Dreiecke, u n d durch den U m f a n g der sich

Verschmelzung

entgegengesetzter

Kälte, T r o c k e n h e i t u n d

Qualitäten,

Feuchte, usw., 1 die als

w a h r e Vereinigung u n d V e r m ä h l u n g anzusehen ist. 2 IV. Mineralische u n d pflanzliche Stoffe. Beim A b k ü h l e n u n d E r s t a r r e n des Wassers in der wobei es durch

Gesteine u n d

Felsen gereinigt u n d

Erde,

geläutert

wird, entstehen, durch die Schmelzbarkeit noch ihren U r s p r u n g v e r r a t e n d , die Metalle. 3 Das Gold ist die feinste, aller S u b s t a n z e n ,

dichteste

und wenn es rein

weder u n t e r e i n a n d e r noch

dem

und

ist,

Ganzen

gleichförmigste

zeigen

seine

gegenüber

Verschiedenheit, abgesehen von ihrer größeren oder Masse. 4

Teile

irgendeine kleineren

Meist a b e r k o m m t es, ebenso wie die anderen Edel-

metalle u n d Steine, nicht rein v o r , sondern in Gemenge m i t sonstigen

Bestandteilen,

Werkmeister

angefressen

scheiden d a n n

erst das

und

verwittert.5

Geröll,

die

Erde

Die und

die Steine a b , wobei das wertvolle Gold nebst d e m ihm verw a n d t e n Silber u n d K u p f e r u n d zuweilen auch Eisen z u r ü c k bleibt;

von diesen k a n n es n u r auf feurigem Wege

getrennt

werden, indem m a n wiederholte Schmelzungen v o r n i m m t , u n d sie m i t

Gehaltsproben v e r b i n d e t ,

bis zuletzt

das

sogenannte

gediegene Gold allein übrig bleibt u n d sich dem Blicke dar1

ebd. VI, 149ff., 179; Sophist III, 548. 3 Sophist III, 511. Timäus VI, 181. 6 g o n s I, 457. Phädon IV, 536.

2

4

Gesetze VII, 329; Timäus, a. a. O.; Prota-

38

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

bietet. 1 Das Gold ist das edelste der Metalle und nimmt in deren Rangordnung die oberste Stelle ein, ebenso wie in der H e s i o d s c h e n der Zeitalter und Geschlechter; 2 wie jedoch den vornehmsten Geschlechtern Glieder entspringen können, die in die mittleren oder tiefsten Stände herabsinken, während sich umgekehrt aus diesen einzelne Sprößlinge in die obersten Schichten zu erheben vermögen, so erzeugt zuweilen auch das Gold die geringeren Glieder der Rangordnung, nämlich Silber, Kupfer und Eisen, oder geht selbst aus einem von diesen hervor. 3 Es kann daher nicht wundernehmen, daß es in der Natur zumeist im Verbände mit ihnen v o r k o m m t ; aber auch künstlich vermischt man es mit anderen Edelmetallen, und versteht z. B. mittels solcher Zusätze goldene Geräte derartig zu anderen neuen umzuarbeiten, daß diese die verschmolzenen Metalle genau im verlangten Verhältnis enthalten. 4 Dem Golde zunächst soll einstens das Orichalkon (Bergerz) gestanden haben, das man in der Erde auffand und ehemals fast ebenso hoch schätzte wie Gold, während es jetzt nur mehr dem Namen nach bekannt ist. 5 — Welches Metall oder Metallgemisch P i a t o n unter Orichalkon vertand (das in späterer Zeit Messing bedeutete), ist ungewiß; aus ihm bestehen, so berichtet er, die Säule der Gesetze, sowie die Verzierungen an Fußböden, Wänden und Pfeilern in der Königsburg der sagenhaften, an Schätzen überreichen, im fernen westlichen Weltmeere gelegenen Insel „Atlantis". 6 Das Silber kommt ebenso selten rein vor wie das Gold; es ist allverbreitet und jedermann wohlbekannt. 7 Das Kupfer ist dem Gold verwandt, und zwar weniger edel, aber dichter und härter; das neben ihm in den Erzen oft vorhandene Erdige, das allmählich auswittert, nennt man Grünspan. 8 Kupfer ist neben Eisen das Werkzeug des 1

4 7

2 3 Sophist III, 689. Staat V, 390, 559. ebd. V, 390. 5 6 Gesetze VII, .245. Kritias VI, 331. ebd. VI, 333, 337. 8 Phädon IV, 536; Phädros IV, 139. TimäusVI, 181.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

39

Krieges, doch verhielt sich dies nicht immer so, denn als die Menschen noch das Leben von Hirtenvölkern f ü h r t e n , besaßen sie keine Metalle, und zudem gingen die Kenntnisse über deren Bearbeitung auch später zeitweise wieder verloren. 1 Das Eisen ist ein Abfall des Goldes, 2 eine harte, schwarze Masse, und heute allgemein b e k a n n t ; 3 d a f ü r , daß es dies, ebenso wie das Kupfer, nicht zu allen Zeiten war, zeugt noch das Verbot, im Weihbezirke der Atlantis mit eisernen Waffen zu jagen. 4 Die Schmiede bedienen sich, je nach den Zwecken ihrer Arbeit, verschiedener in- und ausländischer Eiseng a t t u n g e n ; 5 ferner gibt es gegossenes Eisen, dessen Stücke bald tadellos „aus einem G u ß " sind, bald Fehlstellen aufweisen, 6 sowie den unüberwindlichen Stahl, 7 Adamas (was n i c h t Diamant bedeutet!). Wie Holz der Fäulnis, wie Getreide dem Mehltau, so fällt Eisen dem Rost anheim; Rost entsteht aus Eisen, und ebenso Grünspan aus Kupfer, infolge der Auswitterung erdiger Teilchen, und dieser Vorgang ist ein den Metallen ihrer Natur nach eigentümlicher, unter dessen Einfluß eine Zerstörung und Veränderung ihres besonderen Wesens erfolgt. 8 Andere Stoffe als die Metalle erwähnt P i a t o n nur ganz nebenbei und im Vorübergehen, z. B.: Marmor, Gips, Karneol, Jaspis, Smaragd und sonstige Edelsteine, 9 Kochsalz und Laugensalz, 1 0 Bleiweiß, 11 und Schwefel, den zuerst die Ärzte und Seher (wohl als sie noch eine einzige Klasse bildeten) zur Reinigung und Räucherung (Austreibung der Krankheitsdämonen) gebrauchten. 1 2 Zur Aufnahme der Arome bedient man sich höchst reiner und geruchlos gemachter Flüssigkeiten (Öle?); 1 3 kostbare Arome 1 2 3 Gesetze VII, 415, 73. Timäus VI, 181. Phädros IV, 139. 5 6 7 Kritias VI, 337. Kratylos II, 586. Sophist III, 550. Staat V, 8 9 564ff. Timäus VI, 181; Staat V, 644. Phädon IV, 536; Timäus VI, 10 11 12 183. Timäus, a. a. O. Lysis I, 254. Kratylos II, 606. 13 Timäus VI, 170. 4

40

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

u n d Räucherwerke, wie Weihrauch, sollen in einem geordneten Staatswesen so wenig wie möglich aus fremden Ländern bezogen w e r d e n , und das Nämliche gilt f ü r teuere Farbstoffe, wie den P u r p u r . 1 Will m a n mit diesem färben, so wählt man von vornherein die beste und weißeste Wolle aus und unterw i r f t sie einer gewissen V o r b e h a n d l u n g ; sie zeigt dann schließlich den schönsten Glanz und hält auch ohne Schaden das Waschen a u s , sei es allein mit W a s s e r , sei es mit Lauge oder Asche. 2 Als eines B e t ä u b u n g s m i t t e l s wird der Mandragora (des Alrauns) g e d a c h t ; 3 welches Gift der auch dem S o k r a t e s gereichte sogenannte Schierlings-Trank 4 enthielt, läßt sich weder aus der im „ P h ä d o n " gegebenen Beschreibung noch aus der E r w ä h n u n g von Wein als Gegenmittel, 5 m i t Bestimmtheit entn e h m e n . Die geschilderten Wirkungen sind jedenfalls nicht die des heutigen Koniins. V. Die Stoffe d e s tierischen und menschlichen Körpers. Wie die Gewebe der P f l a n z e n , so bestehen auch die Leiber der Tiere und Menschen aus den vier Elementen, 6 jedoch nicht immer im ursprünglichen Z u s t a n d e ; von erdähnlichen Stoffen z. B. finden sich allein die auf das feinste und reinste geläuterten in den Knochen, Nägeln und Haaren, 7 die feuerartigen hingegen treten n u r in sehr abgeschwächter Form auf und machen sich in Gestalt der körperlichen W ä r m e b e m e r k b a r , und, durch Wasserteilchen noch weiter gemildert, in jener der heißen Träne. 8 Ob wirklich, wie b e h a u p t e t wird, niedrige lebende Geschöpfe u n t e r dem Einfluß der W ä r m e und Fäulnis entstehen können, bleibt noch fraglich. 9 Sicher ist aber, daß dem m e n s c h 1

2 3 4 Gesetze VII, 279. Staat V, 408. ebd. V, 485. Phädon IV, 5 6 469ff. Lysis I, 257. Gesetze VII, 329; Timäus VI, 206. 7 8 Timäus VI, 188ff., 199. Philebos IV, 690; Timäus VI, 192. 9 Phädon IV, 516.

CHEMISCHES

liehen

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

4\

K ö r p e r erst die Seele zur Quelle des Lebens wird, d a

ihr allein (nach

einer schon von A l k m a i o n

aus K r o t o n

zu

A n f a n g des 5. J a h r h u n d e r t s aufgestellten Lehre) die K r a f t der Selbstbewegung z u k o m m t , so d a ß sie ihm die Fähigkeit Atmens erteilt;1

das

hierbei w i r k s a m e Organ ist die

des

Lunge,

die in ihr schwammiges Gefüge die eingesogene L u f t und die genossenen

Getränke

aufnimmt und

hierdurch

das B l u t

ab-

k ü h l t , u n d das die Leidenschaften erhitzende u n d Herzklopfen erregende innere Feuer m ä ß i g t . 2 Erhalten Nahrung.

wird

das

einmal

Speisen

und

Getränke

v o r h a n d e n e Leben durch erfahren

unter

dem

die Ein-

flüsse von W ä r m e , A t m u n g u n d Bewegung eine weitgehende Zersetzung, deren P r o d u k t e z u n ä c h s t n a c h den Adern geleitet werden u n d sich d a n n durch diese, wie im S t r o m e einer Wasserleitung, nach allen Teilen des ganzen

K ö r p e r s ergießen;

die

rote F a r b e des Blutes weist noch auf das Feuer (die W ä r m e ) als zersetzende Ursache hin. 3

Wie sich hieraus ergibt, ist der

Mensch m i t seinem Körper, und d a h e r auch wieder m i t seiner Seele, in vieler Hinsicht von der Beschaffenheit der N a h r u n g abhängig, in letzter Linie also von jener des Bodens, die diese liefert, und auf dem er lebt. 4 J e d e s Ganze b e s t e h t u n d e n t s t e h t zwar aus seinen Teilen, aber

aus

ihnen

allein

ist

seine G e s t a l t u n g

nicht

erklärlich. 5

Dies zeigt sich auch beim Menschen: seine I n d i v i d u a l i t ä t

be-

h a r r t , obwohl sein K n o c h e n g e r ü s t u n d sein H a a r , sein Fleisch u n d sein Blut, ja sein ganzer Leib, f o r t w ä h r e n d wechselt, neuerung

und

Ergänzung

verlangt.

6

Die

allmähliche

ErAb-

n u t z u n g der, den menschlichen Leib a u f b a u e n d e n elementaren Dreiecke s c h w ä c h t aber ihr Assimilationsvermögen f ü r die in der N a h r u n g neu z u g e f ü h r t e n , u n d hiermit b e g i n n t das A l t e r n ; die schließliche Lockerung u n d Auflösung des V e r b a n d e s

der

Dreiecke im H i r n u n d Mark f ü h r t den T o d herbei, indem die 4

1 2 3 Kratylos II, 599. Tirnäus VI, 195, 205. ebd. VI, 205, 207. 5 6 Gesetze VII, 158. Theätet III, 189. Gastmahl IV, 315.

CHEMISCHES

42

UND PHYSIKALISCHES

Seele, der sie h a l t e n d e n

AUS

PLATON

Fesseln entledigt, m i t der A t e m l u f t

entschwebt.1 So wie das Vorhandensein u n d die E r h a l t u n g einer richtigen Mischung u n d Verteilung der E l e m e n t e u n d ihrer

Qualitäten

( W ä r m e , K ä l t e , Feuchte, Trockenheit) W o h l b e f i n d e n u n d

Ge-

s u n d h e i t bedingt, so b e w i r k t plötzlich e i n t r e t e n d e r Mangel oder Ü b e r s c h u ß der E l e m e n t e ,

oder

auch

deren Geraten

an

eine

falsche Stelle, die K r a n k h e i t e n ; wie sich in der N a t u r

unter

d e m Einfluß ü b e r m ä ß i g e r Feuchtigkeit Reif, Hagel u n d Mehltau

einstellt, ganz so erzeugt z. B. im menschlichen

ein Ü b e r m a ß

der feurigen Teilchen

Körper

Entzündung und

Fieber,

ein solches der luftigen, wäßrigen u n d erdigen, ihrer w a c h s e n den

Dichte

entsprechend,

die

zwei-,

drei-

und

viertägigen

Wechselfieber, u n d eine A n h ä u f u n g dieser verschiedenen chen a m unrichtigen

Teil-

Orte die sauren, salzigen, galligen

und

blutigen Verschleimungen. 2 VI. D a s Weltall. Aus den vier E l e m e n t e n

besteht,

wie

alles

Irdische

a u c h alles Himmlische, d e m n a c h das g e s a m t e Weltall.

so

Dieses

ist kugelförmig, 3 d a h e r gibt es in ihm kein eigentliches Oben u n d U n t e n , vielmehr sind diese Begriffe n u r relativ, u n d w ü r d e n f ü r Gegenfüßler, die das All u m w a n d e l t e n , sogar f o r t w ä h r e n d wechseln. 4

Das Weltall u m f a ß t den ganzen Umkreis des Vor-

handenen,

und

laufe,

dessen

wechselt, sind.

5

so

d r e h t sich Richtung

aber

o f t gewisse

(Mit dem

in endlosem

„großen

vielleicht

große

geschlossenen aus

Abschnitte

Abschnitt"

genannte „platonische J a h r " gemeint,

freiem der

Kreis-

Antriebe

Zeit

ist v e r m u t l i c h

erfüllt das so-

ein Z e i t r a u m von

min-

destens 10000 J a h r e n , i n n e r h a l b dessen alle W e l t k ö r p e r

ihren

Umlauf 1

vollendet

haben

und

an

ihren

ursprünglichen

Ort

2 Timäus VI, 208. Phädon IV, 480; Gastmahl IV, 289; 3 4 Timäus VI, 209, 214. Timäus VI, 179, 185 ff. Staat V, 612. 5 Timäus VI, 149ff.; Staatsmann III, 642.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

43

z u r ü c k g e k e h r t sein sollen; vermutlich liegt dieser A n g a b e eine orientalische Quelle z u g r u n d e . ) Inmitten des Weltalls b e f i n d e t sich die E r d e ; fläche

gleicht

einem

aus b u n t e n

ihre Ober-

Lederstückchen

zusammen-

gefügten Balle, ist aber von so u n g e h e u r e m Umfange, daß die Griechen an den K ü s t e n des Mittelmeeres nicht anders sitzen wie Ameisen

oder

Frösche a m R a n d e

Sumpfes.1

eines

Die

B e h a u p t u n g e n , d a ß die E r d e von der L u f t oder von gewissen dem

Himmel

entstammenden

werde,

sind

u n r i c h t i g ; vielmehr schwebt sie (wie schon P y t h a g o r a s

und

Parmenides, punkte

einer

geboren durchaus

um

Wirbeln

getragen

540 v . C h r . ,

gleichartigen

lehrten)

Umwelt,

im

hat

Mitteldemnach

keinen G r u n d , sich eher nach der einen als n a c h der anderen Seite zu neigen, u n d b e h a r r t d a h e r ganz von selbst in s t e t e m Gleichgewichte. 2

Im Inneren der E r d e herrscht a b e r vielfache

Bewegung,

dort

denn

bilden

sich

Ströme

heißem Wasser, k a l t e m u n d heißem

von

kaltem

und

S c h l a m m e , u n d feuriger

Lava, u n d wälzen sich u n a u f h ö r l i c h durch die A b g r ü n d e u n d K l ü f t e ; im größten und

von

ihm

aus

E r d s c h l u n d e vereinigen ergießen

sich viele

sich alle

Gewässer

nach

Flüsse, allen

R i c h t u n g e n und n e h m e n dabei die Beschaffenheit des Erdreiches an, das sie durcheilen; von entgegengesetzten

Seiten her

ist

ein Vordringen bis in die Mitte der E r d e möglich, aber n i c h t d a r ü b e r hinaus, denn die weitere Bewegung w ä r e eine wieder zur Oberfläche aufsteigende. 3 Die Frage,

ob

Piaton

die

der

Pythagoreischen

Schule

geläufige A c h s e n d r e h u n g der E r d e a n e r k a n n t habe, ist s t r i t t i g , denn in seiner J u g e n d in einigen W e r k e n

lehrte er eine solche zweifellos n i c h t ;

der spätesten

Periode finden sich

jedoch

Stellen, die m a n c h e Forscher im Sinne einer b e j a h e n d e n A n t w o r t deuten wollen. 4 Trägerin des g e s a m t e n Kosmos ist, g e m ä ß der m y t h i s c h e n 4

1 2 P h ä d o n IV, 534 tf. P h ä d o n IV, 520, 534 ff. Gesetze VII, 2 4 8 f f . ; E p i n o m i s VIII, 136ff.

3

ebd. 534 ff.

44

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

Darstellung im „ S t a a t " , 1 die Weltachse, ein Spindelstab m i t Spitzen aus Stahl ( n i c h t aus Diamant), ruhend im Schöße der über allen Höhen thronenden „Ananke" ( = Notwendigkeit, als Personifikation des unwandelbaren Naturgesetzes), und unter dem Schutze ihrer Töchter, der Parzen, stehend. An der Weltachse sind über der im Mittelpunkte des Alls ruhenden Erde, und rings um diese herum, mittels Ringen oder Reifen die acht konzentrischen Sphären befestigt (von denen schon P a r m e n i d e s zu berichten wußte), und zwar entsprechen ihre Distanzen den Längen jener Abschnitte einer schwingenden Saite, die, der Entdeckung des P y t h a g o r a s gemäß, harmonische Töne ergeben. 2 Die äußerste Sphäre (8) ist von buntfarbigem Lichte erfüllt; den fünf folgenden kommen als Farben zu: (7) gelblich, (6) glänzend weiß, (5) rötlich, (4) gelblich, (3) weißlich; (2) hat das glänzendste Licht und bestrahlt mit diesem 3 auch (1). Obwohl nicht ausdrücklich gesagt wird, daß den sieben inneren Sphären die fünf Planeten nebst Sonne und Mond angeheftet sind (die indes schon P y t h a g o r a s f r e i h a t t e schweben lassen), so geht dies doch deutlich aus dem Sinne der ganzen Darlegung, sowie aus den Parallelstellen im ,,Timäus" 4 und der „Epinomis" 5 hervor: dort ist die achte Sphäre der Fixstern-Himmel, an dem sich zahlreiche in verschiedenfarbigem Lichte funkelnde Sterne befestigt befinden, und die folgenden tragen: (7) den Phainon (Lichtbringer) = S a t u r n , (6) den Phaeton (Leuchtender) = J u p i t e r , (5) den Pyroeis (Feuerfarbiger) = Mars, (4) den Morgenstern = Venus, (3) den Stilbon (Glänzender) — Hermes, (2) den Helios = Sonne, (1) die Selene = Mond. Den Sphären werden Ränder von verschiedener Breite zugeschrieben, 6 — die Ursache ist dunkel, und die Reihenfolge der Breiten nicht bestimmt ersichtlich; die Erklärung der scheinbaren Bewegung der Planeten schließt sich im ganzen der von E u d o x o s , P i a t o n s Zeitgenossen,

4

1 2 Staat V, 651 ff.; 558ff. ebd. V, 654ff. 5 Timäus VI, 155. Epinomis VIII, 130ff.

3

so auch Kratylos II, 611. 6 Staat V, 651 ff.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

45

aufgestellten Lehre an, die sich der späteren Theorie der Epizyklen nähert, und setzt eine a l l e n Sphären gemeinsame Rotation von Ost nach West, und gleichzeitig eine den sieben i n n e r e n zukommende langsamere von Westen nach Osten voraus. 1 Für die Schnelligkeit der Bewegung sind sechs Grade maßgebend: der Fixstern-Himmel (8) steht still, ferner haben den ersten Grad der Mond (1), den zweiten Sonne (2), Merkur (3) und Venus (4), den dritten Mars (5), den vierten Jupiter (6), den f ü n f t e n Saturn (7). Jeder Sphäre ist eine Sirene zugeteilt, die einen lauten Klang ertönen läßt, und diese vereinigen sich zu einem harmonischen Gesamtklange, der Harmonie der Sphären oder Sphärenmusik. Wohl nach Analogie der „ W a g e n " des Helios und der Selene werden dann in P i a t o n s letzter Periode die Planeten, und die Sterne überhaupt, als „Fahrzeuge" vorgestellt, und zwar als solche f ü r Seelen, zu denen sie in analogem Verhältnisse stehen, wie der menschliche Körper zur menschlichen Seele. 2 Es äußert sich hierin eine charakteristische Tendenz der platonischen Spätzeit: die Betrachtung alles Materiellen als untrennbar von einem ihm innewohnenden Geistigen, das als Weltbewußtsein, als allgegenwärtige Weltseele, dem Weltganzen zugrunde liegt, und als Prinzip des Lebens und der Bewegung in den Individuen zutage tritt, — seien sie nun Menschenleiber oder Sterne. Die Epinomis f ü h r t dies des näheren dahin aus, d a ß die Seelen der Sterne eigentlich Sterngötter seien, die, weil ihr Dienst aus Syrien und Ägypten stammt, nicht einmal sämtlich griechische Eigennamen haben, und daß es daher drei Klassen von Göttern gebe: die olympischen, die Sterngötter, und die Dämonen, die teils ätherische, teils solche der Luft und des Wassers seien. 3 Die Theorie vom lenkenden Einflüsse der Ananke und ihrer Töchter (der Parzen) auf die Himmelswelt, in Verbindung 3

1 s. auch Timäus VI, 155. Epinomis VIII, 130ff., 137.

2

ebd. VI, 159, 194; Gesetze VII, 343 ff.

46

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

mit jener von der Parallelität des Geschehens im Makro- und Mikrokosmos, f ü h r t zur Annahme, daß die Schicksale der Welt, im ganzen und in allen Einzelnheiten (z. B. Witterung, F r u c h t b a r k e i t . . . ) , ebenso aber auch die der Erdbewohner, innig mit der Stellung und dem Laufe der Gestirne zusammenhängen, und ganz besonders mit jenen der Planeten; deren Stand bei der Geburt eines Menschen muß daher f ü r dessen Leben von hoher Wichtigkeit sein. 1 Es ist sehr merkwürdig und beachtenswert, daß P i a t o n an mehreren Stellen seiner späteren (wachsenden Einfluß P y t h a goreischer Lehren verratenden) Werke ganz abweichende, und höchst abgeklärte Ansichten ä u ß e r t : die Sterne erweisen sich nicht selten, ebenso wie die Sonne, als der Erde an Größe weitaus überlegen, 2 ihre w a h r e n Bewegungen sind völlig andere als die s c h e i n b a r e n , 3 und letztere täuschen auch Geschwindigkeiten vor, die das tatsächliche Verhältnis in sein gerades Gegenteil verkehren; 4 nur dem Augenscheine nach ist der Lauf der Sonne, des Mondes, und der fünf Planeten vielfältig, verwirrt, und wechselnd, in Wahrheit aber bewegen sich die Weltkörper in einfachen, gleichbleibenden, genau bestimmten Kreisbahnen, 5 und es ist die Aufgabe der Forschung, f ü r diese ein System zu finden, aus dem sich der Anschein des Beobachteten in ausreichender Weise erklären läßt. VII. Physikalisches. Alle Bewegungen des einzelnen sind in letzter Linie auf die zweckvoll bestimmte Bewegung des Kosmos zurückzuführen. Mit dem Weltganzen ist die Bewegung von Anfang an verk n ü p f t , sie ist unerschaffen und unvergänglich; 6 im Gebiete der Einzeldinge beruhen alle Erscheinungen auf Bewegung, und außer ihr gibt es keinen anderen Erklärungsgrund. 7 Daß 1

Gastmahl IV, 289ff.; Staat V, 558ff. 4 Staat V, 538 ff. Gesetze VII, 249. 7 « Phädros IV, 117. Theätet III, 121. 3

2

Epinomis, a. a. O. Gesetze, a. a. O.

5

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

47

eine Bewegung sich ohne Anstoß selbst fortwährend weiter erhält, scheint nicht möglich; 1 daß sie sich gar aus Eigenem noch steigern soll, „so wie die Hitze bei einmal begonnenem Brande", ist wenig wahrscheinlich. 2 Es gibt zehn Arten der Bewegung: 1. die kreisförmige an unveränderlichem Orte, in und um sich selbst; 2. die unter steter Ortsveränderung, sei es in einer geschlossenen Bahn umlaufend, oder strömend; 3 . - 8 . die nach rechts und links, oben und u n t e n , vorwärts und rückwärts; 9. die von einem zweiten Körper verursachte, unter Umständen auch einem Dritten mitzuteilende; 10. die dem eigenen Wesen entspringende, und unter Umständen ebenfalls weiter übertragbare. 3 Die vollkommenste der Bewegungen ist die Kreisbewegung, und auch die wunderbarste: beschreiben sie z. B. m e h r e r e Körper um einen gemeinsamen Mittelpunkt, so können sie Bahnen verschiedenster Länge in genau der nämlichen Zeit zurücklegen, 4 beschreibt sie aber e i n Körper als Kreisel, so bedingt sie einen fortdauernden Umlauf, während er gleichzeitig in senkrechter Stellung feststeht, 5 — worin die Naturen des Kreisförmigen und Geraden in ihrer Vereinigung zutage treten. Wirkt die nämliche K r a f t auf verschiedene Dinge, z. B. sie vom Erdboden emporhebend, so folgen sie ihr in sehr ungleicher Weise, und da nennt man das schwerer Folgende schwer und nach unten strebend, das leichter Folgende leicht und nach oben strebend. Erdartiges z. B. kann nur unter Aufwand einer bedeutenden Kraft, also gewaltsam, in die Luft erhoben werden, offenbar weil seine Natur es zum Verwandten und zu dessen Stelle, als zu seinem natürlichen Orte, hinzieht; 8 denn ähnliches bleibt stets ähnlichem seiner Eigenart gemäß verwandt, — so lehrt schon H o m e r in der Odyssee Ges.XVII, 1

Staatsmann III, 642. Gesetze VII, 535ff. 6 Timäus V, 186 ff.

2

Charmides I, 319. " Gesetze VII, 336.

3

Timäus VI, 161; 5 Staat V, 418.

48

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

V. 218 —, zieht es an und wird von ihm angezogen, und strebt nach jenem Orte hin, der seinem wesentlichen Elemente im Weltganzen zugeordnet ist. 1 Das leicht Bewegliche bewegt auch leicht sich selbst und das Umgebende, verhält sich also aktiv; das schwer Bewegliche ruht und beeinflußt seine Umgebung nicht, bleibt demnach passiv. 2 — Ob P i a t o n im „Streben zur Erde" eine Schwere im heutigen Sinne gesehen und ihren Sitz in den Mittelpunkt der Erde verlegt hat, bleibt ungewiß; allerdings gibt er a n , die unterirdischen Wässer könnten von entgegengesetzter Seite her nur bis zum Erdzentrum vordringen, aber nicht darüber hinaus, weil die weitere Bewegung eine wieder zur Oberfläche aufsteigende wäre. 3 Die Kenntnis der Wirkungen von Bewegtem und Unbewegtem, leicht und schwer Bewegtem, Leichtem und Schwerem usf., sowie die Lehre von den Bedingungen des Gleichgewichtes, ist die S t a t i k ; 4 wo Gleichgewicht besteht, ist kein Streben nach Bewegung mehr vorhanden, 5 wie dies z. B. die Schalen der einspielenden Wage zeigen. 6 Im Weltall herrscht unaufhörliche, von Anfang an mit ihm verbundene Bewegung; da' nun die Kugelgestalt des Kosmos alle seine Teile zusammenhält und keinem ein Entweichen gestattet, da ferner die Partikelchen der Luft und des Feuers, als der feinsten Elemente, die der gröberen zu durchsetzen vermögen, und die Natur sie in die Lücken der letzteren zusammenzudrängen strebt, so ist ein Vakuum offenbar ganz undenkbar. 7 Aus der Unmöglichkeit des Vakuums erklärt sich das Einströmen von Flüssigkeiten in die (in erwärmtem Zustande aufgesetzten) Schröpfköpfe der Ärzte, und ebenso beruht auf ihr, und nicht auf einer „Anziehungskraft", das Verwunderung erregende Verhalten des Bernsteins und des herakleischen Steines; 8 dieser, den 1

Protagoras I, 468; Lysis I, 248; Gastmahl IV, 298; Timäus VI, 164, 2 3 4 Charmides I, 315. 173, 186. Timäus VI, 186 ff. P h ä d o n IV, 534 ff. 5 Timäus VI, 179. 6 Staat V, 564. 7 T i m ä u s VI, 179,182, 205. 8 Timäus VI, 207.

CHEMISCHES

Euripides

UND PHYSIKALISCHES

auch

den

magnetischen

nennt,

fest,

erweckt

selbst

eiserne

diesen

eine K r a f t , a n d e r e festzuhalten,

zuweilen langen des

Ringe

AUS

Ringe oder Eisenstückchen Kette aneinander

Blitzstrahles

eines

Wirkung

des

den

lich

und

Bernsteins

in

Behauptungen

nicht,

daß

es

Glänze des N o r d l i c h t e s

nicht

noch daß

das

der

dieser

Parallele,

2

in

schließlich ganzen

Herabfahren Unmöglichkeit mit

der

er

(ent-

ahnt

im

Erscheinungen,

nur

dazu

Hinsicht

doch

Schweiggers)

beiden 3

aus

in

49

in Gestalt einer

Piaton

setzt

hält

so

h ä n g e n . 1 — Auch

erklärt

Vakuums,

gegen

sondern

PLATON

übrigen

ebenso

natür-

wie

dem

u n d dem „ E r s t a r r u n g - v e r u r s a c h e n d e n "

Schlage des Zitterrochens, 4 die nämliche Ursache z u g r u n d e liegt. Auch

die

Luft

kann

in

regelmäßige

Bewegung

werden, z. B. durch Stimmgabeln, 5 musikalische

gesetzt

Instrumente,

und

Schwingungen von S a i t e n ; auf der Analogie der hierbei

und

bei

den

Bewegungen

der

Gestirne

herrschenden

har-

monischen u n d Zahlenverhältnisse b e r u h t die V e r w a n d t s c h a f t der

Musik

erzeugen

Weges

Stellen

Astronomie. 6

der

hohe,

geraden harte

und

langsame fort,

werden

und

Rasche

der

Schall

Stöße

tiefe

Töne;

beim

Aufprallen

sie n a c h

ihrem

zunächst

sie

zum

der

Luft

pflanzen

sich

auf

glatte

Ausgangsorte

entsteht.8

geworfen, w o d u r c h der Widerhall dringt

7

Gehirn,

Durch das

und

zurückdas

(wie

Ohr schon

Alkmäon

aus K r o t o n zu Beginn des 5. J a h r h u n d e r t s lehrte)

der

der

Sitz

des Wissens zu

Herz u n d

Sinneswahrnehmungen,

ist, 9

und

weiterhin

Leber: daher

der

Erinnerung

und

(vermöge

des Blutes)

auch

erregt

er im

im Herz Leidenschaften, u n d in der Leber Wie vermögen

das an

Hörvermögen das

Auge

an

das

gebunden,

11

Gehirn

Gedanken,

Begierden. 1 0

Ohr,

so

und

wie

ist

das

jede

1

Seh-

Sinnes-

2 3 4 Ion I, 21. Timäus, a. a. O. Staat V, 654. Menon II, 146. 6 Theätet III, 153. Staat V, 540; Timäus VI, 449; Gesetze VII, 432; 8 auch sonst sehr oft. ' Timäus VI, 191. Phädros IV, 129. 9 10 11 Phädon IV, 516. Timäus VI, 194 ff. Laches I, 37.4. 5

v. L i p p m a n n ,

Abhandl. u. V o r t r .

II.

4

50

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

Wahrnehmung, so entsteht auch das Sehen durch Wechselwirkung des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen, also des Aktiven und Passiven: 1 Das in uns befindliche feurige Element strömt als Licht, in Form eines Sehstrahles, durch das Auge aus, desgleichen entsenden aber auch die Objekte Ströme ihrer feinsten Teilchen; nun wird (wie schon Empedokles erwähnt) Gleiches von Gleichem e r k a n n t ; sind also diese Teilchen jenen des Auges angemessen und anverwandt, so können sie im Auge eine Empfindung erregen, und es entsteht dann da, wo beide Arten Partikelchen zusammentreffen, also zwischen Auge und Gegenstand, das Bild, das wir wahrnehmen. 2 Das sehende Organ und das gesehene Licht, ohne das Subjekt und Objekt nicht aufeinander wirken könnten, sind wesensverwandt, und mit Recht bezeichnet man daher das Auge als das sonnenähnlichste unter den Werkzeugen der Sinne. 3 Sind die von den Gegenständen ausgehenden Teilchen genau ebenso groß wie jene des Sehstrahles, so erscheinen die Objekte durchsichtig, sind sie größer, so bewirken sie Erweiterung und Weiße des Bildes, sind sie kleiner, so bedingen sie Verengerung und Schwärze; durch abgestufte Vermischung dieses Hellen und Dunklen entstehen alle übrigen Farben. 4 Die Farbe, f ü r deren Auftreten natürlich das Vorhandensein des Lichtes Bedingung ist, 5 existiert also nicht f ü r sich selbst; sie ist kein Seiendes, sondern ein Werdendes, und entsteht erst durch das Aufeinanderwirken von Objekt und Subjekt. Daher erscheint sie keineswegs allen Wahrnehmenden gleich, ja nicht einmal stets der nämlichen Person, denn auch der Zustand des Beobachtenden wechselt; 6 zudem gibt es Schwach- und Kurzsichtige. 7 1 2 Theätet III, 121; Staat V, 511. Timäus IV, 164;, Phädros IV, 124; 3 4 Menon II, 134; Timäus VI, 191. Staat V, 511, 512. Timäus VI, 191 ff. 6 6 7 Staat V, 511. Theätet III, 117. Staat V, 625.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

51

Die Pupille des Auges wirkt wie ein Spiegel. 1 An glatten und glänzenden Oberflächen vereint und mischt sich nämlich das Licht des Sehstrahles mit dem der Gegenstände, und es entstehen so die Spiegelbilder, die bloße Erscheinung sind und sich willkürlich hervorbringen lassen; 2 in ebenen Spiegeln sieht man das Rechte als Linkes und umgekehrt, weil sich die entgegengesetzten Teilchen der Strahlen berühren, krumme Spiegel zeigen noch viel merkwürdigere Bilder. 3 Die Irrtümer, die man beim Sehen von Objekten in der Nähe und aus der Ferne begeht, die Täuschungen, durch die z. B. ein gerader Stab beim Einsenken in Wasser gebrochen erscheint, die Veränderung und Verschiebung der Bilder im Spiegel und der Schatten an der Wand usf., sind sämtlich wichtige Hinweise auf den Unterschied zwischen den Dingen und ihrer Erscheinung, und verdienen die größte Beachtung. 4 Wir erkennen eben die Dinge nicht so, wie sie s i n d , sondern so, wie sie uns e r s c h e i n e n . Über das, was sie s i n d , dürfen wir wohl nur das eine aussprechen, daß allein das i s t , was irgendwie fähig ist auf anderes zu w i r k e n , und daß nichts anderes das Wesen des Seienden ausmacht, als eben diese K r a f t oder dieses Vermögen der Wirksamkeit. 5 VIII. Schlußbetrachtung. Überblicken wir die Gesamtheit der dargelegten Ansichten und Gedanken, und suchen wir deren Wert in gerechter Weise zu würdigen, so ist zunächst nicht zu vergessen, daß sich das Interesse P i a t o n s verhältnismäßig spät rein naturphilosophischen Fragen zuwandte, ja d a ß vermutlich erst die Lehrtätigkeit in seiner Akademie, der 1 2 Alkibiades I, 201. Sophist III, 548; Staat V, 514, 626; 3 4 Timäus VI, 165. Timäus VI, 165. Sophist III, 548; Staat V, 635. 6 Sophist VII, 519ff.

4*

52

CHEMISCHES

UND FHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

die Angehörigen verschiedenster Schulen zuströmten, es völlig erweckte. Sein eigentliches philosophisches System stand damals längst fest, zum mindesten in allen Hauptteilen; mit den Naturwissenschaften aber h a t t e er sich nur wenig des Näheren beschäftigt, und die Kenntnisse seiner Zeit, noch mehr aber seine eigenen, waren unzureichend und lückenhaft. Es ist daher begreiflich, daß das empirische Wissen um die Natur ihm weniger als ein „Wissen" erschien denn als ein „Meinen", und zwar als Eines über das Wechselnde und Vergängliche, während er nach Erkenntnis des Beharrenden und Ewigen strebte: er suchte das waltende Gesetz, das den Erscheinungen zugrunde liegt, das „Sein", das im Werden zutage tritt, denn nur aus dem Sein war ihm das Geschehen begreiflich. An dieses Das Sein ist aber etwas Metaphysisches. vermag sich nur das reine Denken heranzuwagen, das mit sicheren Schlüssen zu sicheren Ergebnissen fortschreitet; die wandelbare Welt des Geschehens hingegen wird uns durch sinnliche Anschauung gegeben, und diese kann, da sie nur die Erscheinung überliefert und zudem den mannigfaltigsten Täuschungen und Irrtümern unterworfen ist, nicht als gleichwertiges Erkenntnismittel gelten. Dieser Anschauung P i a t o n s entspringt seine Überschätzung des reinen Denkens und sein Herabdrücken des Wertes der Anschauung, sowie der Bedeutung der Materie; auch verleitet sie ihn zur mythologischen, ja mystischen Darstellung gewisser Naturlehren, und zwar bis in die kleinsten Einzelheiten hinein. Spätere Schüler und Nachahmer sahen in der hierbei unvermeidlichen Unklarheit und Dunkelheit die Hauptsache, und die allegorische Geheimtuerei der Alchemisten entstammt nicht zum wenigsten gerade dieser Quelle; P i a t o n selbst bezeichnet aber in aufrichtiger Weise solche Konstruktionen stets als das, was sie sind, und rechtfertigt sie damit, daß ein Nachweis des Behaupteten durch Versuche als eine

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLA70N

53

Art Eingriff in das göttliche Walten erschiene, auch das menschliche Vermögen übersteige, und es stets übersteigen werde, 1 — eine deutliche Mahnung (auch für größte Geister!) zur Vorsicht im Aussprechen des „Ignorabimus". So einseitig, wie man ihm vorgeworfen hat, lehnt übrigens P i a t o n die empirische Forschung keineswegs a b ; wiederholt und mit Nachdruck bezeichnet er vielmehr die „auf Zählen, Messen und Wägen" gegründete Erkenntnis als das Mittel zur Berichtigung der Sinnestäuschungen und zur Schaffung einer exakten Wissenschaft, 2 und ebenso bestimmt verweist er auf den Wert gründlicher und stets erneuter Untersuchungen, durch die das Wesen „vorgeblicher Wundererscheinungen" erklärlich und verständlich werden wird. 3 Was die Einzelheiten der physikalischen Lehren P i a t o n s betrifft, so sind sie, wie leicht ersichtlich, von sehr ungleichem Werte: Die Definition z. B., daß das Wesen des Seienden nichts anderes ist, als sein Vermögen zu wirken, stimmt mit dem L e i b n i z s c h e n Satze: „Wirklich ist allein das Wirkende", sowie mit den Anschauungen der modernsten Energetiker überein, und ist sicherlich von ungewöhnlichem Tiefsinne; auch die Zurückführung der Masse auf den Widerstand, den verschiedene Körper dem Einwirken der nämlichen K r a f t leisten, sowie die Ablehnung von Anziehungskräften (den heutigen Fernkräften), sind Gedanken von hoher Bedeutung. Andere Lehren hingegen erweisen sich als völlig unzureichend, zum Teil sogar als rein willkürlich. Merkwürdigerweise haben aber gerade diese eine lange, mehr als zwei J a h r tausende fortwährende historische Wirksamkeit entfaltet; denn zweifellos ist P i a t o n der Vater des erst 1643 durch T o r r i c e l l i und um 1650 durch G u e r i c k e widerlegten Glaubens an den „Horror Vacui", den „Abscheu der Natur vor dem Leeren", und seine Theorie der verschieden gestalteten Kor1 2 Timäus VI, 193. Staat V, 635; Philebos IV, 732; Euty3 phron V, 208. Timäus VI, 207.

54

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

puskeln, die als Feuerteilchen vermöge ihrer Schärfe alle sonstigen Stoffe zerschneiden, durch ihre wechselnde Größe und Form die Geschmäcke bedingen usf., erbt sich ohne sehr wesentliche Veränderungen fort bis zur sogenannten Spitzen- und Häkchentheorie des D e s c a r t e s (1596 — 1650) und L e m e r y , durch die z. B. letzterer noch im ersten Viertel des 18. J a h r h u n d e r t s die „fressende K r a f t " und den „beißenden Geschmack" der Säuren erklärte. Das Übergewicht, das die Korpuskulartheorie allmählich gegenüber der atomistischen erlangte, dürfte ebenfalls nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen sein, daß P i a t o n diese ablehnte, ja die Atomistiker gar nicht nennt, wenigstens nicht direkt. Jedenfalls galt die Physik P i a t o n s der ganzen, schon bald nach seinem Tode einsetzenden Verfallperiode des echten griechischen Geistes, ferner der späteren hellenistischen Zeit, sowie auch der gesamten mittelalterlichen, als eine seiner allerwichtigsten Leistungen; höchste Bewunderung zollte man aber ihrer teleologischen Fassung im „Timäus", welcher Dialog auch durch seine theologischen Lehren von der göttlichen Weltschöpfung und Weltregierung eine unvergleichliche geschichtliche Bedeutung gewann. Im Orient erwies sich die Wirkung der platonischen Naturlehre ebenfalls als eine mächtige und andauernde; schon bald nach 800 wurde der Timäus ins Arabische übersetzt, 1 und spätere Araber schrieben daraufhin P i a t o n die verschiedensten physikalischen Arbeiten und Abhandlungen zu und glaubten, er sei von Beruf ein großer Physiker gewesen, — nicht anders, wie die syrischen Theologen und Übersetzer des 4. bis 8. Jahrhundertes ihn für einen Mönch und Bibelausleger ansahen, 2 die Goldkocher und Goldmacher der nämlichen Zeit aber, so schon Z o s i m o s von Panopolis (um 300), f ü r einen Alchemisten. Aichemistische 1 De S. 23, 27).

Gedanken

B o e r „Geschichte 2 ebd. S. 22.

sind

nun

freilich,

den

be-

der Philosophie im Islam" (Stuttg. 1901;

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

55

stimmtesten Versicherungen entgegen, bei P i a t o n nicht zu finden, und es muß wundernehmen, daß man den Satz: „Und wüßten wir selbst alle Felsen in Gold zu verwandeln, so h ä t t e dies doch keinen W e r t " , 1 immer wieder in solchem Sinne hat deuten können; aber auf die Entstehung und Entwicklung der Alchemie, und damit auch der Chemie, haben seine Anschauungen tiefgehenden und maßgebenden Einfluß ausgeübt. Grundlage der Theorie von der Umwandlung der Metalle (Transmutation) ist z. B. zweifellos die Auffassung des platonischen „Urwesens" als einer einheitlichen „Urmaterie", die das gemeinsame Substrat aller Elemente und somit auch aller aus ihnen zusammengesetzten Einzelstoffe darstellt; ist aber alles wandelbar, kann jegliches in ein anderes übergehen, läßt die N a t u r das Gold aus Silber, Kupfer oder Eisen, und diese wieder als Produkte eines stufenweisen Abfalles aus jenen „verwandten" aber edleren Metallen entstehen, — warum sollte dann nicht auch der M e n s c h vermögen, Kupfer oder Silber in Gold überzuführen, wenn es ihm nur erst gelänge, sie in den Zustand der gemeinschaftlichen U r m a t e r i e , der „Materia prima", zurückzuversetzen? In solchem Sinne war diese erst wahrhaft als Mutter und Schoß alles Werdens anzusehen, und es unterliegt kaum noch einem Zweifel, daß diesem „Mutterschoße" auch der „ H o m u n k u l u s " entsprang, das durch chemische Umwandlungen künstlich gezeugte Menschlein, als dessen Verfertiger schon in den, gegen 250 n. Chr. redigierten „Homilien" des sog. C l e m e n s R o m a n u s der aus der Apostelgeschichte bekannte Zauberer Dem Kreise dieser AnS i m o n M a g u s genannt wird. 2 schauungen zugehörig ist auch die von der Entstehung der einzelnen Stoffe durch verschiedene Vermischung der Elemente 1 2 Euthydem II, 50. s. K r ü g e r „Geschichte der altchristlichen Literatur" (Freiburg, 1895; S. 235), u. meine Mitteilung im Goethe-Jahrbuch (Bd. 24; S. 218).

56

CHEMISCHES

nach

Art

UND PHYSIKALISCHES

einer

mählung";

eigentlichen

AUS

PLATON

„Vereinigung"

oder

„Ver-

sie erhielt sich bis in das s p ä t e Mittelalter

und

ist noch in den Versen des F a u s t lebendig: D a ward ein roter Leu, ein kühner Freier, Im lauen Bad der Lilie vermählt, U n d beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequält. 1

Auf

platonische

Einflüsse z u r ü c k z u f ü h r e n

ist ferner

die

allgemeine V e r b r e i t u n g der Meinung, d a ß die Metalle in besonderer

Beziehung zu gewissen

selbst m a c h t gehenden

Planeten

stünden.

Piaton

allerdings ü b e r diesen P u n k t keine ins einzelne

Angaben,

den

vier

und

Sterne

ver-

die

Mauern

und

Zinnen der B u r g und des T e m p e l s auf der s a g e n h a f t e n

Insel

Elementen

auch

bundenen

Körper

doch

alle

erwähnt

mit

Sonne,

hervorgingen, 2

er,

daß

Mond

und

läßt

aus

A t l a n t i s in Absätzen aus verschiedenen b u n t f a r b i g e n Silber u n d Gold emporsteigen. 3 dieses Eldorados,

— die

den

die

Glauben

an

nicht wenig

Existenz

jeglicher A r t überreichen lebendig zu

erhalten

N u n liegen der

4

Steinen,

Beschreibung

dazu beigetragen

eines an

Gold

und

hat,

Schätzen

L a n d e s im f e r n e n W e s t e n alle Zeit

—, in

mehr

als einer

Hinsicht

ganz

u n v e r k e n n b a r persische Vorbilder z u g r u n d e ; die S t u f e n t e m p e l der

Perser

Herodots

und

Forschungen mit

Babylonier

erhoben

sich

aber,

wie

schon

Schilderung von E k b a t a n a lehrt, 5 und wie neuere bestätigen,

Hilfe glasierter

zumeist

Ziegel

oder

in

sieben

metallener

Stockwerken,

die

Belagplatten

die

d e m Lichte der sieben P l a n e t e n z u k o m m e n d e n F a r b e n wiedergaben, — die nämlichen, die ihnen a u c h im „ S t a a t " u n d in den

„Gesetzen"

daher

Pia ton

wichtige u n d 1

zugeschrieben die

Kenntnis

merkwürdige

werden. jener

Zweifellos

Beziehungen

Geschichte an dieser

schöpfte

(auf

deren

Stelle

nicht

2 3 „Faust", Teil I, V. 1042ff. Gesetze VII, 329. Kritias VI, 333. H u m b o l d t „Kritische Untersuchungen über die historische Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt" (Berlin 1852); s. die 6 Stellen im Register, Bd. II, S. 207. Herodot, üb. I., cap. 98.

4

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

57

näher eingegangen werden kann) bewußt oder unbewußt aus orientalischen Quellen, auf die übrigens in der „Epinomis" auch direkt hingewiesen wird. Einflüsse der nämlichen Art sind auch bezüglich mehrerer sonstiger belangreicher Lehren anzunehmen; solche betreffen u. a.: die Parallelität des Geschehens im Makro- und Mikrokosmos, der gemäß der Verlauf der irdischen Begebenheiten und menschlichen Schicksale durch den Gang und die Stellung der Planeten bestimmt wird und in allen Einzelheiten mit den Bewegungen der Gestirne zusammenhängt, so daß z. B. selbst die Strömung des Blutes den Umlauf der Weltkörper nachbildet und in diesem Sinne als Kreislauf zu bezeichnen ist; die lenkende Gewalt der Sterngötter, namentlich der Planetengötter, denen die „Sirenen" und späterhin die leitenden „Schutzengel" der Gestirne entspringen; die Bedeutung des „großen" (sog. platonischen) Jahres, das mindestens zehntausend gewöhnliche J a h r e umfassen, und dessen Ablauf die Sterne an ihren ursprünglichen Ort zurückführen, und damit auch die erneute Wiederkehr aller vergangenen Ereignisse einleiten soll; die Existenz einer dritten Klasse von Göttern, der Dämonen des Wassers, der Luft, und des Äthers, aus denen die Elementargeister der Neuplatoniker hervorgehen, — welche letzteren durch ihre phantastische und mystische Ausgestaltung und Übertreibung platonischer Anschauungen die wahren Väter der mystischen Weltbetrachtung und Dichtung im Okzident und Orient wurden, und den Aberglauben der europäischen Völker, aber auch den der Syrer und Araber, für mehr als anderthalb Jahrtausende völlig in ihre Bahnen lenkten. Fraglich bleibt orientalischer Einfluß hinsichtlich der Zahl und Wahl der vier Elemente. Originale Bestandteile des platonischen Systems sind hingegen: die Annahme der vier Formen Würfel, Ikosaeder, Oktaeder und Tetraeder als Gestalten der vier Elemente, die sozusagen stereochemische Deutung ihrer gegenseitigen Umwandlungen, und deren Er-

58

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

klärung durch eine Art chemischer Gleichungen: 1 Luft 2 Feuer, 1 Wasser ^ 2Va Luft, 1 Wasser ^ 2 Luft + 1 Feuer. Daß P i a t o n den Übergang des Eisens und Kupfers in Rost und Grünspan von einer Abtrennung auswitternder erdiger Teilchen, also von einem V e r l u s t an Masse abhängig macht, h a t gleichfalls die Meinungen zweier Jahrtausende auf das nachhaltigste beeinflußt, denn das Vorurteil, die „Metallkalke" entstünden durch Entweichen eines Bestandteiles, also unter Gewichtsverlust, bleibt, trotz vereinzelter Hinweise auf die Tatsachen der Erfahrung, 1 herrschend bis zum Sturze der Phlogistontheorie durch L a v o i s i e r . Aus der Reihe sonstiger chemischer Einzelheiten verdient Erwähnung: die Bemerkung über Anstellung von Gehaltsproben beim Schmelzen des Goldes (die leider nichts über die Art der Ausführung verrät), sowie die Charakteristik der Reinheit einer Substanz, als deren Kennzeichen völlige Gleichheit der einzelnen Teilchen untereinander und mit dem Ganzen angegeben wird. Besondere Bedeutung in alchemistischer Hinsicht erlangten noch die Lehre von der Verwandtschaft des Ähnlichen, und die vom Kreislaufe der Elemente. Daß „Gleiches das Gleiche sucht", „Gleiches das Gleiche anzieht", „Gleiches sich mit Gleichem verbindet und das Ungleiche von sich stößt", ist ein Grunddogma schon der hellenistischen Chemiker, und dieses behält seine Geltung bis ins späte Mittelalter, ja bis in die Neuzeit hinein. Die unaufhörliche gegenseitige Umwandlung der Elemente und deren ununterbrochenes Strömen nach ihrem „natürlichen" Orte, „von oben nach unten und von unten nach oben", wurde symbolisiert im Reif oder „Ring 1 Ein frühzeitiger, wohl wegen der falschen Erklärung in platonischem Sinne wenig beachteter, findet sich bei C a r d a n u s , „De Subtilitate" (Lyon 1554, S. 212): der V e r s u c h beweist, daß Blei beim „Brennen" um Via seines Gewichtes zunimmt (tatsächlich verhält sich auch rund Pb : PbO = 207 : 223).

CHEMISCHES

UND PIIYSIKALISCHES

AUS PLATON

59

des P i a t o n " (annulus P i a t o n i s ) , mit dem m a n jedoch a u c h wieder

die

Kette

magnetischer

die im „ T h e ä t e t " 1

Ringe aus d e m

„Ion",

Ilias 2 a n g e f ü h r t e goldene

aus der

und Kette

des Zeus, die „ C a t e n a aurea H o m e r i " , identifizierte; sie alle gelten

als

endlosen

Sinnbild

eines

allgemeinen

Zusammenhanges

Kreislaufe des Weltalls, einer, u n b e r ü h r t von

Wechsel des Einzelnen, b e h a r r e n d e n , einheitlichen

im

allem

Verkettung

des Ganzen, die u n t e r b r o c h e n und zerstört w ü r d e , wenn auch n u r ein einziges kleines Glied fehlte.

Diese A n s c h a u u n g w a r

n a m e n t l i c h von n a c h h a l t i g e m Einflüsse auf die T r a n s m u t a t i o n s theorie

der

alexandrinischen

edlung

der

Metalle

Chemiker,

begleitenden

in

deren,

Formeln

die

und

Ver-

„heiligen"

Sprüchen der Kreislauf der E l e m e n t e u n d das Strömen

„von

u n t e n nach oben u n d von oben n a c h u n t e n " eine H a u p t r o l l e spielt.

Den

„Superius Hermes,

Gipfel

seiner

Bedeutung

et inferius H e r m e t i s " das hermetische

als

(gegen

des

„Hermes

400

Oben

n. Chr.)

oder

die

Merkurs

(das und

erlangte Oben

und

Unten

des

Philosophen"

von

der

nicht den

Bedeutung

Metallverwandlung

genügend

Anlaß

flügelten dieses

dieses

Quecksilbers,

gab,

gewürdigt, daß

Merkur

nunmehr

man

zuteilte als

„Metall

zweifellos

auch

sie

dem

be-

Stelle des

aber

schon

außer die

dem

zu

Gebrauch

goldene 1

Jupiter

zugesellte

Beginn

unserer

gekommen

Kette

des

Zeus"

Zinnes,

das

und

während

„Elektron"

in den

Listen

Gold-Silber-Legierung, Zeitrechnung

war. — Der

Homers3

Lehre

entschieden

Quecksilber f o r t a n

setzte, jene ehemals hochgeschätzte, Vorzeit

bisher

obwohl

das an

man

der

wurde;

F o r t s c h r i t t e s f ü r die

hat

des erst,

(nämlich

„Philosophi per i g n e m " , d. i. der Chemiker) e n t d e c k t die ungeheure

das

U n t e n ) vermutlich

Destillation der

jedoch

erbten

fast übrigens

der die

gänzlich

Ring P i a t o n s sich

er-

und durch

2 3 Theätet III, 117. Ges. VII, V. 18ff. s. K o p p , „Aurea catena Homeri" (Braunschweig 1880), u. M a a c k , „Die goldene Kette Homers" (Lorch 1905).

60

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

alle Geschlechter der hellenistischen und mittelalterlichen Alchemisten bis zu den Rosenkreuzern des 18. J a h r h u n d e r t s f o r t ; noch G o e t h e fand in der „Aurea catena Homeri", einer aus rosenkreuzerischem Kreise herrührenden Schrift, ,,die Natur in schöner Verknüpfung dargestellt", und auch S c h i l l e r sagt im Gedichte „Die Weltweisen" von der N a t u r : Sie sorgt, daß nie die Kette bricht Und daß der Reif nicht springe.

Wie schon aus diesen letzten Anführungen ersichtlich ist, beherrschen platonische Gedanken in mehr als einer Hinsicht auch noch die Ausdrucksweise unserer Zeit. Wenn wir von der „Harmonie des Weltalls" sprechen, vom „Kreislaufe der Elemente und des Lebens", von „der Sinnenund der Geisteswelt" (mundus sensibilis et intelligibilis), von der „Weltseele", vom „Leibe als Kerker der unsterblichen Seele", von „irdischer und himmlischer Liebe", von „platonischer Liebe", von der Liebe als „obherrschendem Weltprinzip", von „Ideen", von „den vier Kardinaltugenden", vom „Schwanengesang", 1 vom „atlantischen" Ozean, von ,,der Zeit, da die Könige Philosophen oder die Philosophen Könige sein werden"; wenn wir aus S h a k e s p e a r e zitieren „Des Dichters Aug' in schönem Wahnsinn rollend", aus G o e t h e „ W a r ' nicht das Auge s o n n e n h a f t . . . " , 2 oder „Wem sie (die Schönheit) erscheint, wird aus sich selbst e n t r ü c k t " ; 3 wenn wir den Spruch anführen: „ E s gibt viele Thyrsosträger, aber nur einen Bacchus", oder „Ein großer Freund ist mir S o k r a t e s , ein größerer die Wahrheit", 4 — so sind wir uns kaum mehr bewußt, daß es der Glanz platonischer Edelsteine oder doch platonischer Fassung ist, dessen wir uns erfreuen. Das Fortleben der naturwissenschaftlichen Ansichten und 1 2 Phädon IV, 501. s. meine Mitteilung im Goethe-Jahrbuch, 3 4 Bd. 15, S. 267. ebd., Bd. 24, S. 220. Phädon IV, 509.

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS PLATON

61

Meinungen P i a t o n s , auch der unzureichenden und unrichtigen, .ist auf das engste an das der unvergänglichen G e s a m t l e h r e n des Meisters geknüpft, wie es in den angeführten, die Jahrtausende überdauernden Gedanken und Wortprägungen zutage tritt, — ebenso sehr aber auch an die mächtige Nachwirkung seiner gewaltigen P e r s ö n l i c h k e i t . Gewaltig ist sie durch die Vereinigung höchster Geistesgröße und erhabensten Charakters, überwäjtigend durch die Vielseitigkeit ihrer Leistungen. P i a t o n zeigt sich nicht minder groß und bahnbrechend als künstlerischer Schriftsteller und Stylist, wie als Forscher und Denker, mag man die Philosophie (Erkenntnislehre, Metaphysik, Ästhetik, Ethik) in Betracht ziehen, die Theologie, Psychologie, oder die Mathematik; er ist aber auch Staatsmann und Sozialpolitiker, und als solcher ein von den weitschauendsten Plänen erfüllter Reformator des öffentlichen Lebens, der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände; er strebt als Pädagoge, mit Hilfe der Wissenschaft, der Kunst, und des persönlichen Beispieles, das heranwachsende Geschlecht zu freien und der Freiheit würdigen Bürgern zu erziehen, und so seinem Volke, ja der Menschheit, eine Bahn fortschreitender Vervollkommnung zu erschließen; er stiftet im Hain des athenischen Lokalgottes Akademos 387 v. Chr. die „Akademie", die bis zu ihrer Aufhebung durch den Kaiser J u s t i n i a n (529 n. Chr.), also durch nahezu ein Jahrtausend, die Pflegestätte des von ihm organisierten rein-wissenschaftlichen Unterrichtes blieb, und den Körperschaften gleicher Art noch heute ihren Namen leiht; unaufhörlich selbst lernend und strebend lehrt und wirkt er bis die K r a f t versagt, und, unabgeschreckt durch bittere Erfahrungen und schwere Enttäuschungen, bleibt er bis zum letzten Augenblicke der unermüdlich-tätige Vorkämpfer seiner Lehre des Idealismus, im Sinne des edlen Wortes „Gedenke zu leben".

62

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

So steht P i a t o n vor uns als die reinst-erschlossene Blüte echten Griechentumes und national-hellenisch.er Geistesentfaltung; „er ist der priesterliche Weise, der mit mahnender Hand dem unsterblichen Geiste aufwärts den Weg weisen will, von dieser Erde hinan zum ewigen Lichte"; „in ihm sehen wir vorbildlich für alle Zeiten das Kulturideal der Menschheit verkörpert: sich ihr Leben und ihre Wissenschaft zu gestalten." 1 Der Einfluß P i a t o n s auf seinen Schüler A r i s t o t e l e s , weiterhin auf K a r n e a d e s , „den H u m e des Altertumes" (213 bis 129 v. Chr.), auf P l o t i n o s ( 2 0 4 - 2 6 9 n. Chr.), und A u g u s t i n u s (354—430 n. Chr.), und durch diese, namentlich durch A r i s t o t e l e s und P l o t i n o s , auf die Denkweise der ganzen Folgezeit, auf die Entstehung und Ausgestaltung der christlichen Glaubenssätze, und auf die gesamte Entwicklung des europäischen Geisteslebens, ist ein so tiefgreifender und umfassender, daß er von dem k e i n e s anderen Philosophen auch nur annähernd erreicht wird. Wenn trotz dessen auch s e i n e Lehre nicht stets in voller Reinheit bewahrt blieb, wenn sie schon von manchen unmittelbaren Nachfolgern des Meisters mißverstanden, von späteren aber nicht selten geradezu entstellt und verzerrt wurde, so ist dies das Schicksal, dem fast ausnahmslos gerade die größten und tiefsten Schöpfungen bahnbrechender Geister anheimfallen. Welchen Dank solche Lehrer neuer Weisheit seitens der großen Menge zu erwarten haben, darüber hat sich P i a t o n selbst, frei von jeder Illusion, in jenem berühmten „Mythus von der Höhle" ausgesprochen, der, in Form eines der erhabensten Gleichnisse der Weltliteratur, das Verhältnis zwischen Sein und Erscheinung der Dinge klarlegt. 2 Er lautet in R ü c k e r t s fast wörtlicher, kongenialer Übersetzung: 3 2 1 Worte W i n d e l b a n d s u. R o h d e s . Staat V, 518. sammelte poetische Werke" (Frankfurt 1868; Bd. 8, S. 495).

3

„Oe-

CHEMISCHES

UND PHYSIKALISCHES

AUS

PLATON

„In einer Höhle, hochgewölbt und tiefgegraben, Sind träge Wohner, die dort feste Sitze haben. Wie angefesselt sind sie an dem Sitz von Stein, Und sitzen a u s w ä r t s nicht gewendet, sondern e i n . In ihrem Rücken ist von oben eine Kluft Gesprengt, durch welche dringt des Himmels Licht und Luft. Vor ihrem Angesicht der Höhle finstre Wand Dient ihrem Augenmerk zum einz'gen Gegenstand. Sie halten zugewandt den Rücken jenem Licht, Und nur auf diese Wand gewendet ihr Gesicht. Was werden sie da sehn? die Schatten, die entstehn, Der Dinge, die vorbei in ihrem Rücken gehn; Die Schatten, welche wirft der Sonne Glanz vom Rücken, Um auch mit einem Bild das dunkle Haus zu schmücken. Die Leute drinnen sehn die Dinge nicht und halten Das Schattenbild davon für wirkliche Gestalten. Sie freuen mäßig sich am bunten Schattenspiel, Und wissen doch davon den Grund nicht, noch das Ziel. Nun aber ist ein Geist zu einem hergekommen, Der hat die Fesseln ihm, die Trägheit abgenommen. Geblieben sind geschnürt die andern unberührt, Ihn aber hat der Geist befreiet und entführt. Sein Angesicht zum Licht wandt' er mit schneller Wendung, Da traf sein Angesicht vom Licht die erste Blendung. Doch aufwärts zog er ihn die hehre schwere Kluft, Und ihm entgegen kam zur Stärkung Himmelsluft. Und als er draußen war, erstaunt' er nicht geringe, Daß er nun offenbar statt Schatten sah die Dinge. Sein Auge war noch schwach für die Gewalt des Schönen, Er mußte nach und nach sich an den Glanz gewöhnen. Er sah der Sonne Bild zuerst im Spiegelteich; Sie war noch nicht sie selbst, doch schon sich selber gleich. Dann aber könnt' er ihr ins Auge blicken frei, Beseligt, daß ihr Blick in seinem Auge sei. Nun aber durchs Geschick ist er zurückgekommen Zur Höhl, und hat den Sitz dort wieder eingenommen. Dort sitzen noch, die sich am Schattenbild erbaun, Denselben wollt' er nun, was er geschaut, vertraun. Viel Mühe gab er sich, in Bildern zu erklären, Daß dies die Bilder nur, und nicht die Dinge wären. Doch sie verstanden's nicht, und glaubten's nicht, und lachten, Und fuhren ruhig fort, die Schatten zn betrachten."

4 C H E M I S C H E S UND A L C H E M I S C H E S AUS A R I S T O T E L E S 1 Einleitung. 1.

orbedingung f ü r die Abfassung einer Geschichte der Chemie im Altertum ist die genaue Feststellung der chemischen Kenntnisse, die sich in den Werken der bedeutendsten antiken Schriftsteller vorfinden, oder aus ihnen zu entnehmen sind. An wirklich brauchbaren Arbeiten in dieser Richtung herrscht noch großer Mangel, der sich durch die geringe chemische Bildung der Philologen, und die ebenso geringe philologische der Chemiker, genügend erklärt: denn zu annehmbaren Ergebnissen kann auf diesem Gebiete nur gelangen, wer die Quellenschriften versteht (wenn auch nur unter Mitbenützung von Hilfsmitteln), und zugleich die Wichtigkeit ihres Inhaltes zu erkennen und zu beurteilen vermag. Beide Fähigkeiten finden sich heutzutage nur selten in jenem Maße verbunden, das Arbeiten von absoluter Vollendung verbürgt, daher wird man sich vorerst in vielen Fällen auch mit solchen relativen Wertes begnügen müssen, 2 namentlich, wenn es sich um Werke eines Autors handelt, die, durch Vielseitigkeit des Inhaltes und durch Schwierigkeit der Form, auch 1

„Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik" 1910, S. 233. Herrn Geheimrat Prof. Dr. R u d o l f K o b e r t in Rostock in 2 aufrichtiger Verehrung dargebracht. S. die Aufsätze über die chemischen Kenntnisse d e s P l i n i u s und D i o s k u r i d e s ( i n meinen „Abhandlungen und Vorträgen zur Geschichte der Naturwissenschaften", Leipzig 1906), ferner über „Chemisches und Physikalisches aus P i a t o n " (1907; „Journal f. prakt. Chemie" II, Bd. 76, S. 513, sowie Nr. 3 des vorliegenden Bandes).

CHEMISCHES

heute

UND ALCHEMISCHES

noch, zweiundzwanzig

AUS

ARISTOTELES

Jahrhunderte

nach

65

ihrer

ersten

Niederschrift, selbst Fachgelehrten viele und große Rätsel

zu

lösen bieten. Dies

ist

der

Fall

bei

den

Schriften

des

Aristoteles.

Sogar hinsichtlich der vielgelesensten d u r f t e , u n t e r Allen, ihnen im Laufe der Zeiten n ä h e r t r a t e n , h a u p t u n g wagen,

er h a b e die w e l t u m f a s s e n d e B e d e u t u n g des

Dargelegten völlig erschöpft, die großen feinen Verzweigungen die

plangemäßen

gedeckt.

die

noch keiner die BeRichtlinien wie ihre

überall z u t r e f f e n d h e r a u s g e f u n d e n ,

Zusammenhänge

allerorten

Gilt dies a b e r schon von jenen

und

lückenlos

auf-

Lehrgebieten,

die,

ihrer hohen W i c h t i g k e i t halber, den Gegenstand ausführlicher W e r k e bilden u n d auch seit jeher m i t besonderem klärt

und

kommentiert

wenn

es sich nicht

wurden,

mehr

so wachsen

darum handelt,

die

Eifer erBedenken,

den S t a n d

einer

Disziplin zu einer b e s t i m m t e n Zeit festzulegen, sondern fängen

und

Vorahnungen

nachzuforschen,

denen

s p ä t e r e r Zeit eine Wissenschaft entspringen sollte. selten

lassen

sich

hierbei

die

Umrisse

des

erst

Denn

Bildes

gleich

Anin nur in

großen Zügen gestalten, zumeist aber ist die A u f g a b e gestellt, die

Lücken

des Mosaiks

mit

kleinen

Steinchen

auszufüllen,

die der G e s a m t h e i t eines ungeheuren, ganz anderen dienenden,

nicht

wohlgeordneten,

und

nicht

immer

Zwecken einheit-

lichen Materials zu e n t n e h m e n , u n d aus tausendfältigen Zufallsv e r b i n d u n g e n herauszulösen sind. auch und nisse

die

Mißlichkeit

notwendigerweise und

Irrtümer

Die Unvermeidlichkeit, aber

eines solchen werden

entspringen

ihm

Verfahrens

leuchtet

mancherlei

Mißverständ-

müssen;

diese zu

ein,

bemerken

u n d zu berichtigen, m a g der d a n k e n s w e r t e n B e t ä t i g u n g philologischen u n d philosophischen Fachwissens v o r b e h a l t e n bleiben. 2. Bald nach dem Tode seines erlauchten Zöglings, A l e x a n d e r des Großen,

sah sich A r i s t o t e l e s ,

v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.

II.

der bis dahin u n g e s t ö r t 5

66

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

in Athen gelebt u n d gewirkt h a t t e , durch die lebensgefährliche Anklage

auf

Asebie

(Religionsstörung)

bedroht,

die

seine

o r t h o d o x e n , politischen (anti-mazedonisch gesinnten), und persönlichen

(dem

Gegner Da

in

Redner-

einmütigem

und

Gelehrten-Stande

Zusammenwirken

es aussichtslos w a r ,

den

angehörigen)

wider

Fanatismus

ihn

der P a r t e i e n

G r ü n d e zu widerlegen, v e r z i c h t e t e A r i s t o t e l e s schreitung

des

Rechtsweges,

und

erhoben.

verließ

die

auf

durch

die

Stadt

Be-

„deren

B ü r g e r sich nicht z u m zweiten Male an der Philosophie versündigen sollen", sowie seine im J a h r e 335 unweit des „ L y k e i o n " begründete

Schule,

und abwandelnd begab

sich

nach

unter

deren

er v o r z u t r a g e n Chalkis

auf

schattigen

Baumreihen

auf-

u n d zu lehren pflegte. 1

der

Insel

Euböa,

der

Er

Heimat

seiner M u t t e r , u n d g e d a c h t e d o r t einen politischen U m s c h w u n g a b z u w a r t e n , den er f ü r n a h e b e v o r s t e h e n d hielt; doch erlebte er einen solchen nicht mehr, da ihn schon nach kurzer Zeit ein schweres inneres Leiden im 63. Lebensjahre v. Chr. h i n w e g r a f f t e . Über die Schicksale der Werke, die A r i s t o t e l e s

hinter-

ließ, sind wir n u r unvollständig u n t e r r i c h t e t , doch s t e h t so viel fest, d a ß sie lange Zeit h i n d u r c h einer getreuen u n d brochenen

Überlieferung

die, im ganzen noch

völlig

heute

ermangelten,

und

übliche F a s s u n g

und

erst gegen 70 v. Chr. zuteil wurde. Schriften

herrscht

Ungewißheit:

ununter-

daß

ihnen

Anordnung,

Schon betreff der Zahl der der

Philosoph

Ptolemäus

g i b t sie (wie eine arabische Überlieferung besagt) auf 92

an,

D i o g e n e s aus Laerte auf 146, H e s y c h i o s gar auf 196; doch sind

h i e r u n t e r vielleicht

nur Abhandlungen

v e r s t e h e n , denn über die u r s p r ü n g l i c h e n Einteilungen heute 1

ist

uns

gebräuchlichen

nicht

viel

rühren

Sicheres nur

in

oder

Kapitel

Benennungen bekannt,

wenigen

und

Fällen

zu und die von

Von „Lykeion", dem Heiligtume des A p p o l l o n L y k e i o s (des Wolfstöters), schreibt sich unser „Lyceum" her, vom Wandeln unter den Baumgängen (neginazoi = Peripatoi) der Namen „Peripatetiker" für die Anhänger der aristotelischen Philosophie.

CHEMISCHES

Aristoteles „Organon"

UND AL CHEMISCHES

selbst

her.

So

AUS ARISTOTELES

z. B.

stammt

( = W e r k z e u g ) f ü r die logischen

der

67

Gesamttitel

Hauptwerke

erst

a u s b y z a n t i n i s c h e r Zeit, u n d die „ M e t a p h y s i k " w u r d e so benannt,

weil sie sich

im K o r p u s

der aristotelischen

Schriften

u n m i t t e l b a r n a c h {¡hhtu = m e t a ) der P h y s i k eingereiht f i n d e t , und

nicht

ausgeht;

etwa,

weil

ihr I n h a l t

Aristoteles

( = Prinzipien die zeitliche

oder

über

den der P h y s i k

selbst zitiert sie als

Grundfragen

Reihenfolge der

der

%oéxr¡

Philosophie).

Schriften hat

hin-

cpiloaorfíct —

Auch

sich bisher

nicht

m i t völliger B e s t i m m t h e i t e r m i t t e l n Jassen; wahrscheinlich

ist,

d a ß die rein logischen die ä l t e s t e n sind, u n d d a ß ihnen nächst

die

weiterhin

naturgeschichtlichen

die

ästhetischen,

In der großen, v o n

und

ethischen

zu-

psychologischen, u n d politischen

der Berliner

Akademie

der

und

folgten. Wissen-

s c h a f t e n v e r a n s t a l t e t e n A u s g a b e füllen die W e r k e des A r i s t o teles

zwei

Quartbände

126720 D r u c k z e i l e n ;

mit

1584 z w e i s p a l t i g e n

Seiten

und

einschließlich einiger F r a g m e n t e u n d

des

1891 aus einem P a p y r u s e n t z i f f e r t e n „ S t a a t s w e s e n s der A t h e n e r " kann

man

den

Gesamtumfang

auf

rund

130000 Zeilen

ver-

ausgearbeiteten

und

anschlagen. Keine

der

von

Aristoteles

völlig

v o n i h m selbst v e r ö f f e n t l i c h t e n S c h r i f t e n scheint auf u n s g e k o m m e n zu sein.

unverändert

Die e r h a l t e n e n T e x t e lassen sich,

der g e g e n w ä r t i g vorliegenden

Gestalt gemäß, ungezwungen

in

folgende wesentliche G r u p p e n einteilen: a) E c h t e weise

jedoch

Hauptwerke.

Sie

beruhen

nur

des

Vortrages

Zwecken

auf

eigenen

(teil-

dienenden)

Auf-

z e i c h n u n g e n , auf N a c h s c h r i f t e n der Hörer, u n d auf T r a d i t i o n e n der S c h u l e ; H e r a u s g e b e r , u n d z w a r o f t r e c h t s p ä t e , redigierten u n d k o m b i n i e r t e n diese Quellen, u n d h i e r a u s e r k l ä r t sich d a s Nach- und

Durcheinandergehen

Mangel

Stileinheit;

an

z. B. die „ P o e t i k " u n d b) E n t w ü r f e u n d

einige

mehrfacher'Texte, sind

sowie

der

nur

stückweise

erhalten,

Stoffsammlungen.

Sie t r a g e n 5*

durchaus

„Ökonomik".

68

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

f r a g m e n t a r i s c h e n C h a r a k t e r , ja sind zuweilen nichts weiter als K o n g l o m e r a t e von Auszügen aus f r e m d e n Schriften nebst einschlägigen Hand.

Zusätzen

und

Bemerkungen,

— o f t von

Hierher zählen u. a. die „ W u n d e r b a r e n

späterer

Nachrichten",

die „ P r o b l e m e " , ganze Teile der zoologischen Bücher, usf. c)

Unechte

und

untergeschobene

Werke.

Hinsichtlich

ihrer Beurteilung gehen die Meinungen der Kritiker noch auseinander.

Gänzlich

u n e c h t sind wohl die

Schriften

„Über

die W e l t " (De cosmo), „ Ü b e r den L e b e n s h a u c h " (De spiritu), „Über

die

Pflanzen",

und

„Über

die

Physiognomik",

denen die beiden ersteren v e r m u t l i c h nicht vor dem Jahrhunderte

v.Chr.,

die

dritte

(durch

k e n o s ) zur Zeit des Kaisers A u g u s t u s , um

100

n.Chr.

ihre

gegenwärtige

Nikolaos

von

zweiten Damas-

u n d die vierte erst

Gestalt

erhielten;

sind aber auch in ihnen einzelne Züge als aristotelisch

gewiß anzu-

erkennen, u m so m e h r als wir wissen, d a ß es z. B. ein echtes Buch

„ Ü b e r die P f l a n z e n " gab, das aber verloren

gegangen

ist, — ebenso wie noch m a n c h e a n d e r e wichtige A b h a n d l u n g e n , z. B. die mit Zeichnungen versehene „ Ü b e r die Zergliederung (Anatomie) teilweise

der

Tiere"

und

u n e c h t gelten

die

u.a.

„Über

Astronomie".

die „ E u d e m i s c h e

Ethik",

Für die

„ G r o ß e E t h i k " , die „ R h e t o r i k an A l e x a n d e r " , die Schriften über

„Farben",

„Töne",

„Mechanik",

„Bewegungsvermögen

der T i e r e " , sowie die ü b e r „ M e l i s s o s u n d Z e n o n " , die „ L e h r e n der

Atomistiker",

meisten

unter

Tradition feststellen, schiebsel

und

ihnen

die

„Tugenden

gehen

fraglos

z u r ü c k , doch läßt sich k a u m in und

welchem

Umfange

Weglassungen

allein

der

Unwissenheit

sowie

der

Ungunst

sie

entstellt

und

und

auf

mehr mit

wurden,

oder

auch

Die

aristotelische

allmählich

Sorglosigkeit

der Zeiten,

Laster".

gute

Sicherheit durch

und

ob

Eindiese

der

Abschreiber,

der

planmäßigen

T e n d e n z der R e d a k t o r e n zur Last f a l l e n ; sie bleiben in ihrer großen Mehrzahl wichtige Quellenwerke, sind aber im einzelnen n u r m i t Vorsicht zu b e n u t z e n .

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

69

3. D e r h i e r z u g e b e n d e n D a r s t e l l u n g der L e h r e n d e s teles

liegen die n a c h b e n a n n t e n

folgenden,

in

alphabetischer

Aristo-

Schriften z u g r u n d e , 1 die

Anordnung

vorangestellten,

unter ab-

gekürzten Bezeichnungen zitiert w e r d e n : 1. A und Aß: Analytica I. und II. (Logik). 2. At.: Lehren der Atomistiker. 3. Ath.: Staatswesen der Athener. 4. B.: Bewegungsvermögen der Tiere. 5. E.: Entstehen und Vergehen. 6. Eu.: Eudemische Ethik. 7. F.: Fortbewegung der Tiere. 8. Fa.: Über die Farben. 9. Fr.: Fragmente (Berl. Akad. Ausg., Bd. II, S. 1463). 10. Gr.: Große Ethik. 11. H.: Hermeneutik (Über Sprache und Gedanken). 12. Hi.: Über das Himmelsgebäude. 13. Kat.: Kategorien (Lehre vom Begriff). 14. L.: Über die unteilbaren Linien. 15. M.: Meteorologie. 16. Mech.: Mechanische Probleme. 17. Mel.: Über M e l i s s o s ( X e n o p h a n e s ) , Z e n o n und G o r g i a s . 18. Met.: Metaphysik. 19. Ni.: Nikomachische Ethik. 20. Ö.: Ökonomik. 21. P.: Parva Naturalia ( = Kleine naturwissenschaftliche Schriften). 22. Pg.: Physiognomik. 23. P h . : Physik. 24. Po.: Poetik. 25. Pr.: Probleme. 26. Rh.: Rhetorik. 27. Rh. AI.: Rhetorik an Alexander. 28. S.: Über die Seele. 29. Sp.: Über den Lebenshauch (De spiritu). 30. St.: Über den Staat. 31. T.: Tugenden und Laster. 32. Th.: Teile der Tiere. 33. To.: Topik (Lehre von den Schlüssen); Anhang, Buch I X : Über Trugschlüsse. 1

Ganz ausgeschlossen wurde die Abhandlung des N i k o l a o s D a m a s k e n o s „Über die Pflanzen".

70

CHEMISCHES 34. 35. 36. 37. 38. 39.

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Tö.: Über die Töne. W.: Wunderbare Nachrichten. We.: Über die Welt (De cosmo). Wi.: Über die Winde. Z.: Zeugung und Entwicklung der Tiere. Zo.: Tierkunde (Zoologie).

Von diesen gehören im wesentlichen an (denn eine strenge E i n t e i l u n g zu geben, ist unmöglich): Der Der Der Der Der Der Der Der Der

Logik und reinen Philosophie: 1. 13. Psychologie und Naturphilosophie: 5. Ethik: 6. 10. 19. 31. Ästhetik: 24. Sprachwissenschaft: 11. 26. 27. Mathematik: 14. Physik und Chemie: 2. 8. 12. 15. 16. Zoologie: 4. 7. 22. 32. 38. 39. Politik und Nationalökonomie: 3. 20.

17. 18. 33. 21. 25. 28. 29. 36.

23. 34. 35. 37. 30.

Hierbei ist jedoch zu b e m e r k e n , d a ß m a n c h e der aristotelischen T i t e l w o r t e ganz anderes besagen, als was m a n gegenw ä r t i g u n t e r ihnen zu verstehen p f l e g t : so z. B. bezweckt die „Zoologie"

nicht sowohl die Beschreibung der Tiere,

als

die

E r k e n n t n i s der verschiedensten, i n n e r h a l b der g e s a m t e n Tierw e l t w a l t e n d e n Beziehungen; die „ P h y s i k " ist weniger P h y s i k in

jetzigem

Sinne,

als N a t u r p h i l o s o p h i e

mit

physikalischem

Einschlage; die „Meteorologie" b e h a n d e l t , a u ß e r ihrem heutigen Gebiete,

alles

mögliche

zwischen

Himmel

und

Erde

Schwe-

b e n d e oder als schwebend Gedachte, sowie das aus ihm

Ent-

s t e h e n d e oder als e n t s t e h e n d A n g e n o m m e n e , usf. Im folgenden sollen n u n z u n ä c h s t gemeinen

Grundsätze

und

die einschlägigen

Anschauungen

des

all-

Aristoteles

ü b e r N a t u r f o r s c h u n g dargelegt werden, und sodann seine b e sonderen

Ansichten

über

die

wichtigsten

chemischen

Pro-

bleme (im weitesten Sinne); ein z u s a m m e n f a s s e n d e r Rückblick, und

eine

Erörterung

aristotelischen

der

Bedeutung

Lehren sind b e s t i m m t ,

h a n d l u n g zu bilden.

und

Nachwirkung

der

den

Schluß dieser

Ab-

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

71

I. Grundsätze der Naturforschung. Zur wahren Einsicht f ü h r e n Verwunderung und gründlicher Zweifel: ihr A u f t a u c h e n zeigt an, daß im Faden des Denkens Knoten vorhanden sind, und aus deren Lösung entspringt d a n n die richtige Erkenntnis. 1 Zweck der N a t u r f o r s c h u n g ist, das richtig durch die Sinne Beobachtete zu erklären, übereinstimmend m i t der Erfahrung, und ohne Rücksicht auf irgendwelche Voraussetzungen oder vorgefaßte M e i n u n g e n ; 2 denn die Meinungen der Menschen wechseln häufig, auch gelangen längst abgetane wieder zu neuer Bedeutung, und dieser Vorgang wiederholt sich u n a u f hörlich. 3 Allerdings sind die Erscheinungen n u r zu einem Teile erklärbar, zu einem anderen aber n i c h t ; a l l e folgen jedoch natürlichen Gesetzen und stehen in gesetzmäßigem Zusammenhange.4 Ohne E r f a h r u n g und Anschauung ist ein zureichender Einblick und Überblick unmöglich; 5 m a n gelangt ohne sie nur zu nichtssagenden und Scheinerklärungen, 6 die nicht mehr W e r t haben als gewisse, formal ganz richtige Schlüsse, die auch ein Blindgeborener betreffs der Farben ziehen kann, ohne daß er sich aber bei solchen Worten auch etwas E n t sprechendes vorzustellen vermöchte. 7 Die Wissenschaft geht also aus der E r f a h r u n g hervor, 8 und ihr U m f a n g ist b e s t i m m t durch jenen der vorliegenden Beobachtungen und durch deren Genauigkeit; 9 geraten ihre Schlüsse mit der E r f a h r u n g und den Tatsachen in Widerspruch, so beweist dieses, daß die Beobachtungen ungenügende waren. 1 0 Nicht selten fehlt es noch ü b e r h a u p t an B e o b a c h t u n g e n ; 1 1 w i r d m a n s i e a b e r k ü n f t i g m a c h e n , so i s t i h n e n mehr G l a u b e n b e i z u m e s s e n als der T h e o r i e , und dieser 1 s

M e t . III, 1.

E. II, 2 .

6

2

Z. II, 1 3 2 .

7

II, (5), 1 4 u n d (6), 1 0 ; IV, (I), 2. 11

Z. II, 7 5 ;

III,

101.

3

H i . III, 7 . P h . II, 1. 10

M . I, (3), 4 . 8

M e t . I, 1.

4 9

M . I, (1), 2. M . I (3) 2 0 ;

Z. III, 7 5 u n d II, 2 7 ; H i . IV, 2 .

72

CHEMISCHES

nur

insoweit

Ergebnissen

UND ALCHEMISCHES

zu v e r t r a u e n , f ü h r t wie

AUS

ARISTOTELES

als sie zu den

nämlichen

die B e o b a c h t u n g e n ; 1

Tatsachen

beweisen. 2 Man wird d e m n a c h teils selbst zu u n t e r s u c h e n , teils a n d e r e U n t e r s u c h e n d e zu befragen haben, u n d w e n n sich hierbei eine Meinung

ergibt,

die

von

der

bisher

gehegten

abweicht,

so

k a n n m a n zwar beide w e r t s c h ä t z e n , folgen m u ß m a n aber der als z u t r e f f e n d b e f u n d e n e n . 3 In letztem G r u n d e b e r u h t alles besondere Wissen auf sinnlicher B e o b a c h t u n g , nämlich e n t w e d e r auf

Induktion, die aus

d e m Einzelnen, oder auf D e d u k t i o n , die aus dem Allgemeinen e r f l i e ß t ; zu letzterem a b e r k ö n n t e m a n , ohne vorheriges

Er-

fassen

ge-

des

langen. 4

sinnlich

wahrnehmbaren

Einzelnen,

gar

nie

Weil jedoch die I n d u k t i o n nie ganz vollständig sein

k a n n , und alle Schlüsse aus ihr n u r insoweit z u t r e f f e n , als die Beobachtung

reicht,

so

gültigen, a p o d i k t i s c h e n

führt Wissen;

sie 5

nie

zu

die Quelle

einem

allgemein-

dieses

Wissens,

z. B. des die logischen u n d m a t h e m a t i s c h e n Axiome b e t r e f f e n den, bleibt also zu erforschen. 6 Beim Ziehen der Schlüsse ist Vorsicht geboten.

Schlüsse

allgemeinen C h a r a k t e r s darf m a n nicht auf Einzelfälle g r ü n d e n , also nicht e t w a auf solche hin b e h a u p t e n „ W a s Licht von sich gibt,

m u ß feuriger N a t u r

sein",

— denn

Meerwassers beweist das Gegenteil. 7

das

Leuchten

des

F e r n e r darf m a n aus den

E r f a h r u n g e n nicht Folgerungen ableiten, die das Gebiet, innerhalb

dessen

jene g e m a c h t

wurden,

völlig überschreiten,

wie

z. B., wenn m a n ü b e r das Weltall aussagen will, auf G r u n d von Wahrnehmungen

in

dem

uns z u n ä c h s t

umgebenden

Räume,

der doch d e m W e l t r ä u m e gegenüber so g u t wie gar keiner ist. 8 Endlich w ä r e es t ö r i c h t u n d lächerlich, über das B e o b a c h t e t e , s t a t t erst sein eigentliches, meist keineswegs z u t a g e 1

liegendes

2 3 Z. III, 14. M. I, (14), 25. Met. XII, 8; M. IV, (1), 2. 5 6 Aß, I, 18 und II, 19; Ni. IV, 3. Aß, I, 31. ebd., und Ni. II, 6. 8 ' Z. V, 95; Fa. 1; M. II, (9), 18. Met. IV, 5.

4

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

73

W e s e n zu erforschen, ohne weiteres nach dem bloßen A u g e n schein a b z u u r t e i l e n . 1 In letzterer Hinsicht ist auch zu bedenken, daß zwar die Entwicklung

der Organe

und

ihrer

Funktionen

stets

gleich-

zeitig erfolgt, so d a ß es z. B. kein Auge ohne Sehen u n d kein Sehen ohne Auge gäbe, 2 d a ß aber dennoch zahlreiche t ä u s c h u n g e n möglich sind.

Sinnes-

W e r z. B. das eine Auge m i t dem

Finger aus seiner gewohnten Lage bringt, sieht alles zwiefach, 3 und

wer

einen

kleinen

Gegenstand

mit

gekreuzten

(ver-

s c h r ä n k t e n ) Fingern a n f a ß t u n d bewegt, der f ü h l t ihn auf das Bestimmteste

doppelt,

o f f e n b a r weil (entgegen

dem

gewöhn-

lichen u n d natürlichen H e r k o m m e n ) das nämliche O b j e k t gleichzeitig mit den Außenseiten zweier Finger b e r ü h r t wird.

Derlei

T ä u s c h u n g e n sind durch den Gesichtssinn korrigierbar, wären es a b e r nicht, falls es keinen solchen g ä b e ; 4 m a n c h e lassen sich a b e r ü b e r h a u p t nicht beheben, so z. B.

andere

erscheint

die Sonne einen F u ß breit, auch wenn m a n die überzeugende Gewißheit besitzt, d a ß sie weit größer ist als die Erde, 5 und das F l i m m e r n der Sterne d a u e r t f o r t , auch wenn m a n genau weiß, d a ß diese Bewegung keine o b j e k t i v e ist. 6 Aber selbst m i t der berichtigten E r f a h r u n g ist noch nicht alles

erschöpft,

wenngleich

aus

ihr

h e r v o r g e h t : sinnliche W a h r n e h m u n g e n keine Weisheit

(Philosophie),

fest, nicht das W a r u m ,

die an

ganze sich

Wissenschaft ergeben

denn sie stellen n u r

das

noch Was

d. h. n u r die T a t s a c h e n , n i c h t aber

deren inneren Z u s a m m e n h a n g . 7

B e s t ü n d e n allein die sinnlichen

Erscheinungen, so w ä r e jede Existenz a u f g e h o b e n , sobald es an beseelten Wesen fehlte, weil doch n u r diese der

Sinnes-Wahr-

n e h m u n g e n f ä h i g sind, 8 j a zugleich mit ihnen fiele sogar die Möglichkeit der Zeit fort, 9 von der m a n sonst sagt, d a ß sie endlos sei, d a ß sie nie stille stehe, u n d d a ß i n ihr alles geschehe. 1 0 1

2 3 4 Sp. 9. Z. IV, 23. Met. XI, 6; P. IV, 3. Pr. XXXV, 10; 6 6 7 8 P. IV, 2. S. III, 3; P. IV, 2. Hi. II, 8. Met. 1 , 1 . Met. IV, 5. 9 10 Ph. IV, 4; über das Wesen der Zeit s. ebd. 10—14. M. I, (14), 32.

74

CHEMISCHES

Die

Lehre

UND ÄLCHEMISCHES

des Protagoras:

AUS

ARISTOTELES

„ D e r Mensch

ist

das

Maß

aller D i n g e " , m u ß d a h e r f ü r einseitig gelten, u n d insoweit f ü r völlig unrichtig, als sie .besagen soll, d a ß das, w a s einem jeden scheint,

sicher u n d fest s o , u n d so a l l e i n ,

auch i s t . 1

Es

e n t s p r i c h t der W a h r h e i t , d a ß wir die Dinge n u r infolge ihres Wirkens

auf

überhaupt

unsere

Sinne,

wahrnehmen,

s c h a f t e n zuschreiben,

und

und

denen

nur

ihnen deshalb,

diesem

Wirken

daraufhin von

gemäß,

ihre

Eigen-

der geringsten

an

bis zur H ä r t e des S t a h l e s , n u r relativer C h a r a k t e r z u k o m m t ; 2 ebenso e n t s p r i c h t es der W a h r h e i t , d a ß jeder die Dinge

nur

s o w a h r n i m m t , wie sie ihm erscheinen, d a h e r a u c h selbst das nämliche

in verschiedener,

abhängiger denselben nicht;

3

Weise, Wein

das

so

von seinem körperlichen

daß

einmal

er z. B. m i t

süß

nennt,

ein

gleicher anderes

Zustande Richtigkeit

Mal

jedoch

a b e r , was alle solchen W a h r n e h m u n g e n

erregte

u n d erregen k o n n t e , ist bei diesen sämtlichen Vorgängen v e r ä n d e r t geblieben, sein S e i n u n d S u b j e k t i v e s , wie sein

un-

ist nicht etwas bloß Relatives

Erscheinen.4

Die Frage „ w a s dieses Seiende n u n eigentlich i s t ? " , erweist sich als identisch m i t der Frage n a c h der N a t u r der Dinge, an die ihr ganzes Wesen, u n d bei organischen Gebilden auch noch besonders

ihr W e r d e n

und Wachsen

sich nicht weiter b e a n t w o r t e n

geknüpft ist;5

sie

läßt

als dahin, d a ß die N a t u r

der

Dinge in ihrer W i r k s a m k e i t besteht, d. h. in ihrer W i r k u n g e n hervorzubringen oder a u f z u n e h m e n . 6

Fähigkeit,

Z u n ä c h s t frei-

lich erscheint jedes Ding als b e s t i m m t durch seinen Stoff u n d seine F o r m ; 7 doch zeigt sich, d a ß wir nicht anzugeben

ver-

mögen, w a s ein Stoff i s t , sondern n u r wie er w i r k t , also e t w a v o m Silber n i c h t was es i s t , sondern n u r , d a ß es sich ähnlich v e r h ä l t wie Zinn (also wie ein M e t a l l ) ; 8 a u c h von der wissen wir n i c h t zu sagen w a s , 1

4 7

Form

sondern n u r w i e sie ist, u n d

2 3 Met. XI, 6. M. IV, (4), 9; (8), 3; (9), 25. Met. IV, 5. 5 6 Met. IV, 6. Met. VII, 10; VIII, 1; V, 4. M. IV, (12), 2. 5 u n d 7. 3 Met. V, 4. Met. VII, 4; VIII, 3.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

75

können nur noch beifygen, daß nach ihrer Z e r s t ö r u n g (wie d a s namentlich

bei

organischen

Gebilden

klar

hervortritt)

allein

die E l e m e n t e übrigbleiben, w o r a u s erhellt, daß das die

Form

u n d Individualität Bedingende nicht wieder aus den E l e m e n t e n bestehen u n d nicht wieder materiell sein k a n n , vielmehr f ü r unerkennbar

muß.1

gelten

Zudem

sind

aber

in den

Dingen

Stoff und Form so u n t r e n n b a r v e r b u n d e n , d a ß jeder Versuch, das dem einen u n d der anderen Zugehörige a b z u s o n d e r n , f a s t d u r c h a u s vergeblich Form

vorhanden,

e r s c h e i n t ; 2 es ist Einheit von

und

nicht

bloße Z u s a m m e n s e t z u n g ,

Möglichkeit übrigens w i e d e r u m u n e r k l ä r t bleiben Das

Sein, die Existenz,

Stoff

kann

und deren

müßte.

d a h e r d u r c h a u s nicht auf

G r u n d einer Definition gefolgert w e r d e n : w a s z. B. als „ M o n a d e " zu b e z e i c h n e n

sei, u n d o b die so bezeichnete Monade a u c h

wirklich b e s t e h e ,

sind zwei völlig verschiedene Fragen. 3

II. Allgemeine A n s c h a u u n g e n . Die Materie k a n n muß

nicht aus dem Nichts e n t s t e h e n ,

und

daher als schon v o r h a n d e n vorausgesetzt w e r d e n ; 4

ins-

besondere v e r m a g auch hervorzubringen, 5

keinerlei A r t

der

Bewegung

Materie

u m so m e h r als auch die in der N a t u r vor-

h a n d e n e Bewegung weder zu entstehen noch zu vergehen vermag,

sondern

läßt

sich

unsterblich ist.®

weder

vermehren

Die einmal gegebene

noch

vermindern,

Materie

Materie

tritt

weder neu ins Dasein noch verschwindet sie, sondern sie ist allein der V e r ä n d e r u n g fähig. 7 V e r ä n d e r u n g e n u n d U m w a n d l u n g e n werden hervorgerufen, indem

Ungleichartiges

oder

Gegensätzliches

w i r k t , u n d zwar nicht ohne B e r ü h r u n g . 8

aufeinander

keine u n m i t t e l b a r e zu sein, sondern es g e n ü g t auch 1

ein-

Diese b r a u c h t jedoch Vermitt-

2 3 Met. VII, 16 u n d 17; VIII, 3. Met. V, 4 ; VII, 11. Aß. I, 4 5 2 u n d 10; IV, 7. P h . I, 4 u n d 8 ; Met. VII, 9 ; XII, 3. E. II, 9. 6 7 P h . VIII, 1; Met. XII, 6. Hi. I, 10 u n d 11; III, 2. Met. XII, 3 ; 8 M. I, (14), 25. E. II, 6 u n d 7.

76

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

iung durch Zwischenteile, deren jeder nur den einen ihm zunächst liegenden in Bewegung setzt, etwa nach der Art der merkwürdigen und Verwunderung erregenden „automatischen" Figuren und Kunstwerke, z. B. der als Weihgeschenke in den Tempeln stehenden Drehräder, oder der A p p a r a t e , die die Gaukler bei ihren Vorführungen benützen; die Bewegung kann aber auch gänzlich durch ein Medium übertragen werden, wie das bei Schall und Licht geschieht (s. unten). 1 Jede Veränderung, sei sie quantitativ oder qualitativ, beruht in letzter Linie auf Bewegungen, die zur Vereinigung und Trennung, zur Verdünnung und Verdichtung u. dgl. f ü h r e n ; alle Körper sind fähig zur Aufnahme von Bewegungen, und nur wenn ihnen solche nicht zugeführt werden, befinden sie sich in Ruhe. 2 Ist ein Körper einmal in Bewegung gesetzt, so ist kein Grund dafür denkbar, daß er irgendwo stillestehen sollte, wenn er keinen Widerstand findet, wie das z. B. im Leeren (im Vakuum) der Fall wäre, sofern es ein solches g ä b e ; 3 aber auch das Ruhende widerstrebt, und verharrt an seinem Orte. 4 Jeder Körper hat (wie schon P i a t o n lehrte) im Weltgebäude seinen bestimmten „natürlichen" Ort, der ihm „von N a t u r a u s " zukommt, den er nicht ohne zureichenden Grund verläßt, und nach dem er sich stets wieder zurückbewegt, wenn er nicht gewaltsam daran gehindert wird; 5 denn stets bewegt sich Gleiches zu Gleichem. 6 Maßgebend für die Lage dieses natürlichen Ortes ist die Schwere der Körper, der gemäß sie sich rings um den Mittelpunkt des Weltgebäudes ordnen. 7 Allerdings ist Schwere eigentlich eine r e l a t i v e Bezeichnung, ähnlich wie Geschwindigkeit, und so wie diese in gewissem Grade auch dem Langsamen, so k o m m t jene auch dem Leichten zu. 8 Aber gegenüber diesem relativ, d. h. mit anderem ver1

Z. II, 19 und 76; Met. I, 2; Mech. 1; We. 6; B. 7. 3 4 6 VIII, 7. Ph. IV, 8. Mech. 9 und 32. Ph. IV, 1 und 4. 7 8 2-4. M. I, (2), 1; (3), 14. Met. X, 1.

2

Ph. V, 3; 6 Hi. IV,

CHEMISCHES

glichen,

UND AL CHEMISCHES

Leichten

und

Schweren, b e s t e h t auch

d. h. an sich,

Leichtes u n d

seiner

gemäß,

Natur

AUS ARISTOTELES

Schweres;

nach

oben,

strebt

im

Gegenteile,

absolut,

ersteres bewegt

vom

Himmelsgebäudes weg, der ä u ß e r s t e n letzteres

ein

77

sich,

Mittelpunkte

des

Höhe des Weltalls

seiner

Natur

gemäß,

zu, nach

u n t e n , zu diesem M i t t e l p u n k t e hin, ohne indessen weiter dringen zu k ö n n e n , als bis zu i h m ; das Hirnmeisgebäude h a t eben ein Oben und U n t e n , es ist n i c h t ringsum gleichartig, u n d Gegenf ü ß l e r an ihm sind u n d e n k b a r und unmöglich. 1 Sein Z e n t r u m ,

zu dem sich alles E r d a r t i g e ,

Schwere wegen, hinbewegt, kugel,

die an

ihm

ist der natürliche

unverrückbar

und

der

großen

Ort der

Erd-

beharrt.2

unbeweglich

Über die Kugelgestalt der E r d e herrscht kern Zweifel, u n d sie läßt v e r m u t e n , d a ß n u r ein einziges z u s a m m e n h ä n g e n d e s Meer den R a u m zwischen den W e s t k ü s t e n E u r o p a s und Afrikas u n d den O s t k ü s t e n

Indiens erfüllt; hierauf

deuten auch die Ä h n -

lichkeiten m a n c h e r Erzeugnisse dieser beiden Länder, wie denn z. B. sowohl W e s t a f r i k a als a u c h bringen.

3

Indien

Elephanten

hervor-

Die A s t r o n o m i e lehrt, d a ß die E r d e weitaus kleiner Sternen,4

als die Sonne, u n d dieser w e i t a u s n ä h e r ist als den

ferner d a ß die Sterne n u r scheinbar, nämlich von der aus gesehen, klein, in Wirklichkeit aber, ihrer E n t f e r n u n g entsprechend,

Erde

unermeßlichen

ungeheuer groß s i n d ; 5 im V e r h ä l t -

nisse zur A u s d e h n u n g des W e l t g e b ä u d e s ist daher die

Größe

der E r d e gänzlich v e r s c h w i n d e n d , 6 so g u t wie keine, 7 ein Nichts, 8 Sternen. 9

u n d die E r d e n u r ein Stern u n t e r

Z u n ä c h s t auf der E r d e b e f i n d e t sich das Wasser, das sie in Gestalt einer Kugelschale bedeckt, wie dies der Kugelgestalt der

schichten 1

8 und

entspricht.10

Erde

folgt s o d a n n

die

weiteren Luft, und

konzentrischen

Kugel-

schließlich

Feuer,

2

H i . I, 3 u n d 6 ; IV, 2. P h . I I I , 5 ; V I I I , 4. 14; I V

2—4. 6

(3), 2 u n d 5. 9

In

H i . II, 13.

10

3

H i . II, 4 ; M e t . II, 5.

M . I, (14), 19.

H i . II, 4 ; P h . IV, 5.

7

4

das

P h . III, 5 ; H i . II,

M . I, (8), 6.

M e t . IV, 5.

3

5

M. I,

M. I, (3), 7.

78

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

dessen n a t ü r l i c h e r Ort, infolge seiner großen

Leichtigkeit,

der

oberste R a u m ist, der bis an das Himmelsgewölbe reicht. 1 Wasser u n d L u f t , die ihren n a t ü r l i c h e n Ort zwischen der schweren

Erde

und

dem

leichten

Feuer

haben,

also

Mittel-

glieder sind, zeigen auch eine mittlere Beschaffenheit, d. h. sie bewegen nach

sich vorzugsweise

oben, sind aber

das eine nach

auch

n i c h t ganz u n f ä h i g ; 2 w ä h r e n d tigkeit

die

andere

Bewegung

nämlich die E r d e keine Leich-

das Feuer keine Schwere h a t , 3 so d a ß sich

und

E r d e niemals an

das Aufsteigen,

Herabsinken gewöhnt", Bewegungen sitzen

unten,

der entgegengesetzten

4

das

u n d beide zu

solchen

und

Luft

in

dieser

Hinsicht

das

unnatürlichen können,5

n u r gewaltsam gezwungen werden

Wasser

„die

Feuer niemals an

relative

be-

Eigen-

s c h a f t e n : Wasser ist leicht gegenüber Erde, aber schwer gegenü b e r L u f t , L u f t leicht im Vergleiche zu Wasser, aber schwer im Vergleiche zu F e u e r . 6 Alles, oberhalb

was des

sich

oberhalb

der

Himmelsgewölbes

Region

befindet,

des Mondes, demnach

die

also Ge-

s a m t h e i t der Gestirne u n d der ganze übrige W e l t r a u m , ist erf ü l l t von Ä t h e r , u n d b e s t e h t aus ihm. liche",

eine himmlische

Substanz,

Ä t h e r ist eine „ g ö t t -

durchaus

und

völlig

ver-

schieden von allen irdischen Stoffen, deren Gesetze daher f ü r ihn

keine Gültigkeit

Natur,

weder

gänglich,

leicht

qualitativ

haben;7 noch

er

schwer,

ist

immateriell,

unentstanden

unveränderlich,

und

in

einfacher

und

endloser

unvereinheit-

licher Kreisbewegung b e g r i f f e n ; 8 diese ist nämlich die einfachste, gleichmäßigste, menste,

9

und

beharrlichste,

irdischen

linigen

Bewegungen,

Stoffen z u k o m m e n d e n und

ä n d e r u n g e n der Materie.

2 u n d 4. 8

der

durch

vollkom-

5

Gr. I, 6 ; N i . II, 1.

Hi. I, 3; M. I, (2), 1 u n d 2.

gerad- oder

diese

krumm-

veranlaßten

Ver-

10

Ph. IV, 5; V , 6. M. I, (2), 1; (3), 14. 1

und

in ihr liegt Prinzip u n d Ursache aller, den ge-

meinen

1

ursprünglichste

9

P h . IV, 8.

2

Hi. IV, 3 u n d 5. 6

H i . I, 3.

P h . VIII, 8 u n d 9 ; Hi. I, 2.

7 10

3

Hi. II,

M. I, (3), 4. M. I, (2), 2.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

79

I I I . Die Elettietite. Unter Elementen versteht man diejenigen Stoffe, in die die übrigen zerlegt werden können, die sich aber selbst nicht mehr in andere, der Art nach verschiedene zerlegen lassen; sie sind also die letzten, immanenten, nicht weiter in artfremde Substanzen überführbaren Grundbestandteile der Körper. 1 Die Zahl der Elemente ist zweckmäßigerweise möglichst begrenzt, und jedenfalls nur so hoch anzunehmen, daß sie zur Erklärung der beobachteten Tatsachen ausreicht. 2 Die Voraussetzungen älterer Forscher, die das Dasein zahlloser Elemente behaupteten, sind ebenso unnötig und irreleitend wie die Lehren P i a t o n s , aus denen man das Vorhandensein einer zwar begrenzten, aber sehr großen Zahl von Grundstoffen folgern kann; gerade so wenig genügen aber auch die Theorien der Atomisten, die von einem einzigen und einheitlichen Substrate ausgehen wollen, 3 obwohl doch, damit überhaupt etwas geschehe, Veränderungen notwendig sind, die das Bestehen ausgleichbarer Gegensätze erfordern. 4 Nach diesen Theorien soll nämlich nur eine einzige Art von unendlich kleinen und unteilbaren Atomen in unendlicher Menge im Leeren vorhanden sein, und allein aus ihrer verschiedenen Anordnung sollen die zahlreichen qualitativ verschiedenen Körper hervorgehen, 5 ähnlich etwa, wie die wenigen nämlichen Buchstaben alle Komödien und Tragödien liefern. 6 Es ist aber widersinnig, die Existenz einer unendlichen Anzahl von Atomen anzunehmen, also eine vollendete Unendlichkeit; eine solche ist durchaus undenkbar, denn „das Unendliche besteht nicht, sondern wird", 7 d. h. man kann sich ihm zwar nach Belieben weiter annähern, nie aber es erreichen. Sodann ist zwar alles Kontinuierliche unbegrenzt t e i l b a r , deshalb aber keineswegs auch aus unendlich kleinen und nicht weiter zerlegbaren Teilchen 1 5

Hi.

Hi.

III, 3 ; M e t . V ,

I, 7 ; M e t .

I, 4 .

6

3.

2

E . I, 2 .

3

H i . III, 4 . ' Ph.

III,

7.

H i . III, 6 .

* P h . III,

5.

80

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

z u s a m m e n g e s e t z t , weder die Linie aus Punkten, noch die Zeit aus Augenblicken, noch der Körper aus Atomen, — weil eben die Summierung von „ N i c h t - G r ö ß e n " niemals eine „Größe" ergeben kann. 1 Ferner vermögen die Atomisten über die „verschiedene Anordnung" ihrer einheitlichen Atome nichts Weiteres auszusagen, also z. B. nicht begreiflich zu machen, wie, allein aus einer solchen, die bestimmte Substanz Gold hervorgehen soll. 2 Endlich gibt es auch in der Natur kein Leeres, und die Behauptung, daß der leere Raum die Vorbedingung f ü r die Möglichkeit der Bewegung sei, ist gänzlich hinfällig, da auch im kontinuierlich erfüllten Raum stetiger Kreislauf und Wirbelbewegung denkbar bleiben; 3 auch müßte sich im leeren Raum jeder einmal in Bewegung gesetzte Körper endlos weiter bewegen, da kein Widerstand ihn behindert. 4 In jeder Hinsicht erweisen sich also die Lehren der Atomisten als inkonsequent und unzureichend. Sind nun Elemente anzunehmen, so empfiehlt sich als die zweckmäßigste Zahl die Vierzahl, die schon die alten Naturphilosophen zugrunde legten, indem sie aus vier Elementen alle Einzeldinge hervorgehen ließen, entweder durch bloße Verdünnung und Verdichtung, oder durch Vereinigung und Trennung gewisser, schon in ihnen vorhandener, und mehr oder weniger überwiegender Gegensätze. 5 Unter diesen sind, wie die Genannten ebenfalls schon erkannten, die wichtigsten und zu Erklärungen brauchbarsten die Paare Wärme-Kälte und Trockenheit-Feuchte, denn sie umfassen die vier ersten und ursprünglichsten Qualitäten, 6 von denen Wärme und Kälte aktiven, Trockenheit und Feuchte passiven Charakter tragen, 7 — was ein Satz von größter und grundlegender Wichtigkeit ist. Zwischen diesen vier Qualitäten, die übrigens nur durchaus relativer N a t u r sind, 8 erweisen sich sechs Arten 1

7—9. 7

P h . I, 2 ; VI, 1 u n d 9 ; E. I, 2 ; L.; At. 4

P h . IV, 8.

M. IV, (4), 1; (11), 3.

5

P h . I, 4 ; III, 4 ; VIII, 7. 8

T h . II, (2),

4-8.

2

Hi. I, 7. 6

3

P h . IV,

P h . I, 5 ; E. II, 2.

CHEMISCHES

UND AL CHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

81

der P a a r u n g möglich, von denen aber im vorliegenden zwei

in Wegfall

Kälte, fähig

sowie sind;

kommen,

da

die

Gegensätze

Trockenheit

und

Feuchte,

es verbleiben

also

vier

keiner

und

Verbindung

Paarungen,

( K ä l t e + Trockenheit) die E r d e ergibt, ( K ä l t e +

Falle

Wärme von

denen

Feuchte) das

Wasser, ( W ä r m e + Feuchte), die L u f t , u n d ( W ä r m e + Trockenheit) das Feuer, wobei in der E r d e die T r o c k e n h e i t überwiegt, im Wasser die Kälte, in der L u f t die Feuchte, u n d im Feuer die W ä r m e . 1 Erde, u n d

sodann

Wasser,

haben

ihren

natürlichen

Ort

im M i t t e l p u n k t e des Weltgebäudes, L u f t und Feuer aber gegen dessen Grenzgebiet

zu,

E r d e u n d Feuer sind also die beiden

äußersten

und

an sich reinsten

hingegen

die

mittleren

meisten

einander

und

Elemente,

Wasser und

gemischter

entgegengesetzt

zeigen

beschaffenen; sich

jedoch

Luft am einer-

seits Feuer u n d Wasser, andererseits L u f t u n d Erde, da sie je zwei

konträre

Qualitäten

enthalten.

Am

deutlichsten

tritt

dies bei den E x t r e m e n des Feuers u n d Wassers zutage, dem Eis, das durch E r s t a r r e n eines F e u c h t - K a l t e n , u n d der Flamme, die

durch

heftigste,

dem

Sieden

ähnliche

Bewegung

eines

T r o c k e n - W a r m e n e n t s t e h t ; diese sind daher auch u n f ä h i g etwas Weiteres hervorzubringen. 2 Alle

E l e m e n t e können

sich

ineinander

umwandeln,

möge eines Kreisprozesses (Zyklus); offenbar

verlaufen

Übergänge 1 ^ 2 , 4 ^ 1 eine

bestehen und

1 Feuer

die

2 ^ 3 ,

leicht u n d rasch, weil stets Qualität

punkt

hierbei

ver-

als

4 >Epdec

"

|>2.LuFf

Anknüpfungs-

bleibt,

dagegen

4 schwer u n d lang-

sam, weil sie einen Wechsel b e i d e r Q u a l i t ä t e n e r f o r d e r n ; 3 im ganzen halten sich diese endlos f o r t d a u e r n d e n , 1

(3), 14.

wechselseitigen

2 E. II, 3; Hi. 11, 3; M. IV, (1), 1. E. II, 3; Z. II, 37; M. I, 3 E. II, 4, 5 u n d 10; Hi. II, 3; III, 7.

v. L i p p m a n n ,

Abhandl. u. Vortr.

II.

6

82

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

U m s e t z u n g e n das Gleichgewicht, so d a ß die Menge der einzelnen Elemente konstant bleibt.1

Ü b e r die A r t , in der sie erfolgen,

ist zu sagen, d a ß die E l e m e n t e teils V e r w a n d t e s an sich ziehen u n d zu ihrer eigenen von

ihrem

eigenen

Beschaffenheit u m g e s t a l t e n , teils Stoffe

abgeben,

der

sich

etwas

dann

einem

anderen E l e m e n t e e i n f ü g t ; 2 niemals v e r ä n d e r t sich hierbei die Menge der S u b s t a n z , wohl a b e r oft ihr Volum, d e r a r t , d a ß z. B. bei

der

Entstehung

von

Luft

aus

Wasser

die

Gefäße

zer-

springen k ö n n e n . 3 Die Möglichkeit dieser Übergänge d e u t e t auf das W a l t e n einer stofflichen G e m e i n s a m k e i t , auf das Vorhandensein gemeinsamen

Substrates,

das

vln, m a t e r i a prima) allem

als p r i m ä r e

Urmaterie

eines

(notixii

Bestehenden z u g r u n d e liegt,

indessen an sich, als körperlicher, von den

ohne

Qualitäten

trenn-

b a r e r Stoff zu e x i s t i e r e n ; 4 die U r m a t e r i e bildet v i e l m e h r nur, Piatons

Lehre

bestimmungs-,

entsprechend,

und

die

gemeinsame,

noch

form-,

qualitätslose U n t e r l a g e aller einzelnen be-

s t i m m t e n Stoffe, sie ist diesen gegenüber bloße Latenz, bloße „Möglichkeit",

und

gelangt

zur Wirklichkeit

und

Bestimmt-

heit k o n k r e t e r S u b s t a n z e n erst durch die f o r m e n d e n Einflüsse der

Qualitäten

kalt,

heiß,

trocken,

und

feucht.

Daß

in-

dessen die A n n a h m e einer einzigen u n d einheitlichen U r m a t e r i e auch

gewisse

Schwierigkeiten

vorgehoben werden. Von Wasser

ihrem ziemlich

bietet,

muß

ausdrücklich

her-

5

natürlichen leicht,

Orte

die

entfernen

absolut

sich

schwere

Luft

und

und

das

Erde

a b s o l u t leichte Feuer aber n u r schwierig, u n d nicht ohne gewaltsamen

Zwang;6

bei ihr W e s e n ,

keinesfalls

das allerorten

verändert

sich

jedoch

hier-

dasselbe b l e i b t , u n d , falls es

m e h r e r e Weltalle geben k ö n n t e , auch in diesen das nämliche bliebe. Bedingt ist das Wesen 1

M . II, (3), 2 1 .

2

der 3

H i . I, 3 .

H i . IV, 5 ; P h . II, 1 ; M . I, (3), 1.

Elemente,

5

d. h. die

P h . I, 4 ; H i . III, 7.

P h . I, 6.

6

Summe 4

E. I, 6 ;

P h . II, 1; III, 5 ; E. II, 1.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

83

ihrer Wirksamkeiten und Kräfte, 1 ausschließlich durch die Art der ihnen naturgemäßen und inhärierenden Bewegungen durch die sie in steter Tätigkeit erhalten werden, — ähnlich wie Himmel und Gestirne, die niemals stille stehen noch stehen werden, sondern sich in endlosem, keine Kraftanstrengung darstellendem Umlaufe befinden. 2 In dieser ewig gleichbleibenden, obersten Kreisbewegung liegt das e r h a l t e n d e Moment hinsichtlich der räumlichen Bewegungen, die alle Wandlungen der Elemente veranlassen; das v e r ä n d e r n d e Moment liegt hingegen in der schiefgehenden Bewegung der Ekliptik, und bewirkte dieses nicht fortdauernde und stets erneute Störungen, so hätte, innerhalb unbegrenzt langer Zeiträume, längst schon alles Einheitliche sich an seinem natürlichen Orte gesammelt, das völlig Entgegengesetzte aber, z. B. Feuer und Wasser, sich vernichtet. 3 Spezifische Formen, wie sie P i a t o n annahm, kommen den Elementen nicht zu, und haben mit ihren Eigenschaften nichts zu t u n ; 4 dies beweist schon die Tatsache, daß zwar feste Körper stets abgegrenzt sind, nicht aber Flüssigkeiten, die gar keine eigene Gestalt besitzen, und sich jedem gegebenen Raum anschmiegen. 5 — Ob die Elemente spezifische Farben zeigen, ist schwer mit Sicherheit zu entscheiden, schon weil sehr kleine Beimengungen große Veränderungen verursachen; die reinste Erde sieht weiß, das reinste Feuer gelb aus; bloß scheinbar ist die blaue Farbe der Luft und die grüne des Wassers, denn erstere wird nur durch die große Verdünnung der Luft bedingt, und letztere tritt erst nach längerem Stehen und „Altern" des Wassers hervor. 6 A l l e übrigen Stoffe, die noch neben den Elementen existieren, und zwar auch die äußerlich einheitlich erscheinenden (z. B. der Wein), 7 sowie die pflanzlichen und tierischen, 8 sind 1 2 3 E. II, 10 u. 11. Hi. I, 8, (7); Hi. III, 8. Met. X, 8; Hi. I, 8. 5 6 Hi. III, 8. E. II, 2; Hi. III, 8; To. V, 2; M. II, (2), 3. Fa. 1, 3 3 u n d 5. ' Met. VIII, 1. M. IV, (1), 5—18. 4

6*

84

CHEMISCHES

aus den

UND ALCHEMISCHES

Elementen

AUS

zusammengesetzt,

ARISTOTELES

und

d a h e r von

diesen

selbst d u r c h a u s verschieden, ,,da die K o m b i n a t i o n (a, b) weder mit a noch m i t b identisch i s t " ; 1 d a h e r k e n n t die N a t u r eines Stoffes n u r jener,

der weiß, welche Bestandteile

er

enthält,

wie diese z u s a m m e n g e s e t z t sind, u n d welche von ihnen vorherrschen.

2

dieser

In

Hinsicht

bestehen

Möglichkeiten, denn a l l e z u s a m m e n g e s e t z t e n alle

vier

wiegen

Elemente,

wenngleich

oder überwiegen

können,

einzelne

3

und

aber

etwa

zahllose

Stoffe e n t h a l t e n von

dieser

diesen

vor-

Satz gilt

auch

betreff der Pflanzen u n d Tiere, wie das schon die Regeln der E r n ä h r u n g u n d D ü n g u n g bezeugen. 4 Während

aus

bloßen

Gemengen,

z. B.

Mahlgut

aus

Weizen u n d Gerste, Kleister aus S t ä r k e u n d Wasser, 5 oder dgl., die

verschiedenartigen

geschieden oder

werden

„Mischung"

kleinsten

können, (d. h.

Teilchen

leicht

ist die eigentliche

das,

was

die

neuere

wieder

„Vereinigung" Wissenschaft

„chemische V e r b i n d u n g " n e n n t ) so d u r c h a u s gleichartiger s c h a f f e n h e i t wie etwa wiederum

Wasser

durchdringende

ist,

Auge

das Wasser, und eines

von

bliebe

entstehen

die v o r h e r g e t r e n n t

waren,

zwar

und

jedes

Wahre

auch

können

aus

Be-

Teilchen

dies auch f ü r das

Lynkeus.

(d. h. V e r b i n d u n g e n )

dem

ab-

alles-

„Mischungen" Bestandteilen,

in sie auch

wieder

zerlegt w e r d e n ; in der V e r b i n d u n g sind aber diese Bestandteile n u r m e h r potentiell v o r h a n d e n , d. h. u n t e r U m s t ä n d e n wieder a b s c h e i d b a r , nicht a b e r aktuell, denn es ist aus ihnen ein anderes und

neues

geworden. 6

Bei

der

Verbindung

der

Elemente

(„Mischung der E l e m e n t e " ) halten sich nämlich die Gegensätze entweder sofort das Gleichgewicht, oder sie bewirken teilweise V e r ä n d e r u n g e n , die bald n a c h der einen, bald n a c h der anderen Richtung

so lange f o r t d a u e r n ,

der f o r m g e b e n d e n

Kraft)

ein

bis sich ( u n t e r dem Einflüsse neues

Gleichgewicht

1 Met. XII, 4 ; M. I, (2), 1; IV, (12), 2, 5 u n d 7. 3 4 M. IV, (4), 1. Met. III, 5; E. II, 8. E. II, 8. 6 7 E. I, 10. E. II, 7.

6

einstellt; 7

2 Met. III, 3 ; M. IV, (4), 3.

CHEMISCHES

UND

ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

85

durch die Ausgleichung der Gegensätze e n t s t e h t so die neue V e r b i n d u n g als ein „Mittleres",

und

dies haben

wohl

schon

die alten N a t u r p h i l o s o p h e n u n t e r ihren „Mitteldingen" aus den einzelnen Elementen v e r s t a n d e n . 1 vollziehen

sich stetig u n d

Alle solchen

allmählich:

Umwandlungen

das Werdende,

indem

es eine alte Eigenschaft verliert, besitzt noch etwas von ihr, zugleich a b e r auch schon zunehmen im Begriffe ist.

etwas von der neuen, 2

die es

an-

Am meisten zu Einwirkungen be-

fähigt sind die flüssigen Körper, die sich a m leichtesten

ver-

mischen. 3 Bestimmte

Einzelstoffe

enthalten

auch

ganz

bestimmte

Mengen der einzelnen Bestandteile, so z. B. k o m m e n in Knochen u n d Fleisch auf je zwei Teile E r d e drei Teile F e u e r ; 4 dies ist indessen nicht so zu verstehen, als wären E r d e in den Knochen oder im Holz, Feuer im Fleisch usf. schon fertig (aktuell) vorh a n d e n , vielmehr können sie n u r u n t e r U m s t ä n d e n aus ihnen hervorgehen (z. B. beim Verbrennen). 5 IV. D a s Feuer. Stoff des wirklichen, aktuellen

Feuers ist alles das, was

potentiell, d. h. dem Vermögen nach, zu Feuer werden k a n n , 6 demnach

alles

Brennbare.

Brennbar

aber

sind

alle

Stoffe,

die genug Poren besitzen, u m das Feuer in sich a u f z u n e h m e n , und zugleich nicht zu viel Wasser e n t h a l t e n ; 7 denn

während

eine kleine Menge Wasser das Feuer fördert, ja ihm eine Art N a h r u n g bietet, bringt es eine größere zum Verlöschen; 8 a u ß e r durch eine solche E i n w i r k u n g seines Gegensatzes, des Wassers, k a n n jedoch das Feuer auch d a d u r c h vergehen, d a ß es sich verzehrt, d. h. a u s b r e n n t . 9 Körper, ganz

von

die, wie z. B. Holz, viel Wasser e n t h a l t e n diesem

durchtränkt

sind,

brennen

ohne

1

3 7

P h . I, 4 ; Hi. I, 8 u n d III, 5; E, II, 1 u n d 5. 4 6 E. I, 10. Met. XIV, 5; To. VI, 14. Hi. III, 3. 9 M. IV, (9), 30. » G r . II, 11. Hi. III, 6.

2

6

erst

und zu

Met. IV, 5. Met. XIV, 4.

86

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

schmelzen, während wieder an Poren arme, z. B. viele Mineralien, zwar schmelzen, aber nicht brennen; am leichtesten, und zwar zum Teil nach vorherigem Schmelzen, verbrennen die an Wasser ärmeren Öle und Fette, ferner Wachs, Teer, Pech u. dgl., die hierbei viel Rauch geben, zuweilen Kohle und Asche hinterlassen, und zumeist, aber nicht immer, in helle Flammen ausbrechen. 1 Der Flamme, die in ewigem Wechsel während jeden Augenblickes neu wird, und in keinem die nämliche bleibt, 2 kommt der Begriff „ F e u e r " in höchstem Grade zu, obwohl andere Arten des Feuers sie an Feinheit weitaus übertreffen, vor allem die feinste unter allen, das Licht. 3 Was die Quelle des Feuers anbelangt, so enthält jene Region des Himmelgebäudes, die an den höchstliegenden und in ewiger Kreisbewegung befindlichen Äther angrenzt, eine Fülle trockener, warmer, rauchartiger Dünste, die daher leicht weiterer Erhitzung und Entzündung anheimfallen; diese erfolgt durch Reibung, 4 vermöge jener Bewegung die vom Äther, und zwar besonders heftig und rasch von der Sphäre der Sonne, ausgeht, 5 und sie erst läßt dann weiterhin auch die Wärme auf der Erde entstehen. Die Sonne und die anderen Sterne sind also nicht an sich heiß, sondern erregen nur indirekt dasjenige, was wir, wenn es unsere Sinne affiziert, Wärme nennen. 6 Durch Entzündung der erwähnten feurigen Dünste bilden sich die Kometen, die also insofern Trockenheit und Stürme ankündigen, als diese ihr Auftreten begünstigen. 7 Solche heiße Dünste spielen auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Gewitter: stoßen sie nämlich plötzlich mit kalten Dünsten zusammen, so erzeugt die hierbei gewaltsam herausgepreßte Luft, indem sie gegen die Wolken anprallt, zunächst den Donner, und wird sodann, durch den Rückstoß der sich wieder vereinigenden Wolken, unter ungeheurem 1

2 M. IV, (9), 3 6 - 4 0 ; (10), 5 und 7. M. II, (2), 9. 1 5 VI, 7. M. I, (3), 13; (4), 14. M. I, (3), 20. 7 M. I, (7), 8.

3

6

To. V, 5; M. I, (3), 19.

CHEMISCHES

UND ALCIIEM1SCHES

AUS

ARISTOTELES

ftf

D r u c k e e n t z ü n d e t u n d als Blitz a b w ä r t s g e s c h l e u d e r t , in einer gesetzt

Richtung, ist. 1

nehmung

Daß

die der n a t ü r l i c h e n sich

umkehrt,

des F e u e r s

— also

entgegen-

diese zeitliche Abfolge bei d e r

liegt

daran,

daß

das

Wahr-

Gesicht

rascher

f u n k t i o n i e r t als das Gehör, wie m a n j a in der F e r n e a u c h die R u d e r eher hin u n d h e r gehen sieht, als m a n den R u d e r s c h l a g vernimmt;

d a s V e r h ä l t n i s ist a b e r im W e s e n

ganz

dasselbe,

das (im kleinen) b e i m V e r b r e n n e n von Reisig auf d e m O p f e r a l t a r h e r r s c h t , wobei ein K n i s t e r n v o r a u s g e h t , u n d erst die

Flamme

plötzliche

ausbricht.2

Auslöschen

Indessen

des

Blitzes

kann in

vielleicht

einer

dann

auch

feuchten

das

Wolke

Donner bewirken.3 Sehr

bemerkenswert

Stelle m i t

dem

Feuer

ist

auch

es,

daß

Aristoteles

a n einer

i d e n t i f i z i e r t , 4 den

den Ä t h e r

s o n s t als ausschließlich h i m m l i s c h e , allein der o b e r s t e n des W e l t g e b ä u d e s eigene S u b s t a n z b e t r a c h t e t ,

er

Region

— aus welcher

A u f f a s s u n g in s p ä t e r e r Zeit j e n e h e r v o r g i n g , die i m Ä t h e r ein seinem

Wesen

nach

„höchstes",

fünftes Element

erblickte,

eine „ q u i n t a e s s e n t i a " oder Q u i n t e s s e n z (s. w e i t e r u n t e n ) . An

einer

anderen

Stelle

bemerkt

er f e r n e r ,

das

Feuer

zeige sich eigentlich n i e m a l s in einer i h m spezifischen

Gestalt,

s o n d e r n b a l d als h e i ß e r D u n s t , b a l d als b r e n n e n d e L u f t , b a l d als g l ü h e n d e Asche, oder a u c h als R a u c h , der alle diese v e r e i n i g t enthält;5

hier d r i n g t o f f e n b a r die E r k e n n t n i s d u r c h ,

daß das

„ F e u e r " kein s e l b s t ä n d i g e r K ö r p e r ist, s o n d e r n ein Z u s t a n d , in den u n t e r U m s t ä n d e n

alle S t o f f e v e r s e t z t w e r d e n

können.

V. D i e Luft. Die L u f t ist in u n b e g r e n z t e r M e n g e v o r h a n d e n , w a s j e d o c h , den a n d e r e n zu

3

verstehen

Elementen ist,

denn

g e g e n ü b e r , n i c h t in a b s o l u t e m eine u n e n d l i c h e

Menge

Sinne

irgendeines

. ' M. I, (3), 14; (4), 10. .» M. II, (9), 4 - 1 9 ; (6), 21; III, (1), 9 u. 12. 4 5 Aß, II, 8 und 10. Ph. IV, 5. Z. III, 108; E. II, 4.

88

CHEMISCHES

UND ALCHEM

IS CH ES AL'S

ARISTOTELES

Elementes m ü ß t e jede noch so große der übrigen „ v e r n i c h t e n " , z. B. das heiße Feuer die f e u c h t e L u f t , oder das k a l t e W a s s e r ; 1 wie weit, u n d in welcher Weise sich die A t m o s p h ä r e erstreckt, l ä ß t sich indessen nicht mit Sicherheit angeben, u m so m e h r als es wenig wahrscheinlich lichen R a u m zwischen heitlich

und

ist, d a ß sie den ganz

Erde und

gleichmäßig

unermeß-

Himmelsgewölbe völlig ein-

erfülle, sei es f ü r sich, sei es zu-

s a m m e n m i t dem Feuer der a n g r e n z e n d e n

Region. 2

Die Beschaffenheit der L u f t ist nicht, wie m a n dies vorauszusetzen

pflegt, 3

eine

unveränderliche,

denn

die

Erfahrung

lehrt, d a ß es verschiedene Arten von L u f t gibt, deren m a n c h e zum

Einatmen

nicht tauglich sind. 4

Aber auch die

gewöhn-

liche L u f t b e s t e h t aus einem Gemenge zweier B e s t a n d t e i l e : zunächst

der

Erdoberfläche

überwiegt

der

dem

Wasserdunste

ähnliche u n d gleichartige, der a n f a n g s f e u c h t u n d w a r m allmählich aber f e u c h t u n d kalt wird, u n d so zur

ist,

Entstehung

von Wolken u n d Regen f ü h r t ; 5 in der Höhe dagegen herrscht der trockene,

heiße, d e m

Feuer v e r w a n d t e

vor, 6

der

seinen

U r s p r u n g den analogen, dem R a u c h e grünen Holzes vergleichb a r e n A u s d ü n s t u n g e n der E r d e v e r d a n k t .

Wie kleine Wasser-

quellen allmählich zu Bächen u n d Flüssen, so vereinigen sich die spärlichen

Mengen

Wirbelwinden;7

und

dieser A u s d ü n s t u n g e n einer

Verdichtung,

wie

zu

Strömungen

der

der

erst-

e r w ä h n t e n zu Regen, sind sie unfähig, ja sie stören oder hindern j e n e sogar durch ihre eigenen heftigen Bewegungen. 8 Meistens wird die L u f t f ü r unkörperlich angesehen, 9 doch ist diese Meinung entschieden unrichtig. Anaxagoras

Wie z u m Teil bereits

w u ß t e , wiegen m i t L u f t aufgeblasene Schläuche

m e h r als leere, 1 0 — weshalb es sehr m e r k w ü r d i g ist, d a ß aufgeblasenen auf 1

Wasser s c h w i m m e n ,

die leeren

aber

die

darin

2 3 4 P h . III, 5 M. I, (3), 2 u n d 8. P r . I, 13. To. V, 5. 6 M. I, (3), 11 u n d 15; II, (4), 9 ; E. II, 3; Z. II, 30; V, 73. M. I, (3), 15; 8 II, (4), 9, >7 M. II, (4), 22 u n d 26; II, (4), 5 u n d 8 ; II, (6), 13. M. II, 9 ,0 (4), 7 ; I, (3), 17. P h . IV, 5. - Hi. IV, 4. 6

CHEMISCHES

untergehen1

UND ALCHEMISCHES

—,

auch

lassen

AUS

solche

ARISTOTELES

Schläuche

89

ersehen,

daß

L u f t , die nicht entweichen k a n n , D r u c k a u s ü b t u n d

erleidet,

sowie große Lasten t r ä g t ; 2

weniger

wiegt als das a n g e w a n d t e

daß der fertige Brotteig Mehl u n d

Wasser z u s a m m e n ,

er-

klärt sich ebenfalls aus einem Verluste an Gewicht, den die Luft verursacht.3

m a s s e n h a f t entweichende allen

Bewegungen

winden

die

entsprechenden

verschiedenen

geflügelten

Zweckmäßigste g e b a u t s i n d ; 4

L u f t leistet

Widerstand, Wesen

auch

den zu stets

über-

auf

das

sie w i d e r s t e h t f e r n e r , wenn sie

nicht zu entweichen v e r m a g , dem Wasser, d a h e r füllen sich Kessel, die m a n (den Boden nach oben gekehrt) genau senkrecht in das Meer h i n a b l ä ß t , nicht mit Wasser an, und benützt

dies,

um

z. B.

den

frische L u f t z u z u f ü h r e n . 5

nach

Schwämmen

man

Tauchenden

Verschließt m a n die u n t e r e Ö f f n u n g

eines mit Wasser gefüllten Gefäßes so, d a ß L u f t weder zu entweichen noch einzudringen v e r m a g , so k a n n auch das Wasser nicht ausfließen; dies ist, von den bei Gericht üblichen Redezeit bemessenden) W a s s e r u h r e n h e r , j e d e r m a n n Daß

Tongefäße, die m a n

mit

kochendem

(die

bekannt.6

Wasser

„aus-

g e s p ü l t " h a t (die also Dampf enthalten), und mit der Ö f f n u n g nach u n t e n in kaltes Wasser e i n t a u c h t , dieses in sich hineinsaugen, 7 u n d d a ß die S c h r ö p f k ö p f e der Ärzte nach vorherigem Erhitzen dem K ö r p e r fest a n h a f t e n , 8 f ü h r t A r i s t o t e l e s an, bringt diese Erscheinungen aber nicht in mit dem Verhalten der L u f t .

zwar

Zusammenhang

Als sicher bezeichnet er es da-

gegen, d a ß jeder Körper, wie er beim E i n t a u c h e n in Wasser so viel Wasser auch beim

verdrängt,

Eintauchen

als

seiner Größe entspricht,

in L u f t t u t , obwohl wir das

dies

sinnlich

nicht m e h r w a h r z u n e h m e n vermögen. 9 Weitere die T a t s a c h e , 1

4 7

Beweise f ü r die daß

ohne

die

Körperlichkeit K r a f t eines

Luft

bietet

Luftstromes

der

nichts

3 Pr. XXV, 13. • 2 Ph. IV, 6; Hi.-II, 13; Pr. XXV, 1. Pr. XXXI, 18. 5 6 F. 10 u n d 15. Pr. XXXII, 5. Ph. IV, 6, Pr. II, 1; XVI, 8. 8 0 Z. II, 60. Po. 22; Rh. III, 2. Ph. IV, 8. , -

90

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

in die Ferne gespritzt werden kann; auch die Emission des Samens ist mit einem Luftstrome v e r b u n d e n , 1 und daher kommt es wohl, daß weibliche Steinhühner schon durch den vom Männchen her streichenden Wind befruchtet werden, 2 und weibliche Rebhühner durch die bloße Witterung des Männchens. 3 — Daß die gewaltsame Bewegung, z. B. die der geworfenen Körper, nach fortdauert, wenn die Einwirkung des Bewegenden längst aufgehört hat, ist ebenfalls dem Einflüsse der Luft zuzuschreiben, die dem Körper, der sie beiseite geschoben hat, sofort von hinten her wieder nachdrängt, und ihn hierdurch vorwärts stößt. 4 Luft vermengt sich nicht mit Wasser, sondern erzeugt nur einen Schaum, der desto weißer aussieht je feinblasiger er ist, 5 und beim Zusammendrücken die Luft wieder entweichen läßt; 6 auch aus dem restlichen Wasser steigt die Luft allmählich von selbst wieder nach oben, 7 ohne (infolge ihrer großen Leichtigkeit) in Berührung mit dem Wasser feucht geworden zu sein. 8 Feuer macht die Luft heißer und dichter. 9 Durch heftige Bewegung und Reibung wird die Luft ebenso erwärmt, wie das bei Hölzern, Metallen, Mineralien, und Geschossen der Fall ist (deren Blei dabei oft schmilzt), ja, die anhaltende Einwirkung der (selbst nicht feurigen) Gestirne und ihrer Sphären kann sogar Entzündung bewirken; 1 0 zu beachten ist, daß zwar der Akt des Erwärmens in einer Bewegung besteht, nicht aber die W ä r m e selbst.11 Luft ist unentbehrlich zum Atmen, daher müssen sie Taucher mittels eigener Gerätschaften von außerhalb Wassers her nachziehen. 1 2 Sie dient nicht zur Erhaltung inneren Wärme, um so mehr als hierbei ihre Rückstände 1

die des der den

2 3 4 Zo. VII, 6. Zo. V, 5; VI, 2. Z. III, 18. Hi. III, 2; Ph. IV, 6 6 2 und 8; P. IV, 2; Mech. 31 und 35; Pr. XI, 5. Z. II, 27. Ph. IV, 7. 7 8 9 10 P. I, 5. Pr. XXV, 3 und 10. Z.W, 91. Hi. II, 7. 11 12 Met. XII, 11. Th. II, (16), 1; Pr. XXXII, 5.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

91

K ö r p e r durch die Eingangswege auch wieder verlassen m ü ß t e n , was

niemals

der Fall

i s t ; 1 Zweck

der A t m u n g ist

vielmehr

die A b k ü h l u n g des Blutes, besonders des frisch v o m kommenden

heißen

Herzblutes.

2

Da

Herzen

das Wasser keine

Luft

e n t h ä l t oder in sich f e s t h ä l t , so k ö n n e n die Wassertiere auch keine L u f t a t m e n , und die u n e n t b e h r l i c h e A b k ü h l u n g erfolgt bei ihnen

durch das Wasser s e l b s t ; 3 die Fische z. B. ziehen

dieses durch ihre Kiemen ein, u n d ersticken d a h e r in einer zu kleinen

Wassermenge

ganz

ebenso wie l u f t a t m e n d e Tiere

in

einem zu kleinen abgeschlossenen L u f t r ä u m e . 4 Luft

ist

ferner

unentbehrlich

Schalles u n d des Lichtes. eine

Erschütterung

und

zur

Wahrnehmung

des

Der Schall e n t s t e h t nämlich Bewegung

der

Luft,

die

durch

vom

Er-

regenden aus durch das Medium bis z u m Ohre f o r t s c h r e i t e t , 5 u n d zwar durch Stöße, 6 die zuletzt- eine im Ohre befindliche Membran

aufnimmt.7

Die

Stöße

erfolgen

einer

nach

dem

anderen, aber in so großer Zahl u n d so rasch, d a ß das Gehör, wegen der Kürze der Zwischenzeiten, sie nicht einzeln auffassen kann,

sondern

Fortpflanzung

einen

empfängt;8

einheitlichen E i n d r u c k

erfolgt,

indem

die

Luft

die

ihre

Erschütterungen,

die von der S t i m m e , von Saiten- oder B l a s i n s t r u m e n t e n ausgehen,

weitergibt

und

in Kugelflächen ausbreitet, wobei die S t ä r k e allmählich

durch

ent-

sprechend

Verdichtung

abnimmt.

und

Hindert

Verdünnung man

die

Ausbreitung,

indem

m a n dem Hörer eine Tonröhre, oder das R o h r einer Flöte oder T r o m p e t e an das Ohr legt u n d in diese hineinspricht, so scheinen ihm die S t i m m e n n a h e zu sein, u n d verlieren nichts von ihrer Kraft

und

Klangfarbe.

Die

geradlinige

Fortpflanzung

des

Schalles t r i t t deutlich beim P r ü f e n von langen Hölzern, Lanzens c h ä f t e n u. dgl. hervor, die das Klopfen a m einen E n d e unv e r ä n d e r t bis z u m anderen ü b e r m i t t e l n , es sei denn, d a ß Brüche ' P. VII, 6 und 7. 4 5; VII, 2. Zo. VIII, 2. 6; M. II, (8), 37 und 38.

2

3 P. VII, 5; Sp. 2, 3 u. 5 sind unecht. P. I, 6 Z. V, 29, 34 u n d 85; S. 1, 7 und 8 ; Pr. XI, 6 8 S. III, 12. ' Pr. XXXII, 13. Tö.

92

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

oder Risse vorliegen, die auch bei Saiten, Hörnern, T o n g e f ä ß e n , Ambossen u. dgl., den C h a r a k t e r des Tones beeinflussen u n d v e r ä n d e r n . 1 T r i f f t der Schall eine feste W a n d , so wird er von ihr im selben Winkel, u n t e r dem er einfällt, zurückgeworfen, und so e n t s t e h t das E c h o . 2 — Daß m a n n a c h t s alles besser und d e u t licher h ö r t wie bei T a g e , k o m m t d a h e r ,

d a ß die W ä r m e der

Sonne fehlt, durch die eine f o r t w ä h r e n d e „ z i t t e r n d e " Bewegung der L u f t hervorgerufen w i r d ; dies w u ß t e bereits A n a x a g o r a s . 3 Auch das Sehen wäre unmöglich, w ü r d e nicht die, durch das Licht u n d die F a r b e v e r u r s a c h t e Bewegung, seitens eines Mediums

Auge f o r t g e p f l a n z t ; 4

bis z u m

maßgebend

für

den

Vorgang hierbei ist die Art, in der das Medium affiziert wird, in

der

also z. B.

die

Brechung

des

Lichtes mit

einer

ä n d e r u n g der L u f t , u n d diese m i t einer solchen ihrer

VerElasti-

zität zusammenhängt.5 VI. D a s W a s s e r . Das Wasser h a t , wie auch andere Flüssigkeiten, keine oder n u r sehr spärliche Poren, u n d k a n n d a h e r nicht oder komprimiert werden. Es

vermag,

ebenso

w e g u n g geworfener

kaum

6

wie

K ö r p e r zu

die

Luft,

die

vermitteln

gewaltsame

und

zu

Be-

erhalten; 7

a u c h v e r d r ä n g t jeder Körper, beim Einsenken in Wasser, so viel davon,

als seiner Größe

Aristoteles

entspricht. 8

— Wie

ersichtlich,

hat

noch keine ausreichende Vorstellung v o m spezi-

fischen Gewichte; d a h e r w u n d e r t er sich (wie bereits a n g e f ü h r t ) darüber,

daß

schwerer

werden),

Schläuche,

mit

nunmehr

Luft auf

angefüllt

dem

Wasser

(wodurch

sie

schwimmen,

w ä h r e n d sie leer untergingen, 9 ferner darüber, d a ß ein genügend großer Block Holz in der L u f t schwerer ist als ein S t ü c k Blei, im Wasser aber s c h w i m m t , w ä h r e n d 1

5 9

ebd. S. III, 12. Pr. XXXV, 13.

2 6

jenes zu Boden

sinkt, 1 0

3 4 Pr. XI, 23. Pr. XI, 5 und 33. S. II, 7 u n d 8. 8 M. IV, (9), 17 u n d 18. ' P. IV, 2. P. IV, 8. 10 Hi. IV, 4.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

93

d a ß flache Stückchen Eisen oder Blei sich auf der Oberfläche des Wassers erhalten, 1 und d a ß ein Schröpfkopf zwar W a s s e r aufzieht, nicht aber Sand. 2 Reines Wasser l ä ß t sich, von einer gewissen

Grenze

auch durch noch so vieles und heftiges Feuer weder noch

dichter

machen,

sondern

trocknet schließlich völlig ein.

beginnt

3

an,

heißer

zu v e r d a m p f e n ,

und

W ä h r e n d der Boden von Ge-

fäßen, die m a n leer erhitzt, alsbald d u r c h b r e n n t , erhält er sich unbeschädigt, wenn m a n Wasser eingefüllt h a t , offenbar, weil dieses die in den Boden übergehende W ä r m e sofort in sich aufn i m m t und sozusagen löscht. 4 — Ob die, an einer Stelle wähnten

künstlichen

Vorrichtungen

zum

Kochen

5

er-

Wasser-

bäder waren (die m a n damals bereits kannte), bleibt zweifelhaft. Beim

Erwärmen

des

Wassers

bildet

sich

anfangs

ein

w a r m e r D u n s t , d a n n entstehen Blasen d a m p f a r t i g e r L u f t , die das Wasser und

schaumig

schließlich

entweicht; überhaupt

7

machen

durchbricht

wie

die

und

der

Größen

Dampf

des

weder identisch sind,

weiß

erscheinen

lassen, 6

die Oberfläche,

Volumens

und

noch irgendwie

und

Gewichtes voneinander

a b h ä n g e n , 8 so v e r h ä l t es sich auch im vorliegenden Falle, und zwar n i m m t der Dampf so viel m e h r R a u m ein als vorher das W a s s e r , d a ß nicht selten die Gefäße zersprengt werden. 9

Der

D u n s t u n d Dampf des Wassers ist in seinem Wesen der L u f t gleichartig, 1 0 u n d wird, wenn er erkaltet, wieder zu Wasser. 1 1 Dieser nämliche Vorgang vollzieht sich auch im

großen:

durch die W ä r m e der Sonne gebildet und gehoben, steigen die Wasserdünste

empor

gen

Himmel,

beim

Erkalten

wird

die

, , L u f t " zu Wolken u n d zu Wasser, das als Regen wieder zur E r d e herabfallen m u ß , u n d dies wiederholt sich ewig wechselnd. 1 2 1 2 3 Hi. IV, 6. Hi. IV, 5. Z. II, 26; IV, 74. P. I, 4. M. IV, (3), 4 5 6 7 u n d (6), 4. P. XXIV, 5. M. IV, (3), 18. Z. V, 72 u n d 73. 7 8 9 Pr. XXIV, 10. Hi. IV, 2. Ph. IV, 9; VII, 20; Hi. II, 7. 10 11 ,2 E. II, 3 ; Z. II, 30; M. I, (9), 3—7. Ph. II, 8. M. I, (9), 3—7; P. I, 5 ; P h . II, 8 ; T h . II, (7), 4; M. I, (3), 11 u n d 15; II, 4, 7.

94

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Die anfangs entstehenden kleinsten Wassertröpfchen schweben zunächst in der L u f t , gleich Flimmern von Gold auf dem Wasser; 1 wie in den Tröpfchen des Ruder- oder Spritzwassers, so kann sich auch in ihnen das Licht brechen, und hierdurch bildet sich der Regenbogen; in der Regel erzeugt ihn das Sonnenlicht, doch kommen auch Mondregenbogen vor, freilich sehr selten, denn binnen fünfzig Jahren vermochte A r i s t o t e l e s nur zwei zu beobachten. 2 Setzt man Wasser der Abkühlung aus, am besten solches, das vorher in der Sonne stand oder erhitzt wurde 3 (offenbar weil dieses luftfrei ist), so wird es durch die Kälte allmählich verdichtet und in Eis verwandelt; 4 man kann es als zweifelh a f t ansehen, ob das' Eis, da es keinerlei Eigenschaft des Wassers mehr besitzt, mit Recht als gefrorenes „Wasser" zu bezeichnen sei, 5 jedoch ist das Gefrieren keine allmähliche qualitative Veränderung, sondern erfolgt (außer bei sehr tiefen Gewässern) mit einem Male, 6 auch gibt das Eis beim Schmelzen wieder Wasser zurück. 7 So wie das Wasser selbst verhalten sich auch alle Stoffe, die vorwiegend aus Wasser bestehen, z. B. Molken, Harn, Eiter, Essig, manche Weine usf., sie gefrieren nämlich in der Kälte, und werden durch Wärme leicht und vollständig wieder verflüssigt; schwieriger und weniger glatt erfolgt beides bei solchen Substanzen, die auch feste erdige Teile enthalten, z. B. bei Milch, Honig, Most, Blut, Sperma, Gummistoffen, Harzen u. dgl. 8 Auch diese Vorgänge finden ebenso im großen s t a t t : Durch allmähliche Abkühlung gehen die aufgestiegenen Dünste in Wasser und sodann in Schnee über, dessen schaumige Masse der vielen beigemischten Luft ihre weiße schimmernde Farbe verdankt, 9 sie können aber, wie der Rauhreif beweist, 1

2 M. I, (12), 3. M. III, (3), 2 u n d (4), 12; III, (3), 17 u n d 19; III, 3 (2), 9 u n d 10. M. I, (12), 17; vgl. die g a n z verwirrte Stelle, Pr. XXIV, 13. 4 5 6 7 Met. VIII, 2. T o . IV, 5. P h . VIII, 3; P. I, 6. T h . II, (2), 8. 8 9 M. IV, (10), 9, 10, 15, 18; IV, (7), 7—11, 15, 17, 20. Z. II, 28.

CHEMISCHES

auch

UND ALCHEM[SCHES

unmittelbar

ergeben. 1

erstarren,

AUS

ARISTOTELES

95

ohne zuerst flüssiges Wasser

Der gewöhnliche Reif

bildet sich,

zu

ebenso wie der

T a u , a m reichlichsten bei heiterem Himmel u n d Windstille, a b e r nicht infolge der K ä l t e der Gestirne, — so l a u t e t die übliche „absurde

Behauptung",



sondern

weil

unter

jenen

Um-

s t ä n d e n die W ä r m e leichter von der E r d e entweicht, was die Verdichtung auf,

wenn

der die

feuchten

begünstigt.2

Dünste

Abkühlung

der

aufgestiegenen

Hagel Dünste

tritt nicht

allmählich erfolgt, sondern plötzlich. 3 Das

Regenwasser,

dessen

jährlich

fallende Menge

sich

unschwer messen ließe, 4 saugen die Gebirge, riesigen Schwämmen gleich, in sich auf, reinigen u n d filtrieren es allmählich, lassen

es schließlich in

Gestalt

der

und

treten;5

Quellen zutage

d a h e r sind die Oberflächen wie die Tiefen der E r d e f a s t allenthalben von Wasser erfüllt, 6 u n d wie Wasser beim durch

Asche deren

auch

viele Quellen

scharfen

Geschmack

Beschaffenheit u n d

Filtrieren

annimmt,

so zeigen

Geschmack der

Erd-

schichten, die sie durchflössen u n d a u s l a u g t e n , . u n d die bald Salz und Alaun e n t h a l t e n , bald Kalk u n d a n d e r e m e h r oder minder

„gebrannte"

Sizilien z. B., und saurem

Erden, auch

bald

auch

anderwärts,

sauere

gibt

Stoffe. 7

Geschmacke, d a ß m a n sie s t a t t Essig den

w a s s e r " ) ; das Wasser eines Baches bei Cumae in Stein

sich beim erhärtet;

9

Stehen andere

mit

einer festen

Wässer

scheiden

beim

„Sauer-

Süditalien

Kruste,

n a m e n t l i c h wenn es u n t e r U m r ü h r e n geschieht,

die wie

Erwärmen, einen großen

Teil der gelösten Stoffe wieder ab, u n d werden d a d u r c h T r i n k e n geeigneter. sind

schwerer 1

3 7 9

als

10

so

Nahrungs-

mitteln zusetzt, 8 (vermutlich s t a r k kohlensäurehaltige bedeckt

In

es Wässer von

zum

Die an derlei Substanzen reichen Wässer

die

reinen

süßen,

die

ersteren

versinken

2 M. I, (13), 9; II, (4), 17 und (6), 2 1 ; I, (10), 1. Pr. XXV, 51. 3 4 5 e s. unter auf S. 94. M. I, (13), 8. M. I, (13), 12. M. I, (3), 2. 9 P. I, 4; M. II, (1), 4; (3), 13 u n d 4 5 - 4 7 . M. II, (3), 45—47. 10 W . 95. Pr. XXIII, 18 u n d 20.

96

CHEMISCHES

UND A L CHEM IS CHE S AUS

ARISTOTELES

d a h e r in die Tiefen der Erde, w ä h r e n d die letzteren aufsteigen und h e r v o r t r e t e n ; in A f r i k a z. B. f i n d e t m a n häufig an

der

E r d o b e r f l ä c h e g u t e s u n d t r i n k b a r e s Wasser, in größerer Tiefe a b e r salziges u n d Wasser, und

dann

ungenießbares. 1

die in das heiße wieder

Innere der

emporsteigen,

bilden

Erde

versickerten,

die heißen

Quellen, 2

die viele Leute f ü r heilig ansehen, weil sie glauben, ihre Hitze rühre

daher,

daß

der

Blitz (der

ihnen

gleichfalls f ü r

gilt) in sie geschlagen habe, oder d a ß v e r b r e n n e n d e r Schwefel (thiov

sie e r w ä r m e ; 3

= Theion!)

wirklich m a n c h e heiße

nun

heilig heiliger

riechen

zwar

Quellen, z. B. die n ä c h s t Magnesia in

Kleinasien, ähnlich wie die L u f t nach einem Blitzschlage oder nach dem V e r b r e n n e n von Schwefel, die w a h r e Ursache hiervon

ist

aber

jedenfalls

ein

Gehalt

des

Erdreiches

an

ent-

sprechenden, dem Alaun v e r w a n d t e n Stoffen, u n d nach solchen s c h m e c k t ihr Wasser a u c h . 4 Wie diese Beispiele beweisen, gibt es also sehr zahlreiche A r t e n Wasser, auch wenn m a n alle die ganz a u ß e r

Betracht

l ä ß t , die zwar, wie Wein, Milch, Molken, H a r n u. dgl., wesentlich aus Wasser bestehen, beim E i n d a m p f e n keinen oder n u r wenigen

Rückstand

hinterlassen,

und

sich leicht mit

Wasser

vermischen, (nicht a b e r mit sonstigen Flüssigkeiten, z. B. mit Öl), — im übrigen jedoch andere, z u m Teil sehr abweichende E i g e n s c h a f t e n zeigen. 5

Da n u n das Wasser, nicht m i n d e r wie

die L u f t , von g r ö ß t e m

Einflüsse auf die E r h a l t u n g der

Ge-

s u n d h e i t ist, so liegt es im öffentlichen Interesse, f ü r die G ü t e des

Wassers

zu

sorgen,

Nutzwasser zu t r e n n e n ,

erforderlichenfalls

das

Trink-

vom

u n d die B e n ü t z u n g schlechter Wässer

zu v e r h i n d e r n ; 6 ungesund u n d schädlich ist auch das Schmelzwasser aus Schnee u n d Eis, v e r m u t l i c h weil das Wasser erst gefriert, 1

4

wenn

seine

leichtesten

und

zartesten

Bestandteile

3 Pr. XXIII, 20, 21 u n d 37. - M. II, (8), 9. XXIV, 18 und 19. 5 6 Pr. XXIV, 17. M. IV, (5), 6 und 7; (6), 13; Pr. I, 13. St. VII, 10.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

97

bereits entwichen sind. 1 — B e k a n n t ist es, d a ß die A u s d ü n s t u n g e n großer Wasserflächen auch das Klima der umgebenden

Länder

günstig beeinflussen: sie machen es w ä r m e r und schützen Pflanzen vor dem Erfrieren.

die

2

Meerwasser ist stets w ä r m e r als süßes Wasser, und reicher an Gelöstem, d a h e r k ü h l t es auch viel langsamer ab. 3

Infolge

seiner größeren Schwere u n d Dichte k a n n m a n leichter darin schwimmen,

und

beladene Schiffe sinken

weniger

diese Erscheinungen

sind ganz analog dem

Eiern

und

auf

Salzsole,

dem

Schwimmen

merkwürdigen

Verhalten

schweren Salzwassers in dem „ T o t e s Meer" g e n a n n t e n see. 5

ein;4

tief

von des

Binnen-

Am g r ö ß t e n ist der Salzgehalt an der Meeresoberfläche,

wohl weil von dunstet;6

reichlichsten

ver-

die in Lösung befindlichen Stoffe sind jedoch

dieser aus das Wasser am

ver-

schiedener Art, daher schmeckt das Seewasser auch nicht rein salzig, sondern zugleich bitter. 7 des

Salzgehaltes

die

feuchten Dünste, wenn sie sich in W o l k e n u n d Wasser

ver-

aus

den

eine

Die Frage nach dem Ursprünge laugen

wandeln,

ist

schwierige:

trockenen

Dünsten

vielleicht (ähnlich

wie

aus

der

Asche) das Salzige aus, u n d bringen es so, m i t dem Regen, in das M e e r ; 8 da nun die Sonne die leichtesten Teilchen des Seewassers v e r d u n s t e t

und

emporsteigen

läßt,

ihrer E r n ä h r u n g , wie eine „lächerliche alte

— aber nicht zu Idee" besagt

—,

so k a n n innerhalb langer Zeiten eine allmähliche Anreicherung an leicht löslichen Salzen eintreten. 9 Wird

das Meerwasser

erhitzt

oder v e r k o c h t ,

so

bleiben

die salzigen u n d erdigen Bestandteile zurück, die entweichenden D ä m p f e aber geben, wenn sie sich niederschlagen, wieder

Meerwasser,

sondern

süßes,

und

hiervon

kann

sich leicht überzeugen, wenn m a n die sich aus dem verdichtenden

Tropfen

irgendwie s a m m e l t ;

ganz

nicht man

Dampfe

ebenso

ver-

1 2 3 Fr. 206. Pr. XXIII, 34. Z. III, 107; P r . XXIII, 7. 4 Pr. XXIII, 5 6 13; M. II, (3), 36 u n d 37. M. II, (3), 38 u n d 39. Pr. XXIII, 30. 7 8 9 Pr. XXIII, 35. M. II, (3), 25. M. II, (2), 5—6 u. 13; II, (3), 30 u. 32.

v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.

II.

7

98

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

halten sich die D ä m p f e aus Wein u n d a n d e r e n die ihren

besonderen

Geschmack

nur

Flüssigkeiten,

kleinen

Beimengungen

verdanken.1 Dafür, daß

das Meerwasser

tatsächlich

sich e n t h a l t e , f ü h r t A r i s t o t e l e s weis durch

den V e r s u c h " an,

süßes Wasser

noch einen besonderen

in

„Be-

auf den hier des näheren

ein-

zugehen ist, weil er bisher sichtlich ganz u n d gar m i ß v e r s t a n d e n wurde.

In der „Meteorologie" f i n d e t sich nämlich

berichtet:

Versenkt

man

folgendes

ein wächsernes Gefäß, dessen

Hals

wasserdicht verschlossen ist, in das Meer, so e n t h ä l t es nach vierundzwanzig durch

die

Stunden

wächsernen

eine

gewisse

Wände

Menge

hineinfiltriert

Wasser,

ist,

Wasser ist t r i n k b a r , da die erdigen u n d salzigen „abgesiebt" wurden.2 mentatoren den

und

Bestandteile

— Über diese Stelle h a b e n sich

u n d E r k l ä r e r seit undenklichen Zeiten

Kopf

zerbrochen,

auch

blieben

das dieses Kom-

vergeblich

alle B e m ü h u n g e n ,

den

„ V e r s u c h " zu wiederholen, ohne jeden Erfolg, da d ü n n w a n d i g e Wachsgefäße

stets

sofort

zusammengedrückt

wurden,

dick-

wandige aber keinen T r o p f e n Wasser durchließen. unklaren Parallelstelle 3 in den ( n u r

Einer recht echten)

„Problemen"

ist

nichts

Bestimmtes

zu

teilweise

entnehmen,

um so m e h r als auffälliger u n d bisher anscheinend

unbemerkt

gebliebener Weise, in der Ausgabe der Berliner A k a d e m i e der griechische

Text4

Übersetzung

3

Redaktion

gar

nicht

mit

der

gegebenen

lateinischen

ü b e r e i n s t i m m t , der v e r m u t l i c h eine ganz a n d e r e

der

Quellenschrift z u g r u n d e

liegt;

doch

ist

auch

in der lateinischen Ü b e r s e t z u n g n u r von einem „in das Meer versenkten

Gefäße"

einem w ä c h s e r n e n .

die

Rede,

und

W e i t wichtiger

mit

keinem

ist hingegen

Worte eine

von

andere

Parallelstelle in der „ T i e r k u n d e " , die wieder von dem „ d ü n n e n wächsernen nach 4

Hohlgefäße"

vierundzwanzig

spricht,

Stunden

1 M. II, (3), 31; IV, (7), 6 u. 7. 5 Bd. II, S. 866. Bd. III, S. 419.

das,

eine 2

„ins

Meer

kleine Menge

M. II, (3), 35 u. 36.

versenkt, trinkbaren 3

Pr. II, 1.

CHEMISCHES

UND ALCHEM1SCHES

Wassers e n t h ä l t " . 1

AUS

ARISTOTELES

99

In dem betreffenden Kapitel ä u ß e r t n ä m -

lich A r i s t o t e l e s die V e r m u t u n g , süßes Wasser gehe aus Meerwasser hervor, wenn

dieses beim

„Durchseihen"

erdige Schichten sein Salz a b g e b e ,

durch

feste

u n d f ü h r t als Beleg

auch

an, d a ß alle Schaltiere von dem süßen Wasser leben, das beim Durchseihen des Seewassers durch ihre Schalen e n t s t e h t .

Mit

d i e s e n Angaben m u ß der u n m i t t e l b a r auf sie folgende „Vers u c h " in Z u s a m m e n h a n g stehen, und unmöglich k a n n Aristoteles

ein Gefäß aus W a c h s

daher

im Sinne g e h a b t

haben,

also aus einem, wie ihm wohl b e k a n n t war, f ü r Wasser u n d u r c h lässigen Material. Jener

Zusammenhang

Stelle verständlich

wird

gemacht

wenn m a n , s t a t t äyyeiov

und

xi'iqivov

gefäß, uyyeTov xeoc/./xov (Angeion

hergestellt ihre

und

damit

Schwierigkeit

die

behoben,

(Angeion kerinon) = W a c h s keramon) = Tongefäß

diesen Ausdruck g e b r a u c h t A r i s t o t e l e s

öfters,

2

auch

liest: spricht

er wiederholt von unglasierten u n d roh g e b r a n n t e n T o n g e f ä ß e n , 3 durch die Wasser sickert, 4 u n d e r w ä h n t , d a ß salziges Wasser durch die Filtration süß u n d t r i n k b a r wird. 5

Bei dem

„Ver-

s u c h " soll also o f f e n b a r ein durchlässiges (unglasiertes)

Ton-

g e f ä ß wohlverschlossen in das Meer gesenkt, u n d das allmählich eindringende Wasser (dessen Menge n u r gering sein k a n n , schon

weil die

L u f t nicht

oder n u r spärlich zu

entweichen

v e r m a g ) t r i n k b a r b e f u n d e n w e r d e n ; ein a n n ä h e r n d e s solcher

Art

günstigen

scheint

aber

wohl

Versuchsbedingungen,

möglich, ein

wenn,

geeigneter

Ergebnis

unter und

sonst

passend

g e b r a n n t e r T o n zur A n w e n d u n g gelangt. 6 Das W a s s e r ist auch Geschmäcke,

denn

unentbehrlich

schmecken

kann

nur

zur das,

Entstehung was

1

der

entweder

2 Zo. VIII, 2. z. B. im Bd. II, S. 801 der Berl. A k a d e m . Ausgabe (im Bd. III, S. 389 übersetzt mit „vas f i g l i n u m " ) ; s. auch den B o n i t z s c h e n 3 4 5 Index, Bd. V, S. 382. Z. II, 60. Z. II, 89. M. II, (2), 4. 6 Versuche hierüber anzustellen, hat H e r r Prof. Dr, E. E r d m a n n in Halle freundlichst ü b e r n o m m e n .

7*

100

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

schon an sich f e u c h t ist, oder leicht

ARISTOTELES

Feuchtigkeit

aufnimmt

(wie das leicht zerfließliche Salz), oder sich leicht auflöst (wie der H o n i g ) ; 1 d a der Geschmack zu den Gefühlen zählt, so ist auch

für

seine

maßgebend,2

Übermittlung

wobei

Stumpfe stößt.

die

gleichsam

Bewegung

das

Scharfe

eines

Mediums

sticht

und

das

3

Beim Reifen und Nachreifen der F r ü c h t e entstehen, u n t e r dem

Einflüsse n a t ü r l i c h e r oder künstlicher W ä r m e ,

innerhalb

der Fruchthüllen neue Geschmäcke verschiedenster Art, süße, bittere, fettige, herbe, saure,

salzige,

scharfe, beißende

usf.;

sie alle beruhen auf V e r ä n d e r u n g e n des Wassers (Saftes) durch gewisse „ G e s c h m a c k s - F l ü s s i g k e i t e n " , die wiederum durch Wasser, das leichter als sie ist, aus dem E r d b o d e n ausgezogen und den Pflanzen z u g e f ü h r t w e r d e n . 4

Die Pflanzen schöpfen

nämlich

alle ihre Säfte, wie ü b e r h a u p t ihre g e s a m t e N a h r u n g , aus der Erde, wobei ihnen die Wurzeln als M u n d dienen, 5 u n d bereiten aus den a u f g e n o m m e n e n Teilen ihre Stengel, Blätter, und

Blüten

F r ü c h t e ; der Boden ist dieserhalb von g r ö ß t e m

Einfluß

auf die E n t w i c k l u n g , und die Eigenschaften aus der

Fremde

eingeführter Samen v e r ä n d e r n sich daher alsbald, der N a h r u n g entsprechend, die ihnen der neue S t a n d o r t bietet. 6 Schließlich sei noch b e m e r k t , d a ß A r i s t o t e l e s Stelle

7

im W a s s e r nicht, wie sonst,

die

Qualität

an

einer

der

Kälte

überwiegen läßt, sondern die der Feuchte.

VII. Die Erde. Das nicht

Innere

selten

Umständen

von

der E r d e außen

ist heiß

und

eingedrungene

durch R e i b u n g

und

feurig8 und

enthält

L u f t , die sich

unter

Stoß e n t z ü n d e n k a n n , 9

und,

in unterirdische H o h l r ä u m e eingeschlossen, E r s c h ü t t e r u n g e n u n d 3 1 2 S. II, 8. S. II, 9 u n d 10. S. II, 7 ; III, 12. 6 7 Z. II, 66; S. Ii; 1. Z. II, 53. M. IV, (4), 4 u n d 5. 0 (8), 1. M. II, (8), 20.

4

P. I, 4. M. II,

3

CHEMISCHES

Erdbeben Körper

UND ALCHEMISCHES

verursacht,

ganz

Konvulsionen

und

AUS

ebenso

wie

Krämpfe

ARISTOTELES

sie

der

im

J01

menschlichen

Eingeweide

erregt,

— sofern m a n Kleines m i t G r o ß e m vergleichen d a r f . 1 Wie

die

Erfahrungen

in

Gruben,

Bergwerken

usf.

be-

weisen, sind im Inneren d e r E r d e A u s d ü n s t u n g e n v o n zweierlei Art vorhanden:

1. T r o c k e n e

und

rauchartige

Dünste;

sie

er-

h i t z e n u n d v e r b r e n n e n die Materie, die sie v o r f i n d e n , u n d erzeugen so alle in W a s s e r unlöslichen E r d e n u n d Minerale, u. a. a u c h den Schwefel, das S a n d a r a c h (rotes S c h w e f e l a r s e n ) , dergleichen.

und

2. F e u c h t e u n d d a m p f a r t i g e D ü n s t e ; sie v e r d i c h t e n

u n d koagulieren sich a n g e e i g n e t e n

Stellen, u n d erzeugen

so,

n a m e n t l i c h w e n n dies u n t e r D r u c k geschieht, die Metalle. 2 In l e t z t e r

Linie

sind

also

Erden,

Mineralien,

Erze

und

Metalle a u s den E l e m e n t e n , v o r n e h m l i c h a u s E r d e u n d W a s s e r , in g a n z b e s t i m m t e r Weise gebildet, i n d e m W ä r m e u n d gewisse

Bewegungen

sprechend,

rein

künstlichen Metallen

naturgemäß,

sind,

und

hervorrufen,

die

zwecks

man

den

nicht

identisch

zwecks

dampfartigen

schmelzen,

niederschlagen

stehenden

Stoffe

ihre

Kälte

Umständen

ent-

mit

jenen

Absonderung

Herstellung von Geräten

durch, daß W ä r m e und rauch- und

und z. B .

die,

einleitet;

von 3

da-

K ä l t e auf die E l e m e n t e u n d auf

die

D ü n s t e e i n w i r k e n , sie e r h i t z e n

und

und

verdichten,

eigentümlichen

erhalten

Mischungen

die

ent-

der

vier

Q u a l i t ä t e n u n d ihre d u r c h diese M i s c h u n g e n b e d i n g t e n

charak-

t e r i s t i s c h e n E i g e n s c h a f t e n aller A r t . 4 a) N i c h t m e t a l l e , S a l z e u. d g 1.

Der S c h w e f e l { 0 u o v = T h e i o n ) , (fleTov = g ö t t l i c h ) ,

5

zeigt

der f ü r sehr heilig gilt

mannigfaltige

Farben,

die je

nach

R i c h t u n g u n d S t ä r k e der B e l i c h t u n g in v e r s c h i e d e n s t e r

Weise

hervortreten,6

völlig

verändern;7

und

sich b e i m

angezündet

Erhitzen

verbreitet

er

1 2 M. II, (8), 17. M. IV, ((10), 13. 4 5 (12), 11. M. IV, (8), 1—6. Pr. XXIV, 19.

und

Schmelzen

heftig 3 6

riechende,

er-

M. IV, (10), 2 u n d 3; 7 Fa. 2 u n d 3. Fa. 3.

102

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTEIES

stickende, ja tödlich wirkende D ä m p f e , 1 die in manchen Gegenden auch aus dem heißen, brennenden Erdboden hervorströmen. 2 Schwefel ist in vielen Aschen vorhanden, deren eigentümlicher Geruch besonders beim Übergießen mit Wasser bemerklich w i r d ; 3 auch gewisse heiße Wasser, sowie manche Quellen und Sümpfe entwickeln diesen entsetzlichen Geruch (nach Schwefelwasserstoff!), so daß kein Tier in ihnen leben kann, und über sie hinfliegende Vögel oft tot aus der Luft fallen. 4 K o h l e scheidet sich beim Verbrennen von Holz ab, das dabei schwarz wird und schwarzen Rauch und Ruß gibt, der auch zum Schwarzfärben dient. 5 Bedeckt man glühende Kohlen, die sich sonst lange in diesem Zustande erhalten, mit einem dicht schließenden Deckel, so verlöschen sie sehr rasch; 6 der „ D a m p f " brennender Kohlen erregt Kopfschmerzen und ist oft tödlich. 7 Kohlen an sich sind aber unschädlich, ja es gibt Menschen, die sie, ebenso wie Erde, aus schlechter Gewohnheit verschlucken. 8 — Der Stein „Spinos" und seine Verwandten, die man aus den Bergwerken Thraziens, Lykiens und des Peloponneses fördert, und die sich von selbst entzünden und beim Besprengen mit Wasser in Brand geraten sollen, 9 sind nach einigen Erklärern als schwefelkieshaltige Kohlen anzusehen, nach anderen als bituminöse Alaunschiefer. S a n d a r a c h (d. i. rotes Schwefelarsen), — wohl zu unterscheiden von dem, vermutlich wegen der ähnlichen Farbe, mit gleichem Namen bezeichneten Bienenbrot, das sonst Kerinthos heißt 1 0 —, tötet Pferde und andere Zugtiere, wenn man es ihnen, in Wasser gelöst und durchgeseiht, beibringt; 1 1 da in anderem Zusammenhange 1 2 richtig angegeben wird, daß Sandarach in Wasser unlöslich ist, so kommt hier wahrschein1

4 7 11

3 P. I, 5; S. II, 9 ; Zo. IV, 8. » W . 127. Pr. XXIV, 17—19. 5 6 Pr. XXIV, 18 und 19; W . 81 und 100. Fa. 1 und 4. P. VI, 5. 8 9 10 P. I, 5. N i . VII, 6. W . 33, 41, 116, 127. Zo. IX, 40.

Zo. VIII, 24.

12

M. III, (7), 2 — 6 .

CHEMISCHES

ARISTOTELES

103

lieh „ g e b r a n n t e s " S a n d a r a c h in Frage, das a r s e n i g e

Säure

enthält,

deren

UND ALCHEMISCHES

erste

Erwähnung

AUS

in

der

Literatur

dann

an

dieser Stelle vorläge. W a s u n t e r dem ¿¡Qtrevixöv ( A r s e n i k o n ) , der

Haare

lateinische es m i t

dient,

zu

verstehen

Übersetzung

Auripigmentum

der

sei,

bleibt

Berliner

wieder;

daß

das zum F ä r b e n zweifelhaft;

die

Akadem.

Ausgabe

gibt

aber

diesem,

d. h.

von

vom gelben Schwefelarsen, die Rede sei, ist unwahrscheinlich, da die S u b s t a n z die H a a r e rötlich f ä r b e n soll. 1 Von den E r d e n ,

die sehr zahlreiche Arten bilden,

sind

die meisten unlöslich in Wasser, einige aber löslich in a n d e r e n Flüssigkeiten, z. B. die Eierschalen 2 (in Essig); auch von den ersteren dienen viele als F a r b e n , z. B. Minium (ein vieldeutiges W o r t , das auch noch in späterer Zeit alle n u r möglichen roten Oxyde

und

werden

zu Ziegeln,

fäßen,

und

Sulfide

bezeichnet) Rohren,

dergleichen

Oker. 3

und

glasierten

gebrannt,

und

Einige

Erden

unglasierten

namentlich

die

Ge-

Tonarten;

beim E r w ä r m e n gibt der Ton a n f a n g s Wasser ab, sodann wird er fest u n d h a r t , völlig unlöslich, u n d so widerstandsfähig, daß er im

Feuer nicht

wieder

schmilzt,

und

höchstens

nur

bei

allergrößter Hitze etwas e r w e i c h t ; 4 so v e r h a l t e n sich alle Rohstoffe dieser Art, die ganz vorwiegend aus E r d e bestehen und n u r wenig Wasser e n t h a l t e n . 5

Andere Erden schmelzen

beim

Erhitzen u n d geben dabei, wie der Bimsstein, eine k o m p a k t e , kalkige,

weiße

Masse, 6

oder,

wie

die

Glaserde,

ein

festes,

klares u n d helles Glas; t r o t z seiner großen Dichte ist dieses, wenn nicht völlig, so doch f a s t völlig durchsichtig, jedenfalls weil seine Poren u n d daß

die

Lichtstrahlen,

Gänge so regelmäßig a n g e o r d n e t die stets

nur

in gerader

sind,

Richtung

fortschreiten, sie zu durchdringen vermögen. 7 Erdarten

besonderer N a t u r

sind

die

Salze.8

Weit

ver-

1 2 3 4 Pr. XXXIII, 2. Z. II, 8 9 - 9 1 . Fa. 4 ; M. IV, (7), 2 - 6 . M. IV, 6 (6), 7, 8, 12; IV, (10), 9 ' u n d 10; Z. II, 60. M. IV, (6), 2 — 6 ; IV, (7), 1, 6 7 8 15, 17, 20. M. IV, (6), 11 u. 12. Pr. XI, 58 u. 59; Fa. 3. P. I, 4.

104

CHEMISCHES

UND ALCHEM1SCHES

AUS

ARISTOTELES

breitet ist das N i t r o n ( d . i . m e h r oder weniger verunreinigtes kohlensaures N a t r i u m ) , das, weil es neben viel E r d e auch noch etwas Wasser e n t h ä l t , schmelzbar u n d in Wasser leicht löslich ist;1

sein Geschmack

sonderen (rote)

Geruch

Farbe,

Schminke

ist

bitter

besitzt

wie

z. B.

diente).

es das

zusammenziehend,2

und

nicht,

3

sog.

„Schaumnitron"4

Das Wasser

oftmals

eines

aber

Sees in

be-

besondere (das

als

Bithynien

ist

so reich an Nitron, daß es u n m i t t e l b a r z u m Reinigen der Leinenkleider

dienen

zerfrißt;5

daß

kann das

und

sie bei längerer

Wasser

des

Sees

Einwirkung

sogar

ähnliche

Eigen-

Paesa

schaften zeigt, zugleich aber auch t r i n k b a r ist, k o m m t vielleicht daher, d a ß es zwar reichlich zum Reinigen geeignete B e s t a n d teile e n t h ä l t , aber keine b i t t e r e n . 6 Dem Nitron ähnlich ist die A s c h e ,

die beim Verbrennen

gewisser R o h r e u n d Binsen z u r ü c k b l e i b t , sowie das Salz, das m a n erhält, wenn m a n die Asche mit Wasser auszieht und die Lösung einkocht, 7 (d. i. wesentlich kohlensaures Kalium). Verbrannte

hinterläßt

Schwefelwasserstoff)

Asche,

riecht

die

und

nach

salzig

Schwefel ist;8

wie

Alles

(richtiger gebrannter

Kalk, Schlacke u n d Anderes, das großer Hitze ausgesetzt war, so hält auch die Asche potentielle W ä r m e in sich zurück, 9 die aktuell

hervortritt,

wenn

man

wird beim Durchfließen w a r m u n d bitteren

Bestandteile. 1 1

10

z. B. Wasser a u f g i e ß t ;

dieses

und entzieht ihr die salzigen

Asche und Aschenlauge sind

an

u n d f ü r sich weiß; gelblich oder grau f ä r b e n sie n u r gewisse Reste

des gelblichen

Feuers

oder des grauen

Rauches.12 —

Einige geben an, ein m i t Asche gefülltes Gefäß n e h m e

noch

ebensoviel Wasser in sich auf, als es f a ß t , wenn es leer ist; 1 3 diese B e h a u p t u n g ist a b e r nicht zu billigen. 1 4 1

Die Asche h a t

2 3 M. IV, (9), 1; (10), 12 u n d 16—18. Pr. I, 38. P. I, 5. 5 6 7 3 Fa. 4. W . 53. P r . XXIII, 40. M. II, (3), 43. M. II, (3), 9 2 4 ; Pr. XXIV, 18. T h . II, (2), 7; III, (9), 3 ; M. II, (3), 39; IV, (11), 11 13 10 Pr. XIV, 17. Fa. 1. Ph. IV, 6. 2 u n d 3. M. IV, (11), 3. " P h . IV, 7. 4

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

J05

nämlich viele Poren u n d Zwischenräume, und wenn das Wasser in diese eindringt, so wird sie dicklich und setzt sich a b ; das nämliche geschieht, wie der Versuch gekehrten

beweist,

auch im

Falle, d. h. wenn m a n in ein Wasser

um-

enthaltendes

Gefäß Asche einbringt; w a r das Gefäß aber schon ganz Wasser gefüllt, so n i m m t es ü b e r h a u p t nichts Weiteres

mit mehr

auf, vielmehr fließt beim E i n s c h ü t t e n der Asche entsprechend viel Wasser über, und falls die Asche heiß war, so wird ein Teil Wasser zu L u f t ( D a m p f ) . 1 Kochsalz

f i n d e t sich in m a n c h e n

Gegenden

als

Stein-

salz vor, dessen a n f a n g s o f t noch etwas feuchte Masse an der Sonne so völlig v e r h ä r t e t , d a ß m a n aus ihr, wie aus parischem Marmor,

Tierfiguren

und

Gebrauchsgegenstände

herstellen

k a n n ; 2 sehr h ä u f i g treten salzhaltige Quellen a u f , und einige von ihnen e n t h a l t e n so viel Salz, d a ß sich dieses, wenn m a n die Sole einkocht u n d erkalten läßt, in den schönsten „ F l o c k e n " abscheidet. 3 besonders

Reich an

in

seinen

Salz zeigt sich auch das

obersten

Schichten,

doch

Meerwasser,

sind

zugleich

noch andere, scharf u n d b i t t e r schmeckende Stoffe v o r h a n d e n ; 4 daher

ist

das

Seesalz

zerfließlich,

von

eigentümlichem

Ge-

rüche, und von einem „öligen", in der W ä r m e ausschwitzenden Bestandteile bar

weil

durchdrungen,

er „öliger"

Natur

schlechter löscht, als süßes. 5 gewöhnlichen

Harn

ist

der auch verursachen ist!),

daß

soll (offen-

Seewasser

das

Feuer

Im Schweiß, in T r ä n e n , und im

gleichfalls

Salz v o r h a n d e n ,

das

aber

aus den N a h r u n g s m i t t e l n h e r s t a m m t , deren beste und süßeste Teile der

K ö r p e r zu

seiner

Ernährung

verbraucht,

während

er die hierzu überflüssigen abscheidet. 6 Festes Salz, in das Feuer geworfen, zerknistert, weil es noch etwas Feuchtigkeit e n t h ä l t , die sich in Dampf verwandelt. 7 E s löst sich leicht in Wasser, nicht aber in vielen

anderen

1 2 3 4 Pr. XXV, 8. W . 134. M. II, (3), 41; W . 138. Pr. XXXIII, 5 6 30 u n d 35. P. I, 5; Pr. XXIII, 9, 14 u n d 32. P r . II, 3 ; V, 37. 7 Pr. XI, 26 u n d 43.

106

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCIIES

AUS

ARISTOTELES.

Flüssigkeiten; 1 Bedingungen der Löslichkeit sind nämlich, d a ß der feste Stoff reichliche, eine völlige D u r c h d r i n g u n g

ermög-

lichende Poren e n t h ä l t , 2 u n d d a ß die Poren nicht kleiner sind, als die kleinsten T r ö p f c h e n der Flüssigkeit, da sie diese sonst nicht einzulassen v e r m ö g e n ; 3 es wird aber auch b e h a u p t e t , d a ß Salz

besser

von

salzhaltigem

Wasser

gelöst

werde

als

von

reinem, weil dessen Teilchen so klein seien, d a ß sie durch jene des Salzes wirkungslos h i n d u r c h g e h e n . 4

Beim E i n d a m p f e n der

Lösungen bleibt das Salz schließlich völlig fest zurück, ohne aber zu s c h m e l z e n ; 5 sehr auffällig erscheint es, d a ß Salzlösung, über Süßwein geschichtet, so ziemlich auf ihm schweben bleibt, w ä h r e n d sie sich mit gewöhnlichem Wein sogleich vermischt, v e r m u t l i c h weil dieser weniger Festes gelöst e n t h ä l t u n d weniger dicht ist. 6 Salz ist sehr förderlich f ü r die V e r m e h r u n g u n d M ä s t u n g des Viehes, 7 wie das die W a g e nachweist, 8 und Mäuse sollen sogar durch bloßes Lecken von Salz t r ä c h t i g werden. 9

Wenn

M ü t t e r es in übergroßer Menge genießen, so fehlen den Neugeborenen die Nägel. 1 0 Den

Salzen

ähnlich

sind

die (TTVjiTrjotu ( S t y p t e r i a )

und

fitluvTiiQia (Melanteria) g e n a n n t e n S u b s t a n z e n (vermutlich unreine A l a u n e

und

Vitriole),

die scharf

und

schwefelartig

schmecken und riechen, sich in Wasser auflösen und ihm dieselben Eigenschaften verleihen, und auch f ä r b e n d wirken zum Färben gebraucht werden.

Einen sehr heftigen Geruch (nach A m m o n i a k , saurem die

Ammonium

Salzlake,

und

vor

u n d dergl.) verbreiten die allem

das

verbrennende

mittels dessen m a n die Insekten v e r t r e i b t ; dem

Hirschhorn

auch

große

Heilkräfte

12

zu,

kohlen-

Fischbrühe, Hirschhorn,

m a n c h e schreiben besonders

linken, das die Hirsche beim Abwerfen verbergen sollen. 1

und

11

dem 13

2 3 M. IV, (6), 12. M. IV, (9), 4. M. IV, (8), 9; (9), 5. 5 6 Pr. XXIII, 22. M. IV, (7), 10, 15, 17, 20; (10), 9 u. 10. Pr. XIII, 7 8 9 25 u n d 26. Zo. VI, 19; VIII, 10; W. 138. Zo. VIII, 6. Zo. VI, 37. 10 12 13 Zo. VII, 4. » Pr. XXIV, 18; Fa. 4 ; W. 127. Zo. IV, 8. Zo. IX, 5. 4

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

J07

b) M e t a l l e , E r z e u. d g l .

Mit A u s n a h m e des Goldes, das völlig rein und d a h e r im Feuer

unveränderlich

ist,

enthalten

alle Metalle,

wie Silber,

K u p f e r , Eisen oder Blei, noch m e h r oder weniger viel erdige Teile,

und

sind

enthalten

deshalb

„verbrennbar";

sämtliche

ferner Wasser

in potentiellem

Zustande,

aktuell h e r v o r t r i t t , wenn sie schmelzen, denn

Metalle der

alles

aber

Schmelz-

b a r e ist von der N a t u r des Wassers. 1 Am leichtesten schmelzen d a r u m jene Metalle, die (gleich Glas und m a n c h e n Mineralien) wenig Erde, aber relativ viel W a s s e r f ü h r e n , z. B. Gold, Silber, Zinn und Blei, am schwersten dagegen solche, in deren

Zu-

s a m m e n s e t z u n g noch viele E r d e einging, z. B. Eisen. 2 Daß

die

Metalle

und

ihre

Erze

in

eigentlichem

Sinne

wachsen u n d nachwachsen sollen, ist nicht möglich, da allem Leblosen

das

f e h l t ; 3 hingegen

„ernährende Prinzip"

können

sich, ihrer (weiter oben e r w ä h n t e n ) E n t s t e h u n g gemäß, Metalle in

neuen

oder

erneuten

Mengen

aus

den

entsprechenden

D ü n s t e n niederschlagen, und Erze aus passenden E r d e n durch Umbildung

erzeugen. 4

änderungen

geschehen

geheurer

Zeiträume;

Alle ganz

die

Erde

allmählich

Erscheinungen,

betreffenden und

wie

Ver-

innerhalb

un-

Bildung

des

die

Nildeltas, die E n t s t e h u n g und A u s t r o c k n u n g von Meeren, die Ausbreitung

von

Weise erklärbar.

Wüsten,

und

dergl.,

sind

nur

auf

solche

5

Sowohl die Metalle als auch ihre Erze zeigen, je n a c h der S t ä r k e u n d R i c h t u n g des Lichtes, je nach der Einwirkung, die sie durch Hitze u n d Feuer e r f u h r e n , und je nach der B e h a n d lung, die ihnen m i t verschiedenen Stoffen u n d auf verschiedene Weise zuteil

wurde,

auch

F a r b e n ; ihre ursprüngliche 1

sehr verschiedene und wechselnde F a r b e wird o f t schon

durch

die

M. III, (7), 2—6; IV, (10), 2, 3, 13; IV, (12), 11; Met. V, 6 u n d 24; 2 3 Th. II, (2), 8; P h . II, 1; P. 1, V. M. IV, (10), 12 und 1 5 - 1 8 . Gr. I, 4 4; die Stellen W . 4 2 - 4 4 u n d 47 sind unecht, s. Fr. 248. Met. IX, 7. 5 M. I, (14), 7, 28, 32.

108

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

N a t u r selbst v e r ä n d e r t , so d a ß m a n

ARISTOTELES

sie erst richtig

kennen

lernt, wenn die oberste Schicht e n t f e r n t oder abgerieben wird, deren Teilchen d a n n zuweilen nicht m e h r gold- oder k u p f e r f a r b i g erscheinen, sondern

schwarz, vielleicht weil die

Poren

z e r s t ö r t sind, in die das F ä r b e n d e eindrang, so daß die G r u n d f a r b e wieder

hervortritt.1

sichtbar

Aber

auch

durch

künst-

liche E i n w i r k u n g v e r ä n d e r t sich die F a r b e : verreibt m a n z. B. Molybdaina (eine bleihaltige S u b s t a n z ? ) mit Wasser oder Öl, so wird das dichte Schwarze zu einem lockeren Weißen, jedenfalls indem die beigemengte L u f t , die auch das Volumen deutend

vermehrt,

ihre

Weiße

ebenso

durchschimmern

beläßt,

wie beim S c h a u m und Schnee. 2 Eigentümlichen

Geruch

zeigen

unter

den

Metallen

das

Eisen u n d K u p f e r in deutlicher, das Silber und Erz ( K u p f e r Legierung?) in undeutlicher Weise, w ä h r e n d

das Gold

völlig

geruchlos i s t ; 3 gegen unreine A u s d ü n s t u n g e n sind viele Metalle sehr empfindlich, so z. B. t r ü b e n sich metallene Spiegel, wenn eine F r a u zur Zeit der K a t a m e n i e n Gold zuweilen

f i n d e t sich gediegen im Sande m a n c h e r Flüsse u n d auch

Prüfung

hineinsieht. 4

in großen

bedient

man

Klumpen

sich

des

im E r d b o d e n ; 5 zu

Probiersteins.

6

seiner

Reines

Gold

ist gelb u n d rot, und s t e h t d a h e r in nächster V e r w a n d t s c h a f t zu

dem

ebenso

gefärbten

Feuer, 7

durch

dessen

Einwirkung

es nicht v e r ä n d e r t w i r d ; die K u n s t , es zu gewinnen schmelzen Angabe

lehrte

der

hindeutet,

Phönizier

daß

Meeres w o h n e n d e n

die an

Kadmos.8



der S ü d k ü s t e des

Chalyber aus Mäusen

und

Worauf

zu die

schwarzen

Gold gewinnen, 9 ist

unbekannt. Silber geschmolzen

soll

in

Spanien

aus

dem

Boden

gelegentlich geströmt,

eines und

Waldbrandes

anläßlich

eines

E r d b e b e n s den Rissen u n d Spalten der Berge entquollen sein, in solchen Mengen, d a ß die Phönizier nicht n u r ganze Schiffs1

5

Fa. 2 und 3. W. 45 und 46.

2

6

3 Z. II, 28. P. I, 5. 7 3 Z. VII, 12. Met. X, 3. Fr. 459.

4

P. IV, 2. W. 25.

9

CHEMISCHES

ladungen

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

109

davon holen, sondern selbst ihre A n k e r aus

verfertigen

konnten.

1

Große

Mengen

Silber

Silber

ergaben

auch

die im j ä h r e 483 e n t d e c k t e n Minen von Laurion, aus denen der S t a a t der A t h e n e r a n f a n g s jährlich h u n d e r t Talente Reingewinn zog. 2

Das Silber k a m , wie ehedem das Eisen, erst in

gewogenen,

später

aber

auch

in

gestempelten

S t ü c k e n , u n t e r dem N a m e n „ G e l d " in U m l a u f ; fast unveränderlichen

Wert

ist

das

Geld

(geprägten)

3

durch seinen

zum

gemeinsamen

Maße aller Dinge geworden u n d gilt als Bürge f ü r die Möglichkeit k ü n f t i g e n beliebigen Austausches, der so an die Stelle des ursprünglichen T a u s c h h a n d e l s t r e t e n k o n n t e . 4 geschmolzen

und

,,zurechtgekocht"

wird

das

Hergestellt,

Silber

in

den

Silberhütten, u n d gelegentlich letzterer Operation „ s p r a t z t " es, weshalb

die

beim

umhergeschleuderten

„Abschäumen" Abfälle

angestellten

sorgfältig

Arbeiter

sammeln

die

und

ver-

w e r t e n ; die Erscheinung wird durch die große Dichte des geschmolzenen Metalles v e r u r s a c h t ,

das die W ä r m e nicht

glatt

d u r c h l ä ß t , sondern so lange in sich a n h ä u f t , bis sie sich gewaltsam Bahn m a c h t und dabei Teile der Schmelze m i t sich reißt und gleichsam auswirft. 5



In vieler Hinsicht v e r h ä l t sich das Silber ganz wie das Zinn, und wenn auch die weiße F a r b e ihm in höherem zukommt,

wie letzterem,

ihren meisten

so stimmen

Grade

doch beide Metalle

Eigenschaften d u r c h a u s ü b e r e i n ;

6

in

was aber so

nahe v e r w a n d t ist wie Silber mit Zinn, oder Gold mit feuerfarbigem (seil. Metall), und sowohl der nämlichen A r t wie der nämlichen

Gattung

angehört,

ist

auch

gegenseitigen

Über-

ganges fähig. 7 Quecksilber neben

Erde

auch

wird durch sehr viel

Kälte nicht fest, da es zwar

Wasser

enthält,

dem

es

seinen

flüssigen Z u s t a n d v e r d a n k t , aber auch viel L u f t , die seine Verdichtung 1

r

hindert;8

Dädalus

benützte

es,

um,

durch

Ein-

2 3 4 W. 37 u. 135. Ath. 22. St. I, 9; G r . I, 34. Ni. V, 8; St. I, 9. 6 7 8 ' P r . XXIV, 9. Met. VIII, 3; X, 3; P. I, 5. Met. X, 3. M. IV, (8), 11.

1 10

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

gießen in die H ö h l u n g eines hölzernen Abbildes der Aphrodite, dieses beweglich

erscheinen

lassen. 1 — Zinnober

zu

A r i s t o t e l e s zwar als K o n g l o m e r a t roten S t a u b e s K i n n a b a r i n o n ) , 2 bringt es aber m i t dem

erwähnt

(xivvaßdptvov,

Quecksilber nicht in

Zusammenhang. (xevstki),3

K u p f e r , dessen Erz in Cypern „ g e b r a n n t " wird

e n t h ä l t n u r wenig W a s s e r 4 u n d ist schmelzbar, d e h n b a r weich, so d a ß es leicht E i n d r ü c k e a u f n i m m t ; 5 m a n

und

schreibt

ihm große Heilwirkungen zu, u n d g l a u b t , daß, diesen zufolge, W u n d e n leichter heilen, wenn sie durch erzene, als wenn sie durch

eiserne

Waffen

wurden.6

geschlagen



Der

Stein

„Chrysokolla", der in Chalcedon g e f u n d e n wird, im nämlichen Preise

wie

Gold

steht,

Augenkrankheiten

und

abgibt,

ein

ist

vortreffliches Mittel

wohl

Malachit

(ein

gegen

Karbonat

des Kupfers), der „ B l a u s t e i n " wahrscheinlich ein blaufarbiges K u p f e r m i n e r a l , vielleicht a b e r auch

liefern in großer Menge die Eisenerze

Eisen ehedem

auch

Herstellung Chalyber,

Lasur. 7

K u p f e r gefördert wurde,

von

diente;8

Erzgefäßen

nächst

Amisus

an

das

Etrurien

zur

ferner die Gruben

der

der • S ü d k ü s t e

Meeres, bei denen

sich aber eisenhaltige

Sande

vorfinden

der

Flüsse

Pyrimachischen

in

sollen. 9

Elbas, wo

des

Schw.arzen

Geschiebe auch



Die

Deutung

im des

Steines, der in der Hitze Tropfen fallen läßt

u n d sich verflüssigt, 1 0 auf P y r i t , ist m e h r als zweifelhaft, die Angabe,

Eisen werde bei vulkanischen

Ausbrüchen

in

halb-

flüssigen K l u m p e n ausgeworfen, untergeschoben. 1 1 Das

Eisen

ist,

schwer schmelzbar

wegen und

seines

erweicht

hohen

ist sehr fest u n d h a r t , doch wird erzählt, Mäuse

gebe,

die

es a n z u n a g e n

Gehaltes

erst bei großer

an

Erde,

Hitze;12

es

daß es in Cypern

vermögen. 1 3

Die

beste

und

1 2 3 S. I, 3. M. III, (7), 2 — 6 ; Zo. II, 1 (unecht?). Zo. V, 19. 5 G J M. IV, (8), 40. M. IV, (9), 2, 13, 21. Pr. I, 35 u n d 42. W. 58. 8 9 10 n 12 W . 93. W . 48. M. IV, (6), 11. We. 4. M. IV, (7), 13 17 u n d 2 0 ; (10), 12 u n d 16—18; IV, (6), 9. W. 25.

4

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

\ \J

h ä r t e s t e der zahlreichen Eisenarten ist die der Chalyber, d. i. der Stahl (Chalybs);

er wird aus dem Eisen gewonnen, indem

m a n es wiederholt, teils f ü r sich, teils z u s a m m e n mit gewissen Steinen, in den Öfen schmilzt, wobei sich eine große Menge Schlacke a b s o n d e r t u n d ein b e d e u t e n d e r

Gewichtsverlust

ent-

steht, der die E r z e u g u n g sehr v e r t e u e r t ; der fertige Stahl ist von ä u ß e r s t e r

H ä r t e , p r ä c h t i g glänzend, u n d w i d e r s t e h t

Rost, doch ist

er nicht

dem

f ü r alle Zwecke so v e r w e n d b a r

das weniger reine (gewöhnliche) Eisen,

1

wie

dessen Beschaffenheit

sich aus dem C h a r a k t e r der T ö n e beurteilen läßt, die es beim Feilen, H ä m m e r n gibt. 2

und

Schmieden

auf dem A m b o ß von

sich

Aus Eisen stellt m a n W a f f e n her, ferner grobe und feine

Werkzeuge,

z. B. W e b e r s c h i f f c h e n ;

wenn

diese

erst

auto-

matisch weben werden, wird m a n keine Sklaven u n d Sklavenaufseher m e h r

brauchen.3

Die

Unentbehrlichkeit

des

Eisens

v e r a n l a ß t e einmal einen sizilischen Händler, alles Eisen s ä m t licher E i s e n h ü t t e n als Bedarf

zusammenzukaufen,

und

e i n t r a t , u n t e r n u r mäßiger

preises 200 Prozent.

er gewann

daran,

E r h ö h u n g des

Markt-

Ähnlich v e r f u h r schon der weise T h a i e s ,

dem m a n einst seine A r m u t als Beweis der Nutzlosigkeit der Philosophie vorhielt: da er, nach den Stellungen der Gestirne, günstige W i t t e r u n g u n d eine reiche Ölernte voraussah, p a c h t e t e er

in

Milet

und

Chios

alle Ölpressen,

verdiente

als

deren

alleiniger Inhaber, sobald m a n sie zur Erntezeit dringend geb r a u c h t e , vieles Geld, u n d zeigte so den Freunden, daß auch Philosophen reich werden können, wenn sie n u r wollen,

daß

aber R e i c h t u m nicht das Ziel ist, nach dem sie s t r e b e n . 4 Das

Blei

schmilzt

und

erstarrt

sehr leicht,

und

wenn

m a n es geschmolzen in Wasser eingießt, so springt es z u m Teil wieder aus

ihm 1

5

heraus;5

seiner

Geschosse,

großen

sowie

Schwere

Gegengewichte

2 M. IV, (6), 9 und 10; (9),' 25; W. 48. Tö. 6 M. IV, (8), 10; W. 61. Hi. II, 7; Mech. 29.

wegen für 3

macht

man

Ziehbrunnen.6

St. I, 4.

4

St. I, 11.

1 12

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Auch bereitet m a n aus Blei das Bleiweiß, das in allen seinen Teilchen das reinste W e i ß als n a t ü r l i c h e F a r b e zeigt. 1 Zinn

kommt

aus

den

noch weit leichter u n d

keltischen

rascher

Ländern;

es

schmilzt

als Blei, zerfließt schon

im

(siedenden) W a s s e r , u n d zerfällt bei großer Kälte und s t a r k e m Frost.2

Es läßt sich gießen, u n d auf einer der vom

(Po) a n g e s c h w e m m t e n (wo

einer

der

Eridanus

Inseln im innersten Winkel der

uralten,

aus

keltischem

Gebiete

Adria

kommenden

Handelswege das Meer erreichte), sollen zwei Bildsäulen stehen, die eine aus Zinn, die a n d e r e aus Erz. 3 rechtmischens u n d

Als Erfinder des Zu-

Gießens des Erzes, d. i. der B r o n z e ,

ein S k y t h e n a m e n s L y d o s . 4 (jcalxov xoüfTiQ, Krasis)

gilt

Der Vorgang bei dieser Mischung

besteht

darin,

daß

die

ausgeprägte

u n d beständige N a t u r des K u p f e r s der ungefestigten u n d f ü r Einwirkungen sehr empfänglichen des Zinnes völlig Herr wird, so d a ß das Zinn, als w ä r e es ein bloßer stoffloser Z u s t a n d des K u p f e r s , im Färbung

Erze verschwindet,

erteilt;

5

tatsächlich

dem es dabei eine

ist

das Zinn,

nach

(goldige)

seiner

Ver-

mischung m i t dem K u p f e r , als solches nicht m e h r w a h r n e h m bar, aus den weichen Metallen ist aber ein hartes, von großem Glänze

und

Färbende

hat

verändert,7 nur

von

ganz

also

anderer

hier

während

das,

sonst

Farbe was

entstanden,6

es f ä r b t e ,

Unterschiede

oberflächliche, f ü r das Wesen

der

in

den

Sache

und

durchaus Farben

das veroft

bedeutungslose

sind. 8 Das

Erz

der

Mossynöken,

das

außerordentlich

glänzend

u n d leuchtend ist, wird nicht aus K u p f e r u n d Zinn

bereitet,

sondern m a n verschmilzt m i t dem K u p f e r eine in jenem L a n d e vorkommende

Erdart,

und

der

(xQdfjLu = K r a m a ; xgciaiq = Krasis) heim. 9 ein 6

Das

Produkt

zinkhaltiges

Erfinder hielt

dieser

sein Verfahren

ist o f f e n b a r M e s s i n g

Mineral,

wohl

1 2 Mel. 4 ; Zo. VII, 3. W . 50. 7 Fa. 4. Z. II, 127; Fa. 4.

die 3

auch

3 W . 81. Met. X, 9.

Mischung

und

die

in Chalcedon 4

Fr. 506. 9 W . 62.

5

ge-

Erdart vor-

E. I, 10.

CHEMISCHES

handene

UND ALCHEMISCHES

„phrygische

Asche",

Augenheilmittel

gerühmt

Messing

auch

dürften

die

wird

AUS ARISTOTELES

zugleich

vortreffliches

Zinkoxyd). 1

(unreines

die Trinkschalen

als

H3

des

Königs

Aus

Darius

b e s t a n d e n h a b e n : ihr (angeblich indisches) „ E r z " w a r glänzend, leuchtend u n d u n v e r r o s t b a r wie Gold, u n d von diesem

nicht

durch seine F a r b e zu unterscheiden, sondern n u r durch seinen Geruch. 2 — Ob das Orichalcum, aus dem m a n in Chalcedon S t a t u e n a n f e r t i g t e , 3 Messing war, bleibt dahingestellt; Elektron ist

keinesfalls, wie

einige

Erklärer wollen,

Messing,

sondern

eine Gold-Silber-Legierung, doch ist die Stelle, die es a n f ü h r t , untergeschoben.4 Zinn u n d angehörig, und

in

Silber sind, als der gleichen G a t t u n g u n d

und

als in ihren

anderen

nur

meisten

gradweise

Überganges

ineinander

fähig. 5

Silber

Gold

was

oder

(silberfarbige

aus,

Legierung?)

Eigenschaften

verschieden, Übrigens aus Zinn

besteht,

oder

manches

und

bloß

identisch

wechselseitigen

sieht

nur

Art

wie

Lithargyrina

mit

Hilfe

von

„ G a l l e n f a r b e " ( x o l o ß a y i v a ) gelb g e f ä r b t ist; wer es wirklich f ü r Silber oder Gold hält, gleicht dem Manne, dem ein Trugschluß als W a h r h e i t erscheint. 6 VIII. Organische Stoffe. B r e n n b a r e Ö l e entquellen in großen Mengen dem Boden Persiens, 7

in kleineren

auch

dem

Siziliens, 8 woselbst sie o f t

deutlich nach Zedernharz riechen; dicke, dunkle und zähe Öle, nebst E r d p e c h und Asphalt, strömen in Mazedonien, Thrazien und

Illyrien

Schwefel und

aus

dem

heißen,

Bitumen

oft

riechenden

sogar

brennenden,

Erdboden,

und

nach

verbreiten

widerwärtige, erstickende u n d tödliche Dünste. 9 Das gewöhnliche Öl s t a m m t von den Ölbäumen, die f ü r heilig gelten, weshalb auch bei den P a n a t h e n ä e n in

den

gymnastischen

1

7

2 W . 58. W. 49. 8 W . 35. W . 113.

Spielen

und

die

Pferderennen

3 9

4 5 W . 58. We. 6. Met. X, 3. W . 116 und 127; P. I, 5; S. II, 9.

v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.

II.

6

8

Sieger

Tonkrüge To. IX, 1.

114

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

m i t Öl aus dem heiligen H a i n e als Preis e m p f a n g e n . 1

Das Öl

e n t h ä l t Wasser u n d viel L u f t und' l ä ß t sich deshalb nicht eind i c k e n ; 2 seine Teilchen

halten

durch

ihre Zähflüssigkeit,

in-

dem sie wie K e t t e n u n d Ringe a n e i n a n d e r hängen, die L u f t fest, 3 u n d diese b e w i r k t , d a ß das Öl, durch die L u f t

empor-

g e t r a g e n , auf dem Wasser s c h w i m m t , in der Kälte zwar dick wird, a b e r nicht gefriert, u n d beim S c h ü t t e l n mit Wasser einen weißen

S c h a u m gibt. 4

D a ß das Öl auch schon beim

Stehen

o f t weiß, dick und schaumig wird, r ü h r t daher, daß die W ä r m e einen Teil des Wassers a u s s o n d e r t

und in L u f t

verwandelt.5

Im Sonnenlicht stehend wird das Öl, u n t e r Abscheidung überschüssiger gebleicht; dichten

Feuchtigkeit 6

und

angezündet

schwarzen

dunkler

verbrennt

Rauch

und

es,

erdartiger

Bestandteile,

und

entwickelt

dabei

schwarzen,

färbenden

Ruß,7

der völlig jenem des sehr entzündlichen u n d wegen seines großen L u f t g e h a l t e s ebenfalls nicht

eindickbaren

Teeres

gleicht. 8 —

Ähnlich dem Olivenöl ist das (auch aus den F r ü c h t e n gepreßte) Öl der balearischen T e r e b i n t h e u n d der Zeder. 9 Den Ölen v e r w a n d t sind die F e t t e : lich viel L u f t u n d bleiben

entweder

sie e n t h a l t e n

sämt-

Feuer, weshalb sie nicht verfaulen, 1 0 u n d

auch beim

E r k a l t e n flüssig, wie z. B. jene

der Fischlebern, 1 1 oder werden dabei fest, wie z. B. der Talg, was auf einen Gehalt an E r d e d e u t e t ; 1 2 einige sind aber auch gemischter N a t u r , z. B. das B ä r e n f e t t , das in der K ä l t e gesteht,

zur

Zeit

Volumzunahme

des aus

speichern,, ähnlich

Winterschlafes den

Gefäßen

wie g e b r a n n t e r

der

quellen Kalk

Bären soll. und

13

aber Alle

Asche,

unter Fette Wärme

in sich auf, u n d sind d a h e r leicht b r e n n b a r ; 1 4 beim Verbrennen oder schon beim Schmelzen, entwickeln sie ekelhafte D ä m p f e , 1 2 Ath. 60. M. VI, (5), 24; IV, (8), 11; (9), 35; (10), 5 u n d 7. 4 M. IV, (9), 28. , M. IV, (7), 2 - 5 u n d 9 ; (10), 8, Z. II, 28—30. 6 6 7 Z. II, 28. Pr. XXXV, 11; XXXVIII, 1. M. IV, (9), 38, Fa. 1 u. 4. 8 9 T h . II, (2), 7; M. IV, (8), 11; Fa. 1 u n d 4. W. 88, s. D i o s k u r i d e s I, 10 n 50; Zo. VII, 3 (unecht?). P. V, 5; Zo. III, 19. Zo. III, 17. 12 13 14 T h . II, (5), 1. W . 67. T h . III, (9), 3 ; II, (2), 7. 3

CHEMISCHES

UND AL CHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

H5

die ungesund, n a m e n t l i c h aber f ü r Schwangere sehr schädlich sind, 1 und erzeugen eine große Menge schwarzen R u ß e s . 2 Den

Fetten

Wabenwachs

gleicht

den

das

Blumen,

Wachs,

als

sog.

das

die

Bienen

Stopfwachs

den

als Aus-

schwitzungen der B ä u m e e n t n e h m e n ; 3 es wird, wie Öl, an der Sonne gebleicht, 4 u n d ist leicht schmelzbar und b r e n n b a r . 5 S ü ß s t o f f e entstehen, indem die P f l a n z e n s ä f t e u n t e r Einw i r k u n g der W ä r m e zu einem gewissen

Gare

ge-

langen, 6 der ihnen, neben den F e t t e n , den a n g e n e h m s t e n

Ge-

schmack,

die leichteste Verdaulichkeit, und die g r ö ß t e

k r a f t verleiht. 7 Trauben

Grade der

und

daher Most u n d

die gleichsam

Nähr-

Reich an Süßstoffen sind u. a. Rosinen, Feigen, einen

Honig

Süßwein,

ohne

Waben

die öldicke darstellt,

Manna, Und

vor

allem der Honig s e l b s t : 8 dieser t r o p f t aus der L u f t , besonders beim Aufgange gewisser

Gestirne u n d wenn sich ein

bogen

die

niedersenkt,

und

Bienen

beste Sorte ist der T h y m i a n h o n i g , verschieden

an Aroma,

sammeln

ihn

die übrigen

Süße u n d

Regen-

nur.

sind

Die

äußerst

Konsistenz, so d a ß

einige

d a u e r n d dünnflüssig bleiben, andere n a c h k u r z e m Stehen fest werden, was v e r m u t l i c h auf einem größeren beruht.9

Gehalt an

Erde

H o n i g a r t e n , die giftig sind, k o m m e n ebenfalls vor. 1 0

Durch

Gärung

der

süßen

Säfte,

hauptsächlich

des

Mostes, aber auch des Honigs, entstehen Wein und Honigwein (Met), welchen letzteren die T a u l a n t i e r in Illyrien vortrefflich zu

bereiten

Art

wissen; 1 1 der Vorgang vollzieht

Digestion

(Garkochung,

Reifung)

W ä r m e , 1 2 ist aber schwierig zu erklären. Most von süßer noch

Beschaffenheit u n d

berauschend

schaften,

und

kann

ist; 1 3

der

daher

Wein

nicht

sich durch

unter

Einfluß

(nach

der

Fest steht, d a ß der

an sich weder aber

eine

zeigt

„weinig"

diese

Empedokles)

1

Eigenbloß

2 3 4 Zo. VIII, 24. Fa. 1. Zo. V, 22. Pr. XXXVIII, 1. 6 7 8 M. IV, (9), 38. Z. III, 14. Pr. XXXI, 13. Zo. VIII, 7; 9 10 11 W . 17 u n d 19; Zo. V, 22. M. IV, (10), 8. W . 18. W . 22. 12 13 M. IV, (2), 5. Pr. XXII, 23; M. IV, (9), 35. 6

8*

1 16

CHEMISCHES

„gegorenes

UND ALCHEMISCHES

sein,1

Wasser"

AUS

wenn

er

ARISTOTELES

auch

der

nämlichen

G a t t u n g wie das W a s s e r a n g e h ö r t , ja sogar eine A r t Wasser vorstellt. 2 weiter

Jedenfalls

zerlegbare

ist

der

Substanz

Wein

von

eine

einheitliche,

warmer

u n d e n t h ä l t s t e t s Wasser u n d L u f t ,

4

und

süßer

nicht Natur

3

zuweilen aber auch Erde,

die das Festwerden beim Gefrieren, u n d die E n t s t e h u n g eines festen

Rückstandes

beim

bewirkt,

Einkochen

Sorten die d u n k e l r o t e F a r b e verleiht.

5

und

manchen

In das Feuer gegossen,

v e r u r s a c h t der Wein eine F l a m m e , doch h a t er an sich keine Ausdünstung;6 entsteht

verdichtet

sich

der W e i n d u n s t

hierbei, wie in so m a n c h e n

wieder

das

Ursprüngliche,

nämlich

W a s beim T r i n k e n

des Weines den

starke

zum

Geruch

der

besonders reichlich

Gehirn

ähnlichen

Fällen,

Wein,

sondern

Kopf

einnimmt,

aufsteigenden

der dunkelrote,

irgendwie,

nicht

Wasser. 7 ist

der

Dünste,8

die

dichte u n d warme,

stark

s c h ä u m e n d e Wein liefert, 9 sowie der sehr gealterte, weil diesem

allmählich

viel

Wasser

abdunstet

und

so

daher

bei seine

„ S t ä r k e " in u n v e r d ü n n t e r e r Lösung zurückgebieben ist. 1 0 Setzt

man

reinem

Weine

Wasser

zu,

so

hat

zunächst

s e i n e N a t u r das Übergewicht, u n d in ihr b e h a r r e n d assimiliert er sich jene des W a s s e r s ; f ü g t m a n aber steigende Mengen von Wasser

bei, so wird

dieses

allmählich

zum

überwiegenden

Bestandteile und m a c h t den Wein i m m e r wässeriger, und zuletzt, indem es seine Form gänzlich a u f h e b t , völlig zu W a s s e r ; e i n T r o p f e n Wein v e r m i s c h t Kannen Form,

sich n i c h t

mit

zehntausend

Wasser, sondern geht, u n t e r völligem Verlust seiner in

die

Form

geradeso, wie eine

(in

das Wesen)

S p u r Süßigkeit,

des

die m a n

Wassers

über, 1 1

in einer großen

Masse Flüssigkeit gelöst h a t , in der Mischung v e r s c h w u n d e n ist. 1 2 1

2 3 To. IV, 5. P h . 1, 2 ; M. IV, (9), 35. Met. V, 6; Pr. III, 8. 5 6 M. IV, (5), 24. M. IV, (10), 5, 7, 8, 15, 18; P r . XXXV, 11. M. IV, (9), 35; auch in P r . III, 35 taucht n i r g e n d w o der O e d a n k e an einen flüchtigen 7 8 9 Bestandteil auf. M. II, (3), 3 1 ; Pr. XIII, 6. Pr. XIII, 13. P. III, 10 11 12 3; Pr. XXX, 1. Fr. 211. E. 1, 6 u n d 10. St. II, 4. 4

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

\\~J

Beim Stehen in der W ä r m e wird der Wein sauer, indem die Hefe u n t e r T r ü b u n g emporsteigt und das Umschlagen zu Essig b e w i r k t ; 1 zugleich scheidet sich ein Bodensatz ab,

aus

dem W ü r m e r entstehen, die, dem Essig e n t s t a m m e n d , ihn auch stets wieder a u f s u c h e n . 2 Obgleich n u n der Essig aus dem Wein hervorgeht, so ist er doch weder in ihm, noch auch im Wasser, schon potentiell e n t h a l t e n gewesen, u n d l ä ß t sich daher auch nicht wieder in Wein z u r ü c k v e r w a n d e l n ; Essig k a n n n u r dera r t i g wieder zu Wein werden, wie aus einem T o t e n ein Lebendiger wird, d. h. durch völlige Auflösung seiner

Bestandteile

in die Materia p r i m a u n d völlige Neugestaltung dieser letzteren. 3 Wie beim süßen Most, so bewirkt auch beim süßen teige

(fiä^a = Maza,

Massa)

die

dem

zugesetzten

Brot-

Gärungs-

stoffe eigene W ä r m e , d a ß der Teig sauer wird, sein Volumen s t a r k vergrößert, indem sich feste Teile in Flüssigkeiten

und

diese in L u f t verwandeln, 4 sein Gewicht aber bedeutend

ver-

mindert,

Luft entweicht;5

da die

von mannigfaltigem fachen anderen

diese Vorgänge sind

auch

begleitet, sowie von

viel-

Farbenwechsel

Nebenerscheinungen.

Farbstoffe

sich

in

Wurzeln, Stengeln, Rinden, B l ä t t e r n , Blüten und Samen

der

Landpflanzen,7 denen

z. B.

ferner

enthalten

sehr

6

aber

der

auch

Tang auch

verschiedener in

einen tierische

Art

manchen schön

finden

Seegewächsen,

roten

Substanzen

und

Farbstoffe, u. a. Ausscheidung

der S a f t der P u r p u r s c h n e c k e n . 9

Schnecken f ü h r e n in einem besonderen Organe, das («ki?o,')

liefert; 8

(äv&o?)

die Galle, die Sepia, d. i. eine an E r d e reiche der T i n t e n f i s c h e ,

unter

Diese

„Blume"

g e n a n n t wird, bald m e h r bald weniger eines Saftes,

der anfangs, wenn m a n ihn a u s d r ü c k t , f a s t farblos ist, alsbald aber die H ä n d e rötet ( ä v ß i l u ) , Kesseln

glänzend

u n d beim Einkochen in den

hell- bis dunkelrot,

1 Z. III, 37. ' Z o . V , 19. 6 Pr. XXXI, 18. Pr. XXXI, 1—26. 9 (unecht?). Fa. 4 ; T h . IV, (5), 5. 5

3

zuweilen

Met. VIII, 5. ' Fa. 4.

fast

s

schwarz

*' Z. III, 54. Zo. VI, 13

1)8

CHEMISCHES

wird.1

UND AL CII EM IS CIIES

AUS

ARISTOTELES

W e g e n der g r o ß e n K o s t b a r k e i t des P u r p u r s s u c h e n die

Purpurkrämer indem

sie

heimlich

ihre

den

kleine

Kunden

b e i m Abwiegen

Aufhängepunkt

der

zu

Wage

übervorteilen,

verschieben,

Holz o d e r Blei a n sie b e f e s t i g e n . 2

Stückchen

— N i c h t i m m e r sind die b e i m F ä r b e n e n t s t e h e n d e n die

der

Kalk,

ursprünglichen Nitron,

oder

Farbstoffe,

Meerwasser,

und

Atrament

Zusätze,

(unreiner

A l a u n ? ) u . dgl., w i r k e n hierbei v e r ä n d e r n d

Nuancen

wie

Asche,

Vitriol

oder

(als B e i z e n ? ) ; a u c h

lassen z. B. bei Vließen wohl die P o r e n der H a u t m a n c h e F a r b s t o f f e ein, n i c h t a b e r die der Scharfe S ä u r e n

Haare.3

e n t h a l t e n die R i n d e n u n d F r ü c h t e vieler

Gewächse, z. B. die der E i c h e u n d M y r t e ; 4 der s a u r e G e s c h m a c k vieler

Fruchtsäfte verliert

sich (wie

bereits weiter

oben

er-

w ä h n t ) w ä h r e n d des R e i f e n s , u n d g e h t in einen s ü ß e n , öligen, oder s o n s t w i e a n d e r s g e a r t e t e n

über.

Zahlreiche P f l a n z e n s t o f f e L a u f e der zwar

Entwicklung

innerhalb

und

ihrer

entstehen

des

R e i f e n s der

sämtlichen freilich die

überhaupt

Teile;

erst

im

Gewächse,

und

sicherste

Be-

die

obachtung

gestatten

dem

an-

dauernden

E i n f l u ß der W ä r m e a u s g e s e t z t , g a n z sichtlich

F r ü c h t e , - weil

sie,

ihre

l u f t a r t i g e n B e s t a n d t e i l e in w ä s s e r i g e u n d schließlich in umwandeln,

und

hierbei,

Veränderung

der

Farben,

Gewicht zunehmen. heftig

beißenden

5

unter

bedeutend

Zu den

und

gleichzeitiger an

erdige

entsprechender

Festigkeit

und

an

S t o f f e n dieser A r t g e h ö r e n :

Tränen

erregenden

der

B r u n n e n k r e s s e u n d des O r i g a n u m s ; 6 die s t a r k

Zwiebel,

die der

harntreibenden

des P f e f f e r s u n d einiger a n d e r e r S a m e n u n d B l ä t t e r ; 7 die den Darm

an

verschiedenen

Stellen

reizenden,

und

daher

o d e r w e n i g e r a b f ü h r e n d e n des V e r a t r u m s u n d E l a t e r i u m s , S c a m m o n i a u n d T h a p s i a ; 8 die w o h l r i e c h e n d e n a u s gewissen V o g e l n e s t e r n s t a m m t , die v o n den 1

5 8

Zo. V, 15; Fa. 5. M. IV, (3), 4; Fa. 5. Pr. I, 41—43.

2

6

3 Mech. 2. Fa. 4. Pr. XX, 22; Zo. IV, 8.

4

des Z i m t s

mehr der (der

Eingeborenen

Pr. XXII, 11; W. 86. 7 Pr. I, 43; XX, 16.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCIIES

ferner Länder mit von

Menge z u m

ARISTOTELES

Pfeilen von den B ä u m e n

w e r d e n ) ; 1 die einschläfernden Dünste

AUS

Lolch

Hirn

sie

auf,

herabgeschossen

der M o h n f r ü c h t e . 2

M o h n s a f t , Alraunen, so wirken

H9

Steigen

u. dgl., in

schädlich

die

größerer giftig;3

und

ähnlich wie sie v e r h a l t e n sich jene des Plomos (Saponin-haltige Pflanze?), m i t denen m a n die Fische b e t ä u b t , um sie zu f a n g e n . 4 Diese Gifte sind völlig analog den tierischen, z. B. denen der Schlangen, streichen

Sterneidechsen, Vampire u s f . ; 5 m i t Viperngift bedie

Skythen

ihre Pfeile, doch soll Eichenrinde

Gegenmittel die Gefahr der W u n d e n abwenden. 6 ist der Zitterrochen, auch

Menschen

Nicht

er b e t ä u b t vielmehr andere

mittels

(oder am) Maule liegt.

eines

besonderen

Fische

Organes,

als

giftig

das

und im

7

Aus m a n c h e n Pflanzen fließen S ä f t e aus, die sich an der L u f t allmählich verdicken, und u n t e r Verlust ihrer

gesamten

W ä r m e u n d alles ihres Wassers so vollständig erstarren,

daß

die Massen sich nicht oder k a u m m e h r schmelzen lassen.

Dies

sind die H a r z e ,

zu denen z. B. Zedernharz,

Styrax,

rauch, Myrrhe, G u m m i u n d (wie die eingeschlossenen

Weihkleinen

Tiere zeigen) auch Bernstein gehören. 8

Man erzählt, d a ß die

vom

Inseln

Eridanus

Adria

(Po)

eine A r t

Elektron

heißt,

angeschwemmten

Pappeln

tragen,

als H a r z oder

denen Gummi

der

Bernstein,

nördlichen der

entträufelt, und

auch daß

ihn die Einwohner, wenn er e r h ä r t e t ist, einsammeln u n d n a c h Griechenland

verkaufen.9

Alle

Harze

sind

brennbar,

manche, wie der S t y r a x , geben hierbei einen scharfen

und

Rauch,

dessen m a n sich z u m Vertreiben der Insekten b e d i e n t . 1 0

IX. Die Lebewesen. Die N a t u r schreitet so allmählich u n d in so stetigem u n d u n u n t e r b r o c h e n e m Z u s a m m e n h a n g e von den unbeseelten Dingen 1 2 3 4 Zo. IX, 13 (unecht?). Fa. 5 ; P. III, 3. P. III, 3. Z o . VIII, 20. 6 7 8 5 W . 148 u n d 149. W . 141 u n d 86. Zo. IX, 37 (unecht?) M. IV, 9 10 (10), 1 0 - 1 2 u n d 16—18; Zo. IV, 8 ; W . 113. W . 81. Zo. IV, 8.

120

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

zu den Lebewesen fort, d. i. zu den Pflanzen u n d Tieren, d a ß an keiner Stelle dieses Weges feste Grenzen

bestehen,

auch

nicht zwischen den Reichen der Tier- u n d P f l a n z e n w e l t , 1 — denn die B e h a u p t u n g , n u r bei den Pflanzen fehle es d u r c h a u s an einer T r e n n u n g der Geschlechter, 2 t r i f f t nicht zu, wie das ein Blick auf zahlreiche V e r t r e t e r der niederen Tierwelt weist. ein

In

völlig

Wahrheit

besteht

kontinuierlicher,

zwischen

sehr

Pflanzen

allmählicher

und

be-

Tieren

Übergang,

und

einzelne Zwischenglieder, wie die Seescheiden, die Meernesseln, die S c h w ä m m e usf., k ö n n t e m a n m i t gleich triftigen als Pflanzen wie als Tiere bezeichnen. Alle Lebewesen

bestehen

aus

Gründen

3

Elementen,

die sich

nicht

an ihrem natürlichen Orte befinden u n d dies m a c h t ihre Vergänglichkeit,

ihr

Altern

und

ihren

Tod

begreiflich. 4

Keines

von ihnen g e h t allein aus dem Wasser hervor, oder ist n u r aus Wasserteilchen

zusammengesetzt,

jedoch

enthalten

allerdings

z. B. die Wassertiere vorwiegend Wasser, viele L a n d t i e r e

da-

gegen Erde, andere L a n d t i e r e u n d alle beflügelten Wesen z u d e m viel L u f t u n d Feuer, und von entsprechenden S u b s t a n z e n nähren

sie sich a u c h ; 5

nicht

anders wie g u t e

der S t a a t e n , h ä n g e n auch g u t e Beschaffenheiten der

Körper

v o r allem von einer richtigen „Mischung der E l e m e n t e " und

der passenden

natürlichen

Konstitution

eines

auch

äußerlich

seine „ a n g e b o r e n e

Farbe".7

darf

nicht

glauben,

daß

der

denen

sich

Erklärung

die K ö r p e r ihres

der

Daseins

weder die v o r h a n d e n e n

Kenntnis

Lebewesen

Und

ihrer

allein

Doch

Stoffe,

aus

a u f b a u e n , schon

zur

Eigenschaften

Elemente, noch die Arten

s a m m e n f ü g u n g bedingen a l l e i n Tiere, oder m a c h e n

die

ab,6

Menschen

entspricht man

er-

Verfassungen

genügt;8 ihrer

Zu-

die N a t u r der Pflanzen

und

deren Sein verständlich,

vielmehr

liegt auch hier, u n d zwar in e r h ö h t e m Maße, das eigentliche 1 2 3 Z o . VIII, 1. Z. I, 100 u. 102; II, 71. T h . IV, (5), 14 u. 16. 5 6 Hi. II, 6. E. II, 9 ; P. VII, 13; Zo. VIII, 1. St. V, 8 ; S. I, 4 u. 5; 7 3 Ni. VII, 15. Kat. 8. T h . I, (1), 7 u n d 10; II, (1), 2 u n d 4. 4

CHEMISCHES

UND AL CHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Wesen in der W i r k s a m k e i t , d. h. in der Fähigkeit,

121

Wirkungen

hervorzubringen oder a u f z u n e h m e n . 1 Viele Pflanzen u n d Tiere entstehen nicht aus Samen oder durch Zeugung, sondern gelegentlich der Verwesung und Fäulnis erdiger, pflanzlicher, oder tierischer Anlasse

erhebt

sich

z. B.

ein

Stoffe.

Bei

eigentümlicher,

solchem

Wasser

und

E r d e e n t h a l t e n d e r D u n s t , der in der K ä l t e zu Reif gefrieren würde, bei genügender W ä r m e aber den sog. Schimmel ergibt, der infolge seines großen L u f t g e h a l t e s rein weiß ist und sich wie Reif

an

analoger

Weise

ansetzt;2

die Oberfläche des Schimmelnden bildet

sich,

bei

der

Zersetzung

von

in

Säften

gewisser Bäume, die Mistel. 3 W a s die Tierwelt a n b e l a n g t , so e n t s t e h e n u. a. nach vielfältigen

Beobachtungen:

allerlei

u n d S c h l a m m ; 4 Flöhe, W a n z e n ,

Insekten

fliegen, Mücken, u n d K a n t h a r i d e n S c h m u t z aller A r t ; Wolle;7

Moder,

Fischläuse aus S e e s c h l a m m ;

des Essigs, 9

und

Mist Stech-

aus tierischem U n r a t 6

Motten

W ü r m e r aus dem Inhalte der Eingeweide, 8

Bodensatze dem

5

aus

Läuse, Eintagsfliegen,

angeblich

Schnee, den sie nicht verlassen

auch

aus

und aus

aus dem schmelzen-

dürfen ohne sofort zu

sterben, ganz wie dies bei den aus den F u n k e n der cyprischen Kupferschmelzöfen hervorgehenden

Mücken

der

Fall ist,

so-

bald sie aus dem Feuer h e r a u s f l i e g e n ; 1 0 verschiedene Muscheln und

Schnecken aus verschiedenen

Arten fauligen

Schlammes,

in dem sie oft noch u n f e r t i g gegliedert a u f g e f u n d e n w e r d e n ; 1 1 Einsiedlerkrebse aus f e u c h t e r E r d e ; 1 2 Frösche aus Wasser und geronnenem

Schleim; 1 3 Aale aus f a u l e m T a n g ; 1 4 verschiedene

Fische aus Schlamm, Lehm u n d S a n d ; 1 5 vielleicht auch höhere Tiere u n d Menschen aus Erde, diese aber jedenfalls z u n ä c h s t in Gestalt von W ü r m e r n . 1 6 1 1 9 4 M. IV, (12), 2, 5, 7. Z. V, 60. Z. I, 2. Zo. V, 1 u n d 19; 5 Z. I, 2 u n d III, 79. Zo. V, 19 u n d 31; Pr. I, 16; Z. I, 30, 46, 104. 6 1 3 9 10 Z . V , 31. Zo. V, 32. M. IV, (3), 25. Zo. V, 19. Zo. V, 11 14 13 19 (unecht?). Z. I, 104; Zo. V, 15. Zo. V, 15. Pr. I, 13 u. 23. 15 16 » Zo. VI, 15 u n d 16. Zo. V, 11; W . 74. Z. III, 117.

122

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Den A n s t o ß zu allen Vorgängen solcher Art, die sich bei höherer

Temperatur,

unter

einer

Art

Gärung

und

Schaum-

bildung vollziehen, geben W ä r m e u n d L u f t ; 1 die L u f t bringt dabei das Lebensprinzip

mit sich (s. hierüber weiter

unten),

und so wie die E i g e n w ä r m e des K ö r p e r s aus der a u f g e n o m m e n e n N a h r u n g das Material f ü r den E m b r y o , so bereitet die Sonnenw ä r m e aus L u f t , Wasser u n d E r d e das Material f ü r die erste Anlage von Pflanze u n d Tier, 2 u n d v e r a r b e i t e t es in gleicher Art weiter in der sie (oder auch die künstliche W ä r m e ) Eier in der E r d e oder im Mist a u s b r ü t e t . 3 ein

„Garwerden",

um

ein

Es h a n d e l t sich hierbei um

Ausscheiden

des

Unbrauchbaren

und ein Sammeln, Vereinigen, u n d Verbinden des

Geeigneten,

also u m ein Sichten der kleinsten Teilchen jener in Zersetzung oder Verwesung

begriffenen S u b s t a n z e n ;

daher ist

es leicht

begreiflich, d a ß schon kleine U n t e r s c h i e d e in deren Beschaffenheiten äußeren

und

Mengen,

sowie

Bedingungen,

große

geringfügige und

Abänderungen

staunenswerte

der

Differenzen

z u t a g e t r e t e n lassen. 4 Die tierische W ä r m e , die sich a m auffälligsten im

Samen

bemerklich m a c h t , ist keine Art der Feuers, sondern ein luftartiger

Geist

nvevfiu

(Pneuma),

eine

ätherische

Substanz,

deren natürliche K r a f t jener der Sonne u n d der übrigen stirne

analog,

Tieren

sind

also

jene

auch

lebenerregend

die v o l l k o m m e n s t e n ,

wirkt. 5

Unter

d. i. lebendige

Geden

Junge

Gebärende u n d L u f t A t m e n d e , die die meiste natürliche W ä r m e besitzen, als deren M a ß s t a b bei ihnen die W ä r m e der von Blut erfüllten Lunge gelten k a n n ; 6 entsprechend der größeren Vollkommenheit Weibchen,

ist die

daher rechte

auch

das M ä n n c h e n

Seite w ä r m e r

als die

wärmer

als

linke,

und

jugendliche K ö r p e r w ä r m e r als der gealterte, dem eben heiße B l u t der J u g e n d " mangelt. 7

Obwohl der ganze

das der „das

Körper

1 2 Zo. V, 19 u. VI, 15; Z. III, 112 u. 121. Z. III, 114 u. 116. 4 Zo. VI, 2. Z. III, 1 0 7 - 1 1 2 u. IV, 35; Zo. V, 1; M. IV, (I), 5—18 u. (11), 4. 6 7 " Z. II, 3 u. 37. Z . II, 8. Z. IV, 18, 19 u. 99; T h . III, (7), 5; Rh. II, 12. 3

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

eine gewisse W ä r m e besitzt, die er selbst den

123

Exkrementen

m i t t e i l t , 1 so ist doch der Grad dieser W ä r m e keineswegs allerorten der n ä m l i c h e : die größte W ä r m e k o m m t stets dem Herzen zu, was auch seine p r i m ä r e E n t s t e h u n g bei der Bildung des E m b r y o s nicht anders erwarten l ä ß t , 2 die geringste aber dem Gehirn, das f e u c h t u n d kalt ist, a u ß e r d e m aber auch Teile

enthält,

trocken

weshalb

es beim

und h a r t w i r d ,

deutlichsten

zeigen

dabei

Hülsenfrucht.3

wie abgekochte diese

erdige

gerinnt, u n d

Unterschiede

Am

beim

Menschen,

da er u n t e r allen Tieren das größte, kälteste und

feuchteste

Gehirn besitzt.

sich

Kochen

4

Sämtliche Bestandteile des Körpers entstehen durch wandlung

der

Nahrungsmittel.5

zugeführten

Um-

Während

diese

erfolgt, steigen die D ü n s t e vieler Stoffe zum Gehirn auf werden

durch

dessen

Kälte

abgekühlt

und

und

verflüssigt,

ganz

ebenso wie sich die W a s s e r d ü n s t e der E r d e in höheren kalten

Regionen

zu

Regen

verdichten;

6

und

unbrauchbare

und

schädliche Bestandteile fließen dabei aus dem Gehirn in Form von Schleim nach dem Rachen u n d der Nase ab, wo sie die sog. Flüsse und K a t a r r h e verursachen, 7

die b r a u c h b a r e n

und

gesunden hingegen strömen dem Herzen zu, u n d ergeben

das

nährende und

Blut.

8

ist, 9

süßlich

Dieses,

das

in

nimmt

die

umgewandelten

normalem

Zustande

warm

Nahrungsstoffe

in sich auf, f ü h r t sie fort, u n d verteilt sie durch die Adern wie durch Kanäle. 1 0 und

hängen

zeigen,

alle

z. B.

Die Adern zusammen;

farbige

durchziehen wenn

Einreibungen

den

sich an

den

ganzen

hierin Augen

Körper

Störungen (in

die

A u g e n ? ) nicht auch den Speichel f ä r b e n , oder die A r o m e der Umschläge,

die m a n

bei

Frauenkrankheiten

verordnet,

nicht

in der A t e m l u f t bemerklich werden, so d e u t e t dies auf k r a n k h a f t e Z u s t ä n d e hin. 1 1

4 8

1 2 3 M. II, (3), 29. Z . II, 95. Z . II, 95 u. V, 4 2 ; T h . II, (7), 2 u. 6. 5 6 7 P . I, 5 ; T h . II, (7), 6. Z. I, 69. T h . II, (7), 4. P. III, 3 ; P r . II, 17. 9 10 11 P. III, 3. Z o . III, 19. Z . I, 6 9 ; II, 8 9 — 9 1 . Z . II, 123.

124

CHEMISCHES

UND ALCHEMJSCHES

F ü r die einzelnen Teile des

AUS

ARISTOTELES

Körpers und für

bestimmte

seiner S u b s t a n z e n , z. B. das F e t t , die Galle usf., gibt es vermutlich auch b e s t i m m t e N ä h r s t o f f e , die ihnen entweder direkt z u g r u n d e liegen, oder, durch weiteren A b b a u u n d A u f b a u ihrer Bestandteile,

indirekt

in

sie

überzugehen

vermögen;1

sickern nun aus dem Blute durch die W a n d u n g e n

diese

der Adern

h i n d u r c h , ganz wie Wasser durch poröse Tongefäße, gelangen so in erforderlicher A r t u n d Menge an den richtigen Ort, und werden dort bald ohne weiteres v e r b r a u c h t , bald durch W ä r m e oder K ä l t e erst e n t s p r e c h e n d v e r ä n d e r t : das Erdige z. B. wird „ v e r h ä r t e t " zu Nägeln, H ö r n e r n , Hufen, Schnäbeln oder Eierschalen,

„gebacken"

(wie T o n )

zu

harten,

unverbrennlichen

Knochen, u m g e a r b e i t e t zu H a a r e n , an denen, wenn sie frisch ausgezogen

sind,

leichte

Körperchen

beim

Berühren

hängen

bleiben usf. 2 Wird dem Blut, das ebenso wie die L y m p h e , aus der es d u r c h Sperma,

„Garwerden"

das M a r k , u n d

hervorgehen

der H a r n ,

4

k a n n , 3 und wie

eine gewisse

das

natürliche

W ä r m e h a t , diese entzogen, so m a c h t sich sofort sein

Erd-

artiges in

tritt

Form

festen

Faserstoffes bemerklich

und

es

G e r i n n u n g ein, der weiterhin Fäulnis und Zersetzung folgen. 5 Das F e t t

aus dem B l u t 6 u n d zwar

entsteht

lich bei reichlicher Z u f u h r mehligen und süßen sich leicht in F e t t u m w a n d e l t ; Fett

sind

hängig,8

aber

vom

beeinflussen

und

Funktionen,

auch

so

z. B.

7

hauptsäch-

Futters,

das

Bildung und Ablagerung von

ganzen

Ernährungszustande

ihrerseits wieder

beeinträchtigt

die

übermäßige

ab-

körperlichen Stärke

der

F r a u e n ihre F r u c h t b a r k e i t . 9 Die M i l c h

geht aus dem Blute durch ein

„Garwerden"

hervor, in Mengen, die m i t der Körpergröße u n d der Gesundheit der

Individuen a u ß e r o r d e n t l i c h wechseln, u n d durch

1

4

Met. VIII, 4. M. IV, (11), 4.

die

4

5

3 Z. II, 8 9 - 9 1 ; Z o . III, 11. Z o . III, 19. T h . II, (4), 1 u n d 2 ; III, (5), 5 ; M. IV, (10), 5 u. 18;

6 (7), 13. Z o . III, 19; T h . II, (5), 1. 9 Z . I, 65 u n d III, 122; Z o . III, 17.

9

7 Z o . VIII, 7 u n d 2 1 ; Z. I, 65. Z. I, 7 7 ; II, 221.

CHEMISCHES

Art

der

UND ALCHEMISCHES

Nahrung,

Pflanzen

und

können.1

Sie

namentlich

Kräuter, ist

Konzentration,

bei

in

AUS

aber

hohem

ARISTOTELES

durch Grade

verschiedenen

Genuß

gewisser

gesteigert

Tieren

von

Festigkeit u n d

werden

ungleicher

u n d e n t h ä l t m e h r oder weniger an

von wechselnder

125

Käsestoff

Schwere, an Molken und

F e t t , das sich als ölige S u b s t a n z a b s c h e i d e t ;

2

an

ihre erdartigen

Bestandteile bewirken, daß sie in der K ä l t e leicht gefriert und beim

leicht gerinnt. 3

Erwärmen

Die Gerinnung erfolgt

aber

auch auf Zusatz des Labes, eines an E r d a r t i g e m reichen Stoffes, den

viele Tiere

enthalten,

namentlich 4

Labkraut

gefressen

haben;

auch

aus

Feigenstämmen

der

den

die

bedeutende

Hasen,

Mengen

abtropfende

wenn

sie

Lab

führt

Saft,

daher

f ä n g t m a n ihn in Wolle auf, spült die F ä d e n mit einer kleinen Menge Milch ab, u n d setzt die Flüssigkeit der gesamten restlichen Milch zu. 5 Damit

das Blut

Fett und

Milch bilden

könne,

muß

es

gesund u n d süß bleiben, u n d hierzu ist die Ausscheidung der zu hitzigen u n d bitteren Bestandteile erforderlich; diese vollzieht die L e b e r ,

und ihr E x k r e t ist die G a l l e ,

die bei ver-

schiedenen Tieren auch verschiedene Bitterkeit u n d F a r b e zeigt. 6 Andere

unbrauchbare

Stoffe

beseitigt

die

Harnblase,

die, wenn m a n sie Leichen e n t n i m m t , nicht einmal m e h r f ü r Flüssigkeiten

durchlässig ist, bei

Lebenden

aber auch

jenen

trockenen erdigen Bestandteilen den Ausgang g e s t a t t e t ,

durch

deren

Steine

Zurückbleiben

und

muschelartige

mit

einer

bei

gewissen

Krankheiten

Stücke entstehen. 7

Harnblase

versehenen

harte

Der Ausscheidung

Tiere

entspricht

bei

der den

übrigen, z. B. bei den Vögeln u n d Amphibien, die A b s o n d e r u n g einer erdigen, salzartigen Masse (d. i. der H a r n s ä u r e ) in

den

Exkrementen.8 1

2 3 Z. IV, 118; Zo. III, 21. Zo. III, 20; IV, 20. Z. II, 2 6 ; 4 Zo. III, 2 0 ; M. IV, (10), 5, 7, 15, 18. T h . III, (15), 1; M. IV, (7), 11. 5 6 Zo. III, 20 u. 21. Th. IV, 1—5; Zo. II, 1 - 5 ; Zo. III, 2 scheint unecht. 7 8 Zo. III, 15. T h . IV, 1; (5), 5.

126

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Weitere Stoffe, die sich aus den K ö r p e r s ä f t e n verschiedener Tiere bilden, sind das E i w e i ß g e r i n n t , 1 der L e i m ,

der Eier, das beim

Erwärmen

jene schlüpfrige f e u c h t e Masse, die m a n

aus R i n d e r h ä u t e n u. dgl. darstellt, 2

u n d die S e i d e ,

die den

K o k o n s eines auf der Insel Kos lebenden Schmetterlings entstammt.3 Die m e r k w ü r d i g s t e u n d wichtigste Ausscheidung aus dem Blute

ist

der

Samen,

dessen

charakteristischer

Bestandteil

der warme, lebenerregende, ätherische Luftgeist, das

Pneuma,

bildet, der aber auch Wässeriges u n d Erdiges e n t h ä l t , u n d so vor Augen stellt, wie E r d e nicht n u r zu einem Erz u m g e s t a l t e t werden

kann,

sondern

auch

zu

M e n s c h e n ; 4 je

einem

stark-

knochiger ein Tier, desto erdartiger m u ß der Samen sein, d a ß aber

jener

des

Elefanten

zu

einer

bernsteinähnlichen

e r h ä r t e , ist eine von K t e s i a s v e r b r e i t e t e Fabel. f r u c h t u n g ist

das Weibchen

der passive,

5

Masse

Bei der Be-

empfangende

Teil,

u n d bietet in den K a t a m e n i e n n u r den Stoff dar, w ä h r e n d das Männchen den a k t i v e n und wirksamen Teil darstellt, u n d den A n s t o ß zur

E n t w i c k l u n g g i b t ; 6 die Art der

männlichen

Prinzipes auf

gleicht jener

Einwirkung

das weibliche bei der

des gerinnen-machenden

des

Befruchtung,

Labes auf

die

Durch den Samen gelangen angeborene, aber auch

Milch. 7

erworbene

Eigenschaften zur Vererbung, u n d zwar auch solche f r ü h e r e r Vorfahren,

wobei

indes

übersprungen werden;

8

nicht

selten

einzelne

Generationen

diese Erscheinung läßt sich allein durch

das Vorhandensein potentieller Anlagen erklären, die erst bei einem späteren Geschlechte wieder aktuell h e r v o r t r e t e n . 9 Die E r f a h r u n g , werden,

bestätigt

daß

auch geistige

Eigenschaften

die wichtige T a t s a c h e ,

daß

vererbt

„Körper"

und

„ G e i s t " d u r c h a u s u n d auf das Innigste z u s a m m e n h ä n g e n , nicht weil sie m i t e i n a n d e r k o m b i n i e r t

sind, — eine solche

Kom-

1 2 3 4 Z. III, 40; Zo. VI, 2. Z o . III, 11. Zo. V, 19. Z. II, 37; 6 6 7 Met. IX, 7. Z. II, 39; Zo. II, 22. Z. I, 96; II, 61 u n d 69. Z. I, 8 9 88; IV, 72. Z. I, 3 5 - 3 7 ; Zo. VII, 6. Z. IV, 53.

CHEMISCHES

bination

UND ALCHEjSIISCLIES

bliebe

auch

selbst

weil sie eine E i n h e i t

wieder

AUS

ARISTOTELES

unerklärlich

127

—,

sondern

bilden, in dem Sinne, daß der Leib als

das W e r k z e u g (Organon) der Seele f u n k t i o n i e r t . D a ß gewisse Tiere, auch wenn m a n sie zerschneidet, in jedem Teile weiterleben (gleich Stecklingen von Pflanzen), d a ß körperliche geistige

Zustände

einflussen, d a ß bekämpfen

sich

man

und

zu

in

weitgehender

Art

Geisteskrankheiten bessern

vermag,

gegenseitig

durch

die

Heilmittel

doch

nur

auf

und bezu den

Körper einwirken,' — diese u n d ähnliche B e t r a c h t u n g e n zeigen, in wie innigem

Verbände

Seelisches

und

Leibliches

Verschieden erscheinen sie ü b e r h a u p t n u r je nach dem

stehen.1 Stand-

p u n k t e des Z u s c h a u e r s : den Zorn z. B. wird der n u r auf das Äußerliche Sehende, der „ P h y s i k u s " ,

als ein A u f b r a u s e n

des

heißen Herzblutes erklären, hingegen der das Innere Betrachtende, der Psychiker, als Begierde nach R a c h e oder Wiederv e r g e l t u n g ; 2 f ü r die bloße äußere A n s c h a u u n g ergäbe sich auch die R ö t e der Gesundheit als identisch mit jener der Als Werkzeuge,

Organe,

funktionieren

auch

die

Scham. 3 Sinnes-

organe, n a m e n t l i c h Auge u n d Ohr, die dem Gehirne sehr n a h e stehen, ja, wie das feuchte, wässerige u n d d a h e r durchsichtige .Auge, u n m i t t e l b a r aus ihm h e r v o r g e h e n ; 4 sie n e h m e n die Bewegungen der L u f t auf, u n d e r m ö g l i c h e n Hören, aber das, w a s übermittelten

so das Sehen und

m a n sieht und h ö r t (d. h. nicht

Bewegungen,

sondern

Bilder

und

die

Töne),

bewirken sie n i c h t . 5 Schlußbetrachtung.6 1 Wie die W e l t m o n a r c h i e nach dem Hinscheiden A l e x a n d e r s des Tode

Großen, des

so zerfiel das

Aristoteles;

Reich

Philosophie

des Wissens nach und

Naturkunde,

dem die

1 2 3 4 S. I, 4 u n d 5; II, 2; Pg. I, 4. S. II, 1. Kat. 8. S. III, 5 6 1 u n d 13; P. I, 2. S. III, 13. Betreff der ungeheueren Literatur über A r i s t o t e l e s m u ß auf die letzte Auflage des U e b e r w e g - H e i n z e s c h e n

128

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

seine H a n d noch einmal als gleichwertige Hauptzweige e r f a ß t und

vereinigt gehalten

hatte, strebten

nunmehr

auseinander,

sie verloren z u d e m ihre eigene innere Einheit, und

begannen

sich in eine große Anzahl besonderer Fachwissenschaften a u f zulösen. Die philosophischen

Leistungen

des A r i s t o t e l e s

müssen

an dieser Stelle a u ß e r B e t r a c h t u n g bleiben, u n d sind n u r insofern in E r i n n e r u n g zu bringen, als es die Höhe seines Ges a m t s t a n d p u n k t e s w a r , die A r i s t o t e l e s Wesentliche

befähigte, auch

der f ü r die N a t u r f o r s c h u n g gültigen

das

Grundsätze

u n d allgemeinen A n s c h a u u n g e n mit erstaunlicher Sicherheit zu erfassen u n d in u n ü b e r t r e f f l i c h e r K l a r h e i t darzulegen. Diese Prinzipien aber in folgerichtiger Weise auch auf die Naturwissenschaft

anzuwenden,

der eindringlichen

Schärfe der E r k e n n t n i s

ist ihm versagt

geblieben,

w a r auf

Gebiete kein gleich intensives Vermögen der

zugesellt, u n d der große Denker bezahlte so seinem und

der

menschlichen

Unvollkommenheit

diesem

Durchführung den

Zeitalter

Tribut,

der

keinem Forscher gänzlich e r s p a r t bleibt. Man darf b e h a u p t e n , d a ß es keine einzige der ewig w a h r e n , als Ergebnis tiefster u n d reifster Einsicht anzusehenden aristotelischen

Grundlehren

in wiederholter hätte.

und

gibt, gegen die nicht ihr A u t o r oft k a u m

begreiflicher Weise

selbst

verstoßen

Unwiderleglich fest stehen seine Sätze, daß m a n an die

Wissenschaft (also auch an die N a t u r w i s s e n s c h a f t ) ohne vorgefaßte

Meinungen

obachtungen richtigen

und

heranzutreten Erfahrungen,

habe, jetzige

E r k e n n t n i s f ü h r e n , d a ß auf

Augenschein,

und

auf

weitgehende

daß wie

allein

Be-

künftige,

Einzelfälle, auf

Extrapolation

zur

bloßen

gegründete

Grundrisses verwiesen w e r d e n ; von neueren Werken seien n u r noch ang e f ü h r t : D e B o e r , „Geschichte der P h i l o s o p h i e des Islams" (Stuttg. 1901); W . H e r z , „ G e s a m m e l t e A b h a n d l u n g e n " (Stuttg. 1905); G i l b e r t , „ D i e meteorologischen Theorien des griechischen A l t e r t u m e s " (Leipzig 1907) ; W o h l w i l l , „Galilei" ( H a m b u r g 1909), u n d der soeben ausgegebene 3. Band von G o m p e r z ' „Griechischen D e n k e r n " (Leipzig 1909).

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Schlüsse unzulässig seien oder n u r wertlose

129

Scheinerklärungen

ergäben, d a ß Stoff u n d Form eine u n t r e n n b a r e Einheit bilden, d a ß das Wesen der Dinge in ihrer W i r k s a m k e i t zu suchen sei, daß keine Definition auch das Sein des Definierten verbürge, daß allen Erscheinungen ein U n e r k l ä r b a r e s z u g r u n d e liege, usf.

Aber in welchem überraschenden

satze zu diesen allgemeinen seine speziellen

(„Metaphysisches") Gegen-

Lehren des A r i s t o t e l e s

Ausführungen

auf

dem

Gebiete

stehen

der

Einzel-

wissenschaften, u n d ganz besonders auf dem der P h y s i k Chemie!

und

Es sei in dieser Beziehung n u r auf einige der wich-

tigsten P u n k t e aus dem Umkreise jener Ansichten

verwiesen,

deren z u s a m m e n f a s s e n d e Darstellung in den vorstehenden neun Abschnitten versucht wurde. Die U n z e r s t ö r b a r k e i t der Materie h a t A r i s t o t e l e s erkannt,

die der

Descartes)

für

Energie eine

geahnt,

solche

jedoch

der

(ähnlich

richtig

wie

Bewegungsgröße

noch

gehalten;

auch begegnen wir z u t r e f f e n d e n Vorstellungen der T a t s a c h e n , d a ß alle Schwere n u r relativ ist, u n d d a ß stets Energie aufgewendet werden m u ß , u m einen bewegten Körper zur R u h e oder einen r u h e n d e n in Bewegung zu bringen.

Die Lehre v o m

W e l t g e b ä u d e v e r w e r t e t jedoch diese Einsichten in keiner Weise u n d bleibt daher u n v e r e i n b a r mit den Gesetzen der E r h a l t u n g der Bewegungsgröße und der T r ä g h e i t ; ganz willkürlich

sind

ihre Theorien ü b e r die natürlichen Orte, über das Oben

und

U n t e n im Weltall u n d die Unmöglichkeit der Antipoden,

über

die absolute Schwere u n d Leichtigkeit, und über die zentrale u n d weltbeherrschende n u r ein „ P u n k t

im

Stellung der

Raum"

und

Erde, die doch

ein „ S t e r n

unter

zugleich Sternen"

sein soll; auch ihre A n n a h m e v o m Äther, als einem den ganzen H i m m e l s r a u m erfüllenden, von den irdischen Elementen durchaus

verschiedenen,

Stoffe, s t e h t

und

in völligem

mit

ihnen

ganz

Widerspruche

mit

unvergleichbaren der

Erkenntnis,

d a ß die Materie überall ein u n d dieselbe ist, „ u n d wenn mehrere Weltalle gäbe, auch in diesen". v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.

II.

9

es

130

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

D u r c h a u s z u t r e f f e n d ist die (von vielen erst B o y l e geschriebene)

Definition

der

Elemente,

zu-

die E r k e n n t n i s ,

daß

jedes Geschehen, also auch das chemische, das Vorhandensein unausgeglichener der A t o m i s t i k

Gegensätze

erfordere, sowie die

(in ihrer alten

Bestreitung

und ursprünglichen Form),

die

Anlaß zur Aufstellung höchst wichtiger Sätze gibt, u. a. jenes von

der

Unmöglichkeit

jenes von

einer vollendeten

der u n b e g r e n z t e n

Teilbarkeit

Unendlichkeit, stetiger

und

Größen,

aus

der jedoch nicht deren Z u s a m m e n s e t z u n g aus unendlich kleinen Teilchen folgt; m a n g e l h a f t b e g r ü n d e t ist die Theorie der kontinuierlichen

Raumerfüllung,

Möglichkeit eines leeren

und

haltlos

die

Ablehnung

R a u m e s (Vakuums).

der

Richtigem

Ein-

sehen e n t s p r i n g t das Verlangen, m a n solle die Zahl der

Ele-

m e n t e nicht größer a n n e h m e n , als sie zur E r k l ä r u n g der T a t sachen

u n b e d i n g t nötig sei; ganz willkürlich

ist aber

wieder

die Aufstellung von gerade vier E l e m e n t e n , ihre Identifizierung mit

denen

der alten

Naturphilosophen

(Erde,

Wasser,

Luft,

Feuer), und die Ableitung der ihnen in absolutem Sinne zugeschriebenen H a u p t e i g e n s c h a f t e n aus jenen N a t u r e n der vier, teils a k t i v e n ,

teils passiven

Qualitäten,

n u r relative e r k a n n t w u r d e n . n a h m e einer einheitlichen wird

zwar

bleibt

die

erwähnt, fruchtbare

aber

die. doch

selbst

als

Die Schwierigkeit, die die An-

U r m a t e r i e (Materia prima) nicht

weiter

Vorstellung

der

bedingt,

berücksichtigt, im

daher

Kreisprozesse

er-

folgenden U m w a n d l u n g e n jeder W e i t e r e n t w i c k l u n g unfähig, u n d die Beziehung zwischen Materia p r i m a , E l e m e n t e n , u n d Einzelkörpern so

durchaus

überaus

unklar.

bedeutungsvolle

Völlig dunkel Verhältnis

erscheint zwischen

auch Stoff

das und

F o r m ; die richtige E r k e n n t n i s ihrer E i n h e i t ist f a s t n u r in der Theorie v o r h a n d e n , p r a k t i s c h aber herrscht beinahe a u s n a h m s los der u n v e r h ü l l t e s t e Dualismus, wobei zumeist die Form als das Wesentliche, Verursachende, Zwecksetzende und Zielstrebige v o r h e r r s c h t , zuweilen a b e r auch der Stoff. Obwohl dieser n ä m lich in der Regel als rein passiv, als ausschließlich e m p f a n g e n d

CHEMISCHES

UND ALCHEM1SCIÍES

AUS

ARISTOTELES

131

u n d erleidend bezeichnet wird, so schreiben ihm doch einzelne Stellen auch wieder ganz positive Eigenschaften zu, u. a. das stete Verlangen, nach seinem natürlichen Orte z u r ü c k z u k e h r e n , sowie die

Fähigkeit,

den Zwecken

der N a t u r

mit

kleinerem

oder größerem Erfolge W i d e r s t a n d zu leisten; die Spuren dieses letzteren

treten

dann

oft in

Gestalt

von

Mißbildungen

und

Mißgeburten zutage, von denen es freilich auch wieder heißt, „sie seien nicht wider die N a t u r , sondern n u r wider den gewöhnlichen Verlauf der D i n g e " . 1 Von

großer

„Mischung"

Bedeutung

und

ist

„Verbindung"

die (in

Scheidung modernem

zwischen Sinne

ge-

n o m m e n ) , die richtige E r k e n n t n i s v o m Wesen der chemischen Verbindung, wird,

die

sogar

die B e m e r k u n g ,

als

Gleichgewichtszustand

aufgefaßt

d a ß die flüssigen Stoffe am leichtesten

a u f e i n a n d e r einwirken, — hierher s t a m m t zweifellos der

Satz

„ c o r p o r a non a g u n t nisi f l u i d a " (die K ö r p e r reagieren n u r in flüssigem Z u s t a n d e ) —, endlich die, freilich noch sehr u n d e u t liche Vorstellung, d a ß Verbindungen stets b e s t i m m t e ihrer Bestandteile e n t h a l t e n ; alle näheren R i c h t u n g sind aber

wiederum

Angaben

unzureichend

und

Mengen in

dieser

willkürlich.

W a s die E r k l ä r u n g e n über die einzelnen E l e m e n t e b e t r i f f t , so fällt es z u n ä c h s t auf, in wie oberflächlicher Weise zuweilen über gewisse W i d e r s p r ü c h e tiefgreifender N a t u r hinweggegangen w i r d : denn soll z. B. im Wasser nicht die Kälte, sondern die Feuchtigkeit vorherrschen, das Feuer kein eigentliches E l e m e n t sein, und der Ä t h e r m i t dem

Feuer zusammenfallen, so ent-

stehen in der ganzen A r c h i t e k t o n i k des aristotelischen

Systems

die gefärhrlichsten Risse; aber kein W o r t weist auf diese hin, und

ebensowenig wird der geringste Versuch g e m a c h t ,

bedenklichen

A u s f ü h r u n g e n gegenüber

derlei

die Einheitlichkeit

des

Lehrgebäudes als g e w a h r t zu erweisen. Hinsichtlich

des

Feuers

bleibt

es bemerkenswert,

daß

die Sonne u n d die Gestirne nicht selbst heiß sein, sondern die 1

Z. IV, 63. 9*

132

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

Wärme der oberen Regionen nur indirekt, vermöge der Reibung ihrer Sphären, erzeugen sollen, und zwar durch Entzündung der rauchartigen Dünste, denen bei der Entstehung der Gewitter und der Kometen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle zugeteilt wird. Auch die Luft enthält, neben den feuchten Dünsten ihrer unteren Schichten, noch heiße rauchartige, die hauptsächlich die oberen Regionen erfüllen; A r i s t o t e l e s glaubt, daß sie durch Reibung entzündet werden können, und stellt dabei den merkwürdigen, an R o b e r t M a y e r gemahnenden Satz auf, daß zwar der Akt der Erwärmung auf Bewegung beruhe, nicht aber die Wärme selbst. Den „feuchten Dünsten" der unteren Schichten, und der blauen (durch die große Verdünnung bedingten) Farbe der oberen zum Trotz, soll übrigens die Luft in Berührung mit Wasser nicht feucht werden, und in heißem Zustande dichter sein als in kaltem. Mit Nachdruck wird darauf hingewiesen, daß die Luft, entgegen dem Augenschein, substantieller N a t u r sei, daß alle Körper, ihrer „Größe" entsprechend, wie Wasser so auch Luft verdrängen, daß die Luft Gewicht besitze (wie der Versuch mit dem Abwägen des Brotteiges vor und nach der Gärung lehrt), und daß sie unter geeigneten Umständen Druck erleide und ausübe; auf letztere Eigenschaft gründet sich u. a. die absonderliche aristotelische Theorie des Wurfes, die (trotz aller von P h i l o p o n o s bis auf G a l i l e i erhobenen Angriffe) im wesentlichen bis in das 17. J a h r h u n d e r t hinein herrschend blieb, sowie die ebenso merkwürdige Lehre von der Emission des Samens, der zweifellos die Idee der „Aura seminalis" entstammt, jenes „Samenhauches", der bei A r i s t o t e l e s Rebhühner und Steinhühner befruchtet, bei späteren Autoren ( z . B . P l i n i u s ) aber auch Kühe und Stuten. 1 Die Beobachtung, daß manche Arten der Luft zum Atmen untauglich sind, f ü h r t zu keiner weiteren Folgerung, und der 1

S. auch L u c i a n , „Das Opfer", cap. 6, und „Toxaris", Kap. 38.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

133

Z u s a m m e n h a n g zwischen A t m u n g und W ä r m e p r o d u k t i o n bestritten:

wird

soll doch der Zweck der A t m u n g allein -die

k ü h l u n g des heißen

Herzblutes sein, weshalb die im

lebenden Tiere, denen

Ab-

Wasser

L u f t nicht zur V e r f ü g u n g steht,

diese

K ü h l u n g durch Einziehen von Wasser bewirken müssen. Sehr b e d e u t s a m

ist die E r k e n n t n i s von der

Vermittlung

des Sehens u n d Hörens durch die „ L u f t " , als durch ein Medium, das Licht u n d Schall vermöge eines Bewegungsvorganges f o r t p f l a n z t ; die E r w ä h n u n g der, wenn auch sehr u n v o l l k o m m e n e n Hör- oder S p r a c h r o h r e d ü r f t e die älteste in der L i t e r a t u r nachweisbare sein; richtig ist auch die E r k l ä r u n g des Echos, sowie auch

die

der

deutlicheren

Schallwahrnehmung

während

N a c h t , — die noch A l e x a n d e r v o n H u m b o l d t

der

als eine von

ihm n e u e n t d e c k t e v o r t r ä g t . Die

Schilderung,

Wassers

beim

die

Aristoteles

Erhitzen u n d

Verhalten

des

Kochen gibt, ist sichtlich

vom

von

der B e m ü h u n g getragen, dasjenige zu unterscheiden, was wir h e u t e als Dampf u n d als Gas bezeichnen, — ohne d a ß er jedoch dieses,

auch

an

mehreren

anderen

irgendwie zu erreichen v e r m ö c h t e .

Stellen

angestrebte

Ziel

Zutreffend beobachtet

ist

die gewaltige V e r ä n d e r u n g des Volumens bei der V e r d a m p f u n g , sowie

bei

Rückbildung

von

Wasser

beim

Verdichten

des

D a m p f e s ; K e n n t n i s von der eigentlichen Destillation, die m a n ihm

hat

zuschreiben

wollen,

besitzt

keiner Weise (s. auch weiter u n t e n ) . schauliche, noch in G o e t h e s Wasser" laufe

deutlich

von

der

Aristoteles

in

„ G e s a n g der Geister über dem

wiederklingende

des Wassers,

aber

— Richtig ist die an-

Beschreibung

Tau-

und

vom

Kreis-

R e i f b i l d u n g im

Zu-

s a m m e n h a n g e mit der stärkeren W ä r m e a u s s t r a h l u n g der

Erde

während

Ent-

stehung

klarer der

und

kalten

windstiller und

heißen

Nächte,

und

Quellen;

die

von

der

Einflüsse

der

Niederschlagsmengen finden hierbei g e b ü h r e n d e W ü r d i g u n g u n d f ü h r e n z u m Gedanken des Regenmessers. Durchaus

willkürlich

behandelt

ist

die,

allerdings

sehr

134

CHEMISCHES

schwierige

Frage

Meerwasser, „heißen

UND ALCHEMISCHES

nach

und

Ursprünge

was bei diesem

Dünste",

vorgebracht

dem

wird,

sowie

über

ist nicht

AUS

ARISTOTELES

des

Salzgehaltes

Anlasse abermals

deren

nur

an

angebliche sich

über

im die

Auslaugung

unhaltbar,

sondern

widerspricht auch völlig der an vielen Stellen hervorgehobenen T a t s a c h e der besonderen Reinheit des Regenwassers; erfreulich bleibt

nur

die B e s t i m m t h e i t ,

mit

der (hier wie

anderwärts)

weitgehende geologische V e r ä n d e r u n g e n auf allmähliche, w ä h r e n d unbegrenzt

langer Z e i t r ä u m e

s t a t t f i n d e n d e Vorgänge

zurück-

g e f ü h r t werden. Die Lehre von der B e d e u t u n g des Wassers f ü r die Überm i t t l u n g der Geschmäcke gelöster S u b s t a n z e n , „wobei gleichsam das Spitze sticht u n d

das S t u m p f e s t ö ß t " , ist f ü r alle

Folgezeiten m a ß g e b e n d geblieben, sie beherrscht noch im und zu Beginn des

18. J a h r h u n d e r t s

H ä k c h e n t h e o r i e " des D e s c a r t e s

und

die sog. „ S p i t z e n -

17. und

Lemery.

F ü r die Vorgänge, die innerhalb der E r d e zur E n t s t e h u n g der Mineralien und besonders der Metalle Anlaß geben, spielen wiederum die f e u c h t e n d a m p f a r t i g e n und die trockenen rauchartigen

Dünste

maßgebende

{äva&vfiic/Mtq

und

äTfudddtjq

ä u ß e r s t wichtige

Rolle.

und xunvcüöriq) Es ist

eine

bemerkens-

wert, daß aus letzteren, indem sie sich selbst e n t z ü n d e n

und

andere Stoffe in B r a n d setzen, S u b s t a n z e n hervorgehen sollen, denen noch i m m e r die nämliche Eigenschaft der B r e n n b a r k e i t verblieben ist, wie z. B. Schwefel und Kohle; die

Erwähnung

der schädlichen, ja tödlichen W i r k u n g e n der „ D ä m p f e b r e n n e n d e r K o h l e n " ist der älteste Hinweis auf die Gefahren des Kohlenoxydgases, u n d f i n d e t sich durch die B e m e r k u n g ergänzt, d a ß glühende

Kohlen u n t e r einem dicht schließenden

Deckel

als-

bald erlöschen, — ohne daß aber der Abschluß von der L u f t als b e d i n g e n d e Ursache e r k a n n t wird. Die V o r a u s s e t z u n g

von

der

Bildung

der

Metalle

durch

V e r d i c h t u n g der f e u c h t e n d a m p f a r t i g e n D ü n s t e zwischen Felsen und

Gesteinen

h a t s p ä t e r h i n zur Folgerung g e f ü h r t , d a ß

sie

CHEMISCHES

zu

wachsen

eigentliches

UND ALCHEMISCHES

und

AUS

nachzuwachsen

organisches

ARISTOTELES

vermögen

Wachstum

nach

135

(wenngleich

Aristoteles

ein nicht

a n g e n o m m e n werden kann), und d a ß sie, mit A u s n a h m e

des

Goldes, noch m e h r oder weniger Erde, sämtlich aber Wasser enthielten; freilich soll dieses n u r potentiell

(dem

Vermögen

nach) in ihnen v o r h a n d e n sein, aktuell a b e r erst beim Schmelzen hervortreten,

das

ohne

Wassergehalt

unmöglich

wäre.

Von

sonderer B e d e u t s a m k e i t sind die Hinweise auf die n a h e Verwandtschaft

ähnlich

„feuerfarbiger"

gefärbter

Legierungen,

Metalle, sowie

wie

des

des

Silbers

Goldes und

und

Zinnes,

die, als zur gleichen G a t t u n g gehörig, in vielen Eigenschaften übereinstimmend, schieden,

und in anderen

wechselseitigen

n u r dem

Überganges

Grade nach

ineinander

ver-

fähig

sind;

höchst wichtig ist namentlich die E r k l ä r u n g der U m w a n d l u n g des

K u p f e r s in

Bronze durch

das Zinn, das hierbei,

„unter

Auflösung seiner F o r m " völlig verschwinden, und keine andere Spur seines Daseins hinterlassen soll, als die V e r ä n d e r u n g der F a r b e und H ä r t e , des Glanzes und der Festigkeit. Es ist b e a c h t e n s w e r t , d a ß A r i s t o t e l e s Weise,

unter

Betonung

der

Veränderung

in ganz analoger der

Farben,

sowie

der A u f n a h m e oder Abgabe einzelner Elemente, auch die U m w a n d l u n g der F r ü c h t e beim Reifen, sowie die des

Brotteiges

(fjä^a == maza) beim Backen erklärt, und d a ß er eine völlige „ A u f l ö s u n g der F o r m " nicht n u r f ü r das Zinn a n n i m m t , das

K u p f e r in die Bronze ü b e r f ü h r t ,

Körnchen

sondern

auch

Süßigkeit, das von einer großen Menge

aufgenommen wurde,

das

f ü r das

Flüssigkeit

oder auch f ü r den Tropfen Wein,

der

sich mit z e h n t a u s e n d K a n n e n Wasser v e r m i s c h t . Daß

Aristoteles

Kenntnis

von

einem

brennbaren

Be-

standteile des Weines g e h a b t h a b e (wie u . a . B e r t h e l o t

an-

gab), ist ganz irrtümlich, er e r w ä h n t nämlich nur, daß Wein, in b r e n n e n d e s und

Feuer gegossen, eine F l a m m e

diese B e o b a c h t u n g

entstehen

lasse,

d ü r f t e ebenso alt sein wie die Sitte,

die glimmenden Opferfeuer m i t Wein zu n e t z e n ; aus den oben

136

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

a n g e f ü h r t e n B e m e r k u n g e n über den Wein geht vielmehr klar hervor,

daß

ihn

Aristoteles

für

einen

einheitlichen

hielt u n d keine A h n u n g v o m Vorhandensein

Stoff

einer flüchtigen,

durch V e r d a m p f u n g oder gar durch Destillation a b z u s o n d e r n d e n Substanz

besaß,

wie das insbesondere

auch

noch

m e r k u n g über das Verhältnis des Weins z u m

seine

Essig

Be-

beweist.

Die E n t s t e h u n g der F l a m m e beim Besprengen des Altars erk l ä r t sich übrigens auf die nämliche Weise wie die B r e n n b a r keit

des

Erdöles, Öles oder

Fettes:

durch

einen

reichlichen

Gehalt an Feuer, über den ja auch die ,,heiße" u n d „ f e u r i g e " N a t u r des Weines keinen Zweifel a u f k o m m e n läßt. W a s die L e b e w e s e n

a n b e l a n g t , so zeugen

eine

Anzahl

B e m e r k u n g e n allgemeinen C h a r a k t e r s von hoher Einsicht.

Zu

diesen gehören die Lehren v o m allmählichen, stetigen u n d ununterbrochenen

Fortschreiten

der N a t u r

innerhalb aller

ihrer

Reiche, — hier liegt zweifellos der U r s p r u n g des Satzes „ N a t u r a non facit s a l t u s " (die N a t u r m a c h t keine Sprünge) der

Unmöglichkeit,

Grund

ihrer

das Wesen

bloßen zum

Pflanzen

Zusammensetzung

eines „ M e t a p h y s i s c h e n " ) des Menschen

der

(d. h. ohne

zu begreifen, von

Tierreiche,

und

sowie v o m

der

—,

von

Tiere

auf

Annahme

Zugehörigkeit

untrennbaren

s a m m e n h a n g e zwischen Tier- u n d Pflanzenreich.

Zu-

Im scharfen

Gegensatze zu solchen Überlegungen stehen hinwiederum

Be-

h a u p t u n g e n wie die, d a ß es bei den Pflanzen keine T r e n n u n g der Geschlechter gebe, — berichtet doch schon H e r o d o t männlichen

u n d weiblichen P a l m e n

tigsten

Lebenserscheinungen

mente

an

widernatürlichem

auf

1

—, d a ß m a n

das Vorhandensein

Orte

zurückführen

von

die wichder

Ele-

könne,

daß

Konstitution, Charakter, und entsprechende „angeborene Farbe" des Menschen so beschaffen seien „wie sich in ihm die E l e m e n t e m i s c h e n " , u n d d a ß durch U r z e u g u n g Pflanzen u n d Tiere aller Art, j a selbst Menschen e n t s t ü n d e n , diese allerdings p r i m ä r im S t a d i u m der W ü r m e r . 1

Hb. I, cap. 193.

Leben u n d Lebenswärme werden einem

CHEMISCHES

luftartigen

UND AL CHEMISCHES

Geiste,

dem

Pneuma,

die W ä r m e , je nach Alter,

AUS

ARISTOTELES

zugeschrieben,

137

doch

bleibt

Geschlecht, u n d Körperstelle,

gleich v e r t e i l t ; die rechte Seite soll die heißere sein,

un-

nichts-

destoweniger gilt aber das links liegende Herz f ü r den tralen

Sitz der größten

zen-

W ä r m e , ferner ist das gesamte

Ge-

hirn d u r c h a u s kalt, so d a ß , wie die irdischen D ü n s t e zu Wolken und

Regen,

die zu

ihm

brauchbaren

Säften

und

dichten, (Dieser

welcher

aufsteigenden

letztere,

Anschauung,

die

zu

körperlichen

unbrauchbarem

abfließend, bis

in

das

die

sich

Schleim

zu ver-

Katarrhe

erregt.

17. J a h r h u n d e r t

hinein

die herrschende blieb, e n t s t a m m t der noch jetzt übliche f r a n zösische Ausdruck

„rhume

de c e r v e a u " f ü r

Stockschnupfen).

Z u t r e f f e n d geschildert ist die höchst wichtige Rolle des Blutes, die B e d e u t u n g der E r n ä h r u n g , die E n t s t e h u n g , Sekretion

und

Ablagerung von Milch, Galle, F e t t , H a r n s ä u r e usf., — wobei n a m e n t l i c h die richtige E r k e n n t n i s der

Harnsäureausscheidung

bei Vögeln und Reptilien h e r v o r z u h e b e n bleibt.

Überraschend

ist die A n s c h a u u n g der B e f r u c h t u n g nach Analogie der wirkung,

demnach

Lab-

als eines enzymatischen Vorganges, wenn-

gleich hierbei die B e d e u t u n g des heißen, v o m lebenerweckenden Pneuma

erfüllten

Samens,

weiblichen

Substrates

vermöchte

dieses,

„empfangend",

zu

zu u n g u n s t e n

einseitig

wenn

jenes des

überschätzt

völlig

passiv

wird;

und

„kalten" denn

wie

ausschließlich

der so m e i s t e r h a f t dargelegten

Vererbung

beizutragen, die auch die Eigenschaften der M u t t e r u n d ihrer Vorfahren

umfaßt,

und

oft ganze

Generationen

überspringt,

denen also die fraglichen Anlagen n u r als „ l a t e n t e " z u k o m m e n konnten? Von ungewöhnlichem Tiefsinne zeugen endlich die, an die Vererbung

geistiger

Eigenschaften

geknüpften

Betrachtungen

über das Verhältnis zwischen Seelischem u n d Leiblichem, über den K ö r p e r als „ W e r k z e u g " (Organon) des Geistes, — sie sind die

Quellen

Wesen"

der

Ausdrücke

„Organismen",

—, über den D o p p e l s t a n d p u n k t

bei der

„organische Beurteilung

138

der

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

physischen

sischen

und

Beispiel

Unterschied

psychischen den

ARISTOTELES

Kausalität

der Zornes- u n d

zwischen

AUS

(mit

Schamröte),

Bewegungen,

dem

und

klas-

über

durch

die

den

Schall

u n d Licht ü b e r m i t t e l t werden, und den E m p f i n d u n g e n , sie auslösen, also den Tönen und

die

Farben.

2 Die

Einwirkung

der

aristotelischen

Anschauungen

Lehren, der allgemeinen wie besonderen, auf die und

Ausbildung der C h e m i e

und

Entwicklung

als Wissenschaft, erweist

sich,

allem Dargelegten zufolge, f ü r jeden auch n u r mit den G r u n d zügen der Geschichte dieser Disziplin V e r t r a u t e n augenscheinliche Erläuterung

und

nicht

so m a ß g e b e n d e ,

mehr

bedarf.

1

als eine so

d a ß sie einer

Dagegen

bleibt

weiteren ein

sehr

wichtiger P u n k t noch insoweit zu erörtern, als dies im R a h m e n der vorliegenden Arbeit möglich ist: des A r i s t o t e l e s

Einfluß

auf die A l c h e m i e . Vorauszuschicken

ist,

daß,

allen

Aristoteles

stellungen

k e n n t , ja, d a ß selbst A n d e u t u n g e n

sammenhang

zwischen

sie bei P i a t o n Angaben

selbst

späteren

entgegen,

keinerlei

Gestirnen,

zu finden sind,

2

begegnen, z. B. denen

Göttern

Behauptungen

alchemistische

Vor-

über den

Zu->

Metallen,

wie

und

bei ihm fehlen; wo wir derlei über die N a m e n

der

Sterne

und der G ö t t e r in der Schrift „ Ü b e r die W e l t " (De cosmo), 3 sind sie, wie dieses ganze W e r k , untergeschoben und Wohl n e n n t A r i s t o t e l e s l ä ß t die Sphären den

die Gestirne göttliche

der P l a n e t e n von jenen U n t e r g ö t t e r n

R a u m f ü h r e n , die bei P i a t o n

unecht.

Körper

und durch

„ S i r e n e n " waren und

in

1 Einiges Zugehörige findet sich in L o r s c h e i d s Schrift: „Aristoteles' E i n f l u ß auf die Entwicklung der C h e m i e " (Münster 1872), die aber n u r aus zweiter H a n d schöpft, weshalb sie der nötigen G r ü n d l i c h k e i t ermangelt u n d 2 nicht in die Tiefe geht. S. meine eingangs g e n a n n t e A b h a n d l u n g ;

n e u e r d i n g s neigt man dazu, auch die „ E p i n o m i s " wieder f ü r ein echtes Werk 3 P i a t o n s zu halten. cap. 2 u n d 6.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

139

späterer Zeit zu „ S c h u t z e n g e l n " w e r d e n ; wohl lehrt er, die Bewegung der Planeten und

daher

stirne

verwickelt

der

und

durch

deren Wesenheit

wechselnd

Fixsternsphäre

stets

sei, w ä h r e n d

unwandelbar

daß

bedingt, die

die

Ge-

nämlichen

blieben, weshalb die E r f o r s c h u n g der W a h r h e i t von ihnen auszugehen habe, als von der unerschütterlichen

Grundlage

des

U n v e r ä n d e r l i c h e n ; aber alle Beziehungen, die zwischen Sternen, Menschen, und irdischen Einzeldingen bestehen sollen,

erklärt

Fabeln. 1

er ausdrücklich f ü r Sagen und mythologische

F ü r die E n t w i c k l u n g der Alchemie sind, wie schon Prantl,

1856

der u m die Herausgabe aristotelischer Schriften u n d

um die Geschichte der Geisteswissenschaften so hochverdiente Forscher,

mit

völliger

erkannte,2

Klarheit

drei

Quellen

von

größter B e d e u t u n g : sie fließen aus den Schriften des

Piaton,

des

stoischen

Aristoteles,

Philosophen, und

und

orientalische

sowie

der

werden,

peripatetischen

nicht

ohne

und

spezifisch

Zuflüsse a u f z u n e h m e n ,

3

seitens

ägyptische der

Schule

Alexandrias zu einem großen Ganzen vereinigt; n u r von einem großen

Ganzen

heitlichen,

um

kann

man

so mehr,

platonische Anschauungen Oberhand

gewinnen,

sprechen, nicht von

in stets w a c h s e n d e m

verändernd

und

Maßgebend bleiben d a h e r : was P i a t o n und

schwärmerischen

einem

ein-

und

neu-

als n e u p y t h a g o r ä i s c h e

Lehren,

was

U m f a n g e die

umgestaltend

wirken.

a n g e h t die mystischen

Aristoteles

betrifft

spekulativen und deduzierenden, und was die späteren

die

Philo-

sophen a n b e l a n g t jene eklektischen und synkretistischen, denen sich

der

alexandrinische

Geist

auf a l l e n

Gebieten mit

aus-

n e h m e n d e m Behagen a n p a ß t e , und die seinem C h a r a k t e r ganz besonders angemessen erschienen. 1 2 Met. XII, 8. S. „Deutsche Vierteljahrsschrift" (Stuttg. 1856, S. 135), woselbst die wichtige Arbeit, deren Studium empfohlen sei, ohne Nennung des Autors abgedruckt ist; dieser selbst verweist jedoch auf sie in einem 3 seiner Kommentare zu A r i s t o t e l e s . Auf diese soll hier n i c h t eingegangen werden.

140

CHEMISCHES

Soweit

UND ALCHEMISCHES

Pia ton

in

AUS

Frage k o m m t ,

ARISTOTELES

muß

an dieser

Stelle

auf meine schon eingangs erwähnte, ausführliche A b h a n d l u n g „Chemisches u n d Physikalisches aus P i a t o n " verwiesen werden. gebracht:1

seine

Lehre von den vier Elementen und der Materia prima,

nach

Von

Einzelheiten

seien

der

die

Urmaterie

ist,

die

Möglichkeit

(Transmutation)

nur

in

Erinnerung

das gemeinsame allgemeiner

besteht,

und

Substrat

aller

gegenseitiger

die

Elemente,

Elemente

Wandelbarkeit — begriffen in

ewigem Kreislaufe, der V e r w a n d t e s z u s a m m e n zu f ü h r e n sucht —, nach Art einer eigentlichen „ V e r e i n i g u n g " oder „ V e r m ä h l u n g " zu

neuen

Stoffen z u s a m m e n t r e t e n ;

die Ansichten

über

Ver-

w a n d l u n g u n d U m b i l d u n g der Stoffe durch T r e n n e n und Vereinigen der „ D r e i e c k e " , die ihre geometrische bedingen

(von diesem T r e n n e n

Grundgestaltung

u n d Vereinigen, a n d a = spao

u n d ecyeiow = ageiro, leitet sich die spätere Bezeichnung „ S p a giriker" f ü r die Chemiker ab); von

Gold u n d

in der N a t u r ,

das allmähliche

Hervorgehen

Silber aus unedlen Metallen (und (deren W i r k e n

entweder

direkt,

umgekehrt)

oder

d. h. auf dem Umwege über die Materia prima,

indirekt,

nachzuahmen

sein m ö c h t e ) ; die obherrschende Stellung des Goldes, das als reinste, zum

dem

Feuer

Symbol

reichlichem Seelen

nach

des

und

Rost

Edelsten

widerstehende

und

Sittlichen

Substanz,

wird,

und

auch sogar,

Silber gesellt, den Himmel s c h m ü c k t , in den ihrem

Erdenleben

gelangen

sollen;

die

die

Theorie

von der Parallelität des Geschehens im Makro- u n d Mikrokosmos, der g e m ä ß auch f ü r den menschlichen K ö r p e r u n d Geist das „ T r e n n e n und Vereinigen" von nicht minderer B e d e u t u n g ist als

für

die

Außendinge

(weshalb

denn

der

„philosophische

S t e i n " der späteren Zeit auch die Erscheinungen der

Krank-

heit

Piaton

und

allein

des Alterns zu beheben vermag,

durch

unrichtige

Elemente entstehen). 1

Verteilungen

und

die nach

Umsetzungen

der

2

2 S., ebenso wie in allem Folgenden, auch P r a n t l , a. a. O . Gerade in diesem P u n k t e erst viel spätere, indische oder gar chinesische Einflüsse

CHEMISCHES

UND A L CHEM IS CHES

AUS

U n t e r den Lehren des A r i s t o t e l e s als

von

ganz

Paare

besonderem

warm-trocken,

feucht, m i t

Belang.

]4]

erweisen sich einige

Die

warm-feucht,

dem absolut leichten

ARISTOTELES

Identifizierung

kalt-trocken

Feuer,

und

der relativ

der kalt-

leichten

L u f t , dem realtiv schweren Wasser, u n d der absolut schweren Erde, läßt die Elemente auf das Klarste als die, nach Gegensatzpaaren

qualifizierte U r m a t e r i e

Möglichkeit

der

erscheinen,

S t o f f v e r w a n d l u n g durch

u n d bringt die

Z u f ü g e n oder Weg-

nehmen einer Q u a l i t ä t mit großer Deutlichkeit z u m Ausdrucke. Die

Einzeldinge

sind

nicht

aus

den

Elementen

zusammen-

gefügt „wie Häuser aus Steinen und B a l k e n " , vielmehr müssen die

sich

vereinigenden

Elemente,

indem

sie

einen

Teil

ihnen in „ f r e i e m " Z u s t a n d e z u k o m m e n d e n Eigenschaften geben,

in

den

Dienst

lichen Form t r e t e n . erfolgen

unter

der

höheren,

zwecksetzenden,

Derlei Gestaltungen u n d

Einfluß

des

der auf-

begriff-

Umwandlungen

weltbeherrschenden

Kreislaufes,

dessen oberste Ursache die Bewegung des Himmels ist; diese, die auch das Prinzip des Lebens und der Seele darstellt, geht vom

immateriellen

Äther

aus,

der

kein

fünftes

Element,

sondern von den vier irdischen materiellen Elementen ganzen Wesen nach völlig verschieden ist.

seinem

Die fertigen Einzel-

dinge sind nicht n u r fähig, sich zu vermischen, sondern auch sich (chemisch) zu verbinden, u n d erfahren hierbei q u a l i t a t i v e V e r ä n d e r u n g e n , bleiben aber potentiell bestehen, und

können

daher aus der V e r b i n d u n g auch wieder abgeschieden

werden;

ist aber eine S u b s t a n z von allzu schwachem und ungefestigtem Charakter, so v e r m a g zwar immerhin, wie die E n t s t e h u n g des „ E r z e s " (der Bronze) zeigt, schon ein kleiner Zusatz von ihr sehr weitgehende Veränderungen der Farben und der sonstigen äußeren aber

Eigenschaften hervorzurufen, ihre eigene Form

bei solchem

Anlasse völlig aufgelöst werden

und

kann ver-

a n z u n e h m e n , ist daher gänzlich ungerechtfertigt; z u d e m sind a l l e indischen u n d chinesischen alchemistischen Schriften, die der Periode arabischen Einflusses vorausgehen sollen, grober Fälschung u n d Interpolation

verdächtig.

142

CHEMISCHES

schwinden, bloßen

UND ALCHEMISCHES



wie

denn

das

„stofflosen Z u s t a n d e " ,

AUS

Zinn d. h.

ARISTOTELES

sozusagen zu

einer

zu

einem

Qualität

des

K u p f e r s wird. Aus dem Kreise der N a c h - A r i s t o t e l i k e r k o m m e n h a u p t sächlich

die

Stoiker

in

Beträcht

(die älteren

vom

3.,

die

jüngeren v o m 2. vorchristlichen J a h r h u n d e r t an), um so m e h r als sie sich disziplin liche der

in stets steigendem

bemächtigten,

Autorität zumeist

wodurch

gewannen.

eine

Maße

ihre Ansichten

Nach

kritiklose

der gesamten

außerordent-

Anschauung,1

stoischer

Vermischung

Schul-

platonischer

in und

aristotelischer Lehren, — u n d zwar keineswegs stets der wirklich wertvollen, — z u t a g e t r i t t , besitzen alle Dinge gleichzeitig materiellen und logischen C h a r a k t e r . ihre

Realität

lichen

beglaubigt,

zukommt,

Substanzen,

und

so sind

sondern

Der erstere wird

da solche allein

körperlicher

auch

alle

Natur

dem

durch Körper-

nicht

nur

alle

Eigenschaften,

so

daß

m a n die Q u a l i t ä t e n als Concreta zu b e t r a c h t e n h a t ; die Lehre von

der

Undurchdringlichkeit

zunehmen, kommen

daß

verschiedene

durchdringen

verschmelzen

und

können.2

muß

fallen,

Stoffe

sich

ihrer

Gänze

Gleichwertig

mit

und

es

ist an-

gegenseitig nach

voll-

miteinander

diesem

stofflichen

Prinzipe, der Materie oder Hyle, ist das logische, der (in letzter Linie auf

Heraklit

zurückzuführende)

Logos,

der in

allem

Seienden als v e r n ü n f t i g e r G e d a n k e waltet, sich in der „ F o r m " der

Dinge ä u ß e r t

(die zugleich

ihr Zweck

und

Begriff

u n d ihrem Wesen als „ i m m a n e n t e Z w e c k m ä ß i g k e i t " liegt.

Der

nannt,

und

Logos wird auch als w a r m e r ,

„Pneuma"

(Geist,

Leben-erzeugender

und

ist),

zugrunde

Spiritus)

ge-

-erhaltender,

also „ L e b e n s k r a f t " in sich f ü h r e n d e r L u f t h a u c h gedacht,

der

a l l e s im Weltall, v o m größten bis zum kleinsten Körper, völlig 1

S. die wichtige Schrift H e i n z e s „ D i e Lehre vom Logos in der griechischen P h i l o s o p h i e " ( O l d e n b u r g 1872); die H a u p t w e r k e der Stoiker sind 5 leider n u r fragmentarisch erhalten. Diese Lehre erneuerte noch im 19. J a h r h u n d e r t e H e r b a r t .

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

143

d u r c h d r i n g t , wobei er eine b e s t i m m t e gleichbleibende S p a n n u n g erzeugt, jenen rövog (tonus, tenor), dem auch die Schule der „pneumatischen zuschrieb.

Ärzte"

Endlich

eine so ungewöhnlich

wichtige

Rolle

erfolgt noch die Gleichsetzung des

Logos

mit dem „ Ä t h e r " des A r i s t o t e l e s : Peripatiker u n d Schrift „Von dauernder

Stoiker e n t s t a m m e n d e n

der W e l t "

in

der

gröblich

pseudo-aristotelischen

(De cosmo), deren großer und

Einfluß k a u m

bereits der immaterielle teles

in der, dem Kreise s p ä t e r

hoch genug einzuschätzen und

„göttliche" Äther

materialisierten

ist,

des

antritt

Aristo-

Gestalt

eines f ü n f t e n

Elementes auf {nkfntTn ovrriu = q u i n t a essentia,

Quintessenz),

dem bewegende u n d erschaffende, Leben- u n d Seelen-erzeugende K r a f t innewohnt, u n d das nicht m e h r l o k a l teles,

sondern

seinem

inneren

Wesen

wie bei A r i s t o -

nach

die

„höchste

Stelle" e i n n i m m t . Da

Feuer und

L u f t , die leichten

und

feinen

Elemente,

von großer, Wasser und E r d e aber, die schweren u n d dichten, von

geringer

Spannkraft

L u f t , als das w a r m e und

Erde,

als das

sind,

und

kalte

so

aktive und

durchdringen Prinzip

passive

Verquickung der

des P n e u m a s

(Pneuma),

(Hyle),

gliedern und formen so alle Einzeldinge.

und

Die oben

der P e r i p a t e t i k e r

Stoiker erfordert jedoch

Feuer

und

Wasser erfüllen, erwähnte

mit dem

Logos

eine V e r m i t t l u n g zwischen

dem

passiven und qualitätslosen Stoff und dem mit der „ t r e i b e n d e n K r a f t " des Zweckbegriffes gestaltenden Logos; zugeteilt w u r d e diese, in A n k n ü p f u n g an die Rolle, die der Samen bei

Aristoteles

spielt,

einem

spezifisch

von großer Tragweite, dem löyoq tikos)

oder (miofiK

licher S a m e n " sind

die

allgemeinsten,

vidualisierende,

rmEofiarixoi

(Sperma

oder „ S a m e n b e g r i f f " .

vernunftgemäßen pflanzende

).oyixov

Keime der

Prinzip,

Seienden Entfaltung, die

eigentliche

Begriffe

d. i. „Begriff-

Die Logoi

der

(Sperma)

(Logos sperma-

logikon),

allem

Materie das

stoischen

spermatikoi

zugrunde

liegenden,

das bildende,

(platonischen) Wesen

der

Ideen

indiein-

Naturkräfte,

144

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

das alle Dinge im Innersten z u s a m m e n h ä l t , 1 als ihre Quintessenz, ihr Lebensgeist (Spiritus vitae), ihre Seele; d a f ü r , wie

durch

E i n w i r k u n g des Logos auf die Materie ein b e s t i m m t e r

neuer

Stoff, ein

I n d i v i d u u m selbständiger Art, hervorgeht, wird

Schulbeispiel

die U m w a n d l u n g

angeführt.2

das Zinn n a c h A r i s t o t e l e s auf den menschlichen

des K u p f e r s in Bronze Unter

Bezugnahme

Logos, d. i. V e r n u n f t u n d Sprache,

einst die G ö t t e r den Menschen durch ihren geflügelten Hermes (Merkur) v o m H i m m e l h e r a b s a n d t e n , wird erst

dieser

Hermes

Logos,

(Merkur)

dann

aber

identifiziert

der

Logos

(„Hermes

als

durch

Boten

schließlich

überhaupt,

logios

die

und

mit

psycho-

pompos"). Die setzten

Neu-Pythagoräer ebenfalls

u n d den a k t i v e n

zwei

(etwa

Prinzipien

von

voraus,

100

v. Chr.

die

Logos, u n d ließen die Logoi, als

der Dinge, z u s a m m e n f a l l e n

mit

den

an)

passive

„Formen"

Hyle

Qualitäten

des

Aristo-

t e l e s , den „ I d e e n " des P i a t o n , u n d den „ Z a h l e n " d e s P y t h a goras. ihr

Ebenso

lehrte

Hauptvertreter

die

Alexandrinische

Philon

von

50 n. Chr.), deren B e m ü h u n g e n tarisch-theologischer

und

Schule,

Alexandria

auf Vereinigung

und

(gest.

um

alttestamen-

griechisch-philosophischer

Anschau-

ungen gerichtet waren, die Ü b e r e i n s t i m m u n g der platonischen Ideen

mit

als Ä t h e r

der und

Logoslehre, &etov

sahen

(=

den

zugleich

theion,

göttliches befanden,

der gemeinen

trugen

sie die W e l t e n b i l d u n g

Logoi,

die

pneuma

Logos

P n e u m a ) a n ; da sie es als der G o t t h e i t u n w ü r d i g sich selbst m i t

nvsvfia

und

Materie zu befassen, so der

sie f ü r wesensgleich

„gestaltenden

teils

mit

dem

über-

Kraft"

der

platonischen

Demiurgen, teils m i t den heidnischen D ä m o n e n , teils mit den jüdischen 1

Engeln

erklärten,

und

deren

A u f g a b e es war,

die

Daher gibt noch F a u s t als Zweck seines Studiums der Magie a n : „ D a ß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau alle Wirkenskraft und Samen, U n d tu' nicht m e h r mit Worten kramen" ( G o e t h e s 2 „Faust", Vers 382ff.). H e i n z e , a. a. O., S. 118.

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

Materie z u n ä c h s t in Wasser u n d

in grobe u n d Erde,

AUS

ARISTOTELES

J45

feine, und weiterhin

erstere

letztere in L u f t und

F ü r die N e u p l a t o n i k e r

Feuer zu

teilen.

endlich, deren Blütezeit (etwa von

300 n. Chr. an bis z u m Erlöschen griechischen Geistes) mit jener der

alexandrinischen

Alchemie

zusammenfiel,

bestanden

K ö r p e r aus der Hyle als Materia p r i m a u n d dem

die

Logos als

Inbegriff der Qualitäten, die als Logoi spermatikoi individualisierend wirken, u n d als „zeugende F o r m e n " oder „ S a m e n " sowohl die leblosen Einzeldinge als auch die Pflanzen u n d Tiere gestalten;

der

intelligente

Logos,

aber

auch

der

allgemeine,

sämtliche Dinge des W e l t g e b ä u d e s hervorbringende u n d durchdringende, wird Hermes (Merkur) g e n a n n t . Die vorstehenden Darlegungen, so k n a p p sie gefaßt werden m u ß t e n , d ü r f t e n mit Klarheit ersehen lassen, wie die Alchemie, als ein echtes Kind griechischen Geistes, aus der griechischen Philosophie

hervorging,

dem mystischen

„Stein

„philosophischer Zeit nicht sondern

mehr

und

daß

daher

der W e i s e n " ,

ihrem

Hauptgebilde,

mit R e c h t der

Namen

S t e i n " erteilt wurde, der erst in späterer

auf

die „ r e i n e n "

Philosophen

Bezug

auf die „philosophi per ignem", „die mit

hatte,

Hilfe des

Feuers F o r s c h e n d e n " , d. s. die Chemiker. Von den wesentlichen Begriffen der Alchemie f ü h r e n ihren Ursprung gemeine

auf

Piaton

zurück:

Wandelbarkeit

Umwandlung

die Materia

sämtlicher

(Transmutation)

Dinge;

prima; die

die

all-

wechselseitige

edler und gemeiner Metalle in

der N a t u r ; ihre N a c h a h m u n g , entweder auf die nämliche Weise, durch allmähliches W a c h s e n u n d Reifen, oder u n t e r B e n ü t z u n g der

Materia

prima

als

Durchgangsstufe,

wobei

neue

Stoffe

durch Vereinigung und V e r m ä h l u n g aus den alten hervorgehen; die Symbolisierung des Goldes als Reinsten, Edelsten, lischen,

die

psychische ihm,

dazu

und

der Parallelität

schehens

halber,

führt,

dem

„Stein

religiöse W i r k u n g e n des mikro- u n d

zugleich

v. L i p p m a n n , Abhandl. u. Vortr.

der

Weisen"

zuzuschreiben, gegen 10

auch

und

makrokosmischen

das Allheilmittel II.

Himmin Ge-

Krankheit

146

CHEMISCHES

und

Alter zu

den

Planeten.

UND ALCHEMISCHES

suchen;

Dem A r i s t o t e l e s

der

AUS

ARISTOTELES

Zusammenhang

entlehnte man

der

Metalle

u. a. folgende

mit

Lehren:

die B e d i n g t h e i t der U m w a n d l u n g ( T r a n s m u t a t i o n ) durch Hinzubringen neuer Q u a l i t ä t e n ; die, der K r a f t des Samens analoge W i r k s a m k e i t kleiner Zusätze, als der T r ä g e r solcher Qualitäten, wobei sie, nach A r t der „ V e r m ä h l u n g " , neue K ö r p e r

hervor-

bringen (s. das Beispiel des Zinns); das äußere Sichtbarwerden der bewirkten U m w a n d l u n g e n durch V e r ä n d e r u n g der F a r b e n , ähnlich wie beim Reifen der F r ü c h t e u n d beim

Backen

des

1

Brotteiges, — w o r a u s die ungeheure Wichtigkeit der „ T i n k t i o n " u n d „ T i n k t u r " erfließt, weil m a n u m g e k e h r t aus dem

Eintritt

der gewünschten F ä r b u n g auf den der entsprechenden

inneren

U m w a n d l u n g schloß; die A n d e u t u n g der V e r w a n d t s c h a f t

und

U m w a n d l u n g s f ä h i g k e i t , z. B. zwischen Zinn u n d Silber, gelber Legierung u n d Gold, durch die gemeinsame Den Theorien

der

Stoiker

wurden

Farbe.

hauptsächlich

nach-

stehende Sätze e n t n o m m e n : die materielle Beschaffenheit der Q u a l i t ä t e n , der g e m ä ß das Zubringen von zur T r a n s m u t a t i o n erforderlichen neuen Q u a l i t ä t e n Stoffes dringt;

bewirkt die

werden

Erklärung

kann,

solcher

durch B e i f ü g u n g eines neuen der

den

alten

Umwandlungen

völlig (wie

durchder

des

K u p f e r s durch Zinn) aus der individualisierenden W i r k u n g der Logoi s p e r m a t i k o i ; die Gleichstellung des Logos mit dem Äther, dem

Pneuma,

und

dem

Luftgeist (spiritus),

die dazu Anlaß

gab, den „ S t e i n der W e i s e n " aus Äther, L u f t , S t e r n s c h n u p p e n s u b s t a n z u. dgl., a b e r auch aus den P r o d u k t e n der tierischen L e b e n s k r a f t (besonders den „ h e i ß e n " E x k r e t e n ) zu bereiten, u n d das Wesen oder die Quintessenz der Dinge als „ G e i s t e r " zu bezeichnen (die noch in unserem W e i n g e i s t , Holzgeist,

Salmiak-

geist u. a. m. f o r t l e b e n ) ; die Identifizierung des Logos mit Hermes. 1 Hierher r ü h r t vermutlich die Bezeichnung des von den Alchemisten benützten Materiales als ¡un-'a ( = m a z a , Brotteig); noch P a r a c e l s u s sagt „ D e r Brotbäck ist ein Alchymist".

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS ARISTOTELES

D a m a n in s p ä t e r e r Z e i t , b e i d e r D a r s t e l l u n g v o n das

Zumischen

eines

weiteren

Bestandteiles

als

147

Arzneien,

„Projektion"

z u b e z e i c h n e n p f l e g t e , 1 so ist es s e h r w a h r s c h e i n l i c h , d a ß dieser Ausdruck

auch

mischen fand, und =

auf

Zusätze,

und

daß

das

z.

B.

daher

Gildemeisters

Xerion,

sprang;

der

erst

Einstreuen Kupfer,

tatsächlich,

arabische

weiterhin

den

Name

wurde

das

den

der W e i s e n " ,

„Stein

oder zum

Zinns

entsprechend,

angewandt, Leben

Einwerfen des

unedles

al-Ixir,

in

Gold

der zugleich

D u r c h die N e u p y t h a g o r ä e r , punkte

wurden

vertieft:

durch

Addition

Wege,

Kopps |»?«/oi>

Elixier,

jenes

ent-

Streupulver

verwandelt,

Gesundheit

also

und

der

die

in

der

führte;

die

unter

Bezugnahme

Orphiker,

deren

Weltenei des

reinsten

noch

Entstehung zur

auf

langes

dieser

die

auf

neuer

angeblich

uralten

philosophicum"

Samen

aller

philosophischen unberührten

Jungfernerde,

und

Dinge

unedlen nämlichen

höherer

an

Be-

„Samen",

Mysterien

der

(philosophisches

Ei)

enthält;

Steines

Neu-

Gesichts-

aus

dem

Qualitäten

„ovum

und

folgende

Metalle

also

Bildung

Bindung auf

noch

edler

Qualitäten,

Logik

die

setzung

Alexandriner,

im wesentlichen

neuer

griffe

Hyle,

d. i.

auf

che-

verleiht.

platoniker

als

Vermutungen

dem „ S t r e u p u l v e r " ,

dieser

Metall

der

Anwendung

durch

Stoffes (Materia

J u n g f e r n m i l c h , . . .)

die

Zusammen-

Vermählung prima,

mit

des

himmlische

dem

aktivsten

P r i n z i p des L o g o s , d e r g e m ä ß d e r S t e i n d e r W e i s e n a u c h s e l b s t als K e i m , wird;

Embryo,

die

Homunculus und

Gleichstellung

der

Hermaphrodit

Logoi

betrachtet

spermatikoi

mit

den

Q u a l i t ä t e n , S a m e n , u n d S e e l e n , die d a z u f ü h r t , v o n d e r „ S e e l e " und dem „ S a m e n " zu

sprechen,

unter

des G o l d e s , S i l b e r s , S c h w e f e l s , denen

die

Quintessenz

Quecksilbers

dieser

Dinge

standen wird, das

philosophische

Gold

und

Gold

im

dem

gemeinen,

und 1

Silber",

Gegensatz

zu

Silber,

ver-

„unser natürlich

S o auch noch bei A v i c e n n a (Ibn-Sina) und anderen früharabischen

Ärzten. 10*

148

CHEMISCHES

UND ALC11 EMI SC II ES

AUS

ARISTOTELES

v o r k o m m e n d e n ; die Identifizierung des Logos mit dem Äther, d e m nvsvna Hermes;

{h-Tov (göttlichen P n e u m a ) , u n d mit dessen Träger

die bei

der

Weltbildung

erfolgende

Scheidung

der

Materie in grobe u n d feine, u n d weiterhin in die P a a r e (Wasser H- Erde) u n d ( F e u e r + L u f t ) , die aber schließlich auch wieder als R e p r ä s e n t a n t e n des eigentlichen kalten u n d passiven Stoffes, sowie des heißen a k t i v e n P n e u m a s gelten. Dieser

letzteren

Anschauung

scheint

eine

höchst

t ü m l i c h e durch ihre bis tief in die Neuzeit hinein

eigen-

währende

F o r t w i r k u n g sehr wichtige Theorie e n t s p r u n g e n zu sein, n ä m lich die v o m der

Bestehen

Metalle,

hielt m a n

aus

aller

Stoffe,

Schwefel

und

und

daher

auch

Quecksilber;

bisher

sie meist f ü r eine arabische, v e r m o c h t e aber

ihre

Quelle ( f ü r die die angeblichen W e r k e des G e b e r ,

als

schungen

können)

des

späteren

nirgends nachzuweisen.

Mittelalters,

nicht

gelten

Fäl-

In den f r ü h e s t e n einschlägigen Schriften

der Araber, z. B. in der großen E n z y k l o p ä d i e der sog. „ L a u t e r e n B r ü d e r " (richtiger: T r e u e n

Brüder), die im

10. J a h r h u n d e r t e

a b g e f a ß t ist, a b e r d u r c h w e g auf w e i t a u s ältere Vorlagen zurückgeht, t r i t t jedoch diese Lehre, in s t e t e m V e r b ä n d e mit anderen rein griechischer H e r k u n f t , schon in völlig b e s t i m m t e r , aus dogmatischer Gestalt a u f ; sie wird, ohne jeden

durch-

Anspruch

auf Neuheit, als etwas so Selbstverständliches u n d zweifellos Feststehendes

vorgetragen,

daß

sie

offenbar

desselben

Ur-

sprunges wie alles übrige sein m u ß , nämlich griechisch-alexandrinischen. nistischen

Die

Frage, w o h e r

Chemikern

stammt,

P i b e c h i o s (4. J a h r h u n d e r t ) halten oben

Quecksilber", gegebenen

ihre —

Autorität unter

bei

denen

den

helle-

z. B.

schon

b e h a u p t e t „alle Gegenstände ent-

— läßt sich aber n u n m e h r ,

Ausführungen

nach,

mit

den

weiter

ziemlicher

Wahr-

scheinlichkeit wie folgt b e a n t w o r t e n : die E n t s t e h u n g der Einzeldinge b e r u h t

auf

Durchdringung

von

Hyle u n d

Logos,

und

diese gelten als gleichwertig m i t den groben u n d feinen Teilen der Materie, also m i t den P a a r e n (Wasser -f Erde) und ( L u f t +

CHEMISCHES

Feuer),

durch

Aristoteles müssen,

UND ALCHEMISCHES

deren alle

wieder

AUS

Vereinigung

vier

in

die

jedem

zusammengeführt

ARISTOTELES

Elemente,

als dessen

die

nach

Körper vorhanden

werden;

die

(Wasser + Erde) ist aber, nach A r i s t o t e l e s , verwirklicht,

J49

Hauptbestandteile

sein

Kombination

im

Quecksilber

die in j e d e m

un-

edlen Metalle v o r h a n d e n e Erde, sowie das viele, seinen flüssigen Zustand

bedingende

Kombination

Wasser

anzusehen

sind;

f ü r die

( L u f t f Feuer), die dem nnv^u

dsiov

zweite

(pneuma

theion) e n t s p r i c h t , ergibt sich aus dem Doppelsinne des W o r t e s theion

( = göttlich,

aber

auch =

Schwefel)

als

passendster

T r ä g e r der, nach A r i s t o t e l e s schon von altersher f ü r „heilig" angesehene Schwefel, und

„feurige"

stellung einigen

dessen E i g e n s c h a f t e n ,

Natur,

durchaus

sowie Flüchtigkeit,

angemessen

sich, wie auch

nämlich einer

erscheinen.

die „ L a u t e r e n

„heiße"

solchen Vor-

Demgemäß

Brüder"

noch

ver-

lehren,

die E l e m e n t e z u n ä c h s t z u m Schwefel u n d Quecksilber, u n d erst diese bilden d a n n , u n t e r V e r b i n d u n g n a c h den verschiedensten Mengen-, Reinheits- u n d „ R e i f e " - V e r h ä l t n i s s e n , wie alle anderen Stoffe so die Metalle; die V o r a u s s e t z u n g einer derartigen

Ent-

stehungsweise f ü h r t e auch zu dem b e d e u t s a m e n , m i t den Ansichten

Piatons

brennung und

Schlüsse, d a ß sich

Ver-

R o s t e n (also die raschen u n d l a n g s a m e n

übereinstimmenden

Vor-

gänge der O x y d a t i o n )

unter

Ausscheidung

eines

Bestand-

teiles, u n d d a h e r u n t e r Gewichtsverlust vollziehen. Tiefgreifende V e r ä n d e r u n g noch eine E n t d e c k u n g , Gesamtgebiete Quecksilbers,

der die

dieser A n s c h a u u n g e n

die zu den w e i t t r a g e n d s t e n

Chemie g e h ö r t , 1 die allem

Anschein

nach

der im

bewirkte auf

Destillation

dem des

4. J a h r h u n d e r t e

n. Chr. g e m a c h t w u r d e ; w a r es a u c h schon seit langem b e k a n n t , d a ß das Quecksilber im Feuer „ v e r f l i e g t " , so m u ß t e doch die, mit allen h e r g e b r a c h t e n Begriffen gänzlich u n v e r e i n b a r e Möglichkeit, es in ein P n e u m a , einen heißen, S p a n n u n g besitzenden Luftgeist zu v e r w a n d e l n , u n d aus diesem s i c h t b a r wieder ab1

S. meine A b h a n d l u n g über P i a t o n .

150

CHEMISCHES

zuscheiden,

UND ALCHEMISCHES

das

äußerste

Erstaunen

AUS

ARISTOTELES

hervorrufen!

Ein

Stoff

von solchen E i g e n s c h a f t e n k o n n t e unmöglich länger der kalten und

trägen

Hyle

zugeordnet

s t ä n d i g e r Stellungswechsel, förderte, daß

werden;

es

erfolgte

— den v e r m u t l i c h die

Quecksilber nach A r i s t o t e l e s

ein

voll-

Erinnerung

auch viele L u f t

e n t h ä l t , die sein Festwerden h i n d e r t —, m a n reihte das Quecksilber f o r t a n

dem

Kreise

des

Pneumas

ein, identifizierte

es

als flüchtigen, alles d u r c h d r i n g e n d e n „ G e i s t " , mit dem T r ä g e r des P n e u m a s , u n d b e n a n n t e es nach ihm Hermes oder M e r k u r . 1 Im Z u s a m m e n h a n g e h i e r m i t vollzog sich eine weitere sehr bem e r k e n s w e r t e W a n d l u n g : die uralte Z u o r d n u n g der Metalle zu den P l a n e t e n , die v e r m u t l i c h aus babylonischer Quelle s t a m m t , und

von

mittlung

der

die

die

ä n d e r u n g , das gesellt,

das

antike Welt

erste

durch

Abbei-

Merkur

auf

hatte,

den

erlitt

Ver-

Quecksilber w u r d e n u n m e h r dem Merkur vom

empfangen

spät-chaldäische eine

Zinn

Kunde

Jupiter

übertragen,

das E l e k t r o n a b e r (d. i. eine a u c h in der N a t u r v o r k o m m e n d e , damals

schon

längst

außer

Gebrauch

geratene

Gold-Silber-

Legierung) f ü r i m m e r aus der Reihe der planetarischen Metalle gestrichen. 2 Die alten u n d neuen, so d u r c h a u s entgegengesetzten

An-

sichten ü b e r die N a t u r des Quecksilbers durch eine irgendwie annehmbare

Theorie

zu

vereinigen,

hat

der

sinkende

Geist

des Zeitalters nicht m e h r v e r s u c h t , oder doch nicht v e r m o c h t ; sie blieben f o r t a n , bis in die Neuzeit hinein,

nebeneinander

bestehen, als einer der unzähligen großen W i d e r s p r ü c h e , denen das synkretistische B e m ü h e n der Alexandriner 1

mit

Religion,

Das Buch „Causa causarum", das im Mittelalter dem A r i s t o t e l e s zugeschrieben wurde, in der Tat aber syrischen Ursprunges ist (10. bis 12. ]ahrh.), lehrt u. a., jedenfalls nach viel älteren, zumeist recht unklaren Überlieferungen, Quecksilber enthalte Wasser und Luft, Schwefel aber Erde 2 und Feuer. Die schon 1884 durch den hervorragenden Orientalisten O. H o f f m a n n als besonders wichtig bezeichnete Frage nach Ort und Zeit dieser Umstellung des Quecksilbers dürfte durch das Vorstehende annähernd beantwortet sein.

CHEMISCHES

Medizin,

UND AICHEMISCHES

Astronomie,

Chemie,

AUS

und

ARISTOTELES

alle anderen,

nistischen Boden in neuer oder erneuerter Form Wissenschaften anderen kaum

erfüllte,

— und

genau

wie

bemerkt,

jedenfalls

nicht

dem

helle-

entkeimenden

jene

W i d e r s p r ü c h e so w u r d e auch d i e s e r

mehr

]5[

unzähligen

hingenommen,

weiter

erörtert,

und

k r a f t der „ A u t o r i t ä t der Schule" kritiklos von einer Generation auf die andere v e r e r b t .

3 Der E i n f l u ß der aristotelischen lung

der Chemie w a r ,

Lehren auf die

wie die im vorstehenden

Entwick-

angeführten

T a t s a c h e n beweisen, ein ebenso tiefgehender wie nachhaltiger, gereichte ihr aber keineswegs stets z u m Vorteile, und

wurde

daher schon oft u n d wiederholt als ein, die Wissenschaft geradezu schädigender u n d h e m m e n d e r , mit den schärfsten W o r t e n verurteilt.

Der historisch geschulte Sinn wird indessen in solche

„ v e r n i c h t e n d e K r i t i k " nicht ohne weiteres einzustimmen, vielmehr richtiger die Frage a u f z u w e r f e n h a b e n , welchen Ursachen der beispiellose Erfolg jener Lehren zuzuschreiben ist, — und zwar t r o t z

ihrer Schwächen und

Fehler?

W a s die letzteren b e t r i f f t , so ist schon weiter oben hervorgehoben der

worden,

richtigen

daß

Aristoteles

Grundsätze

der

zwar

im

Vollbesitze

N a t u r f o r s c h u n g war,

sie

aber

nicht folgerichtig anzuwenden w u ß t e , und in zahlreichen Fällen schwer gegen sie verstieß. weit

die Mängel

der

Vor allem t r i t t A r i s t o t e l e s , — so-

Überlieferung

ein

Urteil

gestatten

—,

keineswegs „ o h n e v o r g e f a ß t e M e i n u n g e n " an die Dinge h e r a n ; er

berücksichtigte,

mit

kaum

zu

entschuldigender

Vorliebe,

die „ h e r g e b r a c h t e n Ansichten F r ü h e r e r " , die „allgemeine Mein u n g " , sowie den „ S p r a c h g e b r a u c h " ; er erörtert zwar die Geschichte aller

Hauptprobleme,

geht aber dabei über

bedeut-

same Leistungen seiner Vorgänger in einer Weise hinweg, die ihn

h ä u f i g als ü b e r m ä ß i g

konservativ,

zuweilen

sogar

rück-

s t ä n d i g erscheinen l ä ß t ; er t r ä g t m a n c h e s u n z u s a m m e n h ä n g e n d

152

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

und mit Ü b e r g e h u n g wichtiger Momente vor, anderes unsicher und

schwankend,

wie

denn

seine

Polemik

gegen

Piaton,

dessen S p h ä r e er sich niemals gänzlich zu entziehen v e r m o c h t e , zwar scharf, aber keineswegs klar u n d k o n s e q u e n t ist; unleugb a r e W i d e r s p r ü c h e schlichtet er nicht selten, und mit

völliger

Sicherheit,

f a s t rabulistischer

auf

dem

Wege

anscheinend

advokatorischer,

Dialektik, oder u m g e h t sie mit

ja

Hilfe vor-

eiliger, auf allgemeinen Ähnlichkeiten u n d Analogien f u ß e n d e r Annahmen,

wobei der D e d u k t i o n

und

der

Konstruktion

aus

reinen Begriffen der V o r r a n g vor der I n d u k t i o n u n d der Herleitung aus den T a t s a c h e n bleibt.

Alledem zufolge ist A r i s t o -

teles keinesfalls ein N a t u r f o r s c h e r im heutigen Sinne u n d gewiß kein E x p e r i m e n t a t o r , sondern n u r ein Beobachter, der es aber h ä u f i g sowohl m i t den B e o b a c h t u n g e n als auch mit deren D e u t u n g e n nicht kritisch genug n i m m t .

Doch ist zuzugeben,

d a ß einige seiner Ansichten, u. a. die V e r w a n d l u n g von Wasser in L u f t u n d

L u f t in Wasser, das völlige Verschwinden

T r o p f e n s Weins in z e h n t a u s e n d

Kannen

Wasser,

das

eines Statt-

finden der Urzeugung usf., auf d a m a l s (und noch weit s p ä t e r ! ) wirklich wohlberechtigten B e o b a c h t u n g e n zu b e r u h e n schienen, u n d d a ß andere, wie z. B. die Lehren von den E l e m e n t e n , von der verschiedenen Stellung

Temperatur

der

Körperteile,

der E r d e im W e l t m i t t e l p u n k t e ,

ragendsten

medizinischen

und

und

seitens

astronomischen

von

der

der

hervor-

Fachmänner

d u r c h a u s geteilt w u r d e n : die geozentrische Theorie verteidigte z. B. nicht n u r E u d o x o s

aus

noch der große H i p p a r c h o s zwar, n a c h A. v o n solange

die

bewegungen

rein

Humboldt, geometrische

alleinherrschend

Knidos

im 4., sondern

auch

im 2. J a h r h u n d e r t v. Chr., u n d insofern mit R e c h t , als sie, Betrachtung

blieb,

f ü r deren

der

Himmels-

Erklärung

die

m a n n i g f a c h s t e n Vorteile b o t . Als sich, auf diesem Laufe

der

Zeiten

ein

Gebiete, wie auf allen anderen, ungeheures

neues

im

Tatsachenmaterial

a n g e s a m m e l t h a t t e , da w ä r e es freilich geboten gewesen,

dem

CHEMISCHES

UND AL CHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

153

Ausspruche des A r i s t o t e l e s folgend, „ d e n k ü n f t i g zu m a c h e n den B e o b a c h t u n g e n m e h r Glauben beizumessen als der T h e o r i e " ; gegen diese H a u p t r e g e l sündigten Aristoteles

weit

schlimmer

aber die N a c h f o l g e r

und

schwerer

als e r

des

selbst,

denn sie v e r k a n n t e n nicht n u r die neuen W a h r h e i t e n , sondern leugneten geben, bilde.

und

sie

unterdrückten

widersprächen

sie

ihrem

bewußt,

unter

dem

Vor-

allein-seligmachenden

Welt-

W a s die Kirche, — die A r i s t o t e l e s erst verwarf, d a n n

auf den Schild erhob, und z u m „praecursor Christi in rebus n a t u r a l i b u s " s t e m p e l t e (zum Vorläufer Christi in Sachen

der

N a t u r f o r s c h u n g ) —, was die aus- u n d unterlegenden Scholastiker, u n d was die ihnen getreulich a n h ä n g e n d e n

Dunkelmänner

als

„aristotelisches L e h r g e b ä u d e " p r o k l a m i e r t e n , h a t t e zuletzt mit den echten Anschauungen des A r i s t o t e l e s

k a u m m e h r etwas

g e m e i n ; es w a r allenfalls (und auch das n u r zum Teil) ein durch Dogmatismus

und

Intoleranz

verkrüppeltes

wählter, auch bei A r i s t o t e l e s

Gebilde

ausge-

v o r k o m m e n d e r , und auf seine

A u t o r i t ä t hin als S t ü t z e gewisser Tendenzen

wohlverwendbarer

Irrtümer, gegen die a n g e k ä m p f t und die schließlich ü b e r w u n d e n zu haben, zu den G r o ß t a t e n neuzeitlichen Geistes gehört. W a s h a t aber der aristotelischen äußerster

Entstellung

und

Lehre, selbst in solcher

Verzerrung,

ihre

ungeheure,

fast

unverbrüchliche Lebenskraft verliehen? Es ist gewiß richtig, d a ß sie, die in vielen P u n k t e n hergebrachten gegenkam, und

Auffassungen der

seitens

leichtfaßlich

letzterer anerkannt

„allgemeinen

auch und

Hinsicht sei n u r d a r a n e r i n n e r t , Schlagworte

wieder

des A r i s t o t e l e s ,

als

begrüßt

den

Meinung"

ent-

wesensverwandt

wurde;

in

dieser

wieviele B e t r a c h t u n g e n

— vielleicht

schon zu

und seiner

Zeit sprichwörtliche

—, noch h e u t e zu den alltäglichen

standteilen

Sprachschatzes

unseres

zählen:

nichts vergeblich, nichts wider die N a t u r

„Die und

tut

alles auf

das

E i n f a c h s t e u n d B e s t e " ; 1 „ D e r Mensch ist ein Zoon 1

Hi. I, 4 ; Fa. 2, 8, 11.

Be-

Natur

politikon

154

CHEMISCHES

UND ALCHEMISCHES

AUS

ARISTOTELES

(ein soziales Wesen), u n d m e h r als jedes a n d e r e ein Herdent i e r " ; 1 „ B e i den Fischen fressen die Großen die Kleinen, u n d es herrscht der K a m p f zwischen den S t ä r k e r e n u n d Schwächer e n " ; 2 „Von zwei Speisen in gleicher E n t f e r n u n g

gleichstark

angezogen,

verbleiben

wird

der

Hungernde

unbeweglich

m ü s s e n " , — das Vorbild z u m Esel des B u r i d a n ;

3

„Die größten

Vorzüge bietet der M i t t e l w e g " ; 4 „ D i e K u n s t {rixvi] = techne) a h m t der N a t u r n a c h " , 5 — d a h e r der A u s d r u c k T e c h n i k ; „ D i e Gewohnheit wird zur zweiten N a t u r " ; 6

„ E i n Keil t r e i b t

a n d e r e n " ; 7 „Man k e n n t sich n i c h t , ehe m a n z u s a m m e n

den einen

Scheffel Salz gegessen h a t " ; 8 „ D a s Auge des Herrn m a c h t die P f e r d e g e d e i h e n " ; 9 „ M a n streitet um den S c h a t t e n des E s e l s " ; 1 0 „ T a t s a c h e n b e w e i s e n " ; 1 1 „ E r spricht wie der Blinde von der F a r b e " ; 1 2 „ W e n n m a n Großes m i t Kleinem vergleichen d a r f " ; 1 3 „ D a s heiße Blut der J u g e n d " ; 1 4 „Die angeborene F a r b e " (z. B. der E n t s c h l i e ß u n g ) ; 1 5 „ S o mischten sich in ihm die E l e m e n t e " ; 1 6 „Der

Mensch

(punctum Embryo)18;

saliens, „Der

die A u s d r ü c k e litische

Mikrokosmos";17

ein

der „ s p r i n g e n d e

d. i. die Anlage des Herzens im Leib

ist

Organismus,

Ökonomie",20

Punkt" Hühner-

das Organ der Seele", 1 9 — d a h e r Organisches,

ursprünglich

im

Organisiertes;

Sinne von

„Po-

Ökonomie

der %6hi ( S t a d t ) = K o m m u n a l w i r t s c h a f t , usf. usf. Des weiteren t r i f f t es sicherlich zu, d a ß A r i s t o t e l e s kaum

glaubliche

Fülle

positiver

Kenntnisse

(auch

eine natur-

wissenschaftlicher, besonders zoologischer und biologischer) in sich vereinigte, 1

und

aus ihnen,

neben

vielem

heute

als

un-

2

St. I, 2; Zo. I, 1. Zo. VIII, 2; IX, 2. » Hi. II, 13. Wie schon S c h o p e n h a u e r bemerkte („Werke", Leipzig 1877; IV, 58) kommt der sog. Esel des B u r i d a n in den uns erhaltenen Schriften dieses Scholastikers gar nicht vor; dagegen findet sich das dem A r i s t o t e l e s entlehnte Bild bei D a n t e („Paradies", Ges. IV, Vers 1). S. u . a . auch L u c i a n , „Ikaromenippus", 4 cap. 25, und noch V o l t a i r e , „Pucelle", cap. 12, Vers 16! Ni. II, 9; 5 6 7 St. III, 16; Eu. III, 3 u. III, 7. Ph. II, 2. Ni. VII, 11. S t . V , 11. s 9 10 11 12 Ni. VIII, 4. Ö. 6. Fr. 582. M. I, (14), 25. Ph. II, 1. 13 14 15 16 M. II, (8), 17. Rh. II, 12. nach Kat. 8. nach S. I, 4 u. 5; 18 19 20 Ni. VII, 15. " Ph. VIII, 2. Zo. VI, 19. S. I, 4 u. 5; II, 2. Ö. II.

CHEMISCHES

UND AL C HEM IS CHE S AUS

richtig E r k a n n t e m ,

auch

auf

ARISTOTELES

f a s t allen Gebieten

155

eine

große

Anzahl wertvoller, von ä u ß e r s t e m Scharfsinne zeugender, seinem Zeitalter weit voraneilender W a h r h e i t e n Endlich der

ist es auch fraglos, d a ß seine

Berücksichtigung

der Wissenschaften ihn z u m

Geschichte

und

ableitete. Vater

der

gleichenden Methode u n d der Entwicklungsgeschichte

ver-

machte,

sowie d a ß er der Schöpfer der wissenschaftlichen Terminologie ist, — speziell auf dem Gebiete der Logik u n d Zoologie, die als Wissenschaften

erst ihm

ihr

Dasein

verdanken

—,

aber

auch auf dem der M a t h e m a t i k und Physik, besonders die von ihm erdachte u n d vielfach a n g e w a n d t e

durch

Bezeichnung

allgemeiner ( m a t h e m a t i s c h e r , physischer, logischer) Größen oder Begriffe durch die B u c h s t a b e n des Alphabetes. Zu einer

diesen, Lehre,

Gebildeter

ohnehin

die

wie

sich

schon

dem

außerordentlichen

Fassungsvermögen

Ungebildeter

als

gleich

Vorzügen

philosophisch

angemessen

erwies,

überreich an neuen T a t s a c h e n u n d Folgerungen war, und dabei d u r c h a u s auf Allseitigkeit der E r k e n n t n i s (Universalität)

aus-

ging, gesellte sich aber noch e i n l e t z t e r und e n t s c h e i d e n d e r : Aristoteles

war

Systembildner,

einer

der

größten ' und

fruchtbarsten

die jemals a u f g e t r e t e n sind, und was er der

Menschheit zu sagen h a t t e , das bot er ihr dar in Gestalt einer logisch pädie,

durchgearbeiteten, eines

System

konsequent

folgerichtigen

schätzt

aber,

und

wie

die

aufgebauten

geschlossenen Geschichte,

Enzyklo-

Ganzen. und

Ein

namentlich

die Geschichte der Wissenschaften zeigt, u n d wie die Erfolge eines

Hippokrates,

Thomas

Linné, Cuvier, Größen

Galenos,

d'Aquino, lehren,

Hegel,

Lyell,

die Menschheit

geistigen T r ä g h e i t

Ptolemäus,

Paracelsus,

überwindet

Stahl,

Avicenna, Descartes,

D a r w i n , und vieler anderer über alles; das M o m e n t

der

bei ihr sämtliche übrigen,

und

ist ein S y s t e m erst einmal d u r c h g e d r u n g e n , so f i n d e t sie sich m i t den ärgsten Mängeln ab, n i m m t die schlimmsten sprüche unbesehen

hin, verschließt

sich wissentlich

Widerder

auf-

156

CHEMISCHES

dämmernden

UND ALCHEMISCHES

richtigeren

Erkenntnis,

AUS

ja

ARISTOTELES

bekämpft

sie

sogar

durch die T a t , — solange n u r noch die H o f f n u n g besteht, das S y s t e m erhalten, im gewohnten Gleise bleiben, Umlernen N a c h d e n k e n vermeiden,

und

kurz geistige A n s t r e n g u n g sparen

zu

können. Die Vereinigung des Gelehrten, Beobachters, und Denkers m i t dem Klassifikator, Organisator, und S y s t e m a t i k e r w a r es d a h e r , die A r i s t o t e l e s

zur gewaltigsten geistigen Macht f a s t

zweier J a h r t a u s e n d e erhob, u n d zur einzigen, die gleichzeitig und

in

gleichem

arabischen im W e s t e n

Maße

die

Gesamtkultur

Weltreiches beherrschte. kurzweg v o m

hiermit den A r i s t o t e l e s ; f a s t göttlichem

Genie",

und

des

W e r im Osten u n d

wer

„Philosophen"

Europas sprach,

der

meinte

er blieb „ d e r Mann von höchstem, als den

ihn

derer, die da wissen", als den ihn

Cicero,1 Dante

2

„der

Meister

gepriesen

u n d zwanzig J a h r h u n d e r t e m u ß t e n vergehen, ehe in

hatte,

Leibniz

seinesgleichen e r s t a n d . 1

„ D e divinatione", Hb. I, cap. 25.

2

„Hölle", Ges. IV, Vers 131.

o DIE „ENTSALZUNG DES

MEERWASSERS"

ARISTOTELES1

BEI

ie ich in meiner ausführlichen A b h a n d l u n g „Chemisches u n d Alchemisches aus Aristoteles" 2 des Näheren darlegte, e r w ä h n t A r i s t o t e l e s

in seiner „Meteorologie",

d a ß die beim Erhitzen oder Verkochen des Meerwassers

ent-

weichenden D ä m p f e , sobald sie sich niederschlagen, nicht wieder Meerwasser der

sich

ergeben, sondern

anhängenden

süßes, wie das der

verdichteten

Tropfen

Geschmack

zeige;

zur

Be-

s t ä t i g u n g der B e h a u p t u n g , d a ß das Meerwasser solches süßes Wasser in sich enthalte, f ü h r t er noch einen besonderen weis

durch

wächsernes in

den

Versuch"

Gefäß, dessen

das Meer,

an:3

Versenke

man

Hals wasserdicht

so e n t h a l t e

es nach

„Be-

nämlich

ein

verschlossen

sei,

24 S t u n d e n

eine

gewisse

Menge Wasser, das durch die wächsernen W ä n d e hineinfiltriere, u n d dieses Wasser befinde m a n t r i n k b a r , weil die erdigen u n d salzigen Bestandteile aus ihm „ a b g e s i e b t " w u r d e n . Die

angeführte

Stelle den

aus

der

„Meteorologie"

Herausgebern

und

Kommentatoren

physikalischer

R i c h t u n g seit jeher große

hat

den

philologischer

und

Schwierigkeiten

be-

reitet, u n d bis in die neueste Zeit hinein blieb m a n auf die mannigfaltigste Weise b e m ü h t , sie bei A r i s t o t e l e s

(oder den

1 ! „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1911, S. 629. „Archiv f ü r die Geschichte 3 der Naturwissenschaften", Leipzig 1910, Bd. 2, 233—300. ebd., S. 257ff.

D I E

158

„ENTSALZUNG

DES

MEERWASSERS"

BEI

ARISTOTELES

von ihm b e n ü t z t e n Vorgängern) sprachlich und sachlich zuklären,

den

wiederholen,

— auch letzteres ohne Erfolg, da d ü n n w a n d i g e

Wachsgefäße

größeren

angedeuteten

Versuch

auf-

zu

einem

sowie

D r u c k e nicht widerstehen,

dickwandige

aber

W a s s e r ü b e r h a u p t nicht durchlassen. Die W e r k e Parallelstelle

des A r i s t o t e l e s

in

den

„Büchern

selbst e n t h a l t e n der

Probleme",

noch

doch

eine gelten

diese f ü r größtenteils u n e c h t , der griechische T e x t ist u n k l a r und

stimmt

mit

der

alten

lateinischen

Übersetzung

nicht

überein, u n d diese redet auch n u r allgemein von einem in das Meer zu v e r s e n k e n d e n angefertigten.

Gefäße, nicht

von

einem

aus

Wachs

W e i t a u s wichtiger ist jedoch eine zweite Stelle,

die in der „ T i e r k u n d e " v o r k o m m t , u n d abermals des „ d ü n n e n wächsernen H o h l g e f ä ß e s " g e d e n k t , das, in das Meer versenkt, „ n a c h vierundzwanzig Wassers e n t h ä l t " .

Stunden

eine kleine Menge

trinkbaren

Im selben Kapitel spricht nämlich

Aristo-

t e l e s z u n ä c h s t die Ansicht aus, süßes Wasser gehe aus Meerwasser

hervor,

wenn

dieses beim „ D u r c h s e i h e n "

durch

feste

erdige Schichten sein Salz abgebe, u n d alle Schaltiere lebten von dem süßen Wasser, das sich bei solchem

„Durchseihen"

des Seewassers durch ihre Schalen bilde; m a n wird daher mit Recht

voraussetzen

dürfen,

daß

der

„Versuch",

dessen

Be-

schreibung diesen Sätzen alsbald nachfolgt, mit ihnen in sachg e m ä ß e m Z u s a m m e n h a n g e stehen müsse, u n d d a ß A r i s t o t e l e s keinesfalls ein Gefäß aus Wachs,

also aus einem f ü r Wasser

undurchlässigen Materiale, im Sinne g e h a b t haben könne. Alle Schwierigkeiten

und

Widersprüche

werden

nun

be-

hoben, wenn m a n an der fraglichen Stelle, meinem Vorschlage gemäß, gefäß,

statt uyyüov

uyyüov xeoafiov

xyoivov

(angeion

(angeion

kerinon) =

Wachs-

keramon) = Tongefäß

liest.

Die Vorschrift l a u t e t d a n n dahin, m a n möge ein durchlässiges (also

unglasiertes)

Tongefäß,

dessen

Hals

dicht

verschlossen

ist, in das Meer v e r s e n k e n ; das allmählich eindringende Wasser, dessen Menge n u r klein sein k a n n , schon weil die L u f t nicht

DIE

„ENTSALZUNG

oder

nur

DES

spärlich

MEERWASSERS"

zu

BEI

entweichen

ARISTOTELES

vermag,

soll

159

trinkbar

be-

f u n d e n werden. Da

nun,

vorausgesetzt,

daß

es gelang,

die

günstigsten

U m s t ä n d e u n d die passendsten Tonsorten ausfindig zu machen, ein

solches

Ergebnis

keineswegs

unmöglich

erschien,

so

lag

es nahe, die Richtigkeit der K o n j e k t u r durch die

Vornahme

von Versuchen zu p r ü f e n , u n d Herr Prof. Dr. E r n s t

Erdmann

hatte

die

Güte,

meiner Anregung folgend, solche in

seinem

L a b o r a t o r i u m in Halle anzustellen. Zur

B e n ü t z u n g gelangten

z u n ä c h s t weiße Tonzellen,

wie

sie zu galvanischen u n d elektrolytischen Zwecken üblich sind, sowie s o g e n a n n t e italienische Krüge, das sind die im

Sommer

z u m Kühlen des Wassers dienenden, b r a u n e n , leicht g e b r a n n t e n Krüge

aus

porösem

Deutschland

Ton,

hergestellt

die

übrigens

und nach

massenhaft

Italien

auch

in

a u s g e f ü h r t werden,

von wo sie d a n n als „italienische W a r e " zu uns z u r ü c k k o m m e n . Die zweckmäßig verschlossenen Zellen w u r d e n in einen Autoklaven

gebracht,

der

Wasser

von

3 % Kochsalzgehalt

(dem

Wasser des Mittelmeeres entsprechend) enthielt, und in diesem einem D r u c k e von mittels

1

/ 2 — 3 x / 2 A t m o s p h ä r e n ausgesetzt, den m a n

flüssiger Kohlensäure

oder

flüssigen

Sauerstoffes

er-

z e u g t e ; die hohen D r u c k e erwiesen sich als ganz unnötig, denn schon

bei

1

/2 Atmosphäre

waren

binnen

41/2 Stunden

bis

70 ccm Wasser in die Zellen g e d r ü c k t , — aber dieses Wasser w a r stets genau ebenso salzig wie das a u ß e r h a l b befindliche, und eine Absorption oder Adsorption (an deren

Eintritt

ursprünglich g e d a c h t h a t t e ) w a r auf keine Weise zu Die italienischen

Krüge

(von

rund

1280 ccm

ich

erzielen.

Fassungsraum)

versenkte m a n in ein drei Meter hohes Blechgefäß voll Salzwasser, und es zeigte sich, d a ß , den entsprechend,

erhebliche

Mengen

Kompressionsverhältnissen

Wasser,

in 24 S t u n d e n

bis

295 ccm, in sie hineingedrückt w u r d e n ; aber auch dieses Wasser besaß den nämlichen Salzgehalt wie das äußere, und es t r a t , mindestens bei der b e n ü t z t e n Tonsorte, kein Anzeichen irgend-

D I E

160

welcher

„ENTSALZUNG

Absorption

DES

MEERWASSERS"

zutage.

in dieser R i c h t u n g ,

Schon

BEI

sollten

ARISTOTELES

weitere

da alle A b ä n d e r u n g e n

Versuche

fruchtlos

blieben,

eingestellt werden, als zufällig eines Tages, s t a t t eines neuen Gefäßes wie bisher, ein älteres zur A n w e n d u n g kam, das m a n nach

dem

dann das

Gebrauche

gründlich

an der L u f t getrocknet eingedrungene

Wasser

ausgespült,

hatte:

ganz

gewaschen,

diesmal n u n

erheblich

Analyse ergab auch n u r 1 , 5 % Salzgehalt.

und

schmeckte

milder,

und

die

Als Ursache dieser

auffälligen E r s c h e i n u n g erwies sich ein u n e r w a r t e t hohes Aufsaugungsvermögen

des Tones f ü r Flüssigkeiten; ein neuer, in

völlig trockenem Z u s t a n d e 602 g schwerer 1V4 Liter-Krug, den m a n einige Zeit in reines W a s s e r setzte, d a n n ausgoß u n d sorgfältig a b t r o c k n e t e , so d a ß er beim Stehen d a u e r n d trocken blieb und sich auch ganz trocken a n f ü h l t e , wog nicht weniger als 695 g ,

er h a t t e also in seinen W a n d u n g e n 93 g Wasser

gespeichert,

d. i.

rund

15,5 %

des

anfänglichen

auf-

Gewichtes.

V e r s e n k t e m a n ihn in d i e s e m Z u s t a n d e in das große, mit dreiprozentigem Salzwasser gefüllte Blechgefäß, so w u r d e n

binnen

45 M i n u t e n 50 ccm Wasser in seinen H o h l r a u m gedrückt, u n d dieses Wasser =

1,0015),

war

völlig

süß,

ganz

rein

(spez. Gewicht

u n d so salzfrei, d a ß es mit Silbernitrat n u r

eine

k a u m merkliche T r ü b u n g zeigte; es w a r eben das vorher seitens der

Wandungen

aufgesaugte

reine

Wasser,

das

nun,

dem

äußeren D r u c k e folgend, zuerst in das Innere des Kruges drang. Aristoteles

oder sein Vorgänger h a t also o f f e n b a r den

„ V e r s u c h " nicht mit einem n e u e n T o n g e f ä ß e angestellt, sondern m i t einem schon g e b r a u c h t e n , trocken

war,

in

der T a t

aber

gereinigten, das anscheinend in

seinen W a n d u n g e n

süßes

Wasser e n t h i e l t ; je nach der Dicke u n d P o r o s i t ä t des Gefäßes, u n d je nach

der

Höhe des Druckes beim

Meer, m u ß t e d a n n

nach Ablauf

Einsenken

einer b e s t i m m t e n

in

das

Zeitdauer,

— die nach den angestellten Proben sehr wohl zwischen 1 S t u n d e und

24 S t u n d e n

variieren

kann

Menge t r i n k b a r e n Wassers im

—, tatsächlich

eine

gewisse

Inneren des Gefäßes zu f i n d e n

DIE

sein,

„ENTSALZUNG

und

so

DES

entstand

Meerwassers"

infolge

MEERWASSERS"

der

BEI ARISTOTELES

Anschein

„Abseihens"

einer

seiner

161

„Entsalzung salzigen

des

Teilchen

durch die T o n w a n d . Es liegt demnach eine A r t „klassisches Z a u b e r k u n s t s t ü c k " vor, wie sich Herr Prof. Dr. E r d m a n n mit Recht ausdrückt. So

einfach

und

selbstverständlich

der

Tatbestand

erscheint,

wenn er erst einmal enträtselt ist, so w a r doch, um ihn aufzudecken, langwierige Versuchsarbeit und scharfe Beobachtungsgabe

erforderlich;

jedenfalls

reichen, eine „ V e x i e r f r a g e " , Fächer der

über

zwei

richtigen

hauptung,

Jahrtausende

Lösung

daß

darf

es

zur

Befriedigung

die Gelehrte der

zugeführt

lang zu

eine solche vorliegt,

beschäftigte,

sehen, wird,



denn

allem

A b h a n d l . 11. Vortr.

II.

nunmehr die

Be-

Dargelegten

zufolge, wohl als gerechtfertigt erscheinen.

v. L i p p m a n n ,

ge-

verschiedensten

11

6 NACHTRAG1

DIE „ENTSALZUNG DES MEERWASSERS";

or einigen M o n a t e n v e r ö f f e n t l i c h t e ich u n t e r d e m Titel „ D i e E n t s a l z u n g des Meerwassers bei A r i s t o t e l e s " „Chemiker-Zeitung"2

der

einen

kurzen

Aufsatz,

in in

d e m ich, a n k n ü p f e n d an m e i n e a u s f ü h r l i c h e A b h a n d l u n g „ C h e misches u n d Alchemisches a u s A r i s t o t e l e s " ,

die W a h r s c h e i n -

lichkeit e r ö r t e r t e , d a ß es sich bei d e m , im L a u f e der

Zeiten

so viel b e s p r o c h e n e n E n t s a l z u n g s v e r s u c h e des S t a g i r i t e n , u m ein W a c h s g e f ä ß , dyystov sondern

um

ein

minon);

wie

und

solchen,

dem

Anscheine

xi)invov

Tongefäß, unter

(angeion kerinon),

uyyüov

xeodfiivov

welchen nach

(angeion

kerä-

mittels

eines

Umständen,

wirklich

aus

nicht

handle,

salzigem

Wasser

s ü ß e s g e w o n n e n w e r d e n k ö n n e , w u r d e an der H a n d v o n Vers u c h e n b e r i c h t e t , die P r o f . Dr. E. E r d m a n n ,

meiner Anregung

f o l g e n d , in seinem L a b o r a t o r i u m in Halle a n g e s t e l l t Von herigen

den

nächst

der

dieselbe Prof.

beiden

naheliegenden

L e s a r t x/joivov ersteren

Anzahl

Dr.

in xioufiov den

von

Vorzug, in

weil

Halle

hiernach

aufweisen. machte

beide

Herr

mich

Geist

besten

der griechischen

F o r m äyysiov 1

Dank

bis-

sage,

darauf

Sprache

an

aufmerksam,

Stelle der

Worte

Geh.-Rat

aber

eine f r e u n d l i c h e M i t t e i l u n g , f ü r die ich i h m a u c h nochmals

der

oder x&üüfiivov g a b ich zu-

Buchstaben

G. W i s s o w a

Veränderungen

hatte.

hier daß

durch gerne der

appositioneilen

xkuufxov (ein G e f ä ß , ein T o n g e f ä ß ) j e d e n f a l l s die

„Chemiker-Zeitung" 1911, S. 1189.

1

ebd., S. 629.

DIE

„ENTSALZUNG

adjektivische

ccyystov

Gefäß) erfordere; richtigen.

DES

xeoufiiov

oder

demgemäß

Aus xeodfiivov

als aus xkou^ov

MEERWASSERS";

ist

NACHTRAG

xsodfiivov

also

(ein

163

tönernes

meine Angabe zu

be-

k a n n übrigens offenbar noch leichter

das übliche xr'joivov hervorgehen.

Auch der w e l t b e r ü h m t e philologische Altmeister der Berliner Universität, Herr G e h . - R a t Prof. Dr. H. D i e l s , dem ich meine kleine Arbeit zur K e n n t n i s gebracht h a t t e , erwies mir die Ehre, mir ü b e r den in Frage stehenden Gegenstand

einen

Brief zu schreiben, u n d mich auf einen seiner kürzeren Aufsätze a u f m e r k s a m zu

machen,

E x p e r i m e n t " schon schrift f ü r war.

der u n t e r

dem Titel

„Ein

falsches

1905 in dem F a c h b l a t t e „ H e r m e s " ,

klassische

Philologie

(Bd. 40,

S. 310),

Zeit-

erschienen

Diese A b h a n d l u n g , die nicht g e k a n n t zu h a b e n ich außer-

ordentlich bedauere, b e h a n d e l t das Problem der aristotelischen Wachsflasche, Weise

seine

und

erörtert in eingehender u n d

Herkunft

und

seine

erschöpfender

Überlieferung.

Ihr

Inhalt

l ä ß t sich etwa in n a c h s t e h e n d e n Leitsätzen (die eingeklammerten W o r t e rühren von mir her) kurz z u s a m m e n f a s s e n : Olympiodor Jahrhunderte logie"

des

gedenkt

in seinem

niedergeschriebenen)

Aristoteles

des

(im 5. nachchristlichen

Kommentar

uyytiov

x^otvov,

zur

„Meteoro-

des

Wachs-

gefäßes, das, wohlverschlossen ins Meer versenkt u n d nach gewisser Zeit herausgezogen, laut Angabe des A r i s t o t e l e s allein durchgesickerte süße Wasser e n t h ä l t ,

„abgesiebt"

Salze, das a u ß e r h a l b zurückblieb. — Zwar ist es nach

das vom Diels

richtig, d a ß A r i s t o t e l e s diese Angabe in der „Meteorologie" u n d auch in der „ T i e r g e s c h i c h t e " vorbringt, und an

letzterer

Stelle h i n z u f ü g t : „Einige h a t t e n Gelegenheit, das zu e r p r o b e n " , a b e r mit gleicher Sicherheit s t e h t auch fest, daß das E x p e r i m e n t unmöglich andere,

ist; A r i s t o t e l e s

h a t es also wohl, wie so viele

die er e r w ä h n t , nicht selbst angestellt, sondern

einer

älteren Quelle e n t n o m m e n , die er G r u n d h a t t e , f ü r zuverlässig anzusehen. Einen Fingerzeig zu deren E r m i t t e l u n g liefern die „ P h y s i ll*

164

DIE

„ENTSALZUNG

kaiischen

Fragen"

DES

des

MEERWASSERS";

Plutarch

NACHTRAG

(48—125 n. Chr.),

deren

E c h t h e i t m a n m i t U n r e c h t angezweifelt h a t ; eine Stelle dieser Schrift

sucht

das

Verhalten

der

Strandpflanzen

gegenüber

den Salzen des Meerwassers zu erklären, u n d indem der A u t o r daran erinnert,

daß m a n beim G r a b e n in der Nähe der See-

k ü s t e nicht selten auf Adern t r i n k b a r e n Wassers stoße, f ä h r t er f o r t : „Viele gewinnen auch Süßwasser aus dem Meere, indem

sie es in W a c h s f l a s c h e n ,

xijoivoii

es wird dabei durchgeseiht, w ä h r e n d

üyyuou,,

emporheben:

das Bittere u n d

Erdige

sich a b s c h e i d e t ; die F o r t l e i t u n g durch Ton m a c h t das durch ihn filtrierte Meerwasser d u r c h a u s t r i n k b a r , da er das Erdige in

sich

zurückhält

und

pflanzenphysiologische

nicht

Problem

durchläßt." behandelt

Das

auch

nämliche

Theophrast

(der Schüler u n d Nachfolger des A r i s t o t e l e s , 376—288 v.Chr.), jedoch in anderer Weise, u n d hauptsächlich Demokrit

anschließend

an

(440—350 v. Chr.?), dessen W e r k e uns nicht

er-

halten sind. Nun

stammt

die

Lehre,

daß

Süßwasser

nichts

anderes

sei, als durch E r d e filtriertes Seewasser, aus einer alten, volkstümlichen, schon bei T h a i e s (624—548 v. Chr.?) v o r k o m m e n d e n Theorie, der g e m ä ß auch die Flüsse sämtlich auf solche Weise aus

dem

deren

salzigen

Aristoteles

Okeanos

hervorgehen;

ausdrücklich

diese Theorie

Erwähnung

aber,

t u t , f i n d e t sich

auch bei D e m o k r i t vor, der „als ein Mann, der beinahe über alles n a c h g e d a c h t h a t " , dem A r i s t o t e l e s A u t o r i t ä t bezüglich der P h y s i k galt.

als u n b e d i n g t erste

Da n u n auch

Aelian,

wo er in seiner „ T i e r g e s c h i c h t e " ( v e r f a ß t u m 125 n. Chr.) von der

Wachsflasche

hange und

hiermit

Plutarch

den

des

Aristoteles

Theophrast

gelegentlich

spricht, und

im

Zusammen-

Demokrit

der E r ö r t e r u n g derselben

anführt, Fragen

die nämlichen A u t o r e n zitiert, so unterliegt die demokritische H e r k u n f t der ganzen Anschauungsweise wohl keinem weiteren Zweifel; die dem A r i s t o t e l e s der

Probleme"

enthalten

in

zugeschriebenen Wirklichkeit

sog.

„Bücher

zumeist

Auszüge

DIE

„ENTSALZUNG

DES

MEERWASSERS";

NACHTRAG

aus den kleineren Schriften des T h e o p h r a s t ,

165

u n d so erklärt

sich auch hier wieder das V o r k o m m e n

einer Stelle über

die

Entsalzung

Zusammenhange

mit

des

Meerwassers

aus

dem

den demokritischen P r o b l e m e n ; v e r m i t t e l t h a t deren dem P l u t a r c h

Kenntnis

u n d A e l i a n in erster Linie wohl T h e o p h r a s t ,

in zweiter eine nicht m e h r sicher festzustellende,

vermutlich

medizinische Quelle: n u r aus d r i t t e r H a n d e m p f a n g e n , t a u c h e n sie daher bei den späteren Autoren auf. Zu diesen ist auch der eingangs e r w ä h n t e

Olympiodor

zu zählen, u n d da die von ihm berichtete „ ü b e r r a s c h e n d e Diffusionserscheinung" unmöglich, ja „ h a a r s t r ä u b e n d " erscheint, bemerkt D i e l s :

, , . . . so bereue ich nicht, f ü r den A p p a r a t der

Olympiodor-Ausgabe s t a t t x/jotvov an

die

die bescheidene V e r m u t u n g

xsqüuivov

beigesteuert zu h a b e n ; denn ich erinnerte mich

Rolle,

welche

spielen, u n d w u ß t e ,

poröse

T o n g e f ä ß e bei

daß auch

der

die Alten (u. a.

selbst, sowie sein K o m m e n t a t o r P h i l o p o n o s ,

Endosmose Aristoteles

der im 6. J a h r h .

n. Chr. lebte) auf das m e r k w ü r d i g e Verhalten des u n g e b r a n n t e n oder vielmehr schwach g e b r a n n t e n Tones a u f m e r k s a m geworden waren." — Die T a t s a c h e , Lesart

xEodfitvov

daß

die von

s t a t t xyoivovt

mir

empfohlene

tönern

veränderte

s t a t t wächsern,

schon

vor 6 J a h r e n seitens D i e l s vorgeschlagen wurde, erfüllte mich begreiflicherweise z u n ä c h s t trat

aber

die

mit

Enttäuschung

größter

Befriedigung;

ein, als ich weiterhin

alsbald las,

daß

diese K o n j e k t u r falsch sei u n d zu nichts helfe, erstens

weil

eine Diosmose das Vorhandensein zweier verschiedener Flüssigkeiten

zu

beiden

Aristoteles geschichte"

sie

Seiten selbst

der W a n d widerlege,

das nämliche

erfordere, zweitens indem

Experiment

mit

er der

in

der

weil „Tier-

Wachsflasche

zu dem nämlichen Zwecke ausdrücklich nochmals vorbringe. Ist n u n diese Ansicht

Diels'

berechtigt?

Mit aller

Be-

scheidenheit, deren sich der Laie zu befleißigen h a t , wenn er es u n t e r n i m m t ,

einem

ersten

Meister

des

Faches zu

wider-

166

DIE

„ENTSALZUNG

DES

MEERWASSERS";

NACHTRAG

sprechen, m u ß ich mir g e s t a t t e n , dies zu bezweifeln: fest s t e h t z u n ä c h s t , auch nach D i e l s , flasche u n m ö g l i c h g e f ü h r t e Ergebnis, halten

kein

daß der Versuch mit der W a c h s -

ist, d a ß also das von A r i s t o t e l e s das f ü r völlig aus der

Anlaß vorliegt,

nur unter

an-

L u f t gegriffen zu

Benutzung

eines

Ge-

fäßes aus a n d e r e m Material erhalten worden sein k a n n . ich in meiner

Arbeit

hervorhob,

„läßt

Aristoteles

Wie

im

be-

t r e f f e n d e n Kapitel der , T i e r k u n d e ' z u n ä c h s t das süße Wasser aus dem Meerwasser vermöge des ,Durchseihens' erdige beim

Schichten

hervorgehen,

Durchseihen

des

und

die

Seewassers

durch

feste

von

dem,

Schalen

ent-

Schaltiere

durch

ihre

stehenden süßen Wasser leben, u n d m a n darf daher m i t R e c h t voraussetzen, Angaben

daß

der

nachfolgt,

hange stehen m ü s s e " . liche

oder

,Versuch',

mit

ihnen

dessen

in

Beschreibung

sachgemäßem

jenen

Zusammen-

Da es sich n u n bei diesen u m eine wirk-

vermeintliche

Filtration

durch

tonige

Schichten

oder Schalen h a n d e l t , so ergibt sich, in zwangloser Weise der Ton

als das gesuchte

Diels

z u r ü c k zu T h a i e s , die Filtration Ton;

andere

ausfindig g e m a c h t e n

Material.

Auch alle die von

Quellen, von

Plutarch

bis

n e h m e n einstimmig immer n u r Bezug auf

des Seewassers durch

die w u n d e r b a r e

Leistung

E r d e u n d speziell

der

Wachsflaschen,

mit der Zeit d e r a r t v e r v o l l k o m m n e t h a t , daß nach gar schon

an

„Viele das

Süßwasser

so aus dem

durch

die

sich

Plutarch

Meere

empor-

h e b e n " , wird zwar von jedem der Autoren e r w ä h n t , aber die beigefügten

Erklärungen

beziehen

sich

nie

auch

nur

mit

einem W o r t e auf W a c h s , sondern stets auf T o n , u n d k ö n n e n als wirkliche Analogien „wächsern"

durch

n u r gelten, wenn

„tönern"

ersetzt:

dann

man

das A d j e k t i v

treffen sie,

ohne

daß m a n sonst eine Silbe zu ä n d e r n b r a u c h t , tatsächlich Meiner Ansicht

nach

ist also der

a n z u s e h e n : das E x p e r i m e n t Aristoteles

zu.

S a c h v e r h a l t wie folgt

(das auch m e i n e Arbeit als von

„oder den von ihm b e n u t z t e n V o r g ä n g e r n "

r ü h r e n d bezeichnete), ist, wie aus dem Nachweise von

herDiels

DIE

„ENTSAIZÜNG

DES

MEERWASSERS";

NACHTRAG

h e r v o r g e h t , aller Wahrscheinlichkeit nach durch angestellt worden, aber mit einem t ö n e r n e n von m i r berichteten Weise, u n d tiven Erfolge.

Das ciyyüov

Abschreiber in ein dyysiov

167

Demokritos Gefäß, in

mit dem angegebenen

xsQÜfuvov xnoivov

des D e m o k r i t

verwandelt,

der posi-

h a t ein

und n a c h d e m

so das T o n g e f ä ß zu einem W a c h s g e f ä ß geworden war, begann es als solches, von jener ersten Quelle ausgehend, seine W a n d e r s c h a f t durch die spätere L i t e r a t u r : ein A u t o r überlieferte es dem anderen, ohne den auf eine hohe A u t o r i t ä t zurückgehenden Versuch zu wiederholen, und ohne sich daran zu stoßen,

daß

die (vielleicht schon von A n f a n g an beigefügten) erklärenden, aber

auf

Ton

bezüglichen

nicht zutreffen. bot,

schöpfte

Analogieschlüsse

auf

Wachs

Aus einer H a n d s c h r i f t , die die Lesart auch

Aristoteles,

und

gar

x/igivov

infolgedessen

ist

es

nicht auffällig, d a ß er in seinen W e r k e n , so oft sich ein Anlaß ergibt, diesen Gegenstand zu b e r ü h r e n , alle Male von

einem

W a c h s g e f ä ß e spricht. Was

endlich

Di eis'

Bedenken

bezüglich

der

Diosmose

d a ß eine solche, den

b e t r i f f t , so ist zu berücksichtigen,

von

mir berichteten Versuchen gemäß, nicht in Frage k o m m t , bei

diesen

das

Wasser

einfach

infolge

des

da

hydrostatischen

Druckes in die T o n g e f ä ß e e i n t r a t . Die Schwierigkeiten, die D i e l s seiner K o n j e k t u r

xegdfjiivov

f r ü h e r entgegenstehen sah, d ü r f t e n d e m n a c h j e t z t als behoben gelten,

und

da

die Lesart x/jgivov

bleibt, weil sie Unmögliches kalische wie philologische

auf

voraussetzt,

alle Fälle

unzulässig

so scheinen

physi-

G r ü n d e in gleicher Weise f ü r

die

Richtigkeit der von mir geäußerten V e r m u t u n g zu sprechen.

7 DIE SPEZIFISCHE

ARCHIMEDES1

BEI

nter

obigem

Titel

Privatdozent schienen Forschers v a n gelegentlich nicht

um

GEWICHTSBESTIMMUNG

Dr.

Franz

einschlägigen

Deventer,

der eine

von Krone

vor

Zeit2

einiger

Strunz Aufsatz

einen des

Herr

1897

er-

holländischen

in d e m dieser zeigt, d a ß es sich

Vitruv des

sondern u m einen K r a n z , gung

besprach

überlieferten

Königs H i e r o

Untersuchung

gehandelt

dessen P r ü f u n g o h n e

habe,

Beschädi-

des K u n s t w e r k e s erfolgen m u ß t e , was d a h e r keinesfalls

ausschließt, d a ß m a n zu jener Zeit nicht schon andere, vielleicht auf einer A r t von Z e m e n t a t i o n u n d auf A n w e n d u n g des Probiersteines b e r u h e n d e Methoden k a n n t e . Es

sei

gestattet,

darauf

hinzuweisen,

D a r s t e l l u n g des Sachverhaltes, wie sie v a n a u c h der deutschen z. B.

in

Bd. 1,

Hellers S. 87),

in

physikalischen in

La

daß

die

richtige

Deventer

gibt,

L i t e r a t u r keineswegs f r e m d ist u n d „Geschichte

der P h y s i k "

Gerland-Traumüllers

sich

( S t u t t g a r t 1882, „Geschichte

der

E x p e r i m e n t i e r k u n s t " (Leipzig 1899, S. 28), u n d

Cour-Appels

„Die

Physik

auf

Grundlage ihrer

ge-

schichtlichen E n t w i c k l u n g " (Braunschweig 1905, Bd. 1, S. 202) vorfindet.

E s e n t h ä l t ferner die W i e n e r „ N u m i s m a t i s c h e Zeit-

s c h r i f t " von Metallurgie 1

1884 (Bd. 16), so

vielfach

eine Arbeit

verdienten

„Chemiker-Zeitung" 1907, S. 616.

Prof. 2

des u m

die

antike

K. B. H o f m a n n ,

ebd., S. 487.

DIE

SPEZIFISCHE

„Beiträge

GEWICHTS

zur

BESTIMMUNG

Geschichte

dritter Absatz

der

BEI

antiken

ARCIIIMEDES

169

Legierungen",

deren

„ Ü b e r die B e s t i m m u n g der

Zusammensetzung

des E l e k t r u m s aus seinem spezifischen Gewicht" überschrieben ist.

Hofmann

erörtert

zunächst

den

Bericht

des' V i t r u v

über den, ohne Schädigung des W e i h e k r a n z e s zu erbringenden Nachweis

der Verfälschung,

und

wendet

sich

dann

zu

Lehrgedichte „ D e ponderibus et m e n s u r i s " , das nach Forschern um 50, nach anderen geblich

von

Rhamnius

oder

dem

einigen

erst gegen 500 n. Chr. Remmius

Flavinus?)

(anver-

f a ß t sein soll, u n d zwei, nach allem Anscheine auf A r c h i m e d e s zurückgehende Bestimmungsmethoden

schildert: die erste be-

r u h t auf der Differenz der Gewichtsverluste, wichte

verschiedener

Metalle

beim

die gleiche

Eintauchen

in

Ge-

Wasser

erleiden, die zweite auf der Verschiedenheit der Gewichte, die gleich

große,

aber

aus

verschiedenen

Metallen

bestehende

K ö r p e r zeigen (wobei die Edelmetalle auch durch W a c h s oder einen anderen passenden Stoff schon b e k a n n t e n Volumgewichtes ersetzt werden können). thoden

des

Es ist b e a c h t e n s w e r t ,

Archimedes

nicht

nur

den

d a ß die Me-

Nachweis

Verfälschung ermöglichen, sondern auch deren B e t r a g tativ nur

zu

bestimmen

zeigen,

daß

gestatten:

Archimedes

einer quanti-

konnte

nicht

dem zur Herstellung des. Weihekranzes be-

s t i m m t e n Golde Silber beigemischt worden war, sondern auch angeben,

wieviel,

sierte H o f m a n n

u n d auf seinem

Prinzipe f u ß e n d ,

analy-

eine große Anzahl k o s t b a r e r a n t i k e r Münzen

aus E l e k t r u m (Gold-Silber-Legierung), die gleichfalls nicht beschädigt werden unbekannt

durften, und

gebliebene

e r m i t t e l t e so deren

Zusammensetzung.

von ihm k a m zu gleicher Zeit H u l t s c h ,

Ganz

bis

der b e r ü h m t e Ver-

fasser des grundlegenden W e r k e s „Metrologicorum

scriptorum

reliquiae" (1. Ausgabe Leipzig 1866), auf den nämlichen d a n k e n , u n d veröffentlichte 1884 in der „Berliner für Numismatik"

(Bd. 11,

dahin

unabhängig

S. 161) ebenfalls eine

Ge-

Zeitschrift Reihe

von

Analysen seltener Münzen nach dem A r c h i m e d i s c h e n Prinzipe;

170

D1E

SPEZIFISCHE

GEWICHTSBESTIMMUNG

BEI

ARCHIMEDES

diese Analysen von H o f m a n n u n d H u l t s c h waren, trotz des so

nahe

liegenden

Gedankens,

merkwürdigerweise

die ersten

solcher A r t . Es

ist

worden,

von

daß

früheren

Forschern

Archimedes

klare

immer

noch

bezweifelt

Vorstellungen

über

das

spezifische Gewicht besaß, diese Bedenken müssen aber völlig v e r s t u m m e n gegenüber den Auszügen arabischer aus

Archimedischen

Werken,

die

in

Schriftsteller

jüngster

Zeit

(1906)

Prof. Dr. E. W i e d e m a n n (Erlangen) in Nr. 6 bis 8 seiner hochwichtigen bekannt nur

„ B e i t r ä g e zur Geschichte der gemacht

das W o r t

zutreffende

hat:

„spezifisches

Kenntnis

Naturwissenschaften"

diesen g e m ä ß fehlt bei und

Gewicht",

Anwendung

Archimedes

keineswegs des

aber

Begriffes.

die Die

von verschiedenen Schriftstellern des 11. u n d 12. J a h r h u n d e r t s überlieferten Methoden

des A r c h i m e d e s

und

seiner

Schule,

wie sie u. a. A l b i r u n i , A l C h ä z i n i , A b u M a n s ü r a l N a i r i z i , und O m a r matiker) Teil

in

auch

a l C h a j j ä m i (der b e r ü h m t e Dichter u n d Mathemehreren graphisch

Abhandlungen darstellen,

wiedergeben

betreffen

die

der q u a n t i t a t i v e n Z u s a m m e n s e t z u n g von gemischten und

die „ B e s t i m m u n g

Metalle

an

diesen";

des sie

Gehaltes von schreiben

vor,

und

zum

„Bestimmung Körpern"

Legierungen entweder

das

zweier Ver-

hältnis der Gewichte gleicher Volumina zu ermitteln, oder das V e r h ä l t n i s der Gewichte der K ö r p e r in L u f t u n d Wasser, oder die Gewichtsverluste in Wasser, u n d f ü h r e n t r o t z der o f t sehr verwickelten Berechnungen sämtlich z u m richtigen

Ergebnisse.

8 ZUR

GESCHICHTE

DES SACCHAROMETERS SENKSPINDEL

n

der L i t e r a t u r

begegnet

UND

DER

1

man

zumeist

der

Angabe,

— u n d auch ich h a b e diese in meiner „Chemie der Z u c k e r a r t e n " wiedergegeben 2 —, das erste „Gewichtsoder P r o z e n t - S a c c h a r o m e t e r " ,

bei 1 4 ° R = 1 7 , 5 ° C

die Anzahl

K i l o g r a m m Zucker in 100 kg Lösung anzeigend, sei 1835 von Balling

konstruiert

15° C die Anzahl anzeigendes Balling,

1839 beschrieben

Kilogramm

Instrument

Zucker in

erdachte,

1841 V a n d e v e l d e

eine Tafel schon

und

worden;

100 L i t e r n

angeblich

vielleicht

bereits

wahre Prozentsaccharometer

1804,

an,

bis 8 4 ° C.

fertigte

bei

Lösung

unabhängig

in Gent, und berechnete

f ü r die T e m p e r a t u r k o r r e k t i o n e n

1812,

ein

von auch Aber

Hermbstaedt

die er empirisch

graduierte,

indem er z. B. b e s t i m m t e , wie tief sie in einer, aus 5 Teilen Zucker und 95 Teilen Wasser bestehenden

Lösung, bei 14° R ,

einsanken, usf. Volum-Saccharometer unter

diesem

Zeit a n g e h ö r t ) , in

englischen

eines

Namen bereits

standen (der

seit

Bierbrauereien

Handbuches

der

also

dem in

jedoch,

und

keineswegs

zwar der

schon neueren

E n d e des 18. J a h r h u n d e r t s Anwendung.

E r f i n d u n g e n " , das

Im

1801 bei

„Versuch F. H a a s

in Wien u n d P r a g erschien, berichtet der Verfasser, H. C. B u s c h , 1 „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1912, S. 385. schweig 1904, S. 1359.

2

3. Aufl., Braun-

ZUR GESCHICHTE

172

folgendes:1

hierüber Werkzeug,

das

DES

SACCHAROMETERS

„Saccharometer

mit

der

a b e r weit z u s a m m e n g e s e t z t e r ist. der Würze,

ist

Salzspindel

USW.

ein

hydrostatisches

viel Ähnlichkeit

hat,

Es dient dazu, die Schwere

den Gehalt und die S t ä r k e des Bieres zu

unter-

suchen, u n d wird als eine A r t von Senkwage a n g e w a n d t . Erfinder

dieses

Werkzeuges

ist

Johann

Der

Richardson

in

E n g l a n d , der es 1784 b e k a n n t m a c h t e ; s. „Allgemeine L i t e r a t u r Zeitung",

Jena

1788,

Nr. 281b,

und

Halles

„Fortgesetzte

Magie", 1789, Bd. 2, S. 216." W a s die hier e r w ä h n t e deren

Geschichte noch

„Salzspindel"

selbst

b e t r i f f t , so bedarf

der A u f k l ä r u n g .

Nach

Beck-

m a n n s „ B e i t r ä g e n zur Geschichte der E r f i n d u n g e n " beschreibt sie

zuerst

Basilius

J. T h ö l d e Valentinus

(der

Herausgeber

der

angeblich

von

v e r f a ß t e n Schriften) in seiner 1603 zu

Leipzig, n a c h anderen zu Eisleben erschienenen

„Haligraphia",

jedoch n u r oberflächlich u n d sichtlich nicht als n e u ; 2

angeb-

lich sollen auch Spindeln zur B e s t i m m u n g der

„Salzprozente"

schon

Mathematicus"

in

dem

um

1600 v e r f a ß t e n

„Mundus

von D e s C h a l e s e r w ä h n t sein, sowie in den „ M a t h e m a t i s c h e n u n d Philosophischen

E r q u i c k s t u n d e n " von

Schwenter

(1585

bis 1636), welches letztere W e r k in N ü r n b e r g 1636, erst n a c h des Verfassers Tode, erschienen ist. 3

Die Salinen in Lothringen

u n d B u r g u n d , die nach A n g a b e n L e G r a n d d' A u s s y s bereits im wie

in eifrigem Betriebe s t a n d e n , 4

16. J a h r h u n d e r t Lavoisier

Spindel

(pèse-liqueur),

entsprachen, analoge

1777

was

berichtet,5 deren

Grade

Lavoisier

Instrumente

auch

schon

so in

seit

je einem

zweckmäßig die

benutzten,

alter

Zeit

eine

Prozente

Salz

fand,

daß

Salpeterfabrikation

er ein-

f ü h r t e . Wie weit a b e r diese „ a l t e Z e i t " zurückreicht, läßt sich 1

2 Bd. VI, S. 1. „Beiträge" (Leipzig 1799, Bd. 4, S. 249); s. meine 3 „Geschichte des Zuckers" (Leipzig 1890, S. 140). Beide Bücher habe ich selbst nicht gesehen; ebensowenig T h ö l d e s oder T h ö l d e n s „Haligraphia". 4 Vgl. meine „Geschichte des Zuckers", S. 228; s. auch P a l i s s y s „Discours" von 1580, sowie B a c c i u s „ D e T h e r m i s " (Venedig 1571, S.283.) 5 „Oeuvres", Paris 1892; Bd. 5, S. 427.

ZUR GESCHICHTE

aus L a v o i s i e r s

DES

SACCHAROMETERS

173

A u s f ü h r u n g e n u m so weniger feststellen, als

diese in geschichtlicher

Hinsicht

oft unzuverlässig

z. B. erzählt er 1786 auch, 1 D u t r ô n e kochender Zuckerlösungen meters

USW.

festzustellen

neuerdings mit

gelehrt

(durch

sind.

So

h a b e die K o n z e n t r a t i o n Hilfe des

Bestimmung

Thermo-

des

Siede-

punktes), w ä h r e n d er v o r h e r gezeigt h a t t e , wie die Menge des gelösten Zuckers durch eine Spindel zu ermitteln sei, nämlich aus den Graden, die m a n an diesem ,,pèse-liqueur" beim Eint a u c h e n ablesen könne. de

Morveau

einem

im

Burgundischen,

Tatsächlich h a t t e aber zuerst G u y t o n befreundeten

der ihn

Kontrolle

der durch

befragte,

die

seine

Anwendung

um

Z u c k e r r a f f i n e u r zu

ein

Hilfsmittel zur

Dijon

besseren

Kocher so oft v e r d o r b e n e n einer

Spindel

empfohlen;

Sude

sie

war

aus Silberblech gefertigt, zeigte (sehr zweckmäßigerweise)

die

Prozente des noch in der Lösung v o r h a n d e n e n Wassers (also 100 —Zuckerprozente),



und

derlei

Spindeln

waren

1780

schon nach Domingo gesandt worden, wo sie 1787 bereits in allgemeinem

Gebrauche

standen.2

Neu

war

die

Anwendung

von Spindeln aber auch 1780 längst nicht m e h r , 3 h a t t e doch schon 1768 B a u m é ihre Skala nach jener a b g e ä n d e r t e n Weise einzuteilen vorgeschlagen, die die E r i n n e r u n g an seinen N a m e n noch heutigen Tages wach erhält. Die ältesten

„Spindel

aus

Nachrichten,

Silberblech" die

uns

I n s t r u m e n t e s ü b e r h a u p t vorliegen. des

Bischofs

Lehrerin

Synesios

Hypatia,

die

von

erinnert

betreff

lebhaft

an

Geschichte

und

(370—413) hochgelehrte

die

dieses

Zu diesen zählt ein

Kyrene

schöne

der

an

Brief seine

Tochter

des T h e o n von Alexandria, deren greuliche E r m o r d u n g durch den, v o m f a n a t i s c h e n u n d unwissenden P a t r i a r c h e n

Kyrillos

a u f g e h e t z t e n städtischen Pöbel, ihr, wäre sie Christin gewesen, 1

a „Oeuvres", Paris 1868; Bd. 4, S. 478. s. meinen Aufsatz „Die Zuckerindustrie um 1830" in der „Zeitschrift des Vereins der Deutschen 3 Zuckerindustrie", 1899, Bd. 49, S. 579. Eine Anzahl Belege s. bei B e c k m a n n , a. a. O.

174

ZUR

GESCHICHTE

DES

SACCHAROMETERS

USW.

zweifellos die H i m m e l s k r o n e der M ä r t y r e r i n eingetragen Synesios wohl zu lich

hätte.

b i t t e t sie in jenem Briefe, ihm (da er k r a n k w a r , medizinischen

Zwecken)

ein

„Hydroskopion"

„Wasseranzeiger")

anfertigen

zu

lassen

und

zu

(wörtsenden;

er beschreibt es als ein zylindrisches Röhrchen, mit wagerechten Teilstrichen versehen, die angeben, wie tief es in der

Flüssig-

keit einsinkt, und a m u n t e r e n Ende, des a u f r e c h t e n S c h w i m m e n s wegen, mit einem kleinen Gewichte beschwert, dem „ B a r y l l i o n " (von ßccin^ = schwer). 1

Aus

ungefähr

der

nämlichen

Zeit,

dem 4. bis 5. J a h r h u n d e r t , s t a m m t n a c h H u l t s c h das „ C a r m e n de ponderibus et m e n s u r i s " (Gedicht von den Gewichten

und

Maaßen), dessen A u t o r die Herstellung einer Spindel aus Silberoder K u p f e r b l e c h , sowie die Art wendung,

in so klarer u n d

und

die Vorteile ihrer An-

deutlicher Weise beschreibt,

daß

m a n ihr auch h e u t e k a u m etwas hinzuzusetzen h ä t t e . 2 Diese

Umstände

sind

insofern

sehr

bemerkenswert,

als

z. B. noch der w e l t b e r ü h m t e Arzt G a l e n o s (131 bis e t w a 200) die

richtige

Schwimmen

Konzentration

einer

oder U n t e r s i n k e n

a u c h die „ G e o p o n i k a " ,

Salzsole

nur

nach

dem

eines Eies zu beurteilen

weiß;

eine S a m m l u n g griechischer

landwirt-

schaftlicher Schriften, die v e r m u t l i c h u m 350 n. Chr. v e r f a ß t , uns

aber n u r in ä u ß e r s t

hundert

hinein

vielfach

entstellter u n d bis in das 8. J a h r umgearbeiteter

Form

ist, 3

erhalten

bemessen die zulässige V e r d ü n n u n g eines Weines bloß d a n a c h , d a ß er Heuschrecken, Zikaden, oder Holzbirnen noch zu tragen vermag. den

anfänglich daß

Der

Autoren nach

Begriff der

noch Ibel

des

ersten

spezifischen Jahrhunderte

unbekannt, 4

das

und

„Carmen

Gewichtes unserer

blieb

eben

Zeitrechnung

auch s p ä t e r u n g e l ä u f i g , de

ponderibus

et

so

mensuris"

1 Der Text des Briefes steht u. a. abgedruckt in dem ausgezeichneten Aufsatze von K. B. H o f m a n n , „Kenntnisse der klassischen Völker von den physikalischen Eigenschaften des W a s s e r s " (Ber. d . Akad., Wien 1909, Bd. 163, 9 S. 18 u n d 60ff.); s. auch „ G e s c h i c h t e des Zuckers", S. 140. Die be3 t r e f f e n d e n Verse stehen bei H o f m a n n ebenfalls abgedruckt. s. „Geschichte des Zuckers", S. 72. 4 „ D i e W a g e im A l t e r t u m u. Mittelalter" (Erlangen 1908).

ZUR

GESCHICHTE

DES

SACCHAROMETERS

USW.

175

seiner die e r s t e E r w ä h n u n g t u t , indem es die W o r t e g e b r a u c h t „aequa

gravia

in

specie",

d. h.

„spezifisch

(seiner

Spezies,

Nach H o f m a n n 1 b e h a n d e l t

seiner N a t u r nach) gleich schwer."

indessen schon eine Schrift, die sich u n t e r die W e r k e des G a l e n o s aufgenommen

findet,

sondern

Pseudo-Galenos

von

einem

aber nicht von diesem h e r r ü h r t , (des 3. oder 4. J a h r -

h u n d e r t s ? ) , die Gewichtsverhältnisse verschiedener Flüssigkeiten „auf ein gleich großes Volumen Wasser b e z o g e n " ; sie gelangt dabei zu Zahlen,

aus

denen

sich sehr z u t r e f f e n d e spezifische

Gewichte berechnen lassen ( f ü r Wein und Essig etwa 1, f ü r Öl 0,923, f ü r Honig 1,35—1,50),

u n d sagt ausdrücklich „ W a s s e r ist

nach seiner N a t u r , cpvaei, schwerer als Öl".

Da n u n „fvaig"

mit

„spezies" zu übersetzen ist, so d ü r f t e der römische A u t o r aus einer älteren griechischen Quelle geschöpft haben, — wie dies in wissenschaftlichen Dingen f a s t ausnahmslos der Fall zu sein pflegt. 2 Berthelot

ist

der

Meinung,

daß

die

Kenntnis

des

„ H y d r o s k o p i o n s " im Mittelalter vollständig verloren gegangen sei. 3

In der T a t erwähnen seiner weder jene arabischen Schrift-

steller,

deren

einschlägige

Kenntnisse

die

neueren

hervor-

ragenden Arbeiten E. W i e d e m a n n s u n d seines Schülers I b e l klargelegt haben, noch die byzantinischen, aus deren (etwa

im

Verfasser

10. J a h r h u n d e r t ) der

„Mappae

der

sog.

clavicula"

Heraklius, und

Werken

sowie

die

eines T r a k t a t e s

im

M a n u s k r i p t e Nr. 12292 der Pariser S t a a t s b i b l i o t h e k schöpften, — w ä h r e n d a l l e diese Autoren sich mit der h y d r o s t a t i s c h e n Wage dem

u n d ihren A n w e n d u n g e n , u n d die arabischen auch m i t Pyknometer,

durchaus

jedoch zu berücksichtigen,

daß

vertraut

zeigen.

Es

bleibt

die m i t t e l a l t e r l i c h e . L i t e r a t u r

noch bei weitem nicht genügend d u r c h g e a r b e i t e t ist, und sich nachweislich 1

so m a n c h e

Verfahren

und

Apparate,

daß über

2 H o f m a n n , a. a. O., S. 18 und 60ff. Auch aus den Angaben des griechischen Arztes O r i b a s i o s (326—403) berechnet sich für das spe3 zifische Gewicht des Honigs die Zahl 1,50 ( H o f m a n n ) . „La chimie au moyen âge" (Paris 1893), Bd. 2, S. 176.

176

die

GESCHICHTE

sie

gar

nichts

Überlieferung

(als

erhalten h a b e n .

DES

besagt,

SACCHAROMETERS

dennoch

Zunftgeheimnisse

USW.

vermöge u. dgl.)

unmittelbarer in

der

Praxis

W a s die Spindel b e t r i f f t , so sei in dieser Hin-

sicht auf eine in meiner „ G e s c h i c h t e des Z u c k e r s " a n g e f ü h r t e Notiz verwiesen, 1 der g e m ä ß die arabischen Z u c k e r f a b r i k a n t e n Ä g y p t e n s , im 9. u n d 10. J a h r h u n d e r t etwa, es schon v e r s t a n d e n h ä t t e n , Wert und

G ü t e ihrer Z u c k e r s ä f t e mittels eigener In-

s t r u m e n t e zu p r ü f e n ; die Notiz, deren H e r k u n f t u n d Richtigkeit festzustellen ich nicht in der Lage war, sagt nicht, d a ß

jene

I n s t r u m e n t e Spindeln gewesen seien; in der A n n a h m e , d a ß m a n solche im Ä g y p t e n des 9. J a h r h u n d e r t s noch e b e n s o w o h l ' w i e in dem

des 4. oder 5. g e k a n n t

wahrscheinliches,

denn

habe, liegt indessen nichts Un-

gerade

an Form

und

Anwendungsart

chemischer u n d physikalischer A p p a r a t e h a t die T r a d i t i o n ü b e r ein J a h r t a u s e n d lang mit außerordentlicher Zähigkeit festgehalten. Es ist d a h e r sehr wohl d e n k b a r , — wenngleich ohne weitere Nachforschungen nicht mit B e s t i m m t h e i t zu b e h a u p t e n —, d a ß der Gebrauch der Spindel seit dem A l t e r t u m nicht wieder in völlige Vergessenheit geriet, sich vielmehr, mindestens an gewissen Orten, in der P r a x i s solcher Gewerbe erhielt, denen er besonderen

N u t z e n gewähren

k o n n t e ; zu diesen ist in

erster

Linie die Salzsiederei zu zählen, u n d da sie eine höchst reichhaltige und sehr weit zurückreichende

L i t e r a t u r besitzt,

mögen die F a c h k e n n e r vielleicht nähere Angaben zu Erwähnt

sei n o c h ,

2

daß

R. C o n s t a n t i n ,

der

ver-

machen. 1566

zu

Lyon den Brief des S y n e s i o s u n d das „ C a r m e n de p o n d e r i b u s " herausgab, die D e u t u n g e n f r ü h e r e r Forscher, die das

Hydro-

skopion f ü r eine W a s s e r u h r gehalten h a t t e n , sogleich als i r r t ü m lich e r k a n n t e , u n d

das I n s t r u m e n t f ü r eine Spindel

erklärte,

deren

und

erörtert.

Einrichtung

Gebrauch

er

ganz

richtig

W o h e r h ä t t e er aber diese K e n n t n i s s e besessen, w ä r e die p r a k tische

Benutzung

der

Spindel

damals

nicht

schon

längst

üblich, u n d auch ihm geläufig g e w e s e n ? 1

a. a. O., S. 140.

2

s. B e c k m a n n , a. a. O., S. 261 und 267.

9 ZUR

GESCHICHTE

DES

ERSTER

elegentlich

der

handlung

„Zur

SACCHAROMETERS NACHTRAG1

Veröffentlichung Geschichte

der Senkspindel" 2 hatten Dr.

S. G ü n t h e r

langen

in

München

die Freundlichkeit,

USW.

des

meiner

kleinen

Ab-

Saccharometers

und

die Herren G e h . - R a t

und

E. W i e d e m a n n

mir wertvolle Hinweise

Prof.

in

Er-

zukommen

zu lassen: der erstere, indem er mir den zitierten Absatz aus Schwenters

„Erquickstunden"

zur- Einsicht

sandte,

Kapitel

in

machte,

und

der

Al-Khazinis mir

den

von

letztere,

1636 indem

im

Originaldruck

er

mich

„ W a g e der W e i s h e i t "

heutzutage

auf

ein

aufmerksam

unauffindbar

gewordenen

Sonderabdruck der K h a n i k o f f sehen Veröffentlichung von 1856 zur Verfügung setzung

und

stellte

(arabischer

Kommentar,

american oriental s o c i e t y " gestatte Dank

Text

abgedruckt

mit im

englischer „Journal

1859, Bd. 6, S. 1).

Beiden

ich mir auch an dieser Stelle meinen

Überof

the

Herren

aufrichtigsten

auszusprechen.

Im 9. Teil der „ E r q u i c k s t u n d e n " S. 386

als

„30. A u f g a b "

an:

„Ein

führt

Schwenter

Instrument

zu

auf

machen,

damit zu erfahren, wieviel jedes gesaltzenes Wasser Saltz enthalte?"

Als Lösung empfiehlt er, „nach Mitteilung eines vor-

nehmen kaiserlichen Befehlshabers",

ein Klötzlein aus rundem

Holze anzufertigen, einen Fuß lang, am unteren Ende mit ein wenig Blei daran (oder „ d a r e i n " ? ) , so daß es in Wasser auf1

„Chemiker-Zeitung" 1912, S. 629.

v. L i p p m a n n , Abhandl. u. V o r t r .

II.

2

ebd., S. 385. 12

178

ZUR GESCHICHTE

recht s c h w i m m t . löse

darin

DES

SACCHAROMETERS;

I.NACHTRAG

Man n e h m e n u n „ein Geschirr voll Wassers",

ein

Loth

Salz

auf,

lasse

das

Klötzlein

darin

s c h w i m m e n , m a c h e an der Stelle, bis zu der es einsinkt, ein Strichlein,

„dazu

schreibt

man

Eins";

dann

löse m a n

dazu

noch ein zweites Loth Salz, f i n d e t so das Strichlein Zwei, und f ä h r t in gleicher Weise fort.

,,So Dir n u n ein S a l z w a s s e r vor-

k o m m t , und Du erfahren wolltest, wieviel es Saltz hielte, so wirffe das

Instrument

darein,

siehe, wieweit

es sich in

das

Wasser sencke, so wirst Du die Zahl des Inhalts darauf finden, welches wohl in Acht zu n e h m e n . " — Es handelt sich also bei Schwenter und

ganz

u m eine Salzspindel von größter Ursprünglichkeit,

unvollkommen

ist auch

sein Verfahren zur

empi-

rischen E r m i t t e l u n g einer Skala, da er nicht einmal sagt (oder dieses auch

gar nicht

verstanden

hat),

daß

das

„Geschirr"

eine b e s t i m m t e E i n h e i t Wasser e n t h a l t e n m u ß , z. B. 100 Loth, wenn die Spindel n a c h h e r Gewichtsprozente angeben soll. Al-Khazini, sischer

ein

arabisch

Herkunft, bekannt

schreibender

Gelehrter

als N a t u r f o r s c h e r von

theoretischen u n d praktischen

per-

vielseitigen

Interessen, u. a. auch als A u t o r

g e s c h ä t z t e r W e r k e über physikalische u n d astronomische Instrum e n t e , v e r f a ß t e die „ W a g e der W e i s h e i t " laut eigener A n g a b e im J a h r e 1121/1122; sie b e h a n d e l t die p r a k t i s c h e

Bestimmung

des spezifischen Gewichtes fester u n d flüssiger Stoffe mittels Wage,

Pyknometer,

Instrumente,

unter

u n d Aräometer,

sowie die Theorie

hauptsächlicher

Anlehnung

an

dieser Euklid

(um 350 v. Chr.), A r c h i m e d e s (gest. 212 v. Chr.), M e n e l a o s (um

100 n. Chr.),

Pappos

(um 300 n. Chr.),

syrische u n d arabische Gelehrte des 9. und namentlich

an

den

hochberühmten

und

mehrere

10. J a h r h u n d e r t s ,

Abu-r-Raikan,

d. i.

A l b i r u n i (um 1000 n. Chr.). 1 Auf Seite 40 b e g i n n t der A b s c h n i t t „ Ü b e r die E i n r i c h t u n g des I n s t r u m e n t e s z u m P r ü f e n von Flüssigkeiten auf keit u n d Schwere, sowie die A n w e n d u n g dieses 1

Leichtig-

Instrumentes,

S. über ihn meine „ A b h a n d l u n g e n u n d Vorträge", Leipzig 1906, S. 97.

ZUR GESCHICHTE

nach P a p p o s ,

DES

SACCHAROMETERS;

/ . NACHTRAG'

dem griechischen P h i l o s o p h e n " .

Verf. b e m e r k t h a t , d a ß die Senkspindel für

praktische

und

medizinische

Präzisionsinstrument

J 79

N a c h d e m der

ebenso b e q u e m , wie

Zwecke

wichtig,

und

so g u t wie ein astronomisches sei,

ein

1

be-

schreibt er z u n ä c h s t ihre A n f e r t i g u n g : sie ist ein aus d ü n n e m Kupferblech

bestehender

Spanne

dem

und

Hohlzylinder

Durchmesser

von

etwa zweier

der

Länge

Finger,

einer

an

den

sorgfältigst a b g e d r e h t e n E n d e n abgeschlossen durch zwei dünne, ganz flache K a p p e n , deren u n t e r e innen ein konisches Stückchen Zinn so befestigt t r ä g t ,

„daß

vermöge seines Gewichtes

die

ganze Spindel beim Einsenken in eine Flüssigkeit völlig aufrecht s c h w i m m t . "

Als „Einheits"-(Normal-)Flüssigkeit

nimmt

m a n das Wasser eines b e s t i m m t e n Flusses an, z. B. des E u p h r a t oder J a i h ü n ( = A m ü ) ; die Stelle, bis zu der die Spindel in diesem

einsinkt,

soll, von

oben

gerechnet,

ein

Sechstel

der

Gesamtlänge b e t r a g e n ; sie heißt, weil die Spindel in (spezifisch) leichtere

Flüssigkeiten

weniger

tief, in

(spezifisch)

schwerere

aber tiefer einsinkt, „ d e r Ä q u a t o r des Gleichgewichtes", 2

und

wird durch einen eingeritzten

Will

m a n s p ä t e r von einem

Kreis kenntlich g e m a c h t .

anderen

gehen, so m u ß m a n n a t ü r l i c h

Wasser als „ E i n h e i t "

die Spindel erst

aus-

entsprechend

einstellen, was durch vorsichtiges A b ä n d e r n des kleinen Zinngewichtes geschieht.

Das Sechstel oberhalb des Ä q u a t o r s teilt

m a n , n a c h Vorschrift A l b i r u n i s ,

in zwei, die übrige Spindel,

also die fünf Sechstel u n t e r h a l b des Äquators, in zehn gleiche Teile, u n d jeden dieser zwölf H a u p t t e i l e wieder in zehn kleinere gleiche Grade, die sämtlich durch von

diesen

Graden

Kreise bezeichnet

werden;

befinden sich also 20 oberhalb u n d

100

u n t e r h a l b des Ä q u a t o r s , u n d zwar liegt die Stelle des H u n d e r t p u n k t e s auf dem Ä q u a t o r (so d a ß die Spindel im

Einheits-

wasser 100° anzeigt), w ä h r e n d n a c h o b e n , v o m Ä q u a t o r gerechnet,

die G r a d e

110—120 eingezeichnet

sind, und

u n t e n die Grade 100—1. ' S . 87.

2

Vgl. S. 117. 12*

aus nach

ZUR

180

GESCHICHTE

Will m a n

nun

DES

SACCHAROMETERS;

i.

das spezifische Gewicht

WACHTRAG

einer

Flüssigkeit

b e s t i m m e n , so l ä ß t m a n die Spindel d e r a r t einsinken, d a ß sie frei u n d genau s e n k r e c h t in ihr schwebt, u n d liest an der Skala die

Zahl

der

Grade

ab;

um

auf

Grund

dieser

Zahl

das

spezifische Gewicht zu finden, bedient m a n sich entweder einer berechneten Tabelle 1 , oder einer zweiten, neben

von A l b i r u n i

der ersten a n g e b r a c h t e n W e r t e ersehen läßt.

Skala, die u n m i t t e l b a r die gesuchten

Sinkt z. B. die Spindel, die im

Normal-

wasser 100° zeigte, in einer dichteren Lösung n u r bis 8 8 ° ein, so m u ß sich o f f e n b a r 88 zu 100 so v e r h a l t e n , wie das spezifische Gewicht

des Wassers,

d. i.

1,

zum

gesuchten

der

Lösung,

also 8 8 : 1 0 0 = l : x , w o r a u s sich (nach heutiger Weise in Dezimalen berechnet) ergibt x = 1,13636 . . . ,

oder f ü r 100 Volum-

Teile der Lösung das Gewicht 113,63636.

In A l b i r u n i s Tafel

38

f i n d e t m a n f ü r 8 8 ° die Zahl 113+ /6o angegeben, d. i. in Dezimalen 113,63333, es ist d e m n a c h , gegenüber der genauen theoretischen Zahl, n u r die Differenz 0,00303, also der f ü n f t e Teil 1

von

/60,

vorhanden,

die

durch Z u h i l f e n a h m e der auch ohne B e n u t z u n g

praktisch 1

ohne

jeden

Belang

/ 6 0 -Teile v e r m o c h t e also

der zu seiner Zeit noch

ist;

Albiruni, unbekannten

Dezimalbrüche, seine Tafel kurz, übersichtlich, u n d sehr genau zu gestalten.

Sie e n t h ä l t

übrigens n u r

die Zahlen,

die

den

Graden 50—110 der Spindel entsprechen, also spezifischen Gewichten

von

0,902—2,000,

die,

,,in sämtlichen v o r k o m m e n d e n

abgesehen

vom

Quecksilber,

Fällen m e h r als g e n ü g e n " ,

da

den spezifischen Gewichten f ü r die leichtesten u n d schwersten aller

Flüssigkeiten,

d. i.

0,915

für

Olivenöl

und

1,406

für

Honig, die G r a d e 108—109 u n d 71—72 der Spindel entsprechen. Folgende Tabelle e n t h ä l t malen

umgerechneten)

in der ersten

Werte

für

die

Spalte die (in spezifischen

verschiedener Flüssigkeiten nach A l b i r u n i u n d u n d in der zweiten die zugehörigen neueren

1

Vgl. S. 117.

2

S. 84.

Dezi-

Gewichte

Al-Khazini,

Bestimmungen:2

ZUR GESCHICHTE

DES

SACCHARO METERS ; i. NACHTRAG

Süßes Wasser, kalt „ „ heiß (siedend) . Meerwasser Gesättigte Kochsalzlösung . . Harn des Menschen, kalt . . „ „ „ heiß . . Blut „ „ . . . . Kuhmilch Wein Weinessig Honig Olivenöl Sesamöl Quecksilber

. . . . . . . . . . . .

1,000 0,958 1,041 1,134 1,025 1,018 1,033 1,110 1,022 1,027 1,406 0,915 0,920 13,560

|ß 1

1,000 0,9597 1,028—-1,040 1,205 1,011 1,004 1,053 1,020--1,041 0 , 9 9 2 - -1,038 1,013- -1,080 1,450 0 , 9 1 8 - 0,919 0,919 13,557

Wie m a n sieht, sind diese E r m i t t e l u n g e n von erstaunlicher Schärfe, so z. B. ist der W e r t f ü r Quecksilber genauer als der von

Galilei

bei zwei Versuchen

zu

fundene!

Auch w a r es A l - K h a z i n i

daß

hauptsächlichen

die

spezifischer

Gewichte

13,357 und

Fehlerquellen

die

bei

anhaftenden

wechselnden T e m p e r a t u r e n sind, heißes Wasser oder kalter u n d

1

13,760 ge-

und A l b i r u n i der

bekannt,

Bestimmung

Luftblasen

und

die

d a ß daher auch kaltes und warmer

Harn

erheblich

ver-

schiedene W e r t e ergeben; deshalb d ü r f e m a n nicht n a c h

Be-

lieben das w ä r m e r e u n d d ü n n e r e Wasser des Sommers,

oder

das kältere

und

dichtere

des W i n t e r s als Einheit

sondern müsse f ü r solches von richtiger u n d

benutzen,

gleichbleibender

W ä r m e sorgen, k ö n n e aber u m g e k e h r t den Wechsel der Wassertemperatur

im

Sommer

und Winter

z u t r e f f e n d e r Weise erkennen. Ist

das

Wesentliche

mittels

der

Spindel

in

und

Er-

2

der

dargelegten

Angaben

l ä u t e r u n g e n der Inhaltsüberschrift A l - K h a z i n i s

g e m ä ß wirk-

lich dem P a p p o s zuzuschreiben, so wird hierdurch die K e n n t nis des A r ä o m e t e r s u n d seiner A n w e n d u n g bis in das Jahrhundert keit

seiner

tischem

n. Chr. Erfindung

Boden

hinaufgerückt, durch

bestätigt,

und

griechische

denn

Pappos

die

dritte

Wahrscheinlich-

Gelehrte

auf

wohnte und

ägypwirkte

zu Alexandria u n d s t a r b daselbst u m 300 n. Chr., wie C a n t o r 1

S. 70, 101; 71, 74.

2

S. 99.

ZÜR

182

GESCHICHTE

DES

SACCHAROMETERS;

i.

NACHTRAG

in den „Vorlesungen ü b e r Geschichte der M a t h e m a t i k " bewies. 1 Den gewichtigen G r ü n d e n ,

die C a n t o r

gegen die f r ü h e r an-

g e n o m m e n e Lebenszeit um 400 n. Chr. geltend m a c h t , schließt sich an

nun

noch

Hypatia

d e r an,

daß S y n e s i o s

wegen A n f e r t i g u n g eines

in

dem

„Hydroskopions"

(gest. 413),

ge-

richteten Briefe, von dem kleinen A p p a r a t keineswegs als von etwas völlig Neuem spricht, sondern ihr den Gegenstand, den sie besorgen

soll, als einen

schon

wohlbekannten

kurz

und

s a c h g e m ä ß b e s c h r e i b t ; dieses ist leicht verständlich, wenn der A u f t r a g eine der schon vor u n g e f ä h r h u n d e r t J a h r e n e r f u n d e n e n Senkspindeln b e t r a f , w ä r e a b e r auffällig, falls es sich u m ein soeben

erst seitens eines

handelte.

Vermutlich

Gelehrten

bedurfte

ausgedachtes

der

kranke

Instrument

Synesios

die

Spindel zur Beurteilung des Trinkwassers, oder vielleicht P r ü f u n g des H a r n e s ; allerdings e r w ä h n e n Geschichten

der

Medizin

keine

so

frühe

die mir

zur

bekannten

Anwendung

eines

H y d r o s k o p i o n s ( = Wasserbeschauers) zu solchem Zwecke, u n d auch die einschlägigen, z u m Teil sehr ausführlichen

Abhand-

lungen spätgriechischer u n d byzantinischer Autoren in

Idelers

S a m m l u n g „Physici et medici graeci m i n o r e s " R i c h t u n g keinen A n h a l t s p u n k t ,

2

geben in dieser

— soweit ich die f ü r

Nicht-

philologen meist ä u ß e r s t schwierigen T e x t e zu verstehen v e r m a g . Zum

Schlüsse sei noch darauf a u f m e r k s a m g e m a c h t ,

Al-Khazinis

Werk

einen

neuen

und sehr b e d e u t s a m e n

weis f ü r meine B e h a u p t u n g liefert, der A l k o h o l sei g a r

behauptet, kannt

denn den

wäre

Arabern

er, wie m a n schon

seit

immer dem

gewesen, so schiene es u n d e n k b a r ,

noch

Fachgelehrte von u m f a s s e n d s t e m Wissen noch fisch

leichteste

aller

überhaupt

abendallgemein

9. J a h r h u n d e r t daß

vorkommenden

Be-

keine

a r a b i s c h e E n t d e c k u n g , sondern eine r e l a t i v s p ä t e ländische;

daß

be-

hervorragende 1120 als speziFlüssigkeiten

das Olivenöl bezeichnet h ä t t e n , dem das spezifische

Gewicht

0,915 z u k o m m t , w ä h r e n d das des Alkohols r u n d 0,8 b e t r ä g t . 1

Leipzig 1907, Bd. 1, S. 441.

2

Berlin 1841; zwei Bände.

10 ZUR G E S C H I C H T E DES SACCHAROMETERS

USW.

NACHTRAG1

ZWEITER

ie ich vor einiger Zeit 2 aus den 1636 erschienen quickstunden"

Schwenters

„Er-

nachwies, s t a n d in den

Salzsiedereien, deren, namentlich vor der Z e r r ü t t u n g der wirtschaftlichen Verhältnisse durch den 3 0 j ä h r i g e n

Krieg,

im Deutschen Reiche recht viele betrieben w u r d e n , eine Senkspindel von allerdings noch großer U n v o l l k o m m e n h e i t in anscheinend regelmäßigem

bereits

Gebrauche.

Einen weiteren Beleg f ü r diese B e h a u p t u n g f a n d ich seither in einem W e r k e vor, das u n t e r dem T i t e l : „ D e s burger Patriziers P h . H a i n h o f e r Reisen nach Dresden",3 Jahre herzog den

auch

die

Fahrt

schildert,

die

Augs-

Innsbruck und

der

Genannte

1628 u n t e r n a h m , u m bei dem in Tirol weilenden Leopold

von

Österreich

Großherzog von T o s k a n a

zuliefern,

ein

Prachtstück

einen

zum

bestimmten

aus

im Erz-

Geschenk

für

Prunkschrank

ab-

Augsburgs

Kunstwerkstätten,

völlig gleichend dem der nämlichen S t a d t und derselben Zeit entstammenden weltberühmten „Pommerschen der

noch

sehen ist.

jetzt

im

kunstgewerblichen

Der Erzherzog n a h m

Kunstschranke",

Museum

Hainhofer

in

Berlin

zu

auf das f r e u n d -

lichste auf, u n d ließ ihm u. a. die n e u e r b a u t e F a h r s t r a ß e nach Hall,

sowie die dortigen

Salzwerke zeigen;

Hainhofer

be-

suchte diese am 29. April 1628, u n d schreibt in seinem Tage1 Chemiker-Zeitung 1912, S. 1201. Wien 1901, S. 89.

8

ebd., S. 629.

3

ed. D o e r i n g ,

184

ZUR GESCHICHTE

buche

das

folgende:

DES

„Zu

SACCHARO METERS;

2.

Hall

beschawet

aber

erstlich

NACHTRAG

die

S a l t z - P f a n n e n , deren 4 sein, u n d seudet m a n alle Wochen in zwo P f a n n e n , in jeder 1598 F u d e r Saltz, wöchentlich 2 P f a n n e n ; die Jenige, so m a n aine W o c h e n g e b r a u c h e t hat, lasset

man

die a n d e r e Wochen

Meil

wegs

von

der

ruhen.

Pfannen,

in

Der

Saltzberg ist auff

welchem

dreyhundert

ain

Personen:

bey der P f a n n e n aber 180 Personen, u n d e r denen 24 Schmide sein, täglich a r b a i t e n .

Z u r P r o b a t i o n des sauren und süessen

Wassers h a t m a n ain W a a g , die siehet gleich wie ain metalliner Z a p f e n , den w i r f f t m a n

in das W a s s e r : so es sauer ist,

so

s c h w i m m t die W a a g ü b e r sich, so das Wasser aber sües ist, so feit sie gen B o d e n . " D a ß die „ W a a g " nicht n u r zur E r k e n n u n g des „ s a u r e n " , d. h.

salzhaltigen

Wassers

diente,

— wozu

sie wohl

nötig w a r —, sondern vor allem zur E r m i t t l u n g der des in Lösung befindlichen Salzes, h a t H a i n h o f e r gar nicht b e m e r k t , oder nicht richtig v e r s t a n d e n .

kaum Menge

entweder

w WASSERBADES1

ZUR GESCHICHTE DES

ürftig und

unzureichend

wie über die gesamten

An-

fänge der Chemie, sind unsere Kenntnisse auch über Alter,

H e r k u n f t , und N a m e n eines ihrer wichtigsten

und

merkwürdigsten

den

mittelalterlichen

Apparate,

des

Wasserbades,

alchemistischen

Schriften

das

in

„Balneum

Mariae", im Deutschen „ M a r i e n b a d " , im Französischen

„Bain-

Marie" heißt, und analoge B e n e n n u n g e n auch in den übrigen romanischen Sprachen t r ä g t . Die älteren historischen Werke, z. B. K o p p s

„Geschichte

der Chemie" und „ B e i t r ä g e zur Geschichte der Chemie" sowie Hoefers

„Histoire

de la

W a s s e r b a d und das Sand-

Chimie",

daß

berichten,

sich

oder Aschenbad zuerst, und

das zwar

ohne Bezeichnung durch einen besonderen T e r m i n u s technicus, im 8. oder 9. J a h r h u n d e r t e bei d e m Araber G e b e r fänden; da, und

2

wie

diese Angabe bedarf aber keiner weiteren schon

Kopp

Berthelot

vermutete,

bestätigte,

die

Erörterung,

Steinschneider früher

dem

in

Wahrheit

13. J a h r h u n d e r t e s Aus

einem,

erst

Kompilationen

des

bewies,

Geber

geschriebenen und n u r in lateinischer Übersetzung Werke

erwähnt

zu-

bekannten ausgehenden

sind. dem

4. bis

6. J a h r h u n d e r t e

entstammenden

1 „Beiträge aus der Geschichte der Chemie".. (Wien und Leipzig 1908, 2 S. 143). K o p p , „Gesch. d. Chemie" (Braunschweig 1843), I, 54 und II, 22; „Beitr. z. Gesch. d. Chemie" (ebd. 1869), 405.

186

ZUR GESCHICHTE

„Wörterverzeichnis

der

DES

heiligen

WASSERBADES

Kunst"

(r»;s ieoäg rexvijg,

d. i. der Chemie) f ü h r t H o e f e r 1 auch den Ausdruck mospodion"

an;

er b e h a u p t e t ,

Thermospodion

„Ther-

bedeute

„eine

Art W a s s e r b a d " , gibt aber zu, d a ß der alexandrinische

Che-

miker Z o s i m o s (der u m 300 n. Chr. schrieb) d a r u n t e r ein von g e b r a u c h t e s Aschenbad verstehe, 2 u n d

der Chemikerin M a r i a meint

daher

schließlich,

Chemikerin „ B a i n - M a r i e " .

das 3

Aschenbad

heiße

nach

dieser

D a ß n u n ein Thermospodion,

schon dieser N a m e n besagt, nichts weiter als ein ist, geht klar aus dem K o c h b u c h e des A p i c i u s

wie

Aschenbad

C o e l i u s (um

222 n. Chr.) hervor, denn in diesem Werke, das d u r c h a u s die griechische u n d

speziell

die alexandrinische

Herkunft

verrät,

schreiben die R e z e p t e wiederholt v o r : ,,pone in cinere calido" und „ p o n e s u p r a cinerem c a l i d u m " , 4 oder „ p o n e in t h e r m o s p o d i o " u n d ,,pone s u p r a t h e r m o s p o d i u m " , 5 j a einmal werden beide A u s d r ü c k e auch im nämlichen Kapitel als identisch gebraucht.6

Mit dem „ B a l n e u m M a r i a e " s t e h t aber das T h e r m o -

spodion in keinerlei Z u s a m m e n h a n g , denn, wie schon C a r d a n u s anführt7

und

Kopp

bestätigt,8

ausdrücklich

N a m e n stets n u r auf das W a s s e r b a d " . Mariae"

benannt

„geht

Wann

wurde,

ersterer

jedoch

zuerst

„Balneum

darüber

Kopp

nichts zu wissen, denn w ä h r e n d z. B. an einer

dieses gesteht Stelle

des A l b e r t u s M a g n u s (1193—1280) n u r „ v a s a q u a e bullientis" zu lesen ist, 9 erscheint in jenen Schriften des 13. J a h r h u n d e r t e s , als

deren

Verfasser

man

früher

den

Arnold

von V i l l a n o v a

Mariae"

als eine schon w o h l b e k a n n t e

Raimund

ausgab, die Bezeichnung und

keiner

Lull

Erklärung

b e d ü r f t i g e r e ; weil aber neben „ B a l n e u m M a r i a e " a u c h n e u m m a r i s " gesagt wird, läßt K o p p 1

und

„Balneum „Bal-

m i t gewohnter Vorsicht

2 s „Hist. de la Chimie" (Paris 1866), I, 258. ebd. I, 270. ebd. I, 285; diese Etymologie findet sich u. a. schon im „Glossarium" des D u 4 C a n g e von 1688. ebd. S c h u c h (Heidelb. 1874), 69, 72, 74, 90. 5 6 7 ebd. 71, 73, 74, 89. ebd. 74. „De subtilitate" (Lyon 1554), 625. 8 9 „Beitr." 402ff. „Beitr." 238.

ZUR GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

187

die Frage, ob ü b e r h a u p t eine Beziehung zwischen den

Namen

„ M a r i a " und „ B a l n e u m M a r i a e " bestehe, unentschieden. 1 Z u n ä c h s t ist es n u n von großer Wichtigkeit, festzustellen, d a ß das W a s s e r b a d , wie eine Anzahl bisher anscheinend u n b e a c h t e t gebliebener Angaben beweist, seit w e i t a u s Zeit

bekannt

nehmen.

ist,

als sämtliche

Dioskurides

(um

Historiker

75 n. Chr.)

der

ganz

längerer

Chemie

erwähnt

in

„Materia m e d i c a " , d a ß m a n das Aus- u n d Umschmelzen Fett, Knochenmark,

an-

seiner von

H a r z u. dgl., nicht n u r auf freiem Feuer

oder in der Sonnenhitze v o r n e h m e n

könne, sondern

auch

in

einem T o p f e oder in einer durch Deckel geschlossenen Büchse, die m a n in ein Gefäß mit heißem Wasser einstelle; den treffenden

Apparat

nennt

er

Sin)Mucc. 2

Eine

analoge

beBe-

m e r k u n g ü b e r das Kochen von Meerzwiebeln in einem Topfe, den m a n in ein anderes Gefäß einsetzt, m a c h t P l i n i u s (gest. 79 n. Chr.). 3

D a ß jedoch diese Vorschriften n u r

betreffen, zeigt

ein

Bericht

bei T h e o p h r a s t ,

und

Nachfolger des A r i s t o t e l e s

nur

fragmentarisch

erhaltenen

Altbekanntes dem

Schüler

(372—285 v. Chr.); in

Schrift „ Ü b e r

die

der

Gerüche" 4

sagt dieser A u t o r hinsichtlich des Ausziehens von wohlriechenden Bestandteilen und Aromen aus Blüten u. dgl. durch Öl: „ E s geschieht bei allen diesen, indem m a n das Gefäß in Wasser stellt, so d a ß keine B e r ü h r u n g m i t dem Feuer selbst erfolgt, denn die W ä r m e soll gelinde wirken, die F l a m m e aber w ü r d e vielen Verlust h e r b e i f ü h r e n u n d einen Geruch nach A n g e b r a n n t e m verursachen."

Endlich ist auch im K o r p u s der von

Hippo-

1 „Beitr." 405. L u l l z. B. hat im „Testamentum" (Köln 1566, 178ff.) mehrmals Balneum Mariae, der vielbelesene R u l a n d u s im „Lexicon Alchimiae" (Frankfurt 1512) Balneum Maris (155, 188), Balneum Mariae, d. i. Marienbad (163, 203), Balneum maris vel Mariae, (98, 99), Balneum maris, d. i. Marienbad (222). Der sog. I s a a k H o l l a n d u s (angeblich gegen 1400, tatsächlich

nach P a r a c e l s u s ) spricht vom „Wasserbad Mariae" („Sammlung Chymischer 2 Schriften", Wien 1746, 79). „Mat. med." 2, 86 und 95; 3, 87. S. meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften" 3 4 (Leipzig 1906), 72. „Hist. Nat." 20, 39. cap. V, Absatz 22.

ZUR GESCHICHTE

188

DES

WASSERBADES

k r a t e s (460—377? v. Chr.) v e r f a ß t e n , oder ihm zugeschriebenen W e r k e von der Z u b e r e i t u n g einer Tisane aus Linsen die Rede, und

es wird

hierbei anbefohlen, „ d e n Topf, der die

e n t h ä l t , in einen größeren und

so

die

führungen,

die

durch

mit Wasser gefüllten vorzunehmen".1

Abkochung

systematisches

Aus

Linsen

einzusetzen, diesen

An-

wohl

noch

Nachsuchen

zu v e r m e h r e n wären, geht jedenfalls hervor, daß das Wasserb a d schon im 5. J a h r h u n d e r t e v. Chr. ein gebräuchlicher,

und

keinen Anspruch auf Neuheit m e h r erhebender A p p a r a t

war.

Vermutlich sprünglich

diente

es,

ebenso

kulinarischen

wie

Zwecken;

das

Thermospodion,

f ü r diese

ur-

Herkunft

zeugt

n a m e n t l i c h auch eine, von K. B. H o f m a n n 2 schon 1885 hervorgehobene

Stelle in der Schrift „ Ü b e r die

Landwirtschaft"

des C a t o (234—149 v. Chr.), denn bei Bereitung einer

„Er-

n e u m " g e n a n n t e n Speise heißt es d a s e l b s t : 3 „Bringe es in einen irdenen Topf, stelle ihn in einen Topf voll w a r m e n u n d koche es so auf dem F e u e r . "

Wassers,

Die in der a n t i k e n

Koch-

k u n s t so häufige V e r w e n d u n g von Öl leitete anscheinend v o m Wasserbade

auch

zum

Ölbade

über;

Galenos

(131—200?

n. Chr.) e r w ä h n t letzteres als etwas ganz B e k a n n t e s . 4 Aus der Küche, und zwar aus der seit jeher verfeinerten orientalischen,

ging

das

Wasserbad

in

die

pharmazeutischen

u n d kosmetischen W e r k s t ä t t e n des Orients u n d Ä g y p t e n s über, und

schließlich

gemeinen

die

chemischen.

Es

fehlt

nicht

an

Spuren dieser Deszendenz: nach P l u t a r c h

120 n. Chr.) die

in

mischen

Räuchermittel,

in

den

Arome,

ägyptischen und

Arzneien

all-

(50 bis

Tempeln

„Köche"

„unter

Vorlesung

heiliger S c h r i f t e n " (d. i. wohl von Z a u b e r s p r ü c h e n ) ;

5

ein grie-

chischer, noch vor 300 n. Chr. in Ä g y p t e n a b g e f a ß t e r chemischtechnischer

Traktat

sagt

ausdrücklich

„die K ü c h e n k u n s t

f ü r uns (d. h. f ü r die Chemiker) bei vielen Anlässen 1

ist

höchst

2 „Von den Krankheiten", lib. 3. „Berg- u n d Hüttenmännische 3 Zeitung" 1885, Nr. 28. „De re rustica", cap. 81. * „ D e sanitate 5 tuenda", lib. 4, cap. 8. „ Ü b e r Isis u n d Osiris", cap. 81.

ZUR GESCHICHTE

nützlich";1

ja

noch

DES

WASSERBADES

mittelalterliche

189

Alchemisten

versichern

„die Bereitung des Steines der Weisen sei f ü r den

wirklich

Kundigen k a u m m e h r als opus mulierum, . . . K ü c h e n a r b e i t " . 2 W a s speziell das W a s s e r b a d b e t r i f f t , so ist die älteste der in

Ägypten

in

griechischer

Sprache

verfaßten

chemischen

Schriften, die seiner gedenkt, jene der K l e o p a t r a , Zosimos Traktat einem,

(also

vor

über die im

10.

300 n. Chr.)

Goldmacherei

oder

einer v o r

lebenden Chemikerin; 3

(„Chrysopoieia")

11. J a h r h u n d e r t e

h a t sich in

geschriebenen

Kodex

der St. M a r k u s - B i b l i o t h e k zu Venedig erhalten u n d ist mit zahlreichen

erklärenden

Gleichalterigkeit

jedoch, wie in allen analogen

stets ohne weiteres thelot ein

Zeichnungen

angenommen

werden

versehen, darf.

4

ihr

auch

— deren

Fällen,

nicht

Nach

Ber-

zeigt eine der F i g u r e n 5 zweifellos ein Wasserbad, das

Destillationsgefäß

enthält

und

selbst

auf

einem

Dreifuß

über einem Ofen s t e h t ; in einer z w e i t e n 6 t r ä g t das Wasserbad eine halbkugelige Schale, deren Inschrift növrog

(Meer) lautet,

u n d in die sich aus einem anderen A p p a r a t e , den aber thelot

nicht

gießen soll.

erklären

zu

können

gesteht,

ein

Ber-

Destillat

er-

Diese D e u t u n g d ü r f t e jedoch irrtümlich sein, denn

der fragliche A p p a r a t h a t den T y p u s der , , A r t a b e " , eines auf den

ägyptischen

Monumenten

häufig

vorkommenden

Hohl-

m a ß e s f ü r Getreide u n d Flüssigkeiten, 7 u n d e n t h ä l t daher vermutlich die im W a s s e r b a d e e i n z u d a m p f e n d e Lösung. Aus dem nämlichen kritos,

Zeitalter s t a m m t

richtiger P s e u d o - D e m o k r i t o s ,

eine dem

Demo-

zugeschriebene

Ab-

h a n d l u n g , in der es h e i ß t : „ S e t z e die S u b s t a n z in eine mit Wasser gefüllte Tonschale, . .

in ein mit gesiebter Asche ge-

fülltes Aschenbad, u n d erhitze langsam z u m Sieden, . . . wobei 1 B e r t h e l o t , „Collection des anciens alchimistes grecs" (Paris 1888); 2 III, 321. S c h m i e d e r , „Geschichte der Alchemie" (Halle 1832), 48ff. 3 B e r t h e l o t , „Coli." I, 137 und 142; „Introduction à l'étude de la Chimie 4 des Anciens et du Moyen-âge" (Paris 1889), 137. s. K o p p , „Beitr." I, 5 6 176, 226, 228. „Introd." 133. ebd. 141; „Coli." I, 142. 7

s. B r u g s c h , „Die Ägyptologie" (Leipzig 1897), 379.

ZUR

190

GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

V e r d a m p f u n g erfolgt ohne A n b r e n n e n ; " 1 auch zur Darstellung einiger P r ä p a r a t e wird ebenda das W a s s e r b a d u n d das Aschenbad empfohlen. 2

Indessen ist diese A b h a n d l u n g n u r in syrischer

Übersetzung bekannt,

die wahrscheinlich

8. oder 9. J a h r h u n d e r t e s beurteilen l ä ß t , alte

Quellen

sich

aber

wieder,

so d a ß sich

des nicht

inwieweit die Einzelnheiten ihres Inhaltes auf

zurückgehen.

auch

ein Nestorianer

angefertigt hat,

bei

Die

Synesios

u n d gingen noch zu

begleitenden (im

Figuren

4. J a h r h u n d e r t e

finden n. Chr.)

Beginn des 8. J a h r h u n d e r t e s in

das sog, „ B u c h des K r a t e s " über, eine der ältesten arabischen Übersetzungen griechischer chemischer W e r k e ; 3 was aber

Sy-

n e s i o s u n t e r dem N a m e n U ß m , auf einem D r e i f u ß e stehend, abbildet,4

ist

entschieden

,,Bain-Marie", auf

einem

vielmehr

Aschenbade,

wiedergegebenen

nicht, wie B e r t h e l o t steht

der

Ußt,^,

entsprechend

Vorschrift des

der

Synesios:

meint, 5

an

anderer

„Stelle

ein

Kessel, 6

d. i. der

das

Stelle Pro-

d u k t auf ein Aschenbad, das nicht durch starkes Feuer erhitzt wird, sondern n u r vorsichtig". 7 Die „Aichemistin M a r i a " , die einige Historiker in das 1., andere in das 4. bis 5. nachchristliche J a h r h u n d e r t

versetzten,

w ä h r e n d noch a n d e r e sie f ü r eine rein s a g e n h a f t e Gestalt erklärten,

f i n d e t sich

in den Listen der „ ö k u m e n i s c h e n

Alche-

m i s t e n " , d. h. der älteren griechischen von höchster A u t o r i t ä t , regelmäßig g e n a n n t , u n d wird auch in dem m a ß g e b e n d e n arabischen Autorenverzeichnisse, dem u m 850 v e r f a ß t e n „ F i h r i s t " , aufgeführt.8

An ihrer Existenz ist d a h e r nicht wohl zu zweifeln,

fraglich bleibt jedoch, ob ihre sog. Schriften u n d die Z i t a t e aus diesen echt, u n d ob die sehr spärlichen Nachrichten

über

ihr Leben z u t r e f f e n d sind; 9 jedenfalls m ü ß t e sich letzteres a b e r 1

2 B e r t h e l o t , „La C h i m i e au moyen-âge" (Paris 1893); 1, 43. ebd. I, 3 4 60 u. 71. ebd. I, 108ff. H o e f e r l , 280; B e r t h e l o t , „Coli." 1, 164. 5 6 „ I n t r o d . " 164; „Coli." I, 164. auch nach „Coli." I, 166 ist U ß n ? = 7 3 chaudière. „Coli." III, 65. B e r t h e l o t , „Les origines de l'Alchimie" 3 (Paris 1885), 128 u n d 131. H o e f e r l , 282; K o p p , „Beitr." 402ff.;

B e r t h e l o t , „ I n t r o d . " 171.

ZUR GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

191

s p ä t e s t e n s im 3. J a h r h u n d e r t e abgespielt haben, da der u m 300 n. Chr. schrieb, fach z u s a m m e n e r w ä h n t .

Kl.eopatra

Berthelot

und

Zosimos,

Maria

mehr-

ä u ß e r t zu wiederholten

Malen die Ansicht, d a ß ein im K o d e x der Marciana abgebildeter „Ofen der Aichemistin M a r i a " als „ p r o t o t y p e de n o t r e bainMarie" anzusehen s e i ; 1 die Zeichnung dieses Ofens läßt aber, — worauf schon die

Inschrift xufxhiov ( K a m i n ) hinweist

—,

deutlich ein Sand- oder Aschenbad erkennen, u n d solche waren zu jener Zeit tatsächlich schon seit langem g e k a n n t und b r a u c h t , 2 und werden

ge-

auch im Leydener P a p y r u s Nr. 10 er-

w ä h n t , der im 3. J a h r h u n d e r t e n. Chr. auf G r u n d weit älterer Unterlagen

niedergeschrieben

chemischen

Manuskripte

unmittelbar Kolben

auf

Aus den

Abbildungen

Nr. 2327 der Pariser

geheizten

darstellen, 4

ist. 3 Platten

sowie aus

im

Bibliothek,

die

Flaschen

und

stehende

den zugehörigen

Erklärungen, 5

ergibt sich gleichfalls, d a ß die A p p a r a t e der M a r i a auf freiem Feuer erhitzt wurden und h a u p t s ä c h l i c h zur B e h a n d l u n g von Metallen mit Schwefel-, Arsen-, dienten. sprechung jene

und

Quecksilberverbindungen

Endlich sagt auch Z o s i m o s der

Apparate

der

gelegentlich

Kleopatra

und

bei der Destillation b e n ü t z t w u r d e n ,

seiner Be-

Maria,

diese

daß

aber Öfen,

S a n d b ä d e r u. dgl., „ u n d nicht zur Destillation der Flüssigkeit waren;6

bestimmt"

auf das A s c h e n b a d " , 7

er

zitiert

„Maria

sagt,

. . . stelle

u n d o r d n e t d e m g e m ä ß auch selbst

es an:

„Man erhitzt n u r allmählich, z u n ä c h s t auf dem A s c h e n b a d e . " 8 Muß es nun, allem oben A n g e f ü h r t e n zufolge, als zweifellos gelten, einerseits, daß das W a s s e r b a d schon viele J a h r h u n d e r t e vor

Maria

Apparate

im

dieser

G e b r a u c h e s t a n d , und Chemikerin

gar

keine

andererseits, Wasserbäder

daß

die

waren,

so erhebt sich die Frage, wie denn das W a s s e r b a d z u m N a m e n „Balneum Mariae" gekommen sei? 1

3 c

Die A n t w o r t k a n n vorerst

2 „ O r i g . " 171'; „ I n t r o d . " 147; „ C o l i . " I, 147. „Coli." I, 151 u. 161. 4 5 „ I n t r o d . " 147 u. 167. ebd. 161. ebd. 142 u. 143; „ C o l i . " I, 146. 7 8 „ I n t r o d . " 192. „ C o l i . " III, 148. ebd. III, 149.

ZUR GESCHICHTE

192

DES

WASSERBADES

n u r im Gewände einer H y p o t h e s e erteilt werden, die auf ihre Wahrscheinlichkeit

zu

prüfen

den

Fachgelehrten

der

ent-

sprechenden Disziplinen anheimgestellt sei. Wie schon die a n t i k e n

Schriftsteller w u ß t e n , n a h m

im alten Ä g y p t e n die Z u b e r e i t u n g von R ä u c h e r m i t t e l n , gerüchen,

Heiltränken,

Arzneien

usf.,

ursprünglich

man Wohl-

in

den

T e m p e l n vor, u n d diese w u r d e n d a h e r später auch die ersten Stätten der

chemischer Forschung,

von

Mariette

gedeckten

sowie

— wovon noch die

von

Dümichen

Tempel-Laboratorien

in

Überreste Edfu

ablegen. 1

Zeugnis

Die

aufbe-

t r e f f e n d e n Rezepte waren Zunftgeheimnisse, ihre Verwertungen G e h e i m k ü n s t e des ägyptischen

P r i e s t e r t u m s ; 2 aus dessen

wohnheiten und Anschauungen

erklären sich auch die mysti-

Ge-

schen Formeln u n d a p o k a l y p t i s c h e n W e n d u n g e n in der Sprache der ältesten chemischen Aufzeichnungen, ferner die Traditionen von der Ü b e r m i t t l u n g des chemischen Wissens durch Gespräche (eines göttlichen V a t e r s m i t seinem Kinde, der I s i s m i t ihrem Sohne H o r u s ) mischen

und von

der A u f f i n d u n g der „heiligen"

Bücher (in Tempeln,

Anwendungen

gewisser

Stelen usf.), sowie endlich

Symbole

zeutischer u n d chemischer

zur

Bezeichnung

chedie

pharma-

Gegenstände.

Aus den „ L i s t e n " im K o d e x der Marciana und im Pariser M a n u s k r i p t e 2327 ist zu ersehen, d a ß die chemischen steller

der

ägyptisch-hellenistischen

Symbol

gebrauchten,

und

Periode

für

zwar wird

für

(vdmo)

übersetzt,

Regenwasser

= 7iorafiög f ü r 1

(ÖFIßGIA),

Flußwasser

während =

sich

vS(oq

vorfindet.

3

Wasser

das

und ===== an

zwei Stellen m i t Meerwasser ( f t u l u a a i a vöutu), Wasser

Schrift-

an einer

außerdem

für

Wasser,

Das Zeichen

mit

noch fjj und

Ä

ist

W o e n i g , „Die Pflanzen im alten Ägypten" (Leipzig 1897), 372ff. - „Orig." 31, 44, 235; „Introd." 200, 286. Dies erwähnt bereits G a l e n o s , 3 „Zusammensetzung der Arzneien" IV, 1. „Introd." 108, 113, 114, 120, wo Faksimiles der „Listen" wiedergegeben sind.

ZUR GESCHICHTE

aber

das

uralte

DES

hieroglyphische

WASSERBADES

Symbol

des

gleichwertig m i t ihm k o m m t das Zeichen j

193

Wassers;1

als

vor, d. i. nach

L e p s i u s 2 ,,ein W a s s e r b a s s i n " , auch meldet schon der u m 400 n. Chr. sein grundlegendes W e r k

Horapollo,

,,Hieroglyphica"

schrieb, d a ß als Sinnbild der steigenden Nilflut drei Wassergefäße

dienten,

ein junger

denen

als

Determinativ

Vogel beigesetzt w u r d e

dieses Symboles „ N u n " l a u t e t e , Nun-t

3

und

des daß

,,Neu"-Wassers die

Aussprache

— woraus sich der

Namen

e r k l ä r t , den die Göttin des Elementarwassers f ü h r t e . 4

Bringerin der Nilflut w a r den alten Ä g y p t e r n

Isis; daher

t r ä g t sie als solche den Beinamen „ D a s W a s s e r " , „ D i e g u t e Nilflut", „ N i l o t i s " , 5 u n d t r i t t u. a. in Gestalt eines weiblichen Nilpferdes in einem Sternbilde a u f , und in Gestalt einer nilpferdköpfigen Göttin als P a t r o n i n des S o m m e r m o n a t e s der als Wasserbringender enthält.6 als

das Zeichen ^

Epiphi,

in seinem Symbole

Schon im alten Reiche v e r e h r t e m a n aber I s i s auch

Heilgöttin

und

Erfinderin

vieler Arzneimittel,

der medizinische „ P a p y r u s E b e r s " beweist

was z. B.

(niedergeschrieben

etwa 1550 v. Chr., auf G r u n d teilweise weit älterer Vorlagen), der gleich im Eingange die I s i s a n r u f t , u n d bei einigen zepten beifügt „ v o n

Isis

selbst b e r e i t e t " . 7

Hingegen

Re-

gehört

erst einer w e i t a u s späteren Periode I s i s als Meeresgöttin, Herrin der See, u n d Mondgöttin an, denn sowohl das Meerwasser wie der Mond sind im Ägyptischen

männlich, u n d können

daher

nicht durch eine Göttin dargestellt w e r d e n ; 8 was also Di o d o r , 9 P l i n i u s , 1 0 P l u t a r c h , 1 1 u. A. in dieser Hinsicht berichten, be1

B r u g s c h , a. a. O.; Abbildungen S. 27, 87, 188, 280, und im Stern2 bilde des Wassermannes 346; s. H o e f e r l , 259; „Orig." 112. „Über die 3 Götter der vier Elemente bei den Ägyptern" (Berlin 1856), 184. Horap o l l o I, cap. 21, ed. L e e m a n s (Amst. 1835), 28 und 228ff.; Abbildung 4 5 Tafel III, Fig 40a und b, B r u g s c h 27. L e p s i u s 186. Roscher, „Ausführl. Lexikon d. griech. u. röm. Mythologie" (Leipzig 1890/97); II, 6 7 456 (17). B r u g s c h 317 und 335; 343; 361. B r u g s c h 409; 8 W o e n i g 364ff. L e p s i u s 183, 216; vom Meerwasser erzählt dies schon 9 10 S e n e c a , „Quaest. Nat." III, 14. Hb. I, cap. II. lib. V, cap. 56. 11 „Über Isis und Osiris", cap. 34, 38, 52. v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. V o r t r .

II.

13

ZUR GESCHICHTE

194

DES

WASSERBADES

zieht sich erst auf das hellenistische Zeitalter, in dessen Verlauf

eine

kaum

glaubliche

Vermengung

und

Verschmelzung

der seit jeher zahllosen lokalen K u l t f o r m e n der I s i s mit jenen asiatischer u n d griechischer G ö t t i n n e n e i n t r a t , 1 so daß schließlich I s i s Dea

als identisch mit Mylitta, Astarte, Kybele, mit der

Syria, der

Göttin von

Pessinus, der Mater magna,

Hera, Athene, Demeter, H e k a t e , Ceres, Proserpina,

mit

Dictynna,

Persephone, Artemis u n d Selene (mit der Mondsichel in ihren Bildern), Thetis, u n d A p h r o d i t e galt, usf. 2

Namentlich wichtig

erscheint die Gleichsetzung der I s i s mit der meerentstiegenen Kypris,3 nüayitt

denn

durch

(Pelagia)

sie w u r d e

die JVsdaTig (Nilotis)

Marina,4

oder

zur

Herrin

des

zur

Meeres,

Schützerin der Seefahrer, u n d Seeherrscherin, 5 als welche m a n sie und

an

sämtlichen K ü s t e n

des Mittelmeeres allgemein feierte,

auch auf Münzen verewigte,

lagia", und als Kennzeichen Erwägt

man

nun,

die die

Inschrift „Isis

ein a u s g e s p a n n t e s Segel

d a ß seit jeher

Isis

in den

Pe-

tragen. 6 Tempel-

laboratorien als Heilgöttin u n d Arzneibereiterin v e r e h r t wurde, d a ß sie aber schon in älterer Zeit als N u n - t

auch Göttin des

Elementarwassers, u n d s p ä t e r als Pelagia oder Marina

Herrin

des Meeres w a r ; erwägt m a n weiter, d a ß A p u l e j u s (um n. Chr.) bei

der Schilderung

der

Isismysterien

im

180

11. Buche

seiner „ M e t a m o r p h o s e n " u n t e r den sechs H a u p t a t t r i b u t e n

der

Isis ein W a s s e r g e f ä ß ( A m p h o r a ) a u f z ä h l t (jedenfalls dasselbe, aus dem er die N e o p h y t e n m i t Weihwasser besprengen und

daß

Juvenal

vornehme

Frömmlerinnen

Gefäße

e c h t e m Nilwasser z u m Besprengen des Isistempels nach 1

sah), mit Rom

2 B r u g s c h 440ff. P l u t a r c h , a . a . O . ; A p u l e j u s , „Metamorphosen", lib. XI; R o s c h e r 359ff.; B u r c k h a r d t , „Die Zeit Konstantin d. Großen" (Leipzig 1898), 184ff.; R e i t z e n s t e i n , „Poimandres" (Leipzig 1904), 3 257, 262, 270. R o s c h e r 494; aus ihr erklärt sich H o r a z III, 26 4 ( R e i t z e n s t e i n 179). R e i t z e n s t e i n 179, 183; R o s c h e r 474ff. 5 6 B u r c k h a r d t 189. Dies erwähnt schon S c h w e i g g e r in seiner phantastischen „Einleitung in die Mythologie" (Halle 1836), 308. Über Pelagia und Euploia als Beinamen der Aphrodite bzw. Isis, s . R o s c h e r 481 und 390 (4), bzw. 485 und 482 (48); über die Münzen ebd. 485.

ZUR GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

195

heimbringen l ä ß t ; 1 b e d e n k t m a n ferner, d a ß „ N u n " auch die drei W a s s e r g e f ä ß e

der

Nilflut

„Wasserbassin"

für

das

Symbol ™

welches letztere in

den

Schriften der

tritt,

)-1

bezeichnete,

daß

das

des Wassers

und

ein-

alexandrinischen

Chemiker nachweislich noch im alten Sinne b e n u t z t w i r d ; erinnert

man

sich

endlich

der m e r k w ü r d i g e n

Inschrift

növroq

(Meer) auf der Schale jenes Wasserbades, das im Kodex der Marciana abgebildet ist, sowie der T a t s a c h e , d a ß und

Einweihungsbäder

beim

Isiskult

eine

Reinigungs-

wichtige

Rolle

spielten, 2 daß m a n B ä d e r u n d T h e r m e n mit der Isis geweihten S t a t u e n und Inschriften versah, und daß gewisse Feiern, z. B. die der Isis-Kybele, m i t dem Baden des Götterbildes (oft durch eigene Priesterinnen,

QuIüggiui')

ihren

Abschluß f a n d e n : 3 so

darf die V e r m u t u n g als gerechtfertigt gelten, d a ß in der Geheimsprache der hellenistischen Periode das (als solches längst b e k a n n t e und a n g e w a n d t e ) W a s s e r b a d m i t gewordenen und

Wassergöttin

als „ B a d Daß

der

kann, lehren,

Ob

vermöchte

eine

sie

nur

eine

der die in innigem

logischen,

magischen,

Hypothese

durch

und

der zur

Verbindung

Isis" bezeichnet

dies z u n ä c h s t

hervorgehoben.

in

wurde. ist, sei

Belegstellen

planmäßige

ausdrücklich

erhärtet

werden

Durchforschung

Zusammenhange chemischen

Pelagia

gebracht,

stehenden

Schriften

der

zu

theohelle-

nistischen Literatur, sowie deren f r ü h e s t e syrische und arabische Übersetzungen

zu unterwerfen

des Gebietes der sogenannten

w ä r e n , — nicht zu vergessen Zauberpapyri,

das sich

immer

m e h r zu einem der wichtigsten u n d umfangreichsten der hellenistischen Disziplin h e r a u s b i l d e t ; vergleichende Forschungen in a n g e d e u t e t e m Sinne haben aber erst seit kürzester Frist überh a u p t begonnen. 4 1

2 „Satiren" VI, 529. D i e t e r i c h , „Eine Mithras-Liturgie" 3 4 (Leipzig 1903), 164. R o s c h e r 524, 529, 530, 1655. Abbildungen, Denkmale, erhaltene Überreste oder Inschriften könnten möglicherweise ebenfalls in Betracht k o m m e n . 13*

ZUR GESCHICHTE

196

DES

WASSERBADES

Die F o r t w i r k u n g gnostischer, ophitischer, und Traditionen,

E i n f l u ß gerade in Ä g y p t e n

verwandter von

Anfang

an ein besonders tiefgehender gewesen w a r , 1 b r a c h t e

daselbst

im

deren

Laufe des 4. J a h r h u n d e r t e s

wegung

in

immer

mannigfacher

eine höchst

mächtigeren

uralter

Fluß:

Mysterien

Lehren der christlichen Kirche. 2

und

bedeutsame

die

Be-

Hinübernahme

Geheimdienste

in

die

Von ausschlaggebender Wich-

tigkeit erwies sich aber in dieser Hinsicht die U m b i l d u n g des schon zu Beginn der Kaiserzeit über das ganze römische Reich I s i s - K u l t e s 3 in den M a r i e n - K u l t ;

verbreiteten

es läßt

sich

u n t e r a n d e r e m S c h r i t t f ü r S c h r i t t verfolgen, wie aus I s i s ihrem Sohne H o r u s ,

und

deren Bild seit jeher in zahllosen

Dar-

stellungen ein Gegenstand volkstümlicher V e r e h r u n g war, die Jungfrau

Isis

schließlich ging, 4

(ndy&evoq

die

Jungfrau

wie M a r i a

übrigen

mit

ihr

deren Tempel,

Isis)

mit

Maria

allmählich

dem

mit

in das

identifizierten

Knaben

dem

Jesuskinde

E r b e der

Gottheiten

Jesus,

und

hervor-

Isis und

eintrat,5

wie

Feste u n d A t t r i b u t e zufielen (z. B. der

der ihr

Halb-

m o n d 6 ) usf., u n d wie hierdurch s i e , der bis dahin kein Feiertag, geschweige des

denn

4. J a h r h u n d e r t e s

aufstieg. 1

Insbesondere

eine Kirche geweiht war, 7 gegen zu

ihrer

wurde

weltbeherrschenden Maria

auch

die

Ende

Stellung

Nachfolgerin

2 H a s e , „Kirchengeschichte" (Leipzig 1900), 65ff. Burck3 h a r d t 207ff. R e i t z e n s t e i n , 43, 44, 134ff.; R o s c h e r 428ff. 4 B o l l , „Sphaera" (Leipzig 1903), 208ff.; 417, 428ff.; 513; R o s c h e r 504. 3 L u c i u s , „Die A n f ä n g e des Heiligenkultus in der christlichen Kirche", 6 P f l e i d e r e r , „Die Attribute ed. A n r i e h (Tüb. 1904), 269, 466, 521 ff. der Heiligen" (Ulm 1898), 117; es sei n u r an das erste Blatt von D ü r e r s „Marienleben", u n d vor allem an das weltberühmte Bild des M u r i l l o erinnert, s. J u s t i , „Murillo" (Leipzig 1892), 52. (Eine herrliche Kopie besitzt die S c h a c k s c h e Galerie in München.) D a ß diese symbolische Darstellung s p ä t e r z u n ä c h s t ' a u s „ O f f e n b a r u n g Johannis" cap. 12 (Halbmond zu Füßen einer göttlichen Erscheinung), geschöpft sein kann, ist richtig; d o r t entstammt aber die Vision jedenfalls schon dem Kreise der oben erwähnten 7 Anschauungen. L u c i u s 420ff.; H a r n a c k , „Dogmengeschichte" (Tüb. 1905), 251.

ZUR GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

197

der Pelagia als Schützerin der Seefahrer, 1 (von denen sie noch heute

in

allen

italienischen

Hafenstädten

verehrt

und

mit

Votivgaben b e d a c h t wird), 2 sowie als Göttin des Wassers und Herrin mit

Maris". 3

des Meeres, „ R e g i n a

jener

des

größten

Chemie zusammenfiel, d ü r f t e auch der

Isis"

in

„Bad

In dieser

Aufschwunges

der

Maria"

der

Epoche,

die

alexandrinischen

die U m t a u f e des stattgefunden

„Bades

haben.

Für

Übergänge solcher A r t fehlt es keineswegs an Analogien:

der

m i t dem Silberglanze des Mondes leuchtende Lapis specularis (Spiegelstein),

der

Isis-Selene

zu

Ehren

Selenit

(Mondstein)

g e n a n n t , w u r d e z u m Speculum Mariae, Glace de Marie (Marienglas),

irrtümlich

Frauen e i s ; 4

übersetzt:

das

heilige

Opfer-

u n d A r z n e i k r a u t (imu ßorüvr})

Verbena officinalis, das „ T r ä n e

der

Synonymen)

Träne

der

Hera,

Persephone

hieß, 5

und

unter

Isis"

oder

Aphrodite,

(nach

Artemis,

deren

Demeter,

diesen N a m e n z u m Teil bis ins Mittelalter, j a bis in die Neuzeit f o r t l e b t e , 6 w a n d e l t e sich z u m M a r i e n k r a u t , 7

das in

den

österreichischen Alpen noch h e u t e an die Altäre der heiligen J u n g f r a u gesteckt wird u n d die Kinder sowie das Vieh

vor

K r a n k h e i t e n schützt, wenn es, — wie schon ein u m 1250 verfaßtes

altdeutsches

Arzneibuch

„ g e w e i h t " worden ist. Die

Angabe

wußte8

—,

am

Marientage

9

Kopps,

daß

die

ältesten

mittelalterlichen

1 2 L u c i u s 461. A n d r e e , „Korresp.-Blatt d. deutschen Gesellschaft 3 f. A n t h r o p o l o g i e " (1905), 113. L u c i u s 522; R o s c h e r 428 (61). 4 Im Kodex der Marciana aeXijvidtov, u n d mit der Mondsichel bezeichnet ( „ O r i g . " 116); R u l a n d u s im „Lexicon Alchimiae" (Frankfurt 1512) nennt ihn M o n d s t e i n , lapis l u n a e , glacies Mariae, d. i. unserer lieben Frauen Eis 5 (289, 291, 274, 248). L a n g k a v e l , „Botanik der späteren G r i e c h e n " (Berlin 1866), 60; über die T r ä n e , die Isis u m Osiris weinte, s. R o s c h e r 6 456 (31). W o e n i g 398; R e l i n g u n d B o h n h o r s t , „ U n s e r e Pflanzen 7 u n d ihre deutschen V o l k s n a m e n " ( G o t h a 1898), 187. „Mariae herba", 3 s. bei L a n g k a v e l 179. „Zwei Deutsche Arzneibücher", ed. P f e i f f e r 9 (Wien 1863), 43. Isis war u. a. eine besondere Beschützerin der K i n d e r ( R o s c h e r 501); auch w u r d e sie in Gestalt einer K u h verehrt (Verbindung mit Jo), weshalb ihr die Rinder geheiligt waren.

ZUR

198

GESCHICHTE

DES

WASSERBADES

Schriften

des

„Balneum

M a r i a e " v o r f i n d e t , solche sind, deren Autoren

13. J a h r h u n d e r t e s ,

zweifelhaft aus

in

spanisch-arabischen

denen

sich

Quellen

das

Wort

schöpften,

unführt

z u m Schlüsse, d a ß d i e s e r T e r m i n u s technicus, gleich so vielen a n d e r e n der Chemie, durch arabische V e r m i t t l u n g aus Ä g y p t e n nach dem Westen gelangt sei; die Voraussetzung jedoch,

daß

Araber

und

sich des A u s d r u c k e s „ B a d der M a r i a "

bedient

ihn verbreitet h ä t t e n , k ö n n t e im ersten Augenblicke als eine ganz und gar ungereimte, j a völlig unzulässige erscheinen. Hiergegen sowohl

Moses

ist n u n wie

daran

Jesus

zu erinnern, d a ß

„den

echte G o t t e s g e s a n d t e a n e r k e n n t ,

Messias"

Mohammed

als w a h r e

und

— freilich n u r als Vorläufer

seiner selbst, als des rechten u n d einzigen P r o p h e t e n — , u n d d a h e r J e s u s u n d seinem Geschlechte nicht n u r nicht feindselig, sondern des

verehrend

Korans

gegenübersteht:

„Maria",

und

heißt

bespricht

in

doch

die

die Person der M u t t e r J e s u u n d ihre Genealogie. Anlasse begeht M o h a m m e d ,

19. Sure

ausführlicher

Weise

Bei diesem

dessen Bildung b e k a n n t l i c h eine

sehr mäßige, u n d dessen (auf K a u f m a n n s r e i s e n nach Syrien usf. erworbene) äußerst

Kenntnisse

vom

d ü r f t i g e waren,

einen

JudenIrrtum,

und

Christentume

dessen

nur

Bedeutung für

die Geschichte der Chemie noch kein Historiker dieser Wissens c h a f t b e m e r k t zu haben s c h e i n t : er g l a u b t nämlich, d a ß die heilige

Maria

oder M i r j a m

die

nämliche

die Schwester

Persönlichkeit Mosis,

ist

wie

Maria

bezeichent A m r a n ,

V a t e r des Moses, auch als den ihrigen (Sure 3), u n d

den nennt

d a h e r J e s u s bald „ d e n Sohn der M a r i a " (Sure 4 und 5), bald „ d e n Sohn der M i r j a m " (Sure 2). 1 Die Quelle des e r w ä h n t e n reichen, 1

in Ä g y p t e n

und

Irrtumes ist in den so einfluß-

Vorderasien

noch

jahrhundertelang

Ubersetzung des Korans von U l i m a n n (Bielefeld 1872), 9, 29, 38, 74, 79, 87, 253. Nach U l l m a n n , S. 253, war diese Verwechslung seit jeher einer der größten Steine des Anstoßes für die Ausleger; s. auch A. M ü l l e r s Einleitung und Erklärungen zu Fr. R ü c k e r t s Koran-Übersetzung (Frankfurt 1888; 6 und 440).

ZUR

weit

DES

WASSERBADES

199

Lehren der Gnostiker zu s u c h e n ; 1

nachwirkenden noch

GESCHICHTE

mehr

ihre späteren

diese,

Nachfolger, sehen

in

und

Moses

einen Meister aller n u r erdenklichen zauberischen u n d Geheimkünste, 2

schreiben

medizinischen,

die

und

nämlichen

seiner Schwester M i r j a m Voraussetzungen

theologischen,

chemischen zu,

entsprechend,

Kenntnisse

lassen diese sodann, an

Stelle der

und identifizieren sie schließlich mit deren Erbin,

der

heiligen

Chemikerin

Maria,

zeichnet

3

wird.

Maria,

zugleich

die n u n

auch

Angesichts

magischen,

wie i h m

dieser

auch

derartigen

Isis

eintreten,

Nachfolgerin

aber

auch

als „ J ü d i n

Verkettungen

und

mit

der

Maria"

be-

dürfte

der

Gebrauch der Bezeichnung „ B a d der M a r i a " seitens arabischer Chemiker nicht m e h r als unwahrscheinlich von der H a n d weisen

sein;

quickungen gemäß

auch

lehren

die verschiedenen

verschiedene

auffaßten und erkennen,

gerade

Kreise

deuteten,

durch

die

absonderlichen

Beziehungen

den

und

diese Namen

lassen

verstehen,

„Balneum

zugleich

eine halbvergessene

die

zu Ver-

denen Mariae"

Umstände

Persönlichkeit

wie

jene Chemikerin zu neuen Ehren gelangte, und s p ä t e r in ganz ungerechtfertigte V e r b i n d u n g mit dem W a s s e r b a d e k a m ; endlich

den Schriftstellern des Abendlandes

jene

daß

gnostischen

K o m b i n a t i o n e n nicht vor dem 13. J a h r h u n d e r t e , also erst zusammen werden, 4

mit

der

spricht

Bezeichnung ebenfalls

„Balneum

zugunsten

des

Mariae"

bekannt

dargelegten

Zu-

sammenhanges. Folgendes wären

also die

Leitsätze zur

Beurteilung

der

Geschichte von Alter, H e r k u n f t , u n d N a m e n des W a s s e r b a d e s : 1. Die der 1

Chemikerin

Maria

zugeschriebenen

Traktate

2 R e i t z e n s t e i n 136. R e i t z e n s t e i n 136; K o p p , „Beitr." 396. R e i t z e n s t e i n 183, 187, 136; K o p p , „Beitr." 402ff.; K o p p , „ D i e Alchemie" (Heidelberg 1886), I, 207 u n d II, 370. D a h e r gibt Maria an Stelle der Isis deren Sohn H o r u s chemische Lehren („Beitr." 406; H o e f e r l , 283); es handelt sich u m die S t e l l v e r t r e t u n g , nicht, wie H o e f e r glaubte (a.a.O.), um eine U n t e r s c h i e b u n g der Maria seitens irgendeines christlichen Autors. 4 K o p p , „ A i c h . " I, 207.

200

ZUR

GESCHICHTE

DES

WAS

SERBADES

e n t h a l t e n , soweit sie als b e k a n n t u n d echt gelten dürfen, nichts über das W a s s e r b a d . 2. Die

Anwendung

des

Wasserbades

zu

kulinarischen,

kosmetischen, u n d p h a r m a z e u t i s c h e n Zwecken w a r aber schon im

5. vorchristlichen

Jahrhunderte

keineswegs

mehr

etwas

Neues. 3. Die hellenistische Zeit b r i n g t zur

Wassergöttin

gewordenen

das Wasserbad

Isis

in

Verbindung,

chemische Geheimsprache b e n e n n t es „ B a d der

mit

der

und

die

Isis".

4. Indem an Stelle der I s i s die h e i l i g e M a r i a

eintritt,

wird das „ B a d der I s i s " z u m „ B a d der M a r i a " . 5. Die

arabischen

Chemiker,



da

für

sie

die

heilige

Maria mit Maria oder M i r j a m , der Schwester Mosis, sowie mit der

Chemikerin

Maria

verschmilzt

—,

nehmen

diese

Be-

Quellen

be-

zeichnung auf, u n d bringen sie nach dem W e s t e n . 6. D o r t kannt,

übersetzt. Isis mit

wird

und

mit

sie

aus

„Balneum

(„Balneum

= Meer

bei

Pelagia,

Kleopatra

zusammen,

worden sein k a n n . )

Mariae",

Bain-Marie,

Marienbad,

m a r i s " geht entweder u n m i t t e l b a r

als Meeresgöttin, der

spanisch-arabischen

die

Marina,

vorkommenden übrigens

später

zurück,

oder

Benennung auch

auf

hängt 7iovtoq

umgedeutet

\2 DAMPFTOPFES1

EIN VORLÄUFER DES PAPINSCHEN

er 1681 von P a p i n nannte I das

Topf

Erhitzen

l u f t d i c h t verschlossenen rischen

Druck,

Dämpfe

und

beschriebene und nach

oder „ D i g e s t o r "

bezweckt

von

mit

Substanzen

Gefäßen

gestattet,

auf sie

bekanntlich

als

in

atmosphä-

Wirkung

gespannter

auszusetzen.

Auch dieser, anscheinend völlig neuartige, und von gewiß

be-

Flüssigkeiten

höheren

der

ihm

selbständig

geschichte,

erdachte

Apparat

hat

indes

seine

und zwar f i n d e t sich eine zugehörige

bei P h i l u m e n o s ,

einem griechischen

Papin Vor-

Bemerkung

Arzte, dessen

Lebens-

zeit nach neueren Forschungen W e l l m a n n s etwa in die Mitte des 3. J a h r h u n d e r t e s unserer Zeitrechnung fällt. 2 gegen

250

n. Chr.

verfaßten

Medico-Historiker P u s c h m a n n

Schriften

gab

Von seinen,

der

berühmte

1886 eine Anzahl, anscheinend

allein in einer alten lateinischen Übersetzung erhaltener

Frag-

m e n t e heraus, 3 deren eines die R u h r k r a n k h e i t behandelt,

und

insbesondere auch die bei dieser zu b e o b a c h t e n d e Diät.

Da-

selbst 1

heißt

es bei

Bereitung

einer geeigneten

Brühe

oder

2 „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1909, S. 1097. P u s c h m a n n s „Handbuch der Geschichte der Medizin" (Jena 1902; Bd. 1, S. 339); neuestens glaubt jedoch W e l l m a n n die Lebenszeit des P h i l u m e n o s bis etwa 180 n. Chr. hinaufrücken zu sollen (s. Mitteilungen zur Geschichte der Medizin u n d der 3 Naturwissenschaften 1909, Bd. 8, S. 433). „ N a c h t r ä g e zu A l e x a n d e r T r a l l i a n u s " (Berlin 1886). — In jüngster Zeit erschien noch eine Schrift „ D e venenatis animalibus e o r u m q u e remediis", ed. W e l l t n a n n (Leipzig 1908).

EIN

202

VORLÄUFER

DES

PAPINSCHEN

DAMPFTOPFES

aus G e r s t e n s c h l e i m : 1

Tisane (ptisana)

,, . . . man

bringt

ihn

nebst Regenwasser in einen neuen Topf, setzt den Topf, nachdem m a n ihn verschlossen und v e r s c h m i e r t hat (clausam ollam illiniri), a b e n d s in einen Ofen, der mit glühenden Kohlen gefüllt ist, u n d läßt ihn, von diesen umgeben, d o r t die ganze N a c h t über s t e h e n ; durch den Dampf geht nämlich der Schleim in Lösung, und m a c h t die B r ü h e dick und kleisterartig". späterer Stelle

2

An

wird noch, hinsichtlich der Zulässigkeit zarten

Fleisches, b e m e r k t : „ M a n c h e kochen in der Tisane auch Kalbsf ü ß e (ungulas vitulinas) die ganze N a c h t hindurch, bis sie sich lösen,

wodurch

der

Schleimsaft

steif

wird

und

gelatiniert"

(spissus fit et glutinosus). Dieser einem

kurzen

älteren

Schilderung,

Autor

entlehnte,

die

Philumenos

— denn

zweifellos

er selbst

wird

als

„bloßer Elektiker und K o m p i l a t o r " bezeichnet —, ist zu entnehmen, d a ß ein Verfahren des Kochens u n t e r Druck in einem Topf mit g u t passendem und d a m p f d i c h t a u f g e k i t t e t e m Deckel, spätestens

schon

im

3. J a h r h u n d e r t e

unserer

Zeitrechnung

p r a k t i s c h a n g e w a n d t , u n d jedenfalls auch allgemeiner b e k a n n t war, da es P h i l u m e n o s heit beschreibt.

nicht mit dem A n s p r ü c h e auf

Neu-

Merkwürdig bleibt, d a ß es auch schon zur Dar-

stellung einer Gelatine diente, denn, neben der Bereitung einer Quintessenz aus Fleisch und aus Knochen, zählte gerade die eines (angeblich sehr n a h r h a f t e n , u n d die wertvollsten B e s t a n d teile des Fleisches e n t h a l t e n d e n ) Gelees zu den H a u p t a u f g a b e n , die P a p i n

mit

Hilfe

seines

Dampf topf es

gelöst

zu

haben

g l a u b t e ; 3 ein sehr wesentlicher Teil des P a p in sehen Digestors, der sich als d a u e r n d wichtige E r r u n g e n s c h a f t auf die Nachwelt vererbt

hat,

fehlt

allerdings

bei

Philumenos:

das

Sicher-

heitsventil. 1 2 3 a. a. O., S. 42. a. a. O., S. 46. Siehe meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften" (Leipzig 1906, S. 344).

Dritte Abteilung

13 ZUR

GESCHICHTE

DES

UND SEINES

ALKOHOLS

NAMENS1

1. bgleich der Alkohol in wissenschaftlicher,

technischer,

u n d volkswirtschaftlicher Hinsicht eine Rolle von ungewöhnlicher

Bedeutung

spielt, zeigen sich

dennoch

weite Kreise so gut wie u n b e k a n n t mit seiner Geschichte.

Diese,

soweit sie die ersten Anfänge b e t r i f f t , in ihren Umrissen vorz u f ü h r e n und in einigen belangreichen P u n k t e n zu berichtigen, ist Zweck

des heutigen

kurzen Vortrages, w ä h r e n d

gehende mit Quellenangaben

auszustattende

eine ein-

Darstellung

einer

späteren Zeit vorbehalten bleiben mag. Im

Gegensatz zu älteren, völlig u n h a l t b a r e n

Annahmen,

die leider durch die S c h r i f t : „ Z u r Geschichte der p h a r m a z e u tisch-chemischen dings

weite

daß

das

Destilliergeräte",

Verbreitung

klassische

fanden,

Altertum

von ist

H. S c h e l e n z zunächst

weder

Aristoteles

oder T h e o p h r a s t

festzustellen,

eigentliche

tungen zur Destillation, noch den Alkohol k a n n t e .

neuerVorrich-

W e n n u. a.

v o m Aufleuchten der Opfer-

feuer beim Eingießen von Wein sprechen, so geben sie hiermit

nur 1

einer

uralten

Beobachtung

Ausdruck,

ohne

jedoch

Auf vielseitigen W u n s c h schrieb ich diesen Vortrag, an der H a n d meiner Notizen, zunächst so nieder, wie ich ihn am 31./5. 1912 gelegentlich der H a u p t v e r s a m m l u n g des „Vereins Deutscher C h e m i k e r " in Freiburg hielt. („Zeitschrift f ü r a n g e w a n d t e C h e m i e " 1912, S. 2061; vgl. auch S. 1179 u. 1680).

204

ZUR

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

im geringsten zu a h n e n , d a ß dabei einer besonderer Bestandteil des Weines in F r a g e k o m m e , u n d das Nämliche gilt auch f ü r die von P l i n i u s ü b e r m i t t e l t e W a h r n e h m u n g , d a ß der Falerner, ein sehr s t a r k e r italischer Wein, u n t e r U m s t ä n d e n werden

könne.

Die

Behauptung,

angezündet

d a ß bei A r i s t o t e l e s

von

einer methodischen Destillation des Meerwassers die Rede sei, ist ebenfalls ganz irrtümlich,

wie a m besten

daraus

d a ß nicht einmal sein K o m m e n t a t o r A l e x a n d e r v o n disias, ein

der

halbes

im

3. nachchristlichen

Jahrtausend

nach

ihm

Jahrhundert, lebte,

erhellt, Aphro-

also

über diesen

etwa Punkt

bessere K e n n t n i s s e besitzt wie der Meister selbst.

W a s endlich

Plinius

ihrer

und

Dioskurides

an

einigen

Stellen

Werke

ü b e r eine A r t von Destillation oder vielmehr Sublimation berichten, z. B. über die des Quecksilbers, das sich als ein Schweiß, D u n s t oder R a u c h (cci&älr], sudor) an dem A m b i x g e n a n n t e n Deckel der b e n u t z t e n

V o r r i c h t u n g ansetzt, läßt n u r

ersehen,

d a ß zwar bescheidene A n f ä n g e p r a k t i s c h e r Verfahren v o r h a n d e n waren,

von

irgendwelchen

vollkommeneren

Apparaten

aber

gar nicht die Rede sein k a n n . Die g r i e c h i s c h e n A l c h e m i s t e n ,

die w ä h r e n d der ersten

J a h r h u n d e r t e unserer Z e i t r e c h n u n g hauptsächlich zu Alexandria lebten

und

schrieben,

kannten

zwar

bereits

eine

wirkliche

Destillation, die übrigens von der Sublimation noch nicht scharf g e t r e n n t wurde, u n d b e f a n d e n sich auch im Besitze b e d e u t e n d verbesserter G e r ä t s c h a f t e n , deren Abbildungen durch die historischen

W e r k e von K o p p

und B e r t h e l o t

bekannt

geworden

sind, aber diese Geräte waren, hauptsächlich wegen der vollständig ungenügenden,

zuweilen

sogar f a s t ganz

mangelnden

K ü h l v o r r i c h t u n g e n , u n b r a u c h b a r zur B e h a n d l u n g niedrig siedender Flüssigkeiten;

bis in die letzte Zeit der griechischen

chemie, also bis in das 6. u n d 7. J a h r h u n d e r t hinein,

Al-

macht

sich in dieser Hinsicht k a u m ein merklicher F o r t s c h r i t t bemerkbar,

so d a ß

Stephanos

z. B. einer der letzten von

Alexandria,

hellenistischen

Autoren,

nicht wesentlich besser u n t e r -

ZUR GESCHICHTE

DES ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

205

richtet erscheint als seine etwa f ü n f h u n d e r t J a h r e älteren Vorgänger.

W e n n sehr o f t ganz anderes a n g e n o m m e n worden ist,

so r ü h r t das h a u p t s ä c h l i c h m i t daher, d a ß sich bei den griechischen Alchemisten ein Ausdruck vorfindet, den ihre späteren lateinisch schreibenden Fachgenossen mit „ a q u a v i t a e " wiedergaben, und den m a n fälschlicherweise mit „ W e i n g e i s t "

über-

setzen zu dürfen g l a u b t e ; dies ist jedoch ganz unberechtigterweise geschehen,

denn jenes „ a q u a v i t a e " ,

wörtlich

„Wasser

des Lebens", ist nichts anderes als das uralte z a u b e r k r ä f t i g e „Lebenswasser",

das,

nach

den

Überlieferungen

ägyptischer

Mythologen, schon die Göttin I s i s erfand, die es bereitet haben soll,

u m m i t ihm die v o m

Gotte S e t h

oder T y p h o n

zer-

stückelte Leiche ihres G a t t e n O s i r i s zu begießen, und diesen so zu neuem Leben zu erwecken. Derlei Lebenswasser, (äO-avaaiaq (fdofiaxov, Mittel der Unsterblichkeit), — von dem, auf G r u n d späterer

hellenistischer

Quellen,

auch

der griechische

Histo-

riker D i o d o r berichtet, ferner der w e l t b e r ü h m t e Arzt G a l e n o s , sowie auch der sog. „Brief A l e x a n d e r s des Großen an A r i s t o teles",

dessen

syrisches

Original

vor

längerem

wieder

auf-

g e f u n d e n w u r d e —, h a t also o f f e n b a r nicht das Geringste m i t unserem

heutigen

Weingeiste

zu

schaffen, und

jede

weitere

A u s f ü h r u n g hierüber erübrigt sich. D a f ü r , daß auch noch die spätesten Zeiten des A l t e r t u m s nichts v o m Alkohol w u ß t e n , ließen sich zahlreiche Stellen der L i t e r a t u r a n f ü h r e n , doch genüge es, auf zwei recht teristische

hinzuweisen:

Der

heilige

Basilius,

der

charakum

350

n. Chr. in einer seiner Schriften die V e r k o m m e n h e i t der Zeitgenossen tadelte, eifert in ihr auch sehr eingehend gegen die T r u n k e n h e i t , weiß sie aber auf nichts anderes z u r ü c k z u f ü h r e n als auf den W e i n d u n s t , die a l & ä l r ] des Weines, die den T r i n k e r n zu K o p f e steige, — d e m n a c h auf eine seit den ältesten Zeiten allgemeine

und

geläufige

Umschreibung.

Auch

Macrobius,

der u m 400 n. Chr. lebte, stellt eine höchst ausführliche U n t e r s u c h u n g d a r ü b e r an, weshalb wohl der Wein t r u n k e n

mache,

206

ZUR

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

der Most aber n i c h t ; n a c h d e m er, seiner Gewohnheit die Meinungen

aller

möglichen

gemäß,

Schriftsteller u n t e r s u c h t

und

besprochen h a t , gelangt aber auch er zu keinem anderen gebnisse,

als dem

Basilius Auch

soeben

aus

der

Abhandlung

des

Er-

heiligen

angeführten. dem

syrischen

und

arabischen

entgegen den Ansichten von K o p p , die

Darstellung

mit

Abbildungen

des

Weingeistes

ausgestatteten,

Zeitalter

H o e f e r , und unbekannt; ältesten

ist,

Berthelot,

aus

den,

auch

syrischen

Manu-

skripten des 8. bis 11. J a h r h u n d e r t e s ist zu ersehen, daß m a n zwar zu jener Zeit v e r v o l l k o m m n e t e A p p a r a t e des griechischen Typus

besaß,

die

das

Destillieren

von

Wasser,

von

allerlei

wohlriechenden Wässern und Essenzen, u. a. auch von

Rosen-

wasser,

ermög-

gestatteten,

daß

diese aber

noch

keineswegs

lichten, auch die D ä m p f e einer so niedrig siedenden Flüssigkeit wie Alkohol überzutreiben und niederzuschlagen.

Nicht selten

ist in diesen W e r k e n die Rede v o m „ S c h w i t z e n " der reagierenden

Körper,

und

eine U m s e t z u n g

gilt

f ü r vollendet,

wenn

das Schwitzen des Gefäßes a u f h ö r t u n d sich nichts m e h r an dem auf oder über ihm liegenden Deckel a n s e t z t ;

wie auch

dieser Hinweis ersichtlich m a c h t , fehlt es also immer noch an einer

ausreichenden

Schriften

der

10. J a h r h u n d e r t zurückgehen,

Kühlvorrichtung.

sog. „ T r e u e n stammen,

erwähnen

Brüder",

aber auf

ebenfalls



Die

die aus

arabischen dem

sehr viel ältere nur

die

9.

oder

Quellen

Destillation

des

Wassers, Rosenwassers, Essigs usf., nicht aber die des Weines. Die erste

persische

Pharmakopoe

des A b u

Mansur,

die

u n g e f ä h r 950 niedergeschrieben ist u n d d u r c h a u s auf den Überlieferungen

des

9.

bis

10. J a h r h u n d e r t s

beruht,

kennt

die

Destillation des Weines n i c h t ; die des Wassers, das als destilliertes Wasser zu p h a r m a z e u t i s c h e n Zwecken empfohlen wird, gilt ihr noch als sehr neu, u n d neu erscheint ihr auch die K u n s t , das Meerwasser zu destillieren, so d a ß die durch S t ü r m e auf die hohe See Verschlagenen f o r t a n nicht m e h r zu v e r d u r s t e n

brauchen.

ZUR GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

207

In sehr b e s t i m m t e r Weise wird betreffs des h o c h b e r ü h m t e n arabischen Arztes R ä z i

versichert, er h a b e im 9. J a h r h u n d e r t

die Darstellung des Alkohols g e k a n n t u n d sei sogar der erste gewesen,

der

ihn

als

Arzneimittel

innerlich

zu

verwenden

w a g t e ; alle solchen Angaben sind jedoch, soweit seine echten Schriften in

Frage

kommen,

ganz

unzutreffend,

denn

diese

enthalten kein W o r t , das derartigen Voraussetzungen als Unterlage dienen k a n n . aus

Zucker,

Allerdings e r w ä h n t R ä z i

Honig,

= „nachgeahmten daß

das von

immer

ihm

Reis

Weine",

wobei

gebrauchte

eine wirkliche

die durch G ä r u n g

u. dgl. hergestellten noch

Wort

zu

„vina

falsa"

beachten

bleibt,

„fermentari"

Gärung bedeutet,

sondern

E r w ä r m e n oder Digerieren; von einem flüchtigen dieser

gar

nicht

oft nur

ein

Bestandteile

G ä r u n g s p r o d u k t e spricht er jedoch nirgends, und

was

m a n in den lateinischen Übersetzungen seiner W e r k e als Bezeichnung eines solchen a u f g e f a ß t h a t , ist vermutlich wiederum n u r der Ausdruck ,,Aqua v i t a e " .

Dieser ist aber bei R ä z i

der

„Elixier"

Regel

gleichbedeutend

mit

oder

„Stein

in der

Weisen", und das geht auf die alte, als platonisch angesehene Lehre zurück, d a ß die unedlen Metalle sich von den edlen in gleichem Sinne unterscheiden, wie die k r a n k e n Körper von den gesunden, nämlich durch den Überfluß oder Mangel der vier

Elemente,

daher

denn

z. B. dieselbe

einzelner

Substanz,

die

den Siechen gesund m a c h t , auch fähig sein wird, das unedle Metall in ein edles zu v e r w a n d e l n : sie h a t d a n n , ebenso als „Lebenswasser"

dem K r a n k e n , wie als „ E l i x i r "

dem unedlen

Metalle, das nötige fehlende Element wieder z u g e f ü h r t . Ebensowenig wie bei R ä z i findet sich auch bei A v i c e n n a (Ibn

Sina),

bischen

dem b e r ü h m t e s t e n und einflußreichsten der ara-

medizinischen

hunderts,

irgendeine

Autoren, Kenntnis

an

der W e n d e

des

des

Weingeistes;

10. J a h r alle

ein-

schlägigen Angaben sind e n t w e d e r wiederum auf I r r t ü m e r der erwähnten

Art

zurückzuführen,

oder

auf

Benutzung

einer

der zahlreichen gefälschten Schriften, die gerade diesem Ver-

ZUR

208

GESCHICHTE

DES ALKOHOLS

fasser in späterer Zeit

UND SEINES

mit größter K ü h n h e i t

NAMENS

untergeschoben

wurden. W a s die Folgezeit a n b e l a n g t , so ist es natürlich unmöglich, auf

jeden

der

einzelnen

muslimischen

Autoren

in

gleichem

Sinne einzugehen wie auf die eben g e n a n n t e n , besonders wichtigen Verfasser. nächsten

Es sei d a h e r n u r hervorgehoben, d a ß auch in den Jahrhunderten

chemischen keinem Arzt,

oder

physikalischen

Verfasser einer auch

nicht

Abul-Kasim,

Kenntnis

bei

des

Autor

Pharmakopoe, dem

Alkohols

bei

keinem

nachzuweisen und

berühmten

auch

ist,

bei

bei

keinem

spanisch-arabischen

der u m 1107 s t a r b ; denn entgegen dem h ä u f i g

über ihn A n g e f ü h r t e n b e n u t z t e dieser n u r A p p a r a t e zur stellung des Rosenwassers u. dgl.,

die den alten

Dar-

griechischen

noch ganz ähnlich sind, u n d obwohl er, u n t e r A n l e h n u n g an eine Stelle des A r i s t o t e l e s , die R e d e n s a r t g e b r a u c h t : „ebenso k a n n , wer es will, auch Wein destillieren", so berichtet er doch m i t keinem W o r t e , d a ß er dies wirklich a u s g e f ü h r t habe, und sagt namentlich auch nichts über die Eigenschaften eines solchen Destillates.

Keine E r w ä h n u n g des Alkohols f i n d e t sich

auch

in den ausführlichen Schriften der arabischen Reisenden

und

Geographen,

den

zahlreichen

von

Ibn-Haukal

Zusammenstellungen

bis über

Ibn-Batuta; die zumeist

in in

natura

zu leistenden steuerlichen Abgaben, die doch z. B. des Rosenwassers in Persien schon sehr f r ü h g e d e n k e n ; in den eingehenden

Berichten

über die gleichfalls vorwiegend

folgende Zuteilung von

Lebens- u n d

an

und

höfische Angestellte

den W e r k e n

der arabischen

Beamte;

in n a t u r a

Genußmitteln endlich

oder persischen

er-

aller

auch

Art

nicht

Dichter,

in

obwohl

deren Divane, wie b e k a n n t , oft f a s t ausschließlich dem Preise des Weines, sowie der außerordentlich z u t r e f f e n d e n Schilderung der Folgen seines ü b e r m ä ß i g e n Genusses gewidmet sind.

Selbst

in solchen Schriften fehlt jede H i n d e u t u n g auf Alkohol, die ausführlich gerade

über den Wein, seine

Herstellung u n d

w e n d u n g h a n d e l n , so z. B. in dem großen „ B u c h e der

VerLand-

ZUR

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

209

Wirtschaft" des spanischen Arabers I b n - a l - A w a m ,

um

in

Nahrungs-

der

berühmten

„Enzyklopädie

m i t t e l " des I b n - B e i t h a r

der

Heil-

und

1150,

gegen 1250, sowie in den späteren

vielbändigen Enzyklopädien des D i m e s c h k i , anderer Autoren des, 13. J a h r h u n d e r t s .

Kazwini,

und

Ausdrücklich sagt da-

gegen — u n d dieser Hinweis ist sehr wichtig — A l - K h a z i n i in jenem A b s c h n i t t e seiner 1120 v e r f a ß t e n S c h r i f t : „ D i e W a g e der Weisheit", der sich mit der B e s t i m m u n g der spezifischen Gewichte beschäftigt, d a ß die spezifisch leichteste aller haupt

bekannten

Flüssigkeiten

das

Olivenöl

sei;

über-

von

dem

spezifisch erheblich leichteren Alkohol w u ß t e er also nichts. Nach gegen

allem

Angeführten

sämtlichen

stehend

erachten,

der Weingeist als

kohol

darf

bisherigen daß

nicht

der

es w o h l ,

arabischen

bekannt

„arabische

man

Annahmen, war,

Erfindung"

fest-

Wissenschaft

und zu

ent-

für

daß

der

streichen

Al-

ist.

2 Diesem

negativen

Ergebnis

gegenüber

erhebt

sich

nun

die positive F r a g e : W a n n und wo w u r d e der Alkohol in Wirklichkeit zuerst d a r g e s t e l l t ?

Sie ist dahin zu b e a n t w o r t e n , d a ß

die E n t d e c k u n g des Weingeistes aller Wahrscheinlichkeit

nach

in I t a l i e n geschah, das sich schon im f r ü h e n Mittelalter u n t e r den übrigen K ü s t e n l ä n d e r n des westlichen Mittelmeeres durch reichlichen W e i n b a u und

auch

reicher,

bereits

vielfach

misten war. ihren

seit dem

dem

11. J a h r h u n d e r t

geistlichen

Stande

auszeichnete,

Wohnsitz

angehöriger

zahlAlche-

Neue E r f i n d u n g e n besonderer Art, die diese bei

praktischen

Arbeiten

machten,

zu

jenen

Zeiten

gefährlich,

denn

je

öffentlichen, w a r ordentlich

und große W e i n p r o d u k t i o n

ohne

unter

weiteres zu Umständen

merkwürdiger

und

ver-

außer-

auffälliger

die Ergebnisse der Forschungen ausfielen, desto leichter m o c h t e m a n in den V e r d a c h t geraten, die Hilfe des Teufels in Anspruch g e n o m m e n

zu haben

v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.

II.

und

ein

Häretiker

oder 14

Ketzer

ZUR

210

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

zu sein, was nicht n u r das W e r k , sondern auch den A u t o r zum Scheiterhaufen

führen konnte;

ihre wichtigsten steckter deren u. a.

Form

aus

die Chemiker

brachten

daher

F u n d e der Mitwelt nicht selten n u r in verzur Kenntnis,

jenen

das sehr

in Gestalt

Jahrhunderten

berühmte

für

sog. K r y p t o g r a m m e ,

verschiedene

Schießpulver,

bekannt

sind,

das sich in

den

Schriften des R o g e r B a c o n erhalten h a t . Auch

die

Alchemisten ist

wohl

Destillation

scheint

seitens jener

erheblich verbessert worden ihnen

einem einzigen

die

Benutzung

Stücke

eines

zu v e r d a n k e n ,

Benennung, „Retorte",

italienischen

zu sein,

namentlich

Destilliergefäßes

f ü r dessen

aus

romanische

ein griechisches Vorbild nicht b e s t e h t ;

die U m g e s t a l t u n g des Helmes, sowie die Möglichkeit, das die D ä m p f e a b f ü h r e n d e R o h r erheblich zu verlängern, d ü r f t e hierbei

zu

einer

verbesserten

Kühlung

g e f ü h r t haben,

die,

wie

schon wiederholt e r w ä h n t , als Vorbedingung f ü r die Kondensation leichtflüchtiger D ä m p f e u n d f ü r das Auffangen der so e n t s t e h e n d e n niedrig siedenden Flüssigkeiten anzusehen ist. Das erste W e r k , das, dem Boden italienischer Gelehrsamkeit e n t s p r u n g e n , f ü r die Geschichte des Alkohols in Betracht k o m m t , f ü h r t den Titel „ M a p p a e Clavicula" und ist, wesentlich byzantinischen

kunstgewerblichen

10. J a h r h u n d e r t abgefaßt.

Die

durch

Traditionen

einen

älteste

bisher

erhaltene

folgend, im 9.

nicht

ermittelten

Handschrift,

oder Autor

Eigentum

der

Bibliothek zu S c h l e t t s t a d t im Elsaß, ist nach dem Urteile der Sachverständigen

im

10. J a h r h u n d e r t

niedergeschrieben,

und

e n t h ä l t noch keine A n d e u t u n g über den Weingeist. Wir kennen aber

noch

ein zweites,

in

England

befindliches

Manuskript,

das dem 12. J a h r h u n d e r t a n g e h ö r t , u n d in diesem findet sich, in

Gestalt

Berthelot

eines

der

erwähnten

richtig e r k a n n t u n d

Kryptogramme,

das

zuerst

entziffert h a t , die erste

Er-

w ä h n u n g des- Alkohols, der also sichtlich zu jener Zeit noch etwas

ganz

lautet

dahin, m a n solle einen Teil alten, sehr starken

Neues,

Geheimzuhaltendes

war.

Die

Vorschrift Wein

ZUR GESCHICHTE

DES ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

mit drei Teilen Salz in den hierzu gebräuchlichen zum

Sieden

sich

zur

erhitzen, wodurch

Flamme

entzündet,

man ohne

ein Wasser seine

21 1

Apparaten erhalte,

Unterlage

zu

b r e n n e n ; o f f e n b a r h a n d e l t es sich also u m einen noch wasserhaltigen

u n d schwachen Weingeist.

b u n g im M a n u s k r i p t e in

dem

man

aus

mit

dem

Recht

aus dem

Da diese

10. J a h r h u n d e r t e

das verrecht

Beschrei-

noch fehlt,

12. sich aber eingeschaltet findet, so wird folgern

dürfen,

daß

die

Erfindung

in

der

Zwischenzeit, also im 11. J a h r h u n d e r t etwa, g e m a c h t worden sei. Weiteres

über

den

Weingeist

„ F e u e r b u c h " des sog. M a r c u s

berichtet

Graecus,

das

berühmte

mit dem sich schon

seit längerer Zeit viele Historiker beschäftigt haben, weil es auch die älteste Vorschrift zur Herstellung des enthält.

Schießpulvers

Dieses W e r k r ü h r t aller Wahrscheinlichkeit nach ur-

sprünglich wirklich von einem Griechen n a m e n s M a r c u s her, und beschreibt, wie schon der Titel „ L i b e r ignium ad c o m b u r e n d o s hostes"

ersehen läßt, in seiner ersten Gestalt die Herstellung

der zum Teil schon dem A l t e r t u m b e k a n n t e n , u n d im 7. J a h r hundert

sehr v e r v o l l k o m m n e t e n

B r a n d s ä t z e zum

nicht zum Erschießen, der Feinde.

Verbrennen,

Das Rezept zur Bereitung

des Schießpulvers ist ihm jedenfalls erst in viel jüngerer Zeit eingefügt worden, wie es denn ü b e r h a u p t in seiner j e t z t vorliegenden Gestalt f r ü h e s t e n s gegen 1250 niedergeschrieben sein kann.

Das älteste, in München v o r h a n d e n e M a n u s k r i p t

hält im T e x t e selbst nichts über Alkohol, in

einem

später

angehängten

Nachtrag

die

beschreibt

ent-

jedoch

Darstellung

des

Weingeistes mit folgenden W o r t e n : Alter Wein wird aus einer R e t o r t e (cucurbita) m i t einem Helm (alembic) auf schwachem Feuer destilliert, u n d was hierbei übergeht, ist das „ b r e n n b a r e W a s s e r " „ a q u a a r d e n s " , — ein Ausdruck, der übrigens auch f ü r das destillierte Terpentinöl g e b r a u c h t w i r d ; es v e r b r e n n t auf

Leinen, ohne dieses zu e n t z ü n d e n , u n d (angeblich)

auf

dem

Finger, ohne diesen zu verletzen.

Auch hier

also n u r ein noch schwacher, viel Wasser e n t h a l t e n d e r 14*

auch kann Wein-

212

ZUR

geist in

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

UND SEINES

Frage k o m m e n . — Ein jüngeres,

NAMENS

in einem

Sammel-

b a n d e zu Paris befindliches M a n u s k r i p t , das erst gegen

1300

niedergeschrieben ist, e n t h ä l t noch den R a t , m a n möge dem Wein vor der Destillation Salz, Schwefel, oder Weinstein

zu-

setzen; v e r m u t l i c h n a h m m a n an, daß die „ F e u c h t i g k e i t " des Wassers seine E n t z ü n d l i c h k e i t verhindere, und v e r s u c h t e deshalb, ihm durch Zugabe von

Chemikalien,

die im

R u f e be-

sonderer „ T r o c k e n h e i t " s t a n d e n , solche gleichfalls mitzuteilen. Bemerkenswert Weines)

ist, d a ß die auf

bezüglichen

Destillation

Abbildungen

in

skripten völlige U n v o l l k o m m e n h e i t

(aber nicht

diesen

Pariser

des

Manu-

der K ü h l v o r r i c h t u n g e n

er-

kennen lassen, so d a ß deren neu e r f u n d e n e Verbesserung wohl auch

damals

noch

den

Zeichnern

gar

nicht

bekannt

war;

vielleicht h a b e n diese aber auch n u r alte Vorlagen kopiert. Im 13. J a h r h u n d e r t , schon etwa gegen 1250, beginnt Weingeist

in

seiner

Eigenschaft

als

Heilmittel

und

der

Allheil-

mittel a u f z u t r e t e n , u n d zwar, soviel b e k a n n t ist, zuerst bei den Ärzten V i t a l i s dieser

de

Umstand

Furno

weist

und T h a d d ä u s

gleichfalls

auf

die

von

Florenz;

Entdeckung

des

Alkohols in Italien hin. Albert

der

G r o ß e , der vielseitige Gelehrte u n d Schrift-

steller (1193—1280) f ü h r t in seinen W e r k e n , deren n ä h e r e Abfassungszeit aber nicht f e s t s t e h t , den Weingeist a n ; daß, wenn (nicht

man

Wein

destilliert),

ebenso wie

eine

leichte,

Rosenwasser

obenauf

er sagt,

„sublimiert"

schwimmende,

zündliche Flüssigkeit erhalten wird, ein „liquor

ent-

inflammabilis

supernatans". Möglicherweise h a t noch vor ihm A r n a l d u s n o v a (1235—1312?) in einer seiner zahlreichen

von

Villa-

Abhandlungen

den Alkohol e r w ä h n t , u n d er w ä r e d a n n der erste dem N a m e n nach b e k a n n t e bekanntes

Autor,

berichtet.

der

über ihn

Arnaldus

als etwas schon

Wohl-

f ü h r t an, d a ß bei der

stillation des W e i n e s dessen subtilster Teil' als „ a q u a

De-

ardens"

e n t w e i c h t , als b r e n n b a r e s Wasser, das von einigen auch „ A q u a

ZUR GESCHICHTE

DES ALKOHOLS

UND SEINES

NAMENS

v i t a e " g e n a n n t werde, weil es als ausgezeichnetes die

Gesundheit

fördere und

anderen „ A q u a p e r m a n e n s " , Beiwort eine

gebraucht

stets

schon

flüssig

das

Leben

Heilmittel

verlängere,

und

unveränderliches Wasser.

Plinius,

bleibende,

um

unter

das

keiner

213

von

Dieses

Quecksilber Bedingung

als fest

werdende Masse zu k e n n z e i c h n e n ; hieraus wieder erklärt sich vermutlich

der

f ü r Weingeist

N a m e „Mercurius vegetabilis",

schon

frühzeitig

auftauchende

pflanzliches Quecksilber.

Ar-

n a l d u s b e t o n t auch, d a ß m a n den Weingeist in goldenen oder gläsernen Gefäßen a u f b e w a h r e n müsse, weil er die Eigenschaft habe,

Gerüche

und

Geschmäcke

aller

Art

anzuziehen,

und

sich hierdurch in nachteiliger Weise zu v e r ä n d e r n . W a s die Schriften des R a i m u n d

L u l l (gest. 1314?) an-

b e t r i f f t , so sind die chemischen zweifellos sämtlich erst s p ä t e r von seinen katalonischen und provenzalischen geschoben. in

dem

Schülern

unter-

In ihnen erst wird mitgeteilt, daß m a n das Gefäß,

der

kondensierte

Weingeist

aufgefangen

wird,

den

Rezipienten, in kaltes Wasser legen soll, ferner auch, daß m a n den

Weingeist

durch

wiederholtes

vorsichtiges

Destillieren,

durch sog. f r a k t i o n i e r t e Destillation, sowie durch Zusatz

von

kalziniertem Weinsteinsalz, d. i. P o t t a s c h e , erheblich v e r s t ä r k e n u n d schließlich ganz rein gewinnen k a n n , in welchem Z u s t a n d e er vollständig Überrest Im Anschluß

verbrennt,

ohne Wasser

oder

einen

sonstigen

zurückzulassen. Laufe des an

die

14. J a h r h u n d e r t s , große

Pestepidemie

hauptsächlich von

1348,

wohl

im

„schwarzer

T o d " g e n a n n t , breitete sich die K e n n t n i s u n d die A n w e n d u n g des noch sehr seltenen u n d kostspieligen Weingeistes ziemlich rasch in alle Länder aus, z u n ä c h s t aus medizinischen G r ü n d e n ; doch scheint u m diese Zeit auch die K u n s t e r f u n d e n zu sein, Alkohol

aus

Getreide

herzustellen,

wodurch

er

dann

weit

leichter erhältlich u n d viel billiger wurde, u n d allmählich auch den Zwecken des bloßen Hinsicht

ist

Genusses dienen k o n n t e .

es e r w ä h n e n s w e r t ,

daß

gegen

oder

In

dieser

nach

Ende

214

ZUR

des

14. J a h r h u n d e r t s

noch

GESCHICHTE

jetzt

recht

DES

ALKOHOLS

der

in

UND SEINES

Süddeutschland

verbreitete

Zuname

NAMENS

und

Österreich

„Weinbrenner"

zuerst

a u f t a u c h e n soll. W a s den anscheinend die arabische H e r k u n f t beweisenden Namen

Alkohol

merken,

f ü r den

Weingeist

b e t r i f f t , so ist zu

daß er wirklich zwar durch arabische

be-

Übermittlung

nach E u r o p a k a m , ursprünglich jedoch eine völlig andere Bedeutung oder

besaß.

Kohol

den

Arabern

von

ist

nämlich

schon

ein

entweder

frühzeitig

der

arabisches

Sprache

eines

Nachbarvolkes e n t l e h n t e s W o r t , das ein außerordentlich feines Pulver bezeichnete, u. a. auch die schon in den ältesten Zeiten gebräuchliche blei,

die,

Schminke

wie

der

aus

Schwefelantimon

berühmte

medizinische

oder

Schwefel-

„Papyrus

Ebers"

zeigt, in Ä g y p t e n bereits im 15. J a h r h u n d e r t v. Chr. zu t h e r a peutischen

und

kosmetischen

Zwecken

längst

allgemein

ge-

bräuchlich war.

Das W o r t „ K o h o l " , sowie seine mit dem a r a -

bischen

,,al" versehene

Artikel

Form

„Alkohol",

bezeichnete

ursprünglich also nichts weiter wie irgendein sehr feines, f a s t u n f ü h l b a r e s Pulver,

und

hat

sich in

solchem

Sinne

in

der

Chemie und P h a r m a z i e bis gegen 1800 noch vielfach e r h a l t e n : es sei in dieser Hinsicht n u r an das F e r r u m alcoholisatum erinnert, d. i. ein höchst feines Eisenpulver.

Die

Übertragung

des W o r t e s Alkohol im Sinne eines feinsten, edelsten B e s t a n d teiles, einer in völlig

Quintessenz,

willkürlicher

auf

den Weingeist, geschah

Weise

erst

h u n d e r t s durch T h e o p h r a s t u s sam u n d

zu

Anfang

Paracelsus.

allmählich f a n d sie A n n a h m e ,

des

16. J a h r -

N u r sehr lang-

in der W i s s e n s c h a f t

eigentlich erst seit Aufstellung der b e r ü h m t e n neuen k l a t u r durch L a v o i s i e r Kurz hauptung,

sei der

noch

sei

jeder B e g r ü n d u n g e n t b e h r t . überhaupt,

so auch

rungenschaft;

man

die

Nomen-

u n d seine Zeitgenossen.

darauf

Alkohol

jedoch

hingewiesen, eine

auch

die

Be-

Erfindung,

In I n d i e n ist, wie die Destillation

des Weines

kannte

daß

südasiatische keine

einheimische

Er-

zwar seit alters her gegorene be-

ZUR

GESCHICHTE

DES

ALKOHOLS

ÜND SEINES

NAMENS

215

rauschende Getränke, a h n t e aber nicht, daß sie einen charakteristischen Bestandteil enthielten, den m a n abzuscheiden vermöge.

Dies bestätigen die eingehenden

chinesischen Pilger, wie F a h i a n ,

Berichte der

Hiuen,

und

Itsing,

die der zahlreichen arabischen Reisenden bis auf im

14. J a h r h u n d e r t .

Auch

schon in undenklicher

in

China

Vergangenheit

ältesten sowie

Ibn-Batuta

bereitete

man

berauschende

zwar

Getränke,

aber von Alkohol w u ß t e m a n noch in recht s p ä t e r Zeit nicht das

Geringste;

Marco

Polo

z. B. gibt im

13. J a h r h u n d e r t

die eingehendsten Berichte über die Besteuerung der gegorenen Flüssigkeiten und den ungeheuren E r t r a g dieser Steuer, spricht aber mit keinem W o r t e über Destillation. Der h e u t z u t a g e durch ganz Asien, von den lierenden K a l m ü c k e n

Milch-destil-

des hohen Nordens bis zu den Malaien

Singapores verbreitete Ausdruck A r r a k

e n t s t a m m t dem Ara-

bischen, und zwar heißt „AI R a k " oder „AI A r a k "

wörtlich

„der

Schweiß"

von

Rak

ist

genau

„cdVähi"

bei

oder

„das

der den

Geschwitzte".

nämliche

wie

griechischen

der und

Der

Sinn

von

„sudor"

römischen

AI und

Autoren,

Arrak b e d e u t e t daher ursprünglich a l l e s Geschwitzte, so z. B. in der vorhin

erwähnten

Mansur

das destillierte Wasser.

auch

persischen

Pharmakopoe

des

Die Bezeichnung

also zweifellos z u n ä c h s t aus dem Griechischen zu den Persern sehr

und

Arabern

allmählich

durch

übergegangen, diese bis zu

Völkern v e r b r e i t e t worden, wickelten

und

oft n u r

und

ist

Syriern,

erst weiterhin

den fernsten

Abu

und

asiatischen

deren K u l t u r sie auf höchst ver-

ganz

indirekten Wegen

beeinflußten;

zuletzt blieb der N a m e d a n n a m Weingeist, als dem Geschwitzten p a r excellence, in ähnlicher Weise hängen, wie etwa der gleich allgemeine A u s d r u c k „ S u b l i m a t " gerade a m

Quecksilberchlorid.

w EINIGE

BEMERKUNGEN

ZUR

GESCHICHTE ALKOHOLS1

DER DESTILLATION UND DES

ichts ist f ü r den historischer drückender,

als zu

Studien Beflissenen be-

sehen,

wie mühevolle

gungen alter u n d eingewurzelter berücksichtigt wieder von

bleiben, u n d

neuem

wie diese

vorgebracht

und

Berichti-

I r r t ü m e r völlig un-

Irrtümer verbreitet

selbst

immer

werden,

und

zwar mit einer B e s t i m m t h e i t , als wäre eine Widerlegung noch niemals

erfolgt;

seitens a n d e r e r Schriften

der

am

betrübendsten

ist

dies

aber,

wenn

es

geschichtlicher Forscher geschieht, aus deren

große

Leserkreis

die

Belehrung

schöpfen

soll,

die er sich auf u n m i t t e l b a r e m Wege nicht zu verschaffen vermag, da es ihm hierzu an Zeit u n d Gelegenheit, an und an Kritik gebricht.

Kenntnis,

N u r aus solchem G r u n d e möchte ich

auf einige B e h a u p t u n g e n eingehen, die sich in der S c h r i f t : „ Z u r Geschichte der pharmazeutisch-chemischen Destilliergeräte" von H. S c h e l e n z die

Sache

Tätigkeit

(Berlin im

seit

Auge

1911) v o r f i n d e n ; d a ß ich hierbei habe,

Jahrzehnten

brauche

kennen,

ich

wohl

denen, nicht

die

erst zu

allein meine ver-

sichern. 1 „Zeitschrift f. a n g e w a n d t e C h e m i e " 1912, S. 1680; am 31. Mai 1912 hielt ich auf der H a u p t v e r s a m m l u n g des „Vereins Deutscher C h e m i k e r " zu F r e i b u r g einen Vortrag über die Geschichte des Alkohols u n d seines N a m e n s (s. die n ä m l i c h e Zeitschrift, S. 1179); an diesen u n d an die durch ihn angeregten Fragen schließen sich die vorliegenden Bemerkungen an.

BEMERKUNGEN

ZUR

Zunächst Aristoteles Darstellung

GESCHICHTE

DER

sei hervorgehoben, habe

und

USW.

217

daß die A n g a b e auf

die Destillation

des Alkohols,

DESTILLATION

„in

unserem

die hierzu

S. 16,

Sinne",

nötigen

die

Destillier-

geräte g e n a n n t , d u r c h a u s unrichtig und sachlich ganz u n h a l t bar ist.

In Wirklichkeit k e n n t weder A r i s t o t e l e s ,

gesamte

Altertum

Destilliergeräte, Gewinnung

eine

eigentliche

Destillation

noch das

und

auch f i n d e t sich bei A r i s t o t e l e s

des Alkohols durch

die geringste A n d e u t u n g .

Destillation

von

wahre

über

eine

Wein

nicht

Betreffs aller hierhergehöriger Einzel-

heiten m u ß ich b i t t e n , meinen

ausführlichen A u f s a t z :

„Che-

misches und Alchemisches aus A r i s t o t e l e s " zu vergleichen; 1 auf

seinen

hauptung leider

Inhalt vor

jedoch

die

aber

nur

zur

habe

ich

H. S c h e l e n z , 2

zwei

Jahren

aufstellte,

ohne

Erfolg.

Wirkliche

(hauptsächlich Gewinnung

wegen

als er seine

Be-

hingewiesen, 3

bereits

Destillationsapparate,

der

mangelhaften

Kühlung)

hochsiedenderer

Flüssigkeiten

brauchbar

waren, besaßen nachweislich erst die hellenistischen Ä g y p t e n s in den ersten nachchristlichen

Chemiker

Jahrhunderten;

sonst w ü r d e m a n daher die A u f f i n d u n g von

um-

„Beschreibungen

oder N a c h b i l d u n g e n " erwarten, die uns lehren sollen, wie der Apparat

aussah,

Meerwasser

in

und

dem

Wein

Aristoteles

beobachtete

die

oder

Destillation

„hätte

von

beobachten

k ö n n e n " (S. 18), u n d in dem d a m a l s vielleicht „schon

Rosen-

wasser destilliert w u r d e " (ebd.). Auch die Angabe, diese letztere K u n s t sei zuerst

in Persien

erfunden und seitens der

Alten

„sicherlich" in größerem M a ß s t a b e betrieben worden (S. 68, 27), ist völlig irrtümlich, denn erstens können die a n g e f ü h r t e n j ä h r lichen

Tribute

destilliertes

von

Rosenwasser

Rosenwasser

an

die

Kalifen

betreffen (z. B. die 30000

auch

un-

Flaschen

f ü r M a m u n ) , zweitens fallen sie erst in das 9. und 10. J a h r h u n d e r t , also in eine Zeit, die allerdings eine eigentliche und verbesserte 1

(1910).

(aber

z. B.

zur

Darstellung

des

Alkohols

noch

Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften, Bd. 2, S, 233—300 2 3 „Zeitschr. f. ang. Chemie", Bd. 23, S. 1979 (1910). ebd., S. 2206.

2 1 8 BEMERKUNGEN

nicht

ZUR

ausreichende)

GESCHICHTE

Destillation

DER

schon

DESTILLATION

kannte,

US PK

und

drittens

ist, entgegen dem auf S. 143 und 144 Gesagten, nichts sicherer, als d a ß die K e n n t n i s s e der griechischen Chemiker den a. a. 0 . genannten

Völkern,

und

speziell

den

Persern,

gerade

syrischen u n d arabischen E i n f l u ß zugetragen w u r d e n .

durch

Dement-

sprechend gibt es auch f ü r die E r f i n d u n g der Destillation

in

Persien keinen einzigen Beleg, und ebenso v e r h ä l t es sich betreffs des „ W u n d e r l a n d e s C h a m " , d. h. des a l t e n Assyriens, kennt

Indiens, u n d Chinas (S. 20).

man

zwar

seit

Ägyptens,

In letzteren

alters her gegorene und

Länder

berauschende

Getränke, aber noch im späteren Mittelalter keine destillierten und daher auch keinen Alkohol; d a ß die Destillation in China oder

Indien e r f u n d e n worden sei (S. 39), ist daher eine ganz

irrige A n n a h m e , u m so mehr, als die in weit

vorgerückterer

Zeit daselbst b e n u t z t e n A p p a r a t e noch „wesentlich", ja „ g a n z und

gar",

den T y p u s

der griechischen

zeigen (S. 3 9 f f . ; vgl.

auch S. 130 und 137 ff.); nicht minder wie die herrschend gewordenen

chemischen

Quecksilbers,

usf.)

(nestorianische)

Theorien

verraten

oder

arabische

in Asien w e i t v e r b r e i t e t e

(Rolle

des

auch

die

eben

Wort

Schwefels Geräte

Vermittlung. „Arrak"

Was

und. b e d e u t e t Autoren

bei

den

ursprünglich

z. B. auch

syrischen,

persischen

wirklich

das destillierte W a s s e r ;

das

auch

b e t r i f f t (S. 130),

k o m m t es von „ a l - r a k " = das Geschwitzte ( = alles

und

syrische so

alfrähsudor) und

arabischen

„Übergeschwitzte",

erst im

Laufe sehr

späterer Zeiten verblieb der N a m e einem der wichtigsten p a r a t e dieser Art, etwa ähnlich wie „ S u b l i m a t " dem

viel Prä-

Queck-

silberchlorid. Auch

die „ f r ü h e B e k a n n t s c h a f t

des A l t e r t u m s

mit

dem

griechischen Feuer, d. h. einem T e r p e n t i n d e s t i l l a t " , ist keineswegs

ein

Beweis f ü r die „ V o r n a h m e

von

Destillationen

im

g r o ß e n " (S. 20), denn griechisches Feuer w a r kein T e r p e n t i n destillat,

sondern

vermutlich

eine Mischung

aus

gebranntem

Kalk mit Erdölen, sowie mit Lösungen von Harz, Teer u. dgl.

BEMERKUNGEN

ZUR GESCHICHTE

DER

DESTILLATION

USW.

in diesen, ferner ist sein Gebrauch nicht im A l t e r t u m

219

nach-

weisbar (am wenigsten im f r ü h e n ! ) , sondern erst im 7. n a c h Jahrhundert.1

christlichen

Auf S. 25 t a u c h t das Gespenst des G e b e r ,

als eines a r a -

bischen Chemikers des ausgehenden 8. J a h r h u n d e r t s a u f ; seine Schriften sind aber doch nicht n u r „allerdings in ihrer heit

angezweifelt",

13. J a h r h u n d e r t Geber durch

sondern

aller

untergeschoben

um 800 Essigsäure, Destillation

„hier zuerst

mit

Bestimmtheit

erwiesen.

Weder

Salpetersäure, und

dargestellt,

noch

aus

Echtals

hat

im

daher

Schwefelsäure

Weißwein

Alkohol,

Lebenswasser g e n a n n t " ; was auch arabische Al-

chemisten so bezeichnen und deren lateinische Übersetzer m i t „ a q u a v i t a e " wiedergeben, h a t ü b e r h a u p t gar nichts mit Weingeist zu t u n , sondern ist das m y t h i s c h e „ W a s s e r des Lebens, äduvaaiac,

f dofiuxov"

der

hellenistischen

diesen wieder aus ägyptischen

Chemiker,

Quellen s t a m m t ,

das

bei

in denen

es

als eine E r f i n d u n g der Göttin I s i s ausgegeben wird. Daß

Chemiker

der arabische

und

Arzt

Räzi

(Rhazes)

um 900 n. Chr. Alkohol „zweifellos k a n n t e und in schon f a s t vollendeten eine

ganz

Geräten irrige

Schriften v e r r ä t

darstellen

konnte"

Voraussetzung, eine

Spur

denn

derartiger

(S. 29), ist keine

ebenfalls

seiner

Kenntnisse.

echten

Von

dem

spanisch-arabischen Arzte A b u l k a s i m (um 1000 n. Chr.) heißt es S. 34: „ E r destillierte W e i n " , aber auch diese B e h a u p t u n g wird durch seine W e r k e nicht b e s t ä t i g t ; dem A r n o l d v o n V i l lanova Weingeist

(2. H ä l f t e schon

des

13. J a h r h u n d e r t s )

wohlbekannt,

2

und

ist

allerdings

er bezeichnet

ihn

der u. a.

auch als „ a q u a v i t a e " (S. 35), aber unbewiesen und bei ihm ganz

unbegreiflich

bleibt,

daß

er sein

Weindestillat

„zuerst

A l k o h o l b e n a n n t e , nach dem arabischen W o r t Kochl f ü r fein1

Siehe meine „Abhandlungen und Vorträge" Leipzig 1906), S. 131. Die Verstärkung des Weingeistes mittels Alkalis (das wasserentziehend wirkt) und durch die fraktionierte Destillation (vgl. S. 69) beschreibt L u l l , dessen chemische Werke aber sämtlich erst um und nach 1300 untergeschoben sind. 2

220

BEMERKUNGEN

ZUR

GESCHICHTE

DER

DESTILLATION

USW.

verteiltes A n t i m o n " (richtiger: Schwefelantimon), vielmehr r ü h r t diese

ganz

willkürliche

Übertragung

erst

von

Paracelsus

her, m i t dessen Gewohnheiten sie in v o l l k o m m e n e m steht.

Bei diesem Anlasse sei e r w ä h n t ,

auch

die

spätere

Paracelsus

Umdeutung

zuzuschreiben

von

„Clissus"

Name"

so d a ß

vorliegt.

also hier — Daß

Wissens

(S. 119)

dem

ist, w ä h r e n d f r ü h e r e Autoren

W o r t n u r im a l t h e r g e b r a c h t e n Sinne = brauchen,

Einklänge

daß meines

kein

„nirgends

demnach

das

D u n s t oder R a u c h ge-

weder

vorher

erklärter

spanisch-arabische,

noch gar orientalische E r f i n d e r die K u n s t der Alkoholdestillation schon vor leuchtet

1171 nach

Irland g e b r a c h t haben können (S. 96),

ohne weiteres ein: die Nachricht, sie sei dort

1171

sehr b e k a n n t , ja wohl „ b o d e n s t ä n d i g " gewesen und im großen betrieben worden,' b e r u h t sicherlich n u r auf irrtümlichen

Deu-

t u n g e n eines späteren Chronisten, l ä ß t sich aber z u n ä c h s t nicht weiter p r ü f e n , da ihre Quelle auf S. 96 nicht angegeben schon die B e m e r k u n g , der Alkohol sei „ W a s s e r des

ist;

Lebens"

(keltisch = W h i s k y ) g e n a n n t u n d aus Gerste gewonnen worden, d e u t e t aber, nach allem, was m a n bisher weiß, auf auswärtige u n d ganz b e d e u t e n d s p ä t e r e H e r k u n f t . Weitere

Irrtümer

entspringen

dem

Umstände,

daß

S c h e l e n z bei A b f a s s u n g der Geschichte der Destillation offenb a r nicht oder doch nicht ausreichend auf die ältesten Originalquellen

zurückging,

Chemiker, syrischen diesen

zu

ansieht.

sowie und

der

ich

ist,

auf

die W e r k e der

unmittelbar

arabischen,

finden Da

nämlich

für

und

aus

daher

diesen

vieles,

Errungenschaften

griechischen schöpfenden

was

schon

neuerer

in

Zeiten

mich m i t jenen Autoren über Chemie

und

Alchemie (für welche K u n s t a b e r der S. 146 zitierte Ausdruck äyia

rt/vi]

und

demnächst

handlung:

niemals

vorkommt)

seit J a h r e n b e s c h ä f t i g t h a b e

an die Niederschrift einer ausführlichen

„Entwicklung

gehen zu k ö n n e n

und

Ausbreitung

der

Ab-

Alchemie",

hoffe, so b e s c h r ä n k e ich mich, wie weiter

oben so auch hier, vorerst d a r a u f , ohne A n f ü h r u n g der einzelnen

BEMERKUNGEN

ZUR

GESCHICHTE

DER

DESTILLATION

Belegstellen n u r die T a t s a c h e n zu erwähnen.

USIV.

221

Den hellenistischen

Chemikern schon w o h l b e k a n n t w a r u. a.: 1. Die Digestion im Dünger (S. 91).

2. Die Sublimation

(und die von ihr

durch

lange Zeit nicht scharf g e t r e n n t e Destillation) u n t e r B e n u t z u n g des einseitig geschlossenen „ b l i n d e n " Rohres aus Ton, Glas usf. (S. 32), — daher arabisch ,,al a t a l " oder ,,al u t a l " , z u s a m m e n gezogen „ A l u d e l " , d. i. „ d a s R o h r " .

3. Die Sublimation

aus

einem Gefäße in ein mit ihm f e s t v e r b u n d e n e s zweites, d a r ü b e r befindliches, sowie die Destillation (hier im alten ursprünglichen Sinne de-stillare = h e r a b - t r o p f e n ) in ein ebensolches

darunter

gesetztes: „ G e f ä ß über G e f ä ß " , bei den Persern und „but-ber-but",

woraus

spätere

„ b o t u s b a r b a t u s " bildeten, oder

dergl.

den

Arabern Ausdruck

der also nicht (S. 51) mit ßörQv

zusammenhängt,

auf S. 29 zu erklären ist.

Alchemisten

sondern

gemäß

der

Andeutung

4. Der Gebrauch schlangenförmiger

Kühlrohre, der daher nicht erst im 15. oder 16. J a h r h u n d e r t e a u f k a m (S. 51, 57, 64). schieden

gestalteten

5. Die A n w e n d u n g von allerlei ver-

Gefäßen

und

Kolben,

u. a.

genannt:

7 t d l i j (daher Fiolen, Filiolen, Violen, S. 52); „ E i der sophen", S. 5 3 ) ;

in

d. i.

der

hetosti'is

latinisierter

Chemiker oder

Form

(daher

fieroi^ic,

Quelle

Ovum

(von

des

Philo-

philosophicum,

fiirpov

=

französischen

das

Maß),

matras,

das

also keinesfalls aus dem Keltischen s t a m m t , u n d auch frei von „phantastisch

geschlechtlichen

(jtxvu = Gurke

oder

Kürbis

Beziehungen" (Cucurbita),

ist,

S. 51 ff.);

ursprünglich

den

Schröpfkopf bezeichnend und u n t e r diesem N a m e n z. B. noch im 5. J a h r h u n d e r t (daher

arabischer

Zeit

Kunstausdruck und die

31

bei C a e l i u s

ist die „ G u r k e "

„ d a s erstemal

Aurelianus nach

oft a n g e f ü h r t

S. 30, erst in

jüngerer

zu f i n d e n , als die später

als

gängige C u c u r b i t a " , vielmehr weist der S. 28

angezogene

richtige

nicht,

Quelle),

„Vergleich usf.

mit

6. Das

einem

Schröpfkopf"

„Beschlagen"

der

auf

Gefäße

mit Ton, die A n f e r t i g u n g tönerner Ein- u n d Unterlagen (S. 31), sowie das Dichten, Verbinden

oder

Lutieren

mit

dem

„Ton

222

BEMERKUNGEN

ZUR GESCHICHTE

DER

DESTILLATION

USW.

der P h i l o s o p h e n " (S. 54, 67, 117), u n d das Verschließen genau passenden, eingedrehten

Stöpseln.

7. Der

mit

„hermetische

V e r s c h l u ß " , den also L i b a v i u s ( u m 1600) tatsächlich „ ä l t e r e n Vorbildern"

entlehnte

(S. 55).

8.

Der