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German Pages 499 [508] Year 1914
ABHANDLUNGEN UND VORTRÄGE EUR GESCHICHTE DER
NATURWISSENSCHAFTEN VON
PROF. DR. EDMUND O. VON LIPPMANN DR.-INC. E. H. D E R K G L . T E C H N I S C H E N
H O C H S C H U L E ZU
DIREKTOR DER „ZUCKERRAFFINERIE
ZU HALLE A. S.
DRESDEN
HALLE"
„Die Geschichte der Wissenschaft ist die Wissenschaft selbst." Goethe
ZWEITER BAND
VERLAG VON VEIT & COMP. IN LEIPZIG 1913
Verlag von VEIT & C O M P , in Leipzig
Geschichte der Chemie
von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Zugleich Einführung in das Studium der Chemie. Von Dr. Ernst von Meyer,
Geh. Hofrat, o. Professor der Chemie an der Technischen Hochschule zu Dresden.
D r i t t e , v e r b e s s e r t e und v e r m e h r t e A u f l a g e , gr. 8. geh. \\ j t , geb. in Ganzleinen 12 Ji-. In dieser „Geschichte der Chemie" wird die Entwicklung des chemischen Wissens, insbesondere der daraus abgeleiteten allgemeinen Lehren der Chemie, von ihren Anfängen bis auf den heutigen Tag dargelegt. In jedem Zeitalter wird nach einer a l l g e m e i n e n Darstellung der Hauptrichtungen, welche die Chemie eingeschlagen hat, die s p e z i e l l e Ausbildung einzelner Zweige derselben mehr oder weniger eingehend besprochen.
Der Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen von Dr. Wilhelm Branca,
o. ö. Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Berlin, Geheimer Bergrat.
Mit zahlreichen Abbildungen. Lex. 8. 1910. geh. 2 J i 50 Sp, geb. in Ganzleinen 3 Ji 50 Sp. Der Verfasser steht nicht auf dem Boden des Monismus. Er sieht den Menschen für ebenso allmählich geworden an wie alle übrigen Lebewesen und legt die Ergebnisse seiner während einer langen Reihe von Jahren über den diluvialen Menschen angestellten Forschungen in a l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h e r F o r m weitesten. Kreisen vor.
Abhandlungen und Vorträge allgemeinen Inhaltes (1887—1903). Von Wilhelm Ostwald.
gr. 8. 1904. geh. 8 Ji, geb. in Ganzleinen 9 Jt. I n h a l t : A l l g e m e i n e und p h y s i k a l i s c h e C h e m i e . 1. Die Aufgaben der physikalischen Chemie. (1887.) 2. Altes und neues in der Chemie. (1890.) 3. Fortschritte der physikalischen Chemie in den letzten Jahren. (1891.) 4. Die physikalische Chemie auf den deutschen Universitäten. (1895.) 5. Chemische Betrachtungen. (1895.) 6. Über Katalyse. (1901.) — E l e k trochemie. 1. Betrachtungen zur Geschichte der Wissenschaft. (1896.) 2. Bilder aus der Geschichte der Elektrik. (1897.) 3. Die wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die technische der Zukunft.. (1894.) 4. Fortschritte der wissenschaftlichen Elektrochemie. (1894.) 5. Über den Ort der elektromotorischen Kraft in der Voltaschen Kette. (1895.) — E n e r g e t i k und P h i l o s o p h i e . 1. Die Energie und ihre Wandlungen. (1887.) 2. Über chemische Energie. (1893.) 3. Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus. (1895.) 4. Das Problem der Zeit. (1898.) 5. Die philosophische Bedeutung der Energetik. (1903.) 5. Biologie und Chemie. (1903.) — T e c h n i k und V o l k s w i r t s c h a f t . 1. Über wissenschaftliche und technische Bildung. (1897.) 2. Stickstoff, eine Lebensfrage. (1903.) 3. Ingenieurwissenschaft und Chemie. (1903.) — B i o g r a p h i e . 1. Johann Wilhelm Ritter. (1894.) 2. Eilhard Mitscherlich. (1894.) 3. Friedrich Stohmann. (1897.) 4. Gustav Wiedemann. (1899.) 5. Jacobus Henricus van't Hoff. (1899.) 6. Robert Bunsen. (1901.) 7. Johann Wislicenus. (1903.)
Zur Geschichte der Naturwissenschaften
ABHANDLUNGEN U N D VORTRÄGE ZUR GESCHICHTE DER
NATURWISSENSCHAFTEN VON
PROF. DR. E D M U N D O. VON LIPPMANN DR.-ING. E . H . D E R K G L . T E C H N I S C H E N
H O C H S C H U L E ZU
DIREKTOR DER „ZUCKERRAFFINERIE
DRESDEN
HALLE"
ZU HALLE A. S.
„ D i e G e s c h i c h t e d e r W i s s e n s c h a f t ist die Wissenschaft selbst/' Goethe
ZWEITER BAND
VERLAG VON VEIT & COMP. IN LEIPZIG 1913
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
MEINEM E I N S T I G E N L E H R E R UND LANGJÄHRIGEN FREUNDE
HERRN PROF. DR. GEORG LUNGE IN DANKBARKEIT UND VEREHRUNG GEWIDMET
Vorrede er erste, 1906 erschienene Band meiner „ A b h a n d l u n g e n £ M l
und Vorträge"
f a n d bei zahlreichen,
der Geschichte
der N a t u r f o r s c h u n g beflissenen Lesern, sowie bei der g e s a m t e n wissenschaftlichen Kritik, eine so wohlwollende Aufn a h m e , d a ß ich den Plan fassen d u r f t e , ihm einen zweiten folgen zu lassen; die V e r l a g s b u c h h a n d l u n g s t i m m t e zu, u n d entschloß sich zugleich, die H e r a u s g a b e nach Möglichkeit zu beschleunigen, w o f ü r ich ihr auch an dieser Stelle aufrichtigen D a n k sage. Der nun vorliegende Band u m f a ß t 36 neue Arbeiten, und bringt,
neben
mehreren
ausführlichen
Abhandlungen,
eine
Reihe von Vorträgen k n a p p e r e n Umfanges, sowie einige kurze Mitteilungen,
die sich
vielleicht
dem
Wortlaute
des
Haupt-
titels nicht streng fügen, seine A b ä n d e r u n g aber nicht gerechtfertigt h ä t t e n . sind,
und
F ü r welchen Leserkreis meine Studien b e s t i m m t
nach
welchen
Grundsätzen
ihre
Veröffentlichung
erfolgt, h a b e ich in der Vorrede zum ersten B a n d e dargelegt, auf die ich verweisen Bitte
um
darf;
wiederholen
Berichtigung untergelaufener
zeichnung etwa auszufüllender Lücken.
möchte ich n u r Fehler,
und
um
die Be-
VORREDE
VIII
Für das Ausschreiben und Anordnen der Register bin ich Herrn T h . H ü b e n e r ,
Chemiker der „Zuckerraffinerie
Halle",
zu bestem Danke verpflichtet. Mögen stimmung
meine
Bestrebungen
Gleichgesinnter
sich
erfreuen.
auch
Jenen
diesmal aber,
der
Zu-
die der
Ge-
schichte der Wissenschaften bisher noch ferner standen,
einige
Anregung gewähren. H a l l e a. S., 9. J a n u a r
1913.
Der Verfasser.
Inhalt Seite
Vorrede
VII Erste Abteilung
1. Chemisches aus dem „Papyrus Ebers" 2. Wie ist der Ausdruck „Caput mortuum" für Eisenoxyd zu erklären ?
1 23
Zweite Abteilung 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Chemisches und Physikalisches aus Piaton Chemisches und Alchemisches aus Aristoteles Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles Die „Entsalzung des Meerwassers" bei Aristoteles. Nachtrag . . Die spezifische Gewichtsbestimmung bei Archimedes Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel . . . . Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Erster Nachtrag 10. Zur Geschichte des Saccharometers und der Senkspindel. Zweiter Nachtrag 11. Zur Geschichte des Wasserbades 12. Ein Vorläufer des Papinschen Dampftopfes
28 64 157 162 168 171 177 183 185 201
Dritte Abteilung 13. Zur Geschichte des Alkohols und seines Namens 14. Einige Bemerkungen zur Geschichte der Destillation und des Alkohols 15. Das Alter der Erdöl-Feuerung 16. Zur Geschichte der Verlötung von Bleirohren
203 216 226 228
Vierte Abteilung 17. 18. 19. 20. 21.
Wann und wofür erscheint zuerst die Bezeichnung Ammoniak? Aldebrandino di Sienas „Régime du Corps" Über das Präservieren in Zucker Über Rübenzucker im Mittelalter Chemisches bei Marco Polo
.
230 237 250 255 258
X
INHALT Fünfte Abteilung
Sej(e
22. Zur Geschichte der Narkose
288
23. Zur Geschichte der Vererbungs-Theorien
290
Sechste
Abteilung
24. Zur Würdigung Jean Reys 25. W e r hat die Verbrennung einer Uhrfeder in Sauerstoffgas zuerst ausgeführt?
307
26. 27. 28. 29. 30. 31.
313 318 326 358 361 365
Zur Zur Zur Die Zur Zur
Geschichte der Vergiftung durch Kohlenoxydgas Geschichte der Pottasche und ihres Namens. 1 Geschichte der Pottasche und ihres Namens. II Herkunft des Namens „ H a l l o r e " Geschichte des Namens „ G a s " . 1 Geschichte des Namens „ G a s " . II Siebente
32. Zum hundertjährigen Jubiläum 1812 von E. C. Howard) Achte 33. 34. 35. 36.
292
Abteilung des Vakuum-Apparates
(erfunden 395
Abteilung
Encheiresis naturae Alexander von Humboldt als Vorläufer der Lehre von der Isomerie Zur Geschichte der Tautomerie Justus Liebig über Robert Mayer
Register der geographischen und Eigennamen Sachregister
439 450 458 460 470 482
Erste Abteilung
C H E M I S C H E S AUS DEM „ P A P Y R U S E B E R S " 1
er Papyrus medizinischen Inhaltes, den E b e r s im Winter 1872/73 zu Luxor in Ägypten erwarb, und dessen prächtige, nicht weniger als 20 m lange und 30 cm hohe Rolle seither unter den Namen „ P a p y r u s Ebers" in der Leipziger Universitäts-Bibliothek aufbewahrt wird, gilt nach allgemeinem Urteile für eine der umfangreichsten, mit größter Vollendung ausgeführten und am besten erhaltenen sämtlicher bekannter Papyrus-Urkunden, und darf, da er zweifellos im 16. vorchristlichen Jahrhunderte niedergeschrieben ist, mit vollem Rechte Anspruch auf den Namen „Ältestes Buch über die Heilkunde" erheben, — wenigstens insolange, als aus der nach einigen Autoren jedenfalls n o c h weit älteren (und primären) Keilschrift-Literatur nur vereinzelte und spärliche Fragmente veröffentlicht sind. Die eingehenden Forschungen, deren Ergebnisse einer der genauesten Kenner der ägyptischen und vorderasiatischen Medizin des Altertumes, Dr. med. Felix F r e i h e r r v o n O e f e l e zu Neuenahr, in P u s c h m a n n s „ H a n d b u c h der Geschichte der Medizin", 2 sowie im „Archiv für Geschichte der Medizin", 3 niedergelegt, und durch die er frühere Anschauungen von E b e r s , L e p s i u s , L i e b l e i n , und anderen hervorragenden 1
„Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik", 8 3 1909, S. 87. Jena 1902; Bd. 1, S. 78ff. Leipzig 1907; Bd. 1, S. 12. v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. V o r t r .
II.
1
2
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
Ägyptologen in wesentlichen Punkten berichtigt, ergänzt und vertieft hat, ergeben nachstehendes Bild über Wesen und Entstehung dieses wichtigen Dokumentes: Der Papyrus Ebers ist eine, nach bestimmtem, aber nicht stets ganz durchsichtigem Plane angelegte Kompilation aus älteren, anscheinend namentlich den Tempelsanatorien Unterägyptens entstammenden Schriften; die Auszüge aus diesen wurden indes vielfach umgearbeitet und zurechtgerückt, auch sind ganze Abschnitte (z. B. die beiden letzten) der fertigen Zusammenstellung erst nachträglich angestückelt; der Schreiber arbeitete zwar kalligraphisch musterhaft, beging aber zahlreiche sachliche Fehler, und kopierte oft nachlässig und flüchtig, so daß er u. a. e i n e Seite z w e i m a l , und zwar mit zahlreichen Varianten, abschrieb. 1 Als Zeit der Niederschrift ist etwa 1550 v. Chr. anzusetzen, wie weit jedoch die zum Teil fraglos außerordentlich viel älteren Quellen zurückreichen, läßt sich bisher nicht sicher entscheiden (der Text selbst spricht von „alten, vom Lichte der Männer verfaßten Büchern", und berichtet u. a. von der Wiederauffindung solcher Werke zur Zeit eines Königs, der um 3700 v. Chr. regierte. 2 ) An zahlreichen Stellen machen sich babylonische, ägäische und hettitische Einflüsse bemerkbar, so daß es orientalische Heilkunde in ägyptischem Gewände ist, die uns der Papyrus bietet; bisher, und f ü r absehbare Zukunft, bildet er jedenfalls die maßgebende Grundlage unserer Kenntnisse über die altägyptische Medizin. Für den Chemiker sind natürlich in erster Linie die zahlreichen Heilmittel von Interesse, die sich in den nach Hunderten zählenden Rezepten des Papyrus Ebers erwähnt finden. Aber obwohl dieser, nach v. O e f e l e 3 „sehr viel genannte, doch wenig bekannte P a p y r u s " in einer deutschen, als „möglichst wort1 v. O e f e l e , in den „Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften", Bd. 5, S. 354; diese Zeitschrift ist weiterhin „M. M. N." 8 zitiert. S. 62 und 185 der Übersetzung von J o a c h i m ; s. unten. 8 M. M. N., Bd. 6, S. 536.
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
3
getreu" bezeichneten Übersetzung vorliegt, die ein Mediziner von Fach, Dr. H. J o a c h i m , unter Anleitung und Mitwirkung des berühmten Ägyptologen L i e b l e i n in Christiania herausgab, 1 hat sich dennoch, soweit mir erinnerlich, bisher kein deutscher Chemiker mit seinem Inhalte beschäftigt; ein Aufsatz B e r t h e l o t s hinwiederum, der unter dem Titel ,,Les médecins égyptiens" auch in dessen „Archéologie et Histoire des Sciences" abgedruckt steht, 2 ist recht oberflächlich; anscheinend hat sogar B e r t h e l o t nicht alle von ihm zitierten Quellen auch selbst eingesehen, denn eines der drei in seinem Literatur-Nachweise angeführten Werke, der „Commentaire médicinal" von L ü r i n g , ist in Wirklichkeit eine Straßburger Dissertation von 1888 und heißt „Die über die medizinischen Kenntnisse der alten Ägypter berichtenden P a p y r i " ; ihr Inhalt wird überdies von B e r t h e l o t nirgends direkt benützt. Sowohl die Schriften von E b e r s und L i e b l e i n , als auch u. a. B r u g s c h s „Ägyptologie", 3 L o r e t s ,,L'Egypte au temps des Pharaons", 4 und W o e n i g s „Die Pflanzen im alten Ägypten", 5 erwähnen übereinstimmend der „unsäglichen Schwierigkeiten, die schon eine richtige Lesung, und noch mehr eine richtige Deutung der vegetabilischen und mineralischen Medikamente des Papyrus Ebers bietet", und auch J o a c h i m macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß er (bzw. L i e b l e i n ) in vielen Fällen nicht einmal den Versuch einer Übertragung wagen konnte, und in vielen anderen die gegebene Übersetzung durch Beifügung eines Fragezeichens als unsicher charakterisieren mußte. Aber auch die Hoffnung, daß nun wenigstens die restlichen Fälle keinen Anlaß zu Bedenken gäben, ist trügerisch, denn auf naturwissenschaftlichem Gebiete sind leider sowohl Philologen als auch Ärzte (sobald andere Zweige als die rein medizinischen in Betracht kommen) zumeist noch
4
1 2 Berlin 1890. Paris 1906; S. 234. 5 Paris 1889. Leipzig 1897; S. 392.
3
Leipzig 1897; S. 395, 409. 1*
4
CHEMISCHES
AUS DEM
„PAPYRUS
EBERS"
Laien, so daß auch die größte Gewissenhaftigkeit sie nicht davor schützt, dort Fehler zu begehen, wo sie deren Möglichkeit gar nicht ahnen; wenn also z. B. J o a c h i m - L i e b l e i n von den „Spänen des Grünspans", von „Kupferkohle", vom „Granit des Anch-Metalles" sprechen, 1 den Weidenbaum Beeren tragen lassen, 2 oder den alten Ägyptern den Genuß von „Zuckerkuchen" zuschreiben, 3 so darf man derlei Irrtümer nicht allzu scharf beurteilen, — man wird aber durch sie auch hinsichtlich mancher anderer Stellen zweifelhaft und ängstlich werden. Der Einwand, daß es unter solchen Umständen wohl überhaupt nicht ratsam erscheine, vom chemischen Standpunkte aus an ein Werk wie den Papyrus Ebers heranzutreten, liegt daher nahe; er darf jedoch, wie ich dies schon wiederholt bei analogen Anlässen hervorhob, zurückgewiesen werden, denn erfahrungsgemäß bringen gerade erst derartige Versuche die einschlägigen Fragen in Bewegung, veranlassen die eigentlichen Fachgelehrten, sich mit den auftauchenden Problemen zu beschäftigen, und führen so, an der Hand des dem Laien unbekannten und unzugänglichen Materials, ganz von selbst zur Berichtigung der begangenen Fehler; an solchen wird es natürlich nie mangeln, sie werden aber auch niemanden überraschen, der da bedenkt, daß die gelehrte Arbeit mehrerer J a h r h u n d e r t e noch bei weitem nicht hinreichte, um auch nur die sogenannten „naturhistorischen Realien" der griechischen und römischen Literatur aufzuklären, geschweige denn etwa die der arabischen oder indischen. I. Mineralische Stoffe. 1. Das am längsten bekannte (weil am leichtesten gewinnbare) Metall scheint, wie in Vorderasien so auch in Ägypten, das K u p f e r gewesen zu sein, das ursprünglich (schon im 5. Jahrtausende v. Chr.) die Gruben der Sinai-Halbinsel 1
J o a c h i m , S. 118, 190, 160.
2
ebd., S. 166.
3
ebd., S. 77, 115, 179.
CHEMISCHES
AUS
DEM
„PAPYRUS
EBERS"
5
lieferten, später die Cyperns; 1 Inschriften, die der Regierung des Königs T h u t m o s i s III. entstammen (1500 v. Chr.), erwähnen oft Kupfer in Ziegeln oder Barren, 2 und noch zur Zeit R a m s e s II. (1348—1281 v. Chr.) war Kupfer so kostbar, daß es neben Gold und Silber in den Schatzhäusern der Tempel aufbewahrt wurde und daß alle drei Metalle zur Bezahlung aus Arabien eingeführter Luxuswaren dienten. 3 Im Papyrus Ebers wird eines medizinischen kupfernen Instrumentes (ohne nähere Bezeichnung) nur einmal ausdrücklich gedacht, 4 außerdem ist einige Male die Rede von einem ,,Metallmann" genannten Stift zum Ausbrennen von Wunden oder Geschwüren, der vermutlich ebenfalls aus Kupfer, vielleicht aber auch aus Bronze bestand. 5 — Kupferhaltige Präparate (unverbürgter Einheitlichkeit und Reinheit, wie auch alle übrigen), die der Darstellung von Heilmitteln zu äußerlichem und innerlichem Gebrauche dienen, 6 sind: K u p f e r s c h l a c k e n ; v o m K u p f e r A b g e r i e b e n e s , vermutlich identisch mit Kupferrost; G r ü n s p a n , einmal auch als „Grünspan von der Barke" bezeichnet, 7 was entweder irgendwie mit der Barke zusammenhängt, auf der T h o t , der Ärztegott, oftmals abgebildet erscheint, oder ein Lese- oder Übersetzungs-Fehler ist; K u p f e r - G r ü n s p a n ; K u p f e r v i t r i o l (äg. gesfen). Der Grünspan oder Kupfergrünspan kann indes zuweilen auch ein anderer Stoff gewesen sein, z. B. sog. Kupfergrün, d. i. eine erdige Abart des Malachits (äg. mafek), den nach L e p s i u s die Gruben des Sinaigebietes seit altersher in größeren Mengen lieferten, 8 und ebenso ist vielleicht unter Kupfervitriol ein anderes blaugefärbtes Kupfermineral zu verstehen oder mitzuverstehen. 1 2 3 B r u g s c h , a. a. O., S. 400. ebd., S. 384. ebd., S. 334, 268, 253. S. 191; Zahlen ohne besondere Angabe beziehen sich auf die J o a c h i m 5 sche Übersetzung. D i e Belegstellen sind hier und im folgenden nur in besonderen Fällen angegeben, da sie mittels des ausführlichen deutschen 6 und ägyptischen Registers bei J o a c h i m leicht zu finden sind. Innerlich besonders auch als Brechmittel (v. O e f e l e bei P u s c h m a n n , Bd. 1, S. 87). 7 8 S. 50. „Die Metalle in den ägyptischen Inschriften" (Berlin 1872, S. 79ff). 4
6
CHEMISCHES
AUS DEM
„PAPYRUS
EBERS"
2. Ein S t ü c k B l e i wird einmal z u m Auflegen auf
einen
Wundschorf v e r o r d n e t ; dieses Metall w a r den Ä g y p t e r n ebenfalls schon in sehr f r ü h e r Zeit w o h l b e k a n n t , i m m e r h i n r ü h m t sich aber noch R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.), den G ö t t e r n u. a. mehr
als
100000
Pfund
g e b r a c h t zu h a b e n .
1
Kupfer und
9000 P f u n d
Blei
dar-
— Von B l e i p r ä p a r a t e n finden zu ä u ß e r -
lichen Zwecken, häufig aber a u c h zu innerlichen, V e r w e n d u n g : Mennige,
Bleivitriol,
und G r ü n e
Rezepten auch alle drei z u s a m m e n . 2 tum
wohl
Ägypten
überhaupt
nicht,
b e k a n n t , w ä r e auch
Bleierde,
in m a n c h e n
Bleivitriol w a r im Alter-
sicherlich
aber
nicht
keinesfalls, wie dies
im
alten
Joachim
t u t , 3 mit dem „ S o r y " der griechischen Autoren zu identifizieren. Bekanntlich
gibt
es wenige
Substanzen,
die
den
Kommen-
t a t o r e n so vieles K o p f z e r b r e c h e n v e r u r s a c h t e n , wie das „ S o r y " und
„Misy"
des
anderer a n t i k e r
Galenos,
und
Schriftsteller; völlige Sicherheit b e s t e h t
auch
h e u t e noch n i c h t ,
Dioskurides,
Plinius,
doch darf als wahrscheinlichste
Erklärung
gelten, d a ß Misy im wesentlichen ein kupferkieshaltiger war,
und
Sory
ein vornehmlich
aus basischen
Pyrit
Eisensulfaten
bestehendes Gemenge von P r o d u k t e n seiner allmählichen setzung und Oxydation.
Zer-
„ S o r y " soll ein ägyptisches W o r t sein,
auch f i n d e t sich diese S u b s t a n z , wie noch D i o s k u r i d e s richtet,
4
be-
in Ä g y p t e n selbst v o r ; dagegen w u r d e „ M i s y " h a u p t -
sächlich aus Cypern bezogen, 5 u n d da diese Insel nach B r u g s c h 6 ägyptisch Isy, nach L e p s i u s 7 Mas hieß, so mögen Fachgelehrte entscheiden, ob zwischen diesen N a m e n u n d dem W o r t e Misy, das bisher f ü r u n e r k l ä r t gilt, ein Z u s a m m e n h a n g besteht,
ob
etwa, ähnlich wie (nicht u n b e s t r i t t e n ! ) Cupressus und C u p r u m , auch Misy = „ C y p r i s c h e s " zu setzen i s t ? Da die „ G r ü n e Bleierde" eines der a m häufigsten (in ü b e r f ü n f z i g Rezepten)
äußerlich
und
innerlich
verordneten
Heil-
1 2 3 B r u g s c h , S. 271. z. B. S. 134. S. 7, 17 bis 20 usf. 5 6 „Materia medica", lib. 5, cap. 118. ebd. cap. 116. Brugsch, 7 S. 465. a. a. O. S. 104.
4
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
7
mittel des P a p y r u s Ebers darstellt, dem chemischen V e r s t ä n d nisse aber ganz besondere Schwierigkeiten bietet, so h a b e ich dieserhalb bei Herrn Dr. v o n O e f e l e a n g e f r a g t . Seiner f r e u n d lichen A n t w o r t v o m 10. April 1908, f ü r die ich auch an dieser Stelle bestens danke, ist folgendes zu e n t n e h m e n : „ W o J o a c h i m und
Lieb lein
nur ein das
, grüne
Bleierde'
schreiben,
steht
im
Original
W o r t , dessen K o n s o n a n t e n g e r ü s t h-n-t-j l a u t e t ,
weder
Grün
noch
Bleierde
bedeutet,
sondern
und
wörtlich
,etwas zur vorderen Gesichtshälfte oder zur Nase in Beziehung Stehendes', etwas ,Nasiges'; nach einer A n g a b e beschreibt
ein
dieses P r ä p a r a t
die
Einbalsamierung
als eine grüne
Dümichens1
behandelnder
E r d f a r b e , weshalb
Papyrus vermutlich
o b e n g e n a n n t e Übersetzer die grüne Farbe, als die einzige gesicherte
Eigenschaft der
Substanz,
hervorheben
wollten." —
Diese grüne E r d f a r b e , deren v o n O e f e l e g e d e n k t , w a r offenb a r das schon e r w ä h n t e „ K u p f e r g r ü n " , d. i. erdiger Malachit, der insofern zur Nase und zum
Gesicht in Beziehung
steht,
als die Ä g y p t e r der ältesten Zeit sich grüne Streifen und Ringe u m die Augen zu malen pflegten, — welche Sitte später f ü r altvaterisch u n d barbarisch galt, 2 und darauf z u r ü c k z u f ü h r e n ist, d a ß Malachit, sowie andere Schminken aus M e t a l l p r ä p a r a t e n , den Völkern, die die K ü s t e n des roten Meeres bewohnten, seit jeher
zur
präservativen
Behandlung
der
dort
endemischen
A u g e n k r a n k h e i t e n (namentlich solcher der Bindehaut) d i e n t e n ; 3 grüne Augenschminke e n t h a l t e n nach E d . M e y e r 4 schon gewisse, m i t glyphischen
Schnitzereien,
Reliefbildern, und primitiven
Schriftzeichen
f ü n f t e n vorchristlichen
bedeckte
Jahrtausende,
Schminksteine auch
führt
hiero-
aus solche
dem ein
sehr altes R i t u a l b u c h a n 5 ; ferner stellte m a n die Göttin H a t h o r mit grün b e m a l t e m Antlitze dar, 6 vielleicht weil sie eine Lokal1 Des berühmten Ägyptologen, dessen Schüler auch der eingangs genannte 2 L ü r i n g war. L o r e t , a. a. O., S. 195; S t e r n „Ägyptische Kulturgeschichte", Leipzig 1 §96, S. 203. 8 v. O e f e 1 e bei P u s c h m a n n , Bd. 1, S. 63, 4 5 6 65, 76. M. M. N., Bd. 7, S. 395. B r u g s c h , S. 154. ebd. S. 398.
CHEMISCHES
8
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
göttin jener Sinai-Gegend war, die den Grünstein Mafek ( = Malachit) lieferte. 1 — J o a c h i m und L i e b l e i n identifizieren ihre ,,grüne Bleierde" auch mit den C h e n t - K ö r n e r n 2 und dem C h e n t - M ö r t e l , 3 d . h . wohl mit einer körnigen oder breiigen Masse von „Chent", aus welchem Worte man vermutlich v o n O e f e l e s ,,h-n-t-j" herauszulesen h a t ; auch ist einmal vom „Bodensatze der grünen Bleierde" die Rede, 4 was gleichfalls auf erdigen Malachit paßt, der durch Schlämmen gereinigt wurde, und endlich findet sich grüne Bleierde zusammen mit Lapis lazuli verordnet, 5 den die Listen der kostbaren „Metalle" stets gemeinsam mit Malachit aufzählen. 6 3. E i s e n 7 wird einmal als „Eisen aus der Stadt Qesi" (in Oberägypten) angeführt, und einmal als „ a r t - p e t " = „himmels-gemachtes", d. i. wohl Meteoreisen, dem alle Völker seines Ursprunges halber besondere Kräfte zuzuschreiben pflegen; 8 Eisen war im alten Ägypten schon während des vierten vorchristlichen Jahrtausends bekannt, und stand um 1500 v. Chr. bereits sehr allgemein in Gebrauch, ohne indessen Bronze und Kupfer völlig zu verdrängen. 9 Ob der „schwarze Messerstein" des Papyrus Ebers als Eisen oder Eisenmineral anzusehen ist, bleibt dahingestellt; vielleicht handelt es sich um Obsidian, der noch lange nach Einführung der Metalle zu religiösen (und daher auch zu medizinischen) Zwecken in Anwendung blieb. — H ä m a t i t (Blutstein, Roteisenstein) ist jedenfalls von E b e r s richtig übersetzt, 1 0 und da sich dieses Mineral an verschiedenen leicht zugänglichen Orten (u. a. in großer Menge am Sinai) vorfindet, so braucht man nicht an B r u g s c h s Rötel der nördlichen Oasen zu denken, 1 1 und noch weniger mit J o a c h i m und L i e b l e i n an Granit; 1 2 1
2 3 4 6 ebd. S. 402. S. 68, 139. S. 189. S. 82. S. 95. 7 8 L e p s i u s , a. a. O. S. 90, 168. Man denke an den „schwarzen 9 Stein" der Kaaba zu Mekka. L e p s i u s , a. a. O.; s. meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften", Leipzig 1906, S. 259. 10 11 12 S. 92. B r u g s c h , S. 406. S. 92, 115, 120, 158.
6
CHÈMISCHES
AUS DEM
,,PAPYRUS
EBERS"
9
hauptsächlich wird auch die fragliche Substanz gegen Blutfluß, zur Heilung blutender Wunden usf., verschrieben, wobei aus Gründen der „ S y m p a t h i e " der rote Hämatit sehr angebracht erscheint. 4. Z i n k und Z i n n kommen im Papyrus Ebers nicht vor. Metallisches Z i n k war dem- Altertum überhaupt unbekannt, zinkhaltige Erze wurden jedoch in Vorderasien schon frühzeitig medizinisch benützt, und die G a l m e i könnte daher ein von dorther eingeführtes P r ä p a r a t sein, — vorausgesetzt, daß die Übersetzung richtig ist; die Anwendung zu Augensalben u. dgl. 1 spricht zugunsten dieser Annahme. Z i n n verwandte man in Ägypten schon gegen Ende der ältesten Periode zur Herstellung von Bronzegeräten, die allmählich, jedoch nicht völlig, die ursprünglich rein kupfernen verdrängten; in der Mehrzahl der Fälle (jedoch nicht ausnahmslos!) sind die Bronzen der frühesten Zeit noch sehr arm, die der späteren aber reicher an Zinn, das Metall scheint also anfangs noch selten und kostbar gewesen zu sein. R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) verkündigt in einer Inschrift, er habe den Göttern neben den obenerwähnten 100000 Pfund Kupfer und 9000 Pfund Blei auch 95 Pfund Zinn dargebracht, und ,,aus den T r i b u t e n " nochmals 19000 P f u n d Kupfer und 2130 Pfund Zinn; 2 unter den Gegenden, die als Bringer dieser Tribute aufgezählt werden, kann f ü r das Zinn allein Vorderasien in Betracht kommen; daselbst sind in den transkaukasischen und persischen Gebirgen einige Fundorte nachweisbar, die jedenfalls auch das Material zu dem aus dortigen Gräbern des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zutage geförderten Zinnschmuck geliefert haben, und derer noch in später Zeit S t r a b o n gedenkt. 3 Die Einfuhr von Zinn durch die Phönizier über die westlichen Mittelmeerländer und aus England ist jedenfalls erst eine Folge-
2 ' 5.89,90,94. B r u g s c h , S. 271, 273. lib. 15, cap. 2, Absatz 10.
3
„Erdbeschreibung",
10
CHEMISCHES
AUS
DEM
„PAPYRUS
EBERS"
erscheinung, denn an den umständlichen und kostspieligen Bezug eines Produktes v o m Ende der damals bekannten Welt her konnte man nicht früher denken, als die Art der Benützung und Verwertung längst sicher feststand und sich dringender Bedarf geltend machte. Die hieroglyphische Bezeichnung für Zinn ist „weißes B l e i " , vermutlich weil Zinn wirklich f ü r eine Abart des Bleies galt, wie dies selbst noch in römischer Zeit der Gegensatz zwischen „plumbum album" und „plumbum nigrum" zeigt; erst in später hellenistischer Periode tritt der Name „ T r a n " auf. 1 5. A n t i m o n . Schwefelantimon oder „ S t i m m i " (Stibium) findet sich im Papyrus Ebers zweimal als solches erwähnt 2 und bildet zweifellos auch einen wesentlichen Bestandteil der Augenschminken und Collyrien, die in etwa 40 R e zepten verordnet werden (zuweilen auch innerlich); 3 einige Male ist von „männlichem" die Rede, 4 — was daran erinnert, daß noch bei P l i n i u s zwei Sorten Stibium vorkommen, männliches und weibliches 5 — , einige Male auch v o n „echtem", 6 womit es übereinstimmt, daß nach neueren Analysen die in Grabstätten usf. vorgefundenen Reste nicht selten statt aus Schwefelantimon aus Schwefelblei bestanden, über dessen Herstellung oder Bezugsquelle nichts Näheres bekannt ist. 7 Der prophylaktischen Verwendung von Augenschminken bei den Völkern an den Küsten des roten Meeres ist schon oben gedacht worden; bereits um 2500 v . Chr. erwähnen Inschriften die Augenschminke Mestem (koptisch Stern = Stimmi) als aus dem Lande Pitsew (d. i. Arabien) kommend, 8 und ebendaher brachte man sie, wie alte Denkmäler bezeugen, zur Zeit der Königin H a t s c h e p s u (um 1600 v . Chr.) 9 sowie des Königs T h u t m o s i s I I I . (um 1500 v . Chr.); 10 ein sehr altes Ritualbuch des Ammondienstes
5 8
1 B r u g s c h , S. 398. 8 S. 84, 87. 3 z. B. S. 19. 4 S. 87, 95. 8 S. 87, 89. 7 B r u g s c h , S. 405. „Hist Nat.", lib. 33, cap. 101. 9 W o e n i g , a. a. O., S. 359. 10 B r u g s c h , S. 405. B r u g s c h , ebd.
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
11
e r w ä h n t , neben W e i h r a u c h , Weihwasser u n d köstlichen Salben, auch schwarzes Mestem, 1 u n d R a m s e s widmete
den
Göttern
u. a.
50 P f u n d Augenschminke;
2
auch
III. (um 1200 v . C h r . )
ein
Weihgeschenk
ebenso e n t h a l t e n
in einigen Museen zu sehenden vierteiligen vornehmer
Damen
hieratischen
des
die, noch
jetzt
Toilettenkästchen
mittleren
Reiches
Büchsen
„Gutes
Stimmi",3
das
Aufschrift:
von
mit
der
damals
in
Säckchen oder Beuteln aus (oder über) Arabien u n d Ostafrika wurde.4
bezogen
Einer B e m e r k u n g
zufolge,
die sich in
Hovorka-Kron-
f e l d s soeben erschienener „Vergleichender Volksmedizin" vorfindet (Stuttgart
1909;
Bd. 2,
auch das A n t i m o n p e r s u l f i d ,
S. 140) soll nach v. O e f e l e der sog. G o l d s c h w e f e l ,
von
den alten Ä g y p t e r n b e n ü t z t , u n d im P a p y r u s Ebers m i t jenem W o r t e bezeichnet worden „Bleivitriol"
übersetzten
sein, das (s.
oben);
Joachim-Lieblein da
aber
eine
mit
Bekannt-
s c h a f t des A l t e r t u m e s mit dem Goldschwefel bisher nicht nachgewiesen, näher
und
die
bezeichnet
vorerst
ist,
dahingestellt
6.
Andere
Papyrus
Ebers
fragliche A b h a n d l u n g so
muß
v. O e f e l e s
die Richtigkeit
jener
Angabe
bleiben.
Metalle.
Gold
und
bemerkenswerterweise
Silber
erwähnt
der
nicht,
wohl
aber
A s e m , das zuerst L e p s i u s als identisch mit dem der Griechen
nicht
e r k a n n t e , 5 d. i. eine, in älterer Zeit
„Elektros" angeblich
aus O s t a f r i k a u n d über Arabien nach Ägypten eingeführte GoldSilber-Legierung, 6
deren
Benützung
aber schon frühzeitig in
den H i n t e r g r u n d t r a t u n d bald f a s t ganz a u f h ö r t e . ihren
Grund vermutlich
darin,
Weichheit wegen schlecht zu verarbeiten ist; daher wir analogen 1
Legierungen
auch
(Sie h a t t e
d a ß ganz reines Gold in anderen,
ganz
seiner
begegnen entlegenen
2 3 ebd., S. 154. ebd., S. 273. ebd., S. 412. « ebd., S. 399, 389; s. auch L i e b l e i n „ H a n d e l u n d Schiffahrt auf dem roten Meere . . .", 5 6 Christiania 1886; S. 29, 31, 35, 70. a. a. O., S. 43ff. Brugsch, S. 399; L i e b l e i n „ H a n d e l " , S. 29, 31.
12
CHEMISCHES
AUS
DEM
„PAPYRUS
Kulturkreisen, so z. B. nach H u m b o l d t nach L a b a t im Karaibischen). 1
EBERS"
im Mexikanischen,
Was das A n c h - M e t a l l 2 und das A b e n n u - M e t a l l 3 gewesen sei, ist bisher unbekannt; da auch Schwefel als „Metall" bezeichnet wird, so handelt es sich vielleicht gar nicht um wirkliche Metalle, sondern das Wort ist nur im Sinne von „gediegen" oder von „mineralisch" zu nehmen. A n c h f ü h r t übrigens L i e b l e i n als einen Eigennamen an. 4 7. K o h l e . Verschiedene Rezepte enthalten als Bestandteile Kohle, Kohle der Mauern oder Maurer (?), Kohlenpulver aus verkohlten Pflanzen, und R u ß ; Kohle dürfte auch der wesentliche Bestandteil der oft verordneten „Schwärze der Schreiber" oder „ T i n t e " gewesen sein, da man letztere aus feinst pulverisierter Holzkohle und Gummiwasser zu bereiten pflegte. 5 (Woraus die schön rote Tinte besteht, mit der verschiedene Stellen des Papyrus Ebers geschrieben sind, ist nicht untersucht.) 8. S c h w e f e l . Gepulverten Schwefels ist unter dem Namen „Hunnut-Metall" nur einmal gedacht, und zwar als Bestandteiles einer Augenschminke. 6 9. K o c h s a l z u n d S o d a . S a l z wird als Zubehör zahlreicher Rezepte aufgeführt, teils ohne weitere Bezeichnung, teils als Bergsalz (wohl Steinsalz), Seesalz, und Salz des Nordens; ebenso wird N a t r o n , d. i. die natürlich vorkommende Soda, entweder nur unter diesem Namen verschrieben, oder als rotes Natron, als Natron des Nordens, 7 Natron des Südens, 8 Sa-Samen oder Sa-Korn Oberägyptens (d. i. feinkörniges, vielleicht kleinkristallinisches Natron), als Bedet (d. i. nach B r u g s c h eine besonders reine Natronart), 9 1 H u m b o l d t , „Vues des Cordillères.. . ." (Paris 1816); die Stelle kann ich augenblicklich nicht angeben. — Père L a b a t , „Reisen nach Westindien 2 S. 160. 1693—1705", übers. S c h a d , Nürnberg 1783; Bd. 3, S. 105ff. 4 5 6 » S. 99. „Handel", S. 13. W o e n i g , S. 105. S. 90. 7
S. 140.
8
S. 144.
9
S. 120, 157, 158.
CHEMISCHES
AUS
DEM
„PAPYRUS
EBERS"
13
und zuweilen auch in Form von Natronwasser. 1 Das Natron des Südens ist vermutlich das auch b-s-n genannte Laugensalz aus den Natronwüsten im Westen Unterägyptens, 2 das Natron des Nordens aber das Salz Hosmen 3 aus der Gegend der nördlichen libyschen Oase, des sog. Salzgaues oder ,,Nomos Nitrites", nach dem es auch Netri heißt; 4 es diente u. a. zu Reinigungs- und Kultzwecken, wie denn R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) den Tempeln der Götter auch 1843 Artaben (Hohlmaße) Natron und Salz, sowie Ziegel aus Natron und Salz weihte. 5 — Fachgelehrte mögen entscheiden, ob nicht der Name Netri (von dem unser Natron kommt) auch in der Substanz N e t r i - t i t steckt, die zweimal als „Metall", und einmal als „Körner" angeführt, und nach einer Angabe B r u g s c h s mit „ G ö t t e r k o t " übersetzt wird 6 (s. hierüber weiter unten). 10. A n d e r e M i n e r a l i e n . G i p s (?) wird einmal er7 wähnt, A l a b a s t e r , dessen schon die Inschriften des alten Reiches gedenken, 8 wiederholt, u. a. auch als Zusatz zu Schminken in Gestalt von Staub oder Mehl; 9 an einer Stelle 10 soll es fraglich bleiben, ob Eisen oder Alabaster zu verstehen ist. L a p i s L a z u l i , dessen Name „Chesbet" aus dem Chaldäischen kommt und auf Vorderasien als Bezugsquelle hinweist, 11 findet sich mehrmals verschrieben, zweimal ausdrücklich als „echter"; 1 2 tatsächlich erwähnen auch Inschriften aus der Zeit T h u t m o s i s III. (um 1500 v. Chr.) schon „unechten", der nach L e p s i u s aus einem prächtigen blauen Glasflusse bestand 1 3 . — R o t e r J a s p i s diente als Mittel gegen Blutflüsse u. dgl. (vermutlich, ebenso wie Bluteisenstein, aus sympathetischen Gründen); nach L e p s i u s wurde er schon in alter Zeit häufig als Amulett getragen. 14 — Die Natur d e s U a t - S t e i n e s , 1
8 9 S. 179. B r u g s c h , S. 428, 457. Bei W o e n i g , S. 373 4 5 6 „Hesmen". B r u g s c h , S. 406. ebd., S. 274, 406. S. 64, 7 8 9 65, 135. S. 92. B r u g s c h , S. 494. S. 114, 155^ 10 11 1S 158; 157. S. 90. L e p s i u s , S. 55ff. S. 91, 95. 13 14 L e p s i u s , S. 60. ebd., S. 57.
14
CHEMISCHES
der eine grünliche unbekannt.1
AUS
DEM
„PAPYRUS
Augenschminke
geliefert
EBERS"
haben
soll,
ist
K i e s e l s t e i n , auch Stein vom F l u ß s t r a n d e oder Stein vom Ufer g e n a n n t , wird verschiedentlich angewandt, z. B. gepulvert zum Putzen der Z ä h n e ; 2 das Nämliche gilt vom T o n (Scherben, Abfall tönerner Gefäße u. dgl.) und vom L e h m , den die Rezepte als Lehm, Lehm von der Mauer, Lehm vom Tor, Lehm der Mauer, Lehm von Ziegeln, Lehm und Lehms t a u b von S t a t u e n , usf., v e r o r d n e n ; über N i l s c h l a m m s. weiter u n t e n . M e m p h i t i s c h e r S t e i n 3 scheint jene Art Asphalt gewesen zu sein, von der noch D i o s k u r i d e s b e r i c h t e t , 4 und E r d ö l 5 vielleicht das sog. Asphaltöl, das auch keilschriftlich belegt ist. 6 11. W a s s e r dient in kaltem, warmem, kochendem und abgekochtem Z u s t a n d e zur Herstellung vieler Heilmittel; in einigen Fällen verlangen die Rezepte Quellwasser, 7 in anderen „Regen des Himmels", 8 Nilwasser, 9 oder „Wasser der Vogelt e i c h e " 1 0 ; solcher „Vogelteiche des Vergnügens", in denen m a n Wasservögel aller Art zu halten pflegte, gedenkt S t e r n in seiner „Ägyptischen K u l t u r g e s c h i c h t e " . 1 1 II. Tierische Stoffe. 1. M i l c h wird roh, frisch, abgekocht, 1 2 oder sauer verschrieben, S a h n e frisch oder abgekocht, 1 3 und neben Milch der K ü h e und Eselinnen k o m m t auch Milch der Frauen in Frage, namentlich solcher, „die einen Knaben geboren h a b e n " . B u t t e r und Käse finden sich nicht erwähnt, dagegen sehr o f t F e t t e und zwar m a n c h m a l n u r ganz allgemein als F e t t , dickes Fett, 1 4 1 3 4 S. 65, 96. » S. 161. S. 18, 19, 22, 23, 102, 103. „Mat. 5 6 Med.", Hb. 5, cap. 157. S. 15, 168, 170, M. M. N., Bd. 5, S. 283; 7 8 W e b e r , ebd. Bd. 6, S. 205. S. 89, 106, 157, 160. S. 133, 170. 9 10 11 12 S. 124. S. 67, 82. S t e r n , a. a. O., S. 162. S. 33, 76. 13 14 S. 77. S. 117.
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
Schmalz oder Talg, 1 in der
Regel
stimmter
o f f e n b a r auch
Tiere
(denen
man
aber
als
15
F e t t e ganz ganz
be-
bestimmte
W i r k u n g e n oder K r ä f t e zuschrieb); von diesen sind zu n e n n e n : Ochsen,
Kühe, Widder, Ziegen,
reinheit"),
3
Esel,
Katzen,
lopen, Steinböcke,
4
Schweine 2 (trotz
Mäuse,
Löwen,
Anti-
Nilpferde (die auch K l a u e n f e t t lieferten); 5
Gänse, insbesondere Opfergänse, 6 S t r a u ß e ; Schlangen, W ü r m e r .
ihrer „ U n -
Gazellen,
7
Fische;
Krokodile,
— Es ist sicherlich nicht ohne Interesse,
d a ß die meisten dieser F e t t e auch schon in älteren Keilschrifttexten
vorkommen,
woselbst
aber
Schweine,
Nilpferde
und
S t r a u ß e f e h l e n , dagegen P f e r d e , Wildesel u n d Wölfe a u f t r e t e n . 8 An dieser Stelle sei auch das W a c h s angeschlossen, einen
Bestandteil
von
etwa 40 Rezepten
bildet; da
das
Wachse
sowie tierische u n d pflanzliche F e t t e u n d Öle häufig mit großen Mengen alkalisch reagierender Salze und Verbindungen u n d gekocht werden Pflasterähnliche
sollen, müssen
Substanzen
erhitzt
nicht selten Seifen- oder
ausgeschieden
worden
sein,
—
doch geschieht solcher nirgends ausdrückliche E r w ä h n u n g . 2. H o r n
von
den
„Hörnern
der R i n d e r "
und von
„ K l a u e n des E s e l s " (auch in Öl erhitzt oder g e r ö s t e t ) o f t m a l s v e r o r d n e t , ebenso G a l l e von Rindern, f e t t e n
9
den wird
Ochsen,
K ü h e n , Schweinen u n d Fischen, ferner L e b e r , M i l z , H i r n und vor allem B l u t Obwohl
nun,
oder einer
der verschiedensten wenn
z. B. Blut
„schwarzen
Kuh"
Tiere u n d Tierklassen. 1 0 .
eines
„schwarzen
Kalbes"
v e r l a n g t wird, 1 1 die Vorschrift
aller Analogie nach wörtlich zu n e h m e n ist, so h a t m a n doch, wie v.
Oefele
mit
Recht
hervorhebt,12
in
vielen
anderen
Fällen die Möglichkeit von U m d e u t u n g e n im Auge zu behalten, u n d darf nicht vergessen, d a ß die Ärzte, deren ganzer Verdienst 1 2 3 4 S. 71, 134. S. 118, 142. L o r e t , S. 97. S. 74, 5 nach L o r e t , S. 91, ist eine nubische Antilopenart gemeint. S. 6 7 8 S. 94. S. 144. v. O e f e l e , M. M. N., Bd. 2, S. 9 10 11 S. 105, 106. S. 100, 101, 160. S. 104, 12 M . M . N . , Bd. 1, S. 87, 94. -
116; 108. 367. 105.
CHEMISCHES
16
in der Bereitung Interesse
daran
AUS
DEM
„PAPYRUS
EBERS'
der Arzneien zu liegen pflegte, hatten,
deren
Bestandteile
im
ein großes Dunkeln
zu
halten und zu diesem Zwecke mit Geheimnamen zu bezeichnen. Solche
haben
sich
bekanntlich
in
der
Periode
der
helle-
nistischen Chemie und der Alchemie für viele Substanzen f a s t zwei J a h r t a u s e n d e lang erhalten; wer also glaubt, daß es sich z. B . beim „ B l u t e des G e i e r s " 1 tatsächlich um das Blut dieses Raubvogels
handelte,
Fehler wie jemand, eines wirklichen
begeht
Drachen
roten ostindischen
daher vielleicht ganz denselben
der sich unter
„Drachenblut"
vorstellte,
statt
das
des so
Blut
benannten
Pflanzenharzes.
[Nach der kürzlich ausgegebenen Lieferung7 v o n T s c h i r c h s „Handbuch
der P h a r m a k o g n o s i e " (Leipzig 1908, S. 304) ver-
öffentlichte
Dieterich
schon
1888
P a p y r u s des 2. vorchristlichen
aus
einem
griechischen
Jahrhunderts ein sog.
„Syno-
nymen-Lexikon", dem u. a. zu entnehmen ist, daß die Geheims p r a c h e ' d e r Priesterärzte unter „ H e r z des Geiers" die Pflanze Absinthium verstand, unter „ B l u t des H e p h a i s t o s " (oder der entsprechenden ägyptischen Gottheit, des Ptah) die Artemisia, unter „ T r ä n e der
Isis" die Verbena,
usf.]
3. Ganz das Nämliche gilt auch hinsichtlich der Bestandteile der sog. „ D r e c k a p o t h e k e " , weniger allerdings hinsichtlich des U r i n s , 2
als des
Kotes;
von
diesem wird
verschrieben
der von Erwachsenen und Kindern, von Hunden, Katzen, Eseln, Schweinen,
Ziegen,
Gazellen,
Antilopen,
Vögeln,
Krokodilen,
Eidechsen und Wespen, doch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß in vielen
Fällen
tragene
Bedeutung
misten,
die
alle
nur
bezeichnen können;
dem
„Kote"
zukommt
nur
wie den
denkbaren
eine ähnliche „Faeces"
Rückstände
und
der
überAlche-
Überreste
unter dem „ S c h r e i b e r k o t " 3 z. B . vermag
man sich k a u m etwas anderes vorzustellen als die Rückstände von der Zubereitung der T i n t e (s. oben), und was 1
S. 160.
s
S. 101, 119, 123.
3
S. 126.
Brugsch
CHEMISCHES AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
17
mit „ G ö t t e r k o t " übersetzt, ist vielleicht auch nur eine Art Kehricht, der Abfall verschiedener Stoffe, die bei Kulthandlungen, Reinigungs-Zeremonien u. dgl., Verwendung gefunden hatten. — Unter „Krokodilerde", die E b e r s als Nilschlamm deutet, 1 sind möglicherweise die Exkremente jener Reptilien zu verstehen, über deren Verwendung zu kosmetischen Zwecken noch D i o s k u r i d e s berichtet. 2 III. Pflanzliche Stoffe. 1. F e t t e . Zu mehr als 80 Rezepten wird die Beigabe von Öl vorgeschrieben, das sich zuweilen auch als reines oder weißes bezeichnet findet; außer S e s a m ö l und B e h e n ö l (qebu, baq) wird besonders oft R i z i n u s ö l verlangt, einige Male mit dem Zusätze „aus den Früchten gepreßt". 3 Der Rizinusbaum (qeqi, qiqi) lieferte überhaupt zahlreiche Heilmittel, denn neben der Frucht (qesebt) und der Beere (deqm) werden auch Blätter, Mark und Wurzelrinde verordnet. 4 Das „Baumöl" dürfte wohl ebenfalls als Rizinusöl anzusehen sein; was jedoch das „eingetrocknete Öl" war, dessen „ S t ü c k e " einer Salbe zugesetzt werden sollten, 5 bleibt ungewiß. 2. K o h l e n h y d r a t e . Als Versüßungsmittel dienen: hauptsächlich (an 200mal) H o n i g , und zwar roher, gekochter, und geronnener (fest gewordener?), ferner R o s i n e n (sa-sa), Weinbeeren, F e i g e n und S y k o m o r e n f e i g e n (sämtlich teils frisch, teils getrocknet oder geröstet), und sehr häufig D a t t e l n , in Form von frischen oder grünen Früchten, von Abfällen, und von „Teig oder Mehl", — worunter vermutlich der zu einer Art Honig eingekochte Saft zu verstehen ist, aus dem eigene Hofbeamte, die „Macher der Dattel-Süßigkeiten", allerlei wohlschmeckende Speisen zu bereiten hatten. 6
4
1 2 3 S. 81. s. meine „Abhandl. und Vorträge", S. 61. S. 26, 63. 5 6 z. B. S. 5, 11, 70. S. 34. W o e n i g , S. 312; B r u g s c h , S. 220.
v. L i p p m a n n ,
A b h a n d l . u. Vortr.
II.
2
CHEMISCHES
18
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
Durch Vergärung verschiedener süßer Pflanzensäfte und aus Getreidearten gewonnener Würzen stellte man W e i n , P a l m w e i n und D a t t e l w e i n dar, vor allem aber B i e r , das schon seit den ältesten Zeiten gebräuchlich war, 1 aber noch in einer Inschrift von etwa 1400 v. Chr. als Geschenk des Königs an einen fremden Fürsten angeführt wird. 2 Der Papyrus Ebers erwähnt etwa 80mal Bier, gärendes Bier, schäumendes, ausgegorenes, abgestandenes, kühles, starkes, süßes und bitteres, 3 Bierschaum und Bierspülicht; auch unterscheidet er bereits W e i n h e f e , B i e r h e f e und M e s t a h e f e (die Hefe des nicht näher bekannten Mesta-Getränkes), 4 gedenkt der Hefen des süßen und ausgegorenen Bieres, der „entstehenden Hefe", 5 des Hefen-Bodensatzes, 6 des Hefensaftes, 7 und Hefenwassers. 8 — Von E s s i g und Essiggärung ist auffälligerweise niemals die Rede, vielleicht weil man saures Bier und Essig nicht auseinanderhielt; wie B e r t h e l o t zur Behauptung k o m m t , Essig spiele im Papyrus Ebers eine große Rolle, 9 ist daher ganz unverständlich. L e i n s a m e n und Leinsamenwasser 1 0 wird öfters vorgeschrieben, wie denn die L e i n p f l a n z e , das Leinen, und auch die Leinenscharpie 1 1 (im Gegensatz zur Baumwollscharpie), 1 2 sowie die B a u m w o l l e und der P a p y r u s als wohlbekannt erscheinen; G u m m i , auch in Gestalt von Gummitropfen oder Gummiwasser 1 3 verordnet, war nach W o en ig der Gummi der echten oder Nil-Akazie, wurde noch zur Zeit R a m s e s III. (um 1200 v. Chr.) als Tribut dargebracht, 1 4 und diente u. a. zur Bereitung der Tinte, sowie später auch zum Aufeinanderkleben beschriebener Papyrusblätter, deren oberstes daher Protokoll ( = Erstgeklebtes) hieß. 15 3. H a r z e . 1
Neben W e i h r a u c h und M y r r h e spielen auch
2 3 B r u g s c h , S. 67. L i e b le i n , „Handel", S. 28. Nach W o e n i g , S. 170, wurden zur Würzung und Konservierung pflanzliche Bitter4 5 6 7 stoffe zugesetzt. S. 67. S. 109. S. 160. S. 36, 38. 8 9 10 11 S. 77, 78. „Archéologie", S. 239. S. 114. S. 28. 12 13 14 S. 115, 117, 124. S. 48, 110. L i e b l e i n , „Handel", S. 49, 64. 15 W o e n i g , S. 114.
CHEMISCHES
AUS DEM „PAPYRUS
EBERS"
19
Zedernharz, Terpentinharz,1 Pistazienharz,2 Akant h u s h a r z , S y k o m o r e n h a r z , 3 S t y r a x h a r z (niuben), 4 L o t u s h a r z (?), 5 und M a s t i x h a r z 6 eine Rolle; sie sind fast ausnahmslos fremdländischen, von Weihrauch und Myrrhe abgesehen meist vorderasiatischen Ursprunges, und es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß sich die öfters gebrauchte Bezeichnung „ F e t t des Baumes" nach v. O e f e l e ganz ebenso auch in den Keilschrifttexten vorfindet, in denen z. B. „ F e t t des Mastixbaumes" das Mastixharz bedeutet. 7 4. A r o m e , ä t h e r i s c h e Öle. Aus der Reihe der Pflanzen, denen ein Gehalt an aromatischen Stoffen oder an ätherischen Ölen besonderen Wert verleiht, sind zu erwähnen: K ü m m e l , F e n c h e l (besbes), D i l l , 8 H o r n k l e e (foenum graecum), 9 M e l i l o t k l e e (chebu?), 1 0 B r u n n e n k r e s s e , P f e f f e r m i n z e , K o r i a n d e r und W a c h o l d e r ; letzterer, nach W o e n i g 1 1 in Ägypten nicht heimisch, kann nur aus Vorderasien eingeführt sein, und tatsächlich spricht ein Rezept von „Wacholderbeeren aus Byblos" in Phönizien. 1 2 Was J o a c h i m und L i e b l e i n unter einigem Vorbehalte mit Z w i e b e l übersetzen, erklärt W o e n i g , der hierbei an das aus religiösen Gründen bestehende Verbot des Zwiebelgenusses erinnert, für Johannisbrot; 1 3 indessen .haben sich Zwiebeln sehr häufig selbst in den Körperhöhlen der Mumien vorgefunden, u. a. sogar in den Augenhöhlen der Mumie des Königs R a m s e s II. 14 — Auch die Übersetzung K n o b l a u c h erscheint fragwürdig, da dieses Gewächs nach L o r e t vor 1200 v. Chr. in Ägypten noch nicht bekannt gewesen sein soll. 15 Ob die Pflanze Gentet und der Genti-Samen tatsächlich K a s s i a waren, unterliegt ebenfalls Zweifeln; nach W o e n i g 1 2 3 4 6 S. 51. S. 180, 114. S. 34, 51. S. 21, 27. S. 55. 7 3 9 S. 83, 180. M. M. N., Bd. 3, S. 225. S. 62, 142. S. 111; er gehörte nach W o e n i g (S. 357) auch zu den Bestandteilen des kostbaren 10 11 12 Räucherwerkes Kyphi. S. 164. W o e n i g , S. 362. S. 88. 13 14 15 W o e n i g , S. 375, 380. M. M. N., Bd. 7, S. 481. ebd., Bd. 4, S. 152." 6
2*
CHEMISCHES
20 ist
die
AUS DEM
Röhrenkassia
Kassiarinde
schon
„PAPYRUS
in Ägypten
um
EBERS"
einheimisch,
während
1600 v. Chr. aus oder über
die
Arabien
eingeführt wurde. 1 5. B i t t e r s t o f f e .
Von
derer oder schärferer Natur Lattich,
Endivie
Gewächsen,
die Bitterstoffe mil-
enthalten, finden sich
(qatsut), 2
Absinth
(saam), 3
genannt: Granate
(deren Wurzelrinde bereits zum Abtreiben der Würmer diente), Tamariske,
Kalmus
aus dem L a n d e t'abi (d. i. Asien), und
A l o e , — nicht zu verwechseln mit dem gleichfalls vorkommenden A l o e h o l z . 4 6. F a r b s t o f f e .
Pflanzen, die ihrer färbenden, aber auch
ihrer sonstigen arzneilichen Eigenschaften halber benützt werden, sind: S a f l o r (nesti =
Carthamus tinctorius), 6 S e n a u (Cartha-
m u s lanatus), 6 K r o k u s in seinen verschiedenen Abarten (vom Süden, vom Norden, v o m Berge, vom Delta), — deren eine jedoch
Ebers
mit
Chelidonium
wonach man K r o k u s
vielleicht
majus
(matet)
nur für einen
zu halten hat —, und endlich I n d i g o .
identifiziert, Sammelnamen
Nach L o r e t ist Indigo
im östlichen Nordafrika einheimisch und heißt ägyptisch Tinkon, woraus durch einen etymologischen
Irrtum der griechi-
schen und römischen Autoren „ I n d i k o n " und „ I n d i c u m " entstanden i s t ; 7 über seine uralte Anwendung zum Färben, die um 1600 v. Chr., wie Gräberfunde beweisen, schon eine längst bekannte war, berichtet W o e n i g . 8 7. N a r k o t i k a . k r a u t (sepet) in Öl,
Von diesen werden verschrieben: 9
Alraunen,
Bilsen-
auch als Alraunbeßren und
als Mehl ( = eingedickter S a f t ? ) der Alraunen von Elephantine, 1 0 sowie O p i u m ;
an verschiedenen Stellen finden sich erwähnt:
die Mohnpflanze (Chesit), 1 1 Chesit-Stengel und -Rinde, 1 2 Chesit1 W o e n i g , S. 343, 359. 2 S. 129. 3 S. 21; W o e n i g denkt an 4 S. 122, 142, 180. 5 S. 23; der den Keuschlammbaum (S. 375). 6 S. 124. 7 L o r e t , S. 177; ölreichen Samen gedenkt W o e n i g , S. 351. 8 W o e n i g , S. 353. 9 S. 108. s. meine „Abhandl. und Vorträge", S. 93. i 0 S. 44, 126, 1 1 S. 25, 74, 133, 153. 1 2 S. 67, 173; 70.
CHEMISCHES AUS DEM „PAPYRUS
EBERS
21
Früchte 1 , Chesit-Kapseln, 2 Chesit-Körner und Samen (sepnen), 3 Chesit-Harz d . i . Opium, 4 Seter-Seref (nach E b e r s = Trank des Ruhens), 5 und Hefe (Absatz?) des Seter-Trankes. 6 IV. Zubereitung der Arzneien. Feste Substanzen werden durch M a h l e n u n d R e i b e n , durch Z e r m a l m e n m i t d e m R e i b e r , und durch Z e r s t o ß e n im S t e i n m ö r s e r zerkleinert, 7 zuweilen auch noch gepulvert und gesiebt.8 Oft ist eine Vorbehandlung angeordnet, für die sehr mannigfaltige Vorschriften in Betracht kommen, u. a. R ö s t e n oder B a c k e n ; 9 A b p r e s s e n ; 1 0 E i n w e i c h e n , S t e h e n l a s s e n , E r w ä r m e n , oder A u s k o c h e n in und mit Wasser, Milch, 11 Dattelwein, 1 2 bitterem oder süßem Bier, 13 Honig 1 4 und Öl; 15 A u s l a u g e n in einem Leinensäckchen oder A u s k o c h e n in einem T u c h ; 1 6 mehrtägiges V e r g ä r e n mit Hefe 1 7 usf. Sollen nicht die verbleibenden Rückstände benützt werden, sondern die entstandenen Lösungen, so werden diese durch Siebe oder Tücher f i l t r i e r t und g e k l ä r t ; 1 8 das Filtrieren ist nach v. O e f e l e eine schon in ganz alten hieroglyphischen Texten häufig erwähnte Operation und wird durch ein eigenes Zeichen angedeutet, einen Mann darstellend, der in gebückter Stellung das Filtriertuch zusammenwindet und die durchlaufende Flüssigkeit in einem Gefäße sammelt. 1 9 Manche Lösungen sollen mit Hilfe eines Röhrchens a u s g e s c h l ü r f t werden; 2 0 betreff anderer wird empfohlen, sie auf freiem Feuer, oder mittels eingeworfener heißer Steine 1 2 3 S. 9, 108, 132, 141, 144, 151, 154. S. 169. S. 133, 102. 6 6 7 S. 64, 112, 120, 143. S. 33, 106. S. 139. S. 4, 114; 14, 131. 3 S. 15; dieses Zitat und die folgenden geben nur einzelne Beispiele an. 9 10 12 13 S. 7, 9. S. 8. » S. 77, 123. S. 60. S. 13, 17, 47, 131. 14 15 16 17 13 S. 7, 47. S. 9, 41. S. 76, 123. S. 12. S. 2, 11; 19 20 13, 176. M. M. N., Bd. 6, S. 144. S. 14. 4
22
CHEMISCHES
AUS
DEM
„PAPYRUS
EBERS"
zu erhitzen, und die D ä m p f e durch ein Rohr e i n z u a t m e n , das in den durchlochten Deckel des Gefäßes eingepaßt ist. 1 Schließlich sei noch erwähnt, daß neben ganz einfachen, nur aus zwei oder drei Bestandteilen zusammengesetzten Arzneimitteln, sich auch solche vorfinden, die eine große oder sehr große Anzahl Komponenten enthalten, 2 17, 18, ja 37, so daß sich die besondere Vorliebe der späteren griechischen, der byzantinischen, und der arabischen Medizin f ü r derlei m ö g l i c h s t k o m p l i z i e r t e M i s c h u n g e n , auch in diesem P u n k t e sichtlich auf uralte ägyptische und vorderasiatische Überlieferungen gründet. 1
S. 78, 79.
2
S. 51, 132, 145.
2 WIE
IST D E R A U S D R U C K „ C A P U T
ERKLÄREN?1
F Ü R E I S E N O X Y D ZU
n
seiner
„Schule
erwähnt
Bezeichnung des „Den
des
als
Eisenvitriols
der
Geheimrat
Chemie" Prof.
Dr.
Rückstandes
„Caput
MORTUUM"
(Bd. W.
von
mortuum"
II,
S. 214)
Ostwald der
und
die
Destillation
sagt
hierüber:
Vorgang (bei der Destillation) h a t m a n mit dem Tode
verglichen,
wo
die
des
Eisenvitriols
dem
schließlich
hat";
Schwefelsäure
entwichen nur
gelegentlich
der
gleichsam
ist,
und
Schädel
einer
als
den
übrig blieb,
Besprechung
die
Seele
Leichnam,
des
von
zurückgelassen O s t w a l d sehen
W e r k e s in der „ N a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n R u n d s c h a u " (Bd. X X , S. 398) bezeichnet Prof. Dr. B i e h r i n g e r in Braunschweig diese Erklärung
als
wahrscheinlich, Lullus
nicht daß
recht man
einleuchtend, etwa,
wie
dann
das Destillat
es
für
Raymund
mit einem Drachen unteres
Ende,
d e m n a c h als Schwanz, den R ü c k s t a n d aber als oberes
Ende,
demnach
und
hält
z. B. bei
zu lesen, den Destillationsprozeß
verglichen
und
als Kopf, angesehen
Widerstandsfähigkeit
gegen
mortuum.
Da
jedoch
in
scheinend
völlig
im
Stiche
Hypothese 1
dahingestellt
als dessen
habe, u n d
Säuren dieser
als
Hinsicht
lasse, solle
bleiben,
„Chemiker-Zeitung" 1906, S. 323.
zwar wegen toten
und
die
Kopf,
Literatur
das Z u t r e f f e n ihr
seiner Caput
Urheber
an-
dieser fordert
24
CAPUT
MORTUUM
mich auf, mich zur Sache zu äußern, und gibt mir durch freundliche Zusendung der betreffenden Nummer des genannten Blattes und einiger begleitender Zeilen hiervon Kenntnis. Eine eingehende Erörterung der Frage wäre nur an der Hand sehr ausführlicher Darlegungen und Quellenangaben möglich; in Kürze dürfte sie sich aber, soweit meine Kenntnisse reichen, wie folgt beantworten lassen: Aus den um das 4. und 5. nachchristliche J a h r h u n d e r t zu Ägypten in griechischer Sprache abgefaßten Schriften des Z o s i m o s , O l y m p i o d o r o s und ihrer Fachgenossen ergibt sich, als eine bei den damaligen Chemikern schon völlig befestigte Tradition, die Ansicht, daß u. a. den sämtlichen Metallen ein gemeinsamer, unzerstörbarer, feuerfester Urstoff zugrunde liege, der durch „Weißung", „Gilbung", und ähnliche individualisierende Operationen, in jedes Einzelne von ihnen überführbar sei. Dieser Urstoff, den man z. B. durch Brennen und Verbrennen von Kupfer und Blei, durch Kalzinieren der Metalle mit Schwefel, durch Brennen und Rösten der Vitriole, durch Glühen verschiedener metallhaltiger Minerale und Erze, durch Zersetzung („Gärung", „Faulung") von Metallen und Metallderivaten mit Essig, Pflanzensäften usw. zu gewinnen suchte, wurde „schwarzes P r ä p a r a t " , „schwarzes P r o d u k t " , „schwarzer Stein", „vollkommene Schwärze" benannt, und gab, wie der Orientalist G. H o f f m a n n schon 1884 nachwies, vermutlich der Chemie ihren Namen, indem „Chemie" xvt>*ia) nichts anderes als „Bereitung der Schwärze" bedeutet, — denn „schwarz" heißt auf ägyptisch „chemi", und nach P l u t a r c h nannten die Ägypter auch das „Schwarze des Auges", die Pupille, xvv-ia = Chemia; diesen Namen ihrer Kunst kombinierten aber die Chemiker anscheinend auch mit dem gleichklingenden Namen des L a n d e s Ägypten, der im Niederägyptischen, mit Beziehung auf die schwarze
CAPUT
MORTUUM
25
Farbe des fruchtbaren Erdbodens, „chemi" lautet. 1 Der „Herr Ägyptens" und „Herr der Schwarzerde" ist aber O s i r i s , denn Ägypten, — so meldet nach E b e r s ein Text von Edfu —, ist benannt nach dem Auge des O s i r i s , weil es seine Pupille ist; auch trägt O s i r i s den Beinamen „der Schwarze", denn während der Periode der Dürre und des tiefsten Nil-Wasserstandes ruht er, vom Feuer des T y p h o n ( S e t h ) verbrannt, in der Unterwelt, wo er der Wiederauferstehung zur Zeit des Regens und der Nilschwelle harrt. Bei den oben erwähnten ägyptisch-hellenistischen Autoren wird nun das „schwarze P r ä p a r a t " , die „vollkommene Schwärze", auch unter dem Namen „Grab des O s i r i s " , „Leiche des O s i r i s " angeführt; man verglich also die schwarze Masse mit dem Leichnam des O s i r i s , der nach ägyptischer Sitte mit Binden so völlig umwickelt gedacht wurde, daß nur der K o p f sichtbar bleibt; ebenso betrachtete man nach Z o s i m o s zuweilen auch wieder die Metalle, die zur Darstellung der Schwärze kalziniert oder verbrannt werden sollten, als mit Leinenbinden (xeioiaig) umwickelte Mumien, ja man brachte sie tatsächlich in Stücke Leinwand {niralov) eingehüllt in die Schmelztiegel, und gebrauchte f ü r diese abergläubische Vorbereitung den nämlichen Kunstausdruck r cegi/tta wie f ü r jene der einzubalsamierenden Leichname. Von der Wiederabscheidung der Metalle aus dem Verbrennungsprodukte (die durch Reduktion, Entschwefelung usw. geschah) spricht daher Z o s i m o s , dem erwähnten Mythus gemäß, geradezu als von einer „Auferstehung des Toten", während er die schwarze Masse selbst als „den T o t e n " oder „den toten Körper" bezeichnet. Der K o p f d e s T o t e n , das „Caput mortuum", 1
Der etymologische Zusammenhang zwischen • „Chemie" und „chemi" = schwarz ist also durchaus nicht abzuweisen, obwohl dies noch jüngst (Ztschr. f. angew. Chemie 1905, 466) ein Ägyptologe getan hat, dessen Meinung übrigens keineswegs von allen seinen Fachgenossen geteilt wird.
26
CAPUT
MORTUUM
ist also das H a u p t des verbrannten O s i r i s , der einzig sichtbare Teil seiner Mumie, und, symbolisiert den nach der Verbrennung und Röstung der Metalle oder ihrer Derivate allein noch übrigbleibenden Rückstand. Demgemäß gibt „Caput m o r t u u m " ursprünglich einen g e n e r e l l e n Begriff wieder, u m f a ß t also die verschiedensten, beim Verbrennen, Kalzinieren, Rösten und Schmelzen, sowie bei dem (später entdeckten) Destillieren, zu beobachtenden Reste (Oxyde, Sulfide, Aschen und Schlacken aller Art usw.), und daß diese Bezeichnung schließlich gerade am Eisenoxyd haften blieb, ist nur ein Zufall, vergleichbar jenem, der die allgemeinen Namen „ S u b l i m a t " oder „Alkohol" (al kohol = das feinste Pulver) speziell dem Quecksilberchlorid und (im übertragenen Sinne = Quintessenz) dem Weingeiste zuerteilte. Durch syrische und arabische Vermittlung gelangte das „schwarze P r ä p a r a t " zu den mittelalterlichen Alchemisten, die seine Synonyma „vollkommene Schwärze" durch „nigredo perfecta", und „schwarzer Stein der Philosophen" (nämlich der „Philosophen per ignem", also der Chemiker) durch „lapis (seil, niger) philosophorum", das ist „Stein der Weisen" wiedergaben, den oben erwähnten Kunstausdruck selbst aber mit „Caput m o r t u u m " übersetzten; noch im 17. J a h r h u n d e r t war dieser nicht eindeutig, denn B o y l e spricht z. B. vom Caput mortuum des Bernsteins und meint damit den Rückstand, der bei der Gewinnung von Bernsteinöl durch trockene Destillation des Bernsteins verbleibt, — ja als Nachklang des alten allgemeinen Sinnes ist es anzusehen, daß man in Norddeutschland noch heute auf die Überreste eines zerstörten Gegenstandes mit dem (entstellten und unverstandenen) Worte hinweist: er ist „ k a p u t " oder gar „ k a p u t gemacht". Schließlich sei noch erwähnt, daß der Name „Colcotär" für Eisenoxyd vom syrischen und arabischen „Calcotörin" s t a m m t , das selbst wieder vom spätgriechischen / a l x t i r ä o i v
CAPUT
MORTUUM
27
(Chalketärin). abzuleiten ist; mit diesem Worte bezeichnete man ursprünglich ein nicht näher definierbares Produkt, entstanden durch Verwittern von xaXxirtg (Chalkitis), das ist von Vitriol, der übrigens nur als ein mehr oder weniger unreines, Kupfer, Eisen, und zuweilen wohl auch Blei enthaltendes Präparat bekannt war.
Zusatz. 1 Der berühmte Ägyptologe Prof. Dr. W. M a x M ü l l e r in Philadelphia h a t t e die Güte, mir über diesen Gegenstand eine kurze Mitteilung zukommen zu lassen, der ich folgendes entnehme: „Gemäß der verbreitetsten Form des Mythus über O s i r i s wurde dessen Körper in 42 Teile zerstückelt, die in den 42 Gauen Ägyptens erhalten sind. Das eigentliche Osirisgrab ist aber das zu Abydos, weil dort der Kopf begraben liegt, das einzig Authentische, das von O s i r i s übrig blieb; neben diesem Hauptstücke, — denn der Kopf ist in der altägyptischen Theologie der Sitz des Lebens —, gelten die übrigen Körperteile so gut wie nichts, oder sind höchstens Reliquien geringeren Wertes und einer von der abydenischen Theologie wohl bestrittenen Echtheit. Abydos hingegen f ü h r t in seinem Wappen den Kopf des O s i r i s , und „Grab des Osiris" ist also identisch mit „Kopf des Osiris". Sie sehen, diese Modifikation Ihrer Erklärung macht Ihre Ableitung des „Caput m o r t u u m " erst völlig überzeugend". Dem hervorragenden, mir persönlich unbekannten Forscher gestatte ich mir für seine freundliche Zuschrift, sowie f ü r die Erlaubnis, sie zu veröffentlichen, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. 1
„Chemiker-Zeitung" 1906, S. 925.
Zweite Abteilung
3 C H E M I S C H E S UND P H Y S I K A L I S C H E S AUS P L A T O N 1 I. Einleitung. ie für die Geschichte der Philosophie, so bildet P i a t o n auch f ü r die der Naturwissenschaft einen unvergänglichen Markstein, und zwar nicht nur seiner inneren Bedeutung, sondern auch seiner äußeren Stellung nach: jenseits der Grenze liegt das Trümmerfeld der Fragmente, aus denen nur mühsam und mit oft zweifelhaftem Erfolge, an der Hand lückenhafter und nicht selten mißverständlicher Zitate oder Berichte, die Lehrgebäude der großen und tiefsinnigen „Vor-Sokratiker" rekonstruiert werden können; im diesseitigen Gebiete aber erheben sich, wohlerhalten und in Fülle, reiche Denkmale, deren Anblick den Geist ihrer Schöpfer noch unmittelbar zu uns sprechen läßt, so daß erst mit ihnen" die wahrh a f t urkundliche Geschichte der Forschung beginnt. Sämtliche Werke, die P i a t o n hinterließ, als er achtzigjährig 347 v. Chr. starb, hat uns ein günstiges Geschick unzerstört bewahrt, und niemals waltete in der Meinung aller Zeiten daran ein Zweifel, daß sie als unverlierbares Gut zu dem Besten und Höchsten zählen, was das Griechentum, ja was die Menschheit hervorgebracht hat. Betreffs der Zuverlässigkeit der Überlieferung gingen und gehen jedoch die 1 „Journal für praktische Chemie" 1907, S. 513; Herrn Geheimrat Prof. Dr. E r n s t v o n M e y e r zur Feier des 60. Geburtstages dargebracht.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
29
Ansichten auseinander, und auch von den 35 „authentischen" Dialogen mögen einige in ihrer Gesamtheit, andere in einzelnen Teilen nicht von P i a t o n selbst herrühren, vielmehr von ihm nahestehenden und seinem Kreise durchaus zugehörigen Schülern; für sicher gilt es, daß das unvollendet hinterlassene Werk „Die Gesetze" durch P h i l i p p o s aus Opus redigiert wurde, und daß dieser ihm das 13. Buch, die sogenannte „Epinomis", hinzufügte. Auch über die Abfassungszeit und die Reihenfolge der Dialoge ist die Kritik nur bezüglich einiger H a u p t p u n k t e zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangt, während im einzelnen die äußeren, inneren, sprachlichen, grammatischen, und stilistischen Kennzeichen häufig versagen, um so mehr als viele Unterschiede und Widersprüche schon allein durch den Entwicklungsgang des Verfassers während einer mindestens fünfzigjährigen schriftstellerischen Tätigkeit, sowie durch die Möglichkeit von Neuausgaben und Umarbeitungen der älteren Gespräche, genügend erklärbar sind. Den nachstehenden Darlegungen ist die Gesamtheit der Schriften zugrunde gelegt, die den Corpus der platonischen Werke bilden, und angesichts ihres durchgehenden inneren Zusammenhanges als e i n großes Ganzes gelten dürfen; die Übersetzungen sind der klassischen zehnbändigen Ausgabe von M ü l l e r und S t e i n h a r t 1 entnommen, und auf diese, als für jedermann zugänglich und vergleichbar, weisen auch die angeführten Belegstellen hin. Es sollen zunächst in Kürze einige zum Verständnis unerläßliche philosophische Prinzipien P i a t o n s , sodann ausführlich seine Meinungen über chemische und physikalische Fragen wiedergegeben werden, während eine Besprechung der Bedeutung und Fortwirkung dieser Lehren dem Schlüsse vorbehalten bleibe. 2 1 Leipzig, 1850—1873; bei den Zitaten gibt die erste Ziffer die Band-, 2 die zweite die Seiten-Zahl an. Näheres über P i a t o n s Philosophie s. in den Werken und Abhandlungen von G o m p e r z , G r o t e , R o h d e , Steinhart, W i n d e l b a n d , Zeller.
CHEMISCHES
30
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
II. Allgemeines. Das dem
Freunde
der Weltweisheit
angemessene
Gefühl
ist das des „ S i c h - V e r w u n d e r n s " , denn in ihm liegt der A n f a n g aller Philosophie. 1
Dem N a c h d e n k e n d e n wird vor allem
werden, d a ß wir die Dinge nicht so zu erkennen wie sie s i n d ,
sondern n u r s o ,
klar
vermögen,
wie sie uns e r s c h e i n e n ;
es
t r ü g t aber der Sinnenschein, es t ä u s c h t die Wahrscheinlichkeit und
die
Selbstverständlichkeit,
Menge so sehr z u s a g e n , 2
wenngleich
es beirrt
diese der großen
(im ganzen
wie im ein-
zelnen) das Zurückgehen von der Folge auf den sich doch so Grund,3
augenfällig d a r b i e t e n d e n
und
nichts
ist
daher
un-
gerechtfertigter als die so v e r b r e i t e t e Meinung: „Wirklich allein
das,
was
man
geradezu
mit H ä n d e n
greifen
ist
kann."4
Sind a b e r die Dinge f ü r uns Erscheinung, so sind sie d a r u m doch kein Schein. Protagoras
Unrichtig bleibt d a h e r die B e h a u p t u n g des
(geb. u m
485 v. Chr.):
„Der
Mensch
ist
das
Maß aller Dinge", selbst m i t der E i n s c h r ä n k u n g auf den verständigen
Menschen;5
ebenso
einseitig
sind
die
Aussprüche
des H e r a k l i t (gest. u m 475 v . C h r . ) : „Alles f l i e ß t , . . . nichts ist b e s t ä n d i g , . . . m a n k a n n nicht zweimal in denselben s t e i g e n . . .",
denn
auch
der
durch
Drehen
Fluß
schwindlig
Ge-
w o r d e n e g l a u b t , die g e s a m t e U m g e b u n g bewege sich in endlosem Kreislaufe, u n d verlegt die Ursache seiner W a h r n e h m u n g in die N a t u r der G e g e n s t ä n d e , suchen.
6
statt
sie in
sich
selbst
zu
Alle solche Sätze gelten eben n u r f ü r die Welt der Er-
scheinung, die Dinge besitzen a b e r , auch von uns u n d unserer Vorstellung abgesehen, ihnen
eigentümliches,
Dieses Wesentliche
ihr von für
sich
nun,
der N a t u r selbst
das
den
aus
bestimmtes,
bestehendes Wesen. 7 Objekten
der
Wahr-
n e h m u n g u n d den wechselnden, t ä u s c h e n d e n Erscheinungen der 2 3 1 P h ä d o n IV, 511. P h ä d o n IV, 517. Theätet III, 120. 5 6 Theätet III, 120. Kratylos II, 580; Theätet III, 158. Kratylos II, 602, 614. ' ebd. II, 581.
4
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
31
Sinnenwelt in ihrem unaufhörlichen „ W e r d e n " z u g r u n d e liegt, nannte P i a t o n
die „ I d e e n " ;
in ihnen sah er die T r ä g e r des
w a h r e n , beharrenden, u n d ewig beständigen „ S e i n s " , u n d zwar anfänglich m e h r im Sinne von G a t t u n g s b e g r i f f e n , u n v e r ä n d e r lichen Formen, r ä u m - u n d zeitlosen Urbildern der individuellen Geschöpfe u n d
Dinge, in späterer Zeit aber vorwiegend
Sinne wirkender
K r ä f t e , zielsetzender Zweckursachen,
im
die als
gestaltende R e a l i t ä t e n den Geschöpfen u n d Dingen Dasein und Individualität verleihen, u n d die R i c h t u n g des Geschehens bestimmen.
Die Ideen bilden den
Gegenstand
begrifflicher Er-
k e n n t n i s durch die V e r n u n f t , u n d daher das letzte w a h r e Ziel wissenschaftlicher völlig
Gewisse,
Forschung, als
die
ja
sogar
Ergebnisse
insoweit
der
reinen
das
einzige
Denktätigkeit
Sinnenscheines. 1
sicherer sind wie die des trügerischen
Was
den Bereich dieses letzteren b e t r i f f t , so stellen sich in ihm der Ermittlung
der W a h r h e i t
ganz
außerordentliche,
ja
zumeist
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, m a n m u ß sich daher häufig begnügen, s t a t t
des W a h r e n
n u r das
Wahrscheinliche
ausfindig zu m a c h e n , 2 ja v e r m a g selbst dieses o f t n u r im Gew ä n d e des M y t h u s v o r z u t r a g e n . III. Die vier Elemente. Die U r a n f ä n g e ergründlich Werden
und
unserer
des
Seins
und
der
unerklärbar,
3
Welt,
„Kosmos",
des
jegliche
Bewegung
sind
un-
Vorstellung
über
das
setzt jene schon
als
gegeben voraus. Allem E n t s t e h e n liegt ein Erstes, Ursprüngliches z u g r u n d e : das U n b e g r e n z t e , formtes Wesen,
noch
ein u n s i c h t b a r e s ,
gestaltetes,
„die M u t t e r "
Wie P i a t o n
oder
aber „der
u n b e s t i m m t e s , weder ge-
bildsames, Schoß"
diese Lehre v e r s t a n d e n
allempfängliches
alles Werdens. 4 —
wissen wollte,
darüber
gehen die Ansichten der Erklärer seit jeher und bis auf 1
3
den
2 Phädon IV, 473. Timäus VI, 197, u. auch sonst sehr häufig. 4 Theätet III, 186; Phädros IV, 117. Timäus VI, 171.
32
CHEMISCHES
UND
PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
heutigen Tag auseinander: Die einen (unter ihnen, anscheinend schon A r i s t o t e l e s ) nehmen eine eigentliche Urmaterie (Hyle) an, ein in steter, aber ungeordneter Bewegung befindliches, qualitätsloses Substrat aller Elemente, den Träger ihrer zahllosen wechselnden Gestaltungen, und das Bleibende bei ihren Wandlungen; die anderen bestreiten, daß es sich um eine stoffartige Realität handle, identifizieren vielmehr das Unbegrenzte mit dem leeren Raum der eleatischen Philosophen, in dem, n i c h t a u s dem, alle Dinge entstehen. Sicher ist indes, daß P i a t o n die Welt der Erscheinung (die Körperwelt, den Kosmos) aus diesem „Unbegrenzten" hervorgehen läßt, und zwar vermöge einer Durchdringung mit der „Begrenzung": Der Kosmos ist geformter Raum, geformt unter dem Einflüsse der Ideen als Zweckursachen, und das Unbegrenzte wird durch die geometrische Begrenzung zum Körper, und erlangt durch sie die körperliche Realität. Die Realität, und mit ihr die Erkennbarkeit der Dinge, sind also wesentlich an ihre Bestimmung durch geometrische Formen geknüpft, und die Mathematik erweist sich so als die Vermittlerin zwischen den Ideen und den Objekten der Anschauung; hieraus erklärt sich die hohe Wichtigkeit, die P i a t o n diesem Wissenszweige beimaß, und der er durch die Überschrift des Einganges zu seiner Lehrstätte Ausdruck gegeben haben soll: „Kein der Mathematik Unkundiger trete hier ein." Als Flächen der Begrenzung sind zwei Arten rechtwinkliger Dreiecke anzusehen, das gleichschenklige und jenes „unter den nicht gleichschenkligen schönste", dessen Hypotenuse doppelt so groß ist wie die
A
kleinere K a t h e t e ; 1 es sind dies die Dreiecke, die durch Zerfällung des Quadrates und des gleichseitigen Dreiecks entstehen. Nun lassen sich in der Welt vier Elemente nachweisen: das F e u e r , das sie sichtbar, die E r d e , die sie tastbar macht, und 1
T i m ä u s VI, 175 ff.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
33
als m i t t l e r e P r o p o r t i o n a l e n zwischen diesen die L u f t u n d d a s Wasser,
so daß sich
Erde v e r h ä l t ;
1
F e u e r : L u f t = L u f t : Wasser =
von diesen gingen
die E r d e aus der
Wasser: ersten,
das Feuer, die L u f t , u n d das Wasser aber aus der
zweiten
A r t der rechtwinkligen Dreiecke hervor, u n d zwar derart, d a ß jene Begrenzungsflächen stimmten
gewisse Teile
des
Gestalten z u s a m m e n f a ß t e n ,
zu
be-
so d a ß erst durch
Raumes
ein
solches Z u s a m m e n f ü g e n u n d Ordnen der Dreiecke nach arithmetischen u n d geometrischen Verhältnissen die E l e m e n t e ents t a n d e n ; 2 m i t R e c h t k a n n m a n sie daher als „die zur
Ent-
3
s t e h u n g gediehene B e w e g u n g " auffassen, als E n d e r g e b n i s eines Strebens nach geregelter A n o r d n u n g , bei der sich, der N a t u r des E n t s t e h e n d e n
u n d dem waltenden Zufalle der
gemäß, das Ähnliche zu vereinigen, fliehen t r a c h t e t ,
4
Bewegung
das Unähnliche
aber
zu
u n d jegliches einem b e s t i m m t e n , ihm seinem
Wesen nach natürlichen O r t e z u s t r e b t . 5 Aus der Schwere, K o m p a k t h e i t , und
Beweglichkeit
der
Elemente
läßt
Festigkeit, sich
Bildsamkeit
auch
deren
Ge-
s t a l t u n g erschließen, die m a n jedoch n u r an größeren Massenteilchen erkennen k a n n , n i c h t an den kleinsten, nicht s i c h t b a r e n :
die E r d e
h a t die F o r m
Wasser die des Ikosaeders,
einzeln
gar
des W ü r f e l s ,
das
die L u f t die des O k t a e d e r s ,
das
F e u e r , als das f l ü c h t i g s t e , die rein p y r a m i d a l ansteigende des Tetraeders.6 regelmäßigen oder
— Von
den
bekanntlich
„platonischen"
kombinierte
Körpern
Dreiecksflächen
der
allein können
möglichen durch
beschriebenen
n u r die vier G e n a n n t e n begrenzt w e r d e n ,
und schon
fünf
einzelne Gestalt Pytha-
g o r a s (im 6. J a h r h . ) , P h i l o l a o s (im 5. J a h r h . , vermutlich etwas j ü n g e r als S o k r a t e s ) , u n d wohl auch E m p e d o k l e s (gest. um 435 v. Chr.) b r a c h t e n sammenhang;
den
diese m i t
fünften
der
den vier
Elementen
regelmäßigen
in
Körper,
1
Zudas
2 ebd. VI, 149ff. ebd. VI, 175ff., 193, 198; Gesetze VII, 338. 4 6 Gesetze VII, 430. Timäus VI, 173; Gesetze VII, 329. TimäusVI, 6 186. Timäus VI, 175 ff.
3
v. L i p p m a n n ,
Abhandl. u. V o r t r .
II.
3
34
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
Dodekaeder, setzt P i a t o n n i c h t in Beziehung zu den einzelnen Elementen, sondern zum Weltganzen, dessen Kugelform es durch sein Äußeres am nächsten kommt. Die geometrische Gestalt der Elemente macht auch erklärlich, daß die feineren und flüchtigeren nicht nur imstande sind, in die Poren der größeren einzudringen und diese in kleinste Teilchen zu zersplittern, sondern daß sie unter Umständen auch vermögen, die kleinsten Teilchen in ihre Elementardreiecke aufzulösen, die sich dann wieder leicht anderweitig aneinander lagern: Die Erde geht allerdings, weil das die Sondergestalt ihrer Dreiecke bedingt, in keinen sonstigen Körper über; aber das Oktaeder der Luft kann in zwei Tetraeder des Feuers zerfallen oder sich aus ihnen bilden, und das nämliche Verhältnis besteht zwischen einem Ikosaeder des Wassers und 2 x / 2 Oktaedern der L u f t , oder zwei Oktaedern der Luft nebst einem Tetraeder des Feuers, und es ist ersichtlich, daß bei diesen Umsetzungen ein Stoff schließlich völlig die Natur des anderen annimmt. 1 Alles ist daher wandelbar, und jegliches geht in das andere über. 2 Wasser verdichtet sich zu Erde und Stein oder verdünnt sich zu Dunst und Luft, entzündete Luft gibt Feuer, verlöschendes Feuer wieder L u f t , verdichtete Luft erst Nebel dann Wasser, und so vollziehen sich alle Vorgänge in unaufhörlichem Kreislaufe. Was nun die einzelnen Elemente anbelangt, so geht das F e u e r , und mit ihm das Licht und die Wärme, von der Sonne aus, 3 doch entstehen Feuer und Wärme auch durch Umschwung und Reibung, und diese wieder durch Bewegung. 4 Vom Feuer gibt es viele Stufen und Arten, 5 und die Wärme kann daher zu- und abnehmen, ohne daß man hierfür letzte Grenzen anzugeben vermöchte; 6 mäßige Wärme erweist sich als wohltätig und läßt alles wachsen und gedeihen, 7 scharfes 1
2 3 ebd. VI, 175 ff. ebd. VI, 169; Phädon IV, 480. Kratylos II, 4 6 6 617. Theätet II, 116. Timäus III, 179 ff. Philebos IV, 683. 7 Theätet III, 116.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
35
Feuer aber wirkt zerschneidend infolge der Schärfe der Kanten und Winkel seiner Dreiecke, der Schnelligkeit ihrer Bewegung, sowie ihrer Kleinheit; hieraus erklärt es sich, daß kein Körper den Durchgang der Wärme völlig aufzuhalten oder zu verhindern vermag, und daß die Hitze für uns mit der bestimmten Empfindung eines „Scharfen" verbunden ist. 1 Von der L u f t gibt es gleichfalls mannigfache Arten und Grade. Wenn ihre Dichte, die genügt, um Gegenstände von der Erde aufzuwirbeln, 2 noch zunimmt, so wird sie unreiner, und bildet zunächst Dämpfe und Dünste, die Träger der Gerüche, die zwar schon dichter als Luft, aber noch dünner als Wasser sind, und daher erst bei weiterer Verdichtung in dieses übergehen. 3 Die reinste Luft, der gewöhnlichen an Reinheit ebenso weit überlegen wie diese dem Wasser, ist der Äther, der vermöge seiner Leichtigkeit über den irdischen Luftraum emporsteigt und ihn in stetiger Strömung umkreist. 4 — Es ist bemerkenswert, daß P i a t o n den Äther n i c h t als fünftes Element anerkennt; als solches wird er erst in dem später zugefügten 13. Buche der Gesetze („Epinomis") bezeichnet. 5 Das W a s s e r ist seinem Wesen nach sehr unbeständig, und so leicht zu schädigen und zu verderben, daß seine Reinheit im öffentlichen Interesse unter gesetzlichen Schutz gestellt wird; 6 durch die Zwischenstufen des Rauches und der Dünste geht es unter Umwandlung seiner Natur in Luft über, beim Entweichen seiner Luft- und Feuerteilchen aber verdichtet es sich, und gesteht oberhalb der Erde zu In Schnee und Hagel, auf der Erde zu Reif und Eis. 7 richtiger Mischung mit Feuerteilchen, d. h. bei genügender Wärme, nehmen es die Pflanzen als ihr wichtigstes Nahrungsmittel auf und erzeugen aus ihm ihre Säfte, von denen es vier 1
2 3 Timäus VI, 178, 184, 204; 179. Kratylos II, 613. Timäus VI, 4 179ff., 190; Phädon IV, 534ff. Timäus, a. a. O.; Phädon, a. a. O.; 6 6 Kratylos II, 613. Epinomis VIII, 130. Gesetze VII, 276. 7 Timäus VI, 190, 182; Phädon IV, 526, 530.
3*
36
CHEMISCHES
gibt:1
Hauptarten artigen, auch
die weinartigen,
die honigartigen,
gleich
daher
UND PHYSIKALISCHES
geronnener
Opium!).
Als
AUS
die öl-,
PLATON
pech- und
u n d die milchartigen, Miich
ausgeschwitzt
Flüssiges
und
Nasses
harz-
die zuweilen
werden hat
(Opos,
das
Wasser
auch die N a t u r des Geschmolzenen, u n d gibt daher beim Abkühlen
und Erstarren
harzähnlichen Wasser,
Gesteine u n d E r d e n ;
Mineralien
die Erze
nur
enthalten
noch
m e h r wenig,
die wachs-
viel
und
unverändertes
die glas-
und
schmelz-
artigen keines oder f a s t keines. 2 Die E r d e
wird
unter
dem
Einflüsse
des
Feuers,
des
Wassers, u n d des D r u c k e s verschiedentlich v e r ä n d e r t , bald zu schönen
durchsichtigen
laugenähnlichen
Gesteinen,
Salzen,
die
bald
man
zu
durch
Kochsalz
Wasser
und
ausziehen
k a n n , bald zu festem T o n ; die Teile, die wiederholt u n d wechselnd Wasser mehr
durch
und
Abkühlen
waren,
sind
zumeist
durch
beide
löslich
noch
schmelzbar, 3
ausgesetzt veränderlich,
und
weder
dem
Feuer
ab-
Erhitzen
und nicht
w ä h r e n d im übrigen die Löslichkeit wesentlich von der Dichte der Einzelstoffe a b h ä n g t , die den feineren Teilchen des kalten oder heißen gestattet.
Wassers
mehr
oder m i n d e r
leichten
Durchgang
Gröbere u n d feinere erdige Teilchen, zuweilen d u r c h
die übrigen E l e m e n t e modifiziert, v e r m i t t e l n die
Geschmäcke,
indem sie von der Zunge aus durch B l u t ä d e r c h e n z u m Herzen geführt
werden.
sammenziehend, bei geringerer Salbe die
alles
Die bei
salzig;
gröbsten
großer
und
herb
laugenhaft
die f e i n s t e n ,
ausgleichend
mittleren,
schmecken
Schärfe
nach
Art
naturgemäß
durch Aufwallen u n d
und
und einer
zarten
vereinigend,
Gären
zu-
ätzend,
gelockert,
süß; mit
L u f t gemischt, u n d zu Wasser e n t h a l t e n d e n Blasen umgebildet, sauer.
Die d u r c h d r i n g e n d e n , zu Kopf steigenden
Geschmäcke
setzen eine V e r f l ü c h t i g u n g durch W ä r m e voraus, die bitteren (z. B. die der Galle) eine V e r s c h ä r f u n g der sauren 1 2 Timäus VI, 182. ebd. VI, 181, 183. 4 Theätet III, 108. Theätet VI, 188ff., 196, 210.
3
Prinzipien. 4
Timäus VI, 183, 199;
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
Aus den g e n a n n t e n vier E l e m e n t e n geht alles
37
überhaupt
Existierende hervor, ebensowohl die Mineralien u n d Erze der E r d e wie die Leiber der Pflanzen u n d Tiere, oder wie die Bestandteile des ganzen Weltalls; die unendliche Mannigfaltigkeit des V o r h a n d e n e n ist bedingt durch die verschiedenen Mischungsverhältnisse
der
ihrer elementaren vollziehenden Wärme und
Elemente,
durch
die
verschiedenen
Größen
Dreiecke, u n d durch den U m f a n g der sich
Verschmelzung
entgegengesetzter
Kälte, T r o c k e n h e i t u n d
Qualitäten,
Feuchte, usw., 1 die als
w a h r e Vereinigung u n d V e r m ä h l u n g anzusehen ist. 2 IV. Mineralische u n d pflanzliche Stoffe. Beim A b k ü h l e n u n d E r s t a r r e n des Wassers in der wobei es durch
Gesteine u n d
Felsen gereinigt u n d
Erde,
geläutert
wird, entstehen, durch die Schmelzbarkeit noch ihren U r s p r u n g v e r r a t e n d , die Metalle. 3 Das Gold ist die feinste, aller S u b s t a n z e n ,
dichteste
und wenn es rein
weder u n t e r e i n a n d e r noch
dem
und
ist,
Ganzen
gleichförmigste
zeigen
seine
gegenüber
Verschiedenheit, abgesehen von ihrer größeren oder Masse. 4
Teile
irgendeine kleineren
Meist a b e r k o m m t es, ebenso wie die anderen Edel-
metalle u n d Steine, nicht rein v o r , sondern in Gemenge m i t sonstigen
Bestandteilen,
Werkmeister
angefressen
scheiden d a n n
erst das
und
verwittert.5
Geröll,
die
Erde
Die und
die Steine a b , wobei das wertvolle Gold nebst d e m ihm verw a n d t e n Silber u n d K u p f e r u n d zuweilen auch Eisen z u r ü c k bleibt;
von diesen k a n n es n u r auf feurigem Wege
getrennt
werden, indem m a n wiederholte Schmelzungen v o r n i m m t , u n d sie m i t
Gehaltsproben v e r b i n d e t ,
bis zuletzt
das
sogenannte
gediegene Gold allein übrig bleibt u n d sich dem Blicke dar1
ebd. VI, 149ff., 179; Sophist III, 548. 3 Sophist III, 511. Timäus VI, 181. 6 g o n s I, 457. Phädon IV, 536.
2
4
Gesetze VII, 329; Timäus, a. a. O.; Prota-
38
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
bietet. 1 Das Gold ist das edelste der Metalle und nimmt in deren Rangordnung die oberste Stelle ein, ebenso wie in der H e s i o d s c h e n der Zeitalter und Geschlechter; 2 wie jedoch den vornehmsten Geschlechtern Glieder entspringen können, die in die mittleren oder tiefsten Stände herabsinken, während sich umgekehrt aus diesen einzelne Sprößlinge in die obersten Schichten zu erheben vermögen, so erzeugt zuweilen auch das Gold die geringeren Glieder der Rangordnung, nämlich Silber, Kupfer und Eisen, oder geht selbst aus einem von diesen hervor. 3 Es kann daher nicht wundernehmen, daß es in der Natur zumeist im Verbände mit ihnen v o r k o m m t ; aber auch künstlich vermischt man es mit anderen Edelmetallen, und versteht z. B. mittels solcher Zusätze goldene Geräte derartig zu anderen neuen umzuarbeiten, daß diese die verschmolzenen Metalle genau im verlangten Verhältnis enthalten. 4 Dem Golde zunächst soll einstens das Orichalkon (Bergerz) gestanden haben, das man in der Erde auffand und ehemals fast ebenso hoch schätzte wie Gold, während es jetzt nur mehr dem Namen nach bekannt ist. 5 — Welches Metall oder Metallgemisch P i a t o n unter Orichalkon vertand (das in späterer Zeit Messing bedeutete), ist ungewiß; aus ihm bestehen, so berichtet er, die Säule der Gesetze, sowie die Verzierungen an Fußböden, Wänden und Pfeilern in der Königsburg der sagenhaften, an Schätzen überreichen, im fernen westlichen Weltmeere gelegenen Insel „Atlantis". 6 Das Silber kommt ebenso selten rein vor wie das Gold; es ist allverbreitet und jedermann wohlbekannt. 7 Das Kupfer ist dem Gold verwandt, und zwar weniger edel, aber dichter und härter; das neben ihm in den Erzen oft vorhandene Erdige, das allmählich auswittert, nennt man Grünspan. 8 Kupfer ist neben Eisen das Werkzeug des 1
4 7
2 3 Sophist III, 689. Staat V, 390, 559. ebd. V, 390. 5 6 Gesetze VII, .245. Kritias VI, 331. ebd. VI, 333, 337. 8 Phädon IV, 536; Phädros IV, 139. TimäusVI, 181.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
39
Krieges, doch verhielt sich dies nicht immer so, denn als die Menschen noch das Leben von Hirtenvölkern f ü h r t e n , besaßen sie keine Metalle, und zudem gingen die Kenntnisse über deren Bearbeitung auch später zeitweise wieder verloren. 1 Das Eisen ist ein Abfall des Goldes, 2 eine harte, schwarze Masse, und heute allgemein b e k a n n t ; 3 d a f ü r , daß es dies, ebenso wie das Kupfer, nicht zu allen Zeiten war, zeugt noch das Verbot, im Weihbezirke der Atlantis mit eisernen Waffen zu jagen. 4 Die Schmiede bedienen sich, je nach den Zwecken ihrer Arbeit, verschiedener in- und ausländischer Eiseng a t t u n g e n ; 5 ferner gibt es gegossenes Eisen, dessen Stücke bald tadellos „aus einem G u ß " sind, bald Fehlstellen aufweisen, 6 sowie den unüberwindlichen Stahl, 7 Adamas (was n i c h t Diamant bedeutet!). Wie Holz der Fäulnis, wie Getreide dem Mehltau, so fällt Eisen dem Rost anheim; Rost entsteht aus Eisen, und ebenso Grünspan aus Kupfer, infolge der Auswitterung erdiger Teilchen, und dieser Vorgang ist ein den Metallen ihrer Natur nach eigentümlicher, unter dessen Einfluß eine Zerstörung und Veränderung ihres besonderen Wesens erfolgt. 8 Andere Stoffe als die Metalle erwähnt P i a t o n nur ganz nebenbei und im Vorübergehen, z. B.: Marmor, Gips, Karneol, Jaspis, Smaragd und sonstige Edelsteine, 9 Kochsalz und Laugensalz, 1 0 Bleiweiß, 11 und Schwefel, den zuerst die Ärzte und Seher (wohl als sie noch eine einzige Klasse bildeten) zur Reinigung und Räucherung (Austreibung der Krankheitsdämonen) gebrauchten. 1 2 Zur Aufnahme der Arome bedient man sich höchst reiner und geruchlos gemachter Flüssigkeiten (Öle?); 1 3 kostbare Arome 1 2 3 Gesetze VII, 415, 73. Timäus VI, 181. Phädros IV, 139. 5 6 7 Kritias VI, 337. Kratylos II, 586. Sophist III, 550. Staat V, 8 9 564ff. Timäus VI, 181; Staat V, 644. Phädon IV, 536; Timäus VI, 10 11 12 183. Timäus, a. a. O. Lysis I, 254. Kratylos II, 606. 13 Timäus VI, 170. 4
40
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
u n d Räucherwerke, wie Weihrauch, sollen in einem geordneten Staatswesen so wenig wie möglich aus fremden Ländern bezogen w e r d e n , und das Nämliche gilt f ü r teuere Farbstoffe, wie den P u r p u r . 1 Will m a n mit diesem färben, so wählt man von vornherein die beste und weißeste Wolle aus und unterw i r f t sie einer gewissen V o r b e h a n d l u n g ; sie zeigt dann schließlich den schönsten Glanz und hält auch ohne Schaden das Waschen a u s , sei es allein mit W a s s e r , sei es mit Lauge oder Asche. 2 Als eines B e t ä u b u n g s m i t t e l s wird der Mandragora (des Alrauns) g e d a c h t ; 3 welches Gift der auch dem S o k r a t e s gereichte sogenannte Schierlings-Trank 4 enthielt, läßt sich weder aus der im „ P h ä d o n " gegebenen Beschreibung noch aus der E r w ä h n u n g von Wein als Gegenmittel, 5 m i t Bestimmtheit entn e h m e n . Die geschilderten Wirkungen sind jedenfalls nicht die des heutigen Koniins. V. Die Stoffe d e s tierischen und menschlichen Körpers. Wie die Gewebe der P f l a n z e n , so bestehen auch die Leiber der Tiere und Menschen aus den vier Elementen, 6 jedoch nicht immer im ursprünglichen Z u s t a n d e ; von erdähnlichen Stoffen z. B. finden sich allein die auf das feinste und reinste geläuterten in den Knochen, Nägeln und Haaren, 7 die feuerartigen hingegen treten n u r in sehr abgeschwächter Form auf und machen sich in Gestalt der körperlichen W ä r m e b e m e r k b a r , und, durch Wasserteilchen noch weiter gemildert, in jener der heißen Träne. 8 Ob wirklich, wie b e h a u p t e t wird, niedrige lebende Geschöpfe u n t e r dem Einfluß der W ä r m e und Fäulnis entstehen können, bleibt noch fraglich. 9 Sicher ist aber, daß dem m e n s c h 1
2 3 4 Gesetze VII, 279. Staat V, 408. ebd. V, 485. Phädon IV, 5 6 469ff. Lysis I, 257. Gesetze VII, 329; Timäus VI, 206. 7 8 Timäus VI, 188ff., 199. Philebos IV, 690; Timäus VI, 192. 9 Phädon IV, 516.
CHEMISCHES
liehen
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
4\
K ö r p e r erst die Seele zur Quelle des Lebens wird, d a
ihr allein (nach
einer schon von A l k m a i o n
aus K r o t o n
zu
A n f a n g des 5. J a h r h u n d e r t s aufgestellten Lehre) die K r a f t der Selbstbewegung z u k o m m t , so d a ß sie ihm die Fähigkeit Atmens erteilt;1
das
hierbei w i r k s a m e Organ ist die
des
Lunge,
die in ihr schwammiges Gefüge die eingesogene L u f t und die genossenen
Getränke
aufnimmt und
hierdurch
das B l u t
ab-
k ü h l t , u n d das die Leidenschaften erhitzende u n d Herzklopfen erregende innere Feuer m ä ß i g t . 2 Erhalten Nahrung.
wird
das
einmal
Speisen
und
Getränke
v o r h a n d e n e Leben durch erfahren
unter
dem
die Ein-
flüsse von W ä r m e , A t m u n g u n d Bewegung eine weitgehende Zersetzung, deren P r o d u k t e z u n ä c h s t n a c h den Adern geleitet werden u n d sich d a n n durch diese, wie im S t r o m e einer Wasserleitung, nach allen Teilen des ganzen
K ö r p e r s ergießen;
die
rote F a r b e des Blutes weist noch auf das Feuer (die W ä r m e ) als zersetzende Ursache hin. 3
Wie sich hieraus ergibt, ist der
Mensch m i t seinem Körper, und d a h e r auch wieder m i t seiner Seele, in vieler Hinsicht von der Beschaffenheit der N a h r u n g abhängig, in letzter Linie also von jener des Bodens, die diese liefert, und auf dem er lebt. 4 J e d e s Ganze b e s t e h t u n d e n t s t e h t zwar aus seinen Teilen, aber
aus
ihnen
allein
ist
seine G e s t a l t u n g
nicht
erklärlich. 5
Dies zeigt sich auch beim Menschen: seine I n d i v i d u a l i t ä t
be-
h a r r t , obwohl sein K n o c h e n g e r ü s t u n d sein H a a r , sein Fleisch u n d sein Blut, ja sein ganzer Leib, f o r t w ä h r e n d wechselt, neuerung
und
Ergänzung
verlangt.
6
Die
allmähliche
ErAb-
n u t z u n g der, den menschlichen Leib a u f b a u e n d e n elementaren Dreiecke s c h w ä c h t aber ihr Assimilationsvermögen f ü r die in der N a h r u n g neu z u g e f ü h r t e n , u n d hiermit b e g i n n t das A l t e r n ; die schließliche Lockerung u n d Auflösung des V e r b a n d e s
der
Dreiecke im H i r n u n d Mark f ü h r t den T o d herbei, indem die 4
1 2 3 Kratylos II, 599. Tirnäus VI, 195, 205. ebd. VI, 205, 207. 5 6 Gesetze VII, 158. Theätet III, 189. Gastmahl IV, 315.
CHEMISCHES
42
UND PHYSIKALISCHES
Seele, der sie h a l t e n d e n
AUS
PLATON
Fesseln entledigt, m i t der A t e m l u f t
entschwebt.1 So wie das Vorhandensein u n d die E r h a l t u n g einer richtigen Mischung u n d Verteilung der E l e m e n t e u n d ihrer
Qualitäten
( W ä r m e , K ä l t e , Feuchte, Trockenheit) W o h l b e f i n d e n u n d
Ge-
s u n d h e i t bedingt, so b e w i r k t plötzlich e i n t r e t e n d e r Mangel oder Ü b e r s c h u ß der E l e m e n t e ,
oder
auch
deren Geraten
an
eine
falsche Stelle, die K r a n k h e i t e n ; wie sich in der N a t u r
unter
d e m Einfluß ü b e r m ä ß i g e r Feuchtigkeit Reif, Hagel u n d Mehltau
einstellt, ganz so erzeugt z. B. im menschlichen
ein Ü b e r m a ß
der feurigen Teilchen
Körper
Entzündung und
Fieber,
ein solches der luftigen, wäßrigen u n d erdigen, ihrer w a c h s e n den
Dichte
entsprechend,
die
zwei-,
drei-
und
viertägigen
Wechselfieber, u n d eine A n h ä u f u n g dieser verschiedenen chen a m unrichtigen
Teil-
Orte die sauren, salzigen, galligen
und
blutigen Verschleimungen. 2 VI. D a s Weltall. Aus den vier E l e m e n t e n
besteht,
wie
alles
Irdische
a u c h alles Himmlische, d e m n a c h das g e s a m t e Weltall.
so
Dieses
ist kugelförmig, 3 d a h e r gibt es in ihm kein eigentliches Oben u n d U n t e n , vielmehr sind diese Begriffe n u r relativ, u n d w ü r d e n f ü r Gegenfüßler, die das All u m w a n d e l t e n , sogar f o r t w ä h r e n d wechseln. 4
Das Weltall u m f a ß t den ganzen Umkreis des Vor-
handenen,
und
laufe,
dessen
wechselt, sind.
5
so
d r e h t sich Richtung
aber
o f t gewisse
(Mit dem
in endlosem
„großen
vielleicht
große
geschlossenen aus
Abschnitte
Abschnitt"
genannte „platonische J a h r " gemeint,
freiem der
Kreis-
Antriebe
Zeit
ist v e r m u t l i c h
erfüllt das so-
ein Z e i t r a u m von
min-
destens 10000 J a h r e n , i n n e r h a l b dessen alle W e l t k ö r p e r
ihren
Umlauf 1
vollendet
haben
und
an
ihren
ursprünglichen
Ort
2 Timäus VI, 208. Phädon IV, 480; Gastmahl IV, 289; 3 4 Timäus VI, 209, 214. Timäus VI, 179, 185 ff. Staat V, 612. 5 Timäus VI, 149ff.; Staatsmann III, 642.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
43
z u r ü c k g e k e h r t sein sollen; vermutlich liegt dieser A n g a b e eine orientalische Quelle z u g r u n d e . ) Inmitten des Weltalls b e f i n d e t sich die E r d e ; fläche
gleicht
einem
aus b u n t e n
ihre Ober-
Lederstückchen
zusammen-
gefügten Balle, ist aber von so u n g e h e u r e m Umfange, daß die Griechen an den K ü s t e n des Mittelmeeres nicht anders sitzen wie Ameisen
oder
Frösche a m R a n d e
Sumpfes.1
eines
Die
B e h a u p t u n g e n , d a ß die E r d e von der L u f t oder von gewissen dem
Himmel
entstammenden
werde,
sind
u n r i c h t i g ; vielmehr schwebt sie (wie schon P y t h a g o r a s
und
Parmenides, punkte
einer
geboren durchaus
um
Wirbeln
getragen
540 v . C h r . ,
gleichartigen
lehrten)
Umwelt,
im
hat
Mitteldemnach
keinen G r u n d , sich eher nach der einen als n a c h der anderen Seite zu neigen, u n d b e h a r r t d a h e r ganz von selbst in s t e t e m Gleichgewichte. 2
Im Inneren der E r d e herrscht a b e r vielfache
Bewegung,
dort
denn
bilden
sich
Ströme
heißem Wasser, k a l t e m u n d heißem
von
kaltem
und
S c h l a m m e , u n d feuriger
Lava, u n d wälzen sich u n a u f h ö r l i c h durch die A b g r ü n d e u n d K l ü f t e ; im größten und
von
ihm
aus
E r d s c h l u n d e vereinigen ergießen
sich viele
sich alle
Gewässer
nach
Flüsse, allen
R i c h t u n g e n und n e h m e n dabei die Beschaffenheit des Erdreiches an, das sie durcheilen; von entgegengesetzten
Seiten her
ist
ein Vordringen bis in die Mitte der E r d e möglich, aber n i c h t d a r ü b e r hinaus, denn die weitere Bewegung w ä r e eine wieder zur Oberfläche aufsteigende. 3 Die Frage,
ob
Piaton
die
der
Pythagoreischen
Schule
geläufige A c h s e n d r e h u n g der E r d e a n e r k a n n t habe, ist s t r i t t i g , denn in seiner J u g e n d in einigen W e r k e n
lehrte er eine solche zweifellos n i c h t ;
der spätesten
Periode finden sich
jedoch
Stellen, die m a n c h e Forscher im Sinne einer b e j a h e n d e n A n t w o r t deuten wollen. 4 Trägerin des g e s a m t e n Kosmos ist, g e m ä ß der m y t h i s c h e n 4
1 2 P h ä d o n IV, 534 tf. P h ä d o n IV, 520, 534 ff. Gesetze VII, 2 4 8 f f . ; E p i n o m i s VIII, 136ff.
3
ebd. 534 ff.
44
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
Darstellung im „ S t a a t " , 1 die Weltachse, ein Spindelstab m i t Spitzen aus Stahl ( n i c h t aus Diamant), ruhend im Schöße der über allen Höhen thronenden „Ananke" ( = Notwendigkeit, als Personifikation des unwandelbaren Naturgesetzes), und unter dem Schutze ihrer Töchter, der Parzen, stehend. An der Weltachse sind über der im Mittelpunkte des Alls ruhenden Erde, und rings um diese herum, mittels Ringen oder Reifen die acht konzentrischen Sphären befestigt (von denen schon P a r m e n i d e s zu berichten wußte), und zwar entsprechen ihre Distanzen den Längen jener Abschnitte einer schwingenden Saite, die, der Entdeckung des P y t h a g o r a s gemäß, harmonische Töne ergeben. 2 Die äußerste Sphäre (8) ist von buntfarbigem Lichte erfüllt; den fünf folgenden kommen als Farben zu: (7) gelblich, (6) glänzend weiß, (5) rötlich, (4) gelblich, (3) weißlich; (2) hat das glänzendste Licht und bestrahlt mit diesem 3 auch (1). Obwohl nicht ausdrücklich gesagt wird, daß den sieben inneren Sphären die fünf Planeten nebst Sonne und Mond angeheftet sind (die indes schon P y t h a g o r a s f r e i h a t t e schweben lassen), so geht dies doch deutlich aus dem Sinne der ganzen Darlegung, sowie aus den Parallelstellen im ,,Timäus" 4 und der „Epinomis" 5 hervor: dort ist die achte Sphäre der Fixstern-Himmel, an dem sich zahlreiche in verschiedenfarbigem Lichte funkelnde Sterne befestigt befinden, und die folgenden tragen: (7) den Phainon (Lichtbringer) = S a t u r n , (6) den Phaeton (Leuchtender) = J u p i t e r , (5) den Pyroeis (Feuerfarbiger) = Mars, (4) den Morgenstern = Venus, (3) den Stilbon (Glänzender) — Hermes, (2) den Helios = Sonne, (1) die Selene = Mond. Den Sphären werden Ränder von verschiedener Breite zugeschrieben, 6 — die Ursache ist dunkel, und die Reihenfolge der Breiten nicht bestimmt ersichtlich; die Erklärung der scheinbaren Bewegung der Planeten schließt sich im ganzen der von E u d o x o s , P i a t o n s Zeitgenossen,
4
1 2 Staat V, 651 ff.; 558ff. ebd. V, 654ff. 5 Timäus VI, 155. Epinomis VIII, 130ff.
3
so auch Kratylos II, 611. 6 Staat V, 651 ff.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
45
aufgestellten Lehre an, die sich der späteren Theorie der Epizyklen nähert, und setzt eine a l l e n Sphären gemeinsame Rotation von Ost nach West, und gleichzeitig eine den sieben i n n e r e n zukommende langsamere von Westen nach Osten voraus. 1 Für die Schnelligkeit der Bewegung sind sechs Grade maßgebend: der Fixstern-Himmel (8) steht still, ferner haben den ersten Grad der Mond (1), den zweiten Sonne (2), Merkur (3) und Venus (4), den dritten Mars (5), den vierten Jupiter (6), den f ü n f t e n Saturn (7). Jeder Sphäre ist eine Sirene zugeteilt, die einen lauten Klang ertönen läßt, und diese vereinigen sich zu einem harmonischen Gesamtklange, der Harmonie der Sphären oder Sphärenmusik. Wohl nach Analogie der „ W a g e n " des Helios und der Selene werden dann in P i a t o n s letzter Periode die Planeten, und die Sterne überhaupt, als „Fahrzeuge" vorgestellt, und zwar als solche f ü r Seelen, zu denen sie in analogem Verhältnisse stehen, wie der menschliche Körper zur menschlichen Seele. 2 Es äußert sich hierin eine charakteristische Tendenz der platonischen Spätzeit: die Betrachtung alles Materiellen als untrennbar von einem ihm innewohnenden Geistigen, das als Weltbewußtsein, als allgegenwärtige Weltseele, dem Weltganzen zugrunde liegt, und als Prinzip des Lebens und der Bewegung in den Individuen zutage tritt, — seien sie nun Menschenleiber oder Sterne. Die Epinomis f ü h r t dies des näheren dahin aus, d a ß die Seelen der Sterne eigentlich Sterngötter seien, die, weil ihr Dienst aus Syrien und Ägypten stammt, nicht einmal sämtlich griechische Eigennamen haben, und daß es daher drei Klassen von Göttern gebe: die olympischen, die Sterngötter, und die Dämonen, die teils ätherische, teils solche der Luft und des Wassers seien. 3 Die Theorie vom lenkenden Einflüsse der Ananke und ihrer Töchter (der Parzen) auf die Himmelswelt, in Verbindung 3
1 s. auch Timäus VI, 155. Epinomis VIII, 130ff., 137.
2
ebd. VI, 159, 194; Gesetze VII, 343 ff.
46
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
mit jener von der Parallelität des Geschehens im Makro- und Mikrokosmos, f ü h r t zur Annahme, daß die Schicksale der Welt, im ganzen und in allen Einzelnheiten (z. B. Witterung, F r u c h t b a r k e i t . . . ) , ebenso aber auch die der Erdbewohner, innig mit der Stellung und dem Laufe der Gestirne zusammenhängen, und ganz besonders mit jenen der Planeten; deren Stand bei der Geburt eines Menschen muß daher f ü r dessen Leben von hoher Wichtigkeit sein. 1 Es ist sehr merkwürdig und beachtenswert, daß P i a t o n an mehreren Stellen seiner späteren (wachsenden Einfluß P y t h a goreischer Lehren verratenden) Werke ganz abweichende, und höchst abgeklärte Ansichten ä u ß e r t : die Sterne erweisen sich nicht selten, ebenso wie die Sonne, als der Erde an Größe weitaus überlegen, 2 ihre w a h r e n Bewegungen sind völlig andere als die s c h e i n b a r e n , 3 und letztere täuschen auch Geschwindigkeiten vor, die das tatsächliche Verhältnis in sein gerades Gegenteil verkehren; 4 nur dem Augenscheine nach ist der Lauf der Sonne, des Mondes, und der fünf Planeten vielfältig, verwirrt, und wechselnd, in Wahrheit aber bewegen sich die Weltkörper in einfachen, gleichbleibenden, genau bestimmten Kreisbahnen, 5 und es ist die Aufgabe der Forschung, f ü r diese ein System zu finden, aus dem sich der Anschein des Beobachteten in ausreichender Weise erklären läßt. VII. Physikalisches. Alle Bewegungen des einzelnen sind in letzter Linie auf die zweckvoll bestimmte Bewegung des Kosmos zurückzuführen. Mit dem Weltganzen ist die Bewegung von Anfang an verk n ü p f t , sie ist unerschaffen und unvergänglich; 6 im Gebiete der Einzeldinge beruhen alle Erscheinungen auf Bewegung, und außer ihr gibt es keinen anderen Erklärungsgrund. 7 Daß 1
Gastmahl IV, 289ff.; Staat V, 558ff. 4 Staat V, 538 ff. Gesetze VII, 249. 7 « Phädros IV, 117. Theätet III, 121. 3
2
Epinomis, a. a. O. Gesetze, a. a. O.
5
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
47
eine Bewegung sich ohne Anstoß selbst fortwährend weiter erhält, scheint nicht möglich; 1 daß sie sich gar aus Eigenem noch steigern soll, „so wie die Hitze bei einmal begonnenem Brande", ist wenig wahrscheinlich. 2 Es gibt zehn Arten der Bewegung: 1. die kreisförmige an unveränderlichem Orte, in und um sich selbst; 2. die unter steter Ortsveränderung, sei es in einer geschlossenen Bahn umlaufend, oder strömend; 3 . - 8 . die nach rechts und links, oben und u n t e n , vorwärts und rückwärts; 9. die von einem zweiten Körper verursachte, unter Umständen auch einem Dritten mitzuteilende; 10. die dem eigenen Wesen entspringende, und unter Umständen ebenfalls weiter übertragbare. 3 Die vollkommenste der Bewegungen ist die Kreisbewegung, und auch die wunderbarste: beschreiben sie z. B. m e h r e r e Körper um einen gemeinsamen Mittelpunkt, so können sie Bahnen verschiedenster Länge in genau der nämlichen Zeit zurücklegen, 4 beschreibt sie aber e i n Körper als Kreisel, so bedingt sie einen fortdauernden Umlauf, während er gleichzeitig in senkrechter Stellung feststeht, 5 — worin die Naturen des Kreisförmigen und Geraden in ihrer Vereinigung zutage treten. Wirkt die nämliche K r a f t auf verschiedene Dinge, z. B. sie vom Erdboden emporhebend, so folgen sie ihr in sehr ungleicher Weise, und da nennt man das schwerer Folgende schwer und nach unten strebend, das leichter Folgende leicht und nach oben strebend. Erdartiges z. B. kann nur unter Aufwand einer bedeutenden Kraft, also gewaltsam, in die Luft erhoben werden, offenbar weil seine Natur es zum Verwandten und zu dessen Stelle, als zu seinem natürlichen Orte, hinzieht; 8 denn ähnliches bleibt stets ähnlichem seiner Eigenart gemäß verwandt, — so lehrt schon H o m e r in der Odyssee Ges.XVII, 1
Staatsmann III, 642. Gesetze VII, 535ff. 6 Timäus V, 186 ff.
2
Charmides I, 319. " Gesetze VII, 336.
3
Timäus VI, 161; 5 Staat V, 418.
48
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
V. 218 —, zieht es an und wird von ihm angezogen, und strebt nach jenem Orte hin, der seinem wesentlichen Elemente im Weltganzen zugeordnet ist. 1 Das leicht Bewegliche bewegt auch leicht sich selbst und das Umgebende, verhält sich also aktiv; das schwer Bewegliche ruht und beeinflußt seine Umgebung nicht, bleibt demnach passiv. 2 — Ob P i a t o n im „Streben zur Erde" eine Schwere im heutigen Sinne gesehen und ihren Sitz in den Mittelpunkt der Erde verlegt hat, bleibt ungewiß; allerdings gibt er a n , die unterirdischen Wässer könnten von entgegengesetzter Seite her nur bis zum Erdzentrum vordringen, aber nicht darüber hinaus, weil die weitere Bewegung eine wieder zur Oberfläche aufsteigende wäre. 3 Die Kenntnis der Wirkungen von Bewegtem und Unbewegtem, leicht und schwer Bewegtem, Leichtem und Schwerem usf., sowie die Lehre von den Bedingungen des Gleichgewichtes, ist die S t a t i k ; 4 wo Gleichgewicht besteht, ist kein Streben nach Bewegung mehr vorhanden, 5 wie dies z. B. die Schalen der einspielenden Wage zeigen. 6 Im Weltall herrscht unaufhörliche, von Anfang an mit ihm verbundene Bewegung; da' nun die Kugelgestalt des Kosmos alle seine Teile zusammenhält und keinem ein Entweichen gestattet, da ferner die Partikelchen der Luft und des Feuers, als der feinsten Elemente, die der gröberen zu durchsetzen vermögen, und die Natur sie in die Lücken der letzteren zusammenzudrängen strebt, so ist ein Vakuum offenbar ganz undenkbar. 7 Aus der Unmöglichkeit des Vakuums erklärt sich das Einströmen von Flüssigkeiten in die (in erwärmtem Zustande aufgesetzten) Schröpfköpfe der Ärzte, und ebenso beruht auf ihr, und nicht auf einer „Anziehungskraft", das Verwunderung erregende Verhalten des Bernsteins und des herakleischen Steines; 8 dieser, den 1
Protagoras I, 468; Lysis I, 248; Gastmahl IV, 298; Timäus VI, 164, 2 3 4 Charmides I, 315. 173, 186. Timäus VI, 186 ff. P h ä d o n IV, 534 ff. 5 Timäus VI, 179. 6 Staat V, 564. 7 T i m ä u s VI, 179,182, 205. 8 Timäus VI, 207.
CHEMISCHES
Euripides
UND PHYSIKALISCHES
auch
den
magnetischen
nennt,
fest,
erweckt
selbst
eiserne
diesen
eine K r a f t , a n d e r e festzuhalten,
zuweilen langen des
Ringe
AUS
Ringe oder Eisenstückchen Kette aneinander
Blitzstrahles
eines
Wirkung
des
den
lich
und
Bernsteins
in
Behauptungen
nicht,
daß
es
Glänze des N o r d l i c h t e s
nicht
noch daß
das
der
dieser
Parallele,
2
in
schließlich ganzen
Herabfahren Unmöglichkeit mit
der
er
(ent-
ahnt
im
Erscheinungen,
nur
dazu
Hinsicht
doch
Schweiggers)
beiden 3
aus
in
49
in Gestalt einer
Piaton
setzt
hält
so
h ä n g e n . 1 — Auch
erklärt
Vakuums,
gegen
sondern
PLATON
übrigen
ebenso
natür-
wie
dem
u n d dem „ E r s t a r r u n g - v e r u r s a c h e n d e n "
Schlage des Zitterrochens, 4 die nämliche Ursache z u g r u n d e liegt. Auch
die
Luft
kann
in
regelmäßige
Bewegung
werden, z. B. durch Stimmgabeln, 5 musikalische
gesetzt
Instrumente,
und
Schwingungen von S a i t e n ; auf der Analogie der hierbei
und
bei
den
Bewegungen
der
Gestirne
herrschenden
har-
monischen u n d Zahlenverhältnisse b e r u h t die V e r w a n d t s c h a f t der
Musik
erzeugen
Weges
Stellen
Astronomie. 6
der
hohe,
geraden harte
und
langsame fort,
werden
und
Rasche
der
Schall
Stöße
tiefe
Töne;
beim
Aufprallen
sie n a c h
ihrem
zunächst
sie
zum
der
Luft
pflanzen
sich
auf
glatte
Ausgangsorte
entsteht.8
geworfen, w o d u r c h der Widerhall dringt
7
Gehirn,
Durch das
und
zurückdas
(wie
Ohr schon
Alkmäon
aus K r o t o n zu Beginn des 5. J a h r h u n d e r t s lehrte)
der
der
Sitz
des Wissens zu
Herz u n d
Sinneswahrnehmungen,
ist, 9
und
weiterhin
Leber: daher
der
Erinnerung
und
(vermöge
des Blutes)
auch
erregt
er im
im Herz Leidenschaften, u n d in der Leber Wie vermögen
das an
Hörvermögen das
Auge
an
das
gebunden,
11
Gehirn
Gedanken,
Begierden. 1 0
Ohr,
so
und
wie
ist
das
jede
1
Seh-
Sinnes-
2 3 4 Ion I, 21. Timäus, a. a. O. Staat V, 654. Menon II, 146. 6 Theätet III, 153. Staat V, 540; Timäus VI, 449; Gesetze VII, 432; 8 auch sonst sehr oft. ' Timäus VI, 191. Phädros IV, 129. 9 10 11 Phädon IV, 516. Timäus VI, 194 ff. Laches I, 37.4. 5
v. L i p p m a n n ,
Abhandl. u. V o r t r .
II.
4
50
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
Wahrnehmung, so entsteht auch das Sehen durch Wechselwirkung des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen, also des Aktiven und Passiven: 1 Das in uns befindliche feurige Element strömt als Licht, in Form eines Sehstrahles, durch das Auge aus, desgleichen entsenden aber auch die Objekte Ströme ihrer feinsten Teilchen; nun wird (wie schon Empedokles erwähnt) Gleiches von Gleichem e r k a n n t ; sind also diese Teilchen jenen des Auges angemessen und anverwandt, so können sie im Auge eine Empfindung erregen, und es entsteht dann da, wo beide Arten Partikelchen zusammentreffen, also zwischen Auge und Gegenstand, das Bild, das wir wahrnehmen. 2 Das sehende Organ und das gesehene Licht, ohne das Subjekt und Objekt nicht aufeinander wirken könnten, sind wesensverwandt, und mit Recht bezeichnet man daher das Auge als das sonnenähnlichste unter den Werkzeugen der Sinne. 3 Sind die von den Gegenständen ausgehenden Teilchen genau ebenso groß wie jene des Sehstrahles, so erscheinen die Objekte durchsichtig, sind sie größer, so bewirken sie Erweiterung und Weiße des Bildes, sind sie kleiner, so bedingen sie Verengerung und Schwärze; durch abgestufte Vermischung dieses Hellen und Dunklen entstehen alle übrigen Farben. 4 Die Farbe, f ü r deren Auftreten natürlich das Vorhandensein des Lichtes Bedingung ist, 5 existiert also nicht f ü r sich selbst; sie ist kein Seiendes, sondern ein Werdendes, und entsteht erst durch das Aufeinanderwirken von Objekt und Subjekt. Daher erscheint sie keineswegs allen Wahrnehmenden gleich, ja nicht einmal stets der nämlichen Person, denn auch der Zustand des Beobachtenden wechselt; 6 zudem gibt es Schwach- und Kurzsichtige. 7 1 2 Theätet III, 121; Staat V, 511. Timäus IV, 164;, Phädros IV, 124; 3 4 Menon II, 134; Timäus VI, 191. Staat V, 511, 512. Timäus VI, 191 ff. 6 6 7 Staat V, 511. Theätet III, 117. Staat V, 625.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
51
Die Pupille des Auges wirkt wie ein Spiegel. 1 An glatten und glänzenden Oberflächen vereint und mischt sich nämlich das Licht des Sehstrahles mit dem der Gegenstände, und es entstehen so die Spiegelbilder, die bloße Erscheinung sind und sich willkürlich hervorbringen lassen; 2 in ebenen Spiegeln sieht man das Rechte als Linkes und umgekehrt, weil sich die entgegengesetzten Teilchen der Strahlen berühren, krumme Spiegel zeigen noch viel merkwürdigere Bilder. 3 Die Irrtümer, die man beim Sehen von Objekten in der Nähe und aus der Ferne begeht, die Täuschungen, durch die z. B. ein gerader Stab beim Einsenken in Wasser gebrochen erscheint, die Veränderung und Verschiebung der Bilder im Spiegel und der Schatten an der Wand usf., sind sämtlich wichtige Hinweise auf den Unterschied zwischen den Dingen und ihrer Erscheinung, und verdienen die größte Beachtung. 4 Wir erkennen eben die Dinge nicht so, wie sie s i n d , sondern so, wie sie uns e r s c h e i n e n . Über das, was sie s i n d , dürfen wir wohl nur das eine aussprechen, daß allein das i s t , was irgendwie fähig ist auf anderes zu w i r k e n , und daß nichts anderes das Wesen des Seienden ausmacht, als eben diese K r a f t oder dieses Vermögen der Wirksamkeit. 5 VIII. Schlußbetrachtung. Überblicken wir die Gesamtheit der dargelegten Ansichten und Gedanken, und suchen wir deren Wert in gerechter Weise zu würdigen, so ist zunächst nicht zu vergessen, daß sich das Interesse P i a t o n s verhältnismäßig spät rein naturphilosophischen Fragen zuwandte, ja d a ß vermutlich erst die Lehrtätigkeit in seiner Akademie, der 1 2 Alkibiades I, 201. Sophist III, 548; Staat V, 514, 626; 3 4 Timäus VI, 165. Timäus VI, 165. Sophist III, 548; Staat V, 635. 6 Sophist VII, 519ff.
4*
52
CHEMISCHES
UND FHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
die Angehörigen verschiedenster Schulen zuströmten, es völlig erweckte. Sein eigentliches philosophisches System stand damals längst fest, zum mindesten in allen Hauptteilen; mit den Naturwissenschaften aber h a t t e er sich nur wenig des Näheren beschäftigt, und die Kenntnisse seiner Zeit, noch mehr aber seine eigenen, waren unzureichend und lückenhaft. Es ist daher begreiflich, daß das empirische Wissen um die Natur ihm weniger als ein „Wissen" erschien denn als ein „Meinen", und zwar als Eines über das Wechselnde und Vergängliche, während er nach Erkenntnis des Beharrenden und Ewigen strebte: er suchte das waltende Gesetz, das den Erscheinungen zugrunde liegt, das „Sein", das im Werden zutage tritt, denn nur aus dem Sein war ihm das Geschehen begreiflich. An dieses Das Sein ist aber etwas Metaphysisches. vermag sich nur das reine Denken heranzuwagen, das mit sicheren Schlüssen zu sicheren Ergebnissen fortschreitet; die wandelbare Welt des Geschehens hingegen wird uns durch sinnliche Anschauung gegeben, und diese kann, da sie nur die Erscheinung überliefert und zudem den mannigfaltigsten Täuschungen und Irrtümern unterworfen ist, nicht als gleichwertiges Erkenntnismittel gelten. Dieser Anschauung P i a t o n s entspringt seine Überschätzung des reinen Denkens und sein Herabdrücken des Wertes der Anschauung, sowie der Bedeutung der Materie; auch verleitet sie ihn zur mythologischen, ja mystischen Darstellung gewisser Naturlehren, und zwar bis in die kleinsten Einzelheiten hinein. Spätere Schüler und Nachahmer sahen in der hierbei unvermeidlichen Unklarheit und Dunkelheit die Hauptsache, und die allegorische Geheimtuerei der Alchemisten entstammt nicht zum wenigsten gerade dieser Quelle; P i a t o n selbst bezeichnet aber in aufrichtiger Weise solche Konstruktionen stets als das, was sie sind, und rechtfertigt sie damit, daß ein Nachweis des Behaupteten durch Versuche als eine
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLA70N
53
Art Eingriff in das göttliche Walten erschiene, auch das menschliche Vermögen übersteige, und es stets übersteigen werde, 1 — eine deutliche Mahnung (auch für größte Geister!) zur Vorsicht im Aussprechen des „Ignorabimus". So einseitig, wie man ihm vorgeworfen hat, lehnt übrigens P i a t o n die empirische Forschung keineswegs a b ; wiederholt und mit Nachdruck bezeichnet er vielmehr die „auf Zählen, Messen und Wägen" gegründete Erkenntnis als das Mittel zur Berichtigung der Sinnestäuschungen und zur Schaffung einer exakten Wissenschaft, 2 und ebenso bestimmt verweist er auf den Wert gründlicher und stets erneuter Untersuchungen, durch die das Wesen „vorgeblicher Wundererscheinungen" erklärlich und verständlich werden wird. 3 Was die Einzelheiten der physikalischen Lehren P i a t o n s betrifft, so sind sie, wie leicht ersichtlich, von sehr ungleichem Werte: Die Definition z. B., daß das Wesen des Seienden nichts anderes ist, als sein Vermögen zu wirken, stimmt mit dem L e i b n i z s c h e n Satze: „Wirklich ist allein das Wirkende", sowie mit den Anschauungen der modernsten Energetiker überein, und ist sicherlich von ungewöhnlichem Tiefsinne; auch die Zurückführung der Masse auf den Widerstand, den verschiedene Körper dem Einwirken der nämlichen K r a f t leisten, sowie die Ablehnung von Anziehungskräften (den heutigen Fernkräften), sind Gedanken von hoher Bedeutung. Andere Lehren hingegen erweisen sich als völlig unzureichend, zum Teil sogar als rein willkürlich. Merkwürdigerweise haben aber gerade diese eine lange, mehr als zwei J a h r tausende fortwährende historische Wirksamkeit entfaltet; denn zweifellos ist P i a t o n der Vater des erst 1643 durch T o r r i c e l l i und um 1650 durch G u e r i c k e widerlegten Glaubens an den „Horror Vacui", den „Abscheu der Natur vor dem Leeren", und seine Theorie der verschieden gestalteten Kor1 2 Timäus VI, 193. Staat V, 635; Philebos IV, 732; Euty3 phron V, 208. Timäus VI, 207.
54
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
puskeln, die als Feuerteilchen vermöge ihrer Schärfe alle sonstigen Stoffe zerschneiden, durch ihre wechselnde Größe und Form die Geschmäcke bedingen usf., erbt sich ohne sehr wesentliche Veränderungen fort bis zur sogenannten Spitzen- und Häkchentheorie des D e s c a r t e s (1596 — 1650) und L e m e r y , durch die z. B. letzterer noch im ersten Viertel des 18. J a h r h u n d e r t s die „fressende K r a f t " und den „beißenden Geschmack" der Säuren erklärte. Das Übergewicht, das die Korpuskulartheorie allmählich gegenüber der atomistischen erlangte, dürfte ebenfalls nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen sein, daß P i a t o n diese ablehnte, ja die Atomistiker gar nicht nennt, wenigstens nicht direkt. Jedenfalls galt die Physik P i a t o n s der ganzen, schon bald nach seinem Tode einsetzenden Verfallperiode des echten griechischen Geistes, ferner der späteren hellenistischen Zeit, sowie auch der gesamten mittelalterlichen, als eine seiner allerwichtigsten Leistungen; höchste Bewunderung zollte man aber ihrer teleologischen Fassung im „Timäus", welcher Dialog auch durch seine theologischen Lehren von der göttlichen Weltschöpfung und Weltregierung eine unvergleichliche geschichtliche Bedeutung gewann. Im Orient erwies sich die Wirkung der platonischen Naturlehre ebenfalls als eine mächtige und andauernde; schon bald nach 800 wurde der Timäus ins Arabische übersetzt, 1 und spätere Araber schrieben daraufhin P i a t o n die verschiedensten physikalischen Arbeiten und Abhandlungen zu und glaubten, er sei von Beruf ein großer Physiker gewesen, — nicht anders, wie die syrischen Theologen und Übersetzer des 4. bis 8. Jahrhundertes ihn für einen Mönch und Bibelausleger ansahen, 2 die Goldkocher und Goldmacher der nämlichen Zeit aber, so schon Z o s i m o s von Panopolis (um 300), f ü r einen Alchemisten. Aichemistische 1 De S. 23, 27).
Gedanken
B o e r „Geschichte 2 ebd. S. 22.
sind
nun
freilich,
den
be-
der Philosophie im Islam" (Stuttg. 1901;
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
55
stimmtesten Versicherungen entgegen, bei P i a t o n nicht zu finden, und es muß wundernehmen, daß man den Satz: „Und wüßten wir selbst alle Felsen in Gold zu verwandeln, so h ä t t e dies doch keinen W e r t " , 1 immer wieder in solchem Sinne hat deuten können; aber auf die Entstehung und Entwicklung der Alchemie, und damit auch der Chemie, haben seine Anschauungen tiefgehenden und maßgebenden Einfluß ausgeübt. Grundlage der Theorie von der Umwandlung der Metalle (Transmutation) ist z. B. zweifellos die Auffassung des platonischen „Urwesens" als einer einheitlichen „Urmaterie", die das gemeinsame Substrat aller Elemente und somit auch aller aus ihnen zusammengesetzten Einzelstoffe darstellt; ist aber alles wandelbar, kann jegliches in ein anderes übergehen, läßt die N a t u r das Gold aus Silber, Kupfer oder Eisen, und diese wieder als Produkte eines stufenweisen Abfalles aus jenen „verwandten" aber edleren Metallen entstehen, — warum sollte dann nicht auch der M e n s c h vermögen, Kupfer oder Silber in Gold überzuführen, wenn es ihm nur erst gelänge, sie in den Zustand der gemeinschaftlichen U r m a t e r i e , der „Materia prima", zurückzuversetzen? In solchem Sinne war diese erst wahrhaft als Mutter und Schoß alles Werdens anzusehen, und es unterliegt kaum noch einem Zweifel, daß diesem „Mutterschoße" auch der „ H o m u n k u l u s " entsprang, das durch chemische Umwandlungen künstlich gezeugte Menschlein, als dessen Verfertiger schon in den, gegen 250 n. Chr. redigierten „Homilien" des sog. C l e m e n s R o m a n u s der aus der Apostelgeschichte bekannte Zauberer Dem Kreise dieser AnS i m o n M a g u s genannt wird. 2 schauungen zugehörig ist auch die von der Entstehung der einzelnen Stoffe durch verschiedene Vermischung der Elemente 1 2 Euthydem II, 50. s. K r ü g e r „Geschichte der altchristlichen Literatur" (Freiburg, 1895; S. 235), u. meine Mitteilung im Goethe-Jahrbuch (Bd. 24; S. 218).
56
CHEMISCHES
nach
Art
UND PHYSIKALISCHES
einer
mählung";
eigentlichen
AUS
PLATON
„Vereinigung"
oder
„Ver-
sie erhielt sich bis in das s p ä t e Mittelalter
und
ist noch in den Versen des F a u s t lebendig: D a ward ein roter Leu, ein kühner Freier, Im lauen Bad der Lilie vermählt, U n d beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequält. 1
Auf
platonische
Einflüsse z u r ü c k z u f ü h r e n
ist ferner
die
allgemeine V e r b r e i t u n g der Meinung, d a ß die Metalle in besonderer
Beziehung zu gewissen
selbst m a c h t gehenden
Planeten
stünden.
Piaton
allerdings ü b e r diesen P u n k t keine ins einzelne
Angaben,
den
vier
und
Sterne
ver-
die
Mauern
und
Zinnen der B u r g und des T e m p e l s auf der s a g e n h a f t e n
Insel
Elementen
auch
bundenen
Körper
doch
alle
erwähnt
mit
Sonne,
hervorgingen, 2
er,
daß
Mond
und
läßt
aus
A t l a n t i s in Absätzen aus verschiedenen b u n t f a r b i g e n Silber u n d Gold emporsteigen. 3 dieses Eldorados,
— die
den
die
Glauben
an
nicht wenig
Existenz
jeglicher A r t überreichen lebendig zu
erhalten
N u n liegen der
4
Steinen,
Beschreibung
dazu beigetragen
eines an
Gold
und
hat,
Schätzen
L a n d e s im f e r n e n W e s t e n alle Zeit
—, in
mehr
als einer
Hinsicht
ganz
u n v e r k e n n b a r persische Vorbilder z u g r u n d e ; die S t u f e n t e m p e l der
Perser
Herodots
und
Forschungen mit
Babylonier
erhoben
sich
aber,
wie
schon
Schilderung von E k b a t a n a lehrt, 5 und wie neuere bestätigen,
Hilfe glasierter
zumeist
Ziegel
oder
in
sieben
metallener
Stockwerken,
die
Belagplatten
die
d e m Lichte der sieben P l a n e t e n z u k o m m e n d e n F a r b e n wiedergaben, — die nämlichen, die ihnen a u c h im „ S t a a t " u n d in den
„Gesetzen"
daher
Pia ton
wichtige u n d 1
zugeschrieben die
Kenntnis
merkwürdige
werden. jener
Zweifellos
Beziehungen
Geschichte an dieser
schöpfte
(auf
deren
Stelle
nicht
2 3 „Faust", Teil I, V. 1042ff. Gesetze VII, 329. Kritias VI, 333. H u m b o l d t „Kritische Untersuchungen über die historische Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt" (Berlin 1852); s. die 6 Stellen im Register, Bd. II, S. 207. Herodot, üb. I., cap. 98.
4
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
57
näher eingegangen werden kann) bewußt oder unbewußt aus orientalischen Quellen, auf die übrigens in der „Epinomis" auch direkt hingewiesen wird. Einflüsse der nämlichen Art sind auch bezüglich mehrerer sonstiger belangreicher Lehren anzunehmen; solche betreffen u. a.: die Parallelität des Geschehens im Makro- und Mikrokosmos, der gemäß der Verlauf der irdischen Begebenheiten und menschlichen Schicksale durch den Gang und die Stellung der Planeten bestimmt wird und in allen Einzelheiten mit den Bewegungen der Gestirne zusammenhängt, so daß z. B. selbst die Strömung des Blutes den Umlauf der Weltkörper nachbildet und in diesem Sinne als Kreislauf zu bezeichnen ist; die lenkende Gewalt der Sterngötter, namentlich der Planetengötter, denen die „Sirenen" und späterhin die leitenden „Schutzengel" der Gestirne entspringen; die Bedeutung des „großen" (sog. platonischen) Jahres, das mindestens zehntausend gewöhnliche J a h r e umfassen, und dessen Ablauf die Sterne an ihren ursprünglichen Ort zurückführen, und damit auch die erneute Wiederkehr aller vergangenen Ereignisse einleiten soll; die Existenz einer dritten Klasse von Göttern, der Dämonen des Wassers, der Luft, und des Äthers, aus denen die Elementargeister der Neuplatoniker hervorgehen, — welche letzteren durch ihre phantastische und mystische Ausgestaltung und Übertreibung platonischer Anschauungen die wahren Väter der mystischen Weltbetrachtung und Dichtung im Okzident und Orient wurden, und den Aberglauben der europäischen Völker, aber auch den der Syrer und Araber, für mehr als anderthalb Jahrtausende völlig in ihre Bahnen lenkten. Fraglich bleibt orientalischer Einfluß hinsichtlich der Zahl und Wahl der vier Elemente. Originale Bestandteile des platonischen Systems sind hingegen: die Annahme der vier Formen Würfel, Ikosaeder, Oktaeder und Tetraeder als Gestalten der vier Elemente, die sozusagen stereochemische Deutung ihrer gegenseitigen Umwandlungen, und deren Er-
58
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
klärung durch eine Art chemischer Gleichungen: 1 Luft 2 Feuer, 1 Wasser ^ 2Va Luft, 1 Wasser ^ 2 Luft + 1 Feuer. Daß P i a t o n den Übergang des Eisens und Kupfers in Rost und Grünspan von einer Abtrennung auswitternder erdiger Teilchen, also von einem V e r l u s t an Masse abhängig macht, h a t gleichfalls die Meinungen zweier Jahrtausende auf das nachhaltigste beeinflußt, denn das Vorurteil, die „Metallkalke" entstünden durch Entweichen eines Bestandteiles, also unter Gewichtsverlust, bleibt, trotz vereinzelter Hinweise auf die Tatsachen der Erfahrung, 1 herrschend bis zum Sturze der Phlogistontheorie durch L a v o i s i e r . Aus der Reihe sonstiger chemischer Einzelheiten verdient Erwähnung: die Bemerkung über Anstellung von Gehaltsproben beim Schmelzen des Goldes (die leider nichts über die Art der Ausführung verrät), sowie die Charakteristik der Reinheit einer Substanz, als deren Kennzeichen völlige Gleichheit der einzelnen Teilchen untereinander und mit dem Ganzen angegeben wird. Besondere Bedeutung in alchemistischer Hinsicht erlangten noch die Lehre von der Verwandtschaft des Ähnlichen, und die vom Kreislaufe der Elemente. Daß „Gleiches das Gleiche sucht", „Gleiches das Gleiche anzieht", „Gleiches sich mit Gleichem verbindet und das Ungleiche von sich stößt", ist ein Grunddogma schon der hellenistischen Chemiker, und dieses behält seine Geltung bis ins späte Mittelalter, ja bis in die Neuzeit hinein. Die unaufhörliche gegenseitige Umwandlung der Elemente und deren ununterbrochenes Strömen nach ihrem „natürlichen" Orte, „von oben nach unten und von unten nach oben", wurde symbolisiert im Reif oder „Ring 1 Ein frühzeitiger, wohl wegen der falschen Erklärung in platonischem Sinne wenig beachteter, findet sich bei C a r d a n u s , „De Subtilitate" (Lyon 1554, S. 212): der V e r s u c h beweist, daß Blei beim „Brennen" um Via seines Gewichtes zunimmt (tatsächlich verhält sich auch rund Pb : PbO = 207 : 223).
CHEMISCHES
UND PIIYSIKALISCHES
AUS PLATON
59
des P i a t o n " (annulus P i a t o n i s ) , mit dem m a n jedoch a u c h wieder
die
Kette
magnetischer
die im „ T h e ä t e t " 1
Ringe aus d e m
„Ion",
Ilias 2 a n g e f ü h r t e goldene
aus der
und Kette
des Zeus, die „ C a t e n a aurea H o m e r i " , identifizierte; sie alle gelten
als
endlosen
Sinnbild
eines
allgemeinen
Zusammenhanges
Kreislaufe des Weltalls, einer, u n b e r ü h r t von
Wechsel des Einzelnen, b e h a r r e n d e n , einheitlichen
im
allem
Verkettung
des Ganzen, die u n t e r b r o c h e n und zerstört w ü r d e , wenn auch n u r ein einziges kleines Glied fehlte.
Diese A n s c h a u u n g w a r
n a m e n t l i c h von n a c h h a l t i g e m Einflüsse auf die T r a n s m u t a t i o n s theorie
der
alexandrinischen
edlung
der
Metalle
Chemiker,
begleitenden
in
deren,
Formeln
die
und
Ver-
„heiligen"
Sprüchen der Kreislauf der E l e m e n t e u n d das Strömen
„von
u n t e n nach oben u n d von oben n a c h u n t e n " eine H a u p t r o l l e spielt.
Den
„Superius Hermes,
Gipfel
seiner
Bedeutung
et inferius H e r m e t i s " das hermetische
als
(gegen
des
„Hermes
400
Oben
n. Chr.)
oder
die
Merkurs
(das und
erlangte Oben
und
Unten
des
Philosophen"
von
der
nicht den
Bedeutung
Metallverwandlung
genügend
Anlaß
flügelten dieses
dieses
Quecksilbers,
gab,
gewürdigt, daß
Merkur
nunmehr
man
zuteilte als
„Metall
zweifellos
auch
sie
dem
be-
Stelle des
aber
schon
außer die
dem
zu
Gebrauch
goldene 1
Jupiter
zugesellte
Beginn
unserer
gekommen
Kette
des
Zeus"
Zinnes,
das
und
während
„Elektron"
in den
Listen
Gold-Silber-Legierung, Zeitrechnung
war. — Der
Homers3
Lehre
entschieden
Quecksilber f o r t a n
setzte, jene ehemals hochgeschätzte, Vorzeit
bisher
obwohl
das an
man
der
wurde;
F o r t s c h r i t t e s f ü r die
hat
des erst,
(nämlich
„Philosophi per i g n e m " , d. i. der Chemiker) e n t d e c k t die ungeheure
das
U n t e n ) vermutlich
Destillation der
jedoch
erbten
fast übrigens
der die
gänzlich
Ring P i a t o n s sich
er-
und durch
2 3 Theätet III, 117. Ges. VII, V. 18ff. s. K o p p , „Aurea catena Homeri" (Braunschweig 1880), u. M a a c k , „Die goldene Kette Homers" (Lorch 1905).
60
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
alle Geschlechter der hellenistischen und mittelalterlichen Alchemisten bis zu den Rosenkreuzern des 18. J a h r h u n d e r t s f o r t ; noch G o e t h e fand in der „Aurea catena Homeri", einer aus rosenkreuzerischem Kreise herrührenden Schrift, ,,die Natur in schöner Verknüpfung dargestellt", und auch S c h i l l e r sagt im Gedichte „Die Weltweisen" von der N a t u r : Sie sorgt, daß nie die Kette bricht Und daß der Reif nicht springe.
Wie schon aus diesen letzten Anführungen ersichtlich ist, beherrschen platonische Gedanken in mehr als einer Hinsicht auch noch die Ausdrucksweise unserer Zeit. Wenn wir von der „Harmonie des Weltalls" sprechen, vom „Kreislaufe der Elemente und des Lebens", von „der Sinnenund der Geisteswelt" (mundus sensibilis et intelligibilis), von der „Weltseele", vom „Leibe als Kerker der unsterblichen Seele", von „irdischer und himmlischer Liebe", von „platonischer Liebe", von der Liebe als „obherrschendem Weltprinzip", von „Ideen", von „den vier Kardinaltugenden", vom „Schwanengesang", 1 vom „atlantischen" Ozean, von ,,der Zeit, da die Könige Philosophen oder die Philosophen Könige sein werden"; wenn wir aus S h a k e s p e a r e zitieren „Des Dichters Aug' in schönem Wahnsinn rollend", aus G o e t h e „ W a r ' nicht das Auge s o n n e n h a f t . . . " , 2 oder „Wem sie (die Schönheit) erscheint, wird aus sich selbst e n t r ü c k t " ; 3 wenn wir den Spruch anführen: „ E s gibt viele Thyrsosträger, aber nur einen Bacchus", oder „Ein großer Freund ist mir S o k r a t e s , ein größerer die Wahrheit", 4 — so sind wir uns kaum mehr bewußt, daß es der Glanz platonischer Edelsteine oder doch platonischer Fassung ist, dessen wir uns erfreuen. Das Fortleben der naturwissenschaftlichen Ansichten und 1 2 Phädon IV, 501. s. meine Mitteilung im Goethe-Jahrbuch, 3 4 Bd. 15, S. 267. ebd., Bd. 24, S. 220. Phädon IV, 509.
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS PLATON
61
Meinungen P i a t o n s , auch der unzureichenden und unrichtigen, .ist auf das engste an das der unvergänglichen G e s a m t l e h r e n des Meisters geknüpft, wie es in den angeführten, die Jahrtausende überdauernden Gedanken und Wortprägungen zutage tritt, — ebenso sehr aber auch an die mächtige Nachwirkung seiner gewaltigen P e r s ö n l i c h k e i t . Gewaltig ist sie durch die Vereinigung höchster Geistesgröße und erhabensten Charakters, überwäjtigend durch die Vielseitigkeit ihrer Leistungen. P i a t o n zeigt sich nicht minder groß und bahnbrechend als künstlerischer Schriftsteller und Stylist, wie als Forscher und Denker, mag man die Philosophie (Erkenntnislehre, Metaphysik, Ästhetik, Ethik) in Betracht ziehen, die Theologie, Psychologie, oder die Mathematik; er ist aber auch Staatsmann und Sozialpolitiker, und als solcher ein von den weitschauendsten Plänen erfüllter Reformator des öffentlichen Lebens, der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände; er strebt als Pädagoge, mit Hilfe der Wissenschaft, der Kunst, und des persönlichen Beispieles, das heranwachsende Geschlecht zu freien und der Freiheit würdigen Bürgern zu erziehen, und so seinem Volke, ja der Menschheit, eine Bahn fortschreitender Vervollkommnung zu erschließen; er stiftet im Hain des athenischen Lokalgottes Akademos 387 v. Chr. die „Akademie", die bis zu ihrer Aufhebung durch den Kaiser J u s t i n i a n (529 n. Chr.), also durch nahezu ein Jahrtausend, die Pflegestätte des von ihm organisierten rein-wissenschaftlichen Unterrichtes blieb, und den Körperschaften gleicher Art noch heute ihren Namen leiht; unaufhörlich selbst lernend und strebend lehrt und wirkt er bis die K r a f t versagt, und, unabgeschreckt durch bittere Erfahrungen und schwere Enttäuschungen, bleibt er bis zum letzten Augenblicke der unermüdlich-tätige Vorkämpfer seiner Lehre des Idealismus, im Sinne des edlen Wortes „Gedenke zu leben".
62
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
So steht P i a t o n vor uns als die reinst-erschlossene Blüte echten Griechentumes und national-hellenisch.er Geistesentfaltung; „er ist der priesterliche Weise, der mit mahnender Hand dem unsterblichen Geiste aufwärts den Weg weisen will, von dieser Erde hinan zum ewigen Lichte"; „in ihm sehen wir vorbildlich für alle Zeiten das Kulturideal der Menschheit verkörpert: sich ihr Leben und ihre Wissenschaft zu gestalten." 1 Der Einfluß P i a t o n s auf seinen Schüler A r i s t o t e l e s , weiterhin auf K a r n e a d e s , „den H u m e des Altertumes" (213 bis 129 v. Chr.), auf P l o t i n o s ( 2 0 4 - 2 6 9 n. Chr.), und A u g u s t i n u s (354—430 n. Chr.), und durch diese, namentlich durch A r i s t o t e l e s und P l o t i n o s , auf die Denkweise der ganzen Folgezeit, auf die Entstehung und Ausgestaltung der christlichen Glaubenssätze, und auf die gesamte Entwicklung des europäischen Geisteslebens, ist ein so tiefgreifender und umfassender, daß er von dem k e i n e s anderen Philosophen auch nur annähernd erreicht wird. Wenn trotz dessen auch s e i n e Lehre nicht stets in voller Reinheit bewahrt blieb, wenn sie schon von manchen unmittelbaren Nachfolgern des Meisters mißverstanden, von späteren aber nicht selten geradezu entstellt und verzerrt wurde, so ist dies das Schicksal, dem fast ausnahmslos gerade die größten und tiefsten Schöpfungen bahnbrechender Geister anheimfallen. Welchen Dank solche Lehrer neuer Weisheit seitens der großen Menge zu erwarten haben, darüber hat sich P i a t o n selbst, frei von jeder Illusion, in jenem berühmten „Mythus von der Höhle" ausgesprochen, der, in Form eines der erhabensten Gleichnisse der Weltliteratur, das Verhältnis zwischen Sein und Erscheinung der Dinge klarlegt. 2 Er lautet in R ü c k e r t s fast wörtlicher, kongenialer Übersetzung: 3 2 1 Worte W i n d e l b a n d s u. R o h d e s . Staat V, 518. sammelte poetische Werke" (Frankfurt 1868; Bd. 8, S. 495).
3
„Oe-
CHEMISCHES
UND PHYSIKALISCHES
AUS
PLATON
„In einer Höhle, hochgewölbt und tiefgegraben, Sind träge Wohner, die dort feste Sitze haben. Wie angefesselt sind sie an dem Sitz von Stein, Und sitzen a u s w ä r t s nicht gewendet, sondern e i n . In ihrem Rücken ist von oben eine Kluft Gesprengt, durch welche dringt des Himmels Licht und Luft. Vor ihrem Angesicht der Höhle finstre Wand Dient ihrem Augenmerk zum einz'gen Gegenstand. Sie halten zugewandt den Rücken jenem Licht, Und nur auf diese Wand gewendet ihr Gesicht. Was werden sie da sehn? die Schatten, die entstehn, Der Dinge, die vorbei in ihrem Rücken gehn; Die Schatten, welche wirft der Sonne Glanz vom Rücken, Um auch mit einem Bild das dunkle Haus zu schmücken. Die Leute drinnen sehn die Dinge nicht und halten Das Schattenbild davon für wirkliche Gestalten. Sie freuen mäßig sich am bunten Schattenspiel, Und wissen doch davon den Grund nicht, noch das Ziel. Nun aber ist ein Geist zu einem hergekommen, Der hat die Fesseln ihm, die Trägheit abgenommen. Geblieben sind geschnürt die andern unberührt, Ihn aber hat der Geist befreiet und entführt. Sein Angesicht zum Licht wandt' er mit schneller Wendung, Da traf sein Angesicht vom Licht die erste Blendung. Doch aufwärts zog er ihn die hehre schwere Kluft, Und ihm entgegen kam zur Stärkung Himmelsluft. Und als er draußen war, erstaunt' er nicht geringe, Daß er nun offenbar statt Schatten sah die Dinge. Sein Auge war noch schwach für die Gewalt des Schönen, Er mußte nach und nach sich an den Glanz gewöhnen. Er sah der Sonne Bild zuerst im Spiegelteich; Sie war noch nicht sie selbst, doch schon sich selber gleich. Dann aber könnt' er ihr ins Auge blicken frei, Beseligt, daß ihr Blick in seinem Auge sei. Nun aber durchs Geschick ist er zurückgekommen Zur Höhl, und hat den Sitz dort wieder eingenommen. Dort sitzen noch, die sich am Schattenbild erbaun, Denselben wollt' er nun, was er geschaut, vertraun. Viel Mühe gab er sich, in Bildern zu erklären, Daß dies die Bilder nur, und nicht die Dinge wären. Doch sie verstanden's nicht, und glaubten's nicht, und lachten, Und fuhren ruhig fort, die Schatten zn betrachten."
4 C H E M I S C H E S UND A L C H E M I S C H E S AUS A R I S T O T E L E S 1 Einleitung. 1.
orbedingung f ü r die Abfassung einer Geschichte der Chemie im Altertum ist die genaue Feststellung der chemischen Kenntnisse, die sich in den Werken der bedeutendsten antiken Schriftsteller vorfinden, oder aus ihnen zu entnehmen sind. An wirklich brauchbaren Arbeiten in dieser Richtung herrscht noch großer Mangel, der sich durch die geringe chemische Bildung der Philologen, und die ebenso geringe philologische der Chemiker, genügend erklärt: denn zu annehmbaren Ergebnissen kann auf diesem Gebiete nur gelangen, wer die Quellenschriften versteht (wenn auch nur unter Mitbenützung von Hilfsmitteln), und zugleich die Wichtigkeit ihres Inhaltes zu erkennen und zu beurteilen vermag. Beide Fähigkeiten finden sich heutzutage nur selten in jenem Maße verbunden, das Arbeiten von absoluter Vollendung verbürgt, daher wird man sich vorerst in vielen Fällen auch mit solchen relativen Wertes begnügen müssen, 2 namentlich, wenn es sich um Werke eines Autors handelt, die, durch Vielseitigkeit des Inhaltes und durch Schwierigkeit der Form, auch 1
„Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik" 1910, S. 233. Herrn Geheimrat Prof. Dr. R u d o l f K o b e r t in Rostock in 2 aufrichtiger Verehrung dargebracht. S. die Aufsätze über die chemischen Kenntnisse d e s P l i n i u s und D i o s k u r i d e s ( i n meinen „Abhandlungen und Vorträgen zur Geschichte der Naturwissenschaften", Leipzig 1906), ferner über „Chemisches und Physikalisches aus P i a t o n " (1907; „Journal f. prakt. Chemie" II, Bd. 76, S. 513, sowie Nr. 3 des vorliegenden Bandes).
CHEMISCHES
heute
UND ALCHEMISCHES
noch, zweiundzwanzig
AUS
ARISTOTELES
Jahrhunderte
nach
65
ihrer
ersten
Niederschrift, selbst Fachgelehrten viele und große Rätsel
zu
lösen bieten. Dies
ist
der
Fall
bei
den
Schriften
des
Aristoteles.
Sogar hinsichtlich der vielgelesensten d u r f t e , u n t e r Allen, ihnen im Laufe der Zeiten n ä h e r t r a t e n , h a u p t u n g wagen,
er h a b e die w e l t u m f a s s e n d e B e d e u t u n g des
Dargelegten völlig erschöpft, die großen feinen Verzweigungen die
plangemäßen
gedeckt.
die
noch keiner die BeRichtlinien wie ihre
überall z u t r e f f e n d h e r a u s g e f u n d e n ,
Zusammenhänge
allerorten
Gilt dies a b e r schon von jenen
und
lückenlos
auf-
Lehrgebieten,
die,
ihrer hohen W i c h t i g k e i t halber, den Gegenstand ausführlicher W e r k e bilden u n d auch seit jeher m i t besonderem klärt
und
kommentiert
wenn
es sich nicht
wurden,
mehr
so wachsen
darum handelt,
die
Eifer erBedenken,
den S t a n d
einer
Disziplin zu einer b e s t i m m t e n Zeit festzulegen, sondern fängen
und
Vorahnungen
nachzuforschen,
denen
s p ä t e r e r Zeit eine Wissenschaft entspringen sollte. selten
lassen
sich
hierbei
die
Umrisse
des
erst
Denn
Bildes
gleich
Anin nur in
großen Zügen gestalten, zumeist aber ist die A u f g a b e gestellt, die
Lücken
des Mosaiks
mit
kleinen
Steinchen
auszufüllen,
die der G e s a m t h e i t eines ungeheuren, ganz anderen dienenden,
nicht
wohlgeordneten,
und
nicht
immer
Zwecken einheit-
lichen Materials zu e n t n e h m e n , u n d aus tausendfältigen Zufallsv e r b i n d u n g e n herauszulösen sind. auch und nisse
die
Mißlichkeit
notwendigerweise und
Irrtümer
Die Unvermeidlichkeit, aber
eines solchen werden
entspringen
ihm
Verfahrens
leuchtet
mancherlei
Mißverständ-
müssen;
diese zu
ein,
bemerken
u n d zu berichtigen, m a g der d a n k e n s w e r t e n B e t ä t i g u n g philologischen u n d philosophischen Fachwissens v o r b e h a l t e n bleiben. 2. Bald nach dem Tode seines erlauchten Zöglings, A l e x a n d e r des Großen,
sah sich A r i s t o t e l e s ,
v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.
II.
der bis dahin u n g e s t ö r t 5
66
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
in Athen gelebt u n d gewirkt h a t t e , durch die lebensgefährliche Anklage
auf
Asebie
(Religionsstörung)
bedroht,
die
seine
o r t h o d o x e n , politischen (anti-mazedonisch gesinnten), und persönlichen
(dem
Gegner Da
in
Redner-
einmütigem
und
Gelehrten-Stande
Zusammenwirken
es aussichtslos w a r ,
den
angehörigen)
wider
Fanatismus
ihn
der P a r t e i e n
G r ü n d e zu widerlegen, v e r z i c h t e t e A r i s t o t e l e s schreitung
des
Rechtsweges,
und
erhoben.
verließ
die
auf
durch
die
Stadt
Be-
„deren
B ü r g e r sich nicht z u m zweiten Male an der Philosophie versündigen sollen", sowie seine im J a h r e 335 unweit des „ L y k e i o n " begründete
Schule,
und abwandelnd begab
sich
nach
unter
deren
er v o r z u t r a g e n Chalkis
auf
schattigen
Baumreihen
auf-
u n d zu lehren pflegte. 1
der
Insel
Euböa,
der
Er
Heimat
seiner M u t t e r , u n d g e d a c h t e d o r t einen politischen U m s c h w u n g a b z u w a r t e n , den er f ü r n a h e b e v o r s t e h e n d hielt; doch erlebte er einen solchen nicht mehr, da ihn schon nach kurzer Zeit ein schweres inneres Leiden im 63. Lebensjahre v. Chr. h i n w e g r a f f t e . Über die Schicksale der Werke, die A r i s t o t e l e s
hinter-
ließ, sind wir n u r unvollständig u n t e r r i c h t e t , doch s t e h t so viel fest, d a ß sie lange Zeit h i n d u r c h einer getreuen u n d brochenen
Überlieferung
die, im ganzen noch
völlig
heute
ermangelten,
und
übliche F a s s u n g
und
erst gegen 70 v. Chr. zuteil wurde. Schriften
herrscht
Ungewißheit:
ununter-
daß
ihnen
Anordnung,
Schon betreff der Zahl der der
Philosoph
Ptolemäus
g i b t sie (wie eine arabische Überlieferung besagt) auf 92
an,
D i o g e n e s aus Laerte auf 146, H e s y c h i o s gar auf 196; doch sind
h i e r u n t e r vielleicht
nur Abhandlungen
v e r s t e h e n , denn über die u r s p r ü n g l i c h e n Einteilungen heute 1
ist
uns
gebräuchlichen
nicht
viel
rühren
Sicheres nur
in
oder
Kapitel
Benennungen bekannt,
wenigen
und
Fällen
zu und die von
Von „Lykeion", dem Heiligtume des A p p o l l o n L y k e i o s (des Wolfstöters), schreibt sich unser „Lyceum" her, vom Wandeln unter den Baumgängen (neginazoi = Peripatoi) der Namen „Peripatetiker" für die Anhänger der aristotelischen Philosophie.
CHEMISCHES
Aristoteles „Organon"
UND AL CHEMISCHES
selbst
her.
So
AUS ARISTOTELES
z. B.
stammt
( = W e r k z e u g ) f ü r die logischen
der
67
Gesamttitel
Hauptwerke
erst
a u s b y z a n t i n i s c h e r Zeit, u n d die „ M e t a p h y s i k " w u r d e so benannt,
weil sie sich
im K o r p u s
der aristotelischen
Schriften
u n m i t t e l b a r n a c h {¡hhtu = m e t a ) der P h y s i k eingereiht f i n d e t , und
nicht
ausgeht;
etwa,
weil
ihr I n h a l t
Aristoteles
( = Prinzipien die zeitliche
oder
über
den der P h y s i k
selbst zitiert sie als
Grundfragen
Reihenfolge der
der
%oéxr¡
Philosophie).
Schriften hat
hin-
cpiloaorfíct —
Auch
sich bisher
nicht
m i t völliger B e s t i m m t h e i t e r m i t t e l n Jassen; wahrscheinlich
ist,
d a ß die rein logischen die ä l t e s t e n sind, u n d d a ß ihnen nächst
die
weiterhin
naturgeschichtlichen
die
ästhetischen,
In der großen, v o n
und
ethischen
zu-
psychologischen, u n d politischen
der Berliner
Akademie
der
und
folgten. Wissen-
s c h a f t e n v e r a n s t a l t e t e n A u s g a b e füllen die W e r k e des A r i s t o teles
zwei
Quartbände
126720 D r u c k z e i l e n ;
mit
1584 z w e i s p a l t i g e n
Seiten
und
einschließlich einiger F r a g m e n t e u n d
des
1891 aus einem P a p y r u s e n t z i f f e r t e n „ S t a a t s w e s e n s der A t h e n e r " kann
man
den
Gesamtumfang
auf
rund
130000 Zeilen
ver-
ausgearbeiteten
und
anschlagen. Keine
der
von
Aristoteles
völlig
v o n i h m selbst v e r ö f f e n t l i c h t e n S c h r i f t e n scheint auf u n s g e k o m m e n zu sein.
unverändert
Die e r h a l t e n e n T e x t e lassen sich,
der g e g e n w ä r t i g vorliegenden
Gestalt gemäß, ungezwungen
in
folgende wesentliche G r u p p e n einteilen: a) E c h t e weise
jedoch
Hauptwerke.
Sie
beruhen
nur
des
Vortrages
Zwecken
auf
eigenen
(teil-
dienenden)
Auf-
z e i c h n u n g e n , auf N a c h s c h r i f t e n der Hörer, u n d auf T r a d i t i o n e n der S c h u l e ; H e r a u s g e b e r , u n d z w a r o f t r e c h t s p ä t e , redigierten u n d k o m b i n i e r t e n diese Quellen, u n d h i e r a u s e r k l ä r t sich d a s Nach- und
Durcheinandergehen
Mangel
Stileinheit;
an
z. B. die „ P o e t i k " u n d b) E n t w ü r f e u n d
einige
mehrfacher'Texte, sind
sowie
der
nur
stückweise
erhalten,
Stoffsammlungen.
Sie t r a g e n 5*
durchaus
„Ökonomik".
68
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
f r a g m e n t a r i s c h e n C h a r a k t e r , ja sind zuweilen nichts weiter als K o n g l o m e r a t e von Auszügen aus f r e m d e n Schriften nebst einschlägigen Hand.
Zusätzen
und
Bemerkungen,
— o f t von
Hierher zählen u. a. die „ W u n d e r b a r e n
späterer
Nachrichten",
die „ P r o b l e m e " , ganze Teile der zoologischen Bücher, usf. c)
Unechte
und
untergeschobene
Werke.
Hinsichtlich
ihrer Beurteilung gehen die Meinungen der Kritiker noch auseinander.
Gänzlich
u n e c h t sind wohl die
Schriften
„Über
die W e l t " (De cosmo), „ Ü b e r den L e b e n s h a u c h " (De spiritu), „Über
die
Pflanzen",
und
„Über
die
Physiognomik",
denen die beiden ersteren v e r m u t l i c h nicht vor dem Jahrhunderte
v.Chr.,
die
dritte
(durch
k e n o s ) zur Zeit des Kaisers A u g u s t u s , um
100
n.Chr.
ihre
gegenwärtige
Nikolaos
von
zweiten Damas-
u n d die vierte erst
Gestalt
erhielten;
sind aber auch in ihnen einzelne Züge als aristotelisch
gewiß anzu-
erkennen, u m so m e h r als wir wissen, d a ß es z. B. ein echtes Buch
„ Ü b e r die P f l a n z e n " gab, das aber verloren
gegangen
ist, — ebenso wie noch m a n c h e a n d e r e wichtige A b h a n d l u n g e n , z. B. die mit Zeichnungen versehene „ Ü b e r die Zergliederung (Anatomie) teilweise
der
Tiere"
und
u n e c h t gelten
die
u.a.
„Über
Astronomie".
die „ E u d e m i s c h e
Ethik",
Für die
„ G r o ß e E t h i k " , die „ R h e t o r i k an A l e x a n d e r " , die Schriften über
„Farben",
„Töne",
„Mechanik",
„Bewegungsvermögen
der T i e r e " , sowie die ü b e r „ M e l i s s o s u n d Z e n o n " , die „ L e h r e n der
Atomistiker",
meisten
unter
Tradition feststellen, schiebsel
und
ihnen
die
„Tugenden
gehen
fraglos
z u r ü c k , doch läßt sich k a u m in und
welchem
Umfange
Weglassungen
allein
der
Unwissenheit
sowie
der
Ungunst
sie
entstellt
und
und
auf
mehr mit
wurden,
oder
auch
Die
aristotelische
allmählich
Sorglosigkeit
der Zeiten,
Laster".
gute
Sicherheit durch
und
ob
Eindiese
der
Abschreiber,
der
planmäßigen
T e n d e n z der R e d a k t o r e n zur Last f a l l e n ; sie bleiben in ihrer großen Mehrzahl wichtige Quellenwerke, sind aber im einzelnen n u r m i t Vorsicht zu b e n u t z e n .
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
69
3. D e r h i e r z u g e b e n d e n D a r s t e l l u n g der L e h r e n d e s teles
liegen die n a c h b e n a n n t e n
folgenden,
in
alphabetischer
Aristo-
Schriften z u g r u n d e , 1 die
Anordnung
vorangestellten,
unter ab-
gekürzten Bezeichnungen zitiert w e r d e n : 1. A und Aß: Analytica I. und II. (Logik). 2. At.: Lehren der Atomistiker. 3. Ath.: Staatswesen der Athener. 4. B.: Bewegungsvermögen der Tiere. 5. E.: Entstehen und Vergehen. 6. Eu.: Eudemische Ethik. 7. F.: Fortbewegung der Tiere. 8. Fa.: Über die Farben. 9. Fr.: Fragmente (Berl. Akad. Ausg., Bd. II, S. 1463). 10. Gr.: Große Ethik. 11. H.: Hermeneutik (Über Sprache und Gedanken). 12. Hi.: Über das Himmelsgebäude. 13. Kat.: Kategorien (Lehre vom Begriff). 14. L.: Über die unteilbaren Linien. 15. M.: Meteorologie. 16. Mech.: Mechanische Probleme. 17. Mel.: Über M e l i s s o s ( X e n o p h a n e s ) , Z e n o n und G o r g i a s . 18. Met.: Metaphysik. 19. Ni.: Nikomachische Ethik. 20. Ö.: Ökonomik. 21. P.: Parva Naturalia ( = Kleine naturwissenschaftliche Schriften). 22. Pg.: Physiognomik. 23. P h . : Physik. 24. Po.: Poetik. 25. Pr.: Probleme. 26. Rh.: Rhetorik. 27. Rh. AI.: Rhetorik an Alexander. 28. S.: Über die Seele. 29. Sp.: Über den Lebenshauch (De spiritu). 30. St.: Über den Staat. 31. T.: Tugenden und Laster. 32. Th.: Teile der Tiere. 33. To.: Topik (Lehre von den Schlüssen); Anhang, Buch I X : Über Trugschlüsse. 1
Ganz ausgeschlossen wurde die Abhandlung des N i k o l a o s D a m a s k e n o s „Über die Pflanzen".
70
CHEMISCHES 34. 35. 36. 37. 38. 39.
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Tö.: Über die Töne. W.: Wunderbare Nachrichten. We.: Über die Welt (De cosmo). Wi.: Über die Winde. Z.: Zeugung und Entwicklung der Tiere. Zo.: Tierkunde (Zoologie).
Von diesen gehören im wesentlichen an (denn eine strenge E i n t e i l u n g zu geben, ist unmöglich): Der Der Der Der Der Der Der Der Der
Logik und reinen Philosophie: 1. 13. Psychologie und Naturphilosophie: 5. Ethik: 6. 10. 19. 31. Ästhetik: 24. Sprachwissenschaft: 11. 26. 27. Mathematik: 14. Physik und Chemie: 2. 8. 12. 15. 16. Zoologie: 4. 7. 22. 32. 38. 39. Politik und Nationalökonomie: 3. 20.
17. 18. 33. 21. 25. 28. 29. 36.
23. 34. 35. 37. 30.
Hierbei ist jedoch zu b e m e r k e n , d a ß m a n c h e der aristotelischen T i t e l w o r t e ganz anderes besagen, als was m a n gegenw ä r t i g u n t e r ihnen zu verstehen p f l e g t : so z. B. bezweckt die „Zoologie"
nicht sowohl die Beschreibung der Tiere,
als
die
E r k e n n t n i s der verschiedensten, i n n e r h a l b der g e s a m t e n Tierw e l t w a l t e n d e n Beziehungen; die „ P h y s i k " ist weniger P h y s i k in
jetzigem
Sinne,
als N a t u r p h i l o s o p h i e
mit
physikalischem
Einschlage; die „Meteorologie" b e h a n d e l t , a u ß e r ihrem heutigen Gebiete,
alles
mögliche
zwischen
Himmel
und
Erde
Schwe-
b e n d e oder als schwebend Gedachte, sowie das aus ihm
Ent-
s t e h e n d e oder als e n t s t e h e n d A n g e n o m m e n e , usf. Im folgenden sollen n u n z u n ä c h s t gemeinen
Grundsätze
und
die einschlägigen
Anschauungen
des
all-
Aristoteles
ü b e r N a t u r f o r s c h u n g dargelegt werden, und sodann seine b e sonderen
Ansichten
über
die
wichtigsten
chemischen
Pro-
bleme (im weitesten Sinne); ein z u s a m m e n f a s s e n d e r Rückblick, und
eine
Erörterung
aristotelischen
der
Bedeutung
Lehren sind b e s t i m m t ,
h a n d l u n g zu bilden.
und
Nachwirkung
der
den
Schluß dieser
Ab-
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
71
I. Grundsätze der Naturforschung. Zur wahren Einsicht f ü h r e n Verwunderung und gründlicher Zweifel: ihr A u f t a u c h e n zeigt an, daß im Faden des Denkens Knoten vorhanden sind, und aus deren Lösung entspringt d a n n die richtige Erkenntnis. 1 Zweck der N a t u r f o r s c h u n g ist, das richtig durch die Sinne Beobachtete zu erklären, übereinstimmend m i t der Erfahrung, und ohne Rücksicht auf irgendwelche Voraussetzungen oder vorgefaßte M e i n u n g e n ; 2 denn die Meinungen der Menschen wechseln häufig, auch gelangen längst abgetane wieder zu neuer Bedeutung, und dieser Vorgang wiederholt sich u n a u f hörlich. 3 Allerdings sind die Erscheinungen n u r zu einem Teile erklärbar, zu einem anderen aber n i c h t ; a l l e folgen jedoch natürlichen Gesetzen und stehen in gesetzmäßigem Zusammenhange.4 Ohne E r f a h r u n g und Anschauung ist ein zureichender Einblick und Überblick unmöglich; 5 m a n gelangt ohne sie nur zu nichtssagenden und Scheinerklärungen, 6 die nicht mehr W e r t haben als gewisse, formal ganz richtige Schlüsse, die auch ein Blindgeborener betreffs der Farben ziehen kann, ohne daß er sich aber bei solchen Worten auch etwas E n t sprechendes vorzustellen vermöchte. 7 Die Wissenschaft geht also aus der E r f a h r u n g hervor, 8 und ihr U m f a n g ist b e s t i m m t durch jenen der vorliegenden Beobachtungen und durch deren Genauigkeit; 9 geraten ihre Schlüsse mit der E r f a h r u n g und den Tatsachen in Widerspruch, so beweist dieses, daß die Beobachtungen ungenügende waren. 1 0 Nicht selten fehlt es noch ü b e r h a u p t an B e o b a c h t u n g e n ; 1 1 w i r d m a n s i e a b e r k ü n f t i g m a c h e n , so i s t i h n e n mehr G l a u b e n b e i z u m e s s e n als der T h e o r i e , und dieser 1 s
M e t . III, 1.
E. II, 2 .
6
2
Z. II, 1 3 2 .
7
II, (5), 1 4 u n d (6), 1 0 ; IV, (I), 2. 11
Z. II, 7 5 ;
III,
101.
3
H i . III, 7 . P h . II, 1. 10
M . I, (3), 4 . 8
M e t . I, 1.
4 9
M . I, (1), 2. M . I (3) 2 0 ;
Z. III, 7 5 u n d II, 2 7 ; H i . IV, 2 .
72
CHEMISCHES
nur
insoweit
Ergebnissen
UND ALCHEMISCHES
zu v e r t r a u e n , f ü h r t wie
AUS
ARISTOTELES
als sie zu den
nämlichen
die B e o b a c h t u n g e n ; 1
Tatsachen
beweisen. 2 Man wird d e m n a c h teils selbst zu u n t e r s u c h e n , teils a n d e r e U n t e r s u c h e n d e zu befragen haben, u n d w e n n sich hierbei eine Meinung
ergibt,
die
von
der
bisher
gehegten
abweicht,
so
k a n n m a n zwar beide w e r t s c h ä t z e n , folgen m u ß m a n aber der als z u t r e f f e n d b e f u n d e n e n . 3 In letztem G r u n d e b e r u h t alles besondere Wissen auf sinnlicher B e o b a c h t u n g , nämlich e n t w e d e r auf
Induktion, die aus
d e m Einzelnen, oder auf D e d u k t i o n , die aus dem Allgemeinen e r f l i e ß t ; zu letzterem a b e r k ö n n t e m a n , ohne vorheriges
Er-
fassen
ge-
des
langen. 4
sinnlich
wahrnehmbaren
Einzelnen,
gar
nie
Weil jedoch die I n d u k t i o n nie ganz vollständig sein
k a n n , und alle Schlüsse aus ihr n u r insoweit z u t r e f f e n , als die Beobachtung
reicht,
so
gültigen, a p o d i k t i s c h e n
führt Wissen;
sie 5
nie
zu
die Quelle
einem
allgemein-
dieses
Wissens,
z. B. des die logischen u n d m a t h e m a t i s c h e n Axiome b e t r e f f e n den, bleibt also zu erforschen. 6 Beim Ziehen der Schlüsse ist Vorsicht geboten.
Schlüsse
allgemeinen C h a r a k t e r s darf m a n nicht auf Einzelfälle g r ü n d e n , also nicht e t w a auf solche hin b e h a u p t e n „ W a s Licht von sich gibt,
m u ß feuriger N a t u r
sein",
— denn
Meerwassers beweist das Gegenteil. 7
das
Leuchten
des
F e r n e r darf m a n aus den
E r f a h r u n g e n nicht Folgerungen ableiten, die das Gebiet, innerhalb
dessen
jene g e m a c h t
wurden,
völlig überschreiten,
wie
z. B., wenn m a n ü b e r das Weltall aussagen will, auf G r u n d von Wahrnehmungen
in
dem
uns z u n ä c h s t
umgebenden
Räume,
der doch d e m W e l t r ä u m e gegenüber so g u t wie gar keiner ist. 8 Endlich w ä r e es t ö r i c h t u n d lächerlich, über das B e o b a c h t e t e , s t a t t erst sein eigentliches, meist keineswegs z u t a g e 1
liegendes
2 3 Z. III, 14. M. I, (14), 25. Met. XII, 8; M. IV, (1), 2. 5 6 Aß, I, 18 und II, 19; Ni. IV, 3. Aß, I, 31. ebd., und Ni. II, 6. 8 ' Z. V, 95; Fa. 1; M. II, (9), 18. Met. IV, 5.
4
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
73
W e s e n zu erforschen, ohne weiteres nach dem bloßen A u g e n schein a b z u u r t e i l e n . 1 In letzterer Hinsicht ist auch zu bedenken, daß zwar die Entwicklung
der Organe
und
ihrer
Funktionen
stets
gleich-
zeitig erfolgt, so d a ß es z. B. kein Auge ohne Sehen u n d kein Sehen ohne Auge gäbe, 2 d a ß aber dennoch zahlreiche t ä u s c h u n g e n möglich sind.
Sinnes-
W e r z. B. das eine Auge m i t dem
Finger aus seiner gewohnten Lage bringt, sieht alles zwiefach, 3 und
wer
einen
kleinen
Gegenstand
mit
gekreuzten
(ver-
s c h r ä n k t e n ) Fingern a n f a ß t u n d bewegt, der f ü h l t ihn auf das Bestimmteste
doppelt,
o f f e n b a r weil (entgegen
dem
gewöhn-
lichen u n d natürlichen H e r k o m m e n ) das nämliche O b j e k t gleichzeitig mit den Außenseiten zweier Finger b e r ü h r t wird.
Derlei
T ä u s c h u n g e n sind durch den Gesichtssinn korrigierbar, wären es a b e r nicht, falls es keinen solchen g ä b e ; 4 m a n c h e lassen sich a b e r ü b e r h a u p t nicht beheben, so z. B.
andere
erscheint
die Sonne einen F u ß breit, auch wenn m a n die überzeugende Gewißheit besitzt, d a ß sie weit größer ist als die Erde, 5 und das F l i m m e r n der Sterne d a u e r t f o r t , auch wenn m a n genau weiß, d a ß diese Bewegung keine o b j e k t i v e ist. 6 Aber selbst m i t der berichtigten E r f a h r u n g ist noch nicht alles
erschöpft,
wenngleich
aus
ihr
h e r v o r g e h t : sinnliche W a h r n e h m u n g e n keine Weisheit
(Philosophie),
fest, nicht das W a r u m ,
die an
ganze sich
Wissenschaft ergeben
denn sie stellen n u r
das
noch Was
d. h. n u r die T a t s a c h e n , n i c h t aber
deren inneren Z u s a m m e n h a n g . 7
B e s t ü n d e n allein die sinnlichen
Erscheinungen, so w ä r e jede Existenz a u f g e h o b e n , sobald es an beseelten Wesen fehlte, weil doch n u r diese der
Sinnes-Wahr-
n e h m u n g e n f ä h i g sind, 8 j a zugleich mit ihnen fiele sogar die Möglichkeit der Zeit fort, 9 von der m a n sonst sagt, d a ß sie endlos sei, d a ß sie nie stille stehe, u n d d a ß i n ihr alles geschehe. 1 0 1
2 3 4 Sp. 9. Z. IV, 23. Met. XI, 6; P. IV, 3. Pr. XXXV, 10; 6 6 7 8 P. IV, 2. S. III, 3; P. IV, 2. Hi. II, 8. Met. 1 , 1 . Met. IV, 5. 9 10 Ph. IV, 4; über das Wesen der Zeit s. ebd. 10—14. M. I, (14), 32.
74
CHEMISCHES
Die
Lehre
UND ÄLCHEMISCHES
des Protagoras:
AUS
ARISTOTELES
„ D e r Mensch
ist
das
Maß
aller D i n g e " , m u ß d a h e r f ü r einseitig gelten, u n d insoweit f ü r völlig unrichtig, als sie .besagen soll, d a ß das, w a s einem jeden scheint,
sicher u n d fest s o , u n d so a l l e i n ,
auch i s t . 1
Es
e n t s p r i c h t der W a h r h e i t , d a ß wir die Dinge n u r infolge ihres Wirkens
auf
überhaupt
unsere
Sinne,
wahrnehmen,
s c h a f t e n zuschreiben,
und
und
denen
nur
ihnen deshalb,
diesem
Wirken
daraufhin von
gemäß,
ihre
Eigen-
der geringsten
an
bis zur H ä r t e des S t a h l e s , n u r relativer C h a r a k t e r z u k o m m t ; 2 ebenso e n t s p r i c h t es der W a h r h e i t , d a ß jeder die Dinge
nur
s o w a h r n i m m t , wie sie ihm erscheinen, d a h e r a u c h selbst das nämliche
in verschiedener,
abhängiger denselben nicht;
3
Weise, Wein
das
so
von seinem körperlichen
daß
einmal
er z. B. m i t
süß
nennt,
ein
gleicher anderes
Zustande Richtigkeit
Mal
jedoch
a b e r , was alle solchen W a h r n e h m u n g e n
erregte
u n d erregen k o n n t e , ist bei diesen sämtlichen Vorgängen v e r ä n d e r t geblieben, sein S e i n u n d S u b j e k t i v e s , wie sein
un-
ist nicht etwas bloß Relatives
Erscheinen.4
Die Frage „ w a s dieses Seiende n u n eigentlich i s t ? " , erweist sich als identisch m i t der Frage n a c h der N a t u r der Dinge, an die ihr ganzes Wesen, u n d bei organischen Gebilden auch noch besonders
ihr W e r d e n
und Wachsen
sich nicht weiter b e a n t w o r t e n
geknüpft ist;5
sie
läßt
als dahin, d a ß die N a t u r
der
Dinge in ihrer W i r k s a m k e i t besteht, d. h. in ihrer W i r k u n g e n hervorzubringen oder a u f z u n e h m e n . 6
Fähigkeit,
Z u n ä c h s t frei-
lich erscheint jedes Ding als b e s t i m m t durch seinen Stoff u n d seine F o r m ; 7 doch zeigt sich, d a ß wir nicht anzugeben
ver-
mögen, w a s ein Stoff i s t , sondern n u r wie er w i r k t , also e t w a v o m Silber n i c h t was es i s t , sondern n u r , d a ß es sich ähnlich v e r h ä l t wie Zinn (also wie ein M e t a l l ) ; 8 a u c h von der wissen wir n i c h t zu sagen w a s , 1
4 7
Form
sondern n u r w i e sie ist, u n d
2 3 Met. XI, 6. M. IV, (4), 9; (8), 3; (9), 25. Met. IV, 5. 5 6 Met. IV, 6. Met. VII, 10; VIII, 1; V, 4. M. IV, (12), 2. 5 u n d 7. 3 Met. V, 4. Met. VII, 4; VIII, 3.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
75
können nur noch beifygen, daß nach ihrer Z e r s t ö r u n g (wie d a s namentlich
bei
organischen
Gebilden
klar
hervortritt)
allein
die E l e m e n t e übrigbleiben, w o r a u s erhellt, daß das die
Form
u n d Individualität Bedingende nicht wieder aus den E l e m e n t e n bestehen u n d nicht wieder materiell sein k a n n , vielmehr f ü r unerkennbar
muß.1
gelten
Zudem
sind
aber
in den
Dingen
Stoff und Form so u n t r e n n b a r v e r b u n d e n , d a ß jeder Versuch, das dem einen u n d der anderen Zugehörige a b z u s o n d e r n , f a s t d u r c h a u s vergeblich Form
vorhanden,
e r s c h e i n t ; 2 es ist Einheit von
und
nicht
bloße Z u s a m m e n s e t z u n g ,
Möglichkeit übrigens w i e d e r u m u n e r k l ä r t bleiben Das
Sein, die Existenz,
Stoff
kann
und deren
müßte.
d a h e r d u r c h a u s nicht auf
G r u n d einer Definition gefolgert w e r d e n : w a s z. B. als „ M o n a d e " zu b e z e i c h n e n
sei, u n d o b die so bezeichnete Monade a u c h
wirklich b e s t e h e ,
sind zwei völlig verschiedene Fragen. 3
II. Allgemeine A n s c h a u u n g e n . Die Materie k a n n muß
nicht aus dem Nichts e n t s t e h e n ,
und
daher als schon v o r h a n d e n vorausgesetzt w e r d e n ; 4
ins-
besondere v e r m a g auch hervorzubringen, 5
keinerlei A r t
der
Bewegung
Materie
u m so m e h r als auch die in der N a t u r vor-
h a n d e n e Bewegung weder zu entstehen noch zu vergehen vermag,
sondern
läßt
sich
unsterblich ist.®
weder
vermehren
Die einmal gegebene
noch
vermindern,
Materie
Materie
tritt
weder neu ins Dasein noch verschwindet sie, sondern sie ist allein der V e r ä n d e r u n g fähig. 7 V e r ä n d e r u n g e n u n d U m w a n d l u n g e n werden hervorgerufen, indem
Ungleichartiges
oder
Gegensätzliches
w i r k t , u n d zwar nicht ohne B e r ü h r u n g . 8
aufeinander
keine u n m i t t e l b a r e zu sein, sondern es g e n ü g t auch 1
ein-
Diese b r a u c h t jedoch Vermitt-
2 3 Met. VII, 16 u n d 17; VIII, 3. Met. V, 4 ; VII, 11. Aß. I, 4 5 2 u n d 10; IV, 7. P h . I, 4 u n d 8 ; Met. VII, 9 ; XII, 3. E. II, 9. 6 7 P h . VIII, 1; Met. XII, 6. Hi. I, 10 u n d 11; III, 2. Met. XII, 3 ; 8 M. I, (14), 25. E. II, 6 u n d 7.
76
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
iung durch Zwischenteile, deren jeder nur den einen ihm zunächst liegenden in Bewegung setzt, etwa nach der Art der merkwürdigen und Verwunderung erregenden „automatischen" Figuren und Kunstwerke, z. B. der als Weihgeschenke in den Tempeln stehenden Drehräder, oder der A p p a r a t e , die die Gaukler bei ihren Vorführungen benützen; die Bewegung kann aber auch gänzlich durch ein Medium übertragen werden, wie das bei Schall und Licht geschieht (s. unten). 1 Jede Veränderung, sei sie quantitativ oder qualitativ, beruht in letzter Linie auf Bewegungen, die zur Vereinigung und Trennung, zur Verdünnung und Verdichtung u. dgl. f ü h r e n ; alle Körper sind fähig zur Aufnahme von Bewegungen, und nur wenn ihnen solche nicht zugeführt werden, befinden sie sich in Ruhe. 2 Ist ein Körper einmal in Bewegung gesetzt, so ist kein Grund dafür denkbar, daß er irgendwo stillestehen sollte, wenn er keinen Widerstand findet, wie das z. B. im Leeren (im Vakuum) der Fall wäre, sofern es ein solches g ä b e ; 3 aber auch das Ruhende widerstrebt, und verharrt an seinem Orte. 4 Jeder Körper hat (wie schon P i a t o n lehrte) im Weltgebäude seinen bestimmten „natürlichen" Ort, der ihm „von N a t u r a u s " zukommt, den er nicht ohne zureichenden Grund verläßt, und nach dem er sich stets wieder zurückbewegt, wenn er nicht gewaltsam daran gehindert wird; 5 denn stets bewegt sich Gleiches zu Gleichem. 6 Maßgebend für die Lage dieses natürlichen Ortes ist die Schwere der Körper, der gemäß sie sich rings um den Mittelpunkt des Weltgebäudes ordnen. 7 Allerdings ist Schwere eigentlich eine r e l a t i v e Bezeichnung, ähnlich wie Geschwindigkeit, und so wie diese in gewissem Grade auch dem Langsamen, so k o m m t jene auch dem Leichten zu. 8 Aber gegenüber diesem relativ, d. h. mit anderem ver1
Z. II, 19 und 76; Met. I, 2; Mech. 1; We. 6; B. 7. 3 4 6 VIII, 7. Ph. IV, 8. Mech. 9 und 32. Ph. IV, 1 und 4. 7 8 2-4. M. I, (2), 1; (3), 14. Met. X, 1.
2
Ph. V, 3; 6 Hi. IV,
CHEMISCHES
glichen,
UND AL CHEMISCHES
Leichten
und
Schweren, b e s t e h t auch
d. h. an sich,
Leichtes u n d
seiner
gemäß,
Natur
AUS ARISTOTELES
Schweres;
nach
oben,
strebt
im
Gegenteile,
absolut,
ersteres bewegt
vom
Himmelsgebäudes weg, der ä u ß e r s t e n letzteres
ein
77
sich,
Mittelpunkte
des
Höhe des Weltalls
seiner
Natur
gemäß,
zu, nach
u n t e n , zu diesem M i t t e l p u n k t e hin, ohne indessen weiter dringen zu k ö n n e n , als bis zu i h m ; das Hirnmeisgebäude h a t eben ein Oben und U n t e n , es ist n i c h t ringsum gleichartig, u n d Gegenf ü ß l e r an ihm sind u n d e n k b a r und unmöglich. 1 Sein Z e n t r u m ,
zu dem sich alles E r d a r t i g e ,
Schwere wegen, hinbewegt, kugel,
die an
ihm
ist der natürliche
unverrückbar
und
der
großen
Ort der
Erd-
beharrt.2
unbeweglich
Über die Kugelgestalt der E r d e herrscht kern Zweifel, u n d sie läßt v e r m u t e n , d a ß n u r ein einziges z u s a m m e n h ä n g e n d e s Meer den R a u m zwischen den W e s t k ü s t e n E u r o p a s und Afrikas u n d den O s t k ü s t e n
Indiens erfüllt; hierauf
deuten auch die Ä h n -
lichkeiten m a n c h e r Erzeugnisse dieser beiden Länder, wie denn z. B. sowohl W e s t a f r i k a als a u c h bringen.
3
Indien
Elephanten
hervor-
Die A s t r o n o m i e lehrt, d a ß die E r d e weitaus kleiner Sternen,4
als die Sonne, u n d dieser w e i t a u s n ä h e r ist als den
ferner d a ß die Sterne n u r scheinbar, nämlich von der aus gesehen, klein, in Wirklichkeit aber, ihrer E n t f e r n u n g entsprechend,
Erde
unermeßlichen
ungeheuer groß s i n d ; 5 im V e r h ä l t -
nisse zur A u s d e h n u n g des W e l t g e b ä u d e s ist daher die
Größe
der E r d e gänzlich v e r s c h w i n d e n d , 6 so g u t wie keine, 7 ein Nichts, 8 Sternen. 9
u n d die E r d e n u r ein Stern u n t e r
Z u n ä c h s t auf der E r d e b e f i n d e t sich das Wasser, das sie in Gestalt einer Kugelschale bedeckt, wie dies der Kugelgestalt der
schichten 1
8 und
entspricht.10
Erde
folgt s o d a n n
die
weiteren Luft, und
konzentrischen
Kugel-
schließlich
Feuer,
2
H i . I, 3 u n d 6 ; IV, 2. P h . I I I , 5 ; V I I I , 4. 14; I V
2—4. 6
(3), 2 u n d 5. 9
In
H i . II, 13.
10
3
H i . II, 4 ; M e t . II, 5.
M . I, (14), 19.
H i . II, 4 ; P h . IV, 5.
7
4
das
P h . III, 5 ; H i . II,
M . I, (8), 6.
M e t . IV, 5.
3
5
M. I,
M. I, (3), 7.
78
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
dessen n a t ü r l i c h e r Ort, infolge seiner großen
Leichtigkeit,
der
oberste R a u m ist, der bis an das Himmelsgewölbe reicht. 1 Wasser u n d L u f t , die ihren n a t ü r l i c h e n Ort zwischen der schweren
Erde
und
dem
leichten
Feuer
haben,
also
Mittel-
glieder sind, zeigen auch eine mittlere Beschaffenheit, d. h. sie bewegen nach
sich vorzugsweise
oben, sind aber
das eine nach
auch
n i c h t ganz u n f ä h i g ; 2 w ä h r e n d tigkeit
die
andere
Bewegung
nämlich die E r d e keine Leich-
das Feuer keine Schwere h a t , 3 so d a ß sich
und
E r d e niemals an
das Aufsteigen,
Herabsinken gewöhnt", Bewegungen sitzen
unten,
der entgegengesetzten
4
das
u n d beide zu
solchen
und
Luft
in
dieser
Hinsicht
das
unnatürlichen können,5
n u r gewaltsam gezwungen werden
Wasser
„die
Feuer niemals an
relative
be-
Eigen-
s c h a f t e n : Wasser ist leicht gegenüber Erde, aber schwer gegenü b e r L u f t , L u f t leicht im Vergleiche zu Wasser, aber schwer im Vergleiche zu F e u e r . 6 Alles, oberhalb
was des
sich
oberhalb
der
Himmelsgewölbes
Region
befindet,
des Mondes, demnach
die
also Ge-
s a m t h e i t der Gestirne u n d der ganze übrige W e l t r a u m , ist erf ü l l t von Ä t h e r , u n d b e s t e h t aus ihm. liche",
eine himmlische
Substanz,
Ä t h e r ist eine „ g ö t t -
durchaus
und
völlig
ver-
schieden von allen irdischen Stoffen, deren Gesetze daher f ü r ihn
keine Gültigkeit
Natur,
weder
gänglich,
leicht
qualitativ
haben;7 noch
er
schwer,
ist
immateriell,
unentstanden
unveränderlich,
und
in
einfacher
und
endloser
unvereinheit-
licher Kreisbewegung b e g r i f f e n ; 8 diese ist nämlich die einfachste, gleichmäßigste, menste,
9
und
beharrlichste,
irdischen
linigen
Bewegungen,
Stoffen z u k o m m e n d e n und
ä n d e r u n g e n der Materie.
2 u n d 4. 8
der
durch
vollkom-
5
Gr. I, 6 ; N i . II, 1.
Hi. I, 3; M. I, (2), 1 u n d 2.
gerad- oder
diese
krumm-
veranlaßten
Ver-
10
Ph. IV, 5; V , 6. M. I, (2), 1; (3), 14. 1
und
in ihr liegt Prinzip u n d Ursache aller, den ge-
meinen
1
ursprünglichste
9
P h . IV, 8.
2
Hi. IV, 3 u n d 5. 6
H i . I, 3.
P h . VIII, 8 u n d 9 ; Hi. I, 2.
7 10
3
Hi. II,
M. I, (3), 4. M. I, (2), 2.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
79
I I I . Die Elettietite. Unter Elementen versteht man diejenigen Stoffe, in die die übrigen zerlegt werden können, die sich aber selbst nicht mehr in andere, der Art nach verschiedene zerlegen lassen; sie sind also die letzten, immanenten, nicht weiter in artfremde Substanzen überführbaren Grundbestandteile der Körper. 1 Die Zahl der Elemente ist zweckmäßigerweise möglichst begrenzt, und jedenfalls nur so hoch anzunehmen, daß sie zur Erklärung der beobachteten Tatsachen ausreicht. 2 Die Voraussetzungen älterer Forscher, die das Dasein zahlloser Elemente behaupteten, sind ebenso unnötig und irreleitend wie die Lehren P i a t o n s , aus denen man das Vorhandensein einer zwar begrenzten, aber sehr großen Zahl von Grundstoffen folgern kann; gerade so wenig genügen aber auch die Theorien der Atomisten, die von einem einzigen und einheitlichen Substrate ausgehen wollen, 3 obwohl doch, damit überhaupt etwas geschehe, Veränderungen notwendig sind, die das Bestehen ausgleichbarer Gegensätze erfordern. 4 Nach diesen Theorien soll nämlich nur eine einzige Art von unendlich kleinen und unteilbaren Atomen in unendlicher Menge im Leeren vorhanden sein, und allein aus ihrer verschiedenen Anordnung sollen die zahlreichen qualitativ verschiedenen Körper hervorgehen, 5 ähnlich etwa, wie die wenigen nämlichen Buchstaben alle Komödien und Tragödien liefern. 6 Es ist aber widersinnig, die Existenz einer unendlichen Anzahl von Atomen anzunehmen, also eine vollendete Unendlichkeit; eine solche ist durchaus undenkbar, denn „das Unendliche besteht nicht, sondern wird", 7 d. h. man kann sich ihm zwar nach Belieben weiter annähern, nie aber es erreichen. Sodann ist zwar alles Kontinuierliche unbegrenzt t e i l b a r , deshalb aber keineswegs auch aus unendlich kleinen und nicht weiter zerlegbaren Teilchen 1 5
Hi.
Hi.
III, 3 ; M e t . V ,
I, 7 ; M e t .
I, 4 .
6
3.
2
E . I, 2 .
3
H i . III, 4 . ' Ph.
III,
7.
H i . III, 6 .
* P h . III,
5.
80
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
z u s a m m e n g e s e t z t , weder die Linie aus Punkten, noch die Zeit aus Augenblicken, noch der Körper aus Atomen, — weil eben die Summierung von „ N i c h t - G r ö ß e n " niemals eine „Größe" ergeben kann. 1 Ferner vermögen die Atomisten über die „verschiedene Anordnung" ihrer einheitlichen Atome nichts Weiteres auszusagen, also z. B. nicht begreiflich zu machen, wie, allein aus einer solchen, die bestimmte Substanz Gold hervorgehen soll. 2 Endlich gibt es auch in der Natur kein Leeres, und die Behauptung, daß der leere Raum die Vorbedingung f ü r die Möglichkeit der Bewegung sei, ist gänzlich hinfällig, da auch im kontinuierlich erfüllten Raum stetiger Kreislauf und Wirbelbewegung denkbar bleiben; 3 auch müßte sich im leeren Raum jeder einmal in Bewegung gesetzte Körper endlos weiter bewegen, da kein Widerstand ihn behindert. 4 In jeder Hinsicht erweisen sich also die Lehren der Atomisten als inkonsequent und unzureichend. Sind nun Elemente anzunehmen, so empfiehlt sich als die zweckmäßigste Zahl die Vierzahl, die schon die alten Naturphilosophen zugrunde legten, indem sie aus vier Elementen alle Einzeldinge hervorgehen ließen, entweder durch bloße Verdünnung und Verdichtung, oder durch Vereinigung und Trennung gewisser, schon in ihnen vorhandener, und mehr oder weniger überwiegender Gegensätze. 5 Unter diesen sind, wie die Genannten ebenfalls schon erkannten, die wichtigsten und zu Erklärungen brauchbarsten die Paare Wärme-Kälte und Trockenheit-Feuchte, denn sie umfassen die vier ersten und ursprünglichsten Qualitäten, 6 von denen Wärme und Kälte aktiven, Trockenheit und Feuchte passiven Charakter tragen, 7 — was ein Satz von größter und grundlegender Wichtigkeit ist. Zwischen diesen vier Qualitäten, die übrigens nur durchaus relativer N a t u r sind, 8 erweisen sich sechs Arten 1
7—9. 7
P h . I, 2 ; VI, 1 u n d 9 ; E. I, 2 ; L.; At. 4
P h . IV, 8.
M. IV, (4), 1; (11), 3.
5
P h . I, 4 ; III, 4 ; VIII, 7. 8
T h . II, (2),
4-8.
2
Hi. I, 7. 6
3
P h . IV,
P h . I, 5 ; E. II, 2.
CHEMISCHES
UND AL CHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
81
der P a a r u n g möglich, von denen aber im vorliegenden zwei
in Wegfall
Kälte, fähig
sowie sind;
kommen,
da
die
Gegensätze
Trockenheit
und
Feuchte,
es verbleiben
also
vier
keiner
und
Verbindung
Paarungen,
( K ä l t e + Trockenheit) die E r d e ergibt, ( K ä l t e +
Falle
Wärme von
denen
Feuchte) das
Wasser, ( W ä r m e + Feuchte), die L u f t , u n d ( W ä r m e + Trockenheit) das Feuer, wobei in der E r d e die T r o c k e n h e i t überwiegt, im Wasser die Kälte, in der L u f t die Feuchte, u n d im Feuer die W ä r m e . 1 Erde, u n d
sodann
Wasser,
haben
ihren
natürlichen
Ort
im M i t t e l p u n k t e des Weltgebäudes, L u f t und Feuer aber gegen dessen Grenzgebiet
zu,
E r d e u n d Feuer sind also die beiden
äußersten
und
an sich reinsten
hingegen
die
mittleren
meisten
einander
und
Elemente,
Wasser und
gemischter
entgegengesetzt
zeigen
beschaffenen; sich
jedoch
Luft am einer-
seits Feuer u n d Wasser, andererseits L u f t u n d Erde, da sie je zwei
konträre
Qualitäten
enthalten.
Am
deutlichsten
tritt
dies bei den E x t r e m e n des Feuers u n d Wassers zutage, dem Eis, das durch E r s t a r r e n eines F e u c h t - K a l t e n , u n d der Flamme, die
durch
heftigste,
dem
Sieden
ähnliche
Bewegung
eines
T r o c k e n - W a r m e n e n t s t e h t ; diese sind daher auch u n f ä h i g etwas Weiteres hervorzubringen. 2 Alle
E l e m e n t e können
sich
ineinander
umwandeln,
möge eines Kreisprozesses (Zyklus); offenbar
verlaufen
Übergänge 1 ^ 2 , 4 ^ 1 eine
bestehen und
1 Feuer
die
2 ^ 3 ,
leicht u n d rasch, weil stets Qualität
punkt
hierbei
ver-
als
4 >Epdec
"
|>2.LuFf
Anknüpfungs-
bleibt,
dagegen
4 schwer u n d lang-
sam, weil sie einen Wechsel b e i d e r Q u a l i t ä t e n e r f o r d e r n ; 3 im ganzen halten sich diese endlos f o r t d a u e r n d e n , 1
(3), 14.
wechselseitigen
2 E. II, 3; Hi. 11, 3; M. IV, (1), 1. E. II, 3; Z. II, 37; M. I, 3 E. II, 4, 5 u n d 10; Hi. II, 3; III, 7.
v. L i p p m a n n ,
Abhandl. u. Vortr.
II.
6
82
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
U m s e t z u n g e n das Gleichgewicht, so d a ß die Menge der einzelnen Elemente konstant bleibt.1
Ü b e r die A r t , in der sie erfolgen,
ist zu sagen, d a ß die E l e m e n t e teils V e r w a n d t e s an sich ziehen u n d zu ihrer eigenen von
ihrem
eigenen
Beschaffenheit u m g e s t a l t e n , teils Stoffe
abgeben,
der
sich
etwas
dann
einem
anderen E l e m e n t e e i n f ü g t ; 2 niemals v e r ä n d e r t sich hierbei die Menge der S u b s t a n z , wohl a b e r oft ihr Volum, d e r a r t , d a ß z. B. bei
der
Entstehung
von
Luft
aus
Wasser
die
Gefäße
zer-
springen k ö n n e n . 3 Die Möglichkeit dieser Übergänge d e u t e t auf das W a l t e n einer stofflichen G e m e i n s a m k e i t , auf das Vorhandensein gemeinsamen
Substrates,
das
vln, m a t e r i a prima) allem
als p r i m ä r e
Urmaterie
eines
(notixii
Bestehenden z u g r u n d e liegt,
indessen an sich, als körperlicher, von den
ohne
Qualitäten
trenn-
b a r e r Stoff zu e x i s t i e r e n ; 4 die U r m a t e r i e bildet v i e l m e h r nur, Piatons
Lehre
bestimmungs-,
entsprechend,
und
die
gemeinsame,
noch
form-,
qualitätslose U n t e r l a g e aller einzelnen be-
s t i m m t e n Stoffe, sie ist diesen gegenüber bloße Latenz, bloße „Möglichkeit",
und
gelangt
zur Wirklichkeit
und
Bestimmt-
heit k o n k r e t e r S u b s t a n z e n erst durch die f o r m e n d e n Einflüsse der
Qualitäten
kalt,
heiß,
trocken,
und
feucht.
Daß
in-
dessen die A n n a h m e einer einzigen u n d einheitlichen U r m a t e r i e auch
gewisse
Schwierigkeiten
vorgehoben werden. Von Wasser
ihrem ziemlich
bietet,
muß
ausdrücklich
her-
5
natürlichen leicht,
Orte
die
entfernen
absolut
sich
schwere
Luft
und
und
das
Erde
a b s o l u t leichte Feuer aber n u r schwierig, u n d nicht ohne gewaltsamen
Zwang;6
bei ihr W e s e n ,
keinesfalls
das allerorten
verändert
sich
jedoch
hier-
dasselbe b l e i b t , u n d , falls es
m e h r e r e Weltalle geben k ö n n t e , auch in diesen das nämliche bliebe. Bedingt ist das Wesen 1
M . II, (3), 2 1 .
2
der 3
H i . I, 3 .
H i . IV, 5 ; P h . II, 1 ; M . I, (3), 1.
Elemente,
5
d. h. die
P h . I, 4 ; H i . III, 7.
P h . I, 6.
6
Summe 4
E. I, 6 ;
P h . II, 1; III, 5 ; E. II, 1.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
83
ihrer Wirksamkeiten und Kräfte, 1 ausschließlich durch die Art der ihnen naturgemäßen und inhärierenden Bewegungen durch die sie in steter Tätigkeit erhalten werden, — ähnlich wie Himmel und Gestirne, die niemals stille stehen noch stehen werden, sondern sich in endlosem, keine Kraftanstrengung darstellendem Umlaufe befinden. 2 In dieser ewig gleichbleibenden, obersten Kreisbewegung liegt das e r h a l t e n d e Moment hinsichtlich der räumlichen Bewegungen, die alle Wandlungen der Elemente veranlassen; das v e r ä n d e r n d e Moment liegt hingegen in der schiefgehenden Bewegung der Ekliptik, und bewirkte dieses nicht fortdauernde und stets erneute Störungen, so hätte, innerhalb unbegrenzt langer Zeiträume, längst schon alles Einheitliche sich an seinem natürlichen Orte gesammelt, das völlig Entgegengesetzte aber, z. B. Feuer und Wasser, sich vernichtet. 3 Spezifische Formen, wie sie P i a t o n annahm, kommen den Elementen nicht zu, und haben mit ihren Eigenschaften nichts zu t u n ; 4 dies beweist schon die Tatsache, daß zwar feste Körper stets abgegrenzt sind, nicht aber Flüssigkeiten, die gar keine eigene Gestalt besitzen, und sich jedem gegebenen Raum anschmiegen. 5 — Ob die Elemente spezifische Farben zeigen, ist schwer mit Sicherheit zu entscheiden, schon weil sehr kleine Beimengungen große Veränderungen verursachen; die reinste Erde sieht weiß, das reinste Feuer gelb aus; bloß scheinbar ist die blaue Farbe der Luft und die grüne des Wassers, denn erstere wird nur durch die große Verdünnung der Luft bedingt, und letztere tritt erst nach längerem Stehen und „Altern" des Wassers hervor. 6 A l l e übrigen Stoffe, die noch neben den Elementen existieren, und zwar auch die äußerlich einheitlich erscheinenden (z. B. der Wein), 7 sowie die pflanzlichen und tierischen, 8 sind 1 2 3 E. II, 10 u. 11. Hi. I, 8, (7); Hi. III, 8. Met. X, 8; Hi. I, 8. 5 6 Hi. III, 8. E. II, 2; Hi. III, 8; To. V, 2; M. II, (2), 3. Fa. 1, 3 3 u n d 5. ' Met. VIII, 1. M. IV, (1), 5—18. 4
6*
84
CHEMISCHES
aus den
UND ALCHEMISCHES
Elementen
AUS
zusammengesetzt,
ARISTOTELES
und
d a h e r von
diesen
selbst d u r c h a u s verschieden, ,,da die K o m b i n a t i o n (a, b) weder mit a noch m i t b identisch i s t " ; 1 d a h e r k e n n t die N a t u r eines Stoffes n u r jener,
der weiß, welche Bestandteile
er
enthält,
wie diese z u s a m m e n g e s e t z t sind, u n d welche von ihnen vorherrschen.
2
dieser
In
Hinsicht
bestehen
Möglichkeiten, denn a l l e z u s a m m e n g e s e t z t e n alle
vier
wiegen
Elemente,
wenngleich
oder überwiegen
können,
einzelne
3
und
aber
etwa
zahllose
Stoffe e n t h a l t e n von
dieser
diesen
vor-
Satz gilt
auch
betreff der Pflanzen u n d Tiere, wie das schon die Regeln der E r n ä h r u n g u n d D ü n g u n g bezeugen. 4 Während
aus
bloßen
Gemengen,
z. B.
Mahlgut
aus
Weizen u n d Gerste, Kleister aus S t ä r k e u n d Wasser, 5 oder dgl., die
verschiedenartigen
geschieden oder
werden
„Mischung"
kleinsten
können, (d. h.
Teilchen
leicht
ist die eigentliche
das,
was
die
neuere
wieder
„Vereinigung" Wissenschaft
„chemische V e r b i n d u n g " n e n n t ) so d u r c h a u s gleichartiger s c h a f f e n h e i t wie etwa wiederum
Wasser
durchdringende
ist,
Auge
das Wasser, und eines
von
bliebe
entstehen
die v o r h e r g e t r e n n t
waren,
zwar
und
jedes
Wahre
auch
können
aus
Be-
Teilchen
dies auch f ü r das
Lynkeus.
(d. h. V e r b i n d u n g e n )
dem
ab-
alles-
„Mischungen" Bestandteilen,
in sie auch
wieder
zerlegt w e r d e n ; in der V e r b i n d u n g sind aber diese Bestandteile n u r m e h r potentiell v o r h a n d e n , d. h. u n t e r U m s t ä n d e n wieder a b s c h e i d b a r , nicht a b e r aktuell, denn es ist aus ihnen ein anderes und
neues
geworden. 6
Bei
der
Verbindung
der
Elemente
(„Mischung der E l e m e n t e " ) halten sich nämlich die Gegensätze entweder sofort das Gleichgewicht, oder sie bewirken teilweise V e r ä n d e r u n g e n , die bald n a c h der einen, bald n a c h der anderen Richtung
so lange f o r t d a u e r n ,
der f o r m g e b e n d e n
Kraft)
ein
bis sich ( u n t e r dem Einflüsse neues
Gleichgewicht
1 Met. XII, 4 ; M. I, (2), 1; IV, (12), 2, 5 u n d 7. 3 4 M. IV, (4), 1. Met. III, 5; E. II, 8. E. II, 8. 6 7 E. I, 10. E. II, 7.
6
einstellt; 7
2 Met. III, 3 ; M. IV, (4), 3.
CHEMISCHES
UND
ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
85
durch die Ausgleichung der Gegensätze e n t s t e h t so die neue V e r b i n d u n g als ein „Mittleres",
und
dies haben
wohl
schon
die alten N a t u r p h i l o s o p h e n u n t e r ihren „Mitteldingen" aus den einzelnen Elementen v e r s t a n d e n . 1 vollziehen
sich stetig u n d
Alle solchen
allmählich:
Umwandlungen
das Werdende,
indem
es eine alte Eigenschaft verliert, besitzt noch etwas von ihr, zugleich a b e r auch schon zunehmen im Begriffe ist.
etwas von der neuen, 2
die es
an-
Am meisten zu Einwirkungen be-
fähigt sind die flüssigen Körper, die sich a m leichtesten
ver-
mischen. 3 Bestimmte
Einzelstoffe
enthalten
auch
ganz
bestimmte
Mengen der einzelnen Bestandteile, so z. B. k o m m e n in Knochen u n d Fleisch auf je zwei Teile E r d e drei Teile F e u e r ; 4 dies ist indessen nicht so zu verstehen, als wären E r d e in den Knochen oder im Holz, Feuer im Fleisch usf. schon fertig (aktuell) vorh a n d e n , vielmehr können sie n u r u n t e r U m s t ä n d e n aus ihnen hervorgehen (z. B. beim Verbrennen). 5 IV. D a s Feuer. Stoff des wirklichen, aktuellen
Feuers ist alles das, was
potentiell, d. h. dem Vermögen nach, zu Feuer werden k a n n , 6 demnach
alles
Brennbare.
Brennbar
aber
sind
alle
Stoffe,
die genug Poren besitzen, u m das Feuer in sich a u f z u n e h m e n , und zugleich nicht zu viel Wasser e n t h a l t e n ; 7 denn
während
eine kleine Menge Wasser das Feuer fördert, ja ihm eine Art N a h r u n g bietet, bringt es eine größere zum Verlöschen; 8 a u ß e r durch eine solche E i n w i r k u n g seines Gegensatzes, des Wassers, k a n n jedoch das Feuer auch d a d u r c h vergehen, d a ß es sich verzehrt, d. h. a u s b r e n n t . 9 Körper, ganz
von
die, wie z. B. Holz, viel Wasser e n t h a l t e n diesem
durchtränkt
sind,
brennen
ohne
1
3 7
P h . I, 4 ; Hi. I, 8 u n d III, 5; E, II, 1 u n d 5. 4 6 E. I, 10. Met. XIV, 5; To. VI, 14. Hi. III, 3. 9 M. IV, (9), 30. » G r . II, 11. Hi. III, 6.
2
6
erst
und zu
Met. IV, 5. Met. XIV, 4.
86
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
schmelzen, während wieder an Poren arme, z. B. viele Mineralien, zwar schmelzen, aber nicht brennen; am leichtesten, und zwar zum Teil nach vorherigem Schmelzen, verbrennen die an Wasser ärmeren Öle und Fette, ferner Wachs, Teer, Pech u. dgl., die hierbei viel Rauch geben, zuweilen Kohle und Asche hinterlassen, und zumeist, aber nicht immer, in helle Flammen ausbrechen. 1 Der Flamme, die in ewigem Wechsel während jeden Augenblickes neu wird, und in keinem die nämliche bleibt, 2 kommt der Begriff „ F e u e r " in höchstem Grade zu, obwohl andere Arten des Feuers sie an Feinheit weitaus übertreffen, vor allem die feinste unter allen, das Licht. 3 Was die Quelle des Feuers anbelangt, so enthält jene Region des Himmelgebäudes, die an den höchstliegenden und in ewiger Kreisbewegung befindlichen Äther angrenzt, eine Fülle trockener, warmer, rauchartiger Dünste, die daher leicht weiterer Erhitzung und Entzündung anheimfallen; diese erfolgt durch Reibung, 4 vermöge jener Bewegung die vom Äther, und zwar besonders heftig und rasch von der Sphäre der Sonne, ausgeht, 5 und sie erst läßt dann weiterhin auch die Wärme auf der Erde entstehen. Die Sonne und die anderen Sterne sind also nicht an sich heiß, sondern erregen nur indirekt dasjenige, was wir, wenn es unsere Sinne affiziert, Wärme nennen. 6 Durch Entzündung der erwähnten feurigen Dünste bilden sich die Kometen, die also insofern Trockenheit und Stürme ankündigen, als diese ihr Auftreten begünstigen. 7 Solche heiße Dünste spielen auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Gewitter: stoßen sie nämlich plötzlich mit kalten Dünsten zusammen, so erzeugt die hierbei gewaltsam herausgepreßte Luft, indem sie gegen die Wolken anprallt, zunächst den Donner, und wird sodann, durch den Rückstoß der sich wieder vereinigenden Wolken, unter ungeheurem 1
2 M. IV, (9), 3 6 - 4 0 ; (10), 5 und 7. M. II, (2), 9. 1 5 VI, 7. M. I, (3), 13; (4), 14. M. I, (3), 20. 7 M. I, (7), 8.
3
6
To. V, 5; M. I, (3), 19.
CHEMISCHES
UND ALCIIEM1SCHES
AUS
ARISTOTELES
ftf
D r u c k e e n t z ü n d e t u n d als Blitz a b w ä r t s g e s c h l e u d e r t , in einer gesetzt
Richtung, ist. 1
nehmung
Daß
die der n a t ü r l i c h e n sich
umkehrt,
des F e u e r s
— also
entgegen-
diese zeitliche Abfolge bei d e r
liegt
daran,
daß
das
Wahr-
Gesicht
rascher
f u n k t i o n i e r t als das Gehör, wie m a n j a in der F e r n e a u c h die R u d e r eher hin u n d h e r gehen sieht, als m a n den R u d e r s c h l a g vernimmt;
d a s V e r h ä l t n i s ist a b e r im W e s e n
ganz
dasselbe,
das (im kleinen) b e i m V e r b r e n n e n von Reisig auf d e m O p f e r a l t a r h e r r s c h t , wobei ein K n i s t e r n v o r a u s g e h t , u n d erst die
Flamme
plötzliche
ausbricht.2
Auslöschen
Indessen
des
Blitzes
kann in
vielleicht
einer
dann
auch
feuchten
das
Wolke
Donner bewirken.3 Sehr
bemerkenswert
Stelle m i t
dem
Feuer
ist
auch
es,
daß
Aristoteles
a n einer
i d e n t i f i z i e r t , 4 den
den Ä t h e r
s o n s t als ausschließlich h i m m l i s c h e , allein der o b e r s t e n des W e l t g e b ä u d e s eigene S u b s t a n z b e t r a c h t e t ,
er
Region
— aus welcher
A u f f a s s u n g in s p ä t e r e r Zeit j e n e h e r v o r g i n g , die i m Ä t h e r ein seinem
Wesen
nach
„höchstes",
fünftes Element
erblickte,
eine „ q u i n t a e s s e n t i a " oder Q u i n t e s s e n z (s. w e i t e r u n t e n ) . An
einer
anderen
Stelle
bemerkt
er f e r n e r ,
das
Feuer
zeige sich eigentlich n i e m a l s in einer i h m spezifischen
Gestalt,
s o n d e r n b a l d als h e i ß e r D u n s t , b a l d als b r e n n e n d e L u f t , b a l d als g l ü h e n d e Asche, oder a u c h als R a u c h , der alle diese v e r e i n i g t enthält;5
hier d r i n g t o f f e n b a r die E r k e n n t n i s d u r c h ,
daß das
„ F e u e r " kein s e l b s t ä n d i g e r K ö r p e r ist, s o n d e r n ein Z u s t a n d , in den u n t e r U m s t ä n d e n
alle S t o f f e v e r s e t z t w e r d e n
können.
V. D i e Luft. Die L u f t ist in u n b e g r e n z t e r M e n g e v o r h a n d e n , w a s j e d o c h , den a n d e r e n zu
3
verstehen
Elementen ist,
denn
g e g e n ü b e r , n i c h t in a b s o l u t e m eine u n e n d l i c h e
Menge
Sinne
irgendeines
. ' M. I, (3), 14; (4), 10. .» M. II, (9), 4 - 1 9 ; (6), 21; III, (1), 9 u. 12. 4 5 Aß, II, 8 und 10. Ph. IV, 5. Z. III, 108; E. II, 4.
88
CHEMISCHES
UND ALCHEM
IS CH ES AL'S
ARISTOTELES
Elementes m ü ß t e jede noch so große der übrigen „ v e r n i c h t e n " , z. B. das heiße Feuer die f e u c h t e L u f t , oder das k a l t e W a s s e r ; 1 wie weit, u n d in welcher Weise sich die A t m o s p h ä r e erstreckt, l ä ß t sich indessen nicht mit Sicherheit angeben, u m so m e h r als es wenig wahrscheinlich lichen R a u m zwischen heitlich
und
ist, d a ß sie den ganz
Erde und
gleichmäßig
unermeß-
Himmelsgewölbe völlig ein-
erfülle, sei es f ü r sich, sei es zu-
s a m m e n m i t dem Feuer der a n g r e n z e n d e n
Region. 2
Die Beschaffenheit der L u f t ist nicht, wie m a n dies vorauszusetzen
pflegt, 3
eine
unveränderliche,
denn
die
Erfahrung
lehrt, d a ß es verschiedene Arten von L u f t gibt, deren m a n c h e zum
Einatmen
nicht tauglich sind. 4
Aber auch die
gewöhn-
liche L u f t b e s t e h t aus einem Gemenge zweier B e s t a n d t e i l e : zunächst
der
Erdoberfläche
überwiegt
der
dem
Wasserdunste
ähnliche u n d gleichartige, der a n f a n g s f e u c h t u n d w a r m allmählich aber f e u c h t u n d kalt wird, u n d so zur
ist,
Entstehung
von Wolken u n d Regen f ü h r t ; 5 in der Höhe dagegen herrscht der trockene,
heiße, d e m
Feuer v e r w a n d t e
vor, 6
der
seinen
U r s p r u n g den analogen, dem R a u c h e grünen Holzes vergleichb a r e n A u s d ü n s t u n g e n der E r d e v e r d a n k t .
Wie kleine Wasser-
quellen allmählich zu Bächen u n d Flüssen, so vereinigen sich die spärlichen
Mengen
Wirbelwinden;7
und
dieser A u s d ü n s t u n g e n einer
Verdichtung,
wie
zu
Strömungen
der
der
erst-
e r w ä h n t e n zu Regen, sind sie unfähig, ja sie stören oder hindern j e n e sogar durch ihre eigenen heftigen Bewegungen. 8 Meistens wird die L u f t f ü r unkörperlich angesehen, 9 doch ist diese Meinung entschieden unrichtig. Anaxagoras
Wie z u m Teil bereits
w u ß t e , wiegen m i t L u f t aufgeblasene Schläuche
m e h r als leere, 1 0 — weshalb es sehr m e r k w ü r d i g ist, d a ß aufgeblasenen auf 1
Wasser s c h w i m m e n ,
die leeren
aber
die
darin
2 3 4 P h . III, 5 M. I, (3), 2 u n d 8. P r . I, 13. To. V, 5. 6 M. I, (3), 11 u n d 15; II, (4), 9 ; E. II, 3; Z. II, 30; V, 73. M. I, (3), 15; 8 II, (4), 9, >7 M. II, (4), 22 u n d 26; II, (4), 5 u n d 8 ; II, (6), 13. M. II, 9 ,0 (4), 7 ; I, (3), 17. P h . IV, 5. - Hi. IV, 4. 6
CHEMISCHES
untergehen1
UND ALCHEMISCHES
—,
auch
lassen
AUS
solche
ARISTOTELES
Schläuche
89
ersehen,
daß
L u f t , die nicht entweichen k a n n , D r u c k a u s ü b t u n d
erleidet,
sowie große Lasten t r ä g t ; 2
weniger
wiegt als das a n g e w a n d t e
daß der fertige Brotteig Mehl u n d
Wasser z u s a m m e n ,
er-
klärt sich ebenfalls aus einem Verluste an Gewicht, den die Luft verursacht.3
m a s s e n h a f t entweichende allen
Bewegungen
winden
die
entsprechenden
verschiedenen
geflügelten
Zweckmäßigste g e b a u t s i n d ; 4
L u f t leistet
Widerstand, Wesen
auch
den zu stets
über-
auf
das
sie w i d e r s t e h t f e r n e r , wenn sie
nicht zu entweichen v e r m a g , dem Wasser, d a h e r füllen sich Kessel, die m a n (den Boden nach oben gekehrt) genau senkrecht in das Meer h i n a b l ä ß t , nicht mit Wasser an, und benützt
dies,
um
z. B.
den
frische L u f t z u z u f ü h r e n . 5
nach
Schwämmen
man
Tauchenden
Verschließt m a n die u n t e r e Ö f f n u n g
eines mit Wasser gefüllten Gefäßes so, d a ß L u f t weder zu entweichen noch einzudringen v e r m a g , so k a n n auch das Wasser nicht ausfließen; dies ist, von den bei Gericht üblichen Redezeit bemessenden) W a s s e r u h r e n h e r , j e d e r m a n n Daß
Tongefäße, die m a n
mit
kochendem
(die
bekannt.6
Wasser
„aus-
g e s p ü l t " h a t (die also Dampf enthalten), und mit der Ö f f n u n g nach u n t e n in kaltes Wasser e i n t a u c h t , dieses in sich hineinsaugen, 7 u n d d a ß die S c h r ö p f k ö p f e der Ärzte nach vorherigem Erhitzen dem K ö r p e r fest a n h a f t e n , 8 f ü h r t A r i s t o t e l e s an, bringt diese Erscheinungen aber nicht in mit dem Verhalten der L u f t .
zwar
Zusammenhang
Als sicher bezeichnet er es da-
gegen, d a ß jeder Körper, wie er beim E i n t a u c h e n in Wasser so viel Wasser auch beim
verdrängt,
Eintauchen
als
seiner Größe entspricht,
in L u f t t u t , obwohl wir das
dies
sinnlich
nicht m e h r w a h r z u n e h m e n vermögen. 9 Weitere die T a t s a c h e , 1
4 7
Beweise f ü r die daß
ohne
die
Körperlichkeit K r a f t eines
Luft
bietet
Luftstromes
der
nichts
3 Pr. XXV, 13. • 2 Ph. IV, 6; Hi.-II, 13; Pr. XXV, 1. Pr. XXXI, 18. 5 6 F. 10 u n d 15. Pr. XXXII, 5. Ph. IV, 6, Pr. II, 1; XVI, 8. 8 0 Z. II, 60. Po. 22; Rh. III, 2. Ph. IV, 8. , -
90
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
in die Ferne gespritzt werden kann; auch die Emission des Samens ist mit einem Luftstrome v e r b u n d e n , 1 und daher kommt es wohl, daß weibliche Steinhühner schon durch den vom Männchen her streichenden Wind befruchtet werden, 2 und weibliche Rebhühner durch die bloße Witterung des Männchens. 3 — Daß die gewaltsame Bewegung, z. B. die der geworfenen Körper, nach fortdauert, wenn die Einwirkung des Bewegenden längst aufgehört hat, ist ebenfalls dem Einflüsse der Luft zuzuschreiben, die dem Körper, der sie beiseite geschoben hat, sofort von hinten her wieder nachdrängt, und ihn hierdurch vorwärts stößt. 4 Luft vermengt sich nicht mit Wasser, sondern erzeugt nur einen Schaum, der desto weißer aussieht je feinblasiger er ist, 5 und beim Zusammendrücken die Luft wieder entweichen läßt; 6 auch aus dem restlichen Wasser steigt die Luft allmählich von selbst wieder nach oben, 7 ohne (infolge ihrer großen Leichtigkeit) in Berührung mit dem Wasser feucht geworden zu sein. 8 Feuer macht die Luft heißer und dichter. 9 Durch heftige Bewegung und Reibung wird die Luft ebenso erwärmt, wie das bei Hölzern, Metallen, Mineralien, und Geschossen der Fall ist (deren Blei dabei oft schmilzt), ja, die anhaltende Einwirkung der (selbst nicht feurigen) Gestirne und ihrer Sphären kann sogar Entzündung bewirken; 1 0 zu beachten ist, daß zwar der Akt des Erwärmens in einer Bewegung besteht, nicht aber die W ä r m e selbst.11 Luft ist unentbehrlich zum Atmen, daher müssen sie Taucher mittels eigener Gerätschaften von außerhalb Wassers her nachziehen. 1 2 Sie dient nicht zur Erhaltung inneren Wärme, um so mehr als hierbei ihre Rückstände 1
die des der den
2 3 4 Zo. VII, 6. Zo. V, 5; VI, 2. Z. III, 18. Hi. III, 2; Ph. IV, 6 6 2 und 8; P. IV, 2; Mech. 31 und 35; Pr. XI, 5. Z. II, 27. Ph. IV, 7. 7 8 9 10 P. I, 5. Pr. XXV, 3 und 10. Z.W, 91. Hi. II, 7. 11 12 Met. XII, 11. Th. II, (16), 1; Pr. XXXII, 5.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
91
K ö r p e r durch die Eingangswege auch wieder verlassen m ü ß t e n , was
niemals
der Fall
i s t ; 1 Zweck
der A t m u n g ist
vielmehr
die A b k ü h l u n g des Blutes, besonders des frisch v o m kommenden
heißen
Herzblutes.
2
Da
Herzen
das Wasser keine
Luft
e n t h ä l t oder in sich f e s t h ä l t , so k ö n n e n die Wassertiere auch keine L u f t a t m e n , und die u n e n t b e h r l i c h e A b k ü h l u n g erfolgt bei ihnen
durch das Wasser s e l b s t ; 3 die Fische z. B. ziehen
dieses durch ihre Kiemen ein, u n d ersticken d a h e r in einer zu kleinen
Wassermenge
ganz
ebenso wie l u f t a t m e n d e Tiere
in
einem zu kleinen abgeschlossenen L u f t r ä u m e . 4 Luft
ist
ferner
unentbehrlich
Schalles u n d des Lichtes. eine
Erschütterung
und
zur
Wahrnehmung
des
Der Schall e n t s t e h t nämlich Bewegung
der
Luft,
die
durch
vom
Er-
regenden aus durch das Medium bis z u m Ohre f o r t s c h r e i t e t , 5 u n d zwar durch Stöße, 6 die zuletzt- eine im Ohre befindliche Membran
aufnimmt.7
Die
Stöße
erfolgen
einer
nach
dem
anderen, aber in so großer Zahl u n d so rasch, d a ß das Gehör, wegen der Kürze der Zwischenzeiten, sie nicht einzeln auffassen kann,
sondern
Fortpflanzung
einen
empfängt;8
einheitlichen E i n d r u c k
erfolgt,
indem
die
Luft
die
ihre
Erschütterungen,
die von der S t i m m e , von Saiten- oder B l a s i n s t r u m e n t e n ausgehen,
weitergibt
und
in Kugelflächen ausbreitet, wobei die S t ä r k e allmählich
durch
ent-
sprechend
Verdichtung
abnimmt.
und
Hindert
Verdünnung man
die
Ausbreitung,
indem
m a n dem Hörer eine Tonröhre, oder das R o h r einer Flöte oder T r o m p e t e an das Ohr legt u n d in diese hineinspricht, so scheinen ihm die S t i m m e n n a h e zu sein, u n d verlieren nichts von ihrer Kraft
und
Klangfarbe.
Die
geradlinige
Fortpflanzung
des
Schalles t r i t t deutlich beim P r ü f e n von langen Hölzern, Lanzens c h ä f t e n u. dgl. hervor, die das Klopfen a m einen E n d e unv e r ä n d e r t bis z u m anderen ü b e r m i t t e l n , es sei denn, d a ß Brüche ' P. VII, 6 und 7. 4 5; VII, 2. Zo. VIII, 2. 6; M. II, (8), 37 und 38.
2
3 P. VII, 5; Sp. 2, 3 u. 5 sind unecht. P. I, 6 Z. V, 29, 34 u n d 85; S. 1, 7 und 8 ; Pr. XI, 6 8 S. III, 12. ' Pr. XXXII, 13. Tö.
92
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
oder Risse vorliegen, die auch bei Saiten, Hörnern, T o n g e f ä ß e n , Ambossen u. dgl., den C h a r a k t e r des Tones beeinflussen u n d v e r ä n d e r n . 1 T r i f f t der Schall eine feste W a n d , so wird er von ihr im selben Winkel, u n t e r dem er einfällt, zurückgeworfen, und so e n t s t e h t das E c h o . 2 — Daß m a n n a c h t s alles besser und d e u t licher h ö r t wie bei T a g e , k o m m t d a h e r ,
d a ß die W ä r m e der
Sonne fehlt, durch die eine f o r t w ä h r e n d e „ z i t t e r n d e " Bewegung der L u f t hervorgerufen w i r d ; dies w u ß t e bereits A n a x a g o r a s . 3 Auch das Sehen wäre unmöglich, w ü r d e nicht die, durch das Licht u n d die F a r b e v e r u r s a c h t e Bewegung, seitens eines Mediums
Auge f o r t g e p f l a n z t ; 4
bis z u m
maßgebend
für
den
Vorgang hierbei ist die Art, in der das Medium affiziert wird, in
der
also z. B.
die
Brechung
des
Lichtes mit
einer
ä n d e r u n g der L u f t , u n d diese m i t einer solchen ihrer
VerElasti-
zität zusammenhängt.5 VI. D a s W a s s e r . Das Wasser h a t , wie auch andere Flüssigkeiten, keine oder n u r sehr spärliche Poren, u n d k a n n d a h e r nicht oder komprimiert werden. Es
vermag,
ebenso
w e g u n g geworfener
kaum
6
wie
K ö r p e r zu
die
Luft,
die
vermitteln
gewaltsame
und
zu
Be-
erhalten; 7
a u c h v e r d r ä n g t jeder Körper, beim Einsenken in Wasser, so viel davon,
als seiner Größe
Aristoteles
entspricht. 8
— Wie
ersichtlich,
hat
noch keine ausreichende Vorstellung v o m spezi-
fischen Gewichte; d a h e r w u n d e r t er sich (wie bereits a n g e f ü h r t ) darüber,
daß
schwerer
werden),
Schläuche,
mit
nunmehr
Luft auf
angefüllt
dem
Wasser
(wodurch
sie
schwimmen,
w ä h r e n d sie leer untergingen, 9 ferner darüber, d a ß ein genügend großer Block Holz in der L u f t schwerer ist als ein S t ü c k Blei, im Wasser aber s c h w i m m t , w ä h r e n d 1
5 9
ebd. S. III, 12. Pr. XXXV, 13.
2 6
jenes zu Boden
sinkt, 1 0
3 4 Pr. XI, 23. Pr. XI, 5 und 33. S. II, 7 u n d 8. 8 M. IV, (9), 17 u n d 18. ' P. IV, 2. P. IV, 8. 10 Hi. IV, 4.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
93
d a ß flache Stückchen Eisen oder Blei sich auf der Oberfläche des Wassers erhalten, 1 und d a ß ein Schröpfkopf zwar W a s s e r aufzieht, nicht aber Sand. 2 Reines Wasser l ä ß t sich, von einer gewissen
Grenze
auch durch noch so vieles und heftiges Feuer weder noch
dichter
machen,
sondern
trocknet schließlich völlig ein.
beginnt
3
an,
heißer
zu v e r d a m p f e n ,
und
W ä h r e n d der Boden von Ge-
fäßen, die m a n leer erhitzt, alsbald d u r c h b r e n n t , erhält er sich unbeschädigt, wenn m a n Wasser eingefüllt h a t , offenbar, weil dieses die in den Boden übergehende W ä r m e sofort in sich aufn i m m t und sozusagen löscht. 4 — Ob die, an einer Stelle wähnten
künstlichen
Vorrichtungen
zum
Kochen
5
er-
Wasser-
bäder waren (die m a n damals bereits kannte), bleibt zweifelhaft. Beim
Erwärmen
des
Wassers
bildet
sich
anfangs
ein
w a r m e r D u n s t , d a n n entstehen Blasen d a m p f a r t i g e r L u f t , die das Wasser und
schaumig
schließlich
entweicht; überhaupt
7
machen
durchbricht
wie
die
und
der
Größen
Dampf
des
weder identisch sind,
weiß
erscheinen
lassen, 6
die Oberfläche,
Volumens
und
noch irgendwie
und
Gewichtes voneinander
a b h ä n g e n , 8 so v e r h ä l t es sich auch im vorliegenden Falle, und zwar n i m m t der Dampf so viel m e h r R a u m ein als vorher das W a s s e r , d a ß nicht selten die Gefäße zersprengt werden. 9
Der
D u n s t u n d Dampf des Wassers ist in seinem Wesen der L u f t gleichartig, 1 0 u n d wird, wenn er erkaltet, wieder zu Wasser. 1 1 Dieser nämliche Vorgang vollzieht sich auch im
großen:
durch die W ä r m e der Sonne gebildet und gehoben, steigen die Wasserdünste
empor
gen
Himmel,
beim
Erkalten
wird
die
, , L u f t " zu Wolken u n d zu Wasser, das als Regen wieder zur E r d e herabfallen m u ß , u n d dies wiederholt sich ewig wechselnd. 1 2 1 2 3 Hi. IV, 6. Hi. IV, 5. Z. II, 26; IV, 74. P. I, 4. M. IV, (3), 4 5 6 7 u n d (6), 4. P. XXIV, 5. M. IV, (3), 18. Z. V, 72 u n d 73. 7 8 9 Pr. XXIV, 10. Hi. IV, 2. Ph. IV, 9; VII, 20; Hi. II, 7. 10 11 ,2 E. II, 3 ; Z. II, 30; M. I, (9), 3—7. Ph. II, 8. M. I, (9), 3—7; P. I, 5 ; P h . II, 8 ; T h . II, (7), 4; M. I, (3), 11 u n d 15; II, 4, 7.
94
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Die anfangs entstehenden kleinsten Wassertröpfchen schweben zunächst in der L u f t , gleich Flimmern von Gold auf dem Wasser; 1 wie in den Tröpfchen des Ruder- oder Spritzwassers, so kann sich auch in ihnen das Licht brechen, und hierdurch bildet sich der Regenbogen; in der Regel erzeugt ihn das Sonnenlicht, doch kommen auch Mondregenbogen vor, freilich sehr selten, denn binnen fünfzig Jahren vermochte A r i s t o t e l e s nur zwei zu beobachten. 2 Setzt man Wasser der Abkühlung aus, am besten solches, das vorher in der Sonne stand oder erhitzt wurde 3 (offenbar weil dieses luftfrei ist), so wird es durch die Kälte allmählich verdichtet und in Eis verwandelt; 4 man kann es als zweifelh a f t ansehen, ob das' Eis, da es keinerlei Eigenschaft des Wassers mehr besitzt, mit Recht als gefrorenes „Wasser" zu bezeichnen sei, 5 jedoch ist das Gefrieren keine allmähliche qualitative Veränderung, sondern erfolgt (außer bei sehr tiefen Gewässern) mit einem Male, 6 auch gibt das Eis beim Schmelzen wieder Wasser zurück. 7 So wie das Wasser selbst verhalten sich auch alle Stoffe, die vorwiegend aus Wasser bestehen, z. B. Molken, Harn, Eiter, Essig, manche Weine usf., sie gefrieren nämlich in der Kälte, und werden durch Wärme leicht und vollständig wieder verflüssigt; schwieriger und weniger glatt erfolgt beides bei solchen Substanzen, die auch feste erdige Teile enthalten, z. B. bei Milch, Honig, Most, Blut, Sperma, Gummistoffen, Harzen u. dgl. 8 Auch diese Vorgänge finden ebenso im großen s t a t t : Durch allmähliche Abkühlung gehen die aufgestiegenen Dünste in Wasser und sodann in Schnee über, dessen schaumige Masse der vielen beigemischten Luft ihre weiße schimmernde Farbe verdankt, 9 sie können aber, wie der Rauhreif beweist, 1
2 M. I, (12), 3. M. III, (3), 2 u n d (4), 12; III, (3), 17 u n d 19; III, 3 (2), 9 u n d 10. M. I, (12), 17; vgl. die g a n z verwirrte Stelle, Pr. XXIV, 13. 4 5 6 7 Met. VIII, 2. T o . IV, 5. P h . VIII, 3; P. I, 6. T h . II, (2), 8. 8 9 M. IV, (10), 9, 10, 15, 18; IV, (7), 7—11, 15, 17, 20. Z. II, 28.
CHEMISCHES
auch
UND ALCHEM[SCHES
unmittelbar
ergeben. 1
erstarren,
AUS
ARISTOTELES
95
ohne zuerst flüssiges Wasser
Der gewöhnliche Reif
bildet sich,
zu
ebenso wie der
T a u , a m reichlichsten bei heiterem Himmel u n d Windstille, a b e r nicht infolge der K ä l t e der Gestirne, — so l a u t e t die übliche „absurde
Behauptung",
—
sondern
weil
unter
jenen
Um-
s t ä n d e n die W ä r m e leichter von der E r d e entweicht, was die Verdichtung auf,
wenn
der die
feuchten
begünstigt.2
Dünste
Abkühlung
der
aufgestiegenen
Hagel Dünste
tritt nicht
allmählich erfolgt, sondern plötzlich. 3 Das
Regenwasser,
dessen
jährlich
fallende Menge
sich
unschwer messen ließe, 4 saugen die Gebirge, riesigen Schwämmen gleich, in sich auf, reinigen u n d filtrieren es allmählich, lassen
es schließlich in
Gestalt
der
und
treten;5
Quellen zutage
d a h e r sind die Oberflächen wie die Tiefen der E r d e f a s t allenthalben von Wasser erfüllt, 6 u n d wie Wasser beim durch
Asche deren
auch
viele Quellen
scharfen
Geschmack
Beschaffenheit u n d
Filtrieren
annimmt,
so zeigen
Geschmack der
Erd-
schichten, die sie durchflössen u n d a u s l a u g t e n , . u n d die bald Salz und Alaun e n t h a l t e n , bald Kalk u n d a n d e r e m e h r oder minder
„gebrannte"
Sizilien z. B., und saurem
Erden, auch
bald
auch
anderwärts,
sauere
gibt
Stoffe. 7
Geschmacke, d a ß m a n sie s t a t t Essig den
w a s s e r " ) ; das Wasser eines Baches bei Cumae in Stein
sich beim erhärtet;
9
Stehen andere
mit
einer festen
Wässer
scheiden
beim
„Sauer-
Süditalien
Kruste,
n a m e n t l i c h wenn es u n t e r U m r ü h r e n geschieht,
die wie
Erwärmen, einen großen
Teil der gelösten Stoffe wieder ab, u n d werden d a d u r c h T r i n k e n geeigneter. sind
schwerer 1
3 7 9
als
10
so
Nahrungs-
mitteln zusetzt, 8 (vermutlich s t a r k kohlensäurehaltige bedeckt
In
es Wässer von
zum
Die an derlei Substanzen reichen Wässer
die
reinen
süßen,
die
ersteren
versinken
2 M. I, (13), 9; II, (4), 17 und (6), 2 1 ; I, (10), 1. Pr. XXV, 51. 3 4 5 e s. unter auf S. 94. M. I, (13), 8. M. I, (13), 12. M. I, (3), 2. 9 P. I, 4; M. II, (1), 4; (3), 13 u n d 4 5 - 4 7 . M. II, (3), 45—47. 10 W . 95. Pr. XXIII, 18 u n d 20.
96
CHEMISCHES
UND A L CHEM IS CHE S AUS
ARISTOTELES
d a h e r in die Tiefen der Erde, w ä h r e n d die letzteren aufsteigen und h e r v o r t r e t e n ; in A f r i k a z. B. f i n d e t m a n häufig an
der
E r d o b e r f l ä c h e g u t e s u n d t r i n k b a r e s Wasser, in größerer Tiefe a b e r salziges u n d Wasser, und
dann
ungenießbares. 1
die in das heiße wieder
Innere der
emporsteigen,
bilden
Erde
versickerten,
die heißen
Quellen, 2
die viele Leute f ü r heilig ansehen, weil sie glauben, ihre Hitze rühre
daher,
daß
der
Blitz (der
ihnen
gleichfalls f ü r
gilt) in sie geschlagen habe, oder d a ß v e r b r e n n e n d e r Schwefel (thiov
sie e r w ä r m e ; 3
= Theion!)
wirklich m a n c h e heiße
nun
heilig heiliger
riechen
zwar
Quellen, z. B. die n ä c h s t Magnesia in
Kleinasien, ähnlich wie die L u f t nach einem Blitzschlage oder nach dem V e r b r e n n e n von Schwefel, die w a h r e Ursache hiervon
ist
aber
jedenfalls
ein
Gehalt
des
Erdreiches
an
ent-
sprechenden, dem Alaun v e r w a n d t e n Stoffen, u n d nach solchen s c h m e c k t ihr Wasser a u c h . 4 Wie diese Beispiele beweisen, gibt es also sehr zahlreiche A r t e n Wasser, auch wenn m a n alle die ganz a u ß e r
Betracht
l ä ß t , die zwar, wie Wein, Milch, Molken, H a r n u. dgl., wesentlich aus Wasser bestehen, beim E i n d a m p f e n keinen oder n u r wenigen
Rückstand
hinterlassen,
und
sich leicht mit
Wasser
vermischen, (nicht a b e r mit sonstigen Flüssigkeiten, z. B. mit Öl), — im übrigen jedoch andere, z u m Teil sehr abweichende E i g e n s c h a f t e n zeigen. 5
Da n u n das Wasser, nicht m i n d e r wie
die L u f t , von g r ö ß t e m
Einflüsse auf die E r h a l t u n g der
Ge-
s u n d h e i t ist, so liegt es im öffentlichen Interesse, f ü r die G ü t e des
Wassers
zu
sorgen,
Nutzwasser zu t r e n n e n ,
erforderlichenfalls
das
Trink-
vom
u n d die B e n ü t z u n g schlechter Wässer
zu v e r h i n d e r n ; 6 ungesund u n d schädlich ist auch das Schmelzwasser aus Schnee u n d Eis, v e r m u t l i c h weil das Wasser erst gefriert, 1
4
wenn
seine
leichtesten
und
zartesten
Bestandteile
3 Pr. XXIII, 20, 21 u n d 37. - M. II, (8), 9. XXIV, 18 und 19. 5 6 Pr. XXIV, 17. M. IV, (5), 6 und 7; (6), 13; Pr. I, 13. St. VII, 10.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
97
bereits entwichen sind. 1 — B e k a n n t ist es, d a ß die A u s d ü n s t u n g e n großer Wasserflächen auch das Klima der umgebenden
Länder
günstig beeinflussen: sie machen es w ä r m e r und schützen Pflanzen vor dem Erfrieren.
die
2
Meerwasser ist stets w ä r m e r als süßes Wasser, und reicher an Gelöstem, d a h e r k ü h l t es auch viel langsamer ab. 3
Infolge
seiner größeren Schwere u n d Dichte k a n n m a n leichter darin schwimmen,
und
beladene Schiffe sinken
weniger
diese Erscheinungen
sind ganz analog dem
Eiern
und
auf
Salzsole,
dem
Schwimmen
merkwürdigen
Verhalten
schweren Salzwassers in dem „ T o t e s Meer" g e n a n n t e n see. 5
ein;4
tief
von des
Binnen-
Am g r ö ß t e n ist der Salzgehalt an der Meeresoberfläche,
wohl weil von dunstet;6
reichlichsten
ver-
die in Lösung befindlichen Stoffe sind jedoch
dieser aus das Wasser am
ver-
schiedener Art, daher schmeckt das Seewasser auch nicht rein salzig, sondern zugleich bitter. 7 des
Salzgehaltes
die
feuchten Dünste, wenn sie sich in W o l k e n u n d Wasser
ver-
aus
den
eine
Die Frage nach dem Ursprünge laugen
wandeln,
ist
schwierige:
trockenen
Dünsten
vielleicht (ähnlich
wie
aus
der
Asche) das Salzige aus, u n d bringen es so, m i t dem Regen, in das M e e r ; 8 da nun die Sonne die leichtesten Teilchen des Seewassers v e r d u n s t e t
und
emporsteigen
läßt,
ihrer E r n ä h r u n g , wie eine „lächerliche alte
— aber nicht zu Idee" besagt
—,
so k a n n innerhalb langer Zeiten eine allmähliche Anreicherung an leicht löslichen Salzen eintreten. 9 Wird
das Meerwasser
erhitzt
oder v e r k o c h t ,
so
bleiben
die salzigen u n d erdigen Bestandteile zurück, die entweichenden D ä m p f e aber geben, wenn sie sich niederschlagen, wieder
Meerwasser,
sondern
süßes,
und
hiervon
kann
sich leicht überzeugen, wenn m a n die sich aus dem verdichtenden
Tropfen
irgendwie s a m m e l t ;
ganz
nicht man
Dampfe
ebenso
ver-
1 2 3 Fr. 206. Pr. XXIII, 34. Z. III, 107; P r . XXIII, 7. 4 Pr. XXIII, 5 6 13; M. II, (3), 36 u n d 37. M. II, (3), 38 u n d 39. Pr. XXIII, 30. 7 8 9 Pr. XXIII, 35. M. II, (3), 25. M. II, (2), 5—6 u. 13; II, (3), 30 u. 32.
v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.
II.
7
98
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
halten sich die D ä m p f e aus Wein u n d a n d e r e n die ihren
besonderen
Geschmack
nur
Flüssigkeiten,
kleinen
Beimengungen
verdanken.1 Dafür, daß
das Meerwasser
tatsächlich
sich e n t h a l t e , f ü h r t A r i s t o t e l e s weis durch
den V e r s u c h " an,
süßes Wasser
noch einen besonderen
in
„Be-
auf den hier des näheren
ein-
zugehen ist, weil er bisher sichtlich ganz u n d gar m i ß v e r s t a n d e n wurde.
In der „Meteorologie" f i n d e t sich nämlich
berichtet:
Versenkt
man
folgendes
ein wächsernes Gefäß, dessen
Hals
wasserdicht verschlossen ist, in das Meer, so e n t h ä l t es nach vierundzwanzig durch
die
Stunden
wächsernen
eine
gewisse
Wände
Menge
hineinfiltriert
Wasser,
ist,
Wasser ist t r i n k b a r , da die erdigen u n d salzigen „abgesiebt" wurden.2 mentatoren den
und
Bestandteile
— Über diese Stelle h a b e n sich
u n d E r k l ä r e r seit undenklichen Zeiten
Kopf
zerbrochen,
auch
blieben
das dieses Kom-
vergeblich
alle B e m ü h u n g e n ,
den
„ V e r s u c h " zu wiederholen, ohne jeden Erfolg, da d ü n n w a n d i g e Wachsgefäße
stets
sofort
zusammengedrückt
wurden,
dick-
wandige aber keinen T r o p f e n Wasser durchließen. unklaren Parallelstelle 3 in den ( n u r
Einer recht echten)
„Problemen"
ist
nichts
Bestimmtes
zu
teilweise
entnehmen,
um so m e h r als auffälliger u n d bisher anscheinend
unbemerkt
gebliebener Weise, in der Ausgabe der Berliner A k a d e m i e der griechische
Text4
Übersetzung
3
Redaktion
gar
nicht
mit
der
gegebenen
lateinischen
ü b e r e i n s t i m m t , der v e r m u t l i c h eine ganz a n d e r e
der
Quellenschrift z u g r u n d e
liegt;
doch
ist
auch
in der lateinischen Ü b e r s e t z u n g n u r von einem „in das Meer versenkten
Gefäße"
einem w ä c h s e r n e n .
die
Rede,
und
W e i t wichtiger
mit
keinem
ist hingegen
Worte eine
von
andere
Parallelstelle in der „ T i e r k u n d e " , die wieder von dem „ d ü n n e n wächsernen nach 4
Hohlgefäße"
vierundzwanzig
spricht,
Stunden
1 M. II, (3), 31; IV, (7), 6 u. 7. 5 Bd. II, S. 866. Bd. III, S. 419.
das,
eine 2
„ins
Meer
kleine Menge
M. II, (3), 35 u. 36.
versenkt, trinkbaren 3
Pr. II, 1.
CHEMISCHES
UND ALCHEM1SCHES
Wassers e n t h ä l t " . 1
AUS
ARISTOTELES
99
In dem betreffenden Kapitel ä u ß e r t n ä m -
lich A r i s t o t e l e s die V e r m u t u n g , süßes Wasser gehe aus Meerwasser hervor, wenn
dieses beim
„Durchseihen"
erdige Schichten sein Salz a b g e b e ,
durch
feste
u n d f ü h r t als Beleg
auch
an, d a ß alle Schaltiere von dem süßen Wasser leben, das beim Durchseihen des Seewassers durch ihre Schalen e n t s t e h t .
Mit
d i e s e n Angaben m u ß der u n m i t t e l b a r auf sie folgende „Vers u c h " in Z u s a m m e n h a n g stehen, und unmöglich k a n n Aristoteles
ein Gefäß aus W a c h s
daher
im Sinne g e h a b t
haben,
also aus einem, wie ihm wohl b e k a n n t war, f ü r Wasser u n d u r c h lässigen Material. Jener
Zusammenhang
Stelle verständlich
wird
gemacht
wenn m a n , s t a t t äyyeiov
und
xi'iqivov
gefäß, uyyeTov xeoc/./xov (Angeion
hergestellt ihre
und
damit
Schwierigkeit
die
behoben,
(Angeion kerinon) = W a c h s keramon) = Tongefäß
diesen Ausdruck g e b r a u c h t A r i s t o t e l e s
öfters,
2
auch
liest: spricht
er wiederholt von unglasierten u n d roh g e b r a n n t e n T o n g e f ä ß e n , 3 durch die Wasser sickert, 4 u n d e r w ä h n t , d a ß salziges Wasser durch die Filtration süß u n d t r i n k b a r wird. 5
Bei dem
„Ver-
s u c h " soll also o f f e n b a r ein durchlässiges (unglasiertes)
Ton-
g e f ä ß wohlverschlossen in das Meer gesenkt, u n d das allmählich eindringende Wasser (dessen Menge n u r gering sein k a n n , schon
weil die
L u f t nicht
oder n u r spärlich zu
entweichen
v e r m a g ) t r i n k b a r b e f u n d e n w e r d e n ; ein a n n ä h e r n d e s solcher
Art
günstigen
scheint
aber
wohl
Versuchsbedingungen,
möglich, ein
wenn,
geeigneter
Ergebnis
unter und
sonst
passend
g e b r a n n t e r T o n zur A n w e n d u n g gelangt. 6 Das W a s s e r ist auch Geschmäcke,
denn
unentbehrlich
schmecken
kann
nur
zur das,
Entstehung was
1
der
entweder
2 Zo. VIII, 2. z. B. im Bd. II, S. 801 der Berl. A k a d e m . Ausgabe (im Bd. III, S. 389 übersetzt mit „vas f i g l i n u m " ) ; s. auch den B o n i t z s c h e n 3 4 5 Index, Bd. V, S. 382. Z. II, 60. Z. II, 89. M. II, (2), 4. 6 Versuche hierüber anzustellen, hat H e r r Prof. Dr, E. E r d m a n n in Halle freundlichst ü b e r n o m m e n .
7*
100
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
schon an sich f e u c h t ist, oder leicht
ARISTOTELES
Feuchtigkeit
aufnimmt
(wie das leicht zerfließliche Salz), oder sich leicht auflöst (wie der H o n i g ) ; 1 d a der Geschmack zu den Gefühlen zählt, so ist auch
für
seine
maßgebend,2
Übermittlung
wobei
Stumpfe stößt.
die
gleichsam
Bewegung
das
Scharfe
eines
Mediums
sticht
und
das
3
Beim Reifen und Nachreifen der F r ü c h t e entstehen, u n t e r dem
Einflüsse n a t ü r l i c h e r oder künstlicher W ä r m e ,
innerhalb
der Fruchthüllen neue Geschmäcke verschiedenster Art, süße, bittere, fettige, herbe, saure,
salzige,
scharfe, beißende
usf.;
sie alle beruhen auf V e r ä n d e r u n g e n des Wassers (Saftes) durch gewisse „ G e s c h m a c k s - F l ü s s i g k e i t e n " , die wiederum durch Wasser, das leichter als sie ist, aus dem E r d b o d e n ausgezogen und den Pflanzen z u g e f ü h r t w e r d e n . 4
Die Pflanzen schöpfen
nämlich
alle ihre Säfte, wie ü b e r h a u p t ihre g e s a m t e N a h r u n g , aus der Erde, wobei ihnen die Wurzeln als M u n d dienen, 5 u n d bereiten aus den a u f g e n o m m e n e n Teilen ihre Stengel, Blätter, und
Blüten
F r ü c h t e ; der Boden ist dieserhalb von g r ö ß t e m
Einfluß
auf die E n t w i c k l u n g , und die Eigenschaften aus der
Fremde
eingeführter Samen v e r ä n d e r n sich daher alsbald, der N a h r u n g entsprechend, die ihnen der neue S t a n d o r t bietet. 6 Schließlich sei noch b e m e r k t , d a ß A r i s t o t e l e s Stelle
7
im W a s s e r nicht, wie sonst,
die
Qualität
an
einer
der
Kälte
überwiegen läßt, sondern die der Feuchte.
VII. Die Erde. Das nicht
Innere
selten
Umständen
von
der E r d e außen
ist heiß
und
eingedrungene
durch R e i b u n g
und
feurig8 und
enthält
L u f t , die sich
unter
Stoß e n t z ü n d e n k a n n , 9
und,
in unterirdische H o h l r ä u m e eingeschlossen, E r s c h ü t t e r u n g e n u n d 3 1 2 S. II, 8. S. II, 9 u n d 10. S. II, 7 ; III, 12. 6 7 Z. II, 66; S. Ii; 1. Z. II, 53. M. IV, (4), 4 u n d 5. 0 (8), 1. M. II, (8), 20.
4
P. I, 4. M. II,
3
CHEMISCHES
Erdbeben Körper
UND ALCHEMISCHES
verursacht,
ganz
Konvulsionen
und
AUS
ebenso
wie
Krämpfe
ARISTOTELES
sie
der
im
J01
menschlichen
Eingeweide
erregt,
— sofern m a n Kleines m i t G r o ß e m vergleichen d a r f . 1 Wie
die
Erfahrungen
in
Gruben,
Bergwerken
usf.
be-
weisen, sind im Inneren d e r E r d e A u s d ü n s t u n g e n v o n zweierlei Art vorhanden:
1. T r o c k e n e
und
rauchartige
Dünste;
sie
er-
h i t z e n u n d v e r b r e n n e n die Materie, die sie v o r f i n d e n , u n d erzeugen so alle in W a s s e r unlöslichen E r d e n u n d Minerale, u. a. a u c h den Schwefel, das S a n d a r a c h (rotes S c h w e f e l a r s e n ) , dergleichen.
und
2. F e u c h t e u n d d a m p f a r t i g e D ü n s t e ; sie v e r d i c h t e n
u n d koagulieren sich a n g e e i g n e t e n
Stellen, u n d erzeugen
so,
n a m e n t l i c h w e n n dies u n t e r D r u c k geschieht, die Metalle. 2 In l e t z t e r
Linie
sind
also
Erden,
Mineralien,
Erze
und
Metalle a u s den E l e m e n t e n , v o r n e h m l i c h a u s E r d e u n d W a s s e r , in g a n z b e s t i m m t e r Weise gebildet, i n d e m W ä r m e u n d gewisse
Bewegungen
sprechend,
rein
künstlichen Metallen
naturgemäß,
sind,
und
hervorrufen,
die
zwecks
man
den
nicht
identisch
zwecks
dampfartigen
schmelzen,
niederschlagen
stehenden
Stoffe
ihre
Kälte
Umständen
ent-
mit
jenen
Absonderung
Herstellung von Geräten
durch, daß W ä r m e und rauch- und
und z. B .
die,
einleitet;
von 3
da-
K ä l t e auf die E l e m e n t e u n d auf
die
D ü n s t e e i n w i r k e n , sie e r h i t z e n
und
und
verdichten,
eigentümlichen
erhalten
Mischungen
die
ent-
der
vier
Q u a l i t ä t e n u n d ihre d u r c h diese M i s c h u n g e n b e d i n g t e n
charak-
t e r i s t i s c h e n E i g e n s c h a f t e n aller A r t . 4 a) N i c h t m e t a l l e , S a l z e u. d g 1.
Der S c h w e f e l { 0 u o v = T h e i o n ) , (fleTov = g ö t t l i c h ) ,
5
zeigt
der f ü r sehr heilig gilt
mannigfaltige
Farben,
die je
nach
R i c h t u n g u n d S t ä r k e der B e l i c h t u n g in v e r s c h i e d e n s t e r
Weise
hervortreten,6
völlig
verändern;7
und
sich b e i m
angezündet
Erhitzen
verbreitet
er
1 2 M. II, (8), 17. M. IV, ((10), 13. 4 5 (12), 11. M. IV, (8), 1—6. Pr. XXIV, 19.
und
Schmelzen
heftig 3 6
riechende,
er-
M. IV, (10), 2 u n d 3; 7 Fa. 2 u n d 3. Fa. 3.
102
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTEIES
stickende, ja tödlich wirkende D ä m p f e , 1 die in manchen Gegenden auch aus dem heißen, brennenden Erdboden hervorströmen. 2 Schwefel ist in vielen Aschen vorhanden, deren eigentümlicher Geruch besonders beim Übergießen mit Wasser bemerklich w i r d ; 3 auch gewisse heiße Wasser, sowie manche Quellen und Sümpfe entwickeln diesen entsetzlichen Geruch (nach Schwefelwasserstoff!), so daß kein Tier in ihnen leben kann, und über sie hinfliegende Vögel oft tot aus der Luft fallen. 4 K o h l e scheidet sich beim Verbrennen von Holz ab, das dabei schwarz wird und schwarzen Rauch und Ruß gibt, der auch zum Schwarzfärben dient. 5 Bedeckt man glühende Kohlen, die sich sonst lange in diesem Zustande erhalten, mit einem dicht schließenden Deckel, so verlöschen sie sehr rasch; 6 der „ D a m p f " brennender Kohlen erregt Kopfschmerzen und ist oft tödlich. 7 Kohlen an sich sind aber unschädlich, ja es gibt Menschen, die sie, ebenso wie Erde, aus schlechter Gewohnheit verschlucken. 8 — Der Stein „Spinos" und seine Verwandten, die man aus den Bergwerken Thraziens, Lykiens und des Peloponneses fördert, und die sich von selbst entzünden und beim Besprengen mit Wasser in Brand geraten sollen, 9 sind nach einigen Erklärern als schwefelkieshaltige Kohlen anzusehen, nach anderen als bituminöse Alaunschiefer. S a n d a r a c h (d. i. rotes Schwefelarsen), — wohl zu unterscheiden von dem, vermutlich wegen der ähnlichen Farbe, mit gleichem Namen bezeichneten Bienenbrot, das sonst Kerinthos heißt 1 0 —, tötet Pferde und andere Zugtiere, wenn man es ihnen, in Wasser gelöst und durchgeseiht, beibringt; 1 1 da in anderem Zusammenhange 1 2 richtig angegeben wird, daß Sandarach in Wasser unlöslich ist, so kommt hier wahrschein1
4 7 11
3 P. I, 5; S. II, 9 ; Zo. IV, 8. » W . 127. Pr. XXIV, 17—19. 5 6 Pr. XXIV, 18 und 19; W . 81 und 100. Fa. 1 und 4. P. VI, 5. 8 9 10 P. I, 5. N i . VII, 6. W . 33, 41, 116, 127. Zo. IX, 40.
Zo. VIII, 24.
12
M. III, (7), 2 — 6 .
CHEMISCHES
ARISTOTELES
103
lieh „ g e b r a n n t e s " S a n d a r a c h in Frage, das a r s e n i g e
Säure
enthält,
deren
UND ALCHEMISCHES
erste
Erwähnung
AUS
in
der
Literatur
dann
an
dieser Stelle vorläge. W a s u n t e r dem ¿¡Qtrevixöv ( A r s e n i k o n ) , der
Haare
lateinische es m i t
dient,
zu
verstehen
Übersetzung
Auripigmentum
der
sei,
bleibt
Berliner
wieder;
daß
das zum F ä r b e n zweifelhaft;
die
Akadem.
Ausgabe
gibt
aber
diesem,
d. h.
von
vom gelben Schwefelarsen, die Rede sei, ist unwahrscheinlich, da die S u b s t a n z die H a a r e rötlich f ä r b e n soll. 1 Von den E r d e n ,
die sehr zahlreiche Arten bilden,
sind
die meisten unlöslich in Wasser, einige aber löslich in a n d e r e n Flüssigkeiten, z. B. die Eierschalen 2 (in Essig); auch von den ersteren dienen viele als F a r b e n , z. B. Minium (ein vieldeutiges W o r t , das auch noch in späterer Zeit alle n u r möglichen roten Oxyde
und
werden
zu Ziegeln,
fäßen,
und
Sulfide
bezeichnet) Rohren,
dergleichen
Oker. 3
und
glasierten
gebrannt,
und
Einige
Erden
unglasierten
namentlich
die
Ge-
Tonarten;
beim E r w ä r m e n gibt der Ton a n f a n g s Wasser ab, sodann wird er fest u n d h a r t , völlig unlöslich, u n d so widerstandsfähig, daß er im
Feuer nicht
wieder
schmilzt,
und
höchstens
nur
bei
allergrößter Hitze etwas e r w e i c h t ; 4 so v e r h a l t e n sich alle Rohstoffe dieser Art, die ganz vorwiegend aus E r d e bestehen und n u r wenig Wasser e n t h a l t e n . 5
Andere Erden schmelzen
beim
Erhitzen u n d geben dabei, wie der Bimsstein, eine k o m p a k t e , kalkige,
weiße
Masse, 6
oder,
wie
die
Glaserde,
ein
festes,
klares u n d helles Glas; t r o t z seiner großen Dichte ist dieses, wenn nicht völlig, so doch f a s t völlig durchsichtig, jedenfalls weil seine Poren u n d daß
die
Lichtstrahlen,
Gänge so regelmäßig a n g e o r d n e t die stets
nur
in gerader
sind,
Richtung
fortschreiten, sie zu durchdringen vermögen. 7 Erdarten
besonderer N a t u r
sind
die
Salze.8
Weit
ver-
1 2 3 4 Pr. XXXIII, 2. Z. II, 8 9 - 9 1 . Fa. 4 ; M. IV, (7), 2 - 6 . M. IV, 6 (6), 7, 8, 12; IV, (10), 9 ' u n d 10; Z. II, 60. M. IV, (6), 2 — 6 ; IV, (7), 1, 6 7 8 15, 17, 20. M. IV, (6), 11 u. 12. Pr. XI, 58 u. 59; Fa. 3. P. I, 4.
104
CHEMISCHES
UND ALCHEM1SCHES
AUS
ARISTOTELES
breitet ist das N i t r o n ( d . i . m e h r oder weniger verunreinigtes kohlensaures N a t r i u m ) , das, weil es neben viel E r d e auch noch etwas Wasser e n t h ä l t , schmelzbar u n d in Wasser leicht löslich ist;1
sein Geschmack
sonderen (rote)
Geruch
Farbe,
Schminke
ist
bitter
besitzt
wie
z. B.
diente).
es das
zusammenziehend,2
und
nicht,
3
sog.
„Schaumnitron"4
Das Wasser
oftmals
eines
aber
Sees in
be-
besondere (das
als
Bithynien
ist
so reich an Nitron, daß es u n m i t t e l b a r z u m Reinigen der Leinenkleider
dienen
zerfrißt;5
daß
kann das
und
sie bei längerer
Wasser
des
Sees
Einwirkung
sogar
ähnliche
Eigen-
Paesa
schaften zeigt, zugleich aber auch t r i n k b a r ist, k o m m t vielleicht daher, d a ß es zwar reichlich zum Reinigen geeignete B e s t a n d teile e n t h ä l t , aber keine b i t t e r e n . 6 Dem Nitron ähnlich ist die A s c h e ,
die beim Verbrennen
gewisser R o h r e u n d Binsen z u r ü c k b l e i b t , sowie das Salz, das m a n erhält, wenn m a n die Asche mit Wasser auszieht und die Lösung einkocht, 7 (d. i. wesentlich kohlensaures Kalium). Verbrannte
hinterläßt
Schwefelwasserstoff)
Asche,
riecht
die
und
nach
salzig
Schwefel ist;8
wie
Alles
(richtiger gebrannter
Kalk, Schlacke u n d Anderes, das großer Hitze ausgesetzt war, so hält auch die Asche potentielle W ä r m e in sich zurück, 9 die aktuell
hervortritt,
wenn
man
wird beim Durchfließen w a r m u n d bitteren
Bestandteile. 1 1
10
z. B. Wasser a u f g i e ß t ;
dieses
und entzieht ihr die salzigen
Asche und Aschenlauge sind
an
u n d f ü r sich weiß; gelblich oder grau f ä r b e n sie n u r gewisse Reste
des gelblichen
Feuers
oder des grauen
Rauches.12 —
Einige geben an, ein m i t Asche gefülltes Gefäß n e h m e
noch
ebensoviel Wasser in sich auf, als es f a ß t , wenn es leer ist; 1 3 diese B e h a u p t u n g ist a b e r nicht zu billigen. 1 4 1
Die Asche h a t
2 3 M. IV, (9), 1; (10), 12 u n d 16—18. Pr. I, 38. P. I, 5. 5 6 7 3 Fa. 4. W . 53. P r . XXIII, 40. M. II, (3), 43. M. II, (3), 9 2 4 ; Pr. XXIV, 18. T h . II, (2), 7; III, (9), 3 ; M. II, (3), 39; IV, (11), 11 13 10 Pr. XIV, 17. Fa. 1. Ph. IV, 6. 2 u n d 3. M. IV, (11), 3. " P h . IV, 7. 4
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
J05
nämlich viele Poren u n d Zwischenräume, und wenn das Wasser in diese eindringt, so wird sie dicklich und setzt sich a b ; das nämliche geschieht, wie der Versuch gekehrten
beweist,
auch im
Falle, d. h. wenn m a n in ein Wasser
um-
enthaltendes
Gefäß Asche einbringt; w a r das Gefäß aber schon ganz Wasser gefüllt, so n i m m t es ü b e r h a u p t nichts Weiteres
mit mehr
auf, vielmehr fließt beim E i n s c h ü t t e n der Asche entsprechend viel Wasser über, und falls die Asche heiß war, so wird ein Teil Wasser zu L u f t ( D a m p f ) . 1 Kochsalz
f i n d e t sich in m a n c h e n
Gegenden
als
Stein-
salz vor, dessen a n f a n g s o f t noch etwas feuchte Masse an der Sonne so völlig v e r h ä r t e t , d a ß m a n aus ihr, wie aus parischem Marmor,
Tierfiguren
und
Gebrauchsgegenstände
herstellen
k a n n ; 2 sehr h ä u f i g treten salzhaltige Quellen a u f , und einige von ihnen e n t h a l t e n so viel Salz, d a ß sich dieses, wenn m a n die Sole einkocht u n d erkalten läßt, in den schönsten „ F l o c k e n " abscheidet. 3 besonders
Reich an
in
seinen
Salz zeigt sich auch das
obersten
Schichten,
doch
Meerwasser,
sind
zugleich
noch andere, scharf u n d b i t t e r schmeckende Stoffe v o r h a n d e n ; 4 daher
ist
das
Seesalz
zerfließlich,
von
eigentümlichem
Ge-
rüche, und von einem „öligen", in der W ä r m e ausschwitzenden Bestandteile bar
weil
durchdrungen,
er „öliger"
Natur
schlechter löscht, als süßes. 5 gewöhnlichen
Harn
ist
der auch verursachen ist!),
daß
soll (offen-
Seewasser
das
Feuer
Im Schweiß, in T r ä n e n , und im
gleichfalls
Salz v o r h a n d e n ,
das
aber
aus den N a h r u n g s m i t t e l n h e r s t a m m t , deren beste und süßeste Teile der
K ö r p e r zu
seiner
Ernährung
verbraucht,
während
er die hierzu überflüssigen abscheidet. 6 Festes Salz, in das Feuer geworfen, zerknistert, weil es noch etwas Feuchtigkeit e n t h ä l t , die sich in Dampf verwandelt. 7 E s löst sich leicht in Wasser, nicht aber in vielen
anderen
1 2 3 4 Pr. XXV, 8. W . 134. M. II, (3), 41; W . 138. Pr. XXXIII, 5 6 30 u n d 35. P. I, 5; Pr. XXIII, 9, 14 u n d 32. P r . II, 3 ; V, 37. 7 Pr. XI, 26 u n d 43.
106
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCIIES
AUS
ARISTOTELES.
Flüssigkeiten; 1 Bedingungen der Löslichkeit sind nämlich, d a ß der feste Stoff reichliche, eine völlige D u r c h d r i n g u n g
ermög-
lichende Poren e n t h ä l t , 2 u n d d a ß die Poren nicht kleiner sind, als die kleinsten T r ö p f c h e n der Flüssigkeit, da sie diese sonst nicht einzulassen v e r m ö g e n ; 3 es wird aber auch b e h a u p t e t , d a ß Salz
besser
von
salzhaltigem
Wasser
gelöst
werde
als
von
reinem, weil dessen Teilchen so klein seien, d a ß sie durch jene des Salzes wirkungslos h i n d u r c h g e h e n . 4
Beim E i n d a m p f e n der
Lösungen bleibt das Salz schließlich völlig fest zurück, ohne aber zu s c h m e l z e n ; 5 sehr auffällig erscheint es, d a ß Salzlösung, über Süßwein geschichtet, so ziemlich auf ihm schweben bleibt, w ä h r e n d sie sich mit gewöhnlichem Wein sogleich vermischt, v e r m u t l i c h weil dieser weniger Festes gelöst e n t h ä l t u n d weniger dicht ist. 6 Salz ist sehr förderlich f ü r die V e r m e h r u n g u n d M ä s t u n g des Viehes, 7 wie das die W a g e nachweist, 8 und Mäuse sollen sogar durch bloßes Lecken von Salz t r ä c h t i g werden. 9
Wenn
M ü t t e r es in übergroßer Menge genießen, so fehlen den Neugeborenen die Nägel. 1 0 Den
Salzen
ähnlich
sind
die (TTVjiTrjotu ( S t y p t e r i a )
und
fitluvTiiQia (Melanteria) g e n a n n t e n S u b s t a n z e n (vermutlich unreine A l a u n e
und
Vitriole),
die scharf
und
schwefelartig
schmecken und riechen, sich in Wasser auflösen und ihm dieselben Eigenschaften verleihen, und auch f ä r b e n d wirken zum Färben gebraucht werden.
Einen sehr heftigen Geruch (nach A m m o n i a k , saurem die
Ammonium
Salzlake,
und
vor
u n d dergl.) verbreiten die allem
das
verbrennende
mittels dessen m a n die Insekten v e r t r e i b t ; dem
Hirschhorn
auch
große
Heilkräfte
12
zu,
kohlen-
Fischbrühe, Hirschhorn,
m a n c h e schreiben besonders
linken, das die Hirsche beim Abwerfen verbergen sollen. 1
und
11
dem 13
2 3 M. IV, (6), 12. M. IV, (9), 4. M. IV, (8), 9; (9), 5. 5 6 Pr. XXIII, 22. M. IV, (7), 10, 15, 17, 20; (10), 9 u. 10. Pr. XIII, 7 8 9 25 u n d 26. Zo. VI, 19; VIII, 10; W. 138. Zo. VIII, 6. Zo. VI, 37. 10 12 13 Zo. VII, 4. » Pr. XXIV, 18; Fa. 4 ; W. 127. Zo. IV, 8. Zo. IX, 5. 4
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
J07
b) M e t a l l e , E r z e u. d g l .
Mit A u s n a h m e des Goldes, das völlig rein und d a h e r im Feuer
unveränderlich
ist,
enthalten
alle Metalle,
wie Silber,
K u p f e r , Eisen oder Blei, noch m e h r oder weniger viel erdige Teile,
und
sind
enthalten
deshalb
„verbrennbar";
sämtliche
ferner Wasser
in potentiellem
Zustande,
aktuell h e r v o r t r i t t , wenn sie schmelzen, denn
Metalle der
alles
aber
Schmelz-
b a r e ist von der N a t u r des Wassers. 1 Am leichtesten schmelzen d a r u m jene Metalle, die (gleich Glas und m a n c h e n Mineralien) wenig Erde, aber relativ viel W a s s e r f ü h r e n , z. B. Gold, Silber, Zinn und Blei, am schwersten dagegen solche, in deren
Zu-
s a m m e n s e t z u n g noch viele E r d e einging, z. B. Eisen. 2 Daß
die
Metalle
und
ihre
Erze
in
eigentlichem
Sinne
wachsen u n d nachwachsen sollen, ist nicht möglich, da allem Leblosen
das
f e h l t ; 3 hingegen
„ernährende Prinzip"
können
sich, ihrer (weiter oben e r w ä h n t e n ) E n t s t e h u n g gemäß, Metalle in
neuen
oder
erneuten
Mengen
aus
den
entsprechenden
D ü n s t e n niederschlagen, und Erze aus passenden E r d e n durch Umbildung
erzeugen. 4
änderungen
geschehen
geheurer
Zeiträume;
Alle ganz
die
Erde
allmählich
Erscheinungen,
betreffenden und
wie
Ver-
innerhalb
un-
Bildung
des
die
Nildeltas, die E n t s t e h u n g und A u s t r o c k n u n g von Meeren, die Ausbreitung
von
Weise erklärbar.
Wüsten,
und
dergl.,
sind
nur
auf
solche
5
Sowohl die Metalle als auch ihre Erze zeigen, je n a c h der S t ä r k e u n d R i c h t u n g des Lichtes, je nach der Einwirkung, die sie durch Hitze u n d Feuer e r f u h r e n , und je nach der B e h a n d lung, die ihnen m i t verschiedenen Stoffen u n d auf verschiedene Weise zuteil
wurde,
auch
F a r b e n ; ihre ursprüngliche 1
sehr verschiedene und wechselnde F a r b e wird o f t schon
durch
die
M. III, (7), 2—6; IV, (10), 2, 3, 13; IV, (12), 11; Met. V, 6 u n d 24; 2 3 Th. II, (2), 8; P h . II, 1; P. 1, V. M. IV, (10), 12 und 1 5 - 1 8 . Gr. I, 4 4; die Stellen W . 4 2 - 4 4 u n d 47 sind unecht, s. Fr. 248. Met. IX, 7. 5 M. I, (14), 7, 28, 32.
108
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
N a t u r selbst v e r ä n d e r t , so d a ß m a n
ARISTOTELES
sie erst richtig
kennen
lernt, wenn die oberste Schicht e n t f e r n t oder abgerieben wird, deren Teilchen d a n n zuweilen nicht m e h r gold- oder k u p f e r f a r b i g erscheinen, sondern
schwarz, vielleicht weil die
Poren
z e r s t ö r t sind, in die das F ä r b e n d e eindrang, so daß die G r u n d f a r b e wieder
hervortritt.1
sichtbar
Aber
auch
durch
künst-
liche E i n w i r k u n g v e r ä n d e r t sich die F a r b e : verreibt m a n z. B. Molybdaina (eine bleihaltige S u b s t a n z ? ) mit Wasser oder Öl, so wird das dichte Schwarze zu einem lockeren Weißen, jedenfalls indem die beigemengte L u f t , die auch das Volumen deutend
vermehrt,
ihre
Weiße
ebenso
durchschimmern
beläßt,
wie beim S c h a u m und Schnee. 2 Eigentümlichen
Geruch
zeigen
unter
den
Metallen
das
Eisen u n d K u p f e r in deutlicher, das Silber und Erz ( K u p f e r Legierung?) in undeutlicher Weise, w ä h r e n d
das Gold
völlig
geruchlos i s t ; 3 gegen unreine A u s d ü n s t u n g e n sind viele Metalle sehr empfindlich, so z. B. t r ü b e n sich metallene Spiegel, wenn eine F r a u zur Zeit der K a t a m e n i e n Gold zuweilen
f i n d e t sich gediegen im Sande m a n c h e r Flüsse u n d auch
Prüfung
hineinsieht. 4
in großen
bedient
man
Klumpen
sich
des
im E r d b o d e n ; 5 zu
Probiersteins.
6
seiner
Reines
Gold
ist gelb u n d rot, und s t e h t d a h e r in nächster V e r w a n d t s c h a f t zu
dem
ebenso
gefärbten
Feuer, 7
durch
dessen
Einwirkung
es nicht v e r ä n d e r t w i r d ; die K u n s t , es zu gewinnen schmelzen Angabe
lehrte
der
hindeutet,
Phönizier
daß
Meeres w o h n e n d e n
die an
Kadmos.8
—
der S ü d k ü s t e des
Chalyber aus Mäusen
und
Worauf
zu die
schwarzen
Gold gewinnen, 9 ist
unbekannt. Silber geschmolzen
soll
in
Spanien
aus
dem
Boden
gelegentlich geströmt,
eines und
Waldbrandes
anläßlich
eines
E r d b e b e n s den Rissen u n d Spalten der Berge entquollen sein, in solchen Mengen, d a ß die Phönizier nicht n u r ganze Schiffs1
5
Fa. 2 und 3. W. 45 und 46.
2
6
3 Z. II, 28. P. I, 5. 7 3 Z. VII, 12. Met. X, 3. Fr. 459.
4
P. IV, 2. W. 25.
9
CHEMISCHES
ladungen
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
109
davon holen, sondern selbst ihre A n k e r aus
verfertigen
konnten.
1
Große
Mengen
Silber
Silber
ergaben
auch
die im j ä h r e 483 e n t d e c k t e n Minen von Laurion, aus denen der S t a a t der A t h e n e r a n f a n g s jährlich h u n d e r t Talente Reingewinn zog. 2
Das Silber k a m , wie ehedem das Eisen, erst in
gewogenen,
später
aber
auch
in
gestempelten
S t ü c k e n , u n t e r dem N a m e n „ G e l d " in U m l a u f ; fast unveränderlichen
Wert
ist
das
Geld
(geprägten)
3
durch seinen
zum
gemeinsamen
Maße aller Dinge geworden u n d gilt als Bürge f ü r die Möglichkeit k ü n f t i g e n beliebigen Austausches, der so an die Stelle des ursprünglichen T a u s c h h a n d e l s t r e t e n k o n n t e . 4 geschmolzen
und
,,zurechtgekocht"
wird
das
Hergestellt,
Silber
in
den
Silberhütten, u n d gelegentlich letzterer Operation „ s p r a t z t " es, weshalb
die
beim
umhergeschleuderten
„Abschäumen" Abfälle
angestellten
sorgfältig
Arbeiter
sammeln
die
und
ver-
w e r t e n ; die Erscheinung wird durch die große Dichte des geschmolzenen Metalles v e r u r s a c h t ,
das die W ä r m e nicht
glatt
d u r c h l ä ß t , sondern so lange in sich a n h ä u f t , bis sie sich gewaltsam Bahn m a c h t und dabei Teile der Schmelze m i t sich reißt und gleichsam auswirft. 5
•
In vieler Hinsicht v e r h ä l t sich das Silber ganz wie das Zinn, und wenn auch die weiße F a r b e ihm in höherem zukommt,
wie letzterem,
ihren meisten
so stimmen
Grade
doch beide Metalle
Eigenschaften d u r c h a u s ü b e r e i n ;
6
in
was aber so
nahe v e r w a n d t ist wie Silber mit Zinn, oder Gold mit feuerfarbigem (seil. Metall), und sowohl der nämlichen A r t wie der nämlichen
Gattung
angehört,
ist
auch
gegenseitigen
Über-
ganges fähig. 7 Quecksilber neben
Erde
auch
wird durch sehr viel
Kälte nicht fest, da es zwar
Wasser
enthält,
dem
es
seinen
flüssigen Z u s t a n d v e r d a n k t , aber auch viel L u f t , die seine Verdichtung 1
r
hindert;8
Dädalus
benützte
es,
um,
durch
Ein-
2 3 4 W. 37 u. 135. Ath. 22. St. I, 9; G r . I, 34. Ni. V, 8; St. I, 9. 6 7 8 ' P r . XXIV, 9. Met. VIII, 3; X, 3; P. I, 5. Met. X, 3. M. IV, (8), 11.
1 10
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
gießen in die H ö h l u n g eines hölzernen Abbildes der Aphrodite, dieses beweglich
erscheinen
lassen. 1 — Zinnober
zu
A r i s t o t e l e s zwar als K o n g l o m e r a t roten S t a u b e s K i n n a b a r i n o n ) , 2 bringt es aber m i t dem
erwähnt
(xivvaßdptvov,
Quecksilber nicht in
Zusammenhang. (xevstki),3
K u p f e r , dessen Erz in Cypern „ g e b r a n n t " wird
e n t h ä l t n u r wenig W a s s e r 4 u n d ist schmelzbar, d e h n b a r weich, so d a ß es leicht E i n d r ü c k e a u f n i m m t ; 5 m a n
und
schreibt
ihm große Heilwirkungen zu, u n d g l a u b t , daß, diesen zufolge, W u n d e n leichter heilen, wenn sie durch erzene, als wenn sie durch
eiserne
Waffen
wurden.6
geschlagen
—
Der
Stein
„Chrysokolla", der in Chalcedon g e f u n d e n wird, im nämlichen Preise
wie
Gold
steht,
Augenkrankheiten
und
abgibt,
ein
ist
vortreffliches Mittel
wohl
Malachit
(ein
gegen
Karbonat
des Kupfers), der „ B l a u s t e i n " wahrscheinlich ein blaufarbiges K u p f e r m i n e r a l , vielleicht a b e r auch
liefern in großer Menge die Eisenerze
Eisen ehedem
auch
Herstellung Chalyber,
Lasur. 7
K u p f e r gefördert wurde,
von
diente;8
Erzgefäßen
nächst
Amisus
an
das
Etrurien
zur
ferner die Gruben
der
der • S ü d k ü s t e
Meeres, bei denen
sich aber eisenhaltige
Sande
vorfinden
der
Flüsse
Pyrimachischen
in
sollen. 9
Elbas, wo
des
Schw.arzen
Geschiebe auch
—
Die
Deutung
im des
Steines, der in der Hitze Tropfen fallen läßt
u n d sich verflüssigt, 1 0 auf P y r i t , ist m e h r als zweifelhaft, die Angabe,
Eisen werde bei vulkanischen
Ausbrüchen
in
halb-
flüssigen K l u m p e n ausgeworfen, untergeschoben. 1 1 Das
Eisen
ist,
schwer schmelzbar
wegen und
seines
erweicht
hohen
ist sehr fest u n d h a r t , doch wird erzählt, Mäuse
gebe,
die
es a n z u n a g e n
Gehaltes
erst bei großer
an
Erde,
Hitze;12
es
daß es in Cypern
vermögen. 1 3
Die
beste
und
1 2 3 S. I, 3. M. III, (7), 2 — 6 ; Zo. II, 1 (unecht?). Zo. V, 19. 5 G J M. IV, (8), 40. M. IV, (9), 2, 13, 21. Pr. I, 35 u n d 42. W. 58. 8 9 10 n 12 W . 93. W . 48. M. IV, (6), 11. We. 4. M. IV, (7), 13 17 u n d 2 0 ; (10), 12 u n d 16—18; IV, (6), 9. W. 25.
4
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
\ \J
h ä r t e s t e der zahlreichen Eisenarten ist die der Chalyber, d. i. der Stahl (Chalybs);
er wird aus dem Eisen gewonnen, indem
m a n es wiederholt, teils f ü r sich, teils z u s a m m e n mit gewissen Steinen, in den Öfen schmilzt, wobei sich eine große Menge Schlacke a b s o n d e r t u n d ein b e d e u t e n d e r
Gewichtsverlust
ent-
steht, der die E r z e u g u n g sehr v e r t e u e r t ; der fertige Stahl ist von ä u ß e r s t e r
H ä r t e , p r ä c h t i g glänzend, u n d w i d e r s t e h t
Rost, doch ist
er nicht
dem
f ü r alle Zwecke so v e r w e n d b a r
das weniger reine (gewöhnliche) Eisen,
1
wie
dessen Beschaffenheit
sich aus dem C h a r a k t e r der T ö n e beurteilen läßt, die es beim Feilen, H ä m m e r n gibt. 2
und
Schmieden
auf dem A m b o ß von
sich
Aus Eisen stellt m a n W a f f e n her, ferner grobe und feine
Werkzeuge,
z. B. W e b e r s c h i f f c h e n ;
wenn
diese
erst
auto-
matisch weben werden, wird m a n keine Sklaven u n d Sklavenaufseher m e h r
brauchen.3
Die
Unentbehrlichkeit
des
Eisens
v e r a n l a ß t e einmal einen sizilischen Händler, alles Eisen s ä m t licher E i s e n h ü t t e n als Bedarf
zusammenzukaufen,
und
e i n t r a t , u n t e r n u r mäßiger
preises 200 Prozent.
er gewann
daran,
E r h ö h u n g des
Markt-
Ähnlich v e r f u h r schon der weise T h a i e s ,
dem m a n einst seine A r m u t als Beweis der Nutzlosigkeit der Philosophie vorhielt: da er, nach den Stellungen der Gestirne, günstige W i t t e r u n g u n d eine reiche Ölernte voraussah, p a c h t e t e er
in
Milet
und
Chios
alle Ölpressen,
verdiente
als
deren
alleiniger Inhaber, sobald m a n sie zur Erntezeit dringend geb r a u c h t e , vieles Geld, u n d zeigte so den Freunden, daß auch Philosophen reich werden können, wenn sie n u r wollen,
daß
aber R e i c h t u m nicht das Ziel ist, nach dem sie s t r e b e n . 4 Das
Blei
schmilzt
und
erstarrt
sehr leicht,
und
wenn
m a n es geschmolzen in Wasser eingießt, so springt es z u m Teil wieder aus
ihm 1
5
heraus;5
seiner
Geschosse,
großen
sowie
Schwere
Gegengewichte
2 M. IV, (6), 9 und 10; (9),' 25; W. 48. Tö. 6 M. IV, (8), 10; W. 61. Hi. II, 7; Mech. 29.
wegen für 3
macht
man
Ziehbrunnen.6
St. I, 4.
4
St. I, 11.
1 12
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Auch bereitet m a n aus Blei das Bleiweiß, das in allen seinen Teilchen das reinste W e i ß als n a t ü r l i c h e F a r b e zeigt. 1 Zinn
kommt
aus
den
noch weit leichter u n d
keltischen
rascher
Ländern;
es
schmilzt
als Blei, zerfließt schon
im
(siedenden) W a s s e r , u n d zerfällt bei großer Kälte und s t a r k e m Frost.2
Es läßt sich gießen, u n d auf einer der vom
(Po) a n g e s c h w e m m t e n (wo
einer
der
Eridanus
Inseln im innersten Winkel der
uralten,
aus
keltischem
Gebiete
Adria
kommenden
Handelswege das Meer erreichte), sollen zwei Bildsäulen stehen, die eine aus Zinn, die a n d e r e aus Erz. 3 rechtmischens u n d
Als Erfinder des Zu-
Gießens des Erzes, d. i. der B r o n z e ,
ein S k y t h e n a m e n s L y d o s . 4 (jcalxov xoüfTiQ, Krasis)
gilt
Der Vorgang bei dieser Mischung
besteht
darin,
daß
die
ausgeprägte
u n d beständige N a t u r des K u p f e r s der ungefestigten u n d f ü r Einwirkungen sehr empfänglichen des Zinnes völlig Herr wird, so d a ß das Zinn, als w ä r e es ein bloßer stoffloser Z u s t a n d des K u p f e r s , im Färbung
Erze verschwindet,
erteilt;
5
tatsächlich
dem es dabei eine
ist
das Zinn,
nach
(goldige)
seiner
Ver-
mischung m i t dem K u p f e r , als solches nicht m e h r w a h r n e h m bar, aus den weichen Metallen ist aber ein hartes, von großem Glänze
und
Färbende
hat
verändert,7 nur
von
ganz
also
anderer
hier
während
das,
sonst
Farbe was
entstanden,6
es f ä r b t e ,
Unterschiede
oberflächliche, f ü r das Wesen
der
in
den
Sache
und
durchaus Farben
das veroft
bedeutungslose
sind. 8 Das
Erz
der
Mossynöken,
das
außerordentlich
glänzend
u n d leuchtend ist, wird nicht aus K u p f e r u n d Zinn
bereitet,
sondern m a n verschmilzt m i t dem K u p f e r eine in jenem L a n d e vorkommende
Erdart,
und
der
(xQdfjLu = K r a m a ; xgciaiq = Krasis) heim. 9 ein 6
Das
Produkt
zinkhaltiges
Erfinder hielt
dieser
sein Verfahren
ist o f f e n b a r M e s s i n g
Mineral,
wohl
1 2 Mel. 4 ; Zo. VII, 3. W . 50. 7 Fa. 4. Z. II, 127; Fa. 4.
die 3
auch
3 W . 81. Met. X, 9.
Mischung
und
die
in Chalcedon 4
Fr. 506. 9 W . 62.
5
ge-
Erdart vor-
E. I, 10.
CHEMISCHES
handene
UND ALCHEMISCHES
„phrygische
Asche",
Augenheilmittel
gerühmt
Messing
auch
dürften
die
wird
AUS ARISTOTELES
zugleich
vortreffliches
Zinkoxyd). 1
(unreines
die Trinkschalen
als
H3
des
Königs
Aus
Darius
b e s t a n d e n h a b e n : ihr (angeblich indisches) „ E r z " w a r glänzend, leuchtend u n d u n v e r r o s t b a r wie Gold, u n d von diesem
nicht
durch seine F a r b e zu unterscheiden, sondern n u r durch seinen Geruch. 2 — Ob das Orichalcum, aus dem m a n in Chalcedon S t a t u e n a n f e r t i g t e , 3 Messing war, bleibt dahingestellt; Elektron ist
keinesfalls, wie
einige
Erklärer wollen,
Messing,
sondern
eine Gold-Silber-Legierung, doch ist die Stelle, die es a n f ü h r t , untergeschoben.4 Zinn u n d angehörig, und
in
Silber sind, als der gleichen G a t t u n g u n d
und
als in ihren
anderen
nur
meisten
gradweise
Überganges
ineinander
fähig. 5
Silber
Gold
was
oder
(silberfarbige
aus,
Legierung?)
Eigenschaften
verschieden, Übrigens aus Zinn
besteht,
oder
manches
und
bloß
identisch
wechselseitigen
sieht
nur
Art
wie
Lithargyrina
mit
Hilfe
von
„ G a l l e n f a r b e " ( x o l o ß a y i v a ) gelb g e f ä r b t ist; wer es wirklich f ü r Silber oder Gold hält, gleicht dem Manne, dem ein Trugschluß als W a h r h e i t erscheint. 6 VIII. Organische Stoffe. B r e n n b a r e Ö l e entquellen in großen Mengen dem Boden Persiens, 7
in kleineren
auch
dem
Siziliens, 8 woselbst sie o f t
deutlich nach Zedernharz riechen; dicke, dunkle und zähe Öle, nebst E r d p e c h und Asphalt, strömen in Mazedonien, Thrazien und
Illyrien
Schwefel und
aus
dem
heißen,
Bitumen
oft
riechenden
sogar
brennenden,
Erdboden,
und
nach
verbreiten
widerwärtige, erstickende u n d tödliche Dünste. 9 Das gewöhnliche Öl s t a m m t von den Ölbäumen, die f ü r heilig gelten, weshalb auch bei den P a n a t h e n ä e n in
den
gymnastischen
1
7
2 W . 58. W. 49. 8 W . 35. W . 113.
Spielen
und
die
Pferderennen
3 9
4 5 W . 58. We. 6. Met. X, 3. W . 116 und 127; P. I, 5; S. II, 9.
v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.
II.
6
8
Sieger
Tonkrüge To. IX, 1.
114
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
m i t Öl aus dem heiligen H a i n e als Preis e m p f a n g e n . 1
Das Öl
e n t h ä l t Wasser u n d viel L u f t und' l ä ß t sich deshalb nicht eind i c k e n ; 2 seine Teilchen
halten
durch
ihre Zähflüssigkeit,
in-
dem sie wie K e t t e n u n d Ringe a n e i n a n d e r hängen, die L u f t fest, 3 u n d diese b e w i r k t , d a ß das Öl, durch die L u f t
empor-
g e t r a g e n , auf dem Wasser s c h w i m m t , in der Kälte zwar dick wird, a b e r nicht gefriert, u n d beim S c h ü t t e l n mit Wasser einen weißen
S c h a u m gibt. 4
D a ß das Öl auch schon beim
Stehen
o f t weiß, dick und schaumig wird, r ü h r t daher, daß die W ä r m e einen Teil des Wassers a u s s o n d e r t
und in L u f t
verwandelt.5
Im Sonnenlicht stehend wird das Öl, u n t e r Abscheidung überschüssiger gebleicht; dichten
Feuchtigkeit 6
und
angezündet
schwarzen
dunkler
verbrennt
Rauch
und
es,
erdartiger
Bestandteile,
und
entwickelt
dabei
schwarzen,
färbenden
Ruß,7
der völlig jenem des sehr entzündlichen u n d wegen seines großen L u f t g e h a l t e s ebenfalls nicht
eindickbaren
Teeres
gleicht. 8 —
Ähnlich dem Olivenöl ist das (auch aus den F r ü c h t e n gepreßte) Öl der balearischen T e r e b i n t h e u n d der Zeder. 9 Den Ölen v e r w a n d t sind die F e t t e : lich viel L u f t u n d bleiben
entweder
sie e n t h a l t e n
sämt-
Feuer, weshalb sie nicht verfaulen, 1 0 u n d
auch beim
E r k a l t e n flüssig, wie z. B. jene
der Fischlebern, 1 1 oder werden dabei fest, wie z. B. der Talg, was auf einen Gehalt an E r d e d e u t e t ; 1 2 einige sind aber auch gemischter N a t u r , z. B. das B ä r e n f e t t , das in der K ä l t e gesteht,
zur
Zeit
Volumzunahme
des aus
speichern,, ähnlich
Winterschlafes den
Gefäßen
wie g e b r a n n t e r
der
quellen Kalk
Bären soll. und
13
aber Alle
Asche,
unter Fette Wärme
in sich auf, u n d sind d a h e r leicht b r e n n b a r ; 1 4 beim Verbrennen oder schon beim Schmelzen, entwickeln sie ekelhafte D ä m p f e , 1 2 Ath. 60. M. VI, (5), 24; IV, (8), 11; (9), 35; (10), 5 u n d 7. 4 M. IV, (9), 28. , M. IV, (7), 2 - 5 u n d 9 ; (10), 8, Z. II, 28—30. 6 6 7 Z. II, 28. Pr. XXXV, 11; XXXVIII, 1. M. IV, (9), 38, Fa. 1 u. 4. 8 9 T h . II, (2), 7; M. IV, (8), 11; Fa. 1 u n d 4. W. 88, s. D i o s k u r i d e s I, 10 n 50; Zo. VII, 3 (unecht?). P. V, 5; Zo. III, 19. Zo. III, 17. 12 13 14 T h . II, (5), 1. W . 67. T h . III, (9), 3 ; II, (2), 7. 3
CHEMISCHES
UND AL CHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
H5
die ungesund, n a m e n t l i c h aber f ü r Schwangere sehr schädlich sind, 1 und erzeugen eine große Menge schwarzen R u ß e s . 2 Den
Fetten
Wabenwachs
gleicht
den
das
Blumen,
Wachs,
als
sog.
das
die
Bienen
Stopfwachs
den
als Aus-
schwitzungen der B ä u m e e n t n e h m e n ; 3 es wird, wie Öl, an der Sonne gebleicht, 4 u n d ist leicht schmelzbar und b r e n n b a r . 5 S ü ß s t o f f e entstehen, indem die P f l a n z e n s ä f t e u n t e r Einw i r k u n g der W ä r m e zu einem gewissen
Gare
ge-
langen, 6 der ihnen, neben den F e t t e n , den a n g e n e h m s t e n
Ge-
schmack,
die leichteste Verdaulichkeit, und die g r ö ß t e
k r a f t verleiht. 7 Trauben
Grade der
und
daher Most u n d
die gleichsam
Nähr-
Reich an Süßstoffen sind u. a. Rosinen, Feigen, einen
Honig
Süßwein,
ohne
Waben
die öldicke darstellt,
Manna, Und
vor
allem der Honig s e l b s t : 8 dieser t r o p f t aus der L u f t , besonders beim Aufgange gewisser
Gestirne u n d wenn sich ein
bogen
die
niedersenkt,
und
Bienen
beste Sorte ist der T h y m i a n h o n i g , verschieden
an Aroma,
sammeln
ihn
die übrigen
Süße u n d
Regen-
nur.
sind
Die
äußerst
Konsistenz, so d a ß
einige
d a u e r n d dünnflüssig bleiben, andere n a c h k u r z e m Stehen fest werden, was v e r m u t l i c h auf einem größeren beruht.9
Gehalt an
Erde
H o n i g a r t e n , die giftig sind, k o m m e n ebenfalls vor. 1 0
Durch
Gärung
der
süßen
Säfte,
hauptsächlich
des
Mostes, aber auch des Honigs, entstehen Wein und Honigwein (Met), welchen letzteren die T a u l a n t i e r in Illyrien vortrefflich zu
bereiten
Art
wissen; 1 1 der Vorgang vollzieht
Digestion
(Garkochung,
Reifung)
W ä r m e , 1 2 ist aber schwierig zu erklären. Most von süßer noch
Beschaffenheit u n d
berauschend
schaften,
und
kann
ist; 1 3
der
daher
Wein
nicht
sich durch
unter
Einfluß
(nach
der
Fest steht, d a ß der
an sich weder aber
eine
zeigt
„weinig"
diese
Empedokles)
1
Eigenbloß
2 3 4 Zo. VIII, 24. Fa. 1. Zo. V, 22. Pr. XXXVIII, 1. 6 7 8 M. IV, (9), 38. Z. III, 14. Pr. XXXI, 13. Zo. VIII, 7; 9 10 11 W . 17 u n d 19; Zo. V, 22. M. IV, (10), 8. W . 18. W . 22. 12 13 M. IV, (2), 5. Pr. XXII, 23; M. IV, (9), 35. 6
8*
1 16
CHEMISCHES
„gegorenes
UND ALCHEMISCHES
sein,1
Wasser"
AUS
wenn
er
ARISTOTELES
auch
der
nämlichen
G a t t u n g wie das W a s s e r a n g e h ö r t , ja sogar eine A r t Wasser vorstellt. 2 weiter
Jedenfalls
zerlegbare
ist
der
Substanz
Wein
von
eine
einheitliche,
warmer
u n d e n t h ä l t s t e t s Wasser u n d L u f t ,
4
und
süßer
nicht Natur
3
zuweilen aber auch Erde,
die das Festwerden beim Gefrieren, u n d die E n t s t e h u n g eines festen
Rückstandes
beim
bewirkt,
Einkochen
Sorten die d u n k e l r o t e F a r b e verleiht.
5
und
manchen
In das Feuer gegossen,
v e r u r s a c h t der Wein eine F l a m m e , doch h a t er an sich keine Ausdünstung;6 entsteht
verdichtet
sich
der W e i n d u n s t
hierbei, wie in so m a n c h e n
wieder
das
Ursprüngliche,
nämlich
W a s beim T r i n k e n
des Weines den
starke
zum
Geruch
der
besonders reichlich
Gehirn
ähnlichen
Fällen,
Wein,
sondern
Kopf
einnimmt,
aufsteigenden
der dunkelrote,
irgendwie,
nicht
Wasser. 7 ist
der
Dünste,8
die
dichte u n d warme,
stark
s c h ä u m e n d e Wein liefert, 9 sowie der sehr gealterte, weil diesem
allmählich
viel
Wasser
abdunstet
und
so
daher
bei seine
„ S t ä r k e " in u n v e r d ü n n t e r e r Lösung zurückgebieben ist. 1 0 Setzt
man
reinem
Weine
Wasser
zu,
so
hat
zunächst
s e i n e N a t u r das Übergewicht, u n d in ihr b e h a r r e n d assimiliert er sich jene des W a s s e r s ; f ü g t m a n aber steigende Mengen von Wasser
bei, so wird
dieses
allmählich
zum
überwiegenden
Bestandteile und m a c h t den Wein i m m e r wässeriger, und zuletzt, indem es seine Form gänzlich a u f h e b t , völlig zu W a s s e r ; e i n T r o p f e n Wein v e r m i s c h t Kannen Form,
sich n i c h t
mit
zehntausend
Wasser, sondern geht, u n t e r völligem Verlust seiner in
die
Form
geradeso, wie eine
(in
das Wesen)
S p u r Süßigkeit,
des
die m a n
Wassers
über, 1 1
in einer großen
Masse Flüssigkeit gelöst h a t , in der Mischung v e r s c h w u n d e n ist. 1 2 1
2 3 To. IV, 5. P h . 1, 2 ; M. IV, (9), 35. Met. V, 6; Pr. III, 8. 5 6 M. IV, (5), 24. M. IV, (10), 5, 7, 8, 15, 18; P r . XXXV, 11. M. IV, (9), 35; auch in P r . III, 35 taucht n i r g e n d w o der O e d a n k e an einen flüchtigen 7 8 9 Bestandteil auf. M. II, (3), 3 1 ; Pr. XIII, 6. Pr. XIII, 13. P. III, 10 11 12 3; Pr. XXX, 1. Fr. 211. E. 1, 6 u n d 10. St. II, 4. 4
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
\\~J
Beim Stehen in der W ä r m e wird der Wein sauer, indem die Hefe u n t e r T r ü b u n g emporsteigt und das Umschlagen zu Essig b e w i r k t ; 1 zugleich scheidet sich ein Bodensatz ab,
aus
dem W ü r m e r entstehen, die, dem Essig e n t s t a m m e n d , ihn auch stets wieder a u f s u c h e n . 2 Obgleich n u n der Essig aus dem Wein hervorgeht, so ist er doch weder in ihm, noch auch im Wasser, schon potentiell e n t h a l t e n gewesen, u n d l ä ß t sich daher auch nicht wieder in Wein z u r ü c k v e r w a n d e l n ; Essig k a n n n u r dera r t i g wieder zu Wein werden, wie aus einem T o t e n ein Lebendiger wird, d. h. durch völlige Auflösung seiner
Bestandteile
in die Materia p r i m a u n d völlige Neugestaltung dieser letzteren. 3 Wie beim süßen Most, so bewirkt auch beim süßen teige
(fiä^a = Maza,
Massa)
die
dem
zugesetzten
Brot-
Gärungs-
stoffe eigene W ä r m e , d a ß der Teig sauer wird, sein Volumen s t a r k vergrößert, indem sich feste Teile in Flüssigkeiten
und
diese in L u f t verwandeln, 4 sein Gewicht aber bedeutend
ver-
mindert,
Luft entweicht;5
da die
von mannigfaltigem fachen anderen
diese Vorgänge sind
auch
begleitet, sowie von
viel-
Farbenwechsel
Nebenerscheinungen.
Farbstoffe
sich
in
Wurzeln, Stengeln, Rinden, B l ä t t e r n , Blüten und Samen
der
Landpflanzen,7 denen
z. B.
ferner
enthalten
sehr
6
aber
der
auch
Tang auch
verschiedener in
einen tierische
Art
manchen schön
finden
Seegewächsen,
roten
Substanzen
und
Farbstoffe, u. a. Ausscheidung
der S a f t der P u r p u r s c h n e c k e n . 9
Schnecken f ü h r e n in einem besonderen Organe, das («ki?o,')
liefert; 8
(äv&o?)
die Galle, die Sepia, d. i. eine an E r d e reiche der T i n t e n f i s c h e ,
unter
Diese
„Blume"
g e n a n n t wird, bald m e h r bald weniger eines Saftes,
der anfangs, wenn m a n ihn a u s d r ü c k t , f a s t farblos ist, alsbald aber die H ä n d e rötet ( ä v ß i l u ) , Kesseln
glänzend
u n d beim Einkochen in den
hell- bis dunkelrot,
1 Z. III, 37. ' Z o . V , 19. 6 Pr. XXXI, 18. Pr. XXXI, 1—26. 9 (unecht?). Fa. 4 ; T h . IV, (5), 5. 5
3
zuweilen
Met. VIII, 5. ' Fa. 4.
fast
s
schwarz
*' Z. III, 54. Zo. VI, 13
1)8
CHEMISCHES
wird.1
UND AL CII EM IS CIIES
AUS
ARISTOTELES
W e g e n der g r o ß e n K o s t b a r k e i t des P u r p u r s s u c h e n die
Purpurkrämer indem
sie
heimlich
ihre
den
kleine
Kunden
b e i m Abwiegen
Aufhängepunkt
der
zu
Wage
übervorteilen,
verschieben,
Holz o d e r Blei a n sie b e f e s t i g e n . 2
Stückchen
— N i c h t i m m e r sind die b e i m F ä r b e n e n t s t e h e n d e n die
der
Kalk,
ursprünglichen Nitron,
oder
Farbstoffe,
Meerwasser,
und
Atrament
Zusätze,
(unreiner
A l a u n ? ) u . dgl., w i r k e n hierbei v e r ä n d e r n d
Nuancen
wie
Asche,
Vitriol
oder
(als B e i z e n ? ) ; a u c h
lassen z. B. bei Vließen wohl die P o r e n der H a u t m a n c h e F a r b s t o f f e ein, n i c h t a b e r die der Scharfe S ä u r e n
Haare.3
e n t h a l t e n die R i n d e n u n d F r ü c h t e vieler
Gewächse, z. B. die der E i c h e u n d M y r t e ; 4 der s a u r e G e s c h m a c k vieler
Fruchtsäfte verliert
sich (wie
bereits weiter
oben
er-
w ä h n t ) w ä h r e n d des R e i f e n s , u n d g e h t in einen s ü ß e n , öligen, oder s o n s t w i e a n d e r s g e a r t e t e n
über.
Zahlreiche P f l a n z e n s t o f f e L a u f e der zwar
Entwicklung
innerhalb
und
ihrer
entstehen
des
R e i f e n s der
sämtlichen freilich die
überhaupt
Teile;
erst
im
Gewächse,
und
sicherste
Be-
die
obachtung
gestatten
dem
an-
dauernden
E i n f l u ß der W ä r m e a u s g e s e t z t , g a n z sichtlich
F r ü c h t e , - weil
sie,
ihre
l u f t a r t i g e n B e s t a n d t e i l e in w ä s s e r i g e u n d schließlich in umwandeln,
und
hierbei,
Veränderung
der
Farben,
Gewicht zunehmen. heftig
beißenden
5
unter
bedeutend
Zu den
und
gleichzeitiger an
erdige
entsprechender
Festigkeit
und
an
S t o f f e n dieser A r t g e h ö r e n :
Tränen
erregenden
der
B r u n n e n k r e s s e u n d des O r i g a n u m s ; 6 die s t a r k
Zwiebel,
die der
harntreibenden
des P f e f f e r s u n d einiger a n d e r e r S a m e n u n d B l ä t t e r ; 7 die den Darm
an
verschiedenen
Stellen
reizenden,
und
daher
o d e r w e n i g e r a b f ü h r e n d e n des V e r a t r u m s u n d E l a t e r i u m s , S c a m m o n i a u n d T h a p s i a ; 8 die w o h l r i e c h e n d e n a u s gewissen V o g e l n e s t e r n s t a m m t , die v o n den 1
5 8
Zo. V, 15; Fa. 5. M. IV, (3), 4; Fa. 5. Pr. I, 41—43.
2
6
3 Mech. 2. Fa. 4. Pr. XX, 22; Zo. IV, 8.
4
des Z i m t s
mehr der (der
Eingeborenen
Pr. XXII, 11; W. 86. 7 Pr. I, 43; XX, 16.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCIIES
ferner Länder mit von
Menge z u m
ARISTOTELES
Pfeilen von den B ä u m e n
w e r d e n ) ; 1 die einschläfernden Dünste
AUS
Lolch
Hirn
sie
auf,
herabgeschossen
der M o h n f r ü c h t e . 2
M o h n s a f t , Alraunen, so wirken
H9
Steigen
u. dgl., in
schädlich
die
größerer giftig;3
und
ähnlich wie sie v e r h a l t e n sich jene des Plomos (Saponin-haltige Pflanze?), m i t denen m a n die Fische b e t ä u b t , um sie zu f a n g e n . 4 Diese Gifte sind völlig analog den tierischen, z. B. denen der Schlangen, streichen
Sterneidechsen, Vampire u s f . ; 5 m i t Viperngift bedie
Skythen
ihre Pfeile, doch soll Eichenrinde
Gegenmittel die Gefahr der W u n d e n abwenden. 6 ist der Zitterrochen, auch
Menschen
Nicht
er b e t ä u b t vielmehr andere
mittels
(oder am) Maule liegt.
eines
besonderen
Fische
Organes,
als
giftig
das
und im
7
Aus m a n c h e n Pflanzen fließen S ä f t e aus, die sich an der L u f t allmählich verdicken, und u n t e r Verlust ihrer
gesamten
W ä r m e u n d alles ihres Wassers so vollständig erstarren,
daß
die Massen sich nicht oder k a u m m e h r schmelzen lassen.
Dies
sind die H a r z e ,
zu denen z. B. Zedernharz,
Styrax,
rauch, Myrrhe, G u m m i u n d (wie die eingeschlossenen
Weihkleinen
Tiere zeigen) auch Bernstein gehören. 8
Man erzählt, d a ß die
vom
Inseln
Eridanus
Adria
(Po)
eine A r t
Elektron
heißt,
angeschwemmten
Pappeln
tragen,
als H a r z oder
denen Gummi
der
Bernstein,
nördlichen der
entträufelt, und
auch daß
ihn die Einwohner, wenn er e r h ä r t e t ist, einsammeln u n d n a c h Griechenland
verkaufen.9
Alle
Harze
sind
brennbar,
manche, wie der S t y r a x , geben hierbei einen scharfen
und
Rauch,
dessen m a n sich z u m Vertreiben der Insekten b e d i e n t . 1 0
IX. Die Lebewesen. Die N a t u r schreitet so allmählich u n d in so stetigem u n d u n u n t e r b r o c h e n e m Z u s a m m e n h a n g e von den unbeseelten Dingen 1 2 3 4 Zo. IX, 13 (unecht?). Fa. 5 ; P. III, 3. P. III, 3. Z o . VIII, 20. 6 7 8 5 W . 148 u n d 149. W . 141 u n d 86. Zo. IX, 37 (unecht?) M. IV, 9 10 (10), 1 0 - 1 2 u n d 16—18; Zo. IV, 8 ; W . 113. W . 81. Zo. IV, 8.
120
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
zu den Lebewesen fort, d. i. zu den Pflanzen u n d Tieren, d a ß an keiner Stelle dieses Weges feste Grenzen
bestehen,
auch
nicht zwischen den Reichen der Tier- u n d P f l a n z e n w e l t , 1 — denn die B e h a u p t u n g , n u r bei den Pflanzen fehle es d u r c h a u s an einer T r e n n u n g der Geschlechter, 2 t r i f f t nicht zu, wie das ein Blick auf zahlreiche V e r t r e t e r der niederen Tierwelt weist. ein
In
völlig
Wahrheit
besteht
kontinuierlicher,
zwischen
sehr
Pflanzen
allmählicher
und
be-
Tieren
Übergang,
und
einzelne Zwischenglieder, wie die Seescheiden, die Meernesseln, die S c h w ä m m e usf., k ö n n t e m a n m i t gleich triftigen als Pflanzen wie als Tiere bezeichnen. Alle Lebewesen
bestehen
aus
Gründen
3
Elementen,
die sich
nicht
an ihrem natürlichen Orte befinden u n d dies m a c h t ihre Vergänglichkeit,
ihr
Altern
und
ihren
Tod
begreiflich. 4
Keines
von ihnen g e h t allein aus dem Wasser hervor, oder ist n u r aus Wasserteilchen
zusammengesetzt,
jedoch
enthalten
allerdings
z. B. die Wassertiere vorwiegend Wasser, viele L a n d t i e r e
da-
gegen Erde, andere L a n d t i e r e u n d alle beflügelten Wesen z u d e m viel L u f t u n d Feuer, und von entsprechenden S u b s t a n z e n nähren
sie sich a u c h ; 5
nicht
anders wie g u t e
der S t a a t e n , h ä n g e n auch g u t e Beschaffenheiten der
Körper
v o r allem von einer richtigen „Mischung der E l e m e n t e " und
der passenden
natürlichen
Konstitution
eines
auch
äußerlich
seine „ a n g e b o r e n e
Farbe".7
darf
nicht
glauben,
daß
der
denen
sich
Erklärung
die K ö r p e r ihres
der
Daseins
weder die v o r h a n d e n e n
Kenntnis
Lebewesen
Und
ihrer
allein
Doch
Stoffe,
aus
a u f b a u e n , schon
zur
Eigenschaften
Elemente, noch die Arten
s a m m e n f ü g u n g bedingen a l l e i n Tiere, oder m a c h e n
die
ab,6
Menschen
entspricht man
er-
Verfassungen
genügt;8 ihrer
Zu-
die N a t u r der Pflanzen
und
deren Sein verständlich,
vielmehr
liegt auch hier, u n d zwar in e r h ö h t e m Maße, das eigentliche 1 2 3 Z o . VIII, 1. Z. I, 100 u. 102; II, 71. T h . IV, (5), 14 u. 16. 5 6 Hi. II, 6. E. II, 9 ; P. VII, 13; Zo. VIII, 1. St. V, 8 ; S. I, 4 u. 5; 7 3 Ni. VII, 15. Kat. 8. T h . I, (1), 7 u n d 10; II, (1), 2 u n d 4. 4
CHEMISCHES
UND AL CHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Wesen in der W i r k s a m k e i t , d. h. in der Fähigkeit,
121
Wirkungen
hervorzubringen oder a u f z u n e h m e n . 1 Viele Pflanzen u n d Tiere entstehen nicht aus Samen oder durch Zeugung, sondern gelegentlich der Verwesung und Fäulnis erdiger, pflanzlicher, oder tierischer Anlasse
erhebt
sich
z. B.
ein
Stoffe.
Bei
eigentümlicher,
solchem
Wasser
und
E r d e e n t h a l t e n d e r D u n s t , der in der K ä l t e zu Reif gefrieren würde, bei genügender W ä r m e aber den sog. Schimmel ergibt, der infolge seines großen L u f t g e h a l t e s rein weiß ist und sich wie Reif
an
analoger
Weise
ansetzt;2
die Oberfläche des Schimmelnden bildet
sich,
bei
der
Zersetzung
von
in
Säften
gewisser Bäume, die Mistel. 3 W a s die Tierwelt a n b e l a n g t , so e n t s t e h e n u. a. nach vielfältigen
Beobachtungen:
allerlei
u n d S c h l a m m ; 4 Flöhe, W a n z e n ,
Insekten
fliegen, Mücken, u n d K a n t h a r i d e n S c h m u t z aller A r t ; Wolle;7
Moder,
Fischläuse aus S e e s c h l a m m ;
des Essigs, 9
und
Mist Stech-
aus tierischem U n r a t 6
Motten
W ü r m e r aus dem Inhalte der Eingeweide, 8
Bodensatze dem
5
aus
Läuse, Eintagsfliegen,
angeblich
Schnee, den sie nicht verlassen
auch
aus
und aus
aus dem schmelzen-
dürfen ohne sofort zu
sterben, ganz wie dies bei den aus den F u n k e n der cyprischen Kupferschmelzöfen hervorgehenden
Mücken
der
Fall ist,
so-
bald sie aus dem Feuer h e r a u s f l i e g e n ; 1 0 verschiedene Muscheln und
Schnecken aus verschiedenen
Arten fauligen
Schlammes,
in dem sie oft noch u n f e r t i g gegliedert a u f g e f u n d e n w e r d e n ; 1 1 Einsiedlerkrebse aus f e u c h t e r E r d e ; 1 2 Frösche aus Wasser und geronnenem
Schleim; 1 3 Aale aus f a u l e m T a n g ; 1 4 verschiedene
Fische aus Schlamm, Lehm u n d S a n d ; 1 5 vielleicht auch höhere Tiere u n d Menschen aus Erde, diese aber jedenfalls z u n ä c h s t in Gestalt von W ü r m e r n . 1 6 1 1 9 4 M. IV, (12), 2, 5, 7. Z. V, 60. Z. I, 2. Zo. V, 1 u n d 19; 5 Z. I, 2 u n d III, 79. Zo. V, 19 u n d 31; Pr. I, 16; Z. I, 30, 46, 104. 6 1 3 9 10 Z . V , 31. Zo. V, 32. M. IV, (3), 25. Zo. V, 19. Zo. V, 11 14 13 19 (unecht?). Z. I, 104; Zo. V, 15. Zo. V, 15. Pr. I, 13 u. 23. 15 16 » Zo. VI, 15 u n d 16. Zo. V, 11; W . 74. Z. III, 117.
122
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Den A n s t o ß zu allen Vorgängen solcher Art, die sich bei höherer
Temperatur,
unter
einer
Art
Gärung
und
Schaum-
bildung vollziehen, geben W ä r m e u n d L u f t ; 1 die L u f t bringt dabei das Lebensprinzip
mit sich (s. hierüber weiter
unten),
und so wie die E i g e n w ä r m e des K ö r p e r s aus der a u f g e n o m m e n e n N a h r u n g das Material f ü r den E m b r y o , so bereitet die Sonnenw ä r m e aus L u f t , Wasser u n d E r d e das Material f ü r die erste Anlage von Pflanze u n d Tier, 2 u n d v e r a r b e i t e t es in gleicher Art weiter in der sie (oder auch die künstliche W ä r m e ) Eier in der E r d e oder im Mist a u s b r ü t e t . 3 ein
„Garwerden",
um
ein
Es h a n d e l t sich hierbei um
Ausscheiden
des
Unbrauchbaren
und ein Sammeln, Vereinigen, u n d Verbinden des
Geeigneten,
also u m ein Sichten der kleinsten Teilchen jener in Zersetzung oder Verwesung
begriffenen S u b s t a n z e n ;
daher ist
es leicht
begreiflich, d a ß schon kleine U n t e r s c h i e d e in deren Beschaffenheiten äußeren
und
Mengen,
sowie
Bedingungen,
große
geringfügige und
Abänderungen
staunenswerte
der
Differenzen
z u t a g e t r e t e n lassen. 4 Die tierische W ä r m e , die sich a m auffälligsten im
Samen
bemerklich m a c h t , ist keine Art der Feuers, sondern ein luftartiger
Geist
nvevfiu
(Pneuma),
eine
ätherische
Substanz,
deren natürliche K r a f t jener der Sonne u n d der übrigen stirne
analog,
Tieren
sind
also
jene
auch
lebenerregend
die v o l l k o m m e n s t e n ,
wirkt. 5
Unter
d. i. lebendige
Geden
Junge
Gebärende u n d L u f t A t m e n d e , die die meiste natürliche W ä r m e besitzen, als deren M a ß s t a b bei ihnen die W ä r m e der von Blut erfüllten Lunge gelten k a n n ; 6 entsprechend der größeren Vollkommenheit Weibchen,
ist die
daher rechte
auch
das M ä n n c h e n
Seite w ä r m e r
als die
wärmer
als
linke,
und
jugendliche K ö r p e r w ä r m e r als der gealterte, dem eben heiße B l u t der J u g e n d " mangelt. 7
Obwohl der ganze
das der „das
Körper
1 2 Zo. V, 19 u. VI, 15; Z. III, 112 u. 121. Z. III, 114 u. 116. 4 Zo. VI, 2. Z. III, 1 0 7 - 1 1 2 u. IV, 35; Zo. V, 1; M. IV, (I), 5—18 u. (11), 4. 6 7 " Z. II, 3 u. 37. Z . II, 8. Z. IV, 18, 19 u. 99; T h . III, (7), 5; Rh. II, 12. 3
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
eine gewisse W ä r m e besitzt, die er selbst den
123
Exkrementen
m i t t e i l t , 1 so ist doch der Grad dieser W ä r m e keineswegs allerorten der n ä m l i c h e : die größte W ä r m e k o m m t stets dem Herzen zu, was auch seine p r i m ä r e E n t s t e h u n g bei der Bildung des E m b r y o s nicht anders erwarten l ä ß t , 2 die geringste aber dem Gehirn, das f e u c h t u n d kalt ist, a u ß e r d e m aber auch Teile
enthält,
trocken
weshalb
es beim
und h a r t w i r d ,
deutlichsten
zeigen
dabei
Hülsenfrucht.3
wie abgekochte diese
erdige
gerinnt, u n d
Unterschiede
Am
beim
Menschen,
da er u n t e r allen Tieren das größte, kälteste und
feuchteste
Gehirn besitzt.
sich
Kochen
4
Sämtliche Bestandteile des Körpers entstehen durch wandlung
der
Nahrungsmittel.5
zugeführten
Um-
Während
diese
erfolgt, steigen die D ü n s t e vieler Stoffe zum Gehirn auf werden
durch
dessen
Kälte
abgekühlt
und
und
verflüssigt,
ganz
ebenso wie sich die W a s s e r d ü n s t e der E r d e in höheren kalten
Regionen
zu
Regen
verdichten;
6
und
unbrauchbare
und
schädliche Bestandteile fließen dabei aus dem Gehirn in Form von Schleim nach dem Rachen u n d der Nase ab, wo sie die sog. Flüsse und K a t a r r h e verursachen, 7
die b r a u c h b a r e n
und
gesunden hingegen strömen dem Herzen zu, u n d ergeben
das
nährende und
Blut.
8
ist, 9
süßlich
Dieses,
das
in
nimmt
die
umgewandelten
normalem
Zustande
warm
Nahrungsstoffe
in sich auf, f ü h r t sie fort, u n d verteilt sie durch die Adern wie durch Kanäle. 1 0 und
hängen
zeigen,
alle
z. B.
Die Adern zusammen;
farbige
durchziehen wenn
Einreibungen
den
sich an
den
ganzen
hierin Augen
Körper
Störungen (in
die
A u g e n ? ) nicht auch den Speichel f ä r b e n , oder die A r o m e der Umschläge,
die m a n
bei
Frauenkrankheiten
verordnet,
nicht
in der A t e m l u f t bemerklich werden, so d e u t e t dies auf k r a n k h a f t e Z u s t ä n d e hin. 1 1
4 8
1 2 3 M. II, (3), 29. Z . II, 95. Z . II, 95 u. V, 4 2 ; T h . II, (7), 2 u. 6. 5 6 7 P . I, 5 ; T h . II, (7), 6. Z. I, 69. T h . II, (7), 4. P. III, 3 ; P r . II, 17. 9 10 11 P. III, 3. Z o . III, 19. Z . I, 6 9 ; II, 8 9 — 9 1 . Z . II, 123.
124
CHEMISCHES
UND ALCHEMJSCHES
F ü r die einzelnen Teile des
AUS
ARISTOTELES
Körpers und für
bestimmte
seiner S u b s t a n z e n , z. B. das F e t t , die Galle usf., gibt es vermutlich auch b e s t i m m t e N ä h r s t o f f e , die ihnen entweder direkt z u g r u n d e liegen, oder, durch weiteren A b b a u u n d A u f b a u ihrer Bestandteile,
indirekt
in
sie
überzugehen
vermögen;1
sickern nun aus dem Blute durch die W a n d u n g e n
diese
der Adern
h i n d u r c h , ganz wie Wasser durch poröse Tongefäße, gelangen so in erforderlicher A r t u n d Menge an den richtigen Ort, und werden dort bald ohne weiteres v e r b r a u c h t , bald durch W ä r m e oder K ä l t e erst e n t s p r e c h e n d v e r ä n d e r t : das Erdige z. B. wird „ v e r h ä r t e t " zu Nägeln, H ö r n e r n , Hufen, Schnäbeln oder Eierschalen,
„gebacken"
(wie T o n )
zu
harten,
unverbrennlichen
Knochen, u m g e a r b e i t e t zu H a a r e n , an denen, wenn sie frisch ausgezogen
sind,
leichte
Körperchen
beim
Berühren
hängen
bleiben usf. 2 Wird dem Blut, das ebenso wie die L y m p h e , aus der es d u r c h Sperma,
„Garwerden"
das M a r k , u n d
hervorgehen
der H a r n ,
4
k a n n , 3 und wie
eine gewisse
das
natürliche
W ä r m e h a t , diese entzogen, so m a c h t sich sofort sein
Erd-
artiges in
tritt
Form
festen
Faserstoffes bemerklich
und
es
G e r i n n u n g ein, der weiterhin Fäulnis und Zersetzung folgen. 5 Das F e t t
aus dem B l u t 6 u n d zwar
entsteht
lich bei reichlicher Z u f u h r mehligen und süßen sich leicht in F e t t u m w a n d e l t ; Fett
sind
hängig,8
aber
vom
beeinflussen
und
Funktionen,
auch
so
z. B.
7
hauptsäch-
Futters,
das
Bildung und Ablagerung von
ganzen
Ernährungszustande
ihrerseits wieder
beeinträchtigt
die
übermäßige
ab-
körperlichen Stärke
der
F r a u e n ihre F r u c h t b a r k e i t . 9 Die M i l c h
geht aus dem Blute durch ein
„Garwerden"
hervor, in Mengen, die m i t der Körpergröße u n d der Gesundheit der
Individuen a u ß e r o r d e n t l i c h wechseln, u n d durch
1
4
Met. VIII, 4. M. IV, (11), 4.
die
4
5
3 Z. II, 8 9 - 9 1 ; Z o . III, 11. Z o . III, 19. T h . II, (4), 1 u n d 2 ; III, (5), 5 ; M. IV, (10), 5 u. 18;
6 (7), 13. Z o . III, 19; T h . II, (5), 1. 9 Z . I, 65 u n d III, 122; Z o . III, 17.
9
7 Z o . VIII, 7 u n d 2 1 ; Z. I, 65. Z. I, 7 7 ; II, 221.
CHEMISCHES
Art
der
UND ALCHEMISCHES
Nahrung,
Pflanzen
und
können.1
Sie
namentlich
Kräuter, ist
Konzentration,
bei
in
AUS
aber
hohem
ARISTOTELES
durch Grade
verschiedenen
Genuß
gewisser
gesteigert
Tieren
von
Festigkeit u n d
werden
ungleicher
u n d e n t h ä l t m e h r oder weniger an
von wechselnder
125
Käsestoff
Schwere, an Molken und
F e t t , das sich als ölige S u b s t a n z a b s c h e i d e t ;
2
an
ihre erdartigen
Bestandteile bewirken, daß sie in der K ä l t e leicht gefriert und beim
leicht gerinnt. 3
Erwärmen
Die Gerinnung erfolgt
aber
auch auf Zusatz des Labes, eines an E r d a r t i g e m reichen Stoffes, den
viele Tiere
enthalten,
namentlich 4
Labkraut
gefressen
haben;
auch
aus
Feigenstämmen
der
den
die
bedeutende
Hasen,
Mengen
abtropfende
wenn
sie
Lab
führt
Saft,
daher
f ä n g t m a n ihn in Wolle auf, spült die F ä d e n mit einer kleinen Menge Milch ab, u n d setzt die Flüssigkeit der gesamten restlichen Milch zu. 5 Damit
das Blut
Fett und
Milch bilden
könne,
muß
es
gesund u n d süß bleiben, u n d hierzu ist die Ausscheidung der zu hitzigen u n d bitteren Bestandteile erforderlich; diese vollzieht die L e b e r ,
und ihr E x k r e t ist die G a l l e ,
die bei ver-
schiedenen Tieren auch verschiedene Bitterkeit u n d F a r b e zeigt. 6 Andere
unbrauchbare
Stoffe
beseitigt
die
Harnblase,
die, wenn m a n sie Leichen e n t n i m m t , nicht einmal m e h r f ü r Flüssigkeiten
durchlässig ist, bei
Lebenden
aber auch
jenen
trockenen erdigen Bestandteilen den Ausgang g e s t a t t e t ,
durch
deren
Steine
Zurückbleiben
und
muschelartige
mit
einer
bei
gewissen
Krankheiten
Stücke entstehen. 7
Harnblase
versehenen
harte
Der Ausscheidung
Tiere
entspricht
bei
der den
übrigen, z. B. bei den Vögeln u n d Amphibien, die A b s o n d e r u n g einer erdigen, salzartigen Masse (d. i. der H a r n s ä u r e ) in
den
Exkrementen.8 1
2 3 Z. IV, 118; Zo. III, 21. Zo. III, 20; IV, 20. Z. II, 2 6 ; 4 Zo. III, 2 0 ; M. IV, (10), 5, 7, 15, 18. T h . III, (15), 1; M. IV, (7), 11. 5 6 Zo. III, 20 u. 21. Th. IV, 1—5; Zo. II, 1 - 5 ; Zo. III, 2 scheint unecht. 7 8 Zo. III, 15. T h . IV, 1; (5), 5.
126
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Weitere Stoffe, die sich aus den K ö r p e r s ä f t e n verschiedener Tiere bilden, sind das E i w e i ß g e r i n n t , 1 der L e i m ,
der Eier, das beim
Erwärmen
jene schlüpfrige f e u c h t e Masse, die m a n
aus R i n d e r h ä u t e n u. dgl. darstellt, 2
u n d die S e i d e ,
die den
K o k o n s eines auf der Insel Kos lebenden Schmetterlings entstammt.3 Die m e r k w ü r d i g s t e u n d wichtigste Ausscheidung aus dem Blute
ist
der
Samen,
dessen
charakteristischer
Bestandteil
der warme, lebenerregende, ätherische Luftgeist, das
Pneuma,
bildet, der aber auch Wässeriges u n d Erdiges e n t h ä l t , u n d so vor Augen stellt, wie E r d e nicht n u r zu einem Erz u m g e s t a l t e t werden
kann,
sondern
auch
zu
M e n s c h e n ; 4 je
einem
stark-
knochiger ein Tier, desto erdartiger m u ß der Samen sein, d a ß aber
jener
des
Elefanten
zu
einer
bernsteinähnlichen
e r h ä r t e , ist eine von K t e s i a s v e r b r e i t e t e Fabel. f r u c h t u n g ist
das Weibchen
der passive,
5
Masse
Bei der Be-
empfangende
Teil,
u n d bietet in den K a t a m e n i e n n u r den Stoff dar, w ä h r e n d das Männchen den a k t i v e n und wirksamen Teil darstellt, u n d den A n s t o ß zur
E n t w i c k l u n g g i b t ; 6 die Art der
männlichen
Prinzipes auf
gleicht jener
Einwirkung
das weibliche bei der
des gerinnen-machenden
des
Befruchtung,
Labes auf
die
Durch den Samen gelangen angeborene, aber auch
Milch. 7
erworbene
Eigenschaften zur Vererbung, u n d zwar auch solche f r ü h e r e r Vorfahren,
wobei
indes
übersprungen werden;
8
nicht
selten
einzelne
Generationen
diese Erscheinung läßt sich allein durch
das Vorhandensein potentieller Anlagen erklären, die erst bei einem späteren Geschlechte wieder aktuell h e r v o r t r e t e n . 9 Die E r f a h r u n g , werden,
bestätigt
daß
auch geistige
Eigenschaften
die wichtige T a t s a c h e ,
daß
vererbt
„Körper"
und
„ G e i s t " d u r c h a u s u n d auf das Innigste z u s a m m e n h ä n g e n , nicht weil sie m i t e i n a n d e r k o m b i n i e r t
sind, — eine solche
Kom-
1 2 3 4 Z. III, 40; Zo. VI, 2. Z o . III, 11. Zo. V, 19. Z. II, 37; 6 6 7 Met. IX, 7. Z. II, 39; Zo. II, 22. Z. I, 96; II, 61 u n d 69. Z. I, 8 9 88; IV, 72. Z. I, 3 5 - 3 7 ; Zo. VII, 6. Z. IV, 53.
CHEMISCHES
bination
UND ALCHEjSIISCLIES
bliebe
auch
selbst
weil sie eine E i n h e i t
wieder
AUS
ARISTOTELES
unerklärlich
127
—,
sondern
bilden, in dem Sinne, daß der Leib als
das W e r k z e u g (Organon) der Seele f u n k t i o n i e r t . D a ß gewisse Tiere, auch wenn m a n sie zerschneidet, in jedem Teile weiterleben (gleich Stecklingen von Pflanzen), d a ß körperliche geistige
Zustände
einflussen, d a ß bekämpfen
sich
man
und
zu
in
weitgehender
Art
Geisteskrankheiten bessern
vermag,
gegenseitig
durch
die
Heilmittel
doch
nur
auf
und bezu den
Körper einwirken,' — diese u n d ähnliche B e t r a c h t u n g e n zeigen, in wie innigem
Verbände
Seelisches
und
Leibliches
Verschieden erscheinen sie ü b e r h a u p t n u r je nach dem
stehen.1 Stand-
p u n k t e des Z u s c h a u e r s : den Zorn z. B. wird der n u r auf das Äußerliche Sehende, der „ P h y s i k u s " ,
als ein A u f b r a u s e n
des
heißen Herzblutes erklären, hingegen der das Innere Betrachtende, der Psychiker, als Begierde nach R a c h e oder Wiederv e r g e l t u n g ; 2 f ü r die bloße äußere A n s c h a u u n g ergäbe sich auch die R ö t e der Gesundheit als identisch mit jener der Als Werkzeuge,
Organe,
funktionieren
auch
die
Scham. 3 Sinnes-
organe, n a m e n t l i c h Auge u n d Ohr, die dem Gehirne sehr n a h e stehen, ja, wie das feuchte, wässerige u n d d a h e r durchsichtige .Auge, u n m i t t e l b a r aus ihm h e r v o r g e h e n ; 4 sie n e h m e n die Bewegungen der L u f t auf, u n d e r m ö g l i c h e n Hören, aber das, w a s übermittelten
so das Sehen und
m a n sieht und h ö r t (d. h. nicht
Bewegungen,
sondern
Bilder
und
die
Töne),
bewirken sie n i c h t . 5 Schlußbetrachtung.6 1 Wie die W e l t m o n a r c h i e nach dem Hinscheiden A l e x a n d e r s des Tode
Großen, des
so zerfiel das
Aristoteles;
Reich
Philosophie
des Wissens nach und
Naturkunde,
dem die
1 2 3 4 S. I, 4 u n d 5; II, 2; Pg. I, 4. S. II, 1. Kat. 8. S. III, 5 6 1 u n d 13; P. I, 2. S. III, 13. Betreff der ungeheueren Literatur über A r i s t o t e l e s m u ß auf die letzte Auflage des U e b e r w e g - H e i n z e s c h e n
128
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
seine H a n d noch einmal als gleichwertige Hauptzweige e r f a ß t und
vereinigt gehalten
hatte, strebten
nunmehr
auseinander,
sie verloren z u d e m ihre eigene innere Einheit, und
begannen
sich in eine große Anzahl besonderer Fachwissenschaften a u f zulösen. Die philosophischen
Leistungen
des A r i s t o t e l e s
müssen
an dieser Stelle a u ß e r B e t r a c h t u n g bleiben, u n d sind n u r insofern in E r i n n e r u n g zu bringen, als es die Höhe seines Ges a m t s t a n d p u n k t e s w a r , die A r i s t o t e l e s Wesentliche
befähigte, auch
der f ü r die N a t u r f o r s c h u n g gültigen
das
Grundsätze
u n d allgemeinen A n s c h a u u n g e n mit erstaunlicher Sicherheit zu erfassen u n d in u n ü b e r t r e f f l i c h e r K l a r h e i t darzulegen. Diese Prinzipien aber in folgerichtiger Weise auch auf die Naturwissenschaft
anzuwenden,
der eindringlichen
Schärfe der E r k e n n t n i s
ist ihm versagt
geblieben,
w a r auf
Gebiete kein gleich intensives Vermögen der
zugesellt, u n d der große Denker bezahlte so seinem und
der
menschlichen
Unvollkommenheit
diesem
Durchführung den
Zeitalter
Tribut,
der
keinem Forscher gänzlich e r s p a r t bleibt. Man darf b e h a u p t e n , d a ß es keine einzige der ewig w a h r e n , als Ergebnis tiefster u n d reifster Einsicht anzusehenden aristotelischen
Grundlehren
in wiederholter hätte.
und
gibt, gegen die nicht ihr A u t o r oft k a u m
begreiflicher Weise
selbst
verstoßen
Unwiderleglich fest stehen seine Sätze, daß m a n an die
Wissenschaft (also auch an die N a t u r w i s s e n s c h a f t ) ohne vorgefaßte
Meinungen
obachtungen richtigen
und
heranzutreten Erfahrungen,
habe, jetzige
E r k e n n t n i s f ü h r e n , d a ß auf
Augenschein,
und
auf
weitgehende
daß wie
allein
Be-
künftige,
Einzelfälle, auf
Extrapolation
zur
bloßen
gegründete
Grundrisses verwiesen w e r d e n ; von neueren Werken seien n u r noch ang e f ü h r t : D e B o e r , „Geschichte der P h i l o s o p h i e des Islams" (Stuttg. 1901); W . H e r z , „ G e s a m m e l t e A b h a n d l u n g e n " (Stuttg. 1905); G i l b e r t , „ D i e meteorologischen Theorien des griechischen A l t e r t u m e s " (Leipzig 1907) ; W o h l w i l l , „Galilei" ( H a m b u r g 1909), u n d der soeben ausgegebene 3. Band von G o m p e r z ' „Griechischen D e n k e r n " (Leipzig 1909).
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Schlüsse unzulässig seien oder n u r wertlose
129
Scheinerklärungen
ergäben, d a ß Stoff u n d Form eine u n t r e n n b a r e Einheit bilden, d a ß das Wesen der Dinge in ihrer W i r k s a m k e i t zu suchen sei, daß keine Definition auch das Sein des Definierten verbürge, daß allen Erscheinungen ein U n e r k l ä r b a r e s z u g r u n d e liege, usf.
Aber in welchem überraschenden
satze zu diesen allgemeinen seine speziellen
(„Metaphysisches") Gegen-
Lehren des A r i s t o t e l e s
Ausführungen
auf
dem
Gebiete
stehen
der
Einzel-
wissenschaften, u n d ganz besonders auf dem der P h y s i k Chemie!
und
Es sei in dieser Beziehung n u r auf einige der wich-
tigsten P u n k t e aus dem Umkreise jener Ansichten
verwiesen,
deren z u s a m m e n f a s s e n d e Darstellung in den vorstehenden neun Abschnitten versucht wurde. Die U n z e r s t ö r b a r k e i t der Materie h a t A r i s t o t e l e s erkannt,
die der
Descartes)
für
Energie eine
geahnt,
solche
jedoch
der
(ähnlich
richtig
wie
Bewegungsgröße
noch
gehalten;
auch begegnen wir z u t r e f f e n d e n Vorstellungen der T a t s a c h e n , d a ß alle Schwere n u r relativ ist, u n d d a ß stets Energie aufgewendet werden m u ß , u m einen bewegten Körper zur R u h e oder einen r u h e n d e n in Bewegung zu bringen.
Die Lehre v o m
W e l t g e b ä u d e v e r w e r t e t jedoch diese Einsichten in keiner Weise u n d bleibt daher u n v e r e i n b a r mit den Gesetzen der E r h a l t u n g der Bewegungsgröße und der T r ä g h e i t ; ganz willkürlich
sind
ihre Theorien ü b e r die natürlichen Orte, über das Oben
und
U n t e n im Weltall u n d die Unmöglichkeit der Antipoden,
über
die absolute Schwere u n d Leichtigkeit, und über die zentrale u n d weltbeherrschende n u r ein „ P u n k t
im
Stellung der
Raum"
und
Erde, die doch
ein „ S t e r n
unter
zugleich Sternen"
sein soll; auch ihre A n n a h m e v o m Äther, als einem den ganzen H i m m e l s r a u m erfüllenden, von den irdischen Elementen durchaus
verschiedenen,
Stoffe, s t e h t
und
in völligem
mit
ihnen
ganz
Widerspruche
mit
unvergleichbaren der
Erkenntnis,
d a ß die Materie überall ein u n d dieselbe ist, „ u n d wenn mehrere Weltalle gäbe, auch in diesen". v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.
II.
9
es
130
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
D u r c h a u s z u t r e f f e n d ist die (von vielen erst B o y l e geschriebene)
Definition
der
Elemente,
zu-
die E r k e n n t n i s ,
daß
jedes Geschehen, also auch das chemische, das Vorhandensein unausgeglichener der A t o m i s t i k
Gegensätze
erfordere, sowie die
(in ihrer alten
Bestreitung
und ursprünglichen Form),
die
Anlaß zur Aufstellung höchst wichtiger Sätze gibt, u. a. jenes von
der
Unmöglichkeit
jenes von
einer vollendeten
der u n b e g r e n z t e n
Teilbarkeit
Unendlichkeit, stetiger
und
Größen,
aus
der jedoch nicht deren Z u s a m m e n s e t z u n g aus unendlich kleinen Teilchen folgt; m a n g e l h a f t b e g r ü n d e t ist die Theorie der kontinuierlichen
Raumerfüllung,
Möglichkeit eines leeren
und
haltlos
die
Ablehnung
R a u m e s (Vakuums).
der
Richtigem
Ein-
sehen e n t s p r i n g t das Verlangen, m a n solle die Zahl der
Ele-
m e n t e nicht größer a n n e h m e n , als sie zur E r k l ä r u n g der T a t sachen
u n b e d i n g t nötig sei; ganz willkürlich
ist aber
wieder
die Aufstellung von gerade vier E l e m e n t e n , ihre Identifizierung mit
denen
der alten
Naturphilosophen
(Erde,
Wasser,
Luft,
Feuer), und die Ableitung der ihnen in absolutem Sinne zugeschriebenen H a u p t e i g e n s c h a f t e n aus jenen N a t u r e n der vier, teils a k t i v e n ,
teils passiven
Qualitäten,
n u r relative e r k a n n t w u r d e n . n a h m e einer einheitlichen wird
zwar
bleibt
die
erwähnt, fruchtbare
aber
die. doch
selbst
als
Die Schwierigkeit, die die An-
U r m a t e r i e (Materia prima) nicht
weiter
Vorstellung
der
bedingt,
berücksichtigt, im
daher
Kreisprozesse
er-
folgenden U m w a n d l u n g e n jeder W e i t e r e n t w i c k l u n g unfähig, u n d die Beziehung zwischen Materia p r i m a , E l e m e n t e n , u n d Einzelkörpern so
durchaus
überaus
unklar.
bedeutungsvolle
Völlig dunkel Verhältnis
erscheint zwischen
auch Stoff
das und
F o r m ; die richtige E r k e n n t n i s ihrer E i n h e i t ist f a s t n u r in der Theorie v o r h a n d e n , p r a k t i s c h aber herrscht beinahe a u s n a h m s los der u n v e r h ü l l t e s t e Dualismus, wobei zumeist die Form als das Wesentliche, Verursachende, Zwecksetzende und Zielstrebige v o r h e r r s c h t , zuweilen a b e r auch der Stoff. Obwohl dieser n ä m lich in der Regel als rein passiv, als ausschließlich e m p f a n g e n d
CHEMISCHES
UND ALCHEM1SCIÍES
AUS
ARISTOTELES
131
u n d erleidend bezeichnet wird, so schreiben ihm doch einzelne Stellen auch wieder ganz positive Eigenschaften zu, u. a. das stete Verlangen, nach seinem natürlichen Orte z u r ü c k z u k e h r e n , sowie die
Fähigkeit,
den Zwecken
der N a t u r
mit
kleinerem
oder größerem Erfolge W i d e r s t a n d zu leisten; die Spuren dieses letzteren
treten
dann
oft in
Gestalt
von
Mißbildungen
und
Mißgeburten zutage, von denen es freilich auch wieder heißt, „sie seien nicht wider die N a t u r , sondern n u r wider den gewöhnlichen Verlauf der D i n g e " . 1 Von
großer
„Mischung"
Bedeutung
und
ist
„Verbindung"
die (in
Scheidung modernem
zwischen Sinne
ge-
n o m m e n ) , die richtige E r k e n n t n i s v o m Wesen der chemischen Verbindung, wird,
die
sogar
die B e m e r k u n g ,
als
Gleichgewichtszustand
aufgefaßt
d a ß die flüssigen Stoffe am leichtesten
a u f e i n a n d e r einwirken, — hierher s t a m m t zweifellos der
Satz
„ c o r p o r a non a g u n t nisi f l u i d a " (die K ö r p e r reagieren n u r in flüssigem Z u s t a n d e ) —, endlich die, freilich noch sehr u n d e u t liche Vorstellung, d a ß Verbindungen stets b e s t i m m t e ihrer Bestandteile e n t h a l t e n ; alle näheren R i c h t u n g sind aber
wiederum
Angaben
unzureichend
und
Mengen in
dieser
willkürlich.
W a s die E r k l ä r u n g e n über die einzelnen E l e m e n t e b e t r i f f t , so fällt es z u n ä c h s t auf, in wie oberflächlicher Weise zuweilen über gewisse W i d e r s p r ü c h e tiefgreifender N a t u r hinweggegangen w i r d : denn soll z. B. im Wasser nicht die Kälte, sondern die Feuchtigkeit vorherrschen, das Feuer kein eigentliches E l e m e n t sein, und der Ä t h e r m i t dem
Feuer zusammenfallen, so ent-
stehen in der ganzen A r c h i t e k t o n i k des aristotelischen
Systems
die gefärhrlichsten Risse; aber kein W o r t weist auf diese hin, und
ebensowenig wird der geringste Versuch g e m a c h t ,
bedenklichen
A u s f ü h r u n g e n gegenüber
derlei
die Einheitlichkeit
des
Lehrgebäudes als g e w a h r t zu erweisen. Hinsichtlich
des
Feuers
bleibt
es bemerkenswert,
daß
die Sonne u n d die Gestirne nicht selbst heiß sein, sondern die 1
Z. IV, 63. 9*
132
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
Wärme der oberen Regionen nur indirekt, vermöge der Reibung ihrer Sphären, erzeugen sollen, und zwar durch Entzündung der rauchartigen Dünste, denen bei der Entstehung der Gewitter und der Kometen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle zugeteilt wird. Auch die Luft enthält, neben den feuchten Dünsten ihrer unteren Schichten, noch heiße rauchartige, die hauptsächlich die oberen Regionen erfüllen; A r i s t o t e l e s glaubt, daß sie durch Reibung entzündet werden können, und stellt dabei den merkwürdigen, an R o b e r t M a y e r gemahnenden Satz auf, daß zwar der Akt der Erwärmung auf Bewegung beruhe, nicht aber die Wärme selbst. Den „feuchten Dünsten" der unteren Schichten, und der blauen (durch die große Verdünnung bedingten) Farbe der oberen zum Trotz, soll übrigens die Luft in Berührung mit Wasser nicht feucht werden, und in heißem Zustande dichter sein als in kaltem. Mit Nachdruck wird darauf hingewiesen, daß die Luft, entgegen dem Augenschein, substantieller N a t u r sei, daß alle Körper, ihrer „Größe" entsprechend, wie Wasser so auch Luft verdrängen, daß die Luft Gewicht besitze (wie der Versuch mit dem Abwägen des Brotteiges vor und nach der Gärung lehrt), und daß sie unter geeigneten Umständen Druck erleide und ausübe; auf letztere Eigenschaft gründet sich u. a. die absonderliche aristotelische Theorie des Wurfes, die (trotz aller von P h i l o p o n o s bis auf G a l i l e i erhobenen Angriffe) im wesentlichen bis in das 17. J a h r h u n d e r t hinein herrschend blieb, sowie die ebenso merkwürdige Lehre von der Emission des Samens, der zweifellos die Idee der „Aura seminalis" entstammt, jenes „Samenhauches", der bei A r i s t o t e l e s Rebhühner und Steinhühner befruchtet, bei späteren Autoren ( z . B . P l i n i u s ) aber auch Kühe und Stuten. 1 Die Beobachtung, daß manche Arten der Luft zum Atmen untauglich sind, f ü h r t zu keiner weiteren Folgerung, und der 1
S. auch L u c i a n , „Das Opfer", cap. 6, und „Toxaris", Kap. 38.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
133
Z u s a m m e n h a n g zwischen A t m u n g und W ä r m e p r o d u k t i o n bestritten:
wird
soll doch der Zweck der A t m u n g allein -die
k ü h l u n g des heißen
Herzblutes sein, weshalb die im
lebenden Tiere, denen
Ab-
Wasser
L u f t nicht zur V e r f ü g u n g steht,
diese
K ü h l u n g durch Einziehen von Wasser bewirken müssen. Sehr b e d e u t s a m
ist die E r k e n n t n i s von der
Vermittlung
des Sehens u n d Hörens durch die „ L u f t " , als durch ein Medium, das Licht u n d Schall vermöge eines Bewegungsvorganges f o r t p f l a n z t ; die E r w ä h n u n g der, wenn auch sehr u n v o l l k o m m e n e n Hör- oder S p r a c h r o h r e d ü r f t e die älteste in der L i t e r a t u r nachweisbare sein; richtig ist auch die E r k l ä r u n g des Echos, sowie auch
die
der
deutlicheren
Schallwahrnehmung
während
N a c h t , — die noch A l e x a n d e r v o n H u m b o l d t
der
als eine von
ihm n e u e n t d e c k t e v o r t r ä g t . Die
Schilderung,
Wassers
beim
die
Aristoteles
Erhitzen u n d
Verhalten
des
Kochen gibt, ist sichtlich
vom
von
der B e m ü h u n g getragen, dasjenige zu unterscheiden, was wir h e u t e als Dampf u n d als Gas bezeichnen, — ohne d a ß er jedoch dieses,
auch
an
mehreren
anderen
irgendwie zu erreichen v e r m ö c h t e .
Stellen
angestrebte
Ziel
Zutreffend beobachtet
ist
die gewaltige V e r ä n d e r u n g des Volumens bei der V e r d a m p f u n g , sowie
bei
Rückbildung
von
Wasser
beim
Verdichten
des
D a m p f e s ; K e n n t n i s von der eigentlichen Destillation, die m a n ihm
hat
zuschreiben
wollen,
besitzt
keiner Weise (s. auch weiter u n t e n ) . schauliche, noch in G o e t h e s Wasser" laufe
deutlich
von
der
Aristoteles
in
„ G e s a n g der Geister über dem
wiederklingende
des Wassers,
aber
— Richtig ist die an-
Beschreibung
Tau-
und
vom
Kreis-
R e i f b i l d u n g im
Zu-
s a m m e n h a n g e mit der stärkeren W ä r m e a u s s t r a h l u n g der
Erde
während
Ent-
stehung
klarer der
und
kalten
windstiller und
heißen
Nächte,
und
Quellen;
die
von
der
Einflüsse
der
Niederschlagsmengen finden hierbei g e b ü h r e n d e W ü r d i g u n g u n d f ü h r e n z u m Gedanken des Regenmessers. Durchaus
willkürlich
behandelt
ist
die,
allerdings
sehr
134
CHEMISCHES
schwierige
Frage
Meerwasser, „heißen
UND ALCHEMISCHES
nach
und
Ursprünge
was bei diesem
Dünste",
vorgebracht
dem
wird,
sowie
über
ist nicht
AUS
ARISTOTELES
des
Salzgehaltes
Anlasse abermals
deren
nur
an
angebliche sich
über
im die
Auslaugung
unhaltbar,
sondern
widerspricht auch völlig der an vielen Stellen hervorgehobenen T a t s a c h e der besonderen Reinheit des Regenwassers; erfreulich bleibt
nur
die B e s t i m m t h e i t ,
mit
der (hier wie
anderwärts)
weitgehende geologische V e r ä n d e r u n g e n auf allmähliche, w ä h r e n d unbegrenzt
langer Z e i t r ä u m e
s t a t t f i n d e n d e Vorgänge
zurück-
g e f ü h r t werden. Die Lehre von der B e d e u t u n g des Wassers f ü r die Überm i t t l u n g der Geschmäcke gelöster S u b s t a n z e n , „wobei gleichsam das Spitze sticht u n d
das S t u m p f e s t ö ß t " , ist f ü r alle
Folgezeiten m a ß g e b e n d geblieben, sie beherrscht noch im und zu Beginn des
18. J a h r h u n d e r t s
H ä k c h e n t h e o r i e " des D e s c a r t e s
und
die sog. „ S p i t z e n -
17. und
Lemery.
F ü r die Vorgänge, die innerhalb der E r d e zur E n t s t e h u n g der Mineralien und besonders der Metalle Anlaß geben, spielen wiederum die f e u c h t e n d a m p f a r t i g e n und die trockenen rauchartigen
Dünste
maßgebende
{äva&vfiic/Mtq
und
äTfudddtjq
ä u ß e r s t wichtige
Rolle.
und xunvcüöriq) Es ist
eine
bemerkens-
wert, daß aus letzteren, indem sie sich selbst e n t z ü n d e n
und
andere Stoffe in B r a n d setzen, S u b s t a n z e n hervorgehen sollen, denen noch i m m e r die nämliche Eigenschaft der B r e n n b a r k e i t verblieben ist, wie z. B. Schwefel und Kohle; die
Erwähnung
der schädlichen, ja tödlichen W i r k u n g e n der „ D ä m p f e b r e n n e n d e r K o h l e n " ist der älteste Hinweis auf die Gefahren des Kohlenoxydgases, u n d f i n d e t sich durch die B e m e r k u n g ergänzt, d a ß glühende
Kohlen u n t e r einem dicht schließenden
Deckel
als-
bald erlöschen, — ohne daß aber der Abschluß von der L u f t als b e d i n g e n d e Ursache e r k a n n t wird. Die V o r a u s s e t z u n g
von
der
Bildung
der
Metalle
durch
V e r d i c h t u n g der f e u c h t e n d a m p f a r t i g e n D ü n s t e zwischen Felsen und
Gesteinen
h a t s p ä t e r h i n zur Folgerung g e f ü h r t , d a ß
sie
CHEMISCHES
zu
wachsen
eigentliches
UND ALCHEMISCHES
und
AUS
nachzuwachsen
organisches
ARISTOTELES
vermögen
Wachstum
nach
135
(wenngleich
Aristoteles
ein nicht
a n g e n o m m e n werden kann), und d a ß sie, mit A u s n a h m e
des
Goldes, noch m e h r oder weniger Erde, sämtlich aber Wasser enthielten; freilich soll dieses n u r potentiell
(dem
Vermögen
nach) in ihnen v o r h a n d e n sein, aktuell a b e r erst beim Schmelzen hervortreten,
das
ohne
Wassergehalt
unmöglich
wäre.
Von
sonderer B e d e u t s a m k e i t sind die Hinweise auf die n a h e Verwandtschaft
ähnlich
„feuerfarbiger"
gefärbter
Legierungen,
Metalle, sowie
wie
des
des
Silbers
Goldes und
und
Zinnes,
die, als zur gleichen G a t t u n g gehörig, in vielen Eigenschaften übereinstimmend, schieden,
und in anderen
wechselseitigen
n u r dem
Überganges
Grade nach
ineinander
ver-
fähig
sind;
höchst wichtig ist namentlich die E r k l ä r u n g der U m w a n d l u n g des
K u p f e r s in
Bronze durch
das Zinn, das hierbei,
„unter
Auflösung seiner F o r m " völlig verschwinden, und keine andere Spur seines Daseins hinterlassen soll, als die V e r ä n d e r u n g der F a r b e und H ä r t e , des Glanzes und der Festigkeit. Es ist b e a c h t e n s w e r t , d a ß A r i s t o t e l e s Weise,
unter
Betonung
der
Veränderung
in ganz analoger der
Farben,
sowie
der A u f n a h m e oder Abgabe einzelner Elemente, auch die U m w a n d l u n g der F r ü c h t e beim Reifen, sowie die des
Brotteiges
(fjä^a == maza) beim Backen erklärt, und d a ß er eine völlige „ A u f l ö s u n g der F o r m " nicht n u r f ü r das Zinn a n n i m m t , das
K u p f e r in die Bronze ü b e r f ü h r t ,
Körnchen
sondern
auch
Süßigkeit, das von einer großen Menge
aufgenommen wurde,
das
f ü r das
Flüssigkeit
oder auch f ü r den Tropfen Wein,
der
sich mit z e h n t a u s e n d K a n n e n Wasser v e r m i s c h t . Daß
Aristoteles
Kenntnis
von
einem
brennbaren
Be-
standteile des Weines g e h a b t h a b e (wie u . a . B e r t h e l o t
an-
gab), ist ganz irrtümlich, er e r w ä h n t nämlich nur, daß Wein, in b r e n n e n d e s und
Feuer gegossen, eine F l a m m e
diese B e o b a c h t u n g
entstehen
lasse,
d ü r f t e ebenso alt sein wie die Sitte,
die glimmenden Opferfeuer m i t Wein zu n e t z e n ; aus den oben
136
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
a n g e f ü h r t e n B e m e r k u n g e n über den Wein geht vielmehr klar hervor,
daß
ihn
Aristoteles
für
einen
einheitlichen
hielt u n d keine A h n u n g v o m Vorhandensein
Stoff
einer flüchtigen,
durch V e r d a m p f u n g oder gar durch Destillation a b z u s o n d e r n d e n Substanz
besaß,
wie das insbesondere
auch
noch
m e r k u n g über das Verhältnis des Weins z u m
seine
Essig
Be-
beweist.
Die E n t s t e h u n g der F l a m m e beim Besprengen des Altars erk l ä r t sich übrigens auf die nämliche Weise wie die B r e n n b a r keit
des
Erdöles, Öles oder
Fettes:
durch
einen
reichlichen
Gehalt an Feuer, über den ja auch die ,,heiße" u n d „ f e u r i g e " N a t u r des Weines keinen Zweifel a u f k o m m e n läßt. W a s die L e b e w e s e n
a n b e l a n g t , so zeugen
eine
Anzahl
B e m e r k u n g e n allgemeinen C h a r a k t e r s von hoher Einsicht.
Zu
diesen gehören die Lehren v o m allmählichen, stetigen u n d ununterbrochenen
Fortschreiten
der N a t u r
innerhalb aller
ihrer
Reiche, — hier liegt zweifellos der U r s p r u n g des Satzes „ N a t u r a non facit s a l t u s " (die N a t u r m a c h t keine Sprünge) der
Unmöglichkeit,
Grund
ihrer
das Wesen
bloßen zum
Pflanzen
Zusammensetzung
eines „ M e t a p h y s i s c h e n " ) des Menschen
der
(d. h. ohne
zu begreifen, von
Tierreiche,
und
sowie v o m
der
—,
von
Tiere
auf
Annahme
Zugehörigkeit
untrennbaren
s a m m e n h a n g e zwischen Tier- u n d Pflanzenreich.
Zu-
Im scharfen
Gegensatze zu solchen Überlegungen stehen hinwiederum
Be-
h a u p t u n g e n wie die, d a ß es bei den Pflanzen keine T r e n n u n g der Geschlechter gebe, — berichtet doch schon H e r o d o t männlichen
u n d weiblichen P a l m e n
tigsten
Lebenserscheinungen
mente
an
widernatürlichem
auf
1
—, d a ß m a n
das Vorhandensein
Orte
zurückführen
von
die wichder
Ele-
könne,
daß
Konstitution, Charakter, und entsprechende „angeborene Farbe" des Menschen so beschaffen seien „wie sich in ihm die E l e m e n t e m i s c h e n " , u n d d a ß durch U r z e u g u n g Pflanzen u n d Tiere aller Art, j a selbst Menschen e n t s t ü n d e n , diese allerdings p r i m ä r im S t a d i u m der W ü r m e r . 1
Hb. I, cap. 193.
Leben u n d Lebenswärme werden einem
CHEMISCHES
luftartigen
UND AL CHEMISCHES
Geiste,
dem
Pneuma,
die W ä r m e , je nach Alter,
AUS
ARISTOTELES
zugeschrieben,
137
doch
bleibt
Geschlecht, u n d Körperstelle,
gleich v e r t e i l t ; die rechte Seite soll die heißere sein,
un-
nichts-
destoweniger gilt aber das links liegende Herz f ü r den tralen
Sitz der größten
zen-
W ä r m e , ferner ist das gesamte
Ge-
hirn d u r c h a u s kalt, so d a ß , wie die irdischen D ü n s t e zu Wolken und
Regen,
die zu
ihm
brauchbaren
Säften
und
dichten, (Dieser
welcher
aufsteigenden
letztere,
Anschauung,
die
zu
körperlichen
unbrauchbarem
abfließend, bis
in
das
die
sich
Schleim
zu ver-
Katarrhe
erregt.
17. J a h r h u n d e r t
hinein
die herrschende blieb, e n t s t a m m t der noch jetzt übliche f r a n zösische Ausdruck
„rhume
de c e r v e a u " f ü r
Stockschnupfen).
Z u t r e f f e n d geschildert ist die höchst wichtige Rolle des Blutes, die B e d e u t u n g der E r n ä h r u n g , die E n t s t e h u n g , Sekretion
und
Ablagerung von Milch, Galle, F e t t , H a r n s ä u r e usf., — wobei n a m e n t l i c h die richtige E r k e n n t n i s der
Harnsäureausscheidung
bei Vögeln und Reptilien h e r v o r z u h e b e n bleibt.
Überraschend
ist die A n s c h a u u n g der B e f r u c h t u n g nach Analogie der wirkung,
demnach
Lab-
als eines enzymatischen Vorganges, wenn-
gleich hierbei die B e d e u t u n g des heißen, v o m lebenerweckenden Pneuma
erfüllten
Samens,
weiblichen
Substrates
vermöchte
dieses,
„empfangend",
zu
zu u n g u n s t e n
einseitig
wenn
jenes des
überschätzt
völlig
passiv
wird;
und
„kalten" denn
wie
ausschließlich
der so m e i s t e r h a f t dargelegten
Vererbung
beizutragen, die auch die Eigenschaften der M u t t e r u n d ihrer Vorfahren
umfaßt,
und
oft ganze
Generationen
überspringt,
denen also die fraglichen Anlagen n u r als „ l a t e n t e " z u k o m m e n konnten? Von ungewöhnlichem Tiefsinne zeugen endlich die, an die Vererbung
geistiger
Eigenschaften
geknüpften
Betrachtungen
über das Verhältnis zwischen Seelischem u n d Leiblichem, über den K ö r p e r als „ W e r k z e u g " (Organon) des Geistes, — sie sind die
Quellen
Wesen"
der
Ausdrücke
„Organismen",
—, über den D o p p e l s t a n d p u n k t
bei der
„organische Beurteilung
138
der
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
physischen
sischen
und
Beispiel
Unterschied
psychischen den
ARISTOTELES
Kausalität
der Zornes- u n d
zwischen
AUS
(mit
Schamröte),
Bewegungen,
dem
und
klas-
über
durch
die
den
Schall
u n d Licht ü b e r m i t t e l t werden, und den E m p f i n d u n g e n , sie auslösen, also den Tönen und
die
Farben.
2 Die
Einwirkung
der
aristotelischen
Anschauungen
Lehren, der allgemeinen wie besonderen, auf die und
Ausbildung der C h e m i e
und
Entwicklung
als Wissenschaft, erweist
sich,
allem Dargelegten zufolge, f ü r jeden auch n u r mit den G r u n d zügen der Geschichte dieser Disziplin V e r t r a u t e n augenscheinliche Erläuterung
und
nicht
so m a ß g e b e n d e ,
mehr
bedarf.
1
als eine so
d a ß sie einer
Dagegen
bleibt
weiteren ein
sehr
wichtiger P u n k t noch insoweit zu erörtern, als dies im R a h m e n der vorliegenden Arbeit möglich ist: des A r i s t o t e l e s
Einfluß
auf die A l c h e m i e . Vorauszuschicken
ist,
daß,
allen
Aristoteles
stellungen
k e n n t , ja, d a ß selbst A n d e u t u n g e n
sammenhang
zwischen
sie bei P i a t o n Angaben
selbst
späteren
entgegen,
keinerlei
Gestirnen,
zu finden sind,
2
begegnen, z. B. denen
Göttern
Behauptungen
alchemistische
Vor-
über den
Zu->
Metallen,
wie
und
bei ihm fehlen; wo wir derlei über die N a m e n
der
Sterne
und der G ö t t e r in der Schrift „ Ü b e r die W e l t " (De cosmo), 3 sind sie, wie dieses ganze W e r k , untergeschoben und Wohl n e n n t A r i s t o t e l e s l ä ß t die Sphären den
die Gestirne göttliche
der P l a n e t e n von jenen U n t e r g ö t t e r n
R a u m f ü h r e n , die bei P i a t o n
unecht.
Körper
und durch
„ S i r e n e n " waren und
in
1 Einiges Zugehörige findet sich in L o r s c h e i d s Schrift: „Aristoteles' E i n f l u ß auf die Entwicklung der C h e m i e " (Münster 1872), die aber n u r aus zweiter H a n d schöpft, weshalb sie der nötigen G r ü n d l i c h k e i t ermangelt u n d 2 nicht in die Tiefe geht. S. meine eingangs g e n a n n t e A b h a n d l u n g ;
n e u e r d i n g s neigt man dazu, auch die „ E p i n o m i s " wieder f ü r ein echtes Werk 3 P i a t o n s zu halten. cap. 2 u n d 6.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
139
späterer Zeit zu „ S c h u t z e n g e l n " w e r d e n ; wohl lehrt er, die Bewegung der Planeten und
daher
stirne
verwickelt
der
und
durch
deren Wesenheit
wechselnd
Fixsternsphäre
stets
sei, w ä h r e n d
unwandelbar
daß
bedingt, die
die
Ge-
nämlichen
blieben, weshalb die E r f o r s c h u n g der W a h r h e i t von ihnen auszugehen habe, als von der unerschütterlichen
Grundlage
des
U n v e r ä n d e r l i c h e n ; aber alle Beziehungen, die zwischen Sternen, Menschen, und irdischen Einzeldingen bestehen sollen,
erklärt
Fabeln. 1
er ausdrücklich f ü r Sagen und mythologische
F ü r die E n t w i c k l u n g der Alchemie sind, wie schon Prantl,
1856
der u m die Herausgabe aristotelischer Schriften u n d
um die Geschichte der Geisteswissenschaften so hochverdiente Forscher,
mit
völliger
erkannte,2
Klarheit
drei
Quellen
von
größter B e d e u t u n g : sie fließen aus den Schriften des
Piaton,
des
stoischen
Aristoteles,
Philosophen, und
und
orientalische
sowie
der
werden,
peripatetischen
nicht
ohne
und
spezifisch
Zuflüsse a u f z u n e h m e n ,
3
seitens
ägyptische der
Schule
Alexandrias zu einem großen Ganzen vereinigt; n u r von einem großen
Ganzen
heitlichen,
um
kann
man
so mehr,
platonische Anschauungen Oberhand
gewinnen,
sprechen, nicht von
in stets w a c h s e n d e m
verändernd
und
Maßgebend bleiben d a h e r : was P i a t o n und
schwärmerischen
einem
ein-
und
neu-
als n e u p y t h a g o r ä i s c h e
Lehren,
was
U m f a n g e die
umgestaltend
wirken.
a n g e h t die mystischen
Aristoteles
betrifft
spekulativen und deduzierenden, und was die späteren
die
Philo-
sophen a n b e l a n g t jene eklektischen und synkretistischen, denen sich
der
alexandrinische
Geist
auf a l l e n
Gebieten mit
aus-
n e h m e n d e m Behagen a n p a ß t e , und die seinem C h a r a k t e r ganz besonders angemessen erschienen. 1 2 Met. XII, 8. S. „Deutsche Vierteljahrsschrift" (Stuttg. 1856, S. 135), woselbst die wichtige Arbeit, deren Studium empfohlen sei, ohne Nennung des Autors abgedruckt ist; dieser selbst verweist jedoch auf sie in einem 3 seiner Kommentare zu A r i s t o t e l e s . Auf diese soll hier n i c h t eingegangen werden.
140
CHEMISCHES
Soweit
UND ALCHEMISCHES
Pia ton
in
AUS
Frage k o m m t ,
ARISTOTELES
muß
an dieser
Stelle
auf meine schon eingangs erwähnte, ausführliche A b h a n d l u n g „Chemisches u n d Physikalisches aus P i a t o n " verwiesen werden. gebracht:1
seine
Lehre von den vier Elementen und der Materia prima,
nach
Von
Einzelheiten
seien
der
die
Urmaterie
ist,
die
Möglichkeit
(Transmutation)
nur
in
Erinnerung
das gemeinsame allgemeiner
besteht,
und
Substrat
aller
gegenseitiger
die
Elemente,
Elemente
Wandelbarkeit — begriffen in
ewigem Kreislaufe, der V e r w a n d t e s z u s a m m e n zu f ü h r e n sucht —, nach Art einer eigentlichen „ V e r e i n i g u n g " oder „ V e r m ä h l u n g " zu
neuen
Stoffen z u s a m m e n t r e t e n ;
die Ansichten
über
Ver-
w a n d l u n g u n d U m b i l d u n g der Stoffe durch T r e n n e n und Vereinigen der „ D r e i e c k e " , die ihre geometrische bedingen
(von diesem T r e n n e n
Grundgestaltung
u n d Vereinigen, a n d a = spao
u n d ecyeiow = ageiro, leitet sich die spätere Bezeichnung „ S p a giriker" f ü r die Chemiker ab); von
Gold u n d
in der N a t u r ,
das allmähliche
Hervorgehen
Silber aus unedlen Metallen (und (deren W i r k e n
entweder
direkt,
umgekehrt)
oder
d. h. auf dem Umwege über die Materia prima,
indirekt,
nachzuahmen
sein m ö c h t e ) ; die obherrschende Stellung des Goldes, das als reinste, zum
dem
Feuer
Symbol
reichlichem Seelen
nach
des
und
Rost
Edelsten
widerstehende
und
Sittlichen
Substanz,
wird,
und
auch sogar,
Silber gesellt, den Himmel s c h m ü c k t , in den ihrem
Erdenleben
gelangen
sollen;
die
die
Theorie
von der Parallelität des Geschehens im Makro- u n d Mikrokosmos, der g e m ä ß auch f ü r den menschlichen K ö r p e r u n d Geist das „ T r e n n e n und Vereinigen" von nicht minderer B e d e u t u n g ist als
für
die
Außendinge
(weshalb
denn
der
„philosophische
S t e i n " der späteren Zeit auch die Erscheinungen der
Krank-
heit
Piaton
und
allein
des Alterns zu beheben vermag,
durch
unrichtige
Elemente entstehen). 1
Verteilungen
und
die nach
Umsetzungen
der
2
2 S., ebenso wie in allem Folgenden, auch P r a n t l , a. a. O . Gerade in diesem P u n k t e erst viel spätere, indische oder gar chinesische Einflüsse
CHEMISCHES
UND A L CHEM IS CHES
AUS
U n t e r den Lehren des A r i s t o t e l e s als
von
ganz
Paare
besonderem
warm-trocken,
feucht, m i t
Belang.
]4]
erweisen sich einige
Die
warm-feucht,
dem absolut leichten
ARISTOTELES
Identifizierung
kalt-trocken
Feuer,
und
der relativ
der kalt-
leichten
L u f t , dem realtiv schweren Wasser, u n d der absolut schweren Erde, läßt die Elemente auf das Klarste als die, nach Gegensatzpaaren
qualifizierte U r m a t e r i e
Möglichkeit
der
erscheinen,
S t o f f v e r w a n d l u n g durch
u n d bringt die
Z u f ü g e n oder Weg-
nehmen einer Q u a l i t ä t mit großer Deutlichkeit z u m Ausdrucke. Die
Einzeldinge
sind
nicht
aus
den
Elementen
zusammen-
gefügt „wie Häuser aus Steinen und B a l k e n " , vielmehr müssen die
sich
vereinigenden
Elemente,
indem
sie
einen
Teil
ihnen in „ f r e i e m " Z u s t a n d e z u k o m m e n d e n Eigenschaften geben,
in
den
Dienst
lichen Form t r e t e n . erfolgen
unter
der
höheren,
zwecksetzenden,
Derlei Gestaltungen u n d
Einfluß
des
der auf-
begriff-
Umwandlungen
weltbeherrschenden
Kreislaufes,
dessen oberste Ursache die Bewegung des Himmels ist; diese, die auch das Prinzip des Lebens und der Seele darstellt, geht vom
immateriellen
Äther
aus,
der
kein
fünftes
Element,
sondern von den vier irdischen materiellen Elementen ganzen Wesen nach völlig verschieden ist.
seinem
Die fertigen Einzel-
dinge sind nicht n u r fähig, sich zu vermischen, sondern auch sich (chemisch) zu verbinden, u n d erfahren hierbei q u a l i t a t i v e V e r ä n d e r u n g e n , bleiben aber potentiell bestehen, und
können
daher aus der V e r b i n d u n g auch wieder abgeschieden
werden;
ist aber eine S u b s t a n z von allzu schwachem und ungefestigtem Charakter, so v e r m a g zwar immerhin, wie die E n t s t e h u n g des „ E r z e s " (der Bronze) zeigt, schon ein kleiner Zusatz von ihr sehr weitgehende Veränderungen der Farben und der sonstigen äußeren aber
Eigenschaften hervorzurufen, ihre eigene Form
bei solchem
Anlasse völlig aufgelöst werden
und
kann ver-
a n z u n e h m e n , ist daher gänzlich ungerechtfertigt; z u d e m sind a l l e indischen u n d chinesischen alchemistischen Schriften, die der Periode arabischen Einflusses vorausgehen sollen, grober Fälschung u n d Interpolation
verdächtig.
142
CHEMISCHES
schwinden, bloßen
UND ALCHEMISCHES
—
wie
denn
das
„stofflosen Z u s t a n d e " ,
AUS
Zinn d. h.
ARISTOTELES
sozusagen zu
einer
zu
einem
Qualität
des
K u p f e r s wird. Aus dem Kreise der N a c h - A r i s t o t e l i k e r k o m m e n h a u p t sächlich
die
Stoiker
in
Beträcht
(die älteren
vom
3.,
die
jüngeren v o m 2. vorchristlichen J a h r h u n d e r t an), um so m e h r als sie sich disziplin liche der
in stets steigendem
bemächtigten,
Autorität zumeist
wodurch
gewannen.
eine
Maße
ihre Ansichten
Nach
kritiklose
der gesamten
außerordent-
Anschauung,1
stoischer
Vermischung
Schul-
platonischer
in und
aristotelischer Lehren, — u n d zwar keineswegs stets der wirklich wertvollen, — z u t a g e t r i t t , besitzen alle Dinge gleichzeitig materiellen und logischen C h a r a k t e r . ihre
Realität
lichen
beglaubigt,
zukommt,
Substanzen,
und
so sind
sondern
Der erstere wird
da solche allein
körperlicher
auch
alle
Natur
dem
durch Körper-
nicht
nur
alle
Eigenschaften,
so
daß
m a n die Q u a l i t ä t e n als Concreta zu b e t r a c h t e n h a t ; die Lehre von
der
Undurchdringlichkeit
zunehmen, kommen
daß
verschiedene
durchdringen
verschmelzen
und
können.2
muß
fallen,
Stoffe
sich
ihrer
Gänze
Gleichwertig
mit
und
es
ist an-
gegenseitig nach
voll-
miteinander
diesem
stofflichen
Prinzipe, der Materie oder Hyle, ist das logische, der (in letzter Linie auf
Heraklit
zurückzuführende)
Logos,
der in
allem
Seienden als v e r n ü n f t i g e r G e d a n k e waltet, sich in der „ F o r m " der
Dinge ä u ß e r t
(die zugleich
ihr Zweck
und
Begriff
u n d ihrem Wesen als „ i m m a n e n t e Z w e c k m ä ß i g k e i t " liegt.
Der
nannt,
und
Logos wird auch als w a r m e r ,
„Pneuma"
(Geist,
Leben-erzeugender
und
ist),
zugrunde
Spiritus)
ge-
-erhaltender,
also „ L e b e n s k r a f t " in sich f ü h r e n d e r L u f t h a u c h gedacht,
der
a l l e s im Weltall, v o m größten bis zum kleinsten Körper, völlig 1
S. die wichtige Schrift H e i n z e s „ D i e Lehre vom Logos in der griechischen P h i l o s o p h i e " ( O l d e n b u r g 1872); die H a u p t w e r k e der Stoiker sind 5 leider n u r fragmentarisch erhalten. Diese Lehre erneuerte noch im 19. J a h r h u n d e r t e H e r b a r t .
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
143
d u r c h d r i n g t , wobei er eine b e s t i m m t e gleichbleibende S p a n n u n g erzeugt, jenen rövog (tonus, tenor), dem auch die Schule der „pneumatischen zuschrieb.
Ärzte"
Endlich
eine so ungewöhnlich
wichtige
Rolle
erfolgt noch die Gleichsetzung des
Logos
mit dem „ Ä t h e r " des A r i s t o t e l e s : Peripatiker u n d Schrift „Von dauernder
Stoiker e n t s t a m m e n d e n
der W e l t "
in
der
gröblich
pseudo-aristotelischen
(De cosmo), deren großer und
Einfluß k a u m
bereits der immaterielle teles
in der, dem Kreise s p ä t e r
hoch genug einzuschätzen und
„göttliche" Äther
materialisierten
ist,
des
antritt
Aristo-
Gestalt
eines f ü n f t e n
Elementes auf {nkfntTn ovrriu = q u i n t a essentia,
Quintessenz),
dem bewegende u n d erschaffende, Leben- u n d Seelen-erzeugende K r a f t innewohnt, u n d das nicht m e h r l o k a l teles,
sondern
seinem
inneren
Wesen
wie bei A r i s t o -
nach
die
„höchste
Stelle" e i n n i m m t . Da
Feuer und
L u f t , die leichten
und
feinen
Elemente,
von großer, Wasser und E r d e aber, die schweren u n d dichten, von
geringer
Spannkraft
L u f t , als das w a r m e und
Erde,
als das
sind,
und
kalte
so
aktive und
durchdringen Prinzip
passive
Verquickung der
des P n e u m a s
(Pneuma),
(Hyle),
gliedern und formen so alle Einzeldinge.
und
Die oben
der P e r i p a t e t i k e r
Stoiker erfordert jedoch
Feuer
und
Wasser erfüllen, erwähnte
mit dem
Logos
eine V e r m i t t l u n g zwischen
dem
passiven und qualitätslosen Stoff und dem mit der „ t r e i b e n d e n K r a f t " des Zweckbegriffes gestaltenden Logos; zugeteilt w u r d e diese, in A n k n ü p f u n g an die Rolle, die der Samen bei
Aristoteles
spielt,
einem
spezifisch
von großer Tragweite, dem löyoq tikos)
oder (miofiK
licher S a m e n " sind
die
allgemeinsten,
vidualisierende,
rmEofiarixoi
(Sperma
oder „ S a m e n b e g r i f f " .
vernunftgemäßen pflanzende
).oyixov
Keime der
Prinzip,
Seienden Entfaltung, die
eigentliche
Begriffe
d. i. „Begriff-
Die Logoi
der
(Sperma)
(Logos sperma-
logikon),
allem
Materie das
stoischen
spermatikoi
zugrunde
liegenden,
das bildende,
(platonischen) Wesen
der
Ideen
indiein-
Naturkräfte,
144
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
das alle Dinge im Innersten z u s a m m e n h ä l t , 1 als ihre Quintessenz, ihr Lebensgeist (Spiritus vitae), ihre Seele; d a f ü r , wie
durch
E i n w i r k u n g des Logos auf die Materie ein b e s t i m m t e r
neuer
Stoff, ein
I n d i v i d u u m selbständiger Art, hervorgeht, wird
Schulbeispiel
die U m w a n d l u n g
angeführt.2
das Zinn n a c h A r i s t o t e l e s auf den menschlichen
des K u p f e r s in Bronze Unter
Bezugnahme
Logos, d. i. V e r n u n f t u n d Sprache,
einst die G ö t t e r den Menschen durch ihren geflügelten Hermes (Merkur) v o m H i m m e l h e r a b s a n d t e n , wird erst
dieser
Hermes
Logos,
(Merkur)
dann
aber
identifiziert
der
Logos
(„Hermes
als
durch
Boten
schließlich
überhaupt,
logios
die
und
mit
psycho-
pompos"). Die setzten
Neu-Pythagoräer ebenfalls
u n d den a k t i v e n
zwei
(etwa
Prinzipien
von
voraus,
100
v. Chr.
die
Logos, u n d ließen die Logoi, als
der Dinge, z u s a m m e n f a l l e n
mit
den
an)
passive
„Formen"
Hyle
Qualitäten
des
Aristo-
t e l e s , den „ I d e e n " des P i a t o n , u n d den „ Z a h l e n " d e s P y t h a goras. ihr
Ebenso
lehrte
Hauptvertreter
die
Alexandrinische
Philon
von
50 n. Chr.), deren B e m ü h u n g e n tarisch-theologischer
und
Schule,
Alexandria
auf Vereinigung
und
(gest.
um
alttestamen-
griechisch-philosophischer
Anschau-
ungen gerichtet waren, die Ü b e r e i n s t i m m u n g der platonischen Ideen
mit
als Ä t h e r
der und
Logoslehre, &etov
sahen
(=
den
zugleich
theion,
göttliches befanden,
der gemeinen
trugen
sie die W e l t e n b i l d u n g
Logoi,
die
pneuma
Logos
P n e u m a ) a n ; da sie es als der G o t t h e i t u n w ü r d i g sich selbst m i t
nvsvfia
und
Materie zu befassen, so der
sie f ü r wesensgleich
„gestaltenden
teils
mit
dem
über-
Kraft"
der
platonischen
Demiurgen, teils m i t den heidnischen D ä m o n e n , teils mit den jüdischen 1
Engeln
erklärten,
und
deren
A u f g a b e es war,
die
Daher gibt noch F a u s t als Zweck seines Studiums der Magie a n : „ D a ß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau alle Wirkenskraft und Samen, U n d tu' nicht m e h r mit Worten kramen" ( G o e t h e s 2 „Faust", Vers 382ff.). H e i n z e , a. a. O., S. 118.
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
Materie z u n ä c h s t in Wasser u n d
in grobe u n d Erde,
AUS
ARISTOTELES
J45
feine, und weiterhin
erstere
letztere in L u f t und
F ü r die N e u p l a t o n i k e r
Feuer zu
teilen.
endlich, deren Blütezeit (etwa von
300 n. Chr. an bis z u m Erlöschen griechischen Geistes) mit jener der
alexandrinischen
Alchemie
zusammenfiel,
bestanden
K ö r p e r aus der Hyle als Materia p r i m a u n d dem
die
Logos als
Inbegriff der Qualitäten, die als Logoi spermatikoi individualisierend wirken, u n d als „zeugende F o r m e n " oder „ S a m e n " sowohl die leblosen Einzeldinge als auch die Pflanzen u n d Tiere gestalten;
der
intelligente
Logos,
aber
auch
der
allgemeine,
sämtliche Dinge des W e l t g e b ä u d e s hervorbringende u n d durchdringende, wird Hermes (Merkur) g e n a n n t . Die vorstehenden Darlegungen, so k n a p p sie gefaßt werden m u ß t e n , d ü r f t e n mit Klarheit ersehen lassen, wie die Alchemie, als ein echtes Kind griechischen Geistes, aus der griechischen Philosophie
hervorging,
dem mystischen
„Stein
„philosophischer Zeit nicht sondern
mehr
und
daß
daher
der W e i s e n " ,
ihrem
Hauptgebilde,
mit R e c h t der
Namen
S t e i n " erteilt wurde, der erst in späterer
auf
die „ r e i n e n "
Philosophen
Bezug
auf die „philosophi per ignem", „die mit
hatte,
Hilfe des
Feuers F o r s c h e n d e n " , d. s. die Chemiker. Von den wesentlichen Begriffen der Alchemie f ü h r e n ihren Ursprung gemeine
auf
Piaton
zurück:
Wandelbarkeit
Umwandlung
die Materia
sämtlicher
(Transmutation)
Dinge;
prima; die
die
all-
wechselseitige
edler und gemeiner Metalle in
der N a t u r ; ihre N a c h a h m u n g , entweder auf die nämliche Weise, durch allmähliches W a c h s e n u n d Reifen, oder u n t e r B e n ü t z u n g der
Materia
prima
als
Durchgangsstufe,
wobei
neue
Stoffe
durch Vereinigung und V e r m ä h l u n g aus den alten hervorgehen; die Symbolisierung des Goldes als Reinsten, Edelsten, lischen,
die
psychische ihm,
dazu
und
der Parallelität
schehens
halber,
führt,
dem
„Stein
religiöse W i r k u n g e n des mikro- u n d
zugleich
v. L i p p m a n n , Abhandl. u. Vortr.
der
Weisen"
zuzuschreiben, gegen 10
auch
und
makrokosmischen
das Allheilmittel II.
Himmin Ge-
Krankheit
146
CHEMISCHES
und
Alter zu
den
Planeten.
UND ALCHEMISCHES
suchen;
Dem A r i s t o t e l e s
der
AUS
ARISTOTELES
Zusammenhang
entlehnte man
der
Metalle
u. a. folgende
mit
Lehren:
die B e d i n g t h e i t der U m w a n d l u n g ( T r a n s m u t a t i o n ) durch Hinzubringen neuer Q u a l i t ä t e n ; die, der K r a f t des Samens analoge W i r k s a m k e i t kleiner Zusätze, als der T r ä g e r solcher Qualitäten, wobei sie, nach A r t der „ V e r m ä h l u n g " , neue K ö r p e r
hervor-
bringen (s. das Beispiel des Zinns); das äußere Sichtbarwerden der bewirkten U m w a n d l u n g e n durch V e r ä n d e r u n g der F a r b e n , ähnlich wie beim Reifen der F r ü c h t e u n d beim
Backen
des
1
Brotteiges, — w o r a u s die ungeheure Wichtigkeit der „ T i n k t i o n " u n d „ T i n k t u r " erfließt, weil m a n u m g e k e h r t aus dem
Eintritt
der gewünschten F ä r b u n g auf den der entsprechenden
inneren
U m w a n d l u n g schloß; die A n d e u t u n g der V e r w a n d t s c h a f t
und
U m w a n d l u n g s f ä h i g k e i t , z. B. zwischen Zinn u n d Silber, gelber Legierung u n d Gold, durch die gemeinsame Den Theorien
der
Stoiker
wurden
Farbe.
hauptsächlich
nach-
stehende Sätze e n t n o m m e n : die materielle Beschaffenheit der Q u a l i t ä t e n , der g e m ä ß das Zubringen von zur T r a n s m u t a t i o n erforderlichen neuen Q u a l i t ä t e n Stoffes dringt;
bewirkt die
werden
Erklärung
kann,
solcher
durch B e i f ü g u n g eines neuen der
den
alten
Umwandlungen
völlig (wie
durchder
des
K u p f e r s durch Zinn) aus der individualisierenden W i r k u n g der Logoi s p e r m a t i k o i ; die Gleichstellung des Logos mit dem Äther, dem
Pneuma,
und
dem
Luftgeist (spiritus),
die dazu Anlaß
gab, den „ S t e i n der W e i s e n " aus Äther, L u f t , S t e r n s c h n u p p e n s u b s t a n z u. dgl., a b e r auch aus den P r o d u k t e n der tierischen L e b e n s k r a f t (besonders den „ h e i ß e n " E x k r e t e n ) zu bereiten, u n d das Wesen oder die Quintessenz der Dinge als „ G e i s t e r " zu bezeichnen (die noch in unserem W e i n g e i s t , Holzgeist,
Salmiak-
geist u. a. m. f o r t l e b e n ) ; die Identifizierung des Logos mit Hermes. 1 Hierher r ü h r t vermutlich die Bezeichnung des von den Alchemisten benützten Materiales als ¡un-'a ( = m a z a , Brotteig); noch P a r a c e l s u s sagt „ D e r Brotbäck ist ein Alchymist".
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS ARISTOTELES
D a m a n in s p ä t e r e r Z e i t , b e i d e r D a r s t e l l u n g v o n das
Zumischen
eines
weiteren
Bestandteiles
als
147
Arzneien,
„Projektion"
z u b e z e i c h n e n p f l e g t e , 1 so ist es s e h r w a h r s c h e i n l i c h , d a ß dieser Ausdruck
auch
mischen fand, und =
auf
Zusätze,
und
daß
das
z.
B.
daher
Gildemeisters
Xerion,
sprang;
der
erst
Einstreuen Kupfer,
tatsächlich,
arabische
weiterhin
den
Name
wurde
das
den
der W e i s e n " ,
„Stein
oder zum
Zinns
entsprechend,
angewandt, Leben
Einwerfen des
unedles
al-Ixir,
in
Gold
der zugleich
D u r c h die N e u p y t h a g o r ä e r , punkte
wurden
vertieft:
durch
Addition
Wege,
Kopps |»?«/oi>
Elixier,
jenes
ent-
Streupulver
verwandelt,
Gesundheit
also
und
der
die
in
der
führte;
die
unter
Bezugnahme
Orphiker,
deren
Weltenei des
reinsten
noch
Entstehung zur
auf
langes
dieser
die
auf
neuer
angeblich
uralten
philosophicum"
Samen
aller
philosophischen unberührten
Jungfernerde,
und
Dinge
unedlen nämlichen
höherer
an
Be-
„Samen",
Mysterien
der
(philosophisches
Ei)
enthält;
Steines
Neu-
Gesichts-
aus
dem
Qualitäten
„ovum
und
folgende
Metalle
also
Bildung
Bindung auf
noch
edler
Qualitäten,
Logik
die
setzung
Alexandriner,
im wesentlichen
neuer
griffe
Hyle,
d. i.
auf
che-
verleiht.
platoniker
als
Vermutungen
dem „ S t r e u p u l v e r " ,
dieser
Metall
der
Anwendung
durch
Stoffes (Materia
J u n g f e r n m i l c h , . . .)
die
Zusammen-
Vermählung prima,
mit
des
himmlische
dem
aktivsten
P r i n z i p des L o g o s , d e r g e m ä ß d e r S t e i n d e r W e i s e n a u c h s e l b s t als K e i m , wird;
Embryo,
die
Homunculus und
Gleichstellung
der
Hermaphrodit
Logoi
betrachtet
spermatikoi
mit
den
Q u a l i t ä t e n , S a m e n , u n d S e e l e n , die d a z u f ü h r t , v o n d e r „ S e e l e " und dem „ S a m e n " zu
sprechen,
unter
des G o l d e s , S i l b e r s , S c h w e f e l s , denen
die
Quintessenz
Quecksilbers
dieser
Dinge
standen wird, das
philosophische
Gold
und
Gold
im
dem
gemeinen,
und 1
Silber",
Gegensatz
zu
Silber,
ver-
„unser natürlich
S o auch noch bei A v i c e n n a (Ibn-Sina) und anderen früharabischen
Ärzten. 10*
148
CHEMISCHES
UND ALC11 EMI SC II ES
AUS
ARISTOTELES
v o r k o m m e n d e n ; die Identifizierung des Logos mit dem Äther, d e m nvsvna Hermes;
{h-Tov (göttlichen P n e u m a ) , u n d mit dessen Träger
die bei
der
Weltbildung
erfolgende
Scheidung
der
Materie in grobe u n d feine, u n d weiterhin in die P a a r e (Wasser H- Erde) u n d ( F e u e r + L u f t ) , die aber schließlich auch wieder als R e p r ä s e n t a n t e n des eigentlichen kalten u n d passiven Stoffes, sowie des heißen a k t i v e n P n e u m a s gelten. Dieser
letzteren
Anschauung
scheint
eine
höchst
t ü m l i c h e durch ihre bis tief in die Neuzeit hinein
eigen-
währende
F o r t w i r k u n g sehr wichtige Theorie e n t s p r u n g e n zu sein, n ä m lich die v o m der
Bestehen
Metalle,
hielt m a n
aus
aller
Stoffe,
Schwefel
und
und
daher
auch
Quecksilber;
bisher
sie meist f ü r eine arabische, v e r m o c h t e aber
ihre
Quelle ( f ü r die die angeblichen W e r k e des G e b e r ,
als
schungen
können)
des
späteren
nirgends nachzuweisen.
Mittelalters,
nicht
gelten
Fäl-
In den f r ü h e s t e n einschlägigen Schriften
der Araber, z. B. in der großen E n z y k l o p ä d i e der sog. „ L a u t e r e n B r ü d e r " (richtiger: T r e u e n
Brüder), die im
10. J a h r h u n d e r t e
a b g e f a ß t ist, a b e r d u r c h w e g auf w e i t a u s ältere Vorlagen zurückgeht, t r i t t jedoch diese Lehre, in s t e t e m V e r b ä n d e mit anderen rein griechischer H e r k u n f t , schon in völlig b e s t i m m t e r , aus dogmatischer Gestalt a u f ; sie wird, ohne jeden
durch-
Anspruch
auf Neuheit, als etwas so Selbstverständliches u n d zweifellos Feststehendes
vorgetragen,
daß
sie
offenbar
desselben
Ur-
sprunges wie alles übrige sein m u ß , nämlich griechisch-alexandrinischen. nistischen
Die
Frage, w o h e r
Chemikern
stammt,
P i b e c h i o s (4. J a h r h u n d e r t ) halten oben
Quecksilber", gegebenen
ihre —
Autorität unter
bei
denen
den
helle-
z. B.
schon
b e h a u p t e t „alle Gegenstände ent-
— läßt sich aber n u n m e h r ,
Ausführungen
nach,
mit
den
weiter
ziemlicher
Wahr-
scheinlichkeit wie folgt b e a n t w o r t e n : die E n t s t e h u n g der Einzeldinge b e r u h t
auf
Durchdringung
von
Hyle u n d
Logos,
und
diese gelten als gleichwertig m i t den groben u n d feinen Teilen der Materie, also m i t den P a a r e n (Wasser -f Erde) und ( L u f t +
CHEMISCHES
Feuer),
durch
Aristoteles müssen,
UND ALCHEMISCHES
deren alle
wieder
AUS
Vereinigung
vier
in
die
jedem
zusammengeführt
ARISTOTELES
Elemente,
als dessen
die
nach
Körper vorhanden
werden;
die
(Wasser + Erde) ist aber, nach A r i s t o t e l e s , verwirklicht,
J49
Hauptbestandteile
sein
Kombination
im
Quecksilber
die in j e d e m
un-
edlen Metalle v o r h a n d e n e Erde, sowie das viele, seinen flüssigen Zustand
bedingende
Kombination
Wasser
anzusehen
sind;
f ü r die
( L u f t f Feuer), die dem nnv^u
dsiov
zweite
(pneuma
theion) e n t s p r i c h t , ergibt sich aus dem Doppelsinne des W o r t e s theion
( = göttlich,
aber
auch =
Schwefel)
als
passendster
T r ä g e r der, nach A r i s t o t e l e s schon von altersher f ü r „heilig" angesehene Schwefel, und
„feurige"
stellung einigen
dessen E i g e n s c h a f t e n ,
Natur,
durchaus
sowie Flüchtigkeit,
angemessen
sich, wie auch
nämlich einer
erscheinen.
die „ L a u t e r e n
„heiße"
solchen Vor-
Demgemäß
Brüder"
noch
ver-
lehren,
die E l e m e n t e z u n ä c h s t z u m Schwefel u n d Quecksilber, u n d erst diese bilden d a n n , u n t e r V e r b i n d u n g n a c h den verschiedensten Mengen-, Reinheits- u n d „ R e i f e " - V e r h ä l t n i s s e n , wie alle anderen Stoffe so die Metalle; die V o r a u s s e t z u n g einer derartigen
Ent-
stehungsweise f ü h r t e auch zu dem b e d e u t s a m e n , m i t den Ansichten
Piatons
brennung und
Schlüsse, d a ß sich
Ver-
R o s t e n (also die raschen u n d l a n g s a m e n
übereinstimmenden
Vor-
gänge der O x y d a t i o n )
unter
Ausscheidung
eines
Bestand-
teiles, u n d d a h e r u n t e r Gewichtsverlust vollziehen. Tiefgreifende V e r ä n d e r u n g noch eine E n t d e c k u n g , Gesamtgebiete Quecksilbers,
der die
dieser A n s c h a u u n g e n
die zu den w e i t t r a g e n d s t e n
Chemie g e h ö r t , 1 die allem
Anschein
nach
der im
bewirkte auf
Destillation
dem des
4. J a h r h u n d e r t e
n. Chr. g e m a c h t w u r d e ; w a r es a u c h schon seit langem b e k a n n t , d a ß das Quecksilber im Feuer „ v e r f l i e g t " , so m u ß t e doch die, mit allen h e r g e b r a c h t e n Begriffen gänzlich u n v e r e i n b a r e Möglichkeit, es in ein P n e u m a , einen heißen, S p a n n u n g besitzenden Luftgeist zu v e r w a n d e l n , u n d aus diesem s i c h t b a r wieder ab1
S. meine A b h a n d l u n g über P i a t o n .
150
CHEMISCHES
zuscheiden,
UND ALCHEMISCHES
das
äußerste
Erstaunen
AUS
ARISTOTELES
hervorrufen!
Ein
Stoff
von solchen E i g e n s c h a f t e n k o n n t e unmöglich länger der kalten und
trägen
Hyle
zugeordnet
s t ä n d i g e r Stellungswechsel, förderte, daß
werden;
es
erfolgte
— den v e r m u t l i c h die
Quecksilber nach A r i s t o t e l e s
ein
voll-
Erinnerung
auch viele L u f t
e n t h ä l t , die sein Festwerden h i n d e r t —, m a n reihte das Quecksilber f o r t a n
dem
Kreise
des
Pneumas
ein, identifizierte
es
als flüchtigen, alles d u r c h d r i n g e n d e n „ G e i s t " , mit dem T r ä g e r des P n e u m a s , u n d b e n a n n t e es nach ihm Hermes oder M e r k u r . 1 Im Z u s a m m e n h a n g e h i e r m i t vollzog sich eine weitere sehr bem e r k e n s w e r t e W a n d l u n g : die uralte Z u o r d n u n g der Metalle zu den P l a n e t e n , die v e r m u t l i c h aus babylonischer Quelle s t a m m t , und
von
mittlung
der
die
die
ä n d e r u n g , das gesellt,
das
antike Welt
erste
durch
Abbei-
Merkur
auf
hatte,
den
erlitt
Ver-
Quecksilber w u r d e n u n m e h r dem Merkur vom
empfangen
spät-chaldäische eine
Zinn
Kunde
Jupiter
übertragen,
das E l e k t r o n a b e r (d. i. eine a u c h in der N a t u r v o r k o m m e n d e , damals
schon
längst
außer
Gebrauch
geratene
Gold-Silber-
Legierung) f ü r i m m e r aus der Reihe der planetarischen Metalle gestrichen. 2 Die alten u n d neuen, so d u r c h a u s entgegengesetzten
An-
sichten ü b e r die N a t u r des Quecksilbers durch eine irgendwie annehmbare
Theorie
zu
vereinigen,
hat
der
sinkende
Geist
des Zeitalters nicht m e h r v e r s u c h t , oder doch nicht v e r m o c h t ; sie blieben f o r t a n , bis in die Neuzeit hinein,
nebeneinander
bestehen, als einer der unzähligen großen W i d e r s p r ü c h e , denen das synkretistische B e m ü h e n der Alexandriner 1
mit
Religion,
Das Buch „Causa causarum", das im Mittelalter dem A r i s t o t e l e s zugeschrieben wurde, in der Tat aber syrischen Ursprunges ist (10. bis 12. ]ahrh.), lehrt u. a., jedenfalls nach viel älteren, zumeist recht unklaren Überlieferungen, Quecksilber enthalte Wasser und Luft, Schwefel aber Erde 2 und Feuer. Die schon 1884 durch den hervorragenden Orientalisten O. H o f f m a n n als besonders wichtig bezeichnete Frage nach Ort und Zeit dieser Umstellung des Quecksilbers dürfte durch das Vorstehende annähernd beantwortet sein.
CHEMISCHES
Medizin,
UND AICHEMISCHES
Astronomie,
Chemie,
AUS
und
ARISTOTELES
alle anderen,
nistischen Boden in neuer oder erneuerter Form Wissenschaften anderen kaum
erfüllte,
— und
genau
wie
bemerkt,
jedenfalls
nicht
dem
helle-
entkeimenden
jene
W i d e r s p r ü c h e so w u r d e auch d i e s e r
mehr
]5[
unzähligen
hingenommen,
weiter
erörtert,
und
k r a f t der „ A u t o r i t ä t der Schule" kritiklos von einer Generation auf die andere v e r e r b t .
3 Der E i n f l u ß der aristotelischen lung
der Chemie w a r ,
Lehren auf die
wie die im vorstehenden
Entwick-
angeführten
T a t s a c h e n beweisen, ein ebenso tiefgehender wie nachhaltiger, gereichte ihr aber keineswegs stets z u m Vorteile, und
wurde
daher schon oft u n d wiederholt als ein, die Wissenschaft geradezu schädigender u n d h e m m e n d e r , mit den schärfsten W o r t e n verurteilt.
Der historisch geschulte Sinn wird indessen in solche
„ v e r n i c h t e n d e K r i t i k " nicht ohne weiteres einzustimmen, vielmehr richtiger die Frage a u f z u w e r f e n h a b e n , welchen Ursachen der beispiellose Erfolg jener Lehren zuzuschreiben ist, — und zwar t r o t z
ihrer Schwächen und
Fehler?
W a s die letzteren b e t r i f f t , so ist schon weiter oben hervorgehoben der
worden,
richtigen
daß
Aristoteles
Grundsätze
der
zwar
im
Vollbesitze
N a t u r f o r s c h u n g war,
sie
aber
nicht folgerichtig anzuwenden w u ß t e , und in zahlreichen Fällen schwer gegen sie verstieß. weit
die Mängel
der
Vor allem t r i t t A r i s t o t e l e s , — so-
Überlieferung
ein
Urteil
gestatten
—,
keineswegs „ o h n e v o r g e f a ß t e M e i n u n g e n " an die Dinge h e r a n ; er
berücksichtigte,
mit
kaum
zu
entschuldigender
Vorliebe,
die „ h e r g e b r a c h t e n Ansichten F r ü h e r e r " , die „allgemeine Mein u n g " , sowie den „ S p r a c h g e b r a u c h " ; er erörtert zwar die Geschichte aller
Hauptprobleme,
geht aber dabei über
bedeut-
same Leistungen seiner Vorgänger in einer Weise hinweg, die ihn
h ä u f i g als ü b e r m ä ß i g
konservativ,
zuweilen
sogar
rück-
s t ä n d i g erscheinen l ä ß t ; er t r ä g t m a n c h e s u n z u s a m m e n h ä n g e n d
152
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
und mit Ü b e r g e h u n g wichtiger Momente vor, anderes unsicher und
schwankend,
wie
denn
seine
Polemik
gegen
Piaton,
dessen S p h ä r e er sich niemals gänzlich zu entziehen v e r m o c h t e , zwar scharf, aber keineswegs klar u n d k o n s e q u e n t ist; unleugb a r e W i d e r s p r ü c h e schlichtet er nicht selten, und mit
völliger
Sicherheit,
f a s t rabulistischer
auf
dem
Wege
anscheinend
advokatorischer,
Dialektik, oder u m g e h t sie mit
ja
Hilfe vor-
eiliger, auf allgemeinen Ähnlichkeiten u n d Analogien f u ß e n d e r Annahmen,
wobei der D e d u k t i o n
und
der
Konstruktion
aus
reinen Begriffen der V o r r a n g vor der I n d u k t i o n u n d der Herleitung aus den T a t s a c h e n bleibt.
Alledem zufolge ist A r i s t o -
teles keinesfalls ein N a t u r f o r s c h e r im heutigen Sinne u n d gewiß kein E x p e r i m e n t a t o r , sondern n u r ein Beobachter, der es aber h ä u f i g sowohl m i t den B e o b a c h t u n g e n als auch mit deren D e u t u n g e n nicht kritisch genug n i m m t .
Doch ist zuzugeben,
d a ß einige seiner Ansichten, u. a. die V e r w a n d l u n g von Wasser in L u f t u n d
L u f t in Wasser, das völlige Verschwinden
T r o p f e n s Weins in z e h n t a u s e n d
Kannen
Wasser,
das
eines Statt-
finden der Urzeugung usf., auf d a m a l s (und noch weit s p ä t e r ! ) wirklich wohlberechtigten B e o b a c h t u n g e n zu b e r u h e n schienen, u n d d a ß andere, wie z. B. die Lehren von den E l e m e n t e n , von der verschiedenen Stellung
Temperatur
der
Körperteile,
der E r d e im W e l t m i t t e l p u n k t e ,
ragendsten
medizinischen
und
und
seitens
astronomischen
von
der
der
hervor-
Fachmänner
d u r c h a u s geteilt w u r d e n : die geozentrische Theorie verteidigte z. B. nicht n u r E u d o x o s
aus
noch der große H i p p a r c h o s zwar, n a c h A. v o n solange
die
bewegungen
rein
Humboldt, geometrische
alleinherrschend
Knidos
im 4., sondern
auch
im 2. J a h r h u n d e r t v. Chr., u n d insofern mit R e c h t , als sie, Betrachtung
blieb,
f ü r deren
der
Himmels-
Erklärung
die
m a n n i g f a c h s t e n Vorteile b o t . Als sich, auf diesem Laufe
der
Zeiten
ein
Gebiete, wie auf allen anderen, ungeheures
neues
im
Tatsachenmaterial
a n g e s a m m e l t h a t t e , da w ä r e es freilich geboten gewesen,
dem
CHEMISCHES
UND AL CHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
153
Ausspruche des A r i s t o t e l e s folgend, „ d e n k ü n f t i g zu m a c h e n den B e o b a c h t u n g e n m e h r Glauben beizumessen als der T h e o r i e " ; gegen diese H a u p t r e g e l sündigten Aristoteles
weit
schlimmer
aber die N a c h f o l g e r
und
schwerer
als e r
des
selbst,
denn sie v e r k a n n t e n nicht n u r die neuen W a h r h e i t e n , sondern leugneten geben, bilde.
und
sie
unterdrückten
widersprächen
sie
ihrem
bewußt,
unter
dem
Vor-
allein-seligmachenden
Welt-
W a s die Kirche, — die A r i s t o t e l e s erst verwarf, d a n n
auf den Schild erhob, und z u m „praecursor Christi in rebus n a t u r a l i b u s " s t e m p e l t e (zum Vorläufer Christi in Sachen
der
N a t u r f o r s c h u n g ) —, was die aus- u n d unterlegenden Scholastiker, u n d was die ihnen getreulich a n h ä n g e n d e n
Dunkelmänner
als
„aristotelisches L e h r g e b ä u d e " p r o k l a m i e r t e n , h a t t e zuletzt mit den echten Anschauungen des A r i s t o t e l e s
k a u m m e h r etwas
g e m e i n ; es w a r allenfalls (und auch das n u r zum Teil) ein durch Dogmatismus
und
Intoleranz
verkrüppeltes
wählter, auch bei A r i s t o t e l e s
Gebilde
ausge-
v o r k o m m e n d e r , und auf seine
A u t o r i t ä t hin als S t ü t z e gewisser Tendenzen
wohlverwendbarer
Irrtümer, gegen die a n g e k ä m p f t und die schließlich ü b e r w u n d e n zu haben, zu den G r o ß t a t e n neuzeitlichen Geistes gehört. W a s h a t aber der aristotelischen äußerster
Entstellung
und
Lehre, selbst in solcher
Verzerrung,
ihre
ungeheure,
fast
unverbrüchliche Lebenskraft verliehen? Es ist gewiß richtig, d a ß sie, die in vielen P u n k t e n hergebrachten gegenkam, und
Auffassungen der
seitens
leichtfaßlich
letzterer anerkannt
„allgemeinen
auch und
Hinsicht sei n u r d a r a n e r i n n e r t , Schlagworte
wieder
des A r i s t o t e l e s ,
als
begrüßt
den
Meinung"
ent-
wesensverwandt
wurde;
in
dieser
wieviele B e t r a c h t u n g e n
— vielleicht
schon zu
und seiner
Zeit sprichwörtliche
—, noch h e u t e zu den alltäglichen
standteilen
Sprachschatzes
unseres
zählen:
nichts vergeblich, nichts wider die N a t u r
„Die und
tut
alles auf
das
E i n f a c h s t e u n d B e s t e " ; 1 „ D e r Mensch ist ein Zoon 1
Hi. I, 4 ; Fa. 2, 8, 11.
Be-
Natur
politikon
154
CHEMISCHES
UND ALCHEMISCHES
AUS
ARISTOTELES
(ein soziales Wesen), u n d m e h r als jedes a n d e r e ein Herdent i e r " ; 1 „ B e i den Fischen fressen die Großen die Kleinen, u n d es herrscht der K a m p f zwischen den S t ä r k e r e n u n d Schwächer e n " ; 2 „Von zwei Speisen in gleicher E n t f e r n u n g
gleichstark
angezogen,
verbleiben
wird
der
Hungernde
unbeweglich
m ü s s e n " , — das Vorbild z u m Esel des B u r i d a n ;
3
„Die größten
Vorzüge bietet der M i t t e l w e g " ; 4 „ D i e K u n s t {rixvi] = techne) a h m t der N a t u r n a c h " , 5 — d a h e r der A u s d r u c k T e c h n i k ; „ D i e Gewohnheit wird zur zweiten N a t u r " ; 6
„ E i n Keil t r e i b t
a n d e r e n " ; 7 „Man k e n n t sich n i c h t , ehe m a n z u s a m m e n
den einen
Scheffel Salz gegessen h a t " ; 8 „ D a s Auge des Herrn m a c h t die P f e r d e g e d e i h e n " ; 9 „ M a n streitet um den S c h a t t e n des E s e l s " ; 1 0 „ T a t s a c h e n b e w e i s e n " ; 1 1 „ E r spricht wie der Blinde von der F a r b e " ; 1 2 „ W e n n m a n Großes m i t Kleinem vergleichen d a r f " ; 1 3 „ D a s heiße Blut der J u g e n d " ; 1 4 „Die angeborene F a r b e " (z. B. der E n t s c h l i e ß u n g ) ; 1 5 „ S o mischten sich in ihm die E l e m e n t e " ; 1 6 „Der
Mensch
(punctum Embryo)18;
saliens, „Der
die A u s d r ü c k e litische
Mikrokosmos";17
ein
der „ s p r i n g e n d e
d. i. die Anlage des Herzens im Leib
ist
Organismus,
Ökonomie",20
Punkt" Hühner-
das Organ der Seele", 1 9 — d a h e r Organisches,
ursprünglich
im
Organisiertes;
Sinne von
„Po-
Ökonomie
der %6hi ( S t a d t ) = K o m m u n a l w i r t s c h a f t , usf. usf. Des weiteren t r i f f t es sicherlich zu, d a ß A r i s t o t e l e s kaum
glaubliche
Fülle
positiver
Kenntnisse
(auch
eine natur-
wissenschaftlicher, besonders zoologischer und biologischer) in sich vereinigte, 1
und
aus ihnen,
neben
vielem
heute
als
un-
2
St. I, 2; Zo. I, 1. Zo. VIII, 2; IX, 2. » Hi. II, 13. Wie schon S c h o p e n h a u e r bemerkte („Werke", Leipzig 1877; IV, 58) kommt der sog. Esel des B u r i d a n in den uns erhaltenen Schriften dieses Scholastikers gar nicht vor; dagegen findet sich das dem A r i s t o t e l e s entlehnte Bild bei D a n t e („Paradies", Ges. IV, Vers 1). S. u . a . auch L u c i a n , „Ikaromenippus", 4 cap. 25, und noch V o l t a i r e , „Pucelle", cap. 12, Vers 16! Ni. II, 9; 5 6 7 St. III, 16; Eu. III, 3 u. III, 7. Ph. II, 2. Ni. VII, 11. S t . V , 11. s 9 10 11 12 Ni. VIII, 4. Ö. 6. Fr. 582. M. I, (14), 25. Ph. II, 1. 13 14 15 16 M. II, (8), 17. Rh. II, 12. nach Kat. 8. nach S. I, 4 u. 5; 18 19 20 Ni. VII, 15. " Ph. VIII, 2. Zo. VI, 19. S. I, 4 u. 5; II, 2. Ö. II.
CHEMISCHES
UND AL C HEM IS CHE S AUS
richtig E r k a n n t e m ,
auch
auf
ARISTOTELES
f a s t allen Gebieten
155
eine
große
Anzahl wertvoller, von ä u ß e r s t e m Scharfsinne zeugender, seinem Zeitalter weit voraneilender W a h r h e i t e n Endlich der
ist es auch fraglos, d a ß seine
Berücksichtigung
der Wissenschaften ihn z u m
Geschichte
und
ableitete. Vater
der
gleichenden Methode u n d der Entwicklungsgeschichte
ver-
machte,
sowie d a ß er der Schöpfer der wissenschaftlichen Terminologie ist, — speziell auf dem Gebiete der Logik u n d Zoologie, die als Wissenschaften
erst ihm
ihr
Dasein
verdanken
—,
aber
auch auf dem der M a t h e m a t i k und Physik, besonders die von ihm erdachte u n d vielfach a n g e w a n d t e
durch
Bezeichnung
allgemeiner ( m a t h e m a t i s c h e r , physischer, logischer) Größen oder Begriffe durch die B u c h s t a b e n des Alphabetes. Zu einer
diesen, Lehre,
Gebildeter
ohnehin
die
wie
sich
schon
dem
außerordentlichen
Fassungsvermögen
Ungebildeter
als
gleich
Vorzügen
philosophisch
angemessen
erwies,
überreich an neuen T a t s a c h e n u n d Folgerungen war, und dabei d u r c h a u s auf Allseitigkeit der E r k e n n t n i s (Universalität)
aus-
ging, gesellte sich aber noch e i n l e t z t e r und e n t s c h e i d e n d e r : Aristoteles
war
Systembildner,
einer
der
größten ' und
fruchtbarsten
die jemals a u f g e t r e t e n sind, und was er der
Menschheit zu sagen h a t t e , das bot er ihr dar in Gestalt einer logisch pädie,
durchgearbeiteten, eines
System
konsequent
folgerichtigen
schätzt
aber,
und
wie
die
aufgebauten
geschlossenen Geschichte,
Enzyklo-
Ganzen. und
Ein
namentlich
die Geschichte der Wissenschaften zeigt, u n d wie die Erfolge eines
Hippokrates,
Thomas
Linné, Cuvier, Größen
Galenos,
d'Aquino, lehren,
Hegel,
Lyell,
die Menschheit
geistigen T r ä g h e i t
Ptolemäus,
Paracelsus,
überwindet
Stahl,
Avicenna, Descartes,
D a r w i n , und vieler anderer über alles; das M o m e n t
der
bei ihr sämtliche übrigen,
und
ist ein S y s t e m erst einmal d u r c h g e d r u n g e n , so f i n d e t sie sich m i t den ärgsten Mängeln ab, n i m m t die schlimmsten sprüche unbesehen
hin, verschließt
sich wissentlich
Widerder
auf-
156
CHEMISCHES
dämmernden
UND ALCHEMISCHES
richtigeren
Erkenntnis,
AUS
ja
ARISTOTELES
bekämpft
sie
sogar
durch die T a t , — solange n u r noch die H o f f n u n g besteht, das S y s t e m erhalten, im gewohnten Gleise bleiben, Umlernen N a c h d e n k e n vermeiden,
und
kurz geistige A n s t r e n g u n g sparen
zu
können. Die Vereinigung des Gelehrten, Beobachters, und Denkers m i t dem Klassifikator, Organisator, und S y s t e m a t i k e r w a r es d a h e r , die A r i s t o t e l e s
zur gewaltigsten geistigen Macht f a s t
zweier J a h r t a u s e n d e erhob, u n d zur einzigen, die gleichzeitig und
in
gleichem
arabischen im W e s t e n
Maße
die
Gesamtkultur
Weltreiches beherrschte. kurzweg v o m
hiermit den A r i s t o t e l e s ; f a s t göttlichem
Genie",
und
des
W e r im Osten u n d
wer
„Philosophen"
Europas sprach,
der
meinte
er blieb „ d e r Mann von höchstem, als den
ihn
derer, die da wissen", als den ihn
Cicero,1 Dante
2
„der
Meister
gepriesen
u n d zwanzig J a h r h u n d e r t e m u ß t e n vergehen, ehe in
hatte,
Leibniz
seinesgleichen e r s t a n d . 1
„ D e divinatione", Hb. I, cap. 25.
2
„Hölle", Ges. IV, Vers 131.
o DIE „ENTSALZUNG DES
MEERWASSERS"
ARISTOTELES1
BEI
ie ich in meiner ausführlichen A b h a n d l u n g „Chemisches u n d Alchemisches aus Aristoteles" 2 des Näheren darlegte, e r w ä h n t A r i s t o t e l e s
in seiner „Meteorologie",
d a ß die beim Erhitzen oder Verkochen des Meerwassers
ent-
weichenden D ä m p f e , sobald sie sich niederschlagen, nicht wieder Meerwasser der
sich
ergeben, sondern
anhängenden
süßes, wie das der
verdichteten
Tropfen
Geschmack
zeige;
zur
Be-
s t ä t i g u n g der B e h a u p t u n g , d a ß das Meerwasser solches süßes Wasser in sich enthalte, f ü h r t er noch einen besonderen weis
durch
wächsernes in
den
Versuch"
Gefäß, dessen
das Meer,
an:3
Versenke
man
Hals wasserdicht
so e n t h a l t e
es nach
„Be-
nämlich
ein
verschlossen
sei,
24 S t u n d e n
eine
gewisse
Menge Wasser, das durch die wächsernen W ä n d e hineinfiltriere, u n d dieses Wasser befinde m a n t r i n k b a r , weil die erdigen u n d salzigen Bestandteile aus ihm „ a b g e s i e b t " w u r d e n . Die
angeführte
Stelle den
aus
der
„Meteorologie"
Herausgebern
und
Kommentatoren
physikalischer
R i c h t u n g seit jeher große
hat
den
philologischer
und
Schwierigkeiten
be-
reitet, u n d bis in die neueste Zeit hinein blieb m a n auf die mannigfaltigste Weise b e m ü h t , sie bei A r i s t o t e l e s
(oder den
1 ! „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1911, S. 629. „Archiv f ü r die Geschichte 3 der Naturwissenschaften", Leipzig 1910, Bd. 2, 233—300. ebd., S. 257ff.
D I E
158
„ENTSALZUNG
DES
MEERWASSERS"
BEI
ARISTOTELES
von ihm b e n ü t z t e n Vorgängern) sprachlich und sachlich zuklären,
den
wiederholen,
— auch letzteres ohne Erfolg, da d ü n n w a n d i g e
Wachsgefäße
größeren
angedeuteten
Versuch
auf-
zu
einem
sowie
D r u c k e nicht widerstehen,
dickwandige
aber
W a s s e r ü b e r h a u p t nicht durchlassen. Die W e r k e Parallelstelle
des A r i s t o t e l e s
in
den
„Büchern
selbst e n t h a l t e n der
Probleme",
noch
doch
eine gelten
diese f ü r größtenteils u n e c h t , der griechische T e x t ist u n k l a r und
stimmt
mit
der
alten
lateinischen
Übersetzung
nicht
überein, u n d diese redet auch n u r allgemein von einem in das Meer zu v e r s e n k e n d e n angefertigten.
Gefäße, nicht
von
einem
aus
Wachs
W e i t a u s wichtiger ist jedoch eine zweite Stelle,
die in der „ T i e r k u n d e " v o r k o m m t , u n d abermals des „ d ü n n e n wächsernen H o h l g e f ä ß e s " g e d e n k t , das, in das Meer versenkt, „ n a c h vierundzwanzig Wassers e n t h ä l t " .
Stunden
eine kleine Menge
trinkbaren
Im selben Kapitel spricht nämlich
Aristo-
t e l e s z u n ä c h s t die Ansicht aus, süßes Wasser gehe aus Meerwasser
hervor,
wenn
dieses beim „ D u r c h s e i h e n "
durch
feste
erdige Schichten sein Salz abgebe, u n d alle Schaltiere lebten von dem süßen Wasser, das sich bei solchem
„Durchseihen"
des Seewassers durch ihre Schalen bilde; m a n wird daher mit Recht
voraussetzen
dürfen,
daß
der
„Versuch",
dessen
Be-
schreibung diesen Sätzen alsbald nachfolgt, mit ihnen in sachg e m ä ß e m Z u s a m m e n h a n g e stehen müsse, u n d d a ß A r i s t o t e l e s keinesfalls ein Gefäß aus Wachs,
also aus einem f ü r Wasser
undurchlässigen Materiale, im Sinne g e h a b t haben könne. Alle Schwierigkeiten
und
Widersprüche
werden
nun
be-
hoben, wenn m a n an der fraglichen Stelle, meinem Vorschlage gemäß, gefäß,
statt uyyüov
uyyüov xeoafiov
xyoivov
(angeion
(angeion
kerinon) =
Wachs-
keramon) = Tongefäß
liest.
Die Vorschrift l a u t e t d a n n dahin, m a n möge ein durchlässiges (also
unglasiertes)
Tongefäß,
dessen
Hals
dicht
verschlossen
ist, in das Meer v e r s e n k e n ; das allmählich eindringende Wasser, dessen Menge n u r klein sein k a n n , schon weil die L u f t nicht
DIE
„ENTSALZUNG
oder
nur
DES
spärlich
MEERWASSERS"
zu
BEI
entweichen
ARISTOTELES
vermag,
soll
159
trinkbar
be-
f u n d e n werden. Da
nun,
vorausgesetzt,
daß
es gelang,
die
günstigsten
U m s t ä n d e u n d die passendsten Tonsorten ausfindig zu machen, ein
solches
Ergebnis
keineswegs
unmöglich
erschien,
so
lag
es nahe, die Richtigkeit der K o n j e k t u r durch die
Vornahme
von Versuchen zu p r ü f e n , u n d Herr Prof. Dr. E r n s t
Erdmann
hatte
die
Güte,
meiner Anregung folgend, solche in
seinem
L a b o r a t o r i u m in Halle anzustellen. Zur
B e n ü t z u n g gelangten
z u n ä c h s t weiße Tonzellen,
wie
sie zu galvanischen u n d elektrolytischen Zwecken üblich sind, sowie s o g e n a n n t e italienische Krüge, das sind die im
Sommer
z u m Kühlen des Wassers dienenden, b r a u n e n , leicht g e b r a n n t e n Krüge
aus
porösem
Deutschland
Ton,
hergestellt
die
übrigens
und nach
massenhaft
Italien
auch
in
a u s g e f ü h r t werden,
von wo sie d a n n als „italienische W a r e " zu uns z u r ü c k k o m m e n . Die zweckmäßig verschlossenen Zellen w u r d e n in einen Autoklaven
gebracht,
der
Wasser
von
3 % Kochsalzgehalt
(dem
Wasser des Mittelmeeres entsprechend) enthielt, und in diesem einem D r u c k e von mittels
1
/ 2 — 3 x / 2 A t m o s p h ä r e n ausgesetzt, den m a n
flüssiger Kohlensäure
oder
flüssigen
Sauerstoffes
er-
z e u g t e ; die hohen D r u c k e erwiesen sich als ganz unnötig, denn schon
bei
1
/2 Atmosphäre
waren
binnen
41/2 Stunden
bis
70 ccm Wasser in die Zellen g e d r ü c k t , — aber dieses Wasser w a r stets genau ebenso salzig wie das a u ß e r h a l b befindliche, und eine Absorption oder Adsorption (an deren
Eintritt
ursprünglich g e d a c h t h a t t e ) w a r auf keine Weise zu Die italienischen
Krüge
(von
rund
1280 ccm
ich
erzielen.
Fassungsraum)
versenkte m a n in ein drei Meter hohes Blechgefäß voll Salzwasser, und es zeigte sich, d a ß , den entsprechend,
erhebliche
Mengen
Kompressionsverhältnissen
Wasser,
in 24 S t u n d e n
bis
295 ccm, in sie hineingedrückt w u r d e n ; aber auch dieses Wasser besaß den nämlichen Salzgehalt wie das äußere, und es t r a t , mindestens bei der b e n ü t z t e n Tonsorte, kein Anzeichen irgend-
D I E
160
welcher
„ENTSALZUNG
Absorption
DES
MEERWASSERS"
zutage.
in dieser R i c h t u n g ,
Schon
BEI
sollten
ARISTOTELES
weitere
da alle A b ä n d e r u n g e n
Versuche
fruchtlos
blieben,
eingestellt werden, als zufällig eines Tages, s t a t t eines neuen Gefäßes wie bisher, ein älteres zur A n w e n d u n g kam, das m a n nach
dem
dann das
Gebrauche
gründlich
an der L u f t getrocknet eingedrungene
Wasser
ausgespült,
hatte:
ganz
gewaschen,
diesmal n u n
erheblich
Analyse ergab auch n u r 1 , 5 % Salzgehalt.
und
schmeckte
milder,
und
die
Als Ursache dieser
auffälligen E r s c h e i n u n g erwies sich ein u n e r w a r t e t hohes Aufsaugungsvermögen
des Tones f ü r Flüssigkeiten; ein neuer, in
völlig trockenem Z u s t a n d e 602 g schwerer 1V4 Liter-Krug, den m a n einige Zeit in reines W a s s e r setzte, d a n n ausgoß u n d sorgfältig a b t r o c k n e t e , so d a ß er beim Stehen d a u e r n d trocken blieb und sich auch ganz trocken a n f ü h l t e , wog nicht weniger als 695 g ,
er h a t t e also in seinen W a n d u n g e n 93 g Wasser
gespeichert,
d. i.
rund
15,5 %
des
anfänglichen
auf-
Gewichtes.
V e r s e n k t e m a n ihn in d i e s e m Z u s t a n d e in das große, mit dreiprozentigem Salzwasser gefüllte Blechgefäß, so w u r d e n
binnen
45 M i n u t e n 50 ccm Wasser in seinen H o h l r a u m gedrückt, u n d dieses Wasser =
1,0015),
war
völlig
süß,
ganz
rein
(spez. Gewicht
u n d so salzfrei, d a ß es mit Silbernitrat n u r
eine
k a u m merkliche T r ü b u n g zeigte; es w a r eben das vorher seitens der
Wandungen
aufgesaugte
reine
Wasser,
das
nun,
dem
äußeren D r u c k e folgend, zuerst in das Innere des Kruges drang. Aristoteles
oder sein Vorgänger h a t also o f f e n b a r den
„ V e r s u c h " nicht mit einem n e u e n T o n g e f ä ß e angestellt, sondern m i t einem schon g e b r a u c h t e n , trocken
war,
in
der T a t
aber
gereinigten, das anscheinend in
seinen W a n d u n g e n
süßes
Wasser e n t h i e l t ; je nach der Dicke u n d P o r o s i t ä t des Gefäßes, u n d je nach
der
Höhe des Druckes beim
Meer, m u ß t e d a n n
nach Ablauf
Einsenken
einer b e s t i m m t e n
in
das
Zeitdauer,
— die nach den angestellten Proben sehr wohl zwischen 1 S t u n d e und
24 S t u n d e n
variieren
kann
Menge t r i n k b a r e n Wassers im
—, tatsächlich
eine
gewisse
Inneren des Gefäßes zu f i n d e n
DIE
sein,
„ENTSALZUNG
und
so
DES
entstand
Meerwassers"
infolge
MEERWASSERS"
der
BEI ARISTOTELES
Anschein
„Abseihens"
einer
seiner
161
„Entsalzung salzigen
des
Teilchen
durch die T o n w a n d . Es liegt demnach eine A r t „klassisches Z a u b e r k u n s t s t ü c k " vor, wie sich Herr Prof. Dr. E r d m a n n mit Recht ausdrückt. So
einfach
und
selbstverständlich
der
Tatbestand
erscheint,
wenn er erst einmal enträtselt ist, so w a r doch, um ihn aufzudecken, langwierige Versuchsarbeit und scharfe Beobachtungsgabe
erforderlich;
jedenfalls
reichen, eine „ V e x i e r f r a g e " , Fächer der
über
zwei
richtigen
hauptung,
Jahrtausende
Lösung
daß
darf
es
zur
Befriedigung
die Gelehrte der
zugeführt
lang zu
eine solche vorliegt,
beschäftigte,
sehen, wird,
—
denn
allem
A b h a n d l . 11. Vortr.
II.
nunmehr die
Be-
Dargelegten
zufolge, wohl als gerechtfertigt erscheinen.
v. L i p p m a n n ,
ge-
verschiedensten
11
6 NACHTRAG1
DIE „ENTSALZUNG DES MEERWASSERS";
or einigen M o n a t e n v e r ö f f e n t l i c h t e ich u n t e r d e m Titel „ D i e E n t s a l z u n g des Meerwassers bei A r i s t o t e l e s " „Chemiker-Zeitung"2
der
einen
kurzen
Aufsatz,
in in
d e m ich, a n k n ü p f e n d an m e i n e a u s f ü h r l i c h e A b h a n d l u n g „ C h e misches u n d Alchemisches a u s A r i s t o t e l e s " ,
die W a h r s c h e i n -
lichkeit e r ö r t e r t e , d a ß es sich bei d e m , im L a u f e der
Zeiten
so viel b e s p r o c h e n e n E n t s a l z u n g s v e r s u c h e des S t a g i r i t e n , u m ein W a c h s g e f ä ß , dyystov sondern
um
ein
minon);
wie
und
solchen,
dem
Anscheine
xi)invov
Tongefäß, unter
(angeion kerinon),
uyyüov
xeodfiivov
welchen nach
(angeion
kerä-
mittels
eines
Umständen,
wirklich
aus
nicht
handle,
salzigem
Wasser
s ü ß e s g e w o n n e n w e r d e n k ö n n e , w u r d e an der H a n d v o n Vers u c h e n b e r i c h t e t , die P r o f . Dr. E. E r d m a n n ,
meiner Anregung
f o l g e n d , in seinem L a b o r a t o r i u m in Halle a n g e s t e l l t Von herigen
den
nächst
der
dieselbe Prof.
beiden
naheliegenden
L e s a r t x/joivov ersteren
Anzahl
Dr.
in xioufiov den
von
Vorzug, in
weil
Halle
hiernach
aufweisen. machte
beide
Herr
mich
Geist
besten
der griechischen
F o r m äyysiov 1
Dank
bis-
sage,
darauf
Sprache
an
aufmerksam,
Stelle der
Worte
Geh.-Rat
aber
eine f r e u n d l i c h e M i t t e i l u n g , f ü r die ich i h m a u c h nochmals
der
oder x&üüfiivov g a b ich zu-
Buchstaben
G. W i s s o w a
Veränderungen
hatte.
hier daß
durch gerne der
appositioneilen
xkuufxov (ein G e f ä ß , ein T o n g e f ä ß ) j e d e n f a l l s die
„Chemiker-Zeitung" 1911, S. 1189.
1
ebd., S. 629.
DIE
„ENTSALZUNG
adjektivische
ccyystov
Gefäß) erfordere; richtigen.
DES
xeoufiiov
oder
demgemäß
Aus xeodfiivov
als aus xkou^ov
MEERWASSERS";
ist
NACHTRAG
xsodfiivov
also
(ein
163
tönernes
meine Angabe zu
be-
k a n n übrigens offenbar noch leichter
das übliche xr'joivov hervorgehen.
Auch der w e l t b e r ü h m t e philologische Altmeister der Berliner Universität, Herr G e h . - R a t Prof. Dr. H. D i e l s , dem ich meine kleine Arbeit zur K e n n t n i s gebracht h a t t e , erwies mir die Ehre, mir ü b e r den in Frage stehenden Gegenstand
einen
Brief zu schreiben, u n d mich auf einen seiner kürzeren Aufsätze a u f m e r k s a m zu
machen,
E x p e r i m e n t " schon schrift f ü r war.
der u n t e r
dem Titel
„Ein
falsches
1905 in dem F a c h b l a t t e „ H e r m e s " ,
klassische
Philologie
(Bd. 40,
S. 310),
Zeit-
erschienen
Diese A b h a n d l u n g , die nicht g e k a n n t zu h a b e n ich außer-
ordentlich bedauere, b e h a n d e l t das Problem der aristotelischen Wachsflasche, Weise
seine
und
erörtert in eingehender u n d
Herkunft
und
seine
erschöpfender
Überlieferung.
Ihr
Inhalt
l ä ß t sich etwa in n a c h s t e h e n d e n Leitsätzen (die eingeklammerten W o r t e rühren von mir her) kurz z u s a m m e n f a s s e n : Olympiodor Jahrhunderte logie"
des
gedenkt
in seinem
niedergeschriebenen)
Aristoteles
des
(im 5. nachchristlichen
Kommentar
uyytiov
x^otvov,
zur
„Meteoro-
des
Wachs-
gefäßes, das, wohlverschlossen ins Meer versenkt u n d nach gewisser Zeit herausgezogen, laut Angabe des A r i s t o t e l e s allein durchgesickerte süße Wasser e n t h ä l t ,
„abgesiebt"
Salze, das a u ß e r h a l b zurückblieb. — Zwar ist es nach
das vom Diels
richtig, d a ß A r i s t o t e l e s diese Angabe in der „Meteorologie" u n d auch in der „ T i e r g e s c h i c h t e " vorbringt, und an
letzterer
Stelle h i n z u f ü g t : „Einige h a t t e n Gelegenheit, das zu e r p r o b e n " , a b e r mit gleicher Sicherheit s t e h t auch fest, daß das E x p e r i m e n t unmöglich andere,
ist; A r i s t o t e l e s
h a t es also wohl, wie so viele
die er e r w ä h n t , nicht selbst angestellt, sondern
einer
älteren Quelle e n t n o m m e n , die er G r u n d h a t t e , f ü r zuverlässig anzusehen. Einen Fingerzeig zu deren E r m i t t e l u n g liefern die „ P h y s i ll*
164
DIE
„ENTSALZUNG
kaiischen
Fragen"
DES
des
MEERWASSERS";
Plutarch
NACHTRAG
(48—125 n. Chr.),
deren
E c h t h e i t m a n m i t U n r e c h t angezweifelt h a t ; eine Stelle dieser Schrift
sucht
das
Verhalten
der
Strandpflanzen
gegenüber
den Salzen des Meerwassers zu erklären, u n d indem der A u t o r daran erinnert,
daß m a n beim G r a b e n in der Nähe der See-
k ü s t e nicht selten auf Adern t r i n k b a r e n Wassers stoße, f ä h r t er f o r t : „Viele gewinnen auch Süßwasser aus dem Meere, indem
sie es in W a c h s f l a s c h e n ,
xijoivoii
es wird dabei durchgeseiht, w ä h r e n d
üyyuou,,
emporheben:
das Bittere u n d
Erdige
sich a b s c h e i d e t ; die F o r t l e i t u n g durch Ton m a c h t das durch ihn filtrierte Meerwasser d u r c h a u s t r i n k b a r , da er das Erdige in
sich
zurückhält
und
pflanzenphysiologische
nicht
Problem
durchläßt." behandelt
Das
auch
nämliche
Theophrast
(der Schüler u n d Nachfolger des A r i s t o t e l e s , 376—288 v.Chr.), jedoch in anderer Weise, u n d hauptsächlich Demokrit
anschließend
an
(440—350 v. Chr.?), dessen W e r k e uns nicht
er-
halten sind. Nun
stammt
die
Lehre,
daß
Süßwasser
nichts
anderes
sei, als durch E r d e filtriertes Seewasser, aus einer alten, volkstümlichen, schon bei T h a i e s (624—548 v. Chr.?) v o r k o m m e n d e n Theorie, der g e m ä ß auch die Flüsse sämtlich auf solche Weise aus
dem
deren
salzigen
Aristoteles
Okeanos
hervorgehen;
ausdrücklich
diese Theorie
Erwähnung
aber,
t u t , f i n d e t sich
auch bei D e m o k r i t vor, der „als ein Mann, der beinahe über alles n a c h g e d a c h t h a t " , dem A r i s t o t e l e s A u t o r i t ä t bezüglich der P h y s i k galt.
als u n b e d i n g t erste
Da n u n auch
Aelian,
wo er in seiner „ T i e r g e s c h i c h t e " ( v e r f a ß t u m 125 n. Chr.) von der
Wachsflasche
hange und
hiermit
Plutarch
den
des
Aristoteles
Theophrast
gelegentlich
spricht, und
im
Zusammen-
Demokrit
der E r ö r t e r u n g derselben
anführt, Fragen
die nämlichen A u t o r e n zitiert, so unterliegt die demokritische H e r k u n f t der ganzen Anschauungsweise wohl keinem weiteren Zweifel; die dem A r i s t o t e l e s der
Probleme"
enthalten
in
zugeschriebenen Wirklichkeit
sog.
„Bücher
zumeist
Auszüge
DIE
„ENTSALZUNG
DES
MEERWASSERS";
NACHTRAG
aus den kleineren Schriften des T h e o p h r a s t ,
165
u n d so erklärt
sich auch hier wieder das V o r k o m m e n
einer Stelle über
die
Entsalzung
Zusammenhange
mit
des
Meerwassers
aus
dem
den demokritischen P r o b l e m e n ; v e r m i t t e l t h a t deren dem P l u t a r c h
Kenntnis
u n d A e l i a n in erster Linie wohl T h e o p h r a s t ,
in zweiter eine nicht m e h r sicher festzustellende,
vermutlich
medizinische Quelle: n u r aus d r i t t e r H a n d e m p f a n g e n , t a u c h e n sie daher bei den späteren Autoren auf. Zu diesen ist auch der eingangs e r w ä h n t e
Olympiodor
zu zählen, u n d da die von ihm berichtete „ ü b e r r a s c h e n d e Diffusionserscheinung" unmöglich, ja „ h a a r s t r ä u b e n d " erscheint, bemerkt D i e l s :
, , . . . so bereue ich nicht, f ü r den A p p a r a t der
Olympiodor-Ausgabe s t a t t x/jotvov an
die
die bescheidene V e r m u t u n g
xsqüuivov
beigesteuert zu h a b e n ; denn ich erinnerte mich
Rolle,
welche
spielen, u n d w u ß t e ,
poröse
T o n g e f ä ß e bei
daß auch
der
die Alten (u. a.
selbst, sowie sein K o m m e n t a t o r P h i l o p o n o s ,
Endosmose Aristoteles
der im 6. J a h r h .
n. Chr. lebte) auf das m e r k w ü r d i g e Verhalten des u n g e b r a n n t e n oder vielmehr schwach g e b r a n n t e n Tones a u f m e r k s a m geworden waren." — Die T a t s a c h e , Lesart
xEodfitvov
daß
die von
s t a t t xyoivovt
mir
empfohlene
tönern
veränderte
s t a t t wächsern,
schon
vor 6 J a h r e n seitens D i e l s vorgeschlagen wurde, erfüllte mich begreiflicherweise z u n ä c h s t trat
aber
die
mit
Enttäuschung
größter
Befriedigung;
ein, als ich weiterhin
alsbald las,
daß
diese K o n j e k t u r falsch sei u n d zu nichts helfe, erstens
weil
eine Diosmose das Vorhandensein zweier verschiedener Flüssigkeiten
zu
beiden
Aristoteles geschichte"
sie
Seiten selbst
der W a n d widerlege,
das nämliche
erfordere, zweitens indem
Experiment
mit
er der
in
der
weil „Tier-
Wachsflasche
zu dem nämlichen Zwecke ausdrücklich nochmals vorbringe. Ist n u n diese Ansicht
Diels'
berechtigt?
Mit aller
Be-
scheidenheit, deren sich der Laie zu befleißigen h a t , wenn er es u n t e r n i m m t ,
einem
ersten
Meister
des
Faches zu
wider-
166
DIE
„ENTSALZUNG
DES
MEERWASSERS";
NACHTRAG
sprechen, m u ß ich mir g e s t a t t e n , dies zu bezweifeln: fest s t e h t z u n ä c h s t , auch nach D i e l s , flasche u n m ö g l i c h g e f ü h r t e Ergebnis, halten
kein
daß der Versuch mit der W a c h s -
ist, d a ß also das von A r i s t o t e l e s das f ü r völlig aus der
Anlaß vorliegt,
nur unter
an-
L u f t gegriffen zu
Benutzung
eines
Ge-
fäßes aus a n d e r e m Material erhalten worden sein k a n n . ich in meiner
Arbeit
hervorhob,
„läßt
Aristoteles
Wie
im
be-
t r e f f e n d e n Kapitel der , T i e r k u n d e ' z u n ä c h s t das süße Wasser aus dem Meerwasser vermöge des ,Durchseihens' erdige beim
Schichten
hervorgehen,
Durchseihen
des
und
die
Seewassers
durch
feste
von
dem,
Schalen
ent-
Schaltiere
durch
ihre
stehenden süßen Wasser leben, u n d m a n darf daher m i t R e c h t voraussetzen, Angaben
daß
der
nachfolgt,
hange stehen m ü s s e " . liche
oder
,Versuch',
mit
ihnen
dessen
in
Beschreibung
sachgemäßem
jenen
Zusammen-
Da es sich n u n bei diesen u m eine wirk-
vermeintliche
Filtration
durch
tonige
Schichten
oder Schalen h a n d e l t , so ergibt sich, in zwangloser Weise der Ton
als das gesuchte
Diels
z u r ü c k zu T h a i e s , die Filtration Ton;
andere
ausfindig g e m a c h t e n
Material.
Auch alle die von
Quellen, von
Plutarch
bis
n e h m e n einstimmig immer n u r Bezug auf
des Seewassers durch
die w u n d e r b a r e
Leistung
E r d e u n d speziell
der
Wachsflaschen,
mit der Zeit d e r a r t v e r v o l l k o m m n e t h a t , daß nach gar schon
an
„Viele das
Süßwasser
so aus dem
durch
die
sich
Plutarch
Meere
empor-
h e b e n " , wird zwar von jedem der Autoren e r w ä h n t , aber die beigefügten
Erklärungen
beziehen
sich
nie
auch
nur
mit
einem W o r t e auf W a c h s , sondern stets auf T o n , u n d k ö n n e n als wirkliche Analogien „wächsern"
durch
n u r gelten, wenn
„tönern"
ersetzt:
dann
man
das A d j e k t i v
treffen sie,
ohne
daß m a n sonst eine Silbe zu ä n d e r n b r a u c h t , tatsächlich Meiner Ansicht
nach
ist also der
a n z u s e h e n : das E x p e r i m e n t Aristoteles
zu.
S a c h v e r h a l t wie folgt
(das auch m e i n e Arbeit als von
„oder den von ihm b e n u t z t e n V o r g ä n g e r n "
r ü h r e n d bezeichnete), ist, wie aus dem Nachweise von
herDiels
DIE
„ENTSAIZÜNG
DES
MEERWASSERS";
NACHTRAG
h e r v o r g e h t , aller Wahrscheinlichkeit nach durch angestellt worden, aber mit einem t ö n e r n e n von m i r berichteten Weise, u n d tiven Erfolge.
Das ciyyüov
Abschreiber in ein dyysiov
167
Demokritos Gefäß, in
mit dem angegebenen
xsQÜfuvov xnoivov
des D e m o k r i t
verwandelt,
der posi-
h a t ein
und n a c h d e m
so das T o n g e f ä ß zu einem W a c h s g e f ä ß geworden war, begann es als solches, von jener ersten Quelle ausgehend, seine W a n d e r s c h a f t durch die spätere L i t e r a t u r : ein A u t o r überlieferte es dem anderen, ohne den auf eine hohe A u t o r i t ä t zurückgehenden Versuch zu wiederholen, und ohne sich daran zu stoßen,
daß
die (vielleicht schon von A n f a n g an beigefügten) erklärenden, aber
auf
Ton
bezüglichen
nicht zutreffen. bot,
schöpfte
Analogieschlüsse
auf
Wachs
Aus einer H a n d s c h r i f t , die die Lesart auch
Aristoteles,
und
gar
x/igivov
infolgedessen
ist
es
nicht auffällig, d a ß er in seinen W e r k e n , so oft sich ein Anlaß ergibt, diesen Gegenstand zu b e r ü h r e n , alle Male von
einem
W a c h s g e f ä ß e spricht. Was
endlich
Di eis'
Bedenken
bezüglich
der
Diosmose
d a ß eine solche, den
b e t r i f f t , so ist zu berücksichtigen,
von
mir berichteten Versuchen gemäß, nicht in Frage k o m m t , bei
diesen
das
Wasser
einfach
infolge
des
da
hydrostatischen
Druckes in die T o n g e f ä ß e e i n t r a t . Die Schwierigkeiten, die D i e l s seiner K o n j e k t u r
xegdfjiivov
f r ü h e r entgegenstehen sah, d ü r f t e n d e m n a c h j e t z t als behoben gelten,
und
da
die Lesart x/jgivov
bleibt, weil sie Unmögliches kalische wie philologische
auf
voraussetzt,
alle Fälle
unzulässig
so scheinen
physi-
G r ü n d e in gleicher Weise f ü r
die
Richtigkeit der von mir geäußerten V e r m u t u n g zu sprechen.
7 DIE SPEZIFISCHE
ARCHIMEDES1
BEI
nter
obigem
Titel
Privatdozent schienen Forschers v a n gelegentlich nicht
um
GEWICHTSBESTIMMUNG
Dr.
Franz
einschlägigen
Deventer,
der eine
von Krone
vor
Zeit2
einiger
Strunz Aufsatz
einen des
Herr
1897
er-
holländischen
in d e m dieser zeigt, d a ß es sich
Vitruv des
sondern u m einen K r a n z , gung
besprach
überlieferten
Königs H i e r o
Untersuchung
gehandelt
dessen P r ü f u n g o h n e
habe,
Beschädi-
des K u n s t w e r k e s erfolgen m u ß t e , was d a h e r keinesfalls
ausschließt, d a ß m a n zu jener Zeit nicht schon andere, vielleicht auf einer A r t von Z e m e n t a t i o n u n d auf A n w e n d u n g des Probiersteines b e r u h e n d e Methoden k a n n t e . Es
sei
gestattet,
darauf
hinzuweisen,
D a r s t e l l u n g des Sachverhaltes, wie sie v a n a u c h der deutschen z. B.
in
Bd. 1,
Hellers S. 87),
in
physikalischen in
La
daß
die
richtige
Deventer
gibt,
L i t e r a t u r keineswegs f r e m d ist u n d „Geschichte
der P h y s i k "
Gerland-Traumüllers
sich
( S t u t t g a r t 1882, „Geschichte
der
E x p e r i m e n t i e r k u n s t " (Leipzig 1899, S. 28), u n d
Cour-Appels
„Die
Physik
auf
Grundlage ihrer
ge-
schichtlichen E n t w i c k l u n g " (Braunschweig 1905, Bd. 1, S. 202) vorfindet.
E s e n t h ä l t ferner die W i e n e r „ N u m i s m a t i s c h e Zeit-
s c h r i f t " von Metallurgie 1
1884 (Bd. 16), so
vielfach
eine Arbeit
verdienten
„Chemiker-Zeitung" 1907, S. 616.
Prof. 2
des u m
die
antike
K. B. H o f m a n n ,
ebd., S. 487.
DIE
SPEZIFISCHE
„Beiträge
GEWICHTS
zur
BESTIMMUNG
Geschichte
dritter Absatz
der
BEI
antiken
ARCIIIMEDES
169
Legierungen",
deren
„ Ü b e r die B e s t i m m u n g der
Zusammensetzung
des E l e k t r u m s aus seinem spezifischen Gewicht" überschrieben ist.
Hofmann
erörtert
zunächst
den
Bericht
des' V i t r u v
über den, ohne Schädigung des W e i h e k r a n z e s zu erbringenden Nachweis
der Verfälschung,
und
wendet
sich
dann
zu
Lehrgedichte „ D e ponderibus et m e n s u r i s " , das nach Forschern um 50, nach anderen geblich
von
Rhamnius
oder
dem
einigen
erst gegen 500 n. Chr. Remmius
Flavinus?)
(anver-
f a ß t sein soll, u n d zwei, nach allem Anscheine auf A r c h i m e d e s zurückgehende Bestimmungsmethoden
schildert: die erste be-
r u h t auf der Differenz der Gewichtsverluste, wichte
verschiedener
Metalle
beim
die gleiche
Eintauchen
in
Ge-
Wasser
erleiden, die zweite auf der Verschiedenheit der Gewichte, die gleich
große,
aber
aus
verschiedenen
Metallen
bestehende
K ö r p e r zeigen (wobei die Edelmetalle auch durch W a c h s oder einen anderen passenden Stoff schon b e k a n n t e n Volumgewichtes ersetzt werden können). thoden
des
Es ist b e a c h t e n s w e r t ,
Archimedes
nicht
nur
den
d a ß die Me-
Nachweis
Verfälschung ermöglichen, sondern auch deren B e t r a g tativ nur
zu
bestimmen
zeigen,
daß
gestatten:
Archimedes
einer quanti-
konnte
nicht
dem zur Herstellung des. Weihekranzes be-
s t i m m t e n Golde Silber beigemischt worden war, sondern auch angeben,
wieviel,
sierte H o f m a n n
u n d auf seinem
Prinzipe f u ß e n d ,
analy-
eine große Anzahl k o s t b a r e r a n t i k e r Münzen
aus E l e k t r u m (Gold-Silber-Legierung), die gleichfalls nicht beschädigt werden unbekannt
durften, und
gebliebene
e r m i t t e l t e so deren
Zusammensetzung.
von ihm k a m zu gleicher Zeit H u l t s c h ,
Ganz
bis
der b e r ü h m t e Ver-
fasser des grundlegenden W e r k e s „Metrologicorum
scriptorum
reliquiae" (1. Ausgabe Leipzig 1866), auf den nämlichen d a n k e n , u n d veröffentlichte 1884 in der „Berliner für Numismatik"
(Bd. 11,
dahin
unabhängig
S. 161) ebenfalls eine
Ge-
Zeitschrift Reihe
von
Analysen seltener Münzen nach dem A r c h i m e d i s c h e n Prinzipe;
170
D1E
SPEZIFISCHE
GEWICHTSBESTIMMUNG
BEI
ARCHIMEDES
diese Analysen von H o f m a n n u n d H u l t s c h waren, trotz des so
nahe
liegenden
Gedankens,
merkwürdigerweise
die ersten
solcher A r t . Es
ist
worden,
von
daß
früheren
Forschern
Archimedes
klare
immer
noch
bezweifelt
Vorstellungen
über
das
spezifische Gewicht besaß, diese Bedenken müssen aber völlig v e r s t u m m e n gegenüber den Auszügen arabischer aus
Archimedischen
Werken,
die
in
Schriftsteller
jüngster
Zeit
(1906)
Prof. Dr. E. W i e d e m a n n (Erlangen) in Nr. 6 bis 8 seiner hochwichtigen bekannt nur
„ B e i t r ä g e zur Geschichte der gemacht
das W o r t
zutreffende
hat:
„spezifisches
Kenntnis
Naturwissenschaften"
diesen g e m ä ß fehlt bei und
Gewicht",
Anwendung
Archimedes
keineswegs des
aber
Begriffes.
die Die
von verschiedenen Schriftstellern des 11. u n d 12. J a h r h u n d e r t s überlieferten Methoden
des A r c h i m e d e s
und
seiner
Schule,
wie sie u. a. A l b i r u n i , A l C h ä z i n i , A b u M a n s ü r a l N a i r i z i , und O m a r matiker) Teil
in
auch
a l C h a j j ä m i (der b e r ü h m t e Dichter u n d Mathemehreren graphisch
Abhandlungen darstellen,
wiedergeben
betreffen
die
der q u a n t i t a t i v e n Z u s a m m e n s e t z u n g von gemischten und
die „ B e s t i m m u n g
Metalle
an
diesen";
des sie
Gehaltes von schreiben
vor,
und
zum
„Bestimmung Körpern"
Legierungen entweder
das
zweier Ver-
hältnis der Gewichte gleicher Volumina zu ermitteln, oder das V e r h ä l t n i s der Gewichte der K ö r p e r in L u f t u n d Wasser, oder die Gewichtsverluste in Wasser, u n d f ü h r e n t r o t z der o f t sehr verwickelten Berechnungen sämtlich z u m richtigen
Ergebnisse.
8 ZUR
GESCHICHTE
DES SACCHAROMETERS SENKSPINDEL
n
der L i t e r a t u r
begegnet
UND
DER
1
man
zumeist
der
Angabe,
— u n d auch ich h a b e diese in meiner „Chemie der Z u c k e r a r t e n " wiedergegeben 2 —, das erste „Gewichtsoder P r o z e n t - S a c c h a r o m e t e r " ,
bei 1 4 ° R = 1 7 , 5 ° C
die Anzahl
K i l o g r a m m Zucker in 100 kg Lösung anzeigend, sei 1835 von Balling
konstruiert
15° C die Anzahl anzeigendes Balling,
1839 beschrieben
Kilogramm
Instrument
Zucker in
erdachte,
1841 V a n d e v e l d e
eine Tafel schon
und
worden;
100 L i t e r n
angeblich
vielleicht
bereits
wahre Prozentsaccharometer
1804,
an,
bis 8 4 ° C.
fertigte
bei
Lösung
unabhängig
in Gent, und berechnete
f ü r die T e m p e r a t u r k o r r e k t i o n e n
1812,
ein
von auch Aber
Hermbstaedt
die er empirisch
graduierte,
indem er z. B. b e s t i m m t e , wie tief sie in einer, aus 5 Teilen Zucker und 95 Teilen Wasser bestehenden
Lösung, bei 14° R ,
einsanken, usf. Volum-Saccharometer unter
diesem
Zeit a n g e h ö r t ) , in
englischen
eines
Namen bereits
standen (der
seit
Bierbrauereien
Handbuches
der
also
dem in
jedoch,
und
keineswegs
zwar der
schon neueren
E n d e des 18. J a h r h u n d e r t s Anwendung.
E r f i n d u n g e n " , das
Im
1801 bei
„Versuch F. H a a s
in Wien u n d P r a g erschien, berichtet der Verfasser, H. C. B u s c h , 1 „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1912, S. 385. schweig 1904, S. 1359.
2
3. Aufl., Braun-
ZUR GESCHICHTE
172
folgendes:1
hierüber Werkzeug,
das
DES
SACCHAROMETERS
„Saccharometer
mit
der
a b e r weit z u s a m m e n g e s e t z t e r ist. der Würze,
ist
Salzspindel
USW.
ein
hydrostatisches
viel Ähnlichkeit
hat,
Es dient dazu, die Schwere
den Gehalt und die S t ä r k e des Bieres zu
unter-
suchen, u n d wird als eine A r t von Senkwage a n g e w a n d t . Erfinder
dieses
Werkzeuges
ist
Johann
Der
Richardson
in
E n g l a n d , der es 1784 b e k a n n t m a c h t e ; s. „Allgemeine L i t e r a t u r Zeitung",
Jena
1788,
Nr. 281b,
und
Halles
„Fortgesetzte
Magie", 1789, Bd. 2, S. 216." W a s die hier e r w ä h n t e deren
Geschichte noch
„Salzspindel"
selbst
b e t r i f f t , so bedarf
der A u f k l ä r u n g .
Nach
Beck-
m a n n s „ B e i t r ä g e n zur Geschichte der E r f i n d u n g e n " beschreibt sie
zuerst
Basilius
J. T h ö l d e Valentinus
(der
Herausgeber
der
angeblich
von
v e r f a ß t e n Schriften) in seiner 1603 zu
Leipzig, n a c h anderen zu Eisleben erschienenen
„Haligraphia",
jedoch n u r oberflächlich u n d sichtlich nicht als n e u ; 2
angeb-
lich sollen auch Spindeln zur B e s t i m m u n g der
„Salzprozente"
schon
Mathematicus"
in
dem
um
1600 v e r f a ß t e n
„Mundus
von D e s C h a l e s e r w ä h n t sein, sowie in den „ M a t h e m a t i s c h e n u n d Philosophischen
E r q u i c k s t u n d e n " von
Schwenter
(1585
bis 1636), welches letztere W e r k in N ü r n b e r g 1636, erst n a c h des Verfassers Tode, erschienen ist. 3
Die Salinen in Lothringen
u n d B u r g u n d , die nach A n g a b e n L e G r a n d d' A u s s y s bereits im wie
in eifrigem Betriebe s t a n d e n , 4
16. J a h r h u n d e r t Lavoisier
Spindel
(pèse-liqueur),
entsprachen, analoge
1777
was
berichtet,5 deren
Grade
Lavoisier
Instrumente
auch
schon
so in
seit
je einem
zweckmäßig die
benutzten,
alter
Zeit
eine
Prozente
Salz
fand,
daß
Salpeterfabrikation
er ein-
f ü h r t e . Wie weit a b e r diese „ a l t e Z e i t " zurückreicht, läßt sich 1
2 Bd. VI, S. 1. „Beiträge" (Leipzig 1799, Bd. 4, S. 249); s. meine 3 „Geschichte des Zuckers" (Leipzig 1890, S. 140). Beide Bücher habe ich selbst nicht gesehen; ebensowenig T h ö l d e s oder T h ö l d e n s „Haligraphia". 4 Vgl. meine „Geschichte des Zuckers", S. 228; s. auch P a l i s s y s „Discours" von 1580, sowie B a c c i u s „ D e T h e r m i s " (Venedig 1571, S.283.) 5 „Oeuvres", Paris 1892; Bd. 5, S. 427.
ZUR GESCHICHTE
aus L a v o i s i e r s
DES
SACCHAROMETERS
173
A u s f ü h r u n g e n u m so weniger feststellen, als
diese in geschichtlicher
Hinsicht
oft unzuverlässig
z. B. erzählt er 1786 auch, 1 D u t r ô n e kochender Zuckerlösungen meters
USW.
festzustellen
neuerdings mit
gelehrt
(durch
sind.
So
h a b e die K o n z e n t r a t i o n Hilfe des
Bestimmung
Thermo-
des
Siede-
punktes), w ä h r e n d er v o r h e r gezeigt h a t t e , wie die Menge des gelösten Zuckers durch eine Spindel zu ermitteln sei, nämlich aus den Graden, die m a n an diesem ,,pèse-liqueur" beim Eint a u c h e n ablesen könne. de
Morveau
einem
im
Burgundischen,
Tatsächlich h a t t e aber zuerst G u y t o n befreundeten
der ihn
Kontrolle
der durch
befragte,
die
seine
Anwendung
um
Z u c k e r r a f f i n e u r zu
ein
Hilfsmittel zur
Dijon
besseren
Kocher so oft v e r d o r b e n e n einer
Spindel
empfohlen;
Sude
sie
war
aus Silberblech gefertigt, zeigte (sehr zweckmäßigerweise)
die
Prozente des noch in der Lösung v o r h a n d e n e n Wassers (also 100 —Zuckerprozente),
—
und
derlei
Spindeln
waren
1780
schon nach Domingo gesandt worden, wo sie 1787 bereits in allgemeinem
Gebrauche
standen.2
Neu
war
die
Anwendung
von Spindeln aber auch 1780 längst nicht m e h r , 3 h a t t e doch schon 1768 B a u m é ihre Skala nach jener a b g e ä n d e r t e n Weise einzuteilen vorgeschlagen, die die E r i n n e r u n g an seinen N a m e n noch heutigen Tages wach erhält. Die ältesten
„Spindel
aus
Nachrichten,
Silberblech" die
uns
I n s t r u m e n t e s ü b e r h a u p t vorliegen. des
Bischofs
Lehrerin
Synesios
Hypatia,
die
von
erinnert
betreff
lebhaft
an
Geschichte
und
(370—413) hochgelehrte
die
dieses
Zu diesen zählt ein
Kyrene
schöne
der
an
Brief seine
Tochter
des T h e o n von Alexandria, deren greuliche E r m o r d u n g durch den, v o m f a n a t i s c h e n u n d unwissenden P a t r i a r c h e n
Kyrillos
a u f g e h e t z t e n städtischen Pöbel, ihr, wäre sie Christin gewesen, 1
a „Oeuvres", Paris 1868; Bd. 4, S. 478. s. meinen Aufsatz „Die Zuckerindustrie um 1830" in der „Zeitschrift des Vereins der Deutschen 3 Zuckerindustrie", 1899, Bd. 49, S. 579. Eine Anzahl Belege s. bei B e c k m a n n , a. a. O.
174
ZUR
GESCHICHTE
DES
SACCHAROMETERS
USW.
zweifellos die H i m m e l s k r o n e der M ä r t y r e r i n eingetragen Synesios wohl zu lich
hätte.
b i t t e t sie in jenem Briefe, ihm (da er k r a n k w a r , medizinischen
Zwecken)
ein
„Hydroskopion"
„Wasseranzeiger")
anfertigen
zu
lassen
und
zu
(wörtsenden;
er beschreibt es als ein zylindrisches Röhrchen, mit wagerechten Teilstrichen versehen, die angeben, wie tief es in der
Flüssig-
keit einsinkt, und a m u n t e r e n Ende, des a u f r e c h t e n S c h w i m m e n s wegen, mit einem kleinen Gewichte beschwert, dem „ B a r y l l i o n " (von ßccin^ = schwer). 1
Aus
ungefähr
der
nämlichen
Zeit,
dem 4. bis 5. J a h r h u n d e r t , s t a m m t n a c h H u l t s c h das „ C a r m e n de ponderibus et m e n s u r i s " (Gedicht von den Gewichten
und
Maaßen), dessen A u t o r die Herstellung einer Spindel aus Silberoder K u p f e r b l e c h , sowie die Art wendung,
in so klarer u n d
und
die Vorteile ihrer An-
deutlicher Weise beschreibt,
daß
m a n ihr auch h e u t e k a u m etwas hinzuzusetzen h ä t t e . 2 Diese
Umstände
sind
insofern
sehr
bemerkenswert,
als
z. B. noch der w e l t b e r ü h m t e Arzt G a l e n o s (131 bis e t w a 200) die
richtige
Schwimmen
Konzentration
einer
oder U n t e r s i n k e n
a u c h die „ G e o p o n i k a " ,
Salzsole
nur
nach
dem
eines Eies zu beurteilen
weiß;
eine S a m m l u n g griechischer
landwirt-
schaftlicher Schriften, die v e r m u t l i c h u m 350 n. Chr. v e r f a ß t , uns
aber n u r in ä u ß e r s t
hundert
hinein
vielfach
entstellter u n d bis in das 8. J a h r umgearbeiteter
Form
ist, 3
erhalten
bemessen die zulässige V e r d ü n n u n g eines Weines bloß d a n a c h , d a ß er Heuschrecken, Zikaden, oder Holzbirnen noch zu tragen vermag. den
anfänglich daß
Der
Autoren nach
Begriff der
noch Ibel
des
ersten
spezifischen Jahrhunderte
unbekannt, 4
das
und
„Carmen
Gewichtes unserer
blieb
eben
Zeitrechnung
auch s p ä t e r u n g e l ä u f i g , de
ponderibus
et
so
mensuris"
1 Der Text des Briefes steht u. a. abgedruckt in dem ausgezeichneten Aufsatze von K. B. H o f m a n n , „Kenntnisse der klassischen Völker von den physikalischen Eigenschaften des W a s s e r s " (Ber. d . Akad., Wien 1909, Bd. 163, 9 S. 18 u n d 60ff.); s. auch „ G e s c h i c h t e des Zuckers", S. 140. Die be3 t r e f f e n d e n Verse stehen bei H o f m a n n ebenfalls abgedruckt. s. „Geschichte des Zuckers", S. 72. 4 „ D i e W a g e im A l t e r t u m u. Mittelalter" (Erlangen 1908).
ZUR
GESCHICHTE
DES
SACCHAROMETERS
USW.
175
seiner die e r s t e E r w ä h n u n g t u t , indem es die W o r t e g e b r a u c h t „aequa
gravia
in
specie",
d. h.
„spezifisch
(seiner
Spezies,
Nach H o f m a n n 1 b e h a n d e l t
seiner N a t u r nach) gleich schwer."
indessen schon eine Schrift, die sich u n t e r die W e r k e des G a l e n o s aufgenommen
findet,
sondern
Pseudo-Galenos
von
einem
aber nicht von diesem h e r r ü h r t , (des 3. oder 4. J a h r -
h u n d e r t s ? ) , die Gewichtsverhältnisse verschiedener Flüssigkeiten „auf ein gleich großes Volumen Wasser b e z o g e n " ; sie gelangt dabei zu Zahlen,
aus
denen
sich sehr z u t r e f f e n d e spezifische
Gewichte berechnen lassen ( f ü r Wein und Essig etwa 1, f ü r Öl 0,923, f ü r Honig 1,35—1,50),
u n d sagt ausdrücklich „ W a s s e r ist
nach seiner N a t u r , cpvaei, schwerer als Öl".
Da n u n „fvaig"
mit
„spezies" zu übersetzen ist, so d ü r f t e der römische A u t o r aus einer älteren griechischen Quelle geschöpft haben, — wie dies in wissenschaftlichen Dingen f a s t ausnahmslos der Fall zu sein pflegt. 2 Berthelot
ist
der
Meinung,
daß
die
Kenntnis
des
„ H y d r o s k o p i o n s " im Mittelalter vollständig verloren gegangen sei. 3
In der T a t erwähnen seiner weder jene arabischen Schrift-
steller,
deren
einschlägige
Kenntnisse
die
neueren
hervor-
ragenden Arbeiten E. W i e d e m a n n s u n d seines Schülers I b e l klargelegt haben, noch die byzantinischen, aus deren (etwa
im
Verfasser
10. J a h r h u n d e r t ) der
„Mappae
der
sog.
clavicula"
Heraklius, und
Werken
sowie
die
eines T r a k t a t e s
im
M a n u s k r i p t e Nr. 12292 der Pariser S t a a t s b i b l i o t h e k schöpften, — w ä h r e n d a l l e diese Autoren sich mit der h y d r o s t a t i s c h e n Wage dem
u n d ihren A n w e n d u n g e n , u n d die arabischen auch m i t Pyknometer,
durchaus
jedoch zu berücksichtigen,
daß
vertraut
zeigen.
Es
bleibt
die m i t t e l a l t e r l i c h e . L i t e r a t u r
noch bei weitem nicht genügend d u r c h g e a r b e i t e t ist, und sich nachweislich 1
so m a n c h e
Verfahren
und
Apparate,
daß über
2 H o f m a n n , a. a. O., S. 18 und 60ff. Auch aus den Angaben des griechischen Arztes O r i b a s i o s (326—403) berechnet sich für das spe3 zifische Gewicht des Honigs die Zahl 1,50 ( H o f m a n n ) . „La chimie au moyen âge" (Paris 1893), Bd. 2, S. 176.
176
die
GESCHICHTE
sie
gar
nichts
Überlieferung
(als
erhalten h a b e n .
DES
besagt,
SACCHAROMETERS
dennoch
Zunftgeheimnisse
USW.
vermöge u. dgl.)
unmittelbarer in
der
Praxis
W a s die Spindel b e t r i f f t , so sei in dieser Hin-
sicht auf eine in meiner „ G e s c h i c h t e des Z u c k e r s " a n g e f ü h r t e Notiz verwiesen, 1 der g e m ä ß die arabischen Z u c k e r f a b r i k a n t e n Ä g y p t e n s , im 9. u n d 10. J a h r h u n d e r t etwa, es schon v e r s t a n d e n h ä t t e n , Wert und
G ü t e ihrer Z u c k e r s ä f t e mittels eigener In-
s t r u m e n t e zu p r ü f e n ; die Notiz, deren H e r k u n f t u n d Richtigkeit festzustellen ich nicht in der Lage war, sagt nicht, d a ß
jene
I n s t r u m e n t e Spindeln gewesen seien; in der A n n a h m e , d a ß m a n solche im Ä g y p t e n des 9. J a h r h u n d e r t s noch e b e n s o w o h l ' w i e in dem
des 4. oder 5. g e k a n n t
wahrscheinliches,
denn
habe, liegt indessen nichts Un-
gerade
an Form
und
Anwendungsart
chemischer u n d physikalischer A p p a r a t e h a t die T r a d i t i o n ü b e r ein J a h r t a u s e n d lang mit außerordentlicher Zähigkeit festgehalten. Es ist d a h e r sehr wohl d e n k b a r , — wenngleich ohne weitere Nachforschungen nicht mit B e s t i m m t h e i t zu b e h a u p t e n —, d a ß der Gebrauch der Spindel seit dem A l t e r t u m nicht wieder in völlige Vergessenheit geriet, sich vielmehr, mindestens an gewissen Orten, in der P r a x i s solcher Gewerbe erhielt, denen er besonderen
N u t z e n gewähren
k o n n t e ; zu diesen ist in
erster
Linie die Salzsiederei zu zählen, u n d da sie eine höchst reichhaltige und sehr weit zurückreichende
L i t e r a t u r besitzt,
mögen die F a c h k e n n e r vielleicht nähere Angaben zu Erwähnt
sei n o c h ,
2
daß
R. C o n s t a n t i n ,
der
ver-
machen. 1566
zu
Lyon den Brief des S y n e s i o s u n d das „ C a r m e n de p o n d e r i b u s " herausgab, die D e u t u n g e n f r ü h e r e r Forscher, die das
Hydro-
skopion f ü r eine W a s s e r u h r gehalten h a t t e n , sogleich als i r r t ü m lich e r k a n n t e , u n d
das I n s t r u m e n t f ü r eine Spindel
erklärte,
deren
und
erörtert.
Einrichtung
Gebrauch
er
ganz
richtig
W o h e r h ä t t e er aber diese K e n n t n i s s e besessen, w ä r e die p r a k tische
Benutzung
der
Spindel
damals
nicht
schon
längst
üblich, u n d auch ihm geläufig g e w e s e n ? 1
a. a. O., S. 140.
2
s. B e c k m a n n , a. a. O., S. 261 und 267.
9 ZUR
GESCHICHTE
DES
ERSTER
elegentlich
der
handlung
„Zur
SACCHAROMETERS NACHTRAG1
Veröffentlichung Geschichte
der Senkspindel" 2 hatten Dr.
S. G ü n t h e r
langen
in
München
die Freundlichkeit,
USW.
des
meiner
kleinen
Ab-
Saccharometers
und
die Herren G e h . - R a t
und
E. W i e d e m a n n
mir wertvolle Hinweise
Prof.
in
Er-
zukommen
zu lassen: der erstere, indem er mir den zitierten Absatz aus Schwenters
„Erquickstunden"
zur- Einsicht
sandte,
Kapitel
in
machte,
und
der
Al-Khazinis mir
den
von
letztere,
1636 indem
im
Originaldruck
er
mich
„ W a g e der W e i s h e i t "
heutzutage
auf
ein
aufmerksam
unauffindbar
gewordenen
Sonderabdruck der K h a n i k o f f sehen Veröffentlichung von 1856 zur Verfügung setzung
und
stellte
(arabischer
Kommentar,
american oriental s o c i e t y " gestatte Dank
Text
abgedruckt
mit im
englischer „Journal
1859, Bd. 6, S. 1).
Beiden
ich mir auch an dieser Stelle meinen
Überof
the
Herren
aufrichtigsten
auszusprechen.
Im 9. Teil der „ E r q u i c k s t u n d e n " S. 386
als
„30. A u f g a b "
an:
„Ein
führt
Schwenter
Instrument
zu
auf
machen,
damit zu erfahren, wieviel jedes gesaltzenes Wasser Saltz enthalte?"
Als Lösung empfiehlt er, „nach Mitteilung eines vor-
nehmen kaiserlichen Befehlshabers",
ein Klötzlein aus rundem
Holze anzufertigen, einen Fuß lang, am unteren Ende mit ein wenig Blei daran (oder „ d a r e i n " ? ) , so daß es in Wasser auf1
„Chemiker-Zeitung" 1912, S. 629.
v. L i p p m a n n , Abhandl. u. V o r t r .
II.
2
ebd., S. 385. 12
178
ZUR GESCHICHTE
recht s c h w i m m t . löse
darin
DES
SACCHAROMETERS;
I.NACHTRAG
Man n e h m e n u n „ein Geschirr voll Wassers",
ein
Loth
Salz
auf,
lasse
das
Klötzlein
darin
s c h w i m m e n , m a c h e an der Stelle, bis zu der es einsinkt, ein Strichlein,
„dazu
schreibt
man
Eins";
dann
löse m a n
dazu
noch ein zweites Loth Salz, f i n d e t so das Strichlein Zwei, und f ä h r t in gleicher Weise fort.
,,So Dir n u n ein S a l z w a s s e r vor-
k o m m t , und Du erfahren wolltest, wieviel es Saltz hielte, so wirffe das
Instrument
darein,
siehe, wieweit
es sich in
das
Wasser sencke, so wirst Du die Zahl des Inhalts darauf finden, welches wohl in Acht zu n e h m e n . " — Es handelt sich also bei Schwenter und
ganz
u m eine Salzspindel von größter Ursprünglichkeit,
unvollkommen
ist auch
sein Verfahren zur
empi-
rischen E r m i t t e l u n g einer Skala, da er nicht einmal sagt (oder dieses auch
gar nicht
verstanden
hat),
daß
das
„Geschirr"
eine b e s t i m m t e E i n h e i t Wasser e n t h a l t e n m u ß , z. B. 100 Loth, wenn die Spindel n a c h h e r Gewichtsprozente angeben soll. Al-Khazini, sischer
ein
arabisch
Herkunft, bekannt
schreibender
Gelehrter
als N a t u r f o r s c h e r von
theoretischen u n d praktischen
per-
vielseitigen
Interessen, u. a. auch als A u t o r
g e s c h ä t z t e r W e r k e über physikalische u n d astronomische Instrum e n t e , v e r f a ß t e die „ W a g e der W e i s h e i t " laut eigener A n g a b e im J a h r e 1121/1122; sie b e h a n d e l t die p r a k t i s c h e
Bestimmung
des spezifischen Gewichtes fester u n d flüssiger Stoffe mittels Wage,
Pyknometer,
Instrumente,
unter
u n d Aräometer,
sowie die Theorie
hauptsächlicher
Anlehnung
an
dieser Euklid
(um 350 v. Chr.), A r c h i m e d e s (gest. 212 v. Chr.), M e n e l a o s (um
100 n. Chr.),
Pappos
(um 300 n. Chr.),
syrische u n d arabische Gelehrte des 9. und namentlich
an
den
hochberühmten
und
mehrere
10. J a h r h u n d e r t s ,
Abu-r-Raikan,
d. i.
A l b i r u n i (um 1000 n. Chr.). 1 Auf Seite 40 b e g i n n t der A b s c h n i t t „ Ü b e r die E i n r i c h t u n g des I n s t r u m e n t e s z u m P r ü f e n von Flüssigkeiten auf keit u n d Schwere, sowie die A n w e n d u n g dieses 1
Leichtig-
Instrumentes,
S. über ihn meine „ A b h a n d l u n g e n u n d Vorträge", Leipzig 1906, S. 97.
ZUR GESCHICHTE
nach P a p p o s ,
DES
SACCHAROMETERS;
/ . NACHTRAG'
dem griechischen P h i l o s o p h e n " .
Verf. b e m e r k t h a t , d a ß die Senkspindel für
praktische
und
medizinische
Präzisionsinstrument
J 79
N a c h d e m der
ebenso b e q u e m , wie
Zwecke
wichtig,
und
so g u t wie ein astronomisches sei,
ein
1
be-
schreibt er z u n ä c h s t ihre A n f e r t i g u n g : sie ist ein aus d ü n n e m Kupferblech
bestehender
Spanne
dem
und
Hohlzylinder
Durchmesser
von
etwa zweier
der
Länge
Finger,
einer
an
den
sorgfältigst a b g e d r e h t e n E n d e n abgeschlossen durch zwei dünne, ganz flache K a p p e n , deren u n t e r e innen ein konisches Stückchen Zinn so befestigt t r ä g t ,
„daß
vermöge seines Gewichtes
die
ganze Spindel beim Einsenken in eine Flüssigkeit völlig aufrecht s c h w i m m t . "
Als „Einheits"-(Normal-)Flüssigkeit
nimmt
m a n das Wasser eines b e s t i m m t e n Flusses an, z. B. des E u p h r a t oder J a i h ü n ( = A m ü ) ; die Stelle, bis zu der die Spindel in diesem
einsinkt,
soll, von
oben
gerechnet,
ein
Sechstel
der
Gesamtlänge b e t r a g e n ; sie heißt, weil die Spindel in (spezifisch) leichtere
Flüssigkeiten
weniger
tief, in
(spezifisch)
schwerere
aber tiefer einsinkt, „ d e r Ä q u a t o r des Gleichgewichtes", 2
und
wird durch einen eingeritzten
Will
m a n s p ä t e r von einem
Kreis kenntlich g e m a c h t .
anderen
gehen, so m u ß m a n n a t ü r l i c h
Wasser als „ E i n h e i t "
die Spindel erst
aus-
entsprechend
einstellen, was durch vorsichtiges A b ä n d e r n des kleinen Zinngewichtes geschieht.
Das Sechstel oberhalb des Ä q u a t o r s teilt
m a n , n a c h Vorschrift A l b i r u n i s ,
in zwei, die übrige Spindel,
also die fünf Sechstel u n t e r h a l b des Äquators, in zehn gleiche Teile, u n d jeden dieser zwölf H a u p t t e i l e wieder in zehn kleinere gleiche Grade, die sämtlich durch von
diesen
Graden
Kreise bezeichnet
werden;
befinden sich also 20 oberhalb u n d
100
u n t e r h a l b des Ä q u a t o r s , u n d zwar liegt die Stelle des H u n d e r t p u n k t e s auf dem Ä q u a t o r (so d a ß die Spindel im
Einheits-
wasser 100° anzeigt), w ä h r e n d n a c h o b e n , v o m Ä q u a t o r gerechnet,
die G r a d e
110—120 eingezeichnet
sind, und
u n t e n die Grade 100—1. ' S . 87.
2
Vgl. S. 117. 12*
aus nach
ZUR
180
GESCHICHTE
Will m a n
nun
DES
SACCHAROMETERS;
i.
das spezifische Gewicht
WACHTRAG
einer
Flüssigkeit
b e s t i m m e n , so l ä ß t m a n die Spindel d e r a r t einsinken, d a ß sie frei u n d genau s e n k r e c h t in ihr schwebt, u n d liest an der Skala die
Zahl
der
Grade
ab;
um
auf
Grund
dieser
Zahl
das
spezifische Gewicht zu finden, bedient m a n sich entweder einer berechneten Tabelle 1 , oder einer zweiten, neben
von A l b i r u n i
der ersten a n g e b r a c h t e n W e r t e ersehen läßt.
Skala, die u n m i t t e l b a r die gesuchten
Sinkt z. B. die Spindel, die im
Normal-
wasser 100° zeigte, in einer dichteren Lösung n u r bis 8 8 ° ein, so m u ß sich o f f e n b a r 88 zu 100 so v e r h a l t e n , wie das spezifische Gewicht
des Wassers,
d. i.
1,
zum
gesuchten
der
Lösung,
also 8 8 : 1 0 0 = l : x , w o r a u s sich (nach heutiger Weise in Dezimalen berechnet) ergibt x = 1,13636 . . . ,
oder f ü r 100 Volum-
Teile der Lösung das Gewicht 113,63636.
In A l b i r u n i s Tafel
38
f i n d e t m a n f ü r 8 8 ° die Zahl 113+ /6o angegeben, d. i. in Dezimalen 113,63333, es ist d e m n a c h , gegenüber der genauen theoretischen Zahl, n u r die Differenz 0,00303, also der f ü n f t e Teil 1
von
/60,
vorhanden,
die
durch Z u h i l f e n a h m e der auch ohne B e n u t z u n g
praktisch 1
ohne
jeden
Belang
/ 6 0 -Teile v e r m o c h t e also
der zu seiner Zeit noch
ist;
Albiruni, unbekannten
Dezimalbrüche, seine Tafel kurz, übersichtlich, u n d sehr genau zu gestalten.
Sie e n t h ä l t
übrigens n u r
die Zahlen,
die
den
Graden 50—110 der Spindel entsprechen, also spezifischen Gewichten
von
0,902—2,000,
die,
,,in sämtlichen v o r k o m m e n d e n
abgesehen
vom
Quecksilber,
Fällen m e h r als g e n ü g e n " ,
da
den spezifischen Gewichten f ü r die leichtesten u n d schwersten aller
Flüssigkeiten,
d. i.
0,915
für
Olivenöl
und
1,406
für
Honig, die G r a d e 108—109 u n d 71—72 der Spindel entsprechen. Folgende Tabelle e n t h ä l t malen
umgerechneten)
in der ersten
Werte
für
die
Spalte die (in spezifischen
verschiedener Flüssigkeiten nach A l b i r u n i u n d u n d in der zweiten die zugehörigen neueren
1
Vgl. S. 117.
2
S. 84.
Dezi-
Gewichte
Al-Khazini,
Bestimmungen:2
ZUR GESCHICHTE
DES
SACCHARO METERS ; i. NACHTRAG
Süßes Wasser, kalt „ „ heiß (siedend) . Meerwasser Gesättigte Kochsalzlösung . . Harn des Menschen, kalt . . „ „ „ heiß . . Blut „ „ . . . . Kuhmilch Wein Weinessig Honig Olivenöl Sesamöl Quecksilber
. . . . . . . . . . . .
1,000 0,958 1,041 1,134 1,025 1,018 1,033 1,110 1,022 1,027 1,406 0,915 0,920 13,560
|ß 1
1,000 0,9597 1,028—-1,040 1,205 1,011 1,004 1,053 1,020--1,041 0 , 9 9 2 - -1,038 1,013- -1,080 1,450 0 , 9 1 8 - 0,919 0,919 13,557
Wie m a n sieht, sind diese E r m i t t e l u n g e n von erstaunlicher Schärfe, so z. B. ist der W e r t f ü r Quecksilber genauer als der von
Galilei
bei zwei Versuchen
zu
fundene!
Auch w a r es A l - K h a z i n i
daß
hauptsächlichen
die
spezifischer
Gewichte
13,357 und
Fehlerquellen
die
bei
anhaftenden
wechselnden T e m p e r a t u r e n sind, heißes Wasser oder kalter u n d
1
13,760 ge-
und A l b i r u n i der
bekannt,
Bestimmung
Luftblasen
und
die
d a ß daher auch kaltes und warmer
Harn
erheblich
ver-
schiedene W e r t e ergeben; deshalb d ü r f e m a n nicht n a c h
Be-
lieben das w ä r m e r e u n d d ü n n e r e Wasser des Sommers,
oder
das kältere
und
dichtere
des W i n t e r s als Einheit
sondern müsse f ü r solches von richtiger u n d
benutzen,
gleichbleibender
W ä r m e sorgen, k ö n n e aber u m g e k e h r t den Wechsel der Wassertemperatur
im
Sommer
und Winter
z u t r e f f e n d e r Weise erkennen. Ist
das
Wesentliche
mittels
der
Spindel
in
und
Er-
2
der
dargelegten
Angaben
l ä u t e r u n g e n der Inhaltsüberschrift A l - K h a z i n i s
g e m ä ß wirk-
lich dem P a p p o s zuzuschreiben, so wird hierdurch die K e n n t nis des A r ä o m e t e r s u n d seiner A n w e n d u n g bis in das Jahrhundert keit
seiner
tischem
n. Chr. Erfindung
Boden
hinaufgerückt, durch
bestätigt,
und
griechische
denn
Pappos
die
dritte
Wahrscheinlich-
Gelehrte
auf
wohnte und
ägypwirkte
zu Alexandria u n d s t a r b daselbst u m 300 n. Chr., wie C a n t o r 1
S. 70, 101; 71, 74.
2
S. 99.
ZÜR
182
GESCHICHTE
DES
SACCHAROMETERS;
i.
NACHTRAG
in den „Vorlesungen ü b e r Geschichte der M a t h e m a t i k " bewies. 1 Den gewichtigen G r ü n d e n ,
die C a n t o r
gegen die f r ü h e r an-
g e n o m m e n e Lebenszeit um 400 n. Chr. geltend m a c h t , schließt sich an
nun
noch
Hypatia
d e r an,
daß S y n e s i o s
wegen A n f e r t i g u n g eines
in
dem
„Hydroskopions"
(gest. 413),
ge-
richteten Briefe, von dem kleinen A p p a r a t keineswegs als von etwas völlig Neuem spricht, sondern ihr den Gegenstand, den sie besorgen
soll, als einen
schon
wohlbekannten
kurz
und
s a c h g e m ä ß b e s c h r e i b t ; dieses ist leicht verständlich, wenn der A u f t r a g eine der schon vor u n g e f ä h r h u n d e r t J a h r e n e r f u n d e n e n Senkspindeln b e t r a f , w ä r e a b e r auffällig, falls es sich u m ein soeben
erst seitens eines
handelte.
Vermutlich
Gelehrten
bedurfte
ausgedachtes
der
kranke
Instrument
Synesios
die
Spindel zur Beurteilung des Trinkwassers, oder vielleicht P r ü f u n g des H a r n e s ; allerdings e r w ä h n e n Geschichten
der
Medizin
keine
so
frühe
die mir
zur
bekannten
Anwendung
eines
H y d r o s k o p i o n s ( = Wasserbeschauers) zu solchem Zwecke, u n d auch die einschlägigen, z u m Teil sehr ausführlichen
Abhand-
lungen spätgriechischer u n d byzantinischer Autoren in
Idelers
S a m m l u n g „Physici et medici graeci m i n o r e s " R i c h t u n g keinen A n h a l t s p u n k t ,
2
geben in dieser
— soweit ich die f ü r
Nicht-
philologen meist ä u ß e r s t schwierigen T e x t e zu verstehen v e r m a g . Zum
Schlüsse sei noch darauf a u f m e r k s a m g e m a c h t ,
Al-Khazinis
Werk
einen
neuen
und sehr b e d e u t s a m e n
weis f ü r meine B e h a u p t u n g liefert, der A l k o h o l sei g a r
behauptet, kannt
denn den
wäre
Arabern
er, wie m a n schon
seit
immer dem
gewesen, so schiene es u n d e n k b a r ,
noch
Fachgelehrte von u m f a s s e n d s t e m Wissen noch fisch
leichteste
aller
überhaupt
abendallgemein
9. J a h r h u n d e r t daß
vorkommenden
Be-
keine
a r a b i s c h e E n t d e c k u n g , sondern eine r e l a t i v s p ä t e ländische;
daß
be-
hervorragende 1120 als speziFlüssigkeiten
das Olivenöl bezeichnet h ä t t e n , dem das spezifische
Gewicht
0,915 z u k o m m t , w ä h r e n d das des Alkohols r u n d 0,8 b e t r ä g t . 1
Leipzig 1907, Bd. 1, S. 441.
2
Berlin 1841; zwei Bände.
10 ZUR G E S C H I C H T E DES SACCHAROMETERS
USW.
NACHTRAG1
ZWEITER
ie ich vor einiger Zeit 2 aus den 1636 erschienen quickstunden"
Schwenters
„Er-
nachwies, s t a n d in den
Salzsiedereien, deren, namentlich vor der Z e r r ü t t u n g der wirtschaftlichen Verhältnisse durch den 3 0 j ä h r i g e n
Krieg,
im Deutschen Reiche recht viele betrieben w u r d e n , eine Senkspindel von allerdings noch großer U n v o l l k o m m e n h e i t in anscheinend regelmäßigem
bereits
Gebrauche.
Einen weiteren Beleg f ü r diese B e h a u p t u n g f a n d ich seither in einem W e r k e vor, das u n t e r dem T i t e l : „ D e s burger Patriziers P h . H a i n h o f e r Reisen nach Dresden",3 Jahre herzog den
auch
die
Fahrt
schildert,
die
Augs-
Innsbruck und
der
Genannte
1628 u n t e r n a h m , u m bei dem in Tirol weilenden Leopold
von
Österreich
Großherzog von T o s k a n a
zuliefern,
ein
Prachtstück
einen
zum
bestimmten
aus
im Erz-
Geschenk
für
Prunkschrank
ab-
Augsburgs
Kunstwerkstätten,
völlig gleichend dem der nämlichen S t a d t und derselben Zeit entstammenden weltberühmten „Pommerschen der
noch
sehen ist.
jetzt
im
kunstgewerblichen
Der Erzherzog n a h m
Kunstschranke",
Museum
Hainhofer
in
Berlin
zu
auf das f r e u n d -
lichste auf, u n d ließ ihm u. a. die n e u e r b a u t e F a h r s t r a ß e nach Hall,
sowie die dortigen
Salzwerke zeigen;
Hainhofer
be-
suchte diese am 29. April 1628, u n d schreibt in seinem Tage1 Chemiker-Zeitung 1912, S. 1201. Wien 1901, S. 89.
8
ebd., S. 629.
3
ed. D o e r i n g ,
184
ZUR GESCHICHTE
buche
das
folgende:
DES
„Zu
SACCHARO METERS;
2.
Hall
beschawet
aber
erstlich
NACHTRAG
die
S a l t z - P f a n n e n , deren 4 sein, u n d seudet m a n alle Wochen in zwo P f a n n e n , in jeder 1598 F u d e r Saltz, wöchentlich 2 P f a n n e n ; die Jenige, so m a n aine W o c h e n g e b r a u c h e t hat, lasset
man
die a n d e r e Wochen
Meil
wegs
von
der
ruhen.
Pfannen,
in
Der
Saltzberg ist auff
welchem
dreyhundert
ain
Personen:
bey der P f a n n e n aber 180 Personen, u n d e r denen 24 Schmide sein, täglich a r b a i t e n .
Z u r P r o b a t i o n des sauren und süessen
Wassers h a t m a n ain W a a g , die siehet gleich wie ain metalliner Z a p f e n , den w i r f f t m a n
in das W a s s e r : so es sauer ist,
so
s c h w i m m t die W a a g ü b e r sich, so das Wasser aber sües ist, so feit sie gen B o d e n . " D a ß die „ W a a g " nicht n u r zur E r k e n n u n g des „ s a u r e n " , d. h.
salzhaltigen
Wassers
diente,
— wozu
sie wohl
nötig w a r —, sondern vor allem zur E r m i t t l u n g der des in Lösung befindlichen Salzes, h a t H a i n h o f e r gar nicht b e m e r k t , oder nicht richtig v e r s t a n d e n .
kaum Menge
entweder
w WASSERBADES1
ZUR GESCHICHTE DES
ürftig und
unzureichend
wie über die gesamten
An-
fänge der Chemie, sind unsere Kenntnisse auch über Alter,
H e r k u n f t , und N a m e n eines ihrer wichtigsten
und
merkwürdigsten
den
mittelalterlichen
Apparate,
des
Wasserbades,
alchemistischen
Schriften
das
in
„Balneum
Mariae", im Deutschen „ M a r i e n b a d " , im Französischen
„Bain-
Marie" heißt, und analoge B e n e n n u n g e n auch in den übrigen romanischen Sprachen t r ä g t . Die älteren historischen Werke, z. B. K o p p s
„Geschichte
der Chemie" und „ B e i t r ä g e zur Geschichte der Chemie" sowie Hoefers
„Histoire
de la
W a s s e r b a d und das Sand-
Chimie",
daß
berichten,
sich
oder Aschenbad zuerst, und
das zwar
ohne Bezeichnung durch einen besonderen T e r m i n u s technicus, im 8. oder 9. J a h r h u n d e r t e bei d e m Araber G e b e r fänden; da, und
2
wie
diese Angabe bedarf aber keiner weiteren schon
Kopp
Berthelot
vermutete,
bestätigte,
die
Erörterung,
Steinschneider früher
dem
in
Wahrheit
13. J a h r h u n d e r t e s Aus
einem,
erst
Kompilationen
des
bewies,
Geber
geschriebenen und n u r in lateinischer Übersetzung Werke
erwähnt
zu-
bekannten ausgehenden
sind. dem
4. bis
6. J a h r h u n d e r t e
entstammenden
1 „Beiträge aus der Geschichte der Chemie".. (Wien und Leipzig 1908, 2 S. 143). K o p p , „Gesch. d. Chemie" (Braunschweig 1843), I, 54 und II, 22; „Beitr. z. Gesch. d. Chemie" (ebd. 1869), 405.
186
ZUR GESCHICHTE
„Wörterverzeichnis
der
DES
heiligen
WASSERBADES
Kunst"
(r»;s ieoäg rexvijg,
d. i. der Chemie) f ü h r t H o e f e r 1 auch den Ausdruck mospodion"
an;
er b e h a u p t e t ,
Thermospodion
„Ther-
bedeute
„eine
Art W a s s e r b a d " , gibt aber zu, d a ß der alexandrinische
Che-
miker Z o s i m o s (der u m 300 n. Chr. schrieb) d a r u n t e r ein von g e b r a u c h t e s Aschenbad verstehe, 2 u n d
der Chemikerin M a r i a meint
daher
schließlich,
Chemikerin „ B a i n - M a r i e " .
das 3
Aschenbad
heiße
nach
dieser
D a ß n u n ein Thermospodion,
schon dieser N a m e n besagt, nichts weiter als ein ist, geht klar aus dem K o c h b u c h e des A p i c i u s
wie
Aschenbad
C o e l i u s (um
222 n. Chr.) hervor, denn in diesem Werke, das d u r c h a u s die griechische u n d
speziell
die alexandrinische
Herkunft
verrät,
schreiben die R e z e p t e wiederholt v o r : ,,pone in cinere calido" und „ p o n e s u p r a cinerem c a l i d u m " , 4 oder „ p o n e in t h e r m o s p o d i o " u n d ,,pone s u p r a t h e r m o s p o d i u m " , 5 j a einmal werden beide A u s d r ü c k e auch im nämlichen Kapitel als identisch gebraucht.6
Mit dem „ B a l n e u m M a r i a e " s t e h t aber das T h e r m o -
spodion in keinerlei Z u s a m m e n h a n g , denn, wie schon C a r d a n u s anführt7
und
Kopp
bestätigt,8
ausdrücklich
N a m e n stets n u r auf das W a s s e r b a d " . Mariae"
benannt
„geht
Wann
wurde,
ersterer
jedoch
zuerst
„Balneum
darüber
Kopp
nichts zu wissen, denn w ä h r e n d z. B. an einer
dieses gesteht Stelle
des A l b e r t u s M a g n u s (1193—1280) n u r „ v a s a q u a e bullientis" zu lesen ist, 9 erscheint in jenen Schriften des 13. J a h r h u n d e r t e s , als
deren
Verfasser
man
früher
den
Arnold
von V i l l a n o v a
Mariae"
als eine schon w o h l b e k a n n t e
Raimund
ausgab, die Bezeichnung und
keiner
Lull
Erklärung
b e d ü r f t i g e r e ; weil aber neben „ B a l n e u m M a r i a e " a u c h n e u m m a r i s " gesagt wird, läßt K o p p 1
und
„Balneum „Bal-
m i t gewohnter Vorsicht
2 s „Hist. de la Chimie" (Paris 1866), I, 258. ebd. I, 270. ebd. I, 285; diese Etymologie findet sich u. a. schon im „Glossarium" des D u 4 C a n g e von 1688. ebd. S c h u c h (Heidelb. 1874), 69, 72, 74, 90. 5 6 7 ebd. 71, 73, 74, 89. ebd. 74. „De subtilitate" (Lyon 1554), 625. 8 9 „Beitr." 402ff. „Beitr." 238.
ZUR GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
187
die Frage, ob ü b e r h a u p t eine Beziehung zwischen den
Namen
„ M a r i a " und „ B a l n e u m M a r i a e " bestehe, unentschieden. 1 Z u n ä c h s t ist es n u n von großer Wichtigkeit, festzustellen, d a ß das W a s s e r b a d , wie eine Anzahl bisher anscheinend u n b e a c h t e t gebliebener Angaben beweist, seit w e i t a u s Zeit
bekannt
nehmen.
ist,
als sämtliche
Dioskurides
(um
Historiker
75 n. Chr.)
der
ganz
längerer
Chemie
erwähnt
in
„Materia m e d i c a " , d a ß m a n das Aus- u n d Umschmelzen Fett, Knochenmark,
an-
seiner von
H a r z u. dgl., nicht n u r auf freiem Feuer
oder in der Sonnenhitze v o r n e h m e n
könne, sondern
auch
in
einem T o p f e oder in einer durch Deckel geschlossenen Büchse, die m a n in ein Gefäß mit heißem Wasser einstelle; den treffenden
Apparat
nennt
er
Sin)Mucc. 2
Eine
analoge
beBe-
m e r k u n g ü b e r das Kochen von Meerzwiebeln in einem Topfe, den m a n in ein anderes Gefäß einsetzt, m a c h t P l i n i u s (gest. 79 n. Chr.). 3
D a ß jedoch diese Vorschriften n u r
betreffen, zeigt
ein
Bericht
bei T h e o p h r a s t ,
und
Nachfolger des A r i s t o t e l e s
nur
fragmentarisch
erhaltenen
Altbekanntes dem
Schüler
(372—285 v. Chr.); in
Schrift „ Ü b e r
die
der
Gerüche" 4
sagt dieser A u t o r hinsichtlich des Ausziehens von wohlriechenden Bestandteilen und Aromen aus Blüten u. dgl. durch Öl: „ E s geschieht bei allen diesen, indem m a n das Gefäß in Wasser stellt, so d a ß keine B e r ü h r u n g m i t dem Feuer selbst erfolgt, denn die W ä r m e soll gelinde wirken, die F l a m m e aber w ü r d e vielen Verlust h e r b e i f ü h r e n u n d einen Geruch nach A n g e b r a n n t e m verursachen."
Endlich ist auch im K o r p u s der von
Hippo-
1 „Beitr." 405. L u l l z. B. hat im „Testamentum" (Köln 1566, 178ff.) mehrmals Balneum Mariae, der vielbelesene R u l a n d u s im „Lexicon Alchimiae" (Frankfurt 1512) Balneum Maris (155, 188), Balneum Mariae, d. i. Marienbad (163, 203), Balneum maris vel Mariae, (98, 99), Balneum maris, d. i. Marienbad (222). Der sog. I s a a k H o l l a n d u s (angeblich gegen 1400, tatsächlich
nach P a r a c e l s u s ) spricht vom „Wasserbad Mariae" („Sammlung Chymischer 2 Schriften", Wien 1746, 79). „Mat. med." 2, 86 und 95; 3, 87. S. meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften" 3 4 (Leipzig 1906), 72. „Hist. Nat." 20, 39. cap. V, Absatz 22.
ZUR GESCHICHTE
188
DES
WASSERBADES
k r a t e s (460—377? v. Chr.) v e r f a ß t e n , oder ihm zugeschriebenen W e r k e von der Z u b e r e i t u n g einer Tisane aus Linsen die Rede, und
es wird
hierbei anbefohlen, „ d e n Topf, der die
e n t h ä l t , in einen größeren und
so
die
führungen,
die
durch
mit Wasser gefüllten vorzunehmen".1
Abkochung
systematisches
Aus
Linsen
einzusetzen, diesen
An-
wohl
noch
Nachsuchen
zu v e r m e h r e n wären, geht jedenfalls hervor, daß das Wasserb a d schon im 5. J a h r h u n d e r t e v. Chr. ein gebräuchlicher,
und
keinen Anspruch auf Neuheit m e h r erhebender A p p a r a t
war.
Vermutlich sprünglich
diente
es,
ebenso
kulinarischen
wie
Zwecken;
das
Thermospodion,
f ü r diese
ur-
Herkunft
zeugt
n a m e n t l i c h auch eine, von K. B. H o f m a n n 2 schon 1885 hervorgehobene
Stelle in der Schrift „ Ü b e r die
Landwirtschaft"
des C a t o (234—149 v. Chr.), denn bei Bereitung einer
„Er-
n e u m " g e n a n n t e n Speise heißt es d a s e l b s t : 3 „Bringe es in einen irdenen Topf, stelle ihn in einen Topf voll w a r m e n u n d koche es so auf dem F e u e r . "
Wassers,
Die in der a n t i k e n
Koch-
k u n s t so häufige V e r w e n d u n g von Öl leitete anscheinend v o m Wasserbade
auch
zum
Ölbade
über;
Galenos
(131—200?
n. Chr.) e r w ä h n t letzteres als etwas ganz B e k a n n t e s . 4 Aus der Küche, und zwar aus der seit jeher verfeinerten orientalischen,
ging
das
Wasserbad
in
die
pharmazeutischen
u n d kosmetischen W e r k s t ä t t e n des Orients u n d Ä g y p t e n s über, und
schließlich
gemeinen
die
chemischen.
Es
fehlt
nicht
an
Spuren dieser Deszendenz: nach P l u t a r c h
120 n. Chr.) die
in
mischen
Räuchermittel,
in
den
Arome,
ägyptischen und
Arzneien
all-
(50 bis
Tempeln
„Köche"
„unter
Vorlesung
heiliger S c h r i f t e n " (d. i. wohl von Z a u b e r s p r ü c h e n ) ;
5
ein grie-
chischer, noch vor 300 n. Chr. in Ä g y p t e n a b g e f a ß t e r chemischtechnischer
Traktat
sagt
ausdrücklich
„die K ü c h e n k u n s t
f ü r uns (d. h. f ü r die Chemiker) bei vielen Anlässen 1
ist
höchst
2 „Von den Krankheiten", lib. 3. „Berg- u n d Hüttenmännische 3 Zeitung" 1885, Nr. 28. „De re rustica", cap. 81. * „ D e sanitate 5 tuenda", lib. 4, cap. 8. „ Ü b e r Isis u n d Osiris", cap. 81.
ZUR GESCHICHTE
nützlich";1
ja
noch
DES
WASSERBADES
mittelalterliche
189
Alchemisten
versichern
„die Bereitung des Steines der Weisen sei f ü r den
wirklich
Kundigen k a u m m e h r als opus mulierum, . . . K ü c h e n a r b e i t " . 2 W a s speziell das W a s s e r b a d b e t r i f f t , so ist die älteste der in
Ägypten
in
griechischer
Sprache
verfaßten
chemischen
Schriften, die seiner gedenkt, jene der K l e o p a t r a , Zosimos Traktat einem,
(also
vor
über die im
10.
300 n. Chr.)
Goldmacherei
oder
einer v o r
lebenden Chemikerin; 3
(„Chrysopoieia")
11. J a h r h u n d e r t e
h a t sich in
geschriebenen
Kodex
der St. M a r k u s - B i b l i o t h e k zu Venedig erhalten u n d ist mit zahlreichen
erklärenden
Gleichalterigkeit
jedoch, wie in allen analogen
stets ohne weiteres thelot ein
Zeichnungen
angenommen
werden
versehen, darf.
4
ihr
auch
— deren
Fällen,
nicht
Nach
Ber-
zeigt eine der F i g u r e n 5 zweifellos ein Wasserbad, das
Destillationsgefäß
enthält
und
selbst
auf
einem
Dreifuß
über einem Ofen s t e h t ; in einer z w e i t e n 6 t r ä g t das Wasserbad eine halbkugelige Schale, deren Inschrift növrog
(Meer) lautet,
u n d in die sich aus einem anderen A p p a r a t e , den aber thelot
nicht
gießen soll.
erklären
zu
können
gesteht,
ein
Ber-
Destillat
er-
Diese D e u t u n g d ü r f t e jedoch irrtümlich sein, denn
der fragliche A p p a r a t h a t den T y p u s der , , A r t a b e " , eines auf den
ägyptischen
Monumenten
häufig
vorkommenden
Hohl-
m a ß e s f ü r Getreide u n d Flüssigkeiten, 7 u n d e n t h ä l t daher vermutlich die im W a s s e r b a d e e i n z u d a m p f e n d e Lösung. Aus dem nämlichen kritos,
Zeitalter s t a m m t
richtiger P s e u d o - D e m o k r i t o s ,
eine dem
Demo-
zugeschriebene
Ab-
h a n d l u n g , in der es h e i ß t : „ S e t z e die S u b s t a n z in eine mit Wasser gefüllte Tonschale, . .
in ein mit gesiebter Asche ge-
fülltes Aschenbad, u n d erhitze langsam z u m Sieden, . . . wobei 1 B e r t h e l o t , „Collection des anciens alchimistes grecs" (Paris 1888); 2 III, 321. S c h m i e d e r , „Geschichte der Alchemie" (Halle 1832), 48ff. 3 B e r t h e l o t , „Coli." I, 137 und 142; „Introduction à l'étude de la Chimie 4 des Anciens et du Moyen-âge" (Paris 1889), 137. s. K o p p , „Beitr." I, 5 6 176, 226, 228. „Introd." 133. ebd. 141; „Coli." I, 142. 7
s. B r u g s c h , „Die Ägyptologie" (Leipzig 1897), 379.
ZUR
190
GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
V e r d a m p f u n g erfolgt ohne A n b r e n n e n ; " 1 auch zur Darstellung einiger P r ä p a r a t e wird ebenda das W a s s e r b a d u n d das Aschenbad empfohlen. 2
Indessen ist diese A b h a n d l u n g n u r in syrischer
Übersetzung bekannt,
die wahrscheinlich
8. oder 9. J a h r h u n d e r t e s beurteilen l ä ß t , alte
Quellen
sich
aber
wieder,
so d a ß sich
des nicht
inwieweit die Einzelnheiten ihres Inhaltes auf
zurückgehen.
auch
ein Nestorianer
angefertigt hat,
bei
Die
Synesios
u n d gingen noch zu
begleitenden (im
Figuren
4. J a h r h u n d e r t e
finden n. Chr.)
Beginn des 8. J a h r h u n d e r t e s in
das sog, „ B u c h des K r a t e s " über, eine der ältesten arabischen Übersetzungen griechischer chemischer W e r k e ; 3 was aber
Sy-
n e s i o s u n t e r dem N a m e n U ß m , auf einem D r e i f u ß e stehend, abbildet,4
ist
entschieden
,,Bain-Marie", auf
einem
vielmehr
Aschenbade,
wiedergegebenen
nicht, wie B e r t h e l o t steht
der
Ußt,^,
entsprechend
Vorschrift des
der
Synesios:
meint, 5
an
anderer
„Stelle
ein
Kessel, 6
d. i. der
das
Stelle Pro-
d u k t auf ein Aschenbad, das nicht durch starkes Feuer erhitzt wird, sondern n u r vorsichtig". 7 Die „Aichemistin M a r i a " , die einige Historiker in das 1., andere in das 4. bis 5. nachchristliche J a h r h u n d e r t
versetzten,
w ä h r e n d noch a n d e r e sie f ü r eine rein s a g e n h a f t e Gestalt erklärten,
f i n d e t sich
in den Listen der „ ö k u m e n i s c h e n
Alche-
m i s t e n " , d. h. der älteren griechischen von höchster A u t o r i t ä t , regelmäßig g e n a n n t , u n d wird auch in dem m a ß g e b e n d e n arabischen Autorenverzeichnisse, dem u m 850 v e r f a ß t e n „ F i h r i s t " , aufgeführt.8
An ihrer Existenz ist d a h e r nicht wohl zu zweifeln,
fraglich bleibt jedoch, ob ihre sog. Schriften u n d die Z i t a t e aus diesen echt, u n d ob die sehr spärlichen Nachrichten
über
ihr Leben z u t r e f f e n d sind; 9 jedenfalls m ü ß t e sich letzteres a b e r 1
2 B e r t h e l o t , „La C h i m i e au moyen-âge" (Paris 1893); 1, 43. ebd. I, 3 4 60 u. 71. ebd. I, 108ff. H o e f e r l , 280; B e r t h e l o t , „Coli." 1, 164. 5 6 „ I n t r o d . " 164; „Coli." I, 164. auch nach „Coli." I, 166 ist U ß n ? = 7 3 chaudière. „Coli." III, 65. B e r t h e l o t , „Les origines de l'Alchimie" 3 (Paris 1885), 128 u n d 131. H o e f e r l , 282; K o p p , „Beitr." 402ff.;
B e r t h e l o t , „ I n t r o d . " 171.
ZUR GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
191
s p ä t e s t e n s im 3. J a h r h u n d e r t e abgespielt haben, da der u m 300 n. Chr. schrieb, fach z u s a m m e n e r w ä h n t .
Kl.eopatra
Berthelot
und
Zosimos,
Maria
mehr-
ä u ß e r t zu wiederholten
Malen die Ansicht, d a ß ein im K o d e x der Marciana abgebildeter „Ofen der Aichemistin M a r i a " als „ p r o t o t y p e de n o t r e bainMarie" anzusehen s e i ; 1 die Zeichnung dieses Ofens läßt aber, — worauf schon die
Inschrift xufxhiov ( K a m i n ) hinweist
—,
deutlich ein Sand- oder Aschenbad erkennen, u n d solche waren zu jener Zeit tatsächlich schon seit langem g e k a n n t und b r a u c h t , 2 und werden
ge-
auch im Leydener P a p y r u s Nr. 10 er-
w ä h n t , der im 3. J a h r h u n d e r t e n. Chr. auf G r u n d weit älterer Unterlagen
niedergeschrieben
chemischen
Manuskripte
unmittelbar Kolben
auf
Aus den
Abbildungen
Nr. 2327 der Pariser
geheizten
darstellen, 4
ist. 3 Platten
sowie aus
im
Bibliothek,
die
Flaschen
und
stehende
den zugehörigen
Erklärungen, 5
ergibt sich gleichfalls, d a ß die A p p a r a t e der M a r i a auf freiem Feuer erhitzt wurden und h a u p t s ä c h l i c h zur B e h a n d l u n g von Metallen mit Schwefel-, Arsen-, dienten. sprechung jene
und
Quecksilberverbindungen
Endlich sagt auch Z o s i m o s der
Apparate
der
gelegentlich
Kleopatra
und
bei der Destillation b e n ü t z t w u r d e n ,
seiner Be-
Maria,
diese
daß
aber Öfen,
S a n d b ä d e r u. dgl., „ u n d nicht zur Destillation der Flüssigkeit waren;6
bestimmt"
auf das A s c h e n b a d " , 7
er
zitiert
„Maria
sagt,
. . . stelle
u n d o r d n e t d e m g e m ä ß auch selbst
es an:
„Man erhitzt n u r allmählich, z u n ä c h s t auf dem A s c h e n b a d e . " 8 Muß es nun, allem oben A n g e f ü h r t e n zufolge, als zweifellos gelten, einerseits, daß das W a s s e r b a d schon viele J a h r h u n d e r t e vor
Maria
Apparate
im
dieser
G e b r a u c h e s t a n d , und Chemikerin
gar
keine
andererseits, Wasserbäder
daß
die
waren,
so erhebt sich die Frage, wie denn das W a s s e r b a d z u m N a m e n „Balneum Mariae" gekommen sei? 1
3 c
Die A n t w o r t k a n n vorerst
2 „ O r i g . " 171'; „ I n t r o d . " 147; „ C o l i . " I, 147. „Coli." I, 151 u. 161. 4 5 „ I n t r o d . " 147 u. 167. ebd. 161. ebd. 142 u. 143; „ C o l i . " I, 146. 7 8 „ I n t r o d . " 192. „ C o l i . " III, 148. ebd. III, 149.
ZUR GESCHICHTE
192
DES
WASSERBADES
n u r im Gewände einer H y p o t h e s e erteilt werden, die auf ihre Wahrscheinlichkeit
zu
prüfen
den
Fachgelehrten
der
ent-
sprechenden Disziplinen anheimgestellt sei. Wie schon die a n t i k e n
Schriftsteller w u ß t e n , n a h m
im alten Ä g y p t e n die Z u b e r e i t u n g von R ä u c h e r m i t t e l n , gerüchen,
Heiltränken,
Arzneien
usf.,
ursprünglich
man Wohl-
in
den
T e m p e l n vor, u n d diese w u r d e n d a h e r später auch die ersten Stätten der
chemischer Forschung,
von
Mariette
gedeckten
sowie
— wovon noch die
von
Dümichen
Tempel-Laboratorien
in
Überreste Edfu
ablegen. 1
Zeugnis
Die
aufbe-
t r e f f e n d e n Rezepte waren Zunftgeheimnisse, ihre Verwertungen G e h e i m k ü n s t e des ägyptischen
P r i e s t e r t u m s ; 2 aus dessen
wohnheiten und Anschauungen
erklären sich auch die mysti-
Ge-
schen Formeln u n d a p o k a l y p t i s c h e n W e n d u n g e n in der Sprache der ältesten chemischen Aufzeichnungen, ferner die Traditionen von der Ü b e r m i t t l u n g des chemischen Wissens durch Gespräche (eines göttlichen V a t e r s m i t seinem Kinde, der I s i s m i t ihrem Sohne H o r u s ) mischen
und von
der A u f f i n d u n g der „heiligen"
Bücher (in Tempeln,
Anwendungen
gewisser
Stelen usf.), sowie endlich
Symbole
zeutischer u n d chemischer
zur
Bezeichnung
chedie
pharma-
Gegenstände.
Aus den „ L i s t e n " im K o d e x der Marciana und im Pariser M a n u s k r i p t e 2327 ist zu ersehen, d a ß die chemischen steller
der
ägyptisch-hellenistischen
Symbol
gebrauchten,
und
Periode
für
zwar wird
für
(vdmo)
übersetzt,
Regenwasser
= 7iorafiög f ü r 1
(ÖFIßGIA),
Flußwasser
während =
sich
vS(oq
vorfindet.
3
Wasser
das
und ===== an
zwei Stellen m i t Meerwasser ( f t u l u a a i a vöutu), Wasser
Schrift-
an einer
außerdem
für
Wasser,
Das Zeichen
mit
noch fjj und
Ä
ist
W o e n i g , „Die Pflanzen im alten Ägypten" (Leipzig 1897), 372ff. - „Orig." 31, 44, 235; „Introd." 200, 286. Dies erwähnt bereits G a l e n o s , 3 „Zusammensetzung der Arzneien" IV, 1. „Introd." 108, 113, 114, 120, wo Faksimiles der „Listen" wiedergegeben sind.
ZUR GESCHICHTE
aber
das
uralte
DES
hieroglyphische
WASSERBADES
Symbol
des
gleichwertig m i t ihm k o m m t das Zeichen j
193
Wassers;1
als
vor, d. i. nach
L e p s i u s 2 ,,ein W a s s e r b a s s i n " , auch meldet schon der u m 400 n. Chr. sein grundlegendes W e r k
Horapollo,
,,Hieroglyphica"
schrieb, d a ß als Sinnbild der steigenden Nilflut drei Wassergefäße
dienten,
ein junger
denen
als
Determinativ
Vogel beigesetzt w u r d e
dieses Symboles „ N u n " l a u t e t e , Nun-t
3
und
des daß
,,Neu"-Wassers die
Aussprache
— woraus sich der
Namen
e r k l ä r t , den die Göttin des Elementarwassers f ü h r t e . 4
Bringerin der Nilflut w a r den alten Ä g y p t e r n
Isis; daher
t r ä g t sie als solche den Beinamen „ D a s W a s s e r " , „ D i e g u t e Nilflut", „ N i l o t i s " , 5 u n d t r i t t u. a. in Gestalt eines weiblichen Nilpferdes in einem Sternbilde a u f , und in Gestalt einer nilpferdköpfigen Göttin als P a t r o n i n des S o m m e r m o n a t e s der als Wasserbringender enthält.6 als
das Zeichen ^
Epiphi,
in seinem Symbole
Schon im alten Reiche v e r e h r t e m a n aber I s i s auch
Heilgöttin
und
Erfinderin
vieler Arzneimittel,
der medizinische „ P a p y r u s E b e r s " beweist
was z. B.
(niedergeschrieben
etwa 1550 v. Chr., auf G r u n d teilweise weit älterer Vorlagen), der gleich im Eingange die I s i s a n r u f t , u n d bei einigen zepten beifügt „ v o n
Isis
selbst b e r e i t e t " . 7
Hingegen
Re-
gehört
erst einer w e i t a u s späteren Periode I s i s als Meeresgöttin, Herrin der See, u n d Mondgöttin an, denn sowohl das Meerwasser wie der Mond sind im Ägyptischen
männlich, u n d können
daher
nicht durch eine Göttin dargestellt w e r d e n ; 8 was also Di o d o r , 9 P l i n i u s , 1 0 P l u t a r c h , 1 1 u. A. in dieser Hinsicht berichten, be1
B r u g s c h , a. a. O.; Abbildungen S. 27, 87, 188, 280, und im Stern2 bilde des Wassermannes 346; s. H o e f e r l , 259; „Orig." 112. „Über die 3 Götter der vier Elemente bei den Ägyptern" (Berlin 1856), 184. Horap o l l o I, cap. 21, ed. L e e m a n s (Amst. 1835), 28 und 228ff.; Abbildung 4 5 Tafel III, Fig 40a und b, B r u g s c h 27. L e p s i u s 186. Roscher, „Ausführl. Lexikon d. griech. u. röm. Mythologie" (Leipzig 1890/97); II, 6 7 456 (17). B r u g s c h 317 und 335; 343; 361. B r u g s c h 409; 8 W o e n i g 364ff. L e p s i u s 183, 216; vom Meerwasser erzählt dies schon 9 10 S e n e c a , „Quaest. Nat." III, 14. Hb. I, cap. II. lib. V, cap. 56. 11 „Über Isis und Osiris", cap. 34, 38, 52. v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. V o r t r .
II.
13
ZUR GESCHICHTE
194
DES
WASSERBADES
zieht sich erst auf das hellenistische Zeitalter, in dessen Verlauf
eine
kaum
glaubliche
Vermengung
und
Verschmelzung
der seit jeher zahllosen lokalen K u l t f o r m e n der I s i s mit jenen asiatischer u n d griechischer G ö t t i n n e n e i n t r a t , 1 so daß schließlich I s i s Dea
als identisch mit Mylitta, Astarte, Kybele, mit der
Syria, der
Göttin von
Pessinus, der Mater magna,
Hera, Athene, Demeter, H e k a t e , Ceres, Proserpina,
mit
Dictynna,
Persephone, Artemis u n d Selene (mit der Mondsichel in ihren Bildern), Thetis, u n d A p h r o d i t e galt, usf. 2
Namentlich wichtig
erscheint die Gleichsetzung der I s i s mit der meerentstiegenen Kypris,3 nüayitt
denn
durch
(Pelagia)
sie w u r d e
die JVsdaTig (Nilotis)
Marina,4
oder
zur
Herrin
des
zur
Meeres,
Schützerin der Seefahrer, u n d Seeherrscherin, 5 als welche m a n sie und
an
sämtlichen K ü s t e n
des Mittelmeeres allgemein feierte,
auch auf Münzen verewigte,
lagia", und als Kennzeichen Erwägt
man
nun,
die die
Inschrift „Isis
ein a u s g e s p a n n t e s Segel
d a ß seit jeher
Isis
in den
Pe-
tragen. 6 Tempel-
laboratorien als Heilgöttin u n d Arzneibereiterin v e r e h r t wurde, d a ß sie aber schon in älterer Zeit als N u n - t
auch Göttin des
Elementarwassers, u n d s p ä t e r als Pelagia oder Marina
Herrin
des Meeres w a r ; erwägt m a n weiter, d a ß A p u l e j u s (um n. Chr.) bei
der Schilderung
der
Isismysterien
im
180
11. Buche
seiner „ M e t a m o r p h o s e n " u n t e r den sechs H a u p t a t t r i b u t e n
der
Isis ein W a s s e r g e f ä ß ( A m p h o r a ) a u f z ä h l t (jedenfalls dasselbe, aus dem er die N e o p h y t e n m i t Weihwasser besprengen und
daß
Juvenal
vornehme
Frömmlerinnen
Gefäße
e c h t e m Nilwasser z u m Besprengen des Isistempels nach 1
sah), mit Rom
2 B r u g s c h 440ff. P l u t a r c h , a . a . O . ; A p u l e j u s , „Metamorphosen", lib. XI; R o s c h e r 359ff.; B u r c k h a r d t , „Die Zeit Konstantin d. Großen" (Leipzig 1898), 184ff.; R e i t z e n s t e i n , „Poimandres" (Leipzig 1904), 3 257, 262, 270. R o s c h e r 494; aus ihr erklärt sich H o r a z III, 26 4 ( R e i t z e n s t e i n 179). R e i t z e n s t e i n 179, 183; R o s c h e r 474ff. 5 6 B u r c k h a r d t 189. Dies erwähnt schon S c h w e i g g e r in seiner phantastischen „Einleitung in die Mythologie" (Halle 1836), 308. Über Pelagia und Euploia als Beinamen der Aphrodite bzw. Isis, s . R o s c h e r 481 und 390 (4), bzw. 485 und 482 (48); über die Münzen ebd. 485.
ZUR GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
195
heimbringen l ä ß t ; 1 b e d e n k t m a n ferner, d a ß „ N u n " auch die drei W a s s e r g e f ä ß e
der
Nilflut
„Wasserbassin"
für
das
Symbol ™
welches letztere in
den
Schriften der
tritt,
)-1
bezeichnete,
daß
das
des Wassers
und
ein-
alexandrinischen
Chemiker nachweislich noch im alten Sinne b e n u t z t w i r d ; erinnert
man
sich
endlich
der m e r k w ü r d i g e n
Inschrift
növroq
(Meer) auf der Schale jenes Wasserbades, das im Kodex der Marciana abgebildet ist, sowie der T a t s a c h e , d a ß und
Einweihungsbäder
beim
Isiskult
eine
Reinigungs-
wichtige
Rolle
spielten, 2 daß m a n B ä d e r u n d T h e r m e n mit der Isis geweihten S t a t u e n und Inschriften versah, und daß gewisse Feiern, z. B. die der Isis-Kybele, m i t dem Baden des Götterbildes (oft durch eigene Priesterinnen,
QuIüggiui')
ihren
Abschluß f a n d e n : 3 so
darf die V e r m u t u n g als gerechtfertigt gelten, d a ß in der Geheimsprache der hellenistischen Periode das (als solches längst b e k a n n t e und a n g e w a n d t e ) W a s s e r b a d m i t gewordenen und
Wassergöttin
als „ B a d Daß
der
kann, lehren,
Ob
vermöchte
eine
sie
nur
eine
der die in innigem
logischen,
magischen,
Hypothese
durch
und
der zur
Verbindung
Isis" bezeichnet
dies z u n ä c h s t
hervorgehoben.
in
wurde. ist, sei
Belegstellen
planmäßige
ausdrücklich
erhärtet
werden
Durchforschung
Zusammenhange chemischen
Pelagia
gebracht,
stehenden
Schriften
der
zu
theohelle-
nistischen Literatur, sowie deren f r ü h e s t e syrische und arabische Übersetzungen
zu unterwerfen
des Gebietes der sogenannten
w ä r e n , — nicht zu vergessen Zauberpapyri,
das sich
immer
m e h r zu einem der wichtigsten u n d umfangreichsten der hellenistischen Disziplin h e r a u s b i l d e t ; vergleichende Forschungen in a n g e d e u t e t e m Sinne haben aber erst seit kürzester Frist überh a u p t begonnen. 4 1
2 „Satiren" VI, 529. D i e t e r i c h , „Eine Mithras-Liturgie" 3 4 (Leipzig 1903), 164. R o s c h e r 524, 529, 530, 1655. Abbildungen, Denkmale, erhaltene Überreste oder Inschriften könnten möglicherweise ebenfalls in Betracht k o m m e n . 13*
ZUR GESCHICHTE
196
DES
WASSERBADES
Die F o r t w i r k u n g gnostischer, ophitischer, und Traditionen,
E i n f l u ß gerade in Ä g y p t e n
verwandter von
Anfang
an ein besonders tiefgehender gewesen w a r , 1 b r a c h t e
daselbst
im
deren
Laufe des 4. J a h r h u n d e r t e s
wegung
in
immer
mannigfacher
eine höchst
mächtigeren
uralter
Fluß:
Mysterien
Lehren der christlichen Kirche. 2
und
bedeutsame
die
Be-
Hinübernahme
Geheimdienste
in
die
Von ausschlaggebender Wich-
tigkeit erwies sich aber in dieser Hinsicht die U m b i l d u n g des schon zu Beginn der Kaiserzeit über das ganze römische Reich I s i s - K u l t e s 3 in den M a r i e n - K u l t ;
verbreiteten
es läßt
sich
u n t e r a n d e r e m S c h r i t t f ü r S c h r i t t verfolgen, wie aus I s i s ihrem Sohne H o r u s ,
und
deren Bild seit jeher in zahllosen
Dar-
stellungen ein Gegenstand volkstümlicher V e r e h r u n g war, die Jungfrau
Isis
schließlich ging, 4
(ndy&evoq
die
Jungfrau
wie M a r i a
übrigen
mit
ihr
deren Tempel,
Isis)
mit
Maria
allmählich
dem
mit
in das
identifizierten
Knaben
dem
Jesuskinde
E r b e der
Gottheiten
Jesus,
und
hervor-
Isis und
eintrat,5
wie
Feste u n d A t t r i b u t e zufielen (z. B. der
der ihr
Halb-
m o n d 6 ) usf., u n d wie hierdurch s i e , der bis dahin kein Feiertag, geschweige des
denn
4. J a h r h u n d e r t e s
aufstieg. 1
Insbesondere
eine Kirche geweiht war, 7 gegen zu
ihrer
wurde
weltbeherrschenden Maria
auch
die
Ende
Stellung
Nachfolgerin
2 H a s e , „Kirchengeschichte" (Leipzig 1900), 65ff. Burck3 h a r d t 207ff. R e i t z e n s t e i n , 43, 44, 134ff.; R o s c h e r 428ff. 4 B o l l , „Sphaera" (Leipzig 1903), 208ff.; 417, 428ff.; 513; R o s c h e r 504. 3 L u c i u s , „Die A n f ä n g e des Heiligenkultus in der christlichen Kirche", 6 P f l e i d e r e r , „Die Attribute ed. A n r i e h (Tüb. 1904), 269, 466, 521 ff. der Heiligen" (Ulm 1898), 117; es sei n u r an das erste Blatt von D ü r e r s „Marienleben", u n d vor allem an das weltberühmte Bild des M u r i l l o erinnert, s. J u s t i , „Murillo" (Leipzig 1892), 52. (Eine herrliche Kopie besitzt die S c h a c k s c h e Galerie in München.) D a ß diese symbolische Darstellung s p ä t e r z u n ä c h s t ' a u s „ O f f e n b a r u n g Johannis" cap. 12 (Halbmond zu Füßen einer göttlichen Erscheinung), geschöpft sein kann, ist richtig; d o r t entstammt aber die Vision jedenfalls schon dem Kreise der oben erwähnten 7 Anschauungen. L u c i u s 420ff.; H a r n a c k , „Dogmengeschichte" (Tüb. 1905), 251.
ZUR GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
197
der Pelagia als Schützerin der Seefahrer, 1 (von denen sie noch heute
in
allen
italienischen
Hafenstädten
verehrt
und
mit
Votivgaben b e d a c h t wird), 2 sowie als Göttin des Wassers und Herrin mit
Maris". 3
des Meeres, „ R e g i n a
jener
des
größten
Chemie zusammenfiel, d ü r f t e auch der
Isis"
in
„Bad
In dieser
Aufschwunges
der
Maria"
der
Epoche,
die
alexandrinischen
die U m t a u f e des stattgefunden
„Bades
haben.
Für
Übergänge solcher A r t fehlt es keineswegs an Analogien:
der
m i t dem Silberglanze des Mondes leuchtende Lapis specularis (Spiegelstein),
der
Isis-Selene
zu
Ehren
Selenit
(Mondstein)
g e n a n n t , w u r d e z u m Speculum Mariae, Glace de Marie (Marienglas),
irrtümlich
Frauen e i s ; 4
übersetzt:
das
heilige
Opfer-
u n d A r z n e i k r a u t (imu ßorüvr})
Verbena officinalis, das „ T r ä n e
der
Synonymen)
Träne
der
Hera,
Persephone
hieß, 5
und
unter
Isis"
oder
Aphrodite,
(nach
Artemis,
deren
Demeter,
diesen N a m e n z u m Teil bis ins Mittelalter, j a bis in die Neuzeit f o r t l e b t e , 6 w a n d e l t e sich z u m M a r i e n k r a u t , 7
das in
den
österreichischen Alpen noch h e u t e an die Altäre der heiligen J u n g f r a u gesteckt wird u n d die Kinder sowie das Vieh
vor
K r a n k h e i t e n schützt, wenn es, — wie schon ein u m 1250 verfaßtes
altdeutsches
Arzneibuch
„ g e w e i h t " worden ist. Die
Angabe
wußte8
—,
am
Marientage
9
Kopps,
daß
die
ältesten
mittelalterlichen
1 2 L u c i u s 461. A n d r e e , „Korresp.-Blatt d. deutschen Gesellschaft 3 f. A n t h r o p o l o g i e " (1905), 113. L u c i u s 522; R o s c h e r 428 (61). 4 Im Kodex der Marciana aeXijvidtov, u n d mit der Mondsichel bezeichnet ( „ O r i g . " 116); R u l a n d u s im „Lexicon Alchimiae" (Frankfurt 1512) nennt ihn M o n d s t e i n , lapis l u n a e , glacies Mariae, d. i. unserer lieben Frauen Eis 5 (289, 291, 274, 248). L a n g k a v e l , „Botanik der späteren G r i e c h e n " (Berlin 1866), 60; über die T r ä n e , die Isis u m Osiris weinte, s. R o s c h e r 6 456 (31). W o e n i g 398; R e l i n g u n d B o h n h o r s t , „ U n s e r e Pflanzen 7 u n d ihre deutschen V o l k s n a m e n " ( G o t h a 1898), 187. „Mariae herba", 3 s. bei L a n g k a v e l 179. „Zwei Deutsche Arzneibücher", ed. P f e i f f e r 9 (Wien 1863), 43. Isis war u. a. eine besondere Beschützerin der K i n d e r ( R o s c h e r 501); auch w u r d e sie in Gestalt einer K u h verehrt (Verbindung mit Jo), weshalb ihr die Rinder geheiligt waren.
ZUR
198
GESCHICHTE
DES
WASSERBADES
Schriften
des
„Balneum
M a r i a e " v o r f i n d e t , solche sind, deren Autoren
13. J a h r h u n d e r t e s ,
zweifelhaft aus
in
spanisch-arabischen
denen
sich
Quellen
das
Wort
schöpften,
unführt
z u m Schlüsse, d a ß d i e s e r T e r m i n u s technicus, gleich so vielen a n d e r e n der Chemie, durch arabische V e r m i t t l u n g aus Ä g y p t e n nach dem Westen gelangt sei; die Voraussetzung jedoch,
daß
Araber
und
sich des A u s d r u c k e s „ B a d der M a r i a "
bedient
ihn verbreitet h ä t t e n , k ö n n t e im ersten Augenblicke als eine ganz und gar ungereimte, j a völlig unzulässige erscheinen. Hiergegen sowohl
Moses
ist n u n wie
daran
Jesus
zu erinnern, d a ß
„den
echte G o t t e s g e s a n d t e a n e r k e n n t ,
Messias"
Mohammed
als w a h r e
und
— freilich n u r als Vorläufer
seiner selbst, als des rechten u n d einzigen P r o p h e t e n — , u n d d a h e r J e s u s u n d seinem Geschlechte nicht n u r nicht feindselig, sondern des
verehrend
Korans
gegenübersteht:
„Maria",
und
heißt
bespricht
in
doch
die
die Person der M u t t e r J e s u u n d ihre Genealogie. Anlasse begeht M o h a m m e d ,
19. Sure
ausführlicher
Weise
Bei diesem
dessen Bildung b e k a n n t l i c h eine
sehr mäßige, u n d dessen (auf K a u f m a n n s r e i s e n nach Syrien usf. erworbene) äußerst
Kenntnisse
vom
d ü r f t i g e waren,
einen
JudenIrrtum,
und
Christentume
dessen
nur
Bedeutung für
die Geschichte der Chemie noch kein Historiker dieser Wissens c h a f t b e m e r k t zu haben s c h e i n t : er g l a u b t nämlich, d a ß die heilige
Maria
oder M i r j a m
die
nämliche
die Schwester
Persönlichkeit Mosis,
ist
wie
Maria
bezeichent A m r a n ,
V a t e r des Moses, auch als den ihrigen (Sure 3), u n d
den nennt
d a h e r J e s u s bald „ d e n Sohn der M a r i a " (Sure 4 und 5), bald „ d e n Sohn der M i r j a m " (Sure 2). 1 Die Quelle des e r w ä h n t e n reichen, 1
in Ä g y p t e n
und
Irrtumes ist in den so einfluß-
Vorderasien
noch
jahrhundertelang
Ubersetzung des Korans von U l i m a n n (Bielefeld 1872), 9, 29, 38, 74, 79, 87, 253. Nach U l l m a n n , S. 253, war diese Verwechslung seit jeher einer der größten Steine des Anstoßes für die Ausleger; s. auch A. M ü l l e r s Einleitung und Erklärungen zu Fr. R ü c k e r t s Koran-Übersetzung (Frankfurt 1888; 6 und 440).
ZUR
weit
DES
WASSERBADES
199
Lehren der Gnostiker zu s u c h e n ; 1
nachwirkenden noch
GESCHICHTE
mehr
ihre späteren
diese,
Nachfolger, sehen
in
und
Moses
einen Meister aller n u r erdenklichen zauberischen u n d Geheimkünste, 2
schreiben
medizinischen,
die
und
nämlichen
seiner Schwester M i r j a m Voraussetzungen
theologischen,
chemischen zu,
entsprechend,
Kenntnisse
lassen diese sodann, an
Stelle der
und identifizieren sie schließlich mit deren Erbin,
der
heiligen
Chemikerin
Maria,
zeichnet
3
wird.
Maria,
zugleich
die n u n
auch
Angesichts
magischen,
wie i h m
dieser
auch
derartigen
Isis
eintreten,
Nachfolgerin
aber
auch
als „ J ü d i n
Verkettungen
und
mit
der
Maria"
be-
dürfte
der
Gebrauch der Bezeichnung „ B a d der M a r i a " seitens arabischer Chemiker nicht m e h r als unwahrscheinlich von der H a n d weisen
sein;
quickungen gemäß
auch
lehren
die verschiedenen
verschiedene
auffaßten und erkennen,
gerade
Kreise
deuteten,
durch
die
absonderlichen
Beziehungen
den
und
diese Namen
lassen
verstehen,
„Balneum
zugleich
eine halbvergessene
die
zu Ver-
denen Mariae"
Umstände
Persönlichkeit
wie
jene Chemikerin zu neuen Ehren gelangte, und s p ä t e r in ganz ungerechtfertigte V e r b i n d u n g mit dem W a s s e r b a d e k a m ; endlich
den Schriftstellern des Abendlandes
jene
daß
gnostischen
K o m b i n a t i o n e n nicht vor dem 13. J a h r h u n d e r t e , also erst zusammen werden, 4
mit
der
spricht
Bezeichnung ebenfalls
„Balneum
zugunsten
des
Mariae"
bekannt
dargelegten
Zu-
sammenhanges. Folgendes wären
also die
Leitsätze zur
Beurteilung
der
Geschichte von Alter, H e r k u n f t , u n d N a m e n des W a s s e r b a d e s : 1. Die der 1
Chemikerin
Maria
zugeschriebenen
Traktate
2 R e i t z e n s t e i n 136. R e i t z e n s t e i n 136; K o p p , „Beitr." 396. R e i t z e n s t e i n 183, 187, 136; K o p p , „Beitr." 402ff.; K o p p , „ D i e Alchemie" (Heidelberg 1886), I, 207 u n d II, 370. D a h e r gibt Maria an Stelle der Isis deren Sohn H o r u s chemische Lehren („Beitr." 406; H o e f e r l , 283); es handelt sich u m die S t e l l v e r t r e t u n g , nicht, wie H o e f e r glaubte (a.a.O.), um eine U n t e r s c h i e b u n g der Maria seitens irgendeines christlichen Autors. 4 K o p p , „ A i c h . " I, 207.
200
ZUR
GESCHICHTE
DES
WAS
SERBADES
e n t h a l t e n , soweit sie als b e k a n n t u n d echt gelten dürfen, nichts über das W a s s e r b a d . 2. Die
Anwendung
des
Wasserbades
zu
kulinarischen,
kosmetischen, u n d p h a r m a z e u t i s c h e n Zwecken w a r aber schon im
5. vorchristlichen
Jahrhunderte
keineswegs
mehr
etwas
Neues. 3. Die hellenistische Zeit b r i n g t zur
Wassergöttin
gewordenen
das Wasserbad
Isis
in
Verbindung,
chemische Geheimsprache b e n e n n t es „ B a d der
mit
der
und
die
Isis".
4. Indem an Stelle der I s i s die h e i l i g e M a r i a
eintritt,
wird das „ B a d der I s i s " z u m „ B a d der M a r i a " . 5. Die
arabischen
Chemiker,
—
da
für
sie
die
heilige
Maria mit Maria oder M i r j a m , der Schwester Mosis, sowie mit der
Chemikerin
Maria
verschmilzt
—,
nehmen
diese
Be-
Quellen
be-
zeichnung auf, u n d bringen sie nach dem W e s t e n . 6. D o r t kannt,
übersetzt. Isis mit
wird
und
mit
sie
aus
„Balneum
(„Balneum
= Meer
bei
Pelagia,
Kleopatra
zusammen,
worden sein k a n n . )
Mariae",
Bain-Marie,
Marienbad,
m a r i s " geht entweder u n m i t t e l b a r
als Meeresgöttin, der
spanisch-arabischen
die
Marina,
vorkommenden übrigens
später
zurück,
oder
Benennung auch
auf
hängt 7iovtoq
umgedeutet
\2 DAMPFTOPFES1
EIN VORLÄUFER DES PAPINSCHEN
er 1681 von P a p i n nannte I das
Topf
Erhitzen
l u f t d i c h t verschlossenen rischen
Druck,
Dämpfe
und
beschriebene und nach
oder „ D i g e s t o r "
bezweckt
von
mit
Substanzen
Gefäßen
gestattet,
auf sie
bekanntlich
als
in
atmosphä-
Wirkung
gespannter
auszusetzen.
Auch dieser, anscheinend völlig neuartige, und von gewiß
be-
Flüssigkeiten
höheren
der
ihm
selbständig
geschichte,
erdachte
Apparat
hat
indes
seine
und zwar f i n d e t sich eine zugehörige
bei P h i l u m e n o s ,
einem griechischen
Papin Vor-
Bemerkung
Arzte, dessen
Lebens-
zeit nach neueren Forschungen W e l l m a n n s etwa in die Mitte des 3. J a h r h u n d e r t e s unserer Zeitrechnung fällt. 2 gegen
250
n. Chr.
verfaßten
Medico-Historiker P u s c h m a n n
Schriften
gab
Von seinen,
der
berühmte
1886 eine Anzahl, anscheinend
allein in einer alten lateinischen Übersetzung erhaltener
Frag-
m e n t e heraus, 3 deren eines die R u h r k r a n k h e i t behandelt,
und
insbesondere auch die bei dieser zu b e o b a c h t e n d e Diät.
Da-
selbst 1
heißt
es bei
Bereitung
einer geeigneten
Brühe
oder
2 „ C h e m i k e r - Z e i t u n g " 1909, S. 1097. P u s c h m a n n s „Handbuch der Geschichte der Medizin" (Jena 1902; Bd. 1, S. 339); neuestens glaubt jedoch W e l l m a n n die Lebenszeit des P h i l u m e n o s bis etwa 180 n. Chr. hinaufrücken zu sollen (s. Mitteilungen zur Geschichte der Medizin u n d der 3 Naturwissenschaften 1909, Bd. 8, S. 433). „ N a c h t r ä g e zu A l e x a n d e r T r a l l i a n u s " (Berlin 1886). — In jüngster Zeit erschien noch eine Schrift „ D e venenatis animalibus e o r u m q u e remediis", ed. W e l l t n a n n (Leipzig 1908).
EIN
202
VORLÄUFER
DES
PAPINSCHEN
DAMPFTOPFES
aus G e r s t e n s c h l e i m : 1
Tisane (ptisana)
,, . . . man
bringt
ihn
nebst Regenwasser in einen neuen Topf, setzt den Topf, nachdem m a n ihn verschlossen und v e r s c h m i e r t hat (clausam ollam illiniri), a b e n d s in einen Ofen, der mit glühenden Kohlen gefüllt ist, u n d läßt ihn, von diesen umgeben, d o r t die ganze N a c h t über s t e h e n ; durch den Dampf geht nämlich der Schleim in Lösung, und m a c h t die B r ü h e dick und kleisterartig". späterer Stelle
2
An
wird noch, hinsichtlich der Zulässigkeit zarten
Fleisches, b e m e r k t : „ M a n c h e kochen in der Tisane auch Kalbsf ü ß e (ungulas vitulinas) die ganze N a c h t hindurch, bis sie sich lösen,
wodurch
der
Schleimsaft
steif
wird
und
gelatiniert"
(spissus fit et glutinosus). Dieser einem
kurzen
älteren
Schilderung,
Autor
entlehnte,
die
Philumenos
— denn
zweifellos
er selbst
wird
als
„bloßer Elektiker und K o m p i l a t o r " bezeichnet —, ist zu entnehmen, d a ß ein Verfahren des Kochens u n t e r Druck in einem Topf mit g u t passendem und d a m p f d i c h t a u f g e k i t t e t e m Deckel, spätestens
schon
im
3. J a h r h u n d e r t e
unserer
Zeitrechnung
p r a k t i s c h a n g e w a n d t , u n d jedenfalls auch allgemeiner b e k a n n t war, da es P h i l u m e n o s heit beschreibt.
nicht mit dem A n s p r ü c h e auf
Neu-
Merkwürdig bleibt, d a ß es auch schon zur Dar-
stellung einer Gelatine diente, denn, neben der Bereitung einer Quintessenz aus Fleisch und aus Knochen, zählte gerade die eines (angeblich sehr n a h r h a f t e n , u n d die wertvollsten B e s t a n d teile des Fleisches e n t h a l t e n d e n ) Gelees zu den H a u p t a u f g a b e n , die P a p i n
mit
Hilfe
seines
Dampf topf es
gelöst
zu
haben
g l a u b t e ; 3 ein sehr wesentlicher Teil des P a p in sehen Digestors, der sich als d a u e r n d wichtige E r r u n g e n s c h a f t auf die Nachwelt vererbt
hat,
fehlt
allerdings
bei
Philumenos:
das
Sicher-
heitsventil. 1 2 3 a. a. O., S. 42. a. a. O., S. 46. Siehe meine „Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften" (Leipzig 1906, S. 344).
Dritte Abteilung
13 ZUR
GESCHICHTE
DES
UND SEINES
ALKOHOLS
NAMENS1
1. bgleich der Alkohol in wissenschaftlicher,
technischer,
u n d volkswirtschaftlicher Hinsicht eine Rolle von ungewöhnlicher
Bedeutung
spielt, zeigen sich
dennoch
weite Kreise so gut wie u n b e k a n n t mit seiner Geschichte.
Diese,
soweit sie die ersten Anfänge b e t r i f f t , in ihren Umrissen vorz u f ü h r e n und in einigen belangreichen P u n k t e n zu berichtigen, ist Zweck
des heutigen
kurzen Vortrages, w ä h r e n d
gehende mit Quellenangaben
auszustattende
eine ein-
Darstellung
einer
späteren Zeit vorbehalten bleiben mag. Im
Gegensatz zu älteren, völlig u n h a l t b a r e n
Annahmen,
die leider durch die S c h r i f t : „ Z u r Geschichte der p h a r m a z e u tisch-chemischen dings
weite
daß
das
Destilliergeräte",
Verbreitung
klassische
fanden,
Altertum
von ist
H. S c h e l e n z zunächst
weder
Aristoteles
oder T h e o p h r a s t
festzustellen,
eigentliche
tungen zur Destillation, noch den Alkohol k a n n t e .
neuerVorrich-
W e n n u. a.
v o m Aufleuchten der Opfer-
feuer beim Eingießen von Wein sprechen, so geben sie hiermit
nur 1
einer
uralten
Beobachtung
Ausdruck,
ohne
jedoch
Auf vielseitigen W u n s c h schrieb ich diesen Vortrag, an der H a n d meiner Notizen, zunächst so nieder, wie ich ihn am 31./5. 1912 gelegentlich der H a u p t v e r s a m m l u n g des „Vereins Deutscher C h e m i k e r " in Freiburg hielt. („Zeitschrift f ü r a n g e w a n d t e C h e m i e " 1912, S. 2061; vgl. auch S. 1179 u. 1680).
204
ZUR
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
im geringsten zu a h n e n , d a ß dabei einer besonderer Bestandteil des Weines in F r a g e k o m m e , u n d das Nämliche gilt auch f ü r die von P l i n i u s ü b e r m i t t e l t e W a h r n e h m u n g , d a ß der Falerner, ein sehr s t a r k e r italischer Wein, u n t e r U m s t ä n d e n werden
könne.
Die
Behauptung,
angezündet
d a ß bei A r i s t o t e l e s
von
einer methodischen Destillation des Meerwassers die Rede sei, ist ebenfalls ganz irrtümlich,
wie a m besten
daraus
d a ß nicht einmal sein K o m m e n t a t o r A l e x a n d e r v o n disias, ein
der
halbes
im
3. nachchristlichen
Jahrtausend
nach
ihm
Jahrhundert, lebte,
erhellt, Aphro-
also
über diesen
etwa Punkt
bessere K e n n t n i s s e besitzt wie der Meister selbst.
W a s endlich
Plinius
ihrer
und
Dioskurides
an
einigen
Stellen
Werke
ü b e r eine A r t von Destillation oder vielmehr Sublimation berichten, z. B. über die des Quecksilbers, das sich als ein Schweiß, D u n s t oder R a u c h (cci&älr], sudor) an dem A m b i x g e n a n n t e n Deckel der b e n u t z t e n
V o r r i c h t u n g ansetzt, läßt n u r
ersehen,
d a ß zwar bescheidene A n f ä n g e p r a k t i s c h e r Verfahren v o r h a n d e n waren,
von
irgendwelchen
vollkommeneren
Apparaten
aber
gar nicht die Rede sein k a n n . Die g r i e c h i s c h e n A l c h e m i s t e n ,
die w ä h r e n d der ersten
J a h r h u n d e r t e unserer Z e i t r e c h n u n g hauptsächlich zu Alexandria lebten
und
schrieben,
kannten
zwar
bereits
eine
wirkliche
Destillation, die übrigens von der Sublimation noch nicht scharf g e t r e n n t wurde, u n d b e f a n d e n sich auch im Besitze b e d e u t e n d verbesserter G e r ä t s c h a f t e n , deren Abbildungen durch die historischen
W e r k e von K o p p
und B e r t h e l o t
bekannt
geworden
sind, aber diese Geräte waren, hauptsächlich wegen der vollständig ungenügenden,
zuweilen
sogar f a s t ganz
mangelnden
K ü h l v o r r i c h t u n g e n , u n b r a u c h b a r zur B e h a n d l u n g niedrig siedender Flüssigkeiten;
bis in die letzte Zeit der griechischen
chemie, also bis in das 6. u n d 7. J a h r h u n d e r t hinein,
Al-
macht
sich in dieser Hinsicht k a u m ein merklicher F o r t s c h r i t t bemerkbar,
so d a ß
Stephanos
z. B. einer der letzten von
Alexandria,
hellenistischen
Autoren,
nicht wesentlich besser u n t e r -
ZUR GESCHICHTE
DES ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
205
richtet erscheint als seine etwa f ü n f h u n d e r t J a h r e älteren Vorgänger.
W e n n sehr o f t ganz anderes a n g e n o m m e n worden ist,
so r ü h r t das h a u p t s ä c h l i c h m i t daher, d a ß sich bei den griechischen Alchemisten ein Ausdruck vorfindet, den ihre späteren lateinisch schreibenden Fachgenossen mit „ a q u a v i t a e " wiedergaben, und den m a n fälschlicherweise mit „ W e i n g e i s t "
über-
setzen zu dürfen g l a u b t e ; dies ist jedoch ganz unberechtigterweise geschehen,
denn jenes „ a q u a v i t a e " ,
wörtlich
„Wasser
des Lebens", ist nichts anderes als das uralte z a u b e r k r ä f t i g e „Lebenswasser",
das,
nach
den
Überlieferungen
ägyptischer
Mythologen, schon die Göttin I s i s erfand, die es bereitet haben soll,
u m m i t ihm die v o m
Gotte S e t h
oder T y p h o n
zer-
stückelte Leiche ihres G a t t e n O s i r i s zu begießen, und diesen so zu neuem Leben zu erwecken. Derlei Lebenswasser, (äO-avaaiaq (fdofiaxov, Mittel der Unsterblichkeit), — von dem, auf G r u n d späterer
hellenistischer
Quellen,
auch
der griechische
Histo-
riker D i o d o r berichtet, ferner der w e l t b e r ü h m t e Arzt G a l e n o s , sowie auch der sog. „Brief A l e x a n d e r s des Großen an A r i s t o teles",
dessen
syrisches
Original
vor
längerem
wieder
auf-
g e f u n d e n w u r d e —, h a t also o f f e n b a r nicht das Geringste m i t unserem
heutigen
Weingeiste
zu
schaffen, und
jede
weitere
A u s f ü h r u n g hierüber erübrigt sich. D a f ü r , daß auch noch die spätesten Zeiten des A l t e r t u m s nichts v o m Alkohol w u ß t e n , ließen sich zahlreiche Stellen der L i t e r a t u r a n f ü h r e n , doch genüge es, auf zwei recht teristische
hinzuweisen:
Der
heilige
Basilius,
der
charakum
350
n. Chr. in einer seiner Schriften die V e r k o m m e n h e i t der Zeitgenossen tadelte, eifert in ihr auch sehr eingehend gegen die T r u n k e n h e i t , weiß sie aber auf nichts anderes z u r ü c k z u f ü h r e n als auf den W e i n d u n s t , die a l & ä l r ] des Weines, die den T r i n k e r n zu K o p f e steige, — d e m n a c h auf eine seit den ältesten Zeiten allgemeine
und
geläufige
Umschreibung.
Auch
Macrobius,
der u m 400 n. Chr. lebte, stellt eine höchst ausführliche U n t e r s u c h u n g d a r ü b e r an, weshalb wohl der Wein t r u n k e n
mache,
206
ZUR
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
der Most aber n i c h t ; n a c h d e m er, seiner Gewohnheit die Meinungen
aller
möglichen
gemäß,
Schriftsteller u n t e r s u c h t
und
besprochen h a t , gelangt aber auch er zu keinem anderen gebnisse,
als dem
Basilius Auch
soeben
aus
der
Abhandlung
des
Er-
heiligen
angeführten. dem
syrischen
und
arabischen
entgegen den Ansichten von K o p p , die
Darstellung
mit
Abbildungen
des
Weingeistes
ausgestatteten,
Zeitalter
H o e f e r , und unbekannt; ältesten
ist,
Berthelot,
aus
den,
auch
syrischen
Manu-
skripten des 8. bis 11. J a h r h u n d e r t e s ist zu ersehen, daß m a n zwar zu jener Zeit v e r v o l l k o m m n e t e A p p a r a t e des griechischen Typus
besaß,
die
das
Destillieren
von
Wasser,
von
allerlei
wohlriechenden Wässern und Essenzen, u. a. auch von
Rosen-
wasser,
ermög-
gestatteten,
daß
diese aber
noch
keineswegs
lichten, auch die D ä m p f e einer so niedrig siedenden Flüssigkeit wie Alkohol überzutreiben und niederzuschlagen.
Nicht selten
ist in diesen W e r k e n die Rede v o m „ S c h w i t z e n " der reagierenden
Körper,
und
eine U m s e t z u n g
gilt
f ü r vollendet,
wenn
das Schwitzen des Gefäßes a u f h ö r t u n d sich nichts m e h r an dem auf oder über ihm liegenden Deckel a n s e t z t ;
wie auch
dieser Hinweis ersichtlich m a c h t , fehlt es also immer noch an einer
ausreichenden
Schriften
der
10. J a h r h u n d e r t zurückgehen,
Kühlvorrichtung.
sog. „ T r e u e n stammen,
erwähnen
Brüder",
aber auf
ebenfalls
—
Die
die aus
arabischen dem
sehr viel ältere nur
die
9.
oder
Quellen
Destillation
des
Wassers, Rosenwassers, Essigs usf., nicht aber die des Weines. Die erste
persische
Pharmakopoe
des A b u
Mansur,
die
u n g e f ä h r 950 niedergeschrieben ist u n d d u r c h a u s auf den Überlieferungen
des
9.
bis
10. J a h r h u n d e r t s
beruht,
kennt
die
Destillation des Weines n i c h t ; die des Wassers, das als destilliertes Wasser zu p h a r m a z e u t i s c h e n Zwecken empfohlen wird, gilt ihr noch als sehr neu, u n d neu erscheint ihr auch die K u n s t , das Meerwasser zu destillieren, so d a ß die durch S t ü r m e auf die hohe See Verschlagenen f o r t a n nicht m e h r zu v e r d u r s t e n
brauchen.
ZUR GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
207
In sehr b e s t i m m t e r Weise wird betreffs des h o c h b e r ü h m t e n arabischen Arztes R ä z i
versichert, er h a b e im 9. J a h r h u n d e r t
die Darstellung des Alkohols g e k a n n t u n d sei sogar der erste gewesen,
der
ihn
als
Arzneimittel
innerlich
zu
verwenden
w a g t e ; alle solchen Angaben sind jedoch, soweit seine echten Schriften in
Frage
kommen,
ganz
unzutreffend,
denn
diese
enthalten kein W o r t , das derartigen Voraussetzungen als Unterlage dienen k a n n . aus
Zucker,
Allerdings e r w ä h n t R ä z i
Honig,
= „nachgeahmten daß
das von
immer
ihm
Reis
Weine",
wobei
gebrauchte
eine wirkliche
die durch G ä r u n g
u. dgl. hergestellten noch
Wort
zu
„vina
falsa"
beachten
bleibt,
„fermentari"
Gärung bedeutet,
sondern
E r w ä r m e n oder Digerieren; von einem flüchtigen dieser
gar
nicht
oft nur
ein
Bestandteile
G ä r u n g s p r o d u k t e spricht er jedoch nirgends, und
was
m a n in den lateinischen Übersetzungen seiner W e r k e als Bezeichnung eines solchen a u f g e f a ß t h a t , ist vermutlich wiederum n u r der Ausdruck ,,Aqua v i t a e " .
Dieser ist aber bei R ä z i
der
„Elixier"
Regel
gleichbedeutend
mit
oder
„Stein
in der
Weisen", und das geht auf die alte, als platonisch angesehene Lehre zurück, d a ß die unedlen Metalle sich von den edlen in gleichem Sinne unterscheiden, wie die k r a n k e n Körper von den gesunden, nämlich durch den Überfluß oder Mangel der vier
Elemente,
daher
denn
z. B. dieselbe
einzelner
Substanz,
die
den Siechen gesund m a c h t , auch fähig sein wird, das unedle Metall in ein edles zu v e r w a n d e l n : sie h a t d a n n , ebenso als „Lebenswasser"
dem K r a n k e n , wie als „ E l i x i r "
dem unedlen
Metalle, das nötige fehlende Element wieder z u g e f ü h r t . Ebensowenig wie bei R ä z i findet sich auch bei A v i c e n n a (Ibn
Sina),
bischen
dem b e r ü h m t e s t e n und einflußreichsten der ara-
medizinischen
hunderts,
irgendeine
Autoren, Kenntnis
an
der W e n d e
des
des
Weingeistes;
10. J a h r alle
ein-
schlägigen Angaben sind e n t w e d e r wiederum auf I r r t ü m e r der erwähnten
Art
zurückzuführen,
oder
auf
Benutzung
einer
der zahlreichen gefälschten Schriften, die gerade diesem Ver-
ZUR
208
GESCHICHTE
DES ALKOHOLS
fasser in späterer Zeit
UND SEINES
mit größter K ü h n h e i t
NAMENS
untergeschoben
wurden. W a s die Folgezeit a n b e l a n g t , so ist es natürlich unmöglich, auf
jeden
der
einzelnen
muslimischen
Autoren
in
gleichem
Sinne einzugehen wie auf die eben g e n a n n t e n , besonders wichtigen Verfasser. nächsten
Es sei d a h e r n u r hervorgehoben, d a ß auch in den Jahrhunderten
chemischen keinem Arzt,
oder
physikalischen
Verfasser einer auch
nicht
Abul-Kasim,
Kenntnis
bei
des
Autor
Pharmakopoe, dem
Alkohols
bei
keinem
nachzuweisen und
berühmten
auch
ist,
bei
bei
keinem
spanisch-arabischen
der u m 1107 s t a r b ; denn entgegen dem h ä u f i g
über ihn A n g e f ü h r t e n b e n u t z t e dieser n u r A p p a r a t e zur stellung des Rosenwassers u. dgl.,
die den alten
Dar-
griechischen
noch ganz ähnlich sind, u n d obwohl er, u n t e r A n l e h n u n g an eine Stelle des A r i s t o t e l e s , die R e d e n s a r t g e b r a u c h t : „ebenso k a n n , wer es will, auch Wein destillieren", so berichtet er doch m i t keinem W o r t e , d a ß er dies wirklich a u s g e f ü h r t habe, und sagt namentlich auch nichts über die Eigenschaften eines solchen Destillates.
Keine E r w ä h n u n g des Alkohols f i n d e t sich
auch
in den ausführlichen Schriften der arabischen Reisenden
und
Geographen,
den
zahlreichen
von
Ibn-Haukal
Zusammenstellungen
bis über
Ibn-Batuta; die zumeist
in in
natura
zu leistenden steuerlichen Abgaben, die doch z. B. des Rosenwassers in Persien schon sehr f r ü h g e d e n k e n ; in den eingehenden
Berichten
über die gleichfalls vorwiegend
folgende Zuteilung von
Lebens- u n d
an
und
höfische Angestellte
den W e r k e n
der arabischen
Beamte;
in n a t u r a
Genußmitteln endlich
oder persischen
er-
aller
auch
Art
nicht
Dichter,
in
obwohl
deren Divane, wie b e k a n n t , oft f a s t ausschließlich dem Preise des Weines, sowie der außerordentlich z u t r e f f e n d e n Schilderung der Folgen seines ü b e r m ä ß i g e n Genusses gewidmet sind.
Selbst
in solchen Schriften fehlt jede H i n d e u t u n g auf Alkohol, die ausführlich gerade
über den Wein, seine
Herstellung u n d
w e n d u n g h a n d e l n , so z. B. in dem großen „ B u c h e der
VerLand-
ZUR
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
209
Wirtschaft" des spanischen Arabers I b n - a l - A w a m ,
um
in
Nahrungs-
der
berühmten
„Enzyklopädie
m i t t e l " des I b n - B e i t h a r
der
Heil-
und
1150,
gegen 1250, sowie in den späteren
vielbändigen Enzyklopädien des D i m e s c h k i , anderer Autoren des, 13. J a h r h u n d e r t s .
Kazwini,
und
Ausdrücklich sagt da-
gegen — u n d dieser Hinweis ist sehr wichtig — A l - K h a z i n i in jenem A b s c h n i t t e seiner 1120 v e r f a ß t e n S c h r i f t : „ D i e W a g e der Weisheit", der sich mit der B e s t i m m u n g der spezifischen Gewichte beschäftigt, d a ß die spezifisch leichteste aller haupt
bekannten
Flüssigkeiten
das
Olivenöl
sei;
über-
von
dem
spezifisch erheblich leichteren Alkohol w u ß t e er also nichts. Nach gegen
allem
Angeführten
sämtlichen
stehend
erachten,
der Weingeist als
kohol
darf
bisherigen daß
nicht
der
es w o h l ,
arabischen
bekannt
„arabische
man
Annahmen, war,
Erfindung"
fest-
Wissenschaft
und zu
ent-
für
daß
der
streichen
Al-
ist.
2 Diesem
negativen
Ergebnis
gegenüber
erhebt
sich
nun
die positive F r a g e : W a n n und wo w u r d e der Alkohol in Wirklichkeit zuerst d a r g e s t e l l t ?
Sie ist dahin zu b e a n t w o r t e n , d a ß
die E n t d e c k u n g des Weingeistes aller Wahrscheinlichkeit
nach
in I t a l i e n geschah, das sich schon im f r ü h e n Mittelalter u n t e r den übrigen K ü s t e n l ä n d e r n des westlichen Mittelmeeres durch reichlichen W e i n b a u und
auch
reicher,
bereits
vielfach
misten war. ihren
seit dem
dem
11. J a h r h u n d e r t
geistlichen
Stande
auszeichnete,
Wohnsitz
angehöriger
zahlAlche-
Neue E r f i n d u n g e n besonderer Art, die diese bei
praktischen
Arbeiten
machten,
zu
jenen
Zeiten
gefährlich,
denn
je
öffentlichen, w a r ordentlich
und große W e i n p r o d u k t i o n
ohne
unter
weiteres zu Umständen
merkwürdiger
und
ver-
außer-
auffälliger
die Ergebnisse der Forschungen ausfielen, desto leichter m o c h t e m a n in den V e r d a c h t geraten, die Hilfe des Teufels in Anspruch g e n o m m e n
zu haben
v. L i p p m a n n , A b h a n d l . u. Vortr.
II.
und
ein
Häretiker
oder 14
Ketzer
ZUR
210
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
zu sein, was nicht n u r das W e r k , sondern auch den A u t o r zum Scheiterhaufen
führen konnte;
ihre wichtigsten steckter deren u. a.
Form
aus
die Chemiker
brachten
daher
F u n d e der Mitwelt nicht selten n u r in verzur Kenntnis,
jenen
das sehr
in Gestalt
Jahrhunderten
berühmte
für
sog. K r y p t o g r a m m e ,
verschiedene
Schießpulver,
bekannt
sind,
das sich in
den
Schriften des R o g e r B a c o n erhalten h a t . Auch
die
Alchemisten ist
wohl
Destillation
scheint
seitens jener
erheblich verbessert worden ihnen
einem einzigen
die
Benutzung
Stücke
eines
zu v e r d a n k e n ,
Benennung, „Retorte",
italienischen
zu sein,
namentlich
Destilliergefäßes
f ü r dessen
aus
romanische
ein griechisches Vorbild nicht b e s t e h t ;
die U m g e s t a l t u n g des Helmes, sowie die Möglichkeit, das die D ä m p f e a b f ü h r e n d e R o h r erheblich zu verlängern, d ü r f t e hierbei
zu
einer
verbesserten
Kühlung
g e f ü h r t haben,
die,
wie
schon wiederholt e r w ä h n t , als Vorbedingung f ü r die Kondensation leichtflüchtiger D ä m p f e u n d f ü r das Auffangen der so e n t s t e h e n d e n niedrig siedenden Flüssigkeiten anzusehen ist. Das erste W e r k , das, dem Boden italienischer Gelehrsamkeit e n t s p r u n g e n , f ü r die Geschichte des Alkohols in Betracht k o m m t , f ü h r t den Titel „ M a p p a e Clavicula" und ist, wesentlich byzantinischen
kunstgewerblichen
10. J a h r h u n d e r t abgefaßt.
Die
durch
Traditionen
einen
älteste
bisher
erhaltene
folgend, im 9.
nicht
ermittelten
Handschrift,
oder Autor
Eigentum
der
Bibliothek zu S c h l e t t s t a d t im Elsaß, ist nach dem Urteile der Sachverständigen
im
10. J a h r h u n d e r t
niedergeschrieben,
und
e n t h ä l t noch keine A n d e u t u n g über den Weingeist. Wir kennen aber
noch
ein zweites,
in
England
befindliches
Manuskript,
das dem 12. J a h r h u n d e r t a n g e h ö r t , u n d in diesem findet sich, in
Gestalt
Berthelot
eines
der
erwähnten
richtig e r k a n n t u n d
Kryptogramme,
das
zuerst
entziffert h a t , die erste
Er-
w ä h n u n g des- Alkohols, der also sichtlich zu jener Zeit noch etwas
ganz
lautet
dahin, m a n solle einen Teil alten, sehr starken
Neues,
Geheimzuhaltendes
war.
Die
Vorschrift Wein
ZUR GESCHICHTE
DES ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
mit drei Teilen Salz in den hierzu gebräuchlichen zum
Sieden
sich
zur
erhitzen, wodurch
Flamme
entzündet,
man ohne
ein Wasser seine
21 1
Apparaten erhalte,
Unterlage
zu
b r e n n e n ; o f f e n b a r h a n d e l t es sich also u m einen noch wasserhaltigen
u n d schwachen Weingeist.
b u n g im M a n u s k r i p t e in
dem
man
aus
mit
dem
Recht
aus dem
Da diese
10. J a h r h u n d e r t e
das verrecht
Beschrei-
noch fehlt,
12. sich aber eingeschaltet findet, so wird folgern
dürfen,
daß
die
Erfindung
in
der
Zwischenzeit, also im 11. J a h r h u n d e r t etwa, g e m a c h t worden sei. Weiteres
über
den
Weingeist
„ F e u e r b u c h " des sog. M a r c u s
berichtet
Graecus,
das
berühmte
mit dem sich schon
seit längerer Zeit viele Historiker beschäftigt haben, weil es auch die älteste Vorschrift zur Herstellung des enthält.
Schießpulvers
Dieses W e r k r ü h r t aller Wahrscheinlichkeit nach ur-
sprünglich wirklich von einem Griechen n a m e n s M a r c u s her, und beschreibt, wie schon der Titel „ L i b e r ignium ad c o m b u r e n d o s hostes"
ersehen läßt, in seiner ersten Gestalt die Herstellung
der zum Teil schon dem A l t e r t u m b e k a n n t e n , u n d im 7. J a h r hundert
sehr v e r v o l l k o m m n e t e n
B r a n d s ä t z e zum
nicht zum Erschießen, der Feinde.
Verbrennen,
Das Rezept zur Bereitung
des Schießpulvers ist ihm jedenfalls erst in viel jüngerer Zeit eingefügt worden, wie es denn ü b e r h a u p t in seiner j e t z t vorliegenden Gestalt f r ü h e s t e n s gegen 1250 niedergeschrieben sein kann.
Das älteste, in München v o r h a n d e n e M a n u s k r i p t
hält im T e x t e selbst nichts über Alkohol, in
einem
später
angehängten
Nachtrag
die
beschreibt
ent-
jedoch
Darstellung
des
Weingeistes mit folgenden W o r t e n : Alter Wein wird aus einer R e t o r t e (cucurbita) m i t einem Helm (alembic) auf schwachem Feuer destilliert, u n d was hierbei übergeht, ist das „ b r e n n b a r e W a s s e r " „ a q u a a r d e n s " , — ein Ausdruck, der übrigens auch f ü r das destillierte Terpentinöl g e b r a u c h t w i r d ; es v e r b r e n n t auf
Leinen, ohne dieses zu e n t z ü n d e n , u n d (angeblich)
auf
dem
Finger, ohne diesen zu verletzen.
Auch hier
also n u r ein noch schwacher, viel Wasser e n t h a l t e n d e r 14*
auch kann Wein-
212
ZUR
geist in
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
UND SEINES
Frage k o m m e n . — Ein jüngeres,
NAMENS
in einem
Sammel-
b a n d e zu Paris befindliches M a n u s k r i p t , das erst gegen
1300
niedergeschrieben ist, e n t h ä l t noch den R a t , m a n möge dem Wein vor der Destillation Salz, Schwefel, oder Weinstein
zu-
setzen; v e r m u t l i c h n a h m m a n an, daß die „ F e u c h t i g k e i t " des Wassers seine E n t z ü n d l i c h k e i t verhindere, und v e r s u c h t e deshalb, ihm durch Zugabe von
Chemikalien,
die im
R u f e be-
sonderer „ T r o c k e n h e i t " s t a n d e n , solche gleichfalls mitzuteilen. Bemerkenswert Weines)
ist, d a ß die auf
bezüglichen
Destillation
Abbildungen
in
skripten völlige U n v o l l k o m m e n h e i t
(aber nicht
diesen
Pariser
des
Manu-
der K ü h l v o r r i c h t u n g e n
er-
kennen lassen, so d a ß deren neu e r f u n d e n e Verbesserung wohl auch
damals
noch
den
Zeichnern
gar
nicht
bekannt
war;
vielleicht h a b e n diese aber auch n u r alte Vorlagen kopiert. Im 13. J a h r h u n d e r t , schon etwa gegen 1250, beginnt Weingeist
in
seiner
Eigenschaft
als
Heilmittel
und
der
Allheil-
mittel a u f z u t r e t e n , u n d zwar, soviel b e k a n n t ist, zuerst bei den Ärzten V i t a l i s dieser
de
Umstand
Furno
weist
und T h a d d ä u s
gleichfalls
auf
die
von
Florenz;
Entdeckung
des
Alkohols in Italien hin. Albert
der
G r o ß e , der vielseitige Gelehrte u n d Schrift-
steller (1193—1280) f ü h r t in seinen W e r k e n , deren n ä h e r e Abfassungszeit aber nicht f e s t s t e h t , den Weingeist a n ; daß, wenn (nicht
man
Wein
destilliert),
ebenso wie
eine
leichte,
Rosenwasser
obenauf
er sagt,
„sublimiert"
schwimmende,
zündliche Flüssigkeit erhalten wird, ein „liquor
ent-
inflammabilis
supernatans". Möglicherweise h a t noch vor ihm A r n a l d u s n o v a (1235—1312?) in einer seiner zahlreichen
von
Villa-
Abhandlungen
den Alkohol e r w ä h n t , u n d er w ä r e d a n n der erste dem N a m e n nach b e k a n n t e bekanntes
Autor,
berichtet.
der
über ihn
Arnaldus
als etwas schon
Wohl-
f ü h r t an, d a ß bei der
stillation des W e i n e s dessen subtilster Teil' als „ a q u a
De-
ardens"
e n t w e i c h t , als b r e n n b a r e s Wasser, das von einigen auch „ A q u a
ZUR GESCHICHTE
DES ALKOHOLS
UND SEINES
NAMENS
v i t a e " g e n a n n t werde, weil es als ausgezeichnetes die
Gesundheit
fördere und
anderen „ A q u a p e r m a n e n s " , Beiwort eine
gebraucht
stets
schon
flüssig
das
Leben
Heilmittel
verlängere,
und
unveränderliches Wasser.
Plinius,
bleibende,
um
unter
das
keiner
213
von
Dieses
Quecksilber Bedingung
als fest
werdende Masse zu k e n n z e i c h n e n ; hieraus wieder erklärt sich vermutlich
der
f ü r Weingeist
N a m e „Mercurius vegetabilis",
schon
frühzeitig
auftauchende
pflanzliches Quecksilber.
Ar-
n a l d u s b e t o n t auch, d a ß m a n den Weingeist in goldenen oder gläsernen Gefäßen a u f b e w a h r e n müsse, weil er die Eigenschaft habe,
Gerüche
und
Geschmäcke
aller
Art
anzuziehen,
und
sich hierdurch in nachteiliger Weise zu v e r ä n d e r n . W a s die Schriften des R a i m u n d
L u l l (gest. 1314?) an-
b e t r i f f t , so sind die chemischen zweifellos sämtlich erst s p ä t e r von seinen katalonischen und provenzalischen geschoben. in
dem
Schülern
unter-
In ihnen erst wird mitgeteilt, daß m a n das Gefäß,
der
kondensierte
Weingeist
aufgefangen
wird,
den
Rezipienten, in kaltes Wasser legen soll, ferner auch, daß m a n den
Weingeist
durch
wiederholtes
vorsichtiges
Destillieren,
durch sog. f r a k t i o n i e r t e Destillation, sowie durch Zusatz
von
kalziniertem Weinsteinsalz, d. i. P o t t a s c h e , erheblich v e r s t ä r k e n u n d schließlich ganz rein gewinnen k a n n , in welchem Z u s t a n d e er vollständig Überrest Im Anschluß
verbrennt,
ohne Wasser
oder
einen
sonstigen
zurückzulassen. Laufe des an
die
14. J a h r h u n d e r t s , große
Pestepidemie
hauptsächlich von
1348,
wohl
im
„schwarzer
T o d " g e n a n n t , breitete sich die K e n n t n i s u n d die A n w e n d u n g des noch sehr seltenen u n d kostspieligen Weingeistes ziemlich rasch in alle Länder aus, z u n ä c h s t aus medizinischen G r ü n d e n ; doch scheint u m diese Zeit auch die K u n s t e r f u n d e n zu sein, Alkohol
aus
Getreide
herzustellen,
wodurch
er
dann
weit
leichter erhältlich u n d viel billiger wurde, u n d allmählich auch den Zwecken des bloßen Hinsicht
ist
Genusses dienen k o n n t e .
es e r w ä h n e n s w e r t ,
daß
gegen
oder
In
dieser
nach
Ende
214
ZUR
des
14. J a h r h u n d e r t s
noch
GESCHICHTE
jetzt
recht
DES
ALKOHOLS
der
in
UND SEINES
Süddeutschland
verbreitete
Zuname
NAMENS
und
Österreich
„Weinbrenner"
zuerst
a u f t a u c h e n soll. W a s den anscheinend die arabische H e r k u n f t beweisenden Namen
Alkohol
merken,
f ü r den
Weingeist
b e t r i f f t , so ist zu
daß er wirklich zwar durch arabische
be-
Übermittlung
nach E u r o p a k a m , ursprünglich jedoch eine völlig andere Bedeutung oder
besaß.
Kohol
den
Arabern
von
ist
nämlich
schon
ein
entweder
frühzeitig
der
arabisches
Sprache
eines
Nachbarvolkes e n t l e h n t e s W o r t , das ein außerordentlich feines Pulver bezeichnete, u. a. auch die schon in den ältesten Zeiten gebräuchliche blei,
die,
Schminke
wie
der
aus
Schwefelantimon
berühmte
medizinische
oder
Schwefel-
„Papyrus
Ebers"
zeigt, in Ä g y p t e n bereits im 15. J a h r h u n d e r t v. Chr. zu t h e r a peutischen
und
kosmetischen
Zwecken
längst
allgemein
ge-
bräuchlich war.
Das W o r t „ K o h o l " , sowie seine mit dem a r a -
bischen
,,al" versehene
Artikel
Form
„Alkohol",
bezeichnete
ursprünglich also nichts weiter wie irgendein sehr feines, f a s t u n f ü h l b a r e s Pulver,
und
hat
sich in
solchem
Sinne
in
der
Chemie und P h a r m a z i e bis gegen 1800 noch vielfach e r h a l t e n : es sei in dieser Hinsicht n u r an das F e r r u m alcoholisatum erinnert, d. i. ein höchst feines Eisenpulver.
Die
Übertragung
des W o r t e s Alkohol im Sinne eines feinsten, edelsten B e s t a n d teiles, einer in völlig
Quintessenz,
willkürlicher
auf
den Weingeist, geschah
Weise
erst
h u n d e r t s durch T h e o p h r a s t u s sam u n d
zu
Anfang
Paracelsus.
allmählich f a n d sie A n n a h m e ,
des
16. J a h r -
N u r sehr lang-
in der W i s s e n s c h a f t
eigentlich erst seit Aufstellung der b e r ü h m t e n neuen k l a t u r durch L a v o i s i e r Kurz hauptung,
sei der
noch
sei
jeder B e g r ü n d u n g e n t b e h r t . überhaupt,
so auch
rungenschaft;
man
die
Nomen-
u n d seine Zeitgenossen.
darauf
Alkohol
jedoch
hingewiesen, eine
auch
die
Be-
Erfindung,
In I n d i e n ist, wie die Destillation
des Weines
kannte
daß
südasiatische keine
einheimische
Er-
zwar seit alters her gegorene be-
ZUR
GESCHICHTE
DES
ALKOHOLS
ÜND SEINES
NAMENS
215
rauschende Getränke, a h n t e aber nicht, daß sie einen charakteristischen Bestandteil enthielten, den m a n abzuscheiden vermöge.
Dies bestätigen die eingehenden
chinesischen Pilger, wie F a h i a n ,
Berichte der
Hiuen,
und
Itsing,
die der zahlreichen arabischen Reisenden bis auf im
14. J a h r h u n d e r t .
Auch
schon in undenklicher
in
China
Vergangenheit
ältesten sowie
Ibn-Batuta
bereitete
man
berauschende
zwar
Getränke,
aber von Alkohol w u ß t e m a n noch in recht s p ä t e r Zeit nicht das
Geringste;
Marco
Polo
z. B. gibt im
13. J a h r h u n d e r t
die eingehendsten Berichte über die Besteuerung der gegorenen Flüssigkeiten und den ungeheuren E r t r a g dieser Steuer, spricht aber mit keinem W o r t e über Destillation. Der h e u t z u t a g e durch ganz Asien, von den lierenden K a l m ü c k e n
Milch-destil-
des hohen Nordens bis zu den Malaien
Singapores verbreitete Ausdruck A r r a k
e n t s t a m m t dem Ara-
bischen, und zwar heißt „AI R a k " oder „AI A r a k "
wörtlich
„der
Schweiß"
von
Rak
ist
genau
„cdVähi"
bei
oder
„das
der den
Geschwitzte".
nämliche
wie
griechischen
der und
Der
Sinn
von
„sudor"
römischen
AI und
Autoren,
Arrak b e d e u t e t daher ursprünglich a l l e s Geschwitzte, so z. B. in der vorhin
erwähnten
Mansur
das destillierte Wasser.
auch
persischen
Pharmakopoe
des
Die Bezeichnung
also zweifellos z u n ä c h s t aus dem Griechischen zu den Persern sehr
und
Arabern
allmählich
durch
übergegangen, diese bis zu
Völkern v e r b r e i t e t worden, wickelten
und
oft n u r
und
ist
Syriern,
erst weiterhin
den fernsten
Abu
und
asiatischen
deren K u l t u r sie auf höchst ver-
ganz
indirekten Wegen
beeinflußten;
zuletzt blieb der N a m e d a n n a m Weingeist, als dem Geschwitzten p a r excellence, in ähnlicher Weise hängen, wie etwa der gleich allgemeine A u s d r u c k „ S u b l i m a t " gerade a m
Quecksilberchlorid.
w EINIGE
BEMERKUNGEN
ZUR
GESCHICHTE ALKOHOLS1
DER DESTILLATION UND DES
ichts ist f ü r den historischer drückender,
als zu
Studien Beflissenen be-
sehen,
wie mühevolle
gungen alter u n d eingewurzelter berücksichtigt wieder von
bleiben, u n d
neuem
wie diese
vorgebracht
und
Berichti-
I r r t ü m e r völlig un-
Irrtümer verbreitet
selbst
immer
werden,
und
zwar mit einer B e s t i m m t h e i t , als wäre eine Widerlegung noch niemals
erfolgt;
seitens a n d e r e r Schriften
der
am
betrübendsten
ist
dies
aber,
wenn
es
geschichtlicher Forscher geschieht, aus deren
große
Leserkreis
die
Belehrung
schöpfen
soll,
die er sich auf u n m i t t e l b a r e m Wege nicht zu verschaffen vermag, da es ihm hierzu an Zeit u n d Gelegenheit, an und an Kritik gebricht.
Kenntnis,
N u r aus solchem G r u n d e möchte ich
auf einige B e h a u p t u n g e n eingehen, die sich in der S c h r i f t : „ Z u r Geschichte der pharmazeutisch-chemischen Destilliergeräte" von H. S c h e l e n z die
Sache
Tätigkeit
(Berlin im
seit
Auge
1911) v o r f i n d e n ; d a ß ich hierbei habe,
Jahrzehnten
brauche
kennen,
ich
wohl
denen, nicht
die
erst zu
allein meine ver-
sichern. 1 „Zeitschrift f. a n g e w a n d t e C h e m i e " 1912, S. 1680; am 31. Mai 1912 hielt ich auf der H a u p t v e r s a m m l u n g des „Vereins Deutscher C h e m i k e r " zu F r e i b u r g einen Vortrag über die Geschichte des Alkohols u n d seines N a m e n s (s. die n ä m l i c h e Zeitschrift, S. 1179); an diesen u n d an die durch ihn angeregten Fragen schließen sich die vorliegenden Bemerkungen an.
BEMERKUNGEN
ZUR
Zunächst Aristoteles Darstellung
GESCHICHTE
DER
sei hervorgehoben, habe
und
USW.
217
daß die A n g a b e auf
die Destillation
des Alkohols,
DESTILLATION
„in
unserem
die hierzu
S. 16,
Sinne",
nötigen
die
Destillier-
geräte g e n a n n t , d u r c h a u s unrichtig und sachlich ganz u n h a l t bar ist.
In Wirklichkeit k e n n t weder A r i s t o t e l e s ,
gesamte
Altertum
Destilliergeräte, Gewinnung
eine
eigentliche
Destillation
noch das
und
auch f i n d e t sich bei A r i s t o t e l e s
des Alkohols durch
die geringste A n d e u t u n g .
Destillation
von
wahre
über
eine
Wein
nicht
Betreffs aller hierhergehöriger Einzel-
heiten m u ß ich b i t t e n , meinen
ausführlichen A u f s a t z :
„Che-
misches und Alchemisches aus A r i s t o t e l e s " zu vergleichen; 1 auf
seinen
hauptung leider
Inhalt vor
jedoch
die
aber
nur
zur
habe
ich
H. S c h e l e n z , 2
zwei
Jahren
aufstellte,
ohne
Erfolg.
Wirkliche
(hauptsächlich Gewinnung
wegen
als er seine
Be-
hingewiesen, 3
bereits
Destillationsapparate,
der
mangelhaften
Kühlung)
hochsiedenderer
Flüssigkeiten
brauchbar
waren, besaßen nachweislich erst die hellenistischen Ä g y p t e n s in den ersten nachchristlichen
Chemiker
Jahrhunderten;
sonst w ü r d e m a n daher die A u f f i n d u n g von
um-
„Beschreibungen
oder N a c h b i l d u n g e n " erwarten, die uns lehren sollen, wie der Apparat
aussah,
Meerwasser
in
und
dem
Wein
Aristoteles
beobachtete
die
oder
Destillation
„hätte
von
beobachten
k ö n n e n " (S. 18), u n d in dem d a m a l s vielleicht „schon
Rosen-
wasser destilliert w u r d e " (ebd.). Auch die Angabe, diese letztere K u n s t sei zuerst
in Persien
erfunden und seitens der
Alten
„sicherlich" in größerem M a ß s t a b e betrieben worden (S. 68, 27), ist völlig irrtümlich, denn erstens können die a n g e f ü h r t e n j ä h r lichen
Tribute
destilliertes
von
Rosenwasser
Rosenwasser
an
die
Kalifen
betreffen (z. B. die 30000
auch
un-
Flaschen
f ü r M a m u n ) , zweitens fallen sie erst in das 9. und 10. J a h r h u n d e r t , also in eine Zeit, die allerdings eine eigentliche und verbesserte 1
(1910).
(aber
z. B.
zur
Darstellung
des
Alkohols
noch
Archiv für die Geschichte der Naturwissenschaften, Bd. 2, S, 233—300 2 3 „Zeitschr. f. ang. Chemie", Bd. 23, S. 1979 (1910). ebd., S. 2206.
2 1 8 BEMERKUNGEN
nicht
ZUR
ausreichende)
GESCHICHTE
Destillation
DER
schon
DESTILLATION
kannte,
US PK
und
drittens
ist, entgegen dem auf S. 143 und 144 Gesagten, nichts sicherer, als d a ß die K e n n t n i s s e der griechischen Chemiker den a. a. 0 . genannten
Völkern,
und
speziell
den
Persern,
gerade
syrischen u n d arabischen E i n f l u ß zugetragen w u r d e n .
durch
Dement-
sprechend gibt es auch f ü r die E r f i n d u n g der Destillation
in
Persien keinen einzigen Beleg, und ebenso v e r h ä l t es sich betreffs des „ W u n d e r l a n d e s C h a m " , d. h. des a l t e n Assyriens, kennt
Indiens, u n d Chinas (S. 20).
man
zwar
seit
Ägyptens,
In letzteren
alters her gegorene und
Länder
berauschende
Getränke, aber noch im späteren Mittelalter keine destillierten und daher auch keinen Alkohol; d a ß die Destillation in China oder
Indien e r f u n d e n worden sei (S. 39), ist daher eine ganz
irrige A n n a h m e , u m so mehr, als die in weit
vorgerückterer
Zeit daselbst b e n u t z t e n A p p a r a t e noch „wesentlich", ja „ g a n z und
gar",
den T y p u s
der griechischen
zeigen (S. 3 9 f f . ; vgl.
auch S. 130 und 137 ff.); nicht minder wie die herrschend gewordenen
chemischen
Quecksilbers,
usf.)
(nestorianische)
Theorien
verraten
oder
arabische
in Asien w e i t v e r b r e i t e t e
(Rolle
des
auch
die
eben
Wort
Schwefels Geräte
Vermittlung. „Arrak"
Was
und. b e d e u t e t Autoren
bei
den
ursprünglich
z. B. auch
syrischen,
persischen
wirklich
das destillierte W a s s e r ;
das
auch
b e t r i f f t (S. 130),
k o m m t es von „ a l - r a k " = das Geschwitzte ( = alles
und
syrische so
alfrähsudor) und
arabischen
„Übergeschwitzte",
erst im
Laufe sehr
späterer Zeiten verblieb der N a m e einem der wichtigsten p a r a t e dieser Art, etwa ähnlich wie „ S u b l i m a t " dem
viel Prä-
Queck-
silberchlorid. Auch
die „ f r ü h e B e k a n n t s c h a f t
des A l t e r t u m s
mit
dem
griechischen Feuer, d. h. einem T e r p e n t i n d e s t i l l a t " , ist keineswegs
ein
Beweis f ü r die „ V o r n a h m e
von
Destillationen
im
g r o ß e n " (S. 20), denn griechisches Feuer w a r kein T e r p e n t i n destillat,
sondern
vermutlich
eine Mischung
aus
gebranntem
Kalk mit Erdölen, sowie mit Lösungen von Harz, Teer u. dgl.
BEMERKUNGEN
ZUR GESCHICHTE
DER
DESTILLATION
USW.
in diesen, ferner ist sein Gebrauch nicht im A l t e r t u m
219
nach-
weisbar (am wenigsten im f r ü h e n ! ) , sondern erst im 7. n a c h Jahrhundert.1
christlichen
Auf S. 25 t a u c h t das Gespenst des G e b e r ,
als eines a r a -
bischen Chemikers des ausgehenden 8. J a h r h u n d e r t s a u f ; seine Schriften sind aber doch nicht n u r „allerdings in ihrer heit
angezweifelt",
13. J a h r h u n d e r t Geber durch
sondern
aller
untergeschoben
um 800 Essigsäure, Destillation
„hier zuerst
mit
Bestimmtheit
erwiesen.
Weder
Salpetersäure, und
dargestellt,
noch
aus
Echtals
hat
im
daher
Schwefelsäure
Weißwein
Alkohol,
Lebenswasser g e n a n n t " ; was auch arabische Al-
chemisten so bezeichnen und deren lateinische Übersetzer m i t „ a q u a v i t a e " wiedergeben, h a t ü b e r h a u p t gar nichts mit Weingeist zu t u n , sondern ist das m y t h i s c h e „ W a s s e r des Lebens, äduvaaiac,
f dofiuxov"
der
hellenistischen
diesen wieder aus ägyptischen
Chemiker,
Quellen s t a m m t ,
das
bei
in denen
es
als eine E r f i n d u n g der Göttin I s i s ausgegeben wird. Daß
Chemiker
der arabische
und
Arzt
Räzi
(Rhazes)
um 900 n. Chr. Alkohol „zweifellos k a n n t e und in schon f a s t vollendeten eine
ganz
Geräten irrige
Schriften v e r r ä t
darstellen
konnte"
Voraussetzung, eine
Spur
denn
derartiger
(S. 29), ist keine
ebenfalls
seiner
Kenntnisse.
echten
Von
dem
spanisch-arabischen Arzte A b u l k a s i m (um 1000 n. Chr.) heißt es S. 34: „ E r destillierte W e i n " , aber auch diese B e h a u p t u n g wird durch seine W e r k e nicht b e s t ä t i g t ; dem A r n o l d v o n V i l lanova Weingeist
(2. H ä l f t e schon
des
13. J a h r h u n d e r t s )
wohlbekannt,
2
und
ist
allerdings
er bezeichnet
ihn
der u. a.
auch als „ a q u a v i t a e " (S. 35), aber unbewiesen und bei ihm ganz
unbegreiflich
bleibt,
daß
er sein
Weindestillat
„zuerst
A l k o h o l b e n a n n t e , nach dem arabischen W o r t Kochl f ü r fein1
Siehe meine „Abhandlungen und Vorträge" Leipzig 1906), S. 131. Die Verstärkung des Weingeistes mittels Alkalis (das wasserentziehend wirkt) und durch die fraktionierte Destillation (vgl. S. 69) beschreibt L u l l , dessen chemische Werke aber sämtlich erst um und nach 1300 untergeschoben sind. 2
220
BEMERKUNGEN
ZUR
GESCHICHTE
DER
DESTILLATION
USW.
verteiltes A n t i m o n " (richtiger: Schwefelantimon), vielmehr r ü h r t diese
ganz
willkürliche
Übertragung
erst
von
Paracelsus
her, m i t dessen Gewohnheiten sie in v o l l k o m m e n e m steht.
Bei diesem Anlasse sei e r w ä h n t ,
auch
die
spätere
Paracelsus
Umdeutung
zuzuschreiben
von
„Clissus"
Name"
so d a ß
vorliegt.
also hier — Daß
Wissens
(S. 119)
dem
ist, w ä h r e n d f r ü h e r e Autoren
W o r t n u r im a l t h e r g e b r a c h t e n Sinne = brauchen,
Einklänge
daß meines
kein
„nirgends
demnach
das
D u n s t oder R a u c h ge-
weder
vorher
erklärter
spanisch-arabische,
noch gar orientalische E r f i n d e r die K u n s t der Alkoholdestillation schon vor leuchtet
1171 nach
Irland g e b r a c h t haben können (S. 96),
ohne weiteres ein: die Nachricht, sie sei dort
1171
sehr b e k a n n t , ja wohl „ b o d e n s t ä n d i g " gewesen und im großen betrieben worden,' b e r u h t sicherlich n u r auf irrtümlichen
Deu-
t u n g e n eines späteren Chronisten, l ä ß t sich aber z u n ä c h s t nicht weiter p r ü f e n , da ihre Quelle auf S. 96 nicht angegeben schon die B e m e r k u n g , der Alkohol sei „ W a s s e r des
ist;
Lebens"
(keltisch = W h i s k y ) g e n a n n t u n d aus Gerste gewonnen worden, d e u t e t aber, nach allem, was m a n bisher weiß, auf auswärtige u n d ganz b e d e u t e n d s p ä t e r e H e r k u n f t . Weitere
Irrtümer
entspringen
dem
Umstände,
daß
S c h e l e n z bei A b f a s s u n g der Geschichte der Destillation offenb a r nicht oder doch nicht ausreichend auf die ältesten Originalquellen
zurückging,
Chemiker, syrischen diesen
zu
ansieht.
sowie und
der
ich
ist,
auf
die W e r k e der
unmittelbar
arabischen,
finden Da
nämlich
für
und
aus
daher
diesen
vieles,
Errungenschaften
griechischen schöpfenden
was
schon
neuerer
in
Zeiten
mich m i t jenen Autoren über Chemie
und
Alchemie (für welche K u n s t a b e r der S. 146 zitierte Ausdruck äyia
rt/vi]
und
demnächst
handlung:
niemals
vorkommt)
seit J a h r e n b e s c h ä f t i g t h a b e
an die Niederschrift einer ausführlichen
„Entwicklung
gehen zu k ö n n e n
und
Ausbreitung
der
Ab-
Alchemie",
hoffe, so b e s c h r ä n k e ich mich, wie weiter
oben so auch hier, vorerst d a r a u f , ohne A n f ü h r u n g der einzelnen
BEMERKUNGEN
ZUR
GESCHICHTE
DER
DESTILLATION
Belegstellen n u r die T a t s a c h e n zu erwähnen.
USIV.
221
Den hellenistischen
Chemikern schon w o h l b e k a n n t w a r u. a.: 1. Die Digestion im Dünger (S. 91).
2. Die Sublimation
(und die von ihr
durch
lange Zeit nicht scharf g e t r e n n t e Destillation) u n t e r B e n u t z u n g des einseitig geschlossenen „ b l i n d e n " Rohres aus Ton, Glas usf. (S. 32), — daher arabisch ,,al a t a l " oder ,,al u t a l " , z u s a m m e n gezogen „ A l u d e l " , d. i. „ d a s R o h r " .
3. Die Sublimation
aus
einem Gefäße in ein mit ihm f e s t v e r b u n d e n e s zweites, d a r ü b e r befindliches, sowie die Destillation (hier im alten ursprünglichen Sinne de-stillare = h e r a b - t r o p f e n ) in ein ebensolches
darunter
gesetztes: „ G e f ä ß über G e f ä ß " , bei den Persern und „but-ber-but",
woraus
spätere
„ b o t u s b a r b a t u s " bildeten, oder
dergl.
den
Arabern Ausdruck
der also nicht (S. 51) mit ßörQv
zusammenhängt,
auf S. 29 zu erklären ist.
Alchemisten
sondern
gemäß
der
Andeutung
4. Der Gebrauch schlangenförmiger
Kühlrohre, der daher nicht erst im 15. oder 16. J a h r h u n d e r t e a u f k a m (S. 51, 57, 64). schieden
gestalteten
5. Die A n w e n d u n g von allerlei ver-
Gefäßen
und
Kolben,
u. a.
genannt:
7 t d l i j (daher Fiolen, Filiolen, Violen, S. 52); „ E i der sophen", S. 5 3 ) ;
in
d. i.
der
hetosti'is
latinisierter
Chemiker oder
Form
(daher
fieroi^ic,
Quelle
Ovum
(von
des
Philo-
philosophicum,
fiirpov
=
französischen
das
Maß),
matras,
das
also keinesfalls aus dem Keltischen s t a m m t , u n d auch frei von „phantastisch
geschlechtlichen
(jtxvu = Gurke
oder
Kürbis
Beziehungen" (Cucurbita),
ist,
S. 51 ff.);
ursprünglich
den
Schröpfkopf bezeichnend und u n t e r diesem N a m e n z. B. noch im 5. J a h r h u n d e r t (daher
arabischer
Zeit
Kunstausdruck und die
31
bei C a e l i u s
ist die „ G u r k e "
„ d a s erstemal
Aurelianus nach
oft a n g e f ü h r t
S. 30, erst in
jüngerer
zu f i n d e n , als die später
als
gängige C u c u r b i t a " , vielmehr weist der S. 28
angezogene
richtige
nicht,
Quelle),
„Vergleich usf.
mit
6. Das
einem
Schröpfkopf"
„Beschlagen"
der
auf
Gefäße
mit Ton, die A n f e r t i g u n g tönerner Ein- u n d Unterlagen (S. 31), sowie das Dichten, Verbinden
oder
Lutieren
mit
dem
„Ton
222
BEMERKUNGEN
ZUR GESCHICHTE
DER
DESTILLATION
USW.
der P h i l o s o p h e n " (S. 54, 67, 117), u n d das Verschließen genau passenden, eingedrehten
Stöpseln.
7. Der
mit
„hermetische
V e r s c h l u ß " , den also L i b a v i u s ( u m 1600) tatsächlich „ ä l t e r e n Vorbildern"
entlehnte
(S. 55).
8.
Der